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German Pages 184 [208] Year 1929
D E R
I N D I S C H E
G E I S T
TEXTE ZUM WESEN DER INDISCHEN WELT
HERAUSGEGEBEN VON
HEINRICH
ZIMMER
D R U C K
V O N
R . O L D E N B O U R G ,
M Ü N C H E N
GANESCHA Pasangrahan (Java)
SPIEL UM DEN ELEFANTEN EIN BUCH VON INDISCHER NATUR
VON
HEINRICH ZIMMER
MIT 10 A B B I L D U N G E N
MÜNCHEN UND BERLIN 1929
VERLAG VON R.OLDENBOURG
I N H A L T
VORSPIEL SPIEL UM DEN ELEFANTEN
1 89
Eingang
91
I.
Vom Ursprung der Elefanten
92
II.
Glückbringende Zeichen
100
III.
Unglückbringende Zeichen
102
IV.
Zeichen langen Lebens
103
V.
Zeichen der Lebensalter
104
VI.
Erörterung der Maße
108
VII. Von den verschiedenen Preisen
110
VIII. Von den Merkmalen des Wesens
111
IX.
Arten deB Rausches
115
X.
Vom Fang der Elefanten
118
XI.
Pflege der Elefanten nach Tages- und Jahreszeiten
121
XII. Von den Eigenschaften des Lenkers usw
128
NACHSPIEL
135
INDEX
180
TAFELN
Bei indischen Worten ist c wie tsch, ch wie tsch mit nachfolgendem Hauch und j wie dsch auszusprechen.
V O R S P I E L
,Die Idee des Elefanten igt unvergänglich14
Soli o p e n ha a er
„ D E R E L E F A N T I S T , WENN WIR U N S S E L B S T NICHT MIT-
zählen wollen, das beträchtlichste Geschöpf dieser Welt," — so hebt Buffon das Elefantenkapitel seiner Naturgeschichte an und gibt, graziös und gravitätisch weiterschreitend — „le style c'est l'animal" — die Begründung: ,,Er fibertrifft alle Lebewesen der Erde an Größe und kommt an Klugheit dem Menschen nahe, — wenigstens soweit, wie die Materie dem Geiste nahekommen kann." In Buffons klassischer Darstellung erstrahlt der Elefant noch einmal in der vollen Glorie von Größe und Weisheit, mit der abendländische Betrachtung ihn umgeben hat, seit er zu Alexanders und Aristoteles' Zeiten imponierend, feierlich und gewandt in ihren Gesichtskreis trat, — noch unverwölkt durch die Kritik neuzeitlicher Tierpsychologie und unverkleinert von den Maßen vorzeitlicher Riesenskelette, in deren Schatten er verzwergt. Buffon ruft Aristoteles und Strabon als Kronzeugen für sein Urteil auf und zieht noch einen Gewährsmann des alten Zoologen Geßner an, der sich etwas unbestimmt, aber deutlich genug ausdrückt: „Ich habe manche Elefanten gesehen, die mir intelligenter vorkamen, als die Menschen mancher Gegenden." — Der Chorus der Alten ist sich über die einzigartige Intelligenz und Vernünftigkeit des Elefanten einig, und die erbaulich-reizenden Geschichten, die Plinius und Plutarch, Aelian und Oppian von ihm berichten, haben das Entzücken des Abendlandes gebildet, solange es klassisch gebildet war. Über die Tierbücher des Mittelalters — die „Bestiarien" — flössen sie in die namenlose Überlieferung des Volkes. Die neuere Zoologie hat dem Elefanten viel von seinem geistigen Nimbus genommen. Sein Ruhm verblaßte, als man Gehirngewicht durch Leibesfülle dividieren lernte, um Intelligenz bis auf Bruchteile zu errechnen, seit in der Psychologie des Elefanten Eindrücke afrikanischer Nimrode Gewicht erlangten 3
u n d seine Gefangenwärter in Zoo u n d Zirkus ihre Beobacht u n g e n über sein Verhalten in lebenslanger, ihm ungemäßer H a f t ernstlich zur Erkenntnis seines Wesens auszuwerten wagen d u r f t e n . I m m e r h i n : — die grandiose melancholische Einsamkeit des Elefanten in Tier- u n d Menschenwelt von heute, die alle ernsten Elefantologen seit dem Altertum instinktiv empfanden, h a t i h m die moderne Zoologie — durch Blutuntersuchung — wissenschaftlich bestätigen müssen. Sie erkannte in ihm eine Art Urgroßneffen des Mastodon und befreite d a m i t den letzten Sproß ältesten Uradels u n t e r den Säugetieren der Schöpfung aus der entwürdigenden Verwandtschaft von Tapir und Rhinozeros u n d anderen spät emporgekommenen Dickhäutern. Eine seiner großen Erscheinung entsprechende Darstellung ihm zu schenken — wie Indien sie in seinem medizinischen Korpus „ D a s Wissen vom langen Leben der E l e f a n t e n " besitzt, — f a n d sie freilich keinen Anlaß. Umfassend h a t sich gelehrter Fleiß bei uns wohl zum letzten Male mit dem großen Tier beschäftigt, als der Mainzer Domherr Georg Christoph Peter von Hartenfels seine Gelehrtenlaufbahn 1714 mit einer „Elephantographia Curiosa" (Abb. 1) krönte (II. verbesserte Auflage 1723). — Wer kennt sie heute ? In älteren Bibliotheken k a n n m a n sie neben Thomas Bartolinos „Neuen Beobachtungen über das E i n h o r n " (1643, I I . Aufl. 1678) auf Regalen finden, zu deren anmutigen alten Bänden sich selten ein Blick verliert. Zeitgenössische, vielleicht allzu nahestehende Kritik feierte den Autor, sein Lebenswerk aufzählend, als Herkules der Wissenschaft, „ein jeder meinete, Alcides stritte hier. Doch h a t der heiße Fleiß sich noch nicht gnung geübet: Diß Werk beweiset es / d a ß er uns jetzo giebet: Mein Petri ruhet n i c h t : sein Geist ist so e n t b r a n n t / D a ß E r sich auch gemacht an stärcksten E l e p h a n t . R ü m p f f Momus N a ß ' und Maul: es zeugen doch die Wercke Von seiner Sinnen-Krafft u n d seines Geistes Stärcke." — es war f ü r Dr. h . c. von Hartenfels nämlich kein ganz leichtes Stück, seine Elefantologie zum stattlichen Monument zu t ü r m e n , u n d er entschuldigt sich beim Leser, d a ß er sie nicht f r ü h e r fertig bekommen habe. Aber das h a t t e 6eine 4
Gründe, „unter denen der vornehmlichste dieser ist, daß dieses Tier in Deutschland äußerst selten ist" und er selbst „nur einen einzigen zu Gesicht bekommen hat". — Aber was ihm an Fülle der Anschauung versagt blieb, besaß er an Buchwissen: er hat die antike Literatur durchgepflügt nach Stellen, wo sie den Elefanten erwähnt oder nur sein Elfenbein. Sei's auch nur, daß Horaz erklärt, sein bescheidenes Dichterheim habe keine elfenbeingetäfelte Decke — Dr. Hartenfels verzeichnet es mit einem kleinen stillen Leuchten. Dafür bekam er auch den Erfurter Doktorhut honoris causa, bei dessen öffentlicher Verleihung er eine Lobrede — oratio panegyrica — auf den Elefanten hielt. Wertvoller als sein Schmöcker und immer noch unveraltet ist die liebevolle „Histoire militaire des Eléphants" des Chevalier P. Armandi (Paris 1843). Schwermütig-ironische Situation : Ein pensionierter Artillerieoberst des Bürgerkönigs folgt den Elefanten auf die Schlachtfelder des Altertums, der Sassaniden und indischen Muslims, bis die Feuerwaffe ihrer kriegerischen Laufbahn ein Ende macht. Martialisches Biedermeier: Ein Artillerist singt dem größten beweglichen Ziele, das ihm vor seine Waffe kommen könnte, den militärischen Schwanengesang: Als Gegenstand und Autor treffen sich die beiden friedlich, die sich im Kampfe nicht begegnen konnten. Die Sanskritphilologie hat ihr Interesse am Elefanten schon in ihren Anfängen bekundet. Einer ihrer Begründer in Deutschland, August Wilhelm v. Schlegel, veröffentlichte 1820 ein Essay „Zur Geschichte des Elefanten" (Indische Bibliothek Bd. I). Er verbreitet sich über antike Nachrichten von Ktesias ab, die Armandi für die Kriegsgeschichte gründlicher ausgeschöpft hat und bringt als erster originale indische Äußerungen aus Manus Gesetzbuch, Tierfabel und Epos. Erste Brocken fachwissenschaftlicher Einzelarbeit im Stile des neuen Jahrhunderts werden von der selbstgefällig-altbackenen Preziosität, die dem alternden großen Wegbereiter durch weite Neulande literargeschichtlicher Wissenschaft eignet, in die schwungvolle Weite abklingender Polyhistorie der vergangenen Epoche gebettet. Hier soll Indien selbst als Heimat des Elephas maximus (Loxodonta indicus), der sich durch Anmut und Würde der 5
Erscheinung vor seinem afrikanischen Verwandten auszeichnet, zu W o r t kommen. Nicht mit einer Sammlung zahlloser Äußerungen, die es dem bedeutenden Geschöpf gewidmet h a t , oder all den Geschichten, die es über alle Zeiten von ihm erzählt h a t , sondern im wesentlichen mit einem kleinen Spezialwerk der Elefantenkunde, d e m „Spiel u m den E l e f a n t e n " 1 , und mit Auszügen aus dem großen Korpus der Elefantenmedizin, d e m „Veda ( = Wissen) vom langen Leben der Elefanten"2. Eines sind wir selbst: unsere N a t u r , unser Wesen, — ein anderes unser Ruf und R u h m . Das eine sind wir in Wirklichkeit u n d Nähe, das andere in Ferne u n d Fabel. Die „Elephantographia curiosa" h a t , antiken Quellen vertrauend, über den Elefanten mehr Material zur „Geschichte seines R u h m s " zusammengetragen, als d a ß sie seine Wirklichkeit erfaßte (obwohl sie das Erbe der Alten mit neueren Berichten mengte). Denn seine einzigartige Gestalt, sein bedeutendes Wesen wahrte dem Elefanten die W u n d e r a u r a von Ferne und Fabel, auch als er der alten Welt seit Alexanders Zeit v e r t r a u t e E r scheinung w a r d : — m i t k ä m p f e n d in den Heeren der Diadochen, in den Schlachten P y r r h u s ' und der Karthager, würdig einherschreitend im S t a a t s p o m p der Ptolemäer und den Festzügen der Römer, Opfer und Dressurnummer der Zirkusspiele. Die antike Literatur überliefert viele erbaulich-heitere Geschichten, die von der hohen Klugheit u n d dem feinen Gefühl 1 „Mätangalilä" des Nilakantha, herausgegeben von T. Ganapati Schästri, Trivandrum Sanskrit Series, Nr. X, 1910. Der T e x t ist in Versen. — I m folgenden mit „ S p " zitiert (die einzelnen Stücke mit römischen Ziffern).
* „ H a s t y ä y u r v e d a " , herausgegeben von Schivadattascharman, Anandäschrama-Sanskrit-Series, Nr. 26, Poona 1894. — I m folgenden ohne Titel nach den vier Büchern (in römischen), nach den Kapiteln in arabischen Ziffern zitiert. Vidyatosa Bhattacarya und G. K. Shrigondekar nennen in einem Artikel „Sanskrit Works on E l e p h a n t s " (The J o u r n a l of the Bihar and Orissa Research Society, Vol. X , P a r t I I I , September 1924, P a t n a ) als weitere Werke über Elefanten „ G a j a n i r ü p a n a " , „ G a j a c i k i t s a " oder „ G a jalakshana". Vom letzten befinden sich zwei Handschriften (Nr. 6474 und 12463) in der Central Library Baroda.
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des Elefanten handeln. Sie sollen dafür zeugen, daß er sich weit über die allgemeine Unvernunft und Roheit des Tieres, fast bis zur Höhe des Menschen erhebt. Die Mehrzahl findet sich bei Aelian, Plutarch und Plinius. In Alexandria, so erzählt Plutarch, war ein Elefant glücklicher Nebenbuhler des Grammatikers Aristophanes, der sich um die Gunst eines Blumenmädchens bemühte — „und der Elefant gab seine Neigung nicht weniger deutlich zu erkennen. So oft er am Obstmarkt vorbeiging, brachte er dem Mädchen Früchte, blieb eine Weile stehen, steckte den Rüssel wie eine Hand in ihren Busen und befühlte sanft die Brüste",— eine Vertraulichkeit, um die Aristophanes ihm gram sein mochte. Im römischen Zirkus wurden Elefanten zu allerhand schwierigen Kunststücken abgerichtet. Plutarch erzählt von einem, der seinem Wärter viel Kummer machte, weil er sich ungeschickt dabei benahm und bei den Vorstellungen versagte. Aber wer beschreibt Staunen und Rührung des enttäuschten Wärters, der das Tier schalt und strafte, als er bei einer nächtlichen Runde durch die Ställe den Elefanten überrascht, wie er einsam und still im Mondschein seine Lektion wiederholt und sich einübt! Von einem Elefantenweibchen erzählt ein griechischer Historiker1, wie es beim Wiegenkinde seines Wärters Mutterstelle vertreten habe. Die Mutter des Kindes starb plötzlich, aber die Elefantin wich nicht von der Wiege und wachte darüber, daß der Säugling seine Milch zu den richtigen Zeiten bekam, — sonst nahm sie selbst kein Futter an. Sie wedelte dem schlafenden Kinde die Fliegen weg und wiegte es, wenn es schrie, in Schlaf. „Und all das," heißt es, „tat auch das Elefantenmännchen zu vielen Malen." Besonders ehrwürdig aber und dem Menschen nahe dünkte der Elefant der antiken Welt, weil auch er die göttlichen Mächte erkennt und verehrt. Plinius erzählt von den Elefanten der Berge Nordafrikas, daß sie beim Schein des neuen Mondes zu einem Flusse herunterwandeln, sich feierlich in seinem Wasser reinigen, die Rüssel anbetend zum Nachtgestirn erheben und dann wieder in ihre Wälder heimkehren. Ja, daß 1
Phylarch, überliefert bei Athenäus XIII. 85.
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sie auch um die Bedeutung des Eides als eines religiösen Brauches wüßten und sich von den Schiffsleuten, die sie übers Meer in unbekannte Fernen entführen wollten, schwören ließen, daß sie wieder in ihre Heimat zurückgebracht würden. Sonst seien sie nicht zu bewegen, daB Schiff zu betreten. Viele solcher Geschichten stammen aus einem verlorenen Elefantenbuch des Königs J u b a von Mauretanien, das der afrikanische Fürst dem Kaiser Augustus widmete,— zum Dank für seinen kleinen Thron, den er vom Kaiser zurückerhielt, nachdem Cäsar ihn eingezogen hatte, weil J u b a im Bürgerkriege aufseiten der Pompejaner gekämpft hatte. Damals war der afrikanische Elefant noch nicht von der Mittelmeerküste ins Innere des Erdteils entschwunden, und so erzählt Juba nach Plinius Notiz —, „daß die Elefanten ohne Unterweisung zu den Göttern beten, indem sie sich mit Meerwasser besprengen und die aufgehende Sonne verehren, indem sie den Rüssel wie eine Hand ausstrecken". — Kein Wunder, wenn Plinius berichtet, ein Elefant habe eine griechische Weihinschrift verfaßt, die in Puteoli zu sehen war, oder wenn Plutarch den Elefanten chirurgische Geschicklichkeit nachrühmt: „Sie stehen den Verwundeten bei und ziehen ihnen die Spieße, Lanzen und Pfeile geschickt und ohne Schaden oder Verletzung aus. — Der Elefant des Königs Porus zog seinem in der Schlacht gegen Alexander schwer verwundeten Herrn mehrere Geschosse sanft und schonend mit dem Rüssel heraus. Und obgleich er selbst bereits übel zugerichtet war, gab er doch nicht nach, bis er merkte, daß der König durch den Blutverlust entkräftet niedersinke. Da ließ er sich langsam, damit der König nicht herunterfalle, auf die Erde nieder, daß jener ohne Schaden herabgleiten konnte." — Begreiflich, daß solche Klugheit böse Streiche fein zu ahnden wußte — etwa, daß der Elefant dem Wärter, der ihm Steine und Erde unters Futter mengte, dafür Asche ins Kochfleisch warf oder, vom Wärter um die halbe Ration betrogen, als er im Beisein seines Herrn die ganze vorgelegt bekam, die eine Hälfte von sich wegschob, „womit er so verständig wie möglich den Betrug seines Wärters anzeigte". — Er ist der Überlegene: Bedacht und witzig in der Abwehr von Bosheit, aber auch gütig, verstehend und maßvoll. Plutarch erzählt von einem Elefanten, den in Rom 8
die K n a b e n neckten, indem sie ihn mit ihren Schreibgriffeln i n den Rüssel stachen. „ E r ergriff einen von ihnen u n d h o b i h n in die Höhe, — es schien, er wolle i h n auf den Boden s c h m e t t e r n . Aber auf das Geschrei der Umstehenden setzte er ihn s a n f t wieder ab u n d ging seines Weges, indem er den Schrecken f ü r eine genügende Strafe des kleinenKnaben h i e l t . " Solche wunderbaren Ansichten u n d Geschichten v o m Elef a n t e n erbauten das Mittelalter, B r u n e t t o Latini, der Lehrer D a n t e s zeichnete sie in seinem „ T e s o r o " auf, Leonardo da Vinci in seinen ,.Allegorien", und sie klingen noch in der volkstümlichen Naturkunde unserer Zeit nach. — Indien ist sich mit den Alten wie den Neueren, mit P l u t a r c h wie Buffon, in der besonderen Einschätzung des E l e f a n t e n einig: „ U n t e r allen Geschöpfen ist der Mensch das höchste, unter den Tieren der E l e f a n t " (III. 7) — aber von diesen Zügen seines Wesens weiß es nichts. Indien h a t das Wesen der Tiere in keiner N a t u r k u n d e gespiegelt, aber in seinen Tierfabeln. Sie sind eine der bezeichn e n d e n Äußerungen Indiens und liegen als Stoff oder Anregung gewiß den antiken (Äsop u n d Phädrus) zugrunde, wie sie mittelbar oder geradezu die abendländische Tierfabel i m m e r wieder angeregt haben, bis zu Lafontaine u n d Lessing — bis zu „ T s c h i t r a k a r n a " ( = „ B u n t o h r " ) , dem vornehmen Kamel Gus t a v Meyrinks. Sie sind der natürliche Ausdruck des Lebens, das sich eines weiß in Mensch und Tier u n d über Tode ohne Zahl in unermüdetem Gestaltwandel zu neuem Dasein d r ä n g t . Mensch wandelt sich zu Tier und Tier zu Mensch im Kreislauf der Geburten nach dem Maße seiner Reife in Güte u n d E r kenntnis. Wenn der Buddha als E r w a c h t e r den anfangslosen Weg zahlloser Leben überschaut, der ihn u n t e r den „ B a u m des E r w a c h e n s " geführt h a t , sieht er sich bald als Tier u n t e r Tieren, als Mensch mit Menschen, bald als Tier in Schicksalsgemeinschaft mit Menschen verwoben. Aber diese Tiergeschichten, die der Buddhismus stückweis in den Wandel des werdenden Buddha aus d u m p f e m Dasein zur Helle des „ E r wachens 1 ' verwebt, sind ursprünglich dem erhabenen Sinn solchen Weltalter langen Entwicklungsganges — wie m a n B u d d h a wird — fremd. Sie sind, wie die Tierfabeln des We9
stens, die von ihnen angeregt wurden, Lehren der Lebensklugheit in Erzählungsform. Die verschiedenen Tierarten: Löwe und Maus, Hase und Elefant, Affe oder Schildkröte, stellen eindeutiger als menschliche Gestalten typische Charaktere und Anlagen dar, — in Kraft und Ohnmacht, Großmut und Feigheit, List und Dumpfheit, Vorwitz und Arglosigkeit. Ihre Begegnungen in Nöten und Kämpfen, natürliche Feindschaften unter ihnen, ihre Verbundenheit in Freundschaft und Gefahr sind geeignet, typische Situationen menschlicher Gesellschaft, des Lebenskampfes unter Menschen zu bezeichnen. Das Leben der Tiere — bedroht von Gewalt, sich ihrer erwehrend, ständig preisgegeben sich behauptend — ist ein Spiegel unseres Daseins. Ist als sein Gleichnis ideal mit seinen knappen und eindeutigen Zeichen. Als Klugheitslehre zeigt die Tierfabel gern, wie der Schwache sich durch List oder Bündnis mit anderen Schwachen gegen den Starken und den Übermut seiner Gewalt zu wehren vermag, wenn der Starke arglos und simpel ist. Ein solcher Simpel seiner Stärke ist für sie der Elefant. Er ist harmlos, nicht bösartig von Natur. Aber unachtsam. Er stiftet Schaden, ohne zu wollen, ohne zu wissen. Mit seinem gewaltigen Leibe, seinem unwiderstehlichen Ungestüm bricht er sich Bahn durch jedes Dickicht. Tritt achtlos nieder, was ihm in den Weg kommt, besonders wenn der Durst ihn quält — und er braucht viel Wasser —, oder wenn der Brunstrausch ihn toll macht. Was seine Bahn sperrt, wird zerknickt, zermalmt. Verwüstung bezeichnet den Weg der Herde. Aber die kleinen Häslein 1 , die sein Gang achtlos zertritt, sind schlauer als der arglose, leicht schreckhafte Dickhäuter. Sie wissen sich bei ihm durch List — durch die Vorspiegelung hoher Beziehungen — Respekt zu verschaffen. In der Regenzeit bleibt einmal der Regen aus. Das ist für Elefanten sehr schlimm. Denn bei Mangel an Wasser zum Trinken und Baden werden sie schnell augenkrank. Eine Elefantenherde stürzt sich wie blind in einen Teich, an dessen Ufer ein Hasenvolk 1 Hitopadescha III. 3 (übersetzt von Johannes Hertel in Reklams Universalbibliothek, Nr. 3385/87).
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haust. Dabei werden viele Hasen zertrampelt. Und die überlebenden fürchten mit Recht, weiteren Badegängen der Elefanten beiläufig zu erliegen. Aber ein alter Hase weiß Rat. In Indien trägt der Mond — wie bei uns den „Mann im Monde" — einen Hasen in seiner Scheibe und wird auch danach benannt. So naht sich der alte Hase als Abgesandter des Mondes dem Leitelefanten der Herde und verkündet ihm den Zorn des Gottes. Die Hasen seien vom Mondgott zu Wächtern jenes Teiches bestellt und durch den Einbruch der Elefanten von seinem geheiligten Wasser verscheucht. Der gutgläubige Elefant ist über dies Vergehen sehr bestürzt und verspricht, mit seiner Herde den Frieden des Teiches zu respektieren. Nicht genug. Er folgt dem Hasen in der Nacht zu seinem himmlischen Schutzpatron, der augenscheinlich in seinem Teiche badet, denn man sieht die Mondscheibe im Wasser. Aber im leisen Spiel der Flut blickt der milde Mond zornverrunzelt — gewiß ist er über die Untat der Elefanten aufgebracht. Um seinen Zorn zu wenden, darf der Elefant vor dem Monde im Wasser feierlich Abbitte tun. — So nutzen die schlauen Schwachen die arglose Gutartigkeit des stärksten Tieres aus, das im sicheren Gefühle seiner Kraft ihre Schliche gar nicht argwöhnen kann. Schlimmer geht es dem Harmlos-Starken, wenn er eitel ist und mit bösartigem Kleinzeug zu tun bekommt. Dann bezahlt er voreiliges Vertrauen mit kläglichem Tode. Das Schakalvolk des Dschungels 1 — ewig hungrig — möchte sich am Riesenbissen eines Elefanten einmal nach Herzenslust mästen. Der Schakal gilt als Ausbund von List und Tücke, Feigheit und Verräterei, und wenn er hoch zu Jahren kommt, sind diese Kräfte in ihm groß. So schickt das hungrig-lüsterne Rudel einen alten Schakal zum Elefanten, um ihm im Namen aller wilden Tiere die Königsweihe anzutragen. An Hand trefflicher Weisheitssprüche erklärt der Schlaue, daß ohne gottgesetzte Königsgewalt auch im Tierreich kein Gedeihen sei. Geschmeichelt und erbaut nimmt der Riese das Anerbieten des verdächtigen Abgesandten unbesehen an und folgt seinem Drängen stracks, auf daß die Königsweihe gleich an ihm vollzogen 1
Hitopadescha I. 8. Zimmer, Spiel am den Elefanten
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werde. Aber der F ü h r e r lenkt seinen ungestümen Gang in einen dicken Sumpf, der das Gewicht des Riesen nicht t r ä g t , indes der leichtfüßige Schakal behend über den trügerischen Grund hinwegsetzt. Der Elefant versackt u n d k o m m t elend u m : Auf seine Klage r u f t der Schwindler die anderen Schakale „ z u H i l f e " , — sie kommen u n d fressen den Wehrlos-Unbeweglichen bei lebendigem Leibe auf, „ d e n n mit Listen k a n n gelingen, was Heldentaten nicht vollbringen". M i t u n t e r gewinnt seine Gutmütigkeit d e m E l e f a n t e n F r e u n d e , die ihn aus Not erretten. Da war ein Dorf in der Wildnis, von Menschen verlassen, von Mäusen desto wimmelnder bevölkert 1 . Unfreiwillig mörderischen Ganges zog eine Elef a n t e n h e r d e durch u n d t r a t viele Mäuse t o t . Aber das t a t den E l e f a n t e n leid u n d sie versprachen, das Mäusedorf auf ihren Wegen k ü n f t i g zu umgehen. Das d a n k t e n ihnen die Mäuse: Als J ä g e r Elefanten der Herde gefangen u n d i m Walde an B ä u m e gefesselt h a t t e n , u m sie später abzuholen, wenn sie vor H u n g e r zahm geworden wären, nagten die Mäuse ihre Stricke durch und befreiten sie. Aber neben der Gutartigkeit des Starken liegt in der N a t u r des E l e f a n t e n unvermittelt der Rausch seiner K r a f t , der ihn jählings b e f ä l l t : — die Tollheit der B r u n s t , die sein mächtiges, dröhnendes Mannsungestüm in aller Herrlichkeit zutage bringt. Achtloser Ü b e r m u t , unbändiger Drang, die Fülle gesteigerter Lebenskraft zu entladen, treibt ihn vernichtenden Ganges einher. D a n n ist nichts vor ihm sicher. Aber ein Bund der Schwächsten k a n n mit vereinter List den Rauschgeblendeten zu Falle bringen 2 . Ein Sperlingsweibchen u n d eine Stechfliege, ein Specht und ein Frosch vereinen ihre unterschiedlichen K r ä f t e , i h m den Garaus zu machen. I m Brunstrausch reißt der E l e f a n t achtlos den Ast eines Baumes ab, auf dem ein brütendes Sperlingspaar nistet. Das Nest fällt zu Boden, die Eier zerbrechen, n u r die Sperlingsfrau entgeht d e m Tode. Ihr Freund der Specht hört ihre Klage u m die gemordete Brut und verspricht ihre Rache. Stechfliege und Frosch, einander 1 1
Pancatantra II. 8 (ed. Hertel, Harvard Oriental Series, Vol. 11). Pancatantra I. 18.
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befreundet, gesellen sich, vom Specht beredet, den schwachen Vögeln, und das Zusammenspiel der so verschiedenen Kleinen fällt den einen Übermächtigen. Das süße Summen des Insekts läßt den Elefanten die Augen schließen — da hackt der Specht sie ihm aus. Den blinden, von Durst gequälten, lockt das Quaken des Frosches in eine tiefe Grube. Der Elefant fällt hinein und kann sich nicht wieder aus ihr erheben. Seine Arglosigkeit und seine Schreckhaftigkeit bringen den Elefanten in die Gefangenschaft des Menschen — seine Lenksamkeit und Langmut können sie ihm erträglich machen. Aber Tiere der Wildnis, die sich nicht gewöhnen und abrichten lassen, wie die Schakale, spotten über den lenksamen Gefangenen. Ihnen kündet die Trommel, die der Lenker des Elefanten anschlägt, um seinem lautlosen Gange durch das Menschengewühl Raum zu schaffen, von der Torheit des Riesen 1 : ,,, Gewichtiger ist Witz als Leibesstärke bloß. Weil er ihm fehlt, ist dies des Elefanten Los. 1 So gleichsam spricht die Trommel, die der Lenker rührt, Wenn er den Elefanten seines Weges führt." Das Denken der Griechen machte den Menschen zum Maß aller Dinge und unser neueres, das ohne ihr Erbe nicht wäre, ist ihnen darin bis heute noch weithin gefolgt. Von der unvergleichlichen Würde, die hier der Mensch als vernünftiges und sittliches Wesen erhielt, konnte ein bescheidener, liebenswürdiger Abglanz auf den Elefanten hinüberstrahlen, weil er, gutartig, gelehrig und mit dem Rüssel geschickt, soviel Menschenhaftes an sich zu haben schien. Diese naive, kühle und kahle Überlegenheit klassischen Menschentums über die Natur, ihre Verwobenheit und Untergründe — in Vernunft vereinsamte Selbstbewußtheit —, die der christliche Mensch übernahm, geben ihrer besonderen Anerkennung des Elefanten etwas von der Törigkeit vieler unserer Zirkusbesucher, die Tiere für klüger als andere halten, wenn sie tanzen und radeln können, oder nach Menschenart musizieren und frühstücken. — Wie anders ist die indische Auffassung vom geheimen Wesen des Elefanten : durchtränkt vom tiefen Aroma der Natur, gesponnen 1
Hitopadescha, Vers 77.
2'
13
aus klarem D u n k e l des Mythos u n d helläugiger Beobachtung, aus Glauben an magische Bande u n d ehrfürchtiger Liebe. Die E l e f a n t e n — so meint der I n d e r — sind eigentlich keine irdischen Geschöpfe. „ I n einem Ei' 4 , so heißt es 1 , „ e n t s t a n d e n die E l e f a n t e n der Vorzeit. U n d das Ei war glühend. Aus Schalen v o m Leibe des Sonnengottes (der als goldgefiederter Vogel aus d e m Ei aufgeflogen war) bestand das Ei. Aus i h m erstand als erster E l e f a n t der herrliche Airävata (— der Elefant, auf dem der Götterkönig I n d r a reitet) 2 . D a n a c h erstand ,Weiß-Lotus' u n d andere E l e f a n t e n aus dem becherhohlen Schalenstück. — I n alter Zeit gingen die Elefanten, wohin es ihnen gefiel, n a h m e n Gestalt an, wie es ihnen gefiel." Das ist ja das Vorrecht göttlicher Wesen vor den irdischen, d a ß sie nicht d u r c h den R a u m gebunden sind u n d ihre Erscheinung beliebig wandeln können. „Sie zogen dahin durch die Menschenwelt u n d d u r c h die Welt der G ö t t e r . " Aber diese Herrlichkeit f a n d ein E n d e d u r c h ihre Achtlosigkeit, durch den arglosen Ü b e r m u t ihres wohligen Kraftgefühls. „ I m Norden v o m H i m ä l a y a " — in jenen unzugänglich-entr ü c k t e n L a n d e n , wo f ü r den I n d e r viel Wunderbares zu Haus ist — „ s t a n d ein gewaltiger Luftwurzelfeigenbaum, zweihundert y o j a n a 3 a u f r a g e n d u n d ebenso breit. Ein Heiliger, ,Lange Askese' mit N a m e n , weilte u n t e r ihm mit seinen J ü n g e r n . Einst k a m e n die E l e f a n t e n zu d e m Feigenbaum u n d ließen sich allzumal auf einem seiner Äste nieder. Aber u n t e r ihrer ungeheuren Last b r a c h der Ast, der h u n d e r t y o j a n a lang war, zur E r d e nieder u n d zerriß rings das Land. Die Elefanten setzten sich allesamt auf einen anderen A s t " — sie konnten ja sonnengleich d u r c h den R a u m fliegen — „aber der Heilige sprach zornerfüllt zu den E l e f a n t e n : ,Von eurem hohen Rausch und Ü b e r m u t liegt hier meine Jüngerschar zerschmettert. D a r u m werdet ihr der Gabe, zu schweifen, wohin es euch gefällt, ledig sein — das ist gewiß. Und d a r u m sollt ihr Elefanten den Menschen als Reittiere d i e n e n . ' " 1
1.1, vgl. Sp. I.
• Abb. 2. 1
1 yojana == ungefähr 10 km. 14
Gegen den Blitzstrahl eines Fluchs, in d e m ein Heiliger die Glut langer Askese e n t l ä d t , sind auch die Götter machtlos. Umsonst, d a ß eine Stimme v o m H i m m e l f ü r die E l e f a n t e n b i t t e t , die als Reittiere d e n Göttern beistanden gegen die Däm o n e n im K a m p f e u m die W e l t h e r r s c h a f t , umsonst, d a ß die „ W e l t e l e f a n t e n " , die das Himmelsgewölbe in allen Richtungen des Horizontes tragen, f ü r ihr Geschlecht beim ,»Ältervater der W e l t e n " B r a h m a eintreten, — E r , der Allwissende, weiß u n d sagt, „die E l e f a n t e n sollen sich nicht b e t r ü b e n . Das Wort, das der Heilige sprach, ist nicht zu w a n d e l n . " — So k a m e n die Elefanten auf die Erde h e r a b . Aber der E l e f a n t ist nicht das einzige Wesen, das vor Zeiten göttlich frei d u r c h den R a u m schwebte u n d erst durch ein grausames Geschick auf die E r d e g e b a n n t ward. Ähnlich erging es — freilich unverschuldet — d e m Pferde. „ G e f l ü g e l t " — heißt e s 1 — „ w a r e n alle Pferde bei ihrem E n t s t e h e n u n d schweiften über den Himmel hin und bewegten sich rings nach ihrem Gefallen wie selige Geister. Schakra (d.i. Indra), der König der Götter, sah sie, die mit Schnelligkeit begabt, ungreifbar, zum F a h r e n geschickt waren, und sprach zu Schälihotra, dem F ü r s t e n der Weisen, der an seiner Seite s t a n d : ,Nichts ist dir unvollbringlich, Heiliger, in allen drei Welten (—auf Erden,in d e r L u f t u n d im Himmel).Darum mach flugs die herrlichen Pferde zum F a h r e n geeignet! — die in Zeiten des K a m p f s i m m e r d a r meinen Wagen ziehen sollen, den Fürsten der Elefanten u n d gewaltig starke Dämonen nicht zu ziehen vermögen!' Da schoß Schälihotra, der große Weise, auf Schakras Wort einen Pfeil ab u n d schnitt mit i h m den Pferden die Flügel ab. — Mit abgeschnittenen Flügeln gingen sie alle traurig, voll großer Schmerzen und b l u t b e d e c k t zum Heiligen und sprachen: , W a r u m hast du uns die Flügel abgeschnitten ? — wir haben doch nichts getan. Kluge hegen solche Absichten nicht. D a r u m sei du n u n aller Pferde Heil u n d Zuflucht, oh Weiser! D a ß wir 1
In „Aschva-cikitsita" ( = „Die Pferdeheilkunst") I. 8 (in „The Asch•a-vaidyaka, a treatise on the veterinary art by J a y a d a t t a Suri, with an appendix containing the text of Nakula'a Aschva-cikitsa. Bibliotheca indica, Calcutta 1887).
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immerdar in Glück und Gedeihen leben mögen, du Stier unter den Weisen!' Da sprach er von Mitleid erfüllt zu den traurigen Pferden: ,Auf Indras Geheiß habe ich euch allen die Flügel abgeschnitten. Darum will ich dafür sorgen, daß es euch gut gehe: Gedeihen schmücke euren Leib und Ehre werde euch in allen drei Welten! Ihr werdet den Wagen Schakras und anderer Götter ziehen — und ebenso voller Ehren die Wagen der Erdbeherrscher. Ein König, der euch immerdar mit gutem Essen und Trinken und anderen Dingen pflegt, wird schwer zu besiegen sein — das ist gewiß. Ihn wird sein Königsglück, dessen Zeichen der Sieg ist, nie verlassen, auch wenn er aller Vorzüge ermangelt und von vielen Feinden umgeben ist. Und ich will ordnen, daß die Menschen höchste Heilkunst zu eurem Gedeihen und zur Vernichtung eurer Krankheiten erhalten. Darum geht, — ihr auf die Erdenwelt, und ihr anderen steigt zur tiefsten Tiefe der Welt hinab, und andere zum Himmel der Seligen, wie ich euch heiße: — dann wird euch gewiß Frieden werden.' — So entsandte Schälihotra alle Pferde in verschiedene Welten. Dann schuf der Weise um ihretwillen eine Sammlung von zwölftausend Versen. Seit jener Zeit sind die Pferde auf Erden Wagentiere geworden, und daher rührt die Heilkunde der Pferde, die Schälihotra 1 verkündet hat." Ein Mythos von altertümlichem Gepräge. In ihm spielt noch Indra, der Götterkönig alter Zeit, eine Hauptrolle, der später vor Brahmä, mehr noch vor Vischnu und Schiva verblaßt. Und seine Handlung ist eine jener weltordnenden, Grenzen und Dienste setzenden Taten, mit denen Götter der Veden, Indra vor allem, ihr Weltregiment aufrichten und gliedern. Zugrunde liegt die alte Anschauung von anfänglicher Unbestimmtheit und Gleichartigkeit der Wesen und Natur1 Wie alles maßgebliche Wissen in Indien, ob es von sinnlicher oder übersinnlicher Wirklichkeit handelt, auf Seher und Heilige zurückgeht, denen das Göttliche, die Wahrheit der Welt offenbar ward, leitet sich die Pferdeheilkunde vom Heiligen Schälihotra her. Ihm gilt ihr Eingangsspruch: „ D e r wissensvoll im Schatten der B l u m e des Himälaya spielte, der in heilig-reinigenden Fluten der Gangä sich badete, den von Schneewind und Blumenwind gekühlten, der seine Lust hatte am vielfältigen Wiehern der Pferdeherden, Er schütze euch: der herrlich-heilige Schälihotra, Sohn des ,Pferdeschall*!"
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erscheinungen: die Weltgeschichte des mythischen Denkens hebt damit an, daß Raum und Kräfte der einzelnen Wesen durch besonderes Geschehen von mancherlei Art sich mählich voneinander absetzen. In ihrem ersten Dasein verschwimmen die Dinge, wie in unbestimmtem Frühlicht, miteinander. Viel mußte geschehen, bis die uns vertraute Welt in aller Besonderung und Eigentümlichkeit ihrer Wesen und Kräfte zustande kam, bis alles so eigen in seiner Art war, wie vor es vorfinden. — Wie kam der Aschvattha-Baum dazu, in sich das Feuer zu bergen, das der Quirl aus seinem Holze, im weicheren Brett vom Schamibaume gedreht, als Funken heraussprüht ? und warum ist der Mensch allein unter allen Tieren nackt und ohne Fell? und muß sich mit Gewändern gegen Sonne und Regen schützen ? — Es muß etwas geschehen sein mit diesem Baum und mit dem Menschen, das ihre Eigenart erklärt. Man muß wissen: Das Feuer, das die Opferspenden auf dem Altar schluckt, um 6ie, gen Himmel flammend, den Göttern als Nahrung zu reichen, ward einmal seines Dienstes müde. In seiner Gestalt als Pferd lief es davon und verbarg sich ein Jahr lang im Aschvattha-Baum 1 . Davon hat der Aschvattha-Baum auf alle Zeit Feuer in sich, denn wo ein Gott mit seiner Kraft geweilt hat, bleibt eine unvergängliche Spur und Wirkung von ihr zurück. — Auch der Mensch hatte einst ein Fell, den Tieren gleich, so wie die Pferde Flügel hatten: „Was nämlich das Fell des Rindes ist, das war anfänglich am Menschen. Die Götter sprachen: ,Das Rind fürwahr trägt (oder erhält) alles hier. Wohlan wir wollen das Fell, das am Menschen ist, auf das Rind legen. Dank seiner wird es den ,Regnenden' (d. i. der Himmel als Regenspender), dank seiner den Reif, dank seiner die Hitze ertragen.' Sie häuteten den Menschen ab und legten sein Fell auf das Rind. Dank seiner erträgt das Rind den Regnenden, dank seiner den Reif, dank seiner die Hitze. Abgehäutet fürwahr ist der Mensch. Darum 1 Vedischer Mythus (vgl. z. B. Taittiriya-Brähmana I. 2. 1. 5). Von dieser Geschichte, die ihm sein Wesen gab, hat der Achvatthabaum auch •einen Namen. Namen haben ja die Aufgabe — im mythischen Denken —, das Wesen eines Dinges laut werden zu lassen. Der Aschvattha heißt so, weil der Feuergott als Pferd (aschva) in ihm stand (stha).
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k o m m t bei i h m , wo i m m e r ihn Schilfgras oder etwas anderes schneidet, Blut hervor. D a h e r legten sie dieses Fell auf i h n : das Gewand. D a r u m t r ä g t keiner außer dem Menschen Gew a n d . D a r u m eben soll er wünschen, schön gewandet zu sein. Nicht aber soll er vor d e m Rinde n a c k t sein. Denn das R i n d w e i ß : ,Ich trage sein Fell', es zittert in F u r c h t , ,er wird mir das Fell n e h m e n ' 1 . Wunderbares Geschehen u n d ordnende T a t der Götter bilden urzeitlich den Wesen ihre Eigenart erst an, wandeln, was willkürlich d u r c h e i n a n d e r wogt, unterschiedslos ineinander verfließt, zum Beieinander klar umrissener Größen. Grenzen setzend, Gaben verteilend schaffen sie die ewige Ordnung der N a t u r , bestimmen den Geschöpfen ihres Wesens Umkreis. E n g v e r w a n d t d e m Mythos von den Pferden, die ihre Flügel verloren und auf die Erdenwelt oder andere Sphären beschränkt wurden, ist der Mythos von den Bergen, denen I n d r a die Flügel a b s c h n i t t . „Vor Zeiten, im ersten Weltalter waren die Berge geflügelt. Sie gingen in alle Himmelsrichtungen, geschwind wie Sonnenvögel. Da f ü r c h t e t e n sich, wie sie dahinzogen, die Götterscharen s a m t den Sehern u n d die Wesen, w ä h n e n d , sie m ö c h t e n herabfallen. Darauf ergrimmte der Tausendäugige, H u n d e r t k r ä f t i g e — d. i. I n d r a — und schnitt den Bergen zu H u n d e r t t a u s e n d e n mit seinem Blitzkeil die Flügel a b 2 . " Mit ihrer Last beschwerte er die schwanke, wogende E r d f l ä c h e , sie w u r d e n zu Sehnen am Leibe der Erde. D a ß I n d r a den Bergen Flügel u n d Bewegung n a h m u n d sie aus schweifenden W e l t r a u m w a n d e r e r n erst zu U n e r s c h ü t t e r lichen' m a c h t e (wie der I n d e r gern die Berge benennt), gehört ins Reich weltordnender T a t e n des starken Götterkönigs, an d e m die Sänger der Veden feiern, d a ß er Himmel u n d Erde a u s e i n a n d e r s t e m m t e , der Sonne ihre B a h n wies, den allnährenden Strömen ihre Wege f u r c h t e — v o n dem sie sagen, d a ß auf sein Geheiß „ H i m m e l u n d E r d e u n d Berge fest wie gegründet stehen 3 .'' 1
„Brähmanas der Handert Pfade" III. 1. 2. 13.
* Rämäyana V. 1. * Rig-veda III. 30. 4.
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D e n geflügelten Bergen, heißt es, w a r der W i n d f r e u n d u n d e r r e t t e t e einen vorm R a u b seiner Schwingen, indem er i h n ins Weltmeer warf. D a n k b a r t a u c h t e der aus den F l u t e n hera u f , als der Sohn des Windgotts, der göttliche Affe H a n u m a n t , in einem Riesensprunge über das Weltmeer setzte, u m seinen F ü ß e n mittwegs R a s t zu b i e t e n . Wie die Geschichte dieses Auftauchens ein StückErstehens u n d Vergehens der vulkanischen hinterindischen Inselwelt spiegeln mag, wie dem Mythos v o m a b g e h ä u t e t e n Menschen u n d v o m Feuer i m B a u m e Wirklichkeit der N a t u r zugrunde liegt, ist auch im Bilde der geflügelt e n Berge ein Stück anschaulicher Wirklichkeit e r f a ß t . Sie war d e m Auge des Inders nicht fern, wenn er seinen Blick gen N o r d e n erhob zu den Bergen, die den f r ü h e n W a n d e r z u g der rinderzüchtenden Arier aus Nordwesten durch K a b u l bis an die C a n g ä m ü n d u n g zur Linken r a g e n d begleiteten: ü b e r h ö h t von g e t ü r m t lagernden Wolkenbänken, die mit ihren Gipfeln verschmolzen u n d sich zum Fluge von ihnen lösten, die zeitlos seit Anbeginn die Riesenwand des H i m ä l a y a übergipfelten. Oder wenn sein Blick dem Zuge der Wolken folgte, die alljährlich zur Regenzeit in dunklen Scharen, v o m Monsun getragen, aus dem südlichen Meere aufsteigend, auf den Bergen r a s t e n d sie über sich selbst zu erhöhen, u n d von ihnen scheidend ihren Gipfel mitzunehmen scheinen. I n Kälidäsas Gedicht ,der Wolkenbote', das den Weg einer solchen Wolke über Vorderindien gen Norden schildert, „sprechen die arglosen F r a u e n halbgöttlich Verklärter (die an Bergeshängen zu wohnen pflegen), da sie a u f g e w a n d t e n Gesichts die Wolke sich von ihrer S t ä t t e (dem Gipfel, auf d e m sie rastete) erheben sehen, in hellem Erschrecken: , n i m m t etwa der Wind den Gipfel des Berges m i t ? 1 " Mit den Pferden ist es wie mit den Bergen. Die a m H i m m e l hineilenden — oder wie unsere Lämmerwolken weidenden — sind Wolken. Dieser Sinn ihres Mythos v o m Verlust ihrer Flügel schimmert aus einer buddhistisch überlieferten Reisemär v o m rettenden Flügelpferde hervor. Sie handelt von 1
Ein gutes Bild des In- und Übereinander von Berg und Wolke bei v. Clasenapp: „ I n d i e n " (der indische Kulturkreis in Einzeldarstellungen). Mflnchen 1925. Tafel 247 (Mount Everest von Darjiling aus).
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menschenfreesenden Dämonenweibern, die auf einer Insel hausen und sich von schiffbrüchigen Seefahrern nähren. Sie nehmen die Gestalt schöner Menschenfrauen an und kommen den Gescheiterten gastlich entgegen. Laden sie ein, bei ihnen zu bleiben, da ihre Männer vor Jahren auf die See gegangen und verschollen seien. Dank ihrer Zaubermacht bieten sie den Menschen alles, was ihr Liebesidyll verschönen kann. Aber wenn sie ein neues Schiff in Seenot sehen, packen sie ihre Männer, werfen sie in den Kerker und fressen sie auf. U m mit den neuen Schiffbrüchigen das gleiche Spiel zu treiben. Aber von Zeit zu Zeit erscheint ein rettendes Flügelpferd von schneeweißer Gestalt auf dieser Sireneninsel und erhebt mit Menschenstimme den Ruf: „Wer will ans andere Ufer ?" oder „wer will ins Land der Menschen ?" — Wer etwa durch glücklichen Zufall den dämonischen Trug der Menschenfresserinnen erahnt hat und u m die Gefahr weiß, wer ihrer Verführung sich zu entreißen vermag, kann sich auf seinem Rücken retten und nach Indien heimgelangen. Das geflügelte Pferd aber hat den Namen „Wolke" (oder „Götterwolke 1 "). 1 „ v a l ä h a " (oder „ d e v a - v a l ä h a " ) ( K ä r a n d a v y ü h a , S. 55'58). — Diese Wunder- und Reisemär ist in der buddhistischen Literatur zweimal verarbeitet. Von den ceylonesischen Mönchen im „ J ä t a k a m " (Nr. 196) (Übersetzungen bei Dutoit „ J ä t a k a m " Bd. II. 1909, und in „Buddhistische Märchen" übersetzt von Else Lüders, Jena 1921) und in einer späteren Schicht der vorderindisch-festländischen Überlieferung: I n der „ E n t faltung des Korbes der Eigenschaften Avalokiteschvaras" ( „ K ä r a n d a v y ü h a " , ed. S a t y a B r a t a Samasrami, Calcutta 1873).
I m ersten Falle erzählt der B u d d h a , er sei in einem früheren Leben als „werdender B u d d h a " dieses Flügelpferd gewesen und habe von 500 schiffbrüchigen K a u f f a h r e r n die H ä l f t e gerettet, die seinem R u f e folgte, weil sie Trug und Gefahr ihres verführerischen Aufenthaltes durchschauten, während die anderen, unfähig sich loszureißen, grauenvoll umkamen. Er erzählt die Geschichte f ü r einen jungen Mönch, dem beim Anblick einer schönen F r a u sein Gelübde leid ward. Wie den Kauffahrern, die u m k a m e n , ergeht es den Menschen, die dem Rufe des B u d d h a : Fort aus der Welt voll Lust und Grausen in den Frieden des Nirväna, nicht zu folgen vermögen. — I n der anderen Fassung ist das Flügelpferd eine Erscheinungsform des Erlösers Avalokiteschvara (chines. Kwanyin, j a p a n . Kwannon), der in vielen Gestalten, wie sie f ü r sein R e t t e r a m t an Wesen aller Sphären angezeigt scheinen, belehrend u n d erlösend durch
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So sind auch die E l e f a n t e n — Wolken, verwunschen auf E r d e n zu wandeln. Alljährlich in der letzten Monatshälfte der Sommerszeit, wenn Hitze u n d Dürre a m ärgsten sind u n d sich das tropische Jahresschicksal e n t s c h e i d e t : zu Regen, Gedeihen u n d Glück, oder zu Dürre, H u n g e r u n d Sterben — b e i m N a h e n der Regenzeit sollen die Könige, deren kostbarer Besitz E l e f a n t e n sind, ein Fest feiern, bei d e m ein E l e f a n t wie G o t t v e r e h r t wird. (IV. 22.) K o s t b a r gekleidet, mit Sandelsalbe weiß bestrichen, von Wohlgerüchen d u f t e n d , wird er in feierlichem Umgang rings durch die H a u p t s t a d t geleitet: über P l ä t z e u n d Straßenkreuzungen, durch den Bazar u n d über die „ K ö n i g s s t r a ß e " . Männer inFrauenkleidern geleiten ihn lachend u n d wild schwatzend u n d r u f e n : „ A n dir freuen sich die Götter u n d die siegheischenden Könige!" — Die hohen B e a m t e n des H o f e s : der Heerführer u n d die Minister u n d alles, was im Dienst der Elefanten beschäftigt ist, erweisen dem Tier Vere h r u n g . „ H a n d e l t e n sie anders, so gingen die Könige s a m t Reich, Heer und Elefanten zugrunde — weil eine Gottheit übergangen wäre. Bringen sie i h m aber schuldige Verehrung d a r , gedeihen sie samt F r a u e n u n d Söhnen, s a m t Reich, Heer u n d E l e f a n t e n . Zur rechten Zeit sprießen die Keime, zu recht regnet der Regengott (Väsava, d. i. I n d r a ) , es k o m m t keine Seuche, keine Hungersnot. D a n k dem König ist d a n n die E r d e von Seuchen frei, die Göttin mit ihren Bergen, Wäldern, Hain e n ist d a n n voll Schatzgruben von Juwelen. Die E l e f a n t e n , von K r a n k h e i t bar und voller K r a f t , sind siegreich u n d alle die v o m Dienst an Elefanten leben, genießen, was sie wünschen. Mit Söhnen und Vieh leben sie h u n d e r t J a h r e u n d h a b e n gesunde, s t a r k e Nachkommen. Wer sich einen Sohn w ü n s c h t , b e k o m m t einen Sohn, wer Habe sich wünscht, b e k o m m t H a b e . Was i m m e r der Mensch sich w ü n s c h t , wird i h m zuteil." Das ist das Fest des Elefanten „ W o l k e " — ein Regen- u n d Fruchtbarkeitszauber. Schiva selbst, der „ G r o ß e G o t t " (in seiner alten Gestalt als „ R u d r a " , wie ihn die vedischen Sänger alle Welten zieht. In Erfüllung seines Gelübdes vollkommenen E r b a r m e n s : selbst als ewiger „werdender B n d d h a " nicht eher ins völlige „Erlöschen" der B u d d h a s einzugehen, ehe nicht alle Wesen aller Welten ans „ a n d e r e U f e r " der Erkenntnis, die Erlöschen ist, gelangt sind.
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benennen), schuf den Elefanten „Wolke" im ersten Weltalter und setzte dieses Fest für ihn ein, das alle Götter und Wesen feiern. Er ist weiß wie der Schneegipfel Kailäs, weiß wie der Mond, wie Jasmin und weißer Lotos. Darum 6ind „weiße" Elefanten sein vollkommenstes Abbild als magische Regenspender auf Erden. Er ist ein Sohn des göttlichen Elefanten Airävana, der dem Regengott Indra als Reittier dient 1 . Dieser göttliche, regen- und glückspendende Elefant „Wolke" 2 heißt auch „Elefant der Schri" (schri-gaja). Sehr! (auch Lakschmi genannt) ist die Göttin des Glücks. Sie verleiht Glanz, Schönheit und Gedeihen. So hat jeder König seine Schri: sein Königsglück, das ihm vermählt ist. Wenn es ihn verläßt, geht es mit seiner Herrlichkeit zu Ende. Anfänglich — in der Zeit der Yeden — war Schri, wie der Elefant, der nach ihr heißt, eine Gottheit befruchtender Feuchte 3 . Ein spätes Lied der Veden feiert die „Lotosfarbene, die im Lotos steht". Der blühende Schmuck der Gewässer — sinnfälligstes Symbol des lebenspendenden Elements — ist ihr Zeichen. „Schlamm" und „ K o t " sind ihre Söhne. Der Landmann betet 1 Siam, in seiner K u l t u r von Vorderindien maßgeblich bestimmt, übern a h m bekanntlich diesen Elefantenkult. Vgl. den Reisebericht von C. Bock, der 1881 am Stande eines „weißen" Elefanten im Palaste zu Bangkok die Inschrift las: „ E i n Elefant von schöner F a r b e ; H a a r , H u f e nnd Augen sind weiß. Vollendung in Gestalt, mit allen Zeichen von Richtigkeit der hohen Familie. Die Farbe der H a u t ist die des Lotos. Ein Abkömmling des Engels der Brahminen. Erworben als E i g e n t u m durch die Macht und den R u h m des Königs f ü r seinen Dienst. iBt gleich dem Kristall von höchstem Werte. Ist von der höchsten Elefantenfamilie von allen vorhandenen. Eine Quelle der Macht der Anziehung von Regen. Er ist so selten wie der reinste Kristall vom höchsten Werte in der Welt." (Zitiert nach O. Brehms „Tierleben", Säugetiere, I I I . Rüsseltiere, bearbeitet von Prof. L. Heck, S. 526 ff.)
* Auch u n t e r den Bergen gibt es einen, der „Wolke" (megha) heißt. (Matsya-Puräna 163, Vers 82.) Anderseits heißt ein Heiliger, der als Bote und Berater zwischen Götterhimmeln und Menschenerde wie eine Wolke hin und her zieht, „ P a r v a t a " , d. i. „Berg". 3
Vgl. „ S c h r i - s ü k t a " (Rigveda, Khila 8), übersetzt von Scheftelowitz, „Zeitschrift der Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft", B d . 75 (1921). E b e n d o r t Zerlegung des Liedes in seine zeitlichen Schichten und Nachweis der allmählichen Verschmelzung der ursprünglich verschiedenen Gottheiten Schri und Lakschmi zu einer einzigen Gestalt.
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zu beiden, sie sollen samt der göttlichen lotosbekränzten Mutter zu seinem Hause kommen, in seiner Familie Wohnung nehmen, und „die Wasser sollen fette Feuchte strömen". — Sehrt ist's, die „das Trompeten der Elefanten weckt". Die Göttin der Erdfeuchte und die zur Erde verwunschenen Wolken gehören zusammen als lebenspendende Schutzpatrone in der Zone äquatorialer Glut und des nassen Reisbaus. Die indische Kunst vereint beide im Bilde (der sog. „Gaja-Lakschmi"), das sich gern als Glückszeichen an Portalen findet: die Göttin steht oder thront — meist auf einer Lotosblume (Abb.4),die ja auch Sinnbild des empfangenden, lebengebärenden Schoßes ist, — indes zwei Elefanten von beiden Seiten aus ihren Rüsseln Wasser über sie sprengen. Die buddhistische Legende 8 erzählt von einem Lande, dem es nie an Regen mangelte, denn sein König besaß einen Elefanten vom Himmel. Bei der Geburt seines Sohnes — des werdenden Buddha in seinem letzten Erdenwallen, eh' er, als Schäkyaprinz wiedergeboren, ein „Erwachter" (Buddha) ward — brachte eine durch die Luft fliegende Elefantin einen ganz weißen jungen Elefanten herab, den sie an den Platz des königlichen Leibelefanten stellte. Wo er sich aufhielt, regnete es. Als der Prinz herangewachsen war, brach in einem anderen Lande Dürre und Hungersnot aus, weil dort kein Regen fiel, trotzdem sein König Gelübde und Fasten auf Bich nahm. In dieser Not schickte das Volk zu dem Prinzen, um den weißen Elefanten zu erbitten. Dem künftigen „Erwachen" nah, war der Prinz schon ganz von den Eigenschaften des Welterlösers durchdrungen, der er werden sollte. Beseelt von Mitleid mit allen Wesen und völliger Gleichgültigkeit gegen 6ich selbst erfüllte er in „vollkommener Freude am Schenken" ihre Bitte. Aber der Verlust des Elefanten brachte sein eignes Volk in Aufruhr: der König mußte seinen Sohn verbannen, weil er das Land um das Unterpfand seines Gedeihens gebracht hatte. 1 In der alteren Kunst wie in der späten: z. B. in Säntschl (2./1. Jahrhundert v. Chr.) an Toren des großen Stupa achtmal, in Madüra (17. Jahrhundert) über Tttren des MInäkschitempels. — Abbildungen z. B. bei Glasenapp „Indien", Tafel 194, „Heilige Statten Indiens" (München 1928), Tafel 17, 144, 145, 147, 254. * „ J ä t a k a m " , Nr. 547 (Vessantara-jätaka) bei Dutoit, Bd. 6, S. 547.
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Der Glaube an die magische Kraft, Regen anzuziehen, gilt von allen Elefanten, wenn man sich auch von den „weißen" 1 ganz besondere Wirkung erwartet. Denn Elefanten „gelten als Wolken des Königs" (IY. 16.) — Wolken schimmern in allen Farben: so auch die Elefanten. „Dem Pfauenschweif und dem Golde, der Regenwolke und dem Mondlicht gleich entstanden sie", heißt es (Sp. VIII). Freilich „lebt allein der dunkelfarbene auf Erden, die anderen drei — an himmlischer Stätte". — Mit ihrer Verbannung auf die Erde haben die himmlischen Wolkenelefanten ihr schimmerndes Farbenspiel eingebüßt. Aber der „weiße" Elefant ist unter ihnen besonders verehrungswürdig: an ihm leuchtet sein strahlender Ursprung aus Himmelshöhen sichtbar auf. Als „Wolken des Königs" ziehen sie ihre Verwandten magisch an, sichern dem Lande ihren Segen und werden alljährlich, wenn alle Kreatur verschmachtend und besorgt den Einbruch der Regenzeit erwartet, für ihr wundertätiges Wirken göttlich verehrt, um ihre Wirkung auf die pfauenbunten, gold- und mondfarbnen Himmelselefanten zu beschwören, daß sie im Monsun daherkommen. Sie sind Spender der Feuchte, denn wo Elefanten sich wohlfühlen, ist es feucht. Sie suchen die Nähe von Seen und Teichen. Unter den Vierfüßlern, die Landtiere sind, ist der Elefant das wasserfroheste. Ständiges Baden und Duschen mit dem Rüssel ist zu seinem Wohlbefinden unerläßlich (bei 1 Die weißen Elefanten — Albinos — unterscheiden sich für das Auge des Uneingeweihten nicht immer auffällig von den gewöhnlichen, aber dem Auge des Inders sind hier auch kleine Farbnuancen und Flecken wichtig wegen ihrer glück- und unglückverheißenden Bedeutung (II). C. Bock sah in Bangkok zwei „weiße" Elefanten, „welche heller gefärbt waren als die übrigen, und ein paar weiße Flecken an den Ohren hatten. Der Unterschied in der Färbung war kaum merkbar." Ein anderer ist nach seiner Schilderung zwar nicht weiß, „aber er ist ein vollkommener Albino. Sein ganzer Körper sieht blaß rötlich-braun a u s ; auf dem Rücken stehen ein paar wirklich weiße Haare. Die Iris des Auges, deren Färbung für ein gutes Merkmal eines Weißlings gehalten wird, war blaß' neapelgelb." — Im „ S p i e l " ist von solchen „weißen" Elefanten die Rede, wenn rötliche Tupfen als besonders glückbringende Merkmale am Leibe des Tieres verzeichnet werden. Unglück bedeuten dagegen schneeweiße Flecken, weil sie an Aussatz gemahnen (II und III).
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Wassermangel muß Sand und Staub herhalten), Wasserpflanzen, vor allem Lotos, gehören zu seiner Lieblingsnahrung. „Wasser nennen die Weisen Lebensodem der Elefanten." (I. 3.) „Wasser ist ihre Rettung, ihr höchstes Heil. Darum soll man ihnen Wasser nach Lust vorsetzen. Auch wenn sie bis zu hundert yojana in einem Zuge laufen, halten die Elefanten durch, ohne schlaff zu werden — ganz allein dank Wasser." (I. 1.) Weil Elefant und Feuchtigkeit untrennbar voneinander scheinen — unter sich wesensverwandt, muß sich der Mensch des Elefanten versichern, ihn in seinen Lebensbereich ziehen, um die Gefahr der Dürre und des Hungertodes zu beschwören. Darum ist es Pflicht der Könige, die für das Gedeihen ihres Landes verantwortlich sind, Elefanten zu halten. Ihre Kraft als magische Regenerwirker steht ihrem Wert als Reittiere des Königs und als stärkste Waffengattung in Schlachten voran. Ihr verdankt er, als Spender des Lebenselementes Wasser, die Heiligkeit seines Lebens: — daß er nur in der Notwehr der Schlacht getötet werden darf, aber nicht auf der J a g d oder um Pflanzungen vor Flurschaden zu bewahren. Sein Fang in Gruben oder mittels Schlingen, die ihn niederwerfen, ist verpönt (Sp. X) — er könnte wegen seines Gewichts an den Folgen des Sturzes eingehen. Auch soll man keinen männlichen Elefanten fangen, der über vierzig Jahre alt ist. Völlig ausgewachsen, in den Freuden der Freiheit groß geworden, ist er „ein zur Herrschaft der Wildnis Gelangter" (II. 13) und gewöhnt sich nicht mehr an die Gefangenschaft. Bei ihm hilft keine Pflege, kein Zauberlied. Wie ein König fern seiner Königsmacht stirbt er. An dem Gemütsleiden „Vormals ungebunden", an der Sehnsucht nach dem verlorenen Glück: nach den Spielen der Herde im steigenden und fallenden Jahre der Wildnis, nach der Liebe der Elefantinnen. Trifft man solch einen, von schönen Elefantinnen begleitet, in der Wildnis, soll man ihn nicht fangen. — Aber auch eine tragende oder säugende Elefantenkuh soll der König nicht fangen oder nicht behalten. (Sp. III.) Sie brächte ihm Unglück. Auch der mythische Ursprung der Elefanten aus der Sonne spiegelt ihre Wolkennatur. Denn die Regenwolken der indischen Monsumwinde sind sonnenerzeugt. Das indische Jahr 25
kennt zwei „ G ä n g e " der Sonne, die Steigen und Fallen des Jahres hervorbringen: den „ G a n g n a c h N o r d e n " , in d e m die Sonne zwischen Winter- und Sommersonnenwende ihren Aufu n d Untergang a m Horizonte gen N o r d e n schiebt, u n d den „ G a n g nach Süden", in dem sie v o m längsten Tage bis z u m kürzesten immer kleinere Tagbögen m i t südlicheren Auf- u n d Untergängen beschreibt. Für uns in gemäßigterer u n d kalter Zone ist das steigende J a h r eine Zeit des Schenkens. I n ihr beschenkt die Sonne unsere Breite m i t W ä r m e , Licht u n d F r u c h t b a r k e i t . I m subtropischen I n d i e n ist es u m g e k e h r t . Das steigende J a h r heißt dort die „Zeit des N e h m e n s " (IV. 15), denn die Sonne dörrt in ihr Boden u n d Vegetation, Mensch und Tier aus und n i m m t von ihrer Feuchte. Das fallende J a h r , eingeleitet durch die erquickende Regenzeit, ist dagegen die „Zeit des Ausströmens". Durch reichliche Feuchtigkeit u n d in verhältnismäßiger Kühle schwillt j e t z t die Vegetation, schwillt der Saft in den Geschöpfen. W ä h r t e das steigende J a h r mit seiner ausdörrenden Glut erbarmungslos fort, wäre das der Tod f ü r alle K r e a t u r . Aus dem Bilde seines unerbittlichen Fortgangs, der die verdorrte Welt sich selbst entzünden u n d a u f b r e n n e n m a c h t — erlebt in regenlosen J a h r e n mit Dschungelbrand und Verschmachten — schuf indisches Denken sich eine Vorstellung des Weltuntergangs. Wenn eine Weltzeit, die zwölftausend Herbste währt — für B r a h m a ein Tag — zu E n d e ist, d a n n sieht der Gott, der spielend diese Welt aus seiner überweltlichen Größe hervortrieb, „ d a ß aller Wesen Leib zum Untergange reif ist. 1 D a n n wächst in ihm der Wille, sie alle vernichtend in sich einzuraffen. . . . E r wird zur Sonne und n i m m t die beiden Augen aller Wesen (die sonnenhaften), Wind wird er u n d n i m m t allen Atembelebten ihr Netz von A t e m k r ä f t e n , Feuer wird er und verbrennt alle Welten, Wolke wird er d a n a c h u n d regnet schrecklich. Mit seiner Yogazaubermacht wird das ,Urwesen' 2 , dessen Gestalt die Geschöpfe sind, zur Sonne u n d t r o c k n e t mit glühenden Strahlen die Weltmeere aus. W e n n er d a n n 1
Matsya-Puräna 165/66.
' „Urwesen" = nus vorgestellt.
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Näräyana. Der Allgott wird hier in der Gestalt Visch-
die Meere ausgetrunken h a t u n d Ströme und Brunnen allerw ä r t s , wenn er der Berge Wasser ganz mit seinen Strahlen aufgesogen h a t , spaltet er die große Erde mit seinen Strahlen bis z u m Grunde der Tiefe (sie zerreißt vor Dürre), f a ß t ihre F l u t e n u n d t r i n k t den erhabenen Saft. H a r n , Blut und was sonst an Feuchte in den Geschöpfen ist, all das holt sich das lotusäugige höchste Wesen heraus. Und er wird gewaltiger W i n d u n d schüttelt die ganze Welt und alle Winde aller Leiber zieht er an sich: den ,Aufwind' und den ,Abwind', den ,einigenden' u n d die anderen Winde des Leibes. Alle Götterscharen d a r a u f , u n d was an gewordenen Wesen lebt, D u f t u n d Geruchsinn, Leib und alle Kräfte, die in der Erde wurzeln, Zunge, schmeckende Säfte und klebende Feuchte und alle K r ä f t e , die im Wasser wurzeln, Farbe und Auge und das zur Reife Kochen der Früchte und alle Kräfte, die im Lichte wurzeln, Berührung, A t e m und Bewegung und alle Kräfte, die i m Winde wurzeln, Schall und Gehör und hohler R a u m und alles, was i m W e l t r a u m verwurzelt i s t : — die ganze Mäyä der Welt vernichtet der Erhabene in einem Augenblick. Geist u n d Wille und der innerste Lebenskern — g e n a n n t : ,der das Ackerfeld des Leibes kennt', — der höchste: sie alle kehren zu I h m , d e m herrlichen ,Herren der Sinne' ein. Darauf — von den Strahlen des Erhabenen umringt, über die Bäume sich breitend, die vom Winde erfaßt sich aneinander reiben, d a ß Feuer hundertfältig aufloht — verbrennt ein Flammenwirbel der Vernichtung ringsum alles. Berge und Bäume, Dikkicht, Schlingpflanzen, R a n k e n und Gras, himmlische Götterpaläste u n d Städte vieler A r t und alles was Zuflucht bietetverbrennt er." So geht die Welt in Glut zugrunde, wenn das „ N e h m e n " der Sonne, alle Feuchte aufsaugend, über alles Maß des Jahreskreises wächst. Weltuntergang ist da, wenn die göttliche N a t u r ihre O r d n u n g aufgibt und das Wandelspiel des J a h r e s über die Grenzen, die Kreatur erträgt, ins Unendliche göttlichen Spieles t r e i b t . Denn diesem vernichtenden „Nehm e n " folgt als grenzenloses Widerspiel der Regenzeit ein „ G e b e n " ohne Maß, das allen Brand in sich e r t r ä n k t : „Wenn der Weltvater Hari alle Welten in Asche verwandelt h a t , löscht er wieder die Glut, um das Weltalter zu enden. Zimmer, Spiel uro den E l e f a n t e n
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H u n d e r t f ä l t i g wird der dunkle Gewaltige zu t a u s e n d f a c h e m Regen u n d sättigt die E r d e mit dem Opfergusse himmlischer F l u t . Danach gelangt die E r d e durch das milchförmige, süße, höchste N a ß , das milde u n d heilige, zu allerhöchstem Erlöschen — Nirväna —, und vom Flutenwall des Regnenden über u n d über bedeckt, wird sie zum Gewässer eines alleinen Meeres, in dem kein lebendes Wesen sich regt. . . . Wenn er aus seinem Wesen Verdorren hervorgebracht und Meere u n d Geschöpfe in Glut verzehrt, danach alles überschwemmt h a t , schläft der Ewige einsam — zu seiner uranfänglichen Gestalt heimkehrend schläft der ,Held unendlichen Schrittes' (Vischnu als Allgott) u n d erfüllt das Wasser des alleinen Meeres: der Yogin d a n k seiner Yogazaubermacht. Schläft viele Tausende Weltalter im alleinen Meer. . . . Da ist keiner, der u m den Erhabenen weiß. Kein Sehender, auch kein Gehender, kein Erkennender, auch kein Begleitender ist da. Kein Wissen u m ihn ist, außer im höchsten Gotte selbst." So k e h r t die all-lebendige Welt, in den Gott — Quelle alles Lebens — einschmelzend, wieder in ihren Urständ heim. Denn „Wasser war hier im Anbeginn — F l u t " , künden die Veden 1 vom Urstande, der aller E n t f a l t u n g gestalteter Welt vorauf war. Untergehend sinkt die lebendige Gestaltenwelt in ihren urstofflichen Stand zurück: in die milchgleichen Lebenswasser, aus denen alle Gestalt keimt, ohne die sie verdorrt. In diesem gToßen Weltuntergangsspiel saugt der Gott als Sonne alle Feuchte der Erde bis zum letzten Tropfen auf, u m sie allüberschwemmend auszuströmen. Dies große Gemälde weitet aber n u r das alljährliche Schauspiel subtropischen Klimas i m R ä u m e des indischen Ozeans ins Kosmische. Hier saugt die Sonne mit steigender K r a f t in Frühlings- und Sommermonden Wassermassen h e r a u f : vom Lande, vor allem aber aus d e m Meer. Aber die weiten Meer- und Landflächen ergeben dabei sehr verschiedene Verdunstungsmengen im L u f t r a u m , und die L u f t über sonnenbestrahltem Land und Meer h a t dort, wie überall, verschiedene T e m p e r a t u r . I h r bedeutender Unterschied erzeugt die ausgleichenden Monsunwinde. Sie führen 1 Vgl. Taittiriya-Samhitä 7. 1. 5. 1. Taitt. Brähmana 1. 1. 3. 5. Kät h a k a 1, S. 84, und viele andere Stellen.
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die kühlere, wasserschwere Luft des Meeres in Wolken gen Norden — hin über den glühenden, ausgedörrten Kontinent. Dann fällt der ersehnte Regen. „Aus der Sonne entsteht der Regen, aus dem Regen die Nahrung, aus ihr die Geschöpfe", heißt es in Manus Gesetzbuch1. So „gibt" die Sonne gleichsam die Feuchte, die sie „nahm". Aus ihrer Glut entstehen die Wolken — Elefanten des Himmels — und erquicken ihre schmachtenden Verwandten auf Erden und alle Kreatur, die mit ihnen lebt. Ihr Ursprung aus dem Sonnenei kann anderseits die Vorliebe der Elefanten für alles Feuchte — Schlamm, Wasser und Bäder — erklären 2 . „Weil das Sonnenei gluthaft von Natur war, darum spielen sie mit Schlamm" . . ., deswegen „spricht, wer die Lebewesen bedenkt, den Elefanten einen gluthaften Leib zu. Darum spielen sie voll Freude mit Staub, Schlamm und Wasser 3 , und wenn sie damit spielen, kommen ihre Leibesstoffe schnell in heiteres Gleichgewicht. . . . von ihrer Entstehung her sind sie von der Strahlenglut der Sonne durchglüht, darum suchen sie immer wieder, von innerer Hitze verzehrt, das Wasser auf. Wenn man sie nicht mit Schlamm und Wasserstrahlen rings beschüttet, werden die Elefanten davon aussätzig und blind." (I. 1.) Aber ihrer Herkunft aus dem göttlichen Gestirn, das wandellos über schwindenden Monden, wechselnden Jahreszeiten strahlt, danken sie eine noch wunderbarere Gabe. Wen sie töten, machen die göttlichen Tiere unsterblich. „Menschen, die durch den Leib des Elefanten umkommen, steigen fleckenlos zur Welt der Seligen auf, auch wenn sie von gemeiner Abkunft sind." (I. 1.) „Männer, die (in der Schlacht) von Pfeilen, Wurfspeeren, Wurfscheiben und dem Rüssel des Elefanten Mänava-Dharmaschästra III. 76. ' Im „Spiel" (I) wird sie freilich durch einen Fluch des Feuergotte» erklärt. * Einem in solches Spiel vertieften Elefanten vergleicht Kälidäsa (im Wolkenboten) eine Wolke, die über einem Berggipfel hängt: „Der Liebende . . . erblickte am ersten Tage des Regenmonats eine Wolke, die den Gipfel des Berges umschlungen hielt: sie war anzusehen wie ein Elefant, der sich hemiederneigt im Spiel mit einem Erdhaufen." 1
«*
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getötet werden, gehen augenblicks in den Himmel der Seligen ein, d a r u m sind die Elefanten dem Himmel vergleichbar." (I. 5.)
Diese Anschauung ist allgemein. Das klassische Buch indischer S t a a t s k u n s t — Kautilyas »Arthaschästra' 1 — s a g t : „ G e w a l t s a m e r Tod durch den Elefanten ist der Waschung im Reinigungsbade des Pferdeopfers e b e n b ü r t i g . " — Das Pferdeopfer ist das großartigste u n d kostspieligste Stück altindischen Rituals, und das Reinigungsbad ist sein Abschluß. Von Königen dargebracht zur Feier ihrer Oberherrschaft über ihresgleichen, entriegelt das Pferdeopfer dem Darbringenden nach dem Tode die Himmelswelt der Seligen. Um dieser Wirkung willen dient es zum Maßstab f ü r die K r a f t f r o m m e r Leistungen aller A r t , besonders f ü r ihren Himmelslohn. Die W u n d e r k r a f t von Wallfahrtsorten läßt sich an seiner anerkannten Wirkung vergleichsweise ermessen 2 . — Pilgerfahrt zu einer heiligen S t ä t t e , wo ein Gott sich offenbarte, t u t dem Frommen den Weg zum Himmel des Gottes auf. Denn wo der Gott einmal geweilt h a t , bleibt ewige Wirkung seines unsterblich-seligen Wesens zurück u n d teilt sich Gläubigen mit, die ihre Nähe suchen. Ebenso geht vom sonnengeborenen Elefanten die Wirkung seines Ursprungs a u s : er macht unsterblich-selig, weil die Sonne seit alters Ort u n d K r a f t unsterblicher Seligkeit ist. Weil die Götter im Anbeginn, mit den Dämonen um die Weltherrschaft k ä m p f e n d , die unvergängliche Sonne siegreich gewannen, wurden sie erst w a h r h a f t Götter u n d Herren der Welt, wurden sie die „Alterslosen", die „Todlosen". Yama, der König der Seligen im vedischen Liede, ist der Sohn des Sonnengottes Vivasvant. Nach der Sonne (svar) sind die seligen Welten (svarga loka) genannt, sie ist ihre Stätte oder später das Tor zu ihnen. So vereint der Elefant in sich die lebenspendende K r a f t der Wasser, die kreisend das Diesseits im Wandel der N a t u r erhalten, mit der K r a f t der Sonne, die wandelloses Leben im Jenseits verleiht. 1 88. (Übersetzung von J. J. Meyer, „Das altindische Buch vom Wcltund Staatsleben, das Arthaschästra des Kautilya", Leipzig 1926.) 1
Vgl. die Lehren Pulastyas Uber Wallfahrtsorte im Mahäbhärata III. 81 ff.
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Seine W u n d e r w i r k u n g : durch todbringende Berührung sein göttliches Leben unwillkürlich und unterschiedslos auf den Getroffenen zu übertragen, stellt den Elefanten neben die großen Götter, z. B. Vischnu, der, wen er vernichtet, magisch in seine selige W e l t v e r s e t z t 1 . Diese Beziehung zu Unsterblichkeit und Aufstieg in die Sphäre des Göttlichen scheint den Elefanten bei seiner W a n derung gen W e s t e n i m A l t e r t u m e begleitet zu haben. Die „Consecrationsmünzen" der römischen Kaiserzeit, die den Aufstieg kaiserlicher Personen zu g o t t h a f t e m Leben nach dem Tode feiern, zeigen den Verklärten auf elefantenbespanntem Wagen2. 1 Was der Gott berührt, durchtrankt er mit seiner unvergänglichen Natur — dieser Glaube kommt einmal drastisch zum Ausdruck, wo er einem Schwindler, der Entlarvung fürchtet, zum Vorwand dient, seine angemaßte Gottnatur nicht in vernichtender Wunderwirkung zu erweisen. In der Geschichte vom „Weber als Vischnu". (Sie ist die indische Fassung der verbreiteten Mär vom Betrüger, der als Gott verkappt verbotene Liebesfreuden — hier mit einer Prinzessin — genießt. Vgl. O. Weinreich: „Der Trug des Nektanebos", Wandlungen eines Novellenstoffes, Leipzig 1911.) Da kommt der vermeintliche Gott, der nur ein armer Weber ist, in die verzweifelte Lage, seine Herrlichkeit erweisen zu müssen, indem er seinen königlichen „Schwiegervater" aus der Umklammerung feindlicher Heere befreit. Aber er hat nur einen hölzernen Vogel, den ihm sein Freund, ein Wagner, als Nachahmung von Vischnus Wundervogel Garuda gezimmert hat — auf ihm kam er zur Prinzessin im Turm geflogen —, hat keine Zauberwaffen, die Feinde zu vernichten. So redet er sich in der Not damit heraus, er wolle sich den feindlichen Heeren nur in den Lüften zeigen, um Schrecken über ihnen zu verbreiten, damit der bedrohte Vater der Geliebten, der sich im Vertrauen auf den „göttlichen" Eidam ins kriegerische Abenteuer gestürzt hat, die Feinde leichter überwältigen kann. Er will nicht selbst mit göttlichen Waffen eingreifen, das hieße den Feinden allzuviel Gutes antun: „Wenn ich hingegen sie selbst umbrächte, kämen die Schlimmen in meine Himmelswelt (Vaikuntha)." (Pancakhyänaka I. 5, rec. Hertel — nach Geldners Elementarbuch der Sanskritsprache, 9. Aufl.) 2 Z. B. ein Golddenar, den Tiberius auf Augustus prägen ließ, und verwandte Münzen auf Livia, Julia, Titus, Antoninus Pius, Marciana, Faustina, Pertinax. Die meisten anderen Elefantenbilder auf antiken Münzen entspringen dagegen geschichtlichen Ereignissen des Westens. Der Elefant oder Elefantenkopf mit Glocke um den Hals ist Münzzeichen des Cäciliergeschlechtes in der römischen Republik zur Erinnerung an den Sieg des
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Symbol der Unsterblichkeit, antiker — und letzthin indischer — Tradition entstammend, ist der Elefant auch in allegorischen Triumphzügen der Renaissance: er zieht den Wagen der Fama, die unsterblichen Ruhm verleiht 1 . Das klassische Vorbild solch allegorischer Triumphzüge ist aber das hellenistische Bild vom Triumphzuge des Dionysos über Indien. In ihm pflegt der Elefant dem Wagen des Gottes vorauf zu schreiten — wofern der Gott nicht auf dem Tiere thront 2 . Aber dieser Zug — als Relieffries auf Sarkophagen Lucias Cäcilius Metellus im er9ten Punischen Kriege bei Palermo (251 v. Chr.), bei dem die gesamte karthagische Elefantenreiterei gefangen genommen wurde. Ebenso mochte der Elefant bei weiteren Siegen Roms als Symbol unterworfener Herrechergewalt des vorderen Orients dienen. F ü r Kleinasien findet er sich auf Münzen des Großkönigs Seleukos, der ihn als E r b e der persischen Großkönige übernommen haben mag: als Zeichen seiner Oberhoheit über die nordwestlichen Grenzlande Indiens. Ägypten bezog den Elefanten zu Kriegs- und Prunkzwecken aus dem afrikanischen Hinterlande und besaß besondere Küstentransportschiffe f ü r seine E i n f u h r aus dem Süden. So kann er auf Münzen des Augustus und Bildwerken seiner Nachfolger als Symbol des unterworfenen Orients ü b e r h a u p t figurieren. Und damit auch Indien mitbezeichnen. Denn f ü r das antike Weltbild flössen Ägypten und Indien ineinander, wie noch später im Bewußtsein der Zigeuner, die — aus Nordindien Uber Persien nach Westen gewandert — ihre Häuptlinge „Könige von Klein-Ägypten" nennen (vgl. auch Arnims „Isabella von Ä g y p t e n " ) und daher auf englisch „gipsy" genannt werden. Feiert doch Vergil (Georgica I I . 170/72) den Kaiser Augustus f ü r seinen Sieg über Ägypten bei Actium als „ den größten Der an dem äußersten R a n d von Asien jetzo des I n d u s Üppige Völker besiegt und schirmt die römische Zinne." (Übersetzung von R . A. Schröder, Bremer Presse 1924.) 1
Vgl. W. Weisbach: „Trionfi", Berlin 1919. Ein Stück Sannazaros, 1492 am H o f e von Neapel gespielt, zeigte den Wagen der F a m a von zwei E l e f a n t e n gezogen, die von zwei Giganten g e f ü h r t wurden. — 1490 malte Lorenzo Costa in der Bentivoglikapelle von S. Giacomo Maggiore zu Bologna zwei Gemälde nach Petrarca: den Trionfo délia Morte und den Trionfo della F a m a . Der Wagen der F a m a war von zwei Elefanten gezogen. 2
I n einem Dionysoszug des Ptolemäus Philadelphus, den Athenäus beschreibt, ritt der Gott auf einem Elefanten, den ein Satyr, auf dem Halse des Tieres sitzend, lenkte. I m Gefolge k a m e n 24 Wagen von j e 4 Elefanten gezogen. (Vgl. Dictionnaire des antiquités grecques et romaines ed. Davernberg et Saglio, Tome I I , Paris 1892.)
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beliebt — ist selbst ein Symbol der Unsterblichkeit des Lebens, seiner Wiedergeburt zu göttlichem Leben. So gibt es kein Tier, das mit größerem Rechte als der E l e f a n t — nach indischer Auffassung — in diesem hellenistisch-östlichen Zuge einherkommen d ü r f t e . Es sei denn die Schlange. Sie ist auch ein Symbol der Unsterblichkeit, da sie, ihre alte H a u t abstreifend, v e r j ü n g t in ein neues Leben zu schlüpfen scheint. E b e n im Kreis dionysischer Symbole erscheinen Schlange u n d Elefant beieinander 1 . F ü r indisches Denken sind Schlange u n d Elefant durch verschiedene Beziehungen eng miteinander verbunden, einiges von diesen Vorstellungen scheint in die antike Auffassung beider Tiere eingegangen zu sein. I m Indischen k a n n ein u n d dasselbe Wort — ' n ä g a ' — Schlange und E l e f a n t bezeichnen und wie beider N a m e fließt auch der mythisch-göttliche Teil ihres Wesens ineinander. Die Schlangen sind die Kinder der Erde, aber sie sind auch die Schutzgeister aller Gewässer. G o t t h a f t e Wesen eigener Art können sie Menschengestalt annehmen. Schlangenfrauen beglücken mit ihrer Liebe die Menschen, Schlangenkönige huldigen dem B u d d h a , n e h m e n seine Lehre an, verehren seine Reliquien. Ihr eigentliches Reich ist in den Tiefen der Wasser u n d im Inneren der E r d e : schimmernde Paläste u n d selige Gärten. Als Kinder der E r d e sind die Schlangen W ä c h t e r ihrer Schätze und Juwelen, vor allem aber Spender ihrer f r u c h t baren Feuchte 2 . D a r u m ist ihr Leben, wie das Leben des Elef a n t e n , den Menschen heilig. W o immer sie hausen, werden 1
Ein Gefäß des Fundes von Bosco reale (den freundlichen Hinweis auf dieses Stück verdanke ich Karl Lehmann-Hartleben: Monuments et Mémoires de la Fondation Eugène Piot, Bd. V, Tafel 6) zeigt Dionysos auf dem Löwen reitend, von Putten umgeben; ihm gegenüber gleichfalls von Putten umgeben, einen Elefanten, vor dessen erhobenem Rüssel sich eine Schlange von der eleusinischen Ciste erhebt. Beide Tiere erscheinen als Sinnbilder der Wiedergeburt und Unsterblichkeit des Lebens im dionysisch-eleusinischen Mysterienglauben des Hellenismus. * Über die indischen Anschauungen von der Schlange, über ihre Rolle in Kult und Volksglauben, Mythos und Erzählung handelt umfassend J. Ph. Vogel: „Indien Serpent-Lore or the Nägas in Hindu Legend and Art", London 1926. — Die Punkte, in denen sich nach indischer Auffassung das Wesen von Elefant und Schlange berührt, ja deckt, sind hier verzeichnet.
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sie verehrt, vornehmlich aber in allen Gewässern: in Quellen, Teichen und Strömen. Aber — den Elefanten gleich — sind sie nicht allein auf Erden: sie fliegen durch die Luft, leben am Himmel und in den Strahlen der Sonne 1 . Wie die „Elefanten des Weltraums", die in allen Himmelsrichtungen das Weltgebäude tragen, sind sie in alter Zeit den „welthütenden" Gottheiten aller Richtungen des Raumes gesellt, wie vier „Weltelefanten" auf dem Grunde des Alls die Erde von unten tragen, ist die Weltschlange „Endlos" zum „Träger der Erde" bestellt. Ihre Namensgleichheit als „näga" und ihr gleiches Amt als tragende Gestalten im Weltenbau — dies Ineinanderfließen von Elefant und Schlange als kosmische Wesen reicht bis zur Namensgleichheit ihrer mythisch bedeutsamsten Einzelerscheinung: der himmlische Elefant Airävata, Indras Reittier und Träger des östlichen Raumes, teilt seinen Namen mit einem oft genannten Schlangenkönig (Airävata — in der buddhistischen Legende Erapatha, Elapattra genannt). Seltsames Ineinander der so verschiedenen Tiere auf der Ebene mythischer Anschauung. Freilich 6ind beide in ihrer leibhaften Erscheinung Freunde — also magische Bringer — der Feuchte. Nicht bloß, daß viele Schlangen im Wasser leben; gerade zur Regenzeit, wenn Nässe die Erde durchtränkt, treten 6ie zahlreich auf und drängen aus überschwemmter Niederung zu den Häusern der Menschen auf geschützten Erhebungen 2 . Sie kommen mit den Regenwassern — also bringen sie Wasser. Darum wird ihnen, wie den Wolkenelefanten in Erwartung der Maiträyanl-Samhitä II. 7. 15. * Vgl. Vogel, „Indian Serpent-Lore", S. 11. — Vogels schöne Materialsammlung aus Denkmälern altindischer Kunst ließe sich um den Hinweis auf ein Stück vermehren, das gerade für das Ineinander der Vorstellungen von Schlange und Elefant bezeichnend ist. Unter den Skulpturen des Stäpa von Bharhut (2. Jahrhundert v. Chr.) findet sich ein Reliefmedaillon mit der Bezeichnung „Tikotiko Chakamo" (bei A. Cunningham: „The Stüpa of Bharhut", London 1879, Plate XXVII, Fig. 1). Es stellt die Weltsphäre am Trikutaberge dar, unter dessen Fuß sich die Welt der „Nägas" befindet. Das Relief bevölkert diese Welt mit nägas von beiderlei Art: In einer dreieckigen Einfassung, die den Grundriß des „dreigipfligen Berges" („tri-kuta") darstellen soll, sitzt eine mehrköpfige Schlange (also ein Schlangenkönig), aber im Räume außerhalb tummeln sich Elefanten. 1
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Regenzeit, während der Regenmonde besondere Verehrung zuteil 1 . Aber auch am Himmel ist das regenspendende Wirken der Schlangen sinnlicher Anschauung gegeben, wenn sie, wie beim Wolkenelefanten, mythischer Deutung unterliegt. Es lebt im Bilde des schulterlosen Wurmes der vedischen Lieder, der arm- und fußlos auf dem Berge lagert und die Wasser gefangen hält, bis Indra ihn mit dem Blitzkeil trifft, daß er wie gefällte Baumstämme und zerhackt wie Röhricht daliegt, indes die befreiten Fluten entfesselt hinströmen und die Sonne, die nicht zu sehen war, hell aufleuchtet. Diese Verwandtschaft, ja Einheit von Schlange und Elefant im mythischen Vorstellungskreis, hindert nicht die Erkenntnis, daß die Schlange in ihrer leibhaften Erscheinung als Tier dem Elefanten so gefährlich ist wie anderen Lebewesen. Die indische Elefantenmedizin berichtet davon (IV. 32), und der antiken Tierkunde ist der Kampf zwischen Schlange und indischem Elefanten geläufig. Plinius (Naturalis Historia VIII. 11/12) erzählt, daß die Schlange dem Elefanten nachstelle, weil sie sein besonders kühles Blut in der Glut des Sommers liebe. Sie erspäht seinen Wechsel und wirft sich von oben aus dem Laube der Bäume auf ihn oder lauert ihm im Wasser auf, wenn er seinen Durst zu löschen kommt. Da sie fürchten muß, von ihm, wenn sie seinen Leib umwindet, an Bäumen und Felsen zerquetscht und zerrieben zu werden, umschlingt sie allererst seine Füße, um seinen Schritt zu hemmen. Sucht er mit dem Rüssel die Fessel zu lösen, fährt sie ihm in die Nüstern, um ihn zu ersticken und dort ins weiche, von keinem Fell geschützte Fleisch zu stechen. Begegnet er ihr unversehens von vorn, richtet sie sich hoch auf, um ihn allererst zu blenden. Aber wie sie ihn auch bewältigen mag — und der Sieg scheint ihr gewiß —, endet der Kampf mit dem Untergange beider. Denn der sterbende Elefant zermalmt zusammenbrechend mit der Wucht seines Leibes die Schlange, die, von seinem Blute trunken, ihn umwunden hält. „Sie sterben zusammen in diesem Kampfe, der Besiegte zermalmt zusammenbrechend mit seiner Last die Umschlingung. ... so groß 1 M. Winternitz: „Der Sarpabali, ein altindischer Schlangenkult". Mit' teilungen der Anthropologischen Gesellschaft zu Wien, Bd. 18 (1888).
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6ollen die Schlangen sein, daß sie das ganze Blut austrinken; daher die Elefanten ausgesogen und vertrocknet zusammenbrechen und die trunkenen Schlangen erdrücken und mit ihnen sterben 1 ". Auch diesen Kampf der beiden Tiere mit seinem sinnbildlich heroischen Ausgang hat die Antike zum Gegenstande eines Münzbildes gemacht. Cäsar ließ anno 50, als er in offener Feindschaft mit Rom aus der Lombardei zum Kampfe um die Weltherrschaft ansetzte, eine Münze schlagen, die seinen Namen trägt und darüber das Bild eines Elefanten mit erhobenem Rüssel, vor dem eine Schlange drohend vom Boden (Abb. 5) aufzüngelt 2 . In diesem Bilde schcint seine Gesinnung vor der großen Entscheidung seines Lebens furchtlos-drohend festgehalten; die Münze ist geprägt, ehe er den Rubicon überschritt : ein bildliches Motto gegen Rom, das zur Entscheidung auf Tod und Leben drängte: „Unterlieg ich — reiß ich dich mit in den Tod!" Indien hat vom Elefanten, den die Schlange angreift, nichts Heroisches zu berichten. Gerät er in ihre Gewalt, ist er wehrlos verloren. Zweierlei Schlangen drohen ihm Gefahr: die Kobra (näga) und der Fadenwurm (tantuka). Wunderbar und fürchterlich ist die Erscheinung der Kobra: „Ihr Haupt schimmert von Perlen und Juwelen und ist mit Hakenkreuzzeichen 1 Oder um Leonardo da Vincis pathetische Darstellung zu zitieren, die über Zwischenglieder mittelalterlicher Tierallegorie — aus der Schlange ist ein Drache mit Flügeln und Krallen geworden — aus Plinius stammt: ,,. . . der Elefant fällt dem Drachen auf den Rücken und der Drache zerplatzt und so, mit seinem eigenen Tode, rächt sich der Elefant an seinem Feinde." 1 Die Kehrseite der Münze zieren die Insignien des Pontifex maximus, der höchsten römischen Würde, die Cäsar anno 63 bekleidete. Der Schlange ist das Unglück geschehen, vom gelehrten Verfasser des Katalogs römischer Münzen im British Museum als gallische Kriegstrompete (carnyx) ausgedeutet zu werden, die der Elefant zertrampele. Die Münze feiere Cäsars Galliersiege, der Elefant sei eine Anspielung auf Cäsar, weil das Wort „Cäsar" auf mauretanisch Elefant bedeute. Dieser letzte Umstand mag in der Tat die Prägung der Münze mit veranlaßt haben, aber die dargestellte Schlange ist zweifelsfrei eine wirkliche Schlange und, wie Plinius lehrt, gehören Schlange und Elefant für die Alten zusammen. Sie sind das Sinnbild gewaltiger Feinde: In ihrem Vernichtungskampfe macht noch der Überwundene dem Sieger den Garaus.
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geschmückt 1 , . . . ihre Zunge zuckt wie der Blitz, ihr Zahn ist scharf, ihr Gift ist groß. Sie verfolgt den Gehenden in hellflammendem Schein, unvergänglich, mit roten Juwelen schimmernd, ihr Ziel nie fehlend, alterslos, todlos." Sie haust „in Teichen, deren Wasser (von ihrem Gifte) glüht und flammt, in Brunnen der Wildnis und Bergquellen, in Flüssen, deren Wasser blauschwarz, tief und voller Wirbel sind, wo blaue, weiße und rote Lotusblumen entfärbt sind. Nicht einmal spielen soll dort der Elefant, denn an solchen Stätten hausen gewiß Schlangen." Besonders in bestimmten Mondnächten — etwa des halben und des neuen Mondes — spielen dort die Schlangen: an ihnen gilt es vor allem, solche „Schlangenbäder" mit den Elefanten zu meiden. Ist's aber nicht zu umgehen, daß ein Elefant zu solchen Zeiten dort zum Tauchbad geführt wird, soll man einen Schutzzauber an ihm vollziehen 2 . Die Schlangen sind besonders Elefanten gefährlich, die — ihnen insgeheim verwandt — selbst von „schlangenhaftem Wesen" sind, weil sie in einem früheren Leben einmal Schlangen waren 8 . Sie sind besonders vor Begegnungen mit Schlangen zu hüten. 1 IV. 32 (ebendort Schilderung des tantuka). — Vgl. Vogels Bemerkungen zum Ausgehen der Cobra S. 26/28.
* Einen „ G a r u d a z a u b e r " , der den Elefanten in den Schutz des Sonnenvogels Garuda stellt. Garuda ist der Todfeind und siegreiche Verzehrer der Schlangen: Sinnbild der Sonne, die am Ende der Regenzeit die Wolken aufsaugt und dem Firmament die gepriesene Klarheit des Herbstes schenkt. 3 Vgl. die Schilderung des Elefanten von schlangenhaftem Wesen Sp. V I I I . Es beruht darauf, daß er an Äußerem und Gebaren etwas Schlangenhaftes an sich hat. An besonderen Merkmalen werden (IV. 32) u. a. aufgezählt: Dunkle H a u t f a r b e , feine Stimme, kupferrote Zunge, rotbraune Augenwinkel, feiste Schultern, kleine Ohren, kleine Schwanzwurzel. Sein Rüssel ist dick, lang und weich, schwarz gefleckt und halb so lang wie sein Leib — also Schlangenhaft. Er riecht nach Wasserpflanzen. E r t r i n k t Regen, Wind, Blitzstrahl, Mondschein und Dampf und ist darin den Schlangen ähnlich, die mit vielen Namen als „windessende" bezeichnet werde: mit ihrem Züngeln scheinen sie die L u f t einzulecken. Eben diese Wesensverwandtschaft zieht den schlangenhaften Elefanten magisch zu den Schlangen hin, zwar „ h a t er immer Furcht vor der
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Auch der „Fadenwurm" ist dem Elefanten geheimnisvoll verwandt — durch mythischen Ursprung. Vom göttlichen Elefanten Airävana 1 fielen ein paar Tropfen des Brunstsaftes, der aus den Schläfen quillt, mit Tränen vermischt zur Erde nieder, aus ihnen entstanden die Fadenwürmer. Sie sind weiß wie Milch und Schnee. „Sie sind der Untergang der wolkendunklen Elefanten. Sie weilen in Flüssen mit blauschwarzem Wasser, in Lotusblumen und Schlingpflanzen, in Wassern, an denen kein Vogel fliegt, die jähe, belebte Wirbel zeigen, die mißfarben und lautlos, zu heiß oder zu kühl sind. Sie sind f a d e n förmig', ,fein wie Spinneweb' und töten den Elefanten durch ihre bloße Berührung — im Wasser, wo man sie gar nicht sieht, wie von ungefähr. Sie heißen ,näga', d. i. ,Schlange', weil sie aus dem Brunstsaft des ,nägaräja', des ,Elefantenkönigs' — eben Airävana — entstanden sind. Mit Brennen oder Schneiden kann der Arzt ihnen nicht beikommen. Aber, wenn man sie mit einem Bockshorn aufhebt und auf den Rücken einer Schildkröte niederlegt, schmelzen sie vor den Strahlen der Sonne wie Reif dahin 2 ." Wasserbehausung der Schlangen", aber „er wünscht sich Schlange zu sein" und darum überwindet ihn die Schlange „schnell und unweigerlich, wenn er in ihre Gewalt k o m m t und von ihren Fesseln umstrickt wird, nicht aber durch Heldentat ihrerseits". 1
Airävana — Variante von Airävata.
* Die Elefantenmedizin kennt noch ein drittes unheimliches Wassertier, das dem Elefanten gefährlich wird —- den „Wasserelefanten" (IV. 33). Auch er haust in Wasser, das unheimlich anzusehen ist („grundlos, schlammig, schaumig, blasig, t ö n e n d " ) und an dem kein Vogel fliegt. Sein Gesicht ist das eines Elefanten. Er h a t ein großes Rückgrat und einen großen Bauch und h a t die Ohren am Rücken. Sein Fell ist mit Stacheln besetzt, sein Mund groß und voller Zähne. Er gleicht in vielem dem Krokodil (makara). — W e n n der Elefant beim Trinken oder Baden in sein Bereich kommt, zergeht er alsbald kraftlos, wie ein Klumpen ungebrannten Lehms im Wasser. Aber dieser „Wasserelefant" übt auch magisch stärkende Wirkungen auf die Elefanten aus, augenscheinlich als ihr übermächtiger Verwandter im lebenspendenden Element: „Wenn die Elefanten sein Dröhnen hören und aus seinem Gewässer trinken, sind sie alsbald von Langlebigkeit, K r a f t , Stärke und Jugend erfüllt und werden frei von Krankheiten." — Aber wegen seiner tödlichen Wirkung soll man es sorglich vermeiden, Elefanten in seine Nähe zu bringen und soll ihn in bestimmten Mondnächten mit Spenden abfinden, wie man sie den
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Mythos und Bild haben die Ohnmacht des Elefanten, der in die Gewalt der Schlange kommt zum Preise Vischnus verewigt. Am Vischnutempel zu Deogarh findet sich ein Relief (Abb. 3) mit dem Elefantenkönig, der, in einem Teiche badend, von einem Schlangenkönig rettungslos umstrickt, betend seinen Rüssel zu Vischnu erhebt. Auf dem Carudavogel — dem Todfeind der Schlangen — eilt der Gott ihm zu Hilfe und befreit ihn durch seine Erscheinung mit drohend erhobenen Waffen. Garudas Arm hat schon den erhobenen Rüssel des flehenden Gefangenen gepackt, um ihn aus den Windungen, die seine Füße umschlungen halten, herauszureißen — aber der Schlangenkönig läßt beim bloßen Anblick des Gottes von seinem Opfer ab und huldigt mit seiner Gemahlin der verkörperten Allgewalt, der jubelnde Götter mit einem Diadem im Fluge nahen. Einen ganz besonderen Ruf hat die christliche Tierallegorie dem Elefanten verschafft : den Ruf der Keuschheit. Ihr klassisches Werk, der „Physiologos" — im 2. Jahrhundert n.Chr. in Alexandria entstanden, Quelle aller mittelalterlichen Tierkunde und lange über sie hinaus wirksam — berichtet: „Es gibt ein Tier, genannt Elefant. Dieses Tier hat nicht die Begierde der Begattung. Wenn nun das weibliche Tier gebären will, begibt es sich nach Osten in die Nähe des Paradieses. Dort gibt es einen Baum, genannt Mandragora. Das männliche Tier kommt nun mit dem weiblichen dorthin. Und das weibliche genießt zuerst von dem Baume und gibt davon auch seinem Männchen und scherzt mit ihm, bis dieses auch davon nimmt. Und wenn dasselbe gegessen hat, vereint es sich sogleich mit dem Weibchen." — Diese romantische Hochzeitsreise in paradiesisch unbelauschbare Ferne klingt noch in Buffons „Histoire naturelle" an, wenn er dort von Elefant und Elefantin 6agt: ,,. . . l'amour parait les procéder et la Wagsergottheiten der Flüsse darzubringen pflegt. — Ein Wassertier mit Elefantenkopf, Fischleib und -schwänz (Elefantenmakara) ist ein gebräuchliches Ornament unter dem Skulpturenschmuck von Toren und Geb&uden. Über seine Wanderung mit anderen Elefantenmotiven und indischem Kulturgut überhaupt ins vorkolumbische Amerika vgl. C. Elliot Smith, „Eléphants and Ethnologists", London 1924. 39
pudeur les suivre, car le mystère accompagne leurs plaisirs." — Daß die Elefanten ihre Liebesspiele den Augen anderer Wesen entziehen und sich nur im Verborgenen begatten, steht schon bei Plinius, aber das gilt ihm als menschenwürdiger Zug an ihnen, sie tun das „aus Schamgefühl, . . . nicht weil es ihnen an Kraft der Liebe mangelte . . ." Die Zauberwurzel Mandragora, von der Buffon schweigt, ist auch Plinius unbekannt, sie ist das Besondere der christlich-allegorischen Auffassung. Denn das Liebesmahl des keuschen Tieres — die Elefantin ißt zuerst und bietet dem Männchen an, um es zu erregen — ist dem Physiologos ein Sinnbild des Sündenfalles Adams durch E v a : „Sie gab ihm, und er aß auch davon." Wie Adam vor dem Apfelbiß rein und ganz unschuldig war, ist hier der Elefant das unsinnlich-kühle Tier, das erst durch die Kraft der Mandragora zum „Sündenfall" gebracht wird. Auch als Symbol der Keuschheit ist er auf Münzen zu finden, z. B. auf einer Medaille, die Matheus de Pastis 1446 für Isotta da Kimini schuf (Abb. 6). Mit seinem Sinnbild lebt die Fürstin für die Nachwelt in Keuschheit fort, während die ältere Francesca daRimini dank Dantes infernalischer Anprangerung durch entgegengesetzten Ruf viel bekannter geworden ist. Der Genuß der Mandragora ist der springende Punkt in der christlichen Vorstellung vom Elefanten; der erste illustrierte Druck des „Physiologos" (Rom 1587) hält eben diesen Umstand der Verführung fest : Die Elefantin pflückt die Wurzel, (Abb. 7) die den Elefanten und zuvor sie selbst ihrer keuschen Natur entfremden wird. — Indien kennt keine Fabel vom keuschen Elefanten, andächtig verstehend feiert es das große Schauspiel seiner Brunst, das herrliche Erwachen seines männlichen Ungestüms (z. B. Sp. IX). Aber in seiner Beobachtung des Liebesspiels der Elefanten kennt es auch ihren Gang in die Waldeinsamkeit und das Werben der Elefantin um die Glut des Gemahls : Dieses „sie gab ihm und er aß auch davon", das die Grundlage der christlichen Vorstellung ist. Da der alexandrinische „Physiologos" auch andere Elemente indischer Tierlehre (Einhorn, Charadrios) verarbeitet hat, stammt sein Bericht vom Anbieten und Verzehren der Mandragora gewiß aus indischer Beobachtung und Lehre, wie indische Elefantenkunde sie — freilich in ihrem Sinne — aufgezeichnet hat. Un40
schuldig-sachlich schildert sie das Liebeswerben der Elefantin u n d seinen Erfolg 1 : „ I h r e Gesichtsfarbe ist klar, und der Mund ihres Geschlechts ist aufgetan. Wieder u n d wieder t r i e f t es u n d richtet eich a u f . 2 In der Nähe des Elefantenbullen duldet sie kein Elefantenweibchen. Ihr Schweif und ihre Ohren sind ein wenig aufgestellt, ihr Geschlecht ist feucht und fleischig geschwellt. Nacken und Rüssel sind aufgerichtet, sie s t e h t geneigt u n d breitbeinig da. Wohin der männliche Elefant schreitet, pflanzt sie sich vor ihm auf. H a r n und Kot, den der E l e f a n t entleert, beriecht sie wieder und wieder und f ü h r t ihren Rüssel ans Maul. Und mit gesteifter Schwanzspitze schlägt sie wiederholt das Männchen. W e n n sie voll Verlangen i m m e r wieder den E l e f a n t e n umkreist h a t , bespringt die Elefantin den Bullen, schnüffelt rings an seinem Geschlecht und f ü h r t den Rüssel z u m Munde. Und solche Zärtlichkeiten, die den Elefanten erregen, erweist sie i h m immer von neuem. Steht der E l e f a n t vor ihr in lieblicher Gegend, d a n n bleibt sie in freudiger E r regung stehen, hält seinen Stoßzahn mit dem Rüssel u m f a n g e n u n d beschnuppert ringsherum Rüssel, Gesicht, Lippen u n d Geschlecht an i h m , beriecht ihn an allen Körperteilen u n d besonders a m Geschlecht (das indische Wort f ü r ,schnuppern*, ,beriechen' kann auch ,küssen' bedeuten). Sie reißt einen Zweig von einem Baume u n d beschenkt den Elefanten mit blühenden Blumen, mit Kernen, mit weißen und blauen Lotusblüten u n d besprengt ihn in Teichen mit Wasser u n d Schlamm u n d auf f e s t e m Boden mit kühlem Sande. Sie reibt ihre Seite an der seinen u n d schnuppert am Munde des Elefanten. N a h r u n g n i m m t sie in der Nähe des Männchens n u r wenig zu sich. Nicht bei Nacht und nicht bei Tag läßt die Elefantin, die ihre Brunst 1
I I I . 8. („Zeichen der Brunst bei der Elefantin.")
* Eine Erscheinung, die in der westlichen Zoologie schon der erste Bet r a c h t e r des Elefanten — Aristoteles — und nach ihm (laut A. W. v. Schlegel) erst Cuvier wieder vermerkt hat. Aristoteles berichtet (Tierkunde I I . 23): „. . . das Weibchen (des Elefanten) dagegen hat die Scham an der Stelle, wo bei den Schafen die Euter sind; wenn es also in die B r u n s t t r i t t , so zieht es sie aufwärts und kehrt sie nach außen, wodurch die Begattung dem Männchen leichter wird; die Scham ist aber gehörig geöffnet."
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zeit hat, den Elefanten, den sie begehrt, irgendwann allein, ob er sitzt oder liegt; alles tut sie, wodurch er in freudige Erregung gerät. Eine verlockend schimmernde Frucht, eine faserige Lotoswurzel, auch den röhrigen Stengel einer Wasserpflanze nimmt die liebestrunkene Elefantin und steckt's dem Elefanten in den Mund. Wenn der Elefant aber wieder in einer lieblichen Gegend haltmacht, bleibt auch sie stehen und hält in freudiger Erregung seinen Stoßzahn umschlungen. — An diesen Zeichen mag ein Kundiger erkennen, daß eine Elefantin ihre Zeit der Brunst hat. . . . Zwölf Tage aber dauert die Zeit der Brunst für die Elefantin. Wenn sie gekommen ist, bespringt der Elefant die Elefantenkuh bei Nacht oder auch bei Tag und wie ihn seine Natur ankommt: der Starke die Starke, der Fröhliche die Fröhliche. . . . Wenn sie den Keim empfangen hat, ist die Elefantin von freudiger Erregung und Anstrengung frei. Nach dem Elefanten sich umblickend und stehen bleibend geht sie mählich von dannen. Sie beugt sich und schüttelt beide Ohrlappen und reibt 6ich, an einen Baum gelehnt, ringsherum den Leib. Sie taucht sich in Wasser, legt sich in Schlamm und kühlen Schatten. Einem Elefanten, der daherkommt und sich an sie heranmachen will, begegnet sie feindlich. An diesen Zeichen mag man erkennen, daß eine Elefantin empfangen hat." Der Ruf der Keuschheit oder besonderen Schamhaftigkeit blieb dem Elefanten bei uns lange treu, weil er sich in der Gefangenschaft kaum je vermehrt. Die Geburt eines Elefantenbabys im Schönbrunner Tierpark (es ist immer noch dort, inzwischen freilich schon in die Flegeljahre gekommen) erregte seinerzeit Aufsehen und ward als Widerlegung alter Legende begrüßt. Es ist aber nur die Ausnahme, die zur Bestätigung der Regel aufzutreten pflegt. Die indische Elefantenpflege rechnet nicht mit der Vermehrung des Tieres in der Gefangenschaft. Die indische Elefantenmedizin enthält zwar zwei theoretische Kapitel über Embryologie und Schwangerschaft (III. 7/8) — in enger Anlehnung an die menschliche Embryologie — aber keinerlei Ratschläge für die Pflege der tragenden Elefantin, für die Aufzucht des Neugeborenen, keinerlei Leh42
ren über Zucht und was dazugehört 1 . Die Könige ergänzen i h r e Bestände an Elefanten f ü r ihre magische F u n k t i o n und ihre Verwendung in P r u n k und Krieg aus der Wildnis, wo besondere Schutzgebiete f ü r die Tiere vorgesehen sind 2 . A u c h über den Kriegswert des Elefanten gehen indische und westliche Meinung auseinander. Alexanders P h a l a n x f ä l l t e in der Schlacht gegen König Poros das erste v e r n i c h t e n d e Urteil des Westens gegen ihn, römische Legionen bestätigten es in K ä m p f e n gegen P y r r h u s und die K a r t h a g e r t r o t z des P y r rhussieges bei Heraclea und der Niederlage des Regulus bei Tunis. A n Hannibals Siegen haben die E l e f a n t e n keinen entscheidenden Anteil, die Schlacht bei Zama begann m i t ihrer Niederlage. In K ä m p f e n gegen Gallier und Makedonen haben sich die Römer afrikanischer Elefanten mit einigem Vorteil bedient 8 , bei Thapsus brachten sie den Gegnern Cäsars im B u n d e mit J u b a v o n Mauretanien kein Glück. I m ganzen f a n den die Römer, daß der Elefant in der Schlacht Freund und Feind mindestens gleich gefährlich sei. In der neueren Zeit, 1 Vgl. Aristoteles „Tierkunde" VI. 114 (worin augenscheinlich etwas berichtet wird, was die Wärter der von Alexander erbeuteten indischen Elefanten ausgesagt haben): „Auch die Elefanten werden um die Zeit der Begattung wild, daher auch die indischen Elefantenzüchter, wie es heißt, sie nicht zu den Weibchen zulassen. Denn sie gerieten in dieser Zeit in eine solche Wut, daß sie ihre schlecht gebauten H&user umstürzten und sonst vielen Unfug anrichteten. Übrigens soll man sie auch durch reichlicheres Futter sanfter erhalten können: Außerdem läßt man auch andere Elefanten auf sie los, welche abgerichtet sind, sie zu züchtigen und durch Schläge unterwürfig zu machen." * Kautilya empfiehlt (20) dem Könige, neben einem Tierpark zu seinem Vergnügen und einem Wildpark, zu dem alle wilden Tiere freien Eingang haben, einen besonderen Elefantenschutzpark in der Wildnis abzugrenzen, der nach außen durch Verhaue abgeschlossen, in seinem Inneren Berge, Flüsse, Seen und Sumpfland umfaßt. Über diesen „Elefantenwald" ist ein Hegemeister mit Wärtern und anderem Personal zu setzen. Wer einen Elefanten erlegt, soll von ihnen getötet werden. Sie sollen die Elefantenherden und auch die einzelnen Tiere nach ihren Eigentümlichkeiten und Gewohnheiten genau kennen und die geeigneten nach Bedarf einfangen. (Vgl. J . J . Meyers Ubersetzung, S. 63/64.) * Gegen die Averner und Allobroger anno 122/21 a. Chr. — gegen Philipp von Makedonien (bei Kynoskephalä) und Perseus (bei Pydna) —- vgl. Armandi Buch I, Kap. XII.
Zimmer. Spiel um den Elefanten
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deren K r i e g s k u n s t der Westen schuf, v e r b a n n t e ihn die Feuerwaffe endgültig v o m Schlachtfeld. E i n z i g a u f d e m unblutigen K a m p f p l a t z des Schachspiels, das die K r i e g s k u n s t des „viergliedrigen"indischenHeeres(Elefanten, Streitwagen, Reiter u n d F u ß v o l k ) n a c h a h m t , h a t die Wucht seines Angriffs,die Indien a m E l e f a n t e n r ü h m t , seine Geltung behalten: im Schlage des L ä u f e r s . In Indien sind sich E l e f a n t e n k u n d e u n d K r i e g s k u n s t einig, daß der E l e f a n t die s t ä r k s t e und unentbehrlichste Waffe des K ö n i g s in Schlachten sei. Die Elefantenheilkunde preist ihn (I. 5) : „ L e i b h a f t e Gottheiten sind die E l e f a n t e n , von Götterart : d a r u m sind sie Herren und heißen ,landschenkende'. E i n E l e f a n t , auf dem ein K ö n i g sitzt, s t r a h l t , auf einem E l e f a n t e n sitzend glänzt der K ö n i g : keiner von beiden h a t vor dem andern etwas v o r a u s , mit Königen wesensgleich sind Elefanten. Auch v o n Hunger und D u r s t erschöpft und in großen N ö t e n lassen sie den König nicht im Stich, daher sind Elefanten V e r w a n d t e des Königs. Zucht lernen sie wie Schüler, Diener sind s i e : f ü g s a m den L a u n e n ihrer Lenker, v e r k a u f t und verschenkt gehen sie schweigend von d a n n e n wie Sklaven, an Zucht sind sie heiligen Sehern gleich — aber erzürnt sind die E l e f a n t e n wie wilde Unholde. E r b a r m u n g s l o s und gewaltig sind die E l e f a n t e n S c h w e r t : allein schirmen, k ä m p f e n und t r a g e n sie zugleich a m K o p f e der Schlachtreihen. Mühsam geben sie ihr Leben auf, die E l e f a n t e n h a b e n herrliche Leiber. Wälle, Tore und W a c h t t ü r m e zu zerreißen und aufzubrechen, im Zerbrechen und Zermalmen sind E l e f a n t e n unwiderstehlich wie D i a m a n t . Sie beschirmen d a s eigene Heer und bringen das feindliche zum L a u f e n . Zum , T o p f ' geformt (etwa unser Carré) sind sie wie Festungen schwer zu besiegen, auch ein j ä h heranstürmendes Heer halten i m , T o p f ' gestellte E l e f a n t e n unerschrocken auf, wie ein D a m m im Meere. Gilt es schnell zu handeln, kann ein König, auf Elefanten reitend, Sieg mit einer einzigen W a f f e (ohne Wagen, Reiter u n d F u ß v o l k ) erringen. Wieso ,Sieg mit einer einzigen W a f f e ' ? E i n gerüsteter, abgerichteter, kraftglühender Elefantenheld, auf d e m ein Held sitzt, besiegt auch ganz allein sechstausend P f e r d e 1 . . . . Den 1 P a n i k der Pferde vor Erscheinung, Geruch und Geschrei der Elefanten ist durch viele Schlachtberichte bezeugt (vgl. Armandi).
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Pfad (zur Hölle), den ein Brahmanen- oder Vater- und Muttermörder geht, oder wer ein Mädchen betrügt, wer eine Frau mordet oder das Bett des geistlichen Lehrers entweiht, den ein Krieger geht, der in der Schlacht mit abgekehrtem Gesicht gefunden ward, geht, wer einen Elefanten in der Schlacht im Stich läßt. An einem Axthieb sterben Pferd und Mann, hundert Axthiebe hält wohl ein Elefant in Schlachten aus. Das Gesicht mit einem Netz von Pfeilen überzogen — wer außerm Elefanten wäre imstande, einen Wall zu zerschlagen, nachdem er Wagen, Pferde, Männer und Elefanten aufgequirlt hat ? Zur Nacht, wenn der Mond entschwunden ist und rings die Feuer flammen, wer anders als der Elefant wäre imstande, Heere der Feinde zu zermalmen? Kein höherer Pfad ist als Erlösung, keine Lehre höher als die Veden, kein höheres Wesen ist als Krischna1, kein höheres Reittier als der Elefant. Schmuck der Erde ist der Weltberg Meru, Schmuck der Nacht der Mond, der Menschen Schmuck ist Wahrheit6wissen, der Heere Schmuck Elefanten. Glück ist, wo Zufriedenheit, ein Reich, wo ein Herrscher ist, Freundschaft, wo Vertrauen herrscht, ein Heer, wo Elefanten sind. Von edlem Sinn erhält Schönheit Glanz, von rechtem Wandel die Familie, mit Blüten besät ist der Wald schön, Kriegsmacht ist schön mit Elefanten. Des Wohlstandes Schmuck ist Verwandtschaft, Schmuck der Familie ist Habe, Rauschtrank ist Schmuck der Frauen, der Heere Schmuck Elefanten. Das ist kein Gewinn, wobei der Mensch an Wert verliert, das ist kein Weiser, der nicht in glühender Askese glühte, das ist kein Mann, dem Frauen nicht hold sind, das ist kein König, dem Elefanten nicht hold sind. Wie ein Dschungel ohne Löwen, wie ein Reich ohne Herrscher, wie Heldenmut ohne Schwert ist ein Heer ohne Elefanten. Wo Wahrheit ist, ist Recht, wo Recht da Gut, wo Schönheit da edles Wesen, wo Elefanten, da Sieg. . . . Es gibt keinen Verwandten dem Elefanten gleich, keinen Freund dem Elefanten gleich, keinen Streiter dem Elefanten gleich, keinen Feind dem Elefanten gleich, keines hat 1 Die fürstliche Menschwerdung des AUgotts Viachnu, in der er, die Lehre der Bhagavadgitä verkündend, ein nenes Weltalter auftat.
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einen Leib wie der Elefant, es gibt keinen, der stark ist wie der Elefant. Die hohe Eignung der Elefanten zeigt eich besonders darin, daß die drei anderen Waffengattungen die Vorzüge nicht aufzuweisen haben, die auch bei geringen Elefanten immer zu finden sind. Wie die Nacht ohne Mond, wie die Erde ohne Korn, ist ein Heer ohne Elefanten, auch wenn es weit und breit ist, nicht schön. . . . Zum Heile der Welt schuf der Schöpfer der Welt die königlichen Elefanten, in denen Kraft und Glanz sich majestätisch breitet. Ein König, der innig darauf bedacht ist, ihr Wohl zu fördern, hält den Sieg in Fingern. . . . Ein Herrscher, dessen Kraft in Elefantenfürsten besteht, kann andere Herrscher schlagen, auch wenn 6ie mit Scharen von Pferden und Fußvolk mächtig aufgeschwollen sind, er packt die ihn stören, wie ein Löwe die geringeren Tiere der Wildnis. Drum sollen Elefanten behütet werden, wie das Leben der Könige, und mehr als es. Keine andere Ursach gibt's für den Sieger auf Erden, als sie mit ihrer breiten Kraft und unmäßigen Stärke 1 ." Im gleichen Sinne äußern sich die Lehrbücher der Staatsund Kriegskunst über den Kampfwert der Elefanten: „Der Sieg der Könige beruht vornehmlich auf den Elefanten. Un1 Verwandte Äußerungen finden sich über das ganze Corpus der Elefantenmedizin verstreut: „Als K r a f t und Wurzel der Königsmacht gilt das viergliedrige Heer. I n ihm aber gelten die Elefanten als edelstes." (I. 18.) „Sie sind die überkräftigen der vier Streitkräfte, aus Brahmas H a n d voll großer K r a f t erzeugt. In dieser und jener Welt verehrungswürdig, schenken die Elefanten dem Könige Zufriedenheit." (II. 44.) Der indische Weltherrscher R o m a p ä d a (Haarfuß), der in sagenhafter Zeit als erster die Elefanten bändigte und im Krieg verwandte und vom Heiligen P ä l a k ä p y a die Lehren der Elefantenkunde erhielt (vgl. Sp. I), rühmt ihm ihre Hilfe bei seinen Siegen (IV. 1): „Als ich die ganze E r d e bis an die Meere rings ersiegte, hat keiner für mich geleistet, was die Elefanten t a t e n : Tragen schwerer Lasten, Märsche in schwierigem Gelände, jähes Zermalmen und Übergänge durch Gewässer. Scharfes Schlagen und Zerschlagen, Überschreiten der Wasserfluten, alle Glieder als Waffen gebrauchen (vgl. Sp. I. II) findet sich nur bei den Elefanten. Die Elefanten allein haben Eigenschaften, an denen andere sich nicht messen können und die sich nicht bei den anderen drei „ W a f f e n " finden. Mit solchen unvergleichlichen Vorzügen sind die Elefanten die erste aller .Waffen'. Auch wenn sie im Stalle stehen, beschirmen sie die ganze Erde samt dem König."
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mäßig großen Leibes zermalmen sie, zum Töten abgerichtet, Schlachtreihen, Heerhaufen, Festungen und Heerlager der Feinde 1 " und: „Die Reiche der Herrscher beruhen auf den Elefanten, die, wie dunkle Wolken schimmernd, von duftendem Brunstsaft triefend, mit Schlägen ihrer Stoßzähne Mauern zerbrechen 2 ." Der überragende Kampfwert des Elefanten im indischen Kriegswesen beruht nicht bloß auf der unwiderstehlichen Wucht seines gefürchteten Ansturms, sondern auch in seiner vielseitigen Verwendbarkeit überhaupt. Freilich ist der Angriff in offener Feldschlacht die großartigste Entfaltung seiner kriegerischen Erscheinung: wenn er als erstes Treffen vor der eigentlichen Schlachtfront in breiter Welle losstürmt, u m die feindlichen Reihen zu durchbrechen und zu werfen, mindestens in die Abwehr zu drängen, „um das festgeschlossene Heer des Feindes zu zersprengen" und „wenn der Feind durch Angriff von vorn zum Wanken oder zur Flucht gebracht ist, mit der Reiterei vereint, ihn im Rücken zu fassen". Im Festungskriege dienen sie zum „Zerbrechen von Wällen, Toren und Türmen", im Bewegungskriege und auf dem Marsche er1 K a u t i l y a s „ A r t h a s c h ä s t r a " 20. — Ebendort heißt es (116): „Die Vernichtang feindlicher Heere beruht vornehmlich auf den E l e f a n t e n . " 1
K ä m a n d a k i s „ N i t i s ä r a " 15. 10. — Ebendort wird (wie oben in der Elefantenkunde) gelehrt, daß ein wohlgerüsteter Elefant, der in den verschiedenartigen K a m p f a r t e n wohlausgebildet ist und von einem mutigen Lenker gut g e f ü h r t wird, 6000 Pferde (d. i. Reiter) in der Schlacht erledigt. (15. 11.) Ferner, daß ein einziger, von heldischer W u t erfüllter Elefant imstande ist, das feindliche Heer in die Flucht zu schlagen. Grundsätzlich h ä n g t der Sieg von den Elefanten ab, durch die Überlegenheit des Elefantenkorps scheint der Sieg gesichert. (19. 60.) — K ä m a n d a k i s „ N i t i s ä r a " ist wie Kautilyas Arthaschästra durch Übersetzung allgemein zugänglich (übersetzt von Carlo Formichi im Giornale della Società Asiatica Italiana — die einschlägigen Kapitel finden sich in Vol. 15—17, 1902—1904), ebenso der „Hitopadescha" (vgl. oben S. 9 Anm.), der im 3. Buche vom Kriegswesen handelt. Hier sollen nur die wesentlichen P u n k t e aus den Lehren dieser Werke, auf denen die indische Kriegskunst ihre hohe Bewertung des Elefanten begründet, zur Sprache k o m m e n , ohne daß ihr Material voll ausgeschrieben würde und ein Kapitel indischer Kriegskunst entstände, das den Rahmen dieser Einleitung sprengte. — Zur indischen Kriegslehre vgl. auch O.Stein „Megasthenes und K a u t i l y a " , Wien 1922 und A. Hillebrandt, „Indische Politik", J e n a 1923, S. 140 f f .
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füllen sie im ganzen die Aufgaben schwerster Kavallerie. Sie bilden Vorhut u n d Flankendeckung und eignen sich besonders zu Flankenangriffen u n d Überfällen. Besonders dienen sie mit ihrem lautlosen Gange zu nächtlichen Überrumpelungen des lagernden Feindes. Bei solchen Unternehmungen tragen sie Lederschuhe, u m ihre empfindlichen Sohlen vor Marschverletzungen im Dunkeln zu schützen. Die große Schnelligkeit ihres Ganges macht sie zu solchen entscheidenden „ H u s a r e n s t ü c k e n " besonders geeignet. Die besten u n t e r den männlichen Tieren geben als höchste Marschleistung a m Tage 10 yojana (ca. 100 km) her, mittlere 7, geringe 5. F ü r weibliche Tiere sind die entsprechenden Zahlen 7, 5 und 4 yojana (I. 2). Dagegen werden die Marschleistungen des gesamten Heeres — mit Troß, Kriegsschatz und H a r e m des Königs — auf 1 bis 2 yojana veranschlagt. Ihr eigener Wert neben der Reiterei beruht weiter darauf, d a ß sie in Geländen Verwendung finden, die für Pferde schwer gangbar sind. Reiterei b r a u c h t offene u n d ebene Landschaft, der Elefant liebt den Dschungel, und es gibt f ü r ihn wenig ungangbares Gelände. Die Elefanten bewegen sich leicht über felsige Erhebungen wie durch verwachsene Niederungen, wo sie die Bäume niedertrampeln und das Dickicht der Schlinggewächse zerreißen können. Vor allem aber bieten Sümpfe und Wasserläufe ihnen weniger Hindernis als den anderen Waffen. D a r u m finden sie besonders bei Flußübergängen Verwendung. — Unternehmungen der Reiterei ist überdies trokkene Jahreszeit günstig, die Elefanten aber sind mit Vorteil in der feuchten zu verwenden. Aber die Elefanten sind auch T ü r m e in der Schlacht, in deren Schutz fliehende und zersprengte Heerhaufen sich zurückziehen können, u m sich zu sammeln. Bestimmt, beim Feinde „ F u r c h t einzujagen und zu erschrecken", richten sie die T r u p p e n des eigenen Heeres auf. Feindliche Wälle und Befestigungen zu brechen geeignet, bilden sie, als Elefantengarde, eine unbewegliche Mauer u m den König im Wogen der Feldschlacht, die der General leitet. In ihrer Mitte reitet der König selbst auf einem Elefanten, wofern er nicht einen Wagen gewohnt ist. Sie tragen auch den Kriegsschatz, den der König mit sich f ü h r t , u m die Truppen zu entlohnen und
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hervorragende Leistungen noch auf dem Schlachtfelde selbst auszuzeichnen (auf den Tod feindlicher Führer: König, Kronprinz, General, sind Preise gesetzt). Andere Aufgaben, die ihnen wegen ihrer Schnelligkeit und Verwendbarkeit als Arbeitstiere zufallen, sind: vorauszumarschieren und den Weg des Heeres instandzusetzen, besonders an Furten Rampen zu bauen, die in den Fluß führen, und die Lagerplätze vorzubereiten. Als Kampfwert steht ein Elefant 5 Reitern oder 15 Fußsoldaten gleich. Die Gefahr, die den eigenen Reihen von ihm droht, wenn er sich fliehend auf sie stürzt, ist zwar bekannt, wird aber nicht veranschlagt. — Bezweckt ein Friedensschluß die Entwaffnung des Besiegten und die Stärkung der eigenen Kriegsmacht, so gehört die Auslieferung der Elefanten und Pferde zu seinen Bedingungen. 1 Elefant und König gehören zusammen: der magische Lebenspender zum Schirmherrn und Gemahl der Erde, der stärkste Krieger zum hohen Kriegsherrn. Der Elefant verleiht dem Könige „strahlende Kraft". Schon im Veda wird ein Zauber gelehrt, mit dem ein König sich die Wunderkraft des Elefanten zu eigen machen kann. Dazu legt er ein Amulet aus Elfenbein oder von Elefantenhaaren, die mit Golddraht umwunden sind, an, oder er berührt den Stoßzahn des Elefanten und spricht dabei: „Des Elefanten strahlende Kraft, den großen Ruhm, der dem Leibe der Göttermutter — der ,Ungebundenen' — entstammt, ihn gaben alle mir: alle Götter und die ,Ungebundene' einmütigen Sinnes. Die strahlende Kraft, durch die der Elefant in den Wassern, der König unter den Menschen ward, durch die im Anbeginn die Götter zur Göttlichkeit kamen, durch diese strahlende Kraft, o Feuergott, mach mich jetzt strahlend an Kraft. 1
VgL Kaut. 101/2, 116, 150/57, 162. Kämandaki 15. 16. 19.
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Die strahlende K r a f t , o Wesenwisser (d. i. der Feuergott), die dir von der Opferspende k o m m t , groß wie die strahlende K r a f t der Sonne u n d des g o t t h a f t e n Elefanten, so groß sollen strahlende K r a f t mir die reitenden Zwillingsgötter schenken, die lotosbekränzten! So weit die vier Weltgegenden reichen, so weit das Auge dringt, so weithin sammle sich die I n d r a h a f t e strahlende K r a f t des E l e f a n t e n auf mich. Der Elefant ward allen Tieren der Wildnis, die nach Behagen sich lagern, voranstehend, mit seiner Gabe: strahlendem Clanze, beträufle ich m i c h 1 . " Am Wesen des Elefanten k a n n der König in seiner W ü r d e s t a r k u n d glänzend werden. I h m e n t n i m m t er magisch die sonnenhaft-feurige K r a f t , die ihn über die Menschen erhöht, wie sie (Urkraft des Lebens im Wandel ihrer Form) den Wolkenelefanten über die Wasser, den Waldelefanten über die anderen Tiere erhöht und die Götter über die anderen Wesen erhoben h a t . I h m e n t n i m m t er, was I n d r a zum Könige der Götter m a c h t u n d ihm selbst als Erdbcherrscher grenzenlose Herrschaft nach allen Himmelsrichtungen verleiht. D a r u m lehrt die Heilkunde (II. 44): „Der König soll die gefangenen Elefanten immer persönlich mit ständiger F ü r sorge im Auge behalten, als wären es seine Söhne 2 und veranlassen, d a ß unter Leitung der Ärzte geschieht, was gegen ihre E r k r a n k u n g e n geschehen k a n n . " Besondere Bedeutung m i ß t sie (wie der vedische Zauber mit Elfenbeinamulet und Ber ü h r e n des Stoßzahns) dem Zustande seiner H a u p t w a f f e : der Stoßzähne zu. Sie sind der gesammelte Ausdruck der magischen Herrlichkeit des Tieres 3 . Es bedeutet Unheil, wenn sie 1
Atharva-veda III. 22. Kauschika-Sütra XIII. 1. * Vgl. II. 46: „Ein König, der die jungen Elefanten immer wie seine eigenen Söhne hegt, igt immerdar siegreich und genießt nach dem Tode die Freuden der Himmelswelt." s Über ihre erwünschte und unerwünschte — glück- und unglückbringende — Form vgl. Sp. II und III. — Glückbringend unter anderen sind natürlich Elefanten mit Stoßzähnen, die nach rechts gedreht sind (IV. 8).
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zu Schaden kommen. Fällt ihm der rechte Zahn aus, bringt das dem Könige Krankheit, seinem Lenker Gefahr. Besonders wenn er ihn unversehens ohne Anzeichen seiner Erkrankung einbüßt, ist das ein schlimmes Zeichen, und man soll den Elefanten zum Heile des Landes und des Königs über die Grenze I h n e n gebührt besondere Verehrung: ein Sonnenschirm (wie ihn der König führt) und Speise, wie man sie Gästen bietet: saure Milch mit B u t t e r und Honig vermischt (madhuparka). Ein König, der die Elefanten gebührend hält,wird lange die Erde bis an die Meere beherrschen, reiche E r n t e n in seinem Lande haben, niemals Mangel an Regen, keine Krankheiten usw. Anderwärts ( I I I . 34) werden vier H a u p t a r t e n von Stoßzähnen unterschieden: zum Munde einwärts gewandte, vom Munde a u f w ä r t s , a b w ä r t s u n d seitwärts gewandte. Man unterscheidet weiter Keulenzähne, Spanzähne, Strich-, Knoten-, Höckerzähne, Rankenzähne, Zähne mit zwei oder drei Gruben, unmäßig lange und kurze,dicke und dünne, unschöne und rauhe. Besonderes Ansehen genießen mitunter Elefanten mit mehr als zwei Stoßzähnen. Die buddhistische Legende erzählt von dem wunderbaren „Sech8-Stoßzahn"-Elefanten („Chad-danta", J ä t a k a 514), der, schneeweiß, mit rotem Gesicht und roten Füßen, Führer einer Elefantenherde v o n 8000 Tieren war, die, mit Wunderkräften begabt, durch die L u f t fliegen konnten. E r war eine der Gestalten des Buddha in einem f r ü h e r e n Leben. Mit der gleichen Gestalt ging auch der werdende B u d d h a in den Mutterleib der Königin Mäyä ein, als er zu seinem letzten Leben, zu Erleuchtung und Nirväna aus dem Himmel der „Seligen G ö t t e r " auf die E r d e herabstieg und von der Mutter im Traume erblickt wurde: als ein weißer junger Elefant mit rötlichem Kopfe und sechs Stoßzähnen. (Lalitavistara VI.) — Die Elefanten-Heilkunde berichtet ( I I I . 8) von Elef a n t e n mit drei und vier Stoßzähnen. Sie haben wunderbaren U r s p r u n g : Die Elefanten der Weltgegenden, die in bestimmten Nächten (wenn der Mond im Sternbild der Gazelle steht) zur Erde herabkommen u n d in der Wildnis spielen, haben sie mit irdischen Elefantenkühen gezeugt. Über die besondere K r a f t , die dieser unmittelbare göttliche Ursprung ihnen verleiht und die von ihrer besonders starken Bewehrung ausgeht, wird hier freilich nichts weiter gelehrt. — Anderwärts gelten sie als Unglückbringer: „ E s gibt auch Elefanten mit drei oder vier Stoßzähnen. Sie sind „fleischfressende Unholde" (pischäca) und „ W i d e r g ö t t e r " (asura), m a n soll sie nicht fangen. Sind sie gefangen, so trachten sie, ihrer Eigenart folgend. Böses anzurichten. Der Elefant, den sie berühren, oder bei dem sie gesehen werden, den soll man nicht fangen, sondern ins Reich eines anderen Königs laufen lassen." ( I I I . 34.) — Der Überschuß an Stoßzähnen kann als Übermaß an K r a f t glückverheißend sein, weil K r a f t in Fülle magisch von ihm ausgeht, aber als Abnormität ist er ebenso verdächtig. Was von der Norm der N a t u r abgeht, ist unheimlich: I m Außerordentlichen liegt das göttliche Segenvolle neben dem dämonisch Unheilträchtigen, wer will entscheiden, was jeweils im Abnormen w a l t e t ?
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ins Nachbarreich abschieben (II. 50) 1 . U m sie vor Bruch zu schützen und kriegstau glicher zu machen, auch zum Schmuck, werden sie mit Hülsen aus Messing, Silber oder Gold gekrönt, die mit Korallen u n d Perlen, D i a m a n t e n , Beryll und anderen Juwelen besetzt sind 2 . Aber alles a m Elefanten, an seiner Erscheinung, wie seinem Gebaren, ist glückbringend oder Unglück verheißend. W e n n er auf dem Feldzuge ohne Zeichen der Brunst sich wie t r u n k e n b e n i m m t , ist das bei der „Wolke des Königs" von derselben glücklichen Vorbedeutung, wie ein jäher Regenguß außer der Zeit: es d e u t e t auf Sieg 3 . Bei den Reinigungszeremonien, die alle vier Monde mit Lichterschwenken an den Elefanten wie vor Gottheiten vollzogen werden, u m sie gegen alle K r a n k heiten u n d dämonischen Einflüsse zu feien und dem Könige den Sieg zu sichern, ist sein Verhalten voll Vorbedeutungen. Schreitet er nach rechts, verheißt er dem Könige die Niederlage seiner Feinde u n d Landgewinn, geht er nach links, bed e u t e t es das Gegenteil. I ß t er den Rest der Opferspende, verspricht das gute E r n t e , speit er ihn aus, steht Mißernte u n d Mangel bevor. Besonders aber ist sein L a u t b e d e u t s a m : Sein gleichmäßiges, weiches, hallendes und tiefes Trompeten ver-
1 Ein Elefant soll in die Wildnis zurückgeschickt werden, wenn ihm bei Operation einer Fistel der Stoßzahn abbricht oder mit der Wurzel herausfallt, weil er ,um Eiter herauszulassen' bis durch die Wurzel aufgebohrt ist. (III. 34.) — Ähnlich lehrt III. 17 (6). 2 IV. 10. — Je nach der Form werden die Hülsen Haifischzahn oder Löwenzahn benannt oder Krähenschnabel, Beiherschnabel, Rundspitz, Pfeil, Speer. Ihr Gewicht und Länge richten sich nach der Größe des Tieres. Sie werden mit einem Klebstoff, der aus Honig, Lack und Harz der Vatica robusta gekocht ist, auf den verkürzten Zahn gesetzt. Die Operation findet beim kleineren Elefantentyp, dem „Berggeborenen", nach 3 X 8 Lebensjahren, beim größten, dem „Flußelefanten", nach 4 X 8 Jahren statt, beim Zwischentyp, dem „allgestaltigen" oder „gemischten", zwischen beiden Zeiten. Unausgewachsene, alte, abgemagerte und brunsttolle Tiere sollen nicht an den Stoßzähnen behandelt werden. Bei einem alten brächte es Krankheit über den Hauspriester des Königs, bei einem brünstigen Feuersgefahr, bei einem kranken Krankheitsgefahr usw. 3
Kämandakis „Nitisära" 16. 33.
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spricht Sieg: aber abgerissene, leise und rauhe Laute, Töne wie aus geborstener Trommel meinen das Gegenteil 1 . Ähnliches gilt auch von den Pferden, den Kriegsgefährten der Könige und Elefanten: „Wenn die Pferde wach sind, verkünden sie mit Zeichen, die ihnen eigen sind, Glück und Unglück ihres Herrn, das Kundigen erkennbar ist. Wenn ein für die Schlacht geschirrtes Pferd hoch aufwiehert und mit der Hufspitze den Boden scharrt, verkündet es Sieg in der Schlacht. Ein Pferd, das immer wieder harnt und Kot wirft und Tränen vergießt, kündet Niederlage. Ein Pferd des Königs, das zur Schlafenszeit nachts lustlos wach bleibt, ver kündet ihm jähen Aufbruch, auch wenn er sich nicht zu regen denkt. Wenn ein Pferd, ohne krank zu sein, traurig ist und sein Futter verschmäht und Tränen vergießt, bedeutet das Unglück für den Herrscher. Pferde, die dem Könige mit Schweifen, deren Haare sich sträuben, geboren werden, sprechen bei Einbruch der Nacht, wenn sie den Untergang ihres Herrn voraussehen 2 ." 1 IV. 36. — Die drei Niräjanazeremonien finden in den Monaten Kärtika (Oktober-November), Phälguna (Februar/März) und Aschädha ( J u n i /Juli) s t a t t . 1 Aschvacikitsita I I . 15—20. — Wie besonders geformte Male (svastika, R a d ) a m Leibe des Elefanten bedeutsam sind, so Haarwirbel auf dem Fell des Pferdes (vgl. Aschvacikitsa I V : Das Kapitel über Haarwirbel). Besondere Bedeutung wird, wie beim Elefanten den F a r b t ö n e n u n d - t u p fen, beim Pferde den Farben zugemessen: „ P f e r d e haben sieben Farben . . .: Weiß, rot, gelb, braungefleckt wie Antilopen, gelbbraun, blauschwarz und schwarz. Unter ihnen allen gilt weiß als bestes. Von einem ganz weißen Pferd r ü h m t man, es sei ein Königsdiadem wert. Wenn es ein solches nicht gibt, sind die Pferde in der gen a n n t e n Reihenfolge jeweils die besten. . . . Ein gelbes Pferd mit weißen FOßen und weißen Augen gilt als ein Cakraväka-Vogel (anas casarca) und ist als edles Pferd eines Königs würdig. Ein ganz weißes Pferd aber mit dunklen Ohren . . . würdig, beim Roßopfer verwendet zu werden, heißt .Schwarzohr'. Ein ganz weißes Pferd, das an allen vier Füßen schwarz ist, soll m a n aus weiter Ferne meiden: als Boten des Todesgottes. Ein P f e r d h a t acht Glückszeichen, wenn alle vier Füße, Schwanz, B r u s t , Mund u n d Mähne weiß sind. Ein aschfahles Pferd soll ein König von weiter Ferne meiden, wenn er Wohlergehen und Aufgang seines Königsglückes wünscht. Ein Pferd, an dem alle vier Füße und das Gesicht in der Mitte weiß sind, heißt ,eines, an dem fünferlei glückbringend ist', und es bringt allerwegen Glück. Pferde gemischter Farben gelten als gut, n u r die Mi-
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Für das magische Bewußtsein ist eben alles bedeutungsvoll und ein Zeichen für Glück oder Unglück. Vor der Schwelle kritischer Besinnung, die, das magische Bewußtsein aufhebend, zum rationalen Weltbilde drängt, erfährt sich die vielfältige Verwobenheit von Erscheinung und Wirkung als ein Zusammenspiel erkannter Kräfte und geahnter Mächte, das hier durch natürliche Mittel zu beeinflussen, dort nur durch Zauber zu bannen und durch Bitte und Opfer zu beschwichtigen ist. Helläugige Beobachtung, tiefblickende Ahnung und Oberflächenschlüsse verweben sich, Stallaberglaube, getragen von einem allgemeinen Denken, dem das Sinnbildlich-Sinnfällige als das Verräterisch-Wirkungsträchtige gilt, mengt sich mit einiger Erfahrung, um Geschehen und Erscheinung als Beziehungszusammenhang zu deuten. So entsteht eine allgemeine Physiognomik, spekulativ in ihrem Verfahren, praktisch in der Absicht, den Menschen zu lehren, weß er sich von der Begegnung mit so oder anders gearteten Erscheinungen und Ereignissen zu versehen habe. Als menschliche Physiognomik bemüht sie sich besonders um angeborene Merkmale, die auf eine besondere Berufung hindeuten — etwa im Kanon der 32 körperlichen Zeichen, die dem vollkommenen Menschen (mahäpuruscha) eigen sind und seine Berufung zum Weltherrscher als König oder als Verkünder der wahren Lehre (als Buddha) andeuten. Allgemein kennt man Zeichen langen Lebens, die als glückbringend erwünscht sind 1 . Biologische Werte, mehr der Wohlgeratenheit als der bloßen schung von schwarz und blauschwarz halte man sich fern. Ein Pferd, an dem die edlere Farbe mählich zunimmt und die geringere schwindet, das macht die Pferde zahlreich. Ein Pferd, an dem die bessere Farbe von der geringeren überdeckt wird, weil diese sich ausbreitet, führt Schwund der Pferde herbei." (Aschvacikitsita III.) Pferd und Elefant gehören als königliche Reittiere zusammen. Der Weltfriedensherrscher buddhistischer Überlieferung besitzt unter den sieben „Juwelen", die seine Herrlichkeit kennzeichnen, einen ganz weißen Elefanten und ebensolch ein Pferd, die fliegen können. Mit beiden kann er allmorgenlich in einem Nu die Runde über sein Weltreich machen. 1 Vgl. Sp. IV. — Die Heilkunde schildert (III. 6) einen Elefanten mit Merkmalen langen Lebens, er ist an allen Körperteilen mächtig und wohlgeformt. Sie fügt aber hinzu, „unter Tausenden von Elefanten hat auch nicht einer alle diese Zeichen". Aber ihre größere oder kleinere An-
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Schönheit, stehen bei dieser Physiognomik im Vordergründe. Sie sucht glückbringende Zeichen, an denen die magische Kraft des Lebenswertes, den ein Geschöpf in sich trägt und seiner Umgebung mitteilt, sichtbar wird. Denn, um selbst zu gedeihen und glücklich zu sein, gilt es, seinen Lebenskreis aus glückverheißenden, wohlgeratenen Geschöpfen aufzubauen, deren Umgang bekömmlich ist und andere von sich fernzuhalten, deren Nähe betrübt und belastet. Besondere Kapitel physiognomischen Inhalts finden sich auch in der Liebes- und Frauenlehre (kämäschästra). Bedeutet der wohlgeratene, makellose Elefant das Glück des ganzen Landes, das schöne und fehlerfreie Pferd das Glück des Herrschers, so lehrt die Physiognomik der weiblichen Erscheinung, auf welche Arten von Frauen sich Familienglück begründen läßt 1 . Wie man es Elefanten ansehen kann, daß ihre Nähe Unzahl deutet jeweils auf ebensoviele Jahrzehnte der Lebensdauer bis zu 120 J a h r e n . — Ähnlich, aber weniger schematisch-abergläubisch, deutet auch die Menschenmedizin Merkmale der Konsitution als Zeichen der Langlebigkeit (z. B. Caraka in Vimänasthana 98 ff.). 1 Pferd u n d Frau gehören für den ritterlichen Mann wohl überall zusammen. E r weiß, was er ihnen schuldig ist: Sie wollen bewegt sein. Wie das indische Epos Bagt: „Liebeleeres Leben ist Altern für die Frauen, Wegeleeres Leben st Altern f ü r die Pferde." E s läßt sich nicht verschweigen, daß der Elefant auch in den Speziallehren indischer Liebeskünste eine kleine Rolle spielt. Schon ein Mythos der Veden erzählt vom „ H e r r n der Geschöpfe", der die Wesen der Welt aus sich hervorbrachte, daß es ihn nach seiner Tochter gelüstete, und er sie, die Gazellengestalt a n n a h m , als Gazellenbock überkam. Ähnlich berichtet die Sage (Mahäbhärata I. 118) von einem Einsiedler, der, im Walde lebend, dank der W u n d e r k r a f t seiner Askese die Gestalt eines Gazellenbockes a n n a h m , mit den wilden Gazellen zusammenlebte und von einem Könige auf der J a g d erlegt wurde, als er sich in Tiergestalt Liebesfreuden hingab. Solche Liebesspiele nach Art der Tiere verzeichnet die indische Liebeslehre als nachahmende Spiele der Menschen (denen keine Wunderk r a f t Verwandlung ihrer Form gestattet). Das K ä m a s u t r a nennt als Tierbeispiele: H u n d , Bchwarze Gazelle, Bock, Esel, Affe, Tiger, Elefant, Eber, Hengst, ohne sie wie einige andere Extravaganzen erotischer Phantasie mit einer Geste der Ablehnung zu begleiten, weil sie in der Überlieferung der Lehre nicht begründet oder aus anderen Gründen zu widerraten wären. Strenger ist Anangaranga (X. 28/30). Mehrere solche Formen werden gen a n n t , aber n u r zwei gestattet und beschrieben: Rind und Elefant. E s
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glück ausströmt (vgl. Sp. III), gibt es auch Frauenzimmer, mit denen ein Zeichenkundiger keine Ehe anraten wird. In einem Handbuch von Liebes- und Ehedingen heißt es über Mädchen, die man nicht heiraten soll 1 : „Eine herzlose, eine mit fuchsigem Haar und gelben Augen, eine zwergigte oder allzulange, eine magere, eine mit Hängelippe, eine breitnackige, gefräßige, mit blauen Lippen, mit vorstehenden Zähnen, eine schwatzhafte, eine mit ungleichen Brüsten, mit unsicherem Gange, mit schaufligen Ohren, eine jähzornige, eine saftlose, eine mit frecher Zunge, eine allzu harte, eine mit Bartanflug oder stark behaarte, eine, die im Schlafe stöhnt, eine, unter deren Füßen der Boden wankt, eine deren Wangen sich beim Lachen in Wellen furchen, eine voll quecksilbriger Unruhe, eine, bei der die zweite Zehe länger als die große ist und sich krümmt und beim Gehen den Boden nicht berührt, eine, deren Schenkelmitte ohne Wärme ist, eine Unbekannte und eine nach Bergen, Flüssen oder Sternen benannte, eine schon voll erwachsene, eine, die Leiden hat, eine, deren lianengleichen Brauen scheckig sind, eine schamlose, Bind die beiden heiligsten Tiere (da die Schlange nicht zu den Tieren rechnet), beide Spender des Lebensnaß: der Milch und des Wassers, das Milch vom Himmel ist — ehrwürdige Wesen, die nicht getötet werden dürfen. 1 „Bühne des Liebesgottes" („Anangaranga" des Kalyänamalla, wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert) VIII. 4—6. — Ebendort (VIII. 2/3) werden als glückverheißende Schönheitszeichen, um derentwillen man ein Mädchen heiraten soll, genannt: Hautfarbe wie Goldglanz oder wie das Blütenblatt des dunkelblauen Lotus, Haar schwarz wie die Färbung einer großen schwarzen Bienenart, Gesicht wie der volle Mond, Gazellenaugen, Nase wie der Blütenstand des Sesam, schöne Zahnreihen, schöne Ohren, Stimme wie beim Vogel Pika, Hals wie ein Lotusstengel, Lippe rot wie Bimbafrucht, glückbringende Zeichen (z. B. ein Rad) an rötlichen Händen und Füßen, schmächtiger Bauch — sie ißt wenig —, Schenkel wie Säulen, volle Hüften, Nabel schön vertieft, Gang wie der Gang eines Elefanten (leicht, wiegend, lautlos), ruhiges Temperament, unschläfrig, guter Charakter, zierlich und fein. — Eingehend handelt über diese Literatur R. Schmidt: „Beiträge zur indischen Erotik, Leipzig 1902. — Zur Rolle solcher Gestaltstypen in der indischen Kunst vgl. Zimmer: „Kunstform und Yoga im indischen Kultbild", Berlin 1926.
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eine, die Grübchen in den Wangen h a t , eine, an der ein Glied fehlt oder zuviel ist, eine von schlechtem Charakter — solche übergehen die Kundigen beim Heiratsgeschäft." Neben Eigenschaften des Charakters, vor denen Lebensklugheit warnt, überwiegen körperliche Eigentümlichkeiten u n d natürliche Angewohnheiten — biologische Werte —, sie entscheiden über Güte u n d Unwert der Erscheinung und ihre Eignung zur Lebensgemeinschaft. Diese Physiognomik strebt danach, ihren Gehalt an b e d e u t samen Merkmalen systematisch zu klären, indem sie Typenreihen bildet. Ihre Typenlehren geben der Elefanten- und Pferdekunde wie der Liebeslehre als Frauen- (und Männer-) k ü n d e ein gemeinsames Gepräge. Alle drei gehören zu den weltlich-praktischen Wissenszweigen, auf die das Brahmanent u m , als geistig-oberer Stand über allem Volke, seine allumfassende natürliche Vormundschaft ausgedehnt h a t . Freilich ließ es solchem Weltwissen literarisch nicht die vollkommene Ausbildung und Feilung angedeihen, die indischen Lehren eignen, soweit sie im heiligen Gesamtwissen altbrahmanischer Priesterschaft, in den Veden, ihren Ursprung haben und von ihrer Weihe beglänzt sind — G r a m m a t i k , Phonetik, Kunst der Auslegung —, oder sofern sie alte Grundlehren von Welt u n d Ich weiterbildend von der höchsten Wahrheit handeln. Der wissenschaftliche Geist des B r a h m a n e n t u m s , der wesentlich ein ordnender ist, gab dem Wissen der eigentlich Elefantenkundigen — der J ä g e r , Wärter, Lenker — F o r m und Rundung, bereicherte es u m die Grundlehren menschlicher Heilk u n d e und lieh ihm sein allgemeines Begriffsgewand. Als „Bei-Wissen" (Upa-Veda) ward die Elefantenheilkunde mit der übrigen Medizin an die alte Tradition magisch-priesterlicher Heilkunst, den Atharva-Veda, angeschlossen (I. 6). Sie ist ja eigentlich der arisch-brahmanischenÜberlieferung f r e m d , wie der Elefant als Geschöpf indischer Erde den einwandernden Ariern, den neuen Herren Indiens. Gewiß h a t es Elefantenfang, Elefantenkunde u n d Verehrung des magischen Tieres schon vor der Herrschaft der Arier gegeben, und die schließliche, ziemlich späte Abfassung von Lehrbüchern dieses Bereiches im Sanskrit, der geheiligten Gelehrtensprache der 57
Sieger, bedeutet nur eine letzte, theoretische Anerkennung übernommener altindischer Traditionen in der brahmanischen Geisteswelt auf einer ihrer Stufen großartiger Verschmelzung mit der vorgefundenen Kultur und ihren Trägern. Dabei blieb der Gehalt der Elefantenkunde an Anschauungen und Erfahrungen weithin unangetastet: — dieser Schatz zeitgesiebten Wissens aus liebevollem, gläubigem Beieinander von Mensch und Tier, erfüllt vom tiefen Atem sinnlicher Volksreligion, dem eigentlichen Aroma indischer Erde. Literarisch ist diesen verschiedenen Zweigen des Weltwissens der volkstümliche Lehrvortrag in Versen gemein. Er gibt dem Stoffe eine leicht eingängige und für die mündliche Überlieferung widerstandsfähige Form. Er ist schwungvoll und anschaulich, ohne Anspruch auf literarischen Wert im Sinne der indischen Poetik zu erheben, wenn er sich auch bewährter Wirkungen der Glanzzeit rhetorisch kunstvollen Ausdrucks bedient. Breite und Wiederholung wechseln mit dunkelnder Knappheit. Für ihre volkstümlich-unliterarische Redeweise ist ein Typu6 von Merkvers bezeichnend, der in verschiedener Form das Schema eines naiven Rätselverses zu lehrhaftem Zweck verwendet. Man zählt Eigenschaften auf, die Gruppen von Dingen — hier Körperteilen — gemeinsam sind, und gibt, wie beim Rätsel, dem Wissen oder einer späteren Erklärung anheim, worauf sie sich beziehen. Die Elefantenkunde nennt (Sp. II eingangs) als Schönheit am Elefanten, daß sechs Teile an ihm „hochragend" und sieben „rot" sein sollen — ebenso lehrt die Pferdekunde gelegentlich der idealen Maße des Pferdes den Merkvers (VI. 12): „Viererlei sei lang und viererlei erhaben, viererlei rot und viererlei fein, viererlei 6chmal und viererlei gestreckt und viererlei vertieft." — Die Antwort auf diese rätselhafte Ankündigung lautet (VI. 13/17): „Zweiunddreißig Merkmale an Pferden nennen die Fürsten unter den Weisen nacheinander, die will ich künden in Gruppen besondert. Gesicht, Vorderbeine und Halsgelenk — diese vier sollen lang am Pferd sein. Als erhaben nennen die Kundigen die beiden Nüstern und die beiden Stirnflächen, Hufe und Hinterfüße. Wenn Lippen und Zunge, Gaumen und Geschlecht schön rot sind, verleihen sie dem Pferde Schönheit. Fein sollen die Sehnen der Füße, Bauch, Ohren und Schweif 58
sein. Der R a u m zwischen den Ohren u n d der R a u m u m die Ohren herum u n d das R ü c k g r a t gelten als schön, wenn sie schmal sind" — hier entgleist die Antwort mit der Zahl der Glieder. Fehlt hier eines, so bietet die nächste G r u p p e eins zuviel und n e n n t s t a t t vier Körperteilen, die „ g e s t r e c k t " sein müssen, um f ü r schön zu gelten, fünf schlechthin als „ s c h ö n " , d a r u n t e r das schon genannte Gesicht. Die Überlieferung ist verdunkelt, aber nicht ohne Gewalt im erwarteten Sinne klarzustellen : „Gesicht, Mund, Nacken, Knie und Seite verleihen dem Pferde Schönheit." — Weiter heißt es: „Der R a u m zwischen den Achselhöhlen (die Vorderbeine heißen ,Arme'), die Mitte des Bauches, H ü f t e n und Kniekehlen sind v e r t i e f t . " — Über die versprochene Zahl von 4 x 8 Schönheitszeichen — 32 ist ja auch die geheiligte Zahl solcher Zeichen a m Leibe des „vollkommenen Menschen" — hinaus werden noch vier weitere gelehrt: „ B r u s t , Hufe, Schenkel und K r u p p e n f l ä c h e , die vier sollen breit sein." Einen entsprechenden Merkvers f ü r weibliche Schönheit bew a h r t das Heldenepos (Mahäbhärata IV. 9. 10). Augenscheinlich e n t s t a m m t er volkstümlicher Lehre: „An drei Dingen tief, an sechs Dingen aufgewölbt und rot an fünf roten Ding e n 1 . " — Ein Rätselvers, den, wer sich Kenner f ü h l t , auflösen mag. Der Erklärer des Epos, Nilakantha, kennt sich a u s : T i e f sollen Stimme, V e r n u n f t und Nabel 6ein;die sechs aufgewölbten Teile sind f ü r ihn die Nase, Augen und Ohren, Nägel, Brüste und Nackenwirbel. „ H a n d - u n d Fußflächen (als eins gerechnet), Augenwinkel, Lippen, Zunge u n d Nägel sollen rot sein." Wesenhafter ist die Einheit, die neben solcher Merkmalk u n d e durch Bildung von Typenreihen innerhalb der Tieru n d Menschenkunde geschaffen wird. Eine bedeutende Rolle 1 Auf diesen Vers h a t Pavolini in seiner Textpublikation des „Blütenbüschel der Liebeslust" (Ratimanjari) im Giornale della Societa Asiatica Italiana, Vol. 17, hingewiesen, als Beleg für die Volkstümlichkeit einer A r t Schönheitsspiegel f ü r Frauen. Man darf seine Deutung wohl dahin erweitern, daß in diesem Verse ein Zitat aus einer uns verlorenen Liebeslehre vorliegt, die in der Art, ihren Stoff zu behandeln, der „Pferdeheilk u n s t " und dem „Spiel u m denElefanten" verwandt war und einKapitel über Schönheitsmerkmale und glückbringende Zeichen amLeibe der F r a u enthielt.
Zimmer, Spiel a m den Elefanten
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zur E r k l ä r u n g der Eigenart a m einzelnen Exemplar von Tier u n d Mensch spielt die Anschauung von seinem inneren „ W e sen 4 ' (sattva). Dieses „ W e s e n " ä u ß e r t sich in dem besonderen Gehaben, das, j e d e m Exemplar eigen, an Lebewesen a n d e r e r G a t t u n g e n erinnert. Es gibt F r a u e n von vogelhaftem „ W e s e n " , so a u c h E l e f a n t e n von dämonischem, menschlichem oder a n d e r e m „ W e s e n " . Diese Feststellung f i n d e t ihre E r k l ä r u n g i m Glauben an Seelenwanderung u n d Wiedergeburt: I n der sichtbaren Lebensform als Mensch oder Tier schlagen Wesenszüge einer f r ü h e r e n , anderen Existenzform durch. Sie geben d e m einzelnen innerhalb der G a t t u n g einen Teil seines individuellen Gepräges. Eine Art metaphysischer Vererbungslehre, aber sie spielt nicht, wie die westliche zwischen Ahnen u n d E n k e l n , sondern zwischen früheren u n d späteren Existenzen desselben I n d i v i d u u m s im Gange seiner Wiedergeburten. Nicht, d a ß im Kinde sich mit Zügen der Ahnen ein Stück biologischer E r b m a s s e zu neuer Gestalt im Strome der Generationen kristallisierte — hier erlebt moralische Qualität f r ü heren Lebens, die ihren natürlichen Ausdruck in göttlicher oder menschlicher, dämonischer oder tierischer Lebensgestalt f a n d , ihr Auferstehen im Strome individueller Wiedergeburt als Eigenart des einzelnen innerhalb der G a t t u n g . Gebaren des Menschen k a n n frühere Tierheit wie entschwundenen Götterglanz v e r r a t e n , aus den Augen des Tieres blickt der entwordene Mensch 1 . Das „Spiel u m den E l e f a n t e n " widmet der Typenlehre, die sich auf dieser Anschauung a u f b a u t , fast ein ganzes Kapitel (VIII), H a n d b ü c h e r der Liebeslehre bieten dazu ein Seitenstück in Abschnitten „Von den allgemeinen Eigenschaften der F r a u e n " . So heißt es im „Geheimnis der Liebeslust": „ E i n e F r a u , deren Leib d u f t e n d und rein ist und deren Antlitz in heiterer Klarheit strahlt, die über wohlhabende Männer 1 Eine buddhistische Legende, deren Geschichte über mehrere Existenzen hin spielt, schildert wie der Riesenhunger eines Meerungeheuers, das sein Leben vorzeitig endete, als unerschöpftes Wesensteil in die neue Existenz mitwandert nnd die Eigenart des Menschen bestimmt, in dem das Bündel von Lebens- und Schicksalskräften, das im Meerungeheuer bestand, zu neuem Leben ersteht. —Vgl. „Karman, ein buddhistischer Legendenkranz", übersetzt von H. Zimmer, München 1925 (Dharmarutschi).
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im Überfluß verfügt — die strahlende ist göttlichen Wesens. Eine Frau, die keine Ehrfurcht vor ehrwürdigen Älteren kennt, die nach Lusthainen und Trinkgelagen, nach Meer und Berg verlangt, um ihre Liebeslust auszukosten, die zum Zorne neigt — ist koboldischen Wesens. Eine Frau, die aufrichtigen Sinnes ist, geschickt und gastfrei und die unter Fasten nicht leidet — die ist deutlich menschlichen Wesens. Eine, die heftig mit dem Atem schnauft, die gähnt und schlängelnde Bewegungen hat, die schlaflustig ist und immer in Bewegung — ist von schlangenhaftem Wesen. Das Wesen seliger Geister, die im Himmel musizieren und tanzen 1 , so heißt es, hat eine Frau, die frei von Zorn ist und flammend strahlende Gewänder trägt, die Kränze, Wohlgerüche und dergleichen leidenschaftlich gern hat, die in Tanz, Gesang und Saitenspiel geschickt ist und kundig der Fertigkeiten, die zur Liebeskunst gehören. Eine Frau, die ohne Würde ist und unmäßig im Essen, mit unverhüllten heißen Gliedern, die berauschende Getränke, Fleisch und dergleichen zu sich nimmt — ist vom Wesen menschenfressender Unholde. Läßt sie den Blick immer unstet hin und her kreisen, wird sie von mächtiger Eßlust gequält, läßt sie sich leicht in große Aufregung scheuchen — so hat sie Krähennatur. Gehen ihre Augen rastlos hin und her, liebt sie den Liebeskampf mit Nägeln und Zähnen und ist ihr Denken unsteten Gebarens — dann ist die Frau von affenhafter Natur. 1 „gandharva." Die Seligen in Indras Götterhimmel versehen die Rolle der Musiker, die den Tanz der Himmelsfrauen (apsaras) mit ihrem Spiel begleiten. — Der musikalische Sinn des Elefanten spielt eine verhängnisvolle Rolle in der beliebten Geschichte des Königs Udayana, der von seinem Gegner, König Pradyota (oder Mahäsena), durch eine List gefangen wurde. Ihm wurde gemeldet, daß in seinem Elefantenwalde ein außerordentlich großer und schöner Elefant gesichtet sei, und er zog aus, ihn zu fangen. Um das wertvolle Tier zu gewinnen, ließ er seine Leute zurück und näherte sich ihm allein, um ihn mit Gesang und Saitenspiel zu bezaubern. Aber das Tier war nicht echt, es war eine kunstvolle Attrappe, aus der unversehens feindliche Soldaten hervorkamen, die den König fingen und entführten.
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Eine Frau, die roh und häßlich zu reden pflegt und Freude daran hat, den Liebsten zu schlagen, ist von eselhaftem Wesen 1 ." Mit bloßen Begriffen des Menschlichen und Weiblichen ist bei der nüancenreichen, vielfältig plastischen Erscheinungsfülle der Frau beschreibend-ordnend nicht durchzukommen. Andere Bereiche der Schöpfung müssen spiegelnd herhalten, wenn man ihren Reichtum, noch ganz im Typischen befangen, fassen will. Es heißt noch recht im allgemeinen bleiben — aber dem Inder, der großen Blicks nur den Typus sieht und gelten läßt, genügt das — wenn man tierhafte und übermenschliche Züge im menschlichen Gehaben hier und da durchschlagen sieht. Auch anderwärts, wo die indische Lehre von der individuellen Erbschaft aus früherem Leben nicht die Auffassung bestimmt, sieht man sich ja Frauen gegenüber, deren schillernd-flüchtiges oder zänkisch-leeres Wesen einen durchaus vogelartigen Eindruck macht, während Frauen von unterweltlicher Bosheit, die den Mann lebendig aufzehren oder in Höllen und Schlamm herunterziehen, und andere, die wie Klang und Duft aus Himmelswelten nahen, Ahnungen und Erfüllungen verklärten Lebens schenkend, mit eben diesen Akzenten zum Vorstellungsgut anerkannter Weltliteratur gehören. Aber es ehrt den Inder in seiner Beziehung zum Tier und allen Formen des Lebens, daß er zum Erfassen der einzelnen Typen jeder Gattung die gleiche Betrachtungsweise wie beim Menschen anwendet. Weiter bezeichnet es seinen sachlich-unlyrischen Blick, daß Blumen- und Pflanzenwelt, die er vergleichsweise zur Schilderung der Schönheit einzelner Körperteile an der Frau in Dichtung und Lehre heranzieht, keine Verwendung zum Bilden 1 „Ratirahasya" IV. — Ein anderer Traktat der Liebeslehre verzeichnet auch, wie ein früheres Dasein als qualgestraftes Gespenst sich in Erscheinung und Gebaren der Frau verrät: „Kundig, den Liebsten zu vergnügen, auf nächtlichen Verkehr erpicht, schmutzigen und tückischen Sinnes, gemein in Speise und Gebaren, mit verzerrtem Gesichtsmond, von dunkler Farbe, zwergig klein, gern in unreines Gewand gekleidet —- so wird die Frau von gespenstischem Wesen beschrieben." (Pancasäyaka I. 32. Vgl. auch die Typenreihe in Anangaranga IV. 11—19. Dort gilt u. a. der unmusikalische Sinn als Zeichen der „eselhaften" Frau.)
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von Persönlichkeitstypen finden. Die Spannung zwischen Mensch und Pflanze in ihrem Gebaren als Lebendiges ist allzu groß, indische Dichtung in all ihrer Kühnheit und im Überschwang ihrer Vergleichskraft allzu sachlich, als daß beide, in so verschiedene Wesensgrenzen gebannte Gestaltungen der all-einen Lebenskraft deutend-schildernd aufeinander bezogen werden könnten: Frauen sind für den Inder keine Blumen. Es gehört die ganze, uns geläufige Verstiegenheit minnehafter Liebeslyrik, die dem altindischen Weltleben fremd ist, dazu, von der Lebenswirklichkeit des Weiblichen soweit abzusehen, soviel Sinnlich-Mächtiges wegzulassen, daß nur ein Blumenhaftes übrigbleibt, von dem man schwärmt. Zu den angeborenen, schicksalhaften Lebensformen (wie Gott, Mensch oder Tier) gehören für indische Anschauung auch die vier Klassen der Menschen: Brahmanen, Kriegeradel, Bürger und Unterworfene, deren Unterschiede sich zum Kastensystem vervielfältigen. Sie sind kein Ergebnis geschichtlicher Entwicklung der Gesellschaft, keine vom Menschen gemachte Ordnung, sondern eine natürliche Typenreihe — so alt wie die Schöpfung und die Gattungen ihrer Geschöpfe. Sie sind angeboren und lebenslang unveräußerlich wie die Gestalt selbst. Darum schlägt ihre Eigenart als Erbe früheren Lebens gerade so an Mensch und Tier durch, wie frühere Göttergestalt oder Dämonenexistenz. Aber über dieses Nachwirken hinaus hat ihre Wesenheit allgemeinste Verbreitung: Das Wesen des Weisen und Wehrhaften, des Betriebsamen und des Unselbständigen scheinen bei allen Gattungen des Lebens nebeneinander in Typen aufzutreten. Für das magische Denken haftet an diesen Prägungen wie an Eigenschaften überhaupt der Charakter des Substanziellen; ihre eigentümliche Substanz findet sich im Stoffe der Erscheinungswelt schlechthin. Ein Lehrbuch des Bauhandwerks z. B. unterscheidet Boden von viererlei Art, der unterschiedlich — als wesensverwandt — für Angehörige der vier Menschenklassen zum Wohnen geeignet ist 1 . Er ist vor allem durch seinen Ge1 „Västuvidyä" (ed. Ganapati SäBtri, Trivandrum Sanskrit S e r i e s X X X , 1913) I I . 27/30. Für Brahmanen geeignete Erde riecht nach zerlassener Butter (wie sie zur Opferspende dient), Erde für Krieger nach Blut, für
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ruch verschieden. Nach einer anderen Quelle unterscheidet er sich auch durch die Farbe. Die klassische Farbenfolge Indiens: weiß, rot, gelb, blau gibt hier Zeichen ab, nach denen der Boden für die vier Menschenklassen geeignet sein soll 1 . Dieselbe Farbenreihe liegt auch der Einteilung von Lebewesen zugrunde, die sie ihrer Art nach als Brahmanen, Krieger usw. bestimmt, z. B. bei Hunden, und wird wie bei Bodensorten mit bestimmten Gerüchen zusammengebracht 2 . Weiße Farbe und der Geruch zerlassener Butter zeichnet brahmanenhafte Hunde aus, rot und Sandelduft kriegerartige, während die „Bürger" unter ihnen rauchfarb (was gelbbraun bedeuten mag) aussehen und nach Fisch riechen, „Unterworfene" aber schwarz sind und erdigen Geruch haben. Ausführlicher und etwas abweichend ist die gleiche Gliederung für die Pferde bezeugt 3 : „Die ,Brahmanen' unter den Pferden entstammen dem Wasser, die ,Krieger' dem Feuer, vom Winde stammen die ,Bürger', als ,Unterworfene' geborene sind ,Eulen' und ,Hirsche' 4 . — Der ,Brahmane* (unter den Pferden) ist klug und hoheitsvoll, der , Krieger' voll Feuer und Kraft, üblen Wesens der ,Bürger', der ,Unterworfene' kraftlos und feig. Der ,Brahmane' ist versöhnlich, streitlustig der ,Krieger', mit Schenken gewinnt man den ,Bürger', mit Strafe 6 wird der,Unterworfene' getroffen. Nach Blumen riecht Bürger (oder Bauern) nach Reis, für Unterworfene nach Branntwein. Die beiden ersten Arten sollen mit Kuschagras bestanden sein und nach Osten bzw. nach Süden zu einem Wasserlauf abfallen, der Boden für den Bürger mit Dürvägras bewachsen und nach Westen abfallen. 1 „Samaränganasütradhära" (Gaekwad's Oriental Series No. X X V , Baroda 1924) — ein von König Bhoja verfaßtes Lehrbuch des Bauhandwerks: VIII. 48. Statt dunkelblau oder blauschwarz (nila), das gewöhnlich als vierte Farbe genannt wird, steht hier schwarz (krischna). » III. 21 (Vers 26/28). * Aschvacikitsa II. 5—9. 4 „Eule" und „Hirsch" bezeichnen zwei minderwertige Pferdearten (Aschvacikitsa II. 4). 6 Diese vier Arten, Pferde zu behandeln: Versöhnen (oder Begütigen: sfiman), Streit (bheda). Schenken (upadäna) und Strafe (danda) sind vor allem als Hauptverfahren königlicher Außenpolitik in Indien anerkannt. Ihre Anwendung richtet sich wie beim Pferde jeweils nach Charakter und Stfirke des Gegners.
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immer der ,Brahmane', der , Krieger' nach Aloeholz, der Bürger' nach zerlassener Butter und der , Unterworfene' hat Fischgeruch an sich." Man mag solche Schemata typisierender Physiognomik primitiv finden, immerhin sind sie nicht in allen Punkten wirklichkeitsfern. Es kommt ihnen praktische Bedeutung zu. Je nachdem in welche Art ein Pferd gehört, soll es nicht bloß behandelt sondern auch verwendet werden: „Eines Brahmanen sind alle Pferde würdig, das ,Krieger'-Pferd ist immer des Königs würdig. Die beiden minderen Arten sind des Bürgers würdig, dem Unterworfenen bringt das ,unterworfene' Glück. Einige meinen, alle Pferde eignen sich zum Reiten für Herrscher, denn dazu schuf sie Schälihotra auf der Erde. ,Brahmanen'-Pferde bringen Glück bei heiligen Handlungen, die auf Glück und Gedeihen zielen, , Krieger' in Schlachthandlungen, ,Bürger' immer beim Erwerb von Gütern und die ,Unterworfenen' bei anderen Obliegenheiten. In dieser Erkenntnis soll man die Pferde bei allen möglichen Handlungen verwenden, wenn man nach ständigem Glück verlangt." — Ihre vierfältige Wesensart ist magische Kraft an ihnen und macht sie — nach dem Grundsatz „Gleiches zu gleichem", der auch in der Heilkunde gilt — zu unterschiedlichem Werk geeignet. Das gleiche gilt von den Elefanten (vgl. Sp. VIII). Das Hochgefühl brahmanischen Selbstbewußtseins — überall das Schema diktierend und schon bei der Charakterisierung der Pferdearten fühlbar — faßt die mindere Wesensart breiterer und unterer Schichten bei Mensch wie Tier in weltweit gültigen Formeln. Die Umrisse brahmanischer und kriegerischadeliger Art der Elefanten atmen die konventionell-idealistische Auffassung, die diese privilegierten Stände kraft alter Geltung und Macht dem sozialen Weltbilde Indiens ein für allemal eingeprägt haben. In ihren Schichten entstand Literatur, sie bestimmten die gültigen Formeln. Darum ist die sehr reale Charakteristik der Unteren aus ihrer Ebene gegeben : nicht gerade zynisch, aber von oben her. Der „Bürger": friedfertig-ohnmächtig unter priesterlich gebundenem Despotismus, der längst feudale Heldenzeit abgelöst hat, „auch wenn er zornig wird, beruhigt er sich schnell wieder" . . . und sein 65
Fleischessen spricht von läßlichem Lebensgenuß, der ihn von der reinen Höhe sakraler Lebensstrenge, magischer Läuterung zu magischer Wirksamkeit und den freiwilligen Einschränkungen asketischen Vollendungsweges fernhält. Der Unterworfene dienender Kaste: durch Blut und Hautfarbe, durch ererbt-unreine, verpönte Lebensgewohnheiten heillos herabgewürdigt, von Geburt ewig entrechtet, sittlich Paria, wirtschaftlich Prolet, der „säuerlich riecht" und scharf „wie Bock 44 oder muffig „wie Knochen 44 , der sich wahllos an „Resten freut 44 und „leicht einzuschüchtern ist 44 , zeigt die typischen Eigenschaften langer, hoffnungsloser Unterdrükkung: „Gemein und unzuverlässig, leicht mit sich selbst uneins zu machen.44 Eine andere physiognomische Typenreihe, die sich mit dieser geburtsständischen überschneidet, beruht auf physiologischen Größen. Zum Grundbestande indischer Physiologie gehört die Reihe der Leibesstoffe: Schleim, Galle und Wind; als vierter kann zu ihnen, dem Galligen verwandt, das Blut treten. Ihre Rolle in der indischen Heilkunde und Lehre von der Körperkonstitution ist im ganzen die gleiche, wie die Rolle der humores oder Säfte in der antiken Medizin und ihrer westlichen Nachfolge. Geschichtlicher Zusammenhang zwischen der indischen Lehre von den Leibesstoffen (dhätu, doscha) mit der westlichen Humoralpathologie und Temperamentenlehre ist anzunehmen, obschon der Bestand beider Theorien nicht ganz zueinander stimmt. Die humores sind ja Phlegma (Schleim), weiße und schwarze Galle und das Blut. Wie der Westen aus diesen vier Stoffen die vier Temperamentstypen des Phlegmatikers, Cholerikers, Melancholikers und Sanguinikers entwickelte, baut auch Indien auf der Reihe seiner Leibesstoffe — für Mensch und Tier — eine Typenreihe auf. Freilich bringt es in ihr das Blut zu keinem eigenen Typus, da es nicht gleichwertig neben den anderen drei Stoffen steht. Neben den dreien, die auf dem Überwiegen von Schleim, Galle oder Wind beruhen, steht als vollkommenster Konstitutionstypus der harmonische, bei dem die drei Stoffe sich das Gleichgewicht halten. Die drei Leibesstoffe stehen nicht gleichwertig nebeneinander, und ihre Konstitutionstypen stehen in einer eindeutigen 66
Rangordnung. Das ,, Spiel" (XI) gibt die Elefantentypen nach Leibesstoffen in aufsteigender Reihe, je nachdem Wind, Galle oder Schleim für sie wesenbestimmend sind, um mit dem höchsten, dem „ausgeglichenen" Typ zu schließen. Anderwärts (Sp. I X ) wird die Reihe der Leibesstoffe zu der Reihe der vier Farben in Beziehung gesetzt, und so treten auch bei der Einteilung der Hunde in die vier Grundkasten (III. 21) die Leibesstoffe als typenbildend auf. Bei den Hunden gehört zum Typus des „Brahmanen" das Überwiegen des ruhevollen, sfinftigenden Stoffes Schleim (Phlegma), beim „Krieger" wiegt die feurige Galle vor, beim betriebsamen „ B ü r g e r " das Element der Bewegung, der Wind, der unruhig-nichtige. Beim „Unterworfenen" herrscht (Gegenteil der idealen Ausgeglichenheit) ein bloßes Durcheinander von allen drei Stoffen: ob Seelenruhe, Feuer oder Betriebsamkeit — nichts ist an ihm ausgeprägt, ihre Möglichkeiten, eine bestimmte Haltung herauszubilden, heben einander hoffnungslos auf. Nichts zeichnet ihn aus, er ist nichts Rechtes, nur ein Gemisch. In der Heilkunde (III. 8) wird diese physiologische Typenreihe zu den drei Typen des „glückbringenden" (bhadra), des „langsamen" (manda) und des „wilden" (mriga) Elefanten in Beziehung gesetzt, die im „ S p i e l " (I) als Ausgeburten verschiedener Weltalter erscheinen. Aber hier wird ihre Eigenart verschiedenen Jahreszeiten — ja Tageszeiten — zugeordnet. Der „wilde" Elefant soll ein Kind der heißen Zeit oder des Herbstes sein, um Mittag oder Mitternacht gezeugt. Ein Übermaß des hitzigen Gallenstoffs bestimmt seine Konstitution. Alles an ihm ist schmächtig und eher klein. Füße und Rüssel, Gesicht und Geschlecht, Rückgrat, Bauch und Haarkleid eind dünn. Auch der Hals ist dünn, Rüssel und Schwanz sind kurz, Zunge und Stoßzähne lang, aber nicht umfänglich. Er ist fleischlos, sein Rückgrat ist wie ein Buckel, denn er fällt nach vorn zu ab, und seine Gelenke buckeln sich heraus oder liegen eingefallen. Ohren, Haut und Haare sind steif. In Freiheit kann man ihn an seinem unsteten und schreckhaften Gehaben erkennen, er hält sich am Schluß der Herde. In der Gefangenschaft zeigt er sich reizbar und schwer zu lenken. Sein Gefühl ist an der Oberfläche ausgebreitet. Er ist traurig und trübselig, hält nicht viel aus und wird von Insekten ge67
plagt. E r i ß t zwar viel, setzt aber n u r wenig an u n d fällt leicht ab. E r ist ein schneller Läufer, aber u n t e r Lasten bricht er bald zusammen. E r will mit Güte behandelt werden, mit dem Treibstachel oder scharfen W o r t e n soll man i h m nicht kommen. E r ist jähzornig u n d unverständig. Sein ganzer Widerpart ist der „ L a n g s a m e " , dessen Konstitution ein Ü b e r m a ß von Schleim aufweist, der hoheitsvolle, pompöse Phlegmatiker voll Saft u n d Fülle. E r e n t s t a m m t der kühlen Jahreszeit, wo die N a t u r , von Feuchte d u r c h t r ä n k t , in vollem Safte steht u n d ist in milder Tageswärme, abends oder auch nachts, empfangen. Seine Erscheinung ist gewaltig, Gesicht, Brust, Bauch u n d Ohren, alles ist groß an i h m . Groß auch die beiden Schläfenbuckel, die den indischen E l e f a n t e n vor dem afrikanischen in ihrer Schönheit auszeichnen. Alles an ihm ist schwer u n d mächtig, dabei saftig u n d weich. E r h a t eine breite Zunge, einen breiten, großen Hals und ist — nach rückwärts abfallend — vorn höher als in der Mitte. Sein Fell ist dick und fest und h a t ein dichtes, geschmeidiges Haarkleid. Seine Augen sind gelbrot, die Stoßzähne sind fest u n d breit, feist und glänzend, seine Unterlippe ist lang u n d b e h a a r t . Seine Fleischpolster sind massig und locker. E r schreitet langsam einher und sein Gang h a t etwas von der Bewegung der Schildkröte. In Freiheit geht er achtlos und arglos einher u n d ist durch Lärmen der Bauern oder Jäger nicht zu erschrecken. I m Behagen seines ruhevollen Wesens schlendert er einsam hinter der Herde her, mit halbgeschlossenen Augen, wie ein Schlaftrunkener. E r ist auf leckere N a h r u n g aus und ist zärtlicher N a t u r , gern schlingt er in Liebesgefühlen den Rüssel u m H ü f t e oder Rücken der Elefantin. Wenn Jäger ihn scheuchen wollen, bleibt er unerschrocken und ohne Mißtrauen. Auch wenn sie ihm die Füße fesseln, wird er nicht wild. S t a r k und widerstandsfähig hält er im Dienste der Menschen Mühsal und Anstrengungen, besonders auch Lastentragen, aus. E r läßt sich ruhig anfassen, sein Gefühl liegt nicht an der Oberfläche. E r ist nicht zornmütig und auch nicht geschwind. Alles an ihm, Gang wie Essen (übrigens ist er kein toller Esser), ist langsam und würdig. Ohne Zweifel ist der phlegmatische Elefant dem galligen als Typus an Schönheit u n d Brauchbarkeit überlegen. Schöner 68
noch als er aber ist der „glückbringende", in dessen Konstitution sich die einseitigen Anlagen beider zu harmonischer Bildung durchdringen. Er ist wie alles Vollkommene schwer zu beschreiben: Alles an ihm ist Ebenmaß. Er soll ein Kind des Frühlings sein, der auch in Indien als schönste Jahreszeit gilt. Die ideale Ausgeglichenheit seiner Leibesstoffe entspringt dem ideal-harmonischen Charakter seiner Empfängniszeit, die als Übergang vom Naß der Regenzeit und Winterfrische zu Sommersglut und -dürre die beglückende Mitte hält. Ihr Gleichgewicht hebt auch mögliche Einseitigkeit der Konstitution auf, die dem Tier im Stadium embryonaler Entwicklung von der Elternart oder den Nährstoffen her bestimmend zufließen könnten, eben weil die Stoffe der Natur in ihr sich glücklich die Waage halten. Der „glückbringende" Elefant ist groß an Brust und Schultern, breit am Sitz, sein Rüssel ist schön lang und schön gedreht, mit schön langem Finger. An seinen wohlgefügten Gliedern sind keine Adern zu sehen. Sein Gesicht zeigt an allen Teilen ein ideales Maß von Wölbung oder Vertiefung. Die beiden Stoßzähne stehen ebenmäßig zueinander und sind (wie auch die Augen) honigfarben. Seine Fleischmassen sind fest und verteilen 6ich angemessen über den Körper. Sein Schwanz ist langbehaart, seine Seiten ebenmäßig, das Rückgrat wie ein Bogen gespannt. Er ist nicht zu feist und nicht zu schmächtig. Frost- wie Glutwind erträgt er und fürchtet sich nicht vor fallenden Bäumen, Steinschlag und Uferrutsch oder vor Donner, Blitz und Regenschauern und Dschungelbränden der trockenen Zeit. So ist er der geborene Führer und schreckenlose Hüter der Herde, er schreitet ihr voran. — Gereizt wird er zornig, aber gewinnt bald seine Ruhe wieder. Er ist ein Held im Kampfe, dabei geduldig und ausdauernd und nicht rauh. Sein Gefühl hat das richtige Maß. Er ist aufrichtig, aufmerksam, geschwind und geschickt, er führt behende aus, wozu er angehalten wird. Klug, kummerlos, voll strahlender Kraft und von gleichmäßigem Feuer ist er der Vollkommene unter seinesgleichen. In dieser Reihe fehlt der Elefant vom „windigen" Typus, weil er mit der Dreizahl des „glückbringenden", „langsamen" und „wilden" ab vierter nicht zu vereinen war. Ihre Verbindung mit den drei Leibesstoffen scheint nichts Ursprüngliches 69
zu Bein, sondern späterem Zuge zur Syßtematisierung entsprungen. Weil der „windige" Elefant übrigblieb, wird seine Beschreibung anhangsweise gegeben. Mit dem Übermaß von Wind in seinem Leibe ist er der unstete, lebhafte Gesell, der den vollen Gegensatz zum Phlegmatiker darstellt. Seine Glieder sind lose gefügt, an seinem schmächtigen Leibe treten Adern und Sehnen zutage, die Gelenke, nicht in Fleischpolster gebettet, sind zu sehen. Haar und Fell sind steif, die Stoßzähne rauh, die Augen unförmig. Er ist unreinlich, dabei zornmütig und schreckhaft, seine Ohren sind immer aufgestellt. Er ist von unruhiger Lebhaftigkeit, besonders hitzig und ein starker Esser. Wechselnden Sinnes und unbehaglich ist er bei der Arbeit zuwider und vergeßlich, im Stall unruhig. Dabei ein schneller Läufer und immer auf den Beinen hält er Märsche und Lastentragen aus. In einer verwandten physiognomischen Reihe, die sich mit Typen der Frau beschäftigt und zu den Gegenständen der Liebeslehrbücher gehört, werden nur drei Typen gegeben: „Schönste Frau ist die, bei der Schleim als Grundstoff überwiegt. Als mittlere gilt die gallige, als geringste die Frau mit Wind als vorherrschendem Grundstoff." 1 — Hier fehlt der 1 „Anangaranga" IV. 5—10. Da die Charakteristik der drei Typen für die indische Anschauung vom Wesen der drei Leibesstoffe sehr aufschlußreich ist, sei sie hier vermerkt: „Wenn Zähne, Nägel und die beiden Lotusangen in weichem Schmelze schimmern, wenn die Frau, von eifersüchtigem Stolze getragen, in Leidenschaft fest am Geliebten hängt, wenn ihr Hautton dunkel und der Schlitz ihres Geschlechtes ktthl, zart und fleischig ist, dann heißt es von der schönsten Frau: Schleim sei der überwiegende Leibesstoff. Und die „Gallige" ist von hellgelber Leibesfarbe. Ihre Augen und Fingernägel sind rötlich. In einem Augenblick gerät sie in Zorn und beruhigt sich wieder. Ihre Hüften und Brüste sind üppig. Ihr Schweiß riecht wie nach rohem Fleisch, ihr „schönstes Glied" (der Schoß) ist locker und voll Hitze. Sie ist geschickt im Liebesspiel und zart. Aber die Frau, bei der Wind unter den Leibesstoffen überwiegt, hat harte Glieder und rauhes Haar. Sie ist schwatzhaft, unstet und ißt viel. Sie hat dunkle Fingernägel und Augen und ist dunkel-staubfarben. Im Liebesgenuß ist sie von hartherziger Leidenschaftlichkeit, und ihre „Behausung des Liebesgottes" (der Schoß) ist ranh anzufühlen wie die Zunge einer Kuh." — Vgl. auch die Schilderung in „Ratirabasya" IV. 5/6:
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harmonische Typus als höchster. So sind die verschiedenen Ansätze zu physiognomischen Typenreihen zu keinem eindeutigen und geschlossenen System gediehen; die Prinzipien mehrerer Ansatzpunkte, die voneinander unabhängig waren, durchkreuzten sich und ließen sich nicht miteinander vereinen. Die reinen Typen stellen ja auch nur Grenzfälle dar, in der Wirklichkeit überwiegen zahlenmäßig die Mischtypen. Die Elefantenkunde hat sich bemüht, auch sie zu erfassen: als Kombinationen zweier oder dreier Konstitutionstypen miteinander und mit einer der ihnen entsprechenden Gemütsanlagen 1 . Denn „Mischtypen sind leicht zu finden, die reinen aber selten." Diese physiologische Typenlehre ist von größter praktischer Bedeutung für Pflege und Ernährung der Elefanten, denn die Lehre von den Leibesstoffen gehört in eine umfassende Naturlehre, die vom Wesen aller Säfte und Stoffe der Natur, ihrem Vorkommen, wie ihrer Wirkung im Steigen und Fallen des Jahres handelt 2 . Darum ist sie die große Grundlage der Heilkunde, die den Ursprung aller Leiden, soweit sie nicht „von außen kommen" (ägantu) — in Gestalt von Verletzungen, Schlangen-, Insektenstich usw. —, in Störungen der Leibes„ E i n e Frau, deren Knochen, Gelenke und Knöchel versteckt liegen, deren Stimme weich und süß ist, die zart wie Lotos ist, h a t ein Übermaß von Schleim unter den Leibesstoffen. Die junge Frau, deren Knochen Gelenke und Knöchel zutage treten und die warme Glieder h a t , ist von galliger Natur. Fine Frau, die rauh anzufühlen ist, deren Glieder kühl und heiß zugleich sind und die zuviel redet, hat ein Übermaß von Wind u n t e r den Leibesstoffen. — Aber auch eine Frau von „schleimiger" N a t u r ist heiß anzufühlen, wenn sie eben geboren hat, und auch die gallige F r a u h a t einen kühlen Leib, wenn sie schwanger ist. — Bei diesen drei A r t e n Frauen löst sich die Spannung der Lust der Reihe nach in unlanger, leicht-langer und hoher Zeit, und ihr Tor des Schoßes ist (der Reihe nach) safttriefend, heiß und eng geschlossen. Und der Wunsch nach Lust in der Vereinigung mit dem Geliebten regt sich in ihnen (der Reihenfolge nach) in Winter, Regenzeit und Frühling, bei allen dazu im Vorfrühling." — Die weitere Beschreibung (7—13) gibt die in „ A n a n g a r a n g a " gegebenen Merkmale. 1 I I I . 8 f ü h r t kombinatorische Typenreihen verschiedener Lehrer an (eines Y ä j n a v a l k y a , Käschyapa, Gautama, R ä j a p u t r a , Arimedi, Hasticärin).
» Vgl. Nachspiel S. 157 ff.
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Stoffe erblickt. Für die Heilkunde ist Gesundheit gleichbedeutend mit dem Gleichgewicht der Leibesstoffe innerhalb des Verhältnisses, das durch die Konstitution jeweils gegeben ist, und gleichbedeutend mit ihrer richtigen Verteilung im Körper, die den glatten Ablauf der Lebens Vorgänge gewährleistet. Eben diese Anschauung von der richtigen Verteilung der Leibesstoffe innerhalb des Körpers erklärt anderseits wieder die Gleichsetzung der physiologischen Typen mit den vier Kastentypen und ihren symbolischen Farben. Zwar sind Schleim, Galle und Wind überall im Leibe tätig, der Schleim z. B. im „Speisesack" und in allen Gelenken (wie eine Art Wagenschmiere), der Wind als der alles bewegende in den Muskeln, die sich spannen und entspannen, als treibende Kraft des Blutes, des Verdauungstraktes, kurz aller willkürlichen wie spontanen Bewegungsvorgänge, die hitzige Galle endlich als Element der Körperwärme, aber jeder von ihnen hat dabei einen Bereich im Leibe, wo er vornehmlich zu Hause ist. Dieser Sitz des Schleimes ist in Kopf, Hals und Brust (das zeigen die Erkrankungen der Atmungsorgane), das Gallige, das die Verdauung bewirkt (es „kocht die Nahrung"), sitzt vornehmlich in der Leibesmitte zwischen Herz und Nabel, der Wind aber im Unterleibe, hinterwärts vom Nabel (wo er Blähungen bewirkt) 1 . Diese Lage der Stoffe über- oder voreinander bedeutet zugleich eine Rangordnung. Denn die Teile des Leibes sind einander nicht gleichwertig. Der Kopf ist nicht nur räumlich das „höchste Glied", er ist das edelste, wie der Unterleib — oder beim aufrecht gehenden Menschen die Füße — das geringste. Mit der Rangordnung der Leibesteile hängt die Gliederung des Menschen (und der Natur) nach den vier Kasten mythisch zusammen 2 . Als die Götter im Anbeginn das große Allwesen, das die ganze Welt erfüllt und über sie hinausragt, den „ U r m a n n " , wie ein Tier opferten, entstanden alle Wesen aus ihm: Der Brahmane ging aus seiVgl. I. 8, III. 9 und anderwärts. • Vier — von den Füßen des Tieres genommen — ist j a die große Teilerzahl in Indien Vgl. z. B. die Reihe der Gewichte S. 128, Anm. 2, die vier Hauptverfahren der Politik S. 70, Anm. 5. — Es gibt vier Weltalter, vier Hauptfarben, vier göttliche Welthüter in den vier Hauptrichtungen des Raumes, vier Viertel der göttlichen Weltpotenz (brahman) usw. 1
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nem Haupt hervor, der Krieger aus seinen Armen und der Bürger aus den Schenkeln, der Unterworfene aber aus seinen Füßen 1 . Für diese vier aber sind wieder die vier Farben symbolisch. Sie sind Zeichen unterschiedlicher Vollkommenheit und Reinheit. Eine indische Weltzeit bewegt sich von der Entfaltung des Alls der Erscheinungen bis zu seinem Einschmelzen in den göttlichen Urgrund über vier Weltalter hin, in denen ihre sittliche Vollkommenheit und damit ihre biologische Güte und geistige Höhe sich jeweils um ein Viertel verringert. Symbolisch für diesen Abfall sind die Farben, in denen der Allgott (Vischnu) jedem Weltalter erscheint. Im ersten vollkommenen Weltalter ist er weiß, im Dunkel des letzten, im heillosen Verfall des Weltorganismus erscheint er dunkel (schwarz oder blauschwarz). Dann fließen die Kasten ineinander, es gibt keine wahren Brahmanen mehr: kein wahres Wissen, keine echte Reinheit und gottgleich magische Kraft unter den Menschen, es gibt keine wahren Könige mehr. Den Übergang zu dieser dunklen Erscheinung des Gottes bilden die rote und gelbe im zweiten und dritten Weltalter 2 . In der unterschiedlichen Vollkommenheit der Weltalter liegt die Verteilung der „glückbringenden", „langsamen" und „wilden" Elefanten auf sie begründet, wie im Parallelismus der Kastenfolge zum Oben und Unten der Leibesstoffe die Beziehung beider Reihen aufeinander, wenn sich auch beide wegen der ungleichen Zahl ihrer Glieder nicht völlig decken können. Aber die Rangordnung der Leibesstoffe unter sich ist unabhängig von solchen Versuchen, Zusammenhänge zu stiften zwischen Symbolreihen, Erfahrungsbefunden und mythischen Rigveda X . 90. * Vrihannäradiyapuräna, 38. adhyäya (vgl. W. Kirfel: „Die Ko9mographie der Inder", Bonn 1920. S. 91). Der Gebrauch der Farbenreihe weiß, rot, gelb, blan zur Bezeichnung der Zahlen 1—4 reicht übrigens erstaunlich weit. Ich entsinne mich, 1913/14 als „Einjähriger" in der ersten Kompanie eines Berliner GardeGrenadierregiments ganz arglos (unkund der Weihe) eine weiße Brahmanentroddel am Seitengewehr getragen zu haben, und die Grundfarbe meiner Achselklappen war „kriegerhaft" rot, weil das Regiment das zweite in der Division war. Die vier Farben dienten im deutschen Vorkriegsheer zur Bezeichnung der Nummern seiner Einheiten von den Kompanien, Schwadronen nsw. an bis hinauf zu den Regimentern. 1
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Anschauungen. Sie ist ein Werturteil über die Temperamente, in dem indisches Menschenideal einen schlagenden Ausdruck fand. Nicht die Aktivität des geschäftigen Menschen, nicht der feurige Drang kriegerischer Natur und fürstlichen Herrscherwillens geben der Persönlichkeit höchsten Wert. Gelassenheit und Seelenruhe sind die Wesenselemente des höchsten Typus. In Bahnen antiker Anschauung hat der Westen dem schwarzgalligen Menschen, dem Melancholiker unter den Temperamenten die Palme gereicht. Er ist der Saturnier in der astrologischen Physiognomik: der schöpferisch tiefe Mensch des schweren Lebensloses, zu langem Reifegange und später, hoher Vollendung bestimmt. „Cholos", Galle, ist als befeuernder Stoff des Leibes das Prinzip der Schaffenskraft, Melancholie und Genialität gehören zusammen. Diese Anschauung bildet den Gedankengrund von Dürers Stich „Melancholie" 2 . Kant sprach in seinen ,,Beoachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" der „phlegmatischen Mischung" die „Ingredienzen vom Erhabenen oder Schönen in sonderlich merklichem Grade" ab und sieht im Melancholiker das bedeutendste der vier Temperamente, in dessen tiefer Anlage beide Gefühle und Eigenschaften zur schönsten Entfaltung kommen. Goethe faßte die griechisch-abendländische Bewertung von Galle und Schleim in dem Klageruf zusammen: „Zum Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben", in dem der chemische Prozeß, der das geistig-edle Element aus der Retorte verflüchtigt, indes der träge wertlose Rest am Grunde zurückbleibt, zum Symbol menschlicher Verstumpfung wird. Für Indien steht der phlegmatische Typus dem ideal-ausgeglichenen am nächsten und, insofern seiner — wie bei den Typen der Frau — überhaupt nicht gedacht wird, schlechthin an der Spitze aller Konstitutionen. Diese Wertverteilung entspringt indischem Lebensgefühl und seinem subtropischen Räume. Die gemäßigte Zone preist das feurige Temperament, Quell der Aktivität, Voraussetzung des Lebens, das sich nicht ohne Mühen erhalten kann. Im Westen adeln erworbener Besitz, vollbrachte Leistung im Reich der Dinge den einzelnen, ' Vgl. Panofsky-Saxl: „Dürers Melencolia I " . Studien dei Bibliothek Werburg, Leipzig 1923.
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sie geben der Persönlichkeit Umfang und Gewicht. In Indien ist der besitzlose Waldeinsiedler, der von den Früchten der Wildnis ohne Saat und Ernte lebt, ist der heimatlose Bettelasket, der am Mahle der anderen, die arbeiten und erwerben, teilnimmt, Heiliger und geistiger Lehrer des Volkes. Wir rufen „genug ist nie genug" und preisen aus kargem Jahreskreis die Fülle, sind glücklich in Regsamkeit und drängen nach reicheren Süden. Für den Inder ist die Vorstellung der Fülle leicht mit der Empfindung peinvollen Druckes, mit Schwere und Unbehagen verknüpft. Und die Vorstellung der Bewegung bedeutet ihm Unrast, inneren Unfrieden. Die Leere, frei von Masse und Bewegung, bezeichnet ihm als Seelenzustand einen höchsten Grenzwert, wie im äußeren Leben Besitzlosigkeit, völlige Armut die Möglichkeit innerer Freiheit darstellt, zur Selbstüberwindung in Aufhebung des Weltund Ichgehalts. Bezeichnend für diese hohe Bewertung der phlegmatischen Konstitution ist das Schönheitsideal der indischen Plastik: neben dem weichen, vollen Frauenleib, ihm verwandt die Gestalt des „vollkommenen Mannes" (des „großen Wesens", mahäpuruscha), die den Erlösergestalten des Buddhismus und Jainismus wie den menschhaften Erscheinungen der Hindugötter eigen ist. Glatte Leiber, in Schlankheit gerundet. Ihre kraftvolle Bildung hält Muskeln und Sehnen und alles Knochige eingebettet in fleischigen Flächen. Was auf Härte, Spannung und Bewegung deuten könnte, ruht eingeschmolzen im sanften Schwünge der Glieder1. Ebenmäßige, unbeschwerte Fülle steht mild und still im Kreislauf ihres süßen Saftes. Volle weiche Gesichter, pflanzenhafter Wuchs, vollkommene Run1 Vgl. neben Schilderungen der Dichter z. B. die Merkmale des mahäpuruscha: Der R a u m zwischen den Schultern ist „aufgehäuft" (aufgewölbt, nicht hohl), sieben Stellen des Leibes (Handflächen, Fußflächen und anderes) sind aufgewölbt, der Oberleib ist breit wie beim Löwen, Finger und Nägel sind lang und rund, die Schenkel sind vollgerundet, die Kniescheiben Bind breit, groß und voll, die Ferse ist groß und gestreckt, der Spann ist hoch, die Sohlen sind flach und ruhen fest auf dem Boden, Knöchel und Adern sind nicht zu sehen, die Glieder glänzen, sie sind zart, rand und groß, kraftvoll, ebenmäßig und wohlgefügt, die Wangen sind voll und eben usw. — Die vollständige Reihe findet sich übersetzt bei A. Grünwedel, „Buddhistische Kunst in Indien", Berlin 1900, S. 138/39.
Zimmer, Spiel um den Elefanten
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dvmg, die auch ausladende Gebärde dämpft, quellen wie aus einem inneren Traumdunkel unanfechtbarer Tiefe, unerschütterlicher Gelassenheit des Gemüts. Der Typenreihe nach Leibesstoffen ist die Einteilung der Elefanten nach ihrer Herkunft aus trockener (jängala) oder sumpfiger (anüpa) Landschaft verwandt (III. 6). Die einen sind festen, harten und schmächtigen Leibes, gute Läufer, die Hunger und Durst aushalten, stark und zornmütig; die anderen sind mächtigen Leibes, groß an Kraft, von schöner Farbe, ihr Fell ist weich, ihr Rüssel ist breit und lang, Füße, Rücken, Kopf und andere Körperteile sind großgeformt. In der trockenen Gegend drohen vornehmlich Leiden, die aus Störungen von Galle, Wind oder Blut entspringen, das Sumpfland hegt Krankheiten, die von gestörtem Schleim herrühren. Der hitzig-trockene oder feucht-saftige Charakter der Landschaft teilt sich dem Tier, das in ihm aufwächst, mit, er verstärkt die ihm verwandten Leibesstoffe zum Nachteil des Gleichgewichts aller und bestimmt damit, zu welchen Krankheiten das Tier vornehmlich neigt. In der Kenntnis dieser Herkunftstypen, zu denen als dritter der Mischtyp aus beiden tritt, liegt die Möglichkeit, durch ausgleichende Diät Erkrankungen vorzubeugen. 1 1 Vgl. IV. 25: „Man kann dreierlei Landschaft mit dreierlei Merkmalen unterscheiden: ,feuchte' (anüpa), ,trockene* (jängala) und Landschaft, die beider Eigenart in sich vereint (sädhärana). Als ,feucht' gilt eine Landschaft mit viel Busch und Schlingpflanzen, Bambusröhricht und Felsen, mit viel Gras und Wasser, mit viel Niederungen und Erhebungen. Dort wachsen wegtüchtige Elefanten von mächtiger Gestalt und weichem Fleisch und großem Bauch, die viel Wind und Schleim haben und wenig Galle. — Eine Landschaft, vornehmlich mit kurzhalsigem Gras bewachsen, aLrm an Gras, Strauch und Baum, eben und offen nach allen Seiten, gilt als ,trocken'. Dort wachsen Elefanten, die Anstrengungen aushalten, heldenhafte, mit hartem Leibe, starren Augen und kurzen Stoßzähnen, die wenig Schleim haben, aber an Wind und Galle leicht erregbar sind. — Wenn man so die Heimatlandschaft der Elefanten in Betracht gezogen hat, soll man das Heilverfahren wählen. Medizin für die Elefanten richtet sich immer nach der A r t ihrer Heimat." — Der eingangs erwähnte Mischt y p von Landschaft und der zu ihr gehörige Elefant werden nicht weiter charakterisiert.
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Neben der auch uns geläufigen Charakteristik von Gestalten des Lebendigen nach Leibesstoffen oder Temperamenten besitzt Indien noch eine andere, dreigliedrige Typenreihe als sein besonderes Eigentum, aus Naturlehren der Upanischaden entwickelt, Grundbestand seiner Anschauung von Lebensformen in Weltentwicklung und Weltzerfall. Formlos, ununterschieden ruht der Stoff des Lebens in sich, ehe er sich in die bunte, bewegte, unterschiedliche Welt werdend-vergehender Gestalten als seine spielende Wandlungsform umsetzt. Auf seinem Wandlungsgange zu ihrer Gestaltenfülle bezeichnen drei große Formen oder Eigenarten („guna" — das Wort ist auch mit „Konstituente" und „Aspekt" umschrieben worden) die erste Stufe der Entfaltung des in sich einigen Unentfalteten: „sattva", das „Seiende, wie es sein soll": Ideales Sein, Güte, Lauterkeit, in sich ruhende, leidenschaftslose Klarheit, Sphäre unmittelbarer Wahrheitserkenntnis; „rajas", wirbelnder Staub, leidenschaftliche Bewegtheit, Sphäre des Gefühls, das die Klarheit des Firmaments verwölkt; und „tamas", das „Dunkel", Schwere der IV. 9 zählt Pflanzennahrung trockener Gegend auf, die den Wind erregt, aber ein Ü b e r m a ß von Schleim und Galle beseitigt, der entsprechende Abschnitt über Nahrung aus Sumpfland ist (mit dem Kapitelschluß) verstümmelt. Eine Einteilung der Elefanten nach Größe u n d entsprechendem F u t t e r m a ß (I. 2) sieht sechs Größen vor. Die beiden größten T y p e n (9 Ellen (aratni) hoch, 11 lang, 12 i m Umfang, und 8 hoch, 10 lang, 11 i m U m fang) soll m a n nicht einfangen. Die anderen vier Typen haben die Maße 7 : 9 : 10, 6 : 8 : 9 usw., u m je eine Elle absteigend. Die F u t t e r m a ß e entsprechen in drona den Größenzahlen in Ellen (also 7 — 4 drona), kleinere Tiere (von 3 u n d 2 Ellen Höhe) sind entsprechend zu f ü t t e r n . Nach ihrer H e r k u n f t aus verschiedenen Landschaften Indiens unterscheidet K a u t i l y a acht Elefantenarten von verschiedener Güte (20), dieselben Landschaften n e n n t auch „ G a j a l a k s c h a n a " (vgl. oben S. 12, Anm. 2) mit ihren Grenzen. Antike Nachrichten über H e r k u n f t der Elefanten bei Stein, „Megasthenes", S. 47/48. — Ebenso gibt es vier Pferdequalitäten j e nach ihrer landschaftlichen H e r k u n f t : Die besten sind aus Persien (täjika), Khorasan u n d dem Norden, drei andere Arten sind mittel, drei andere, darunter Pferde vom I n d u s sind gering, andere, deren H e r k u n f t , nicht genannt wird, gelten als ganz gering. (Aschvacikitsa I I . 1—4.) — Bei F r a u e n werden landschaftlich weniger Qualitäten unterschieden als Eigenarten beim Verhalten in der Liebe (Ratirahasya V, Anangaranga V). 6*
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Triebe, Bindung im Dumpfen, Lichtlosen. Drei Grade der Höhe und Reife (sittlich wie geistig), zugleich drei Schichten biologischer Bildungen, drei Sphären des Lebens — stofflichsinnlich, sinnlich-geistig, geistig-übergeistig — in uns und allem Lebendigen, d. i. aller Welt unterschiedlich vorwiegend. Sie sind erfaßt im Gange der Selbsterfahrung des Lebens, das durch seine sinnlichen und geistigen Schichten sich zu seinem innersten Kern hindurch getastet hat, sind begriffen als Ebenen, in denen e6 spielt, wenn es sich vollzieht. Sie sind, von innen her erschaut, der Stoff der lebendigen Welt. Aus ihrer unterschiedlichen Verwobenheit besteht alles: die sinnlich ungreifbare Innenwelt wie die greifbare Erscheinungsfülle. Ihr unterschiedliches Vorwiegen wirkt typenbildend in den Formen und Sphären des Lebens und gibt ihnen ihren Rang. Auf ihre drei Stufen verteilen sich die Wesen aller Weltsphären, Götter wie Unholde, Brahmanen- und Kriegernaturen. Darum kann ihre Dreiheit auch die Elefanten, sofern sie „ G ö t t e r " oder „Brahmanen" und andere Typen darstellen, in ihrem Wesen charakterisieren (vgl. Sp. VIII). Verhaltungsweisen oder Stimmungen (bhäva III. 7) deuten an den Tieren (wie bei den Menschen) unmittelbar darauf, welcher der drei „großen Urstoffe" (mahäprakriti III. 9) als vorwiegendes Element in ihrer Konstitution ihre Physiognomie bestimmt. Als Stimmungen, die dem Element der Güte und Klarheit 1 entspringen (sättvika bhäva's), gelten Freudigkeit, freundlicher Sinn, Behagen, leidloses Glücksgefühl und Bereitwilligkeit zur Arbeit, das Element leidenschaftlicher Bewegtheit verrät 6eine Vorherrschaft durch Hitzigkeit, Unstete, Frechheit, Furcht, Unlust zur Arbeit, Wut, Dingbesessenheit, Hunger und Durst (die räjasa bhäva's), während die dumpfe Trübe an Einsichtsmangel, Gier, Torheit, Verlangen, Zorn, Schläfrigkeit und Verzagtheit (den tämasa bhäva's III. 7) kenntlich ist. Diese drei Bündel von Gemütsanlagen bilden den Kern dreier Typen von unterschiedlichem Wert, den „Wesenskundigen" (adhyätma-kovida) erkennbar. Obenan steht der Ele1 Die Begriffe der ganas: sattva, rajas, tamas lassen sich wohl umschreiben, aber nicht mit einem einzigen Worte angemessen übersetzen.
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fant von gütig-klarem Wesen (sättvika). Er „entstammt glückversprechender Verbindung, hat angemessenes Gefühl, ist glückhaft und aufmerksam. Er erfaßt schnell, was er ausrichten soll, und seine Arbeit mißrät ihm nicht. Er ist langlebig, stark und tapfer, frei von Krankheiten und hat schöne Nachkommenschaft. Er ist gesegnet und ruhmvoll, flammenden Feuers, guten Wesens, behend und lieblich anzuschauen. Seine Stimme ist weich und tief" — wie die Stimme von Wolken, Göttern und Weisen. Nach ihm kommt der Elefant voll leidenschaftlicher Bewegtheit (räjasa), er „ist klug, lebhaft, reizbar und glutvoll; behenden Ganges, neugierig, spielfroh und belustigend. Er greift seine Arbeit schnell auf und verdirbt auch schnell, was er getan hat, er ist nicht glückhaft. Ein starker Esser, aber schlechter Lastträger, ist er tapfer und hinter den Elefantinnen her. Sein Gefühl ist an der Oberfläche ausgebreitet, aber unängstlich". Ein „schläfriger Elefant aber, dessen Gefühl in der Tiefe versteckt liegt, der mühsam nur weniges begreift und dem mißrät, was er ausrichten soll", ist voll dumpfer Trübe (tämasa III. 9) 1 . Der Zug zum System hat es versucht, auch die drei „großen Urstoffe" zu den Leibesstoffen in Beziehung zu setzen. Aber die drei Größen beider Reihen entsprechen einander in ihrem Wesen nur mangelhaft. Als Element hoheitsvoller Seelenruhe und Gelassenheit scheint Schleim zur lichten Güte (sattva) zu gehören, und so wird auch erklärt (III. 9. 80), „sattva befindet sich am Ort des Schleims", aber anderseits gehört ja 1 Die Kenntnis dieser drei Wesensarten (sattva) ist für die ärztliche Behandlung wichtig (III. 6): „Infolge ihres Übermaßes an sattva und Kraft werden die sättvika-Elefanten von den gangbaren Verfahren ärztlicher Kunst nicht angefochten", die leicht erregbaren räjasa-Elefanten soll man „mit Zureden, Wasser und Sand (in Form von Bädern, Übergüssen und dergleichen) und Bissen, die man ihnen reicht, beruhigen, dann halten sie Schneiden und Zerspalten (von Geschwüren) aus, auch wenn man ihre Wunden heftig ausbrennt." Aber Elefanten vom tämasaTyp sind „von Natur immer schreckhaft und halten Schneiden, Ritzen, Brennen, Vernähen und Aufstechen (von Geschwüren, um Eiter herausfließen zu lassen) nicht aus." Bei Geschwüren und Geschwulsten an ihnen „muß man Auflösen, Ausreifen, Aufspringen, Reinigen, Verschorfen und Würmerentfernen durch Heilmittel (Salben, Packungen, Tränke usw.) vollziehen, daneben Schneiden und Brennen."
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Phlegma mit der Stumpfheit schläfriger Natur zusammen, und so heißt es auch, daß „der Schlaf im Schleime haftet" (III. 9. 85). Schleim und sattva entsprechen sich nur im großen ganzen. Die leidenschaftliche Bewegtheit (rajas) wird mit dem Winde zusammengebracht, ließe sich aber nach dem Charakter beider, ebensogut der Calle gesellen, von der gesagt wird, daß „die dumpfe Trübe (tamas) mit ihr zusammenginge" — ohne schlagenden Grund. So hat die Lehre von den drei „Urstoffen" 1 die Auffassung von Wesen und Funktionen der drei Leibesstoffe nicht eigentlich beeinflussen können, aus Seelenerfahrung und kosmischer Spekulation erwachsen, schweben die Urstoffe als allgemeinste Größen oberhalb des Bereiches dichter Beziehungsfülle physiologischer Vorgänge, mit denen sich die Humoraltypologie befaßt. Einen bedeutenden Raum nimmt die Typenreihe der Lebensalter beim Elefanten ein, unter besonderem Eingehen auf die ersten Entwicklungsjahre (vgl. Sp. V) 2 . Ihre Schilderung 1 Die „mahäprakritis werden a u c h — u n d das bezeichnet ihr Wesen als erste Entfaltungsstufen des u n e n t f a l t e t e n .großen Urstoffs' (mahäprakriti) besser — ,mahäprakritiyonis' g e n a n n t : ,die, deren Schoß der große Urstoff ist*. 1 Vgl. die Typenreihe der Lebensalter für die F r a u : „Bis zum 16. Lebensjahre reicht die .kindliche F r a u ' , von da a u f w ä r t s bis zum 30. die . J u n g e ' , die ,Reife' reicht bis zum 55. J a h r e . D a r ü b e r hinaus altert die F r a u . " „ D i e „Kindliche" gewinnt m a n , indem man ihr Betel (zum Kauen) u n d Blumenkränze schenkt, F r ü c h t e u n d F r u c h t s a f t und wohlschmeckende Speisen und indem m a n achtungsvoll mit ihr umgeht. Die Schüchterne entzückt man mit Geschenken, vor allem mit Schmuck und Perlenschnüren, die „ J u n g e " e n t f l a m m t sich an den Vorzügen des Mannes u n d wird durch leidenschaftliches, gesteigertes Liebesspiel beseligt, die F r a u mittleren Alters (die „ R e i f e " ) ist nach Liebe gierig. Durch schmeichelnde Worte wird eine Alte e n t z ü c k t und durch Respekt ganz besonders." ( „ R a t i r a h a s y a " I V . — Ähnlich „ A n a n g a r a n g a " I V ) : „Bis zum 16. Lebensjahre heißt die F r a u .kindlich', von da bis zum 30. ,Junge', bis zum 55. wird sie von den kundigen Dichtern .Reife' gen a n n t . Von da an a u f w ä r t s gilt sie als .Alte' und wird in den Lehren der pfauenschweif-gleich vielfältig-breit schimmernden Liebeswissenschaften verworfen und soll von Liebenden immer gemieden werden. Die «Kindliche' f r e u t sich im Dunkeln des ungewohnten Liehesspiels, die , J u n g e ' gibt sich in hoher Tageshelle hin, die ,Reife' genießt ihr Glück in Helle wie Dunkel. Die .Alte' aber n i r g e n d w a n n : Sie r a u b t die L e b e n s k r a f t " usw.
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feiert den Aufstieg des Lebens von der liebenswerten kindhaften Erscheinung bis zum Gipfel zeugender Kraft und unwiderstehlicher Hoheit, gelassen begleitet sie seinen Abstieg bis zum todverfallenen Wrack. Hier ruht der Blick des Lebens so liebevoll umgreifend wie kummerlos auf allen Wegstationen seines ewigen Ganges, wie eine seiner würdigsten Gestalten sie durchwandelt — Leben, das sich mit seinem Verfall und Tod so eins weiß wie mit seiner strahlenden Jugend und überquellenden Fülle, das um sich selbst als das Geheimnis ewiger Wandlung weiß und ins Todesdunkel seiner Nacht gelassen blickt, weil es kreisend sich als die Einheit seiner Abende mit neuen Morgen kennt. — Dem Elefanten aber, der den vollen Erdentag von hundertzwanzig Jahren ausgedient und „vielerlei Werk verrichtet hat", winkt ein schönerer Morgen: Er „geht zum Himmel ein 1 ". Erdentbunden kehrt er zu seiner lichten seligen Freiheit als Himmelswolke zurück, vom Fluche befreit, der zeitlichem Geschehen, nicht göttlicher Naturordnung entsprungen, ihn nur auf Zeit zu binden vermag. Wie Himmelsfrauen, die ein Fluch auf die Menschenerde verbannte, heimkehren in ihre Seligkeit, wenn sie ihr Menschenschicksal erfüllt haben. Das Geschick einer solchen Götterfrau, die durch Verwünschung wie die Elefanten ins Erdenleben hinab mußte, ist in den Ursprung der Elefantenkunde verwoben. Die Göttin der Rede gebar auf Erden den Heiligen, dem die Menschen das rechte „Wissen vom langen Leben der Elefanten", von ihrem Wesen wie ihrer Pflege verdanken. Gültiges Wissen leitet sich in Indien von göttlicher Selbstoffenbarung oder unmittelbarem Innewerden der Wahrheit in der Schau gottnaher Seher her. So findet die Elefantenkunde die Beglaubigung ihres Wertes in ihrer Herkunft vom Heiligen Pälakäpya, den Brahma — Weltregent und Weltgeist — als ihren Verkünder auf Erden den Elefanten zum Heile verhieß, als sie aus der Freiheit des Weltraumes in den Dienst der Menschen hinab mußten. „In Bälde wird ein hoher Heiliger, den Elefanten verwandt, erstehen," so verkündete er den Welt1
„svargam gacchati", Sp. V, Schlußvers.
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elefanten, die den Abstieg ihrer Verwandten beklagten u n d f ü r sie b a t e n , weil sie, in Gefangenschaft n a t u r h a f t e m Leben e n t f r e m d e t , k r a n k werden müßten, „er wird Wisser des ,Wissens vom langen Leben' sein, das ich geschaffen habe. E r wird Krankheiten, die bei ihnen entstehen, mit der K r a f t der Heilkräuter vernichten." (I. 1.) — Seiner hohen Aufgabe entsprach sein wunderbarer Ursprung. Die Göttin der Rede war seine Mutter. B r a h m ä schuf sie im Anbeginn der Zeiten aus der strahlenden K r a f t der Götter und Menschen, Himmelsgeister und Unholde zum Entzücken aller. Götter u n d Heilige feierten ihre schimmernde Schönheit. Sie aber ging lustvollen Stolzes im Prangen ihres jugendlichen Reizes ihres Weges, ohne der Huldigungen, ohne ihres Schöpfers zu achten. Da verwünschte sie B r a h m ä : Auf Erden solle sie leben und eine Elefantin werden 1 . Vom Heiligen Bhärgava, vor dessen Seherauge Z u k u n f t wie Gegenwart war, erfuhr sie auf Erden, d a ß sie tausend J a h r e als das Mädchen G u n a v a t i in einem Geschlechte der Schatzgötter 2 leben werde, bis der Fluch sie t r ä f e , der sie zur Elefantin wandelte. — Sie erging sich i m Walde und k a m unversehens der Einsiedelei des heiligen Mat a n g a (matanga heißt „ E l e f a n t " ) zu nahe, der Heibge bemerkte sie und geriet in Zorn. Er meinte, sie sei eine jener himmlischen Schönen, wie der Götterkönig I n d r a sie auf die E r d e herabsendet, Heilige zu verführen u n d ihnen die gottähnliche K r a f t zu rauben, die 6ie in glühender Askese speichern. D a r u m verfluchte er die arglose, „weil du allein in menschenleerer Wildnis wandelst, sollst du eine Elefantin 1 I m „Spiel" (I) wird sie durch den Heiligen D u r g a r v a n t verflucht. Augenscheinlich ist dieser — wie sein Name besagt — „von bösem Stolz E r f ü l l t e " kein anderer als der in brahmanischer Überlieferung bekannte Heilige Durväsas, der Typus des für seinen leicht verletzlichen Stolz u n d jähen Zorn gcfürchteten brahmanischen Heiligen, der auch unabsichtliche Kränkung mit schwerer Verwünschung zu ahnden pflegt. E r ist es, der die Heldin in Kälidäsas „ S c h a k u n t a l ä " verflucht, weil sie in einem Augenblick sehnsuchtsvoller Verträumtheit seines hohen Besuches nicht sogleich ehrfürchtig gewahr wird, er verflucht ja (in Bänas Roman „ H a r s c h a c a r i t a " ) eben die Göttin der Rede an Brahmas Thron, weil sie über ein Stolpern seiner Zunge bei wetteifernder Gesangsrezitation lachen mußte.
' Der „ V a a u V . Das Geschlecht selbst heißt auch bhärgava.
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sein, die im Walde h a u s t . " — Der tiefere Sinn dieses Fluches war gewiß, sie mit der Verwandlung in eine wirkliche Elefantin zu strafen, weil sie den „ E l e f a n t " geheißenen Heiligen verf ü h r e n wollte. E r war f ü r sinnliches Verlangen unerreichbar, aber ihr Trieb sollte sie wirklichen Elefanten gesellen. Doch der Heilige m u ß t e seinen I r r t u m erkennen und glich den Fluch, den er nicht wenden konnte, durch eine Verheißung aus, die das Ende ihres Erdenschicksals bedeutete. E r verhieß der verwunschenen Göttin einen Sohn, den sie vom Samen eines Heiligen empfangen sollte. Damit n a h m er den Fluch der Tierheit von ihr. Mehr n o c h : Ein Kind gebären bedeutet das Los des Weibes auf Erden erfüllen, u n d mit seiner Geb u r t löst sich nach indischer Anschauung der Fluch von verwunschenen Himmelsfrauen, der sie auf die Erde b a n n t , und sie kehren in ihre lichte Heimat zurück. Dieses wunderbare Kind aber, Sohn eines Heiligen u n d der Göttin der Rede in Elefantengestalt, sollte berufen sein — unter Elefanten aufwachsend u n d ihnen verwandt — aus Brahmas Weisheit das „Wissen vom langen Leben der E l e f a n t e n " den Menschen zu verkünden. So geschah es. E i n Heiliger — Sämagäyana, d. i. „Zauberlied-Sänger" — ward eines Nachts von einer wunschgestaltigen Dämonin im T r a u m e bedrängt, er e n t r a f f t e sich ihrer Verlockung und d e m Banne des Schlafes, t r a t vor die Einsiedelei und schlug sein Wasser ab, wobei i h m Same entfloß. Die verwunschene Elefantin t r a n k ihn heimlich auf und empfing davon den verheißenen Sohn. „ U n d als die Zeit k a m , brachte sie ihn zur Welt, der unter allen Wissern des ,Wissens vom langen Leben der Elefanten' aus sich selbst in strahlender K r a f t leuchtete. Als die Herde sah, d a ß sie ein Menschenkind geboren h a t t e , bekam sie Angst u n d erhob ein Geschrei und lief von allen Seiten herzu. Die Elefantin aber wußte den Ursprung des Neugeborenen, n a h m ihren Sohn, ging zur Einsiedelei und übergab ihn dem Brahmanen. E r f r e u t empfing der große Seher seinen leiblichen Sohn und vollzog an ihm die Weihe der Geburt und später, wie es sich gab, die anderen heiligen Bräuche. Als er aber die Weihe vollzog, sprach eine unsichtbare S t i m m e : ,Weltzeit u m Weltzeit wird dieser, unermessener K r a f t und großen Ruhmes voll, leibhaft 83
gewordene heilige Ordnung, die Elefanten behüten, die an Krankheiten leiden und arg gequält sind.' — Als der Heilige dieses Wort vom Himmel hörte, gab er dem Kinde wegen des Behütens (pälana) der Elefantenschar und weil er selbst von Geschlecht ein Käpya war, den tarnen Pälakäpya. — Die Pauken der Götter dröhnten über dem Walde und unweit der Einsiedelei streifte die Elefantin umher. — Der Sohn wuchs heran, und liebevoll begleitete sie ihn, ,,bis sich die Verheißung an ihr erfüllte, ,wenn du ihn geboren und aufgezogen hast, wirst du, zu deiner wahren Gestalt heimgekehrt, dein Elefantentum vergessen und, des Fluches ledig, zum Himmel eingehen.'" Als der Fluch des Heiligen „Lange Askese" sich an den Elefanten erfüllte und sie aus der Freiheit der Wildnis in Gefangenschaft und Dienst der Menschen gerieten, begleitete der Heilige Pälakäpya sie und lehrte den indischen Weltbeherrscher, der sie als erster fing, wie man sie halten müsse. Er war der Berufene, nicht nur durch seine dreifach wunderbare Herkunft, er durfte von sich sagen: „Als ich imstand war, im Walde umherzustreifen, zog ich mit der Mutter und den Elefanten umher und spielte mit Elefantenjungen auf lieblichen Bergrücken und in den Fällen der Flüsse, in Stromengen und auf Berghalden, in Seen und Teichen, die mit hellen und dunklen Lotusblüten beknüpft waren und dufteten. Daher weiß ich in Fülle, was den Elefanten wesensgemäß ist, was ihnen Lust oder Leid bringt, was eßbar und nicht eßbar für sie ist, was ihre Gebärden und ihre Laute bedeuten. Was sie jeweils aufsuchen und was Elefanten in der Wildnis zur Heilung an sich selbst verwenden, alles weiß ich. So wissen auch alle Elefanten, was mir lieb und unlieb ist, was ich esse, womit ich spiele, das bringen sie mir. — Zehn mal tausend Herbste und zehn mal hundert Herbste und drei mal fünf Herbste hab ich mit den Elefanten zusammen verbracht." Der Heilige Pälakäpya ist das Vorbild aller, die im Dienste der Elefanten als Lenker, Pfleger oder Ärzte beschäftigt sind. Der Lehrer der Elefantenheilkunde entläßt seinen Schüler, der nach Ablauf des Lehrganges Anstellung bei einem Könige findet, mit den Worten (I. 6): „ H a b die Elefanten immer so 84
lieb, als wären es deine eigenen Söhne!" Wer die Elefanten als Arzt vernachlässigt, dem geht es schlecht. Man darf auch nicht von den Essensportionen der Elefanten leben, wer das tut, „den verachten die Elefanten. Wie die Elefanten abnehmen, nimmt er selbst ab, und von der Verwünschung der Elefanten getroffen, schwinden ihm seine Vorräte zu Hause. Immer soll man von Mitgefühl mit den Elefanten sein, mit den von Hunger Ermatteten, den Betrübten und Erschreckten." Denn „Airävana und seinesgleichen gelten als Weltraumelefanten: Von ihnen stammen die irdischen Elefanten ab. Weil sie von Cötterelefanten stammen, muß man mit Elefanten als mit Elefanten — würdig — umgehen. Kein Unreiner darf einen Elefanten berühren oder besteigen, aber von einem Reinen erlangt der Elefant Glück, Wachstum und Gedeihen. Darum darf man sich auch in den Elefantenställen nicht die Haare oder Nägel schneiden, das ist den Elefanten peinlich" (IV. 16). Wie zum Arzt der Menschen taugt auch nicht jeder zum Arzt der hohen Tiere. Ein Schüler der Elefantenheilkunde soll aus guter Familie und von guten Anlagen sein. Er soll frei von Gier und Zorn sein, vernünftig, lernbegierig und von gutem Gedächtnis. Reinen Wandels, ohne Lüge, gehorsam und aufrecht wie ein Held. Er muß einen guten Blick haben, anstellig, geschickt und freundlich im Ton sein. Eine besondere Weihe des Schülers stellt (wie bei allen indischen Lehrgängen) die magische Bindung zur Person des Lehrers und ihren Wissenskräften her. Dazu wird ein Opferplatz hergerichtet 1 , ein Kreis (mandala) wird gezeichnet, Opfergaben werden in ihn hineingebracht und Gottheiten durch hingestreute Körner bildhaft dargestellt. Neben Brahma, Vischnu, Schiva und Skanda und Sonne, Mond und Planeten im Gefolge anderer göttlicher Wesen finden die Gottheiten aller Richtungen des Weltraumes und die Himmelselefanten der Weltgegenden hier ihre Verehrung. Speisen aller Art, Blumenkränze, Räucherwerk und Salben werden ihnen dargebracht, das Opferfeuer wird 1 Er soll nach Nordosten gelegen sein, wie auch die Elefantenställe (IV. 6), der Himmelsrichtung, die im Schutze Väyus, des Windgottes, steht.
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mit Butter gespeist. Alle Götter und Himmelsgegenden, Berge und Ströme und das Meer werden angerufen. Weißgekleidet und durch Fasten gereinigt, stehen Lehrer und Schüler einander gegenüber, der Ältere salbt den Jungen mit Butter, heißt ihn die Gottheiten verehren und spricht die beschwörende Mahnung an ihn, die den Pakt der Lehrzeit besiegelt: Er soll „nicht lügnerisch, grausam oder eifersüchtig sein, nicht hart, unaufrichtig, trag oder böse, er soll edlen Wesens sein, voll Mitgefühl mit der Hausgemeinschaft des Lehrers und immer dem Lehrer gehorsam." Entsprechendes wird über das Personal des königlichen Elefantenhaushalts im einzelnen gelehrt. Ihm steht der „Beamte der Elefantenpflege" (gajarakschädhikärin) vor. Er soll aus einer guten Familie sein, die dem Könige schon seit Generationen dient und auf das Wohl seines Herrn bedacht. Unbestechlich und ehrlich, die Weisungen des Königs ausführend und auf die Erfüllung seiner Wünsche bedacht. Fromm, rituell rein, vedakundig und frei von Selbstsucht wie von Krankheiten. Freundlich, taktvoll und dankbar, dabei selbstbewußt und redegewandt und voll Energie und Leibeskraft. Ebenso soll der Arzt aus guter Familie sein, wohlerzogen, klug, schriftenkundig und „einem Könige gleich". Auch er soll schon von den Vorfahren her im Dienste des Herrschers stehen, aber auch selbst eine große Familie haben und wohlhabend sein. Seine Verwandten und 6ein Besitz sind Unterpfänder für seine Treue. Von ihm erwartet man, daß er freundlich und redegewandt, geduldig und entschlossen, selbstbewußt und angenehm, fromm und rein und dem Könige ergeben sei. Ähnliche Eigenschaften werden vom übrigen Elefantenpersonal erwartet: von Beamten, Aufsehern, Lenkern und Obermeistern, neben denen ein Brahmane guten Wandels bei Opfern und magischen Bräuchen amtiert 1 . Wenn sie alle ein1 Im einzelnen werden genannt (augenscheinlich in absteigender Reihe): Der „Elefantenbeamte" (gajämätya), der „Elefantenaufseher" (gajädhyakscha), der „ L e n k e r " (yantar) und der „Obermeister" (mahämätra). Der gajämätya soll Regel und Sinn der Laute kennen, rein sein und von den Ahnen her im Dienste des Königs, frei von Krankheiten, und soll sich auf Rechnungsführung verstehen. Der gajädhyakscha soll sehr verständig sein, vertrauenswürdig, wohlerzogen, zuverlässig, beherrschter Sinne, im
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trächtig zusammenarbeiten, „gedeihen die Elefanten: voll Kraft und frei von Krankheiten, frohen Sinnes, brunsttrunken und voll Lust, glücklich und mit glückverheißenden Zeichen erfüllen sie die Wünsche des Königs." Das „Wissen vom langen Leben der Elefanten" stellt seine Lehre mit einem Eingangsgebet in den Schutz des elefantenköpfigen Ganescha, des „Herrn der seligen Scharen 1 ". Er ist der Gott, „der die Fülle der Hindernisse zerteilt" (I. 1), darum ist es gut, ihn zu Beginn aller Unternehmungen — auch literarischer — anzurufen. Er führt sie zu gutem Ende. Aber er ist auch der „Lehrer derer, die den Elefanten ergeben sind". Der Elefantenköpfige ist, wie die Elefanten selbst, eine vorarisch-alte Gottheit des Wohlstandes und des ländlichen Ge-
besten Mannesalter, flinken Geistes und, von den Elefanten lebend, immer auf ihr Wohl bedacht. Dazu seinem Herrn ergeben, rein, ehrlich und f r o m m . Der y a n t a r soll die Geheimnisse seiner K u n s t verstehen, soll freundlich, heldenhaft und fest sein. Frei von Krankheiten, schönen Leibes und mit starken, festen Sinnen. Kundig den Treibstachcl zu führen und die Zeichen recht zu verteilen, die er mit ihm gibt. Der m a h ä m ä t r a soll sich auf Anzeichen und unglückdrohende Vorzeichen verstehen, in der Heilkunde erfahren sein und beliebt, geschickt, energisch und seinem Herrn ergeben (I. 5). Das „Spiel" (X) erwähnt nur den adhyakscha und den y a n t a r . — Über den Elefantenhaushalt der Könige, über Stalle, F u t t e r , Dressur usw. Kautilya 48. — Über Ställe lehrt IV. 6, daß sie nach Nordosten gelegen sein sollen und ihren Eingang im Osten oder Norden haben sollen. J e nachdem die Tiere groß, mittel oder klein sind, soll die Weite der Halle 24, 22 oder 20 Ellen (aratni) betragen; die Höhenmaße sind entsprechend abgestuft. — In der heißen Zeit wird der Stall nach der Sonnenseite durch Matten abgedeckt, nach den anderen Seiten aber offen gehalten, damit frischer Luftzug Zutritt hat, und die Halle wird zur Kühlung mit Wasser Übergossen. I n der Regenzeit wird sie nach allen Seiten durch Matten gegen die eindringende Nässe abgedichtet, hört der Regen auf, werden die Matten entfernt, um den Luftzug hereinzulassen. Um Insekten zu vertreiben, wird fortgesetzt geräuchert. In der Winterszeit werden die halbhohen W ä n d e mit Matten abgedichtet, um den kalten Wind, vornehmlich bei Nacht, fernzuhalten; die Sonnenwärme des Tages wird hereingelassen. 1
Der Verfasser des „Spiels", Nilakantha, nach dem blauhalsigen Schiva genannt, aber augenscheinlich ein Vischnuit, r u f t eingangs zwei Erscheinungsformen Vischnus an.
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deihens 1 : dickbäuchig, Getreide und ein Mutterschaf im Arm, sitzt er von Schätzen umgeben; Reis klebt ihm am Stoßzahn. — Er reitet auf einer Ratte. Der Gott in der Gestalt des größten Tieres (denn zum Elefantenkopf trägt er gern Elefantenleib mit Menschenarmen) bewegt sich auf dem winzigen Reittier. Aber es ist ihm in einem Wesenszuge verwandt und ebenbürtig: die Hindernisse zu zerteilen, die es auf seinem Wege findet. Der Elefant tritt sie majestätischen Ganges nieder und erreicht sein Ziel; die Ratte weiß überall einen Spalt zu finden, ein Loch zu nagen, um an ihr Ziel zu gelangen. Das ist vielleicht nicht der letzte Sinn — aber gewiß eine der Beziehungen —, die den kleinen Nager dem elefantengestaltigen Gotte gesellt. Wie seine Anrufung am Eingange indischer Texte als glückbringend erwünscht ist und sein Bild dieses Buch eröffnet, schließt seine Nennung passend dieses Vorspiel zum „Spiel um den Elefanten".
1 Für sein Bild nach den Vorschriften der Tantras vgl. Zimmer, „Kunstform und Yoga", S. 114/17. (Als Seiten seines Wesens nennt I. 1: ämoda pramoda sumukha, durmukha, avighna, vighnahartar, Heramba, gananäyaka, lambodara, gajamukha, dhümraketu, gajänana.)
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S P I E L
UM D E N
E L E F A N T E N
E I N G A N G
Z W E I STRAHLENDEN GLÜCKSZEICHEN FÜR KÖNIGE ÜBER
Könige gebe ich mich anheim: Vischnu in seiner Gestalt „halb einMann und halb ein Löwe" und in seiner Gestalt als Krischna, die zwei Dschungelbrände für das wilde Dickicht: für die Scharen der Widergötter sind! Ich neige mich anbetend zur Erde vor dem elefantenköpfigen Gotte Ganescha! Aus der Schau der Großen Lehre vom Elefanten, wie sie der Stier unter den Heiligen — der heilige Pälakäpya — verkündet hat, gestalte ich hier, vom Spiel der Elefanten in meinem Innersten bewegt, ein „Spiel um den Elefanten". 1 Der Ursprung der Elefanten, Glück und Unglück verheißende Zeichen an ihnen, Zeichen ihrer Lebensdauer und ihres Alters, ihre Maße und ihr unterschiedlicher Marktwert, die Arten ihres Wesens und Rausches, der Fang der wilden Elefanten, ihre Pflege und Behandlung nach Tages- und Jahreszeiten, die Eigenschaften der Elefantenwärter und anderes, alles das wird hier in Kürze abgehandelt.
1 Das indische Wort für „ S p i e l " : „lila" bezeichnet eine lässig entspannte Körperhaltung oder zwanglose Gebärde im Gegensatz zu absichtsvoll eingenommenen Stellungen und zielstrebigen Bewegungen. Ihnen würde im Reiche des Schrifttums ein systematisches Lehrbuch entsprechen, das Anspruch auf Vollständigkeit macht, wie z. B. die Elefantenheilkunde für ihr ärztliches Bereich.
Zimmer, Spiel um den Elefanten
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I. Es war einmal ein König, „ H a a r f u ß " g e n a n n t , im Lande Anga, der war b e r ü h m t und dem Könige der Götter gleich. Als er einmal, von seinem Hofstaat umgeben, in seiner S t a d t Campä am Ufer der Cangä auf seinem Juwelenthrone saß, ward ihm gemeldet, Elefanten aus d e m Dschungel h ä t t e n alle Saaten und Pflanzungen verwüstet. Da bedachte sich der E r d beherrscher: „ W a s soll ich t u n ? " Zu jener Zeit kamen auf Geheiß von Gottheiten stiergleiche heilige Seher nach C a m p ä : G a u t a m a , N ä r a d a u n d andere. 1 U n d der König gewann ihre Gunst, indem er ihnen zum Willk o m m Sitze, Blumen u n d Wasser u n d andere Gastgaben anb o t . Da schenkten sie ihm auf sein dringendes Bitten Erfüllung seines Wunsches, die wilden E l e f a n t e n des Dschungels zu fangen. Der König sandte seine Leute aus, die Elefanten zu fangen. Sie durchstreiften den Dschungel u n d erblickten auf ihrem P f a d e den Heiligen Sämagäyana, der in seiner Einsiedelei s t a n d . Nicht fern davon sahen sie eine Herde Elefanten weilen u n d Pälakäpya den strahlenden Heiligen, wie er i n m i t t e n der Elefantenherde einherschritt. Nur zur Zeit der Morgen- u n d A b e n d a n d a c h t verließ er sie. All das meldeten die Leute dem Herrscher von Anga. E r zog aus und fing die Elefanten, während der Heilige in die Einsiedelei gegangen war, und kehrte flugs nach Campä heim. E r ü b e r g a b die Elefanten an G a u t a m a , N ä r a d a und die anderen hohen Weisen, u n d sie fesselten die Elefanten gar fest an Pfosten. Da h a t t e n die übrigen Menschen Ruhe. Als da der Heilige P ä l a k ä p y a aus der Einsiedelei seines Vaters, nachdem er ihm aufgewartet und seine A n d a c h t verrichtet h a t t e , an den Fleck zurückkehrte, wo die Elefantenherde sich aufhielt, und sie nicht mehr f a n d , suchte der Heilige sie allerwärts und k a m — das Herz von Liebe zu ihnen schwer u n d übervoll — nach Campä und pflegte die leidenden Elef a n t e n , stillte ihre Wunden u n d heilte sie. 1
Der Text gibt außer G a u t a m a und Narada noch die N a m e n : Bhriga, Mrigacarman, Agniveschya, Arimeda, K ä p y a und den „Lehrer Mätanga".
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Cautama und die anderen Seher, die dort weilten, erblickten den Hohen, wie er, von Schweigen erfüllt, inmitten der Elefantenherde stand und fragten ihn, „warum reibst du ihre Wunden ein ? woher erwuchs dir diese Liebe zum Elefantenvolk ? " — so fragten ihn die Seher, aber er gab ihnen nichts zur Antwort. Als der König von Anga von den hohen Sehern vernahm, was sich begeben hatte, ging er hin und gewann die Gunst des Heiligen mit Fußwasser und anderen Castgaben und fragte ihn, zu hören begierig, nach seiner Abkunft, seinem Namen und andere übliche Fragen. Aber der Asket gab dem Erdbeherrscher nichts zur Antwort. Aber zum zweiten Male fragte der Menschenbeherrscher den makellosen Heiligen, in demütiger Hingabe sich neigend: da zeigte sich der Heilige Pälakäpya zufrieden und sprach: „Nach Herzenslust wanderten einst die Elefanten umher, am Himmel und auf Erden und nahmen Gestalten an nach Herzenslust. Sie schweiften wohin es ihnen gefiel. Im Lande nördlich vom Himälaya ist ein Feigenbaum, der ist zweihundert Yojanas groß in die Breite wie in die Länge. Auf ihm ließen sich die edlen Elefanten nieder. Sie brachen einen Zweig, und ein Asket, mit Namen ,Lange Askese', der dort seine Einsiedelei hatte, geriet darob in Zorn und sprach alsbald einen Fluch über sie. Dieser Fluch nahm ihnen die Gabe nach Herzenslust zu schweifen, wohin sie wollten, und verdammte sie, sterblichen Menschen als Reittier zu dienen. Alle wurden sie verflucht außer den Elefanten des Weltraums, die rings das Himmelsgewölbe tragen. Da gingen die Elefanten des Weltraums mit allen Elefantengeschlechtern zu ihrem Schöpfer Brahma, dem lotusentsprossenen Gott, und sprachen: „Gott, die unserem Geschlechte entstammen, steigen durch Schicksalsfügung zur Erde hinab. Krankheiten erwarten sie dort, wenn sie Unbekömmliches oder zu viel essen, wenn sie Unzuträgliches und Unverdauliches essen und Krankheiten anderer Herkunft." Ihnen, die über die Maßen bekümmert waren, gab der lotusentsprossene Gott zur Antwort: „Nicht lange und es wird ein
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Heiliger kommen, den Elefanten liebevoll verwandt. An das andere Ufer des Heilwissens vom langen Leben gelangt, wird er sie voller Weisheit von ihren Krankheiten befreien." Als der Schöpfer so zu ihnen gesprochen hatte, gingen die Weltelefanten von dannen und begaben sich ein jeder wieder in seine Weltgegend. Und die übrigen Elefanten, die Sprößlinge aus dem Geschlechte der Weltelefanten, stiegen infolge des Fluches zur Erde hernieder. Die Göttin der Rede, die der Schöpfer strahlend schuf aus dem Glänze der Kobolde und Menschen, der Widergötter und der unsterblichen Götter, den er in ihr vereinte, ward einst durch Schicksalsfügung vom Heiligen Durgarvant verflucht lind ward darob zu einem Mädchen unter den Schatzgeistern vom Stamme Bhrigus, „Gunavati" genannt — das ist: die „Tugendreiche". Aus Vorwitz kam sie einmal zur Einsiedelei des Matanga, das ist „Elefant". Der dachte: „Gott Indra sendet sie mir, sie soll mich versuchen und mir die Kraft meiner Askese rauben" und verfluchte sie, eine Elefantenkuh zu werden. Aber im selben Augenblick erkannte er, daß sie unschuldig war und sprach zu ihr: „Liebes Wesen, Elefantin, wenn du den Samen des Heiligen Sämagäyana trinkst, wirst du einen Sohn bekommen und von dem Fluche erlöst sein." Den Heiligen Sämagäyana bedrückte eines Nachts eine Koboldin im Traume. Da ging der große Heilige vor seine Einsiedelei und schlug flugs sein Wasser ab, zugleich aber entströmte ihm seine Kraft. Die Elefantin trank sie eilig auf, als er wieder in seine Hütte gegangen war, und brachte aus ihrem Munde einen Sohn zur Welt. Beglückt übergab sie ihr Kind dem Heiligen, legte ihr Elefantendasein ab und kehrte, vom Fluche erlöst, selig alsbald in den Himmel zurück. Erfreut vollzog der Heilige Sämagäyana die Weihe der Geburt und die übrigen Sakramente an dem Kinde und gab ihm, einer himmlischen Stimme folgend, den Namen Pälakäpya. Der Knabe spielte mit Elefanten, Elefantenkühen und Elefantenkälbchen in Strömen und Wasserfällen, auf Berghalden 94
a n d in Gewässern u n d ward, in lustvoller Waldeinsamkeit schweifend, ein Heiliger, der von Blättern u n d Wasser lebte. Da wußte er in zweimal sechstausend J a h r e n u m die Elef a n t e n : was ihnen als Nahrung f r o m m t und was ihnen nicht f r o m m t , was ihnen gut t u t und nicht gut t u t , was geheim ihr Herz bewegt, Liebes und Unliebes, dieses und anderes: alles w u ß t e er. Herrscher von A n g a ! Wisse: ich bin P ä l a k ä p y a , der Sohn des Heiligen Sämagäyana,' 4 so sprach der große Heilige zum Könige von Anga, der aufs höchste erstaunt war. Als darauf der König den Heiligen wegen der Elefanten befragte, verkündete er dem Könige nacheinander den Ursprung der Elefanten, was den Elefanten schön macht u n d was ihn entstellt, wie m a n seine Krankheiten heilt und alles, was zur Elefantenkunde g e h ö r t : Erfüllung der ewigen Ordnung frommer Pflichten ist der Sinn der Schöpfung der — mit Rüssel und Lippen — „Zweim a l t r i n k e n d e n " : Z u m Gelingen des Opfers, das den Gottheiten gilt, sind sie da, vor allem aber zum Heile des Königs, d a r u m müssen die Elefanten voll Eifers gehütet werden. Als aus dem Ei des Sonnenvogels die Geburt der Sonne geschah, n a h m B r a h m a , der Ungeboren-Ewige, das flammenglühende P a a r der halben Schalen des Eies, das die heiligen Seher erschauten, voll Sammlung in seine beiden Hände u n d sang sieben heilige Weisen allzumal: da entstand der Elefant Airävata — das Reittier des Götterkönigs Indra — und nach ihm k a m e n sieben edelste Elefanten zur Welt, aus heiligen Weisen, die B r a h m a einzeln sang. So kamen aus der Schale in seiner rechten Hand acht männliche Elefanten zur Welt, aus der Schale in seiner Linken entstanden darauf der Reihe nach Elefantenkühe, die ihre Weibchen wurden. Und viele Kinder voll Trefflichkeit und K r a f t erstanden u n d Enkel u n d spätere Geschlechter eines nach dem anderen. Frei n a c h Herzenslust zogen jene Elefanten durch die Wälder, a n die Ströme und über die Berge aller Welten.
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Die edlen Elefanten wurden die Reittiere des Götterkönigs I n d r a , des Feuergottes Agni u n d der anderen göttlichen Herrscher der Weltgegenden u n d zogen in den K a m p f der Götter m i t den W i d e r g ö t t e r n : da liefen sie erschreckt davon und flohen zu B r a h m a . Der Schöpfer begriff u n d schuf einen Mann, den „ R a u s c h der Tollheit". Der ging in sie ein und machte sie toll, u n d sie warfen das Heer der Widergötter zu Boden u n d zogen mit I n d r a u n d den anderen Göttern ein jeder in seine Weltgegend. Der Heilige Durväsas schenkte voller E h r e r b i e t u n g dem H e r r n der Unsterblichen — das ist I n d r a — einen Kranz himmlischer Blumen. Als er sah, d a ß A i r ä v a t a ihn zertrat, verfluchte der Asket erbarmungslos den Elefanten. Durch seinen Fluch ging jener zugrunde und, u m ihn wiederzubekomm e n u n d die Oberherrschaft über die Welt zu erlangen, quirlten die Götter das himmlische Milchmeer: Aus i h m erstand der G a t t e der „Wolkenbinderin" (Abhramu 1 ) — eben I n d r a s weißer Elefant Airävata. Daher heißt er „ a u s dem Milchmeer geboren". Es erstanden die „Glückbringenden" Könige der Elefanten zur Zeit des ersten vollkommenen Weltalters: Sie entsprachen ihrem Namen. I m dreiviertel vollkommenen Weltalter erstanden die Elefantenfürsten vom Geschlechte der „ L a n g s a m e n " u n d im Weltalter halber Vollkommenheit E l e f a n t e n , die „ W i l d e " heißen. Und jetzt in unserem t r ü b e n Kali-Weltalter die Elefanten vermengter A b k u n f t . Hier wird von der Geburt der Elefanten nach ihrer unterschiedlichen A b k u n f t erzählt, wie sie verschiedenen Zeiten entspricht : Sein Leib ist vollkommen ausgebildet und nicht allzu feist; im Lenz des ersten Weltalters erstand er. E r schimmert blaßrot und ist gestreckt wie eine Wurfschlinge. E r schreitet wie ein Berg daher. E r ist brauchbar, sein Gefühl h a t das 1 Ein bezeichnender Name für eine lirzeitliche Mutter der Wolkenelefanten.
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rechte Maß. Standhaft und voller Glut ist er, hoheitsvoll und dröhnt wie Regenwolkendonner. Nach ihm sehnen sich die Elefantenkühe, dem Helden mit rötlichgelben Augen und Zähnen. Bei ihm sind die Grundstoffe der Leiblichkeit: Wind, Galle und Schleim, in wohligem Gleichgewicht, er strahlt: Ein solcher Elefant heißt „Glückbringend". Im Weltalter, das nur zu drei Vierteln vollkommen war, erstand er in der kühlen Jahreszeit. Er lebt im Wasser und auf dem Lande. Er ist tückisch, kurzohrig und nicht langgestreckten Leibes. Langsam schreitet er, mit rötlich funkelnden Augen, dumpfen, finsteren Wesens, schwarz glänzend. Unter seinen Leibesstoffen hat Schleim das Übergewicht. Seine Stoßzähne 6ind breit und abwärts gekrümmt. Er glänzt mit feisten, runden Gliedern und ist voll sinnlichen Verlangens. Sein Gefühl sitzt tiefer unter der Oberfläche — so wird von den Wissenden der Elefantenfürst mit Namen der „ L a n g s a m e " beschrieben. An Länge bleibt er hinter einer Wurfschlinge zurück, er ist mager am ganzen Körper. Sein Leib ist Staubfarben. Er ißt viel, und sein Gefühl liegt an der Oberfläche. Er ist unsteten Sinnes und unmäßig zornvoll. Er lebt in Flüssen und ist großäugig und kurzschwänzig. Er ist zur Zeit der regentragenden Wolken im letzten Weltalter erstanden und ist zornmütig mit einem Übermaß von Galle unter den Leibesstoffen — damit ist jener geringere Elefant (nämlich der „Wilde") beschrieben. Aus der allseitigen Vermengung der Merkmale, die für den Elefanten der „ L a n g s a m e n " und der anderen Arten aufgezählt sind, stammen die vielerlei Elefanten des letzten Weltalters, die vermengter Artung sind. Der Gang (gati) des Elefanten ist allerwärts, darum heißt er „ g a j a " , auch weil er Sieg (vijaya) verleiht und weil sein Laut donnerndes Dröhnen (garjana) ist. Er heißt „hastin" — das „Tier mit der H a n d " (hasta = Hand), d. i. mit dem Rüssel 1 — weil er der Hand (hasta) des Schöpfers entstammt, „ v ä r a n a " heißt er, weil er ein Wall (värana) gegen Heerhaufen 1 Vgl. brachium und manug als lateinische Bezeichnungen für den Rüssel und griechisch xflQ neben nyoßoaxtq.
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feindlicher Könige ist. Mätanga heißt er, weil er den Weg zermalmt (mard); weil er die Erde (ku) mit seinem Fußtritt über die Maßen verschleißt (järayati), heißt er „kunjara" (Erdverschleißer). „ P a d m i n " : „der mit dem Lotus" heißt er, weil er Lotusblumen liebt, „ D v i p a " („zweimal trinkend") heißt er, weil er mit dem Munde und auch mit der „ H a n d " trinkt. — Weil die Elefanten mit Rüssel und Schweif, mit den beiden Stoßzähnen und den vier Füßen um sich schlagen, heißen sie „mit acht Schlagwaffen gerüstet". „Sie scheuen" (ime bibhyati) vor allen, und ihr Leib überragt den Leib aller anderen (sarvebhyo 'bhyadhika) — aus diesen Erwägungen und auch weil sie sie liebten, nannten die großen Seher sie „ibha" 1 . — Weil sie die herrliche „ H a n d " (kara) haben, heißen sie „Karin", ebenso der Stoßzähne (danta) wegen „Dantin". „Sindhura" heißen sie, weil sie gern in Flüssen (sindhu) ihr Spiel (ramana) treiben — das ist die Reihe ihrer Namenserklärungen. Ihre Zunge ist ringsum verwachsen, und in ihrem Inneren herrscht unmäßiger Brand — das kommt ihnen vom Cott des Feuers. Von Brahma erhielten sie, daß sie keine sichtbaren Hoden haben, erhielten sie ihr Spielen mit loser Erde, Wasser und Schlamm, erhielten sie den Rausch, sich selbst unerschütterlich zu fühlen. Der Verlust ihrer göttlichen Natur und daß sie Sterblichen als Reittiere dienen, rührt vom Asketen „Lange Askese" her; vom Fluch des Bhrigu stammt ihnen die Freude am eigenen Kot und Harn; vom Cotte Varuna 2 haben sie, daß sie nach innen schwitzen. Einst sprach der Gott des Feuers, der die Opferspeisen für die Götter mit seinem Munde schlingt und ihnen bringt, „die Götter haben mir meinen Anteil an der Opferspende nicht gegeben" und versteckte sich grollend. Da wurden die Elefanten der göttlichen , Herrscher über die Weltgegenden4 von 1 In der Sprache der „Großen Seher", d. i. in der Sprache der vedischen Hymnen, deren Worte die Wahrheitsgesichte des ersten vollkommenen Weltalters bewahren, heißt ibha „Familie im weiten Sinne: Hausgenossen".
* Der Gott der Wasser.
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Brahma ausgesandt, den Feuergott aufzuspüren. Sie kamen zu dem Einsiedelversteck des Gottes, der verzehrt woran er sich hält, und griffen dort die Büffelkuh des Feuergottes an. Auf ihr klagendes Brüllen verfluchte sie der Gott, sie waren zu gewaltig, als daß er vermocht hätte, sie in Flammen zu verzehren. „Weil ihr vormals, als ihr das Wort des Schöpfers vernahmt, ohne Bedenken ihm ins Angesicht sagtet: ,Alles Werk wollen wir verrichten, wie du uns heißest', seid ihr — ach! — über die Maßen von Stolz aufgetrieben. Immerdar soll euch die Zunge rings verwachsen sein und Brand euch im Inneren zehren!" — solchen Fluch gab ihnen der Feuergott, aber der lotusentsprossene Brahma schenkte ihnen mitleidsvoll Erquickung an loser Erde, Schlamm und Wasser. Einst kamen die Elefanten in die Einsiedelei des Bhrigu und entwurzelten dort die Bäume und beschmutzten den geweihten Raum seines Feueropfers mit Kot und Harn. Darauf geriet der Heilige, der gewaltige Glut in Askese gesammelt hatte, in Zorn und verfluchte sie alsbald: „Es soll euren Gaumen reizen, wenn ihr an eurem Harn und eurem eigenen Kote riecht!" Als vor Zeiten der Kampf zwischen Göttern und Widergöttern tobte, sah der „mit Schlingen bindende" Gott Varuna, wie die Schar der Götter die Qual des Schweißgeruchs der Elefanten am Kopfe der Schlachtreihen nicht ertrug und flugs breitete er ihren Schweiß in ihr Inneres aus. Darum lassen die königsgleichen Elefanten Schweißtropfen, die sich im Innern gebildet haben, durch den Rüssel fallen. Aber das Fehlen außen sichtbarer Hoden entstammt dem Worte des „Ungeborenen" — d. i. Brahma —, auf daß sie schneller laufen können nach Herzenslust, wenn die Schlacht anhebt. Es heißt, die Frühlingszeit macht alle Wesen toll, besonders aber die Elefanten. Die aber unter ihnen im Frühling zur Welt gekommen sind, das sind die „Duftelefanten". Wenn andere Elefanten ihren Schweiß, Kot oder Harn oder ihren Brunstsaft riechen, werden sie alsbald toll. Solche „Duftelefanten" bringen den Erdbeherrschern Sieg. Erstes Stück: Vom Ursprünge der Elefanten. 99
II. Ein E l e f a n t ist ein des Königs würdiges Reittier, wenn sechs Stücke an i h m hochragend s i n d : die beiden Schädelwölbungen, die beiden Stoßzähne, Widerrist u n d R ü c k g r a t . Das ist der beste E l e f a n t , an d e m sieben Stücke rotes Aussehen h a b e n : die beiden Spitzen der Blaulotuszunge, das Geschlecht, Zunge, Lippen u n d G a u m e n . Der E l e f a n t h a t zwanzig Nägel an den F ü ß e n . Seine „ t o p f " gleichen Schläfenwülste wölben sich blasenförmig. Sein Ohrenp a a r scheint rötlich u n d ist ohne Risse a m R a n d e . Seine Achselgruben sind sehr zart. Seine Stoßzähne sind honigfarben u n d nach r ü c k w ä r t s aufgebogen. Sein Bauch ist r u n d und straff. Sein Rüssel n i m m t stetig an Dicke zu, ist gerade, lang u n d mit feinen H ä r c h e n besetzt. E r ist blauschwärzlich wie Betelnuß. Ein E l e f a n t ist des Königs würdig, wenn sein Leib öligschwarz glänzt oder in der F a r b e d e m Nashorn ähnelt oder rötlich von der Helle schimmernd spielender Tropfen b e t r o p f t ist, die wie das Glückskreuz Svastika ausschauen oder wie das glückhafte Zeichen Schrivatsa (das von einer Locke auf der Brust Vischnus gebildet wird), oder wie ein R a d , eine Muschel oder eine Lotosblume anzusehen sind. Wenn 6ein Hinterteil in der Mitte aufgewölbt ist, wenn er einen festen Bauch u n d lockere, wohlgeformte W a d e n h a t und wenn seine Fleischpolster breit, sehr fleischig u n d gut aufgetragen sind. Glückbringend sind E l e f a n t e n mit großem, breitem und r u n d e m Nacken — E l e f a n t e n , die wie regenschwere Wolken dröhnen, deren Augen s ü ß glänzen wie Sperlingsaugen, deren Schultern u n d Rüssel drei F a l t e n h a b e n . Elefanten bringen Königen Glück, wenn ihre Zungenspitzen rötlich sind u n d ihre Augen weich glänzende Sterne haben — E l e f a n t e n , deren Geschlecht schön rötlich schimmert wie ein junger Mangoschößling, die wie rote Lotosblüten strahlen und deren Kehllaute schön d u m p f klingen. F ü r dich, o Herr der Erdenkönige, geziemen sich als Reittiere E l e f a n t e n , deren Stoßzähne aufragende u n d vorwärts gerichtete Spitzen h a b e n , deren Gesicht u n d Rüssel groß und mit T u p f e n b e t r o p f t sind, deren Gelenke verborgen gebettet, deren Glieder u n d Hinterteil fest sind.
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Eines Königs würdig sind E l e f a n t e n , deren R ü c k e n sich wie ein Bogen s p a n n t , lang u n d mit wohl eingebettetem R ü c k g r a t — deren t o p f r u n d e , b e h a a r t e Schläfenwülste den stolzen Brüsten einer schönen F r a u gleichen — die groß an Kiefer, Nabel, Stirn u n d Geschlecht sind u n d rötlich an Lippen, G a u m e n und Stoßzähnen. Eines Königs würdig ist der E l e f a n t , d e ß Leib mit T u p f e n scheckig b e t r o p f t ist, die wie dickflüssiger Mennig aussehen — u n d der zweimal neun oder zwanzig mondgleiche, wie Schildkrötenschalen gewölbte Nägel h a t — der voll K r a f t , Hoheit u n d Mut ist — und dessen Speichel gut riecht. Ein E l e f a n t , der die Kälber verlassen h a t , die sich vor einem zertretenen Tiger oder vor Wasser ängstigen — der gluterfüllt u n d anstellig ist — gewandt, a c h t f a c h Schläge auszuteilen — t a p f e r , fest u n d voller Schwung — in seinem Sinne bereit, alles was A t e m h a t , niederzuschlagen — mit glücklichen Zeichen geschmückt u n d ein Stier u n t e r den zahnbewehrten Tieren: der t a u g t d e m Könige in der Schlacht. Krieger k ä m p f e n n u r . Rosse bringen n u r Wagen von der Stelle. Aber die Elefanten — eines Königs würdig — k ä m p f e n u n d bringen von der Stelle. Glückverheißend ist sein Gang, wenn er wie eine Antilope, wie ein Löwe oder wie ein Papagei einhergeht oder wie ein Affe, wie ein Ringkämpfer oder wie eine Wildgans oder eine K a d a m b a g a n s . Oder wie himmlische Musikanten, wie wunderbare Halbmenschen,wie „schönbeschwingte" Göttervögel.Oder wie ein Schwein,wie einTigerkönig,wie das achtbeinige Wundertier S c h a r a b h a , wie eine Schlange, wie eine C a k r a v ä k a - E n t e . Der L a u t , der von seiner Zungenwurzel k o m m t , ist „Sprec h e n " . Sein Schrei ist „ S c h ä u m e n " . Der Ton, den Lippen u n d Gaumen hervorbringen, ist der „ K i n d s r u f " . Sein Schall aus der Kehle ist das „ D r ö h n e n " u n d „ L a c h e n " ist der L a u t , den er mit Backen und Rüssel erzeugt. Sie alle sind glückbringend. Aber Laute, die E l e f a n t e n vor Hunger und Durst oder aus K u m m e r und Angst von sich geben, sind sehr unerwünscht.
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O Herrscher der Menschen, sechs L a u t e der Elefantenkönige gelten als glückbringend: die tiefen, freundlichen und freudvollen, die Laute des Behagens und der Verliebtheit und die zärtlich-sanften. Als glückbringend hochgeehrt ist der königsgleiche E l e f a n t , der mit dem Rüssel den Klang der tönernen Trommel, mit den Ohren den Schall der Pauke und mit dem Munde froschartig quakenden Trommelton hervorbringt. Als glückbringend sind hochgeehrt die L a u t e der Elefanten, die dem Schrei der Wildgans und des Kranichs, des P f a u e n u n d des Kokils gleichen oder dem Brüllen von Löwen, Tigern u n d Stieren. — Nicht glückverheißend sind die Laute, die wie das Schreien von Kamelen, Krähen u n d Schakalen klingen oder Ebergegrunz und Affengekreisch gleichen. Elefanten, die alle Vorzüge besitzen, aber Nägel zu viel oder zu wenig haben, bedeuten Widrigkeiten, umgekehrt bedeuten sie Glück. Zweites S t ü c k : Glückbringende Zeichen.
III. Ein Elefant, dessen Nägel und Gliedmaßen besonderer Größe ermangeln, der einen kurzen „ F i n g e r " — d. i. die Rüsselspitze — h a t oder zwergig ist — ein froschbäuchiger, buckliger, dessen Gaumen blauschwarz, gesprenkelt oder s t a u b b r a u n ist — ein unförmiger oder allzu schmächtiger, der einem Blutegel gleicht — einer, der auf beiden Seiten nicht gleich ist, der rauh anzufühlen ist, dessen Blaulotuszunge und Rüssel trübselig b a u m e l n : ein solcher Elefant ist nicht verehrungswürdig. Sind die Stoßzähne mit Strichen und Knoten bedeckt, ganz uneben, gefleckt und ungefüge — ist er wie mit Aussatz gefleckt, nicht glänzend glatt und eben, mit weißen T u p f e n bet r o p f t — allzu kurz gebaut, von Adern überzogen — ist sein Geschlecht schmächtig, allzu k r u m m oder breit, schlecht sitzend, knotig und kurz — ist sein Haarschweif kümmerlich an der Wurzel, a m Fleischpolster und am R ü c k e n : d a n n ist der Elefant bemakelt.
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Wo aber ein E l e f a n t mit sichtbaren Hoden weilt, o E r d beherrscher, dort wird der König von seinem Sohne erschlagen oder von einem F r e u n d e . Ein Elefant, d e m rechts das Ohr fehlt, bedeutet Untergang der Ordnung der vier K a s t e n ; fehlt ihm links das Ohr, bringt er den Handwerkergilden Schaden, und der König wird von K r a n k h e i t geplagt. Einen E l e f a n t e n , der mit Flecken beblümt ist auf Fell u n d Zähnen, a m G a u m e n und den Nägeln u n d anderwärts, soll m a n laufen lassen. Oder aber ein Kundiger soll nach den Regeln ärztlicher K u n s t die Stellen ausbrennen oder auskratzen u n d das ganze Heilungswerk, das Einreiben der W u n d e n u n d das Herausschneiden, an ihm vollziehen. Ein Elefant, der nächtens in unmäßigem Übermut umhers c h w ä r m t , tags in der Frühe von den Vögeln zu unruhigem Ü b e r m u t geweckt wird, dumpfe Schreie ausstößt und in die L u f t aufzufliegen wünscht, auch unablässig mit dem Schwänze hin- und herschlägt, den Leib b ä u m t und deutlich immer wieder seinem Lenker nicht zu Willen ist, solch ein E l e f a n t ist dämonisch, u n d m a n soll ihn nicht halten, auch wenn er aller Vorzüge Schar ohne Lücke besitzt. Eine E l e f a n t e n k u h , die von J u n g e n begleitet oder tragend ist, bringt, wenn sie gefangen wird, Untergang über den Schatz an Reittieren. Sie bleibe in einer Waldeinsiedelei von Asketen oder wo sie gefunden ward. Oder der König übergebe sie dem Götterdienste der Weltelefanten. Drittes S t ü c k : Unglückbringende Zeichen.
IV. Elefanten, deren Zähne und Nägel, Haare und Augen in weichem Glänze schimmern — Elefanten mit langen Ohren, langen Nägeln, langem Schwanz und Rückgrat — Elefanten, deren Stirnseite mit glückbringenden Zeichen übersät sind, die an Kopf und Fußsohlen ebenmäßig gebildet sind: solche Elefanten leben lange. 103
Elefanten, an denen sieben Stücke rot ausgehen und sechs Stücke aufgewölbt sind, die gut an Körperkraft und Geist sind, die gut riechen und wie blauschwarze Regenwolken schimmern und laut dröhnen, in deren Hautgrübchen zwei und drei Haare wachsen: solche Elefanten leben lange. Vollkommenheit und schöne Erscheinung an Kopf und Augen, an Antlitz, Ohren, Hals und Brust, an Stoßzähnen und Rüssel und den übrigen Gliedmaßen, das sind die zwölf „Felder" am Elefanten, die ebensoviel Jahrzehnten seines Lebens entsprechen. „Wie viele dieser ,Felder' vollkommen glücklich gebildet sind, so viele Jahrzehnte währt seine Lebensdauer" — so spricht Brihaspati (der priesterliche Lehrer de6 Götterkönigs Indra). — Ein Elefant, der drei, fünf, sieben oder acht dieser Zeichen aufweist, erreicht ein entsprechend langes Leben, das ist meine Ansicht. Das vierte Jahrzehnt, so wird hier gelehrt, ist das höchste Alter für Elefanten von der Art der „Wilden", das achte der „Langsamen", das zwölfte der Elefanten von der „Gückbringenden" Art. Viertes Stück: Zeichen langen Lebens. V. Bis zum zwölften Jahre gilt der Elefant wegen seines jugendlichen Alters als „minderer", bis ans vierzigste als „mittlerer", bis ans sechzigste Jahr heißt der treffliche Elefant „höchster" an Lebensalter und -kraft. Im ersten Jahre ist er zierlich, fein kupferrot, flaumig weich behaart am Leibe. Er ist schlaflustig, am Rüssel kenntlich, der dem frischen Schößling einer Schlingpflanze gleicht 1 . Unentfaltet an Gestalt und Gliedern, der Mutterbrust bedürftig ist er und heißt Kind (Bäla). Im zweiten Jahre härten 6ich seine Nägel etwas. Zunge, Lippen und andere Teile werden tiefrot. Milch trinkt er wenig. 1 D. h. der Rüssel hat einen rötlichen Schimmer wie ein frischer Schoß, in dem sich das Blattgrün noch nicht entwickelt hat.
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Jählings l ä u f t er ohne besonderen G r u n d dahin aus bloßer Freude. Vornehmlich hält er sich an Zuckerrohr. Sein Auge ist niedergeschlagen. Das ist der augenerfreuende „ P u c c u k a " . Die Nägel u n d die mittlere Stirnwölbung, Gelenke u n d Ohren, die Zähne u n d das fleischige R ü c k e n s t ü c k bilden sich klar heraus. Die H a u t f a r b e zeigt tropfengleiche P ü n k t c h e n auf der Brust u n d den Ohrlappen. An den Ohren u n d auf d e m Kopfe b e h a a r t er sich. E r t r ä g t das H a u p t a u f r e c h t , f r i ß t Gras u n d h a t lückenlose Zahnreihen. Das ist der Kömmling (Upasarpa) im dritten Lebensjahre. Hochrot an den „ H ä n g e n " 1 der W a n g e n u n d an den „ u n b e d e c k t e n " 2 I n n e r n der Weichen, der Muttermilch abgeneigt, fest in den Knöcheln und a m „ B a n d " (d. i. oberhalb der Keulen) 3 , gern Gras fressend, dunkel a m Gaumenende u n d breitlich mit ein wenig herauswachsenden S t o ß z ä h n e n : das ist der „ B a r b a r a " im vierten J a h r e . E r verzehrt Holz u n d B a u m r i n d e . Sein H a a r ist fein. E r f r e u t sich an Schlamm, Wasser u n d Sand, in denen er b a d e t . Schon wird er ein ganz klein wenig geil u n d gerät in Zorn. E r unterscheidet Liebes u n d Leides u n d versteht sich auf Zeichen, die sein Lenker i h m m i t den F ü ß e n erteilt. Auch Worte versteht er. Sein Gefühl ist an der Oberfläche ausgebreitet. Die Nackehwölbung, der „ W e g n e h m e r " (die Einb u c h t u n g u n t e r m Stirnwulst) 4 u n d die Stoßzähne bilden sich a u s : das ist der „ K a l a b h a " , der das f ü n f t e J a h r erreicht h a t . Wenn er glückverheißend mit dichten T u p f e n b e t r o p f t ist an den Ohrrändern u n d am Ohre selbst, an Schläfen u n d Mundwinkeln, an den „ H ä n g e n " , den Augenwinkeln und den Spitzen beider Ohren und im R ä u m e zwischen den Stoßzähnen, wenn sein Leib faltenlos ist, d a n n gilt er als sechsjähriger „ N a i k ä r i k a ' 6 . 1
„viläga" vgl. Sp. VI.
* „nischkoscha", das Innerste der Weichen, vgl. Sp. VI (auch III. 29, S. 528). ' „sandäna", vgl. Sp. VI. 4
„avagraha", vgl. Sp. VI.
' = der „Häufige" von nikara =
Haufen.
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Wenn er fest ist an Nägeln, Sohlen u n d Gelenken, an Knöcheln und Schläfenhöhlen, an der „ M a u s " (einer Stelle a m Unterleib) 1 u n d am „Pali"-Rüssel* u n d an den Nagelköpfen, wenn er mit den Zähnen k a u t und wenn er sich j u c k t , wenn die Schnelle seiner Füße offenbar wird, wenn er Kot h a t — m i t sieben J a h r e n heißt er „ J u n g e " (Schischu) —, wenn die Lotosspitze seines Rüsselarmes weich schimmert. Seine Nägel, Sohlen und Gelenke sind fest. Blutende W u n den verheilen ihm schnell. E r frißt weich-weiches Gras. Die Zahnreihen schießen auf. E r h a t einen wogenden Gang. Unablässig spült er sich mit Spritzregen aus dem Rüssel a b u n d ist voll Freude. Seine Schläge sind s a n f t . Das ist der E l e f a n t i m achten J a h r e , „ M a j j a n a " , der „ B a d e n d e " , genannt. Beim Neunjährigen, den m a n „ R o t z a h n " ( D a n t ä r u n a ) n e n n t , glänzt das Auge hell. Er bespringt die E l e f a n t e n k u h , ohne d a ß Same k o m m t . Sein Fell ist glänzend glatt. Die Stoßzähne strecken ihre Masse. Seine Brust h a t sich geweitet. E r ist fest an empfindlichen Stellen und in den Gelenken u n d sein Schlag ist kräftig. I m zehnten J a h r e k o m m t ihm der Same beim Bespringen. Sein Leib i6t fest und sein Geschlecht richtet sich geil auf. Seine Zähne sind fest g e w o r d e n e r strotzt von Glut und K r a f t . E r f r i ß t mit Lust und ist die Freude der Herde. Das ist der „ B i k k a " . Er ist voll mächtiger K r a f t und schön mit seinen voll e n t wickelten Gliedern u n d Gelenken. Die E l e f a n t e n k u h wird von i h m tragend. E r hält Unbill aus. Er b e k o m m t Falten an den Knöcheln und anderwärts. Seine Schläge sind fest. Sein Zahnfleisch schimmert gelb. E r liebt unzugängliche, steile Stellen. H ü f t e n , Hinterteil und Ohrenränder sind schön r u n d . „ P o t a " — „ J u n g e r " — genannt, stark an Mut und Liebesungestüm, ist er ins zweite J a h r z e h n t gelangt. Ohren, Zunge, Keulen und andere Teile haben ein jedes ihr rechtes Maß erlangt. Brunstgeruch geht von i h m aus. Alle 1
„cikkä", vgl. Sp. VI.
* Unter den 28 Teilen, die am Elefantenrüssel unterschieden werden (III. 29) sitzt der „Palirüssel" (palihasta, palikara) ziemlich am oberen Ende, unter dem Stück „Überrüssel" (atihasta) und dem „Breiten Rüssel" (prithuhasta).
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Vorzüge vereint er in sich. Sein Laut ist mächtig. Fell und Haare sind schön glänzend glatt. Sein Auge ist trunken. Er ist schön anzusehen. Wachstum strahlt ihm aus den Schläfenbeinen. Er ist klug, zum Zorn geneigt und ein Schläger — das ist der „ J a v a n a " (der „Geschwinde") im dritten Jahrzehnt. Am „Bande" und anderwärts bilden sich feste Falten. Er kommt in den gehörigen Rausch, ist dem Schlafe feind und kampflustigen Sinnes gegen andere Elefanten. Er fürchtet sich vor Feuer und Rauchentwicklung. Er dröhnt und das dichte Haarkleid seines Leibes sträubt sich. Und er freut 6ich, in der Schlacht verwendet zu werden. Herrlich und glückbringend ist solch ein „Elefanten-Jungmanne" 1 , der das vierte Jahrzehnt erreicht hat. Rings quillt er von Falten, und sie sind bedeckt von Brunstschweiß, der von den Schläfen abwärts rings herabtrieft. Seine Ohren, Schläfen und Knie entfalten die Fülle ihrer eingeborenen Schönheit. Jählings wird er rauschtoll. Ohne Anlaß ist er voll Freude. Ein Held, der es mit allem aufnimmt. „Krieger" (Yaudha) heißt er und immer triefen ihm die Schläfen von Brunstschweiß, wenn er das fünfte Jahrzehnt erreicht hat. Sein Faltenkleid geht oben auseinander, strahlende Glut, Leibesstoffe und Sinne lassen ein wenig nach. Am Ohrrand, an der Lippe und in den Ohren und anderwärts wachsen ihm Haare. Die Zahnwurzeln treten hervor, wenn er ins sechste Jahrzehnt getreten ist. Wenig Feuer und Galle hat er und viel Wind, steife Glieder und rauhes Fell. Er bewegt die Glieder wenig und hat ungemein viel Schleim. Mißfarben ist er, wenn er das siebente Jahrzehnt erreicht hat. Immer tränen ihm die Augen, läuft ihm Schleim aus den Schläfenhöhlen, seine Haut ist mißfarben und rauh, aus Furcht wandelt er abseits von der Herde. Liebesgedanken und Wachstum der Zähne sind ihm vergangen, kraftlos ist er und immer sind seine Augen fest geschlossen. Seine Wunden heilen nicht mehr schnell, sein Fell schwindet ihm und die Reihen der Haare werden licht im achten Jahrzehnt. 1
„värana-yuvan"', yuvan zu lat. „iuvenis" gehörig. Zimmer. Spiel um den Elefanten
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Eingesunkenen Nackens, mit wackelnden Zähnen, langsam in den Bewegungen aller Glieder, die Zähne verlierend, weiches Gras fressend, ohne Brunstrausch u n d ohne Rivalen, von schmutzig-glanzloser Farbe, a m Leibe rings von Runzeln umzogen, hinter der Herde h e r t r o t t e n d , mit locker gewordenen Gliedern, schläft er viel im n e u n t e n J a h r z e h n t : ein „Alter". Ohren, Schultern, Schwanz u n d Rüssel hängen schlaff herab. Die Haare a m Leibe sind ihm ausgegangen. Die Zähne wakkeln. Fleisch und K r a f t schwinden. Die Sohlen zittern u n d die Füße hängen ihm heraus. E r f r i ß t wenig. Seine Glieder sind r a u h u n d vertrocknet. Mühselig entleert er Kot und H a r n . I m m e r quält ihn Durst, u n d ein Netz von W ü r m e r n zehrt dem Alten an seinen Nägeln, wenn er das zehnte J a h r z e h n t erreicht h a t . Mit hundertundzehn J a h r e n schläft der Elefant unter Bäumen, aber nicht im Wasser. Sein Kot ist mit Schleim besalbt, beim Harnen zieht es sich ihm zusammen. E r f r i ß t nur mehr Weiches. Die Stoßzähne hängen herab. E r k r a n k t an Gliederstarre. H a t er die Hundertundzwanzig erreicht, geht er einher mit baumelndem Rüssel. Ohren und Schwanz hängen schlaff u n d zitternd nach unten. Leib und Hinterfüße sind i h m steif geworden, und er schläft ohne Aufhören. Wenn er so hundertundzwanzig J a h r e hingebracht h a t , o König, und vielerlei Werk verrichtet h a t , d a n n geht der Elef a n t zum Himmel ein. F ü n f t e s S t ü c k : Zeichen der Lebensalter. VI. 1 Die Länge des Elefanten wird vom Auge bis in die Gegend der Schwanzwurzel gerechnet, die Höhe von den Nägeln bis zur Schulter, der Umfang an der Gurtgegend. Die Länge eines Elefanten von der Art der „ W i l d e n " (mriga) beträgt, wenn er eben geboren ist, etwa anderthalb „ H ä n d e " , und er ist eine „ H a n d " hoch. Sein U m f a n g be-
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trflgt zwei „Hände", und es heißt, daß sein Umfang bis zum 10. Jahre in jedem Jahr um 5 „Fingerbreit" wächst. („Hand" (hasta) - Elle, vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers gerechnet ca. 18 Zoll, = 45 — 46 cm — 24 „Fingerbreit" sind eine „Hand".) 5 „Hände" beträgt die Höhe, 7 die Länge des „Wilden". Das Maß seines Umfanges aber sind 8 „Spannen". („Spanne" (vitasti) ist der Abstand zwischen den Spitzen des ausgestreckten Daumens und kleinen Fingers = 12 angula.) Zur gleichen Größe ausgewachsen sind der „Langsame" (manda) und der „Glückbringende" (bhadra) Elefant, wenn sie das mit drei vereinte 10. Jahr erreicht haben. (Da das Alter der Elefanten nur bis zum 10. Lebensjahre mit Einzeljahren, dann aber mit Jahrzehnten gezählt wird, muß damit das 30. Jahr gemeint sein.) 6, 5 und 4 „Hände" hoch, 8, 7 und 6 „Hände" lang, 9, 8 und 7 „Hände" im Umfang sind die besten, mittleren und geringeren Elefantenkühe. Allzu feiste und auch schmächtige und Elefanten mit verkümmerten Gliedern lassen sich an Haupt- und Nebengliedern nicht messen, o Erdbeherrscher! Das Maß eines Elefanten, der an allen Gliedern ebenmäßig ausgebildet ist, ist allerwärts erwünscht, weil er besonders glückbringend ist. 1 Kapitel VI, das außer den Körpermaßen nur Namen von Körperteilen enthalt, bestätigt die allgemeine Tatsache, daß Tierspezialisten — hier Elefantenärzte u n d -Wärter, wie bei uns Tierärzte, Jäger, Fleischer — über einen erstaunlichen Wortschatz verfügen, nm Teile an ihren Tieren zu bezeichnen, nur andeutungsweise. Die Elefantenmedizin gibt eine äußere Beschreibung der Erscheinung des Elefanten (keine anatomische Zergliederung), die 460 Stellen an seinem Leibe mit besonderen Namen belegt ( I I I . 29 „ K e n n t n i s der Stellen"). Da werden am Rüssel 28 Stellen unterschieden, 30 bilden Mund und Mundhöhle, 10 Teile sind an Zähnen und Zahnfleisch zu merken, es gibt 33 Namen f ü r Teile des Gesichts, 32 für Teile des Auges. I m übrigen lassen sich 24 Stellen am Kopf benennen, an den Ohren aber noch 30 besonders. 23 Teile lassen sich an Hals und Nacken, 7 an der Brust, 10 in Herz- und Milchgegend namentlich unterscheiden, 96 ferner am Vorderleib, vom „ S i t z " oben bis zu den Sohlen der Vorderfüße (der „ A r m e " absteigend). 45 Teile unterscheidet man mit Namen a m mittleren Leibe, 74 an den Hintergliedern von den Fußsohlen bis zur Httfte. Schließlich gibt es 11 Namen f ü r Stellen am Geschlecht und 7 f ü r Teile des Schwanzes.
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Die beiden Buckel des Kopfes sind die „ T ö p f e " ( k u m b h a ) , der Buckel in ihrer Mitte heißt Wulst (vidu). Unter i h m ist der ,,Wegnehmer" (avagraha ein hakenförmiges, nach a b w ä r t s sich einwölbendes Zeichen des indischen Alphabeths, das den Ausfall eines a im Wortanlaut verzeichnet.) Der Teil u n t e r den beiden Töpfen heißt „ V ä h i t t h a " . D a r u n t e r ist die „ F o r m " (pratimäna = „ F o r m " des Bildgießers), die Mitte d a v o n heißt „Topf des Windes" ( v ä y u k u m b h a . ) Das P a a r der Seiten am „ V ä h i t t h a " heißt bei den Elefanten „ H a n g " (viläga). Oberhalb des „ B l a u - L o t u s " (puschkara) liegt der „ S c h l u c k " (gandGscha — beides sind Stellen vorn am Rüssel), der Augenrand ist der „Pinsel" (ischikä — die Wimpern), die Stelle des äußeren Augenwinkels ist der „Ausg a n g " (niryäna), die Ohrwurzel ist der „ K a m m " (cülikä), der O h r r a n d heißt „pinchüschä". Was m a n den „ K n ö c h e l " (proha) n e n n t , ist von beiden Seiten in Fleisch gebettet. Die Leibesmitte ist die Stelle „nigala", oberhalb d a v o n liegt die „ M a u s " (cikkä.) Das „ B a n d " (sandäna) liegt oberhalb der Keule, u n t e r i h m der „kälabhäga". Unterhalb der beiden Flanken liegen die beiden „ a p a r a " , bei Flanke und Rücken der „nischk o s c h a " (der „unbedeckte" im Innern der Weichen), hinter beiden (sc. „nischkoscha") die „ H ö h l u n g " (kukschi), von beiden heben sich die sogenannten „ A u f r a g e n d e n " (utkrischt a u ) ab. Die Gegend der Schwanzwurzel ist das „ p e c a k a " . U n t e r h a l b der Kehle, auf der Brust, am Halsansatz liegt das „ J u w e l " (mani). Sechstes S t ü c k : E r ö r t e r u n g der Maße. VII. „ E i n so hoher Preis genügt f ü r den E l e f a n t e n " — das vermögen die Menschen nicht zu sagen. Sie kennen allein den Kaufpreis, der Käufer u n d Verkäufer bei uns hoch d ü n k t . Wenn u n t e r Käufer und Verkäufer der eine der Schätzung des anderen nicht zustimmt, ein mittlerer Preis aber beiden nicht gefällt und verworfen wird, d a n n sollen viele Sachverständige, die alles an dem Elefanten a u f m e r k s a m b e t r a c h t e t h a b e n , seinen Preis bestimmen. 110
Um den vollen Kaufpreis nehme m a n einen F ü r s t e n von Elefanten, der alle Vorzüge besitzt. Wenn ein Auge oder ein F u ß an ihm beschädigt ist oder ihm ein Stoßzahn abgebrochen ist, wenn er t a u b ist oder ein Leiden h a t , n e h m e er ihn u m den halben Preis. Wenn ihm ein halbes Ohr, der Schwanz oder dergleichen fehlt, wird ihn ein Vernünftiger u m ein Drittel des vollen Preises kaufen. Fehlen ihm beide Stoßzähne, so wird er ihn f ü r ein Viertel des vollen Preises nehmen, sei er sonst a u c h noch so schön. Ein Elefant, dessen linker Stoßzahn in die Höhe s t e h t , gilt geringer im Preise. Die Elefantenkuh gilt u m acht Teile billiger als ein Drittel des vollen Preises. Siebentes S t ü c k : Von den verschiedenen Preisen.
VIII. Die Elefanten, die ihrem Wesen nach Götter, D ä m o n e n , musizierende Himmelsgeister, schatzhütende Kobolde, Unholde, Menschen, fleischfressende Ungeheuer u n d Schlangen sind, soll m a n je nach den Zeichen, die ihnen eigen sind, bezeichnen. Ein Elefant, der schön ist, dessen Geruch wie der D u f t von weißem Nachtlotus oder Sandel, von Siebenblatt oder Orange, von Lotos oder Vierfingerblatt i6t, dessen Antlitz voll e r b l ü h t ist, der immer Freude an jungen Elefanten h a t u n d der E h r f u r c h t erweckt, dessen Trompetenschreie von anderen Elef a n t e n aufgenommen und verstärkt werden, der ist von göttlichem Wesen. Ein Elefant, der das Verpönte liebt und über die Maßen streitlustig ist, niederträchtig von N a t u r und nicht ein bißchen freundlich, der nach sinduvära 1 , Aloe oder Fisch riecht, einer, der t ö t e t , ist dämonischen Wesens. 1
= vitex negundo. 111
Einen musizierenden Himmelsgeist heißt m a n einen Elef a n t e n , dessen Geruch wie der D u f t von a t i m u k t a k a 1 , J a s m i n oder Kampfer, Muskat, Betel oder Safran ist, der gern singen h ö r t u n d einen hübschen Gang h a t und hübsche Zähne, Augen u n d Schläfenbuckel, der einen schönen Kopf, schönen Rüssel u n d Zunge h a t und wenig T u p f e n . E i n heller E l e f a n t , der von ungeduldiger Art ist, glückbringend und dem Auge lieb, voll Feuers u n d m i t aufgereckten Ohren, ist koboldischen Wesens. Einer, der wie Krähen, Affen, Esel, Kamele oder K a t z e n riecht oder wie H a r n , Kot und Eiter, der andere E l e f a n t e n t ö t e t und nachts wütend ist, der Saures u n d Fleisch u n d Blut gern h a t , der keine Zucht a n n i m m t u n d u n d a n k b a r ist u n d sich widerspenstig b e n i m m t , ist seinem Wesen nach ein „Unhold 1 '. Einen Elefanten, der das Öde liebt u n d wie Leichnam und Blut riecht, der nächtens ziellos sich u m h e r t r e i b t u n d der eine dicke, tiefe Stimme h a t , der zu den Knotenzeiten des Mondes besonders zornwütig ist u n d der d u m m ist, den nennen die Weisen einen Elefanten von menschenfresserischem Wesen. Ein Elefant, der wie ein Fisch, wie die Wasserpflanze Schaiv a l a , wie Majoran oder Schlamm riecht u n d auch wie gegorene Getränke und Fleisch, einer, der erschrickt, wenn er den Donner regenspendender Wolken v e r n i m m t , der nachts wütig ist u n d darauf versessen, in Wasser u n d Schlamm zu spielen, der ist ein Schlangenelefant. Die großen Heiligen haben einen Elefanten „ B r a h m a n e n " genannt, wenn er rein ist u n d wenn sein Leib wie Honig oder Milch oder wie die beste aller Speisen: Milchreis, d u f t e t oder wie geklärte Butter oder Mangoblüte, wenn er freundliche W o r t e liebt, allen Elefanten wohlgesinnt ist und ruhevollen Wesens, wenn er das Baden liebt u n d edlen Sinnes ist. Ein „ K r i e g e r " ist der Elefant, der wie Sandel u n d zerlassene Butter riecht, wie gelber oder roter Arsenik oder wie Guggulu 1 , der geschickt zum Werke der Kriegselefanten und 1
Name verschiedener Gewächse: Gaertnera racemosa, Diospyros glutinosa, Dalbergia ougeinensis. 1
= Bdellium.
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furchtlos im K a m p f e i s t : ein Held im vielfachen Schlage mit seinen W a f f e n . Ein E l e f a n t , d e m Gaumen und Zunge mit dem D u f t e von B a n d h ü k a 1 , Reis oder Sesam geschmückt ist o d e r n a c h Vetakablüte u n d J a s m i n riecht, der geduldig Beschwerden erträgt, der Fleisch i ß t u n d , auch wenn er zornig wird, sich schnell wieder beruhigt, der ist von der Axt der „ B ü r g e r " . Der sich an Speiseresten freut und leicht einzuschüchtern ist, der nach Sauerklee und Tamarinde riecht oder nach Bock, Knochen u n d Krebsen, der zum Zorne neigt und leicht mit sich selbst uneins zu machen ist, der gemein und unzuverlässig ist, der ist seinem Wesen nach einer der UnterworfenenK a s t e : niedrigster aller Elefanten. Ein E l e f a n t , der das Vertrauen t ä u s c h t und grausam ist, gewundenen Ganges beim Schreiten, der, wenn er im Rausch ist, ungemein wenig f r i ß t , der gilt seinem Wesen nach als Schlangenhaft. In E l e f a n t e n mit dem Wesen von Göttern, Kriegern, musizierenden Himmelsgeistern und B r a h m a n e n überwiegt das Element der lichten, klaren Güte (sie sind „ s ä t t v i k a " ) . Die Bürger u n d „ U n t e r w o r f e n e n " haben ein Übermaß an leidenschaftlicher Bewegung (räjasa) u n d die übrigen Arten an d u m p f e r T r ü b e (tämasa). Vier F a r b e n haben die E l e f a n t e n : R o t , gelb, blauschwarz und weiß. Sie r ü h r e n der Reihe nach von Blut mit Galle vermengt u n d von Blut mit Schleim vermengt her und von Galle und Schleim. D e m Pfauenschweif und dem Golde, der Regenwolke u n d d e m Mondlicht gleich entstanden sie. Von ihnen lebt allein der dunkelfarbene auf Erden, die anderen drei an himmlischer S t ä t t e . F ü n f f a c h ist ihr Schimmer: Wie wenn eine Wolke das Juwel des Tages verhüllt, ist der Leib des Elefanten getönt, und dieser Schimmer ist unterschiedlich nach den fünf Elementen 2 , erstlich von der Art der Regenwolke, d a n n erdgeboren und gold1
Pentapetes Phoenica oder Terminalia tomentosa.
* Die fünf Elemente: Raum, Luft, Feuer, Wasser, Erde.
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und feuergeboren. Die er6ten drei sind verehrungswürdig, die zwei ihnen folgenden sind zuwider und höchst unerwünscht. Elefanten, die das Wesen von Himmelsmusikanten, Schlangen und Kolbolden haben, sind Kriegselefanten. Besonders ist aber der „Krieger" zum Kampfe geeignet. „Brahmanen" und „Götter" eignen sich für Opfer Zeremonien und ähnliche Handlungen. Zu aller Art Arbeit sind die „Bürger" zu brauchen und die übrigen zu Kampfund Schlacht und zum Tragen von Waren und anderen Lasten, zur Hinrichtung von Dieben und zum Zerstampfen von Tigern und anderen wilden Tieren. Siebenfach ist das Gefühl der Elefanten: Übermäßig, an der Oberfläche ausgebreitet, in der Tiefe liegend, angemessen, zuwider, hart und vollkommen. Ein Elefant, der schon von fern vor Treibstachel, Haken und Stock zittert oder unruhig wird, wenn man ihn berührt, hat übermäßig Gefühl. An der Oberfläche ausgebreitet ist sein Gefühl, wenn er bei der bloßen Berührung der Haut oder, wenn die Haare gestreift werden, das Auflegen des Treibstachels oder Hakens verspürt. Sein Gefühl liegt in der Tiefe, wenn er den Schlag des Hakens nicht fühlt, auch wenn er ihm das Fell zerreißt und Blut fließt und er bis ins Fleisch getroffen wird. Ein Elefant, der die Zeichen, die ihm sein Lenker mit den Füßen oder dem Haken gibt, versteht und sich nicht fürchtet und auch nicht aufgeregt wird, von dem weiß der Einsichtige: er hat angemessenes Gefühl. Einer, der rückwärts schreitet, wenn er nach vorn angetrieben wird und, wenn man ihn faßt, nicht mitgeht, der widerhaarig der Weisung nicht folgt, dessen Gefühl ist zuwider. Von hartem Gefühl ist ein Elefant, der ohne Willen und Wissen widerhaarig ist, einer der ungemein bösartig ist. Einen Elefanten, der in allen Stimmungen geschmeidig ist und makellos — ein bester der besten —, nennen die Stiere unter den Weisen einen von vollkommenem Gefühl. Achtes Stück: Von den Merkmalen des Wesens. 114
IX. Wenn der Elefant sich von besondere süßen und milden Säften nährt, wenn er mit duftenden Schminken bunt bemalt wird, wenn er Speis und Trank, wie gelehrt ist, bekommt 1 , wenn er Worte hört, die seinem Ohre angenehm sind, wenn man ihm Staub-, Schlamm- und Wasserbäder gibt und wenn er sich nach Herzenslust frei bewegen darf, dann wird der Elefant frohen Sinnes. Je größer und größer die Freude wird, die den Elefanten erfüllt, um so mehr geht der Stoff seines Leibes auf. Davon wird er der Elefantenkuh als Gesell begehrenswert und sie verlangt danach, frei von Fesseln sich mit ihm im Wasser zu tummeln. Wenn er sich mit Spritzern aus dem Rüssel, mit Wasser, das Wolken von Duft ausströmt, im Teiche vergnügt zwischen vollerblühten Lotosblumen, deren faserige Wurzeln er verzehrt, wenn er lustvoll sich über Gras hermacht, umherschreitend, wohin ein Wunsch ihn zieht: aus solcher Freude, o König, erblüht dem Elefanten Gleichgewicht der Leibesstoffe. Erreicht die Freude aber ein Übermaß, dann kommt den Elefanten der Rausch an, o König! Wenn aber der Elefant der Freude bar ist, dann meidet ihn der Rausch. Aus den Augen, vom Gaumen und den Schläfen, aus den Ohren, von Nabel und Geschlecht, von Rüssel, Brust und Haaren trieft ihm vielfältig der Rauschsaft, o König! Geilheit, Behendigkeit und Duft, Gangart und Geruch des Leibes, Zorn, Kraft und Furchtlosigkeit sind als acht Eigenschaften des Rausches bekannt. Vor Zeiten schuf der „Ungeborene" — Gott Brahma — den Rausch und verteilte eine Hälfte von ihm auf alle Wesen, die da gehen und verwurzelt stehen, die andere Hälfte aber legte er in die Elefanten. Toll von Rausch kämpfen sie und geraten in Zorn, von Rausch übermannt. Lenzliches Wachstum befällt die Bäume, wenn sie des Elefanten Rausch gewahren. Und auch die anderen odembelebteu Wesen erfüllt Freude, wenn sie seines Rausches acht haben. 1
Der Text nennt hierzu Grünfutter verschiedener Art.
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Wird ein Elefant im Königreiche oder in der H a u p t s t a d t rauschtoll, d a n n t r ä g t das Land reiche E r n t e . T r ä u f t i h m der Rauschsaft von der rechten Schläfe zuerst, bedeutet das Sieg f ü r den König, der ihn gezähmt hält. T r ä u f t er i h m zuerst von der linken, so wird die Erde von reichem Regen strahlen. Schimmert der Brunstschweiß zuerst an seinem Geschlecht u n d trieft er ihm vom Geschlecht u n d beiden Schläfen zugleich, wird der König ruhmvoll sein. Wenn er Ameishaufen, Dickicht, Gebüsch und Bäume nach Herzenslust zerquirlend frohen Blickes einherschreitet u n d freiweg hurtigen Ganges die Füße setzt und hoch das Gesicht a u f w i r f t , wenn er beim Umgürten der K a m p f r ü s t u n g wieder u n d wieder sich mit Wasser bespritzt oder dumpfe Töne ausstößt u n d sich dabei den rechten Stoßzahn mit dem Rüssel umwickelt, d a n n verleiht die E n t f a l t u n g seines Rausches Sieg. Schön ist der königsgleiche Elefant, wenn er grundlos strauchelnden Ganges, mit hängendem Halse und ungemein k u m mervoll daherschreitet, wenn er s a n f t und ganz lang mit zu Boden gesenktem Rüssel schnaubt, wenn ihm die Augen schwimmen und knospenhaft geschlossen sind, wenn er dem Schlafe ergeben und schlaffen Leibes ist, wenn er F u r c h t einf l ö ß t , unmäßig f r i ß t u n d häufig Wasser läßt, wenn Nägel, Zähne und Augen an ihm honigfarben glänzen, wenn er wie eine blauschwarze Regenwolke schimmert und seine Augenränder gerötet sind, wenn seine tropfengleichen Tupfen hell leuchten wie Lotosstaubfäden, wenn er anderen Elefanten feind ist und wenn er mit Bädern in Schlamm u n d Wasser an den Schläfen trieft. Fürst über Elefanten heißt er, wenn seine Wangenflächen von der Nässe des Rauschsafts breit in Strömen abgespült werden, wenn er voll Donners ist, der wie Donner einer geballten Regenwolke klingt, wenn er, vorwärts eilend, auch weitab stehende zu schlagen im Sinn h a t , wenn er schrägschrägen Blickes immer wieder über beide Schultern u m sich schaut und Tropfen auf Tropfen Brunstschweiß ihm vom Geschlecht trieft, wenn er, gewillt, rückwärts zu gehen, brüllt, von Rauschsaft starrend, wenn er seinem Pfosten feind ist u n d der Fessel ledig einherschreitet, wenn er wie „Sieben-
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blatt" und Lotos riecht und immer voll Zorn ist, wenn sein Rauschsaft safranfarben ist und wenn er aus der Nachbarschaft von Elefanten, Wagen und Pferden angetrieben, enteilt, daß sie nicht einmal seine Witterung behalten können. Er verlangt nicht nach seinem Lager, nicht nach Speis und Trank und liebevollen Worten, und wenn er nachts im Dunkel steht, läßt er sich von seinem Lenker nicht anrühren. Wenn er Elefanten, Pferde und Fußvolk eingeholt hat, weicht er nicht mehr von ihrer Seite, der zornmütige Elefantenkönig, wenn sein Rausch zu voller Entfaltung gelangt ist. Wird sein Zustand vernachlässigt, begehrt der Elefantenfürst, von Zorn getrübt, die ganze Welt mit allem, was geht und steht, zu erschlagen. Neben einem anderen Elefanten stehend, verträgt er den Ton der Glocke des anderen nicht. Er ist seinem eigenen Schatten feind und kennt nichts anderes, als immer nur zu laufen. Hat die Fülle des Rausches nachgelassen, dann strahlt sein Leib im Spiel der Bewegungen seiner runden, weichen Glieder. Ist er die Eifersucht auf andere Elefanten los, erstrahlt er am Ende des Rausches, wenn er nachläßt, wie eine Wolke, die alles ihr zugeströmte Wasser ringsum abgegeben hat. Weil ihm der Brunstsaft entfließt, schwinden beim brunsttollen Elefanten mächtig die Stoffe des Leibes und vom Schwund der Leibesstoffe entstehen starke Krankheiten in Menge. — In anderen Jahren erfährt der Elefant keine Entfaltung von Rausch, weil die Leibesstoffe vormals sich minderten. Für die Besänftigung solchen Rausches soll man nach Ablauf von drei Monden außer der Minderung der Leibesstoffe etwas tun 1 . Neuntes Stück: Arten des Rausches. 1 Die vier letzten Verse geben drei Rezepte, eines fUr Pillen, die dem Elefanten bei Ausbruch des Brunstrausches zu geben sind (Pflanzenstoffe mit Zuckerrohr, Hühnerei und Honig vermengt), eines für Pillen aus verschiedenen Pflanzenstoffen mit Salz und Honig, „die den Zornrausch steigern" (zum Gebrauch bei Kriegselefanten), und ein Rezept für Salbe, die den brunsttollen Elefanten gefügig macht.
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X. Arbeit mit dem Pferch und Verlockung durch das Weibchen sind zwei Arten des Elefantenfanges. Ferner das Jagen; dann das Niederwerfen und schließlich der Fang in Gruben: das sind die fünf Arten, Elefanten zu fangen 1 . Unter ihnen ist jeweils die später genannte Art verwerflicher als die vorangehende. Weil die Elefanten bei ihnen eingehen können, 6ind die beiden letzten zu vermeiden, besonders aber die letzte der beiden. Man legt einen Pferch an, dessen Größe in die Breite wie in die Länge auf etwa ein Krosch2 bemessen wird, und umgibt ihn rings mit einem Gehege von festen Baumstämmen und Pfählen, die man in die Erde rammt und zieht außen einen Graben darum, der schwer zu überschreiten ist. Vom Tor aus führt man eine Gasse, die zwischen zwei künstlichen Gehegen — aus Bambusrohr und ähnlichem Material verfertigt — verläuft und mählich breiter wird und ihre Öffnung nach außen kehrt. Am Tor wird die Torfüllung in die Höhe gezogen und oben befestigt. Im Innern des Pferchs werden viele Pfähle hier und dort in Erdlöchern festgerammt. Man wirft Zuckerrohr und anderes Futter hinein. Dann treibt man die Elefanten zusammen und jagt die durch Paukenschall und anderen Lärm erschreckten Tiere in den Pferch hinein und zerhaut geschwind die Stricke und Taue der Sperr-Riegel, die das Fallgatter in der Höhe halten. Elefantenwärter, die mit Fesseln für die Gurtgegend, mit Spießen, Treibstacheln und anderem Gerät ausgerüstet sind, sehen zwei bis drei Tage zu; dann begeben sie 6ich geschwind ins Innere des Pferchs, erwischen die Elefanten, die sich in der Nähe von Pfosten befinden und fesseln sie, wofern es schöne Tiere sind, fest an die Pfosten. Die übrige Herde treibt man wieder hinaus und läßt sie laufen. 1 Bilder vom Elefantenfang z. B. bei Oskar Kauffmann: „Aus Indiens Dschungeln, Erlebnisse und Forschungen, Leipzig 1911. Bd. 2. Auch bei H. v. Glasenapp: „Indien" (München 1925), Tafel 5, 206, 207. * 1 krosch = etwa 2 % km.
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I n der Gurtgegend u n d a m Halse binde m a n den E l e f a n t e n behutsam u n d geschwind mit festen u n d sehr weichen Stricken u n d feßle ihn auch a m Hinterteil u n d an den F ü ß e n . An diese Fesseln k n ü p f t m a n sehr lange u n d sehr feste Stricke. D a n n lasse man den E l e f a n t e n mählich schreiten, während vorn die tüchtigsten E l e f a n t e n w ä r t e r ziehen u n d i m m e r wieder ziehen u n d hinten der Strick locker gelassen wird. W e n n m a n die Elefanten auf diese Weise sacht von Pfosten zu Pfosten h a t schreiten lassen, bringe m a n sie in Begleitung anderer Elef a n t e n , die dazu t a u g e n , in die Elefantenhalle. Fünf oder sechs E l e f a n t e n k ü h e , die dazu t a u g e n , steckt m a n mit dem Bauche in Lederkleidung, in deren Inneres sich Elef a n t e n k n e c h t e mit Stricken und anderem Gerät hineinlegen. Mit Fingerschlägen lenken sie die f ü n f oder sechs Elefantenkühe in die Nähe einer Herde u n d fesseln dort in Eile m ä n n liche Elefanten. Das ist die „Verlockung durch das Weibc h e n " wegen des Lockens mit d e m Weibchen. Wenn eine E l e f a n t e n k u h mit schön kühlen Wassern, die in Eimern mit Aloe, H a r z , B a u m r i n d e , Mäleya, schwarzem Sandel, Sevyawurzel u n d Lodhra versetzt sind, gewaschen ist, dann ist sie f ü r einen E l e f a n t e n verlockend 1 . Wenn m a n u n t e r m Schall von P a u k e n u n d allerlei Trommeln die Elefanten in j ä h e Flucht j a g t u n d furchtlose Leute hinter den erschreckten schnell u n d a n h a l t e n d mit Soldaten hinterherlaufen, bis die jungen Tiere durch E r m ü d u n g der Füße aufgehalten werden u n d die Leute sie eilends b i n d e n : diese Art des Elefantenfangs heißt „ J a g e n " .
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Zwei weitere Verse geben drei Rezepte für Salben, mit denen man die Elefantin (am Geschlecht) salben soll, um mit dem Geruch den Elefanten zu locken. Es werden verschiedene Vegetabilien genannt, die mit Palmwein, Elefantenharn oder Hühnerei versetzt sind. „Fünf oder sechs Elefantenkühe" dienen auch den Wärtern des königlichen Elefantenwaldes zur Begleitung, wenn sie „ihren eigenen Geruch durch Harn und Kot von Elefanten verbergend und durch Zweige maskiert" den Wald durchstreifen, um den Bestand der bilden Herden zu kontrollieren. (Kautilya 20.)
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Einzelne Stricke mit vielen E n d e n d a r a n , deren E n d e n zu Schlingen gebunden sind, mit Erde, B a s t , Holzspänen und anderem Zeug bezogen, nach dem U m f a n g der Betelpalme bemessen (nämlich an den Schlingen), m a c h t m a n r u n d 60 Ellen 1 lang und verteilt sie bei einer E r d g r u b e , die n u r 1 Elle tief, aber sehr breit ist und versteckt sie hierhin u n d dorthin u n t e r m Sande. I n die Grube wirft m a n Lotuswurzeln, Bambusschößlinge, Pisang- u n d Zuckerrohrstücke u n d anderes F u t t e r . Geschickte Jäger befestigen die Stricke an einem festen B a u m und warten im Versteck. Schnell binden sie die Elefanten, die ganz ins Essen vertieft sind und werfen sie durch Anziehen der Stricke nieder, d a ß sie festliegen. Diese Art F a n g heißt das „Niederwerfen". Man gräbt eine Grube, die 4 Ellen tief, 2 Ellen breit und 5 Ellen lang ist, schließt sie mit Bambusschäften u n d -blättern und Gräsern, bedeckt sie mit Lehm u n d u m s t r e u t sie rings mit F u t t e r . I n sie läßt m a n junge Tiere hineinfallen, die von den Jägern gut gefesselt werden. Diese Art E l e f a n t e n j a g d heißt „Fallgrubenfang" 2 . Zehntes S t ü c k : Vom F a n g der Elefanten.
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Eine Elle (hasta, kara usw.) reicht vom Ellbogen bis zur Spitze des Mittelfingers und ist ca. 18 Zoll = 45 cm lang. * Tiefe der Grube ca. 1,80 m, Breite 0,90 m, Lange 2,25 m. Die früheste Schilderung des indischen Elefantenfangs stammt von Megasthenes (besprochen von O. Stein in „Megasthenes und Kautilya" S. 50). Eine sehr unterrichtende Darstellung verschiedener Arten des Elefantenfanges, wie sie in neuerer Zeit in Mysore zur Anwendung kommen, gibt P. S. Govinda Rao im „Quarterly Journal of the Mythic Society (Bangalore), Vol. XVIII, 1927. — Über eine besondere Art des Elefantenfanges in Nepal berichtet „The Modern Review" (Juli 1926, Vol. XL, Nr. 1): Die wilde Herde wird gejagt und in eine Art Sackgasse getrieben. Dort treten ihr gezähmte Elefantenbullen aus einem Versteck entgegen, die auf Kampf dressiert sind. Sie kämpfen die männlichen Tiere der Herde nieder, bis sie einzeln gefangen und an Bäume gefesselt werden können. Dann umringen die zahmen Elefanten die Weibchen und Jungtiere der Herde und nehmen sie zwischen sich, damit die Jäger ihnen die Fttße fesseln können.
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XI. W e n n die wilden Elefanten, die in ihrer Wildnis glücklich lebten, durch Schicksalsgewalt zu den Behausungen der Menschen herabsteigen — u n t e r scharfen, beißenden und dräuenden Reden ihrer Führer, gebunden mit sehr schmerzhaften, schrecklichen Stricken u n d Fesseln, die sie wundscheuern, gequält von vielen Schmerzen des Leibes und der Seele —, d a n n sind sie, der Herde fern und in des Menschen Gewalt, k a u m i m s t a n d e , ihre Lebenskräfte noch lange zu bewahren. Wie er an den Hängen der felsigen Berge, im Wasser des schäumenden Falles, im Lotusteiche und in den Strömen nach Herzenslust mit den Elefantenkühen inmitten der Waldwildnis sein Spiel getrieben hat, daran denkt u n d denkt der E l e f a n t u n d h a t keine Lust zu dem Zuckerrohr, das ihm mehr als einmal vorgelegt wird. E r ist tief b e k ü m m e r t u n d von vielen Schmerzen heimgesucht. Der frisch eingefangene Elefant gedenkt des Glückes, das er v o r d e m in Wäldern der Wildnis gekostet h a t und beschaut es i m m e r wieder m i t seinem inneren Auge u n d steht dabei s t a r r mit reglosem Schwanz und reglosen Ohren. Durch alles, was er im Bereich menschlicher Behausungen zu leiden h a t , magert er ab u n d geht in wenigen Tagen ein. Beide Augen hängen i h m aus dem Kopfe, am After und am Nabel u n d a n d e r w ä r t s a m Leibe b e k o m m t der Elefant Geschwüre. E r ißt nicht u n d liebt nicht u n d merkt auf keinen Befehl. Wie ein König, der sein Reich verlor, gibt er sich von Herzen seiner Verzweiflung hin. Das Sonnenei war glühend, und aus dem Sonnenei entsprangen die Elefanten. Von der Glut erhitzt, die von ihrem Ursprünge her ihnen eigen ist, freuen sie sich an kalten Wassergüssen, an S t a u b , Schlamm und ähnlichem. D a r u m , o Herrscher von Anga, ist Wasser Lebenskraft der Elefanten. Daher soll m a n Elefanten mit Wasser aufwarten, soviel sie verlangen. Denn v o m Wasser k o m m t ihnen Ruhe und Heiterkeit der Leibesstoffe. Die aus der Wildnis eingebrachten Elefanten besprenge m a n mit Schneewasser und gebe ihnen Schneewasser zu trin-
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ken. Bis an die Ohren soll man sie beim Morgenrot im Wasser baden lassen. Das besänftigt ihre Erschöpfung und andere Leiden. Ebenso läßt man sie sich zur Abendzeit nach Herzenslust erquicken. Nach dem Bade sollen sie mit ,hundertfach" gereinigter Schmelzbutter besprengt und eingerieben werden. Wenn der Elefant gebadet hat, gebe man ihm gekochten Reis, vermengt mit Bohnen, Zuckerrohrsaft und Butter, zu essen. Und zu trinken Wasser mit Zucker versetzt und reiche ihm Zuckerrohr, das ihn freut. Folgendes macht der Reihe nach den Tageslauf des Elefanten aus: Ruhiges Liegen, Betrachten einer Wasserfläche, Bewegung, Verabreichung von Heilmitteln, soweit erforderlich, Abreiben mit Sand, Eingehen in die Halle an seinen Pfosten, eine Mahlzeit, der zerlassene Butter und Melasse beigemengt ist, Verabreichung von Büscheln Grünfutters, „Nirväna" — das Löschen seiner Glut in einem Tauchbade —, Wassertrinken. Und am Nachmittage eine Mahlzeit, der Stücke von Sesamölkuchen beigemengt sind, Verabreichung von Heilmitteln und dann der Gang zur Nachtruhe 1 . Zerlassene Butter, lehrt der Herrscher von Kaiinga, ist das allerbeste Mittel für Elefanten mit umtränten Augen, für magere und noch ganz junge Tiere, für durch Lastentragen abgerackerte, für gallige und schmächtige, von ununterbrochenen Marschleistungen erschöpfte, für alte, gegen Elefantenkühe gleichgültige, für solche, bei denen Brunstsaft samt Fleisch und Blut schwindet, für unmächtige und steifgliedrige Elefanten. Hier reiche man den Elefanten ein ,,Kuduba"-Maß — zwölf Hände voll — von rohem geschälten Reis, mit Gras vermengt, und steigere die Ration immer um ein Kudubamaß bis auf ein „Ädhaka" 2 . Ebenso steigere man die Ration von Reis1 „Samt anderer süßer Kost, die sie lieben", soll den Elefanten „zur Linderung ihrer Leiden Pflanzenkost aller Art — die der folgende Vers nennt — gegeben werden: Lotosstengel, Lotoswurzeln, PisangschöBlinge, Zuckerrohr, Bambus, Durvagras, Schößlinge und Früchte von verschiedenen Bäumen usw. 2 Die Reihe indischer Gewichtsmaße: 8 sacülikä-Früchte = 1 „Senfkorn" (sarschapa), 8 sarschapa = 1 „Gerstenkorn" (yava), 4 yava =
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klößen T a g u m Tag u n d entsprechend auch was sonst d e m Elefanten an Kost verordnet ist u n d beigegeben wird. I m m e r soll m a n ihnen Weizen u n d Gerste, g e d ä m p f t u n d mit Melasse und zerlassener B u t t e r versetzt, zu essen geben oder dasselbe F u t t e r n u r mit rohem Reis v e r m e n g t u n d mit K u h u r i n versetzt. Wie angegeben soll die R a t i o n täglich u m ein K u d u b a m a ß bis zu einem Ä d h a k a steigen, gewürzt mit K a r d a m o m e n , Ingwer, Asa Foetida, K ü m m e l verschiedener Arten und Vidanga 1 . Am Lebensmorgen sei das Maß an Gras u n d ö l ein halber , , Ä d h a k a " , auf der Höhe der Lebenskraft im mittleren Alter u m ein Viertel weniger, bei gesunkener Lebenskraft wie eben, aber u m ein Drittel vermindert — es verleiht K r a f t , Rausch u n d Schnelligkeit und vernichtet K r a n k h e i t e n . F ü r einen Elefanten von mittlerem Alter sei das Maß an Mitteln gegen Krankheiten, die täglich besonders zu dosieren sind, zwanzig „ P a l a " . Zwei „ P r a s t h a " aber b e t r ä g t das t ä g liche Maß an zerlassener B u t t e r , u n d je nach der K r a f t des Tieres soll man die Ration steigern oder herabsetzen. Sesam u n d Reis in Milch gekocht, mit saurer Milch u n d Ölkuchen vermengt und mit Melasse versetzt, soll m a n d e m Elefanten geben, u m ihn feist zu machen, dazu Wasser z u m Trinken. F ü r jede Elle seines Leibes soll ein „ B h ä r a " Gras sein u n d vier „ Ä d h a k a " roher Reis, acht „ K u d u b a " F e t t u n d zehn „ P a l a " Salz und Melasse. — Vidanga, Akschiba 2 , saurer Reisschleim, Bohnen und Weizen zu Leckerbissen v e r s t a m p f t , sollen einen Ädhaka betragen, o König. Wenn m a n dem Elefanten ständig die Füße m i t Wasser übergießt, spalten sich die Nägel nicht, die H a u t geht nicht aus und die Füße brennen nicht auf Märschen. D a n n wachsen die Haare nach, u n d das Augenlicht n i m m t nicht ab. 1 „ K a u r i m u s c h e l " (käkini), 4 käkini = 1 „ B o h n e " (mäscha), 4 mäscha = 1 schäna, 4 schäna = 1 Goldstück (suvarna), 4 suvarna — 1 pala, 4 pala = 1 k u d a v a , 4 k u d a v a = 1 p r a s t h a , 4 p r a s t h a = 1 ä d h a k a , 4 ädhaka = 1 drona („Trog"), 4 drona = 1 m a n i k ä , 4 manikä = 1 khärt. — 1 ädhaka = ca. 7 Ibs. 11 ozs. engl. Gewichts. 1
Vidanga = Embelia Ribee, ein Mittel gegen Würmer. * Akschiba = H y p e r a n t h e r a Moringa. Zimmer. Spiel a m den Elefanten
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Wassergüsse auf den Leib bewältigen Hautleiden und -risse, die von Fesseln und von Kämpfen herrühren, und Wunden, Trockenheit und Gliederstarre. Sie beseitigen Reizungen des „kalten Windes" (rheumatische Beschwerden), machen Schenkel und Leib geschmeidig und erleichtern das Feistwerden. Sie verleihen glatten Glanz, Trefflichkeit, Kraft und Wohlbehagen. Reibt man Elefanten ständig mit zerlassener Butter ein, so sehen sie immer gut und bekommen keine Augenkrankheiten und ihr Auge wird stark. Werden die Stoßzähne ständig eingerieben, so bekommen sie festes Zahnfleisch, werden fest und glänzend und splittern nicht und halten den Stoß anderer Zähne aus. Vorzüglich wirkt auch Salz in Menge genossen: Es reinigt die Harnblase, beseitigt Würmer, vertreibt Wind und vernichtet Krankheiten. Es behebt Appetitmangel und gibt dem Elefanten schleimige Feuchte. Dem Trank der Unsterblichkeit 1 ebenbürtig erzeugt es Yerdauungswärme. Bei der Vormittagsnahrung soll man Salz vermeiden: Es stört das Gleichgewicht der Leibesstoffe. Am Nachmittage aber wirkt Salz befeuernd und beseitigt Störungen im Gleichgewicht der Leibesstoffe. Gut ist Rettig in zerlassener Butter, angewärmter Kost mit Milch beigemengt. In der Vorschrift für Getränke der Elefanten rühmt der Heilige auch schön kühle Milch. Morgensonne, Mondschein, leckeren rohen Reis und ausgedroschenen Weizen, der frei von Würmern ist, Kost, mit reichlich Fleisch und mit gedämpftem Reis oder Weizen zugerichtet, soll, wer in der Überlieferung der Elefantenkunde bewandert ist, den Elefanten gewähren 2 . 1
„amrita" (vgl. Ambrosia), der Trank der Götter.
' Weitere drei Verse enthalten Rezepte für Mittel, die den Elefanten früh morgens nüchtern einzugeben sind. Ihre Stoffe sind wegen der Vieldeutigkeit mancher indischer Pflanzennamen nicht alle sicher. Eines der Rezepte schreibt vor, Pfeffer, Seifenbaumsamen, Gewürznelke und anderes in Pulverform mit Sesam versetzt, ein anderes Kardamomen, Vacä-Wurzel, Lauch, Steinsalz, getrockneten Ingwer, weißen Senf, Aea foetida, Pfeffer und (wurmtötende) Zwiebel, gleichfalls in Sesamöl.
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I m Herbst ist f ü r morgens Melasse mit zerlassener B u t t e r verordnet, in der Sommerszeit Reis, abends Reisbrei mit Salz; in den anderen Jahreszeiten dagegen Reis mit Sesamöl. Allezeit sollen die Elefanten sauren Reisschleim mit Melasse u n d Reisbrei vermengt b e k o m m e n , das gibt ihnen Glanz, K r a f t u n d Feuer. Und B l ü t e n s t a u b in Melasse sollen sie h a b e n . Ein Elefant, der Schößlinge von Schlingpflanzen u n d Büschen, die in K r a f t und Saft stehen, zur Winterszeit ißt, wenn die Sonnenstrahlen kalt u n d frostig sind, erlangt d a n k seiner Lu6t a m Spielen in Schlamm, S t a u b u n d Wasser Z u n a h m e des Schleims u n t e r den Leibesstoffen. Vom Grase, das in (trockenen) Dschungelstrichen des Landes wächst, gedeiht der Leib der Elefanten. An F ü ß e n u n d Kopf soll m a n den E l e f a n t e n begießen u n d mit schwarzer Knochenasche, die mit Sesamöl versetzt ist, einreiben 1 . Eine geschlossene Halle m i t w ä r m e n d e m Feuer darin, Branntwein mit dreimal scharfem Salze versetzt oder auch klarer Branntwein, mild e r w ä r m t , F u t t e r , mit flüssiger, saurer Milch versetzt, u n d Einhüllen mit Decken a m Abend, mäßiger Genuß von Zuckerrohr, regelmäßiges Verabreichen von kabala-Salz und alaunhaltigem T o n (kubala) in gleichmäßiger Diät, völliges A u f h ö r e n m i t d e m Spielen im Wasser, Vermeiden von G r a s f u t t e r : das ist die Regel f ü r die Pflege in der Frostzeit 2 . Tag f ü r Tag in d u f t e n d e n Lusthainen zu weilen, Reis mit Weizen vermengt als F u t t e r , das Essen mit 6aurer Milch u n d ö l versetzt, wenig an L a s t e n t r a g e n , Märschen u n d A r b e i t : das ist die Regel f ü r die E l e f a n t e n zur Frühlingszeit. Da t u t es den E l e f a n t e n überaus wohl, in Flüssen u n d Teichen nach Herzenslust zu baden. Dort verzehren sie H e r z b l a t t , Kaläyak r a u t u n d Kichererbsen. Marschübungen, Ü b e r s c h ü t t e n des Kopfes mit Wasser aus Lederschläuchen, dreimal des Tags Salben des Kopfes mit „ h u n d e r t f a c h " geklärtem F e t t , Bestrahlung mit dem Licht 1 Der nächste Vers empfiehlt eine andere Salbe für den Kopf aus Knochenasche, Sesamöl, Moschus and anderen Bestandteilen.
* Die anfang.
9*
kälteste
Jahreszeit
von
Wintersonnenwende
bis
Frühlings-
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des kühlungstrahlenden Mondes, Gerstengrütze mit Rohrzucker und zerlassener B u t t e r als F u t t e r , kühle Stallung, A u f e n t h a l t in Wasser und S c h l a m m : das ist die Regel f ü r die Pflege in der heißen Zeit. Wasser aus Brunnen, Gras von festem Boden, ein T u m m e l platz frei von Schlamm, Durchräuchern der Halle, u m Fliegen u n d Stechmücken zu vertreiben, reinigende Einläufe mit ö l , gekochter Reis mit Saft und F e t t von Wildfleisch und Fleischb r ü h e , die das Feuer im Bauche s t e i g e r t : das ist die Regel f ü r die Pflege in der Regenzeit. Reis, dessen Saft in frischen Schößlingen ausbricht, bis an den Hals, ein schön kühler T u m m e l p l a t z ; allerlei Arten Bohnen vermengt mit ihrem K r a u t sind als N a h r u n g zu geben, dazu Weizen. Täglich am Abend ein Wasserbad. Die Kost ist mit gesottener Milch und viel zerlassener B u t t e r v e r s e t z t : das ist die Regel für die Pflege im Herbste. Aufsuchen der Morgensonne, ein Pferch mit H a u s in Sumpfland, das von viel Wassergetier belebt ist, u n d einmaliges Eint a u c h e n der Elefanten in sehr tiefem Wasser wird von den Kundigen empfohlen. Die E l e f a n t e n sollen am Kopfe mit ö l gesalbt werden: das ist die Regel f ü r die Pflege in der Winterszeit. So wird von den Kundigen die Lebensweise der Elefanten in allen Jahreszeiten nach der Reihe gewiesen. Schreckhaft, mit gespaltenen Nägeln, unsteten Sinnes, „zuwider" im Gefühl, mit schlaff wackelnden, dicken Füßen u n d rauhem Fell, nicht viel aushaltend, mit kümmerlichem gesträubten H a a r , unruhig-ängstlich, mit sichtbaren Sehnen u n d Adern, mit rauhen Stoßzähnen u n d mißgestalten (nämlich großen) Augen, unklug u n d u n b e q u e m bei der A r b e i t : ein solcher Elefant h a t unter den Leibesstoffen ein Ü b e r m a ß von Wind. Jähzornig, mit haarlosen Augen, schmächtig an Rüssel, Stoßzähnen und Fell, an Nägeln, Ohren, H a a r e n , Hals, Leib und Hinterbeinen. Viel fressend, mit rötlichen Augen, schwächlich und voller Falschheit. Nach Schatten verlangend und der W ä r m e abgeneigt. Er sondert n u r kurze Zeit Brunstschweiß ab, sein Gefühl ist an der Oberfläche ausgebreitet. Auf die 126
Höhen m u ß m a n ihn treiben, Niederungen dagegen sucht er a u f : das ist der E l e f a n t , der ein Übermaß von Calle u n t e r den Leibesstoffen h a t . E r ist nicht besonders schön. Gelbäugig, großmächtig an Rüsselfinger, Rüssel, H a u p t u n d Schläfenwülsten u n d anderen Körperteilen. Leidlich f r e u n d lich. E r gerät nicht allzusehr in Zorn und ist langsamen Feuers u n d furchtlos. Sein Gefühl sitzt in der Tiefe. E r ist fest, unerschütterlich, leicht zu lenken und nur geheim im I n n e r n unruhig. E r liebt Gesang, Lautenspiel und andere Musik. Seine Stoßzähne sind feist u n d glatt und sein Schreiten überaus langsam. Und er steckt voll Liebesverlangen: das ist der Elef a n t , bei dem Schleim u n t e r den Leibesstoffen überwiegt. Ein E l e f a n t , dessen Augen und Zähne honiggelb sind, dessen Glieder ebenmäßig u n d wohlgefügt sind, ein Held, nicht hager, m i t viel Brunstschweiß und gleichmäßigem Feuer, mit „ a n gemessenem" Gefühl, dessen Rückgrat sich schön wie ein Bogen s p a n n t : dessen Leibesstoffe sind im Gleichgewicht. Über Krankheiten, die von den Leibesstoffen, wenn sie gestört sind, angerichtet werden, über Folgen, die auf Grund von Vorzeichen eintreten oder ausbleiben, kennen sich nicht einmal die heiligen Seher aus, wieviel weniger die Menschen. Ihr Schöpfer b e s t i m m t e den Elefanten ein Leben in der Wildnis. Wenn sie das aber nicht gewährt bekommen, werden ihre Leibesstoffe, etwa der Wind, schnell gereizt u n d bringen Krankheiten des Leibes u n d des Gemütes hervor, weil die Elefanten essen u n d t r i n k e n , was ihrem Wesen nicht gemäß u n d was nicht nach ihren Wünschen ist, weil ihre N a h r u n g ihnen zuwider geht u n d unverdaulich ist, und weil sie, z. B. auf Märschen an unbekömmlichen Stellen lagern müssen. Beim brunsttollen Elefanten wird das Geschlecht v o m unablässig tropfenden H a r n entzündet. Es m u ß mit rotem Bergkalk von der Menge eines „ S t r o h h a l m s " , der mit zerlassener B u t t e r gemischt ist, besprengt werden. Wenn der E l e f a n t saugende Bewegungen macht u n d die Augen schließt, wenn er a m Erdboden oder an einem B a u m e , in der L u f t oder a m Winde schnüffelt, wenn er schlaff wird u n d ihm das Mundinnere austrocknet, wenn seine Ohrenspitzen zucken u n d sich entfärben, wenn er immer wieder 127
g ä h n t lind in Geistesabwesenheit verfällt u n d im Staube umhertastet, wenn sein H a r n rot ist und seine Augen sich röten, so sind das Zeichen, d a ß Durst den Elefanten ü b e r m a n n t . Vornehmlich durch Wasser heilen alle W u n d e n des Elef a n t e n , schwinden ihm Hunger und Durst u n d andere Leiden, d a n k der Gunst des „Lotusentsprossenen" (Brahma). Die Krankheiten der Elefanten kommen großenteils von W ü r m e r n , o König von A n g a ; d a r u m müssen den Elefanten immer wurmtötende Mittel eingegeben werden. Den „ K ö n i g der P u l v e r " , in d e m 8 Teile Hingu (Asa foetida) und 27 Teile Guggulu (Bdellium) sind, u n d andere Pulver soll m a n in Ol u n d zerlassener B u t t e r eingeben. Das „ P ä k a l a " genannte Fieber erkennt der Kundige an den selben Zeichen wie das Fieber der Menschen, und daher ist es auch mit denselben Mitteln zu behandeln. Gelegentlich der Störungen im Gleichgewicht ihrer Leibesstoffe und anderer unzuträglicher Dinge ist schon gesagt worden, worin sich die Elefanten von den Menschen unterscheiden. D a r u m soll, wer darüber Bescheid weiß, die Elef a n t e n , wenn er die Art ihrer E r k r a n k u n g festgestellt h a t , nach A r t der Menschen behandeln. Elftes S t ü c k : Pflege der Elefanten nach Tages- und Jahreszeiten.
XII. Ein Elefantenaufseher sei klug und wie ein König anzusehen, f r o m m und seinem Herrn ergeben, lauter und seinem Gelöbnis treu, frei von Krankheiten, beherrschten Blickes u n d zuchtvoll. Kraftvoll soll er sich auf seine Arbeit verstehen, soll freundliche Rede lieben und seine Kunst von einem guten Lehrer gelernt haben. Er soll gewandt sein u n d ruhevoll, Zut r a u e n einflößend, bewährt in Zuspruch u n d Lenkung des Elefanten, furchtlos und aller Dinge kundig. Einen, der geschickt ist im Gange der A b l i c h t u n g und die verschiedenen Arten des Antreibens mit Stachel u n d Keule k e n n t , der E r f a h r u n g über die K r a f t der Tiere u n d über Ort 128
u n d Zeit besitzt u n d geschickt ist in der Behandlung zur Brunstzeit, der sich auf die Möglichkeiten des Auf- und Absteigens versteht, ruhig ist u n d die K r a f t der J a h r e u n d die empfindlichen Stellen der Elefanten k e n n t , solch einen nennen die Heiligen einen Lenker f ü r die Elefanten eines Königs. Von dreierlei A r t ist der L e n k e r : er erreicht den oberen Strich des Maßes o d e r : er ist gescheit, oder: er ist stark. Der erste u n t e r diesen ist ganz dem Elefanten gleichgeartet. Der mittlere ist das Wesen von Elefant u n d Elefantin. Der letzte s c h a f f t ' s aus der K r a f t des eigenen Verstandes. Das sind die E l e f a n t e n h ü t e r . Sie sind der Reihe nach als ausgezeichnet, mittelmäßig u n d gering anzusehen. Den letzten u n t e r ihnen soll m a n vermeiden. Schwer zu besiegen f ü r die Feinde ist ein Lenker, der erfahren ist in den Arten des Auf- und Absteigens bei Elef a n t e n , in den Arten, auf ihren Schultern zu sitzen und auf d e m hinteren Teil, erfahren in den Arten des Antreibens mit W o r t e n , mit den F ü ß e n u n d mit dem Stachel, erfahren in der K u n s t , E l e f a n t e n durch Straßen und in der Truppe schreiten u n d laufen zu lassen, sie wenden und anhalten u n d mit feindlichen Elefanten k ä m p f e n zu lassen. Bei König u n d Volk ist ein Lenker beliebt, der bösartige Elefanten bändigt, der andere, deren Rausch noch nicht ausgebrochen ist, schnell in Rausch versetzen k a n n , der Elef a n t e n ohne Schnelligkeit in scharfe Läufer verwandelt, der die zum Schlagen unlustigen zu besonders schlagfertigen ausbildet u n d im Besteigen der Elefanten geschickt ist. Elefanten sind von dreierlei Art. Dreifach ist die Art sie anzutreiben. Von dreierlei Art ist ihr Gang. Deutlich sind drei Sitze a m Vorderteil und fünf hinten. Auf sechserlei Weise wird der Stachel g e h a n d h a b t . Es gibt fünf Formen der Bewegung. Es gibt acht Arten aufzusteigen und zehn herunterzusteigen. Wie schon gelehrt, teilt man die Elefanten in drei A r t e n : als „Glückbringende", „ L a n g s a m e " und „ W i l d e " ; hier werden, mit dem Antreiben beginnend, der Reihe nach die Gangarten u n d die übrigen P u n k t e erörtert. 129
Das Vorwärtsbewegen des Elefanten mit W o r t e n , mit den F ü ß e n und mit dem Stachel heißt „ A n t r e i b e n " . Unter diesen drei Arten ist das Verfahren, sie mit Worten vorwärts zu bewegen, dreifach. Als nächste unter diesen drei' Arten soll m a n den zärtlichen Zuspruch wissen, der F u r c h t u n d Zorn nicht a u f k o m m e n läßt. Darauf folgt, ihm v e r w a n d t , das Geheiß als zweites. Als drittes wisse m a n die Drohung. Mit Sanskritworten, die auf die auszuführende H a n d l u n g gehen, und mit Worten der Volkssprache in der M u n d a r t der Landschaft soll der Lenker den jungen Elefanten unterweisen, d a ß er begreift, was er t u n soll. Der L a u t „ h u m h u m " bed e u t e t Niedersitzen. Wenn er etwas bei der Arbeit (mit dem Rüssel) ergreifen soll, m u ß ihm der Lenker flink „ n i m m , n i m m ! " zusprechen und „hoch, hoch!", wenn er es mit dem Rüssel aufwärtsheben soll. Mit „steh, s t e h ! " soll er ihn lehren stillzustehen, „ k o m m , k o m m ! " heißt er ihn ebenso beim Kommen, „geh, g e h ! " beim Gehen, usf. Der Lenker steckt beide Füße durch die N a c k e n k e t t e des Elefanten und umfängt ihn mit festem Schenkelschluß, indem er seine großen Zehen u n d Fersen mit festem Druck an ihn p r e ß t und sitzt festen Sinnes starr wie ein Klotz. Fest in der Rechten hält er den Stachel und ebenso in der anderen H a n d den Treibstock aus Rohr oder anderem Material u n d lenkt aufmerksamen Sinnes feinfühlig den Elefanten. Will er den Elefanten vorwärts bringen, drückt er ihn fest mit beiden Zehen. Soll er den Kopf heben, so richtet er beide Zehen auf, und um seinen Kopf nach u n t e n zu bringen, drückt er sie abwärts. Will er den Elefanten nach rechts lenken, bohrt er ihn mit der linken Zehe und umgekehrt. Mit beiden Fersen drückt der Kluge fest den Elefanten, um ihn zu „versammeln". Es gibt drei G a n g a r t e n : Langsam, schnell u n d Laufen, und fünf Bewegungsformen: Vorwärts, rückwärts, im Bogen, schräg und die Kehrtwendung. Zwischen Nacken und Rückgrat liegt der Buckel. Vor ihm sind hintereinander drei Sitzplätze: der H a u p t - , Mittel- und Niedersitz. Der erste mit hängenden Beinen, der nächste mit angezogenen Knien, der hinterste Sitz n u r — das sollen die Klugen wissen — auf den Knien. 130
Ein Sitz 1 , bei dem die Beine beiderseits des Rückgrats herabhängen u n d ein anderer mit angezogenen Knien. Diesen merke m a n als den „Beugekniesitz", den ersten aber, weil er räumig-hoch ist, als „Hochsitz". Einen weiteren wisse m a n mit hochgezogenen Knien, den nächsten wisse man mit gebogenen Knien als den „Schildkrötensitz". „Froschsitz" ist der, bei d e m die Knie gebogen und Oberschenkel und Unterschenkel aneinandergelegt sind. Als B r a h m a sah, d a ß die Elefanten gewaltigen Leibes, gebläht von Lebensfülle, in ihrer scharfen Glut alles, was sich da regt, in großes Wirrsal brachten, schuf er mitleidsvoll auf Bitten Skandas — des Kriegsgottes — einen Mann mit hochragendem Diadem. Seine Augenwinkel waren rot vor Zorn, er bleckte die funkelnden Hauer. Seine Hand war mit scharfschneidendem Kuschagras gezeichnet (ankita) und davon heißt er „ S t a c h e l " („ankuscha"). Vier Arten Stachel schufen die F ü r s t e n der Weisen: von Gestalt des Blitzkeils, des Halbmondes, des Nagels und des Ketakadorns. In sie ging der Mann ein und weilt in ihnen, u m immerdar rauschtolle u n d besonders bösartige Elefanten zu bändigen. Am „ B a l d a c h i n " (vitäna), am „ W u l s t " (vidu), am Halse, a m äußeren Augenwinkel (niryäna), am Gipfel (mastaka) u n d a m „ W e g n e h m e r " (avagraha) 2 soll man wissen, sind die sechs Stellen, die der Stachel t r i f f t . Zum Vorwärtsgehen ist ein Schlag, der vorn den Kopf streift, zu versetzen. Soll der Elefant rückwärts gehen, f ü h r t m a n den Stachel an derselben Stelle nach unten, und nach oben, wenn der E l e f a n t aufstehen soll. Wenn er sich nieder1
Beschreibung der fünf hinteren Sitze.
* Zu vidu, niryäna, avagraha vgl. Kap. V I ; vitäna und mastaka sind gleichfalls Stellen im Gesicht. Ihre Lage zueinander geht aus I I I . 29 hervor: Über dem „ W e g n e h m e r " (dieser beim indischen Elefanten im Profil so ausgeprägten geschwungenen Mulde oberhalb des Rüsselansatzes) liegt der „ p u r a s k ä r a " . Über dem puraskära der Augenwinkel (niryäna). Zwischen beiden Augenwinkeln der „Bausch des Wegnehmers" (avagraha-varti). Über dem „Bausch des Wegnehmers" die beiden „Gipfel" (mastaka). I n der Mitte der beiden „Gipfel" der „ W u l s t " (vidu). An den Außenseiten beider „ G i p f e l " liegen die beiden „Baldachine" (vitäna).
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lassen soll, drückt man den Stachel nach unten ein. Um ihn nach links zu lenken, dient ein Schlag in die entgegengesetzte Seite. Entsprechend ist auch sonst, je nach Umständen, die Handhabung des Stachels. Leichtes Berühren mit dem Stachel, Eindrücken, heftiger Schlag, Eindrücken mit vorher Ausholen, Rückwärtsreißen mit vorher Ausholen und heftiges Herumdrehen mit vorher Ausholen sind die Arten, den Stachel zu gebrauchen. Unter ihnen gilt als erste Art, wenn der Stachel nur eine halbe Fingerbreite eindringt; beim „Eindrücken" und den folgenden Arten kommt jeweils eine halbe Fingerbreite hinzu. Damit ist die Reihe der Schläge mit dem Stachel aufgezeigt 1 . An den beiden Seiten, den beiden „unbewehrten" Stellen der Weichen und an der Schwanzwurzel liegen die fünf Stellen für den Schlag mit der Keule. Über die beiden Ohren, die vier Füße, das Gesicht und im Sprunge, das sind die acht Arten des Aufsteigens. Im Hinterherlaufen von hinten, das ist das „Aufspringen". Über den Schwanz, die vier Füße und das Gesicht, über die beiden Seiten und Ohren werden von den Klugen zehn Arten des Absteigens genannt. So offenbarte der Heilige Pälakäpya dem Könige „Haarfuß" (Romapäda) die Bändigung der Elefanten. Da ward des Königs Wesen von Freude hin- und hergeschaukelt, und er ehrte den Heiligen mit Gastgaben und Fußwasser. Sehr lange herrschte er über die breite Erde, weil er — ganz Mitleid — darauf bedacht war, die Elefanten zu hegen. Die feindlichen Erdbeherrscher sanken vor ihm dahin, der zum Schutze alles Lebens wachte. 1 Die folgenden drei Verse enthalten Rezepte für Salben, mit denen der Stachel eingeschmiert werden soll, um den Elefanten gefügig zu machen. Als Ingredienzen werden allerlei Pflanzenstoffe (kleingestoßen in Kuhurin) und an tierischen Stoffen Pferdegalle, Hundertfuß, Gazellenhaare, Schlangenhaut, Skorpion und Eidechsenkopf genannt.
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Die alten Weisen lehren, „ r o m a " (Haar) bedeute Lotos; weil seine Füße (päda) mit Lotosblüten gezeichnet waren, hieß der König „ R o m a p ä d a " . Weil er die Elefantenherden schützte (pälana) u n d zum Ceschlechte der K ä p y a gehörte, ward jener auf göttliches Geheiß „ P ä l a k ä p y a " genannt. Aus d e m unergründlichen Meere der Elefantenkunde, die Könige u n t e r den Weisen verkündet haben, e n t n a h m ich dieses kleine „Spiel u m den E l e f a n t e n " — mögen Kundige es verbessern! Zwölftes S t ü c k ; Von den Eigenschaften des Lenkers usw.
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N A C H S P I E L
D I E ROLLE DES ELEFANTEN IN DER INDISCHEN LITERATUR
entspricht seinem Ansehen. Er ist in Gleichnissen wie Sinnsprüchen beliebt, Geschichten, in denen er bedeutsam auftritt, ließen sich leicht zuhauf bringen. VomBuddha allein werden sieben frühere Leben erzählt, die er als Elefant verbrachte. Die Schilderung menschlicher Schönheit braucht ihn gern zum Vergleich: — das wiegend leichte Schreiten des Riesen für den Gang der schönen Frau in ihrer elastischen Fülle, die pralle, gelenkige Rundung des Rüssels für den Schwung ihrer Schenkel. Die würdevolle Wendung seines ganzen Leibes, wenn er sich dreht, um hinter sich zu blicken, der „Elefantenblick" bezeichnet einen Abschiedsblick des gealterten Buddha auf eine schöne Stadt, die er bei seiner letzten Wanderung zur Stätte des Nirväna berührte. Seine riesige Fußspur, in der die Spuren aller anderen Tiere Raum finden, ist ein Symbol der Buddhalehre, die alle anderen Erkenntniswege und -ziele übergreifend in sich aufhebt. Allein die buddhistische Überlieferung, in deren volkstümlichen Teil vorarisches Indien, vom Brahmanismus weithin beschwiegen, so vernehmlich laut wird, gäbe Stoff zu einem großen Kapitel eines indischen Elefantenkorpus, das als Ganzes dem Format seines Gegenstandes entsprechen könnte. Aber hier soll Nilakanthas Traktat, der als indisches Spezialwerk über das Geschöpf indischer Erde Gehör verdient, nicht aus anderen indischen Quellen bereichert zu einem Wälzer aufgeschwellt werden, sondern nur erläutert und in seine geistige Umwelt gestellt werden. Den wesentlichsten Dienst hierzu leistet das „Wissen vom langen Leben der Elefanten", dessen autoritativer Ernst die natürliche Ergänzung des „Spieles 1 ' bildet. Da es im Vorspiel so oft zur Sprache kam, soll es zum Nachspiel kurz charakterisiert werden. Eine eingehendere Analyse seines weitschichtigen Stoffes würde erfordern, daß man wiederum auf seine Umwelt einginge und die Beziehungen, die es mit der Pferde- und vor allem der Menschenheilkunde verbinden, herausstellte, alle drei aber mit der griechischen Medizin vergliche. Das umfangreiche Werk ist aus Vers und Prosa gemischt, seine Verspartien umfassen mehr als 7600 Zweizeiler, die Prosa (mit Merkversen durchsetzt) verteilt sich auf 46 Kapitel. Beide Stile 136
weisen auf zwei Quellen hin, aus denen der Text zusammengeflossen ist. Sie sind nicht in eins gearbeitet, sondern aus Respekt vor der Überlieferung einfach ineinandergeschoben, sie ergänzen sich, aber überschneiden sich auch oft. So sind dieselben Gegenstände oft an mehreren Stellen erörtert, und die Reihenfolge der Darstellung ist unübersichtlich. Nachträge im „Schlußbuch" ergänzen und erhellen Ausführungen der voraufgehenden Teile. Das H a u p t t h e m a der Heilkunde, die Humoralpathologie wird in seiner Beziehungsfülle erst klar, wenn m a n vielfach verstreute Angaben und verschiedene prinzipielle Ausführungen darüber zusammenfaßt. Der Text ist stellenweis verdunkelt u n d weist Lücken auf, die sich mit dem Fortfallen einzelner Blätter der Handschrift erklären, die den vier Handschriften des Druckes zugrunde lag (z. B. bei II. 17/18, II. 69/70, II. 72, IV. 7/8/9). Namen einzelner Autoritäten werden verzeichnet: Käschyapa über Gifte (II. 8 und 11, I I I . 28), Gärgya, Agnivescha, Gautama und Bharadvaja über Fettkost (IV. 4), Caraka, der Verfasser des klassischen Kompendiums der Menschenmedizin aus dem 1. J a h r hundert n. Chr. (II. 58), Jaradgava, die S. 77 genannten Lehrer der Typenreihen) — aber für eine Geschichte der Elefantenheilkunde ergibt ihre Nennung so wenig, wie die Erwähnung des Königs von Kaiinga im „Spiel" (XI). Von der Abfassungszeit des Werkes zu sprechen bringt Verlegenheit. Es hat etwas von der Zeitlosigkeit seines Gegenstandes. Als Wissen von seiner Pflege steht es dem Elefanten durch die Dauer seiner Lebensgemeinschaft mit dem Menschen zur Seite u n d ist durch die Zeiten an Erfahrungen und Theorien gewachsen. Altertümliche Vorstellungen und Verknüpfungsweisen, wie sie dem Denken vedischer Opferpriester geläufig sind, haben in ihm ihre zeitlose Geltung bewahrt neben der rationalen Humoraltheorie, Mythen, die den Veden bekannt sind, stehen neben magischen Kreisdiagrammen (mandala) und Sprüchen, wie sie für die große Endepoche der Hindureligion, die Schicht der Tantra bezeichnend sind. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß erst die einwandernden Arier den indischen Elefanten fingen und z ä h m t e n ; seine Lebensgemeinschaft mit dem indischen Menschen wird vor der Schwelle der Zeiten gestiftet sein, die für unseren geschichtlichen Blick leidlich erhellt sind. Die Vorstellung vom Elefanten als magischen Regenspender konnte nur in seiner indischen Heimat entstehen und hält sich selbstgenugsam neben arisch-vedischen Anschauungen von der Herkunft des Regens; sie scheint nicht erst neben und nach ihnen erwachsen, sondern vor ihnen bestanden zu 137
h a b e n , wie E l e f a n t u n d Monsunwolken. Der E l e f a n t e n z a u b e r des A t h a r v a v e d a bezeichnet augenscheinlich d a s E i n d r i n g e n volkst ü m l i c h - v o r a r i s c h e r A n s c h a u u n g in die G e d a n k e n w e l t a r i s c h - b r a h m a n i s c h e n P r i e s t e r t u m s . So reicht die E l e f a n t e n k u n d e wohl i n d e n Morgennebel vorarisch-indischer F r ü h z e i t z u r ü c k u n d m a n c h e s a u s i h r e m vorliegenden B e s t ä n d e mag zeitlos alt sein, wie es h e u t e n o c h lebendig u n d im Schwange ist, wo R ä j a s E l e f a n t e n h a l t e n . ( D e r H e r a u s g e b e r des „ S p i e l s " versichert, der T e x t sei in der L a n d s c h a f t K e r a l a v e r b r e i t e t ; dasselbe h a t gewiß v o m „ W i s s e n " i n größerer räumlicher W e i t e zu gelten: zwei seiner H a n d s c h r i f t e n s t a m m e n aus J a i p u r i m N o r d w e s t e n , e i n e d r i t t e a u s C a l c u t t a i m O s t e n . ) Dieses Wissen ist ein I n e i n a n d e r v o n E r f a h r u n g m i t T r a d i t i o n e n u n d I m p r o v i s a t i o n e n des m y t h i s c h e n D e n k e n s . Teleologische oder genetische B e t r a c h t u n g s w e i s e des E l e f a n t e n k e n n t es n i c h t . W a r u m die einzelnen Geschöpfe so sind, wie sie sind, ist u n e r g r ü n d l i c h . Sie k ö n n e n a u c h nicht als W u n d e r w e r k e einer göttlichen V e r n u n f t d e m Menschengeiste verständlich werden u n d i h m v o n der Weish e i t des Gottes sprechen, obschon göttliche Ü b e r l e g u n g o r d n e n d in ihre N a t u r mit m y t h i s c h e r H a n d l u n g eingriff. Gelegentlich der „Zergliederung des L e i b e s " heißt es ( I I I . 9 ) : „ W i e R i n d , B ü f f e l , P f e r d u n d K a m e l einander ähnlichen Leibes sind, so sind die Elef a n t e n (ihnen gegenüber) seit sie in die W e l t h i n a u s t r a t e n , n a c h i n n e n - s c h w i t z e n d . — E i n f ü ß i g , zwei- u n d vielfüßig, v o n vielerlei G e s t a l t , Schnelligkeit u n d Einsicht sind die leiblichen Wesen eina n d e r ungleich seit ihrem H e r a u s t r e t e n in die S c h ö p f u n g . So soll m a n a u c h wissen, d a ß die E l e f a n t e n n i c h t den ü b r i g e n T i e r e n gleich s i n d : Sie schwitzen n a c h innen, h a b e n v e r b o r g e n e H o d e n u n d schlagen mit d e n H ö r n e r n , die ihnen i m M u n d e sitzen. D u r c h die S c h ö p f u n g des w e l t w a l t e n d e n Gottes sind die E l e f a n t e n n i c h t a n d e r e n Tieren gleich. B r a h m a , der E n t f a l t e n d - D u r c h w a l t e n d e , weiß die Ursache d a v o n bei ihrer H e r v o r b r i n g u n g . Der u n e n d lichen W e l t e n u n d Werdewesen Ursache zu e r k e n n e n , ist n i c h t möglich, sie ist göttliches Geheimnis. . . .den Gehalt der Lehre wird der einsichtige, k u n d i g e A r z t , i n d e m er sich a n die gültige Lehrüberlieferung h ä l t , aussagen, wie es sich g e h ö r t ; das U n a u s d e n k b a r e soll er auf sich b e r u h e n lassen." E r f a h r u n g e n u n d Theorien gibt es hier, wie überall, w e n n der Mensch die Welt s t u d i e r t , in Fülle. Aber erst die griechische H y b r i s schuf mit der H y p o t h e s e , der Z u s a m m e n h a n g der Dinge sei d e m Geiste n a c h Gesetzen begreiflich, eine d e m Geiste begreifliche W e l t . Mit der Voraussetzung, alle E r s c h e i n u n g lasse sich in der B e s o n d e r h e i t ihrer W i r k u n g s z u s a m m e n h ä n g e gesetzlich ableiten — der t r e i b e n d e n U n r u h e i m westlichen Wissen —, f e h l t dieser
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Tiermedizin, wie indischer Heilkunde überhaupt, der Drang zu einem System, das in sich stimmen will und an der Unmöglichkeit, seine gefundenen Gesetze unter sich und mit dem Befund der Dinge in völligen Einklang zu bringen, sich selbst immer wieder in Frage stellend zu neuen Systemansätzen weiterschreitet. Hier kommt E r f a h r u n g wohl zur Verallgemeinerung, vor allem in den Anschauungen vom Wirken der Leibesstoffe, stößt sich aber an keinen Grenzen, die ihr Recht, so allgemein zu gelten, in Frage stellen und sie zwingen, in Bestimmung ihrer Grenzen ihren eigenen Gehalt neu zu bestimmen. Vorstellungen, die von verschiedenen Lebensaltern u n d Typen des Denkens entwickelt wurden, stehen treu bewahrt nebeneinander, greifen, sich ergänzend und überschneidend, ineinander — Mythos und Magie neben rationaler Betrachtung —, ohne einander zu stören. Gerade ihre friedvoll-vielfältige Verzahnung, ihr reiner Zusammenschluß schaffen hier ein System des Wissens. Es beruht auf stofflicher Vollständigkeit, auf der Vereinigung aller Gesichtspunkte und Verfahren, die in den Strom langer Überlieferung gemündet sind, nicht auf der Einsinnigkeit ihrer Prinzipien. Die rationale Welt westlicher Wissenschaft dankt ihr Entstehen ganz wesentlich dem Heraufkommen einer streng rationalen Medizin. Nicht die Einsicht in den regelmäßigen Gang der Gestirne oder Gesetze der Mechanik haben die Welt ihres dämonischen, magischen Helldunkels entzaubert. Ordnung und Regelgang der N a t u r ist dem mythischen Denken geläufig. Seine Welt zerbirst erst an dem Entschluß, das Gesetz als allein gültige Anschauungsform des Geschehens in der gedanklichen Konstruktion des Wirklichen gelten zu lassen, aber den Willen irgendwelcher Mächte und die Möglichkeit undurchsichtiger Wirkungen als Erklärungshypothesen beiseite zu lassen. Der Arzt der Elefanten aber soll mit dämonischen Mächten und mit Behexung (abhicära) rechnen. Gunst und Zorn der Götter spielen in sein sachgemäßes Verfahren hinein. Wenn man sie am Eingang der K u r bittet, können sie Beschwichtigung der Leiden schicken; versäumt man, sie zu gewinnen, schicken sie das Leiden aufs neue. „Die verordnete Darbringung für die Götter soll er ungesäumt vollziehen, sonst wird der Zorn der Götter unerbittlich." — Behexung liegt vor, wenn der Elefant Symptome verschiedener Krankheiten zugleich zeigt und durch die ihnen entsprechende Behandlung nicht zu heilen ist. Dann hilft nur Gegenzauber. So gehören Kult- u n d Zauberübung zu den Dingen, die man „wissen muß, um Arzt zu sein" ( I I I . 6), wenn man der vollkommene Arzt sein will, „ d e m nichts unüberwindlich ist". Zimmer, Spiel u m den Elefanten
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Beide Gegenstände werden im Zusammenhang eines Kapitels genannt, das die Summe ärztlichen Wissens der Elefantenkunde in Stichworten mit kurzen Ausführungen nach Zahlengruppen geordnet verzeichnet. E s fängt bei den fünf Elementen an: Aus Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum besteht die Welt, „ a u s ihnen kommt den Elefanten alles". Ihnen entstammen die fünf Sinnesorgane und -kräfte und ihre gegenständlichen Bereiche. Sieben sind die Grundstoffe des Leibes: Speisesaft (chylus), Blut, Fleisch, Fett, Knochen, Mark und Same; drei sind die Leibesstoffe: Wind, Galle und Schleim. Zwei wichtige Punkte, die es zu wissen gilt, sind Nahrung und Verhalten. Wenn beide nach Ort und Zeit angemessen sind, befinden sich die drei Leibesstoffe im Gleichgewicht. Vielfältig ist die Gemeinde der Lebewesen, denen die Heilkunde hörig ist: Eihautgeborene, Eigeborene, Sprossende und „Schweißgeborene" (Ungeziefer, das aus Schmutz in der Wärme des Leibes entsteht) — eine gebräuchliche Einteilung, in der göttliche und dämonische Geschöpfe keinen Raum haben. Sie sind bewegungsfrei (Tier und Mensch) oder standgebunden (Vegetation: sprossend). „Diese vierfältige Gemeinde der Wesen besteht, indem eines dem anderen zu Dienste ist. Davon kommen die Lebenssäfte." Fünf Atemkräfte wirken im Leibe, der „Vorhauch" besorgt Atmen und Niesen, der „ A b h a u c h " schafft Kot und Harn, wenn sie vom Verdauungsfeuer gar gekocht sind, aus dem Leibe, der „Zusammenhauch" kocht und hält die aufgenommene Nahrung in der Leibesmitte, der „Auseinanderhauch" verteilt den gar gekochten Speisestoff über den Leib hin an die Leibesstoffe und der „Aufhauch" führt ihn vom Speisesack nach oben. — Von größter Bedeutung aber ist es, um die Eigenart der drei Leibesstoffe und ihre Beziehung zu den Säften der Natur zu wissen und wie der Kreislauf des Jahres auf diese beiden Gruppen von Größen wirkt. Von ihrem glücklichen Zusammenspiel hängt Gesundheit oder Erkrankung des Gemütes ab. Kommt im einzelnen Falle ärztliche Behandlung in Frage, so hat der Arzt auf vielerlei zu achten (im ganzen 14 Punkte). Z. B. auf Zeichen der Langlebigkeit am Patienten, die an der vollkommenen Ausbildung seiner Leibesteile abzulesen sind, und auch auf seinen Kräftezustand. Die K r a f t des Elefanten läßt sich an seinen Marschleistungen messen, z. B . ob er 10 yojana zu laufen vermag oder mit einem Pfosten fertig wird, der vier Ellen (hasta) tief in der Erde steckt, acht Ellen hoch ist und vier Torriegelbalken im Umfang mißt. K r a f t und Leibesgröße stehen ja in keinem eindeutigen Verhältnis zueinander: Auch Tiere mit kleinem Leibe können von großen Kräften sein, z. B. die Ameisen, die das zehnfache Gewicht 140
des eigenen K ö r p e r s zu s c h l e p p e n v e r m ö g e n . E s gibt a n g e b o r e n e u n d d u r c h E r n ä h r u n g verliehene K r a f t , zu ihr r e c h n e t a u c h die W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t gegen S t r a p a z e n , V e r w u n d u n g e n u n d bei ärztlichen Eingriffen. Schwäche beruht auf Anlage (prakriti), K r a n k h e i t , L e b e n s a l t e r oder M e d i k a m e n t e n . I n der D o s i e r u n g d e r Mittel ist auf sie R ü c k s i c h t zu n e h m e n . D a s Wesen der E l e f a n t e n ( b e s t i m m t d u r c h die drei g u n a , vgl. o b e n S. 83 ff.) m u ß b e a c h t e t w e r d e n , u n d was i h m w e s e n s g e m ä ß i s t : d a ß der E l e f a n t v o n G e b u r t zu d e n m i l c h t r i n k e n d e n T i e r e n g e h ö r t , sich v o n P f l a n z e n u n d B ä u m e n n ä h r t , zu b a d e n l i e b t u n d d a s K ü h l e i h m w e s e n s g e m ä ß ist. U m seine drei Leibesstoffe i m richtigen Verhältnis zu e r n ä h r e n , gilt es, die sechs S ä f t e der N a t u r wahlweis zu v e r a b f o l g e n , d e n n „ d i e drei G r u n d l a g e n ( p r a k r i t i bes t i m m t d u r c h Vorwiegen eines g u n a ) h a b e n W i n d , Galle u n d Schleim zu i h r e m W e s e n . E s gilt zu u n t e r s c h e i d e n , welcher A r t eine K r a n k h e i t i s t : ob heilbar, schwer h e i l b a r , zu l i n d e r n oder u n h e i l b a r . U n h e i l b a r e K r a n k h e i t e n „ h a b e n S y m p t o m e v o n S t ö r u n g aller Leibesstoffe. S i n n e s k r ä f t e u n d Leibesstoffe sind d u r c h e i n a n d e r g e b r a c h t , alle Stoffe b r i n g e n k r a n k h a f t e E r s c h e i n u n g e n h e r v o r . " Z u m n o t w e n d i g e n Wissen g e h ö r t a u c h die K e n n t n i s v o m B a u des E l e f a n t e n , z . B . d a ß er sieben S c h i c h t e n Fell,700Adern oder K a n ä l e h a t , d a z u 500 S e h n e n , 580 S e h n e n b a l l e n , 25 R ö h r e n u n d 9 6 0 0 0 H a a r p o r e n (die n a c h Meinung einiger n i c h t zu zählen sind). D a z u 320 K n o c h e n v o n sechserlei F o r m : Schalen, Löffel, Zwischenstücke, R ö h r e n , R i n g e u n d P l a t t e n u n d 318 Gelenke. F e r n e r die N a m e n aller Stellen a m E l e f a n t e n k ö r p e r (446 oder — vgl. o b e n S. 115 A n m . — 460) usw. W i c h t i g ist es, d e n r e c h t e n Z e i t p u n k t zur B e h a n d l u n g n a c h Tages- u n d J a h r e s z e i t e n d i ä t zu t r e f f e n , die drei L e b e n s s t a d i e n : J u g e n d , Mitte u n d A l t e r , wie die H e r k u n f t aus t r o c k e n e r , f e u c h t e r oder m i t t l e r e r L a n d s c h a f t wollen b e a c h t e t sein. B e s o n d e r e R ü c k sicht v e r d i e n t das V e r d a u u n g s o r g a n (grahani) hinsichtlich D i ä t wie M e d i k a m e n t e n , ob es scharf, l a n g s a m , e b e n u n d richtig oder zuwider a r b e i t e t , j e n a c h d e m Galle oder Schleim ü b e r w i e g e n , Gleichgewicht der Leibesstoffe h e r r s c h t oder der W i n d ü b e r m ä c h t i g ist. D a m i t h ä n g t Licht (jyotis) u n d F e u e r (agni) des Elef a n t e n z u s a m m e n . E i n E l e f a n t l a n g s a m e n F e u e r s f r i ß t z. B . n u r die H ä l f t e des F u t t e r s , d a s einer v o n s c h a r f e m F e u e r v e r z e h r t , der nicht zu s ä t t i g e n ist u n d alles v e r d a u e n k a n n . Hier a r b e i t e t vielerlei B e o b a c h t u n g z u s a m m e n , allerlei Ges i c h t s p u n k t e k o m m e n ernstlich zu W o r t , alle e r k a n n t e n F a k t o r e n werden in R e c h n u n g gestellt, a b e r es f e h l t der selbstgewisse O p t i 10'
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mismus der wissenschaftlichen Gesinnung, die keine dunklen Mächte anerkennt, sondern nur schwierige u n d zurzeit noch hoffnungslose Fälle. Wie in Anschauungen und Verhalten des Inders allgemein, spielen in dieser Heilkunde magische u n d rationale Motive durcheinander. Es gibt glückliche und unglückliche Zeiten nach Mond- und Sternenstand für Verrichtungen jeder Art. Danach m u ß man sich beim Fang der Elefanten, wenn sie nicht eingehen sollen (II. 12), richten, wie auch bei ihrer Behandlung, z. B. bei Verabreichung eines Klistiers (IV. 5) und bei chirurgischen Eingriffen (III. 11) usw. Es gibt glückbringende Himmelsrichtungen: Der Nordosten ist wie für Ställe als Platz für Operationen günstig ( I I I . 11). Nicht jeder Baum einer Art eignet sich zur Verwertung: Es gibt wohlgeratene und unglückbringende Exemplare u n d solche, die an unheilvoller Stätte wachsen. Man muß unter ihnen auswählen, wenn m a n Holzasche zum Ätzen gewinnen will ( I I I . 31), oder einen Pfosten braucht, an den der Elefant bei einer Operation gebunden werden soll (III. 11). Fällt man ihn, übt m a n dieselbe Vorsicht wie beim Holen von Bauholz für Häuser usw. H a t man einen passenden gefunden, bittet man die Wesen, die in ihm wohnen, auszuziehen und achtet darauf, daß er umgehauen in der rechten Richtung fällt und ob er keinen unheilkündenden Ton dabei von sich gibt. Der ärztlichen Verrichtung steht allerwärts der priesterliche Segen, magischer Spruch und Brauch zur Seite. So erhält das Holzgerüst (yantra), an das der Elefant bei Operationen gefesselt wird, seine Weihe durch eine Opferspende, das Zahnziehen (III. 34) wird durch ein Opfer eingeleitet. Priesterlicher Segensspruch (svasti) und magische Beruhigung (schänti) sind am Eingang und Abschluß vieler ärztlicher Verrichtungen unerläßlich. Viele Leiden sind dämonischen (rakschas, bhüta) Ursprungs und werden durch Spenden und Abwehrzauber (bali, homa, rakschäkarman) beschwichtet. Das gilt besonders vom Fieber (jvara, beim Elefanten päkala genannt), das beim Elefanten in zehnerlei Form auftritt. Eine von ihnen, die sich als Starre eines seiner Glieder äußert (I. 9 ekängagrahapäkala), stammt von Wasserdämonen (daher auch nach dem Wassergott Varuna „ v a r u n a g r a h a " genannt). Sie fallen den Elef a n t e n aus einem Gewässer an, das man nicht kennt, dem man kein Opfer dargebracht hat, wenn die Wärter den Elefanten aus Unachtsamkeit daran tränken oder darin baden. Aber auch an Tempeln, Kreuzwegen oder Leichenplätzen und wo immer böse Geister hausen, kann ihn die Krankheit befallen. Ihre Merkmale sind: Er kann
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irgendein Glied nicht bewegen, schnauft und schreit, steht geistesabwesend, und die Augen tränen ihm. Opfer und Beschwörung heilen i h n : Man bringt dem Wasser goldene Hakenkreuze (svastika) und eine Kuchenspende dar und beschenkt Mädchen (in Vert r e t u n g der weiblichen Wassergottheiten). Man opfert Varuna, dem Herrn aller Gewässer auf blumenbekränztem, mit goldenen svastikas geschmücktem Altar. Die Spende besteht aus saurer Kuhmilch, Honig, zerlassener Butter, Sesamkörnern und verschiedenen Arten Branntwein (der dem Gott des Nasses zugehört und nach ihm „ v ä r u n l " heißt). Brahmanen sprechen ihren Segen, der Arzt selbst (wie ein Hausvater zu priesterlichen Funktionen geeignet) bringt gen Osten gewandt nachts das Opfer dar, „. . . dem Gotte Varuna, . . . den Schlingen (sie sind Varunas Waffe, mit einer Schlinge ist der Elefant an seinem Gliede gelähmt), den Schlangen, den Packern . . . " — Eine Spende am Badeplatz ist von der Beschwörung begleitet: „Die vom Indra geschenkte Erde beschirmt der König durch seine T a t . Den Erdbeherrscher beschirmen die Götter als I n d r a samt seinem Reittier (dem Elefanten). Wer diesen Elefanten angegriffen hat, dem kann der von Indra beschenkte Erdbeherrscher in seinem Zorne sein Lebensbereich entziehen, das ist gewiß. L ä ß t der „ P a c k e r " den Elefanten frei, wird ihn der König ehren. D a r u m laß den Elefanten frei, tu ihm kein Leid! Verehrung d i r ! " usw. Nach einer anderen Vorschrift (I. 17, S. 135) „soll der Arzt (bei Fieber), nachdem ein gewöhnliches Opfer ausgerichtet ist, die Götter durch Darbringung von Juwelen, Körnern, Früchten und Blumen ehren, Brahmanen speisen und dem Priester als Lohn f ü r das ausgerichtete Opfer eine weiße oder rotbraune Kuh samt Kalb schenken, deren Leib mit weißem Sandel bestrichen und mit einer weißen Blumengirlande geschmückt ist, die silberne Hörner und goldene Hufe hat, in ein Gewand gekleidet ist und ein Messinggefäß als Melkkübel hat. „Weil sie Freisein von Krankheit schafft, soll der Arzt sie dem Brahmanen schenken." — Auch verschiedene Pflanzenwurzeln, die man am Stoßzahn des Elefanten festbindet und bespricht, sollen ihn gegen Fieberdämonen schützen. Besonders aber schützt Asche (bhüti) gesunde wie kranke Elefanten vor Fiebergefahr. Sie schützt vor allen dämonischen Wesen und soll zu ständiger Abwehr auf den Wangen, den Schläfenbuckeln, dem Fleisch beider Stoßzähne und anderwärts aufgetragen werden. Auch der Eingang des Stalles, der Pfosten und das Lager des Elefanten soll immer mit Asche bestrichen sein. Asche: der Rest des Scheiterhaufens, das Symbol des ewig allverzehrenden Todes, ist das Zeichen Schivas, des Oberherrn aller Geister und 143
Dämonenscharen, des Allgottes in seinem todbringenden Aspekte, der vornehmlich auch der Gott ist, der das Fieber schickt. Er kleidet seinen nackten Leib in die weiße Asche der Scheiterhaufen auf Leichenplätzen — wer sich also wie er mit Asche zeichnet, stellt sich in seinen Schutz und weiß sich gegen die Angriffe seines dämonischen Gefolges an Krankheiten gefeit. Asche ist eine Erscheinungsform seiner toddrohenden göttlichen K r a f t oder N a t u r (schakti) und wird als weibliche Gottheit (ihm gesellt, seinen Leib umfangend) verehrt. Als K r a f t oder weibliche Form des Allgottes ist sie Inbegriff aller Welt- und Lebenskräfte: ,,. . . die strahlende, heilige, . . . Glück, Schamhaftigkeit, Liebreiz, Durgä, P ä r v a t l , höchstes Gedeihen, . . . Geduld, Trank der Unsterblichkeit, Welterhalterin. . . . " — sie: die „Mutter lacht immerdar auf der Leichenstätte (alles Lebens, das sie hervorbringt und nährt, um es wieder zu verschlingen — die ganze Welt ist ein einziger ewiger Leichenplatz) von Geistern und Unholden besucht, wo Schiva spielt, den Leib mit Asche bestrichen." Schiva — und auch Vischnu — brachten Fieber hervor als dämonische Gestalten ihres Zornes. Darum können sie vor ihnen bewahren. Als die Götter im Kampfe um die Weltherrschaft den Dämonen (dänava) nicht gewachsen waren (I. 8), baten sie Schiva und Vischnu um Hilfe. Beide schufen aus ihrem Zorne ein Fieber (Schiva den jvara, Vischnu den prajvara), die f u r c h t b a r wie der Tod unter den Dämonen hausten. „Abgemagert, farblos, schlotternd, der Waffen, Wagen und Banner bar, zitternd, von Sinnen, ohne K r a f t , leidend, furchtgequält und vom Tode geschreckt" kamen die Dämonen zu Brahma, der sie erschaffen hatte, als ihrer letzten Zuflucht, und sein Wort befreite sie vom Fieber. Aber unter den übrigen Wesen haust das Fieber f u r c h t b a r , sie gehen daran zugrunde, wie der Blitz, der am Himmel verzuckt. Außer den Menschen hält kein Geschöpf es aus, sie überstehen es, weil sie ihm (das beim Elefanten die Glut von 12 Sonnen hat) mehr Lebensglut (tejas) entgegenzusetzen haben. Aus dieser mythisch-dämonischen Glaubenswelt als ihrer eigenen Wirklichkeit beschwört die Heilkunde die Bilder der beiden Fieberdämonen der großen Götter herauf (schaiva- und vaischnavapäkala, IV. 35): Die Erscheinung des Schivafiebers: „Mit feuerflammengleichen, in sich verschlungenen, aufgerichteten Haaren, mit hängendem Fleisch an Mund und Brauen, mit großen Ohren, großen Armen, mit mennigroten Gesichtern und schielenden Augen, mit weißblattfarbenen Backenbärten und breiten Gesichtern, mit bleckenden, scharfen Hauerpaaren in schlimmem Glänze,
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pferdsgesichtig, blauhalsig, b r e i t b r u s t i g , großkopfig, mit langen K n i e n , d ü r r e n W a d e n , breiten F ü ß e n u n d großen Nägeln, m i t einem S c h ä d e l k r a n z e g e s c h m ü c k t u n d einen Spieß t r a g e n d , m i t K ö p f e n n a c h allen Seiten, eine b e t t f u ß f ö r m i g e Keule in H ä n d e n , mit vielen W a f f e n zu H i e b u n d W u r f , in ein Tigerfell gekleidet, ein triefendes Elefantenfell ausgebreitet h a l t e n d , s t ö ß t er sein gelles L a c h e n aus u n d d r ö h n t vielfältige grausige Schreie, spielend schwingt er d e n f l a m m e n d e n Spieß u n d speit Fleisch u n d B l u t , in vielen seltsamen G e s t a l t e n s c h i m m e r n d , wie Weltu n t e r g a n g s f e u e r n i c h t zu e r t r a g e n . Auf seinem H a u p t e t r ä g t er d e n g e s o t t e n e n L e i c h n a m eines E l e f a n t e n , vielarmig, vielgesichtig, s t r a h l e n d , u n s i c h t b a r a n d e r e n Leibwesen, allein s i c h t b a r den E l e f a n t e n , der f u r c h t b a r e , der das Leben vernichtet, in dieser Gestalt w a n d e l t das (päkala-) Fieber, aus Scharvas ( = Schiva) Z o r n e n t s t a n d e n , e i n h e r . " Diese Gestalt des aus Schiva e n t s t a n d e n e n Fiebers ist eine Erscheinung Schivas selbst: g e s c h m ü c k t mit seinen Zeichen (Schädelk r a n z , Spieß,Tigerfell),blauhalsig, gell lachend u n d grausig schreiend. Sie ist in der K u l t p l a s t i k Südindiens z u m Bilde des „ G r o ß e n G o t t e s ' ' ( A b b . 8 u n d 9) e r h o b e n (z. B. in P e r u r u n d Madura). Die grausigg r o t e s k e n Züge des K r a n k h e i t s d ä m o n s — Visionen der in Leidensglut G e s c h ü t t e l t e n — sind freilich in der E r h a b e n h e i t des Gottes, der m e h r als n u r das Fieber ist, zerschmolzen, aber die Gewalt der V e r n i c h t u n g , die im Elefantenleibe w ü t e t u n d t a n z t , bis der Elef a n t d a r a n s t i r b t , der D ä m o n , der ein triefendes Elefantenfell ausg e b r e i t e t u m sich h ä l t , sind a u c h in dieser L ä u t e r u n g v o m Fetisch z u m Götterbild kenntlich geblieben. Begreiflich auch, d a ß der Urs p r u n g dieses Schivabildes aus der Region des Fiebers sich verd u n k e l t e , u n d m a n a u s Bildern dieser Gestalt zu ihrer E r k l ä r u n g d e n Mythos s p a n n , Schiva h a b e einen elefantengestaltigen (gajäsura) D ä m o n ü b e r w u n d e n u n d feiere den Sieg m i t einem Tanze in seinem Fell. Wie in Kälidäsas „ W o l k e n b o t e n " zur Wolke gesagt w i r d , sie solle — im Scheine der A b e n d d ä m m e r u n g blutig glühend, selbst b l a u s c h w a r z wie ein E l e f a n t — s t a t t des Elefantenfelles Schiva b e i m T a n z e d i e n e n : „ D a n a c h dich schmiegend r u n d auf d e n B a u m w a l d der A r m e des „ H e r r n der T i e r e " (d. i. Schiva), S c h i m m e r der A b e n d d ä m m e r u n g a n dir t r a g e n d rot wie J a p ä b l ü t e — n i m m , w e n n Schiva zu t a n z e n a n h e b t , i h m d e n W u n s c h n a c h d e m E l e f a n t e n f e l l ; indes B h a v ä n i (seine G a t t i n ) mit ruhigen A u g e n , aus d e n e n B e ä n g s t i g u n g (vor d e m b l u t t r i e f e n d e n Ding) wich, deiner H i n g a b e an den G o t t z u s c h a u t . "
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Ähnlich ist die Erscheinung des vischnuentsprungenen Fieberdämons: „Dunkelblau wie Flachsblüte, mit kupferroten, weiten Augen, mit großer, blitzgleich spielender Zunge, ungeheuerlich, zwerggestaltig, mit wackelnden Arschbacken, hängendem Bauche, mit rotgelbem, gekraustem Schöpfe, mit verzerrtem Gesicht und großen Händen, mit platter Nase und riesigen Armen, mit Eberschnauze und Eberhauern, auch wieder halb Mann halb Löwe an Gestalt. Zwischen seinen Hauern hängen Menschenleichen heraus, er t r ä g t ein Gürtelband aus Elefantenknochen, . . . mit Flocken Feuers aus verzerrten Mündern verbrennt er das Leben der Elefanten — geschmückt mit Zeichen Yischnus und anderen, die fürchterlich anzusehen sind." (Zeichen Yischnus: Vornehmlich seine drei Erscheinungsformen: „zwerggestaltig", „ m i t Eberschnauze und Eberhauern" und „halb-Mann-halb-Löwe".) Auch bei Vergiftungen durch Schlangenbiß oder Würmer ist Magie zur Unterstützung ärztlicher Hilfen unerläßlich. Pauken u n d andere Instrumente erklingen, F a h n e n und Banner, die durch Leuchtkäfersaft (indragopa, khadyota) und Galle rot gefärbt sind, werden dem Elefanten vorgehalten, der von einer Schlange gebissen ist, ihr Anblick vertreibt das Gift. Dazu ein Spruch, der die großen Schlangenkönige a n r u f t : „Väsuki und Takschaka sollen dir das starke Gift wegnehmen, und der erhabene ,Endlos' (die Weltschlange) soll dir das Gift wegnehmen, heil!" Dazu werden die großen Götter im Wasser beschworen: „ I m Wasser ist R u d r a , im Wasser Brahma, im Wasser das ewige b r a h m a n und im Wasser Väyu (Wind) und Sorna (Mond) — sei giftlos, o Elefant, heil!" (II. 8.) Dieser Spruch soll das Gift „wegnehmen", nach ihm werden unmagische Heilmittel gelehrt, die dank seiner Wirkung die ihre bewähren können. Bei der Bekämpfung giftiger Würmer besiegelt Magie die chirurgische Bemühung. Winzige Tiere ( „ l ü t ä " genannt, I I I . 26) treten in 21 Arten an 21 verschiedenen Körperteilen des Elefanten auf und richten ihn mit ihrem Speichel zugrunde. Am Rüssel allein werden 4 Arten genannt, „ J a s m i n b l ü t e " z. B. sitzt an der Rüsselspitze. Andere heißen „Gelbliche", „Geierkrallige", „Taubengraue", „Geschwulstbringerin" (die an Kopf und Augapfel haust), andere die „Dunkle", „Sieghafte", „Bogen" usw. Sie sind von vielerlei F a r b e : rauchfarben, bienenfarben, wie helle Wolke, gelb wie karnikära-Blüte usw. — Sie werden mit dem „Rundklingenmesser" (mandalägra) herausgeschnitten oder mit dem „Angelh a k e n " (badischa) herausgezogen und verbrannt. Die Wunde wird mit einer Pflanzensalbe eingerieben, dann mit Milch, in der frische Butter zerlassen ist, abgewaschen und wiederum eingerieben. Da146
nach wird ein Zauber gesprochen: er ist ein Gebet an eine giftvernichtende Göttin: „An der Nordseite des Himälaya liegt der Berg ,Duftberauscher 4 (Gandhamädana), an seiner Flanke weilt ein Mädchen, das heilig-reine Zeichen an sich trägt. Ein schwarzes Antilopenfell ist ihr Kleid, sie trägt einen Gürtel von Schlangen (sie gehört also als übermenschliche Asketin in die Sphäre Schivas). Die Kobras (gonäsa, Kuhnasenschlange) überwindend verzehrt sie Gift von vielerlei Art. Immerdar murmelt sie: ,Ich bin die glückbringende Weisheit von den Giften, ich vernichte die Gifte, ich töte sie, indem ich sie in mir, wie in einem Topfe festhalte (wie der Yogin die L u f t in sich, wie in einem Topfe, festhält). Ich habe die Worte des Spruches geschaffen, mit denen der Elefant, wenn er gebissen ist, geheilt wird — wer irgendwo von einer lütä gebissen ist, soll mich und die Sprüche in seinem Sinn bewegen!" Der Spruch selbst besteht aus einer Reihe Anrufungen des Göttermädchens: „Irili mirili dramidi drämidi (lauter Vokative von Namen), o, die Geschwulst um Geschwulst vom Kopf herab (bis zum Fuß) einschrumpfen macht, o, die der Glieder Räume entlangläuft, die Bisse am Leibe zunichte macht, die Kobolde, Unholde u n d Dämonen sterben macht ( ? = ,mirili') — Heil dir (svähä)!" Neben der rationalen Zergliederung des Organismus und der Lehre vom Zusammenwirken seiner K r ä f t e und Säfte steht spekulative Betrachtung, die Makro- und Mikrokosmos zusammensieht — in ihren praktischen Konsequenzen nicht mehr belangvoll, aber als E r b g u t vedischer Naturphilosophie bewahrt und nicht ausgelöscht. Die Welt ist gestaltige Entfaltung der gestaltlosen göttlichen Allkraft, u n d die göttlichen K r ä f t e des Alls, die als Gottpersonen angeschaut und verehrt werden können, durchweben alle Lebensgestalt. So auch den Elefanten. Der Mensch kann die mannigfaltigen Teilerscheinungen der göttlichen Lebenskraft, die seinem Leibe innewohnen — seine eingeborene Gottnatur —, im Akt der Andacht sich ins Bewußtsein heben (dazu dient die nyäsa-Zeremonie in den Tantra-Riten mit Handauflegen und Gesten [mudrä]) und, wie bei sich selbst, in aller Kreatur und im Weltganzen wirksam sehen. Über die „Ausbreitung der Götter-Eigenschaften" beim Elefanten wird gelehrt ( I I I . 8): „ B r a h m a ist im Haupte, im Nacken Schakra (Indra), Vischnu im Rumpfe, Agni (Feuergott) im Nabel (Zentrum der Leibes- und Yerdauungswärme), die Sonne in beiden Augen, Mitra in den (Hinter)füßen. Dhätar und Yidhätar (zwei Aspekte des Weltschöpfers) in den beiden Bauchseiten, im
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Geschlecht ist der „ H e r r der A u s g e b u r t e n " ( P r a j ä p a t i ) , in d e n E i n geweiden die Schlangen, die J o c h t r ä g e r der Laßt aller W e l t e n . I n d e n S t o ß z ä h n e n (deren Elfenhein den T o d ü b e r d a u e r t ) b e f i n d e t sich der alterslos Unvergängliche, dessen Wesen G r u n d s t o f f alles Gewordenen ist (das göttliche Urwesen), in d e n beiden V o r d e r gliedern die zwei reitenden Zwillingsgötter (die Aschvin — schon im vedischen R i t u a l als Zwillinge m i t den beiden A r m e n des Priesters z u s a m m e n g e b r a c h t ) , im Ohr die G ö t t i n n e n der R a u m r i c h t u n g e n (vgl. S. 33 zur Einheit von Schall, Gehör u n d R a u m ) , i m D e n k e n (manas) der Mond ( c a n d r a m ä s ) , P a r j a n y a (alter Regengott) sitzt im H e r z e n " (des regenspendenden Tieres). Die S t ä r k e dieses Wissens, soweit es r a t i o n a l ist, liegt in der B e o b a c h t u n g s g a b e , in ungemeiner physiognomischer E i n s i c h t i n Ä u ß e r u n g e n besonderer W e s e n s a r t e n wie Z u s t ä n d e des B e f i n d e n s . Sie f i n d e t ihre Vollendung im S p e z i a l i s t e n t u m : in der ausschließlichen, lebenslangen B e s c h r ä n k u n g auf die T i e r a r t , die d e m A r z t „seinen L e b e n s u n t e r h a l t g i b t " . Ein Menschenarzt ist nicht geeign e t , E l e f a n t e n zu b e h a n d e l n , „weil Maß u n d N a t u r u n d was b e i d e n (Mensch u n d E l e f a n t ) wesensgemäß ist, verschieden ist. Reis ist die wesensgemäße N a h r u n g f ü r Menschen, G r ü n f ü r E l e f a n t e n , d a r u m sind die L e h r b ü c h e r f ü r beide gesondert, u n d der E l e f a n t e n arzt soll auch keine Menschen b e h a n d e l n " (IV. 16). Zu wissen, was den E l e f a n t e n wesensgemäß ist, u n d wie i h n e n in der nicht gem ä ß e n Lebensgemeinschaft mit d e m Menschen ein Dasein g e b o t e n werden k a n n , das ihrem Wesen doch e n t s p r i c h t u n d ihnen zu langem Leben verhilft, ist der Inbegriff ärztlicher K u n s t . I n Freiheit b e d ü r f e n E l e f a n t e n keines Arztes. Auf die F r a g e König R o m a p ä d a s , welche K r a n k h e i t e n die E l e f a n t e n in Freiheit u n d bei den Menschen befallen, a n t w o r t e t der Heilige P ä l a k ä p y a (I. 1): „ V e r n i m m w a r u m in der Wildnis lebende E l e f a n t e n in der Wildnis ohne K r a n k h e i t e n sind. Von E l e f a n t e n k ü h e n begleitet, ziehen die E l e f a n t e n d u r c h die s ü ß d u f t e n d e Wildnis u n d n ä h r e n sich von vielerlei j u n g e n Gräsern, wie es i h n e n b e h a g t u n d wohlt u t , von B a u m r i n d e , Schlingpflanzen, F r ü c h t e n , A s t s t ü c k e n u n d j u n g e n Schößlingen v o n vielerlei A r t . Z u s a m m e n z i e h e n d e s , Scharfes u n d Bitteres, Salziges, Saures u n d S ü ß e s : diese verschiedenen S ä f t e (oder Geschmacksarten) suchen die E l e f a n t e n unterschiedlich j e n a c h J a h r e s z e i t a u f . W e n n nämlich die Regenwolken komm e n , meiden sie in der Wildnis Aststücke, i m W i n t e r u n d in der heißen Zeit essen sie v o m Schallaki-, K a r n i k ä r a - , K o v i d ä r a - u n d U d u m b a r a b a u m , v o m P l a k s c h a - u n d F e i g e n b a u m , essen Gras u n d t r i n k e n Wasser dazu. W ä h r e n d der Regenzeit v e r z e h r e n sie in d e r
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Wildnis Pflanzen des festen und trockenen Bodens (keine Wasserpflanzen und Sumpfgewächse), auch im Winter essen die Elefanten, was auf dem Trockenen wächst." In der Wildnis drohen den Elefanten zwar 15 Todesursachen (Sturz vom Berge, Versinken im Sumpf, Gift, Schlingpflanzen, Waldbrand, Krokodil, Blitzschlag, Schlange u. a., was von außen kommt, dazu Alter und Verlust der Mutter in der Kindheit), aber keine Krankheiten (I. 3), die von den „drei Pfeilern" (den drei Leibesstoffen) kommen. Denn in der Freiheit haben sie ein wesensgemäßes Dasein (sätmya). „Wesensgemäßes Dasein, gepflegt von Wesen, deren Lebensweise ihrer angeborenen Art entspricht, deren Geist und Sinne heiter sind, bringt die Leibesstoffe nicht aus dem Gleichgewicht. Und weil die Leibesstoffe keine Störung erleiden, geben sie den wilden Elefanten keinen Anlaß zu Krankheiten. Sind Ernährung und Lebensweise wesensgemäß, dann führen sie Gutes mit sich. Wesensgemäße Nahrung sind Stücke von Bäumen, Gras, Baumrinde und -wurzeln, Muttermilch in der Kindheit und Wasser. Das gilt als wesensgemäß für die Elefanten der Wildnis hinsichtlich der Nahrung. Als wesensgemäß hinsichtlich ihrer Lebensweise gilt, daß sie liegen, stehen oder sich betätigen, sich aufhalten, essen und sich gebaren — frei, wie es ihnen gefällt." — Auf den Einwand, daß es keiner komplizierten Diät bedürfe, um die Elefanten bei Wohlsein zu erhalten, wenn sie bei bloßem Grünfutter gediehen, ist zu sagen, daß es nicht Gras und Wasser allein ist, das ihnen so gut bekommt, sondern daß es in Freiheit verzehrt wird. „Freiheit von Einschränkungen ist das höchste Glück der Elefanten." Die Folgen dieser Freiheit sind: „Wozu es ihn treibt, das tut der Elefant, auf sich selbst gestellt in Aufenthalt, Kost und Gebaren, frei von Einschränkung. Aus Wunscherfüllung kommt ihm Freude, aus Freude unweigerlich Kraft. Im Kraftvollen entflammt sich das Leibesfeuer hell. Brennt es hell, dann sind die Leibesstoffe im Gleichgewicht. Aus Wesensgemäßheit der Leibesstoffe folgt, daß alle Krankheiten schwinden. . . . Alles das kehrt sich ins Gegenteil hinsichtlich Ernährung, Lebensweise und Betätigung, sobald die Elefanten der Wildnis zu den Wohnstätten der Menschen gebracht werden. Dann entzündet sich ihr Gemüt, weil es mit ihrer Freiheit, sich nach Lust zu gebaren, vorbei ist. Und wächst ihr seelisches Leid, so wächst ihnen keine Kraft und keine vom Feuer geborene Kraft. Weil es ihnen an Feuer fehlt und die Ernährung ihnen nicht wesensgemäß ist, geraten ihre Leibesstoffe aus dem Gleichgewicht und aus den gestörten Leibesstoffen erwachsen krankhafte Veränderungen, — infolge von Verwundungen und Fesselung, weil sie (unzuträgliche) Speise bekommen und (zu-
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trägliche) Speise n i c h t b e k o m m e n , weil sie kein Lager h a b e n oder n u r ein schlechtes, weil sie v o n d e n E l e f a n t e n k ü h e n g e t r e n n t u n d eingesperrt sind, weil sie s t e h e n m ü s s e n u n d sich n i c h t bewegen k ö n n e n , w o h i n sie wollen. — A u c h w e n n sie in d e n S t ä t t e n der Menschen weilen, sind die E l e f a n t e n frei v o n K r a n k h e i t e n , w e n n m a n sie g a n z in R u h e l ä ß t . A b e r dies (wesensgemäBe Freiheit) ist der H a u p t g r u n d , w a r u m die E l e f a n t e n der Wildnis frei v o n K r a n k heiten sind u n d voll H e i t e r k e i t u n d sich d u r c h bloße G r a s n a h r u n g K r a f t s c h a f f e n . D e n n bei der u r a n f ä n g l i c h e n S c h ö p f u n g s p r a c h .,Der a u s sich selbst E n t s t a n d e n e " ( B r a h m a ) zu den E l e f a n t e n : .,Geht h i n u n d seid R e i t t i e r e der G ö t t e r , v o n B a u m s t ü c k e n u n d Gras e u c h n ä h r e n d , s t a r k u n d o h n e K r a n k h e i t e n sollt ihr hinw a n d e l n d u r c h die schöne W i l d n i s . " Solches Geschenk n a c h W u n s c h g e w ä h r t e i h n e n B r a h m a aus Liebe zu den G ö t t e r n , es h a t mit K r a n k h e i t e n n i c h t s zu s c h a f f e n u n d gilt ewig. — . . . Lustvoll t a u c h e n sich die E l e f a n t e n i n Gewässer, die viel Lotuswurzels t ü c k e in sich b e r g e n , d e r e n F l u t ü b e r s c h ä u m t u n d d e r e n Ufer u n t e r d e n Schlinggewächsen d i c h t e r B ä u m e v e r s c h w i n d e n , die v o n weißem u n d b l a u e m L o t u s geziert sind, — d a v o n b e k o m m e n sie festes Fleisch. N i c h t d u r c h die b e s o n d e r e n K r ä f t e v o n zerlassener B u t t e r u n d E s s e n z e n oder die K r ä f t e b e s o n d e r e r K o s t oder die K r ä f t e v o n R o h r z u c k e r u n d Salz s u c h e n sie ihr Gedeihen in der W i l d n i s ; F r ü c h t e u n d B l ü t e n , in d e n e n die K r ä f t e der Wildnis sind u n d die d e n Tieren der Wildnis scharf d ü n k e n , entlocken d e n l ö w e n s t a r k e n E l e f a n t e n F r e u d e n s c h r e i e u n d schenken i h r e m Leibe Gedeihen." Die F u ß k r a n k h e i t e n , zu d e n e n g e f a n g e n e E l e f a n t e n neigen, sind ein deutliches Beispiel d a f ü r , wie u n b e k ö m m l i c h u n d n i c h t wesensg e m ä ß i h n e n das L e b e n u n t e r Menschen ist. Auf die F r a g e des Königs, , , w a r u m b e k o m m e n die E l e f a n t e n , in der Wildnis lebend, keine K r a n k h e i t e n aus d e m eigenen Leibe ? " (I. 15) gibt der Heilige zur A n t w o r t : „ D i e N a t u r (prakriti) der wildlebenden E l e f a n t e n ist U m h e r l a u f e n in d e r Wildnis. D a v o n s t e h t ihr B l u t nicht in d e n Sohlengelenken, ihr W i n d k o m m t zu n a t u r g e m ä ß e m Sein, u n d ihr Schleim k l ä r t sich g a n z , ihre Galle k o m m t zu heiterer K l a r h e i t . . . . D a h e r h a b e n die w i l d l e b e n d e n E l e f a n t e n keine F u ß k r a n k h c i t e n . Weil die E l e f a n t e n a n d e n W o h n s t ä t t e n der Menschen f r e m d e m Willen u n t e r w o r f e n a n P f o s t e n s t e h e n , gehen ihnen meist die F ü ß e z u g r u n d e infolge des d a u e r n d e n Stehens. Besonders plagen F u ß k r a n k h e i t e n die E l e f a n t e n , die d a s 7. L e b e n s a l t e r ( J a h r zehnt) e r r e i c h t h a b e n u n d ü b e r die J u g e n d k r a f t h i n a u s sind. Weil alle K a n ä l e , die rings d e n g a n z e n Leib erfüllen, s a m t d e m Netz der B ä n d e r auf d e n F ü ß e n r u h e n , d a z u die Masse der Fleischpolster
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und Knochen, gelten die Krankheiten, die in den Füßen entstehen, als unerbittlich." Will m a n den Elefanten unter den veränderten Bedingungen ihrer Lebensgemeinschaft mit den Menschen ihr Leben erhalten, ist besonders f ü r die erste Zeit nach ihrem Einfangen eine Übergangsdiät u n d -behandlung geboten (I. 2). „Weil die Elefanten nicht den gewohnten Aufenthalt in der Wildnis haben, werden ihre Leibesstoffe wild, weil es ihnen nicht wesensgemäß geht u n d wegen der ungewohnten E r n ä h r u n g . " — Mit Eseln, Kamelen und Menschen bringt manWasser herzu, mit Wassereimern an Rädern tränkt man den Elefanten, mit Schöpfeimern übergießt m a n ihn und läßt ihn morgens bis an die Ohrwurzeln in Wasser tauchen. „Weil das Kühle ihrem Wesen gemäß ist, gedenken die Elefanten nicht an das Glück der Wildnis, ihre E r m a t t u n g usw. legt sich." Die Kost ist bestimmt, seinen Appetit anzuregen, sein Leibesfeuer anzustacheln. Dazu dient allerlei Pflanzenkost, Zuckerrohr und andere süße Nahrung. Wenn sie anschlägt, geht man mählich zu Reiskost über. Besondere Pflege brauchen j u n g eingefangene Tiere (11.46). Bis zum 12. Lebensjahre dürfen sie kein Salz, keinen Branntwein oder Sesamöl (die das Leibesfeuer anregen) erhalten, dagegen zerlassenes F e t t , Milch, Honig, eingedickten Zucker in ihrem Trinkwasser (als K r a f t n a h r u n g , daneben Kuhmilch und zerlassene Butter, körnige Melasse, gestoßenen Pfeffer). I m dritten u n d vierten Lebensjahrzehnt werden sie besonders auf Märsche trainiert. Die Bemühungen u m wesensgemäße Pflege des Elefanten finden einerseits in der Berücksichtigung seines Leibestypus, anderseits in der allgemeinen Beachtung des Zusammenwirkens der Stoffe und Säfte im Spiele des Jahreskreises ihre systematische Grundlage. Schleim (schleschman, kapha), Galle (pitta) und Wind (väta) sind Formen dreier kosmischer K r ä f t e im Leibe: des Mondhaftmilden (saumya, somätmaka), des Sonnenhaft-feurigen (ägneya, taijasa) und des Windhaft-bewegten und -bewegenden. — Schleim ist geschmeidig, kühl, weich und süß, dem Salzigen verwandt, weiß, schlüpfrig und schwer. Galle ist heiß, scharf, rauh und leicht, brennend, klar, gelb, rot oder dunkel, dem Salzigen, Sauren und Scharfen (an Saft und Geschmack) verwandt. Der Wind ist kühl, rauh, fein und leicht, unsichtbar, stark und geschwind, ohne Geschmack, er ist Bewegung und Berührung ( I I I . 6). — Über ihre Verteilung im Leibe vgl. oben S. 78. — Im Alter verändert sich das Gleichgewicht der Leibesstoffe: Wind und Schleim nehmen überhand, Galle und Blut nehmen ab (II. 43 und 60), das eben ist
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die „ K r a n k h e i t A l t e r " : Mit s c h w i n d e n d e m B l u t w i r d das Fell f a r b los u n d r a u h , alle Glieder werden schlaff, der S c h w u n g l ä ß t n a c h . Das Steigen u n d Fallen des J a h r e s , der Wechsel der J a h r e s z e i t e n b e s t i m m t das Verhältnis der Leibesstoffe z u e i n a n d e r , i h r Gleichm a ß u n d wechselndes Übergewicht, z u m a l i m J a h r e s k r e i s e die V e g e t a t i o n , die d e n E l e f a n t e n e r n ä h r t , v e r s c h i e d e n e S ä f t e in wechselnder Menge h e r v o r b r i n g t . — Das J a h r ist die „ Z e i t " schlechthin (IV. 15), die ewige K r a f t , die alles aus sich h e r v o r b r i n g t u n d in sich z u r ü c k n i m m t : in d e n beiden „ G ä n g e n " a b n e h m e n d e r u n d z u n e h m e n d e r S o n n e n k r a f t , v o n S o m m e r s o n n e n w e n d e bis W i n t e r wende i m „ A u s s t r ö m e n " (visarga) u n d i n der s t e i g e n d e n J a h r e s h ä l f t e , im „ N e h m e n " ( ä d ä n a ) . Drei J a h r e s z e i t e n zu j e zwei Mon a t e n : Regenzeit, H e r b s t u n d W i n t e r b i l d e n die erste, F r o s t z e i t , F r ü h l i n g u n d S o m m e r (Glutzeit) die a n d e r e H ä l f t e . Sonne, Mond u n d W i n d sind die K r ä f t e , deren wechselndes W i r k e n d e n Char a k t e r beider Perioden u n d der sechs J a h r e s z e i t e n b e s t i m m t 1 . So wehen w ä h r e n d der h a r t e n Zeit des „ N e h m e n s " , w e n n die Sonne a n K r a f t gewinnt, r a u h e u n d scharfe W i n d e zu i h r e r s t e c h e n d e n G l u t , u n d das „ H e e r des Mondes wird g e s c h l a g e n " : Mit seiner Niederlage t r e t e n die milden „ m o n d i g e n " E i g e n s c h a f t e n i m K l i m a z u r ü c k ; dieser J a h r e s t e i l gilt als „ f e u r i g " . Die Zeit des f a l l e n d e n J a h r e s , m i t d e m e r s e h n t e n Regen b e g i n n e n d , s t e h t u n t e r der Vorh e r r s c h a f t des Mondes. „ V o m Monde her k o m m e n die W a s s e r , u n d das G r ü n (oder Gras, trina) e n t s t e h t aus d e n W a s s e r n . W a s i m m e r fest verwurzelt w ä c h s t oder sich frei b e w e g t , all d a s e r q u i c k t der Mond u n d m a c h t es schwellen. Von m o n d h a f t e r N a t u r ( s o m ä t m a k a ) ist a u c h der E l e f a n t , besonders ist das K ü h l e i h m wesensg e m ä ß (eine naturwissenschaftliche Feststellung, die so z u t r e f f e n d ist wie die A n s c h a u u n g v o n seiner m y t h i s c h e n S o n n e n v e r w a n d t s c h a f t ) . W e n n d a r u m die Sonne in i h r e m L a u f e n a c h N o r d e n g e h t (mit Auf- u n d U n t e r g a n g s p u n k t ) , d a n n n e h m e n die E l e f a n t e n a b u n d ihre L e b e n s k r ä f t e lassen nach. F i n d e t sich dagegen die Sonne auf i h r e m v e r k ü r z t e n Gange, d a n n geht es d e n E l e f a n t e n wohl, u n d sie letzen sich am e n t f a l t e t e n G r ü n . " (IV. 3.) Das eigentümliche Spiel der drei kosmischen K r ä f t e u n d der verschiedenen S ä f t e der Vegetation m i t d e n Leibesstoffen der Ele1 III. 9 werden zwei Kräfte genannt: die „mondhafte" (saumya) und die „feurige" (ägneya), die als kosmische Stoffe dem Schleim und der Galle im Leibe entsprechen: „Alle Kreatur hier in der Welt, die verwurzelt steht oder frei sich regt, ist mondhaft und feurig. Das Mondhafte ist kühl und feucht, das Feurige ist trocken und heiß."
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fanten, die sie nähren und verzehren, durch wechselnde Diät auszugleichen, ist eine Hauptaufgabe der ärztlichen Pflege. Der große Umschwung des Jahres liegt am Einbruch der Regenzeit. Die durchglühte Erde hält das frische Naß fest (IV. 15), und in der aufsprießenden Vegetation kommt zunächst der saure Saft ins Wachsen. Wasser und Grün sind besonders geschmacklos und sauer. Der saure Saft aber ist dem galligen Leibesstoff verwandt, darum nimmt er im Leibe zu, und das Leibesfeuer wird gedämpft. Dadurch wird der Wind und die übrigen Leibesstoffe erregt, und es gilt darum das Leibesfeuer, das als Verdauungskraft und Stoffebereiter das Gleichgewicht im Körper schafft, anzuregen. Dazu dienen Fleischbrühen (insbesondere von Wild), auch Reisbranntwein mit Melasse und Pfeffer oder Ingwer und Sesamöl. Zum Tränken verwendet man Brunnenwasser, wohl weil es an der Eigenart der Jahreszeit weniger Anteil hat als Bäche und Flüsse. Im Herbst strahlt die Sonne mit scharfer Glut vom wolkenlosen Himmel und „kocht" alle Gewächse und Früchte reif. Ihre Hitze mehrt und erregt die Galle, der Wind kommt indes zur Ruhe. Der Mond erquickt die Geschöpfe mit seinen hellen Strahlen, und in der Natur kommt der salzige Saft ins Wachsen. Zur Beruhigung der Galle dient als Kost süßes Fleisch (z. B. Fisch), süße Fleischbrühe vom Hasen, auch bittere von der Gazelle. Dann auch alles Fette: Schmalz, zerlassene Butter, saure Milch von der Büffelkuh (schleimstärkende Kost, die dem Übergewicht des Galligen entgegenarbeitet), auch Körnerfrucht: Gerste, Weizen, Reis mit Melasse und zerlassener Butter. Bei Tage ist Aufenthalt im Kühlen, nachts im Mondschein geboten, am Vormittag und Nachmittag werden die Elefanten ins reife, blühende Gras hinausgeführt, in den angenehm mondhaft kühlen Wind, zu mannigfachem wohlschmeckendem Wasser und Grün. — Dies ist auch die Zeit der Arbeit für die Elefanten, besonders auf Kriegsmärschen der Könige. Im Winter ist die Sonne ohne quälende Hitze, ihre Strahlen sind von „schneekühlem Glänze". Nah und niedrig zieht der Mond am Himmel dahin und taucht die Geschöpfe in seine kühlen Strahlen. Der Wind weht lind und kühl. Davon kommen die süßen, milden Säfte der Natur ins Wachsen, die dem Schleim verwandt sind. Ihr Genuß gibt den Elefanten Kraft. Ihr Galliges kommt zur Ruhe, ihr Schleim mehrt sich, ihr Blut wird ruhig und klar, ihr Feuer wird stark. Fette, saure und salzige Nahrung ist geboten. Von der fetten und schweren Kost, die der Elefant in dieser Zeit zu sich nimmt, zehrt er das übrige Jahr hindurch. 153
Denn mit der Frostzeit beginnt die Periode des „Nehmens", die sich durch rauhe, sehr kalte Sturmwinde ankündigt. Der Himmel ist nicht klar, die Sonne strahlt durch Schnee- und kalte Nebelwinde. I n dieser Zeit wächst in der Natur der bittere Saft. Gegen ihre Strenge gilt es die Elefanten mit Wolldecken und Feuer in den Ställen zu schützen. Die Kost m u ß vor allem das Feuer im Ele f a n t e n mehren, Wind und Schleim in ihm beruhigen. Äußerlich dient dazu (wie schon in der voraufgehenden Winterszeit) unter anderem Übergießen mit Sesamöl, dem Rötel beigemengt ist, innerlich warmes F u t t e r u n d vor allem Branntwein mit Salzen, der die K r a f t lebenverlängernden Elixirs besitzt. Der Frühling ist die ausgeglichene, darum ideale Jahreszeit: Die Sonne wärmt, ohne zu sengen, das Wasser ist kühl, der Wind nicht zu kalt und nicht zu warm. Die Elefanten sind feist und zart, voll Saft u n d strahlender K r a f t . Über Winter u n d Frostzeit haben sie ein Übermaß von Schleim angesetzt, der sich jetzt löst. Wenn sich dies Element der Milde u n d des Behagens regt, macht es die Elefanten wohlgemut. Yogelsang, Bienensummen und blumenbunte Winde auf den Weideplätzen wecken das Verlangen nach der Elefantin u n d die Erinnerung nach dem Glück der Wildnis. J e t z t wächst in der N a t u r der zusammenziehende (kaschäya) Saft. Entsprechend der Ausgeglichenheit der Zeit, der alles Extreme fehlt, und dank der heiteren Stimmung der Elefanten befinden sich ihre Leibesstoffe im Gleichgewicht 1 . 1
Vgl. auch (unter vielen Stellen) III. 6: „In Winter und Frostzeit sind die Gewächse mit ihren Kräften (virya) im Gleichgewicht. Davon sind sie überwiegend süß und von süßer Reife. Dadurch nehmen dann Galle und Wind ab, der Schleim wird sehr stark. — Im Frühling wird der Schleim erregt durch Schlaf unter Tags und schlechte Verdauung, er versperrt die Leibeswege. Im Sommer aber geben die Gewächse, deren Leib von den Sonnenstrahlen getroffen wird, ihre Kräfte ab. Dann wird der Wind sehr stark, der Schleim schwindet. Am Beginn der Regenzeit wird der Wind in ihren Leibern, die von kühlem Wind und Hitze betroffen sind, immer wieder erregt. In der Regenzeit sind die Gewächse mit ihren Kräften nicht im Gleichgewicht, sie haben nicht die Eigenschaften des Sommers, noch die des Herbstes. Darum häuft sich in dieser Jahreszeit vornehmlich die Galle (weil der in der heißen Zeit vorwiegende Wind an Macht verliert, der durch die Hitze geminderte Schleim aber noch nicht wieder zu Kraft gekommen ist, dominiert unter den dreien das Gallige), Schleim ist im Schwund. — Auch im Herbst ist die Galle übermächtig bei den von Sonnenstrahlen betroffenen, auch infolge schlechter Verdauung usw. Die Gewächse sind mit ihren Kräften nicht im Gleichgewicht, und davon wiegt bei ihnen der saure Saft vor. Davon kommt Fülle des Galligen und infolgedessen Minderung von Wind und Schleim." — Die ausgeglichene
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Im Sommer trinkt die Sonne mit glühenden Strahlen den Saft aus den Geschöpfen, trocknet ihre Leibesstoffe ein und schwächt sie. Der Wind weht scharf und ausdörrend. In der Natur wächst der scharfe (katuka) Saft, unter den Leibesstoffen wächst der Wind und mit ihm, dem austrocknenden, der Durst. Die Elefanten mit ihrem „mondhaften" Wesen leiden besonders an Schwäche und Abmagerung: Schleim und Fett schwinden, Blut und Galle werden erregt. Die Diät ist darum äußerlich auf Kühle, innerlich auf fettreiche Stoffe abgestellt. Plätze am Wasser und dichter Schatten sind als Aufenthalt geboten, dazu drei Tauchbäder am Morgen, Mittag und Abend (statt eines in den kühleren Jahreszeiten). Schlammpackungen dienen, den Sonnenbrand der Haut zu mildern, Hängekrüge und Wasserschläuche auf dem Rücken, sie zu berieseln. Um den Augen Feuchte und Schleim zu geben, wird der Kopf mit gereinigter Butter eingerieben. Als besondere Nahrung empfiehlt sich kalte Milch mit zerlassener Butter, Wasser mit Melasse und (wie schon im Frühling) nur milder Branntwein. Scharfe saure, heiße und brennende Speisen sind nicht zu empfehlen. — Anstrengungen der Tiere durch Märsche und Lastentragen sind im Sommer (wie im Frühling und Regenzeit) zu vermeiden. Sechs verschiedene Säfte (rasa: Saft, Geschmack) erlangen während der sechs Jahreszeiten nacheinander das Übergewicht in der Natur; drei: sauer, salzig und süß im fallenden Jahre, drei andere: bitter, zusammenziehend und scharf im steigenden (IY. 15). Beide Reihen stellen in sich eine steigende Folge zuträglicher und unbekömmlicher Einflüsse von Seiten der Nahrung für die Elefanten dar. Der Genuß der letzten drei „schwächt die Geschöpfe", wie sie sich an den anderen erholen, die „dank der Weichheit und mondhaften Milde der Zeit von selbst zunehmen". Ihre Beziehungen zu den Leibesstoffen, daß sie den einen mehren und erregen, den anderen beruhigen oder „vernichten", bilden die Grundlage der Nährmittel- und Heillehre. „Die Eigenschaften, wie schwer usw., die man an den drei Leibesstoffen bemerkt, lassen Frühlingszeit wird kaum geschildert, die Störungen des Schleims, die in ihr auftreten können, beruhen ja auf besonderen Fehlern der Lebensweise (bei Tag schlafen ist auch in der Menschenmedizin als ungesund verboten). Schleim kulminiert während der beiden kalten Jahreszeiten im Körper, im Frühling schwindet sein Übergewicht, im Sommer und in der ersten Hälfte der Regenzeit (prävrisch) herrscht der Wind, in der zweiten Hälfte der Regenzeit (varschä) und im Herbste die Galle. Zimmer, Spiel um den Elefanten
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sich v o n den K u n d i g e n a u c h an den S ä f t e n e r k e n n e n . K ü h l u n d heiß, g l a t t u n d r a u h , klar u n d schleimig, mild u n d scharf, schwer u n d leicht soll m a n als die zehn E i g e n s c h a f t e n wissen." W e r weiß, wie sie sich auf Leibesstoffe u n d S ä f t e verteilen, wird Ü b e r m a ß u n d E r r e g u n g der Leibesstoffe d u r c h S ä f t e m i t e n t g e g e n g e s e t z t e n E i g e n s c h a f t e n b e k ä m p f e n k ö n n e n . ( I I I . 6.) Manche S t o f f e sind Universalmittel, d a sie auf alle Leibesstoffe g ü n s t i g wirken, z. B. der K n o b l a u c h (rasona, laschuna). E r vereint fünferlei S a f t (oder Geschmack) in sich: Die Wurzel schmeckt z u s a m m e n z i e h e n d , der S a m e süß, das B l a t t b i t t e r , die B l a t t s p i t z e a b e r scharf u n d der Stengel salzig. So ist K n o b l a u c h gut zur B e r u h i g u n g u n d Minder u n g v o n Calle u n d B l u t , weil er süß ist, v o n W i n d , weil er weich u n d heiß ist, u n d g u t gegen Schleim, weil er b i t t e r , heiß, scharf u n d z u s a m m e n z i e h e n d ist (IV. 28). E r w i r k t heilend, reinigend, b l u t b e r u h i g e n d u n d f e u e r e n t f a c h e n d . I n ähnlicher Weise w u n d e r w i r k e n d , weil säftereich, ist Guggulu (Bdellium, die W e i n p a l m e m i t wohlriechendem G u m m i ) , ein Elixir, wie der G ö t t e r t r a n k der Unsterblichkeit, v o n Schiva z u m Heilen geschaffen (IV. 20). E s vere i n t vier S ä f t e in sich (der saure u n d salzige f e h l e n ) : D u r c h d e n s ü ß e n b e r u h i g t es d e n W i n d , durch den z u s a m m e n z i e h e n d e n das Gallige u n d d u r c h d e n b i t t e r e n den Schleim, der scharfe gibt F e u e r u n d v e r n i c h t e t W ü r m e r . D a es f e t t h a l t i g (snigdha) ist, verleiht es Kraft. Besonders wichtig ist es, die W i r k u n g e n verschiedener Milchu n d F e t t a r t e n zu k e n n e n . K u h m i l c h z. B. (IV. 3) ist k ü h l , s ü ß u n d f e t t h a l t i g . Sie w i r k t n ä h r e n d u n d belebend, ist l e b e n v e r l ä n g e r n d u n d s t ä r k t die männliche K r a f t . D a r u m ist sie „ h ö c h s t e s Heilm i t t e l " . Weil sie süß u n d f e t t ist, v e r n i c h t e t sie K r a n k h e i t e n , die aus Ü b e r m a ß oder E r r e g u n g des Windes e n t s t e h e n , weil sie kfihl u n d s ü ß ist, b e r u h i g t sie das Gallige. Aber „ d e m Schleim ist sie wegen dieser E i g e n s c h a f t e n n i c h t ü b e r m ä ß i g g ü n s t i g " , d e n n was sie d e m K ö r p e r geben k a n n , h a t er seihst s c h o n ; i m Ü b e r m a ß genossen, verleiht sie i h m ein Ü b e r m a ß , das zur S t ö r u n g des Gleichgewichts u n d s c h l e i m h a f t e n E r k r a n k u n g e n f ü h r t . „ S i e gilt als höchstes Heilmittel f ü r Galle u n d W i n d . D e n n v o m Milchtrinken wachsen allezeit die o d e m b e l e b t e n Wesen der E r d e auf, ohne k r a n k h a f t e V e r ä n d e r u n g e n ihrer N a t u r leben sie d a h i n , d a r u m ist Milch allerwegen g u t . K a u m d e m Mutterschoße e n t s c h r i t t e n n i m m t der E l e f a n t Milch freudig a n ; Milch m a c h t seine L e b e n s k r ä f t e wachsen u n d erzeugt a u c h H a u t f a r b e , d a r u m soll der Arzt d e n E l e f a n t e n Milch v e r o r d n e n . Alten u n d z a r t e n j u n g e n u n d solchen, die bei d e n E l e f a n t e n k ü h e n b e r ü h m t sind ( b r ü n s t i g e n , vgl. IV. 21) soll er in erster Linie Milch verordnen. W e n n L e b e n s k r ä f t e u n d
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Fleisch an ihnen z u g e n o m m e n h a b e n , wird der Milch klare B u t t e r beigefügt, d a v o n wird d e r E l e f a n t klar u n d g l a t t a n H a u t u n d H a a r e n , fest u n d voll a n Fleisch, klar u n d heiter a n Sinnen u n d Geist. Aber mit W a s s e r v e r m e n g t e heiße, ü b e r n ä c h t i g e u n d m i t fester K o s t v e r m e n g t e Milch m a c h t die Leibesstoffe wild, erzeugt D u r s t u n d E r b r e c h e n u n d s t ö r t die V e r d a u u n g . " E l e f a n t e n , die gerade Wasser oder B r a n n t w e i n oder Allzufettes g e t r u n k e n h a b e n , soll m a n keine Milch geben, n a t ü r l i c h auch solchen n i c h t , die a n K r a n k h e i t e n infolge eines Ü b e r m a ß e s v o n Schleim leiden. Bei i h n e n r u f t sie A u s s a t z ( k u s c h t h a , kiläsa) hervor, k o r b a r t i g e Beiden ( p i t a k o d g a m a ) , J u c k e n u n d G r a u h e i t (IV. 21). Milch ist besonders a u c h Kost des H e r b s t e s , wo es die v o n der Hitze u n d d e m Ü b e r m a ß der Galle h e r r ü h r e n d e n Leiden zu beruhigen gilt (IV. 4). — B u t t e r w i r k t ähnlich wie K u h m i l c h (IV. 23): Sie ist s ü ß u n d k ü h l , ist also d e m Galligen entgegen, d e m Schleim günstig. Anders wirkt s a u r e Milch (IV. 4), sie m a c h t d e n W i n d zornig u n d erregt Galle u n d Blut. N e b e n Milch v o n der K u h k o m m e n noch sieben a n d e r e A r t e n als K o s t f ü r den E l e f a n t e n in F r a g e : v o n E l e f a n t i n , S t u t e , Eselin, B ü f f e l k u h , K a m e l s t u t e , Ziege u n d Schaf. Sie sind v o n sehr verschiedener W i r k u n g ( I V . 21). E l e f a n t e n m i l c h ist k ü h l mit zus a m m e n z i e h e n d e m Beigeschmack, S t u t e n m i l c h ist schleimig-fett u n d w i r k t d e m Galligen n u r m ä ß i g entgegen, u m g e k e h r t w i r k t Eselsmilch d e m Schleim entgegen u n d erregt d e n W i n d , Büffelmilch e n t h ä l t viel H a r n u n d K o t i m Gegensatz zur K u h m i l c h , die d a v o n ganz frei ist, Ziegenmilch gilt als besonders g u t , Schafmilch v e r n i c h t e t alle K r a n k h e i t e n . Weil die Schafe einen kleinen K ö r p e r h a b e n u n d scharfes u n d bitteres F u t t e r a u f s u c h e n , n i c h t viel W a s s e r t r i n k e n u n d sich viel bewegen, ist ihre Milch f e t t a r m (alp a s n e h a ) , sie „ v e r n i c h t e t " W i n d . Von a n d e r e n F e t t s t o f f e n ist Sesamöl besonders wichtig, weil es a n d e r e K r ä f t e besitzt als Milch u n d B u t t e r v o n der K u h . Es n i m m t W i n d u n d Schleim weg ( I V . 1), ist also als ausgleichende K o s t g u t f ü r E l e f a n t e n v o m schleimigen u n d windigen T y p u s , ferner f ü r E l e f a n t e n k ü h e , d e n n sie h a b e n viel W i n d . Sesamöl gibt K r a f t u n d ist g u t f ü r die H a u t . E s ist v o n heißer K r a f t (daher d e m k ü h l e n Schleim entgegen), es ist b r e n n e n d , z u s a m m e n z i e h e n d u n d süß im Geschmack. Bei der V e r d a u u n g wird es scharf u n d w i r k t w ü r m e r v e r n i c h t e n d . Weil es in seiner hitzigen A r t d e m galligen Stoffe n a h e s t e h t , ist es g u t f ü r E l e f a n t e n , die zu wenig Bewegung g e h a b t h a b e n . I m F r ü h j a h r d i e n t es, das Feuer anzuregen, in W i n t e r u n d Frostzeit ein Ü b e r m a ß v o n Schleim h e r a b z u s e t z e n (IV. 4), in der Regenzeit d i e n t es z u s a m m e n m i t Schmalz, die Leibesstoffe zu
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stärken, die in der Sommersglut zusammengeschrumpft sind. Weil es hitzende K r a f t h a t , mehrt es die Galle, weil es zusammenziehend und scharf ist, mindert es den Schleim. An den Übergängen der Jahreszeiten beruhigt es den gerade dann leicht erregbaren Wind. Wegen seiner hitzigen Natur ist es im Sommer unbekömmlich, es verursacht Ohnmacht, Schlaffheit, Durst und Erbrechen (IV. 1). Schmer (vasä) und Mark (majjan) sind süß, von heißer K r a f t u n d wirken in der Verdauung als scharf (IV. 23). Mark beruhigt den Wind und mehrt den Schleim (IV. 4) und F e t t und Samen (IV. 1). Schmer beruhigt den Wind u n d ist gut bei Brüchen, Rissen und Wunden. Schmer von Büffel, Ziegenbock und Eber ist Winterkost, Schmer und Mark sind auch im Frühling angezeigt, wie zerlassene Butter in Sommer und Herbst. „Schmer besitzt von allen Stoffen und Säften die höchsten Eigenschaften" u n d „mehrt den Samen". — Fettkuren dienen überhaupt dazu, den Elefanten K r a f t und gutes Aussehen zu geben, im Herbste werden die Tiere durch sie gute Läufer und starke Kämpfer, geeignet f ü r die kriegerischen Unternehmungen des Königs. Freilich, schlecht angebrachtes Trinken von ö l oder F e t t ist tödliches Gift. W e n n der Elefant frisches Wasser darauf trinkt, kann er das F e t t nicht verdauen; wenn er gleich danach etwas zu essen bekommt, entsteht Verstopfung, die zum Tode führen kann. Vom Nacheinander der Speisen besteht die simple Meinung, daß die zuerst genossene dem Hinterleib, die nachher aufgenommene Kopf und Vorderleib zugute komme (IV. 4). Diese Stoffe dienen unmittelbar dazu, ihresgleichen nach Bedarf im Leibe des Elefanten aufzufüllen, nach dem Prinzip, das gelegentlich des Marks gelehrt wird: „ W e n n ein Leibesstoff Schwund erfahren hat, ist er eben mit einer Art seiner selbst zum Wachsen zu bringen." Sonst wird tierische Kost nach demselben Grundsatz dem Elef a n t e n in Form von Brühe verabreicht. Das Prinzip: Fleisch gibt Fleisch gestaltet die Nahrung des Pflanzenfressers zu einer reichhaltigen Mischkost um, Fleisch macht den Elefanten groß und stark (IV. 17), daß er zu Kampfleistungen geeignet und Strapazen gewachsen ist. Einem Elefanten z. B. (II. 25), dessen Fleisch nicht fest ist, der sich bei Arbeiten besonders blöd oder unbeständig u n d zerstreut anstellt, fehlt es an K r a f t . Neben einer besonderen Fettrinkkur (öl und zerlassene Butter) und abgestandenem, eingedickten Zuckerrohrsaft und R u m soll er fette Fleischbrühen von P f a u , Eber, Schafbock, Wachteln und Hähnen erhalten. (Auf das männliche Geschlecht der Tiere wird augenscheinlich Wert gelegt.) F ü r Kraftbrühen ist das Fleisch aller möglichen Tiere ge-
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eignet (IV. 3 u. 4), an Vögeln werden Wachtel, Rebhuhn, Haselhuhn, H a h n , P f a u und E n t e genannt, aber auch der Meeradler, alle Arten Haustiere: Stier und Yak, Büffel, Pferd, Kamel, Maultier, Eber, Widder, Ziegenbock, von wilden Tieren Antilopen-, Gazellen- und Hirscharten, aber auch der Tiger; an Wassertieren Fische, Schaltiere, Schildkröte und Krokodil. Das asketische Gebot, kein Leben zu vernichten, um sich von seinem Stoffe zu erhalten (ahimsä), in indischer Weltanschauung so tief verwurzelt und die Lebensweise so mächtig bestimmend, findet keine Berücksichtigung durch die Heilkunde, die das wertvolle Leben in seiner K r a f t erhalten will. Ein besonderes K r a f t f u t t e r ist auch Zuckerrohr und seine Produkte Melasse u n d R u m . Es empfiehlt sich besonders bei frisch gefangenen Elefanten als Nahrung zu jeder Zeit (mit Rücksicht auf ihren Kräftezustand und Tages- wie Jahreszeit). Auch wenn sie von Natur scheu sind, werden sie dadurch eingewöhnt (IV. 11). Zur Heilung dient es bei Elefanten von galliger Natur (weil es als „ s ü ß " zum Ausgleich den milden Schleim mehrt), bei Tieren von jedem Typus aber, die durch Überanstrengung mitgenommen oder von Brunstrausch abgefallen sind. Denn es macht das F e t t wachsen, füllt die verminderten Leibesstoffe auf, mehrt den Samen, verleiht H a u t und Haaren Glätte. Es macht ermüdete Tiere wieder frohgemut und gibt ihnen Gedeihen und Zufriedenheit. Elefanten vom größten T y p soll m a n 500 Stengel, mittleren 350, kleinen 250 geben (IV. 12). Zucker wird gern mit Branntwein zusammen verabreicht, wie Branntwein mit Salzen versetzt wird. Die erste Mischung dient als Kraftnahrung, die andere, um die Verdauung anzuregen und in Ordnung zu bringen. Wenn z. B. ein Elefant durch Torheit oder Achtlosigkeit seines Lenkers im Dienste überanstrengt worden ist, muß er von aller Arbeit befreit werden. Er erhält eine Art Erholungsurlaub oder Sanatoriumsaufenthalt, wo er wie in Freiheit leben kann und mit K r a f t f u t t e r genährt wird. Dort findet er Lotusteiche zum Baden, sonnendurchwärmte Teiche, Elefantenkühe zur Gesellschaft und Futter wie in Freiheit. Dazu aber als Kraftnahrung (neben Reis mit geklärter Butter und einer Fetttrinkkur) Branntwein mit rohem Zucker (II. 5). Branntwein e n t f l a m m t das Leibesfeuer (Körperwärme und Verdauung) u n d behebt E r m ü d u n g (IV. 17). Salz kocht die Nahrung im Leibe (wie Wasser sie einfeuchtet), vor allem aber gibt es dem Winde im Verdauungstrakt, der die Ausscheidungen hinausschafft, die rechte Richtung wieder, wenn er gestört ist und Kot- und Harnverhaltung erzeugt. Damit kommen auch die anderen Leibes159
Stoffe, wenn sie zugleich erregt sind, zur Ruhe, sie „setzen sich" wieder. Darum ist gesalzener Branntwein als „Nachtrunk" bei vielen Kuren üblich, um als Anreger der Verdauung ihr völliges Wohlsein wiederzugeben, wenn das eigentliche Leiden durch andere Behandlung behoben ist. Der gesalzene Branntwein kann, wie zur Stärkung bei der Rekonvaleszenz mit Melasse, zur Belebung des Verdauungsorgans mit anderen scharfen Stoffen (z. B . Ingwer, Pfeffer, I I . 3, I I . 56 und öfter) versetzt sein, etwa wenn der Elefant durch Erdeessen an Verstopfung gelitten hat (II. 56). Salz reinigt den Leib und fördert die Verdauung, bewahrt vor Herzleiden und Aufgeblähtheit des Leibes (IV. 23). I m Übermaß genossen erzürnt es Galle und Blut. Es beruhigt Krankheiten und nährt Blut, Fleisch, F e t t , Knochen und Mark. Sein Feuer gibt dem Blut, das sich aus Wasser bildet, die rote Farbe (IV. 3). Auch Honig (IV. 17 und 23) ist eine Kraftnahrung: E r wirkt belebend, krafterzeugend, Potenz stärkend und die Lebenskräfte steigernd. Aber er ist in der Vielseitigkeit seiner Eigenarten und Wirkungen etwas Wunderbares (wie Knoblauch): Er ist leicht und schwer zugleich, rauh und von kühlender Kraft, zusammenziehend im Geschmack und glatt-weich, er schmeckt süß und ist in der Verdauung scharf. So ist er „von unausdenkbaren Kräften und vernichtet alle Krankheiten; von den heiligen Sehern gepriesen, ist er mit allen Heilkräften begabt". Der Stärkende wirkt wurmtötend, reinigend und auch abmagernd, darum er bei allzu schleimigen und fleischigen Naturen angezeigt, ist aber auch (wohl wegen seiner Süße) ein Mittel gegen den galligen Stoff. E r dient (neben Milch und zerlassener Butter) zum Kühlen und Verheilen der Wunden ( I I I . 14), wenn sie durch Verletzung von außen entstanden sind; wenn dem Elefanten ein Zahn gezogen ist, wird die Wurzelhöhle mit Honig gefüllt, „davon wird der Elefant wohl, er wird kräftig und heiteren Mutes" ( I I I . 18). Auch Harn ist ein Heilmittel. Er ist bitter und von hitzender Kraft, und, wenn er verdaut wird, scharf, darum kann er ein Übermaß von Schleim bekämpfen (IV. 23). Die ungemeine Bedeutung, die der Ernährungs- und Säftelehre zukommt, erklärt sich in der Herleitung aller „von innen kommenden" Leiden aus Störungen der drei Leibesstoffe, die großenteils aus Diätfehlern entspringen und durch besondere Diät behoben werden können. Diese Leiden bilden durchaus die Mehrzahl aller möglichen Erkrankungen. Man unterscheidet Krankheiten (I. 7), die von außen kommen (ägantu) und solche, die aus dem Inneren entspringen (ädhyätmika). Zu den ersten gehören auch Leiden, die
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von D ä m o n e n ( ä d h i b h u t a ) oder v o n göttlichen M ä c h t e n (ädhidaiv a t a ) s t a m m e n . Die K r a n k h e i t e n aus d e m I n n e r e n k o m m e n v o m G e m ü t (mänasa) oder aus gestörten Leibesstoffen ( d o s c h a j a ) . Letztere s t a m m e n v o n einem der vier Stoffe oder v o m „ Z u s a m m e n r i n n e n " ( s ä m n i p ä t a ) mehrerer. So gibt es 76 K r a n k h e i t e n v o m W i n d e (vätika), 27 v o n der Galle (paittika), 32 v o m Schleim (schleschmika) u n d 15 v o m Blute her ( r a k t a j a ) . 22 K r a n k h e i t e n e n t s t e h e n aus d e m Z u s a m m e n w i r k e n aller vier Leibesstoffe (sämn i p ä t i k a ) , 14 aus W i n d u n d Galle, 16 aus W i n d u n d Schleim, 7 aus W i n d u n d B l u t , 3 aus Schleim u n d B l u t , 3 aus Galle u n d Schleim, 2 aus W i n d , B l u t u n d Galle, 3 aus Schleim, B l u t u n d W i n d , 1 aus Galle, B l u t u n d Schleim. 6 K r a n k h e i t e n k o m m e n v o n W i n d u n d D ä m o n e n zugleich ( b h ü t ä n i l ä t m a k a ) , 5 aus d e m G e m ü t . So k o m m e n i n s g e s a m t 232 K r a n k h e i t e n aus d e m I n n e r e n des E l e f a n t e n . Von a u ß e n d r o h e n i h m dagegen n u r 83 Leiden ( d a r u n t e r z. B. drei d u r c h Blitzschlag: Augenleiden, Zahnleiden u n d T o d ) ; im g a n z e n k e n n t die E l e f a n t e n h e i l k u n d e 315 K r a n k h e i t e n . Die S y m p t o m r e i h e n f ü r S t ö r u n g e n der vier Leibesstoffe bei K r a n k h e i t e n , die „ v o n i n n e n k o m m e n " , sind eindeutig u n d i m ganzen die gleichen, w e n n die K r a n k h e i t e n a u c h sehr verschiedenartig sind u n d a n ganz verschiedenen Stellen des Leibes a u f t r e t e n . Das liegt augenscheinlich d a r a n , d a ß die Theorie das eigentliche Wesen vieler E r k r a n k u n g e n n u r oberflächlich oder gar n i c h t erf a ß t . W e i t g e h e n d w e r d e n von ihr S y m p t o m e oder R e a k t i o n e n f ü r die K r a n k h e i t selbst g e n o m m e n , z. B. s t a r k e S c h l e i m a b s o n d e r u n g f ü r E r k r a n k u n g a n Ü b e r m a ß von Schleim, u n d m a n k u r i e r t S y m p t o m e . Wie weit im Falle der einzelnen K r a n k h e i t die N a t u r sich selbst hilft, wie weit die K u r sie u n t e r s t ü t z e n k a n n oder a u c h gutwillig unwissend sie s t ö r t , ist k a u m zu sagen. Das bloße S t u d i u m der Heillehren k a n n jedenfalls d a r ü b e r nichts a u s m a c h e n . Hier soll d a r u m n u r mittels einiger Auszüge die Skizze des Bildes, das der I n d e r sich v o n A r t u n d W i r k u n g der Leibesstoffe m a c h t , u m einzelne Züge bereichert werden. Der Schleim erreicht d e n höchsten Grad seiner E n t f a l t u n g in W i n t e r , F r o s t z e i t u n d F r ü h l i n g (IV. 28). Sein Ü b e r m a ß m a c h t schläfrig u n d s e t z t die E m p f i n d l i c h k e i t der H a u t h e r a b (das Gefühl liegt tief). E r m a c h t die Glieder steif u n d der E l e f a n t wird dem K ü h l e n abgeneigt, er sucht die W ä r m e auf. E r ist dunkelf a r b e n u n d h a t g e s t r ä u b t e s H a a r k l e i d (I. 13 —17). Der a n g e h ä u f t e u n d n a c h A u s b r e i t u n g sich regende Schleim d r ü c k t v o n seinem H e r d i m O b e r k ö r p e r aufs Herz. D a d u r c h k a n n er O h n m ä c h t e n erzeugen. Aber a u c h Appetitlosigkeit (II. 64): „ A m H e r z e n v o m Schleim g e b u n d e n , i ß t der E l e f a n t mühselig ein wenig . . . , was i h m
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nicht schmeckt." Diese Herzbeklemmung durch Schleim setzt nämlich das Leibesfeuer u n d damit die Verdauungskraft herab. Sie m u ß durch Medizin angeregt u n d mählich wieder auf die Höhe gebracht werden („denn wie infolge Quirlens mit dem Reibholz ein winziges Feuer zuerst an zerriebenem K u h d u n g , dann an Gras, darauf an Spänen u n d an Scheiten sich auswächst, und, in vollen Flammen, sogar hunderte Lasten Brennholz zu verzehren vermag, so verzehrt auch das Feuer des Elefanten, wenn es der Regel nach mählich angefacht wird, das Gegessene ohne Rest, wie Feuer das Brennholz. Davon wird der Elefant eßlustig und von Feuer entflammt"). Druck des Schleimes aufs Yerdauungsfeuer k a n n z. B. auch Gelbsucht (pänduroga, speziell kartusari genannt) hervorrufen (I. 11): „Schleim, der durch fette, süße, saure, salzige Kost, durch Fleischnahrung u n d G r ü n f u t t e r wasserreicher Landschaft, durch schlecht verdaute Speise oder zuviel Essen, durch Tauchbäder in kühlem Wasser angehäuft ist, sinkt von seinem Ort und macht das Feuer im Bauche sich setzen. Der Elefant wird m a t t , blauschwarz, aller N a h r u n g abgeneigt, seine Haare sträuben sich rings, er speit, ist von Schmeißfliegen geplagt und hat einen geblähten B a u c h . " — Ungewohnte Kühle einzelner Leibesteile ist ein Symptom ihres k r a n k h a f t e n Übermaßes von Schleim, wie anderseits Hitze auf verstörte Galle schließen l ä ß t : Beim „reinen oder weißen" Fieber weicht das Gallige aus seinem Ort in der Leibesmitte u n d f ü h r t Schleim ins Hinterteil des Tieres, davon fühlt sich der Elefant dort ungewohnt kühl an, „wenn aber das Vorderteil heiß ist, so k o m m t das von der K r a f t des Galligen ( I I I . 24)". So schafft das Symptom die Theorie der Erkrankung. Immerhin k a n n die durch die Theorie nahegelegte Behandlung von Nutzen sein. Der Wind ist allgestaltig in den Regungen des Gemüts, der Rede und des Leibes, er ist das Wesen alles Lebens (II. 20). „Den Elefanten, der im Mutterleibe (aus dem Samen des Vaters und dem Blut der Mutter) zusammengeworden ist, belebt, der Wind, der himmlich-göttliche: großmächtig im Leibe wie im L u f t r a u m . Der ,erhabene Leber' (bhagavän jiva) heißt er, der Waltende Herr (ischvara) aller Wesen, die Lebenshauche in sich tragen. Obwohl er im Leibe weilt, ist er unsichtbar und wird ,Wind' von den Kundigen g e n a n n t . " ( I I I . 8.) — „Ebenmäßigkeit der leiblichen Bildung, was zuviel oder zu wenig am Elefanten ist: Unebenheit und Entstelltheit: das alles k o m m t vom Winde her." (III. 34.) Als die bewegende K r a f t , die die Leibesstoffe verteilt, ist er der Bildner von innen heraus, er wölbt die Formen auf, und wo er fehlt, kom-
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men sie nicht zur vollen E n t f a l t u n g . Ist z. B. eine Zahnhöhle der beiden Stoßzähne versperrt, so gelangt nur einer zur Ausbildung. Er ist schon vorgeburtlich ausbildend am Werk. Teilt er den Samen bei seinem Eintritt in den Mutterleib, so entstehen Zwillinge. (III. 8.) Er treibt die anderen Leibesstoffe zu k r a n k h a f t e n Schwellungen auf: Bei fehlerhaften Wundschnitten in unreifem Geschwür „wird das Blut wild wie W a l d b r a n d " . Wild geworden, m a c h t es die Galle wild u n d verdirbt H a u t u n d Fleisch. Mit dem Winde sich vereinigend, erzeugt es geschwind eine Schwellung. — „ Ü b e r den ganzen Leib ausgebreitet, vollzieht er allerwärts Bewegungen" („gebärdet er allerwärts T u n " I I I . 9). Über die Tätigkeit seiner fünf Hauptformen (vgl. S. 146) gelten verschiedene Anschauungen — unverbunden nebeneinander u n d schwer miteinander vereinbar. Der „Auseinanderhauch" (vyäna) waltet im Blute, der „Vorh a u c h " (präna) im F e t t , der „ A u f h a u c h " (udirana) im Schmer (vasä), der Zusammenwind (samäna) im Fleisch, der Abwind (apäna) in den Knochen. Augenscheinlich h a t die Fünferreihe der „Lebenshauche" (präna) im Zuge spekulativen Denkens die fünf ersten Glieder der Reihe der sieben Leibesstoffe auf sich gezogen, Mark und Schleim, die beiden letzten bleiben unbeachtet. Aber „der Wind trägt den Leib" u n d der „Auseinanderhauch" ü b t Bewegungen aus, ö f f n e n u n d Schließen der Lider, der „ A u f h a u c h " bewirkt K r a f t und Brunstrausch, der „ A b h a u c h " Entleerungen von Kot, H a r n u n d Blähungen usw.: Hier ist der Wortsinn der fünf Namen der Lebenshauche dafür entscheidend geworden, welche Funktionen ihnen beigelegt werden. Wie sie beiden Funktionsreihen gerecht werden können, ist kein Problem, und in der mittelbaren Zuordnung beider zueinander durch ihre Beziehung auf die Lebenshauche ist keine Theorie eines Zusammenhanges beider beabsichtigt. Der Wind erreicht das H ö c h s t m a ß seiner E n t f a l t u n g in der Regenzeit (IV. 28). Sein U b e r m a ß erzeugt vielerlei k r a n k h a f t e Veränderungen und Störungen (besonders an seinem Ort im Unterleib), denn „allgestaltig ist der W i n d " (II. 45). Seine Störungen zu verhindern u n d zu beheben, ist besonders wichtig, denn als der Allesbewegende stört er, wenn er erregt wird, die übrigen Leibesstoffe aus ihrer Ruhe auf, sie „bestehen j a auf ihm, wie die Zweige eines Baumes auf der W u r z e l " (I. 14). Da er die Muskeln spannt und entspannt, wird er besonders von Uberanstrengungen jeder Art verstört, aber auch scharfe u n d bittere N a h r u n g erregen ihn. Beides k a n n ihn so verstören, d a ß er z. B. Tollheit hervorruft (II. 51 cetobhramscha, k a n n auch aus schrecklichen Traumgesichten, vom Geruch eines brünstigen Elefanten, durch Räucherwind,
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einen fallenden Zweig oder öltrinken entstehen). Als Gegenmittel sind Güsse mit zerlassener Butter über den ganzen Leib geboten, Salben, Beräuchern und schweißtreibende Mittel. — Unbekömmliche Nahrung stört den Wind, daß er im Verdauungstrakt aus seiner natürlichen Richtung geht und, anstatt die verdauten Stoffe herauszutreiben, Harn- und Kotverhaltung erzeugt (z. B . I. 12 änäha). Bei völliger Verstopfung im Durcheinander aller Leibesstoffe (samnipätäd änäha) weicht er aus seiner Bahn und umkreist das Herz, daß der Elefant an „gehemmtem Herzen" stirbt. — Störung des Windes im Verdauungstrakt kann sich u. a. als Leibstechen (cüla = „Spieß") äußern. Dieser „ S p i e ß " stammt von der Waffe Schivas, dem Spieße, den der göttliche Asket in seinem Zorne gegen den Liebesgott warf, als dessen Blumenpfeil sein Herz bedrohte. Der Spieß ging aber fehl und traf Vischnu, fiel aber durch einen Laut des Unwillens aus des Gottes Munde zur Erde nieder. Und wütet seither im Leibe der Menschen und der übrigen Geschöpfe, die aus den fünf Elementen gebildet sind ( I I . 52). — Der Wind erzeugt auch die meisten Kopfleiden (I. 14), aber auch Gelbsucht, indem er die Galle ergreift und rings im Leibe verweht (I. 11), wenn sie durch zu saure oder salzige, verdorbene oder schlecht verdaute Nahrung, durch Marschieren in zu großer Hitze oder ein Tauchbad in ermüdetem Zustand erregt ist. Der gallige Stoff ist hitzig, salzig und säuerlich. Er erlangt sein Übermaß in der Sonnenwärme des klaren Herbstes, nachdem er in der Regenzeit durch das Anschwellen sauren Saftes in der frisch grünenden Natur genährt worden ist ( I I I . 5). Aber es heißt auch, daß er (mit dem ihm verwandten Blut) im Sommer mächtig ist (IV. 28). Er gerät in Zorn, wenn Nahrung oder äußere Hitze seine Masse mehren, daß sie sich in unzuträglicher Weise im Leibe verteilt. Saure, salzige und scharfe Säfte sind ihm verwandt und steigern daher seinen Bestand ins Krankhafte, ebenso Sesamöl, weil es hitzt. Sonnenglut bei Anstrengungen und Märschen, im Gehen, Stehen und Liegen mehrt seine Hitze. Auch unverdauliche und verdorbene Speisen erregen die Galle (I. 13/14. 18; I I . 5 0 ; I I I . 13 und anderwärts). Milde, kühle und fette, schleimmehrende Stoffe wirken galliger Erkrankung ausgleichend entgegen, z. B . zerlassene Butter und Melasse ( I I . 53. 70). — Gallige Leiden erkennt man an der Hitze der betroffenen Teile (Kopfleiden I . 14, Gliederleiden I I . 70), gallige Entzündungen außerdem an der Farbe ihrer Geschwulste und Ausflüsse (I. 14; I I I . 13) und an ihrem Aasgeruch ( I I . 50; I I I . 5). Die erregte Galle ergießt sich in die Leibeskanäle und erzeugt Schwellungen und Abszesse, die besonders heiß
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sind, w ä h r e n d schleimige Geschwulste fest u n d k ü h l , windige locker sind (I. 17). Sie sehen ( s a m t i h r e n Ausflüssen) gelb, grünlich oder rötlich aus ( I I . 6 6 ; I I I . 13). — E i n g a l l e n k r a n k e r E l e f a n t m e i d e t die H i t z e u n d s u c h t die K ü h l e auf u n d v e r l a n g t n a c h W a s s e r . Galle ist der Stoff zorniger E r r e g u n g , d a r u m darf m a n z. B . bei der B e h a n d l u n g galliger Geschwülste ( p i t t a s c h o p h a I. 17) „ k e i n h a r t e s W o r t z u m E l e f a n t e n sprechen, i h n n i c h t mit Treibstachel u n d S t o c k t r e f f e n u n d soll seinen Sinn a u f h e i t e r n u n d besänftigen, d u r c h F l ö t e n - u n d L a u t e n s p i e l u n d d u r c h Gesang u n d magische Melodien ( b r ä h m a n a s ä m a n ) " . — D a Galle der h i t z e n d e Stoff i s t , der die N a h r u n g i m Leibe „ z u r Reife k o c h t " wie die S o n n e n g l u t die F r ü c h t e in der N a t u r , b r i n g t sie ihre hitzigen Geschwülste zu schnellem Reifen u n d A u f g e h e n ( I I I . 13), indes schleimige sich langs a m entwickeln. O h n e Beteiligung der Galle gehen Geschwüre überh a u p t n i c h t auf (I. 17). D a s B l u t ist der Galle v e r w a n d t ( I I I . 6) u n d erreicht mit ihr die H ö h e seiner E n t f a l t u n g in S o m m e r u n d H e r b s t (IV. 28), seine S t ö r u n g e n w e r d e n weitgehend n a c h Art der galligen b e h a n d e l t . E s ist der höchste H a l t ( ä y a t a n a ) der L e b e n s k r ä f t e (präna). D a r u m soll m a n B l u t , d a s d u r c h gestörte Leibesstoffe v e r d o r b e n ist, d e m K ö r p e r n u r m a ß v o l l entziehen ( I I I . 16). Das „ I n n e n - I c h " ( = a n t a r ä t m a n , die G e s a m t h e i t der Seelen- u n d Sinneskräfte, so g e n a n n t im Gegensatz z u m leiblich-seelischen G e s a m t - I c h , das in a l t b r a h m a n i s c h e r S p e k u l a t i o n schlechthin „ ä t m a n " = Selbst, I c h heißt) verliert b e i m S c h w u n d des Blutes das Bewußtsein. Blut ist der G r u n d s t o f f v o n Leber, Milz u n d Nieren, aus d e m S c h a u m e des Blutes e n t s t e h t die L u n g e . W ä c h s t das B l u t , so w ä c h s t auch Glut u n d K r a f t (tejas), s c h w i n d e t es, so schwinden alle Leibesstoffe des E l e f a n t e n . W e n n der E l e f a n t mager u n d schwächlich ist, zu j u n g oder alt, h e r z k r a n k ist oder a n Milzschwellung leidet, vor allem wenn er zu S t ö r u n g e n des Windes neigt, darf i h m kein B l u t e n t zogen w e r d e n , d a j a der W i n d das Blut in den A d e r n t r e i b t u n d d u r c h seine E n t z i e h u n g leicht erregt wird. Bei F u ß - u n d Augenk r a n k h e i t e n , N a c k e n s t a r r e , Z u s a m m e n s c h n ü r u n g der Kehle, Geschwülsten, B r a n d w u n d e n , Stichverletzungen, Schlangenbissen u n d Leiden an K o p f u n d E x t r e m i t ä t e n darf m a n Blut entziehen. F e s t e K n o t e n a n den Gelenken, die voll v e r d o r b e n e r Leibesstoffe stecken u n d d u r c h Salben, Pflaster ( u p a n ä h a ) , S c h w i t z p a c k u n g e n (sveda), E i n r e i b u n g e n ( u n m a r d a n a ) , Breiumschläge (pradeha) u n d P r e ß p a c k u n g e n (pidana) n i c h t zur R u h e k o m m e n , u n d a n d e r e Geschwülste soll m a n d u r c h Schneiden z u m Ausfließen bringen. Das geschieht a m Morgen, der E l e f a n t darf nichts g e t r u n k e n h a b e n
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nnd soll wohlgelaunt sein. Man führt ihn ein Stückchen auf und ab und übergießt ihn warm, um seine verdorbenen Leibesstoffe in Bewegung zu bringen. Dann wird er gut gefesselt und geschnitten. Um die verdorbenen Leibesstoffe herauszuziehen, soll man ( I I I . 10) das Blut so lange fließen lassen, bis es rein und von der Farbe des roten Glühwurms (indragopa) kommt. Die Schnitte können lang, viereckig oder rund sein, rund an gewölbten Stellen wie Sitzteil und Schläfenbuckel ( I I I . 4). Sie sollen „den Mund nach unten haben", um ein glattes Ausfließen zu ermöglichen. An der Eigenart des ausfließenden Blutes läßt sich ablesen, welcher Leibesstoff gestört ist, bei Galle kommt es schwarz, grünlich oder gelblich und heiß tränend, bei Schleim reichlich, weißlich, schleimig und läuft lange, bei Wind dunkelbraun, schaumig und dünnlich. Bei Störung aller dieser Stoffe zugleich zeigt es diese Symptome durcheinander. Zieht man die gestörten Stoffe nicht mit dem Blute ab, so gesellen sie sich dem Winde, verderben ihn, werden von ihm weitergeführt und rufen vielerlei Störungen im Leibe hervor. Beim öffnen von Geschwüren soll man dem Elefanten Fett zu trinken geben und ihn mit F e t t übergießen, „das bekommt ihm immer und macht, daß er sich wohlbefindet" ( I I I . 4), denn Fett mehrt das kühlende, entzündungenfeindliche Element des Schleimes. Bis das Blut gestillt ist, soll man dem Elefanten keine saure, heiße oder salzige Kost verabreichen und nichts zu trinken geben ( I I I . 10). Sättigung an Speise und ihr Schmecken, Berührung und Geräusch bringen das Blut dazu, sich zu ergießen, darum soll man den Elefanten vor ihnen bewahren. Furcht und Zorn setzen das zum Stehen gekommene Blut in Bewegung, darum soll man den Elefanten nicht schrecken oder reizen. Man soll ihn mit kühlen Übergüssen und nassen Umschlägen behandeln und dazu befächeln. Kann das Blut durch blutstillende Mittel nicht zum Stehen gebracht werden, so muß man die Wunde brennen. Das geht freilich nicht an allen Körperteilen. An Hals, Unterleib, After und Geschlecht, an Knochen und Gelenken, an Adern und Kanälen und an „tödlichen Stellen" (marman) darf der Elefant nicht gebrannt werden. Da die Anschauungen von diesen letzteren Teilen — den Adern oder Kanälen und den „tödlichen Stellen" — für die Lehre von den Leibesstoffen wie für die allgemeine Körperlehre und Chirurgie Bemerkenswertes bieten, seien sie kurz umrissen. Am Tier- wie am Menschenleib finden sich Stellen, deren Terletzung Tod, Siechtum oder dauernde Behinderung von Funktionen zur Folge hat. Es sind die „marman", die nach den Etymologen (nairukta) so heißen, weil sie den Tod bringen (märana, zu
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lat. mors). Sie zu kennen ist namentlich f ü r den Chirurgen wichtig (wie anderseits f ü r den Boxer und Ringer; die Lehre der m a r m a n am Menschen ist, nach J a p a n gelangt, f ü r Jiu-Jitsu fruchtbar geworden). Der Elefant hat 107 marman ( I I I . 22/23), die Verletzung der meisten ist tödlich, bei anderen f ü h r t sie zu Lähmung, Halsstarre, Zeugungsunfahigkeit, Tod durch Harnverhaltung oder Ausströmen des Windes und zu Fiebertod. — Die Lebenskräfte (Lebenshauche präna), die im Leibe wohnen, stehen in inniger Beziehung zu den m a r m a n ; mit den Eigenschaften des Feuers (tejas) und des Windes (anila) weilt der von aller Stofflichkeit verschiedene, unvergängliche Lebenskern (puruscha: der Mann, der ewige Wanderer, der in Tod u n d neuer Empfängnis die Gestalten tauscht) in den m a r m a n . — An 34 marman wirkt Verletzung sofort tödlich. Sie liegen u. a. an Herz, Hoden, Geschlecht, Nabel, Gaumen, Zunge, zwischen den Zitzen und an Hals, Brust und Bauch. I n ihnen wohnen die Eigenschaften des Feuers, und das Feuer ist der Träger des Lebenskernes (jiva = puruscha), wie er wieder der Träger des Feuers (der lebendigen Körperwärme, die mit dem Tode erkaltet) ist. Darum stirbt der Elefant alsbald, wenn er an diesen „feurigen" verwundbaren Stellen getroffen ist. — Bei 25 anderen m a r m a n läßt sich der Tod eine Weile aufhalten, sie gelten als mondhaft-feurig (saumyägneya) — augenscheinlich, weil ihre Verletzung nicht das Erlöschen des eigentlichen Lebensfeuers zur unmittelbaren Folge h a t . I n ihnen erscheint das Lebensfeuer nur, wie das Sonnenlicht im Monde in reflektierter, abgeleiteter Form. Das läßt sich wenigstens aus einer Beschreibung des Lebensfeuers entnehmen (II. 65) : „Ohne Anfang, Mitte und Ende wird das Feuer des Leibes gequirlt . . . " — d. h. es wird ständig neu erzeugt und erlischt im ganzen Leben nicht — „in der Nabelmitte des Leibes, soll m a n wissen, liegt der Mondring, inmitten des Mondringes, wisse man, befindet sich der Sonnenring, in seiner Mitte aber flammt wohl das Feuer des Elefanten." — Bei anderen 14 marman t r i t t der Tod ein, wenn der Fremdkörper, der sie verletzt h a t , aus ihnen entfernt wird. Denn sie haben windhafte Natur (vätavya). Zieht m a n den Fremdkörper heraus, so entweicht der Wind, die allesbewegende K r a f t , aus dem Leibe, und seine Funktionen müssen aufhören. — 34 marman wirken, wenn sie verletzt sind, entstellend und verschlechternd (vaigunyakara), sie sind fest und von mondhafter Art. — Man unterscheidet die m a r m a n auch nach ihrer Lage an Adern, Gefäßen, Kanälen, Knochen, Eingeweiden, Sehnen, Gelenken u n d Leibesstoffen. Bei Verletzung eines m a r m a n an Adern stirbt der Elefant am Blutverlust, ist ein Sehnenmarman getroffen, lösen sich die Gelenke, denn „die Bänder knüpfen den
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Leib z u s a m m e n " . An einem G e l e n k m a r m a n getroffen, wird der E l e f a n t seiner G e b ä r d e n u n m ä c h t i g , „ v o m W i n d e gepeinigt (der alle Gelenke bewegt) stirbt er schnell" usw. — I n d e n m a r m a n sitzen S t a n d h a f t i g k e i t , Mut, K r a f t , T r e f f l i c h k e i t , S c h l a g k r a f t u n d heldische E i g e n s c h a f t e n des E l e f a n t e n , d a r u m 6tirbt er, w e n n sie verletzt sind. — D a h e r ißt bei chirurgischen E i n g r i f f e n große Vorsicht geboten. „ D e r E l e f a n t s t i r b t leichter d u r c h s Messer des Arztes, als a n s t a r k e n S t ö r u n g e n der L e i b e s s t o f f e . " K e i n E r f o l g oder n u r ein halber ist einer gewagten O p e r a t i o n vorzuziehen, „Erfolg hängt vom Ungefähr ab". Wunden an Knochen und Sehnen, Adern u n d Gelenken u n d die tief sitzen, soll m a n n i c h t schneiden. Das Messer soll nicht im N e t z der B ä n d e r gehen, es ist mit d e m Strich ( a n u l o m a m ) nicht quer, g e r a d e n Ganges u n d festeingesetzt in die H a u t zu f ü h r e n u n d soll erst g e b r a u c h t w e r d e n , w e n n die W u n d e „ r e i f " (supakva) ist. Die S c h n i t t e sollen 5, 7 oder 9 Fingerbreiten lang sein. — W e n n der E l e f a n t in der Schlacht oder im K a m p f der E l e f a n t e n u n t e r e i n a n d e r (ein königliches Schauspiel) v e r w u n d e t ist, soll m a n die frische W u n d e v e r n ä h e n , w e n n die W u n d e n aufschwellen u n d nässen, soll m a n sie v e r b i n d e n , aber nicht n ä h e n . Es gibt zweierlei A r t e n , W u n d e n zu v e r n ä h e n : mit F a d e n ( g u n a v a t ) u n d mit K n o t e n ( g r a n t h a v a t ) . Bei starren, f e s t e n Stellen wird mit K n o t e n g e n ä h t , bei fleischig-beweglichen, wo weiche Gelenke sind, mit F a d e n . Die N a d e l soll fein u n d glatt sein, 8 Fingerbreiten lang u n d in einen Elfenbeingriff eingelassen. Über die A d e r n oder K a n ä l e (sirä, schirä, d h a m a n l ) b e s t e h e n verschiedene A n s c h a u u n g e n . Es heißt, a m E m b r y o e n t f a l t e sich zuerst Kopf u n d Herz mit dem L e b e n s h a u c h e , d a n a c h wachse der Leib auseinander. Aus dem Herzen e n t s p r ä n g e n die Adern oder K a n ä l e , wie Strahlen aus der Sonne u n d d u r c h z ö g e n den Leib n a c h allen R i c h t u n g e n ( I I I . 16). „ S o wie das Meer H a l t u n d S t a n d aller Flüsse ist, gilt das Herz als H a l t u n d S t a n d (pratischthä) aller A d e r n . I h r S y s t e m b e s t e h t aus 700 größeren Adern, d a r u n t e r 10 , M u t t e r ' - A d e r n ( m ä t r i k ä ) u n d verzweigt sich in 6500 kleinen Kanälen." Sie v e r m i t t e l n alle Bewegung u n d den A u s t a u s c h der Stoffe. J e 50 A d e r n dienen besonders f ü r Fleisch, F e t t , K n o c h e n , Mark u n d S a m e n . D u r c h ein Ü b e r m a ß an Leibesstoffen, die ihre N a t u r änd e r n , aus freudiger E r r e g u n g u n d K r a f t , a u c h aus der natürlichen Anlage des E l e f a n t e n e n t s t e h t der B r u n s t s a f t . 50 A d e r n f ü h r e n i h n z u m Geschlecht u n d zu den Schläfen, aus denen er quillt. 50 A d e r n i n m i t t e n v o n Lunge, Leber u n d Herz bringen das B l u t zusammen. I n 50 Adern, die a n B r u s t , K o p f , H a l s u n d in den m a r m a n ringsum
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sitzen, verdichtet sich der Schleim, andere 50 führen das Gallige, das zwischen Herz u n d Nabel sitzt, weitere 50 im Unterleib (an After, Geschlecht, Nabel und Blase) dienen dem Winde als Bahnen. Aus ihnen gelangen die Leibesstoffe in die Gefäße (dhamani). Andere Adern, die in Fleisch und H a u t verlaufen, füllen die Leibesstoffe mit Speisesaft auf, andere führen den Schweiß, der bei Anstrengung u n d Hitze den „nach innen schwitzenden" Elefanten aus dem Munde strömt. 50 Adern dienen den Sinneskräften, sie „schauen nach Gerüchen, Formen, Geschmäcken usw. aus", andere teilen den Gliedern ihre Bewegungen m i t : Sie bewirken unterschiedlich Ausstrecken u n d Ankrümmen, Gehen, Erheben, Ohrenfacheln, Erschauern der H a u t usw. Auf diese Adern hat der Arzt beim Schneiden besonders Rücksicht zu nehmen, z. B. die den Sinnen und der Bewegung dienenden zu vermeiden, dagegen die Adern der Leibesstoffe j e . n a c h der Störung eines von ihnen zum Fließen zu bringen. Als Vorbereitung ist eine Reinigungskur von 3—7 Tagen angezeigt, die den Körper von der Anhäufung gestörter Leibesstoffe befreit. Widersprechend und unversöhnt steht neben dieser Lehre die Anschauung, das Netz der Leibeskanäle entspringe und verzweige sich vom Nabel aus ( I I I . 19). 15 große Kanäle (dhamani) gehen von dort aus mit den verschiedenen Leibesstoffen und verästeln sich Uber den ganzen Körper. Unteradern aber auch Bänder entspringen aus ihren Verzweigungen zu Tausenden, und die Zahl der Bänder soll so groß sein wie die der Haarporen. Wie ein Baum aus einem einzigen Stamme sich mit vielen Zweigen umgibt, so entspringt die Fülle der Kanäle und Bänder aus dem Nabel. Da die Leibesstoffe Wandlungsformen der all-einen stofflichen Lebenskraft sind, können sie, wenn sie erregt werden, an einigen Stellen des Leibes kleine schädliche Lebewesen aus sich hervorbringen. Es gibt die „Ohrenhaarwürmer" (karnavälakrimi 11.62), die „fein wie H a a r s p i t z e n " sind und mit „ D o r n m ü n d e r n " H a u t , Fleisch und Blut an den Ohren der Elefanten fressen. Sie haben verschiedenes Aussehen: dunkel, weiß, rot und streifig, sie tauchen an den Ohren und deren Haaren auf. „Meistenteils entstehen die Haarwürmer im Leibe der Elefanten aus dem Schleim." Bei einer anderen Ohrkrankheit (II. 63 karnaroga) entstehen Würmer aus Schleim und Wind oder aus Blut, Schleim und Wind und sind im Blute des kranken Tieres nachweisbar. Dieses Leiden kann durch Schläge auf den Kopf entstehen, die den Wind in Zorn versetzen, daß er, Blut und Schleim mit sich führend, in krankhafter Weise zum Ohre strömt.
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Gleichen Ursprung haben die Augenkrankheiten „ m u n j a " („Schilfgras") u n d „ m u n j a j ä l a " („Schilfgragnetz" I . 18). Wenn sich infolge zu schwerer, fetter Kost ein Ü b e r m a ß von Schleim bildet u n d ein Teil davon durch den W i n d , der in den Kanälen zu den Augen hin sich bewegt, zum Auge gebracht wird, entsteht dort ein feiner weißer W u r m , der wie ein weißer Faden aussieht. Wenn er im Auge über 7 Tage alt wird, t r i n k t er die Augenflüssigkeit. E r m u ß chirurgisch entfernt werden u n d wird in ein goldenes Gefäß mit heißem Wasser geworfen u n d dem Könige gezeigt, wie er sich bewegt. Seine weiße Farbe verrät seine E n t s t e h u n g aus gestörtem Schleim, so wie bei „ m u n j a j ä l a " die verschiedenartigen Würmer, die im Auge entstehen, an ihren Farben als Ausgeburten der verschiedenen Leibesstoffe zu erkennen sind: Die aus dem Winde stammenden sind rauh (weil der Wind austrocknet) und braun (wie der Staub wind trockener Jahreszeiten), die aus Galle entstehen sind gelb, falb oder blau, die vom Blute kommen rot oder rötlich u n d die vom Schleime herrühren weiß. Stammen sie von allen Leibesstoffen zumal, sind sie vielfarbig, scheckig und gestreift. — Ebenso entstehen Würmer aus Schleim und Blut im Kopfe, wenn beide Stoffe durch falsche E r n ä h r u n g oder aus anderen Anlässen erregt werden, zum Kopfe aufsteigen und sich dort versteifen (I. 14). Die verschiedenen Farben der Augenwürmer beim „ m u n j a j ä l a " sind allgemein symptomatisch f ü r die Beteiligung der einzelnen Leibesstoffe an Krankheiten wie körperlichen Eigentümlichkeiten. Auch im Bauche können aus einem Ü b e r m a ß zusammengeballten Schleimes u n d aus anderen Leibesstoffen sich Würmer entwickeln (II. 59): Sind sie rein weiß, so s t a m m e n sie von Schleim allein, sind sie gelblich-rötlich, von Schleim u n d Wind. Gestreifte rühren von allen vier Leibesstoffen her. So geben die Farben einfachen Anhalt, welche gestörten Leibesstoffe bei Erkrankungen im Spiele sind, sie weisen in der H a u t des E m b r y o und an Gaumen, Auge und anderwärts auf ihre besondere Einwirkung beim Ausbilden dieser Teile hin ( I I I . 8). Galle f ä r b t seine H a u t schwarz, Schleim gelb, Blut rot, gelb oder dunkel. Schleim u n d Wind tönen ihn dunkel, Wind, Galle u n d Blut eulenfarbig. Wind t r ä g t dazu bei, die H a u t rauh u n d glanzlos zu machen. — Starerkrankungen des Auges (patala, Häutchen) entstehen aus erzürnten Leibesstoffen, und der Star ist rötlich, wenn er vom Winde, blauschwarz, wenn er vom Galligen herrührt, weiß, wenn er v o m Schleim s t a m m t (IV. 14). Auch die verschiedene Beschaffenheit der Ausscheidungen bei Durchfall verrät, welcher Leibesstoff gestört ist (II. 2). Bei gestörtem Schleim sind sie weiß, schwer u n d zäh, fest, schlüpfrig,
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fettig u n d kühl, bei gestörter Galle schwarz, rotgelb oder rötlich, blutig u n d heiß, beim (trockenen) "Winde schaumig, unschlüpfrig u n d bröckelig, von Leibschneiden u n d Geräusch begleitet. Das verschiedene Tempo, das den Leibesstoffen als Temperamentsgrundlagen innewohnt, t r i t t auch in der Entwicklung krankh a f t e r Gebilde, die sie hervorbringen, zutage, z. B. bei bösartigen Geschwülsten (vidradhi I I I . 13). E n t s t e h t solch eine Geschwulst aus Schleim, der durch ein Übermaß süßer Kost, Schlaf unter Tags und Mangel an Bewegung erregt ist, so wird sie langsam reif (und ist dabei dick, schlüpfrig; ihr Ausfluß ist wie F e t t und Mark). Die gallige Geschwulst wird dagegen schnell reif (sie entsteht durch ein Übermaß scharfer und saurer Kost, die das Gallige erregt) und ihr Ausfluß ist hitzig u n d übelriechend. Wird der Wind durch scharfe, zusammenziehende Säfte u n d rauhe Nahrung erregt, so verdickt er sich im Fleische (an Mundwinkel, Weiche, Milz, Leber, Herz, Lunge, Harnblase, Geschlecht oder Gesicht) zu einem schweren Knoten, dessen Ausfluß schaumig u n d rötlich ist. So sind die Leibesstoffe auch die Grundlage verschiedener Schlangengifte u n d am Tempo ihrer Wirkung kenntlich (II. 10): Das windige Gift wächst schnell im Leibe u n d ist leicht zu beruhigen, das gallige ist langsam u n d f u r c h t b a r , das schleimige wächst nicht im Körper und ist schwer festzustellen. Auch in Brunstrausch (mada) und Brunstsaft (däna) setzen sich die Leibesstoffe u m , ein jeder in Zeiten seines Übergewichts: I n der Regenzeit e n t s t a m m t der Rausch dem Winde, im Herbst der Galle, im Winter dem Schleim und im Sommer dem Blut (11.61). E r k a n n aber auch aus allen vier zugleich entstehen u n d andere Ursachen h a b e n : Heldenmut, Lust, Gedeihen wie Krankheit, schließlich natürliche Anlage. Bemerkenswerter ist es, daß er wie aus den vier Leibesstoffen (dhätu) auch aus der Reihe der sieben entstehen k a n n (saptadhätüdbhava) u n d also seine H e r k u n f t aus Speisesaft, Blut, Fleisch, F e t t , Knochen, Mark oder Samen haben k a n n (IV. 31). Diese Ursprünge bedingen verschiedene Äußerungsformen und Stärkegrade. Geht z. B. das Fleisch in Brunstrausch über, so ist der Rausch stärker, als wenn er sich nur im Blute entfaltet, ergreift er auch das F e t t , steigert er sich weiter usf. Greift er über die vier ersten Stoffe der Reihe hinaus, so wandelt sich seine Freudigkeit in immer ärgere W u t , die schon, wenn Knochen und Mark beteiligt sind, zum Tode führen kann, während die höchste Form des Rausches, die alle sieben Leibesstoffe erfaßt, zum Tode des Elefanten f ü h r e n m u ß : „Dieser siebente Zustand des Rausches ist seiner Gestalt nach göttlichen Ursprungs, blüht er auf, durchdringt er mit Gewalt den Leib des königshaften EleZimmer, Spiel um den Elefanten
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fanten — ihn können die Elefanten mit ihrem Leibe nicht h a l t e n " — in allen stofflichen Formen u n d Schichten ihrer Leiblichkeit zu Rausch verwandelt, löst sich ihr Gefüge auf. Eine großartige Vorstellung, von der Gewalt miterlebender Phantasie eingegeben. Sie ist begründet in der Theorie, d a ß die sieben Leibesstoffe einer aus dem anderen als sein (zur Reife gekochtes) Destillat entstehen, sie alle sind Wandlungsformen des Speisesaftes unter dem Einfluß der Leibeswärme und gehen unter ihrer Einwirkung einer aus dem anderen hervor: Der Same als letzter ist Quintessenz (besser sépt i m a essentia) aller leiblichen Stofflichkeit (IV. 3). Diese Anschauung steht beziehungslos — unversöhnt, wie ohne Feindschaft — neben der Lehre von den drei Leibesstoffen Wind, Galle u n d Schleim. Sie erwächst aus einer anderen Betrachtungsweise u n d h a t in ihrer Reihe das Blut mit der Humoraltheorie gemein, die das Blut als vierten Stoff den dreien zuordnet, aber von ihm handelt, als wäre es nicht dasselbe Blut, wie in der Reihe der sieben Stoffe. Beiden Theorien eignet derselbe Ernst, aber ihr Nebeneinander f ü h r t zu keinem Konflikt. Augenscheinlich dank der allgemeinen Struktur indischen Denkens: f ü r den gleichen Gegenstand — hier die Leiblichkeit des Elefanten — verschiedene Aspekte gelten zu lassen, die, jeder in sich theoretisch sinnvoll, keinen Anspruch auf alleinige Gültigkeit entwickeln. Sie sollen nicht die ganze Wirklichkeit erfassen und erklären, sondern nur ein einzelnes Stück Wirklichkeit benennen und begrifflich konstruieren. Aber die widerspruchslose Konstruktion der Gesamtwirklichkeit in ihrer Beziehungsfülle wird nicht als Aufgabe empfunden, u n d daß ihre Möglichkeit erst die gedankliche Konstruktion von Teilbezttgen legitimiert, fehlt als Regulativ der Theorienbildung. I h r Fehlen erklärt den aphoristischen und weithin rein theoretischunwirklichen Charakter der schlecht oder gar nicht verknüpften Einzellehren u n d verurteilt sie zum embryonalen Stadium bedeutsamer Intuitionen, denen das Ausreifen im Kampfe miteinander unter der Selbstkritik der Erfahrung versagt bleibt, wie die Erfahrung von ihrer Unstimmigkeit keinen Stachel, über sich hinaus zu drängen, erfährt, u m Widersprüche der Theorien zu entscheiden u n d neue, widerspruchsvolle zu schaffen. — So bleibt das rein schematische Denken mythisch-magischer Frühzeit in K r a f t , das Größen einander zuordnet, weil sie in gleichgebauten Gruppen denselben Stellenwert h a b e n : Die drei Leibesstoffe werden etwa zu den drei Tageszeiten in Beziehung gesetzt, den schleimigen Brunstrausch soll m a n am Morgen, den galligen des Mittags u n d den windentsprungenen a m Abend ärztlich behandeln (II. 61). 172
Den Hauptbestand des „Wissens vom langen Leben der Elefanten" bilden Beschreibungen von Krankheiten und deren Heilverfahren. Sie kreisen um die beiden Fragen: „Wie entsteht das L e i d e n ? " und „wie wird es g e h e i l t ? " (z. B . I I . 57), also um die beiden Begriffe „Entstehung der K r a n k h e i t " (rogasamutthäna) und „Heilung" (cikitsita, z. B . I I . 39). Oder aber die erste Frage lautet: „Wie erkennt man das Leiden ? " (z. B . I I . 35) und zielt auf die richtige Erkenntnis (vijnäna) oder Bestimmung des krankhaften Zustandes. So ist das ärztliche Wissen eigentlich jeweils um drei Punkte bemüht (die vielerlei Namen haben) : um den Ursprung des Leidens (sambhava, utpatti, ädäna, nidäna, samutthäna, doscha), seine Anzeichen (lakschana, rüpa) und seine Behandlung (cikitsä, cikitsita, siddhi, sädhana, bhaischajya, upakramavidhäna). Erläuternd tritt die Namenserklärung (nirukta) als Wesenserklärung hinzu. Vielfach werden die beiden ersten Punkte (als nidäna, lakschana, sambhava) zusammengezogen. — Man unterscheidet „große Krankheiten" (mahäroga), die im ersten der vier Bücher behandelt werden und „kleine Krankheiten" (kschudraroga), die im zweiten zur Sprache kommen. Daneben steht als drittes das „Buch der Pfeile" (schalyasthäna), das Erkrankungen durch Fremdkörper behandelt. Da zu ihnen auch der Same als Eindringling gerechnet wird, hat hier die Embryologie und Schwangerschaftslehre ihren Platz, daneben die Chirurgie und Lehren von den Leibesteilen, die für sie wichtig sind. „ G r o ß e " Krankheiten sind im Gegensatz zu den „kleinen 1 ' solche, die mannigfache Erscheinungsformen haben und aus vielerlei äußeren Ursachen oder Störungen der vier Leibesstoffe und ihren Kombinationen entstehen. Denn „zumeist beruht eine Krankheit nicht bloß auf der Störung eines einzigen Leibesstoffes. Der Wind bringt, wenn er erregt wird, auch die anderen zu schädlicher Wirkung" und „eine Erregung, die vornehmlich auf Wind, Galle oder Schleim allein beruht, steht in Wechselwirkung zu Störungen der übrigen Stoffe" (I. 12). — Zu den großen Krankheiten rechnen Fieber, Gelbsucht, Harn- und Kotverhaltung, Ohnmacht, Augen-, Kopfund Fußkrankheiten, Verdauungsstocken (vyäpad), Geschwulst (schopha) und „Austrocknen" (schoschana, auch „skanda" = „Anspringer" genannt). Das große Kapitel über die Fieber (päkala, I . 9) sei hier als ein Beispiel aus den vielen Darstellungen von Krankheiten und ihren Heilverfahren herausgegriffen 1 . Es zeigt das typische Ineinander 1 Ein Verzeichnis aller Krankheiten und eine Liste von Spezialausdrücken der Elefantenheilkunde soll in einer Fachzeitschrift erscheinen.
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von mythischen Vorstellungen, magischen Bräuchen, scharfer Beobachtung des Krankheitsbildes, theoretisierender Erklärung und komplexer Therapie, aus dem die Elefantenmedizin besteht. Es beginnt mit dem mythischen Ursprung des Fiebers aus Rudras (d. i. Schiva) Zorn. Fieber sind todbringend und ergreifen alle lebenden Wesen. Danach haben sie verschiedene Namen: Es werden 22 genannt, die sich auf zahme und wilde Tiere, Schlangen, Vögel, Fische, Insekten und Vegetation aller Art beziehen. Auch Erde und Wasser sind so wenig wie der Mensch vom Fieber verschont, da sie in ihren kleinen Teilchen belebt sind. Elefanten sind dem Fieber besonders wenig gewachsen, weil sie massig an Fleisch und Fett sind, und seine Hitze, da sie „nach innen schwitzen", nicht durch das Fell abzugeben vermögen. Es tritt bei ihnen in zehn verschiedenen Formen auf. 1. Das „weiße oder reine Fieber" (schuddha-päkala). Es entspringt aus einem Übermaß an Schleim, der alle Gefäße des Leibes erfüllt, hervorgerufen durch einseitige Ernährung und Lebensweise (zu fette, süße, saure oder salzige Nahrung, Sauermilch, Melasse, Sesam, Fleisch, Fleischbrühe, Fisch, Marschgras, aus Mangel an Anstrengung, Schlaf bei Tage, Genuß kalten Wassers). Symptome: Schläfrigkeit, Aufgeblähtheit, Atemnot; verschiedene Körperteile (z. B. Augen und Nägel) sind blauschwarz gefärbt, das Haarkleid ist gesträubt, Bewegungen des Rüssels, der Ohren und des Schwanzes sind kraftlos. Der Elefant schnauft schwer auf und stöhnt dumpf, gibt keine Zeichen von sich und nimmt nichts wahr und wehrt sich nicht gegen Insekten. Er mag kein Wasser und liegt mit schlaffen Gliedern nieder. Oder er steht mit starrem Rüssel und steifem Rüsselfinger. Er hat keine Freude an Wasser und Grasfutter und riecht am ganzen Leibe schlecht. Zu diesen Symptomen seines krankhaften Übermaßes an Schleim (Apathie, Starre und Schlaffheit) kommt bekräftigend das unmittelbare Zutagetreten des bedrängenden Stoffes: Aus den Augen quellen dicke Tränen, Schleim aus dem Rüssel, Speichel aus dem Munde, Geschlecht und Weichen triefen wie in der Brunst, er „strömt reinen weißen Schleim". — Wenn der Schleim in seinem Übermaß das Herz erreicht, stirbt der Elefant. Das tritt spätestens in vier Tagen ein. 2. „Kindsfieber" (bälapäkala) entspringt aus Störung des Windes, der durch rauhe, kalte, zusammenziehende, bittere und unbekömmliche Kost gereizt ist oder durch Unbequemlichkeiten und Strapazen (schlechter Stand, unbekömmliches Lager, Nachtwachen, zu schwere Lasten oder Märsche, Fesselung usw.) oder
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Auszehrung und K u m m e r gereizt ist. Seine Störung äußert sich in Starre und Schwellen aller Glieder, Leibstechen und Stocken von Verdauung und Entleerung. Der Elefant steht reglos mit geschlossenen, tränenden Augen, rührt sich nicht nach seinem Stande oder um zu gehen, h a t keinen Appetit und nur mühselige Entleerang und ist rauh anzufühlen. Angenehme und unangenehme Empfindungen verwechselt er, er „gebärdet sich wie ein Junges". — Bei ausgezehrten, schwachen, alten und jugendlichen Tieren ist keine Hilfe möglich. Sonst können Diät und Schwitzen retten. Erschöpfung und fettlose Kost, die das Leiden hervorriefen, werden durch K r a f t n a h r u n g ausgeglichen (Fisch und Fleisch, gut gesalzen, in Sesamöl gesotten; Fleischbrühen). Verschiedene Pflanzenstoffe in Brühe oder F e t t gesotten, dienen zur Beinigung des Verdauungstraktes. Schwitzpackungen (taptasneha) aus Vegetabilien hergestellt und gleichzeitig mit heißem Fleisch und Brühen verabfolgt, dienen dazu, den Wind in den einzelnen Teilen des Leibes aus seiner Starre zu lösen und die Glieder „weich zu machen". Die K u r wird durch magisch-religiöse Bräuche eingeleitet (Spenden: ähuti, balikarma, Sühnzeremonie: präyaschcitti und Verabreichung dämonenvernichtender (rakschoghna) Kost). 3. „Zornfieber" (pakvala-päkala, pakvala = kopa „Zorn") entspringt, wenn Wind u n d Galle gestört sind. Scharfe, saure, ätzende, stechende, bittere, zusammenziehende und rauhe Nahrung, Anstrengungen, Aufenthalt im Winde oder in Hitze, machen beide Stoffe zornig, daß sie auf das Herz losgehen. Symptome: Rüssel, Augen, Ohren und Schwanz sind starr und geschwollen; der Elefant fächelt mit den Ohren, schnauft und gähnt, sein Atem rasselt, die Augen tränen. Er ist voll Unrast, immer wieder langt er nach F u t t e r , um es wegzuwerfen, er schüttelt den Leib und will in Zorn alles, was er sieht, niederschlagen (Zäune, Wände, Bäume, Türleibung und Pfosten; Ameisenhaufen, Menschen, Tiere, Wagen). Besonders ist er gegen den Arzt zornig, er m u ß bei der Kur gefesselt und mit Wort, Stab und Stachel eingeschüchtert werden. — Als Gegenmittel dienen Fettes und Bitteres, z. B. Milch mit vielerlei Pflanzendekokten und Eberfett, alle Arten Salz geröstet in Branntwein. Unter den Störungen des Windes gilt es vor allem (mit verschiedenen Getränken) den Harnzwang zu beseitigen u n d Wind und Galle samt dem Kot hinauszubefördern. Dazu dienen Übergüsse mit warmem Wasser (hinterher Einreiben mit zerlassener Butter) und Schwitzpackungen. 4. „Sanftpackendes Fieber" (mridugraha-päkala) packt den Elefanten sanft u n d schwillt mählich zu tödlicher Wirkung an. Es ist 175
Schwindsucht (räjayakschman); wird der Elefant nicht geheilt, geht er in vier oder acht Monaten oder einem J a h r e ein. E s entspringt aus allgemeiner Abnahme der Leibesstoffe infolge ungemäßer Ernährung, Erschöpfung, Überanstrengung, schlechter Unterbringung oder wenn der Elefant zuviel schmutziges, übelsauerriechendes Wasser trinkt. Dann kommt der Wind aus seiner Bahn und schädigt Schleim und Galle samt allen anderen Stoffen (Speisesaft, Blut usw.). Die Stoffe des Leibes gehen zugrunde, seine „stoffliche N a t u r " (prakriti) ist durcheinandergeworfen: Der Wind ist mit Schleim besalbt, das Gallige aus seiner B a h n . — Symptome: Der Elefant magert ab, schnauft und speit fortwährend; er kann nichts bei sich behalten. E r frißt zwei oder drei Halme und speit sie mit Blut und Schleim aus. Er ist schlaflos, geistesabwesend, müde und traurig und sieht gelblich aus. Und ist schwer von Schmeißfliegen geplagt. — Nach der Meinung einiger ist das Leiden nur in seinem Anfangsstadium heilbar. Es gilt zunächst, das Speien zu kurieren, damit dann kräftigende Ernährung einsetzen kann. I n allen Rezepten zur Beseitigung des Speiens spielt Honig eine Rolle. Als K r a f t n a h r u n g dienen Fleisch u n d Fleischbrühe, denen F e t t , Honig und Salz zugesetzt werden. Die Mastkur ist von Einreiben, Einfetten, Übergießen und Schwitzen begleitet (Schwitzpackungen an den Schultern mit der Fleischwärme von H u n d , Schakal, Esel, Ichneumon). Auch magische Hausmittel bewähren sich: Man räuchert mit dem Herzen (in zerlassener Butter) eines ganz weißen oder ganz roten Ziegenbocks oder eines gelben Hundes oder einer H y ä n e ; oder mit dem F e t t von Maus, Eichhörnchen, Krähe usw. Der eigentlichen Kur sollen Handlungen zum Beschwichten (schänti) und Wohlergehen (svastyayana) voraufgehen. 5. Das „Hahnenfieber" (kukkuta-päkala) heißt so, weil der Elefant dabei wie ein H a h n schreit. Es entsteht durch Störung des Windes: infolge Quetschungen beim Angriff auf Befestigungen oder durch Fesselung, bei Übermüdung und Schlägen; und infolge falscher Ernährung, wenn der Elefant zu wenig schleimnährende, fette und salzige Stoffe, aber zuviel windmehrende Nahrung von bitterem und zusammenziehendem Geschmack bekommt. — Symptome: Er zuckt und fällt hin, dreht sich wie ein Pferd, rollt sich rund, zieht sich im Kreis herum, schlägt um sich und schlägt die Erde mit dem Kopfe, hat gerötete Augen und ist geistesabwesend. Er schreit, schnauft, sperrt den Mund auf, sieht aus wie trunken oder wie von Geistern besessen, ist zornig u n d kräht wie ein H a h n . — Er wird mit Schwitzpackungen, Einreibungen, Nasenund Aftereinläufen behandelt, beräuchert (u. a. mit Affenblut). Ein 176
anderes Räuchermittel (dhüpana) besteht aus schwarzem Fleisch u n d Hahnenblut (vielleicht um das ,,Hahnen"-Fieber magisch zu bekämpfen). 6. „Fieber, das an einem Gliede p a c k t " (ekängagrahapäkala) — vgl. oben S. 142. 7. „Fieber des Eingeschlafenen" (prasupta-päkala) tritt auf, wenn der Elefant infolge Freßsucht zu dick geworden ist. Wenn der Wind durch ätzende, salzige, bittere, scharfe, zusammenziehende und rauhe Kost in Zorn gerät, macht er Galle und Schleim zunichte, entflammt das Bauchfeuer mächtig und erzeugt Heißhunger. Dann frißt der Elefant unmäßig, er häuft Fleisch an, Schleim und F e t t wachsen, davon wird er träge, unlustig und schläfrig. — Symptome: Er wird schwach an K r a f t , schwer an Fleisch und Fett. Er geht nur mühsam, hat starkes Kältegefühl u n d liebt Wärme. Er zeigt Zeichen der Brunst, ohne brünstig zu sein. Sein Gefühl sitzt in der Tiefe. — Diese krankhafte Entwicklung übermäßig schleimiger Komplexion wird durch abmagernde pflanzliche Diät (mit bitteren, zusammenziehenden u n d scharfen Säften) bekämpft und durch Aufenthalt in Wind u n d Hitze. 8. ,,Hammerfieber" (küta-päkala) ist unheilbar. Es h a u t den Elefanten jählings hin wie der W u r f h a m m e r des Jägers ein Gazellenjunges. Es ist eine Störung des Windes: Durch unbekömmliche, scharfe, rauhe oder flaue (laghu) Nahrung oder durch Überanstrengung und Springen erregt, löst sich der Wind aus dem ganzen Leibe und schießt versammelt jählings zum Herzen. Wie vom Blitz getroffen fällt der Elefant, an allen Gliedern steif, zu Boden. Das geht so schnell, daß man keine Ursache oder Anzeichen (nidäna) bemerkt. Wer sich nicht auskennt, meint, er sei vergiftet oder von einem „ P a c k e r " (graha, Dämon) gefaßt. Aber im Gegensatz zu diesen beiden Todesarten findet sich hier kein Symptom (nidäna). 9. „Lotusfieber" (pundarika-päkala) heißt nach lotusblattartigen Hautflecken, die in allen Farben, schwarzgerändert, heiß brennend u n d sich ausbreitend an vielen Stellen des Leibes zutage treten, wenn der Wind, durch unzuträgliche Kost erregt, Blut und Galle rings im Körper umherstreut. — Weitere Symptome: Der Elefant besprengt sich die Ausschlagstellen mit Schlamm und Staub, meidet die Wärme, schließt die Augen, stöhnt und schnauft. — K u r : zuerst gilt es, den Wind zu beruhigen, der die beiden anderen Stoffe im Leibe stört und verbreitet, dazu dienen Tauchbäder und allerlei Übergüsse (z. B. mit Branntwein) und Einreiben mit geklärter B u t t e r und Butterschaum. Sie sollen auch Schärfe und 177
Geschwindigkeit des Galligen beheben, das durch Diät a b g e f ü h r t werden m u ß . 10. „Großes Fieber" (mahäpäkala) entsteht, wenn der E l e f a n t , schleimmehrende Kost gewohnt, untrainiert plötzlich ins B a d oder auf Märschen durch Wasser k o m m t . D a n n erzürnt sich der Wind und drückt mit der Fülle des Schleims das Herz zusammen. Symptome: Dann dröhnt er tief wie eine Wolke, stürzt wie ein entwurzelter Baum zu Boden, r a f f t sich gewaltsam wieder auf, h a u t Böschungen ein, drückt den Rüssel auf die Erde u n d h a t schleimigen Durchfall. — Man behandelt ihn mit schleim- und windmildernder Diät und Einläufen. „ S c h u d d h a " - und „ K ü t a " - p ä k a l a (Nr. 1 und 8) gelten als unbedingt tödlich, aber auch die anderen Arten sind „wie der Stab des Todesgottes".
Aus der Betrachtung der indischen Tiermedizin läßt sich wohl einiges über das Wesen der Heilkunde ü b e r h a u p t entnehmen: Man sieht im Zusammenhang der Dinge weitgehend, was man sehen will, d. h. die Begriffsgrößen, über die man als gültige verfügt, reichen jeweils hin, die Wirklichkeit einigermaßen befriedigend mit ihnen zu konstruieren. Die Beziehung zwischen Praxis und Theorie der Medizin scheint nicht ganz das zu sein, als was sie beiden oft erscheint. Manche Praktiken sind richtiger und erfolgreicher, wirklichkeitsnäher als die Theorien, die aus ihnen abgeleitet sind. Andere wieder sind wirklichkeitsloser als selbst solche bedenkliche Theorien, da sie ihnen ihren Ursprung verdanken, genießen aber, als mit ihnen verbunden, das gleiche Ansehen, wie jene anderen Praktiken, die den Grund für diese theoretischen Gebäude abgegeben haben. Dabei weiß jede Zeit sich im Besitze einer leistungsfähigen Heilkunde, denn keine erträgt es, sich Tod und Krankheit ohne Abwehr preisgegeben zu sehen. Für die Geltung jeder Heilkunde ist es wichtiger, mit dem Vorstellungskreis des jeweiligen Weltbildes in Einklang zu sein, als größere Erfolge aufzuweisen wie die Vergangenheit. Dieser Einklang gibt ihr das gute Gewissen. Der Wandel des Weltbildes und der Denkformen bestimmt den Fortschritt der Heilkunde vielleicht nachdrücklicher als ihre Fortbewegung in sich selbst, vielmehr, er macht diese erst möglich, indem er neue Zusammenhänge zwischen den Dingen sehen lehrt und es möglich macht, die alten neu zu sehen.
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Darin liegt jedenfalls die Erklärung f ü r den in sich widerspruchsvollen Charakter der indischen Elefantenheilkunde, d a ß sie Schichten magischen und rationalen Denkens unverschmolzen und ohne Unterschied der Betonung in sich bewahrt. Ebenso vereint das indische Weltbild magische u n d rationale Konstruktionen der Wirklichkeit selbstgenugsam beieinander, ohne d a ß der Einbruch rationaler Betrachtungsweise richtende Folgen f ü r eine Durchforstung des Vorstellungsbestandes h ä t t e . Hier lebt als gültige Schicht die uranfangliche Wirklichkeit der K r e a t u r fort, an ihrem Bilde von sich selbst h a t ordnende Vernunft — als nachträgliche Funktion — noch nicht das Richteramt über die Ausgeburten anderer Quellen unmittelbarer innerer E r f a h r u n g — Affekt und Imagination — übernommen.
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I N D E X
I A d a m u n d E v a 40 A d e r n u n d K a n ä l e 168/69 A l e x a n d e r d. Gr. 3, 6, 8, 43 a n t i k e Münzen 31/32 Aristoteles 3, 41, 43 Aristophanes 7 P . A r m a n d i 5, 43/44 Asche 143 A t e m k r ä f t e 140 Berge, geflügelt 18/19 Bestiarien 3 B l u t s. Leibesstoffe C. B o c k 1881 (Siam) 22, 24 B u f f o n 3, 9, 39/40 B r u n s t r a u s c h 12, 41/42, 52, 96, 98, 106/08, 115/17, 129, 171/72 Cäsars E l e f a n t e n m ü n z e 36 C o n s e c r a t i o n s m ü n z e n 31 D i ä t 121/27, 155/65 Dionysoszug 32 D u f t e l e f a n t 99 Elefant : W o r t e f ü r E . 97/98 B a u des E . 141 weißer E . 22/24 E l e f a n t „ W o l k e " 21/22 E l e f a n t e n s t ä l l e 87 - p a r k s 43 -personal 86/87 L e h r e r der E l e f a n t e n k u n d e 71
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E . in S c h l a c h t e n de* Altertums 43 „ E l e f a n t e n b l i c k " 136 E l e p h a n t o g r a p h i a Curiosa 4, 6 F a r b e n s y m b o l i k 64, 72/73 F u ß k r a n k h e i t e n 150 Calle s. L e i b e s s t o f f e G e w i c h t s m a ß e 122 G ö t t i n der R e d e 81/84, 94 G r u n d b e g r i f f e ärztlicher Theorie 173 „ H a a r f u ß " s. R o m a p ä d a v. H a r t e n f e l s 4 / 5 Histoire militaire des elep h a n t s 4/5 humores, Humoraltheorie usw. s. Leibesstoffe I s o t t a da Rimini 40 J u b a v o n M a u r e t a n i e n 8, 43 J a h r e s k r e i s 25/29, 152/55, 160/65 K e u s c h h e i t des E l e f a n t e n 39/43 K o b r a (gonäsa) 36/37, 147 K r a n k h e i t e n 160/61 Kriegswert des E l e f a n t e n 43/49 „ L a n g e A s k e s e " 14, 84, 93, 98
Leibesstoffe (humores, dhätu/doscha) 66/76, 79/80, 97, 107, 117, 126/27, 139/40, 149, 151 ff. Lebewesen aus Leibesstoffen 169/70 Leonardo da Vinci 9, 36 Mandragora 39/40 Matheus de Pastis 40 Melancholiker, Dürers „Melencolia I " 54 Milchmeer 96 Pferde, geflügelt 11, 15 Phylarch 7 Physiognomik: Frauentypen 56/57, 60/62, 70/71, 80 Wesenstypen 60/66, 78, 111/14 Kastentypen 63/66, 72/74, 78, 112/14 Alterstypen 80/81, 104/08 Herkunftstypen 76 Urstofftypen 77/80, 113 Konstitutionstypen (nach Leibesstoffen) 66/76, 79, 126/27 der „glückbringende", „langsame", „wilde" (bhadra, manda, mriga) Elefant 67/69, 73, 96/97, 104, 108/09, 129
Physiologos 39/40 Plinius 3, 7/8, 35/36, 40 Plutarch 3, 7/9 Poros 8, 43 Säfte (Geschmacksarten, rasa) 148, 151/60 Schlange und Elefant 33/39 Schlangen 148 -gift 171 s. näga A. W. v. Schlegel 5, 41 Schleim s. Leibesstoffe Schönheitsideal 75 Schülerweihe 85/86 „Spiel um den Elefanten" 6, 91, 133, 136/38 Tierfabeln 9/13 Todesursachen 149 tödliche Stellen (marman) 166/68
Triumphzüge 32 Wasserelefant 38 Weltelefanten 15, 34, 51, 82, 85, 93/94, 98, 103 Weltschlange 34 Weltuntergang 26/28 wesensgemäßes Dasein 149/50 Wind s. Leibesstoffe Winde im Leibe 27, 140, 163 „Wissen vom langen Leben der E." 4, 6, 81/83, 87, 136 ff.
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II A b h r a m u 96 ä d ä n a 152, 154 ä g a n t u 71, 160 ä g n e y a 151/52 Agni 49/50, 96, 98/99, 147 Agnivescha 137 Agniveschya 92 a h i m s ä 159 A i r ä v a t a / A i r ä v a n a 14, 22, 34, 38, 85, 95/96 A n g a 92/93, 95 a n k u s c h a 131 a n t a r ä t m a n 165 a n ü p a 76 a p a r a 110 Arimedi 92 Aschvacikitsä 15, 53, 6 4 , 77 Aschvacikitsita 15, 53, 54 A s c h v a v a i d y a k a 15 Aschvin 149 a v a g r a h a 105, 110, 131 a v a g r a h a v a r t i 131 A v a l o k i t e s c h v a r a 20 a t i h a s t a 106
e k a n g a g r a h a - p a k a l a 142
bäla 104 b a r b a r a 105 b h a d r a 8. P h y s i o g n o m i k B h a r a d v ä j a 137 B h ä r g a v a 82 B h a v ä n i 145 Bhrigu 92, 94, 98/99 b i k k a 106 B r a h m a 15/16, 26, 46, 81/83, 85, 93, 95/96, 98/99, 115,
Gajacikitsa 6 G a j a l a k s c h a n a 6, 77 C a j a - L a k s c h m i 23 Gajanirupana 6 G a j a s u r a 145 g a n d u s c h a 110 G a n e s c h a 87/88, 91 G a r g y a 137 G a r u d a 31, 37, 39 G a u t a m a 92/93, 137
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128, 131, 138, 144, 146/47, 150 b r a h m a n 146 B r i h a s p a t i 104 B u d d h a 9, 20, 23, 33, 51, 54, 136 C a m p a 92 C a r a k a 55, 137 c e t o b h r a m s c h a 163 C h a d d a n t a 51 cikka 106, 110 culika 110 d a n a 171 d a n t a r u n a 106 d e v a v a l a h a 20 d h a m a n l 168/69 D h a t a r 147 d h a t u , doscha s. Leibesstoffe D u r g a 144 D u r g a r v a n t 82, 94 D u r v a s a s 82, 96
guna 77/80, 113, 141 Gunavati 82, 94 Indra (Schakra) 14/16, 18, 21/22, 50, 61, 82, 94/96, 104, 143, 147 jàngala 76 Jaradgava 137 javana 107 jiva 162, 167 jvara 142, 144 kalabha 105 kälabhäga 110 Kälidäsa's ,,Schakuntalà" 82 Kälidäsa's „Wolkenbote" 19, 29, 145 Kalinga 122 Kämandaki 47, 49, 52 Kämaschästra 55/56, 59/62, 70/71, 77, 80 Käpya 84, 92, 133 karnaroga 169 karnavälakrimi 169 kartusari 162 Käschyapa 137 Kautilya 30, 43, 47, 49, 77, 87, 119 Kerala 138 kiläsa 157 kukschi 110 kumbha 110 kuschtha 157 Lakschmi 22/23 lila 91 luta 146/47 mada 171 mahaprakriti 78, 80 raahäpuruscha 59, 75 majjana 106 makara 38/39
manda s. Physiognomik mani 110 marman 166/68 mastaka 131 mätrikä 168 Matanga 82, 94 Mätanga 92 megha 22 Mitra 147 mriga s. Physiognomik Mrigacarman 92 munja 170 munjajäla 170 näga 33, 34, 38 naikärika 105 Närada 92 Näräyana 26 nigala 110 Nilakantha 6, 87, 136 nischkoscha 105, 110 Nirvana 27, 51, 122 niryäna 110, 131 päkala 128, 142, 144/46, 173/78 Pälakäpya 46, 81, 84, 91/95, 132/33, 148 pali-hasta, -kara 106 pänduroga 162 Parjanya 148 Parvata 22 Pärvati 144 patala 170 pecaka 110 pidana 165 pinchfischä 110 pitakodgama 157 pota 106 pradeha 165 Prajäpati 148 prajvara 144 prakriti 141, 150, 176 183
pratimäna 110 prithuhasta 106 proha 110 puccuka 105 puraskära 131 puschkara 110 rajas 6. guna räjayakschman 176 rasa s. Säfte Romapäda („Haarfuß") 46, 92, 132/33, 148 Rudra ( = Schiva) 21,146, 174 Sämagäyana 83, 92, 94/95 säman 165 sandäna 105, 110 sätmya 149 sattva s. guna und Physiognomik: We6enstypen saumya 151/52 saumyägneya 167 schaiva-päkala 144/45 Schakra s. Indra schakti 144 Schälihotra 15/16, 65 schirä/sirä 168 schischu 106 Schiva 16, 21, 85, 87, 143/45, 147, 156, 164, 174 Skanda 85, 131, 173 Sorna 146 somätmaka 151/52 schopha 173 schoschana 173 Sehr! 22/23 Schri-gaja 22 Schri-sükta 22 schrivatsa 100
184
svar, svarga loka 30, 81 sveda 165 taijasa 151 tamas s. guna tantuka 36/38 taptasneha 175 tejas 144, 165, 167 Tikotiko chakamo 34 Udayana 61 unmardana 165 upanáha 165 upasarpa 105 utkrischtau 110 váhittha 110 vaischnava-pákala 144/46 valáha 20 várana-yuvan 107 Varuna 98/99, 143 varunagraha 142 váruni 143 Yásava ( = I n d r a ) 21 Vasu 82 Váyu 146, 162 vayukumbha 110 Vidhatar 147 vidradhi 171 vidu 110, 131 világa 105, 110 visarga 152/53 Vischnu 16, 26/28, 31, 39, 45, 73, 85, 87, 91, 144, 147, 164 v i t i n a 131 vyapad 173 yaudha 107
A B B I L D U N G E N
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Ahl). 1 : T i t r l k u p í e r d e r . . K h - p l i . m tu1). 7 : D i r E l e f a n t i n p f l ü c k t d i e M a n d r a g o r a w u r z e l (aus dein erstell Plivsiologos-1 )rnek, R o m
1587)
Abb. K:
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I n der Reihe DER INDISCHE GEIST T e x t e zum Wesen der indischen Welt, erscheint gleichzeitig:
ANBETUNG MIR Indische Offenbarungsworte. Aus dem Sanskrit ins Deutsche gebracht von Heinrich Zimmer. 56 Seiten. 8°. 1929. Kart. M. 3.20
Neben der Bhagavad-Gita k e n n t die heilige Überlieferung des H i n d u i s m u s verwandte Offenbarungsreden ( G i t a ) : Selbstverkündigungen der großen Gotteserscheinungen, die das brahmanische Indien verehrt. I n dieser Sammlung letzterWahrheitsworte findet sich eine Gita aus Menschenm u n d , gesprochen v o n einem Weltüberwinder, in dem das Göttliche aus umwölktem Bewußtsein der Welt den Heimweg in seinen wahren S t a n d gewandelt u n d zur W a h r h e i t seines zeitlosen Gottseins, das der L e b e n s t r a u m verhüllt, erwacht ist. Das ist die hier übersetzte „AschtavakraG i t a " . Sie handelt v o m Empfinden eines „ d e r alles von sich abgeschüttelt h a t " ( a v a d h u t a ) u n d n u r äußerlich noch ein Mensch ist. Ewiger Sinn großer Traditionen des indischen Geistes erhebt sich in den sentenzhaften Sprüchen u n d hymnischen Ausbrüchen dieses Werkes zu spielender Selbsterleuchtung. W a s brahmanische Lehren über J a h r h u n derte unterschiedlich reifend p r ä g t e n : Quintessenz indischer Weisheit der Weltüberwindung, ist hier in seine tiefere Einsicht aufgehoben. Der spröden Sprache der Schulen entkleidet, geht es in diesen Offenbarungsworten zu l e h r h a f t begeistertem Strahlentanze auf u n d entfaltet die unentrinnbare Spannung des Lebens in die göttlich leere Heiterkeit, die hinter aller indischen Weisheit u n d ü b e r ihrer Abkehr v o m helldunklen Farbenspiel des Samsara steht. Hier sammeln sich die Züge des indischen Gesichts zu einem Ausdruck, wie chinesische A r t in Laotses Sprüchen symbolische P r ä g u n g f a n d .
EDGAR DACQUfi
URWELT, SAGE UND MENSCHHEIT Eine naturhistorisch-metaphysische Studie 5. Auflage. 379 Seiten. 8°. 1928. In Leinen M. 11.50
M ü n c h n e r N e u e s t e N a c h r i c h t e n : „Wie ein Markstein steht dieses naturphilosophische Werk eines fachwissenschaftlichen Paläontologen an dem geistesgeschicbtlichen Wendepunkte der Gegenwart und zeigt, wie stark gerade in der Wissenschaft selbst wieder das Bedürfnis aufsteigt nach vollinhaltlich umfassender Bewältigung der ganzen Lebensfrage. Was dereinst der vorwegnehmenden Spekulation unserer deutschen Philosophie vorschwebte und seitdem als völlig mißverstandener und unzulänglicher Versuch in Vergessenheit sank, das taucht zum Teil hier abermals zunächst als Sehnsucht, als Problem und als Zielsetzung auf."
NATUR UND SEELE Ein Beitrag zur magischen Weltlehre
3. Auflage. 201 Seiten. 8». 1928. In Leinen M.6.50 K u n s t w a r t : „ . . . Was in dem ersten Buch an philosophisch-religiösen Ausblicken in großen, stürmischen Strichen entworfen worden war, hat in dem zweiten eine Vertiefung und Abklärung erfahren, die erst den ganzen Reichtum innerer Möglichkeiten, die in der Grundkonzeption angelegt sind, zum Aufleuchten bringt . . . . "
LEBEN ALS SYMBOL Metaphysik einer Entwicklungslehre
2. Auflage. 259 Seiten. 8». 1929. In Leinen M. 8.50 D i e s c h ö n e L i t e r a t u r : „ . . . Daß alles Leben Symbol ist und daß „die Gestalt zum Symbol wird", reicht weit über die naturwissenschaftlichen Ausgangspunkte Dacques hinaus. In diesem Werk voller Ruhe und Gelassenheit gibt es kein Gespannt- und Überspanntsein, vielmehr spricht ein äußerst ruhiger und sicherer Geist über die Dinge, die unser aller Trost sind, weil sich darin Tod und Leben verbunden sehen." Als Sonderausgabe vom „Handbuch der Philosophie"*) erschien
D I E GEDANKENWELT DES CHINESISCHEN KULTURKREISES Von Prof. Dr. Alfred Forke. 215 S. Lex.-8°. 1927. Kart. M. 10.— * ) Handbuch der Philosophie. Herausgegeben von A. Baeumler und M. Schröter. Ausführlicher Prospekt über das Sammelwerk kostenlos.
R. OLDENBOURG, MÜNCHEN 32 U. BERLIN W10