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German Pages 180 [188] Year 2000
F O R S C H U N G E N
B A N D
IN
A U G S T
2 9
Peter-Andrew Schwarz und Ludwig Berger (Hrsg.)
Tituli Rauracenses 1 Testimonien und Aufsätze Zu den N a m e n u n d ausgewählten Inschriften v o n Augst u n d Kaiseraugst
R Ö M E R S T A D T A U G U S T A RAURICA
FORSCHUNGEN
I NA U G S T 2 9
Peter-Andrew Schwarz und Ludwig Berger (Hrsg.)
Tituli Rauracenses 1 Testimonien u n d Aufsätze Zu den Namen u n d a u s g e w ä h l t e n Inschriften v o n Augst u n d Kaiseraugst
FORSCHUNGEN BAND
IN AUGST
29
Peter-Andrew Schwarz u n d L u d w i g B e r g e r (Hrsg.)
Mit Beiträgen von Ludwig Berger, Walburg Boppert, Regula Frei-Stolba, Rudolf Haensch, Bettina Janietz, Josef Riederer, Erwin Rigert, Stephan G. Schmid, Christoph Schneider, Peter-Andrew Schwarz, Michael Alexander Speidel und Hans Sütterlin
Tituli Rauracenses 1 Testimonien und Aufsätze Zu den Namen und ausgewählten Inschriften von Augst und Kaiseraugst
HP
RÖMERSTADT AUGUSTA
Augst 2000
RAURICA
Umschlagbild: Die Bronzeplatten der ehemals so genannten Nuncupator-Inschrift nach dem Freilegen (vgl. Beiträge L. Berger, P.-A. Schwarz u n d B. Janietz mit Abb. 6-7, 19 und 33-36) Foto: Ursi Schild Umschlagrückseite: Im Jahre 1565 v o n Bernardus Brand angefertigte Zeichnung u n d Beschreibung des Grabsteines des Tetto aus den sog. Amerbachschen Scheden i n der Universitätsbibliothek Basel (vgl. Beitrag Regula Frei-Stolba mit Abb. 98)
Herausgeber: RÖMERSTADT AUGUSTA
RAURICA
Archäologische Redaktion: Peter-Andrew Schwarz u n d Ludwig Berger Verlagsredaktion: Alex R. Furger Korrektorat: Marianne Nägelin Bildredaktion: Peter-Andrew Schwarz u n d Alex R. Furger Verlagsadresse: R ö m e r m u s e u m Augst, CH-4302 Augst Auslieferung: BSB Buch Service Basel, Postfach, CH-4002 Basel Druck: Druckerei H o c h u l i A G , CH-4132 Muttenz © 2000 R ö m e r m u s e u m Augst ISBN 3-7151-0029-X
Inhalt 7
Vorwort (ALEX R. FURGER)
8
Einleitung (PETER-ANDREW SCHWARZ u n d L U D W I G BERGER)
11
Teill: Testimonien
13
Testimonien für die Namen v o n Augst u n d Kaiseraugst v o n den Anfängen bis zum Ende des ersten Jahrtausends ( L U D W I G BERGER)
41
Appendix A zu Testimonium 2: F u n d u m s t ä n d e des Recycling-Depots mit den Bronzeplatten u n d archäologisch-historische Interpretation des Grabungsbefundes i n der Insula 20 (PETER-ANDREW SCHWARZ)
55
Appendix B zu Testimonium 2: Der technologische Befund an den Bronzeplatten u n d die Rekonstruktion der Inschriften der beiden Statuenbasen (BETTINA JANIETZ)
77
Appendix C zu Testimonium 2: Die Ergebnisse der Metallanalysen u n d ihr Beitrag zur Rekonstruktion der beiden Statuenbasen (JOSEF RIEDERER)
85
Appendix D zu Testimonium 2: Die Graffiti auf den Verkleidungsplatten der Statuensockel (MICHAEL A L E X A N D E R SPEIDEL)
87
Appendix E zu Testimonium 6: Die F u n d u m s t ä n d e u n d die Fundlage des Meilensteines des Antoninus Pius (HANS SÜTTERLIN)
93
Teil II: Zu a u s g e w ä h l t e n Inschriften
95
Die Bauinschrift eines Bades u n d der Kaiserkult i n Augusta Raurica Bemerkungen zu CIL XIII 5266, CIL XIII 5274 u n d CIL XIII 5275 (STEPHAN G . SCHMID)
107
Formularuntersuchung zu lateinischen Grabinschriften aus Augusta Raurica
119
Senatoren u n d Ritter i n Inschriften aus Augusta Raurica
129
Ein epigraphisches Zeugnis der Quadragesima Galliarum i n Augusta Raurica?
133
Die Überlieferungsgeschichte des Grabsteines des Tetto (ICH 298 = CIL XIII 5295)
147
Bemerkungen zur sog. Magidunum-Inschrift (CIL XIII 11543) u n d zum Grabstein
(WALBURG BOPPERT) (RUDOLF HAENSCH) (ERWIN RIGERT u n d CHRISTOPH SCHNEIDER) (REGULA FREI-STOLBA) eines actarius peditum (CIL XIII 11544) (PETER-ANDREW SCHWARZ)
172
Literatur
179
Abbildungsnachweis
180
Adressen der Autorinnen u n d Autoren
Vorwort Die Analyse des epigraphischen Materials g e h ö r t e schon
dass eine v o n uns angefragte Epigraphikerin, die wir - i m
immer zu den allerersten Disziplinen, wenn es u m die
Rahmen einer bezahlten Beauftragung - u m die wissen-
Interpretation
des Fundmaterials aus
römerzeitlichen
Stätten ging. W i r verdanken einen hohen historischen
schaftliche Prüfung u n d Redaktion der Manuskripte gebeten hatten, absagte.
Kenntnisstand über viele Fundorte den zahlreichen Bau-, Ehren-, Weih- u n d Grabinschriften. Nicht so i n Augusta Raurica, wo diese Fundkategorie auffallend
selten ist! W i r vermuten
So entschieden sich Ludwig Berger, Peter-A. Schwarz u n d i c h zur «Flucht nach vorn»: W i r luden eine Gruppe
heute, dass ein
namhafter Epigraphikerinnen und Epigraphiker, die sich um
die für uns aktuellen Themenbereiche
verdient
Grossteil der Inschriften und Skulpturen, die i n der Regel
gemacht hatten, zu einem Kolloquium am 9. u n d 10.
aus sehr reinen Kalksteinen gehauen waren, i n spät- u n d
März 1994 i n die Römerstiftung Dr. René Clavel auf
n a c h r ö m i s c h e r Zeit i n die Kalkbrennöfen gewandert sind
Kastelen nach Augst ein. Peter-Andrew Schwarz u n d
u n d sich so unserem Fundgut entzogen haben. N u r durch
Ludwig Berger danken allen Teilnehmenden i n der fol-
diese selektive, am Material u n d an der Grösse orientierte
genden Einleitung zu den «Tituli Rauracenses 1 » nament-
Zerstörung
lich. Auch ich b i n beeindruckt u n d glücklich über die
bleibt
erklärbar,
dass die
RÖMERSTADT
an anderen Fundgattungen - zum
Bereitschaft aller, nach a n f ä n g l i c h e m Zögern die Hand zu
Beispiel Fibeln oder figürlichen Bronzen - so überaus
konstruktiver Zusammenarbeit zu bieten. W i r verdanken
reich u n d ergiebig ist.
diesem Expertenkolloquium v o n 1994 und den i n der
Dennoch - oder umso mehr - sind die nicht gerade h ä u -
bzw. überarbeiteten Manuskripten viele Verbesserungsvor-
figen Inschriftfunde aus Augst u n d Kaiseraugst wissen-
schläge u n d vor allem weit reichende Perspektiven u n d
AUGUSTA
RAURICA
Folge zwischen Berlin, Lausanne u n d Athen verfassten
schaftlich zu hinterfragen. Ich b i n froh, dass dieses v o n
Interpretationen
mir schon lange beklagte Desiderat v o n Ludwig Berger
Zusammenhang blieb nur ein Wermutstropfen zu ver-
aufgegriffen wurde, als er zusammen mit den Studie-
dauen, n ä m l i c h der unerklärliche Rückzug des bereits
renden i n den Jahren 1991 u n d 1992 drei Blockseminare
zugesagten u n d abgelieferten Manuskriptes «CIL 13,5283
über die damals knapp 100 Steininschriften aus Augusta
u n d AE 1991,1264» über die beiden Handquader mit den
zu den Augster Inschriften. In diesem
Raurica am Seminar für Ur- u n d Frühgeschichte der
stirnseitigen Inschriften P-C-R durch Autor Hans Lieb i n
Universität Basel d u r c h f ü h r t e . Es gelang i h m , den dama-
letzter Minute vor Redaktionsschluss. Er h ä t t e i n seinem
ligen Augster Grabungsleiter Peter-Andrew Schwarz, der
Beitrag seine bereits früher geäusserte Interpretation der
bereits 1988 eine kleine Broschüre über «Ausgewählte
Abkürzung als P(ublicum)-C(oloniae)-R(auricae) dargelegt.
Inschriften aus Augst u n d Kaiseraugst» verfasst hatte, als Co-Leiter für diese E i n f ü h r u n g s v e r a n s t a l t u n g e n i n die
Zum Schluss bleibt mir allen Autorinnen u n d Autoren
lateinische Epigraphik zu gewinnen. Die aus diesen prak-
herzlich für ihre Arbeit an den M a n u s k r i p t e n , ihr
tischen Ü b u n g e n hervorgegangenen Seminararbeiten zu
Verständnis für die Redaktion u n d ihre Geduld bei der
jeder dieser Inschriften sind i n der Zwischenzeit mehr-
Drucklegung zu danken! Ludwig Berger hatte sich v o n
fach überarbeitet worden u n d sollen i n Form eines
Anfang an als Projektleiter u n d Spiritus rector des kom-
Gesamtkataloges als n ä c h s t e s Faszikel «Tituli Rauracenses
plexen Unterfangens
2» ebenfalls i n unserer Monographienreihe «Forschungen
gebührt
i n Augst» publiziert werden.
Manuskripte u n d Abbildungen ein besonderer Dank.
für
seine
eingesetzt,
und Peter-A. Schwarz
nimmermüde
K o o r d i n a t i o n der
Gleichzeitig hatte Ludwig Berger ein methodisch ver-
W ä h r e n d der Redaktionsarbeiten war ich gerne auf das
wandtes Vorhaben realisiert, n ä m l i c h sämtliche «Testi-
zuverlässige Korrektorat durch Marianne Nägelin ange-
m o n i e n für die Namen v o n Augst u n d Kaiseraugst v o n
wiesen; i n letzter «Minute» leisteten Constant Clareboets,
den Anfängen bis zum Ende des ersten Jahrtausends»
Peter Schaad u n d Markus Schaub einen zeichnerischen
zusammengestellt u n d historisch gewertet.
Sondereinsatz, u n d die Drucklegung schliesslich besorgten die Mitarbeiterinnen u n d Mitarbeiter der
Kaum
waren
diese
Publikationsabsichten
über
die
H o c h u l i A G i n Muttenz.
Inschriften v o n Augst/Kaiseraugst i n Epigraphikerkreisen der Schweiz bekannt geworden, regten sich dort - ohne Kenntnis der Texte - unverhohlene Zweifel an der wissenschaftlichen
Q u a l i t ä t der studentischen
Arbeiten.
Etwa gleichzeitig mussten wir leider auch akzeptieren,
RÖMERSTADT A U G U S T A R A U R I C A
Der Leiter u n d Herausgeber: Alex R. Furger
Firma
Einleitung Peter-Andrew Schwarz und Ludwig Berger
Einen weiteren
Die vorliegende Monographie - der 29. Band der Reihe
Schwerpunkt
bildeten die neuen
«Forschungen in Augst» bzw. das erste Faszikel der «Tituli
Forschungen zu der vor etwas mehr als dreissig Jahren
Rauracenses»
Entstehungs-
entdeckten u n d i m Jahre 1974 v o n Hans Lieb edierten
geschichte zurück. Ausgangspunkt bildeten drei v o n uns
sog. Nuncupator-Inschrift . Die vor der Reinigung u n d
i n den Jahren 1991 u n d 1992 am Seminar für Ur- u n d
Konservierung einer Inschrift zugewiesenen Bronzeplatten
F r ü h g e s c h i c h t e der
werden v o n uns nach g r ü n d l i c h e m Studium aller Werk-
- blickt auf eine längere
Universität
Basel
durchgeführte
5
i n die lateinische E p i -
spuren jetzt als Relikte der Verkleidung v o n zwei verschie-
graphik. Diese Proseminare u n d Ü b u n g e n hatten - neben
denen, wenn auch zum gleichen «Programm» gehörigen
der Vermittlung der epigraphischen Grundkenntnisse
Statuensockeln
Einführungsveranstaltungen
-
nicht zuletzt auch die v o n Alex R. Furger schon vor län-
angesprochen . 6
Diese
Schlussfolgerung
war wegen der Komplexität der Beweisführung u n d der
gerer Zeit angeregte Erfassung aller bis z u m damaligen
«Brisanz» der Ergebnisse bereits i m Januar 1994 zusam-
Zeitpunkt
gefundenen
men mit Hans Lieb, Regula Frei-Stolba u n d Michael A.
Steininschriften zum Ziel . Die Sichtung u n d Erfassung
Speidel i n kleinem Kreise erörtert u n d «als plausibel, aber
in
Augst
und
Kaiseraugst
1
des Fundstoffes nach einheitlichen Kriterien erfolgte i m
nicht für hieb- u n d stichfest absicherbar» befunden wor-
Rahmen
den.
eines e i n w ö c h i g e n , i m Grosssteinlager
des
R ö m e r m u s e u m s Augst d u r c h g e f ü h r t e n Blockkurses . 2
Eine Diskussion mit dem Numismatiker der Römerstadt Augusta Raurica, Markus Peter, lenkte unser Augenmerk auf ein weiteres Desiderat der Augster Forschung, n ä m l i c h eine gut greifbare
Zusammenstellung
aller
Testimonia z u m Namen der r ö m i s c h e n Stadt. Ende 1993 waren die Arbeiten so weit fortgeschrit-
1
Vgl. R-A. Schwarz, Zur EDV-Erfassung der Steininschriften aus Augusta Rauricorum. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 11, 1990, 135 ff.
2
Vgl. Schwarz 1991a, bes. 184 Anm. 73; A. R. Furger/P.-A. Schwarz u. a., Augusta Raurica. Jahresbericht 1991. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 13, 1992, 5 ff. bes. 18; A. R. Furger/R-A. Schwarz u. a., Augusta Raurica. Jahresbericht 1992. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 14, 1993, 5 ff. bes. 14; A. R. Furger u. a., Augusta Raurica. Jahresbericht 1995. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 17, 1996, 5 ff. bes. 16; A. R. Furger u. a., Augusta Raurica. Jahresbericht 1995. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 18, 1997, 5 ff. bes. 16. R-A. Schwarz/L. Berger (Hrsg.; mit Beitr. von K. Bartels, V. von Falkenstein, J. Furrer, C h . Haeffelé, R. Matteotti, M . Poux, E. Rigert, Th. Schibier, C. Schluchter, St. G. Schmid und Chr. Schneider). Tituli Rauracenses 2. Die römischen und frühmittelalterlichen Steininschriften aus Augst und Kaiseraugst (Arbeitstitel). Forsch. Augst (in Vorbereitung). - Zu den Neufunden s. unten Anm. 11.
ten, dass es angezeigt schien, die v o n den Studentinnen u n d Studenten verfassten Katalogbeiträge zu den damals bekannten 94 Steininschriften sowie die v o n L. Berger 3
kommentierten Testimonien vor der Drucklegung v o n ausgewiesenen
Epigraphikerinnen u n d
Epigraphikern
begutachten zu lassen . 4
Dank eines auf Antrag des Vorstehers Regierungsrat
der
Erziehungs-
basellandschaftlichen und
Kulturdirektion,
Peter Schmid, zugesprochenen
des kantonalen
Lotteriefonds u n d der
3
Beitrages
Unterstützung
durch den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der
wissenschaftlichen
Entgegenkommens
Forschung
(SNF) sowie
v o n Jakob Frey-Clavel (t)
dann am 9. u n d 10. März 1994 i m neu
des
konnte
errichteten
Auditorium der Römerstiftung Dr. René Clavel das 1. Augster Epigraphik-Kolloquium abgehalten werden. Ziel dieses Kolloquiums war i n erster Linie die Diskussion der v o n M i c h e l Auberson (Thônex), Walburg Boppert (Mainz), Rudolf Haensch (Köln), Regula FreiStolba (Bern/Lausanne), Heinz E. Herzig (Bern), Hans Lieb (Schaffhausen), Michael A. Speidel (Basel), Gerold Walser (Basel), François Wiblé (Martigny) u n d Rainer Wiegels ( O s n a b r ü c k ) vorgebrachten
addenda,
corrigenda
und
monenda din der geplanten
Edition als Ganzes
und
namentlich
an den v o n ihnen begutachteten
mentaren zu den einzelnen Steininschriften.
Kom-
4
Vgl. A. R. Furger u. a., Augusta Raurica. Jahresbericht Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 16, 1995, 5 ff. bes. 17.
1994,
5
Lieb 1974.
6
Vgl. den Beitrag von L. Berger (Seite 16 ff., Abb. 6 und 7) und den Beitrag von B. Janietz (Seite 55 ff.). - Berücksichtigt bzw. erwähnt wurden diese Ergebnisse u. a. bereits bei D. Liebel, Fundkonservierung. In: A. R. Furger (mit Beiträgen von C. BossertRadtke, A. Frölich, S. Fünfschilling, K. Kob, D. Liebel, U . Müller, B. Rutti, D. Schmid, R-A. Schwarz, M . Windlin), Augusta Raurica. Jahresbericht 1993. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 15, 1994, 7 ff. bes. 24 f. mit Abb. 13 und 14; A. R. Furger/M. Peter/L. Thommen/P.-A. Schwarz/J. von Ungern-Sternberg (Hrsg.; traduction française M . Poux), Römischer Geschichtspfad in Augusta Raurica. Sentier Historique Romain d'Augusta Raurica. Augster Bl. z. Römerzeit 8 (Augst 1994) 21; Kob u. a. 1997, 46 f. mit Abb. 7 und 8.
Im Zuge der intensiven Diskussionen w ä h r e n d des Kolloquiums - neben den bereits Genannten
brachten
Jürg
würde; eine Befürchtung, welche sich - nicht zuletzt auch wegen der Integration v o n über zehn, zum Teil sehr
Ewald
bedeutenden Neufunden aus den Grabungsjahren 1994,
(Arboldswil), Rudolf Fellmann (Basel), Alex R. Furger
1995, 1996 u n d 1998 - leider als zu wahr erwiesen hat .
(Augst), Anne Kolb (Freiburg i . Br.), Lukas T h o m m e n
•
auch Eckhard Deschler-Erb (Hofstetten),
11
Teil
I der
als Sammelband
konzipierten
Tituli
(Basel) sowie Jürgen v o n Ungern-Sternberg (Basel) ver-
Rauracenses 1 umfasst somit die Zusammenstellung
schiedene Voten ein - wurde schliesslich angeregt, die
u n d W ü r d i g u n g aller Testimonien zum N a m e n v o n
A b h a n d l u n g ü b e r die Testimonia, den Katalog der
Augst u n d Kaiseraugst sowie die Appendices A, B, C
Steininschriften,
u n d D mit archäologischen, technologischen u n d
die v o n Peter-A. Schwarz
Ergebnisse der stadtgeschichtlichen
referierten
Auswertung aller
naturwissenschaftlichen
Untersuchungen
zur ehe-
Inschriften sowie die geologischen Untersuchungen v o n
mals so genannten Nuncupator-Inschrift
Philippe Rentzel zur Herkunft der Schriftträger
Appendix E werden - entsprechend unserem inter-
der
Steininschriften getrennt vorzulegen.
(T2). In
disziplinären Forschungsansatz - die F u n d u m s t ä n d e u n d Fundlage des i m Jahre 1995 v o n Hans Sütterlin
Für diesen Entscheid sprachen i n der Tat mehrere G r ü n d e . So wurde es zum einen als w ü n s c h e n s w e r t erach-
entdeckten
tet,
N e n n u n g des caput coloniae bzw. caput viae (T6) vor-
die Zuweisung der Bronzeplatten der sog. N u n -
cupator-Inschrift zu zwei verschiedenen
gestellt.
Statuensockeln
mit Hilfe v o n Metallanalysen breiter abzustützen; eine
Meilensteines des Antoninus Pius mit
•
Teil II umfasst die bereits e r w ä h n t e n Aufsätze zu
Aufgabe, für die Bettina Janietz den Metallspezialisten
wichtigen
Josef Riederer v o m Rathgen-Forschungslabor i n Berlin
Themen der Augster Epigraphik.
Inschriften
und
zu
übergreifenden
begeistern konnte. Die Ergebnisse seiner Analysen bezeu7
gen,
dass sich der
Mehraufwand
für
die
breitere
Die Tituli Rauracenses 2 sollen dem schon genannten
A b s t ü t z u n g des für die Stadtgeschichte nicht unbedeu-
Katalog der Steininschriften aus Augst u n d Kaiseraugst
tenden Forschungsergebnisses u n d die daraus resultieren-
gewidmet sein, die Tituli Rauracenses 3 der i m Rohmanu-
de zeitliche Verzögerung durchaus gelohnt haben. Ebenfalls zu untersuchen
skript vorliegenden stadtgeschichtlichen
und zu berücksichtigen
Auswertung
aller epigraphischer Zeugnisse durch Peter-A. Schwarz
waren auch verschiedene Graffiti, welche Bettina Janietz
sowie den Ergebnissen der geologisch-petrographischen
kurz vor dem Kolloquium auf drei Bronzeplattenfrag-
Bestimmung der Schriftträger der Steininschriften durch
menten
Philippe Rentzel.
entdeckt
hatte . Deren Edition d r ä n g t e sich 8
zuletzt auch deswegen auf, weil Michael A. Speidel - nebst
Danken m ö c h t e n die Herausgeber neben den bereits
anderem - das Wort emenda entziffern konnte . Dadurch
Genannten
konnte die v o n uns anhand der Werkspuren auf den
beiterinnen u n d Mitarbeitern der Römerstadt Augusta
Bronzeplatten
Raurica, namentlich Constant Clareboets (Zeichnungen),
9
erschlossene
u r s p r ü n g l i c h e n Stadtnamens
10
Rasur
von
Teilen
des
zusätzlich abgestützt wer-
den.
Detlef
vor allem auch allen beteiligten
Liebel
(Reinigung
und
Mitar-
Konservierung
der
Bronzeplatten), Christine Pugin (Reinigung und KonserAngeregt wurde v o n den beigezogenen Epigraphi-
vierung der Bronzeplatten), Germaine Sandoz (Fotos),
kerinnen u n d Epigraphikern ferner auch eine rasche
Peter Schaad (Zeichnungen), Markus Schaub (Zeichnun-
Publikation der u r s p r ü n g l i c h als Katalogbeiträge konzi-
gen), Ursi Schild (Fotos) sowie Hans Sütterlin (Diskus-
pierten Manuskripte v o n Stephan
sionen u n d Hinweise).
G . Schmid, Erwin
Rigert, Christoph Schneider u n d Peter-A. Schwarz sowie der i m Zusammenhang mit dem Kolloquium entstandenen Aufsätze v o n Waltraud Boppert, Regula Frei-Stolba u n d Rudolf Haensch. Die Drucklegung der wichtigen Mitteilung zu den P-C-R-Steinen v o n Hans Lieb scheiterte leider an redaktionellen Differenzen.
7 8
Gemeinsam mit dem unseren Anliegen gegenüber stets offenen Augusta
archäologischen
Leiter der
Raurica, Alex R. Furger, wurde
Publikationskonzept den eben
Römerstadt dann
geschilderten
das
Bedürf-
nissen angepasst. Erleichtert wurde uns die Realisierung dieser A n regungen, weil i m Verlaufe des Kolloquiums klar wurde, dass die Überarbeitung des Kataloges der Steininschriften aufgrund anderweitiger Beanspruchung der Herausgeber u n d der Studierenden n o c h längere Zeit beanspruchen
9 10 11
Vgl. den Beitrag von J. Riederer (Seite 77 ff.). Vgl. den Beitrag von B. Janietz (Seite 55 ff., Fragmente A, L und M). Vgl. den Beitrag von M . A. Speidel (Seite 85 f.). Vgl. den Beitrag von L. Berger (Seite 19 f.). Vgl. u. a. Sütterlin 1996; den Beitrag von H . Sütterlin in diesem Band (Seite 87 ff.); U . Müller (mit Beiträgen von R. Glauser/L. Grolimund/C. Saner), Ausgrabungen in Kaiseraugst im Jahre 1995. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 17, 1996, 89 ff. bes. 95 ff. mit Abb. 5 sowie II. Sütterlin (mit einem unveröff. Manuskr. v. K. Stehlin [1859-1934J), Altes und Neues zur Augster Curia. Zwei neue Inschriftenfunde aus dem Forumsbereich von Augusta Raurica (Grabung Curia-Schutzdach 1998.51). Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 20, 1999, 159 ff.
Ebenso herzlichen Dank schulden wir verschiedenen, mittlerweile zum Teil ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Seminars
für Ur- u n d
Frühge-
schichte der Universität Basel, n ä m l i c h Jacqueline Furrer und Gertrud Grossmann (EDV-Erfassung der N a c h t r ä g e und Korrekturen i m Text u n d i n den Bibliographien), Eckhard-Deschler-Erb (Lektüre des Textes u n d LiteraturHinweise), sowie Kurt J. Rosenthaler
vom
Heimat-
museum Rheinfelden. Ganz besonders sei Alex R. Furger für die grosse Arbeit der Verlagsredaktion gedankt.
Teil I Testimonien
Testimonien für die Namen von Augst und Kaiseraugst von den Anfängen bis zum Ende des ersten Jahrtausends Ludwig Berger
Vorbemerkungen
u n t e r d r ü c k t worden sein mag . M i t weiteren Beinamen 20
rechnete schon H . Lieb , weshalb wir auch Felix oder 21
Die nachfolgende Auflistung der Testimonien
für die
Copia i n Vorschlag bringen m ö c h t e n , da das Nuncupator-
antiken u n d frühmittelalterlichen Namen v o n Augst u n d
Fragment u n d das Emerita-Fragment (T2; vgl. Abb. 6 u n d
12
Kaiseraugst ist auf Anregung v o n Peter-A. Schwarz u n d
7) aufgrund der neu berechneten Grösse des Schriftfeldes
Markus Peter entstanden. Sie ist als erste Bereitstellung zu
dafür Raum lassen. Der vollständige Name der munati-
verstehen. Eine umfassende quellenkritische Bearbeitung
schen Kolonie k ö n n t e also Colonia Felix (oder Copia)
u n d Auswertung, wie sie K. Dietz für die Testimonien des
Munatia Raurica gelautet haben. Auch nicht ganz ausge-
Namens v o n Augusta Vindelicum (Augsburg) geliefert
schlossen werden kann als weiteres Namensglied Emerita
hat , ist hier nicht beabsichtigt. Dies bleibt für Augusta
(vgl. T2).
13
Raurica weiterhin ein Desiderat, das ohne M i t w i r k u n g
Der Vollständigkeit halber sei auch noch an den
eines Philologen oder Althistorikers nicht angegangen
Vorschlag v o n B. Isaac
werden kann. Einige Grundprobleme der Lokalisierung
nienamen
u n d Namensentwicklung k ö n n e n gleichwohl aufgezeigt
Einerseits erwog er, ob die Kolonie durch Veteranen der
werden .
22
erinnert, der als ersten Kolo-
Colonia Munatia
Triumphalis
vermutet
hat.
caesarischen legio nona triumphalis g e g r ü n d e t worden sei.
14
Die ehemals so genannte Nuncupator-Inschrift (T2;
Andererseits meinte er, das Namensglied Raurica sei i n
Abb. 5), die offensichtlich zu zwei Inschriften gehört,
voraugusteischer Zeit nicht zu erwarten, da Bezüge auf
sowie ein kürzlich gefundener Meilenstein (T6; Abb. 8)
Stammesnamen erst i n augusteischer Zeit üblich werden.
erfahren eine eigentliche Neuedition i m Sinne des i n
Letzteren Gedanken hielt schon H . Lieb nicht für zwin-
Vorbereitung befindlichen Kataloges der Steininschrif-
gend . Auch R. Frei-Stolba
ten . Für wichtige Hinweise, namentlich auf mir unbe-
Nuncupator-Inschrift
kannte Editionen, habe ich Hans Lieb zu danken. Auch
Bestätigung für den Vorschlag v o n B. Isaac biete.
15
23
24
wies darauf h i n , dass die
- i n ihrer alten Lesung -
keine
Alex R. Furger u n d Fritz Graf b i n ich für Hinweise dankbar.
Gesicherte und wahrscheinliche Testimonien (TI bis T27)
12
Abkürzung für Testimonium im Folgenden: T. Unsichere Testimonien (Seite 34 ff.) werden mit TA bezeichnet.
13
Dietz 1985.
14
Die Liste der Testimonien berücksichtigt nur die für die Siedlungszentren von Augst und Kaiseraugst in Frage kommenden Namen und bringt nicht die sich ausschliesslich auf den Stammesnamen der Rauriker oder auf den frühmittelalterlichen Augstgau beziehenden Zeugnisse. Schwarz/Berger (in Vorbereitung). Vgl. auch Fellmann 1957a, Taf. 2,5. Ebd. 31 Datierung des Grabmals des Plancus «um etwa 20 v. Chr., sicher aber im zweiten Jahrzehnt v. Chr.».
T I : C O L O N I A RAURICA 15 16
Quelle: Grabinschrift über dem Eingang des Grabmals des L. Munatius Plancus i n Gaeta (I).
Edition: CIL X 6087. ... in Gallia colonias deduxit /Lugudunum et Rauricam Kommentar: Der aus der Grabinschrift des L. Munatius
17
Bögli 1966, 19.
18 19 20
Giard 1983, 15. 69. Vgl. etwa Frei-Stolba 1976, 346 Anm. 211. Bögli 1966, 19. - Zur Unterdrückung der Erinnerung an die Namen anderer Koloniegründer (ausser Caesar) durch Augustus vgl. jetzt auch Bedon 1997, 114. Auf diesen interessanten, aber von Lieb 1974 und AE 1974, Nr. 435, und damit von veralteten Voraussetzungen ausgehenden Aufsatz machte mich kurz vor Redaktionsschluss Stephan G. Schmid, Athen, aufmerksam. Vgl. auch Anm. 43.
Plancus (Abb. 1 u n d 2) ableitbare Name Colonia Raurica gibt kaum die vollständige Titulatur der Kolonie wieder . 16
Seit H . Bögli
17
wird analog zu dem auf der Lyoner
G r ü n d u n g s e m i s s i o n überlieferten Namen der
zweiten
Kolonie des Plancus i n Lyon, (Colonia) Copia
Felix
Munatia (Lugudunum) , auch für die Colonia Raurica 18
21
Lieb 1974, 416 Anm. 9.
22
Isaac 1971.
der Beiname M u n a t i a vermutet , der i n späteren Lyoner
23
Lieb 1974, 416 mit Anm. 11.
Quellen nicht mehr erscheint u n d v o n Augustus bewusst
24
Frei-Stolba 1976, 346.
19
Abb. 1: Monte Orlando bei Gaeta (I). Ansicht der Grabinschrift des L. Munatius Plancus mit Erwähnung der Gründung der Colonia Raurica (Tl). Ohne Massstab (Höhe des Inschriftfeldes: 72,5 cm; Länge: 203 cm).
LMV NAT I VS-LF-L-N-LP.RO N PLANCVSCOSCENSIMP-ITER'VIl
V I R .
E P V L O N T R I V M P-EX R A ETI S Ä E D E M • S A T V R N I FECIT D E M A N I IBlS-AGROS-DI V I S I T I N - I T A L I A BENEVENTHNGALLIA-COLONIAS • DEDVXIT LVGV DV N V M - E T R A V R I C A M Abb. 2: Monte Orlando bei Gaeta (I). Schematische Zeichnung der Grabinschrift des L. Munatius Plancus (Tl) mit Erwähnung der Gründung der Colonia Raurica. M. 1:12 (Höhe: 72,5 cm; Länge: 203 cm).
Aus der Sicht der neuen Rekonstruktionsvorschläge
Nach wie vor offen ist die genaue Lokalisierung der
zum Nuncupator- u n d zum Emerita-Fragment (T2) ist zu
Colonia Raurica i m Räume Augst-Basel. W e n n die Ansicht
vermerken, dass das Namensglied Triumphalis aus Platz-
zutrifft, dass die munatische Kolonie wegen der Bür-
g r ü n d e n auf den Bronzetafeln nicht
unterzubringen
gerkriegswirren bald nach ihrer G r ü n d u n g wieder ab-
wäre, es sei denn, man w ü r d e es auf die herausgemeissel-
ging , m ü s s e n die Aussichten, sie je lokalisieren zu k ö n -
te Zeile (vgl. Abb. 6 u n d 7) platzieren u n d auf Munatia
nen, als gering veranschlagt werden. Auch die j ü n g s t e n
verzichten, was gewiss n i c h t i m Sinne des
27
Ergän-
zungsvorschlages v o n B. Isaac wäre. Bei einer augusteischen Namengebung wäre w o h l eher, wenn auch nicht mit Sicherheit, der Stammesname i m Genitiv Pluralis zu erwarten , wie denn bei Raurica ü b e r h a u p t die Mög-
25
Vgl. die Namensliste der gallischen Städte bei Galsterer 1972, 117 f.
26 27
Vgl. den Text auf Seite 38 ff. Martin 1971, 7 mit Lit. in Anm. 23; R. Fellmann, in: Drack/ Fellmann 1988, 22 und Fellmann 1992, 18.
25
lichkeit besteht, dass es sich u m einen Ortsnamen handelt . 26
28
Grabung 1991-1993.51. Vgl. dazu vorerst P.-A. Schwarz, Die Nordmauer und die Überreste der Innenbebauung der spätrömischen Befestigung auf Kastelen in Augusta Rauricorum. Vorbericht über die Grabung 1991.51. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 13, 1992, 47 ff.; Th. Hufschmid (mit einem Beitrag von M . Petrucci-Bavaud und S. Jacomet), Kastelen 3. Die Jüngeren Steinbauten in den Insualae 1 und 2 von Augusta Raurica. U n tersuchungen zur baugeschichtlichen Entwicklung einer römischen Domus im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Forsch. Augst 23 (Augst 1996).
sein wird, eine r ö m i s c h e Präsenz auf dem M ü n s t e r h ü g e l
29
Vgl. Furger 1985, 143. - Zu den Nauheimerfibeln Riha 1979, 55 f.
ab 44 v. Chr. positiv n a c h z u w e i s e n » . Auch anhand der
30
Martin 1971, 12 Anm. 22.
31 32 33 34
Furger-Gunti 1979, 134 f.; vgl. jetzt auch Hecht 1998, bes. 67. Martin 1971, 6. Blanc 1953, 7; Bedon u. a. 1988, 254. Walker 1981, bes. 29 ff. Vgl. dazu auch Goudineau 1989, 95 f., 119 f. Desbat und Walker erwogen (in: Walker 1981, 34), ob Lugudunum und Condate zunächst Flurnamen ohne eigene Besiedlung gewesen seien.
35
Als «hypothèse de mal confirmation» wird bei Bonnard Yersin u. a. 1989, 4 der Gedanke bezeichnet, dass in Nyon von den Helvetiern nach der Rückkehr von Bibrakte 58 v. Chr. ein befestigter Platz angelegt worden sei. Man kann sich auch fragen, ob der rund um 400 n. Chr. in der Notitia Galliarum erstmals genannte Name Noviodunum nicht erst in römischer Zeit von der einheimischen Bevölkerung an die Colonia Iulia Equestris herangetragen worden ist. So jetzt auch Rossi 1995, 103 und bes. Rossi 1998, 13. Von der Colonia scheint es nun Spuren aus der Zeit unmittelbar nach der Gründung zu geben (Rossi 1989, 253).
36
Die vorkoloniezeitlichen Gräben auf dem Plateau de Fourvière werden von den Ausgräbern als ephemäre Anlagen angesprochen; Mandy u. a. 1990, 95. Neben einer militärischen Funktion der Gräben wird man aber jetzt auch die kultische Interpretation durch J. Metzler (Metzler u. a. 1991, 82 ff.) beachten müssen, womit ein einheimisches, vorkoloniezeitliches Heiligtum (des Lug? L. B.) i n Betracht zu ziehen wäre. Neuestens gibt es auch spätlatenezeitliche Siedlungsspuren in etwa 2 km Entfernung nördlich des Plateau de Fourvière (Bellon/Perrin 1992, 290). Insgesamt aber wird man die vorrömische Besiedlung mit G. Lucas und J.-C. Decourt immer noch als «très modeste» einschätzen müssen (so Lucas/Decourt 1993, 31).
waren es Ausgräber der neueren Zeit, die das Fehlen v o n
37
Barruol 1969, 269.
vorkoloniezeitlichen Resten feststellen u n d die aus den
38
Ich übersehe nicht das gewichtige Argument von M . Martin, dass coloniam deducere in einer Vielzahl von Fällen (Martin 1971 Anm. 8) wörtlich mit «eine Colonia nach einem Ort führen» übersetzt werden kann und dass in einer Vielzahl von Fällen, namentlich im Mittelmeergebiet, die Stadt als solche vor der Gründung der Colonia tatsächlich schon bestanden hat. Aber die von uns im Text genannten Beispiele lassen es eben als fraglich erscheinen, ob dem deducere ausnahmslos und in jedem Falle ein bereits bestehendes Zentrum abzulesen ist. - In Basel hätte man aufgrund der nunmehr nachgewiesenen Einperiodigkeit des sog. murus gallicus und der Möglichkeit, dass er erst um 36 v. Chr. errichtet worden ist, sogar daran zweifeln können, ob das Oppidum zur Zeit der Gründung der Colonia Raurica durch Plancus im Jahre 44 oder 43 v. Chr. schon bestanden hat. Zur Baugeschichte und Datierung des sog. murus gallicus s. DeschlerErb/Richner 1994. Die Datierung der Amphoren durch M . Poux scheint aber auf ein Bestehen schon in der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. hinzuweisen (M. Poux, Les amphores et la chronologie des sites bâloises [Bâle-Gasfabrik - Bâle-Münsterhügel]: nouvelles données. In: M . Tuffreau-Libre et A. Jacques [Hrsg.], La céramique précoce en Gaule Belgique et dans les régions voisines: de la poterie gauloise à la céramique gallo-romaine. Actes de la table ronde d'Arras [14 au 17 octobre 1996J. Nord-Ouest Archéologie 9, 1999, 385 ff. bes. 405 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rieckhoff 1992, 118 ff. und Rieckhoff 1995, 169 ff., die ebenfalls für ein Bestehen schon in der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. eintritt.
Grabungen auf dem Kastelenplateau i n Augst, wo man die munatische Kolonie vielleicht am ehesten erwarten könnte,
haben
keine d i e s b e z ü g l i c h e n
Anhaltspunkte
ergeben . Damit hat sich die allenfalls mit einigen ver28
streuten Nauheimerfibeln zu verbindende Hoffnung, i n Augusta Raurica einmal auf eine besonders früh besiedelte Stelle zu stossen, bisher nicht erfüllt . Für Basel hat 29
schon M . Martin betont, dass «es zweifellos nicht leicht 30
neueren
Grabungen
i m Rauriker-Oppidum auf
dem
M ü n s t e r h ü g e l konnte zwar ein i m Vergleich mit der Siedlung v o n Basel-Gasfabrik zunehmender, v o n Italien u n d Gallien ausgehender, römischer Einfluss, aber kein für die Lokalisierung einer Veteranenkolonie römischer Bürger ausreichendes Befund- u n d Fundmaterial festgestellt werd e n . Aber nicht nur deshalb erscheint die seinerzeit 31
grosse Aufmerksamkeit erregende Lokalisierung nach Basel, wie sie M . M a r t i n versucht hat, nicht i n dem Masse gesichert, wie gelegentlich vorgegeben wird. M . Martin ging v o n der «allgemeinen Regel» aus, dass spätrepublikanische Kolonien i n «bestehende keltische Zentren» geführt worden seien u n d nicht etwa aufs «freie Feld» . 32
Als der C o l o n i a Raurica z u n ä c h s t gelegene Beispiele nannte er die Kolonien v o n Arles, Valence, Lyon u n d N y o n . Darum biete sich für die Lokalisierung der munatischen Colonia Raurica das Rauriker-Oppidum auf dem Basler M ü n s t e r h ü g e l an, dessen sog. murus gallicus eben i m Jahre 1971 entdeckt worden war. N u n sind aber gerade bei den drei zuletzt genannten Kolonien die angeblichen v o r r ö m i s c h e n Städte beim heutigen
Forschungs-
stand nicht nachgewiesen. Valence galt schon seit jeher als auf «terrain vierge» g e g r ü n d e t , i n Lyon und N y o n 33
keltischen N a m e n L u g u d u n u m
34
und Noviodunum
35
abgeleiteten v o r r ö m i s c h e n Siedlungen als hypothetisch bezeichnen mussten. W ä h r e n d für N y o n die Situation bis heute u n v e r ä n d e r t geblieben ist, sind i n Lyon neuerdings verschiedenerorts
vorkoloniezeitliche Reste z u m Vor-
schein gekommen, die zur Annahme eines bedeutenden Zentrums vorderhand aber immer noch nicht ausreichen . 36
Zu Valence wäre n o c h zu bemerken, dass dort i n n ä c h s t e r N ä h e das O p p i d u m v o n Malpas zu Verfügung gestanden h ä t t e , das aber für die Kolonie just nicht ausgewählt 37
wurde. Offensichtlich gibt es keine absolute Regel, mit der sich die Frage nach dem Standort der nordwestschweizerischen Kolonie lösen liesse . 38
T2: C O L O N I A [PATERNA? M U NATIA? FELIX? oder COPIA? APOLLINARIS [AUGUSTA E]MERITA [RAUR]ICA Quelle: Nuncupator-Fragment (Abb. 3) u n d Emerita-Fragment (Abb. 4). Edition: Lieb 1974 u n d nachstehend.
Stolba/Marth 1983, 66 ff.; Laur-Belart/Berger 1988, 12 Abb. 2; Drack/Fellmann 1988, 29 f. Abb. 11; Furger 1989, 10 f.; Fellmann 1992, 24 f. Abb. 13; A. R. Furger, M . Peter, L. T h o m m e n , P.-A. Schwarz, J. v o n Ungern-Sternberg (Hrsg.) u. a. (traduction française M . Poux), R ö m i s c h e r Geschichtspfad i n Augusta Raurica. Sentier Historique Romain d'Augusta Raurica. Augster Blätter zur Römerzeit 8 (Augst 1994 ) 21 (mit fehlerhaftem Ergänzungsvorschlag; korrigiert i n der Neuauflage 1999 ); Kob u. a. 1997, 46 f. mit Abb. 7 u n d 8; Berger 1998, 12 f. Abb. 2. Graffiti: Mehrere Graffiti, davon auf Fragment A lesbar emenda. Weiteres s. Beitrag M . A. Speidel (Appendix C, bes. Abb. 3). Datierung: Frühkaiserzeitlich aufgrund des Schriftbildes u n d der historischen Interpretation. 1
2
Der besseren Verständlichkeit wegen sei bereits an dieser Stelle
auf
das
Hauptergebnis
der
technologischen
Untersuchung durch B. Janietz verwiesen (Appendix B). Danach g e h ö r e n die v o n H . Lieb zu einer, der ehemals so genannten
Nuncupator-Inschrift e r g ä n z t e n Bronzeplat-
ten (Abb. 5 )
39
zweifelsfrei zu zwei verschiedenen Inschriften.
Sog. Nuncupator-Fragment
(Fragmente
Diese stammen v o n der Verkleidung zweier unterschied-
L(ucio) Octafvio • L(ucii) f(ilio)]
l i c h grosser u n d leicht abweichend gestalteter Statuen-
nuncu[patori]
basen (Abb. 6 u n d 7).
Colonia I —
und
B; Abb. 3)
M—
Der besseren Lesbarkeit der Textedition wegen werden die recht k o m p l e x e n a r c h ä o l o g i s c h e n , technologi-
A
5
[Apollinaris
schen u n d analytischen Grundlagen sowie die Graffiti aus
Augusta • Emerita
der eigentlichen Textedition herausgenommen u n d v o n
Raurica •
P.-A. Schwarz, B. Janietz, J. Riederer u n d M . A . Speidel i n
• publice • ]
den Appendices A bis D vorgelegt. Insch riftenga ttung: Eh r e n i n sehr i fte n. Inv.: Nuncupator-Fragment: 1967.2538 (= Fragment A); 1967.2524 (= Fragment B); Emerita-Fragment: 1967.2537 (= Fragment C). Weiteres s. Beitrag B. Janietz (Appendix B). Grosssteinlager-Nr.: -. Grabung: 1966-1967.53. Fundkomplex: X07100. Fundort: Augst BL, Insula 20 (Region 1). Fundlage: Teile eines «Recyclingdepots» innerhalb einer Gewerbehalle i n der Südecke der Insula 20. Weiteres s. Beitrag P.-A. Schwarz (Appendix A). Funddatum: 19. April 1967. Standort: R ö m e r m u s e u m Augst. Material: Bleibronze. Weiteres s. Beitrag J. Riederer (Appendix C). Erhaltung: Sehr gut. Weiteres s. Beitrag B. Janietz (Appendix B). Bearbeitungsspuren: S. Beitrag B. Janietz (Appendix B). Masse: Nuncupator-Fragment (Abb. 3): Fragment A : H ö h e : 36,8 cm; Breite: 46,3 cm; Dicke: 0,21-0,37 m m . Fragment B: H ö h e : noch 9,6 cm; Breite: 3,7 cm; Dicke: 0,27 c m (im Profil 0,35 cm). Emerita-Fragment: Fragment C (Abb. 4): H ö h e : 45,0 cm; Breite: 27,6 cm; Dicke: 0,33-0,4 c m . Schriftfeld: Nuncupator-Fragment: H ö h e : 82,3 cm; Breite 78,2 c m (rekonstruiert). S. Beitrag B. Janietz (Appendix B, bes. Tabellen 3 u n d 4). Emerita-Fragment: H ö h e : 88,2 cm; Breite 71,8 c m (rekonstruiert). S. Beitrag B. Janietz (Appendix B, bes. Tabelle 3 u n d 4). Buchstabenhöhe: Nuncupator-Fragment: Fragment A : 1. Zeile: 7,6-8,0 cm; 2. Zeile: 6,1 cm; 3. Zeile: 5,3 cm. Fragment B: 5,6 c m . S. Beitrag B. Janietz (Appendix B, bes. Tabelle 3). Fjnerita-Fragment: Fragment C: 1. Zeile: 5,3 cm; 2. Zeile: 4,8 c m (T 6,2 cm): 3. Zeile: 5,8 cm; 4. Zeile: 7,0 cm. S. Beitrag B. Janietz (Appendix B, bes. Tabelle 3). Beschreibung: Drei beschriftete Fragmente v o n zwei Sockelverkleidungen mit Rahmen. «Die vollendet gegliederte und gestaltete, sorgfältig u n d kunstvoll mit dem Ziehmeissel gezogene u n d zweifellos frühkaiserzeitliche Schrift g e h ö r t z u m Besten, das wir ü b e r h a u p t k e n n e n . » Worttrenner i n Gestalt des sog. Kommas, rechts der Schlusszeile Herzblatt. Weiteres s. Beitrag B. Janietz (Appendix B). Bibliographie Inschriften-Editionen: Eieb 1974; AE 1974, 435. Bibliographie Sonstiges: Laur-Belart 1968, X X ; M u t z 1968, 157 ff. 39 Abb. 7; Bögli 1972, Abb. auf Seite 3; Eieb 1974, 415 ff.; M a r t i n 40 1977, 24 ff.; W i l m a n n s 1981, 93 f. m i t A n m . 310; Frei40
- Zur spätlatenezeitlichen-augusteischen Chronologie des Basler Münsterhügels vgl. jetzt J. Hecht/G. Helmig/N. Spichtig/A. Burkhardt/E. Deschler-Erb/P. Jud/M. Poux/K. Richner/H. Rissanen/S. Rodel, Zum Stand der Erforschung der Spätlatenezeit und der augusteischen Epoche in Basel. Jahrb. SGUF 82, 1999, 163 ff., mit meines Erachtens - bei aller methodischen Problematik - zu pessimistischer Einschätzung des chronologischen Aussagewerts der Amphoren Dressel 1. Akzeptiert man A. Desbats Beobachtung, dass nach 40 v. Chr. der Import von Dressel 1 rapide abnimmt (A. Desbat, L'arrêt des importations de Dressel 1 en Gaule. Soc. Franc. d'Etude Céram. Ant. en Gaule. Actes du Congrès dTstres 21-24 mai 1998 [Marseille 19981 31 ff.), wird man kaum umhin können, mindestens für einen Teil der Dressel 1 vom Basler Münsterhügel ein Importdatum in der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. zu suchen. Die Frage der Lokalisierung der Colonia wird von J. Hecht und Mitautorschaft ausgeklammert. Dagegen wird die Aussagekraft der dendrochronologischen Probe, die zum oben angesprochenen Datum 36 v. Chr. geführt hat, aufgrund eines neuen Gutachtens verworfen. Lieb 1974. Lieb 1974, 418.
bezeugt. Es folgt der Name der Kolonie, wie er v o m nuncupator beim G r ü n d u n g s a k t formell v e r k ü n d e t worden u n d wie er i n dieser Vollständigkeit - bei Heranziehung des Emerita-Fragmentes (Fragment C; Abb. 4) - i n keiner anderen Quelle überliefert ist. Die Haste hinter Colonia haben J. C. W i l m a n n s und M . Martin offensichtlich u n a b h ä n g i g voneinander zu paterna e r g ä n z t . G e h ö r e n 43
die beiden Serifen zu Beginn der 4. Zeile zu einem M , so ist vielleicht an Munatia zu denken, das zusammen mit Felix oder Copia aus dem N a m e n der
munatischen
Kolonie ü b e r n o m m e n worden wäre, wenn man für die Kolonie am Hochrhein gleiche Namensglieder wie für Lyon annehmen w i l l . Dabei übersehe ich nicht die 44
Schwierigkeit, dass die Beinamen Munatia Felix i n Lyon unter Augustus nicht mehr erscheinen und v o n diesem
Abb. 3: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). NuncupatorFragment (T2). Ansicht der im Recycling-Depot gefundenen Fragmente A und B nach der Reinigung und Konservierung. Zur Zuweisung vgl. Abb. 6. M. 1:5.
Sog. Emerita-Fragment (Fragment C; Abb. 4)
5
— [Apollinaris [Augusta • Ejmerita [Raurjica •
10 [-publ]iceKommentar: Geehrt wird auf dem Nuncupator-Fragment (Fragmente A u n d B; Abb. 3) ein weiter unbekannter L.
Abb. 4: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Emerita-Fragment (T2). Ansicht des im Recycling-Depot gefundenen Fragmentes C nach der Reinigung und Konservierung. Zur Zuweisung vgl. Abb. 7. M. 1:5.
Octavius, der aufgrund seines Namens und gewiss auch wegen der Bedeutung der i n der n ä c h s t e n Zeile festgehaltenen Amtshandlung aus der Verwandtschaft, mindestens aber aus der Umgebung des ersten Kaisers stammen
41 42
dürfte. Die rechte Hälfte der 1. Zeile lässt nur noch Raum für die Filiation, wobei hier v o n den bei den Oktaviern häufigsten Vornamen, Gn(aeus), G(aius) und
Belegstellen zu nuncupator und weiteren Ableitungen von nuncu-
pare bei Lieb 1974, 420 f. 43
Wilmanns 1981, 93 Anm. 310; Martin 1987, 31 (vgl. die 1. Auflage von 1981). R. Bedon will paterna streichen u. a. mit dem Argument, Augustus habe paterna nur Kolonien verliehen, die von oder unter Caesar vivo gegründet worden seien; vgl. Bedon 1997, 113. Wenn aber zutrifft, dass die Gründung der Colonia Raurica auf Pläne Caesars zurückgehe (vgl. unten mit Anm. 52), dürfte dies mit grösster Wahrscheinlichkeit auch Augustus bewusst gewesen sein. Damit ist paterna unseres Erachtens im Bereich der Möglichkeiten zu belassen.
44
Zu Lyon vgl. Galsterer-Kröll 1972, Nr. 259.
L(ucius),
aus Platzgründen nur L(ucius) i n Frage k o m m t . Das 41
erhaltene nuncu ist kaum zu etwas anderem als dem i n dieser Form selten belegten nuncupator zu ergänzen, was am besten mit «der feierlich ausspricht» bzw. « b e n e n n t » zu umschreiben ist . Theoretisch wäre auch ein Cog42
nomen Nuncupator möglich, doch ist ein solches nicht
Lieb 1974, 420; vgl. RE XVII.2, Sp. 1801 ff.
vielleicht
bewusst
unterdrückt
worden
sind . 45
Im
Weiteren gehen wir davon aus, dass die verbleibenden Teile des Kolonienamens auf dem Nuncupator-Fragment nach dem gleich zu besprechenden Emerita-Fragment (Fragment C; Abb. 4) ergänzt werden dürfen. Zur Ergänzung des -naris empfiehlt sich nach wie vor das weit nach links ausgreifende Apollinaris. Das v o n H . Lieb auf derselben Zeile vor Apollinaris vorgeschlagene Pia (Abb. 5) wird h i n fällig, nicht nur weil die i n der alten Rekonstruktion am Anfang der Zeile angenommene Haste jetzt zur vorhergehenden Zeile g e h ö r t u n d aufgrund der zwei einzig nachweisbaren Serifen z u m mutmasslichen M v o n Munatia geworden ist, sondern vielmehr auch, weil es, wie die Neuzeichnung ergab, vor dem Apollinaris gar keinen Platz findet (Abb. 6) . Augusta, für das die zweite Hälfte der 3. 46
u n d die erste der 4. Zeile nicht i n Frage kommen, belassen wir an der von H . Lieb vorgesehenen Stelle. Emerita, Raurica u n d publice bedürfen hinsichtlich der Ergänzung keines Kommentars. Das als Emerita-Fragment bezeichnete Bruchstück (Fragment C; Abb. 4) g e h ö r t den Ausführungen v o n B. Janietz zufolge nicht, wie man bisher annahm, zur NuncupatorInschrift, sondern zur rechten unteren Ecke einer weiteren, offensichtlich sehr ä h n l i c h e n
Inschriftenplatte .
Schon H . Lieb hat
dass neben
1974 vermutet,
47
Abb. 5: AugstBL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Rekonstruktion und Ergänzung der Fragmente A, B und C aus dem Recycling-Depot zur ehemals so genannten Nuncupator-Inschrift (Lieb 1974, 419). Die kleine schraffierte Partie von Fragment B ist 1973 bei der Probenentnahme für eine Metallanalyse zerstört worden (vgl. Beitrag von B. Janietz {Appendix B, Abb. 32]). M. 1:10.
dem
Statuensockel mit der Nuncupator-Inschrift ein zweiter Sockel mit einer «gleichlaufenden Inschrift für den Kaiser
Frage kommende Copia, die göttliche Personifikation der
als conditor der Colonia Raurica», allenfalls sogar ein drit-
Fülle, wird v o n B. Galsterer-Kröll mit dem Götterbei-
ter «für einen weiteren, G r ü n d u n g u n d nuncupatio irgend
namen anderer Kolonien i n eine Reihe gestellt .
e r g ä n z e n d e n Wirkungsbereich» vorauszusetzen
54
sind . 48
N a c h dem Vorschlag v o n B. Janietz ist das Emerita-Frag-
Apollinaris,
ment aufgrund der B u c h s t a b e n h ö h e u n d Zeilenabstände
C o l o n i a der Reii i n der Gallia Narbonensis , h ä n g t hier
nicht wie die Nuncupator-Inschrift auf acht, sondern auf
wie
zehn Zeilen zu ergänzen (Abb. 7) . Dies w ü r d e es ermög-
Schutzgott des Augustus zusammen , doch k ö n n t e bei-
lichen, den Kaisernamen unterzubringen, wenn wir den
derorts auch eine einheimische, i n römischer Zeit dem
Gedanken an eine Ehrung des Augustus als conditor auf-
Apollo angeglichene Gottheit mit eine Rolle spielen. Dass
49
aus augusteischer Zeit auch bezeugt für die 55
dort
gewiss
irgendwie m i t
dem
persönlichen
56
greifen w ü r d e n . Allerdings ist eine W i d m u n g an den Kaiser nicht zwingend, wiewohl die v o n B. Janietz erschlossene, grössere Sockelhöhe zum Kaiser passen w ü r d e ; es kommt auch eine andere, unbekannt bleibende Persönlichkeit i n einer anderen Funktion i n Frage. M i t allen Vorbehalten ist auf den Abbildungen 6 u n d 7 eine zeichnerische Umsetzung unserer i n vielem hypothetischen Ergänzungsvorschläge wiedergegeben.
45 46 47
Bögli 1966, 19. Vgl. dazu den Beitrag von B. Janietz (Appendix B). Vgl. die Beiträge von B. Janietz (Appendix B) und von J. Riederer (Appendix C).
48 49
Lieb 1974, 421. Vgl. dazu auch den Beitrag von B. Janietz (Appendix B, bes. Tabelle 3). Galsterer-Kröll 1972, Nr. 252 und Nr. 261. Frei-Stolba/Marth 1983, 67. Drack/Fellmann 1988, 21; Fellmann 1992, 17; Berger 1998, 11. Zweifel äussert allerdings Frei-Stolba 1984, 21 A n m . 124.
Was die Bedeutung der Beinamen anbelangt, wird das auch für die Kolonien v o n Arles und N a r b o n n e
50
belegte
Paterna als Hinweis auf des Augustus Adoptivvater Caesar
50 51 52
verstanden , auf dessen W i l l e n die G r ü n d u n g der m u 51
natischen C o l o n i a Raurica nach allgemeiner Ansicht zurückgeht . 52
Munatia hält den Familiennamen des G r ü n d e r s der ersten Kolonie fest. Felix ist der häufigste adjektivische Beiname römischer S t ä d t e . Das alternativ zu Felix i n 53
53
Galsterer-Kröll 1972, 96.
54 55 56
Galsterer-Kröll 1972, 62 f. Galsterer-Kröll 1972, Nr. 263. Vgl. die eindrückliche Darstellung der «Apollonähe» des Oktavian bei P. Zanker (Zanker 1990, 58 ff. mit Lit. Seite 338) und hier den Beitrag von St. G. Schmid (bes. Anm. 436).
Apollo i n Augusta Raurica besonders verehrt wurde, ist
grundsätzlich akzeptiert, so entfällt auch die theoretisch
offensichtlich .
denkbare Verleihung des Namenselementes
57
Der Beiname Emerita ist ausser für Augusta Raurica
unter
Ammaedara (heute Haidra, Tunesien)
scheint.
59
bezeugt sowie für
die augusteische G r ü n d u n g i n Lusitanien, für die zum
eigentlichen
Stadtnamen
Mérida, Spanien) . Veteranendeduktion
61
ohne
Augusta
schwerlich
denkbar
Es verbleiben noch einige Überlegungen zu der he-
Emerita
ist (heute
Augustus
rausgemeisselten
Zeile des Nuncupator-Fragmentes (Abb. 3
weist zweifellos auf eine
und 6, Zeile 4) u n d des Emerita-Fragmentes (Abb. 4 u n d
oder mindestens auf eine starke
7, Zeile 6) anzustellen . W i l l m a n nicht einfach an eine
Emerita
60
geworden
unter
einem späteren Kaiser (s. dazu T3), da eine Benennung
auch für die flavischen Kolonien v o n A v e n t i c u m u n d 58
Augusta
72
militärische Komponente unter den Siedlern h i n . N u r
Reparatur glauben, für deren Notwendigkeit auf den
fragt
erhaltenen Fragmenten keinerlei Anhaltspunkte vorlie-
es sich, welche zeitliche Ebene anvisiert ist.
Diejenige der Neubenennung unter Augustus komme
gen, so muss entweder
nach H . L i e b
N a m e n s ä n d e r u n g gerechnet werden. Hier m ü s s e n alle
62
nicht i n Frage, da der Tatenbericht des
Augustus ausserhalb der Narbonensis keine zulasse . Deshalb müsste
coloniae
mili-
Emerita
nach H . Lieb aus
dem alten N a m e n der munatischen
Veteranenkolonie
tum
63
mit einer Tilgung oder einer
Vorschläge vollends spekulativ bleiben. Vielleicht war Munatia
Felix
ä h n l i c h wie i n L y o n , w e n n auch gegen73
über dort verspätet, mit der Zeit doch nicht
mehr
ü b e r n o m m e n oder v o n Augustus zur Erinnerung an jene
genehm . Vielleicht erhielt Augusta Raurica wie L y o n
mitverliehen worden sein . D e m g e g e n ü b e r werden für
u n d wie N a r b o n n e
76
J. C . Wilmanns, wenn i c h richtig verstehe, durch den
Beinamen
Dies k ö n n t e z u m archäologischen
64
74
Claudia.
75
unter Claudius zusätzlich den
Tatenbericht nur absolute N e u g r ü n d u n g e n u n d nicht
Befund der zentralen Stadtanlage v o n Augusta Raurica
auch Nachdeduktionen v o n
ausgeschlos-
passen, i n der sich ein offensichtlich i n claudischer Zeit
Forschungs-
einsetzendes Bauprogramm mit zunehmender
coloniae
militum
sen . Offensichtlich ist beim derzeitigen 65
stand ein militärisches Element auch unter den augustei-
Bautätig-
keit i n Stein immer deutlicher abzuzeichnen scheint . 77
schen Siedlern nicht ganz undenkbar. Für den Fall, dass doch eine augusteische
Veteranendeduktion
vorliegt,
w ü r d e sich die weitere Frage einstellen, ob unter den augusteischen Siedlern Angehörige einer
legio
Apollinaris
vermutet werden dürfen. Auf die Existenz einer
legio
XV
einer G r ü n d u n g des Augustus, sei i m m e r h i n
Apollinaris,
57
verwiesen . Auch sei hier gefragt, ob die beiden, oben zu 66
einem M ergänzten Serifen der 4. Zeile des NuncupatorFragmentes
(Abb. 3) vielleicht zu einem X v o n X V
g e h ö r e n , wobei i m zweiten Teil der 3. Zeile
legionis
ergänzt werden k ö n n t e . Allerdings wäre dann hinter XV nach einem weiteren Namensglied zu suchen. Raurica
wird
von M . Martin
als
vorgegebener
Ortsname bezeichnet , w ä h r e n d es sich für R. Frei-Stolba 67
und R. M a r t h unbestimmter
«auf den umwohnenden
58 59
Galsterer-Kröll 1972, Nr. 5.
60 61 62
Galsterer-Kröll 1972, Nr. 155; vgl. auch Lieb 1974, 422. Zuletzt Wolff 1989, 24 f. Anm. 70. Lieb 1974, 422.
63 64
Monumentum Ancyranum 28: Weber 1989a, 36 f. Lieb 1974, 422 f.
65
Wilmanns 1981, 93 Anm. 310.
66
Ritterling, Legio, Sp. 1747 ff. (ebenfalls mit Bemerkungen zur besonderen Beziehung des Augustus zu Apollo). Martin 1971, 5 f.; Lieb 1974, 419. Frei-Stolba/Marth 1983, 69.
Volksstamm der Rauriker» bezieht . 68
Publice
h ä l t sowohl den öffentlichen Beschluss wie
auch die Ü b e r n a h m e der Kosten durch die öffentliche
Vgl. Schwarz/Berger (in Vorbereitung) Kat.-Nr. 22. 31. 32. S. dazu auch Berger 1998, Index s. v. Apollo. Nach Kaufmann-Heinimann 1998, 165 waren Merkur und Apollo die «vermutlich wichtigsten Götter der Stadt». Galsterer-Kröll 1972, Nr. 230.
67 68
70 71
Lieb 1974, 419 Anm. 25 und Schwarz/Berger (in Vorbereitung) Kat.-Nr. 52. Lieb 1974, 418. Furger 1988, 157.
72 73
Vgl. den Beitrag von B. Janietz (Appendix B) Bögli 1966, 19.
74
Demgegenüber erscheint das Copia in Lyon auch noch in den späteren Quellen und wäre damit auch in Augst kaum ersetzt worden. Darum in den Rekonstruktionszeichnungen (Abb. 6
der Name des L. Octavius u n d das Apollinaris weisen, wie
75 76
Galsterer-Kröll 1972, 71. Galsterer-Kröll 1972, 72.
dargelegt,
77
Vgl. Schwarz 1991b, bes. 58: 1. Theater nach 41 n. Chr. errichtet und Erwägungen zum Bauprogramm; Bossert-Radtke 1990, 146 f.: Datierung des Forumaltares «um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. oder etwas früher»; Trunk 1991, bes. 60: Gesamtanlage des Forums mit Vorsicht ins 2. und 3. Viertel des 1. Jhs. n. Chr. datiert. S. allgemein auch Furger 1994, 29 ff.
Hand fest, wobei es nach den v o n H . Lieb beigebrachten Belegstellen mehrheitlich die Gesamtgemeinde u n d nicht der Stadtrat ist, die derartige Beschlüsse fasst . 69
Das Datum der auf der Inschrift e r w ä h n t e n Namengebung ist nur indirekt zu erschliessen, indem nach wie
69
vor, also auch nach der neuen Zusammensetzung, alles auf die augusteische Zeit drängt: Die ausserordentliche Qualität des Schriftbildes weist i n die frühe Kaiserzeit ,
und 7) die Präferenz für Felix.
70
i n besonderem
Masse auf Augustus. H i n z u
kommt, dass i n Augusta Raurica heute vieles für einen Siedlungsbeginn i n den letzten beiden Jahrzehnten vor Christi Geburt spricht . Hat man aber eine N e u g r ü n d u n g 71
und
Neubenennung
der
Kolonie
unter
Augustus
Abb. 6: Augst BL, ìnsula 20 (Grabung 1966-1967.53). Rekonstruktionszeichnung der Statuenbasis mit dem Nuncupator-Fragment (Fragmente A und Abb. 3 und 57) mit ergänzter Inschrift (T2). Zur Zuweisung der übrigen Fragmente vgl. den Beitrag von B. Janietz (Appendix B) und J. Riederer (A
Hingewiesen sei n o c h auf das Graffito emenda am oberen Randstreifen
des Nuncupator-Fragmentes , das aller 78
Wahrscheinlichkeit nach eine Anweisung für die vorzunehmende Auswechslung der Zeile darstellt.
78
Vgl. dazu den Beitrag von M . A. Speidel (Appendix D, Abb. 71).
T3: A u y o T J c r c a Poo)piKCOv
milibus .
c
Für Augusta Raurica trat unter anderen F.
86
Staehelin ein, u n d die neueste Übersetzung der Naturalis
Quelle: Ptolemaios, Geographie 2,9,9. Edition: Cuntz 1923.
historia identifiziert ohne Diskussion des Problems das Rauricum
oppidum
ebenfalls
m i t Augusta R a u r i c a . 87
Kommentar: Die u m die Mitte des 2. Jahrhunderts n . Chr.
D e m g e g e n ü b e r dachte schon H . Koethe i n den dreissiger
entstandene Geographie des Ptolemaios bietet indirekt
Jahren an das damals postulierte, aber noch nicht gefun-
das älteste erhaltene Testimonium für den Beinamen
dene Rauriker-Oppidum auf dem Basler M ü n s t e r h ü g e l ,
Augusta, wenn man der allgemeinen Ansicht folgt, dass
eine Ansicht, die M . Martin nach der
seine Darstellung Galliens u n d Germaniens die Situation
Entdeckung des Oppidums wieder aufgriff . Für einen
der Mitte des 1. Jahrhunderts n . Chr. widerspiegelt .
Entscheid wäre wesentlich zu wissen, ob Plinius hier wie
79
88
tatsächlichen 89
Für Augusta Raurica scheint die Verleihung unter
anderorts auf die Kommentare des Agrippa (gest. 12 v.
Augustus o h n e h i n festzustehen (s. T2), auch wenn es zu
Chr.) zurückgegriffen hat oder ob der Stelle aktuellere,
betonen gilt, dass dieser Beiname grundsätzlich fast v o n
eigene Kenntnisse zugrunde liegen, die er sich w ä h r e n d
jedem späteren Kaiser vergeben worden sein k a n n .
seines Offizierdienstes i n Germanien erworben
80
hat . 90
Lehnt er sich an Agrippa an, so wird ein Bezug auf das Rauriker-Oppidum am Basler Rheinknie denkbar. N ä h e r T4: C O L O N I A RAURIACA
liegend scheint uns, dass Plinius sein eigenes Wissen eingebracht u n d die Quellen der Donau an der aufblühen-
Quelle: Plinius, Naturalis historia 4,106.
den C o l o n i a Augusta Raurica orientiert
Edition: Winkler 1988.
hat , 91
eine
Ortsbestimmung, die auch v o n späteren Autoren aufgeKommentar: Die colonia Rauriaca wird v o n Plinius (Nat.
griffen
hist. 4,106) bei der Aufzählung v o n Völkern der Gallia
Gebrauch v o n colonia (T4) u n d oppidum braucht nicht
wird
(vgl. T 1 2 u n d T15). Der
wechselnde
Belgica genannt. Das auffällige Fehlen v o n Augusta ist
besonders zu erstaunen, da oppidum bei Plinius ein
charakteristisch für diesen Schriftsteller und kann nicht
Oberbegriff für alle Städtearten sein k a n n . Direkt nach-
mehr für eine Verleihung des Beinamens erst nach dem
gewiesen ist bei Plinius der wechselnde Gebrauch v o n
Abschluss der Naturalis historia i m Jahre 77 n . Chr. ange-
oppidum u n d municipium für ein u n d dieselbe Stadt.
92
führt werden . Plinius hat es n ä m l i c h bei der N e n n u n g 81
v o n Städten aus anscheinend u n g e k l ä r t e n G r ü n d e n überhaupt vermieden, deren kaiserliche Beinamen zu erwähn e n . Die Endung -iaca, die i n allen Handschriften 82
erscheint, wird v o n T h . Burckhardt-Biedermann als spätere Interpolation
i n A n g l e i c h u n g an
die
Schreibweise Ramaci betrachtet . M . Martin 83
jüngere vermutet
dahinter eine betont adjektivische Bildung analog der v o n Plinius an der gleichen Stelle e r w ä h n t e n C o l o n i a Equestris . 84
79
Howald/Meyer 98 Anm. 2; Lieb 1974, 421 Anm. 38; Dietz 1985,
4,106) auch den Stamm der Ramici, was zusammen mit
80
Galsterer-Kröll 1972, 83.
der Existenz einer cohors I Sequanorum et Rauracorum als
81
So noch Laur-Belart 1966, 11.
82
Galsterer-Kröll 1972, 57 ff.
83
Burckhardt-Biedermann 1909a, 391 Anm. 1.
84
Martin 1971, 13 Anm. 24. - Dazu zuletzt R. Fellmann 1995, 289
Im gleichen Zusammenhang nennt Plinius (Nat. hist.
Beweis gilt, dass civitas (Stammesgemeinde) u n d colonia w ä h r e n d längerer Zeit nebeneinander
bestanden . Zu 85
100.
Mutmassungen über das Datum des Zusammenschlusses
f., der Rauriaca ebenfalls für authentisch halten möchte. Seiner
der beiden Körperschaften vergleiche man den K o m m e n -
Ansicht nach bezieht sich colonia Rauriaca aber nicht auf die Stadt, sondern auf das Territorium der Kolonie. Trifft dies zu, so
tar zu T8.
wäre colonia Rauriaca aus der Reihe der Testimonien für den Stadtnamen zu streichen. 85
T5: RAURICUM O P P I D U M
86
Lieb 1974, 423; Frei-Stolba 1976, 349. Dieser (gemeint ist der Ister/Donau) entspringt auf den Höhen des Schwarzwaldes in Germanien, dem gallischen «Rauricum oppidum» gegenüber, viele Meilen jenseits der Alpen.
Quelle: Plinius, Naturalis historia 4,79.
Edition: Winkler 1988. Kommentar: Der geographische Zusammenhang, i n dem das Rauricum oppidum v o n Plinius genannt wird, erlaubt keinen sicheren Entscheid, ob damit Augusta Raurica oder Basel gemeint ist: Ortus hic in Germania iugis month Abnovae ex adverso Ramici Galliae oppiai, multis ultra Alpes
87
Staehelin 1948, 115 Anm. 1; Winkler 1988, 410.
88
Koethe 1938, 191 Anm. 5.
89
Martin 1971, 13 A n m . 24.
90
Kroll, Plinius d. Ä., 273 f. 306.
91
Für Augst spricht sich jetzt auch Fellmann 1995, 292, aus.
92
Vgl. dazu und zum folgenden Vittinghoff 1966, 226 f. bes. Anm. 7, 8 und 9. (Nachdruck Vittinghoff 1994, 58 f., bes. Anm. 7, 8 und 9).
Quelle: Meilenstein, gefunden 1995. Edition: Sütterlin 1996. Inschriftengattung: Meilenstein. Inv.: 1995.60.002331.1,2,3; 1995.60.D02341.1; 1995.60.D02345.2; 1995.60.D02423.1; 1995.60.D02703.2. G rosss te in lager-Nr. : 414 5. Grabung: 1995.60. Fundkomplexe: D02331; D02341; D02345; D02423; D02703. Fundort: Augst BL, Insula 19 (Region 1). Fundlage: Der Meilenstein fand sich am östlichen Rand der römischen Hohwartstrasse i m Übergangsbereich zum Strassengraben v o n Insula 19, w o h i n er s e k u n d ä r versetzt worden war. Funddatum: 10. April 1995. Standort: R ö m e r m u s e u m Augst, Grosssteinlager; Kopie i m «Skulpturengarten» vor dem Theater. Material: Kreidiger Rauracienkalk.
Erhaltung: Der obere Teil der Säule fehlt. Auf der Rückseite sowie i m Sockelbereich ist sie beschädigt. Die Inschrift weist mehrere, z. T. durchgehende Risse auf. Besondere Bearbeitungsspuren: Die Rückseite der Säule ist im Gegensatz zur geglätteten Oberfläche des Inschriftenfeldes roh belassen (Abb. 9). Masse: H ö h e mit Sockel: 158 cm; Durchmesser: 54 cm; Sockel: H ö h e : 25 cm, Länge: mindestens 50 cm, Breite 42 cm. Schriftfeld: Breite 120 cm (abgerollt). Buchstabenhöhe: 1. Zeile: u n v o l l s t ä n d i g erhalten; 2. Zeile: 5,5 bis 6,3 cm; 3. Zeile: 5,6 bis 6,2 cm; 4. Zeile: 5,5 bis 6,3 cm. Beschreibung: Fast ganz erhaltener Meilenstein des Antoninus Pius. Die Bruchkante an der Oberseite des Meilensteines weist Beschädigungen durch nachantike Pflugeinwirkung auf. Teile der unteren Schaftrückseite sowie des Sockels fehlen. Epigraphische Datierung: 139 n. Chr. Archäologische Datierung: -. Bibliographie Inschriften-Editionen: Sütterlin 1996. Bibliographie Sonstiges: Walser 1997, Abb. 2.
Abb. 9: Augst BL, Hohwartstrasse / Insula 19 (Grabung 1995.60). Ansicht der roh belassenen Rückseite des Meilensteines des Antoninus Pius (T6). Abb. 8: Augst BL, Hohwartstrasse / Insula 19 (Grabung 1995.60). Ansicht Durchmesser: 54 cm. M. etwa 1:4. des Meilensteines des Antoninus Pius (T6). M. 1:10 (Höhe: 158 cm).
Abb. 10: Augst BL, Hohwartstrasse /Insula 19 (Grabung 1995.60). Abwicklung der Inschrift des Meilensteines des Antoninus Pius (T6) nach Sütterlin 1996 M. 1:6.
[Imp(eratori) • Caes(ari) T(ito)
unseres Steines am Stadtrand, sondern will der Konzen-
Aelijo • H[a]driano [-An
tration v o n Fragmenten mehrerer Meilensteine eine Auf-
tojnino [•] Aug(usto) • Pio [•] ço(n)[s(uli)II]
reihung entlang der Hohwartstrasse
designato • III P(atri) [P(atriae)]
Fundstelle ablesen . Ein sicherer Entscheid ist nicht m ö g -
Aug(usta) • Raurfica oder -acum)
lich.
i n der N ä h e der
98
Ob RAVR zu dem auf T 2 ü b e r k o m m e n e n Raurica Kommentar: Der i m Jahre 1995 zusammen mit Bruch-
oder dem i n T9 u n d T10 überlieferten Rauracum oder gar
stücken v o n weiteren Meilensteinen gefundene
zu Rauricorum bzw. Rauracorum" aufzulösen ist, muss
stein (Abb. 8 )
93
Meilen-
datiert durch die Designation für das 3.
unbekannt bleiben.
Konsulat des Antoninus Pius ins Jahr 139 (Abb. 10) . Es
Die
94
handelt sich u m den zweiten Meilenstein des Antoninus
Verwendung v o n hederae auf Meilensteinen
scheint selten zu s e i n . 100
Pius aus der Augster Gegend (vgl. T7; Abb. 11) u n d m a n kann sich fragen, ob die beiden Steine eine besondere S t r a s s e n b a u t ä t i g k e i t dieses
Kaisers i n der
Nordwest-
schweiz anzeigen . Wie auf T7 ist die Kaisertitulatur un95
vollständig
wiedergegeben.
Es fehlt
hier vor
dem
Konsulat pont(ifex) max(imus) u n d trib(unicia) pot(estate). Ferner fehlt die Distanzangabe. Dies kommt gelegentlich vor, wobei nicht auszuschliessen ist, dass sie aufgemalt war . Anderseits k ö n n t e der Stein auch den N u l l p u n k t 96
der Z ä h l u n g markieren. Seinen u r s p r ü n g l i c h e n
Auf-
stellungsort darum auf das nahe gelegene Forum zu lokalisieren, scheint nicht erlaubt, denn nach den v o n A. Grenier beigebrachten Quellen u n d Befunden setzte die Z ä h l u n g nicht - wie man meinen k ö n n t e - i m Zentrum,
93 94 95
sondern am Rande der städtischen Bebauung e i n . Die 97
unbearbeitete Rückseite des Steines (Abb. 9) k ö n n t e dafür sprechen, dass er nicht rundansichtig i m freien Feld, sondern z. B. vor einer Mauer aufgestellt war. H . Sütterlin denkt allerdings nicht an eine ursprüngliche Aufstellung
97 98 99
Vgl. dazu den Beitrag von H . Sütterlin (Appendix E). Kienast 1990, 134. Zur intensiven Strassenbautätigkeit des Antoninus Pius in Italien und den Provinzen vgl. Hüttl 1936, 334 f. Grenier 1934, 82. Grenier 1934, 83 mit Anm. 5. Vgl. dazu den Beitrag von H. Sütterlin (Appendix E). Zu Raura- bzw. Rauricorum vgl. unten Seite 37 f.
Quelle: Im Jahre 1875 zwischen M u m p f A G u n d Stein A G gefundener Meilenstein. Editionen: CIL XIII 9077; Walser 1967, 47; CIL XVII/2 596.
Imperatori) • [Caes(ari)] • T(ito) • Ael[(io) Hadr(iano) Anton] ino • A[ug(usto) Pio co(n)s(uli) II] designato III P(atri) P(atriae)] A(ugusta) • R(aurica oder auracum) Kommentar: Der Meilenstein (Abb. 11) befindet sich heute i m Fricktaler Museum Rheinfelden, ein Abguss steht i m «Skulpturengarten» beim Theater i n Augst . G . Walser 101
ergänzte den schlecht erhaltenen Text (Abb. 12) zuletzt i m CIL XVII/2 (1986) mit vollständiger Kaisertitulatur u n d datierte den Stein ins Jahr 138 n . Chr., das Jahr der Designation für das 2. Konsulat, da jüngere Meilensteine des Antoninus Pius die Designation nie aufweisen. Diese Annahme wird durch den neu gefundenen Meilenstein T6 (Abb. 10) widerlegt, der die Designation zum 3. Konsulat angibt. 1967 hatte Walser noch Designation zum
3. Konsulat angenommen u n d i m Anschluss an
Hirschfeld mit dem Ausfall einer ganzen Zeile d. h. mit unvollständiger Kaisertitulatur gerechnet. Aufgrund v o n T6 kehren wir auch für T 7 zur Designation zum 3. Konsulat (139 n . Chr.) u n d zur u n v o l l s t ä n d i g e n Kaisertitulatur zurück. Eine ältere E r g ä n z u n g des Z ä h l p u n k t e s zu
(ab)
AR(gentorate) (Strassburg) ist unwahrscheinlich, da zwischen A u n d R deutlich ein rundes Trennzeichen zu erkennen ist. Zudem ist Augusta Raurica als caput viae
Abb. 11: Mumpf/Stein-Säckingen AG. Ansicht des Fragmentes des Meilensteines des Antoninus Pius (T7). M. etwa 1:5 (Höhe: 60 cm).
durch den Fund v o n T 6 nicht mehr e i n m a l i g . 102
Civitatis auf der vorangehenden 4. Zeile ergibt sich mit
T8: CIVITAS R A U R A C O R U M
erheblicher Wahrscheinlichkeit . Der weitgereiste H ä n d 104
Quelle: Weihung v o n Colijnsplaat (NL).
ler stammt demnach
Editionen: AE 1980, 658; Stuart/Bogaers 1980.
sicher aus der
Nordwestschweiz
oder aus dem angrenzenden Gebiet. Ob ein Namensbeleg
Deae
für die Stadt Augusta Raurica vorliegt oder ob mit civitas
N[e]hale[n]niae
die Stammesgemeinde der Rauriker gemeint ist, kann
![...] Marcellus
nicht entschieden werden. Angesichts der Datierung der
I[IIIII vir Aug(ustalis) Civit]at(is)
Inschrift i n die 2. Hälfte des 2. oder die 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts scheint beim heutigen
Rauracorum l(ibens) m(erito)
Forschungsstand
eine Identifizierung mit Augusta Raurica jedenfalls m ö g Der G ö t t i n Nehalennia (weihte ...) Marcellus, Mitglied
lich. V o n der Mitte des 2. Jahrhunderts an werden n ä m -
des Kollegiums der kaiserlichen S e c h s m ä n n e r der Stadt-
lich die spezifischen S t ä d t e b e z e i c h n u n g e n colonia u n d
gemeinde (oder der Stammesgemeinde) der Rauraker, (diesen Altar) gerne nach Gebühr.
101 Material: Kalkstein; Masse: Höhe 60 cm, Durchmesser: 60 cm; Buchstabenhöhe: 6-8 cm.
Kommentar: Auf dem Votivaltar, die der Weinhändler
mit
Cognomen
mutmassliche
Marcellus der
Göttin
Nehalennia i m Heiligtum v o n Colijnsplaat N L aufgestellt hat, ist auf der Schlusszeile Rauracorum trotz einiger schlecht erhaltener Buchstaben gesichert (Abb. 13,5) . 103
102 Vgl. dazu jetzt Walser 1997, 54. 103 Standort: Rijksmuseum van Oudheden, Leiden; Inv.: i 1971/
11.65.; Material: gelblicher Kalkstein; Höhe: 97,5 cm; Erhaltung: 3 Fragmente, sehr stark verstümmelt (Angaben nach Stuart/ Bogaers 1980). 104 Stuart/Bogaers 1980, 52 f.
2
1
3
Abb. 13: Colijnsplaat (NL). Von einem (Wein-?)Händler aus Augusta Raurica gestifteter Weihealtar für die Göttin Nehalennia (T8). M. 1:8, Ausschn 1:4 (Höhe: 97,5 cm). 1 Frontalansicht des aedicula-Altares, dessen muschelförmige Decke von zwei nackten, auf Weltkugeln stehenden männlichen Figuren gestützt wird Bildmitte die auf einem Sessel mit hoher Rückenlehne thronende Nehalennia. Zu ihrer Linken ist ein Obstkorb, zu ihrer Rechten ein Hund zu 2 Linke Seite des Altares mit Darstellung Neptuns und eines mit Weinfässern beladenen Segelschiffes. 3 Rechte Seite des Altares mit Darstellung des mit Tunika und kurzem, weitem Mantel bekleideten Dedikanten(?) auf einem Podest. Im unt sind ein dreibeiniger Tisch mit der Opfergabe, einem Schweinskopf, und eine Gestalt mit kurzem Gewand zu erkennen. 4 Oberseite (mensa) des Altares mit Äpfeln und Weintrauben. 5 Detailaufnahme der arg verstümmelten Inschrift. 27
municipium zunehmend v o m allgemeinen Begriff civitas v e r d r ä n g t . Im Weiteren steht die Frage i m Raum, w a n n 105
die Stammesgemeinde
der Rauriker als Gebietskörper-
schaft aufgehoben u n d mit dem Koloniegebiet verwaltungsmässig zusammengeschlossen worden ist (vgl. dazu
Quelle: Itinerarium A n t o n i n i 353,3.
Edition: Cuntz 1929. Kommentar: Augusta Rauracum des Itinerarium A n t o n i n i
T4). Es k ö n n t e durchaus sein, dass diese Massnahme i m
(353,3, Strecke M a i l a n d - M a i n z )
Zeitpunkt der Aufstellung der Weihung v o n Colijnsplaat
Verwendung der Kurzform der N e n n u n g auf der Tabula
entspricht
mit
der
107
Peutingeriana (T9), was vielleicht darauf zurückzuführen
m ö c h t e n sie - mit aller Vorsicht - der genitivischen Bil-
ist, dass der wichtige Vorläufer der Tabula Peutingeriana
bereits vollzogen war. H . L i e b
106
u n d R. F e l l m a n n
dung v o n T3, T 9 u n d T 1 0 ablesen, v o n denen das älteste
auch i m Itinerarium A n t o n i n i wirksam war (vgl. dazu
(T3) spätestens i n die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.
T9)
gehört
108
. Endlich k ö n n t e auch das Augustalenamt des
116
. Entstanden
ist das Itinerarium A n t o n i n i
S a m m l u n g verschiedener
Reiserouten nach
als
heutiger
Marcellus für die Koloniestadt sprechen, da ein solches
Ansicht bald nach 286 n . Chr., jedenfalls vor dem Jahre
für die Stammesgemeinden bisher nicht nachgewiesen
310 . 117
ist . Die Ergänzung der Inschrift ist allerdings i n diesem 109
Punkt h ö c h s t unsicher, u n d Marcellus k ö n n t e , wenn er ü b e r h a u p t ein A m t bekleidet hat, auch decurio gewesen sein. Dieses A m t war sowohl i n den coloniae als auch i n den civitates geläufig . 110
T U : RAURACI Quelle: Itinerarium A n t o n i n i 251,7.
Edition: Cuntz 1929. Kommentar:
Itinerarium
Antonini
251,7
(Strecke
P a n n o n i e n - G a l l i e n der Donau entlang) bringt erstmals
T9: A U G U S T A R(A)URACUM
die i n der Spätantike beliebte Bildung des Stadtnamens i n
Quelle: Tabula Peutingeriana Segment 11,5.
Form des Stammesnamens
Edition: Weber 1976.
oder einer anderen
Plural-
b i l d u n g . Nach einer Vermutung v o n O. Hirschfeld 118
Kommentar: Die letzte Redaktion der Tabula Peutingeriana
wurde die schon vorher einsetzende Umbenennung galli-
(Abb. 14) wird heute i n die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts
scher Städte nach den Stammesnamen v o n Konstantin
datiert ; als besonders wichtiger Vorläufer gilt nach wie
dem Grossen offiziell geregelt .
vor eine erschlossene Strassenkarte aus dem Anfang des 3.
Schreibweise gegenüber derjenigen Itinerarium A n t o n i n i
Jahrhunderts n. C h r . . E. Weber bezieht Augusta R(a)ura-
352,3 (T10) erklärt sich zweifellos aus dem kompilatori-
cum (Abb. 14,1) auf das Kastell Kaiseraugst , w ä h r e n d
schen Charakter des Werkes. Ob die Streckenbeschrei-
man sich i m schweizerischen Schrifttum längst daran
bung, zu der T U gehört, jünger ist als diejenige v o n T10,
g e w ö h n t hat, i n der E r w ä h n u n g die Koloniestadt zu
bleibt abzuklären.
111
112
113
sehen . 114
119
Die Abweichung der
Da die Kombination v o n Augusta mit dem
Raurikernamen nach dem 3. Jahrhundert u n d somit i n den auf das Castrum Rauracense v o n Kaiseraugst zu beziehenden Quellen (T13-T17) nicht mehr erscheint, wird mit Augusta R(a)uracum tatsächlich Augusta Raurica gemeint sein. Die Angabe dürfte deshalb auf den e r w ä h n t e n Vorläufer z u r ü c k g e h e n . Das Fehlen des A ist w o h l ohne Belang u n d beruht auf einem Abschreibfehler, wie er auf der Tabula Peutingeriana auch i m Zusammenhang mit Avenches bezeugt
ist
(Aventicum H e l e t i o r u m statt
Helvetiorum; vgl. Abb. 14,2) . Zur auch auf T 1 0 beleg115
ten Kurzform -um vgl. den Kommentar zu T14.
105 Wolff 1977, 219 A n m . 54; Stuart/Bogaers 1980, 53 Anm. 39. 106 Lieb 1974, 423. 107 Drack/Fellmann 1988, 65; Fellmann 1992, 59. 108 Die genitivische Bildung bei Ptolemaios (= T 3 ) dürfte im Rahmen einer Theorie, die den Verfassungswechsel in die 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. setzt, freilich nicht auf die Verhältnisse des mittleren 1. Jhs. n. Chr. zurückgehen, sondern müsste eine Formulierung des 2. Jhs. n. Chr. sein. 109 110 111 112 11 3 114 115 116
Wolff 1976, 53 f. Rupprecht 1975. Weber 1989b. Weber 1976, 22 f. Weber 1976, 47 (wohl im Anschluss an Miller 1916, 126). Z. B. Howald/Meyer 118. Vgl. auch Miller 1916, XVIII. Dazu auch Weber 1976, 22 f.
117 Reed 1978, 229 f. 118 Vgl. etwa zu Treveri = Trier (Binsfeld 1970, 37 f.) oder Equestres = Nyon (Itinerarium Antonini 348,1). 119 Hirschfeld 1913, 741.
Abb. 14: Ausschnitt aus Segment 11,2-4 der Tabula Peutingeriana im Codex Vindobonensis 324 (T9) mit der Nennung von Augusta Ruracum (1) Aventicum Heletiorum (2).
stehungszeit der Collectanea lässt sich zwischen Sueton,
T12: RAURACI Quelle: Solinus, Collectanea rerum memorabilium c. 13,1.
Edition: M o m m s e n 1895.
der letzten nachweislichen Quelle, u n d A m m i a n u s Marcellinus, der Solinus benutzte, nicht genauer eingrenzen. Aufgrund stilistischer Kriterien wird sie aber meist i n
Kommentar:
Julius
Solinus,
dessen
Collectanea als
die Mitte des 3. Jahrhunderts gesetzt . 121
Kompilation der Naturalis historia des Plinius u n d des geographischen Werkes des Pomponius Mela betrachtet werden, referiert unter c. 13,1 die auf Plinius zurückgehende Situationsangabe
der Donauquellen (vgl. T5),
ä n d e r t aber das oppidum Rauricum des Plinius i n die N a mengebung seiner Zeit: Mister Germanicis iugis oritur, effu-
120 «Die Donau entspringt in den germanischen Höhen; ihre Quelle liegt an einem Berg, der nach Rauraci i n Gallien blickt.»
sus monte qui Rauracos
121 Sallmann 1979, 260 f.
Galliae
aspectaf . 20
Die Ent-
TI3: RAURACI (RAURICI?)
TI4: R A U R A C U M
Quelle: Bischofsliste der fingierten Synode v o n Köln 346 n . Chr. Editionen: Gaudemet 1977, 70; Heller 1880, 21; Mansi 1759; M u n i e r 1963, 27.
Quelle: Ammianus Marcellinus, Res gestae 14,10,6. Editionen: Clark 1910/15; Seyfahrt 1968; Seyfahrt 1978.
Kommentar: Kommentar:
Der viel zitierte Justinianus
episcopus Rau-
Die Formulierung «prope Rauracum»
Ammianus 14,10,6 bestätigt die v o n W. S c h m i d
131
bei
u n d K.
racorum wird unter den Teilnehmern einer Synode des
Dietz
Jahres 346 i n Köln genannt. Im ältesten Codex (Brüssel)
angedeutete Vermutung, dass die aus dem Genitiv Plural
132
i m Hinblick auf Augusta Vindelicum (Augsburg)
der Synodalakten lautet die Schreibweise Rauracorum, i n
der o-Deklination hervorgegangene
einem anderen
T9 u n d T10) i n später Zeit als Neutrum Singular verstan-
Rauricorum . U2
Die Echtheit der Synode ist zwar umstritten
Kurzform -um (vgl.
bzw.
den worden sein k ö n n t e . Die Bildung Rauracum an der
wird dezidiert abgelehnt , doch besteht offensichtlich
Stelle der ersten E r w ä h n u n g des Ortes bei Ammianus
123
124
immer n o c h die M ö g l i c h k e i t , dass die N a m e n der
(bezogen auf die erhaltenen Teile) muss gegenüber der
Teilnehmerliste authentisch sind u n d v o n einem mittel-
vielfachen u n d ausnahmslosen
alterlichen Fälscher i n die fingierten Akten der Kirchen-
den folgenden Teilen des Werkes auffallen (vgl. T15). Ob
versammlung hineinkompiliert w u r d e n . Dafür spricht
die unterschiedliche Schreibweise ü b e r h a u p t v o n Belang
125
Benennung Ramaci i n
vor allem, dass die Namen fast aller Teilnehmer der
ist u n d vielleicht m i t der Entstehungsgeschichte
Kölner Versammlung an der verbürgten Synode v o n
Werkes z u s a m m e n h ä n g t , bliebe zu untersuchen.
des
Serdica erscheinen (Sofia, 343/344 n . C h r . ) , allerdings 126
ohne die Angabe ihrer Sitze. Damit ergibt sich die u n l ö s bare Frage, ob die Verbindung v o n Justinianus u n d Rauracorum die Verhältnisse des 4. Jahrhunderts widerspiegelt oder eine Erfindung des mittelalterlichen Fälschers darstellt. In jedem Falle besteht das Problem, ob
T15: RAURACI Quelle: Ammianus Marcellinus, Res gestae 15,11,11; 16,11,2; 16,11,14; 18,2,16; 20,10,3; 21,8,1; 22,8,44. Editionen: Clark 1910/15; Seyfahrt 1968; Seyfahrt 1978.
der episcopus Rauracorum, sei es n u n wirklich oder fingiert i n der Optik des mittelalterlichen Fälschers, seinen Sitz i n
Kommentar: Die vielfache, hier zu einem Testimonium
Kaiseraugst oder Basel hatte . Anscheinend ist unklar,
zusammengefasste
ob sich Rauracorum auf Rauraci-Kaiseraugst oder auf die
Marcellinus, der das Rheinland u n d Gallien aus eigener
Gesamtheit
Anschauung kannte , unterstreicht die Bedeutung des
127
der Bewohner des raurakischen
Landes
N e n n u n g v o n Ramaci bei Ammianus 133
bezieht, was eine Lokalisierung nach Basel erlauben
Kastells Kaiseraugst i n der s p ä t r ö m i s c h e n
w ü r d e . Für eine Lokalisierung nach Kaiseraugst kann
teidigung. Ramaci wird v o n Ammianus für die Jahre 354
Grenzver-
angeführt werden, dass die Bischöfe der Kölner Liste primär nach den Stadtnamen
ihrer Residenz benannt
sind - z. B. i m Falle v o n A u t u n Simplicius Augustodensium u n d nicht Simplicius Haeduorum - der allerdings sehr oft mit dem alten Stammesnamen zusammenfällt (auf der Kölner Liste z. B. Servatius Tungrorum [Tongres]) . 128
Für Basel u n d gegen
das m i l i t ä r i s c h
bestimmte Castrum Rauracense k ö n n t e , wenn wir i m 4. Jahrhundert bleiben, sprechen, dass der Bischof «s'inscrit en principe dans le cadre d'une c o m m u n a u t é c i v i q u e » . 129
Nach Ausnahmen v o n dieser Regel u n d dem Anteil der gewiss auch n o c h i n Kaiseraugst vorhandenen
Zivil-
bevölkerung bliebe zu suchen. Der Verfasser m ö c h t e nach wie vor eher Kaiseraugst den Vorzug geben, besonders auch m i t Blick auf die Aussage v o n Ammianus Marcellinus (15,11,11 [vgl. T15]), muss aber ausdrücklich betonen, dass das sich u m den Justinianus episcopus Rauracorum rankende Fragenbündel alles andere als gelöst ist . 130
122 Staehelin 1948, 30 Anm. 3. Von den oben erwähnten Ausgaben bringt Mansi - so wie die mir unzugängliche, von Staehelin erwähnte Ausgabe des Peter Crabbe von 1536 - Rauricorum. Munier und Gaudemet schreiben aufgrund des Brüsseler Codex Rauracorum. Aus dieser Leseart ist nach Staehelin verschrieben die des Luxemburger Codex Raraucorum, die in die Edition von Heller (Heller 1880) Aufnahme gefunden hat. 123 Neuss/Ödiger 1964, 45. 124 Seibert 1991, 1261. 125 Vgl. Neuss/Ödiger 1964, 45; Bruckner 1972, 163; van Berchem 1982, 229 f. 126 Vgl. Staehelin 1948, 587 Anm. 2. 127 Für Basel: van Berchem 1982, 229 f.; Furger-Gunti 1983, 7 f., für Kaiseraugst: Berger 1963, 100 f.; Bruckner 1972, 127 f.; Martin 1991, 311. 128 Vgl. Söder 1883A, 302; Söder 1883B, 74 ff.; Berger 1963, 100 Anm. 253 und hier T U . 129 Van Berchem 1982, 230. Anders noch 1955: vgl. van Berchem 1982, 228. 130 Zur - auch aus baugeschichtlichen Gründen - problematischen «Bischofskirche des Justinian» in Kaiseraugst vgl. Berger 1998, 215 f. 131 Schmid 1941, 4. 132 Dietz 1985, 109. 133 Staehelin 1948, 289 Anm. 1; Seyfahrt 1968, 17 f.; Gärtner 1973, 254.
bis 361 wiederholt als Orientierungspunkt für Aufenthalt
zum
u n d Bewegungen des Heeres und/oder des Kaisers bzw.
T18-T20 werden v o n ihr nicht behandelt. O b w o h l die
des Caesars genannt . A n einer anderen Stelle (18,2,16)
erste explizite N e n n u n g des Castrum Rauracense nach J.
wird gesagt, dass der Wohnsitz des A l a m a n n e n k ö n i g s
Harries ins 6. Jahrhundert h i n a u f z u r ü c k e n ist, wird man
Wadomar der Stadt (im Schwarzwald) gegenüber liege.
für
Ammianus 22,8,44 zeigt zusammen mit T12 u n d vermut-
militärisch bestimmtes Castrum ohne Zweifel auch für das
lich auch T5, dass m a n die Quellen der Donau durch die
4. Jahrhundert voraussetzen dürfen, wie die m ä c h t i g e
Zeiten hindurch an der bekannten,
Kastellanlage u n d das (pporjpiov (Festung) v o n T16 nahe
134
nächstgelegenen
Stadt Augusta Raurica bzw. dem Castrum Rauracense ori-
Problem des Bistums Augst; unsere T13
Kaiseraugst N a m e n u n d
Status
und
als vorwiegend
legen . 143
entierte: Amnis vero Danubius oriens prope Rauracos montesque confines limitibus Raeticis .
Die Bedeutung der Stadt
U5
i m mittleren 4. Jahrhundert geht auch aus Ammianus 15,11,11 hervor: Apud Sequanos Bisontios videmus et Rauracos, aliis potiores oppidis multis . U6
Dabei mag Ammianus
nicht nur das m ä c h t i g e Kastell Kaiseraugst u n d die Anla-
T18: A U G U S T O D U N U M Quelle: Vita S. Agili. Editionen: M a b i l l o n 1733, 304 c.4; Stiltingus 1868, 577 c.2.
gen vor dessen Toren, sondern auch die zwar stark zerstörte, aber w o h l immer n o c h punktuell besiedelte oder
Kommentar: Vgl. T19 u n d T20.
wenigstens nutzbare alte Oberstadt i m Auge gehabt haben
137
T19: A U G U S T O D U N U M
.
Quelle: Vita S. Galli, auct. Wettino c.24. Edition: Krusch 1902b. T16: T a D p ó c K o t Quelle: Eunapios v o n Sardes, Hypomnemata historika. Editionen: De Boor 1903, 577 c.2; Dindorf 1870, 221 c.13.
Kommentar:
Der i n T20 für das Jahr 618 als praesul
Augustanae
et Basiliae
ecclesiae bezeugte
Ragnachar
erscheint i n der Vita des Agilus v o n Rebais (T18) als
Kommentar: Im fragmentarisch erhaltenen Geschichts-
Augustodunensis ecclesiae pontifex .
werk des Eunapios v o n Sardes (ca. 3 4 5 - 4 2 0 n . C h r . )
aber wahrscheinlich mit Ragnachar identischer Augustu-
138
wird P a \ ) p a K o i (griechisch für Rauraci) z u m Jahre 359 c
UA
Ein nicht genannter,
densis praesul wird, wie die Gallus-Vita berichtet, i m
ausdrücklich als (ppoupiov, Festung, bezeichnet, was sich
frühen 7. Jahrhundert v o m Alamannenherzog Cunzo an
nur auf das Kastell Kaiseraugst beziehen kann: rjr>r| T8 U V
eine kirchliche Wahlversammlung nach Konstanz beru-
7lpOÇ TOÎÇ P 0 O ) p à % O l Ç , Ö 8GTI ( p p O U p l O V c
1 3 9
.
T17: C A S T R U M RAURACENSE Quelle: Notitia Galliarum IX, 8.
Edition: Mommsen 1892.
134 Ammianus Marcellinus 16,11,2; 16,11,14; 20,10,3; 21,8,1. Auch
Kommentar: W i r gliedern die i n über 90 Handschriften der
1 35 Die Donau aber entspringt nahe bei Rauraci und den raetischen
T14 (= Ammianus Marcellinus 14,10,6) gehört hierzu.
Notitia Galliarum überlieferte E r w ä h n u n g i m Anschluss an T h . Burckhardt-Biedermann
140
i n das weitaus häufige-
Grenzen benachbarten Bergen. 136 In der sequanischen Provinz sehen wir Besançon und Augst, die bedeutender sind als die vielen anderen Ortschaften
re Testimonium T17, Castrum Rauracense, u n d das jünge-
1 37 Zur späten Besiedlung bzw. Nutzung vgl. Schwarz 1990a, 42. 49;
re, seltenere Testimonium T25 (Civitas Rauracensis). Die
Schwarz 1991b, 87 f. und zusammenfassend Schwarz 1996;
Notitia Galliarum bietet i n ihrem Kern nach heutiger
Berger 1998, 22 f.; zur gelegentlichen
Ansicht keine Liste spätantiker Bistümer, sondern ein
Oberstadt durch das Feldheer vgl. ferner den Beitrag von P.-A.
weltliches Verzeichnis der gallischen Provinzen u n d Städte, das nach einer Reihe v o n Neuordnungen die abschliessende
Reorganisation unter
dem
Usurpator
Magnus Maximus (383-388 n. Chr.) widerspiegelt . Erst 141
v o m 6. Jahrhundert an ist die Notitia intensiv kirchlichen Zwecken dienstbar gemacht worden. Nach J. Harries gehören
die wenigen castra der N o t i t i a n i c h t z u m
ursprünglichen mentieren
w e l t l i c h e n Bestand,
sondern
j ü n g e r e , erst i m 6. Jahrhundert
dokufassbare
Bischofssitze . In Bezug auf das Castrum Rauracense ver142
misst man bei J. Harries allerdings eine Stellungnahme
Nutzung der
alten
Schwarz (unten, bes. A n m . 902). 138 Vgl. Kroh 1972, 210 f. 1 39 Und er [Julian] war bereits bei Augst, was eine Festung ist. Vgl. auch Staehelin 1948, 280 Anm. 2 und 293 A n m . 5. 140 Burckhardt-Biedermann 1910, 21.33. 141 Harries 1978, bes. 36 ff.; Dietz 1985, 95. H . Lieb datiert die Redaktion der Notitia Galliarum etwas später, um 400 n. Chr. (mündliche Mitteilung). 142 Harries 1978, 35 f. 143 Die Zivilverwaltung unserer Region befand sich im 4. Jh. n. Chr. in Basel, das in der Notitia Galliarum als civitas erscheint. Als ich für Kaiseraugst einen Status als civitas erwog (Berger 1963, 99), war mir T15 nicht bekannt. 144 Mabillon 1733, 304; Stiltingus 1868, 577.
fen (T19) . Ob Augst bzw. Kaiseraugst, eventuell nur i n 145
kirchlichen Kreisen, wirklich
Augustodunum
genannt oder
tere Quellen z u r ü c k g e h e n , da sie i m frühen Mittelalter kaum mehr v o n Belang war. Gegen die unter anderen
ob die Adjektivbildung i n verwirrlicher A n l e h n u n g an
auch v o n H . L i e b
Augustodunum (Autun F) vorgenommen wurde, wird
Nova
sich nicht entscheiden lassen.
Sprigade
T20: A U G U S T A N A
T23: A U G U S T A
Quelle: Vita S. Eustasii c.8. Edition: Krusch 1902a.
Quelle: St. Galler Urkunde. Editionen: Bruckner/Marichal 1954, Nr. 45; Wartmann 1863, Nr. 15.
154
erwogene Gleichsetzung v o n
Augusta
mit Augsburg sprechen sich C . Dirlmeier u n d K. 155
sowie K. D i e t z
156
aus.
In der Vita des Eustasius erscheint der auch i n
Kommentar:
T18 genannte Ragnachar für das Jahr 618 als Augustanae
et
Basiliae
ecclesiae . U6
Adjektivbildung hervorgegangene
praesul
Kommentar:
«In Augusta
wurde am 14. April 752
puplici»
Der w o h l aus einer
die St. Galler Urkunde Wartmann Nr. 15 gefertigt, i n wel-
Ortsname Augustana
cher der fränkische Edle Duderius dem Kloster St. Gallen
ist erstmals für die Zeit u m 740 auch für das mittelalterli-
seine väterliche Erbschaft vermacht. O b w o h l eine über
che Augsburg belegt . A n einem Bischofssitz i m Augst
Augusta Raurica hinausgehende inhaltliche Auswertung
bzw. Kaiseraugst des frühen
der Testimonien nicht beabsichtigt ist, sei i n diesem Falle
147
7. Jahrhunderts ist nach
Massgabe der Testimonien nicht zu zweifeln. Die i n zwei
darauf hingewiesen, dass zu den geschenkten
Fällen unterbliebene (T18-T19) u n d i n einem Fall erst an
auch solche
Gütern
g e h ö r t e n , ein Name der so
«in villa Corberio»
zweiter Stelle erfolgende (T20) N e n n u n g v o n Basel macht
oder ä h n l i c h u r s p r ü n g l i c h vielleicht an der bekannten
es meines
s p ä t r ö m i s c h e n V i l l a beim Görbeihof i n der N ä h e v o n
Erachtens
fraglich, dass das
Kaiseraugster
Kastell nur i n Notzeiten v o m Basler Bischof
aufgesucht
Rheinfelden haftete . 157
worden ist . 148
T24: CIVITAS A U G U S T A T21: A U G U S T A Quelle: Geograph v o n Ravenna, Cosmographia, IV 26 (231,11). Edition: Schnetz 1940.
Quelle: St. Galler Urkunde. Edition: Wartmann 1863, Nr. 291. Kommentar:
Kommentar:
schen
Bazela
Das beim Geographen v o n Ravenna zwi(Basel) u n d
Augusta bezieht
sich -
Caistena
(Kaisten?)
i m Gegensatz
149
genannte
zu T22
mit
Sicherheit - auf den Raum Augst/Kaiseraugst .
Die St. Galler Urkunde Wartmann Nr. 291
wurde am 11. M a i 825 Aus der Bezeichnung vornherein
in civitate
civitas
Augusta
puplici
gefertigt.
darf i n dieser Zeit nicht i m
auf ein wirkliches s t ä d t i s c h e s
Zentrum
geschlossen werden, jedoch auf eine gewisse Ansehn-
150
lichkeit u n d vor allem, für Kaiseraugst interessant genug, auf den befestigten Charakter der Siedlung , der n a t ü r 158
T22: A U G U S T A N O V A
lich auf der fortbestehenden
«Heidenmauer» des spätrö-
Quelle: Geograph von Ravenna, Cosmographia IV 26 (231,20). Edition: Schnetz 1940. Kommentar:
Die Lokalisierung des nur beim Geographen
v o n Ravenna erscheinenden gangspunkt
einer
Augusta
vermutlich i m
Nova,
das den Aus-
rechtsrheinischen
Gebiet verlaufenden Strasse darstellt, muss unsicher bleiben. Der v o n E. Howald u n d E. M e y e r
151
begrüsste Vor-
schlag v o n J. Schnetz , dass sich beim Ravennaten unser 152
Testimonium T21 auf die Koloniestadt, T22 aber auf die s p ä t r ö m i s c h e «Neustadt» am Rhein, d. h. das Castrum Rauracense,
beziehe, scheint z u n ä c h s t recht
gewagt,
w ü r d e aber an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn das v o m Geographen als n ä c h s t e Station genannte
Rizinis
wirklich mit dem Flurnamen Risenburg bei Dauchingen n o r d ö s t l i c h v o n Villingen zu identifizieren ist . Die 153
Unterscheidung v o n Koloniestadt u n d Neustadt
am
Rhein m ü s s t e auf - ihrerseits w o h l mehrschichtige - äl-
145 Krusch 1902b, 269; nach Maurer 1989, 40 erfolgte die Berufung in den Jahren 612/13 oder 615 n. Chr. 146 Krusch 1902a, 123. 147 Vgl. Dietz 1985, 105. 148 So zuletzt van Berchem 1982, 263. 149 Howald/Meyer 171; Rheinfelden? Schib 1961, 19 ff. 150 Zur Datierung der Kosmographie ins 7.-9. Jh. n. Chr. vgl. Lieb 1977, 156 ff. 151 Howald/Meyer 173 Anm. 20. 152 Schnetz 1918, 38 ff. 153 So Schnetz 1918, 48; Schnetz 1921, 337. 154 Lieb 1977, 157 f. 155 Dirlmeier/Sprigade 1980, 12 Anm. 35. 156 Dietz 1985, 114 Anm. 4. 157 In diesem Sinne bereits H . Boos, Urkundenbuch der Landschaft Basel. Theil I: 708-1370 (Basel 1881) Nr. 2. Vgl. dazu auch Senti 1962, 41 f.; Bögli/Ettlinger 1963, 55 ff. 158 Vgl. Köbler 1983, 2113 f.; ähnlich schon Burckhardt-Biedermann 1910, 33 f.
mischen Kastells beruht. M a n m ö c h t e annehmen, dass damals auch die jetzt nur i n den Fundamenten erhaltenen, östlichen Partien der Kastellmauer meterhoch erhalten waren u n d nicht bloss die westlichen, die n o c h heute
T26: VILLA A U G U S T A Quelle: St. Galler Urkunde. Editionen: Kehr 1940, Nr. 82; Wartmann 1866, Nr. 682.
den Besucher so beeindrucken. Aus dem 11. Jahrhundert k ö n n t e n dann Hinweise auf Abbrucharbeiten i m östli-
Kommentar: Vgl. die Erläuterungen zu T27.
chen Bereich vorliegen. Sie ergeben sich zum einen aus der Anlage eines Gehöftes des frühen 11. Jahrhunderts i m ö s t l i c h e n Vorfeld der alten Kastellmauer. Dieser als Ausweitung der Siedlung i n bisher unbebautes G e l ä n d e
T27: VILLA A U G U S T A Quelle: St. Galler Urkunde.
Edition: Wartmann 1866, Nr. 694.
zu verstehende G e h ö f t g r ü n d u n g mag der Abbruch der östlichen Kastellmauer vorangegangen s e i n . Z u m ande-
Kommentar: Die beiden i n Regensburg unter König Arnulf
ren liesse sich das kleine M ü n z d e p o t mit 24 Halbbrak-
am 6. Januar 8 9 1
teaten des Basler Bischofs Beringer (1057-1072) aus dem
Urkunden e r w ä h n e n eine Kirche u n d sieben Hufe unter
Fundamentbereich bei Turm 7 mit M . Martin dahinge-
anderem
hend interpretieren, dass die Mauer i m Zusammenhang
Augusta,
mit Bauarbeiten i n der aufstrebenden
König z u n ä c h s t zu freiem Eigentum erhielt, dann aber
159
Stadt Basel als
Steinbruch diente . Die Annahme v o n D. R i p p m a n n
167
bzw. 26. August 8 9 4
168
ausgestellten
mit Äckern, Wiesen u n d W ä l d e r n die der bisherige Lehensinhaber
in
villa
Anno vom
,
drei Jahre später i m Tausch an das Kloster St. Gallen
dass das Depot (etwa als Bauopfer? L. B.) ganz i m
abtrat . Villa, hier gewiss mit Dorf zu ü b e r s e t z e n , zeigt
Gegenteil Reparaturarbeiten an der Kastellmauer anzeige,
die weitgediehene Verländlichung v o n Kaiseraugst an,
kann allerdings auch nicht ohne weiteres widerlegt wer-
selbst wenn gleichzeitig neben villa die Bezeichnung civi-
160
169
170
terminus ante quem für die
tas verwendet worden sein sollte, was aufgrund der spä-
Niederlegung der Ostmauer bietet erst ein spätmittelalter-
ten Handschriften der Notifia Galliarum (T25) u n d der
liches Grubenhaus, das über der gänzlich ausgebroche-
fortbestehenden Befestigung nicht gänzlich auszuschlies-
nen Befestigung angelegt wurde .
sen ist.
den
162
. Einen gesicherten
161
163
Die E r w ä h n u n g einer Kirche i n diesen Urkunden ist
Angemerkt sei noch, dass Kaiseraugst eine wichtige städtische Funktion mit der Verlegung des Bischofssitzes
v o n besonderer forschungsgeschichtlicher
Bedeutung
nach Basel verloren hatte, die spätestens i n der Mitte
insofern, als sie T h . Burckhardt-Biedermann Anlass gab,
des 8. Jahrhunderts unter Bischof Baldobert erfolgt sein
die N e n n u n g e n
muss .
Jahrtausends auf Kaiseraugst zu beziehen, da «es auf dem
164
Augustas aus der 2. Hälfte
des
1.
T25: CIVITAS RAURACENSIS Quelle: Notitia Galliarum IX, 8.
Edition: Mommsen 1892. Kommentar:
In
fünf
Handschriften
des
9. bis
159 160 161 162
Frey 1992, 261. Martin 1977, 31 f. Rippmann u. a. 1987, 134 Anm. 49. M . Martin (1977, 32) dachte an einen Steinraub im Zusammenhang mit der Errichtung der Burkhard'schen Mauer in Basel vor oder um 1100. Es gilt allerdings heute festzuhalten, dass die in neuerer Zeit von R. d'Aujourd'hui der Burkhard'schen Befestigung in Basel zugewiesenen Mauerpartien bisher keine römischen Spolien ergeben haben (freundliche Mitteilung Rolf d'Aujourd'hui und Christoph Ph. Matt, Basel). Vgl. d'Aujourd'hui 1990, 21 mit Lit. und neuerdings Chr. Ph. Matt, Fundbericht Basel, Leonhardskirchplatz 3 - Lohnhof. Jahrb. SGUF 80, 1997, 262.
163 164 165 166
Frey 1992, 239.248. Vgl. Bruckner 1972, 163 f.; Sennhauser 1983, 79. Mommsen 1892, 598 Nr. 8. 25. 68. 69. 70. Burckhardt-Biedermann 1910, 33 f. Für Hans Lieb handelt es sich hier bei der Bezeichnung civitas, die in den gleichen Handschriften auch bei den castra von Windisch, Horburg und Yverdon erscheint, um eine bedeutungslose Angleichung an die übrigen civitates der Notitia Galliarum (mündliche Mitteilung).
1.1.
Jahrhunderts der Notitia Galliarum ist Kaiseraugst als civitas aufgeführt , wobei T h . M o m m s e n nur für drei M a n u 165
skripte die Schreibweise der Ortsbezeichnung
bekannt
gibt: Nr. 8 u n d Nr. 68 Rauracensis, Nr. 70 Raoracensi. Nr. 27 bringt civitas vel castro Roracinse, Nr. 32 u n d Nr. 35 enthalten
verunstaltet
civitas
astra. T h . Burckhardt-
Biedermann vermutete, dass die Bezeichnung civitas anstelle v o n Castrum keinen Fehler der mittelalterlichen Schreiber, sondern einen speziellen, v o n uns unter T24 referierten Charakter der Siedlung des frühen Mittelalters widerspiegelt . Dabei muss freilich auffallen, dass die 166
Aktualisierung den sonst i n der 2. Hälfte des 1. Jahrtausends alleine vorherrschenden Namen Augusta nicht berücksichtigt.
1 67 Wartmann Nr. 682. 168 Wartmann Nr. 694. 169 Vgl. Burckhardt-Biedermann 1910, 28 f.; Senti 1962, 43; Frey 1992, 260. 1 70 Und nicht etwa mit Gehöft; zur mehrdeutigen Verwendung von
villa vgl. Schwind 1977, 453.
Terrain der Kolonie Augusta nie eine Kirche g a b » . Dabei 171
dürfte er dem damaligen Forschungsstand entsprechend einzig die Oberstadt der Kolonie i m Auge gehabt haben. Heute hat
m a n wegen der seither
nachgewiesenen
Erstreckung der Koloniestadt bis z u m Rhein leicht modifizierend zu sagen, dass i m Gesamtbereich der alten Colonia Augusta Raurica nach wie vor keine andere frühe Kirche als die des Castrum Rauracense bzw. des Kaiseraugster Dorfkerns bekannt geworden ist, wenn man v o n der frühmittelalterlichen
Grabkirche i n der
jüngeren
Kastellnekropole absieht . 172
Hypothetische und zu verwerfende Testimonien - Testimonien auf Kleinfunden (TAI bis TA 7) T A I : [STAT(io) R] AUR[AC(ensis)]?
Abb. 15: Cellole (I). Grabinschrift aus dem Gebiet der campanischen Kolonie Minturnae mit Nennung eines Sextus Urgulanius, gewesener Bürgermeister und Augur von Augusta Raurica(?) oder Ravenna(?) (TA2). M. 1:12 (Höhe: 93 cm).
Quelle: Inschrift. Edition: E. Rigert u n d Chr. Schneider, Ein epigraphisches Zeugnis der Quadragesima Galliarum i n Augusta Raurica? (in diesem Band, Seite 129 ff.).
Kommentar: Beim heutigen Dorf Cellole, i m Grenzbereich der campanischen
Kolonie Minturnae, fand sich zu
Kommentar: Mutmassliche N e n n u n g einer statio Rauracen-
Beginn unseres Jahrhunderts eine frühkaiserzeitliche, für
sis der quadragesima
mindestens vier Personen aufgestellte Grabinschrift (Abb.
Galliarum.
15), die erst i n den frühen achtziger Jahren publiziert worden ist . 174
TA2:
RAU[RICA]?
Wie aus den Zeilen 7 u n d 8 hervorgeht, war eine der
Quelle: Grabinschrift aus Cellole (I). Editionen: Pagano/Villucci 1982, 213 ff.; Pagano 1984.
genannten Personen, Sextus Urgulanius, duovir u n d augur i n einer Stadt, deren Name mit den Buchstaben Rau beginnt, wofür nach M . Pagano u n d A. M . Villucci i m
5
L(ucio) • Magio • Sex(ti) • f(ilio) • [—]
ganzen r ö m i s c h e n Reich nur Raurica oder Ravenna i n
Urgulaniano • p[—J
Frage k o m m e n s o l l e n . Ohne sich festzulegen, halten M . 175
(centurioni) • speculator(um) • prim[ipilo leg(ionis) —]
Pagano u n d A. M . Villucci die Ergänzung zu Raurica für
praef(ecto) • vexillario[rum legionum]
die wahrscheinlichere Hypothese, unter anderem weil
trium • Villi • V • IUI • t[rib(uno) coh(ortis) vigilum —]
eine Zuweisung an Ravenna einen i h n e n wenig denkbar
trib(uno) • coh(ortis) • urba[nae —J
erscheinenden
Sex(to) • Urgulanio • Sex(ti) [f(ilio) —/
Kolonie zu einem M u n i z i p i u m implizieren k ö n n t e
Abstieg dieser Stadt v o m Rang einer 1 7 6
. Wir
77 viro - auguri • Rau[—] Menturnis • praef(ecto) [—] 10
Corneliae P(ublii) • [fflliae) —] Corneliae G(ai) [f(iliae) —]
Für Lucius Magius Urgulanianus, Sohn des Sextus, Centuno der Aufklärer, Primipilus der ... Legion, Praefekt der aus der 9., 5. u n d 4. Legion rekrutierten Detachemente, Tribun einer Kohorte der Nachtwächter, Tribun einer Kohorte der Stadtsoldaten, u n d für Sextus Urgulanius, Sohn des Sextus, Rau
Bürgermeister u n d Augur i n
... i n Minturnae, Praefekt
Tochter des Publius, Gaius, ... . 173
u n d für Cornelia,
sowie für Cornelia, Tochter des
171 Burckhardt-Biedermann 1910, 28 f. 34. Auf die Kirche von Kaiseraugst könnte sich auch die «Augustchirche» beziehen, die im Vertrag von Meersen des Jahres 870 nebst anderen Kirchen Ludwig dem Deutschen zugefallen ist; vgl. Nonn 1977, 298 ff. Freundlicher Hinweis von H . Lieb. 172 Vgl. Martin 1991, 209 ff. 1 73 Übersetzung L. Berger und P.-A. Schwarz. 174 Standort: Cellole, via Cortinaccio (im Besitz von L. Perretta); Material: weisser Marmor; Erhaltung: rechte Seite abgebrochen; Masse: Höhe: 93 cm; Breite 86 cm; Tiefe: 20 bis 26 cm; Buchstabenhöhe: 8 bis 6 cm (Angaben nach Pagano 1984, 113 und Anm. 4). 175 Pagano/Villucci 1982, 219; Pagano 1984, 116. 176 Pagano/Villucci 1982, 222; Pagano 1984, 117.
für unseren Teil haben darauf verzichtet, die Inschrift bzw. wahrscheinlichen Testi-
Besitzerinschrift aufgefasst worden. Dabei hat schon F.
da die Autoren keine weiteren
Henkel i n seiner Edition der r ö m i s c h e n Fingerringe der
unter den gesicherten monien aufzuführen,
Das Augustillae ist bisher durchweg genitivisch als
Beispiele für den w o h l u n g e w ö h n l i c h e n Befund beibrin-
Rheinlande darauf aufmerksam gemacht, dass wegen der
gen, dass ein duovir coloniae einer nordwestlichen Provinz
Gleichartigkeit der Kasusform des Genitivs u n d Dativs
seine Ämterlaufbahn i n Italien fortsetzt u n d dort sein
weiblicher Namen der a-Deklination nicht zu entschei-
Leben beschliesst.
In unserer Skepsis b e s t ä r k e n
uns
den ist, ob ein Genitiv zur Bezeichnung des Besitzes oder
R. Frei-Stolba, Bern/Lausanne, u n d H . Lieb, Schaffhausen
ein Dativ als Ausdruck der W i d m u n g gemeint
ist .
( m ü n d l i c h e Auskunft).
Besonders angesichts des Themas der Gemme, auf der ein
183
Eros dargestellt ist, m ö c h t e man an ein Liebesgeschenk mit Dativ der Dedikation d e n k e n . 184
TA3: AUGUSTILLA Quelle: Fingerring mit Graffito Augustillae auf der Innenseite, aus Augst BL, Insula 30 (Region 1). Publikation: Riha 1990, Nr. 22 (Taf. 2). Inv. 1959.4313.
Kommentar: Auf einem i n Insula 30 gefundenen Silberring mit einem Karneol als Gemme (Abb. 16) findet sich das Graffito Augustillae' , 177
Stadtnamen
und
eine Zusammensetzung aus dem
dem
weit verbreiteten
keltischen
D i m i n u t i v u m - i l i o . Die Sitte, Kinder nach dem Ort oder 178
der Gegend ihrer Geburt zu benennen, war i n römischer Zeit weit verbreitet . Die Form des Ringes mit abge179
schrägten Seitenflächen gilt als charakteristisch für die mittlere Kaiserzeit ; i n einer Tabelle wird der Ring v o n E. 180
Riha ins 3. Jahrhundert eingereiht . Damit h ä t t e man 181
fragen k ö n n e n , ob das Graffito die i n der Volkssprache vorauszusetzende
Weitertradierung des Namens
Augusta Raurica durch die i m 3. Jahrhundert
von
beginnende
Periode illustriere, i n der die ü b r i g e n schriftlichen Quellen nur Rauraci ohne Augusta zeigen (vgl. T15). Eine N a c h p r ü f u n g der F u n d u m s t ä n d e durch A. R. Furger ergab aber, dass der Ring durchaus stratifiziert ist u n d aufgrund der v o n den Ausgräbern vorgenommenen Fundkomplexdatierung i n ein Schichtpaket gehört, «das n o c h i n der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts abgelagert worden sein dürfte» . 182
177 Inv. 1959.4313. Riha 1990, 124 Nr. 22, Taf. 2,22. 178 Holder, AcS, 2, 34 f. Vgl. auch Schwarz/Berger (in Vorbereitung) Kat.-Nr. 33. 179 Vgl. Kajanto 1965, 48 ff.; Martin 1987, 32 f. 180 Riha 1990, 31. 181 Riha 1990, 12 Tab. 2 (eine Datierung nach Schicht und/oder Fundkomplex lag E. Riha noch nicht vor). 182 Insula 30, Grabung 1959.51, Schnitt 3, Profil 7, OK Schicht 12 bis OK Schicht 16 (freundliche briefliche Auskunft von A. R. Furger vom 16.11.1992). 183 Henkel 1913, 321 Anm. 2. 184 Zu Liebesinschriften auf Fingerringen, die höchstwahrscheinlich als Liebesgeschenke zu deuten sind, vgl. Henkel 1913, 325. Zu Liebesgeschenken allgemein vgl. Thüry 1991.
Abb. 16: Augst BL, Insula 30 (Grabung 1959.51). Fingerring aus Silber mit Gemme aus Karneol und Graffito AVGVSTILLAE (TA3). Etwa 2 A-fach liche Grösse (Breite 1,8 cm). 1 Aufsicht mit dem eingeschnittenen Motiv auf der Karneolgemme. 2 Positiv des eingeschnittenen Motives. 3 Ansichten. 4 Umzeichnung des Graffito. 5 Perspektivische Innenansicht mit Graffito. l
TA4: A U G (usta?) Quelle: Terra Sigillata-Scherbe mit Graffito Aug aus Kaiseraugst A G , Heiligtum auf der F l ü h w e g h a l d e (Region 13,D). Publikation: S. Martin-Kilcher, i n : Riha 1980, 48 Abb. 33,46. Inv. 1933.576-578.
Kommentar: Unter den Kleinfunden der Grabungen i m Vorsprung 5,5cm
gallo-römischen Heiligtum auf der F l ü h w e g h a l d e fand sich die Randscherbe einer Terra-Sigillata-Schüssel der
Vorsprung 7cm
Rauhe Fläche
Form Drag. 37 mit dem Graffito Aug (Abb. 17). Ob Aug
Rauhe Fläche
ri
mit dem Stadtnamen z u s a m m e n h ä n g e , war seit jeher fraglich , konnte aber angesichts der Zuweisung der dort 185
gefundenen Statuenfragmente an einen Genius durch E. Riha i m m e r h i n erwogen werden . Es h ä t t e sich bei der 186
Kanten abgelaufen
Terra-Sigillata-Schüssel u m eine Weihgabe an den Genius der Stadt Augusta Raurica handeln k ö n n e n . Wenn die Umdeutung der Statue i n eine Mutter- und S c h u t z g ö t t i n durch
C. Bossert-Radtke
zutrifft , 187
wird man
diesen
Gedanken aufgeben u n d klar dem anderen Vorschlag den Vorzug geben m ü s s e n
188
, dass Aug zum Beinamen einer
Gottheit g e h ö r t . Dabei k ä m e die v o n C. Bossert-Radtke erwogene S c h u t z g ö t t i n Tutela durchaus i n Frage . 189
Abb. 18: Augst BL, Forum (Insula 11/12). An verschiedenen Stellen auf dem Forum gefundene Quader mit eingehauenem A (TA5-TA7). M. 1:40. 1 Von K. Stehlin dokumentierter Quader aus der nördlichen Podiumwange des Forumtempels (TA5). 2 Von K. Stehlin dokumentierter Unterlage qua der einer Säule der Älteren Basilica (TA6). 3 Von P. Bouffard dokumentierter Quader in Fundlage aus dem Fundament eines Pfeilers zwischen zwei Tabernen des Forums (TA7).
angebracht worden sein, so wie man die Marke CIS auf Blöcken des Theaters v o n Orange mit dem
Namen
Colonia Julia Secundanorum i n Zusammenhang bringt . Abb. 17: Augst BL, Flühweghalde (Region 13,D; Grabung 1933.01). Randscherbe einer Terra-Sigillata-Schüssel Drag. 37 mit Graffito Als gesichert kann die Auflösung v o n A i n Augusta angeAVG[VSTA?I (TA4). M. 1:2. sichts der vielen ungedeuteten «Steinmetzzeichen» i n der 190
r ö m i s c h e n Architektur allerdings nicht gelten . 191
TA 5 bis TA7: A(ugusta?) Quelle:
Edition:
T A 5 : Quader aus der n ö r d l i c h e n Podiumwange des Forum-Tempels mit eingehauenem A. Dokumentiert Stehlin, Akten, H7 5a, 10 (Abb. 18,1). TA6: Unterlagequader einer Säule der ä l t e r e n Basilica mit eingehauenem A. Dokumentiert Stehlin, Akten, H7 5a, 17 (Abb. 18,2). TA7: Quader i m Fundament eines Pfeilers zwischen der 1. u n d 2. inneren Taberne v o n Westen auf der Nordseite des Forums mit eingehauenem A. Dokumentiert i m Wissenschaftlichen Tagebuch der Grabung 1941.52, Seite 24. Standort Archiv der Abteilung Ausgrabungen Augst/Kaiseraugst (Abb. 18,3). Trunk 1991, 60 f. Abb. 18 (TA6) u n d Abb. 90 (TA5).
Kommentar: Es ist das Verdienst von M . Trunk, auf diese Marken als m ö g l i c h e A b k ü r z u n g e n für Augusta erstmals hingewiesen zu haben. Das A k ö n n t e i m Steinbruch zur Bezeichnung
des
Bestimmungsortes Augusta
Raurica
185 186 187 188 189 190 191
Vgl. S. Martin-Kilcher, in: Riha 1980, 48. Laur-Belart/Berger 1988, 125. Bossert-Radtke 1992, 21 ff. Berger 1998, 143 f. Vgl. Tutela Augusta CIL XIII 956 = ILS 3735. Steinhausen 1969, 100 Abb. 44. Zu «Steinmetzzeichen» allgemein vgl. Lugli 1957, 199 ff.; Steinhausen 1969; Bedon 1984, 93 ff.
E r g ä n z e n d e Bemerkungen zur
Gallicum
Namengebung von Augst
Schreibung mit a die u r s p r ü n g l i c h e ist oder ob sie als
muss allerdings unbekannt bleiben, ob
Anpassung an
die zeitgenössische Namengebung
die
vom
Schreiber des s p ä t a n t i k e n Archetypus h e r r ü h r t , auf Die tabellarische Ü b e r s i c h t ü b e r die Testimonien (Tabelle
alle erhaltenen Handschriften z u r ü c k g e h e n
194
den
.
1) spiegelt den längst gesehenen, tendenziellen Wandel der Schreibweise v o n ä l t e r e m Raurici zu j ü n g e r e m Rauraci sehr s c h ö n w i d e r
192
. Insbesondere haben auch die
in
neuerer Zeit hinzugekommenen, datierten Testimonien T2 u n d T8 die alte A n n a h m e bestätigt. Vor einer Verabsolutierung
warnen
die
Handschriften
von
Caesars
Bellum G a l l i c u m , welche ausschliesslich die Schreibung Rauraci z e i g e n
193
Schreibweisen
, u n d - für die Spätzeit - T13, das beide offen
lässt.
Hinsichtlich
des
Bellum
192 Vgl. Zangemeister 1892, 14; Burckhardt-Biedermann 1910, 10; Staehelin 1948, 30 Anm. 3; Martin 1971, 9. 193 Holder, AcS 2, 1084 f.; Staehelin 1948, 30 Anm. 3. 194 Für ursprüngliches Raurici und späte Anpassung trat Zangemeister 1892, 14, ein; für ursprüngliches Rauraci sind Kraner u. a. 1964, 349. - Für wertvolle Hinweise in dieser Frage danke ich Fritz Graf.
Tabelle 1: Übersicht über die Testimonien zu den Namen von Augst und Kaiseraugst von den Anfangen bis zum Ende des ersten Jahrtausends.
Nr.
belegter Name
Datierung
Quelle
Tl
Colonia Raurica (= Basel?)
um 20 v. Chr.
Grabinschrift des Plancus in Gaeta (I)
T2
Colonia [Paterna? Munatia? Felix? Apollin]aris [Augusta E]merita [Raur]ica
Frühe Kaiserzeit
Nuncupator-Inschrift und Emerita-Fragment
T3
AvrfOVGxa
M i t t e l . J h . / u m 150
Ptolemaios, Geographica
T4
Colonia Rauriaca
vor 77 n. Chr.
Plinius, Naturalis historia
T5
Rauricum oppidum (= Basel?)
vor 77
Plinius, Naturalis historia
T6
Aug Raur
139
Meilenstein aus Augst
T7
AR
139
Meilenstein aus Mumpf
T8
[Civitjas Rauracorum (Augst?)
2. Hälfte 2. Jh. - 1. Hälfte 3. Jh.
Weihung an Nehalennia in Colijnsplaat (NL)
T9
Augusta R(a)uracum
Um 2 0 0 / 1 . Hälfte 5. Jh.
Tabula Peutingeriana
T10
Augusta Rauracum
3. Jh.
Itinerarium Antonini
TU
Rauraci
3. Jh.
Itinerarium Antonini
T12
Rauraci
3. Jh. (?)
Solinus, Collectanea
T13
Rauraci (Raurici?)
4. Jh. (?)
Bischofsliste der fingierten Kölner Synode von 346 n. Chr.
T14
Rauracum
Mitte bis 2. Hälfte 4. Jh.
Ammianus Marcellinus, Res gestae
Rauraci
Mitte bis 2. Hälfte 4. Jh.
Ammianus Marcellinus, Res gestae
PaupcxKOi
Mitte bis 2. Hälfte 4. Jh.
Eunapius Sardianus, Hypomnemata
T17
Castrum Rauracense
6. Jh.
Notitia Galliarum
T18
Augustodunum
Frühes 7. Jh.
Vita S. Agili
T19
Augustodunum
Frühes 7. Jh.
Vita S. Galli
T20
Augustana
618
Vita S. Eustasii
T21
Augusta
7.-9. Jh.
Geograph v. Ravenna, Cosmographia
T22
Augusta Nova (Kaiseraugst?)
7.-9. Jh.
Geograph v. Ravenna, Cosmographia
T23
Augusta
752
St. Galler Urkunde
T24
Civitas Augusta
825
St. Galler Urkunde
T25
Civitas Rauracensis
9.-11.Jh.
Notitia Galliarum
T26
Villa Augusta
891
St. Galler Urkunde
T27
Villa Augusta
894
St. Galler Urkunde
T15 T16
c
c
PaupiKcov
Der heute allgemein geläufig gewordene Name Colonia
listischen Feingefühl bei der E r w ä h n u n g v o n Augst die
Augusta Raurica ist i n den antiken Quellen nach wie vor
Langform verwendet h ä t t e
nirgends direkt belegt, wenn auch auf dem Nuncupatorbzw. auf dem Emerita-Fragment gewissermassen
Wie
bei
Augusta
207
.
Vindelicum
(Augsburg)
oder
zwin-
Augusta Praetoria (Aosta) behauptete sich i m Mittelalter
gend zu erwarten (s. T2). In der Reihenfolge Raurica A u -
auch v o n Augusta Rauracum der erste Namensteil, w ä h -
gusta erscheinen die beiden Namensglieder erstmals i n
rend sich z. B. v o n Augusta Bagiennorum (heute Be-
R Fabris Descriptio Sueviae v o n 1488/89 ,
nevagienno), Augusta Taurinorum (heute T u r i n )
während
195
208
oder
Augusta Raurica erst v o m 18. Jahrhundert an i m Schrift-
Augusta Treverorum (heute Trier) das den zweiten Teil bil-
t u m auftritt . Dabei bleibt einstweilen offen, wie Fabri
dende ethnische Determinans durchsetzte. Die Ursachen
zu seiner Konstruktion gekommen ist. Vielleicht waren
w ä r e n für jeden einzelnen Fall zu untersuchen.
i h m T 3 , T 9 oder T 1 0 bekannt u n d wurden v o n i h m
Augsburg vermutet K. Dietz, dass sich «im Volksmund»
umgestellt u n d abgeändert, oder er fügte die beiden
seit etwa 200 n . Chr. Augusta mehr u n d mehr durchge-
Namensglieder selbständig zusammen, ausgehend
setzt habe, und zwar als Spätfolge der Erhebung zum
196
von
dem an Ort überlieferten Namen v o n Augst u n d der
M u n i c i p i u m unter Hadrian, da dadurch das
Kenntnis der Plancusinschrift v o n Gaeta, die i h m w ä h -
Determinans
rend seines Aufenthaltes i n Italien bekannt
immer bedeutungsloser
Für
ethnische
geworden
sei . 209
geworden
A u c h für Augst kann man eigentlich nur die Volkssprache
sein mag; Fabri weilte i m Jahre 1476 i n Italien . N i c h t
der ansässigen Bevölkerung für die Persistenz des Namens
auszuschliessen ist n a t ü r l i c h auch die Möglichkeit, dass
Augusta verantwortlich machen, ohne dass die G r ü n d e
197
die N e n n u n g bei Fabri auf eine andere, bisher unbekannt
deutlich w ü r d e n , warum hier das ethnische Determinans
gebliebene Quelle zurückgeht.
unterlegen ist. Sein Wegfall i m frühen Mittelalter ist sogar
Die i m neuzeitlichen Schrifttum neben
Augusta
besonders bemerkenswert,
da
i n den
schriftlichen
Raurica beliebte Namensbildung Augusta Rauricorum
Quellen der Spätantike ( T 1 1 - T 1 6 , bedingt auch T 1 7 )
(bzw. Rauracorum) ist i n den erhaltenen
Bildungen mit dem Raurikernamen ohne Augusta alleine
lateinischen
Quellen ebenfalls nicht überliefert. Nach der
Biblio-
graphie v o n K. Stehlin begegnet sie erstmals i n den i m
das Feld beherrschen. Es versteht sich, dass trotz der s p ä t a n t i k e n Ver-
Jahre 1531 erschienenen Rerum Germanicarum libri très
lagerung des Siedlungsschwerpunktes
v o n Beatus Rhenanus . Wahrscheinlich handelt es sich
Rhein der Ortsname Augusta für ein weiteres
u m eine Bildung der Humanistenzeit, wie es für Augusta
Gültigkeit behielt, auch wenn dies z u n ä c h s t nicht direkt
«Vindelicorum» (Augsburg) angenommen wird, das so i n
kontrollierbar
198
ist u n d
erst aus
den
ins Kastell am Umfeld
ausgedehnten
den antiken Quellen auch nicht überliefert ist . Wie T 9
Ländereien hervorgeht, die i n den Urkunden v o n 891
(Augusta R[a]uracum) u n d T 1 0 (Augusta Rauracum) für
u n d 894 ( T 2 6 u n d T 2 7 ) Augst zugerechnet werden. Im
199
Augst zeigen dort die allerdings auch nicht eben zahlrei-
Jahre 1284 wird dann der «Banne zu Augst» erstmals
chen Belege ausschliesslich die Kurzform V i n d e l i c u m .
erwähnt
200
210
. U m 1318 erscheint der westlich der Ergolz
Diese verkürzte Form des Genitiv Plural der o-Deklination
gelegene Ortsteil als «Ogst an Ergenzen Brügge» i n den
wurde besonders i n der r ö m i s c h e n Kanzleisprache gerne
Q u e l l e n , aus dem später das Dorf Basel-Augst hervorge-
verwendet . Auf die Ü b e r e i n s t i m m u n g i n der Namen-
hen sollte. 1442 erfolgte die politische Trennung i n
201
gebung v o n Augst u n d Augsburg, der Hauptstadt benachbarten
Provinz Raetien,
Fellmann aufmerksam gemacht , 202
hat
namentlich
der R.
der auch betont , 203
dass für Augst aus der griechischen Überlieferung bei Ptolemaios (Auyowxa
211
TrxupiKcov = T3)
nicht ohne weite-
195 Escher 1884, 118 f.; vgl. Stehlin 1911, Nr. 24, wo allerdings zu Augusta Raurica umgestellt wurde. 196 Martin 1971, 7.
res die lateinische Langform abgeleitet werden kann, wie
197 Haussier 1914, 2.
es gelegentlich getan w i r d
198 Stehlin 1911, Nr. 29.
204
. Die Tabula Peutingeriana
(T9) u n d das Itinerarium A n t o n i n i (T10) gehen auf offizielle Dokumente
zurück
205
, was der
Namengebung
Augusta Rauracum einiges Gewicht verleiht. D e n n o c h reicht der Quellenbestand unseres Erachtens nicht aus ausser dem Nuncupator- bzw. dem Emerita-Fragment (T2) gibt es keine verbürgte lokale Inschrift mit dem N a m e n von
Augst -
den
Treverorum (Trier)
Gebrauch der etwa bei Augusta 206
belegten Langform gänzlich auszu-
schliessen. Einstweilen hat man sich jedoch mit der tröstlichen, v o n W. Schmid geäusserten Vermutung abzufinden, dass wenigstens ein Schriftsteller v o n einigem sti-
199 Schmid 1941. 200 Dietz 1985, 108 (Tabelle). 201 Schmid 1941; vgl. auch Sommer 1914, 349. 202 Drack/Fellmann 1988, 585 Anm. 76; Fellmann 1992, 371 Anm. 80. 203 Vgl. Fellmann 1995, 293. 204 Lieb 1974, 423; Laur-Belart/Berger 1988, 12. 205 Dietz 1985, 109. 206 Binsfeld 1970, 36. 207 Schmid 1941, 6 (in Bezug auf Augsburg). 208 Der lange Genitiv wurde von mir in beiden Fällen nicht überprüft. 209 Dietz 1985, 113. 210 Senti 1962, 44. 211 Zehnder 1991, 213 f.
einen n o r d ö s t l i c h v o n Ergolz u n d Violenbach gelegenen, ö s t e r r e i c h i s c h e n u n d einen westlichen,
baslerischen
Ortsteil , die z u n ä c h s t Augst i m Dorf und Augst an der 212
Brücke u n d später Kaiseraugst u n d Basel-Augst genannt w u r d e n . Allerdings wird i n der Forschung über diese 213
neuere Namengebung stets nur summarisch
berichtet,
und eine Vorlage der urkundlichen Belegstellen steht noch aus . Bekanntlich wird der Name Kaiseraugst mit 214
der Zugehörigkeit des Ortes zum kaiserlich-österreichischen Gebiet erklärt, so etwa bei D . Bruckner
215
oder T h .
Burckhardt-Biedermann . Diese Erklärung trifft gewiss 216
zu, denn die andere, die man gelegentlich i m m ü n d lichen Gedankenaustausch
v o n althistorisch gut, aber
heimatkundlich weniger gut informierten Gesprächspartnern h ö r e n kann, dass die Benennung Kaiseraugst mit dem für die Spätantike nachgewiesenen Aufenthalt der Kaiser i m Castrum Rauracense
z u s a m m e n h ä n g e (vgl.
T14-T16), lässt sich kaum e r h ä r t e n
217
. M a n k ö n n t e sich
zwar fragen, ob i n die Namengebung
humanistisches
Wissen u m den Aufenthalt der s p ä t r ö m i s c h e n Kaiser mit eingeflossen ist, zumal seit 1533 eine i n Basel erschienene Druckausgabe des Ammianus Marcellinus v o r l a g
218
und
Sebastian M ü n s t e r 1544 für Augst «ein Bollwerk über dem Rhein» e r w ä h n t , «daraus sich die Römer gewehrt haben wider die T e u t s c h e n » . Aber ob die Reste des Castrum 219
Rauracense
damals schon als spezifisch s p ä t r ö m i s c h e
Befestigung des 4. Jahrhunderts erkannt
waren,
muss
doch recht fraglich bleiben, da noch D. Bruckner eine «lange Mauer» v o n Kaiseraugst zwar e r w ä h n t u n d einem Bollwerk zuweist, aber sonst weiter
unkommentiert
l ä s s t . Die Identifizierung des s p ä t a n t i k e n 220
Castrum
Rauracense (vgl. T17) mit den Ruinen v o n Kaiseraugst findet sich - erstmals
(?) - i n einer unpublizierten
Vorlesung v o n W. Vischer-Bilfinger aus dem Jahre 1840 u n d bald darauf gedruckt i n T h . Mommsens «Die Schweiz i n römis cher Zeit» v o n 1854 . 221
212 Senti 1962, 52 f. 213 Zehnder 1991, 216. 214 Für Auskünfte danke ich D. Christ (Liestal), M . Giger (Aarau), M . Manz (Liestal), M . Schibli (Aarau), B. Zehnder (Villmergen). Nach D. Christ bildet im Gegensatz zur oben referierten bisherigen Auffassung erst der Vertrag von 1534, mit dem Basel und die Herrschaft Österreich Eigenleute austauschten (Senti 1962, 53), den Ausgangspunkt für die Ausdifferenzierung der Gemeindebezeichnungen. Eine vorläufige Suche von D. Christ und M . Manz nach dem ältesten Beleg für den Ortsnamen Basel-Augst im Staatsarchiv des Kantons Basel-Landschaft, Liestal, ergab keine ältere Nennung als die erwähnte bei D. Bruckner von 1763 (briefliche Mitteilungen vom 29. Januar 1993 und vom 18. Februar 1993). 215 Bruckner 1748-1763, 2670. 216 Burckhardt-Biedermann 1906, 154 Anm. 80. 21 7 Auch der Artikel Kaiseraugst in der Brockhaus Enzyklopädie (17. Aufl. [Wiesbaden 1970] Bd. 9, Sp. 611) erweckt den Eindruck, dass ein Zusammenhang mit den römischen Kaisern bestehe. Neuerdings behauptet G. H . Henrich - ohne gute Argumente -, dass der Name Kaiseraugst auf die Spätantike zurückgehe als plakative Demonstration gegenüber den Alamannen des Inhalts: hier befinden wir uns im römischen Kaiserreich (Henrich 1997, 265). Den Hinweis auf diesen Aufsatz verdanke ich Christoph Schneider, Basel. 218 Seyfahrt 1968 1. Teil, 43. 219 Münster 1544, 256 f. 220 Bruckner 1748-1763, 2756 f. 221 Vgl. Vischer-Bilfinger 1840 und Mommsen 1854, 12.
Appendix A zu Testimonium 2: Fundumstände des Recycling-Depots mit den Bronzeplatten und archäologisch-historische Interpretation des Grabungsbefundes i n der Insula 20 Peter-Andrew Schwarz
Einleitung Die früher Inschrift
223
222
zur ehemals
so genannten
Nuncupator-
e r g ä n z t e n 15 Bronzeplatten (Abb. 19) wurden
am 19. April 1967 i n der südlich der Basilika gelegenen Insula 20 gefunden (Abb. 20) . 224
Einer der wichtigeren Befunde i n der Insula 20 bildet ein mit augusteischem Material verfüllter Keller, welcher einer ersten, noch aus Holz bestehenden Bauperiode zugewiesen werden konnte. Diese früheste Ü b e r b a u u n g ist i m Verlaufe der Kaiserzeit durch Steinbauten ersetzt worden, die sich - zumindest i m Nordteil - i n eine ältere u n d i n eine jüngere Steinbauperiode unterteilen lassen . 225
222 Für Hinweise, Anregungen und die kritische Lektüre des Manuskriptes danke ich Ludwig Berger, Eckhard Deschler-Erb, Bettina Janietz, Markus Peter und Hans Sütterlin. 223 Vgl. dazu den Kommentar von L. Berger zu T(estimonium) 2 (in diesem Band, Seite 16 ff.) und den Beitrag von B. Janietz (Appendix B; in diesem Band, Seite 55 ff.). 224 Der durch den Bau eines Einfamilienhauses bedrohte Teil der Insula 20 wurde 1966 und 1967 unter der wissenschaftlichen Oberleitung von R. Laur-Belart durch L. Berger und M . Martin (ab dem 16.5.1967) untersucht. 225 Zu den Grundzügen der urbanistischen Entwicklung vgl. Furger 1994, 30 ff. bes. Abb. 6.
Abb. 19: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Gesamtansicht der 15 (von zwei verschiedenen Statuenbasen stammenden) Bronzeplatte Reinigung und Konservierung. Die in einem sog. Recycling-Depot gefundenen Platten weisen ein Gesamtgewicht von rund 21 Kilogramm auf. Z der Fragmente vgl. die Beiträge von L. Berger (mit Abb. 6 und 7) und von B. Janietz (Appendix B; bes. Abb. 57 und 58).
Im Folgenden soll dargelegt werden, dass sich auch aus der Demontage u n d der Verbergung
232
der Verkleidungs-
platten der beiden Statuenbasen u n d aus den Befunden i n der Insula 20 wichtige Aspekte der späten Stadtgeschichte erschliessen lassen . 233
Grabungsbefund Nach Aussage der Grabungsdokumentation
zeichnete
sich der Z e r s t ö r u n g s c h u t t der Insula 20 i n Form eines rund 40 Zentimeter m ä c h t i g e n Mauerschuttpaketes
ab
(Abb. 21,14). Partiell überlagerte dieser Mauerschutt auch d ü n n e r e , mit Ziegeln durchsetzte Lehmpakete, die mit Sicherheit als Überreste v o n verputzten w ä n d e n (murs p i s é s ) Innenbebauung
Lehmstampf-
oder v o n F a c h w e r k w ä n d e n der
234
angesprochen
werden
k ö n n e n (Abb.
Abb. 20: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Mauerplan mit 226 Arbeitsbericht L. Berger (Dokumentation der Grabung 1966sämtlichen Steinbaubefunden. Die auf Abbildung 23 abgebildete Halle ist 1967.53); Schibler/Furger 1988, 50 ff.; Rütti 1991, 202 ff. mit gerastert hervorgehoben. M. 1:1000. Verweis auf ältere Literatur. Peristylbauten liegen auch in den * Fundort des Recycling-Depots mit den Überresten der bronzenen Insulae 7, 20, 28 und 30 vor. Verkleidungsplatten der beiden Statuenbasen. 227 S. u. a. S. Martin-Kilcher, Die römischen Amphoren aus Augst A Lage der infolge des vermuteten Erdbebens im Verband umgestürzten und Kaiseraugst. Die südspanischen Ölamphoren (Gruppe 1). Mauern (= Abb. 22). Forsch. Augst 7/1 (Augst 1987) 305; Schibler/Furger 1988, 50 ff.; B Infolge des vermuteten Erdbebens ausgebrannter und später wieder Rütti 1991, 202 ff.; Riha 1979, 211; Peter 1996, 118 ff. - Ein hier instand gestellter Raum. gefundenes Schmelztiegelfragment (Fundkomplex X07018, Inv. + Fundort der Skelettreste (Erdbebenopfer?) unter einer umgestürzten 1967.1640) zeigt, dass hier sehr wahrscheinlich auch bereits in Fachwerk- oder Lehmstampfwand.
der Kaiserzeit Bronze verarbeitet worden ist. Zu den Bronzegiessereien allg. A. R. Furger, Römermuseum und Römerhaus Augst, Kurztexte und Hintergrundinformationen. Augster M u seumsh. 10 (Augst 1989 ) 16 f.; Martin 1978, 112 ff. sowie A. R. Furger/J. Riederer, Aes und auricalcum. Empirische Beurteilungskriterien für Kupferlegierungen und metallanalytische Untersuchungen an Halbfabrikaten und Abfällen aus metallverarbeitenden Werkstätten in Augusta Raurica. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 16, 1995, 115 ff. 2
In der letzten Ausbauphase bildete die zum Teil mit Wandmalereien ausgestattete Insula i m Wesentlichen einen vierseitigen Peristylbau mit einem etwa 1 1 x 1 4 Meter grossen Innenhof (Abb. 20). Im Südteil der Insula wurde eine - nach Aussage der Stratigraphie (Abb. 21 u n d 26) allerdings erst relativ spät - errichtete Halle angetroffen. Ein auf einer Substruktion aus Bruchsteinen angetroffener Sandsteinquader bezeugt, dass das Dach der Halle v o n einem Mittelpfosten gestützt wurde. A n die östliche Hallenwand schlössen sich zwei kleinere, durch einen Gang getrennte Räume an. Der eine dieser Räume war mit einem Hypokaust ausgestattet. Der an die Merkurstrasse anschliessende Südteil der Insula diente, wie ein Töpferofen zeigt, auch gewerblichen Z w e c k e n . 226
Von den F u n d e n
227
haben, vielleicht abgesehen v o n
einem (verbrannten!) Münzensemble n. C h r .
228
aus der Zeit u m 193
u n d einem s p ä t r ö m i s c h e n Eisenhelm (Abb.
2 9 ) , vor allem die Bronzeplatten der ehemals 229
so
genannten Nuncupator-Inschrift (Abb. 19) eine überregionale Bedeutung erlangt . Ihre B e r ü h m t h e i t resultier230
te vor allem aus der N e n n u n g des vermeintlich vollständigen Kolonienamens . 231
228 Das Ensemble wurde von der älteren Forschung in Zusammenhang mit den Thronwirren zwischen Clodius Albinus und Septimius Severus gebracht (Martin 1977, 12 f. 35 ff.). Eher ablehnend äussert sich M . Peter (Peter 1996, Kat.-Nr. Ins. 20E1/1 ff.). 229 Fundkomplex Z01719 (Inv. 1967.12557). Vgl. dazu die unten (Anm. 274) angeführte Literatur. 230 S. etwa M . A. Speidel, Goldene Lettern in Augst. Zu zwei frühen Zeugnissen der Kaiserverehrung und des goldenen Zeitalters in der colonia Augusta Raurica. Zeitschr. Papyr. u. Epigr. 95, 1993, 179 ff. bes. 181; R. Fellmann, La Suisse gallo-romaine. Cinq siècles d'histoire (Lausanne 1992). 24 ff. mit Abb. 13. Vgl. jetzt die Ausführungen von L. Berger zum Testimonium T2 (oben in diesem Band). 231 Lieb 1974, 415 ff. Vgl. dazu jedoch die Ausführungen von L. Berger (oben in diesem Band) zum Testimonium T2 und von B. Janietz (Appendix B). 232 Vgl. die kursorische Schilderung der Fundumstände bei Lieb 1974, 416. Vgl. dazu ferner Martin 1977, 24 ff., der den Zeitpunkt für die Zerstörung der Inschrift - dem damaligen Forschungsstand entsprechend - «in den Jahren nach 259/260 n. Chr. oder in der für uns noch wenig deutlich fassbaren Zwischenzeit bis zum Bau des Kaiseraugster Kastelles» ansetzte. 233 Zusammenfassend: Schwarz 1996, 61 ff. 234 Vgl. Schwarz 1992, 52 bes. Anm. 13 mit Verweis auf weitere Befunde.
Abb. 21: Angst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Profil 9. Zur Lage vgl. Abb. 23. M. 1:60. 1 Anstehender Verwitterungslehm. 2 Kiesplanie aus rheinischem Niederterrassenschotter. Die Oberkante diente während der Holzbauperiode vermutlich als Gehhorizont, die Fu Kieselwacken ist ungeklärt. 3 Aus ockerfarbenem, z. T. graugelb geschecktem, feinsandigem Lehm zusammengesetzte Pianieschichten aus der Zeit der Holzbauperiode. 4 Schmutz-/Gehhorizont aus der Zeit der Holzbauperiode. 5 Aus feinsandigem, bräunlich-olivstichigem Lehm zusammengesetzte Pianieschicht aus der Zeit der Holzbauperiode. 6 Aus sandig-kiesigem Material zusammengesetzter Gehhorizont aus der Zeit der Holzbauperiode. 7 Aus relativ fettem, ockerfarbenem Lehm zusammengesetzte Pianieschicht aus der Zeit der Holzbauperiode; nach Aussage der zahlreichen W fragmente handelt es sich mit Sicherheit um Überreste von abgebrochenen Stampflehm- oder Fachwerkwänden. 8 Verfülhmg einer nach dem Bau der Halle angelegten - laut dem Befund im Planum - rechteckigen Grube. 9 Gehhorizont aus verschmutzem, sandigem und mit Kalkstein- und Ziegelsplittern durchsetztem Lehm und humöse Kulturschichten («dark ear der Benützungszeit der Halle. Namentlich im Bereich von Mauer 23 war keine eindeutige Trennung zwischen den vor und nach der Zerstörung vermutete Erdbeben abgelagerten Kulturschichten zu erkennen. 10 Aus Mörtelsand und -brocken und vereinzelten Kalkbruchsteinen zusammengesetztes Stratum; Überrest des beim vermuteten Erdbeben ang anschliessend fast restlos beseitigten Zerstörungsschuttes (vgl. auch Abb. 4 und 6). 11 Nach der Beseitigung des nur noch punktuell erhaltenen Zerstörungsschuttes (vgl. 10) bzw. in der Frühphase der Nutzung der improvisiert ins ten Halle abgelagerte Kulturschichten («dark earth»). 12 Vermutlich im Zusammenhang mit der nachgewiesenen Bronzeverarbeitung (vgl. Abb. 10) abgelagerte Löschkalk-Schicht. 13 In der Spätphase der Nutzung der improvisiert instand gestellten Halle abgelagerte Kulturschichten («dark earth»). Im Südabschnitt des Profile es sich nach Aussage der zahlreichen Ziegelfragmente z. T. auch um Reste von zerstörten Stampflehm- oder Fachwerkwänden handeln. 14 Verfallschutt der im Aufgehenden zum Teil noch erhaltenen Hallenmauern. 15 Mit kleineren Kalkbruchsteinen und Ziegelsplittern durchsetzter, humöser Oberflächenschutt. 16 Humuskante vor Baubeginn im fahre 1966/1967. PIO Profil 10 (s. Abb. 26).
21,9.10). A n anderen Stellen wurden sogar Teile v o n i m Verband u m g e s t ü r z t e n Hausmauern beobachtet (Abb. 20,A und 22) . Ferner sind unter dem Mauerschutt 235
namentlich i n den westlich der Halle gelegenen R ä u m e n - auch deutlich ausgeprägte Brandschuttschichten angetroffen w o r d e n . 236
Derartige Befunde, namentlich i m Verband umgestürzte Mauern (Abb. 22) , lassen vermuten, dass die, 237
235 Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag L. Berger vom 13.4.1966; Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag M . Martin vom 13.6.1967. 236 Dokumentation der Grabung 1966-1967.53, Profil 2 (zwischen Vermessungspunkt H 15 und Vermessungspunkt H 16; hier nicht abgebildet). 237 Besser erhaltene, von uns als Folgen eines Erdbebens interpretierte Befunde wurden z. B. in der mansio Kurzenbettli angetroffen. Vgl. H. Bender, Archäologische Untersuchungen zur Ausgrabung Augst-Kurzenbettli. Ein Beitrag zur Erforschung der römischen Rasthäuser. Antiqua 4 (Frauenfeld 1975) Taf. 1,1; Abb. 22: Angst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Überreste einer19,3; 22,3. Weitere Befunde bei Deschler-Erb/Schwarz 1993, 180 möglicherweise infolge eines Erdbebens in den vierziger Jahren des mit 3. Anm. 53 ff.; Furger 1994, Abb. 8; Schwarz 1996, 61; HufJahrhunderts im Verband umgestürzten Mauer. Zur Lage vgl. Abb. 20,A. schmid 1996, 68 f. sowie Schwarz/Kastelen 4 (in Vorbereitung).
Abb. 23: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Detailplan der Halle im Süden der Insula 20. Die nach der (Erdbeben-?)Zerstörung um die M des 3. Jahrhunderts errichteten Spolienkonstruktionen und die Feuerstellen sind dunkelgrau hervorgehoben. Der feine Doppelrahmen bezeichn Abbildung 27 wiedergegebenen Ausschnitt. Zur Lage vgl. Abb. 20. M. 1:100. 1 Fundort des Recycling-Depots mit den Überresten der bronzenen Verkleidungsplatten der beiden Statuenbasen (Abb. 19 und 25). 2 Nach Aussage von Altmetallbruchstücken (Abb. 28) für die Bronzeverarbeitung genutzte Herdstelle. 3 Fundort der jüngsten, unter dem Zerstörungschutt (Abb. 21,14) gefundenen Münze, eines zwischen 241 und 243? n. Chr. geprägten Antoninian d Gordian III. P9 Profil 9 (Abb. 21). PIO Profil 10 (Abb. 26).
wie n o c h dargelegt wird, erste Zerstörung
der Insula 20
sehr wahrscheinlich durch ein vermutlich i n den vierziger Jahren des 3. Jahrhunderts eingetretenes Erdbeben und eine dadurch ausgelöste Feuersbrunst
238
verursacht
wurde. Für eine Erdbebenkatastrophe sprechen auch die bei der Nordwestfront gefundenen Gebeine eines etwa 30-jährigen Individuums, die «leicht über dem TerrazzoBoden», aber eindeutig unter dem Zerstörungsschutt z u m Vorschein kamen (Abb. 20,+) . 239
Ein weiterer, vielsagender Befund zeichnete sich auch auf einem grau-schwarz verfärbten Terrazzo-Boden i m
238 Schwarz/Kastelen 4 (in Vorbereitung). Vgl. vorderhand Schwarz 1992, 58 Anm. 32; Deschler-Erb/Schwarz 1993, 176.180 mit Erläuterungen zum Befund in der Insula 22, aus dem sich ein ter-
minus post von 242/243 n. Chr. für die Erdbebenkatastrophe ableiten lässt, sowie zusammenfassend Furger 1994, 36; Hufschmid 1996, 69 bes. Anm. 197 und Schwarz 1996, 61 bes. Anm. 9 ff. 239 Schibler/Furger 1988, 179 ff. (Fundkomplexe X06774 und X06782) und Kommentar L. Berger auf den entsprechenden Fundkomplex-Blättern in der Dokumentation der Grabung 1966-1967.53. Analoge Befunde liegen auch aus anderen Insulae vor (Schibler/Furger 1988, 92 ff. bes. Abb. 121 ff.; Furger 1994, 36 und Abb. 8).
Nordteil der Insula ab (Abb. 20,B). Das Fehlen v o n
schuft .
Brandschutt auf dem offensichtlich verbrannten Boden
instand gestellten Halle abgelagerte «dark earth» liess sich
u n d verstürzte, aber nicht verbrannte
jedoch nur i n Form v o n schwer differenzierbaren, h u m ö -
Lehmwandreste
beweisen, dass die B r a n d s c h ä d e n zumindest i n diesem Raum wieder behoben worden sind u n d dass der Raum
246
Die i m Zuge der Nutzung der improvisiert
sen Straten fassen (Abb. 21,11.13) . 247
Nach der Behebung dieser (Erdbeben-)Schäden muss auch das aus mindestens
wieder bewohnt worden ist . 240
V o n einiger Aussagekraft sind vor allem die Befunde
14 Verkleidungsplatten u n d
einem Sockelfragment v o n zwei Statuenbasen
248
beste-
i n der grossen Halle (Abb. 23), wo am 19. April 1967 die
hende Depot i n einer Grube i m Hallenboden verborgen
besagten Fragmente der Bronzeverkleidung der beiden
worden sein.
Statuenbasen zum Vorschein kamen: In dieser Halle sind
Die auf dem Hallenboden nicht erkennbare Grube
n ä m l i c h an einigen Stellen offensichtlich sekundär ver-
wurde zufällig, durch einen kleinen, parallel zur westli-
baute Kapitelle u n d
sowie andere
chen Abschlussmauer verlaufenden Sondiergraben, ange-
Spolien angetroffen worden, die erst zu einem späteren
schnitten . Unglücklicherweise ist dabei der Inhalt der
Säulentrommeln
249
Zeitpunkt v o n Mauerschutt überdeckt worden sind (Abb.
einen, angeschnittenen Grubenhälfte vor der Dokumen-
21,14) . Unter diesen Architekturelementen
tation bis auf zwei Platten der Seitenverkleidung entfernt
befanden
241
sich unter anderem auch einige tuskische Kapitelle, die mit Sicherheit aus dem nicht mehr reparierten oder abgebrochenen
Peristyl stammen . 242
Wesentlich ist ferner,
dass diese Spolien ihrerseits auf einem d ü n n e n Paket aus ausplaniertem Mauerschutt ruhten (Abb. 24) . 243
Die mit Hilfe v o n Spolien errichteten Einbauten i n der W e r k h a l l e
244
bezeugen, dass auch dieser Teil der Insula
20 nach einer ersten, eindeutig i n der Spätzeit erfolgten Zerstörung i n improvisierter Form wieder instand gestellt worden ist . 245
Für eine Weiterbesiedlung nach dieser (ersten) Zers t ö r u n g spricht - neben den verschiedenen
Reparatur-
arbeiten - auch ein Gehhorizont aus «aschig-sandiger» Erde. Dieser Gehhorizont überlagerte den auf den Sandsteinplatten
des
Innenhofes
liegenden
Zerstörungs-
240 Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag L. Berger vom 28.11.1966. 241 Dokumentation der Grabung 1966-1967.53, Profil 8 (hier nicht abgebildet), Profil 9 (Abb. 21) und Profil 10 (Abb. 26). 242 Die entsprechenden Säulentrommeln sind z. Z. verschollen. Für die diesbezüglichen Recherchen danke ich B. Rebmann und P. Schaad. 243 Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Einträge M . Martin vom 12.7., 14.7., 17.7. und vom 19.7.1967. Der Mauerschutt ist aus heutiger Sicht als Relikt der ersten, möglicherweise durch das vermutete Erdbeben verursachten Zerstörung zu interpretieren. 244 Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Einträge L. Berger vom 19.4. und 21.4.1966. 245 Vgl. auch den ähnlichen Befund i n der Insula 22 (DeschlerErb/Schwarz 1993, 180 mit Anm. 53 ff. mit Verweis auf weitere Befunde) und zusammenfassend Schwarz 1996, 61 f. 246 Dokumentation der Grabung 1966-1967.53, Profil 3 (hier nicht abgebildet). 247 Zum Begriff s. R. I. Macphail, The reworking of urban stratigraphy by human and natural processes. In: A. R. Hall/H. K. Kenward (ed.), Urban-rural connexions: Perspectives from environmental archeology. Oxbow Monograph 47 (Oxford 1994). Es handelt sich bei der «dark earth» um ein Phänomen, welches
u. a. auch in der enceinte réduite auf dem Kastelenplateau (vgl. Schwarz [in Vorbereitung]), im Castrum Rauracense (V. Vogel/U. Müller, Eine Grabung im Inneren des Kastells Kaiseraugst [1993.03]. Neue Hinweise zur Bauzeit des Kastells Kaiseraugst und zur Existenz eines älteren Auxiliarkastelles? Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 15, 1994, 151 ff. Abb. 3 [Schicht 4]; Abb. 4) und in anderen spätrömischen «squatter occupations» beobachtet wurde (vgl. C. Bridger/F. Siegmund, Die Xantener Stiftsimmunität. Grabungsgeschichte und Überlegungen zur Siedlungstopographie. In: G. Bauchhenss [Red.], Beiträge zur Archäologie des Rheinlandes. Rheinische Ausgrabungen Bd. 27 [Köln 1987] 63 ff. bes. 92 mit Anm. 202 [mit weiteren Belegen]). Sie kann als Zeugnis einer nachlässiger gewordenen Praxis bei der Abfallentsorgung und damit auch als Indikator für einen gesunkenen Lebensstandard der Bevölkerung in spätrömischer Zeit gewertet werden (P. van Ossel, Etablissements ruraux de l'antiquité tarAbb. 24: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Blick auf eine der dive dans le nord de la Gaule. 51 supplément à Gallia [Paris nach der (Erdbeben-?)Zerstörung um die Mitte des 3. Jahrhunderts errichtete 1992] 133). e
248 Vgl. dazu die Ausführungen von L. Berger (Seite 16 ff.) und von Spolienkonstruktion. Die Spolien ruhen auf dem ausplanierten Zerstörungsschutt der Halle im Südteil der Insula 20. Links im Bild Mauer 23. B. Janietz (Appendix B). Zur Lage vgl. Abb. 23. 249 Fundkomplex X07073.
worden (Abb. 25 u n d 26,13). Der Rest des Ensembles, zehn weitere Platten - darunter auch das Nuncupatoru n d das Emerita-Fragment - konnten aber n o c h vor der Bergung in situ dokumentiert werden (Abb. 25). Aus der Stratigraphie (Abb. 26) lässt sich auch das Vorgehen beim Anlegen des Depots an der westlichen Abschlussmauer der Halle relativ gut rekonstruieren. Das Profil zeigt, dass offensichtlich zuerst eine Mulde mit einer leicht abfallenden Sohle in den j ü n g s t e n
Geh-
horizont der Halle bzw. i n die Substruktion einer älteren Feuerstelle (Abb. 26,9) eingetieft wurde (Abb. 26,13) . 250
Dabei ist auch die i n der Halle abgelagerte «dark earth» durchschlagen worden (Abb. 26,12) . 251
Abb. 25: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). In situ-Aufnahme 250 Fundkomplexe X07073 und X07100; Wissenschaftliches von zwei Bronzeplatten in der angeschnittenen und bereits weitgehendTagebuch ausder Grabung 1966-1967.53, Einträge L. Berger vom geräumten Grubenhälfte des Recycling-Depots. Gut zu erkennen ist die auch 19.4. und 21.4.1966. In diesem Sinne auch Martin 1977, 24. in Profil 10 (Abb. 26,14) beobachtete Löschkalk-Schicht, welche ursprüng251 Der «Schmutzhorizont» konnte leider nur partiell dokumentiert lich auch die Grubenverfüllung überdeckte (vgl. Abb. 27,4). Rechts im Bild werden. Mauer 18. Zur Lage des Fundortes vgl. Abb. 23.
Abb. 26: Angst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Profil 10. Zur Lage vgl. Abb. 23. M. 1:60. 1 Anstehender Verwitterungslehm. 2 Mit Holzkohlepartikeln verschmutzte Partien auf der Oberkante des anstehenden Verwitterungslehmes. 3 Aus ockerfarbenem Lehm zusammengesetzte Pianieschicht aus der Zeit der Holzbauperiode. 4 Kiesplanie aus rheinischem Niederterrassenschotter. 5 Möglicherweise zu einem Schwellbalkenlager gehörende Kalkbruchsteine aus der Zeit der Holzbauperiode. 6 Aus fettem, ockerfarbenem und - im Bereich von Mauer 18 - mit Holzkohleeinschlüssen durchsetztem Lehm zusammengesetzte Pianieschicht a Zeit der Holzbauperiode. 7 Auf der Oberkante der Planie liegende Löschkalk-Schicht; könnte möglicherweise beim Verputzen einer auf dem Schwellbalkenlager (6) ruhenden der Holzbauten angefallen sein. 8 Wie 6: Aus fettem, ockerfarbenem und - im Bereich von Mauer 18 - mit Holzkohleeinschlüssen durchsetztem Lehm zusammengesetzte Pianiesc der Zeit der Holzbauperiode. 9 Substruktion und Feuerplatte einer (durch jüngere Eingriffe weitgehend zerstörten) Feuerstelle aus der Benützungszeit der Halle. 10 In situ liegen gebliebener Ascheabraum der Feuerstelle (9). 11 Nach der Beseitigung des nur noch punktuell erhaltenen Zerstörungsschuttes (vgl. Abb. 3,10) bzw. in der Frühphase der Nutzung der improvisie gestellten Halle abgelagerte Kulturschichten («dark earth»). 12 Jüngster Gehhorizont in der improvisiert instand gestellten Halle. 13 Nördlicher Ausläufer der muldenförmigen, in die älteren Sedimente eingetieften Grube des Recycling-Depots nach der Entfernung des Inhaltes ( 19 und 25). 14 Überrest der zur «Tarnung» des Recycling-Depots abgelagerten Löschkalk-Schicht. P9 Profil 9 (Abb. 21.).
In einem zweiten Schritt sind dann die Bruchstücke der bronzenen Verkleidungsplatten der beiden Statuenbasen
252
sorgfältig i n die Mulde geschichtet w o r d e n . 253
Unklar ist hingegen, ob die Grube bereits zu diesem Zeitpunkt mit der 1 0 x 2 5 Zentimeter grossen Kalksteinplatte abgedeckt worden ist oder ob diese erst später, bei der Auflassung der Halle (s. unten), auf das Depot gelegt worden ist. Die auch an anderen Stellen i n der Halle (Abb. 21,12) beobachtete weisse, rund sieben Zentimeter dicke Schicht aus g e l ö s c h t e m Kalk (Abb. 26,14) ist hingegen sicher erst bei der Auflassung der Halle abgelagert worden, da sie die Grube mit dem Depot teilweise überdeckte u n d an die e r w ä h n t e Kalksteinplatte anschloss (s. auch unten) . 254
Dieser Befund u n d eine i n unmittelbarer N ä h e errichtete Feuerstelle (Abb. 23,2; 27) lassen den Schluss zu, dass das Materialdepot offensichtlich sehr sorgfältig u n d i m Hinblick auf eine laufende Materialentnahme angelegt worden ist . Folglich kann es sich dabei nicht u m einen i n 255
aller Eile u n d zufällig hier dem Boden anvertrauten Hort eines ortsfremden Plünderers gehandelt haben. Aus diesem G r u n d m ö c h t e n wir für diese Art v o n Hortfunden bzw. Altmetalldepots den Begriff Recycling-Depot vorschlagen . 256
252 Fundkomplexe X07073 und X07100. Vgl. die Ausführungen von L. Berger (Seite 16 ff.) von B. Janietz (Appendix B). 253 Martin 1977, 24 f.; Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag L. Berger vom 21.4.1966. Das expressis verbis vermerkte Fehlen von Lehm und Mauerschutt in der (leider nicht dokumentierten) Grubenverfüllung (vgl. Abb. 26,13 und Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag L. Berger vom 19.4.1966) beweist übrigens auch, dass das Depot nicht erst nach der endgültigen Zerstörung der Insula 20, sondern eindeutig vor der Ablagerung des rund 40 cm mächtigen Mauerschuttes (Abb. 21,14) erfolgt sein muss. Aus diesem Grund kann ausgeschlossen werden, dass das Depot erst in nachrömischer Zeit angelegt worden ist (vgl. auch Martin 1977, 25 f.). 254 Wissenschaftliches Tagebuch der Grabung 1966-1967.53, Eintrag L. Berger vom 19.4.1966 («Weisskalk») und Dokumentation der Grabung 1966-1967.53, Detail 23 (hier Abb. 27), wo ausdrücklich vermerkt wird, dass es sich nicht um Mörtelschutt handeln kann und dass diese Löschkalk-Schicht (Abb. 26,14) nicht von der Grube durchschlagen worden ist. Angesichts eines ähnlichen Befundes in Profil 9 (Abb. 21,12) und in der Insula 31 (Martin 1978, Abb. 1) ist zu vermuten, dass der Löschkalk mögAbb. 27: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Detailzeichnung licherweise ursprünglich für die Bronzegiesserei verwendet worden ist. im Bereich der westlichen Abschlussmauer (Mauer 18a) der Halle im Südteil 255 In diesem Sinne auch Martin 1977, 24 f. der Insula 20. Zur Lage vgl. Abb. 23. M. 1:20. 256 Im Gegensatz zu den Schatz-, Hort- oder Verwahrfunden. Zur 1 Gehhorizont auf dem Hallenboden im Südteil der Insula 20. 2 Für die Aufnahme der Bronzeplatten (Abb. 19 und 25) angelegte GrubeUnterscheidung vgl. etwa W. Gaitsch, Ergologische Bemerkungen zum Hortfund im Königsforst und zu verwandten römides Recycling-Depots. 3 Aus tegulae-Fragmenten errichtete Herdstelle. Sie wurde, wie die inschen Metalldepots. Bonner Jahrb. 184, 1984, 379 ff.; E. Künzl, nächster Nähe gefundenen Bronzefragmente (Abb. 28) zeigen, zum Die Alamannenbeute aus dem Rhein bei Neupotz. PlünderungsEinschmelzen von Altmetall und höchstwahrscheinlich auch von Teilen gut aus dem römischen Gallien. RGZM Monogr. 34 (Mainz 1993) 357. 492; S. Boucher/LI. Oggiano-Bitar, Le trésor des bronzes de der beiden Statuenbasen verwendet. 4 Zur «Tarnung» der Grube mit dem Recycling-Depots eingebrachte Bavay. Rev. du Nord, hors série, Collection archéol. 3 (Lille Schicht aus Löschkalk. Der ohne vorgängige Dokumentation entfernte, 1993); S. Weinrich-Kemkes, Zwei Metalldepots aus dem römischen Vicus von Walldürn, Neckar-Odenwald-Kreis. Fundber. schraffierte Teil wurde in der Originaldokumentation nach Angaben des Baden-Württemberg 18, 1993, 253 ff. Ausgräbers ergänzt.
Für eine Interpretation als Recycling-Depot sprechen auch verschiedene kleingehackte Fragmente v o n qualität-
Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet,
findet
auch die Einlagerung der Verkleidungsplatten i n einer
vollen Bronzeprofilen, die bei einer unmittelbar neben
Grube eine Erklärung: Dem Besitzer dürfte bewusst gewe-
der Depotgrube
liegenden Herdstelle zum Vorschein
sen sein, dass i h m nach einer Wiederherstellung der
gekommen sind (Abb. 23,2; 27) . Diese Fragmente (Abb.
öffentlichen Ordnung bzw. bei der Entdeckung des offen-
257
28) stammen mit Sicherheit ebenfalls v o n g e p l ü n d e r t e n
sichtlich widerrechtlich erworbenen Gutes eine Bestra-
öffentlichen M o n u m e n t e n , sind aber zu wenig aussage-
fung drohte. Somit spiegelt die sorgfältige Einlagerung
kräftig, u m eine an Ort u n d Stelle - also i n der Insula 20
weniger die Angst des Besitzers, selbst Opfer eines Dieb-
- erfolgte Einschmelzung der fehlenden Teile der beiden Statuenbasen zu beweisen . Andererseits kann aber auch 258
bei keinem der Fragmente eine Zugehörigkeit zur Verkleidung einer der beiden Statuenbasen mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden (vgl. Abb. 28,1.2.3) . 259
Aus dem Befund (Abb. 27) u n d den Funden (Abb. 28) darf folglich mit Sicherheit geschlossen werden, dass i n der provisorisch instand gestellten Halle w ä h r e n d eines gewissen Zeitraumes Fragmente
von ursprünglich
an
öffentlichen G e b ä u d e n u n d M o n u m e n t e n angebrachten Bronzeteilen gesammelt
u n d eingeschmolzen
worden
s i n d . Darunter dürften sich auch ein Grossteil der feh260
lenden Verkleidungsplatten der beiden
Statuenbasen
befunden haben . 261
A n h a n d der j ü n g s t e n M ü n z e , eines zwischen 241 u n d 243(?) geprägten A n t o n i n i a n des Gordian III, lässt sich auch der terminus ad quem für die B e n ü t z u n g der Halle approximativ fixieren . Die Fundlage lässt aber 262
keinen eindeutigen
Rückschluss zu, ob diese
Münze
schon vor der ersten Zerstörung, w ä h r e n d der Benützungszeit der provisorisch instand gestellten Halle oder erst kurze Zeit vor der e n d g ü l t i g e n Zerstörung auf dem Hallenboden verloren wurde (Abb. 23,3) . 263
Schlussfolgerungen Aus der Demontage der u r s p r ü n g l i c h sicherlich an prominenter Stelle, d.h. h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h auf dem Forum
264
, aufgestellten Statuenbasen u n d aus dem oben
referierten Grabungsbefund
lassen sich einige archäo-
logisch-historische Informationen zur späteren Stadtgeschichte ableiten (Abb. 31): Zum einen kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass vor der Zerstörung der Statuenbasen ein Ereignis eingetreten sein muss, das die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe u n d Ordnung i n der Koloniestadt zumindest zeitweise - verhindert u n d damit die Plünderung v o n öffentlichen M o n u m e n t e n ü b e r h a u p t ermöglicht hatte . 265
Da das Depot sorgfältig und zudem i m Hinblick auf ein späteres, i n Ansätzen auch nachweisbares Recycling angelegt
worden ist, darf vermutet
werden, dass der
Bronzegiesser (oder sein Lieferant) i n dieser Katastrophe eher ein einmaliges Ereignis gesehen hat, welches ein Weiterleben i n der Koloniestadt auf längere Sicht nicht völlig zu v e r u n m ö g l i c h e n schien.
257 Fundkomplex X07103. Die Bestimmung der Fragmente (Abb. 28) und die Überprüfung des Sachverhaltes verdanke ich B. Janietz. 258 In diesem Sinne auch Martin 1977, 24 f. Dies trifft auch auf verschiedene andere Bronzefragmente (u. a. Fundkomplexe X07308 [Inv. 1967.10108-1967.10121; 1967.10170-1967.10172]; X07320 [Inv. 1967.10431-1967.10433; 1967.10360-1967.10373]) und Schmelztiegelfragment (Fundkomplex X07257 [Inv. 1967.6480]) zu, die auf dem Hallenboden verstreut gefunden worden sind. Aus diesem Fundzusammenhang stammen auch Fragmente von weiteren Bronzeinschriften (Inv. 1967.18948 und 1967.2477; zur Bedeutung derartiger Funde vgl. die in Anm. 264 angeführte Literatur) und Fragmente von Gewandstatuen (Inv. 1967.1954; 1967.5189; 1967.6282). 259 Die Hinweise verdanke ich B. Janietz. Zur Rekonstruktion der Verkleidung der beiden Statuenbasen vgl. die Beiträge von L. Berger (bes. Abb. 6 und 7) und von B. Janietz (Appendix B; Abb. 57 und 58). 260 Dies bezeugt z. B. auch der Befund beim Forumtempel 0anietz Schwarz, in: Schwarz 1991a, bes. 189 ff.) und Deschler-Erb/ Schwarz 1993, 180 mit Anm. 56, jeweils mit Verweis auf den sog. Schrottfund aus der Insula 28 (vgl. dazu Martin 1977, 22 ff. und B. Rütti, in: Janietz Schwarz/Rouiller 1996, 13 ff.). 261 Vgl. den Beitrag von L. Berger (bes. Abb. 6 und 7) und von B. Janietz (Appendix B; bes. Abb. 57 und 58). In diesem Sinne bereits Martin 1977, 24 f. - Siehe ferner Martin 1978, 112 ff. 262 Fundkomplex X07255. S. dazu Peter 1996, Kat.-Nr. Ins. 20/112. Die Fundhöhe von 294,60 m ü. M . liegt auf der Kote der vor der ersten Zerstörung bzw. während der Nutzung der instand gestellten Halle abgelagerten Kulturschichten (vgl. Abb. 21,9.13 bzw. 26,11.12). 263 Da diese Prägungen bis nach der Mitte des 3. Jhs. zirkulierten, ist der dadurch gewonnene terminus ad quem letztendlich auch aus numismatischer Sicht für die Feinchronologie unerheblich. Für Diskussionen in diesem Zusammenhang danke ich M . Peter. 264 Vgl. in diesem Zusammenhang auch B. Rütti, in: Janietz Schwarz/Rouiller 1996, 13 ff.; R. Frei-Stolba, Rechtstexte auf Bronzefragmenten aus Augst, Avenches und Genf. In: R. FreiStolba/M. A. Speidel (Hrsg.), Römische Inschriften - Neufunde, Neulesungen und Neuinterpretationen. Festschrift für Hans Lieb. Arbeiten zur römischen Epigraphik und Altertumskunde 2 (Basel 1995) 217 ff. bes. 218 f. sowie E. Weber, Bronzeinschriften und Inschriften auf Bronze. Röm. Österreich 9/10, 1981/1982, 209 ff. bes. 210 ff. (Bronzeplatten mit dem Stadtrecht aus einem Recycling-Depot in Lauriacum, welche zerhackt und offenbar in der spätantiken scutaria eingeschmolzen werden sollten. Ein Passstück zu einem Streufund aus dem Lagerareal wurde in rund 800 m Entfernung in der Zivilstadt, in einem Heizkanal des frühen 4. Jhs. n. Chr., gefunden.) 265 Bereits M . Martin (1977, 24 f.) weist darauf hin, dass es sich eindeutig um «widerrechtlich erworbenes Gut» gehandelt haben muss. Ein Zusammenhang mit einer staatlich sanktionierten «Sammelaktion» (durch Militäreinheiten?) in der (partiell) zerstörten Stadt darf folglich ausgeschlossen werden (s. auch Martin 1977, 26 mit Anm. 23).
Abb. 28: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Zusammenstellung der im Umkreis der Herdstelle (Abb. 9,3) gefundenen Bronzefrag Fundkomplex X07103 (Katalog nach Angaben von B. Janietz; zur Terminologie vgl. Janietz Schwarz/Rouiller 1996). M. 1:3. 1 Fragment vom unteren, ornamentierten Teil eines Kranzprofiles (Inv. 1967.2531). Erhalten sind die untere Abschlussleiste in Form eines A darüber ein lesbisches Kyma, dessen erhaltener Zwickel mit einer hängenden Palmette gefüllt ist. Die Rückseite ist eben; von ihrer sorgfältigen zeugen die in Längsrichtung verlaufenden Feilspuren. Das Fragment entspricht in Grösse und Abfolge der Ornamente einem sehr ähnlichen K (Inv. 1961.2015) aus dem sog. «Schrottfund» aus der Insula 28 (bei Janietz Schwarz/Rouiller 1996 noch nicht aufgeführt). - Die Zugehörigk Emerita-Fragment bzw. zur Verkleidung dieser Statuenbasis ist in Erwägung zu ziehen (vgl. Beitrag B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 58). 2 Fragment vom oberen, glatten Teil eines Kranzgesimses? (Inv. 1967.2523). Die Vorderseite ist mit einer langrechteckigen Plattierung ausg zweite, unterhalb der originalen Abschlusskante, ist herausgefallen. An der Rückseite entlang der Abschlusskante befindet sich Bleiverguss auf ber mit dem Schaber geglätteten Streifen. Die Bestimmung des Plattenstückes erfolgt aufgrund des Bleivergusses und seines Profiles mit einer 90° abgewinkelten Ecke oberhalb der unteren Bruchkante. - Die Zugehörigkeit zum Nuncupator-Fragment bzw. zur Verkleidung dieser Statuen Erwägung zu ziehen (vgl. Beitrag B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 57). 3 Fragment einer Profilleiste in Form eines glatten lesbischen Kymas (Inv. 1967.2534). Wegen der Dicke und der im Wachsmodell angebra Strichspuren auf der Rückseite entspricht das Fragment wie kein anderes dem Sockelprofil P (s. Beitrag von B. Janietz, Appendix B, bes. Ab Fragment gehört höchstwahrscheinlich zum Emerita-Fragment bzw. zur Verkleidung dieser Statuenbasis (vgl. Beitrag B. Janietz, Appendix B, 58). 4 Rückseite eines Fragmentes mit einer gekehlten Profilleiste (Inv. 1967.2535). Die Rückseite ist konvex und mit groben Meisselschlägen abgek dem rechteckigen, tiefen Loch scheint es sich um eine schon im Wachs angebrachte Vertiefung zu handeln, deren Funktion jedoch nicht e - Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Statuenbasen ist fraglich (vgl. Beitrag B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 57 und 58). 5 Fragment einer Profilleiste? (Inv. 1967.2525). Die Zugehörigkeit des geschweiften Fragmentes zu einer der beiden Statuenbasen ist fraglich B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 57 und 58). 6 Fragment mit profilierter Vorderseite (Inv. 1967.2532): Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Statuenbasen scheint unwahrscheinlich (vg B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 57 und 58). 7 Leicht konvexes Fragment (Inv. 1967.2533). Die Zugehörigkeit des dünnen Fragmentes zu einer der beiden Statuenbasen scheint unwahrsch Beitrag B. Janietz, Appendix B, bes. Abb. 57 und 58). 8 Sehr dünnes Bronzefragment (Inv. 1967.2536). Die Vorderseite ist mit gleichmässigen, parallelen Polierspuren bedeckt. Auf der Rückseite befin kräftige, kreuz und quer verlaufende Feilspuren. - Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Statuenbasen scheint unwahrscheinlich (vgl. Beitrag Appendix B, bes. Abb. 57 und 58).
Stahls zu werden, wider, sondern vermutlich eher seine Furcht vor einer Bestrafung bei einer Entdeckung seines Diebesgutes . In der Demontage der beiden Statuen266
basen k ö n n t e sich also indirekt die e r w ä h n t e Erdbebenkatastrophe
267
bzw. der daraus resultierende, t e m p o r ä r e
Zusammenbruch der öffentlichen Ruhe u n d O r d n u n g widerspiegeln . 268
Problematischer gestaltet sich hingegen die Suche nach einer Erklärung für die Zurücklassung
der rund 21
Kilogramm wiegenden Bronzeplatten . Aus dieser Alt269
metallmenge h ä t t e n n ä m l i c h i m m e r h i n etwa 37 Venusstatuetten
270
oder gegen 313 Zwiebelkopffibeln
sen werden k ö n n e n .
271
gegos-
266 Zu den diesbezüglichen Rechtsquellen s. etwa A. Blanchet, Les enceintes Romaines de la Gaule. Etude sur l'origine d'un grand nombre de villes françaises (Paris 1907) 312 (mit Verweisen auf den Codex Theodosianus). 267 Dazu Schwarz 1992, 58 Anm. 32 und Schwarz 1996, 61 f. mit weiterführender Literatur. 268 S. Schwarz/Kastelen 4 (in Vorbereitung). 269 Der Zusammenzug der Gewichtangaben von B. Janietz ergibt 20,909 kg (vgl. Appendix B). 270 Berechnungsbasis bildete die 18,7 cm hohe Venusstatuette aus der Insula 23 (A. Kaufmann-Heinimann, Die römischen Bronzen der Schweiz I. Augst und das Gebiet der Colonia Augusta Raurica [Mainz 1977| Nr. 69); Statuette und Sockel sind rund 560 g schwer. Die Gewichtsangabe verdanke ich D. Liebel. 271 Berechnungsbasis bildete die 67 g schwere Zwiebelknopffibel Riha 1979, Nr. 1470. Die Gewichtsangabe verdanke ich V. Vogel Müller.
Abb. 29: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Aus zwei Kalottenhälften zusammengesetzter, spätrömischer Eisenhelm mit Scheitelrippe, Na schutz und Wangenklappen (Fundkomplex Z01719; Inv. 1967.12557). Links: Vorderansicht; Mitte: Seitenansicht; rechts: Schrägansicht. Der ursp sassanidische Helmtyp spielt spätestens ab constantinischer Zeit eine wichtige Rolle in der spätrömischen Schutzbewaffnung. Befund und Münzfunde (s bei Anm. 274) könnten dafür sprechen, dass dieser Helm bereits im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts in den Boden gekommen ist. M. 1:5.
• Abb. 30: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Zusammenstellung der in der Insula 20 gefundenen Militaria. M. 2:3 (10 = M. 2:1) Beschläge 3-12 wurden beieinander gefunden und bilden ein Ensemble. 1 Vierkantige Geschossspitze mit geschlitzter Tülle aus Eisen. Stark korrodiert (Fundkomplex X07320; Inv. 1967.10371). 2 Geschossbolzen mit abgesetzter vierkantiger Spitze aus Eisen. In der stark korrodierten Tülle Reste von rostkonserviertem Holz; Spitze durch A einen harten Gegenstand leicht gestaucht (Fundkomplex X07168; Inv. 1967.4881). 3 Muschelförmiger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10970). 4 Muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10969). 5 Muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10968). 6 Muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze. Auf der Schauseite gut erkennbare Hiebspur (Fundkomplex X Inv. 1967.10964). 7 Muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10965). 8 Leicht beschädigter muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10967). 9 Muschelförrniger Beschlag mit zwei Stiften mit flachen Gegenknöpfen aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10966). 10 37 Beschläge mit pilzförmigem Kopf mit Stift und flachem Gegenknopf aus Bronze (Fundkomplex X06748; Inv. 1967.10974). 11 Beschlag mit zwei Stiften und flachen Gegenknöpfen aus Bronze; die Verzierung ist nach dem Guss eingraviert worden (Fundkomplex X06 1967.10971) . 12 Beschlag mit zwei Stiften und flachen Gegenknöpfen aus Bronze; die Verzierung ist nach dem Guss eingraviert worden (Fundkomplex X06 1967.10972) . 13 Beschlag mit zwei Stiften aus Bronze. In den Vertiefungen zwischen den Stegen dürftige Reste von Emaileinlagen (Fundkomplex X070 1967.10426). 14 Gegossener Doppelknopf aus Bronze mit flachem Kopf und Gegenknopf. Am Verbindungsstift gut erkennbare Gussnaht (Fundkomplex X067 1966.8589). 15 Runder Beschlag mit Stift und Gegenknopf aus Bronze (Fundkomplex X07002; Inv. 1967.2270). 16 Runder Beschlag mit Stift und Gegenknopf aus Bronze (Fundkomplex X07159; Inv. 1967.5274).
Eine einigermassen plausible Antwort lässt sich indirekt v o n den bereits e r w ä h n t e n Schuttschichten auf dem Hallenboden (Abb. 21,14) ableiten, welche das RecyclingDepot ü b e r l a g e r t e n . Die auf dem Zerstörungsschutt 272
gefundenen Antoniniane des Gallienus (gepr. 253-254 n. Chr.), des Tetricus I (gepr. 274 n. Chr.) u n d des Tacitus (gepr. 275-276 n. C h r . )
273
sowie der vollständig erhaltene
s p ä t r ö m i s c h e Eisenhelm (Abb. 2 9 )
274
u n d die i n doch
recht grosser Zahl zum Vorschein gekommenen Militaria
272 Dieser Sachverhalt ist in Profil 10 (Abb. 26) leider nicht ersichtlich, jedoch im «Wissenschaftlichen Tagebuch» der Grabung 1966-1967.53 festgehalten (Eintrag L. Berger vom 19.4.1966). 273 Peter 1996, Kat.-Nr. Ins. 20/112-115. 274 Fundkomplex Z01719 (Inv. 1967.12557). Der Helm wurde von M . Hartmann/H. Weber, Die Römer im Aargau (Aarau, Frankfurt a. Main 1985) Abb. 3 irrtümlicherweise als aus Kaiseraugst stammend bezeichnet. Vgl. ferner M . Martin, Römermuseum und Römerhaus Augst. Augster Museumsh. 4 (Augst 1981 , 1987 ) 54, H. Pflug, Schutz und Zier. Helme aus dem Antikenmuseum Berlin und Waffen aus anderen Sammlungen (Basel 1989) 42 mit Abb. 40 und M . Feugère, Casques antiques. Les visages de la guerre de Mycènes à la fin de l'Empire romain (Paris 1994) 144 ff. - Obschon M . Martin (op. cit. sup.) und M . Feugère (op. cit. sup.) den Helm übereinstimmend in das 4. Jh. n. Chr. datieren, möchten wir - angesichts der Tatsache, dass dieser ursprünglich sassanidische Helmtyp spätestens in konstantinischer Zeit auftaucht (vgl. Pflug, op. cit. sup.) und wegen des Fehlens von Münzen aus dem 4. Jh. n. Chr. - eine Datierung in die 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. nicht ausschliessen. Dafür könnte auch die Tatsache sprechen, dass die Anwesenheit von östlichen Reitertruppen für diesen Zeitraum auch durch andere Militaria bezeugt ist (vgl. Deschler-Erb/Schwarz 1993, Abb. 5). 1
D E P O T
é
2
< Abb. 31: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Zeichnerische Rekonstruktion der aus den Befunden erschlossenen Ereignisse. M. 1:500. 1 Zerstörung der im Südteil der Insula 20 gelegenen Halle durch ein für die vierziger Jahre des 3. Jahrhunderts vermutetes Erdbeben. 2 Provisorische Instandstellung der Halle durch den Einbau von Spol ienkons truktionen. 3 Kurze Zeit, vielleicht sogar unmittelbar nach der Instandstellung, wird an der westlichen Abschlussmauer eine Grube für die Aufnahme des Recycling-Depots mit den Bronzeplatten der beiden Statuenbasen angelegt 4 Nutzung der Halle als Bronzegiesserei. Im Zuge der Altmetallverwertung wird vermutlich auch ein Teil der heute fehlenden Verkleidungsplatten der beiden Statuenbasen eingeschmolzen. 5 Das Recycling-Depot wird vom Eigentümer - vielleicht aus Angst vor kriegerischen Ereignissen - mit einer Löschkalk-Schicht und einer Kalksteinplatte getarnt. Das in situ verbliebene Recycling-Depot wird im Verlaufe der fünfziger oder sechziger Jahre des 3. Jahrhunderts vom Schutt der allmählich verfällenden oder durch ein kriegerisches Ereignis zerstörten Westmauer der Halle überdeckt. 6 Auf dem Mauerschutt liegende Militärfunde und Skelettteile mit Hiebspuren sowie Münzen bezeugen, dass sich in der Halle in den siebziger Jahren des 3. Jahrhunderts kriegerische Auseinandersetzungen ereignen. 7 Das von Schutt überdeckte Depot gerät im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr in Vergessenheit. 8 Entdeckung des Depots im Zuge einer Notgrabung am 19. April 1966.
(Abb. 30) lassen jedenfalls einen Zusammenhang mit den in anderen
Stadtteilen nachgewiesenen
kriegerischen
Auseinandersetzungen der Jahre 273/275 vermuten (Abb. 31) . 275
Für diese Interpretation der über das ganze Areal verstreuten
Waffen u n d Ausrüstungsbestandteile (vgl.
Legende v o n Abb. 30) sprechen auch die v o n einer offensichtlich zerstückelten Leiche stammenden
Knochen,
welche i n der n ö r d l i c h e n Ecke des Peristyls gefunden w u r d e n . Aus Fundlage der Menschenknochen und 276
Militaria (Abb. 29 u n d 30) - sie lagen ebenfalls auf dem Zerstörungsschutt (Abb. 21,14) - darf gefolgert werden, dass die Insula 20 i n den Jahren u m 273/275 bereits aufgelassen bzw. verfallen war oder allenfalls i m Zusammenhang mit diesen kriegerischen Ereignissen zerstört worden ist . 277
Die Auflassung der Werkhalle k ö n n t e folglich schon geraume Zeit vorher, vielleicht schon i n den fünfziger, sicher aber i n den sechziger Jahren des 3. Jahrhunderts erfolgt sein. Da das Recycling-Depot nach Aussage des Befundes vor der Zurücklassung mit einer Kalksteinplatte abgedeckt u n d die Grube überdies mit einer LöschkalkSchicht sorgfältig «getarnt» wurde, ist zu vermuten, dass der Besitzer das Depot möglicherweise nur vorübergehend i m Boden belassen bzw. einem fremden Zugriff entziehen wollte. Deshalb kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Zurücklassung des RecyclingDepots schon zu einem früheren Zeitpunkt - vielleicht i m Zusammenhang mit den vermuteten «Angsthorizonten» des Jahres 253/254 oder des Jahres 260 - erfolgte . 278
Wie bei den mehr oder weniger zeitgleich verborgenen « S c h a t z f u n d e n »
279
ist lediglich gesichert, dass der Tod
oder die Nichtwiederkehr des geflüchteten Besitzers eine spätere Bergung des Depots verhindert hat.
275 Vgl. dazu S. Martin-Kilcher, Ein silbernes Schwertortband mit Niellodekor und weitere Militärfunde des 3. Jahrhunderts aus Augst. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 5, 1985, 147 ff. mit Abb. 2 und bes. 191 ff. 276 Schibler/Furger 1988, 179 ff. (Fundkomplexe X06869, X06874 [abgebildet bei Furger 1994, Abb. 9 rechts] und X06895 z. T. mit Schnittspuren). Zur Interpretation der Schnittspuren Schibler/Furger 1988, 192 ff. und Tab. 62. 277 Die Genese dieser (zweiten) Schuttschicht (eigentliche Zerstörung? oder allmählicher Zerfall nach Auflassung?) lässt sich in diesem Falle anhand der dokumentierten Befunde nicht bestimmen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch P.-A. Schwarz (mit einem Beitrag von M . Schaub), Die spätrömische Befestigung auf Kastelen in Augst BL - Ein Vorbericht. Jahresber. Augst u. Kaiseraugst 11, 1990, 25 ff. bes. 30 ff. und Anm. 12 und Schwarz 1996, 64 f. (zur Chronologie der Ereignisse der späteren Stadtgeschichte). 278 Eine Zusammenstellung der so interpretierten Indizien findet sich i n Deschler-Erb/Schwarz 1993, 181 mit A n m . 63 (vgl. dazu allerdings die relativierenden Bemerkungen bei Schwarz 1996, 60).
Appendix B zu Testimonium 2: Der technologische Befund an den Bronzeplatten und die Rekonstruktion der Inschriften der beiden Statuenbasen Bettina Janietz* 2
Einleitung
massiven, gegossenen Profilleiste (P) sind als Überreste der Bronzeverkleidung v o n gemauerten Statuenbasen zu
Die drei bislang einer einzigen Bronzeplatte zugewiesenen Inschriftenfragmente (Abb. 32)
281
waren i n spätrömi-
identifizieren : 284
•
Das nahezu quadratische
Inschriftenfragment
(A)
scher Zeit zusammen mit elf weiteren Plattenfragmenten
nennt einen L. OCTAVIUS u n d stammt mit dem
sowie einem Stück v o n einem Sockelprofil i n einem sog.
anpassenden schmalen Fragment v o m darauf folgen-
Recycling-Depot i n der Insula 20 verborgen w o r d e n . Im
den Zeilenanfang (B) v o m oberen linken Viertel einer
282
Sommer 1992 wurden die insgesamt fünfzehn Fragmente
Inschriftenplatte
auf Anregung v o n L. Berger h i n gesichtet
ment: Abb. 33 u n d 57).
u n d ihre
Vorderseiten anschliessend gereinigt . Die neuen Beob283
achtungen
und
Ergebnisse der daraufhin
erfolgten
•
Das zweite hochrechteckige Inschriftenfragment von
tenfragmente i n Zusammenhang mit allen übrigen Bron-
Inschriftenplatte
zeplatten aus dem sog. Recycling-Depot.
Abb. 34 u n d 58).
mindestens
vier, eventuell fünf
(C)
mit der N e n n u n g des Beinamens EMERITA stammt
Untersuchung rechtfertigen die Neuvorlage der Inschrif-
Die vierzehn Plattenfragmente
(im Folgenden Nuncup ator-Frag-
der
unteren
rechten
Ecke einer
(im Folgenden
zweiten
Emerita-Fragment:
(A-O) stammen v o n gegossenen
Bronze-
platten. Sie wie auch das mitgefundene Bruchstück einer
LOCI COLONIA
'IAAPOLL IN
AVGVSTA
280 Für wichtige Hinweise und kritische Diskussionen danke ich vor allem Ludwig Berger und Rudi Känel, München, sowie den Augster Kolleginnen und Kollegen Alex R. Furger, Detlef Liebel, Claudia Neukom Radtke, Markus Peter, Christine Pugin, Peter Schaad und Peter-A. Schwarz sehr herzlich. Mein besonderer Dank gilt Markus Schaub, der an der Lösung schwieriger Probleme beteiligt war (v. a. betr. Abb. 57 und 58) und das Manuskript kritisch gelesen hat sowie Joseph Riederer für die Durchführung der weiter unten (Appendix C) erläuterten Metallanalysen. - Stefanie Martin-Kilcher danke ich für die erste Diskussion der neu entdeckten Graffiti und Michael A. Speidel für seine Bereitschaft, den diesbezüglichen Beitrag (Appendix D) zu übernehmen. 281 Lieb 1974. 282 S. Beitrag P.-A. Schwarz (Appendix A).
283 Das Freilegen der Aussenfläche aller Fragmente besorgten Christine Pugin (s. Anm. 313) und Detlef Liebel, Konservierungsund Ruinendienst der Römerstadt Augusta Raurica. 284 Die Deutung als Verkleidungsplatten eines Statuensockels erwog schon Lieb 1974, 417 mit Anm. 18. - Generell ist die Entscheidung, ob eine bronzene Sockelverkleidung von einer Statuenbasis oder von einem Weihealtar stammt, anhand formaler Kriterien schwierig bzw. unmöglich, wenn nicht gerade eine patera oder die pulvini vorhanden sind, und so die Bestimmung als Altarverkleidung ermöglichen: Rossignani 1969, 48 ff. Dieselbe Abb. 32: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Alter Rekon- Schwierigkeit würde sich bei den weitaus zahlreicher erhaltenen Steinsockeln stellen, wenn nicht jeweils das Formular der struktionsvorschlag der ehemals so genannten Nuncupator-Inschrift mit Inschrift ihre Funktion als Weihealtar oder Statuenbasis zu den Fragmenten A, B und C nach Lieb 1974, 419. Der schraffierte Teil erkennen gäbe: Alföldy 1984, 24 f. So schliessen auch in unserem des an A passenden Fragmentes B ist im fahre 1973 bei der Probenentnahme für eine Metallanalyse abgesägt und zerstört worden. M. 1:12. Falle die Inschriften eine Verwendung als Weihealtar aus.
73
•
Acht unbeschriftete Plattenfragmente (D-L) passen aneinander u n d sichern die Rekonstruktion einer Seitenplatte mit 105,8 Zentimeter H ö h e u n d 91,2 Zentimeter Breite (Abb. 35. 40. 58). Dies widerspricht der bisherigen
E r g ä n z u n g der drei
Inschriften-
fragmente (A-C) zu einer Inschriftenplatte v o n zirka 82 Zentimeter H ö h e u n d zirka 90 Zentimeter Breite (Abb. 32) . 285
Abb. 36: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Nicht anpassende Fragmente M, N, O und P. Nach Aussage der Metallanalyse (vgl. Beitrag J. Abb. 33: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). NuncupatorRiederer; Appendix C, Tabelle 12) könnte das Fragment M ebenfalls von der Fragment (Fragmente A und B). M. 1:5. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 57. Seitenplatte oder von einer identisch legierten Seitenplatte stammen. Fragment P stammt von einem Sockelprofil, das der Statuenbasis des EmeritaFragmentes zugewiesen wird (vgl. Abb. 58). - Die Fragmente eines seitlichen (N) und eines unteren Randstreifens (O) stammen von einer Seitenplatte der Nuncupator-Basis (vgl. Abb. 57). M. 1:5.
•
Zwei nicht anpassende Fragmente (N-O) sind aufgrund eines eigenen Legierungstyps einer vierten Verkleidungsplatte zuzuweisen (Abb. 36. 42. 43. 57) . 286
•
E i n einzelnes, nicht anpassendes Fragment (M) stammt entweder v o n der rekonstruierten Seitenplatte (Fragmente D - L ) oder aber v o n einer
fünften
Verkleidungsplatte vergleichbaren Zuschnitts (Abb. 36. 41. 58). •
Das Fragment einer Profilleiste (P) g e h ö r t zu demselben Fundkomplex wie die Fragmente der glatten Seitenplatten u n d stammt v o n einem profilierten Basenfuss (Abb. 36. 44. 58).
285 Vgl. etwa Lieb 1974; M . Martin, Römermuseum und Römerhaus Augst. Augster Museumsh. 4 (Augst 1987 ) 31; R. Fellmann, La Suisse gallo-romaine. Cinq siècles d'histoire (Lausanne 1992) Abb. 13. 2
286 S. unten und Beitrag J. Riederer (Appendix C, Tabelle 9).
E
Abb. 35: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fotomontage der anpassenden Fragmente D, E, F, G, H, I, K und L. Die in Höh rekonstruierende glatte Seitenplatte wird der Statuenbasis des Emerita-Fragmentes (C) zugewiesen. M. 1:5. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 58.
Katalog der Fragmente A - P
marken zu erkennen, u n d an den Ansätzen der Serifen, Kommata u n d des Efeublatts befinden sich Brauen (Abb.
Die Gliederung der aus den erhaltenen Fragmenten rekon-
48).
struierten Verkleidungsplatten stimmt prinzipiell über-
Auf dem Nuncupator-Fragment (A) wurde die Schrift
ein, indem ein Innenfeld durch eine 1,6 Zentimeter brei-
generell tiefer eingraviert, so dass sich die Buchstaben auf
te, glatte Profilleiste i n Form eines lesbischen Kyma
der Plattenrückseite d u r c h g e d r ü c k t haben. In der 1. Zeile,
gerahmt ist. Der Unterschied besteht i n der umlaufenden,
beim L, beim T u n d beim A, wurde die Rückseite sogar
vierseitigen Rahmung der Inschriftenplatten gegenüber
durch Unachtsamkeit durchstossen, woraufhin man diese
dem nur an drei Seiten eingefassten Innenfeld der voll-
Löcher v o n der Rückseite her mit Weichlot verlötete
ständig zu rekonstruierenden Seitenplatte des Sockels,
(Abb. 4 9 ) . 291
dem auch das Emerita-Fragment (C) zugewiesen wird.
Die Zerstörung der Platten erfolgte, indem man zuerst
Hier enden die beiden seitlichen Profilleisten kurz ober-
die Platten nach der Demontage i n der Mitte faltete u n d
halb der Plattenunterkante (Abb. 35 u n d 40). Eine vier-
sooft gegeneinander verbog, bis sie auseinanderbrachen.
seitige Rahmung ist hingegen für die Seitenplatten des
Dieser Vorgang wurde bei den grösseren Bruchstücken
zweiten Sockels mit der Nuncupator-Inschrift anzuneh-
wiederholt. Für E r m ü d u n g s b r ü c h e typisch sind die an-
men, wie die beiden nicht anpassenden, aber zu lokali-
passenden Bruchränder v o n benachbarten
sierenden Fragmente N u n d O nahe legen.
jeweils i n dieselbe Richtung nach vorne oder hinten ver-
Fragmenten
Die aussen an die Profilleiste anschliessenden glatten
bogen (Abb. 35). Die Brüche i m Bereich der Randstreifen
Randstreifen sind unterschiedlich breit u n d variieren zwi-
verlaufen i n der Regel entlang der Profilleisten bzw. i m
schen 6,1 u n d 8,2 Zentimeter. Einige v o n i h n e n haben
Falle der beiden Inschriftenfragmente
Kanten, die zur Rückseite h i n abgeschrägt sind. In diesem
der beim Ausmeissein der 4. bzw. 6. Zeile entstandenen
Fall befindet sich Bleiverguss an der Rückseite, i m Bereich
horizontalen Meisselkanten der «Rasuren».
des Plattenrandes
i n Verlängerung
(Abb. 56). Die Kanten der übrigen
Randstreifen hingegen sind rechtwinklig; hier verläuft an der Vorderseite, entlang des Randes, ein schon i m Wachsmodell der Güsse m i n i m a l e r h ö h t e r
Montage-
streifen, der später, am fertiggestellten Sockel, nicht mehr
A
Fragment v o m oberen linken Viertel einer Inschrift mit linkem und oberem Randstreifen (Abb. 33. 37. 47. 49. 52. 53. 57) . Inv.: 1967.2538 (Lieb 1974, Nr. 1). 292
Fundkomplex: X07100.
mit einer groben Feile kräftig aufgerauht, damit der für
Masse: 46,3x36,8 c m . Lichte Weite oberer Randstreifen: 6,1 cm, Breite Montagestreifen: 1,3 c m (Total: 7,4 cm). Breite l i n ker Randstreifen: 6,1 c m .
die Montage der Sockelverkleidung verwendete, n o c h an
Gewicht: 3930 g.
sichtbar war. Die Montagestreifen wurden nach dem Guss
vielen Stellen erhaltene Bleiverguss besser anhaftete (Abb. 35). Abzüglich der Montagestreifen, die v o n mit Blei vergossenen Profilen verblendet waren, entsprach die lichte Weite der breiteren Randstreifen nach Abschluss der Montage i n etwa der Breite der schmalen Randstreifen ohne Bleiverguss an der Aussenfläche . 287
Werkspuren v o n der Nacharbeit des Gussstückes sind an der Rückseite der Platten i n zumeist parallel zu den Kanten verlaufenden Feilspuren erhalten, die v o n einzelnen, schräg verlaufenden Bahnen gekreuzt werden . Im 288
Bereich der Plattenkanten setzt sich jeweils ein Streifen mit rechtwinklig dazu stehenden Feilspuren ab (Abb. 46 u n d 49). Die Vorderseite der Fragmente ist v o n haarfeinen, parallel u n d horizontal verlaufenden Schleifspuren bedeckt, die das abschliessende Polieren der Platten h i n terlassen hat (Abb. 47 u n d 48). Die Buchstaben m ü s s e n nach dem Guss mit einem Zieheisen eingeschnitten worden s e i n . Dies bezeugen 289
waagrechte Hilfslinien oberhalb u n d unterhalb der Zeilen u n d auch die aufgeschnittenen
Gussporen an der
Wandung der eingetieften Buchstaben, welche sich beim
287 S. unten mit Abb. 56. 288 Zur Feiltechnik s. A. Mutz, Römische Eisenwerkzeuge aus Augst. Technologische Untersuchungen und Vergleiche mit modernen Parallelen. In: Provincialia. Festschr. f. Rudolf Laur-Belart (Basel/Stuttgart 1968) 151 ff. (Abdruck in: Beiträge und Bibliographie zur Augster Forschung [Basel 1975] 151 ff.) bes. 157 ff. Abb. 7,a.b. 289 Derartige Hilfslinien finden sich auch auf verschiedenen Steininschriften. Vgl. Schwarz/Berger (in Vorbereitung) Kat.-Nr. 49. 51. 54-56. 59. 70. 71. 73. 75. 80. 82. 88. 290 Notiz von Goldschmiedemeister Ernst Foltz, damals RömischGermanisches Zentralmuseum Mainz, nach Autopsie der beiden grossen Inschriftenplatten am 12.11.1979: «Die Tafel ist gegossen. ... So sind auf der sorgfältig geglätteten Fläche nur sehr wenige Gussporen zu finden, während in den Buchstaben ... zahlreiche Poren aufgeschnitten wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Schrift in das Metall geschnitten wurde und nicht schon im Modell vorhanden war. ... Die Frage, ob die Buchstaben nicht schon im Gussmodell vorhanden gewesen sein könnten, lässt sich nicht mit Sicherheit verneinen, denn das Aussehen der Schnittflächen wäre gleich, ob ganz geschnitten oder nur nachgeschnitten. Ob die Gussporen jedoch beim Nachschneiden so stark hervorkämen, bezweifle ich.»
wären (Abb. 47. 48. 54) . In den Hasten u n d besonders
291 Eine nach dem Guss eingemeisselte Inschrift trägt eine Platte, die zusammen mit dem Bronzebildnis des L. Cornelius Piso in Rom gefunden wurde: s. K. Kluge/K. Lehmann-Hartleben, Die antiken Grossbronzen 2 (Berlin, Leipzig 1927) 7 und hier Anm. 306.
i n den Rundungen sind zudem Ziehspuren u n d Ratter-
292 S. dazu auch Lieb 1974, 417 unter Nr. 1.
Guss unter der Oberfläche des Gussstückes bilden u n d ohne n a c h t r ä g l i c h e mechanische Eingriffe nicht sichtbar 290
Passfragment: Fragment B. Erhaltung: Links senkrechte Profilleiste mit Randstreifen; oben waagrechte Profilleiste mit Randstreifen. Rechts sowie unten i m Bereich der Profilleiste ein kurzes Stück Bruchkante. Beschreibung: Die untere Kante des Fragmentes verläuft waagrecht, genau i n der Mitte zwischen zwei Zeilen. Sie ist links ab der Profilleiste bis heran an den Satzspiegel Bruchkante; ab dort hingegen eine abgeschrägte Meisselkante, welche v o n 18 i n u n r e g e l m ä s s i g e m Abstand gesetzten S t e m m l ö c h e r n aufgerissen ist. A n der Schräge der Meisselkante haften Spuren v o n Weichlot (Abb. 53). Oberhalb u n d parallel zu ihr verlaufen breite Ziehspuren über die Oberfläche bis i n die erhaltene Colonia-Zeile h i n e i n und verletzen die Kanten der Buchstaben i m unteren Bereich (Abb. 47). Die Kante des oberen Randstreifens ist rechtwinklig u n d auf dem Montagestreifen sind Reste v o n Bleiverguss erhalten. Hingegen ist die Seitenkante nach hinten abgeschrägt, u n d Reste v o n Bleiverguss befinden sich an der Rückseite. A n der Aussenfläche ist die Ecke schräg überfeilt.
Die Buchstaben der ersten Zeile sind stellenweise so tief ausgehoben worden, dass die Plattenrückseite mehrmals durchstossen wurde: die Hasta des L oben und unten, die rechte Serife des T, die Spitze v o m A. Das an diesen Stellen auf der Rückseite befindliche Weichlot muss v o n der Reparatur dieser Fehlstellen stammen (Abb. 49). Inschrift: L O C T A / N V N C V / C O L O N I A I / .
Graffiti : 1. ++B 293
2. TIPIC++ 3. +++ 4. E M E N D A . . . l / V I U M +0++ Position: Oben links (Abb. 57). Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 26-32 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6]).
293 S. Beitrag M . A. Speidel (Appendix D, Abb. 71).
Fragment mit Zeilenanfang (Abb. 33. 38. 5 5 ) . Inv.: 1967.2524 (Lieb 1974 Nr. 2). Fundkomplex: X07073. Masse: noch 9,6x3,7 cm (ursprünglich vor Probenentnahme i m Jahre 1973 10,7x3,7 cm; vgl. Abb. 55, links). Gewicht: 74 g. Passfragment: Fragment A . Erhaltung: Links senkrechte Profilleiste. Ursprünglich an drei Seiten Bruchkante. Für eine Analyse der Legierung wurde aus der rechten Längsseite ein rechteckiges Stück herausgesägt sowie unten die originale Bruchkante 1,1 c m weit abgeschnitten (vgl. Abb. 55, rechts) . Beschreibung: Die rechte Kante des Fragmentes ist senkrechte Meisselkante, die oben rechtwinklig zur horizontalen Meisselkante des anpassenden Fragmentes A umbiegt (Abb. 53). Der Ansatz einer kürzeren Serife oben und einer längeren unten lässt erkennen, dass die Meisselkante entlang des Zeilenanfangs der auf die Colonia-Zeile folgenden 4. Zeile führt (Abb. 38 u n d 55). A n der Schräge der Meisselkante haften Spuren v o n Weichlot (Zinn). Breite Ziehspuren ü b e r z i e h e n die Vorderseite u n d b e s c h ä d i g e n die Innenkante der Profilleiste. Inschrift: V o m ersten Buchstaben sind zwei Serifen am Zeilenanfang erhalten geblieben, wobei die obere Serife kürzer ist als die weiter nach links ausgreifende untere (Abb. 38). Für die Rekonstruktion des ersten Buchstabens ist v o n Bedeutung, dass die senkrechte Kante zwischen den beiden Serifen ebenfalls eine grobe, unregelmässige Meisselkante ist, vergleichbar mit den horizontalen an den Plattenfragmenten A und C. Hätte am Zeilenanfang ein Buchstabe mit einer senkrechten Haste gestanden, so h ä t t e die Meisselkante mitten durch diese hindurch geführt, so dass zwischen den beiden Serifen die glatt abgeschrägte, linke Hälfte der Haste stehen geblieben wäre. Stattdessen ist nur an der unteren Serife der geglättete schräge Ansatz eines Buchstabens erhalten. Demzufolge kann es sich beim ersten Buchstaben dieser Zeile nur u m ein M oder ein X gehandelt haben. Position: Plattenmitte v o m Beginn der auf die COLONIA-Zeile folgenden 4. Zeile (vgl. Abb. 57). Metallanalyse: Die 1973 i m Labor des Nationalmuseums i n Kopenhagen durchgeführte Metallanalyse ermittelte folgende Legierung: C u : 78,08%; Pb: 11,65%; Sn: 7,36%; Fe: 0,43%; Zn: 0,23%; As: 0,08%; N i : 0,06%; Co: 0,05%; Ag: 0,01%; A u : -; Sb: -; unbestimmt: 1,14%. Total der bestimmbaren Anteile = 99,09% . Diese Messwerte k ö n n e n mit denen der kürzlich vorgen o m m e n e n Metallanalyse aufgrund der abweichenden Analysemethode (Atomabsorbationsverfahren) nicht i n Beziehung gesetzt werden (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6, Frgm. A | ) . 294
C
298
295
296
297
Abb. 38: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Bruchstück (Fragment B) des Nuncupator-Fragmentes mit Anfang der 4. Zeile. Ober- und unterhalb des für die Probenentnahme im Jahre 1973 herausgesägten Rechtecks haben sich am Zeilenanfang beide Serifen eines Buchstabens (M oder X?) erhalten (vgl. 1^777777777/////////////^Abb. 55). M. 1:2.
Fragment aus dem unteren rechten Viertel einer Inschrift mit unterem Randstreifen (Abb. 34. 39. 48. 51. 54. 5 8 ) . Inv.: 1967.2537 (Lieb 1974, Nr. 3). Fundkomplex: X07100. Masse: 45,0x27,6 c m . Lichte Weite unterer Randstreifen: 5,8 cm, Breite Montagestreifen: 1,7 c m (Total 7,5 cm). Gewicht: 3520 g. Erhaltung: A n zwei Seiten Bruchkante. Unten Profilleiste mit Randstreifen. Beschreibung: Die Oberkante des Fragmentes verläuft horizontal zwischen zwei Zeilen: Sie ist v o n rechts bis zum Ende der ersten erhaltenen Zeile Bruchkante und ab dort eine rechtwinklig z u r ü c k s p r i n g e n d e , abgeschrägte Meisselkante, die v o n 10 unregelmässig gesetzten S t e m m l ö c h e r n aufgerissen ist (Abb. 54). A n der Meisselkante haften Spuren v o n Weichlot. Die Kante des unteren Randstreifens ist rechtwinklig und auf dem Montagestreifen des Randstreifens entlang der U n terkante haben sich Reste v o n Bleiverguss erhalten. Vor dem Eintiefen der Buchstaben sind die Zeilen durch eingeritzte Hilfslinien oben und unten markiert worden (Abb. 48). Inschrift: IARIS / MERITA / ICA / ICE. Position: Rechtes unteres Plattenviertel (Abb. 58). Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 4 1 - 4 7 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6J).
D
Fragment der rekonstruierten Seitenplatte mit Unterkante (Abb. 35 und 40). Inv.: 1967.2521. Fundkomplex: X07073. Masse: 31,2x22,0 c m . Breite Montagestreifen: 2,3 c m . Gewicht: 1258 g. Pass fragmente: Fragment E; Fragment H . Erhaltung: A n drei Seiten Bruchkante. Beschreibung: Innerhalb des Montagestreifens, auf dem sich Reste v o n Bleiverguss erhalten haben, befindet sich ein quadratisches Dübelloch mit 5 m m K a n t e n l ä n g e (vgl. F). Es k ö n n te v o n der Verstiftung der Platte mit einem separat gegossenen, vorgeblendeten Fussprofil stammen (s. u. Fragment P). Position: Unten Mitte (Abb. 58).
E
Fragment der rekonstruierten Seitenplatte mit Unterkante (Abb. 35. 40. 50). Inv.: 1967.2526. Fundkomplex: X07073. Masse: 32,5x23,0 c m . Breite Montagestreifen: 2,7-2,9 cm. Gewicht: 1444 g. Passfragmente: Fragment D ; Fragment H ; Fragment F. Erhaltung: A n drei Seiten Bruchkante. Erhalten ist ein Stück der rechten Profilleiste. Beschreibung: Der Montagestreifen verbreitert sich zur rechten Seitenkante h i n . Die rechte Profilleiste läuft innerhalb des Montagestreifens aus. Position: Unten rechts (Abb. 58). Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 22-25 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6J).
294 S. dazu auch Lieb 1974, 417 unter Nr. 2. 295 Lieb 1974, 417 Anm. 21. 296 Diesen Hinweis verdanke ich Markus Schaub und Constant Clareboets. 297 Methode nach E. R. Caley, Analysis of Ancient Metals (Pergamon Press 1964) 82 ff. 298 S. dazu auch Lieb 1974, 418 unter Nr. 3.
F
Fragment v o m rechten Randstreifen der rekonstruierten Seitenplatte mit Unterkante (Abb. 35 u n d 40). Inv.: 1967.2527. Fundkomplex: X07073. Masse: 32,8x9,4 c m . Breite unterer Montagestreifen: 3,4 c m . Lichte Weite rechter Randstreifen: 5,8 cm, Breite Montagestreifen: 1,9 c m (Total 7,7 cm).
Gewicht: 678 g. Passfragmente: Fragment E; Fragment G . Erhaltung: A n zwei Seiten Bruchkante. E i n Stück der rechten Profilleiste. Beschreibung: Innerhalb des Montagestreifens an der Unterkante befindet sich ein achterförmiges Dübelloch (vgl. D), das, ehemals viereckig, möglicherweise bei der Demontage des Monumentes ausgeschlagen wurde. Ein Gussfehler wurde an der Aussenfläche mit einem nahezu quadratischen Flicken geschlossen. Auf dem Montagestreifen entlang der Seitenkante haben sich reichlich Reste des Bleivergusses erhalten. Position: Unten rechts (Abb. 58).
G
Fragment v o m rechten Randstreifen der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 35 und 40). Inv.: 1967.2519. Fundkomplex: X07073. Masse: 34,9x9,7 c m . Lichte Weite linker Randstreifen: 5,8 cm, Breite Montagestreifen: 1,9 c m (Total 7,7 cm).
Gewicht: 833 g. Passfragmente: Fragment F; Fragment H ; Fragment I. Erhaltung: A n drei Seiten Bruchkante. Die rechte Profilleiste ist auf voller H ö h e des Fragmentes erhalten. Beschreibung: Wie bei Fragment F sind auf dem Montagestreifen reichlich Reste des Bleivergusses erhalten. Position: U n t e n rechts, bis auf H ö h e der Plattenmitte (Abb. 58).
E
F
H
Fragment v o n der I n n e n f l ä c h e der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 35 u n d 40). Inv.: 1967.2528. Fundkomplex: X07073. Masse: 31,5x38,4 c m . Gewicht: 2214 g. Pass fragmente: Fragment D ; Fragment E; Fragment G ; Fragment I. Erhaltung: A n vier Seiten Bruchkante. Entlang der Innenkante der rechten Profilleiste gebrochen. Beschreibung: In der N ä h e der linken Bruchkante wurde eine oberflächliche Fehlstelle mit einem Flicken geschlossen. Position: Untere rechte Plattenhälfte bis auf H ö h e der Plattenmitte (Abb. 58).
I
Fragment v o n der I n n e n f l ä c h e der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 35. 40. 50). Inv.: 1967.2518. Fundkomplex: X07073. Masse: 36,0x17,0 c m . Gewicht: 789 g. M Passfragmente: Fragment H; Fragment G; Fragment K. Erhaltung: A n vier Seiten Bruchkante. Rechts entlang der Innenkante der rechten Profilleiste gebrochen. Beschreibung: Kreuz u n d quer über die Aussenfläche verlaufen mehrere gerade Kratzer, möglicherweise verursacht durch S c h u h n ä g e l bei der Zerteilung der Platte. Position: Rechte Plattenhälfte, i m Bereich der Plattenmitte (Abb. 58). Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 18-21 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6]).
K
L
Fragment v o n der I n n e n f l ä c h e der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 35 u n d 40). Inv: 1967.2520. Fundkomplex: X07073. Masse: 24,5x17,3 c m . Gewicht: 591 g. Passfragmente: Fragment I; Fragment L . Erhaltung: A n vier Seiten Bruchkante. Entlang der Innenkante der oberen Profilleiste gebrochen. A n der heutigen Oberkante des Fragmentes, i m Bereich der Profilleiste, ist die Aussenfläche durch Hitzeeinwirkung verä n d e r t u n d heute g r ü n l i c h verfärbt. Beschreibung: Im Bereich der linken oberen Ecke des Fragmentes wurde eine oberflächliche Fehlstelle mit einem Flicken geschlossen. Über die Verfärbung ziehen einige grobe Kratzer, möglicherweise verursacht durch S c h u h n ä g e l bei der Zerteilung der Platte. Auf der Rückseite, entlang der heutigen Kante befindet sich Weichlot (s. dazu unter L). Position: Linkes oberes Plattenviertel (Abb. 58). Fragment der oberen linken Ecke der rekonstruierten Seitenplatte mit l i n k e m u n d oberem Randstreifen (Abb. 35. 40. 46. 50). Inv: 1967.2522. Fundkomplex: X07073. Masse: 35,4x31,7 c m . Lichte Weite linker Randstreifen: 5,8 cm, Breite Montagestreifen: 2,3 c m (Total 8,1). Breite oberer Randstreifen: 7,0 c m . Gewicht: 2025 g. Passfragmente: Fragment K. Erhaltung: A n zwei Seiten Bruchkante. Linke Profilleiste mit Ecke und anschliessender oberer Profilleiste. Beschreibung: Auf dem Montagestreifen entlang der linken Plattenkante haben sich Reste des Bleivergusses erhalten. Die Oberkante ist dicker als die Seitenkante u n d sorgfältig zur Rückseite h i n abgeschrägt. Dort befinden sich ü b e r s t e h e n d e Reste des Bleivergusses. In der Ecke u n d entlang der oberen Profilleiste ist die Oberfläche der Bronze an der Vorderseite durch Hitzeein-
wirkung v e r ä n d e r t und heute g r ü n l i c h verfärbt. Exakt diesen Bereich ü b e r z i e h e n dichte Schleifspuren. Sie sind breiter u n d tiefer als die normalen Polierspuren u n d verlaufen h a u p t s ä c h l i c h auf den Randstreifen, parallel z u m seitlichen Montagestreifen u n d zur Oberkante. Dieser Befund k ö n n t e durch die Reparatur der i m Bereich der Innenkante der Profilleiste zu d ü n n geratenen Wandung bedingt sein, denn an der Rückseite der Platte befindet sich Weichlot (vgl. die Reparatur der zu tief eingeschnittenen Buchstaben auf Fragment A ) . W ä h r e n d der Reparatur hat sich, möglicherweise durch zu grosse Erhitzung, überschüssiges Lot auf der Vorderseite verteilt, das dann durch Abschleifen entfernt werden musste. Im Bereich der Verfärbung verlaufen gerade k r e u z f ö r m i g e Kratzer, m ö g l i c h e r w e i s e verursacht durch S c h u h n ä g e l bei der Zerteilung der Platte. Graffiti: 1. ...]VITIIM 2. ...+ + + Position: Linkes oberes Plattenviertel (Abb. 58). Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 33-38 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6J). 299
Fragment v o n einem Randstreifen, eventuell v o n der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 36 u n d 41). Inv: 1967.2516. Fundkomplex: X07073. Masse: 1 7 , l x 10,5 c m . Lichte Weite des Randstreifens: 5,8 cm, Breite Montagestreifen: 2,3 cm (Total 8,1). Gewicht: 326 g. Erhaltung: A n drei Seiten Bruchkante. Ein Stück der Profilleiste. Beschreibung: Auf dem Montagestreifen entlang der Kante haben sich Reste v o n Bleiverguss erhalten. Graffito: . . . ] N ( ? ) M V . Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 1-4 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6]). Zuweisung: Das Fragment stammt, den Feilspuren auf der Rückseite zufolge, v o n einem seitlichen Randstreifen. Die Breite des Montagestreifens sowie die Beschaffenheit der Kante entsprechen genau dem linken Randstreifen der rekonstruierten Seitenplatte (Abb. 58). N a c h den Ergebnissen der Metallanalysen weist Fragment M denselben Legierungstyp wie die Fragmente der rekonstruierten Seitenplatte (D-L) auf . 300
301
Abb. 41: Angst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Nicht anpassendes Fragment M von einem seitlichen Randstreifen. Es wird der rekonstruierten Seitenplatte (vgl. Abb. 40) oder einer identisch legierten Seitenplatte der Statuenbasis des Emerita-Fragmentes (C) zugewiesen. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 58. M. 1:5.
299 S. Beitrag M . A. Speidel (Appendix D, Abb. 70). 300 S. Beitrag M . A. Speidel (Appendix D, Abb. 69). 301 S. Beitrag J. Riederer (Appendix C, S. 82 f.).
N
Fragment v o n einem linken Randstreifen einer Seitenplatte mit anhaftendem Rest einer rechtwinklig anstossenden Platte (Abb. 36. 42. 56). Inv.: 1967.2517. Fundkomplex: X07Ü73. Masse: 44,0x9,3 c m . Lichte Weite des oberen Randstreifens: 6,1 cm, Breite Montagestreifen: 0,9 c m (Total 7 cm). Breite des seitlichen Randstreifens: 6,8 c m . Gewicht: 979 g. Erhaltung: A n zwei Seiten Bruchkante. Profilleiste bis zur Ecke erhalten. Beschreibung: Die originale Plattenkante ist hier ebenso wie bei Fragment L zur Rückseite h i n abgeschrägt, u n d an der Rückseite befinden sich auf der gesamten Länge dick überstehende Placken des Bleivergusses. Wie das rechtwinklig an der Rückseite anhaftende P l a t t e n b r u c h s t ü c k (d. h . die Verkleidungsplatte der Rückseite) erkennen lässt, hat das Blei hier zur Fixierung einer b ü n d i g an diese Kante gesetzten zweiten Bronzeplatte gedient (Abb. 56). Im Blei hat sich die abgerundete Kante des Sockelkerns eingedrückt. A n der Aussenfläche ist die Ecke schräg überfeilt. Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 5-9 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6]). Zuweisung und Rekonstruktion: Die beiden Fragmente N u n d O stammen der Metallanalyse zufolge v o n derselben Verkleidungsplatte, die überdies i n einer v o n der rekonstruierten Seitenplatte u n d den beiden Inschriftenplatten abweichenden Legierung gegossen w u r d e . Aufgrund der Breite bzw. lichten Weite der Randstreifen v o n jeweils 6,1 cm kann es sich dabei nur u m eine Seitenplatte v o m Sockel der N u n cupator-Basis handeln (Abb. 57).
O
Fragment v o n einem unteren Randstreifen einer Seitenplatte (Abb. 36 und 43). Inv.: 1967.2530. Fundkomplex: X07073. Masse: 21,1x8,8 c m . Lichte Weite des unteren Randstreifens: 6,8 cm, Breite Montagestreifen: 1,6 c m (Total 8,4 cm). Gewicht: 494 g. Erhaltung: A n drei Seiten Bruchkante. F^ntlang der Profilleiste gebrochen. Beschreibung: Der Montagestreifen ist i m W a c h s m o d e l l gleichmässig breit u n d exakt gleich breit angelegt worden wie bei Fragment N . Vor der Montage wurde er jedoch i n doppelter Breite kräftig überfeilt. Auf der überfeilten Zone haben sich zwei dicke Placken des Bleivergusses erhalten. Atomabsorptionsspektralanalyse: Proben Nr. 12-15 (vgl. Beitrag J. Riederer [Appendix C, Tabelle 6]). Zuweisung und Rekonstruktion: Die beiden Fragmente N und O stammen der Metallanalyse zufolge von derselben Verkleidungsplatte, die überdies i n einer v o n der rekonstruierten Seitenplatte u n d den beiden Inschriftenplatten abweichenden Legierung gegossen w u r d e . Aufgrund der Breite bzw. lichten Weite der Randstreifen v o n jeweils 6,1 c m kann es sich dabei nur u m eine Seitenplatte v o m Sockel der N u n c u pator-Basis handeln (s. oben, Fragment A , Masse; Abb. 57). 303
302
I Abb. 43: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment O. Das nicht anpassende Bruchstück wird einem unteren Randstreifen einer Seitenplatte der Nuncupator-Basis zugewiesen. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 57. M. 1:5.
Abb. 42: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment N. Das nicht anpassende Bruchstück wird einem seitlichen Randstreifen einer Seitenplatte der Nuncupator-Basis zugewiesen. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 302 S. Beitrag J. Riederer (Appendix C , 82 f.). 57. M. 1:5. 303 S. Anm. 302.
P
Fragment v o n einem Fussprofil (Abb. 36 und 44). Inv.: 1967.2529. Fundkomplex: X07073. Masse: 29,8x11,2 c m . Gewicht: 1754 g.
Die Zuweisung der Plattenfragmente zu zwei verschiedenen Statuenbasen
Erhaltung: Oben ist die originale Kante erhalten; an beiden Seiten und unten Bruchkanten. Beschreibung: Das Profil ist nahezu massiv gegossen, denn die einzelnen Leisten zeichnen sich an der Rückseite nur i n schwachem Negativrelief ab (Abb. 45). Dies lässt vermuten, dass man das Wachsmodell für dieses Sockelprofil aus einer Negativform gezogen hat. Längs über die Rückseite verlaufen Wischspuren, welche v o m sorgfältigen E i n b r i n g e n des Wachses i n die Modellform stammen k ö n n e n . N a c h dem Guss wurden grössere G u s s r ü c k s t ä n d e mit Meisselhieben grob entfernt, ein Streifen entlang der Oberkante mit einer Feile geglättet (Abb. 45). Auf dem geglätteten Streifen haften Reste des Bleivergusses, der das Fussprofil mit dem Sockel verband. Zuweisung: Das Profil ist, v o n oben nach unten, folgendermassen gegliedert: schmaler Rundstab, lesbisches Kyma, breiter Rundstab, Kehle, Rundstab u n d die Ecke der i n das Profil integrierten Basenplinthe. Abfolge u n d Form der Einzelelemente unseres Fragmentes entspricht den aufwendiger gestalteten Fussprofilen an Statuenbasen u n d A l t ä r e n , was eine Lokalisierung unseres Fragmentes am Basenfuss nahe legt (vgl. Abb. 58). 304
Ehreninschriften
aus
Bronze u n d
Teile der
bronzenen
Verkleidung der z u g e h ö r i g e n Statuenbasen sind - i m Gegensatz zu den
beschrifteten Statuenbasen aus
oder Kalkstein - nur
Marmor
vereinzelt erhalten geblieben. Die
meisten wurden, wie es auch unseren Fragmenten stimmt war,
w o h l i n der
be-
S p ä t a n t i k e zur Wiederverwer-
tung des Metalles eingeschmolzen
305
. Die wenigen ver-
gleichbaren Komplexe mit Bronzeinschriften, bronzenen Plattenfragmenten u n d Teilen v o n bronzenen Ehrenstatuen v o n anderen Fundorten lassen vermuten, dass mit Bronzeplatten verkleidete Basen speziell für Statuen Bronze bestimmt waren u n d
aus
vielleicht als die kostspie-
ligste A u s f ü h r u n g einer Statuenweihung aus Bronze anzusehen s i n d
306
. Dass Ehrenstatuen aus
Bronze
nämlich
umgekehrt n i c h t zwingend einen aufwendig mit Bronzeplatten verkleideten Sockel voraussetzen, beweisen die für
304 Vergleichsbeispiele: Drei erhaltene Seiten eines Sockelprofiles in Parma, Mus. Naz. Ant. (Rossignani 1969, 60 sowie Taf. 26 und Abb. 13,3); Sockelprofil in Brescia, Mus. Civ. (Rossignani 1969, 49 Abb. a, Fig. IV = Taf. 23 Abb. 9,1); Sockelprofil aus RheinfeldenWarmbach (H. U . Nuber, Antike Bronzen aus Baden-Württemberg. Schriften des Limesmuseums Aalen 40 (Stuttgart 1988] 103 Abb. 49 [das Foto ist um 180° zu drehen]); Profilleiste aus Weissenthurm (Koblenz), im Rheinischen Landesmuseum Bonn (Inv. A 374; s. Rossignani 1969, Taf. 37 Abb. 30,2.3). Frau U . Heimberg sei an dieser Stelle für die Zusendung von guten neuen Fotos dieser Profilleiste gedankt. 305 In diesem Sinne auch M . Martin (mit einem Beitrag von T. Tomasevic), Römische Schatzfunde aus Augst und Kaiseraugst. Abb. 44: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment P (vgl. Augster Museumsh. 2 (Augst 1977) 24 f. auch Abb. 45). Fragment aus dem massiv gegossenen Sockelprofil, das der Die Annahme, dass es sich um eine Ehrenstatue aus Bronze und 306 Statuenbasis des Emerita-Fragmentes (C) zugewiesen wird. Es ist gegliedert nicht aus Marmor gehandelt hat, wird schon durch die Tatsache in schmalen Rundstab, lesbisches Kyma, breiter Rundstab, Kehle, Rundstab nahe gelegt, dass ihre Basis mit Bronzeplatten verkleidet worden und rechtwinklige Ecke. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 58. M. 1:5. ist. So wurde die von einer Bronzestatue stammende Büste des L.
i
Cornelius Pusio zusammen mit der bronzenen Inschriftentafel in einem römischen Wohnhaus gefunden (Lahusen/Formigli 1990, 65 A n m . 3 und 4). Darüber hinaus muss man sich bewusst sein, dass der Marmor gegenüber der Bronze zumindest seit dem Späthellenismus als das wertvollere Material erachtet wurde, das nur ausnahmsweise für Ehrenstatuen verwendet wurde (s. dazu K. Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien. Beiträge zur archäologischen Überlieferung aus der Zeit der Republik und des Augustus. Istanbuler Mitt. Beih. 23 [Tübingen 1979] 70 ff.). Hinzu kommt, dass die seit der Klassik praktizierte und in römischer Zeit perfektionierte Technik des indirekten Wachsausschmelzverfahrens eine geradezu serienweise und damit kostengünstige Herstellung von Bronzestatuen ermöglichte. Zur Technik: E. Formigli, Bemerkungen zur technischen Entwicklung Abb. 45: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment P. des Gussverfahrens griechischer Bronzestatuen. Boreas 4 Rückseite des massiv gegossenen Sockelprofiles (Abb. 44). Zu erkennen sind(Münster 1981) 15 ff. bes. 16 ff. - Beispiele römischer Zeitdie beim Einbringen des Wachses in die Modellform entstandenen Druck-stellung: Bronzestatue aus Rom (Vatikan, Ant. R., Inv. 15055) s. G. und Wischspuren sowie die von der Überarbeitung nach dem Guss stam- Lahusen/E. Formigli, Monimenti Musei e Gallerie Pontificie menden Meisselhiebe und Feilspuren an der Oberkante. Dort haften überBollettino 8, 1988, 21 ff. bes. 42 mit Anm. 54 und 55. Büste des dies Reste des Bleiverguss von der Fixierung des Sockelprofiles an der L. Cornelius Pusio (Rom, Mus. Naz. Inv. 48134) s. Lahusen/ Statuenbasis an. M. 1:5. Formigli 1990, 65 ff. bes. 70 ff.
Statuen aus diesem Material charakteristischen Standspuren auf Steinbasen . 307
W i l l man eine detaillierte Vorstellung v o m Aussehen der mit Bronzeplatten verkleideten Basen gewinnen, so w ä r e n z u n ä c h s t vergleichbare Funde heranzuziehen . 308
Leider helfen diese wenig weiter, da sie bislang nicht umfassend, u n d wenn, dann mit Schwerpunkt auf die Inschriften publiziert worden sind. A u c h auf die i n grosser Zahl erhaltenen Steinbasen kann v o n vornherein nur bedingt zurückgegriffen werden, da die mit Bronzeplatten verkleideten
Sockel
materialbedingt
völlig
anderen
Konstruktionsprinzipien unterworfen sind, was auch for-
Abb. 46: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment L. Ausschnitt von der Rückseite mit der oberen linken Ecke der Seitenplatte. Das helle Lot wurde vermutlich zur Verstärkung der im Bereich der Innenkante der Profilleiste auf der Vorderseite zu dünn gegossenen Bronzeplatte aufgetragen. M. 1:2.
male Abweichungen zwischen den beiden Materialgattungen zur Folge haben k a n n
309
.
Die Rekonstruktion v o n zwei Statuenbasen resultiert aus dem optischen Befund aller Plattenfragmente
des
Recycling-Depots, den Beobachtungen zur Montagetechnik sowie aus den Ergebnissen der Metallanalysen . 310
Demnach werden das Nuncupator-Fragment (A) u n d die i n zwei Fragmenten belegte zweite Seitenplatte (N u n d O) einerseits sowie die Platte des Emerita-Fragmentes (C) und
die rekonstruierte Seitenplatte (D-L) andererseits
jeweils einem Sockel zugeschrieben (Abb. 57 u n d 58). Diese repräsentieren zwei verschiedene Basentypen mit dementsprechend voneinander abweichenden Konstruktionsprinzipien der bronzenen Sockelverkleidung. Letzteres wird aus der unterschiedlichen Bearbeitung der Plattenkanten u n d den Montagespuren ersichtlich: Bei glatten Randstreifen stiessen die rechtwinkligen Platten auf Gehrung an, d. h . mit nach hinten abgeschrägten Kanten. In diesem Fall waren die Platten an der Rückseite mit Bleiverguss am Sockelkern fixiert. Randstreifen mit Bleiverguss auf den leicht erhaben gegossenen, mit der Feile aufgerauhten «Montagestreifen» an der Vorderseite haben rechtwinklige Kanten, die mit separat gegossenen, mit Bleiverguss fixierten Profilen verblendet waren. Der erhaltene linke Randstreifen des NuncupatorFragmentes (A) ist 6,1 Zentimeter breit. Seine Kante u n d damit auch die nicht mehr erhaltene rechte der N u n cupator-Inschrift ist nach hinten abgeschrägt, also auf Gehrung gearbeitet, u n d weist an der Rückseite Reste v o n Bleiverguss auf (Abb. 49). Auf dem oberen Randstreifen hingegen befindet sich ein schmaler Montagestreifen, abzüglich dessen die lichte Weite des Randstreifens ebenfalls 6,1 Zentimeter beträgt. Der Mittelteil der NuncupatorBasis war also ein Kubus, mit glatten Ecken; dies entspricht einem gängigen Basentyp der frühen Kaiserzeit, dessen unterer u n d oberer Abschluss analog der vielen erhaltenen Steinbasen als schlichtes Fuss- bzw. Kranzprofil zu ergänzen ist (Abb. 57) . 311
Die aus den Fragmenten D - L rekonstruierte Seitenplatte (Abb. 35 u n d 58) g e h ö r t e hingegen zu einem abweichend gestalteten Basentyp. Die Orientierung dieser hochrechteckigen Platte ist aufgrund der dreiseitigen Rahmung gesichert. Deren Längsseiten endeten laut
307 Diese punktuellen Einarbeitungen auf der Oberseite der Basis, in denen die aufstehenden Teile einer Bronzefigur mit Blei vergossen wurden (s. etwa auch Schwarz/Berger [in Vorbereitungl Kat.Nr. 31), sind von den grossflächigen Auskehlungen oder Klammerlöchern zu unterscheiden, wie sie die für Steinfiguren obligatorischen Plinthen erforderten (Alföldy 1984, 24 Anm. 25). Zur Unterscheidung s. Alföldy 1984, Abb. 19-28 (Bronzestatuen); Abb. 14-18 (Statuen aus Stein). 308 Vergleichsbeispiele: Senlis (Augustomagus), Musée: Inschrift für Claudius, welche zusammen mit zahlreichen Plattenfragmenten und Resten (einer?) bronzenen Togastatue neben fünf gemauerten Sockeln gefunden wurde. - Inschrift: A. Piganiol, (Fundbericht) Gallia 15, 1957, 165 ff. und Gallia 19, 1961, 301 ff. sowie Lieb 1974, 417 Anm. 18. Masse noch 85x65,5 cm; Schriftfeld durch einen schmalen, glatten, leicht erhöhten Randstreifen gerahmt. Plattenfragmente: bes. A. Piganiol, (Fundbericht) Gallia 15, 1957, 165 f. (dort als Verkleidung einer Türe bezeichnet); Mass des grössten Plattenfragmentes: 107 cm. Statuenfragmente: A. Piganiol, (Fundbericht) Gallia 15, 1957, 166 f. und Abb. 14 f. Vieil-Évreux, Musée: Zusammen mit einer Profilleiste in der sog. «Basilica» gefundene Inschrift, inschriftenplatte: S. et J.-P. Boucher, Musée d'Évreux, Collections Archéologiques. Bronzes Antiques I. Statuaire et Inscription (La Chapelle Montligeon 1988) 74 ff. Nr. 46. Masse noch 61x40 cm. Das Schriftfeld ist mit einem glatten lesbischen Kyma gerahmt. Profilleiste: Boucher (op. cit. sup.) 74 ff. Nr. 47. Masse noch 21x74,5 cm. - Zuglio (Iulium Carnicum); Cividale, Museo Civico: Zwei Inschriften für C. Baebius Atticus. Sie stammen von derselben Basis und wurden in der Basilica zusammen mit den Resten einer bronzenen Togastatue sowie einem Portraitkopf gefunden: Inschrift 1: Moro 1956, 39 ff., 205 Nr. 11; Alföldy 1984, 106 Nr. 115. Masse der nahezu vollständig erhaltenen Inschriftenplatte 81x60,5 cm. Inschrift 2: Moro 1956, 39 ff., 205 Nr. 12; Alföldy 1984, 106 Nr. 116. Masse: noch 44x16,5 cm. Statuenfragmente: Moro 1956, 64 f. Abb. 17 f. - Rom, Palazzo Campanari: Inschrift für L. Cornelius Piso, die zusammen mit vier getrennt gegossenen Rahmenteilen und der Büste seiner Bronzestatue gefunden wurde. Inschrift und Rahmenteile: P. Bienkowski, Römische Mitt. 7, 1892, 197 ff.; zuletzt Lahusen/Formigli 1990, 65 f. und A n m . 4. Portraitbüste: zuletzt Lahusen/Formigli 1990, 65 ff. bes. Anm. 2 (mit Verweis auf ältere Lit.) und Abb. 1 ff. 309 Zur Verkleidung von Statuenbasen mit Steinplatten: Alföldy 1984, 25 f. mit Katalog Nr. 39. 72. 78. 87. 88. 91. 93. 95. 97. 104. 124-132. 158. 164. 205. 215. 221. 226. 229. 253. 258. 259. 270. 310 S. Beitrag J. Riederer (Appendix C). 311 Alföldy 1984, 27; 77 f. Nr. 2.3 und 87 Nr. 42.
unterem Montagestreifen unter einem separat gegosse-
der Profilrahmung zu rekonstruieren - abweichend v o n
nen, vorgeblendeten Fussprofil, das eventuell i n dem
denen des Sockels mit dem Emerita-Fragment (C), dem
ebenfalls i m Depot enthaltenen, aufwendig profilierten
die nur an drei Seiten gerahmte rekonstruierte Seiten-
Fragment (P) erhalten ist. Auf den beiden seitlichen
platte zuzuweisen ist (Abb. 57 u n d 58).
Randstreifen verlaufen ebenfalls breite Montagestreifen mit Resten v o n Bleiverguss. Also waren die rechtwinklig aneinander
stossenden Kanten dieser Verkleidungs-
platten durch separat gegossene Profilstücke über Eck verklammert. Anders hingegen ist hier der obere Rand-
Die Zuweisung der Inschriftenfragmente zu zwei verschiedenen Statuenbasen
streifen auf Gehrung gearbeitet, u n d der Bleiverguss an
Die werktechnischen Besonderheiten an den unbeschrif-
der Rückseite schliesst ein Kranzprofil für diesen Basentyp
teten Plattenfragmenten
aus, so dass als Sockelabdeckung lediglich eine schlichte
Gehrung geschnittene Kanten, Montagestreifen für den
Platte anzunehmen
ist (Abb. 58). Der obere,
glatte
D - O (rechtwinklige bzw. auf
Bleiverguss an manchen Randstreifen) sowie die formalen
Randstreifen ist 6,9 Zentimeter hoch. Die lichte Weite der
Unterschiede der daraus zu rekonstruierenden
beiden seitlichen Randstreifen beträgt hingegen nur 5,8
platten (verschiedene Breiten der Randstreifen, dreiseitige
Zentimeter. Dies entspricht der lichten Weite des unteren
bzw. vierseitige Profilrahmung der Seitenplatten, glatte
Randstreifens des Emerita-Fragmentes (C) genau, weshalb
bzw. durch Profilleisten verblendete Ecken) implizieren
Seiten-
diese Inschriftenplatte zu demselben Sockel g e h ö r t haben
die Rekonstruktion v o n zwei verschiedenartigen Statuen-
muss wie die rekonstruierte Seitenplatte. Das gilt auch für
basen. Entsprechend k ö n n e n die
das nicht anpassende Fragment eines seitlichen Rand-
die beiden anpassenden A u n d B v o m oberen linken Teil
Inschriftenfragmente,
streifens (M), dessen lichte Weite ebenfalls 5,8 Zentimeter
einer Platte (Abb. 33. 37. 38) sowie C v o m unteren rech-
beträgt u n d dessen Montagestreifen gleich breit ist, wie
ten (Abb. 34 u n d 39), jeweils einem der beiden Sockel
derjenige der Fragmente F, G u n d L v o n der rekonstruier-
zugewiesen werden. Dies legt bereits der optische Ver-
ten Seitenplatte.
gleich der Inschriftenfragmente nahe:
Die Metallanalysen weisen die beiden Fragmente N
Bereits die formale Einteilung des Textes lässt zwei ver-
und O als Bestandteile einer weiteren Platte mit einem
schiedene Konzeptionen der Inschriftenplatten
eigenen Legierungstyp aus . Aufgrund des an seiner
nen: So sind die Zeilen des Nuncupator-Fragmentes (A
Kante haftenden Bruchstückes einer rechtwinklig anstos-
u n d B) generell h ö h e r u n d der Abstand dazwischen be-
senden Verkleidungsplatte kann Fragment N nur v o n
trägt 2,7 Zentimeter (Abb. 37), i m Emerita-Fragment (C)
einem oberen oder einem seitlichen Randstreifen stam-
hingegen nur 2,3 Zentimeter (Abb. 39).
312
men. Im ersten Fall wäre es Bestandteil des Sockels, dem auch die rekonstruierte
Seitenplatte zugewiesen wird.
erken-
A u c h das verschiedenartige Schriftbild lässt vermuten, dass die Ausführung zwei verschiedenen H ä n d e n oblag.
Dem widerspricht jedoch die abweichende Breite der bei-
So sind die Buchstaben v o n A (Abb. 33 u n d 52) breiter
den Randstreifen v o n Fragment N , dessen oberer mit 6,1
u n d weniger präzise geschnitten als die v o n C (Abb. 34
c m zu schmal u n d dessen seitlicher mit 6,8 cm zu breit
und 51) . Augenfällig unterscheidet sich die Ausführung
wäre. Zudem ist der Montagestreifen, verglichen mit den
des Buchstabens A: Sein Aufstrich erscheint auf dem
313
seitlichen der rekonstruierten Seitenplatte, nur halb so
Fragment A deutlich schmaler als der Abstrich, u n d seine
breit. Fragment N kann deshalb nur v o n einem linken
obere Serife weist nach links (Abb. 47). Auf dem Fragment
Randstreifen einer seitlich auf Gehrung anstossenden
C hingegen wurde diese Serife mittig platziert (Abb. 48).
Seitenplatte stammen u n d gehörte i n diesem Fall zum
Die beiden voneinander abweichenden
Sockel mit der Nuncupator-Inschrift (Abb. 57). Diese
manifestieren sich auch i n den unterschiedlich stark ein-
Handschriften
Zuweisung wird durch die mit dem Nuncupator-Frag-
getieften Buchstaben. Wurden diese auf dem Nuncupa-
ment (A) identische lichte Weite v o n 6,1 Zentimeter des
tor-Fragment (A) n ä m l i c h so tief eingeschnitten, dass sie
n u n der Oberseite zugewiesenen Randstreifens bestätigt u n d überdies durch seinen schmalen Montagestreifen mit nur 0,9 cm, der ebenfalls an der erhaltenen oberen Ecke schräg überfeilt ist. Das metallurgisch zugehörige Fragment O mit einem wesentlich breiteren Montagestreifen v o n 1,6 c m an der Aussenfläche muss demzufolge v o n einem unteren Randstreifen kommen. Seine lichte Weite v o n 6,8 Zentimeter stimmt mit der Breite des seitlichen Randstreifens von Fragment N überein. Weil seine obere Bruchkante horizontal innerhalb einer Furche verläuft, sind die Seitenplatten des Nuncupator-Sockels mit vierseitig umlaufen-
312 S. Beitrag J. Riederer (Appendix C, Tabelle 9). 31 3 Obwohl Zeile 3 (COLONIA) auf der Nuncupator-Inschrift gleich hoch ist wie Zeile 8 (NARIS) auf dem Emerita-Fragment, sind ihre Hasten zum Teil breiter (vgl. Abb. 33 und 34 bzw. Abb. 37 und 39). Die Rundung des C von N V N C V auf der NuncupatorInschrift ist ebenso breit wie die des C von ICE in der 1 cm höheren Zeile 11 auf dem Emerita-Fragment. - Restauratorin Christine Pugin war die erste, welcher diese Unterschiede während der Freilegung der Plattenfragmente auffielen und sie äusserte auf Grund der abweichenden «Handschriften» als erste die Vermutung, dass es sich um die Überreste von zwei Inschriftentafeln handeln könnte.
Abb. 49: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). NuncupatorAbb. 47: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). NuncupatorFragment (A), Rückseite. Am linken Bildrand ist der tief eingeschnittene Fragment (A), Ausschnitt. Die untere Kante ist abgeschrägte Meisselkante Buchstabe V zu erkennen. Das helle Lot markiert die Bereiche, welche beim mit zahnartigen Brauen, welche beim Herausstemmen des Plattenstückes Eingravieren der Buchstaben von der Vorderseite her durchstossen wurden. mit der 4. Zeile entstanden sind. Die in die 3. Zeile hineinreichenden Am unteren Plattenrand sind die zahnartigen Brauen zu erkennen, welche Ziehspuren sind beim Angleichen der anschliessend eingesetzten Füllplatte beim Herausstemmen des Plattenstückes mit der 4. Zeile entstanden sind entstanden (vgl. auch Abb. 53). Besonders oben sind die haarfeinen (vgl. Abb.47 und 53). M. 1:5. Schleifspuren der Politur erkennbar. M. 1:2.
Abb. 48: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Emerita-Fragment (C), Ausschnitt. Die Ziehspuren und Rattermarken in den Hasten und Rundungen der einzelnen Buchstaben sowie die Brauen an den Ansätzen der Serifen, des Kommas und des Efeublattes bezeugen, dass die Inschr dessen der Platte eingeschnitten wurde. Für die Herstellung in zwei Arbeitsgängen sprechen auch die aufgeschnittenen Gussporen innerhalb der e Buchstaben. M. 1:2.
sich auf der Rückseite der Platte a b d r ü c k e n bzw. i m L, i m
platte, und zwar je ein v o n der Unterkante (E), aus der
A u n d i m V die Rückwand durchstossen wurde (Abb. 49),
Mitte (I) und v o n der Oberkante (L) stammendes Frag-
so ist die Rückseite des Emerita-Fragmentes (C) plan u n d
ment, geröntgt (Abb. 50). Auf den R ö n t g e n a u f n a h m e n
intakt. Der Röntgenbefund
der beiden grossen Inschriften-
fragmente A u n d C u n t e r s t ü t z t die Annahme, dass sich i n den beiden Plattenfragmenten die Überreste v o n zwei verschiedenen Inschriften erhalten haben . U m die 314
Variationsbreite der Gussstruktur innerhalb einer Platte festzustellen, wurden zuerst drei Fragmente der Seiten-
314 Alle Fragmente wurden beim Schweizerischen Verein für Schweisstechnik (Basel) unter denselben Bedingungen mit 255 KV/60" geröntgt. Für die Herstellung der Röntgenaufnahmen und die anschliessenden Diskussionen der entsprechenden Befunde sei den Herren Ernst Buess und Matthias Schütz an dieser Stelle herzlich gedankt.
Abb. 50: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragmente E, I und L. Röntgenaufnahmen. Die Fragmente weisen eine homogene und d Gussstruktur auf Nester mit Gussporen finden sich nur vereinzelt (vgl. Abb. 51 und 52). M. 1:5.
erwies sich diese Platte bei unterschiedlicher D i c k e
315
im
Guss homogen, mit einer sehr dichten, gleichmässigen Struktur, i n der sich vereinzelt Nester mit Gussporen
Die nachträgliche V e r ä n d e r u n g der beiden Inschriften
befinden. Fragment C weist die gleiche Gussstruktur auf
Die Unterkante des Nuncupator-Fragmentes (A) ist eine
(Abb. 51). Im Gegensatz dazu präsentiert sich der Guss
Meisselkante, die horizontal, i n einem Abstand v o n 0,6
von Fragment A heterogen, mit einer wolkigen, narbig
Zentimeter zur Zeile 3 verläuft u n d am Anfang des Satz-
wirkenden Gussstruktur, die durch eine scharfe Linie v o n
spiegels rechtwinklig nach unten umbiegt (Abb. 33 u n d
einem Bereich mit vielen Gussporen abgegrenzt
wird
(Abb. 52).
53). Als rechte Seitenkante des anpassenden Fragmentes B setzt sie sich dann senkrecht durch den ersten Buch-
Die Metallanalysen erweisen, dass die beiden Verklei-
staben der Zeile 4 fort (Abb. 55). Die Oberkante des Eme-
dungsplatten, v o n denen die Inschriftenfragmente A u n d
rita-Fragmentes (C) besteht ebenfalls grösstenteils aus
C stammen, zwar aus demselben Legierungstyp bestehen.
einer waagrechten Meisselkante (Abb. 34). Sie hält mit 1,2
Jedoch kann ihr konstant voneinander abweichender Bleigehalt, da eine Seigerung des Bleis
316
bei diesen d ü n -
nen Güssen nicht anzunehmen u n d i n der Metallanalyse der rekonstruierten Nebenseitenplatte auch nicht nachzuweisen ist, nur mit der Herstellung i n zwei verschiedenen Gussvorgängen erklärt werden . 317
Dem voneinander abweichenden Bleigehalt der beiden Inschriftenfragmente
entspricht ihr voneinander
abweichendes Gewicht ™: Bei 17 Buchstaben wiegen die 3
bleihaltigeren Nuncupator-Fragmente A u n d B pro c m
2
durchschnittlich 3,37 g. D e m g e g e n ü b e r wiegt das bleiärmere Emerita-Fragment mit 17 Buchstaben i m Durchschnitt lediglich 2,92 g pro c m . 2
315 Im Röntgenbild ist dieser Sachverhalt an der unterschiedlich starken Schwärzung zu erkennen. 316 Unter Seigerung versteht man eine Entmischung der Legierung. Eine langsame Erstarrung der Schmelze vorausgesetzt, wandert das Blei, da es den niedrigsten Schmelzpunkt und das höchste spezifische Gewicht von allen Legierungsbestandteilen besitzt, innerhalb der Gussform nach unten. Demzufolge widerspiegelt das messbare Konzentrationsgefälle des Bleis die Ausrichtung des Gussstückes während des Gusses. 31 7 S. Beitrag J. Riederer (Appendix C). 318 Das Nuncupator-Fragment (A und B) ist 1188 cm gross und 4004 g schwer, das Emerita-Fragment (C) ist 1205 c m gross und 3520 g schwer. 2
2
Abb. 51: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Emerita-Fragment Abb. 52: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Nuncupator(C). Röntgenaufnahme. Das Fragment weist eine homogene und dichte Fragment (A). Röntgenaufnahme. Das Fragment weist eine heterogene Gussstruktur auf. Gussporen finden sich gleichmässig verteilt (vgl. Abb. Gussstruktur 50 auf, mit einem scharf begrenzten Bereich, der mit vielen und 52). M. 1:5. Gussporen durchsetzt ist (vgl. Abb. 50 und 51). M. 1:5.
Zentimeter genauen Abstand zu Zeile 5, was genau einem halben Zeilenabstand auf diesem
Inschriftenfragment
entspricht. A m Ende des Satzspiegels befindet sich ebenfalls eine Ecke, an der die Meisselspur rechtwinklig umbiegt (Abb. 54); rechts davon verläuft wie bei Fragment A eine nahezu horizontale Bruchkante. A n beiden grossen Plattenfragmenten A u n d C ist stellenweise eine schnurgerade Ritzlinie zu erkennen, die entlang der äusseren Kante der Meisselspur verläuft u n d als Vorriss der ausgeführten Ausmeisselung zu identifizieren ist. Gut zu erkennen ist sie auf Fragment A unter den Buchstaben IA (vgl. Abb. 47). Anschliessend wurde ein Flachmeissel mit einer Ecke schräg angesetzt u n d mittels Abb. 53: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Nuncupator-FragH a m m e r s c h l ä g e n entlang der vorgezeichneten Linie ment (A, B), Ausschnitt. Die abgeschrägte Meisselkante mit den zahnargeführt. tigen Brauen bezeugt das nachträgliche Entfernen der 4. Zeile; das Lot Die unregelmässig gesetzten zahnartigen Brauen stammt vom Einsetzen der Füllplatte in den Schriftträger. Ober- und untergeben zu erkennen, dass das n o c h nicht vollständig abgehalb des für eine Probenentnahme im Jahre 1973 herausgesägten Rechtecks trennte Stück sodann mithilfe des i n den Spalt gesetzten sind die Serifen des Buchstabens M(?) zu erkennen (vgl. Abb. 47 und 55). Meisseis herausgehebelt wurde (Abb. 53). Die sorgfältige M. 1:2. Entfernung jeweils eines rechteckigen Stückes aus der Mitte der beiden Inschriftenplatten und dessen anschliessende Ersetzung durch eine passgenaue F ü l l p l a t t e
319
ist zu
einem Zeitpunkt vorgenommen worden, an dem sich beide Inschriften in situ befanden. Dabei ist die Fixierung der Füllplatten v o n der Vorderseite her mit Weichlot erfolgt, das n o c h heute auf den schrägen Meisselkanten haftet. Bei der Überarbeitung der Naht musste vor allem das Weichlot entfernt werden, welches sich w ä h r e n d der Verlötung über die Aussenseite der Platten verteilt hatte. Davon zeugen grobe Ziehspuren i m Bereich der schrägen Abb. 54: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Emerita-Fragment (C), Ausschnitt. Über dem Buchstaben S am Ende der 7. Zeile liegt der Meisselkanten, die v o n einem Ziehschaber stammen u n d Ansatz der rechtwinklig umbiegenden, mit Lot bedeckten Meisselkante. sich deutlich v o n den feinen Polierspuren unterscheiden, Rechts schliesst eine annähernd horizontal verlaufende, unregelmässige Bruchkante an. Sie geht auf die Demontage der Statuenbasis zurück.welche M. 1:1. die Platten insgesamt überziehen. Sie verlaufen mehr oder weniger horizontal u n d verletzen sowohl die Innenkante der Profilleiste v o n Fragment B (Abb. 55) als auch die Kanten der Buchstaben i n den benachbarten Zeilen der Fragmente A u n d C (Abb. 47. 53. 54).
319 Die passgerechte Herstellung der «Ersatz»-Platten erfolgte vermutlich in drei Schritten. In einem ersten Schritt wurde der durch die Entfernung der 4. bzw. 6. Zeile entstandene, langAbb. 55: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Nuncupator- rechteckige Zwischenraum in den Schriftträgern der beiden Fragment (B). Links: Zustand des ungereinigten Bruchstückes vor der Statuensockel mit Wachs ausgefüllt. Diese Positive aus Wachs diente als Vorlagen für im sog. Wachsausschmelzverfahren herProbenentnahme für Metallanalysen im Jahre 1973. Rechts: Zustand nach Reinigung und Konservierung im Jahre 1993. Die abgeschrägte, mit Lot gestellten «Ersatz»-Platten aus Bronze. In einem dritten Schritt wurden die passgenau gegossenen Füllplatten in die entsprebedeckte horizontale Meisselkante bezeugt das Entfernen der 4. Zeile und chenden Lücken eingesetzt und mit den Schriftträgern verlötet. das Einpassen der Füllplatte in den Schriftträger. Die horizontalen Ziehspuren stammen von der Überarbeitung der Naht zwischen der Wegen der beim Herausstemmen entstandenen Brauen an den Meisselkanten waren die neu eingesetzten Platten zudem optiFüllplatte und dem Schriftträger. Auf beiden Aufnahmen sind die Serifen des mal mit den Inschriftenplatten der beiden Statuenbasen ver1. Buchstabens (M oder X) der ausgewechselten 4. Zeile zu erkennen (vgl. zahnt (zur Technik vgl. B. Janietz Schwarz/ Rouiller 1996, 53 ff.). Abb. 47 und 53). M. 1:2.
Sockeln aufgestellt waren. Die Existenz einer zweiten als Pendant z u m nuncupator
aufgestellten Statue wurde
schon v o n H . Lieb i n der Erstveröffentlichung der Inschriftenfragmente erwogen: So k ö n n t e der i n Fragment A als nuncupator bezeichnete L. Octavius i m kaiserlichen Auftrag die N e u g r ü n d u n g der Kolonie vollzogen oder aber den Vollzug feierlich eröffnet haben, demzufolge sein Denkmal erst verständlich würde, «... wenn wir einen zweiten Sockel mit einer gleichlaufenden Inschrift für den Kaiser als conditor der C o l o n i a Raurica voraussetzen dürfen, . . . » . Deshalb ist i n Erwägung zu ziehen, ob das 320
Emerita-Fragment (C) v o n der Inschrift der zweiten, kaiserlichen Statuenbasis stammt. Dabei w ü r d e eine bei gleich lautendem Text i m unteren Teil (Kolonie-Namen und Dedikation) anzunehmende, umfangreiche Namensnennung u n d Titulatur i m oberen Teil der Inschriftenplatte - wie sie eine dem Kaiser gewidmete Inschrift vorAbb. 56: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Fragment N. Ansicht des aussetzten w ü r d e - auch das g e d r ä n g t e Schriftbild erlinken Randstreifens einer Seitenplatte der klären. Nuncupator-Basis. Auf der Rückseite Die Rekonstruktion der Inschriftenplatte des Emeritades länglichen Fragmentes der rückseitigen Fragmentes (C) mit insgesamt 10 Zeilen, v o n denen eine Verkleidungsplatte sind die Placken des Bleivergusses auf der ganzen Länge erhalten.n a c h t r ä g l i c h ausgemeisselt wurde, stimmt i n den MasDieser Bleiverguss hat zur Fixierung sen exakt mit der v o n demselben Sockel stammenden, der bündig anstossenden, zur Rückseite hin aus den anpassenden Fragmenten D - L rekonstruierten abgeschrägten Bronzeplatten gedient. Im Seitenplatte überein, deren Grösse durch A d d i t i o n der Bleiverguss ist überdies andeutungsweise das Negativ der abgerundeten Kante des Sockelvon den Fragmenten abgerollten Masse ermittelt wurde kerns zu erkennen (vgl. Abb. 42). M. 1:2. (Tabelle 2). Die H ö h e n beider Stücke v o n 105,8 Zentimeter entspricht zudem genau dem r ö m i s c h e n Mass v o n 3 Fuss u n d 7 Unzen u n d mit 91 Zentimeter Breite genau 3 Fuss u n d 1 Unze, was eine Differenz v o n genau A römil
schen Fuss ausmacht . 321
Die Rekonstruktion der Inschriftenplatten Die Verwendung desselben Legierungstyps für die beiden
Tabelle 2: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Breite der rekonstruierten Seitenplatte der Statuenbasis des Emerita-Fragmentes (C; vgl. Abb. 58). * die Breite total entspricht 3 Fuss, 1 Unze (= 91,02 cm).
Inschriftenplatten u n d die rekonstruierte Seitenplatte, die an allen Fragmenten identischen Werkspuren v o n der Überarbeitung der Güsse sowie die ü b e r e i n s t i m m e n d e Versatztechnik der Verkleidungsplatten unter Verwendung v o n mit Blei hintergossenen Profilstücken kann
linker Randstreifen
linke Profilleiste
Mittelfeld
rechte Profilleiste
rechter Randstreifen
Total
7,9 cm
1,6 cm
71,8 cm
1,6 cm
8,1 cm
91 c m *
damit b e g r ü n d e t werden, dass alle Verkleidungsplatten gleichzeitig, d. h . i m Rahmen eines Auftrags i n derselben Werkstatt, hergestellt worden sind. Die Gliederung der
Für die vorgeschlagene Ergänzung der Inschriften-
mindestens vier aus den Fragmenten zu rekonstruieren-
platte (Tabelle 3) werden konstante Zeilenabstände v o n
den Verkleidungsplatten folgt demselben Grundschema -
2,4 Zentimeter angenommen, wie sie i m erhaltenen Frag-
mit leicht e r h ö h t e m Randstreifen u n d einem abgetieften,
ment vorliegen.
durch ein identisches, jeweils 1,6 Zentimeter breites Ky-
Der i m oberen Teil ergänzte Text folgt m i t Kaiser-
maprofil gerahmten Mittelfeld - u n d ist möglicherweise
titulatur, Funktion u n d dem Anfang des Kolonienamens
mit einem für beide Sockel verbindlichen Entwurf zu
dem i m Nuncupator-Fragment (A) vorgegebenen Formu-
b e g r ü n d e n . Dies, u n d vor allem die bei beiden Inschrif-
lar. Für die ergänzten Zeilen wurde jeweils eine der vier
tenplatten an derselben Stelle des Textes innerhalb des
auf dem Fragment vorhandenen Z e i l e n h ö h e n verwendet,
Kolonienamens vorgenommene Entfernung der 4. bzw. 6. Zeile, lässt einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den beiden Inschriften u n d damit auch zwischen den Persönlichkeiten vermuten, deren Statuen auf den beiden
320 Lieb 1974, 421. 321 Die Anregung, die Masse auf das römische Fussmass umzurechnen, verdanke ich Markus Schaub.
Tabelle 3: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Gemessene und rekonstruierte (kursiv) Höhen der Inschriftenplatten der beiden Statuen Abb. 57 und 58)
Wertigkeit
Nuncupator-Fragment
5 1 5 1 5 1 4 1
cm
Oberer Randstreifen (inkl. Montagestreifen)
7,4
Oberer Randstreifen (entspr. Fragment L der rekonstruierten Seitenplatte)
Profilleiste
1,6
Profilleiste
1,6
Abstand zur 1. Zeile
2,0
Abstand zur 1. Zeile (entspr. Zeilenabstand)
2,4
LOCTA[VIOLF]
7,6
[IMP CAESARI]
7,0
Zeilenabstand
2,7
Zeilenabstand
2,4
[DIVI IVLIF]
7,0
NVNCV[PATORI] Zeilenabstand
Zeilenabstand
2,4
[COLONIA PATERNA] Zeilenabstand
5,6
Zeilenabstand
7,0
2,7 5,3
[APOLLINARIS]
[AVGVSTO]
5,8
2,7
3
2,4
[CONDITORI]
Zeilenabstand
1
Zeilenabstand
6,1
1
ZEILE
6,9
2,4
COLONIA [PATERNA]
ENTFERNTE
cm
Zeilenabstand
2
3
Emerita-Fragment (C)
(A,B)
ENTFERNTE
ZEILE
4,8 2,4 5,3
2,7
Zeilenabstand
2,4
5,6
[APOLLINARIS
5,3
1
Zeilenabstand
2,7
Zeilenabstand
2,4
2
[AVGVSTA EMERITA]
5,3
[AVGVSTA E] MERITA
4,8
1
Zeilenabstand
2,7
Zeilenabstand
2,4
4
[RAVRICA]
6,1
[RAVR]ICA
5,8
1
Zeilenabstand
2,7
Zeilenabstand
2,4
5
[PVBLICE]
7,6
[PVBL]ICE
7,0
Abstand zur Profilleiste (s. oben)
2,0
Abstand zur Profilleiste
4,4
Profilleiste
1,6
Profilleiste
1,6
unterer Randstreifen, inkl. Montagestreifen (entspricht Fragment O)
8,4
unterer Randstreifen, inkl. Montagestreifen
7,5
rekonstruierte Plattenhöhe
91,3
rekonstruierte Plattenhöhe
entspricht 3 Fuss, 1 Unze (=91,02 cm)
cm
105,8 cm
entspricht 3 Fuss, 7 Unzen (=105,78 cm)
die sich entsprechend der (z. T. ergänzten) Länge der Zeile
Zentrierung der Schriftzeilen innerhalb des gerahmten
anbot (Tabelle 4).
Innenfeldes, so dass der Abstand v o n Profilleiste und Zei-
Die auf diese
Weise entstandene Abfolge v o n
Z e i l e n h ö h e n deckt sich m i t der i m oberen Teil der N u n -
lenanfang bzw. Zeilenende u n d Profilleiste jeweils übereinstimmt u n d individuell v o n der jeweiligen Zeilenlänge
cupator-Inschrift auf Fragment A u n d B erhaltenen (Ta-
a b h ä n g t . Die Breite des Schriftfeldes wurde anhand der
belle 3). H i n z u kommt der Abstand zwischen Profilleiste
kürzesten letzten Zeile m i t dem gesicherten PVBLICE
u n d erster Zeile, der m i t einem Zeilenabstand eingesetzt
ermittelt, indem eine zeichnerische Ergänzung i n O r i -
wurde, sowie die H ö h e des oberen Randstreifens, die i n
ginalgrösse unter Verwendung der vorgegebenen Buch-
der rekonstruierten Seitenplatte erhalten ist. Die Rekonstruktion der Plattenbreite basiert auf der
s t a b e n a b s t ä n d e angefertigt wurde (Abb. 58). Dabei sichert die rechte, innen entlang der Profilleiste
gebrochene
Tabelle 4: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). ZusammenAbstand zwischen der letzten Zeile u n d der Profilleiste stellung der für die Rekonstruktion der Inschriftenplatten der beiden wurde Staentsprechend des oberen, die H ö h e des unteren tuenbasen (Abb. 57 und 58) verwendeten Schrifthöhen. Randstreifens analog dem an Fragment O v o n einer der Seitenplatten dieses Sockels überlieferten Mass angenomNuncupatorFragment (A,B)
EmeritaFragment (C)
Zeilenabstand
2,7 cm
2,4 cm
2
niedrigste Zeile
5,3 cm
4,8 cm
3
dritthöchste Zeile
5,6 cm
5,3 cm
4
zweithöchste Zeile
6,1 cm
5,8 cm
5
h ö c h s t e Zeile
7,6 cm
7,0 cm
Wertigkeit
verwendete H ö h e n
1
men (Tabelle 3). Daraus resultiert eine P l a t t e n h ö h e v o n 91,3 Zentimeter, was m i t 2,8 Millimeter Abweichung nach oben 3 Fuss u n d 1 Unze entspricht. Die Rekonstruktion der Plattenbreite ergab bei der erhaltenen Breite der seitlichen Randstreifen mithilfe der zeichnerischen Ergänzung der zweiten Zeile (NVNCVPATORI) ein Mass von 93,6 Zentimeter, was mit einer Abweichung v o n 1,2 Millimetern nach oben 3 Fuss u n d 2 Unzen ergibt. Damit sind die beiden Fragmente A u n d B zu einer fast quadratischen Inschriftenplatte zu rekonstruieren, an einem würfelförmigen Sockel mit Kranz- u n d Fussprofilen.
Kante des Emerita-Fragmentes die rechte Grenze des
Zusammenfassung
Schriftenfeldes. Für die Breite der seitlichen Randstreifen wurde die Breite der rekonstruierten Seitenplatte einge-
Das Recycling-Depot aus der Insula 20 enthielt insgesamt
setzt (Tabelle 5).
14 Plattenfragmente
Demnach entspricht die Breite der Inschriftenplatte
u n d ein Profilfragment, welche
des Emerita-Fragmentes (C) m i t 91 Zentimeter der Breite
offensichtlich v o n der Verkleidung zweier gemauerter
der rekonstruierten
( D - L ) , weshalb die
Statuenbasen stammen (Abb. 57 u n d 58). Acht Fragmente
Statuenbasis i m Grundriss quadratisch zu rekonstruieren
(D-L) passen aneinander u n d lassen sich zu einer glatten
Seitenplatte
ist - m i t einer Seitenlänge v o n 3 Fuss u n d 1 Unze gegen-
Seitenplatte ergänzen (Abb. 58). Deren Format weicht
über einer H ö h e v o n 3 Fuss u n d 7 Unzen.
allerdings erheblich v o n der bislang akzeptierten Ergänzung der drei erhaltenen Inschriftenfragmente ( A - C ) zu
Die Inschriftenplatte vom Nuncupator-Fragment (A; B) wird
einer Platte ab (vgl. Abb. 32), weshalb davon auszugehen
mit 8 Zeilen ergänzt, v o n denen ebenfalls eine n a c h t r ä g -
ist, dass sie v o n zwei verschiedenen Schriftplatten stam-
lich ausgemeisselt wurde. Sie setzt voraus, dass der Text
men. Dies legen auch die Werkspuren v o n der Montage
i m verlorenen unteren Teil gleich lautend wie i m vorlie-
i m Bereich der Plattenkanten nahe, indem zwei vonein-
genden Emerita-Fragment (C) endete, n ä m l i c h m i t dem
ander abweichende Konstruktionsprinzipien zwei ver-
Rest des Kolonienamens u n d der Dedikation. A u c h hier
schiedener Sockeltypen erkennen lassen. Demnach kann
wird e i n konstanter Zeilenabstand v o n 2,7 Zentimeter
die rekonstruierte Seitenplatte ( D - L ) nur z u m Sockel des
vorausgesetzt, u n d die ergänzten Zeilen wurden ebenfalls
Emerita-Fragmentes (C) g e h ö r e n (Abb. 58), dessen Er-
jeweils mit einer der vier auf dem Fragment vorhandenen
g ä n z u n g der Inschrift eine identische P l a t t e n h ö h e u n d
Z e i l e n h ö h e n eingesetzt (Tabelle 4), wie es sich entspre-
-breite ergibt.. Für die Existenz v o n zwei verschiedenen Inschriften-
chend der Zeilenlänge anbot. Auch i n diesem Fall deckt sich die Abfolge der Z e i l e n h ö h e n m i t der i m unteren Teil
platten spricht überdies der abweichende formale Aufbau
des Emerita-Fragmentes (C) erhaltenen (Tabelle 3). Der
i n den beiden erhaltenen Textteilen: So sind auf den
Tabelle 5: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Rekonstruierte Breite der Inschriftenplatten der beiden Statuenbasen (Abb. 57 und 58). Nuncupator-Fragment (A) 2. Zeile: «NVNCVPATORI» (Abb. 57) Linker Randstreifen
linke Profilleiste
Profilleiste / Satzspiegel
Schriftzeile
Satzspiegel / Profilleiste
rechte Profilleiste
rechter Randstreifen
Total
6,1
1,6
3,4
71,4
3,4
1,6
6,1
93,6 c m = 3 Fuss, 2 Unzen (= 93,48 cm)
Emerita-Fragment (C) 4. Zeile: «PVBLICE» (Abb. 58) Linker Randstreifen
linke Profilleiste
Profilleiste / Satzspiegel
Schriftzeile
Satzspiegel / Profilleiste
rechte Profilleiste
rechter Randstreifen
Total
8,0
1,6
10,6
50,6
10,6
1,6
8,0
91 cm = 3 Fuss, 1 Unze (= 91,02 cm)
Abb. 57: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Massstäbliche Abb. 58: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Massstäbliche Rekonstruktion der Statuenbasis des Nuncupator-Fragmentes (A und B). Zur Rekonstruktion der Statuenbasis des Emerita-Fragmentes (C). Zur RekonRekonstruktion der Zeilenanzahl vgl. Tabelle 3; zur Ergänzung der Inschrift struktion der Zeilenanzahl vgl. Tabelle 3; zur Ergänzung der Inschrift vgl. vgl. Beitrag L. Berger mit Abb. 6 (grössere Reproduktion). Zur Zuweisung derL. Berger mit Abb. 7 (grössere Reproduktion). Zur Zuweisung der Beitrag Fragmente N und O vgl. Beitrag J. Riederer (Appendix C, Tabelle 9). übrigen Fragmente vgl. Beitrag ). Riederer (Appendix C, Tabellen 11 und 12)
beiden Fragmenten der Nuncupator-Inschrift (A u n d B)
Lieb i n Erwägung gezogen hat - eventuell der Kaiser als
die Zeilenabstände grösser und die Zeilen selbst h ö h e r
conditor der C o l o n i a Raurica . 322
als auf dem Emerita-Fragment (C; vgl. Abb. 37 u n d 39). Schliesslich spiegeln auch die unterschiedlich tief eingeschnittenen Buchstaben (Abb. 47 u n d 48) u n d die unterschiedlich platzierten Serifen des Buchstabens A auf den beiden beschrifteten Fragmenten zwei unterschiedliche «Handschriften» wider (vgl. Abb. 51 u n d 52). Darüber hinaus verweisen jedoch die übereinstimmende formale Gliederung der Platten i n Mittelfeld, identisch ausgeführter Profilleiste u n d Randstreifen sowie dieselben Werk- und Montagespuren darauf, dass die beiden Statuenbasen inhaltlich i n Zusammenhang stehen. Auch die bei beiden Inschriften i n ü b e r e i n s t i m m e n d e r Weise vorgenommene Ausmeisselung einer Zeile innerhalb des Kolonie-Namens (vgl. Abb. 47. 49. 53. 54), der überdies jeweils i n der unteren Hälfte der Inschrift platziert ist (vgl. Abb. 57 u n d 58), erlaubt, einen i m unteren Teil gleich lautenden Text anzunehmen. So bleibt abschliessend zu ü b e r l e g e n , ob beide M o n u m e n t e Bestandteile eines
«Statuenprogrammes»
waren u n d sich gegenseitig inhaltlich e r g ä n z t e n . Es k ö n n t e neben dem nuncupator eine zweite Person geehrt worden sein, die i n Zusammenhang mit der KolonieG r ü n d u n g v o n Bedeutung war, u n d zwar - wie schon H .
322 Lieb 1974, 421.
Appendix C zu Testimonium 2: Die Ergebnisse der Metallanalysen und ihr Beitrag zur Rekonstruktion der beiden Statuenbasen Josef Riederer
Einleitung
(Abb. 59 u n d 60) durch die Metallanalysen bestätigen liesse.
V o n acht mit A , C, E, I, L M , N u n d O bezeichneten
Voraussetzung für diese Fragestellung bilden die drei
Bronzeplatten, welche v o n Bettina Janietz als Verklei-
Fragmente E, I u n d L , die an andere hier nicht unter-
;
dungsplatten v o n zwei verschiedenartig ausgestalteten
suchte Fragmente anpassen u n d demzufolge alle m i t
Statuenbasen angesprochen werden (Abb. 59 u n d 60) ,
Sicherheit v o n einer einzigen Platte stammen (Abb. 60,
wurden insgesamt 47 chemische A n a l y s e n
linke Seitenplatte). Dort ist E an der Unterkante, I i n der
323
Atomabsorptionsverfahren
325
324
nach dem
ausgeführt (Tabelle 6). Die
Untersuchung der insgesamt 41 Proben aus den Bronzeplatten hatte einerseits z u m Ziel, die Art der verwendeten Legierung kennen zu lernen, andererseits sollte abgeklärt werden, ob aus Ähnlichkeiten i n den Analysendaten Rückschlüsse auf eine eventuelle Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t einzelner, nicht anpassender Fragmente m ö g l i c h sind. Dabei interessierte namentlich, ob sich die Zuweisung des sog. Nuncupator-Fragmentes (A) u n d des sog. EmeritaFragmentes (C) zu zwei verschiedenen Statuensockeln
323 S. Beitrag B. Janietz (Appendix B). 324 Nicht aufgeführt sind in Tabelle 6 die Proben Nr. 39 und 40, welche lediglich Korrosionsprodukte enthielten und sich deswegen nicht für eine Atomabsorptionsanalyse eigneten (vgl. dazu Anm. 325). Die in Tabelle 6 ebenfalls nicht aufgeführten Proben Nr. 10, 11, 16 und 17 enthalten Material aus dem Bleiverguss und werden weiter unten besprochen (Tabelle 13). 325 S. dazu J. Riederer, Kunstwerke chemisch betrachtet. Materialen - Analysen - Altersbestimmung (Berlin, Heidelberg, New York 1981) 121 ff.
Abb. 59: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). RekonstruktionsAbb. 60: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Rekonstruktionszeichnung der Statuenbasis mit dem Nuncupator-Fragment (A, B) mit einzeichnung der Statuenbasis mit dem Emerita-Fragment (C) mit eingezeichgezeichneten Entnahmestellen der Proben für die Metallanalysen neten (vgl. Entnahmestellen der Proben für die Metallanalysen (vgl. Tabelle 6). Tabelle 6; die fehlenden Nummern betreffen meist Lotproben). Zur ZurRekonRekonstruktion der Statuenbasen vgl. Beitrag B. Janietz (Appendix B, struktion der Statuenbasen vgl. Beitrag B. Janietz (Appendix B, Tabelle Tabelle3); 3); zur Ergänzung der Inschrift vgl. Beitrag L. Berger, Abb. 6. zur Ergänzung der Inschrift vgl. Beitrag L. Berger, Abb. 6.
Tabelle 6: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). ZusammenMitte u n d L an der Oberkante lokalisiert . A n h a n d des stellung der Ergebnisse der Metallanalysen der einzelnen Bronzeüber die Länge der Platte gelegten Probenprofils u n d der plattenfragmente aus dem Recycling-Depot. Verteilung der acht quantitativ mehrfachen Probenentnahme bei den einzelnen Fragerfassten Elemente in %. Zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. menten war die Schwankung der Konzentrationen der Abb. 57 und 58; zu den hier nicht aufgeführten Proben aus dem Bleiverguss (Nr. 10, 11, 16 und 17) vgl. Tabelle 13. Die Proben Nr. 39 und Nr. 40 einzelnen Elemente innerhalb einer Platte sowie der wurde nicht berücksichtigt (vgl. Anm. 324). Einzelfragmente v o n Interesse. Überdies wurden v o n zwei 326
Probe 1 2 3 4
Fr gm. M M M M M
Cu 75,26 76,22 74,65 75,02 75,29
Sn 8,80 8,73 8,93 8,96 8,86
Pb 15,26 14,24 15,77 15,31 15,15
Zn 0,34 0,44 0,35 0,38 0,38
Fe 0,18 0,22 0,14 0,16 0,18
Ni 0,029 0,029 0,030 0,033 0,030
Ag 0,061 0,059 0,063 0,065 0,062
Sb 0,064 0,061 0,071 0,082 0,069
Frgm. N N N N N N
Cu 70,06 65,00 74,19 70,04 71,32 70,12
Sn 8,14 8,94 7,25 8,53 8,42 8,26
Pb 21,36 25,58 18,24 21,03 19,83 21,21
Zn 0,15 0,22 0,08 0,14 0,15 0,15
Fe 0,13 0,12 0,10 0,12 0,12 0,12
Ni 0,030 0,026 0,027 0,029 0,029 0,028
Ag 0,063 0,055 0,056 0,060 0,060 0,059
Sb 0,068 0,053 0,055 0,060 0,071 0,061
A
Frgm. 0 0 0 0 O
Cu 73,09 68,42 70,47 68,56 70,14
Sn 7,36 8,54 8,03 8,92 8,21
Pb 19,08 22,68 21,10 22,15 21,25
Zn 0,16 0,10 0,14 0,12 0,13
Fe 0,16 0,13 0,12 0,12 0,13
Ni 0,028 0,025 0,027 0,027 0,027
Ag 0,057 0,056 0,059 0,057 0,057
Sb 0,063 0,063 0,060 0,052 0,059
Probe 18 19 20 21
Frgm. I I I I
A
1
Cu 75,34 76,17 76,78 76,20 76,12
Sn 8,13 8,00 8,05 8,10 8,07
Pb 15,80 15,17 14,57 14,98 15,13
Zn 0,37 0,37 0,32 0,41 0,37
Fe 0,18 0,15 0,15 0,16 0,16
Ni 0,032 0,032 0,030 0,035 0,032
Ag 0,053 0,055 0,052 0,055 0,053
Sb 0,055 0,062 0,057 0,059 0,058
Probe 22 23 24 25
Frgm. E E E E E
Cu 76,79 75,72 77,20 76,50 76,55
Sn 8,14 8,54 8,08 8,26 8,26
Pb 14,43 15,04 14,08 14,57 14,53
Zn 0,35 0,44 0,36 0,38 0,38
Fe 0,15 0,13 0,14 0,14 0,14
Ni 0,029 0,039 0,031 0,032 0,033
0,055 0,052 0,056 0,053 0,054
Sb 0,062 0,053 0,058 0,066 0,060
Frgm. A A A A A A A A
Cu 75,95 70,43 76,81 75,96 75,75 76,46 76,70 76,27
Sn 7,93 11,10 8,12 8,22 8,21 8,25 8,10 8,14
Pb 15,32 17,35 14,28 14,98 15,22 14,40 14,39 14,77
Zn 0,44 0,64 0,46 0,46 0,46 0,50 0,46 0,46
Fe 0,20 0,25 0,20 0,23 0,21 0,22 0,21 0,21
Ni 0,034 0,054 0,032 0,035 0,034 0,046 0,033 0,036
Ag 0,053 0,057 0,050 0,051 0,051 0,051 0,051 0,051
Sb 0,071 0,125 0,058 0,061 0,065 0,076 0,067 0,066
Frgm. L L L L L L L
Cu 77,10 76,60 76,48 76,98 76,23 74,20 76,27
Sn 7,93 8,39 8,38 8,44 8,46 9,18 8,46
Pb 14,31 13,31 14,49 13,91 14,43 15,91 14,39
Zn 0,36 0,39 0,34 0,36 0,35 0,40 0,37
Fe 0,15 0,15 0,16 0,16 0,37 0,16 0,16
Ni 0,032 0,034 0,031 0,030 0,031 0,030 0,031
Ag 0,060 0,055 0,056 0,054 0,057 0,050 0,055
Sb 0,066 0,066 0,062 0,065 0,070 0,073 0,067
Frgm. C C C C C C C C
Cu 76,59 76,98 77,16 77,98 77,53 76,66 77,17 77,15
Sn 8,60 8,32 8,14 8,01 8,23 8,51 8,21 ! 2
Pb 14,00 13,88 13,85 13,22 13,44 14,05 13,84 13,75
Zn 0,46 0,48 0,45 0,46 0,45 0,45 0,45 0,46
Fe 0,20 0,20 0,25 0,20 0,21 0,19 0,19 0,21
Ni 0,031 0,030 0,029 0,030 0,030 0,030 0,029 0,030
0,050 0,049 0,049 0,048 0,048 0,051 0,048 0,049
Sb 0,071 0,067 0,064 0,061 0,064 0,069 0,063 0,066
A
Probe 5 6 7 8 9 A
Probe 12 13 14 15
A
Probe 26 27 28 29 30 31 32 A
Probe 33 34 35 36 37 38 A
Probe 41 42 43 44 45 46 47 A
Fragmenten (N u n d O) je zwei Lotproben untersucht. Die Analysen ergaben, dass alle Plattenteile aus einer reinen Blei-Zinn-Bronze mit hohen Blei- u n d mittleren Zinngehalten, also aus einer zu römischer Zeit z u m Guss grösserer Objekte bevorzugten Legierung, bestehen. Die Gehalte an Arsen, Wismut, Kobalt, G o l d u n d C a d m i u m liegen, wie das für r ö m i s c h e Bronzen typisch ist, unter der Nachweisgrenze des Atomabsorptionsverfahrens, die für das Arsen bei 0,10%, für das Wismut bei 0,025%, für das Kobalt bei 0,005%, für das G o l d bei 0,01% u n d für das C a d m i u m bei 0,001% liegt. Deshalb sind diese Elemente i m Folgenden nicht aufgeführt. In Tabelle 7 sind die Mittelwerte der einzelnen Fragmente zusammengestellt.
Tabelle 7: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Zusammenstellung der Mittelwerte der Metallanalysen der einzelnen Bronzeplattenfragmente (vgl. Tabelle 6) aus dem Recycling-Depot. Verteilung der acht quantitativ erfassten Elemente in %. Zur Lokalisierung vgl. Abb. 57 und 58. Frgm. A C E I L E+I+L M N O N+O
Cu 76,27 77,15 76,55 76,12 76,27 76,31 75,29 70,12 70,14 70,13
Sn 8,14 8,29 8,26 8,07 8,46 8,29 8,86 8,26 8,21 8,24
Pb 14,77 13,75 14,53 15,13 14,39 14,64 15,15 21,21 21,25 21,23
Zn 0,46 0,46 0,38 0,37 0,37 0,37 0,38 0,15 0,13 0,14
Fe 0,21 0,21 0,14 0,16 0,16 0,17 0,18 0,12 0,13 0,12
Ni 0,036 0,030 0,033 0,032 0,031 0,032 0,030 0,028 0,027 0,028
0,051 0,049 0,054 0,053 0,055 0,054 0,062 0,059 0,057 0,058
Sb 0,066 0,066 0,060 0,058 0,067 0,062 0,069 0,061 0,059 0,061
Diskussion der Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t
Das Diagramm der Zinngehalte (Abb. 62) bestätigt die Aussage des Kupferdiagramms, das schon die u n g e w ö h n -
einzelner Fragmente aufgrund
liche Heterogenität der Fragmente N u n d O erkennen
der Verteilung einzelner Elemente
liess. Darüber hinaus wird bei diesem Diagramm deutlich, dass sich das Fragment M deutlich v o n der Gruppe A - L
Zur Diskussion der Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t einzelner
aufgrund
Fragmente seien i m Folgenden die Konzentrationen der
Zinngehalte der Fragmente A - L sind sehr ä h n l i c h . Die
acht quantitativ erfassten Elemente dargestellt.
Schwankungen der Zinngehalte innerhalb eines Frag-
Das Diagramm der Kupfergehalte (Abb. 61) lässt erken-
von erhöhten
Z i n n g e h a l t e n absetzt. Die
mentes liegen i m Bereich v o n 0,5%. Bei den Mittelwerten
nen, dass zwei unterschiedliche Gruppen v o n Platten-
der Zinngehalte liegt das Fragment M mit 8,86% deutlich
fragmenten vorliegen, u n d zwar die Fragmente A, C, E, I,
h ö h e r als die Fragmente A - L u n d N u n d O, die Mittel-
L u n d M mit relativ einheitlichen Kupferwerten, die nur
werte i m Bereich v o n 8,0-8,5% haben.
i n engen Grenzen schwanken, u n d die beiden Fragmente
Im Diagramm der Bleigehalte (Abb. 63) fällt als Erstes
N u n d O mit wesentlich stärker variierenden Kupferwer-
wieder die deutliche Trennung der bleireichen Fragmente
ten. Diese Beobachtung wird auch durch die Betrachtung
N u n d O v o m Rest der Fragmente auf. Der mittlere Blei-
der Mittelwerte bestätigt, die bei den Fragmenten A - M
gehalt v o n N u n d O liegt bei 21%, derjenige der übrigen
bei 75-77% C u , bei N u n d O bei 70% liegen. Bemerkens-
Fragmente bei 14 bis 15%. Bei den Fragmenten A - M gibt
wert ist die Einheitlichkeit der Kupferwerte der Fragmente
es wieder einige Differenzierungen, wobei C besonders
A - M , die, w e n n m a n v o n einzelnen Ausreissern absieht,
bleiarm ist, w ä h r e n d der Rest der Fragmente, darunter
i m Bereich v o n h ö c h s t e n s 2% variieren.
auch das durch den e r h ö h t e n Zinngehalt auffallende
mm II
67
68
69
70
71
72
73
74
75
II 76
1 77
78
79
80
13
14
15
16
17
18
% Kupfer
19
23
2
24
25
% Blei
Abb. 61: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Kupfergehalte Abb. der63: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Bleigehalte der einzelnen Bronzeplattenfragmente aus dem Recycling-Depot in %.Bronzeplattenfragmente Basis: aus dem Recycling-Depot in %. Basis: Tabelle 6; Tabelle 6; zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57zur undLokalisierung 58. der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57 und 58.
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%Zink
0.36
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i • j4___-
0.44
0.48
Abb. 62: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). ZinngehalteAbb. der 64: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Zinkgehalte der Bronzeplattenfragmente aus dem Recycling-Depot in %. Basis:'Tabelle 6; Bronzeplattenfragmente aus dem Recycling-Depot in %. Basis: Tabelle 6; zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57 und 58. zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57 und 58.
Fragment M ä h n l i c h e Bleigehalte hat. O b w o h l Bleigehal;
te aufgrund v o n Seigerungserscheinungen
327
bereits i n
engen Bereichen deutlich variieren k ö n n e n u n d bei der
de Fragment M , deren Mittelwerte ausgesprochen ä h n l i c h sind u n d bei 0,37 u n d 0,38% liegen. Die Schwankung der Zinkgehalte innerhalb eines Fragmentes liegt unter 0,1%,
Probennahme immer die Gefahr besteht, Material aus
u n d aus der Unterscheidbarkeit der Fragmente A u n d C
einer Bleianreicherung zu entnehmen, findet m a n hier
v o n den Fragmenten E - M u n d den Fragmenten N u n d
bei den einzelnen Fragmenten sehr ä h n l i c h e Bleigehalte,
O aufgrund der i m Ko%-Bereich liegenden Unterschiede
die i n einem Schwankungsbereich v o n h ö c h s t e n s 2% lie-
macht hier besonders deutlich, dass nur mit analytischen
gen. Deshalb muss eine Seigerung beim Guss dieser Platten ausgeschlossen werden. Beim Zink (Abb. 64) fallen die beiden Fragmente N u n d O durch besonders niedere Gehalte u n d Mittelwerte v o n 0,13 u n d 0,15% Z n aus dem Rahmen der übrigen Serie. A u n d C haben m i t Mittelwerten v o n 0,46% Z n h ö h e r e Zinkgehalte als die drei v o n derselben Seitenplatte stammenden Fragmente E, I, L sowie das nicht anpassen-
327 Unter Seigerung versteht man die Entmischung einer Legierung. Eine langsame Erstarrung der Schmelze vorausgesetzt, wandert das Blei, da es den niedrigsten Schmelzpunkt und das höchste spezifische Gewicht von allen Legierungsbestandteilen besitzt, innerhalb der Gussform nach unten. Demzufolge widerspiegelt das messbare Konzentrationsgefälle des Bleis die Ausrichtung des Gussstückes während des Gusses.
O "N "M
E
I
"c
"A 0.1
0.12
0.14
0.16
0.18
0.2
0.22
0.24
0.26
0.28
0.045
0.3
0.047
0.049
0.051
0.053
0.055
0.057
0.059
0.061
0.063
% Silber
% Eisen
Abb. 65: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Eisengehalte der67: Augst BL, Insula 20 (Grabung 1966-1967.53). Silbergehalte der Abb. Bronzeplattenfragmente aus dem Recycling-Depot in %. Basis: Tabelle 6; Bronzeplattenfragmente aus dem Recycling-Depot in %. Basis: Tabelle 6; zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57 und 58. zur Lokalisierung der einzelnen Fragmente vgl. Abb. 57 und 58.
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