Studien zur Sprachwissenschaft und Kulturkunde: Gedenkschrift fur Wilhelm Brandenstein


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German Pages 411 [206] Year 1968

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Studien zur Sprachwissenschaft und Kulturkunde: Gedenkschrift fur Wilhelm Brandenstein

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INNSBRUCKER BE ITR AGE ZU R KULTURWISSENSCHAFT Herausgegeben von der lnn1brucker Gesellschaft zur Pßcge der Geineswis.sensdiaften Band 1-4

Studien zur Sprachwissenschaft und Kulturkunde Gedenksduifi für

Wilhelm Brandenstein (1898-1967)

Herausgegeben von Manfred Mayrhof e r in Verbindung mit Prilz Lodmer-Hüttenbach und Han s Sdlmeja

lnn,bruck 1968

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesminineriums filr Unterridu, des Nouinges der wissenschaftlichen Verbände österrcidu (auf Antng der Innsbruck.er _Gesellsd,aft :z.ur Pflege der Geisteswissenschaften), des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und des Stadtsenates Graz.

VORWO RT

R edaktion: Hermann Olb erg

Im Frühjahr des Jahres 1967 faßten die Herausgeber dieses Bandes bei einem Zusammentreffen in Graz den Plan, ihren gemeinsamen Lehrer Wilhelm Brand e n s t e in an seinem 70. Geburtstag, dem 23. Oktober 1968, durdi eine Festschrift zu erfreuen. Die - aus Platzgründen eingeschränkte - Aussendung von Ein ladungen zur Mitarbeit fand ein Edto, das unsere schönsten Erwartungen übertraf: aus allen Ländern, von berühmten Generationsgefäh rten bis zu dankbaren jungen Schülern, erreichten uns Zusagen und alsbald auch Manuskripte, deren vielfältige Thematik einen Widerschein der enzyklopädischen Interessen und Arbeitsziele des Jubilars zeigte. J e deutlicher sich das Erscheinungsbild des künftigen Festbandes darbot, desto sicherer konnten wir sein, unserem Lehrer mit der Oberreichung dieser Studien eine der hellsten Stunden seines Lebensabends zu bereiten. Da erreichte uns am t. Dezember 1967 die Nadiricht von dem plötzlid,en Hinscheiden Wilhelm Brandensteins. Die Festschrift, deren Hemellung eben begonnen hatte, mußte z u einer Gedenksch rift werden; zu dem Kummer um den Verlust des väterlichen Förderers kam für uns die bittere Einsicht, mit unserer D ankesgabe zu spät gekommen zu sein. An d ie S1elle einer freudigen Widmung müssen somit einige Säne der Erinnerung treten: der Erinnerung an einen Gelehrten, der wie wenige andere den Gesamtbereich der Sprach- und Kulturwissenschaften in seinen Arbeiten vertreten hat, der sid, zur Sprachphilosophie wie zur historischen Völkerkunde, zur Indogermanenfrage wie zur Etruskologie, zur Phonetik, Phonologie und Schallanalyse wie zu den kleinasiatischen Sprachen, zu r Ortsnamenforsdiung und Volkskunde wie zur Linguistik und Gesd,idite Elams und Ahirans in vielbeachteten Veröffentlichungen geäußert hat. Diese Vielfa lt der Interessen verband sich bei dem Lehrer Wilhelm Brandenstein mit einem Feuer der Begeisterung für seine Wissenschaft; es wird in seinen Schülern erst mit ihrem Tode erlöschen - und dennoch liegt deren größte Dankesschuld auf einem anderen Felde, nämlich in der Prägung, die ihnen Brandensteins lautere Persönlichkeit mitgegeben hat: in dem Erlebnis eines Mannes, der gegen sich selbst so hart sein konnte - als vielfach ausgezeichneter Frontoffizier wie als mutiger Vorkämpfer humanitärer Ideen, als kühner Alpinist und Spommann wie als der tapfere, nie klagende Kranke seiner letzten d reizehn Jahre - und der mit dieser Härte stets soviel Güte, Verständnis und Kameradsd1aft gegen seine Freunde und Schüler, auch die jüngsten, verbunden hat. So ist uns dieser Band, als Gabe der Zuneigung und Verehrung gemeint, nun zu einem Denkmal der Erinnerung geworden : an einen Menschen, desgleidi.en wir nicht mehr sehen werden. Manfred Mayrhof er

Auslieferung dunh du lniititut für Vergleichende Spradiwissenschaft der Leopold-Fram.ens-Universität Innsbruck A 6020 Innsbruck, Innrain 52

Rauchdrudr. Innsbruck

INHA LTSVERZEICHNIS

Vorwor1 .

A. ALLGEMEINE UND INDOGERMANISCHE SPRACHWISSENSCHAFT AITZETMÜLLER, Rudolf, De.s angebliclie s-Futurum des Slavischen .

11

BtL.-.11.1H, Walter - C.-.1.ooN.-., Giorgio R. , Anneno tawn, un problema di semantica .

17

BRUNNEll, Richard J., Johann Andreas Scluneller. Ein Beilrag zu seinen sprachlheoreli25 schen Arbeiten . DR!:S5LEll, Wolfgang, Ved. dive-dive und die idg. lterativkomposila

39

GusM.-.NI, Roher1o, Die neuen lydischen Funde seit 1964 .

49

J. , Ober

55

GuYONVAllc'tt, Oiristian

einen al ten Zeitbegriff im Keltischen

HAAS, Ouo, Zu den lydischen Glossen .

57

KNOIILOCH, Johann , lrrevenibler Bedeutungswandel .

65

Ko210L, Herbert, Zu englischen Präfix- und Suflixbildungen .

69

KmrEll, F. B.

J., Sailü,4- and Ku~ile.va-

77

Kuulow1cz, Jerzy , Die Flexion der germanischen schwachen Fe.mi.ninstämme .

85

MATL. Josef, Einige Bemerkungen zur semasiologischen Pejoration und Melioralion in den slavischen Sprachen .

93

MAYkHOFER, Manfred , Vedisch vidhU- .vereinsamt· - ein indogennanistischer Mylhos1 . 103 MEID, Wolfgang, Zum Dvandva-Kompositum im Irischen .

. .... ............... ...... 107

ÜLBERG, Hermann M. , Idg. R, vor u im Albanischen .

. . 109

PANAGL, Oswald, Mo:vCo - e ine phrygische Glosse? . P1s....N1, ViUore, Munera Parva .

. . 119 . .. . .. 123

ScttMEJA, Hans: Zur griechischen Wortbildung. Die Nomina auf -6i;, yLv6µEvo;• aus der Bedeutu.ng „fut~rus _entwickelt haben könnte. Gerade diese erstere Bedeutung aber zeigt uns, 1m Verein mit dem Umstand, daß alle Belege des slavischen „s-Futurums" von ein und derselben Verb~lwurzel sc:1.mme?, den Weg zur Lösung. Diese kann nur im Pa~digma vo? byti selbst hegen und muß m den sprachlichen Gegebenheiten innerhalb. dieses Parad igmas ges~cht wer~e:1·. K. ,:rost hat in einem sdi.önen Aufsatz die perfektmhe Bedeutung der Prasenspartmpien mchtdurativ-perfektiver Verben aufgezeigt 12 ; seine Resultate auf die Partizipia bysrst-1 . byS9St- angewendet, erbringen die Lösung d~s Pr~blems. Ein Perfekt ist jener Zustand, der aus emer 1n der ~ergangen~e1t abgesch!C!,'senen nicb1durativen Ursadieha ndlung resultiert (abg. umrbl"b 1tJtl, .,er u~ gestorben , ~~­ sachehandlung „sterben" , remltierender Zustand „gesrorben .sein"). Em. Perfektpartmp bezeichnet den Träger eines solchen perfektisdien Zustandes. Das alte 1dg. Perfe~tpartizip (vgl. etwa ai. mamr-u,-i. und abg. umbr-1>S-i) ist im Slavischen erhalten g~~beben, zeigt aber eine ganz bestimmte syntaktische Verwendung. ~ kaM nur appos1t1v -~erwendet werden und drückt die Voneitigkeit des perfekt1scben Zustandes gegenuber der Haupthandlung aus, z.B. Mar. Mt. 1, 24: 'V"bStaVb lo.sift, ot,, S1>na, Sötvo~i jakoie povelt jemu aggl"b gm, ... , €yeQ{}e:~ lle 6 'lwcr~q, MO wü ihtvo1..1 l:n:OL11crsv wi; '1'QOO"€ta~Ev «irt(t) O äyye:}.oi; xUQ(O\\ nachdem Joseph vom. S~laf aufgestanden war (genau: als ein vom Schlaf aufgestanden Seiender), tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte. - Das Perfektpartizip umfaßt an sich die Ursachehandlung und d.en daraus resultierenden Zustand. Durch die appositi ve Verwendung aber verlage"! .s1di das Hauptgewicht auf die vo~ei!ige Ursache~andlung_ ~ls. Gegenpol zur nachzeingen Haupthandlung. In obigem Be1sp1el besteht die Polamat m de~ Handlung des Aufstehens, die vorzeitig ist gegenüber der Haupthandlung, dei:n Erfüllen ~e~. Befehls. _?er eigentliche perfektische Zustand, die Tatsache, daß Jose-'?h die ga_~ze Z~1t uber un? -~b~r die Haupthandlung hinaus ein Aufgestandener w~r, .um ge~enuber .du:ser. Pol~n.tat ~n den Hintergrund 0 . So besitzt das alte us-Partiz1p 1m Slav1schen mdn die Fah1gke1t, 12

.Die aktiven Präsenspartizipia perfektiver Verben im Altkirchenslavischen· {AzSPh l,

~\•g1. wörtlich bei Tro&t, .Der perfektische Zustand hat nicht se~en Anfang vor der Eintritl der Haupthandlung bereits. an. Du SchwerHaupthandlung. sondern dauM. vor dem =

31

nur

gewicht liegt auf dem Eintritt des Zwtandes vor der Hallpthandlung, aber mcht auf d':' Fond&.uer Uber den Eintritt der Haupthandhmg hinaus. Mit Beginn der Haupthandlung wird der Zustand stilistisch irrelevant (grammatikalisch bleibt er natürlich bestehen), ohne daß er k.omplexiv gefaßt werden muß (S. -43).

Das angebliche ,-Futurum des Slavischen

ts

einen perfektischen Zustand auszudrücken, der zur Haupthandlung nicht vorzeitig ist, sondern gleichzeitig oder nachzeitig. Zum Ausdruck eines sold-ien Zustandes ist nur das nt-Partizip geeignet, das .sog. Präsenspartizip. Beim Verbum byti gab es nun das alte perfektische us-Ptz. byVl>. Infolge der eben geschilderten syntaktischen Verwendung bedeutet dieses aber nicht „geworden seiend", sondern nur mehr „nachdem er oder es geworden war" (z.B. Supr. 107, 12: poveSen'b !t byvr, svrtyi natr slaviti Boga, nachdem der Heilige aufgehängt worden war, begann er Gott zu preisen). Aus ,,(geworden) seiend" war ein „geworden (seiend)" entstanden. Für letzteres, nämlich „geworden (seiend)", gab es die Form by't'l>; für ersteres, also ,,(geworden) seiend", gab es keine Ausdrucksmöglichkeit. Denn das vom durativen jtsmb „ich bin" stammende Präsenspartizip .s9M- bedeutete nur „seiend", Der Zustand, der durch dieses Partizip ausgedrückt wird, war ja seit Urzeiten ein präsentischer gewesen und kein perfektischer. Die Unterscheidung von „seiend" und „geworden seiend" war also grammatikalisch nicht realisierbar. Man kann sich aber gut vorstellen, daß es gerade im Altbulgarischen ein Bedürfnis war, diese Unterscheidung treffen zu können, da man mit ihr in der theologischen Literatur auf Schritt und Tritt konfrontiert war. Es mußte ein Partizip geschaffen werden, das in Form und Bedeutung die beiden Begriffe „seiend" und „geworden" in sich vereinte. Das konnte nur vom Verbum byti aus gesdiehen und z.war von jener Fonn des Verbums, die die nidudurative Handlung des Werdens in der Vergangenheit darstellt, das ist der Aorist. So konnte von der 3. PI. by!f aus sowohl ein by§9St- mit der Flexionsweise der (durativen) je/o-Verba gebildet werden, wie auch ein bySfSt-, das direkt von der 3. Person Pluralis gebildet ist''. In beiden Fällen handelte es sich um ein echtes perfektisches Partizip „geworden seiend", das befähigt war, den Unterschied zu sQAt- ,.seiend" auszudrücken. Wie präzise die alten Slaven mit diesen feinen N uancen umzugehen verstanden, zeigt einprägsam die eingangs zitierte Stelle aus dem Izbornik 1073: da uie jedinoj9 'Vb ne by!ia§teje obucivyi sf Hm"b icln,, tt, t.e h s9Sttmu Bogu vr, istinu pri,vedutb. Im Griechischen steht beide Male nur das Präsenspartizip, tva "t~V ä:n:nS di; ,U µTJ liv,a µElt.ETTjfü:Zaav ÖLcivo~av . . . • Eli; -r:Ov livt"ooi; 5V"ta 'frtOv W.rrl}Wi; µ.uaqi€QWOW. Der Slave hat differenziert und präzisiert. Nicht geworden „seiend" in nur Gott, daher h H/!ittmu Bogu; alles andere muß „geworden seiend'" sein, auch wenn es für den menschlichen Sinn oder Verstand nicht da ist, daher bySf§teje. Der Grieche konnte diese fein e Nuancierung nur durch die Gegenüberstellung von -rCl µ.TJ Övta, aber -rOv Öv'tOOi Övta1 treffen. Die Nominalbildungen by!bn"b, by!ibstvo srammen natürlich ebenso vom Aorismamm bych-JbyS-. Die Frage, wie die Part izipien by~§t-/by§p.§t- 2.ur ßedeutung „fururus" gekommen sind, läßt sich auf verschiedene Weise klären. So können die nt-Partizipia nichtdurativer Verben a priori neben der Gleichzeitigkeit audi. die Nachzeitigkeit ausdrücken15. Der Obergang kann aber auch im Zusammenhang mit b9d9 nfio" und „ero• und dessen Ptz. b9d9st- stattgefunden haben bzw. mit den semantischen und funktionellen Veränderungen, die diese Formen in (relativ) jüngerer Zeit mitgemacht haben1 '. Jedenfalls bereitet er weniger Sdiwierigkeiten als die umgekehrte Herleitung von •Y8"11•6c;" aus „futurus"'. 1 "' Daß in alter Zeit das -nt- des Partizipiwns mit jenem der 3. Person Pluralis in Verbindung gebracht wurde, erweist eindeulig auch die Akzentuierung; vgl. hierzu bei L. Sadnik, Slavilche Abenluation I Die vorhisiorische Zeit Wiesbaden 1959, S. 121. 15 Vgl.. bei Trosl 1.c. S.SOf. :w Gerade in diesem Zusammenhang kann dar11.uf verwiesen werden, daß in den XIII S!cw, also in jener Handschrift, auf die sich die Bedeutung .futurus · kon2entriert, auch ein b9d9Jt•ytV1J.•&;• belegt ist.

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17

A1TZ:ETMOLLU, Das angebliche a-Futurum

Die Entstehung der Panizipia by~lt-!lry~t- von aoristischcm byti aus bdeuchtet übrigens auch eine sozusagen über das Versuchsstadium nich~ hinausgekommene P~rallelbi)dung, nämlich ein bei Miklosich sub byti geführtes, bisher unbeachtet gebliebenes WALTER BELARDI -

Ptz. byjr •öxciQx(r)v".

G IORGIO R. CARDONA Roma

Armeno tawn: un problema di semantica 1. Se si osserva la serie lessicale indoeuropea nclla qw.le, dopo la proposta di Lukics

Patrubiny1, vien fatto rientrare, per consenso unanime, l'armeno lawn ,lOQTII« ,fesu., giorno festivo' (in sense cristiano) si constata immediamerne ehe dal l.no semantico l'armeno occupa una posizione singolare. II lat. Japs (dapis) ,cibo sacrificale, banchetto', il greco 6cirnw ,divoro, lacero, sbrano' (e öwtUV1'1 ,spesa, dispendio'), il nord. ant. ta/n ,vittima sacrific2.le' e ,sacri6cio' (e il nome ddla divinitl Tan }ana presso Tacito), e, ultima :acquisiiione, il toc. A t ,fes1a') ricorda moho da vic ino1 ~ i due significati dell'osseto (iro n) kuyt1J che indica la fest ivicl. nei suoi due aspetti della ,preghien.' e de! ,banchetto rituale' (ehe comincia con la preghiera recitata dal piU u Vedi Tixeront, op. clt„ p. 262 e u. 11 ,e chi nel mercoledl o nel venerdl celebrerA il ricordo dei mar1iri e Ja festa con sacri• fi cio (di animali, zenmamb; unowmn, d.i origine iranica, vale propriamente ,sacrificio di animali, immoluione, vittima'i vedi G. Bolognesi, Arm . • umem, u num· , in . Ricerche Lin• guistiohe· . 5 [19621. pp. 132- 135). sarA in co)pa. percM e nel canone ehe nel g)Omo del Venetd\ di Pasqua bisogna fare il matal. perche Cristo, Dio Crealore del cielo e della lerra. nel venerdl e stato crodfisso r e c·e bisogno di lellure (biblichei e salmi e Vangelo in q uesto giomo, perchl! ogni uomo in questo giorno e slalo libuato dai peccati, e il Paradiso e sttlo aper1o per opera del ladrone (Lu. 23, 43], e l'uomo e stato liberato dalla schiavitü. in que1110 giomo e Cri,to ha liberato da Satana in questo giorno: me i c1noni della Chiese comandano di digiunare, fuor ehe in queslo giomo, e invece mangiare dur1nle a\tri sei giomi fino alla Pe.ntecoste·. u Tixeront. op. eil., p. 266 e. u. n Cf. P. Ramet. in . AION•L·, 5 11963), p, 36 nota 2.

Armeno lawn , un probleme di semanlica

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anziano), Ma nel caso dell'osseto - accettata l'ipotesi di E. BenvenisteH - il verbo primario ltuvyn ,pregare, salutare 01 suggerisce una radice •kubh• con il valore di ,compiere una ctrimonia pubblica', mentre il tawn armeno ci riporta al valore primo della ,divisione in parti (del cibo)'. E' ben noto ehe questo senso, ehe scaturisce dai soli riflessi di •Ja:c-•P·, si -e im Ae.) am besten durdi. die Annahme, daß •-än hier genau wie im Akk. Sg. der ä-Stämme behandelt worden ist: vgl. got. giba, ahd. geba, ae. 3iefe (< -.e), an. -a allerdings nur in der Pronominalflexion (blinda wie mlna usw.). Die got. Form blindo, die in der Endung vom Akk. Sg. giba abweicht, wäre daher als eine Neubildung zu betrachten, und zwar als das Ergebnis der Differenzierung gegenüber dem Mask. (auf -a): blindan, blindans : blinda blindon, blindons : blindo (möglicherweise auch sa : blind-a = so : blind-o)'. Der Unterschied in der Behandlung von *-än (Akk. Sg. Fern.) und •-ön (idg. Gen.

=

~ Alles neutrale (merk m a I I o s e) Glieder morphologischer Oppositionen. 1 Vgl. Krause, Handbuch des Goi. S. 155. Noreen, Gesch. d. nord. Sprachen, 1913, S. 170 (auch Spuren eines alten -On?). Kr&he, Germ. SpMchwiss. II, 1957, S. -4-4. • Das Verhällnis sa (mask.J, 110 (fem.) scheint übrigens im Paradigma des Artikels faa- selbst eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Im Gen. PI. entspricht dem ai. Unterschied der Stammform (le-1-äm , lii+ iim) im Got. ein Unterschied der Endung (],iz-e : J,iz-o). Das Verhältnis -e (mask.), -o (fern.) ist dann in die Nominalflexion übertragen worden (dage , gibo, hai],/o; gumane , tuggono). wobei in den Stammklassen, in denen beide Geschlechter vertreten w~ren, -e verallgemeinert wurde, qen-e wie ga11t-e; handiw-e wie suniw-e; swi.!lr-e wie broJ,r-e; baurg-e wie mann-e). Der Gegensatz -e , -o hält sich also in der durch das Adjektiv vertre· tenen Stammklasse, nämlich -a- , -o-, -an- , -cm- (-ein-), z.B. Gen. PI. -ane , -ono. Der Ablaut -e : -o im ~n. Pl. ],i::e , faito beruht auf der Ausnutzung des Verhältnisses (s-)a , (s-)o, zuerst im Paradigma von J,a-. Den etymologischen Längen got. e und o entsprach als Neutralisienmgspunkt die gemeinsame Kürze a. Daher wurde bei der Ausdifferenzierung einer neuen Maskulinform des Gen. PI. das Verhältnis 1 Fern. fait-o (nach so , ~a) durch Polarisierung zu I J,iz-o 't Mask. * faiz-a TJ,iz-e (Ersatz des neutralen Glieds a durch das negative Glied e).

88

Jerzy KuRYlow1cz

PI.), der aus ahd. blint-a : tag-o (auch aus Nom. Sg. Mask. blint-o) erhellt, wird traditionell einer angeblichen idg. Differenz in der Intonation der Auslautssilbe zugesdiriebenP, Abgesehen davon, daß die von Bezzenberger aufgestellten und von Hirt gebilligten gr.-lit, Gleichungen irrtümlich sind, ist die Einführung der prosodischen Kategorie der Intonation in die Analyse des germ. Wortauslauts ein Auskunftsmittel ad hoc, das nidi.t nur nicht hinweghilft, sondern sogar den Tatbestand kompliziert. Die Lösung ist vielmehr in der relativen Chronologie der aufeinanderfolgenden phonetisdien und „analogischen" (morphologischen oder vielmehr morphonologischen)10 Änderungen zu suchen. Wenn idg. *-tin des Akk. Sg. Fern. got. -a, dagegen idg. *-On des Gen. PI. got. -o ergibt und der Unterschied dem gr. Gegensatz zwischen -itv und -Wv zugeschrieben wird, wie steht es dann mit dem Verhältnis got. blinda: blindo (-in aber -i5n?) 11 • Im Gr. hat sowohl -1jv als auch -Wv den Akut. Warum ist umgekehrt die Behandlung von ahd. blint-o gleich der des Gen. PI. (tag-o), was also nach der herkömmlichen Auffassung auf einen alten Zirkumflex hinweisen würde, dagegen das a des Nom. Sg. blint-a gleidi. der Endung des Akk. Sg. des starken Fern., d. h. Fortsetzung eines alten Akuts? Also -On im Mask., -dn im Fern. der n-Stämme? Der Begriff der Intonation ist aus der vgl. Lautlehre des Germ. zu streichen. Nebenbei sei bemerkt, daß einige Schwierigkeiten der Erklärung des germ. Auslauts aus dem Wege geräumt werden können, wenn man die zuletzt besprochenen Erscheinungen in die Periode vor dem Zusammenfall von idg. ä und ö zurückverlegt12• Die Auslautsgruppen *-Qn und *-On haben sich durch. Nasalierung zu -q resp. -9 (mit neutraler Quantität) entwickelt und sind dann infolge Entnasalierung mit -a resp. -ö zusammengefallen' 3• Daher ahd. blinta wie gtba (Akk. Sg.) und blinto wie tago; an. blinda (Nom. Sg. des schwachen Fern.) wie blinda (Akk. Sg. des starken Fern.). Was für ein Langvokal der 1. P. Sg. des Dentalpräteritums zugrunde liegt, läßt sich nicht feststellen, In Betracht käme auch -ä(ie/o)- wie im lat. Iterativ auf -(t)ti-re (dicttire). Erwähnt seien einige jüngere Ansichten über den Bau der nasalen Nominalparadigmen des Germ. Krahe (op. cit. II, S. 47 f.) erklärt das Paradigma des schwachen Fern. durch das Bestreben zur Vereinfachung des Vokalismus und vergleicht die Flexionstypen lat. natiO, natiOnis und gr. &yOOv, &yWvoi;;. Ähnlich Krause op. cit. S. 156 Anm. Doch. hätte dieses Bestreben irgendwie auch den altertümlichen Ablaut got. -in(s), -an(s), -ne vereinfachen müssen. Wichtiger ist Krahes Bemerkung, daß zur Verallgemeinerung des Suffixes -On- die Tatsache beigetragen habe, daß viele idg. Q-Feminina im Germ. in die n-Flexion übergetreten sind, z.B. slaw. iena: got. qino, lat. lingua: got. tuggo. Das an. ahd. as. -ü.n- statt -On- wird von ihm als lautgesetzlich angesprochen " Krause op. cit. I, l 88 ff. Kr-ahe op. cit. I, 1956, S. 48 f. Dagegen E. A. Makaev in der Vgl. Gramm. der germ. Sprachen (russisch) II, 1962, S. 307 f. 10 Zum Begriff des Morphonerns s. Phonologie der Gegenwart, Wien 1967. S. 158 ff. 11 Krause op. eil. S. 89. 155. ll Im Kelt. sind ebenfalls idg. ä und O im Wortinlaut zusammengefallen, während in der auslautenden Silbe der Unterschied bezeugt ist, z. B. airisch firu ,tfrö(ri)s, aber tuatha < •teutä{n)a. Kymr. Mask. gwyn .weiß-, Fern. gwen mit Brechung vor altern -ä, ych .Ochs•uxü *ukaö (mit Umlaut durch i < ü < ü ö). 1 " Im Umord. Zusammenfall zu -0 (woraus später -a). Selbstverständlich muß parallel zur Na&alierung -am > -q die Reduktion des alten -iin

Konkreta) sind die gleidten wie die der idg. substantivierten Adjektivformen auf -ä, die übrigens ebenfalls im Germ. noch gut bezeugt sind.

In diesen Beispielen scheint noch die dem idg. sächlichen o-Adjektiv eigentümliche Deminutivfunktion durchzuleuchten 14 • In bamilo .Kindlein" zu bt1rn .Kind• (sächlicher a-Stamm) liegt a lso eine Kumulierung von zwei tkminutiv50.ffixen vor, gerade so wie in deutsch Kind-ltin (-il +ln-). Dies legt den Schluß nahe, daß die Formen got. augo, t1uJo, ht1lrto samt ihren Entsprediungen alte Oeminutiva zu idg. • oq•, •ous (resp. •auJ), •fird darstellen. In der Tat sind für diese Wörter Deminutivformen in den idg. Sprachen belegt : lat. oculus, b"öot. ÖxTCÜJ.~; arm. unkn < •uson +ko-, rom. a11ricula; airisch cridt18 , slaw. st,rde,ct. Im Sinne eines Abstraktums trscheint das schwache N eutrum im Got. ganz selten: Röm. 13, 7 usgibi], uns al/aim skuldo "drc6öo-re o'Öv :rtäotv -r!li; ÖtpeLAdi;" und Röm. 8, 38 o\/'Ce Eveo-r&m oütt µOJ..ovTO. (dagegen deutsch starke Form : .,weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges•). Aus der flüchtigen Analyse der Fakten ergibt sich, daß das schwadie Fern. eine erst dem Urgerm. zuzuschreibende Kategorie ist. Der Stamm - {jn- beruht nicht auf der Verallgemeinerung der Dehnstufe des Nom. Sg., wie etwa in lat. natiij, sondern ist als eine sek u· n d ä r e n-Ableitung aus der fern. Stammform auf -i, < -ä (Nom. Sg.) des fern. Adjektivs aufzufassen. Schlagend beweist dies die Tatsache, daß in denjenigen 14

Zu d/JUT, -daUro vgl. 111. ianua •Tor· , port. ;anela _Fenster· (mit altem Deminutivsuffil:

,e11al. 11

Deminutive Funktion von -ijom in gr. J'10&-i.oY < 1t0\",: ; dQ-.,LOY < 6.QTtY uw.

1f Mit Geschlechliwechsel N~tr. > Mu k.• aber Bew a hrung der alt e n n - Flexi.o n ahd. sdmo, 111. ,irnen, asl1w. 6' mf: as. liomo .Glanz. Strahl-. vgl. 111. liimen < • /euk-1-mn; 1s. ,elmo, 1frie1. bed -selma .Bettstelle", aslaw. slemr .Balken· , got. /1/Juma .Gehör", ·•w. sraoman- n . • Gehör", got. ,toma •{,ltOaffl(Ju; • , 1i. sthänum- n .• Slmdort ". S. Kluge. Urgerm., 1913, S. 204. Es fragt sich euch. ob die zahlreichen Abstrakta auf -an- männlichen Geschlechts nicht ursprüngliche Neutr• for15elnn, w goL ga-nauha . Genüge-, ga-laUra .Riß" ww. von Verben. en. diarfi . Kilhnhei1" , h9f&i _Schwere· u. a. von Adjektiven.

93

JOSEF MATI

Gm

Einige Bemerkungen zur semasiologischen Pejoration und Melioration in den slavischen Sprachen Es ist mit den folgenden Ausführungen nicht beabsichtigt, die grundsätzlichen methodischen Probleme der Melioration und Pejoration im sprachlichen Prozeß des Bedeutungswandels zu erörtern, Probleme, die in letzter Zeit ohnehin in eingehenden monographischen semasiologischen Untersuchungen und Darstellungen sowohl im Westen durch Stephen U 11 m a n n1 als auch in der sovjetisdien Forsdiung durch V, A. Z v e g in c e v 2 auch mit Berücksichtigung des für diese Fragen wichtigen emotional-affektiven Wirkungsfaktors behandelt wurden. Hier sollen nur einige Materialien dargeboten werden, die vielleicht für die weitere Erörterung dieser Frage von Bedeutung sein könnten, Idl beschränke mich dabei auf Beispiele der semasiologisdi.en Melioration und Pejoration in den slavischen Bezeichnungen fremder Völker, ferner auf einige Beispiele aus dem Gebiet des Spradlspottes und der Sch.impfwörter. Die in der Fremdvolkbezeichnung auftretende Bewertung hängt, wenn wir von den neutralen Bezeichnungen absehen, einerseits von sogenannten Nationalklischeevorstellungen ab, die durch literarische Tradition gegeben sind (alte Kosmographien, Chroniken, Typen in der schönen Literatur) und die sidi erstaunlich langlebig und zäh als positive und negative Stereotypen erhalten haben, wie z.B. in der englischen Literatur: .,Die Franzosen sind charmant, die Schotten geizig, die Deutschen Streber, die Spanier feurig und stolz" , ; oder wie die in der älteren englischen, französischen, spanischen, italienischen aber auch kroatischen Komödie (Marin DtziC, Dundo Maroje: die Gestalt des Tudefak - Tedesco - Deutscher) stereotype Gestalt des Deutschen als Säufer, Fresser, Raufbold oder die von Voltaire stammende, in der englischen und französischen Literatur verbreitete, aber auch in die slavischen Literaturen übernommene, historisdi. falsche, negative Bewertung der Vandalen und Goten (C. vandalstvi, p. wandalszczyna und so weiter) . Im slavischen Bereich haben wir auch mit derartigen literarisdien Nationalklischees zu tun, die durch die Literatur und die Gelehrten ins „Volk" gedrungen sind; z.B. die von dem Begründer des romantisdi.en Panslavismus, dem Slovaken Jan Koll2.r in die Welt gesetzte und von allen Slaven im 19. und 20. Jh. bereitwilligst aufgenommene These von dem „kriegsliebenden, eroberungssüchtigen Deutschen", der dem angeblich friedliebenden Slaven gegenübersteht. Da aber im kulturellen Gesamtentwiddungsprozeß der Slaven die sogenannte Hochliteratur viel jüngeren Datums ist, haben diese literarischen Nationalklischees vor allem bei den Balkanslaven nicht diese Bedeutung wie bei den alten westeuropäischen Kulturvölkern. Dafür war hier die jeweilige geschichtliche Situation maßgeblich (Herrschafts- bzw. Untertänigkeits- bzw. symbiotische Nachbarschaftsverhältnisse), in der die Fremdvölker bzw. Teile von ihnen unmittelbar in die reale Lebenserfahrung und damit in das sprachliche Bewußtsein und in die sprachliche Fixierung eindrangen. Dabei trat dann in der Grundzüge der Semantik. Die Bedeutung in sprachwissenschaftlicher Sicht. Berlin 1967, Semasiologija, Moskva 1957. Untersuchungen des Anghsten F. K. Stana:el über die Darstellung der Ausländer in der Zeit Elisabeth 1. von England. 1

J

3

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„Aufladung" des Begriffes mit Gefühhwerten entweder, wenn die Größe, Stärke (auch physisch), die Macht, d ie Tüchtigkeit als vorstellungsrnäßige Voraussetzung für Bewunderung da war, die „admirative•, also meliorative ßedeutungsverinderung ein. Anderseiu wirk1en Wildheit, Gewalttätigkeit, Roheit furcht- und abscheuerregend in der Richtung der pejorativen Bedeutungsveränderung. Dabei ergaben sich bei räumlicher und zeitlicher Distanz eigentümliche Übergänge zur Verniedlichung, zur Verharmlosung, zum Kinderschreck mit .Türken", .Tataren"', bei den nidu unmittelbar von ih rer Gewaltherrschaft betroffenen Cechen. Die Bedeutungsveränderung ins Pejorative vollzieht sidi auch in der Richtung des Verädulichen entweder aus konfessionellen Gegensätzen, z. B. der Orthodoxtn gegenüber den Katholiken und Protestanten (in Rußland und im orthodoxen Balkan) oder der balkanischen Orthodoxen gegenüber den katholischen westeuropäischen „Lateinern" oder, wenn z.B. Verlogenheit, betrügerische Hinterlist, Feigheit etwa der Griechen oder Italiener aus der Lebenserfahrung heraus z.um Ausdruck gebracht wird. Daz.u kommt sdi.ließlidi eine harmlose Form d er Pejoration, wenn z.B. die fremd e Kleidung komisch empfunden wird, schließlich die Eigenheit des Sprechens, also Sprachspott. Nun zu einzelnen Beispielen: Die Slaven waren am stärksten mit den germanischen Völkern von der ältesten Zeit, von den unmittelbaren Kontakten mit den Goten durch die ganze gesdi.iclnliche Entwicklung bis in die neueste Zeit in direkter oder indirekter polirisdi-wimchaftlicher, sozialer und kultureller Verbindung. Aus diesem Grunde finden wir audi. den sprachlidien Niederschlag aller möglichen Varianten positiver und negativer Bewertung. Was die Goten betrifft, so möchte ich, ohne dle seinerzeit in der Vasmer-Fesudirift4 gegebenen Belege zu wiederholen, nur darauf hinweisen, daß die Goten bereits in den ahrussischen wie audi in den byzantinisch-südslavischen Urkunde n und anderen literarischen Zeugnissen in positiver Bewertung ab großes, tapferes Volk aufsche inen, z . B. ,.gotskie krasnye devict" (herrliche gotische Mädchen), ebenso in den dalmatinischen literarischen QueJlen .vrle Gote i Slovint digosmo". Interessant ist nur, daß bei der Verdunkelung der e1hnischen Tradi tion und der Vermengung mit Avaren, Tataren, .Elini" (Helenen), der Transformation ins Mythische nicht die Goten selbst, sondern die von den Goten besiegten kriegerisdien S p a I i Grundlage und Ausgangspunkt für die slavischen Assoziationen der Riesen, des Großen, des Mächtigen, des Altertümlidien schon im Kirdienslavisdi.en, Altrussisdien und Bulgarischen wurden. Bei den byzantinisditn Chronisten der Zeit der Kreuzzüge scheinen die „Ale m a n o i" als Bezeidinung für die Deutschen sdilechthin und mit der Vorstellung von einem mäditigen „alemansko carstvo" (alemannisches Reidi) auf und noch in einem bulgarischen Sammelband des 16. Jhs. ist eine positive Tradition des mächtigen „alemansko carstvo" zu finden. Daneben werden bereits in der byzantinischen historiographischen Tradition des 12. Jhs. Lateiner, Franken, Germanci für alle lateinische Häresie verantwortlich gemacht\ damit aus konfessionellen Gegensätzen pejorisiert. Vielfältiger ist die positive semasiologische Tradition der Franken : einerseits als militärisch tüditige Feinde und dabei gleidigestellt mit Kumanen und Türken, anderseits auf dem Balkan identifiziert mit Westeuropäern und Katholiken überhaupt, ~dlließlid1 in Bulgarien meliorativ nadi der Kleidung .fräng, /rtntc" (ein Mann, der europäische Hosen trägt), nach vorzüglidien Waffen „sabja /rangija•. Bei den Van da I e n ist abgesehen von der erwähnten, späteren Pejoris,uion vom 1 Zur Bezeichnung und Wer1ung fremder Völker bei den Slaven. In, Festschrift für Max Vasmer. Bd. 9 der Veröfien1lichungen der Abi. für slav. Spr. und Lit. des Osteuropa-Inst. an der freien Univ. Berlin, Berlin 1956; ergänzend dazu neu, Vtzanliski izvori za istoriju naroda Jugoslavije. T. I - Posebna izdanja SAN knj. CCXLI, Vizantoloiki insl. knj. 3, Beograd 1955. i Neue Angaben darüber, Anne K o m n in a. Aleksiad.a. Mo,kva 1965.

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Literari.sdien her auffallend die semasiologische Gleichsetzung im 16. Jh.: Vandalen Wenden, vandalische Sprache = slovenisc:he Spradie•. Noch vielfältiger ist die semasiologische Variante in den Be:zeidinungen de, Deutschen ,.Nemec, Prusak, Svaba, Svabo• nach der meliorativen und pejorativen Richtung hin: schon in der Ko,mographie der almmiscben Chroniken, in der „Povcst' vremennych let" werden unter den germanischen Völkern neben den „Varägern" auch die „Prusi• (Preußen), ,.Nemcy• genannt1 ; im übrigen findet sidi im Altrussischen bereits die generalisierende Gleichsetzung der Bezeichnung .Ntmec" für den wesdidien fremden überhaupt: ,.spamki Nemcy" (die spanischen Deutschen haben Amerika entdeckt), eine Gleichsetzung, die nach den Rußlanderfahrungen des Slavisten M. Mur k o noch im 19.Jh. üblich war. Auf eine Gleichsetzung „Nemac"', ,.Svaba" = Fremder, stoßen wir auch noch Mitte des 19.Jh. bei den Slaven des pannonischen Raumes•. In der Wertung überwiegen hier positive Momente, ebenso wie in der russischen Literatur des in der Ausnützung der Zeit sehr rationellen „Ntmec akuratnyj",;,, wobei im Russischen übrigens auch der über das Französische ins Russische gekommene Sprachspott „vasisdal' für den Deutschen aufscheint. Dagegen zeigt sich die negative ironische Einstellung gegenüber dem Deutschen und seiner Vorliebe für Würste in der russischen Bezeichnung „kolbasnik" (Wurstesser). Ebenso liegt ein ironisdier negativer Unterton im russischen „Prusak, Svaba" (Schwabe) 10• Aus den polemischen Auseinandersetzungen mit den Protestanten und Lutheranern in Rußland, über die wir durch die Untersuchung von L. M ü 11 e r 11 gut orientiert sind, Lurheergab sich eine pejorative Bedeutungsentwicklung der Bezeichnung Deut.scher raner ""' Ketzer bzw. Heide: Luther = Martin nemcin, ,.ikonoborci ljurori" (die lutherischen Bilderstürmer), ,.poganye Ntmcy" (die heidnischen Deutsd:ien), schließlich eine volkmymologische Urnde utu ng durdi. A.hnlichkeit: Luther russisch: ljutyj: der Grimme. Aus den gleichen ko nfessions~politischen Auseinandersetzungen der Katholiken mit den Lutheranern bzw. den deutschen Protes1an1en, wie auch aus den sonstigen nationalen und sozialen Gegensitzen, stoßen wir in der polnischen Volkssprache auf die Pejorisierung „lurry psy• (lutherische Hunde), spridiwörtliche Redensarten: ,.Niemcy, psy, cybuchy" (Deutsche, Hunde, Pfeifenköpfe). In polnischen Volkssagen taucht der Teufel als „Niemczyk", Luther als Teufelssohn auf. Andersei1s finden wir hier :.uch nach der Kleidung den Spounamen für den Deutschen „Szwab" und „Pludrak" (Plu~ derhosen). Auf der anderen Seite die pejorative Umdeutung des „Polaken" im Deutschenu. Dagegen finden wir die meliorativen Umdeutungen der Volksbezeichnungen für den Deutschen mit admirativen Untertönen, die psychologisch· in der Anerken~

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• Dazu L. Steinberge r, Wandalen = Wenden. In, Archiv für slavische Philologie XXXVII, S. l 16 fi. Neu, V. Nova k in: Razprave SAZU III, 1958, S. 240 f. 7 Darüber, N. Minis I i, La cosmografia della Povesf vremennych let. In, Annali IL Napoli 1959, S. 1 fi. • Quelle, Ost und West I. II. 1863, S. 87. • Welt der Slaven V, S. 278. 10 Que!le, A. I. Popo v, Iz istorii leksik.i t{lzykov VostoCnoj Evropy. Leningrad 1957,

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u Die Kritik des Protestantismus in der russischen Theologie vom 16. bis 18. Jh. = Aka• demie der Wissenschaften und der literatur (Mainz). Abt. d . geist. u. soz. wiss. Klasse. Jg. 1951 . Nr. l. bes. S. 13. H, 16. '' Für das Polnlsche haben wir eine selten reichhaltige Sammlung all dieser sprachlichen und volkskundlichen Erscheinungen in dem Buch von K. L ü c k. Der Mythos vom Deutschen in der polnischen Volksüberlieferung und Literalur, Posen 1938. für diese Frage bes. S. 251 bis 252.

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nung und Wertung des Deutschen als eines fleißigen, handwerklich tüchtigen und wirtschaftlich korrekten, sparsamen, nüchternen Menschen, als Inbegriff des „homo technicus" liegen, bei den Südslaven, insbesondere in der Volkssprache der Kroaten und Serben, in Redensarten, wie „radi kao Svabo" (er arbeitet wie ein Deutscher), ,,marljiv i iJtedljiv kao Svabo" {fleißig und sparsam wie ein Deutscher), ,.Svapsk: posao" (deutsche Arbeit) usw. Diese Einstellung geht historisch und psychologisch zurück - ganz abgesehen von der Tätigkeit der „Sasi" (Sachsen), die im Spätmittelalter den Bergbau in Bosnien, Serbien, Bulgarien zur Blüte brachten - vor allem auf die unmittelbaren nachbarlichen Beobachtungen an den deutschen Kolonisten seit dem 17. Jh. in der Vojvodina, in Kroatien, Slavonien, Bosnien, an den deut schen Technikern und Handwerkern in Serbien, Daß aber auch hier ähnlich wie in Rußland die Deutschen in den Augen der Serben als Bürokraten erlebt werden, zeigt sich im ironischen Unterton im ~erbischen Sprichwort „Balje da te Cera Turcin sa sabljom nego Svabo s perom"' (Besser, daß dich der Türke mit dem Säbel als der Deutsdie mit der Feder jagt) 13• Im Cechischen überwiegt aus den nationalen Gegensätzen und Spannungen, wirtschaftlichen und sozialen Konkurrenzen die pejorative Bewertung. Ob die Bewertung im Cechischen völkervergleichenden Sprichwort „Slovan (Cech) vül, Nemec kUl, Turek trava zelena, Francouz ruie Cervenll", in dem der Deutsdie als „Pfahl" dem Franzosen als „rote Rose" gegenübergestellt wird, positiv oder negativ aufzufassen ist, wage ich. nicht zu entscheiden. Dies erinnert an den in einem slovenisdien Sprichwort sich findenden Ver• gleich des Deutschen mit einem „Buchensdilägel" (bukov kij), wobei allerdings im Slo• venischen durdi den ersten Teil „Nemec tepec"' (Tölpel) sich eindeutig ein pejorativer Charakter ergibt, ebenso wie in dem von mir in meiner Volksschulzeit gehörten Aus· druck „Nemec tepec, kozji repec"' (Deutscher Tölpel, Ziegensdiweif), Der negativ-ironische Unterton in der Bewertung des Deutschen findet sich auch in einem Ausspruch in einer kajkavisch kroatischen Volksliedersammlung des 18. Jhs. „Nemecz bika lyubi, chernu kravu sznubi, na prasziczi jasse, s perovnar.hum passe" (Der Deutsche liebt den Stier, wirbt um die schwarze Kuh, reitet auf dem Ferkel, weidet mit dem Federvieh)'"'. Eine aus den spezifischen militärischen und administrativen Verhältnissen der Habsburger Monarchie sich ergebende Bedeutungswandlung liegt vor in ital. ~croato" im 19. Jh. in der Bedeutung des „feindlidien österreichisdi.en Soldaten" wegen der großen Zahl der kroatischen bzw. serbischen „GraniCari" (Militärgrenzsoldaten) in der österreichischen Okkupationsarmee, ebenso in Dalmatien in der Bedeutungswandlung „tedesco" zu „impiegato" (Beamter)15• Übrigens wurde auch in Bosnien nach der österreichischen Okkupation jeder österreichische Beamte, der im Dienste deutsdi sprach, als „Svabo" bezeichnet, auch wenn es der Herkunft und muttersprachlichen Nationalität nach Cechen oder Slovenen waren. - Aus den nationalen und machtpolitisdien Gegensätzen vor allem des 19. und 20. Jhs. ergaben sich auch bei den Südslaven pejorative Bedeutungsveränderungen der Bezeichnung für den Deutsdi.en: ,,Germanci" als Aggressoren, Imperialisten, die Bezeichnung „Austrijanstina"' (das Österreichertum) wurde zum politischen Schimpfwort ebenso wie die Bezeichnung „Naftalinci" für die ehemaligen österreichischen Offiziere kroatischer oder serbischer H erkunft, die bei der Pensionierung ihre Uniform mit Naphthalin einmotteten. Die Lateiner und Romanen : Aus den konfessionellen Gegensätzen zwischen der orthodoxen Kirche in Byzanz und der katholischen in Rom sowie aus den u J. Matl. Deutschland (Osterreich) und die Deutschen (Osterreicher) im Geschichtsbild der Kroaten und Serben. In: Südostdeutsches Archiv III, München 1960. S. 35 ff. 1 " Beleg bei Vj. N o r ~ i C in: Gradja za povijest knjiZevnosli hrvatske JAZU X, Zagreb 1927. l& Quelle, Ost und West I, II, 1863, S. 87.

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politischen aus der Einnahme von Konstantinopel und der Aufrichtung einer „Lateinischen Herrschaft" über einzelne balkanisdie Gebiete ergab sich eine ausgesprochen negative, verachtende und haßerfüllte Einstellung der orthodoxen konservativen Geistlichkeit gegenüber den westlichen „Lateinern", die man noch im 20. Jh. in den orthodoxen Klöstern erleben konnte. Wir wollen hier absehen von der semasiologischen Differenzierung der Bezeichnung „Latini" a) als Katholiken, b) als Ragusäer, c) als Venetianer, d) als Italiener, e) als Synonym für „Vlach", f) als Synonym für Westeuropäer überhaupt. Eine admirative Bedeutungsveränderung liegt in der bulgarischen Vorstellung rnn den Latini = Riesen als Ureinwohner des Landes, ähnlich wie in der bulgarischen und türkischen mythologischen Vorstellung von den Genuesen, türk. diinevizler", ebenso in der von den fränkischen Rittern. Einen anderen historischen Hintergrund hat dagegen die in der balkanischen, insbe~ sondere serbischen und kroatischen Volkstradition und Volksdichtung auch sprachlich zum Ausdruck kommende meliorative Einstellung gegenüber den gesellschaftlich feineren, schön gebauten „ohole tanane latinke" (stolzen schlanken Lateinerinnen) der dalmatinischen Städte, die auf die alten Handelsbeziehungen Dubrovniks mit dem Balkan in der Türkenzeit und auf die damit gegebenen gesellschaftlichen Beziehungen zurückgeht. Admirativen Charakter hat auch die Bewertung der besonderen Qualität von Schmuck und Waffen, bulg. ,,sabja latinka", auch der geistigen Klugheit z.B. in Polen. Dem gegenüber steht die pejorative Bewertung als „wortbrüchig, untreu, ausschweifend". Eine außerordentlich vielfältige Bedeutungsvariation erlebte im Slavischen die aus dem Germanischen übernommene und in allen slavischen Spradien, aber auch im Ungarischen und Rumänischen verbreitete Bezeichnung für „Romanos, Vlachus" aus germ. "walcha: ksl. ,,vlach", russ . .,voloch", poln. ,,wloch", Cs!. ,.vlllch", skr . ., v/ah" , slov. „lah"', und zwar eine Differenzierung in ethnischer, konfessioneller wie auch sozialer Richtung. Ohne hier auf Details einzugehen - ich verweise auf die Quellenangaben in meinem genanmen Beitrag in der Vasmer-Festschrift -, sei hier nur vermerkt, daß mit dieser Bezeichnung ethnisch in den einzelnen ost- und südosteuropäischen Räumen ein ,,Romanus" überhaupt, wie ursprünglich im Germanischen, oder ein Valache, ein Rumäne, ein Italiener bezeichnet werden kann; konfessionell ein Christ überhaupt oder ein orthodoxer Christ; in sozialer Hinsicht ein Hirte, vor allem ein Berghirte. Wenn sich auch in den semasiologischen Veränderungen ethnisdie, konfessionelle und soziale Distinktionen überschneiden, so erscheint im allgemeinen semasiologisdi dominant die Assoziation mit der Beschäftigung als Hirte in den Bergen, damit die Vorstellung des Einfachen, Primitiven. Die pejorativen Untertöne ergeben sich einerseits vom Machtpolitischen her „vla§e jedan" (verächtlich vonseiten der Türken gegenüber den Christen), anderseits vom Konfessionellen her (vonseiten der Katholiken, besonders der katholischen Kroaten gegenüber den orthodoxen Serben); schließlich vom Sozial-Gesellschaftlichen her, von der Geringschätzung von seiten des urbanen städtischen Menschen, z.B. der dalmatinischen Städte oder der ungarischen feudalen Gentry gegenüber dem einfachen primitiven Bergbewohner. Am Rande sei hier nur auf eine Parallelerscheinung, auf die pejorative Bedeutungsveränderung von „W alischer" in den österreichischen Gebieten hingewiesen, als auch von „Windischer" in den steirisch-kärntnerischen Grenzländern oder „Schlawiner" als Inbegriff des Unordentlichen und Schlampigen im Wienerischen bzw. Österreichischen, wobei hier allerdings die historischen und soziologischen Voraussetzungen verschieden liegen. Was die im Sprachlichen zum Ausdruck kommende Bewertung der Franzosen betrifft, so stehen in Polen und Rußland seit dem 18. Jh. als besondere Wertschätzung der französischen Kultur des Ancien regime eines Voltaire, Moliere, der Enz.yklopädisten wie auch des französischen Lebensstiles die meliorativen bzw. admirativen Assoziationen

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im Vordergrunde. Im 19. Jh. dasselbe bei den Cechen, zu Beginn des 20. jhs. bei den in Paris ausgebildeten Serben, den „parizllje•; anderseits ergab sich aus der napoleonischen Zeit, in der d ie französischen Soldaten angeblich die Syphilis einschleppten und verbreiteten, eine pejorative Bedeutungsentwicklung, die im Slovenischen in .Jranco1ka holest• (französisd,e Kra nkheit = Syphilis), im Serbokroatischen in .ona u o/rtnkala• (sie hat sidi mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt) und im Subst. ., frmjak" zum Ausdruck kommt. V I amen : Im ~ischen „fltimcwati", ,,schwelgerisch leben•, ,.prassen• haben wir wohl eine pejorative Nachwirkung aus der Zeit, als reid-ie vlämische Kaufleute in den böhmischen Ländern praS5end, mit dem Geld herumwerfend, in Erscheinung traten. Die G ri echen : Die Pejorisation in den alten südslavisdien, techischen und russischen literarischen Vomellungen, daß die Griechen „Elini" vom Ethnikum zu „Heiden, Ketzer, Götzendiener" verallgemeinert werden und mit den „Cifuti" (Juden) und „Turci" (Türken) assoziiert werden, geht auf alten kirdi.lichen Einfluß zurück und blieb durch viele Jahrhunderte gerade im orthodoxen balkanisdi.en, besonders im bulgarischen Bereich bis zur Identifizierung mit „Menschenfressern", anderseits auch admirativ mit „Riesen" - wie im slovenischen Gebiet „velikan" - lebendig. Umgekehrt werden die Volksbegriffe . Bulgarus" im Italienischen und Französischen (franz. ,. bougre") zu „Keti.er" und weiter zu „Sodomit". Im Italienischen, besonders Venetianisdi.en, aber auch im Französischen werden sie pejorisiert, als Folge der von der offiziellen Kirche als ketzerisch aufgefaßten, von Bulgarien kommenden Bogomilen-Pau.rener-Bewegung 18 • Die semasiologische Veränderung der Bezeichnung für Griechen geht anderseits auf die nicht gerade erfreulichen, jahrhundertelangen realen Lebenserfahrungen der Balkanvölker, besonders der Bulgaren und Serben mit den Griechen zurück, welch letztere sowohl den Handel beherrsdnen als auch die kirchlichen und damit die k ulturellen O rganisationen im Sinne der Gräzisierung und der Verachtung alles N ichtgriechischen. So kam es in der Volksmeinung zu einer pejorativen Bewertung, vor allem bei den Bulgaren und Serben: der Grieche ist „ falsch, hinterlistig, feindl ich •, bulg. ,.Gärk käto läie, sam si vtra chvaJta; t1 gorata viilci, t1 Urk0t1ata Gärci"'. Von einer „per{idia Graecorum" ist schon im 15. Jh. die Rede. übrigens haben wir audi. in Mittel- und Wes1europa, so im Französischen eine ähn lidi.e Bedeutungsentwiddung „Grec• = Betrilger, Levantiner. Anderseits sieht man insbesondere im Bulgarischen eine semasiologische Entwiddung auch in der Richtung des Melioraliven-Admirativcn, so z.B. in dem selbstbewußten Ausdruck des bulgarisdi.en kleinstädtischen Bürgers und Händlers, der noch im 19. Jh. mit stolz sagt: ~az sdm Gdrk• (ich bin ein Grieche) {persönlidi.e Erfahrung in Sumen Anfang der dreißiger Jahre), da ja das soziale und kulturelle Avancement nur durch lntegrierung :mm Griechentum möglich war - ähnlidi. in Rumänien in der Phanarioten-Zeit - , wie uns d ie Bildungsgeschichte der Kulturträger in Bulgarien, insbesondere in Mazedonien in der 1. Hälfte des 19. Jhs. belehrt. Interessant ist nur, daß mit dem Schwinden des griedi.ischen Einflusses der Phanarioten-Partei sich diese geschichtliche Tatsache audi. im Sprachlidi.en in der pejorativen Abwertung der phanariotischen Gräzismen äußertn. Ein ähnlidi.er Vorgang ist im Serbokroatischen, wie sich aus den Beobachtungen von A. Schmaus ergibt, mit dem Schwinden der Türkenherrschaft und dem Rückgang des sozialen und rechtlichen Einflusses der Türken gegeben, indem die zahlreichen Turzismen stilistisch eine ~masiologische Abwertung erfahren. • Sehr überzeugende. ausführliche neue Belege dafü r bringt der bulgarische Forscher I. P e I k an o v, Slavjanski vlijanija v romanskite ezici i dialekli do XVJ v. Sofia 1959,

s. 279f.

n Niheres darüber bei W. Th. EI wer 1, Zur griechisch-rumänischen Symbiose der Pha· narioten-Zeit. In , Beiträge tur Südosleuropa.forschung, München 1966, S. 401 .

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Was die orientalisdien Völker betrifft, so hatten große Teile der Slaven vor allem mit den Hunnen, Avaren, Tataren, Türken vorwiegend feindliche kriegerische Berührung. Die Hu nnen werden in der altrussischen Tradition des Igorliedes bezeichnet als .d,ynovija, Chyn• (( ahd. hun), als „wilde, feindliche" Völker erlebt und noch beim modernen russischen Dichter Majakovskij tritt in dem Jugendgedicht „Nate• der „grubyj gunn• (grobe Hunne) in Erscheinung. Allerdings fehlt m. W. im Slavisdien die abendländische admirative Vorstellung von Hunnen - Riesen. Da die Beziehungen der Slaven zu den A v a r e n vom 5. bis 8. Jh . intensiver, sym• biotischer Natur waren (Zusammenleben im pannonischen und oberösterreichischen Raum, gemeinsame Feldzüge im balkanischen Raum), finden sich starke Niederschläge in der Sprache. Aber in der Erinnerung an die Avaren, slav. ,.obr" , poln. ,.obrzym• ist das Ethnische weitgehend von mythischen Vorstellungen ( = Riesen), also admirativ überdeckt. Tataren: Auf die Bedeutungsübertragung zu „Heiden" aus kirchlich-literarischem Einfluß wurde bereits hingewiesen. Dazu ist ergänzend noch die Bedeutungswandlung vom Ethnischen zum Mythischen zu erwähnen: .tatar" (Riese), anderseits bei den Russen und Slovaken ins Pejorative „tatar" (Menschenfresser, Hundsköpfiger), z.B. im bulgarischen Volksausspruch aus unmittelbarer böser und leidvoller Erfahrung „tatar" (Gewalttätiger, Frauenräuber, Abscheulicher): bulg . • Cerni prokleti Tatari• (die schwarzen, verfluchten T ataren). Diese pejorative Bewertung ist auch im Polnisdien zu finden: .brzydlei tatar" (der scheußlich häßlidi.e Tatar). Dieser pejorativen Bedeutungsauffüllung steht aus unmittelbarer Erfahrung einer friedlichen Nachbarschaft noch eine positive Bewertung gegenüber, so im Russ. ,.ljublju molodca i t1 Tatarine•, wie auch im Polnischen durdi die guten Erfahrungen mit den Tataren als brauchbare tapfere Kriege r unter dem Großfürsten Witold und als verläßliche Fuhrleute in Galizien, so auch in Ostbulgarien. Von allen orientalischen Völkern haben die Türken am längmn (400 Jahre Türkenherrschaft bei den Balkanslaven!), am tiefsten und nachha ltigsten auf die Ent· widdung vor allem der Südslaven eingewirkt. Einerseits kriegerisch als Eroberer, recht• lieh-sozial als Machuräger = H erren, anderseits aber auch in einer jahrhunderielangen friedlichen, gesellsdi.aftlidi. symbiotischen Situation als Handwerker, Kaufleu1 e, Beamte. Daher auch in den Balkansprachen - wie die Forschungen von F. Mi k I o $ich, A. S k a] j i f, P. S k ok, A. Schmaus u. a. zeigten - die intensiven Auswirkungen in der Volkssprache, vor a llem bei den Bulgaren und Serben, nicht nur in Tausenden von Zivilisationstermini Lehnwörtern, sondern audi. in Ausdrücken des gesellschaftlichen Verkehrs, z.B . .,bujrum" (ist gefällig), ,.bula" (geliebte Frau), in Flüthen, Schimpfwörtern, emphatischen Phrasen, bis ins Phonetische, in die Wortbildung und Syntax hinein. Da die Herrschaft der Türken im alltäglichen Leben meist Willkür, Ge• walttätigkeit, Reclitlosigkeit bedeutete, ergab sich im sprachlichen Niederschlag - und zwar sowohl im Literarischen als auch noch mehr im serbokroatischen und bulgarischen Volkssprachlidi.en - die pejorative Assoziation und Synonymisierung mit .ferus, rudis, crudelis", skr.: iestoka j divja ruka turatka" (die jähe und wilde türkische Hand), slov. ,.hud je kot Turk~ (er ist böse wie ein Türke); anderseits aber auch eine Synonymisierung mit „unverläßlich"; letztere mit der Nebenbedeutung des Verächtlichen, wohl mehr hervorgerufen durdi die viel schlechteren Renegaten „poturict, torbdi, kurki•. Ein skr. Sprichwort lautet: ,.jedan poturica gori od stotine Turaki," (ein zum muslimanischen Glauben übergetretener ist ärger als hundert Türken); denn auch nach meinte unmittelbaren Erfahrung am fü.lkan im letzten halben Jahrhundert galten die 5eßhaften kleinbürgerlichen tür kischen H andwerker und H andelsleute als ausgesprochen redlich, ehrlich und verläßlich.

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Die A r a b e r traten auf Grund der Generalisierung der fremdvölkiscben, asiatischen Elemente im türkischen Heer, die als wild und gewalttätig erlebt wurden, rein pejorativ ins sprachliche Bewußtsein der Bulgaren, Serben, Kroaten, stereotyp als Inbegriff von „Plünderern, Straßenräubern, Frauensdiändern", vor allem in der Volksdichtung Jjuti Arapin" (der wilde Araber) usw. Was die Ungarn betrifft, so überwiegen bei den benachbarten Cedi.en und Südslaven die pejorativen Aspekte: Cech. ,,Uhru iadnemu nevet• (glaube keinem Ungarn), bulg. .,Cemi Ugri" (die schwarzen Ungarn), ferner bulg. ,.ungarojka" (käufliches Mädchen), da die öffentlichen Häuser meist mit magyarischem Export gefüllt wurden. Hinsichtlich der Zigeuner überwiegt zwar im Polnischen, Ukrainischen, Cechischen die pejorative Synonymisierung mit „Vagabund, Betrüger", z.B. Cech. ,.cikdn" (Lügner, Betrüger), ähnlich wie im Nordwestkroatischen „cigani lini od kolina i lupeii od starina"' (die Zigeuner sind faul von jeher [von Geschlecht] und Gauner von altersher). Aber in den zentralbalkanischen Gebieten, in denen die Zigeuner ihrem ehrlichen Handwerk und ehrlicher Arbeit nachgehen, ist im Sprachlichen eine positive Bewertung erhalten. , Bei der Bezeichnung für die Juden „tid, Diid, Cifut" haben wir nach dem Verblassen der ethnischen Assoziation eine Bedeutungsentwicklung zu admirativen Vorstellungen (Riesen), vor allem in der bulgarischen und serbischen Volkstradition, anderseits bei den Russen zu pejorativen Vorstellungen wie bei der Bezeichnung für Avaren, Tataren in dem Sinne von „Feind", schließlich in der bulgarischen, Cechischen und bosnischen Volkstradition in dem Sinne von „Verräter", weil sie angeblich ihre Seele für Geld, ihre Frauen für Schönheit verkauft haben. Ein bosnisches Sprichwort lautet: „bolje je ali§ feri§ i s djavlom nego s Cifutom imati" (es ist besser, ein Geschäft mit dem Teufel zu haben, als mit einem Juden). Dagegen ist das Urteil über die spaniolischen Juden, die sich z.B. in Belgrad und in Sarajevo sowohl als Kaufleute wie als 1\rzte größter Achtung erfreuten, durchwegs positiv. In diesem Zusammenhang sei auf das reiche neue Material, das uns der Sarajevoer Kustos V. Pa I a v es t r a über die Volkstradition von der alten Bevölkerung, von Juden, Griechen, Arabern, Ungarn, Spaniern, Bulgaren im zentralbalkanischen Bereich vorlegte, besonders hingewiesen, da damit auch eine ganze Reihe von Fragen der semasiologischen Veränderungen in ihren historischen Grundlagen Klärung finden 18 • Einige Beispiele für Sprachspott: skr. und bulg. ,.Cincar" (der aromunische, im Geschäft griechisch sprechende Händler am Balkan wegen der Aussprache eine statt eint, itaL quinque); im Petersburger Bereich lokalrussisch „majmist"' und „vejka" (Finnen bzw. Esten), russ. ,,vasidasi" {Deutsche, von: was ist das); ung. aus der Besatzungszeit „Davajok" (Russe, aus russ. davaj); russ. ,,Serami§nik" (= eher ami = bettelnder französischer Soldat beim Rückzug Napoleons); im westlichen Böhmen „Bulilk"' {einer, der bul statt byl sagt); in den slovenischen Gegenden zwischen Drau und Mur „Prleki"' {einer, der prle statt prej sagt) 19• Eine spradiliche Spottfunktion liegt auch vor, wenn in der kroatischen kajkavischen Komödie „DiogeneS" von T. Brezovacki der Ausdruck ,.korsemardiner" (aus „gehorsamer Diener") zur Charakterisierung verwendet wird20 • Wie auch unter den Deutschen, bzw. ,,Schwaben" im ungarisch-pannonischen Raum sich aus dem Zusammenleben mit Ungarn (Magyaren), Serben (Ratzen, Raitzen), Kroaten, u V. Pa I a v es t r a, Narodna predanja o starom stanovnglvu u dinarskim krajevima. In, Glasnik Zemaljskog Mwi:eja Bosne i Hercegovine. Sara;evo 1966, S. 5 ff. iv Weitere Beispiele bei M. Mur k o, Die Bedeutung der Reformation und Gegenrefonna· tion für das Geislesleben der Südslaven, Prag- Heidelberg 1927, S. 87 f. » Stari pisci hrvatski JAZU X.XIX, S. 90.

Zur semasiologischen Pejoration u. Melioration in den slav. Sprachen

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Bunjewatzen, Slowaken, Cechen, Wallachen, Türken die Volksbezeichnungen ins Pejorative bzw. Humoristisch-Ironische entwickelten, dafür hat A. P. P et r i21 reiches authentisches Material geboten, auf das hier nur hingewiesen werden soll. Abschließend zum emotional-affektiven Faktor bei Kraftausdrücken, Schimpfwörtern, F 1ü c h e n. Dieser Fragenkomplex wäre noch einer eingehenden komparativen Untersuchung wert. Einstweilen haben wir m. E. für das slavische Sexualfluchen die außerordentlich instruktive, auch den westeuropäischen ebenso wie den türkischen und magyarischen sprachlichen Bereich heranziehende Untersuchung von Fra L Ga v ran=. Im vorhinein sei festgestellt, daß sowohl im friedlichen Zusammenleben der Angehörigen verschiedener Völker, wie auch in ihrem kriegerischen Zusammentreffen die „emotional aufgeladenen• Kraftausdrücke bzw. Schimpfwörter besonders schnell und leicht übernommen werden und sich sehr intensiv verbreiten und halten. Einige Beispiele: Ich selbst habe, als ich im ersten Weltkrieg an der Front zu einem kroatischen Regiment eingeteilt wurde, zuerst die Flüche übernommen, verwendet und in das heimatliche Sprachmilieu mitgebracht. Grazer Kinder, die in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen mit ihren Eltern in Dalmatien auf Sommerurlaub waren, haben den Fluch „bemtiboga", den sie von den am Strand spielenden Kindern häufig gehört haben, in die Heimat mitgebracht und im Spiele verwendet, ohne sich des Anstößigen irgendwie bewußt zu sein. Khnlich haben obersteirische deutsche Studenten von ihren slovenischen Mitschülern das slovenische Schimpfwort „hudic" (Teufel) übernommen. Außerdem haben sich in der Oststeiermark im rein deutschen Sprachgebiet slovenische Kraftausdrücke, wie „hudit" und „prmojdur (schriftsprachlich pri moji du§i - bei meiner Seele) erhalten. Vor Jahrhunderten wurden bereits die deutschen Kraftausdrücke „Hundsfott" weit und tief in die slavische Sprache hinein als „hundsut•, ,,undsut"' übernommen. Daß diese affektiv geladenen Aus~ drücke auch in Gebiete nationaler Gegensätze übernommen und im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet werden, beweist der Fall „oschtia" (ital. ostia), der bei den Südtiroler Deutschen, ebenso bei den Slovenen von Görz in der Umgangssprache gebräuchlich ist. Eine pejorative Entwidtlung zum Schimpfwort hat auch das im Deutschen selbst semasiologisch abgesunkene Wort „Fräulein" skr. ,.frajla" (postala je frajla) in der Richtung „leichtes Mädchen" mitgemacht (ähnlich übrigens auch bei den amerikanischen Besatzungssoldaten in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg), ein Wort, das sich schon im 16. Jh. in der kroatisch-dalmatinischen Komödie „Dundo Maroje'" in der Form „fraj" findet. In der heutigen Laibacher Umgangssprache hat das Wort „sindikalista" (die Syndikalistin) eine ähnliche pejorative Abwertung zur Bedeutung „Hure, Freudenmädchen" erfahren. In die gleiche semasiologische Sinngruppe ist aus dem böhmischen Sprachgebiet die Übernahme des slavischen „kurva" (Hure) ins Deutsche einzuordnen, so wenn der böhmische deutschsprachige Dichter 0. Jellinek in einer Erzählung sagen läßt: .,Diese Kurva!"'"' Auf die Übernahme türkischer Kraftausdrücke in der bulgarischen und serbokroatischen Volksspradie (skr. ,.jok 'Vala" = nein, bre!, seit dem 16. Jh. u. a.) sei hier nur hingewiesen, ohne näher darauf einzugehen. Jedenfalls gilt hier das von dem russischen Sprachforscher V. V. V i n o g r a d o v Festgestellte von dem Streben nach Expressivität im niditstabilen Wortschatz.

:n Kulturgegchichtliches Wortgut in den Mundarten der Donauschwaben, Stuttgart 1965. 21 Bludna psovka. Povjemo psiholo~ko studija, Sarajevo 1962. :u Vgl. K. KrejCi. 0. Jellinek. Bmo 1967, S. 47f.

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MANFRED MAYRHOFER Wien

Vedisch vidhu- .vereinsamt"- ein indogermanistischer Mythos? Das gemein-idg. Wort für „ Witwe" - aL vidhllvä, aw. (va8u) vi8ava, lat. vidua, air. fedb, got. widuwö, aksl. Vbdova usw.1 - wird in der maßgeblichen indogermanistischen Literatur2 einer Sippe zugeordnet, die das Etymon dieses Wortes noch im synchronen System des Vedischen unzweifelhaft erscheinen läßt: Neben dem früh substantivierten vidhdvti stehe dort ein primäres u-stämmiges Adjektiv, vidhU- ,,vereinsamt, allein", und eine verbale Grundlage biete sich in dem Nasalpräsens vindhate „ wird leer, hat Mangel an etwas" dar. Aus diesen Belegen scheint sich eine Wurzelsippe *f!idh„trennen" - ihre Entstehung aus *;ff dhe~ 1 (WP., P., a. a. 0.) wäre glaubhaft - zu ergeben; noch weitere Repräsentanten dieser Wurzel sind angenommen worden, die bei näherer Prüfung beiseite bleiben müssen, . Die stärkste Stütze für jene idg. Verbalsippe, das ai. Verbum vindhate, entfällt jedoch. In einem noch unveröffentlichten Aufsatz Karl Hof f man n s, den mir der Verfasser freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, wird die - von Paul Thieme sdion aus vt dha- ,.zuteilen" erklärtet - vedische Verbalsippe vidh-, vidh-J- schlüssig 1 Zuletzt Verf., Altind. etym. Wb. III, s. v. vidh6vii, mit Lit.; dort auch zu den mit Sicher• heil sekundär-einzelsprechlichen Maskulina. ~ WP. I 239 f., P. 1127 f.; WH. I 539, II 786, Feist 562, jeweils mit weiterer Lit. s Ved. vidhyati .verwundet, beschädigt· steht semantisch zu fem und hat die Vollstufo vyadh-; junges, sekundäres vedh- kann die Verbindung mit idg. *,teidh- {trotz WP., P., a. a. 0.J nicht herstellen. Diese Vollstufe würde ansonsten übrigens nur durch das unklar bleibende vod. vehdt- .unfruchtbare Kuh• (Sommer, MSS II J1957J, 20f.) vorausgesetzt. - Ai. (ep., kl.) vidhura- .bekümmert, elend· (Bedeutung!) ist nicht von dem älteren vithurd- zu trennen (vgl. Verf„ a. a. 0., s. v. vidhuraf,). - Uber lat. dtvidO s. die nächste Anmerkung: für lit. vidiis .Mitte· usw. wird die Verbindung mit der *uidh-Sippe bei Fraenkel 1238 ff. nicht mehr erwogen. Zu der hier angeschlossenen gennanisch;n Sippe von ahd. wisan .vermeiden· usw. wird sich Elmar S e e b o I d in seinem bald erscheinenden Wörterbuch der germanischen starken Verben äußern. Nach einer brieflichen Auskunft, die er mir freundlicherwetse am 19. Män 1968 gab, wird er darin die herkömmliche Ableitung aus *!teidh-8- unter allen Umständen ablehnen, gennan. *weis-a- .vermeiden· gehöre vielmehr zu einer Gruppe von Verben der Bedeutung .weohseln - tauschen - meiden· , die auf den Grundlagen *meiund * uei- aufgebaut sind (vgl., mi! anderen Erweiterungen, lat. vitare, toch. wik- • vermeiden·, lat. viC- und germ. "wik-sla- .Wechsel", etc.). Nicht zu wisan ist mhd. entwinn zu stellen (sicher = ent-wesen .ohne etwas sein·), ebenso ahd. weiso „ nhd. Waise, wozu mir See· hold schreibt, .Aus Gründen -der Bedeutung halte ich für unwahrscheinlioh, daß es zu wisan ,vermeiden' gehört ... Daß es aus derselben Wurzel stammt wie ,Witwe', halte ich wegen der Verbreitung für höchst unwahrscheinlich (das Wort ist ja nioht einmal gemeinwestgemrnnisch. sondern nur ahd.-as.-afr.J. Goi. widuwairnans ist in diesem Zusammenhang kaum ein Argument. denn hier handelt es sich um eine deutliche Ableitung des bereits gebi.ldet_en ~o~es für ,Witwe' .... ähnlich wie etwa cymr. gweddwaidd ,Waise' ru gweddw ,W1!we ... 4- P. Thieme, Untersuchungen zur Wortkunde und Auslegung des Rigveda (19-49) 36 f.i über die früheren Deutungen von vidh- s. Verf„ a. a. 0„ s. v. - Die Entstehung von vidh- aus vi dhii- ist wegen ihrer Durchsichtigkeit offenbar erst einzelsprachlich1 lat. di-vidO ist dann

Manfred MA nHo,u.

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alb. poroSft „befehlen~D. Nach Jokl, Labiovelare 161, läßt sich in absolutchronologischer Hinsicht sagen, daß "'l' erst nach 1000 n. Chr. in s übergegangen ist. In der obigen Ta.belle Jokls können wir von den vier Punkten 1. als gesichert ansehen, 2. muß vorläufig offen bleiben, 3. und 4. halten wir für falsch. Natürlich bleibt deshalb die Theorie Pedersens über die Vertretung der drei idg. Gutturalreiben im

• M. Vasmer, Studien zur albanesischen Wortforschung 1921. 1 N. Joltl, Ein Bei1rag zur Lehre von der alb. Venretung der idg. Labiovelare (1937) 153. Kritische Behandlungs. Kap. IV. • Die Unsicherheit im Ansatz u oder u zeigt sich wie bei Pedersen so auch hier bei fold . fl ist hier nicht am Platze. ~ • Daß , auf eine ältere Stufe mil Affrikata :rurückgehe, ist allgemein angenommen. Weiteres bei Jokl, LKU 93.

II.

III. Als Nachweis für diese Annahme stehen uns folgende Etymologien zur Verfügung:

thur . umzäune, fledu e•: überholte Etymologien bei Meyer Wb. 92. Das Wort gehlSrt in d ie Sippe von thark „Hürde• < "'lcorko-, < "'Ker•; tbur stellt die S •Jcr- da r. Vor sekundär ent-

thu „schlage, schneide ab"

1• C. R. Solta, P1,lataliJierun11 und Labialisierung. IF 70 (1965) Z76 ff. 11 Vereinzelte Pal11alisierungstendenzen bestehen na!ürlid:i. Solta, 1. c. 279 kann eine u-Einwirltung im MessapiKhen (und Oskischen). Ulyruchen. im Bootischen und Hethililchen 1n• fuhren . Ich möchte in Hinsicht auf unstt Thema prixisieren, Derartige angeführte ·Pala1.alisierun11en sind nur vor Dentallauten erfolgt (zum Hethitischen s. u.J. So im Böolilchen. wozu Thwnb-Scherer, C r. Dia!. II 23. Hatzidakis KZ 31, 81 definiert, .wie im Böotisohen, h1ben die Lakonen u in -doppeher Weise ausgesprochen. als u nach den Labialen und Culluralen, als iu nach den Denlllen f, 6, "• o, ~ k, v, p·. Was das Meuap. betriffl, ,o soll nach Krahe, Clo. 19. 288 ff. -ftotor aus •1ju1or mit Entwicklung eines Gleillaules enlslanden sein. wie osk. tiurrl 1urrim. Eine andere Enlwickluns vennu1ete Parlangeli, Stodi messap. 372. 373, nämlich • teut• > •1jul• > •Ou1•. - In Bezug t1uf das lllyrisdte scheinen mir die Bele11e von Meyer, Spr. d. lllyr. 11 206 Bou~61J, Boho\la, Salthua oder Diodea für Doclea höchst zweife!hafli ,te erbrächten außerdem nur den Nachweis der Aflizierung von Oenla\. - Einfluß auf k-Laute kann ich - wie Solta, 1. c. ◄ IJ , A. 170 - nur im Hieroglyphen-Heth. finden . Meriggl, Hlerogl.helh. Clo&sar 1 1962, ,furna- .Horn·, ,fuwana-1 Hund, a,fu/waJ- .Pferd·, wovon auch nur ,furna- als Entwicklung vor u heratrtuziehen wäre. Wir fänden also in einem besonderen Entwicklungsstadium eines 1na1olischen Zweiges eine mögliche Parallele zu unserer Frageslellung. Die Einwirkung von I und u auf Dental ist phonetisch insofern erklärbar. als beiden Vok.,,len Rillenbildung gNT1einsam isl, wie sie noch &tiirker bei s vorliegl. Durd, diese 1rtik1Jlatorische Bedingung erklärte Pedersen, Anlidoron Wackemagel (J9Z3! llOff. etwa den griech. Lau1• wandel von •fi• > -,i- 1.lnd -tu- > -,u-. Aus glollologischen Oberlegungen heraus brachte er eine parallele Entw icklung im Japanischen zur Begründung seiner Anschauungen bei. Auch in jener Sprache wird nur die Denlalreihe von i und u aflizien. also, la aber ka chi /ti/ ki IN lr.u le ke to ko Zusammenfaliend läßt sich sagen, daß eine Beeinßu.1Csung der 1': -Reihe durch u nichl naheliegt.

Hermann M. 01.1EJ.G

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standencm H liegt also lautgesetz.liches th vor. •[er- ,.versehren, zerfallen" Pokorny 1EW 578u.

thumb „Stachel, Glodtenschwengd" . Das :auslautende -b ist nicht stammhaft. Das Wort gehört in die Sippe von thimth „Stad:iel, Spitz.e", thint „Schnabel• (mi t assimiliertem n < m, JokJ LKU 318 f.). Weiters mit th - c-WechseP 1 dazu cimak ,.Stadu~J•, mit th - f-WedueP• /tmc „Stadtei"; mit Ctmon „habe Henstcdien". frühere Anknüpfungen an gr. K6i1~oi; ,.Knoten", ai. Samba- etwa „Keule" (Meyer Wb. 92) sind überholt, ebenso Camajs Ansatz.. •th1_1p- mit n- lnlix. s unttt den gleichen laut• liehen Bedingungen dienttn:

sup „Schulter" . Der Vergleich mit ai. ,upti• ,.Schulter• stammt von Meyer Wb. 396. Doch ist diese Lautung sup ein e dialektische Variante, von der allein man für etymologische Zwecke heute nicht mehr ausgehen kann, da inzwischen cup bei

1961, 1, 65f. u.ö. enthält sich einer Etymologie. Für uns ist widuig, daß alle

Bashkimi ◄ 08, 480 nachgewiesen wurde. Jokl (posthum in Spradie 9, 125, A. 16)

Belege eindeu tig auf •fi hinweisen, thumb mit tiehtufigem f!l wie etwa gruni „Get reide" < "gr1_1om ( thu-, dhu-

sind anders zu famn:

thiki „Messer• . Nach St. E. Mann Lg. 26, 387 zu ai. lüka- ,. Stachel eines Insektes, Gn.nne•, Ansatz •ltükä (vgl. Poko rn y IEW 626). Aber schon a us lautlichen G ründen, nämlich Alleinvertretung des ü als i im Inlaut, nicht möglich, Außerdem gehört thikt in die Sippe von theki „frange•, s. c;abej, Stud. 61. 1966, 4, 66. dhuni „Sdlmadi, Schandßeck• . Von V. Pisani, Saggi 118 aus • ghuni abgeleitet und

~~

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~~J\1:~~t:~:e:~J~::~, auun;ed::n~~tJ:r F:t;i:: ! ittd,: :a~:a:~n:a:r~ sprünglidie Konsonantengruppe also vorauszuserzen ist. Am nächsten liegt ein Vergleich mit dunlul, etwa zur Wune! "'dhus•, lat. fuscus (Pokorny IEW 270). S. c;abej, Bulecin 1961, 4, 110. Also kein ih-Anlaut. dylli „Wachs, Harz•, tosk. dilli. Von Meyer Wb. 78 stammt die Gleichung • ghudlo• zu • gheu- ,.gießen• . Pisani, Saggi 118 "'Chül • : gr. xO).Oi; (dies • ghuslo•, Pokorny IEW ◄ 48 ) . Jokl RE 1, 88 stellt hingegen dylli zur Wurzel -"dheu- in dehtt „fl ießt, schmilu• , Im Gegensan zur bisherigen Forschung n immt ..w, auch die Tadelrede begleitete. Vgl. noch das eindeutige Zeugnls in V. 21 (s. u.), -rij,;; µa"Vfo,; ,:C,

Qiiµ'.

Mav((l - eine phrygische Glosse?

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Am Schluß der Partie läßt dann der Dichter einen der Liebhabe r die H etäre selber mit dem Nomen, das uns in so vielfältigem Zusammenhange mit ihrer Person vorgeführt worden war, benennen, wobei dieser die kurze erste Silbe des Appellativs zur langen des Personennamens gedehnt haben soll {V. 21 f.: ö.O 'rf)i;; µav(a i;; ,O Mµ' €1reKt"Eiva~t 4 6oKei KaAE.o-m ni;; all,tjv 't'Wv Epacmüv Maviav): unsere metrischen Beobachtungenu erhalten also eine nachträgliche Stütze aus dem WOrtlaut der Stelle selbst. Der Dichter schließt seinen Exkurs mit der Femtellung µaAAov ,O ,rO.pEpyov br:e.KpO.n10-' f1 rnllvoµ.a und bekräftigt damit seine Ansicht, es handle sidt bei Mavia bloß um einen noch etymologisierbaren Spitznamen. Es scheint nunmehr möglich, die zentralen Vv. 14 ff. dieser Versanekdote, in d enen bislang die phrygische Glosse vermutet worden ist, auf ihre tatsächlidi.e Aussage hin zu überprüfen. Daß es sich bei µav(a.v in V. 15 um dasselbe Wort wie in den Vv. 18 und 20 handelt, geht schon daraus hervor, daß in V.18 mit t"O GtO 'µ.avlav' c':t.vEß6a. auf einen bereits bekannten Begriff hingewiesen werden kann. So müssen wir auch in V. 15 das griechische Appellativ µavta. einsetzen und verstehen: ,.überall, wo man auf ditst Frau zu sprechen kam, sagte man, es sei Wahnsinn (oder: um wahnsinnig zu werden), wie schön Melitta ist•. D. h., es wurde die Erscheinung Melittas mit demselben expressiven Index für Außerordentliches hervorgehoben, den sie selber stets zur Verwendung bereit hatte. D ie deutsche Umgangssprache kennt das Wort „Wahnsinn'" wie auch etliche seiner Synonyme sehr wohl in der eben vorgeführten Verwendungsweise, und auch in anderen modernen Spradi.en finden wir Vergleichbares. Das Phänomen dieser katachrestischen Degradierung eines eigentlich semantisch fixierten Appellativum$ zur - funktional gesehen - Interjektion gehört in einen bekannten sprachgeschichtlichen Komplex. Im kontinuierlichen Regenerationsproz.eß einer Sprache treten ja laufend Veränderungen im Wortschatze auf, indem zumeist das gefühlsentleene ältere Wort einem affekthaften, plastischeren Ausdrudte Platz macht, der damit über seinen ursprünglichen, begrenzteren Anwendungsbereich hinaussdi.reitct10 : eine Erscheinung, die in der Semantik Affekterneuerungn heißt. Mavla. und ähnliche Ausdrücke werden also im attischen Umgangston in der gleichen Funktion verwendet worden sein wie das schwächere 6a.uµ.a.o--rwt; (tlx;;), 6aop.&.ala o[a 18 oder das sdiön vergleichbare lac. insanum (neben execrabiliter, horrifice, incredibi liter1"), wenngleid, fü r µ.avia selbst in diesem Sinne eine direkte Bezeugung außerhalb unserer Stelle z u fehl en scheint. Angesichts des schmalen Oberlieferungsflusses, in dem solches Material erwartet werden darf, braucht das allerdings nicht zu verwundern, und der Wortlaut der Vv. 17 ff. der Machon-Stelle erweist ja in jedem Falle den lnterjektionsgebrauch des Wortes wenigstens für die Zeit des Dichters: ein Gebrauch, der freilich im allgemeinen nicht so häufig, ja „habituell" gewesen sein wird wie im Munde d er exaltierten Hetäre, die ja nach d er - wohl vom Didi.ter selbst nicht ganz ernst genommenen - Herleitung eben dieser wahllosen i. 'E,uxnlvtaw war antiker Terminus für .längen, dehnen' in diuffll Sinn, wie die Verwendung von i:teicn'..~ ,Freude, Vergnügen' zu -rep1Coµa1 ,sich freuen' (kaum zum selteneren -rEprrw ,erfreue' transitiv)2•; rpe16ruA~ ,das Sc:honen, die Sparsamkeit (mit etwas)' zu cpei6oµm ,sdionen' ; tCauawAfi ,das Aufhören, Ruhepause, Rast' zu rra1Joµ.a1 ,aufhören, ruhen' (kaum zu :r:aUw ,aufhören madien') mit •O'· aus dem Aorist 1CClÜO'a1, ,.der bei Homer gewöhnlidier ist als das Präsens" (Frisk, GEW 2, 48) ; P. Chantraine, Grammaire ho merique t , ' 1958, 374f; das Neutrum ei6wAov ,Gestalt, Bild, Trugbild' als ,Erscheinung, Schein > Trugbild' zu e.i6oµm ,(er)sdieinen, sich den Ansdiein geben, gleichen"': zum Akzent vgl. cpü).ov: q,oAfi (zu ffop.m); mit Dissimilation >.. ... A > A . . . p UAewp~ ,das Ausweichen, Flucht' zu ci.Atop.0.1 ,ausweichen, fliehen'; E.>..rcwp~ ,Hoffnung' zu V..rroµm ,hoffen' (kaum zum selteneren !lAltW ,Hoffnung machen'); ~aA,rwpfi nur in der übertragenen Bedeutung ,Erquickung, Trost' zu -3Cl.AltW ,erwärmen'.

2. Zu dieser Gruppe kommen noch einige Bildungen aus nach h o m er i scher Zeit : Seit Theognis (6. Jh.) ken nen wir O.µaptwA~ ,Irrtum, Fehler, Vergehen', das

• V.gl. daau M. V. Molinari , Rele.zioni lra il lessico gennanico ed i lessici latino ed oscoumbro, Mem. Ist. Lomb. XXVUU3, 1965, nach deren Ergebnissen zu erwägen ist. ob nicht •eghsro- zu den besonderen nordisch-angel&ächsischen (nicht .westgermanischen·I) Bezit· hu.ngen zu rechnen ist.

J A. Debrunner, Griechische Wonbildungslehre (Heidelberg 191 7) 164; P. Chantraine, La fonnation des noms en grec ancien (Paris 1933) 242 f.; .E. füsch. Wortbildung det" homerischen Sprache [Berlin 1937) 101 1 W. Porzig, Die Namen für Satzinhalte im Griechischen und im Indogermanischen {Berlin 1942) 235 f.t A. Corlu, Recherches sur les mots relatifs 8 l'idee de priere, d'Homere aux tragiquc.s (Paris 1966) 170. J Zur ursprünglichen:BedeutungCorlu a. a. 0. (eöxoµm 17 - 117. 327- 341; ei>x w1.fi 151-171). 3 • Zur Bedeutung J. Latacz. Zum Wortfeld .Freude· in der Sprache Homers (Heidelberg 1966) 174 - 219, 232- 235r u p,rw/,.~ ,Vergnügen, Zeitvertreib, Kurzweil' 218 A. 33 und 235. 1 So H. Frisk, Indogermanica I= GHA 44, 1. 1938) 15: er vergleicht,:. B. xaiiao~ m. ,Fieber, brennende Hit.:e·, Aor. xaiioo.i. Wohl nicht mit Oumtraine, Formation 243, vom Desideralivstamm {Futw ,miiow). Nach Porzig a. 1. 0. 235 liegt der S1a.mm des .Futurums u n d Aorists zugrunde. - N~n ffo.uow>Ji (nur B 386) steht µuW1auowM (nur T 201 ), dieses ist wohl nicht als Bildung zu ).l-f1'1l.ffao6µevo, (nur P 3731 ,;u ver5lehen, wahrscheinlich ist µuli. mit M. Leumann, Homerische Wörter (Basel 1950) 93 A. 55 als selbständiges Wort abzutrennen; umgekehrt hält Porzig a. a. 0. 18 µeiaffa,;owM für ursprünglich und ,rnuowN'i für ana\ogische Neubildung dazu. 4 Schon Risch a. a. O. ste!H d!lw/,ov zu et!loµm. Frisk GEW l, 451 s. v. et!loµ.ai scheint thm zu. folgen, widerspricht dem jedoch 452 s. v. el~oi1'.ov: .Alter I-S1amm zu i!lttv (Schwyzer 483 m. Lit.l. aber ohne siohere genetische ..ov ,Ruderbank' (Lykophron) und UwAiJ ,Sitt' (Naukratis) alt sind und nicht Rück- bzw. Umbildung' zu dem schon seit Herodot (meist im Plural f.6U>A m) auftretenden t&i.iA1ov (das dann eine Weiterbildung dazu wäre ähnlich wie qie16wAla zu qie16wAij, Ctµapnu)dcx zu ClµaptwAr)) und wenn wir als ursprüngliche Bedeutung ,das Sitzen > der Sitz' a nnehmen können, gehören diese Wörter zu E'f,oµ.m < • M -jo·µ.at, allerdings nicht vom

mit H esiod auf. Zu den übrigen Substantiven auf - wAfi , , , gibt es überhaupt keine enupredr.enden Adjektiva. • 11t Diese beiden (zum Teil substantivisch verwendeten ) Adjektiva lassen sich leicht erklären a ls analogische Neubildungen nach dem Muster der Nomina agentis auf - CX neben Nomina actionis auf -11 (vgl. etwa Porzig a . a. 0. 2◄ 9 ): 0.µa.ptwMi; ,sündhaft, Sünder' z.u ä.µcx ptwAt) .Sünde' und cpeL6wAOi; ,sparsam(c:r Mensch)' zu cpEl6wAfi ,Sparsamkeit' wie ä.0166c.; m. f. ,Sänger' (auch adjektivisch: do166; 0.vftp, y 267) neben 6.016ft ,Gesang', noµ.Jt 6~ m. f. ,geleitend, Geleiter' neben xoµ.nf] ,Geleite' usw. Als drittes derartiges Adjektiv kommt noch hinzu K116wA6i; · 6 q,povti1wv Kai. K'166µ.evoi; öAwv (Suidas), da.5 nach dem Vorbild rpe,6UJA6i; : q>eiboµ.a, direkt z u Kf\60 µ.a.1 gebildet sein wird 11 ; weiters t6wA6c.; · A6xoc.; AcxKE60.1µ.oviwv oütW..ov, El>WA,ov gehörrl'.

Präsensstamm a us gebildet, sondern von einem Verbalstamm töe/ o •, wie er etwa vo rliegt im att. Futur Ka.-3'-EÖoüµ.ai (Platon, Arinopha nes)•; töwAfi, töw>..ov stehen dann neben bedeutungsgleichem !60; wie eUxwAti neben eUxoi; oder 1:.i:6wAov neben et6oi;:; mit Dissimilat ion A .. , A > }.. . .. p und zurückgezogenem Akzent• findet sich Jt),ri1'Ulpcx, jon. itAq1'Wpri seit Herodot ,Sattheit, Fülle' zu ,r}..fi"w ,vollsein, schwellen'. 3. Nur vere inzelt stehen neben diesen Substantiven a uch Adjektiv a, welche die Endung - wA6i; meist auch fürs Femininum verwe nd en und schon deshalb kaum als Grundlage für die Ve rbalabst rakta auf -wAT), - roAov in Frage komme n. Hien.u zitiere ich Frisk, l ndogermanica 15 A . 2: ,.Chantraine (Formation 2 ◄ 3) betrachtet sie [die Wörter auf -(1.)}...,)] als Nomina labstra k ta von Adjektiven auf •wA6c_;. D u ist schwerlich ridn ig, d enn die Substantiva auf -wAq sind teils zahlr eicher, teils - was schwerer ins Gewicht fällt - ä lter als d ie seltenen Adjektiva auf -wMi;. So ist O.µ.op t wAt'} sdion bei Theognis belegt, ciµ.cxpnoA6c.; em bei Aristoteles .. ,, als Substantiv in der Septuaginta und im Neuen Testament, Ebenso kennt schon Homer q,e.16wAij; q,e16wA6c.; tritt • Das intr1mitive Verbum 6.p.ap, O:vw hal bei Homer e in m e d i a 1, li Futurum cip.apn\aop.a,. • Auch die Möglichkeit einer denomin1tiven Ablcituna mit prisuffinler Dehnung (W. Meid, IF 62 11956J 260-295 und 63 J\95811-281 vgl. H.Schrnej1, lF 68 119631 26f. 3-i - -rn wäre zu erwägen, denn stünde -'~p11w-At') ,Hizze' neben -'tpp.6•,; ,heiß' wie OQ.orWvri ,Le ichtigkeit' neben ()Q-11,0, ,leichr (Meid a. 1. O. 277Ji -derartige Bildungen mit /-Suffixen sind d.011W•Aia n. pi. .SChlauchfest' zu Ehren des Dionysos, doKo-; m , ,1bge1:og,me Heul, lederner Schlauch' (vgl. mit m-Suffix do.:w-1>« .lederne Pols!erung· als Rudenmler\1ge): q,l:to> gesund sein, leben'? D.as Wort o.öµ.wAt'\ ,Überdruß, Gleichgültigkeit < *Sklave-Sein' wäre dann synonym m it CtTµ evict ,~klaverei', vgl. auch noch Cttµ ev(a · 6ouAeia . 6 u es tu X t et (Hesych). und ~f)lEVl~~ ,mühsam'; a uch die bei den Lexikographen angeführten Bedeutungen_ ließen s1di damit vereinen: dnopia ,Ausweglosigkeit, sd:iwierige Lage', 6Alywp(CI. ,Germgsdiätzung, Ve_rnachlässig ung', ilyvo10. ,Unwissenheit, Sorglosigkeit (?)', ~CS\lX(CI. ,Zurück~ezogenhen, Gelassenheit', 6.vanvo~ 6).i.Yf\ ,wenig (Zeit zum) Ver.sdmaufen' ; ebemo beim Verbu~: Oyo.vaKrsiv ,ungehalten sein', 0:.yvwµoveiv ,gefühllos sein b1.w. h~ndeln', 1f\1'6iV ,steh bemühen, streben' (oder ist 1 fJT Eiv Verschreibung f ür !,f\v, das bei H esych als Bedeutung für d6~ ive.1v angegeben ist? siehe oben), ClKrtfüW ,sorglos sein'; ist die Bedeutung Uy10.lvew, ~f'jv von ,sorglos sein, sorglos leben' her z.u erklären? Unerklärt ist nadi Frisk GEW 1, 561 tpub>..q ,W irbelwind, Orkan' 21 ; mit gleicher Ak.7.entuierung12 finden wir noch npumilAIJ · :rp..11i · dyvoll . d.va,wei {H esych, vgl. Latte a. a. 0 .) hat a11.-hellenlst. ov- für 6)1, vgl. etwa alt. loµe v : t6µ1v u. i. 1 E. Scllwyur, Griech. Gr. 1, 208, A. Debrunner. Gr. Wor1bildun1slehre 154 A. 11 A. Thumb-A. Scherer. Handbuch d. griech. Dialekte! 2 0959) 3091 M. Lejeune, Traiti de phonc!Uque grecque 2 (Paris 1955) 66 mit A. 3; A. Heubeck. unten S. 358. n 'A6µwAlct: ci/iµw>..i\ wie r~mliwA! n: rp t1/iwA{i, 6.µnp~wAitt: 6.µap,wli.i'j. ._ Die Bildung ci,µ16w muß nicht unbedingt eine Kürzung fUr " d.,µ11v11i.iw sein (Frisk GE~ 1, 179 mit Li!.). sondern könnte auch als Analogiebildung chµ-c Uw :tu ,hµ-f\v wie -.)1pac-1vw -.I\ ,Glanz' zu * atyw ,sich bewegen,

flimmern' (oben S. 133) u. a. Daneben kennen wir aber schon 2us alter Zeit bindevokalisdte Formen mit e-Vokalismus, so z. B. in dyS-A.fJ ,Herde' zu ltyw ,treiben' (vgl. la t. agilis ,beweglich, behende, rührig', agolum ,Hirtenstab' 2.U agli ,treiben', ai. ajirll!, ,rasch, behende' zu iijati ,treiben' ; Mayrhofer, Ai. et. Wb. 1, 23; heth. akk,,la-/ tJkgala ,Furche', Kronasser, Et. d. heth. Spr. 172) u. a., und in deve rbativen Adjektiven, die sich im Gr. allmählich immer mehr ausweiten, so z.B. eiKe-Aoi; und hce-Aoc; ,ähnlich, vergleichbar' zu eitc:w, toum ,ähnlich sein, gleichen'; d-ei.6e-Aoc; ,ungesehn, dunkel' z u e16ov, t6e.iv ,sehen'; e.U-Tp6:Jte-Aoc; ,sich leicht wendend, gewandt, geschickt' zu -rp611:w, bpwtov ,wenden' u. a., siehe Chantraine, Formation 243 f. Die Annahme, daß es sich bei den Wörtern auf ·f]AO·/·f]Af] zusammen mit den lat. Substantiven auf -ila und den heth. auf -el um eine idg. Ablautvariante zu den gr. Nomina auf -wAo•/·ri handeh 0 , glaube ich ablehnen zu müssen. Hier liegen wohl einzelsprachliche, voneinander unabhängige Bildungen vor. Die gr. Adjektiva auf -f]Aoc; gehören entweder zu Substantiven auf -1'\ < •ii oder zu Verben auf -6.w, -ew", z.B. criyUA6c;, a'tYfJA6c; ,schweigsam' zu t1iyft bzw. criyci.v; vocrriA6c; ,krank' zu vocreiv; Ma-rriA6c; ,trügerisch' zu U1tcxT6.w, Mcirri; µ1µ.riA6c; ,nadtahmend' oder ,nachgeahmt' zu µ1µfo)lm. Es sind dies wieder lo-Bildungen (alte Partizipien?) zum Verbalstamm auf -i bzw. -0., wie er ja bei diesen Wörtern in den außerpräsentischen Zeiten und in den deverbativen Ableitungen auftritt: µ1)l~O'ö)1m, µlµricr1c; , µiµfJr ftc; usw. (vgl. oben A. 36); das i gehört nidit zum Suffix, ähnlich wie etwa in hom. ll•(P}l6rJ-Aoc; ,nicht anzusehen', das von der i-Basis des Verbums (Futur el6~-crw) gebildet ist, vgl. das abg. Part. pn.et. vide-l1, : vide-ti ,sehen', ieli-lt, : tele-ti ,wünschen' usw. (Brugmann, Grundriß 2 II: t, 369 f.); diese 6-Basis könnte den gedehnten Bindevokal e enthalten, wie F. Spedit annahm44, doc:h liegt sidier kein direktes Ablautverhältnis vor etwa zwisdien dem Futur 6:p.ap-riJ-crop.m und dem Verbalabstraktum 6.µaprw•Ai\. Audi lat. suade-la, candi-la zu den Verben suadi-re, cande-re sind so zu zerlegen (nidit suad•ila, cand-ila!), Jugila , querila u.ä. sind sekundäre Analogiebildungen-66. Gegen den Ver• gleich dieser Bildungen mit hethitisdten Wörtern auf -el wendet sich H. Kronasser, Ety• mologie der heth. Sprache, Lfg. 3 (1963) 325, S 167, 2, da die lateinischen Wörter „eher ·B+la haben als -il+ä". - 1\hnlich liegen die Dinge bei den gr. Substantiven auf -riAri, wenn hier auch nicht alle Beispiele auf gleiche Weise zu erklären sein werden. So gehört z. B. Ctv1'~Ari ,Federkrone der Blume' zu ctv,%w, neben dem schon seit Homer dv{}oc; n. ,Blume' steht; so wird dann etwa hom. 1'uf]A~ ,Brandopfer, Opfergabe' neben gleichbedeutendem "Uoc; n., das bei Homer nur im Plural .')tJf] vorkommt, nicht direkt auf .')(Jw ,opfern' zu beziehen sein (wie Chantraine, Formation 242 annimmt), sondern auf "Uoc; bzw. den Plural "61'\ (so Frisk, GEW t , 691); daß das (erste) fj in .')uriAt'j nicht zum Suffix gehört, beweisen auch Bildungen wie (nadihom.) "1lf]•ff6Aoc; ,opferverriditend, Opferpriester' (Schwyzer 438 f. mit Lit.)i vgl. weiter vEq,oc; .')u6ev O 15 3 ,duftreidi' (das zum Verbum .')Uw gehört) gegenüber ßwp.6c;

Zur griechischen Wortbildung

137

.')u~e1c; ,opferreich' 8 48, 'V 148, ~ 363 (zum PI. Mri). Das seit Herodot belegte 6eiKl)Aov nd>en 6e(KeAov ,mimische Darstellung•• mit dor. 6etKl'\AlKTac; ,Schauspieler' (dazu Bedttel, Gr, Dial. 2, 370; vgl. 2, 353) ist als bindevokalisches •e.-Aov vom Verbum 6ehcvoµL, 8eu..t0c; ,hodizeidid:i' neben y6.µ.eAa n. pi . ,Hochzeitsopfer' zeigt keinen alten Ablaut -il/-efA: y cxp.j\Atoc; gehört zu yaµEw wie YOGl)A6c; ,krank' mit voaqA1a n. pi. ,Krankenspeise' zu vo cit w, y6.µ.e-Aa wird direkt zu y6.µoc; gehören wie ycxµk.-rqc; ,Gatte'. Unklar ist das ep. poet. ycxp.rprJAa( f. pi. {selten sg.) ,Kinnbadten eines Tieres', das mit lä-Suffix von yo:µrpai ,ds.' {Lykophron} abgeleitet sein könnte, falls dieses nicht eher eine Rückbildung dazu ist. Die Annahme, die gr. Nomina auf -wAo-/-wAI1 könnten auf alte neutrale /-Stämme mit Ablaut .nJ.tJl im Suffix zurückgehen, find et keine Stütze. Wir werden daher von einem idg. -lo-/-lä-Suffix ausgehen, das zur Bildung von Verbalabstrakten verwendet wurde und an den :nhematisdien Stamm oder auch an den mit Bindevokal e (und o) erweiterten Stamm antreten konnte; die Dehnung in ßÜXw-Aq usw. stellt ein inner• griediisches (homerisches) Bildungsmittel dar, das im Prinzip schon in voreinzelspradlliche Zeit zurückreicht~' ; diese Bildungsweise ist im Griechischen nidn produktiv geworden, da verschiedene andere Suffixe (s-Stämme wie eUxoc; oder G1·Bildungen wie -rBpt1~, vgl. oben A. 13 und -41) dieselbe Funktion erfüllten. (Register umseitig)

"-t Neben dem 1-Stamm steht ein s-Stamm, ~e\lyAri : ~eiiyo,;, v grftt)..11 : vtrfto; (das jedoch keine Verbt.lableitung sein dürfte). dy"(t},.'l : ÖpIJ.

a,

lbus, whereas the 'linguistic' view (1) assumes the wholesale diange of newä, kon.vti > korwit);

ä

2. F is lost beween vowels;

3. reversion of ii to CL after r, e, i (also u?); -4. loss of postconsonanu.l F (korwä

>

kora), assimilation of pa to pp (korsa

>

korrii ).

This sdieme differs from Sdiwyzer's I in that even for the full reversion theory only one period of reversion is assumed, whidi. is, intrinsically, certainly more likely . On the

other hand, no mention is made of the fate of ii resulting from the contraction of ia. Presumably, the conuaction could be placed at nage 2; but then ehe question would arise how it could escape reversion after r. Something is left in the air here.

II. Moderate reversion:1e: 1. 0 goes to ä, exctpt after e i r (newä > newä); 2. loss of intervocalic F (nrw.i > nea); 3. ä is reversed to ci after i and e (ne.i > neii; paiä, from original poiwä, goes to J"COlct); ◄. loss of postconsonantal F (korwä

>

korä), assimilation of po to pp (korsa

>

korra); 5. the contraction product of Ea, normally f\, is diverted to ti by a preceding e, i, or r11, except where analogy is strongcr ( ÖpI), tptf\PI'J, typqy6pf\ }1'.

I. lt is dear by now that we cannot go on indulging in this kind of isolated treatment of ci. 1ne very fact that a does not at first merge with inheriled i muu raise the quescion how these long vowels related to each other and the rest of the long vowel sysrem, a question which would have to be put in any case from a suucturalist point of view. lt is no accident tha t Brandenstein should have been the firs t 10 apply the phonological approach tO Ancient Greek: Trubctzkoy's presencc at Vicnna was a powerful stimulus. And vol. I of the Griechische Sprachwissenschaft {p. 71 f., s. fn. J above) clearly shows not only the application of the new principles to the Greek vowel system{s) but also that the author strives to interpret the successive changes in the light of the new principles. An even more determined effort was made shonly after by Martin S. Ruiperez who also pays detailed attention to our problem19• For Greek in general we must start from the following long vowel system, inherited from lndoEuropean and currem to the end of the Mycenaean period at least: 15

The author presents the s!ages in what seem.s a reverse sequence. I have also placed the intervening changes where they belong. 11 lt is not quite clear lo me what the author means when he says that. if we confine revenion lo the casH where it is really unavoidable, it becomes more readily understandable, namely as the action of analogy. I can see no scope for analogy at any of the stages. e:xcept 5) where it is invoked 10 ac:counl for remaining after r in some c:ases. The prOCHs of reversion does not become clearer at all. n This is Hse ntia\ly Cauer's view, see fn. 11. •• lt is wor1h comparing these schemes wilh Brandenstein's chronology, o. c., 55 - 6. n Rui~rez, Esquisse d'une histoire d u vocalisme grec, Word 12, 1956, 67 - 81. The pa~r is an application of tlu! principles developed by Martinet, and beautifully presenled in his lkonomie de$ changemenls phomHiques, Bern 1955.

«

143

(!)

~:

But some time after the Myccnaean period, i . e. roughl y 1200 B. C., the vowel system of most G r~ dialecu obtained by compensatory leng1hening long vowels which, in the ~e of a merely led to a ncw distribution of the frequency relations of ä and a, but_m th~ case of e and o produced in some areas at any rate - among them that of Iomc-Amc - new Jong vowels. These were closer than the inberited i and ö. As a result the latter acquired a rnore open articulation (f and 9J"0 • The resulting Jong vowel system was (2)

ä

lhe two mid-high series are represented by, e, g., (later) Attic Etµ.l, {;IJ·, ßouAfi 1 6w-. This was a (airly crowded system already 21 - especially wben compared with the short vowel system where the mid-series was represented by e o only - but matters we~e to get a lot worse in Attic-Ionic before they started getting heuer. For, says Ru1!)ere~, the back-series - owing to the asymmetry of the oral cavity pointed out by M.am~et - was far more crowded than the front series, and exerted a pressure in the d1rect1on of the vowel with maximum aperture. This resuhed in i:i being displaced to the front ( - I,) - a push-chain in Martinet's 1erminology. And it is at this point that the general survey of the dcvelopment of the long vowel system becomes directly relev~t to the problem of Rückverwandlung. For, in RuipCrez' view, the hypothesis that a, though generally developing into remained "ii after e, i, r, is dilficult: "II n:est p~s en elfe~ possible d'admettre que dans !es groupes /rä/ /eä/ / iä/ Ja voyelle se sou tou1ours rCalisie cornme un [8 ] central, puisquc, dans ces groupes, l'existence de !r_QI ICQI !i('lf a dO. exercer la m~me pression structurale qui, dans toutes Je, autres posmons, a provoque Je deplacement de [ä] vers [:i.J" (71). Thus the long vowel system changed to the following:

a,

(3)

20

See Allen, Some remarks on füe struc:ture of Creek vowel systems (Word 15. )959, 240- 251). 216. I must c:onfess. -however, !hat I am not quite happy about this interpretatlon of the facts in tenns of equidistant spacing. For it seems !hat we merely by-pass 1he very real problem why the lengthening of e 1nd o gave results different from the long i and 6 wihich bad .been pres!nj in the syslem. After all, Latin e from -eye- in tri& (U'om •treyesJ, or from -en- m laler mese(mJ were no different from 8 in inheriled ficit, elc. The older view, represenled by Ruipere:t (68 f.) also, ac:counts for this by assuming !hat short e and o were clo1er !han their long counterparls. And this kind of way out is left open to Allen, 100, ste the d.iagram and argument at p. 218. In any cast, the chief meril of his ingeniou1 paper lies in the reinterpretation of the short vowel syslem. :u. For a brief conspedus of Mar1inefs lenninology extensively employe-d in the next para• graphs, see my fonhcoming "Mel~O Ü was accomplished earlier, say by 500 B. C. Although there is no decisive proof in favour of an earlier date, it is nonetheless very likely that the change did take place at an earlier date, and 600 B. C. would to most experts seern an acceptable dati?. At the same time we must not lose sight of ehe fact thac the changes ü > U and 9 > ü are not necessarily in immediate succession or even simultaneous, as one would wish eo be ehe case from a systemic point of view. lt is quite possible that the two sceps are separated by a long Stretch of time. If one could be certain of the absolute validity on this point of the structuralist interpretation, one might feel inclined to postulate the proximity in time of the two changes. Unfortunately, rhis is far from being rhe case. Although the development we are discussing has been stated almost in terms of a natural law in the case of vowel-systems with four degrees of aperture in the back row-4G, there have also been many dissenrient voices. Some have objected that identical systems do not develop in the same way. Thus, e. g., in Gallo-Romance Lat. ü developed into ü, while in Tuscan we find no such changeu. Similarly, there were a number of Greek vowel-systems with four degrees of aperture - but only in lonicAttic did ü develop into it-u. Others have noted that in a number of cases there is a considerable time-lag between various changes which, on the scructuralist view, ought to be in causal connexion. Thus, on one view, the Attic vowel-system accomplished the change from ü to ii as early as rhe 7th c. B. C., while the concomirant change from 9 to ü was realized in the 4th c. at the earliest but possibly as late as the 1st c. B. C.ta; in such a case there could be no causal connexion between the various steps. Yet others strongly resist the very notion of a push or drag chain«, and prefer to talk of simultaneous but independent moves within rhe system-!5. In the face of such difficultics 36 Bolognesi, Ren ne/z, par3wä > paräJ, Jyäwon > /yJon shortening of ä: paraa > pare/z ,i reversed to ii after e, i, r: parrä > 1tllpe6:, nra > vE.ä, argurä > 6.prupö. F lost after consonants: korw4 > kor3 ea conm11C1ed to f (öpea > öp11) but rs

e

> rr:

u>ä

and i to ii : Ev6eci

kors3

> korrä

ö>ü

Ji and ? merge in

I],

APPENDIX The origin of the ethnic iwv The various ecymologies1S2 which are based on thc assumption of a Greek formation must now be dismis.sed. We can no longcr believe that the 'läfo~ were tbe "Ja~ Schreier", named after their cultic chant Uj iij n:auhve:i, or "ceux qui ont de la vivacit'" ("'isawones)6', or that their name is derived from {äd~ai". These etymologies would have to be rejected even if nothing told against them from the semantic point of view69 • The justification for this peremptory dismissal is the fact that it has now become clear, and is generally recognized, that the name whose earliest form was 'Iii"Fovei;: represents an Asianic type of ethnic name whose suffix is most closely related to the Luwian suffix -wani-. This imponant fact was noticed by Brandenstein who also saw that the name first applied to certain peoples of Southern Asia Minor and Cyprus, later also to the immigrant Mycenaean colonizers, and that the name then spread westward41. Unfortunatcly probably for reasons of piety hc maintained Kretsdimer's intcrpretation of the name as . Anhänger des la-Sdueies, bzw. des mit h} u. The form argureii soon conlracts to argurä, certt1.inly before slage 2). Cf. Schwyzer I as againsl Scherer II. 0 1 have not seen Hegyi's paper an ·t-he origin of the ethnic name lonian·. Annales Univ. Budapest., Sectio Philologica 6, 1965, 89-102; s. fn. 76. M Theander, Eranos 20, 1921, l f. M Camoy, Antiquit~ Classique 10, 1912. 5 - 8. This is also Palmer's etymon, Eranos 53, 1955, 8, ·the berserk (warriors)-. 86 Sakellariou, M~langes 0. et M. Merlier II. 1956, 311 - 22. M For fur1her references sec Schwyzer. GG I 80. Frisk, GEW I 718 -is rather less informative on recenl work. " Brandem;tein, Festschrift Dehn.inner. 1951. 66- 70, d. Griea\. Sprachwissenschaft 1 21. (But the statement that Yamanim are menHoned in Ugaritic texts, is incorrecl, s. Gorclon, Ugaritic Textbook, 1965, 111. and cp. Bengtson. Griechisdte Geschichte, 19602, 22, Sakellariou, La migration grecque en Tonie, 1958, 327.J This thesis is 11.ccepted by Oiadwick, Greece and Rome 3, 1956, 19-50, and Cambridge Ancient History (s. fn. 2) 12. - We cannot admit that the name originated on the mainland as is maintained by Sakellariou (a. fn. 65), ancl the Homeric menlion 11 N 685 - even if it does refer to a "lribU continentaie· (Durante, Studi

156

Oswald

SzEM2ReNT1

08

angerufenen Gottes"' • Yet, the suffix in question rules out any interpretation of this kind. The material is now easily accessible in Laroche's important work on Anatolian names", and the function of the suffix can be illustrated with the following examples: Ninuwa-wanni- 'Ninivite' gurta-wanni- 'inhabitant of the citadel' hamra-wanni 'who inhabits the temple (hamri)', epitheton of the goddess Ishara lapanu-wanni- 'habitant de l'alpage, troupeau'. Here belang also names like Urawanni-, name of a Hittite general, originally 'inhabitant of Ura', cf. the town Ura in Cilicia. Particularly frequent is the formation in Hieroglyphic Hittite: Halpa-wana- 'inhabitant of Aleppo' Tuwana-wana- 'of Tyana' Asura-wana- 'of Assur, Assyrian' Amatu-wana- 'of Hamat' Adana-wana- > Danüna- 'of Adana, Danunian',

The formation also survives in Lycian10, cf.: B x.bidevflni : A *xbidifini, in the derivative x.bidifihi Tlanna 'inhabitant of Tlava ( = TAW~)', that is contracted from Tlavafina. What Stands out quite clearly is that the suffix forms ethnic names from place names sensu lato, i. e. either from proper names of places or descriptive names of places (citadel, town, etc.). lt follows that in 'IaFove~ the first part (la-) cannot, e. g., be the name of a god or goddess'", but only the name of a place, either a town, or a province, or some other geographical rerm. Thus the objections of Jacobsohn and Sommer to Kretschmer's interpretation12 have belatedly been proved right. micenei ed egeo-anatolici 3, 1967, 464'1) - does not mean that they were there in the Mycenaean age. The Knossian ijawo,;i~ (X 146) is too .doubtful to be used. S. also Risch, Atti del IV Convegno intemazionale di linguisti, 1965, 951 • 98 with fn. 14. 08 Brandenstein, II. cc. 67 and 24 respectively. For Kretschmer'& views see Kleinasialische Forschungen 1, 1927, 1 - 17; Glotta 18, 1930, 232 f. Note that in the latter paper (233) Kretschmer regards the suff.ix as ohscure w:hereas he was convinced of the correctness of his interpretation of the first part. Today, it is the suffix that is crystal-dear. w See Laroche, Les noms des Hittites, 1966, 259 f., and, earlier, BSL 55, 1960, 171 f. 10 Cf. Ph. H. J. Houwink ten Cate. The Luwlan population groups of Lycia and Cilicia Aspera during the Hellenistic period, 1965 (reprinl), 62. 181 with fn. 4; Gusmani, Archiv Orientalni 36, 1968, 5 - 7. n We have seen that Kretschmer sought the solution in thls direction, s. fn. 68 above, and Glotta 24, 1936, 239 2 , where 'IaFove; is considered to be the haplologically shortened fonn of "Iaiä Fove~, fonned from the name of •All'OU111v Utto~ (h'po~). - In his important work ·Issledovanija po de~ifrovke karijskix nadpisej" (Moscow 1965), 305 - to whioh add bis notes at Voprosy Ja-zykoznanija 1967/4, 108. 113 - V. V. Sevoro~kin has identified the name of the Ionians in ieavfia-, corresponding to Lycian iiäna- and Creek 'fö:Fov-, and recognized that the base, i/awana-, was fonned with the suffix -wana- in question. All the more surprising - and obviO'USly due to the pressure of tredition - is his suggestion (306) that the name may be fonned from the narne of a goddess *Jja, on whom see Houwink ten Gate, o. c., 137 f. (on the Lycian name of the Ionians 108) , and L. Zgusta, Kleinasiatlsche Personennamen, 1964, 188. 540, 684.

" See Jacobsohn, KZ 57, 1930, 76 f.. esp. 104; Sommer, Ahrujawafrage und Sprachwissenschaft, 1934, 621. lt is rather strange to see Kretsohmer defend (Glotta 18, 233) the propo&ition

The Attic .Rückverwandlung·

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This much, I think, must be regarded as certain. Less clear is the exact origin of the first part of the name. If, nonetheless, I am going to make a suggestion about it, the reader will, I hope, bear in mind the essential difference between the two steps. The first step, the recognition of the structure of the name 'Icifovei;, and with it the definition of the first part as a 'geographical' term, is established beyond any doubt. The next step, the identification of the 'geographical' term is far from being certain, although I personally think it very Jikely. If, then, we must look for a geographical term in Southem Asia Minor or Cyprus, we shall not regard it as a pure accident that the required name should turn up several times in the Akkadian records. In an inscription of Sargon II (721-705 B. C.) it is stated1a that he is the great king who "caught, like fish, the Ionians ( = Greeks), who (live on islands) in the sea, who exterminated Kasku, all Tabali and Cilicia, who chased away Midas king of Musku ... who subdued the seven kings of the country Ja', a district on Cyprus (Ia-ad-na-na), (who) dwell (on an island) in the sea, at (a distance of) a scven-day journey". Esarhaddon (680-669 B. C.) boasts14 that "all the kings from (the islands) amidst the sea, from the country ladanana (Cyprus) as far as Tarsisi, bowed t0 my feet and I received heavy tribute (from them)", and in another inscription he mentions the "10 kings from Iadnana (Cyprus), amidst the sea"', among them the kings of Paphos, Idalium, Curium, etc.

i:t~d

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wh~::: :~:tsw~:~: a~a~n:h:i::J;r~;L~?arU:r t~~:i::e h~!~ connected this yä with Hebrew 'i 'island' which would give a suitable sense1~. But whatever the origin of Yä, there can be little doubt that in the 8th c., and surely long before, it denoted an area, and perhaps the greater part, of Cyprus. lt seems therefore that the Luwians who inhabited the whole Southern part of Asia Minor imposed on the inhabitants of Cyprus the name Yä-wani- 'inhabitants of Yä' which then became the adopted name of the Mycenaean settlers, and then spread to the Greeks of Asia Minor, first in the South, later also in the West - except for those who had their own jealously cherished tribal names, i. e. the Dorians and Aeolians16,

that the name5 of gods have to be jud.ged on their own, not with reference to the suffix. On lhe other band, it is worth recalling that Bilabel was very nearly right with his Asianic prototype *ia-wa-(a)fina- (s. Schwyzer, GC I 80). 11 See Pritohard, Ancient Near Eastem Texts, 19552 , 284 A. The relevant passage ahout Cyprus is repealed in the Cyprus-Stele, ibi.d. 284 B, and the original text is given by Albright,

AJA 54, 1950, 171. " Pritohard, o. c„ 290 A. 71 See Albright, !. c., 172311 , who rejects the connexion. I have now (25. 3. 1968) seen Hegyi's paper (s. fn. 62), her result is the name as ours, and we were both anticipated by Camilia in 1962. 11

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PAUL TEDESCO Yale University, New Haven, Conn.

Rigvedic varµsaga- 'bull' The Rigveda has ten times a nrange vtirJUaga- 'bull', which, except for one (nonrepetitive) a u estation in the Atharvaveda, does not occur afterwards. Of the ten Rigvedic incidents, seven are in the luer books, four in the first, and three in the tenth ; but the word also appears in the old books, once each in book 5, 6, and 8. The meaning seems out of doubt; cf. 1. 7. 8 vfiä yütheva vltlJllagab kmtr iyarty 6jasii 'like a vigorous bull the herds, he (Indra) impels the peoples with fo rce', and the epithet t1gm&Apiga- 'of sharp horns', common with vuabh&- 'bull'. According to Mayrhofer, Etymol. Wb. 3. 120, no serious etymology seems to have been proposed, Tue common Rigvedic word for 'bull' ist vnabh&-; the simple vf!an'vigorous, male' also occurs in this meaning, but more rarely. Both words are derived from the root vu- 'to rain' (iotr. and tr.): the bull RAINS the sperm. Now if we consider Middle Indic phonetics for the Rigveda - which I think we can - , vltf!1saga- can be from the same root. A characteristic feature of Middle Indic is the replacement of ss, of any origin, by ,ps, nasalizarion + s. We discuss here only ms from r + sibilant. · Skt. dt1r$ana- 'seeing' and dar.fayati 'shows' in Prakrit commonly give da,p.sar,a- and da,pui (Pischel, Prakrit § 74 and 554), both words AMiig., ] Mäh., Mäh., and Saur. (Miig. da,pJ-); dass- is very rare; ]Mäh. also has darisei. Skt. sparM- 'touch' becomes Mäh. and Saur. pha171sa- (Miig. S); JMii.h. has phäsa-, AMäg. sho ws pharisa-. Skt. nighar1a(~1a)- 'rubbing' appear as Mäh. r,iha,psa~a)-. In Pali (Geiger § 6. 3) the change is much rarer. Gha,ps- 'to rub' is the exclusive form since the oldest texu (Vin. 3 t., Saqiy.; with pari- Vin. 2 t.}1. But dar$- and spar$- appear as dass- and phass-. However, some spccial compounds of drs- show 1!", and that just in the oldest texts: vid,,upJeti 'shows' Allg., Therig., pavida,µseti 'reveals' Jät. (verse), upadarri-seti 'manifests' Ai1g. 3 t. (Th., Vin.), beside upadass- Mil. Skt. lomaharfa- 'horripilation, shudder' appears only as lomaha'!lsa-, since the oldest texts, Dirgh., Aitg., Sun.; Pali haf!1Sati 'it bristles' (of the hair) Vin., Majjh. can be from hQr!att or huyati. Dha171seti 'desnoys, assaults' Dirgh., Sarp.y., Sutt. is both dhva,pstlyati 'destroys' and dha r,ayati 'assaults'; the delimitation is difficult. lt seems that 1!lS was proper to the oldest, i. e. eastern, texts, and was preserved especially in unusual words. In lomaha,p.sa- 1JIS may have been aided by the preceding m. If we reckon with this change, dialectally, for the Rigved3., vQ,ps11ga- can be from "var1aka- 'the rainer' - g being Middle Indic from k - , formed like darMka-, 'seeing' and (causative) 'showing', bodhak11- 'awakening; teacher', janaklt- 'generating ; father', or pätaka- 'causing to fall ; sin'. "-V11r1aka- itself does not occur in Sanskrit, nor "'vasraka- etc. in Pali or Prakrit. l t may have been specific to some old dialect. The nasalization of the Rigvedic word can dialectally belong with that of Proto-Buddhistic, which would point perhaps tO Kosala, or for an earlier time, farthe r west. 1

The nwnbers of occurrences refer to the quotations of the Dictionary of the Pali Text

Socitty.

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ANTONIO TOVAR Tübingen

Eine indogermanische Gottheit aus Spanien, Peremusta In Eslava (Navarra) wurde vor einigen Jahren eine römisdi.e Ara entdeckt\ auf der die folgende Inschrift zu lesen ist: Peremustae deo / magno Arara / Marcella pro / salute sua / et rno / rum u(otum) s(oluit) l(ibens) m(erito). Die Inschrift bietet keine Schwierigkeiten und ist mit schönen Buchstaben eingemeißelt. Wahrscheinlich gehört sie dem zweiten nadichristlidien Jahrhundert an. Obwohl die Basken die Urbevölkerung des Landes bilden, haben nach allgemeiner Annahmell die indogermanischen Stämme, die über die Pyrenäen auf die Halbinsel gekommen sind, Ansiedlungen hinterlassen, und die Namen, die in den römischen Inschriften von Navarra vorkommen, machen einen indogermanischen Eindruck; nur ausnahmsweise findet man südlich der Pyrenäenkette in den römischen Inschriften Namen baskischen Charakters~. So wird in dieser indogermanischen Umgebung der Name des Gottes Peremusta nicht überraschen. Er zeigt p wie andere indogermanische Namen Hispaniens, die darum nicht als keltisch betrachtet werden können~. Der Name ist wichtig, da er Beziehungen von Wörtern im äußersten Westen Europas zu altertümlichen Bildungen im äußersten Osten des indogermanischen Gebietes bezeugt. Eine erste Erklärungsmöglichkeit schien Peremusta mit einigen germanisthen Wörtern in Zusammenhang zu bringen. Aber got, frumisti „Anfang", frumists „erster", ags. fyrmest (eng. foremost), afries. formest sind keine indogermanischen Bildungen, sondern germanische Entwicklungen, in denen einer superlativischen Form ein zweites Suffix angehängt worden ist 5 : st folgt auf got. *fruma. ae. fruma „Anfang, Ursprung", /rum „erst" oder ae. forma, as. formo „erster". Eine solche Analyse scheint auf den ersten Blick auch bei Peremusta möglich zu sein. Aber zwei Schwierigkeiten stellen sich ihr entgegen: Einmal weist die Endung -ä, die sich aus dem Dativ Peremustae (eine Form, die an die lateinische erste Deklination angepaßt ist) erschließen läßt, in eine andere 1 Sie wurde zuerst von J. Rubio Alija, Zephyru1 VI, Sal11manca 1955, 298 herausgegeben, vgl. J. M. Bläzquez Martinez, Religiones primilivas de Hispania, l, C.S.I.C. 1962, 214f. und Abb. 94. l Seil M. G6mez-Moreno in seinem Aufsatz des Homenaje a Menendez Pidal, III, Madrid 1925, besonders 480 f., wiedergegeben in MiscelAne11s, M&drid 1950, 233 ff. Siehe iiuch A. Tovar, Esludios sobre las primitivas lenguas hisp4nkas, Buenos Aires 1949, 68 f. 3 L. Miohelena, Los nombres in ital. -d) besteht, also aus dem thematischen Aorist stammt18• 11 So auch Hirt, 1. c. 267, der aber die lat. Perfektfonnen als ursprüngliche lnfinitivfonnen deutet. H Zu dixti neben dixisfi s. unten S. 171 mit Anm. 23. 11 Palmer 275, anders Sommer 1. c. 578 (der dederi S. 580 als Schreibversehen beiseite schiebt), Leumann 338, die -re (mit Alterenl der ai. Medialendung -ra = idg. -ro gleichsetzen. Eine Endung -ar ist jedoch durch das ai. -u!,, durch das Heth. und durch das Todt. (v.gl. Krause-Thomas, Tocharisches Elementarbuch. l, Heidelberg 1960, 260) gut bezeugt. ui dedro CIL. P 379 (Pesaro) dedron 30 (Rom), Sommer, l. c. 580 erblickt hier die Wirkung einer .vulgären Lautreduktion"r was ist darunter zu verstehen1 n Für -is-onl z. B. Kieckers, Historische lateinische Grammatik. 2, Mündten 1931 (Neudruck Darmstadt 1960) 265. Palmer, 1. c. 275: unentsohieden Sommer, 1. c. 578. - Der bei Sommer erwähnte Umst-and, daß die Perfektformen auf -irunt in der alten Komödie nicht zu -,Perfektstämmen gebildet werden. ist vielleicht das Anzeichen dafür, daß -er- in -eri.mt aus -ishervorgegangen ist. also selbst den Stammauslaut dieses Perfekttyps darstellt. 18 Gut dargestellt bei J. Vendryes, REIE. l (1937) 3-5 "' Oi.oix d't'tudes linguistiq:ue, et ce!tiques. Paris 1952, 156- 159. der aber die im oben Folgenden besprochenen weileren For-

170

Jürgen

UNTUNANN

Alle weiteren belegten Formen scheinen diesen beiden in irgendeiner Weise zuzuordnen zu sein. So gibt es die Form ohne Dental, die nicht „vulgär• ist", sondern auf Inschriften normalen N iveaus vorkommt: dede CTL. I1 47 (Rom), 2-438 (Minrumae), /eu 416 (Cales). H ier ist sicher kein -d „abgefallen•: Im Lateinischen in zu dieser Zeit ein wortschließendes -d noch überall fest, und audi später kann es nur nach langem Vokal fehlen ; es kann sich also nicht um die Aoristendung -ed, sondern nur um die Perfcktendung handeln, d . h. wir müssen annehmen, daß -e hier Schreibung für den Diphthongen -ei ist (auf ◄ 7 auch der Dativ Maru, auf 416 'fleqo für wicö}; nicht nadiweisbar, aber zumindest für ◄ 7 und 416 sehr wahrscheinlich, ist es, daß die Belege älter sind als der Schwund von -d nach Langvokal. In diesen Formen haben wir somit Belege für die noch nicht durch -t oder -d erweiterte Perfektendung vor uns. Von den verhältnismäßig häufig belegten Formen auf -et ist wohl keine so alt, daß sie in die Zeit vor der Endsilbenschwächung gehören könnte: Es kann sid, also nur um Schreibungen für die erst e Monophthongisierungsstufe von -ei- handeln; filr die Inschriften CIL. I' 31, -48, -49, 388 und 2222 ist dies durch andere Wörter im gleichen Text unmittelbar wahrscheinlich zu machen. -et steht also zwisdien -eit und -it wie vecos (288) zwischen veir:01 und vicul'°. Sdi.wieriger, wenn auch bisher unreflektiert hingenommen, sind einige Belege mit -i, -id und -it: dedi C IL. I' 60 (Praeneste), iousi 2659 (am Albaner See), d edit 360 (Nola), d t dit, fecid 561 (Praeneste, in Rom hergestellt), fuit, cepit 7 (Rom), fecit 398 (Campanien); durch das frühe Datum, auf 2659 zusätzlich durch den Dat. H]ercle, auf 7 durch virtutti, auf 360 durch lunonti ist ausgeschlossen, daß -i für -ei steht; ebenso unwahrscheinlich ist es, daß -i in allen Fällen Schwächungsprodukt aus -e ist: In 398, 561 und 2659 ist 7.umindest noch -o- in Schlußsilben erhalten. Es muß also nach einer Erklärung gesucht werden, die mit ursprünglich monophthongem, langem oder kunern -iredinet. Ein solches ist weder im thematischen Aorist noch im Perfekt zu finden: der einzige mir gangbar scheinende Weg führt über die Annahme einer sekundären Vokalentfalnmg, und diese läßt sich in der Tat für den -s-Aorist wahrscheinlich madien, dessen H äufigkei t im vorhistorischen Latein durch die Perfektstä mme auf -s- erkennbar geblieben ist. Die 3. Sg. dieser Aorisdlexion ist zunädi.st als •dric-1-t anzusetzen; man kann sidi vorstellen, daß :twisdien Stammsuffix und Personalendung ein Kennzei~en für die Morphemgrenze wünsdi.enswert schien, und daß diese Kennzeichnung durdi.. einen Vokal übernommen wurde. Solche Anaptyxvokale weisen im Lateinischen einen möglichst geringen Öffnungsgrad auf - je nach der Lautumgebung i oder o/u,,_ - und hier ist auf jeden Fall -i- :z:u erwarten. Es kam also zunächst •deic-s-i-t (mit Sekundärendung) zustande, das dann im laufe der lateinischen Sprachgeschichte zunächst deixid (belegt /ecid) und dann wieder deixit (belegt fecit usw.) werden mochte. Die dritte Form, deixi (belegt dedi, iousi) muß dann als eine Angleichung an die Perfektendung ohne Dental verstanden werden. Angemerkt sei noch, daß die gleiche Hypothese aud:i eine recht wahrscheinliche Deumen nicht angemessen beachtet. - Daß in -it eine ältere Endung -ef verbaut ist, die mit der ai. Medialendung -e (vgl. oben S. 166) ·identisch ist hat naoh Pick, GCA. 1883, 591 vor allem Kiecken. 1. c. 265, vertreten. 19 So Sommer. \. t den Vorteil, daß -is- im Zusammenhang mit der Funktion verstanden wird, die es ausübt - mit der Kennzeichnung der 2. Person. Daß gerade in der J. Person des Perfekts die K onkurrenz mehrerer Endungen so lange geduldet bleibt, läßt wohl darauf schließen, daß hier auch die funktionelle Vereinheitlichung später zum Abschluß gelangt ist als bei den übrigen Personen. Vielleicht darf man vermuten, daß im vorhistorischen Latein die Funktion des späteren perfeetum historicum von Aoristformen ausgeübt worden ist, während das stärker gegenwartsbe-zogene „echte~ Perfekt durch die ererbten Perfektformen dargestellt wurde. Ein historisdi.es Tempus hat im Bericht und in der Geschichtsschreibung seinen wichtigsten Platz, und in diesen Literaturgattungen spielt die 3. Person eine beherrschende Rolle. Vielleicht ist dies der Grund, daß nur in dieser Person die alte Aorist-Perfekt-Opposition so lange spürbar geblieben ist".

%1 Ober di e durchweg problematischen - Zeugen einer bereits gnmdspr1chlichtn Korn• bina1ion der Endungen .,- und -tai vgl. A. Meillet, BSL. 3-i {1933) 127 f.. T. Burrow, )II. 1 {1957) 66- 75, Adrados, 1. c. 109, R. HiersMe, Untersuchungen zur Frage der Tenues asp1ratae im Indogennanischen, Wiesbaden 196◄, 55 f. ~ Diese schon früh geäußer1e Hypothese wird von Sommer, 1. c. 589 (ebenso Leumann, 1. c. 336) abgelehnt; jedoch sollten seine Argumente noch einmal geprüft werden, Daß Formen ohne -i- nach Plautus häufiger sind als bei Plautus, beweist niMt daß sie erst mit Plautus aufgekommen sind, wenn eine Form *fexli neben fecisti vermißt wird, dann genügt wohl der Hinweis darauf. daß der Vokal seine Funktion als Morphemtrenne,r nur beim -s-Aorist anlreten konnte, Auf die übrigen Stammhildungslypen kann die fertig entwickelte Endung -isti über• tragen worden sein. u. Diese geht von dem ai. -iJ- und -.ris-Aorisl aus, dessen i ~her in den meisten Fällen auf -a- :iurückzufilhren ist, darau5 müßte im Lateinischen a und in nichtcrster Silbe vor mehr als einem Konsonanten -~· werden. An dem gleichen lautlichen Einwand stößt sich auch Pisanis !Grammalica La1ina 250) Deutung des -i.!- in -iJfi- 1us der Endung des 1hem1tischen Aorists. ~ ßis jellt gibt es keinen Beweis dafür, daß es im Oskisch-Umbrischen zu einer ihnlic:hen Verschmelzung von Perfekt und Aorisl gekommen ist: Cut bezeugt sind rrur Fonnen der 3. Person, die alle am besten aus dem Aorist zu versieben sind. Was man als 1. Sg. Perf. 2ll deuten versucht. osk. mana/um und umhr. .rubocau, ist noch immer äußerst fragwürdig, Vgl. J. W. Pouhney. The Bronn t1bles of lguvium. Beltimore 1959. 24 1.

B

Klassische Philologie und Altertumskunde Etruskologie

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ERNST DOBLHOFER Graz

Zur Frage des verstümmelten Beginns von Rutilius Claudius Namatianus, De reditu suo Obwohl nicht dem engeren Arbeitsgebiet meines verstorbenen Lehrers Wilhelm Brandenstein zugehörig, sei dieser Beitrag seinem Andenken gewidmet, gilt er doch einem textkritischen Problem, das auch sprachhistorische Fragen aufwirft. Des Rutilius Claudius Namatianus neuerdings wieder stärker beachtetes Gedicht De reditu suo' setzt ein mit den Versen: Velocem potius reditum mirabere, lector, tam cito Romuleis posse carere bonis. quid longum toto Romam venerantibus aevo! nil umquam longum est, quod sine fine placef. Weder die beiden Handschriften, in denen das Gedicht überliefert ist\ noch die nach einer nun verlorenen Abschrift veranstaltete Editio princeps, welcher der Wert eines Kodex zukommt'\ bieten einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Anfang von Buch I verstümmelt sei. Dennoch haben Herausgeber und Kommentatoren seit Jahrhunderten und bis in unsere Zeit herein immer wieder Anstoß genommen an dem potius im ersten erhaltenen Vers, weil dieses als Komparativ einen Vergleichssatz erfordere, der ein dem velocem reditum entsprechendes Korrelat enthalten müsse; hier sei also ein Gedanke und daher mindestens ein Distichon, vielleicht auch deren mehrere, ausgefallen 5, Neben dieser Auffassung stehen andere, so die, daß der Beginn nicht verstümmelt, vielleicht aber das potius eine Korrupte! sei, die emendiert werden müsse~. Eine dritte 1 Neuere kommentierte Ausgaben: Villa, A. G .. Rutilio Namaziano, De reditu suo, Firenze 19491 Merone, E., Rutilius Namatianus, Napoli 1955 1 Vessereau, J. - Pnlchac, F., Rutilius Nama1ianus, Sur son retour, Paris 2 1961 (mit kurzen Anmerkungen und fn. Obers.), Castorina, E„ Claudio Rutilio Namaziano, De reditu, Firenze 1967 (mit ital. Obers.). Monographien: Merone. E., Rulilio elleniumte, Napoli 1953; Lana, 1., Rutilio Na.maziano, Torino 1961. ~ Zur Textgestaltung (Interpunktion) s. unten S. 179. 3 Cod. Vindobonensis 277 (olim philolog. 387) saec. XVI. fol. S4r - 93v, Wfon, Nat.-Bibliothek"" V; cod. Romanus, jetzt Ms. Caet. 158, saec. XVI, fol. 2r- 27?. Rom, Bibi. Corsini = R. • Pius, Job. Bapt. (Giambatlista Pio). Claudius Rutilius poeta priscus de laudibus urbis, Etruriae et Italiae, Bologna 1520 = B. 4 So als erster Castalio, J. (Giuseppe Castaglione). Rom 1582, unter Berufung auf Antonio Quarengo, und nach ihm die meisten älteren Herausgeber. Bis heute ist keine Obereinstimmung enielt. Verstümmelten Beginn nehmen an R. Helm (Heidelberg 1933), A. G. Villa und E. Castorina (s. Anm. !); P. van de Woestijne (Amslerdam und Antwerpen 1936) druckt Castalios Notiz zu l, 1 ab, ohne Stellung zu nehmen und ohne die lacuna zu bezeichnen; J. W. Duff und A. M. Duff (Minor Latin Poets. Loch Class. Lihrary. London und Cambridge/ Mass. 1954, 764- 829) neigen (764 Anm. a) zur Annahme eines verlorenen Anfangs, bezeichnen ihn aber nicht als solchen und lassen die Frage offen; E. Merone {s. Anm. l, Ausgabe), der Helms Text übernimmt. hat dessen Asterisken offenbar übersehen und schweigt auch im Kommentar. • Keene, Ch. H., Rutilii Claudii Namatiani de reditu suo libri duo, London 1907, schlägt (108) in der Anm. zu 1, 1 prorsus vor, beläßt aber po/iU$ im Text.

176

Ernst

DoBl.HOf.ER

Schule tritt für unversehrten Beginn und für die Richtigkeit des potius ein, das auch absolut gebraucht einen plausiblen Sinn ergebe1 ; der absolute Gebrauch wird dabei mit Hinweisen auf den lateinischen Sprachgebrauch gestützt, der sehr häufig den Komparativ sans addition du terme comparl! verwende', und speziell für Rutilius durch die Erklärung gerechtfertigt, der Dichter setze absichtlidi abrupt, weil stark emotional gefärbt, ein; daher die Ellipse des verglichenen Gedankens9 • So abrupt, meinten wieder andere, sei der Beginn mit potius gar nidi.t; das vermißte Korrelat zum Komparativ sei in dem Titel des Gedichtes zu suchen, und potius beziehe sich auf de reditu suo: darüber, daß Rutilius überhaupt aus Rom in die Heimat zurückkehre, werde der Leser sich nicht wundern; vielmehr darüber, daß er das so eilig tue10• Die meisten dieser Argumente dürfen heute als widerlegt gelten; wir nennen kurz die Gegengründe. Daß potius eine Korruptel sei, ist Wunschdenken, deduziert aus der Prämisse, der Beginn sei unversehrt, weil V, R und B ihn so bieten. Ist der Beginn heil, dann muß potius, das als Komparativ etwas Vorhergegangenes voraussetzen würde, eben verderbt sein. Die Prämisse ist nicht zu halten: V, Rund B gehen alle drei mittelbar auf denselben Kodex, einen heute verschollenen Bobbiensis saec. VIII/IX, zurück.11, und der konnte die lacuna am Anfang recht wohl gehabt haben. Da V und B zumindest eine Zwisdienstufe x hinter sich haben, R eine ebensolche y (erst x und y sind unmittelbar aus dem Archetypus von Bobbio geflossen) 111 und V, B und R heute ganz verschiedene Titel tragen11, an die sich der erhaltene Text lückenlos anschließt, ist es sehr wahrscheinlich, daß diese Titel von den Schreibern von V, R und der B zugrunde liegenden Handschrift über das Erhaltene gesetzt wurden, ohne daß sie von der lacuna Notiz nahmen. Anders steht es mit der Überlieferung des potius. Eine unerkannte bzw. unbezeichnete lacuna am Anfang ist späteren Abschreibern ebenso zuzutrauen wie die Improvisation neuer Titel (von denen de reditu suo leicht aus v. 1, 1 abzuleiten war); aber eine allen gemeinsame Korruptel gleich im ersten Vers? Die müßte dann im Archetypus gestanden haben - zu welcher Annahme wir nach den Grundsätzen der Textkritik nicht berechtigt sind. 1 Pithoeus, P. (Pierre Pithou, anonym) in Epigrammata et poematia. vetera, Paris 1590; Bunnann, P., in Poetae latini minores II, Leiden 1731; Cortius/Kortte, G. bei Kapp, J. Chr„ Erlangen 1786; Wemsdorf, f. Chr., Altenburg 1788. 5 Vessereau, J., Cl. Rutilius Namatianus, Paris 1904, 346 f. ~ Die Erklärung geht zurück auf die Observationes in Rutilii Claudii Namatiani cannen de reditu suo. Berlin 1837, von A. W. Zumpt, -der sie aller-dings in seiner kritischen Ausgabe (Berlin 1840) wieder aufgab, J. Vessereau hingegen hielt a. 0. 344 f. daran fest. 10 Purser, L. a. (bei Keene a. 0. 171), dem sich Prechac (s. Anm. l) im Kommentar trotz Bedenken anschließt. u Gut orientierender Oberblick über die Textgeschichte bei van de Woestijne (s. Anm. 5)

5-32. 1 " Stemma bei Heidrich, G., Claudius Rutilius Namatianus (krit. Ausgabe). Wien 1912, 25. 13 V (Titel von 1. Hand), Ex fragmentis Rutilii claudii Namatiani de reditu suo e Roma in Galliam Narbonen (Rand abgeschnilten: sem); (Subscriptio von 3. Hand) Rulilii claudii namatiani de reditu suo exp/icit liber I•. lncipit liber II•. R (Titel), Claudii Rutilii poetae di (endet so, Kodex ist nicht beschädigt; gnissimi nach der Subscriptio zu ergänzen); (Suhscriptio) Explicit liber primus Claudii Rutilii poete. lncipit /iber ll Claudii Ruti/ii Numanliani poete dignissimi ß (Außentitel), Claudius Rutilius poeta pri.scus de laudibus urbis, Etruriae et Ita/iae. (Titel vor Textbeginn) Ad Venerium Ruß.um Rulilii Claudii Numatiani Galli viri consularis, praefeclorii urbis, tribuni mililum, praefecti praetorio. Liber primus cui lilulus itinerarium. (Subscriptio) Finis itinerarii primi. Rutilii Claudii Numatiani de reditu suo itinerarii liber secundus. - Die .Bemerkungen in V, B und R am abgebrochenen Ende von Buoh II geben für die Titelfrage nichts

Zum Beginn von Rutilius Namatianus, De reditu

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Die Annahme absoluten Gebrauchs eines gleichwohl komparativischen potius geht von derselben falschen Prämisse des unversehrten Gedichtanfangs aus und ist schon darum unhaltbar. Daß der Dichter emotional-eruptiv einsetze, kann nur glauben, wer die formale Grundhaltung des Gedichts, die Vorsicht und Korrektheit in Sprache und Stil und die weitestgehende Orientierung an klassisdien Vorbildern übersieht, Ergebnisse einer Arbeit, die der Dichter nur in einer wohlausgestatteten Bibliothek, in gelehrter Muße (vielleicht in der wieder ruhig gewordenen Heimat; die Goten waren 414 nach Spanien weitergezogen) und detachiert vom unmittelbaren Reiseerlebnis geleistet haben kann 14• Unhaltbar ist es schließlich auch, das potius mit dem Titel in Verbindung zu bringen, den das Gedicht in V trägt, und es auf das de reditu zu beziehen, das dort (und in der Subscriptio zu Buch I von B) erscheint: das ist sicher nicht der Titel des Originals1~. Es bleibt der Sprachgebrauch. Man hat auf 1, 99 hos potius dicas crevisse in sidera montes, und auf 1, 582 Tuscorum regimen plus placuiHe sibi, hingewiesen; hier seien Komparative ohne ausdrückliche Nennung des verglichenen Begriffes gebraucht. Aber diese Stellen wurden unter Außerachtlassung ihres Zusammenhanges herangezogen, und der liefert die verglichenen Begriffe, wie schon Keene gezeigt hat111• Vessereaus wenig glückliche Versuche, den absoluten Gebrauch von potius bei ,,!es Latins" durch französische Entsprechungen zu belegen, hat schon Vollmer verurteilt 17• Eingehende Auseinandersetzung aber verdient ein Einwand, der bisher, soviel ich sehe, nur implicite erhoben wurde. Man könnte nämlich darauf verweisen, daß zu der Zeit, in der Rutilius schreibt, im 2. Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts n. Chr., bereits mit der im Spätlatein eingetretenen Verschiebung der Komparationsgrade zu rechnen sei; in unserem Falle also mit dem Austausch von Komparativ und Positiv 18, d. h. mit der Setzung des potius im Sinne eines „ziemlich" oder „sehr". Nun ist in der Tat an der Sprache des Rutilius Spädateinisches und Volkssprachliches in Wortwahl, Formenbildung und Syntax festgestellt worden 19 ; insgesamt freilich so wenig, daß es im Hinblick auf das Gesamtwerk nicht ins Gewicht fällt. Die Sprache ist „ vornehm unter dem Einfluß der Klassiker"21.1, ,,korrekt und vorsiditig":11 , und man darf angesichts der gediegenen, klassisch-literarischen Bildung des Verfassers und seiner steten Orientierung an den alten Vorbildern eine Verschiebung der Komparationsgrade und den Austausch von Komparativ und Positiv in dem potius von 1, 1 erst annehmen, wenn sein Sprachgebrauch das rechtfertigt, nicht der seiner Zeit, zu der er auch in anderer Beziehung in bewußtem Gegensatz steht. Es ist also das ganze Gedich.t daraufhin zu prüfen, ob Verwischung der alten Gradationsstufen nachzuweisen ist. Nur wenn das zuträfe, dürfte man mit absolut gesetztem, weil als Positiv gebrauchtem potius in 1, 1 - und d. h. mit einem unversehrten Beginn von De reditu - rechnen. Das Gedicht enthält 40 (adjektivische und adverbielle) Komparative, von denen etliche mehrmals in gleicher Form, wieder andere in verschiedenen Genera, Numeri und u Vollmer, Fr., RE II 1. 1251. 15 -Elxla. 1252 (wo Vollmers Behauptung, auch B gebe vor 1, 1 de reditu suo. zu korrigieren ist. s. Anm. 13); Keene a. 0. 16f., 171.

MA. Ü. 171. 11 Vollmer a. 0. 1252 gegen Vessereau a. 0. 343f!. 8 Leumann-Hofmann-Szanlyr, Lai. Gramm. II, München 1965, 168-170; Grandgent, C. H., An Introduction to Vulgar Latin, Boston 1907, 33. 1 w Vgl. Vessereau a. 0. 383 ff. und dagegen Vollmer a. 0. 1252 f .: ferner Helm a. 0. {s. Anm. 5) IV. :io Helm ebda. 21 Vollmera. 0. 1252. ~

lZBrandensteln

Ernst

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D 011ut'OPER

Kasus vorkommen, so daß man (ohne das strittige potiu1 von 1, 1) insgesamt 71 Komparativformen zählt. An Superlativen hat De reditlf 12 Wörter; sam~ ihrei:i Flex_ionsvarianten sind es 23 Superlativformen=. Alle diese 23 Formen erweisen s11:h bei der Prüfung ihres Kontextes als echte Superlative bzw, Elative; es ist kein einziger Fall 113 darunter, in dem ein Superlativ volkssprachlich einen Komparativ ersetzte • Von den 71 Komparativformen scheiden auch bei strengster Prüfung 67 von vornherein aus, weil sie alle du rch den Kontext und die meisten davon noch zusätzfüh d_urch die Syntax (abl. comp., folgendes quam) sowie durch wörtli_chen Anklang an klasm~e Vorbilder als echte Komparative (in ganz wenigen Fällen 1n der ebenfalls gut klassischen Bedeutung „allzu ... ") ausgewiesen werden. Von den verbleibenden 4 Fällen ist das substantivierte maioribus 1, 519 für n Vorfahren• als klassisch wegzuzählen, ebenso du dexteriora von 1, 180, ein Komparativ, der schon von altersher in sein er Bedeutu":g dem Positiv gleichgesetzt wurde~. Somit bleiben 2 Stellen zu betrachten, an denen die Komparativbedeutung ei ner Komparativform nicht unmittelbar evident ist, weil der verglichene Begriff nicht ausdrücklich genannt wird. Aber auch hier :eigt die Prüfung des Kontexts und die Interpretation, daß es sich um echte Komparative handelt. Die erste Stelle ist 1,415 ff.: 415 lattior hie noitras ertbrescit fama per aurts:

eomilium Romam paene rtdirt fuit. hie prae/ecturam sacrae cognoseimus urbis delatam mtritis, dulcis amict, tuis. Gewiß ist die laetior fama von dem Aufstieg des Freundes Rufinus zur Stadtpräfektur (1, 415-428) auf den ersten Blick nur eine „frohe• Kunde; es war ja v~rher vo_n keiner anderen fama die Rede. Auch an eine „sehr frohe " Kunde und damit an dte gelegentliche Verwendung des Komparativs statt des Superlativs in der Volkssprache)& könnte man denken. Dies aber doch nur, wenn man das Vorausgehende außer acht läßt - und die Kunst des Oberganges, in der Rutilius ein Meister ist. Unmittelbar zuvor hatte der Dichter an die Beschreibung der verfallenen Burg von Populonia (1, 401 bis 412) eine melancholische Reflexion geknüpft (1, 413 f.):

non indigrumur mortalia corpora sofoi: cernimus txtmplis oppida posst mori. Und darauf fo lgt unmittelbar die laetior fama, d avo n reißt sich der Dichter gleichsam los: die Nachricht von der Erhöhung des Freundes ist eine freudigere Barschaft a I s die, welche die Ruinen ihm zutragen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem potius von 1, 427 . Die Stelle heißt im Zusammenhang: 425 festa dies pridemque meos dignata ptnatts

poste coronato vota secunda eolat, exornent viridts communia gaudia rami; prcwecta est animae portio magm1 meae. sie mihi, sie poti11s placeat gtminata potestas: per qutm mal„eram, rursus honore Jruor. :, Nach dem gegenüber J. Ve.uereau verl>esserten Index omnlum verborum der Ausgabe von P. van de Woestijne (s. Anm. 5), 67 - 102. ::za Leumann-Hofmann-Szantyr a. 0. 169. Zu dem Positiv bei ut qui.sque (1. 276) vgl. ebda. 633f. ._ Varro, l. 1. 9, 27, 13-41 Ovid, met. 2, 138. )& Leumann-Hofmann•Szantyr a. 0.

Zwn Beginn von Rut ilius Namalianus, De redilu

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Rutilius erinnert sidt aus Anlaß der Beförderung des Freundes an das Fest, mit dem er wenige Jahn: zuvor (-412) den Antritt seiner eigenen Stadtpräfektur begangen hat, er freut sich gemeinsam mit dem Freunde, denn proveeta est animat portio magna mtat. Und im Lichte dieser Teilnahme und Mitfreude ist das Felgende zu sehen: sie mihi, sie potius placeat geminata potestas. Die für den Stil des Dichters charakteristisdte, gedrängte Gedankenführung 29 hat eine Verbindung wie geminata potestas hervorgebracht, die wir so paraphrasieren müssen: ,.Ich bin nun in der Person meines Freundes gleichsam zum zweitenmal Stadtpräfekt geworden, frei lich nicht wirklich; aber so la»e ich es mir bess e r gefallen, a I s wenn ich es in der Tat nochmals geworden wäre.• Somit ist aus dem Zusammenhang, in dem diese Verse stehen, und im Einklang mit dem Stil des Dichters der komparativische Charakter auch d ieses potius erwiesen. Daraus läßt sidt nur ein Schlu ß ziehen: Es gibt bei Ru t ilius keinen einzigen „spätlateini sch verschobenen" Komparativ, der einem Positiv gleichkäme; wir haben daher kein Recht, einen solchen ausgerechnet im Exordium anzunehmen. Auch das potius von 1, 1 isr ein echter Komparativ, dem ein Vergleichsbegriff vorausgegangen sein muß, Es ist daher in der Tat ein Gedanke ausgefallen, der Beginn von De reditu ist verstümmelt. Dafür läßt sich noch ein Argument beibringen, das audi für die Rekonstruktion des eingangs Verlorenen von Bedeutung isr. Die Übersetzung und Deutung des ersten erhaltenen Distichons wirft nämlich ein weiteres Problem auf; von dessen Lösung hängt die Interpunktion in den Ausgaben a b. Die meisten neueren Herausgeber interpungieren, wie oben (S. 175) abgedruckt; sie setzen leetor zwischen Kom mata und erklären damit wlocem reditum posse eartrt für einen von mirabere abhängigen AcP'I: ,.Du wirst dich wundern, Leser, daß (meine) eilige Rückkehr so schnell ... entbehren kann." Anders R. Helm:ia, der nach ltctor einen D oppelpunkt setzt, weil er posst eartrt für eine appositionelle Ausführung zu wlocem reditum erklärt; dies im Hinblick auf 2, 4, wo ein Befürchtungssatz ein Objekt zu timuit wieder aufnimmt, und auf 2, 42, wo facinus durch einen quod-Satz erläutert wird: zwei Parallelen, die keine sind. Gegen Helm und für die zuerst genannte Deutung spricht wieder der spezifische Stil des Rutilius. Der Dichter bezeichnet sich selbst mehrmals mit einer Bescheidenheitsumschreibung, die aus einem abstrakten Substantiv, meist in Verbindung mit einem Attribut, besteht 1111 , und das läßt den Rückschluß zu, daß auch unser veloctm rtditum mit me v elocittr redtuntcm gleichzusetzen istllfl: . Du wirst dich wundem, Leser, daß ich so eilig zurückkehre und so schnell ... entbehren kann." Auf diese Weise ergibt sich zwanglos das me, das Helm glaubt, im verlorenen Distichon suchen zu müssen. H elms versuchsweise Rekonstruktion des verlorenen Anfangs (In patriam redeo: sero, sed tunt reprendes, divinat quod adhuc me tmtt urbis amor) ist ansp rechend und zeugt vom Einfühlungsvermögen des Herausgebers in den Stil seines Autors. Sie hat aber einen entschiedenen Mangel: sie enthält das Adjektiv long11s nicht. Dieses aber hat :.i Vgl. 1. 26 tulmonitua labor, 1. 79 Romanua ubique reces&u!, 1, 18◄ polu& chelarum, 1. 501 praefectorum vicibus frenata po/eJtas ; l, 587 /am carus et ipse probatia , 1. 621 otia navalia, und ru allen diesen Stellen Helms Kommentar. Auch d ie zahlreichen Ellipsen sind in diesem Zus&JT1menhang (gedriingie Gedankenführung) beachlenswert, ebenso die Vorliebe des Autors für das Oxymoron. :n So schon Wemsdorf {s. Anm. 7) und von den letzten Herausgebern P. van de Woestijne (1. Anm. 5) und Vessereau-Prtchac (s. Anm. 1). :zi Dem A. G. Villa und E. Merone (s. Anm. 1) in ihren Ausgaben folgen, E. Castorin11 in seiner Oberselzung. ~ 1, 13 peregrina lau&; 1, 19 mea fortuna, 1, 5-49 Gallia , hin-zu kommen die zahlreichen Fälle von Umschreibungen der 2. und 3. Person durch Abstraktum + Allribut. ao Mit J. Vessereau a. 0. 3-46.

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DoaLHOFE!I.,

Zu Rutilius Namatianus

m. E. im verlorenen Anfang gestanden, denn auf sein Vorhandensein deuten die Verse 1, 3 f. hin. Die rhetorische Frage quid longum .. .!0 , ,.was heißt denn schon lang! " und die eigentlich über.flüssige und darum um so nachdrücklichere Antwort nil umquam longum est nehmen allem Anschein nach ein longum wieder auf, das zu Beginn des Gedichu gefallen war (etwa im Sinne von: . Mein langer Aufenthalt in Rom wird dich nicht be-fremden, Leser; wundem wirst du dich vielmehr .. ,") und zu dem das w loctm und tam cito von 1, l f. in Antithese standen, für welch letzteres Stilmittel Rutilius besondere Vorliebe zeigrfl. So bestätigt auch die Interpretation von 1, 3 f. die auf anderem Wege gewonnene Überzeugung, daß der Beginn von D e reditu suo verstümmelt ist.

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FRITZ GSCHNITZER Heidelberg

Exercitus Zur Bezeichnung und Geschichte des Heeres im frühen Rom Im älteren Latein stehen zur Bezeichnung des ,Heeres' die vier Ausdrücke populuJ, classiJ, legio und exercituJ nebeneinander nicht wie so oft der prosa ische und der dichterisdie, der gewöhnlidie und der gewählte oder gesuchte, der technische und der gemeinspradiliche Ausdruck oder audt Wörter verschiedener mundartlicher Herkunft nebeneinanderstehen; vielmehr haben sie alle vier einmal in der politisch-militärischen Fachspradie Roms ihren festen Platz gehabt, und zwar nicht, wie man zunächst wohl denken könnte, in verschiedenen spezielleren Bedeutungen, die dann erst außerhalb des technischen Bereiches zur allgemeineren Bedeutung ,Heer' sich versdioben hätten: nein, sie bezeichneten alle schon in der Fachsprache annähernd das, was wir im Deutschen unter ,Heer' verstehen und wofür das klassische Latein nur noch eine geläufige Bezeichnung hat: exercit,u. freilich eben nur annähernd, denn natürlich haben diese vier Ausdrüdl:e sowenig wie andere sog. Synonyme jemals zur selben Zeit im selben Zusammenhang genau dieselbe Bedeutung gehabt. Die Aufgabe, ihr Verhältnis zueinander genauer zu bestimmen, ist zugleich dem Sprachforscher und dem Historiker gestellt: vielleicht darf ein Versudt, sie der Lösung näherzubringen, auf das Interesse eines Gelehrten hoffen, der den Zusammenhängen von Sprache und Geschichte von jeher seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt hat. Wir beginnen mit dem Ausdruck, der wohl am leichtesten zu beurteilen ist. Die legio ist in der historisch hellen Zeit bekanntlich ein Teil des römischen Heeres, im Zeitalter der klassischen Republik ein Viertel des regelmäßigen jährlichen Aufgebots, die Hälfte eines konsularischen Heeres, nach Polybios (VI 20, 8) in der Regel 4200 Mann zu Fuß (davon 3000 Schwerbewaffnete, VI 31, 9) und 300 Reiter umfassend; $ie liegt a ls Einheit der Heeresbildung fast ausnahmslos zugrunde, schließt alle Waffengattungen und Hilfsdienste in sich und kann, wenn es sein muß, für sich allein ein Heer bilden. Die alte griechische Übersetzung des lateinischen Fachausdrucks (u. a. bei Polybios, z. B. VI 19 ff. passim) 1 ist drpa-r61re6ov, ,Armee', und im älteren Latein selbst ist legio häufig m der Bedeutung ,Heer' zu belegen, so sehr oft bei Plautus, z.B. Amph. 527: Nunc, ne legio penmtiscat, clam illuc redeundum est mihi, ferner etwa bei Ennius, z.B. Ann, 345 V. 1 : aJpectabat virtutem legionis suai, archaisierend bei Livius II 26, 3: nec advmienti peditum agmini restitit Sabina legio. Eine Inschrift vom J. 176 bei Liv. XLI 28, 8 stellt das veraltende legio und das damals schon geläufigere exercituJ synonym nebeneinander: Ti. Semproni Gracchi imperio auspicioque legio exercitusque populi Romani Sardiniam JUbegit. Alle diese Zeugnisse liegen tief in der Zeit, da die röm ischen Heere regelmäßig zwei oder vier Legionen umfaßten: das Wort konnte also in der Gemeinspradie noch längere Zeit das Heer im ganzen bczeichnen1 , obwohl sich seine

Daher wäre das Ausrufzeichen nach 1, 3 mit Helm von den folgenden Herausgebt'm zu hallen gewesen. .a Passim im Kommenlu von R. Helm. der darauf besonderes Augenmerk verwandle. ::,i.

1 D. Magie, Oe Romanorum iuris publici sacriquc vocabulis sollemnibus in Graecum sermonem conversis !Oiss. Lpz. 1905), 11 7. ~ Neben dem Sing. legio sieht übrigens im älleren Lalein noch häufiger der Plur. let,iones für die Streilkräfle ei n es Heeres, z.B. CIL P 5: Plaut. Amph. 691. Ps. 76 1: Enn. Ann. 297 V.21 C.lo orig. fr. 99 P.1; häufig archaisierend bei Livius, z.B. mit exercilus wechselnd II 33, 6;

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Fritz GscHN1nn.

technische Bedeucung inzwischen verschoben hatte. Denn an die Stelle der einen legio, die Rom - in der Stärke von rund 6000 Sdiwerbew-affneten - etwa in den ersten Jahrzehnten des 4. Jh.s ins Feld gestellt hatte, waren noch im Laufe des ◄. Jh.s zuerst zwei etwa halb so starke Armeen getreten, die jede für sich die alte Organisation und den alten Namen weiterführten und auf verschiedenen Kriegssdiauplätzen eingesetzt werden konnten'; dann haue man, wohl seit der Zeit des großen Samnitenkrieges (326-304), immer häufiger eine oder zwei weitere legiones ausgehoben und sich sdi.ließlich eben daran gewöhnt, in Kriegszeiten jährlich vier Legionen aufzustellen 4 : die ,Armee' war (der Sache nach) zum Armeekorps geworden. Ober dieses längst erschlossene Stikk römischer H eeresgeschichte kommen wir hinaus, wenn wir nach dem Ursprung von legio ,H eer' fragen. War die lt:gio - das Wort ist ja eigemlich Nomen acrionis zu legere - von Hause aus die ,Sammlung' oder d ie ,Auswahl'? Hier dürfte uns weiterhelfen, was wir über die Aushebung der Legionen in der Zeit des Po!ybios, also um die Mine des 2. Jh.s, aus dessen ausführlicher und sachkundiger Darstellung {VI 19 f. ) erfahren. Danach wählten die Militärtribunen jedes Jahr aus der Gesamtzahl der Dienstpflichtigen, die sich zu diesem Zweck an einem bestimmten Tage in Rom auf dem Kapitol zu versammeln hatten, in einem komplizierten Verfahren die Mannschaften der einzelnen Legionen aus: die Ausdrücke des ,Wählens' {lKAfyw, tKAoyr'j, a.i pe(fl~) finden sich in den sechs Paragraphen 20, 3-8 fünfmal, und dilutus ,Auswahl' is1 ja bekanntlich der lateinische Fachausdruck für die ,Aushebung'. Dieses in dem Großstaat des 2. Jh.s einigermaßen anachronistische Verfahren, das vor allem auf die Auswahl der tüchtigsten Krieger und zugleich auf die nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Gleichheit der 4 Legionen abzielt, muß wenigstens so alt sein wie die Gewohnheit zwei oder mehrere Feldheere gleichzeitig aufzustellen, d. h. es muß weit ins 4. Jh. zurückgehen. Aber nichts spridit dagegen, daß schon vorher die Mannsdiaft für ei nen bestimmcen Feldzug, d . h. für eine einzelne (die damals einzige) ltgio gru ndsätzlich in derselben Weise, nur eben ohne die später durd, die Mehrzahl der Legionen bedi ngten Komplikationen, aus der Gesamtheit der Wehrpflichtigen ausgehoben wurde. Und eben wenn wir dies voraussetzen, verstehen wir am besten, wie legio zur technisdien Bezeichnung des Feldheeres werden konnte, obwohl es doch an älteren Bezeichnungen dafür nicht fehlte: das durdi diese ,Auswahl' (legio, später dilutus) jäh rlich neu aufgestellte Heer war ein prinzipiell neues Heer, dessen Gesdiichte mit der Zeit beginnt, da Rom es sich leinen konnte, seine Feldzüge nicht mehr mit der Gesamtheit seiner Weh rpflichtigen oder wenigstens der jüngeren Jahrgänge oder (wir kommen darauf zurück) der besser bewaffneten wohlhabenden Bürger zu führen, sondern, in der Regel wenigstens, nur noch eine ,Auswahl' davon ins Feld zu schickenft. Im Notfall konnte man daneben immer noch auf das alte Aufgebot aller mit demselben Ausdruck verbunden in der Devotionsfonnel bei Macrob. Sat. ut 9, 10 f. Die legionea sind dabei vielfach die der Feinde, man wird also zur Erklärung dieses kollektiven Plur. nicht auf legio in seiner technischen Bedeutung {römisches Armeekorps) zurückgreifen dürfen, vielmehr daran erinnern müssen, d8ß der Sing. und der Plur. kollekliver Ausdrücke 8uch sonst, im Lat. wie in anderen Sprachen. nicht seilen gleichbedeu1end nebeneinander· stehen, man denke etwa. um im selben Sachbereich zu bleiben. an Paare wie IH,vcqi.1ci.>Kma. (cf.lOlKt) bei Eust. ad Dion. Per. H7) und M6 ptv ct auf diese beidtn im Raum der nordöstlichen Ägäis liegenden Städte a ngespielt sei (wenn man einen solchen Zusammenhang noch zum Kontext im weiteren Sinn rechnen w ill) . 2.2. Man h at darum von An fa ng an auch mit der sog. etymologischen oder sprachvergleichenden Methode operiert. Sie arbeitet nach folgendem P rinzip : Von der formalen .i\hnlichkeit eines Wortes oder Morphs A der unbekannten Sprache mit einem Wort oder Morph A' de r bekannten Sprache wird unter Annahme von Sprachverwandtschaft nach de r zum Wort oder Morph A' gehörigen Bedeutung oder Funktion B' de r bekannten Sprache auf die gesuchte Bedeutung oder Funktion B des Wortes oder Morphs A der unbekannten Sprache geschlossen, kürzer: von Gleichheit oder 1i.hnlichkeit auf de r Ausdrudcsebene auf Gleichheit oder ]{hnlichkeit auf der Inhaltsebene. Diest 1 Veröffentlicht von C-ousin und Durrbach. BGH 10 {1886) 1 ff. Literatur bei W. Brandenslein, RE VII A 0918) 1937 f ., M. Pallottino, Etruscologia S 096]) 99, M. Nicosia Margani, La siele pelasp di Lemno (Comi5o 1951) II : vgl. auch Anm. 5 u. 6. 1 A. Della Sela, Scritli in onore di B. Nogar• (19]7) l 19 ff., danach E. Yeller, Glotta ZB (l4i0) 228, Brand enstein, a. 0 . 1919. 1 Rigoros vertreten von A. Torp, Die vorgriecl:iische Inschrift von Lemnos (l 903) 8.

Helmut Rrx

214

Etruskisch und Lemnisch, die 08tienmgsfonnel

215

Proportion enthält neben der Unbekannten, der Bedeunmg B, auch eine Größe mit un bekanntem Vorzeichen, d ie Sprachverwandtschaft ; ob diese (auf erkennba re Weise) gegeben ist oder nich t - mit anderen Worten: ob sich die Arbeitshypothese bestärigt oder nidu - , leh n erst die Prüfung der Ergebnisse von mehreren gleich gelagerten Einzelversuchen. Zu unanfechtbaren Resultaten würde dieser Arbeitsvorgang nur dann führen, wenn das Verhältnis von Ausdruck und Inhalt konstant bl iebe; da sich aber Bedeutung und Funktionen verändern, kann die etymologische Methode nur Anhaltspunkte zum Textverständnis liefern, die in jedem Fall durch die kombinatorische geprüft werden müssen.

einer kolon-verbindenden Partikel (lemn. -m, -om : etr. -m, -um; lemn. -o• und etr. -usind d as gleiche P ho nem) und vor allem die Ahnlich.keit einer ga nzen Wortgruppe, d ie im E trusk ischen eine Altersa ngabe ist (avils : maxs : kalxls-< ,mit 65 (45 ?) Jah ren' 11.E 98; vgl. auch avils : cralxls ,mit 30 J ahren' IlE 1-41 ) und im Lernnischen auf beiden Stelen-Texten vorkommt (B 3 sivai : aviS : sial)('tli.f, A sialxvei.f : aviS : Sivai ; d ie Abweichung etr. -(i)l- : lemn . -(v)i- vo r s/s ist ,regelmäßig'), wo eine Alters• anga be d es Bestatteten du rcha us sinnvoll ist. Eine weitere wich tige, :aber bisher noch nicht beobachtete Übereinstimm ung zwischen den beiden Sp radien soll den Gegenst:and dieser U ntersuchung bilden.

2.21. Die immer wieder geübte Praxis, einzelne Elemente der lemnischen Texte mit Wörtern oder Morphen aus den verschiedensten Sprachen, vom Sansk ri t bis zum Lusitanischen\ zu vergleichen, kann man darum grundsätzlich nicht gut heißen, und die Ver• suche, mittels der etymologischen Methode das Lernnische von den benachbarten idg. Sprachen, vom Hethitischen 5 oder vom Griechischent, aus zu verstehen, führen nu r dann zu einem ,Erfolg', wenn man unter Verzicht auf die methodischen Einsichten d er letzten anderthalb Jahrhund erte die Konsonanten wenig und die Vokale gar nichts gelten läßt.

8. Die beiden ersten Wörter der Insclirift B, holaieSi ,:pokiasiale, wurden noch im Jahr der Publik:ation des T extes von S. Buggev ihrer Endung nach mit den etruskischen Wörtern larOiale hulxnit si verglichen; das ist eine Folge aus Vor- und Familiennamen, mit denen eine auf die Wand der Tomba dell'Orco in Tarquinii gem:alte Inschrift {TLE 84) beginnt. Die Gleichheit einer Folge von zweimal vier Schriftzeichen in Wörtern gleicher KonteKmellung wird man nicht leicht als Zufall bezeichnen können. So wurde dieser Vergleich seither in fast allen ernst zu nehmenden Bearbeitungen berichtet10 - allerdings ohne daß man bisher für das Lernnische Konsequenzen aus E. Vetters neuer und zweife llos zutreffender Beurteilung der etruskischen Parallele gezogen hätte ; Vetter hat nämlich unter allgemeiner Zustimmung gezeigt1 ', daß diese Wortformen Bestandteile einer Datierungsformel sind. Wegen seiner Bedeutung für das Lernnische sei hi er der etruskische Befund noch einmal ausführlich diskutiert.

2.22. Unter den Sprachen, für die historische Beziehungen zum Lernnischen nicht ausgeschlossen sind, gibt es nur eine, die in Übereinstimmung u nd Regelmäßigkeit der Abweidmngen dem Lernnischen offenbar so ähnlid:t ist, daß ein Sprachvergleich und die d:i.rauf basierende Methode sinnvoll sind. Diese Sprache ist das Etruskische. Es ist das Verdienn W. Brandensteins, dessen Andenken m it dieser Festschrift geehrt werden soll, gegen den kombinatorischen Rigo rismus Torps mit aller D eutlichkeit darauf hingewiesen zu haben'.

2.3. Als übereinstimmende oder äh nliche Erscheinungen, d ie den Ansa 1z einer lern• nisch-etr uskischen Sprachverwandtschaft rechtfertigen, zählt Brandenstein dabei a uf: die Ahn lichkeit des phonologischen Systems11, die Gleichheit von Suffixen an Wörtern in ähnlichem K ontext (lemn. vanal-asial, q,oki-asialr : etr. fal-asia l, mul-asial; auch die gleich :ausfü hrlich ?.u besprediende Gruppe), d ie form:a le und distributionelle I dentität ~ So etwa Nicos\a Margani. a. 0. 30, 35 f. !eklektische, unkritische Arbeit). Der Vergleich von lemn . .fe, ono/(6) mit lusitan. saronah o. ähnl. (von V. Schmoll, Die südlusitanisc.hen Inschriften, 1961. 42. Jare napa [nala] gelesen) ist in der Literatur weit verbreitet ebenso das Arbeiten mit Anklängen in verschiedenen altanatolischen Stm1.chen. t V. Ceorgiev, Späthethitisch - Altetruskisch, Ling. Balk. 7, 2 (1963) 5 - 10. als Parodie vortrefflich, abe r leider ernst gemeint. • H. Rosen, TCe Stele of Lemnos, its Text and Alphabetic System, Scripta Hierosolymitana

l=t.,l=E)=f

1 095-4) 1- 21, der durch willkürliche Lewng einiger Zeichen (

etc.) eine

Art Aolisch erhält.

RE Vll A s. v. Tyrrhener {19-48) 1927 f. Entscheidend dafü r lst, daß in Lemnos und in Etrurien aus dem Bestand des Musteralphabets eine nahe.tu identische Auswahl getroffen wurde. Man vergleiche die Zeichen für 1

1

Vokale, Liquiden, Nasale

Okklusive

ll

westgr. etr. lemn.

a

westgr.

(q)

-

K

elr.

lql

-

tkJ

lemn.



L

o

i i

o :=::: (u)



(f)

'/ c

=

x lTI xlfl x lTI

).l

',

1

v 1t

P

µ

v

r ~

q,

1'

.5

-D

8.1. Die Tomba degli Scudi in Tarqu inii war nach Ausweis einer gan,:en Reih e von Grabschriften (CIE 5379. 5383. 5386. 5389-91. 5393-95. 5401 - 03. 5405 f.) das Familiengrab der v rlxa. Nur in zwei Inschriften begegnet daneben auch de r Name eines Mannes aus einer :ande ren Familie (eingeheiratete Fra.uen mit abweichenden Familien• namen sind natürlich nicht a uffa llig), nämlich vel hulxnie (11..E 90. 91). Wäh rend in diesen I nschriften der Name des Familienangehörigen im Nomin:ativ erscheint (TLE 9 1 larfJ 'lltlxas ... c[la]n ; am zerstörten Anfang von TIE 90 si nd nur d ie drei Buchstaben cla erhalten, die gleichwohl nur eine Ergän zung zum Nomina tiv des Wortes clan ,Sohn' gestatten), steht der Name des Vel Hulchnie in einer Fonn, die durch d ie Genetivendung -(u)s und durch fakultatives -i des Dativs oder Lok:ativs charakterisiert ist. Daß dieser Hulchnie nicht im G rab de r Velcha bestattet war, stand stets außer Zweifel ; Vetter hat nun mit R.echt da rauf hingewiesen, daß audi eine Weihung oder Widmung1 2

Houoh, Spiranten,

}

{ wutgr.

H

etr.

h

IM)

f

I

= =

I: l s U.l

=

C)l



(1)

=

(J)

=X = (i)

Wl z:

-s-Gruppen lemn. h 81tl 1$1 - bedeutet graphische Variante.~ phonetische Variante. () selten (iemn.) oder nur archaisch (wei;tgr., etr.l, f) Originalform des transkribierten Zeichens. u Der Ur,sprung der Etrusker durch zwei lemnische Inschriften erläutert {1886). 1 • Etwa von Torp. a. 0 .. Brondenstein, RE a. 0. 1925 f., M. Pa.llollino, Elruscologia 6 (1963) 99, W. P. Schmid in, Stolz-Debnmner-Sclunid, Geschichte der lat. Sprache' 0966) 65: indirekt auch etwa von S. P. C.Ortsen. G\01111 18 (1930) 105 und J..atomus 2 0938) 5, P. Krelschmer, Glotta 29 {19-421 92, M. Nicosia M1rgani, a. 0. 32. 11 Glotta 28 (1910) 168 f., eine zurückgenommene Idee Torps (Etruscan Notes 1905. 281 aufgreifend , zustimmend elwa M. Pallotrino, Doxa 3 (19501 45 und SE 2◄ (1955/561 50u (mit Vo rbehallenl. f. Heurgon, Hisloria 6 (19571 85, K. Olzscha, ebd. 50 f . und Glolla 43 (1965) 338 f., R. Lambrechls. Essai sur les magislrxo jünger als Kujula Kadphises sei, führe H enning keine Gründe an, und schwerlich lassen sich solche finden. Ku jula Kadphises nannte sich auf seinen Münzen yabyu, aber daß Kani~ka dasselbe getan häue, bleibt unerweislich. Schon auf den Prägungen seiner ersten Phase ist er „König der Könige" und nichts anderes~. Daß er zuvor als Herrscher über den Teilbereich Todtäristin yabyu gewesen sei, ist nicht bekannt; von H enning wird es nur vermum, wei l er mittels dieser Annahme die Gleichsetzung zwischen Mat10 K«VTJ j:,Y.O und Candr12- K,mifktt vollziehen kann. Zweifellos ist die Bedeutung beider Namen die gleiche, und nach Tochäristän verweist im einen Falle die Schrift, im anderen die unmittelbare Bezeugung. Mehr läßt sich indessen kaum sagen, da das Chronologisdie beiderseiu ungeklärt ist. Auf der anderen Seite fällt die Bezeichnung Ca11dra-Kani1ka zweifellos in eine Zeit, da die Kii§än sich ihre indisdien Besitzungen erworben hatten, also nadi Vima Kadphises' erste Prägungsphase1°. Dann aber weist Mavo anstelle von Candra auf jene Jahre, da sich die Herrschaft noch nicht über Baktri en hinaus erstreckt hatte, also zumindest vor Vima Kadphises, vielleicht noch weiter zurück. Man hätte demnadi den semasiologisch gleichen, aber sprachlich verschiedenen ersten Bestandteil in beiden Namen auch geschichtlich von einander zu trennen, was dann zu einer Trennung der Personen fü hrt. Candra-Kani1ka konnte durchaus, wie schon H. W. Bailey vermutet hatte, Kani~ka I. sein, dessen Name in chinesisch-buddhistischen Texten in der Tat mit ~?:.n;;:rm~i;-s1!~:t : t tr~e= cr:irs~ral7idieM;:slf~:in~;i~ ~r:::,ted~ ~!dr:~ Kani1ka königlichen Geschlechtes ist, Mavo Kavrip,to jedoch nidi.t; denn der z weite Titel kann, nach H enning's ausdrücklicher Angabe11 , j:>av(o) nicht gelesen werden. Merkwü rdig ist, &.1.ß Henning die Legenden der Küsiin-Prägungen nicht heranzieht. Sie sdi.ließen aus, daß Mavo Kttv7Jp,to mit KaniSka 1. gleichzusetzen ist. Auf dessen Münzen der zweiten Gruppe, die seiner zweiten O ffizin entstammcnu, fi ndet sidi. .tllei n µ.ao und daneben µUQ(), µ.El(>O. Also weder 11auo noch µt.UQO. Und d ies bleibt unter Huviska, wo jedoch µaoo und µl(IO µLQQ0 18, µt.OQOH hinzut reten. Aber auch da feh len die beiden anderen Formen. Damit wird die Gleidisetzung von Muvo KaV1)pxo mit KaniSka 1. hinfällig. Daß der Titel ta(y)oo der Sache nach gleichfalls dagegen spricht, wurde gesagt, und die von ~aoou Kujula Kadphises' abweichende sprachliche Form tut es erst recht. Wenn die Schreibung von Kaniska und seinen Nachfolgern wegführt und wenn der Titel eines yabyu bei Kujula Kadphises zum letzten Mal erscheint, wird man mit dem Siegelabdruck in die Zeit vor KaniSka, aber auch in die vor Kujula Kad phises geführt . Der zeitliche Ansatz führt damit erneut in umgekehrte Richtung als die, der Henning den Vorzug gab. Mavo KaV1Jl::ixo war kein Küsän, sondern einer der fünf hi-hou, deren Herrschaft K ujula Kadphises ein Ende bereitete. Zum ersten Mal hätte sich damit dieser Abschnitt der ostiranischen Geschidi.te inschriftlich abgezcidm ec. Der parthische Titel J::,av(Q){aßo "Satrap", wenn richtig ergänzt, widerspricht dieser Einordnung gewiß nicht. v R. Göb] bei Alth.eim-Stieh1. Finanzgeschichte der Spätantike 09571 188. 10 R.Göbl. a.O. 176ff. 11

A. 0 . 81

Anm . 3◄.

u R. G®'. a. 0 . 187. a 14

R. Cöbl, a. O . 193. R. Cöbl. a. 0 . 202.

235

Ein yabYu von Tochiirfattln

MOH AMMED A. DANDAMAJEW Leningrad

Bagasarii ganzabara In fünf babylonischen Wirtsehaftsurkunden aus Darius' I. Zeiten w ird ein Iranier Bagasarti erwähnt, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach ein Medicr oder ein Perser war. In dem allerfrühesten von diesen Texten>, datiert mit dem -4. J ahr der Herrschaft Darius' I. (5 18 v. u. Z.), wird Bagasarii (amil)rab-kii.1ir (über die Bedeutu ng des Wortes s. u.) genannt, in den Urkunden Dar. 296 (J. 511) und 527 (J . 501) aber (amil)ganzabara (,. Vorsteher der Sdiatzkammer"); in Dar. 534 und 5-42 (J. 500) sd1ließlich, welche Duplikate sind 3, wird er ohne irgendeinen Titel erwähnt•. Es taucht die Frage auf, ob die Rede in diesen Texten von einem und demselben Mann ist oder von zwei und sogar drei verschiedenen Personen. Falls man in Betracht zieht, daß der Name Bagasarii selten vorkommt\ so könnte man mutmaßen, daß in diesen Texten die Rede von einem und demselben Mann ist, welcher zuerst das Amt eines rab-kaiir bekleidete und später ganzabara wurde. Aber wenden wir uns an die Urkunden.

Dar. 101. J) 70 pi-ti tJ lümi ~b-lu tqli 2) zittu sal-tU la (m)ba-ag-sa-ru-U J) (amel)rab ka-sir (md)bil-itfr(i r) (amil)qal-la 4) lJ (m}ba-ag-sa-ru-U ina na-Jl-par-ti S) [ja (mjpi-i!-!/i-$-ja (~mil)qal-la tJ (m)ba-ag-sa -ru-U 6) /ina q(Jti(1) ... ma-bi-ir (amel}mu-ltin-nu/... 12) u (amil)(upsarru 13 ) ... bit rab ka-fir 14) (arab)nisänu ümu S(klfm) lattu 4(kam) JJ ) (m)da-ri-'-muJ lar babiü(ki) 16) u miitäti .,70 Bündel Knoblauch - Pachtauflage des Feldes, ein Drittel (der Gesamternte) ßagasarii's Antei l, des rab-käsir, Bel-etir Bagasarii's Sklave im Auftrag des (Pils]ija, Bagasarii's Sklave, aus der Hand [ ... ] hat in Empfang genommen. [Die Zeugen] (es Jolgtn die Namen der Zeugen und des Schreibers).

~ Eilers ge-zeigt hat (2DMG 90, 1936, S. 169, Anm. 2, AfO XVII. 195◄ -1956, S. 332), ist der Name Baga8arü awi dem altiranischen baga- .Gau· und aravah- _Anteil", x).ioi; gebildet. 2 f. N. Stressmaier, lnsohrlften von Darius, König von Babylon (weiter, Dar.). Leipzig 1892, Nr. IOS. Alle Abkürzungen der Veröffentlichungen von babylonischen Texten werden im folgenden nach W. von Soden. Akkedisches Handwörterbuch (weiter: AHW). Wiesbaden 1959, gegeben. s Der Schluß Der. 534 ist entweder nich.t erhalten. oder diese Urkunde ist vielleicht elfte unvollendete Abschrift von ,Dar. 542. 4 Vgl. K. L. Tallqvist, Neubabylonisches Namenbuch, Helsingforsiee 1906, S. 18. Zu den in diesem Werke erwähnten Urku nden soll man noch Der. 5◄ 2 hinzufügen. In Dar. 53◄ aber beziehen aidi die Worte mdr Sipri !.Bote') nicht auf BageMrii selbst, sondern auf einen Skla· ven, weloher eln Bote von Bagasarii·s Hausmeier wer. s Der Name kommt schon in einem fast völlig verstümmelten Texte. VS, V1, Nr. 302, 6. vor, (md)ba-ga-·-w•ru (Vgl. W. Eilers. ZDMG 90, S. 169. Anm. 2) -und in den ara· maischen Urkunden dN S. Jahrhunderts v. u. Z. aus Agypten (Bg,rw). s. G. R. Driver. Aramaic Documents of lhe Fifth Century B. C., Oxford 1965. pp. 62. 103. s. v. • Rekonslruiert nach Dar. 542, 7 (vgl. auch Dar. 53'4. 71.

2)6

M. A.

0 ANDAMAJ I1"

Bit rab-kisirT, Den 5. Nisanu, 4. Jahr des Darius, Königs von Babylon und der Länder•. Laut Dar. 296' (Babylon) borgten zwei Personen - mit der Verpflichtung, nach einem Monat zurückzuzahlen - 170 Kur Gerste und je 4 Kur Wei2.en und 4 Kur Gewürze (?t (insgesamt 26700 L) - die Ernte des Feldes von BagasarU10 für das

10. Jahru des Darius I. Dabei bürgte für einen der Schuldner Marduk-ni~ir-apli aus d em H andelshause Egibi, welcher, nadi. dem Zeugnis der nädmfolgenden Urkunde, der

Pächter des Feldes Bagasarü's war. Dar. 527. I) 60 kUr suluppi imit ebür eqli .f.i 2) a-na (amel)rab ka-,ir §4 (md)marduk-nii,irapli U 3) a!J!Ji(mdj.!U märe(md) §J (m)itti-(d)marduk-baläfu apil (m)e-gi- bi 4) ina llb-bi Sal-sU zittu (m)ba-ag-gau•su-ru-U 5) (amel)gan-za-ba-ru ina mub-bi (md)nabü-ab-it-tan-nu 6) apli-M sa (m)a!J!;e(meS)-iddin ina (arab)arabsamni suluppa-' 7) 60 kUr ina (i;)ma-Si-bu s4 (md)marduk-nä#r-apli 8) ina mu!J-bi 1-et ritti ina ba-,a-ru i-nam-din 9) it-ti 1 kUr bil-tU gi-pu-U tu-!Jal-lu 10) man-ga-ga llb-lib-bi 2-ia da-ri-ku 11) i-nam-din 12) sis-sin-nu ul e-fir u (m)U-md /., .J 13) sa mu-Si-in-ni-e-ti ul ni-ib-bi-tU 14) (amel)mu-kin-nu. 18) (amil)/upsarru .. . 19) bit fa-bi-(d)bil (ara!;) taAritu ümu 17(ktlm) 20) Sattu 21 (k&m) (m)da -ri-ja-a-muS sar bäbili(ki) 21) §ar miitäti

sa

sa

„60 Kur Datteln - Pachtauflage von der Ernte des Feldes fü r rab-kä,ir, weldi.e Marduk-nä~ir-apli und seinen Brüdern gehört, den Söhnen ltti-marduk-balätu, Egibi's Nachkomme, davon ein Drittelanteil des ganzabara :Bagasarii, zu Lasten des Nabu-abittannu, des Sohnes von Abbe-iddin. Er soll im Monat Arabsamnu auf dem Stapelpla tz im Maße des Marduk-nä~ir-apli auf einmal 60 Kur Datteln abgeben. Er soll (Datteln) zusammen mit 1 Kur Zweige, Dattclkorb, Deckblättern, Sprößlingen (und) 2 Griebsen abgeben. Die Steuer sissinnu ist nicht entrichtet und [ ... ] der Unterschied ist nicht ber echnet. Zeugen (es folgen die Namen der Zeugen und des Sd,reibers). Orudiaft Bit•!eibi-hcl", den 18. Tasl'it, 21. Jahr des Darius, Königs von Babylon, Königs der Länder". · Dieser Urkunde nach war Bagasarü's Feld dem Handelshause Egibi verpachtet, weldies seinerseits dieses zusammen mit seinem Feld dem Nabü-abbe-inannu verpachtete. Der letztgenannte sollte als Pachtauflage 60 Kur Datteln zahlen, davon beabsidi.tigte man ein Drittel Bagasarü abzugeben, Aus Dar. 542 (vgl. auch Dar. 534) sieht man, daß acht Monate nach dem Abfassen der obigen Urkunde Bagasarii a conto seines Pachtauflageanteils 15 Kur (2250 L) erhielt. ' Eine Ür1!chaft bei Babylon. Wird erw&hnt schon in Br. M. 81-6-ZS, 45 (Th. C. Pinches, •The Babylonian and Oriental Record·, II, London 1887/ 1888, p. 4). • S. Obel'$elzung - J. Kahler und F. E. Peiser, Aus dem babylonisohen Rechtsleben, IV, Leipzig 1898. S.56. 'b(p)it(l)-/i-B, io ebür eqli Jd (m)ba-&a-'-&a-ru-U (amil) ta,i-za-!ba-ra]. n Im Text Sal/u llkdm) . das eme Jahr" (so )St es übersetz! in dem In Anm. 8 zitierten Werke), aber die Urkunde wurde im Nisanu des 11. Jahres des Darius abgefaß1, deswegen muß man diese Stelle -zu Jallll IO(komJ .das zehnte Jahr" korrigieren, da in einem Vertrag nichl die Rede von einer Pachlauflage von zehnjähriger Verjährungsfrist sein kann. u Eine von den Vorstädten Babyions, s. E. Unger, Babylon, die heilige Stadl ... , BerlinLeipzig 1931. S. 87.

Bagasarü ganzabara

2)7

Da,. 542. 1) s11luppu imit eqli &4 Jaui 21(ktlm) 1) (m}da-ri-'-muj Jarri zitta !4 (m)ba-ga-sa• 1u-ll 3) U it-li (md)marduk-nä#r-apli u ab/Je(md)-JU 4) mQre(meS) .JO (m)itü(d)marduk-balätu mär (m)e-gi-bi J) (md)nabü-gab-bi-i-li-e (amil)qal-la 6) SO (m)ba ga-sa-ru-11 mär Sip-ri 7) la (m) pi-iS-si-ja (amil)rab biti la (m)ba-ga•Ja-ru-U 8) [inA/ qäli(2) (mX!~ -bat-(d)bil-lJ!-ba t (amil)qal-la §a (md)marduk-n[#ir-apli rna-bi-ir 9) J-en-ta-a 4 ilqü(U) 10) Jj kUr suluppi ina q6 f42) (m)se-bat-(d)bll-~-bal 11) (amil)qal-la (md)marduk-nä#r-ap/; 12) (md)nabü-gab-bi-i-li-e 13) ma-!Ji-ir (amil)mu-kin-nu .. , 18) u (amll)tupsarru ,. 19) (arab)simänu ümu 20(ktlm) lattu ll(ktlm) 20) (m)da-ri-ja-muJ Jar babili(ki) u mätäti

sa

„Datteln, Pachtauflage für das 21. Jahr des Königs Darius, Anteil Bagasarü's (von dem gemeinsamen Anteil) mit Marduk-nä~ir-apli und seinen Brüdern, Söhnen des lttiMarduk-balä!u, Egibi's Nach.komme, Nahü-gabbile Bagasarü's Sklave, Pi~ijas Bote, des Hausmeiers Bagasarü's erhalten [aus] den Händen des Sebat-hel-a~bat, Marduk-nii~irapli's Sklave. Sie haben je ein (Schriftstück) an sich genommen. 15 Kur Datteln aus den Händen Sebat•hel-a~bat, des Sklaven Marduk-nä~ir-apli's erhielt Nabu-gabbile. Den 20. Simanu, 22. Jahr des Darius, Königs von Babylon und der Länder." Die untersuchten Urkunden lassen keinen Zweifel, daß darin die Rede von einer und derselben Person ist und zwar von Bagasarü, welcher wenigstens 18 Jahre, von 518 bis 500 v, u. Z., in Babylon das Amt eines rab-kiiiir oder ganzabara bekleidete. Er besaß Grund und Boden in der Umgebung Babyions, verpachtete ihn an verschiedene Personen, insbesondere an das Handelshaus Egibi, und bekam von seinen Pächtern Knoblauch, Datteln, Weizen usw. Nach der Eroberung Babyloniens durch die Perser im Jahre 539 v. u. Z. war bekanntlich der I ranier Mithridat Vorsteher der königlichen Schatzkammer (gzbr), der auf Cyrus' II. Befehl dem Scheschbazz.ar die von Nebukadnezar im Tempel von Jerusalem geraubten Gefäße ausliefer t~. Der N ach• folger Mithridat's war wahrsdi.einlich. Bagasarii. Es wurde oben schon g$gt, daß in der ersten der betrachteten Urkunden Baguarii rab-kii#r genan nt war und in den zwei späteren ganzabara. Beide Fachausdrücke sind in Dar. 527, 2-5 a ls Synonyme angewandt, da in der Urkunde steht, daß die Pacht• auflage für den rab-kfi!ir bestimmt sei, und zwar für den ganzabara Bagasarü. Also werden das babylonische rab~kii#r und das altiranische ganzabara in einer und derselben Bedeutung verwendet''. Dieser Umstand gibt uns die Möglichkeit, die Bedeutung von rab-kä1ir fenz ustellen und viel deutlicher die Funktionen des ganzabara zu begreifen. Wie bekannt, ist das Wort rab ein Substantiv und hat den Sinn „Vorsteher", und kii1ir ist Partizip vom Verb kaµiru „verbinden", ,,versammeln "; das u Ezra, 1, 7-11. H Als ein anderes Beispiel des synonymischen Gebrauches der altirantSchen und akkadischen Wörter kann ma.n bit aspiitu (VS, V, 53) nennen. Dieser Ausdruck ist ein iranisches Teiliiquivalent des akkadischen bit sisi .Pferdeland"; der Besitzer dieses Anteils sollte seiner Wehrpflicht als Reiter genügen, s. G. Cardascia, Les archives des MurdU, Paris 1951. p. 8, note 7; M. A. Dandamajew, . Feslschrift W.Ei\ers", Wiesbaden 1967, SS. 38-39. Vgl. auch den Gebrauch. in den synchronisch.en Urkunden der gleichbedeutenden altiranisa\en und akkadischen Termini tami/)ab-M•ad-ra-pa-nu (UM ll/1, Nr. 2!, 7, II) . Satrap· und (ame[) . ptU)iitu !d lmiilJakkadHki)-i tibid., 72, Lo. E.) . Statthalter Akkads· (in beiden Urkunden handelt es sich um Cobryas - den Stauhaher Babyloniens gegen Ende der zwanziger Jahre des S. Jahrhunderts v. u. Z.J. Vgl. auch die Ausdrücke a-ki-i di-i-ni-o-la sd sam· (VS, VI. 99, IOJ und a-ki-i da-a-la sd sarri (Dar. 53, 15) - .laut dem Geset7. des Königs". wo das Alliranische däla ein Aquivalenl des akkadischen dinu ist.

238

M. A.

DANDAMAJEW

heißt „Vomeher des Versammelten•. Gewöhnlich betrachtet man rab-käfir als eine Variante eines anderen Ausdruckes, rab-ki~ir1 5 • E. Unger deutete beide Wöner als „Gcneralissimus•tt, J. Augapfel übersetzte sie aber .Oberwalker", mit Rücksicht auf das aramäische qäfrä - • Wa)ker• (?)1'. Nach E. Ebelings Meinung erfüllte deT kä(i)!ir, wenigstens in Assyrien, Militärfunktionen, außerdem hatte dieses Wen audi die Bedeutung „Wa lker•, da nach einem neubabylonischen Briefe kä,ir mit Wolle z.u tun hute"'. W. von Soden schließlich (AHW, S. 458) übersetzt ka;ir als „Gewandsdmeider"(?), und rab-kä/ir als „Vorsteher der Gewandschneider•. Da in der Deutung dieses Wortes keine einstimmige Meinung besteht, ist es zweckmäßig, einen Versudi zu machen, die Funktionen des rab-kQ!ir ausgehend von dem Kontext der neubabylonischen Urkunden festzustellen. Die Hinweise auf Texte, in denen dieses Wort vorkommt, sind bei E. Ebeling, Glossar zu den neubabylonischen Briefen (München 1953), S. 116, und W. von Soden, AHW S. 458, gegeben, aber zu den in diesen Arbeiten vermerkten Urkunden kann man noch Br. M., 81-6-25, 45 (s.o. Anm. 7); Dar. 105, 3, 13; 527, 2; CT, XXII, 208, 12, 15, 30; BIN, I, 86, 8; GCCI, 1, 206, 51 Q hinzufügen. Fast alle Texte, die wir hier heranziehen, stammen aus dem 6. Jh. v. u. Z., das heißt aus der Zeit der neubabylonischen Könige und der Achämeniden. Der Rab-kä~ir verabfolgt gewissen Personen 13 Minen 521/i Sekel Silber (YBT, III, 112), nimmt 8 Minen 1/ 3 Sekel Silber (Nbn., 119) in Empfang, verfügt über Palastgelder (TCL, IX, 103) und verbietet gemeinsam mit dem Stauhalter (bil pibäti), irgendwelchen Personen Gelder zu erlassen {BIN, I, 86). Er verfügt ferner über die Ausfolgung von Wolle (CT, XXII, 208)111 und Lebensmitteln (CT, XXII, 63). D er Rab-kä;ir wird neben dem Prinzen erwähnt (CT, XXII, 63), neben dem Statthalter und den königlichen Beamten (re!e Aa Aarri, BIN, I, 86), dem Priester von Sippar (CT, XXII, 208) und „dem Vorsteher der Bäcker• (rab mi-ub-tim-mu )71 • Der Rab-kä~ir hatte einen Etat Dienstleute zu seiner Verfügung, unter welchen Boten waren: (ami.l)mär jip-ri(md) !4 (ami)rab ka-~ir (Nbk. 350, 21 ; Nbn. 80, 2); Vertrauensleute: (amel)pa-qa-du Sll ... (amil)rab ka-,ir (UM, 11/1, 68 und Rd.) usw. Offenbar war er der Vorsteher des bit kä!iränu, wo auch andere Beamte tätig waren; (amel)ril larYi !4 bit ka-;i-ra-nu (VS, V, 33, 10) ; darun1er auch Schreiber: (amil)fupsarru 1ll bir ka-,i-ra-nu (Camb. 384, 15-16). Als gewöhnliche Dienstleute waren käfiri hier tätig. Z.B. brachten ein (amil)käfir und sein Sohn einen Korb mit Süßigkeiten aus Uruk. nach Babylon: (qan)sil-li tab-ba-na-a-ta (GCCI, I, 206, 6). Aus den untersuchten Dokumenten kann man die Konsequenz ziehen, daß in der tG Aber bei W. von Soden, AHW, S. -t58, 488 (noch Nbp. 19, 6 hinzufügen) werden diese Fachausdrücke als bedeutungsversohieden betrachtet. 18 E. Unger. Babylon. S. 289. 11 J. Augapfel. BahyJonische Rechtsurkunden, Wien 1917, S. 114. 18 E. Ebeling, Beamter, .Reallericon der Assyriologie· I, 1928, S. -452, § 3. 19 In der leliten Urkunde (amBlJka-#r; vgl. auch Nbk. 175, II. :a Vg. auch Nbp. 19. 5 - 7, nach welchem 881-zir-ibni (amil)rab ki-#r von einem Hir1en .6 Minen (Wolle von) drei (Stück) Kleinvieh. erhielt. Die Vennutung E. Ungers (B,,a,bylon. S. 289, Anm . 3). daß dieser Bel-zer-ibni ein Generalissimus war, .der das babylonische Heer im Kriege gegen Assyrien befehligte, findet in den Urkunden keine Bestätigung. Außerdem i1t es kaum denkbar. daß der obere Heeresführer des Staates von einem Hlnen 3 kg Wolle in Empfang nehmen würde. Andere neubabylonische Texte enthalten keine Angaben bezüglich der Funktion des rab-ki#r. Naoh UET. IV, 198 bürgte eine Pel'50n für einen Sdluldner in der Anwesenheit des rab-ki,ir; der Letztgenannle war auch mit anderen Be-amten beim Verpachlen des Tempelgrundbe.sitzes ~mwesend (YBT. VI. III . • I!. Unger, Bebylon, S. 285.

Bayzsarü ganzabara

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neubabylonisdien Zeic und zur Zeit der Achämeniden der rab-kätir keine Militärfunluionen erfüllte, sondern ein hoher Staatsbeamter war, der über Empfang, Aufbewahrung und Auszahlung des Geldes, der Wolle und der Lebensmittel verfügte:,. Folglich erfüllte der ,ab-k01i1 eben dieselben Funktionen wie auch der ganzaban,-u. Das Wort ganza- wurde wahrscheinlich aus dem Medischen in die Sprache der Achämeniden-Kanzlei en t!ehn~ ; später kam es in fast alle semitische Sprachen und auch ins Griedi.i~e, ~ykis'!1;• Sanskrit und viele andere Sprachen mit der ßedeurung „Schatzkammer , ,.Fiskus . Aber ursprünglich hatte das Wort den Sinn „üppig"• und bezeichnete nicht aus• schließlich den Reichtum an Edelmetallen. F. Altheim und R. Stiehl haben auf Grund der Urkunden der Schatzkammer zu Persepolis, der Bibel und der aramäischen Papyri einleuchtend gezeigt, daß die königliche Schatzkammer zur Zeit der Ac:hämeniden nidit nur über Gold und Silber, sondern auch über Weizen, Wein, öl, Schafe, Kleidung u. a. m. verfügte71 • Eine solche Beschaffenheit der königlichen Schatzkammer erhielt sieb auch in den iranischen Scaaten der postachämenidischen Zeit; nach den Urkunden aus Nisa z.B. (1. Jh. v. u. Z.) wurden im Partherreiche auch die Weinsteuern in die königliche Schatzkammer abgeliefert: gnz' mlk'2'.

:a Das Wort kä,iru kommt in den Urkunden der vomeubahylonischen Zeit vor, aber es ist möglich, daß es ursprünglich . Gewandsclmeider· bedeutete, und daß erst später seine Bedeutung, wie die Bedeutung anderer Wörter. sich veränderte. z, Vgl. auch 'pgnzbr (.der Gehilfe des Vontehers der Schatzkammer·) auf den aramäischen Jnscluiften des 5. ,Jh. v.u.Z. aw Persepolis, welches, wie W. Eilen iteigte (s. :E. Schmidt. Persepolis, II, Chicago 1957, p. 55, note 69), Transkription des altpersischen Wor1es upago(n) zabara ist. :i>i W. B. Henning, Coriander, .Asia Major", New Series, X, part 2, 1963, p. 197 (mit Hinweis auf HUbschmann, Pers. Stud.. 232). "° H. H. Schaecier, Iranische Beiträge, I. Halle 1930, S. 245; W. ifälers, Iranische Beamtennamen, I, Leipzig 19-40, S. 43, 123 - 12-t: G. G. Cameron, Persepolis Treasury Tablets. Chicago 19-48, p. 42 ; L. Koehler - W. Baumgartner. Lexicon in veteris Testamenti libros. Leiden 1958. p. 120. 1062, W. Brandenstein und M. Mayrhofer, Handbuch des Altpersischen, Wiesbaden 19&4, S. 120 , J. Genhevilch, Transactions of the Philological Society, 1964, p. 10 - 11. ~ W. Brandenstein, WZKM ◄ 9 (1942) , S. 313; W. Henning, .Asia Major· X. p. 198. :n P. Altheim und R. Stiehl, Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden. Frankfon am Main (1961 /. S. 162ft. u I. M. O'jakonov, V. A. Liv!ic .Peredneaziatskij sbomik" . 11, M0&kva. 1966, S. 1-47, Nr. 100 + Nr. 91. Vgl. auch 1. M. O'jakonov u. V. A. Liv~ic, Dokumenly i:r. Nisy v I v. do n. e .. Moskva, 1960. S. 100, Nr. 925, wonach der gnWr Wein verabfolgl.

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WILHELM E!LERS Würzburg

Der sogenannte Subjunktiv des Akkadischen Seit der Wiederentdedtung der babylonisdi-assyrischen Sprache und ihrer grammatischen Fixierung im vorigen Jahrhundert glaubt man an die Existenz eines besonderen „Subjunktivs" in ihr, und auch nach der Revision der thcoretisdien Einsichten anläßlich des epochalen Fundes der Chammurapi-Gesetzgebung hält man an der Existenz dieses Modus unbedenklich fest. Das Akkadische, so sagt man, unterscheide im Präsens und Präteritum, im Punktualis (-t-Form) und Perrnansiv zwei getrennte Modi, einen Indikativ ohne besondere Modusendung und eine eigene Subjunktivform auf -u, die an den konsonantischen Vcrbalausgang antritt, also §a iprusu für die 3., §a ta.prusu für die 2. Singularis, sa aprusu und sa niprusu für die 1. Person Singularis und Pluralis. Der Sub junktiv stehe im Relativsatz sowie in anderen abhängigen Nebensät:zen. Vom semitistischen Standpunkt aus ist dies eine ungeheuerliche Annahme. Kein Zweifel: die -u-Form steht wirklich in Relativsitzen, freilich, wie wir gleich sehen werden, mi1 einer wichtigen Einschränkung nur in di~n. Das Westsemitische hat seine vokalisdien Endungen so früh verloren, daß es nicht mehr zum Vergleich herangezogen werden kann, wohl aber belehrt uns das in so vieler Hinsidi.t altertümlich gebliebene Arabische, daß die -u-Endung im Imperfekt gerade dem Indikativ vorbehalten ist, während der Konjunktiv oder Subjunktiv durch das charakteristische -a gekennzeichnet ist, weldi.es - wie schon die arabischen Grammatiker selbst hervorgehoben haben - sich zu -u ähnlich verhält wie der Casus rectus (Nominativ) der Diptota zu deren Casus obliquus (Genetiv/Akkusativ). Natürlicher Ausgangspunkt aller Erwägungen über die beiden Modi ist also die morphologische Gleichheit der Formen auf -u im Akkadischen wie im Arabischen. Den alten echten Subjunktiv, den Casus finalis auf -a, hat das Akkadische, ohne Spuren anzuzeigen, verloren•, ebenso wie der Apokopat infolge allgemeinen Endungsausfalls nicht mehr von dem gleich.falls endungslos gewordenen Indikativ zu unterscheiden ist. Aber eben dieser Indikativ ist nicht spurlos verschwunden, vielmehr lebt er - so unsere These - im sogenannten Suhjunctivus auf - u weiter. Jedenfalls wäre es doch ganz unmöglich. anzunehmen, das Akkadisch.e habe nach entsprechendem Endungsverlust von sich aus spontan wieder einen eigenen „Subjunktiv" entwickelt und nodi. dazu auf -u, nadi.dem, wie das Arabische zeigt, -u schon für den Indikativ und -a für den Subjunktiv vergehen waren. Auch sonst gleicht ja in formaler Hinsicht das Verhalten des akkadisdi.en „Subjunktives" völlig dem des arabischen Indikativs; denn naturgemäß tritt -u nie bei den vollen oder schweren Endungen auf: wie akk. taprusi, iprusU, iprusii, taprusii, so im Arabischen entsprechend taqtulina, yaqtulani, taqtuläni, yaqtulüna, yaqtulna, taqtulüna, taqtulna ohne jeden weiteren Zusatz. i Das ge\egen11 ich damit verwechselte spiile -a des Ventiv, geht infolge allgemeinen Mi mationsschwundes auf -am zurück (vgl, unten p. 216 Anm. 12). Formen wie illakanna .er wird kommen·, iddinwma .er gab" und i.fkr.manna .er legte· (im Relativ• bzw. Temporalsatzr W. v. Soden, Grundriß der akkadischen Grammatik, 1952, p. 108 § 83 c) lassen an ein Weiterleben des semitischen Energicus auf -anna denken, wie wir ihn aus dem West- und Südsemitischen als ve.rstärkte Aussageform kennen.

l6Brandtn1teh1

242

Wilhelm Eu.us

Sehen wir doch näher :tu: Niemals steht der -u-Modus des Akkadischen in abhängigen Sätzen mit fina lem (buleumatischem) Sinn, audi nidit etwa im Irrealis, wie man es doch wohl bei einem wirklichen Subjunctivus oder Conjunctivus erwarten sollte. Sein Feld ist vielmehr der R e J a t i v s a t z, und das ist - normalerweise - ein Aussagesatz. ,.Das Geld, das er gezahlt hat• kaspum l;a il;qulu oder kasap iJqulu, wie man unter Verwendung des Status construcrus verkürzt sagen kann, enthält kein Element, das in irgendeiner Sprache einen anderen Modus außer dem Indikativ rechtfertigen könnte. Nehmen wir nur Beispiele aus der „klassischen" Sprache, dem Altbabylonischen: E-sag-ll l;a arammu „Esagil, das ich liebe" din m6tim sa adinu „das Redi.t des Landes, das ich gegeben habe'" ~ iSriqu iri'ab .was er gestohlen hat, wird er ersetzen• Sa Surqam ina qtitiSu imburu „wer das Diebesgut aus seiner Hand angenommen hat" ina tuppim Sa is!urUSim „auf der Tafel, die er ihr geschrieben hat" Sa abüSa Serektam isrukuSim „der ihr Vater eine Mitgift gegeben hat•. Ohne Sa, also mit Stat. constr.: bit imqutu „das Haus, das eingestürzt ist" bit ipuSu . das Haus, das er gebaut hat" ma!;irat ilaku „der Marktpreis, welcher geht" + ,,der gängige Marktpreis". Der Relativsatz wird hier in den zuletzt aufgeführten Fällen gleich einem Nomen rectum behandelt, das wie im Genetivverhältnis von einem Nomen regens abhängig ist, das dann also im Status constructus steht. Auch der sumerische Relativsan: auf • a ( 1U - a, n i g - a, auch im Temporalsatz mit u d - a usf.) kann ja als Genetivsatz auf - a ( k) aufgefaßt werden. Solhe das richtig sein~, so wäre die Frage, ob das Akkadische hier - was naheliegt - dem sumerischen Substrateinfluß unterliegt, oder seinen Relativsatz selbständig aus dem nominalen Status-constructus-Verhältnis ent· wickelt hat, schwer z.u entscheiden. Ma n sagt mit Recht: Aber der u-Modus steht ja auch in anderen Nebensä.tz.en, nach Konjunktionen. Sehen wir doch genau hin: Es sind alles Aussagesätze, es sind offene oder verkappte Relativsätze. Exemplifizieren wir: 1. Lok a I sät z e mit a!ar „wo• (von a§rum „Ort") verraten schon durch den

Stat. constr., daß sie Relativsätze sind, eingeleitet durch .der Ort, an dem, '": a§ar irubu „wo er eingetreten ist" aSar illuku „wohin er gegangen ist" a!ar iddinu „wo er es hingegeben hat" a!ar Sübulu • wo es hinzusdiicken ist". Hebr. ii§er ist zur allgemeinen Relativpartikel geworden. Im Sumerischen entspricht ki-a. 2. Tempora 1 sä t z e mit iUu „seit(dem) daß, seit; nachdem (daß)" vgl. i!itu ümim !a . .. : · iStu sinni§wm §i am: bit awilim irubu „nachdem diese Frau ins Haus des Bürgers eingezogen ist" adi „bis (daß); solange": adi kir'2m /abtu .,,solange er den Garten in Besitz hält" adi napi§tdu ibellU „bis sein Leben erlisd:it" 2 Arno Poebel hingegen dachle an .die Verw-an': er hat gesungen· + .daß er gesungen hat"). Ahnliche ZuHmmenrückung zweier Sätze führt sprachlich allenthalben zum sogenannten verkappten l!edingungssatz, .Lärmst du? Ich schlage dich.'+ .Lärmst du, (so) schlage ich dich.Von der richtigen Auffauung der .fomma-Sätze hängt wesentlich die fonnale Erklärung sowohl von Jumm(I ab (W1:. lw/ym .setzen · +ma1 Pronomen sü + ma? beachte auch Orienlafa NS 16. 1947. p. 176 fJ.). wie wohl auch von daher eines Tages das sumerisclte A.quivalenl tu k u n • (d i - ) b i mi1 dem &eltsamen Ideogramm SU.GAR.TIJR.LALBI seine wirkliche Erklärung finden könn1e.

Wilhelm En.Eu

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Sän.e von ednem F i n a l c h a r a k t e r hingegen uigen niemals ein -u. Sie werden etwa in der folgenden Weise umschrieben:

eqlam idimma anäku IU-puJ „gib mir das Feld, damit idi. (es) bearlmte!• 2 Jeqel kaspim amramma risi likil „sieh dich nadi 2 Sekel Silber um, damit sie mein Haupt halten (mich nähren)!a eqlam dar .Wni lä tanadanima lii anaziq „du wirst (sollst) das Feld nicht anderswohin geben, damit ich nidlt zu Schaden/Kummer komme."' In den gängigen Darstellungen fehlt die Behandlung der finalen Kategorie. Der sogenannte Subjunctivus auf -u ist also gar kein Subjunctivus, sondern ein Indicativus, und zwar der alte semitische Indicativus auf -u, wie er im Schriftarabischen bis heute fortlebt: abrui.u „ich gehe hinaus, ich werde hinaus gehen"; aqül11 an yadbulu ~ich sage, daß er eintritt/eintreten wird• (gegen an yad!Jula „daß er eintreten soll"). Wie aber, so müssen wir fragen, untersdieidet sich dieser Indicativus von der gewöhnlichen Aussageform des Akkadischen der Hauptsätze, die kein -11 mehr kennt? kh glaube, die Antwort liegt auf der Hand. Abfall und Erhaltung des -11 sind p hone t i s c h e Phänomene, die mit der allgemeinen Intonation des Satzes zusammenhängen. In der klaren, bündigen Aussage bedurfte es für den Akkader keiner durakterisierenden Endung mehr; sie war an sich klar. Die bekannte auf der Stärke des exspiratorischen Akzents beruhende Neigung des Akkadischen, mehrere Silben hintereinander zu kürzen 5, mag zu sdmellerem Endungsverlust das Ihre beigetragen haben. Ist ihr doch auch das finale -a des echten Konjunktivs der Urzeit zum Opfer gefallen. Anders beim Relativsatz. Hier madit der Spredier - wir mögen uns nur selbn bei der lebendigen Rede oder bei feier lichem Vortrag beobachten - nach Ausspredten des rela1ivischen Attributs, also nach Beendigung des Relativsatzes, von selbst eine kleine Pause, ja er dehnt sogar verlangsamend die Wörter, um schließlidi mit der anfänglidten Intonation den H auptsatz :z.u Ende zu führen. In dieser Pause stand nun von je das aussagende -u des I ndikativs. Hier brauchte, hier sollte diese Endsilbe gar nicht wegfa llen, da sie ungezwungen weiter die Pause füllt, die dem Redenden die Wiederaufnahme des laufenden Hauptsatz.es gestattet. Daher beobachten wir in der Schreibung mancher Relativsätze jene seltsamen Längungen der Verbalformen, sei es durch Vokal• dehnu_ng oder - später - durch die ihr äquivalente Dopplung des letzten Radikals,

im-qu-U-tu .{welche) fiel en" ta-ma-a-ru-s1~ ,,(den) du siehest" is-bu-us-su „er :z.ürnt" ip-par-Sid-du „er floh" 0• Im assyrischen Dialekt wird die Pause vollends durch Umbetonung und ein zusätzlich angefügtes -ni verstärkt: .~a i~purRni „der/das er ge5chidn hat" kaspam Sa ilqe'Rni „das Geld, das er genommen hat". Hier also, im Relativsatz und in den seiner Form sid:i bedienenden Lokal-, Temporalund Kausalsätzen, konnte sidi aus Gründen des Satzakzemes, der ein Verweilen forderte, die alte Endung des semitischen Indikativs auf -u bis zuletzt erh alten. So ist denn 6 Albrecht Coet1.e in Orientalia NS 15, 1946. pp. 233- 238 und 16, 1 9◄ 7. p. 2.fO, von zwei aufeinanderfolgenden kun:en offenen Silben verliert die zweite ihren Vokal (akkadische Synkope, Coetzes Gesetz). 8 Die Beobachtung verdanken wir W. v. Soden. Gnmdriß der akkadischen Crammelik (19S2) p. 108 § 83d, wo auch die Beispiele herslammen.

Der sogen. Subjunktiv des Akkadischen

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der sogenannte Subjunktiv des Akkadisd:ien in Wahrheit nichts anderes als der ur• sprüngliche volle Indikativ, die altererbte Aussageform des semitischen Verbums. [ine Bezeichnung Subjunktiv ist irreführend und solhe schon um einer einheitlichen semitistischen Terminologie willen verschwinden. Wi r mögen ihn daher „alten oder vollen Indikativ" nennen oder auch „merkmalbehaftetcn Indikativ". Gern würden wir nun dem u·Modus, wie bereits gelegentlich geschehen, den Namen ei~es Modus relativus geben. Tatsächlich aber beschränkt sich sein Anwendungsgebiet kemeswegs auf den Relati vsatz. Gerade in der maßgebenden ahen Sprache erscheint der volle Indikativ auf -u nämlich auch noch dort, wo die Aussageform den stärksten, man mödite sagen, feierlichen Klang hat: in der gerichtlichen Aussage, beim Sc f. w ur. Mag die Sprache scho n früh gelernt haben, über kurze Endungen hinweg :z.u eilen (wohl• bezeugt durch den späteren Verlust der Desinentialflexion aller semitischen Sprachen), hier vor dem Richter nimmt der Mann von Akkad sich noch die Zeit zu archaisch gemessener Rede, hier herrscht noch die volle nidit-apokopierte Form. Anders als bei den anderen Semiten tritt nämlidi bei Babyloniern und Assyrern das dem Eid natürlicherweise innewohnende Element der Selbstverfluchung stark zurüe~n~~,~~~;;n~:!ndue~g:~~;6~alko::!nd;; ~::h~:nt~~•n~::!~~ Bugwercks-Reclinung des temeinen He ndls ni Aschau pro anno 1763· vor, in Privatbesitz. Mir von Herrn Dr. A1ob Schmid, Ro,:en heim-Degemdorf. Oberbayern, freundlkherweiu zu . g.änglich gemacht.

d.; -~:~:i: A~:·~!:~~:~'.1;::: v;;~~~-' 2~~~~~n!'~,:n~zt~!. ~:k~~~h"Ta:~:

lan, zum Ort Tarrenz bei lmllt, Oberinntal. - Torrentana alpi.1. T• urana kann da geg e n n-i c hl .S1ier1lpe " bcdeull"ll. Für Benennungen nach Tieren kommen unter den Ableitungen n~r Bildungen des Typs auf -aria, vaccaria, armentaria, /oafaria (/da ~uue~af). lupm,a (.Wolfsgrube "), ursaria. cervaria, aviccllaria (Oselera bei Trient, Pin~). ~na (PHCara. B~chname. Nonsberg. .Fischbach"), und solche au{ -ina vor: oviPUJ (Uina, S1lvrel1•-Gr.l. tu ovis, cavallina zu cabalfw (in Tirol öfter . CaOein"), caprina zu cap,a. " Der Name hat die deutsche Akzentverlegung nioht mitgemacht. ist also nich! vor dem 12, fh. au, romanischem Munde in den deutschen übernommen worden (wie Kombinationen des AhenlWandels mit dtr Entstehung von l aus ak ergeben). Um 1160 sind noch Romanen. . Romani proselyti' , sogar im Fl1chland östlich von München beuugt, BIO )961 , S. 4() 1 K. Puchner. Ortsnamen des Be:r.irh Ebersberg (Oberbayern), Historisches Ortsnamenbuch Bayerns 1, München 1952, dort bei N r. 8 1 unter . Eigenberg·. Zum au In Tau16n, Der deutsche W1mdel von au zum 6 (8. Jh.) konn1e wegen spiter Ein• deutsohung des Namens nich1 slatlfinden , der bairische bedingte Wandel des au zum hellen a wie z: B. in .kaufen· ebenfalls nicht. weil nach der Untersuchung von A. Schönberger in Teu!hon11ta 10, 1934, S. 53 f. Tirol-saJzburgisdi·bairische Linderecke") dieser Wandel euf eine ~mlautung -zu~~kgeht. für die hier das umlau!ende i fehlt. Dieser Umlau1 hat sich allerdings tMethalb ßex1v1sch zusammengfflöriger Gruppen durch Ausgl eichunt nach der Uml1utfonn weiter verbreitet wt,;1er ausgedehnt. Im größeren Oberbl ick wird das Problem von Kranz• mayec in Lautgeovaphie § 21, S. 66 ff. dargestellt In der Vortonsilbe Taur• von Tauron für die " im Laulsyslem der Mondar1 keinen Modellfall gibt. ist der Wandel zu a aber • von vornherein nicht zu e rwarten. Auch der romanisdie Wandel au 1:u o (s. oben das zu Tauro bei Primiero Ge-saglel konnte nkiit einlre1en. denn dieser wi re nach dem Romanisten Beren• gario Cerola Im lirolischcn Alpengebiet ins 13. Jahrhundert zu setzen CB. Gerola, B1uxare, Bauzanum, •Bolzano, L"Annuario del Liceo C.rducci. Bozen 1935. S. 35). Um diese Zeit war der Name Taur6n bereits in die deutsche Sprachsffiichl übernommen worden und lr.onnle

Tawisker, Tauern -und T.urus-Namen

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Für diese romani.schen Taur-Namen muß ein Etymon Taur- - ., Berg, Hochregion•, das aus einer prihLStori.schen Sprache stammte, angenommen werden, es lebte noch in romanischer Zeit fort - entweder als ein ins Romani.sche entlehnter vor römi.scher Bq;riff oder a ls geographi.sd,.er Name. I V . Taue rn name n i m sprach l ichen Einflußbereich der Tauernla ndsc hah. Fernz u haltende Anklänge D ie slawisch übttformttn romanisdicn Tauro-Namen ha ben im Deutsehen über a lthochdcutseh „TO.ro• , miuelhochdcutsQp,°tl)1'111,"o( verglichen werden mag. Kritisohes Referat bei Anna Morpurgo-Davies. Mycenaeae Graecitatis Lexicon (1963) s. v. u Zum Bedeutungsansatz klärend, J. Latacz, Zum Wortfeld .Freude· in der Sprache Homers (1966J 2Zf. 13 So h,1 z. B. F. BKhlel in seiner Aufzählung der PN. weldie }ltV- bergen (HPN 305- 312). 1.ahlreiche Bildungen (vor allem S. 308) zu µtvoi; geslellt, die in Wirklichkeil zu µtvw gehören.

Alfred

360

HEUBECJ,;:

bergen, die den Wörtern µivoi;, µiµovo;/µi~taµev, µsVea(vru usw. eignet, vermuten wir auch für * MEvµwv eine Ableitung von µivw „bleibe"H und sehen in dem Träger des Wortes „den Ausharrenden, bzw. den, dessen bezeichnende Eigenschaft es ist, auszuharren„15.

Es liegt nahe, *Mtvµwv ebenso wie andere -µwv- Bildungen in ihrem Verhältnis zu den zweistämmigen Personennamen ähnlich zu beurteilen wie die -'t"WQ-Bildungen: Wir vermuten, daß gelegentlich der Kürze halber das Kompositum durch ein gleichbedeutendes Nomen agentis ersetzt worden ist18 • Für die -•WQ-Bildungen sei hingewiesen auf: NEcrtwQ, das neben dem verbalen Rektionskompositum (Typ 'Exfowi,oi;) myk. ne-e-ra-wo /Neheliiwos/, ion. N1d/-.ewi;;, und dem Terpsimbrotos-Kompositum (TK) ne-ti-ja-no- /Nesti-(j)iinOr/ steht1'1';

'E:!~;%

e~;;~);

}st(';.i;'1~\~ 1 2

neben myk. e-ke-da-mo /Ekhediimosl, 'E;,:€ltoo/,o~1

"Axt'WQ (schon myk.: a-ko-to) neben myk. a-ke-ra-wo /Ageliiwos/ (auch hom.), 'AyEµu;,:oi;;, vermutlich auch "Ayrjvo.JQ.

ArAMEMNON

361

Parallele in der Konsonantenumstellung, die im gemeingriechisdien Bereich eine Folge dentaler - gutturaler Verschlußlaut beseitigt hat:• ti-'t'K·OJ > -rtKTW. Das Attische hat andere Wege zur Beseitigung der unbequemen Lautfolge ·vµ.· beschritten. Die Formen 'Ayaµßµµwv und -µf-vvwv erklären sich zwanglos als die Ergebnisse von regressiver bzw. progressiver Assimilation20 , während die dritte Form -µto-p.wv durch einen Wandel -vµ.- > -aµ- entstanden zu sein scheint. Diese letzte Möglidik_eit, die Lautfolge dentaler - labialer Gleitlaut zu ersetzen, dürfen wir in Parallele setzen zu der oben in anderem Zusammenhang genannten attischen Eigentümlidikeit, die Folge dentaler Verschlußlaut - labialer Dauerlaut ebenfalls durch -aµ- abzulösen: vgl. '1öµev > lCl'µsv. Noch unmittelbarer aber läßt sich die Entwicklung *,rtcpavµm >,rßcpaaµm (so att.; doch auch l10m. :tteqiao-µtvov 3 127) vergleichen, die mit der Tendenz zu regressiver Assimilation in Formen wie üaxup.µm (vgl. ~ 180) konkurrierfl. Die historisch bezeugten Formen des Namens des Völkerhirten lassen sich als unmittelbare Umformungen eines ursprünglichen •'Ayu-µtv-µwv verstehen.

Die Briicke zu den -µu.w-Bildungen schlägt 4>Qricrµwv 1 das neben einem pacnµfiBqc;18, ct>pao-(v1Ko; u. a. zuzuordnen. Und ebenso gibt es zu Nomina wie Mev8Aa:oi;, Meveo-..'.te\Ji; ( -µµ-, bzw. -µv- > -vv-, d11 -µv- als unbequem empfunden worden sei. Ahnlich sieht auch P. Kretscluner, Glotta 2 {l9ll) 328 in -p.~µµwv eine aus -p.€µvwv entstandene Fonn. Tatsächlich aber ist der Anlaß für Assimilationsvorgänge das wirklich unbequeme -ry.• gewesen. 21 Vgl. E. Schwyzer, Griech. Gramm. I 773.

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RADOSLA V KA TICIC Zagreb

Libumer, Pannonier und Illyrier Die Erforschung der sprachlichen und ethnischen Verhältnisse im alten Mittel- und Südosteuropa muß immer mit den Illyriern rechnen und danach trachten, ih ren Platz In weiteren Zusammenhängen richtig 2:u erkennen. Das reiche Lebenswerk unseres verehrten Henn Jubilars zeug1 von der Wichtigkeit, die dieser alte ethische Begriff für die neuere sprachgeschichtliche Forschung hat. Die Quellen aber, aus denen Kenntnisse über die illyrischen Völkerschaften und ihre Sprache geschöpft werden können. sind spärlich und der Wichtigkeit des Gegensta ndes gar nicht angemessen. Gerade deshalb war es unvermeidlich, daß auf diesem Gebiet die wenigen vorhandenen Quellenangaben oft überfordert worden sind und ungenügend erhärtete Annahmen in weiteren Kreisen von fachlich Interessierte n als wissenschaftlich festgestellte Ta1sachen übernommen und wei1ergegeben wurden. So hat sich im laufe der Zeit eine Vorstellung von den alten lllyriern ausgebildet, die nicht immer mit ei ner strengen Interpretation aller Quellenangaben in Einklang zu bringen ist. Es wird daher nicht unangemessen sein, wenn w.ir hier. um unseren Jubilar im Geiste seines Werkes zu ehren. es unternehmen, in Küne auszuführen, welche Schlüsse iiher die Völker und Sprachen der nordwestlichen Balkanhalbinsel im Altertum sich aus der neuesten Quellenforschung ergeben. Denn gerade dort. wo die Quellenangaben nicht ausreichen. um uns ein klares und ausgeglichenes Bild der Verhältnisse zu geben, ist es besonders wichtig, immer wieder auf die Quellen zurückzukommen, um sie richlig versieben zu lernen. ihre Angaben voll ausschöpfen zu kön nen und. wie immer nur möglich, ihren Bestand zu erweitern. Erst in neuester 2.eit ist der Wert der einheimischen Personennamen auf den römischen Inschriften für die Erforschung der verschollenen Völker und Sprachen des Orbis Romanus voll erkannt worden. Diese Quelle kann aber nur durch ein systemali• sches Studium größerer Mengen Materials in weiteren Zusemmenhii.ngen richtig ausgeschöpft werden. Es handelt sich dabei in erster Lin.ie um die räumliche Verteilung einzelner Namengebungen und ihrer Elemente, wobei von etymologischen Anknüpfungen und Erklärungsversuchen einz.elner Namenformen, wie sie herkömmlicherweise bei der Eiforschung von Restsprachen üblich sind, vorerst ganz abgesehen w.lrd. Diese Betrachtungsweise erlaubt es, unsere Kennlnis der geschichtlichen Zusammenhänge und sprachlichen Verhältnisse wesendich zu bereichern. In diesem Si nne durchgeführte Untersuchungen h&ben ge-zeigt. daß die illyrischen Provinzen im Nordwesten der Balkanhalbinsel. wes die Namengebung der ei nheimischen Bevölkerung belriffl, keineswegs ein einheitliches Gebiet bilden, wie man anzunehmen gewohnt Ist, sondern in mehrere, stark ausgeprägte Namengebiete zerfallen1. 1

Vgl. D. RendiC-MiOCeviC, Onomastltke studije sa leritorije Libuma, Zbomik lnstituta za

hislorijslce nooke u Zadru J (1955). 12◄- 144, R. Kalitif. Die illyrischen Personennamen in ihrem südöstlichen Verbreitungsgebiet 2:iva Antika 12 (1962). 95 - 120, Das mitteldalmatische Namengebiet, Ziva Antika 12 0963), 255 - 2921 Namengebiete Im römischen Dalmatien, Die Sprache 10 (1964). 23 - 33, Die neuoslen Forschungen über die einheimische Sprachgeschichte in den illyrischen Provinzen lserbokroalisch ,und deutsch!. Poseboa izdanja naOCnoga drullva

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Radoslav K1.T1l1t

Diese Gebiete sind drei , wenn man von den Kelten .im nordwestlichen P4nnonien absieht. Eines liegt an der nördlichen Adria. Es umfaßt die Halbinsel lstrien , das Küstengebiet bis zur Mündung der Krka und die davorliegenden Inseln. Seine charak1eris1ische Namengebung ist eng mit der der Veneter in Nordilalie n verwandt. Sie bilden ein großes nordadriatisches Namengebiet mit klar ausgeprägter innerer Gliederung. das sich von der Pomündung bis zur Mündung der Krka erstreckt. Dabei fehlen Belege für die einheimische Namengebung aus dem nordöstlichen Küstenstreifen, es ist aber sehr wahrschei nlich, daß auch er zu diesem Namengebiet gehörte. Im Hochliind der Lika , hinter dem Kamm des Velebitgebirges, gehören aber die belegten einheimischen Namen schon einer anderen Namengebung an•. Jm nordadriatischen Namengebiet wohnten zur Zeit der römischen Eroberung drei Völkerschaften , die Veneter, die Histrer und die Liburner. Des ursprüngliche Siedlungsgebiet der Liburner lag zwischen den Flüssen Zrmanja und Krka. an der Ostküste des Adriatischen Meeres. Vor der Römerzeit ·haben sie aber ihre Westgrenze bis an den Fluß Arsia (Rdel im östlichen Teile der Halbinsel lstrien vorgeschoben (vgl. Strabo 7, 5, 4: Plinius n. h. 3, 129: Hekat. Fr. 93: Ps. Skyl. 21: Ps. Skymn. 403 u. a.l 3, Auf Grund der einheimischen Personennamengehung kann also mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß diese Völker auch sprachlich näher verwandt waren und Dialekte jenes selbständigen indogermanischen Zweiges sprachen, der uns nur aus den venetischen Inschriften näher bekannt ist\ Namengebie1e dürfen nicht ohne weiteres .mit Sprachgebieten gleichgesetzt werden, und so kann auch hier die Annahme, daß das Venetische eine alte Balkansprache ist, nur mit vielen Vorbehalten gemacht werden. Angesichts der unzweideutigen Zusammengehörigkeit der Personennamengebung des ganzen großen nordadrialischen Gebietes ergibt sich aber eine solche Interpretation der sJ)6rlichen Quellenangaben von seihst als die wahrscheinlichste und muß daher ems1haft erwogen werden. Die Sprachgren1.e zwischen halien und der nordwestlichen Balkanhalbinsel lag wohl in jener fe rnen Vorz.eit am Po. Die wichligste n Isoglossen, welche das Venetische mil den .italische n Sprachen verbinden. zeugen wohl davon. daß beide indogermanischen Gruppen schon seit langer Z.eil in enger Verbindung und nachbarlichem Kontakt stenden. Die auffälligen Ubereins1immungen der veneti~hen Pronominalflexion mit der germanische n machen eg wahrscheinlich, daß sich die relative Verteilung dieser Sprechs!ämme seit älterer Zeit wenig geändert hat. Die Ergebnisse der neueren Forschung geben also Kre1schmer gewissermaßen doch recht in seiner Annahme. daß die vene1ische Sprac he zum Westillyrischen gehört6 • Ein weiteres Namengebiet ist das dalmatisch-pannonische. Es umfaßt das Land zwiBosne i Hercegovine IV, Centar ra balkanolOSka ispitivanja l, Sirnpozijum o teritorija\nom j hronolo!kom razg.ranle:enju Ilira u praistorijsko doba, 6arajevo 1964, 9 - 58, Zur Frage der keltischen und pannonischen Namengebiele im römisohen Dalmatien, Godi!njak C'.entra za balkanoloilka ispitivanja III (1965), 53- 76; Keltska osobna imena u anti~koj Sloveniji. Arheolo~ki vestnik 17 (1966), 145 - 168: G. Alföldy, Die Namengebung der Urbevölkerung in der römischen Provinz Dalmatia, BzN 15 0964). 55 - ID-4. 1 Vgl. Kafü:it Namengebiete 27 ff.; Forschungen ◄ 8 ff. ; Alföldy 66 ff., Untennann, Die vene• tischen Personennamen 172 ff. ' Ober die urt1prüng.\ichen Sit2e de.r Libumer vgl. M. Suit, Rad Jugosl. akademije 306 (1955), 121ff. 4 Vgl. H. 1Kra:he, Das Venetische, seine Ste1luog im Kreise der verwandlen Sprachen, SB Jieidelberg 1950. • Vgl. Einlei1tmg in die Cesahichle der griechischen Sprache. GöUingffl 1896.

Libumer, Pannonier und lllyrier

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sehen Save und Drau östlich von einer näher nicht zu bestimmenden Linie, die zwischen Andautonia und Siscia von Norden nach Süden verlief. weiter das Tal der Kupa, das Hochland der Uka. die Stromgebiete der bosnischen Aüsse Una. Vr™ls und Bosna, die Karstfelder der mittleren dinarischen Alpen und das adriatische Küstengebiet zwischen den Mündungen der Krka und der Ceijna. Dieses Gebiel Ist überwiegend kontinental und erreicht nur an einem verhältnismäßig engen Küsienstrich das Meer. Die Os1gre nze des dalmatisch-pannonischen Namengebietes läßt sich südlich der Save nicht genauer bestimmen. Ganz im Süden liegt sie am Vran und Cvrsnlcagebirge und am Unterlauf der Cetina. Dieses große Namengebiet weisl auch eine klar ausgeprägte innere Gliederung a.uf. Die Nemengebung des nördlichen Zweistromlandes ist von der in den südlichen Karstfeldern belegten augenscheinlich verschieden, obwohl sie beide unzweifelhaft eine übergeordnete Einheit bilden. Die Grenz.e zwischen der nördlichen, pannon !schen, und der südlichen, mitteldalmatischen Namengebung kann vorerst noch nicht ge,.:ogen werden. In der Nähe der liburnischen Grenze, besonders in Rider, im Hinterland des heutigen Sibenik. hat die liburnische Namengebung die dortige mitteldalmatische nicht unwesentlich beeinflußt8 , Von den aus geschichtlichen Quellen bekannten Völkerschaften lebten in diesem Gebiet die Dalmaten an der Küste und auf den südlichen Karstfoldem, die Iapodcn in der Llka und im Tal der Una, die Ditionen im Quellengebiet der Zrmanja, Krka und Una, die Mäzäer im Tale des Vrbas, die Diisitiaten in dem der Bosna und die Pirusten Im oberen Stromgebiet der Drina. Weiter nördlich saßen die Kolaplener im Tal de r Kupa, und zwischen Drau und Save von West nach O st die Oseriaten, lasen, Breuker. Kornakaten, Andi:zeten, Amantincr und Skordisker. Obwohl die letzteren ihrer Abstammung nach zweifellos ein keltischer Stamm ware n. gehört lhre Namengebung dem pannonischen Typ an. Sie waren also wohl auch sprachlich pannonisien. Zur pannonischen Namengebung scheinen auch noch die A.zaler am Donauknie zu gehören. Sie waren aber von den übrigen pannonischen Stämme n durch. keltische Völkerschaften gelrennt'. Die nördlichen Stämme dieses Gebietes, die an der Kupa, der Save und Drau saßen, werden von den alten Schriftstellern immer Pannonier genannt und gehörten euch unler römischer Verwaltung zur Provinz Pannonien. Um so wichtiger ~s'I es, daß Strabo 7, 5, 3 und 7, 5, 9 auch die binnenländischen Stämme Dalmatiens, unter denen die Ditionen, die Mä:z.äer, die Däsitialen und die Pirusten namentlich angeführt werden, als Pennonier bezeichnet. & 9eheint also, daß alle diese Stämme eine ethnische Einheit bildeten und sich Pannonier nannten. Als dann nach dem großen Aufstand von 6- 9 n. Chr. die illyrische Provinz in eine nördliche und eine südliche aufgeteilt wurde, ist die erstere nach diesen Pannoniern benannt worden, obwohl ein großer Teil von ihnen der südlichen Provinz zugeteilt worden war. Diese hat aber ihren Namen nach dem südlichsten dieser Stämme, den mächtigen Dalmaten, erhalten. Nach ihrer Namengebung gehören nun auch die Dalmaten zu den Pannoniem. Dieser Umstand rückt die Tatsache, daß der große Aufstand von den pannonischen Stämmen und den Dalmaten unternommen wurde, in neues Licht und macht sie höchst bedeutungsvoll. & Ober das dalmatisch-pannooische Namengebiel vgl. Katifü, 2.A 12 (1963), 255- 292 ; Namengebiete 29 ff, 1 Forschungen il und 52 ff.; Zur Frage 55 ff„ 63 ff. wid 69 fI., Alföldy 76 ff., 92 ff. und 96 fI.

' Ober die Slämme Dalmatiens und ihre Sitte vgl. C. Alföldy, Bevölkerung und Gesellschaf1 der römischen Provim Dalma1ien, .Budapest 1965, 33 ff. Für die Stämme Pannoniens und ihre räumliche Ve11eilung vgl. A. M6C5y, Die Bevölkerung von Pannooien bis :iu den Markomanneokrlege:n. Budapest 1959, 15 ff.

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Lihumer, Pannonier und Illyrier

Wir kön nen natürlich nicht behaupten, daß die Dalmaten jemals als Pannonier bezeichnet wurden. Es kann sie-in, daß die Teilung der Völkerschaf1en des dalmatischpannonischen Na mengehieles auf Pannonier und Dalmaten, wie sie bei Strabo vorkommt, auch der wirklichen e thnischen Gliederung dieser Stämme entspricht. Es darf aber nicht übersehen werden, daß zur Zeit, als Strabo sein Werk schrieb, d ie Dalmaten den Römern schon seit langem bekannt waren und daß sie ihnen schon manches Mal ernstlich zu schaffen gemacht hatten. Die Pannonier waren dagegen erst seit kurzem in ihren Gesichtskreis getreten. Für einen Schriftsteller, der römische Quellen benützte, war es damals schon schwierig, die Dalmaten unter die Pannonier zu zählen, da zwischen den beiden Ethnika damals schon der Gegensatz bestand, der zur Benennung zweier gleichgestellter Provinzen mit diesen Namen geführt hat. Schon zu Strabos Zeiten konnte es als ein paradoxer Widerspruch erscheinen, wenn behauptet worden wäre. die Dalmaten seien Pennonier, genauso wie uns heute beim unbefangenen Gebrauch dieser Namen eine solche Behauptung widersinnig erscheint. Es Ist also durchaus möglich, daß Strabo von einer römischen Einteilung dieser Stämme, die von kriegsgeschichtlichen Gesichtspunkten ausging, beeinflußt worde n ist, und nur deshalb die Dalmaten den pannonlschen Stämmen als eine selbständige c1hnische Gruppe gegenüberstellt8, Wie lmmer dem nun sein mag, die Pannonier und Dalmaten müssen nach Ausweis ihrer Personennamengebung zu einer ethnischen Einheit zusammengefaßt werden. Wir können nun dieses Ethnikum ruhig Pannonier nennen, oder. vorsichtshalber, Dalmatopannonier. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Pannonier auch sprachl ich eine verhältnismäßig einheitliche Gruppe bildeten. Dies bezeugt auch Hieronymus. Comm. in lsaiam 7, 19, vulgo in Dalmatiae Pannoniaeque provinciis gen!ili barbaroque sermone appdlatur sabaium. In Lautgestalt und Wortbildung unterscheiden sich ihre Namen bedeutend von den nordadriatischen°. Man hat also G rund anzurrehmen, da.ß die Grenze dieser Namengebiete auch ei ner Sprachgrenz.e e ntspricht. Die Sprache der Pannonier111 gehörte aller Wahrscheinlichkeit nach nich1 zum venetischen Zweig der indogermanischen Sprachfa milie. Den Naduichten aller Schriftsteller kann man entnehmen, daß die pannonisc~ Völkerschaft der Dalmaten erst in verhältnismäßig später Zeit zur Meeresküste vorgestoßen ist Der älteren griechischen geographischen Tradition sind sie unbekannt (vgl Ps. Skylax, Ps. Skymnos und Dionysios Periegetes) und in ihren späteren Sitzen werden in diesen Werken andere Stämme genannt, die die Römer dort nicht mehr angetroffen haben, weil die zwn Meere vordringenden Dalmaten ihre Gaue erobert hatten. Daß die Da lmate n zur Zeit der römischen Feldzüge Neuankömmlinge im adriatischen Raum waren, stimmt durchaus mit dem ausgesprochen kontinentalen Charakter der Gesamtheit der pannonischen Völkerschaften überein. Auch waren die Dalmaten nie Seeleute. Die Pannonier konnten archäologisch als Träger der Urnenfelderkultur identifiziert werden. Das Gebiet der Dalmaten gehört jedoch weder in der späteren Bronzezeit noch in der Eisenzeit zur Urnenfelderkultur. Seine Bewohner beerdigten ihre Toten, wie das auch weiter südlich üblich war. Es konnten jedoch Spuren eines Vordringens von Trägern der Urnenfelderkultur ins südliche Gebiet, wo die Dalmaten ihre ge-

schichtlichen Sitz.e hatten, aufgezeigt werdenu. Dies ist alles in vollem Einklang mit der späten Landnahme der pannonischen Dalmaten, wie sie a us den lilerarischen Quellen erschlossen werden ka nn. Man sieht auch, daß sich die pannoni.schen Dalma1en a nscheinend in der materiellen Kultur den älteren Einwohnern ihres Stammesgebietes weitgehend assimiliert haben. Es läßt sich sonst schwer erklären, wieso in den Stammessitzen der Da lmaten keine stärkeren Spuren der Urnenfelderkultur gefunden worden sind. Weiter südöstlich, jenseits der Cetinamündung, erstreckt sich im Küstengebiet der Adria ei n weiteres Namengebiet. Es umfaßt die Stromgebiete der F1üsse, di.e ins Adriatische Meer fließen, wje die Neretva. die Bojana mit Mora.Ca und Zeta, den Drim. den Shkumbi, den Semeni und die Viose bis zum Akrokeraunischen Vorgebirge. Im Inland scheint die Grenze dieses südöstlichen Namengebietes auf der Wasserscheide zwischen dem Adriatischen Meer und den Nebenflüssen der Donau zu verlaufen. Nirgends erstreckt sich das südöstliche Namengebiet nachweislich über diese Wasserscheide. Es scheint nur, daß die Dardanier auf dem heutigen Kossovofelde urspriinglich zu diesem Namengebiet gehört haben. Später sind sie aber unter starken mitteldalmatischen Einfluß gekommen. Im Osten und Südosten ist die Creme des Namengebietes nicht mit Sicherheit festzustelleni1 • In diesem südöstlichen Gebiet lebten mehrere Stämme, Ga nz im Norden, zwischen der Cetina und der Neretva die Ardiii.er, an der Neretva die Narensii und die Daorsl, weiter südöstlich an der Küste die Pleräer und Taulantier, im Inland die Dokleaten. Labeaten und andere kleine Stämme 1s. Unter den römischen civitates peregrinae dieser Gegend nennt Plinius {n. h. 3, 144) auch die Jllyrii proprie dicti' 4 • Wei1er südlich wohnten an der Küste die Parthener und im Binnenlande die Dassareter. Aman1er und Bullionen {vgl. Plinius n. h. 3. H S). F& sind diese Stämme. die i n den iiltes1en Quellen allein Illyrier gena nnt wurden. auf ihrem Gebie1 entstand der illyrische Staal, das lllyricum regnum 16• Dort machten auch die Römer ihre ersten Eroberungen auf dem östlichen Ufer des Adriatischen Meeres, und nach diesem ersten Besitz wurde dann später die ganze Provinz. benannt, die sich weit über die Grenzen des ursprünglichen Illyricum erstreckle. So kam es, daß in den jüngeren Quellen alle Einwohner dieser Provinz. oder der später durch ihre Teilung e ntstandenen Provinz.eo Illyrier genannt werden. Daraus können aber gar keine Schlüsse über die sprachlichen und ethnischen Verhältnisse gezogen werden 1~. Nur das südöstliche Namengebiet kann also mit voller Berechtigung iUyrisch genannt werden und nur die Träger dieser Namengebung dürfen uns vorerst als lllyrier gelten, nur ihre Sprache kann illyrisch heißen17• Man kann nämlich mit großer Sicherheit annehmen, daß im ganren illyrischen Namengebiet ein und dieselbe indogerma nische Sprache gesprochen wurde. Charakteristische illyrische Namen sind auch in Apulien u Vgl. z. Marit. Problemes des limites septentrionsles d-u territoire illyrien [serbokroatisch und französisch]. Simpozijum o teritorijalnom i hronoloSkom razgranitenju llirs u praistorijsko doba, Posebna izd1mja Na.ufnoga druiitva. Bosne i Hercegovine IV, Centar za Ba\kanolo~ka ispitivanja 1, Sarajevo 1964, 177- 2:18. 12 Vgl. Kalifit, 1.A 12 (1962:), 95- 12:0; Namengebiete 2:9 fl.; Forschungen 39 ff., Alfäldy

• Vgl. Alföldy. Namengebung 92:- 93 und Katitit, Zur Fragen. - 73. 0 In den nordadriatischen Namen ist z.B. / häufis, in den dalma1isch-pannonischen dage&en äußerst selten, die -ko-Ableilunge.n sind für die nonladriatischen Namen charakteristisch. die Femininbildung auf -ön für die milleldalmatischen. 10 Mil der lingua Panm:mico l>ei Tacitus, Cennania -'13 nicht gleichzusetzen. Vgl. A. Möcsy. Die Lingua Pannonica, Simpozijum o ilirima u antitko doba, Pos~bna izdanja Ak&dNilije Bosme i Hercegovine V. Ce.ntar za balkanoloSka ispilivanja 2:, Sarajevo 1967. 195 - 2:00.

11 Vgl. Alföldy, Bevölkerung -18fl. a Vgl. R. KatifiC, Illyrii proprie dicti. 2 iva Antika 13- 1-4 0961), 87-97: nodvnals Illyrii proprie dicti. Ziva Antika 16 (1966). 2-il - 2:44. 15 Vgl. F. Papazoglu. Les origines et la destinee de r e1a1 illyrien, ll\yrii proprie: dicti, His1oria 14 (1965), l-'13 - 179. '"' Vgl. H. Krahe. Die Sprache der Illyrier I. Wiesbaden 1955, 3 ff.; und besonders H. Kronasser, Zu.m S1&nd der lllyrislik. Linguislique balkanique -i (19621. 9 ff. 11 Vgl. KalifiC, 2A 12: 11 962:). 95; Forschungen 40: Alföldy. Namengebung 88.

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86ff.

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l-Ke~ heißt dort pa-pa-ra-ko, a lso wohl nacpA.ayWv 1 • E r sieht griechisch aus und wurde natürlich

~~~- trti~ak:vt6b:~e~:o:~u~e;~x!!as~:o

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an MaKP.:66ve; und &om. Mupµ.l66vES, Amcr'rpuy6vei;:, ferner, aber mit ande rem Akzent, an die kl einasiatisd1en Völkernamen Kmitovec;, AuK6:ove;, Baya&itovec;, Maiove..,c; in in Pa phlagonien em im ~- Jh. n. Chr. bezeugt. Es kann a lso leicht sein, d.i.ß der N ame hier nidlt einheimisch •~t, sondem et~a aus lsau ritti_ oder Pisidien stammt (Mopao)..,i:;, Mopou; u.ä. b(i Zg. KI. 333). ,.-; J?•e