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German Pages 164 Year 1996
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 700
Studien zum Recht der städtebaulichen Umlegung Eigentumsgarantie, naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Flächenbeiträge
Von
Eberhard Schmidt-Aßmann
Duncker & Humblot · Berlin
EBERHARD SCHMIDT-ASSMANN
Studien zum Recht der städtebaulichen Umlegung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 700
Studien zum Recht der städtebaulichen Umlegung Eigentumsgarantie, naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Flächenbeiträge
Von Eberhard Schmidt-Aßmann
Duncker & Humblot · Berlin
Die Schrift geht auf ein Rechtsgutachten zurück, das der Verfasser 1995 dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau erstattet hat.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schmidt-Assmann, Eberhard: Studien zum Recht der städtebaulichen Umlegung : Eigentumsgarantie, naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Flächenbeiträge / von Eberhard Schmidt-Assmann. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 700) ISBN 3-428-08747-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08747-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen Erster Abschnitt Die eigentumsverfassungsrechtliche Problematik der Umlegung
13
16
(1) Zur Bedeutung der Qualifikationsfrage
16
(2) Zu den Diskussionsebenen der Qualifikationsfrage
17
A. Die Einstufung der Umlegung in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
19 20
1. Abgrenzung nach der Interessenformel
20
2. Verlagerungen auf eine Folgenbetrachtung
22
3. Bedeutung der jüngeren Rechtsprechung
26
II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
29
1. Die Interessenformel als Grundlage a) Grundlinie: Privatnützigkeit b) Zweckkonkretisierungen
29 29 31
2. Die Wertformel als Zusatzkriterium
33
III. Die eigentumsverfassungsrechtliche Einstufung der Umlegung in der Literatur 1. Umlegung als Inhalts- und Schrankenbestimmung
36
2. Andere Einstufungen der Umlegung a) Ältere Literatur b) Jüngere Literatur
38 38 39
IV. Zwischenergebnis B. Die Bedeutung der neueren eigentumsrechtlichen Dogmatik I.
36
40 41
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen der Bodenordnung
42
1. Die Entscheidung zum Umlegungsvorteil
42
2. Das Deichordnungsurteil
43
6
nsverzeichnis 3. Die Entscheidung zur Unternehmensflurbereinigung a) Enteignungstatbestand b) Fragender "Vorwirkung" c) Enteignungsrechtliche Konsequenzen
43 44 45 46
Π. Das größere Umfeld der eigentumsverfassungsrechtlichen Dogmatik
:.46
1. Der Gehalt der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) a) Bedeutungsschichten aa) Rechtsstellungsgarantie bb) Rechtsinstitutsgarantie b) Inhalt: Privatnützigkeit
47 47 47 48 49
2. Die Aufgaben des Gesetzgebers (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) a) Rechtserzeugter Schutzbereich b) Determinanten der Ausgestaltung
50 50 51
3. Die Sozialgebundenheit (Art. 14 Abs. 2 GG) a) Bestand und Wandelbarkeit b) Differenzierte Interessenstrukturen
52 53 54
4. Der Begriff der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) a) Reformalisierung: "Entzug" b) Zwecke des Entzuges
55 55 57
C. Zusammenfassung: Qualifikation nach der Privatnützigkeit
58
I.
Das Dilemma unterschiedlicher Rationalitäten
59
Π. Mögliche Kriterien der Zweckkonkretisierung
60
ΠΙ. Typisierung und Bilanzierung als Methoden der Zweckbestimmung
62
1. Spektrum der Anknüpfungsmöglichkeiten
62
2. Vermittelnde Betrachtung a) Phase der Zwecksetzung b) Phase der Zuteilung und Abfindung
63 64 64
Zweiter Abschnitt Der Einsatz der Umlegung zur Aufbringung eingriffsrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzflächen (§§ 8a-c BNatSchG) A. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Städtebau
65 66
I. Das Grundmodell des § 8 BNatSchG
66
1. Eingriffs- und Pflichtensystem a) Eingriffsbegriff b) Pflichtensystem
66 66 67
2. Grundlage im Verursacherprinzip
68
nsverzeichnis
7
3. Bisherige Einbeziehung baurechtlicher Sachverhalte a) Qualifiziert beplanter Bereich (§ 30 BauGB) b) Innenbereich (§ 34 BauGB) c) Außenbereich (§ 35 BauGB)
70 71 72 72
4. Zusammenfassung
73
Π. Die neue planerische Variante der §§ 8a-c BNatSchG
73
1. Planerische Bewältigungsverantwortung a) Ermittlungspflichten b) Gestaltungspflichten c) Abwägungspflichten
75 75 76 76
2. Materielle Erfullungsverantwortung
78
3. Rechtspraktische Regelungsverantwortung
79
ΙΠ. Zwischenergebnis
80
B. Die Realisierung der planerischen Eingriffsregelung durch das Instrument der Umlegung: Bedeutung der Zweckformel 81 I. Umlegung und andere Durchfuhrungsinstrumente
82
1. Städtebauliche Verträge: freiwillige Umlegung
82
2. " Verursacher-nahe " Ausgleichskonzepte Π. Die Privatnützigkeit und die Zweckvertypungen des § 45 BauGB
84 85
1. Die gesetzlichen Zwecktypisierungen
86
2. Ausgleichs- und Ersatzflächen a) Eigentümer der Eingriffsgrundstücke b) Eigentümer der Ausgleichs- und Ersatzflächen aa) Eigentümer im vorgeprägten Interessenverbund bb) Eigentümer im gewillkürten Interessenverbund c) Zwischenergebnis
88 88 89 89 89 91
C. Die Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen in der Umlegung I. Die Zuteilung aus der Verteilungsmasse gemäß § 59 Abs. 1 BauGB 1. Die Grundsätze der läge- oder lagewertgleichen Zuteilung a) Gleiche Lage b) Gleichwertige Lage 2. Die Grundsätze der anteilsgleichen und wertgleichen Zuteilung a) Grundlagen b) Bewertungsfragen aa) Überkommene Bewertungsansätze bb) Neuere Bewertungsansätze
92 93 94 95 95 96 96 97 98 100
8
nsverzeichnis II. Die Zuteilung als Gemeinschaftsanlage gemäß § 61 Abs. 1 BauGB
101
1. Der Begriff der Gemeinschaftsanlage a) Einrichtungsbezogene Interpretation b) Funktionelle Interpretation
102 102 102
2. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
103
III. Der Vorwegabzug gem. § 55 Abs. 2 BauGB
104
1. Verkehrsflächenbedingte AuE-Flächen a) Vorwegabzug als örtliche Verkehrsflächen (Nr. 1) b) Vorwegabzug als Grünflächen (Nr. 2) c) Gemeinsame Grundsätze
105 105 106 106
2. Bauflächenbedingte AuE-Flächen a) Meinungsstand der Literatur b) Stellungnahme aa) Keine abstrakte Solidargemeinschaft bb) Verursacher-begründete Solidargemeinschaft cc) Konkrete Feststellung
108 108 111 112 113 113
IV. Der Vorwegabzug gem. § 55 Abs. 5 BauGB
115
1. Verfassungsrechtliche Fragen a) Grundlagen b) Konsequenzen
115 116 117
2. Abzug von Ausgleichs- und Ersatzflächen a) Durch öffentliche Nutzung bedingte AuE-Flächen b) Bauflächenbedingte AuE-Flächen aa) Flächen für öffentliche Nutzungszwecke bb) Enteignungsrechtliche Implikationen
118 118 119 119 120
Dritter Abschnitt Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags A. Die historische Entwicklung des Rechts der Flächenbeiträge I. Vorab: zu den Begriffen II. Vorläuferregelungen im älteren Recht 1. Lex Adickes
122 123 123 124 124
2. Badisches Ortsstraßengesetz
126
3. Referentenentwurf für ein Reichsstädtebaugesetz
126
4. Reichsumlegungsordnung
126
5. Württemberg-Badisches Baulandgesetz
127
6. Nordrhein-Westfälisches Aufbaugesetz
128
7. Rheinland-Pfälzisches Aufbaugesetz
129
nsverzeichnis ΙΠ. Die Entstehungsgeschichte des § 58 BauGB
9 129
1. Regierungsentwurf zum BBauG
129
2. Die endgültige Fassung des § 58 BBauG
131
IV. Zusammenfassung
132
B. Die derzeitige Regelung des § 58 Abs. 1 BauGB und die Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge 133 I.
Zur Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung
II. Neuere Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge
136
1. Stellungnahmen für eine Erhöhung
136
2. Stellungnahmen gegen Erhöhungen
137
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung I.
133
138
Flächenbeiträge als Ausdruck des Vorteilsausgleichsgedankens
138
1. Die einzelnen Bestandteile des Umlegungsvorteils a) Vorteile durch Bereitstellung von Erschließungsflächen b) Vorteile aus der Neuordnung
138 139 139
2. Verhältnis zum Planungsvorteil und zu gemeindlichen Aufwendungen .. 140 Π. Vorteilsausgleich und Privatnützigkeit
141
1. Flächenabzug für Erschließungsmaßnahmen (§ 55 Abs. 2 BauGB)
142
2. Flächenbeitrag für den allgemeinen Vorteilsausgleich a) Umlegungsvorteile im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG b) Unterschiede zur Wertumlegung c) Verfassungsfunktion der Obergrenzenregelung
142 142 143 144
ΙΠ. Die derzeitige Obergrenze und ihre Erhöhung
145
1. Variabilität der Prozentsätze a) Bedeutung als akzeptierte Mindestsätze b) Unsichere ältere "Erfahrungswerte" c) Notwendigkeit neuer Erfahrungswerte
145 146 146 148
2. Erhöhungsbedarf im Gefolge des § 8a BNatSchG a) Konkrete Regelungsmöglichkeiten b) Fragen einer Belastungsobergrenze
148 149 150
Zusammenfassung Literaturverzeichnis
151 156
Abkürzungsverzeichnis aaO Abs. a.F. AgrarR Alt. a.M. Anm. AnwBl Art. AuE-Flächen AufbauG BauGB BauGB-MaßnG BauR BayVerfGHE
BayVBl BBauG BBauG-E Bd. bes. BFStrG BGBl BGH BGHZ BLG BNatSchG BT-Drucks BVerfGE BVerwGE BWGZ ders. d.h. DJT DM
am angegebenen Ort Absatz alte Fassung Agrarrecht Alternative anderer Meinung Anmerkung Anwaltsblatt Artikel (auch im Plural) Ausgleichs- und Ersatzflächen Aufbaugesetz Baugesetzbuch Baugesetzbuch-Maßnahmengesetz Baurecht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Bayrische Verwaltungsblätter Bundesbaugesetz Regierungsentwurf zum BBauG Band besonders Bundesfernstraßengesetz Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Baulandgesetz (BW) Bundesnaturschutzgesetz Drucksachen des Deutschen Bundestages Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Die Gemeinde (Zeitschrift des Gemeindetages BW) derselbe das heißt Deutscher Juristentag Deutsche Mark
Abkürzungsverzeichnis DÖV DVB1 E f ff FlurbG Fn GG GGK GuG GVB1 HdUR h.M. Hrsg. Hs. i.d.F. insbes. i.S. i.V.m. IWG JuS JZ 1. L. A. LT-Drs Nds. NJW Nr. NRW NuR NVwZ NVwZ-RR o.J. OVG r. RegBl Rg.-Begr. RGBl Rn.
11
Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung (en); Entscheidungssammlung folgende (Seite) folgende (Seiten) Flurbereinigungsgesetz Fußnote Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. Münch/Kunig(Hrsg.), Grundgesetzkommentar, (s. Literaturverzeichnis) Grundstücksmarkt und Grundstückswert Gesetz- und Verordnungsblatt Kimminich u.a.(Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts, (s. Literaturverzeichnis) herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz in der Fassung insbesondere im Sinne in Verbindung mit Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz Juristische Schulung Juristenzeitung linke, links Lex Adickes Landtagsdrucksache Niedersachsen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report ohne Jahrgang Oberverwaltungsgericht rechte, rechts Regierungsblatt Regierungsbegründung Reichsgesetzblatt Randnummer
12 RUO S. sog. Sp. stRspr. Sten. Ber. StGB u.U. UPR v. v.H. VB1BW VerwArch VGH BW vgl. Vorb. VR VVDStRL VwGO VwVfG Wahlp. weit. Nachw. WertermittlungsVO WM Württ.-Bad. z.B. ZfBR
Abkürzungsverzeichnis Reichsumlegungsordnung Seite, Satz sogenannte(r) Spalte ständige Rechtsprechung Stenographischer Bericht Strafgesetzbuch unter Umständen Umwelt- und Planungsrecht von, vom von Hundert Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vergleiche Vorbemerkung Vermessungswesen und Raumordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wahlperiode weitere Nachweise Wertermittlungsverordnung Wohnungswirtschaft und Mietrecht Württemberg-Baden zum Beispiel Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht
Vorbemerkungen Zu den anerkannten Instrumenten des Städtebaurechts gehört seit langer Zeit die Umlegung. Sie dient der Verwirklichung planungsrechtlicher Vorgaben in den Fällen der Neuerschließung oder der grundlegenden Umgestaltung bereits erschlossener Gebiete. Die beachtliche Praktikabilität und die hohe Akzeptanz, der sich die Umlegung seitens der Betroffenen erfreut, wird oft hervorgehoben1. Zu dieser positiven Einschätzung tragen folgende typusbestimmende Eigenarten des Instituts bei: - Anders als die meisten Eingriffsinstrumente des Baurechts will die Umlegung Situationen einer Interessengleichrichtung zwischen den betroffenen Eigentümern und der öffentlichen Verwaltung nutzen. - Die beteiligten Grundeigentümer können im Regelfall davon ausgehen, daß - was immer an weiteren Zwecken mit der Umlegung verfolgt wird - sie selbst einen nicht unbeachtlichen Wertzuwachs erlangen, indem sie statt eines nicht oder nur unzulänglich zu bebauenden Grundstücks Bauland bekommen. - Das. Umlegungsverfahren ist ein Beispiel dafür, wie eine Betroffenenbeteiligung durch Anhörung, Information und Rücksichtnahme sinnvoll schon praktiziert wurde, lange bevor Partizipationsforderungen das Städtebaurecht sonst erreichten. - Die Durchführung der Umlegung liegt üblicherweise in den Händen eines fachlich besonders ausgerichteten Personals, dem es nicht darum geht, politische Konzepte durchzusetzen, sondern das nüchtern konkrete Fragen städtebaulicher Ordnung lösen möchte. Dieser versachlichten Atmosphäre kommt es entgegen, daß im Umlegungsverfahren nicht weitreichende Verteilungsentscheidungen geschaffen werden. Die Umlegung kann sich vielmehr darauf beschränken, im Gesamtprozeß der Gestaltung der städtebaulichen Ordnung einen phasenspezifischen Beitrag zu leisten, während die meisten konfliktträchtigen Fragen entweder bereits vorentschieden oder sonst ausgeklammert sind. So sind der Rahmen und das pla1
Zur städtebaulichen Bedeutung der Umlegung allgemein: Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Vorb. §§ 45-84 und § 45 Rn. 1-13; Schriever, Kohlhammer-Kommentar, BauGB, Vorb. §§ 45-84 Rn. 13 f.; Bielenberg, DÖV 1973, 873 ff.; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1982, 192 ff.; Mainczyk, DÖV 1986, 995 ff.; Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 23 ff.; jüngst Reinhardt, GuG 1995, 289 ff.; Seele, VR 1995, 193 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch 1996, 143 ff.
14
Vorbemerkungen
nerische Leitbild durch den Bebauungsplan bzw. durch § 34 BauGB vorgezeichnet und in ihren Grundlinien im Umlegungsverfahren nicht mehr zu ändern. Auch die Zuteilung der umgelegten Flächen ist erleichtert, weil sie sich innerhalb eines feststehenden Beteiligtenkreises vollzieht und es nicht um eine freie Auswahl zwischen diversen Bewerbern geht. Die systematische Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das städtebauliche Planungsrecht durch Art. 5 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes (IWG) vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466) stellt Planung und planverwirklichendes Instrumentarium vor neue Herausforderungen. Zu den danach erforderlichen planerischen Entscheidungen gehören auch Darstellungen und Festsetzungen nach den §§5 und 9 BauGB, die dazu dienen sollen, die zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft abzugleichen, zu ersetzen oder zu mindern (§ 8a Abs. 1 S. 2 BNatSchG). Solche Ausgleichs- und Ersatzflächen können auf den Grundstücken liegen, auf denen die Eingriffe zu erwarten sind (Eingriffsgrundstücke); sie können aber auch im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplanes liegen. Mindestens die zweite Variante führt zu einem u.U. erheblichen Bedarf an zusätzlichen Ausgleichs- und Ersatzflächen. Schon vor dem Ergehen des IWG war in der Fachliteratur gelegentlich erörtert worden, ob und inwieweit u.a. auch die Umlegung genutzt werden könnte, diesen Bedarf abzudecken2. Nach dem Inkrafttreten der §§ 8a-c BNatSchG werden diese Fragen intensiver gestellt3. Überlegt wird insbesondere, ob und inwieweit die Regelungen über - die Zuteilung an die Gemeinde oder den sonstigen Erschließungsträger durch Vorwegabzug nach § 55 Abs. 2 BauGB, - die Zuteilung an die Gemeinde oder den sonstigen Erschließungsträger durch Vorwegabzug gegen Ersatzlandgestellung nach § 55 Abs. 5 BauGB, - die Zuteilung an Privateigentümer nach § 59 Abs. 1 BauGB oder - die Zuteilung als Gemeinschaftsanlage nach § 61 Abs. 1 BauGB zur Flächenbereitstellung als Handlungsmöglichkeiten in Betracht kommen. Während eine Anzahl von Stellungnahmen die Baulandumlegung - jedenfalls im Grundkonzept - für geeignet hält, zu ihrem Teil die Folgeprobleme der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelung zu bewältigen, fin2 Vgl. Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 ff.; Stich, GuG 1992, 301 ff.; Stahr, VR 1992, 207 ff 3 Hecker, VR 1994, 73 ff.; Reinhardt, VR 1994, 88 ff.; Sandmann, GuG 1995, 1 ff.; Steinfort, VerwArch 1995, 107 ff. Vgl. auch die "Hinweise des Deutschen Städtetages zur Umsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung" (Stand: 5. 12. 1994) unter Π 2; ferner Schink, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 124 (142 ff.).
Vorbemerkungen
den sich durchaus auch Stimmen, die die naturschutzrechtlich veranlaßten Flächenabzüge als unvereinbar mit dem Zweck und den verfassungsrechtlichen Determinanten des Umlegungsrechts ansehen4. Auch sonst sind die umlegungsrechtlichen Flächenbeiträge ein Gegenstand fortgesetzter verfassungs- und rechtspolitischer Diskussionen. Nach einer von der Rechtsprechung anerkannten Lösung können die Gemeinden unter Anrechnung der für die Erschließung notwendigen und vorher ausgesonderten Flächen einen bestimmten Anteil der Einwurfsflächen abziehen, um umlegungsindizierte Werterhöhungen abzugleichen. Diese Flächenleistung darf nach der derzeitigen Regelung des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB in Gebieten, die erstmalig erschlossen werden, nur bis zu 30 %, in anderen Gebieten nur bis zu 10 % der eingeworfenen Fläche betragen. Manche Stimmen in der Literatur regen eine gesetzliche Erhöhung dieser Abzugsgrenzen an, weil die Umlegungsvorteile mit den genannten Prozentsätzen nicht hinreichend erfaßt seien5. In der Literatur sind gegenüber solchen Änderungswünschen aber auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden6. Auf jeden Fall müssen als Gegenpositionen die Prinzipien des Umlegungsrechts, insbesondere der Grundsatz der Eigentümernützlichkeit und des Bestandserhalts beachtet werden, damit die Umlegung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, wie sie im bisherigen Recht erkennbar konzipiert ist, erhalten bleibt.
4 Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, (mit Differenzierungen im Einzelnen), § 55 Rn. 8, 9; § 59 Rn. 12, § 61 Rn. 55; Otte , DÖV 1995, 805 (813 f.); ähnlich Reinhardt, DÖV 1995, 21 (24 f.). Beim Erlaß des IWG soll auf eine Einbeziehung von Ausgleichs- und Ersatzflächen in den § 55 Abs. 1 BauGB verzichtet worden sein, um "die Privatnützigkeit der Umlegung nicht zu gefährden", so Runkel, UPR 1993, 203 (208). 5 Seele, VR 1995, 193 (200); vgl. auch Zabel, DÖV 1995, 725 (727). 6 Brenner, DVB1. 1993, 291 ff.; darauf Bezug nehmend Reinhardt, DÖV 1995, 21 (24 f.).
Erster Abschnitt
Die eigentumsverfassungsrechtliche Problematik der Umlegung Die eigentumsverfassungsrechtliche Problematik der Umlegung wird in Rechtsprechung und Lehre üblicherweise als Frage nach dem enteignenden oder eigentumsinhaltsbestimmenden Charakter des Instituts behandelt. Diese Fragestellung erleichtert angesichts des im Grunde dualistischen Ordnungsschemas des Art. 14 GG1 die Orientierung und hat daher ihren guten verfassungsdogmatischen Sinn, selbst wenn im weiteren Gang der Untersuchung noch weitere Unterscheidungen notwendig werden sollten. (1) Zur Bedeutung der Qualifikationsfrage
- Die Enteignung ist von Verfassungs wegen strikten Zulässigkeitsvoraussetzungen unterstellt: Für sie gilt ein qualifizierter Gesetzes vorbehält. Sie ist nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig; nicht jedes öffentliche Interesse, wie es in planerischen Zusammenhängen durchaus Bedeutung erlangen kann, vermag Enteignungen zu legitimieren. Hier gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip grundsätzlich in seiner strikten Ausprägung als ultima-ratio-Formel. Art und Ausmaß der Entschädigung müssen unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zwingend gesetzlich festgelegt sein. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfall verfassungsunmittelbar der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen. Enteignungsrechtlicher Gesetzesvorbehalt, Gemeinwohlklausel, strenges Verhältnismäßigkeitsprinzip, Entschädigungsjunktim und eine besondere Rechtsweggarantie machen die Enteignung zu einem Instrument mit unverwechselbaren Rechtsfolgen2. - Auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen unterliegen bestimmten verfassungsrechtlichen Schranken. Gesetzgeber und Exekutive sind hier jedoch freier gestellt: Gesetz im Sinne des Art. 14 Abs 1 S. 2 GG ist nicht nur das 1 Zu dieser Zäsur schon BVerfGE 52, 1 (27-30); ausführlich dann BVerfGE 58, 300 (330-332); zur Darstellung und Kritik Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 319 ff. 2 Vgl. im einzelnen Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 555 ff.; Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Bd. 1, Art. 14 Rn. 80 ff.
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
parlamentarische Gesetz, sondern jeder gültige Rechtssatz. Auch die Inhaltsund Schrankenbestimmungen haben zwar das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Sie tun das aber flexibler nach einer je-desto-Formel i.S. eines Abwägungsgebotes. Die eingriffslegitimierenden Zwecke sind jedoch nicht so eng definiert wie bei der Enteignung. Schrankenbestimmungen sind als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit im Regelfall entschädigungslos zulässig. Entschädigungen sind zwar auch hier nicht ausgeschlossen und zuweilen sogar verfassungsrechtlich notwendig, doch sind das eher Ausnahmefalle. Hinsichtlich aller Rechtsschutzfragen gelten keine Sonderzuweisungen, sondern die allgemeine Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG3. Die Unterschiede zwischen beiden Instituten zeigen, wie wichtig es für den Gesetzgeber, aber auch für die gerichtliche Interpretation einzelner Vorschriften des Umlegungsrechts ist, die Umlegung in die Systematik der eigentumsrelevanten Maßnahmen richtig einzuordnen, sie entweder als Inhaltsbestimmung oder als Enteignung zu qualifizieren. Noch die wenigsten Schwierigkeiten bieten die Rechtswegfragen; denn hier hat die Sonderzuweisung des § 217 BauGB eine Zuordnung getroffen, die beiden Qualifikationsalternativen gerecht werden kann. Gravierender dagegen machen sich die unterschiedlichen Konsequenzen bei den Fragen des Gesetzesvorbehalts, der Gemeinwohlverpflichtung und der Entschädigung bemerkbar. Sollte sich herausstellen, daß die Umlegung als Enteignung zu qualifizieren wäre, so wären nachhaltige Änderungen bei der Zweckformulierung (§ 45 BauGB), bei der Erforderlichkeit (§ 46 BauGB), bei der Konkretisierungstechnik des Umlegungsplanes (§ 66 BauGB), bei der Gestaltung der Zuteilung und Abfindung (§§ 55-59 BauGB) und im Verfahren veranlaßt. Vor allem aber träte aller Voraussicht nach eine tiefgreifende Änderung der Umlegungspraxis ein: Ein Umlegungsausschuß als "EnteignungsbehördeH und die Teilnehmer als "Betroffene einer Zonenenteignung mit Ersatzlandentschädigung" sind keine attraktiven Perspektiven für ein städtebauliches Instrument, das sich bisher durch seine breite Akzeptanz und praktische Handhabbarkeit auszeichnete. (2) Zu den Diskussionsebenen der Qualifikationsfrage
Die Frage, ob die städtebauliche Umlegung Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung ist, läßt sich freilich auf unterschiedlichen Ebenen oder
3
Vgl. im einzelnen Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 301 ff.; Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Bd. 1, Art. 14 Rn. 59 ff. Streitig ist allerdings, ob solche Entschädigungen nach § 40 Abs. 1 VwGO im Verwaltungsrechtsweg oder nach § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO im Zivilrechtsweg einzuklagen sind; vgl. Schock, JZ 1995, 708 ff.; Schenke, NJW 1995, 3145 ff.
2 Schmidt-Aßmann
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
Konkretheitsstufen stellen, die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion oft nicht hinreichend getrennt werden: - Gefragt werden kann zum einen, ob die Umlegung in ihrer abstrakten gesetzlichen Ausgestaltung als solche bereits eine Enteignung darstellt. Haftete man allein an der äußeren Erscheinungsform, so wäre eine solche Qualifikation schon auf abstrakter Ebene jedenfalls nicht undenkbar. Immerhin werden bei der Umlegung durch Hoheitsakte Rechtszuordnungen aufgehoben (und neu begründet), so daß es - ohne daß wir an dieser Stelle schon auf diesen komplizierten Begriff eingehen wollen - nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint, von einem enteignungstypischen "Rechtsentzug" zu sprechen. - Die Qualifikationsfrage kann sich aber auch auf der Ebene einzelner Varianten des Instituts stellen. Um es am Beispiel des parallelen Instruments der Flurbereinigung zu zeigen: Es läßt sich z.B. vertreten, daß wohl das Institut in seiner Grundform als Regelflurbereinigung eine inhaltsbestimmende Maßnahme sei, daß aber die Sonderform der Unternehmensflurbereinigung eine Enteignung darstelle. Hier wird die Qualifikationsfrage auf einer mittlere η oder Typenebene gestellt. Ähnlich kann man für die städtebauliche Umlegung fragen, ob etwa bestimmte Zwecksetzungen der Umlegung, z.B. der Einsatz des Instituts zu Flächengewinnungen großen Stiles, die zwar nicht immer, aber doch häufiger und in diesem Sinne typenbildend verfolgt werden, die Regelumlegung soweit verfremden, daß jedenfalls für diesen Sondertypus von einer Enteignung ausgegangen werden müßte. - Die Qualifikationsfrage läßt sich schließlich auch auf der konkreten Ebene des Einzelfalles erörtern. Es wird dann gefragt, ob eine normalerweise als Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusehende Umlegung nicht im Einzelfalle in eine Enteignung "umschlägt". Gegenüber solchen "Umschlags"-Vorstellungen ist allerdings Vorsicht geboten. Die ältere Ansicht, eine Maßnahme nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG mutiere z.B. von einer gewissen Schwere an in eine entschädigungspflichtige Enteignung, ist vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen worden. Eine besonders schwere Belastung, die dem einzelnen Eigentümer nach älterer Diktion ein "Sonderopfer" auferlegt, ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Sie schlägt nicht durch richterrechtlich verfügte Kompensationsleistung in eine hinnehmbare Enteignung um4. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dieses verfassungsrechtliche Verdikt gegen "Umschlags"-Vorstellungen die ältere Schwere- oder Unzumutbarkeitstheorie gänzlich hat ablösen können. In der umlegungsrechtlichen Diskussion orientieren sich die Überlegungen, eine an sich inhalts- und schrankenbestimmende Umlegungsmaßnahme könne im Einzelfall zur Enteignung 4
BVerfGE 58, 300 (319-325).
Α. Fachgerichtliche Rechtsprechung und Schrifttum
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werden, nicht oder jedenfalls nicht allein an dem genannten "Schwere"-Kriterium. Vielmehr geht es primär um die Zugriffszwecke. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu trennen: - So kann ein einzelnes Grundstück nach seinem im Bebauungsplan festgesetzten künftigen Nutzungszweck nicht als Baugrundstück oder als Erschliessungsfläche gemäß § 55 Abs. 2 BauGB, sondern für eine nicht gebietsspezifische Nutzung vorgesehen sein. Darf eine Vorabausscheidung nach § 55 Abs. 5 BauGB hier nur erfolgen, wenn die Enteignungsvoraussetzungen des § 87 BauGB vorliegen, und sind diese nur in Bezug auf das betroffene Grundstück oder für die Gesamtmaßnahme zu prüfen? - Die andere Frage betrifft die Abfindung. Wird die Umlegung zur Enteignung, wenn auch nur ein einzelner Eigentümer nach § 59 Abs. 2 BauGB abgefunden werden muß, und gerät damit gegebenenfalls die ganze Umlegungsaktion unter den Zwang, die strengeren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Enteignung erfüllen zu müssen? Das wäre eine neue Form enteignungsrechtlicher Vorwirkungen, die schon verfahrensrechtlich schwer zu bewältigen wäre, weil sie erst in einem späteren Stadium sichtbar wird.
A. Die Einstufung der Umlegung in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum Um hier festeren Boden unter die Füße zu bekommen, muß die Behandlung der eigentumsrechtlichen Problematik der Umlegung in ihrer Entwicklung nachgezeichnet werden. Dabei geht es nicht um eine historische Rückbesinnung, sondern um die Erkenntnisse von Strukturen und Wertungen einer mehr als 40jährigen Rechtstradition unter dem Grundgesetz, die für ein institutionell bestimmtes Grundrecht wie das des Art. 14 GG prägend ist5. Diese Betrachtung zeigt, daß sich Rechtslehre und Judikatur bei der Einordnung der Umlegung in das System der eigentumsrelevanten administrativen Handlungsformen nicht leicht getan haben. Auch dort, wo sie letztlich zu dauerhaft anerkannten Aussagen gelangt sind, haben sich Unstimmigkeiten und Brüche in den Argumentationsketten erhalten, die dann wieder an das Tageslicht treten, wenn es um die Fortentwicklung eines befriedeten Rechtsbestandes geht. Das zeigt sich am deutlichsten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das schon im ersten Bande seiner Entscheidungen zur eigentumsrechtlichen Qualifizierung der Umlegung Stellung zu nehmen hatte und in einer Kette von Entscheidungen bis 1960 diese Qualifizierung in immer wie5 Zur älteren, hier nicht nachzuzeichnenden Rechtsentwicklung vgl. Scharnberg, Rechts- und Ideengeschichte der Umlegung, 13 ff.; Suderow, Der Entwurf eines Grundstücksneuordnungsverfahrens, 29 ff.; Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Vorb. §§ 45-84, Rn. 2 ff.
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der neuen Modifikationen besser zu begründen versucht hat (I). Wichtige Beiträge zur Einordnung der Umlegung in die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik sind ferner dem Bundesgerichtshof zu danken, der als Revisionsgericht in Baulandsachen (§ 230 BauGB) die Qualifikationsfrage insbesondere im Zusammenhang mit Zuteilungs- und Abfindungsproblemen zu beantworten hat (II). Die Literatur folgte lange Zeit der fachgerichtlichen Rechtsprechung und behandelte die Umlegung als inhaltsbestimmende Maßnahme gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Das ist auch heute die herrschende Auffassung. Doch finden sich gerade im jüngeren Schrifttum auch Ansätze, die Umlegung als solche oder jedenfalls bestimmte ihrer Ausprägungen unter Bezugnahme auf die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts als Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 GG zu qualifizieren (III) 6 . I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Innerhalb der Entscheidungsabfolge lassen sich zwei Phasen unterscheiden: In den ersten Entscheidungen dominiert als Abgrenzungskriterium der Umlegung zur Enteignung die unterschiedliche Interessenkonstellation. Die Unterscheidung wird zunächst nach einer "Zweckformel" vorgenommen. Später gewinnen die eintretenden Rechtsfolgen, vor allem der Gedanke der Surrogation und die Forderung einer gleichwertigen Abfindung, Einfluß auf die Abgrenzungsfrage, ohne daß ihr Verhältnis zu der nie aufgegebenen Zweckformel deutlich genug herausgestellt würde. Man kann darin eine Gewichtsverlagerung von einer Betrachtung der Zwecke zu einer Betrachtung der Folgen sehen, wie sie auch sonst für die Entwicklung der enteignungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs längere Zeit charakteristisch war. 1. Abgrenzung nach der Interessenformel
- Beschluß vom 9.11.1954 (BVerwGE
1, 225ff.)
In der grundlegenden Entscheidung vom 9.11.1954 stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, die Umlegung nach der Reichsumlegungsordnung (RUO) vom 16. Juni 1937 (RGBl. I 629) sei grundsätzlich keine Enteignung. Das tragende Abgrenzungskriterium soll die unterschiedliche Interessenstruktur von Umlegung und Enteignung sein: Letztere diene einem "selbständigen fremden Interesse". Dagegen stelle die Flurbereinigung mit ihrer auf die För6
Vgl. zum folgenden auch Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 185 ff.; Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, §45 Rn. 7 ff.; früher schon Schmidt-.Aßmann, Zur Verfassungsmäßigkeit der erweiterten Umlegung, 6 ff.
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derung der landwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur gerichteten Zielsetzung zwar auch Interessen der Allgemeinheit in Rücksicht, doch seien diese denen der Betroffenen nicht entgegengesetzt, ihnen gegenüber nicht fremd, sondern lägen in gleicher Weise auch in deren Interesse. Auf der Basis dieser Aussage nimmt das Gericht sodann zu dem für die Umlegungen stets heiklen Problem der Flächenabzüge Stellung. Konsequent wird der entschädigungslose Flächenabzug damit gerechtfertigt, daß er grundsätzlich nur für solche Vorhaben zulässig sei, die "zugleich den Interessen der Betroffenen dienen". Darin liegt gleicherweise die Legitimation und die Begrenzung des entschädigungslosen Flächenabzugs. Abzüge für andere als eigentümernützige Anlagen dagegen sind, wie das bereits in § 51 Abs. 2 S. 2 RUO vorgesehen war, nur gegen Entschädigung zulässig. Der Gesichtspunkt der "gleichwertigen Zuteilung", der in späteren Urteilen eigenständiges Gewicht erlangte, spielte in dieser ersten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch eine nur untergeordnete Rolle als Teilaspekt des InteressenKriteriums. Es heißt dazu: "Eine Bodenordnungsmaßnahme etwa, die den Grundsatz der Zuteilung gleichwertiger Grundflächen verließe, indem sie eine Landzuweisung nur an einzelne wenige Beteiligte und für die übrigen lediglich Geldabfindung vorsähe oder Landabzüge für Anlagen ohne Rücksicht darauf zuließe, ob diese Anlagen den Interessen der Betroffenen dienen oder nicht, wäre keine Umlegung mehr, weil in ihr die mehrfach erwähnte, für die Umlegung kennzeichnende Interesenrichtung nicht mehr vorhanden wäre". Nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf die notwendige Eigentümernützigkeit also stellt die Gleichwertigkeit der Landabfindung ein zusätzliches Abgrenzungsindiz dar. - Urteil vom 19.12.1957 (BVerwGE
6, 79 ff.)
In diesem Urteil wird die eigentumsrechtliche Problematik der städtebaulichen Umlegung der Flurbereinigung gleichgestellt. Das Gericht sieht auch im städtischen Bereich die Interessengleichrichtung als entscheidendes Kriterium an, um die Umlegung nicht als Enteignung einzustufen. Das gelte auch für die üblichen Landabzüge für Erschließungsstraßen; auch sie seien nicht fremd-, sondern eigentümernützige Maßnahmen, weil sie der Erschließungsbeitragspflicht der Anlieger entsprächen. Die Frage, inwieweit andere im Rahmen eines Umlegungsverfahrens erfolgende Eingriffe - etwa Landabtretungen für andere als Erschließungsanlagen - Enteignungen darstellen, konnte das Gericht nach der besonderen Fallkonstellation offen lassen.
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
- Urteil vom 13.1.1959 (BVerwGE
8, 95 ff.)
Im Urteil vom 13.1.1959 befaßt sich das Gericht mit der Frage, inwieweit Zuteilungen, die hinter dem Gleichwertigkeitsgebot zurückbleiben und deshalb durch Geldabfindungen aufgewogen werden müssen, noch im Rahmen der Umlegung verbleiben oder aber als Enteignungen einzustufen sind. Grundlage der Entscheidung bildet wiederum die Interessentheorie. Sie kennzeichnet die Umlegung insgesamt, und sie wird auch zur Qualifizierung von Geldabfindungen herangezogen. Danach sind Geldabfindungen, die angesichts einer anders nicht möglichen Zuteilung von Land unumgänglich sind, keine Enteignung, weil sie in engem Zusammenhang mit der Flurbereinigung vorgenommen werden und ihrerseits die für das Gesamtinstitut typische Interessenkonstellation aufweisen: "Die Geldabfindung erfolgt nicht im fremden Interesse, sondern ausschließlich mit dem Ziel, eine großräumige und zweckvolle Zusammenlegung der Grundstücke zu ermöglichen, die auch dem mit einer Geldabfindung Bedachten zugute kommen soll". Das solchermaßen bestimmte Interesse des Eigentümers ist freilich nicht das reale Interesse des wirklich Betroffenen, sondern ein gewertetes Interesse eines "vernünftigen Eigentümers", der auch auf die Belange einer engeren Solidargemeinschaft Rücksicht nimmt. 2. Verlagerungen auf eine Folgenbetrachtung
Bereits in dem Urteil vom 13.1.1959 mag man eine gewisse Verflüchtigung der Zweckformel sehen. Die umlegungsrechtliche Diskussion hielt sich damit durchaus auf der Linie, die die allgemeine enteignungsrechtliche Dogmatik über Jahre hin einschlug, indem sie eines ihrer zentralen Kriterien, das der Situationsbestimmtheit des Grundeigentums, zunehmend in eine normativwertende Situationsgerechtigkeit umformte 7. - Urteil vom 6.8.1959 (BVerwGE
10, 3 ff.)
Besondere Bedeutung kommt dem Urteil vom 6.8.1959 zu, in dem sich das Gericht mit der Zulässigkeit des Mehrwertausgleichs befaßt. Als Grundlage der Abgrenzung wird auf die spezielle Interessengleichrichtung im Umlegungsrecht abgehoben. Daran anschließend heißt es: "Im Rahmen dieser Zielrichtung beruht die Umlegung auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit der vom Beteiligten in das Verfahren eingelegten und der ihm zugeteilten Grundstücke". Auf eine gleichwertige Abfindung habe der Beteiligte einen An7 Vgl. zu dieser Entwicklung Schmidt-Aßmann, DVB1. 1973, 633 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 144 ff.
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spruch. Von dieser Basis aus versucht das Gericht sodann, die Abschöpfung des über die gleichwertige Zuteilung hinausreichenden Mehrwerts zu begründen. Dabei zeigt sich jedoch, daß die bisher entwickelten Prinzipien des Umlegungsrechts dazu nicht geeignet sind. Weder aus der speziellen umlegungsrechtlichen Interessenkonstellation noch aus der bisher als Mindestabfmdung entwickelten Gleichwertigkeitsgarantie folgt nämlich, daß umlegungsbedingte Vorteile abgeschöpft werden müssen. Das Gericht kommt denn auch ohne einen grundlegenden Wechsel der Argumentation nicht aus. Etwas unvermittelt heißt es im Anschluß an die Ausführungen zum Gleichwertigkeitsgebot: "Die Vorteilsausgleichung ist ein allgemeiner Abfindungsgrundsatz der Umlegung". Das allerdings wird nicht aus den Systemgedanken der Umlegung entwickelt, sondern nur durch Zitate aus dem positiven Recht belegt. Die Verknüpfung des neuen Gedankens mit den bisherigen Grundlagen der Umlegung will folglich nicht recht gelingen: "Gerade weil die Umlegung auf dem Grundsatz der wertgleichen - nicht nur der angemessenen - Abfindung beruht, muß sie notwendig durch den Grundsatz der Vorteilsausgleichung ergänzt werden. Der an der Umlegung Beteiligte soll keinen Schaden erleiden, aber durch die Maßnahmen der Allgemeinheit auch keinen unmittelbaren Gewinn erzielen". Das alles wird schließlich - deutlicher könnte die Abgrenzung vom älteren Systemgedanken der eigentümernützigen Umlegung nicht demonstriert werden! - mit einem Hinweis auf den Vorteilsausgleich im Enteignungsrecht zu untermauern versucht. Gerade diese Passage des Urteils belegt deutlich, daß Gleichwertigkeitsgebot und Vorteilsausgleich keineswegs notwendig aufeinander bezogene Institute sind. Der Vorteilsausgleich kommt nicht über das Gebot der Gleichwertigkeit von Einwurf- und Zuteilungsgrundstück in das Umlegungsrecht, sondern läßt sich umlegungsrechtlich nur durch das Prinzip der pro-rata-Gleichheit der Beteiligten rechtfertigen. Diese Begründung aber weist ihm eine nur beschränkte Position zu: Er muß vor dieser Gleichheit nicht gerechtfertigte Wertunterschiede unter den Beteiligten ausgleichen, nicht aber verlangen die Grundlagen der Umlegung eine Abschöpfung zugunsten der Allgemeinheit. Die tragende Begründung des Gerichts für den Mehrwertausgleich, der als Flächenabzug oder als Geldausgleich vorgenommen werden könne, löst sich im folgenden gänzlich vom Umlegungsrecht und bemächtigt sich allgemeiner Überlegungen zur Abschöpfung von Wertzuwächsen. So heißt es, Eigentum i.S.d. Art. 14 GG umfasse nicht den unverdienten Wertzuwachs, der durch die von der Allgemeinheit getragenen Umlegungsmaßnahmen erst ermöglicht werde. - Urteil vom 6.10.1960 (BVerwGE
12, Iff.)
Entscheidungsgegenstand waren Landabzüge für Erschließungszwecke. Das Gericht bestätigt zunächst seine alte Auffassung, solche Abzüge stellten keine
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Enteignung dar, wenn sie sich im Rahmen der Zweckbestimmung der Umlegung halten und der Grundsatz der wertgleichen Landabfindung gewahrt ist. Landabzüge für andere Zwecke dagegen seien Enteignungen. Demgemäß stellt das Gericht fest, die im zu entscheidenden Streitfall abgezogenen Flächen seien für die Verkehrserschließung dieses Gebiets notwendig gewesen. Nach den voraufgehend entwickelten Abgrenzungskriterien hätte es jetzt nur noch einer (kurzen) Feststellung bedurft, daß der Kläger außerdem wertgleich abgefunden worden sei. Das Gericht setzt jedoch diesen naheliegenden Argumentationsduktus nicht fort, sondern führt einen neuen Gedanken ein, der die Abgrenzung zwischen Umlegung und Enteignung nicht mehr nach der unterschiedlichen Zweckrichtung der beiden Institute, sondern nach der Intensität des Eingriffs vorzunehmen versucht. Dieser Sprung in der Gedankenführung wird nur verständlich, wenn man das Bemühen des Gerichts sieht, sich gegen eine kurz vorher vom bayrischen Verwaltungsgerichtshof bestätigte Auffassung abzugrenzen, derzufolge Landabzüge in der Umlegung als Enteignungen einzustufen seien. Hiergegen gewendet sagt das Bundesverwaltungsgericht: "Bei den im Umlegungsverfahren geforderten Landabgaben könnte dann eine Enteignung vorliegen, wenn dem Eigentümer zustehende rechtliche Befugnisse entzogen oder der wirtschaftliche Wert des Eigentumsobjektes durch den behördlichen Eingriff geschmälert würden". Von diesem Ansatzpunkt aus muß eine Einstufung der Landabzüge als noch eigentumsbindende Maßnahme zunächst erhebliche Schwierigkeiten machen. Das gilt insbesondere dort, wo Einwurfsgrundstücke wegen ihrer Lage ganz oder ganz überwiegend für Verkehrszwecke in Anspruch genommen werden; denn evidentermaßen wird das ursprüngliche Eigentum hier erheblich geschmälert oder sogar ganz aufgehoben. Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, greift das Gericht auf den Gedanken der Surrogation zurück: "Das Eigentumsrecht bleibt durch die Umlegung unberührt. Die Änderung tritt nicht in der Person des Eigentümers, sondern im Gegenstand des Eigentumsrechts ein". Dem Eigentumsrecht werde nur ein anderes Objekt unterschoben. So eingesetzt erhält das Surrogationsprinzip Gewicht, um den mit jeder Umlegung verbundenen realen Vorgang einer Depossedierung zu überspielen. Dem folgt eine recht leichtfertige Argumentation des Senats: Art. 14 GG sei nicht nur eine Bestandsgarantie, sondern auch eine Wertgarantie. Da die Schutzfunktion der Bestandsgarantie mit Hilfe des Surrogationsprinzips praktisch überwunden ist, bleibt als Problem nur die Wertgarantie. Ihr aber wird nach Ansicht des Senats genügt, wenn wertgleiche Landabfindung erfolge. Mehr sei eigentumsrechtlich nicht geboten und vom Gedanken des Vorteilsausgleichs nicht gedeckt. Nicht vollständig aufklärbar bleibt das Verhältnis, in dem diese auf Surrogation und Wertgleichheit gestützte Argumentation zu dem eingangs des Urteils herangezogenen Interessenkriterium steht. Wollte man in ihr eine (neue) eigenständige Begründung des nur inhaltsbestimmenden Charakters der Um-
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legung sehen, so würde das einer Rechtsentwicklung die Wege ebnen, bei der die Umlegung deutlich fremdnützige Zwecke verfolgen dürfte, wenn nur die Wertgleichheit der Landabfindung gewahrt wäre. Die Analyse des Urteils deutet jedoch darauf hin, daß das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ablösung des Instituts von dem vertrauten Dogma der Privatnützigkeit nicht beabsichtigt hat. Anders sind die voraufgehenden Passagen über die konkrete Privatnützigkeit des Flächenabzugs für die zur Erschließung notwendigen Straßen nicht verständlich. Anders ist es nicht einsehbar, warum das Gericht am Schluß nochmals auf das Interessenkriterium zu sprechen kommt und die Privatnützigkeit des Flächenbeitrags darin sieht, daß die Erschließungsanlagen der funktionsgerechten Verwendung des Grundbesitzes der Beteiligten dienen. - Urteil vom 29.3.1968 (BVerwGE
29, 257ff.)
Bleiben nach alledem auch nach den Urteilen Vom 6.8.1959 und 6.10.1960 die unterschiedlichen Interessenrichtungen das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung der Umlegung von der Enteignung, so haben beide Urteile doch eine erhebliche Verunsicherung der Umlegungsdogmatik zur Folge gehabt, weil sie das Verhältnis der Elemente einer Folgenbetrachtung (Surrogation, Gleichwertigkeit) zur überkommenen Zweckbetrachtung nicht deutlich genug herausstellen8. Das gilt auch für die Entscheidung vom 29.3.1968. In ihr beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, ob die Einleitung einer Flurbereinigung auch gegen den Willen der Betroffenen zulässig ist. Das wird im Ergebnis bejaht. Die Begründung hebt auf eine objektive Betrachtungsweise ab; danach müsse ein wirtschaftliches Interesse der Teilnehmer an der Neugestaltung bestehen. Dieses Argument wiederum findet seine Basis in der spezifischen Interessenrichtung der Umlegung. Das Urteil macht diesen Bezug leider nur am Rande deutlich, nicht ohne im Satz vorher auf die Gleichwertigkeit der Abfindung abzuheben. - Urteil vom 26.11.1969 (BVerwGE
34t 199 ff.)
Auch hier geht es um Flächenabzüge in der Flurbereinigung. Sie sind gem. § 47 i.V.m. § 40 FlurbG zulässig für Anlagen im öffentlichen Interesse, sofern sie nur "Land in verhältnismäßig geringem Umfange" betreffen. Daß die 8
Vgl. ferner BVerwG DVB1. 1961, 551 f.: "Eine rechtmäßig durchgeführte Flurbereinigung, die den Grundsatz der wertgleichen Abfindung wahrt, kann keine Enteignung sein." Diese Aussage umfaßt das Zweckkriterium erkennbar immanent im Begriff der rechtmäßig durchgeführten Flurbereinigung, läßt es aber ebenfalls an einer klaren Begründung fehlen.
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
Anlage den Interessen der Teilnehmer dient, ist nicht notwendig. Dient sie nicht wenigstens zugleich diesen Interessen, so hat der neue Eigentümer der Anlage jedoch einen angemessenen Kapitalbeitrag zu leisten (§40 S. 3 FlurbG). Das Gericht trennt die hier gemeinte Regelflurbereinigung von der Unternehmensflurbereinigung, die unter Enteignungsvoraussetzungen steht. Zur Einstufung der Regelflurbereinigung wird direkt nichts gesagt. An versteckter Stelle findet sich der Hinweis, § 40 S. 3 FlurbG mache deutlich, "daß es sich bei der Bereitstellung solcher Art um Maßnahmen enteignenden Charakters handelt" (S. 204). Der verhältnismäßig geringe Umfang soll an dieser Konsequenz erkennbar so wenig etwas ändern wie Surrogation und Vorteilhaftigkeit der Umlegung. Andererseits macht ein so motivierter Abzug die Flurbereinigung erkennbar nicht als solche zur Enteignung. Der Hinweis auf den enteignenden Charakter steht auf dogmatisch schwachem Fundament und ist erkennbar auch in seinen prozeßrechtlichen Konsequenzen wenig durchdacht. 3. Bedeutung der jüngeren Rechtsprechung
Das Umlegungsrecht gehört seit 1960 gem. § 217 BauGB in die Zuständigkeit der Kammern und Senate für Baulandsachen. Das Bundesverwaltungsgericht hat heute folglich nur Anlaß, zum Umlegungsrecht Stellung zu nehmen, wenn es sich um verschränkte Fragestellungen handelt; mittelbare Bezugnahmen finden sich ferner im Zusammenhang mit der Flurbereinigung. - Urteil vom 12.4.1984 (BVerwGE
69, 183 ff.)
In dieser Entscheidung beschäftigt sich der für die Flurbereinigung zuständige 5. Senat mit einer Fragestellung aus dem Grenzbereich zwischen Naturschutz und Flurbereinigung. Es geht erneut um Flächenabzüge, die die Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens nach §§ 40, 47 FlurbG hinzunehmen haben. Dem Kläger war ein 5 m breiter Uferschutzstreifen abgemarktet worden. Das Gericht führt aus, eine im Einklang mit dem Gesetz vorgenommene Flurbereinigung sei "schlechthin keine Enteignung". §40 FlurbG sei deshalb auch nicht als Enteignungsnorm i.S.d. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ausgestaltet. Auch sonst sieht das Gericht keine Bedenken gegenüber Flächenabzügen verhältnismäßig geringfügiger Art, weil der Anteil "nach allgemeiner Erfahrung hinter dem Vorteil zurück bleibt, den die Flurbereinigung dem einzelnen Teilnehmer bringt". Der Hinweis auf die "enteignende Maßnahme" im Urteil vom 26.11.1969 wird nicht wiederholt; es wird vielmehr angemerkt, auch diese Entscheidung sei von "dieser Auffassung" ausgegangen (S. 186). Bei dieser Bemerkung bleibt allerdings unklar, ob sich die Auffassung auf die enteignungsrechtliche oder auf die allgemeine eigentumsrechtliche Einstufung
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des Flächenabzuges bezieht. In der Sache selbst will das Gericht ersichtlich auch den fremdnützigen Flächenabzug in dem bezeichneten Umfange nicht als Tatbestand behandeln, der die Flurbereinigung partiell zu einer Enteignungsmaßnahme macht. Ob der Abzug des Uferstreifens mindestens zugleich dem wirtschaftlichen Interesse der Teilnehmer dient, wird in der Entscheidung nicht deutlich. - Urteil vom 14.3.1985 (BVerwGE
71, 108 ff.)
Klarer gibt das flurbereinigungsrechtliche Urteil des 5. Senats vom 14.3.1985, das Anlaß zu der (unter Β I 3 zu besprechenden) Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde, einige Hinweise auf die eigentums-verfassungsrechtliche Einordnung der Umlegung in der jüngeren Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts. Gegenstand des Urteils war eine Verfahrenskombination von Regelflurbereinigung, Unternehmensflurbereinigung zum Bau von Straßen und einem Vorhaben zur Errichtung eines Prüfgeländes (Teststrecke) für ein privates Unternehmen. Das Gericht arbeitet zunächst heraus, daß die Voraussetzungen dieser Verfahren trotz einheitlicher Durchführung getrennt begutachtet werden müssen (S. 112 f.). Die Flurbereinigung für das "Vorhaben Prüfgelände" ist danach keine Regelflurbereinigung, sondern eine städtebauliche Unternehmensflurbereinigung nach § 144f BBauG (§190 BauGB); als Unternehmensflurbereinigung steht sie unter Enteignungsvoraussetzungen (S. 118 f.). In diesem Zusammenhang verwirft der Senat den Einwand, wegen der von dem privaten Unternehmen eingeworfenen Flächen komme es gar nicht zu Landabzügen bei den Teilnehmern, so daß auch die Enteignungsvoraussetzungen nicht ausgelöst seien (S. 120). Der dem § 55 Abs. 5 BauGB zugrundeliegende Rechtsgedanke soll nach Auffassung des Gerichts nur dort von der Beachtung der Enteignungsvoraussetzungen entbinden, wo "von der Interessenlage her" ein der städtebaulichen Umlegung vergleichbares Regelflurbereinigungsverfahren durchgeführt werde. Welche Interessenlage diese beiden Verfahren kennzeichnet, wird nicht ausdrücklich gesagt. Der Zusammenhang macht aber deutlich, daß es die Interessen einer engeren Gemeinschaft an einer privatnützigen Grundstücksverwendung sind, denen die Interessen an einer anderen als ländlichen Grundstücksnutzung gegenüberstehen. Das Urteil ist also wieder deutlicher von der Interessenformel bestimmt, die die ältere Rechtsprechung herausgearbeitet hatte. Die Folgen dagegen sind für die Qualifikation nicht entscheidend. Von der Regelflurbereinigung selbst sagt das Gericht an späterer Stelle, sie sei auch hinsichtlich der Landabzüge nach § 47 FlurbG keine Enteignung (S. 139). Dazu wird u.a. die Entscheidung vom 12.4.1984, nicht aber diejenige vom 26.11.1969 zitiert. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Verfahren könnten "bei sachgerechter Durchführung" nicht geltend gemacht werden. Die sachge-
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rechte Durchführung setzt erkennbar voraus, daß "das wohlverstandene, auf sachlichen Erwägungen beruhende Interesse der Beteiligten" gem. § 4 FlurbG festgestellt ist (S. 137). Die Interessenformel kehrt hier also in einer konkreten Variante wieder. - Urteil vom 22.3.1990 (BVerwGE
85, 96 ff.)
Auf den ersten Blick erscheint dieses Urteil als eine umlegungsrechtliche Sensation. Die Entscheidung befaßt sich mit der Rückübereignung einer Fläche, die in einer zurückliegenden Umlegung für öffentliche Zwecke vorab ausgesondert worden war, deren Zuweisungszweck aber später entfallen war. Der Kläger wollte einen solchen Anspruch aus der verfassungsunmittelbaren Rückenteignungs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9 ableiten. Ein solcher Anspruch läge für den zu entscheidenden Fall dann besonders nahe, wenn die Umlegung als Enteignung zu qualifizieren wäre. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts beschäftigt sich deshalb zunächst mit dieser Frage. Er referiert kurz die Ansicht der Rechtsprechung, daß die Umlegung grundsätzlich nicht als Enteignung anzusehen sei. Dieser Auffassung habe sich auch das Schrifttum angeschlossen. Hingewiesen wird sodann auf einige Stimmen in der jüngeren Literatur, die die Umlegung generell oder jedenfalls soweit der Eigentümer ein gegenüber dem Einwurfsgrundstück verkleinertes Zuteilungsgrundstück erhalte, als Enteignung qualifizieren wollen. Der Senat läßt diese Frage offen; "denn selbst wenn keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzunehmen ist", kommt seiner Ansicht nach ein verfassungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch in Betracht (S. 99). Auch diese Frage wird dann aber offen gelassen, weil die komplexe Struktur der Umlegung keine unmittelbare Rückübertragung, sondern ein besonderes Verfahren dafür vorsehe (§ 73 BauGB). Mit diesem Verfahren -das wiederum unsere Qualifikationsproblematik nicht betrifft - beschäftigt sich das Gericht dann genauer. Die Frage bleibt, ob im Offenlassen der eigentumsrechtlichen Qualifikation eine vorsichtige Distanzierung des 4. Senats von einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof gemeinsam vertretenen Rechtsprechung gesehen werden muß, oder ob hier lediglich entscheidungsökonomisch ein Streit ausgeklammert worden ist, auf den es im Urteil letztlich nicht ankam. Diese Frage ist aus der Entscheidung selbst heraus kaum zu beantworten. Eigene Zweifel an der überkommenen herrschenden Anschauung hat der Senat nicht formuliert. Auf der anderen Seite mag das Urteil vom 22.3.1990 immerhin als Anzeichen dafür genommen werden, daß der Senat bei sich bie9
BVerfGE 38, 175 ff.
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tender Gelegenheit die Qualifikationsproblematik erneut grundlegender aufzurollen beabsichtigt. Von einer ganz sicheren Fortsetzung der überkommenen Judikatur wird man beim Bundesverwaltungsgericht danach nicht mehr ausgehen dürfen. Schon hier werden folglich gewisse Unsicherheiten deutlich, mit denen jede Fortentwicklung des Umlegungsrechts zur Zeit belastet ist. Π. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hat sich über mehr als drei Jahrzehnte hin bis in die jüngste Zeit immer wieder mit der Rechtsnatur der Umlegung und ihren durch das Verfassungsrecht gesetzten Grenzen beschäftigt. Er hat sich an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angelehnt. Nach und nach sind dabei zwei Hauptkriterien als bedeutsam für die Qualifikationsfrage entwickelt worden. Sie werden hier als "Interessenformer (1) und als "Wertformel" (2) getrennt behandelt10. 1. Die Interessenformel als Grundlage
Grundlage der eigentumsverfassungsrechtlichen Einordnung der Umlegung bildet die Interessenformel: Umlegungen sind im Gegensatz zu Enteignungen privatnützig. Diese Grundlinie ist schon früh festgelegt worden. Sie wurde zuweilen mit weiteren Kriterien in nicht immer klarer Weise kombiniert, ist aber gerade in der neueren Rechtsprechung wieder dominierend (a). So einfach sie als Faustregel zu formulieren ist, so ergeben sich bei der Beurteilung im Einzelfall freilich Konkretisierungsprobleme (b). a) Grundlinie: Privatnützigkeit In dem ersten einschlägigen Urteil setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, wie die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Einstufung der Umlegung als eigentumsinhaltsbestimmende Maßnahme mit seiner eigenen, an der Sonderopfertheorie ausgerichteten Enteignungsdogmatik zu vereinbaren sei. Das Urteil gelangt dabei sehr schnell zu dem Ergebnis, die umlegungsrechtliche Interessenformel füge sich in die Sonderopferlehre ein, wie sie insbesondere im Beschluß des Großen Senats vom 10.6.195211 entwickelt worden sei: Die Enteignung diene in der Tat - was der Große Senat nicht besonders habe zu betonen brauchen - einem fremden Interesse. Die Umlegung dagegen werde im Interesse der Allgemeinheit und im gleichge10 Zu dieser Rechtsprechung vgl. Kröner, 1995, 5 ff. 11 BGHZ 6, 270 ff.
ZfBR 1979, 1 ff.; Bielenberg, ZffiR
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richteten privatnützigen Interesse der Grundstückseigentümer durchgeführt 12. Die Privatnützigkeit des Instituts wird nicht subjektiv-individuell, sondern typisierend interpretiert. Sie muß sich folglich nicht notwendig in den subjektiven Vorstellungen jedes einzelnen Betroffenen nachweisen lassen. Um auch in solchen Fällen den nicht-enteignenden Charakter der im Umlegungsverfahren unstreitig vorkommenden Eingriffe darzutun, bedient sich der Bundesgerichtshof dreier zusätzlicher dogmatischer Figuren, die den Zusammenhang zwischen der typisierten Privatnützigkeit der Gesamtmaßnahme und dem individuellen Zwangseingriff verstärken und damit die prägende Wirkung der Privatnützigkeit erhalten sollen13. - Zum einen wird an das der Enteignungsdogmatik auch sonst vertraute Dogma der Sozialgebundenheit angeknüpft: Dem Grundbesitz, dessen Wert durch Umlegung gesteigert werden könne, hafte von vorneherein die rechtliche Eigenschaft an, Objekt eines Umlegungsverfahrens werden zu können. - Zum anderen greift der Bundesgerichtshof auf den Surrogationsgedanken zurück: Ein Sachopfer werde den Umlegungsbetroffenen gar nicht abverlangt, weil das Verfahren von der "Idee der ungebrochenen Fortsetzung des Eigentums an einem 'verwandelten' Grundstück" beherrscht sei. - Zum dritten wird auf den Grundsatz wertgleicher Abfindung verwiesen. Auch er soll erkennbar eine die Eingriffsintensität mindernde Funktion in diesem Argumentationszusammenhang haben. Allerdings ist die Funktion nur eine negative: Eine mehr als marginale Abweichung vom Grundsatz wertgleicher Abfindung läßt die Umlegung in eine Enteignung umschlagen. Nicht aber gewährleistet die Einhaltung dieses Abfindungsgrundsatzes allein den inhaltsbestimmenden Charakter der Umlegung (vgl. dazu unter 2.). In der Folgezeit ist der Rang dieser Zusatzkriterien nicht immer eindeutig auszumachen gewesen. Insbesondere die Bedeutung des Surrogationsprinzips scheint überschätzt worden zu sein. Im letzten Jahrzehnt zeichnet sich eine Rückorientierung an der ursprünglichen Interessenformel ab. Besonders nach der Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.3.198714 bestand Anlaß, die Interessenformel wieder eindeutig als Grundlinie der Abgrenzung herauszustellen. Im "Winterberg"-Urteil vom 13.12.199015 sagt der Bundesgerichtshof: "Das Baugesetzbuch regelt die Umlegung als Inhaltsbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, nicht als Enteignung. Für die Enteignung ist u.a. kennzeichnend, daß der Enteignungsunternehmer 12 13 14 15
BGHZ 27, 15 ff. BGHZ 27, 15 (24). BVerfGE 74, 264 ff.; vgl. unter Β I 3. BGHZ 113, 139 ff.
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ein dem Enteigneten gegenüber fremdes, selbständiges Interesse durchsetzt; die Umlegung dient, indem sie die plangerechte, zweckmäßige Nutzung der Grundstücke ermöglicht, zwar den Interessen der Allgemeinheit an der Nutzung des Bodens, zugleich aber auch den insoweit gleichgerichteten Interessen der Eigentümer. " Dazu werden Entscheidungen des Senats vom 19.1.198416 und vom 6.12.198417, in denen derselbe Gedanke im Zusammenhang mit Wert- und Abzugsfragen schon vorher aktualisiert worden war, sowie die älteren grundlegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. oben I 1) zitiert 18. Die Abgrenzung auf den Punkt bringend formuliert der Bundesgerichtshof im Urteil vom 13.12.1990: "In diesem Sinne ist die Umlegung durch ihre Privatnützigkeit gekennzeichnet, während die Enteignung eine im Fremdinteresse liegende Maßnahme darstellt". Dieser Gesichtspunkt der Privatnützigkeit soll nicht nur der generellen Kennzeichnung der Umlegung als Rechtsinstitut dienen; er soll auch bei der Anwendung der §§45 ff. BauGB im Einzelfalle Beachtung erlangen. b) Zweckkonkretisierungen Das einzelne Umlegungsverfahrens muß, um die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Instituts und seine gesetzliche Ausgestaltung nicht zu verfehlen, privatnützigen Zwecken folgen. Für unzulässig wird daher eine Umlegung dann angesehen, wenn es der Gemeinde allein darum geht, nach § 58 Abs. 1 BauGB einen Flächenbeitrag zu erhalten: sog. Verbot der reinen Wertumlegung19. Schwieriger stellen sich die Dinge dar, wenn die Umlegung im Zusammenhang mit Straßenbaumaßnahmen durchgeführt werden soll. In einer älteren Entscheidung heißt es dazu: "Die Gewinnung von Straßenland als alleiniger (oder zumindest entscheidender) Zweck würde die Umlegung nur dann unzulässig machen, wenn nach Abtrennung des Straßengeländes die verbleibenden Restgrundstücke einer Neuordnung nach Maßgabe des § 45 BBauG nicht bedürfen" 20.
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BGHZ 89, 353 (357 f.). BGHZ 93, 103 ff. 18 Die ebenfalls zitierte Senatsentscheidung vom 12.3.1987 (BGHZ 100, 148 ff.) gibt die Grundlinie dagegen nicht hinreichend deutlich wieder. 19 BGH NJW 1981, 2124. 20 BGH WM 1968, 1283; vgl. ferner BGH WM 1966, 1059 ff., BGH WM 1967, 637 f., BGH WM 1969, 1488 f. 17
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
Dabei ging es jedoch um Verkehrsflächen, die überwiegend den Bedürfnissen der Bewohner des Umlegungsgebietes dienen sollten. In diesen Fällen mag man die Umlegung als Folge einer immerhin privatnützig veranlaßten Maßnahme ansehen. Wie aber ist zu entscheiden, wenn die das Neuordnungsbedürfnis auslösende Straßenbaumaßnahme keinen derartigen Bezug zum Umlegungsgebiet und seinen Bewohnern aufweist? Dazu sagt der Bundesgerichtshof in dem zitierten neueren Grundlagenurteil vom 13.12.199021: "Verfolgt die Gemeinde dabei insgesamt eine fremdnützige Zielsetzung, so kann sie die für erforderlich gehaltenen bodenordnenden Maßnahmen auch dann nicht im Umlegungsverfahren treffen, wenn sie zum Ausgleich der Vorwegausscheidungen nach § 55 Abs. 5 BauGB/BBauG geeignetes Ersatzland zur Verfügung stellt; ihr verbleibt dann zur Durchsetzung der Bauleitplanung nur das Mittel der Enteignung." Die Interessenformel wird auf diese Weise klarer konturiert. Es ergibt sich dabei dann freilich sogleich eine Konkretisierungsproblematik: - Zweckobjektivierungen: Anerkannt ist immerhin, daß sich das Neugestaltungsinteresse nicht auch dem einzelnen Eigentümer in seinem subjektiven Empfinden als solches darstellen muß. Legitimierend wirkt vielmehr schon ein objektiviertes, "wohlverstandenes" Interesse, selbst wenn es der Eigentümer nicht erkennt22. - Zwecktypisierungen: Die in diesem Sinne privatnützige Zielsetzung muß sich auf das Umlegungsgebiet als Ganzes, nicht auf jedes einzelne Grundstück beziehen. Die Zweckbestimmung der Umlegung erfordert folglich nicht stets, daß der tatsächliche Zuschnitt jedes einzelnen Grundstücks in der Umlegung verändert wird. Es komme, so sagt der Bundesgerichtshof, darauf an, ob die Umlegung insgesamt noch als privatnützig angesehen werden könne. Von einer "Gesamtbeurteilung aller wesentlichen Umstände" ist die Rede23. - Zweckstufungen: In diese Gesamtbetrachtung sind auch die hinter der Umlegung stehenden weiteren städtebaulichen Zwecke einzubeziehen. Man kann hier von einer gestuften Zweckkonkretisierung sprechen. Wie schon im Straßenlandbeispiel deutlich, kann auch eine das Neuordnungsbedürfnis erst auslösende Maßnahme die Umlegung legitimieren, wenn sie ihrerseits im Rahmen eines größeren Programms als dem Gebiet dienend einzustufen ist. Das Urteil vom 13.12.1990 zeigt das für eine dem überörtlichen Verkehr dienende, d.h. also selbst nicht gebietsbezogen privatnützige Straße, deren Ver21
BGHZ 113, 139 (145). BGHZ 31, 49 (54); zum vergleichbaren Problem bei der Beurteilung der "zweckmäßigen Gestaltung" i.S.d. § 45 Abs. 1 BBauG vgl. ferner BGH WM 1976, 1036 ff.; BVerwGE 29, 257 ff. 23 BGHZ 113, 139 (145). 22
Α. Fachgerichtliche Rechtsprechung und Schrifttum
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legung aber zur Behebung städtebaulicher Mißstände des Gebietes notwendig ist: "Dabei kann die Einbettung des Umlegungsverfahrens in die städtebauliche Sanierung den Zweck der Umlegung als eine den Bedürfhissen der betroffenen Eigentümer dienende Maßnahme auch in den Fällen entscheidend prägen, in denen die beabsichtigte Neuordnung von Grundstücken im Zusammenhang mit der Verlegung einer überörtlichen Straße steht." Die Argumentation des Bundesgerichtshofs kann städtebaurechtlich durchaus Plausibilität beanspruchen. Ob sie allerdings der Kontrolle durch das eher isoliert eigentumsrechtlich argumentierende Bundesverfassungsgericht hätte standhalten können, ist nicht entschieden worden. Die gegen das Urteil vom 13.12.1990 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde zurückgenommen. Wir werden auf diese (auch) durch unterschiedliche "Rationalitätsmuster" der Praxis und der Verfassungsgerichtsbarkeit zurückzuführende Rechtsunsicherheit später zurückkommen (C I). Jedenfalls kann nicht jeder planungsbedingte Anlaß als Legitimationsgrund für eine privatnützige Umlegung anerkannt werden. Andernfalls würde über die Breite der Planungszwecke gem. § 1 Abs. 5 BauGB das Privatnützigkeitsdogma von innen heraus aufgelöst. 2. Die Wertformel als Zusatzkriterium
Die Privatnützigkeit der Maßnahme trennt die Umlegung von der Enteignung. Sie ist unverzichtbar, um von einer inhalts- und schrankenbestimmenden Maßnahme nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sprechen zu können. Die Interessenformel allein bewahrt die Umlegung im weiteren Verlauf ihrer Durchführung jedoch nicht notwendig davor, sich doch noch als Enteignung zu erweisen. Daß ein solcher "Umschlag" auch auf der Basis des neueren Eigentumsverfassungsrechts denkbar ist, wurde oben dargelegt (vgl. vor A). Ein solcher Umschlag kann eintreten, wenn das, was der Eigentümer nach Durchführung der Umlegung erhält, dem Wert seines eingeworfenen Grundstücks in keiner Weise entspricht. In dieser vereinfachenden Umschreibung wird deutlich, daß auch die hier sog. Wertformel letztlich in der Interessenformel wurzelt: Eine eingreifende Maßnahme, die weniger erbringt als das, was den status quo ausmacht, kann in aller Regel nicht als privatnützig eingestuft werden. Die Wertformel verfeinert das Privatnützigkeitstheorem also und macht die in der Umlegung angelegten verfassungsrechtlichen Schranken in einer besonderen Hinsicht, nämlich im Blick auf die Zuteilung, deutlich. Der Bundesgerichtshof hat diese Formel nach und nach als Zusatzkriterium zur Interessenformel herausgearbeitet. Bereits im Urteil vom 3.3.1958 ist der Grundsatz wertgleicher Abfindung mit genannt (vgl. oben unter 1 a). Im Ur-
3 Schmidt-Aßmann
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
teil vom 12.10.195924 heißt es ausführlicher: "Alle Grundstückseigentümer eines solchen Gebietes stehen infolge ihres eigenen wohlverstandenen - wenn auch vielleicht von ihnen selbst nicht erkannten - Interesses an der Aufschliessung des Geländes in der Gemeinschaft. Auf dieser situationsgebundenen Gegebenheit baut das Umlegungsverfahren auf." Von diesem Ansatzpunkt her wird der Gedanke einer Solidargemeinschaft deutlich, der sich vor allem auch bei der Zuteilung zu bewähren hat: "Alle zum Umlegungsgebiet gehörenden Grundstücke werden in die Umlegungsmasse eingeworfen; jedes Mitglied bleibt an dem in diese Gemeinschaft eingeworfenen Gesamtgrundbesitz wertmäßig in gleichem Maße beteiligt; die Umlegungsmasse wird - nach Aussonderung der zur Aufschließung erforderlichen Gemeinflächen - entsprechend dem Anteil der von den einzelnen Grundeigentümern eingeworfenen Grundstücke an der Umlegungsmasse gleichmäßig auf alle beteiligten Grundeigentümer wieder verteilt." Demgemäß bedeutet "jede Maßnahme, durch die einem Umlegungsbeteiligten weniger Land zugewiesen wird, als dem Anteilsverhältnis seines in die Umlegungsmasse eingeworfenen Grundbesitzes zu dem zur Verteilung gelangenden Land entspricht, ein Sonderopfer, weil er dann weniger Wertanteil als die anderen Beteiligten erhält." Die Gleichwertigkeit der Zuweisung ist hier vom Visitant eil, nicht vom Wertbetrag her definiert. Beide Gesichtspunkte, die Unterschreitung einer dem Sollanspruch gemäßen Zuteilung und die Unterschreitung einer den Grundsatz wertgleicher Abfindung entsprechenden Zuteilung, werden im Urteil vom 21.2.198025 zusammengeführt. Es ging um Flächenabzüge nach §§ 57, 58 BBauG, um eigentumsrelevante Vorgänge also, die sich im Rahmen des nach § 45 BBauG determinierten Umlegungsverfahrens abspielten. Abzüge dieser Art sollen das eigentumsinhaltsbestimmende Wesen der Umlegung grundsätzlich nicht verändern, weil sie kein Sonderopfer für einzelne Grundstücke darstellen und den verfassungsrechtlich geschützten Kern des Eigentums nicht berühren. Im Anschluß an diese Feststellungen heißt es jedoch: "Nun kann freilich der Wert einer dem Sollanspruch entsprechenden Zuteilung hinter dem Wert des eingeworfenen Grundstücks zurückbleiben; ferner kann sich bei der tatsächlichen Zuteilung zwecks Verwirklichung des Bebauungsplans und unter Beachtung der Notwendigkeit, zweckmäßig gestaltete Grundstücke in möglichst gleicher oder gleichwertiger Lage zu schaffen, ergeben, daß die tatsächliche Zuteilung hinter dem Sollanspruch zurückbleibt (bleiben muß). In diesen Fällen wird die Umlegung zur Enteignung, wenn es sich nicht nur um geringfügige Spitzen handelt." Beide Aussagen sollen je für sich eigenständige Enteignungs24 25
BGHZ 31, 49 ff. BGH NJW 1980, 1634 ff.
Α. Fachgerichtliche Rechtsprechung und Schrifttum
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schwellen bezeichnen. Sie stehen im Verhältnis der Alternativität, nicht der Kumulation. Andernfalls wäre die zweite Aussage überflüssig, weil eine unter dem Einwurfswert liegende Abfindung (Aussage 1) grundsätzlich und ohne eines Zusatzes zu bedürfen gegen das Gebot wertgleicher Abfindung verstößt. Auch die zweite Aussage stellt keine Neuigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar. Sie ist vielmehr eine Konsequenz der pro-rataGleichheit unter den Beteiligten. Der Senat nimmt hier den Sollanspruch als Indikator für eine gleichmäßige Abfindung, die aus dem Gedanken der Solidargemeinschaft folgt. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in den Urteilen vom 19.1.198426 und vom 6.12.198427 bestätigt. Das Baugesetzbuch ist ihr insofern sogar beigetreten, als § 57 S. 2 - anders als die Vorläuferregelung des § 57 BBauG - als Mindestwertregelung ausgestaltet worden ist und § 59 Abs. 2 S. 2 für den Ausgleich in den Fällen, in denen die Zuteilung den Einwurfswert oder mehr als unwesentlich den Sollanspruch unterschreitet, die entsprechende Anwendung der enteignungsrechtlichen Entschädigungsvorschriften festlegt28. Die Wertformel ist freilich nur ein Zusatzkriterium. Soweit sie eingehalten ist, erwachsen der Qualifizierung der Umlegung als inhaltsbestimmende Maßnahme i.S. des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG keine zusätzlichen Hemmnisse. Aus sich heraus dieses Ergebnis positiv zu begründen vermag die Formel nicht. Hierzu bedarf es der Interessenformel der Privatnützigkeit. Fehlt es an letzterer, so ist eine Maßnahme selbst dann keine inhaltsbestimmende Umlegung, wenn die Zuteilung dem Sollanspruch und der Wertgleichheit entspricht. Das gilt auch für Flächenabzüge nach § 55 BauGB. Sie sind als inhaltsbestimmende Maßnahmen nur dann einzustufen, wenn die Flächen dem Interesse der beteiligten Eigentümer und ihrer Grundstücke dienen29. Flächenabzüge nach § 55 Abs. 5 BauGB stellen dagegen trotz des vom Erschließungsträger geleisteten Flächeneinwurfs enteignende Elemente dar (vgl. unten 2. Abschnitt C IV 1).
26 27 28 29
*
BGHZ 89, 353 ff. BGHZ 93, 103 ff. Vgl. Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 45 Rn. 12. Vgl. BGHZ 113, 139 (144 f.).
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
ΠΙ. Die eigentumsverfassungsrechtliche Einstufung der Umlegung in der Literatur Die juristische Fachliteratur der Kommentare und Aufsätze folgt zum ganz überwiegenden Teil der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung und behandelt die städtebauliche Umlegung nicht als Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, sondern als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (1). Im frühen Schrifttum und neuerlich wieder im Anschluß an die verfassungsgerichtliche Enteignungsrechtsprechung finden sich jedoch auch Stimmen, die diese Regelzuordnung nicht teilen (2). 1. Umlegung als Inhalts- und Schrankenbestimmung
Bei dieser Einordnung geht es regelmäßig um die Umlegung als solche, als städtebaurechtliches Institut, wie es in §§ 45 ff. BauGB ausgeformt ist. Die Aussagen beziehen sich auf das Grundmodell der Umlegung, bewegen sich also auf der oben beschriebenen abstrakten Diskussionsebene. Soweit daneben zu Einzelgestaltungen, z.B. zu Flächenabzügen, Stellung genommen wird, sind differenzierende Einordnungen nicht ausgeschlossen. Auch die Rechtsprechung, die regelmäßig als Vorbild genommen wird, stellt ja - wie gezeigt - für einzelne besondere Fallgestaltungen nicht in Abrede, daß es unter dem Dach des Grundmodells im Einzelfalle z.B. zu einer Minderzuteilung oder zu einem Ausschluß von der Zuteilung kommen kann, die enteignenden Charakter tragen. Die herrschende Charakterisierung des Grundmodells findet sich zum einen in den Kommentaren zum Grundgesetz30. Ausführliche Stellungnahmen in diesem Sinne bietet ferner das baurechtliche Schrifttum, insbesondere die Kommentarliteratur zum BBauG/BauGB. Dabei zeigt sich, daß in jüngerer Zeit (wieder) ganz vorrangig auf die Privatnützigkeit der Maßnahme abgehoben wird, während die Gesichtspunkte der Surrogation oder des Sonderopfers 30 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 660 f.: Die für die Enteignung charakteristische Spannungslage zwischen Individualinteressen und Gemeinwohlbelangen treffe für die Umlegung nicht zu; diese diene neben dem allgemeinen öffentlichen Interesse an besserer Grundstücksausnutzung gleichrangig auch den Interessen der betroffenen Grundeigentümer; das gelte selbst bei Landabzügen, sofern diese für Anlagen erfolgen, die den Interessen der betroffenen Grundeigentümer dienen; erst wenn die Abzüge nicht mehr diesen Interessen dienten und über den Zweck der eigentlichen Umlegung hinaus wiesen, seien Enteignungseingriffe gegeben. In der Grundaussage ebenso Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 14 Rn. 79: Wegen der Betonung der Bestandsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheine die herrschende Lehre zwar diskussionswürdig [gemeint wohl: diskussionsbedürftig], im Ergebnis aber wegen der Privatnützigkeit des Eigentumszugriffs zutreffend. Aus der älteren Literatur Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 201 ff.
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in den Hintergrund getreten sind oder ausdrücklich als irrelevant bezeichnet werden 31. Zu demselben Ergebnis gelangt Breuer. Er möchte die inhaltsbestimmende Rechtsnatur der Umlegung jedoch nicht allein oder wenigstens nicht vorrangig aus ihrer Privatnützigkeit begründen. Vielmehr soll erst das "Zusammentreffen und Zusammenwirken" von vier Leitprinzipien die verfassungsrechtliche Einstufung des Instituts bestimmen. Als solche Prinzipien werden neben der privatnützigen Zweckbestimmung das Prinzip der Gruppenbelastung und des gruppeninternen Lastenausgleichs, das Prinzip der wertgleichen Landabfindung und in rechtskonstruktiver Hinsicht das Surrogationsprinzip genannt32. Die drei letztgenannten Prinzipien sind aber letztlich nur Verdeutlichungen der elementaren Interessenformel für bestimmte Rechts-
31 Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 45 Rn. 7 ff.: Im Anschluß an BVerfGE 74, 264 ff. wird ganz deutlich auf die Interessenformel abgehoben; der Surrogationsgedanke, der zunächst breit dargestellt wird (Rn. 8), mache keine Aussage über den materiellen Gehalt des Vorgangs; auch die Sonderopfertheorie sei nicht hilfreich; der Grundsatz der wertgleichen Abfindung könne nur auf der Grundlage des Prinzips der "Eigennützigkeit" der Umlegung als unterstützendes Argument für die Charakterisierung der Umlegung als Inhaltsbestimmung tragfähig sein (Rn. 11 S. 14). Deutlich unterschieden von der Qualifizierung des Grundmodells wird der Umstand, daß im Einzelfalle enteignende Maßnahmen eingeflochten sein können; für diese Einflechtungen gälten die besonderen Schutzklauseln des Enteignungsrechts, insbesondere das ultima-ratio-Prinzip (Rn. 13). Im Ergebnis ähnlich Schriever, KohlhammerKommentar, BauGB, § 45 Rn. 48 ff.: eher nur referierend zur Privatnützigkeit; auch die Gedanken der Solidargemeinschaft sowie der Bestands- und der Wertgarantie werden genannt; mit ihnen minimiere die Umlegung die aus der Planung entstehenden Eingriffsfolgen; dennoch seien auch in der Umlegung Eingriffe unvermeidbar, die enteignenden Charakter haben, z.B. Minderzuteilungen (§ 59 Abs. 2), besondere Abfindungsarten (§59 Abs. 4 und 6), Landentzug (§59 Abs. 5): "Solange derartige Eingriffe, die rechtlich als Enteignungen zu qualifizieren sind, nicht zum bestimmenden Inhalt einer Umlegung werden, sondern Nebenmaßnahmen zur Erreichung des Umlegungszwecks bleiben, ändert das nichts am privatnützigen Charakter der Umlegung" (Rn. 56). Ebenso Lohr, Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Vorb. §§ 45-84 Rn. 8, 9: Entscheidend sei die Eigentümernützigkeit, die der Privatnützigkeit des Eigentums korrespondiere; gegenüber der Enteignung sei die Umlegung in der Regel das wesentlich mildere Mittel, da sie auf Kooperation und Bestandserhaltung statt auf Konfrontation und Wegnahme gegen Entschädigung gerichtet sei; einzelne Eingriffe mit enteignender Wirkung im Rahmen der Umlegung änderten den Charakter des Instituts nicht. Ähnlich unter Bezugnahme vor allem auf den Bundesgerichtshof Stich, Berliner Kommentar, § 45 Rn. 4; Mainczyk, BauGB, § 45 Rn. 2; Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 7 ff.; ferner Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, Rn. 558 f.; Krebs, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschnitt Rn. 158 f. Aus dem staatshaftungsrechtlichen Schrifttum ebenso Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 176 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung- Enteignung und Staatshaftung, 185 ff., 189. 32 Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 5 ff. und 20 f.; ferner Hoppe/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 11 Rn. 4: Grundsätze der Eigentumserhaltung und der dinglichen Surrogation.
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
relationen, insbesondere für die Wert- und Abfindungsfragen, wie sie sich - mit Ausnahme des Surrogationsprinzps - auch in der Judikatur finden. Von den einzelnen Ergebnissen und Wertungen der Rechtsprechung weicht auch der Ansatz Breuers nicht ab. Die eigentumsverfassungsrechtliche Qualifikation der Umlegung ist auch immer wieder Gegenstand einzelner Aufsätze in Fachzeitschriften gewesen33. Hier sollen nur einige Beiträge genannt werden, die nach dem Ergehen der Boxberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erschienen sind und die am inhaltsbestimmenden Charakter der Umlegung auch angesichts der neuen Enteignungsrechtsprechung festhalten34. Sie gelangen allerdings - was an dieser Stelle noch nicht zu erörtern ist - für die von ihnen untersuchten Einzelfragen, insbesondere für Flächenabzüge, von diesem Ansatz her zu einer restriktiven Handhabung des geltenden Rechts, um die Grenzen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu überschreiten35. 2. Andere Einstufungen der Umlegung
a) Ältere Literatur In der älteren Literatur, die die Ausarbeitung des Bundesbaugesetzes begleitete, war die eigentumsverfassungsrechtliche Einordnung der Umlegung zunächst nicht eindeutig gewesen36. Neben der Annahme, die Umlegung sei der Enteignung zuzurechnen, fand sich die Ansicht, das Institut sei weder Enteignung noch Inhaltsbestimmung, sondern eine dritte Art von Eigentumsumformung, auf die die Vorschriften des Art. 14 Abs. 3 GG teilweise analog anzuwenden seien37. Klar herausgestellt worden ist dabei allerdings immer, 33 Zur älteren Lage Schmidt-Aßmann, DVB1. 1982, 152 ff.; ferner Hoecht, AgrarR 1985, 273 (275 f.) mit weiteren Nachweisen. 34 Ausführlich jüngst Rone lie nfitsch, VerwArch 1996, 143 (152 ff.). 35 Brenner, DVB1. 1993, 291 (294) unter Betonung auch des Surrogationsprinzips; Bryde, JuS 1993, 283 (284) unter Rückgriff auf die Interessenformel und unter Ablehnung der Surrogation; Steiner, NVwZ 1995, 12 (13) unter Bezugnahme auf die Privatnützigkeit; Ronellenfitsch, VerwArch 1996, 143 (157): "Die Umlegung ist eine Inhaltsbestimmung des Eigentums, sofern sie privatnützig ist". 36 Nachweise zu dem hier nicht mehr zu referierenden älteren, aus der Weimarer Verfassungsentwicklung überkommenen Literaturstand bei: Pathe, DVB1. 1954, 76 ff.; Siegl, DVB1. 1956, 285 ff.; Ernst/Friede, Kommentar zum Aufbaugesetz NRW,.257 ff.; Bertram, DÖV 1957, 135 (136); Hering, DVB1. 1961, 217 (bes. 222 f.); ferner in BVerwGE 1, 224 (227); BayVerfGHE 5, Π. Teil, 225 f.; zusammenfassend Forsthoff\ Verwaltungsrecht, 337 mit Fn. 4, 5. 37 Die Eigenständigkeit der Umlegung hat besonders sorgfältig E.R.Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 46 ff. herausgearbeitet; vgl. im Anschluß an ihn v.Mangoldt-Klein t Grundgesetz, Bd. 1, Art. 14 Anm. VI 7; Forsthoff\ Verwaltungsrecht, 337: "Rechtsinstitut mit eigenem Gepräge".
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daß die Umlegung einen anderen Zweck als die Enteignung verfolge. Die Interessenformel findet sich also auch bei diesen Autoren. Die These von der Eigenständigkeit beruht so eher auf der Anerkennung unterschiedlicher Auswirkungen der Umformungsmaßnahmen, die im Rahmen der Umlegung zusammengefaßt sind. Das Bundesbaugesetz hat dann, in Übereinstimmung mit der inzwischen angewachsenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, einen klaren Trennstrich zwischen Umlegung und Enteignung zu ziehen unternommen. In der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs hieß es: "Die Umlegung ist keine Enteignung; der entscheidende Unterschied liegt darin, daß die Enteignung einem dem Enteigneten fremden Interesse dient, die Umlegung aber auch im Interesse des betroffenen Grundeigentümers erfolgt." 38 b) Jüngere Literatur In der jüngeren Literatur nahm - soweit ersichtlich - zuerst Nürnberger das Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlaß, die Qualifikationsfrage anders zu beantworten. Nürnberger erkennt als tragfahiges Argument der herrschenden Lehre allein die Interessenformel an. Er setzt diesem Gedanken jedoch einen ganz formalen Enteignungsbegriff entgegen: verfassungsrechtlich geschützt sei der konkrete Bestand des Grundstücks in der Hand des einzelnen Eigentümers; jede Veränderung dieses Grundstücks, jeder Eingriff in das Grundstück, sei an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen. Es komme folglich gar nicht auf die Frage einer generellen Qualifizierung der Umlegung, sondern allein auf die konkreten Wirkungen des Umlegungsbeschlusses und des Umlegungsplanes an; jede Zuteilung, die das eingeworfene Grundstück verkleinere oder die Situierung des Grundstücks verändere, wirke enteignend. Diesen formalen Enteignungsbegriff will Nürnberger der BoxbergEntscheidung entnehmen. Er übersieht dabei allerdings, daß das Verfassungsgericht zur Erläuterung des von ihm zugrundegelegten Begriffs auf eben jene Interessenformel zurückgreift, die das entscheidende Kriterium der herrschenden Anschauung ist. Wie die Voraussetzungen, so werden auch die Folgen seiner Thesen von Nürnberger unvollständig dargestellt. Offen bleibt, welche Auswirkungen die enteignungsrechtliche Qualifizierung zahlreicher (wohl der meisten) Maßnahmen, die im Rahmen einer Umlegung vorgenommen werden, auf die Handhabung des Instituts insgesamt haben, insbesondere ob alle Maßnahmen unter die strengeren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Enteignung gestellt werden müssen. Dieser Frage kann nicht mit dem Hinweis ausgewichen werden, die Qualifikationsfrage sei nur für die jeweilige Einzelmaßnahme zu 38
BT-DrS ΠΙ/336, 73.
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
stellen; denn es geht um die praktische Handhabbarkeit des Instituts als solches39. Von einem rein formalen Enteignungsbegriff geht auch Labbé aus. Für ihn bestehen nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur keine Zweifel, daß jede zwangsweise Wegnahme von Grundstücksflächen Enteignung ist, unabhängig davon, aus welchen Gründen sie geschieht und ob sie auch dem Wohl des betroffenen Grundeigentümers dient. Die §§ 45-79 BauGB seien, so wird gefolgert, verfassungswidrig; das Umlegungsverfahren sollte als städtebauliches Institut zwar beibehalten, es müsse aber ergänzt werden: die Wegnahme von Grundflächen gegen den Willen des Eigentümers sei nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Wegnahme nach einem Enteignungsgesetz bestünden40. Als Enteignung will auch Kraft die Umlegung im Lichte der neueren Verfassungsrechtsprechung eingestuft wissen. Er unterstreicht die besondere schutzrechtliche Bedeutung eines formalen Enteignungsbegriffs, der nicht durch die überkommene Interessenformel aufgeweicht werden dürfe; zumal die Typisierungen und Kollektivierungen, wie sie vom objektivierten Interessenbegriff vorgenommen würden, schwächten die Abwehrwirkung der Grundrechte; die daraus abgeleitete Institutionalisierung einer Eigentümergemeinschaft sei für die eigentumsverfassungsrechtliche Qualifizierung der Umlegung ohne Belang41. In jüngster Zeit hat Lege die Umlegung als Enteignung eingestuft. Er hebt statt auf das Dogma der Privatnützigkeit auf die Privatautonomie ab. Aus ihr folgt für ihn: "Niemand muß sich von anderen vorschreiben lassen, wie er von seinem Eigentum im eigenen Interesse am vorteilhaftesten Gebrauch machen sollte. Jeder hat sogar das Recht, es unvernünftig zu gebrauchen. Wird es ihm gegen seinen Willen entzogen - auch zu seinem 'eigenen Besten' - handelt es sich um Enteignung."42 IV. Zwischenergebnis Die Umlegung ist in einer langen Rechtsentwicklung von Judikatur und Schrifttum als Maßnahme nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG charakterisiert worden. Entscheidend für die Abgrenzung zur Enteignung ist die Interessenformel der Privatnützigkeit. Die Wertformel fungiert bei dieser Qualifikation als Zusatzkriterium. Die Interessenformel ihrerseits verlangt allerdings danach, im einzelnen Umlegungsfall konkretisiert zu werden. Daß dabei einzelne Maßnahmen, die in den Gesamtzusammenhang eingegliedert sind, in enteig39 40 41 42
Nürnberger, BayVBl 1988, 737 (bes. 739 f.). Labbé, AnwBl 1989, 530 (bes. 532-533, 536). Kraft, BayVBl 1994, 97 (bes. 103 f.). Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, 85 f.
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
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nende Maßnahmen umschlagen, ändert den Charakter der Gesamtmaßnahme noch nicht. Allerdings ist hier ebenso wie bei notwendigen Zwecktypisierungen Vorsicht geboten. Die vertraute Qualifikation der Umlegung ist kein erratischer Block, der unwandelbar dasteht. Auch dort, wo an der überkommenen Qualifikation der Umlegung festgehalten wird, ist eine "neue Sensibilität" gegenüber dem Eingriffsgehalt der Umlegungsmaßnahme entwickelt worden. Die Umlegung wird - zumal in dem dem Städtebaurecht ferner stehenden, eher allgemein verfassungsrechtlich ausgerichteten Schrifttum - nicht mehr als ein aus sich heraus rundherum akzeptiertes Institut angesehen. Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.3.1990 zeigt, daß die überkommene Einstufung der Umlegung nicht mehr durchgängig als selbstverständlich hingenommen wird.
B. Die Bedeutung der neueren eigentumsrechtlichen Dogmatik Gerade in einer solchen Situation müssen die Ergebnisse der fachgerichtlichen Entscheidungen und des Fachschrifttums in den einzelnen Gebieten des Verwaltungsrechts immer wieder zu den allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts und zur neueren, insbesondere grundrechtlich ausgerichteten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Beziehung gesetzt werden. Das ist ein für die auf den einzelnen Gebieten des Verwaltungsrechts tätigen Fachverwaltungen nicht einfacher, zuweilen nur unwillig akzeptierter Prozeß; denn es mag "gebietsintern" gute tradierte Gründe für eine bestimmte Praxis und für manche überkommene Grundannahme geben - aber sie lassen sich vielleicht mit den allgemeinen Lehren und mit neueren Erkenntnissen der Grundrechtsdogmatik nicht vollständig vereinbaren und müssen dann korrigiert werden. Zahlreiche große und wichtige Gebiete des Verwaltungsrechts wie das Polizeirecht, das Schulrecht und das Bergrecht haben diesen Prozeß durchlaufen müssen. Auch die Diskussionen im Umlegungs- und Flurbereinigungsrecht nehmen, wie an jüngeren Urteilen und Literaturstimmen gezeigt worden ist, heute vielfaltig auf die neuere eigentumsrechtliche Dogmatik des Art. 14 GG Bezug. Diese hat Grundlage, Rahmen und Orientierungspunkt für alle Überlegungen zur Fortentwicklung der städtebaulichen Umlegung zu sein. Im Vordergrund steht dabei die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (I). Zu fragen ist ferner, inwieweit sich daraus eine feste eigentumsrechtliche Systematik gebildet hat (II).
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
I. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen der Bodenordnung In knapper Form ist vom Umlegungsrecht bereits im sog. Baurechtsgutachten des Gerichts vom 16.6.1954 unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten die Rede43: Die Vorschriften über Baulandumlegung und Zusammenlegung von Grundstücken sollen, wie das Gericht feststellt, die Rechtsgrundlage dafür schaffen, "Grundstücke so umzuformen, daß nach Größe und Form zur Bebauung geeignete Flächen entstehen. Solche Maßnahmen setzen die Möglichkeit von Eingriffen in das Privateigentum voraus". Das Gericht rechnet sie den bodenordnenden Maßnahmen zu, die unter den Kompetenztitel "Bodenrecht" i.S.d. Art. 74 Nr. 18 GG fallen. Eine enteignungsrechtliche Deutung der Umlegung liegt für das Gericht erkennbar so fern, daß diese weder angesprochen noch sonst auf Art. 74 Nr. 14 GG hingewiesen wurde. 1. Die Entscheidung zum Umlegungsvorteil44
Die Entscheidung hat es mit einer Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG zu tun. Das vorlegende Fachgericht hielt Vorschriften der Aufbaugesetzgebung, die bei Umlegungen neben der Abschöpfung des Umlegungsvorteils auch noch einen Wertausgleich für Planungsmaßnahmen vorsahen, u.a. wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 3 GG für verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht behandelte die Vorlage des Fachgerichts als unzulässig. Innerhalb dieser Ausführungen bestand zwar keine Veranlassung, auf das Enteignungsthema einzugehen. Wohl aber werden einige für das Verständnis der Umlegung wichtige Aussagen getroffen (S. 281 f.): Verworfen wird die Ansicht, daß Umlegungsvorteile für ein Grundstück dann nicht angenommen werden könnten, wenn dessen Grenzen unverändert geblieben seien; die Umlegung sei eine Maßnahme zur Neugestaltung eines Umlegungsgebiet; da sich die Gesamtheit der Maßnahme auf alle im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke auswirke, könnten die Grenzen des einzelnen Grundstücks "verbessert" werden, ohne daß sie selbst unmittelbar geändert werden müßten; stellte sich nach dem Umlegungsbeschluß heraus, daß die Grenzänderungen bei einzelnen Grundstücken nicht geändert werden müßten, so hörten diese deshalb nicht auf, Umlegungsgrundstücke zu sein. Diese Ausführungen zeigen eine praxisorientierte Einstellung zur Umlegung. Es wird klar herausgestellt, daß von der Struktur der Maßnahme her bestimmte typisierende Erfassungen unvermeidbar sind. Der Gedanke der Solidargemeinschaft steht, obwohl er nicht ausdrücklich genannt wird, hinter diesem Verständnis, das 43 44
BVerfGE 3, 407 (428). BVerfGE 18, 274 ff.
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
43
das Verfassungsgericht den "zutreffenden Umlegungsbegriff" nennt (aaO S. 283). 2. Das Deichordnungsurteil45
Dieselbe Einstellung zeigt das Gericht im Hamburger Deichurteil. Das hamburgische Deichordnungsgesetz sah im Zusammenhang mit der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an Hochwasserschutzanlagen auch ein Grenzbereinigungsverfahren vor. Das Verfassungsgericht stellt zunächst fest, ein solches Verfahren müsse, sofern es das Eigentum der Betroffenen einer zeitweiligen Bindung unterwerfe und dem Ziel diene, eine sachgerechte Ordnung der angrenzenden Flächen herbeizuführen, als ein im Allgemeininteresse liegendes Verfahren hingenommen werden (S. 416 f.). Aber auch dann, wenn überschießende Grundstücksteile nicht dem früheren Eigentümer, sondern einem anderen zugewiesen werden, hat das Verfassungsgericht dagegen keine Bedenken (S. 417): "Das geltende Recht - z.B. Bundesbaugesetz, Flurbereinigungsgesetz - kennt mehrere Verfahren dieser oder ähnlicher Art, die einerseits den Interessen der Allgemeinheit an einer vernünftigen Ordnung des Bodens dienen und andererseits auch im Interesse der Betroffenen liegen. Hiergegen können, da das Verfahren selbst sachgerecht ist, auch dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht werden, wenn die 'überschießende' Fläche einem anderen zugeteilt wird, der frühere Eigentümer aber entweder ein anderes gleichwertiges Grundstück oder eine entsprechende Entschädigung erhält." Daß letzteren Falles eine Enteignung anzunehmen und die Zuteilungsentscheidung folglich insgesamt unter Enteignungsvoraussetzungen zu stellen wäre, wird vom Verfassungsgericht nicht in Erwägung gezogen. 3. Die Entscheidung zur Unternehmensflurbereinigung 46
Diese Entscheidung betrifft eine Verfassungsbeschwerde gegen das oben (unter A I 3) referierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.3.1985 und die diesem vorliegenden Rechtsakte, konkret: die Anordnung einer städtebaulichen Unternehmensflurbereinigung .
45 46
BVerfGE 24, 367 ff. BVerfGE 74, 264 ff.
44
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
a) Enteignungstatbestand Die Unternehmensflurbereinigung dient u.a. dazu, eine durch eine zulässige Enteignung eintretende Inanspruchnahme ländlicher Grundstücke in großem Umfang auf einen größeren Teil von Eigentümern zu verteilen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in einem solchen Verfahren keine Inhaltsbestimmung, sondern eine Enteignung. Zur Begründung dieser Ansicht werden unterschiedliche Ansätze gewählt: - Die Enteignung sei gekennzeichnet durch den staatlichen Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen; sie ziele auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter Rechtspositionen; daß die Eigentümer eine gleichwertige Landabfindung erhielten, sei für die verfassungsrechtliche Einordnung unerheblich (S. 280). - Während diese Aussagen allein auf den äußeren Tatbestand des Eingriffs abzustellen und den Eingriff allein danach der Enteignung einzuordnen scheinen, bringt das Verfassungsgericht an späterer Stelle einen wertenden Gedanken ins Spiel, dem ersichtlich Einfluß auf die Qualifikationsfrage eingeräumt wird: die Fremdnützigkeit. Die Unternehmensflurbereinigung diene, so heißt es, in erster Linie der Verwirklichung eines im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens; die "Fremdnützigkeit des Eingriffs" werde nicht dadurch beseitigt, daß der Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt werde; es gebe keine gesetzliche Regelung, die einen Grundeigentümer verpflichte, sein Grundstück zur Verwirklichung eines im Fremdinteresse liegenden Zwecks gegen ein anderes einzutauschen (S. 281). - Nach dieser Zweckqualifikation folgt erneut ein Rückgriff auf den äußeren Tatbestand des Vorgangs und auf die Folgen: Die Teilnehmer des Verfahrens verlören ihre Grundstücke ganz oder teilweise und erhielten dafür regelmäßig nach Abzug der für das Unternehmen benötigten Flächen eine Landabfindung oder eine Entschädigung. Das Gericht fahrt wörtlich fort (S. 281): "Darin liegt ein Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen unter Umgestaltung der konkreten Rechtsverhältnisse; an die Stelle des konkreten Eigentumsbestands tritt der Eigentumswert. Auch das kennzeichnet die Enteignung; denn die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers (vgl. BVerfGE 24, 367 [389]; 38, 175 [181])." - An späterer Stelle kommt das Bundesverfassungsgericht nochmals auf die Qualifikationsfrage zu sprechen (S. 283). Abermals werden Kriterien genannt, die anzeigen, daß der äußere Tatbestand der Änderung der Zuordnungsverhältnisse ersichtlich nicht allein entscheidend sein soll, um von einer Enteignung zu sprechen. In diesem Sinne wird festgestellt, eine Enteignung werde
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
45
nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Unternehmer genügend Flächen einbringe, damit alle Teilnehmer gleichwertige Landabfindungen erhielten. Auch der Surrogationsgedanke soll für die verfassungsrechtliche Einordnung der Unternehmensflurbereinigung als Enteignung keine Rolle spielen. Die Argumentation macht nicht hinreichend deutlich, welches Kriterium die Enteignung wirklich ausmachen soll: allein der äußere Tatbestand oder dieser Tatbestand in Verbindung mit einem fremdnützigen Zweck? Das Bundesverfassungsgericht brauchte sich damit zwar nicht im Einzelnen auseinanderzusetzen, weil bei der Unternehmensflurbereinigung beide Kriterien kumulativ gegeben sind. Wichtig wird die Verhältnisbestimmung beider aber in den Fällen der Regelflurbereinigung und der Umlegung. Das Gericht betont zwar, daß die vorliegende Verfassungsbeschwerde keinen Anlaß biete, zu diesen beiden anderen Verfahren Stellung zu nehmen (S. 279). Es verwundert jedoch nicht, daß das Boxberg-Urteil in der Literatur zu den oben (unter A III) referierten widersprüchlichen Interpretationen Anlaß gegeben hat. b) Fragen der " Vorwirkung
"
Die weiteren Ausführungen des Urteils wenden sich im Bezugsrahmen des Art. 14 Abs. 3 GG dann Themen zu, die für die vorliegende Untersuchung weniger bedeutsam sind und folglich nur kurz referiert zu werden brauchen. Sie müssen darauf Rücksicht nehmen, daß es im konkreten Falle um eine besondere Form der Unternehmensflurbereinigung, nämlich eine städtebauliche Unternehmensflurbereinigung ging. Während nämlich bei der normalen Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG über die planerische Zulässigkeit des Unternehmens z.B. nach Straßenrecht verbindlich in einem Planfeststellungsbeschluß entschieden wird, lag der auf Antrag der Gemeinde eingeleiteten städtebaulichen Unternehmensflurbereinigung eine planerische Projektentscheidung in Form eines Bebauungsplanes zugrunde. Das Bundesverfassungsgericht stellt zunächst fest, daß die Anordnung der Unternehmensflurbereinigung als solche zwar noch keine Enteignung darstelle; sie habe aber "enteignungsrechtliche Vorwirkungen", weil sie abschließend und für das weitere Verfahren verbindlich über die Verwirklichung des Vorhabens unter Inanspruchnahme fremden Eigentums entscheide und damit eine enteignungsrechtliche "Planungsentscheidung" darstelle, mit deren Bestandskraft die Zulässigkeit der Enteignung dem Grunde nach feststehe ("Grundverwaltungsakt"), so daß weiteren Enteignungsschritten die Unzulässigkeit des Vorhabens nicht mehr entgegengehalten werden könne (S. 282). Der noch vor dieser Anordnung liegende Bebauungsplan soll dagegen noch keine verbindliche Aussage über die Zulässigkeit der Enteignung treffen, denn der Gemeinde fehle eine Enteignungskompetenz; die Bauleitplanung sei
46
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
an das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BBauG, nicht aber an die für Enteignungen geltenden Grundsätze gebunden. c) Enteignungsrechtliche
Konsequenzen
Das Urteil wendet sich dann den Konsequenzen der Vorwirkung des Art. 14 Abs. 3 GG zu. Keine Bedenken bestehen nach Auffassung des Gerichts dagegen, daß die enteignenden Wirkungen zugunsten eines Privatunternehmens eintreten; das könne vom Wohl der Allgemeinheit gedeckt sein: gerade hier müsse sich die Verantwortung des demokratischen Gesetzgebers bewähren; dieser müsse festlegen, "für welche Vorhaben unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke" eine Enteignung zulässig sei; es müsse auch gewährleistet sein, daß der im Allgemeininteresse liegende Zweck der Maßnahme erreicht und dauerhaft gesichert werde; das sei gerade bei Unternehmen wichtig, die nicht im allgemein anerkannten Bereich der Daseinsvorsorge tätig seien, sondern bei denen sich der Gemeinwohlzweck nur als mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ergebe (S. 286). Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich, weil nach Auffassung des Gerichts die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen, insbesondere die Vorschriften des BBauG, diesen qualifizierten Anforderungen nicht genügten. Π. Das größere Umfeld der eigentumsverfassungsrechtlichen Dogmatik Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Umlegung und Flurbereinigung ergibt für die Qualifikationsfrage kein eindeutiges Bild. Während die älteren Entscheidungen mit der Anerkennung eines typisierenden Zuordnungs- und Vorteilsbegriffs die Einordnung der beiden Instrumente als Inhaltsbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG indizieren, stehen in der Boxberg-Entscheidung eher individualisierende Momente im Vordergrund, die stärker die Betroffenheit des einzelnen Grundeigentümers betonen, so daß es nicht ausgeschlossen ist, sie zu einer enteignungsrechtlichen Qualifikation weiter zu entwickeln. Angesichts dieser Situation ist es notwendig, die Erkenntnisse der allgemeinen Dogmatik des Art. 14 GG zur weiteren Aufklärung heranzuziehen. Dieser Dogmatik hat das Bundesverfassungsgericht in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten in einer Reihe grundlegender Entscheidungen zahlreiche Entwicklungsimpulse gegeben, die durch die Literatur und die Fachgerichte aufgenommen, ausgedeutet und ausgeformt worden sind. Man darf hier allerdings kein festes und in jeder Hinsicht abgesichertes Aussagengefüge erwarten, im Gegenteil: die Zahl der Stellungnahmen ist nahezu unüberschaubar und der Variantenreichtum der Rechtsansichten im Einzelnen eher hinderlich als erhellend. Das alles muß in unserem Untersuchungszusammenhang nicht dargestellt werden. Notwendig ist vielmehr eine Konzen-
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
47
tration auf Grundlinien und wesentliche Entwicklungstendenzen, in die die konkret umlegungsrechtlichen Probleme später eingeordnet werden können47. Zu behandeln sind der Gehalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (1), die Stellung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Garantie (2), die Bedeutung der Sozialbindung (3) und die Struktur des Enteignungsbegriffs
1. Der Gehalt der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG)
Eigentum soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern und ihm damit die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen49. a) Bedeutungsschichten Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enthält eine subjektive Rechtsstellungsgarantie (aa) und eine objektive Rechtsinstitutsgarantie (bb). aa) Rechtsstellungsgarantie In seiner Funktion als Individualgrundrecht wirkt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als Bestandsgarantie. Diese sichert den Bestand an konkreten Vermögenswerten Rechten in der Hand des jeweiligen Eigentümers50. Geschützt sind die dem Grundrechtsträger zustehenden Vermögenswerten Rechtspositionen gegenüber Eingriffen des Staates und seiner Untergliederungen51. Art. 14 Abs. 1 GG wirkt hier als "normales" Freiheitsgrundrecht. Der enge Zusammenhang zwischen der Garantie des Privateigentums und der durch die Verfassung verbürgten persönlichen Freiheit wird deutlich. Diese personale Seite des Individualgrundrechts "Eigentum" ist in ihrer rechtlichen Wirkung dadurch gekennzeichnet, daß dem Grundrechtsträger Herrschafts-, Nutzungsund Verfügungsrechte zugewiesen sind, die seine Freiheit im vermögens47
Zum folgenden Papier, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 56 ff. und 530 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, §§ 17 ff.; Rüfner, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht,~§ 49 Rn. 16 ff.; aus speziell baurechtlicher Sicht Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Vorb. §§ 85-122, Rn. 1 ff. 48 Zum folgenden Schmidt-Aßmann/Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum, S. 27 ff. 49 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); 69, 272 (300); stRspr. 50 BVerfGE 24, 367 (400); 38, 175 (181, 184 f.); 51, 193 (220); 58, 300 (323); 74, 264 (283). 51 Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (216).
48
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
rechtlichen Bereich sichern. Der Zuweisungsakt erfolgt durch den Gesetzgeber gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, so daß sich der konkrete Umfang des Bestandsschutzes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt52. Gemeint ist also eine "gegenstandsbezogene Eigentumsfreiheit", eine "konkrete Bestands- und Nutzungsgarantie" und nicht ein bloßer (Tausch-)Wertschutz53. bb) Rechtsinstitutsgarantie Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG erfüllt darüber hinaus eine objektivrechtliche Funktion. Durch sie wird das Eigentum als Rechtsinstitut garantiert. Dadurch ist verfassungsrechtlich sichergestellt, daß der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums nicht etwas setzt, das diesen Rechtsbegriff gar nicht verdient. Die herausragende Bedeutung dieser objektivrechtlichen Funktion der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung besteht darin, daß die Rechtseinrichtungsgarantie das Individualgrundrecht Eigentum sichert54. Bei der inhaltlichen Konturierung der Institutsgarantie wirken Privatrecht und öffentliches Recht gleichrangig und gleichberechtigt zusammen. Die ältere These, die Institutsgarantie schütze das Eigentum so, "wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben"55, ist der rechtsdogmatisch zutreffenden Erkenntnis vom Gleichrang privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei der Ausformung des Eigentums gewichen56. Öffentliches Recht und Privatrecht wollen dabei nicht als sich gegenseitig ausschließende Alternativen verstanden werden. Vielmehr sind in der Eigentumsordnung Modelle denkbar, in denen Gestaltungselemente des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zusammenwirken. Inwieweit eine derartige gesetzliche Lösung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, läßt sich - mit Blick auf den konkreten Regelungsgegenstand - nur in einer analysierenden Bewertung aller Regelungselemente und ihres Zusammenspiels beurteilen. Der sachliche Schutzgehalt der Institutsgarantie muß, den Anforderungen einer Rechtseinrichtungsgarantie entsprechend, durch elementare Strukturmerkmale gekennzeichnet sein. Diese werden gemeinhin mit den Stichworten 52
BVerfGE 37, 132 (140); 50, 290 (339 f.); 53, 257 (292); 58, 81 (109); 70, 101 (110); 72, 9 (22); 74, 203 (214); 75, 78 (97); 76, 220 (238). 53 So Papier y in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 10. 54 BVerfGE 50, 290 (339). 55 BVerfGE 1, 264 (278); 28, 119 (142); 65, 196 (209). 56 BVerfGE 72, 66 (77); 74, 129 (148); Schmidt-Aßmann, DVB1. 1987, 216 (217); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 24; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, 113 f.
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
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"Privatnützigkeit" und "Verfügungsbefugnis" umschrieben57 und finden ihre materielle Rechtfertigung darin, daß es sich bei den beiden Topoi um die funktionalen Äquivalente der eingangs erwähnten Aufgabe der Eigentumsgarantie, die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern, handelt58. Danach verbietet es die Gewährleistung des Privateigentums als Rechtseinrichtung, daß solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören und daß damit der durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gesicherte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert würde. Nicht jedes Rechtsgut muß jedoch von Verfassungs wegen einer privatrechtlichen Herrschaft unterworfen werden. Vielmehr wird die Gewährleistung des Rechtsinstituts nicht schon dann angetastet, wenn für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter zur Sicherung überragender Gemeinwohlbelange und zur Abwehr von Gefahren nicht der Privatrechtsordnung, sondern einer öffentlichrechtlichen Ordnung unterstellt werden59. b) Inhalt: Privatnützigkeit Die sich hinter den Stichworten "Privatnützigkeit" und "Verfügungsbefugnis" verbergenden Sachaussagen sind konstitutiv für den Inhalt der Eigentumsgarantie. Bis in die jüngste Vergangenheit betont das Bundesverfassungsgericht, wesentliche Merkmale des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums seien, daß ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie das Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sei60. Dabei meint "Privatnützigkeit" die Zuordnung zu einem Rechtsträger, in dessen Hand das Eigentum als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse von Nutzen sein soll61. Hinzu tritt, von der Privatnützigkeit nicht immer deutlich unterschieden, die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Grundeigentums kein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten hergeleitet werden kann, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen, versteht sich, daß die Eigentumsinhaltsgarantie 57
BVerfGE 24, 367 (389 f.); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 68, 361 (367); 78, 58 (71); 83, 201 (208). - Einzelheiten dazu nachfolgend unter b). 58 Zu diesem Zusammenhang auch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (216). 59 BVerfGE 58, 300 (339). 60 BVerfGE 78, 58 (71); 81, 29 (32); 83, 201 (208); ebenso BVerwGE 88, 191 (194). 61 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 2.
4 Schmidt-Aßmann
50
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
nicht schon dadurch verletzt ist, daß bestimmte Nutzungsmöglichkeiten beim Grundeigentum von vorneherein dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entzogen sind. Beispiele hierfür sind das - zwangsweise auf Fischereigenossenschaften übertragene und in der Ausübung vergemeinschaftete Fischereirecht62, und vor allem die Nutzung des Grundwassers63. Die übliche Kennzeichnung der Eigentumsinhaltsgarantie mit den Begriffen "Privatnützigkeit" und "Verfügungsbefugnis" verstellt mitunter den Blick dafür, daß beiden Elementen die schlichte Innehabung des Eigentumsgegenstandes vorausliegt. Seine Integrität ist von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ebenfalls geschützt. Zur Eigentumsinhaltsgarantie ist daher auf der Schutzbereichsebene des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen, wonach die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG die Erhaltung der Substanz des Eigentums fordert 64. 2. Die Aufgaben des Gesetzgebers (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)
Da Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne als normative Zuordnung eines Rechtsguts (Sache oder Recht) an einen Rechtsträger - mit darin eingeschlossenen Rechten zum Innehaben, Nutzen und Verfügen - definiert ist, also ein rechtlich strukturiertes Zuordnungsverhältnis beschreibt, bedarf es notwendigerweise der rechtlichen Ausformung 65. a) Rechtserzeugter Schutzbereich "Eigentum" im verfassungsrechtlichen Sinne ist rechtserzeugt, mithin eine Schöpfung der Rechtsordnung66. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vermittelt die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums. Was materiell Schutzgegenstand dieser Verbürgung ist, was also inhaltlich gewährleistet wird, muß gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG durch die Gesetze bestimmt werden. Nach diesem klaren verfassungsrechtlichen Modell genießen als Schutzobjekte der Eigentumsgarantie nur die durch (verfassungsmäßige) Gesetze eingeräumten 62 BVerfGE 70, 191 (199 ff.). - Dadurch ist das an sich zu wahrende rechtliche Zuordnungsverhältnis teilweise aufgegeben, vgl. Schmidt-Aßmann, DVB1. 1987, 216 (217). 63 BVerfGE 58, 300 (345). 64 BVerfGE 42, 263 (295); 50, 290 (341); 52, 1 (30); 68, 361 (368); 79, 174 (198); 84, 382 (385). 65 BVerfGE 58, 300 (330). 66 Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, 13; ferner Schmidt-Aßmann, in: Richterliche Rechtsfortbildung, 107 (112): Eigentum als "rechtlich geformter Bereich", nicht nur als "Honorierung bloßer Fakten".
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
51
Rechtspositionen die verfassungsrechtliche Absicherung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Die vom Gesetzgeber durch das objektive Recht geschaffenen Rechtssätze des Privatrechts und des öffentlichen Rechts begründen die Rechtsstellung des Eigentümers und formen sie aus67. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß Realfaktoren für Inhalt und Umfang der Eigentumsgarantie ganz ohne Bedeutung sind. Angesichts der Gesetzesgeprägtheit des Eigentums ist nur eine Auffassung zurückzuweisen, die an Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorbei durch unmittelbaren Rückgriff auf faktische Gegebenheiten rechtsnormative Aussagen zu gewinnen trachtet. Wegen Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist es die Kompetenz des Gesetzgebers, Realfaktoren in seinem Normprogramm zu berücksichtigen und unterschiedliche Realfaktoren verschiedenartig zur Geltung zu bringen68. Die rechtliche Wertung situativer Elemente auf der Normanwendungsebene ist damit freilich nicht ausgeschlossen69. b) Determinanten der Ausgestaltung Der Gesetzgeber darf bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht frei schalten und walten. Vielmehr sind die elementaren Strukturmerkmale der Eigentumsgarantie verfassungsunmittelbar gewährleistet. Grundgesetzlich verbrieft und der Disposition des Gesetzgebers entzogen ist der Inhalt der Institutsgarantie. Dagegen folgt das konkrete, bestandsgeschützte Eigentum aus den Gesetzen, die dieses Eigentum formen und gestalten. Damit ist der Vorrang der Verfassung sichergestellt. Zugleich deutet sich jedoch eine für den Grundrechtsbereich ungewöhnlich große Gestaltungsmacht des Gesetzgebers an. Gleichwohl entläßt das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nicht aus den verfassungsrechtlichen Bindungen, sondern fordert in ständiger Rechtsprechung deren Einhaltung. Danach muß der Gesetzgeber bei der Erfüllung seines Auftrags gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beiden Elementen, also dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentum und dem Gebot einer dem Gemeinwohl verpflichteten Eigentumsordnung, in gleicher Weise Rechnung tragen. Diese verfassungsrechtlichen Prämissen schließen es aus, daß der Gesetzgeber einseitig Bevorzugungen oder Benachteiligungen normiert. Derartige Regelungen stünden mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe eines sozialgebundenen Privateigentums nicht im Einklang70. In jedem Falle erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigen67
BVerfGE 58, 300 (330). Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (227). 69 Schmidt-Aßmann, in: Richterliche Rechtsfortbildung, 107 (112): dem Richter zufallende Aufgabe der Eigentumsgestaltung. 70 BVerfGE 37, 132 (140 f.); 52, 1 (29); 71, 230 (246 f.). 68
4*
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
turns sowie die Beachtung des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG 71 und des Übermaß Verbots. Das Gericht verlangt, daß zur Verfolgung eines verfassungslegitimen Zieles gesetzliche Reglementierungen der Eigentümerbefugnisse geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unverhältnismäßig belasten, ihm also zumutbar sind72. Hier ist der Raum für die Berücksichtigung von Intensität, Schwere und Tragweite einer Eigentumsbeeinträchtigung, hier ist der rechtsdogmatische Ort für die normative Erfassung der Situationsgebundenheit des Grundeigentums. Aber auch die Sozialbindung hat hier ihren Platz. Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht, desto weiter geht die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung73. Dies folgt aus Art. 14 Abs. 2 GG, der eine Verfassungsdirektive an den Gesetzgeber darstellt und diesem inhaltlich die rechtsnormative Erfassung und Einführung von öffentlichen und privaten Interessen aus einem breiten Spektrum erlaubt, wenn nur ein Gemeinwohlbezug besteht74. Rechtsdogmatisch wird der Eigentumsschutz somit über ein gestuftes Modell vermittelt, das von verfassungsrechtlichen Prämissen getragen ist und von gesetzlichen Ausgestaltungen lebt, die dem Übermaßverbot verpflichtet und dem geregelten Sachbereich angemessen sind75. 3. Die Sozialgebundenheit (Art. 14 Abs. 2 GG)
Die voraufgehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die Sozialgebundenheit des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG eine der beiden großen Determinanten gesetzgeberischer Eigentumsausgestaltung ist. Die Gesamtheit der gesetzlichen Vorschriften, die entsprechende Beschränkungen des Eigentums festlegen, repräsentiert die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in ihrem aktuellen Bestand76. Art. 14 Abs. 2 GG ist nach einer älteren Formulierung des Bundesverfassungsgerichts "die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat"77. 71
BVerfGE 79, 174 (198). BVerfGE 74, 203 (214 f.); 75, 78 (97 f.); 76, 220 (239). 73 BVerfGE 52, 1 (32); 53, 257 (292); 68, 361 (368); 79, 292 (302); 84, 383 (385); BVerfG NJW 1992, 361. 74 Schmidt-Aßmann, in: Richterliche Rechtsfortbildung, 107 (115). 75 BVerfGE 21, 73 (86); 50, 290 (341); 72, 66 (78); 79, 174 (198). Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 303: "eigentumsrechtliche Stufentheorie". 76 Vgl. BVerfGE 20, 351 (356); 71, 230 (246 f.) 77 BVerfGE 21, 73 (83). 72
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
53
a) Bestand und Wandelbarkeit Die Maßstäbe und ihr Gewicht liegen nicht unverrückbar fest, vielmehr können veränderte Verhältnisse wegen Art. 14 Abs. 2 GG zu normativen Veränderungen bei der Gemeinwohlbindung führen 78. Hier herrschen folglich keine statischen oder mechanischen Vorstellungen. Was an Bindungen einer langen Rechtstradition entspricht, kann zwar im Regelfall als eigentumsrechtlich akzeptiert gelten. Aber der erreichte status quo ist nur selten verfassungsrechtlich so und nicht anders zementiert. "Veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse können zu einer Verschiebung der Maßstäbe führen" 79. Der Gesetzgeber kann die Bindungen lockern; er kann sie aber auch verschärfen. Das, was verfassungsrechtlich zum unverzichtbaren Kern freier Verfügbarkeit oder Nutzbarkeit gehört oder was außerhalb verhältnismäßiger Zuordnung liegt, hängt auch von den Sachgegebenheiten der Eigentumsobjekte und von den Traditionen der einzelnen Rechtsgebiete ab, denen die Bindungsnormen angehören. Gerade für das Grundeigentum ist hier von einem erheblichen Bestand an Sozialbindungen auszugehen: Zu den nachbarrechtlichen und polizeirechtlichen Bindungen, die schon sehr alten Rechtsschichten entstammen, sind neuere planungsrechtlich bestimmte Bindungen getreten. Sozialbindungen durch das die Planung vorbereitende und das die Planung durchführende Instrumentarium prägen heute das Bild des Grundeigentums in wesentlichen Punkten mit. Dazu zählen auch die Mittel der hoheitlich veranlaßten Umlegung und Grenzregelung mit ihren Ausgleichs- und Abzugsfolgen. Besonders ausgeprägt war bisher schon die Sozialpflichtigkeit land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen aus Rücksichten auf den Naturschutz80 Mit der allmählichen Erstreckung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die Bauleitplanung hat sich die naturschutzrechtlich bestimmte Sozialbindung in den Bereich des städtischen Grundeigentums - oder genauer: in den Umwandlungsbereich naturbelassener Flächen in Bauflächen - vorangeschoben. Hinter dem allen steht die Erkenntnis, daß Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar sind und daher einen ausgeprägten Sozialbezug besitzen. Schon der Verfassungsgeber hatte bei der Schaffung des Art. 14 Abs. 2 GG vor allem die Bodenordnung im Auge81.
78
BVerfGE 70, 191 (201). BVerfGE 70, 191 (201). 80 Dazu Parodi , Eigentumsbindung und Enteignung im Natur- und Denkmalsschutzrecht; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 428 ff. 81 So BVerfGE 21, 73 (83). Vgl. auch Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 14 Rn. 14: "Die besondere soziale Bindung macht das Grundeigentum zu einem der 79
54
1. Abschn. : Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
b) Differenzierte
Interessenstrukturen
Wenn Art. 14 Abs. 2 GG davon spricht, der Gebrauch des Eigentums solle "zugleich" dem Wohle der Allgemeinheit dienen, so scheint das auf ein strikt dualistisches Interessenverständnis hinzudeuten: hier Privateigentum - dort Allgemeininteresse. Im Grunde ist jedoch seit langem anerkannt, daß sich öffentliche und private Interessen nicht strikt trennen lassen: Im demokratischen Staat haben Gesetzgeber und Exekutive kein Monopol, öffentliche Interessen zu artikulieren und zu repräsentieren. Sie sind aber umgekehrt auch nicht darauf festgelegt, nur öffentliche Interessen i. S. klassischer Hoheitstätigkeit zu verfolgen. Zwischen Privatinteressen und allgemeinen Interessen gibt es Übergangserscheinungen. Gerade das Grundeigentum ist ein Beispielbereich dafür, wie sich - z.B. im Nachbarrecht - individuelle Privatinteressen, aggregierte Privatinteressen und kleingebietlich definierte öffentliche Interessen verschränken können. - Im Umlegungsrecht hat dieser Befund seit langem seine Anerkennung im Gedanken der Solidargemeinschaft gefunden. Die Solidargemeinschaft repräsentiert aggregierte Privatinteressen. Ausgangspunkt sind die realen Interessen der Beteiligten, die als gleichgerichtete, im wesentlichen homogene Interessen vorgestellt werden. Eine gewisse Annäherung divergierender Vorstellungen der Beteiligten ist darin Inbegriffen. Die freiwillige Umlegung zeigt, daß rationales Verhalten durchaus nicht auf ein Maximum isolierter Interessendurchsetzung hinauslaufen muß. Auch bestimmte gegenseitige Rücksichtnahmen und Korrekturen am individuellen Interessenstandpunkt dürfen schon aus wohlverstandenem Privatinteresse erwartet werden. Der Gesetzgeber, der dieses normativ unterfangt, muß dazu nur zum Teil auf die in Art. 14 Abs. 2 GG genannten Interessen der Allgemeinheit zurückgreifen; seine Regelung legitimiert sich auch aus dem Individualinteresse selbst heraus. Die davon weiter abliegenden öffentlichen Interessen, vor allem aber solche der weiteren staatlichen Gemeinschaft können über die so begründeten Inhaltsbestimmungen hinaus weitere Beschränkungen rechtfertigen. - Auf der anderen Seite markiert Art. 14 Abs. 2 GG auch Grenzen, jenseits derer der Interessenansatz Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht mehr legitimieren kann: der Gebrauch des Eigentums soll "zugleich" dem allgemeinen Wohl dienen. Die Parität ist die Obergrenze. Weiter darf die Privatnützigkeit nicht eingeschränkt werden. Das gilt auch für die normativ wertende Interpretation des Privatinteresses. Bestimmungshorizont für die Privatnützigkeit ist zunächst einmal das reale Interesse des einzelnen Eigentümers. Im weiteren Verlauf der Konkretisierung sind Typisierungen zulässig. Deutlich wichtigsten Tätigkeitsbereiche des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers."
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
55
wertende Topoi wie der "vernünftige" Eigentümer und das "wohlverstandene" Interesse dürfen jedoch immer nur geringe Korrekturbreiten umfassen. Das gilt auch für den Gedanken der Solidargemeinschaft, insofern ihm normativwertende Kriterien implantiert werden. Wo es an einer Interessenhomogenität schon typischerweise fehlt, kann sie nicht durch Wertungenfingiert werden. Hier gibt es zwischen den agrarischen Flurbereinigungssituationen und den städtischen Baunutzungssituationen durchaus Unterschiede, die nicht eingeebnet werden können. Geschieht das trotzdem, so können gesetzliche Inhaltsbestimmungen die Determinante des Art. 14 Abs. 2 GG verfehlen, weil sie ihrer Abwägungsentscheidung falsche Interessenpotentiale zugrundegelegt haben. 4. Der Begriff der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG)
Die eigentumsverfassungsrechtlichen Probleme des Umlegungsrechts lassen sich nicht hinreichend aufklären, wenn nicht vorher auch der in Art. 14 GG zugrundegelegte Begriff der Enteignung präzisiert wird. Auf die unterschiedlichen Konsequenzen, die von Verfassungs wegen zu beachten sind, wenn sich eine eigentumsrelevante Maßnahme als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder aber als Enteignung darstellt, ist bereits in den Vorbemerkungen hingewiesen worden. In der Rechtsprechung und Literatur zur Umlegung spielt die Unterscheidung auf unterschiedlichen Bestimmungsebenen - abstrakt, typisiert oder einzelfallbezogen - vielfältig eine Rolle. Die Frage nach dem Enteignungsbegriff führt zu einem der derzeit umstrittensten Auslegungsprobleme des Art. 14 Abs. 3 GG. Auch hier hat das Bundesverfassungsgericht Linien vorzugeben versucht. Eine endgültige Klärung ist ihm aber nicht gelungen. Die Kriterien schwanken in ihrer Formulierung und in ihrer Bedeutung. Das hat schon die Analyse der Boxbergentscheidung gezeigt. Dieser Befund gilt aber nicht nur dort, sondern im gesamten Themenbereich82. a) Reformalisierung:
"Entzug"
Unbestreitbar ist eine Reformalisierung des Enteignungsbegriffs in der neueren Rechtsentwicklung festzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat damit Front gemacht gegen das ausgeuferte Begriffsverständnis der Zivilgerichte, jede eigentumsbeeinträchtigende Maßnahme von einer bestimmten Eingriffsschwere an in eine Enteignung umschlagen zu lassen. Im Blick auf Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die sich als besonders eingriffsintensiv 82 Vgl. Lege, NJW 1993, 2565 (2570): "Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung ist derzeit unklar, wenn nicht widersprüchlich."
56
1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
darstellen, heißt es unmißverständlich: "Werden die insoweit aus der Verfassung sich ergebenden Grenzen überschritten, so ist die gesetzliche Regelung unwirksam und nicht eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung kann auch nicht in eine Enteignung umgedeutet und der Verfassungsverstoß nicht durch Zubilligung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Entschädigung 'geheilt' werden."83 Die Reformalisierung stärkt die bestandserhaltende Seite des Art. 14 Abs. 1 GG. Sie wahrt die Gestaltungsfreiheit des Entschädigungsgesetzgebers gegenüber dem Zugriff des Richterrechts. Sie stellt schließlich wieder deutlich heraus, daß die Enteignung aus der Handlungsperspektive und nicht von der Eingriffsintensität her zu definieren ist. Insofern begegnet das Bundesverfassungsgericht durchgängiger Zustimmung84. Unsicher ist dagegen, welches die Charakteristika der Reformalisierung, d.h. die eigentlichen Formmerkmale sein sollen. Das Bundesverfassungsgericht sagt: "Wesensmerkmal der Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinne ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen; sie zielt auf vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind."85 Definitionen dieser Art sind in der Literatur teilweise als eine Rückkehr zum sog. klassischen Enteignungsbegriff gedeutet worden, der die Enteignung ganz als Güterbeschaffungsvorgang deutete und dadurch im Übertragungsvorgang und Übertragungsergebnis greifbare, verläßliche formale Indikatoren besaß86. Ob dem Bundesverfassungsgericht eine solche Rückführung wirklich zunächst vorgeschwebt hat, braucht jedoch nicht untersucht zu werden. In der Entscheidung vom 9.1.1991 sagt das Gericht unmißverständlich: "Das Vorliegen einer Enteignung hängt allerdings nicht davon ab, daß es sich um einen Güterbeschaffungsvorgang handelt."87 Die Übertragung des entzogenen Rechts auf einen Eingriffsbegünstigten ist also nicht verlangt. Zu einer klaren Trennung ist die Formalisierung in diesem Punkt nicht geeignet88. Andere Autoren versuchen, den Begriff des Entzuges stärker zu formalisieren: Entzug sei der Gegenpol zur Umgestaltung. Besondere Schwierigkeiten 83
BVerfGE 52, 1 (27 f.); 58, 137 (145); 79, 174 (191). Vgl. Schmidt-Aßmann, JuS 1986, 833 (835); ders., DVB1. 1987, 217 (219); Kraft, BayVBl 1994, 97 (99 f.). 85 BVerfGE 56, 249 (260); 70, 191 (199 f.); 79, 174 (191). 86 Zum klassischen Enteignungsbegriff grundlegend W. Weber, Eigentum und Enteignung, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, 331 (370 f.). 87 BVerfGE 83, 201 (211); zur Kritik Lege, NJW 1993, 2565 (2566 f.). 88 Im Ergebnis Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 374; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 97. 84
Β. Neuere eigentumsrechtliche Dogmatik
57
entstehen dann jedoch in den Fällen des Teilentzuges, die sich nicht nur als Abspaltungen, sondern auch als Nutzungsbeschränkungen darstellen können. Um gleichwohl einen formalen Entzugsbegriff zu retten, soll der Teilentzug sich nur auf verselbständigte Positionen beschränken, "wie sie der Gesetzgeber insbesondere im Zivilrecht mit den beschränkten dinglichen Rechten vorgegeben hat"89. Eine weitere Formalisierung des Entzugsbegriffs ist jedoch nicht geeignet, Enteignung und Inhaltsbestimmung exakt voneinander abzugrenzen. Das zeigt sich vor allem an solchen Fällen, in denen ein Entzug mit anschließender Rechtsübertragung unstreitig vorliegt. Ein Beispiel bildet die Einziehung der producta und instrumenta sceleris gem. §§ 74 ff. StGB. Vom äußeren Vorgang her kann ein Entzug hier nicht in Abrede gestellt werden. Trotzdem wird die Einziehung von der ganz herrschenden Ansicht nicht als Enteignung angesehen90. b) Zwecke des Entzuges Die Enteignung ist folglich nicht allein durch den äußeren Tatbestand des Entzugs Vorganges zu definieren. Die unter a) wiedergegebene verfassungsgerichtliche Definition betrifft folglich nur die eine Seite der Problematik, um enteignende von eigentumsbeschränkenden Maßnahmen so gut wie möglich zu trennen. Es gibt aber noch ein weiteres Grenzziehungsproblem, nämlich zwischen den enteignenden und den nicht enteignenden Entzugsvorgängen. Die Enteignung setzt den Entzug von Rechtspositionen voraus; aber nicht jeder Entzug ist eine Enteignung. Die hier notwendige Grenze ist nach dem Zweck der Maßnahme zu bestimmen91. Zwei dem äußeren Erscheinungsbild nach identische Entzugsvorgänge können folglich je nach dem verfolgten Zweck eine unterschiedliche materielle Zuordnung verlangen. Das zeigt sich z.B. in Fällen, in denen störendes Eigentum auf Grund des Polizeirechts entzogen wird. Zutreffend hat das Bundesverfassungsgericht dazu festgestellt92: "Der entscheidende Gesichtspunkt, der dagegen spricht, Fälle der hier vorliegenden Art als Enteignung anzusehen, ist (wie auch das Bundesverwaltungsgericht darlegt), daß die allgemeine 89
(304). 90
sen.
So Kraft,
BayVBl 1994, 97 (102); Maurer, in: Festschrift für Dürig, 1990, 293
Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 662 mit weiteren Nachwei-
91 Ebenso Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 100 ff.; vgl. auch die Definition von Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 14 Rn. 72. 92 BVerfGE 20, 351 (359).
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
Konstellation der Interessen, die Art, wie hier das öffentliche Interesse dem Privateigentum gegenübertritt, anders ist als in den typischen Fällen der Enteignung. Bei diesen liegt es so, daß die öffentliche Gewalt aus eigenem Interesse aktiv, offensiv gegen den Privateigentümer vorgeht, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen Zweck 'braucht', d.h. in irgendeiner Weise nutzen will." - "Der Staat tut damit im Grunde etwas, was der gewissenhafte Eigentümer selbst tun müßte, sobald er erkennt, daß von seinem Eigentum Gefahren für die Öffentlichkeit ausgehen." Der spezifische Gemeinwohlzweck ist also nicht nur eine Zulässigkeitsvoraussetzung der konkreten Enteignungsmaßnahme, sondern ein Wesensmerkmal des Enteignungsbegriffs. "Enteignung ist der gezielte hoheitliche Zugriff auf konkrete Vermögenswerte Rechte, die für einen vom Wohl der Allgemeinheit geforderten konkreten Gemeinwohlzweck benötigt werden."93 Der spezifische Zweck der Privatnützigkeit ist demgegenüber das Charakteristikum der Umlegung. Die in ihrer äußeren Erscheinungsform einander nahekommenden Institute sind durch die unterschiedlichen Zwecke, die sie verfolgen, klar getrennt.
C. Zusammenfassung: Qualifikation nach der Privatnützigkeit Auch die jüngere verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik kennt neben der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG die Umlegung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Beide Institute kommen sich zwar in der äußeren Erscheinungsform des "Entzuges" nahe. Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal ist aber die Zweckformel: Umlegungen folgen dem Gedanken einer typisierend und bilanzierend erfaßten Privatnützigkeit. Enteignungen dagegen sind festgelegt auf den Gedanken des Gemeinwohls, das dem Betroffenen als fremdnützig entgegentritt. Die Wertformel hat demgegenüber nur unterstützenden Charakter. Eine wertgleiche und dem Sollanspruch entsprechende Zuteilung ist ein zusätzliches Erfordernis. Führen Umlegungsmaßnahmen eines bestimmten Typs dazu, daß die betroffenen Eigentümer eine der Wertformel entsprechende Zuteilung nicht erwarten können, so verliert eine solche Umlegung ihren inhaltsbestimmenden Charakter selbst dann, wenn sie im übrigen als privatnützig eingestuft werden könnte. Nicht aber gilt umgekehrt, daß eine der Wertformel entsprechende Abfindung die fehlende Privatnützigkeit ausgleichen könnte. Eine Maßnahme muß folglich privatnützig ganz unabhängig von der Frage der Flächenabzüge und Flächenbeiträge sein, wenn sie als inhaltsbestimmende Umlegung eingestuft werden will. Auch die Zurverfügungstellung 93
Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 14 Rn. 72.
C. Zusammenfassung
59
von Ersatzland in hinreichendem Umfang macht eine Maßnahme, die nicht im übrigen privatnützig ist, nicht zu einer inhaltsbestimmenden Umlegung. Erst recht kann der Surrogationsgedanke die fehlende Privatnützigkeit nicht ersetzen. Der privatnützige Zweck muß nicht der einzige Zweck sein. Die Umlegung darf daneben auch öffentliche Zwecke verfolgen. Sie muß aber im wesentlichen Umfange mindestens auch im Interesse der betroffenen Eigentümer liegen. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur bestandserhaltenden Funktion des Art. 14 Abs. 1 GG und die distanzierten Formulierungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 22.3.1990 (oben unter A I 3) veranlassen dazu, das Privatnützigkeitskriterium ernst zu nehmen und es nicht dadurch zu verwässern, daß es auf eine hoch abstrakte Ebene gehoben und dort von öffentlichen Interessen mehr und mehr überlagert wird. I. Das Dilemma unterschiedlicher Rationalitäten An dieser Stelle ist auf ein Strukturproblem aufmerksam zu machen, das die schwierigen Wertungsfragen des Eigentumsverfassungsrechts zusätzlich belastet. Was üblich ist, was akzeptiert und praktiziert wird, wird einerseits durch die rechtlichen Grundlagen bestimmt. Akzeptierte Handlungspraxen prägen aber auch ihrerseits diese Grundlagen, vor allem in den ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen. Jeder komplexe Regelungsbereich bildet bis zu einem gewissen Grade eine eigene Rationalität aus. Das ist keine Besonderheit des Bodenrechts, sondern findet sich auch in anderen Verwaltungsbereichen vielfältig. Diese Eigenrationalität eines bestimmten Verwaltungsbereichs kann mit den anders beschaffenen Rationalitätsmustern anderer Entscheidungsinstanzen in Konflikt geraten. Diese Gefahr wächst, je fachferner eine solche Instanz entscheidet: Sie ist geringer im Verhältnis zu den Fachgerichtsbarkeiten, deutlich größer aber bei einem Gericht wie dem Bundesverfassungsgericht, das mit Fragen des Städtebaurechts nur gelegentlich und mit Umlegungsfragen selten befaßt wird. Vereinfacht läßt sich sagen: Je fachferner eine Kontrollinstanz ist, desto weniger selbstverständlich erscheinen ihr diejenigen Standards, die in dem betreffenden Verwaltungsbereich nach dessen Eigenrationalität als bewährte und vernünftige Praxis angesehen werden. Aus diesem Dilemma zweier Rationalitäten erwächst gerade in so komplizierten Regelungsbereichen wie dem vorliegenden eine erhebliche Unsicherheit darüber, wie verfassungsgerichtliche Verfahren ausgehen werden. Eine Verwaltungspraxis, die sich hier auf der sicheren Seite bewegen will, wird folglich "Sicherheitsabstände" einzuhalten haben, selbst wenn nach ihrer eigenen Auffassung das geltende Recht weiterreichende Zugriffsmöglichkeiten, ζ. B. eine höhere Belastung des Grundeigentums, gestatten sollte. Auch der
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
Gesetzgeber ist gut beraten, in einem so sensiblen Bereich nicht alles auszuschöpfen, was nach durchaus begründbarer Praxis vernünftig sein mag. Er muß sich auf der anderen Seite freilich nicht auf den allergeringsten Interventionsmaßstab festlegen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat die eigentumsgestaltende Aufgabe der Gesetzgebung immer wieder hervorgehoben. Es hat dann allerdings in manchen Fällen, in denen die gesetzgeberische Entscheidung ihm ungewohnt erschien, seine eigene Ansicht an die Stelle der gesetzgeberischen Lösung gesetzt. Hier bleibt ein strukturbedingter Unsicherheitsfaktor. Im Blick auf die Anwendung und Fortentwicklung des Umlegungsrechts selbst muß zu einer sehr behutsamen Handhabung der Zweckformel und des Privatnützigkeitsdogmas geraten werden. Überspannt man die öffentlichen Belange an dieser Stelle, so werden die künftigen Ergebnisse der Judikatur - zumal angesichts der oben beobachteten "neuen Sensibilität" gegenüber Eigentumseingriffen - unkalkulierbar. Π. Mögliche Kriterien der Zweckkonkretisierung Die Grenzziehung zwischen der Umlegung und der Enteignung nach der Zweck- oder Interessenformel, wie sie die herrschende Meinung vornimmt, ist nach wie vor der zutreffende Ansatz, der auch durch die neuere Judikatur des Bundesverfassungsgerichts nicht obsolet geworden ist: Die Umlegung ist eine inhaltsbestimmende und keine enteignende Maßnahme, weil sie nicht allein im fremden, sondern mindestens ebenso, oft sogar vorrangig im eigenen Interesse der beteiligten Eigentümer durchgeführt wird. Diese an der Privatnützigkeit ausgerichtete Zweckformel legitimiert das Grundmodell der Umlegung als inhaltsbestimmendes Instrument im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Im weiteren Untersuchungsgang muß dann genauer analysiert und gegebenenfalls differenziert werden. Auch dazu haben die voraufgehenden Erörterungen die wesentlichen Punkte bereits aufgezeigt, die jetzt zu ordnen sind. Systematisch lassen sich vier Ausgangspunkte festlegen, von denen aus sich nach der genaueren Struktur des Privatnützigkeitskriteriums forschen läßt. - Subjektive ./. objektive Interessen Die Interessenformel bekommt unterschiedliche Gehalte, je nachdem, welcher Interessenbegriff zugrunde gelegt wird: Stellt man auf die subjektiven Interessen der realen Eigentümer ab, so ist eine Umlegung nur dann als privatnützig einzustufen, wenn ihre Durchführung den ausdrücklich formulierten oder sonst nachgewiesenen Interessen der Beteiligten entspricht. Das kann zu erheblichen Schwankungen führen; eine Erschließungsumlegung etwa wäre nur dann eine inhaltsbestimmende und keine enteignende Maßnahme, wenn
C. Zusammenfassung
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der Wunsch der Eigentümer realiter darauf gerichtet ist, die bauliche Nutzbarkeit ihrer Grundstücke rechtlich in Szene zu setzen. Angeknüpft werden kann aber auch an einen objektiven Interessenbegriff. Das geschieht dort, wo auf den Maßstab des "vernünftigen" Eigentümers abgestellt und gefragt wird, ob ein solcher Eigentümer in der vorliegenden Situation die mit der Umlegung eintretenden Belastungen durch die mit ihr zu erreichenden Vorteile mindestens aufgewogen und die Maßnahme in diesem Sinne als mindestens auch seinen Interessen zu dienen bestimmt ansieht. Eine solche Anknüpfung entlastet davon, die Beantwortung der Qualifikationsfrage dem Einzelfall zu überlassen, und führt zu verläßlicheren Aussagen. Ein ganz sicherer Maßstab ist auch damit freilich nicht gefunden; denn darüber, was ein vernünftiger Eigentümer für sich als förderlich ansieht, mag man streiten, je nachdem, ob man das Bild eines Eigentümers zugrunde legt, der auf schnellen eigenen Gewinn sein Handeln ausrichtet, oder ob ein sozial verantwortlicher, auch Gemeinwohlbelange in sein Nutzenkalkül einbeziehender Eigentümer gemeint ist. - Individualeigentümer ./. Eigentümergemeinschaft In einer weiteren Hinsicht läßt sich die Interessenformel danach unterschiedlich handhaben, ob auf den Individualeigentümer oder auf die Eigentümergemeinschaft abgestellt wird. Bildete ersterer den Ausgangspunkt, so ließe sich von einer Privatnützigkeit der Umlegung nur dann sprechen, wenn jeder einzelne Eigentümer einen Umlegungsvorteil erlangte. Ist Bezugspunkt der Interessenformel dagegen die Gemeinschaft der Eigentümer, so ist das Privatnützigkeitskriterium bereits dann erfüllt, wenn für die Mehrheit der Beteiligten Vorteile herauskommen und die gemeinsame Situation insgesamt deutlich verbessert wird. Daß ein einzelner Eigentümer oder einige Eigentümer keine Vorteile aus der Maßnahme ziehen, läßt solchenfalls die Umlegung noch nicht in eine Enteignung umschlagen, obwohl auch diese Eigentümer ihr Eigentum an ihrem alten Grundstück gegen ein solches an einem anderen Grundstück eintauschen oder sich an Verfahrens- und Ausgleichslasten zu beteiligen verpflichtet werden. - Einzelmaßnahme ./. Maßnahmenbündel Unterschiedliche Bestimmungshorizonte ergeben sich ferner danach, ob man die Privatnützigkeit auf alle Einzelmaßnahmen, die unter dem Dach einer Umlegung zusammengefaßt sind, oder auf das Maßnahmenbündel als solches bezieht. Die Umlegung besitzt einen komplexen Aufbau. Um den Kern des eigentlichen Grundstückstausches sind vorbereitende Maßnahmen wie Verfügungssperren und nachfolgende Maßnahmen wie Ausgleichspflichten gelagert. Ist die Einzelmaßnahme Bezugspunkt, so läßt sich von einer privatnützigen und damit inhaltsbestimmenden Maßnahme nur sprechen,
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
wenn sich auch die isolierten Einzelmaßnahmen als vorteilhaft für die Eigentümer erweisen. Stellt man dagegen in der Art einer Gesamtbilanz auf das Maßnahmenbündel ab, so ist die Privatnützigkeit auch dann noch gegeben, wenn einzelne Maßnahmen, wie z.B. Flächenabzüge oder Ausgleichspflichten, für sich betrachtet belastend wirken. Eine Umlegung schlägt dann noch nicht deshalb in eine Enteignung um, weil sich herausstellt, daß es z.B. zu zahlreichen Minderzuteilungen kommt. - Maßnahmenbeginn./. Maßnahmenverlauf Das Privatnützigkeitskriterium kann schließlich danach schwanken, ob auf den Beginn, auf den weiteren Verlauf oder auf das Ende der Umlegungsmaßnahme abgestellt wird. Zu Beginn mag es durchaus eine breite Interessenübereinstimmung über den privatnützigen Charakter der Aktion unter den Beteiligten geben. Diese Übereinstimmung kann sich aber angesichts kontroverser Zuteilungswünsche später auflösen, so daß am Schluß alle Beteiligten nicht das erhalten haben, was sie erwartet hatten. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Was bei den Betroffenen zunächst auf starken Widerstand stieß und von ihnen nicht als in ihrem Interesse liegend akzeptiert wurde, kann sich später als für alle Beteiligten vorteilhaft herausstellen. Solche Entwicklungen können von ganz zufalligen Dingen abhängen, z.B. der plötzlich geäußerten Bereitschaft eines Beteiligten, sich mit Geld abfinden zu lassen. Der Qualifikationsfrage erwachsen aus diesen Unsicherheiten erhebliche Schwierigkeiten. ΠΙ. Typisierung und Bilanzierung als Methoden der Zweckbestimmung Die beschriebenen vier unterschiedlichen Ansätze zur Bestimmung dessen, was die Privatnützigkeit der Umlegung ausmachen kann, lassen sich miteinander zu vielfältigen Kombinationen verschränken und verbinden. 1. Spektrum der Anknüpfungsmöglichkeiten
Daraus entsteht ein Spektrum von Anknüpfungsmöglichkeiten, das sich zwischen den Eckpunkten einer höchst konkreten und einer sehr abstrakten Behandlung der Qualifikationsfrage ausbreitet: - Privatnützig, so könnte gesagt werden, sei nur das, was dem realen Willen jedes einzelnen der beteiligten Eigentümer während der gesamten Dauer der Umlegungsmaßnahme entspreche. Es leuchtet ein, daß ein solcher Ansatz die Zweckformel praktisch von innen heraus auflösen müßte. Die jederzeitige Übereinstimmung aller Beteiligten ist ein Merkmal der freiwilligen Umlegung, nicht aber der hoheitsrechtlichen Umlegung nach §§45 ff. BauGB. Wollte man die Privatnützigkeit und damit die Grenze zur Enteignung von ei-
C. Zusammenfassung
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ner so konkreten Ausdeutung der Zweckformel abhängig machen, so wäre die Umlegung nach §§45 ff. BauGB praktisch in ihrem gesamten Anwendungsbereich als Enteignung zu qualifizieren, weil Privatnützigkeit als dauerhafte reale Willensübereinstimmung aller Beteiligten kaum je anzunehmen sein wird. Das Institut müßte solchenfalls von Anfang an unter Enteignungsvoraussetzungen gestellt werden, weil sich trotz anfänglich breiter Zustimmung vielleicht in der Schlußphase der Zuteilung ein einziger Eigentümer nicht hinreichend berücksichtigt sehen könnte und damit die Privatnützigkeit der Maßnahme nicht mehr gegeben wäre. Das wäre ein Ergebnis, das jeder sinnvollen Abschichtung der städtebaurechtlichen Instrumente den Boden entzöge und alles in einem Einheitsinstitut "Enteignung" zusammenlaufen ließe. - Auf der anderen Seite darf aber auch kein rein abstrakter Ansatz zugrundegelegt werden. Wollte man die Umlegung schon stets dann als privatnützig ansehen, wenn eine Gemeinschaft vernünftiger, sozialbewußter Eigentümer sich von ihr insgesamt Vorteile versprechen darf, so wäre einer nicht-enteignenden, sondern inhaltsbestimmenden Umlegung ein denkbar breiter Anwendungsbereich erschlossen. Die Bestimmungsmaßstäbe entfernten sich solchenfalls jedoch deutlich von den eigentumsverfassungsrechtlichen Grundlagen des Instituts, weil sie die individuelle Schutzfunktion des Art. 14 Abs. 1 GG nicht hinreichend beachteten. Das Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nötigt hier die Verwaltungspraxis und die Gesetzgebung zu großer Behutsamkeit. 2. Vermittelnde Betrachtung
Die Privatnützigkeit kann weder von einem höchst konkreten noch von einem abgehoben abstrakten Ansatz her bestimmt werden. Wie Art. 14 GG subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Elemente, individuelle und gemeinnützige Interessen miteinander verbindet, so ist auch die umlegungsrechtliche Zweckformel in einer vermittelnden Weise auf der Ebene der Typenbildung und der Bilanzierung vorteilhafter und nachteiliger Faktoren zu konkretisieren. Diese "Gesamtbeurteilung" ist der zutreffende Ansatz des Winterberg-Urteils des Bundesgerichtshofs, so ungesichert seine einzelnen Ergebnisse auch sein mögen94. Wichtig ist aber, daß die solchermaßen konstituierte Privatnützigkeit in den einzelnen Phasen der Umlegung als Gesamtmaßnahme durchgehalten wird. Die Gesamtbeurteilung darf nicht als Instrument mißverstanden werden, mit der Zweckformel leichtfertig umzugehen und höchst pauschale Wertungsaussagen zu treffen.
94
Dazu oben Α Π 1 b; BGHZ 113, 139 ff.
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1. Abschn.: Eigentumsverfassungsrechtliche Problematik
a) Phase der Zwecksetzung Den Interessen der beteiligten Eigentümer dienlich ist das Institut dann, wenn es städtebauliche Situationen erfaßt, in denen Eigentümer typischerweise daran interessiert sind, bebaubare Grundstücke zu erhalten. Daß einzelne Eigentümer an einer solchen Nutzung zur Zeit kein Interesse haben, schließt die Privatnützigkeit nicht aus. Würde die Umlegung dagegen gesetzgeberisch so ausgestaltet, daß sie vorrangig dazu dienen soll, der öffentlichen Hand für eigentümerferne eigene Zwecke Land zu beschaffen, so verlöre sie ihren Charakter als privatnütziges Institut, selbst wenn die konkret betroffenen Eigentümer gegen eine solche Maßnahme nichts einzuwenden haben sollten. Wiederum bleibt die Umlegung privatnützig auch dann, wenn Einzelmaßnahmen innerhalb ihres Rahmens, wie z.B. Flächenabzüge nach § 55 Abs. 2 BauGB Zusatzzwecke verfolgen, die dem subjektiven Interesse der Beteiligten nicht entsprechen. Es mag sehr wohl sein, daß einzelne oder alle Eigentümer Grünanlagen oder Kinderspielplätze in ihrem Baugebiet für überflüssig halten und sich mit entsprechenden Flächenabzügen nicht befreunden können. Dadurch verliert die Umlegung jedoch nicht den Charakter einer insgesamt privatnützigen Maßnahme; denn was zur baulichen Nutzbarkeit an Infrastrukturstandards gehört, ist auch durch den Gedanken der Sozialbindung bestimmt und darf in einen wertenden Privatnützigkeitsmaßstab einbezogen werden. b) Phase der Zuteilung und Abfindung In der Phase der Zuteilung und Abfindung wird die Privatnützigkeit durch den Gedanken der proportionalen und wertgleichen Zuteilung konkretisiert. Ein gesetzliches Abgehen von diesen Maßstäben höbe die Privatnützigkeit auf und ließe eine enteignungsrechtliche Form der Umlegung entstehen. Daß bei einer konkreten Umlegungsmaßnahme einzelne Eigentümer nicht nach diesen Maßstäben behandelt werden, sondern in Geld oder Ersatzland abgefunden werden müssen, veranlaßt dagegen nicht dazu, eine solche Umlegung insgesamt unter Enteignungsvoraussetzungen zu stellen. Die Umlegung ist hier nur in einzelnen ihrer abfindungsrechtlichen Folgen wie eine Enteignung zu behandeln. Dem trägt § 59 Abs. 5 S. 2 BauGB Rechnung, indem er eine Zwischenform ausbildet, die bestimmte enteignungsrechtliche Schutzmechanismen in das Umlegungsrecht rezipiert. Flächenabzüge nach § 55 Abs. 5 BauGB dagegen verlangen die Beachtung der Enteignungsvoraussetzungen für das vorab auszuscheidende Grundstück.
Zweiter Abschnitt
Der Einsatz der Umlegung zur Aufbringung eingriffsrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzflächen (§§ 8a-c BNatSchG) Die §§ 8a-c BNatSchG haben die Bedeutung des Naturschutzes für das Bauplanungsrecht deutlicher, als sie bisher erfaßt worden war, in das öffentliche Bewußtsein treten lassen. Die Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die städtebauliche Planung läßt den Naturschutz heute als allgegenwärtige Größe im Städtebau erscheinen. Bei der rechtsdogmatisch richtigen Einstufung dieses Befundes muß jedoch beachtet werden, daß das Naturschutzrecht keineswegs erst seit Inkrafttreten des IWG für das Bauplanungsrecht Beachtlichkeit besitzt. Die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes gehörten bereits nach § 1 Abs. 5 des BBauG in seiner ursprünglichen Fassung von 1960 zu den Richtpunkten der planerischen Abwägung. Eine erhebliche Bedeutungssteigerung erfuhr der Naturschutz im Städtebau 1976: Das Bundesnaturschutzgesetz verlangte von Anfang an Beachtung nicht nur im unbesiedelten, sondern auch im besiedelten Bereich (§ 1 BNatSchG). Im selben Jahr wurde der Umweltschutz durch eine Novelle des BBauG den beiden anderen Hauptzielen städtebaulicher Planung, der geordneten städtebaulichen Entwicklung und der sozialgerechten Bodenordnung, gleichgestellt1. Die Vorstellung jedenfalls, Naturschutz sei im wesentlichen eine Angelegenheit des land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundeigentums im Außenbereich, entspricht seit nahezu 20 Jahren nicht mehr der Gesetzeslage. "Städtebauliche Gründe" und "naturschutzrechtliche Gründe" lassen sich heute nicht mehr gegeneinander ausspielen. Diese Entwicklung kann auch für Plandurchführungsinstrumente wie die Umlegung nicht ohne Folgen bleiben. Sie ist aber kein Spezifikum nur des Umlegungsrechts. Folglich ist es auch nicht der richtige Ansatz, sich von einer Reform gerade des Umlegungsrechts zu erhoffen, sie könnte die deutlich werdenden Vollzugsprobleme bei der rechtspraktischen Abstimmung der beiden Rechtsbereiche lösen. Hier kommt nur besonders deutlich zum Ausdruck, was in wesentlich tiefer reichenden Schichten der eigentumsgestaltenden Gesetzgebung seinen wahren Sitz hat: Die Frage nach der Naturschutzpflichtigkeit des Grundeigentums hat sich in den Städte1
Dazu Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz (Stand: Januar 1977), § 1 Rn. 248 ff. und 261 ff. Zur weiteren Entwicklung vgl. auch Mitschang, ZfBR 1994, 57 ff. 5 Schmidt-Aßmann
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
baulichen Bereich hineinentwickelt. Ein wichtiges Instrument dieser Entwicklung war und ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Dieses ist im folgenden in seiner allgemeinen Bedeutung (A), in seinen umlegungsrechtlichen Konsequenzen (B) und speziell für die Zuteilung der Ausgleichsund Ersatzflächen (C) darzustellen.
A. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Städtebau Zum Verständnis der Zusammenhänge ist es notwendig, zunächst das Grundmodell der Eingriffsregelung in § 8 BNatSchG zu betrachten (I). Danach ist die baurechtliche Ausformung des Instituts in den §§ 8a-c BNatSchG zu untersuchen (II) 2 . I. Das Grundmodell des § 8 BNatSchG Als naturschutzrechtliche Eingriffsregelung wird ein Pflichtensystem bezeichnet, dem der Verursacher bestimmter die Natur belastender Maßnahmen kraft Gesetzes unterworfen ist. Das Grundmodell ist in § 8 BNatSchG durch Rahmenrecht des Bundes festgelegt. Das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht der Länder hat diesen Rahmen ausgeformt und das erforderliche Vollzugsrecht geschaffen 3. 1. Eingriffs- und Pflichtensystem
a) Eingriffsbegriff Eingriffe in Natur und Landschaft sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen (§ 8 Abs. 1 BNatSchG). Der Tatbestand ist weitgefaßt. SeinerichtigeAuslegung bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Der Eingriff liegt in der Änderung von Grundflächen durch Gestalt- oder Nutzungsänderungen. Gestaltänderungen können alle prägenden Bestandteile der Erdoberflächenstruktur einschließlich vorhandener Pflanzenbestände betreffen. Nutzungsänderungen sind Änderungen, die den Rahmen der bisherigen Nutzungsart, die sich als durch die Verkehrsauffassung geprägte typische Nutzungsbündelung darstellt, sprengen. Schutzgüter sind die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und das Land2
3
Vgl. Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 85 ff. und 151 ff.
Dazu: Berkemann, NuR 1993, 97 ff.; Schmidt-Aßmann, HdUR Bd. 1, Sp. 451 ff.
mit weiteren Nachweisen; Gassner, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 9 ff.
Α. Die Eingriffsregelung im Städtebau
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schaftsbild. Ihre Beeinträchtigung muß nicht konkret nachgewiesen sein. Sie muß aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzen. Verlangt wird schließlich eine Beeinträchtigung von einer bestimmten Intensität ("erheblich oder nachhaltig"). Ein solcher Tatbestand liegt vor, wenn Natur und Landschaft gemessen an den Zielen des § 1 BNatSchG in einer Weise nachteilig verändert werden, die nach Art, Umfang oder Schwere nicht als völlig unwesentlich angesehen werden kann4. Nicht als Eingriffe i.S. des § 8 Abs. 1 BNatSchG waren nach dem ursprünglichen Konzept Planungsentscheidungen anzusehen, die den weiteren eingriffszulassenden Entscheidungen nur als Grundlage dienen. Flächennutzungspläne und Bebauungspläne stellten daher keine Eingriffe dar; sie waren auch nicht als Fachpläne i.S. des § 8 Abs. 4 BNatSchG einzustufen5. Schon bei der Planung waren die Determinanten der Eingriffsregelung aber i.S. einer "Vorwirkung" mit zu bedenken. Dabei war auch zu prüfen, ob die in § 8 BNatSchG vorgesehenen und gebotenen Ausgleichsmaßnahmen und - nach Maßgabe des Landesrechts ergänzend - auch Ersatzmaßnahmen überhaupt realisierungsfähig waren6. Seine eigentliche Wirkung entfaltete § 8 BNatSchG jedoch erst auf der Ebene der Zulassungsentscheidungen7. b) Pflichtensystem Das Regelungsprogramm des § 8 BNatSchG besteht in einer Stufenfolge von Pflichten, die dem Verursacher auferlegt sind8: - Die Vermeidungspflicht veranlaßt dazu, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen (§ 8 Abs. 2 S. 1 HS 1 BNatSchG). Sie betrifft nicht das Vorhaben als solches, sondern Art und Umfang seiner Ausführung. Das Vermeidbarkeitsurteil verlangt eine Gewichtung, die keine administrative Beurteilungsermächtigung umfaßt. Die Vermeidungspflicht ist kein bloßes Mini4 VGH BW NuR 1981, 132 (133); OVG Koblenz NuR 1988, 41 (42); vgl. auch Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 128 f.
5
Gaentzsch, NuR 1986, 89 (97); ders., NuR 1990, 1 (6); Gassner, NuR 1993, 252
(253); h.M. vgl. Peine, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 39 mit weiteren Nachweisen. Eine Ausnahme galt auch bisher schon für Bebauungspläne, die fachplanerische Zulassungsentscheidungen ersetzen, z.B. gem. § 17 Abs. 3 BFStrG. 6 BVerwG NuR 1994, 229 (230); Nieders. OVG BauR 1995, 501 (503). 7 Gaentzsch, NuR 1990, 1 (7); Ehrlein, VB1BW 1990, 121 (127); Schink, Naturschutz· und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, Rn. 344 f.; Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 121 ff. 8 Dazu Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 94 ff., der ein konservierendes, ein kompensierendes und ein finanzielles Element der Eingriffsregelung unterscheidet.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
mierungsgebot, sondern eine strikte Pflicht, die nicht unter Abwägungsvorbehalt nach § 8 Abs. 3 BNatSchG steht9. - Die zweite Stufe im Entscheidungsprozeß hat die Ausgleichspflicht beachten. Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind durch Schutzmaßnahmen abzugleichen, soweit das zur Verwirklichung der Ziele des Gesetzes erforderlich ist (§ 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 BNatSchG). Ausgleich meint die Herstellung eines dem ursprünglichen Zustand möglichst nahekommenden Status, der allerdings immer nur auf bestimmte prägende Elemente des betroffenen Schutzguts wird ausgerichtet sein können. Der Ausgleich ist nicht auf den Eingriffsort beschränkt, muß aber mit diesem in funktionalem Zusammenhang stehen. Auch das Ausgleichsgebot ist striktes Recht und nicht Gegenstand planerischer Abwägung10.
zu
- Eingriffe, die unvermeidbare und nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen bewirken, sind zu untersagen, wenn die Belange des Naturschutzes bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft vorrangig sind (§ 8 Abs. 3 BNatSchG). Auf dieser Stufe ist die behördliche Entscheidung nur auf Abwägungsfehler hin überprüfbar 11. - Für nicht ausgleichbare, aber vorrangige Eingriffe können die Länder weitergehende Vorschriften erlassen, insbesondere über Ersatzmaßnahmen des Verursachers (§ 8 Abs. 9 BNatSchG). Das Landesrecht ist hier sehr vielgestaltig: Neben Maßnahmen eines Realausgleichs, die zwar keine unmittelbaren örtlichen, wohl aber einen regionalen Bezug zum Eingriff haben müssen, z.B. der Schaffung eines vergleichbaren Ökosystems in der weiteren Umgebung, sind auch Ausgleichsabgaben als subsidiäre oder alternative Ersatzmaßnahmen vorgesehen12. 2. Grundlage im Verursacherprinzip
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gilt als eines der wichtigsten Instrumente des Naturschutzrechts. Sie drückt die Abkehr vom reinen Reservatdenken im Naturschutz aus. Ihre Einführung durch das Bundesnaturschutzgesetz von 1976 bedeutete einen wichtigen Schritt zur Entwicklung eines modernen flächendeckenden Naturschutzrechts13. 9
BVerwG NVwZ 1991, 69 f. und NVwZ 1993, 565 (568 f.). BVerwG NVwZ 1993, 565 (569). 11 BVerwGE 85, 348 (362). 12 Berkemann, NuR 1993, 97 (105 f.); Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 37 ff. 13 Pielow, NuR 1979, 15 ff.; Soell, in: Salzwedel (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 481 (521 ff.); Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 19. 10
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Rechtlich liegt der Eingriffsregelung das Verursacherprinzip zugrunde. Das wurde in den parlamentarischen Beratungen wiederholt betont und bildete von Anfang an eine Grundlinie der Interpretation des § 8 BNatSchG14. Das Verursacherprinzip, das eines der grundlegenden Prinzipien des Umweltrechts darstellt, ist keine reine Kostenanlastungsregel, sondern juristisch primär ein verantwortungszuweisendes Prinzip. In § 5 Abs. 1 des sog. Professorenentwurfs eines Umweltgesetzbuches ist es folgendermaßen formuliert. "Wer eine Umweltbeeinträchtigung, eine Umweltgefahr oder ein Umweltrisiko verursacht, ist dafür verantwortlich"15. Angeknüpft wird dabei an Gedanken der polizeilichen Störerhaftung 16. Wie aus den anderen umweltrechtlichen Prinzipien, so folgen auch aus dem Verursacherprinzip zwar keine zusätzlichen Rechtspflichten, die nicht schon im positiven Recht als solche festgelegt sind. Wohl aber wirkt das Prinzip wertverdeutlichend und kann so die Interpretation einzelner Vorschriften beeinflussen, indem es z.B. eine gesetzgeberische Entscheidung als plausibel, als Regel und nicht als Ausnahme ausweist. Es dürfte mit dieser Rückbindung an den Gedanken der Verursacherverantwortlichkeit zusammenhängen, daß sich, von einer sogleich (unter 3) zu behandelnden Problematik abgesehen, eine Diskussion der Grenzen, die die Eingriffsregelung aus Rücksicht auf Art. 14 GG zu beachten hätte, selten findet17. Das läßt sich mit dem Umstand, daß bei den vorrangig von § 8 BNatSchG erfaßten großen Infrastrukturmaßnahmen des Straßen- und Verkehrswegebaus in der Regel Projektträger beteiligt sind, die als Körperschaften öffentlichen Rechts nicht grundrechtsberechtigt sind, allein nicht erklären. Vielmehr gilt: Die Verantwortung des Verursachers für die Erfüllung der Pflichtensystematik ist im Grundsatz stets anerkannt worden, obwohl es sich bei der Eingriffsregelung 1976 um eine gesetzliche Neuregelung, nicht um eine Aktualisierung vertrauter Sozialbindungen des Eigentums handelte18. Das Verursacherprinzip hat sich von Anfang an eigentumsverfassungsrechtlich als Teil der Sozialgebundenheit des Art. 14 Abs. 2 GG ausgewirkt und den Verursacher nicht nur zur Beachtung der Vermeidungspflicht, sondern auch zur
14
Vgl. BT-Drs. 7/886, S. 26; 7/3879, S. 17; 7/5251, S. 4. Pielow, NuR 1979, 15 (16): "anspruchsvolle Grundsätze der Verursacherhaftung"; Heiderich, NuR 1979, 19 (20); Breuer, NuR 1980, 89 (90 f.). 15 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeine Teil, dort auch die Begründung 145 ff. 16 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 35, der darauf hinweist, daß das Prinzip in der Literatur auch "Störerprinzip" heißt. 17 Vgl. aber - mit freilich wenig greifbaren Aussagen - Schulte, VerwArch 1986, 372 ff. 18 Zu den Vorarbeiten der Regelung vgl. Gassner, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 9(11 ff.).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
Erfüllung der Ausgleichs- und Ersatzpflichten für unvermeidbare vorrangige Eingriffe angehalten. 3. Bisherige Einbeziehung baurechtlicher Sachverhalte
Es ist oben dargelegt worden, daß nach dem überkommenen Konzept des § 8 BNatSchG Bauleitpläne nicht als Eingriff angesehen wurden. Erst die Errichtung baulicher Anlagen konnte sich danach als Eingriff i.S. des Naturschutzrechts darstellen, der nach der überkommenen, erst durch die §§ 8a-c BNatSchG abgelösten Rechtslage von § 8 BNatSchG erfaßt wurde19. Daß die auf § 8 Abs. 8 BNatSchG gestützten sog. Positivlisten der Landesnaturschutzgesetze häufig nur Außenbereichsvorhaben unter den Regelbeispielen aufführen, stand angesichts ihres nicht erschöpfenden Charakters diesem Befund nicht entgegen20. Gegen die Beachtlichkeit des Naturschutzrechts für bestimmte nach §§29 ff. BauGB zu treffende Zulassungsentscheidungen sind allerdings unter Bezug auf einige ältere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zwei Einwände geltend gemacht worden21. - Von diesen Einwänden haben sich die kompetenzrechtlichen Bedenken, Landesnaturschutzrecht könne nicht in die als abschließend anzusehende Regelung des Planungsrechts hineinwirken, mit der Abstützung des Landesrechts durch das rahmenrechtliche Bundesnaturschutzrecht des § 8 BNatSchG erledigt. Zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die gem. § 29 S. 4 BauGB unberührt bleiben und damit weitere Anforderungen
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Ausführlich Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 208 ff. So fur das HessNatSchG VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 252 (253). Nachweise zu weiteren Bundesländern bei Gassner, NVwZ 1991, 26 (27 f.). Nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 LandschaftsG NW a.F. galt die Errichtung von Wohngebäuden auf Grund eines Bebauungsplanes nicht als Eingriff; die Regelung zeigte zugleich, daß die Errichtung baulicher Anlagen anderer Art oder außerhalb von Bebauungsplänen auch nach älterem nordrhein-westfälischem Recht als Eingriff angesehen wurde; so Schink 9 Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, Rn. 269. 1993 ist diese Regelung aufgehoben worden. Eine breitere Exemtion gibt es nach wie vor allein in Baden-Württemberg: Die den Eingriffsbereich ausdrücklich auf den Außenbereich begrenzende Regelung des § 10 BW-NatSchG wird in der Literatur jedoch als mit der bundesrechtlichen Vorgabe des § 8 Abs. 1 BNatSchG unvereinbar angesehen; Kuchler, VB1BW 1988, 89 ff.; Zweifel an der Bundesrechtskonformität bei Berkemann, NuR 1993, 97 (100) unter Bezugnahme auf BVerwGE 85, 348 (357); a.M. VGH BW NuR 1991, 100. 21 Dazu die Darstellung bei Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 23 ff.; Koch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 1991, 53 ff. 20
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an ein Bauvorhaben stellen können, gehört auch die Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG und den darauf gegründeten Landesgesetzen22. - Bedeutsamer für den vorliegenden Untersuchungszusammenhang sind eigentumsverfassungsrechtliche Einwände. Auch sie sind in der genannten älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits vorgezeichnet und bedürfen einer nach den Bereichen der §§ 30, 34, und 35 BauGB differenzierten Behandlung. a) Qualifiziert
beplanter Bereich (§ 30 BauGB)
Die überwiegende Ansicht hielt die Eingriffsregelung in diesem Gemeindebereich grundsätzlich für anwendbar. Sie schränkte dieses Ergebnis aber aus Rücksicht auf Art. 14 GG insofern ein, als sie annahm, einem ausgewiesenen Baugrundstück mit gesicherter Erschließung könne nicht die Bebaubarkeit als solche genommen werden. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 BNatSchG sollte notwendig sein, andererseits aber hinreichend Raum lassen, um die Ausführung des Vorhabens im einzelnen situationsgerecht zu beeinflussen. Das sollte unabhängig davon möglich sein, ob im Bebauungsplan entsprechende Maßnahmen vorgesehen waren. Entsprechende Anforderungen sollten gegebenenfalls durch Auflagen zur Baugenehmigung sichergestellt werden23. Nach weitergehender Ansicht konnte § 8 Abs. 3 BNatSchG sogar dazu führen, daß ein dem Bebauungsplan gemäßes Vorhaben schlechthin scheitern konnte. Die Eigentumsgarantie sollte dem nicht entgegenstehen, da das verfassungsgeschützte Eigentum nicht nur durch das Bau-, sondern ebenso durch das Naturschutzrecht bestimmt werde. Allenfalls, so wurde weiter gefolgert, sei 1976 bei Erlaß des BNatSchG und der dabei erfolgten Neubestimmung des Eigentumsinhalts auf real existierende Bebauungsrechte Rücksicht zu nehmen gewesen; heute aber nach nahezu 20 Jahren habe sich jeder Eigentümer auf die neue Rechtslage einstellen müssen24.
22 Gaentzsch, NuR 1986, 89 (93); Koch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 55 f.; Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 57; vgl. auch Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 29 Rn. 31; VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 252 (253). 23 Gaentzsch, NuR 1990, 1 (6); ähnlich Ehrlein, VB1BW 1990, 121 (126); Kolodziejcok, NuR 1992, 309 (311); Schmidt-Aßmann, HdUR Bd. 2, Sp. 451 (458); Dolde, Festschrift fur Weyreuther, 195 (205 f.). 24 Koch, Eingriffsregelung, 57 ff.; Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 208 ff., mit dem Hinweis, daß die vollständige Untersagung eines Vorhabens zwar rechtlich möglich sei, aber keine praktische Bedeutung erlangen werde (S. 226).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
b) Innenbereich (§ 34 BauGB) § 8 BNatSchG war seinem Grundmodell nach auch auf Vorhaben im nicht qualifiziert beplanten Innenbereich anwendbar. Daß in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil eine weitere Verdichtung oft schon begrifflich nicht die Voraussetzungen der eingriffstypischen Beeinträchtigungsintensität erfüllt, steht auf einem anderen Blatt. War von einem Eingriff auszugehen, so war der Verursacher, d.h. regelmäßig der Eigentümer als Projektträger, wenigstens nicht schon aus systematischen Gründen von der Pflichtenfolge des § 8 BNatSchG entbunden. Unterschiedlich beantwortet wurde in der Literatur allerdings die Intensität der Pflichtenbindung. Ähnlich wie zu § 30 BauGB vertrat die h.M. die Auffassung, daß die Baugenehmigung für ein Vorhaben, das sich in seine Umgebung einfüge, nicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 BNatSchG schlechthin verweigert werden durfte; wohl aber konnten Modifikationen bzw. Ausgleich und Ersatz verlangt werden25. Andere Autoren hielten es sogar für möglich, daß ein baurechtlich durch § 34 BauGB abgesichertes Vorhaben gleichwohl in der naturschutzrechtlichen Abwägung zurückzutreten haben könnte26. c) Außenbereich (§ 35 BauGB) Hier hatten die Belange des Naturschutzes schon aus sich heraus einen guten Stand. Nicht-privilegierte Vorhaben i.S. des § 35 Abs. 2 BauGB scheitern schon nach älterer Auffassung bereits, wenn sie Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigen. Schon das Baurecht verwehrte solche Projekte bereits unterhalb der Schwelle der eingriffsspezifischen Belastungsintensität i.S. des § 8 Abs. 1 BNatSchG. Gegenüber privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB brachte sich die Eingriffsregelung dagegen eigenständig zur Geltung. Die Landesnaturschutzgesetze behandelten den Außenbereich bisher als den Hauptanwendungsfall des § 8 BNatSchG. Ob das in der praktischen Gewichtung zutrifft, mag auf sich beruhen. Jedenfalls ist schon nach dem Grundmodell der Eingriffsregelung, wie es seit 1976 galt, davon auszugehen, daß im Rahmen des § 35 BauGB nicht etwas zulässig ist, was materiell den naturschutzrechtlichen Standards des § 8 BNatSchG nicht entspricht. Das IWG hat insofern nichts geändert27. 25 Gaentzsch, NuR 1986, 89 (91); Ehrlein, VB1BW 1990, 121 (126); Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 2. Auflage, 1987, § 34 Rn. 31. 26 Gassner, UPR 1987, 249 (252); Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 226 f.; Koch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 61. 27 Zur Anwendbarkeit der Eingriffsregelung gegenüber Außenbereichsvorhaben Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 227 ff.; Koch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 62 f.; Ehrlein, VB1BW 1990, 121 (126).
Α. Die Eingriffsregelung im Städtebau
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4. Zusammenfassung
Die Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG aktualisierte seit 1976 das Verursacherprinzip in umfassender Weise. Sie bezog sich in ihrem Grundmodell von Anfang an nicht nur auf Vorhaben öffentlicher Projektträger, sondern ebenso auf private baurechtliche Einzelvorhaben, über die nach Maßgabe der §§ 29 ff. BauGB im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden ist. Das Bundesnaturschutzgesetz hat 1976 mithin eine in das Bau- und Planungsrecht hineinreichende veränderte Inhaltsbestimmung des Gesetzgebers vorgenommen: Die Beachtung der von § 8 BNatSchG normierten Vermeidungs-, Ausgleichsund Ersatzpflichten ist danach Teil der Eigentumsnutzung geworden. Dabei kommt es für unseren Untersuchungszusammenhang nicht auf Einzelheiten an. Daß die Eingriffssystematik nach diesem Konzept in allen Gebieten der §§ 30, 34 und 35 BauGB beachtlich war, ist unzweifelhaft. Bei der Erfüllung der Pflichten des § 8 BNatSchG ging es folglich von Anfang an um ureigenste Aufgaben jedes Verursachers eines Eingriffs, nicht um eine von außen auf diesen zukommende fremdbestimmte Last. Dieses verdient deshalb besondere Hervorhebung, weil es die Grundverantwortung des Projektträgers, in der Regel also des Eigentümers, auch dort deutlich werden läßt, wo abweichend vom Grundmodell des § 8 BNatSchG nach den neuen §§ 8a-c BNatSchG für planbegründete Eingriffe heute primär Pflichten des Planungsträgers bestehen. Π. Die neue planerische Variante der §§ 8a-c BNatSchG Durch die neuen §§ 8a-c BNatSchG ist, wie in der Literatur unter Bezugnahme auf die Amtliche Begründung der Entwürfe immer wieder betont wird, die Prüfung der Eingriffsregelung auf das Stadium der Bauleitplanung "vorverlagert" oder "konzentriert" worden28. Sind auf Grund der Aufstellung Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen Eingriffe zu erwarten, so ist über die erforderlichen Konsequenzen bereits in dem betreffenden Plan zu entscheiden. Vorausgesetzt bleibt, daß ein Eingriff i.S. des § 8 Abs. 1 BNatSchG zu erwarten ist. Das wird bei der Aufstellung von Flächennut28 So BVerwG NuR 1994, 229 (230): "Vorverlagerung"; ähnlich Runkel, NVwZ 1993, 1136 mit Fn 4; Lüers, ZfBR 1993, 106 (113); Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 154 ff.; Gassner, NuR 1993, 252 ff.; Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1994, 1165; Steinfort, VerwArch 1995, 107 (110 f.); Hoppe/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 139; Peine, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 39 (41); Berkemann, dort 67 (78 f.: "Konzentration" und "Antizipation"); mit umfassenden Nachweisen Schink, UPR 1995, 281 ff. Vgl. den aus der Mitte des Bundestages eingebrachten Entwurf, Bundestags-Drs. 12/3944, S. 25 f. und 51 ff. sowie den Regierungsentwurf Bundestags-Drs. 12/4047; Berichte des federführenden Ausschusses, Bundestags-Drs. 12/4340, S. 16.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
zungsplänen regelmäßig, bei der Aufstellung von Bebauungsplänen dagegen vor allem dann erfüllt sein, wenn diese erstmals bauliche oder sonstige Nutzungen von eingriffstypischem Gewicht festsetzen. Wird der bauliche Bestand dagegen nur festgeschrieben, z.B. ein ohnehin weitgehend versiegelter Bereich weiter verdichtet oder saniert, so greift § 8a BNatSchG nicht ein29. Die Vorverlagerung der Eingriffssystematik in die Bauleitplanung hat naturschutzrechtlich wie städtebaurechtlich ihren guten Sinn: Zum einen werden Zulassungsverfahren von der Notwendigkeit entlastet, die Eingriffsproblematik jeweils im Einzelfall von Grund auf neu zu prüfen und abzuarbeiten. Zum anderen ist es auf der Ebene der Planung möglich, mehrere Eingriffe im Zusammenhang zu beurteilen; Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können so umfassender und damit ökologisch wirksamer gestaltet werden30. Planungssystematisch dürfte das auf eine Bedeutungssteigerung vor allem des Flächennutzungsplanes hinauslaufen. "Sinnvolle ökologische Planungsgrundsätze und Ausgleichsbemühungen sind weniger auf kleinteiligen und zersplitterten Einzelflächen (wie sie sich aus Bebauungsplänen ergeben können), sondern effektiver und meist auch kostengünstiger auf zusammenhängenden Lebensräumen, Ufer- und Überschwemmungsgebieten, Frischluftschneisen und dergleichen mehr zu realisieren. Diese können aber nur in der Gesamtschau des Flächennutzungsplans oder gar der Landes- und Regionalplanung konzipiert werden."31 . Über die Konsequenzen einer Verbindung von gesamtgemeindlicher oder sogar regionaler Ausgleichsentscheidung und individualrechtlich-eigentumsbezogener Kostenzurechnung als künftiger Dimension eines modernen Städtebaurechts muß künftig intensiver nachgedacht werden. Für unseren begrenzten Untersuchungszusammenhang ist dagegen als Grundfrage bedeutsam, von welcher Verantwortungsverteilung zwischen Planungsträger und Projektträger die Neuregelung ausgeht. Wir unterscheiden zwischen einer planerischen Bewältigungsverantwortung (1), einer materiellen Erfüllungsverantwortung (2) und einer rechtspraktischen Regelungsverantwortung (3).
29
Runkel, NVwZ 1993, 1136, mit weiteren Differenzierungen zu Änderungen, Ergänzungen und Aufhebungen von Bebauungsplänen; Steinfort, VerwArch 1995, 107 (113). Vgl. auch Nds. OVG, BauR 1995, 63 (64): "Der Senat geht jedenfalls davon aus, daß der Bundesgesetzgeber mit § 8a BNatSchG vorrangig die erstmalige Beplanung und Bebauung bislang von Bebauung freier Flächen im Auge hatte. " 30 Ebenso Steinfort, VerwArch 1995, 107 (111). Daran ändern die in der Praxis des Gesetzesvollzuges aufgetretenen Probleme (dazu jüngst Klinge, BauR 1995, 289 ff.) nichts. 31 So zutreffend Luft, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 12; ähnlich Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (90 f.).
Α. Die Eingriffsregelung im Städtebau
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1. Planerische Bewältigungsverantwortung
Die "Vorverlagerung" hat die Eingriffsregelung als solche zu einem Thema der Planungsphase gemacht. Die Neuregelung des § 8a Abs. 1 BNatSchG nimmt damit die Gemeinden als Planungsträger direkt für die zu erwartenden Eingriffe in Pflicht. Während die alte Rechtslage zu § 8 BNatSchG die Bauleitplanung selbst nicht als Eingriff definierte und es planerisch bei den allgemeinen Abwägungsregeln bewenden ließ, ist heute eine explizite Bewältigungsverantwortung des Planungsträgers für die Eingriffe begründet worden32. Ob damit auch die eingriffstypischen Unterlassungspflichten in das Planungsrecht übertragen worden sind, oder aber ob die Pflichtenbindungen des § 8 Abs. 2 BNatSchG in der Bauleitplanung letztlich durch Abwägung überwunden werden können, bedarf hier keiner Entscheidung33. Fest steht jedenfalls, daß die Gemeinde durch § 8a Abs. 1 BNatSchG spezifisch in die Verantwortung für die zu erwartenden Eingriffe mithineingenommen ist. Anders war die erstrebte Entlastung des einzelnen Genehmigungsverfahrens durch § 8a Abs. 2 BNatSchG nicht zu erreichen. Das folgt indirekt auch aus § 8b Abs. 1 S. 2 BNatSchG. Das Spezifikum der in § 8a Abs. 1 BNatSchG begründeten gemeindlichen Bewältigungsverantwortung liegt in ihrer Ausrichtung auf planerische Mittel. Es geht also um eine instrumentelle Verantwortung, die sich in einer Kette von Ermittlungs-, Gestaltungs- und Abwägungspflichten zeigt34. a) Ermittlungspflichten Sie beziehen sich zum einen auf den Ist-Zustand der Natur, den Eingriff und die möglichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Der Zustand von Natur und Landschaft im beabsichtigten Planbereich und über dessen Grenzen hinaus ist zu erfassen und in seiner ökologischen Bedeutung zu bewerten. Der Eingriff ist in seinen Erscheinungsformen zu prognostizieren. Gleiches gilt für denkbare Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und deren Wirksamkeit. 32
Dazu, auch im Blick auf die Eigentumsverhältnisse und die Realisierung des Bebauungsplanes, Reinhardt, DÖV 1995, 21 ff. 33 Dazu: der sog. städtebaurechtlichen Auslegungsvariante folgend z.B. Runkel, NVwZ 1993, 1136 (1138); Steinfort, VerwArch 1995, 107 (117 f.); Schink, UPR 1995, 281 (284 ff.); der sog. naturschutzrechtlichen Auslegungsvariante folgend: Blume, NVwZ 1993, 941 ff.; Gassner, NuR 1993, 252 (253 f.). Für vermittelnde Lösungen: Felder, NuR 1994, 53 (62); Peine und Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 39 (52 f.) und 67 (87 f.). 34 Vgl. Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (81).
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Dabei können die Darstellungen der Landschaftspläne Hilfe leisten (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 BNatSchG). In der Praxis existieren zahlreiche detaillierte Auflistungs- und Bewertungsvorschläge, ohne daß sich eine bestimmte Methode als verbindlich durchgesetzt hätte35. Ermittlungspflichten betreffen aber auch die Eigentumslage im Planbereich. Auch das entspricht schon den bisherigen Planungsstandards. Die Anforderungen sind im Gefolge des § 8a BNatSchG aber erhöht worden, insofern die erforderlichen Flächenzuordnungen die Kenntnis nicht nur der Eigentumsstruktur, sondern auch der Vorstellungen der Eigentümer über Formen der Realisierung verlangt36. b) Gestaltungspflichten Hierunter fassen wir die Aufgaben der Gemeinden zusammen, die in der planerischen Auswahl der erforderlichen Minimierungs- und Ausgleichsfestlegungen liegen. Auszuschöpfen sind zum einen die Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten der §§ 5 und 9 BauGB. Zum anderen wirft die Zuordnung der Ausgleichs- und Ersatzgrundstücke zu den Eingriffsgrundstücken nach § 8a Abs. 1 S. 4 BNatSchG schwierige Gestaltungsfragen auf. Auf der Ebene der Bebauungspläne haben für die planerische Bewältigung von Eingriffen insbesondere § 9 Abs. 1 Nr. 1 (Art und Maß der baulichen Nutzung), Nr. 2 (nicht überbaubare Grundstücksflächen), Nr. 10 (Freiflächen), Nr. 15, 16 (Grünflächen, Wasserflächen), Nr. 18 (Flächen für die Landwirtschaft, Wald), Nr. 22 (Flächen für Gemeinschaftsanlagen) sowie die spezifisch umweltrechtlichen Schutzregelungen der Nr. 20, 24 und 25 BauGB Bedeutung37. c) Abwägungspflichten Bauleitpläne, die Eingriffe erwarten lassen, verlangen eine besonders sorgfältige Abwägung. Die ohnehin hohen Standards, die nach § 1 Abs. 6 BauGB für die Abwägung gelten38, sind hier weiter gesteigert. Das gilt ganz unab35
Dazu die Nachweise bei Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 133 ff.; Klinge, BauR 1995, 289 (293 f.); Hinweise auch bei Schaller, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 25 ff. 36 Dazu Reinhardt, DÖV 1995, 21 (25 f.). 37 Ausführlich dazu Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft, 185 ff.; kürzer Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (101 ff.); Louis, dort 113 (115 ff.). Zur Rechtfertigung einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zur Sicherung einer ökologisch wertvollen Lage durch aufgelockerte Bebauung vgl. BVerwG BauR 1995, 65 ff. 38 Dazu jüngst Hoppe/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7; Sendler, UPR 1995, 41 ff.
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hängig von der streitigen Frage, ob im Rahmen des § 8a Abs. 1 BNatSchG Positionen denkbar sind, die durch Abwägung nicht überwunden werden können. Die Steigerung der Abwägungspflichten zeigt sich z.B. in der Frage des räumlichen Zuschnitts des Plangebiets, das hinreichenden Raum für Ausgleichs· und Ersatzflächen bieten muß, und in der Entscheidung für eine Sammelzuordnung oder eine differenzierte Einzelzuordnung39. Schon im Planungsstadium muß mit bedacht werden, daß die vorgesehenen Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen realisiert werden können. Eine von vorneherein nicht realisierbare Festsetzung wäre ein Abwägungsfehler, der die Existenz des Planes in Frage stellt. Das galt schon nach bisherigem Recht. Dieser Standard darf nach der Neuregelung natürlich nicht unterschritten werden40. Die grundlegende Frage etwa, wie Eigentümer von Ausgleichsflächen, die nicht zugleich Eigentümer von Eingriffsflächen sind, dazu angehalten werden können, die festgesetzten naturschutzrechtlichen Maßnahmen auch durchzuführen, kann nicht einfach offen gelassen werden41. Die Einzelheiten der eingriffsrechtlichen Konsequenzen für die Abwägungsdogmatik liegen derzeit allerdings noch nicht fest. Hier können erhebliche Rechtsunsicherheiten entstehen, wenn die Anforderungen an die planerische Konfliktbewältigung überzogen werden. Insgesamt sollte eine Linie verfolgt werden, die die komplizierten Einzelheiten der Realisierung nicht zu stark in die Planungsphase vorverlagern, weil die Gemeinden solchenfalls mit Abwägungsaufgaben belastet würden, deren reale Voraussetzungen sie im Planungsstadium nicht hinreichend überschauen können. Das gilt vor allem im Blick auf in Betracht zu ziehende Umlegungsmaßnahmen. Die Gemeinde wird sich freilich schon im Planungsstadium darüber Gedanken zu machen haben, welche Durchführungsmaßnahmen für die Realisierung eines konkreten Planungsfalls verfügbar sind. Dabei wird sie auch Umlegungsmaßnahmen in ihre Überlegungen einzubeziehen haben (vgl. unter B). Unter Umständen ist an ein "Parallelverfahren", wie es durch § 45 Abs. 2 BauGB ermöglicht wird, zu denken. Wird vorrangig auf eine Durchführung mittels amtlicher Umlegung gesetzt, müssen die Verfügbarkeit der erforderlichen Ersatz- und Zuteilungsflächen und die Einhaltung des Sollanspruchs bereits bei der Planungsentscheidung gesichert sein. Nicht aber kann verlangt werden, daß in der Abwägung bereits die Wertverhältnisse im einzelnen antizipiert, alle Möglichkeiten wertgleicher Abfindung durchgespielt oder Er39 Zu diesen Fragen Steinfort, VerwArch 1995, 107 (113 ff.); auch Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (106 f.); Reinhardt, DÖV 1995, 21 (23 ff.). 40 Zum bisherigen Recht mit weiteren Nachweisen Nieders. OVG BauR 1995, 501 (503). 41 Zur Möglichkeit, nach § 178 BauGB ein Pflanzgebot anzuordnen, Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 178 Rn. 4.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
satzlandfragen detailliert beantwortet werden42. Zusätzliche Schwierigkeiten entstehen, wenn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf Grundflächen vorgesehen werden, die sich für diese Funktion nicht schon von vorneherein anbieten. Die dann eintretende Ungleichbehandlung der Eigentümer kann eine umlegungsrechtliche Lösung und Lastenverteilung geradezu notwendig machen43. 2. Materielle Erfüllungsverantwortung
Die mit § 8a Abs. 1 BNatSchG erfolgte Vorverlagerung und Konzentration der eingriffsrechtlichen Pflichtensystematik wäre mißverstanden, wenn man sie als befreiende Verantwortungsverlagerung vom Vorhabenträger auf den Planungsträger interpretierte. Die Verantwortungsstrukturen sind gegenüber dem einphasigen Grundmodell des § 8 BNatSchG zwar differenzierter geworden, weil eine planerische Bewältigung in gemeindlicher Kompetenz vorgeschaltet worden ist. Doch hat die Neuregelung die materielle Pflicht des Vorhabenträgers, als Verursacher des Eingriffs für Ausgleich oder Ersatz zu sorgen, nicht eliminiert. Nach wie vor ist nicht der Bauleitplan der eigentliche Eingriffsakt, sondern die Durchführung des Bauvorhabens. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, einzelne Bauvorhaben, z.B. der Bau eines kleinen Einfamilienhauses, stellten für sich genommen u.U. einen nur sehr geringgewichtigen Eingriff in Natur und Landschaft dar und erst die Summierung der Einzeleingriffe in ihrer planerischen Antizipation bringe den Belastungsgehalt und damit auch das Ausgleichsbedürfhis voll zu Geltung. Richtig ist zwar, daß die zusammenfassende Betrachtung der Eingriffssituation, wie sie mit der Vorverlagerung auf die Planungsebene möglich wird, das Ausmaß der Beeinträchtigung klarer hervortreten läßt. Wenn aber auch das Einzelvorhaben einen Eingriff darstellt, ist die Verantwortung des Projektträgers nach dem Grundmodell des § 8 BNatSchG begründet. Es existiert kein anerkennenswertes Interesse, diese Verantwortung nur deshalb materiell dem Planungsakt anzulasten, weil dieser den Eingriffstatbestand besonders deutlich sichtbar macht. Aber selbst dann, wenn erst die Summierung der Einzelvorhaben den Tatbestand des Eingriffsbegriffs erfüllen sollte, wäre von einer materiellen Verantwortung der Projektträger auszugehen; denn erst im Planungsverbund erlangen diese die Möglichkeit zu bauen. Mit diesem Vorteil ist die Pflicht verbunden, auch für solche Eingriffe, die sich aus geringer gewichtigen Zugrif42 Zu den hier entstehenden Schwierigkeiten anschaulich Stahr, Die Berücksichtigung von naturschutzrechtlichen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen (Vortragsmanuskript), 8. 43 Vgl. BGHZ 118, 11 ff.
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fen "pro rata" zusammensetzen, nach Maßgabe des Naturschutzrechts aufzukommen. Für die Projektdurchführung, nicht aber für die planerischen Darstellungen oder Festlegungen gelten die Ausgleichs- und Ersatzpflichten materiell. Das ergibt sich auch aus § 8a Abs. 3 und 4 BNatSchG: - Absatz 3 S. 1 nennt für die Durchführung der planerisch festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an erster Stelle den Vorhabenträger. Soweit die Gemeinde die Aufgabe übernehmen soll, tut sie es "an Stelle und auf Kosten" der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke (Satz 2). Zutreffend spricht Steinfort davon, die Gemeinde nehme die Handlungen "anstelle des originär verpflichteten Privaten 'ersatzweise' vor" 44. - Auch die Zuordnungs- und Verteilungsregelung des Absatzes 4 ist Ausdruck des Verursacherprinzips. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht geht das Gesetz dabei von einer vollen Kostenerstattung ohne Abzug eines gemeindlichen Eigenanteils aus45. 3. Rechtspraktische Regelungsverantwortung
Zu bedenken ist schließlich eine rechtspraktische Regelungsverantwortung bei der Umsetzung der vorgesehenen Maßnahme. Sie ist zwischen den beteiligten Verwaltungen verteilt:· - Soweit die Maßnahmen im Baugenehmigungsverfahren mit abgearbeitet werden können, trifft diese Verantwortung die Baugenehmigungsbehörde. Sie hat die nach § 8a Abs. 2 BNatSchG notwendigen und durch den Bebauungsplan konkretisierten Bindungen des Bauvorhabens durch eine entsprechende Fassung der Baugenehmigung, gegebenenfalls unter Einsatz zulässiger Nebenbestimmungen (§ 36 VwVfG), sicherzustellen46. - Soweit es um die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, um die Kostenverteilung und um die Einforderung der Kostenerstattung geht, ist die Gemeinde als Selbstverwaltungsträgerin zur Regelung zuständig. Gleiches gilt, soweit weitere städtebauliche Maßnahmen, z.B. Umlegungen, notwendig sind. In allen diesen Fällen berührt die rechtspraktische Regelungsverantwortung die materielle Erfüllungsverantwortung des Projektträgers nicht.
44
Steinfort, VerwArch 1995, 107 (145). Vgl. auch Schink, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 124 (125): "Auch für das Baurecht hat der Gesetzgeber im Grundsatz am Verursacherprinzip festgehalten. " Ähnlich Reinhardt, DÖV 1995, 21 (22). 46 Vgl. dazu Heintz, BauR 1995, 1 (6 ff.). 45
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ΙΠ. Zwischenergebnis Das Grundmodell der Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG) geht von der Verantwortung des Projektträgers als Verursacher des Eingriffs aus. Die Analyse der zugrundegelegten Verantwortungsstrukturen zeigt, daß auch nach der städtebaurechtlichen Neuregelung (§ 8a BNatSchG) nach wie vor der Ver ursacher materiell für die Erfüllung der eingriffsrechtlichen Pflichtensystematik verantwortlich ist. - Die Vorstellung, nach § 8a BNatSchG sei nunmehr die Gemeinde verantwortlich geworden und den Vorhabenträger, Bauherrn und Eigentümer, gehe das alles nichts mehr an, ist unzutreffend. Die Gemeinde ist in spezifischer Weise - planerisch und rechtspraktisch - in die Bewältigung der zu erwartenden Nutzungskonflikte eingeschaltet. Es liegt darin aber - zivilrechtlich gesprochen - keine "privative Schuldübernahme" durch die Gemeinde47. - Die Konzentration der Verantwortlichkeit auf den Verursacher ist aber noch in einer zweiten Hinsicht beachtlich: § 8a BNatSchG hat die Naturschutzpflichtigkeit des Grundeigentums nicht in der Weise erweitert, daß alle Grundeigentümer in einer Gemeinde gleichermaßen verpflichtet wären, für die auf bestimmten Flächen erfolgenden Eingriffe einzustehen. Verantwortlich für das, was § 8a BNatSchG verlangt, sind allein die Verursacher, d.h. praktisch die Eigentümer der Baugrundstücke, nicht aber die Eigentümer derjenigen Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Betracht kommen. Auch insofern ist die Verantwortungszuweisung des § 8a BNatSchG eine spezifische. Eine Kollektivzurechnung an die Eigentümer der Eingriffs- und der Kompensationsflächen ist nicht vorgesehen. Diese Feststellungen sind auch für die eigentumsrechtliche Einordnung bedeutsam: Die Erfüllung der eingriffsrechtlichen Verursacherpflichten, wie sie nach dem Grundmodell des § 8 BNatSchG seit 1976 gelten, stellt materiell für die Projektträger kein fremdes Geschäft dar. Vielmehr erfolgt sie in ihrem Interesse. Das wirkt sich auf die Einstufung von Umlegungsmaßnahmen aus, die zur Aufbringung erforderlicher Ausgleichs- und Ersatzflächen durchgeführt werden: Anders als dort, wo die Umlegung z.B. zur Erlangung zusätzlichen Baulandes für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden soll, geht 47 Das gilt auch, soweit das Gesetz in Einzelpunkten die Eigentümer gegenüber der bisherigen Regelung des § 8 BNatSchG besser stellt: So für Bauvorhaben im Innenbereich gem. § 8a Abs. 6 und für Bauvorhaben in Bereichen mit (älteren) Bebauungsplänen, in denen die Eingriffsregelung nur unzulänglich abgearbeitet worden ist -jeweils wiederum mit dem Vorbehalt der Möglichkeit weitergehender, d.h. die Eigentümer belastender Regelungen durch Landesrecht gem. § 8b Abs. 2 BNatSchG (vgl. dazu auch Kuchler, NuR 1994, 209 ff.). Eine (subsidiäre) Einstandspflicht der Gemeinde ist auch in diesen Fällen einer Entlastung der Projektträger und Eigentümer nicht begründet worden.
Β. Realisierung der planerischen Eingriffsregelung
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es bei einer Umlegung zur Bewältigung von Eingriffsfolgen des Naturschutzrechts um eine Maßnahme, von der sich jedenfalls im Grundsatz sagen läßt, daß sie im Interesse der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke liegt und für diese folglich eine privatnützige Maßnahme darstellt. Dagegen sind die Eigentümer der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzflächen in die materielle Pflichtengrundlage nicht einbezogen. Ob auch für sie von einer privatnützigen Maßnahme gesprochen werden kann, erscheint daher außerordentlich fraglich und wird gesondert zu prüfen sein. Wir haben es hier auch insofern mit einer strukturellen Besonderheit der eingriffsrechtlichen Umlegungsproblematik zu tun. Während es bei Reformfragen des Umlegungsrechts sonst regelmäßig darum geht, die Einsatzfähigkeit des Instituts für eine erweiterte Palette öffentlicher Zwecke nutzbar zu machen, geht es bei unserer Thematik um eine stärkere Akzentuierung privatnütziger Zwecke. Es kommt dabei aber zu einer deutlichen Spannungslage zwischen zwei Eigentümergruppen: denen der Eingriffsflächen und denen der Ausgleichs- und Ersatzflächen.
B. Die Realisierung der planerischen Eingriffsregelung durch das Instrument der Umlegung: Bedeutung der Zweckformel Die voraufgehenden Feststellungen lassen es unsicher erscheinen, ob und inwieweit die Umlegung in ihrem durch §§45 ff. BauGB normierten gesetzlichen Zuschnitt in der Lage ist, diejenigen Aufgaben, die ihr im Zusammenhang mit der Eingriffsregelung des § 8a BNatSchG in der Literatur zugedacht werden, rechtlich zu erfüllen. Das bisher vorliegende Schrifttum bringt hier vor allem Bewertungsfragen ins Spiel und prüft, ob die Umlegung etwa deshalb scheitere, weil durch die Einbeziehung größerer Ausgleichsflächen den Wertmaßstäben der Zuteilung gem. §§ 57, 58 BauGB nicht entsprochen werden könne. So wichtig es ist, auch auf diese Fragen einzugehen (dazu unter C), so wenig kann dieser Ansatz allein jedoch genügen, um die eigentumsverfassungsrechtlichen Implikationen aufzuklären. Die Einstufung der Umlegung als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S. des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG richtet sich - so war oben herausgearbeitet worden - primär nach der Zweckformel der Privatnützigkeit. Die Wertformel ist dagegen ein Zusatzkriterium. Eine Umlegung ist nicht bereits deshalb nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zulässig, weil die Eigentümer in der Zuteilung wertmäßig richtig behandelt worden sind. Entscheidend ist vielmehr, daß die Aufbringung von Ausgleichs- und Ersatzflächen den auf Privatnützigkeit festgelegten Umlegungszwecken entsprechen. Eine genauere Untersuchung dieser Frage verlangt, zunächst die amtliche Umlegung im Zusammenhang mit anderen Durchführungsinstrumenten zu betrachten (I) und danach auf die gesetzlichen Zwecktypisierungen einzugehen (II).
6 Schmidt-Aßmann
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
I. Umlegung und andere Durchführungsinstrumente Die Umlegung nach §§45 ff. BauGB ist nicht das einzige Instrument, mit dem planerische Ergebnisse der Eingriffsregelung nach § 8a BNatSchG umgesetzt werden können. Entscheidend für den funktional richtigen Einsatz der verfügbaren Instrumente oder eines "Instrumentenmix" ist die jeweilige städtebauliche Situation mit ihren objektiven und subjektiven Faktoren48. So ist es denkbar, daß genügend Flächen im Eigentum der Gemeinde vorhanden sind, um als Ausgleichs- und Ersatzflächen ausgewiesen zu werden. Die Gemeinde ist nicht einmal verpflichtet, eine Zuordnung dieser Ausgleichs- und Ersatzflächen zu den Eingriffsgrundstücken vorzunehmen. Tut sie es, so bleiben die Folgeprobleme auf Fragen der Kostenerhebung begrenzt. Ganz unbenommen ist es der Gemeinde auch, die erforderlichen Flächen privatvertraglich durch Kauf oder Tausch zu erwerben. Um den gemeindlichen Grunderwerb zu erleichtern, hat das IWG zudem das Vorkaufsrecht des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auf Ausgleichs- und Ersatzflächen erstreckt. Die Wirksamkeit dieses Instruments ist freilich durch die Tatsache eingeschränkt, daß das Vorkaufsrecht einen Verkaufsfall voraussetzt und insofern eher punktuellen Charakter hat. Die städtebauliche Enteignung nach § 85 BauGB kann allenfalls als ultima ratio Mittel zur Realisierung des gem. § 8a BNatSchG festgelegten Ausgleichs sein49. Auf zwei Instrumentenprobleme ist in diesem Zusammenhang besonders einzugehen: Die Bedeutung städtebaulicher Verträge (1) und das Konzept eines "Verursacher-nahen" Ausgleichs (2). 1. Städtebauliche Verträge: freiwillige Umlegung
Für komplexe Gestaltungsaufgaben des Städtebaus hat sich der städtebauliche Vertrag als ein zentral wichtiges Instrument erwiesen50. Die Verwaltungspraxis ist hier vorangegangen. Judikatur und wissenschaftliches Schrifttum haben ihre Zurückhaltung den Verwaltungsverträgen gegenüber nach und nach aufgegeben51. Durch §§ 6, 7 des BauGB-MaßnG idF des IWG ist die 48
Zum folgenden vgl. Reinhardt, DÖV 1995, 21 ff.; ders., VR 1994, 88 (100 ff.); Steinfort, VerwArch 1995, 107 (141 ff.); Letzner, GuG 1995, 206 (207 ff.). Allgemein auch Mitschang, ZfBR 1994, 57 (66 ff.). 49 Zu Einzelheiten, insbes. zum enteignungsrechtlichen Vollzug von Ausweisungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB, vgl. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 85 Rn. 103; Otte , DÖV 1995, 802 (815). 50 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Krebs, Städtebauliche Verträge, 1992. 51 Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für Gelzer, 1991, 117 ff.; Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVdStRL Bd. 52 (1993) 248 ff.; jüngst Rien, in: Festschrift für Schlichter, 129 ff.
Β. Realisierung der planerischen Eingriffsregelung
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herausgehobene Bedeutung städtebaulicher Verträge auch gesetzlich anerkannt worden. Zutreffend wird daher auch für die Realisierung von Ausgleichs- und Ersatzregelungen nach § 8a BNatSchG auf die Vorteile vertraglicher Gestaltungen verwiesen. Das gilt zum einen für die erforderlichen Finanzierungsregelungen, für die § 6 Abs. 3 BauGB-MaßnG erweiterte Möglichkeiten vorsieht52. Es gilt aber auch für ausgreifendere Folgefragen, wie die Übernahme von Pflegepflichten und deren dauerhafte Sicherung sowie für erforderliche Bodenordnungsmaßnahmen. Als solche erscheint die freiwillige Umlegung als eine praxisnahe Gestaltungsmöglichkeit der im Gefolge des § 8a BNatSchG entstehenden diffizilen Regelungssituationen53. Einzelfragen sind nicht Gegenstand dieses Forschungsauftrages. Unter Akzeptanzgesichtspunkten sind zwei Feststellungen zu treffen: - Die amtliche Umlegung darf nach § 46 Abs. 1 BauGB nur angeordnet werden, wenn und sobald sie zur Verwirklichung des Bebauungsplans erforderlich ist. Diese Regelung ist eine Konsequenz des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips54. Sie verpflichtet die Gemeinde zu prüfen, ob eine freiwillige Umlegung vorzuziehen ist. Im Ergebnis ist das jedoch nur anzunehmen, wenn die Neuordnung verfahrensmäßig und substantiell im wesentlichen gleichwertig auf diese Weise erreicht werden kann55. Ein Vorrang der freiwilligen Umlegung vor der amtlichen Umlegung kann sich also immer nur aus der konkreten Situation ergeben, die durch viele Faktoren bestimmt ist. Eine schematische Vorrangklausel als rechtlich verbindliches Gebot läßt sich dagegen nicht begründen. Auf das Subsidiaritätsprinzip kann schon deswegen nicht zurückgegriffen werden, weil es für das Verhältnis der innerstaatlichen Befugnisnormen zu- einander keine anerkannte Geltung besitzt. - Wohl aber ist das Bemühen um konsensuale Lösungen eine Leitlinie des Einsatzes des städtebaulichen Instrumentariums allgemein. Diese Linie ist vor Einleitung eines amtlichen Umlegungsverfahrens, aber auch während des laufenden Verfahrens zu beachten56. Für die Tätigkeit des Gesetzgebers sollte daraus die Erkenntnis folgen, daß in dem sensiblen Bereich komplexer städtebaulicher Umlegungsmaßnahmen nicht aufwendige Zwangsmaßnahmen für 52
Dazu Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, 95 ff. Ausführlich dazu Mayer-Steudte, Die freiwillige Bodenordnung. 54 BGH DVB1. 1984, 337 (338); Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, Vorb. §§ 45-84 Rn. 36. 55 Dazu die einzelnen Gesichtspunkte bei Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 46 Rn. 5; Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 46 Rn. 43 ff.; Mainczyk, BauGB, § 46 Rn. 5; Schmidt-Aßmann/Krebs, Städtebauliche Verträge, 48 f. 56 Vgl. Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 471 f. 53
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etwas vorgesehen werden, was typischerweise von den Beteiligten als unakzeptabel angesehen wird und einer vertraglichen Regelung schlechthin unzugänglich wäre. Insgesamt aber bleibt der Einsatz der amtlichen Umlegung eigenartig ambivalent: Blickt man auf eine einzelne planbedingte Belastungsfolge, z.B. eine u.U. notwendig werdende Enteignungsmaßnahme, so erscheint die Umlegung nach § 45 BauGB als das vorzugswürdige Gestaltungsmittel, weil sie eine gleichmäßige Beteiligung und Belastung aller betroffenen Eigentümer gewährleistet. Blickt man dagegen auf die sonstigen Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinde, so wird der hoheitliche Belastungsgehalt der amtlichen Umlegung deutlich. Es schließt sich dann die Frage an, ob es nicht eigentumsfreundlicher und deshalb geboten ist, möglichst mit allen Eigentümern eine Vertragslösung zu suchen und gegebenenfalls in einem verbleibenden Einzelfall zu der Enteignung zu greifen, statt alle mit einem immerhin amtlichen Umlegungsverfahren zu überziehen, in dem es ja keinesfalls ohne hoheitliche Eingriffe abgeht. 2. "Verursacher-nahe" Ausgleichskonzepte
Die Verankerung der Eingriffsregelung im Verursacherprinzip legt es nahe, auch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen so "Verursacher-nahe" wie möglich vorzusehen. Von einer solchen Grundlinie geht erkennbar auch § 8 Abs. 3 BNatSchG aus: Prinzipiell sollen die Vorhabenträger selbst die Festsetzungen realisieren (Satz 1). Nur dort, wo die Maßnahmen nicht auf den Eingriffsgrundstücken, sondern im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans vorgesehen sind, kehrt sich dieser Grundsatz um und die Gemeinde wird gesetzlich mit der Durchführung beauftragt, sofern diese nicht auf andere Weise gesichert ist (Satz 2). Ein strikter rechtlicher Vorrang, den Ausgleich am Ort des Eingriffs vorzunehmen, besteht zwar nach allgemeiner Auffassung nicht57. Unterschiedlich beantwortet wird aber, inwieweit es unterhalb der Schwelle strikter Vorgaben eine Leitlinie für ein immerhin möglichst "Verursacher-nahes" Ausgleichskonzept gibt. - Manche Autoren gehen erkennbar von einem Gleichrang aller Ausgleichsund Ersatzkonzepte aus und betonen die Befugnis der Gemeinde, zwischen den Alternativen frei zu wählen58. Dahinter steht häufig die ökologische Überzeugung, eine wirksame Kompensation lasse sich nur erreichen, wenn man einen möglichst weiten Gestaltungsbereich ins Auge fasse. Zusätzlich 57
Sandmann, GuG 1995, 1 (3); Steinforth VerwArch 1995, 107 (126 f.). Steinfort, VerwArch 1995, 107 (126 f.); ähnlich auch Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 106 f. 58
Β. Realisierung der planerischen Eingriffsregelung
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werden Bedenken geäußert, ob der Vorhabenträger wirklich angehalten und kontrolliert werden kann, Kompensationsmaßnahmen dauerhaft sicherzustellen, wenn diese mit Pflegepflichten verbunden sind. - Andere Autoren gelangen zu der Ansicht, einem "Verursacher-nahen" Ausgleichskonzept sei praktisch ein Vorrang einzuräumen. Sie verweisen zur Begründung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Abfolge zwischen Ausgleich und Ersatz. Selbst wenn auf den Eingriffsgrundstücken kein vollständiger Ausgleich zu erzielen sei, so könne doch wenigstens ein Teil der Maßnahmen dort vorgesehen werden, so daß der Ausgleich auf Flächen im sonstigen Bereich des Bebauungsplans nur noch von einem reduzierten Ausgleichspotential auszugehen hätte59. Der zweiten Alternative ist der Vorzug zu geben. Die Grundlinie sollte ein "Verursacher-nahes" Ausgleichskonzept sein. Die von der Gegenmeinung angeführten verwaltungspolitischen Gesichtspunkte überzeugen schon deshalb nicht vollständig, weil sie auf eine Verantwortungsübernahme der Gemeinde hinauslaufen, die die Pflicht zu eigenverantwortlichem Handeln der Eingriffsverursacher verblassen läßt. Viel spricht aus diesen praktischen Überlegungen dafür, wenigstens einen Teil der Ausgleichsmaßnahmen in die Baugrundstücke zu integrieren oder aber in sehr engem Zusammenhang mit diesen vorzusehen. Das sollte gerade dort gelten, wo man an umlegungsrechtliche Lösungen für die Aufbringung der erforderlichen Flächen denkt. Umlegungsmaßnahmen sind dort am ehesten akzeptabel, wo die Eigenverantwortung und der Gedanke der Solidargemeinschaft lebendig bleiben. Bei entfernteren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen lockert sich dieser Zusammenhang und damit auch die Plausibilität umlegungsrechtlicher Wertungen. Es ist bezeichnend, daß von den Lagemodellen für Ausgleichsflächen, die in der Literatur diskutiert werden, diejenigen am ehesten als umlegungskonform gelten, die von dieser Nähebeziehung ausgehen. Bei deutlich getrennt liegenden Flächen nimmt die Möglichkeit, sie im Wege der amtlichen Umlegung aufzubringen, - auch aus Rücksichten auf die Bodenbewertung - ab. Hier müssen andere Instrumente aktiviert werden, um die entsprechenden Flächen zu beschaffen 60. II. Die Privatnützigkeit und die Zweckvertypungen des § 45 BauGB Für den Einsatz der Umlegung im Gefolge des § 8a BNatSchG ist - so war oben festgestellt worden - die Frage ihres privatnützigen Zweckes von zentraler Bedeutung. Die Umlegung ist kein universales Zugriffsinstrument. 59 60
Vgl. Sandmann, GuG 1995, 1 (3); Letzner, GuG 1995, 206 (207). Anschaulich dazu Reinhardt, VR 1994, 88 (96 ff.).
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Auch die Aussage, sie sei planakzessorisch, eröffnet nicht jeder planerischen Aussage eine umlegungsrechtliche Realisierung. Die Umlegung ist nur dort einsetzbar, wo es um Gestaltungen geht, die dem typisierend und bilanzierend festgestellten Privatnützigkeitskriterium entsprechen. Es genügt nicht, daß sich in einem abstrakten Sinne sagen läßt, eine Umlegung diesen oder jenen Zieles verfolge einen privatnützigen Zweck. Vielmehr ist die Privatnützigkeit auch für jede konkrete Umlegung zu verlangen. "Gemeinden und Gerichte dürfen sich also nicht damit beruhigen, daß die Umlegung nach der gesetzgeberischen Konzeption Inhaltsbestimmung des Eigentums ist."61 Diese Erkenntnis ist in zweifacher Hinsicht leitend: Zunächst auf der Ebene des einfachen Rechts, das in § 45 BauGB zwei spezifische Zwecktypen normiert, die die Privatnützigkeit ihrerseits konkretisieren. Eine Umlegung, die diesen Tatbestandsmerkmalen nicht entspricht, schlägt nicht in eine Enteignung um, sondern ist rechtswidrig und unterfällt dem Abwehranspruch der Betroffenen. Sodann auf der Ebene des Verfassungsrechts, das die Umlegung von der Enteignung nach Maßgabe der Privatnützigkeit abgrenzt und damit sowohl für die Auslegung des einfachen Rechts Determinanten und für seine Fortentwicklung Grenzen vorgibt. 1. Die gesetzlichen Zwecktypisierungen
§ 45 Abs. 1 BauGB legt den Einsatz der Umlegung auf den Erschließungsund den Neugestaltungszweck fest. Die Erschließungsumlegung dient der Bereitstellung der erforderlichen Erschließungsflächen und der Bildung von Baugrundstücken. Es geht um eine "gesamthafte Neuerschließung" (Breuer) von Baugebieten, bevorzugt in Stadtrandlagen zur Erweiterung der Wohnoder Gewerbezwecken dienenden Bebauung62. Die Neuordnungsumlegung dient der Umgestaltung eines Baugebiets, in dem einer schon vorhandenen Bebauung ein neues Nutzungskonzept gegeben werden soll. Ein Unterfall ist die Sanierungsumlegung. Der Umlegungszweck kann auch in der Entflechtung von Gewerbe- und Wohnnutzungen liegen63. Beide Zwecktypen können sich in einer Umlegungsmaßnahme verbinden. In beiden Fällen ist nicht nur die Schaffung baureifer, sondern überhaupt zweckmäßig gestalteter, wirtschaftlich und städtebaulich günstiger Grundstücke gemeint. Für die Einleitung eines Umlegungsverfahrens kommt es folglich nicht darauf an, ob den betroffenen Grundstücken überhaupt die Bebaubarkeit fehlt. Auch wenn diese 61
So Rinne, Rechtsprechung zur Umlegung (Manuskript ο .J.), S. 20. Vgl. Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 45 Rn. 11 ff.; Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 32 ff. 63 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, §45 Rn. 21 ff.; Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 34 f. 62
Β. Realisierung der planerischen Eingriffsregelung
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"dem Grunde nach" existiert, jedoch unter wirtschaftlichen oder städtebaulichen Gesichtspunkten verbesserungsfahig ist, wird die Durchführung einer Umlegung von der gesetzlichen Zweckbestimmung gedeckt64. Es muß nicht stets nur um die bauliche Nutzung gehen. Auch die zweckmäßige Gestaltung der Flächen für sonstige Nutzungen kann, wie § 45 Abs. 1 sagt, Zweck der Umlegung sein. In diesem Zusammenhang verweist die Literatur auf Zwecke der Grünflächennutzung, der landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung sowie auf Fälle einer speziellen Nutzung zu Zwecken des Umweltschutzes65. Gerade in diesen Fällen muß freilich geprüft werden, ob der Zweck der Maßnahme insgesamt als privatnützig eingestuft werden kann. Vor einer zu leichtfertigen Pauschalierung bei dieser Beurteilung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu warnen. Bei der Prüfung, ob die gesetzliche Zweckbestimmung vorliegt, ist allerdings nicht auf das einzelne Grundstück abzustellen, sondern das gesamte Umlegungsgebiet in den Blick zu nehmen66. Die dadurch eintretende Typisierung setzt sich im Bestimmungshorizont der betroffenen Eigentümer für das, was sie als privatnützig ansehen, fort. Als immerhin anerkannt kann gelten: - Selbst dann, wenn alle Eigentümer bestimmte Vorteile der Umlegung nicht als in ihrem Interesse liegend definieren, schließt das die Privatnützigkeit der Maßnahme nicht aus, wenn der Vorteil in der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht besteht, die den Eigentümern obliegt. So ist eine Umlegung, die die Aufbringung erforderlicher Parkflächen i.S. des "Wendehammer-Urteils" auf einen größeren Kreis von Betroffenen verteilen soll, selbst dann rechtlich zulässig, wenn die Eigentümer solche Flächen für überflüssig halten und für sich in ihrer Verfügbarkeit keinen Vorteil erkennen können. - Ein wohlverstandenes Eigeninteresse kann auch dort noch angenommen werden, wo der Vorteil der Umlegung dem gleichgerichteten typischen Interesse der betroffenen Eigentümer entspricht. So ist eine Erschließungsumlegung, die den Grundstücken die Bebaubarkeit sichert, selbst dann noch als privatnützig einzustufen, wenn alle Eigentümer erklären, sie wollten jedenfalls zur Zeit nicht bauen. Ob die Gemeinde in einem solchen Fall gut beraten ist, eine Umlegung durchzuführen, steht auf einem anderen Blatt. - Privatnützig bleibt eine Umlegung schließlich selbst dann, wenn ein einzelner Eigentümer oder ein einzelnes Grundstück gerade keinen Vorteil, sondern eher einen Nachteil durch die Maßnahme erfährt, z.B. weil eine 64
So zutreffend Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 35. Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 33; vgl. auch Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 45 Rn. 13. 66 BGH NJW 1991, 2011 (2013); Ernst/Otte , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 45 Rn. 2; Mainczyk, BauGB, § 45 Rn. 12. 65
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betriebsgünstige Lage verlorengeht oder andere Rechtsverkürzungen eintreten. Gerechtfertigt wird dieses aus dem Gedanken der Solidargemeinschaft, der aus der Situationsgebundenheit des Grundeigentums folgt. Dieser Gedanke führt freilich schnell an Grenzen. Die Umlegung ist kein Institut kollektiver Interessenvereinnahmung. Der Solidargemeinschaft muß ein reales Substrat zugrundeliegen. Sie darf keine reine Fiktion sein. Das Winterberg-Urteil des Bundesgerichtshofs hat hier für eine bestimmte Interessenkonstellation, den Fall eines planbedingten Sanierungs- und Umlegungsbedarfs, die Typisierung des Privatnützigkeitskriteriums an eine äußerste Grenze vorgeschoben: Diese liegt in der immerhin mittelbaren Zurechnung der städtebaulichen Mißstände zu allen Grundstücken des Sanierungsgebietes. Auf diese Weise konnte für alle umlegungsbetroffenen Grundstücke der umlegungsrechtliche Folgenbedarf für eine Verlagerung einer überörtlichen Verkehrstraße noch als privatnützig angesehen werden. 2. Ausgleichs- und Ersatzflächen
Orientiert man sich an diesen Maßstäben, nach denen die gesetzlichen Zwecktypen der Umlegung (§ 45 Abs. 1 BauGB) bisher angewandt worden sind, so ergibt sich für die Frage der umlegungsrechtlichen Behandlung von Ausgleichs- und Ersatzflächen folgende Differenzierung: a) Eigentümer der Eingriffsgrundstücke Festsetzungen des Bebauungsplanes im Vollzug des § 8a BNatSchG gehören heute zu den städtebaurechtlich geforderten Planungsstandards. Die Durchführung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fallt grundsätzlich materiell in den Verantwortungsbereich der Vorhabenträger bzw. der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke. Insofern die Erfüllung der Pflichten der Eingriffssystematik heute zu den Anforderungen der baurechtlichen Zulässigkeit gehört, läßt sich im Blick auf die Eingriffsgrundstücke sagen, daß sie in eine Umlegungsmaßnahme - sei es der Erschließungs-, sei es der Neugestaltungsumlegung - einbezogen werden können, um die festgesetzten Ausgleichs- oder Ersatzflächen aufzubringen. Daß die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke diese Pflicht nicht anerkennen wollen, hindert nicht. Wie oben gezeigt, kann die Privatnützigkeit durch normative Vorgaben geprägt werden. Die Verantwortungszuweisungen des Naturschutzrechts sind insofern eindeutig. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß die Zweckformel nicht verlangt, die Umlegung dürfe "nur" den Interessen der Eigentümer dienen. Sie darf vielmehr auch öffentliche und in diesem Sinne fremdnützige Interessen verfolgen. Sie muß aber im wesentlichen Umfange mindestens "auch" privatnützig sein. Die ein-
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gespielte Auslegung des § 45 Abs. 1 BauGB deckt eine solche erweiternde Zweckkonkretisierung im Blick auf die Eingriffsgrundstücke schon heute ab. Eine gesetzgeberische Klarstellung, daß Erschließung und Neuordnung für die Eingriffsgrundstücke auch die Aufbringung von Ausgleichs- und Ersatzflächen umgreifen, mag gleichwohl angezeigt sein67. b) Eigentümer der Ausgleichs- und Ersatzflächen Wesentlich schwieriger ist es, von einer privatnützigen Maßnahme für die Eigentümer der Ausgleichs- und Ersatzflächen zu sprechen (vgl. oben unter A III). Hier muß zwischen Eigentümern im "vorgeprägten Interessenverbund" (aa) und solchen im "gewillkürten Interessenverbund" (bb) unterschieden werden68. aa) Eigentümer im vorgeprägten Interessenverbund In die gesetzlichen Umlegungszwecke einbezogen sind auch solche Grundstücke, die in einem natürlichen Verbund mit den Baugründstücken liegen, selbst wenn sie nicht als Baugrundstücke, sondern eben als Ausgleichs- oder Ersatzflächen vorgesehen sind. Auch die Erschließungsumlegung überkommenen und akzeptierten Typs gestattet solche Einbeziehungen. Voraussetzung ist ein regelmäßig durch die räumliche Nähe und natürliche Vordispositionen bestehender oder mindestens naheliegender Funktionsverbünd, der auf eine bauliche Entwicklung hinweist. Die Eigentümer dieser Kompensationsflächen nehmen "im Guten und im Schlechten" an der gebietstypischen baulichen Entwicklung teil. bb) Eigentümer im gewillkürten Interessenverbund Probleme entstehen allerdings dann, wenn das Umlegungsgebiet allein mit dem Ziel, Ausgleichs- oder Ersatzflächen zu erlangen, bewußt weit erstreckt und in erheblichem Umfang Flächen einbezogen werden, für die weder von einem Erschließungs- noch von einem Neuordnungszweck gesprochen werden kann. Das wird - seine Zulässigkeit im übrigen unterstellt - besonders an einem Bebauungsplan mit räumlich getrennten Geltungsbereichen deutlich. Die typische Zweckgleichrichtung, die die Basis der Solidargemeinschaft darstellt, fehlt hier: Die Eigentümer der Ausgleichs- oder Ersatzflächen sind nicht Verursacher der Eingriffe und folglich für letztere nicht verantwortlich. 67 68
50 ff.
Im Ergebnis der materiellen Wertungen ebenso Sandmann, GuG 1995, 1 (8). So Schmidt-Aßmann, Zur Verfassungsmäßigkeit der erweiterten Umlegung,
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
Daß sie sich einem Umlegungsverfahren unterziehen und ihre Grundstücke gegebenenfalls entziehen lassen müssen, ist aus dem Gedanken der Privatnützigkeit nicht zu rechtfertigen. Selbst wenn man die im Winterberg-Urteil vorgenommene weite Interpretation dieses Merkmals als äußerste Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Auslegung des einfachen Rechts zu akzeptieren geneigt ist, so liegt der Fall der so definierten Ausgleichs- und Ersatzflächen außerhalb dieses Rahmens. Mag ein städtebaulicher Mißstand i.S. des Sanierungsrechts noch allen Eigentümern im Sanierungsgebiet als Nachteil und seine Behebung als Vorteil zuzurechnen sein, ein solches Junktim besteht zwischen Eingriffsgrundstücken und Ausgleichs- und Ersatzgrundstücken an beliebigen Stellen des Gemeindegebiets nicht. Es ist an den Satz der Boxberg-Entscheidung zu erinnern69, demgemäß es keine gesetzliche Regelung gibt, die den Grundeigentümer verpflichtet, sein Grundstück zur Verwirklichung eines im Fremdinteresse liegenden Zweckes gegen ein anderes einzutauschen. In dieser rechtlichen Situation wird in den Reformdiskussionen zum Umlegungsrecht gern an eine Erweiterung des Gedankens der Solidargemeinschaft gedacht70. So wird zuweilen unter Bezugnahme auf das "WendehammerUrteil" des Bundesgerichtshofs empfohlen, die Umlegung auch ohne eine situationsbezogene Privatnützigkeit dort einzusetzen, wo es darum geht, einen wie immer motivierten Landverlust auf mehrere Eigentümer zu verteilen. So heißt es bei Letzner: "Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG ist dynamisch auch im Hinblick auf die veränderten Anforderungen, die sich aus dem Naturschutzrecht ergeben. Die Erweiterung des Solidaritätsprinzipes, das letztlich auf die Vermeidung der Enteignung einiger betroffener Grundstückseigentümer, die das Pech haben, daß ihre Grundstücke bzw. Teile davon für größere zusammenhängende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen sind, abzielt, ist verfassungsrechtlich höher zu bewerten, als die Beschränkung der Bestandsgarantie auf den Verkehrswert und die Fläche."71 Solchen Überlegungen ist eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen. Es muß jedoch bedacht werden, daß sich die Schutzrichtungen des Arguments angesichts der besonderen Interessenkonstellation des vorliegenden Umlegungstyps verschränken: Der Verweis auf das für den Enteignungsbetroffenen mildere Mittel der Umlegung ist nicht notwendig, um die Eigentümer der Baugrundstücke in einen Interessenverbund mit den Eigentümern der 69
BVerfGE 74, 264 ff., 281. Zur Untauglichkeit früherer Versuche, die Solidargemeinschaft zu einem reinen Lastenverteilungsmechanismus im gewillkürten Interessenverbund umzudeuten, vgl. Schmidt-Aßmann, Zur Verfassungsmäßigkeit der erweiterten Umlegung, 51 ff. 71 Letzner, GuG 1995, 206 (206 f.) unter Bezugnahme auf Seele, VR 1982, 353. Ähnliche Ansätze schon bei Bielenberg, DÖV 1973, 833 (835 f.). 70
Β. Realisierung der planerischen Eingriffsregelung
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Ausgleichs- und Ersatzflächen zu nötigen. Von dieser Seite ist an der Privatnützigkeit der Umlegung nicht zu zweifeln. Schwierigkeiten bereitet es dagegen, die Eigentümer der Ausgleichs- und Ersatzflächen in einen Interessenverbund zu bringen, der nach der Lage ihrer Grundstücke nicht besteht. Die erweiterte Solidargemeinschaft wird hier zu einem aufgedrängten Schutz, der ihnen die Enteignung ersparen soll, die amtliche Umlegung aber bringt. Die Fronten verkehren sich so. Aber es bleibt der eigentumsrechtlich schwer hinnehmbare Zustand, ein Grundstück zur Verwirklichung eines im Fremdinteresse liegenden Zweckes gegen ein anderes eintauschen zu müssen. Man könnte allenfalls daran denken, daß die Aussicht der Eigentümer, die Ausgleichs- oder Ersatzflächen einwerfen, dafür (unter später zu untersuchenden schwierigen Bewertungsfragen, vgl. C I 2) ein Baugrundstück zu erhalten, eine Interessenannäherung an die Eigentümer der Baugrundstücke und damit eine Art Solidargemeinschaft pro futuro begründe. Die Solidargemeinschaft muß aber ein reales Substrat besitzen, das sich auf die überkommene Situation stützt. Daß es oft als eine günstige Gelegenheit genommen wird, Bauland zu erhalten, genügt dazu nicht. Wenn wirklich alle Eigentümer der Ausgleichs- und Ersatzflächen ein solches Interesse haben, wäre das eine Situation, die in einer freiwilligen Umlegung bewältigt werden kann. Im vorliegenden Untersuchungszusammenhang aber geht es um die amtliche Umlegung nach § 45 Abs. 1 BauGB, die auch gegen den erklärten Willen von Eigentümern soll angeordnet werden können. Keine Bedenken gegen den Einsatz der Umlegung bestehen dort, wo die Kompensationsflächen in zwar ganz anderen Bereichen liegen, es jedoch die Gemeinde selbst ist, die diese Flächen aus ihrem Vermögen in die Umlegungsmasse einbringt. Gemeindliches Eigentum steht nicht unter dem besonderen Schutz des Art. 14 GG 72 . Daher entfallen die Bindungen an das verfassungsrechtliche Privatnützigkeitsprinzip insofern. Für die Eigentümer der Baugrundstücke gilt das unter a) Ausgeführte: Für sie stellt sich die umlegungsrechtliche Aufbringung von Ausgleichs- oder Ersatzflächen auf jeden Fall als privatnützige Maßnahme dar. c) Zwischenergebnis Die Umlegung ist und bleibt mit dem Entzug von Eigentumspositionen verbunden. Um sie von der Enteignung abzugrenzen, bedarf sie einer klaren Gründung auf der Privatnützigkeit. Wo diesem Dogma nur unter erheblichem argumentativen Aufwand entsprochen werden kann, sollte - zumal angesichts der jüngeren "Sensibilisierung" gegenüber Entzugsvorgängen - der überkom72
BVerfGE 61, 82 (105 ff.); Jarass/Pieroth,
Grundgesetz, Art. 19 Rn. 17.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
mene Anwendungsbereich des Instituts nur dort erweitert werden, wo das mit hinreichend verläßlicher Begründung geschehen kann. Für die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke und der im Verbund der Bauflächen liegenden Kompensationsflächen kann das angenommen werden. Dagegen kann die Umlegung dort nicht genutzt werden, wo Ausgleichs- und Ersatzflächen deutlich abgesetzt liegen und ein eine Solidargemeinschaft formender Interessenverbund der Eigentümer nur schwer konstruiert werden kann. Da es sich hier um verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine extensive Praxis handelt, sollte auch eine gesetzliche Zweckerweiterung durch Änderung des § 45 Abs. 1 BauGB nicht vorgenommen werden. Die oben gekennzeichnete Grundlinie, für umlegungskonforme Lösungen des § 8a BNatSchG verursacher- und eingriffsnahe Ausgleichs- und Ersatzflächen vorauszusetzen, wird so durch die Auslegung des § 45 BauGB und durch die dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Bindungen der Umlegungszwecke bestätigt. Eine systematisch klarere Lösung wäre es dann eher, neue Institute zu schaffen: - Entweder neben der Umlegung als inhaltsbestimmender Maßnahme zur Bewältigung auch großflächiger Ausgleichs- und Ersatzplanungen ein "unter EnteignungsVoraussetzungen stehendes amtliches Tauschverfahren" einzuführen, das im äußeren Ablauf dem Umlegungsverfahren ähnlich ausgestaltet werden könnte, in den materiellen Entscheidungskriterien aber an den von Art. 14 Abs. 3 GG verlangten Standards ausgerichtet sein müßte; - oder ein "geteiltes Umlegungsverfahren", das für die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke das amtliche Umlegungsverfahren wäre, während es für die Eigentümer der Ausgleichsflächen eine einvernehmliche Mitwirkung nach Art der freiwilligen Umlegung verlangt. Beide Modelle entfernen sich aber so weit vom klassischen Bild der Umlegung, daß sie hier nicht weiter verfolgt werden sollen.
C. Die Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen in der Umlegung Die konkreten Fragen, wie Ausgleichs- und Ersatzflächen in der Umlegung zuteilungsrechtlich nach Maßgabe der §§ 55, 59 und 61 BauGB zu behandeln sind, lassen sich nicht einheitlich beantworten. Die Untersuchungen werden zeigen, daß viel von der besonderen Situation, der vorgegebenen Lage, den planerischen Ausweisungen, den Wertverhältnissen und der Bereitschaft der Beteiligten abhängt, sich auf neue Fragen einzulassen und Annahmen zu akzeptieren, die in Umlegungsverfahren überkommener Art bisher nicht anzutreffen waren.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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Ausgleichs- und Ersatzflächen können als öffentliche Flächen, z.B. auf den Flächen für Erschließungsanlagen oder als sonstige öffentliche Flächen, sie können aber auch auf den privaten Baugrundstücken oder gesondert, z.B. als private Grünflächen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 15 oder als Flächen für Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB, ausgewiesen werden73. Die Umlegung ist insofern planakzessorisch, als sie diese planerischen Vorgaben aufnimmt und - freilich unter Begrenzung auf die umlegungspezifischen Zwecke des § 45 BauGB (dazu oben unter Β II) - in zwei Zuteilungsarten umsetzt: - Zuteilungen aus der Verteilungsmasse zu regelmäßig privaten Nutzungszwecken gem. § 59 (mit Gestaltungsbefugnissen gem. § 61), - Zuteilungen durch Vorabausscheidungen aus der Umlegungsmasse gem. § 55 BauGB zu öffentlichen Nutzungszwecken. I. Die Zuteilung aus der Verteilungsmasse gemäß § 59 Abs. 1 BauGB Diese Zuteilungsart nimmt am deutlichsten den grundlegenden Umlegungsgedanken, die Vorstellung eines förmlichen Grundstückstauschverfahrens, auf. Sie ist der eigentliche Kern des Umlegungsrechts74. Zutreffend wird daher auch im Blick auf die naturschutzrechtlichen Probleme formuliert: "Bezieht man die Flächen für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen in die private Verteilungsmasse ein, so ist dies vordergründig betrachtet eine Vorgehensweise, die dem Solidargedanken (gleichmäßige Verteilung der Lasten auf die potentiellen Verursacher der Eingriffe) gerecht zu werden erscheint."75 Gerade in einer Zeit, in der es darum gehen muß, für erweiterte Aufgaben der Umlegung bei den Betroffenen Akzeptanz zu finden, spricht viel dafür, sie in ihrer plausibelsten Ausprägung anzuwenden. Das ist der "Grundstückstausch". Alle Flächenabzüge und Zugriffe im öffentlichen Interesse stellen sich demgegenüber als Zusatzbelastungen dar, die den Legitimationsaufwand erhöhen und die Chance, praktisch und rechtlich (!) akzeptiert zu werden, senken. Die Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen als "natürlicher Annex" zu den Bauflächen erscheint daher umlegungsrechtlich als eine primär anzusteuernde Lösung. Das verlangt Vorkehrungen schon bei der Aufstellung des Bebauungsplanes. Angezeigt sind Festsetzungen auf den Baugrund-
73 Vgl. dazu ausführlich Steinfort, VerwArch 1995, 107 (127 ff.); ferner Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 176a. 74 So Stich, in: Berliner Kommentar, § 59 Rn. 1. 75 So Hecker, VR 1994, 73 (81); ähnlich auch schon Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 (304).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
stücken, z.B. gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 25, sowie selbständige Flächenfestsetzungen vor allem nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 76 und Nr. 15 BauGB77. Unbeschadet des genannten Vorzugs einer Zuteilung zur privaten Nutzung gibt es aber auch im Rahmen des § 59 selbst Probleme, die sich der Durchführung der Umlegung in den Weg stellen können, insbesondere Bewertungsprobleme. § 59 Abs. 1 BauGB verlangt, hier genauer zu differenzieren: Er schreibt vor, daß die Grundstücke dem Umlegungszweck entsprechend nach Möglichkeit in gleicher oder gleichwertiger Lage wie die eingeworfenen Grundstücke und entsprechend den nach §§57 und 58 BauGB errechneten Anteilen zuzuteilen sind. Ob Ausgleichs- oder Ersatzflächen nach dieser Vorschrift zugeteilt werden können, hängt also davon ab, inwieweit sie typischerweise nach dem Grundsatz läge- oder lagewertgleicher Zuteilung behandelt (1) und unter Beachtung der Wertgarantien zugeteilt werden können (2). 1. Die Grundsätze der läge- oder lagewertgleichen Zuteilung
Man könnte daran denken, daß eine Zuteilung nach § 59 Abs. 1 BauGB schon daran scheitert, daß der Grundsatz der läge- oder lagewertgleichen Zuteilung im Regelfall nicht eingehalten werden kann. In diesem Sinne haben sich Stemmler und Otte ausgesprochen. Ihrer Meinung nach scheidet bei diesen Flächen eine Zuteilung nach dem Grundsatz der läge- oder wertgleichen Zuteilung generell aus. Dabei gehen diese Autoren erkennbar davon aus, daß Flächen dieser Art im Bebauungsplan nicht mit privater Zweckbindung festgelegt werden können, da sie "mangels Gebrauchs- und Vermögensvorteils nicht der zweckmäßigen und wirtschaftlichen Ausnutzung der Zuteilungsgrundstücke dienen können"78. Eine so allgemeine Ablehnung kann jedoch nicht akzeptiert werden. Sie ist nur verständlich auf der Basis einer insgesamt negativen Einstellung zu der durch §§ 8a-c BNatSchG erfolgten Verbindung von Baurecht und Naturschutzrecht. Dieselben Autoren sprechen von diesen Vorschriften als "Bauverhinderungsnormen"79. Für eine solche Einstellung erscheinen Ausgleichs- und Ersatzflächen als eine von außen an die im übrigen gegebene bauliche Nutzbarkeit herantretende Anforderung. Die voraufgehenden Ausführungen haben 76
Dazu Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (103 f.) mit dem Hinweis, daß sich für diese Festsetzungen die Alternative einer städtebaulichen oder naturschutzrechtlichen Motivation nach der Neuregelung des § 8a Abs. 1 S. 2 BNatSchG nicht mehr stelle. 77 Dazu BVerwG NVwZ 1991, 877 f.; Steinforth VerwArch 1995, 107 (129 ff.); Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rn. 57 ff. 78 Stemmler /Otte, § 59 Rn. 12; Otte , DÖV 1995, 802 (814). 79 In: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 8
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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jedoch gezeigt, daß die Gewährleistung eines Ausgleichs oder Ersatzes eine substantielle Pflicht des Eingriffs verursachers, d.h. des einzelnen Vorhabenträgers und Eigentümers ist. Bauen und Ausgleich, Baufläche und Ausgleichsfläche stehen heute in einem engeren Zusammenhang, der auf die Interpretation des Grundsatzes der läge- oder lagewertgleichen Zuteilung einwirkt. Sowohl die Tatbestandsmerkmale als auch das Zuteilungsermessen, das sich am Umlegungszweck auszurichten hat, bieten hier Ansatzpunkte für eine vorsichtige Erweiterung der bisher anerkannten Standards. a) Gleiche Lage Was unter diesem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist, wird nicht ganz einheitlich beantwortet. Fest steht jedenfalls, daß es sich nicht etwa um ein Grundstück mit den gleichen geodätischen Koordinaten handeln muß, das zugeteilt wird 80. Überwiegend wird aber verlangt, daß das alte und das neue Grundstück, wenn sie schon nicht wenigstens nicht teilweise identisch sind, nahe beieinander liegen müssen81. Dieses Merkmal ist erfüllbar, wenn die Ausgangsflächen im engeren räumlichen Verbund verfügbar sind, so daß sie auf den Baugrundstücken selbst oder zwar getrennt von diesen, aber doch in das Gefüge der Baugrundstücke integriert, festgesetzt werden konnten82. Schwierigkeiten bereiten in dieser Auslegungsvariante allerdings die Fälle, in denen nur ein ökologisch-funktionaler Zusammenhang zwischen Bauflächen und Ausgleichs- oder Ersatzflächen besteht, diese im übrigen aber klar getrennt sind. Hier stößt die Umlegung jedoch ohnehin schnell an verfassungsrechtliche Grenzen, weil für Eigentümer entfernter gelegener, unter Umständen über das gesamte Gemeindegebiet verteilter Ausgleichs- oder Ersatzflächen ein privatnütziger Zweck der Umlegung nicht nachgewiesen werden kann (vgl. oben Β II 3 b). b) Gleichwertige Lage Die Zuteilung in gleichwertiger Lage ist eine solche "in eindeutig anderer Lage"83. Hier soll es vornehmlich auf wirtschaftliche Gesichtspunkte ankommen. Der Bodenwert ist dabei freilich kein verläßliches Kriterium, da es zum 80 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 59 Rn. 20; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 59 Rn. 10; Mainczyk, BauGB, § 59 Rn. 7. 81 So Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 247; Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 59 Rn. 17; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 59 Rn. 10 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1981, 2060 (2061). 82 Vgl. die Beispiele bei Reinhardt, VR 1994, 88 (96) unter 3.3.1 - 3.3.4. 83 So Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 59 Rn. 9; Mainczyk, BauGB, § 59 Rn. 7.
96
2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
Wesen der Umlegung gehört, zwischen Einwurfs- und Zuteilungsgrundstücken deutliche Wertunterschiede zu erzeugen84. Bei der Erschließungsumlegung soll es vollends auf eine Orientierung an den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinauslaufen85. Betrachtet man die Existenz einer Ausgleichsfläche als das notwendige Korrelat zur baulichen Nutzbarkeit der Bauflächen, so erscheint es immerhin möglich, diejenigen Fälle aufzufangen, die trotz einer gewissen räumlichen Trennung zwischen beiden Flächenarten einer umlegungsrechtlichen Lösung vom Gedanken der Privatnützigkeit her überhaupt zugänglich sind. 2. Die Grundsätze der anteilsgleichen und wertgleichen Zuteilung
§ 59 Abs. 1 BauGB verlangt eine Zuteilung entsprechend den nach §§57 und 58 BauGB errechneten Anteilen. Der Sollanspruch und der Anspruch auf Zuteilung eines Grundstücks, das mindestens den Verkehrs wert des Einwurfsgrundstücks besitzt, sind - als "Wertformel" zusammengefaßt - konstitutive Elemente einer Umlegung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Können diese beiden Grundsätze bei der Zuteilung zu Lasten des Eigentümers nicht eingehalten werden, so betrifft das die eigentumsverfassungsrechtliche Qualifikation der Umlegung. a) Grundlagen Dabei sind drei Fallkonstellationen zu untersuchen:
- Sofern bei einer einzelnen Umlegungsmaßnahme einzelne Eigentümer ein Zuteilung erhalten, die den Sollanspruch mehr als unwesentlich unterschreitet oder den Anspruch auf wertgleiche Abfindung nicht wahrt, so werden einzelne Momente der für die Enteignung typischen Schutzmechanismen notwendig. Die Umlegung bleibt aber in ihrer Gesamtheit inhaltsbestimmend und muß nicht (nachträglich) unter Enteignungsvoraussetzungen gestellt werden. § 59 Abs. 2 S. 2 BauGB fungiert für diese Fälle als die verfassungsrechtlich verlangte Entschädigungsklausel, indem er auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Enteignungsentschädigung in §§ 93 ff. BauGB verweist. Gleiches gilt, wenn ein einzelner Eigentümer gegen seinen Willen in Geld abgefunden werden muß gem. § 59 Abs. 6 S. 2 BauGB.
- Sofern eine einzelne Umlegungsmaßnahme ßr das Gros der Eigentüme zu Zuteilungen führt, die den Sollanspruch mehr als unwesentlich unterschreiten oder den Anspruch auf wertgleiche Abfindung nicht wahren, kann 84 85
Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 59 Rn. 23. So Schriever, aaO.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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die dem Enteignungsrecht entlehnte Entschädigungsregelung des § 59 Abs. 2 S. 2 BauGB nicht helfen. Gleiches gilt für § 59 Abs. 6 S. 2 BauGB. Diese Klauseln verlören ihren beschränkenden Sinn, wenn sie der Umlegungsstelle in großem Stile gestatteten, Minderzuteilungen von enteignendem Gewicht vorzunehmen. Eine Umlegungsmaßnahme der bezeichneten Art ist nach geltendem Recht daher unzulässig. Die Entschädigungsfalle müssen de lege lata Ausnahmen bleiben. Sofern sich bei der Aufstellung des Umlegungsplanes ein solches Ergebnis herausstellt, muß zwar nicht die gesamte Umlegungsmaßnahme aufgehoben, aber es muß nach einem anderen Ergebnis der Zuteilung gesucht werden. - Sofern ein bestimmter Typus einer Umlegungsmaßnahme regelmäßig dazu führt, daß die Grundsätze der anteilsgleichen und der wertgleichen Landabfindung nicht eingehalten werden können, liegt ein neuer Typus von Umlegung - genauer gesagt ein neues Instrument mit anderen Strukturen vor. Ein solcher Typus ist im Gesetz nicht vorgesehen. Wollte man ihn einführen, so müßten nicht nur die entschädigungsrechtlichen Folgen, sondern auch die Voraussetzungen der Umlegung anders strukturiert werden. Die Privatnützigkeit müßte durch den Gemeinwohlbezug in ihrer zentralen Funktion ersetzt werden. Die vielfältigen Ermessensklauseln wären durch eine strenge Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu ersetzen, und es müßte jeder im Rahmen einer solchen Umlegung vorkommende Eigentumsentzug den Anforderungen des § 87 BauGB entsprechen. Auch die gerade im Umlegungsverfahren unverzichtbaren Pauschalierungen wären solchenfalls nicht mehr zu legitimieren. Insgesamt erscheint es daher sehr kompliziert, eine solche Mutation der Umlegung gesetzlich zu strukturieren. Das heißt dann aber, daß die Umlegung in ihrer derzeitigen gesetzlichen Ausprägung daraufhin untersucht und gegebenenfalls durch gesetzgeberische Randkorrekturen so ausgestaltet werden muß, daß sie auch in der Frage der Zuteilungsmaßstäbe und bewertungsmäßigen Grundlagen als inhaltsbestimmendes Institut für die Bewältigung der Folgeprobleme des § 8a BNatSchG einsetzbar ist. b) Bewertungsfragen Die in der umlegungsrechtlichen Literatur an Zahlenbeispielen behandelten Bewertungsfragen zeigen, daß sich eine langfristige Lösung nur dann finden läßt, wenn die naturschutzrechtlichen Anforderungen künftig stärker auch in die ihrerseits weitgehend autonome Preisgestaltung des Baumarktes eingehen. Der Gesetzgeber kann in den Bewertungsfragen nur marginale Hilfe leisten. Mehr Einfluß hat die Praxis der Umlegungsstellen und der amtlichen Bodenwertbegutachtung. Es müssen sich das Bewußtsein und die Gepflogenheit herausbilden, daß Rohbauland in Umlegungsgebieten mit Ausgleichs- und
7 Schmidt-Aßmann
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
Ersatzflächen gegenüber anderem Rohbauland nur einen gedämpften Wert besitzt (vgl. unten bb). Für den vorliegenden Untersuchungszusammenhang kommt es zunächst darauf an, extreme Varianten, die sich nicht in die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Zuteilung einfügen lassen, zu identifizieren. Dabei ist davon auszugehen, daß sich feste Prozentsätze für Ausgleichs- und Ersatzflächen noch nicht herausgebildet haben. Das Schrifttum nimmt in seinen Berechnungsbeispielen einen Anteil von 20-25% der Einwurfsfläche als denkbaren Ansatz an. Zusammen mit den üblicherweise für die Erschließung notwendigen Flächen errechnet sich daraus ein Gesamtflächenabzug von 45-50%86. aa) Überkommene Bewertungsansätze In der Literatur werden mehrere Varianten diskutiert, wie die Ausgleichsund Ersatzflächen beim Einwurf und bei der Zuteilung zu bewerten sind87. Sieht man zunächst einmal vom Problem der Ausgleichs- und Ersatzflächen ab, so geht die bisherige Umlegungspraxis davon aus, alle Flächen des Umlegungsgebietes möglichst gleich als Rohbauland zu bewerten. Zwischen Bauflächen, Straßenflächen und Grünflächen wird daher normalerweise nicht differenziert. Anders als im Enteignungsrecht setzt sich der Gedanke der Solidargemeinschaft auch bei der Bewertung insofern durch, als Flächen, die für eine bestimmte öffentliche Nutzung planerisch vorgesehen sind, aus der konjunkturellen Weiterentwicklung nicht herausgenommen werden88. Fraglich ist nun, inwieweit eine solche Einstufung als Rohbauland auch für die im Bebauungsplan vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzflächen richtig ist. Die in der Literatur diskutierten Berechnungsarten sind hier zurückhaltender. Sie orientieren sich stärker an § 4 der WertermittlungsVO von 1988, die den planerischen Ausweisungen eine größere Bedeutung zumißt. - Soweit Ausgleichs- und Ersatzflächen im Flächennutzungsplan nicht als Bauflächen dargestellt sind, wäre danach an sich eine Bewertung nur als begünstigtes Ackerland geboten. Das führte jedoch dazu, daß Eigentümer der Ausgleichs- oder Ersatzgrundstücke nur unter Einwurf einer sehr großen Fläche in den Genuß eines (kleinen) Baugrundstücks bei der Zuteilung kämen. 86
Dieterich/Lemmen,
GuG 1991, 301 (303); ähnlich Sandmann, GuG 1995, 1 (9).
Deutlich geringer aber die Angaben bei Klinge, BauR 1995, 289 (298): Kosten für Sammelausgleichsflächen in Hannover: für eine Eigentumswohnung 4.000 DM, für ein Eigenheim 12.000-16.000 DM.
87 Ausführlich Sandmann, GuG 1995, 1 (9 ff.); ferner Hecker, VR 1994, 73 (81 f.); Reinhardt, VR 1994, 88 (96 ff.); auch Letzner, GuG 1995, 206 (210). 88 Sandmann, GuG 1995, 1 (8); Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 (305); Klinge
BauR 1995, 289 (298).
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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Im Berechnungsbeispiel von Sandmann, aaO. führt der Einwurf von 4.225 qm Ausgleichs- oder Ersatzfläche erst zu einem Baugrundstück von 300 qm und einer dazu gehörigen Ausgleichsfläche von 130 qm. Die meisten Eigentümer, die Ausgleichs- oder Ersatzflächen eingeworfen haben, müßten mit Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebietes oder mit Geld abgefunden werden. Beide Abfindungsarten stellen enteignende Maßnahmen dar. Da sie nicht auf einzelne Eigentümer begrenzt sind, sondern eine ganze Gruppe von Eigentümern erfassen, wird die Solidargemeinschaft, soweit eine solche überhaupt angenommen werden kann, gesprengt. Gerade dieses Beispiel bestätigt die oben dargestellten Bedenken, in den Fällen deutlich getrennt liegender Flächen eine Solidargemeinschaft zwischen Eigentümern der Eingriffs- und denen der Kompensationsgrundstücke überhaupt annehmen zu können. Eine solche Umlegung ist nach den oben (unter a) herausgearbeiteten Grundsätzen de lege lata unzulässig. De lege ferenda müßte das oben genannte umlegungsund enteignungsrechtliche Mischverfahren eingeführt werden, um hier zu einem rechtlich akzeptablen Ergebnis zu gelangen89. - Soweit Ausgleichs- und Ersatzflächen im Flächennutzungsplan als Bauflächen ausgewiesen sind, läßt sich die durch den Gedanken der Solidargemeinschaft nahegelegte Einstufung aller Flächen als Rohbauland plausibel begründen. Ähnliches muß gelten, wenn ein Flächennutzungsplan zwar nicht existiert, die Ausgleichs- und Ersatzflächen aber sonst im Verbund mit den Bauflächen liegen. Auch hier wird ihr Wert durch die Ausstrahlung der höherwertigen Nutzung nach oben gezogen90. Es entstehen dann allerdings bei der Zuteilung erhebliche Probleme: Soweit die Flächen auf den Baugrundstücken selbst liegen, könnte immerhin daran gedacht werden, sie als Bauland zu bewerten. Dieses mag in der derzeitigen Praxis zwar auf Akzeptanzschwierigkeiten stoßen, ist aber angesichts der durch § 8a BNatSchG vorgenommenen Verkoppelung von Bauen und Ausgleichen plausibel. Als selbständige Flächen aber können sie ihrer durch den Bebauungsplan künftig vorgesehenen Funktion nach an sich nicht einmal als Bauerwartungsland eingestuft werden. Das hat zur Folge, daß die Zuteilungswerte nicht einmal für eine wertgleiche Abfindung ausreichen. Eine Umlegung wäre damit unzulässig91.
89 In der verfassungsrechtlichen Einordnung ebenso Hecker, VR 1994, 73 (81 f.); Sandmann, GuG 1995, 1 (9). 90 Vgl. Letzner, GuG 1995, 206 (210). 91 Sandmann, GuG 1995, 1 (10); Reinhardt, VR 1994, 88 (102); auch schon Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 (306).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
bb) Neuere Bewertungsansätze Die aufgezeigten Schwierigkeiten sind darauf zurückzuführen, daß die Umlegung dem Gedanken der Solidargemeinschaft verpflichtet ist, während Bauflächen und Ausgleichs- und Ersatzflächen nach bisherigen Marktgepflogenheiten klar getrennte Qualitäten sind. Man muß also die bisherigen Wertvorstellungen verlassen und zu einer auch wertmäßig engeren funktionalen Verbindung zwischen beiden Flächenarten kommen. Dieses ist umso eher zu erreichen, je deutlicher Verursacher-nahe Lösungen das Gesamtkonzept des Bebauungsplans bestimmen. Zutreffend sagt Sandmann92: "Aus der Tatsache, daß zukünftig für ein Baugrundstück mehr Flächen benötigt werden, und zwar potentielle Bauflächen und AuE-Flächen, müßte der Wert der Rohbaulandgrundstücke allgemein nicht unerheblich sinken." Er gelangt so zu einem "Wert eines gedämpften Rohbaulandes", der nicht nach Vergleichspreisen, sondern kalkulatorisch zu ermitteln ist. Damit wird eine Grundlage geboten, auf der die Eigentümer von Bauflächen und von Ausgleichs- oder Ersatzflächen möglichst gleich behandelt werden können. Umlegungsrechtliche Lösungen der Folgeprobleme der Eingriffsregelung müssen also nicht an Bewertungs- und Zuteilungsfragen scheitern, wenn es gelingt, den Gedanken der Solidargemeinschaft auch in die Grundstücksbewertung hineinzutragen93. Dieses sollte der Praxis überlassen werden, selbst wenn das eine Zeit der Unsicherheit bedeutet, bis eine höchstrichterliche Klärung erfolgt ist. Sandmann weist zutreffend darauf hin, daß eine eigentumsrechtlich akzeptable Lösung am ehesten dann gelingt, wenn die Größe der erforderlichen Kompensationsflächen in einer vertretbaren und vorhersehbaren Höhe liegt, auf die sich der Bodenmarkt in seinen Reaktionen dauerhaft einstellen kann. Er empfiehlt in diesem Zusammenhang die gesetzliche Fixierung einer Höchstgrenze von vielleicht 25 % 9 4 . Eine solche gesetzliche Fixierung stellt allerdings einen Ausgriff auf die naturschutzrechtlichen Grundlagen der Eingriffsregelung dar. Ob der umlegungsrechtliche Ansatz bedeutsam genug ist, um eine so wichtige Frage mit einer gesetzgeberischen Höchstgrenzenregelung zu beantworten, erscheint zweifelhaft. Im Grunde geht es bei einer solchen gesetzgeberischen Maßstabvorgabe um ein Thema, das zur Systematik der planerischen Abwägung gehört. Hier mag man, wenn dafür weitere planerische Überlegungen sprechen, zu einer Ergänzung des § 8a Abs. 2 BNatSchG kommen. In einem noch 92 93 94
GuG 1995, 1 (11). Vgl. dazu auch Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 210a. Sandmann; GuG 1995, 1 (11); ferner Stahr, VR 1995, 129 (135).
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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weiter ausgreifenden Sinne wäre überhaupt daran zu denken, die Belastungen des Grundeigentums einmal zu saldieren und über Höchstgrenzen z.B. der Naturschutzpflichtigkeit zu diskutieren. Das ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Sofern es allein um Konsequenzen im Umlegungsrecht geht, sollte jedenfalls eine isolierte gesetzgeberische Aktion nicht in Betracht gezogen werden. Vielmehr sollten sich Planungspraxis und Bodenmarkt von selbst aufeinanderzu bewegen. Π. Die Zuteilung als Gemeinschaftsanlage gemäß § 61 Abs. 1 BauGB Die hier bevorzugte Grundlinie, Verursacher-nahe Lösungen der Eingriffsproblematik des § 8a BNatSchG zu bewältigen und - auch aus Gründen einer Verantwortungsverdeutlichung - die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke zur Gewährleistung der erforderlichen Maßnahmen heranzuziehen, legt es nahe, neben der oben (unter I) behandelten Zuteilung der Eingriffsflächen an die Eigentümer der Baugrundstücke eine Zuteilung dieser Flächen als Gemeinschaftsanlagen in Betracht zu ziehen. Gemeinschaftsanlagen stellen einen mittleren Weg zwischen der Einzelzuordnung und einer von der Gemeinde zu verwirklichenden Sammelzuordnung dar. § 8a Abs. 3 S. 2 BNatSchG verwehrt eine solche Lösung nicht, sofern die Durchführung der getroffenen Festsetzung auf diese Weise gesichert ist. Der Vorteil gegenüber der Einzelzuordnung mag darin gesehen werden, daß die Sicherstellung der Ausgleichsund Ersatzpflichten leichter kontrolliert werden kann, insbesondere dann, wenn ein einzelner Eigentümer die Herstellung und Unterhaltung der Gemeinschaftsanlage rechtlich verbindlich übernimmt. Die Gemeinde wird auf diese Weise von Durchführungslasten im Gefolge des § 8a Abs. 3 BNatSchG entlastet, deren Umfang und deren Auswirkungen auf die kommunale Verwaltungskraft heute noch kaum voraussehbar sind. In der Literatur hat Gaentzsch schon früh auf die Bedeutung der Gemeinschaftsanlagen als Umsetzungsmöglichkeit naturschutzrechtlicher Pflichten im Baurecht hingewiesen95. Unter der Geltung des § 8a BNatSchG hat sich insbesondere Steinfort für eine Aktivierung des § 61 Abs. 1 S. 2 BauGB ausgesprochen96. Es werden jedoch auch unter der Geltung des neuen Rechts rechtliche Bedenken geltend gemacht. Bezweifelt wird vor allem, ob Ausgleichs- oder Ersatzflächen überhaupt dem Anlagenbegriff zugeordnet werden können97.
95
Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 9 Rn. 51 ff.; ders., NuR 1990, 1 (7). Steinfort, VerwArch 1995, 107 (132 ff.); Hinweise auch bei Letzner, GuG 1995, 206 (209) und Sandmann, GuG 1995, 1 (11) mit Vorbehalten gegenüber der Praktikabilität. 97 Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 61 Rn. 55. 96
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen 1. Der Begriff der Gemeinschaftsanlage
Der Begriff der Gemeinschaftsanlage ist gesetzlich nicht definiert. Die in § 61 Abs. 1 S. 2 BauGB genannten Gemeinschaftsanlagen ("hintere Zuwege, gemeinschaftliche Hofräume, Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze, Garagen") haben nur beispielhaften Charakter. Gleiches gilt für die Aufzählung in § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB. a) Einrichtungsbezogene Interpretation Die Beispiele lenken die Vorstellung allerdings in eine Richtung, den Begriff der Gemeinschaftsanlage mit bestimmten Vorrichtungen oder Einrichtungen zu verbinden. Die Fläche selbst als Gemeinschaftsanlage zu verstehen, erscheint so als wenig naheliegend. Gerade um die Fläche aber geht es bei den Ausgleichs- und Ersatzflächen. Die Einbeziehung von Flächen in den Anlagenbegriff wird auch nicht dadurch erleichtert, daß man an Bepflanzungen der Fläche denkt. Bäume und Sträucher als Gemeinschaftsanlagen zu interpretieren fällt nicht ganz leicht. Auf der anderen Seite tritt aber schon bei den gesetzlich ausdrücklich genannten Stellplätzen der Anlagencharakter gegenüber der Fläche deutlich zurück. Anerkannt ist immerhin, daß es sich bei Gemeinschaftsanlagen nicht um bauliche Anlagen handeln muß98. So wurde es schon nach bisheriger Auffassung für zulässig angesehen, Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (Nr. 24) und Flächen für Schutzpflanzungen (Nr. 25) auch als Flächen für Gemeinschaftsanlagen festzusetzen, obwohl auch in diesen Fällen der Einrichtungsbezug gegenüber dem Flächenbezug deutlich zurückgetreten ist99. Jedenfalls vom sachlichen Substrat her ist im Ergebnis nichts dagegen einzuwenden, auch Ausgleichs- und Ersatzflächen als Flächen für Gemeinschaftsanlagen anzusehen. b) Funktionelle Interpretation Einwände gegen Ausgleichs- oder Ersatzflächen als Gemeinschaftsanlagen werden aber von einem funktionellen Ansatz her gemacht, der dem einrichtungsbezogenen Ansatz ähnlich, mit ihm jedoch nicht identisch ist. Gemein98 Gierke , in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 9 Rn. 348; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 9 Rn. 51. 99 Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9 Rn. 132; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 9 Rn. 51; wohl auch Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 306: Grünflächen als Gegenstand von Gemeinschaftsrechtsverhältnissen in der Umlegung.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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schaftsanlagen - so läßt sich sagen - müssen durch die Gemeinschaft, der sie zugeordnet sind, benutzbar sein100. Gaentzsch hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß Gemeinschaftsanlagen nicht nur solche Anlagen seien, die selbst in engeren Sinne ge- oder benutzt werden, sondern auch solche, die erforderlich sind, damit eine andere im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung zugelassen werden kann101. § 61 Abs. 1 S. 2 BauGB unterstützt diese Auslegung. Er schreibt vor, daß Gemeinschaftsanlagen "zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Ausnutzung der Grundstücke" festgelegt werden können. Es geht also nicht nur um Benutzung, sondern auch um Ausnutzung. Stich interpretiert die Klausel "zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Ausnutzung der Grundstücke" dahingehend, daß ein Gebrauchs- und ein Vermögensvorteil für die Hauptgrundstücke vorliegen müsse. Beides verneint er und lehnt deshalb die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 61 Abs. 1 BauGB ab. Die Aufteilung in zwei Vorteilsarten erscheint aber schon technisch nicht zwingend. Außerdem ist nach neuer Rechtslage der Vermögensvorteil unzweifelhaft, weil entsprechende Zuordnungsmöglichkeiten heute bestehen, während sich die Ausführungen von Stich noch auf die Zeit vor Inkrafttreten des IWG beziehen. Ein zusätzlicher Gebrauchsvorteil i.S. einer faktischen Nutzungsmöglichkeit der Gemeinschaftseinrichtung, z.B. in der Art einer Freizeiteinrichtung, ist schon aus dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. Mindestens seit der Entscheidung des § 8a BNatSchG, der die Zugehörigkeit von Ausgleichs- oder Ersatzflächen zu den Bauflächen zum städtebaulichen Normalfall erklärt hat, ist in Fortsetzung der bisher schon erfolgten Einbeziehung von Schutzflächen von einem erweiterten Begriff der Gemeinschaftsanlage auszugehen. 2. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Festsetzung von Gemeinschaftsanlagen nach § 61 Abs. 1 S. 2 BauGB liegen vor oder lassen sich im Anwendungsfall regelmäßig erfüllen: - Es ist nicht erforderlich, daß im Bebauungsplan eine entsprechende Ausweisung nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB getroffen ist. Die Umlegungsbehörde ist zu eigenständiger Gestaltung befugt. Entscheidend ist die materielle Übereinstimmung mit den Zielen des Bebauungsplans102. Anknüpfungspunkt kann
100 Ansätze einer solchen Argumentation bei Stich, Naturschutzrechtliche Eingriffsund Ausgleichsregelungen und ihre Auswirkungen auf die gemeindliche Bauleitplanung, GuG 1992, 301 (310); ihm folgend Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, § 61 Rn. 55; Otte , DÖV 1995, 802 (814). 101 Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 9 Rn. 51. 102 Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 61 Rn. 18.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
beispielsweise auch eine private Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB sein. - Die Gemeinschaftsanlage kann einem konkreten Kreis von Grundstücken zugeordnet werden. Die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten sind durch § 8a Abs. 1 und Abs. 3 BNatSchG geschaffen worden. Damit ist dem Bestimmtheitsgebot Rechnung getragen103. - Diese Vorschriften sind auch die Rechtsgrundlage, um in Verbindung mit § 61 Abs. 1 BauGB die Rechtsverhältnisse der Gemeinschaftsanlage im einzelnen zu regeln. Gemeinschaftsanlagen müssen nicht in einer Form gemeinschaftlichen Eigentums (Miteigentum, Gesamthandseigentum) stehen. Es kann vielmehr auch Einzeleigentum begründet werden. Allerdings muß solchenfall s die Zuordnung auch zu den anderen Grundstücken festgelegt werden. Neben einer Rechtsgestaltung durch den Umlegungsplan bieten sich dafür privatvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten an 104 . Da der Umlegungsplan als Hoheitsakt die privatautonome Gestaltung der Rechte und Pflichten der an der Gemeinschaftsanlage beteiligten Eigentümer nicht dauerhaft vorwegnehmen kann, muß die Umlegungsstelle langfristig verläßliche, interessengerechte Regelungen zu treffen suchen. Eine Begründung von Gemeinschaftsrechtsverhältnissen ohne Einverständnis der Betroffenen wird dabei nur ausnahmsweise in Betracht kommen105. Die Umlegungsstelle hat sich um eine wirksame Sicherung der Funktionen der Ausgleichs- und Ersatzflächen zwar nach besten Kräften zu bemühen. Erweist sich das aber in späterer Zukunft als unzulänglich, so wirkt diese Entwicklung auf die zugrundeliegenden Rechtsakte nicht zurück. - Gemeinschaftsanlagen sind für die Grundstücke, deren Ausgleichs- und Ersatzlasten auf diese Weise mitabgedeckt werden, privatnützig. Ihre Feststellung erfolgt auch aus städtebaulichen Gründen106. ΠΙ. Der Vorwegabzug gem. § 55 Abs. 2 BauGB Ausgleichs- und Ersatzflächen können nicht nur als Flächen zu privater Nutzung, sondern auch als Flächen zu öffentlicher Nutzung nach dem Bebauungsplan festgesetzt sein. Für bestimmte dieser öffentlichen Nutzungsflächen 103
Steinfort, VerwArch 1995, 107 (133). Vgl. dazu im einzelnen Schmidt-Aßmann, Rechtsinstrumente für Gemeinschaftsanlagen, 18 ff. und 25 ff. den., in: Festschrift für Ernst, 1980, 367 ff. 105 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 61 Rn. 78; vgl. auch Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 61 Rn. 19. 106 So schon Gaentzsch, in: Berliner Kommentar, § 9 Rn. 52; ferner Steinfort, VerwArch 1995, 107 (134). 104
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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ist eine umlegungsrechtliche Aufbringung nach § 55 Abs. 2 BauGB in Betracht zu ziehen. Ob dieser Weg gangbar ist, hängt davon ab, ob der Vorwegabzug der solchermaßen festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzflächen unter die sehr detaillierten Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung zu fassen ist und die Bewertungsfragen in einer Weise bewältigt werden können, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 2 BauGB wiederum sind mit den Strukturprinzipien der Umlegung als einer Maßnahme nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, insbesondere mit dem Privatnützigkeitsdogma und dem Gedanken der Solidargemeinschaft, abgestimmt. Bei ihrer Auslegung ist der verfassungsrechtliche Hintergrund ebenfalls zu beachten107. Mit der Zuteilung der bezeichneten Flächen ist die Gemeinde oder der sonstige Erschließungsträger für die von ihnen in die Umlegungsmasse eingeworfenen Flächen desselben Funktionskreises abgefunden. Ein weiterer Ausgleich zu Gunsten der Gemeinde findet nicht statt. Umgekehrt kann der Vorwegabzug zu Lasten der Eigentümer die für Flächenbeiträge in § 58 BauGB gesetzten Höchstgrenzen überschreiten. Auch insofern findet ein Ausgleich nicht statt108. Im folgenden werden unterschieden: - Ausgleichs- und Ersatzflächen, die für den Bau von Erschließungsanlagen, vor allem also für den Bau von Straßen, erforderlich werden: verkehrsflächenbedingte AuE-Flächen (1), - Ausgleichs- und Ersatzflächen, die für die privaten Bauflächen ausgewiesen und diesen zugeordnet werden: bauflächenbedingte AuE-Flächen (2). 1. Verkehrsflächenbedingte AuE-Flächen
Für sie ist teils ein Vorwegabzug nach § 55 Abs. 2 Nr. 1, teils nach Nr. 2 BauGB in Betracht zu ziehen109. a) Vorwegabzug als örtliche Verkehrsflächen
(Nr. 1)
§ 55 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gestattet den Vorwegabzug der "örtlichen Verkehrsflächen". Dieses Tatbestandsmerkmal ist unter Rückgriff auf den Bebauungsplan auszulegen. Für Verkehrsflächen steht die planerische Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB zur Verfügung. Sieht man zunächst einmal von dem besonderen Problem der Bestimmung des Begriffs 107
Stang, in: Schrödter, BauGB, § 55 Rn. 12; Steiner, NVwZ 1995, 12 (13). Vgl. Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 32 f. 109 Zur Aufteilung des erforderlichen Ausgleichspotentials für die festgesetzten Flächen auf den Verkehrsflächen selbst und als zusätzlich ausgewiesene Grünflächen vgl. Sandmann, GuG, 1995, 1 (3). 108
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
"örtlich" ab, so läßt sich sagen, daß von § 55 Abs. 2 Nr. 1 nur das erfaßt wird, was förmlich als "Verkehrsfläche" im Sinne des §9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB ausgewiesen ist. Soweit es um Flächen für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen geht, müssen diese auf den Verkehrsflächen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB liegen. Das kann dazu führen, daß die Flächen über das Maß dessen, was aus verkehrstechnischen Gründen erforderlich ist, hinaus weiter erstreckt werden, um z.B. Straßenbegleitgrün aufnehmen zu können. Nicht von § 55 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erfaßt werden dagegen Flächen, die gem. dem Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB eigenständig ausgewiesen sind, z.B. Flächen gem. § 9 Abs. Nr. 26 BauGB110. b) Vorwegabzug als Grünflächen
(Nr. 2)
Der durch die Verkehrsanlagen verursachte Kompensationsbedarf, der auf den Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB nicht untergebracht werden kann, läßt sich, was seine flächenmäßige Aufbringung betrifft, über den Vorwegabzug nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht gewinnen. Die eingriffsrechtlichen Konsequenzen der Verkehrsanlagen sind folglich auch ein Thema des § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Planungsrechtlich wird es sich insofern regelmäßig um öffentliche Grünflächen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB handeln. Welche Ausgleichs- und Ersatzflächen durch die Erschließungsmaßnahmen bedingt sind und welche bauflächenbedingt sind, muß sich aus dem Bebauungsplan ermitteln lassen111. c) Gemeinsame Grundsätze Flächenabzüge nach § 55 Abs. 2 BauGB müssen ihrerseits den Gedanken der Privatnützigkeit zum Ausdruck bringen. Nr. 2 tut das mit der ausdrücklichen Klausel, daß die Flächen überwiegend den Bedürfhissen der Bewohner des Umlegungsgebietes dienen sollen. In Nr. 1 ist das primär durch die Begrenzung auf "örtliche" Verkehrsflächen, die ihrerseits innerhalb des Umlegungsgebiets liegen müssen, geschehen. In der Literatur wird dieses Merkmal zutreffend dahin konkretisiert, daß entscheidend auf die Funktion der Fläche im Hinblick auf das Umlegungsgebiet abgestellt wird. Verkehrs-
110 So zutreffend Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 55 Rn. 21 i.V.m. § 9 Rn. 97; ebenso Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 17; a.M. Stang, in: Schrödter; BauGB, § 55 Rn. 18. 111 Sandmann, GuG 1995, 1 (7 f.).
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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flächen sind nur dann "örtliche", wenn sie überwiegend den Bedürfhissen der Bewohner des Umlegungsgebiets dienen112. Diese Konkretisierung war bisher zum einen von systematischen Gründen getragen, insofern sie das Umlegungsrecht und die erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen der §§127 ff. BauGB einander annähert ("Flächenabzug als naturaliter erbrachter Erschließungsbeitrag"). Das gilt vor allem für das Verhältnis zu § 129 Abs. 1 S. 1 BauGB. Die in § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB genannten Flächen werden häufig mit den verkehrsflächenbedingten AuE-Flächen deckungsgleich sein. Sie müssen es aber nicht notwendig: Zuschnitt und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzflächen werden vom Eingriff in Natur und Landschaft her bestimmt, während die in § 127 Abs. 2 Nr. 4 genannten unselbständigen und selbständigen Grünanlagen aus allgemeinen städtebaulichen Standards hervorgehen. Das muß aber nicht gegen die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 2 BauGB sprechen. Überhaupt verliert der Harmonisierungsgrund an Bedeutung, je stärker das Erschließungsbeitragsrecht künftig von den Ländern geregelt wird. Für § 55 Abs. 2 BauGB entscheidend bleibt die konkrete Privatnützigkeit des Vorwegabzuges113. Hinsichtlich der Ausgleichs- und Ersatzflächen für die durch Verkehrsanlagen erfolgenden Eingriffe in Natur und Landschaft ergibt sich danach folgendes: Die Ausgleichspflicht trifft primär den Verursacher. Dieses ist der Projektträger der Verkehrsanlage. Soweit die Anlage aber ihrerseits privatnützig für die Eigentümer der durch die Verkehrsanlagen erschlossenen Grundstücke wirkt, ist es zulässig, die Umlegungsmasse durch Vorwegabzüge zu deren Lasten auch um die erforderlichen Ausgleichs- oder Ersatzflächen zu verkleinern 114. Die Privatnützigkeit der verkehrsbezogenen Ausgleichs- und Ersatzflächen folgt also aus dem Annexgedanken. Hier geht es nicht darum, ob diese Flächen aus städtebaulichen, straßenrechtlichen, naturschutzrechtlichen oder sonstigen Gründen festgesetzt werden. Vielmehr bildet die Erschliessungsanlage, die das Bedürfnis auslöste, die vereinheitlichende Klammer für alle Motivationen. Der zusätzliche Flächenbedarf des § 8a BNatSchG ist hier "anlagenakzessorisch" definiert. In dieser Akzessorietät findet er zugleich
112 So Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr; BauGB, § 55 Rn. 20; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 7a; Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 14. 113 Zur Auslegung des § 55 Abs. 2 BauGB im Lichte des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG BGHZ 89, 353 ff. 114 Schink, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtlichè Eingriffsregelung, 124 (143); Luft, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 20, der auch Flächen im sonstigen Geltungsbereich, die nicht Bestandteile der Verkehrsflächen sind, unter § 55 Abs. 2 Nr. 1 BauGB fassen will. Ferner Zabel, DÖV 1995, 725 (727).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
seine notwendige Begrenzung. Der Anwendung des § 55 Abs. 2 BauGB stehen insofern keine Bedenken entgegen115. 2. Bauflächenbedingte Au£-Flächen
Umstrittener ist die Frage, ob und inwieweit Ausgleichs- und Ersatzflächen auch dann zum Kreis der in § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB aufgeführten Infrastrukturflächen zu rechnen und nach dieser Vorschrift vorweg abzuziehen sind, wenn sie dazu dienen, die Eingriffe auf den vorgesehenen Bauflächen zu kompensieren. Von ihrer Ausweisung her wird es sich regelmäßig um Grünflächen i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB handeln. Der Begriff ist weit auszulegen; die Aufzählung ist nicht erschöpfend 116. In der Literatur wird auf die Doppelfunktion der Grünflächen als Erschließungsflächen i.S. des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB und als Ausgleichs- und Ersatzflächen hingewiesen117. Beide Zweckrichtungen können sich auch hier überlagern. Ausweisungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB reichen dagegen nicht aus. Planerisch ist aber eine Doppelfestsetzung mit Nr. 15 nicht ausgeschlossen118. a) Meinungsstand der Literatur Ob entsprechend festgesetzte Ausgleichs- oder Ersatzflächen unter § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB fallen, ist streitig. Der Meinungsstand im wissenschaftlichen Schrifttum ergibt folgendes Bild: In der Kommentarliteratur haben sich Ernst und Otte dezidiert gegen die Möglichkeit eines Vorwegabzuges ausgesprochen. Ihrer Meinung nach handelt es sich bei solchen Flächen um "Grünflächen ohne eine bauliche Verfestigung". Ihre Einbeziehung in den § 55 Abs. 2 BauGB würde zudem den Umfang der Vorwegausscheidung so stark erweitern, daß dem Umlegungsgrundsatz der mindestens wertgleichen Zuteilung nicht mehr gefolgt werden könnte. Außerdem werde ein so umfangreicher Abzug die Umlegungswillig115 Daß § 8a Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG die speziell umlegungsrechtliche Vorschrift des § 128 Abs. 1 S. 3 BauGB nicht in Bezug nimmt, besagt nicht, daß umlegungsrechtliche Lösungen nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers aus der Bewältigung der Eingriffsregelung schlechthin ausgeklammert sein sollten. Selbst wenn bei Schaffung des § 8a BNatSchG die zuweilen zitierten verfassungsrechtlichen Zweifel des Gesetzgebers bestanden haben sollten, bewirkt das keine Sperre, die lex lata so auszulegen und fortzuentwickeln, wie es verfassungskonform möglich ist. 116 Berkemann, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 67 (101 f.); Mitschang, ZfBR 1994, 57 (61). 117 Vgl. Steinfort, VerwArch 1995, 107 (129 f.). 118 Steinfort, VerwArch 1995, 107 (135 f.), mit dem Hinweis auf Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Abrechnung.
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keit der Grundeigentümer beeinträchtigen119. Diesem Ergebnis hat sich Mainczyk angeschlossen. Er verweist auf die Unmöglichkeit, den Umlegungsgrundsatz der mindestens wertgleichen Zuteilung einzuhalten120. Eine ablehnende Tendenz zeigt auch die Kommentierung von Schriever. Seine Ausführungen beziehen sich allerdings auf die älte Rechtslage, die auf § 8 BNatSchG gestützt war, während die Bedeutung der Neuregelung des § 8a einer künftigen Kommentierung vorbehalten werden soll. Die bisherigen Ausführungen zeigen aber eine deutliche Zurückhaltung gegenüber einem Vorgehen nach § 55 Abs. 2 BauGB. Eine landespflegerische Ausgleichs- oder Ersatzfläche, die nur deshalb ausgewiesen sei, um die naturschutzrechtliche Sperre des Bauens aufzuheben, sei keine bewohnerdienliche Infrastrukturmaßnahme, weil sie ihre Begründung nicht in einer städtebaulichen, sondern in einer naturschutzrechtlichen Zielsetzung finde 121. Einen gegenteiligen Standpunkt vertritt Lohr. Er rechnet die Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8a BNatSchG zu den Flächen für Grünanlagen i.S. des § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Lohr betont, daß § 8a BNatSchG eine städtebaulich sinnvolle Integration von Bau- und Naturschutzmaßnahmen beabsichtige. Er sieht in Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen primär Maßnahmen städtebaulichen Charakters und gelangt so, ohne daß das ausdrücklich ausgeführt würde, dazu, die zum Ausgleich für Eingriffe durch Bauflächenausweisungen getroffenen Festsetzungen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als privatnützig anzusehen. Dabei orientiert er sich auch an den Maßstäben des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB122. Zu demselben Ergebnis gelangt Stich123. In der Aufsatzliteratur spricht sich Schink für eine Abzugsfahigkeit im Rahmen des § 55 Abs. 2 BauGB aus. Er hebt hervor, daß Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Inkrafttreten des § 8a BNatSchG die Nutzbarkeit der Grundstücke im Planbereich überhaupt erst ermöglichten. Ähnlich wie Erschließungsanlagen handle es sich um Festsetzungen, die den Eigentumsinhalt bestimmten. Daraus wird dem Sinne nach gefolgert, daß auch die Vorwegausscheidung dieser Flächen durch das Privatnützigkeitsdogma getragen werde124. Zabel hält einen Vorwegabzug für zulässig, wenn die Flächen nicht überdimensioniert seien; er spricht insofern von einem "Grundsatz des Maß-
119
Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 8. Mainczyk, BauGB, § 55 Rn. 8. 121 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 26 a. 122 Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 55 Rn. 25 i.V.m. § 9 Rn. 57a. 123 Stich, in: Berliner Kommentar, § 8a BNatSchG Rn. 62 ff. 124 Schink, in: Ramsauer (Hrsg.), Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 124 (143 f.); vgl. auch dens., UPR 1995, 281 (288 f.); ähnlich Seele, VR 1995, 193 (199 f.), der insofern aber eine gesetzliche Klarstellung verlangt. 120
110
2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
haltens"125. Die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB wird ferner von Luft bejaht. Auf jeden Fall dann, wenn entsprechenden Grünflächen eine Erschließungsfunktion i.S. von § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB hätten, sei ein Vorwegabzug zulässig. Eventuell komme ein solcher Abzug auch für sonstige bewohnerdienliche Grünanlagen ohne Erschließungsfunktion in Betracht. Notwendig sei allerdings, daß für die Ausweisung als öffentliche Grünfläche ein städtebauliches Bedürfnis vorliege126. Ähnlich wie Luft differenziert Steinfort. Er betont die Doppelfunktion von Grünanlagen zur Erschließung des Gebietes und zum Eingriffsausgleich. Eine als öffentliche Grünfläche i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ausgewiesene Fläche kann seiner Auffassung nach dann als Grünanlage i.S. des § 55 Abs. 2 Nr. 2 angesehen werden, wenn die spezifischen Voraussetzungen, wie sie im § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB festgelegt seien, vorlägen. Besonders dann, wenn eine Sammelzuordnung getroffen sei, läge das nahe127. Eine klare Differenzierung zwischen derzeitiger Rechtslage und gesetzlichen Entwicklungsnotwendigkeiten findet sich bei Letzner. Derzeit seien öffentlichen Grünflächen dann nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB zu behandeln, wenn sie überwiegend den ökologischen Bedürfnissen der Bewohner dienten, eine vertretbare Größe hätten und darüber hinaus den Umlegungsbeteiligten "benutzerdienlich" seien. Großflächige Ausweisungen von Ausgleichs- oder Ersatzflächen seien dagegen regelmäßig nicht möglich, weil sie einen Sollanspruchsquotienten unter 1 nach sich zögen. Letzner hält allerdings eine Weiterentwicklung dieser Rechtslage für verfassungsrechtlich möglich. Der Schutz des Art. 14 GG sei nämlich dynamisch im Hinblick auf die veränderten Anforderungen des Naturschutzrechts zu bewerten. Nach Abwägungsgesichtspunkten sei es besser, alle Eigentümer als Solidargemeinschaft anzusehen und ihnen anteilige Reduktionen des Verkehrswertes und der Fläche ihrer Grundstücke zuzumuten, als einige Eigentümer, nämlich diejenigen, deren Grundstücke für größere zusammenhängende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen würden, der Enteignung auszusetzen128. In den meisten Stellungnahmen wird Art. 14 GG allerdings als unüberwindliche Grenze für die Einbeziehung von Ausgleichs- und Ersatzflächen in den Vorwegabzug angesehen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen des zu erwartenden hohen Vorwegabzuges äußert Hecker Bedenken gegen die Anwendung des § 55 Abs. 2 BauGB in den vorgesehenen Fällen. Er geht außerdem davon aus,
125
Zabel, DÖV 1995, 725 (727). Luft, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, 18 f. 127 Steinfort, VerwArch 1995, 107 (129 f.); vgl. auch Dieterich, gung, Rn. 176b. 128 Letzner, GuG 1995, 206 (208 f.). 126
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C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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daß der bisherige Wortlaut dieser Vorschrift eine Vorwegausscheidung nicht decke129. Der verfassungsrechtliche Hintergrund ist es, der auch Reinhardt zu einer negativen Stellungnahme veranlaßt. Soweit es um örtliche Gemeinbedarfsflächen gehe und diese nur einen geringfügigen Anteil der Umlegungsfläche ausmachten, hält Reinhardt die Anwendung des § 55 Abs. 2 BauGB zwar für problemlos. Er hat aber vor allem die Fälle vor Augen, in denen erhebliche Ausgleichs- oder Ersatzflächen ausgewiesen werden müssen. Als Gegenargument weist er zum einen auf die verfassungsgebotenen Wertrelationen hin. Zum anderen hält er erkennbar auch die privatnützige Zwecksetzung nicht für gegeben130. Noch unter der alten Rechtslage hatten sich Dieterich und Lemmen mit der Abzugsfahigkeit nach § 55 Abs. 2 BauGB beschäftigt. Sie heben hervor, daß zwar die Anknüpfungspunkte in § 127 Abs. 2 und in § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB an sich eine städtebauliche Funktion verlangten. Sie beobachten dann jedoch im Umlegungsrecht eine zunehmende Einbeziehung auch von Gründen des Umweltschutzes und halten daher die Anwendung des § 55 Abs. 2 BauGB auf Ausgleichs- und Ersatzflächen vom Tatbestand her nicht für ausgeschlossen. Wohl aber weisen sie darauf hin, daß die verfassungsrechtlich gebotenen Wertverhältnisse regelmäßig nicht würden eingehalten werden können131. b) Stellungnahme Analysiert man die Argumente der in der Literatur vertretenen Ansichten, so wird deutlich, daß die Auffassungsunterschiede in den Grundlagen weniger weit reichen, als dieses auf den ersten Blick erscheint: - Keiner der Autoren spricht sich für einen unbegrenzten Vorwegabzug auch großer Ausgleichs- oder Ersatzflächen aus. Die Argumente, die dagegen vorgebracht werden, werden weniger aus der gegenwärtigen Gesetzeslage als aus den verfassungsrechtlichen Strukturen der Umlegung als Rechtsinstitut gewonnen. Es geht also um Fixpunkte, die nicht zur Dispositition stehen. Sie werden von Befürwortern und Gegnern einer weiterreichenden Einbeziehung der Umlegung in die Bewältigung der Folgeprobleme des § 8a BNatSchG gleichermaßen anerkannt. - Auch den negativen Stellungnahmen geht es in der Regel nicht um eine radikale Ablehnung. Hervorgehoben werden vielmehr einzelne Konsequen129 130 131
Hecker, VR 1994, 73 (79 f.). Reinhardt, DÖV 1995, 21 (24 f.); vgl. auch dens., VR 1994, 88 (102). Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 (303).
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
zen, die bei einer Vorwegausscheidung von Ausgleichs- oder Ersatzflächen auftreten können und dann dazu führen, daß ein solcher Abzug aus Gründen des Eigentumsverfassungsrechts nicht vorgenommen werden kann. Das betrifft insbesondere die Probleme der wertgleichen und der anteilsgleichen Abfindung. Solche umlegungshemmenden Konsequenzen müssen jedoch nicht bei jeder Umlegung auftreten. Vielmehr hängt es von den konkreten Gegebenheiten des einzelnen Umlegungsgebietes und den planerischen Vorgaben ab, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Größe der Ausgleichs- oder Ersatzflächen. Zentrales Kriterium für alle Stellungnahmen ist die Frage der Privatnützigkeit. Läßt sich von der Vorwegausscheidung der Ausgleichs- und Ersatzflächen sagen, daß sie für die Umlegungsbetroffenen eine privatnützige Maßnahme darstellt, so wie das für die Fälle des § 55 Abs. 2 BauGB unabhängig von der Zuordnung zu Nr. 1 oder Nr. 2 sonst durchgängig verlangt wird? Auf der (eingeschränkten) Bandbreite, auf der die zunächst gegensätzlich erscheinenden Stellungnahmen in der Literatur liegen, ist dieses der entscheidende Ansatz. Erst in seiner weiteren Verfolgung gehen die Meinungen auseinander. aa) Keine abstrakte Solidargemeinschaft Eine Vorabausscheidung aller Ausgleichs- und Ersatzflächen nach § 55 Abs. 2 BauGB ließe sich am ehesten dann rechtfertigen, wenn man von einer abstrakten Solidargemeinschaft aller Umlegungsbetroffenen im Planbereich auszugehen hätte. Letzner hat diesen Gedanken am klarsten formuliert. Er läßt sich etwa in die Frage fassen: Ist es nicht eigentumsfreundlicher, die Eigentümer von Ausgleichs- und Ersatzgrundstücken und von Baugrundstücken in einer Gemeinschaft zusammenzufassen und die Lasten gleichmäßig zu verteilen, statt letzteren die Bebaubarkeit ihrer Grundstücke dadurch zu sichern, daß erstere gegebenenfalls zwangsweise auf ihr Eigentum verzichten müssen? Eine umlegungsrechtliche Solidargemeinschaft kann jedoch, wie bereits oben entwickelt worden ist, nicht von den Rechtsfolgen her begründet werden. Sie muß ihren Grund vielmehr in einer gemeinsamen Situation der Grundstücke haben. Gerade die Differenziertheit des städtebaurechtlichen Instrumentariums, die Verträge, Umlegung und Enteignung nebeneinander kennt, hat einen freiheitssichernden eigenständigen Wert. Anders könnten die besonderen Schutzmechanismen der Enteignung vom Staate stets dadurch umgangen werden, daß er das Sonderopfer auf einen breiteren Kreis einer " Solidargemeinschaft " verteilt. Ein Umlegungskonzept, das sich auf eine so weite Verflüchtigung des Privatnützigkeitsgedankens stützen muß, kann nicht
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
113
mit hinreichender Sicherheit als verfassungsrechtlich akzeptabel bezeichnet werden. bb) Verursacher-begründete Solidargemeinschaft Daß die vorweg abgezogenen Ausgleichs- und Erschließungsflächen dem gemeinsamen Interesse der umlegungsbetroffenen Eigentümer dienen, läßt sich nur für die Eigentümer von Bauflächen sagen. Für sie begründen § 8a BNatSchG und die darauf gestützten Aussagen des Bebauungsplanes Ausgleichs- und Ersatzpflichten, ohne die ihre Grundstücke nicht zu bebauen sind. Daß sich diese Pflicht aus naturschutzrechtlichen Gesichtspunkten ableitet, spricht nicht gegen ihre umlegungsrechtliche Verarbeitung. Spätestens durch § 8a BNatSchG sind die Naturschutzbelange kraft positiven Rechts in das städtebaurechtliche Instrumentarium eingearbeitet. Eine Solidargemeinschaft, die ihre Grundlagen in der Grundstückssituation hat, besteht also zunächst einmal zwischen den Eigentümern der Baugrundstücke. In einer erweiterten Fassung lassen sich auch jene Eigentümer einbeziehen, die Ausgleichs- und Ersatzflächen eingeworfen haben, die im Zusammenhang mit den Bauflächen liegen. Dort aber, wo weit abgelegene Flächen zur Einwurfsmasse gezogen werden sollen, läßt sich eine solche Solidargemeinschaft gleichgerichteter Interessen nicht konstruieren. Das ist bereits oben, bei der Frage der Zulässigkeit der Umlegung, ausgeführt worden (oben Β II 2 b). Für den danach ohnehin stark eingeschränkten Anwendungsbereich der Umlegung im Zusammenhang mit § 8a BNatSchG läßt sich eine Vorwegausscheidung von Ausgleichsflächen nach § 55 Abs. 2 BauGB rechtfertigen. Ersatzflächen werden dagegen in der Regel so weit entfernt liegen, daß von einem natürlichen Verbund der Flächen nicht gesprochen werden kann. cc) Konkrete Feststellung An dieser Stelle ist noch einmal auf das oben (1. Abschnitt C I) genannte "Dilemma unterschiedlicher Rationalitäten" einzugehen. Wir hatten darauf hingewiesen, daß Vorgänge, die in der fachbehördlichen Praxis durchaus Plausibilität besitzen, als Einzelvorgang aus ihrem Handlungszusammenhang herausgerissen und vor Gericht gebracht, diese Plausibilität oft nicht durchhalten können, weil der Bewertungshorizont insbesondere eines Verfassungsgerichts ein unterschiedlicher ist. Vorwegabzüge sind umlegungsrechtlich zwar ein vertrautes Instrument132. In der Außendarstellung des Umlegungsrechts aber wird gerade an ihnen der Entzugscharakter bestimmter Umle132
Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Zur Verfassungsmäßigkeit der erweiterten Umlegung, 39 ff.
8 Schmidt-Aßmann
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
gungsmaßnahmen besonders anschaulich. Es sollte zu denken geben, daß die Vorwegabzüge für Grünanlagen gerade in jüngster Zeit sehr intensiv auf ihre Verfassungskonformität befragt worden sind. "Auslegung und Anwendung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB", so wird gesagt, "bewegen sich auf der Grenze zwischen unzulässigem Flächensonderopfer und zulässiger Inhaltsbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Deshalb müssen sie sich strikt am Prinzip der Privatnützigkeit orientieren."133 § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB trägt dem Gedanken konkret bestimmter Privatnützigkeit dadurch Rechnung, daß er die Vorabausscheidung der im einzelnen aufgelisteten Flächen daran bindet, daß diese "überwiegend den Bedürfnissen der Bewohner des Umlegungsgebietes dienen sollen". Steinfort will die Abzugsfahigkeit nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 insofern auf den Umfang des § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB festlegen. Im Blick auf die bauflächenbedingten Ausgleichs- und Ersatzflächen sind das vor allem die selbständigen Erschliessungsflächen nach Nr. 4 Alt. 2. Für sie verlangt das Gesetz, daß sie "nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind". § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ist aber schon vom Text her nicht mit § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB harmonisiert. Auch verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, daß sich die geforderte Privatnützigkeit gerade darin äußert, daß die Fläche "zur Erschließung" notwendig ist. § 8a Abs. 1 BNatSchG zeigt eben, daß über die Erschließung hinaus auch noch andere Voraussetzungen vom Eigentümer der Eingriffsfläche gewährleistet sein müssen. Der Bezug auf die städtebaulichen Grundsätze in § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB führt für den Vorwegabzug von Kompensationsflächen schon deshalb nicht zu einer Reduktion, weil die naturschutzrechtliche Zwecksetzung heute in das Städtebaurecht integriert ist. Aus § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB ergibt sich folglich keine eigenständige Begrenzung der Vorwegausscheidung, die nicht schon im Umlegungsrecht selbst angelegt ist. Zutreffend macht Steiner darauf aufmerksam, daß in der in § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB selbst enthaltenen Klausel nicht nur die "Bewohnerdienlichkeit", sondern auch noch eine "Bedarfsgerechtigkeit" festgeschrieben ist. Letztere verlangt, daß die Flächen eine gebietsadäquate Dimensionierung besitzen. Im Blick auf Kompensationsflächen könnte man sagen, daß eben alles das, was als Kompensation für Bauflächeneingriffe notwendig sei, auch gebietsadäquat ist. Eine solche Aussage besitzt zwar eine immanente Plausibilität. Daß sie größer dimensionierten Vorwegabzügen von Kompensationsflächen dadurch nicht nur verwaltungspolitisch, sondern auch verfassungsrechtlich Akzeptanz sichert, wird man gleichwohl nicht erwarten können. 133 Steiner, NVwZ 1995, 12 (15); gegen ausgreifende Kompensationsfestsetzungen auch Stich, in: Berliner Kommentar, § 8a BNatSchG Rn. 66.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
115
Wenn man schon im Planungsstadium eine Verwirklichung der Ausgleichsproblematik durch das Instrument der Umlegung ins Auge faßt, sollte daran gedacht werden, das auf fremden Flächen zu bewältigende Konfliktpotential möglichst gering zu halten. Wo ökologische Interessen auf einen umgreifenden Ausgleich auf einer einheitlichen Fläche dringen, ist wenigstens mit § 55 Abs. 2, wahrscheinlich auch schon mit § 45 Abs. 1 BauGB nicht weiterzukommen. Steiner spricht sich bei der Anwendung des § 55 Abs. 2 BauGB wiederholt für eine restriktive Linie ("im Zweifel gegen den Vorwegabzug") aus. Für die Fortentwicklung des Rechts kann nichts anderes gelten, denn auch sie hat dieselben verfassungsrechtlichen Rückbindungen zu beachten, die bei der Anwendung des geltenden Rechts zu berücksichtigen sind. IV. Der Vorwegabzug gem. § 55 Abs. 5 BauGB Zu prüfen ist, inwieweit Ausgleichs- und Ersatzflächen über § 55 Abs. 2 BauGB hinaus auch nach Abs. 5 dieser Vorschrift aus der Umlegungsmasse vorab ausgeschieden werden können. § 55 Abs. 5 BauGB gestattet einen solchen Abzug für sonstige Flächen, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist. Der Bedarfs- oder Erschließungsträger, dem die Fläche zugeteilt wird, muß allerdings geeignetes Ersatzland stellen. Als plangerechte Ausweisung kommt auch hier vor allem die Festlegung als öffentliche Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB in Betracht. Auch sonstige Ausweisungen von Flächen, deren Umfang über § 55 Abs. 2 BauGB hinausgeht, können die Grundlage sein134. Ob auch eine Flächenfestlegung nach Nr. 20 zugrundegelegt werden kann, ist nicht eindeutig. Eine Ausweisung im öffentlichen Interesse reicht allein jedenfalls nicht aus135. Auch die Steigerung der Ausnutzbarkeit einer engeren Gemeinschaft von Grundstücken ist noch keine Nutzung für öffentliche Zwecke. Hier muß genauer differenziert werden (vgl. unter 2). § 55 Abs. 5 BauGB wird jedenfalls gerade von Autoren, die einer umlegungsrechtlichen Bewältigung der von § 8a BNatSchG verlangten Rechtsfolgen sonst ablehnend gegenüberstehen, als geeigneter Ansatz angesehen136. 1. Verfassungsrechtliche Fragen
Der Vorwegababzug öffentlicher Nutzungsflächen gegen Ersatzlandgestellung ist jedoch ganz unabhängig von der Problematik des § 8a BNatSchG ein verfassungsrechtlich keinesfalls unumstrittenes Institut. Bereits die oben 134 135 136
*
Steinfort, VerwArch 1995, 107 (131). Stang, in: Schrödter, BauGB, § 55 Rn. 36. So Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 9.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
(1. Abschnitt A I und II) referierte ältere Rechtsprechung hatte sich wiederholt mit Flächenabzügen in der Umlegung und Flurbereinigung zu beschäftigen, von denen nicht gesagt werden konnte, daß sie für Anlagen erfolgten, die den Interessen der Teilnehmergemeinschaft bzw. der Eigentümer des Umlegungsgebietes entsprachen. Insgesamt läßt sich in der Judikatur eine zunehmende Differenzierung und Verfeinerung der Maßstäbe feststellen. Daß dabei die Systemgedanken der Privatnützigkeit, der Surrogation und der wertgleichen Abfindung oft in unklarer Weise miteinander vermischt wurden, belegt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.10. I960 137 . a) Grundlagen Auszugehen ist von der Erkenntnis, daß die sonstigen Flächen öffentlicher Nutzung i.S. des § 55 Abs. 5 BauGB nicht notwendig für die Eigentümer des Umlegungsgebietes privatnützig sind oder jedenfalls nicht notwendig überwiegend ihren Interessen dienen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß auch diese Flächen im engeren Sinne betroffenendienlich sind; denn die Auflistung des § 55 Abs. 2 BauGB schöpft nicht notwendig das aus, was unter diese Kategorie einer im konkreten Sinne privatnützigen Ausweisung sonst zu fassen ist. Das Gros der Fälle, für die ein Abzug nach § 55 Abs. 5 BauGB in Betracht gezogen wird, liegt jedoch außerhalb dieses Kreises. Der Unterzeichnete hatte deshalb bereits in seinem Gutachten zu Verfassungsfragen der erweiterten Umlegung 1981 darauf hingewiesen, daß der Flächenabzug nach § 55 Abs. 5 BauGB einer besonderen Legitimation bedürfe, um eine Umlegung nicht in eine Enteignung umschlagen zu lassen. Das entscheidende Kriterium war seinerzeit in der Pflicht des Ausscheidungsbegünstigten gesehen worden, geeignetes Ersatzland einzubringen138. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 19.1.1984139 diese Auffassung bestätigt, wenn er ausführt, daß ein Abzug für Verkehrsflächen, die überwiegend überörtlichen Bedürfnissen dienten, ein Sonderopfer zu Gunsten der Allgemeinheit darstelle und folglich durch Ersatzland ausgeglichen werden müsse. Nur eine überwiegend den Bedürfnissen des Umlegungsgebiets dienende Vorwegausscheidung, wie sie in § 55 Abs. 2 BauGB vorgesehen sei, berechtige zu einer Verkleinerung der Verteilungsmasse. Demgemäß wird in der Kommentarliteratur die Ersatzlandgestellung als "zwingende Voraussetzung" für die Durchführung der Umlegung in allen den Fällen angesehen, in
137 138 139
BVerwGE 12, 1 ff. - vgl. oben 1. Abschnitt A 12. Schmidt-Aßmann, Zur Verfassungsmäßigkeit der erweiterten Umlegung, 40. BGHZ 89, 353 ff.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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denen der Vorwegabzug nicht Flächen mit konkret privatnütziger Nutzung betrifft 140. In der Zwischenzeit haben sich die Anforderungen weiter verschärft: Ist nach der vorstehend referierten Auffassung auch der fremdnützig motivierte Flächenabzug keine Enteignung, soweit er wert- und flächenmäßig durch geeignetes Ersatzland ausgeglichen wird, so stellt sich heute die Frage, ob nicht auch unbeschadet dieses Ausgleichs ein solcher Abzug die Grenze einer inhaltsbestimmenden Maßnahme i.S. des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG überschreitet. Im Urteil vom 13.12.1990141 sagt der Bundesgerichtshof im Blick auf Flächenabzüge, die vorwiegend überörtlichen Verkehrsbedürfnissen dienen: "Verfolgt die Gemeinde dabei insgesamt eine fremdnützige Zielsetzung, so kann sie die für erforderlich gehaltenen bodenordnenden Maßnahmen auch dann nicht im Umlegungsverfahren treffen, wenn sie zum Ausgleich der Vorwegausscheidungen nach § 55 Abs. 5 BauGB/BBauG geeignetes Ersatzland zur Verfügung stellt; ihr verbleibt dann zur Durchsetzung der Bauleitplanung nur das Mittel der Enteignung." Auf die Konsequenzen dieser Auffassung im einzelnen brauchte der Bundesgerichtshof im weiteren Verlauf der Entscheidung nicht einzugehen, weil er die zu beurteilende Maßnahme letztlich als privatnützig einstufte. Die Ausgangsthese jedoch geht über die bisherige Auffassung hinaus. Noch schärfer hat das Bundesverfassungsgericht in der mehrfach zitierten Boxberg-Entscheidung herausgearbeitet, daß eine gleichwertige Landabfindung ohne Flächenabzug keine Bedeutung für die enteignungsrechtliche Qualifizierung der Unternehmensflurbereinigung habe. Die verfassungsrechtlichen Enteignungsvoraussetzungen könnten dadurch nicht ersetzt werden142. b) Konsequenzen Für die Handhabung des § 55 Abs. 5 BauGB sind daraus folgende Konsequenzen zu ziehen: - Eine Umlegung, die vorrangig dazu dienen soll, Flächenabzüge für fremdnützige Nutzungen zu ermöglichen, ist de lege lata unzulässig. Ein der Unternehmensflurbereinigung vergleichbares Verfahren gibt es im BauGB nicht. Unzulässig ist auch eine Anwendung des § 55 Abs. 5 BauGB, die dazu führt, daß das Gros der beteiligten Eigentümer gegen ihren Willen mit Grund140
So Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 53 f.; Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 55 Rn. 38; anders Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 14 ff., die die Privatnützigkeit über den Gedanken einer abstrakten Solidargemeinschaft der Lastenverteilung überdehnen. 141 BGHZ 113, 139 (145). 142 BVerfGE 74, 264 (283). Vgl. oben 1. Abschnitt Β I 3.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
stücken außerhalb des Umlegungsgebiets abgefunden werden müßte. Das gilt trotz entsprechender Flächenbereitstellung durch den begünstigten Erschliessungsträger. - Soweit im Rahmen einer im übrigen privatnützig begründeten Umlegung Abzüge nach § 55 Abs. 5 BauGB im Einzelfalle vorgenommen werden, wird die Umlegung von einzelnen enteignenden Elementen durchsetzt, ohne insgesamt unter Enteignungsvoraussetzungen zu gelangen. In diesen Fällen ist es aber notwendig, den Abzug selbst nicht nur unter Beachtung des Abs. 5, sondern auch des § 87 Abs. 1 und 2 BauGB vorzunehmen143. 2. Abzug von Ausgleichs- und Ersatzflächen
Der Abzug von Ausgleichs- und Ersatzflächen nach § 55 Abs. 5 BauGB wird im Schrifttum unter rechtlichen Aspekten regelmäßig als unproblematisch angesehen144. Im folgenden wird zwischen Ausgleichs- und Ersatzflächen, die durch eingreifende öffentliche Nutzungen, insbesondere durch überörtliche Verkehrsanlagen oder sonstige Infrastruktureinrichtungen notwendig geworden sind (a), und solchen Flächen, die die auf Bauflächen entstehenden Eingriffe ausgleichen sollen (b), unterschieden. a) Durch öffentliche
Nutzung bedingte AuE-Flächen
Diese Flächen erscheinen als der natürliche Anwendungsbereich des § 55 Abs. 5 BauGB. Die Kompensationsflächen stellen Annexe der zu öffentlichen Zwecken, vor allem solchen der Infrastruktur, erforderlichen Eingriffsflächen dar. Es gelten hier strukturell dieselben Überlegungen, wie sie für die örtlichen Verkehrsflächen entwickelt worden sind (vgl. oben III 1). Soweit die Ausgleichs- und Ersatzflächen ihrerseits im Bebauungsplan für eine Nutzung zu öffentlichen Zwecken festgesetzt sind, ist ihr Abzug direkt vom Text des § 55 Abs. 5 BauGB gedeckt. Die planerische Ausweisung muß allerdings nicht notwendig dieselbe öffentliche Nutzung vorsehen, die für die Eingriffsfläche festgelegt ist. Da es bei allen Ausgleichs- oder Ersatzflächen auf ihre Funktion und die dazu vorgesehenen Maßnahmen ankommt, dürfte eine "Nutzung für öffentliche Zwecke" nach dem Annexgedanken auch dann anzu143
Ebenso Stang, in: Schrödter, BauGB, § 55 Rn. 34 f. Vgl. Steinfort, VerwArch 1995, 107 (131); Letzner, GuG 1995 , 206 (209); Hecker, VR 1994, 73 (80) für Flächen, die vorher nicht als Bauflächen dargestellt waren; auch Reinhardt, VR 1994, 88 (102). Die früher von Dieterich/Lemmen, GuG 1991, 301 (304) erhobenen praktischen Bedenken, die Gemeinde sei nicht gut beraten, Ersatzland bereitzustellen, damit Privateigentümer Baurechte erhalten könnten, haben sich durch die Erstattungsregelung des § 8a Abs. 5 BNatSchG überholt. 144
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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nehmen sein, wenn diese Flächen ihrerseits z.B. als Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB nicht öffentlich nutzbar sind. Für die so bezeichneten Flächen sind die besonderen enteignungsrechtlichen Rücksichten, die oben (unter 1) entwickelt worden sind, selbständig zu beachten. b) Bauflächenbedingte
AuE-Flächen
Für eine Vorwegausscheidung derjenigen Ausgleichs- oder Ersatzflächen nach § 55 Abs. 5 BauGB, die für die auf Bauflächen zu erwartenden Eingriffe festgesetzt sind, besteht unserer Auffassung nach nur ein geringer praktischer Bedarf. Wenn die Umlegung als solche bei der Bewältigung der durch § 8a BNatSchG aufgeworfenen Folgeprobleme ohnehin nur für kleinere Maßnahmen im "vorgegebenen Interessenverbund" einsetzbar ist, dann sind die in diesem Rahmen erforderlichen Abzüge regelmäßig über § 55 Abs. 2 BauGB vorzunehmen. Dieses entspricht auch der natürlichen Interessenbewertung; denn für die Solidargemeinschaft der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke und der im Verbund liegenden Ausgleichsflächen ist die Aufbringung dieser Flächen eine privatnützige Maßnahme, für die nicht Dritte und insbesondere nicht die Gemeinde mit dem Einwurf von Ersatzflächen einzustehen haben. In einem solchen Konzept ist ein Vorgehen nach § 55 Abs. 5 BauGB auf die Behandlung von Grenzfallen beschränkt. Einen größeren Anwendungsbereich erlangt diese Vorschrift, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht auch großdimensionierte, fernerliegende Ausgleichs- oder Ersatzflächen in die Umlegung einbeziehen will. Auch in diesen Fällen bleibt die Anwendung des § 55 Abs. 5 BauGB allerdings atypisch oder strukturell asymetrisch: aa) Flächen für öffentliche Nutzungszwecke Während nämlich im normalen Anwendungsfall die "Nutzung für öffentliche Zwecke" gerade eine solche ist, die jedenfalls nicht überwiegend den Interessen der Bewohner des Umlegungsgebietes dient, sind die Ausgleichsund Ersatzflächen, die zum Ausgleich von Eingriffen auf Bauflächen festgesetzt sind, für das Gros der Eigentümer des Umlegungsgebiets nach wie vor privatnützig, weil erst sie die Bebaubarkeit der Grundstücke sicherstellen. Fraglich ist, ob eine solche Interessenkonstellation von § 55 Abs. 5 BauGB tatbestandlich überhaupt erfaßt wird. Das hängt davon ab, ob man in einem solchen Falle davon sprechen kann, daß die solchermaßen begründeten Ausgleichs· und Ersatzflächen Flächen sind, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist.
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2. Abschn.: Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen
- Man könnte dieses Tatbestandsmerkmal formell nach der äußeren Form der planerischen Festsetzung bestimmen. Dann wäre jedenfalls eine Festsetzung als öffentliche Grünfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB eine Fläche, für die eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist. - Man könnte das Tatbestandsmerkmal aber auch unter Berücksichtigung der materiellen Interessen, die hinter der planerischen Festsetzung stehen, definieren. Dann erlangen sehr viel stärker die Interessen der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke Gewicht, so daß es fraglich erscheint, ob man hier noch von einer Nutzung für öffentliche Zwecke sprechen kann. Betrachtet man die in der Kommentarliteratur zur Auslegung des § 55 Abs. 5 BauGB bisher genannten Planausweisungen, so wird deutlich, daß formeller und materieller Nutzungsbegriff in ihnen regelmäßig zusammenfallen. Üblicherweise geht es um planerische Festsetzungen größerer Infrastruktureinrichtungen. Es werden jedoch daneben auch Flächen für besondere Anlagen oder Vorkehrungen zum Schutze vor schädlichen Umwelteinwirkungen mit über das Umlegungsgebiet hinausreichender Bedeutung genannt145. Eine solche Festsetzung ist weniger vom öffentlichen Nutzungszweck i.S. einer Infrastruktureinrichtung, sondern - unbeschadet ihrer übergebietlichen Wirkung - vor allem durch die Interessen der emitierenden und der immissionsbetroffenen Grundstücke veranlaßt. Auf der anderen Seite werden etwa Dauerkleingärten mit Hinweis auf ihre Privatnützigkeit nicht zu den Flächen des § 55 Abs. 5 BauGB gerechnet146. Auch Flächen mit besonderem Nutzungszweck, der durch besondere städtebauliche Gründe erfordert wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 9), sollen nicht nach § 55 Abs. 5 BauGB vorweg ausgeschieden werden können147. Hier bleibt also ein Auslegungsrisiko, das bei einer Novellierung des BauGB beseitigt werden könnte. bb) Enteignungsrechtliche Implikationen Eine gesetzliche Klarstellung räumt freilich nicht die oben (unter 1) genannten enteignungsrechtlichen Implikationen aus. Diese Implikationen, die durch die Fremdnützigkeit der Umlegung für die Eigentümer entfernter liegender Kompensationsflächen entstehen und durch den Einwurf von Ersatzflächen nicht aufgehoben werden, veranlassen zu folgenden Aussagen: Primär sollte mit diesen Eigentümern eine vertragliche Lösung gesucht werden. Sofern es nur darum geht, im Rahmen einer großen Umlegungsmaßnahme ein145 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 50; Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 55 Rn. 33. 146 So Stang, in: Schrödter, BauGB, § 55 Rn. 36. 147 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 55 Rn. 50.
C. Zuteilung von Ausgleichs- und Ersatzflächen
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zelne Flächen als Ausgleich- oder Ersatzflächen gemäß § 55 BauGB vorab auszuscheiden, sind die Standards des § 87 BauGB zu beachten. Eine Umlegung, deren dominierender Zweck die Aufbringung von Ausgleichs- oder Ersatzflächen ist, stellt sich enteignungsrechtlich als Unternehmensflurbereinigung dar und ist mit dem Mittel des § 55 Abs. 5 BauGB nicht zu bewälti-
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Hingewiesen sei aber auf die Möglichkeiten des § 190 BauGB. Ob dann, wenn dieses Verfahren in größerem Umfang zur Aufbringung von Ausgleichs- und Ersatzflächen genutzt werden sollte, die gesetzlichen Grundlagen der Enteignung in §§ 85 ff. BauGB ergänzt werden müssen, sollte gesondert geprüft werden. Vgl. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 85 Rn. 103.
Dritter Abschnitt
Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags Gemäß § 58 BauGB ist bei der Flächenumlegung von den eingeworfenen Grundstücken unter Anrechnung des Flächenabzugs nach § 55 Abs. 2 BauGB ein Flächenbeitrag in einem solchen Umfang abzuziehen, daß die Vorteile ausgeglichen werden, die durch die Umlegung erwachsen. Dieser Beitrag darf in Gebieten, die erstmalig erschlossen werden, nur bis zu 30 %, in anderen Gebieten nur bis zu 10 % der eingeworfenen Flächen betragen. In jüngerer Zeit wird vermehrt die Erhöhung des Flächenbeitrags gefordert. Dabei spielt insbesondere eine Anhebung der genannten Obergrenze eine Rolle. Besondere Aktualität haben solche Forderungen im Zusammenhang mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gewonnen1. Wenn nämlich schon die aufgrund der Verkehrsanlagen erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzflächen zu einer erheblichen Erhöhung der Vorwegausscheidung nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 BauGB führen und wenn sich außerdem die für bauflächenbedingte Eingriffe zu leistenden Vorwegabzüge nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB vergrößern, dann wird der zwischen § 55 Abs. 2 BauGB und der Obergrenze verbleibende "freie" Flächenbeitragsbereich immer schmaler oder droht ganz zu entfallen. Dem wird insbesondere von kommunaler Seite der Wunsch nach einer Erhöhung der Obergrenze entgegengesetzt2. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß weitere Flächenbeiträge schnell zur "Verfassungsfrage der Umlegung" führen können. Gerade angesichts der "neuen Sensibilität", die in Literatur und Rechtsprechung gegenüber der bisherigen eigentumsverfassungsrechtlichen Qualifizierung der Umlegung zu spüren ist, wird der Gesetzgeber gegenüber allen Änderungswünschen Vorsicht walten lassen müssen. Um seinen Bewegungsspielraum in dieser Frage zu ermitteln, sind folgende Untersuchungsschritte geboten: - die historische Entwicklung des Rechts der Flächenabzüge (A), - die derzeitige Regelung des § 58 Abs. 1 BauGB und die Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenabzüge (B), - Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung (C). ! Vgl. dazu z.B. Müller-Bremberger, BWGZ 1992, 506 ff.; Stahr, VR 1995, 129 ff. 2 Vgl. die Forderung des Gemeindetages Baden-Württemberg, BWGZ 1992, 509 f.
Α. Historische Entwicklung
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Α. Die historische Entwicklung des Rechts der Flächenbeiträge Flächenbeiträge gelten als ein traditionelles Element der Umlegung. Eine Analyse von gesetzlichen Regelungen, die als Vorläufer des geltenden Rechts angesehen werden können, zeigt allerdings, daß es - unbeschadet eines gemeinsamen Grundansatzes - recht unterschiedliche Formen gibt. Schon die Begriffe müssen hier genau differenziert werden (I). Unterschiedlich sind ferner die Erscheinungsformen, in denen das Institut historisch Ausdruck gefunden hat (II). Auch die Entstehungsgeschichte des § 58 BauGB spiegelt diese Variationsfahigkeit wieder (III). I. Vorab: zu den Begriffen Die Flächenumlegung stellt ein Verfahren mit einem besonderen Verteilungsmaßstab für die Verteilungsmasse bereit. Sie beruht auf dem Grundgedanken, die aus der Umlegung hervorgehende Grundfläche nach dem Verhältnis der Flächenanteile an der Einwurfsmasse zu verteilen. Dieser Maßstab soll wegen seiner größeren Anschaulichkeit und leichteren Nachvollziehbarkeit bei den Eigentümern auf größere Akzeptanz stoßen3. In seinem Grundansatz, der Verteilung der Fläche entsprechend den ursprünglichen Flächenanteilen, kommt dieser Maßstab ohne eine Berechnung der Grundstückswerte aus4. Ein Vergleich zwischen den Werten des eingeworfenen und des zugeteilten Grundstücks ist dabei also nicht vorgesehen. Das setzt eine insgesamt homogene Struktur des Umlegungsgebietes voraus. Werden in der Flächenumlegung - wie es traditionell vorgesehen ist bestimmte Flächenreduktionen vorgenommen, so müssen dafür bestimmte äußere Grenzen formuliert werden. Anderenfalls könnte es, da ein Weltmaßstab nicht verfügbar ist, zu Wertverlusten für die Eigentümer kommen. Eine häufig genutzte Form einer solchen Grenze ist die Obergrenze mit festen Prozentsätzen. Es lassen sich zwei Haupttypen von Flächenreduktionen unterscheiden. In der Umlegung nach den §§45 ff. BauGB stellen sie sich folgendermaßen dar: - Gem. § 55 Abs. 2 BauGB werden aus der Umlegungsmasse vorweg die im Bebauungsplan festgesetzten örtlichen Verkehrsflächen und die Flächen für Parkplätze, Grünanlagen und ähnliche überwiegend gebietsnützige Flächen ausgeschieden (Flächenabzug). 3
Dieterich, ZfBR 1982, 195 (196); ders., Baulandumlegung, Rn. 238. Ernst/Friede, Kommentar zum Aufbaugesetz NRW, § 24 Anm. 6 a; BT-Drs. ΠΙ/336, S. 78,1. Sp. u. 4
124
3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
- Ist nach dem Flächenabzug noch ein Umlegungsvorteil vorhanden, so ist dieser Vorteil durch eine zusätzliche Reduktion der zu verteilenden Flächen abzugleichen, den hier so bezeichneten "Ausgleichsbeitrag", so daß sich insgesamt als Summe aus Flächenabzug und Ausgleichsbeitrag ein abzuziehender Flächenbeitrag ergibt. Dieser Flächenbeitrag als Gesamtabzug darf allerdings die Grenze von 30 % (in erstmalig erschlossenen Gebieten) bzw. 10 % der insgesamt eingeworfenen Fläche nicht überschreiten. Ein zusätzlicher Ausgleich findet daher nur statt, wenn nicht bereits der Flächenabzug 30 % (bzw. 10 %) oder mehr der Fläche in Anspruch genommen hat. Der über die 30 % bzw. 10 %-Grenze hinausgehende Umlegungsvorteil bleibt dagegen auf jeden Fall den Eigentümern, soweit er nicht von einem höheren Flächenabzug aufgezehrt ist. II. Vorläuferregelungen im älteren Recht Die beiden Elemente, Flächenabzug und Ausgleichsbeitrag, haben ihre historischen Vorläufer. Sie sind in verschiedener Ausgestaltung Bestandteil der früheren Umlegungsgesetze5. Den Flächenabzug als zentrales Element enthalten sämtliche früheren Regelungen über die Umlegung. Dabei wird - anders als in § 55 Abs. 2 BauGB - nicht zwischen gebietsnützigen und sonstigen Flächen getrennt. Einen Vorteilsausgleich mittels eines Ausgleichsbeitrages kennen dagegen nicht alle Regelungen. Sein Einsatz erfordert auch regelmäßig eine Bewertung der eingeworfenen und zugeteilten Grundstücke. 1. Lex Adickes
Das preußische Gesetz v. 28. Juli 19026 - "Lex Adickes" - regelte zunächst die Umlegung nur für die Stadt Frankfurt. Später wurde es auf das Gebiet von Köln7 erstreckt. Aufgrund Art. 1 Nr. 10 des preußischen Wohnungsgesetzes8 wurde ein neuer § 14a in das preußische Baufluchtliniengesetz eingefügt, aufgrund dessen die Regeln der Lex Adickes später in ganz Preußen für den Bezirk einer Gemeinde durch Ortsstatut eingeführt werden konnten9. Das Gesetz gestattete es, das zu öffentlichen Straßen und Plätzen erforderliche 5
Eine systematische Zusammenstellung der Regelungen findet sich bei Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Vorb. §§ 45-84 Rn. 13a. 6 GS 273; i.d.F. des ÄnderungsG v. 8. Juli 1907 (GS 259). 7 G. v. 28.7.1911, GS 160; i.d.F. v. 28.3.1919, GS 57. 8 V. 28.3.1918 (GS 23). 9 Auch das Allgemeine Baugesetz für Sachsen v. 1.7.1900 (GVB1. S. 391) sah in den §§ 54 ff. bereits die Umlegung, allerdings nach dem Wertmaßstab vor. Eine abstrakte Höchstgrenze für den Flächenabzug enthält dieses Gesetz nicht.
Α. Historische Entwicklung
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Gelände vorweg auszuscheiden. Damit war die Gemeinde für die von ihr eingeworfenen Wegeflächen abgefunden. Eine Unterscheidung zwischen den für das Gebiet selbst erforderlichen und sonstigen Wegen kannte das Gesetz nicht. § 13 des Gesetzes legte aber mit 35 % bzw. 40 % die Grenze fest, bis zu der der Flächenabzug entschädigungslos erfolgen konnte. Eine solche Begrenzung war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten gewesen. Dieser ging davon aus, daß ohnehin "die den Eigent(h)ümern zuzuweisenden Grundstücke in der Regel einen erheblich höheren Wert(h) haben, als die eingeworfenen" 10. Erst in den Gesetzesberatungen im Abgeordnetenhaus wurde eine abstrakte Begrenzung des entschädigungslosen Flächenabzug auf zunächst 30 % in einen neuen § 13 aufgenommen, um den in der Umlegung liegenden Eingriff zu mildern. Insbesondere bestanden Befürchtungen, die Stadt würde ohne eine solche Begrenzung zu großzügig Grundfläche für Straßen und Plätze in Anspruch nehmen11. Mit diesem niedrigen Satz war die zwangsweise Umlegung in Frankfurt jedoch für die Stadt ein Zuschußgeschäft und daher nicht praktikabel. Das Gesetz wurde erst angewandt, als durch eine Novelle von 1907 die Begrenzung für den entschädigungslosen Flächenabzug auf 35 bzw. 40 % erhöht worden war, ein Satz, der dem nach den Bebauungsplänen der Stadt Frankfurt im Durchschnitt für Straßen und Plätze erforderlichen Flächenanteil entsprach12. Ein besonderer Vorteilsausgleich war in der Lex Adickes nicht vorgesehen. Dies machte eine genaue Wertermittlung überflüssig und ermöglichte so im Regelfalle eine Flächenumlegung, die die Verteilung ausschließlich auf die Anteile an den eingeworfenen Flächen stützte. Nach Ansicht der Gesetzesbegründung sollte eine Verteilung nach Werten nach Möglichkeit vermieden werden, da ihr "schwerwiegende praktische Bedenken" entgegenstünden13. Allerdings sah § 16 der Lex Adickes eine Wertermittlung vor: Danach beurteilte sich die Frage, ob den Eigentümern eine Entschädigung zu gewähren war, aufgrund eines Vergleiches zwischen eingeworfenem und erhaltenem Grundstück. Diese Bestimmung war jedoch lediglich aus Vorsicht gefaßt 10 Regierungsentwurf eines Gesetzes betreffend die Umlegung von Grundstücken in Frankfurt a/Main, Preußisches Herrenhaus, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, 1902, Nr. 9, S. 39 r. Sp. 11 Preußisches Abgeordnetenhaus, Sten. Ber., 24. Sitzung ν. 10.02.1902, Sp. Ì515 (1520, vgl. auch Sp. 1549, 1552 f.); 86. Sitzung v. 10.6.1902, Sp. 6062 (6102-6117). Dazu auch Preußisches Herrenhaus, Sten. Ber., 1902, 16. Sitzung v. 16.6.1902, S. 386 u. 388. 12 Dazu Preußisches Abgeordnetenhaus, Sten. Ber., 1902, Sp. 6062 (6064, 6077, 6111 f.); Preuß. Herrenhaus, Sten. Ber., 1907, 14. Sitzung ν. 4.6.1907, S. 309 f.; C. Rohleder, Lex Adickes, 4 f. 13 Preußisches Herrenhaus, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, 1902, Nr. 9, S. 39.
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
worden; da in der Regel eine Wertsteigerung des Grundstücks zu erwarten war, war mit einer Anwendung des § 16 L.A. praktisch nicht zu rechnen14. Die Gemeinde konnte aber - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - die Aufwendungen für die Umlegung gem. § 29 Abs. 2 von den Eigentümern im Umlegungsgebiet erheben. 2. Badisches Ortsstraßengesetz
§ 14 Abs. 1 des Badischen Ortsstraßengesetzes15 sah in der Umlegung eine Zuweisung der für Straßen und Plätze notwendigen Flächen an die Gemeinde vor. Dies sollte gem. § 14 Abs. 6 bis zu einem Drittel der von den Eigentümern eingeworfenen Fläche unentgeltlich geschehen. Die prozentuale Beschränkung sollte vor "einem gewissen Luxus in freien Plätzen und allzubreiten Straßen" schützen16. 3. Referentenentwurf für ein Reichsstädtebaugesetz
§ 32 des Referentenentwurfes für ein Reichsstädtebaugesetz17 führte einen zweiten Systemgedanken ein: Er gab dem Landesgesetzgeber eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Wertausgleich durch Flächenabtretung und einem durch eine Obergrenze limitierten Flächenabzug. Es hieß dort: "Landesrechtlich kann bestimmt werden, daß als Ausgleich für eine Wertsteigerung der Grundstücke, die sich aus der Umlegung ergibt, ein entsprechender Teil der Gesamtfläche der Gemeinde zuzuweisen ist. Ebenso kann bestimmt werden, daß statt des Ausgleichs nach Abs. 1 der Gemeinde das über den Flächeninhalt der von ihr eingeworfenen Verkehrs- und Freiflächen hinaus für Verkehrs- und Freiflächen erforderliche Gelände bis zu 35 v.H. der Fläche der von den Eigentümern eingeworfenen Grundstücke ohne Entschädigung zuzuteilen ist." 4. Reichsumlegungsordnung
Die Reichsumlegungsordnung18 - RUO - betraf ursprünglich nur die Umlegung ländlicher Grundstücke. Ihr Anwendungsbereich wurde jedoch 1940 14 Preußisches Herrenhaus, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, 1902, Nr. 9, S. 40; Rohleder, Kommentar, 25. 15 V. 15.10.1908 (GVB1. S. 605). 16 Flad, Das badische Ortsstraßengesetz, S. 96 u. 242. 17 Reichsarbeitsbl. 11931, S. 266. 18 V. 16.6.1937 (RGBl. 1629).
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auch auf andere Grundstücke erweitert. Flächenreduktionen gab es hier in zwei Varianten: - als Flächenabzug in § 51 Abs. 1 RUO: "Den zu den gemeinschaftlichen Anlagen erforderlichen Grund und Boden haben alle Teilnehmer nach Verhältnis des Werts ihrer alten Grundstücke entschädigungslos aufzubringen, soweit er nicht durch vor der Umlegung vorhandene Anlagen gleicher Art oder durch einen bei der Neumessung des Umlegungsgebiets sich ergebenden Überschuß an Fläche gedeckt oder von einzelnen Teilnehmern hergegeben wird; in gleicher Weise ist ein bei der Neumessung sich ergebender Mangel an Fläche aufzubringen. " Hier fand sich keine Obergrenze in einem Prozentsatz, weil eine Verteilung nach Werten vorgesehen und der Kreis der abzugsberechtigten Zwecke klar auf die "gemeinschaftlichen Anlagen" begrenzt war. - als spezieller Vorteilsausgleich in § 50 RUO: "Sind größere Teile des Umlegungsgebiets durch besondere Maßnahmen mit erheblichen öffentlichen Mitteln im Umlegungsverfahren verbessert und ist der Wert dieser Grundstücke wesentlich erhöht worden, so kann bei Bemessung der Abfindung der Teilnehmer der erhöhte Wert zugrunde gelegt werden." Diese Vorschrift bezog sich allerdings auf eine über die bloße Grundstücksumlegung hinausgehende Amélioration des Landes, wie sie zu den Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft in der Umlegung nach § 19 RUO gehörte19. Gem. § 50 Abs. 2 RUO bestand eine Verwendungsbindung für die so gewonnenen Flächen nicht. 5. Württemberg-Badisches Baulandgesetz
Im Württemberg-Badischen Baulandgesetz20 - BLG - war der Flächenabzug, der gem. § 7 erfolgte, gem. § 19 Abs. 1 BLG entschädigungslos möglich bis zu einer von der Gemeinde festzusetzenden Grenze, die 30 % nicht überschreiten durfte. Die Festsetzung dieser Entschädigungsgrenze war an die Feststellung eines Umlegungsvorteils nicht gebunden: Damit war eine Flächenumlegung ohne Wertberechnung möglich. Wurde der Wert allerdings berechnet, sollte ein individueller Vorteilsausgleich in Fläche nach § 13 Abs. 2 BLG vorgenommen werden. Die Kosten der Umlegung konnten nach § 34 Abs. 3 BLG auf die Eigentümer umgelegt werden.
19 20
Hillebrandt/Engels/Geith, Reichsumlegungsordnung, 1938, § 50 Anm. 1. V. 24.9.1948 (RegBl. 157) i.d.F v. 16.5.1949 (RegBl. 87).
1 2 8 3 . Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags 6. Nordrhein-Westfälisches Aufbaugesetz
Das Aufbaugesetz NRW 21 kannte beide Elemente einer Flächenreduktion, den Flächenabzug und den zusätzlichen Ausgleichsbeitrag. § 16 bestimmte: "Soweit im Durchführungsplan unbebaute Grundstücke oder Grundstücksteile oder unbebaute Teile bebauter Grundstücke für den Gemeinbedarf als öffentliche Straßen, Plätze und Erholungsflächen ausgewiesen sind, kann die Gemeinde anordnen, daß der Grundstückseigentümer a) in überwiegend bebauten oder bebaut gewesenen Ortsteilen bis zu 10 %, b) in überwiegend unbebauten Ortsteilen bis zu 35 % der gesamten Flächen seines Grundstückes unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde abtritt."
Zur Begründung verwies der Regierungsentwurf darauf, daß eine Verpflichtung zur Abtretung von Flächen für den öffentlichen Bedarf schon seit vielen Jahren in einzelnen Landesrechten und zudem in § 7 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten enthalten gewesen sei22. Die prozentuale Grenze erfüllte in Verbindung mit § 24 c) S. 2 AufbauG die Funktion, abstrakt festzulegen, was der Eigentümer an Flächenabzug maximal entschädigungslos hinnehmen mußte23. Das war schon deshalb notwendig, weil der Grundstücksbedarf nicht auf die gebietsnützigen Flächen beschränkt war. Da eine Flächenreduktion im Obergrenzenrahmen selbst dann zulässig war, wenn der Grundstückseigentümer durch den Flächenabzug im Ergebnis eine Wertminderung erfuhr, wurden gegen § 16 i.V.m. § 24 AufbauG verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht24. Daneben kannte das AufbauG NRW in § 24 c) S. 1 einen Ausgleich von Umlegungsvorteilen durch kleinere Bemessung des neuen Grundstücks oder in Geld: "Verbleibt trotz Zuweisung nach b) ein erheblicher Wertunterschied zwischen dem früheren und dem neuen Grundstück, so ist dieser durch kleinere oder größere Bemessung des neuen Grundstücks oder in Geld auszugleichen. Dieser Ausgleich findet nicht statt, soweit die Wertminderung darauf zurückzuführen ist, daß mehr öffentliche Straßen, Plätze und Erholungsflächen zugewiesen sind als eingeworfen waren und die dadurch für die zugewiesenen Grundstücke bedingte Geländeabtretung nicht mehr als die durchschnittliche Abtretung von den Grundstücken des Umlegungsgebietes beträgt und die in § 16 Abs. 1 a und b genannten Hundertsätze nicht übersteigt. "
Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu aus, eine solche "Mehrwertabgabe" sei keine Enteignung; sie folge vielmehr aus dem Gedanken des 21 22 23 24
V. 29.4.1950 (GVB1. 78) i.d.F. v. 29.4.1952 (GVB1. 75). Reg.-Begr., LT-Drs. NRW, 1. Wahlp, Nr. Π-1129, S. 752. Dazu vgl. Ernst/Friede, Kommentar zum Aufbaugesetz NRW, § 24 Anm. 7. E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 47 f.
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Vorteilsausgleichs, der ein allgemeiner Grundsatz der Umlegung sei und in zwei Formen, als Landabzug oder als Geldausgleich, zu leisten sei25. Sollte ein solcher Ausgleich durchgeführt werden, bedurfte es - anders als in der Regel bei der Flächenumlegung - einer konkreten Berechnung der Grundstückswerte26. Da es die Möglichkeit eines solchen Ausgleichs gab, bestand keine Notwendigkeit, die Eigentümer die Kosten der Umlegung tragen zu lassen. Die Kosten fielen daher gem. § 33 AufbauG der Gemeinde zur Last27. 7. Rheinland-Pfälzisches Aufbaugesetz
Das Rheinland-Pfälzische AufbauG v. 1.8.1949 (GVB1. 317) bestimmte in § 24 Abs. 1 S. 1 und 2: "Die Untere Baubehörde kann im Einvernehmen mit der Gemeinde anordnen, daß in neu zu erschließendem Baugelände für den Verkehrs- und Erholungsanlagen dienenden Gemeinbedarf bis zu 35 v.H., in bereits erschlossenen Gebieten bis zu 10 v. H. der Gesamtfläche eines Grundstücks als Gegenleistung für die Aufschließung unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde abzutreten sind. Die Gegenleistung für die Aufschließung muß mindestens dem Wert der abgetretenen Fläche entsprechen."
Mit dieser Formulierung des Satzes 2 war erkennbar gemeint, daß der Wert der abgetretenen Fläche den Umlegungsvorteil nicht übersteigen dürfte. Ein individueller Vorteilsausgleich fand daneben über die Zahlungspflicht des § 34 Abs. 3 S. 1 bzw. über Beiträge gem. § 35 S. 1 AufbauG statt. Die Kosten der Umlegung trug gem. § 47 AufbauG die Gemeinde. ΙΠ. Die Entstehungsgeschichte des § 58 BauGB 1. Regierungsentwurf zum BBauG
Der Regierungsentwurf zum BBauG (BBauG-E) wollte den Vorwegabzug für örtliche Verkehrs- und Erholungsflächen in § 52 Abs. 2 (dem späteren § 55) folgendermaßen regeln: "Aus der Umlegungsmasse sind vorweg die Flächen, die nach dem Bebauungsplan als örtliche Verkehrsflächen und Grünflächen festgesetzt sind, auszuscheiden und der Gemeinde oder dem sonstigen Erschließungsträger in dem Umlegungsplan zuzuteilen."
25
BVerwGE 10, 3 (5 f.). Ernst/Friede, AufbauG NRW, § 24 Anm. 6 a. 27 Dazu Reg.-Begr., LT-Drs. NRW, 1. Wahlp., Nr. 11-1129, S. 753; Ernst/Friede, AufbauG NRW zu § 33. 26
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
In § 53 Abs. 4 BBauG-E fand sich die auch den Vorläuferregelungen bekannte Pauschalierung des entschädigungslosen Flächenabzugs wieder: "Wird die Verteilungsmasse nach dem Verhältnis der Flächen aufgeteilt, so ist auszugehen von der Fläche der Verteilungsmasse. Die Umlegungsstelle kann von den eingeworfenen Grundstücken einen Flächenbeitrag zu den örtlichen Verkehrsflächen und Grünflächen abziehen, der den Vorteil ausgleicht, der den eingeworfenen Grundstücken durch die Umlegung erwächst; der Flächenbeitrag darf in Gebieten, die erstmalig erschlossen werden, nur bis zu 30 vom Hundert, in anderen Gebieten nur bis zu 10 vom Hundert der eingeworfenen Fläche betragen. Die Umlegungsstelle kann statt dessen einen entsprechenden Geldbeitrag erheben. Kann das neue Grundstück nicht in gleicher oder gleichwertiger Lage zugeteilt werden, so sind dadurch begründete Wertunterschiede in Fläche oder Geld abzugleichen."
Der in § 53 Abs. 4 S. 2 BBauG-E als "Flächenbeitrag" bezeichnete Flächenanteil entsprach dem aus den Vorläufervorschriften bekannten Teil des Flächenabzugs, der entschädigungslos erhoben werden durfte. Die Obergrenze für diesen Flächenbeitrag stand in ihrer Funktion im Einklang mit der historischen Entwicklung und stellte ebenfalls eine abstrakte Begrenzung des entschädigungslosen Flächenabzugs dar. Wenn in §53 Abs. 4 S. 2 1. HS BBauG-E von dem Flächenbeitrag die Rede war, "der den Vorteil ausgleicht", so stellt dieser Gedanke hier nur die Rechtfertigung für den entschädigungslosen Flächenabzug dar 28. Einem reinen Flächenmaßstab ohne Bewertung entsprach auch eine abstrakte Grenze, bis zu der der Abzug entschädigungslos durchgeführt werden konnte. Nur mit dieser Interpretation als abstrakte Grenze war es sinnvoll, die Hundertsätze in der Entwurfsbegründung als "nach Erfahrungen bestimmt"29 zu bezeichnen. Allerdings war die Entwurfsfassung zumindest unsystematisch formuliert: Sie behandelte die Aufteilung der Verteilungsmasse, also des Flächenanteils, der nach dem Vorwegabzug der örtlichen Verkehrsflächen noch vorhanden war. Nach Satz 2 des Entwurfes sah es aber so aus, als würde eine zusätzliche Reduktion an Fläche erfolgen. Dabei ging es hier nur darum, inwieweit der Flächenabzug entschädigungslos hinzunehmen war. Insbesondere Satz 3 des Entwurfes fügte sich in dieses Schema nicht ein: Ging es um die Grenze des entschädigungslosen Abzugs von Verkehrsflächen, so war für einen alternativen Geldbeitrag eigentlich kein Raum: Der Abzug der Verkehrsflächen ließ sich nicht durch einen Geldbeitrag ersetzen. Dies alles deutet darauf hin, daß der Regierungs-Entwurf eine weitergehende Abschöpfung des Umlegungs-
28 Vgl. demgegenüber die finale Formulierung des § 58 Abs. 1 S. 1 BauGB: "daß die Vorteile ausgeglichen werden". 29 BT-Drs. ΠΙ/336, S. 78, r. Sp. oben.
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Vorteils anstrebte, was jedoch im System einer Flächenumlegung ohne Bewertung der Grundstücke nicht möglich war 30. 2. Die endgültige Fassung des § 58 BBauG
Die endgültige, dem heutigen § 58 Abs. 1 BauGB im wesentlichen entsprechende Fassung erhielt der den Flächenbeitrag regelnde § 58 BBauG erst in den Ausschußberatungen: "(1) Geht die Umlegungsstelle von dem Verhältnis der Flächen aus, so hat sie auf Verlangen der Gemeinde von den eingeworfenen Grundstücken einen Flächenbeitrag in einem solchen Umfang abzuziehen, daß die Vorteile ausgeglichen werden, die durch die Umlegung erwachsen. Der Flächenbeitrag darf in Gebieten, die erstmalig erschlossen werden, nur bis zu 30 vom Hundert, in anderen Gebieten nur bis zu 10 vom Hundert der eingeworfenen Fläche betragen. Die Umlegungsstelle kann statt eines Flächenbeitrages ganz oder teilweise einen entsprechenden Geldbeitrag erheben. (2) Soweit ein Flächenabzug für Flächen im Sinne des § 55 Abs. 2 den nach Absatz 1 zulässigen Umfang übersteigt,findet ein Ausgleich in Geld statt. "
Mit dieser Fassung wurde der Systemwechsel perfekt. Die Abschöpfung der Umlegungsvorteile wurde durch einen über den Vorwegabzug hinausgehenden Ausgleichsbeitrag ermöglicht. Dafür wurde eine konkrete Bewertung des Wertzuwachses nötig, wie sie Abs. 1 S. 1 der Vorschrift durch seine finale Formulierung forderte, der Flächenbeitrag sei "in einem solchen Umfang" abzuziehen, "daß die Vorteile ausgeglichen werden...". Damit kam auch die Flächenumlegung entgegen der Absicht des Regierungs-Entwurfs ohne eine Bewertung der Flächen nicht mehr aus. Es handelte sich "eigentlich um eine Wertumlegung besonderer Art" 31. Vor diesem Hintergrund verloren die Prozentsätze der Obergrenze ihre alte Bedeutung als generelle Bestimmung des entschädigungslosen Flächenabzugs und gewannen eine neue Funktion als Grenze des Vorteilsausgleiches32. Der Ausschußbericht33 gibt zu diesem Systemwechsel keine Auskunft. Nach seiner Begründung stand bei den Ausschußberatungen nur die Situation vor Augen, 30 Vgl. auch BT-Drs. m/336, S. 78 r. Sp. oben: "Da auch die Umlegung nach dem Verhältnis der Flächen infolge der durch sie bewirkten Verbesserung des Zuschnittes in der Regel zu einer Erhöhung des Wertes führt, muß diese auch hier der Allgemeinheit zugute kommen. " 31 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 58 Rn. 1; Stich, in: Berliner Kommentar, § 58 Rn. 3. 32 Schriever, a.a.O.; krit. daher Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/B ielenberg, BauGB, Vorb. §§ 45-84 Rn. 15: für eine nochmalige Limitierung des Flächenabzugs sei eigentlich kein Raum. 33 BT-Drs. ΙΠ/1794, S. 16.
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
daß ein Flächenabzug erforderlich wird, der über den Umlegungsvorteil hinausgeht. Hierfür wurde ein Geldausgleich vorgesehen. Dieser in den Ausschußberatungen angefügte Absatz 2 war aber nur dann sinnvoll, wenn die Obergrenze als abstrakte Grenze des entschädigungslosen Flächenabzugs galt. Dies zeigt, daß in den Ausschußberatungen auch noch das alte Verständnis einer Flächenumlegung ohne konkrete Wertberechnung vorherrschte. Wird aber der Umlegungsvorteil konkret berechnet, wie es die neu geschaffene Fassung forderte, ist auch bei einem die 30 % übersteigenden Flächenabzug ein Geldausgleich solange nicht geboten, wie er durch einen Umlegungsvorteil gedeckt ist. Daher ist Absatz 2 im Baugesetzbuch gestrichen worden34. IV. Zusammenfassung In der ursprünglichen Form war der Flächenmaßstab ein Verteilungsmaßstab, der die Frage nach dem Wert der Grundstücke nicht stellte. Aus diesem Grunde konnten die Eigentümer nur durch eine abstrakte Obergrenze des Flächenabzugs gegen einen Wertverlust ihrer Grundstücke gesichert werden. Der Kreis der vorab auszuscheidenden Verkehrsflächen war weiter als der des § 55 Abs. 2 BauGB. Der Vorteil, den die einzelnen Eigentümer aus der Umlegung zogen, war nur die Rechtfertigung für den entschädigungslosen Entzug der Fläche, nicht Berechnungsmaßstab. Ein weitergehender Ausgleich des Umlegungsvorteils war nicht vorgesehen. Daher konnten hierüber die Aufwendungen der Gemeinde nicht ausgeglichen werden. Sie konnten aber von den Eigentümern gesondert erhoben werden, wie es etwa in § 29 Abs. 2 der Lex Adickes und in § 34 Abs. 3 Württ-Bad. BLG vorgesehen war. Eine über den Flächenabzug hinausreichende Abschöpfung von Umlegungsvorteilen war nicht durchgängig normiert. War sie angeordnet, so wurde eine konkrete Berechnung erforderlich. Durch diese Abschöpfung wurde die Gemeinde für ihre Aufwendungen entschädigt. Dementsprechend war eine gesonderte Erhebung dieser Aufwendungen bei den Eigentümern dann nicht mehr gerechtfertigt. Wenn es in der Regierungsbegründung zum BBauG hieß, die Prozentsätze der Obergrenze seien nach Erfahrungen bestimmt35, so erscheint es zweifelhaft, ob damit Erfahrungen zur Höhe des UmlegungsVorteils und nicht Erfahrungen zum Bedarf an erforderlichen Verkehrs- und Grünflächen gemeint 34 So die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 10/4630, S. 100; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 58 Rn. 13. Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 220, zweifelt wegen § 59 Abs. 2 BauGB, ob der Gesetzgeber das von ihm angestrebte Ziel auch erreicht habe. Dagegen Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 10 (S. 12 unten); Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, Vorb. §§ 55-59 Rn. 27 und öfter. BT-Drs. /336, S. 78.
Β. Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge
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waren, denn dieser Bedarf stand hinter der Festlegung der Obergrenze für den entschädigungslosen Flächenabzug z.B. in der Lex Adickes und dem Badischen Ortsstraßengesetz36. Die prozentuale Obergrenze für den Flächenbeitrag in der Form, wie sie § 58 Abs. 1 BauGB jetzt vorsieht, läßt sich also auf ihre historischen Vorläufer nur bedingt zurückführen.
B. Die derzeitige Regelung des § 58 Abs. 1 BauGB und die Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge I. Zur Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung Nach überwiegender Auffassung ist eine Vorteilsabschöpfimg, wie sie § 58 Abs. 1 BauGB durch den zu dem Flächenabzug hinzutretenden "Ausgleichsbeitrag" vorsieht, verfassungsrechtlich zulässig37. So hieß es schon in der Regierungsbegründung zu § 24 AufbauG NRW: "Da die Umlegung regelmäßig mit Hilfe erheblicher Aufwendungen der Allgemeinheit durchgeführt werden muß, wäre es nicht berechtigt, die durch die Umlegung eintretende Wertsteigerung des Grundstücks dem Eigentümer zu belassen. Das Gesetz sieht daher in diesen Fällen die Pflicht zum entsprechenden Ausgleich vor." 38 Ähnlich ging die Begründung zum BBauG davon aus, es entspreche "dem Wesen der Umlegung, daß sie in der Regel weder eine Minderung noch eine Mehrung des Vermögens der Eigentümer zur Folge haben darf." 39 Zu den Umlegungsvorteilen heißt es weiter: "Solche ohne Einsatz von eigener Arbeit und eigenem Kapital bewirkten Werterhöhungen müssen der Allgemeinheit, der sie zu verdanken sind, zugute kommen. Der Eigentümer muß sie daher in Geld ausgleichen." Das gelte auch für die Flächenumlegung: "Da auch die Umlegung nach dem Verhältnis der Flächen infolge der durch sie bewirkten Verbesserung des Zuschnittes in der Regel zu einer Erhöhung des Wertes führt, muß diese auch hier der Allgemeinheit zugute kommen. , , 4 °
36
Ähnlich Dieterich, ZfBR 1982, 195 (197 Fn. 16). Vgl. Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, §58 Rn. 7 f.; Stang, in: Schrödter, BauGB, §58 Rn. 10 ff.; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 57 Rn. 38; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1982, 152 (155 f.) mit weiteren Nachweisen. 38 LT-Drs. NRW, 1. Wahlp., Nr. Π-1129, S. 753. 39 BT-Drs. m/336, S. 78 l.Sp. 40 BT-Drs. m/336, S. 78 r.Sp. oben. 37
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
Der Bundesgerichtshof hebt stärker auf Gesichtspunkte der Gleichheit ab. Er meint, wegen des alle Grundstückseigentümer gleichermaßen betreffenden Abzugs läge in diesem Wertausgleich kein Sonderopfer 41. Das Bundesverwaltungsgericht arbeitet dagegen deutlicher die Beziehungen zum materiellen Privatnützigkeitsdogma heraus42. Die Vorteilsausgleichung sei ein allgemeiner Abfindungsgrundsatz der Umlegung. Der an der Umlegung Beteiligte solle keinen Schaden erleiden, aber durch die Maßnahmen der Allgemeinheit auch keinen unmittelbaren Gewinn erreichen. Zum Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG gehöre nicht der unverdiente Wertzuwachs, der durch die von der Allgemeinheit getragenen Umlegungsmaßnahmen erst ermöglicht werde43. Ausgleichsregelungen liege - so heißt es weiter - die Erwägung zugrunde, daß die Aufschließungsmaßnahme auch im Interesse der Grundstückseigentümer liege. Damit der Aufwand nicht ausschließlich zu Lasten der Gemeinde gehe, sei es sachgerecht, daß die Grundstückseigentümer hieran angemessen beteiligt werden44. Auch das Schrifttum zieht die Verfassungsmäßigkeit eines Vorteilsausgleichs durch zusätzliche Flächenreduktion in der Regel nicht in Zweifel: Der Grundsatz des Vorteilsausgleichs sei stets Bestandteil des Umlegungsrechts gewesen; er nehme der Umlegung nicht den Charakter einer Inhaltsbestimmung des Eigentums45. Für zulässig gehalten wird es auch, einen solchen Vorteilsausgleich durch eine zusätzliche Flächenreduktion vorzunehmen46. Angesichts des Zugriffs nicht (nur) auf den Wert, sondern auch auf die Fläche wird die Zulässigkeit des Beitrages aber teilweise an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. - So hält Schriever die Erhebung eines Flächenbeitrages nur deswegen mit dem Prinzip der Privatnützigkeit für vereinbar, weil sie gegenüber der Wertumlegung andere, d.h. besondere eigentümerfreundliche Regelungen auf41
BGH NJW 1980, 1634 (1635); BGHZ 93, 103 (110). BVerwGE 10, 3 (4 ff.); BVerwGE 12, 1 (7 f.). 43 BVerwGE 10, 3 (4 und 7); BVerwGE 12, 1 (8). 44 BVerwGE 12, 1 (7). 45 Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 57 Rn. 38; Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 57 Rn. 88 f.; Stich, in: Berliner Kommentar, § 58 Rn. 5; Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 58 Rn. 7; SchmidtAßmann, DVB1. 1982, 152 (156). 46 Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 58 Rn. 4; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 58 Rn. 9; Stang, in: Schrödter, BauGB, § 58 Rn. 12. Nicht zu dem speziellen Problem der Flächenreduktion zu Zwecken des Vorteilsausgleichs nehmen Stellung Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 661; Bryde, in: v.Münch/Kunig, GGK, Art. 14 Rn. 79. 42
Β. Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge
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weise. Hierzu gehöre insbesondere die Höchstgrenze des abschöpfbaren Umlegungsvorteils47. - Stemmler/Otte vertreten die Auffassung, um den Grundsatz der Privatnützigkeit der Umlegung zu erhalten, dürften die durch den Flächenbeitrag gewonnenen "überschießenden" Flächen nur für solche Maßnahmen eingesetzt werden, die direkt oder doch indirekt den Alteigentümern des Umlegungsgebiets dienten, z.B. um Kleineigentümern ein Baugrundstück zu verschaffen oder Ersatzland für Flächenausscheidungen nach § 55 Abs. 5 BauGB bereitzustellen48. - Nach Stang bestehen dann keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Flächenbeitrags, wenn die Erforderlichkeit der Umlegung nach § 46 BauGB in dem Sinn ausgelegt wird, daß sie zum Wohl der Allgemeinheit, d.h. im öffentlichen Interesse an einer plangerechten Bodenordnung notwendig ist. In welchem Bezug dies zum Merkmal der Privatnützigkeit der Umlegung steht, wird aber nicht ganz deutlich49. - Dieterich hält dagegen die Flächenumlegung des § 58 BauGB, bei der eine Höchstgrenze für den Flächenbeitrag gesetzt ist, für in jedem Fall mit Art. 14 GG vereinbar: Die §§ 57 f. BauGB stellten eine Konkretisierung des Eigentums durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Durch sie sei verdeutlicht, daß der Umlegungsvorteil nicht zum Inhalt des Eigentums gehöre. Sein Entzug könne daher auch keine Enteignung darstellen. Insofern bestünde auch kein Unterschied zwischen Flächen- und Wertumlegung. So wie bei letzterer der Vorteilsausgleich keine Enteignung darstelle, verhalte es sich auch bei dem Institut des Flächenbeitrages. Ebenso sei eine Zweckbindung der gewonnenen Flächen nicht erforderlich. Für den Erhalt der Privatnützigkeit genüge es, sei aber auch erforderlich, daß der Grundsatz der wertgleichen Zuteilung beachtet werde50.
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Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 58 Rn. 4. Stemmler/Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 58 Rn. 10; ebenso bereits Otte , VR 1987, 73 (80). Dagegen die überwiegende Auffassung, Bielenberg, DÖV 1973, 833 (835 r.Sp.); Stang, in: Schrödter, BauGB, § 58 Rn. 12; Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, §58 Rn. 11; Tittel, in: Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, 3. Aufl., 1979, § 58 Rn. 8; Dieterich, ZfBR 1982, 195 (199); ders., Baulandumiegung, Rn. 219. 49 Stang, in: Schrödter, BauGB, § 58 Rn. 12. 50 Dieterich, ZfBR 1982, 195 (198 f.). 48
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
Π. Neuere Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge 1. Stellungnahmen für eine Erhöhung
In der Literatur werden gerade in jüngerer Zeit Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge und nach einer Änderung des § 58 Abs. 1 BauGB laut. Auf den Zusammenhang mit den Folgen des § 8a BNatSchG wurde bereits hingewiesen. Im einzelnen weichen die Vorschläge allerdings voneinander ab. - Dieterich legt ganz generell dar, daß die Verfassungsmäßigkeit des Flächenbeitrages nicht von der Grenze der 30 % abhängig sein könne. In den früheren Umlegungsgesetzen, die solche Grenzen kannten, seien Flächenabzüge stets nur für Verkehrs- und Grünflächen erfolgt. Im Zusammenhang mit dem Ausgleich des Umlegungsvorteils habe dagegen eine prozentuale Grenze keine Bedeutung; sie sei sogar im Vergleich mit der Wertumlegung nicht zu rechtfertigen 51. - Für eine volle Abschöpfung des Umlegungsvorteils auch über die 30 %-Grenze hinaus spricht sich auch ein Diskussionspapier der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung aus. Hierfür tritt auch der Gemeindetag Baden-Württemberg ein52. - Seele plädiert für eine Erhöhung des nach § 58 Abs. 1 BauGB zulässigen Flächenbeitrages von 30 %, wenn die Umlegung an die Vorschrift des § 8a BNatSchG angepaßt und die Ausgleichs- und Ersatzflächen dem § 55 Abs. 2 BauGB unterstellt werden sollten53. Zabel fordert nicht ausdrücklich eine Erhöhung der 30 %-Grenze des § 58 Abs. 1 BauGB, weist aber darauf hin, daß diese Grenze geschaffen wurde, als naturschutzrechtliche Eingriffsmaßnahmen unbekannt waren54. - Vorsichtiger argumentiert dagegen die Bund-Länder-Kommission "Wohnbauland". Sie prüft eine Erhöhung des Flächenbeitrages in erstmals erschlossenen Gebieten bis auf 50 %, ohne eine Empfehlung abzugeben. Für eine solche Maßnahme spreche, daß die Gemeinden unter voller Abschöpfung des Umlegungsvorteils Grundstücke für öffentliche Zwecke verwenden oder an Dritte veräußern könnten, die sich gegenüber der Gemeinde zur sofortigen Bebauung verpflichteten. Bedenken wurden geltend gemacht, insoweit hier51
Dieterich, ZfBR 1982, 195 (199), vgl. früher schon Bielenberg, in: Verhandlungen des 49. DJT, 1972, Gutachten Β 69. 52 Vgl. die Stellungnahme in BWGZ 1992, 509 f. 53 Seele, VR 1995, 193 (203 f.). 54 Zabel DÖV 1995, 725 (727).
Β. Forderungen nach einer Erhöhung der Flächenbeiträge
137
durch die Umlegungswilligkeit der Grundstückseigentümer gefährdet werden könnte; zudem wären der Surrogationsgedanke und die Privatnützigkeit der Umlegung in Frage gestellt55. 2. Stellungnahmen gegen Erhöhungen
Eher gegen eine Erhöhung des Flächenbeitrags hat sich Brenner ausgesprochen56. Auch er erkennt freilich an, daß gegen eine Vorteilsausgleichung im Umlegungsverfahren als Inhaltsbestimmung des Eigentums grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Er meint aber, aus der Sozialbindungsklausel des Art. 14 Abs. 2 GG, derzufolge das Eigentum (nur) "zugleich" dem Wohl der Allgemeinheit dienen solle, sei zu schließen, daß der Gesetzgeber die Wertzuwächse der Umlegungsgrundstücke nicht beliebig abschöpfen dürfe. Eine Wertsteigerungsabschöpfung könne "auch auf die Substanz des Eigentums durchschlagen". Darin liege dann eine übermäßige Belastung der Grundeigentümer. In der in § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB festgelegten Obergrenze sieht Brenner eine Sicherung der Privatnützigkeit der Umlegung. Er hält die derzeitigen Prozentsätze zwar als solche nicht für einen "absoluten Fixpunkt"57. Eine Anhebung auf 50 % ist seiner Ansicht nach aber auf jeden Fall verfassungswidrig 58. Das Argument, Grundstückswertsteigerungen, die nicht auf eigener Leistung, sondern auf Maßnahmen des Staates beruhen, seien unverdient und damit grundsätzlich abschöpfungsfahig, hält Brenner für eine "Negierung der Privatnützigkeit des Eigentums". Zum Nutzen eines Eigentumsobjekts gehöre es, Erträge zu erwirtschaften, im Wert zu steigen oder auf sonstige Weise für den Eigentümer von Vorteil zu sein. Wert- und Ertragssteigerungen seien in einer marktwirtschaftlichen Ordnung aber gerade durch den Markt bestimmt und daher regelmäßig von außen herangetragen. Brenner meint außerdem, eine Berufung auf das Prinzip des Vorteilsausgleichs lasse die Baufreiheit außer Betracht. In der baulichen Nutzbarkeit, die durch das Umlegungsverfahren hergestellt werde, realisiere sich die grundrechtliche Gewährleistung. Die Bebaubarkeit sei also nicht von außen herangetragen, sondern die Verwirklichung einer dem Eigentümer bereits zukommenden grundrechtlichen Gewährleistung. Eine weitgehende Abschöpfung des Umlegungsvorteils
55
Bund-Länder-Kommission "Wohnbauland", Bericht v. 3.7.1991, 48 f. Brenner, DVB1. 1993, 291 (296 f.). Der Beitrag geht auf ein für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags erstelltes Gutachten zurück. Zustimmend Stemmler/Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 55 Rn. 9. 57 S. 297. 58 S. 299. 56
1 3 8 3 . Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
würde das Eigentum in der Substanz betreffen und daher mit einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung nicht vereinbar sein. Huber beurteilt im Anschluß an Brenner eine Erhöhung der Grenze des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB auf 50 % als mit der Rechtsinstitutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Art. 14 Abs. 1 GG zieht dem Vorteilsausgleich seiner Ansicht nach dann Grenzen, wenn hierdurch die Eigentümernützigkeit des Umlegungsverfahrens eindeutig hinter seine Allgemeinnützigkeit zurücktrete. Bei einer Flächenabtretung von bis zu 50 %, die die prinzipielle Privatnützigkeit des Grundeigentums in der Umlegung in Frage stelle und so das Eigentum weitgehend aushöhle, sei dies der Fall 59 . Noch schärfer an festen Prozentsätzen orientiert hält Reinhardt mit den in § 58 Abs. 1 BauGB genannten 30 % die Grenze für bezeichnet, jenseits derer "eine Ausdehnung des Flächenabzugs einschließlich des Flächenbeitrags" die Umlegung zu einer enteignenden Maßnahme werden lasse. Das soll auch dann gelten, wenn es um eine Flächenbeschaffung speziell für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen des § 8a BNatSchG gehe60.
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung Flächenbeiträge müssen sich in das Konzept der Umlegung einfügen. Sie dürfen insbesondere die Privatnützigkeit des Instituts nicht in Frage stellen. Erst nachdem die Frage ihres legitimierenden Grundes (I) und der Grenzen (II) beantwortet ist, können ihre verfassungsgemäße Einzelausgestaltung und damit auch die geforderte Erhöhung der Obergrenzen des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB untersucht werden (III). I. Flächenbeiträge als Ausdruck des Vorteilsausgleichsgedankens Der die Flächenbeiträge des § 58 Abs. 1 BauGB prägende Systemgedanke ist der des Vorteilsausgleichs. 1. Die einzelnen Bestandteile des Umlegungsvorteils
Nach § 45 Abs. 1 BauGB ist Ziel der Umlegung die zweckmäßige Gestaltung von Grundstücken. Damit soll die bauliche oder sonstige Nutzung der Grundfläche insbesondere durch Erschließung ermöglicht werden. Sie ist gem. § 46 Abs. 1 BauGB anzuordnen, wenn und sobald sie zur Durchführung eines Bebauungsplans erforderlich ist, wenn also die für die Verwirklichung 59 60
P.M. Huber, Der planungsbedingte Wertzuwachs, 39 f. Reinhardt, DÖV 1995, 21 (24 f.).
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung
139
des Bebauungsplans erforderliche Eigentumsstruktur von den Eigentümern nicht aus eigener Kraft hergestellt werden kann. Dann setzt die Hilfe der öffentlichen Hand zur Planverwirklichung ein61. Der hieraus resultierende Umlegungsvorteil für den Eigentümer besteht also darin, daß er nach der Durchführung des Umlegungsverfahrens ein bebaubares oder sonst nutzbares Grundstück erhält. Dieser Vorteil drückt sich in einem Wertzuwachs für die von der Umlegung erfaßte Fläche aus. Mit diesem Wertzuwachs honoriert der Grundstücksverkehr konkrete Nutzungsverbesserungen der Grundstücksfläche. Dazu zählen im einzelnen62: a) Vorteile
durch Bereitstellung
von Erschließungsflächen
- Erschließungsflächen: Die Umlegung hat in der Regel zur Folge, daß dem Erschließungsträger die erforderlichen Erschließungsflächen zur Verfügung stehen, zu deren Erwerbskosten andernfalls die erschlossenen Grundstücke über den Erschließungsbeitrag herangezogen werden würden63. - AuE-Flächen: Die Durchführung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke. Werden in der Umlegung die Flächen für solche Maßnahmen bereitgestellt, entfallen für den Eigentümer die sonst in diesem Zusammenhang bestehenden Pflichten. b) Vorteile
aus der Neuordnung
- Verkürzung der Aufschließungsdauer und Qualitätssteigerung: bis zur Möglichkeit, das Bauvorhaben zu realisieren, wird verkürzt (Zinsvorteil); zudem weicht die Unsicherheit, ob das Grundstück überhaupt bebaut werden kann, weil z.B. die hierfür erforderliche Grundstücksform oder -große nicht erreicht wird. - Gestaltungsvorteil: Das Grundstück ist im Hinblick auf die plangemäße Bebauung zugeschnitten und insofern baulich besser ausnutzbar (z.B. Abstandsflächen).
61
Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 57 Rn. 89; Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 46 Rn. 4 f. 62 Nach Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 190 ff.; vgl. auch Stemmler /Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 58 Rn. 4. 63 Zu den Unterschieden zwischen erschließungsbeitragsfähigen Flächen und Flächen nach § 55 Abs. 2 BauGB vgl. Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, Vorb. §§ 55-59 Rn. 36 f.
Di
140
3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
- Ersparte Aufwendungen: Für eine privatrechtliche Anpassung der Grundstücksgrenzen an die Planung entstünden dem Eigentümer Verfahrenskosten wie Vermessungs- und Notargebühren und sonstiger Aufwand. In der Umlegung trägt die Gemeinde gem. § 78 BauGB die Sach- und Verfahrenskosten. Gebühren, ähnliche nichtsteuerliche Abgaben oder Auslagen entstehen nicht (§ 79 BauGB). Durch die Umlegung wachsen dem Eigentümer also Vorteile zu, die er sich auch anders, aber sehr viel mühsamer und wahrscheinlich auch aufwendiger beschaffen müßte, wenn er die Bebaubarkeit seiner Grundstücksflächen ausnützen wollte. Daher bezeichnet Dieterich die Umlegung als "eine besondere Dienstleistung auf dem Gebiet der Bodenwirtschaft" 64. 2. Verhältnis zum Planungsvorteil und zu gemeindlichen Aufwendungen
Eine Rolle im Rahmen der Diskussion um den Vorteilsausgleich im Umlegungsrecht spielt die Frage, inwieweit dieser die durch die Bauplanung für das Grundstück herbeigeführten Wertsteigerungen (Planungsmehrwert) umfaßt 65. Insoweit die Umlegung die Realisierung der in der Planung angelegten Nutzungen ermöglicht, lassen sich Planungs- und Umlegungsvorteile nicht vollständig trennen66. Sie müssen es aber auch nicht, denn die durch die Umlegung herbeigeführten tatsächlichen Voraussetzungen der Planverwirklichung sind durch den Plan als solchen noch nicht bewirkt und insofern auch kein Planungsmehrwert. Die Bodenwertsteigerungen, die allein durch die Nutzungsfestsetzungen im Bebauungsplan entstehen, dürfen dagegen nicht in die Berechnung des Vorteilsausgleichs einbezogen werden67. Diesem Erfordernis kann in der Regel genügt werden, indem die von den Eigentümern eingeworfenen Grundstücke als Brutto-Rohbauland bewertet werden68. Dem Umlegungsvorteil, der eine Wertsteigerung der Grundstücksflächen bedeutet, stehen üblicherweise erhebliche Aufwendungen der Gemeinde gegenüber. Diese sind gemeint, wenn im Zusammenhang mit der Umlegung von "Maßnahmen der Allgemeinheit" die Rede ist, die zu den Bodenwertstei-
64
Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 409. Dazu Stemmler/Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, §57 Rn. 39 ff.; Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 58 Rn. 86 ff.; Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 192 f. 66 Dazu BVerfGE 18, 274 (284 ff.). 67 BGHZ 72, 51 ff.; BGHZ 89, 353 (359 f.) 68 Dieterich, Baulandumlegung, Rn. 192. 65
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung
141
gerungen geführt haben69. So trägt die Gemeinde die Personal-, Sach- und Verfahrenskosten der Umlegung gem. § 78 BauGB; sie ist gem. § 64 BauGB die Schuldnerin der Geldabfindungen nach den §§60 und 61 BauGB und der sonstigen zu gewährenden Entschädigungen. Aufwendungen und Vorteil sind aber keineswegs deckungsgleich. Der Vorteil entwickelt sich nach Marktgesichtspunkten. Π. Vorteilsausgleich und Privatnützigkeit Der Vorteilsausgleichsgedanken läßt sich mit der Privatnützigkeit zwar verbinden. Er ist jedoch nicht aus ihr ableitbar. Das historische Erscheinungsbild, das auf einen untrennbaren Zusammenhang beider hindeuten könnte, bedarf aus systematischen Gründen der Korrektur: Natürlich wäre auch eine Umlegung privatnützig, die den gesamten Umlegungsvorteil den Eigentümern zukommen ließe, solange die Verteilung der Flächen nur gleichmäßig durchgeführt wird. Rechtsprechung, Gesetzesmaterialien und Schrifttum leiten denn auch den Vorteilsausgleich nicht aus dem Gedanken der Privatnützigkeit ab, sondern finden seine Rechtfertigung in allgemeinen Billigkeitserwägungen (oben Β I). Diese lassen sich im Kern darauf zurückführen, daß die Wertsteigerungen in der Umlegung durch "Maßnahmen der Allgemeinheit" verursacht sind und daher nicht dem Eigentümer zugute kommen sollen. Ausgangspunkt sind also Aufwendungen der Gemeinde für die Umlegung, die von ihr zu tragen sind und für die sie sich bei den Eigentümern sonst nicht schadlos halten könnte, anders als dies etwa nach der Lex Adickes oder dem Württ-Bad. BLG möglich war. In der weiteren Ausgestaltung ist der Vorteilsausgleich freilich nicht von einem konkreten Kostennachweis abhängig. Er kann vielmehr hinter den von der Allgemeinheit aufgewendeten Kosten zurückbleiben; er kann sie aber auch übertreffen. Die "Maßnahmen der Allgemeinheit" sind als Zuordnungsidee im Rahmen einer billigen Lastenverteilung, nicht aber als konkrete Berechnungseinheiten zu verstehen. Ist der Vorteilsausgleich mit der Privatnützigkeit nicht notwendig verbunden, so steht er ihr andererseits auch nicht entgegen. Die Privatnützigkeit fordert es nicht, daß die aus der Umlegung resultierenden Wertsteigerungen in vollem Umfang dem Eigentümer verbleiben. Im einzelnen ist auch hier zwischen Flächenabzügen und (sonstigen) Flächenbeiträgen zu trennen.
69 Z.B. BVerfGE 18, 274 (284); BVerwGE 10, 3 (5); auch die Amtliche Begründung zum Entwurf des BBauG, BT-Drs. m/336, S. 78 l.Sp.; Amtliche Begründung zu § 24 AufbauG NRW, LT-Drs. NRW, 1. Wahlp., Nr. Π-1129, S. 753.
142
3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags 1. Flächenabzug für Erschließungsmaßnahmen (§ 55 Abs. 2 BauGB)
Soweit es um den Umlegungsvorteil geht, der aus der Bereitstellung von konkret privatnützigen Flächen für die örtlichen Verkehrs- und Erschliessungsanlagen resultiert, entspricht dieser im wesentlichen dem dafür vorgenommenen Flächenabzug gem. § 55 Abs. 2 BauGB. Hier handelt es sich um eine Maßnahme, die sonst von den Eigentümern durch höhere Erschließungsbeiträge zu finanzieren wäre. Die Harmonisierung mit dem Erschließungsrecht bewirkt eine eigentumsrechtlich beachtliche Doppelabsicherung dieser Abzüge. Insofern ist der Umlegungsvorteil gewissermaßen ein "durchlaufender Posten". Das gilt jedenfalls für die derzeitige Fassung des §55 Abs. 2. Ob dasselbe Ergebnis auch anzunehmen ist, wenn man im Gefolge des § 8a BNatSchG weitere Flächen in den Vorwegabzug einbezieht, ist gesondert zu prüfen (vgl. unten III 2). 2. Flächenbeitrag für den allgemeinen Vorteilsausgleich
Bei der über § 55 Abs. 2 BauGB hinausgreifenden Flächenreduktion geht es im Kern um den Ausgleich für die aus den Maßnahmen der Neuordnung allgemein resultierenden Vorteile. Hier ist Vorsicht gegenüber einer umfassenden Abschöpfung geboten. Schon für den derzeitigen Zuschnitt des § 58 BauGB finden sich in der Kommentarliteratur einschränkende Vorbehalte (vgl. oben Β I). a) Umlegungsvorteile
im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG
Zu kurz greift jedenfalls eine Argumentation, die die Umlegungsvorteile von vornherein aus dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ausklammern will 70 . Diese Sichtweise spaltet die Umlegung unzulässigerweise in verschiedene Teilabschnitte auf und gibt sich damit zufrieden, daß die betroffenen Eigentümer aus einem zulässigerweise eingeleiteten Verfahren bei der Flächenumlegung letztlich (nur) mit einer wertgleichen Zuteilung in Land herauskommen. Damit werden die Interessen der Eigentümer ganz auf die Erlangung eines Baugrundstückes reduziert, während die Gemeinde neben einem Bodenordnungsinteresse auch noch ein Flächengewinnungsinteresse durchsetzen kann. Das aber läßt es mindestens als zweifelhaft erscheinen, ob eine solche Eigentumsbindung nicht ganz vorrangig im öffentlichen Interesse vorgenommen ist, während Art. 14 Abs. 2 GG nur davon spricht, daß die 70 Dieterich, ZfBR 1982, 195 (198); in Bezug auf einen Wertausgleich in Geld auch schon BVerwGE 10, 3 (7); dagegen mit Recht Brenner, DVB1. 1993, 291 (295 f.).
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung
143
Sozialbindung "zugleich" dem Interesse der Allgemeinheit dienen soll. Erst jüngst hat das Bundesverfassungsgericht erneut hervorgehoben, daß das Eigentumsobjekt dem Rechtsträger "als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll."71 Hinzu kommt folgendes: Die "Aufwendungen der Allgemeinheit", die als Billigkeitsargument die Vorteilsausgleichung stützen, müssen mit dem tatsächlichen Vorteil im Betrag keineswegs identisch sein. Die Bodenwertsteigerungen, die den Umlegungsvorteil ausmachen, gehen auch auf Reaktionen und Präferenzen des Bodenmarktes zurück. An ihm teilzunehmen und an seinen günstigen Entwicklungen zu partizipieren, gehört auch zu den Funktionen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums, dessen Bestand die Umlegung, anders als die Enteignung, gerade nicht antasten will. Dann aber ist es geboten, die Vorteilsausgleichung zugunsten der Eigentümer zu limitieren. Das gilt desto nachhaltiger, je höher der Vorteil über Pauschalierungen eines denkbaren Aufwandes öffentlicher Mittel hinausgeht. Bei geringeren Wertzuwächsen mag man immerhin daran denken, zunächst die öffentlichen Aufwendungen mit ihnen zu kompensieren. Wo dagegen erhebliche Zuwächse zu verzeichnen sind, wird das Aufwandargument schwächer. Jedenfalls läßt sich einer Obergrenze nicht mit dem Einwand entgegentreten, sie begünstige gerade die Fälle, in denen größere Wertzuwächse erzielt worden seien. b) Unterschiede zur Wertumlegung Nun ließe sich unter Umständen sagen, ein voller Vorteilsausgleich durch einen Flächenbeitrag sei in der Flächenumlegung deshalb angezeigt und u.U. aus Gesichtspunkten der Gleichbehandlung sogar geboten, weil die in der Wertumlegung zu zahlenden Geldleistungen den Umlegungsvorteil insgesamt in Anspruch nähmen72. Wir lassen hier dahingestellt, ob es nicht auch bei der Wertumlegung gewisse Verfassungsgrenzen der Vorteilsausgleichung durch Geld gibt. Jedenfalls aber übersieht ein solches Gleichstellungsargument einen wesentlichen Unterschied zwischen vorteilsausgleichender Geldzahlung und vorteilsausgleichendem Flächenbeitrag. Art 14 GG ist vorrangig eine Bestandsgarantie. Folglich ist auch die Umlegung daran auszurichten, daß die Grundstücke in ihrem Bestand, wenn schon nicht läge-, dann doch wenigstens flächenmäßig den Eigentümern erhalten bleiben. Bei der Wertumlegung ist dieses der Privatnützigkeit immanente Konservationsprinzip nicht betroffen, weil der Eigentümer nach den konkret privatnützigen Vorwegabzügen des § 55 Abs. 2 und den verfassungsrechtlich nur begrenzt zulässigen Abzügen 71 72
BVerfGE 91, 294 (308). Vgl. Dieterich, ZfBR 1982, 195 (199).
1 4 4 3 . Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
nach § 55 Abs. 5 BauGB (vgl. dazu 2. Abschnitt C IV 1) in vollem Umfang an der Verteilungsmasse partizipiert. Bei der Flächenumlegung verlangt das Konservationsprinzip dagegen, durch die über die konkret privatnützigen Abzüge hinausreichenden Flächenbeiträge den Vorteilsrahmen nicht in jedem Falle vollständig auszuschöpfen. Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß die amtliche Umlegung u.U. gegen den Willen zahlreicher oder sogar aller Eigentümer durchgeführt werden kann. Durch diesen Umstand allein verliert die Maßnahme zwar nicht ihre inhaltsbestimmende Natur i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Wenn aber den solchermaßen ohnehin in ihrer Privatautonomie schon deutlich eingeschränkten Eigentümern nach alledem auch noch nur eine Fläche verbliebe, die um alle Vorteilsbestandteile gekürzt wäre, die für sie mit einer an sich von ihnen nicht gewollten Maßnahme verbunden sind, könnte von einer privatnützigen Maßnahme nicht mehr gesprochen werden. Eine flächenmäßige Totalabschöpfung gehört dagegen nicht zu den überkommenen Strukturen der Umlegung. Dem Eigentümer soll vielmehr für die mit einer Umlegung sonst verbundenen Beeinträchtigungen, wenn es zu Wertzuwächsen kommt, in Fläche mehr verbleiben, als ein wertmäßiger status quo. In dieser Chance jedes Umlegungsbeteiligten manifestiert sich eine aus der Privatnützigkeit ableitbare Anreizfunktion. c) Verfassungsfunktion
der Obergrenzenregelung
Die aufgezeigten Gründe verlangen es, den Vorteilsausgleich in der Flächenumlegung zu begrenzen. Eine ersatzlose Streichung der Obergrenzen des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB mit der Folge, daß der Flächenbeitrag den Vorteilsrahmen vollständig ausschöpfen dürfte, kommt folglich nicht in Betracht. Bei den verfassungsnotwendigen Begrenzungen geht es freilich ohne gewisse Pauschalierungen und schematische Zurechnungen nicht ab: Denkbar wäre z.B. ein Splitting des Vorteils mit festen Anteilen, das unter Umständen mit einer Progression zugunsten der Eigentümer bei ansteigenden Wertzuwächsen verbunden werden kann. Geeignet sind auch feste Obergrenzenregelungen. Hier gehen bei geringen Wertzuwächsen die Eigentümer zwar u.U. leer aus. Immerhin bestand für sie aber eine Chance, an Marktentwicklungen zu partizipieren. Daß diese Entwicklungen nicht eingetreten sind, bleibt in der Risikosphäre des einzelnen Eigentümers. Fraglich ist, ob auch eine bloße Verwendungsbindung für die frei verfügbaren Flächengewinne der Gemeinden genügt, um die flächenabschöpfende Vorteilsausgleichung verfassungsrechtlich hinreichend zu limitieren. Eine solche Verwendungsbindung wird in der Literatur schon für die derzeitige Rechtslage teilweise verlangt. Ob diese Auffassung wirklich zwingend ist, mag hier
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung
145
dahingestellt bleiben. Jedenfalls als Ersatz für eine erhöhte Obergrenze kommt eine solche Bindung nicht in Betracht: § 55 Abs. 2 BauGB deckt im wesentlichen diejenigen Anlagen ab, für die von einem gemeinschaftlichen Interesse der Eigentümer eines Umlegungsgebietes typischerweise ausgegangen werden kann. Eine noch weitere "Vergemeinschaftung" von Flächen, die doch von jedem Eigentümer individuell aufgebracht werden müssen, kann dagegen nicht als Ausgleich anerkannt werden, der die Privatnützigkeit der Umlegung sicherstellen könnte. ΙΠ. Die derzeitige Obergrenze und ihre Erhöhung Die Frage nach zulässigen Änderungen des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB zu beantworten, verlangt zunächst Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der derzeitig gesetzlich normierten festen Prozentsätze für die Obergrenzen (1). Danach sind Besonderheiten zu besprechen, die sich angesichts des Bedarfs an Ausgleichs- und Ersatzflächen ergeben (2). 1. Variabilität der Prozentsätze
Geben die im geltenden Recht vorgesehenen Prozentsätze, die heute die Obergrenze des Flächenbeitrags ausmachen, genau jene Grenze der Vorteilsabschöpfung wieder, die die Umlegung noch im inhaltsbestimmenden Bereich des Art 14 Abs. 1 S. 2 GG halten? Wäre das anzunehmen, so schiede eine Erhöhung dieser Sätze aus. Im Schrifttum hat sich Reinhardt für eine solche feste Bindung ausgesprochen; er nennt dafür aber keine Gründe73. Auch eine Bemerkung Schrievers könnte man so interpretieren, weil sie die Bestandsgarantie immittelbar mit den derzeitigen Höchstgrenzen von 30 % bzw. 10 % in Zusammenhang bringt. Eine genauere Analyse der Aussage zeigt jedoch, daß Schriever erkennbar nicht den Gesetzgeber meint, wenn er davon spricht, die Überschreitung der Höchstgrenze würde die Bestandsgarantie verletzen. Die Aussage bezieht sich vielmehr auf die Verwaltung, die mit einer solchen Überschreitung gegen das Gesetz verstoßen und insofern mittelbar auch die Bestandsgarantie verletzen würde74. Es wäre auch ein ungewöhnliches Ergebnis, wenn man davon ausgehen müßte, die verfassungsrechtlich (!) gezogene Grenze verlaufe gerade bei 30 % (warum nicht bei 28 oder 32 %?) bzw. bei 10 % (warum nicht bei 9 oder 11 %?). Verfassungsrechtliche Gewährleistungen sind - von den steuerrechtlichen Bestimmungen der Art. 105 ff. GG einmal abgesehen - üblicherweise nicht auf feste Zahlenwerke fixiert.
73 74
Reinhardt, DÖV 1995, 21 (24). Vgl. Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, Vorb. §§ 55-59 Rn. 28.
10 Schmidt-Aßmann
146
3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
a) Bedeutung als akzeptierte Mindestsätze Die seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 nunmehr 35 Jahre unverändert geltenden Sätze können zunächst einmal als dasjenige Maß bezeichnet werden, was vom Rechtsbewußtsein akzeptiert worden ist. Verfassungsrechtliche Zweifel speziell an den jetzt festliegenden Obergrenzen bestehen in Rechtsprechung und Literatur erkennbar nicht. Akzeptanz ist zwar als solche keine dogmatische Kategorie. Doch kommt ihr ein gewisser Einfluß gerade auf solche Verfassungsbestimmungen zu, die bestimmte Institute, wie z.B. das Eigentum gewährleisten wollen; denn Institute beruhen ihrerseits auf stabilisierten Verhaltenserwartungen, die Rechtstraditionen verarbeitet haben75. Das heißt nicht, daß die jetzigen Prozentsätze auch in alle Zukunft hinein dasjenige angeben müßten, was die Verfassung an Flächenbeiträgen auf jeden Fall gestattet. Es ist vielmehr nicht undenkbar, daß auch einmal Entwicklungen am Bodenmarkt eintreten, die zu einer Korrektur der derzeitigen Sätze nach unten nötigen. Doch das ist im Augenblick nicht die entscheidende Frage. Zur Zeit kann davon ausgegangen werden, daß die Prozentsätze der lex lata rechtlich nicht zu beanstanden sind: Sie sind akzeptierte Mindestsätze. Aus diesem Umstand läßt sich freilich andererseits nicht folgern, daß dann auch Erhöhungen verfassungsrechtlich unbedenklich seien. Immerhin muß daran erinnert werden, daß in der Kommentarliteratur schon jetzt Verwendungsbindungen als Kompensation für den freien Flächengewinn der Gemeinde in Erwägung gezogen werden. Selbst wenn wir - wie dargelegt nicht der Auffassung sind, daß Verwendungsbindungen ein geeignetes Kompensationsmittel sind, so ist dieser Literaturbefund doch insofern signifikant, als er anzeigt, daß man sich mit den freien Flächenbeiträgen nicht auf einem rundherum festen Rechtsboden befindet, der für größere Ausgriffe sicher genug wäre. b) Unsichere ältere "Erfahrungswerte
"
Die derzeitigen Prozentsätze werden in der Kommentarliteratur als Angaben behandelt, die "auf Erfahrungen" beruhen76. Schon die Regierungsbegründung zum Bundesbaugesetz hatte auf solche Erfahrungen mit dem älteren Recht Bezug genommen (vgl. oben unter A II). Um welche Erfah75 Zur Bedeutung traditionsbezogener Garantieelemente bei Art. 14 GG Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, 187 ff. 76 Stich, in: Berliner Kommentar, § 58 Rn. 5; Schriever, in: Kohlhammer-Kommentar, BauGB, § 58 Rn. 1.
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen U m l e g u n g 1 4 7
rungen es sich dabei handelt, wird allerdings nicht ganz klar. Da prozentuale Obergrenzen im älteren Recht üblicherweise mit Flächenabzügen für Straßenland verbunden worden waren, könnte man annehmen, daß es um Erfahrungen mit dem Bedarf an Erschließungsflächen ging. In einer Entscheidung vom 6. Oktober 1960 zum württemberg-badischen Baulandgesetz interpretiert das Bundesverwaltungsgericht die Erfahrung jedoch nicht bedarfsbezogen, sondern vorteilsbezogen77: "Dabei geht das Gesetz von der auf Grund allgemeiner Erfahrung bestehenden Vermutung aus, daß der Wert der Gesamtmasse in neu aufzuschließenden Gebieten mindestens um 30 v.H., in bereits erschlossenen Gebieten um mindestens 10 v.H. steigt." Diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts ist ihrerseits allerdings alles andere als überzeugend. Sie übersieht nämlich, daß es bei den genannten Prozentsätzen der Gesetze um Flächenanteile geht, während die Wertsteigerungen, die das Gericht hier als Erfahrung bezeichnet, damit nicht identisch sind. Ein Flächenabzug von 30% verlangt, um eine wertgleiche Zuteilung zu ermöglichen, eine Wertsteigerung von ca. 43%. Auf die Höhe des Vorteils bezogen stehen die Prozentsätze des derzeitigen Rechts folglich auf unsicherer Grundlage78. Selbst wenn man aber davon ausginge, die derzeitigen Prozentsätze der Obergrenze seien in den Vorläufergesetzen vorteilsbezogen entwickelt und durch entsprechende Erfahrungen erhärtet worden, so wird ihre Funktion als eine unverrückbare Obergrenze doch durch folgende Punkte weiter relativiert: Schon das ältere Recht kannte nämlich neben den Sätzen 30% bzw. 10% auch höhere Sätze für Flächenabzüge. Die Lex Adickes ging nach der Novelle von 1907 von einem Satz von 35-40 %, in der Fassung für Köln sogar von 50% aus. Die derzeitigen Zahlen müssen also ebenso wie ihre Vorläufer als gegriffene Werte betrachtet werden. Da sich die Obergrenzen nach älterem Konzept allein auf die Verkehrs- und sonstigen Erschließungsflächen bezogen, bestand für den älteren Gesetzgeber keine Veranlassung, sich genauere Gedanken zu machen, wie hoch der gesamte Umlegungsvorteil typischerweise anzusetzen sei. Es genügte die Feststellung, daß jedenfalls die für Flächenabzüge zu veranschlagenden Wertminderungen durch einen Erschließungsvorteil kompensiert seien. Zu beachten ist schließlich, daß sich die genannten "Erfahrungswerte" nach alledem auf Gegebenheiten stützten, die Jahrzehnte zurückliegen, teilweise die Grundstückswerte und ihre Beeinflussung durch die Umlegung um die Jahrhundertwende reflektieren. Daß solche Werte unbesehen und ohne erneute Überprüfung als verfassungsrechtliche Obergrenzen anzusehen sein sollten, ist wenig plausibel. 77 78
BVerwGE 12, 1 (7). So zutreffend auch die Kritik von Dieterich, ZfBR 1982, 195 (197 Fn. 16).
1 4 8 3 . Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
c) Notwendigkeit
neuer Erfahrungswerte
Erscheint es nach alledem verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, gerade an den derzeitigen Prozentsätzen der Obergrenze festzuhalten, so ist es doch erforderlich, eine eventuell in Betracht zu ziehende gesetzliche Erhöhung durch verläßliche Erfahrungen abzusichern. Daß sich die alten Werte durchgesetzt haben, obwohl ihre Erfahrungsbasis zweifelhaft ist, bedeutet nicht, daß auch ihre Erhöhung auf unsicherer Grundlage akzeptiert werden könnte. Vielmehr erscheint es notwendig, die gesetzgeberische Entscheidung einer BauGB-Novelle durch verläßliche Werte in ihrer Plausibilität abzustützen. Da es um Obergrenzen für die Vorteilsausgleichung geht, muß es sich um Erfahrungen mit Werterhöhungen handeln. In der Literatur wird beispielsweise davon gesprochen, daß im Rahmen der freiwilligen Umlegung Obergrenzen von 40% durchaus akzeptiert würden. Doch das sind bisher Einzelaussagen, die zudem nicht deutlich machen, warum die betroffenen Eigentümer sich einverstanden erklärt haben. Der Gesetzgeber muß vielmehr sehr viel breiter ansetzen und belastbare Zahlen zu den mit Umlegungen eintretenden Werterhöhungen vorlegen. Sollte sich dabei herausstellen, daß solche Werterhöhungen typischerweise wesentlich über den Sätzen liegen, die die derzeitigen Obergrenzen von 30% bzw. 10% der Flächenbeiträge "tragen", so erschiene es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, die Gemeinden an einer solchen Spitzenmarge durch eine Anhebung der Obergrenzen des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB anteilig mit dem Eigentümer partizipieren zu lassen. Da es sich bei der Vorteilsausgleichung um ein Institut handelt, das auf Billigkeitserwägung beruht, können zusätzliche Nachweise über durchgängig gestiegene Verfahrenskosten ein zusätzliches Argument sein, um verfassungsrechtlichen Zweifeln einer solchen Erhöhung zu begegnen. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß die derzeitigen Prozentsätze verfassungsrechtlich nicht in der Weise festgeschrieben sind, daß jede Erhöhung die Grenze des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG überschritte. Eine eventuelle Erhöhung muß aber durch belastbare Angaben zu den genannten Punkten legitimiert werden. Ohne eine solche Rechtfertigung ist von gesetzgeberischen Maßnahmen zur Erhöhung der Prozentsätze abzuraten. 2. Erhöhungsbedarf im Gefolge des § 8a BNatSchG
Ein besonderer Grund, die derzeitigen Prozentangaben des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB anzuheben, wird von einigen Stimmen in der Literatur (vgl. Β II 1) aus den umlegungsrechtlichen Folgen des § 8a BNatSchG abgeleitet. Nimmt nämlich zur Zeit der Vorwegabzug nach § 55 Abs. 2 BauGB ca. 20-25% der
C. Flächenbeiträge im Konzept der privatnützigen Umlegung
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Fläche in Anspruch und bleibt den Gemeinden im Höchstrahmen des § 58 BauGB danach noch ein freier Flächenbeitrag von ca. 5-10%, so ist leicht vorhersehbar, daß die Einbeziehung von Ausgleichs- und Ersatzflächen in den Vorwegabzug diese freie Marge schnell aufzehren wird. Schon die verkehrsflächenbedingten Kompensationsansprüche (vgl. 2. Abschnitt C III 1) können einen solchen Effekt haben. Erst recht ist das anzunehmen, wenn man auch den bauflächenbedingten Kompensationsbedarf in den § 55 Abs. 2 BauGB einbezieht (vgl. 2. Abschnitt C III 2). Sieht man im Bedarf nach Ausgleichsund Ersatzflächen ein dem Eingriffsverursacher, d.h. im Regelfall dem Grundeigentümer zuzurechnendes Faktum (vgl. aber auch unter b), dann erscheint es nicht angemessen, daß dieser Umstand die Gemeinden um die Chance eines freien Flächengewinns bringt, der sie im Vorteilsrahmen für ihre Aufwendungen entschädigt. a) Konkrete Regelungsmöglichkeiten Bei allen Überlegungen, hier Abhilfe zu schaffen, wird selbstverständlich vorausgesetzt, daß Flächenabzug und Flächenbeitrag nicht über das hinausgehen dürfen, was den Umlegungsvorteil ausmacht. Flächenreduktionen jenseits dieser stets mitgeschriebenen Vorteilsgrenze wären mit den verfassungsrechtlichen Strukturen der Umlegung unvereinbar und stehen folglich nicht zur Debatte. - Das aufgezeigte Anwachsen des Vorwegabzugs nach § 55 Abs. 2 BauGB könnte zum einen dadurch aufgefangen werden, daß die derzeitigen Prozentsätze des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB entsprechend nach oben verschoben werden. Um welche konkreten Zahlen es dabei zu gehen hätte, muß zunächst durch empirisches Material dargetan werden (vgl. unter 1 c). - Denkbar erschiene es auch, Flächenabzug und Flächenbeitrag innerhalb des § 58 BauGB (wieder) stärker zu entkoppeln. Der Gesetzgeber könnte sich dann darauf beschränken, eine Verteilungsregelung für den nach den Flächenabzügen verbleibenden Umlegungsvorteil zu treffen. Dieses könnte erneut durch Festlegung einer abstrakten Höchstgrenze oder durch ein Splitting geschehen. Eine abstrakte Obergrenze müßte von den Zahlen her sehr deutlich unterhalb der derzeit normierten Sätze liegen. Ob eine solche "Herabsetzung" rechtspolitisch sinnvoll wäre oder nicht bei den an einer Erhöhung interessierten Gemeinden den Eindruck vermitteln müßte, nach einer Gesetzesänderung schlechter als vorher zu stehen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Verfassungsrechtlich wäre eine solche feste Obergrenze mit dem Risiko behaftet, praktisch eine Totalabschöpfung des Umlegungsvorteils zu bewirken und damit eine Beteiligung des Eigentümers an den höheren Margen des Umlegungsvorteils auszuschließen. Jedenfalls müßten entsprechende Sätze
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3. Abschn.: Verfassungsfragen eines erhöhten Flächenbeitrags
Erfahrungswerte reflektieren, die eine Beteiligung der Eigentümer am freien Umlegungsvorteil ermöglichen. Diese Unsicherheiten sprechen dafür, den freien Umlegungsvorteil nach einer Splittingregel zu verteilen und keine Abzugshöchstgrenze vorzusehen. b) Fragen einer Belastungsobergrenze Die vorigen Überlegungen beruhen auf der Annahme, daß der Bedarf an Ausgleichs- und Ersatzflächen den Eigentümern im Umlegungsgebiet ebenso zugerechnet werden kann wie der Bedarf an Erschließungsflächen. Dazu ist ausführlich auf das Verursacherprinzip hingewiesen worden (2. Abschn. A II). Ebenso ist freilich deutlich geworden, daß die entsprechenden Flächen in § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB nur einbezogen werden können, wenn sie eine gebietsadäquate Dimensionierung besitzen. So wichtig es ist, naturschutzrechtliche Belange im Städtebau zu berücksichtigen, so sehr bleiben diese Belange doch in das allgemeine verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip eingebunden. Auch das Naturschutzrecht ist folglich keine Grundlage, übermäßige Belastungen des Grundeigentums zu verlangen. Das Entstehen einer zweiten großen Flächenabzugsmöglichkeit neben den Abzügen für Erschliessungsflächen macht es notwendig, daß der Gesetzgeber die Einzelbelastungen des zur Bebauung vorgesehenen Grundeigentums einmal saldiert und sich die Frage einer "Höchstgrenze für die Gesamtbelastung" ganz allgemein stellt. Diese Problematik hat nicht im Umlegungsrecht ihren systematischen Standort. Sie wird hier nur besonders deutlich. Speziell die Frage einer Abschöpfung oder Verteilung des Umlegungsvorteils wird durch diese allgemeine Problematik zusätzlich erschwert. Ist die Vorteilsabschöpfung eine Frage der Billigkeit, kann nicht außer Ansatz bleiben, daß die naturschutzrechtlich veranlaßten Belastungen des Grundeigentums - unbeschadet ihrer Verwurzelung im Verursacherprinzip - auch im öffentlichen Interesse veranlaßt sind. Erkennt man dieses an, wird man die Obergrenze des § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB nicht leichthin um genau den Betrag hinaufsetzen können, um den sich die Vorwegabzüge aus naturschutzrechtlichen Gründen erhöhen. Die nach heutigem Recht jenseits der Obergrenze liegenden Chancen der Eigentümer, auch ihrerseits am Umlegungsvorteil beteiligt zu werden, würden auf diese Weise einseitig verkürzt. Das Verursacherprinzip bildet zwar die Basis für klare Pflichtenzurechnungen. Daß es allein entscheidend ist, umlegungsbedingte Wertsteigerungen im Rahmen der Billigkeit dem gemeindlichen Konto gutzuschreiben, erscheint dagegen nicht zwingend. Hier entstehen - nicht zuletzt aufgrund des oben geschilderten "Dilemmas unterschiedlicher Rationalitäten" - zusätzliche Unsicherheiten für eine gesetzliche Erhöhung der derzeitigen Obergrenze für Flächenbeiträge.
Zusammenfassung Ι.
1. Die städtebauliche Umlegung nach § 45 ff. BauGB ist ein Institut der Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Sie steht als Typus und Handlungsform nicht unter den Enteignungsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG. Das schließt die analoge Anwendung einzelner enteignungsrechtlicher Standards, z.B. im Falle des § 59 Abs. 2 S. 2 BauGB nicht aus. 2. Das für die eigentumsrechtliche Qualifikation der Umlegung entscheidende Merkmal ist ihre Privatnützigkeit. Umlegungen müssen im wesentlichen Umfange mindestens auch den Interessen der betroffenen Eigentümer dienen (InteressenformelDie Grundsätze wertgleicher und anteilsgleicher Zuteilung (Wertformel) sind nur zusätzliche Erfordernisse. Eine ihnen entsprechende Zuteilung kann einen fehlenden privatnützigen Zweck einer Umlegungsmaßnahme jedoch nicht ausgleichen. Gleiches gilt für den Surrogationsgedanken. 3. Die Privatnützigkeit kann weder von einem höchst konkreten noch von einem abgehobenen abstrakten Ansatz her bestimmt werden. Die Bildung von Zwecktypen und die Bilanzierung vorteilhafter und nachteiliger Faktoren sind zulässig. Eine solche Gesamtbeurteilung darf aber nicht als Instrument mißverstanden werden, die Umlegungszwecke mit sehr pauschalen Wertaussagen aufzufüllen, die von den realen Eigentümerinteressen fernab liegen. Das gilt auch für den Gedanken der Solidargemeinschaft, insofern ihm normativwertende Kriterien implantiert werden sollen. Wo es an einer Interessenhomogenität typischerweise fehlt, kann sie nicht durch Wertungen fingiert werden. 4. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere die Boxberg-Entscheidung, hat die eigentumsverfassungsrechtliche Einordnung der städtebaulichen Umlegung nicht verändert. Art. 14 Abs. 1 GG ist jedoch in seiner bestandserhaltenden Funktion deutlicher herausgearbeitet worden. Im Gefolge dieser Rechtsprechung hat sich gegenüber den mit Umlegungsmaßnahmen standardmäßig verbundenen Vorgängen des Eigentumsentzuges eine "neue Sensibilität" entwickelt. Dieser Umstand macht es unverzichtbar, daß gesetzliche Änderungen des derzeitigen Umlegungsrechts weitere Belastungen oder Verkürzungen der Eigentümerpositionen nur mit großer
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Behutsamkeit vorsehen. Nicht alles, was sich aus städtebaulichen Fachaspekten als sinnvoll darstellen mag, ist geeignet, sich in einer verfassungsgerichtlichen Bewertung als plausibel durchzusetzen ("Dilemma unterschiedlicher Rationalitäten"). Der Gesetzgeber muß folglich erhebliche Sicherheitsmargen einhalten, wenn er nicht die bisherige eigentumsrechtliche Qualifikation der Umlegung gefährden oder die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen riskieren will.
II. 5. Städtebaurecht und Naturschutzrecht sind in den letzten zwei Jahrzehnten eine immer engere Verbindung eingegangen. Die Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die städtebauliche Planung gem. §§ 8a-c BNatSchG läßt den Naturschutz heute als allgegenwärtige Größe im Städtebau erscheinen. "Städtebauliche Gründe" und "naturschutzrechtliche Gründe" lassen sich heute nicht mehr gegeneinander ausspielen. Diese Entwicklung kann auch für Plandurchführungsinstrumente wie die Umlegung nicht ohne Folgen bleiben. 6. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung beruht auf dem Verursacherprinzip. Dieses Prinzip hat sich von Anfang an eigentumsverfassungsrechtlich als Teil der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG ausgewirkt. Es hält den Verursacher des Eingriffs nicht nur zur Beachtung der Vermeidungspflicht, sondern auch zur Erfüllung der Ausgleichs- und Ersatzpflichten an. 7. Die Eingriffsregelung war schon in ihrem seit 1976 geltenden Grundkonzept nicht nur für das Fachplanungsrecht, sondern auch für das Bebauungsrecht der §§29 ff. BauGB beachtlich. Die Vorverlagerung und Konzentration der eingriffsrechtlichen Pflichten in das Stadium der Bauleitplanung, wie sie durch die §§ 8a-c BNatSchG angeordnet worden sind, haben den Gemeinden eine planerische Bewältigungsverantwortung zugewiesen. Sie haben aber an der materiellen Erfüllungsverantwortung der Eigentümer derjenigen Gründstücke, auf denen Eingriffe durch bauliche Anlagen vorgenommen werden sollen, nichts geändert. Die Vorstellung, die Aufbringung der Ausgleichs- und Ersatzflächen sei Sache der Gemeinde und gehe die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke nichts an, entspricht nicht dem Gesetz. 8. Umlegungsrechtlich hat diese Verantwortungszuweisung (vgl. These 7) zur Folge, daß Maßnahmen, die zur Aufbringung von Ausgleichs- und Ersatzflächen im Rahmen der Umlegung vorgenommen werden, grundsätzlich als privatnützige Maßnahmen angesehen werden können. Das Instrument der Umlegung kann folglich auch zur Bewältigung von Folgeproblemen des § 8a
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BNatSchG herangezogen werden, ohne dadurch notwendig seinen Charakter als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu verlieren. 9. Die Verankerung der Eingriffsregelung im Verursacherprinzip legt es nahe, auch für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen "Verursacher-nahe" Lösungen zu suchen. Für den Einsatz der Umlegung ist dieses umso mehr zu beachten, als diese eine reale Interessenhomogenität voraussetzt. Andernfalls kommt es zu unerträglichen Spannungen innerhalb des Privatnützigkeitskonzepts, insofern als Ausgleich- und Ersatzflächen zu schaffen Aufgabe der Eigentümer der Eingriffsgrundstücke, nicht aber der Eigentümer der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzflächen ist. 10. Umlegungsrechtlich lassen sich die Folgen des § 8a BNatSchG daher nur dort bewältigen, wo diese Flächen in einem vorgeprägten Interessenverbund liegen. Dagegen kann die Umlegung dort nicht genutzt werden, wo Ausgleichs- oder Ersatzflächen deutlich abgesetzt liegen und ein eine Solidargemeinschaft formender Interessenverbund der Eigentümer nur schwer konstruiert werden kann. 11. Im vorgezeichneten Rahmen können Ausgleichs- und Ersatzflächen aus der Verteilungsmasse zu regelmäßig privaten Nutzungszwecken gem. § 59 BauGB zugeteilt werden. Die dabei auftretenden Bewertungsfragen sind zu lösen, wenn es gelingt, den Gedanken der Naturschutzpflichtigkeit und der Solidargemeinschaft auch in die Grundstücksbewertung hineinzutragen. Ein Ansatz dazu ist der "Wert eines gedämpften Rohbaulandes", der nicht nach Vergleichspreisen, sondern kalkulatorisch zu ermitteln ist. 12. Ausgleichs- oder Ersatzflächen können auch als Gemeinschaftsanlagen i.S.d. § 61 Abs. 1 S. 2 BauGB zugeteilt werden. Es ist nicht erforderlich, daß im Bebauungsplan eine entsprechende Ausweisung nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB getroffen ist. Die Umlegungsbehörde ist zur eigenständigen Gestaltung befugt. 13. Verkehrsflächenbedingte Ausgleichs- und Ersatzflächen können im Wege des Flächenabzugs nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 (teilweise auch Nr. 2) BauGB ausgesondert werden. Die Privatnützigkeit für die Eigentümer im Umlegungsgebiet folgt aus dem Annexgedanken, insofern es nur um Kompensationsflächen für Eingriffe im Gefolge solcher Verkehrsanlagen geht, die der Erschließung des Gebietes dienen. 14. Für den ohnehin eingeschränkten Funktionsbereich der Umlegung bei der Bewältigung der Folgen des § 8a BNatSchG (vgl. These 10) ist eine Vorwegausscheidung auch der bauflächenbedingten Ausgleichsflächen eigentumsverfassungsrechtlich zulässig. Es ist aber darauf zu achten, daß die entspre-
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chenden Flächen nicht nur "bewohnerdienlich", sondern auch "bedarfsgerecht" sind. De lege lata lassen sich Kompensationsflächen in dem angegebenen Umfang schon heute unter das Tatbestandsmerkmal der "Flächen für Grünanlagen" i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 BauGB fassen. Eine gesetzliche Klarstellung bietet sich allerdings an. 15. § 55 Abs. 5 BauGB kommt nur in sehr begrenztem Umfange zur Bewältigung der Folgeprobleme des § 8a BNatSchG in Betracht. Eine Umlegung, die vorrangig dazu dienen soll, Flächenabzüge für fremdnützige Zwecke zu ermöglichen, ist unzulässig. Unzulässig ist auch eine Anwendung des § 55 Abs. 5 BauGB, die dazu führt, daß das Gros der beteiligten Eigentümer gegen ihren Willen mit Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebietes abgefunden werden müßte. Ausgleichs- und Ersatzflächen, für die ein Bedarf speziell durch öffentliche Einrichtungen ausgelöst worden ist, können nach § 55 Abs. 5 behandelt werden. Ihre Einbeziehung sollte allerdings gesetzlich klargestellt werden. Bauflächenbedingte Ausgleichs- oder Ersatzflächen werden systematisch richtiger nach § 55 Abs. 2 und nicht nach Abs. 5 behandelt.
III. 16. Flächenreduktionen gehören zum traditionellen Bild der Umlegung. Das ältere Umlegungsrecht benutzte sie vorrangig i.S. des heutigen Flächenabzugs als Instrument, um Verkehrs- und Erholungsflächen dem Erschliessungsträger vorab zuzuweisen. Die in diesem Zusammenhang gesetzlich angeordneten Obergrenzen für Abzüge hatten die Funktion, die Grenze der entschädigungslosen Landaufbringung festzulegen. Das Baugesetzbuch verbindet wie schon das Bundesbaugesetz das Institut des Flächenabzugs dagegen mit dem eines Flächenbeitrags, durch den entstehende Umlegungsvorteile ausgeglichen werden sollen. Die Obergrenzenregelung, wie sie heute in § 58 Abs. 1 S. 2 BauGB enthalten ist, hat in einer solchen Verbindung gegenüber dem früheren Recht eine geänderte Funktion. 17. Vorteilsausgleichende Flächenbeiträge beruhen auf Billigkeitsüberlegungen, die an die Aufwendungen der Allgemeinheit bei der Durchführung der Umlegung anknüpfen. Der Gedanke des Vorteilsausgleichs läßt sich in ein privatnütziges Konzept der Umlegung einfügen; er ist jedoch mit diesem Konzept keineswegs notwendig verbunden. 18. Die Abschöpfung jedes Umlegungsvorteils durch einen unbegrenzten Flächenbeitrag ist mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Das Umlegungsrecht kann die Interessen der Eigentümer nicht auf die Erlangung eines wertgleichen Baugrundstücks reduzieren, während die Gemeinde neben dem
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Bodenordnungsinteresse auch noch ein Flächengewinnungsinteresse realisieren kann. Die Festlegung von Obergrenzen fur den Flächenbeitrag besitzt folglich verfassungsrechtliche Relevanz. Obergrenzen können durch eine Verwendungsbindung der über den Flächenbeitrag gewonnenen freien Flächen in ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung nicht substituiert werden. 19. Die Prozentsätze der derzeitigen Obergrenzenregelung sind verfassungsrechtlich nicht fixiert. Sie können als Mindestregelungen als rechtlich akzeptiert gelten. Sachlich beruhen sie dagegen auf sehr unsicheren "Erfahrungswelten". Der Gesetzgeber, der eine Erhöhung der Obergrenze beabsichtigt, muß neue gesicherte Erfahrungswerte über umlegungsbedingte Werterhöhungen vorlegen. 20. Erhöhen sich im Gefolge des § 8a BNatSchG die Flächenabzüge nach § 55 Abs. 2 BauGB, so kann das dazu fuhren, daß freie Flächenbeiträge im Obergrenzenrahmen nicht mehr verfügbar sind. Für eine Änderung eines solchen Zustandes spricht die Tatsache, daß der Bedarf an Ausgleichs- und Ersatzflächen nach dem Verursacherprinzip durch die Eigentümer der Eingriffsgrundstücke ausgelöst ist. Der Erhalt eines freien Flächenbeitrags kann gesetzgeberisch durch eine Erhöhung der Obergrenze oder dadurch erreicht werden, daß Flächenabzug und Flächenausgleich aus ihrem derzeitigen Junktim der gemeinsamen Obergrenze gelöst werden. Auch für solche gesetzgeberischen Schritte ist es notwendig, daß sie durch neue Erfahrungswerte abgesichert werden. 21. Ungeachtet der durch das Verursacherprinzip bestimmten Eigentümerverantwortlichkeit darf es durch das Naturschutzrecht nicht zu einer unverhältnismäßigen Gesamtbelastung der zur Bebauung anstehenden Grundstücke kommen. Die erforderliche Bilanzierung der Eigentümerlasten gehört zwar systematisch nicht in das Umnlegungsrecht. Der hier deutlich werdende Zumutbarkeitsgedanke belastet Pläne zur Erhöhung der Obergrenzen für Flächenbeiträge jedoch mit zusätzlichen Rechtsunsicherheiten.
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Die
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der
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