124 59 16MB
German Pages 249 Year 1989
FERDINAND KUCHLER Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauphanungsrecht
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M i c h a e l
Band 13
K l o e p f e r , Trier
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den Vorschriften des Baugesetzbuches über die Zulässigkeit von Vorhaben und die Bauleitplanung
Von Dr. Ferdinand Kuchler
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Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kuchler, Ferdinand: Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht: das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den Vorschriften des Baugesetzbuches über die Zulässigkeit von Vorhaben und die Bauleitplanung / von Ferdinand Kuchler. Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 13) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06795-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-06795-9
Meinen Eltern
Vorwort § 8 BNatSchG, die Regelung über Eingriffe in Natur und Landschaft, wurde schon bald nach dem Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes am 24. 12. 1976 in der einschlägigen Literatur als eine der wichtigsten Vorschriften des gesamten Naturschutzrechts bezeichnet. Dieser Qualifizierung steht eine erstaunlich geringe Zahl von Gerichtsentscheidungen gegenüber, die sich mit der Bedeutung der Vorschrift für die Lösung konkreter Fälle auseinandersetzen. Das sich hierin zeigende Vollzugsdefizit rührt daher, daß die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung neben ihrer theoretischen Bedeutung zugleich eines der kompliziertesten Institute des Naturschutzrechts darstellt. Schwierige Rechtsfragen stellen sich sowohl bei der Interpretation der Eingriffsregelung selbst, da der Gesetzgeber hier eine Vielzahl neuartiger unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet hat, als auch bei der Frage, in welchem Verhältnis die Anforderungen der Vorschrift zu denen anderer, im konkreten Fall ebenfalls einschlägiger, Rechtsmaterien stehen. Während das Verhältnis der Eingriffsregelung zum Fachplanungsrecht bereits Gegenstand einiger Untersuchungen war, wurde das Verhältnis der Eingriffsregelung zum Bauplanungsrecht, auch im Rahmen der Diskussion um die Novellierung des Naturschutzrechts, bislang mit Recht als ungeklärt bezeichnet. Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, diesem Defizit abzuhelfen. Sie wurde im Sommersemster 1989 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind in der vorliegenden Fassung bis September 1989 berücksichtigt. Mein herzlicher Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl, der die Arbeit angeregt und betreut hat. Als sein Mitarbeiter habe ich über Jahre stetige menschliche und wissenschaftliche Förderung erfahren. Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich gilt mein aufrichtiger Dank den Herren Andreas Härtung und Hansjörg Melchinger für ihre Hilfe bei der Bewältigung der Probleme elektronischer Textverarbeitung. Freiburg, im Oktober 1989 Ferdinand Kuchler
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung 1. Kapitel Einleitung und Problemstellung
17
A.
Einleitung
17
B.
Problemstellung
19
C.
Zum Gang der Untersuchung
21
2. Teil Verfassungsrechtliche Grundlagen 2. Kapitel Das grundsätzliche Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht
23
A.
Das Problem: Anwendbarkeit des Naturschutzrechts neben dem Bauplanungsrecht
23
B.
Lösungsansätze I.
26
1.
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsprechung
26
2.
Die Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
27
a)
BVerwG I V C 77.68 vom 12. 6. 1970; B V e r w G E 35, 256
27
b)
BVerwG 4 C 12.76 vom 24. 2. 1978; B V e r w G E 55, 272
28
c)
BVerwG 4 C 21.79 vom 13. 4. 1983; B V e r w G E 67, 84
30
3. II.
26
Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
Zusammenfassung
32
Kritik und eigener Ansatz
34
1.
34
Kritik a)
Funktioneller Naturschutz und Bodenrecht
34
b)
Vorrang des Planungsrechts
38 38
c) 2.
aa)
Unanwendbarkeit anerkannter Kollisionsregeln
bb)
Die Bedeutung des Art. 14 G G
41
cc)
Naturschutzrechtliche Vorschriften als Belange
42
Die Bedeutung des § 29 Satz 4 BauGB
Eigener Ansatz
46 48
10
Inhaltsverzeichnis a) b)
Grundsatz Gültigkeitsvoraussetzungen naturschutzrechtlicher Vorschriften
48
aa)
48
bb)
C.
48
Gesetzliche Voraussetzungen Verfassungsrechtliche Voraussetzungen
49
(1)
A r t . 14 G G als Maßstab
49
(2)
Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
(3)
Entschädigung
....
50 52
Fazit
57
3. Teil Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in den einzelnen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbeständen 3. Kapitel Qualifiziert beplanter Bereich, § 30 BauGB
58
A.
Bauleitplanung als verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht
58
B.
Grenzen der Planungshoheit
59
I.
Ziele und Grundsätze der Bauleitplanung
59
1.
59
2.
Überblick Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen als generelles Planungsziel, § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB
3.
II.
C.
60
Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Planungsleitlinien, § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB
61
4.
Die Bodenschutzklausel, § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB
62
5.
Die Umwidmungssperrklausel, § 1 Abs. 5 Satz 4 BauGB
64
Das Abwägungsgebot
64
1.
Anforderungen
64
2.
Abstrakter Vorrang einzelner Belange in der Abwägung ?
66
3.
Das Problem der Informationsgewinnung
68
4.
Das Gebot der Konfliktbewältigung
70
Der Inhalt der Bauleitpläne I. II.
75
Darstellungen und Festsetzungen Naturschutzrechtlich relevante Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten
75 ...
76
1.
Auch naturschutzrechtlich relevante Möglichkeiten
76
2.
Spezifisch naturschutzrechtlich relevante Möglichkeiten
77
a)
§ 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB
77
b)
§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB
78
D.
Ausnahmen und Befreiungen
79
E.
Fazit
81
Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
83
A.
83
Funktion und Geltungsbereich des § 34 BauGB I. II.
Funktion
83
Geltungsbereich
84
1.
84
2. B.
Bebauungszusammenhang
84
b)
Ortsteil
85
Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB
Die Zulässigkeitstatbestände des § 34 BauGB I.
II.
87
Der Grundtatbestand, § 34 Abs. 1 BauGB
87
Das Einfügungsgebot
87
2.
Weitere Voraussetzungen
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 34 Abs. 2 BauGB
2. III.
85
1.
1.
89 90
Die grundsätzliche Bedeutung der Vorschriften der Baunutzungsverordnung, § 34 Abs. 2,1. Halbsatz BauGB
90
Ausnahmen und Befreiungen, § 34 Abs. 2, 2. Halbsatz BauGB
90
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 34 Abs. 3 BauGB 1.
C.
Im Zusammenhang bebauter Ortsteil a)
92
Die grundsätzliche Bedeutung des § 34 Abs. 3 BauGB im System der bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände
92
2.
Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 BauGB
94
3.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im einzelnen
95
Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen des § 34 BauGB I.
96
Der Grundtatbestand; zur Tauglichkeit des Einfügungsgebots
96
1.
Die Ansicht des Gesetzgebers
96
2.
Kritik
97
II.
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB
101
III.
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB
102
5. Kapitel Außenbereich, § 35 BauGB
104
A.
Funktion und Geltungsbereich des § 35 BauGB
104
B.
Die Systematik des § 35 BauGB: privilegierte und nichtprivilegierte Vorhaben
105
C.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im einzelnen
106
I. II.
Die öffentlichen Belange
106
Die sog. "nachvollziehende Abwägung"
107
12
Inhaltsverzeichnis III.
IV. D.
Sonderregelungen: "Raumbedeutsame Vorhaben", § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB und "begünstigte Vorhaben", § 34 Abs. 4 BauGB
112
1.
Raumbedeutsame Vorhaben
112
2.
Begünstigte Vorhaben
113
Die Verpflichtung zu einer den Außenbereich schonenden und flächensparenden Bauweise, § 35 Abs. 5 BauGB
114
Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen des § 35 BauGB I. II.
115
Die grundsätzliche Bedeutung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege
115
Insbesondere: Die Neuregelungen des Baugesetzbuches
116
4. Teil Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen 6. Kapitel Die Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrahmenrecht
119
A.
Die Normstruktur der Eingriffsregelung
119
B.
Die formelle Voraussetzung: behördliche Entscheidung nach anderen Rechtsvorschriften, § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG
C.
121
Die materiellen Voraussetzungen: die Legaldefinition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" in § 8 Abs. 1 BNatSchG I. II.
Der restriktive Ansatz der Eingriffsregelung
121 121
Die Voraussetzungen im einzelnen
123
1.
123
Der Ausgangspunkt: Die Inanspruchnahme von Grundflächen a)
Veränderungen der Grundflächengestalt
123
b)
Veränderung der Grundflächennutzung
124
c)
Insbesondere: Bauliche Anlagen und andere bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtige Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB
2.
Die erforderlichen Auswirkungen a)
Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts
126
aa)
Naturhaushalt
126
bb)
Leistungsfähigkeit
127
Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung
128
cc)
b)
124 126
(1)
Beeinträchtigung
128
(2)
Erheblich oder nachhaltig
129
Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes
130
aa)
130
Landschaftsbild
Inhaltsverzeichnis
c) d)
bb) Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung
131
Möglichkeit der Beeinträchtigungen
132
Insbesondere: Bauliche Anlagen und andere bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben
D.
133
Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu anderen umweltrelevanten Gesetzen am Beispiel von BImSchG und W H G I.
Das Problem
133 133
II.
Lösungsansätze
133
III.
Kritik
135
7. Kapitel Die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsregelung in den Landesnaturschutzgesetzen
138
A.
Einführung
138
B.
Die rahmenrechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes I. II.
C.
§ 8 BNatSchG als Richtlinie für die Landesgesetzgeber Der Spielraum der Länder bei der Umsetzung
140
1.
Die allgemeine verfassungsrechtliche Regelung
140
2.
Die Bedeutung des § 8 Abs. 8 BNatSchG
Die Eingriffsregelung in den Ländergesetzen I.
Die Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft"
141 143 143
1.
Bundesrechtskonforme Regelungen
143
2.
Mit dem Bundesrahmenrecht unvereinbare Regelungen
144
a)
Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern
144
b)
§ 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ
145
aa)
Der Verzicht auf das Merkmal der "Nachhaltigkeit" der Beeinträchtigungen
bb)
Die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den
cc) c)
145
Außenbereich
146
(1)
Verstoß gegen § 8 Abs. 1 BNatSchG
146
(2)
Überschreitung der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG
146
(a)
146
(b)
II.
139 139
Wortlaut Das erforderliche Regel-Ausnahme-Verhältnis
147
(aa)
Unbeplanter Innenbereich
147
(bb)
Beplanter Bereich
148
Ergebnis
§ 10 Abs. 2 und 3 NatSchG Bad.-Württ
Die Positiv- und Negativlisten in den Ländergesetzen
149 149 149
14
D.
Inhaltsverzeichnis 1.
Positivlisten
2.
Negativlisten
151
a)
151
§ 9 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NatSchG Hamburg
149
b)
§ 9 Abs. 3 NatSchG Hamburg
152
c)
§ 4 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 L G N R W
153
Fazit
154
& Kapitel Die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung
155
A.
Übersicht
155
B.
Verursacherprinzip I. II.
C.
157
Der Umfang der Verursacherhaftung
158
Die Verpflichtung zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1,1. A l t . BNatSchG I. II. III.
IV. D.
159
Technisch-fachliche Optimierungspflicht
159
Verbot vermeidbarer Eingriffe ?
162
Grenzen des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen
165
1.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
165
2.
Systematischer Vorbehalt des § 8 Abs. 3 BNatSchG
Teilweise Vermeidbarkeit
167 168
Die Verpflichtung zum Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. A l t . BNatSchG I. II.
169
Der Begriff des "Ausgleichs"
169
Ausgleichsmaßnahmen
170
III.
Räumliche oder funktionelle Begrenzung ?
172
IV.
Grenzen der Ausgleichspflicht
174
1. 2.
V. E.
157
Der Verursacherbegriff der Eingriffsregelung
Verhältnismäßigkeit und systematischer Vorbehalt . des § 8 Abs. 3 BNatSchG Erforderlichkeit in bezug auf die Ziele des Naturschutzes
174
und der Landschaftspflege
174
Frist
176
Die Untersagung des Eingriffs gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG I. II.
177
Einführung
177
Die Voraussetzungen der Untersagungsermächtigung
178
1.
2.
Objektive Unvermeidbarkeit und Unausgleichbarkeit von Beeinträchtigungen
178
Die Abwägungsklausel
179
a)
179
Grundsätzliche Bedeutung
Inhaltsverzeichnis b)
c) III. F.
Berücksichtigung möglicher Ausgleichsmaßnahmen in der Abwägung
183
Planerische Gestaltungsfreiheit ?
185
Ermessen ?
186
Weitergehende Vorschriften, § 8 Abs. 9 BNatSchG I.
Ersatzmaßnahmen 1.
Einführung
187
Die bundesrahmenrechtlichen Vorgaben
188
a)
Der Begriff der "Ersatzmaßnahmen*
188
b)
Grenzen der Pflicht zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen
190
Die Regelungen des Landesrechts im einzelnen
192
1.
193
Alternative Ausgleichsabgaben Subsidiäre Ausgleichsabgaben
194
a)
Übersicht
194
Zulässigkeit
194
b)
aa)
Vereinbarkeit mit § 8 Abs. 9 BNatSchG
195
bb)
Verfassungsrechtliche Zulässigkeit
195
Das Verhältnis "weitergehender Regelungen" gem. § 8 Abs. 9 BNatSchG zur Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG
G.
H.
191
Ausgleichsabgaben
2.
III.
187
2.
3. II.
187
Erfassung der Beeinträchtigungen
198 199
I.
Das tatsächliche Problem
199
II.
Rechtliche Konsequenzen
203
1.
Entscheidung nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis
203
2.
Verhältnismäßigkeit des Aufwandes
204
3.
Beurteilungsspielraum der Behörde ?
204
Fazit
206
5. Teil Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht 9. Kapitel Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den einzelnen Genehmigungstatbeständen des Bauplanungsrechts und zur Bauleitplanung
208
A.
Einführung
208
B.
Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 30 BauGB und zur Bauleitplanung
211
I. II. III.
Die Bedeutung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG
211
Abweichendes Landesrecht, § 8 Abs. 5 LPflegG Schl.-Holstein
213
Die Bedeutung der Eingriffsregelung im Rahmen der Bauleitplanung
215
16
Inhaltsverzeichnis
IV.
V.
1.
Der Bebauungsplan als Fachplan ?
215
2.
Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung
217
3.
Konsequenzen
219
Die Bedeutung der Eingriffsregelung im Rahmen der Entscheidungen gem. § 31 BauGB
224
Fazit
225
C.
Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 34 BauGB
226
D.
Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 35 BauGB
227
I. II.
Nichtprivilegierte Vorhaben, § 35 Abs. 2 BauGB
228
Privilegierte Vorhaben, § 35 Abs. 1 BauGB
229
Zusammenfassende Thesen
231
Literaturverzeichnis
237
1. Teil
Einführung 7. Kapitel
Einleitung und Problemstellung
A. Einleitung A m 24. 12. 1976 trat nach einer langwierigen Entstehungsgeschichte,1 die sich über zwei Legislaturperioden erstreckt hatte und u. a. mit dem vergeblichen Versuch der damaligen Bundesregierung verbunden war, die Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu überführen, 2 das "Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG)" 3 als Bundesrahmengesetz auf der Grundlage des Art. 75 Nr. 3 GG in Kraft. Der Erlaß einer bundesgesetzlichen, wenn auch nur rahmenrechtlichen Regelung war aus zwei Gründen nötig geworden: Steigendes Umweltbewußtsein seit Ende der sechziger Jahre hatte bei allen Gesetzgebungsorganen des Bundes und der Länder 4 zu der Erkenntnis geführt, daß aufgrund des fortschreitenden Wandels in der Nutzung der Landschaft und ihrer natürlichen Faktoren infolge zunehmender Technisierung und Industrialisierung sowie der wachsenden Mobilität der Bevölkerung Naturgüter wie Luft, Wasser und Boden ständig steigender Belastung ausgesetzt waren mit der Folge, daß das Gleichgewicht des Naturhaushalts
1 Die Entstehungsgeschichte des Bundesnaturschutzgesetzes ist bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt worden; vgl. Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, Vorbemerkungen, Rdnr. 10 ff; Bernatzky/Böhm, BNatSchG, Einleitung, S. 4 ff; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 164 ff. 2
Vgl. BT-Drs. 7/885.
3
BGBl. I, S. 3574, ber. BGBl. 1977 I, S. 650.
4 Auch auf internationaler Ebene wurde dem Naturschutz zunehmende Bedeutung beigemessen; so wurde beispielsweise das Jahr 1970 als Europäisches Naturschutzjahr ausgerufen; vgl. Bernatzky/Böhm, BNatSchG, Einleitung, S. 6.
18
1. Teil: Einführung
bereits erheblich gestört und teilweise die Grenzen seiner Belastbarkeit erreicht waren. Es bestand aufgrund dieser Entwicklungen Übereinstimmung, daß das rechtliche Instrumentarium des Reichsnaturschutzgesetzes vom 26. 6. 19355, das sich im wesentlichen darauf beschränkte, einzelne, besonders wertvolle Bestandteile von Natur und Landschaft zu bewahren, das für aktive Pflege und Gestaltung der Landschaft in ihrer Gesamtheit jedoch keine Rechtsgrundlage zur Verfügung stellte, den gewandelten Anforderungen an ein modernes Naturschutzrecht nicht mehr genügte und daher in wesentlichen Punkten geändert und verbessert werden mußte. 6 Aufgrund der Verzögerungen beim Erlaß des Bundesnaturschutzgesetzes hatten im Jahr 1973 die Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein und im Jahr 1975 das Land BadenWürttemberg eigene Landesnaturschutzgesetze erlassen; 7 dies war verfassungsrechtlich möglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. 10. 19588 festgestellt hatte, daß das Reichsnaturschutzgesetz nur als Landesrecht fortgalt und somit zur Disposition der Landesgesetzgeber stand. Diese landesgesetzgeberischen Aktivitäten führten jedoch innerhalb kurzer Zeit zu einer Rechtszersplitterung erheblichen Ausmaßes. 9 Die Notwendigkeit, durch ein Bundesrahmengesetz ein gewisses Maß an Rechtseinheit wiederherzustellen, wurde aus diesen Gründen allgemein anerkannt. Wiederum waren es zwei Bundesländer, Bayern und Hessen, die bereits eigene Landesnaturschutzgesetze erlassen hatten, die am 24. 2. 1975 im Bundesrat den Gesetzentwurf eines Bundesnaturschutzgesetzes als Rahmengesetz einbrachten. Diese Vorlage bildete, mit einigen Änderungen aufgrund abweichender Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates sowie des federführenden Ausschusses des Bundestages für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 10 die Grundlage des am 24. 12. 1976 in Kraft getretenen Bundesnaturschutzgesetzes.
5
RGBl. I, S. 821.
6 Vgl. die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum bayerischen Naturschutzgesetz von 1972, LT-Drs. 7/3007, zum baden-württembergischen Naturschutzgesetz von 1975, LT-Drs. 6/6200 sowie den Ausschußbericht zum Entwurf des Bundesnaturschutzgesetzes, BTDrs. 7/5251, insbesondere S. 3. 7 Vgl. die Zusammenstellung bei Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, Vorbemerkungen, Rdnr. 14. 8
BVerfGE 8,186.
9 Henneke, Landwirtschaft Einleitung, S. 7. 10
und Naturschutz, S. 166; Bernatzky/Böhm,
Ausführlich hierzu Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 166,167.
BNatSchG,
1. Kap.: Einleitung und Problemstellung
19
Nach übereinstimmender Auffassung der Gesetzgeber 11 sowie der einschlägigen juristischen Literatur 1 2 bildet einen der Schwerpunkte des neuen Naturschutzrechts die sog. "naturschutzrechtliche Eingriffsregelung", die ihre rahmenrechtliche Regelung in § 8 BNatSchG gefunden hat und von allen Landesnaturschutzgesetzen, teilweise allerdings mit einigen nicht unwesentlichen Abweichungen, 13 in Landesrecht umgesetzt wurde. 1 4 Aufgrund ihres nicht auf bestimmte, im einzelnen festgelegte Schutzgebiete oder Schutzobjekte beschränkten Geltungsbereichs stellt diese Vorschrift die eigentliche, von dem modernen Naturschutzrecht angestrebte 15 Überwindung des dem Reichsnaturschutzgesetz zugrundeliegenden "Reservatsdenkens" 16 dar und begründet damit erstmals einen "flächendeckenden Mindestschutz" 17 für Natur und Landschaft.
B. Problemstellung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG nur anwendbar, wenn das geplante Vorhaben bereits nach anderen Rechtsvorschriften genehmigungspflichtig ist; gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG erfolgt auch die Umsetzung der Anforderungen der Eingriffsregelung nicht in einem eigenen naturschutzrechtlichen Verfahren, sondern durch die fachgesetzlich zuständige Behörde im Rahmen des anhängigen Verwaltungsverfahrens. Die Länder haben insoweit inhaltlich übereinstimmende Vorschriften erlassen. 18 Dieses sog. "Huckepackverfahren", 19 das nach der Intention des Gesetzgebers der Verfahrensvereinfachung und
11 Vgl. BT-Drs. 7/5251, S. 4 sowie die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des bayerischen Naturschutzgesetzes, LT-Drs. 7/3007. 12 Vgl. nur Müller, NJW 1977, 925; Pielow, N u R 1979, 15; ders. N u R 1987, 165; Schroeter, DVB1. 1979, 14; Breuer, N u R 1980, 89, 90; Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 521; Künkele/Heiderich, NatSchG BW, vor § 10, Rdnr. 1; Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, Einführung, S. 5; kritisch allerdings für den Bereich des Fachplanungsrechts Erbguth/Püchel, N u R 1984, 209. 13 Zur Frage deren rechtlicher Zulässigkeit vgl. insbesondere Kapitel 7, S. 143 ff sowie Kapitel 9, S. 213 f. 14 Vgl. §§ 10 - 12 NatSchG BW; Art. 6 - 6 b NatSchG Bay.; §§ 14, 15 NatSchG Bln.; §§ 11 - 15 NatSchG Bremen; § § 9 - 1 2 NatSchG Hamb.; § § 5 - 8 NatSchG Hessen; § § 7 - 1 6 NatSchG Nds.; §§ 4 - 6 L G N R W ; § § 4 - 6 LPflG Rh.-Pf.; §§ 10 - 16 NatSchG Saarl; § § 7 - 1 0 LPflegG S.-H. 15 S. o. S. 18. 16
Pielow, N u R 1979,15; Gassner, N u R 1984, 81.
17 So die Formulierung im Bericht des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, BT-Drs. 7/5251, S. 4. 18
S. u. Kapitel 6, S. 121 f.
19
Sc Gassier, N u R 1984, 81.
20
1. Teil: Einführung
Verfahrenskonzentration dienen sollte, wirft die Frage auf, wie sich die Voraussetzungen der fachgesetzlichen Vorschriften und der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zueinander verhalten; zu klären ist, ob die Vorschriften überhaupt nebeneinander anwendbar sind und wenn ja, inwieweit sie zu verschiedenen Ergebnissen über die Zulässigkeit eines Vorhabens führen. Die Frage wird insbesondere dann relevant, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereits in dem einschlägigen Fachgesetz selbst Berücksichtigung gefunden haben, wie dies beispielsweise im gesamten Fachplanungsrecht, aber auch im Bauplanungsrecht 22 der Fall ist; eine ausdrückliche Regelung dieses Problems findet sich weder im Bundesnaturschutzgesetz noch in den Naturschutzgesetzen der Länder. Während das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu Planungsentscheidungen, inbesondere aufgrund von Vorschriften des Fachplanungsrechts, schon kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes und der Ländernaturschutzgesetze Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen 23 und, wenn auch angesichts der in der Literatur konstatierten "tiefgreifenden Modifizierung der rechtlichen Maßstäbe" 24 erstaunlich weniger, 25 gerichtlicher Entscheidungen 26 war, fehlt es in der Literatur beinahe völlig an Untersuchungen, welche Bedeutung der 20
Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 15; Pielow, N u R 1979, 15,16.
21 22
Vgl. Breuer, N u R 1980, 89 m. w. H. Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 7; § 35 Abs. 3, 5. Spiegelstrich BauGB.
23 Vgl. Naser, BWVPr. 1976, 270; Emonds/Kolodziecjok, N u L 1977, 35; Gassner, N u L 1979, 329; Fickert, BayVBl. 1978, 681; Schroeter, DVB1. 1979,14; Breuer, N u R 1980, 89; Lang, BayVBl. 1981, 679; Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 523 ff; Steinberg, N u R 1983, 169; Gassner, N u R 1984, 81; Erbguth/Püchel, N u R 1984, 209, 213, 214. Die Ausführungen kreisen im wesentlichen ausschließlich um die Frage, ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Rahmen des Fachplanungsrechts als "Planungsleitsatz" oder als "abwägungserheblicher Belang" zu berücksichtigen sei; auch nach der Präzisierung dieser Begriffe durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B V e r w G E 71, 163) hat sich insoweit jedoch keine übereinstimmende Auffassung gebildet; vgl. nur Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177, 184 einerseits (abwägungserheblicher Belang) und Paetow, N u R 1986, 144,147 andererseits (Planungsleitsatz). 24
Breuer, N u R 1980, 89, 90; Gassner, NuR 1984, 81.
25
Diese Feststellung treffen auch Gaentzsch, N u R 1986, 89 und Paetow, N u R 1986, 144.
26 Berücksichtigt wurde die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung insbesondere in einigen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Fernleitungen, vgl. V G Karlsruhe, N u R 1980, 34; N u R 1983, 74 und die hierzu ergangene Berufungsentscheidung V G H Bad.-Württ., N u R 1983, 276 sowie in mehreren Urteilen über die Rechtmäßigkeit wasserrechtlicher Planfeststellungen; vgl. V G Ansbach, N u R 1981, 177; O V G Koblenz, N u R 1981, 29; V G Würzburg, N u R 1982, 35; O V G Bremen, N u R 1984, 310; V G H München, N u R 1986, 122; eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis der zusammentreffenden fachgesetzlichen und naturschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfolgte allerdings nur in zwei Entscheidungen des V G H Bad.-Württ; vgl. V G H Bad.-Württ., DVB1. 1986, 364 (die Entscheidung betrifft ebenfalls ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren; hierzu Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177) sowie V G H Bad.-Württ., VB1BW 1989, 61 mit A n m . Kuchler (die Entscheidung betrifft ein fernstraßenrechtliches Planfeststellungsverfahren).
1. Kap.: Einleitung und Problemstellung
21
Eingriffsregelung im Rahmen von gebundenen Entscheidungen zukommt. Dies gilt - soweit ersichtlich - in noch höherem Maße für Gerichtsentscheidungen; soweit sie die Eingriffsregelung überhaupt berücksichtigen, setzen sie sich mit der - logisch vorrangigen - Problematik des Verhältnisses von fachgesetzlichen und naturschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nicht auseinander. 28 Erstaunlich ist dies insbesondere für das Gebiet des Baurechts, da beinahe alle aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG von den Ländern erlassenen sog. "Positivlisten bauliche Anlagen, jedenfalls im Außenbereich, sowie Abgrabungen und Aufschüttungen, für die gem. § 29 Satz 3 BauGB die §§ 30 bis 37 BauGB entsprechend gelten, ausdrücklich nennen und damit das Vorliegen eines Eingriffs in Natur und Landschaft, teilweise sogar unwiderleglich, vermutet wird. Die sich damit zwangsläufig stellende Frage nach dem Verhältnis von naturschutzrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen im Rahmen einer gebundenen Verwaltungsentscheidung ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
C. Zum Gang der Untersuchung Untersucht man das gegenseitige Verhältnis mehrerer Genehmigungsvoraussetzungen, die aufgrund verschiedener Rechtsnormen an ein Vorhaben gestellt werden, so sind zwei grundsätzliche Fragestellungen zu unterscheiden: Z u prüfen ist zunächst, ob die Vorschriften aus rechtlichen Gründen überhaupt nebeneinander Anwendung finden können. Dies ist nicht der Fall, wenn die eine Regelung bereits aus Gründen der Spezialität, aufgrund der Grundsätze der Normhierarchie oder anderer anerkannter Kollisionsregeln verdrängt wird; in diesem Fall ist über die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens ausschließlich nach der spezielleren oder höherrangigen Vor-
27 Ein erster Versuch findet sich bei Gaentzsch, NuR 1986, 89, der seine Ausführungen allerdings selbst als "keineswegs gesicherte Erkenntnisse" bezeichnet. Z u m Verhältnis von baurechtlicher Genehmigung und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung noch Schulte, VerwArch. 1986, 372 ff und Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 185 ff (dort allerdings ausschließlich zur Rechtslage aufgrund des Berliner Naturschutzgesetzes); beide Veröffentlichungen kommen - nach der hier vertretenen Auffassung - wie die folgende Untersuchung zeigen wird, jedoch zu überwiegend unzutreffenden Ergebnissen. Speziell zur Bedeutung der Eingriffsregelung für die Bauleitplanung schließlich Louis/Klatt, N u R 1987, 347 ff. 28 Vgl. BVerwG, N V w Z 1986, 639; O V G Münster, N u R 1981, 106; O V G Lüneburg, N u R 1982, 74; V G H Bad.-Württ., N u R 1984, 102; O V G Koblenz, N u R 1985, 239; V G H Kassel, N u R 1986, 31; ders. N u R 1986, 683; V G Aachen, N u R 1982, 200; alle Entscheidungen betreffen bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtige Vorhaben. 29 Ausführlich zur Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG und ihrer Umsetzung in den Landesnaturschutzgesetzen Kapitel 7, S. 141 ff.
22
1. Teil: Einführung
schrift zu entscheiden. Ist dies nicht der Fall, sind die Vorschriften also nebeneinander anwendbar, so stellt sich die weitere Frage, ob und inwieweit ihre Anwendung zu tatsächlich unterschiedlichen Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorhabens an sich und seine konkrete Ausführung führt. Sind die Maßstäbe aller Regelungen identisch, so ist die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander ohne praktischen Wert. Diese Überlegung liegt dem weiteren Aufbau dieser Arbeit zugrunde. Im folgenden 2. Teil wird daher zunächst der Frage des grundsätzlichen rechtlichen Verhältnisses von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht nachgegangen. Im 3. und 4. Teil ist sodann zu untersuchen, welche Anforderungen aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einerseits die einzelnen bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände, andererseits die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung an ein Vorhaben stellen. Dabei ist für das Naturschutzrecht zu berücksichtigen, daß die bundesrechtliche Regelung nur eine rahmenrechtliche Vorschrift darstellt, die für die Länderregelungen zwar bestimmte, im einzelnen ebenfalls zu untersuchende, Vorgaben mit sich bringt, daß die für die zuständigen Genehmigungsbehörden verbindlichen Regelungen jedoch, jedenfalls soweit diese den bundesrechtlichen Rahmen nicht überschreiten, in den Landesnaturschutzgesetzen getroffen worden sind. 3 0 Der 5. Teil der Arbeit dient schließlich dem Vergleich der im 3. und 4. Teil erarbeiteten Ergebnisse; diese bilden unter Berücksichtigung des im 2. Teil entwickelten rechtlichen Verhältnisses von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht die Grundlage, auf der die tatsächliche Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtige Vorhaben dargestellt werden kann.
30 Aus diesem Giunde wird es der Problematik nicht gerecht, "der Einfachkeit halber" allein das Verhältnis von § 8 BNatSchG, also der rahmenrechtlichen Regelung, zu den Vorschriften des Bauplanungsrechts zu untersuchen; so aber ausdrücklich Schulte, VerwArch. 1986, 372, 373 und Gaentzsch, N u R 1986, 89, 90.
2. Teil
Verfassungsrechtliche Grundlagen 2. Kapitel
Das grundsätzliche Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht
A. Das Problem: Anwendbarkeit des Naturschutzrechts neben dem Bauplanungsrecht Sowohl das Naturschutzrecht, d. h. die rahmenrechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und die in deren Ausfüllung ergangenen Vorschriften der Naturschutzgesetze der Länder, als auch das im Baugesetzbuch geregelte Bauplanungsrecht enthalten Aussagen über die Bedeutung der "Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege". Hervorzuheben sind unter den Vorschriften des Bauplanungsrechts die Regelungen des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 sowie des § 35 Abs. 3, 5. Spiegelstrich BauGB, worin die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ausdrücklich genannt und damit für die Bauleitplanung - und somit, über die Vorschrift des § 30 BauGB, auch für die Frage der Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans - sowie für die Prüfung der Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben für entscheidungserheblich erklärt werden. Darüberhinaus sind die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, jedenfalls nach der Ansicht des Gesetzgebers, 1 trotz der gegenüber § 34 BBauG erfolgen Streichung der Klausel "und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen" auch im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben nach § 34 BauGB zu beachten.2 Somit sind die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereits
1 Vgl. den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 87. 2 Der Gesetzgeber ist der Auffassung, daß die Berücksichtigung dieser Belange im "Gebot des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung" erfolgen müsse und daher durch die Neufassung des § 34 BauGB insoweit keine Änderung eingetreten sei. Zur Kritik dieser Auffassung s. u. Kapitel 4, S. 97.
24
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
nach den Vorschriften des Bauplanungsrechts für die Genehmigungsfähigkeit jedes bauplanungsrechtlich relevanten Vorhabens entscheidungserheblich, denn jedes Grundstück im Gebiet einer Gemeinde liegt entweder im (qualifiziert) beplanten Bereich im Sinne des § 30 BauGB oder im nicht (qualifiziert) beplanten Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB oder aber im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB; eine weitere Kategorie gibt es, wie aus § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB folgt, nicht. 3 Es stellt sich somit die Frage, in welchem grundsätzlichen Verhältnis die Vorschriften des Naturschutzrechts und die des Bauplanungsrechts zueinander stehen, insbesondere ob und inwieweit aufgrund Naturschutzrechts weitere Genehmigungsvoraussetzungen an bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben herangetragen werden können. Besonders deutlich wird das Problem in dem zwar zugespitzten, praktisch jedoch nicht ausgeschlossenen4 Fall, der die Frage der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens betrifft, das auf einem Grundstück realisiert werden soll, das sowohl im nicht (qualifiziert) beplanten Innenbereich liegt, von dessen grundsätzlicher Bebaubarkeit der Gesetzgeber ausgegangen ist, 5 das aber gleichzeitig auch im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung liegt, die ein grundsätzliches Bauverbot anordnet. Die gleiche Frage stellt sich auch dann, wenn die Bebaubarkeit eines Innenbereichsgrundstücks die Beseitigung eines Baumes erfordert, dieser aber aufgrund der Vorschriften einer Baumschutzverordnung grundsätzlich nicht gefällt werden darf. Zunächst ist zwar anerkannt, daß sowohl das Naturschutzrecht als auch des Bauplanungsrecht überhaupt Regelungen zum Schutz von Natur und Landschaft und damit über die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege treffen düifen. Dies ergibt sich für das Naturschutzrecht aus der Natur der Sache,6 gilt aber ebenso für das im Baugesetzbuch geregelte Bauplanungsrecht. Obwohl das Baugesetzbuch als Bundesgesetz auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 18 GG zum Erlaß bodenrechtlicher Regelungen beruht, 7 und dem Bund für die Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur eine Rahmenkompetenz gem. Art. 75 Nr. 3 GG zusteht, darf der Bundesgesetzgeber auch im Bauplanungsrecht Regelungen über die Bedeutung 3
BVerwG, DVB1. 1981, 97.
4 Vgl. als Beispiel eine der Leitentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht, B V e r w G E 35, 256. 5 Vgl. zu § 34 BauGB das 4. Kapitel dieser Arbeit; zur Frage der grundsätzlichen Bebaubarkeit insbesondere S. 84. 6 Z u r Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. "funktionellen Naturschutz" und seiner Zuordnung zum Bodenrecht ( B V e r w G E 55, 272) vgl. unten S. 28, 29. 7 Vgl. das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Baurechts, B V e r f G E 3, 407.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
25
der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege treffen, jedenfalls soweit diese bodenrechtlich veranlaßt sind. Insoweit begründet das Baugesetzbuch als Bodenrecht eigenständige bundesrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen; es enthält, unbeschadet der Tatsache, daß die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch landesrechtliche Vorschriften konkretisiert werden, nicht nur eine Verweisung auf Landesrecht, sondern gewährleistet ein Mindestmaß an bundesrechtlichem Schutz für Natur und Landschaft. Daß dem Bund für die Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur eine Rahmenkompetenz zusteht, steht dem nicht entgegen. Das Baugesetzbuch als bodenrechtliche Regelung nimmt auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege lediglich Rücksicht. Eine solche Rücksichtnahme ist unabhängig davon zulässig, ob dem Bundesgesetzgeber auch die Kompetenz zusteht, diese Belange einer ins einzelne gehenden Regelung zu unterwerfen. 8 Fraglich und im Ergebnis weitgehend ungeklärt 9 ist jedoch, ob die Regelungen des Bauplanungsrechts, soweit sie auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege Rücksicht nehmen, die Zulässigkeit bauplanungsrechtlich relevanter Vorhaben in dem Sinne abschließend entscheiden, daß den Vorschriften des Naturschutzrechts weder eine die Genehmigungsfähigkeit einschränkende noch erweiternde Funktion zukommt und welche Rolle dabei die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG spielt, insbesondere ob eine auf Naturschutzrecht gestützte Untersagung eines bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhabens, wenn überhaupt, so doch nur gegen Entschädigung erfolgen kann. Ebenfalls nicht überzeugend geklärt ist die Bedeutung des in diesem Zusammenhang relevanten § 29 BauGB. Die Vorschrift ordnet zum einen an (Satz 1), daß für die Zulässigkeit bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtiger Vorhaben die §§ 30 bis 37 BauGB gelten, die, wie gezeigt wurde, die Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereits als Belange berücksichtigen, sie regelt zum anderen aber auch (Satz 4), daß die Vorschriften des Bauordnungsrechts sowie andere öffentlich-rechtliche Vorschriften "unberührt bleiben". Welche Vorschriften, neben den explizit genannten des Bauordnungsrechts, unter diese Regelung fallen, hat das Gesetz jedoch nicht ausdrücklich bestimmt. Dies im Gegensatz zur Vorschrift des § 38 BauGB, die ebenfalls das "Unberührtbleiben" bestimmter Vorschriften anordnet, diese aber im einzelnen benennt.
8 Grundlegend Weyreuther, BauR 1972, 1, 3; ebenso BVerwG, D Ö V 1973, 203; NJW 1981, 2770, 2771; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 78. 9 So ausdrücklich v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 382; ähnlich Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 434 und Schulte, VerwArch. 1986, 372, 376, F N 14.
26
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Weitere Schwierigkeiten im Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht ergeben sich daraus, daß das Bauplanungsrecht bundesrechtlich geregelt ist, während dem Bund für die Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur eine Rahmenkompetenz zusteht und naturschutzrechtliche Vorschriften daher, mit Ausnahme der in § 4 Satz 3 BNatSchG genannten, unmittelbar geltenden bundesrechtlichen Regelungen, Landesrecht darstellen, das darüberhinaus im wesentlichen in untergesetzlichen Regelungen wie Landschaftsschutzverordnungen und Baumschutzverordnungen oder -Satzungen10 besteht. Hinzu kommt der gesetzliche flächendeckende Schutz durch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Diese Kompetenzverteilung wirft schließlich die Frage auf, welche Bedeutung der Kollisionsnorm des Art. 31 GG für das Verhältnis von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht zukommt.
B. Lösungsansätze I. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts 1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich bereits in mehreren Fällen mit dem grundsätzlichen Verhältnis von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht auseinanderzusetzen. Insbesondere drei Entscheidungen, die sämtlich vom 4. Senat des Gerichts getroffen wurden, 11 haben das allgemeine Verständnis dieses Verhältnisses auch in der Literatur nachhaltig beeinflußt und geprägt. Ihre Aussagen sind in den Stellungnahmen der einschlägigen Veröffentlichungen, insbesondere der Kommentarliteratur - soweit die Problematik überhaupt angesprochen wird - weitestgehend auf Zustimmung gestoßen und ohne weitere Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Fragen als zutreffende Lösung des Problems übernommen worden. 1 2 Es kann insoweit sowohl von einer "gefestigten Rechtsprechung" als auch von 10 Zur besonderen Problematik der Baumschutzregelungen vgl. Steinberg, NJW 1981, 550; Engel, N V w Z 1985, 252; Otto, N V w Z 1986, 900; Kunz, D Ö V 1987, 16; Hufen/Leiß, BayVBl. 1987, 289 m. w. H.; Bartholomäi, UPR 1988, 241. 11 Vgl. B V e r w G E 35, 256; 55, 272; 67, 84. 12 Vgl. Zinkahn in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 45 - 47; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 89; Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 29 Rdnr. 31; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 62; Oestreicher, BBauG, § 29 Anm. 3. Α., 12; Schlichter in Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, § 29 Anm. 7; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Öffentliche Belange", S. 326 und Stichwort "Vorhaben", S. 495; Gaentzsch, N u R 1986, 89, 93, 94; kritisch dagegen, allerdings nur in einzelnen Fragen der gesamten Problematik, Schrödter in Schrödter, BBauG, § 34 Rdnr. 13 a; Gassner, U P R 1986, 412, 415; Werwigk, N u R 1983, 97.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
27
einer beinahe unbestritten gebliebenen "herrschenden Meinung" gesprochen werden. 13 Als Grundlage der weiteren Erörterung der gesamten Problematik sind im folgenden die Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in den wesentlichen Zügen ihrer Argumentation darzustellen. Dies ermöglicht es, im Anschluß daran diese Argumentation auf ihre Schlüssigkeit zu untersuchen und, wie zu zeigen sein wird, darin enthaltene Widersprüche deutlich zu machen, um vor diesem Hintergrund den - nach der hier vertretenen Auffassung - richtigen Ansatz des Verhältnisses von bauplanungsrechtlichen und naturschutzrechtlichen Regelungen zu entwickeln.
2. Die Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts a) BVerwG TV C 77.68 vom 12. 6. 1970; BVerwGE 35, 256 In seiner Entscheidung vom 12. 6. 1970 14 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Bedeutung einer Landschaftsschutzverordnung 15 für ein nach § 34 BBauG (1960) zulässiges Innenbereichsvorhaben zukam. Das Gericht hat die Frage dahin entschieden, daß innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein nach § 34 BBauG zulässiges Vorhaben über Vorschriften des Landschaftsschutzes allenfalls in den Einzelheiten seiner Ausführung beeinflußt, nicht hingegen als solches verhindert werden könne. 16 Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Daß der Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes dem Vorhaben nicht entgegengesetzt werden könne, folge aus § 34 BBauG selbst; zwar ließen die §§ 30 ff BBauG gem. § 29 Satz 3 BBauG (I960) 1 7 "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt", dieser Grundsatz greife jedoch nur ein, soweit die §§ 30 ff keine abschließende Regelung enthielten. Die entscheidende Frage sei daher, ob 13 14
Im Ergebnis ebenso Werwigk, NuR 1983, 97; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 434. BVerwGE 35, 256.
15 Die im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall in Frage stehende Landschaftsschutzverordnung fand ihre Grundlage noch in § 5 RNatSchG; die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: "Dem Schutz dieses Gesetzes können ferner unterstellt werden sonstige Landschaftsteile in der freien Natur, die die Voraussetzungen der §§ 3 und 4 (betr. Naturdenkmale und Naturschutzgebiete, d. Verf.) nicht entsprechen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen oder im Interesse der Tierwelt, besonders der Singvögel und der Niederjagd, Erhaltung verdienen (z. B. Bäume, Baum- und Gebüschgruppen, Haine, Alleen, Landwehren, Wallhecken und sonstige Hecken, sowie auch Parke und Friedhöfe). Der Schutz kann sich auch darauf erstrecken, das Landschaftsbild vor verunstaltenden Eingriffen zu bewahren." 16
BVerwGE, 35, 256, Leitsatz 2.
17
§ 29 Satz 3 BBauG (1960) entspricht inhaltlich § 29 Satz 4 BauGB.
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
28
eine (grundsätzlich unter § 29 Satz 3 BBauG fallende) Landschaftsschutzverordnung ohne Verstoß gegen § 34 BBauG so weit gehen könne, die nach § 34 BBauG eintretende Rechtsfolge schlechthin abzuwenden, d. h. ein nach § 34 BBauG zulässiges Vorhaben für unzulässig zu erklären. Dies sei zu verneinen. Das Landschaftsschutzrecht könne als dem Planungsrecht gedanklich nachgeordnetes und im Range unterlegenes Recht nicht eine Landschaft unter Schutz stellen, ohne dabei gebührend zu berücksichtigen, was das Planungsrecht für diese Landschaft nicht nur zulasse, sondern vorsehe. Wenn § 34 BBauG Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile für zulässig erkläre, so liege darin nicht nur eine planungsrechtliche Regelung der Bebauung, sondern zugleich eine in den Rechtsbereich des Landschaftsschutzes hinüberwirkende Aussage darüber, was innerhalb eines derartigen Ortsteils "Landschaft" sei. Eine Landschaftsschutzverordnung, die das nicht berücksichtige, verletze § 34 BBauG. Sie sei darüberhinaus auch verfassungsrechtlich bedenklich, denn der Landschaftsschutz sei zwar Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums, dies aber nur nach Maßgabe der "Situationsgebundenheit", d. h. unter der Voraussetzung, daß mit seiner Anordnung Bindungen geltend gemacht würden, die sich aus der naturgegebenen Lage des Grundstücks ergäben. Davon könne aber nicht oder zumindest nicht allgemein bei Grundstücken die Rede sein, die nach § 34 BBauG "unbedenklich" 18 bebaut werden dürften. Die Sperrwirkung, die § 34 BBauG in Richtung auf den Landschaftsschutz äußere, erschöpfe sich also darin, daß ein nach § 34 BBauG zulässiges Vorhaben nicht über die Vorschriften des Landschaftsschutzes überhaupt verhindert werden könne. Im übrigen bleibe dagegen der Landschaftsschutz unberührt. Jenseits der Frage, ob das nach § 34 BBauG unbedenkliche Vorhaben als solches ausgeführt werden dürfe, sei aus der Sicht der §§ 29 ff und insbesondere des § 34 BBauG für Anforderungen des Landschaftsschutzes nicht anders und nicht weniger Raum als etwa für Vorschriften des Bauordnungs- oder auch des Baugestaltungsrechts.
b) BVerwG 4 C 12.76 vom 24. 2. 1978; BVerwGE 55, 272 Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. 2. 1978 19 lag die Frage zugrunde, welche Bedeutung einem landesgesetzlichen Uferbauverbot für ein gem. § 34 BBauG (1976) zulässiges Innenbereichsvorhaben 18 Gem. § 34 BBauG (1960) war ein Vorhaben zulässig, wenn es nach der vorhandenen Bebauung "unbedenklich" war; das "Einfügungsgebot" wurde erst durch die Novelle von 1976 in die Vorschrift aufgenommen. Vgl. Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 4. 19
B V e r w G E 55, 272.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
29
zukam. Diese Frage wurde von dem Gericht, unter ausdrücklicher Berufung auf die dargestellte Entscheidung vom 12. 6. 1970, dahin entschieden, daß eine nach § 34 BBauG zulässige Bebauung zwar durch Vorschriften des Landschaftsschutzes nicht entschädigungslos ausgeschlossen werden könne, 2 0 daß aber ein landesgesetzliches Uferbauverbot als öffentlicher Belang im Sinne des § 34 Abs. 1 BBauG geeignet sei, eine Bebauung von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich zu verhindern, wenn es in dieser Wirkung als Enteignungsrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 14 GG verstanden werden könne. 2 1 Die Entscheidung wurde wie folgt begründet: Die das Uferbauverbot anordnende Vorschrift des § 17 a Abs. 1 Landeswassergesetz (LWG) Schleswig-Holstein diene, obwohl sie formell dem Wasserrecht zuzuordnen sei, materiell nicht dem Schutz des Wassers, sondern dem Schutz der Landschaft und dies in zweifacher Richtung, nämlich zum einen, als Vorschrift des Landschaftsschutzrechts im engeren, "optischen" Sinne, im Streben nach Landschaftsschutz in der landläufigen Bedeutung des Wortes, also als "Schutz einer im Einzelfall schutzwürdigen Landschaft vor ästhetischer Beeinträchtigung", zum anderen, als Vorschrift des Landschaftsschutzrechts im weiteren, "funktionellen" Sinne, im Streben nach Erholungsschutz, also der Erhaltung oder Schaffung von Erholungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit. In seiner engeren landschaftsschutzrechtlichen Bedeutung könne § 17 a Abs. 1 LWG, aus den in der Entscheidung vom 12. 6. 1970 dargelegten Gründen, eine Bebauung nicht schlechthin verhindern. Anderes gelte jedoch für das mit § 17 a Abs. 1 L W G ebenfalls verfolgte Ziel des Erholungsschutzes; obwohl die Vorschrift, soweit sie dieses Ziel verfolge, Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG darstelle, da es sich bei Vorschriften des "funktionellen" Landschaftsschutzes, im Gegensatz zu solchen des "optischen" Landschaftsschutzes, um solche handle, die, im Sinne des Gutachtens des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung der Kompetenzen auf dem Gebiet des Baurechts, "den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln", könne sich § 17 a Abs. 1 L W G gegenüber der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens gem. § 34 BBauG durchsetzen. Zwar habe der Bundesgesetzgeber mit Erlaß des Bundesbaugesetzes die Kompetenz "Bodenrecht" ausgeschöpft, sodaß weitere bodenrechtliche Vorschriften aufgrund Landesrechts gem. Art. 72 Abs. 1 GG nicht erlassen werden könnten, jedoch sei für die Gültigkeit des § 17 a L W G entscheidend, daß § 17 a Abs. 5 L W G eine Entschädigungsre20
BVerwGE 55, 272, Leitsatz 1.
21
BVerwGE 55, 272, Leitsatz 3.
22
BVerfGE 3, 407, 424.
30
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
gelung enthalte. § 17 a Abs. 1 L W G nehme somit nicht für sich in Anspruch, in jedem Fall eine nicht-enteignende, also eigentumsinhaltsbestimmende Vorschrift im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu sein. Der Gesetzgeber sei bei der Schaffung des Uferbauverbots offensichtlich gerade für die unter § 34 BBauG fallenden Sachverhalte davon ausgegangen, daß er durch das Uferbauverbot eine anderenfalls zulässige Bebauung nur dann schlechthin verhindern (also mehr als nur in gewissen Einzelheiten beeinflussen) könne, wenn er dies im Wege eines enteignend wirkenden Eingriffs tue. Aus diesem Grunde könne der Vorschrift weder, aus den in der Entscheidung vom 12. 6. 1970 genannten Gründen, die Vereinbarkeit mit § 34 BBauG abgesprochen werden, noch daß sie auf einer dem Landesgesetzgeber zur Verfügung stehenden Kompetenzgrundlage beruhe. § 17 a L W G sei nämlich, aufgrund seiner Entschädigungsregelung, nicht als eigentumsbindendes Bodenrecht, sondern vielmehr als bodenrechtliches Enteignungsrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 14 GG zu verstehen; diese Kompetenz habe der Bundesgesetzgeber aber mit Erlaß des Bundesbaugesetzes, wie aus § 85 Abs. 2 Nr. 1 BBauG folge, nicht ausgeschöpft. § 17 Abs. 1 L W G sei somit als öffentlicher Belang im Sinne des § 34 BBauG anzusehen; auch eine durch § 34 BBauG begründete Rechtsposition habe vor verfassungsmäßigem Enteignungsrecht zu weichen.
c) BVerwG 4 C 21.79 vom 13. 4. 1983; BVerwGE 67, 84 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. 4. 1983 hatte sich, im Gegensatz zu den bisher dargestellten Entscheidungen, die Innenbereichsvorhaben betrafen, mit der Bedeutung einer Landschaftsschutzverordnung für Außenbereichsvorhaben im Sinne des § 35 BBauG auseinanderzusetzen; Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob ein gem. § 35 Abs. 1 BBauG (1976) privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 29 Satz 3 BBauG (Auskiesung) aufgrund eines in einer Landschaftsschutzverordnung enthaltenen grundsätzlichen Verbots von Abgrabungen untersagt werden konnte. Das Gericht hat die Frage dahin entschieden, daß (auch) ein gem. § 35 Abs. 1 BBauG privilegiertes Vorhaben, das nach dem Landschaftsschutzrecht - auch in einer durch eine Ausnahmegenehmigung nicht zu behebenden Weise - unzulässig sei, auch bebauungsrechtlich nicht genehmigt werden könnte. 2 4 Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Eine Abgrabung größeren Umfangs im Sinne des § 29 Satz 3 BBauG, die der Gewinnung von Sand 23
B V e r w G E 67, 84.
24
B V e r w G E 67, 84, Leitsatz 1.
2. Kap.: Bauplanung- und Naturschutzrecht
31
diene, könne zwar ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben sein, sei jedoch ein solches Vorhaben bereits nach dem Landschaftsschutzrecht nicht genehmigungsfähig, so vermöge sich auch die bebauungsrechtliche Privilegierung des Vorhabens im Außenbereich nicht durchzusetzen. Das Bundesbaugesetz habe die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben nicht in jeder Hinsicht abschließend geregelt, sondern Raum für die Zulässigkeit einschränkende oder ausschließende landesrechtliche Regelungen im nicht-bodenrechtlichen Bereich gelassen. Dies gelte insbesondere für das Natur- und Landschaftsschutzrecht, für das dem Bund nur die Rahmengesetzgebung, dem Landesgesetzgeber aber die diesen Rahmen ausfüllende Kompetenz zustehe. Die bereits am Landschaftsschutzrecht scheiternde Zulässigkeit des Abgrabungsvorhabens sei daher in bebauungsrechtlicher Hinsicht nicht mehr zu prüfen gewesen. Die Landschaftsschutzverordnung und ihre Anwendung auf den zu beurteilenden Fall verletzten auch nicht das Grundrecht des Eigentums der Klägerin; die Landschaftsschutzverordnung sei eine zulässige Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes stellten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig unbedenkliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums dar. Sie konkretisierten die Sozialgebundenheit des Eigentums, die dem Grundstück aufgrund seiner Lage und seines Zustandes bereits anhafteten und es prägten (Situationsgebundenheit). Wenn allerdings in einem festgesetzten Landschaftsschutzgebiet Grundstücke lägen, denen es an einer solchen Situationsgebundenheit fehle, weil auf ihnen bereits eine in der Landschaftsschutzverordnung allgemein ausgeschlossene Nutzung ausgeübt würde oder weil eine eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition gegeben sei, so könne eine Landschaftsschutzverordnung diese Position nicht oder nur gegen Entschädigung entziehen. Als entschädigungslose Regelung wäre sie eine unzulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums und damit verfassungswidrig. 25 Die Landschaftsschutzverordnung überschreite auch nicht deshalb die Grenzen zulässiger Eigentumsinhaltsbestimmung, weil sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachte; zwar verbiete die Verordnung grundsätzlich Abgrabungen, da sie davon ausgehe, daß diese die Natur schädigten oder den Naturgenuß beeinträchtigten, sie sehe aber einen Anspruch auf eine Ausnahme vor, wenn solche Wirkungen weder hervorgerufen würden noch zu erwarten seien; für eine bei Inkrafttreten der Verordnung bereits ausgeübte Nutzung gelte das Abgrabungsverbot kraft ausdrücklicher Regelung überhaupt nicht. Schließlich könne eine Ausnahme auch dann zugelassen werden, wenn durch Auflagen sichergestellt werde, daß die genannten, durch die Abgrabung verursachten Wirkungen wieder beseitigt würden.
25
Hervorhebung vom Verf.
32
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
3. Zusammenfassung Faßt man die wesentlichen Aussagen der dargestellten Rechtsprechung unter dem Blickwinkel der zu Beginn dieses Kapitels aufgeworfenen Fragen zusammen, so ergibt sich die folgende Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht: 26 a) Ob ein Vorhaben bauplanungsrechtlich und naturschutzrechtlich zulässig ist, kann nur einheitlich entschieden werden; dies folgt daraus, daß die Vorschriften des Naturschutzrechts als Belange im Rahmen der §§ 34, 35 BauGB Berücksichtigung finden. 27 Als solche unterliegen sie, unabhängig von ihrer eigenen Regelungsstruktur, der sog. "nachvollziehenden AbwäII
28
gung . b) Obwohl der Bundesgesetzgeber, auch nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, 29 im Bauplanungsrecht nur bodenrechtlich abschließende Regelungen treffen und auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege lediglich Rücksicht nehmen, also nur ein Mindestmaß an bundesrechtlich-eigenständigem Schutz für Natur und Landschaft gewährleisten konnte, hat er dennoch, über die Regelung des § 34 BauGB, die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben abschließend (positiv) entschieden. 30 Dies folgt nach der Auffassung des Bun-
26 Obwohl die dargestellten Entscheidungen alle unter Geltung des Bundesbaugesetzes ergingen, können ihre das allgemeine Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht betreffenden Aussagen für das Baugesetzbuch übernommen werden; die einschlägigen Vorschriften haben insoweit keine inhaltliche Änderung erfahren. Im folgenden werden daher, soweit nicht erneut aus den Entscheidungen zitiert wird, nur noch die einschlägigen Vorschriften des Baugesetzbuches angeführt. 27 So ausdrücklich B V e r w G E 55, 272, 273 (zu § 34 BBauG); BVerwG, BauR 1979, 122, 123 (zu § 35 BBauG); ebenso O V G Münster, Β RS 32 Nr. 51, S. 106; V G H Kassel, N u R 1982, 111; vgl. auch Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Öffentliche Belange", S. 326, 327. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, daß Weyreuther selbst Mitglied des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts war. 28 BVerwGE 55, 272, 276 unter Hinweis auf eine der Leitentscheidungen zur sog. "nachvollziehenden Abwägung", B V e r w G E 28, 148; zur Kritik dieses Begriffes s. u. Kapitel 5, 5. 107 ff. 29
BVerwG, D Ö V 1973, 203; NJW 1981, 2770, 2771.
30 Daß das Bundesverwaltungsgericht § 34 BauGB eine solche abschließende Bedeutung beimißt, wird zwar an keiner Stelle ausdrücklich gesagt, folgt aber eindeutig aus der Entscheidung vom 12. 6. 1970, BVerwGE 35, 256, 260. Dort führt das Gericht aus, daß nach § 29 Satz 3 BBauG (1960) zwar andere öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt blieben, daß dies jedoch nur insoweit gelte, als die §§ 30 ff BBauG keine abschließende Regelung enthielten; daher laute die entscheidende Frage, ob eine Landschaftsschutzverordnung die nach § 34 BBauG eintretende Rechtsfolge schlechthin abwenden könne. Dies sei zu verneinen. Diese Ausführungen zeigen: Ob § 34 BauGB eine abschließende Regelung über die grundsätzliche Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben darstellt, ist für das Bundesverwaltungsgericht gar nicht die "entscheidende Frage"; daß § 34 BauG eine solche Regelung trifft, wird vielmehr als
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
33
desverwaltungsgerichts sowohl aus dem "Vorrang des Planungsrechts gegenüber dem nachgeordneten und im Range unterlegenen Naturschutzrecht" 31 als auch aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. 32 Ein auf Naturschutzrecht gestütztes Bauverbot ist daher in jedem Fall nur gegen Entschädigung zulässig. Ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, hat das Bundesverwaltungsgericht in der Frage der dogmatischen Einordnung der Entschädigungspflicht allerdings eine wesentliche - und richtige - Korrektur seiner Rechtsprechung vorgenommen: In der Entscheidung vom 24. 2. 1978 wird die Entschädigungspflicht noch daraus abgeleitet, daß der Entzug einer - durch § 34 BBauG begründeten - Eigentumsposition nur im Wege eines "enteignenden Eingriffs" erfolgen könne; 33 demgegenüber hat das Gericht in seinem Urteil vom 13. 4. 1983 festgestellt, daß ein solcher Entzug einer Eigentumsposition nur dann möglich und zulässig sei, wenn er aufgrund einer naturschutzrechtlichen Vorschrift erfolge, die eine Entschädigung vorsehe, denn anderenfalls handle es sich um eine unzulässige und damit verfassungswidrige Inhaltsbestimmung des Eigentums. 34 Damit hat das Bundesverwaltungsgericht, jedenfalls für den Bereich des Naturschutzrechts, die Rechtsfigur des "enteignenden Eingriffs" aufgegeben und die Zulässigkeit entschädigungspflichtiger Inhaltsbestimmungen ausdrücklich anerkannt. 5 c) Eine - der Bedeutung des § 34 BauGB entsprechende - abschließende Regelung verneint das Bundesverwaltungsgericht dagegen für § 35 BauGB. Außenbereichsvorhaben sind, auch wenn es sich um privilegierte Vorhaben handelt, schon dann (auch) bebauungsrechtlich unzulässig, wenn sie naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig sind. 36 Eine Entschädigungspflicht entsteht dabei nur, wenn aufgrund des naturschutzrechtlichen Bauverbots eine - nur ausnahmsweise bestehende - "eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition" entzogen wird. 3 7
selbstverständlich vorausgesetzt Nur unter dieser Voraussetzung ist die sodann vom Bundesverwaltungsgericht formulierte Frage verständlich und sinnvoll. 31 BVerwGE 35, 256, 260. Die Begründung, woraus der "Nachrang" des Naturschutzrechts folgt, ist das Gericht allerdings schuldig geblieben; in Betracht kommen sowohl Art. 31 GG, da das Naturschutzrecht im Gegensatz zum bundesrechtlich geregelten Bauplanungsrccht Landesrecht darstellt, als auch der Grundsatz, daß eine höherrangigere Norm, hier also die gesetzliche Regelung des § 34 BBauG, die niederrangigere Norm, hier also die naturschutzrechtliche Regelung in Gestalt einer Verordnung, verdrängt. 32
BVerwGE 35, 256, 260, 261; 55, 272, 276; ebenso BVerwG, DVB1. 1981, 97.
33
BVerwGE 55, 272, 278.
34 BVerwGE 67, 84, 87; ebenso BVerwG, UPR 1983, 338, 339. 35 Zur Frage, inwieweit diese Rechtsprechung mit der Dogmatik der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung, insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vereinbar ist, s. u. S. 52 ff. 36 BVerwGE 67, 84, Leitsatz 1. 37
B V e r w G E 67, 84, 87.
34
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
d) In keinem Fall kann eine landesrechtliche Vorschrift des sog. "funktionellen Landschaftsschutzes" Einfluß auf die Zulässigkeit eines bauplanungsrechtlich relevanten Vorhabens haben; dies folgt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts daraus, daß der "funktionelle Landschaftsschutz" der Materie des "Bodenrechts" im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG unterfällt, von welcher der Bundesgesetzgeber aber mit Erlaß des Baugesetzbuches abschließend Gebrauch gemacht hat. 3 8 e) Die unterschiedliche Bedeutung naturschutzrechtlicher Vorschriften im Rahmen des § 34 und des § 35 BauGB führt zwangsläufig zu einer differenzierten Interpretation des § 29 Satz 4 BauGB. Da der Bundesgesetzgeber die Kompetenz "Bodenrecht" ausgeschöpft hat, kommen als andere "öffentlich-rechtliche Vorschriften" zwar in jedem Fall nur nicht-bodenrechtliche Vorschriften in Betracht, jedoch bleiben nicht alle sonstigen Vorschriften auch immer "unberührt". Neben § 34 BauGB gilt dies nur für solche Regelungen, die ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben nicht überhaupt verhindern, 40 also nur auf das "Wie" seiner Ausführung Einfluß nehmen. 1 Dagegen bleiben neben § 35 BauGB alle anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften unberührt. Einzige Voraussetzung ist hier, daß es sich um nicht-bodenrechtliche Vorschriften handelt. 42
II. Kritik und eigener Ansatz 1. Kritik a) Funktioneller Naturschutz und Bodenrecht Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Zuordnung des sog. "funktionellen Naturschutzes", also von Vorschriften über die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, den Schutz einer ordnungsgemäßen Bodennutzung und den Schutz der Erholungsfunktion 4 3 zum "Bodenrecht" im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG ist unrichtig. Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Zuordnung des "funktionellen" Landschaftsschutzes zum Bodenrecht 38 B V e r w G E 55, 272, 275; vgl. zur abschließenden Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz "Bodenrecht" durch den Bundesgesetzgeber auch BVerwG, U P R 1983, 332, 333. 39 Hierzu Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Vorhaben", S. 495, 496. 40
So ausdrücklich B V e r w G E 35, 256, 261.
41 Dies wird deutlich durch den ausdrücklichen Hinweis auf das Bauordnungs- und Baugestaltungsrecht in B V e r w G E 35, 256, 261; 55, 272, 278. 42 43
B V e r w G E 67, 84, 86. B V e r w G E 55, 272, 275.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
35
unter wörtlichem Rückgriff auf eine Formulierung im Gutachten des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung der Kompetenzen im Baurecht. 44 Dort hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, zur Materie "Bodenrecht" gehörten nur solche Vorschriften, die "den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln" 4 5 Zwar trifft es zu, daß das Naturschutzrecht, ebenso wie das Bauplanungsrecht - und im Gegensatz etwa zu den Vorschriften des Bauordnungs- oder des Immissionsschutzrechts - den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung gemacht hat; gleichwohl stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zum "funktionellen Naturschutz" zu Unrecht auf die zitierte Passage aus dem verfassungsgerichtlichen Gutachten. Dies aus zwei Gründen: Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst den Zusammenhang außer Betracht gelassen, in den die zitierte Passage einzuordnen ist. Zweck und Auftrag des Gutachtens war die Beantwortung der Frage, ob für bestimmte Regelungsgegenstände des Baurechts eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben sei. 46 Dabei hat das Bundesverfassungsgericht zu Art. 74 Nr. 18 GG ausgeführt, daß der gleichwertigen Aufzählung der verschiedenen Materien innerhalb des Art. 74 Nr. 18 GG zu entnehmen sei, daß der Begriff des "Bodenrechts" die übrigen, selbständig neben dem Bodenrecht aufgeführten Materien nicht mitumfasse. 47 In diesem Zusammenhang folgt die entscheidende Passage: "Zur Materie 'Bodenrecht' gehören vielmehr nur solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben." 48 Das Bundesverfassungsgericht hat somit nicht, auch in Abgrenzung zu außerhalb des Art. 74 Nr. 18 GG liegenden Kompetenzen, entschieden, daß alle Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, schon allein aus diesem Grund auch "Bodenrecht" im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG sein müßten. Eine derartige allgemeine Aussage kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Angesichts der konkreten Fragestellung bestand hierfür auch keine Veranlassung. Hinzu kommt, daß das Naturschutzrecht überhaupt nicht Gegenstand der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen war; es kam als Kompetenznorm für die in Frage stehende Materie von vornherein nicht in Betracht. 49 Diese Zusammenhänge werden vom Bun-
44
B V e r f G E 3, 407.
45
B V e r f G E 3, 407, 424.
46 47
Vgl. die Fragestellung in B V e r f G E 3,407,408 - 410. B V e r f G E 3, 407, 424.
48
BVerfGE 3,407,424.
49
Grooterhorst, N u R 1985, 222, 223.
36
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
desverwaltungsgericht bei der isolierten Heranziehung der zitierten Passage aus dem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts übersehen. Festzuhalten ist daher, daß das Bundesverfassungsgericht eine verbindliche Abgrenzung der Kompetenzen aus Art. 74 Nr. 18 GG und Art. 75 Nr. 3 GG nicht vorge, ,50 nommen hat. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. "funktionellen" Naturschutz beruht jedoch nicht nur auf einer Fehlinterpretation des verfassungsgerichtlichen Gutachtens; sie ist auch inhaltlich unrichtig. Das Gericht hat verkannt, daß der Gegenstand oder das Instrumentarium einer Regelung als Anknüpfungspunkt für deren kompetenzrechtliche Einordnung untauglich sind. 51 Verschiedene bundes- und landesrechtliche Regelungen, die unterschiedlichen Kompetenzmaterien angehören, aber dennoch denselben Regelungsgegenstand oder dasselbe Instrumentarium betreffen, stellen in der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes keine Seltenheit dar. So hat das Bundesverfassungsgericht eine landesrechtliche Vorschrift, die eine Bodenverkehrsgenehmigung aus bauordnungsrechtlichen Gründen vorsah, ausdrücklich für gültig erklärt, obwohl dieses Instrument bereits in den §§ 19 ff BBauG vorgesehen war. 5 2 Derselbe Regelungsgegenstand (Straße) ist z. B. beim Straßen- und Straßenverkehrsrecht betroffen. 53 Entscheidend für die kompetenzrechtliche Einordnung einer Vorschrift ist daher nicht Objekt und Modus der Regelung, sondern ihr Zweck. 5 4 Es ist zu fragen, im Interesse welcher Ziele 5 5 und aus welchen Gründen und Motiven 6 eine Regelung getroffen wurde. Zentrales Kriterium ist daher die Funktion einer Vorschrift; nach ihr bestimmt sich ihre Zuordnung zu einer bestimmten Materie. 5 7 Eine Abgrenzung der Materien "Bodenrecht" und "Naturschutzrecht" nach ihrem Regelungsgegenstand, Grund und Boden, wie sie vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen wurde, scheidet daher aus. Entscheidend ist vielmehr die unterschiedliche Funktion beider Materien; Naturschutzrecht dient, wie sich aus § 1 BNatSchG und den entsprechenden Ländervorschriften ergibt, nicht wie das Bauplanungsrecht einer geordneten städtebaulichen Entwicklung. Daher stellen naturschutzrechtli-
50 51
Grooterhorst, N u R 1985, 222, 223. Steinberg, NJW 1981, 550,552.
52 53
B V e r f G E 40, 261, 266. Vgl. Steinberg, NJW 1981, 550,552 mit weiteren Beispielen.
54
B V e r f G E 15,1; 18, 23; 32, 319, 326.
55
B V e r f G E 32, 319, 327.
56 B V e r f G E 33, 52, 63, 79; 40, 261. 57 So allgemein Lerche, J Z 1972, 470; Pestalozza, D Ö V 1972, 183; insbesondere zum Naturschutzrecht Steinberg, NJW 1981, 550, 552; Grooterhorst, N u R 1985, 222, 224; ders., DVB1. 1987, 654, 656; Pielow, N u R 1986, 60, 65; Erbguth, N u R 1986, 137, 139; vgl. auch V G H Bad.Württ., Z f B R 1985, 243, 244; N V w Z 1986, 955, 956.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
37
che Vorschriften, unabhängig davon, ob sie zu "optischen" oder "funktionellen" Zwecken erlassen wurden, kein Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG dar. Die abschließende bodenrechtliche Regelung in den §§ 30 ff BauGB steht somit naturschutzrechtlichen Vorschriften des Landesrechts CO
insgesamt nicht entgegen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Zuordnung des "funktionellen" Naturschutzrechts zum Bodenrecht schon mit Blick auf ihre Konsequenzen äußerst zweifelhaft ist. Ein Blick auf die Vorschriften des "modernen", d. h. nach Ablösung des Reichsnaturschutzgesetzes geschaffenen, Naturschutzrechts macht deutlich, daß der "funktionelle" Naturschutz inzwischen den Schwerpunkt des Naturschutzrechts ausmacht, während der "optische" Naturschutz nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Anschaulich zeigt dies die Aufzählung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 1 BNatSchG und den entsprechenden Vorschriften der Ländernaturschutzgesetze. Nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts würden alle in Ausfüllung der rahmenrechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes ergangenen landesrechtlichen Vorschriften des "funktionellen" Naturschutzes wegen der abschließenden bodenrechtlichen Regelungen der §§ 30 ff BauGB gegen Art. 72 Abs. 1 GG verstoßen und dies sogar unabhängig davon, ob die landesrechtlichen Vorschriften dem Bundesrecht widersprächen oder es nur ergänzten, denn gem. Art. 72 Abs. 1 GG ist der Erlaß landesrechtlicher Vorschriften endgültig ausgeschlossen, wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht abschließend Gebrauch gemacht hat. 5 9 "Funktioneller" Naturschutz wäre somit aufgrund naturschutzrechtlicher Vorschriften überhaupt nicht möglich, 60 die Landesnaturschutzgesetze also weitgehend wegen Verstoßes gegen Art. 72 Abs. 1 GG nichtig. Entgegen entsprechenden Interpretationen in der Literatur 6 1 ist das Bundesverwaltungsgericht auch in seiner Entscheidung vom 13. 4. 1983 62 von der teilweisen Zuordnung naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Materie des Bodenrechts nicht abgerückt. Zwar hat das Gericht, wie bereits dargestellt wurde, in dieser Entscheidung festgestellt, daß ein Außenbereichsvorhaben schon dann gem. § 35 Abs. 1 BBauG bebauungsrechtlich nicht ge-
58 Steinberg, NJW 1981, 550, 552, 553; Grooterhorst, N u R 1985, 222, 224; dcrs., DVB1. 1987, 654, 656; Erbguth, NuR 1986, 137, 139. 59 BVerfGE 20, 238; 37, 191, 200; v. Münch in v. Münch, GG, Art. 72 Rdnr. 11; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 72 Rdnr. 5. 60
Grooterhorst, NuR 1985, 222, 224.
61 Grooterhorst, N u R 1985, 222, 223; ders., DVB1. 1987, 654, 656; ebenso wohl Erbguth, NuR 1986, 137, 139. 62 BVerwGE 67, 84.
38
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
nehmigungsfähig sei, wenn es nach Landschaftsschutzrecht nicht genehmigt werden könne - was zwangsläufig die Gültigkeit dieses Landschaftsschutzrechts auch unter dem kompetenzrechtlichen Gesichtspunkt voraussetzt -, in den Gründen der Entscheidung befaßt sich das Gericht jedoch auschließlich mit dem "Landschaftsschutz in seiner ästhetisch-optischen Funktion". 6 3 "Funktioneller" Naturschutz im Sinne der Entscheidung vom 24. 2. 1978 64 findet dagegen überhaupt keine Berücksichtigung. Nur diesen Teil des Naturschutzrechts hat das Bundesverwaltungsgericht aber dem Bodenrecht zugeordnet. Es ist daher nicht ersichtlich, daß das Gericht, wie es allerdings richtig wäre, mit dem zitierten Urteil seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat.
b) Vorrang des Planungsrechts aa) Unanwendbarkeit anerkannter Kollisionsregeln Unzutreffend ist auch der vom Bundesverwaltungsgericht, jedenfalls für § 34 BauGB, behauptete "Vorrang" des Planungsrechts vor dem Naturschutzrecht. Das Naturschutzrecht ist dem Planungsrecht weder "gedanklich nachgeordnet" noch "im Rang unterlegen". 65 Wie bereits gezeigt wurde, 6 6 ist das Bundesverwaltungsgericht die eigentlich rechtliche Begründung für seine Feststellung vom "Vorrang des Planungsrechts" schuldig geblieben; es fehlt in der zitierten Entscheidung jeder Hinweis auf die zur Lösung von Normkonflikten allgemein anerkannten Kollisionsregeln. 67 Die dagegen vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Begründung, § 34 BauGB enthalte "nicht nur eine planungsrechtliche Regelung der Bebauung, sondern eine in den Rechtsbereich des Landschaftsschutzrechts hinüberwirkende Aussage darüber, was innerhalb eines derartigen Ortsteils "Landschaft" sei", 68 verkennt völlig, daß das Planungsrecht Art und Charakter einer Landschaft nicht selbst definieren kann, sondern diese, ebenso wie das Naturschutz· und Landschaftspflegerecht, nur vorfindet. Gerade § 34 BauGB zeigt dies deutlich; fügt sich das geplante Vorhaben in die bereits vorhandene, also vorgefundene, Bebauung ein, so ist es zulässig, anderenfalls nicht. Dem Bundesverwaltungsgericht ist zwar rechtzugeben, wenn es feststellt, 63 64
Vgl. B V e r w G E 67, 84, 88, 89, 90. B V e r w G E 55, 272.
65
So aber B V e r w G E 35, 256, 260.
66
S. o. S. 33, F N 31.
67 Vgl. dazu Hensel, Die Rangordnung der Rechtsquellen, S. 313 ff; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rdnr. 38 ff. 68 B V e r w G E 35, 256, 260.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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daß Vorhaben, die nach den Vorschriften einer den Innenbereich erfassenden Landschaftsschutzverordnung unzulässig sind, in der Regel auch nach § 34 BBauG nicht genehmigt werden können, da sie auch bauplanungsrechtlich nicht "unbedenklich" sind 6 9 bzw., in der von § 34 BauGB verwendeten Terminologie, sich nicht "einfügen". Dies ist jedoch nur deshalb richtig, weil die Zulässigkeitsmaßstäbe der Landschaftsschutzverordnung und des § 34 BauGB in der Sache identisch sein können, rechtfertigt aber nicht die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, § 34 BauGB könne dem Landschaftsschutzrecht vorgeben, "was Landschaft sei", mit der Folge daß § 34 BauGB und die Vorschriften einer Landschaftsschutzverordnung in keinem Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen zur Frage der Zulässigkeit eines Vorhabens führen können. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vom "Vorrang" des Planungsrechts ist im übrigen auch nicht auf die zur Lösung des Konfliktes von Rechtsnormen allgemein anerkannten Kollisionsregeln zu stützen. Zwar handelt es sich bei § 34 BauGB um eine Norm des Bundesrechts in Gesetzesform, bei Vorschriften einer Landschaftsschutzverordnung dagegen "nur" um Landesrecht im Rang einer Verordnung; dennoch begründet weder Art. 31 GG noch die allgemein anerkannte Kollisionsregel, daß eine höherrangige Norm einer niederrangigen vorgeht, 70 einen allgemeinen Vorrang des § 34 BauGB vor Vorschriften des Naturschutzrechts. Voraussetzung der Anwendbarkeit der Kollisionsregeln ist nämlich in jedem Fall, daß überhaupt eine Kollision zwischen verschiedenen Rechtsnormen vorliegt. Daran fehlt es aber dann, wenn zumindest eine der im konkreten Fall einschlägigen Vorschriften die zusätzliche Anwendung der anderen Vorschrift zuläßt, m. a. W., wenn sie keine in jeder Hinsicht abschließende Regelung trifft. Im Gegensatz zur Ansicht des Bundesverwaltungsgericht lautet die "entscheidende Frage" für das Verhältnis von § 34 BauGB zu den Vorschriften einer Landschaftsschutzverordnung im besonderen - und damit des Bauplanungsrechts zum Naturschutzrecht im allgemeinen - daher nicht, "ob eine Landschaftsschutzverordnung ohne Verstoß gegen § 34 BauGB soweit gehen kann, die nach § 34 BauGB eintretende Rechtsfolge schlechthin abzuwenden"; 71 vorrangig und damit wirklich "entscheidend" ist vielmehr die Frage, ob § 34 BauGB eine abschließende Regelung über die grundsätzliche Zulässigkeit von Vorhaben trifft. Dies ist aber, wiederum entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, 72 gerade nicht der Fall. Der Bundesge-
69
BVerwGE 35, 256, 261.
70 "Lex superior derogat legi inferiori." Vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rdnr. 39. 71 B V e r w G E 35, 256, 260.
40
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
setzgeber konnte aufgrund der grundgesetzlich festgelegten kompetenzrechtlichen Voraussetzungen im gesamten Bauplanungsrecht keine in jeder Hinsicht abschließende Regelung über die Zulässigkeit von Vorhaben treffen; wie bereits dargelegt wurde, 7 3 sind in einer auf der Kompetenz des "Bodenrechts" nach Art. 74 Nr. 18 GG beruhenden Vorschrift allenfalls ein Mindestmaß an bundesrechtlich-eigenständigem Schutz für Natur und Landschaft gewährleistende Regelungen möglich. Diese kompetenzrechtliche Situation hat zur Folge, daß ein Vorhaben, das bauplanungsrechtlich unzulässig ist, z. B. weil Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege in dem von der einschlägigen bauplanungsrechtlichen Vorschrift geforderten Maß entgegenstehen oder beeinträchtigt werden, auch dann nicht genehmigungsfähig ist, wenn es nach einer - ebenfalls einschlägigen naturschutzrechtlichen Vorschrift genehmigungsfähig wäre, denn der zulässigerweise geschaffene bundesrechtliche Mindestschutz steht einer Genehmigung entgegen. Da es sich bei dem durch das Bauplanungsrecht begründeten Schutz für Natur und Landschaft jedoch nur um einen Mindestschutz handelt, kann das Naturschutzrecht auch für Vorhaben, die gem. § 29 Satz 1 den Vorschriften des Bauplanungsrechts unterfallen, weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen statuieren und damit die Anforderungen verschärfen, unter denen ein solches Vorhaben überhaupt genehmigt werden kann, bis hin zu einem naturschutzrechtlichen Verbot solcher Vorhaben. 74 Einzige Voraussetzung ist dabei, daß die naturschutzrechtliche Norm ihrerseits gültig ist, denn nur eine geltende Vorschrift kann überhaupt Zulässigkeitsvoraussetzungen begründen. Ob die Norm gültig ist, ist eine Frage der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie, falls es sich, wie häufig beim Naturschutzrecht, um eine untergesetzliche
72
S. o. S. 32. FN 30.
73 S. ο. S. 24, 25. 74 Zur sekundären - verfahrensrechtlichen - Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit, jedoch naturschutzrechtlicher Unzulässigkeit eines Vorhabens eine Baugenehmigung nach den Vorschriften der Landesbauordnungen erteilt werden darf, vgl. grundsätzlich Werwigk, NuR 1983, 97, 98 sowie speziell zur Rechtslage in Bad.-Württ. Sauter/Hoch/Krohn, L B O BW, §59 Rdnr. 43 - 45, jeweils m. w. H. Zusammengefaßt gilt folgendes: Die Baugenehmigungsbehörde darf die Baugenehmigung grundsätzlich nur erteilen, wenn das geplante Vorhaben mit allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, also auch denen des Naturschutzrechts, vereinbar ist. Anderes gilt nur dann, wenn einschlägige öffentlich-rechtliche Vorschriften in einem gesonderten Verfahren von einer anderen Behörde geprüft werden, und das Verfahren durch eine rechtlich selbständige Entscheidung, also durch Verwaltungsakt, abgeschlossen wird. In diesem Fall bedarf der Bauherr neben der Baugenehmigung zusätzlich der anderen - stattgebenden - Entscheidung. Das Vorhaben darf nur ausgeführt werden, wenn beide Genehmigungen vorliegen. Handelt es sich bei der Entscheidung der anderen Behörde dagegen nur um einen internen Mitwirkungsakt, so darf auch die Baugenehmigung erst erteilt werden, wenn dieser vorliegt. Wird er verweigert, so ist die Baugenehmigung zu versagen.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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Vorschrift handelt, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eingehalten wurden. 7 5 , 7 6 Somit gilt im Ergebnis auch für § 34 BauGB, daß durch das Bauplanungsrecht keine abschließende Regelung über die grundsätzliche Zulässigkeit von Vorhaben getroffen werden konnte; die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Kompetenzvorschriften gelten für alle bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände gleichermaßen. 77 Auch ein bauplanungsrechtlich zulässiges Innenbereichsvorhaben kann daher naturschutzrechtlich unzulässig und damit insgesamt nicht genehmigungsfähig sein. 78 Welche Rechtsfolge eine nicht-bodenrechtliche Vorschrift anordnet, ob sie also nur auf die Art und Weise der Ausführung des Vorhabens Einfluß nimmt oder aber dessen Realisierung insgesamt verhindert, ist somit für die Frage, ob sie von den Vorschriften des Bauplanungsrechts "unberührt bleibt", in jedem Fall unerheblich.
bb) Die Bedeutung des Art. 14 GG Dieses Ergebnis kann auch nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, daß die dem § 34 BauGB zugemessene abschließende Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben auf der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie beruhe. 79 Der Hinweis auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie geht fehl, weil Inhalt und Schranken des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erst durch die Gesamtheit der
75 Dagegen ist § 34 BauGB selbst nicht Maßstab der Gültigkeit derartiger Vorschriften; auch dies ist aufgrund der kompetenzrechtlichen Voraussetzungen ausgeschlossen. Zu Unrecht a. A. daher BVerwGE 35, 256, 260; 55, 272, 276. 76
Ausführlich zur Frage der Gültigkeit naturschutzrechtlicher Vorschriften s. u. S. 40 ff.
77 Aus diesem Grund bedarf, entgegen der Ansicht von Steinberg, NJW 1981, 550, 551, das Zusammentreffen widersprechender, also zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Zulässigkeit von Vorhaben führender bodenrechtlicher und nicht-bodenrechtlicher, wie z. B. naturschutzrechtlicher, Vorschriften auch keiner Kollisionsregelung. Es liegt kein Fall einer Normkonkurrenz vor, der über Art. 31 G G gelöst werden müßte. Entweder stellt sich tatbestandlich einschlägiges Landesrecht ebenfalls als Bodenrecht dar und ist schon gem. Art. 72 Abs. 1 G G unanwendbar oder aber es stellt zusätzliche, nicht-bodenrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen auf, die neben denen des Bauplanungsrechts gelten. Eine Kollision, die der Regelung über Art. 31 G G bedürfte, kann daher nicht eintreten. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß A r t . 31 G G im grundsätzlichen Verhältnis von Bauplanungsrecht und sonstigen, nicht-bodenrechtlichen Vorschriften als Kollisionsregelung ohnehin nur bedingt tauglich wäre; so ließen sich z. B. "Kollisionen" zwischen Bauplanungsrecht und Bundesimmissionsschutzrecht über Art. 31 G G nicht lösen. 78 Im Ergebnis ebenso Engel, N V w Z 1985, 252, 253. 79 So aber ausdrücklich BVerwG, DVB1. 1981, 97 unter Hinweis auf BVerwGE 35, 256 und BVerwGE 55, 272.
42
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen 80
verfassungsgemäßen Gesetze bestimmt werden, d. h. das einfache Rechl erst festlegt, welche Rechtspositionen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unterfallen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG könnte der Anwendbarkeit naturschutzrechtlicher Vorschriften daher nur dann entgegenstehen, wenn § 34 BauGB für den Innenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts eine abschließende Inhalts- und Schrankenbestimmungen darstellen würde. Daß dies aber gerade nicht der Fall ist, wurde bereits gezeigt. Daher sind die Vorschriften des Naturschutzrechts selbst, auch soweit der bauplanungsrechtliche Innenbereich betroffen ist, Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Ebensowenig wie es eine gesetzesunabhängige, allein auf der Verfassung beruhende "Baufreiheit" gibt, 8 1 vermag § 34 BauGB eine solche zu begründen. Es gibt weder ein "natürliches" vorrechtliches (Eigentums-)Vollrecht im Sinne eines vor dem Recht oder dem Verfassungsrecht bestehenden Gesamtumfangs des Eigentums, noch ein allein durch § 34 BauGB definiertes Eigentumsrecht. Das Eigentum ist vielmehr in seinem gesamten Inhalt rechtserzeugt, d. h. durch die Gesamtheit aller gültigen Normen geschaffen. 82 Diese Struktur der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie schließt es aus, einen Vorrang des Planungsrechts vor den Vorschriften des Naturschutzrechts mit Art. 14 GG zu begründen. cc) Naturschutzrechtliche Vorschriften als Belange Ein Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Naturschutzrecht läßt sich schließlich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, bei den Vorschriften des Naturschutzrechts handle es sich um "Belange" im Sinne des Bauplanungsrechts, die sich in der, auch im Rahmen des § 34 BauGB vorzunehmenden, sog. "nachvollziehenden Abwägung" 83 erst bewähren und durchsetzen müßten. 84
80
B V e r f G E 58, 300, 336.
81 82
Wahl, DVB1.1982, 51, 56; Schulte, DVB1.1979,133; dcrs., VerwArch. 1986, 372, 380. Wahl, N V w Z 1984, 401, 405.
83 Es soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob § 34 BauGB, insbesondere nach Streichung der Klausel "und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen", überhaupt Raum für eine solche "Abwägung" läßt, da es für das hier zu erörternde Problem auf diese Frage, wie sich zeigen wird, nicht ankommt. Vgl. zu § 34 BauGB insgesamt das 4. Kapitel, zu Begriff und Kritik der "nachvollziehenden Abwägung" Kapitel 5, S. 107 ff. 84 So aber ausdrücklich B V e r w G E 55, 272, 276; BVerwG, U P R 1988, 265, 266; zustimmend Gassner, N u R 1986, 412, 416; ders., N u R 1989, 120, 123; vgl. auch Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichworte "Beeinträchtigung des Natur- und Landschaftsschutzes", S. 76, 77 und "Öffentliche Belange", S. 326, 327.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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Gegen die Gleichsetzung von "Vorschriften" und "Belangen" spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Das Baugesetzbuch unterscheidet die beiden Begriffe konsequent; gem. § 1 Abs. 6 BauGB sind "Belange" gegeneinander abzuwägen, und gem. § 35 BauGB sind Vorhaben zulässig, wenn "Belange" nicht entgegenstehen bzw. nicht beeinträchtigt werden. Weder im Katalog der Belange, die gem. § 1 Abs. 5 BauGB für die Bauleitplanung von Bedeutung sind, noch im Katalog der Belange, deren Beeinträchtigung über die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben entscheidet, werden auch "Vorschriften" genannt. Gleiches galt für § 34 BBauG; auch diese Vorschrift stellte ausschließlich auf entgegenstehende "Belange" ab. Im deutlichen Gegensatz hierzu spricht § 29 Satz 4 BauGB ausdrücklich von anderen öffentlich-rechtlichen "Vorschriften", ebenso wie z. B. § 38 BauGB. Diese konsequente gesetzliche Unterscheidung ist rechtsdogmatisch richtig; Vorschriften sind keine (bloßen) Belange, die, unabhängig von ihrem eigentlichen Regelungsgehalt, von einer Behörde einer "echten" oder auch nur "nachvollziehenden" Abwägung unterworfen werden können. Als Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens eines dafür demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorgans treffen sie eine eigene abstrakt-generelle Regelung über die Bedeutung bestimmter öffentlicher Belange für bestimmte Sachverhalte. Liegt einer dieser Sachverhalte vor, sind die Vorschriften also tatbestandlich einschlägig, so sind sie von der zuständigen Behörde anzuwenden, d. h. die Behörde hat den Sachverhalt nach den in den Vorschriften oc
vorgesehen Rechtsfolgen zu beurteilen, es sei denn, die Vorschriften sind entweder weder Verstoßes gegen höherrangiges Recht insgesamt nichtig oder aber sie werden im konkreten Einzelfall gemäß den anerkannten Kollisionsregeln verdrängt. Sind die Vorschriften aber gültig und werden sie nicht verdrängt, so bedürfen sie als Rechtsnormen weder einer ausdrücklichen Bestätigung ihrer Geltung, z. B. über das Tatbestandsmerkmal der "öffentlichen Belange" in § 35 BauGB, 8 6 noch können sie, unabhängig von 85 Dies verkennt Gassner, U P R 1986, 412, 416, wenn er ausführt, entscheidend sei nicht "der rein formale Tatbestand des Erlasses" einer Vorschrift, sondern das Gewicht dessen, was sie vorschreibt. 86 Insoweit zustimmend auch Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Öffentliche Belange", S. 326, 327. Unzutreffend dagegen die folgenden Ausführungen, in denen Weyreuther zu dem Ergebnis kommt, daß andere Vorschriften "letztlich doch nur öffentliche Belange" sind. Ob ein Vorhaben (allein) bauplanungsrechtlich zulässig ist, also eine "Bebauungsgenehmigung" (in Bad.-Württ. gem § 54 L B O ) erteilt werden kann, so die Fragestellung bei Weyreuther, entscheidet sich allein nach den Vorschriften des Bauplanungsrechts; deren Wortlaut läßt jedoch, wie bereits gezeigt wurde, die Berücksichtigung anderer Vorschriften nicht zu. Sie werden nicht, wie Weyreuther formuliert, durch § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB "aufgenommen", mit der Folge, daß sie "letztlich doch nur öffentliche Belange" sind. Weyreuther verkennt, daß sowohl das Bauplanungsrecht als auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften eigenständige Genehmigungsvoraussetzungen an ein Vorhaben stellen; daher kann ein Vorhaben beispielsweise bauplanungsrechtlich zulässig, naturschutzrechtlich aber unzuläs-
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
ihrer eigenen Regelungsstruktur und den vorgesehen Rechtsfolgen, einer wie auch immer gearteten "Abwägung" unterworfen werden. Beides widerspricht dem Geltungsanspruch, der einer Rechtsnorm als solcher zukommt und letztlich auf Art. 20 Abs. 3 GG beruht; die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden. Die Richtigkeit dieser Auffassung zum allgemeinen Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht bestätigt ein Blick auf die insoweit parallel liegende Problematik im Planfeststellungsrecht. Fachplanungsentscheidungen ergehen, unabhängig von der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, aufgrund planerischer Abwägung, bei der alle im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. 8 7 Auch hier stellt sich die Frage, welche Bedeutung anderen, tatbestandlich ebenfalls einschlägigen, öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Rahmen der fachplanerischen Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zukommt, auch und insbesondere deshalb, weil gemeinsames Merkmal aller Fachplanungsentscheidungen die sog. "Konzentrationswirkung" 88 ist, die zwar in den einzelnen Fachplanungsgesetzen unterschiedlich umschrieben wird, 8 9 in der Sache jedoch übereinstimmend bedeutet, daß neben der Planfeststellung andere behördliche Entscheidungen, insbesondere Genehmigungen, Erlaubnisse und Bewilligungen, nicht erforderlich sind. Die damit aufgeworfene Frage nach dem Umfang der Konzentrationswirkung, 90 d. h. ob und inwieweit nicht nur andere Genehmigungen, sig sein. Eine "Harmonisierung" aller rechtlicher Voraussetzungen ist rechtlich weder möglich noch erforderlich; ist ein Vorhaben nur nach einer tatbestandlich einschlägigen (gültigen) Vorschrift unzulässig, so darf es nicht realisiert werden. Dies ist auch der den landesrechtlichen Vorschriften über die Erteilung der Baugenehmigung zugrunde liegende Gedanke; sie darf nur dann erteilt werden, wenn keine öffentlich-rechtliche Vorschrift dem Vorhaben entgegensteht. Vgl. oben S. 40 FN 74. 87 88
BVerwGE 45, 309, 312; 48, 56, 63; D Ö V 1977, 823. Statt vieler Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39 I m. w. H.
89 Vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; § 18 b Abs. 1 Satz 2 FStrG ("nicht erforderlich"); § 21 Abs. 1 Satz WaStrG, § 9 Abs. 1 Satz 1 L u f t V G ("ersetzt"); § 36 Abs. 1 Satz 2 BbG ("umfaßt"). 90 Im wesentlichen werden zum Umfang der Konzentrationswirkung vier Theorien vertreten: Nach der "Theorie der Zuständigkeitskonzentration" sind bei der Planfeststellungsbehörde lediglich die sachlichen Zuständigkeiten zusammengefaßt; die Planfeststellungsbehörde ist also in vollem Umfang an des einschlägige Verfahrens- und materielle Recht gebunden. Die "Theorie der Verfahrenskonzentration" stellt die Planfeststellungsbehörde dagegen von der Bindung an die Verfahrensvorschriften, die andere Behörden bei Erlaß der ersetzten Genehmigungen beachten müßten, frei, hält aber an ihrer Bindung an das materielle Recht fest. Nach der "Theorie der eingeschränkten materiellen Konzentration" ist die Planfeststellungsbehörde nicht nur von der Bindung an das formelle Recht freigestellt, sondern darf sich auch über das materielle Recht hinwegsetzen, soweit dies aus sachlichen Gründen geboten bzw. gerechtfertigt ist. Vorschriften, an die andere Behörden gebunden wären, sind danach lediglich als Faktoren der Abwägung zu beachten. Die "Theorie der uneingeschränkten materiellen Konzentration" stellt die Planfeststellungsbehörde schließlich von jeder Bindung an das formelle und materielle Recht frei; andere Vorschriften sind daher auch nicht im Rahmen der
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
45
sondern auch das diesen zugrundeliegende formelle und materielle Recht durch das Fachplanungsrecht ersetzt werden, ob also die Planfeststellungsbehörde an tatbestandlich einschlägige Vorschriften gebunden ist oder sie sich darüber, da auch Vorschriften nur Faktoren der Abwägung darstellen, wie über Belange hinwegsetzen kann, entspricht - rechtsdogmatisch gesehen - der hier interessierenden Frage, ob andere öffentlich-rechtliche Vorschriften neben den bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch als Rechtsnormen oder nur als Belange im Sinne des Bauplanungsrechts Anwendung finden. Für den Bereich des Planfeststellungsrechts hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage inzwischen mit begrüßenswerter Deutlichkeit entschieden. Während es die ältere Rechtsprechung des 4. Senats, trotz einiger Entscheidungen, die sich mit der Frage des Umfangs der Konzentrationswirkung auseinanderzusetzen hatten, 91 an einer klaren Aussage zur Bedeutung und rechtsdogmatischen Einordnung der Konzentrationswirkung fehlen ließ, 9 2 hat der 7. Senat in seinem Urteil vom 9. 11. 1984 93 ausdrücklich festgestellt, daß die Vorstellung einer mit einem Planfeststellungsbeschluß verbundenen materiellen Konzentrationswirkung überholt und mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren sei. 94 Dieser Auffassung hat sich sodann auch der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 22. 3. 1985 95 ausdrücklich angeschlossen; unter Berufung auf die soeben dargestellte Entscheidung des 7. Senats führte das Gericht aus, der vornehmlich in der älteren Literatur vertretene Standpunkt, die Konzentrationswirkung einer Planung wirke sich dahin aus, daß gesetzliche Bestimmungen nicht nach ihrem eigenen Geltungsanspruch sondern nur als Abwägungsmaterial zu beachten und damit überwindbar seien, sei, soweit die gesetzlichen Bestimmungen strikte Gebote und Verbote ausdrückten, vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. 11. 1984 mit Recht als überholt bezeichnet worden. 96 Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen; sie hat das Problem des Verhältnisses des einschlägigen Fachplanungsgesetzes zu anderen, tatbestand-
Abwägung zu beachten. Vgl. insgesamt die ausführliche Darstellung bei VerwArch. 1986, 77 ff m. w. N. 91 Vgl. BVerwGE 27, 253; BVerwG, VerwRspr. 19 (1968) 150; D Ö V BVerwGE 31, 263; 55, 220; BVerwG, D Ö V 1984, 814; zusammenfassend VerwArch. 1986, 77, 82 ff. 92 Kritisch hierzu insbesondere Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß und fechtbarkeit, S. 46. 93
B V e r w G E 70, 242.
94
BVerwGE 70, 242, 244.
95
BVerwG, DVB1. 1985, 899.
96
BVerwG, DVB1. 1985, 899, 900.
I^ubinger, 1969, 206; Laubinger, seine A n -
46
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen Q7
lieh ebenfalls einschlägigen Vorschriften, zutreffend gelöst. Das Gericht hat erkannt, daß eine Abwägung nur dort erfolgen kann, wo der Gesetzgeber eine solche ausdrücklich angeordnet oder aber zumindest zugelassen hat. Dagegen ist dort, wo der Gesetzgeber bereits entschieden hat, für eine Abwägung kein Raum mehr; legt ein Gesetz bestimmte materielle Anforderungen fest, so muß ein Vorhaben diesen Anforderungen entsprechen, anderenfalls ist es nicht genehmigungsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob das Vorhaben einer Genehmigung oder einer Planfeststellung bedarf. 98 Somit ist als Ergebnis festzuhalten, daß, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Rechtsnormen im Rahmen fachplanerischer Entscheidungen nicht nur als Abwägungsmaterial, sondern entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch zu beachten, also anzuwenden sind. Gleiches gilt aber auch, entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, für die Bedeutung von Rechtsnormen im Rahmen einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines bauplanungsrechtlich relevanten Vorhabens. Ebensowenig wie die in einem Fachplanungsgesetz angeordnete oder zumindest vorausgesetzte planerische Abwägung vermag die im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände, jedenfalls nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, vorzunehmende sog. "nachvollziehende Abwägung" die auf einem Gesetzgebungsakt beruhende Festlegung weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen aufzuheben. Auch hier sind tatbestandlich einschlägige Vorschriften als solche zu beachten, also anzuwenden. Somit läßt sich auch mit dem Hinweis auf die sog. "nachvollziehende Abwägung" ein "Vorrang des Planungsrechts", wie er vom Bundesverwaltungsgericht behauptet wird, 9 9 nicht begründen.
c) Die Bedeutung des § 29 Satz 4 BauGB Aufgrund der bisherigen Ausführungen zum grundsätzlichen Verhältnis von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht wird deutlich, daß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht auch die Bedeutung des § 29 Satz 4 BauGB nicht zutreffend erfaßt h a t . 1 0 0 Ob eine Vorschrift im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB "unberührt bleibt", ist unabhängig davon zu entscheiden, nach welchem bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestand das 97 Zustimmend auch Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 55; Steinberg, N V w Z 1986, 812, 815; Uechtritz, N V w Z 1988, 316, 317. 98 So auch Laubinger, VerwArch. 1986, 77, 89. 99 Vgl. die Nachweise oben S. 42 in F N 84. 100 Vgl. B V e r w G E 35, 256, 261; 55, 272, 277, 278; zustimmend Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Vorhaben", S. 496; Zinkahn in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 29 Rdnr. 47; vgl. auch die Zusammenfassung oben S. 32, 33.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
47
geplante Vorhaben zu beurteilen ist und welche Rechtsfolge die "andere öffentlich-rechtliche Vorschrift" vorsieht. Entscheidend ist allein, ob es sich um eine nicht-bodenrechtliche Vorschrift handelt. Ist dies der Fall, so bleibt sie "unberührt", muß also angewandt werden, denn das Bauplanungsrecht konnte in keinem Fall ein abschließende Regelung über die Zulässigkeit von Vorhaben treffen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die "unberührt bleibenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften" ihrerseits über die Zulässigkeit eines Vorhabens abschließend positiv entscheiden könnten; da das Bauplanungsrecht - verfassungsrechtlich zulässig - eigenständige Mindestanforderungen auch in bezug auf nicht-bodenrechtliche Belange statuieren konnte, 1 0 1 stellen sie lediglich, beruhend auf einer anderen Kompetenzgrundlage als das Bauplanungsrecht, weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein - auch - bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtiges Vorhaben auf und schränken damit negativ dessen Zulässigkeit weiter e i n . 1 0 2 Die Vorschriften des Bauplanungsrechts und die unberührt bleibenden anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften finden also nebeneinander Anwendung mit der Folge, daß die Unzulässigkeit des Vorhabens nach nur einer der anzuwendenden Vorschriften eine Realisierung des Vorhabens ausschließt, unabhängig davon, ob das Vorhaben nach einer anderen, ebenfalls anzuwendenden Vorschrift, genehmigungsfähig i s t . 1 0 3 Die unberührt bleibenden anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften können also nur baurechtsbeschränkend, nicht aber baurechtsbegründend wirken. 1 0 4 Das dargestellte Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht folgt unmittelbar aus der Zuordnung der Vorschriften zu verschiedenen Kompetenzmaterien. Da nicht-bodenrechtliche Vorschriften somit schon aus verfassungsrechtlichen Gründen von solchen des Bauplanungsrechts unberührt bleiben, stellt § 29 Satz 4 BauGB eine rein deklaratorische Vorschrift dar; 1 0 5 ihr kommt keine konstitutive Wirkung z u . 1 0 6
101
S. o. S. 25 m. w. H.
102 Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 203; im Ergebnis ebenso Werwigk, N u R 1983, 97, 100. 103 Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 73 spricht insoweit von "absoluter Durchsetzung" dieser Vorschriften. 104 Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 29 Rdnr. 30. 105
I m Ergebnis so auch Steinberg, NJW 1981,550, 551.
106 Unklar insoweit Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Vorhaben", S. 496, der der Vorschrift "überwiegend nur eine deklaratorische Bedeutung" zumißt. Auch und gerade wenn man wie Weyreuther davon ausgeht, daß andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Einzelfall nicht unberührt bleiben, durch die §§ 30 ff BauGB also verdrängt werden, so ist es widersprüchlich, § 29 Satz 4 BauGB "mehr als nur deklaratorische Bedeutung" zuzumessen; konsequent wäre es allenfalls, von einer "nicht einmal deklaratorischen Bedeutung" zu sprechen.
48
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
2. Eigener Ansatz a) Grundsatz Die bisherigen Ausführungen zeigen: Die entscheidende Frage im Verhältnis von bodenrechtlichen und nicht-bodenrechtlichen - und damit auch allen naturschutzrechtlichen - Vorschriften lautet nicht, ob oder gar inwieweit nicht-bodenrechtliche Vorschriften von denen des Bauplanungsrechts "unberührt bleiben", denn dies ist, unabhängig vom einschlägigen bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestand und der damit zusammentreffenden, in der nicht-bodenrechtlichen Vorschrift angeordneten, Rechtsfolge, immer der F a l l . 1 0 7 Entscheidend ist vielmehr die Frage, unter welchen Voraussetzungen nicht-bodenrechtliche Vorschriften überhaupt rechtmäßig und damit als Normen gültig sind. 1 0 8 Die Beantwortung dieser Frage ist logisch vorrangig; nur eine gültige Vorschrift kann überhaupt "unberührt" bleiben. Ist sie dagegen schon als Norm unwirksam, so stellt sich die Frage des "Unberührtbleibens" nicht mehr; die Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich in diesem Fall von vornherein allein nach Bauplanungsrecht.
b) Gültigkeitsvoraussetzungen
naturschutzrechtlicher
Vorschriften
aa) Gesetzliche Voraussetzungen Handelt es sich, wie dies beim Naturschutzrecht überwiegend der Fall ist, um untergesetzliche Normen, so ist Maßstab dieser Prüfung zunächst das einfache Gesetzesrecht. Die untergesetzlichen Vorschriften müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung halten. Besteht, wie im Naturschutzrecht, nur eine Rahmenkompetenz des Bundes, so müssen die landes107 Anderes gilt dann, wenn eine naturschutzrechtliche Vorschrift ihre Anwendbarkeit neben einzelnen Vorschriften des Bauplanungsrechts selbst ausschließt; dieser Ausschluß wirkt aufgrund des allgemeinen Verhältnisses von Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht allerdings konstitutiv. Vgl. als Beispiel die der Entscheidung B V e r w G E 67, 84 zugrundeliegende Landschaftsschutzverordnung, die, wie in B V e r w G E 67, 84, 88 ausgeführt, ihre Geltung für bereits ausgeübte Nutzungen ebenfalls selbst ausschloß. Auch § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG wird von einigen Stimmen in der Literatur im Sinne eines solchen konstitutiven Ausschlusses der Rechtsfolgen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans verstanden. Zur Frage der Richtigkeit dieser Auffassung vgl. unten Kapitel 9, S. 211. 108 Eine rechtswidrige Norm ist nach zutreffender Auffassung eo ipso nichtig, ohne daß es erst einer konstitutiven Aufhebung, sei es durch den Normgeber selbst, sei es durch ein dazu zuständiges Gericht, bedürfte. Vgl. statt vieler Moench, Verfassungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, S. 12 m. w. N.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
49
gesetzlichen Vorschriften darüberhinaus dem durch das Bundesrecht vorgegebenen Rahmen entsprechen.
bb) Verfassungsrechtliche Voraussetzungen (1) Art. 14 GG als Maßstab Verfassungsrechtlicher Maßstab jeder nicht-bodenrechtlichen Vorschrift im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB ist die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, denn die "unberührt bleibenden" Vorschriften bestimmen neben den Vorschriften des Bauplanungsrechts, wie ein Grundstückseigentümer sein Grundstück nutzen kann. Es handelt sich bei diesen Vorschriften daher um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Als solche sind sie jedoch nicht schrankenlos zulässig, sondern unterliegen ihrerseits verschiedenen, aus Art. 14 GG selbst folgenden Bindungen. Der Gesetzgeber ist bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht frei, sondern an die verfassungsrechtliche Institutsgarantie des Eigentums einerseits, an die von Art. 14 Abs. 2 GG aufgestellten Maßstäbe andererseits, gebunden. 109 Er muß daher im Wege einer Abwägungsentscheidung den Bereich des einzelnen und die Belange der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich bringen 1 1 0 und eine Eigentumsordnung schaffen, die sowohl den privaten Interessen des einzelnen als auch den Interessen der Allgemeinheit gerecht w i r d . 1 1 1 Der Gesetzgeber kann somit zur Wahrung überragend wichtiger Gemeinwohlbelange im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einzelne Befugnisse aus dem Eigentum ausklammern, ohne die Institutsgarantie des Eigentums zu verletzen. Dies gilt auch für das Grundeigentum; auch das Grundeigentum umfaßt in seinem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich nicht alle Befugnisse, die von der Sache her möglich sind und die sich einem wirtschaftlich denkenden Eigentümer als die lohnendste und ertragreichste Nutzung anbieten. 1 1 2 Aufgrund der Bedeutung, die den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege für die Allgemeinheit zukommt, halten sich die Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzrechts grundsätzlich innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und stel-
109 BVerfGE 14, 263; Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG, A r t . 14 Rdnr. 252 ff; Wahl, N V w Z 1984, 401, 404. 110 BVerfGE 31, 229, 242; 58, 137,147. 111
BVerfGE 58, 300, 335; Bryde in v. Münch, GG, A r t . 14 Rdnr. 57 m. w. H.
112
BVerfGE 58, 300, 345.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
len somit regelmäßig verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums d a r . 1 1 3 Sie konkretisieren die Sozialgebundenheit, die einem Grundstück aufgrund seiner Lage bereits anhaftet und die es prägt und aktualisieren damit seine Situationsgebundenheit. 114
(2) Die Anforderungen
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
Auch Vorschriften, die wie solche des Naturschutzrechts grundsätzlich der Wahrung überragend wichtiger Gemeinwohlbelange dienen und damit regelmäßig den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG genügen, müssen darüberhinaus den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen. 115 Dieser Grundsatz fordert, daß auch naturschutzrechtliche Vorschriften Regelungen enthalten, die es ermöglichen, den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden, denn aufgrund der notwendig abstrakt-generellen Vorschriften auch des Naturschutzrechts ist es nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr absehbar, daß die Anwendung der Vorschriften, jedenfalls im Einzelfall, einen Grundstückseigentümer übermäßig hart und damit unverhältnismäßig treffen kann. 1 1 6 Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Erläßt eine Gemeinde, gestützt auf § 18 BNatSchG und die entsprechende landesrechtliche Vorschrift eine Baumschutzsatzung, derzufolge es grundsätzlich verboten ist, Bäume ab einem bestimmten Mindestumfang zu beseitigen, 117 so stellt dies grundsätzlich eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums der betroffenen Grundstückseigentümer dar, denn Baumschutzsatzungen dienen der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, denen keine geringere Bedeutung als dem Schutz des Privateigentums zukommt. Auch ohne eine verfassungsrechtliche Umweltschutzbestimmung finden sie ihre Grundlage in Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 G G . 1 1 8 Wie schon in den siebziger
113 So auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. B V e r w G E 3, 335; 4, 57; 49, 365; 67, 84; D Ö V 1988, 425; aus der Literatur Soell, DVB1. 1983, 241; Erbguth, JuS 1988, 699, 705. 114 B V e r w G E 67, 84, 87. 115 B V e r f G E 37, 132, 140; 52, 1, 29; 58, 300, 338; Rittstieg in A K - G G , A r t . 14/15 Rdnr. 106; Bryde in v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 60 f m. w. H. 116 Vgl. B V e r w G E 67, 84, 87, 88. Ein absolutes Veränderungsverbot ohne Erlaubnisvorbehalt ist jedoch dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn Veränderungen mit dem Schutzzweck der naturschutzrechtlichen Vorschrift schlechthin unvereinbar sind; so zurecht V G H München, N u R 1989,182,183, für den Fall der Unterschutzstellung eines Auwaldes. 117 Ein solches grundsätzliches Verbot entspricht dem regelmäßigen Inhalt von Baumschutzregelungen; vgl. Bartholomäi, U P R 1988, 241, 244. 118 Steinberg, NJW 1981, 550, 556; Soell, DVB1.1983, 241, 243.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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Jahren von Bernatzky 1 1 9 nachgewiesen wurde, spielen Bäume für das Klima und die Biosphäre des menschlichen Lebensraumes eine erhebliche Rolle; sie tragen bei zur Verminderung von Staub, zur Reduzierung radioaktiver Substanzen und des Kohlendioxyd-Gehalts, zur Produktion von Sauerstoff, zur Verringerung von Lärm, zur Verbesserung der Luftzirkulation, was einen erheblichen Kühl- und Reinigungseffekt zur Folge hat, sowie zu einer allgemeinen Temperaturverringerung. Wird also durch die Baumschutzregelung eine ansonsten gegebene, bauplanungsrechtlich zulässige Nutzungsmöglichkeit, z. B. aufgrund des konkreten Standortes eines oder mehrerer Bäume auf dem betroffenen Grundstück, eingeschränkt oder ausgeschlossen, so hat der Grundstückseigentümer dies grundsätzlich hinzunehmen, denn Baumschutzregelungen bleiben als andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 29 Satz 4 unberührt. Z u beachten ist jedoch, daß der Baumschutz, anders z. B. als bei geschützten Naturdenkmälern, nicht um eines konkreten Baumes willen erfolgt, sondern wegen der Funktion der Bäume an sich. Der einzelne konkrete Baum genießt Schutz daher nur insoweit, als seine Funktion nicht ersetzt werden kann, sei es durch Ersatzpflanzungen oder sonstige kompensierende Maßnahmen. Wie ein Beispiel von Bernatzky 1 2 0 zeigt, ist eine solche Kompensation aber nicht in allen Fällen ohne weiteres möglich; so kann die Funktion einer hundertjährigen, freistehenden, bis unten beasteten Buche mit einer Höhe von 25 m und einem Kronendurchmesser von 15 m nur durch 2700 (!) junge Bäume mit einem Kronenvolumen von 1 m 3 ersetzt werden. Während in derartigen Fällen ein Bauverbot, auch wenn Grundstücke im unbeplanten Innenbereich betroffen sind, verhältnismäßig und damit gültig ist, 1 2 fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in anderen Fällen, in denen die Funktion konkreter, die Bebauung verhindernder oder zumindest nachhaltig erschwerender Bäume ersetzbar oder aber von absolut untergeordneter Bedeutung ist, weil andere Bäume in ausreichender Zahl verbleiben, daß dem betroffenen Grundstückseigentümer ein Dispens von dem grundsätzlichen Verbot der Beseitigung von Bäumen eingeräumt w i r d . 1 2 2 Diesen Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden, ist gesetzestechnisch grundsätzlich auf zwei Arten möglich: Statuiert eine Vorschrift, wie in dem oben gebildeten Beispiel die Baumschutz119 Vgl. Bernatzky, Grünflächen und Stadtklima, S. 131 ff; ders., Tree Ecology and Preservation, S. 130. 120
Bernatzky, Tree Ecolocy and Preservation, S. 158 ff.
121 Im Ergebnis ebenso auch Steinberg, NJW 1981, 550, 556, insoweit allerdings widersprüchlich, denn bei der von Steinberg, aaO, S. 554, angenommenen Anwendbarkeit des A r t . 31 G G käme es auf einen Dispens nicht an, denn die mit § 34 BauGB "kollidierende" Baumschutzregelung würde als Landesrecht von vornherein verdrängt. 122
Engel, N V w Z 1985, 252; Otto, N V w Z 1986, 900, 901, 902.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Satzung, ein grundsätzliches Verbot, so muß sie eine Regelung enthalten, wonach von diesem Verbot im Einzelfall dispensiert werden kann. Die andere Möglichkeit besteht darin, eine bestimmte Rechtsfolge von vornherein immer nur unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalles vorzusehen, so z. B. indem das Gesetz eine Rechtsfolge nur nach Berücksichtigung und Abwägung aller im konkreten Fall entscheidungsrelevanter Umstände anordnet; 1 2 3 dies macht eine Dispensvorschrift überflüssig. Enthält eine naturschutzrechtliche Vorschrift derartige Regelungen nicht, so verstößt sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; sie ist rechtswidrig und daher als Norm nichtig.
(3) Entschädigung Wird durch eine naturschutzrechtliche Vorschrift in einer auch durch eine Ausnahmegenehmigung nicht behebbaren Weise eine bauplanungsrechtlich zulässige Bebauung ausgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob der betroffene Grundstückseigentümer entschädigt werden muß und damit zugleich, ob die entsprechende Vorschrift bei Fehlen einer Entschädigungsregelung verfassungswidrig und nichtig ist. Wie bereits gezeigt wurde, 1 2 4 hat das Bundesverwaltungsgericht in der Frage der dogmatischen Einordnung der Pflicht zur Gewährung einer Entschädigung seine Rechtsprechung, jedenfalls für die hier interessierenden Fallkonstellationen, die sich aus der Anwendung des Naturschutzrechts ergeben, korrigiert. Es hat festgestellt, daß eine naturschutzrechtliche Vorschrift, die eine bei ihrem Inkrafttreten bestehende eigentumskräfig verfestigte Anspruchsposition entziehe, nur dann eine zulässige und damit verfassungsgemäße Inhaltsbestimmung des Eigentums darstelle, wenn sie eine Entschädigung vorsehe; als entschädigungslose Regelung wäre sie eine unzulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums und damit verfassungswidrig. 125 Das Bundesverwaltungsgericht ordnet die Pflicht zur Entschädigung bei Entzug einer Eigentumsposition somit eindeutig der Ebene der Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu und sieht darin keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 G G . 1 2 6 Es bedarf
123 So z. B. die Untersagungsermächtigung in § 8 Abs. 3 BNatSchG sowie die entsprechenden Ländervorschriften. 124 S. o. S. 31, 33. 125
B V e r w G E 67, 84, 87.
126 Dies verkennen vollständig Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 197 ff, die, obschon in Kenntnis der Entscheidung B V e r w G E 67, 84 (vgl. S. 224), jedoch ohne sich mit der eigentumsrechtlich relevanten Problematik auseinanderzusetzen, die Frage
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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näherer Untersuchung, ob und inwieweit diese Rechtsprechung mit der Dogmatik der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung, insbesondere wie sie vom Bundesverfassungsgericht in einer Reihe von Entscheidungen entwickelt wurde, 1 2 7 vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht stellt, im Gegensatz zur älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und Bundesgerichtshofs, die trotz verschiedener Enteignungstheorien im Grunde übereinstimmend davon ausgingen, daß eine auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG gestützte, grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmende Sozialbindung des Eigentums jenseits einer bestimmten Opfer-, Zumutbarkeits- oder Schweregrenze zu einer entschädigungspflichtigen Enteignung werde, 1 2 8 zurecht fest, daß Enteignung und gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung jeweils eigenständige Institute sind, die von der Verfassung genau unterschieden werden und unterschiedlichen Zulässigkeitsanforderungen unterworfen sind. 1 2 9 Überschreitet der eigentumsgestaltende Gesetzgeber die ihm gezogenen Grenzen, so verwandelt sich die Regelung nicht in eine entschädigungspflichtige Enteignung, sondern sie ist unzulässig und damit als Norm verfassungswidrig und nichtig. 1 3 0 Auch wenn eine grundsätzlich zulässige generelle Inhaltsbestimmung dem einzelnen besondere Opfer auferlegt, macht sie dies nicht zu einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sie bleibt vielmehr Inhaltsbestimmung, kann aber Entschädigungspflichten auslösen. Die verfassungsrechtlich gebotene Entschädigungspflicht ist nicht auf die Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG beschränkt; auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen können entschädigungspflichtig sein. 1 3 1
der Entschädigung im Anschluß an die Entscheidung B V e r w G E 55, 272 allein auf der Grundlage des "enteignenden Eingriffs" erörtern; vgl. insbes. S. 207, 215 - 221. 127 Hervorzuheben sind insbesondere die Entscheidungen B V e r f G E 52, 1 (Kleingarten), B V e r f G E 58,137 (Pflichtexemplar) und BVerfGE 58, 300 (Naßauskiesung). Nicht übersehen werden darf dabei, daß die genannten Entscheidungen keine Änderung der verfassungsgerichtlichen Judikatur zu A r t . 14 G G darstellen, sondern vielmehr eine Rechtsprechung konsequent fortsetzen, die in den Entscheidungen B V e r f G E 21, 73 (Grundstücksverkehrsgesetz) und B V e r f G E 24, 367 (Hamburger Deich-Urteil) ihren Anfang gefunden hat. Vgl. zu dieser Entwicklung Wahl, N V w Z 1984, 401, 405, 406; zusammenfassend auch Dörr, NJW 1988, 1049 ff. 128 Vgl. B G H Z 6, 270; 45, 150; 60, 126; zusammenfassend B G H Z 77, 351; B V e r w G E 5, 143; 15, 1; vgl. auch Paetow, VB1BW 1985, 3, 4. 129 BVerfGE 52,1, 27; 58, 300, 330, 331. 130
Bryde in v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 50.
131 So ausdrücklich B V e r f G E 58, 137, 147 ff; zustimmend Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 276 ff; dies., NJW 1981, 2543; Schulte, Z u r Dogmatik des A r t . 14 GG, S. 35; Schwabe, JZ 1983, 276; Erbguth, JuS 1988, 699, 700; kritisch dagegen Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG, A r t . 14 Rdnr. 283 ff.
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Diesen klaren dogmatischen Ansatz, der ausgeht von einer strikten Trennung von Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits und Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG andererseits, hält jedoch auch das Bundesverfassungsgericht nicht konsequent durch, wenn es für das Verhältnis von gesetzgeberischer Gestaltung und wohlerworbenen Rechten feststellt, daß eine abstrakt-generelle Regelung, die für die Zukunft eine Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt, zugleich eine Enteignung sein kann, wenn sie subjektive Rechte entzieht oder mindert, die der einzelne aufgrund alten Rechts erworben h a t . 1 3 2 Ob das Bundesverfassungsgericht durch diese Rechtsprechung tatsächlich seinen ganzen Ansatz der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik gefährdet, 1 3 kann indessen für das hier interessierende Naturschutzrecht dahingestellt bleiben. Eine Legalenteignung in diesem Sinne kann auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann vorliegen, wenn das Gesetz selbst und unmittelbar mit seinem Inkrafttreten und ohne weiteren Vollzugsakt individuelle Rechte entzieht oder beschneidet. 134 Diese Voraussetzungen erfüllt das Naturschutzrecht nicht; keine Vorschrift des Bundesnaturschutzgesetzes oder der Landesnaturschutzgesetze enthält eine Regelung, die einen solchen unmittelbaren Entzug einer Eigentumsposition bewirkt oder dazu ermächtigt. 135 Naturschutzrechtliche Regelungen können daher immer nur gesetzgeberische Umgestaltung von aufgrund alten Rechts erworbenen Rechtspositionen sein. Sie sind also Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; nur aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und nicht aus Art. 14 Abs. 3 GG ergeben sich somit auch die 1 "Vi
Voraussetzungen ihrer Verfassungsmäßigkeit. Der Gesetzgeber ist (auch) bei Erlaß einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zur Rücksichtnahme auf bestehende Rechtspositionen verpflicht e t ; 1 3 7 dieser Verpflichtung muß er nachkommen durch die Schaffung schonender Übergangsregelungen 138 oder durch die Gewährung einer Entschädigung. 1 3 9 Erfüllt der Gesetzgeber diese Verpflichtungen, so liegt eine zu-
132 BVerfGE 31, 275, 292 ff; 45, 297, 330; 52, 1, 28; 58, 300, 331; sog. "Aufopferungsenteignung"; vgl. Schwerdtfeger, JuS 1983, 104, 108. 133 So Bryde in v. Münch, GG, Art. 14, Rdnr. 54; insgesamt ablehnend zum Begriff der "Aufopferungsenteignung" auch Rittstieg in A K - G G , Art. 14/15 Rdnr. 187. 134 BVerfGE 45, 297, 325, 326; 52, 1, 27. 135
So auch Paetow, VB1BW 1985, 3, 6.
136 137
Ebenda. BVerfGE 58. 300, 351; Rittstieg in A K - G G , Art. 14/15 Rdnr. 176.
138 BVerfGE 58, 300, 351; Bryde in v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 55, 62, Rittstieg in A K - G G , Art. 14/15 Rdnr. 176, weist zurecht daraufhin, daß es bei der Frage der Überleitungsregelungen im Grunde nur um eine gesonderte Feststellung der Verhältnismäßigkeit des Gesetzes gegenüber den bisherigen Rechtsinhabern geht.
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
55
lässige Inhaltsbestimmung auch dann vor, wenn alte Rechte entzogen werden; erfüllt er sie nicht, so ist die entsprechende Vorschrift als Inhaltsbestimmung verfassungswidrig und nichtig; sie wird dadurch nicht zu einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 G G . 1 4 0 Somit ist als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, daß die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die die Pflicht zur Entschädigung bei Entzug einer Eigentumsposition aufgrund von Vorschriften des Naturschutzrechts ebenfalls der Ebene der Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zuordnet, 1 4 1 mit der Dogmatik der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung vereinbar ist. Ein Blick in die Landesnaturschutzgesetze zeigt jedoch, daß kein Bundesland Entschädigungsregelungen für entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmungen erlassen hat. 4 2 Dagegen finden sich in allen Landesnaturschutzgesetzen sog. "salvatorische Entschädigungsregelungen" für Maßnahmen aufgrund des Bundesnaturschutzgesetzes, der Landesnaturschutzgesetze oder aufgrund derer erlassener untergesetzlicher Vorschriften, die "im Einzelfall enteignende Wirkung" haben. 1 4 3 Diesen Vorschriften liegt offensichtlich die ältere, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs geprägte, Dogmatik der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung zugrunde, wonach eine Inhalts- und Schrankenbestimmung jenseits einer bestimmten Grenze in eine Enteignung "umschlagen" konnte. 1 4 4 Diese Dogmatik ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt. Es bestehen jedoch keine Bedenken, diese Entschädigungsklauseln, solange sie von den Landesgesetzgebern dem zutreffenden Verständnis der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung noch nicht angepaßt wurden, auf den Fall der entschädigungspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen analog anzuwenden. Die Voraussetzungen einer Analogie 1 4 5 sind erfüllt. Die zu regelnden Sachverhalte sind identisch, nur ihre rechtliche Einordnung ist eine andere; die bislang unter Enteignungsgesichtspunkten behandelten Fälle der gesetzlichen Umgestal139 Paetow, VB1BW 1985, 3, 7; Bryde in v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 55 spricht von einem "Abkaufen" des Rechts auf schonende Übergangsregelungen. 140 141
Rittstieg in A K - G G , Art. 14/15 Rdnr. 176. BVerwGE 67, 84, 87.
142 A. A. Paetow, VB1BW 1985, 3, 7 für § 50 NatSchG Nds.; dies überzeugt nicht, denn die Vorschrift regelt eine Entschädigung ausdrücklich nur für Pflichten "in einem Ausmaß, das über die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 G G ) hinausgeht"; darum geht es im Rahmen entschädigungspflichtiger Inhaltsbestimmungen gerade nicht. 143 Vgl. § 47 NatSchG BW; Art. 36 NatSchG Bay; § 47 NatSchG Bln.; § 38 NatSchG Bremen; § 39 NatSchG Hamb.; § 39 NatSchG Hessen; § 50 NatSchG Nds.; § 42 Satz 2 N R W ; § 39 LPflG Rh.-Pf.; § 45 LPflegG S.-H. 144
S. o. S. 53.
145
Vgl. zu diesen Voraussetzungen Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 29
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2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen
tung von Eigentumspositionen sind in ihrem verfassungsrechtlichen Standort von Art. 14 Abs. 3 GG zu Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hin verschoben worden. 1 4 6 Es besteht auch eine ungeplante Regelungslücke, da die Landesgesetzgeber, ausgehend von der überholten Dogmatik des Art. 14 GG, die Frage der Entschädigungspflicht bei Inhaltsbestimmungen nicht als regelungsbedürftig erkannt und allein deshalb keine entsprechenden Regelungen erlassen haben. Somit ist als weiteres Zwischenergebnis festzuhalten, daß eine naturschutzrechtliche Vorschrift, die zum Entzug einer Eigentumsposition führt, jedenfalls nicht wegen einer fehlenden Entschädigungsregelung verfassungswidrig und nichtig sein kann. Ob eine Entschädigung zu leisten ist, ist dagegen eine Frage des Einzelfalls. Dies leitet über zu der praktisch wichtigeren 4 7 Frage in welchen Fällen eine "entzugsfähige" Eigentumsposition überhaupt vorliegt. Auch insoweit differiert die Rechtsprechung der Bundesgerichte. Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof stellen auf den jeweiligen Umfang der Situationsgebundenheit des Eigentums ab und sehen als Eigentumspositionen sowohl in der Vergangenheit bereits verwirklichte Rechte als auch noch nicht ausgeübte, jedoch bereits "verfestigte Anspruchspositionen" a n . 1 4 8 Das Bundesverfassungsgericht sieht eine Eigentumsposition demgegenüber nur in einer aufgrund alten Rechts erworbenen Rechtsposition, von der der Betroffene bereits Gebrauch gemacht hat, also nur dann, wenn, soweit erforderlich, eine Genehmigung für eine bestimmte Nutzung erteilt und "ins Werk gesetzt" wurde. 1 4 9 Dieser Auffassung ist zuzustimmen; erst wenn die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Voraussetzungen erfüllt sind, liegt eine Rechtsposition vor, die hinreichend konkretisiert ist, um der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu unterfallen. 150
146
Paetow, VB1BW 1985, 3, 8.
147 Ob eine Entschädigung im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 G G oder im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G zu gewähren ist, ist zwar dogmatisch interessant, führt aber in der Sache selbst zum gleichen Ergebnis; dies rechtfertigt auch die analoge Anwendung der bestehenden salvatorischen Entschädigungsklauseln. 148 Die Anforderungen an das Maß der Verfestigung bislang nicht ausgeübter Nutzungen definieren die Gerichte allerdings im einzelnen unterschiedlich; der Bundesgerichtshof fordert (nur), daß sich die Nutzungsmöglichkeiten "nach Lage des Grundstücks bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise objektiv anbieten" (vgl. B G H Z 90, 17, 25), das Bundesverwaltungsgericht stellt demgegenüber darauf ab, ob die Nutzungsmöglichkeit nach altem Recht legal gewesen wäre und "in der Situation des Grundstücks in einer Weise angelegt, daß sie sich der darauf reagierenden Verkehrsauffassung als angemessen aufdrängte, daß die Verkehrsauffassung diese Nutzung geradezu vermißte"; vgl. B V e r w G E 49, 365, 372, sog. "eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition"; ebenso B V e r w G E 67, 84, 87. 149 BVerfGE 58, 300, 332 fordert ausdrücklich die Ausübung des Rechts; vgl. auch Erbguth, JuS 1988, 699, 702. 150 Im Ergebnis ebenso Erbguth, JuS 1988, 699, 702. A . A . Papier in M a u n z / D ü r i g / Herzog, GG, A r t . 14 Rdnr. 344 ff, insbes. Rdnr. 353; diese Argumentation, die auf die "grund-
2. Kap.: Bauplanungs- und Naturschutzrecht
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Somit ist als Gesamtergebnis festzuhalten, daß zwar die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Zuordnung der Entschädigungspflicht bei naturschutzrechtlich begründetem Entzug einer Eigentumsposition zur Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dogmatisch richtig ist, daß eine solche Eigentumsposition jedoch, entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, nicht schon dann vorliegt, wenn eine "eigentumskräfig verfestigte Anspruchsposition" bestanden hat, sondern erst dann, wenn der Betroffene von einer ihm erteilten Genehmigung bereits Gebrauch gemacht hat.
C. Fazit Das Bauplanungsrecht selbst stellt in allen Genehmigungstatbeständen an bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Natur und Landschaft nur Mindestanforderungen. Diese können durch naturschutzrechtliche Vorschriften, bis hin zu einem vollständigen Bauverbot, erweitert werden, denn alle Vorschriften des Naturschutzrechts stellen nicht-bodenrechtliche und damit "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB dar, deren Anwendung unberührt bleibt. Voraussetzung der Anwendbarkeit ist jedoch, wie bei jeder Rechtsnorm, ihre Gültigkeit. Maßstab hierfür ist die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG. Obwohl die Vorschriften des Naturschutzrechts aufgrund des von ihnen bezweckten Schutzes von Natur und Landschaft und der damit verbundenen Bedeutung für die Allgemeinheit regelmäßig verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums darstellen, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Regelung, die es erlaubt, den konkreten Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden, sei es durch die Möglichkeit eines Dispenses von einem grundsätzlichen Verbot, sei es durch eine allgemeine Abwägungsklausel. Eine Entschädigung ist nur dann zu leisten, wenn die Anwendung des Naturschutzrechts im konkreten Einzelfall zum Entzug einer Eigentumsposition führt; in diesem Fall liegt eine entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung vor. Die analoge Anwendung der in allen Landesnaturschutzgesetzen enthaltenen "salvatorischen Entschädigungsklauseln" bietet hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage. sätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis" als Kernbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung abstellt, ist nicht überzeugend, denn die grundsätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis geht auch beispielsweise durch ein naturschutzrechtliches Bauverbot nicht verloren. Die wirklich entscheidende Frage, ob mehr als diese grundsätzlichen Befugnisse bereits vor Erlaß der naturschutzrechtlichen Regelung bestanden haben, also eine entzugsfähige Eigentumsposition begründet war, vermag diese Argumentation gerade nicht zu beantworten.
3. Teil
Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in den einzelnen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbeständen 3. Kapitel
Qualifiziert beplanter Bereich, § 30 BauGB
A. Bauleitplanung als verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstverwaltungsrecht Gem. § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubare Grundstücksfläche und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Im Gegensatz zu den Vorschriften der §§ 34 und 35 BauGB fehlt es also, mit Ausnahme der Voraussetzung der Erschließung, an unmittelbaren gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit von Vorhaben; entscheidend sind die Festsetzungen des Bebauungsplans. Diese Festsetzungen sind das Ergebnis der Bauleitplanung einer Gemeinde; gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind die Bauleitpläne von den Gemeinden in eigener Verantwortung aufzustellen. Die Vorschrift verdeutlicht, daß es sich bei der Bauleitplanung um eine Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde handelt; sie gehört zum Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln und unterfällt damit als kommunale Planungshoheit der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG. 1 Die verfassungsrechtlich gewährleistete Planungshoheit ist die Grundlage der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde bei der Aufstellung der Bauleitpläne; es ist grundsätzlich der demokratisch legitimierten Entschei-
1
Iirnst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 167.
3. Kap.: Qualifiziert beplanter Bereich, § 30 BauGB
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dung der Gemeinde überlassen, wie sie ihre Planungshoheit handhabt und welche Konzeption sie ihr zugrundelegt. 2
B. Grenzen der Planungshoheit Eine Einschränkung erfährt diese Freiheit dadurch, daß auch die kommunale Selbstverwaltungshoheit des Art. 28 Abs. 2 GG nicht schrankenlos, sondern nur "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet ist. Neben den Verfahrensvorschriften der §§ 2 bis 4 BauGB und der Einbindung der Bauleitplanung in übergeordnete Planungen aufgrund der Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB, dem Vorrang qualifizierter Fachplanungen gem. § 38 BauGB sowie der Pflicht zur Abstimmung der Bauleitpläne mit denen benachbarter Gemeinden gem. § 2 Abs. 2 BauGB, 3 ergeben sich die inhaltlichen Grenzen der Planungshoheit insbesondere aus den Vorschriften des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB, den Zielen und Grundsätzen der Bauleitplanung sowie dem Abwägungsgebot.
I. Ziele und Grundsätze der Bauleitplanung 1. Überblick § 1 Abs. 5 BauGB beschränkt sich nicht auf eine bloße Aufzählung abwägungserheblicher Belange; die Vorschrift unterscheidet zwischen den generellen Planungszielen4 des Satzes 1, die durch die konkreten Planungsleitlinien des Satzes 2, allerdings nicht abschließend, wie aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" folgt, konkretisiert werden, sowie der "Bodenschutzklausel" des Satzes 3 und der "Umwidmungssperrklausel" das Satzes 4. Bei allen diesen planerischen Vorgaben handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Gemeinde miteinander konkurrierende Interessen aufzeigen und als Grundsätze der Planung zur Verfügung stellen sollen. Insbesondere die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden dabei mehrfach berücksichtigt:
2
Battis, Baurecht, S. 67; vgl. auch Wahl, DVB1. 1982, 51, 56.
3
BVerfG, UPR 1988, 223, 224.
4 Vgl. Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 256. Die Terminologie ist insgesamt uneinheitlich; synonym werden die Begriffe "programmatische Hauptleitsätze", "Grundleitsätze", "allgemeine Ziele" verwendet; vgl. Gassner, U P R 1987, 249; Lohr, N V w Z 1987, 362; zusammenfassend Schmidt-Aßmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rdnr. 167 ff.
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
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2. Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen als generelles Planungsziel, § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB Gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB sollen die Bauleitpläne - auch - dazu beitragen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Dies stellt eine Neuerung gegenüber der vor Inkrafttreten des Baugesetzbuchs geltenden Rechtslage nach dem Bundesbaugesetz dar; dort war in § 1 Abs. 6 Satz 2, 13. Spiegelstrich zwar auch die Erhaltung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen enthalten, jedoch fehlte insbesondere das Entwicklungsgebot und die Abhebung der "natürlichen Lebensgrundlagen" von den anderen Umweltschutzbelangen. Die Aufnahme dieses Gebots in die generellen Planungsziele des Satzes 1 ist von weitreichender Bedeutung: Durch die Festsetzungen im Rahmen der Bauleitplanung werden Inhalt und Schranken des Eigentums der betroffenen Grundstücke bestimmt. 5 Grenze dieser Gestaltungsmöglichkeit durch das Bauplanungsrecht ist jedoch dessen grundsätzliche Aufgabe; daher umschreibt der übergeordnete allgemeine Leitbegriff der "geordneten städtebaulichen Entwicklung" in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB sowohl die wesentliche Funktion der Bauleitplanung als auch ihre gesetzliche Begrenzung. 6 Ein Bauleitplan, der andere Funktionen als die der städtebaulichen Entwicklung oder Ordnung erfüllen soll, stellt somit keine aufgrund Bauplanungsrechts zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Nur soweit der Begriff der geordneten städtebaulichen Entwicklung reicht, ist die Bauleitplanung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gerechtfertigt, denn der Gesetzgeber hat die Bauleitplanung ausschließlich zur Erfüllung städtebaulicher Aufgaben geschaffen. Es ist den Gemeinden daher nicht gestattet, diesen Plantyp für andere als städtebauliche Zwecke zu verwenden. 7 Die Verpflichtung zum Schutz und zur Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB steht jedoch nicht unabhängig neben dem Leitbegriff der geordneten städtebaulichen Entwicklung, sondern stellt sich als dessen Konkretisierung dar 8 und steht mit ihm in einem Ableitungszusammenhang.9 Dies hat zur Konsequenz, daß die Bauleitplanung nicht mehr nur als fachliche Bebauungsplanung anzusehen ist, die sich allein auf die Steuerung und Entwicklung der baulichen Nutzung beschränken kann; 1 0
5 Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 56. 6 Gassner, U P R 1984, 249, 250. 7 B V e r w G E 34, 301, 305; 40, 258, 262; 45, 301, 305; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 56. 8 Gassner, U P R 1987, 249, 250. 9
Schmidt-Aßmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rdnr. 175.
10
Lohr, N V w Z 1987, 361, 362; Gassner, NuR 1989,120,121.
3. Kap.: Qualifiziert beplanter Bereich, § 30 BauGB
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auch Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen stellen damit originäre Aufgaben der Bauleitplanung dar. 1 1 Der Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wird die Gemeinde gerecht durch die planerische Erhaltung von Natur und Landschaft und die Vermeidung von Eingriffen. 12 Die Verpflichtung zur Entwicklung geht darüber hinaus und fordert positive Maßnahmen dort, wo Schäden oder Defizite erkennbar vorliegen, 13 um auf diese Weise die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in § 1 BNatSchG festgelegt sind, aktiv zu fördern und die bestehende Situation zu verbessern. 14 Die Bauleitplanung wird durch diese Zielbestimmung jedoch nicht zu einem Primärinstrument des Umwelt- und insbesondere des Naturschutzrechts. 15 Entsprechend der Aufgabe des Bauplanungsrechts kann sie nur dort eingreifen, wo Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen städtebaulich veranlaßt sind; die Bauleitplanung kann daher zur Erreichung dieser Ziele nur beitragen; spezifisch naturschutzrechtliche Instrumente bleiben unberührt. Dies entspricht den kompetenzrechtlichen Grenzen des Baugesetzbuchs; es trifft nur bodenrechtlich abschließende Regelungen. 16
3. Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Planungsleitlinien, § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB nennt als abwägungserhebliche Belange auch die des Naturschutzes und der Landschaftspflege; dabei hebt das Gesetz ausdrücklich den Naturhaushalt, das Wasser, die Luft, den Boden und das Klima als natürliche Faktoren hervor und konkretisiert damit die von der Gemeinde bei ihrer Planung zu berücksichtigenden tatsächlichen Umstände; eine inhaltliche Erweiterung stellt die Regelung gegenüber der grundsätzlichen Pflicht zum Schutz und zur Entwicklung der natürlichen 11 Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 57 12 Bedenklich dagegen die Ansicht von Gassner, U P R 1987, 249, 250, wonach dieses Ziel substantielle Einbußen an Natur und Landschaft ausschließt". Hier wird verkannt, daß es sich uch bei den Planungszielen des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht um mit absolutem Vorrang usgestattete Rechtsgüter handelt; auch "substantielle" Einbußen an Natur und Landschaft leiben daher möglich, wenn es die konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich machen. 13 Söfker, U P R 1987, 201; Gassner, U P R 1987, 249, 250. Nicht zutreffend dagegen die nsicht von Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 57, wonach zu den nforderungen des Entwicklungsgebots auch die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen rechnen ist; Ausgleichsmaßnahmen sind schon ihrem Wortsinn nach darauf beschränkt, ien status quo ante wiederherzustellen; gerade darüber geht das Entwicklungsgebot aber laus. 14 Hoppenberg, NJW 1987, 748, 749. 15
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 57.
16
S. o. Kapitel 2, S. 39, 40.
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
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Lebensgrundlagen des Satzes 1 dagegen nicht dar. Dies gilt auch, soweit der Gesetzgeber als Neuerung gegenüber der bisherigen Regelung des Bundesbaugesetzes17 den Begriff des "Naturhaushalts" verwendet; über die einleitenden Vorschriften über Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege in den Naturschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die die Bedeutung der "Belange" des Bauplanungsrechts konkretisieren, war er auch schon bisher zu beachten. Es wird damit allerdings auch für den Bereich des Bauplanungsrechts verdeutlicht, daß bei der Bewertung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht nur die Beeinträchtigung einzelner natürlicher Faktoren sondern auch deren Wirkungszusammenhänge und Wechselbeziehungen Berücksichtigung finden müssen, denn erst durch diese Gesamtschau läßt sich das tatsächliche Maß der AusWirkungen einer Planung erfassen und angemessen bewerten.
io
4. Die Bodenschutzklausel, § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB Eine Neuerung gegenüber der Rechtslage unter der Geltung des Bundesbaugesetzes stellt die sog. "Bodenschutzklausel" des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB dar, die die Gemeinde verpflichtet, bei ihren Planungen mit Grund und Boden schonend und sparsam umzugehen und damit nochmals die Bedeutung des schon in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 genannten Schutzgutes "Boden" hervorhebt und konkretisiert. 19 Die Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung dieser Vorschrift war es, den durch die Ausweisung von Baugebieten und die dadurch ermöglichte Realisierung von Vorhaben verursachten enormen Landschaftsverbrauch einzudämmen und die Baupolitik stärker in Richtung auf die Innenstädte zu orientieren, insbesondere durch Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile. 20 So sieht die Begründung des Regierungsentwurfs zum Baugesetzbuch den Hauptanwendungsfall der Bodenschutzklausel darin, "daß je nach den örtlichen Verhältnissen und der städtebaulichen Situation anstelle von Neuausweisungen von Bauflächen die Möglichkeiten der innerörtlichen Entwicklung auszuschöpfen und bei Inanspruchnahme unbebauter Fläche flächensparende Bauweisen zu bevorzugen sind". 21 Möglich ist eine derartige innnerörtliche Entwicklung u. a. durch
17
Vgl. § 1 Abs. 6 Satz 2 Spiegelstriche 8,12,13,14 BBauG.
18 Cholewa in Cholewa/David/Dyong/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 1 Anm. 8; Lohr, N V w Z 1987, 361, 362; vgl. auch den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 61. 19 Die Vorschrift geht zurück auf die Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung vom 6. 2. 1985; vgl. BT-Drs. 10/2977. 20
Vgl. Lohr, Jura 1986, 465, 468.
21
BT-Drs. 10/4630, S. 62.
. Kap.:
ualifiziert beplanter ereich, § 3 BauGB
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Maßnahmen zur Nutzung von Baulücken, Verkleinerung der Grundstücksgrößen und Erschließungsstraßen sowie der Wiederverwendung brachliegender Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsflächen; 22 insoweit besteht weitgehende Übereinstimmung der Bodenschutzklausel mit der Planungsleitlinie des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB über Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile. § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB fordert jedoch nicht nur den sparsamen, sondern auch den schonenden Umgang mit dem Boden; dieser zeichnet sich dadurch aus, daß bei der Inanspruchnahme des Bodens seine natürlichen Eigenschaften so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, z. B. indem die Bodenversiegelung so gering wie möglich gehalten wird und die klimaregulierenden und schadstoffilternden Funktionen des Bodens durch Bepflanzung und Pflege des vorhanden Bewuchses erhalten und genutzt werden. Unter der Geltung des Entwicklungsgebotes des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB zählt hierzu auch die aktive Renaturierung sowie das bloße Belassen ungenutzter, nicht mehr benötigter städtebaulicher Brachflächen. 23 Damit wird deutlich, daß sich die beiden Anforderungen des sparsamen und des schonenden Umgangs mit dem Boden gegenseitig begrenzen; so gibt es eine Grenze, ab der eine weitere Verdichtung mit dem Erfordernis bodenschonender Nutzung nicht mehr vereinbar ist. 2 4 Aber auch aus anderen vom Baugesetzbuch genannten Belangen ergeben sich Grenzen der Bodenschutzklausel; so ist es denkbar, daß die Realisierung eines bestimmten Vorhabens eine weder sparsame noch schonende Bodennutzung erforderlich macht, das Vorhaben aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles aber dennoch in dieser Weise verwirklicht werden muß; der Gesetzgeber hat die Vorschrift in Kenntnis dieser tatsächlichen Problematik bewußt nur als "Soll-Vorschrift" ausgestaltet.25 Somit ist durch die Bodenschutzklausel weder der Innen- noch der Außenentwicklung ein abstrakter gesetzlicher Vorrang eingeräumt worden; die Gemeinde muß diese Entscheidung vielmehr unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzel-
22 Vgl. den städtebaulichen Bericht der Bundesregierung - Umwelt und Gewerbe in der Städtebaupolitik - BT-Drs. 10/5999, S. 17 ff. 23
Ebenda, S. 18.
24 Lohr, N V w Z 1987, 361, 363. Die Problematik im Rahmen des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB ist identisch; auch hier sind Klima- und Freiflächenanforderungen in bebauten Bereichen zu beachten, die der Schließung von Baulücken entgegenstehen können; vgl. BT-Drs. 10/5999, S. 20, 37, 54. 25 Einer vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 13. 2. 1986, BT-Drs. 10/5027, S. 2, vorgeschlagenen Einräumung eines Vorrangs für die Innenentwicklung sind sowohl die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 27. 2. 1986, BT-Drs. 10/5111, S. 1 sowie der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in seiner Beschlußfassung vom 15. 10. 1986, BTag-Drs. 10/6166, S. 139, entgegengetreten.
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
falls treffen. § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB stellt somit keinen "Planungsleitsatz" im Sinne eines absolut geltenden Vorrangs dar. 2 7
5. Die Umwidmungssperrklausel, § 1 Abs. 5 Satz 4 BauGB Von Bedeutung für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist schließlich auch die sog. "Umwidmungssperrklausel" des § 1 Abs. 5 Satz 4 BauGB, 2 8 die bestimmt, daß u. a. landwirtschaftlich oder als Wald genutzte und damit für die Belange des Naturschutzes - jedenfalls potentiell - wertvolle Flächen nur im notwendigen Umfang für andere Nutzungsarten vorgesehen oder in Anspruch genommen werden sollen. Auch insoweit hat der Gesetzgeber jedoch keinen Planungsleitsatz im Sinne einer strikten Vorgabe geschaffen; eine Inanspruchnahme auch dieser Flächen für andere Nutzungsarten ist nicht definitiv ausgeschlossen.29
II. Das Abwägungsgebot 1. Anforderungen Gem. § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Abwägungsgebot stellt zusammen mit den Vorschriften des § 1 Abs. 5 BauGB, auf deren Inhalt es Bezug nimmt, die wesentliche inhaltliche Schranke dar, die die verfassungsrechtliche Planungshoheit der Gemeinden begrenzt. Die planerische Entscheidung der Gemeinde wird somit auch durch das Abwägungsgebot zu einer rechtlich verfaßten Ent26
Lohr, N V w Z 1987, 361, 363.
27 Dies ist zurecht weitgehend unbestritten; vgl. Gassner, U P R 1987, 249, 251; ders., N u R 1989, 120, 121; Hoppenberg, NJW 1987, 748, 749; Cholewa in Cholewa/David/Dyong/ von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 1 Anm. 8; insgesamt unklar Söfker, U P R 1987, 201, 202. Ausdrücklich anderer Ansicht allerdings Funke, DVB1. 1987, 511, 515; er hält die Bodenschutzklausel "im Regelfall für einen Planungsleitsatz". Dies ist widersprüchlich und daher unrichtig; ein Planungsleitsatz im Sinne der Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B V e r w G E 71, 163) - der sich Funke i. ü. ausdrücklich anschließt - liegt nur vor, wenn sich eine Vorschrift immer durchsetzt, also auch im Einzelfall nicht überwindbar ist; dies ist bei der Bodenschutzklausel aber, wie gezeigt wurde, nicht der Fall. I. ü. hätte auch die gesetzliche Formulierung der Bodenschutzklausel als "Ist-Vorschrift" an dieser Bedeutung nichts geändert. Da sich ihre beiden Anforderungen gegenseitig begrenzen und damit im Einzelfall gleichzeitig zu verschiedenen Anforderungen an die Bauleitplanung führen können, käme der Vorschrift auch bei entsprechender Fassung nicht die Qualität eines Planungsleitsatzes zu. So richtig Schmidt-Aßmann, N V w Z 1987, 265, 272. 28
Eine entsprechende Regelung enthielt § 1 Abs. 6 Satz 3 BBauG.
29
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 86;
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ualifiziert beplanter ereich, § 3 BauGB
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Scheidung. Welche konkreten Anforderungen das Abwägungsgebot an die Bauleitplanung einer Gemeinde stellt, hat das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen grundsätzlich geklärt: 31 Das Abwägungsgebot verpflichtet die Gemeinde, daß eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß in die Abwägung eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muß und daß weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen oder privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Diese Anforderungen gelten sowohl für den Abwägungsvorgang, also das Planungsverfahren, als auch für das Abwägungsergebnis, 32 also den Planungsinhalt, d. h. die eigentliche planerische Entscheidung, die sich in den Festsetzungen des Bebauungsplans niederschlägt. Innerhalb des damit gezogenen Rahmens kann sich die Gemeinde im Falle der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen Belangs entscheiden; 33 diese Entscheidung bleibt der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit überlassen, insoweit ist sie rechtlich nicht mehr gebunden. 34 Wesentlicher Inhalt dieser Entscheidungsbefugnis ist es, im Wege einer Gesamtbewertung aller betroffenen Interessen 3 eine Saldierung der verschiedenen für und gegen ein Vorhaben sprechenden Belange vorzunehmen. Es kann daher wegen Vorteilen und Vorzügen bei einigen öffentlichen Interessen über Nachteile bei anderen Belangen hinweggegangen werden, ohne daß die Entscheidung dadurch fehlerhaft würde. Darin liegt die entscheidende Bedeutung der planerischen Entschei30 Das Abwägungsgebot ist daher nicht die Grundlage der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde, sondern deren Grenze. Das Abwägungsgebot setzt das Bestehen planerischer Gestaltungsfreiheit bereits voraus; so zurecht B V e r w G E 48, 56, 59; DVB1. 1987, 573, 580; Battis, Baurecht, S. 103; Erbguth/Püchel, NuR 1984, 209, 210; vgl. auch Rubel, Planungsermessen, S. 1 - 3. 31 Grundlegend B V e r w G E 34, 301, 308 ff; ebenso BVerwGE 45, 309, 312; 47, 144, 146; 48, 63; 59, 87, 98; Die Literatur hat sich dieser Rechtsprechung einhellig angeschlossen; vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 90 ff.; Battis, Baurecht, S. 102, 103; Ernst/Hoppe, Baurecht, S. 153 ff. 32 So insbesondere BVerwGE 45, 309; zur Unterscheidung zwischen der Planung als Vorgang und dem Plan als Ergebnis dieses Vorgangs vgl. Korbmacher, D Ö V 1978, 593. 33
B V e r w G E 34, 301, 309.
34 Entgegen der Ansicht von Rubel, Planungsermessen, S. 65 f, ist damit auch geklärt, was positiv unter Abwägung zu verstehen ist: Die Freiheit - innerhalb der dargestellten Grenzen - über die weitere Entwicklung der Gemeinde zu entscheiden, und zwar unter bewußter Verwirklichung einer eigenen städtebaulichen Konzeption, die weder von den Aufsichtsbehörden noch von den Gerichten in Frage gestellt werden kann. Die von Rubel, aaO, aufgeworfene Frage, "wie" abzuwägen sei, kann daher nicht genauer beantwortet werden. Außer den dargestellten Grenzen gibt es keine weiteren Maßstäbe; an dieser Stelle beginnt der Bereich freier Entscheidungsbefugnis der planenden Gemeinde. 35
Weyreuther, BauR 1977, 297 spricht treffend von einem "Interessengeflecht".
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
dung: sie erlaubt eine Kompensation in dem Sinne, daß ein positiver Gesamtsaldo nachteilige Auswirkungen in anderen von der Planung betroffenen Bereichen rechtfertigt; 36 die Grenzen der Abwägung werden dadurch nicht überschritten.
2. Abstrakter Vorrang einzelner Belange in der Abwägung ? Unter der Geltung des Bundesbaugesetzes galt es als gesicherte Erkenntnis, daß § 1 BBauG keinen abstrakten Vorrang des einen oder des anderen der von ihm genannten Belange festlegte. 37 Das Gesetz ging von einer prinzipiellen Gleichrangigkeit aller öffentlichen und privaten Interessen aus. 38 Daran hat sich auch durch die Ablösung des Bundesbaugesetzes durch das Baugesetzbuch nichts geändert. 39 Der Gesetzgeber hat die einzelnen Belange in § 1 Abs. 5 BauGB systematisiert in Gruppen zusammengefaßt, dabei jedoch die grundsätzliche Regelung, das Nebeneinander aller Interessen, beibehalten. 40 Dies läßt erkennen, daß an der generellen Gleichwertigkeit aller Belange nichts geändert werden sollte. Die in der Vorschrift getroffene Reihenfolge hat ausschließlich redaktionelle Bedeutung und stellt keine Gewichtung der einzelnen Planungsleitlinien dar. 4 1 Entscheidend ist daher für alle Belange stets das konkrete Maß ihrer tatsächlichen Betroffenheit im jeweiligen Einzelfall; danach und nicht nach abstrakten gesetzlichen Vorgaben bestimmt sich ihr Gewicht und ihre Bedeutung in der Abwägung. 42 Abwägung ist daher in jedem Fall situationsbestimmt. 4 3 Dies gilt auch für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in verschiedener Konkretisierung in § 1 Abs. 5 Satz 1 bis 3 BauGB aufgeführt sind; entgegen der von verschiedenen Seiten erhobenen Forderung 44 hat der Gesetzgeber auch diesen Belangen keine herausgehobene Stellung eingeräumt und eine solche "erstmalige Festlegung
36 Wahl, DVB1. 1982, 51, 55; B V e r w G E 42, 8, 14 - 16; vgl. auch Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Kompensation", S. 282. 37 Statt vieler Schmidt-Aßmann, Die Berücksichtigung situationsbestimmter Abwägungselemente bei der Bauleitplanung, S. 11 mit zahlreichen weiteren Hinweisen aus Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebungsmaterialien. 38 BVerwG, DVB1.1975, 492. 39 Peine, J Z 1987, 322, 323. Gleiches gilt im Fachplanungsrecht; so zurecht ausdrücklich BVerwG, U P R 1989» 37. 40
Bröll/Busse, BayVBl. 1987, 385, 388.
41
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 60.
42
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 60.
43
Schmidt-Aßmann, N V w Z 1987, 265, 272.
44
Vgl. v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch (1986), S. 21 ff m. w. H.
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eines städtebaulichen Leitbildes im Gesetz" 45 ausdrücklich abgelehnt. 46 Aus den gleichen Gründen mit dem Gesetz nicht vereinbar ist ein in der Literatur teilweise vetretener sog. "relativer Vorrang" 4 7 in dem Sinne, daß sich bestimmte Interessen "im Regelfall gegenüber konfligierenden oder konkurrierenden Belangen durchsetzen". Bei näherem Hinsehen ist denn auch festzustellen, daß es bei den zur Begründung dieser Ansicht gebildeten Fallkonstellationen im Grunde nicht um eine abstrakte gesetzliche Vorgabe, sondern ebenfalls um das konkrete Maß der tatsächlichen Betroffenheit geht. Augenfällig zeigt dies das Beispiel von Erbguth und Püchel 49 , die einen regelmäßigen Vorrang der Belange des Naturschutzes annehmen bei "absehbaren funktionsgefährdenden Dauerschäden des Naturhaushalts und dadurch bedingter Erreichung der Gefahrengrenze". Die Annahme dieses Vorrangs ist zwar im Ergebnis zutreffend, folgt aber, die Umschreibung zeigt dies deutlich, nicht schon daraus, daß der Naturhaushalt überhaupt betroffen ist, sondern welches Ausmaß diese Betroffenheit im konkreten Fall erreicht. Dies zeigt, daß die juristische Konstruktion eines "relativen Vorrangs" einzelner Belange in der Abwägung in der Abwägungsdogmatik zu keinen Lösungen beitragen kann; sie sollte daher aufgegeben werden. 50 Festzuhalten bleibt somit, daß das Abwägungsgebot es grundsätzlich erlaubt, auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ebenso wie jeden anderen Belang in der Abwägung zurückzustellen, sei es, weil das Maß seiner Betroffenheit nur gering ist, sei es, weil überwiegende andere Interessen seine Zurückstellung auch bei stärkerer Betroffenheit erforderlich machen. Gegen eine derartige Entscheidung der Gemeinde bestehen keine rechtlichen Bedenken; sie ist rechtmäßig. 51
45
So die Formulierung im Ausschußbericht, BT-Drs. 10/6166, S. 139.
46 Vgl. Ausschußbericht, aaO; ebenso v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 342, 343. 47 Vgl. Erbguth/Püchel, N V w Z 1982, 649, 651; dies., N u R 1984, 209, 215, 216; in der Sache ähnlich auch Gassner, N u R 1989, 120, 121, der von den "gesetzlich begünstigten" ökologischen Belangen spricht; aus der älteren Literatur Feldhaus, D Ö V 1974, 613, 617; unentschieden Hoppe, W D S t R L 34 (1980), 280, der eine "allenfalls relative Priorität" annimmt. 48 49
So Erbguth/Püchel, N V w Z 1982, 649, 651. N u R 1984, 209, 216; ähnlich dies., N V w Z 1982, 649, 655.
50 Das Gleiche gilt erst recht für einen "relativ-absoluten" bzw. "absolut-relativen" Vorrang; so auch Weyreuther, U P R 1981, 33, 39. Unbrauchbar auch die Differenzierung von Funke, DVB1.1987,511, 515, zwischen "generellem absolutem" und "situationsabhängigem absolutem" Vorrang; letzterer soll nach Ansicht von Funke vorliegen bei "intensivem Betroffensein" des bevorzugten Interesses. Der Begriff entspricht inhaltlich dem des "relativen" Vorrangs; er ist daher aus den gleichen Gründen abzulehnen. Ähnlich Blumenberg, DVB1. 1989, 86, 93. 51
I m Ergebnis ebenso Peine, J Z 1987, 322, 324.
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3. Das Problem der Informationsgewinnung Richtet sich die Bedeutung einzelner Belange in der Abwägung nicht nach abstrakten gesetzlichen Vorgaben sondern nach dem Maß ihrer tatsächlichen Betroffenheit im Einzelfall, so kann eine Abwägungsentscheidung nur dann rechtmäßig sein, wenn zuvor die insoweit erforderlichen Daten erhoben und die nötigen Informationen gewonnen wurden. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer Komponente des Abwägungsgebots, die insbesondere in der Praxis der Gemeinden bislang noch nicht immer die ihr zukommende Rolle gespielt hat, nämlich die Forderung "in die Abwägung einzustellen, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muß". 5 2 Bei dieser "Zusammenstellung des Abwägungsmaterials" 53 handelt es sich bereits um einen Vorgang des planerischen Abwägens, denn die Gemeinde muß entscheiden, welche Belange für die Abwägung überhaupt in Betracht kommen und inwieweit das Abwägungsmaterial aufgrund der konkreten Umstände von Bedeutung, also abwägungserheblich ist. 5 4 Weiter bedarf es der Entscheidung, welche Belange von der Planung nur geringfügig betroffen sind und daher möglicherweise bei der Abwägung außer Betracht bleiben können und welche Belange erst in Zukunft betroffen werden. 55 Unabdingbare Voraussetzung der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials ist es jedoch, nicht nur die einzelnen Belange, sondern auch und insbesondere das tatsächliche Maß ihrer Betroffenheit im Falle einer Realisierung der Planung zu ermitteln und festzustellen; da dieses über das Gewicht der Belange in der Abwägung entscheidet, ist nur so eine rechtmäßige Abwägungsentscheidung möglich. 56 Von Bedeutung ist diese Ermittlung insbesondere für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege; 57 eine Berücksichtigung dieser Belange entsprechend ihrem tatsächlichen Gewicht erfolgt in der Abwägung nämlich häufig deshalb nicht, weil die wesentlichen Daten nur unzureichend ermittelt wurden. 5 8 Die Entscheidung einer Gemeinde, die sich dieser Anforderung der Ermittlung der relevanten Daten z. B. über den ökologischen
52
S. o. S. 65.
53
Vgl. Battis, Baurecht, S. 104; ausführlich Hoppe, DVB1. 1977,136.
54
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 96.
55 Vgl. V G H Kassel, U P R 1985, 220; B V e r w G E 59, 87, 102; zusammenfassend zum Problem der "Beschränkung des Abwägungsmaterials" Krautzberger in Battis/Krautzberger/ Lohr, BauGB, § 1 Rdnr. 116. 56 Erbguth/Püchel, N u R 1984, 209, 214; Gassner, N u R 1989, 120, 123, der in diesem Zusammenhang zurecht auf die Bedeutung der Landschaftsplanung als Grundlage für die Erfassung der im konkreten Fall betroffenen natürlichen Faktoren hinweist. 57
Paetow, N u R 1986,144,146.
58
So schon Hoppe, W D S t R L 34 (1980), 269; Paetow, N u R 1986,144,146.
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Zustand des Planbereichs vor und nach Realisierung der Planung im Rahmen der Ermittlung des Abwägungsmaterials nicht gestellt hat, ist daher defizitär und damit als Abwägungsentscheidung fehlerhaft und somit rechtswidrig. 59 ' 60 Die Gemeinde kann sich in bezug auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege insbesondere auch nicht darauf berufen, daß diese im konkreten Fall nicht als abwägungserheblich erkennbar gewesen seien; 61 als originär öffentliche Interessen müssen sie von der Gemeinde immer und nicht nur, wie private Belange, wenn sie sich aufdrängen oder geltend gemacht werden, berücksichtigt werden. 62 Die Frage, ob die Gemeinde die tatsächlichen Grundlagen in ausreichendem Umfang ermittelt hat, ist gerichtlich voll überprüfbar; auch bei Verwaltungsentscheidungen, die aufgrund planerischer Gestaltungsfreiheit ergehen, kommt der Behörde bei der Prüfung, ob sie von zutreffenden und in ausreichendem Maße ermittelten Tatsachen ausgegangen ist, kein gerichtsfester Spielraum zu. 6 3 Diese Frage ist der nur beschränkt überprüfbaren eigentlichen Abwägungsentscheidung vorgelagert. Möglich bzw. erleichtert wird die gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der Gemeinde dadurch, daß diese sowohl im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan gem. § 5 Abs. 5 BauGB als auch in der Begründung zu den Bebauungsplänen gem. § 9 Abs. 8 BauGB die Auswirkungen der Planung auf alle betroffenen Belange und damit auch auf die des Naturschutzes und der Landschaftspflege darlegen muß. 6 4 Diese Ausführungen dürfen sich nicht auf Vermutungen beschränken, sondern bedürfen fachlich korrekter und ausreichender Grundlagen. 65
59 Zurecht weist Gassner, U P R 1987, 249, 251 darauf hin, daß ohne ein Ausschöpfen der Möglichkeiten, die die Landschaftsplanung hierfür zur Verfügung stellt, ein solches ökologischen Zusammenhängen aufgeschlossenes Planen in der Regel nicht möglich ist. 60 Aufgrund dieser rechtlichen Anforderungen des Abwägungsgebots an eine rechtmäßige Planung ist jedenfalls aus rechtlichen Gründen eine ausdrückliche Aufnahme der von der E G beschlossenen "Umweltverträglichkeitsprüfung" in die Vorschriften über die Bauleitplanung nicht erforderlich; die Anforderungen der U V P gehen inhaltlich nicht über das hinaus, was das Baugesetzbuch - bei konsequenter Anwendung - bereits fordert. So auch Peine, JZ 1987, 322, 323, der insoweit zurecht von einem "vermeintlichen Defizit" spricht; grundsätzlich zustimmend auch A K U R , NVwZ, 1987, 395, 397. Entsprechendes gilt auch für Fachplanungsentscheidungen; vgl. Kuschnerus, D Ö V 1987, 409, 412. 61
Vgl. B V e r w G E 59, 87,102.
62
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 116.
63
Paetow, N u R 1986,144,146.
64 Im Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 73, werden die "Auswirkungen auf die Umwelt" ausdrücklich hervorgehoben. 65
Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 5 Rdnr. 9, § 9 Rdnr. 132.
70
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
4. Das Gebot der Konfliktbewältigung Erstmals bei Weyreuther 66 findet sich die Forderung, von jedem Bauleitplan müsse verlangt werden, "daß er die ihm anzurechnenden Konflikte bewältigt". Als "Gebot der Konfliktbewältigung" fand diese Forderung Eingang in Literatur 6 7 und Rechtsprechung. 68 Insbesondere einige Instanzgerichte machten dieses Gebot zur Grundlage teilweise sehr hoher Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen. 69 So hat das O V G Berlin in seiner Entscheidung vom 29. 8. 19837 einen Bebauungsplan wegen Verletzung des Grundsatzes der Konfliktbewältigung für nichtig erklärt, weil er alle - im konkreten Fall relevanten - immissionsschutzrechtlichen Probleme in das Genehmigungsverfahren verlagert habe; dies sei abwägungsfehlerhaft, denn die Gemeinde habe nicht nur alle von ihr durch die Planung selbst veranlaßten, sondern auch alle vorgefundenen Probleme zu sehen und zu bewältigen. Soweit es nach den Festsetzungsmöglichkeiten des Bauplanungsrechts möglich sei, seien diese Probleme daher im Bebauungsplan selbst durch entsprechende Regelungen zu lösen. 71 ηλ
Dieses Urteil hat sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 73 deutliche Kritik hervorgerufen. Die Kritik erfolgte zurecht; wie zu zeigen ist, ist die Entscheidung des O V G Berlin in einem wesentlichen Punkt unrichtig. Diese Erkenntnis sollte jedoch nicht dazu führen, das "Wort von der Konfliktbewältigung als überflüssig aus dem Verkehr zu ziehen", wie es von Sendler 74 gefordert wurde. 7 5 Die Aufgabe besteht vielmehr darin, ihm dogmatisch scharfe Konturen zu ge66
BauR 1975, 1, 5.
67 Vgl. Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 302 ff; Gaentzsch, DVB1. 1985, 29, 31; Menke, Bauleitplanung in städtebaulichen Gemengelagen, S. 30; ders., U P R 1985, 111; Schlichter, Z f B R 1985, 107, 111; Battis, Baurecht, S. 107; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rdnr. 115,118; Hoppe/Beckmann, N u R 1988, 6; Kleinlein, DVB1. 1989, 184, 187. 68
Vgl. B V e r w G E 47,144,154,155; 67, 334, 337; 69, 30; N u R 1988, 37, 38, 39.
69 Vgl. O V G Lüneburg, Β RS 36 Nr. 23, S. 49, 52, wo gefordert wird, ein Bebauungsplan müsse die vom Planvorhaben berührten Probleme abschließend bewältigen; noch deutlicher O V G Lüneburg, BRS 38 Nr. 41, S. 97, 100, wo ausgeführt wird, alle Interessenkonflikte, die sich bei der Bauleitplanung ergäben, müßten bereits innerhalb dieser Planung vollständig und umfassend bewältigt werden. Zur Entscheidung O V G Berlin, DVB1. 1984, 147 sogleich im Text. 70
DVB1. 1984, 147.
71 O V G Berlin, DVB1. 1984, 147, 148; grundsätzlich zustimmend Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 304, die aus dem Gebot der Konfliktbewältigung das "Verbot des Konflikttransfers" ableiten. 72
Vgl. insbesondere Gierke, DVB1. 1984,149, 152; Sendler, WiVerw. 1985, 211, 228.
73
BVerwG, DVB1. 1984,143, 144; ebenso BVerwG, N u R 1988, 37, 38, 39.
74
WiVerw. 1985,211,234.
75
Kritisch insoweit auch Hoppe/Beckmann, N u R 1988, 6, 7
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71
ben, denn in dieser Form kann es dazu beitragen, Fragen zu lösen und zu einem Zugewinn an Erkenntnis und Problemverdeutlichung zu führen, 76 auch und insbesondere im Verhältnis der Bauleitplanung zum Naturschutzrecht. Das Gebot der Konfliktbewältigung ist, dies wird von keiner Seite bestritten, dem Abwägungsgebot zuzuordnen; so wird es als "besondere Ausprägung des Abwägungsgebots" 77 , als "unmittelbarer Ausdruck des Abwägungsgebots"78 oder als "spezifisches Abwägungsproblem" 79 bezeichnet. Auch das O V G Berlin stellt in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich fest, der Grundsatz der Konfliktbewältigung stehe "mit dem Abwägungsgebot in Zusammenhang" und erklärt den Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers für nichtig. 80 Für Sendler ist diese Zuordnung sogar der eigentliche Grund für die Ablehnung des Gebots der Konfliktbewältigung: es habe neben dem Abwägungsgebot keine eigenständige Statur erlangt 1 und besage mit einem anderen Wort kaum anderes als was aufgrund der bekannten Formel des Abwägungsgebots verlangt werde, nämlich daß in die Abwägung einzustellen sei, was nach Lage der Dinge eingestellt werden müsse. 82 Die Kritik am Urteil des O V G Berlin setzt daher nicht an dessen Ausführungen zum Abwägungsgebot und zum Gebot der Konfliktbewältigung an sich an, sondern daran, daß das Gericht aus dem Gebot auch die Forderung ableitet, der Bebauungsplan müsse alle zur Konfliktlösung geeigneten Regelungen enthalten, soweit das Gesetz entsprechende Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stelle; der Bebauungsplan dürfe die Lösung von ihm aufgeworfener oder schon vorgefundener Probleme dagegen nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang, dem nachfolgenden Genehmigungsverfahren überlassen. 83 Die damit aufgeworfene, im Rahmen der Diskussion um das Gebot der Konfliktbewältigung eigentlich umstrittene Frage, 84 nämlich welche Festsetzungen ein Bebauungsplan selbst treffen muß und was er der Klärung im nachfolgenden Genehmigungsverfahren überlassen darf, wurde durch das 76 Eben diese Fähigkeiten werden dem Gebot der Konfliktbewältigung von Sendler, WiVerw. 1985, 211, 228, abgesprochen; ähnlich auch Gaentzsch, WiVerw. 1985, 235. 77 78
Gaentzsch, DVB1. 1985, 29, 31; Hoppe/Beckmann, N u R 1988, 6,10. Menke, U P R 1985,111.
79
Schlichter, Z f B R 1985,107,111.
80
O V G Berlin, DVB1. 1984, 147.
81 82
Sendler, WiVerw. 1985, 211, 221. Sendler, WiVerw. 1985, 211, 225; zustimmend Dolde, NJW 1986, 815, 818.
83 Vgl. Gierke, DVB1. 1984, 149, 153; Sendler, WiVerw. 1985, 211, 216; BVerwG, DVB1. 1984, 143, 144. 84 Vgl. Stich, U P R 1986, 205, 207, der eben dieses Problem als V e i t h i n offen" bezeichnet.
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
72
Inkrafttreten des Baugesetzbuches für eine wesentliche Fallgruppe hinfällig: indem der Gesetzgeber durch die Änderung des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BBauG die isolierte Festsetzung von Emissions- und Immissionsgrenzwerten in Bebauungsplänen verbindlich ausgeschlossen hat, 8 6 kann die planende Gemeinde entsprechende Regelungen im Bebaungsplan nicht treffen. Entsprechende Festsetzungsmöglichkeiten sind aber, wie auch das O V G Berlin erkannt hat, 8 7 Voraussetzung einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan. Es besteht jedoch auch unter der Geltung des Baugesetzbuches ein Interesse an der Klärung dieses Problems. Dies zeigt sich z. B. daran, daß konkrete Eigenschaften von Anlagen sowohl im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens als auch im Rahmen der Bauleitplanung von Bedeutung sind, denn gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO kann sich auch die Bauleitplanung auf solche konkreten Eigenschaften erstrecken. 88 Die Antwort auf die Frage folgt aus der Überlegung, daß es im Rahmen der Anforderungen des Gebots der Konfliktbewältigung nicht darum geht, welche Festsetzungen eine Gemeinde überhaupt treffen darf\ dies ist ein Problem des sog. "Grundsatzes planerischer Zurückhaltung" 8 und - selbstverständlich - der Festsetzungsmöglichkeiten sowie - zuletzt - der Funktion der Bauleitplanung an sich, nämlich eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern. Hierin liegen aber nur die äußersten Grenzen der Planungsmöglichkeiten einer Gemeinde; sie fixieren jedoch nicht zugleich, gleichsam zur anderen Seite hin, was die Gemeinde in jedem Fall im Bebauungsplan auch selbst regeln muß, m. a. W. welche Anforderungen das Gebot der Konfliktbewältigung an die Bauleitplanung stellt. 9 0 Daher ist die Frage, was ein Bebauungsplan selbst regeln muß und damit, was er einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren überlassen darf, grundsätzlich iso85 Die Bedeutung dieser Änderung ist eindeutig und bei der Auslegung der Vorschrift zu respektieren; vgl. Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 91. Zur Änderung dieser Regelung auch Schmidt-Aßmann, N V w Z 1987, 265, 272 sowie kritisch zu einer gesetzlichen Lösung des Problems schon vor Inkrafttreten des Baugesetzbuchs Sendler, WiVerw. 1985, 211, 231, 232. 86 Welche Möglichkeiten § 9 Abs. 1 Nr. 24 BBauG den Gemeinden im Rahmen ihrer Bauleitplanung eröffnete, war umstritten; zum Streitstand vgl. die ausführliche Zusammenstellung bei Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 90. 87
Vgl. O V G Berlin, DVB1.1984,
88 89
Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 90. Vgl. BVerwG, DVB1. 1984, 143, 144.
90 Gäbe es hier für die Gemeinden keinen Spielraum, so müßte wohl in der Tat, um ein Bild von Sendler, WiVerw. 1985, 211, 215, Fußnote 16 aufzugreifen, jeder Plangeber mit seinem Plan zwischen Scylla und Charybdis Schiffbruch erleiden; zwischen unmittelbar aneinandergrenzenden Anforderungen aus dem Gebot planerischer Zurückhaltung einerseits und dem Gebot der Konfliktbewältigung andererseits wäre wohl kaum unbeschadet hindurchzusegeln.
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liert von den planerischen Möglichkeiten einer Gemeinde zu beantworten. Die Antwort auf die Frage nach den Anforderungen des Gebots der Konfliktbewältigung ergibt sich aus der gesetzlichen Systematik des Baugesetzbuchs über die Zulässigkeit von Vorhaben sowie aus der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers über die Aufgabe von Bebauungsplänen: Das Baugesetzbuch trifft selbst keine in jeder Hinsicht abschließende Regelung über die Zulässigkeit von Vorhaben; 9 1 diese Einschränkung gilt auch für Vorhaben, die im Geltungsbereich eines (qualifizierten) Bebauungsplans liegen. Dies ist allerdings nicht Folge der Zweistufigkeit der Genehmigung des Vorhabens, d. h. der Aufteilung in Planung und Einzelgenehmigung, 92 denn die Verbindung der Genehmigungsentscheidung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans ist über die Regelung des § 30 Abs. 1 BauGB sehr eng, sondern ergibt sich daraus, daß das Städtebaurecht nur bodenrechtlich abschließende Regelungen trifft, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nach der ausdrücklichen Regelung des § 29 Satz 4 BauGB unberührt bleiben. 93 Es widerspricht aber dem Vorbehalt des § 29 Satz 4 BauGB und dem darin begründeten System der Regelung des BauGB über die Zulässigkeit von Vorhaben, dem Verfahren, in dem diese anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften allein zur Geltung kommen können, also dem auf die Planung folgenden Genehmigungsverfahren, jede Relevanz zu nehmen, indem an die Bauleitplanung selbst schon die Forderung gestellt wird, alle Probleme, die durch die Realisierung von Vorhaben aufgeworfen werden, auch selbst abschließend zu regeln. Dies kann daher keine Rechtmäßigkeitsanforderung an die Bauleitplanung sein; eine solche Forderung läuft dem System des Gesetzes zuwider. Sie ist somit schon aus diesem Grunde abzulehnen. 94 Als zweiter Grund kommt hinzu, daß eine abschließende Konfliktbewältigung als Rechtmäßigkeitsanforderung an Bebauungspläne keinen Anwendungsbereich für einfache Bebauungspläne belassen würde. 9 5 Ohne die vollständige Ausschöpfung der von § 30 Abs. 1 BauGB geforderten Festsetzungen kann eine solche abschließende Konfliktbewältigung nicht geleistet wer91
S. o. Kapitel 2, S. 34 ff.
92 Daher liegt hier auch nicht der eigentliche Unterschied zur Rechtslage im Fachplanungsrecht, wo das Gebot der Konfliktbewältigung ebenfalls eine erhebliche Rolle spielt; vgl. die Nachweise bei Sendler, WiVerw. 1985, 211, 217 ff. Entscheidend ist vielmehr, daß die Planfststellungsverfahren in der Regel mit einer Konzentrationswirkung ausgestattet sind und es keinen dem § 29 Satz 4 BauGB entsprechenden Vorbehalt gibt. 93
S. o. Kapitel 2, S. 46 f.
94 I m Ergebnis ähnlich Sendler, WiVerw. 1985, 211, 229 f, der für den Fall des § 15 B a u N V O feststellt, dieser werde - bei einem solchen Verständnis des Gebots der Konfliktbewältigung - überflüssig und für seine Anwendung bestehe kein Raum mehr. Zustimmend auch Gierke, DVB1.1984,153,154. 95
So auch Sendler, WiVerw. 1985, 211, 230.
74
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
den; das Gesetz sieht aber in § 30 Abs. 2 BauGB einfache Bebauungspläne ausdrücklich vor und definiert sie als solche, die die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB nicht erfüllen. Der Gesetzgeber sah somit auch die Aufgabe von Bebauungsplänen nicht darin, in jedem Fall abschließende Konfliktbewältigung zu leisten; eine Differenzierung zwischen qualifizierten und einfachen Bebauungsplänen im Hinblick auf eine solche Anforderung findet aber im Gesetz keinen Anhaltspunkt und ist auch systematisch nicht zu rechtfertigen. Somit widerspricht im Ergebnis auch die Vorschrift des § 30 Abs. 2 BauGB der Forderung nach abschließender Konfliktbewältigung in Bebauungsplänen. Ein Bebaungsplan darf daher, ohne gegen das Gebot der Konfliktbewältigung zu verstoßen und damit abwägungsfehlerhaft zu sein, die Lösung von Konflikten, die sich aus der Realisierung der Planung ergeben, grundsätzlich dem nachfolgenden Genehmigungsverfahren überlassen. Dies setzt jedoch voraus, daß eine solche Konliktbewältigung in diesem Verfahren auch (noch) möglich ist. 9 6 Die Gemeinde darf daher in ihren Bebauungsplänen keine Festsetzungen treffen, die im Genehmigungsverfahren nicht realisiert werden können; 9 7 denkbar ist dies in zwei grundsätzlich zu unterscheidenden Fällen: Zum einen, wenn sich Konflikte im Planvollzug QO
§
nicht mehr korrigieren lassen, zum anderen, wenn sich im Genehmigungsverfahren aufgrund "anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften" im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB (zusätzliche) Anforderungen an ein Vorhaben ergeben, die entweder schon getroffenen Festsetzungen widersprechen, 99 oder Festsetzungen voraussetzen, die nicht getroffen worden sind und dieses Defizit nicht mehr ausgeglichen werden kann. 1 0 0 In einem derartigen Fall wird 96 So schon Weyreuther, BauR 1975, 1, 5; diese Erkenntnis ging offensichtlich bei anderen Autoren und einigen Gerichten im Laufe der Beschäftigung mit dem Gebot der Konfliktbewältigung jedoch wieder verloren. 97 Die Gemeinde muß sich also über die Möglichkeiten des Genehmigungsverfahrens Klarheit verschaffen; es ist daher Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 303 insoweit zuzustimmen, als sie aus dem Gebot der Konfliktbewältigung die Forderung ableiten, der planerischen Entscheidung müsse eine Analyse der durch die Planung hervorgerufenen Konflikte vorausgehen; nicht zutreffend ist es dagegen, wenn daraus auch der Schluß gezogen wird, es müsse auch das "gesamte Arsenal planerischer Mittel" herangezogen werden, um solche Konflikte zu lösen. Dies kann dem Genehmigungsverfahren überlassen bleiben. 98 Der Hauptanwendungsfall dürfte darin liegen, daß ein von den Auswirkungen eines planerisch zugelassenen - Vorhabens "schwer und unerträglich" betroffenes Nachbargrundstück ausdrücklich umgeplant und enteignet werden muß; so der Fall des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwGE 47,154: vgl. dazu auch Sendler WiVerw. 1985, 211, 213. 99 So z. B. wenn ein Bebauungsplan ein Vorhaben zuläßt, dieses aber im Bereich eines fernstraßenrechtlichen Anbauverbotes realisiert werden müßte und eine Ausnahme von der Vorschrift des § 9 Abs. 1 FStrG gem. Abs. 8 nicht möglich ist; zu § 9 FStrG vgl. BVerwG D Ö V 1987, 151 f. 100 Neben Vorschriften des Bauordnungsrechts z. B. über Abstandsflächen kommt hier die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zum Tragen, die - bei Vorliegen der Vorausset-
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die Anwendung der "anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften" im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB vereitelt. Dies widerspricht aber dem ausdrücklichen Vorbehalt der Vorschrift des § 29 Satz 4 BauGB, den die Gemeinde bei ihrer Planung berücksichtigen muß; sie muß in ihre Abwägung einstellen, daß aufgrund des Vorbehalts des § 29 Satz 4 BauGB an von ihr planerisch zugelassene Vorhaben weitere Anforderungen herangetragen werden, denn dies ist "nach Lage der Dinge" von Bedeutung und daher abwägungserheblich. Unterläßt es die Gemeinde, diese Anforderungen anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften in ihrer Abwägung zu berücksichtigen und führt dies dazu, daß ihre Anwendung im Genehmigungsverfahren unmöglich gemacht wird, so schlägt dies auf den Bebauungsplan selbst durch; das Abwägungsgebot ist verletzt, der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft und daher nichtig. Was bleibt für das Gebot der Konfliktbewältigung? Es ist Teil des Abwägungsgebots und steht nicht selbständig neben ihm, dies ist unbestritten. Dennoch ist es in dem hier entwickelten Sinne beizubehalten: Das Gebot der Konfliktbewältigung fordert demnach, daß jeder Bebauungsplan die ihm zuzurechnenden Konflikte bewältigt, soweit dies nicht im nachfolgenden Genehmigungsverfahren geschehen kann; dabei darf durch die Festsetzungen des Bebauungsplans insbesondere nicht die Anwendbarkeit anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Genehmigungsverfahren vereitelt werden. So definiert kann das Gebot der Konfliktbewältigung dazu beitragen, der Gemeinde die Anforderungen des Abwägungsgebots zu verdeutlichen und ihr eine spezifische Grenze ihrer Planungshoheit aufzuzeigen. Das Gebot der Konfliktbewältigung dient damit der Klarstellung; es aufzugeben, besteht kein Anlaß. 1 0 1
C. Der Inhalt der Bauleitpläne I. Darstellungen und Festsetzungen Der materielle Gehalt der Bauleitpläne besteht in den Darstellungen des Flächennutzungsplans und den Festsetzungen der Bebauungspläne; sie sind das Ergebnis der Umsetzung der planerischen Konzeption der Gemeinde unter Beachtung der dabei bestehenden Bindungen. Die Darstellungsmöglichkeiten regelt § 5 Abs. 2 BauGB. Die Vorschrift ist nicht abschließend, wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt; äußerste zungen - Flächen zur Durchführung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen fordert. Vgl. ausführlich unten Kapitel 8, S. 169 ff, 187 ff. 101
I m Ergebnis ebenso Kleinlein, DVB1.1989,184,187.
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Grenze der Darstellungsmöglichkeiten sind jedoch die Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 B a u G B . 1 0 2 Wie aus §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB folgt, löst der Flächennutzungsplan grundsätzlich nur verwaltungsinterne Rechtswirkungen aus; Außenwirkung erlangt er jedoch über § 35 Abs. 3 BauGB für Außenbereichsvorhaben. Welche Festsetzungsmöglichkeiten bestehen, regelt § 9 Abs. 1 - 3 BauGB abschließend. Im Gegensatz zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans betreffen die Festsetzungen des Bebauungsplans die bauliche und die nichtbauliche Nutzung der im Planbereich gelegenen Grundstücke. Die Festsetzungen müssen parzellenscharf sein, also die zulässige Nutzung jedes von dem Plan erfaßten Grundstücks regeln; aus diesem Grund hat sich die gebotene Abwägung auf jedes einzelne Grundstück zu erstrecken. Gem. § 8 Abs. 1 BauGB sind die Festsetzungen des Bebauungsplans (außen-)rechtsverbindlich.
II. Naturschutzrechtlich relevante Darstellungsund Festsetzungsmöglichkeiten 1. Auch naturschutzrechtlich relevante Möglichkeiten Das Baugesetzbuch enthält eine Vielzahl von Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten, die zwar nicht nur spezifisch und ausschließlich für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nutzbar gemacht werden können, jedoch auch insoweit von Bedeutung sind und von der Gemeinde herangezogen werden können. Aus dem Katalog der Darstellungsmöglichkeiten sind hier insbesondere die Möglichkeiten nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 und 9 BauGB zu nennen, aus dem Katalog der Festsetzungsmöglichkeiten die Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3. 10, 15, 16, 18 b, 23 - 25 B a u G B . 1 0 3 Diese Möglichkeiten erlauben es der Gemeinde sowohl, bestimmte Gebiete im Planbereich insgesamt von Bebauung freizuhalten als auch für zu bebauende Grundstücke das Höchstmaß der Bebauung sowie die Lage des Baukörpers auf dem Grundstück festzulegen; auf diese Weise können z. B. ökologisch besonders wertvolle Flächen auch in Baugebieten geschont und erhalten werden.
102 Battis, Baurecht, S. 79. 103 Vgl. die ausführliche Zusammenstellung und Kommentierung der Vorschriften bei Grooterhorst, DVB1. 1987, 654, 658. Kritisch zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, der ersichtlich auf die Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB bezug nimmt, v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 354.
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2. Spezifisch naturschutzrechtlich relevante Möglichkeiten a) § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 10 BauGB können im Flächennutzungsplan Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft dargestellt werden. 1 0 4 Der Vorschrift kommt eine doppelte Funktion zu: Sie dient zum einen der Integration der Landschaftsplanung in den Flächennutzungsplan. 105 Damit stellt sie die städtebauliche Umsetzungsnorm 1 0 6 dar, über die der Planungsteil der Landschaftspläne, soweit es sich nicht um Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Zustandes handelt, Eingang in den Flächennutzungsplan findet. Auf welche Weise die Länder die rahmenrechtliche Ermächtigung des § 6 Abs. 4 BNatSchG zur Integration der Darstellungen der Landschaftspläne in den Flächennutzungsplan umsetzen, bleibt dabei ihnen überlassen. 107 Z u beachten ist, daß § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB damit keine Grundlage für eine eigenständige landschaftsbezogene Planung der Gemeinde unabhängig von der Landschaftsplanung nach den Naturschutzgesetzen der Länder bietet. Die darzustellenden Flächen müssen immer einen inneren Rechtfertigungszusammenhang mit anderen Flächendarstellungen aufweisen, sofern sie nicht auf einer integrierten Landschaftsplanung beruhen; 1 0 8 dies ist nur dann der Fall, wenn sie "städtebaulich veranlaßt" sind. 1 0 9 Hieraus ergibt sich die zweite Funktion des § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB: Die Vorschrift dient der frühzeitigen Flächensicherung für landschaftspflegerische Maßnahmen; 1 1 0 sie schafft die planungsrechtlichen Voraussetzungen, um Flächen für Maßnahmen darzustellen, die aus Anlaß von - planungsrechtlich zugelassenen - Eingriffen in Natur und Landschaft in Gestalt von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen erforderlich werden. 1 1 1 Auf diese Weise wird vermieden, daß mangels geeigneter Flächen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei der Realisierung der Vorhaben weder angeordnet noch
104 Die Vorschrift wurde neu in das Baugesetzbuch aufgenommen; das Bundesbaugesetz sah eine entsprechende Darstellungsmöglichkeit nicht vor. 105 Vgl. den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 68; Lohr, N V w Z 1987, 361, 363. 106
So zuerst Hofherr, U P R 1987, 88, 91.
107
Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 5 Rdnr. 34.
108 109
Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 5 Rdnr. 35. Söfker, U P R 1987, 201, 203.
110 Cholewa in Cholewa/David/Dyong/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 5 Anm. 9. 111 Hoppenberg, NJW 1987, 748, 750; Gaentzsch, Baugesetzbuch, S. 237; ebenso der Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 68.
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durchgeführt werden können. In jedem Fall können im Flächennutzungsplan, anders als im Bebauungsplan, nur die Flächen für Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßmahmen dargestellt werden, nicht aber die Maßnahmen selbst. 113 b) § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 können im Bebauungsplan festgesetzt werden Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der Landschaft, soweit solche Festsetzungen nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden können, sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft. Die Möglichkeit zur Festsetzung von Flächen entspricht § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB. Der Vorschrift kommt ebenfalls die dort beschriebene Doppelfunktion zu; wie die Darstellungen gem. § 5 Abs. 2 Nr. 10 müssen aber auch die Festsetzungen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB städtebaulich begründet sein, soweit sie nicht auf einer integrierten Landschaftsplanung beruhen. Im Gegensatz zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans müssen die Festsetzungen des Bebauungsplans als verbindliche Vorgaben der städtebaulichen Ordnung gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB allerdings parzellenscharf sein. Dies kann dazu führen, daß Flächen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB nicht nur selbständig festgesetzt werden, sondern auch andere Festsetzungen überlagern, so Verkehrsflächen oder Wohnbauflächen. Werden sie dagegen selbständig festgesetzt, so ist immer ein positiver städtebaulicher Regelungszweck erforderlich; ein bloßes Freihalten von Flächen ist nicht zulässig. 11 Die Festsetzung von Maßnahmen ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB nur subsidiär möglich; welcher Spielraum der Gemeinde hierdurch eröffnet wird, hängt im einzelnen davon ab, wie die Länder diese Möglichkeit in den Landesnaturschutzgesetzen geregelt haben. Substantielle Bedeutung kommt dieser Festsetzungsmöglichkeit grundsätzlich nur in Ländern zu, die die Landschaftsplanung vollständig in die Bauleitplanung integriert haben. 1 1 5 112 Gassner, U P R 1987, 249, 251. Vgl. aber auch v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 349; solche Darstellungen können ggf. zu naturschutzrechtlich unerwünschten Folgen führen, indem durch derartige Flächen eine Legitimationswirkung zugunsten umweltunverträglicher Vorhaben herbeigeführt wird. 113
Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 5 Rdnr. 34.
114 Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 73. Dasselbe gilt i. ü. für Festsetzungen für Flächen für Landwirtschaft; auch diese müssen städtebaulich erforderlich sein, was sich z. B. bei Festsetzungen einer Waldfläche aus deren Funktion für die Klimaverbesserung oder als Naherholungsgebiet ergeben kann; vgl. Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 72. 115 355.
Hofherr, U P R 1987, 88, 92; v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 354,
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ualifiziert beplanter ereich, § 3 BauGB
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D. Ausnahmen und Befreiungen Gem. § 31 Abs. 1 und 2 BauGB können von den Festsetzungen eines Bebauungsplans Ausnahmen und Befreiungen zugelassen werden. Die Vorschrift soll der Einzelfallgerechtigkeit dienen, 6 muß aber zugleich aus rechtsstaaatlichen Gründen an enge Voraussetzungen geknüpft sein. 1 1 7 Dies fordern der Normcharakter des Bebauungsplans, dessen Regelungen nicht durch Einzelfallentscheidungen unterlaufen werden dürfen sowie die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Planungshoheit, als deren Ergebnis sich die Festsetzungen des Bebauungsplans darstellen. Während eine Ausnahme gem. § 31 Abs. 1 BauGB nur aufgrund eines ausdrücklichen Ausnahmevorbehalts im Bebauungsplan selbst ergehen kann und damit einen von der Gemeinde schon berücksichtigten und ihren Planvorstellungen angepaßten Bestandteil des Plans darstellt, 1 1 8 geht die Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB über den Plan hinaus; sie ist eine vom Gesetzgeber selbst und nicht von der planenden Gemeinde geregelte Ermächtigung an die Baugenehmigungsbehörde, von den Planvorstellungen der Gemeinde abzuweichen. 119 Aus diesem Grund wurde die Zulässigkeit einer Befreiung vom Gesetzgeber an deutlich engere Voraussetzungen gebunden als die einer Ausnahme. Diese Voraussetzungen wurden durch das Baugesetzbuch dahin geändert, daß gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB eine Befreiung zulässig ist, wenn die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die Grundzüge der Planung gewahrt werden, während unter Geltung des Bundesbaugesetzes gem § 31 Abs. 2 BBauG die Abweichung städtebaulich gerechtfertigt sein mußte. Diese Änderung, die auch nach der Ansicht des Gesetzgebers 120 eine bewußte Erweiterung der Zulässigkeit gegenüber einer angeblich - zu restriktiven Auslegung durch die Rechtsprechung darstellt, 1 2 1 ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, 122 auch und insbesondere aus Grün-
116
Battis, Baurecht, S. 162.
117 Vgl. Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 3 1 Rdnr. 2, 3; v. Feldmann/ Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 370, 372, 373. 118 Auch insoweit ist allerdings das erforderliche Regel-Ausnahme-Verhältnis zu wahren; der Ausnahmevorbehalt darf die eigentlichen planerischen Festsetzungen nicht in ihr Gegenteil verkehren; vgl. Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rdnr. 14. Der gemeindlichen Planungshoheit wird im Genehmigungsverfahren durch das Erfordernis des Einvernehmens der Gemeinde gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB Rechnung getragen. 119
Oldiges, Baurecht, Rdnr. 109
120
Vgl. den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 85.
121 Diese Begründung ist erstaunlich, denn zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG ist überhaupt nur eine obergerichtliche Entscheidung, nämlich des O V G Lüneburg, NJW 1980, 1408, bekannt geworden, und diese hat ihre Auslegung des § 31 Abs. Nr. 2 BBauG ausdrücklich auf die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG gestützt; vgl. O V G Lüneburg, aaO, S. 1409.
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
80
1 ^
den des Umweltschutzes. Kritisiert wird, daß die Vorschrift dem positiven Ansatz der Berücksichtigung des Umweltschutzes in der Bauleitplanung zuwiderlaufe, denn durch das Merkmal der "städtebaulichen Vertretbarkeit" habe der Befreiungstatbestand keinen Ausnahmecharakter mehr, und es stehe zu befürchten, daß die Vorschrift dazu genutzt werde, gerade von umweltbedeutsamen Festsetzungen zu dispensieren. 124 Die Kritik ist in dieser Schärfe nicht gerechtfertigt. Sie verkennt die Systematik des Befreiungstatbestandes sowie die gesetzgeberische Absicht bei der Einführung des "Vertretbarkeitskriteriums". Zunächst besteht zwar Übereinstimmung, daß aufgrund der Neufassung eine Befreiung nicht mehr erst dann zulässig ist, wenn die Abweichung im Blick auf das Konzept des Bebauungsplans eine bessere Lösung darstellt als die vorgesehene und die Festsetzungen des Planes gegenüber der erstrebten Abweichung unangemessen erscheinen, 125 sondern bereits dann, wenn es sich um eine gleichwertige Lösung handelt. 1 2 6 Auch diese muß aber, wie sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus den Gesetzgebungsmaterialien folgt, mit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar sein. 1 2 7 Eine Befreiung, die gegen diese Anforderungen verstößt, ist städtebaulich gerade nicht vertretbar, denn die Berücksichtigung und Abwägung aller Belange ist Wesensmerkmal der städtebaulichen Planung. 1 2 8 Auch unter Geltung des Baugesetzbuches kommt eine Befreiung nur in atypischen Fällen in Betracht; 1 2 9 eine Planänderung durch eine Vielzahl von Befreiungen verstößt gegen die Systematik des Gesetzes und die verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit der Gemeinden. "Städtebaulich vertretbar" ist daher nicht alles, was in einem Bebauungsplan planbar wäre, 1 3 0 sondern nur, was im konkreten Einzelfall den Festsetzungen des Bebauungsplans aufgrund dessen teilweise notwendig abstrakter Regelungen nicht gerecht wird. Dagegen wäre eine planerische Festsetzung, von deren Einhaltung im Regelfall befreit werden müßte, bereits als Norm ungültig. 1 3 1 Schließlich wird die Be-
rn Vgl. v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 370 ff; Peine, J Z 1987, 322, 325. 123 So außer den in der vorangegangenen Fußnote Genannten dezidiert die Stellungnahme des Arbeitskreises für Umweltrecht ( A K U R ) zum Baugesetzbuch, N V w Z 1987, 395. 124 A K U R , N V w Z 1987, 395. 125 F N 121. 126 127 128
So die Rechtsprechung des O V G Lüneburg zu § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG, siehe oben Bröll/Busse, BayVBl. 1987, 385, 425, 426. Vgl. den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 85. Bielenberg/Mainczyk/Otte/Söfker, DVB1.1985,1097,1102.
129 Bröll/Busse, BayVBl. 1987, 385, 426; Dyong in Cholewa/David/Dyong/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 31 Anm. 3 c; Krautzberger, N V w Z 1987, 449, 452. 130
So aber Lenz, BauR 1987, 1, 2.
. Kap.:
ualifiziert beplanter ereich, § 3 BauGB
81
freiungsmöglichkeit auch des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB dadurch eingeschränkt, daß die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muß, zu welchen nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB auch die des Naturschutzes und der Landschaftspflege gehören. Die Konzeption des Bebauungsplans und die grundsätzliche Lösung des ihm zugrunde liegenden Interessengeflechts darf daher auch durch eine Befreiung nicht systematisch unterlaufen werden 1 3 2 , auch nicht, soweit umweltrelevante Festsetzungen betroffen sind. 1 3 3 Somit ist als Ergebnis festzuhalten, daß zwar durch das Instrument der Befreiung im Einzelfall auch ein Dispens von umwelterheblichen und naturschutzrechtlich relevanten Festsetzungen möglich ist; damit wird aber nicht die grundsätzliche Bedeutung dieser Belange in der Bauleitplanung konterkariert. 1 3 4 Die Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes bleiben auch nach Änderung des Befreiungstatbestandes gewahrt. 1 3 5
E. Fazit Entscheidend für die Zulässigkeit eines Vorhabens gem. § 30 BauGB sind die Festsetzungen des Bebauungsplans, also das Ergebnis der Bauleitplanung einer Gemeinde. Die von der Gemeinde bei ihrer Planung zu beachtenden Vorschriften ermöglichen nicht nur, sondern fordern eine umfassende Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Erstellung der Bauleitpläne; das Baugesetzbuch stellt hierfür eine Vielzahl von naturschutzrechtlich relevanten Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Jedoch ist den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch durch das Baugesetzbuch kein abstrakter gesetzlicher Vorrang vor anderen Belangen eingeräumt worden; sie können also im Rahmen der planerischen Abwägung hinter an-
131
Vgl. Bröll/Busse, BayVBl. 1985, 385, 426.
132 Krautzberger, N V w Z 1987, 449, 452; Peine, JZ 1986, 322, 325. 133 Der Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 85, nennt denn auch grundsätzlich umwelt-irrelevante Befreiungen wie nachträglichen Dachausbau oder Verschiebungen (nicht Erweiterungen) der überbaubaren Grundstücksfläche als Beispiele für die Anwendung der neugefaßten Vorschrift. Daneben dürfte der Hauptanwendungsbereich bei älteren Bebauungsplänen liegen; vgl. Bröll/Busse, BayVBl. 1985, 385, 427. Umweltrelevante Festsetzungen werden auch insoweit nur selten betroffen sein; gerade ältere Bebauungspläne sind hier eher defizitär. 134 So aber A K U R , N V w Z 1987, 395. 135
Ebenso Söfker, U P R 1987, 201, 205.
82
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
deren, im konkreten Fall wichtigeren Belangen zurückgestellt werden. Damit besteht die Gefahr, daß die Inanspruchnahme und Beeinträchtigung von Natur und Landschaft im konkreten Fall folgenlos bleibt; die Gemeinde kann zwar die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen zum Ausgleich derartiger Beeinträchtigungen schaffen und ist in den Grenzen des Gebots der Konfliktbewältigung auch dazu verpflichtet, jedoch stellt das Bauplanungsrecht selbst keine Rechtsgrundlage zur Verfügung, dem Bauherrn die Durchführung solcher Maßnahmen aufzuerlegen.
4. Kapitel
Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
A. Funktion und Geltungsbereich des § 34 BauGB I. Funktion Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzung des Gemeindegebiets sind nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BauGB grundsätzlich Aufgabe der Bauleitplanung. Das Baugesetzbuch beruht daher auf dem Prinzip der Planmäßigkeit. 1 Nur (qualifiziert) beplante Grundstücke zur Bebauung freizugeben, hätte jedoch eine Einschränkung der Bautätigkeit zur Folge, die vor dem Hintergrund der eigentlichen Aufgabe des Bauplanungsrechts, nämlich eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern, sachlich nicht gerechtfertigt und daher auch verfassungsrechtlich bedenklich wäre, da die Vorschriften des Bauplanungsrechts als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verfassungsgemäß sind, wenn sie im Interesse des zu regelnden Sachbereichs auch geboten sind. 2 Dieser Situation hat der Gesetzgeber durch die Vorschriften der §§ 34 und 35 BauGB Rechnung getragen. Während damit für den Außenbereich mit § 35 BauGB eine gesetzliche Planungsregelung getroffen wurde, nach der die sog. privilegierten Vorhaben des Absatzes 1 in planähnlicher Weise dem Außenbereich zugewiesen sind und der Außenbereich von den sonstigen, nicht privilegierten Vorhaben des Absatzes 2 grundsätzlich freizuhalten ist, 3 fehlt für den Innenbereich eine vergleichbare positive Ersatzplanung. Maßstab der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben ist aufgrund des zentralen Kriteriums des "Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung" in erster Linie die vorhandene örtliche Situation. Dieser Maßstab ist notwendigerweise unscharf; 4 § 34 BauGB stellt somit keinen Ersatzplan, sondern
1 Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 248 ff; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 1; grundsätzlich zum Prinzip der Planmäßigkeit Kleinlein, D Ö V 1986,1010. 2 B V e r f G E 21, 73; s. auch oben Kapitel 2, S. 49. 3
BVerwGE 28,148,151.
4
Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 3.
84
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
nur einen gesetzlichen Planersatz diu*.5 Die entscheidende Bedeutung des § 34 BauGB im Unterschied zu § 35 BauGB liegt jedoch darin, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift von der grundsätzlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben ausgeht; indem Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 34 BauGB das Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ist und diese örtliche Situation den Maßstab der Zulässigkeit für weitere Vorhaben bildet, können zusätzliche bauliche Anlagen allenfalls in Ausnahmefällen unzulässig sein. Innenbereichsgrundstücke sind daher im Gegensatz zu Außenbereichsgrundstücken - bauplanungsrechtlich - "tendenziell einer Bebauung zugänglich".6
II. Geltungsbereich Die Zulässigkeit von Vorhaben richtet sich nach den Voraussetzungen des § 34 BauGB, wenn das Grundstück, auf dem das Vorhaben realisiert werden soll, entweder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB oder im Geltungsbereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB liegt.
1. Im Zusammenhang bebauter Ortsteil a) Bebauungszusammenhang Das Kriterium des Bebauungszusammenhangs fordert, daß eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung besteht, die trotz möglicherweise vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. 7 Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 BauGB ist damit jedoch nicht auf reine Baulücken beschränkt, sondern erfaßt auch größere freie Flächen, soweit diese nur durch die schon vorhandene Bebauung in einer Art und Weise geprägt sind, daß sich aus dieser ein Rahmen für die geplante bauliche Nutzung entnehmen läßt. 8 Maßgebend ist letztlich die 5 So zuerst Sendler, BBauBl. 1968, 12, 13; Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 377. Eine Aufwertung in Richtung "Ersatzplan" hat § 34 BauGB allerdings durch die Vorschriften der Absätze 2 und 3 erfahren; vgl. hierzu Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster, DVB1.1985, 36, 39. 6
So die Formulierung bei BVerwG, Z f B R 1980, 294, 295.
7
B V e r w G E 31, 20.
8 Vgl. als Beispiel den Fall des BVerwG in D Ö V 1987, 298; dort wurde ein Grundstück am Nordufer der Bodensees, das mit fünf Wohnhäusern und einem Hotel bebaut werden sollte, als Grundstück im nicht beplanten Innenbereich qualifiziert.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
85
Verkehrsauffassung; 9 daher ist grundsätzlich sowohl unbeachtlich, ob die vorhandene Bebauung formell und materiell rechtmäßig ist, 1 0 als auch, ob auf benachbarten Grundstücken eine Bebauung geplant oder sogar schon genehmigt worden ist. 1 1 Entscheidend ist somit ein rein tatsächlicher, optischer Maßstab.
b) Ortsteil Der Bebauungszusammenhang muß einem Ortsteil angehören; diese Voraussetzung stellt ein spezifisch städtebauliches Korrektiv gegenüber der weiten Voraussetzung des "Bebauungszusammenhangs" dar und dient damit der Sicherung des Regelungszwecks des § 34 BauGB. 1 2 "Ortsteil" im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist daher jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. 1 3 Verhindert wird damit insbesondere die weitere Verfestigung von Streu- und Splittersiedlungen, die mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar sind. 14
2. Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB § 34 Abs. 4 BauGB ermächtigt die Gemeinde, den Anwendungsbereich des § 34 BauGB durch Satzung festzulegen. Die Vorschrift unterscheidet drei mögliche Satzungsinhalte: Rein deklaratorische Bedeutung hat die sog. "Klarstellungssatzung" gem. § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB; sie dient der Beseitigung von Zweifeln bei der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsgrundstücken. Der Erlaß einer solchen Satzung ist somit ausschließliches Ergebnis eines Subsumptionsvorgangs; 15 nur Grundstücke, die die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB erfüllen, können in den Geltungsbereich der Satzung einbezogen werden. Der Gemeinde wird daher kein planerisches Ermessen eröffnet, aus städtebaulichen Gründen Außenbereichsgrundstücke einzubeziehen oder Innen9
BVerwGE 28, 268; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 2.
10 11
B V e r w G E 31, 22, 26. BVerwG, NJW 1977,1978.
12
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 7.
13 So die allgemein anerkannte Definition des Bundesverwaltungsgerichts in B V e r w G E 31, 22, 27. 14
Battis, Baurecht, S. 168.
15
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 83.
86
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
bereichsgrundstücke auszugrenzen. 16 In der Satzung wird allein die Rechtsfrage entschieden, ob ein Grundstück zum Innenbereich gehört oder nicht. 1 7 Konstitutiv wirken dagegen die sog. "Entwicklungssatzung" gem. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB, die bebaute Flächen im Außenbereich zu im Zusammenhang bebauten Ortsteilen erklärt, sowie die sog. "Abrundungssatzung" gem. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB, die es erlaubt, einzelne Außenbereichsgrundstücke zur Abrundung der Gebiete im Geltungsbereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 einzubeziehen. Zweck der Satzungen aufgrund von § 34 Abs. 4 BauGB ist damit neben der Klarstellung der Rechtslage vor allem eine Erleichterung der Fortentwicklung vorhandener Siedlungsansätze. Sie stellen kein Instrument dar, das es der Gemeinde erlaubt, unter Umgehung der Voraussetzungen der Bauleitplanung im Zusammenhang bebaute Ortsteile in den Außenbereich hinein zu erweitern und auf diese Weise für die Bebauung freizugeben. 18 Auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden aus diesem Grund über dieses Instrumentarium nicht grundsätzlich nachteilig betroffen. 19 So ist eine Entwicklungssatzung gem. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB nur zulässig, wenn der betroffene Bereich im Flächennutzungsplan bereits als Baufläche dargestellt ist; 2 0 darüberhinaus ist sowohl für die Entwicklungssatzung als auch die Abrundungssatzung gem. § 34 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Voraussetzung, daß sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind. Dies schließt es aus, Außenbereichsgrundstücke, für die im Flächennutzungsplan eine mit der Einbeziehung in den Innenbereich nicht zu vereinbarende städtebauliche Funktion dargestellt ist, über eine Abrundungssatzung dem Innenbereich zuzuschlagen.2 Die Grundentscheidung für die bauliche Weiterentwicklung muß also auch bei den Satzungen gem. § 34 Abs. 4 BauGB schon auf der ersten Ebene der Bauleitplanung gefallen sein. 22 Sowohl dort als auch bei den konstitutiv wirkenden 16
Battis, Baurecht, S. 169; vgl. auch Hansen, DVB1.1986,1044.
17 So schon zur Rechtslage unter Geltung des Bundesbaugesetzes Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Satzung nach § 34 Abs. 2", S. 408,409. 18 Battis, Baurecht, S. 169; vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 88. 19 Kritisch insbesondere v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 391; ebenso A K U R , N V w Z 1987, 395, 396; Peine, JZ 1987, 322, 325. Rechtzugeben ist der Kritik allerdings insoweit, als sie darauf hinweist, daß die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und der Träger der öffentlichen Belange gegenüber denen bei der Bauleitplanung nur eingeschränkt gem. § 34 Abs. 5 BauGB möglich sind. 20 Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, diese Darstellungen im Wege des Parallelverfahrens herbeizuführen; so zurecht Battis, Baurecht, S. 169; die Gemeinde ist jedoch auch bei dieser Änderung an die grundsätzlichen Voraussetzungen der Bauleitplanung gebunden. 21
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 82.
22
Battis, Baurecht, S. 169.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
87
Satzungen gem. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauGB hat aber, da es sich um eine bodenrechtliche Planung handelt, eine sachgerechte Abwägung aller betroffenen Belange stattzufinden, bei der die Gemeinde u. a. auch die tendenziell gegenläufige Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB zu beachten hat. Bei rechtmäßiger Anwendung unter Beachtung aller gesetzlichen Voraussetzungen bleiben daher auch bei der konstitutiven Erweiterung des Innenbereichs über die Satzungen des § 34 Abs. 4 die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gewahrt.
B. Die Zulässigkeitstatbestände des § 34 BauGB I. Der Grundtatbestand, § 34 Abs. 1 BauGB 1. Das Einfügungsgebot Zentrales Kriterium der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben ist, wie schon unter Geltung des § 34 Abs. 1 BBauG, daß sich das geplante Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung "einfügt". Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 26. 6. 1978 23 geklärt. Obwohl dieses Urteil zunächst auf deutliche Kritik gestoßen ist, 2 4 wurden die darin entwickelten Maßstäbe von der Literatur später nahezu einhellig übernommen. 25 Weitgehend unbestritten gilt danach folgendes: Die "Eigenart der näheren Umgebung" wird vor allem durch die vorhandene Bebauung geprägt; 26 was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder gar als Fremdkörper wirkt, ist außer acht zu lassen. Zu berücksichtigen sind nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke, sondern die gesamte nähere Umgebung, soweit sich die Realisierung des Vorhabens auf sie auswir23 24 329.
BVerwGE 55, 369. Vgl. insbesondere Redeker, NJW 1978, 2567 (Urteilsanmerkung); Lenz, BauR 1978,
25 Vgl. Battis, Baurecht, S. 169 ff; Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 388 ff; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 13 ff; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 41 ff; ders. in Cholewa/David/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 34 Anm. 1 c, 2.; Schlez, Baugesetzbuch, Kommentar, § 34 Rdnr. 7 ff. 26 Grundsätzlich zurecht weist Söfker, U P R 1987, 201, 205 darauf hin, daß der Begriff der "Eigenart der näheren Umgebung" nicht allein auf die Bebauung abstellt und eine (neue) Bebauung daher ausgeschlossen sein kann, wenn die Umgebung durch unbebaute Bereiche, z. B. Grünflächen, geprägt ist. Z u beachten ist dabei jedoch, daß die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB definitionsgemäß einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraussetzt, sodaß regelmäßig eben diese Bebauung den prägenden Rahmen abgibt, während § 34 Abs. 1 BauGB ansonsten, mangels Bebauung, überhaupt nicht anwendbar ist.
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
ken kann und die Umgebung ihrerseits den Charakter des zu bebauenden Grundstücks prägt oder doch beeinflußt. 27 Ob sich ein Vorhaben in die so definierte "nähere Umgebung" einfügt, ist sodann in drei Schritten zu prüfen, deren erster den Grundmaßstab darstellt, der durch zwei Korrektive modifiziert wird 2 8 Der Grundmaßstab ist aus der Eigenart der näheren Umgebung, wie sie oben definiert wurde, zu entnehmen; sie bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich das geplante Vorhaben halten muß. Dabei ist dieser Rahmen voraussetzungsgemäß umso enger, je einheitlicher die beachtliche Bebauung ist. Hält sich ein Vorhaben in jeder Hinsicht innerhalb des so aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens, so fügt es sich in der Regel in seine Umgebung ein. 2 9 Damit steht im Mittelpunkt der von § 34 Abs. 1 BauGB geforderten Betrachtungsweise nicht die Zuordnung zu Rechtsbegriffen, sondern das Erreichen eines tatsächlich hinreichend angemessenen Verhältnisses zwischen dem Vorhaben und der ihm vorgegebenen Umgebung. Im Hinblick auf dieses tatsächliche Verhältnis ist der für § 34 Abs. 1 BauGB relevante Rahmen zu ermitteln; es geht um die Feststellung der tatsächlich prägenden Bebauung, wobei die Betrachtung auf das Faktische ausgerichtet sein muß. 3 0 Einengendes Korrektiv des so definierten Grundmaßstabes ist das "Gebot der Rücksichtnahme". Auch ein Vorhaben, das sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung zu entnehmenden Rahmens hält, fügt sich dann nicht in seine Umgebung ein, wenn es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, insbesondere die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene, Bebauung fehlt. 31 Durch dieses einschränkende Kriterium wird dem Umstand Rechnung getragen, daß die den Rahmen prägende Nutzung in der Regel nicht gleichmäßig über die beachtliche Umgebung verteilt ist, und es sich daher ergeben kann, daß die unmittelbare Umgebung des geplanten Vorhabens gegenüber dem gesamten Rahmen gesteigert schutzwürdig ist. 3 2 Auch diese gesteigerte Schutzwürdigkeit ergibt sich allerdings vor allem durch die in unmittelbarer Nähe des Vorhabens vorhandene Bebauung und deren Nutzung. 33 Daher ist auch insoweit ein rein tatsächlicher Maßstab entscheidend. Das Rücksichtnahmegebot stellt kein Instrument zur Verfügung, eine bestimmte städtebaulich unerwünschte Entwicklung zu korrigieren, wenn der maßgebliche Rahmen auch durch un-
27
B V e r w G E 55, 369, 380.
28
Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 388.
29
BVerwGE 55, 369, 385.
30
BVerwG, Z f B R 1980, 246 ff; Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 388.
31
B V e r w G E 55, 269, 386; ebenso BVerwG, NJW 1981,139.
32
B V e r w G E 55, 369, 385.
33
Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 388.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
89
befriedigende Faktoren mitbestimmt wird; dies ist der Bauleitplanung vorbehalten. 34 Das im Gegensatz zum Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Grundmaßstab erweiternde Korrektiv der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben besteht darin, daß es bei dem Gebot des Einfügens nicht um Einheitlichkeit, sondern um Harmonie geht, mit anderen Worten keine Uniformität gefordert wird. Deshalb können im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB auch Vorhaben verwirklicht werden, die in der vorhandenen Umgebung kein Vorbild finden und daher den aus ihrer Umgebung ableitbaren Rahmen überschreiten. 35 Ihre Grenze findet diese Möglichkeit allerdings darin, daß sie nicht dazu führen darf, daß durch diese Überschreitung bodenrechtlich beachtliche und ausgleichsbedürftige Spannungen begründet oder vorhandene erhöht werden. Ein Vorhaben, das die vorhandene Situation in diesem Sinne stört bzw. verschlechtert, ist nur im Rahmen einer diese Störung wieder auffangenden Bauleitplanung möglich. Ist ein Vorhaben also in diesem Sinne planungsbedürftig, so fügt es sich nicht gem. § 34 Abs. 1 BauGB in seine Umgebung ein. 3 7
2. Weitere Voraussetzungen Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen in der Forderung nach Sicherung der Erschließung, nach Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn und Arbeitsverhältnisse sowie dem Verbot der Beeinträchtigung des Ortsbildes. In Literatur und Rechtsprechung besteht Übereinstimmung, daß den beiden letztgenannten Merkmalen neben dem zentralen Kriterium des "Einfügens" keine besondere eigenständige Bedeutung zukommt; ihre Voraussetzungen sind im Regelfall bereits dann erfüllt, wenn sich das Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Letztlich kommt ihnen daher nur klarstellende Wirkung zu. 3 8
34 Schmidt-Aßmann, JuS 1981, 731, 733; vgl. auch Krautzberger in Battis/Krautzberger/ Lohr, BauGB, § 34 Rdnr. 16, dort allerdings in diesem Zusammenhang unverständlich der Hinweis auf § 34 Abs. 3 BauGB, da diese Vorschrift nur einen weiteren Zulässigkeitstatbestand darstellt. 35
BVerwGE 55, 369, 386 mit einigen Beispielen.
36
So schon BVerwGE 54, 73, 79.
37
B V e r w G E 55, 369, 387.
38 Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 23; BVerwG, NJW 1981, 474.
90
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
II. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 34 Abs. 2 BauGB 1. Die grundsätzliche Bedeutung der Vorschriften der Baunutzungsverordnung, § 34 Abs. 2,1. Halbsatz BauGB In Abweichung von der Regelung des § 34 Abs. 3 BBauG ist gem. § 34 Abs. 2 BauGB die Anwendung der Vorschriften der Baunutzungsverordnung in jedem Fall auf die A r t der baulichen Nutzung beschränkt; es kommt daher nicht mehr darauf an, ob sich das geplante Vorhaben auch im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB "einfügt", sodaß das Vorhaben diese Anforderungen auch unterschreiten kann, was nach bisherigem Recht nicht möglich war. 3 9 Das Maß der baulichen Nutzung bestimmt sich dagegen auch in einem Gebiet, das den Voraussetzungen eines Gebietstyps der Baunutzungsverordnung entspricht, nur noch nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 BauGB. Den Grund für diese Änderung sah der Gesetzgeber darin, daß es aufgrund der verschiedenen gewachsenen Strukturen im nicht beplanten Innenbereich sachgerechter sei, stets nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls zu entscheiden, um unnötige Erschwernisse für die Genehmigung von Vorhaben zu vermeiden. 40 § 34 Abs. 2 BauGB erleichtert damit im Vergleich zur Regelung des § 34 Abs. 3 BBauG das Ausmaß der Bebaubarkeit von Innenbereichsgrundstücken; nach § 34 Abs. 3 BBauG konnte sich aus § 17 BauNVO eine Obergrenze des Maßes der baulichen Nutzung ergeben, die auch einzuhalten war, wenn im konkreten Fall ein höheres Maß den Anforderungen des Einfügungsgebots noch genügt hätte.
2. Ausnahmen und Befreiungen, § 34 Abs. 2,2. Halbsatz BauGB Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung des zu bebauenden Grunstücks einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Gebiete, so gelten gem. § 34 Abs. 2, 2. Halbsatz BauGB auch die Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen im beplanten Gebiet gem. § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB entsprechend. Im Ergebnis wird damit der nicht beplante Innenbereich, soweit er sich einem Gebietstyp der Baunutzungsverordnung unterordnen läßt, dem beplanten Bereich weitgehend gleichgestellt. 41 Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers; die Vorschrift soll dazu beitragen, die Genehmigungspraxis zu erleichtern und die Zulässigkeitsrahmen den beplanten Gebieten anzupassen. Nach der Regelung des § 34 Abs. 3
39
Vgl. BVerwG, NJW 1980, 60.
40 41
Vgl. BTags.-Drs. 10/4630, S. 87. Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 183.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
91
BBauG war eine solche entsprechende Anwendung der Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen nicht möglich. 42 Die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 31 Abs. 1 BauGB erlaubt die Genehmigung von Vorhaben, die nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässig sind. 43 Die Entscheidung steht im Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. 44 Sie hat dabei die Grundsätze des § 1 Abs. 5 und Abs. 6 BauGB zu beachten, denn die Erteilung einer Ausnahme gem. § 34 Abs. 2 iVm § 31 Abs. 1 BauGB hat, entgegen dem grundsätzlichen Ansatz des § 34 BauGB, 4 5 planersetzende Funktion. Wegen ihres bauleitplanerischen Charakters muß die Entscheidung auch den für die Bauleitplanung geltenden Grundsätzen unterworfen werden, d. h. insbesondere den Anforderungen des Abwägungsgebotes entsprechen. 46 § 34 Abs. 2, 2. Halbsatz iVm § 31 Abs. 2 BauGB erlaubt eine Befreiung im unbeplanten Innenbereich grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen, die hierfür im beplanten Gebiet gelten. Dies wirft Probleme auf bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BauGB; da ein Plan nicht erlassen wurde, ist zunächst weder feststellbar, wann durch eine Abweichung die "Grundzüge der Planung" berührt werden, noch wann die "Durchführung des Bebauungsplans" zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde. 4 7 Da planerische Festsetzungen fehlen, können die Maßstäbe hierfür im unbeplanten Innenbereich nur unmittelbar aus den Vorschriften der Baunutzungsverordnung und aus dem vorgegebenen Gebietscharakter entnommen werden. Dies bedeutet, daß eine "unbeabsichtigte Härte" im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB im unbeplanten Innenbereich dann vorliegt, wenn das Grundstück in bodenrechtlicher Hinsicht Besonderheiten aufweist, die es im Verhältnis zu den in der Baunutzungsverordnung getroffenen Regelungen als Sonderfall erscheinen lassen und eine nach deren Vorschriften zulässige Nutzung entweder überhaupt nicht oder 42 Hoppenberg, NJW 1987, 748, 755; dort aber auch zurecht der Hinweis, daß der Sache nach Ausnahmen und Befreiungen über eine entsprechende Auslegung des Merkmals des "Einfügens" erreicht wurden. 43 Vgl. §§ 2 bis 4 a, 6 bis 9, jeweils Abs. 3 BauNVO. 44 Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 51. 45
S. o. S. 83, 84.
46
Schink, DVB1.1987, 545, 549.
Leitfaden, Rdnr. 183; Krautzberger in
47 v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 385, 386 halten die Verweisung auf § 31 Abs. 2 BauGB aus diesem Grunde für "systemwidrig und widersinnig"; dagegen ausdrücklich Hoppenberg, NJW 1987, 748, 755, der zurecht darauf hinweist, daß es rechtssystematisch widersprüchlich wäre, wenn im beplanten Gebiet grundsätzlich Befreiungsmöglichkeiten bestünden, im unbeplanten Innenbereich dagegen nicht und dies zur Konsequenz hätte, daß im unbeplanten Innenbereich bei Geltung der Baunutzungsverordnung strengere Regeln gelten würden als im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
92
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
nur unter unzumutbaren Einschränkungen ermöglichen. "Städtebaulich vertretbar" ist eine Abweichung im nicht beplanten Innenbereich dann, wenn sie sich, gemessen an den Regelungen der Baunutzungsverordnung, noch in den vorhandenen städtebaulichen Rahmen einfügt und keine Planung erforderlich macht. Die "Grundsätze der Planung" sind dem konkreten Gebietscharakter zu entnehmen; dieser muß in seinen Grundzügen gewahrt bleiben. 4 8 Schließlich muß die Abweichung auch im unbeplanten Innenbereich mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein; insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie im beplanten Gebiet. 4 9
III. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 34 Abs. 3 BauGB I . Die grundsätzliche Bedeutung des § 34 Abs. 3 BauGB im System der bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände § 34 Abs. 3 BauGB ist durch das Baugesetzbuch neu eingeführt worden; im Bundesbaugesetz fand sich keine entsprechende Regelung. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift bewußt einen Genehmigungstatbestand geschaffen, durch den bestimmte, insbesondere betriebliche Investitionen in sog. "Gemengelagen" planungsrechtlich ermöglicht werden sollen. Im Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch heißt es hierzu: 50 "Diese Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, daß in Einzelfällen der Zulässigkeitsrahmen des § 34 zweifelhaft oder nicht ausreichned sein kann, um notwendige Vorhaben im Zusammenhang mit vorhandenen Anlagen genehmigen zu können, und in diesen Fällen auch die Aufstellung eines Bebauungsplanes aufgrund der städtebaulichen Verhältnisse im übrigen nicht erforderlich ist oder sonst nicht in Betracht kommt. Für Zweifelsfälle stellt Absatz 3 daher eine eindeutige rechtssichere Genehmigungsgrundlage dar. Erschwernisse des Vollzugs, die sich aus der schwierigen Anwendung des § 34 in Problemfällen (insbesondere Gemengelagen-Situationen) und wegen des Fehlens ausdrücklicher gesetzlich geregelter Befreiungtatbestände wie in den Plangebieten nach § 31 Abs. 2 oder spezielle Regelungen für Vorhaben im Zusammenhang mit Betrieben im Außenbereich nach § 35 Abs. 4 Nr. 6 ergeben, und die dadurch entstehenden nachteiligen Folgen für die Beteiligten sollen durch die vorgesehene Regelung des Absatzes 3 vermieden werden. Die Regelung, die insbesondere betriebliche Investitionen 48
Schink, DVB1. 1987, 545, 550; Hoppenberg, NJW 1987, 748, 755.
49
Vgl. Kapitel 3, S. 79 ff.
50
BT-Drs. 10/4630, S. 87.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
93
erleichtern soll, ist gegenüber Bauvorhaben im Zusammenhang mit Wohngebäuden dadurch gerechtfertigt, daß anders als Wohngebäude Betriebe auf wiederkehrende Baumaßnahmen angewiesen sind und insofern Probleme entstanden sind, die die Aufnahme des Absatzes 3 in das Gesetz erforderlich machen." Die besondere Bedeutung des § 34 Abs. 3 BauGB im System der bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestände, insbesondere im Rahmen der Systematik des § 34 BauGB selbst, wird deutlich vor dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 34 BBauG vom 26. 5.1978. 51 Danach ist ein Vorhaben, das sich zwar nicht innerhalb des aus seiner Umgebung zu entnehmenden Rahmens hält, aber die gebotene Rücksicht auf die benachbarte Bebauung nimmt, dennoch zulässig, wenn es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen. 52 Dieses Kriterium erlaubt schon im Rahmen des "Einfügens" eine Abweichung von dem vorgegebenen Rahmen und vermeidet damit eine starre Festlegung auf die vorhandene Situation. Nicht mehr erfüllt ist jedoch das Gebot des "Einfügens" auch nach diesem "erweiternden Korrektiv", wenn bodenrechtlich beachtliche Belange in einer Weise berührt werden, die ausgleichsbedürftig sind; einen planerischen Ausgleich zwischen den berührten Belangen im Sinne einer Kompensation, wie sie bei der Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung stattfinden kann, läßt das Einfügungsgebot nicht zu. 5 3 Hier setzt der neue Genehmigungstatbestand des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB an. 5 4 Indem die Vorschrift die Genehmigung eines Vorhabens von dessen "städtebaulicher Vertretbarkeit" abhängig macht, wird in einem bestimmten Umfang die Möglichkeit der Kompensation der verschiedenen von dem geplanten Vorhaben berührten Belange eröffnet, denn "städtebaulich vertretbar" ist, auch nach der Ansicht des Gesetzgebers, 55 was mit den Grundsätzen des § 1 BauGB vereinbar ist. § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ermöglicht daher - im Rahmen seines Anwendungsbereichs - eine ansonsten der Bauleitplanung vorbehaltene Abwägungs- und Kompensationsentscheidung bei der Beurteilung eines Vorhabens im Einzelfall. 56 Im Vergleich zur Bauleitplanung sind der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB jedoch dadurch Grenzen gesetzt, daß nachteilig be51
BVerwGE 55, 369.
52
BVerwGE 55, 369, 386, 387; s. o. S. 89.
53 54
B V e r w G E 55, 369, 386. Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 184.
55
Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 88.
56 Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 56; ders., N V w Z 1987, 449, 453; Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 184; Peine, JZ 1987, 322, 325.
94
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
troffene Belange, anders als bei der Bauleitplanung, nur durch Maßnahmen an dem Vorhaben selbst oder in unmittelbarer Umgebung des Standorts des Vorhabens ausgeglichen werden können, während bei der Bauleitplanung ein Ausgleich gebietsbezogen und damit in umfangreicherem Maße möglich ist. 5 7 Der Vergleich mit den Möglichkeiten der Bauleitplanung zeigt zugleich die äußerste Grenze der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB; in jedem Fall kann eine solche Genehmigung nur dann erteilt werden, wenn das Vorhaben auch im Rahmen einer CO
Bauleitplanung zulässig wäre. Werden also einzelne Belange in einer Weise nachteilig betroffen, die ihre Ausgleichsbedürftigkeit begründet und kann ein solcher Ausgleich nicht erreicht werden, so ist das Vorhaben auch im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht genehmigungsfähig. 59 Dieser Grundsatz schließt insbesondere Vorhaben aus, deren Realisierung zu einer wesentlichen Verschlechterung der vorhandenen Situation führt. 6 0 2. Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 BauGB Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 BauGB unterliegt gegenüber § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB zwei wesentlichen Einschränkungen. Die Vorschrift ist zum einen nur anwendbar auf Erweiterungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen 61 von zulässigerweise errichteten baulichen und sonstigen Anlagen. Sie setzt damit in jedem Fall voraus, daß bereits ein Gebäude vorhanden ist; Neuansiedlungen können daher gem. § 34 Abs. 3 BauGB nicht genehmigt werden. 62 Zum anderen setzt § 34 Abs. 3 BauGB voraus, daß die geplanten Vorhaben nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB 57
Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 184.
58 Ausdrücklich a. A . Lenz, BauR 1987, 1, 5, der im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB auch das "nicht-planbare" Vorhaben für zulässig hält, dies ist unrichtig; städtebaulich vertretbar sind nur "planbare" Vorhaben. 59 Krautzberger , N V w Z 1987, 449, 453. Dem Vorschlag des Bundesrates, die Pflicht zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen zur Minderung vorhandener und zur Vermeidung zusätzlicher schädlicher Umwelteinwirkungen in die Vorschrift ausdrücklich aufzunehmen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt; vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 10/6166, S. 44, 45, 92. 60 Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 185; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 64. 61 Die Bedeutung der Begriffe "Änderung" und "Nutzungsänderung" entspricht der im Rahmen des § 29 BauGB, meint also die Änderung der Substanz oder der Zweckbestimmung einer Anlage, soweit sie planungsrechtlich relevant sind; der Begriff der "Erweiterung" entspricht dem des § 35 Abs. 4 BauGB und umfaßt solche Maßnahmen, die den vorhandenen Bestand ergänzen; unter "Erneuerung" ist die Beseitigung einer vorhandenen Anlage mit anschließender Neuerrichtung zu verstehen; sie muß nach Umfang und Nutzungsart mit der bisherigen vergleichbar sein. Vgl. zusammenfassend Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 185; Schink, DVB1. 1987, 545,550. 62
Schink, DVB1.1987,545, 550.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
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unzulässig sind; daraus folgt, daß die Vorschrift nur im Innenbereich gem. § 34 Abs. 1 BauGB Anwendung finden kann. Im Geltungsbereich einer Satzung gem. § 34 Abs. 4 BauGB kommt eine Genehmigung aufgrund von § 34 Abs. 3 BauGB daher nur in Betracht, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegen, also im Geltungsbereich einer Klarstellungssatzung gem. § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB. 6 3
3. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im einzelnen Gem. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BauGB können Vorhaben genehmigt werden, wenn die Zulässigkeit "aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich" ist. Dies entspricht den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Ein Vorhaben ist daher zulässig, wenn es zur Erfüllung oder Wahrung öffentlicher Interessen oder Aufgaben vernünftigerweise geboten ist, das Vorhaben an dem vorgesehenen Standort zu verwirklichen. 64 Gem. § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB muß das zu genehmigende Vorhaben einem Betrieb dienen und städtebaulich vertretbar sein. "Betriebe" im Sinne der Vorschrift sind Industrie-, Gewerbe-, Handwerks- und landwirtschaftliche Betriebe; das Merkmal des "Dienens" setzt voraus, daß das geplante Vorhaben einem Betrieb von seiner Funktion her unmittelbar zugeordnet ist und im Falle seiner Realisierung vom vorhandenen Bestand und den sonstigen Nutzungen geprägt wird. 5 Weitere Voraussetzung beider Alternativen des § 34 Abs. 3 BauGB ist, daß das Vorhaben "auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar" ist. Die Bedeutung dieser Regelung ist gering; zwar wird durch die ausdrückliche Erwähnung der "nachbarlichen Interessen" das Gebot der Rücksichtnahme auch im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB besonders hervorgehoben, jedoch deckt sich das Erfordernis der "Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen" mit den Vor-
63
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 57.
64 Der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift liegt in der Überwindung von Beschränkungen des Maßes der baulichen Nutzung; erfaßt werden insbesondere erheblich ins Gewicht fallende Erweiterungen des Altbestandes; vgl. v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 388. Zugrunde liegt der Neuregelung die zu § 31 Abs. 2 Nr. 1 BBauG ergangene Rechtsprechung; vgl. B V e r w G E 56, 71 sowie den Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BTDrs. 10/4630, S. 87, 88; dort auch eine Aufzählung der grds. unter diese Vorschrift fallenden Einrichtungen im Interesse des Gemeinwohls. 65 Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 63; der Hauptanwendungsfall der Vorschrift liegt ebenfalls in einer Überschreitung des sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebenden Rahmens in bezug auf das Maß der baulichen Nutzung; vgl. v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 389. Bei der Auslegung des Begriffs des "Dienens" kann auf die Rechtsprechung zu der entsprechenden Formulierung in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zurückgegriffen werden; nach BVerwGE 41, 138 muß die geplante Maßnahme daher nach der Ansicht eines vernünftigen Betriebsinhabers objektiv erforderlich sein.
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
aussetzungen des "Wohls der Allgemeinheit" in § 34 Abs. 3 Nr. 1 BauGB und den Voraussetzungen der "städtebaulichen Vertretbarkeit" in § 34 Abs. 3 Nr. 2 BauGB; weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen werden somit nicht begründet. 66 Von Bedeutung ist dagegen, daß Genehmigungen gem. § 34 Abs. 3 BauGB nur "im Einzelfall" erfolgen dürfen. Es ist daher nicht zulässig, über § 34 Abs. 3 BauGB in einem Gebiet gleichzeitig oder in kurzen Abständen mehrere Vorhaben zu genehmigen; dies bleibt der Vorbereitung durch die Bauleitplanung vorbehalten. 67
C. Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen des § 34 BauGB I. Der Grundtatbestand; zur Tauglichkeit des Einfügungsgebots 1. Die Ansicht des Gesetzgebers Die im Rahmen dieser Untersuchung interessierende Frage lautet, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber mit dem gesetzlichen Zulässigkeitstatbestand des § 34 Abs. 1 BauGB den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege Rechnung getragen hat. Ebenso wie schon § 34 Abs. 1 BBauG nennt auch § 34 Abs. 1 BauGB diese Belange - im Gegensatz etwa zu § 1 Abs. 5 und § 35 Abs. 3 BauGB - nicht ausdrücklich. Allerdings enthielt § 34 Abs. 1 BBauG neben dem Einfügungsgebot die allgemeine Klausel, daß ein Vorhaben nur dann zulässig sei, wenn "sonstige öffentliche Belange" nicht entgegenstünden. Nach der Ansicht des Gesetzgebers ist durch den Verzicht auf diese Klausel in § 34 Abs. 1 BauGB keine Änderung der Rechtslage gegenüber der Regelung des § 34 Abs. 1 BBauG eingetreten. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Baugesetzbuch heißt es hierzu: 68 "Damit wird der geltenden Rechtslage Rechnung getragen, nach der den weiteren Zulässigkeitsmerkmalen ... neben dem Erfordernis des Einfügens auch aus eigentumsrechtlichen Gründen - keine selbständige Bedeutung zukommt, mit Ausnahme der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnund Arbeitsverhältnisse und das Ortsbild. ... In bezug auf die Berücksichtigung von Anforderungen des Umweltschutzes verbleibt es dabei, daß die 66 Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 65.
Leitfaden, Rdnr. 187; Krautzberger in
67
Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 187.
68
BT-Drs. 10/4630, S. 87.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
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Umweltschutzanforderungen weiterhin im Begriff des 'Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung', insbesondere in bezug auf das 'Gebot der Rücksichtnahme' und der Wahrung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse in vollem Umfang wie bisher erhalten bleiben. Beibehalten wird das Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung auch insofern, als bei Beurteilung von nicht bebauten Flächen, die z. B. bestimmte Freiraumfunktionen haben oder ökologische Zwecke erfüllen, deren prägende Wirkung mit der möglichen Folge zu berücksichtigen ist, daß ein Bauvorhaben auf diesen Flächen mangels Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung unzulässig sein kann. ... Insgesamt verbleibt es dabei, daß die Anforderungen aufgrund anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften nach § 29 Satz 4 ... unberührt bleiben; dies gilt namentlich für die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der Denkmalschutzgesetze der Länder."
2. Kritik Diese Ansicht des Gesetzgebers zur Neufassung des § 34 BauGB und deren Begründung wurden in den ersten Stellungnahmen der Literatur überwiegend kritiklos aufgegriffen und übernommen. 69 Dem ist zu widersprechen. Eine nähere Betrachtung der neugefaßten Vorschrift zeigt, daß der Auffassung des Gesetzgebers im Ergebnis wie in der Begründung nur teilweise zugestimmt werden kann. Durch die Streichung der Klausel "und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen" hat der Gesetzgeber die Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gezogen, derzufolge zum einen einige öffentliche Belange einem Vorhaben überhaupt nicht entgegengehalten werden konnten, und zum anderen als sonstige öffentliche Belange solche nicht in Betracht kamen, die sich bereits aus dem Merkmal des "Einfügens" ergaben, insbesondere soweit sie vom "Gebot der Rück-
69 Vgl. Hoppenberg, NJW 1987, 748, 755; Lohr, Jura 1986, 465, 470; Lenz, Z f B R 1986, 14; Söfker, U P R 1987, 201, 205; Krautzberger, N V w Z 1987, 499, 452; Bielenberg/ Mainzcyk/Otte/Söfker, DVB1. 1985,1097,1102; Bröll/Busse, BayVBl. 1985, 425,427; Gassner U P R 1987, 249, 252; Peine, J Z 1987, 322, 325; A K U R , N V w Z 1987, 395, 396; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 27; Gaentzsch, Baugesetzbuch, S. 259; Dyong in Cholewa/David/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 34 A n m . 3. 70 Z u nennen sind hier beispielhaft die Darstellungen des Flächennutzungsplans, die Ziele der Raumordnung und Landesplanung, das Planungserfordernis und die Offenhaltung gemeindlicher Planungsmöglichkeiten; vgl. B V e r w G E 32, 256; BVerwG, NJW 1981, 2425, 2426; Z f B R 193, 195. Zusammenfassend Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 182.
98
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
sichtnahme" umfaßt wurden. 71 Die jetzige Fassung des Gesetzes zeigt jedoch deutlich, daß diese Rechtsprechung der eigentlichen Bedeutung der Vorschrift nicht gerecht wurde. Unproblematisch ist zunächst, daß durch die Neufassung des § 34 BauGB keine Änderung in bezug auf die Anforderungen des sog. "optischen Landschaftsschutzes" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 72 eingetreten ist. Die "Anforderungen an den Schutz der Landschaft vor ästhetischer Beeinträchtigung" 73 bleiben durch die tatbestandlichen Voraussetzungen des "Einfügens" und des "Schutzes des Ortsbildes" in vollem Umfang gewahrt. Insoweit kam der Klausel der "entgegenstehenden öffentlichen Belange" tatsächlich keine eigenständige Bedeutung zu; ein Vorhaben, das sich innerhalb eines Rahmens hielt, dessen Grenzen sich aus einer den Eindruck der Geschlossenheit vermittelnden, zusammenhängenden Bebauung ergaben, 74 die Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur war, 7 5 konnte auch nicht zu einer ästhetischen Beeinträchtigung der Landschaft führen; der Maßstab der Prüfung war identisch. Der Begründung des Gesetzgebers ist jedoch ausdrücklich zu widersprechen, soweit sie davon ausgeht, daß auch im Rahmen der Neufassung der Vorschrift "ökologische Zwecke" und damit die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im "funktionellen Sinne" Berücksichtigung finden könnten. Weder das Merkmal des "Einfügens" im engeren Sinne noch das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte einengende Korrektiv des "Gebots der Rücksichtnahme" sind geeignet, diesen Belangen Rechnung zu tragen. Das Gesetz stellt nach der Streichung der "entgegenstehenden öffentlichen Belange" keinen Maßstab mehr zur Verfügung, an dem die Bedeutung dieser Belange im konkreten Fall gemessen werden könnte. Maßstab der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB "einfügt", ist allein der sich aus der näheren Umgebung aufgrund der vorhandenen Bebauung tatsächlich ergebende Rahmen. 76 Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist nicht geeignet, ökologischen Belangen gerecht zu werden; der im Rah71 BVerwG, BauR 1983, 443, 444; Β RS 38 Nr. 186, S. 411. das dogmatische Fundament dieser Auffassung legte ein Aufsatz von Weyreuther, BauR 1981, 1 ff, der zu dem Ergebnis kam, daß "für die sonstigen öffentlichen Belange in § 34 Abs. 1 wenig subsumierbares Tatsachenmateriar übrigbleibe. 72
BVerwGE 55, 272; s. o. Kapitel 2, S. 28, 29.
73 So die Definition des "optischen Landschaftsschutzes" in B V e r w G E 55, 272, 275. 74 So die Voraussetzungen des "Bebauungszusammenhangs" im Sinne des § 34 B B a u G / BauGB, s. o. S. 84. 75 S. 85.
So die Voraussetzungen des "Ortsteils" im Sinne des § 34 BBauG/BauGB; s. oben
76 BVerwG, DVB1. 1984, 647, 648; die Grenzen dieses Rahmens ergeben sich aus den Voraussetzungen des "Bebauungszusammenhangs" und des "Ortsbildes" im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB; s. o. S. 88.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
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men der der Prüfung, ob sich ein Vorhaben "einfügt", vorzunehmende Vergleich 7 7 zwischen dem tatsächlich Vorhandenen und dem geplanten Vorhaben läßt für eine Berücksichtigung der Belange des "funktionellen Naturschutzes" keinen Raum. Sie sind durch diese rein optische Betrachtungsweise in der Regel weder erfaßbar, noch ergibt sich aus diesem Vergleich ein Kriterium, welche Bedeutung diesen Belangen im Einzelfall zukommt. Dasselbe gilt für das "Gebot der Rücksichtnahme"; auch aus diesem "einengenden Korrektiv" läßt sich keine Grundlage und kein Maßstab zu Berücksichtigung ökologischer Belange entnehmen. Im Rahmen der Prüfung, ob den Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme im konkreten Fall genügt wird, hat nur eine Gegenüberstellung von Rücksichtnahmeberechtigtem und Rücksichtnahmeverpflichtetem stattzufinden, wobei sich der Maßstab aus der unmittelbaren Umgebung des Grundstücks ergibt, auf dem das Vorhaben realisiert werden soll. Während im Rahmen dieser Gegenüberstellung beispielsweise immissionsschutzrechtliche Fragen durchaus eine Rolle spielen können, da insoweit Berechtigter und Verpflichteter erkennbar sind, erfordert das Gebot der Rücksichtnahme weder, ökologische Daten zu erheben, noch solche im Laufe des Entscheidungsprozesses zu verarbeiten. 79 Eine Gegenüberstellung kann nicht stattfinden, ein "Berechtigter" wie in immissionsschutzrechtlichen Fragen ist nicht vorhanden. 80 Demgegenüber war eine Berücksichtigung ökologischer Belange unter Geltung des § 34 Abs. 1 BBauG möglich und geboten. Sie kamen grundsätzlich als "entgegenstehende öffentliche Belange" in Betracht und mußten daher erhoben und bei der Prüfung der Zulässigkeit des geplanten Vorhabens entsprechend dem Maß ihrer tatsächlichen Betroffenheit berücksich1
Ol M
tigt werden. '
Insbesondere ist daher, bei alleiniger Beurteilung der Zu-
77
Vgl. v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 382.
78
S. o. S. 88, 89.
79
Ebenso Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster, DVB1. 1985, 36,
46. 80 Dies zeigt sich an einem Beispiel: Hat sich auf einem bislang unbebauten Grundstück ein ökologisch wertvolles Biotop entwickelt, ist das Grundstück aber "geprägt" von gewerblich genützter Bebauung in seiner unmittelbaren Umgebung, so bietet auch das Gebot der Rücksichtnahme keine Möglichkeit, auf die besondere ökologische Bedeutung dieses Grundstücks "Rücksicht" zu nehmen; dies wird vollends deutlich, wenn sich diese besondere Bedeutung für die Belange des Naturschutzes im konkreten Fall bei bloßer äußerer Betrachtung der Grundstückssituation nicht aufdrängt. 81 Damit ging § 34 Abs. 1 BBauG über die Forderung des Einfügungsgebots, ein (nur) tatsächlich hinreichend angemessenes Verhältnis zwischen dem Vorhaben und der vorgegebenen Umgebung zu erreichen, gerade hinaus; sie forderte zusätzlich die Übereinstimmung mit dem Rechtsbegriff der "öffentlichen Belange". 82 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatte diese Berücksichtigung der "entgegenstehenden öffentlichen Belange" wie im Rahmen der Prüfung des § 35 B B a u G / B a u G B im Wege einer sog. "nachvollziehenden Abwägung" stattzufinden; vgl. Wey-
100
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
lässigkeit eines Vorhabens aufgrund der Anforderungen des Einfügungsgebots, ein völliges Freihalten eines Grundstücks von Bebauung aus ökologischen Gründen nicht möglich, denn Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB ist es gerade, daß das Grundstück, auf dem das Vorhaben realisiert werden soll, durch den es umgebenden Bebauungszusammenhang geprägt wird, mit der Folge, daß eine Bebauung auch dieses Grundstücks grundsätzlich zulässig ist. Daß die Voraussetzungen des Einfügungsgebots auch positive Nebeneffekte in bezug auf die Belange des Naturschutzes haben können - z. B. dann, wenn der für die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens entscheidende "prägende Rahmen" aus einer aufgelockerten, weiträumigen und naturschonenden Bebauung besteht - bleibt von dieser Feststellung unberührt; eine unmittelbare Berücksichtigung ökologischer Belange, gerade unabhängig von Art und Maß der umgebenden Bebauung, ist nach dem jetzt geltenden Gesetzeswortlaut jedenfalls ausgeschlossen. Somit ist im Ergebnis festzuhalten, daß es der ausdrückliche Wortlaut des § 34 Abs. 1 BauGB nicht mehr zuläßt, ökologische Belange im Rahmen der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben zu berücksichtigen. Der Hinweis in den Gesetzgebungsmaterialien, es verbleibe insgesamt dabei, daß die Anforderungen aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften unberührt blieben, 85 ist zwar richtig, ersetzt aber nicht die eigenständige bundesrechtliche Regelung der Berücksichtigung der Belange des funktionellen Naturschutzes und den damit begründeten bundesrechtlichen Mindestschutz, den der Gesetzgeber auch im Bauplanungsrecht gewährleisten kann. 8 6 Im übrigen ist es erstaunlich, daß gerade die Begründung des Regierungsentwurfs zum Baugesetzbuch, die sich in bezug auf die Streichung der "entgegenstehenden öffentlichen Belange" grundsätzlich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
reuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Abwägung", S. 18 f m. w. H. Z u Bedeutung und Kritik des Begriffs der sog. "nachvollziehenden Abwägung" s. u. Kapitel 5, S. 107 ff. 83 Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (schon) zu § 34 BBauG; das Gericht hatte den "entgegenstehenden öffentlichen Belangen" in § 34 Abs. 1 BBauG die Fähigkeit abgesprochen, die Bebaubarkeit eines Innenbereichsgrundstücks insgesamt auszuschließen; vgl. B V e r w G E 35, 256; 55, 272; DVB1. 1981, 97. M i t dem Wortlaut des § 34 BBauG war dies jedoch nicht vereinbar, da das Nichtentgegestehen der öffentlichen Belange ausdrücklich neben dem Einfügungsgebot genannt war und somit eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung begründete, dies jedenfalls dann, wenn der Maßstab der Prüfung mit dem des Einfügungsgebots nicht identisch war, so z. B. bei ökologischen Belangen, die über das Einfügungsgebot nicht erfaßbar sind. I m Ergebnis ebenso Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 209, 210. 84
So auch Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnr. 73.
85
Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 87; s. o. S. 46 ff.
86
S. o. Kapitel 2, S. 25.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
101
07
stützt, die Bedeutung des §29 Satz 4 BauGB hervorhebt. Wie gezeigt wurde, 8 8 hat gerade diese Rechtsprechung dazu beigetragen, die Bedeutung dieser Vorschrift, jedenfalls in bezug auf die Vorschriften des Naturschutzrechts, zu minimalisieren. Es dürfte daher kein Zufall sein, daß in der Begründung des Regierungsentwurfs im Hinblick auf § 29 Satz 4 BauGB nur die Vorschriften des Bundesimmissionschutzgesetzes und der Denkmalschutzgesetze der Länder, nicht aber die des Naturschutzrechts genannt werden. 89
II. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB Die Prüfung der Zulässigkeit eines geplanten Vorhabens an den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB führt in bezug auf die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschriften der Baunutzungsverordnung, nach denen sich allein die Art der zulässigen Nutzung beurteilt, enthalten keine Aussage, die eine Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ermöglichen würde. Dies gilt selbst für die Belange des sog. "optischen Naturschutzes", denn auch ein in einem bestimmten Gebietstyp der Baunutzungsverordnung seiner Art nach grundsätzlich zulässiges Vorhaben kann aufgrund seiner konkreten Ausführung zu einer ästhetischen Beeinträchtigung der Landschaft führen. Da sich das zulässige Maß der baulichen Nutzung ausschließlich nach den Voraussetzungen des Einfügungsgebots bemißt, kann insoweit in vollem Umfang auf die Ausführungen zu § 34 Abs. 1 BauGB verwiesen werden; die Belange des optischen Naturschutzes bleiben gewahrt, eine Berücksichtigung ökologischer Belange ist dagegen ausgeschlossen. I. ü. zeigt gerade § 34 Abs. 2 BauGB sehr deutlich, daß - auch nach der Intention des Gesetzgebers - jedenfalls ein vollständiges Freibleiben eines Innenbereichsgrundstücks von Bebauung nicht in Betracht kommt; das Einfügungsgebot bestimmt nur noch das "Maß" der baulichen Nutzung, nicht aber deren grundsätzliche Zulässigkeit. Daß nach der jetzt geltenden Fassung des § 34 Abs. 2 BauGB für das Maß der baulichen Nutzung im Gegensatz zur Regelung des § 34 Abs. 3 BBauG nur noch das Einfügungsgebot entscheidend ist und sich aus den Vorschriften der Baunutzungsverordnung kein Höchstmaß mehr ergeben kann, ist indessen aus dem Blickwinkel der Belange des Naturschutzes differenziert zu sehen. Einerseits
87
Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 87.
88
S. o. Kapitel 2, S. 46.
89
Vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 87; s. o. S. 97.
102
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
erleichtert das Gesetz durch diese Regelung das Ausmaß der Bebaubarkeit von Innenbereichsgrundstücken und erlaubt damit eine weitere Verdichtung dieser Gebiete, wodurch auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, als negativer Nebeneffekt, tendenziell nachteilig betroffen werden; andererseits ist die Innenentwicklung und damit notwendigerweise einhergehend die weitere Verdichtung dieser Räume (auch) das erklärte Ziel der Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB. Die Problematik ist daher grundsätzlich dieselbe wie bei der Umsetzung der Bodenschutzklausel selbst. 90 Die Feststellung, daß die neue Regelung durch diese Änderung des Gesetzes im Hinblick auf die Belange des Naturschutzes hinter dem bisherigen Recht zurückbleibe, 91 ist daher jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht gerechtfertigt. Schließlich werden die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch durch die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB auf die Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben nicht weitergehend nachteilig betroffen. Wie gezeigt wurde, 9 2 sind sowohl Ausnahmen als auch Befreiungen nur zulässig nach Abwägung aller betroffenen Belange, sodaß die, im Rahmen des Einfügungsgebots relevanten, Belange des optischen Naturschutzes auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ausnahme oder Befreiung berücksichtigt werden müssen; dagegen spielen ökologische Belange schon im Rahmen des Einfügungsgebots keine Rolle, eine Ausnahme oder Befreiung ist insoweit also überhaupt nicht erforderlich.
III. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB QO
Ebenso wie die Neuregelung des § 31 Abs. 2 BauGB ist auch die neugeschaffene Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB in einigen Stellungnahmen der Literatur aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes auf massive Kritik gestoßen; so wird die Befürchtung geäußert, § 34 Abs. 3 BauGB werde "gerade bei umweltrelevanten Vorhaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Genehmigung von mit Umweltbelangen nicht zu vereinbarenden Vorhaben" herbeiführen 94 und erlaube letztlich zusammen mit anderen Änderungen des Baugesetzbuchs "die Zerstörung der Umwelt" 9 5 .
90
S. o. Kapitel 3, S. 62.
91
So aber Schink, DVB1. 1987, 545, 549.
92 93 94
S. o. S. 90 ff. S. o. Kapitel 3, S. 79, 80. So A K U R , N V w Z 1987, 395, 396.
95
So Peine, JZ 1987, 322, 325.
4. Kap.: Nicht qualifiziert beplanter Innenbereich, § 34 BauGB
103
Diese Kritik, gerade an der Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB, ist nicht gerechtfertigt. Zunächst ist, wie schon bei der entsprechenden Anwendung des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB, hervorzuheben, daß eine unmittelbare Berücksichtigung ökologischer Belange bereits nach den Voraussetzungen des Einfügungsgebots ausgeschlossen ist, sodaß es insoweit auf die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB, der ausdrücklich nur gem. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB unzulässige Vorhaben betrifft, überhaupt nicht ankommt. Aber auch soweit im Rahmen des Einfügungsgebots bzw. dem einengenden Korrektiv des Gebots der Rücksichtnahme tatsächlich zu prüfende Voraussetzungen wie z. B. solche des Immissionsschutzes (die als positive Nebeneffekte und damit, jedoch nur mittelbar, auch für ökologische Belange von Bedeutung sein können) betroffen sind, verkennt die dargestellte Kritik die Bedeutung des § 34 Abs. 3 BauGB. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift verbietet die Genehmigung von Vorhaben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen oder städtebaulich nicht vertretbar und daher mit den öffentlichen Belangen, also auch den Belangen des Umweltschutzes, nicht vereinbar sind. 96 Verstößt die Genehmigungsbehörde gegen diese Voraussetzungen, so ist ihre Entscheidung rechtswidrig. Der gesetzlichen Regelung kann somit kein Vorwurf gemacht werden; 9 7 einen Verstoß gegen das Gesetz kann der Gesetzgeber in keinem Fall ausschließen.98 Die Möglichkeiten, die § 34 Abs. 3 BauGB den Genehmigungsbehörden eröffnet, sind vielmehr, ebenso wie die aufgrund der Anwendbarkeit des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 im unbeplanten Innenbereich, aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes differenziert zu sehen. Diese Belange werden zwar tendenziell negativ betroffen, indem die Vorschrift die weitere Verdichtung des Innenbereichs zuläßt; dagegen dient § 34 Abs. 3 BauGB diesen Belangen aber auch dadurch, daß Betriebe an bereits gewerblich genutzten Standorten erweitert werden können und nicht die Notwendigkeit der Betriebsverlagerung in den Außenbereich entsteht. 99 Die Vorschrift trägt damit, jedenfalls grundsätzlich, auch zu den von der Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB verfolgten Zielen b e i . 1 0 0 Der pauschale Vorwurf der Ermächtigung zur "Umweltzerstörung" ist somit keinesfalls gerechtfertigt.
96
Gassner, U P R 1987, 249, 252.
97
So aber offensichtlich A K U R , N V w Z 1987, 395, 396.
98 Battis, NuR 1988, 57, 62, weist i. ü. zurecht darauf hin, daß § 34 Abs. 3 BauGB als Ausnahmevorschrift eine insgesamt restriktive Interpretation erfahren wird, wodurch einem "Mißbrauch" jedenfalls entgegengewirkt wird. 99
Gassner, U P R 249, 252; Hoppenberg, NJW 1987, 748, 755.
100 v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 389, 390.
5. Kapitel
Außenbereich, § 35 BauGB
A. Funktion und Geltungsbereich des § 35 BauGB Der Geltungsbereich des § 35 BauGB wird durch die Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB festgelegt. Er umfaßt die Flächen, die weder innerhalb des Geltungsbereichs eines qualifizierten Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen. Die Legaldefinition ist abschließend; andere Kriterien zur Abgrenzung des Außenbereichs vom (qualifiziert) beplanten oder nicht (qualifiziert) beplanten Innenbereich sind nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes unzulässig.1 Nicht entgegen steht der Zuordnung eines Grundstücks zum Außenbereich dagegen, daß es im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 2 BauGB liegt; dies folgt (im Umkehrschluß) aus § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. 2 Mit der Vorschrift des § 35 BauGB hat der Gesetzgeber für den gesamten Außenbereich einen generellen gesetzlichen Ersatzplan aufgestellt. 3 Dessen grundsätzliche Aussage unterscheidet sich prinzipiell von der der Vorschriften über den (qualifiziert) beplanten und den nicht (qualifiziert) beplanten Innenbereich; während die §§ 30 Abs. 1 und 34 BauGB - im Rahmen ihres Geltungsbereichs - von der grundsätzlichen Zulässigkeit baulicher Anlagen ausgehen,4 läßt § 35 BauGB Bauvorhaben nur ausnahmsweise zu. Dem liegt das gesetzgeberische Ziel zugrunde, den Außenbereich in seiner besonderen Bedeutung für die naturgegebene Bodennutzung und als Erholungslandschaft für die Allgemeinheit von Bebauung grundsätzlich freizuhalten; 5 Ausnahmen von diesem Grundsatz erfordert jedoch die Tatsache, daß es bauliche Anlagen gibt, die ihrem Wesen nach nur im Außenbereich realisiert werden können, so z. B. weil sie mit
1 BVerwGE 41, 227, 232; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Außenbereich", S. 47,48. 2 3
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 3. B V e r w G E 28,148; Sendler, BBauBl. 1968,12.
4
S. o. Kapitel 4, S. 84.
5
B V e r w G E 28, 268, 274; Battis, Baurecht, S. 172.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
105
nachteiligen Wirkungen auf ihre Umgebung verbunden sind, 6 die jedoch auch keiner Bauleitplanung bedürfen. 7
B. Die Systematik des § 35 BauGB: privilegierte und nichtprivilegierte Vorhaben § 35 hat mit Inkrafttreten des Baugesetzbuches keine strukturelle Änderung erfahren; die Vorschrift unterscheidet weiterhin zur Verwirklichung des o. g. gesetzgeberischen Zieles zwischen den sog. "privilegierten" Vorhaben des Absatzes 1 und den sonstigen, sog. "nichtprivilegierten" Vorhaben des Absatzes 2. Die Aufzählung der privilegierten Vorhaben 8 im Katalog des § 35 Abs. 1 BauGB ist abschließend;9 obwohl der Gesetzgeber damit den Außenbereich generell beplant 1 0 und die privilegierten Vorhaben planähnlich dem Außenbereich zugewiesen hat, 1 1 ist die Rechtsstellung des Vorhabensträgers nicht die gleiche wie die eines Bauwilligen, der ein im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegendes Grundstück nutzen will. 1 2 Im Gegensatz zu der Situation bei Bestehen eines qualifizierten Bebauungsplans, der die Zulässigkeit von Vorhaben auch in Einzelheiten, jedenfalls aber in ihrer genauen geographischen Lokalisierung (parzel6
Vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB.
7
B V e r w G E 28,148,150.
8 Der Kreis der privilegierten Vorhaben hat durch § 35 Abs. 1 BauGB zwei Änderungen gegenüber der Rechtslage unter Geltung des § 35 Abs. 1 BBauG erfahren: Nur klarstellende Funktion hat die Neuregelung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, derzufolge auch Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und zur Entsorgung radioaktiver Abfälle zu den privilegierten Vorhaben gehören; nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, N V w Z 1986, 208, 214 f, "Wyhl-Urteil", gehörten diese Anlagen auch unter Geltung des § 35 Abs. 1 BBauG schon zu den privilegierten Vorhaben, da sie im Hinblick auf das ihnen eigene Gefahrenpotential grundsätzlich im Außenbereich ausgeführt werden müssen. Eine auch in der Sache wesentliche Erweiterung des § 35 Abs. 1 BauGB erfolgte über die Änderung des für § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB relevanten Begriffs der "Landwirtschaft" in § 201 BauGB; darunter fallen nach der Neufassung auch die "Pensionstierhaltung auf überwiegend eigener Futtergrundlage" sowie die "gartenbauliche Erzeugung"; dies stellt eine teilweise Korrektur der Rechtsprechung zum bisherigen Begriff der Landwirtschaft dar; vgl. BVerwG, BauR 1985, 545; zusammenfassend Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 196; Schink, DVB1.1987,545,553. 9 Battis, Baurecht, S. 174. Relativ offen ist § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, der eine A r t Auffangtatbestand bildet; da der Grundsatz gilt, daß der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freizuhalten ist, ist jedoch auch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wie überhaupt alle Privilegierungstatbestände, als Ausnahmevorschrift eng auszulegen; vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 5. Zu den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 5 im einzelnen Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 41 ff. 10
BVerwGE 28,148,150.
11 Ernst/Hoppe, Baurecht, sprechen davon, der Gesetzgeber habe den Gemeinden insoweit "die Planung abgenommen". 12
So aber Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 4.
106
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht 11
lenscharf) regelt, hat das Gesetz durch die generelle Planung des § 35 Abs. 1 BauGB noch keine Aussage über den konkreten Standort der im Außenbereich grundsätzlich zulässigen Vorhaben getroffen; dieser ist vielmehr erst unter Beachtung der betroffenen öffentlichen Belange im Einzelfall zu bestimmen. 14 Dies hat zur Folge, daß auch ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben an dem vom Vorhabensträger vorgesehenen Standort bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig sein kann, etwa weil Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege entgegenstehen.15 Sonstige nichtprivilegierte Vorhaben unterliegen einem grundsätzlichen Bauverbot mit Ausnahmevorbehalt, 16 das jedoch gem. § 35 Abs. 4 BauGB für bestimmte Nutzungsänderungen, Ersatzbauten und Erweiterungen vorhandener Anlagen modifiziert und abgeschwächt ist. Durch den neugefaßten § 35 Abs. 4 BauGB wird die Realisierung dieser Vorhaben gegenüber der Rechtslage unter Geltung des Bundesbaugesetzes erleichtert; 7 nach der Intention des Gesetzgebers soll den durch diese Vorschrift begünstigten Vorhaben der Gedanke des Bestandsschutzes zugute kommen. 1 8
C. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im einzelnen I. Die öffentlichen Belange Nach § 35 Abs. 1 BauGB dürfen öffentliche Belange einem Vorhaben nicht entgegenstehen, sonstige nichtprivilegierte Vorhaben dürfen gem. § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Die von der Realisierung eines geplanten Vorhabens betroffenen öffentlichen Belange sind somit nach der grundsätzlichen Regelung des § 35 BauGB sowohl für privilegierte als auch für nichtprivilegierte Vorhaben maßgeblich. Obwohl die Vorschrift des § 35 Abs. 3 BauGB, die einen Katalog öffentlicher Belange aufstellt, mit der Formulierung "Beeinträchtigung öffentlicher Belange" an § 35 Abs. 2 BauGB anknüpft, sind die genannten öffentlichen Belange auch für ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben entscheidungser13 Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Privilegierte Vorhaben", S. 357. 14 So ausdrücklich auch BVerwG, N V w Z 1984, 367; Schlichter, Z f B R 1985 107, 112; zustimmend auch Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 74; dies stellt allerdings einen Widerspruch zu den Ausführungen unter Rdnr. 4 dar; vgl. oben F N 12. 15
Gassner, U P R 1987, 249, 253.
16 Battis, Baurecht, S. 174. Z u eng Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 392, die von einem "im praktischen Ergebnis" bestehenden "absolutem Bauverbot" ausgehen. 17 Vgl. die umfassende Darstellung über die einzelnen Voraussetzungen "begünstigter" Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB bei Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 200 bis 208. 18
Krautzberger, N V w Z 1987, 449, 454.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
107
heblich. 19 Dabei ist der Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB, wie sich auch aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, nicht abschließend; unter den Begriff der "öffentlichen Belange" fallen alle Gesichtspunkte, die für das Bauen im Außenbereich in irgendeiner Art und Weise rechtserheblich sein können. 20 Von Bedeutung ist damit letztlich jeder Belang, der in § 1 Abs. 5 BauGB Berücksichtigung gefunden hat. 2 1 Bei dem allgemeinen Begriff der "öffentlichen Belange" handelt es sich, ebenso wie bei den beispielhaft genannten einzelnen Belangen im Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB, um unbestimmte Rechtsbegriffe. Als solche sind sie gerichtlich voll überprüfbar; ein Beurteilungsspielraum steht der Verwaltungsbehörde nicht zu. 2 2 Konkretisiert wird die Bedeutung der Belange in einigen Fällen durch andere Vorschriften, so z. B. der Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" durch § 3 BImSchG 2 3 oder der Begriff der "Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege" durch §§ 1, 2 BNatSchG und die entsprechenden Vorschriften der Länder. Dagegen sind diese Vorschriften selbst keine bloßen Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB; sind sie tatbestandlich einschlägig, so sind sie, entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch als Rechtsnormen, anzuwenden.2
II. Die sog. "nachvollziehende Abwägung" Der grundsätzliche Unterschied der Regelung des § 35 BauGB in bezug auf die Zulässigkeit privilegierter und nichtprivilegierter Vorhaben liegt somit nicht in einer generellen Andersartigkeit der jeweils (überhaupt) berücksichtigungsfähigen öffentlichen Belange, sondern in der Verschiedenheit des Verhältnisses der öffentlichen Belange zu den in § 35 Abs. 1 und 2 BauGB unterschiedenen Vorhaben; 25 der Unterschied der Bedeutung der öffentlichen Belange ist also kein quantitativer, sondern ein qualitativer. Bei der Prüfung der Zulässigkeit bedarf es daher einer wertenden Zuordnung der jeweils betroffenen öffentlichen Belange zu dem geplanten Vorhaben.
19 Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 76; dies gilt, entgegen der Entscheidung BVerwGE 28, 148, 151, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG, N V w Z 1984, 367, z. B. auch für Darstellungen des Flächennutzungsplans, allerdings mit der Einschränkung, daß diese im Hinblick auf das Vorhaben "hinreichend konkretisiert" sind. 20
BVerwGE 18, 247, 249; Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 394
21
B V e r w G E 25,161; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 79.
22 23
Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Öffentliche Belange", S. 325. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 57.
24
S. o. Kapitel 2, S. 42 ff.
25
Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 394.
108
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Zulässigkeit privilegierter Vorhaben im Außenbereich ausgegangen ist, während nichtprivilegierte Vorhaben - ebenfalls grundsätzlich - unzulässig sein sollen. Dies kommt im Wortlaut des Gesetzes eindeutig dadurch zum Ausdruck, daß privilegierte Vorhaben gem. § 35 Abs. 1 BauGB erst dann unzulässig sind, wenn öffentliche Belange ihrer Realisierung entgegenstehen, während die Unzulässigkeit nichtprivilegierter Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB schon aus der bloßen Beeinträchtigung öffentlicher Belange folgt. Die Entscheidung über die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben hat demnach dadurch zu erfolgen, daß das konkrete Ausmaß 2 6 der im Einzelfall beeinträchtigten öffentlichen Belange zu dem geplanten Vorhaben in Beziehung gesetzt wird, wobei die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung zugunsten der privilegierten und zu Lasten der nichtprivilegierten Vorhaben zu berücksichtigen ist. Dies bedeutet im Ergebnis, daß sich privilegierte Vorhaben im Gegensatz zu nichtprivilegierten eher gegenüber von ihnen (nachteilig) berührten öffentlichen Belangen durchsetzen können. Diese Entscheidung aufgrund eines wertenden "Zueinander-in-Beziehung-Setzens" unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der gesetzlich vorgegebenen Wertung für privilegierte und gegen nichtprivilegierte Vorhaben wurde - soweit ersichtlich - erstmals von Weyreuther 2 7 als "nachvollziehende Abwägung" bezeichnet, nachdem allerdings auch schon das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 35 BBauG von einer "Abwägung" gesprochen hatte. 2 8 Die Charakterisierung der Entscheidung über die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben als "Abwägungsentscheidung" hat, wie auch der Begriff der "nachvollziehenden Abwägung", in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden29 on
Dies stellt ein Beispiel mehr für die Feststellung von W a h r dar, das "Abwägen" sei "der gemeinsame Nenner einer generellen Neuorientierung des gesamten öffentlichen Rechts nach 1949" geworden, oder, wie Wey-
26 Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Rahmen der Bauleitplanung; entscheidend ist auch bei der Entscheidung nach § 35 BauGB das tatsächliche Maß der Betroffenheit; vgl. o. Kapitel 3, S. 66 ff. 27 Weyreuther, D Ö V 1977, 419; ders., BauR 1977, 297; ebenso ders., Bauen im Außenbereich, Stichworte "Abwägung", S. 18 und "Kompensation", S. 282. 28
Vgl. B V e r w G E 28,148,151.
29 Wahl, DVB1. 1982, 51, 55; Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 392; Battis, Baurecht, S. 174, 178; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 6, 49; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 154; Geizer, Bauplanungsrecht, Rdnr. 1187, 1188; Schulte, VerwArch. 1986, 372, 377. 30
DVB1. 1982, 51, 55.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
109
Ol reuther es formuliert hat, das Wort "abwägen" sei "Bestandteil der juristischen Alltagsterminologie". Dem ist in der Sache nicht zu widersprechen; hervorzuheben ist jedoch, daß der Begriff der sog. "nachvollziehenden Abwägung" auch in den Arbeiten der genannten Verfasser seine Konturen erst durch die Abgrenzung vom Begriff der "eigentlichen" Abwägung gewinnt, nämlich dem Entscheidungsfindungsprozeß im Rahmen der Bauleitplanung und den hierzu entwickelten Grundsätzen. Dabei ergibt sich, daß gerade die wesentlichen Elemente dessen, was die "eigentliche", d. h. die Abwägung im Rahmen einer Planungsentscheidung, ausmacht, für die sog. "nachvollziehende Abwägung" nicht gelten; so geht es bei letzterer, wie richtig erkannt wird, 3 2 nicht wie bei einer Planung um die "Gestaltung von Interessengeflechten", sondern um eine isolierte Gegenüberstellung des Vorhabens einerseits und jedes einzelnen der betroffenen Belange andererseits. Dies schließt es konsequenterweise aus, einen weiteren wesentlichen Grundgedanken aus dem Planungsrecht in sog. "nachvollziehende Abwägungsentscheidungen" zu übertragen, nämlich die Zulässigkeit einer Kompensation in dem Sinne, daß Vorteile, die ein Vorhaben für bestimmte öffentliche Belange erbringt, anderen, nachteilig betroffenen Belangen mit dem Ergebnis gegenübergestellt werden können, daß insgesamt, wegen eines "positiven Gesamtsaldos" 33 über die Nachteile hinweggegangen werden kann mit der Folge, daß das Vorhaben insgesamt zulässig ist. ' 3 5 Schließlich gelten für die "nachvollziehenden Abwägungsentscheidungen" auch nicht die für die Abwägung im Rahmen von Planungsentscheidungen entwickelten Grundsätze gerichtlicher Überprüfung. Da es nur um das "Auffinden einer schon vorgegebenen Abwägung" 36 geht, steht der entscheidenden Behörde kein gerichtsfester Entscheidungsspielraum zu; zu einem solchen "Auffinden" ist das Gericht in gleichem Maße imstande wie die Behörde. Ihre Entscheidung ist daher vollinhaltlich durch das Gericht überprüfbar. Es handelt sich somit im Ergebnis bei der Entscheidung im Rahmen des § 35 BauGB um nichts
31
BauR 1977, 233, 297.
32
Wahl, DVB1.1982,51,55.
33
Vgl. Wahl, DVB1.1982, 51, 55.
34 B V e r w G E 42, 8; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Kompensation", S. 282, 283; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 6. 35 Entgegen der Ansicht von Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Kompensation", S. 283, 284 und Ernst/Hoppe, Baurecht, Rdnr. 395, ist eine Kompensation jedoch nur zwischen verschiedenen öffentlichen Belangen nicht möglich; kann durch Kompensationsmaßnahmen innerhalb ein und desselben Belangs eine Reduzierung des Ausmaßes seiner konkreten Betroffenheit im Einzelfall erreicht werden, so ist dies zu berücksichtigen. So jetzt auch BVerwG, U P R 1983, 332; zustimmend Gaentzsch, N u R 1986, 89, 94. 36 Weyreuther, BauR 1977, 297; ders, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Abwägung", S. 18.
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht γι
anderes als eine gebundene Verwaltungsentscheidung, die sich aus einer Subsumption der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Maßes der konkreten Betroffenheit der öffentlichen Belange, unter die rechtlichen Voraussetzungen der einschlägigen Vorschrift, hier § 35 BauGB, ergibt. 3 8 Dabei braucht auch nicht auf gesetzgeberische Wertungen rekurriert zu werden, die im Wortlaut des § 35 BauGB keinen Anhaltspunkt gefunden haben; die Regelung des § 35 Abs. 1 BauGB, die ein "Entgegenstehen" öffentlicher Belange fordert, um die Unzulässigkeit eines Vorhabens zu begründen, und die des § 35 Abs. 2 BauGB, derzufolge schon die bloße "Beeinträchtigung" öffentlicher Belange ausreicht, bringen die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung für privilegierte und gegen nichtprivilegierte Vorhaben klar zum Ausdruck. Dies zeigt, daß die Verwendung des Begriffes der "nachvollziehenden Abwägung" zur Umschreibung des Entscheidungsfindungsprozesses im Rahmen des § 35 BauGB im Grunde nichts beiträgt. Obwohl (auch) seine Befürworter aus diesem Begriff keine Zulässigkeitsvoraussetzungen ableiten, die sich vor dem Wortlaut des § 35 BauGB nicht rechtfertigen ließen, wäre es dennoch richtiger, den Begriff aufzugeben und, im Interesse terminologischer Klarheit, entgegen der Forderung von Wahl, 3 9 Sache und Begriff des Abwägens doch den Planungs- und den Entscheidungen vorzubehalten, in denen eine Abwägung ausdrücklich angeordnet wird. 0 37 Die Behörde hat bei der Entscheidung im Rahmen des § 35 BauGB auch kein (Verwaltungs-)Ermessen; dies gilt auch, soweit über die Zulässigkeit nichtprivilegierter Vorhaben entschieden wird. Die in § 35 Abs. 2 BauGB verwendete Formulierung "können zugelassen werden" ist verfassungskonform auszulegen. Die Vorschrift stellt eine inhaltsbestimmende Regelung des Eigentums dar; gem. A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 G G muß der Inhalt des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums aber durch Gesetz geregelt werden, darf also nicht der (Letzt-)Entscheidung durch die Verwaltung überlassen bleiben. § 35 Abs. 2 BauGB ist daher qualifiziert zu lesen und begründet einen Rechtsanspruch auf Genehmigung des geplanten Vorhabens, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. So zurecht die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit B V e r w G E 18, 247; zur Gegenansicht vgl. Ortloff, N V w Z 1988, 320. 38 Die Kontroverse zwischen Weyreuther, Bauen im Außenbereich, Stichwort "Abwägung", S. 19 und Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 155, ebenso ders. in Cholewa/David/Dyong/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 35 Anm. 7, ob die A b wägung im Rahmen des § 35 BauGB "stets stattzufinden hat" oder ob ihr "nur minimale Bedeutung" zukommt, kann daher dahingestellt bleiben; entscheidend ist die Erkenntnis, daß es sich bei § 35 BauGB um eine gebundene Entscheidung handelt. 39 DVB1.1982, 51, 55, 40 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß erst die Schaffung des Begriffs der "nachvollziehenden" Abwägung es erforderlich gemacht hat, auch für den ursprünglichen Begriff der Abwägung, d. h. die Abwägung im Rahmen von Planungsentscheidungen, eine nähere Umschreibung zu suchen, die schließlich überwiegend im Begriff der "gestaltenden" Abwägung gefunden wurde; vgl. statt vieler Wahl, DVB1. 1982, 51, 55. Gerade dieser Begriff ist jedoch mißverständlich. Wie oben, Kapitel 3, S. 65, insbesondere F N 30, gezeigt wurde, ist das Abwägungsgebot gem. § 1 Abs. 6 BauGB gerade nicht Grundlage, sondern Grenze der durch die kommunale Selbstverwaltungshoheit und damit durch A r t . 28 Abs. 2
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
111
Auch in der Sache (und nicht nur in bezug auf die verwendete Terminologie) abzulehnen ist dagegen die Ansicht von Beckmann 41 , eine "umfassende Abwägung" aller durch eine Entscheidung betroffenen Belange sei Voraussetzung jeder Verwaltungsentscheidung, da das die planerische Gestaltungsfreiheit charakterisierende Gebot gerechter Abwägung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und damit dem Rechtsstaatsprinzip folge; die somit verfassungsrechtlich gebotene Abwägung könne insoweit entweder im Rahmen der Auslegung unbestimmter einfachgesetzlicher Rechtsbegriffe oder aber bei der Betätigung des der Verwaltung eingeräumten Entscheidungsfreiraums erfolgen; eine Differenzierung zwischen "nachvollziehender" und "gestaltender" Abwägung überzeuge daher nicht. 4 2 Diese Auffassung geht aus von einem Mißverständnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und setzt sich im Ergebnis über den Wortlaut der einschlägigen Vorschriften hinweg. Entgegen den Prämissen von Beckmann hat das Bundesverwaltungsgericht in keiner Entscheidung das "Gebot gerechter Abwägung" auf alle Verwaltungsentscheidungen erstreckt; vielmehr hat das Gericht in ständiger Rechtsprechung 43 festgestellt, die Abwägung aller betroffenen Interessen sei wesentlicher Bestandteil von Planungseritscheidungen 4 4 und insoweit verfassungsrechtlich geboten. Diese Rechtsprechung führte dann auch zu einer ausdrücklichen Normierung des "Abwägungsgebotes" in § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG; 4 5 eine entsprechende Regelung war zuvor auch in diesem Gesetz nicht enthalten. Daß die Ansicht Beckmanns insbesondere in bezug auf die Verwaltungsentscheidungen gem. § 35 BauGB nicht zutreffend ist, zeigt sich deutlich in seiner, von seinem Ansatz her immerhin konsequenten, Feststellung, "es leuchte in diesem Zusammenhang nicht ein, warum nicht auch bei der Feststellung der Gemeinwohlverträglichkeit im Rahmen der Genehmigungsentscheidung eine Kompensation zwischen unterschiedlichen Interessen zulässig sein sollte". 46 Die
G G garantierten Planungshoheit. "Abwägung" ist somit im eigentlichen Ansatz nie "gestaltend", sondern immer nur "begrenzend". Die Gestaltungsfreiheit selbst folgt dagegen aus der Planungshoheit der zuständigen Behörde bzw. Körperschaft; sie wird der zuständigen Behörde auch bei Fachplanungsentscheidungen, bei welchen eine dem A r t . 28 Abs. 2 G G entsprechende Regelung fehlt, nicht erst durch das Abwägungsgebot übertragen, sondern vielmehr von den gesetzlichen Regelungen vorausgesetzt; sie folgt aus dem Wesen der Planung, da Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre; so zurecht B V e r w G E 34, 304 (zum Bauplanungsrecht) und B V e r w G E 48,56 (zum Fachplanungsrecht). 41
D Ö V 1987, 944.
42
So Beckmann, D Ö V 1987,944, 947, 948.
43 Vgl. die Nachweise auf - z. T. auch unveröffentlichte - Entscheidungen in B V e r w G E 48, 56. 44 B V e r w G E 48,56, 59, 63. 45 So ausdrücklich BVerwGE 48, 56, 63; vgl. auch die amtliche Begründung, BT-Drs. 7/1265, S. 22. 46 Beckmann, D Ö V 1987, 944, 948.
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
Antwort auf die gestellte Frage ist evident: Der Grund für die - zutreffende Ablehnung der Zulässigkeit einer Kompensation liegt, jedenfalls im Rahmen der Entscheidungen gem. § 35 BauGB, im Wortlaut der Vorschrift; danach sind Vorhaben unzulässig, wenn öffentliche Belange entgegenstehen bzw. beeinträchtigt werden. Dieser Wortlaut läßt keinen Raum für die Berücksichtigung positiver Auswirkungen des geplanten Vorhabens; wird auch nur ein öffentlicher Belang im erforderlichen Ausmaß nachteilig betroffen, so "steht er entgegen" oder "wird beeinträchtigt" mit der Folge, daß das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist. 4 7 Eine solche - nach der gesetzgeberischen Intention bewußt restriktive - Regelung ist verfassungsrechtlich nicht unzulässig; auch das Bundesverwaltungsgericht hat, entgegen der Ansicht von Beckmann, nie Gegenteiliges vertreten.
III. Sonderregelungen: "Raumbedeutsame Vorhaben", § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB und "begünstigte Vorhaben", § 34 Abs. 4 BauGB 1. Raumbedeutsame Vorhaben Das Baugesetzbuch hat in § 35 Abs. 3 Satz 3 den schon in § 35 Abs. 3 Satz 1, 1. Spiegelstrich enthaltenen Belang "Ziele der Raumordnung und Landesplanung" grundsätzlich übernommen, die Regelung im einzelnen jedoch modifiziert. Innerhalb der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist nunmehr zwischen der "negativen" Wirkung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung und deren "positiver" Wirkung zu unterscheiden. 48 § 35 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbsatz regelt die negative Wirkung; raumbedeutsame Vorhaben, gleichgültig ob privilegiert oder nichtprivilegiert, dürfen den Zielen der Raumordnung und Landesplanung nicht widersprechen. 49 Damit soll erreicht werden, daß Vorhaben im Außenbereich nicht in Widerspruch
47 Auch insoweit ist die Rechtslage im Grundsatz keine andere als beispielsweise bei einer Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 GewO; ist der Gewerbetreibende unzuverlässig und die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit und der in dem Betrieb Beschäftigten erforderlich, so ist (ihm) die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, ohne daß im Wege einer "Kompensation" zu berücksichtigen wäre, ob im konkreten Einzelfall beispielsweise dringend benötigte Arbeitsplätze verlorengehen. Auch insoweit zwingt die Verfassung nicht zu einer "umfassenden Berücksichtigung und Abwägung aller betroffenen Belange"; der Gesetzgeber hat abschließende Voraussetzungen getroffen, für eine wie auch immer geartete Abwägung ist danach kein Raum. 48 Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 199. 49 Die Regelung geht zurück auf die Entscheidung BVerwG, N V w Z 1984, 367, in der das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, daß Ziele der Raumordnung und Landesplanung als öffentliche Belange die Unzulässigkeit von nichtprivilegierten und privilegierten Vorhaben begründen können, wenn sie eine hinreichend konkrete Aussage treffen.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
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zu übergeordneten Plänen errichtet werden. Der Anwendungsbereich der Regelung ist auf "raumbedeutsame Vorhaben" beschränkt; der Begriff entspricht dem des § 3 R O G . 5 0 Eine positive Wirkung hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz geregelt; sind bestimmte öffentliche Belange bereits bei der Aufnahme von Vorhaben als Ziele der Raumordnung und Landesplanung in den Raumordnungsplänen abgewogen worden, so können diese dem Vorhaben nicht mehr im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gem. § 35 BauGB entgegengehalten werden. Die Regelung beschränkt sich auf raumbedeutsame, privilegierte Vorhaben; als bereits auf dieser Ebene der Planung abzuwägende Belange kommen daher nur solche Belange in Betracht, die gerade aus der (überörtlichen) Sicht der Raumordnung und Landesplanung relevant sind. 5 Insoweit dient die Vorschrift der Verwaltungsvereinfachung, denn sie berücksichtigt die in den Raumordnungsplänen für bestimmte Vorhaben außerhalb der Ortslagen bereits durchgeführte Prüfung und Abwägung überörtlich bedeutsamer Standortfragen. 52 Die Vorschrift entspricht insgesamt dem Verhältnis von örtlicher und überörtlicher Planung; eine Anpassungspflicht an flächen- und standortbezogene Darstellungen der Raumordnungspläne besteht ebenso gem. § 1 Abs. 4 BauGB. Auswirkungen hat die Neufassung dieser Vorschrift insbesondere in bezug auf Großvorhaben wie z. B. der Energieversorgung; auch die Gemeinden und die höheren Verwaltungsbehörden können im Rahmen der Erteilung ihrer Zustimmung bzw. ihres Einvernehmens gem. § 36 BauGB nur noch geltend machen, daß die im Einzelfall betroffenen öffentlichen Belange schon bei der Abwägung auf der Ebene der Landesplanung nicht angemessen berücksichtigt worden seien. 53
2. Begünstigte Vorhaben In §35 Abs. 4 BauGB hat der Gesetzgeber die bisherigen Vorschriften des § 35 Abs. 4 und 5 BBauG zusammengefaßt, zugleich aber auch in Teilen geändert; insgesamt werden durch die Neufassung Nutzungsänderungen, Ersatz- und Erweiterungsbauten, auch von gewerblichen Betrieben, gem. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB, erleichtert. Dem liegt der Gedanke des
50
Schink, D V B l . 1987, 545, 553.
51
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 75.
52
Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 199.
53
Schink, D V B l . 1987, 545, 553.
54 Vgl. zu den "begünstigten Vorhaben" im einzelnen die ausführliche Darstellung bei Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 201 ff; Dyong in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 166 ff. Insbesondere zum neueingeführten und umstrittenen Kriterium der "Angemessenheit" ablehnend v. Feldmann/Groth, Das neue Bauge-
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3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
Bestandsschutzes zugrunde, jedoch brauchen nach der jetzigen gesetzlichen Regelung die Voraussetzungen einer "eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition" 55 nicht erfüllt zu sein. 56 § 35 Abs. 4 BauGB bezieht sich nur auf nichtprivilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB; die "Begünstigung" besteht darin, daß diesen Vorhaben die in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange "Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans", "natürliche Eigenart der Landschaft" und "Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung" bei der Prüfung ihrer Zulässigkeit nicht entgegengehalten werden können. Dagegen sind alle übrigen, in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht ausdrücklich genannten und damit von Gesetzes wegen entscheidungsirrelevanten Belange, zu prüfen. 57 Dies gilt auch dann, wenn beispielsweise eine (begünstigte) Nutzungsänderung im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung einer baulichen Anlage steht, die gem. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht "begünstigt" ist. 5 8 Die "Begünstigung" ist somit nach dem eindeutigen Wortlaut auf die genannten öffentlichen Belange beschränkt.
IV. Die Verpflichtung zu einer den Außenbereich schonenden und flächensparenden Bauweise, § 35 Abs. 5 BauGB Neu eingeführt wurde durch das Baugesetzbuch auch die Vorschrift des § 35 Abs. 5, derzufolge alle nach § 35 Abs. 1 bis 4 BauGB zulässigen Vorhaben in einer "flächensparenden und den Außenbereich schonenden Weise" auszuführen sind. 59 Die Regelung steht ersichtlich in Zusammenhang mit der Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB, wonach mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll. 6 0 § 35 Abs. 5 BauGB läßt die grundsätzliche Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben unberührt; die Vorschrift formuliert keine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern stellt (nur) die Rechtsgrundlage dar, den Bauherrn zu einer den Anforderungen des Außenbereichsschutzes auch gegenüber zulässigen setzbuch, S. 3%; Bröll/Busse, BayVBl. 385, 425, 430; differenzierend dagegen Schink, D V B l . 1987, 545, 554; Hoppenberg, NJW 1987, 748, 756. 55 Z u den Voraussetzungen dieses Instituts vgl. zusammenfassend B V e r w G E 47, 126, 130 ff; s. auch oben Kapitel 2, S. 56, insbes. F N 148. 56
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 76.
57 Dyong in Cholewa/David/Dyong/von der Heide, Das neue Baugesetzbuch, § 35 Anm. 8; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 76. 58
Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdnr. 166.
59 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 90, stellt die Vorschrift nur eine Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, derzufolge Außenbereichsvorhaben immer "unter größtmöglicher Schonung des Außenbereichs" zu errichten sind; vgl. BVerwG, D V B l . 1977, 648. 60
Z u § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB s. o. Kapitel 3, S. 62.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
115
Vorhaben entsprechenden Bauweise zu verpflichten, beispielsweise durch die Begrenzung der überbaubaren Fläche oder die äußere Gestaltung der Anlage in deren umittelbarer Umgebung. 61
D. Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen des § 35 BauGB I. Die grundsätzliche Bedeutung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden in § 35 Abs. 3 BauGB ausdrücklich genannt; der Gesetzgeber hat mit Inkrafttreten des Baugesetzbuches insoweit auch terminologische Übereinstimmung mit den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes 62 und der Ländernaturschutzgesetze63 hergestellt. 64 Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sich die inhaltliche Konkretisierung des Begriffs der "Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege" auch im Rahmen des § 35 BauGB aus den naturschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder ergibt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß § 35 BauGB insoweit nur eine Verweisung auf naturschutzrechtliche Vorschriften des Bundes und der Länder darstellt; die Vorschrift begründet eine eigenständige, bundesrechtliche Regelung der Bedeutung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege für Außenbereichsvorhaben, die allerdings aufgrund der kompetenzrechtlichen Vorgaben nicht abschließend ist. 6 5 Wie alle anderen Belange sind auch die des "Naturschutzes und der Landschaftspflege" sowohl für privilegierte als auch für nichtprivilegierte Vorhaben von Bedeutung; 66 dabei ist nicht Voraussetzung, daß das betroffene Gebiet aufgrund Landesrechts förmlich unter Schutz gestellt wurde wenn dies auch regelmäßig ein Indiz dafür darstellt, daß den Belangen in dem betroffenen Gebiet ein besonderes Gewicht zukommt -, entscheidend ist vielmehr das tatsächliche Maß der Betroffenheit im konkreten Fall. 6 7 Die Entscheidung der zuständigen Behörde setzt daher voraus, daß dieses Aus61 Bielenberg/Mainczyk/Otte/Söfker, D V B l . 1985, 1097, 1103; Battis, Baurecht, S. 173; Söfker in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Leitfaden, Rdnr. 209. 62 63 64 Natur65
Vgl. §§ 1, 2 BNatSchG. Vgl. u. a. § 1 NatSchG Bad.-Württ. § 35 BBauG nannte in Abs. 3, 5. Spiegelstrich, demgegenüber noch die "Belange des und Landschaftsschutzes". S. o. Kapitel 2, S. 47.
66
S. o. S. 106.
67
Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 62, vgl. auch Rdnr. 50.
116
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
maß der konkreten Betroffenheit ermittelt wird; nur aufgrund der dann vorhandenen Informationen ist die Behörde überhaupt in der Lage, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege richtig zu gewichten und zu entscheiden, ob sie durch ein geplantes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB "beeinträchtigt werden" oder ihm im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB "entgegenstehen". Eine Entscheidung, die ohne eine solche Informationsbeschaffung ergeht, ist notwendigerweise defizitär; sie genügt nicht den Anforderungen des § 35 BauGB, der, wie gezeigt wurde, immer eine wertende Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erfordert. 68 Ebenso wie bei jedem anderen für die Entscheidung der Behörde relevanten öffentlichen Belang ist auch bei den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege eine Kompensation durch positive Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf andere öffentliche Belange nicht zulässig; 69 sind die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in einem Ausmaß nachteilig betroffen, daß sie einem privilegierten Vorhaben "entgegenstehen" oder durch die Realisierung eines nichtprivilegierten Vorhabens "beeinträchtigt" würden, so ist das Vorhaben schon aus diesem Grund nicht genehmigungsfähig, möglicherweise mit dem Vorhaben verbundene positive Auswirkungen auf anderen Gebieten müssen außer Betracht bleiben. 70
II. Insbesondere: Die Neuregelungen des Baugesetzbuches Die Änderungen, die das Baugesetzbuch für die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben gegenüber der Rechtslage unter Geltung des Bundesbaugesetzes gebracht hat, sind in einigen Stellungnahmen der Literatur gerade aus dem Gesichtspunkt des Naturschutzes heraus auf heftige Kritik gestoßen; vor allem der Neuregelung des § 35 Abs. 4 BauGB wurde vorgeworfen, sie sei aufgrund der Einführung des Kriteriums der "Angemessenheit" anstelle des bisherigen Kriteriums der "Notwendigkeit" bei der Erweiterung von Betrieben 71 "unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes nicht
68 Auch insoweit stellt die Entscheidung nach § 35 BauGB allerdings keine Besonderheit dar Das bereits angeführte Beispiel der Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO zeigt dies deutlich; auch im Rahmen dieser Entscheidung bedarf es einer Ermittlung, ob der Gewerbetreibende tatsächlich "unzuverlässig 1' ist; die zuständige Behörde kann nicht entscheiden, bevor sie diese Frage nicht geklärt hat. 69
S. o. S. 109.
70 Z u berücksichtigen sind dagegen Maßnahmen, die das Maß der Betroffenheit der Belange selbst reduzieren; eine Kompensation innerhalb desselben Belanges ist zulässig. S. o. S. 109, F N 35. 71 Dabei wurde die "Notwendigkeit" von der Rechtsprechung nur dann bejaht, wenn die Erweiterung für die Erhaltung des Betriebes erforderlich war, vgl. B V e r w G E 50, 49.
5. Kap.: Außenbereich, § 35 BauGB
117
T) mehr zu rechtfertigen", und sie erlaube "den weiteren Landschaftsverbrauch im Außenbereich und damit die Zerstörung der Umwelt". 7 3 Die Kritik ist in dieser Schärfe nicht gerechtfertigt. Zwar ist zunächst unbestritten, daß § 35 Abs. 4 BauGB eine verstärkte Inanspruchnahme von Außenbereichsgrundstücken ermöglicht 74 und dies grundsätzlich in Widerspruch zu den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege steht. 75 Der Gesetzgeber wollte jedoch durch die Neuregelung nur eng begrenzte Problemfälle lösen, wobei teilweise von der Rechtsprechung ausgelöste Entwicklungen aufgegriffen wurden. 76 In den Gesetzgebungsmaterialien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dem Prinzip des Außenbereichsschutzes auch unter Geltung des Baugesetzbuches hohe Bedeutung zuzumessen sei. 77 § 35 Abs. 4 BauGB stellt somit in der Systematik des § 35 BauGB eine Ausnahmevorschrift dar und bedarf daher, wie jede Ausnah78 · 79 mevorschrift, einer restriktiven Interpretation. Dies schließt es schon vom Ansatz der Vorschrift her aus, sie als Instrument für eine Zersiedelung der Landschaft und letztlich für eine "Zerstörung der Umwelt" zu gebrauchen; eine zu solchen Verhältnissen führende Genehmigungspraxis wäre mit der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift nicht vereinbar, erteilte Genehmigungen also rechtswidrig. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt, der in der die Vorschrift aus Gründen des Naturschutzes ablehnenden Literatur keine Berücksichtigung gefunden hat; die in § 35 Abs. 3 BauGB ausdrücklich genannten "Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege" werden in § 35 Abs. 4 BauGB auch gegenüber begünstigten Vorhaben gerade nicht für unbeachtlich erklärt. Damit steht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes fest, daß sie von der zuständigen Behörde auch bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit von begünstigten Vorhaben zu berücksichtigen sind, denn die Aufzählung der insoweit entscheidungsirrelevanten Belange in § 35 Abs. 4 BauGB ist abschließend. 80 Da es sich bei den begünstigten Vorhaben des § 34 Abs. 4 BauGB um sonstige nichtprivilegierte Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB handelt, 81 sind sie schon dann unzulässig, wenn die Be72 So A K U R , N V w Z 1987, 395, 397; kritisch auch v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 395, 396. 73
So Peine, JZ 1987, 322, 325; ablehnend auch Ahrens-Salzsieder, U P R 1988, 10, 12.
74 75
Statt vieler Bröll/Busse, BayVBl. 1987, 385, 425, 430. Battis, N u R 1988, 57, 63; Gassner, U P R 1987, 249, 252.
76
Battis, N u R 1988, 57, 63.
77
Vgl. BT-Drs. 10/1665, S. 132
78 79
Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 344. So auch Gassner, U P R 1987, 249, 253; Battis, N u R 1988, 57, 63.
80
S. o. S. 114.
81
Ebenda.
118
3. Teil: Die Belange des Naturschutzes im Bauplanungsrecht
lange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (nur) beeinträchtigt werden. 82 Soweit sich diese Belange allerdings mit anderen, in § 35 Abs. 4 BauGB genannten Belangen in ihrer tatsächlichen Bedeutung überschneiden, ist von einer (abschließenden) Spezialität der in § 35 Abs. 4 genannten Belange auszugehen. Dies betrifft insbesondere den Ausschluß der Entscheidungsrelevanz der "Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft"; soweit sich die Anforderungen entsprechen, kann die Genehmigung eines begünstigten Vorhabens daher nicht wegen Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes im - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 83 - "optischen Sinne" abgelehnt werden. Dies liefe der erklärten Absicht des Gesetzgebers zuwider, auf die Beachtung dieses Aspektes bei den in § 35 Abs. 4 BauGB genannten Vorhaben zu verzichten. Schließlich ist aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch der neugeschaffene § 35 Abs. 5 BauGB von großer Bedeutung; der Gesetzgeber hat damit ein Instrument geschaffen, das es der Genehmigungsbehörde erlaubt, bei Vorhaben, die sie zwar genehmigen muß, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 2, 3 oder 4 BauGB erfüllt sind, dennoch auf deren konkrete Ausführung Einfluß zu nehmen und den Bauherrn zu einer mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst verträglichen Realisierung des Vorhabens zu verpflichten. Auf diese Weise kann, z. B. über Vorgaben über die überbaubare Grundstücksfläche oder bestimmte, dem Charakter des Außenbereichs entsprechende, bei dem Bau zu verwendene Materialien sowie überhaupt der gesamten äußeren Gestaltung des Bauvorhabens dem Grundgedanken des Außenbereichsschutzes effektiv gedient werden. 84 Es bleibt daher unverständlich, aus welchem Grund in der Literatur die Ansicht vertreten wird, § 35 Abs. 5 BauGB sei "ohne praktischen Wert". 8 5
82 Eine gem. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigt zulässige Betriebserweiterung ist daher z. B. dann unzulässig, wenn durch sie wichtige ökologische Belange beeinträchtigt würden; die Beachtlichkeit dieses Belangs ist durch § 35 Abs. 4 BauGB nicht ausgeschlossen. 83
Vgl. B V e r w G E 55, 272, 275.
84 Ähnlich Gassner, U P R 1987, 249, 252, F N 61; Hoppenberg, NJW 1987, 748, 756; vgl. auch Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rdnr. 108. 85
So v. Feldmann/Groth, Das neue Baugesetzbuch, S. 396, 397.
4. Teil
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen 6. Kapitel
Die Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrahmenrecht
A. Die Normstruktur der Eingriffsregelung Unterscheidet man die Normen des Verwaltungsrechts nach ihrer Struktur, so sind sie in zwei Gruppen einzuteilen: Die Normen der ersten Gruppe sind nach dem "Wenn-Dann-Schema" aufgebaut; sie enthalten einen Tatbestand, der eine bestimmte Rechtsfolge auslöst, wenn die Voraussetzungen des Tatbestandes erfüllt sind. 1 Die Rechtsfolge kann eine zwingende sein oder aber im Ermessen der entscheidenden Behörde stehen; Voraussetzung für das Tätigwerden der Behörde ist in jedem Fall das Vorliegen des Tatbestandes der Regelung. Fehlt es daran, so ist die Anwendung der Vorschrift auf den zu beurteilenden Fall ausgeschlossen. Entsprechend dem konditionalen Charakter dieser Normen werden sie als "Konditionalprogramme" bezeichnet. 2 Die Normen der zweiten Gruppe folgen einer anderen Struktur: Sie setzen Ziele fest und regeln die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, sind also nach dem Zweck-Mittel-Schema" strukturiert. 3 Diese auf keine tatbestandlichen Voraussetzungen aufbauenden Normen werden aufgrund ihrer zielorientierten Struktur als "Finalprogramme" bezeichnet.4
1 Vgl. als nur ein Beispiel die Vorschrift des § 35 Abs. 1 GewO, die die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit regelt; nur wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllt sind, kann die Behörde auf diese Vorschrift eine Untersagung des Gewerbes stützen. 2 Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, Bd. 1, S. 48; Ernst/ Hoppe, Baurecht, Rdnr. 186; Schmidt-Aßmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1, Rdnr. 305. 3 Vgl. als Beispiel § 1 Abs. 5 BauGB. 4 Grundlegend Oberndorfer, Die Verwaltung 1972, 257; Wahl, Rechtsfragen der I ^ n desplanung und Landesentwicklung, Bd. 1, S. 62 ff, 83 ff.; vgl. auch Schmidt-Aßmann in
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Im Gegensatz zu den das Bundesnaturschutzgesetz einleitenden Vorschriften der §§ 1 bis 3 über Grundsätze und Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege 5 sowie den grundsätzlichen Aufgaben aller Behörden und Stellen bei der Verwirklichung dieser Ziele ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung der ersten Gruppe zuzuordnen. Die Vorschrift folgt zwar nicht im Wortlaut, jedoch in ihrer Struktur dem "Wenn-Dann-Schema". Die in § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG sowie in den, aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG erlassenen, regelmäßig weitergehenden, Ländervorschriften 6 angeordneten Rechtsfolgen knüpfen an an das Vorliegen eines "Eingriffs in Natur und Landschaft"; nur wenn die Voraussetzungen eines "Eingriffs", wie sie durch die Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG festgelegt sind, erfüllt sind, kann die zuständige Behörde den Verursacher aufgrund der Eingriffsregelung in Anspruch nehmen. Fehlt es dagegen an diesen Voraussetzungen, so bietet die Vorschrift keine Rechtsgrundlage für entsprechende Anordnungen. 7 Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG ist somit materielle Tatbestandsvoraussetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Eine zweite - formelle - Tatbestandsvoraussetzung normiert das Gesetz in dem in § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG geregelten Erfordernis einer behördlichen Entscheidung oder zumindest einer Anzeigepflicht des "Eingriffs" nach einer anderen Rechtsvorschrift. 8 Da beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Eingriffsregelung kumulativ vorliegen müssen, läßt auch das Fehlen einer derartigen anderweitigen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung scheitern. A m Beginn jeder Untersuchung über die rechtliche Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung muß daher die Klärung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen stehen; diese legen abschließend den Anwendungsbereich der Vorschrift fest. Da es sich bei dem Bundesnaturschutzgesetz um ein Rahmengesetz handelt, sind dabei sowohl die rahmenrechtlichen Vorgaben als auch deren Ausgestaltung durch die Landesgesetze von Bedeutung. 9 Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1, Rdnr. 305; Ernst/Hoppe, Gegen diese Unterscheidung Rubel, Planungsermessen, S. 8 ff; 60 ff.
Baurecht,
Rdnr. 186.
5 Ausführlich zu diesen Vorschriften Schmidt-Aßmann, N u R 1979,1; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 172 ff; Steiger, Die rechtliche Bedeutung der Ziele und Grundsätze des Bundesnaturschutzgesetzes und der Ländernaturschutzgesetze, S. 470 ff. 6 7
Z u § 8 Abs. 9 BNatSchG s. u. Kapitel 8, S. 187 ff. Gassner, Aktuelle Überlegungen zum Eingriffsbegriff, S. 63.
8 Diese Voraussetzung unterliegt allerdings dem Ländervorbehalt des § 8 Abs. 9 BNatSchG; dazu sogleich im Text. 9 Z u den Tatbestandsvoraussetzungen nach den Landesgesetzen vgl. ausführlich unten Kapitel 7, S. 143.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
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B. Die formelle Voraussetzung: behördliche Entscheidung nach anderen Rechtsvorschriften, § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG von der Annahme aus, daß dessen Voraussetzungen bei allen als Eingriff in Betracht kommenden Vorhaben gegeben seien. 10 Die Vorschrift sollte darüberhinaus zu einer Beschränkung der Eingriffsregelung auf wesentliche Beeinträchtigungen beitragen und zugleich der Verfahrensvereinfachung dienen, da über die Inanspruchnahme des Verursachers eines Eingriffs nicht in einem eigenen naturschutzrechtlichen Verwaltungsverfahren entschieden wird; zuständig sind vielmehr gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG die nach den anderen Gesetzen zuständigen Behörden in dem ohnehin anhängigen Verwaltungsverfahren. Als derartige "andere Rechtsvorschriften" kommen neben solchen des Baurechts und des gesamten Planfeststellungsrechts auch solche des Naturschutzrechts selbst in Betracht, so z. B. Genehmigungen aufgrund von Landschaftsschutzverordnungen, die gem. §§ 12, 15 BNatSchG und den entsprechenden Länderregelungen ergangen sind. 1 1 Darüberhinaus haben einige Ländergesetze die Pflichten aus den landesrechtlichen Vorschriften auch auf Handlungen erstreckt, die nach anderen Vorschriften nicht genehmigungspflichtig sind, so. z. B. jegliche Maßnahme in Naß- oder Feuchtgebieten oder die Beseitigung von wertvollen oder seltenen Biotopen wie Dünen, Hecken, Knicks, Trockenrasen und Heiden. 1 2 Derartige Regelungen unterfallen als "weitergehende Vorschriften" der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG und sind daher unbedenklich.
C. Die materiellen Voraussetzungen: die Legaldefinition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" in § 8 Abs· 1 BNatSchG I. Der restriktive Ansatz der Eingriffsregelung Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG "Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können".
10 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 14; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 405. 11
Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 1.
12 Vgl. §§ 13 ff NatSchG BW; § 15 Abs. 2 NatSchG Bin; § 10 Abs. 2 NatSchG Hamb.; § 7 Abs. 4 NatSchG Hessen; § 17 Abs. 1 NatSchG Nds.; § 6 Abs. 1 Satz 2 LPfG Rh.-Pf.; § 12 Abs. 2 NatSchG Saarl.; § 9 Abs. 1, 2 und 4 LPflegG S.-H.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Diese Legaldefinition wird in der Literatur zu Unrecht als "weite und unbestimmte", 3 sogar "generalklauselartige" Umschreibung 14 bezeichnet; sie ist vielmehr schon im Ansatz restriktiv und erfaßt gerade nicht jede Einwirkung auf Natur und Landschaft, nicht einmal jede nachteilige, 15 m. a. W. nicht jede Beeinträchtigung, die einen Eingriff im faktischen Sinne darstellt 1 . Bedingung für das Vorliegen eines "Eingriffs" sind vielmehr zwei grundsätzlich zu unterscheidende, separat zu prüfende Voraussetzungen, die jedoch kumulativ erfüllt sein müssen: die Inanspruchnahme von Grundflächen, sei es durch Veränderung ihrer Gestalt oder ihrer Nutzung; die im weiteren umschriebenen Auswirkungen dieser Inanspruchnahme, also die Möglichkeit erheblicher oder nachhaltiger Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes. Die inhaltliche Einschränkung der Eingriffsregelung liegt somit darin, daß Voraussetzung für einen "Eingriff' im Sinne des Naturschutzrechts nicht allein die Beeinträchtigung von Naturhaushalt und Landschaftsbild ist; nur die Beeinträchtigungen, die durch die Veränderung der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen verursacht werden, werden von der Vorschrift erfaßt. Beeinträchtigungen insbesondere des Naturhaushalts, die - ohne von Grundflächen auszugehen - z. B. durch die Einbringung von Chemikalien, 17 durch Veränderungen des Grundwasserhaushalts oder durch Schadstoffeintrag aus der Luft entstehen, gelten nicht als "Eingriff' im Sinne der Eingriffsregelung. 18 Dies rechtfertigt es, von einem restriktiven Ansatz der Ein13 14
Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 399 Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 404
15 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 2 16 Gassner, N u R 1984, 81, 82; nicht erfaßt werden insbesondere stoffliche Einwirkungen, die ohne die vorausgesetzte Inanspruchnahme von Grundflächen erfolgen. Vgl. Gassner, Aktuelle Überlegungen zum Eingriffsbegriff, S. 62. 17 Vgl. Rehbinder, Die Kontrolle der Pestizidanwendung, S. 523; Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 60, bildet das Beispiel des Versprühens von Entlaubungsmitteln über Waldflächen. Dies stellt zweifellos einen Eingriff im Sinne der Eingriffsregelung dar, allerdings kommt es erst aufgrund des Einsatzes der Chemikalien zu einer im Sinne der Eingriffsregelung relevanten Inanspruchnahme von Grundflächen, nämlich der Entlaubung, die ihrerseits erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Naturhaushalts zur Folge hat. Anderes gilt aber bei der chemischen Vernichtung etwa einer Pflanzendecke oder der ökologischen Beschaffenheit des Bodens ohne sichtbare Auswirkungen; dies stellt keinen Eingriff im Sinne der Eingriffsregelung dar. Nicht unter die Eingriffsregelung fällt beispielsweise auch die Durchführung von Auto- oder Motorradrennen auf öffentlichen Straßen, obwohl diese mit erheblichen Lärm- und Abgasemissionen und daher nachteiligen Auswirkungen auf den Naturhaushalt verbunden sind; es fehlt insoweit an der erforderlichen "Nutzungsänderung" im Sinne der Eingriffsregelung. 18
Gaede, Eingriffsregelung, S. 52.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
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griffsregelung zu sprechen; der Gesetzgeber hat mit der Eingriffsregelung keine umfassende Naturschutzbestimmung geschaffen.
II. Die Voraussetzungen im einzelnen 1. Der Ausgangspunkt: Die Inanspruchnahme von Grundflächen a) Veränderungen
der Grundflächengestalt
Unter der "Gestalt von Grundflächen" ist die äußere Erscheinungsform der Erdoberfläche zu verstehen; 19 dazu gehören zunächst die sog. "geomorphologischen Gegebenheiten", also der Formenschatz der festen Erdrinde 2 0 wie Berge und Täler, stehende und fließende Gewässer, 21 darüberhinaus aber auch andere prägende Strukturelemente wie Wälder, Wiesen und Felder, charakteristische Pflanzenbestände, Einzelbäume, Büsche, Feldpflanzen oder Schilfbestände. 22 Dagegen kann unter den Begriff der Gestalt nicht mehr gefaßt werden die Kleinstruktur der Erdoberfläche oder gar ihre chemische oder physikalische Zusammensetzung. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo der Mensch die prägende Struktur ohne Hilfsmittel nicht mehr erkennen kann. 2 3 Veränderungen der Gestalt von Grundflächen erfolgen durch Änderung der geomorphologischen Strukturen, also Bodenabbau, Aufschüttungen oder Ablagerungen oder Veränderung von Gewässern sowie durch die Änderung anderer prägender Strukturelemente wie die Rodung von Wald oder die Beseitigung der anderen o. g. Einzelbestände. Entscheidend ist dabei stets die Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes; nicht als Veränderung im Sinne der Eingriffsregelung kann daher z. B. die jahreszeitlich bedingte Änderung des Erscheinungsbildes angesehen werden. 24
19 Pielow, NuR 1979, 15; Breuer, N u R 1980, 89, 90; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 402; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 185. 20
Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 59.
21
O V G Koblenz, N u R 1981, 29
22 Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 402; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 185. 23 Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 53 24 Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 527; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 185.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
b) Veränderung der Grundflächennutzung Ob eine Änderung der Nutzung von Grundflächen vorliegt, entscheidet ebenfalls die Verkehrsauffassung. Eine im Rahmen der Eingriffsregelung relevante Änderung liegt dann vor, wenn der Rahmen der bisherigen Nutzung verlassen, 26 also nicht nur die Nutzungsintensität geändert wird. 2 7 Aus Sinn und Zweck der Eingriffsregelung als naturschutzrechtlicher Regelung folgt, daß eine Nutzungsänderung im Sinne der Vorschrift auch vorliegt, wenn die betroffene Grundfläche bislang überhaupt nicht genutzt wurde, also nur brach lag. 2 8 "Nutzung" im Sinne der Eingriffsregelung darf nicht nur ökonomisch verstanden werden, sondern schließt auch den Zustand ein, in dem die Natur sich selbst überlassen bleibt oder eine Fläche zum Naturschutzgebiet zur Erreichung eines der in § 13 BNatSchG genannten Ziele ausgewiesen wird. 2 9
c) Insbesondere: Bauliche Anlagen und andere bauplanungsrechtlich genehmigungspflichtige Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB Vorhandene bauliche Anlagen zählen nach allgemeiner Auffassung ebenfalls zur Erscheinungsform der Erdoberfläche und damit zur Gestalt von Grundflächen im Sinne der Eingriffsregelung. Wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt, war der Gesetzgeber dieser Ansicht; 3 0 der Wortlaut der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Die überwiegende Ansicht in der Literatur hat sich dieser Auffassung daher zurecht angeschlossen. 3 1 ' 3 2 Darüberhinaus stellt die Errichtung, Beseitigung oder wesentliche 25 Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 527; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 186. 26 Breuer, N u R 1980, 82 27 28
Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 186 Gassner, N u R 1984, 83; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 186.
29 Langer, Mensch - Umwelt als ökologisches System, in: Buchwald/Engelhard (Hrsg.), Handbuch für Planung, Gestaltung und Schutz der Umwelt, Band 1, S. 134, 137. 30 BT-Drs. 7/886, Begr. S. 33; BT-Drs. 7/5251, S. 8. 31 Breuer, N u R 1980, 91; Soell, Naturschutz- und Landschaftpflegerecht, S. 527; Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 59, der ausdrücklich auch die vom Menschen geschaffene Struktur von Grundstücksflächen einbezieht; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 401. 32 Unzutreffend insoweit Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 185, der ausführt, auch wenn man sich dieser Ansicht nicht anschließe, so sei in baulichen Anlagen "jedenfalls eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes" zu sehen. Hier wird zum einen - systematisch unrichtig - verkannt, daß die Feststellung einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes eine zusätzliche Voraussetzung des Tatbestandes darstellt, die das Vorliegen einer anderen, der Veränderung der Grundflächengestalt, nicht ersetzen kann, da die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Zum anderen wird auch - inhaltlich unrichtig - übersehen, daß eine
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
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Änderung baulicher Anlagen auch eine Nutzungsänderung im Sinne der Eingriffsregelung dar. Diese Voraussetzung ist nicht auf Veränderungen beschränkt, die ohne Änderung der Grundflächengestalt erfolgen. 33 Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die eine Voraussetzung gegenüber der anderen spezieller sein sollte und sie sich gegenseitig auschließen, zumal die daran geknüpften Rechtsfolgen identisch sind. 34 Die Aufnahme der baulichen Nutzung eines Grundstücks stellt vielmehr gerade nach der Verkehrsauffassung eine typische Änderung der Nutzungsart dar. Bebauung, jedenfalls bisher von Bebauung freier Grundflächen, bedeutet somit neben einer Veränderung der Grundflächengestalt auch eine Nutzungsänderung im Sinne der Eingriffsregelung. 35 Das Gleiche gilt für die Aufgabe baulicher Nutzung oder deren wesentliche Änderung. Auch die Durchführung der in § 29 Satz 3 BauGB genannten Vorhaben, Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten, 36 stellen eine im Sinne der Eingriffsregelung relevante Inanspruchnahme von Grundflächen dar; auch insoweit kann gleichzeitig sowohl eine Veränderung der Grundflächengestalt als auch der Grundflächennutzung vorliegen. Festzuhalten ist somit, daß nach der bundesrahmenrechtlichen Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" gem. § 8 Abs. 1 BNatSchG alle bauplanungsrechtlich relevanten Vorhaben die erste Tatbestandsvoraussetzung der "Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen" erfüllen. Keine Bedeutung kommt für die Frage der Relevanz baulicher Anlagen und der in § 29 Satz 3 BauGB genannten Vorhaben im Rahmen der Eingriffsregelung der Landwirtschaftsklausel des § 8 Abs. 7 BNatSchG zu; die Errichtung baulicher Anlagen stellt keine "ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung" im Sinne dieser Vorschrift dar; 3 7 gleiches gilt für die anderen bauplanungsrechtlich relevanten Vorhaben. Die naturschutzrechtliche Landwirtschaftsklausel will nur die "tägliche Wirtschaftsweise" des Land- oder Forstwirts von den naturschutzrechtlichen Anforde38 39
rungen freistellen. '
"Beeinträchtigung" ein Negativurteil über die Auswirkungen voraussetzt, das aber nur von Fall zu Fall und damit gerade nicht "jedenfalls" abgegeben werden kann. Vgl. hierzu unten S. 128 ff. 33
So aber Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 60.
34 Gegen einen gegenseitigen Ausschluß der beiden Alternativen auch Fried lein/Weidinger/Graß, Bay. Naturschutzgesetz, Kommentar, A r t . 6 A n m . 6. 35
Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 4.
36 Z u den in § 29 Satz 3 BauGB genannten Vorhaben vgl. im einzelnen Lohr in Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, § 29 Rdnr. 25 - 29. 37 Gaentzsch, N u R 1986, 94; BVerwG, N V w Z 1986, 639. 38
BVerwG, U P R 1983, 338 unter Berufung auf die Gesetzgebungsmaterialien.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
2. Die erforderlichen Auswirkungen a) Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts aa) Naturhaushalt Das Bundesnaturschutzgesetz definiert den Begriff des Naturhaushalts nicht. Die Ökologie als die Wissenschaft von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt versteht unter "Naturhaushalt" 40 das funktionelle Zusammenspiel von Biotop (definiert als die Ganzheit der Umweltbedingungen einer auf einem überschaubaren Raum angesiedelten Lebensgemeinschaft) und Biozönose (definiert als die Lebensgemeinschaft verschiedener Organismen innerhalb des betreffenden Biotops). 41 Danach gibt es also nicht nur einen einzigen "Naturhaushalt", sondern eine Vielzahl davon. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Bundesnaturschutzgesetzes42 wird der "Naturhaushalt" als das "komplexe, durch vielfältige Wechselbeziehungen verknüpfte Wirkungsgefüge aller natürlichen Faktoren wie Boden, Wasser, Luft, Klima, Pflanzen- und Tierwelt" beschrieben. Die Literatur hat sich diesem Verständnis einhellig angeschlossen 4 3 und geht damit in ihrer Begriffsbestimmung von einem einzigen "Naturhaushalt" aus, versteht darunter also die Summe der Wirkungsgefüge in einer unübersehbaren Zahl von verschiedenen Ökosystemen, die ihrerseits nur eine Ausprägung des "einen" Naturhaushalts darstellen. Obwohl der Auffassung, die von der Ökologie als zuständiger Fachwissenschaft entwickelten Begriffe seien bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbe39 Vgl. insgesamt zur - rechtspolitisch äußerst umstrittenen - Landwirtschaftsklausel v. Mutius/Henneke, BayVBl. 1983, 545 und 582; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 206 ff. 40 Synonym wird der Begriff "Ökosystem" verwendet. 41 Stugren, Grundlagen der allgemeinen Ökologie, S. 14, 19, 116; aus der juristischen Literatur Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 1; vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1977, 603. 42 BT-Drs. 7/886, S. 28; ebenso jetzt § 2 Abs. 1 Nr. 6 Pflanzenschutzgesetz v. 15. 9. 1986 (BGBl. I, S. 1505) 43 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 11; Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 1 Rdnr. 6; Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 1 Rdnr. 6; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 187. Übereinstimmung besteht auch dahingehend, daß dieser Auslegung die Differenzierung in § 1 Abs. 1 Ziff. 1-3 BNatSchG zwischen Naturhaushalt, Naturgütern sowie Tieren und Pflanzen nicht entgegensteht; dort werden nur wesentliche Faktoren des Naturhaushalts hervorgehoben, um deren Bedeutung zu unterstreichen. Vgl. Schroeter, D V B l . 1979, 16; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 175; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 402; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 12. 44 Fuchs, Allgemeine Erfahrungen mit der praktischen Handhabung des Ausgleichs von Eingriffen, S. 19.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
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griffe der Eingriffsregelung zu berücksichtigen, 45 grundsätzlich zuzustimmen ist, kann dies jedoch nicht deren unkritische und identische Übernahme bedeuten. Daher ist der ganzheitlichen juristischen Begriffsbestimmung der Vorzug zu geben. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Regelung; Aufgabe des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist es, den Naturhaushalt in der Gesamtheit seiner Beziehungen und Wirkungen zu bewahren und seine Leistungsfähigkeit unter Wahrung möglichst aller Funktionen des Naturhaushalts nachhaltig zu sichern. Eine Teilbetrachtung würde die Gefahr in sich tragen, zu Fehlurteilen zu führen, weil die zu "Naturhaushalten" (im Sinne der Definition der Ökologie) anderer Räume bestehenden Wechselwirkungen vernachlässigt würden. 4 Ein Eingriff kann somit auch vorliegen, wenn Umweltfaktoren beeinträchtigt werden, die nicht unmittelbar zu dem Ökosystem gehören, in welchem die in Anspruch genommene Grundfläche liegt. 4 7
bb) Leistungsfähigkeit Unter der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts ist das natürliche Vermögen der im Naturhaushalt wirkenden regenerierenden Kräfte zu verstehen. 4 8 Es geht dabei also nicht nur um die auf den Menschen bezogene Nutzbarkeit, sondern auch um die Fähigkeit der Natur, die Vielzahl von Pflanzen und anderen Lebewesen zu erhalten, ihre Lebensbedingungen untereinander zu regeln und Störungen auszugleichen. 49 Allgemein anerkannt ist, daß der Reichtum der verschiedenen Tier- und Pflanzenarten für das ungestörte Funktionieren eines Ökosystems von erheblicher Bedeutung ist. Es gilt die Regel, daß die Stabilität eines Ökosystems mit der Zahl der Arten und funktionellen Beziehungen zunimmt. 5 0
45 V G H Bad.-Württ., N u R 1985, 25; Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 1 Rdnr. 6. 46 Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 1 Rdnr. 7. 47 Gaede, Eingriffsregelung, S. 53; Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 3. Z u m Kriterium der "Unmittelbarkeit" s. u. S. 133 ff. 48 Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 1 Rdnr. 7 49 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 1 Rdnr. 6. Rechtspolitische Forderungen gehen dahin, den Begriff der "Leistungsfähigkeit" durch den der "Funktionsfähigkeit" oder "Regenerationsfähigkeit" zu ersetzen, um diese Bedeutung deutlicher zu machen; vgl. Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 402; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 11; ebenso ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion vom 5.11.1986, BT-Drs. 10/6343. 50
Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 5.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
cc) Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung (1) Beeinträchtigung Der Begriff der "Beeinträchtigung" setzt dem Wortsinn nach ein Unwerturteil voraus; erfaßt wird daher jedenfalls nicht jede Veränderung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen herbeizuführen. 5 1 Führt eine Veränderung von Gestalt oder Nutzung von Grundflächen dagegen zu positiven Auswirkungen auf die ökologische Gesamtbilanz, 52 so scheidet diese Maßnahme aus dem Tatbestand der Eingriffsregelung aus. Es ist jedoch umstritten, unter welchen Voraussetzungen Auswirkungen eines Vorhabens "nachteilig" und damit "Beeinträchtigungen" im Sinne der Eingriffsregelung sind. Legt man die bereits erwähnte Regel zugrunde, derzufolge ein Ökosystem um so stabiler ist, je mehr Arten und funktionelle Beziehungen es enthält, so folgt daraus, daß jede Reduzierung dieser Arten oder funktionellen Beziehungen der "Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts" abträglich und damit "nachteilig" ist. Eine "Beeinträchtigung" stellt danach z. B. jede Vernichtung von Boden- oder Pflanzenformationen oder die Vertreibung einzelner Tierarten von ihrem bisherigen Standort dar, da dies zu einer Verminderung sowohl der Artenvielfalt als auch der funktionellen Wechselbeziehungen führt. 5 3 Nach anderer Ansicht ist der Begriff der"Beeinträchtigung" im Sinne der Eingriffsregelung jedoch enger zu verstehen. Nur wenn die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts an sich in Frage gestellt sei, 54 oder die bedrohte Tier- oder Pflanzenart im ökologischen Gleichgewicht eine tragende Funktion ausübe, die nicht von anderen Phänomenen im Naturhaushalt ersatzweise übernommen werden könne, 55 liege eine "Beeinträchtigung" im Sinne der Eingriffsregelung vor. Begründet wird diese Auffassung damit, daß für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 1 BNatSchG die Zielbestimmung des § 1 BNatSchG heranzuziehen sei, wonach Natur und Landschaft nicht um ihrer selbst willen und absolut, sondern nur als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung zu schützen seien. 56 51 Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 3. 52 Derartige positive Auswirkungen sind nicht von vornherein ausgeschlossen; vgl. Ronellenfitsch, N u R 1986, 284, 286. 53 So Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 3; aus der Rechtsprechung BayVGH, R d L 1977, 36, 39; V G Ansbach, N u R 1981,177,178. 54
So Fickert, BayVBl. 1978, 681, 685.
55 So Breuer N u R 1980, 89, 92. 56 Fickert, BayVBl. 1978, 681, 685; Breuer, N u R 1980, 89, 92; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 188; wohl auch V G H Bad.-Württ. N u R 1981,132, 133.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
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Diese Ansicht ist abzulehnen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Prämisse, eine Funktion im Naturhaushalt könne durch eine andere tatsächlich ersetzt werden, naturwissenschaftlich überhaupt vertretbar ist; die Auffassung ist jedenfalls in ihrem rechtlichen Ansatz unrichtig: I m Rahmen der Prüfung, ob eine Beeinträchtigung im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG vorliegt, geht es um eine reale Feststellung und gerade nicht um eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 BNatSchG. Eine solche erfolgt vielmehr erst im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG; diese Vorschrift verweist ausdrücklich auf § 1 BNatSchG, indem sie Ausgleichsmaßnahmen nur fordert, soweit es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Dies wäre überflüssig, wenn die Ziele schon bei der Begriffsbestimmung der "Beeinträchtigung" heranzuziehen wären. 5 7 "Beeinträchtigung" im Sinne der Eingriffsregelung ist somit jede nachteilige Auswirkung auf Artenvielfalt und funktionelle Wechselbeziehungen in Ökosystemen. Eine Eingrenzung dieser umfassenden Voraussetzung erfolgt nur über die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Merkmale der "Erheblichkeit" und "Nachhaltigkeit".
(2) Erheblich oder nachhaltig Aufgrund der gesetzlichen Einschränkung der "Erheblichkeit" oder "Nachhaltigkeit" scheiden jedenfalls Bagatellfälle aus der Eingriffsdefinition aus. 58 Eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne der Eingriffsregelung liegt aber auch nicht erst dann vor, wenn die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts so herabgesetzt wird, daß dies "ohne weiteres feststellbar" ist 5 9 oder "in das Wesensmäßige eingegriffen" wird. 6 0 Eine derartige Beschränkung auf evidente Fälle würde die Mehrzahl aller Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft der Eingriffsregelung entziehen und damit dem Schutzzweck der Vorschrift zuwiderlaufen. "Erheblich" im Sinne der Eingriffsregelung ist eine Beeinträchtigung somit dann, wenn sie nach Art, Umfang und Schwere nicht als völlig unwesentlich bezeichnet werden kann, 6 2 wobei die Erheblichkeitsschwelle um so eher überschritten wird, je empfindlicher das be57 So im Ergebnis auch Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 527; zur Bedeutung des anthropozentrischen Ansatzes des Bundesnaturschutzgesetzes für Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 2 BNatSchG s. u. Kapitel 8, S. 174 ff. 58 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 Rdnr. 5; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 190. 59 So Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 9. 60
So Fickert, BayVBl. 1978, 681, 685.
61 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 5; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 190. 62 V G H Bad.-Württ., N u R 1981,132,133; V G Karlsruhe, N u R 1980, 34.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
troffene Ökosystem ist. "Nachhaltig" ist eine Beeinträchtigung, die nicht nur vorübergehende Wirkungen auslöst, 64 also zu einer längerfristigen Störung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts führt, die durch dessen natürliche Regenerationsfähigkeit nicht sofort wieder ausgeglichen werden kann. Nicht erforderlich ist dagegen, daß es sich um eine nicht mehr korrigierbare, also endgültige Beeinträchtigung handelt; entscheidend ist, daß sie über einen längeren Zeitraum fortdauert. 65 Schon aufgrund ihrer Dauer ist eine "nachhaltige" Beeinträchtigung stets auch als "erheblich" zu qualifizieren; die beiden Tatbestandsmerkmale stellen daher keine echten AlternatiA
66
ven dar.
b) Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes aa) Landschaftsbild Unter "Landschaftsbild" ist die äußere, optisch wahrnehmbare Erscheinungsform der Landschaft zu verstehen. Sie wird geprägt durch das Zusammenspiel der einzelnen Landschaftselemente wie Relief, Gewässer und andere Oberflächenstrukturen, die den spezifischen Charakter der Landschaft vermitteln. 68 Entscheidend ist dabei allein der tatsächliche aktuelle Zustand der Landschaft in ihrer historisch gewachsenen Ausprägung. 69 Zu berücksichtigen sind daher auch Vorbelastungen, 70 auch wenn sie sich aus 63 64
V G H Bad.-Württ., N u R 1982,19, 20. Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 5.
65 Fickert, BayVBl. 1978, 681, 685; Gassner, N u R 1984, 81, 83; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 190. Zu Unrecht unterstellen die beiden Letztgenannten Breuer, N u R 1980, 89, 92, insoweit eine abweichende Auffassung zu vertreten; auch er fordert nur eine dauerhafte, nicht jedoch eine endgültige Beeinträchtigung. Eine solche Auslegung wäre auch mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht mehr vereinbar. 66 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 10, 11; Gassner, N u R 1984, 81, 83; Hosch, U P R 1983,144 F N 11; a. Α . Pielow, N u R 1979,15,16. 67 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 3; V G Karlsruhe, N u R 1980, 34, 35. Abzulehnen ist dagegen die Ansicht von Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 7 und Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 4, wonach "jede sinnlich wahrnehmbare" Erscheinung das Landschaftsbild im Sinne der Eingriffsregelung präge, weshalb neben dem optischen auch der durch Geruch oder Gehör vermittelte Eindruck für die Beurteilung des Landschaftsbildes entscheidend sei. Diese Auffassung findet im Wortlaut des Gesetzes, das vom Landschaftsbild spricht, keine Stütze mehr; so auch Pielow N u R 1979, 15; Breuer, N u R 1980, 89, 92. Richtig dagegen Gassner, N u R 1989, 61, 62, der auf die Bedeutung der "funktionellen Bestimmung" des Landschaftbildes, d. h. die charakteristische Nutzungsweise der Landschaft hinweist. 68
Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 4.
69
V G H Bad.-Württ., N u R 1980, 34; O V G Münster, R d L 1977,14.
70
Vgl. als Beispiel V G H Bad.-Württ., N u R 1983, 276, 278.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht •
131 71
Schwarzbauten oder anderen ungenehmigten Veränderungen ergeben. Die äußere Erscheinungsform umfaßt die Landschaft auch in ihrer ästhetischen, den Naturgenuß prägenden Funktion, sie ist jedoch nicht auf diese beschränkt. 72 bb) Erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes liegt vor, wenn das Erscheinungsbild der Landschaft vom Standpunkt eines aufgeschlossenen Beobachters 73 aus als erheblich gestört empfunden wird. 7 4 Der Begriff der "erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung" im Sinne der Eingriffsregelung ist somit enger als der der "Beeinträchtigung" im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB, er ist jedoch weiter als der bauordnungsrechtliche Begriff der "Verunstaltung". 75 Erfaßt werden daher nicht nur Störungen, die den Betrachter in seinem ästhetischen Empfinden nicht nur beeinträchtigen, sondern verletzen und die er daher als häßlich empfindet, 76 sondern auch Vorhaben, die mit Rücksicht auf den Charakter und die Funktion der Um77
gebung als Fremdkörper wirken oder die Beseitigung prägender oder schmückender Landschaftselemente zur Folge haben. Ebenso wie bei der Frage der Beeinträchtigung des Naturhaushalts ist auch keine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes denkbar, die nicht schon aus diesem Grund auch erheblich wäre. Die genannten Merkmale stellen also auch insoweit keine echten Alternativen dar. 7 9 71
Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 4.
72 Bauer, Verursacherhaftung, S. 511; unklar insoweit Pielow, N u R 1979,15. 73 Nach Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 4, soll dagegen nur das Fachurteil der Naturschutzbehörde bzw. das der zu deren Beratung eingerichteten Stellen maßgebend sein. Diese Ansicht ist abzulehnen; sie widerspricht dem objektiven Charakter dieser Tatbestandsvoraussetzung. Nicht entscheidend sind daher auch dem Naturschutz besonders ablehnend oder aufgeschlossen gegenüberstehende Ansichten; so zurecht BVerwG, N u R 1983, 274, 275; V G H Bad.-Württ., N u R 1979, 34, 35; R d L 1983, 275. 74 Breuer, N u R 1980, 89, 92; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 9; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 189. 75 So die gesicherte Rechtsprechung des V G H Bad.-Württ. in N u R 1980, 34; 1982, 71; 1983, 276, 278; ebenso Pielow, N u R 1979, 15. Z u Unrecht anderer Ansicht Fickert, BayVBl. 1978, 681, 685; der Begriff der "Verunstaltung" war bei der Schaffung des Bundesnaturschutzgesetzes in der juristischen Terminologie seit langem bekannt; es ist daher davon auszugehen, daß er vom Gesetzgeber bewußt nicht verwendet wurde. 76 So die stetige Rechtsprechung zum Verunstaltungsverbot seit B V e r w G E 2,172. 77 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 Rdnr. 4; vgl. als Beispiel die Fälle des O V G Koblenz, N u R 1981, 29 und BayVGH, N u R 1982,108, wo die Gerichte über die Errichtung von Fischteichen in bisher unberührter Landschaft zu entscheiden hatten. 78
Pielow, NuR 1979,15.
S. o. S. 1 .
132
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
c) Möglichkeit der Beeinträchtigungen Gem. § 8 Abs. 1 BNatSchG reicht es aus, wenn Naturhaushalt oder Landschaftsbild beeinträchtigt werden können; ein Nachweis tatsächlich eintretender Beeinträchtigungen ist daher nicht erforderlich. 80 Die entscheidende Behörde hat eine Prognose zu erstellen, ob Beeinträchtigungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Hierbei kann sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder praktische Erfahrungen stützen, indem z. B. die Folgen von vergleichbaren, bereits durchgeführten Maßnahmen dargetan werden. 81 Daß das Gesetz potentielle Beeinträchtigungen ausreichen läßt, genügt einem praktischen Bedürfnis: Während Abschätzung und Darstellung der Folgen eines Vorhabens für das Landschaftsbild in der Regel unschwer möglich sind, stellt diese Aufgabe die entscheidende Behörde bei den Auswirkungen für den Naturhaushalt regelmäßig vor große Schwierigkeiten. 82 Es gibt kein einziges natürliches Ökosystem, dessen Elemente vollständig bekannt sind. Noch begrenzter ist der Wissensstand hinsichtlich der von den einzelnen Faktoren hervorgebrachten Wirkungen und Koppelungseffekte. 83 Diese Grenzen des Erkenntnis- und Urteilsvermögens zwingen zur Beschränkung auf die Ermittlung der wesentlichen Auswirkungen. Darüberhinaus muß der Aufwand zur Bestimmung der Auswirkungen in angemessenem Verhältnis zur abschätzbaren Schwere des Eingriffs stehen; 8 5 die Behörde hat sich daher darauf zu beschränken, in vertretbarem Umfang die wesentlichen Daten zu sammeln, um darauf ihre Prognose zu stützen. Weitergehende Anforderungen können im Rahmen der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nicht gestellt werden. 86
80
Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 189.
81 Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 7. 82 Z u m Problem der Erfassung relevanter Auswirkungen siehe ausführlich u. Kapitel 8, S. 199 ff. 83 Fuchs, Allgemeine Erfahrungen mit der praktischen Handhabung des Ausgleichs von Eingriffen, S. 19; Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 14,16. 84 Fuchs, Allgemeine Erfahrungen mit der praktischen Handhabung des Ausgleichs von Eingriffen, S. 19. 85 86
Ebenda. Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 7.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
133
d) Insbesondere: Bauliche Anlagen und andere bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben Inwieweit bauliche Anlagen sowie die in § 29 Satz 3 BauGB genannten Vorhaben bei ihrer Realisierung zu der von der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vorausgesetzten erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen können, kann nur nach einer Prüfung im Einzelfall entschieden werden; entscheidend ist auch bei solchen Vorhaben, welche konkreten (nachteiligen) Auswirkungen bei ihrer Realisierung zu erwarten sind. Kein bauplanungsrechtlich relevantes Vorhaben ist dagegen nach der bundesrahmenrechtlichen Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung ausgeschlossen.
D. Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu anderen umweltrelevanten Gesetzen am Beispiel von BImSchG und W H G I. Das Problem Nach der oben entwickelten weiten Definition des Naturhaushalts liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG auch dann vor, wenn infolge der Inanspruchnahme von Grundflächen Umweltgüter wie Luft oder Wasser beeinträchtigt werden; dies ist problematisch, da diese natürlichen Faktoren jedenfalls auch den Gegenstand anderer umweltrelevanter Regelungen bilden, nämlich des Bundesimmissionsschutzgesetzes und des Wasserhaushaltsgesetzes.
II. Lösungsansätze In der Literatur wurden - soweit ersichtlich - zwei Versuche unternommen, dieses Problem schon auf der Ebene des Tatbestandes der Eingriffsregelung zu lösen: o7
Nach Pielow liegt ein Eingriff in Natur und Landschaft dann nicht vor, wenn nur Luft oder Wasser infolge einer Grundflächeninanspruchnahme betroffen sind; eine gegenteilige Interpretation würde, so diese Ansicht, der Eingriffsregelung den Charakter einer übergreifenden Umweltschutznorm zumessen, was jedoch mit dem traditionell ausgeformten Gegenstand von 87
NuR 1979,15.
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
134
Naturschutz und Landschaftspflege, der auch der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 75 Nr. 3 GG zugrundeliege, nicht vereinbar sei. Vom Tatbestand der Eingriffsregelung erfaßt würden daher nur die primären Umweltfaktoren Pflanzen- und Tierwelt; alle übrigen kämen nur insoweit in Betracht, als sie von unmittelbarem Einfluß auf die Primärfaktoren und nicht Gegenstand eines besonderen gesetzlichen Schutzes etwa durch das Bundesimmissionsschutzgesetz oder das Wasserhaushaltsgesetz seien. 88 on
Nach Breuer wird der Tatbestand des Eingriffs in Natur und Landschaft durch die bundesrechtliche Gesamtsystematik des Umweltschutzrechtes eingeschränkt. Der Eingriffsregelung komme lediglich die Funktion zu, andere verwaltungsrechtliche Regelungen im Wege der Lückenfüllung zu ergänzen, nicht aber sie zu verdrängen. Aus diesem Grunde erstrecke sich der Tatbestand der Eingriffsregelung nicht auf Belastungen von Umweltgütern, die spezialgesetzlichen Schutz genießen, wie er insbesondere durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz geleistet werde. 90 Ausgeklammert aus dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 BNatSchG seien somit sowohl solche Beeinträchtigungen, die an den spezialgesetzlich geschützten Umweltgütern selbst entstünden als auch solche, die erst dadurch hervorgerufen würden, daß über das Medium eines spezialgesetzlich geschützten Umweltgutes anderweitige Veränderungen der Grundflächengestalt verursacht würden, die dann zu einer Beeinträchtigung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führten. 91 Die Zulässigkeit derartiger Beeinträchtigungen richte sich allein nach den immissionsschutzrechtlichen und wasserwirtschaftlichen Spezialgesetzen.92
88 Ebenso Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 187; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 402. 89
N u R 1980, 89, 92, 93.
90 Unter Berufung auf Breuer, N u R 1980, 89, 92, so auch Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht, S. 50. 91 Als Beispiel ist an das durch Schadstoffeintrag aus der Luft oder durch Verwendung von Chemikalien verursachte Beseitigen von Bäumen zu denken; dies stellt eine Grundflächenveränderung im Sinne der Eingriffsregelung dar, die ihrerseits zu Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen kann. Dagegen ist das von Breuer, aaO, selbst in diesem Zusammenhang genannte Beispiel unbrauchbar; eine Bundesfernstraße, die durch die vorhabensspezifischen Immissionen Ökosysteme in der Nachbarschaft beeinträchtigt, führt nicht zunächst zu einer Grundflächenveränderung, sondern ruft Beeinträchtigungen selbst "unmittelbar" hervor. 92 Unter ausdrücklicher Berufung auf Breuer, N u R 1980, 89, 92, ebenso V G Frankfurt, N u R 1983, 160, 162.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
135
III. Kritik Beide Ansichten sind abzulehnen. Zunächst ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 75 Nr. 3 GG nicht in dem von Pielow behaupteten Umfang eingeschränkt; der Regelungsgegenstand des Naturschutzrechts ist nicht auf bestimmte (primäre) Faktoren beschränkt. Wie aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG folgt, betrachtet das Bundesnaturschutzgesetz die Tier- und Pflanzenwelt nur als Teil des Naturhaushalts, nicht aber als seine "primären" und allein "unmittelbar" geschützten Faktoren. Im übrigen wird verkannt, daß es auch bei Beeinträchtigungen der Pflanzen- und Tierwelt zu Kollisionen mit anderen Gesetzen kommen kann; nach der ausdrücklichen Regelung der §§ 1 und 3 Abs. 2 BImSchG dient auch das Bundesimmissionsschutzgesetz dem Schutz der Pflanzen und Tiere. Für eine derartige Kollision bietet dieser Ansatz keine Lösung. Der Ansatz von Breuer ist ebenfalls unrichtig. Luft und Wasser unterfallen dem Begriff des Naturhaushalts; 93 dies folgt aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und entspricht dem Willen des Gesetzgebers. 94 Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Definition des Naturhaushalts im Rahmen des § 8 Abs. 1 BNatSchG eine andere sein sollte, als die der §§ 1 und 2 BNatSchG. Darüberhinaus ist auch die Beschränkung auf "unmittelbare" Beeinträchtigungen nicht gerechtfertigt; das Gesetz geht, wie gezeigt wurde, 95 in seinem Verständnis des Naturhaushalts von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise aus, die es ausschließt, nur die auf dem in Anspruch genommenen Grundstück selbst auftretenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. "Vermittelte" Beeinträchtigungen scheiden daher aus dem Tatbestand der Eingriffsregelung ebenfalls nicht aus; 96 der Wortlaut der Vorschrift bietet dafür keinen Anhaltspunkt, der Sinn und Zweck sprechen dagegen. Somit liegt entgegen den dargestellten Auffassungen ein Eingriff in Natur und Landschaft auch dann vor, wenn die durch die Realisierung eines Vorhabens entstehenden Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sich auf solche des Wassers oder der Luft beschränken. Die richtige Lösung des sich damit stellenden Kollisionsproblems liegt nicht auf der Tatbestandsebene, sondern vielmehr auf der Ebene der Rechtsfolgen; die zu entscheidende Frage ist nicht, ob der Tatbestand der jeweiligen Vorschrift erfüllt ist, sondern nach welcher Regelung sich die Rechtsfolgen richten. Die Kollision von Gesetzen setzt gerade voraus, daß mindestens zwei Vorschriften auf einen bestimmten 93 94 95
Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 59. S. o. S. 126. S. o. S. 127.
96
So auch Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 59.
136
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Q7
Fall anwendbar, also tatbestandlich einschlägig sind. Liegt eine Gesetzeskollision vor, so geht das speziellere dem allgemeineren Gesetz vor, allerdings nur dann und soweit das spezielle Gesetz eine abschließende Regelung getroffen hat, was durch Auslegung der Vorschrift zu ermitteln ist. 9 8 Für das Verhältnis von naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung und anderen umweltrelevanten Spezialgesetzen99 bedeutet dies, daß von Fall zu Fall zu fragen ist, ob die spezialgesetzliche Norm ein Vorhaben gerade auch im Hinblick auf den von der Eingriffsregelung geschützten Naturhaushalt (abschließend) für zulässig erklärt hat oder ob diese Frage lediglich als eine weitere zu beachtende Einschränkung einer aus anderen Gründen erforderlichen Genehmigung zu betrachten i s t . 1 0 0 Unter die erste Gruppe fallen die Auswirkungen auf den Naturhaushalt, die vom Bundesimmissionsschutzgesetz in Verbindung mit der T A Luft für zulässig erklärt werden; diese Erlaubnis ist für die Frage der vom Bundesimmissionsschutzgesetz erfaßten schädlichen Umwelteinwirkungen abschließend. Die Auswirkungen auch auf den Naturhaushalt wurden im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 6 BImSchG berücksichtigt und für zulässig erklärt. Die Anwendung der Eingriffsregelung auf einen derartigen Fall ist ausgeschlossen.101 Dies gilt allerdings nur, soweit der Anwendungsbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes reicht, nämlich in Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG; dagegen bleibt die Eingriffsregelung anwendbar auf Fragen, die im Rahmen des § 6 BImSchG nicht geprüft wurden, so z. B. die durch die emittierende Anlage entstehenden Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes.
97 98
102
Larenz, Methodenlehre, S. 250. Larenz, Methodenlehre, S. 251.
99 Das Verhältnis von speziellem und allgemeinem Gesetz verkennt Pielow, Probleme der Eingriffsabgrenzung, S. 60, indem er die Eingriffsregelung als das speziellere Gesetz bezeichnet; die Eingriffsregelung umfaßt alle von dem Bundesimmissionsschutzgesetz oder dem Wasserhaushaltsgesetz erfaßten Beeinträchtigungen und ist damit das allgemeine Gesetz; vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 251. 100 Bickel, NuR 1983, 162,163; Gassner, NuR 1984, 83. Im Ergebnis ebenso Sander, NuR 1986, 316, 320, der jedoch zunächst im Anschluß an Breuer, N u R 1980, 89, 92, Beeinträchtigungen spezialgesetzlich geschützter Umweltgüter schon auf der Ebene des Tatbestandes aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung ausklammern möchte (S. 319). Dies ist widersprüchlich; verkannt wird hierbei, daß sich ein Konkurrenzproblem überhaupt nur dann stellt, wenn mindestens zwei Vorschriften auf einen Fall anwendbar sind, ihr Tatbestand also erfüllt ist, s. o. Fußnote 97. Vgl. auch Schultze, N u R 1986, 106, 108, dort allerdings zum Verhältnis von Naturschutzrecht und Forstrecht. 101 Der insoweit abschließende Charakter des Immissionschutzrechts wird deutlich bei Feldhaus, UPR 1987, 1; unrichtig daher Gaede, Eingriffsregelung, S. 53, der Restbelastungen, die das Bundesimmissionsschutzgesetz erlaubt, der "ergänzenden Regelung" der Eingriffsregelung unterstellen will. 102 Im Ergebnis ebenso Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 Rdnr. 2.
6. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im Bundesrecht
137
Grundsätzlich Gleiches gilt im Wasserrecht; nur wenn der wasserrechtliche Prüfungsumfang den naturschutzrechtlichen einschließt, richten sich die Rechtsfolgen allein nach der wasserrechtlichen Regelung; dies bedarf der Prüfung im Einzelfall. 1 0 3 Die dargestellte Abgrenzung von "allgemeinem" Naturschutzrecht und besonderen, auch naturschutzrechtlich relevanten Gesetzen entspricht dem allgemein anerkannten Verhältnis von speziellem und allgemeinem Gesetz; darüberhinaus sind auf dieser Grundlage differenzierte Lösungen im Einzelfall möglich. Eine grundsätzliche Ausklammerung auch "spezialgesetzlich" geschützter Umweltgüter aus dem Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ist somit im Ergebnis weder rechtlich geboten noch sachlich gerechtfertigt.
103 Ausführlich zum Verhältnis von Wasserrecht und Naturschutzrecht Sander, N u R 1986, 317, 320.
7. Kapitel
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsregelung in den Landesnaturschutzgesetzen
A. Einführung Das Bundesnaturschutzgesetz ist ein Rahmengesetz; es beruht auf der Rahmenkompetenz des Bundes aus Art. 75 Nr. 3 GG. Rahmengesetze müssen grundsätzlich darauf angelegt sein, durch den Landesgesetzgeber ausgefüllt zu werden; den Ländern muß im Hinblick auf das zu regelnde Sachgebiet die Möglichkeit zu eigenen Regelungen von substantiellem Gewicht verbleiben. Jedoch braucht nicht jede einzelne Vorschrift "ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig" 1 zu sein, es reicht aus, wenn das Gesetz als Ganzes diese Voraussetzungen erfüllt. 2 Es ist dem Bundesgesetzgeber daher auch auf einem Gebiet, auf dem er nur eine Rahmenkompetenz besitzt, nicht verwehrt, Einzelregelungen für jedermann verbindlich zu treffen 3 oder im Hinblick auf den Landesgesetzgeber, der das Rahmengesetz umsetzen muß, Einzelheiten abschließend zu normieren. 4 Ein Blick in die Naturschutzgesetze der Länder zeigt, daß alle Landesgesetzgeber Regelungen über Eingriffe in Natur und Landschaft getroffen haben. Diese stimmen allerdings nicht in allen Fällen genau mit der bundesrechtlichen Regelung überein. Hervorzuheben ist im Rahmen der in dieser Untersuchung interessierenden Fragestellung insoweit insbesondere die Vorschrift des § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ., die den Geltungsbereich der Eingriffsregelung ausdrücklich auf den Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrecht beschränkt, Vorhaben im nicht (qualifiziert) beplanten Innenbereich sowie im Geltungsbereich eines Bebauungsplans5 aus dem Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung also von vornherein ausschließt.
1
B V e r f G E 4,129; 36, 202.
2 3 4
B V e r f G E 3,115,121. B V e r f G E 3,115,130. B V e r f G E 43, 291, 342.
5
Vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
ndesrecht
139
Darüberhinaus enthält die Mehrzahl der Ländergesetze sog. "Positivlisten",6 zwei Ländergesetze auch sog. "Negativlisten", mit deren Erlaß die Länder von der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG Gebrauch gemacht haben, zu bestimmen, daß Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen bestimmter Art, die im Regelfall nicht zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen, nicht als Eingriffe anzusehen sind, sowie zu bestimmen, daß Veränderungen bestimmter Art als Eingriffe gelten, wenn sie regelmäßig die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG erfüllen. Von Bedeutung ist im Rahmen der hier interessierenden Fragestellung insoweit insbesondere die Regelung des § 5 Abs. 3 Nr. 4 L G NRW, derzufolge "Wohngebäude auf Grund eines Bebauungsplans" nicht als Eingriffe gelten, also ebenso wie Innenbereichsvorhaben in Baden-Württemberg schon kraft Gesetzes aus dem Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ausgenommen sind. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, ob die beiden genannten sowie andere Einschränkungen bzw. Erweiterungen der Landesgesetze gegenüber der bundesrechtlichen Regelung mit dem Bundesrahmenrecht vereinbar sind. Es ist daher zu untersuchen, welcher Spielraum den Ländern bei der Umsetzung der Tatbestandsvoraussetzungen der bundesrechtlichen Regelung über Eingriffe in Natur und Landschaft grundsätzlich zukommt und welche Bedeutung dabei der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG zuzumessen ist.
B. Die rahmenrechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes I. § 8 BNatSchG als Richtlinie für die Landesgesetzgeber § 4 Satz 3 BNatSchG zählt die Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG nicht zu den "unmittelbar geltenden Vorschriften" des Gesetzes.8 Dies ist konsequent und verfassungsrechtlich geboten. Unmittelbar geltende Rechtssätze innerhalb eines Rahmengesetzes können nur solche Vorschriften sein, die
6
S. u. S. 149 ff.
7
S. u. S. 151 ff.
8 Zur Frage, inwieweit die Aufzählung des § 4 Satz 3 BNatSchG abschließend ist, vgl. BT-Drs. 7/5251, S. 6, 7, sowie Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 4 Rdnr. 6, 7; Soell, Naturschutz· und Landschaftspflegerecht, S. 496. Allgemein zu § 4 BNatSchG Salzwedel, Vergleichende Übersicht, S. 475.
140
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
für Einzelfragen eine Vollregelung mit unmittelbarer Wirkung treffen. 9 Diese Voraussetzung erfüllt die Eingriffsregelung nicht. Sie enthält vielmehr ausdrückliche Ermächtigungen an die Länder. Gem. § 8 Abs. 9 BNatSchG können die Länder weitergehende Vorschriften zu der Regelung in § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG erlassen und § 8 Abs. 8 BNatSchG ermächtigt zum Erlaß der "Positiv- und Negativlisten". Die bundesrahmenrechtliche Eingriffsregelung wendet sich daher nur an den Landesgesetzgeber; sie bedarf insgesamt, bzgl. Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, der Umsetzung in das jeweilige Landesrecht; erst damit wird sie im Außenverhältnis verbindlich.
II. Der Spielraum der Länder bei der Umsetzung 1. Die allgemeine verfassungsrechtliche Regelung Die bundesrechtliche Eingriffsregelung wie das gesamte Bundesnaturschutzgesetz genügen den Anforderungen an ein Rahmengesetz, denn sie sind als Gesamtregelung ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig. 10 So enthält z. B. § 8 Abs. 9 BNatSchG eine ausdrückliche Ermächtigung an die Länder zum Erlaß weitergehender Vorschriften und damit zu eigenen substantiellen Regelungen. Diese Ermächtigung bezieht sich jedoch nur auf die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung; im Rahmen der hier zu untersuchenden Fragestellung ist dagegen zu klären, inwieweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsregelung, die Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft", ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig sind. § 8 Abs. 1 BNatSchG definiert Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne des Gesetzes als "Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können". Diese Definition ist keiner "Ausfüllung" durch Landesrecht zugänglich; die Länder können sie allenfalls in sehr geringem Umfang konkretisieren, 11 jede inhaltliche Abweichung hätte jedoch eine Änderung der materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der bundesrechtlichen Eingriffsregelung zur Folge, was mit dem Verhältnis von Rahmenrecht und darauf gestütztem Landesrecht
9
Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, A r t . 75, Rdnr. 26.
10
B V e r f G E 4,129; s. auch o. S. 138.
11 Vgl. als Beispiel § 5 Abs. 1 Satz 1 NatSchG Hessen; dort wird in der Definition des Eingriffs zusätzlich das "örtliche Klima" genannt; dieses ist jedoch auch von § 8 Abs. 1 BNatSchG als ein Faktor des Naturhaushalts erfaßt.
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
ndesrecht
141
grundsätzlich unvereinbar ist. Das Landesrecht muß sich immer innerhalb des bundesrechtlich vorgegebenen Rahmens halten, anderenfalls ist es wegen Verstoßes gegen Art. 31 GG nichtig. 12 § 8 Abs. 1 BNatSchG stellt somit eine abschließende Regelung dar, die von den Ländern (inhaltlich) unverändert zu übernehmen ist. 1 3 Eine solche Einzelregelung, die eine bestimmte Frage vollständig und abschließend regelt, so daß den Ländern bei der Umsetzung insoweit kein Spielraum mehr bleibt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich; auch wenn ein Rahmengesetz grundsätzlich nur Richtlinien für den Landesgesetzgeber enthält, wie dies beim Bundesnaturschutzgesetz der Fall ist, 1 4 so kann der Bundesgesetzgeber doch insbesondere wichtige Begriffsbestimmungen abschließend definieren. 15 Dies ändert nichts daran, daß derartige Teilregelungen noch kein für den Bürger unmittelbar verbindliches Recht sind, sondern der Umsetzung in Landesrecht bedürfen. 16 Somit ist festzuhalten, daß ein Vorhaben, welches der bundesrechtlichen Eingriffsdefinition unterfällt, grundsätzlich auch nach den Ländergesetzen einen Eingriff darstellen muß, während Vorhaben, die nach § 8 Abs. 1 BNatSchG keine Eingriffe sind, durch Landesrecht grundsätzlich nicht zu solchen erklärt werden können.
2. Die Bedeutung des § 8 Abs. 8 BNatSchG § 8 Abs. 8 BNatSchG ermächtigt die Landesgesetzgeber zum Erlaß sog. "Positiv- und Negativlisten". 19 Sinn und Zweck dieser Ermächtigung wird in einer Entlastung der Verwaltung, also in einer Verfahrensvereinfachung gesehen. 20 Sie soll gleichzeitig einer Konzentration des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf das Wesentliche dienen. 21 Entscheidend ist jedoch, 12 B V e r f G E 51, 90; 60, 302; Maunz in Maunz/Dürig/Hereog, GG, A r t . 75, Rdnr. 15; v. Münch in v. Münch, GG, A r t . 75 Rdnr. 11. 13 So auch Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. Aspekte, S. 399. 14 Vgl. § 4 Satz 1 und Satz 3 BNatSchG. 15
Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 75, Rdnr. 25.
16
Ebenda.
2; Ebersbach, Rechtliche
17 Diese Einschränkung ist zu machen, da § 8 Abs. 8 BNatSchG von diesem Grundsatz ausdrücklich bestimmte Ausnahmen zuläßt; zur Bedeutung des § 8 Abs. 8 BNatSchG s. sogleich im Text. 18 So ausdrücklich auch das BVerwG, U P R 1983, 338, allerdings speziell für Vorhaben, die der Landwirtschaftsklausel des § 8 Abs. 7 BNatSchG unterfallen; diese Klausel stellt jedoch ebenso wie die Definition des § 8 Abs. 1 BNatSchG eine abschließende Regelung dar, die keiner Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber zugänglich ist. 19 Eine Übersicht über Vorhaben, die von den Ländern in den Positivlisten genannt werden, findet sich in BT-Drs. 9/1385, S. 3,4; s. die Zusammenstellung u. S. 149,150. 20
Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 528.
142
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
daß auch durch § 8 Abs. 8 BNatSchG die bundesrechtlich normierten Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsregelung, die Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft", nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers gestellt wird. Die Ermächtigung bindet vielmehr die Länder auch beim Erlaß der Positiv- und Negativlisten ausdrücklich an die Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG: In § 8 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG wird diese Definition wörtlich wiederholt, in § 8 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG wird auf die "Voraussetzungen des Abs. 1" verwiesen. Die Bedeutung des § 8 Abs. 8 BNatSchG liegt somit nur in folgendem: Die Inanspruchnahme von Grundflächen in einer bestimmten Art und Weise, die nur in einem atypischen Fall die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG erfüllt, also nur ausnahmsweise einen Eingriff darstellt, kann von den Ländern aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung herausgenommen werden; ebenso kann eine derartige Inanspruchnahme, die nur unter atypischen Voraussetzungen keinen Eingriff darstellt, dennoch zu einem solchen erklärt werden. Dabei ist auch § 8 Abs. 8 BNatSchG wie jede Ausnahmevorschrift restriktiv zu interpretieren. Nur wenn die in den Positiv- und Negativlisten genannten Vorhaben dem daher eng zu verstehenden Regel-Ausnahme-Verhältnis entsprechen, finden sie ihre Grundlage in dieser Vorschrift. Dabei sind insbesondere an die Ausgrenzung von Vorhaben, also an Negativlisten, hohe Anforderungen zu stellen; wird schon das Vorliegen eines Eingriffs verneint, so ist der Verursacher endgültig aus seiner Verantwortung entlassen. Eine Korrektur ist auch in besonders gelagerten Fällen nicht mehr möglich. Anderes gilt insoweit für Vorhaben, die in einer Positivliste genannt werden; hier ist eine Korrektur jederzeit möglich. Obwohl das Vorliegen eines Eingriffs fingiert wird, wird die zuständige Behörde von einer Inanspruchnahme des Vorhabensträgers absehen, da die aufgrund der Eingriffsregelung anzuordnenden Rechtsfolgen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. 22 Jede andere Entscheidung wäre in einem solchen Fall unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. 23 Entsprechen die in den Positiv- und Negativlisten genannten Vorhaben dem von § 8 Abs. 8 BNatSchG vorausgesetzten Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht oder stützen die Länder auf diese Ermächtigung gar eine grundsätzliche Änderung der Eingriffsdefinition, so dient dies nicht mehr der Verfahrensvereinfachung und der Konzentration des Naturschutzes auf das Wesentliche in der von § 8 Abs. 8 BNatSchG zugelassenen Weise. Derartige Regelungen können nicht auf diese Ermächtigung gestützt werden; 24 sie verlassen den
21
Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 39.
22
Dies ist unbestritten; vgl. Kapitel 8, S. 165,174,190.
23
Pielow, N u R 1979,15.16, F N 12; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 406.
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
ndesrecht
143
bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen und sind daher wegen Verstoßes gegen Art. 31 GG nichtig. 25 Halten sich die in den Positiv- und Negativlisten genannten Vorhaben dagegen innerhalb dieses engen Rahmens, so können sie von den Ländern auch als unwiderlegliche Vermutungen ausgestaltet werden. Soweit dies in der Literatur mit dem Argument bestritten wird, es müsse "stets auf die Besonderheiten des einzelnen Falles" ankommen, der an den Tatbestandsmerkmalen des § 8 Abs. 1 BNatSchG zu messen sei, wird dabei verkannt, daß § 8 Abs. 8 BNatSchG, zwar eng begrenzt, aber dennoch ausdrücklich, Ausnahmen zugelassen hat. 2 7 Daß die Aufstellung der Positiv- und Negativlisten - in dem dargestellten Rahmen - den Ländern überlassen bleibt, ist Ausdruck der Zielsetzung des gesamten Bundesnaturschutzgesetzes; das Rahmengesetz soll im notwendigen Umfang zur Rechtsvereinheitlichung führen, den Ländern aber gleichzeitig die Möglichkeit belassen, aus ihren regional unterschiedlichen Situationen heraus Lösungen zu suchen, die ihren jeweiligen Gegebenheiten entsprechen. 28 Regionale, landesspezifische Besonderheiten können daher bei der Aufstellung der Positiv- und Negativlisten Berücksichtigung finden.
C. Die Eingriffsregelung in den Ländergesetzen I. Die Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" 1. Bundesrechtskonforme Regelungen Die meisten Landesgesetzgeber haben in ihren Naturschutzgesetzen die Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG identisch übernommen. 29 Abweichende, aber mit dem Bundesrahmenrecht vereinbare Regelungen finden sich in § 5 Abs. 1 Satz 1 NatSchG Hessen und § 7 Abs. 1 NatSchG Niedersachsen. Die hessische Regelung nennt neben dem "Naturhaushalt" und dem "Landschaftsbild" noch das "örtliche Klima" und den "Erholungswert"; inso24 I m Ergebnis ebenso Fickert, BayVBl. 1978, 681, 686; ders., Die Berücksichtigung ökologischer Belange bei der Planfeststellung, S. 31. 25
Vgl. die Nachweise in F N 12.
26 So Fickert, BayVBl. 1978, 681, 686. 27 Auch folgt, entgegen der Ansicht von Fickert, aaO, bei nur fingierten Eingriffen nicht zwingend eine - ungerechtfertigte - Ausgleichspflicht des Verursachers. Dieses Problem ist vielmehr über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lösbar, s. o. S. 142, F N 22. 28
Vgl. BT-Drs. 7/5251, S. 2,4.
29 So § 14 Abs. 1 Satz 1 NatSchG Bln.; § 11 Abs. 1 Satz 1 NatSchG Bremen; § 9 Abs. 1 Satz 1 NatSchG Hamburg; § 4 Abs. 1 L G N R W ; § 4 Abs. 1 Satz 1 LPflG Rh.-Pf.; § 10 Abs. 1 NatSchG Saarland; § 7 Abs. 1 Satz 1 LPflegG S.-H.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
weit handelt es sich jedoch nicht um eine inhaltliche Änderung der bundesrechtlichen Eingriffsdefinition, denn das örtliche Klima ist als ein Faktor des Naturhaushalts auch von § 8 Abs. 1 BNatSchG umfaßt und eine Beeinträchtigung des Erholungswerts nur denkbar, wenn zugleich auch Naturhaushalt und Landschaftsbild beeinträchtigt werden, sodaß eine inhaltliche Erweiterung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorhegt. Die niedersächsische Vorschrift verzichtet neben dem Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" auf das der "Nachhaltigkeit" der Beeinträchtigungen. Auch insoweit liegt jedoch keine unzulässige Abweichung von der bundesrechtlichen Regelung vor; es ist keine Beeinträchtigung denkbar, die nicht schon allein wegen ihrer Nachhaltigkeit auch erheblich wäre. 3 0
2. M i t dem Bundesrahmenrecht unvereinbare Regelungen a) Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern Bayern hat in Art. 6 Abs. 1 NatSchG die bundesrechtliche Eingriffsdefinition zunächst wörtlich übernommen. Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern erklärt die Eingriffsregelung jedoch darüberhinaus für entsprechend anwendbar auf Vorhaben, die "den Naturgenuß erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen" oder "den Zugang zur freien Natur ausschließen oder erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen". Die Vorschrift geht zurück auf eine entsprechende Regelung im bayerischen Naturschutzgesetz von 1973 und das in Art. 141 Abs. 3 der bayerischen Verfassung garantierte Recht auf Genuß der Naturschönheiten und zum Betreten der freien Natur. Entgegen der Ansicht des Landesgesetzgebers 31 liegt insoweit jedoch eine unzulässige Erweiterung gegenüber den rahmenrechtlichen Vorgaben vor; die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung werden an Vorhaben geknüpft, die nach der bundesrechtlichen Regelung keine Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen. Daß der bayerische Gesetzgeber sich zu einer nur "entsprechenden" Anwendung der Eingriffsregelung entschieden hat, vermag an der Unzulässigkeit der Regelung nichts zu ändern; die bundesrechtliche Regelung ist abschließend und eine Erweiterung auch durch eine (nur) entsprechende Anwendbarkeit der Eingriffsregelung auf von ihr nicht erfaßte Fälle daher ausgeschlossen, denn in der Sache ergibt sich kein Unterschied, ob die Ein-
30 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 11; Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 5; Hosch, U P R 1983,142,144, F N 10; s. auch ο. Kapitel 6, S. 130,132. 31 Vgl. LT-Drs. 9/10375; soweit sich der Regierungsentwurf auf § 8 Abs. 9 BNatSchG beruft, wird verkannt, daß sich diese Ermächtigung nur auf die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung, nicht aber auf ihre Tatbestandsvoraussetzungen bezieht.
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
ndesrecht
145
griffsregelung unmittelbar oder nur entsprechend angewendet wird. Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern verstößt somit gegen Art. 31 GG und ist nichtig. 32
b) § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. enthält eine von der bundesrechtlichen Eingriffsdefinition in mehrfacher Hinsicht abweichende Regelung des Eingriffs in Natur und Landschaft. Sie stammt noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes und wurde ihm bislang nicht angepaßt; die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: (1) Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Vorhaben im Außenbereich (§ 19 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes), die geeignet sind, durch 1. Veränderungen der Bodengestalt (§ 13), 2. Errichtung oder wesentliche Änderung von baulichen Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 der Landesbauordnung, Straßen und Wegen, 3. Errichtung oder Änderung von Masten sowie Unterstützungen von Freileitungen, 4. Ausbau von Gewässern, Anlage, Veränderung oder Beseitigung von Wasserflächen, 5. Schädigung von Feuchtgebieten und der Ufervegetation (§ 16) den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild erheblich zu beeinträchtigen. Die baden-württembergische Landesregierung vertritt die Ansicht, das Landesnaturschutzgesetz stimme in allen wesentlichen Fragen mit dem Bundesrahmenrecht überein. 34 Dem ist zu widersprechen.
aa) Der Verzicht auf das Merkmal der "Nachhaltigkeit" der Beeinträchtigungen Soweit der Landesgesetzgeber in § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. auf das Merkmal der "Nachhaltigkeit" der Beeinträchtigungen verzichtet hat, gilt das oben zu § 7 Abs. 1 NatSchG Niedersachsen Gesagte entsprechend; 35 diese Regelung ist unbedenklich. 32 Ebenfalls zweifelnd, aber im Ergebnis a. A . Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 Rdnr. 15. 33 Das baden-württembergische Landesnaturschutzgesetz trat am 21. 10. 1975 in Kraft; vgl. GBl. 1975, S. 654, ber. GBl. 1976, S. 96. 34 BT-Drs. 9/1385, S. 2.
S. o. S. 14.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
bb) Die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den Außenbereich Mit dem Bundesrahmenrecht unvereinbar ist jedoch die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Eingriffsregelung auf den Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts. 36 Dies aus folgenden Gründen:
(1) Verstoß gegen § 8 Abs. 1 BNatSchG Diese Vorschrift bedeutet zum einen eine - sogar wesentliche - inhaltliche Einschränkung und damit Änderung der bundesrechtlich abschließend vorgegebenen Eingriffsdefinition und ist daher unzulässig.
(2) Überschreitung der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG γη
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht kann diese Einschränkung zum anderen auch nicht auf die Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG gestützt werden. Dies ergibt sich aus den folgenden beiden Gründen:
(a) Wortlaut A n erster Stelle ist der Wortlaut des § 8 Abs. 8 BNatSchG zu nennen; er TO
ermächtigt die Länder nur, "Veränderungen bestimmter Art", d. h. die Inanspruchnahme von Grundflächen auf eine bestimmte Art und Weise, aus dem Tatbestand der Eingriffsregelung auszuklammern. 39 Die Ausgrenzung in § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. erfolgt jedoch nicht nach der Art der Inanspruchnahme; die Vorschrift beschränkt den Anwendungsbereich der Eingriffsregelung vielmehr auf eine bestimmte, durch das Bauplanungsrecht vermittelte "Art" der Grundflächen selbst, nämlich den Außenbereich. Dies ist vom Wortlaut des § 8 Abs. 8 BNatSchG nicht umfaßt.
36 Der in § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. zitierten Vorschrift des § 19 Abs. 2 BBauG entspricht jetzt § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. 37 So Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 6 38 Daß § 8 Abs. 8 BNatSchG nur Veränderungen bestimmter A r t , nicht aber Grundstücke bestimmter A r t betrifft, folgt, während dies nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG noch zweifelhaft sein könnte, eindeutig aus § 8 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG. 39
So ζ. B. die Regelung des § 4 Abs. 3 L G N R W .
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
ndesrecht
147
(b) Das erforderliche Regel-Ausnahme-Verhältnis Darüberhinaus entspricht die Beschränkung auf den Außenbereich auch nicht dem von § 8 Abs. 8 BNatSchG geforderten engen Regel-AusnahmeVerhältnis. 40 Dies gilt sowohl für den damit nicht erfaßten unbeplanten Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB als auch für den beplanten Bereich im Sinne des § 30 BauGB.
(aa) Unbeplanter Innenbereich Die Inanspruchnahme von Grundflächen im (unbeplanten) Innenbereich z. B. durch Bebauung kann erhebliche Beeinträchtigungen der lokalklimatischen Verhältnisse wie Temperaturerhöhung und Verringerung der relativen Luftfeuchte bewirken, durch Schließung von Baulücken wesentliche Kaltluftströme umleiten oder gar unterbrechen, was sich unmittelbar auf die in dem betroffenen Gebiet lebenden Menschen auswirkt, sowie sog. "ökologische Rückzugsgebiete" nachhaltig beeinträchtigen oder sogar zerstören. 41 Auch die Vernichtung wertvoller Floren- und Faunenbiotope ist durch die Realisierung von Vorhaben im Innenbereich nicht grundsätzlich ausgeschlossen,4 da der Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB nicht nur Baulücken umfaßt, sondern auch größere freie Flächen, 43 soweit diese nur durch schon vorhandene Bebauung geprägt sind, also im Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB liegen. Die Inanspruchnahme von Grundflächen im Innenbereich führt somit nicht nur in "atypischen Fällen" 45 zu erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 8 BNatSchG sind daher nicht erfüllt.
40
S. o. S. 142.
41
Markstein, Eingriffe durch Bebauung, S. 336.
42
Markstein, Eingriffe durch Bebauung, S. 337.
43 Vgl. als Beispiel BVerwG, VB1BW 1987, 288; in dieser Entscheidung wurde ein Grundstück am Nordufer des Bodensees, das mit fünf Wohngebäuden und einem Hotel bebaut werden sollte, als Grundstück im nichtbeplanten Innenbereich qualifiziert; deutlich auch der Fall des V G H Kassel, N u R 1986, 31, der die Anlage von 250 Stellplätzen auf einer innerstädtischen Grünfläche zum Gegenstand hatte. 44
Z u diesen Voraussetzungen siehe ausführlich oben Kapitel 4, S. 84 ff.
S. o. S. 142.
148
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
(bb) Beplanter Bereich Die Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG wird auch überschritten, soweit der beplante Bereich gem. § 30 BauGB aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung ausgeklammert wird. In der Literatur wird dagegen die Auffassung vertreten, die Ausgrenzung des beplanten Bereichs sei mit § 8 Abs. 8 BNatSchG vereinbar, weil "die erforderliche ökologische Vorprüfung bereits im Rahmen der dem Bebauungsplan vorgeschalteten Landschafts- und Grünordnungsplanung stattfindet und etwaige Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft dadurch soweit reduziert werden, daß sie 'im Regelfall· nicht mehr als erheblich zu bewerten sind". 46 Diese Begründung vermag die Ausgrenzung der Eingriffsregelung aus dem beplanten Bereich nicht zu rechtfertigen; zum einen geht sie an den Tatsachen der Bauleitplanung vorbei, zum anderen verkennt sie die bundesrechtlich vorgegebene Systematik der Eingriffsregelung und damit die Bedeutung des § 8 Abs. 8 BNatSchG. Zwar hat im Rahmen der Bauleitplanung eine Art "ökologischer Vorprüfung" stattzufinden, 47 jedoch führt diese entgegen der zitierten Auffassung nicht dazu, daß bei der Realisierung des Bebauungsplans regelmäßig keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes mehr auftreten. Dies wird deutlich, wenn man sich die teilweise massiven negativen Auswirkungen vergegenwärtigt, die von Vorhaben ausgehen, die in durch Bebauungspläne ausgewiesenen Industrie- und Sondergebieten realisiert werden. Die bundesrechtlich vorgegebene Systematik der Eingriffsregelung wird verkannt, weil die Frage der Reduzierung von Beeinträchtigungen eine Frage der Zulässigkeit des Eingriffs, nicht aber seines Vorliegens ist. Auch aus § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG ergibt sich nichts Gegenteiliges; nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift steht fest, daß sie sich nur auf die Rechtsfolgen und damit ebenfalls auf die Zulässigkeit eines Eingriffs bezieht. 48 Vorhaben, die aufgrund eines Bebauungsplans genehmigt werden, schon auf der Tatbestandsseite von der Eingriffsregelung auszuschließen, steht daher auch mit § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG in Widerspruch. Somit ist im Ergebnis festzuhalten, daß § 8 Abs. 8 BNatSchG auch die Ausgrenzung des qualifiziert beplanten Bereichs aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung nicht rechtfertigt.
46
So Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 10 Rdnr. 6.
47
S. o. Kapitel 3, S. 68, 69.
48
Ausführlich zur Bedeutung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG s. u. Kapitel 9, S. 211.
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ndesrecht
149
cc) Ergebnis Soweit § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. den Anwendungsbereich der Eingriffsregelung auf den Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts beschränkt, verstößt die Vorschrift gegen das Bundesrahmenrecht und ist gem. Art. 31 GG nichtig. 49
c) § 10 Abs. 2 und 3 NatSchG Bad.-Württ. Ebenso wie die entsprechende Regelung des Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern ist auch die Vorschrift des § 10 Abs. 2 NatSchG Bad.-Württ., derzufolge als Eingriffe auch Vorhaben gelten, "die den Zugang zur freien Natur ausschließen oder erheblich beeinträchtigen", als unzulässige Erweiterung der bundesrechtlichen Vorgaben wegen Verstoßes gegen Art. 31 GG nichtig. Dagegen ist die Vorschrift des § 10 Abs. 3 NatSchG Bad.-Württ., derzufolge die Nutzung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft nicht als Eingriff gilt, unbedenklich; sie entspricht § 8 Abs. 7 BNatSchG.
II. Die Positiv- und Negativlisten in den Ländergesetzen 1. Positivlisten Positivlisten sind in den meisten Landesnaturschutzgesetzen enthalten; nur Bayern und Niedersachsen haben von dieser Möglickeit keinen Gebrauch gemacht. Genannt werden insbesondere folgende Vorhaben: 5 0 Errichtung oder wesentliche Änderung von Anlagen, die einem Planfeststellungsverfahren unterliegen, auch wenn im Einzelfall von dessen Durchführung abgesehen werden kann; Errichtung oder wesentliche Änderung von baulichen Anlagen im Außenbereich; Errichtung oder wesentliche Umgestaltung bzw. Erweiterung von Straßen, Schienenwegen oder Flugplätzen im Außenbereich; Errichtung von Masten oder Freileitungen, Verlegung von Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen im Außenbereich;
49 I m Ergebnis ebenso Bauer, Verursacherhaftung, S. 511; Sprenger, Arbeitsblätter Umweltrecht, Teil 3, Naturschutz, S. 46, F N 77; ausführlich Kuchler, VB1BW 1988, 89 ff. 50 Die Zusammenstellung ist entnommen der BT-Drs. 9/1385, S. 4.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Errichtung oder wesentliche Erweiterung von Lager-, Abstell- und Ausstellungsplätzen, von Camping- und Sportplätzen im Außenbereich; Abstellen oder Aufstellen von Wohnwagen, Zelten, nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen oder sonstigen transportablen Unterkünften im Außenbereich; Lagerung von Abfällen, Einrichtung oder wesentliche Erweiterung von Mülldeponien im Außenbereich; Abbau oder Gewinnung von Bodenschätzen und sonstigen Bodenbestandteilen; Abgrabungen, Aufschüttungen, Auf- und Abspülungen, Auffüllung von Bodenvertiefungen, Entnahme der Bodenkrume; Entwässerung von Feuchtgebieten, Veränderung der Ufervegetation; Ausbau (Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung) von Gewässern, Verrohren, Ableiten in und an oberirdischen Gewässern; Errichtung oberirdischer Anlagen in und an oberirdischen Gewässern; Beseitigung von Hecken, Gehölzen, Knicks; Umwandlung von Wald, Erstaufforstung von Talsohlen; Errichtung von Einfriedungen oder Einzäunungen im Außenbereich; Anlage von Gärten oder Friedhöfen im Außenbereich; Beseitigung öffentlicher Grünflächen im besiedelten Bereich. Gegen die Nennung dieser Vorhaben in einer Positivliste bestehen vor dem Hintergrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG keine Bedenken; sie erfüllen in der Regel die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsregelung. Die Positivlisten sind in einigen Ländern als unwiderlegliche Vermutungen ausgestaltet, 51 in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg und dem Saarland stellen sie nur widerlegliche Vermutungen dar. 5 2 Beide Arten der Regelungstechnik sind zulässig. 3 Die beabsichtigte Entlastung durch die Positivlisten ist ohnehin nur gering; zwar ist die zuständige Behörde im Ein51 Vgl. § 14 Abs. 1 NatSchG Bln.; § 5 Abs. 1 NatSchG Hessen; § 4 Abs. 2 L G N R W ; § 4 Abs. 1 LPflG Rh.-Pf. 52 §10 Abs. 1 NatSchG BW; § 1 1 Abs. 1 NatSchG Hamb.; § 10 Abs. 2 NatSchG Saarl.
S. o. S. 1 .
Bremen; § 9 Abs. 1 NatSchG
. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen im
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zelfall davon befreit, das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Eingriffsregelung zu prüfen, jedoch müssen bei der Frage, welche Rechtsfolgen anzuordnen sind, also ob dem Verursacher Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich oder zum Ersatz von Beeinträchtigungen aufgegeben werden, dennoch in der Regel schwierige und umfangreiche Untersuchungen vorgenommen werden, da die genannten Maßnahmen nach § 8 Abs. 2 und 9 BNatSchG iVm den Länderregelungen immer "vorhabensspezifisch" sind und daher entsprechende ökologische Erhebungen voraussetzen. 54 Eine Entlastung der Genehmigungsbehörden tritt allerdings dann ein, wenn diese Untersuchungspflicht (durch Gesetz) auf den Verursacher übertragen wurde; die Behörde kann sich in diesem Fall auf die Prüfung der vom Verursacher erhobenen Untersuchungsergebnisse beschränken und diese zur Grundlage ihrer Anordnungen machen. 55
2. Negativlisten Negativlisten haben nur zwei Bundesländer, Hamburg und NordrheinWestfalen, in ihre Naturschutzgesetze aufgenommen. 56
a) § 9 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NatSchG Hamburg 51 Die Vorschrift lautet: (2) Nicht als Eingriffe anzusehen sind 1.
...
2. innerhalb der in der Anlage 1 rot umrandeten Flächen des Hafengebietes, deren genaue Grenzen sich aus der Anlage 2 ergeben, a) der Ausbau (Herstellen, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung) von Gewässern und Kaianlagen, b) Maßnahmen zur Unterhaltung der Gewässer, 3. Hochwasserschutzmaßnahmen.
54 Zur Problematik der Erfassung naturschutzrechtlich relevanter Auswirkungen eines Vorhabens s. u. Kapitel 8, S. 199 ff. 55
Vgl. Kapitel 8, S. 202, 203..
56 § 8 Abs. 5 PflegG S.-H. stellt demgegenüber keine Negativliste dar; die Vorschrift läßt die Definition des Eingriffs in Natur und Landschaft insgesamt unberührt und schließt ausdrücklich nur die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung (teilweise) aus. Zur Frage der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem Bundesrahmenrecht s. u. Kapitel 9, S. 213. 57 § 9 Abs. 2 Nr. 1 NatSchG Hamb, wiederholt die Landwirtschaftsklausel des § 8 Abs. 7 BNatSchG; diese Vorschrift ist daher unproblematisch aus rahmenrechtlichen Gründen zulässig.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
aa) Die Ausklammerung der in Nr. 2 genannten Vorhaben ist mit der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG vereinbar; sie ist eng begrenzt und entspricht dem von § 8 Abs. 8 BNatSchG vorausgesetzten Regel-AusnahmeVerhältnis. Darüberhinaus ist sie durch regionale Besonderheiten gerechtfertigt. Es handelt sich daher um eine zulässige landesrechtliche Regelung. bb) Dies gilt jedoch nicht für die in § 9 Abs. 2 Nr. 3 NatSchG Hamburg genannten Vorhaben. Unter den Begriff der "Hochwasserschutzmaßnahmen" fällt eine Vielzahl von denkbaren Maßnahmen, so z. B. Dammbauten oder Rückhaltebecken, die gerade regelmäßig einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellen. Der Ausgrenzung von "Hochwasserschutzmaßnahmen" aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung in einem Land wie Hamburg dürfte die Überlegung zugrunde liegen, daß solche Maßnahmen in aller Regel im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten sind und daher durchgeführt werden können und müssen. Auch diese Überlegung rechtfertigt jedoch nicht, solche Maßnahmen schon auf der Seite des Tatbestandes aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung herauszunehmen; die Frage der Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen ist eine Frage der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung. Im übrigen ist es auch nicht geboten, derartige Maßnahmen vollständig von den Rechtsfolgen der Eingriffsregelung freizustellen; auch bei Hochwasserschutzmaßnahmen, die im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten sind, sind vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen und unvermeidbare, soweit möglich, auszugleichen. § 9 Abs. 2 Nr. 3 NatSchG Hamburg verstößt daher gegen das Bundesrahmenrecht und ist gem. Art. 31 GG nichtig.
b) § 9 Abs. 3 NatSchG Hamburg Neben der gesetzlichen Negativliste wird gem. § 9 Abs. 3 NatSchG Hamburg der Senat der Stadt ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, daß Vorhaben bestimmter Art nach § 9 Abs. 1 NatSchG Hamburg nicht als Eingriffe gelten, wenn sie nach Art, Größe, Umfang oder äußerer Gestaltung nicht zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes führen. Von dieser Ermächtigung wurde bislang kein Gebrauch gemacht; sie ist jedoch sowohl unter dem Gesichtspunkt der Vorschrift des § 8 Abs. 8 BNatSchG als auch der grundsätzlichen Anforderungen an eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen verfassungsrechtlich unbedenklich.
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c) § 4 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 LG NRW 5* Die Vorschrift lautet: (3) Nicht als Eingriffe gelten 1.
...
2. Erdwälle für den Lärmschutz an Straßen und Schienenwegen, 3. Abgrabungen geringen Umfangs für den Eigenbedarf eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, 4. Wohngebäude auf Grund eines Bebauungsplanes. aa) Die Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 L G NRW ist mit § 8 Abs. 8 BNatSchG unvereinbar. Erdwälle an Straßen und Schienenwegen führen aufgrund ihrer Zerschneidungswirkung gerade in der Regel zu erheblichen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und insbesondere des Landschaftsbildes. 59 Daß sie aus Gründen des Lärmschutzes ggf. im überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich sind, ist ebenfalls eine Frage ihrer Zulässigkeit; dies rechtfertigt aber nicht ihre Ausgrenzung schon aus dem Tatbestand der Eingriffsregelung. bb) Die Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 L G NRW ist nur bei bundesrechtskonformer Auslegung mit § 8 Abs. 8 BNatSchG vereinbar. Der Landesgesetzgeber hat nicht bestimmt, wann eine Abgrabung "geringen Umfang" hat. Dies ist aber für die Frage, ob regelmäßig ein Eingriff vorliegt und damit für die Frage der Zulässigkeit der Aufnahme derartiger Vorhaben in einer Negativliste von entscheidender Bedeutung. Ob eine Abgrabung "geringen Umfang" hat, bedarf daher in jedem Einzelfall einer Prüfung anhand der Kriterien des § 8 Abs. 1 BNatSchG. Die Vorschrift verstößt damit zwar nicht gegen das Bundesrahmenrecht, jedoch hat sie jedenfalls ihren Zweck verfehlt, da sie wegen der Notwendigkeit der Einzelfallprüfung nicht zur Verfahrensvereinfachung und Entlastung der Verwaltung beiträgt. 60 cc) Mit der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG unvereinbar ist schließlich auch § 4 Abs. 3 Nr. 4 NatSchG NRW. Die Vorschrift widerspricht zunächst der bundesrechtlich vorgegebenen Systematik der Eingriffsregelung, die für die Frage ihrer Anwendbarkeit im beplanten Bereich in § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG eine Sonderregelung getroffen hat, die aber ebenfalls nur die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung betrifft. 6 1 Darüberhinaus ist 58 § 4 Abs. 3 Nr. 1 L G N R W wiederholt die Landwirtschaftsklausel des § 8 Abs. 7 BNatSchG und ist daher unbedenklich. 59 So auch Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 3. 60 Gerade darin liegt aber der gesetzgeberische Sinn der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG; s. o. S. 141,142.
61
S. o. S. 148 sowie unten Kapitel 9, S. 211.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
die grundsätzliche Ausgrenzung von "Wohngebäuden" zu allgemein und mit dem von § 8 Abs. 8 BNatSchG geforderten engen Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht vereinbar. Der Begriff der "Wohngebäude" umfaßt sowohl kleine Einfamilienhäuser als auch große Wohnblocks mit hoher Baumasse. Von diesen können aber erhebliche negative Auswirkungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild ausgehen; ihre Freistellung von den Rechtsfolgen der Eingriffsregelung ist daher weder geboten noch gerechtfertigt. Somit verstoßen im Ergebnis sowohl § 4 Abs. 3 Nr. 2 als auch § 4 Abs. 3 Nr. 4 NatSchG NRW gegen die rahmenrechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und sind gem. Art. 31 GG nichtig.
D. Fazit Bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB können nach allen Landesnaturschutzgesetzen Eingriffe in Natur und Landschaft sein; teilweise wird diese Eigenschaft durch Aufnahme dieser Vorhaben in landesgesetzliche Positivlisten, widerleglich oder unwiderleglich, vermutet, teilweise bedarf es einer Feststellung im konkreten Einzelfall. Entscheidend ist jedoch, daß die Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auf Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB in keinem Landesnaturschutzgesetz in einer mit den Vorgaben des Bundesrahmenrechts vereinbaren Weise schon auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen ausgeschlossen wurde; wie gezeigt wurde, sind insbesondere die insoweit relevanten Vorschriften des § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. sowie die des § 4 Abs. 3 Nr. 4 L G N R W wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 8 BNatSchG gem. Art. 31 GG nichtig. Das Bundesrahmenrecht läßt eine Ausgrenzung bauplanungsrechtlich relevanter Vorhaben schon aus dem Tatbestand der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, unabhängig von der Frage, ob sie im Außenbereich, im unbeplanten Innenbereich oder sogar im Geltungsbereich eines Bebauungsplans realisiert werden sollen, nicht zu.
8. Kapitel
Die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung
A. Übersicht Stellt ein Vorhaben einen "Eingriff' im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung dar und erfüllt es die in § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG genannte formelle Voraussetzung einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht, so treffen den Verursacher des Eingriffs die in § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BNatSchG 1 bzw. den entsprechenden Ländervorschriften normierten Rechtsfolgen. Das Bundesnaturschutzgesetz enthält insoweit nur Mindestanforderungen; dies folgt aus § 8 Abs. 9 BNatSchG, wonach die Länder "weitergehende Vorschriften" zu § 8 Abs. 2 und Abs. 3 BNatSchG erlassen können. "Weitergehende" Vorschriften im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG können nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur Regelungen zugunsten des Naturschutzes sein; 2 daraus folgt zugleich die Verpflichtung der Länder, die bundesrechtlichen Mindestregelungen jedenfalls zu übernehmen. Alle Bundesländer haben die Umsetzung des Rahmenrechts in ihren Landesnaturschutzgesetzen vorgenommen oder schon vor Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes diesen Mindestanforderungen entsprechende Vorschriften erlassen; keine landesrechtliche Regelung ist hinter den rahmenrechtlichen Vorgaben zurückgeblieben. 3 Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung sieht folgende abgestufte Reaktion auf das Vorliegen eines Eingriffs in Natur und Landschaft vor:
1 § 8 Abs. 4 BNatSchG begründet keine eigenständige materielle Verpflichtung, sondern nur die Pflicht zur Darstellung der schon gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erforderlichen Maßnahmen. 2 Breuer, NuR, 1980, 89, 95; Gassner, NuR 1985, 180, 181. 3 Vgl. § 11 NatSchG BW; Art. 6 a NatSchG Bayern; § 14 Abs. 4, 5 NatSchG Bln.; § 11 Abs. 3, 4 NatSchG Bremen; § 9 Abs. 4, 5 NatSchG Hamburg; § 6 NatSchG Hessen; §§ 10, 11 NatSchG Nds.; § 4 Abs. 4, 5 L G N R W ; § 5 LPflG Rh.-Pf.; § 1 1 NatSchG Saarland; § 8 LPflegG S.-H.
156
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Der Verursacher eines Eingriffs ist zunächst verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen; 4 sind mit der Realisierung des Vorhabens verbundene Beeinträchtigungen unvermeidbar, so sind sie innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen, soweit dies zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Das Ziel des Ausgleichs ist erreicht, wenn nach der Beendigung des Eingriffs keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zurückbleiben oder das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt ist. 6 η
Sind die Beeinträchtigungen weder zu vermeiden noch im erforderlichen Maße auszugleichen, so hat eine Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft stattzufinden; ergibt diese den Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist der Eingriff zu untersagen. 8 Ergibt die Abwägung dagegen den Vorrang des Vorhabens, so treffen den Verursacher die von den Landesnaturschutzgesetzen aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG zum Erlaß "weitergehender Vorschriften" geschaffenen Pflichten. Die Länder haben von dieser Ermächtigung ausnahmslos Gebrauch gemacht und Vorschriften über Ersatzmaßnahmen und ζ. T. auch über Ausgleichsabgaben in ihre Naturschutzgesetze aufgenommen. 9 Obwohl die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung damit eine - auf den ersten Blick - übersichtliche Reaktion auf das Vorliegen eines Eingriffs in Natur und Landschaft vorschreibt, wirft sie bei ihrer Anwendung schwierige 4 5
§ 8 Abs. 2 Satz 1, 1. A l t . BNatSchG. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. A l t . BNatSchG.
6
§ 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG.
7 Die sprachliche Fassung des § 8 Abs. 3 BNatSchG ist mißlungen; indem der Gesetzgeber von nicht vermeidbaren "oder" nicht im erforderlichen Maße auszugleichbaren Beeinträchtigungen spricht, wollte er ersichtlich auf die beiden Alternativen in § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG (Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen und Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen) Bezug nehmen. Dabei wurde jedoch übersehen, daß die beiden Alternativen des § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ihrerseits in einer Stufenfolge stehen; ist eine Beeinträchtigung unvermeidbar, so ist zunächst, so die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. A l t . BNatSchG, ihre Ausgleichbarkeit zu prüfen. Erst wenn auch ein Ausgleich nicht möglich ist, kommt auf der nächsten Stufe die Untersagung des Eingriffs insgesamt in Betracht. Die Verwendung des Wortes "oder" widerspricht daher der Systematik der Rechtsfolgenregelung; sie beruht auf einem Redaktionsversehen und ist richtigerweise durch ein "und" zu ersetzen. So sprachlich korrekt die Vorschriften der § 14 Abs. 5 NatschG Bln. und § 11 NatSchG Nds.; die ausführlichste und genaueste Regelung findet sich in § 8 Abs. 2 LPflegG S.-H. 8 § 8 Abs. 3 BNatSchG. 9 Vgl. § 11 Abs. 3 - 5 NatSchG BW; Art. 6 a Abs. 3 NatSchG Bayern; § 14 Abs. 5, 6 NatSchG Bln.; § 11 Abs. 5 - 8 NatSchG Bremen; § 9 Abs. 6 NatSchG Hamburg; § 6 Abs. 3 NatSchG Hessen; § 12 NatSchG Nds.; § 5 Abs. 1 L G N R W ; § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.; § 10 Abs. 3, 4 NatSchG Saarland; § 8 Abs. 2 - 4 LPlegG S.-H.
8. Kap.: Rechtsfolgen
157
Probleme auf. 1 0 So ist in rechtlicher Hinsicht umstritten und im Ergebnis ungeklärt, welche Pflichten den Verursacher auf den einzelnen "Stufen" der Eingriffsregelung treffen, was insbesondere mit der Vielzahl der verwendeten neuartigen unbestimmten Rechtsbegriffe zu erklären ist, sowie in welchem Verhältnis die auf den einzelnen Stufen angeordneten Rechtsfolgen zueinander stehen, insbesondere ob und inwieweit sie sich gegenseitig begrenzen. Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht ergeben sich vor allem daraus, daß die Anwendung der Eingriffsregelung Kenntnisse und Informationen über die Schutzgüter der Vorschrift, insbesondere den "Naturhaushalt", voraussetzt, die sowohl beim Verursacher des Eingriffs als auch bei der genehmigenden Behörde oftmals überhaupt nicht vorhanden sind und regelmäßig nur unter erheblichen, auch finanziell belastenden, Aufwendungen beschafft werden können; dabei ist eine umfassende und vollständige Erfassung und Kenntnisnahme letztlich ohnehin ausgeschlossen, da auch die Ökologie als zuständige Fachwissenschaft nach eigener Aussage nur zu einer eingeschränkten Beurteilung natürlicher Faktoren und ihrer Beziehungen untereinander imstande ist. 1 1
B. Verursacherprinzip I. Der Verursacherbegriff der Eingriffsregelung Gem. § 8 Abs. 2 und Abs. 9 BNatSchG trifft die Pflicht zur Verminderung von Beeinträchtigungen und zur Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen den Verursacher des Eingriffs. Der Gesetzgeber sah bei der Schaffung des Bundesnaturschutzgesetzes in der durch diese Vorschrift begründeten Einführung des Verursacherprinzips für Eingriffe in Natur und Landschaft einen der Schwerpunkte des Gesetzes. 12 Die Inanspruchnahme des Verursachers sollte eine weitere Zunahme der Landschaftsschäden verhindern und das vor Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes herrschende Prinzip ablösen, daß Eingriffsfolgen entweder überhaupt nicht beseitigt wurden oder nur auf Kosten der Allgemeinheit, also des Staates, mit öffentlichen Mitteln. 1 3 Diese gesetzgeberische Intention ist entscheidend für das richtige Verständnis des Verursacherbegriffs im Sinne der Eingriffsre10 Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177,184. 11 So eines der wesentlichen Ergebnisse einer Tagung zum Thema "Ausgleichbarkeit von Eingriffen in den Naturhaushalt", veranstaltet von der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1983; vgl. Schreiner, Laufener Seminarbeiträge 9/83, Seminarergebnis, S. 4, 5. 12
Vgl. BT-Drs. 7/5251, S. 4.
13
Vgl. BT-Drs. 7/3879; Müller, NJW 1977, 925, 929.
158
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
gelung. Ohne daß es einer genauen Zuordnung zu einer der verschiedenen Theorien zum Begriff des Verursachers, wie sie insbesondere im Polizeirecht vertreten werden 14 , bedarf, steht damit fest, daß Verursacher im Sinne der Eingriffsregelung in jedem Fall nur der Vorhabensträger ist, nicht aber die Behörde, die den Eingriff genehmigt oder planerisch vorbereitet. Eine Inanspruchnahme staatlicher oder kommunaler Institutionen ist daher nur möglich, wenn diese selbst Vorhabensträger sind, wie dies insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Fachplanungsrecht der Fall ist. Auch die Genehmigungsbehörde oder die hinter ihr stehende Körperschaft als Verursacher im Sinne der Eingriffsregelung anzusehen, hätte demgegenüber zur Folge, daß der Staat doch wieder für die Folgen jedes Eingriffs in Natur und Landschaft haftete, denn gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG findet die Eingriffsregelung überhaupt nur bei genehmigungspflichtigen Vorhaben Anwendung. Ein solches Verständnis des Verursacherbegriffs verstieße daher gegen Sinn und Zweck der Vorschrift und ist somit abzulehnen.
II. Der Umfang der Verursacherhaftung Es ist anerkannt, daß das Verursacherprinzip grundsätzlich mehrere Möglichkeiten zur Durchsetzung umweltpolitischer Ziele zuläßt; 15 wie Bullinger 1 6 dargelegt hat, lassen sich drei Systemvarianten des Verursacherprinzips unterscheiden, entsprechend dem Umfang der Haftung des Verursachers. Entgegen der Ansicht von Breuer 1 7 trägt diese abstrakt-theoretische Unterscheidung jedoch weder zum richtigen Verständnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung selbst noch des Umfangs der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG etwas bei. 1 8 Ob und in welchem Maße jemand als Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft in Anspruch genommen werden kann, ergibt sich allein aus der gesetzlichen Regelung; weder deren Wortlaut noch die Gesetzgebungsmaterialien lassen erkennen, daß dieser Regelung ein bestimmtes abstrakt-theoretisches Verständnis des Verursacherprinzips zugrundeliegt, welches bei der Auslegung der Vorschrift berücksichtigt werden müßte. 1 9 Der Inhalt der einzelnen Regelungen und darin verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ist daher allein anhand der anerkannten juristischen Auslegungsregeln zu ermitteln. Auch die Bedeutung der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG erschließt sich nicht 14
Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 102.
15
Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 36.
16 17
Bullinger, Rechtsfragen des Verursacherprinzips, S. 69, 70. Breuer, N u R 1980, 89, 91 ff.
18
So aber Breuer, N u R 1980, 89, 91.
19
So auch Gassner, N u R 1985, 180,181.
8. Kap.: Rechtsfolgen
159
aus theoretischen Überlegungen zum Verursacherprinzip; selbst wenn sich die Anforderungen des Rahmenrechts als Mindestanforderungen einer bestimmten Systemvariante des Verursacherprinzips zurechnen lassen, so ist es den Landesgesetzgebern nicht verwehrt, den Rahmen dieser Systemvariante zu überschreiten. 20 Indem § 8 Abs. 9 BNatSchG ausdrücklich zu weitergehenden Regelungen ermächtigt, wird eine solche Bindung vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen. Somit bleibt auch vor dem Hintergrund des "Verursacherprinzips" nur die Feststellung, daß an "weitergehende Vorschriften" im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG keine anderen Anforderungen zu stellen sind, als daß sie zugunsten des Naturschutzes und der Landschaftspflege über die vorhandenen rahmenrechtlichen Bestimmungen hinausgehen. Weitere Anforderungen ergeben sich nur aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Verhältnis von Bundesrahmenrecht und Landesrecht.
C. Die Verpflichtung zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1,1. Alt. BNatSchG Primäre Rechtsfolge der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ist das materielle Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen. Diese Regelung, die auf den ersten Blick nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt 2 1 warum sollte es zulässig sein, ein Rechtsgut, hier Natur und Landschaft, zu beeinträchtigen, wenn diese Beeinträchtigungen vermeidbar sind ? - ist bei näherer Betrachtung problematisch und in ihrer Auslegung umstritten.
I. Technisch-fachliche Optimierungspflicht Rein tatsächlich betrachtet ist jede Beeinträchtigung von Natur und Landschaft vermeidbar, jedenfalls indem das für sie ursächliche Vorhaben ersatzlos aufgegeben wird. Im Sinne eines derartig rigorosen und kategorischen Umweltschutzes ist das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen jedoch unbestritten nicht zu verstehen. 22 Indem das Gesetz auch für "unvermeidbare" Beeinträchtigungen eine Regelung trifft, bringt es eindeutig zum
20 So aber Breuer, NuR 1980, 89, 91, der diese Aussage allerdings selbst relativiert, indem er ausführt, dies müsse "im Zweifel" gelten, ohne jedoch Hinweise zu geben, unter welchen Umständen solche Zweifel vorliegen und begründet sein sollen. 21 Pielow, NuR 1979, 15 spricht von einer "im Grunde banalen Forderung"; vgl. auch ders. N u R 1987, 165. 22 Vgl. Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 77 m. umfangreichen w. H.
160
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Ausdruck, daß nicht jede weitere Inanspruchnahme von Natur und Landschaft ausgeschlossen werden soll. 2 3 Außerdem trennt das Gesetz konsequent zwischen dem "Eingriff' als solchem und den durch das Vorhaben verursachten "Beeinträchtigungen"; nur letztere sind nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG zu unterlassen und auch dies nur, soweit sie vermeidbar sind. Das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen ist somit immer auf ein bestimmtes Vorhaben bezogen, das jedenfalls dem Grunde nach zulässig sein muß; das Gesetz setzt, indem es den Verursacher eines Eingriffs nur verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen, nicht aber den Eingriff selbst zu unterlassen, dessen grundsätzliche Zulässigkeit voraus 2 4 Das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen ist somit nur ein "relatives" und begründet keinen absoluten Schutz von Natur und Landschaft; es gilt nicht abstrakt, sondern nur für die konkrete Ausführung eines anderweitig zulässigen Eingriffs in Natur und Landschaft. 25 Ob ein Vorhaben, das einen "Eingriff 1 im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung darstellt, "anderweitig zulässig" ist, bestimmt sich nach dem einschlägigen Fachgesetz, das die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG begründet; daher ist die Frage, ob und inwieweit Auswirkungen dieses Vorhabens auf Natur und Landschaft "vermeidbare Beeinträchtigungen" im Sinne der Eingriffsregelung darstellen, immer vor dem Hintergrund dessen fachgesetzlicher Zulässigkeit zu beurteilen. Daraus folgt, daß eine Beeinträchtigung nur dann "vermeidbar" ist, wenn sie unterlassen werden kann, ohne das Vorhaben als solches in Frage zu stellen, mit anderen Worten das vom Fachgesetz gebilligte Ziel auch ohne diese nachteilige Auswirkung auf Natur und Landschaft erreicht werden kann. 2 6 Es handelt sich bei dem Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen somit um ein typisches Optimierungsgebot unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes und der Landschaftspflege, um eine technisch-fachliche Optimierungspflicht 27 bei der konkreten Ausführung des Vorhabens, vergleichbar der Regelung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. 2 8 Ist das Vorhaben dagegen schon nach dem einschlägigen Fachgesetz unzulässig, besteht für das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen von vornherein kein Anwendungsbereich. Fehlt es beispielsweise für ein Straßenbauvorhaben schon an der konkreten Planrechtfertigung, weil der Verkehrsbedarf bereits durch vorhandene Straßen befriedigt werden kann und die neue 23 24
Breuer, N u R 1980, 89, 93. Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,181.
25 26
Breuer, N u R 1980, 89, 93; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 18.
27
V G H Bad.-Württ., D V B l . 1986, 364, 367.
28
Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,181.
8. Kap.: Rechtsfolgen
161 29
Straße daher nicht "vernünftigerweise geboten" ist , ist das Vorhaben schon nach dem Fernstraßengesetz unzulässig; die Frage der Verminderung von Beeinträchtigungen spielt keine Rolle mehr. Dasselbe gilt, wenn sich bei Planungsentscheidungen die Unzulässigkeit des Vorhabens auf der Ebene der Abwägung ergibt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß insbesondere die Frage des Standorts eines Vorhabens durch das einschlägige Fachgesetz geregelt wird. Dies gilt nicht nur bei gebundenen Entscheidungen wie z. B. im Baurecht 30 oder bei Anlagen, die einer atomrechtlichen oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen 31 , sondern auch und insbesondere bei Fachplanungsentscheidungen, die aufgrund planerischer Abwägung ergehen. Der konkrete Standort eines Vorhabens wie z. B. die Trassenführung einer Straße ist das Ergebnis dieser Abwägung, bei der alle im konkreten Fall relevanten Belange berücksichtigt werden, einschließlich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Dieses so erarbeitete Ergebnis kann nicht durch das "Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen" aufgrund der Eingriffsregelung wieder korrigiert und eine Trassenführung gefordert werden, die die Abwägungsentscheidung im Ergebnis hinfällig werden läßt. 3 2 Die Eingriffsregelung hat somit die mit der Standortentscheidung des Fachgesetzes verbundenen Beeinträchtigungen als "unvermeidbar" hinzunehmen. Eine "Optimierung" ist insoweit nicht mehr möglich; jede Änderung des Standorts würde im Ergebnis ein "aliud" bedeuten und damit das vom Fachgesetz grundsätzlich gebilligte Vorhaben untersagt.
29 So das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidende Kriterium, vgl. B V e r w G E 56,110,119; allgemein zum Verhältnis Eingriffsregelung - Fachplanungsrecht Ronellenfitsch, VeiwArch. 1986,177,186. 30 I m Baurecht ist die Frage des Standorts des Vorhabens durch das Grundstück des Bauherrn und dessen Bauentscheidung vorgegeben. Die Baugenehmigungsbehörde kann dem Antragsteller sein Vorhaben nicht unter der Bedingung genehmigen, ein anderes Grundstück zu bebauen; dies stellt ein aliud gegenüber dem Antrag dar. Hält die Behörde das vom A n tragsteller geplante Vorhaben an dem von diesem vorgesehenen Standort nicht für zulässig, so muß sie es ablehnen. Vgl. auch Schroer, Umeltverträglichkeitsprüfung, S. 47, 61. 31 Bei solchen Vorhaben, die derart weitreichende Auswirkungen haben, wird in der Regel ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das den Standort der Anlagen bestimmt; für Kernkraftwerke ist außerdem die Standortvorsorgeplanung für Kernanlagen zu beachten; vgl. hierzu Graf Vitzthum/März, VB1BW 1987, 322 ff. 32 Unzutreffend daher das Beispiel, daß eine bestimmte Trassenführung wegen Verstoßes gegen das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen unzulässig sein könne. So aber zuerst Naser, BWVPr. 1976, 270, dem sich die Literatur überwiegend angeschlossen hat; vgl. Breuer, N u R 1980, 89, 93; Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 a Rdnr. 2; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 409, 410; Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 52; ein - versteckter - Hinweis, daß die Frage des Standorts eines Vorhabens nicht über das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen korrigiert werden kann findet sich dagegen in der Entscheidung des V G H Bad.-Württ., D V B l . 1986, 364, 367.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Diese Rechtsfolge ist aber von dem Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen nicht umfaßt. 33
II. Verbot vermeidbarer Eingriffe ? In der Literatur wird im Rahmen des Verbots vermeidbarer Eingriffe auch die Frage diskutiert, ob und in welchen Fällen § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG die Untersagung des Vorhabens selbst, also das Verbot des Eingriffs an sich trägt; dabei sind zwei Problemkreise zu unterscheiden: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung enthält zunächst kein "Verbot vermeidbarer Eingriffe". Gem. § 8 Abs. 2 BNatSchG sind (nur) vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen, zu untersagen ist der Eingriff selbst dagegen (nur) unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG. Obwohl der Wortlaut der Vorschrift insoweit in jeder Hinsicht völlig eindeutig ist, besteht Anlaß, dies ausdrücklich hervorzuheben, da wohl sogar in der Mehrzahl der Veröffentlichungen, die sich mit den Rechtsfolgen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung befassen - contra legem - von einem "Verbot vermeidbarer Eingriffe" ausgegangen wird. 3 4 Daraus folgt, daß eine der in der Literatur sehr breit erörterten Fragen, nämlich unter welchen Umständen ein "Eingriff' eigentlich "vermeidbar" ist, sich nach dem eindeutigen Wortlaut der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung überhaupt nicht stellt; daß die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung eine solche Rechtsfolge nicht vorsieht, folgt unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf keiner zu diesem Ergebnis führenden restriktiven Interpretation. 35
33 Im Ergebnis ebenso jetzt ausdrücklich V G H Bad.-Württ., V B I B W 1988, 337, 341 (zum Standort einer Abfallentsorgungsanlage) und V B I B W 1989, 61, (zur Trassenführung einer Bundesfernstraße) mit dem zutreffenden Hinweis, daß bei anderem Verständnis des "Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen" die Gefahr einer "Kreisverweisung" bestünde; jedem Standort könnte in der Regel entgegengehalten werden, das geplante Vorhaben sei - jedenfalls auch - an einem anderen Standort realisierbar, also schon aus diesem Grund an dem vorgesehenen Standort "vermeidbar". 34 So u. a. Fickert, BayVBl. 1978, 681, 686; Schulte, VerwArch. 1986, 372, 374; Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177, 181; Erbguth/Püchel, N u R 1984, 209, 213; Gassner, N u R 1984, 81, 84; ders. U P R 1988, 321, 322; Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 195; Book, Bodenschutz durch räumliche Planung, S. 164; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 18 Rdnr. 57. 35 Z u welchen Schwierigkeiten der Ansatz bei einem "Verbot vermeidbarer Eingriffe" führt, zeigen sehr deutlich die Ausführungen von Schulte, VerwArch. 1986, 372, 374 ff: Ausgehend von diesem - vermeintlichen - Verbot stellt er fest, daß es in bezug auf die bauliche Nutzung von Grundstücken eine "radikale Einschränkung der Bebaubarkeit" zur Folge hätte und daher in dieser Weise nicht angewendet werden könne und "so auch nicht gemeint" sei, um dann im Wege einschränkender Interpretation der Vorschrift zu dem zu kommen, was sie eigentlich anordnet, nämlich ein Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen, nicht aber des Eingriffs selbst.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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A u f einer anderen Überlegung scheint auf den ersten Blick eine zweite Fallgruppe zu beruhen, für die in der Literatur ebenfalls die Ansicht vertreten wird, daß über das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen, jedenfalls im Einzelfall, auch das Vorhaben an sich untersagt werden könne. Die Vermeidbarkeitsklausel soll danach die Untersagung von Eingriffen insgesamt rechtferigen, wenn alle mit dem Eingriff verbundenen Beeinträchtigungen vermeidbar seien und der Eingriff sich darin erschöpfe. 36 Die Untersagungsmöglichkeit in solchen Fällen ergebe sich aus dem Zweck der Vorschrift; Eingriffe, die für die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks nicht erforderlich und insofern "vermeidbar", nicht "notwendig" seien, müßten untersagt werden können. 37 Diese Auffassung geht zurück auf ein Urteil des O V G Koblenz vom 13. 12.1979 39 ; der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte auf ihrem Wiesengrundstück ein Wasserbecken von ca 300 m 2 angelegt, dessen einziger Zweck darin bestand, das sumpfige Wiesengelände zu entwässern, um es ordnungsgemäß bewirtschaften zu können; eine durchgeführte Beweisaufnahme ergab jedoch, daß das Wasserbecken zu diesem Zweck überhaupt nicht geeignet war, im Gegenteil sogar dazu führte, daß sich das Wasser noch länger als zuvor in der Wiese staute. Das O V G Koblenz hat zunächst richtig festgestellt, daß es sich bei dem Wasserbecken um einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 4 LPflG Rh.-Pf. handelte; diesen Eingriff hat es sodann unter Berufung auf § 5 Abs. 1 L P f l G 4 0 für unzulässig erklärt. Der erste Leitsatz der Entscheidung lautet: "Ein Eingriff in Natur und Landschaft ist von vornherein unzulässig, wenn er vermeidbar ist. Vermeidbar ist er, wenn er nicht geeignet oder erforderlich ist." Dieses Urteil ist zwar im Ergebnis richtig, denn das Wasserbecken war nicht genehmigungsfähig, die Begründung des Gerichts ist jedoch unzutreffend. Wie schon die oben zitierten Ausführungen zum "Verbot vermeidbarer Eingriffe" zeigt auch diese Begründung des O V G Koblenz deutlich, daß die Untersagung des Vorhabens auf eine Vorschrift gestützt wird, die eine sol-
36 So Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung im Lichte empirischer Untersuchung, S. 7, 8; Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 91 f; zustimmend Uebersohn, N u R 1989,114,115. 37 Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung im Lichte empirischer Untersuchung, S. 8. 38 Vgl. das Zitat der Entscheidung bei Burmeister/Winter, aaO, S. 8. 39
N u R 1981, 28.
40
Die Vorschrift entspricht § 8 Abs. 2 BNatSchG.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
che Untersagung "in toto" eben nicht vorsieht; sie trifft über "vermeidbare Eingriffe" keine Regelung. Diese Rechtsprechung beruht somit im Ergebnis ebenfalls auf einer Fehlinterpretation des Gesetzes. Das Gericht scheint dieses Problem i. ü. auch gesehen zu haben, denn sonst hätte kein Anlaß bestanden, den Eingriff als "von vornherein" unzulässig zu bezeichnen; das Gericht zeigt damit, daß es sich offensichtlich bewußt war, daß seine Entscheidung durch den Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt war. I m übrigen bestand auch keine Veranlassung, das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen als Untersagungsgrund des Vorhabens heranzuziehen; es war auch ohne die Anwendung dieser Vorschrift nicht genehmigungsfähig. Bei dem Wasserbecken handelte es sich um ein Vorhaben, das nur im Wege einer privatnützigen Planfeststellung genehmigt werden konnte. Nach den von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierzu entwickelten Grundsätzen 41 hatte das Gericht daher zunächst zu prüfen, ob dem Vorhaben "zwingende Versagungsgründe" entgegenstanden, die zur Versagung der Planfeststellung führen mußten. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht 4 2 stellt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung einen solchen zwingenden Versagungsgrund allerdings nicht dar, da auch die Untersagungsregelung des § 8 Abs. 3 BNatSchG ausdrücklich eine Abwägung 43 voraussetzt. Da andere "zwingende Versagungsgründe" im konkreten Fall ebenfalls nicht vorlagen, hatte eine planerische Abwägung aller betroffenen Belange stattzufinden. Diese Abwägung mußte schließlich zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen; die negativ betroffenen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege überwogen dabei offensichtlich das Interesse an der Ausführung eines als nutzlos erkannten Vorhabens. Dieses Ergebnis zeigt, daß auch ohne die Heranziehung des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft im konkreten Fall nicht genehmigungsfähig war; den Bedenken von Burmeister und Winter, solche Eingriffe sollten untersagt werden können, 4 4 ist daher auch ohne eine den Wortlaut des Vermeidungsgebots überschreitende Interpretation Rechnung getragen. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, daß das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG in keinem Fall die Untersagung des Eingriffs insgesamt trägt; eine Untersagungsregelung hat
41 42
Vgl. die Grundsatzentscheidung B V e r w G E 55, 220. Lang, BayVBl. 1981, 679. 680.
43 Zur Bedeutung der in § 8 Abs. 3 BNatSchG sowie den entsprechenden Länderregelungen angeordneten Abwägung s. u. S. 205. 44 Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechts im Lichte empirischer Untersuchung, S. 8.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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das Gesetz in § 8 Abs. 3 BNatSchG getroffen. Diese gesetzliche Unterscheidung ist zu respektieren. 45
III. Grenzen des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen 1. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Zur Verhinderung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bedarf es in der Regel mehr oder weniger kostspieliger Änderungen in Durchführung und konkreter Ausgestaltung des geplanten Vorhabens. Zur Vornahme dieser Änderungen ist der Verursacher des Eingriffs aufgrund des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen grundsätzlich verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht jedoch nicht schrankenlos; sie trifft den Verursacher nach allgemeinen Grundsätzen nur, soweit Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen tatsächlich und rechtlich möglich sind. Ob und inwieweit Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen tatsächlich möglich sind, ist keine Frage, die von Rechts wegen beantwortet werden kann, sondern eine Frage, welche technischen Möglichkeiten überhaupt bestehen und im konkreten Fall angewandt werden können. In rechtlicher Hinsicht ergeben sich die Grenzen der Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen - neben der "immanenten" Schranke der grundsätzlichen fachgesetzlichen Zulässigkeit des Vorhabens, die nicht überschritten werden darf 4 6 - zunächst aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 47 Zwar bezieht sich die Klausel "soweit es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist", die als einfachgesetzlicher Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstanden wird, 4 8 nicht auf das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen; 49 während eine solche Auslegung nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 BNatSchG noch möglich wäre, ist sie nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 BNatSchG ausgeschlossen; das Erforderlichkeitskriterium erstreckt sich danach nur auf das Ausgleichsgebot, nicht aber auf das Verbot
45 Ebenso in begrüßenswerter Deutlichkeit B G H , N u R 1981, 77, 79; das Gericht stellt (zum LPflegG S.-H.) fest, daß die Versagung einer Genehmigung für ein Vorhaben nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nur dann als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn sie das Ergebnis der - § 8 Abs. 3 BNatSchG entsprechenden - Abwägung ist. 46 S. o. S. 162. 47 Dies ist unbestritten; vgl. Breuer, N u R 1980, 89, 93; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 18; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 416; ebenso BT-Drs. 7/5251, S. 8. 48
Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 7.
49 A . A . zu Unrecht Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 416; ebenso Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 53; richtig dagegen Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a Rdnr. 2 a.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
vermeidbarer Beeinträchtigungen. Unabhängig von seiner einfachgesetzlichen Regelung gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedoch als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip 5 0 und ist daher von der zuständigen Behörde auch zu beachten, wenn sie dem Verursacher des Eingriffs Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen vorschreibt. Daher können aufgrund des § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG und der entsprechenden Ländergesetze nur Vorkehrungen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen verlangt werden, die den Voraussetzungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen. 51 Geeignet ist eine Maßnahme nur dann, wenn sie den angestrebten Erfolg überhaupt zu erreichen vermag; unzulässig wäre demnach z. B. die Anordnung bestimmter Vorkehrungen bei der Realisierung eines Vorhabens, die zwar einzelne Beeinträchtigungen verhinderten, gleichzeitig aber andere, möglicherweise schwerere, hervorrufen würden. A n der Erforderlichkeit fehlt es dann, wenn eine den Verursacher oder die Allgemeinheit weniger belastende Maßnahme zur Verfügung steht, die aber den gleichen Erfolg für Natur und Landschaft erreichen kann. Ist eine weniger belastende Maßnahme dagegen nicht imstande, den gleichen Erfolg herbeizuführen, so darf vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit auch eine sehr belastende, insbesondere kostenintensive Maßnahme gefordert werden, unabhängig davon, wie groß der Vorteil für das zu schützende Rechtsgut, hier also Natur und Landschaft ist. Eine Gegenüberstellung von Aufwand und Erfolg findet jedoch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne statt; eine Maßnahme ist nur verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn sie nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Aufgrund des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen können daher im Ergebnis auch keine Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen verlangt werden, die eines Aufwandes bedürfen, der im Verhältnis zum erreichten Vorteil für Natur und Landschaft unangemessen hoch ist. 5 3 Die zuständige Behörde kann also nicht die Vermeidung relativ leichter Beeinträchtigungen fordern, wenn dies nur mit erheblichem Aufwand möglich ist; derartige Beeinträchtigungen sind vielmehr - aus Rechtsgründen - unvermeidbar im Sinne der Eingriffsregelung. 54
50
Statt vieler B V e r w G E 38, 281, 302 m. w. N.
51 Zu diesen Voraussetzungen im einzelnen Maurer, Allgemeines Venvaltungsrecht, § 10 Rdnr. 17. 52
Vgl. als Beispiel den Fall des V G H Bad.-Württ., D V B l . 1986, 364, 367.
53
Breuer, N u R 1980, 89, 93; Schroeter, D V B l . 1979,16.
54
Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 19.
8. Kap.: Rechtsfolgen
167
2. Systematischer Vorbehalt des § 8 Abs. 3 BNatSchG Oben wurde dargelegt, daß über das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen das Vorhaben als solches nicht in Frage gestellt werden kann. Fraglich und umstritten ist allerdings, ob dies auch eine faktische Verhinderung des Vorhabens ausschließt, die sich daraus ergeben kann, daß die Behörde dem Verursacher des Eingriffs Maßnahmen zur Verminderung von Beeinträchtigungen vorschreibt, die zwar technisch möglich sind, den Vorhabensträger aufgrund der damit verbundenen Kosten aber faktisch zur Aufgabe seines Vorhabens zwingen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht solchen Forderungen zunächst nicht grundsätzlich entgegen; 55 auch auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung, im Rahmen der "Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne" bedarf es nur einer Abwägung zwischen den Vorteilen der angeordneten Maßnahmen für Natur und Landschaft auf der einen Seite und dem dafür notwendigen Aufwand auf der anderen Seite. 56 Ist dieser Aufwand angemessen, können also auch Maßnahmen verlangt werden, die im Ergebnis - faktisch - die Verhinderung des Vorhabens zu Folge haben. Dagegen ist eine Untersagung des Vorhabens "in toto" gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG nur zulässig, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen; im Rahmen dieser Abwägung ist also nicht nur das Verhältnis von Vorteilen für Natur und Landschaft durch Vermeidung von Beeinträchtigungen und dem dafür erforderlichen Aufwand entscheidend, sondern es sind auch die privaten und öffentlichen Interessen, die fiir die Realisierung des Vorhabens sprechen, zu berücksichtigen; 57 letztere spielen dagegen bei der Abwägung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Rolle. 5 8 Der Gesetzgeber hat mit § 8 Abs. 3 BNatSchG eine Vorschrift geschaffen, die die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Vorhaben, das einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt, untersagt werden kann. Diese Voraussetzungen dürfen nicht dadurch umgangen werden, daß ein Vorhaben über entsprechend aufwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen faktisch verhindert wird. Eine Untersagung des Eingriffs sollte vielmehr nach der Intention des Gesetzgebers, wie sie sich aus § 8 55
Unklar insoweit Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 416,417.
56 So richtig Fickert, Die Berücksichtigung ökologischer Belange bei der Planfeststellung, S. 29. 57 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 22; ausführlich zur Abwägung im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG unten S. 179 ff. 58 Dies verkennt Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 417.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Abs. 3 BNatSchG ergibt, nur nach Abwägung aller betroffenen Belange möglich sein. Dies ist auch im Rahmen des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen zu berücksichtigen; die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG sind daher im Wege systematischer Interpretation auch in § 8 Abs. 2 BNatSchG hineinzulesen. Die Behörde darf somit das Vorhaben faktisch verhindernde Maßnahmen zur Verminderung von Beeinträchtigungen nur fordern, wenn das Vorhaben bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nachrangig ist. Ergibt diese Abwägung dagegen den Vorrang des Vorhabens, ist die Anordnung derartigen Maßnahmen unzulässig; sie sind in diesem Fall ebenfalls unvermeidbar im Sinne der Eingriffsregelung. 59 Die Grenze, ab der ein Vorhaben durch entsprechende Maßnahmen zur Verminderung von Beeinträchtigungen faktisch verhindert wird, ist nach objektiven Maßstäben zu ermitteln; die subjektive finanzielle Leistungsfähigkeit des Verursachers darf keine Rolle spielen.
IV. Teilweise Vermeidbarkeit Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung unterscheidet nach ihrem Wortlaut nur zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Beeinträchtigungen. In der Regel sind die mit der Realisierung eines Vorhabens verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft jedoch nicht vollständig zu vermeiden sondern allenfalls zu reduzieren. Ist dies der Fall, so handelt es sich um insoweit vermeidbare Beeinträchtigungen; dabei kann sich die nur teilweise Vermeidbarkeit sowohl aus rein tatsächlichen als auch, wie gezeigt wurde, aus rechtlichen Gründen ergeben. Sind Beeinträchtigungen in diesem Sinne nur teilweise vermeidbar, so hat der Verursacher die insoweit erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen fordert in diesem Fall, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten; 60 § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG normiert insoweit also ein Minimierungsgebot. 61 Z u beachten ist allerdings, daß verbleibende Beeinträchtigungen zwar nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG zulässig sind, sie aber von der Vorschrift nicht insgesamt akzeptiert werden, sondern insoweit der Ausgleichspflicht des § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt.
59 Im Ergebnis ebenso Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 18, der zu diesem Ergebnis allerdings über die Anwendung der durch § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 BNatSchG angeordneten Abwägung kommt; vgl. auch Schroeter, D V B l . 1979, 14, 16; ausdrücklich anderer Ansicht, jedoch nicht überzeugend, Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 56. 60
Pielow, N u R 1987,166.
61
Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,181.
8. Kap.: Rechtsfolgen
169
BNatSchG unterliegen. Die zuständige Behörde kann somit für ein und dasselbe Vorhaben sowohl Maßnahmen zur Verminderung von Beeinträchtigungen als auch zu deren Ausgleich anordnen, soweit trotz Vermeidungsmaßnahmen Beeinträchtigungen verbleiben.
D. Die Verpflichtung zum Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1,2. Alt. BNatSchG I. Der Begriff des "Ausgleichs" Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen, soweit dies zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ergänzt damit das primäre Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen durch das sekundäre materielle Gebot zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen. Alle Landesnaturschutzgesetze haben diese Regelung ohne inhaltliche Änderung, überwiegend sogar wörtlich, übernommen. 62 Ob eine Beeinträchtigung "unvermeidbar" ist, ist nach den oben entwickelten Kriterien zu entscheiden. Unvermeidbarkeit liegt daher nicht nur dann vor, wenn die Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Realisierung des Vorhabens aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles technisch nicht möglich ist, sondern auch, wenn die Vermeidung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden könnte oder aufgrund der dadurch verursachten Mehrkosten das Vorhaben faktisch unmöglich machen würde, während es aber in einer Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft vorrangig wäre. Die eigentliche Schwierigkeit bei der Auslegung des Begriffs des "Ausgleichs" im Sinne der Eingriffsregelung liegt darin, daß - aus tatsächlichen Gründen - ein vollständiger Ausgleich aller durch ein Vorhaben hervorgerufener, nicht vermeidbarer Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und insbesondere des Naturhaushalts in keinem Fall möglich ist. Dies ist eine unbestrittene Erkenntnis der Ökologie; die Wiederherstellung des status quo ante ist ausgeschlossen.63 Der Gesetzge62 Vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 i V m Abs.2 NatSchG BW; Art. 6 a Abs. 1 NatSchG Bay.; § 14 Abs. 4 NatSchG Bln.; § 11 Abs. 3 NatSchG Bremen; § 9 Abs. 4 NatSchG Hamb.; § 6 Abs. 2 NatSchG Hessen; § 10 NatSchG Nds.; § 4 Abs. 4 L G N R W ; § 5 Abs. 1 LPflG Rh.-Pf.; § 11 Abs. 1 NatSchG Saarl.; § 8 Abs. 1 LPflegG S.-H. 63 Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 20; Kaule, Ökologische Gesichtspunkte, S. 24, insbesondere unter Hinweis auf des Alter von Ökosystemen, das einen Wert darstellt, der sich in
170
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
ber hat dieser Schwierigkeit in gewissem Umfang Rechnung getragen. Da er in § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG den Begriff des Ausgleichs durch eine Legaldefinition umschrieben hat, steht fest, daß er nicht in einem strengen naturwissenschaftlichen Sinne zu verstehen ist; der Begriff des Ausgleichs ist ein rechtlicher, kein naturwissenschaftlicher. Die Legaldefinition umschreibt das Ziel des Ausgleichs; es ist (vollständig) erreicht, wenn nach der Beendigung des Eingriffs keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zurückbleiben. Beeinträchtigungen, die unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit oder Nachhaltigkeit bleiben, brauchen also nicht ausgeglichen zu werden. 65 Für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes gilt im Ergebnis nichts anderes; sie sind nach der Legaldefinition ausgeglichen, wenn das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Das Gesetz verlangt also auch insoweit keine identische Wiederherstellung des Zustandes vor dem Eingriff. 6 6 Es genügt allerdings auch nicht jede Neugestaltung; sie muß vielmehr dem Charakter der umgebenden Landschaft entsprechen, denn nur dann handelt es sich um eine "landschaftsgerechte" Neugestaltung. 6 7 Ist dies erreicht, liegt aber auch keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes mehr vor.
II. Ausgleichsmaßnahmen Eine Legaldefinition des in § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG verwendeten Begriffs der "Ausgleichsmaßnahmen" enthält das Gesetz nicht. Die Bedeutung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs erschließt sich aber aus der gesetzlichen Definition des "Ausgleichs" und dem systematischen Zusamkeinem Fall auch nur ansatzweise ausgleichen läßt; auch die juristische Literatur hat dies akzeptiert, vgl. Gassner N u R 1984, 81, 84; Ronellenfitsch, N u R 1986, 284, 287. 64 287.
Dies ist unbestritten; vgl. Gassner, N u R 1984, 81, 84; Ronellenfitsch, N u R 1986, 284,
65 Unzutreffend daher Gaede, Eingriffsregelung, S. 52, der davon ausgeht, daß es bei Anwendung der Eingriffsregelung "per saldo" zu überhaupt keinen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft mehr kommen darf. Daß es aus der Sicht der Ökologie durchaus möglich ist, zwischen erheblichen und nicht erheblichen Beeinträchtigungen zu unterscheiden, zeigt eine Übersicht bei Krause/Winkelbrandt, N u L 1982, 392, 393 über die Beziehungskette zwischen Maßnahmen eines Nutzungsvorhabens und Eingriff mit anschließender Bewertung der Erheblichkeit der auftretenden Beeinträchtigungen. 66 Z u eng daher die Auffassung des O V G Koblenz, N u R 1981, 29, 30 und N u R 1989, 138, 139, derzufolge ein Eingriff in das Landschaftsbild erst dann ausgeglichen ist, wenn er "optisch nicht mehr wahrnehmbar" ist. I m Ergebnis hätte dies doch die Forderung nach Wiederherstellung des status quo ante zur Folge. Ablehnend auch Gassner, NuR 1989, 61, 65; vgl. auch Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 a Rdnr. 3. 67 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 21.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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menhang mit der primären Verpflichtung des Verursachers eines Eingriffs zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen. Es handelt sich um Maßnahmen, die über eine bestimmte Ausgestaltung des Vorhabens selbst hinaus aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege geboten sind, um trotz einer Anpassung des Vorhabens an die Erfordernisse von Natur und Landschaft verbleibende, also nicht zu vermeidende, Beeinträchtigungen zu kompensieren. 68 Während mit dem Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen schon das Entstehen nachteiliger Auswirkungen eines Vorhabens auf Natur und Landschaft verhindert werden soll, sollen durch Ausgleichsmaßnahmen entstandene, nicht zu vermeidende Beeinträchtigungen durch darauf bezogene Maßnahmen im Ergebnis - per saldo - wieder reduziert werden. 69 Ausgleichsmaßnahmen sind daher nur solche Maßnahmen, die zwar auf das einen Eingriff darstellende Vorhaben unmittelbar bezogen sind, jedoch nicht seine konkrete Ausführung betreffen. Das Gesetz hat mit der Legaldefinition des "Ausgleichs" nur das durch Ausgleichsmaßnahmen anzustrebende Ziel definiert. Eine Zusammenschau dieser Legaldefinition mit der des Eingriffs selbst macht deutlich, wann Ausgleichsmaßnahmen dieses Ziel des Ausgleichs vollständig erreicht haben: Da Tatbestandsvoraussetzung eines Eingriffs gem. § 8 Abs. 1 BNatSchG das Vorliegen erheblicher oder nachhaltiger Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes ist, der Eingriff gem. § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG aber "ausgeglichen" ist, wenn nach Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen mehr zurückbleiben, ist es Aufgabe der Ausgleichsmaßnahmen, dazu zu führen, daß sich das Vorhaben unter Berücksichtigung der Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr als Eingriff im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Erst wenn dies der Fall ist, ist der Eingriff im Sinne des Gesetzes ausgeglichen, ansonsten liegt kein, jedenfalls kein vollständiger, Ausgleich vor. Von Bedeutung ist, daß die Eingriffsregelung von Ausgleichsmaßnahmen nicht fordert, daß sie geeignet und imstande sind, das so definierte Ziel des Ausgleichs auch vollständig zu erreichen und eingetretene Beeinträchtigungen insgesamt, jedenfalls bis zur Schwelle der Erheblichkeit und Nachhaltigkeit, zu beheben. Es reicht aus, wenn sie zur Erreichung dieses Ziels bei68 Gassner, N u R 1984, 81, 84; Pielow, N u R 1979, 15,17; Kuschnerus, D V B l . 1986, 75, 77. Vermieden werden sollte dagegen der in diesem Zusammenhang ebenfalls verwendete Begriff der "Naturalrestitution"; so Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 21; Breuer, N u R 1980, 89, 95; widersprüchlich Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht, S. 53 einerseits, S. 55 andererseits. Eine Naturalrestitution im Sinne der Wiederherstellung eines status quo ante ist zum einen nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht möglich und zum anderen von der Eingriffsregelung, wie gezeigt wurde, auch nicht gefordert. 69
Vgl. als Beispiel den Fall des O V G Bremen, N u R 1984, 310.
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
172
tragen. Führen Maßnahmen daher nur zu einer Verminderung eingetretener Beeinträchtigungen, so handelt es sich dennoch um Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG. 70 Kann durch sie jedoch nur ein Teilausgleich erreicht werden, so hat dies zur Konsequenz, daß die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 4 nicht - vollständig - erfüllt sind und auf der nächsten Stufe der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung, im Rahmen der Abwägung des § 8 Abs. 3 BNatSchG zu prüfen ist, ob der Eingriff insgesamt überhaupt zulässig ist. A u f diese Konsequenz ist hinzuweisen insbesondere angesichts von - jedenfalls mißverständlichen - Äußerungen in der Literatur, bei der Verpflichtung zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen gehe es nur um "Wiedergutmachung der Beeinträchtigungen im Rahmen des praktisch Möglichen" bzw. um "approximative Kompensation" 71 oder um "jede irgendwie geartete Heilung des konkreten ökologischen oder landschaftlichen Schadens"72 sowie der Feststellung "ist ein Vollausgleich ausgeschlossen, so genügt auch ein Teilausgleich" 7 . Soweit damit klargestellt werden soll, daß eine Ausgleichspflicht nicht nur besteht, wenn zur Verfügung stehende Maßnahmen das Ziel des Ausgleichs vollständig erreichen, so ist dies zutreffend; dagegen ist es nicht richtig, daß sich die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung insgesamt mit "approximativer Kompensation" entstandener Beeinträchtigungen begnügt; ein solches Verständnis widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG. 74
III. Räumliche oder funktionelle Begrenzung ? Zurecht nicht durchgesetzt hat sich die Ansicht, Ausgleichsmaßnahmen könnten - nach der bundesrahmenrechtlichen Definition des "Ausgleichs" grundsätzlich nur am unmittelbaren Ort der Realisierung des Vorhabens durchgeführt werden. 75 Entscheidend ist vielmehr, daß durch die Ausgleichsmaßnahmen die eingetretenen Beeinträchtigungen kompensiert werden. 7 6 Während Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes nur am Ort des Eingriffs selbst denkbar sind und auch nur dort behoben werden können, 7 7
70 71 S. 65. 72
Kuschnerus, D V B l . 1986, 75, 77. Gassner, N u R 1984, 81, 84. Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, Pielow, N u R 1979,15,17; Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht, S. 53.
73
Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,182.
74
Im Ergebnis ebenso Pielow, N u R 1987,165,166.
75 So aber Schroeter, D V B l . 1979,16, 17; zur (gesetzlichen) Definition des "Ausgleichs" und der "Ausgleichsmaßnahmen" in den Ländergesetzen, s. u. S. 191 ff.
6
S. o. S. 17.
8. Kap.: Rechtsfolgen
173
treten Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zwar regelmäßig, aber doch nicht ausschließlich nur am Ort der Realisierung des Vorhabens selbst auf. Dies wird deutlich an einem Beispiel: 78 Wird ein Dorf durch eine Dammbaumaßnahme von einem Kaltluftstrom abgeschnitten mit der Folge nachteiliger Auswirkungen auf das lokale Klima, so wird ein Ausgleich dieser Beeinträchtigung nicht erreicht, wenn durch Maßnahmen an Ort und Stelle des Eingriffs derselbe Kaltluftstrom zwar aufrechterhalten bleibt, aber durch Umlenkung das Dorf nicht mehr erreicht. Dagegen sind die Anforderungen des Ausgleichsbegriffs erfüllt, wenn ein anderer Kaltluftstrom durch Umlenkungsmaßnahmen so beeinflußt wird, daß er das Dorf erreicht und die Klimaqualität wieder herstellt. Der Ort des Eingriffs ist daher für die durchzuführenden Maßnahmen nicht entscheidend; es kommt vielmehr darauf an, daß sich die Ausgleichsmaßnahmen dort auswirken, wo die mit einem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen auftreten. Zurecht wird daher in der Literatur auf das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs zwischen Eingriff und Ausgleichsmaßnahmen hingewiesen; 79 Ausgleichsmaßnahmen müssen dazu beitragen, die konkret gestörten Funktionen und Wechselbeziehungen des Naturhaushalts wiederherzustellen. 80 Ausgleichsmaßnahmen sind daher allein an den "Funktionsraum" des Eingriffs 1 gebunden, der durch die (gestörten) funktionellen Beziehungen, also die nachteiligen Auswirkungen des Eingriffs, definiert wird; ob sie am Ort des Eingriff selbst oder an anderer Stelle in dem betroffenen Raum durchgeführt werden, spielt dabei keine Rolle. 8 2
77 Aus tatsächlichen Gründen fraglich daher das Beispiel von Breuer, N u R 1980, 89, 94, wonach "landschaftsgerechter Sichtschutz auch an entfernterer Stelle durchgeführt werden" könne; vgl. auch Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a, Rdnr. 3. 78 Krause/Winkelbrandt, N u L 1982, 392, 393. 79 Pielow, N u R 1979, 15, 17; Breuer, N u R 1980, 89, 94; Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177,182; Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht, S. 53; Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 59, 60. 80 Krause/Winkelbrandt, N u L 1982, 392, 393. 81
Ronellenfitsch, N u R 1986, 284, 287.
82 Es liegt auf der Hand, daß bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise ökologisch neutrale Raumgliederungen wie Verwaltungsgrenzen keine Schranken darstellen, jenseits derer nachteilige Auswirkungen von Vorhaben auf Natur und Landschaft außer Betracht bleiben können. Vgl. Krause/Winkelbrandt, N u L 1982, 392, 394; Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 16; ähnlich Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 20, 21; bedenklich dagegen Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,182.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
IV. Grenzen der Ausgleichspflicht 1.Verhältnismäßigkeit und systematischer Vorbehalt des § 8 Abs. 3 BNatSchG Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG sind Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen, soweit sie zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich sind. Diese Klausel wird zurecht als einfachgesetzlicher Hinweis auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstanden. 83 Das Ausgleichsgebot unterliegt somit zunächst den gleichen Schranken wie das Verbot vermeidbarer Beenträchtigungen; Ausgleichsmaßnahmen sind daher nur dann durchzuführen, wenn sie geeignet 84 und erforderlich sind und der durch sie verursachte Aufwand nicht außer Veroc
hältnis zu dem damit erreichten Erfolg steht. Ausgleichsmaßnahmen, die zwar technisch möglich sind, aufgrund der mit ihnen verbundenen Kosten den Verursacher des Eingriffs aber faktisch zur Aufgabe seines Vorhabens zwingen, unterliegen darüberhinaus, wie entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen, aus systematischen Gründen 8 6 den Schranken, die sich aus § 8 Abs. 3 BNatSchG ergeben. Nur wenn das Vorhaben bei Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft nachrangig ist, dürfen solche Maßnahmen gefordert werden; ist das Vorhaben dagegen vorrangig, so sind die Beeinträchtigungen im Sinne der Eingriffsregelung nicht ausgleichbar. 2. Erforderlichkeit in bezug auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege Fraglich ist, ob sich eine weitere Schranke für die Verpflichtung zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen daraus ergibt, daß gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG unvermeidbare Beeinträchtigungen (nur) insoweit auszugleichen sind, als es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich ist. 83 Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 7. 84 A n dem Erfordernis der Geeignetheit scheitern Ausgleichsmaßnahmen dann, wenn sie zwar theoretisch möglich sind, ihre Realisierung jedoch weiterer Inanspruchnahme von für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild wertvoller Bereiche bedarf. In solchen Fällen müssen die Maßnahmen unterbleiben; der Eingriff ist nicht im Sinne der Eingriffsregelung ausgleichbar; vgl. Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 21; Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a Rdnr. 5. 85 Breuer, N u R 1980, 89, 94; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 18; vgl. als Beispiel die Fälle O V G Lüneburg, N u R 1982, 26 und O V G Berlin, N V w Z 1983, 416, 417.
86
S. o. S. 167 ff.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind rein anthropzentrisch konzipiert; gem. § 1 BNatSchG sind Natur und Landschaft als Lebensgrundlage des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig zu sichern, nicht aber um ihrer selbst willen. 8 7 Daraus folgt bei konsequenter wörtlicher Anwendung des Gesetzes, daß Vorhaben, die zwar einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, deren Auswirkungen jedoch einer nachhaltigen Sicherung der Lebensgrundlagen des Menschen nicht entgegenstehen, nicht ausgleichspflichtig sind. 8 Diese theoretische, aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung folgende Überlegung hat indessen in der praktischen Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung keine weitere Einschränkung der Ausgleichspflicht zur Folge. 90 Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Ökologie liegt in dem Wissen um die vollständige Vernetzung aller natürlicher Faktoren des gesamten Naturhaushalts; 91 daher wirken alle Vorhaben, die einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, auch auf die Lebensgrundlagen des Menschen zurück 9 2 und stehen damit gleichzeitig der geforderten "nachhaltigen Sicherung" der Lebensgrundlagen des Menschen entgegen. Dies gilt insbesondere in einem Land wie der Bundesrepublik, in dem die Belastbarkeit der Ökosysteme ihre Obergrenze jedenfalls erreicht, in vielen Fällen sogar schon überschritten hat. 9 3 Vor dem Hintergrund die-
87 Dieser anthropozentrische Ansatz des Naturschutzrechts ist rechtspolitisch äußerst umstritten; vgl. Henneke, AgrarR 1986,192. 88 Ein solcher Fall ist von der gesetzlichen Regelung her nicht ausgeschlossen, da es bei der Definition des Eingriffs im Gegensatz zu der Ausgleichsverpflichtung nicht um eine Wertung der mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen vor dem Hintergrund der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege geht; so zurecht Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 527,528. 89
Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a, Rdnr. 5.
90 So auch Schroer, Umweltverträglichkeitsprüfung im Bauplanungsrecht, S. 7 ff., Erbguth, Raumbedeutsames Umweltrecht, S. 26 ff. 91 Allgemein bekanntes Beispiel dieses Phänomens sind die Nahrungsketten; vgl. hierzu Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 109 ff, insbesondere S. 111. 92 Es ist hervorzuheben, daß auch dem Wortlaut des § 1 BNatSchG nicht mehr als die Forderung nach einer solchen "Rückwirkung" auf die Lebensgrundlagen des Menschen zu entnehmen ist; insbesondere kann aus dem anthropozentrischen Ansatz nicht abgeleitet werden, daß die gesetzlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes erst dann eingreifen, wenn eine Zerstörung der Natur in einem Ausmaß droht, die in ihrer unmittelbaren Konsequenz auch das menschliche Leben an sich gefährdet oder zumindest in dem betroffenen Raum unmöglich macht. Eine Beschränkung des gesamten Naturschutzrechts auf derartige Evidenzfälle kann § 1 BNatSchG, auch soweit eine "nachhaltige Sicherung" gefordert wird, nicht entnommen werden. Differenzierend auch Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a, Rdnr. 5. 93 A u f diesen Zustand wurde schon Ende der siebziger Jahre von Seiten der Ökologie hingewiesen; vgl. statt vieler Reichelt, N u L 1979, 335, 337. Augenfälliges Beispiel in jüngster Vergangenheit ist der ökologische Zustand der Nordsee, welches zeigt, daß auch die Auffang-
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
ser tatsächlichen Gegebenheiten sowie aufgrund der Tatsache, daß ein "Eingriff in Natur und Landschaft" gemäß der Definition des § 8 Abs. 1 BNatSchG bereits das Vorliegen "erheblicher oder nachhaltiger" Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes voraussetzt, kann die Verweisung auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG keine über die grundsätzlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinausgehende Einschränkung der Pflicht zum Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen zur Folge haben. Ein, gerade zum Beleg der gegenteiligen Ansicht gebildetes, Beispiel von Fickert 9 4 zeigt dies deutlich: Wird durch ein Straßenbauvorhaben in einem waldreichen Gebiet wie dem Bayrischen Wald bewaldete Fläche in Anspruch genommen, so ist ein Ausgleich nicht schon wegen der Menge der verbleibenden Bäume nicht erforderlich. 95 Eine solche Sicht der Dinge verkennt, daß die ökologische Bedeutung von Waldflächen nicht nur in der Gesamtheit der vorhandenen Bäume besteht, sondern auch und insbesondere in der zusammenhängenden, gerade nicht durch Straßen und ähnliche Vorhaben durchschnittenen Fläche, wie sie in der Bundesrepublik nur noch in sehr geringem Umfang vorzufinden ist; so gibt es bestimmte Ökosysteme, die unterhalb einer bestimmten Mindestfläche nicht lebensfähig sind. 9 6 Da auch diese Systeme Teil des Naturhaushalts sind, wirkt sich auch ihr Verschwinden, wenn auch nur mittelbar über andere natürliche Faktoren, auf die Lebensgrundlagen des Menschen aus; der Forderung, solche Beeinträchtigungen seien wegen des anthropozentrischen Ansatzes des Naturschutzrechts aus der Ausgleichspflicht auszuklammern, ist daher zu widersprechen.
V. Frist Gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BNatSchG sind die Ausgleichsmaßnahmen innerhalb einer zu bestimmenden Frist auszuführen. Diese Frist muß der Schwierigkeit der Maßnahmen angemessen sein und die tatsächlichen Gegebenheiten und die berechtigten Belange des Verursachers berücksichtigen. 9 7 Z u beachten sind bei der Fristsetzung aber auch die konkreten Anund Verarbeitungskapazitäten eines solchen Ökosystems nur begrenzt sind; vgl. hierzu Der Spiegel, Nr. 23/1988, S. 18 ff. 94
BayVBl. 1978, 681, 686.
95 So aber Fickert, BayVBl. 1978, 681, 687; diese Ansicht zeigt augenfällig die Schwierigkeiten der Berücksichtigung oder gar Durchsetzung der Belange des Naturschutzes in der Fachplanung. 96 Vgl. die Arbeiten von Reichelt, N u L 1979, 335 und Heydemann, Arten- und Biotopschutz, S. 527 ff. 97
Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a, Rdnr. 4.
8. Kap.: Rechtsfolgen
177
forderungen der Ausgleichsmaßnahmen als Kompensationsmaßnahmen. Die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen kann aus ökologischen Gründen an eine bestimmte Frist gebunden sein; so wird ein Ausgleich z. B. nicht (mehr) erreicht, wenn einer Organismengruppe wesentliche Leistungen des Naturhaushalts entzogen und im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen erst so spät wieder hergestellt werden, daß die Organismen vorher absterben oder zur Abwanderung gezwungen werden und nicht mehr zurückkehren. 98 In derartigen Fällen müssen die Ausgleichsmaßnahmen innerhalb der aufgrund der natürlichen Gegebenheiten gesetzten Frist durchgeführt werden; ist dies aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich, so sind die Beeinträchtigungen im Sinne der Eingriffsregelung nicht ausgleichbar. Die Frist ist von der zuständigen Behörde somit immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu bemessen. Da Ausgleichsmaßnahmen definitionsgemäß auf bestimmte Beeinträchtigungen bezogen sind, kann diese Frist für verschiedene Maßnahmen unterschiedlich lange ausfallen; entscheidend ist allein, daß die angestrebte Kompensation der entstandenen Beeinträchtigungen erreicht werden kann.
E. Die Untersagung des Eingriffs gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG I. Einführung Über das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen und die Verpflichtung zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen hinaus enthält die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch die Rechtsgrundlage für ein vollständiges Verbot des Vorhabens; gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG ist der Eingriff zu untersagen, wenn die mit seiner Ausführung verbundenen Beeinträchtigungen nicht im erforderlichen Maße auszugleichen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft im Range vorgehen. Das vollständige Verbot des Eingriffs ist somit von zwei Voraussetzungen abhängig: Die mit der Realisierung des Vorhabens verbundenen Beeinträchtigungen von
98 Krause/Winkelbrandt, N u L 1979, 392, 393. 99 Inhaltlich übereinstimmende Vorschriften finden sich in allen Landesnaturschutzgesetzen, z. T. wurde die Regelung des § 8 Abs. 3 BNatSchG auch wörtlich übernommen; vgl. § 11 Abs. 1, 3 NatSchG BW; Art. 6 a Abs. 2 NatSchG Bay.; § 14 Abs. 5 NatSchG Bln.; § 11 Abs. 4 NatSchG Bremen; § 9 Abs. 5 NatSchG Hamb.; § 6 Abs. 2 NatSchG Hessen; § 11 NatSchG Nds.; § 4 Abs. 5 L G N R W ; § 5 Abs. 2 LPflG Rh.Pf.; § 11 Abs. 2 NatSchG Saarl.; § 8 Abs. 2 LPflegG S.-H.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Natur und Landschaft dürfen zum einen weder vermeidbar noch im erforderlichen Maße ausgleichbar sein, mit anderen Worten, es müssen trotz der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen verbleiben; hinzukommen muß zum anderen, daß im Rahmen einer Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege "im Range vorgehen", d. h. nicht gegenüber anderen, für die Realisierung des Vorhaben sprechenden Gründen, zurückstehen müssen.
II. Die Voraussetzungen der Untersagungsermächtigung 1. Objektive Unvermeidbarkeit und Unausgleichbarkeit von Beeinträchtigungen Die erste Voraussetzung ist erfüllt, wenn Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen aus tatsächlichen 100 oder rechtlichen 101 Gründen überhaupt nicht möglich sind. Sie ist darüberhinaus auch dann erfüllt, wenn solche Maßnahmen zwar zur Verfügung stehen und durchgeführt werden können, die auftretenden Beeinträchtigungen damit aber nicht vollständig vermieden oder ausgeglichen werden können, d. h. trotz ihrer Durchführung der Eingriff nicht (vollständig) im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG ausgeglichen i s t . 1 0 2 Dabei ist entscheidend die objektive Unvermeidbarkeit und Unausgleichbarkeit der Beeinträchtigungen; die erste Voraussetzung des § 8 Abs. 3 BNatSchG ist daher nicht erfüllt, wenn solche Maßnahmen tatsächlich und rechtlich möglich sind und gegenüber dem Verursacher des Eingriffs auch angeordnet werden, er dieser Anordnung jedoch nicht nachkommt. 1 0 3 Die Untersagung des Vorhabens an sich kann die zuständige Behörde in einem solchen Fall nicht auf § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. die entsprechenden Länderregelungen stützen. Daß das Vorhaben unter Beachtung der angeordneten Maßnahmen durchgeführt wird, ist auf andere Weise sicherzustellen, so. z. B. indem die Genehmigung
100 s. o. s. 174, insbesondere F N 84. 101 S. o. S. 174 ff. 102 Vgl. o. S. 171, 172; Maßnahmen, die das in § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG definierte Ziel des Ausgleichs nur teilweise zu verwirklichen vermögen, sind zwar Ausgleichsmaßnahmen im Sinne der Eingriffsregelung, verhindern jedoch nicht, daß das Vorhaben insgesamt an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG zu messen ist. 103 Die Untersagung des Vorhabens insgesamt ordnet in diesem Fall § 11 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG B W an; da § 11 Abs. 1 Nr. 3 i V m Abs. 3 NatSchG B W jedoch auch den Fall der objektiven Unmöglichkeit geregelt hat, bleibt das baden-württembergische Naturschutzgesetz nicht hinter dem Bundesrahmenrecht zurück; § 11 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG B W ist daher als "weitergehende Vorschrift" iSd § 8 Abs. 9 BNatSchG zulässig.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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nur unter der Bedingung der Durchführung der Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich der Beeinträchtigungen erteilt w i r d . 1 0 4
2. Die Abwägungsklausel a) Grundsätzliche Bedeutung Als zweite Voraussetzung sieht die Untersagungsermächtigung des § 8 Abs. 3 BNatSchG eine Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft vor; ergibt diese einen Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist der Eingriff zu untersagen. Diese Abwägungsklausel deutet hin auf entsprechende Regelungen im Fachplanungsrecht 0 5 und im Bauplanungsrecht 1 . Jedoch ist der Begriff der "Abwägung" nicht allein Planungsentscheidungen vorbehalten; wie dargestellt wurde unterscheidet eine beinahe unbestritten gebliebene "herrschende Meinung" vielmehr zwischen der sog. "gestaltenden" Abwägung 1 0 7 im Rahmen von Planungsentscheidungen und der sog. "nachvollziehenden" Abwägung 1 0 8 im Rahmen der Entscheidung nach § 35 BauGB. Die einzige Gemeinsamkeit der beiden Abwägungsbegriffe liegt darin, daß es sich in beiden Fällen um ein Verfahren der Entscheidungsfindung handelt, bei dem kollidierende Belange bewertend zueinander in Beziehung gesetzt werden. Jenseits dieser Gemeinsamkeit unterscheiden sie sich jedoch wesentlich; während das Wesen der "planungstypischen" Abwägung gerade darin liegt, daß sie eine Kompensation aller betroffenen Belange untereinander in dem Sinne erlaubt, daß ein Vorhaben wegen überwiegender positiver Auswirkungen in einem Bereich trotz negativer Auswirkungen in einem anderen Bereich genehmigungsfähig ist und diese Entscheidung außerdem nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, ist im Rahmen einer "nachvollziehenden" Abwägungsentscheidung eine solche Kompensation gerade ausgeschlossen und die von der Behörde getroffene Entscheidung unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. 1 0 9
104 Pielow, N u R 1979, 15, 16; anderes gilt natürlich in Baden-Württemberg, wo § 11 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG BW, wie in Fußnote 103 gezeigt, für dieses Problem eine spezielle Regelung bereithält. 105
Vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG.
106 Vgl. § 1 Abs. 5 BauGB. 107 Zur Bezeichnung der planungstypischen Abwägung als "gestaltende" Abwägung s. o. Kapitel 5, S. 110, F N 40. 108 Z u m Begriff der "nachvollziehenden" Abwägung und seiner Tauglichkeit zur Problemlösung vgl. oben Kapitel 5, S. 107 ff.
109
S. o. Kapitel 5, S. 109 ff.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Vor dem Hintergrund dieser Mehrdeutigkeit des Begriffs der "Abwägung" stellt sich die Frage, wie die in § 8 Abs. 3 BNatSchG angeordnete "Abwägung" zu verstehen ist. Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 BNatSchG wie der gesamten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ist die Genehmigungs- oder Anzeigebedürftigkeit des Eingriffs nach anderen Gesetzen. In der Literatur wurde deshalb der Versuch unternommen, die Bedeutung der Regelung des § 8 Abs. 3 BNatSchG aus ihrem Verhältnis zu den Voraussetzungen dieser anderen Gesetze zu ermitteln. 1 1 0 Dieser Ansatz ist methodisch falsch; er verstellt den Blick auf die eigene Aussage des § 8 Abs. 3 BNatSchG, die der Vorschrift als Rechtsnorm unabhängig von ihrem Verhältnis zu anderen Vorschriften zukommt. Entscheidend ist daher, die Vorschrift wie jede andere Rechtsnorm auch, nach den anerkannten juristischen Auslegungsregeln zu interpretieren; das Verhältnis des § 8 Abs. 3 BNatSchG zu den Genehmigungsvoraussetzungen anderer Gesetze ist eine Frage der Konkurrenz dieser Vorschriften und nach den hierfür bestehenden Kriterien zu lösen. Auf die eigene Aussage des § 8 Abs. 3 BNatSchG hat dieses Verhältnis dagegen keinen Einfluß; die Frage der Konkurrenz stellt sich vielmehr (allenfalls) dann, wenn die Auslegung des § 8 Abs. 3 BNatSchG ergeben hat, daß die Vorschriften zu verschiedenen Rechtsfolgen in bezug auf desselben Sachverhalt führen. 1 1 1 A n der Richtigkeit dieses systematischen Ansatzes ändert sich auch nichts durch die nur verfahrensrechtliche Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG oder dadurch, daß die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG grundsätzlich von der Genehmigungsbedürftigkeit des Eingriffs nach anderen Gesetzen abhängig ist; letzteres ist nur eine Tatbestandsvoraussetzung neben anderen, die § 8 Abs. 3 BNatSchG aufstellt; auf deren inhaltliche Bedeutung hat § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG keinen Einfluß. Eine in diesem Sinne "unabhängige" Interpretation des § 8 Abs. 3 BNatSchG ergibt, daß die dort angeordnete Abwägung im Sinne einer "echten", also nicht nur "nachvollziehenden", Abwägung zu verstehen i s t . 1 1 2 110 So ausdrücklich Steinberg, N u R 1983, 169, 172 unter Hinweis auf das Recht der gebundenen Entscheidungen einerseits und Breuer, N u R 1980, 89, 95, im ausdrücklichen Bestreben "Konkordanz mit dem Planfeststellungsrecht" zu schaffen andererseits. Dieser A n satz mußte zwangsläufig zu verschiedenen Auffassungen über die Bedeutung des § 8 Abs. 3 BNatSchG führen; vgl. auch die Kritik an Breuer bei Steinberg, aaO, F N 38. Erst recht unzutreffend ist die Auffassung von Steinberg, aaO, die Abwägungsklausel des § 8 Abs. 3 BNatSchG sei unterschiedlich zu verstehen, je nachdem ob die Genehmigung des Eingriffs nach dem Fachgesetz eine gebundene oder eine Planungsentscheidung darstelle; da diese Entscheidungsmodelle (abgesehen von terminologischen Unklarheiten in der Sache unstreitig) wesentlich verschieden sind, können sie nicht beide in ein und derselben Vorschrift angeordnet sein; dies ist denknotwendig ausgeschlossen. 111
Henseler, D V B l . 1982, 390, 393.
112 I m Ergebnis so auch Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 22; Engelhard/ Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 a, Rdnr. 8; Ebersbach, Rechtliche Aspekte, S. 417; Ronellen-
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Dies folgt schon aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift, wird aber darüberhinaus auch durch ihre Entstehungsgeschichte belegt. Der von § 8 Abs. 3 BNatSchG ausdrücklich verwendete Begriff der "Abwägung" wurde bislang noch in keiner gesetzlichen Regelung im Sinne einer "nachvollziehenden" Abwägung verstanden; die gesetzlichen Formulierungen des § 35 BBauG/BauGB, an denen der Begriff der "nachvollziehenden Abwägung" entwickelt wurde, benutzen den Begriff der "Abwägung" gerade nicht. § 8 Abs. 3 BNatSchG spricht zudem von der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft und nimmt damit auf des für eine "echte" Abwägungsentscheidung typische Interessengeflecht, die Gesamtschau aller betroffenen Belange, 11 Bezug; es soll nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 BNatSchG daher gerade nicht, wie für die "nachvollziehende" Abwägung kennzeichnend, der Eingriff jeweils isoliert einzelnen Belangen gegenübergestellt werden, mit der zwingenden Folge seiner Untersagung, wenn auch nur ein Belang nachteilig betroffen ist. 1 1 4 Eine solche Interpretation des § 8 Abs. 3 BNatSchG ist auch aus systematischen Gründen schon deshalb ausgeschlossen, weil § 8 Abs. 3 BNatSchG überhaupt nur dann anwendbar ist, wenn ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt, der aber gem. § 8 Abs. 1 BNatSchG bereits definitionsgemäß "erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes" fordert und diese Beeinträchtigungen nicht (bis unter die Schwelle der Erheblichkeit bzw. Nachhaltigkeit) reduziert werden können. Die (verbleibende) negative Betroffenheit der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ist damit tatbestandliche Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 BNatSchG; hätte diese, wie im Rahmen der in einer "nachvollziehenden" Abwägungsentscheidung gebotenen Einzelbetrachtung, auch immer die Unzulässigkeit des Vorhabens zur Folge, so hätte der Gesetzgeber auf die Aufnahme der Abwägungsklausel in § 8 Abs. 3 BNatSchG auch verzichten und sich auf die Regelung beschränken können, daß ein Eingriff zu untersagen ist, wenn Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden und nicht im erforderlichen Maße auszugleichen sind; die angeordnete Abwägung wäre also ohne jede eigenständige Bedeutung.
fitsch, VenvArch. 1986, 177, 183; Paetow, NuR 1986, 144, 147; ebenso, ohne die Abwägung allerdings ausdrücklich als "echte" zu bezeichnen, auch BVerwG, D V B l . 1985, 1141, 1144. Insgesamt nicht überzeugend die Ausführungen bei Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 74 ff, zu § 8 Abs. 3 BNatSchG und den Untersagungsvorschriften einiger Ländergesetze, insbesondere S. 79, 80, wo zwischen "freier" und "gebundener" Abwägung unterschieden wird; verkannt wird dort das Wesen der Abwägungsentscheidung als Entscheidungsfindungsprozeß unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen. 113
Vgl. Wahl, D V B l . 1982, 51, 55.
1
S. o. Kapitel 5, S. 109.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Das Verständnis der Abwägungsklausel des § 8 Abs. 3 BNatSchG im Sinne einer "echten" Abwägung ergibt sich schließlich auch aus der Entstehungschichte der Vorschrift, nämlich durch einen Vergleich mit der schon vor Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes bestehenden Regelung des § 11 NatSchG Bad.-Württ. über die Untersagung von Eingriffen in Natur und Landschaft, die bei Schaffung des Bundesnaturschutzgesetzes und damit auch des § 8 Abs. 3 BNatSchG dem Bundesgesetzgeber bekannt war und Berücksichtigung gefunden hat. Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG Bad.Württ. ist ein Eingriff zunächst unzulässig, "wenn unvermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen nicht oder nicht innerhalb angemessener Frist ausgeglichen werden können und wesentliche Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege oder der Erholungsvorsorge entgegenstehen". Diese Formulierung entspricht der Regelung des § 35 Abs. 1 BauGB; ebenso wie dort ist daher im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG Bad.-Württ. eine wertende Entscheidung vorzunehmen, bei welcher die betroffenen Belange zueinander in Beziehung gesetzt werden. Ergibt diese, daß die Belange des Naturschutzes entgegenstehen, so ist der Eingriff zunächst unzulässig, andere Belange und eine ggf. mögliche Kompensation bleiben außer Betracht. 1 1 5 Das baden-württembergische Naturschutzgesetz hat es jedoch nicht bei dieser Regelung belassen; gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 NatSchG Bad.-Württ. 1 1 6 "kann ein Eingriff nach Absatz 1 Nr. 3 zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche 117 Belange ... dies erfordern". Damit hat auch der baden11 ο
württembergische Gesetzgeber eine "echte" Abwägung angeordnet; zwar wird der Begriff der "Abwägung" nur versteckt in der Verwendung des Begriffs der "überwiegenden" Belange gebraucht, jedoch fordert § 11 Abs. 3 Satz 1 NatSchG Bad.-Württ. eine Berücksichtigung aller (öffentlichen) Belange und nimmt damit ebenfalls auf die eine "echte" Abwägung kennzeichnende Gesamtschau aller betroffenen Interessen Bezug. Daß sich der Bundesgesetzgeber in Kenntnis der Untersagungsermächtigung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG Bad.-Württ. gegen eine entsprechende Regelung entschieden hat, bestätigt das Ergebnis, daß es sich bei der in § 8 Abs. 3 BNatSchG an-
115 Ungenau die Kommentierung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG BW bei Künkele/ Heiderich, NatSchG BW, § 1 1 Rdnr. 6; der eigentliche Unterschied der Vorschrift zu § 8 Abs. 3 BNatSchG wird nicht erläutert, auf die Parallele zu § 35 BauGB nicht hingewiesen. 116
Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 62 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG BW.
117 Obwohl das Gesetz nur von "öffentlichen" Belangen spricht, sind auch die betroffenen privaten Belange zu berücksichtigen; dies folgt, ebenso wie im Rahmen des § 1 Abs. 2 BNatSchG und des § 1 Abs. 3 NatSchG BW aus der gebotenen verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschriften vor dem Hintergrund des A r t . 14 GG; so zurecht Schmidt-Aßmann, NuR 1979,1, 3; Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 1 Rdnr. 15. 118 Im Ergebnis ebenso Künkele/Heiderich, NatSchG BW, § 11 Rdnr. 10, wie aus dem Hinweis auf die Kommentierung zu § 1 NatSchG BW, dort Rdnr. 13 ff, folgt.
8. Kap.: Rechtsfolgen
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geordneten Abwägung, auch nach der Intention des Gesetzgebers, um eine "echte" Abwägung handelt. In diese Abwägung sind alle betroffenen öffentlichen und, soweit der Verursacher des Eingriffs kein Träger hoheitlicher Gewalt ist, auch alle privaten, wirtschaftlich bestimmten Interessen einzustellen. 119 Eine von Teilen 19Π
der Literatur geforderte Ausklammerung privater Belange würde dem Wesen der Abwägungsentscheidung als Gesamtschau aller betroffenen Belange widersprechen; der Gesetzgeber hat daher bewußt 1 2 1 in § 8 Abs. 3 BNatSchG die Abwägung aller Anforderungen, nicht nur der der Allgemeinheit, angeordnet. 2 2 Die Anforderungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG wurden daher zusammenfassend zurecht als "Prüfung der Allgemeinwohlverträglichkeit unter dem besonderen Gesichtspunkt des Naturschutzes und der Landschaftspflege" bezeichnet. 123 b) Berücksichtigung möglicher Ausgleichsmaßnahmen in der Abwägung Wie gezeigt wurde, hat eine Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG und damit die Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens an sich auch dann stattzufinden, wenn Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen zwar rechtlich und tatsächlich möglich sind, sie die bei der Realisierung des Vorhabens auftretenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft aber nicht im von der Eingriffsregelung insgesamt geforderten Maße reduzieren bzw. ausgleichen können. 12 Jedoch ist im Rahmen der Abwägung nach § 8 Abs. 3 BNatSchG die aufgrund der (insoweit) möglichen Maßnahmen eintretende Reduzierung bzw. Kompensation von Beeinträchtigungen schon zu berücksichtigen,1 denn diese Maßnahmen bleiben, wird das Vorhaben insgesamt 119
Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177, 183.
120 So, allerdings ohne weitere Begründung, Fickert, BayVBl. 1978, 686; Paetow, NuR 1986, 144, 147. 121 Dies ergibt sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien, BT-Drs. 7/5251, S. 8, wo von "allen übrigen Interessen der Allgemeinheit und des Betroffenen" die Rede ist. 122 Daß im Rahmen der Abwägung des § 8 Abs. 3 BNatSchG, auch nach Ansicht des Gesetzgebers, private Belange berücksichtigt werden müssen, folgt auch aus einem Vergleich mit der Abwägungsklausel des § 1 Abs. 2 BNatSchG; dort spricht das Gesetz nur von den "Interessen der Allgemeinheit"; vgl. Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 22. Eis wurde jedoch schon darauf hingewiesen, daß Art. 14 G G die Aufnahme privater Belange auch im Rahmen der Abwägung des § 1 Abs. 2 BNatSchG fordert; so zurecht auch Schmidt-Aßmann, N u R 1979, 1, 3. 123
So der treffende Ausdruck bei Henseler, D V B l . 1982, 390, 393.
124
S. o. S. 168, 169.
125 So ausdrücklich auch V G H Bad.-Württ., NuR 1984, 102, 103; im Ergebnis ebenso BVerwG, D V B l . 1985, 1141, 1144.
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4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
genehmigt, erforderlich und müssen durchgeführt werden. Dies hat zur Folge, daß das in Frage stehende Vorhaben eher zugelassen werden kann als ohne die Berücksichtigung dieser Maßnahmen, denn das (entscheidende) tatsächliche Maß der Beeinträchtigungen wurde reduziert und damit das Gewicht der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in der Abwägung. Solches Vorgehen ist sachgerecht und auch im Rahmen anderer rechtlicher Entscheidungen anerkannt; es gibt keinen sachlichen Grund, einen Eingriff, der unter Berücksichtigung von Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich ein bestimmtes Maß an Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft erreicht, in der Abwägung anders zu werten, als einen Eingriff, der von vornherein dasselbe Maß an Beeinträchtigungen mit sich bringt, bei dem weitere Kompensationsmaßnahmen jedoch ausgeschlossen sind. 1 2 6 Z u beachten ist jedoch, daß Auswirkungen der durchzuführenden Maßnahmen auf andere, kollidierende Belange in der Abwägung ebenfalls zu berücksichtigen sind. 1 2 7 Dies erfordert, jedenfalls bei einem öffentlichen Vorhaben wie z. B. einer Straßenbaumaßnahme, insbesondere die Berücksichtigung der mit der Durchführung dieser Maßnahmen entstehenden weiteren Kosten des Gesamtprojekts; diese Gesamtkosten müssen als Kostenfaktor in die Abwägung eingestellt werden. Dem "reduzierten" Belang des Naturschutzes darf nicht eine Wirtschaftlichkeitsberechnung gegenübergestellt werden, die die Kosten dieser "Reduzierung" nicht berücksichtigt. Dies wäre ein eindeutiger Fall eines Abwägungsdefizits, da nicht alle Belange vollständig in die Abwägung eingestellt wären. Eine solche "vorwegnehmende Betrachtungsweise" wird auch im Rahmen anderer Entscheidungen zurecht anerkannt; so darf die Planfeststellungsbehörde bei der Abwägung der betroffenen Belange den Ausgang eines Flurbereinigungsverfahrens berücksichtigen, 128 jedenfalls dann, wenn schon zu diesem Zeitpunkt das Maß der Betroffenheit nach Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens bekannt i s t . 1 2 9 Das Gleiche gilt im Rahmen der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung für Auflagen, die dem Träger der Straßenbaulast gem. § 17 Abs. 4 FStrG aufzuerlegen sind.
126 Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Führt ein Vorhaben wegen des Umfang der Versiegelung der zu seiner Realisierung erforderlichen Grundfläche in dem betroffenen Gebiet zu einer mittleren Temperaturerhöhung von 3 Grad C, läßt sich diese Temperaturerhöhung aber durch Ausgleichsmaßnahmen (Pflanzung von Bäumen, Anlegung von Gewässern u. ä.) auf insgesamt nur 1 Grad C senken, so ist dies der maßgebliche Wert der Beeinträchtigung der Natur in der Abwägung; von einem Wert von 3 Grad C auszugehen, besteht kein Anlaß. 127 Darauf weisen zurecht hin Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechts im Lichte empirischer Forschung, S. 9. 128
V G H Bad.-Württ., D Ö V 1981, 925.
129
Forsthoff, D Ö V 1981, 927, Anm. zu V G H Bad.-Württ., D Ö V 1981, 925.
8. Kap.: Rechtsfolgen
c) Planerische Gestaltungsfreiheit
185
?
§ 8 Abs. 3 BNatSchG räumt der entscheidenden Behörde, trotz der Ermächtigung zur "Abwägung", keine "planerische Gestaltungsfreiheit" ein, wie sie einer Gemeinde bei Erlaß eines Bebauungsplans oder einer zuständigen Behörde bei Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses zukommt. 1 3 0 Die Abwägung ist nicht Grundlage, sondern Grenze planerischer Gestaltungsfreiheit, die im Bauplanungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG folgt und im Fachplanungsrecht, ohne ausdrückliche Regelung, von den Fachplanungsgesetzen bereits vorausgesetzt wird, weil Planung ohne planerische Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre. 1 3 1 Eine entsprechende Planungshoheit steht der für die Entscheidung nach § 8 Abs. 3 BNatSchG zuständigen Behörde dagegen nicht zu; sie ist weder ausdrücklich angeordnet, noch wird sie von § 8 Abs. 3 BNatSchG vorausgesetzt. Die Abwägung im Rahmen der Untersagungsermächtigung der Eingriffsregelung erlaubt daher zwar eine Gesamtschau aller der von dem Vorhaben betroffenen Interessen und dabei eine Kompensation nachteilig betroffener Belange, sie erlaubt jedoch keinen Standortvergleich, d. h. ein Eingriff darf - gestützt auf § 8 Abs. 3 BNatSchG - nicht deshalb untersagt werden, weil er an anderer Stelle nur geringere Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zur Folge hätte. Eine so begründete Untersagung eines Vorhabens ist nur zulässig, wenn schon das die Genehmigungspflicht des Eingriffs gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG begründende Fachgesetz der zuständigen Behörde eine planerische Gestaltungsfreiheit einräumt; auch in diesem Fall kann die Untersagung jedoch nicht auf § 8 Abs. 3 BNatSchG gestützt werden, sondern folgt unmittelbar aus dem Fachgesetz selbst. 132 § 8 Abs. 3 BNatSchG setzt also, ebenso wie 130 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übt die Planfeststellungsbehörde selbst die planerische Gestaltungsfreiheit aus; vgl. BVerwGE 48,56. Dies wird neuerdings zurecht in Frage gestellt und darauf hingewiesen, daß - entsprechend der Verteilung der Kompetenzen im Rahmen der Bauleitplanung - die planerische Gestaltungsfreiheit dem Vorhabensträger, nicht aber bei der Planfeststellungsbehörde zukomme; deren Stellung entspricht vielmehr der deijenigen Behörden, die gem. §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 i V m § 203 Abs. 3 BauGB sowie der in Ausfüllung dieser Ermächtigung ergangenen Landesvorschriften die Bauleitpläne einer Gemeinde genehmigen. Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 279, 280; Beckmann, D Ö V 1987, 944, 948. 131
BVerwGE 48, 56, 59; Erbguth/Püchel, N u R 1984, 209, 210.
132 Die Untersagungsermächtigung des § 8 Abs. 3 BNatSchG hat somit im Rahmen von Entscheidungen, die bereits gemäß des einschlägigen Fachgesetzes aufgrund planerischer Abwägung ergehen, keine eigenständige Bedeutung. Unzutreffend daher, jedenfalls soweit die grundsätzliche Zulässigkeit eines Vorhabens in Frage steht, die schematische Darstellung des Verhältnisses von fachplanerischer Abwägung einerseits und der Abwägung aufgrund von § 8 Abs. 3 BNatSchG andererseits bei Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 525; die dort vorgeschlagenen doppelte Abwägung widerspricht dem Wesen der Abwägung als einer Entscheidung unter Berücksichtigung aller betroffenen Belange. Eigenständige Bedeutung hat die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung dagegen, da die Fachplanungsgesetze insoweit keine den Rechtsfolgen der Eingriffsregelung entsprechenden Pflichten des Vorhabensträgers
186
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 1
§ 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, ein bereits konkretisiertes, nach dem einschlägigen Fachgesetz zulässiges Vorhaben voraus; die Anwendung des § 8 Abs. 3 BNatSchG kann nur zu einer Entscheidung führen, die diese Zulässigkeit auch naturschutzrechtlich bestätigt oder aber insgesamt verneint, nicht aber dazu, ein ähnliches Vorhaben, ggf. an anderer Stelle, zu genehmigen. § 8 Abs. 3 BNatSchG ist also wie die gesamte Eingriffsregelung projektbezogen; 134 sie ist keine Vorschrift, die zu einer eigenständigen Planung ermächtigt.
III. Ermessen ? Ergibt die Abwägung den Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist die Behörde verpflichtet, den Eingriff zu untersagen; ein Ermessen kommt ihr nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 BNatSchG nicht z u . 1 3 5 Dies gilt ebenso für den Fall der Nachrangigkeit der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege; da schon die Abwägung die Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles erfordert, sind keine maßgeblichen Gesichtpunkte mehr denkbar, auf welche eine Entscheidung gegen das Vorhaben gestützt werden könnte; 1 3 6 die Behörde ist daher verpflichtet, das Vorhaben bei Nachrangigkeit der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu genehmigen. 137 vorsehen, für die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen sowie zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe. 133
S. o. S. 160.
134 Pielow, NuR 1986, 60, 62 spricht in bezug auf § 8 Abs. 3 BNatSchG insoweit völlig zurecht von einer "einzelfallbezogenen Abwägung". 135
Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 22.
136 Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 BNatSchG, die, wie Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177, 183 zurecht feststellt, damit das "klassische Wenn-Dann-Schema sprengt", da der Entscheidung eine Abwägung vorausgeht, ist somit zu interpretieren wie sog. "Koppelungsvorschriften", die unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessen - dem Wortlaut nach - verbinden; vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 25 ff. Ein Ermessen scheidet aus, da bereits im Rahmen der Subsumtion alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt wurden. Nach BVerwGE 18, 247, 250 gilt dies schon im Rahmen der sog. "nachvollziehenden Abwägung" gem. § 35 BauGB; erst recht kommt daher ein Ermessen im Anschluß an die "echte" Abwägung des § 8 Abs. 3 BNatSchG nicht mehr in Betracht. 137 Breuer, NuR 1980, 89, 95 und, ihm folgend, Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 a, Rdnr. 8, nehmen eine Pflicht zur Untersagung an, wenn die Zulassung des Eingriffs auf einem Abwägungsfehler (Abwägungsausfall, -defizit, -fehleinschätzung oder -disproportionalität) beruhen würde. Dies ist unzutreffend; gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG ist der Eingriff bei Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu untersagen; dieser Vorrang wird im Rahmen der Abwägung ausschließlich bei der Frage des richtigen Ausgleichs aller betroffenen Belange, also bei der vierten und letzten Stufe der Anforderungen an eine Abwägungsentscheidung geprüft. Daher entsteht die Rechtspflicht zur Untersagung nur, wenn die Zulassung des Eingriffs als "Abwägungsdisproportio' alitât" zu bezeichnen wäre. Andere Abwägungsfehler machen die Entscheidung der Behörde zwar rechtswidrig, begründen aber
8. Kap.: Rechtsfolgen
187
F. Weitergehende Vorschriften, § 8 Abs. 9 BNatSchG I. Ersatzmaßnahmen 1. Einfuhrung Gem. § 8 Abs. 9 BNatSchG können die Länder zu den in § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG getroffenen Regelungen "weitergehende Vorschriften" erlassen, insbesondere solche über "Ersatzmaßnahmen" bei Eingriffen, die zwar nicht (vollständig) ausgleichbar sind, jedoch im Rahmen der Abwägung nach § 8 Abs. 3 BNatSchG Vorrang haben. Alle Bundesländer mit Ausnahme von Hessen 1 3 8 haben von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und in ihre Naturschutzgesetze Vorschriften über vom Verursacher eines Eingriffs durchzuführende Ersatzmaßnahmen aufgenommen. 139 Damit wurde der zurecht kritisierten "bemerkenswerten Unausgewogenheit" 140 der bundesrechtlichen Eingriffsregelung begegnet, denn nach der rahmenrechtlichen Regelung greift das Verursacherprinzip in vollem Umfang dort, wo Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich möglich sind, auch wenn diese mit erheblichem finanziellen Aufwand für den Verursacher verbunden sind, während die Verursacherhaftung völlig entfällt, wo solche Maßnahmen aus tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden können. 1 4 1 Der Bundesgesetzgeber hat den Begriff der "Ersatzmaßnahmen" nicht definiert; ebenso fehlt es, im Gegensatz zum Begriff des "Ausgleichs", auch an einer Regelung, wann ein "Ersatz" im Sinne der Eingriffsregelung ernicht die Pflicht zur Untersagung; diese Gesichtspunkte sind zu trennen. Iis wäre auch im Ergebnis nicht verständlich, warum beispielsweise die mangelhafte Zusammenstellung des A b wägungsmaterials zur Untersagung des Eingriffs führen sollte; eine gerichtliche Überprüfung würde in diesem Fall zwar die Aufhebung der behördlichen Entscheidung zur Folge haben, nicht aber die Verpflichtung zur Untersagung des Eingriffs. 138 § 6 Abs. 3 NatschG Hessen sieht keine vom Verursacher selbst durchzuführenden Ersatzmaßnahmen vor, sondern nur die Zahlung einer Abgabe, die zur Vornahme derartiger Maßnahmen durch staatliche Stellen zu verwenden ist. 139 Vgl. § 11 Abs. 4 Nr. 2 NatSchG BW; Art. 6 a Abs. 3 NatSchG Bay.; § 11 Abs. 3 NatSchG Bln.; § 9 Abs. 6 NatSchG Hamb.; § 12 NatSchG Nds.; § 5 Abs. 1 L G N R W ; § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.; § 1 1 Abs. 3 NatSchG Saarl.; § 8 Abs. 3 LPflegG S.-H. § 1 1 Abs. 5 NatSchG Bremen enthält in bezug auf "Ersatzmaßnahmen" nur eine Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung; von dieser Ermächtigung hat der Senat der Stadt Bremen durch Erlaß der "Verordnung über Ersatzmaßnahmen nach dem Bremischen Naturschutzgesetz" vom 26. 5. 1986 (Brem. GBl. S. 121) Gebrauch gemacht. 140 So zuerst Pielow, NuR 1979, 15, 16; zwar sieht das Bundesnaturschutzgesetz, wie Breuer, NuR 1980, 89, 95, zurecht feststellt, die Möglichkeit von Ersatzmaßnahmen vor, jedoch enhält die rahmenrechtliche Regelung keine Verpflichtung zur Schaffung derartiger Vorschriften; dies rechtfertigt den Vorwurf der "Unausgewogenheit", da es der Bundesgesetzgeber in Kauf genommen hat, daß die Länder vom Erlaß entsprechender Regelung absehen.
141
Pielow, NuR 1979, 15, 16.
188
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
reicht ist. Die rahmenrechtliche Ermächtigung hat damit den Ländern neben der Entscheidung über das "Ob" von Ersatzmaßnahmen auch einen weiten Spielraum rechtspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten über das "Wie" solcher Maßnahmen eröffnet. Die Grenzen dieses Spielraumes ergeben sich, wie zu zeigen ist, insbesondere aus der Stellung der Verpflichtung zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen im Rahmen der Systematik der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung.
2. Die bundesrahmenrechtlichen Vorgaben a) Der Begriff der "Ersatzmaßnahmen" § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG dienen dem Schutz von Natur und Landschaft; Regelungen über "Ersatzmaßnahmen" als "weitergehende Vorschriften" können daher nur solche Normen sein, die mit der gleichen Intention 1 4 2 die Pflichten des Verursachers erweitern, indem sie ihn zur Durchführung von Maßnahmen verpflichten, die über die von § 8 Abs. 2 BNatSchG geforderten hinausgehen. Landesgesetzlich geregelte Ersatzmaßnahmen sind daher nicht anstelle von Ausgleichsmaßnahmen zulässig; 143 § 8 Abs. 9 BNatSchG macht vielmehr die Nichtausgleichbarkeit von Eingriffen zur Voraussetzung der Anordnung von Ersatzmaßnahmen. Eine Gleichsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist daher nach dem eindeutigen Wortlaut der bundesrechtlichen Regelung ausgeschlossen.144 Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG können somit nur solche Maßnahmen sein, die jedenfalls nicht alle Voraussetzungen erfüllen, die Ausgleichsmaßnahmen kennzeichnen. Dieser grundsätzliche Unterschied kann auch nicht unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in Abrede gestellt werden, wonach auch Ersatzmaßnahmen dem "Ausgleich" von Beeinträchtigungen und damit deren physisch-realer Kompensation dienen sollten. 1 4 5 Der diesem Verständnis der "Ersatzmaßnahmen" zugrun142 Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177, 183; Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 7. Dagegen ist die von Breuer, NuR 1980, 89, 96, 97, unter Rückgriff auf theoretische Erwägungen zum Verursacherprinzip darüberhinaus geforderte "Systemkonformität" der Ersatzmnaßnahmen abzulehnen; eine solche Forderung läßt sich § 8 Abs. 9 BNatSchG nicht entnehmen; siehe schon oben S. 158. 143
Breuer, N u R 1980, 89, 95.
144 Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechts im Lichte empirischer Untersuchung, S. 10; dort allerdings auch der Hinweis, daß diese Unterscheidung in der Praxis der Anwendung der Eingriffsregelung nicht erfolgt. 145 So aber Kuschnerus, D V B l . 1986, 78, 79; nicht überzeugend auch sein Versuch, die Bedeutung der von § 8 Abs. 9 BNatSchG rahmenrechtlich vorgesehenen Ersatzmaßnahmen von den (bestehenden) Länderrregelungen her zu interpretieren, da diese sich zwar im Rahmen der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG halten müssen, diesen Rahmen jedoch nicht
8. Kap.: Rechtsfolgen
189
deliegende § 7 Abs. 3 Satz 3 des "Gesetzentwurfs des Bundesrates für ein Bundesnaturschutzgesetz" 146 war deutlich enger als die Gesetz gewordene Vorschrift des § 8 Abs. 9 BNatSchG. 1 4 7 Ausgleichsmaßnahmen sind, wie gezeigt wurde, 1 4 8 gekennzeichnet durch ihre funktionale Zielsetzung und die damit verbundene räumliche Begrenzung; sie müssen geeignet sein, in dem betroffenen Landschaftsraum die konkret eingetretenen Störungen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes zu kompensieren. Daraus folgt für das richtige Verständnis der Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG: Es muß sich um Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege von Natur und Landschaft handeln, die gekennzeichnet sind durch eine Lockerung 1 4 9 oder sogar Aufhebung 1 5 0 der funktionalen Zielsetzung, der räumlichen Begrenzung oder auch beider Voraussetzungen zugleich. Ersatzmaßnahmen können also nach dem Inhalt der rahmenrechtlichen Ermächtigung gefordert werden zur Gewährleistung der durch das Vorhaben gestörten Funktionen an anderem Ort, zur Gewährleistung anderer Funktionen 1 5 1 im betroffenen Raum und schließlich auch zur Gewährleistung anderer Funktionen außerhalb des durch den Eingriff betroffenen Raumes; 1 5 2 insbesondere auch für einen Ausschluß der zuletzt genannten Möglichkeit ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt. Weitere Einschränkungen des bundesrechtlichen Begriffs der "Ersatzmaßnahmen" lassen sich nicht begründen; Forderungen der Literatur, Ersatzmaßnahmen müßten einen Zustand schaffen, der dem beeinträchtigten Zustand des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes "funktional ähn-
auszuschöpfen brauchen. Die Länderregelungen sind daher zur Bestimmung des bundesrechtlichen Rahmens ungeeignet. Diese Überlegung gilt ebenso für den Versuch von Fickert, BayVBl. 1978, 681, 691, die Bedeutung des § 8 Abs. 9 BNatSchG vor dem Hintergrund der "Grundsätze des Planfeststellungsrechts" zu erschließen. 146
BT-Drs. 7/3879, S. 7; vgl. Kuschnerus, D V B l . 1986, 78, 79.
147 Auch die - soweit ersichtlich - bislang einzige einschlägige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, N u R 1986, 294, 296, hebt zurecht den Wortlaut der Vorschrift gegenüber Versuchen interpretatorischer Einschränkung hervor. 148
S. o. S. 170.
149 Breuer, N u R 1980, 89, 95, 96, der diesen - richtigen - Ansatz im folgenden jedoch nicht konsequent fortführt; vgl. unten F N 153,154. 150
Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,183.
151 Ersatzmaßnahmen können nach § 8 Abs. 9 BNatSchG also auch solche sein, die ein "aliud" gegenüber dem vorherigen Zustand schaffen; so zurecht Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 a Rdnr. 12 mit einigen Beispielen; ebenso Krause/Winkelbrandt, N u L 1982, 392, 394. 152 Beispiele wiederum bei Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 a Rdnr. 12; schon an dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, daß gerade diese A r t von Ersatzmaßnahmen von der Regelung des bayerischen Naturschutzgesetzes nicht mehr gedeckt sein dürfte, da diese (insoweit) den Spielraum der bundesrechtlichen Ermächtigung nicht voll ausgeschöpft hat; vgl. unten S. 190, F N 157.
190
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung . 1 S'i
lieh" sei, sie müßten die beeinträchtigten ökologischen Faktoren durch "andersartige, aber verwandte Faktoren" ersetzen 5 4 oder "zwar keinen gleichartigen, jedoch einen gleichwertigen Zustand" herbeiführen 155 und könnten "jedenfalls nicht in einem völlig anderen Landschaftsteil" verlangt werden, 1 finden in § 8 Abs. 9 BNatSchG keine Grundlage. Dem steht nicht entgegen, daß einzelne Länder entsprechende Definitionen des Begriffs der Ersatzmaßnahmen in ihre Landesnaturschutzgesetze aufgenommen hab e n ; 1 5 7 sie bleiben insoweit allerdings hinter den Möglichkeiten, die § 8 Abs. 9 BNatSchG eröffnet, zurück. Hinzu kommt, daß es es für die vorgeschlagenen Abgrenzungen, mit Ausnahme des räumlichen Bezuges, keine brauchbaren Kriterien gibt; auch von den zitierten Autoren werden solche nicht genannt. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Eingrenzungen bedeutet daher in der Praxis eine weitere Verschärfung der mit der Eingriffsregelung ohnehin schon verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten und birgt die Gefahr in sich, die Regelung über Ersatzmaßnahmen im Ergebnis unpraktikabel, wenn nicht sogar unanwendbar zu machen. 1 5 8 b) Grenzen der Pflicht zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen Die Grenzen, die die zuständige Behörde, unabhängig von der konkreten landesrechtlichen Regelung, bei der Anordnung von Ersatzmaßnahmen in jedem Fall zu beachten hat, ergeben sich wie bei der Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen zunächst aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigk e i t . 1 5 9 Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Entscheidung über die Anordnung von Ersatzmaßnahmen nach der Systematik der Rechtsfolgenregelung der Eingriffsregelung eine Abwägung vorausgegangen sein muß, bei der, unter Berücksichtigung aller betroffenen Belange, über die grundsätzliche Zulässigkeit des Eingriffs an sich entschieden und diese bejaht wurde. Dies bedeutet, daß der Verursacher des Eingriffs nicht zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen verpflichtet werden darf, die ihn wegen des damit verbundenen, insbesondere finanziellen, Aufwandes im Ergebnis doch 153
So Breuer, N u R 1980, 89, 95, 96.
154 Ebenda. 155 So Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht, S. 56; Fickert, BayVBl. 1978, 681, 690. 156 So Schroeter, D V B l . 1979,14,17. 157 Vgl. als Beispiel A r t . 6 a Abs. 3 Satz 1 NatSchG Bayern, der fordert, Ersatzmaßnahmen müßten die durch den Eingriff gestörten Funktionen "möglichst gleichartig" gewährleisten. 158
Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 21; als Beispiel vgl. unten S. 192, F N 166.
159
So auch Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 97.
8. Kap.: Rechtsfolgen
191
zur Aufgabe des Vorhabens selbst zwingen würden; auch insoweit ist, wie bei Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen ein objektiver Maßstab und nicht die subjektive finanzielle Leistungsfähigkeit des Vorhabensträgers entscheidend.
3· Die Regelungen des Landesrechts im einzelnen Die Länder haben die bundesrechtliche Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG nicht einheitlich umgesetzt. Alle Landesnaturschutzgesetze sind jedoch bei ihrer Definition der Ersatzmaßnahmen hinter den durch § 8 Abs. 9 BNatSchG eröffneten Möglichkeiten zurückgeblieben und haben sich für deutlich engere als die danach zulässigen Voraussetzungen entschieden. In keinem Landesgesetz wurden durch die Vorschriften über Ersatzmaßnahmen die die Ausgleichsmaßnahmen kennzeichnende funktionale Zielsetzung und der daraus folgende räumliche Bezug vollständig aufgehoben; Ersatzmaßnahmen aufgrund Landesrechts sind vielmehr nur gekennzeichnet durch eine Lockerung der funktionalen Zielsetzung oder des räumlichen Bezuges. So weisen die entsprechenden Vorschriften in Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, im Saarland und in Schleswig-Holstein zwar eine funktionale Lockerung auf, indem sie die Wiederherstellung des gestörten Zustandes "möglichst gleichartig" 160 bzw. "gleichwertig" 161 oder "in möglichst ähnlicher Art und Weise" 6 2 fordern, halten jedoch am Erfordernis des räumlichen Bezugs fest. Dagegen ist der räumliche Bezug durch die Regelungen in Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gelockert; es wird jedoch die "Wiederherstellung" 163 oder "Gewährleistung" 164 der gestörten Funktionen auch im Rahmen von Ersatzmaßnahmen gefordert; damit wird an der funktionalen Zielsetzung festgehalten. 1 6 5 Die somit festzustellende restriktive Umsetzung der rahmenrechtlichen Ermächtigung ist rechtlich unbedenklich; die landesrechtlich vorgeschriebe160
Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bayern.
161
§ 8 Abs. 3 LPflegG S.-H.
162
§ 9 Abs. 6 Satz 2 NatSchG Hamb.; § 12 NatSchG Nds.; § 11 Abs. 3 NatSchG Saarl.
163
§ 5 Abs. 1 Satz 1 L G NRW.
164
§ 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.
165 Dies gilt, trotz des nicht eindeutigen Wortlauts, auch für die Vorschriften in BadenWürttemberg und Berlin. § 11 Abs. 4 Satz 2 NatSchG B W spricht von "ausgleichenden" Ersatzmaßnahmen und nimmt damit auf die funktionale Zielsetzung Bezug. § 14 Abs. 5 Satz 3 NatSchG Bln. fordert eine "Behebung" der entstandenen Beeinträchtigungen; dies ist durch die Gewährleistungen anderer Funktionen nicht möglich. Dagegen, jedoch wegen des unzutreffenden Verständnisses des § 8 Abs. 9 BNatSchG nicht überzeugend, Breuer, N u R 1980, 89, 96.
192
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
nen Ersatzmaßnahmen sind in keinem Fall mit Ausgleichsmaßnahmen identisch und dienen dem Schutz von Natur und Landschaft. Die rahmenrechtlichen Vorgaben des § 8 Abs. 9 BNatSchG wurden damit in keinem Fall überschritten. Dagegen ist diese Zurückhaltung rechtspolitisch, unter dem Gesichtspunkt eines möglichst effektiven Naturschutzes, fragwürdig; je höher die Anforderungen auch an Ersatzmaßnahmen sind, desto geringer sind die Möglichkeiten, solche auch im Einzelfall tatsächlich anzuordnen. 6 6 Der Verursacher eines nachhaltig schädigenden Vorhabens wird aus seiner an sich bestehenden Pflicht zur Durchführung von Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege von Natur und Landschaft entlassen, nur weil in Betracht kommende Maßnahmen das rechtlich geforderte Maß ökologischer Vergleichbarkeit vermissen lassen oder nur in einem anderen als dem unmittelbar von dem Eingriff betroffenen Raum möglich sind. Dies entspricht nicht der grundsätzlichen Zielsetzung der Naturschutzgesetze. 167
II. Ausgleichsabgaben Alle Landesnaturschutzgesetze mit Ausnahme des Naturschutzgesetzes Bremen 1 6 9 sehen unter bestimmten Voraussetzungen Geldleistungspflichten des Verursachers bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft vor. Als "weitergehende Vorschriften" stützen sich diese Regelungen ebenfalls auf § 8 Abs. 9 BNatSchG. Auch insoweit haben die Länder jedoch keine einheitlichen Vorschriften erlassen; mit Soell 1 7 0 ist 166 Dies zeigt deutlich das Beispiel des von Kuschnerus, D V B l . 1986, 75, 76 dort F N 6, zitierten, nicht veröffentlichten Urteils des O V G Münster vom 15. 8. 1985. Der Bundespost war als Vorhabensträgerin für den Bau eines Fernmeldeturmes wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes von der zuständigen Behörde als Ersatzmaßnahme die Pflicht auferlegt worden, in der Nachbarschaft des Turmes mehrere Hektar schlagreifen, ökologisch minderwertigen Nadelwaldes abzuholzen und durch die Neuanpflanzung von ökologisch höherwertigem Laubwald zu ersetzen. Das O V G hat diese Anordnung aufgehoben; dies geschah zurecht, da die Ersatzmaßnahme nicht von der Rechtsgrundlage des, im konkreten Fall einschlägigen, § 5 L G N R W gedeckt war, denn diese Vorschrift hält an der funktionalen Zielsetzung auch für Ersatzmaßnahmen fest; bei vollständiger Ausschöpfung der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG wäre die, für Natur und Landschaft zweifellos positive, Maßnahme dagegen zulässig gewesen. 167
So auch Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 21.
168 Vgl. § 11 Abs. 3 Satz 4 i V m Abs. 6 NatSchG BW; A r t . 6a Abs. 3 Satz 2 NatSchG Bay.; § 14 Abs. 6, 7 NatSchG Bln.; § 9 Abs. 6 Satz 3 - 5, Abs. 7 NatSchG Hamb.; § 6 Abs. 3 NatSchG Hessen; § 12 Abs. 2 NatSchG Nds.; § 5 Abs. 1 Satz 4, 5, Abs. 2 L G N R W ; § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.; § 11 Abs. 4 NatSchG Saarl.; § 8 Abs. 4 LPflegG S.-H. 169 § 11 Abs. 5 Nr. 2 NatSchG Bremen enthält zwar eine Ermächtigung an den Senat, Ausgleichsabgaben (unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 7 NatSchG Bremen) einzuführen, von dieser Ermächtigung wurde jedoch bislang noch kein Gebrauch gemacht. 170
Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 531.
8. Kap.: Rechtsfolgen
193
zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Arten der Abgabenpflicht zu unterscheiden:
1. Alternative Ausgleichsabgaben Die "alternative Ausgleichsabgabe" beschränkt die Zahlungspflicht des Verursachers auf die Kosten der Ersatzmaßnahme, die von der öffentlichen 171
Hand für ihn durchgeführt wird. Es handelt sich bei dieser Art der Zahlungspflicht nicht um eine eigentliche "echte" Ausgleichsabgabe, 172 sondern nur um die Kosten einer Ersatzvornahme im Hinblick auf die primär dem Verursacher obliegende Ersatzmaßnahme. Eine solche, mit der Verpflichtung zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen korrespondierende, Zahlungspflicht ist vor dem Hintergrund der rahmenrechtlichen Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG unproblematisch; 173 ob der Verursacher die Ersatzmaßnahme selbst durchführt oder nur die aufgrund der Ersatzvornahme durch die öffentliche Hand entstehenden Kosten trägt, stellt lediglich unterschiedliche Modalitäten der rahmenrechtlich ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit zur Einführung von Ersatzmaßnahmen dar. Auch der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 8 Abs. 9 BNatSchG ausdrücklich von der Zulässigkeit einer solchen Zahlungspflicht aus. 1 7 4 Rechtspolitisch bestehen gegen eine solche Regelung dieselben Bedenken wie gegen die restriktive Umsetzung des § 8 Abs. 9 BNatSchG in bezug auf Ersatzmaßnahmen insgesamt; der Verursacher eines Eingriffs kann nur dann zur Zahlung ver171 So Art. 6 a Abs. 3 Satz 2 NatSchG Bay.; § 12 Abs. 2 NatSchG Nds.; § 5 Abs. 1 Satz 4 L G N R W ; § 5 Abs. 3 LPflG Rh.-Pf.; entgegen der Ansicht von Gassner, N u R 1985,180, gehört auch die hessische Regelung zu dieser Gruppe; gem. § 6 Abs. 3 NatSchG Hessen ist die Abgabe nur "zur Finanzierung von Ersatzmaßnahmen" vorgesehen. § 9 Abs. 6 NatSchG Hamb, und § 8 Abs. 4 LPflegG S.-H. sehen sowohl die alternative als auch die subsidiäre Ausgleichsabgabe vor; dies gilt auch für die Ermächtigung in § 11 Abs. 5, 7 NatSchG Bremen. Wiederum unterschiedlich sind innerhalb der alternativen Ausgleichsabgaben die Voraussetzungen der Zahlungspflicht ausgestaltet; während in Bayern und Niedersachsen der Verursacher erst dann zur Zahlung verpflichtet werden kann, wenn er selbst zur Durchführung der (angeordneten) Ersatzmaßnahmen nicht imstande ist, sieht Hessen nur die Zahlung einer A b gabe zur Finanzierung der Ersatzmaßnahmen vor. Dagegen stellt es Nordrhein-Westfalen zunächst in das Belieben des Verursachers, ob er selbst die angeordneten Maßnahmen durchführen will oder den entsprechenden Geldbetrag zahlt; erst wenn er eine ihm gesetzte Frist nicht einhält, erlischt sein Wahlrecht und er ist zur Zahlung verpflichtet. Nach der Regelung in Rheinland-Pfalz steht es im Ermessen der Behörde, ob sie den Verursacher selbst zur Durchführung der Ersatzmaßnahmen verpflichtet oder den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangt. 172
Breuer, N u R 1980, 89, 97; ebenso wohl Gassner, N u R 1985,180.
173 Dies ist unbestritten; vgl. Breuer, N u R 1980, 89, 97; Fickert, BayVBl. 1978, 681, 691; Schroeter, D V B l . 1979,14,18. 174 Vgl. BT-Drs. 7/5251, wo eine derartige Zahlungspflicht ausdrücklich für zulässig erklärt wird.
194
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
pflichtet werden, wenn Ersatzmaßnahmen - und diese nur im Sinne der restriktiven landesrechtlichen Definitionen - überhaupt möglich sind. Können sie dagegen auch von der öffentlichen Hand, insbesondere wegen tatsächlicher Unmöglichkeit, z. B. weil die landesgesetzlich geforderte funktionale Identität nicht herstellbar ist, nicht durchgeführt werden, entfällt die Zahlungspflicht und damit die Verursacherhaftung völlig. 1 7 5
2. Subsidiäre Ausgleichsabgaben a) Übersicht Baden-Württemberg, 176 Berlin, 1 7 7 Bremen, 1 7 8 Hamburg, 1 7 9 das Saarl a n d 1 8 0 und Schleswig-Holstein 181 sehen (auch 1 8 2 ) subsidiäre Ausgleichsabgaben vor; dies bedeutet, daß die Zahlungspflicht des Verursachers erst dann entsteht, wenn bei einem vorrangigen, jedoch nicht ausgleichbaren Eingriff auch Ersatzmaßnahmen (objektiv) nicht möglich sind. Diese Regelung vermeidet, daß der Verursacher eines Eingriffs in derartigen Fällen objektiver Unmöglichkeit völlig aus seiner Verantwortung entlassen wird und ist daher Ausdruck eines konsequent verstandenen Verursacherprin-
b) Zulässigkeit Die Zulässigkeit subsidiärer Ausgleichsabgaben wurde in einigen Äußerungen der Literatur sowohl unter Berufung auf § 8 Abs. 9 BNatSchG als auch auf allgemeine (finanz-)verfassungsrechtliche Grundsätze in Frage gestellt. 1 8 4 175 Soell, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, S. 531; vgl. auch Heiderich, N u R 1979,19, 20, 22. 176
§ 11 Abs. 3 NatSchG.
177
§ 14 Abs. 6 NatSchG.
178 § 11 Abs. 5 i V m Abs. 7 NatSchG hat die Ausgleichsabgabe zwar nicht selbst eingeführt, die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung umfaßt jedoch (auch) subsidiäre Ausgleichsabgaben. 179
§ 9 Abs. 6 NatSchG.
180
§ 11 Abs. 4 NatSchG.
181 182
§ 8 Abs. 4 LPflegG. Vgl. oben F N 171.
183 Soell, Landschaftspflege- und Naturschutzrecht, S. 531; ebenso Heiderich, N u R 1979,19, 20. 184 So insbesondere Fickert, BayVBl. 1978, 681, 691; Schroeter, D V B l . 1979, 14, 18; ebenso eine Stellungnahme der Bundesregierung, abgedruckt in N u R 1979,105.
8. Kap.: Rechtsfolgen
195
aa) Vereinbarkeit mit § 8 Abs. 9 BNatSchG Die Vereinbarkeit subsidiärer Ausgleichsabgaben mit der Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG wird bestritten unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift; aus ihr sei zu schließen, daß der Bundesgesetzgeber subsidiäre Ausgleichsabgaben nicht in den Rahmen einbezogen wissen wollte, den er den Ländern für ihre Gesetzgebung setzte. 185 Für diese Ansicht findet sich jedoch bei näherer Betrachtung in den Gesetzgebungsmaterialien kein Anhaltspunkt; zwar waren die beteiligten Gesetzgebungsorgane während des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens unterschiedlicher Auffassung über die Zweckmäßigkeit von Ausgleichsabgaben bei Eingriffen in Natur und Landschaft, 186 jedoch wurde von keiner Seite deren grundsätzliche Zulässigkeit in Frage gestellt, ihre Einführung durch Landesrecht war vielmehr ausdrücklich vorgesehen. 187 Darüberhinaus gibt der Wortlaut des § 8 Abs. 9 BNatSchG keinen Anhaltspunkt für die Unzulässigkeit landesrechtlicher Ausgleichsabgaben. Sinn und Zweck der Ermächtigung sprechen für ihre Zulässigkeit, da sie den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienen und das Verursacherprinzip konsequent verwirklichen. Schließlich folgt aus der Verwendung des Wortes "insbesondere", daß die Ermächtigung zum Erlaß von Ersatzmaßnahmen nicht abschließend ist und somit auch andere Regelungen zulässig sind. 1 8 8 Die Einführung subsidiärer Ausgleichsabgaben durch Landesrecht verstößt somit nicht gegen § 8 Abs. 9 BNatSchG; sie sind als "weitergehende Vorschriften" im Sinne dieser Ermächtigung zulässig. 189
bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Auch Verfassungsrecht steht der landesrechtlichen Einführung subsidiärer Ausgleichsabgaben nicht entgegen; sie sind als "Sonderabgaben" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 190 verfassungsrechtlich zulässig. Im Sinne dieser Rechtsprechung ist zu unterscheiden zwi-
185 So ausdrücklich Schroeter, D V B l . 1979, 14, 18; zweifelnd auch Fickert, BayVBl. 1978, 681, 692. 186 Vgl. die ausführliche Darstellung bei Eckhard, N u R 1979, 134, mit Nachweisen aus den Gesetzgebungsmaterialien. 187 Vgl. BT-Drs. 7/3879, S. 36. 188 BVerwG, N u R 1986, 294, 296. 189 Gassner, N u R 1985, 1985, 180, 182; Breuer, N u R 1980, 89, 97; Eckhard, N u R 1979, 134 f.; BVerwG, NuR 1986, 294, 296; N V w Z 1989, 867. 190 Vgl. die Leitentscheidungen BVerfGE 55, 274 (Berufsausbildungsabgabe); B V e r f G E 57,139 (Schwerbehindertenabgabe); B V e r f G E 67, 256 (Investitionshilfeabgabe).
196
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
sehen Ausgleichsabgaben mit Finanzierungsfunktion 191 und Ausgleichsabgaben mit Lenkungsfunktion, 192 wobei an letztere deutlich geringere Zulässigkeitsanforderungen gestellt werden. 1 9 3 Die Ausgleichsabgabe nach Naturschutzrecht erfüllt indessen weder eine typische Lenkungsfunktion noch hat sie eine ins Gewicht fallende Finanzierungsfunktion, 1 jedoch lassen sich beide Funktionen auch nicht völlig verneinen. Durch die Abgabe fließen der öffentlichen Hand Finanzmittel zu, die zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege verwendet werden; somit besteht eine, wenn auch untergeordnete, Finanzierungsfunktion. 195 Eine Lenkungsfunktion ist insoweit zu bejahen, als zum Eingriff in Natur und Landschaft Entschlossene durch die Erhebung einer Abgabe von dem Eingriff abgehalten werden oder zumindest dazu angehalten werden, anderen Arten der Realisierung des Vorhabens, die nur geringere Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft mit sich bringen, bereits im Stadium der Planung den Vorrang einzuräumen. 196 Im Vordergrund der Abgabe steht eine Schadensausgleichs- bzw. Wiedergutmachungsfunktion; das Bundesverwaltungsgericht hat die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe daher als Ausgleichsabgabe "sui generis" bezeichnet, die weder den Anforderungen für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion noch den Anforderungen für Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion unterfalle; als eine als Entschädigung für den erfolgten Eingriff in Natur und Landschaft konzipierte Abgabe sei sie in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht ohne weiteres zulässig. 197 Mit dieser Qualifizierung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe setzt sich das Bundesverwaltungsgericht jedoch in Widerspruch zur jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sonderabgabenproblematik; 198 dort wurden Ansätze zu einer typologisch differenzierten Handhabung der Sonderabgabenkriterien im wesentlichen zurückgewiesen und die grundsätzlich einheitliche Geltung der strengen, für Abgaben mit Finanzierungsfunktion entwickelten Anforde-
rn
B V e r f G E 55, 274.
192
B V e r f G E 57,139.
193 194
B V e r f G E 57,139 ff. BVerwG, N u R 1986, 294, 295.
195 196
Meßerschmidt, D V B l . 1987, 925, 925; BVerwG, N u R 1986, 294, 295. BVerwG, N u R 1986, 294, 295.
197 BVerwG, N u R 1986, 294, 295. Im folgenden legt das Gericht allerdings zusätzlich "hilfsweise" dar, daß die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe auch die Voraussetzungen für Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion erfüllt; diese Ausführungen sind jedoch auch als "hilfsweise" Prüfung ungeeignet, denn die Abgabe ist an den (strengeren) Anforderungen an Abgaben mit Finanzierungsfunktion zu messen; dies verkennt auch Gassner, N u R 1985, 180, 183. 198
B V e r f G E 67, 256.
8. Kap.: Rechtsfolgen
197
rungen betont. 100 Eine Einschränkung dieser Voraussetzungen ist demnach nur zulässig bei Abgaben, die keinen Fianzierungszweck verfolgen, sei es als Haupt- oder auch nur als Nebenzweck; hinzutretende Lenkungszwecke können daran nichts ändern. 2 0 0 Gleiches gilt auch für andere kumulative •
.
.
.
ΛΛ1
Abgabenzwecke wie den hier intendierten Ausgleichszweck; somit ist auch die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe wegen ihres, wenn auch nur untergeordneten, Finanzierungszwecks nur unter diesen Voraussetzungen verfassungrechtlich zulässig. Indessen kommt es im Ergebnis auf diese Unterscheidung - in bezug auf die naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe - nicht an; sie genügt auch den strengen Anforderungen, die vom Bundesverfassungsgericht an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion gestellt werden: Die Abgabenpflichtigen bilden eine homogene Gruppe, 2 0 2 denn sie sind durch eine in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage sowohl von der Allgemeinheit als auch von anderen Gruppen abgrenzbar; daß grundsätzlich jedermann in die Gruppe der Abgabenpflichtigen geraten kann, indem er Eingriffe in Natur und Landschaft vornimmt, steht dieser spezifisch finanzverfassungsrechtlichen Gruppenvorstellung nicht entgegen. Die Abgabepflicht korreliert auch mit einer auf Sachnähe beruhenden "Gruppenverantwortung", 2 0 3 die aus der Verursacherhaftung der in Natur und Landschaft Eingreifenden folgt. Schließlich ist auch die Forderung nach "gruppennütziger Verwendung des Abgabeaufkommens" 204 erfüllt; zwar kommt die Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft primär nicht den Abgabepflichtigen sondern der Allgemeinheit zugute, jedoch fordert auch das Bundesverfassungsgericht keine schematische Interpretation dieses Kriteriums. Auszugehen ist vielmehr von einem breiten Spektrum verfassungsrechtlich zulässiger Verwendungszwecke, die von der rein-gruppennützigen über die auch-gruppennützige bis hin zur, ausnahmsweise zulässigen, fremd-nützigen Sonderabgabe reichen. 2 0 5 Bei der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe liegt eine auch-gruppennützige Verwendung vor; das Abgabeaufkommen wird insgesamt für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege verwendet; dies hat zur Folge, daß nicht ausgleichbare Eingriffe in anderen Fällen eher hingenommen werden können,
199
BVerfGE 67, 256, 278.
200
B V e r f G E 67, 256, 278.
201
Meßerschmidt, D V B l . 1987, 925, 930.
202
Z u dieser Voraussetzung B V e r f G E 55, 274, 305 f.; 57,139,166; 67, 256, 276.
203
Z u dieser Voraussetzung B V e r f G E 55, 274, 306 f,; 57,139,167; 67, 256, 276.
204 Z u dieser Voraussetzung B V e r f G E 55, 274, 307 f.; 67, 256, 276 f. 205 Meßerschmidt, D V B l . 1987, 925, 931; ders., Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 247 ff.
198
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung w
was insgesamt betrachtet der Gruppe der Eingreifenden zugute kommt. Somit sind im Ergebnis alle Voraussetzungen an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion erfüllt; subsidiäre Ausgleichsabgaben sind daher auch finanzverfassungsrechtlich zulässig. 207
III. Das Verhältnis "weitergehender Regelungen" gem. § 8 Abs. 9 BNatSchG zur Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG Im Gegensatz zu Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen 208 dürfen mögliche Ersatzmaßnahmen 209 oder gar Ausgleichsabgaben2 0 im Rahmen der Abwägung des § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. der entsprechenden Ländervorschriften nicht berücksichtigt werden. Dagegen sprechen Wortlaut und Systematik des § 8 Abs. 9 BNatSchG; 2 1 1 die Abwägung hat der Entscheidung über "weitergehende" Maßnahmen voranzugehen. 2 Eine Berücksichtigung derartiger Maßnahmen oder Abgaben schon in der Abwägung hätte dagegen eine rahmenrechtswidrige Verschiebung der Zulässigkeitsgrenze zur F o l g e 2 1 3 Nach der Systematik des § 8 Abs. 9 BNatSchG dürfen weitergehende Vorschriften weder dazu führen, daß vorrangige Eingriffe nicht durchgeführt werden können noch dazu, daß nachrangige Eingriffe aufgrund von Ersatzmaßnahmen zulässig oder gar mittels Ausgleichsabgaben "erkauft" werden. 2 1 4
206
Meßerschmidt, D V B l . 1987, 925, 931.
207 Im Ergebnis so auch Pietzcker, D V B l . 1987, 774, 779; a. A . Meßerschmidt, D V B l . 1987, 925, 932, der zwar auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe bejaht, sie jedoch als Vorzugslast in Gestalt einer Sondernutzungsgebühr qualifiziert. 208 S. o. S. 183. 209 So aber Kuschnerus, D V B l . 1986, 75, 79; dies ist allerdings aufgrund seiner Prämisse, wonach zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kein grundlegender Unterschied bestehe, konsequent, zeigt aber, daß gerade diese Prämisse unzutreffend ist; abzulehnen daher auch Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 97. 210 Vgl. Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechts im Lichte empirischer Untersuchung, S. 9 ff. 211 So richtig Schriewer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung im landschaftspflegerischen Begleitplan, S. 45. 212
Gassner, N u L 1979, 329, 330.
213 Schriewer, Möglichkeiten und Grenzen der Regelung im landschaftspflegerischen Begleitplan, S. 45. 214
BVerwG, N u R 1986, 294, 296.
8. Kap.: Rechtsfolgen
199
G. Erfassung der Beeinträchtigungen I. Das tatsächliche Problem Die praktische Umsetzung des Verbots vermeidbarer Beeinträchtigungen sowie die Pflicht zur Anordnung der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen stellt die gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG zuständige (Fach-)Behörde vor erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten. 215 Während diese Behörden, insbesondere die Baurechtsbehörden, die Frage, ob eine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vorliegt und wie diese vermieden oder ausgeglichen werden kann, in aller Regel aus eigener Kompetenz entscheiden können, 2 1 6 fehlt ihnen diese Kompetenz, soweit der Naturhaushalt durch ein Vorhaben betroffen ist. Die Anordnung von Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen des Naturhaushalts setzt Kenntnisse voraus sowohl über den ökologischen Zustand des von dem Vorhaben betroffenen Raumes, d. h. dort vorkommende natürliche Faktoren und deren Wechselbeziehungen, als auch darüber, wie diese Faktoren und Wechselbeziehungen durch ein konkretes Vorhaben gestört werden. 2 1 7 Wie gezeigt wurde, werden nur solche Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich von Beeinträchtigungen den Voraussetzungen der Eingriffsregelung gerecht, die die konkret eingetretenen Beeinträchtigungen zu vermeiden oder auszugleichen imstande sind; es reicht gerade nicht aus, irgendetwas anzuordnen, "wenn es nur grün ist". 2 1 8 Daher sind Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich, und, soweit dies landesrechtlich gefordert ist, auch Ersatzmaßnahmen, nur möglich, wenn zuvor das ökologische Potential im Sinne einer Bestandsaufnahme ermittelt wurde und die darin aufgrund der Realisierung des Vorhabens eintretenden Störungen abzusehen sind; 2 1 9 erst dann steht fest, worin die "Beeinträchtigungen des Naturhaushalts" eigentlich bestehen und wie sie, ggf. nur teilweise, vermieden oder ausgeglichen werden können oder welche Ersatzmaßnah215
Vgl. Hübler, U P R 1989, 121, 127.
216 Hierfür gibt es im wesentlichen zwei Gründe: Z u m einen können die Behörden zurückgreifen auf Erfahrungen mit dem bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbot, dessen Voraussetzungen zwar nicht mit denen der "Beeinträchtigung des Landschaftsbildes" identisch sind (vgl. oben Kapitel 6, S. 131), die aber auch nichts qualitativ anderes bedeuten, sondern nur im Maß der geforderten Beeinträchtigung abweichen; zum anderen ist auch bei der Frage der "Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes" im Sinne der Eingriffsregelung auf einen "durchschnittlichen Betrachter" abzustellen, sodaß die Mitarbeiter der Behörde regelmäßig von ihrer eigenen Sicht der Dinge ausgehen können und nicht auf Fachgutachten angewiesen sind. 217
Paetow, N u R 1986,144,148; Hoppe, W D S t R L 38 (1980), 211, 269.
218 Burmeister/Winter, Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechts im Lichte empirischer Untersuchung, S. 11.
219
Kuschnerus, DVBl. 1986, 75, 79.
200
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
men in Betracht kommen, soweit das einschlägige Landesrecht auch insoweit an der funktionalen Zielsetzung festhält. Von Seiten der Ökologie wird daher zurecht die Klärung der folgenden Vorbedingungen gefordert, ohne die entsprechende, funktional konzipierte Maßnahmen nicht möglich sind: 2 2 0 Jeder Eingriff muß 1.
erfaßbar und in seinen Auswirkungen (in Text und Karte) darstellbar,
2.
nach "Erheblichkeit" und "Nachhaltigkeit" differenzierbar,
3.
auf seine Ausgleichbarkeit hin
a)
allgemein, aber konkret,
b)
praktisch auf vorhandene Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege hin
interpretierbar sein und setzt dabei bereits voraus, daß 4.
die "Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts" als Bezugsobjekt für die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung
a)
generell operabel definiert,
b)
hinsichtlich des spezifischen Eingriffsorts bzw. Eingriffsobjekts einzelfallbezogen konkretisierbar
ist und daß 5a)
allgemein und
b)
auf den Einzelfall bezogen
Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zur Verfügung stehen und angewandt werden können. Es liegt auf der Hand, daß beispielsweise eine Baurechtsbehörde als gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG insoweit zuständige Behörde diesen Anforderungen nicht genügen kann; sie ist vielmehr auf die Unterstützung durch ökologischen Sachverstand angewiesen. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und in § 8 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG vorgeschrieben, daß die erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen grundsätzlich "im Benehmen" mit den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden getroffen werden. Zwar handelt es sich bei der Voraussetzung des "Beneh-
220 S. 14.
Die folgende Zusammenstellung findet sich bei Erz, Grundsätzliche
Probleme,
8. Kap.: Rechtsfolgen
201
mens" um die rechtlich schwächste Form der Beteiligung; sie wird bereits erfüllt durch rechtzeitige Information und Anhörung sowie die Berücksichtigung abgegebener Stellungnahmen, die entscheidende Behörde ist daran jedoch nicht strikt gebunden, sondern kann aus sachgerechten Gründen abweichend von der Stellungnahme der ins Benehmen zu ziehenden Behörde entscheiden. 221 Jedenfalls geeignet ist das Erfordernis des Benehmens aber, der zur Entscheidung zuständigen Behörde den Sachverstand und die Kenntnisse der Naturschutzbehörde zu vermitteln, sodaß dieser der Entscheidung zugrundegelegt werden kann. Durch die Beteiligung der Naturschutzberhörden bei der Entscheidung über Vermeidung, Ausgleich und ggf. Ersatz von Beeinträchtigungen ist das eigentliche tatsächliche Problem jedoch noch nicht gelöst; eine vollständige Erfassung aller natürlicher Funktionen und ihrer Wechselbeziehungen sowie der durch die Realisierung eines Vorhabens eintretenden Störungen ist unbestritten nicht möglich. Nach dem Stand der ökologischen Forschung besteht keine umfassende Kenntnis über alle Faktoren, die in einem Ökosystem wirksam sind oder über die funktionalen Wechselbeziehungen in einem Biotop oder einer Biozönose. 222 Darüberhinaus sind auch bekannte Funktionsbeziehungen nicht darstellbar, weil die hohe funktionale und räumliche Komplexität mancher Ökosysteme durch relativ kurzfristige Untersuchungsmethoden nicht erfaßbar oder aufgrund notwendigerweise vereinfachender Darstellungsformen der Bewertung und Entscheidung nicht zugänglich sind. 2 2 3 (Technisch) möglich ist daher nur ein Prüf-, Wertungs- und Maßnahmeverfahren, wie es nach den inhaltlichen Kriterien für Landschaftspläne gem. § 6 BNatSchG bzw. den entsprechenden Länderregelungen vorgesehen ist. Ein solches Verfahren umfaßt die folgenden Schritte: 2 2 4 1.
Zustandserfassung
(aller erfaßbaren Bestandteile von Ökosystemen); 2.
Zustandsbewertung
(im Hinblick auf die Eingriffs- und Ausgleichserheblichkeit, sowohl hinsichtlich des gesamten betroffenen Funktionsraumes als auch der Folgewirkungen);
221
Erichsen/Martens, Verwaltungsrecht, Allgemeiner Teil, S. 297.
222 Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 19; Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 16; Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 112 m. w. H. 223
Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 16.
224
Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 16.
202
3.
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Darstellung der Entwicklung
(primär aufgrund des Eingriffs, aber einschließlich der Vorbelastungen anderer möglicher Eingriffe und unter Einbeziehung der natürlichen Entwicklung); 4.
Darstellung der Erfordernisse
(Entwicklung von Zielen bzw. eines Leitbildes für Eingriffsminderung und Eingriffsausgleich, einschließlich der Möglichkeiten für ggf. erforderlich werdende Ersatzmaßnahmen oder der Berechnung von Ausgleichsabgaben); 5.
Darstellung der Maßnahmen
(für Eingriffsminderung und Eingriffsausgleich); 6.
Durchführung einer Erfolgskontrolle.
Wurde ein solches Verfahren für den von einem Eingriff betroffenen Raum, insbesondere im Rahmen der Erstellung eines Landschaftsplans, bereits durchgeführt, ist die Umsetzung der Eingriffsregelung für die zuständige Behörde in der Regel ohne weitere ökologische Untersuchungen möglich; die Naturschutzbehörde verfügt - im Rahmen der fachlichen Erkenntnismöglichkeiten - über die erforderlichen Informationen und Kenntnisse über das vorhandene ökologische Potential und die zu erwartenden Störungen durch die Realisierung des geplanten Vorhabens. Jedenfalls durch die Herstellung des gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG erforderlichen Benehmens wird es den zuständigen Genehmigungsbehörden ermöglicht, (funktional konzipierte) Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und ggf. zum Ersatz von Beeinträchtigungen anzuordnen, soweit solche tatsächlich und rechtlich möglich sind. Verfügt dagegen auch die Naturschutzbehörde (noch) nicht über die erforderlichen Kenntnisse, so müssen diese im Einzelfall ermittelt werden, z. B. durch Erstellung eines landschaftspflegerischen Gutachtens, das den oben genannten Voraussetzungen entsprechen muß. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht 2 5 folgt jedoch nicht schon aus dem Verursacherprinzip, daß in jedem Fall der Vorhabensträgef zur Erstellung eines solchen Gutachtens verpflichtet wäre; gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ist der Vorhabensträger nur verpflichtet, die ihm von der gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG zuständigen Behörde auferlegten Maßnahmen durchzuführen, nicht aber der Behörde auch die erforderlichen Informationen zu verschaffen, diese anzuordnen. Die grundsätzliche Aufteilung der Pflichten der Beteiligten in dem Verwaltungsverfahren richtet 225 Carlsen, N u R 1984, 48, 50; Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 b, Rdnr. 5; Friedlein/Weidinger/Graß, Bay. NatSchG, A r t . 6 b, A n m . 5.
8. Kap.: Rechtsfolgen
203
sich auch insoweit nach § 24 iVm § 26 Abs. 2 (L)VwVfG, wonach "weitergehende Pflichten" den Vorhabensträger nur treffen, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen sind. Allerdings haben einige Landesnaturschutzgesetze dem Vorhabensträger diese Pflicht ausdrücklich auferlegt; 226 dies ist rahmenrechtlich unbedenklich, da es sich insoweit um "weitergehende Vorschriften" im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG handelt.
II. Rechtliche Konsequenzen 1. Entscheidung nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen aufgrund der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung können die nur begrenzten Kenntnisse über natürliche Faktoren und ökologische Zusammenhänge nicht außer Betracht bleiben. Das Gesetz kann keine Anforderungen stellen, die tatsächlich nicht erfüllbar sind. Daher ist den Voraussetzungen der Eingriffsregelung jedenfalls dann genügt, wenn die getroffenen Entscheidungen dem jeweiligen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. 227 Dagegen wird es den Anforderungen der Eingriffsregelung nicht gerecht, die Erfassung und Bewertung des ökologischen Potentials von vornherein und in jedem Fall nur auf sog. "Vorrangfunktionen", die ein Ökosystem prägen, zu beschränken. 228 Eine solche restriktive Interpretation ist durch die nur eingeschränkten wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten weder geboten noch gerechtfertigt; der Aufwand der Erfaßbarkeit von Beeinträchtigungen ist nicht abhängig von der Bedeutung der betroffenen Funktionen im Naturhaushalt, denn auch wesentliche Funktionen können leicht, weniger wichtige schwer erfaßbar sein. 2 2 9 Die Eingriffsregelung unterscheidet nicht zwischen vorrangigen und anderen Funktionen, sondern danach, ob der Naturhaushalt erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt wird; dies müssen daher die 226 Vgl. § 12 Abs. 2 NatSchG BW; A r t . 6 b Abs. 3 NatSchG Bay.; § 15 Abs. 3 NatSchG Bln.; § 6 Abs. 2 Satz 3 L G N R W ; § 6 Abs.5 Satz 2 LPflG Rh.-Pf.; § 12 Abs. 3 NatSchG Saarl.; § 9 Abs. 5 LPflegG S.-H.; besondere Regelungen enthalten § 18 NatSchG Nds., der eine Untersuchungspflicht des Vorhabensträgers auf Eingriffe durch Bodenabbau beschränkt, sowie § 6 Abs. 5 NatSchG Hessen, der eine Ermächtigung zum Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung enthält, von der durch die "Verordnung über Eingriffe in Natur und Landschaft und die Pflicht zur Pflege von Grundstücken" vom 4. 8. 1982 (GVB1. I S. 213) Gebrauch gemacht wurde. 227 Erz, Grundsätzliche Probleme, S. 14; Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 19; Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177,182. 228 So aber Ronellenfitsch, NuR 1986, 284, 287; erstmals verwendet wird der Begriff der "Vorrangfunktionen" bei Gassner, N u R 1984, 81, 86, dort aber ausdrücklich als Frage, ob die Erfassung von "Vorrangfunktionen" im Rahmen der Eingriffsregelung ausreicht. 229
Dies verkennt Ronellenfitsch, N u R 1986, 284, 287.
204
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
grundsätzlichen Kriterien ökologischer Untersuchungen sein. Eine von vornherein vorgenommene Beschränkung auf bestimmte Funktionen ist dagegen nicht gerechtfertigt, insbesondere auch angesichts der Tatsache, daß sich erst im Laufe einer solchen Untersuchung die tatsächliche Bedeutung einzelner Funktionen für ein betroffenes Ökosystem herausstellen kann.
2. Verhältnismäßigkeit des Aufwandes Ebenso wie bei der Anordnung und Durchführung der Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen ist auch schon bei der notwendig vorgelagerten Erfassung und Bewertung des betroffenen ökologischen Potentials der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies bedeutet, daß auch die Anwendung zur Verfügung stehender wissenschaftlicher Erkenntnisverfahren ausgeschlossen sein kann, wenn diese zeitlich, technisch und damit finanziell derartig aufwendige Untersuchungen erfordern, daß sie nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen. Dies rechtfertigt bei weniger umfangreichen Eingriffen beispielsweise eine ökologische Bestandsaufnahme im Wege der Schätzung aufgrund allgemein anerkannter ökologischer Kriterien oder eine Beurteilung aufgrund bei anderen Eingriffen gewonnener Erfahrungen. 230 Dagegen kann bei schwerwiegenden Eingriffen eine umfassende Untersuchung, auch über einen längeren Zeitraum hinweg, geboten und erforderlich sein.
3. Beurteilungsspielraum der Behörde ? Bei der (gerichtlichen) Prüfung, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung von zutreffenden und in ausreichendem Maße ermittelten Tatsachen ausgegangen ist, das ökologische Potential also hinreichend erfaßt und beurteilt hat, steht ihr kein Entscheidungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar wäre. Wie bei jeder anderen Verwaltungsentscheidung steht der zuständigen Behörde auch bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung kein Beurteilungsspielraum zu, soweit es um die korrekte Ermittung der entscheidungserheblichen Tatsachen geht. 2 3 1 Während insoweit Einigkeit besteht, ist umstritten, ob der Behörde ein solcher Beurteilungsspielraum zusteht im Stadium der Entscheidung über die Auswahl der zu vermeidenden oder zu kompensierenden Funktionsstörun-
230
Fuchs, Allgemeine Erfahrung, S. 19, 22.
231
Paetow, N u R 1986,144,148; Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,182.
8. Kap.: Rechtsfolgen ΛΛΛ
205 ΛΛΛ
gen oder bei der Wahl der hierzu erforderlichen Maßnahmen. Dies hätte zur Folge, daß die von der Behörde getroffenen Entscheidungen nur daraufhin überprüfbar wären, ob die Behörde von falschen Tatsachen ausgegangen ist, Verfahrensvorschriften nicht eingehalten hat, sich von fachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet h a t . 2 3 4 Die Rechtsprechung hat eine solche Einschätzungsprärogative bislang nur anerkannt bei Prüfungsentscheidungen, beamtenrechtlichen Beurteilungen und Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen und/oder Interessenvertretern besetzten Ausschüssen. 237 Die Einräumung eines Beurteilungsspielraumes in diesen Fällen ist gerechtfertigt, da eine gerichtliche Überprüfung hier an sachlogische und damit auch rechtslogische Grenzen stößt. 2 Dagegen ist eine Ausdehnung der Rechtsfigur des "Beurteilungsspielraums" auf weitere Fallkonstellationen abzulehnen; Art. 19 Abs. 4 GG fordert grundsätzlich die uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle hoheitlicher Entscheidungen, denn nur auf diese Weise kann einer sonst drohenden Rechtsunsicherheit entgegengewirkt werden. Dies ist ein Umstand, der gerade im Bereich des Naturschutzrechts von besonderer Bedeutung ist, da es sich gegenüber den Fachverwaltungen und den einschlägigen Fachgesetzen behaupten muß. Ein Beurteilungsspielraum der Behörde ist somit auch für die Frage der Auswahl der zu vermeidenden oder zu kompensierenden Funktionsstörungen sowie bei der Wahl der entsprechenden Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung abzulehnen. Diese Entscheidungen fallen nicht unter die von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien; es handelt sich bei der Umsetzung der Eingriffsregelung vielmehr um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Bedeutung durch Auslegung zu klären ist. Daher kann von den Gerichten uneingeschränkt überprüft werden, ob die von der Behörde angeordneten Maßnahmen den Anforderungen der Eingriffsregelung gerecht werden. Daß es dabei häufig (auch) um außerrechtliche Fachfragen geht, zu deren Beurteilung die Gerichte selbst nicht fachkundig und daher auf die Gutachten Sachverständiger angewiesen sind, stellt keine Besonderheit naturschutzrechtlicher Verfahren d a r . 2 3 9 Stehen im konkreten Fall mehrere geeignete Maßnahmen zur Verfügung, oder bietet der Verursacher seiner232 233
So Kuschnerus, D V B l . 1986, 75, 80; So Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,182.
234
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 23.
235
B V e r w G E 12, 359; 38,105; 56, 31, 47; 65, 303, 311.
236 237
B V e r w G E 60, 245; 61,176,185. B V e r w G E 26, 65, 77; 39, 291, 299.
238
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 34.
239
Paetow, N u R 1986,144,148.
206
4. Teil: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
seits andere Maßnahmen an, die den gleichen Zweck erfüllen, 2 4 0 so begründet auch dies keinen Beurteilungsspielraum der Behörde; in einem solchen Fall sind zwar mehrere Entscheidungen möglich, sie sind jedoch alle rechtmäßig, sodaß sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Ergebnis nicht aufgehoben werden können. A u f den Umfang der Prüfungskompetenz der Gerichte hat dies keinen Einfluß; sie können in vollem Umfang überprüfen, ob die von der Behörde angeordneten Maßnahmen die gesetzlichen Voraussetzungen von "Ausgleichsmaßnahmen" erfüllen. 2 4 1
H. Fazit Faßt man die Ergebnisse der Untersuchung der von der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vorgesehenen Rechtsfolgen zusammen, so stehen drei Erkenntnisse im Vordergrund: 1. Die Eingriffsregelung ist ausschließlich projektbezogen. Alle Anforderungen, die sich aus den Rechtsfolgen der Vorschrift ergeben, richten sich nur an ein bereits bestimmtes, fachgesetzlich zulässiges Vorhaben. Dies gilt nicht nur für die Verpflichtung zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen und zur Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, sondern auch für die Untersagungsermächtigung in § 8 Abs. 3 BNatSchG und in den entsprechenden Länderregelungen. Die Behörde kann auch über diese Untersagungsermächtigung nur ein bereits konkretisiertes und nach dem einschlägigen Fachgesetz, das die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG erst begründet, zulässiges Vorhaben verbieten. § 8 abs. 3 BNatSchG bietet selbst keine Grundlage für eine Planung im Sinne eines Vergleichs mehrerer Alternativen, insbesondere in Bezug auf den Standort des Vorhabens. Dieser wird durch das Fachgesetz bestimmt, sei es durch die private Entscheidung eines Bauherrn, ein oder mehrere Grundstücke bebauen zu wollen, sei es durch eine fachgesetzlich vorgesehenen Abwägung. Stellt ein solches Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, so ist die grundsätzliche Zulässigkeit dieses Vorhabens, führt es zu unvermeidbaren und nicht ausgleichbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG zu messen. A m Ende dieser Prüfung kann nur die Feststellung der Zulässigkeit oder der Unzulässigkeit dieses konkreten Vorhabens ste-
240 Ronellenfitsch, VerwArch. 1986,177,183. 241 Dies verkennen Ronellenfitsch, VerwArch. 1986, 177, 183 und Paetow, N u R 1986, 4,148.
8. Kap.: Rechtsfolgen
207
hen, nicht aber, daß etwa ein ähnliches Vorhaben an anderer Stelle verwirklicht werden kann. 2. Obwohl die Eingriffsregelung in § 8 Abs. 3 BNatSchG und den entsprechenden Vorschriften der Länder auch eine Ermächtigung zur vollständigen Untersagung eines Vorhabens enthält, liegt ihre wesentliche Bedeutung darin, daß sie es nicht bei der Entscheidung über das O b " eines Vorhabens beläßt, sondern auch an dem Grunde nach zulässige Vorhaben Anforderungen aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege stellt, die zwar nicht auf eine "Naturalrestitution" abzielen, da eine solche naturwissenschaftlich nicht möglich ist, die aber doch von dem Streben nach "Wiedergutmachung" getragen sind. Damit vermeidet die Eingriffsregelung, daß die, im konkreten Fall zwar vorrangige, für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege aber nachteilige, Inanspruchnahme von Natur und Landschaft folgenlos bleibt, wie dies bei der Entscheidung allein aufgrund des Fachgesetzes, jedenfalls in der Regel, der Fall ist. 3. In diesem Streben nach "Wiedergutmachung" liegt jedoch auch die eigentliche Problematik der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Wie die Darstellung der Anforderungen, die die einschlägigen Vorschriften des Bundes und der Länder an die Qualität von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stellen, gezeigt hat, reicht es hierfür gerade nicht aus, dem Verursacher nur die Pflanzung eines Baumes oder ähnliches aufzuerlegen, m. a. W. "etwas anzuordnen, wenn es nur grün ist"; es ist vielmehr erforderlich, die konkret eintretenden Beeinträchtigungen zu kompensieren. Dies ist nur möglich, wenn diese bekannt sind. Der Aufwand, sie festzustellen, kann immens sein; es liegt daher für Vorhabensträger und Genehmigungsbehörde nahe, auf ihre Ermittlung zu verzichten. Nicht zuletzt hierin dürfte ein Grund liegen für das "Vollzugsdefizit im Naturschutzrecht".
5. Teil
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht 9. Kapitel
Das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den einzelnen Genehmigungstatbeständen des Bauplanungsrechts und zur Bauleitplanung
A. Einführung Bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben können in jedem der drei vom Baugesetzbuch unterschiedenen Bereiche, (qualifiziert) beplanter Bereich, nicht (qualifiziert) beplanter Innenbereich und Außenbereich, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG erfüllen und somit einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen. Diese Möglichkeit ist für keinen der genannten Bereiche, weder tatsächlich 1 noch in einer mit dem Bundesrahmenrecht zu vereinbarenden und damit gültigen Weise rechtlich 2 durch entsprechende Regelungen der Landesnaturschutzgesetze, bereits auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ausgeschlossen. Ob ein solches Vorhaben tatsächlich die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllt, bedarf daher jeweils der Prüfung im konkreten Einzelfall, es sei denn, das Vorliegen eines Eingriffs wird durch die Nennung des Vorhabens in einer landesgesetzlichen Positivliste (unwiderleglich) vermutet. 3 Überträgt man die im 2. Kapitel dieser Untersuchung herausgearbeiteten Grundsätze zum allgemeinen Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht auf das spezielle Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den einzelnen Genehmigungstatbeständen des Baugesetz-
1
S. o. Kapitel 6, S. 124.
2 3
S. o. Kapitel 7, S. 154. S. o. Kapitel 7, S. 143.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
209
buches, so ergibt sich folgendes: Ergibt die Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG bzw. der entsprechenden Definitionen in den Landesnaturschutzgesetzen, daß ein Eingriff in Natur und Landschaft tatsächlich vorliegt, oder wird dies vermutet, so ist die Eingriffsregelung tatbestandlich einschlägig; sie ist daher neben den Voraussetzungen des ebenfalls einschlägigen bauplanungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch als Rechtsnorm anzuwenden. Als naturschutzrechtliche und damit nicht-bodenrechtliche Vorschrift bleibt sie im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB unberührt. 4 Ist ein Vorhaben also bauplanungsrechtlich zulässig, so können dem Bauherrn, gestützt auf die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Maßnahmen zur Vermeidung und zum Ausgleich der durch die Realisierung des Vorhabens entstehenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft aufgegeben werden. Das Vorhaben ist insgesamt zu untersagen, wenn solche Maßnahmen nicht möglich sind und eine (echte 5 ) Abwägung aller betroffenen Belange im konkreten Fall den Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ergibt. Ist der Eingriff vorrangig, so können die landesgesetzlich vorgesehenen Ersatzmaßnahmen oder die Zahlung einer Ausgleichsabgabe angeordnet werden. Zum entschädigungspflichtigen Entzug einer Eigentumsposition kann es nicht kommen. Eine Eigentumsposition liegt nur vor, wenn eine Genehmigung bereits erteilt und "ins Werk gesetzt" wurde. 6 Die Eingriffsregelung ist aber von der fachgesetzlich zuständigen Behörde schon bei Erteilung der Genehmigung anzuwenden; dies schließt die Entstehung einer Eigentumsposition aus.7 Ist das geplante Vorhaben schon bauplanungsrechtlich unzulässig, so stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Eingriffsregelung nicht mehr; die Eingriffsregelung kann als andere öffentlichrechtliche Vorschrift im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB nur baurechtsbeο
schränkend, nie aber baurechtsbegründend wirken.
4 A n der Gültigkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bestehen vor dem Hintergrund des Art. 14 G G keine Zweifel. Die von der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolgen können im konkreten Einzelfall nur nach Abwägung aller betroffenen Belange angeordnet werden; dies ist für die vollständige Untersagung des Vorhabens ausdrücklich angeordnet, ergibt sich aber auch für die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen aus der insoweit gebotenen systematischen Interpretation, (vgl. Kapitel 8, S. 167, 174, 190) Z u r Frage der Entschädigung s. sogleich im Text. 5
S. o. Kapitel 8, S. 179 ff.
6 B V e r f G E 58, 300, 332; zur abweichenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs s. o. Kapitel 2, S. 56. 7 Hervorzuheben ist, daß auch eine "eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B V e r w G E 49, 365, 372) nicht entstehen kann, denn erste Voraussetzung hierfür ist die Legalität der beabsichtigten Nutzung; daran fehlt es aber, wenn sie den Anforderungen der Eingriffsregelung nicht genügt.
8
S. o. Kapitel , S. 7
210
5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
Allein die Umsetzung und Anwendung dieser für das allgemeine Verhältnis von Bauplanungsrecht und Naturschutzrecht geltenden Grundsätze wird jedoch der speziellen Problematik des Verhältnisses der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu den einzelnen Genehmigungstatbeständen des Baugesetzbuches nicht vollständig gerecht. Die bisherige Untersuchung der Genehmigungsvoraussetzungen des Bauplanungsrechts und der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung hat gezeigt, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Vorschriften darin besteht, daß das Bauplanungsrecht, abgesehen von den Möglichkeiten, die insoweit die Bauleitplanung 9 sowie § 35 Abs. 5 B a u G B 1 0 bieten, grundsätzlich nur über die Zulässigkeit eines Vorhabens an sich entscheidet; das Bauplanungsrecht stellt jedoch im Gegensatz zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, gerade keine Rechtsgrundlage zur Verfügung, um auf die konkrete Gestaltung eines (zulässigen) Vorhabens Einfluß zu nehmen und insbesondere vom Bauherrn als Verursacher bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft die Durchführung von Maßnahmen zum Ausgleich und zum Ersatz der verbleibenden Beeinträchtigungen oder die Zahlung einer Ausgleichsabgabe zu verlangen. Die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft bleibt nach den Vorschriften des Bauplanungsrechts also regelmäßig folgenlos. 11 Fraglich ist jedoch, ob und inwieweit die Maßstäbe der genannten Vorschriften im Hinblick auf die grundsätzliche Zulässigkeit eines Vorhabens überhaupt unterschiedlich sind, ob ein Vorhaben im konkreten Einzelfall also tatsächlich bauplanungsrechtlich zulässig, gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit der entsprechenden Vorschrift des Landesnaturschutzgesetzes aber unzulässig sein kann. Besondere Probleme wirft auch das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu dem Genehmigungstatbestand des § 30 BauGB auf. Umstritten ist in diesem Zusammenhang sowohl die Bedeutung der hier relevanten Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG, 12 die zwar als einzige Vorschrift der gesamten Eingriffsregelung den Bebauungsplan ausdrücklich erwähnt, jedoch auch in den einzelnen Landesnaturschutzgesetzen unterschiedlich umgesetzt wurde, 1 3 als auch die Frage, ob und in welcher Form die Eingriffsregelung bereits im Rahmen der Bauleitplanung Anwendung finden muß, 1 4 und welche Folgen eine solche Anwendung für die Entscheidung der Baugenehmi9 10
S. o. Kapitel 3, S. 81. S.o. Kapitel 5, S. 118.
11
S. o. Kapitel 8, S. 207.
12
Vgl. Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 20 m. w. H.
13 Vgl. z. B. § 12 Abs. 2 Satz 3 NatSchG Bremen und § 10 Abs. 1 Satz 2 NatSchG Hamb, einerseits, § 8 Abs. 5 LPflegG S.-H. andererseits. Überhaupt keine entsprechende Regelung enthält das hessische Naturschutzgesetz. 14 Vgl. nur Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 23 und Schulte, VerwArch. 1986, 372, 380.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
211
gungsbehörde hat. 1 5 Fraglich ist schließlich auch, welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn sich während des Baugenehmigungsverfahrens herausstellt, daß das geplante Vorhaben zwar bauplanungsrechtlich und naturschutzrechtlich grundsätzlich zulässig ist, gem. § 8 Abs. 2 und Abs. 9 in Verbindung mit den entsprechenden Länderregelungen jedoch die Durchführung von Ausgleichs und Ersatzmaßnahmen erforderlich ist, für deren Realisierung der Bebauungsplan aber die notwendigen Flächen nicht vorsieht. 16
B. Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 30 BauGB und zur Bauleitplanung I. Die Bedeutung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung kann aus kompetenzrechtlichen Gründen von keinem Genehmigungstatbestand des Baugesetzbuches, also auch nicht von § 30 BauGB, verdrängt werden. 17 Dies bedeutet jedoch nicht, daß nicht das Naturschutzrecht selbst die Anwendung der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung neben einzelnen Genehmigungstatbeständen des Bauplanungsrechts auschließen könnte. Eine Vorschrift solchen Inhalts stellt, allerdings für die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Bauplanungsrechts, beispielsweise § 38 BauGB dar; die Vorschrift schließt die Geltung der §§ 30 bis 37 BauGB, deren Voraussetzungen gem. § 29 Satz 1 BauGB grundsätzlich für die Genehmigung aller bauplanungsrechtlich relevanter Vorhaben erfüllt sein müssen, konstitutiv aus, wenn solche Vorhaben aufgrund eines der in § 38 BauGB genannten Fachplanungsgesetze zu genehmigen sind. 18 Fraglich ist im hier interessierenden Zusammenhang, ob § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG eine § 38 BauGB inhaltlich entsprechende Vorschrift darstellt, also die Anwendung der Eingriffsregelung "für Entscheidungen, die aufgrund eines Bebauungsplans getroffen werden", 19 konstitutiv auschließt.
15
Vgl. Pielow, N u R 1979,15,16.
16
Vgl. Gassner, U P R 1987, 249, 251.
17
S. o. Kapitel 2, S. 57.
18 B V e r w G E 70, 242; BayVGH, D Ö V 1986, 113, 114; V G H Bad.-Württ., N V w Z 1988, 380; Ortloff, NJW 1987,1665,1668, insbes. F N 34; Uechtritz, N V w Z 1988, 316. 19 Diese Formulierung des Gesetzes ist, unabhängig von ihrer inhaltlichen Bedeutung, mißlungen, denn die Entscheidung über den Erlaß einer Baugenehmigung wird nicht "aufgrund eines Bebauungsplans", sondern aufgrund der einschlägigen Landesbauordnung getroffen. So schon Pielow, N u R 1979, 15, 18; vgl. auch Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 20.
212
5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht 20
Diese Ansicht wird in der Literatur zwar vertreten, sie ist jedoch abzulehnen; sie ist weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Vorschrift zu vereinbaren und verstößt darüberhinaus auch gegen den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG werden die Entscheidungen und Maßnahmen gem. § 8 Abs. 2 und Abs. 3 grundsätzlich im Benehmen mit der Naturschutzbehörde getroffen; gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 gilt dies nicht für Entscheidungen aufgrund eines Bebauungsplans. Diese im gleichen Absatz des § 8 BNatSchG getroffene Regelung knüpft somit unmittelbar nur an die verfahrensrechtliche Regelung über die Beteiligung der Naturschutzbehörde an und schließt damit nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift - bei Vorliegen eines Bebauungsplans - allein das Benehmenserfordernis aus, nicht aber die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung an sich. 21 Die gegenteilige Auslegung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG verstößt auch gegen Sinn und Zweck der gesamten Eingriffsregelung, da sich der Geltungsbereich des Bundesnaturschutzgesetzes gem. § 1 Abs. 1 BNatSchG ausdrücklich auf den besiedelten und unbesiedelten Bereich erstreckt und für eine unterschiedliche Behandlung von Vorhaben im beplanten und im nichtbeplanten Bereich kein sachgerechter Grund besteht. Ein solcher ist auch nicht darin zu sehen, daß bei der Aufstellung eines Bebaungsplans die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereits im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, denn diese Abwägung erlaubt auch die folgenlose Zurückstellung dieser Belange, während eine wesentliche Funktion der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gerade darin besteht, daß auch grundsätzlich zulässige Vorhaben in einer mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst vereinbaren Weise ausgeführt und verbleibende Beeinträchtigungen durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemildert werden sollen, wofür das Bauplanungsrecht selbst keine Rechtsgrundlage bietet. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzgebungsmaterialien, 22 daß auch der Gesetzgeber den Grund für die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG allein darin sah, daß eine Mitwirkung der Naturschutzbehörde an der zu treffenden Entscheidung deshalb nicht erforderlich sei, weil sie 20 Schulte, VerwArch. 1986, 372, 375; Bickel, Kommentar zum Hessischen Naturschutzgesetz, § 6 Rdnr. 14; Heintze, Bebauungsplan, S. 339; Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 b Rdnr. 3 zu der mit § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG inhaltlich identischen Vorschrift des A r t . 6 b Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz NatSchG Bay. 21 So auch Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 20. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Regelung sogar den "Gegenschluß" rechtfertigt, daß die übrigen in der Eingriffsregelung vorgesehenen Rechtsfolgen auch im Geltungsbereich eines Bebauungsplans Anwendung finden müssen; so Pielow, N u R 1979, 15, 18; Bauer, Verursacherhaftung, S. 512. Daß die Eingriffsregelung in diesem Fall angewendet werden muß, folgt jedenfalls schon daraus, daß sie von § 30 BauGB nicht verdrängt wird.
22
BT-Drs. 7/5251, S. 8.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
213
bereits im Vorstadium der Planaufstellung beteiligt war, ihre Forderungen also angemessen berücksichtigt wurden. 2 3 Somit ist im Ergebnis festzuhalten, daß § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auch im beplanten Bereich nicht ausschließt. 24 Dies gilt, darauf ist angesichts - jedenfalls nicht eindeutiger - Äußerungen in der Literatur 2 5 besonders hinzuweisen, auch für die Möglichkeit, ein Vorhaben gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit den entsprechenden Länderregelungen, insgesamt zu untersagen. § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG regelt ausschließlich die verfahrensrechtliche Frage der Beteiligung der Naturschutzbehörden im Falle einer Genehmigung im beplanten Bereich; über die Anwendbarkeit der materiellen Rechtsfolgen der Eingriffsregelung enthält die Vorschrift keine Aussage. 26
II. Abweichendes Landesrecht, § 8 Abs. 5 LPflegG Schl.-Holstein Mit Ausnahme der Regelung in Schleswig-Holstein wurde die Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG von den Naturschutzgesetzen der Länder überwiegend sogar wörtlich - übernommen 27 § 8 Abs. 5 LPflegG Schl.-Holstein hat dagegen folgende Regelung getroffen:
23
Bernatzky/Böhm, BNatSchG, § 8 Rdnr. 11.
24 Im Ergebnis so, außer den in F N 14 Genannten, auch Gaentzsch, NuR 1986, 89, 94, 97; Gaede, Eingriffsregelung, S. 58; Lingenauber, Diskussionsergebnisse, S. 327. 25 Vgl. Pielow, N u R 1979, 15, 18; Lingenauber, Diskussionsergebnisse, S. 326, 327 und Bauer, Verursacherhaftung, S. 512, die diese Rechtsfolge in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prüfung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG ausschließen. Ausdrücklich im Sinne der hier abgelehnten Ansicht Gaede, Eingriffsregelung, S. 58. 26 Zur Frage, ob die Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Untersagungsermächtigung im beplanten Bereich aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, insbesondere weil sowohl § 1 Abs. 5 BauGB als auch § 8 Abs. 3 BNatSchG eine (echte) Abwägung voraussetzen, in der die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gleichermaßen zu berücksichtigen sind und die das Vorhaben (planerisch) zulassende Abwägung in der Bauleitplanung der A n wendung der Eingriffsregelung im Genehmigungsverfahren vorausgeht, vgl. unten S. 219 ff. 27 Vgl. A r t . 6 b, Satz 2, 2. Halbsatz NatSchG Bay.; § 15 Abs. 1 Satz 4 NatSchG Bln.; § 12 Abs. 2 Satz 3 NatSchG Bremen; § 10 Abs. 1 Satz 2 NatSchG Hamb.; § 13 Abs. 3 Satz 2 NatSchG Nds.; § 6 Abs. 1 Satz 4 L G N R W ; § 6 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz LPflG Rh.-Pf.; § 12 Abs. 1 Satz 2 NatSchG Saarl. Dagegen findet sich im NatSchG B W keine entsprechende Regelung; dies ist konsequent, da das NatSchG BW den Anwendungsbereich der Eingriffsregelung, wie gezeigt wurde allerdings in einer mit § 8 Abs. 1 BNatSchG unvereinbaren Weise, von vornherein auf den Außenbereich beschränkt hat. Auch im NatSchG Hessen fehlt eine entsprechende Regelung. V o r dem Hintergrund der bundesrahmenrechtlichen Vorgaben ist dies jedoch unproblematisch; eine erneute Beteiligung der Naturschutzbehörde auch im Genehmigungsverfahren bei Vorhaben im beplanten Bereich ist den Interessen des Naturschutzes jedenfalls nicht abträglich und daher zulässig.
214
5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
(5) Abs. 1 Satz 2 und ß 2 8 und Absätze 2 bis 4 2 9 gelten nicht 1. für Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die durch Bebauungsplan zugelassen sind, und 2. für Vorhaben aufgrund eines Bebauungsplanes, der außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile Wohnbauflächen, gemischte oder gewerbliche Bauflächen ausweist. Läßt im übrigen die Gemeinde durch Bebauungsplan außerhalb geschlossener Ortschaften einen im Plangebiet nicht ausgleichbaren Eingriff in Natur und Landschaft zu, soll die Gemeinde die Ersatzmaßnahmen im Gemeindegebiet als Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung durchführen lassen. Diese Vorschrift ist, soweit sie die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung im beplanten Bereich ausschließt, mit dem Bundesrahmenrecht unvereinbar. Es handelt sich bei § 8 Abs. 5 LPflegG Schl.-Holstein zwar nicht um eine Negativliste, die, ebenso wie die Regelungen des § 10 Abs. 1 NatSchG Bad.-Württ. 3 0 und des § 5 Abs. 3 Nr. 4 L G N R W 3 1 gegen § 8 Abs. 1 und Abs. 8 BNatSchG verstoßen würde, denn die Vorschrift bezieht sich eindeutig nur auf die Rechtsfolgen der Eingriffsregelung und läßt deren Tatbestandsvoraussetzungen, die in § 7 LPflegG Schl.-Holstein geregelte Definition des Eingriffs, vollständig unberührt. 32 Die Vorschrift verstößt jedoch gegen § 8 Abs. 9 BNatSchG. Danach können die Ländern zu den in § 8 Abs. 2 und Abs. 3 BNatSchG geregelten Rechtsfolgen nur weitergehende Vorschriften erlassen, d. h. solche, die den Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege über die bundesrechtliche Mindestregelung hinaus zu dienen bestimmt sind. 33 Durch die weitgehende Ausklammerung der Rechtsfolgen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im beplanten Bereich bleibt § 8 LPflegG Schl.-Holstein jedoch hinter der bundesrahmenrechtlichen Mindestregelung zurück. Dieser Ausschluß der materiellen Rechtsfolgen der Eingriffsregelung ist mit § 8 Abs. 9 BNatSchG unvereinbar und, wie gezeigt wurde, auch auf § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG nicht zu stützen. § 8 Abs. 5 LPflegG ist daher gem. Art. 31 GG nichtig. 34
28 § 8 Abs. 1 Satz 2 LPflegG S.-H. regelt die Verpflichtung zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen, Satz 3 enthält die Definition des "Ausgleichs". 29 § 8 Abs. 2 LPflegG S.-H. regelt die Untersagung des Eingriffs, Abs. 3 die Verpflichtung zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen, Abs. 4 die Zahlung einer Ausgleichsabgabe. 30
S. o. Kapitel 7, S. 145.
31 32
S. o. Kapitel 7, S. 153. S. schon oben Kapitel 7, S. 149.
33
S. o. Kapitel 8, S. 159.
34 Ein Hinweis auf den Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Eingriffsregelung neben § 30 BauGB und der Vorschrift des § 8 Abs. 5 LPflegG S.-H. findet sich auch bei Gassner, NuR 1987, 249, 251, F N 31, allerdings ohne daß hieraus die Konse-
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
215
III. Die Bedeutung der Eingriffsregelung im Rahmen der Bauleitplanung Von der - wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat grundsätzlich zu bejahenden - Frage, ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Genehmigungsverfahren eines einzelnen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans geplanten Vorhabens Anwendung findet, ist die Frage zu unterscheiden, welche Bedeutung der Eingriffsregelung schon für die Bauleitplanung selbst zukommt.
1. Der Bebauungsplan als Fachplan ? Gem. § 8 Abs. 4 BNatSchG sind bei einem Eingriff, der auf Grund eines nach öffentlichem Recht vorgesehenden Fachplans vorgenommen werden soll, vom Planungsträger die zum Ausgleich dieses Eingriffs erforderlichen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im einzelnen im Fachplan selbst oder in einem landschaftspflegerischen Begleitplan in Text und Karte darzustellen. Die Länder haben diese Verpflichtung des Vorhabensträgers in ihre Naturschutzgesetze übernommen 5 und teilweise auch auf die Darstellung der auf § 8 Abs. 9 BNatSchG beruhenden Ersatzmaßnahmen erstreckt. Eine solche Darstellung der erforderlichen Maßnahmen zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen kann nur dann erfolgen, wenn das geplante Vorhaben zuvor auf seine Vereinbarkeit mit den materiellen Voraussetzungen der Eingriffsregelung geprüft wurde, m. a. W. die Eingriffsregelung schon im Planungsverfahren Anwendung gefunden hat. Es stellt sich somit die Frage, ob ein gemeindlicher Bauleitplan einen "Fachplan" im Sinne des § 8 Abs. 4 BNatSchG darstellt; ist dies der Fall, so hat bereits das Gesetz die hier interessierende Frage der Anwendbarkeit der Eingriffsregelung (auch) im Verfahren der Bauleitplanung positiv entschieden. Sowohl Flächennutzungsplan als auch Bebauungsplan werden in der Literatur als "Fachpläne" im Sinne des § 8 Abs. 4 BNatSchG angesehen. 37 Diequenz der Nichtigkeit gezogen würde. Zur Nichtigkeit von Landesrecht wegen Verstoßes gegen Bundesrahmenrecht s. o. Kapitel 7, S. 140,141. 35 Vgl. § 9 Abs. 2 NatSchG BW; Art. 6 b Abs. 4 NatSchG Bay.; § 15 Abs. 6 NatSchG Bln.; § 13 Abs. 2 NatSchG Bremen; § 11 NatSchG Hamb.; § 6 Abs. 10 NatSchG Hessen; § 14 Satz 2 NatSchG Nds.; § 6 Abs. 2 L G N R W ; § 6 Abs. 4 Satz 2 LPflG Rh.-Pf.; § 13 Abs. 2 NatSchG Saarl.; § 9 Abs. 3 LPflegG S.-H. 36 So Art. 6 b Abs. 4 Satz 1 NatSchG Bay.; § 14 Satz 2 NatSchG Nds.; § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 L G NRW. 37 Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 8 Rdnr. 23.
216
5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
ser Auffassung ist zu widersprechen. Zwar ist - soweit ersichtlich - der Begriff des "Fachplans" bislang gesetzlich weder verwendet oder gar definiert worden, noch findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien zum Bundesnaturschutzgesetz 38 ein ausdrücklicher Hinweis, welche "Pläne" der Regelung des § 8 Abs. 4 BNatSchG nach der Intention des Gesetzgebers unterfallen sollten, jedoch wird der Begriff des "Fachplans" in der planungsrechtlichen Literatur 3 9 und Rechtsprechung 40 bereits seit langem, auch schon in der Zeit vor Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes, 41 verwendet und dient als eine exemplarische Ausprägung der Planungsentscheidungen gerade der terminologischen 42 Abgrenzung zu den, auch historisch später entstandenen, gesamtplanerischen Entscheidungen wie den Bauleitplänen und den Plänen der überörtlichen Raumordnung. 43 Z u unterscheiden ist demnach unter dem Oberbegriff der "raumbedeutsamen Planungen" zwischen der "Gesamtplanung" einerseits und der "Fachplanung" andererseits. Der Inhalt der Pläne unterscheidet sich wesentlich: "Gesamtplanung" ist die überfachliche Planung, die die Gestaltung der strukturellen Gesamtverhältnisse wie Industrieansiedlung, Siedlungsentwicklung, Bevölkerungswachstum, Verkehrserschließung und Fragen des Umweltschutzes in einem bestimmten Gebiet zum Gegenstand hat, wobei nach den Ebenen der Planung weiter zwischen "örtlicher" und "überörtlicher" Gesamtplanung unterschieden wird. "Fachplanung" ist demgegenüber eine raumbedeutsame Planung, die projektbezogen aufgrund des einschlägigen Fachplanungsgesetzes durch die zuständigen Fachbehörden vorbereitet und durchgeführt wird und an deren Ende, jedenfalls in der Regel, 45 ein Planfeststellungsbeschluß steht, in dem der vom Planungsträger ausgearbeitete "Fachplan" festgestellt wird. 4 6 Aufgabe der Bauleitplanung ist es gem. § 1 Abs. 1 BauGB, die bauliche und
38
Vgl. BT-Drs. 7/5251, insbesondere S. 8.
39 Vgl. statt vieler Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 792, Rdnr. 7.4; Battis, Baurecht, S. 25; Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 3, 5, 6. 40
Vgl. BVerfGE 3, 407, 425; BVerwGE 48, 56, 61; 71,163,164.
41 Vgl. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, (1968) S. 42; Kodal, Straßenrecht, 2. Auflage 1968, S. 512; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, 10. Auflage 1973, S. 304. 42 Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 38 Rdnr. 2 spricht von "begrifflicher Klärung", Battis, Baurecht, S. 25 vom "typisierenden GegenbegrifF. 43
Vgl. Wahl, D V B l . 1981, 51, 53.
44
Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 5, 6.
45 Anderes gilt für die sog. "Unternehmergenehmigungen mit planungsrechtlichem Einschlag" insbesondere nach dem Atomgesetz und dem Bundesimmissionsschutzgesetz, die ebenfalls dem Fachplanungsrecht zugerechnet werden, jedoch nicht die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens voraussetzen und auch nicht mit einem Planfeststellungsbeschluß abschlossen werden. Vgl. hierzu Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 302 ff; Wahl, D V B l . 1982, 51, 57 ff; Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 7,182 ff, 190 ff. m. w. H. 46
Laubinger, VerwArch. 1986, 77.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
217
sonstige Nutzung der Grundstücke im Gebiet einer Gemeinde vorzubereiten und zu leiten; das Ergebnis dieser Planung, der Flächennutzungsplan sowie die Bebaungspläne einer Gemeinde, stellen somit den klassischen Fall einer Gesamtplanung dar. § 8 Abs. 4 BNatSchG sowie die entsprechenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze, die das Vorliegen eines Fachplans voraussetzen, sind daher auf Bauleitpläne nicht anwendbar. 47
2. Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung Daß § 8 Abs. 4 BNatSchG und die gleichlautenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze auf Bauleitpläne keine Anwendung finden, hat nicht zwangsläufig zur Folge, daß der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen der Bauleitplanung überhaupt keine Bedeutung zukommt. Eine solche vollständige Irrelevanz der Eingriffsregelung für die Bauleitplanung ergibt sich insbesondere auch nicht aus der in der Literatur häufig verwendeten Formulierung, der Bebauungsplan sei "selbst kein Eingriff, da er selbst noch keine Veränderung der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt". 48 Die Feststellung, daß der Bebauungsplan als solcher keinen Eingriff darstellt, ist zwar richtig,
47 Im Ergebnis ebenso Gaentzsch, N u R 1986, 89, 97; Louis/Klatt, NuR 1987, 347, 349. Ein weiteres, von beiden Autoren in diesem Zusammenhang verwendetes Argument ist jedoch bei genauer Betrachtung nicht zutreffend. Sie schließen die Geltung des § 8 Abs. 4 BNatSchG für Bauleitpläne auch deshalb aus, "weil (auch) der Bebauungsplan kein Plan in dem Sinne ist, daß er die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit im einzelnen und abschließend feststellt, wie dies ein Fachplan im Sinne des in den Fachplanungsgesetzen geregelten Planfeststellungsrechts tut" (so Gaentzsch, aaO) und "weil § 8 Abs. 4 BNatSchG voraussetzt, daß der Eingriff aufgrund des Planes erfolgt, was für den Bebaungsplan im Gegensatz zum Fachplan aber nicht zutrifft, da der Eingriff erst aufgrund der Baugenehmigung erfolgt und der Bebauungsplan insofern nur eine vorbereitende Maßnahme bildet." (So Louis/Klatt, aaO) Diese Argumentation übersieht, daß auch der Fachplan nicht die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens darstellt. Eine der Baugenehmigung entsprechende "Genehmigungswirkung" hat erst der Planfeststellungstec/i/w/î, dessen Hauptteil zwar die Feststellung des (vom Vorhabensträgers vorgelegten) Fachplans bildet, der aber zugleich, z. B. gem. § 74 Abs. 2 Satz 1 und 2 V w V f G , auch über noch nicht erledigte Einwendungen entscheiden und dem Vorhabensträger diejenigen Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung solcher Anlagen auferlegen kann, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind; auch die Anordnung von Schutzvorkehrungen oder Schutzanlagen hat (erst) im Planfeststellungsbeschluß zu erfolgen. (Vgl. Laubinger, VerwArch. 1986, 77, 78) Somit kann ein Eingriff weder "aufgrund eines Bebauungsplans" noch "aufgrund eines Fachplans", sondern nur aufgrund einer Baugenehmigung oder eines Planfeststellungsbeschlusses vorgenommen werden. Die vom Gesetz gewählte Formulierung des § 8 Abs. 4 ist ebenso wie die des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG (s. o. F N 19) mißlungen. 48 So ausdrücklich Bickel, Kommentar zum Hessischen Naturschutzgesetz, § 6 Rdnr. 14; Engelhard/Brenner, Bay. NatSchG, Art. 6 Rdnr. 1; deutlich auch Schulte, VerwArch. 1986, 372, 380 ("überhaupt keine selbständige Bedeutung") und Ronellenfitsch, N u R 1986, 284, 285 ("Das Verfahren nach § 8 BNatSchG hat mit der Gesamtplanung nichts zu tun.").
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
trägt aber zur Lösung des hier interessierenden Problems schon deshalb nichts bei, weil beispielsweise auch eine Baugenehmigung oder ein Planfeststellungsbeschluß selbst keinen Eingriff darstellen; ein "Eingriff' kann nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG immer nur das Vorhaben sein, das durch die Inanspruchnahme von Grundflächen zu Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft führt. 4 9 Daß die Eingriffsregelung bei der Entscheidung über die Genehmigung des Vorhabens Anwendung finden muß, schreiben § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG und die entsprechenden Länderregelungen ausdrücklich vor. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Eingriffsregelung, wenn diese Genehmigung den Abschluß eines gestuften Verfahrens bildet, wie dies bei Erlaß einer Baugenehmigung gem. § 30 BauGB, also im Anschluß an die Bauleitplanung einer Gemeinde, der Fall ist, nur im Rahmen der abschließenden Genehmigung Anwendung finden dürfte. Eine solche Regelung für gestufte Verfahren hat das Gesetz - systematisch richtig nicht getroffen; ob und in welcher Form die Eingriffsregelung bereits auf der, der Genehmigung vorangehenden, Ebene der Planung Anwendung finden darf oder sogar muß, ist daher nach den allgemeinen im Verhältnis von Planung und darauf beruhender Einzelgenehmigung geltenden Grundsätzen zu entscheiden. 50 Danach gilt folgendes: Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bleibt (auch) neben § 30 BauGB im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB unberührt, denn es handelt sich um eine nicht-bodenrechtliche Vorschrift, 51 deren Geltung auch durch § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG nicht ausgeschlossen wird. 5 2 Als solche stellt sie eigene Zulässigkeitsanforderungen an das zu genehmigende Vorhaben, wenn dieses einen Eingriff im Sinne der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt, sie also tatbestandlich einschlägig ist. Dieses Hinzutreten weiterer Genehmigungsvoraussetzungen muß die Gemeinde bereits bei ihrer Planung im Rahmen der Abwägung berücksichtigen; das Gebot der Konfliktbewältigung fordert, daß die Anwendung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB im Baugenehmigungsverfahren durch die Planung nicht vereitelt wird. 5 3 Erfüllt das geplante Vorhaben die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG und machen die Darstellungen des Flächennutzungsplanes oder die Festsetzungen des Bebauungsplans die Umsetzung der Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Genehmigungsverfahren
49 Aus diesem Grunde ist "Verursacher" des Eingriffs iSd § 8 Abs. 2 BNatSchG nur der Vorhabensträger, nicht dagegen (auch) die den Eingriff genehmigende Behörde; s. o. Kapitel 8, S. 157. 50 51
S. o. Kapitel 3, S. 70 ff. S. o. Kapitel 2, S. 46 und Kapitel 9, S. 209.
52
S.o.S. 211 ff.
53
S. o. Kapitel 3, S. 74.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
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unmöglich, so liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältii vor; der Bauleitplan ist daher abwägungsfehlerhaft 54 und somit nichtig.5*
3. Konsequenzen Die somit gebotene "mittelbare" 56 Berücksichtigung der Eingriffsregelung im Rahmen der Bauleitplanung aufgrund des Gebotes der Konfliktbewältigung führt zu folgenden Konsequenzen: Die Gemeinde muß im Rahmen der Bauleitplanung prüfen, ob ein Vorhaben, welches sie "planerisch zulassen" will, einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Ist dies der Fall, so müssen der Flächennutzungsplan Darstellungen und der Bebauungsplan Festsetzungen enthalten, die die Umsetzung der Rechtsfolgen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Baugenehmigungsverfahren durch die Baugenehmigungsbehörde ermöglichen. Hervorzuheben ist, daß dies zunächst keine zusätzlichen Anforderungen an die Entscheidung der Gemeinde über die grundsätzliche Zulässigkeit des Vorhabens stellt, denn ebenso wie die Entscheidung gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit den entsprechenden Länderregelungen ergeht die, im Bebauungsplan auch parzellenscharfe, planerische Entscheidung der Gemeinde aufgrund einer "echten" Abwägung, 57 bei der die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie alle anderen im konkreten Fall relevanten Belange zu berücksichtigen sind. Bereits diese bauplanungsrechtlich gemäß § 1 Abs. 5 BauGB gebotene Abwägung schließt es aus, die bauliche Nutzung eines Grundstücks zuzulassen, wenn überwiegende Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ein Freibleiben von Bebauung fordern. 58 Zusätz-
54 Z u r Zuordnung des Gebots der Konfliktbewältigung zum Abwägungsgebot s. o. Kapitel 3, S. 71 m. w. H. 55 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne dieses Ergebnis auf das Gebot der Konfliktbewältigung zu stützen, Gaentzsch, NuR 1986, 89, 97, 98; Louis/Klatt, NuR 1987, 347, 350; Gassner, UPR 1987, 249, 251; unter ausdrücklicher Berufung auf das Gebot der Konfliktbewältigung dagegen Lingenauber, Diskussionsergebnisse, S. 328. 56 Louis/Klatt, NuR 1987, 347, 355. 57 Zur Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung s. o. Kapitel 3, S. 64 ff , zur Abwägung im Rahmen der naturschutzrechtlichen Untersagungsermächtigung Kapitel 8, S. 179 ff. 58 Dies verkennen Louis/Klatt, N u R 1987, 347, 350. Daher ergibt sich, entgegen der Auffassung von Louis/Klatt, aaO, aus der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung weder "die Pflicht, Eingriffe in Natur und Landschaft durch die Bauleitplanung möglichst zu vermeiden", noch kann die Eingriffsregelung "daher im Einzelfall zur Unzulässigkeit der Bauleitplanung führen". Wie bereits dargelegt wurde (s. o. Kapitel 8, S. 162 ff) stellt die Eingriffsregelung ein "Verbot vermeidbarer Eingriffe" nicht auf, sondern statuiert nur ein Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen und setzt daher ein dem Grunde nach zulässiges Vorhaben bereits voraus. Aber auch die Untersagungsermächtigung des § 8 Abs. 3 BNatSchG, auf die ein vollständiges
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
liehe Anforderungen an die Bauleitplanung aufgrund der Eingriffsregelung ergeben sich jedoch aus der Pflicht zur Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Die Verpflichtung zur Durchführung dieser Maßnahmen trifft zwar unmittelbar nur den Verursacher des Eingriffs, also den Bauherrn und nicht die Gemeinde, 59 die Gemeinde muß bei der Aufstellung der Bauleitpläne jedoch die Realisierung dieser Maßnahmen planerisch ermöglichen. § 5 Abs. 2 Nr. 10 und § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB stellen die hierfür erforderlichen Darstellungs- bzw. Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung; auch nach der Ansicht des Gesetzgebers schaffen diese Vorschriften die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur frühzeitigen Flächensicherung für Maßnahmen, die aus Anlaß von Eingriffen in Natur und Landschaft notwendig werden. 60 Ein Bauleitplan, der diese Auswirkungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nicht berücksichtigt und damit ihre Anwendung im Baugenehmigungsverfahren (insoweit) vereitelt, verstößt gegen das Gebot der Konfliktbewältigung; 61 er ist abwägungsfehlerhaft und daher nichtig. 62 Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Gemeinde beabsichtigt die Aufstellung eines Bebauungsplans, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Genehmigung eines großflächigen Einzelhandelszentrums zu schaffen. Ergibt die bereits bauplanungsrechtlich gebotene Abwägung, daß die bei der Realisierung des Vorhabens auf dem vorgesehenen Gelände ent-
Verbot eines Vorhabens gestützt werden kann, kann nicht (erst) die Unzulässigkeit einer bestimmten Planung begründen; diese folgt, liegen (auch) die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG vor, bereits aus § 1 Abs. 5 BauGB; die Maßstäbe der Entscheidungen sind identisch. Schließlich wird auch die Stellungnahme der Naturschutzbehörde zur Bedeutung der im konkreten Fall betroffenen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht, wie Louis/Klatt, aaO, meinen, erst durch die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das Bauleitplanverfahren eingeführt; die Naturschutzbehörde ist vielmehr bereits gem. § 4 BauGB, unabhängig davon, ob die Realisierung des Vorhabens zu einem Eingriff in Natur und Landschaft führt oder nicht, bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu beteiligen. 59 So auch Gaede, Eingriffsregelung, S. 57; vgl. auch Kapitel 8, S. 157. 60 Vgl. Regierungsentwurf zum Baugesetzbuch, BT-Drs. 10/4630, S. 68; s. auch oben Kapitel 3, S. 77, 78. 61 Hervorzuheben ist, daß ein Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung nur dann vorliegt, wenn die Umsetzung der Eingriffsregelung im Genehmigungsverfahren tatsächlich vereitelt wird; ist die Anordnung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Genehmigungsverfahren und ihre Durchführung auch ohne entsprechende planerische Darstellungen oder Festsetzungen möglich, so ist das Gebot der Konfliktbewältigung nicht verletzt; es fordert gerade keine abschließende Bewältigung der durch die Planung aufgeworfenen Konflikte bereits auf der Ebene der Planung; s. o. Kapitel 3, S. 70 ff. Rechtsgrundlage zur Anordnung der Maßnahmen bleibt ohnehin die Eingriffsregelung selbst; so auch Gaentzsch, N u R 1986, 89, 98. 62 Im Ergebnis ebenso Gaentzsch, NuR 1986, 89, 97; Louis/Klatt, N u R 1987, 347, 350; Gassner, U P R 1987, 249, 251.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
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stehenden, gegen eine Verwirklichung der Planung sprechenden, Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft die für das Vorhaben sprechenden Belange, beispielsweise der Wirtschaft, nicht überwiegen, so ist die grundsätzliche planerische Entscheidung für das Vorhaben rechtmäßig. Nunmehr ist jedoch zusätzlich zu klären, ob das Vorhaben im Falle seiner Realisierung einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne der Eingriffsregelung darstellt. Ist dies der Fall, so muß bereits auf der Ebene der Planung geprüft werden, welche durch das Vorhaben entstehenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft nicht vermieden werden können und daher ausgleichspflichtig sind. Im hier gebildeten Fall ist beispielsweise daran zu denken, daß es aufgrund der mit der Realisierung des gesamten Vorhabens verbundenen großflächigen Grundflächenversiegelung zu einer nicht zu vernachlässigenden Temperaturerhöhung und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigungen des lokalen Klimas kommen kann. Läßt sich diese Temperaturerhöhung durch baugestalterische Maßnahmen an dem Vorhaben selbst nicht vermeiden oder wenigstens erheblich reduzieren, so muß die Gemeinde die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen schaffen, z. B. indem sie das Plangebiet gem. § 9 Abs. 7 BauGB nicht auf die unmittelbar zur Realisierung des Vorhabens erforderliche Fläche beschränkt, sondern es erweitert und Flächen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festsetzt, auf denen Maßnahmen durchgeführt werden können, die zu einer Verminderung der Temperatur beitragen. Z u denken ist insoweit an Bepflanzungen oder, falls dies im konkreten Fall möglich ist, die Anlegung oder gar Renaturierung von bereits vorhandenen, jedoch in früherer Zeit verdolten, Wasserläufen, die temperatursenkende Wirkung haben. Diese Festsetzungen ermöglichen es der Baugenehmigungsbehörde, dem Vorhabensträger bei Erteilung der Baugenehmigung, gestützt auf § 8 Abs. 2 BNatSchG in Verbindung mit der einschlägigen Vorschrift des Landesnaturschutzrechts, die Durchführung dieser Ausgleichsmaßnahmen aufzugeben. Schafft der Bebauungsplan diese planungsrechtlichen Voraussetzungen nicht und können die zur Temperatursenkung erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen aus diesem Grund nicht durchgeführt werden, so ist das Gebot der Konfliktbewältigung verletzt; die Planung ist rechtswidrig, der Bebauungsplan nichtig. Das Beispiel zeigt: Die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen der Bauleitplanung setzt voraus, daß bereits auf der Ebene der Planung eine hinreichend konkrete Vorstellung von den später im Plangebiet zu realisierenden Vorhaben besteht, denn nur dann kann die Gemeinde absehen, welche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft mit den einzelnen Vorhaben voraussichtlich verbunden sein werden, ob und inwieweit sie zu vermeiden sind und ob Flächen für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erforderlich sein werden. 63 Es läßt sich
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
daher der allgemeine Satz aufstellen, daß die Eingriffsregelung an die Bauleitplanung um so höhere Anforderungen stellt, je detaillierter die Planaussagen insgesamt sind. Eigentlich praktische Bedeutung dürfte die Eingriffsregelung daher insbesondere für eine Bauleitplanung erlangen, die einzelne (Groß-)Projekte zum Gegenstand hat; abgesehen von der Tatsache, daß, jedenfalls in der Regel, überhaupt nur solche Projekte im Fall ihrer Realisierung die Tatbestandsvoraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllen, hat die Gemeinde nur in diesen Fällen die erforderliche konkrete Vorstellung von den Vorhaben, um beurteilen zu können, welche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch ihre Verwirklichung hervorgerufen werden und wie sie zu vermeiden bzw. auszugleichen sind. Dies führt im Ergebnis faktisch zu einer weitgehenden Harmonisierung der Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für die Bauleitplanung und die Fachplanung; erreicht ein Bauleitplan die gleiche Genauigkeit der planerischen Aussagen wie ein Fachplan, legt er die Zulässigkeit eines Vorhabens also - im wesentlichen - abschließend fest, so muß er auch, stellt das Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, die planerischen Voraussetzungen für eine vollständige Umsetzung der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung schaffen. 65 Ein Unterschied ergibt sich jedoch daraus, daß die Anordnung dieser Rechtsfolgen im einzelnen im Fachplanungsrecht bereits in dem das Planungsverfahren abschließenden Planfeststellungsbeschluß selbst erfolgt, im Bauplanungsrecht dagegen erst in der auf den Satzungsbeschluß über den Bebauungsplan folgenden Baugenehmigung. Die Baugenehmigungsbehörde ist dabei an die planerischen Entscheidungen der Gemeinde, soweit sie auf den "Vorwirkungen" der Eingriffsregelung beruhen, nicht gebunden; die endgültige Entscheidung über die Anordnung der Rechtsfolgen der Eingriffsregelung liegt in der Kompetenz der Genehmigungsbehörde. Sie und nicht die Gemeinde wird durch § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG und die ent-
63 Ebenso Pielow, NuR 1986, 60, 62, 63, der zurecht auf die Vorhersehbarkeit von Eingriffen abstellt. 64 Daraus folgt, daß die Eingriffsregelung bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen nur in Einzelfällen eine Rolle spielen kann. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß sich bereits auf dieser Ebene der Bauleitplanung ein Eingriff hinreichend konkret voraussehen läßt; für die in diesem Fall ggf. erforderlich werdenden Darstellungen hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB ausdrücklich eine rechtliche Grundlage geschaffen. 65 Daß diese Auffassung auch zu sachlich befriedigenden Ergebnissen führt, zeigt der Fall einer (gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 FStrG zulässigen) Straßenplanung durch einen sog. "isolierten Bebauungsplan" (vgl. B V e r w G E 38, 152, 155 ff), dessen Inhalt sich in der Festsetzung der Straße erschöpft. Die Anforderungen, die die Eingriffsregelung an diese Projektplanung aufgrund des Bauplanungsrechts stellt, sind nach den dargestellten Grundsätzen über die "mittelbare" Berücksichtigung der Vorschrift im Rahmen der Bauleitplanung die gleichen, die im Falle einer Fachplanung aufgrund des Bundesfernstraßengesetzes zu beachten wären.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
223
sprechenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze ermächtigt, die "Verpflichtungen auszusprechen". 66 Daraus folgt, daß, entgegen einer in der Literatur - soweit ersichtlich - unbestrittenen Auffassung, 7 im Geltungsbereich eines Bebauungsplans auch die Anwendung des § 8 Abs. 3 BNatSchG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist; auch ein nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans zulässiges Vorhaben kann also gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG untersagt werden. Den Vertretern der gegenteiligen Auffassung ist zwar rechtzugeben, wenn sie feststellen, daß im Rahmen der Planungsentscheidung der Gemeinde ebenso wie im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG eine (echte) Abwägung stattzufinden habe; sie verkennen jedoch, daß die Eingriffsregelung die Baugenehmigungsbehörde (auch) ermächtigt, eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen. 68 Diese kann, ohne daß deshalb die planerische Entscheidung der Gemeinde abwägungsfehlerhaft sein müßte, zu einem anderen Ergebnis führen als zu dem der Gemeinde; gerade bei Abwägungsentscheidungen ist nicht nur eine rechtmäßige Entscheidung möglich. Deutlich wird dies insbesondere, wenn man den Fall betrachtet, daß zwischen Erlaß eines Bebauungsplans und der Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren einige Zeit vergeht; die Bedeutung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege kann sich in dieser Zeit wesentlich verändert haben, z. B. indem sich auf einer zur Zeit der Bauleitplanung ökologisch wertlosen Fläche inzwischen ein seltenes und ökologisch bedeutsames Biotop entwickelt hat. 6 9 Da bei einer Abwägungsentscheidung stets das konkrete Gewicht der betroffenen Belange entscheidend ist, 7 0 kann die Abwägung der Genehmigungsbehörde unter Berücksichtigung der aktu-
66 Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde nach Landesrecht selbst Baugenehmigungsbehörde ist, denn die Zuständigkeiten liegen bei verschiedenen Organen der Gemeinde; für die Planung ist der Gemeinderat zuständig, für die Baugenehmigung die Verwaltung, die damit eine Pflichtaufgabe nach Weisung erfüllt, vgl. z. B. § 48 Abs. 4 Satz 1 L B O Bad.-Württ. Auch wenn aufgrund Landesrechts die zur Genehmigung bzw. zur Entgegennahme der A n zeige von Bebauungsplänen gem. § 11 Abs. 1 BauGB zuständige Behörde zugleich Baugenehmigungsbehörde ist, ergibt sich daraus keine Bindung der Baugenehmigungsbehörde; sie ist im Rahmen ihrer Prüfung gem. §§11 Abs. 2, 6 Abs. 2 BauGB auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt, kann also nicht ihre eigene Abwägung an die Stelle der der Gemeinde setzen; vgl. Lohr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 6 Rdnr. 2, 3, 4; § 11 Rdnr. 1, 2, 4. I m Gegensatz dazu ermächtigt § 8 Abs. 3 BNatSchG die Gemehmigungsbehörde zu einer eigenen Abwägung. 67 Pielow, NuR 1979, 15, 18; Bauer, Verursacherhaftung, S. 512; Gaede, Eingriffsregelung, S. 58; wohl auch Lingenauber, Diskussionsergebnisse, S. 327; widersprüchlich Louis/ KJatt, N u R 1987, 347, 354, 355. 68 Darauf weist - in anderem Zusammenhang - auch Pielow, N u R 1986, 60, 62 hin; offensichtlich sieht er hierin jedoch keinen Widerspruch zu seiner Ansicht in N u R 1979, 15,
18. 69 Vgl. als Beispiele die bei Erbguth, JuS 1988, 699, 701 und Louis/Klatt, N u R 1987, 347, 355 geschilderten Fälle.
S. o. Kapitel , S.
ff.
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
eilen ökologischen Situation offensichtlich zu einem anderen Ergebnis führen als die der Gemeinde. 71 Es liegt auf der Hand, daß eine solche auf § 8 Abs. 3 BNatSchG und die entsprechenden Ländervorschriften gestützte Untersagung eines nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans zulässigen Vorhabens praktisch allerdings kaum eine Rolle spielen wird; gerade im Rahmen der Planungen, für die die Eingriffsregelung wesentliche Bedeutung erlangt, also insbesondere bei bestimmten Großprojekten, erfolgt die Entscheidung der Gemeinde in engem Zusammenwirken mit der Genehmigungsbehörde und die Baugenehmigung wird regelmäßig in unmittelbarem Anschluß an das Inkrafttreten des Bebaungsplans erteilt. Z u einer unterschiedlichen Beurteilung der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens wird es daher in praxi nicht kommen. Festzuhalten bleibt jedoch, daß dies rechtlich nicht ausgeschlossen ist. 7 2
IV. Die Bedeutung der Eingriffsregelung im Rahmen der Entscheidungen gem. § 31 BauGB Liegen die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft vor, so ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch bei Entscheidungen aufgrund von § 31 BauGB anzuwenden. Für im Bebauungsplan bereits vorgesehene Ausnahmen ergeben sich gegenüber der Entscheidung aufgrund von § 30 BauGB insoweit keine Besonderheiten, denn bei einer Ausnahme handelt es sich gem. § 31 Abs. 1 BauGB um einen von der Gemeinde schon berücksichtigten und ihren Planvorstellungen angepaßten Bestandteil des Bebauungsplanes.73 Die Grundsätze über die mittelbare Berücksichtigung der Eingriffsregelung bei der Planung aufgrund des Gebotes der Konfliktbewältigung gelten somit auch hier. Die verbindliche Umsetzung der Ein71 Dies führt nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans wegen eines Abwägungsfehlers; gem. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist insoweit nämlich die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlußfassung maßgebend; diese war aber im hier gebildeten Beispiel eine andere als die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde. 72 Selbst wenn dieser - seltene - Fall eintritt, führt dies nicht zu einem entschädigungspflichtigen Entzug einer Eigentumsposition; auch die Festsetzungen eines Bebauungsplans vermögen eine solche nach den zutreffenden Kriterien des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kapitel 2, S. 50) nicht zu begründen. Aber auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog. "eigentumskräftig verfestigten Anspruchssposition" (vgl. Kapitel 2, S. 50) gilt im Ergebnis nichts anderes. Ist ein Vorhaben gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG unzulässig, so ist die vom Grundstückseigentümer geplante Nutzung nicht legal; es fehlt daher schon an der ersten der auch vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Voraussetzungen der Entstehung einer Eigentumsposition. Dies verkennen Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 219.
73
S. o. Kapitel 3, S. 79, 80.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
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griffsregelung erfolgt ebenso wie bei einer Entscheidung gem. § 30 BauGB erst im Baugenehmigungsverfahren. Letzteres gilt auch im Rahmen der Erteilung einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB; da es sich hierbei jedoch um eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung an die Baugenehmigungsbehörde handelt, von den Planvorstellungen der Gemeinde abzuweichen, 74 ist (insoweit) eine Berücksichtigung der Eingriffsregelung auf der Ebene der Planung allerdings ausgeschlossen; der Eingriff ist für die Gemeinde nicht vorhersehbar. Da bereits das Bauplanungsrecht mit dem Merkmal der "städtebaulichen Vertretbarkeit" die Berücksichtigung aller im konkreten Fall betroffenen Belange, also auch der des Naturschutzes und der Landschaftspflege, und damit eine (echte) Abwägung fordert, 75 die zudem nicht von der Gemeinde, sondern von der Baugenehmigungsbehörde vorzunehmen ist, kann es aufgrund der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu einer unterschiedlichen Beurteilung der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens nicht kommen, denn sowohl die Maßstäbe der Entscheidung gem. § 31 Abs. 2 BauGB und gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. den entsprechenden Ländervorschriften als auch die Entscheidungsträger sind identisch. Somit liegt die wesentliche Bedeutung der Eingriffsregelung auch neben § 31 Abs. 2 BauGB darin, gegen den Verursacher des Eingriffs Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen anordnen zu können; dafür bietet § 31 BauGB keine Rechtsgrundlage. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG sowie der einschlägigen Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze entfällt bei diesen Entscheidungen jedoch nicht das Erfordernis des Benehmens bzw., soweit landesrechtlich vorgesehen, des Einvernehmens mit den Naturschutzbehörden; der Grund für diese Regelung, die angemessene Berücksichtigung der Forderungen der Naturschutzbehörden im Verfahren der Bauleitplanung, 76 liegt bei Erteilung einer Befreiung, deren Wesen gerade in einer Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans besteht, nicht vor. 7 7
V. Fazit Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist, liegen die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft vor, von der zuständigen Behörde im Baugenehmigungsverfahren sowohl neben den Voraussetzungen des § 30 BauGB als auch neben den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 und 74
S. o. Kapitel 3, S. 79.
75
S. o. Kapitel 3, S. 81.
76
S. o. S. 212.
77
So auch Engelhardt/Brenner, Bay. NatSchG, A r t . 6 b, Rdnr. 3.
226
5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
Abs. 2 BauGB anzuwenden; die rein verfahrensrechtliche Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG sowie der entsprechenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze steht dem nicht entgegen. Die wesentliche Bedeutung der Eingriffsregelung besteht darin, daß dem Bauherrn, dessen Vorhaben dem Grunde nach zulässig ist, Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft oder die Zahlung einer Ausgleichsabgabe auferlegt werden können; die vollständige Untersagung eines bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhabens ist zwar rechtlich möglich, dürfte aber kaum praktische Bedeutung erlangen. Für die Bauleitplanung hat die Eingriffsregelung nur mittelbare Bedeutung; die Gemeinde muß bei ihrer Planung berücksichtigen, daß aufgrund der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Baugenehmigungsverfahren zusätzliche Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorhabens gestellt werden. Vereitelt sie durch entsprechende Festsetzungen des Bebauungsplans die Umsetzung der Eingriffsregelung, so verstößt sie gegen das Gebot der Konfliktbewältigung; der Bebauungsplan ist abwägungsfehlerhaft und damit nichtig.
C. Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 34 BauGB Liegen die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft im konkreten Fall vor, so ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch neben den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Innenbereichsvorhaben in vollem Umfang anwendbar; sie bleibt als naturschutzrechtliche und damit nicht-bodenrechtliche Vorschrift neben § 34 BauGB im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB unberührt; der Bundesgesetzgeber konnte aus kompetenzrechtlichen Gründen auch durch die Vorschrift des § 34 BauGB keine in jeder Hinsicht abschließende Regelung der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben treffen. 78 Entgegen einer im Anschluß an Gaentzsch 79 überwiegend vertretenen Auffassung in der Literatur 8 0 ist daher auch die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit den entsprechenden Länderregelungen auf Innenbereichsvorhaben nicht ausgeschlossen; daß ein Innenbereichsgrundstück bauplanungsrechtlich grundsätzlich bebaut werden darf, schließt es nicht aus, daß das das geplante Vorhaben als Eingriff in Natur und Landschaft naturschutzrechtlich insgesamt unzulässig ist, weil die gegen jede bauliche Nutzung des Grundstücks sprechenden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im kon78
Dies verkennen Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 213.
79 N u R 1986, 89, 94. 80 Vgl. Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 216; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 34 Rdnr. 31.
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kreten Fall das Interesse des Eigentümers und andere für die bauliche Nutzung des Grundstücks sprechenden Gründe überwiegen. 81 Auch aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG ergibt sich nichts anderes; die gegenteilige Ansicht 8 2 verkennt, daß Inhalt und Schranken des Eigentums auch an Innenbereichsgrundstücken nicht allein durch § 34 BauGB, sondern auch durch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bestimmt werden. 83 Eigenständige Bedeutung in der Sache erlangt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung neben den Voraussetzungen des § 34 BauGB jedoch nur, soweit von dem geplanten Vorhaben Belange des sog. "funktionellen Naturschutzes" betroffen sind, denn diese sind nach der Neufassung des § 34 BauGB weder im Grundtatbestand des Absatzes 1 noch nach den Voraussetzungen des Absatzes 2 oder des Absatzes 3 unmittelbar entscheidungsrelevant. 84 Dagegen kommt der Eingriffsregelung in bezug auf die Belange des sog. "optischen Naturschutzes" neben den Voraussetzungen des § 34 BauGB keine selbständige Bedeutung zu, denn ein Vorhaben, das zu einer "ästhetischen Beeinträchtigung der Landschaft" und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinne der Definition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" führt, fügt sich auch nicht im Sinne des § 34 BauGB in seine nähere Umgebung ein, ist also schon bauplanungsrechtlich insgesamt unzulässig, ohne daß es noch auf die gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG vorgeschriebene Abwägung ankäme; insoweit leistet § 34 BauGB also den "besseren" Natur- und Landschaftsschutz.
D. Das Verhältnis der Eingriffsregelung zu § 35 BauGB Ebenso wie neben den Voraussetzungen der §§ 30, 31 und 34 BauGB bleibt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch neben den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Außenbereichsvorhaben gem. § 35 BauGB als naturschutzrechtliche und damit nicht-bodenrechtliche Vorschrift im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB unberührt. Wie die Landesnaturschutzgesetze zeigen, sahen die Landesgesetzgeber in der Anwendung der Eingriffsregelung auf Außenbereichsvorhaben sogar den Hauptanwendungsbereich der Vorschrift, denn "Vorhaben im Außenbereich" werden in 81 Im Ergebnis ebenso Gassner, U P R 1987, 249, 252, der zurecht darauf hinweist, daß das Ergebnis der im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG erforderlichen Abwägung immer eine Frage des Gewichts der konkurrierenden Belange ist und daher, auch im nicht beplanten Innenbereich, nicht vorab entschieden werden kann. 82
Gaßner/Siederer, Eingriffe in Natur und Landschaft, S. 213, 214.
83
S. o. Kapitel 2, S. 42.
84
S. o. Kapitel 4, S. 97 ff.
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht •
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den meisten landesgesetzlichen Positivlisten ausdrücklich genannt. In Bezug auf die praktische Bedeutung der Eingriffsregelung für die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben ist indessen zwischen den privilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 1 BauGB und den nichtprivilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 2 BauGB zu unterscheiden:
I. Nichtprivilegierte Vorhaben, § 35 Abs. 2 BauGB Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung erlangt neben den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für nichtprivilegierte Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB keine selbständige praktische Bedeutung. Während die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung das Vorliegen eines Eingriffs in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG und damit schon tatbestandlich erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes voraussetzt, ist ein Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB bereits dann insgesamt unzulässig, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur - beeinträchtigt werden. A u f die - echte - Abwägung gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. den entsprechenden Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze kommt es daher nicht an; auch in bezug auf Außenbereichsvorhaben kann die Eingriffsregelung als unberührt bleibende Vorschrift im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB nur baurechtsbeschränkend, nicht aber baurechtsbeo/
gründend wirken. Auch insoweit leistet also das Bauplanungsrecht den "besseren" Natur- und Landschaftsschutz als die naturschutzrechtliche Ein07
griffsregelung. Dies gilt weitgehend auch für die sog. "begünstigten Vorhaben" im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB, denn die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten "Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege" werden in § 35 Abs. 4 auch für die begünstigten Vorhaben nicht für entscheidungsirrelevant erklärt. 8 8 Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung kann allerdings in Ausnahmefällen insoweit selbständige Bedeutung erlangen, als das geplante Vorhaben eine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG hervorruft und hierin zugleich eine "Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft" liegt, die gem. § 35 85 Vgl. § 1 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4, 7, 8 NatschG Bremen; § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NatSchG Hamb.; § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 - 3 NatSchG Hessen; § 4 Abs. 2 Nr. 4, 7, 8 L G N R W ; § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LPflG Rh.-Pf.; § 10 Abs. 2 Nr. 3, 5,10 NatSchG Saarl.; § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 - 1 0 LPflegG S.-H. 86 S. o. Kapitel 2, S. 47. 87
Ebenso Gaentzsch, N u R 1986, 89, 93.
S.o. Kapitel , S.
.
9. Kap.: Genehmigungstatbestände und Bauleitplanung
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Abs. 4 BauGB begünstigten Vorhaben nicht entgegengehalten werden kann, auch wenn damit gleichzeitig die Belange des sog. "optischen Landschaftsschutzes" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 89 beeinträchtigt werden, denn soweit sich diese Voraussetzungen in ihrer tatsächlichen Bedeutung überschneiden, ist von einer abschließenden Spezialität der in § 35 Abs. 4 BauGB genannten Belange auszuzugehen.90 Ist ein solches - begünstigtes - Vorhaben also bauplanungsrechtlich zulässig, so ist es, liegen die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft vor, ebenso wie jedes andere bauplanungsrechtlich zulässige Vorhaben, das die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG erfüllt, zusätzlich an den Voraussetzungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu messen. Dies hat zur Folge, daß Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen angeordnet werden können und der Eingriff insgesamt zu untersagen ist, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen im Range vorgehen. Auch insoweit gilt, daß das Bauplanungsrecht nur Mindestvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Natur und Landschaft statuieren konnte; eine abschließende - positive - Regelung ist aus kompetenzrechtlichen Gründen ebenso wie bei § 34 BauGB ausgeschlossen.91
II. Privilegierte Vorhaben, § 35 Abs. 1 BauGB Stellt ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, so ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ebenfalls in vollem Umfang anwendbar. Sie erlangt insoweit auch praktische Bedeutung, da ihre tatbestandlichen Voraussetzungen bereits erfüllt sein können, bevor das Vorhaben schon bauplanungsrechtlich insgesamt unzulässig ist; Landschaftsbild und Naturhaushalt können im Sinne der Definition des Eingriffs in Natur und Landschaft erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt sein, ohne jedoch der Realisierung des geplanten Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB entgegenzustehen.92 Somit ist auch bei im Außenbereich privilegiert zulässigen Vorhaben die Anordnung von Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum Ersatz von Beeinträchtigungen sowie die Anordnung der Zahlung von Ausgleichsabgaben möglich. Liegen darüberhinaus die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG vor, sind auch bauplanungsrechtlich privilegiert zulässige Vorhaben insgesamt zu untersagen. 89 90
B V e r w G E 55, 272, 275. S. o. Kapitel 5, S. 118.
91
S. o. Kapitel 2, S. 40.
92
Vgl. Kapitel 5, S. 108,110.
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5. Teil: Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung bleibt als nicht-bodenrechtliche Vorschrift auch anwendbar, soweit § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB für "raumbedeutsame Vorhaben" anordnet, daß öffentliche Belange privilegierten Vorhaben nicht entgegenstehen, soweit sie bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung und Landesplanung in Programmen und Plänen im Sinne des § 5 des Raumordnungsgesetzes abgewogen worden sind; 9 3 diese Regelung bindet die Genehmigungsbehörde allein bei ihrer Entscheidung aufgrund der Vorschriften des Bauplanungsrechts. Auch insoweit bleibt es dabei, daß das Bauplanungsrecht aus kompetenzrechtlichen Gründen keine abschließende - positive - Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben treffen konnte. Sind mit der Realisierung des Vorhabens verbundene Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft also weder vermeidbar noch im erforderlichen Maße ausgleichbar und ergibt die gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. den entsprechenden Länderregelungen gebotene Abwägung im Genehmigungsverfahren den Vorrang der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist das Vorhaben zu untersagen, auch wenn es sich um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt, das gem. § 35 Abs. 1 iVm Abs. 3 Satz 3 BauGB zulässig wäre.
93 Vgl. Kapitel 5, S. 112,113. 94 Zur Verbindlichkeit der Ziele der Raumordnung und Landesplanung auch für die Entscheidung aufgrund Naturschutzrechts bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (auch) in den Naturschutzgesetzen; solange eine solche nicht erfolgt ist, verbleibt es auch insoweit bei der grundsätzlichen Regelung des § 29 Sa.ζ 4 BauGB.
Zusammenfassende Thesen
1. Soweit das Baugesetzbuch in den einzelnen Genehmigungstatbeständen Regelungen über die Bedeutung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege trifft, liegt darin nicht nur eine Verweisung auf das Naturschutzrecht der Länder, sondern ein Mindestmaß an eigenständigem bundesrechtlichem Schutz für Natur und Landschaft. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch die Vorschriften des Naturschutzrechts konkretisiert werden. 2. Jedoch regelt kein Genehmigungstatbestand des Baugesetzbuches die Zulässigkeit eines Vorhabens unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes und der Landschaftspflege abschließend; alle Vorschriften des Naturschutzrechts bleiben als nicht-bodenrechtliche Vorschriften im Sinne des § 29 Satz 4 BauGB unberührt. Sie sind entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch als Rechtsnormen anzuwenden, nicht nur als "Belange" im Sinne des Bauplanungsrechts zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist auch das naturschutzrechtlich begründete vollständige Verbot eines bauplanungsrechtlich zulässigen Vorhabens nicht ausgeschlossen; sieht eine naturschutzrechtliche Vorschrift die Untersagung eines Vorhabens unter bestimmten Voraussetzungen vor und sind diese im konkreten Fall erfüllt, so ist das Vorhaben unzulässig. 3. Voraussetzung der Anwendbarkeit naturschutzrechtlicher Vorschriften ist, wie bei allen Rechtsnormen, ihre Gültigkeit. Maßstab ist die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG; obwohl die Vorschriften des Naturschutzrechts grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums darstellen, fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Regelung, die es erlaubt, den Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden, sei es durch die Möglichkeit des Dispenses von einem grundsätzlichen Verbot, sei es durch eine allgemeine Abwägungsklausel. Eine Entschädigung ist nur dann zu leisten, wenn die Anwendung des Naturschutzrechts im konkreten Fall zum Entzug einer Eigentumsposition führt; in diesem Fall liegt eine entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung vor. Die analoge Anwendung der "salvatorischen Entschädigungsklauseln" der Landesnaturschutzgesetze bietet hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage.
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Zusammenfassende Thesen
4. Entscheidend für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im (qualifiziert) beplanten Innenbereich sind die Festsetzungen des Bebauungsplans, also das Ergebnis der Bauleitplanung der Gemeinde. Die von der Gemeinde bei ihrer Planung zu beachtenden Vorschriften ermöglichen nicht nur, sondern fordern eine umfassende Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Erstellung der Bauleitpläne; das Baugesetzbuch stellt hierfür eine Vielzahl von naturschutzrechtlich relevanten Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Jedoch genießen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch unter Geltung des Baugesetzbuches keinen abstrakten gesetzlichen Vorrang vor anderen Belangen; sie können daher im Rahmen der planerischen Abwägung hinter anderen, im konkreten Fall wichtigeren Belangen, zurückgestellt werden. Damit besteht die Gefahr, daß die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft folgenlos bleibt; die Gemeinde kann zwar die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen zum Ausgleich derartiger Beeinträchtigungen schaffen und ist in den Grenzen des Gebots der Konfliktbewältigung auch dazu verpflichtet, jedoch stellt das Bauplanungsrecht selbst keine Rechtsgrundlage zur Verfügung, dem Bauherrn die Durchführung solcher Maßnahmen aufzuerlegen. 5. Entgegen der Ansicht des Gesetzgebers schließt die Streichung der Klausel "und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen" in § 34 Abs. 1 BauGB die Berücksichtigung der Belange des funktionellen Naturschutzes bei der Prüfung der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben aus; das "Einfügungsgebot" des § 34 Abs. 1 BauGB stellt, auch soweit es das "Gebot der Rücksichtnahme" umfaßt, keinen Maßstab zur Verfügung, ökologische Belange bei der Frage der Zulässigkeit von Innenbereichsvorhaben zu berücksichtigen. Dagegen bleiben die Belange des optischen Naturschutzes gewahrt; ein Vorhaben, das sich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in seine nähere Umgebung "einfügt", kann auch nicht zu einer ästhetischen Beeinträchtigung der Landschaft führen. Gleiches gilt für die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB. Die auch aus Gründen des Naturschutzes geäußerte Kritik an der neugeschaffenen Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB ist nicht berechtigt. Die Auswirkungen der Vorschrift auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Natur und Landschaft sind differenziert zu sehen. 6. Die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind sowohl für die Zulässigkeit nicht-privilegierter als auch für die Zulässigkeit privilegierter Vorhaben von Bedeutung. Ob sie im Sinne des § 35 Abs. 2 BauG "beeinträchtigt" werden oder einem geplanten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB "entgegenstehen", bedarf der Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bedeutung und des Ausmaßes ihrer negativen Betroffenheit. Dabei handelt es sich um
Zusammenfassende Thesen
eine gebundene Verwaltungsentscheidung, die eine Kompensation verschiedener Vor- und Nachteile, die mit der Realisierung des Vorhabens verbunden sind, nicht zuläßt und die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Der zur Charakterisierung dieser Entscheidung geprägte Begriff der sog. "nachvollziehenden Abwägung" sollte im Interesse terminologischer Klarheit aufgegeben werden. 7. Die auch aus Gründen des Naturschutzes geäußerte Kritik an der Neuregelung des § 35 Abs. 4 BauGB ist nicht gerechtfertigt; die Kritik übersieht, daß die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 35 Abs. 4 BauGB gerade nicht für unbeachtlich erklärt werden. Auch der neugeschaffene § 35 Abs. 5 BauGB ist naturschutzrechtlich von Bedeutung; er trägt zwar nicht die vollständige Untersagung eines Vorhabens, stellt der Behörde aber die Rechtsgrundlage zur Verfügung, den Bauherrn zu einer mit den Anforderungen des Außenbereichsschutzes möglichst zu vereinbarenden Bauweise zu verpflichten. 8. Die rahmenrechtliche Legaldefinition des "Eingriffs in Natur und Landschaft" in § 8 Abs. 1 BNatSchG stellt eine abschließende Regelung dar, die von den Ländern inhaltlich unverändert übernommen werden muß. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig. Ob bauliche Anlagen und andere bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllen, bedarf grundsätzlich der Prüfung im Einzelfall. 9. Die Länder sind auch beim Erlaß von Positiv- und Negativlisten aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 8 BNatSchG grundsätzlich an die Legaldefinition des § 8 Abs. 1 BNatSchG gebunden. § 8 Abs. 8 BNatSchG ist als Ausnahmevorschrift restriktiv zu interpretieren und erlaubt nur, Vorhaben, die nur in einem atypischen Fall die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG erfüllen, durch Nennung in einer Negativliste aus dem Anwendungsbereich der Eingriffsregelung herauszunehmen; ebenso dürfen nur Vorhaben, die nur in einem atypischen Fall keinen Eingriff darstellen, in eine Positivliste aufgenommen werden. 10. Art. 6 Abs. 3 NatSchG Bay., § 10 Abs. 1 und Abs. 2 NatSchG Bad.Württ, § 9 Abs. 2 Nr. 3 NatSchG Hamb, und § 4 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 L G NRW verstoßen (teilweise) gegen diese rahmenrechtlichen Vorgaben; sie sind daher (insoweit) gem. Art. 31 GG nichtig. 11. Die Verpflichtung zur Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BNatSchG stellt eine technisch-fachliche Optimierungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes und der Landschaftspflege dar. Die Vorschrift setzt die fachgesetzliche Zulässigkeit des Vorhabens voraus. Sie stellt in keinem Fall die Rechtsgrundlage für eine
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Zusammenfassende Thesen
vollständige Untersagung zur Verfügung; ein "Verbot vermeidbarer Eingriffe" sieht die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht vor. Auch die Frage des Standorts eines Vorhabens ist aufgrund des einschlägigen Fachgesetzes zu entscheiden; mit dieser Entscheidung verbundene Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft hat die Eingriffsregelung als unvermeidbar hinzunehmen. 12. Bei der Anordnung von Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Vorhaben, insbesondere aufgrund der dadurch entstehenden Kosten, faktisch verhindernde Maßnahmen sind darüberhinaus nur zulässig, wenn das Interesse an der Realisierung des Vorhabens im Rahmen einer Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft nachrangig ist; diese Voraussetzung des § 8 Abs. 3 BNatSchG gilt auch für das Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen. 13. (Vollständig) ausgeglichen gem. § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG ist ein Eingriff in Natur und Landschaft erst dann, wenn sich das Vorhaben unter Berücksichtigung der angeordneten Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr als Eingriff im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Ausgleichsmaßnahmen sind daher nur solche Maßnahmen, die die Kompensation konkreter, durch die Realisierung eines Vorhabens eintretender Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bewirken. Ihre Anordnung unterliegt den gleichen Grenzen wie die von Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen. Ist nur ein teilweiser Ausgleich möglich, so ist das Vorhaben zusätzlich an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG zu messen. 14. Die vollständige Untersagung eines Eingriffs in Natur und Landschaft gem. § 8 Abs. 3 BNatSchG setzt eine echte Abwägung aller in konkreten Fall betroffenen Belange voraus und erlaubt daher die Gesamtschau und Kompensation aller mit dem Vorhaben verbundener Auswirkungen. Ist ein Ausgleich von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft teilweise möglich, so ist dies im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen; das entscheidende Maß der tatsächlichen negativen Betroffenheit wird in dem entsprechenden Umfang reduziert. 15. Die Länder haben den ihnen durch die Ermächtigung des § 8 Abs. 9 BNatSchG eröffneten Spielraum zum Erlaß weitergehender Vorschriften insbesondere über Ersatzmaßnahmen nicht vollständig ausgeschöpft. Dies ist zwar rechtlich unbedenklich, unter dem Gesichtspunkt eines möglichst effektiven Schutzes von Natur und Landschaft jedoch rechtspolitisch fragwürdig. Die in einigen Landesnaturschutzgesetzen vorgesehen Ausgleichsabgaben sind sowohl mit § 8 Abs. 9 BNatSchG als auch mit dem Finanzverfassungsrecht vereinbar.
Zusammenfassende Thesen
16. Obwohl die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in § 8 Abs. 3 BNatSchG auch die Ermächtigung zur vollständigen Untersagung eines Vorhabens enthält, liegt ihre wesentliche Bedeutung darin, daß sie es nicht bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens an sich beläßt, sondern auch an dem Grunde nach zulässige Vorhaben Anforderungen aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege stellt. Damit vermeidet die Eingriffsregelung, daß eine, im konkreten Fall zwar vorrangige und damit zulässige Inanspruchnahme von Natur und Landschaft folgenlos bleibt. 17. Stellt ein bauplanungsrechtlich relevantes Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, so ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung neben den Voraussetzungen des einschlägigen Genehmigungstatbestandes des Baugesetzbuches in vollem Umfang anwendbar. Dies gilt auch für Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans; die in diesem Zusammenhang relevante Vorschrift des § 8 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG regelt nur die verfahrensrechtliche Frage der Beteiligung der Naturschutzbehörden. Die inhaltlich abweichende Regelung des § 8 Abs. 5 LPflegG Schl.-Holstein ist gem. Art. 31 GG nichtig. 18. Für die Bauleitplanung hat die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nur mittelbare Bedeutung. Das Gebot der Konfliktbewältigung fordert, daß die Gemeinde bei der Erstellung der Bauleitpläne berücksichtigt, daß die Eingriffsregelung an ein Vorhaben, welches (auch) die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllt, weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen stellt; sie muß daher die planerischen Voraussetzungen schaffen, die eine Umsetzung der Eingriffsregelung im Baugenehmigungsverfahren ermöglichen. Wird die Anwendung der Eingriffsregelung durch entsprechende Festsetzungen vereitelt, so ist der Bauleitplan abwägungsfehlerhaft und insoweit nichtig. 19. Die Voraussetzungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gelten uneingeschränkt auch für Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich. Dies gilt auch für die naturschutzrechtliche Untersagungsermächtigung; liegen im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG bzw. der entsprechenden Ländervorschrift vor, so ist das Vorhaben insgesamt unzulässig. Praktische Bedeutung erlangt die Eingriffsregelung neben den Voraussetzungen des § 34 BauGB allerdings nur, soweit Belange des funktionellen Naturschutzes betroffen sind; in bezug auf die Belange des optischen Naturschutzes leistet § 34 BauGB den besseren Natur- und Landschaftsschutz. 20. Praktische Bedeutung für Außenbereichsvorhaben kommt der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nur zu, wenn es sich um privilegierte
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Zusammenfassende Thesen
Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB handelt; erfüllt ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB die Voraussetzungen eines Eingriffs in Natur und Landschaft, so ist es bereits bauplanungsrechtlich insgesamt unzulässig. Auch insoweit leistet das Bauplanungsrecht den besseren Natur- und Landschaftsschutz.
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