Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont [Reprint 2011 ed.] 9783110800500, 9783110166002

In 1863 Rudolph Ludwig retrieved 250 fibulae from the 1st to 4th centuries comprising what is known as the “Pyrmonter Br

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German Pages 521 [544] Year 1999

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Table of contents :
Vorwort
1 Grundlagen
1.1 Topograpie
1.2 Geologie und Hydrologie
1.3 Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales
2 Die Entdeckung des Pyrmonter Brunnenfundes
2.1 Vorgeschichte
2.2 Fundgeschichte
2.3 Die überregionale Bekanntgabe des Fundes
2.4 Die frühen wissenschaftlichen Berichte über den Brunnenfund
2.5 Die Ausgrabungen von 1863 und ihr Ergebnis
2.6 Die Zahl der Fundgegenstände
3 Überlieferungs-, Forschungs- und Rezeptionsgeschichte des Fundes
3.1 Zur Überlieferungsgeschichte
3.2 Die bisherige Dokumentation der Funde
3.3 Forschungs- und Rezeptionsgeschichte
4 Die Nachbildungen und Nachahmungen
4.1 Die Nachbildungen – Allgemeines
4.2 Die Nachbildungen der H. F. Schaperschen Fabrik zu Pyrmont
4.3 Nachbildungen für wissenschaftliche Zwecke
4.4 Kommerziell angefertigte Nachbildungen
4.5 Die Nachahmungen der Fibeln
4.6 Ergebnisse
5 Die Identifizierung nicht antiker Fibeln
5.1 Metallanalysen
5.2 Detailuntersuchungen der fraglich echten Fibeln
5.3 Fälschungen?
5.4 Ergebnisse
6 Die Funde (Originale und fragliche Stücke)
6.1 Almgren 2/Kostrzewski Var. N–O (Typ 1)
6.2 Almgren I,12 (Typ 2)
6.3 Almgren 15 (Typ 3)
6.4 Almgren 16 (Typ 4)
6.5 Almgren 19 (Typ 5)
6.6 Almgren 22 (Typ 6)
6.7 Almgren III,45 (Typ 7)
6.8 Kniefibeln (Typ 8–12)
6.9 Almgren VI,162 (Typ 13)
6.10 Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14–19)
6.11 Almgren 187 (Typ 20)
6.12 Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21–29)
6.13 Scheibenfibeln (Typ 30–31)
6.14 Delphinfibel (Typ 32)
6.15 Ringfibeln (Typ 33–40)
6.16 Spiralfingerring (Typ 41)
6.17 Römische Münzen (Typ 42)
6.18 Emaillierte Schöpfkelle (Typ 43)
6.19 Funde aus organischem Material (Fundgruppe 44–45)
6.20 Löffel mit Pinienzapfenabschluß (Typ 46)
6.21 Verschollene Fibeln unbekannten Typs (Fundgruppe 47–48)
6.22 Die sogenannten „Pyrmonter Quellnadeln“ (Typ 49)
7 Zur Datierung der Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund
7.1 Absolute Chronologie
7.2 Auswertung
7.3 Alternatives Datierungsmodell unter Berücksichtigung der Abnutzungsspuren
7.4 Ergebnis: Die Datierung des Pyrmonter Brunnenfundes
8 Kulturgeschichtliche Auswertung
8.1 Zur Archäologie des Opfers
8.2 Zu Schöpfgefäßen in römischen und germanischen Quellheiligtümern
8.3 Spiralringe aus Quell- und Moorfunden
8.4 Münzen aus Quell- und Moorfunden
8.5 Das prähistorische Fibelopfer – ein Überblick zur Forschungslage
8.6 Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht
8.7 Weitere germanische Opferplätze mit Fibeldeponierungen
8.8 Die Tierdarstellungen im Pyrmonter Brunnenfund
8.9 Wasser- und Quellenverehrung
8.10 Verehrung von Bäumen
8.11 Verbindung von Quell- und Baumkult
8.12 Priester und Priesterinnen
8.13 Kleidungsopfer?
8.14 Der Umgang mit den Fibeln
8.15 Welchem Stamm ist das Pyrmonter Heiligtum zuzuordnen?
9 Interpretation des Pyrmonter Brunnenfundes
9.1 Der Brodelbrunnen aus balneologischer und medizingeschichtlicher Sicht
9.2 Zur Datierung der Fibeln von germanischen Opferplätzen
9.3 Deponierungsmuster von Fibeln auf germanischen Opferplätzen
9.4 Ein Vergleich der Opferplätze mit Fibeln aus Nordosteuropa
9.5 Zivile Opfer – Kriegsbeuteopfer
9.6 Überlegungen zur Religionsästhetik kaiserzeitlicher Opferfunde
9.7 Zivile Opfer als Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen?
9.8 Ritual landscapes – Kult- und Opferlandschaften
9.9 Geographische Verteilung der fibelführenden Heiligtümer
9.10 Hierarchisierung von Heiligtümern?
9.11 Schlußfolgerungen
10 Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang
Listen
Abbildungs- und Tafelnachweis
Ortsregister
Sachregister
Tafeln
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Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont [Reprint 2011 ed.]
 9783110800500, 9783110166002

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Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer

Band 20 Herausgegeben von Rosemarie Müller

w DE

G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 1999

Studien zu dem kaiserzeitlichen QueUopferfund von Bad Pyrmont von Wolf-Rüdiger Teegen

w DE

G_

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1999

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Reallexikon der germanischen Altertumskunde / von Johannes Hoops. Hrsg. von Heinrich Beck ... — Berlin ; New York : de Gruyter Bis Bd. 4 der 1. Aufl. hrsg. von Johannes Hoops Ergänzungsbände / hrsg. von Heinrich Beck ... Bd. 20. Teegen, Wolf-Rüdiger: Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont. — 1999 Teegen, Wolf-Rüdiger: Studien zu dem kaiserzeitlichen Quellopferfund von Bad Pyrmont / von Wolf-Rüdiger Teegen. Hrsg. von Rosemarie Müller. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1999 (Reallexikon der germanischen Altertumskunde : Ergänzungsbände ; Bd. 20) ISBN 3-11-016600-3

© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

Vorwort der Herausgeberin Die Begründer der zweiten Auflage des HOOPS Reallexikon der Germanischen Altertumskunde haben parallel zu dem Handbuch eine selbständige Reihe in Form von Ergänzungsbänden konzipiert. Sie soll der Darstellung von Einzelthemen ebenso wie der Behandlung fächerübergreifender Problematik aus dem Zusammenhang mit Germanischer Altertumskunde mehr Raum verschaffen, als das im Lexikon selbst der Fall sein kann. Mit dem hier vorliegenden Werk erreicht die laufende Numerierung die stattliche Zahl eines zwanzigsten Bandes, in dem nun auch neben bisher behandelter philologischer und historischer Thematik die Erörterung archäologischer Quellen als Anteil einer Germanischen Altertumskunde zur Sprache kommen soll. Die mit diesem Band zum Abschluß gebrachten Studien sind einem in der Prähistorie hochberühmten Fundplatz gewidmet, der auf dem Boden des Kur- und Badeortes Bad Pyrmont im Reg.-Bez. Hannover und damit im Bundesland Niedersachsen liegt. Die Basis für den Bekanntheitsgrad und den Wohlstand der Stadt bilden 15 Mineralquellen, die hier entspringen. Das Quellgelände hat schon seit urgeschichtlicher Zeit immer wieder Menschen angezogen. Besonderer Ausdruck dafür ist ein außergewöhnlicher Fund, der im Jahre 1863 bei Sanierungsarbeiten in einer der noch tätigen Quellen unter Obhut des Darmstädter Geologen Rudolph Ludwig gemacht wurde und der seitdem als Opferfund gilt. Obwohl der Fund wissenschaftliche Würdigung durchaus erfuhr, so aus der Feder von Oscar Almgren und Karl Hermann Jacob-Friesen, stand eine umfassende Analyse und Wertung für den „Pyrmonter Brunnenfund", wie er seit seiner Auffindung genannt wird, jedoch bisher noch aus. Auch die erste Auflage des HOOPS Reallexikon enthält ein Stichwort Pyrmont nicht. Der Autor verfolgt bei der Gesamtpublikation des Fundes im wesentlichen drei Ziele. Das erste strebt er in einer beispielhaften, weil nahezu kompletten Rekonstruktion der Fund-und Forschungsgeschichte für den Pyrmonter Fund an. Eine kritische Auseinandersetzung selbst mit Informationen aus zeitgenössischen Zeitungsnotizen war insofern erforderlich, als schon bald nach Bekanntwerden

vi

Vorwort

des Fundes Imitationen in Umlauf gebracht wurden, die ζ. T. bis heute zusammen mit den Originalen überliefert sind. Der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes und damit das Hauptanliegen des Autors liegt eindeutig auf der antiquarisch-altertumskundlichen Untersuchung, die entsprechend der Zusammensetzung des Fundes überwiegend den Fibeln gilt. Maßgebliche Schlußfolgerungen für die in diesem Teil der Arbeit getroffenen Aussagen bezieht W.-R Teegen über einen Rückgriff auf den Befund von ca. 2700 zeitgleichen Bestattungen vornehmlich Nordwestdeutschlands. Die Einschätzung Pyrmonts als eines „primären Fibeldepots" führt den Autor bei der Verfolgung seines dritten Hauptanliegens zum Vergleich mit anderen, insbesondere nordeuropäischen Opferfunden. Dabei werden Opfer und Kult vor allem aus archäologischer Sicht erörtert. Die hier vorgelegten Studien wollen sich nicht als reine Materialanalyse verstanden wissen. Sie geben dem Archäologen notwendige quellenkundliche Fakten zur Hand und beabsichtigen gleichzeitig, für den Historiker und Philologen einen Sachverhalt erschließbarer zu machen, den er - wie in diesem Falle — mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln nicht ohne weiteres rekonstruieren kann. Wenn die Ergebnisse langjähriger Bemühungen nun durch den Druck an die Öffentlichkeit treten, so geschieht das vor allem in der Absicht auf eine fruchtbare Resonanz.

Rosemarie Müller

Vorwort des Autors Der Pyrmonter Brunnenfund ist vor allem durch seine herausragenden Funde, die emaillierte Schöpfkelle, die Reiterfibel und die Tierscheibenfibeln, der Forschung seit langem bekannt. Nach seiner Entdeckung 1863 wurden die Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund über viele deutsche Sammlungen verstreut. Der größte Teil des Fundkomplexes gelangte 1922 zurück nach Bad Pyrmont, wo allerdings nur ein geringer Teil im ehemaligen Heimatmuseum ausgestellt war. Vermutlich durch dieses Überlieferungsschicksal bedingt, sucht man Einzelheiten über die Fundumstände, die Problematik des Fundes, die vorhandenen Fibeltypen u. ä. meist vergebens. Nur so ist zu erklären, daß sich in der Literatur unterschiedliche Angaben finden und das Funddatum (Oktober 1863) immer wieder falsch genannt wurde1 und wird2. So bildete die 1897 von O. Almgren3 erstellte Liste der im Fundkomplex vorhandenen Gegenstände die einzige bislang existierende Ubersicht über das Fundmaterial. Eine Gesamtvorlage ist seit langem ein Desiderat der Forschung. Daher bemerkte beispielsweise R. v. Uslar, daß die Pyrmonter Funde „eine monographische Bearbeitung verdienten"4. Eine Untersuchung dieses Fundkomplexes wurde von E. Cosack5 sowie R Articus5 begonnen, jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht weiterverfolgt. Im Zuge der Einrichtung des „Museums im Schloß" in Bad Pyrmont wurden die Funde 1986/87 im damaligen Institut für Denkmalpflege, Hannover, konserviert und photographisch dokumentiert. Parallel dazu begann ich mit der Materialaufnahme. Herr Dr. D. Alfter und sein Team (Frau B. Freiberg, Herr W. Gresens [f], Frau E. Meyer Μ. A. sowie Herr A. Pohl) haben mich in Pyrmont auf vielfältige Weise unterstützt. Seit 1987 sind sämtliche in Bad Pyrmont aufbewahrten Gegenstände des Brunnenfundes der Öffentlichkeit zugänglich. In einer 1995 bei Frau Priv.-Doz. Dr. R. Müller, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, abgeschlossenen Dissertation hat der Verfasser sämtliche noch vor-

2 3 4 s 6

R. Articus (1984) hat darauf bereits hingewiesen; vgl. auch Kap. 2. Berget 1988,42 (FMRD VH.4014). Almgren 1897; 1923 235 Beil. IV. v. Uslar 1938,100 Anm. 7. Cosack 1979,5. Articus 1984,175 Anm. 1.

viii

Vorwort

handenen Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund sowie die erhaltene Dokumentation erfaßt und ausgewertet. Die Arbeit enthielt einen archäologischantiquarischen, technologischen und kulturgeschichtlichen Teil. An dieser Stelle werden die Ergebnisse der archäologischen und kulturgeschichtlichen Auswertung veröffentlicht. Dazu wurde das Manuskript vollständig überarbeitet und im interpretativen Teil deutlich erweitert. Außerdem wurde angestrebt, die wichtigste bis 1997 erschienene Literatur einzubeziehen, einschließlich der noch unpublizierten Ergebnisse der Tagung „100 Jahre Fibelformen nach Oscar Almgren", Kleinmachnow, 25.-28. Mai 1997. Gelegentlich konnten auch noch jüngere Arbeiten berücksichtigt werden. Die Vorlage des umfangreichen Kataloges einschließlich zahlreicher mikroskopischer Untersuchungen sowie der typologisch-technologischen Studien soll zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle erfolgen. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Abkürzungen und die Zitierweise richten sich nach denen der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts und allgemein im Fach gebräuchlichen (ζ. B. Typbezeichnungen). Ein großer Teil der Nachweise zu Vergleichsfunden sowie die Fundlisten 1-49 sind der Dissertation des Verfassers zu entnehmen. Auf diese Arbeit wird im Text in der Regel nicht weiter verwiesen. Anspruch auf Vollständigkeit bei der Heranziehung von Vergleichsfunden wird nicht erhoben. Die Fundorte sind mit der aktuellen Kreisangabe versehen. Bei ausländischen Fundorten wurde, von Ausnahmen abgesehen, nur das internationale Länderkennzeichen angegeben. Eine Auswahl der Funde ist auf den Tafeln 1-17 - meist unmaßstäblich abgebildet (die Längenmaße sind Liste 1 zu entnehmen). Dabei wurde besonderer Wert auf die Abbildung fraglicher Stücke und der ungenügend publizierten jüngerkaiserzeitlichen Fibeln sowie der Ringfibeln gelegt. Das älterkaiserzeitliche Material ist durch den Aufsatz von R. Articus leicht greifbar. Um bis zum Erscheinen des Kataloges einen Gesamtüberblick zu gewährleisten, sind im Anhang in den Listen 1 und 2 sämtliche mir bekannt gewordenen Originalfunde und Nachbildungen einschließlich ihrer Aufbewahrungsorte, Inventar- und Katalognummern erfaßt. Die in Bad Pyrmont aufbewahrten Funde sind noch nicht endgültig inventarisiert. Ihre eindeutige Identifizierung ist jedoch durch die abgedruckten provisorischen Identifikationsnummern gewährleistet, die den laufenden Nummern der Materialaufnahme entsprechen. Frau Rosemarie Müller hat besonderen Anteil an dieser Veröffentlichung, nicht nur weil sie die Herausgabe übernommen hat. Nach meinem Rigorosum bot sie mir spontan an, die Ergebnisse der Dissertation als kulturgeschichtliche Auswer-

Vorwort

ix

tung für einen Etgänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde zusammenzustellen. Auf dieses Angebot ging ich gern ein. Frau Müller hat mich durch ihre sehr persönliche Art und manchmal auch durch Druck immer wieder motiviert, die vorliegende Studie endlich abzuschließen. Für ihren fachlichen Rat und ihre großzügige Unterstützung über Jahre möchte ich mich auch an dieser Stelle besonders herzlich bedanken. Die Materialaufnahme führte mich in folgende Museen und Sammlungen, deren Leiter und Leiterinnen mich wohlwollend unterstützten: Museum im Schloß, Bad Pyrmont (Herr Dr. D. Alfter), Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Abt. Ur- und Frühgeschichte (Herr Dr. H. Schirnig, Herr Prof. Dr. Dr. G. Wegner), Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz (Herr Dr. E. Künzl), Museum Hameln (Herr Dr. N. Humburg), Hamburger Museum für Archäologie - HelmsMuseum, Hamburg-Harburg (Herr Prof. Dr. R. Busch, Herr R. Articus), Staatliche Museen Berlin - Museum für Ur- und Frühgeschichte, Berlin (Frau Dipl. phil. E. Zengel), Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven (Herr Dr. W. H. Zimmermann), Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Frau Dr. Ebert-Schifferer, Herr Dr. W. Stolle). Die genannten Institutionen und Personen sowie das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (NLD), Hannover (Frau Dr. J. Möller), erteilten auch die Publikationsgenehmigungen. Naturwissenschaftliche Analysen am Fundmaterial unternahmen dankenswerterweise Herr Dr. U. Anemüller, Universität Hannover, Herr W. Glaeseker, Universität Hamburg, Herr Dr. H. Rösch, Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung, Hannover, Herr Prof. Dr. Dr. M. Schultz, Universität Göttingen, und Herr Dr. Th. Weiser, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover. Auf die von ihnen erzielten Ergebnisse wird in diesem Band zurückgegriffen, eine ausführliche Publikation ist jedoch an anderer Stelle vorgesehen. Verschiedene Freunde und Fachkollegen im In- und Ausland haben diese Studie mit Rat und Tat unterstützt. Vielfaltige Hilfe in technischen Fragen erfuhr ich von den Herren H. Fendel und M. Meier sowie von Frau E. Hellmich, Archäologische Restaurierungswerkstatt des NLD. Frau C. S. Fuchs, NLD, fertigte mit großem Engagement zahlreiche Photographien der Funde an. Die englische Zusammenfassung verfaßte Frau Prof. Dr. S. J. Schwarz, University of Evansville (USA). Allen Beteiligten gilt mein besonderer Dank. Dem Verlag Walter de Gruyter danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in sein Publikationsprogramm, Frau Dr. G. Grünkorn und Frau I. Neumann für Hilfe bei der Drucklegung.

χ

Vorwort

Die mühevollen Redaktions-, Satz- und Korrekturarbeiten übernahmen Frau A. Stülzebach M.A. und Frau B. Kröger M.A. Für Unterstützung danke ich herzlich meiner Mutter, Frau G. Teegen, Hameln, Familie Dr. A. J. (f) und H. Barthelmes, Tulsa (USA), und Frau R. Theilkuhl, Hannover. Die vorliegende Studie sei all denjenigen gewidmet, die mir in den vergangenen Jahren so treu zur Seite gestanden haben.

Hameln im Januar 1999

Wolf-Rüdiger Teegen

Inhaltsverzeichnis Vorwort 1 Grundlagen 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3

Topograpie Geologie und Hydrologie Der geologische Aufbau des Pyrmonter Tales Die Mineralquellen Erste Schichtbeschreibungen vom Brunnenplatz Kalktuff und Quellsinter Die Pyrmonter Moore Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales

2 Die Entdeckung des Pyrmonter Brunnenfundes 2.1 2.1.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.5.8

Vorgeschichte Rudolph Ludwig (1812-1880) - der Ausgräber des Brunnenfundes Fundgeschichte Die überregionale Bekanntgabe des Fundes Die frühen wissenschaftlichen Berichte über den Brunnenfund Die Ausgrabungen von 1863 und ihr Ergebnis Der Befund Unstimmigkeiten in der Darstellung des Grabungsbefundes Die neuzeitlichen Fassungen des Brodelbrunnens Der Schichtaufbau Chemische Veränderungen Die alten Quellen Die Verteilung der Funde Die Umgebung der Quellen und der Opferplatz

2 2 2 2 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4

xii

Inhaltsverzeichnis

2.5.9 2.6

„Der Pyrmonter Brunnenfund - der Fund im Brodelbrunnen" Die Zahl der Fundgegenstände

3 Uberlieferungs-, Forschungs- und Rezeptionsgeschichte des Fundes 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.9.1 3.1.9.2 3.1.10 3.1.11 3.1.11.1 3.1.11.2 3.1.11.3 3.1.12 3.1.13 3.1.14 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

Zur Uberlieferungsgeschichte Arolsen / Bad Pyrmont Berlin Bonn Darmstadt Hannover Hameln Hamburg-Harburg Mainz Privatsammlungen Bad Pyrmont Schloß Miechowitz bei Ratibor Weitere Funde? Nachbildungen in öffentlichen Sammlungen Stuttgart Braunschweig Hamburg-Harburg Privatsammlungen Zum Verbleib der Funde - tabellarische Übersicht Ubersicht über die verschollenen bzw. nicht erhaltenen Gegenstände Die bisherige Dokumentation der Funde Publizierte Dokumentation Unpublizierte Dokumentation Forschungs- und Rezeptionsgeschichte Archäologische Fachliteratur Populärwissenschaftliche Literatur „Kurliteratur" Heimatliteratur „Unterhaltungsliteratur" Bildende Kunst Werbung

50 50

55 55 56 61 62 63 64 66 66 67 67 68 69 69 70 70 71 72 72 72 73 75 75 76 77 77 79 79 80 80 83 84

Inhaltsverzeichnis

4 Die Nachbildungen und Nachahmungen 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.5 4.6

Die Nachbildungen - Allgemeines Die Nachbildungen der H. F. Schaperschen Fabrik zu Pyrmont Nachbildungen für wissenschaftliche Zwecke Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Provinzial-Museum Hannover (heute: Niedersächsisches Landesmuseum) Weitere Nachbildungen zu wissenschaftlichen Zwecken Kommerziell angefertigte Ν achbildungen Die Firma Blachian Antik Schmuck (Neuötting) Die Nachahmungen der Fibeln Ergebnisse

5 Die Identifizierung nicht antiker Fibeln 5.1 5.2 5.3 5.4

Metallanalysen Detailuntersuchungen der fraglich echten Fibeln Fälschungen? Ergebnisse

6 Die Funde (Originale und fragliche Stücke) 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13

Almgren 2/Kostrzewski Var. N - O (Typ 1) Almgren 1,12 (Typ 2) Almgren 15 (Typ 3) Almgren 16 (Typ 4) Almgren 19 (Typ 5) Almgren 22 (Typ 6) Almgren 111,45 (Typ 7) Kniefibeln (Typ 8-12) Almgren VI,162 (Typ 13) Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19) Almgren 187 (Typ 20) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29) Scheibenfibeln (Typ 30-31)

xiil

85 85 87 88 88 91 93 93 93 94 97

101 103 105 108 110

111 113 118 119 121 123 125 127 129 138 140 156 158 183

xiv

Inhaltsverzeichnis

6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 6.22

Delphinfibel (Typ 32) Ringfibeln (Typ 33-40) Spiralfingerring (Typ 41) Römische Münzen (Typ 42) Emaillierte Schöpfkelle (Typ 43) Funde aus organischem Material (Fundgruppe 44—45) Löffel mit Pinienzapfenabschluß (Typ 46) Verschollene Fibeln unbekannten Typs (Fundgruppe 47—48) Die sogenannten „Pyrmonter Quellnadeln" (Typ 49)

7 Zur Datierung der Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund 7.1 7.2 7.3 7.4

Absolute Chronologie Auswertung Alternatives Datierungsmodell unter Berücksichtigung der Abnutzungsspuren Ergebnis: Die Datierung des Pyrmonter Brunnenfundes

8 Kulturges chichtliche Auswertung 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.5

Zur Archäologie des Opfers Zu Schöpfgefäßen in römischen und germanischen Quellheiligtümern Römische Heiligtümer Emaillierte Schöpfgefäße und ihre Derivate aus germanischen Opferfunden Hölzerne Schöpfgefäße von germanischen Opferplätzen Spiralringe aus Quell- und Moorfunden Exkurs: Haaropfer? Münzen aus Quell- und Moorfunden Zu den Opfernden von Münzen an prähistorischen Quellen und Seen Medizinische Wirkungen? Heutige Bräuche Das prähistorische Fibelopfer - ein Überblick zur Forschungslage

190 193 212 213 214 219 223 224 225

229 229 230 237 240

241 243 245 245 248 249 251 252 253 256 258 258 259

Inhaltsverzeichnis

8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.3.1 8.5.4 8.5.5 8.5.6 8.5.7 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4 8.7.5 8.7.6 8.7.7 8.7.8 8.7.9 8.7.10 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.3 8.9 8.9.1 8.9.2 8.9.3 8.10 8.10.1

Fibeln in bronzezeitlichen Hortfunden Fibeln in griechischen Heiligtümern Fibelfunde aus prähistorischen italischen Quellopferkomplexen Zusammenfassende Betrachtung zu den Fibelfunden aus italischen Heiligtümern Hallstattzeitliche Fibelfunde aus Gewässern Latenezeitliche Fibelfunde aus Gewässern Fibelfunde in kaiserzeitlichen Tempeln und Heiligtümern der römischen Provinzen Ergebnis Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht Zeitliche Verteilung der Funde Wer waren die Opfernden? Manipulationen an den Fibeln? Ergebnisse Weitere germanische Opferplätze mit Fibeldeponierungen Thorsberg Illerup Adal Nydam Vimose Ejsbel Strückhausen Lubiana Braunschweig-Dowesee/Bullenteich Butzke Kleinere Gewässer- und Moorfunde mit Fibeln Die Tierdarstellungen im Pyrmonter Brunnenfund Mythologisches Symbolisches Opfer? Ergebnis Wasser- und Quellenverehrung Zur Archäologie der Quellenverehrung Antike Nachrichten über die kultische Bedeutung des Wassers bei den Germanen Theophore Flurnamen in Bad Pyrmont Verehrung von Bäumen Antike Berichte über heilige Haine

xv

259 261 263 267 269 269 272 275 276 280 285 295 295 297 298 304 305 306 306 306 308 310 315 317 325 325 329 331 331 333 334 336 336 337

xvi

Inhaltsverzeichnis

8.10.2 8.10.3 8.11 8.12 8.13 8.14 8.15

Römerzeitliche Heiligtümer der Germanen in der schriftlichen Uberlieferung Die Umwelt eisenzeitlicher Opferplätze Verbindung von Quell- und Baumkult Priester und Priesterinnen Kleidungsopfer? Der Umgang mit den Fibeln Welchem Stamm ist das Pyrmonter Heiligtum zuzuordnen?

9 Interpretation des Pyrmonter Brunnenfundes 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11

10

339 343 346 347 349 350 351

355

Der Brodelbrunnen aus balneologischer und medizingeschichtlicher Sicht 355 Zur Datierung der Fibeln von germanischen Opferplätzen 357 Deponierungsmuster von Fibeln auf germanischen Opferplätzen 358 Ein Vergleich der Opferplätze mit Fibeln aus Nordosteuropa 360 Zivile Opfer - Kriegsbeuteopfer 362 Überlegungen zur Religionsästhetik kaiserzeitlicher Opferfunde.. 366 Zivile Opfer als Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen? 367 Ritual landscapes - Kult- und Opferlandschaften 369 Geographische Verteilung der fibelführenden Heiligtümer 370 Hierarchisierung von Heiligtümern? 375 Schlußfolgerungen 377

Zusammenfassung

Quellen- und Literaturverzeichnis

383 389

Anhang Listen Abbildungs- und Tafelnachweis Ortsregister Sachregister

Tafeln

473 487 489 497

1 Grundlagen 1.1 Topographie Der bekannte Kur- und Badeort Bad Pyrmont (Abb. 1) liegt mitten im Weserbergland in einem von der Emmer durchflossenen Talkessel. Bis zu 360 m (Pyrmonter Berg) bzw. 429 m (Winterberg) aufragende Höhenzüge umgeben ihn. Zur Stadt Bad Pyrmont gehören nicht nur das eigentliche Stadtgebiet, sondern auch Löwensen und Thal sowie die sogenannten Bergdörfer. Sie befinden sich auf den umliegenden Höhen westlich (Hagen) bzw. südöstlich der Stadt (Kleinenberg, Großenberg, Baarsen, Eichenborn und Neersen); Löwensen und Thal liegen östlich von Pyrmont in der Emmerniederung. Stadt und Gemarkung entsprechen weitgehend dem Landesteil Pyrmont des ehemaligen Fürstentums Waldeck-Pyrmont. Bad Pyrmont ist politisch gesehen Teil des Kr. Hameln-Pyrmont, Reg.-Bez. Hannover, und gehört damit zum Bundesland Niedersachsen (Abb. 1). Pyrmont war seit 1625 Teil der Grafschaft (ab 1682: Fürstentum) Waldeck-Pyrmont1. Das Fürstentum Waldeck-Pyrmont hatte dem Königreich Preußen aus finanziellen Gründen schon 1867 die Führung der inneren Verwaltung übertragen müssen2, war jedoch dejure noch bis 1918 selbständig. Danach fanden zwischen Preußen und Waldeck-Pyrmont langwierige Verhandlungen statt, wobei zwischen den beiden Landesteilen Waldeck und Pyrmont unterschiedlich verfahren wurde3. Der Landesteil Pyrmont (des ehemaligen Fürstentums Waldeck-Pyrmont) wurde am 1. April 1922 nach der Volksabstimmung vom 16.10.1921 Preußen angegliedert. Pyrmont gehörte seitdem zur preußischen Provinz Hannover und hier zum Kreis Hameln, der in der Folgezeit in „Landkreis Hameln-Pyrmont" umbenannt wurde, um an die jahrhundertelange Selbständigkeit Pyrmonts zu erinnern4. Seit 1922 war Pyrmont der Denkmalpflege der Provinz Hannover unter dem damaligen Landesarchäologen Dr. Κ Η. Jacob-Friesen

1 2 3

4

Engel 1972; Mehrdoif / Stemler 1985,281-387. Gutbier 1930,55. Der nach 1918 gebildete Freistaat Waldeck verlor am 1.4.1929 seine staatliche Selbständigkeit und wurde Bestandteil des preußischen Regierungsbezirkes Kassel (Gutbier 1930, 55). Kallmeyer in Graumann 1987,16.

2

Grundlagen

Abbildung 1. Lage des Fundortes Bad Pyrmont (Stern) und des Kreises Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Abkürzungen: BS = Braunschweig (Reg.-Bez. Braunschweig), Η = Hannover (Reg·Bez. Hannover), OL = Oldenburg (Reg.-Bez. Weser-Ems), LG = Lüneburg (Reg.-Bez. Lüneburg), HH = Freie und Hansestadt Hamburg, HB = Hansestadt Bremen.

unterstellt (heute Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover). Seit der Bildung des Landes Niedersachsen am 1. 4.1947 ist Bad Pyrmont niedersächsisches Staatsbad5 und das größte der vier Staatsbäder (Nenndorf, Norderney, Pyrmont und Wangerooge). Sämtliche Kureinrichtungen sind seit dem 1.1.1975 im Besitz der Niedersächsischen Bädergesellschaft (Niedersächsisches Ministerium der Finanzen, Hannover)6.

1.2 Geologie und Hydrologie Schon früh hat der geologische Aufbau des Pyrmonter Tales Besucher und Einheimische interessiert. Dieses Interesse war primär durch die Pyrmonter Quellen

5 6

Mehrdorf / Stemler 1985,166. Wagener 1975,365.

Geologie und Hydrologie

3

gegeben7. Die wichtigsten älteren geologischen Aufnahmen haben K. Brandes und F. Krüger8, K. Th. Menke9 und R. Ludwig10 Anfang und Mitte des 19. Jhs. publiziert. Vor allem das 1826 in Pyrmont erschienene Buch von K. Brandes und F. Krüger enthält zahlreiche wichtige Beobachtungen zur histoire naturelle des Pyrmonter Tales. So sind beispielsweise umfangreiche Artenlisten der Flora und Fauna abgedruckt11. Dabei fanden auch Pflanzen und Tiere vergangener Zeiten Beachtung. Zu nennen ist ein Rhinozeros-Knochen aus dem Mundhenkschen Garten an der Klosterallee12, der lange Zeit ausgestellt war und heute wohl als verschollen zu gelten hat. Diese Beobachtungen an durch Abtorfung oder Neubauten nicht mehr vorhandenen bzw. zugänglichen Aufschlüssen sind für die Rekonstruktion der Altlandschaft von großer Bedeutung. Die „aktuellste" und umfangreichste Studie zur Geologie und Bodenkunde Pyrmonts stellt die von O. Grupe 1927 publizierte Erläuterung der Geologischen Karte von Preußen (Blatt Pyrmont) dar13. Die Neubearbeitung der Geologischen Karte bzw. Erstbearbeitung der bodenkundlichen Karte für den Landkreis Hameln-Pyrmont ist zwar seit vielen Jahren durch Wissenschaftler des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (Hannover) in Arbeit, allerdings noch nicht abgeschlossen14. Zu verschiedenen geologischen Problemen des Pyrmonter Tales, z.B. den Erdfällen15, den Torflagern16 sowie insbesondere den Quellen17 (s. u.), erschienen in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Studien.

8 9 10 11

12

13

14

15 16 17

Bisher sollen mehr als 500 Arbeiten über die Pyrmonter Quellen erschienen sein (Dienemann / Fricke 1961,202). Brandes / Krüger 1826. Menke 1840. Ludwig 1862. Brandes / Krüger 1826 (vgl. dazu auch Pohl 1990). Die Angaben würden auch eine Kartierung zulassen. Die Knochen wurden unter einem acht Fuß mächtigen Tuffsteinlager gefunden (Brandes / Krüger 1826,55). Grupe 1927. Darauf beruhen immer noch die Ausführungen von Dienemann / Fricke (1961, 202 ff.). Pers. Mitt. Dr. P. Rohde, Niedersächsisches Landesamt fiir Bodenforschung (NLfB), Hannover (1988). Herrmann 1968. Hertmann 1970. Herrmann 1969.

4

Gtundkgen

1.2.1 Der geologische Aufbau des Pyrmonter Tales Der geologische Aufbau des Pyrmonter Tales ist durch die im Tal sowie den umgebenden Höhenzügen angeschnittenen Schichten sowie durch Tiefbohrungen (Pyrmont [P] 1-2) geklärt18. Den Grund des Pyrmonter Tales sowie die Basis der umgebenden Höhen bedeckt der Röt, die obere Abteilung des Buntsandsteins. Nur in einigen Gebieten, im Stadtzentrum und an der Emmer, steht der mittlere Buntsandstein (harter Sandstein) oberflächennah an; dort entspringen auch die Quellen. Sie bilden entsprechend zwei Abteilungen19 (vgl. Abb. 2): die nördliche Gruppe im Zentrum Pyrmonts mit salzarmen Säuerlingen (< 0.2 g NaCl/kg) unterschiedlichen Mineralgehalts und ca. 1.5—2 km davon entfernt die südliche Gruppe in der Emmerniederung mit salzreichen Säuerlingen (> 1 gNaCl/kg) („Solquellen"). Letztere sind seit 1732 künstlich erbohrt worden. Ansonsten ist die Basis der Hänge von pleistozänem (Löß-) Lehm bedeckt. Dies betrifft auch das Gebiet zwischen Stadtzentrum und Oesdorf (vgl. Abb. 2)20. Außer einem kleineren Bereich von Quellsinterschichten/Kalktuff bedeckt Auelehm die Talniederung. Über dem Röt steht der untere Muschelkalk an. Die Höhen der Berge werden vom mitderen und oberen Muschelkalk gebildet (ζ. B. Blomberg). Die Tatsache, daß hier der obere und mittlere Buntsandstein umrahmt vom Muschelkalk zutage tritt, ist durch die Aufsattelung der Piesburg-Pyrmonter Achse bedingt21. Sie verläuft in SO-NW-Richtung und durchschneidet den Pyrmonter Kessel nicht mittig; er ist leicht südlich zur Achse versetzt22. Die verschiedenen Lagen des Buntsandsteins sind mehr als 750 m mächtig. Dieser überlagert den Zechstein und seine Residualbildungen. Darunter steht dunkler dolomitischer Kalk aus dem Erdaltertum an. Das Pyrmonter Tal mit seinen Quellen entstand durch Verwerfungen. Dabei verschoben sich die Schichten gegeneinander. Es entstanden Risse und Spalten, die mehrere tausend Meter in die Tiefe gehen können, dadurch haben Tiefenwässer die Möglichkeit aufzusteigen. Dies wird durch tiefenvulkanische Kohlensäure23

18 19 20

21 22 23

Grupe 1927,48-49; Dienemann / Fricke 1961,205; Herrmann 1968. Herrmann 1969, 5. Dies konnte bei einer Baubeobachtung in der Brunnenstraße im Sommer 1989 vom Verf. ermittelt werden. Entsprechendes ist auch der Karte bei R. Ludwig (1862, Taf. 1) zu entnehmen. Grupe 1927; Frebold 1930; Dienemann / Fricke 1961, 202. Dienemann / Fricke 1961,203 Abb. 25-26. Ihre Herkunft wird aus Tiefenmagma erklärt Nach G. Frebold (1930, 53) weisen die im Quellsinter vom Hylligen Born und der Helenenquelle (Grupe 1927, 32) nachgewiesenen Elemente Cu, Co und Ni auf Präsenz eines Magmakörpers hin.

Geologie und Hydrologie

5

unterstützt. Die Wässer reichern sich im Laufe ihres Aufstiegs mit ausgewaschenen Mineralien24 an. R. Herrmann hat die Herkunft der Pyrmonter Mineralwässer folgendermaßen interpretiert25: Bei den kohlensäurehaltigen Wässern handelt es sich um solche, die durch die tiefenvulkanisch gebildete Kohlensäure aufsteigen. Der salzfreie Aufstieg ist nur in Auslaugungszonen des Zechsteinsalzes26 westlich von Pyrmont möglich. Sie nehmen westlich von Holzhausen aus dem dortigen Salzhang geringe Mengen NaCl auf und gelangen durch Spalten des Buntsandsteins zu den Quellspalten unterhalb des Bombergs. Dort vermischen sie sich mit sulfat- und carbonathaltigen Grundwässern des Röt (Ablaugung des in ihm enthaltenen Gips). Die nördliche Quellengruppe liefert daher salzfreie bzw. salzarme Eisensäuerlinge. Die Quellen der südlichen Gruppe werden ebenfalls durch die Wässer aus dem o. g. westlichen Auslaugungsgebiet versorgt. Sie nehmen aber zusätzlich die aus dem Holzhäuser Salzhang austretende Sole auf und fließen im Buntsandstein emmerwärts. Dabei werden sie außerdem mit süßem und sulfathaltigem Grundwasser angereichert27.

1.2.2 Die Mineralquellen Durch die vorstehend genannten geologischen Verhältnisse bedingt, entspringen in Pyrmont fünfzehn Mineralquellen. Sie sind die Basis für den Bekanntheitsgrad und den Wohlstand Pyrmonts. Die Quellen wurden bereits frühzeitig geschützt28: erstmals 1854 und 186329 durch Fürst Georg Viktor zu Waldeck-Pyrmont, dann 1908/1921, 1937 sowie 1962. Sämtliche Bauarbeiten in der engsten Schutzzone müssen mit großer Vorsicht durchgeführt werden. Insgesamt sind eine Mofette („Dunsthöhle"; C02-Austritt) und fünfzehn Mineralwasserquellen in Pyrmont vorhanden (Abb. 2). Neun Quellen werden zu

24

25 26

27

28 29

So ζ. B. Fe von dem im Buntsandstein enthaltenen Eisenglanz, NaCl aus dem Zechsteinsalz, Sulfate aus den Gipsknollen etc. Hertmann 1969,13 f. Die Auslaugungen des Zechsteinsalzes sind vermutlich auch fur die Entstehung der sogenannten Erdfälle nördlich Holzhausens verantwortlich. Dabei kam es zu großen Hohlraumbildungen im Zechstein mit nachfolgendem Einbruch der Buntsandsteinschichten (Hertmann 1968, Abb. 6; 8; 1969a). Gleichzeitig sind sie Folgen von Entgasungsvorgängen in großer Hefe (Herrmann 1968,280). Eine vereinfachte Darstellung der geologischen Verhältnisse findet sich in Geowissenschaften 1974,13 Abb. ü. Nach Geowissenschaften 1974, Luftbild S. 12; Mehrdorf / Stemler 1985, Abb. S. 203. N N 1863.

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9

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Abbildung 2. Geologische Karte des Pyrrnonter Kessels und Lage der Mineralquellen auf der Basis der geologischen Karte 1:25000 (nach Dienemann / Fricke 1961). 1 Helenenquelle, 2 Hauptquelle (Hylüger Born), 3 Brodelbrunnen, 4 Augenbrunnen, 5 Trampel'sche Quelle, 6 Säuerling, 7 Friedrichsquelle, 8 Neubrunnen, 9 Säuerling in Löwensen, 10 Wol^angquelle I, 11 Wolfgangquelle II, 12 Hufelandquelle 1,13 Hufekndquelle II (Schäferquelle), 14 Salinenquelle, 15 Thermalbohrung II am Iberg, 16 Dunsthöhle.

Heilzwecken genutzt. Ein Vorkommen dient dem Brunnenversand30. Von den fünfzehn entspringen vier Mineralquellen im Zentrum der Stadt im Bereich des Brunnenplatzes und in seiner Nähe (Abb. 2). Nur diese vier Quellen sollen im folgenden interessieren31. Bei ihnen handelt es sich um den Hylligen Born (Hauptquelle, Jons sacef), den Brodelbrunnen (Badebrunnen, Jons bulliens), die Helenenquelle sowie den Augenbrunnen, Von ihnen wurden bis zum Ende des 19. Jhs. vor

30 31

Dienemann / Fricke 1961,197. Für die übrigen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Dienemann / Fricke 1961,

199-201).

Geologie und Hydrologie

7

allem der Brodelbrunnen und der Hyllige Born zu Heilzwecken genutzt. Der Hyllige Born war bis zur Neufassung der Quellen im Jahre 1863 die wichtigste Trinkquelle, während der Brodelbrunnen vorwiegend zum Baden benutzt wurde32. Heute sind nur noch der Hyllige Born und der Brodelbrunnen auf dem Brunnenplatz sichtbar: Über dem Quellgebiet des Hylligen Borns befindet sich der „Brunnentempel", in dessen Mitte eine gläserne Säule aufgestellt ist, in der das Wasser sprudelt. Über dem Brodelbrunnen befindet sich, umgeben von einem Geländer, eine gläserne Pyramide, unter der die nun gezähmte Quelle plätschert (Abb. 3,b). Das Quellgebiet im Zentrum der Stadt befindet sich direkt an der Grenze zwischen dem oberen Buntsandstein und dem pleistozänen Lehm33, liegt aber noch auf Buntsandstein, wie u. a. die Ausgrabung am Brodelbrunnen ergab. Die Ersterwähnung der Pyrmonter Quellen verdanken wir dem Dominikanermönch Heinrich von Herford (f 1370). Er schrieb dazu in seiner Weltgeschichte (Übersetzung nach W. Mehrdorf): „In Westfalen, nahe der Stadt Lügde [Kr. Lippe], in der Paderborner Diözese, ist auch eine Quelle, die der Hyllige Born (fotts sacer) genannt wird. Wenn sich jemand darüber neigt und daraus trinkt, so spritzt das Wasser ihm ins Gesicht. Und es sieht so aus, als würde er davon übergössen. — Daselbst ist noch eine andere Quelle, die der Brodelbrunnen (fons bulüens) heißt. Dieser ist ziemlich quadratisch, von vier Seiten gleich, jede Seite etwa 12 Fuß lang, und der Grund unten ist blaß-rötlich. Es fließt nichts hinein noch heraus, aber es brodelt darin unablässig. Und so laut, daß man es auf Armbrustschußweite hören kann. Wegen der großen Schaumblasen, die fortwährend darin aufsteigen und platzen, ist er in unaufhörlichem Brodeln"34. Die Pyrmonter Quellen wurden 1556 weithin bekannt, als die Kunde von der wunderbaren Heilkraft der heiligen Quelle von Pyrmont im Zusammenhang mit dem Auftreten eines Kometen wie ein Lauffeuer durch Europa eilte. Menschen aus aller Herren Länder kamen deshalb nach Pyrmont. Wilhelm Raabe hat diesen Ereignissen, dem sog. „Wundergeleuft" (Pyrmonter Wundergeläuf)35, die 1862 erschienene Erzählung „Der Heilige Born" gewidmet. Einzelheiten zur frühen Bädergeschichte sind der Pyrmonter Chronik36 sowie einem kürzlich erschienenen Ausstellungskatalog37 des Museums im Schloß (Bad Pyrmont) zu entnehmen.

32

33

34 35 34 37

Brandes / Klüger 1826; Menke 1840; Ludwig 1862; Dienemann / Flicke 1961; Mehrdorf / S temler 1967; 1985. Letzterer bedeckt die Hänge. Vgl. Dienemann / Fricke 1961,197 Abb. 24; Geowissenschaften 1974,13 Abb. Ii. Mehrdorf/Stemler 1985,30. Mehrdorf/ Stemler 1985,35 ff.; Engel 1992. Mehrdorf/Stemler 1985,25 ff. Lilge 1992.

8

Grundlagen

β

Ρ

Ε

a

b Abbildung 3. Bad Pyrmont, Brunnenplatz, a Zustand 1840 (Postkarte von R. Schönbach), b Zustand um 1920 vor Beginn des Neubaus von Wandelhalle und Brunnentempel (nach Articus 1984). In der Bildmitte der im Herbst 1863 neu gefaßte Brodelbrunnen (umzäunte Glaspyramide), links die Hauptquelle.

Geologie und Hydrologie

9

Der Hyllige Born, die Pyrmonter Hauptquelle (Stahlbrunnen; Abb. 2,2), wird in den mittelalterlichen Quellen als Jons sacer bezeichnet38. Er liefert ein Fe- und C02-haltiges Caldum-Magnesium-Hydrogencarbonat-Sulfat-Wasser (Fe-haltiger Ca-Mg-S04-HC03-Säuerling; nach alter Terminologie: erdig-sulfatischer Säuerling). Der Hyllige Born war früher die ergiebigste Pyrmonter Mineralquelle. Nach der Neufassung der Helenenquelle nahm seine Schüttung stark ab und beträgt heute nur noch 0.08 1/sec39 = 288 1/h. Das Wasser tritt in ca. 8 m Tiefe aus dem Buntsandstein aus, der von Schluffsand und Moor überdeckt ist. Da die Quelle aber auch Wasser aus den lockeren Deckschichten erhält, wurde die Fassung nicht bis auf den Buntsandstein abgeteuft40. Der Brodelbrunnen (Abb. 2,3) liegt ca. 14 m südöstlich des Hylligen Borns auf der gleichen Quellspalte41. Er diente aufgrund seines trüben Aussehens vornehmlich als Badebrunnen. Infolge seines Reichtums an Kohlensäure sprudelte er sehr stark In den mittelalterlichen Schriften wurde die Quelle daher seit Heinrich von Herford (f 1370) fins bulüens genannt. Das Sprudeln war besonders nachts weithin zu vernehmen. J. Kühn schrieb 1789, daß der Brodelbrunnen „mit ausnehmender Gewalt und Geräusch, fast wie eine kochende Bratpfanne auf 50 Schritte hörbar" 42 sei Es handelt sich um einen Fe-haltigen Ca-Mg-S04-HC03-Säuerling (Abb. 4)43. Er ist heute therapeutisch bedeutungslos44. „Seine Fassung besteht aus einem horizontal gelagerten Röhrensystem, welches in den moorigen Untergrund des Brunnenplatzes versenkt ist. Es wurde bei der Neufassung 1863 und der Revision vom Winter 1865/66 angelegt. Diese Röhren fuhren zusammen zum Quellmund des Brodelbrunnens."45. Die Drainageröhren haben sich mit der Zeit zugesetzt. Die Quelle hat - wie der Hyllige Born - deutlichen Zufluß aus dem oberen Grundwasser. Die Schüttungsmenge ist wie beim Hylligen Born mit Schüttungszunahme der Helenenquelle (s. u.) inzwischen stark zurückgegangen. Sie beträgt heute nur noch 0.031/sec46 = 1081/h.

38 39 40 41 42 43

44 45 46

Mehrdorf / Stemler 1967; 1985. Dienemann / Fricke 1961,198. Dienemann / Fricke 1961,198. Herrmann 1980,159. Zitiert nach Dienemann / Fricke 1961,199. Die jüngste publizierte Analyse dieser Quelle stammt aus dem Jahre 1864 (Dienemann / Fricke 1961). Dienemann / Fricke 1961,198; Tab. S. 206. Zitiert nach Dienemann / Fricke 1961,199. Dienemann / Fricke 1961,198.

10

Grundlagen Charakter:

Eisenhaltiger Colcium-Mngnesium-SulfatHydrogencarbonat-SOuerling Untersudi.-Stelle: Chem. Labor. Fresenius Wiesboden

Probenahme: 1864 Wassertemp.: 12,0" C, Lufttemp.: " C, luftdr.t Spez. Gew.: 1,001? bei 19° C ; bezogen auf 4 " C, p H : 1 kg Mineralwasser enthfllt:

mg

Kationen: Lithium (Li") . . . . . . Natrium INo') Kalium (K") Ammonium (NH") . . . . Magnesium ( M g " ) . . . . Calcium (Ca") Strontium (Sr") Barium (Ba") Aluminium (Al"") . . . . Mangan (Mn") Eisen (Fe")

0,045 85,45 7,201 0,984 124,6 602,4 3,797 0,186 0,066 2,580 26,02

Α ηiοηβη : Fluor (F'J Chlor Ci'l Brom (Br'i Jod (J'l Sulfat S O . " ) Nitrit N O , · Nitrat (NOj'l Hydrogenphosphat (HPO."). Hydrogenarsenat ( H A s O . " l . Hydrogencarbonat I H C O j ' . Hydrogensulfid (HS') . . . Summ· dar ioniiierten Teile: Nicht ionisierte Teile: Kieselsäure (meta) (HjSiO^) . TitansSure (meta) (HjTiOa) . Borsäure (meta) (HBOj) . . Summe der fetten gelüsten Teile:

111,9 0,060 0,001 1136

mval-% 0,014 8,18 0,406 0,120 22,58 66,23 0,191 O.M59 0,016 0,206 2,05 100,0 6,96 0,0017 0,00002 52,16

0,273 0,467

0,0097 0,0215

1130 0,038 3232

40,85 0,0026 100,0

46,46 Spur 3279

Gelöste Gase: Freies Kohlendioxyd (CO:) . Fr. Schwefelwasserstoff (HiS)

2416 0,394

Summe aller gelösten Teile:

5765

In geringer M e n g e nochgewiesen: Nj, CH«

1 mm 1 ™ 4 mg N o C I : 0,16 gfkg

Abbildung 4. Wasseranalysen des Brodelbrunnen (nach Dienemann / Fricke 1961).

Der 1755 entdeckte Augenbrunnen (Abb. 2,4) ist die kleinste Quelle auf dem Brunnenplatz. Er liegt nordnordöstlich des Hylligen Borns (Hauptquelle). Seine Zusammensetzung ähnelt derjenigen der Hauptquelle (Fe-haltiges Ca-HC0 3 -S0 4 Wasser)47. Es handelt sich mit 17.3 °C Wassertemperatur um die wärmste Pyrmonter Quelle48. Seit 1824 ist die Quelle überdeckt und mit einer Pumpanlage

47 48

Dienemann / Fricke 1961,199; Tab. S. 206. Dienemann / Fricke 1961, Tab. S. 206.

Geologie und Hydrologie

11

versehen49. Seit ihrer Entdeckung diente sie zum Benetzen erkrankter Augen. Die Heilwirkung könnte durch einen Borsäure-Gehalt (HBOj) von 1.5 mg/kg bedingt •

50

sein . Die in der Klosterallee gelegene Helenenquelle (Abb. 2,1) wurde erst 1844 entdeckt51. Sie diente ursprünglich Badezwecken und wurde später auch als Trinkquelle genutzt. Es handelt sich um einen sulfatischen Calcium-Magnesium-Hydrogencarbonat-Säuerling (Fe-haltiger Ca-Mg-HC03-S04-Säuerling; nach alter Terminologie: erdig-sulfatischer Eisensäuerling)52. Folgender Schichtaufbau konnte im Quellgebiet beobachtet werden53: Eine etwa 3.5 m mächtige Schicht Niederungsmoor liegt über ca. 10 m Schluffsand unbestimmten Alters. Darunter steht der Buntsandstein an. Zusammen mit dem Hylligen Born und dem Brodelbrunnen wurde die Helenenquelle 1863 neu gefaßt54. Nach der Neufassung der Quellen des Brunnenplatzes nahm ihre Schüttung immer mehr zu (von 4—50001/h auf 10-11000 l/h) 5 5 . Heute ist die Helenenquelle die am stärksten schüttende Quelle im Stadtzentrum Pyrmonts (3.51/sec 56 = 12600 l/h)· Schon früh wurden Analysen der Pyrmonter Wässer angefertigt. Den Untersuchungen der Mineralwässer kam im wissenschaftsgläubigen 19. Jh. und am Anfang des 20. Jhs. besondere Bedeutung in der Werbung zu57. W. Dienemann und K. Fricke wiesen 1961 zu Recht auf die zum Teil erheblichen Unterschiede im Mineralgehalt hin, als sie Analysen des 19. und des 20. Jhs. miteinander verglichen58. Sie deuten einen Zusammenhang mit Arbeiten an den Fassungen und an benachbarten Quellen bzw. Bohrungen an59. Als Heilanzeigen für einen Besuch Pyrmonts gelten (1961): „Innere Krankheiten, vor allem Erkrankungen von Herz-, Kreislauf und Blut; Frauenleiden, Rheuma (auch Verletzungs- und Unfallfolgen); Kinderkrankheiten; nach Mitteilung der Badeverwaltung ferner auch Erkrankungen der Verdauungsorgane und Erschöpfungszustände"60.

49 50 51 52 53

* ss 56 57 58 59 60

NN 1895,4; Dienemann/Fricke 1961,198. Dienemann / Fricke 1961, Tab. S. 206. Ludwig 1862; Mehrdorf / Stemler 1967; 1985. Dienemann / Fricke 1961,198; Tab. S. 206; Analysen 74-75. Dienemann / Fricke 1961,205. NN 1895,4. NN 1895,4. Dienemann / Fricke 1961,198; Tab. S. 206; Analysen 74-75. Vgl. NN 1895. Dienemann / Fricke 1961,207; vgL dort die Analysen 74-89. Dienemann / Fricke 1961,207. Dienemann / Fricke 1961,207.

12

Grundlagen

Zur medizinischen Bedeutung der Pyrmonter Quellen existiert seit dem späten 18. Jh. eine ausgedehnte medizinisch-balneologische Literatur. In diesem Jahrhundert entstanden zwei Reihen von Veröffentlichungen: „Neuere ärztliche Literatur über Bad Pyrmont" (vor 1918) und die von H. Baatz ab 1950 herausgegebene „Wissenschaftliche Schriftenreihe Bad Pyrmont"61. 1937 wurde in Pyrmont ein Balneologisches Institut eingerichtet62 (heutiger Name: Bäderwissenschaftliches Institut)63. Gegenwärtig besteht eine Kooperation in Forschung und Lehre zwischen der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Staatsbad Pyrmont64. Eine modernen Ansprüchen genügende Aufarbeitung der Pyrmonter Medizingeschichte ist ein Desiderat der Forschung.

1.2.3 Erste Schichtbeschreibungen vom Brunnenplatz Bevor R. Ludwig bei der Neufassung des Brodelbrunnens eine Profilbeschreibung gab, hat K. Th. Menke bereits 1833 bei Arbeiten am Trinkbrunnen (=Hauptquelle) folgende Schichtenfolge beobachten können und darüber in seinem 1840 erschienenen Buch „Pyrmont und seine Umgebungen mit besonderer Hinsicht auf seine Mineralquellen" berichtet: „Im October 1833, da dem Trinkbrunnen eine neue Abzugsröhre gegeben ward, war der Boden des Brunnenplatzes, von dem Trinkbrunnen an, in südwestlicher Richtung, durch einen, drei Fuß tiefen, Graben aufgeschlossen und gab dann, durch diesen, die Lagerungsverhältnisse der verschiedenen Schichten zu erkennen. Der Durchschnitt zeigte mehrfachen Wechsel und ungleichmäßige Mächtigkeit der Schichten. Fünf Schritte von Ausflusse ab, bestand der Boden des Grabens aus einem dunkelbraunschwarzen, compacten Torfe, der mit horizontalliegenden dünnen Schilf- und anderen Blättern, Pflanzenstängeln, Aesten und Wurzelfasern durchzogen war. Mit dem Stocke vermochte man noch zwei Fuß tiefer in den Torfboden abwärts hinein zu dringen. Ueber dem Torfe lag eine 3 bis 10 Zoll starke Schicht eines fetten, eisenschüssigen, braungelben Thones. Ueber diesem war der, aus Granit, Lehm und Erde bestehende Boden wahrscheinlich künstlich aufgetragen. Vierzig Schritte weiter in diesem Graben war der Torf nur 4 bis 5 Zoll mächtig; unter ihm kam eine Schicht eines, mit vielen Pflanzenstängeln durchzogenen, bläulich grauen, sandigen Thones zu

61 42

63 64

Vgl. dazu auch Mehrdorf / Stemler 1985,172 und Schneider et aL 1988. Baatz 1969; daran hatte vermutlich derfrüherePyrmonter Bäderarzt Professor H. Vogt (Breslau) großen Anteil. Mehrdorf/ Stemler 1985,172. Pers. Mitt. PD Dr. M. Mesrogli, Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (1990). Vgl. auch verschiedene Beiträge in Schneider et al. 1988 (u. a. Baatz 1988).

Geologie und Hydrologie

13

Tage; ucber ihm stand hie und da ein, theils löcheriger, mürber, sehr eisenschüssiger, rostgelber Kalktuff an, dessen Löcher bald mit Wad, bald mit Eisenoxyhydrat ausgekleidet waren65. (...) Ueber dem Torfe dehnt sich, nord-, west- und südwärts von der Hauptquelle, der Kalktuff, hier Dukstein genannt, aus. Er erstreckt sich unter der ganzen Fläche der großen Allee und des heiligen Angers bis zur Schloßstraße hin."66.

1.2.4 Kalktuff und Quellsinter Reiner Kalktuff 67 ist im Pyrmonter Tal nur an einer Stelle nachgewiesen, nämlich an der Quelle unterhalb der Herlingsburg68. Ansonsten finden sich dünne Straten in den Torfschichten bei den Mineralquellen im Zentrum Pyrmonts. Der Quellsinter ist fest, aber grobporös und von brauner Farbe, die vom Eisenoxid herrührt69. Die Quellsinterschichten besitzen in Pyrmont eine weite Ausdehnung: das Gebiet um den Brunnenplatz und nordwestlich desselben und große Teile des Kurparks, kurz: das Gebiet unterhalb von Brodelbrunnen und Helenenquelle70. R. Ludwig hat das von Quellsinter bedeckte Areal bereits 1862 kartiert71, nachdem die Ausdehnung von K. Brandes und F. Krüger sowie K. Th. Menke beschrieben worden war. Die Quellsinterschicht war im Bereich der Baustelle „Fürstenhof' etwa meterdick, wie der Verf. 1989 beobachten konnte. Eine ähnliche Schichtdicke besaß sie im Bereich des Brodelbrunnens (vgl. Kap. 2)72. Teilweise waren die Kalktuff-Schichten über 12 Fuß mächtig73. Für die Bildungsgeschwindigkeit der Quellsinterschichten gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Sie ist abhängig von der Menge des im Wasser gelösten Ca und dem C02-Partialdruck. W. Steiner konnte abschätzen, daß bei der Bildung der Travertinprofile von Burgtonna in Thüringen eine jährliche Wachstumsgeschwin-

65 46 67

69 70

71 72 73

Menke 1840,226. Menke 1840,227. Die Terminologie ist uneinheitlich: O. Grupe (1927) unterscheidet zwischen Kalktuff und Quellsinter, während die ältere Forschung von Kalktuff schreibt. Grupe 1927, 31. Bergfrischer Quellsinter war heller, oxidierte unter Sauerstoffeinfluß schnell und wurde braun. K. Brandes und F. Krüger (1826, 55-56) heben die Bemerkung Marcards hervor, der dem Quellsinter ihrer Meinung zu Recht den Vorzug zuschreibt, „daß der Boden der Hauptallee durch Regen nicht leicht schmutzig und durch Trockenheit niemals staubig wird." Ludwig 1862, Taf.l. Ludwig 1865, Abb. 1-2. Brandes / Krüger 1826,54.

14

Grundlagen

digkeit von 1—2 cm anzunehmen ist74. Ahnliches konnte K. Mägdefrau bei rezenten bayerischen Moostuffen beobachten75. Geht man für Pyrmont von einer durchschnittlichen Schichtmächtigkeit von etwa einem Meter aus, so kommt man auf eine Entstehungszeit von mindestens 50-100 Jahren, wahrscheinlich jedoch erheblich mehr. Ein weiterer Hinweis auf eine vergleichsweise junge Entstehung ist die Beobachtung von K. Brandes und F. Krüger, daß die von ihnen im Kalktuff angetroffenen Gehäuse der Land- und Süßwasserschnecken76 dort nicht inkrustiert, sondern kalziniert vorkamen77. Wann genau die Absetzung des Quellsinters geschah, ist unbekannt, doch läßt sich der Zeitraum ungefähr eingrenzen. Nach dem von R. Ludwig 1863 aufgenommenen Schichtprofil vom Brodelbrunnen wurden in Höhe der Quellsinterschicht im alten Badebrunnen neuzeitliche Münzen gefunden (Prägungen ab 1520)78. Vermutlich wurde bei den ersten Fassungsarbeiten Mitte des 16.Jhs. („Pyrmonter Wundergeläuf"; s. o.) der Badebrunnen im Quellsinter angelegt. Einen terminus ante quem bieten die Beobachtungen Dr. J. Ph. Seips, der noch um 1744 Reste der sogenannten Steinquellen fließen sah79. Vielleicht lag die Entstehung im späten Mittelalter, zwischen der Ersterwähnung durch Heinrich von Herford vor 1370 und dem Neudurchbruch des Brodelbrunnens im Jahre 1552. Ohne naturwissenschaftliche Untersuchungen, ζ. B. durch "C-Datierungen80, ist diese Frage aber nicht abschließend zu klären. Die von K. Brandes und F. Krüger im Quellsinter gefundenen Land- und Süßwasserschnecken weisen darauf hin, daß die „Abflüsse der Quellen ... demnach gewisse Zeiten hindurch kleine Teiche und Sümpfe gebildet ... haben, in denen sich eine pflanzliche und tierische Lebenswelt ansiedelte und in denen es neben der mineralischen Abscheidung wiederholt zu Torfbildungen kam, die heute mit den Sintermassen wechsellagern"81. Die Quellsinterschichten ziehen R. Ludwig82 und

74

75

76

77 78 79

80 81 82

Steiner 1970; Herrn Prof. Dr. K.D.Jäger, Universität Halle, sei für diesen Literaturhinweis gedankt. Nach Steiner 1970.

U. a. HeHx hortensis, Helixjufoa, HeHx lucida, Helix ntundata, Helix nitidula, Helix strigella, Bulimus lubricus, Carchtum minimum, Planorbis margnatus, Planorbis spimbis, Umnaeus minutus, Valvata crista ta, Pakdma irnpura (Brandes / Krüger 1826,55).

K. Th. Menke (1840,227-228) berichtet dagegen von inkrustierten Schneckengehäusen. Ludwig 1865. K. Brandes / F. Krüger (1826, 55) schrieben, daß diese inzwischen zum Teil verschwunden seien. Zur Datierung von Kalksintern und Wässern vgl. Geyh 1980. Grupe 1927,33. Ludwig 1862, Tai. 1.

Geologie und Hydrologie

15

O. Grupe zufolge nach Süden unter den „Schlick und Auelehm des Emmertales"83. Letzteres könnte sogar für eine vormittelalterliche Entstehung sprechen, auf jeden Fall für eine vorfrühneuzeitliche.

1.2.5 Die Pyrmonter Moore In Pyrmont und der nächsten Umgebung bestanden drei größere84 und mehrere kleinere85 Torflager, die „Schwarzen Gärten"86 oberhalb der zentralen Mineralquellen (Abb. 5 [A]) sowie westlich des Schlosses (Abb. 5 [B]), das „Holzhäuser Moor" (Abb. 5 [C]) südöstlich von Holzhausen87 und „Couppee's Teich" (Abb. 5 [D]). Die Lagerstätten der „Schwarzen Gärten" wurden Ende des 19. Jhs. abgebaut, das „Holzhäuser Moor" im ersten Drittel des 20. Jhs.88. Dabei wurde 1900 in letzterem auch die bekannte Doppelaxt gefunden89. Bis 1959 wurde der zu therapeutischen Zwecken benötigte Badetorf in Couppee's Teich (ehemals: Potthards Teich) nördlich des Pyrmonter Stadtteils Holzhausen abgebaut90. Während dieser Arbeiten entdeckte man 1953 eine Kugelamphore. Heute wird der Bade- und Pakkungstorf für die Badetherapie aus dem Großen Moor bei Lübbecke in Westfalen (Kr. Minden-Lübbecke) bezogen91. Die Zusammensetzung und Genese der drei Moore, bei denen es sich um Niedermoore handelt, ist unterschiedlich92. Das Moor der „Schwarzen Gärten" ist ein Mineralmoor und vor allem reich an Schwefelkies93. Dies konnte bereits R. Ludwig bei seinen Grabungen auf dem Brunnenplatz nachweisen, wo er eine starke Schwefelkiesbildung beobachtete (vgl. Kap. 2)94. Die Torfschichten sind zum Teil von Kalktuff durchsetzt sowie von Quellsinter überlagert (s. u.). Die Holzhäuser Moore werden als mineralärmer beschrieben. Sie entstanden unter dem Einfluß 83 84 85

86 87

88 89 90 91 92

93 94

Grupe 1927, 33. Hertmann 1970,20. „Saure Wiese" südlich von Holzhausen, südlich der Pyrmonter Bahnhofstraße und westlich von Löwensen (Grupe 1927, 31). Auf diese wild im folgenden nicht eingegangen. Bezeichnung nach Herrmann 1970. Da im Bereich der Gemarkung Holzhausen zwei Moore vorhanden sind, kam es in der Literatur öfter zu Verwechslungen (vgl. Maier 1991). Grupe 1927,30. Iissauer 1905. Herrmann 1970,19. Wagener 1975,366; zur Verarbeitung: Tigges 1975. Die neuesten Obersichten zu den Pyrmonter Mooren finden sich in den Arbeiten von S. Schneider (1961) und R. Herrmann (1970). Grupe 1927, 31. Ludwig 1865, Abb. 1-2.

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Grundlagen

Geologie und Hydrologie

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stagnierender Wasser am Holzhäuser Bach sowie in der Nähe seiner Quelle.95 K. Brandes und F. Krüger schrieben 1826 über die im Torf beobachteten Hölzer, sie seien „nicht sehr zersetzt und lassen vermuthen, daß sie von Erlen herrühren, welche wahrscheinlich in diesem sumpfigen Boden vegetirten, bevor derselbe urbar gemacht wurde"96. Sie unternahmen auch erste Torfanalysen, interpretierten sie als Salztorf und waren der Ansicht: „Durch den Gehalt an schwefelsaurem Eisen eignet sich dieser Torf vorzüglich zum Gebrauch der Moorbäder"97. Doch erst fast ein halbes Jahrhundert später, ab 1870, wurden regelmäßig Moorbäder angeboten98. Κ Th. Menke konnte im Torf „öfters auch Baumblätter, der Erle, Sahlweide u. a." nachweisen99. Die „Schwarzen Gärten"100 bzw. die Moorlager nahe der Stahlquellen (Abb. 5 [A]) liegen ca. 5 m höher als die Eisensäuerlinge des Brunnenplatzes101. Dieses Areal ist seit Anfang des 20.Jhs. abgetorft. Das Landschaftsbild nördlich des Brunnenplatzes unterscheidet sich daher heute deutlich von der Situation zur Zeit der Auffindung des Brunnenfundes (1863). Dort wurden „vielfach noch Grobstücke organischer Substanz, bis zu wohlerhaltenen mächtigen Baumstämmen, wie sie im Grund des drei Meter tiefen in Betrieb stehenden Moorstichs oberhalb der Stahlquellen zu Tage liegen"102 beobachtet. Dr. med. Seebohm schrieb Anfang des 20.Jhs.: „Auf eine ca. 30 cm messende Dammerdeschicht folgt unmittelbar gut ausgebildetes Moor von erheblicher Mächtigkeit, in dessen tieferen Schichten vielfach und wesentlich Stücke organischen Gefiiges, Gezweig, Astwerk, bei ca. 3 m Tiefe Baumstämme mittlerer Stärke, wohl erhalten und in verschiedener Richtung, meist horizontal gelagert, zutage traten"103. Die 1888 durch Prof. Kreußler (Bonn) durchgeführten Mooranalysen ergaben eine Zusammensetzung, die denen der Moorerde von Franzensbad und Marienbad in Böhmen ähnelte104. „Couppee's Teich" (Abb. 5 [D]) ist an dieser Stelle von Bedeutung, da hier bislang die einzige publizierte Pollenanalyse aus dem Pyrmonter Tal, ja überhaupt aus

95

96 97 98 99 100

101 102 103 104

Grupe 1927, 31. Dies konnte 1989 vom Verf. bei dem Neubau des Fürstenhofs beobachtet werden. Brandes / Krüger 1826,52. Brandes / Krüger 1826,53. NN 1895; Seebohm o. J. (um/nach 1908); Mehrdorf/ Stemler 1985,133 ff. Menke 1840,228. Der Name kommt von dem aus „schwarzer Erde" bestehenden Gartenland nordwärts der Bassinallee (Menke 1840,227). Seebohm o. J. (um/nach 1908), 10. NN 1895,10. Seebohm o. J. (um/nach 1908), 10. NN 1895,10; Seebohm o. J. (um/nach 1908), 5.

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Grundlagen

dem Weserbergland vorliegt. Es handelt sich um eine ungefähr dreieckige, ca. 350 m lange und ca. 200 m breite flache Mulde. In ihr befindet sich heute ein etwa 2.25 ha großer Teich, der den bis 1959 genutzten Torfstich ausfüllt. Das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung (Hannover) entnahm dort 1963 Proben für eine Pollenanalyse, die H. Schneekloth durchführte105. Die Pollenerhaltung und -menge war schlecht106. H. Schneekloth schrieb über seine Untersuchung von Proben, die zwischen 2.3 und 5.4 m Tiefe genommen wurden: „Die untersuchten Proben, die durch einen relativ hohen Anteil von Ulmus, Tilia und Cotylus gekennzeichnet sind, dürften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch im Adantikum gebildet worden sein. In den Proben oberhalb 3.5 m tritt Fagus und Carpinus regelmäßig auf. Der Torf um 3.5 m Tiefe ist also höchstwahrscheinlich in der Zeit zwischen 2500 und 1500 v. Chr. entstanden. In den obersten Proben kommen schließlich schon Pollen vom Getreidetyp vor, d. h. daß die Übersandung erst in geschichtlicher Zeit erfolgt sein muß"107. Wann die höher gelegenen Torfe entstanden, läßt sich nicht sagen108. Die Entstehung des Torflagers ist den Untersuchungen R. Herrmanns zufolge in Verbindung mit Auslaugungsprozessen des darunter gelegenen Zechsteins zu sehen109, ähnlich den unweit gelegenen Erdfällen110.

1.3 Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales Über die Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales ist bislang wenig bekannt Auch wenn die obertägig sichtbaren Bodendenkmäler des Landkreises HamelnPyrmont in der Niedersächsischen Denkmalkartei (NDK) erfaßt worden sind111, so fehlt doch, wie im gesamten Weserbergland, eine systematische Landesaufnahme.

10s 106

107 108

109 110

111

Hertmann 1970,23. Hertmann 1970,23. Eine ähnlich schlechte Pollenerhaltung war bei den Proben vom Fürstenhof zu beobachten, die der Verf. 1989 barg und Prof. Dr. E. Grüger, Universität Göttingen, begutachtete (pers. Mitt 1991). Herrmann 1970,23. Interessant wäre es zu erfahren, wie hier das erste Auftreten der Getreidepollen datiert Eine erneute Probenentnahme (durch Bohrungen) dürfte noch möglich sein. Herrmann 1970,30. Hertmann 1968. Sie könnte allerdings auch durch die Feuchtigkeit im Quellgebiet und seiner Umgebung bedingt sein (pers. Mitt. Dr. M. Klamm, Landesamt fur Archäologie SachsenAnhalt, Halle [1994]). Vgl. Metzler 1988; sowie pers. Mitt F.-W. Wulf Μ. Α., Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege Hannover (1989).

Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales

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Daher ist die Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales immer wieder anhand weniger Funde (Kugelamphore, Doppelaxt, Brunnenfund und Buckelurne) kurz abgehandelt112 und in der ur- und frühgeschichtlichen Abteilung des Pyrmonter Museums im Schloß sowie in einem Bilderheft dargestellt worden113. Seit Ende 1992 liegt eine unpublizierte Aufnahme der bisher bekannt gewordenen Bodenfunde aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont vor, die H. Schween zusammengestellt hat und im Rahmen einer Hamburger Dissertation auswertet. Daher wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Erörterung der Besiedlungsgeschichte verzichtet. Die Gemarkung der Stadt Bad Pyrmont umfaßt nur einen Teil des sogenannten Pyrmonter Tales. Der übrige Teil liegt im Bereich der Großgemeinde Lügde im Kreis Lippe (Reg.-Bez. Detmold). Die dortigen Fundstellen werden soweit möglich in dem folgenden Überblick ebenfalls berücksichtigt114. Die Begehung des Pyrmonter Tales durch den Menschen ist seit dem Jungpaläolithikum (ca. 30.000-8.000 v. Chr.) belegt. Aus dieser Zeit sind einige Artefakte sowie Tierknochen bekannt und im Pyrmonter Museum ausgestellt. Die Mikrolithenfunde vom Königsberg in Bad Pyrmont sind vermutlich in die mittlere Steinzeit zu datieren. In diese Zeit könnten durchaus auch die Geweihhackenfunde von Pyrmont-Holzhausen eingeordnet werden. Allerdings ist die Datierung solch relativ langlebiger Einzelfiinde recht schwierig115. Das Neolithikum läßt sich im Pyrmonter Tal vornehmlich durch Felsgesteingeräte - Äxte und Beile - belegen. Die einzigen neolithischen Funde aus organischem Material sind Knochenpfrieme und Geweihhacken116. Ihre genaue Datierung bleibt unklar. Die ältesten hier gefundenen neolithischen Geräte sind die sog. durchlochten DechseL Aus der Gemarkung Lügde (Kr. Lippe) stammt ein solches Gerät, ebenso ein Rössener Breitkeil117. Dem Jungneolithikum, vermutlich der Michelsberger Kultur, gehört ein spitznackiges Beil aus Pyrmont-Eichenborn118 an sowie eines

112 113 114

1,5 116 1,7 118

Schuchhardt o. J. (um 1920); Mittelhäusser 1952; Mehrdotf/Stemler 1967; 1985. Andraschko 1988,4-8; 1988a, 26-29. Sie sind dutch den entsprechenden „Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland" (Hohenschwert 1985) leicht greifbar. Außerdem liegen fur das Gebiet der Großgemeinde Lügde Feldbegehungen vor, die W. Gerking (1986) publiziert hat. VgL Werning 1983. Andraschko 1988,6 Abb. 3. Günther 1985,88-89 Abb. 34. Eichenborn bei Pyrmont. Staatliche Museen Kassel, Abt für Vor- und Frühgeschichte, Inv.-Nr. A 684. Unpubliziert. Pers. Mitt. Dr. M. Klamm, Landesamt fur Archäologie SachsenAnhalt, Halle (2.4.1993).

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Grundlagen

aus der Umgebung von Lügde (Kr. Lippe). In die Zeit der Trichterbecherkultur sind mehrere Rechteckbeile zu datieren. Die 1955 in Pyrmont-Holzhausen gefundene Kugelamphore muß als ein wichtiger Beleg für eine spätneolithische bzw. kupferzeitliche Besiedlung des Pyrmonter Tales gesehen werden. D. Bohnsack schrieb dazu 1955 in seinem Fundbericht: „Nördlich Holzhausen, südwestl. der bekannten Erdfalle erstreckt sich ein Moor, das von der Kurverwaltung für ihre Moorbäder winters abgegraben ist. Über Sommer läuft das Gelände voll Wasser und wird als Badeteich benutzt. Nach dem Bericht des Werkmeisters Kleinschmidt von der Kurverwaltung - übrigens ein Sohn des Finders der bekannten Pyrmonter Doppelaxt - , der die betr. Scherben geborgen hat, waren die Moorarbeiter Anfang Januar 1955 etwa 20-30 cm über dem anstehenden Ton im Moorboden, der hier stark mit Erlenholz durchsetzt ist, auf einen Topf gestoßen, der im Boden festgefroren war. Sie zerschlugen ihn und ließen die Scherben liegen, die Herr Kleinschmidt dann an sich nahm. Herr Kl. will sorgfältig auf verzierte Scherben geachtet haben, gibt aber zu, einige unverzierte Scherben, die ohnehin reichlich weich und brüchig gewesen seien, fortgeworfen zu haben. Den jetzt noch vorhandenen Rest hat er mitgenommen und leider abgewaschen, so daß sich nur noch geringe Reste des anhaftenden Moorbodens haben gewinnen lassen."119. Außer der Kugelamphore handelt es sich um Reste weiterer Gefäße, die nicht näher beschrieben wurden. Die Scherben wurden in ungefähr 5 m Tiefe gefunden; eine Probenentnahme zur Pollenanalyse wurde seinerzeit nicht mehr durchgeführt. Eine Aussage über die Eigenschaft des Fundes (Siedlungs-, Grab- oder Depotfund) ist nicht möglich. Im Gebiet südwestlich der Erdfälle wurden zwischen 1939 und Ende der 1950er Jahre weitere Funde geborgen120, ohne daß Fundzusammenhang und Verbleib in jedem Falle bekannt sind. Nachdem das Stück erstmalig durch F. M. Andraschko121 bekannt gemacht wurde, hat R. Maier (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover) es ausfuhrlich dokumentiert122. Die Kugelamphore von Pyrmont-Holzhausen ist der bisher westlichste Nachweis der Kugelamphorenkultur123, wobei es sich um keinen Zufallsfund im mittleren Weserbergland handelt, wie die von R. Maier vorgelegte Verbreitungskarte124 zeigt.

1,9 120

121 122 123 124

Zitiert nach Maier 1991,5. Menschlicher Unterkiefer, Tierknochen, Klopfsteine, .Feuersteinknollen' sowie eine Geweihhacke (Maier 1991, 5). Vielleicht handelt es sich bei den erwähnten Klopfsteinen auch um die Läufer von Handmühlen (Andraschko 1988, 6). Andraschko 1988,8 Abb. 3. Maier 1991,6-8 mit Abb. 2-3. Maier 1991,12 Abb. 4. Maier 1991,12 Abb. 4.

Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales

21

Vielleicht ist der Fund aus dem Holzhäuser Moor ein weiterer Beleg dafür, daß schon vor dem Brunnenfund im Pyrmonter Tal Wasser- und/oder Sumpfgottheiten verehrt wurden. Bekanntlich sind Keramikdeponierungen in Gewässern und Mooren räumlich und zeitlich weit verbreitet125 und im Jung- und Endneolithikum nicht ungewöhnlich126. Das Endneolithikum ist im Raum Pyrmont durch verschiedene „Streitäxte" vertreten. Vermutlich in den Übergang vom Endneolithikum zur Frühbronzezeit gehört die aus reinem Kupfer127 gefertigte Doppelaxt aus Pyrmont-Holzhausen128, die der Forschung schon seit langem bekannt ist129. Eine genaue Funktion der kupfernen Doppeläxte ist immer noch nicht festlegbar, vermutet werden Kupferbarren130 und/oder Geldvorformen131, Würdezeichen bzw. Prunkwaffen sowie Kultgeräte bzw. Weihegaben132. Das zu kleine Schaftloch und das zu weiche Metall läßt keinen regulären Gebrauch zu. Auf eine (sekundäre?) kultische Bedeutung weisen die zahlreichen Flußfunde133. Zur Hälfte sind Doppeläxte in Mitteldeutschland und angrenzenden Gebieten verbreitet (Mittelelbegebiet und Weserbergland). Ein weiterer Beleg für eine kultische Bedeutung könnte in der Form der Doppelaxt gesehen werden134. Im Mittelmeergebiet hatte die Doppelaxt (λάβρυς) eine, auch historisch belegte, kultische Funktion, die aus dem Vorderen Orient übernommen wurde. Besonders in Kleinasien war sie bis in die Spätantike Attribut einheimischer (männlicher) Gottheiten. Im minoischen Kreta des 2. Jts. v. Chr. war sie das wichtigste religiöse Symbol, das ausschließlich Göttinnen trugen135. Doppeläxte aus

125 124 127

128 129

130 131

132 133 134 ,3S

Allgemein: Torbrügge 1972. Zu eisenzeitlichen Gefäßdeponierungen in Mooren: Harck 1985. Für Norddeutschland und Südskandinavien: Rech 1979; vgl. auch Bradley 1990. Cu 99.81%, Fe 0.10% sowie Bi (Spur). Sn, As, Sb, Pb und Zn konnten nicht nachgewiesen werden. Bei dem geringen Fe-Anteil handelt es sich vermutlich um eine rezente Verunreinigung durch den Bohrer, so Prof. Rathgen (Lissauer 1905,771). Gmk. Holzhausen FSt. 1 (= alte FSt. 2). Maier 1991,5 mit Anm. 13. Lissauer 1905. In einer Werbebroschüre der Fürstlichen Brunnenverwaltung (1910) ist eine Zeichnung der Doppelaxt abgebildet - zwischen den in Pyrmont zu kaufenden Fibel-Nachahmungen (den sog. Quellnadeln; dies geht allerdings nicht aus dem dort abgedruckten Text hervor). Später dazu Κ. H. Jacob-Friesen 1931; Rochna 1951; G.Jacob-Friesen 1963, 229 Abb. 210; Sudholz 1964; Kibbert 1980, 4 4 - 4 5 Tab. 4; 291 Analysentabelle. Das Original der Doppelaxt befindet sich nicht in Hannover, sondern im Museum im Schloß zu Pyrmont (Schreiben von Dr. Dr. G. Wegner an Dr. D. Alfter vom 25. 5.1988). Vgl. Sudholz 1964,14-15. K. Kibbert konnte als den „größten gemeinsamen Teiler" der Doppeläxte 105 g ermitteln (Kibbert 1980,47). Bei der Holzhäuser Doppelaxt entspricht dies 9x (-35 g), bei der Waldauer Axt dem 33x (+9 g). Rochna 1951,134; Kibbert 1980,49; Raetzel-Fabian 1988,162. Kibbert 1980, Taf. 60b. Rochna 1951; Filip 1966, 301. Gross 1975,431 mit Lit

22

Grundlagen

kostbarem Material waren verbreitete Weihegaben. In diesem Zusammenhang könnten auch die endneolithisch bis frühbronzezeitlichen Doppelaxtdeponierungen Mitteleuropas gedeutet werden. Inwieweit die Niederlegung der Doppelaxt von Pyrmont-Holzhausen im Zusammenhang mit den Pyrmonter Mineralquellen steht, wird sich wohl nie mehr sicher erkunden lassen. Allgemein geht die ältere Forschung davon jedoch aus136. Im Vergleich mit den anderen Doppelaxtfunden erscheint eine intentioneile, kultisch bedingte Deponierung in einem feuchten Kontext, vielleicht in einem (verlandenden) Teich o. ä., recht wahrscheinlich. Von der Doppelaxt abgesehen sind bronzezeitliche Funde im Pyrmonter Tal selten. In den Wäldern befinden sich einige nicht untersuchte Hügelgräber137, von denen ein Teil bronzezeitlich sein dürfte. Aus der Gemarkung Lügde (Kr. Lippe) sind ebenfalls einige Hügelgräber bekannt. Kleinere Grabhügelfelder befinden sich unterhalb der Herlingsburg bei Schieder (Stadt Schieder-Schwalenberg, Kr. Lippe)138. In der Emmerniederung, unweit der Stadlgrenze von Pyrmont, wurden wenige bronzezeitliche Einzelfunde entdeckt139. In Lügde (Kr. Lippe) wurde ein Urnenfund der jüngeren Bronze-/frühen Eisenzeit ausgegraben140. Auf einigen mittelalterlichen Wüstungen, die W. Gerking begangen hat, ließen sich vermutlich bronzezeitliche Pfeilspitzen finden141. Aus der vorrömischen Eisenzeit sind noch weniger Nachweise als aus der Bronzezeit bekannt, doch muß diese Fundlücke vermutlich mit der schlechten Forschungslage begründet werden. Im Laufe der jüngeren vorrömischen Eisenzeit wurden im mittleren Emmertal - wie im übrigen Lippe - auch Höhenbefestigungen angelegt: Die Herlingsburg bei Schieder (Kr. Lippe; nördlich der Emmer) und die Rodenstatt bei Brakelsiek (Kr. Lippe; südlich der Emmer) liegen ungefähr 5 km Luftlinie voneinander entfernt142. Die Befestigungen wurden von F. Hohenschwert untersucht und datieren in die Stufen LT B-C 143 . Im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. wurden sie aufgegeben. Welche Ursachen dies hatte, ist unbekannt. Außer Höhensiedlungen gab es auch offene Siedlungen, wie Keramikfunde der vorrömischen Eisenzeit von den im Gebiet der Großgemeinde Lügde (Kr. Lippe)

136

137 138 139 140 141 142 143

So Rochna 1951. Er schrieb (a. a. 0.134), daß „ (...) die Axt von Pyrmont-Holzhausen wahrscheinlich schon zu dieser frühen Zeit die wichtige Bedeutung der Pyrmonter Heilquelle unterstreicht (...)". Schuchhardt o. J. (um 1920), 66. Andraschko 1985,98-99 Abb. 39. Andraschko 1985,98-99 Abb. 39. Luley 1985,112-113 Abb. 44. Gerking 1986,23 Abb. 3. Luley 1985,112-113 Abb. 4,68-69. Hohenschwert 1978.

Abriß der Besiedlungsgeschichte des Pyrmonter Tales

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liegenden mittelalterlichen Wüstungen Kleye, Oldenlüde, Ottensen, Süthen, Ulenhusen, Vespere, Wiginchusen und Wymannssiek zeigen. Aus der römischen Kaiserzeit sowie der frühen Völkerwanderungszeit sind nur wenige Fundstellen bekannt. Außer dem Brunnenfund gehören einige Scherbenfunde von der Wüstung Oldenlüde in die römische Kaiserzeit144. Diese Siedlung liegt auf der lößbedeckten Mittelterrasse am Westufer der Emmer zwischen Lügde (Kr. Lippe) und Bad Pyrmont. Vermutlich bestand die Siedlung kontinuierlich von der vorrömischen Eisenzeit bis in die Kaiserzeit145. Ob man hier die Siedlung der für den Opferplatz Pyrmont verantwortlichen Menschen zu vermuten hat, müßte durch weitere Prospektion und Ausgrabungen geklärt werden. Bei Bauarbeiten in Lügde-Lusebrink (Kr. Lippe) wurden 1955/56 drei Brandschüttungsgräber des 3. Jhs. entdeckt, jedoch fehlen über die Befunde und Grabzusammenhänge nähere Angaben. In dem Grab, das 1955 geöffnet wurde, fanden sich eine Terra-Sigillata-Schüssel mit Stempel des Verecundus aus Rheinzabern sowie die Reste einer Bronzekelle. Aus den Gräbern von 1956 stammen drei Bronzegefäße, eine Bronzekelle, ein bis zwei Eisenscheren, ein tordierter Silberdraht und das Fragment eines goldenen rhombischen Fingerringes146, wobei Goldringe in der spätrömischen Körpergräbergruppe Haßleben-Leuna auf die reichste Gräberkategorie (Ia) beschränkt sind.147 Dies könnte auf die Anwesenheit sozial herausragender Personen im Pyrmonter Tal deuten. Es erscheint durchaus denkbar, daß aus ihrem Kreis die Silberfibeln des Brunnenfundes geopfert wurden. Das Fundbild wird durch verschiedene römische Münzfunde abgerundet148. Der Pyrmonter Brunnenfund, die genannten Gräber aus Lügde (Kr. Lippe) sowie die Funde von Hemmoorer Eimern aus Börry (Kr. Hameln-Pyrmont)149 und Veltheim (Kr. Minden-Lübbecke)150 sowie der römische Import im jüngerkaiserzeitlichen Gräberfeld von Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke)151 deuten auf das Vorhandensein von Reichtum und sozialem Status im nördlichen Weserbergland. Auf der Grundlage einer sorgfältigen Landesaufnahme wird sich der Pyrmonter Brunnenfund in seinem zeit- und siedlungsgeschichtlichen Kontext fassen lassen.

144 145

146 147 148 149 150 151

Gerking 1986,23 Abb. 3; 67-68. Getking 1986, 35 Abb. 8,1-11. Vielleicht befindet sich unter der frühgeschichtlichen Keramik auch frühvölkerwanderungszeitliches Material (a. a. O. 34). Der älteste Fund ist ein kleines neolithisches Beil. Die gefundene mittelalterliche Keramik reicht vom 8./9. bis 14. Jh. Birenger 1985,140-142; 141 Abb. 57. Schlüter 1970. Berger 1988. Willers 1901,30 ff.; Eggers 1951. Albrecht 1936; Eggers 1951. Siegmund 1996.

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Grundlagen

Die frühe Völkerwanderungszeit ist im Pyrmonter Tal nur durch einige Fibeln des Pyrmonter Brunnenfundes und die angeblich bereits 1651 gefundene152 sächsische Buckelurne vertreten. Sie datiert in die erste Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. Hinzu kommen noch einige fragliche Scherbenfunde. Vermutlich in das frühe Mittelalter gehört ein Grab mit Schwertbeigabe153.

152 153

Andraschko 1988a, 26 Abb. 20. Schuchhardt o. J. (um 1920).

2 Die Entdeckung des Pyrmonter Brunnenfundes 2.1 Vorgeschichte Das Kurbad Pyrmont wurde im 18. Jh. durch den Besuch zahlreicher Persönlichkeiten des europäischen Adels in aller Welt berühmt. R. P. Kuhnert hat die Badgeschichte Pyrmonts im 18. Jh. kenntnisreich untersucht und Maßstäbe für die historische Bäderforschung gesetzt1. Pyrmont gehörte damals zu den bedeutendsten Badeorten Europas. In der ersten Hälfte des 19. Jhs. nahm die Anziehungskraft Pyrmonts ab2, so wurden ζ. B. die Kur- und Badeanlagen baulich vernachlässigt. Außerdem war ein Rückgang der Schüttung der Quellen auf dem Brunnenplatz, besonders des Hylligen Borns und des Brodelbrunnens zu beobachten. All dies wirkte sich natürlich auch auf die Anziehungskraft und das Ansehen des Bades aus3, bedeutete aber nicht, daß in der ersten Hälfte des 19. Jhs. keine Erneuerungsarbeiten durchgeführt wurden: 1815 erfolgte der Bau des Fürstlichen Stahlbadehauses, 1833 der Bau eines Gasbadehäuschens über dem Brodelbrunnen. 1843 wurde eine neue Wandelhalle westlich des Brunnentempels (über der Hauptquelle [Hylliger Born]) errichtet4, und schließlich erbohrte man 1856/58 eine neue Solquelle am Gaswerk. Trotz dieser Maßnahmen fehlte es anscheinend an einem Gesamtkonzept zur Modernisierung Pyrmonts. Fürst Georg Viktor zu Waldeck und Pyrmont (1831-1893; Abb. 6) beschloß um 1860 die Sanierung des Bades. Kern dieser Unternehmung war die Neufassung der zentralen Quellen (vgl. Abb. 2) und die Neugestaltung des Brunnenplatzes als das Zentrum Pyrmonts (Abb. 3). Dafür bediente sich der Fürst bekannter Fachleute. Folgerichtig begannen die Arbeiten mit der Anfertigung einer Studie über die Mineralquellen, der wichtigsten wirtschaftlichen Grundlage Pyrmonts. Mit der Erstellung einer solchen Studie wurde der Darmstädter Geologe und Quellenfachmann Direktor Rudolph Ludwig beauftragt. Als routinierter Gutachter und

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Kuhnert 1984. v. Olfers 1864, Sp. 246. Die Zahl der Kurgäste blieb hoch oder stieg, aber es waten nicht mehr die europäischen Eliten, die sich in Pyrmont trafen (Mehrdorf / Stemler 1967; 1985; Kuhnert 1984; Alfter 1986). Mehrdorf / Stemler 1985, Abb. S. 99.

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Die Entdeckung des Pyrtnonter Brunnenfundes

Abbildung 6. Porträt und Unterschrift von Fürst Georg-Viktor zu Waldeck und Pyrmont (1831-1893) aus dem Jahre 1891.

wissenschaftlicher Autor konnte er seinem Auftraggeber bald ein Manuskript einreichen. Es trug als Datum den 14. Juni 1862 und führte den Titel „Die Mineralquellen zu Pyrmont"5. Im gleichen Jahr erschien die Schrift unter dem Titel „Die Kochsalz- und Eisensäuerlinge zu Pyrmont" in Darmstadt 6 .

Akte im Museum im Schloß (Bad Pyrmont), die u. a. enthält: .Auszug aus der EinsendungsSchrift des Direktors Ludwig zu Darmstadt vom 14. Juni 1862, die Mineralquellen zu Pyrmont betreffend" sowie „Die Mineralquellen von Pyrmont", die als handschriftliche Abschrift (?) bzw. Originalmanuskript vorliegt Ludwig 1862. Ein Auszug aus dieser Publikation erschien nach dem Tode R. Ludwigs unter dem Titel „Geologische Beschreibung der Umgebung von Bad Pyrmont" (Ludwig 1881).

Votgeschichte

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Fürst Georg Viktor zu Waldeck und Pyrmont überantwortete schließlich R. Ludwig die Neufassung der Quellen. Dies muß 1862 oder 1863 geschehen sein, doch Unterlagen über diesen Vorgang sind anscheinend nicht mehr vorhanden7.

2.1.1 Rudolph Ludwig (1812-1880) — der Ausgräber des Brunnenfundes Rudolph August Birminhold Sebastian Ludwig wurde am 24. 10. 1812 auf dem väterlichen Landgut Hetzlos bei Hammelburg (Kr. Bad Kissingen) in Unterfranken geboren. Am 11.12.1880 starb er hoch geehrt in Darmstadt. In der Allgemeinen Deutschen Biographie beschrieb sein Biograph Gümbel ihn als: „ein eifriger Forscher und fruchtbarer Schriftsteller auf geologischem Gebiete"8. Nach dem Studium des „Bergfachs" trat R. Ludwig 1833 in hessischen Dienst ein und war von 1837—1851 kurhessischer Fabrikinspektor zu Schwarzenfels9. Von 1851-1856 bekleidete er in Bad Nauheim das Amt eines „hessischen Salinen- und Badeinspektors". Während dieser Zeit hat er die dortigen Quellen ausgiebig untersucht10. Dabei stellte er spätlatenezeitliche und frühmittelalterliche Salzgewinnungsanlagen fest und publizierte sie später11. Er verließ Bad Nauheim im Jahre 1856 und wurde technischer Beirat der Bank für Handel und Industrie zu Darmstadt; seitdem trug er den Titel eines Direktors. Seine Position ließ ihm anscheinend viel Zeit und finanziellen Spielraum, um ausgedehnte geologisch-montanisch orientierte Reisen u. a. nach Rußland und Italien unternehmen zu können. Darüber hat er mehrfach berichtet12. Gleichzeitig war er als freier Geologe für unterschiedliche Auftraggeber tätig. Bevor er von Fürst Georg Viktor nach Pyrmont geholt wurde, hatte R. Ludwig 1860 die versiegten Quellen von Bad Homburg v. d. H. sanieren können und darüber auch berichtet13.

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So Amtmann König vom Hessischen Staatsarchiv Marburg im Schreiben vom 22.12.1986 (s. u.). Im gut aufgearbeiteten Bestand 126 (Waldeckische Domänenkammer 1868-1929) finden sich nur Unterlagen ab 1868, manchmal auch ab 1864/65 (Sieburg 1981). Die Fürstlich Waldecksche Hauptverwaltung in Arolsen verfugt über keinerlei Unterlagen. Die Bestände -wurden nach Marburg abgegeben (Schreiben vom 19.12.1986). Gümbel 1884,612. Articus 1984,177. R. Ludwig, Ueber die warmen Soolquellen in Nauheim. Jahrbuch der oberhessischen Gesellschaft fur Naturkunde 1853 (zitiert nach Gümbel 1884,613). R. Ludwig, Die alten Salinen bei Bad Nauheim. Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde 11,1867,46 ff. Literaturübersicht bei Gümbel 1884. R. Ludwig, Die Mineralquellen zu Homburg vor der Höhe. Sonderdruck aus dem Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darmstadt (Darmstadt 1861) (zitiert nach Articus 1984, 177 Anm. 20).

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R. Ludwig war nicht nur ein bekannter und erfolgreicher Quellgeologe, sondern auch archäologisch „vorbelastet". Bereits J. v. Olfers bemerkte: „Sehr erfreulich ist es, dass die im vollsten Maasse gelungenen Arbeiten in die kundige Hand des Direktors Dr, Rudolf Ludwig aus Darmstadt gelegt wurden, welcher zugleich die nöthig gewordenen Untersuchungen und Ausgrabungen auch von ihrer antiquarischen Seite her nicht unbeachtet liess."14.

2.2 Fundgeschichte15 Die Pyrmonter Kursaison des Jahres 1863 schloß am 12. September. Nachdem die Gäste abgereist waren, konnten die Arbeiten zur Neufassung der Hauptquelle (Hylliger Born) und des Brodelbrunnens (Badebrunnen) beginnen. Über diese Arbeiten wissen wir nur indirekt etwas, da der betreffende Aktenband im Hessischen Staatsarchiv Marburg16 nicht mehr vorhanden ist17. Mitte Oktober 1863 waren die Arbeiten im vollen Gange. Zur Ableitung des Brodel- oder Badebrunnens wurden lange, tiefe und breite Gräben von und in der sogenannten Klosterallee bis zur Badequelle angelegt; sie waren bis zu acht Fuß tief 18 . 4. 1 1 . 1 8 6 3 Am 4. November erschien im Pyrmonter Wochenblatt in ausgewogener und relativ genauer Form ein erster kurzer Artikel über den Fund von „4 bis 500 sog.

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v. Olfers 1864, Sp. 246. Zwischen 1863 und 1865 erschienen zahlreiche Zeitungsartikel, Berichte und Aufsätze, die sich mit dem Pyrmonter Brunnenfund befaßten. Da ein Teil von ihnen der Forschung nicht, anderes nur ausschnitthaft bekannt ist (vgl. Articus 1984,177 ff.), sind zwei Beispiele (Ludwig 1863; NN 1864g) im vollen Wortlaut als Facsimile wiedergegeben (Abb. 7-8). Dorthin wurden die Aktenbestände als Folge der seit 1867 bestehenden preußischen Finanzverwaltung von Waldeck-Pyrmont ab 1897 abgegeben (vgl. Königl. Staatsarchiv Marburg 1901; Gutbier 1930). Briefl. Mitt von Amtmann König (Marburg) vom 22.12.1986. In dem genannten Schreiben heißt es: „Daß er [der Aktenband, Verf.] existiert hat, geht daraus hervor, daß dem Architekten Adolf Siegtnund aus Teplitz die Unterlagen mit einigen Zeichnungen im Jahre 1885 zur Verfugung gestellt wurden. Siegmund war zu dieser Zeit mit Reparaturarbeiten beschäftigt (Best. 126/2934)". Pyrmonter Wochenblatt 14 (83), vom 18.10.1863 (NN 1863). Auf Grundlage des Gutachtens von R. Ludwig (1862) hatte die Waldeckische Landesregierung ein Quellenschutzgesetz erlassen (Gesetz „die Vornahme von Erdarbeiten in der Nähe der Pyrmonter Quellen betreffend" vom 6. 4.1863; Mehrdorf / Stemler 1985,202), das Erdarbeiten von Privatleuten in der Nähe der Quellen nur bis 3 Fuß Tiefe gestattete. Daher war die Bevölkerung über die tiefgründigen Bauarbeiten beunruhigt (NN 1863).

Fundgeschichte

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Broschen" an einet verschütteten Quelle auf dem Brunnenplatz. Es wird auf den ausgezeichneten Erhaltungszustand, die noch vorhandene Federkraft und eine „Vergoldung" mancher Gegenstände aufmerksam gemacht. Als Metall der Broschen und Schnallen nennt der Artikel „eine Art Messingmetall". Neben den Broschen (=Fibeln) wurden auch runde Gürtelschnallen (=Ringfibeln), zwei römische Münzen und ein „prachtvoll gearbeiteter, außen emaillirter und innen vergoldeter Trinkbecher" (=Schöpfkelle) sowie „ein silberner Löffel" (=Renaissancelöffel aus Kupferlegierung) ausgegraben. Der unbekannte Verfasser des Artikels weist bedauernd darauf hin, „daß die Arbeiter einen großen Theil der gefundenen Gegenstände veräußert haben, die fuglich nach vorgenommener Untersuchung über Alter und Herkunft etc. einen passenden Plat2 im neuen Brunnenhause verdient hätten."19 18.11.1863 Ein umfangreicherer — aber ebenfalls ungezeichneter — Artikel erschien am 18. November. Für die Pyrmonter Bevölkerung war es das wichtigste zu erfahren, daß sich die Schüttungsmenge der Quellen vervielfacht hatte (10-11 Kubikfuß/ min statt vorher 3 Kubikfuß/min). Demnach waren die Neufassungsarbeiten weitgehend abgeschlossen. Ziel des Neubaus des Badebrunnens (d. h. des Brodelbrunnens) war es, so entnehmen wir dem Artikel, das C0 2 -Gas der Quelle für die Bäder zu nutzen. Aus archäologischer Sicht bringt der Beitrag die ersten Nachrichten über den Befund: die Fibeln wurden in 10-12 Fuß Tiefe gefunden. „In fast der gleichen Tiefe stieß man zugleich auf Reste von mächtigen Baumstämmen, welche zum Theil mit ihren Wurzeln noch aufrecht standen, zum Theil umgestürzt lagen". Auch erfährt man mehr über die beiden Münzen. Sie sollen Bildnisse der Kaiser Domitian und „Mark Aurel"20 zeigen. Den größten Teil des Artikels nimmt die Diskussion der ethnischen Deutung der hier lebenden und opfernden Bevölkerung ein. Der unbekannte Verfasser

Kommentar: Dieser erste Bericht ist auch heute noch bemerkenswert: er weist darauf hin, daß die Fibeln größtenteils noch funktionierten („Federkraft trefflich vorhanden") und daß für die Herstellung der „aus freier Hand" gearbeiteten Gegenstände vermutlich überwiegend Messing benutzt wurde. Allerdings nahm auch hier die bis in jüngere Zeit verbreitete Ansicht, daß zumindest ein Teil der Funde vergoldet gewesen wäre, ihren Ausgangspunkt Eine Vergoldung konnte bei der Bearbeitung, der Restaurierung und Konservierung eines Großteils der Funde durch H. Fendel, E. Hellmich und M. Meier in der Archäologischen Restaurierungswerkstatt des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Hannover, in keinem Fall nachgewiesen werden. Diese Münze wurde später als (subaerater) Denar von Septimius Severus für Caracalla identifiziert

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Die Entdeckung des Pyimonter Brunnenfundes

kommt zu dem Schluß, daß Germanen, vermutlich Cherusker, in den ersten zwei oder drei Jahrhunderten die Fibeln in die Quelle geworfen hätten. 22.11.1863 Der erste von R. Ludwig gezeichnete Bericht erschien am 22. November im Pyrmonter Wochenblatt (Abb. 7). Er gibt einigen Aufschluß über die Grabung. Um das Quellareal um die erforderlichen 12 Fuß (=3.75 m) absenken zu können, mußte ein langer Abzugkanal angelegt werden, der in die Klosterallee entwässerte. Eine 40 Fuß (= 12.5 m) weite Ausgrabung wurde vorgenommen21. Diese orientierte sich am Verlauf der Quellspalte, in deren Bereich die Quellen austreten22. Es ist eine ungefähr WNW-OSO verlaufende - gedachte - Achse, die die Quellen auf dem Brunnenplatz mit der Helenenquelle verbindet23. Die Maße und Angaben widersprechen den von R. Ludwig in den Bonner Jahrbüchern publizierten24. Der vorliegende Bericht ist der erste, der detailliertere Befundbeschreibungen gibt. Wichtig ist die Erfassung der Fundumstände. Auch wenn das Quellwasser nicht tiefer als 10-12 Fuß abgelassen werden konnte und die Fibeln „aus dem gasreichen heftig brodelnden Wasser gefischt werden" mußten, so war die Lokalisierung eindeutig. Sie stammten sämtlich aus einer 2Vi bis 3 Fuß dicken Moos- und Torfschicht und lagen ausschließlich „an den Wurzeln des einen Lindenbaumes auf einem Räume von kaum 9 Quadratfuß (d. h. 3 Fuß lang und breit) Größe". Dies bedeutet, daß sich die Funde in einem knapp einen Kubikmeter messenden Torfwürfel befunden haben müssen, vermutlich mehr oder weniger verteilt. Zum Vergleich muß man sich das Volumen vorstellen, das die Fibeln, auf einen Haufen geschüttet, einnehmen würden. Tafel 1 zeigt die in den Museen von Bad Pyrmont, Hannover und Hameln aufbewahrten Gegenstände (etwa 176 Gegenstände, davon 171 Fibeln): Die Fibeln hätten in zwei Händen Platz. Geht man von einer Zahl von ca. 320 gefundenen Fibeln aus (s. u.), so hätten diese in einem Schuhkarton viel Platz25. Auf die Schlußfolgerungen, die sich für die Interpretation der Fundumstände und damit letztlich des gesamten Fundkomplexes aus diesen Tatsachen ergeben, wird später ausführlich eingegangen. Im Anschluß an die Befundbeschreibungen folgt eine Auflistung der Objekte, die sich in sechs Abschnitte gliedert: 1. emaillierte Schöpfkelle (Liste 1,237), 2. Löf-

21 22 23 24 25

Plan bei Ludwig 1865,50 Abb. 2. R. Ludwig hatte dies bereits 1862 untersucht (Ludwig 1862). Dienemann / Fricke 1961,197 Abb. 24. Ludwig 1865 mit Abb. 1-2. Zum Vergleich: Der Mörtelblock aus Bregenz - Brigantium (A), in dem 102-104 Fibeln eingegossen waren, mißt 28 χ 13 χ 15.5 cm (Konrad 1994,217).

Fundgeschichte

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fei (Liste 1,241), 3.-4. zwei hölzerne Schöpfgefäße (Liste 1,238-239), 5. ca. 200 Fibeln und ca. 12 Ringfibeln; bemerkenswert ist die Ersterwähnung der Scheibenfibeln (Liste 1,209-212), der delphinförmig gestalteten Fibel(n[?]) (liste 1,213) sowie der Ringfibeln mit Fußplatte (Liste 1,231-232). 6. zwei römische Münzen (Domitian (Liste 1,234] und „Mark Aurel", bei letzterer handelt es sich um den Caracalla-Denar [Liste 1,236]). Interessant für die gesamte weitere Fundgeschichte ist folgende Feststellung R. Ludwigs: „Von dem größern Trinkgefaße und einigen der schönern Tuchnadeln werden in der Schaper'schen Fabrik zu Pyrmont getreue Nachahmungen angefertigt; die Gold- und Silberarbeiter Pyrmonts ahmen solche Nadeln ebenfalls nach." In den Kapiteln 4 und 5 wird zu diesem Problemkreis anhand der Untersuchungen des Fundmaterials Stellung genommen. 25.11.1863 Es wird nur über die zukünftige Gestaltung des Brunnenplatzes berichtet. 29.11.1863 Der zweite und abschließende Bericht R. Ludwigs wurde am 29. November im Pyrmonter Wochenblatt publiziert. Er ist kürzer als der erste und behandelt die für die Pyrmonter Bevölkerung besonders wichtige Quellensanierung: „Seit Sonntag, den 22. d. M. sprudelt der Brodelbrunnen wieder hoch oben und wirft schäumend kristallklare Wellen von höchst angenehm rein-säuerlichem Geschmacke empor". Im Gegensatz zu dem ungezeichneten Artikel vom 18.11.1863 hat die Quellschüttung nur von vorher AlA Kubikfuß/min auf 6 Kubikfiiß/min zugenommen. R. Ludwig veranschlagt eine Zunahme um etwa 100 Bäder pro Tag. Bezüglich des Brunnenfundes gibt R. Ludwig abschließend den Fund eines Denars mit dem Brustbild Kaiser Trajans bekannt. Im Anschluß daran verweist er auf die Münzfunde, die Baron v. Stietencron im Gebiet um das Emmer abwärts gelegene Welsede (Kr. Hameln-Pyrmont) gemacht und ihm mitgeteilt hat (fünf Denare aus trajanisch-hadrianischer Zeit). 6.12.1863 Neben den genannten zwei Berichten im Pyrmonter Wochenblatt (vgl. Abb. 7)20 informierte R. Ludwig am 4.12. 1863 die interessierte Öffentlichkeit auch mit einem Vortrag27, jedoch ein angekündigter Bericht darüber ist anscheinend nie erschienen.

24 27

Ludwig 1863; 1863a. PyrmonterWochenblatt 14 (97) vom 6.12.1863,1 (= NN 1863e).

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Die Entdeckung des Pyrmonter Brunnenfundes

Die Arbeiten zur Verbesserung der Quellschüttungen schienen zwar im Spätherbst des Jahres 1863 erfolgreich gewesen zu sein. Doch schon kurze Zeit später galten sie als wenig befriedigend, denn aus den Jahren 1865/66 ist eine längere Korrespondenz, die auch Gutachten umfaßt, zwischen der fürstlichen Verwaltung und R. Ludwig (Darmstadt) im Hessischen Staatsarchiv Marburg erhalten geblieben28. Im Museum im Schloß befindet sich eine acht (ungezeichnete) Blätter umfassende Stellungnahme R. Ludwigs mit dem Titel „Die Mineralquellen zu Pyrmont während des Winters 1865/66"29. Letztere Schrift enthielt keinerlei Hinweise auf den Brunnenfund und die Begebenheiten von 1863.

2.3 Die überregionale Bekanntgabe des Fundes Neben den vier Artikeln im Pyrmonter Wochenblatt30 erschienen noch 1863 in zwei Zeitschriften kurze Berichte über den Brunnenfund. Es handelte sich um die Illustrirte Zeitung31 vom 14.11.1863 und die Dezemberausgabe der „Beilage zum Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit"32. Textlich folgten sie den Artikeln im Pyrmonter Wochenblatt. Ob letzteres als Vorlage diente, ob Mitarbeiter der genannten Publikationsorgange durch die Pyrmonter Artikel auf den Brunnenfund aufmerksam oder sie von R. Ludwig mit Berichten bedacht wurden, läßt sich heute nicht mehr klären. Im folgenden Jahr erschien in der Illustrirten Zeitung (Ausgabe vom 2. 7.1864) ein weiterer Bericht über den Pyrmonter Brunnenfund. Des weiteren war in der Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde ein entsprechender Artikel enthalten. Die archäologische Fachwelt hingegen wurde durch mehrere Notizen im Archäologischen Anzeiger auf den Fund aufmerksam; auch in der Beilage zum Anzeiger für Kunde der Deutschen Vorzeit (Juliausgabe) erschien ein weiterer Bericht. Ein Satzfehler machte aus den „4 bis 500 sog. Broschen"33 in der Illustrirten Zeitung 4000-5000 Fibeln, wobei diese Angabe dann auch Eingang in das ältere Fachschrifttum fand34. Beispielsweise J. v. Olfers war diese fehlerhafte Angabe geläufig, so daß er in seinem Aufsatz bemerkte: „denn vieles, wie wohl nicht so

28 29

30 31 32 33 34

Briefl. Mitt. von Amtmann König (Marburg) vom 22.12.1986. Im gleichen Aktenkonvolut enthalten, das auch eine Abschrift bzw. das Original der Schrift von R. Ludwig 1862 umfaßt (vgl. Quellen- und Literaturverzeichnis). N N 1863a; 1863c; Ludwig 1863; 1863a. N N 1863b. N N 1863f. N N 1863a. R. Articus (1984,186) hat darauf aufmerksam gemacht

Die überregionale Bekanntgabe des Fundes

35

vieles als behauptet worden (Tausende von Stücken!), wurde beiseite gebracht"35. Mehrere redaktionelle Beiträge in den Pyrmonter Kur-Listen (vg. Abb. 8)36 belegen 1864 und 1865 das Interesse der Kurgäste am Brunnenfiind. Und auch in den folgenden Jahren fand er gelegentlich in Pyrmont und Waldeck in der Heimatforschung37 oder in Schriften für Kurgäste38 Erwähnung. Wenn man von einem weiteren Artikel in der Illustrirten Zeitung vom 12.11.1881 absieht39, beschäftigte sich in der Folgezeit nur die Fachwelt - meist am Rande - mit dem Brunnenfund. Ob und welche Gelehrte Pyrmont besuchten und dort Fibeln des Brunnenfundes kauften, ist nicht sicher belegbar. Ein Schlaglicht auf die Situation wirft jedenfalls die am 4. 7.1864 ausgegebene Pyrmonter Kur-Liste Nro. 28, in der der bekannte Göttinger, später Berliner, Althistoriker und Archäologe sowie nachmalige Ausgräber Olympias, Professor Ernst Curtius erwähnt ist. Er begleitete am 2. 7. 1864 seine Familie zur Kur nach Pyrmont40; reiste jedoch vermutlich kurz darauf wieder ab41. Im Gegensatz zu seinen Reisen in den Mittelmeerraum, auf denen er gelegentlich Altertümer für die Sammlung des Archäologischen Institutes der Universität Göttingen erwarb, erstand er in Pyrmont anscheinend keine der damals im Handel befindlichen Fibeln des Brunnenfundes bzw. eine ihrer Nachbildungen/Nachahmungen42.

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38 39 40

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v. Olfers 1864, Sp. 247. Gemeint sind die von den Arbeitern gefundenen und weiterveräußerten Funde. Pyrmonter Kur-Liste Nro. 44, ausgegeben den 24. Juli 1864, 1 (ungez.) (NN 1864g). Der Brunnenfund ist in Bonn zur Untersuchung. Pyrmonter Kur-Liste Nro. 4, ausgegeben den 30. Mai 1865, 1 (ungez.) (NN 1865a). Forderung der Ausstellung des Brunnenfundes. Pyrmonter Kur-Liste Nro. 7, ausgegeben den 4. Juni 1865,1 (ungez.) (NN 1865dj). Der Brunnenfiind noch in Mainz zur Untersuchung (seit Herbst 1864). Pyrmonter Kur-Liste Nro. 12, ausgegeben den 14. Juni 1865,1 (ungez.) (NN 18651). Der Brunnenfiind ist in Pyrmont „und im Wattesaal des Stahlbadehauses während der Compoirstunden zur Ansicht des Publikums ausgestellt" Pyrmonter Kur-Liste Nro. 13 ausgegeben den 15. Juni 1865, 1 (ungez.) (NN 1865g). Wie 14. Juni. So der Beitrag R. Ludwigs „Der Fund von Pyrmont" in L. Curtzes „Beiträge zur Geschichte der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont 2", die 1869 in Arolsen erschienen waren. Es handelt sich um einen Auszug aus Ludwig 1865 (ohne Abbildungen). Vgl. ζ. B. Valentiner 1876; Lasser 1890,167. NN 1881. Vielleicht ist dieser Beitrag im Zusammenhang mit der Präsentation des Brunnenfundes auf der Berliner Ausstellung (Günther / Voss 1880) zu sehen. Pytmonter Kur-Liste Nro. 28, ausgegeben den 4. Juli 1864, 4 (ungez.) (NN 18641): 2. Juli. Prof. Curtius, Frau Curtius, Herr Curtius jun. und Fräulein Curtius aus Göttingen bei A. Groskurth (Gäste 1468-1471). Prof. Curtius nur Passant. Im Sommer 1864 arbeitete E. Curtius an seiner Attischen Geschichte (Curtius 1913,91-92). Im von G. Hubo (1887) publizierten Sammlungskatalog und in den Unterlagen des Archäologischen Instituts fanden sich darüber keine Unterlagen (pers. Mitt. PD Dr. Ch. Böhringer, Universität Göttingen).

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Die Entdeckung des Pyrmonter Brunnenfundes

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Kniefibeln (Typ 8-12)

135

ausgestattete Grab 81 aus Sörup Π (Kr. Schleswig-Flensburg)211 zwei entsprechende Fibeln auf. Zwei Drittel der — diese Fibel führenden — Gräber besitzen insgesamt 1—4 Beigaben. In den Gräbern mit mehr als 9 Beigaben befinden sich mindestens zwei Fibeln; ansonsten besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Beigaben- und Fibelzahl. Kniefibeln mit Zierdrahtauflage (Typ 12) Kniefibeln mit Zierdrahtauflage und Perldrahtringen der Form Almgren V,145/ 147 sind im Pyrmonter Brunnenfund in zwei Exemplaren unterschiedlicher Varianten vertreten (Liste 1,33-34; Taf. 5,a-b). O. Almgren hat beide als seiner Fig. 147 entsprechend klassifiziert212. Die Neubearbeitung zeigte jedoch, daß sowohl eine Fibel Almgren V,145 (Liste 1,34; Taf. 5,a) als auch eine Übergangsform Almgren V,145/147 (Liste 1,33; Taf. 5,b) vorhanden sind. Almgren V,145 (Typ 12.01) Das Verbreitungsgebiet der Kniefibeln mit Zierdrahtauflage und Perldrahtringen der Form Almgren V,145 entspricht dem anderer Kniefibeln. Sie sind vor allem im Bereich der unteren Elbe verbreitet, kommen aber auch in Brandenburg sowie im römischen und germanischen Rheingebiet vor213. Die starken typologischen Affinitäten zur Form Almgren V,147 legen eine entsprechende Datierung in die Stufe B2 nahe. Dies bestätigen auch Grabfunde, bei denen sie mit anderen Kniefibeln sowie kräftig profilierten Fibeln und jüngeren Rollenkappenfibeln gefunden wurden. Aussagen zur Trageweise liegen nur indirekt vor, da mir kein Körpergrab bekannt ist, in dem eine derartige Fibel gefunden wurde. In den Brandgräbern, die Fibeln der Form Almgren V,145 enthalten, sind bis zu drei Fibeln vorhanden. Dabei überwiegen Gräber mit einer Fibel geringfügig. Meist kommen sie einzeln oder paarweise vor. Nur in einem Fall sind drei Fibeln vorhanden (Grab 6 aus Tostedt-Wüstenhöfen, Kr. Harburg)214. Die Fibelzahl könnte darauf deuten, daß bei einem Großteil der Bestatteten vermutlich das Kleid auf den Schultern mit einer oder zwei Fibeln Almgren V,145 geschlossen wurde, während als Mantelverschluß eine Rollenkappenfibel o. ä. gedient haben könnte.

211 212 213 2,4

Lagler 1989. Almgren 1923,235 Beil. IV. Entsprechend erfolgte auch die Bezeichnung im Katalog. Almgren 1923,63. Wegewitz 1944.

136

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Das schon erwähnte Grab 6 aus Tostedt-Wüstenhöfen (Kr. Harburg) dürfte vermutlich als Bestattung eines weiblichen Individuums interpretiert werden215. Auch bei den Gräbern 185 und 198 aus Leverkusen-Rheindorf dürfte es sich einer Untersuchung auf geschlechtsspezifische Beigaben zufolge um die Bestattungen eher weiblicher Personen handeln. Die Gräber 1509 und 2127 vom Brautberg bei Bordesholm (Kr. Rendsburg-Eckernförde) sind aufgrund der Urnenmaße als die von eher Erwachsenen anzusprechen. Aus der Bestattung einer maturen Frau216 aus Bergfeine (Kr. Vechta) liegt ebenfalls eine entsprechende Fibel vor217. Im vorwiegend älterkaiserzeitlichen Gräberfeld Kemnitz (Kr. Teltow-Fläming) ist dieser Fibeltyp in vier anthropologisch als Bestattungen von Mädchen bestimmten Gräbern vertreten218. Demnach scheinen Fibeln der Form Almgren V,145 von Kindern (nur/überwiegend Mädchen?) und (nur/überwiegend weiblichen?) Erwachsenen getragen bzw. ihnen als Grabbeigaben mitgegeben worden zu sein. In der untersuchten Stichprobe (10 von 2000) überwiegen „weniger reich" ausgestattete Gräber219. Ein Zusammenhang zwischen Beigabenzahl und Zahl der Fibeln besteht nicht. Almgren V,145/147 (Typ 12.02) Im Gegensatz zu der klassischen Form Almgren V,147 mit ihrer Auflage aus einem „Geflecht von Silberdraht"220 besitzt die Pyrmonter Kniefibel (Liste 1,33; Taf. 5,b) eine Zierdrahtauflage221. Auch diese Fibeln sind typisch fur das (Unter-) Elbegebiet222. Darüber hinaus kommen sie in Angeln, im Havelgebiet und im Weserbergland vor223. Dieser Fibeltyp ist mit ca. 15-20 Exemplaren aus Norddeutschland relativ selten224.

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Die Untersuchung einiger Gräberfelder des Niederelbegebietes auf geschlechtsspezifische Beigaben bestätigte die Vermutung von „Frauen-" (wie Tostedt-Wüstenhöfen, Kr. Harburg) und „Männerfiriedhöfen" (wie Hamburg-Langenbek). Sollten dort auch Angehörige des jeweils anderen Geschlechts bestattet worden sein, so lassen sie sich archäologisch vorläufig nicht fassen. Brandgrubengrab 2 (Michaelsen 1940,206). Michaelsen 1940,207 Abb. 11 a. Grab 9: Frau (W>M), 30-50 Jahre; 207: Kind (M=W), infans I; 312: 8-10jähriges Mädchen (W>M); 606: Kind (M=W), infans I (Geisler 1974; Müller / Westphal 1976). 1 - 4 Beigaben: 7 Gräber; 5-9 Beigaben: 3 Gräber. Almgren 1923,63. Es stellt daher eine Übergangsform zwischen Almgren V,145 und V,147 dar. Die Technik (eingelassene Rillen) und die Zierdrähte sind von der Form Almgren V,145 übernommen, während der Gesamteindruck der Form V,147 entspricht Almgren 1923. Verbreitungskarte: Stange 1988, 29 Abb. 16. Stange 1988, 30. Aus Darzau sind allein drei Exemplare bekannt (Schliep-Andraschko 1991).

Kniefibeln (Typ 8-12)

137

Fibeln dieser Form und ihre Varianten stellen nach H. J. Eggers eine Leitform seiner Stufe B2 dar225, insbesondere des jüngeren Abschnitts. Bereits C. Hostmann konnte feststellen, daß diese Fibeln im jüngeren Teil des Gräberfeldes Darzau vorkommen226. Aus Gräbern Norddeutschlands sind einige Fibelkombinationen bekannt, die eine Datierung in den jüngeren Abschnitt der Stufe B2 belegen, was sich auch in der Seriation widerspiegelt. Diese Fibeln treten tendenziell eher in „reicher" ausgestatteten Gräbern auf227. Herausragendes Beispiel ist das sog. Fürstengrab Marwedel Π (Kr. LüchowDannenberg), das ein vollständig aus Silber gefertigtes Stück enthielt228. Bronzene und eiserne Exemplare sind von verschiedenen Gräberfeldern des Unterelbegebietes bekannt, wie von dem als „Frauenfriedhof" bezeichneten Gräberfeld Darzau (Kr. Lüchow-Dannenberg)229. Grab 94 aus Wahlitz (Kr. Jerichower Land)230 enthielt zwei eiserne Fibeln231, die aufgrund der ankorrodierten Silberkügelchen als schlecht erhaltene Varianten der Form Almgren V,147 interpretiert werden können. Die Grabbeigaben232 weisen auf die Bestattung einer Frau233. In Grab 107 der gleichen Nekropole bildete eine entsprechende eiserne Fibel die einzige Beigabe234. Der Fund einer entsprechenden Fibel aus Grab 130 des anglischen Gräberfeldes Husby (Kr. Schleswig-Flensburg) zusammen mit Schildresten und einem Sporn235 weist hingegen auf das Grab eines Mannes. Nur von wenigen Gräbern, die Fibeln der Form Almgren V,147 fuhren, sind die Leichenbrände untersucht worden. Es handelt sich ausschließlich um Erwachsene beiderlei Geschlechts236.

225 226 227

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233 234 235 234

Eggers 1955,199 Abb. 2,35c; 202. Hostmann 1874,60. 1 - 4 Beigaben: 4 Gräber, 5-9 Beigaben: 7 Gräber; >9 Beigaben: 7 Gräber. Dies zeigt sich besonders gut im Vergleich mit den entsprechenden Gräbern mit Fibeln der Form Almgren V,145. Körner 1952; Laux 1993, Abb. 23,1. Jacob-Friesen 1974. Schmidt-Thielbeer 1967,73; Taf. 52,94. Ähnlich Darzau 321 und 318 nach N. Schliep-Andraschko (1991,427 Abb. 2,2-3). Insgesamt 13 Beigaben, u. a. Schlüssel, Perle, Dreifibelbeigabe; große Urne (Schmidt-Thielbeer 1967). Die Urnenmaße könnten auf eine Erwachsene deuten. Schmidt-Thielbeer 1967,76; Taf. 53,107. Raddatz 1974,18; Taf. 35,130. Troisdorf (Rhein-Sieg-Kreis), Grab 35: W>M, erw. (20-70 J.) (Joachim 1987; Wittwer-Backofen 1987); Kemnitz (Kr. Teltow-Fläming), Grab 252: Doppelbestattung M>W, 20-30 J. und M=W, 3 - 4 J.; Grab 833/834: M=W, erw. (?) (Geisler 1974; Müller / Westphal 1976); Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel), Grab 362: frühmaturer Mann (Müller 1979).

138

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Aufgrund dieser wenigen Befunde läßt sich feststellen, daß Fibeln der Form Almgren V,147 von Männern und Frauen getragen wurden. Silberne Exemplare scheinen sehr reich ausgestatteten Männergräbern vorbehalten gewesen zu sein (Fürstengrab Marwedel Π, Kr. Lüchow-Dannenberg). Aussagen zur Trageweise sind nur aufgrund des Fürstengrabes Π von Marwedel (Kr. Lüchow-Dannenberg) möglich. Dort wurde die Fibel Almgren V,147 wohl auf der rechten Schulter des Toten gefunden237 und diente vermutlich zum Verschluß eines Mantels. Entsprechendes ist bei dem Mann aus Husby (Kr. Schleswig-Flensburg), Grab 130, zu vermuten238, Das schon genannte Grab 94 von Wahlitz (Kr. Jerichower Land) belegt die Mitgabe dieses Fibeltyps paarweise (eiserne Variante) zusammen mit einer weiteren Kniefibel. Auch Grab 362 von Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel) belegt eine (paarweise) Zweifibelbeigabe239.

6.9 Almgren VI,162 (Typ 13) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit umgeschlagenem Fuß, Fußwicklung und facettiertem Bügel der Form Almgren VI, 162 sind im Brunnenfund mit sieben Exemplaren vertreten (Liste 1,35-40; Taf. 5,0-d)240. Die weite Verbreitung dieser Fibelform im nördlichen Mitteleuropa hat bereits O. Almgren herausgestellt241. Ein Schwerpunkt ist nicht sicher auszumachen. Zwischen Elbe und Oder sind Fibeln der Form Almgren VI,162 gleichmäßig verteilt242. Für das Gebiet zwischen Elbe und Rhein ist ein Überblick schwierig, doch kommen sie gelegentlich vor243.

237 238 239 240

241

242 243

Lage von F. Laux (1993, 351) plausibel rekonstruiert Raddatz 1974. Worbs 1979; Leineweber 1997. Unter den genannten Stücken befinden sich hauptsächlich Nachbildungen bzw. Nachahmungen des 19. Jhs. (Liste 1,36.38-40.242). Bei zwei Exemplaren (Liste 1,35.37) ist nicht zu entscheiden, ob es sich um antike oder rezente Stücke handelt. Almgren 1923, 77-78. Weitere Funde u. a. aus Unterfranken (Rosenstock 1992, 185), Oberfranken (Haberstroh 1993, 121 Abb. 74,3), vom obergermanisch-raetischen Limes (Oldenstein 1982, 12), Donaugebiet (Jobst 1975, 78-79), Rumänien (Diaconu 1971), Spanien (Sanz Gamo etal. 1992, Titelphoto; 267 Abb. 7.2,177), Britannien (Hattatt 1989, 366 Abb. 225,1247), Syrien (Toll 1949a, Taf. 15,125). Leube 1975,225 Karte 5; 1992,310 Abb. 7. Von einem spätkaiserzeitlichen Hofplatz aus Hiddenhausen-Oetinghausen (Kr. Herford) ist ein Bügelfragment vorhanden (Birenger et aL 1993), bei dem es sich durchaus um eine Fibel mit umgeschlagenem Fuß handeln könnte (ähnlich Pritzier, Kr. Ludwigslust, Grab 43 oder 593 [Schuldt 1955,52 Abb. 242-243]).

Almgten VI,162 (Typ 13)

139

Fibeln mit umgeschlagenem Fuß gelten im Chronologieschema von H. J. Eggers als eine der Leitformen seiner Stufe Cl244. Dies gilt auch für die Fibeln der Form Almgren VI,162. Durch chorologische Untersuchungen auf Gräberfeldern Norddeutschlands und angrenzender Gebiete ist die zeitliche Stellung der Fibeln mit umgeschlagenem Fuß eindeutig belegt. K.-H. Willroth setzt die Fibeln mit umgeschlagenem Fuß (Almgten VI, Ser. 1) in einen Übergangsbereich (Fibelzone 4/5) zwischen Stufe Cl spät (Clb = Fibelzone 4) und Stufe C2 (= Fibelzone δ)245. In Pritzier (Kr. Ludwigslust) treten Fibeln der Form Almgren VI,162 gelegentlich mit zweigliedrigen Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter - ohne Fuß (Almgren VII,199 und Varianten) - auf246. Die Seriation (Kap. 7) ergab eine Datierung in das frühe C2, doch kann dies mit Klassifikationsproblemen der meist nicht abgebildeten Fibeln aus Pritzier (Kr. Ludwigslust) in Verbindung stehen. Aus Mäicäne§ti (RO) ist eine münzdatierte Fibel der Form Almgren VI,162 bekannt; der Fundkomplex enthielt Münzen des Severus Alexander, Diadunenia und Gordianus (d. h. 222—238 n. Chr.)247. Daneben gibt es aber auch später anzusetzende Funde, die bis in die Zeit um 400 n. Chr. datieren können248. Aussagen zu Trägern und Trageweise im nordwestlichen Germanien sind dagegen schwieriger zu treffen. Relativ häufig ist die Einfibelbeigabe. Auf dem mecklenburgischen Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust) überwiegt jedoch die Mehrfibelbeigabe (zwei bis vier Fibeln), wobei es sich hier wohl um Frauengräber handeln dürfte. Insgesamt scheinen „ärmer" ausgestattete Gräber zu überwiegen, was vermutlich nicht nur mit der geringeren Beigabenausstattung in der jüngeren Kaiserzeit in Verbindung steht. Dies zeigt ein Vergleich mit den Fibeln mit festem Nadelhalter, die ein ähnliches Verteilungsmuster ergaben. Überwiegend sind Erwachsene mit diesen Fibeln ausgestattet worden249. Fibeln mit umgeschlagenem Fuß kommen auch in anderen Opferfunden vor: Aus dem Thorsberger Moor (Kr. Schleswig-Flensburg) ist eine Fibel Almgren VI,161250, aus Lubiana (PL) sind mehrere Exemplare der Formen VI,161 und 162251 bekannt.

244 245 244

247 248 249

250 251

Eggers 1955,201 Abb. 3; 202. Wfflroth 1992,338-340. Dies entspricht dem bereits geschilderten Befund aus Preetz. Diese Gräber (593 und 1708) gehören in E. Schuldts Horizont A (200-300 η. Chr.), zusammen mit Grab 738 (Schuldt 1955). Diaconu 1971,266 Beil. 5. So aus einer Grube der Siedhing Soest-Ardey (Kr. Soest; Reichmann 1981,68 mit Anm. 55). Das Verhältnis Erwachsene/Subadulte beträgt nach eigener Auszählung in Pritzier 8:1 und in Perdöhl (beide Kr. Ludwigslust) 5:1. Almgren 1923,234 Beil. ΙΠ; vgl. auch Raddatz 1957. M^czynska 1994; 1997.

140

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

6.10 Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19) Die im Pyrmonter Brunnenfund enthaltenen Fibeln mit festem Nadelhalter (Liste 1,41-58; vgl. Taf. 6-8) 252 der Gruppe Almgren VI, Serie 2 sind als typische jüngerkaiserzeitliche bis frühvölkerwanderungszeitliche Formen für die Enddatierung des Brunnenfundes von besonderer Bedeutung. O. Almgren hat die wesentlichen Formen der Fibeln mit festem Nadelhalter erkannt (Almgren VI,169-171; 174-180; 182-184) und in seiner Gruppe VI, Serie 2 zusammengefaßt. Für Norddeutschland sind die Gliederungsvorschläge von W. Matthes253 und F. Kuchenbuch254 von Bedeutung. Erstmals nach O. Almgren hat M. Schulze diese Fibelgruppe umfassend bearbeitet und dafür ein neues Klassifikationsschema entwickelt255. Almgren VI,169 (Typ 14) Aus dem Pyrmonter Brunnenfund sind fünf zweigliedrige Armbrustfibeln mit facettiertem Bügel und festem Nadelhalter bekannt (Liste 1,41-45; Taf. 6,a-c). Dabei lassen sich zwei Formen unterscheiden: mit kastenförmigem Fuß und mit festem kurzen Nadelhalter256. Almgren VI.169 - Variante mit kastenförmigem Fuß (Typ 14.01) Von den Fibeln mit kastenförmigem Fuß sind vier Exemplare im Brunnenfund vertreten (Liste 1,41-44; Taf. 6,a-b). Drei Vergleichsfunde sind aus den Niederlanden bekannt, Einzelstücke stammen aus Ostpreußen, dem Weserbergland und vom raetischen Limes. Da in letzter Zeit einige Neufunde aus Ostwestfalen bekannt wurden, stehen die Funde aus dem Pyrmonter Brunnenfund nicht mehr allein. Eine Fibel, die am Übergang zu den Fibeln mit kürzerem Nadelhalter steht, wurde in Soest-Ardey (Kr. Soest) in einer Siedlungsgrube gefunden. Die Grube 167/517 enthielt neben einer rädchenverzierten Sigillatascherbe der 2. Hälfte des

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256

Der Begriff „Fibel mit festem Nadelhalter" wurde zwar erstmals von L. F. Zotz (1935, 7) benutzt, jedoch von A. Genrich (1954, 7) in die Forschung eingeführt. Seitdem hat sich diese Bezeichnung fur die Fibeln der Form Almgren VI, Ser. 2 durchgesetzt W. Matthes (1931, 32-42) unterschied 10 Serien sowie Varianten. F. Kuchenbuch (1938,34) ermittelte fünf Serien. M. Schulze (1977) konnte insgesamt 255 Formen herausarbeiten. Zu diesen sind in einer jüngeren Arbeit weitere hinzugekommen (Schulze-Dödamm 1986). Dabei wurde allerdings das Klassifikationsschema kaum mehr benutzt. Bei zwei Exemplaren (Liste 1,43-44) ist nicht ganz sicher, ob es sich um antike Fibeln handelt (vgl. Kap. 4). Hinweise auf „frei erfundene Fibeltypen" bestehen allerdings nicht (Kap. 5).

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

141

4. Jhs. drei Folles, die zwischen 316-333/334 n. Chr. geprägt wurden257. Der Befund aus Huntenberg/Podgorze (pow. Braniewo, woj. Olsztyn, PL) ist unsicher258. Die westfälischen Neufunde aus Stemwede (Kr. Minden-Lübbecke) und Südlengern (Kr. Herford) stammen aus jüngerkaiserzeitlichen Grabzusammenhängen; diese sind bis auf Fibelzeichnungen aber noch unpubliziert259. Die niederländischen Stücke sind als Einzelfunde nicht datierbar. Vermutlich wird man nicht völlig fehlgehen, wenn als Zeitansatz für diese Fibelgruppe vorläufig das 4. Jh. (und vielleicht auch das frühe 5. Jh.) n. Chr. angenommen wird. Diesem Zeitansatz entspricht die große Ähnlichkeit zu den entsprechenden Fibeln mit kurzem kastenförmigen Fuß. Aussagen zu Trägern und Trageweise sind aufgrund der überwiegenden Einzelfunde und der unzureichend publizierten Neufunde aus Gräbern gegenwärtig nicht möglich. Almgren VI,169 - Variante mit festem kurzen Nadelhalter (Typ 14.02) Die Form der zweigliedrigen Armbrustfibel mit facettiertem, sich verjüngendem Bügel und festem kurzen Nadelhalter ist im Brunnenfund nur durch ein Exemplar vertreten (Liste 1,45). Solche Fibeln sind im unteren Elbegebiet und in Holstein verbreitet und streuen bis in das thüringisch-firänkische Mittelgebirgsgebiet und darüber hinaus bis zum raetischen Limes. Aufgrund des Vorkommens dieser Fibelform im Fundspektrum des Gräberfeldes Preetz (Kr. Plön)260 kann das vorliegende Stück mit recht großer Sicherheit in die 1. Hälfte des 3. Jhs. datiert werden (Stufe Clb). Ein Weiterlaufen dieser Fibeln bis in das frühe 4. Jh. ist aber nicht auszuschließen. Grab 77 aus Preetz (Kr. Plön) zeigt die Verwendung dieses Fibeltyps in einer (vermutlich weiblichen) Vierfibeltracht261. Das Körpergrab 2 von Erfurt262 belegt 257 258

259 260 261 262

Reichmann 1981,66 f. mit Abb. 7,13. M. Schulze zitiert J.Jaskanis (1961,184), nach dessen Ansicht Brandgräbetin Ostpreußen erst Mitte des 5. Jhs. auftreten. In einer Obersichtsdarstellung hat auch J. Antoniewicz (1961) diese Datierung vertreten. Entsprechend datiert M. Schulze (1977, 33) diese Fibeln in die 2. Hälfte des 5. Jhs. M. Kaczynski (1987, 31) schreibt dagegen für die westbaltische Kultur, der das genannte Gräberfeld zugehören dürfte: „Ab dem 3. Jahrhundert ist bereits die Leichenverbrennung allgemein üblich und Urnenbestattungen häufig anzutreffen.". Eine Herabdatierung ist daher nicht auszuschließen. Dies deuten auch Gespräche mit polnischen Kollegen anläßlich der Tagung „100 Jahre Fibelformen nach Oscar Almgren", 25.-28. Mai 1997 in Kleinmachnow, an, die feststellten, daß viele Datierungen (früh-) völkerwanderungszeitlicher Funde zu hoch seien. D. B6renger in: Birenger et al. 1993. Brandt 1960. Aufgrund der Urnenmaße kann es sich um eine Kinderbestattung handeln. Schnellenkamp 1940,261 f. mit Abb. 2,1.3.

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Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

eine Zweifibeltracht. Leider ist das Grab nicht sachgemäß geborgen worden, so daß wir nichts über die Lage im Grab wissen. Im spätkaiserzeitlichen Urnengräberfeld Dallmin (Kr. Prignitz) wurden im gestörten Urnengrab 24 zwei eiserne Armbrustfibeln gefunden, die eine Variante mit unverziertem Bügel und Fuß darstellen263. Die anthropologische Untersuchung des Leichenbrandes ergab ein eher männliches, erwachsenes Individuum264. Die Gräber 49 und 1694 von Pritzier (Kr. Ludwigslust) hat der Ausgräber als Bestattungen von Erwachsenen interpretiert265. Dafür spricht auch die Analyse der Urnenmaße. Mit gebotener Vorsicht könnte aufgrund der Beigaben Grab 49 als Männer- (Toilettbesteck), Grab 1694 als Frauengrab angesprochen werden266. Von Grab 77 in Preetz (Kr. Plön) abgesehen, scheint diese Fibel jedoch Bestandteil einer Ein- oder Zweifibeltracht von - soweit sich nachweisen läßt erwachsenen Männern und Frauen gewesen zu sein. Almgren VI,170 - Variante (Typ 15) Fünf Exemplare der zweigliedrigen Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und P-förmig geschwungenem Bügel der Form Almgren VI, 170 (Variante) bzw. Schulze „42) Iz Aa 6b" sind im Brunnenfund vorhanden (Liste 1,46-50; Taf. 6,d). Drei von ihnen wurden erstmals 1869 durch E. aus'm Weerth publiziert. Wie technologisch-spurenkundliche und metallanalytische Untersuchungen ergeben haben, sind alle Stücke Nachbildungen oder Nachahmungen des 19.Jhs. und wurden wahrscheinlich zwischen 1863 und 1867 - vermutlich in Pyrmont - gefertigt. Nach Untersuchungen von M. Schulze sollen die zweigliedrigen Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und P-förmig geschwungenem Bügel die spätesten Funde des Pyrmonter Brunnenfundes darstellen. Sie datiert diese Fibeln in das 5./6. Jh.267. Zu dieser Fibelform gibt es nur wenige Vergleichsstücke268, die den Pyrmonter Exemplaren meist nicht sonderlich ähnlich sind. Da diese Fibeln für die Enddatierung des Brunnenfundes von großer Bedeutung sind, sollen sie hier schwerpunktmäßig untersucht werden. Die von O. Almgren als Vorlage für seine Fig. 170 verwendete Fibel aus Backhagen (Gotland, S) datiert in die Periode V:1 der nordischen Eisenzeit

263 264 265 266

267 268

Gralow / Stange 1987,194-195 mit Abb. 2 g-k. Heußner,1987,46-47. Schuldt 1955. Die Korresponden2analyse der Beigaben mit dem Ziel einer Geschlechtsbestimmung war bei den mecklenburgischen Gräberfeldern Pritzier und Perdöhl (beide Kr. Ludwigslust) problematisch. Eine eindeutige, klassische Trennung konnte bislang nicht erreicht werden. Schulze 1977, 37; Tab. 1. Schulze 1977,37.

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

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(250-350 n. Chr.)269. Die späten Datierungen der gotländischen Funde sind nicht so sicher, wie M. Schulze angenommen hat270. Die gotländischen Funde sind allerdings zu den Pyrmonter Fibeln mit P-förmig geschwungenem Bügel weniger ähnlich als Fibelfunde aus Sudauen bzw. dem Großraum Bialystok und der Ukraine. Ein am ehesten mit den Pyrmonter Fibeln vergleichbares Stück wurde in dem völkerwanderungszeitlichen Hügelgräberfeld Szurpily (pow. Suwalki, woj. Bialystok, PL), Fundstelle 2 in einem Brandgrab in Kurgan XT.TTT gefunden. Das Gräberfeld wird in das 5. bis Anfang des 7.Jhs. datiert271. Diese Spätdatierung ist aufgrund anderer vergleichbarer Funde aus Sudauen und der Ukraine auszuschließen. Wahrscheinlicher ist eine Datierung in das 5. Jh., vielleicht sogar schon in die zweite Hälfte des 4. Jhs.272. In Sudauen treten die Fibeln mit P-förmig geschwungenem Bügel in den Gräbern von erwachsenen Individuen der Altersstufen adult und matur auf - sowohl bei Männern wie bei Frauen. Infolge der vorherrschenden Leichenverbrennung sind anhand der Grabfunde allerdings keine Rückschlüsse auf die Trageweise möglich. Fibeln mit P-förmig geschwungenem Bügel sind außerdem aus dem Bereich der sogenannten Prager-Kultur aus dem mittleren Prut- bis mitderen DnjeprGebiet bekannt und datieren in das 5. Jh. n. Chr.273. Wie in der baltischen Kultur sind in der Prager-Kultur auch ähnliche Fibeln mit tordiertem Bügel (Typ Prag) verbreitet274. Sie kommen, wie entsprechende Funde aus der slawisch-frühmittelalterlichen Siedlung Kodyn (UA) zeigen275, gemeinsam vor und sind entwicklungsgeschichtlich vermutlich voneinander abhängig276. Die von V. D. Baran vorgelegte Verbreitungskarte der Prager-Kultur277 könnte auch ein hypothetisches Modell fur die Herkunft dieser Fibeln darstellen: Das Verbreitungsgebiet der Prager-Kultur reicht bis in das Elbe-Saale-Gebiet. Zum Elbegebiet gab es aufgrund der Fibelfunde seit der jüngeren Kaiserzeit gewisse Kontakte. Inwieweit Verbindungen zwischen den Produzenten und/oder Trägern der P-förmig geschwungenen Fibeln im Gebiet der baltischen und der Prager-Kultur bestanden, kann hier nicht näher untersucht werden. Daß solche durchaus existiert haben könnten, zeigt die Verbreitung baltischer Gewässernamen bis in das (nörd269 270 271 272 273 274 275 276

277

Almgren/Nerman 1923,135. Sie eignen sich m. E. nur mit großen Einschränkungen zur Datierung der Fibeln. Zurowski 1963. Pets. Mitt. von Frau Prof. Dr. M. M^czydska, Universität Lödz (Mai 1997). Baran 1991,37 Abb. 4,9 (aus der slawisch-frühmittelalterlichen Siedlung Kodyn). Schulze-Dörlamm 1986,600 ff. Baran 1991,37 Abb. 4,9-10. Die Typentafel von V. D. Baran (1985, 82 Abb. 15,40) läßt bei dem nur teilweise tordierten Bügel vermuten, daß sich die tordierte Variante aus der Form mit glattem Bügel entwickelt hat. Baran 1991,33 Abb. 2 (ΙΠ).

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Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

liehe) mittlere Dnjepr-Gebiet278. Die Südgren2e der baltischen Kulturen wird nördlich des Pripet angesetzt279. Damit scheinen die Pyrmonter Fibeln mit P-förmigem Bügel auch in das 5. Jh. n. Chr. zu datieren sein. Aufgrund typologischer Erwägungen kann allerdings auch eine ältere Datierung (jüngere Kaiserzeit) nicht völlig ausgeschlossen werden, obwohl aus dieser Zeit direkte Parallelen fehlen. In diesem Zusammenhang sei auf die Fibeln mit tordiertem Bügel verwiesen, die von manchen Autoren bereits in die 2. Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. datiert werden280. Da nur relativ wenig Vergleichsfunde bekannt sind und die vorliegenden Fibeln keine Originalfunde, sondern Nachbildungen oder Nachahmungen des 19. Jhs. darstellen, muß eine abschließende Stellungnahme offenbleiben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint eine Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jhs. bzw. um 400 gesichert. Eine Datierung bis in die 1. Hälfte des 5. Jhs. ist aber nicht auszuschließen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß im großen Fibelfund von Lubiana (woj. Gdafisk; PL) ebenfalls eine Fibel mit P-förmig geschwungenem Bügel vorhanden ist. M. Mgczynska datiert das Stück in die zweite Hälfte des 4. Jhs.281. In dem vorangegangenen Abschnitt ist immer davon ausgegangen worden, daß die genannten Fibeln ein getreues Abbild eines ähnlich gearbeiteten Vorbilds wären. Es muß aber auch berücksichtigt werden, daß der Goldschmied ein antikes Vorbild nicht verstanden hat und sie falsch nachbildete. Denkbar wäre es, daß ζ. B. Fibeln der Form Almgren VII,199 als Vorbild gedient haben. Wäre dies der Fall, hätte der Goldschmied sie erheblich vergrößert. Für die Enddatierung des Fundes ist dies von großer Bedeutung, auch wenn andere Fibeln ebenfalls bis in die frühe Völkerwanderungszeit reichen können. Ein Vergleich mit anderen Fibeln zeigt, daß dies aber weniger wahrscheinlich erscheint. Almgren VI,175 - Variante (Typ 16) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit mehrkantigem Bügel, Perldrahtverzierung und kurzem, festem Nadelhalter gehören zu den vielfältigen Varianten der Form Almgren VI,175282.

278 279 280 281

282

Baran 1991,32 Abb. 1 (I). Bajran 1991,41-42 Abb. 5-7. Bärta 1955,290; 294; Pirducz 1959, 386. Frau Prof. Dr. M. Mgczytiska, Universität L6di, danke ich flir diesen Hinweis und für die Möglichkeit, auf der Tagung „100 Jahre Fibelformen nach Oscar Almgren", Kleinmachnow, 25.-28. Mai 1997, die Zeichnungen der Fibeln aus Lubiana durchsehen zu dürfen. M. Schulze (1977, 23) hat diese Fibeln als „Gruppe 18) Ix aA 7a" herausgestellt. Genauer handelt es sich um eine Variante „Ix aA 3/7a"; der vieleckige Bügelquerschnitt ist in ihrer Typentafel nicht aufgeführt.

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

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Die in Bad Pyrmont aufbewahrte Fibel (Typ 16.01) Von dem genannten Fibeltyp ist im Brunnenfund nur ein sicher antikes Exemplar vertreten (Liste 1,51; Taf. 7,a). Es ist auffällig, da das Metall goldfarben glänzt und sehr gut erhalten ist. Herstellungs- und Abnutzungsspuren sprechen jedoch mit relativ großer Sicherheit für einen antiken Fund283. Von den fünf Fundorten, die sich zwischen Niederösterreich (Dietersdorf, A; vgL auch Typ 16.02)284, Mähren (Straznice, CZ)285, Mitteldeutschland (DessauGroßkühnau286; Gommern, Kr. Jerichower Land287), dem Weserbergland (Pyrmont) und Südschweden (Gärdlösa, Schonen, S)288 verteilen, stammen ausschließlich Einzelexemplare. Bis auf die Grabfunde von Gärdlösa und Straznice handelt es sich wohl um Lesefunde. Aus dem Baltikum sind von der Bügelform und dem Perldrahtbesatz her ähnliche Fibeln bekannt289. Sie sind aber im Gegensatz zu den vorliegenden Stücken sehr viel massiver, größer und vor allem aus Gold hergestellt290. Die Datierung dieser Fibeln ist schwierig, weil es sich meistens um Einzelfunde bzw. nicht näher daüerbare Fundkomplexe handelt. Das einzig sicher datierbare Fibelensemble stammt aus Grab 2 von Gärdlösa No. 3 (Schonen, S). Dieses Inventar enthielt neben dem hier behandelten Fibeltyp eine Silberfibel der Form Almgren VII,196 mit Runeninschrift und zwei Fibeln der Form Schulze 92. Die Vergesellschaftung mit einer Fibel der Form Almgren VII,196 deutet eine frühe Datierung an, nämlich in die Eggers Stufe C1. Auch wenn jene Fibeln eher typisch für die von J. Brandt herausgestellte Stufe Cla sind291, so weist die Vergesellschaftung mit den Fibeln mit festem Nadelhalter auf einen etwas jüngeren Abschnitt. Darauf deutet besonders das Gräberfeld Preetz (Kr. Plön), wo sich beide Fibelformen offenbar ausschließen. Aus diesem Grund ist der Einschätzung von B. Stjernquist, die das o. g. Grab aus Gärdlösa in die Zeit um 250 n. Chr. datiert292, durchaus zu folgen. Die Runenschrift und der Sprachcharakter sind extrem archaisch. Aus runologischer Sicht scheint der Datierung in die Mitte des 3. Jhs. nichts

283

284 285 286 287 288

289 290 291 292

Auch der Vergleich mit einer von der Gießerei Haegemann, Hannover, um 1911/12 angefertigten Nachbildung (Liste 2,12) zeigt deutliche Unterschiede. Beninger 1934,63. Schulze 1977,23 Nr. 4 (Kat. 1658). Laser 1965, Taf. 18,101. Schmidt-Thielbeer 1963, Taf. 2,b-l. Stjernquist 1951; 1955, 168 Abb. 11; 1997a (RGA2 s. v. Gärdlösa); Lindquist 1951; Schulze 1977,60 Nr. 2 (Kat. 1459). Stjernquist 1951,172 mit Anm. 4; Aberg 1919,12 ff.; Moora 1938. ζ. B. Hausmann 1913. Sie datieren ebenfalls in diefrüheVölkerwanderungszeit Brandt 1960, Kartei. Stjernquist 1951,173 (51).

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Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

entgegenzustehen293. Der Grabfund von Straznice enthielt nur völkerwanderungszeitliche Keramik. M. Schulze datiert diese Funde daher in das frühe 5. Jh. n.Chr.294. Insgesamt lassen sich die Fibeln — mit aller Vorsicht — in die späte Kaiserzeit datieren (1. Hälfte/Mitte des 3. Jhs.); allerdings läßt sich auch die frühe Völkerwanderungszeit (5. Jh.) nicht resdos ausschließen. Aussagen zur Tragweise gibt wiederum nur Grab 2 von Gärdlösa No. 3 (Schonen, S). Auf der von B. Stjernquist publizierten Photographie ist zu erkennen, daß die Fibel Almgren VI,175 (Variante) am Unterrand der rechten Scapula eines etwa 25jährigen (vermutlich weiblichen)295 Individuums lag296. Sie wurde also auf der rechten Schulter getragen und dürfte dort anscheinend auch zur Befestigung einer Perlenkette gedient haben, die ebenfalls im Grab gefunden wurde. Die Silberfibel Almgren VH,196 befand sich unter dem Kinn der Toten297. Die Fibel aus der ehemaligen Sammlung Hahn (Typ 16.02)298 Unter den Gegenständen der Sammlung Hahn, heute Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, befand sich eine weitere zweigliedrige Armbrustfibel mit mehrkantigem Bügel, Perldrahtverzierung und kurzem, festem Nadelhalter (Liste 1,52; Taf. 7,b). Der Vergleich mit sicheren Nachbildungen bzw. Nachahmungen dieses Fibeltyps ergab (Liste 2,13-17), daß es sich ebenfalls um eine solche handeln dürfte, und zwar um eine der sog. „Quellnadeln". Diese wurden in Pyrmont ab 1865 von den dortigen Goldschmieden, vor allem von C. A. Bluhm, den Kurgästen verkauft. Der Herstellungszeitraum kann zwischen (1863) 1865 und 1867 eingegrenzt werden. Das Objekt wurde zusammen mit anderen Stücken der Sammlung Hahn 1869 von E. aus'm Weerth publiziert299 und gilt seitdem als „echt"300. Im Zusammenhang mit der Fibel aus der Sammlung Hahn (Liste 1,52) muß die Fibel aus Dietersdorf (Niederösterreich) noch einmal genannt werden. Über die

293 294 295 296 297 298

299 300

Lundquist 1951,180 ff. (68 ff.). Schulze 1977,23 und Tab. 1. Archäologische Geschlechtsbestimmung (Stjernquist 1951,173 [51]). Stjernquist 1951,163 (41) Abb. 3. Stjernquist 1951,161 (39). Eine Überprüfung der von M. Schulze (1977, 205 [Kat 305]) genannten Fibel ergab eine Nachbildung, die um 1912 von der Gießerei Haegemann zu Hannover angefertigt wurde. Dies -wird schon an der Katalognummer und der entsprechenden Eintragung im Katalog des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover deutlich. aus'm Weerth 1869. Das Stück war jahrzehntelang nicht auffindbar und konnte erst im Februar 1992 im Niedersächsischen Institut fur historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, wiedergefunden werden. Herrn Dr. W. H. Zimmermann ist für seine Unterstützung herzlich zu danken.

Fibeln mit festem Nadelhaltet (Typ 14-19)

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Fundumstände ist anscheinend nichts bekannt E. Geninger datiert sie in das letzte Viertel des 3. Jhs. 301 . Da es sich allem Anschein nach um einen Einzelfund handelt, gibt es dafür m. E. keine Anhaltspunkte. Von der publizierten Photographie her entspricht diese Fibel exakt dem vorliegenden Stück. Das österreichische Exemplar ist ausgezeichnet erhalten. Bügel und Fuß weisen Hiebspuren auf; sie scheinen wie die Nadel auch leicht verzogen zu sein. Fraglich ist es, ob der Perldrahtring am Fußende auf seiner Oberseite abgegriffen ist. Insgesamt muß dieser Fund mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Es könnte sich ohne weiteres um eine der sogenannten Pyrmonter „Quellnadeln" handeln, die entweder absichtlich untergeschoben oder aus einem anderen Grund — zufällig — in eine Sammlung302 •

geraten ist

303

.

„Elbefibeln" (Typ 17-18) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und dreieckigem Fußende sind im Pyrmonter Brunnenfund in fünf Exemplaren vorhanden, die sich in der Form des Nadelhalters (Nadelscheide, kurzer fester Nadelhalter) unterscheiden. K. Ziegel hat Fibeln mit festem Nadelhalter und dachförmigem Fuß mit „spitzwinklig-dreieckigem" Abschluß nach ihrem Hauptverbreitungsgebiet als sog. „Elbefibeln" herausgestellt304. Typologisch läßt sich eine Entwicklung von der Nadelscheide, die die gesamte bzw. einen mehr oder weniger großen Teil der Fußlänge einnimmt305, hin zu den Formen mit abgesetztem Nadelhalter beobachten. Diese Entwicklung ist nicht nur typologisch, sondern auch zeitlich relevant306. Die Fibeln mit festem Nadelhalter stehen in engem Kontakt mit entsprechenden Formen mit umgeschlagenem Fuß, wie bereits aus den Abbildungen bei O. Almgren hervorgeht. Viele Forscher haben daher die Fibeln mit festem Nadelhalter von denen mit umgeschlagenem Fuß abgeleitet307. M. Schulze konnte dann bei den Fibeln mit festem Nadelhalter und dreieckigem Fußabschluß insgesamt 50 Gruppen herausarbeiten308.

301 302 303

304 305 306 307 308

Beninger 1934,63. Der Verbleib ist unbekannt Es sei daran erinnert, daß sich auch in Schlesien Nachbildungen oder Nachahmungen von Gegenständen des Pyrmonter Brunnenfundes befunden haben sollen. Ziegel 1939. Kuchenbuch 1954,31. Schulze 1977. Vgl. Kuchenbuch 1954,33 ff. Schulze 1977,93-118.

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Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

„Elbefibeln" mit Nadelscheide (Typ 17) Im Pyrmonter Brunnenfund sind „Elbefibeln" mit Nadelscheide in vier Varianten vorhanden. Almgren VI, 175 - Variante mit Kopfzier (Typ 17.01) Von den zweigliedrigen Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter, dreieckigem, verbreitertem Fuß, Kopfzier und Bügelringen, einer Variante der Form Almgren VI,175309, ist nur ein Einzelstück im Pyrmonter Brunnenfund vertreten (Liste 1,53; Taf. 7,c). Gewisse Abnutzungsspuren, ζ. B. des Zierbleches, und andere Merkmale lassen eine authentische Fibel vermuten; allerdings läßt ihre ganze Machart ein rezentes Stück nicht völlig ausschließen. Eine Nachbildung kommt infolge mangelnder Vorbilder nicht in Frage. Fibeln dieser Form sind aus Angeln, dem Elbegebiet und dem Weserbergland sowie vom raetischen Limes bekannt geworden. Eine eindeutige Fundkonzentration läßt sich nicht nachweisen. Einen terminus post quem gibt Körpergrab 1 von Halberstadt-Emersleben (Kr. Halberstadt). In diesem Grab lag ein Aureus des Alexander Severus (222—235 n. Chr.). Außerdem befanden sich zwei Hemmoorer Eimer des Typs Eggers 55-65 im Grab310; eine Niederlegung ist in der Mitte bzw. 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. zu vermuten. Der Halsring mit birnenförmiger Öse datiert das Grab von Promyky (okr. Litomefice, CZ) ebenfalls in die jüngerkaiserzeitliche Stufe Haßleben-Leuna. Eine Kartierung sämtlicher Fibelgräber des Gräberfeldes Husby (Kr. SchleswigFlensburg) auf der Basis von O. Almgrens Fibelgruppen zeigt diesen Typ in einer Zone mit den übrigen Fibeln mit festem Nadelhalter. Sie liegen überwiegend räumlich getrennt von den Fibeln mit umgeschlagenem Fuß (Almgren VI, Ser. 1) und denen mit hohem Nadelhalter (Almgren VII, Ser. 1-4). Dies deutet auf eine Datierung in die Stufe Eggers C2. Dieser Zeitansatz wird auch durch einen Streufund aus dem sog. Fürstengräberfeld Haßleben (Kr. Sömmerda) gestützt311. Das schon erwähnte Körpergrab 1 von Halberstadt-Emersleben (Kr. Halberstadt) gibt einen Hinweis auf die Trageweise dieser Fibel: sie lag im Bereich der rechten Schulter, während sich im linken Brustbereich das Toilettbesteck (Pinzette, Ohrlöffel am Ring) befand312. Die Grabbeigaben (eiserne Pfeilspitzen,

309

310 311 312

Die vorliegende Fibel wäre nach dem Typenschema von M. Schulze (1977) als Form „Iz aG 2d" zu betiteln. Diese Form ist in der genannten Arbeit allerdings nicht verzeichnet Die ähnlichsten Fibeln finden sich in der Gruppe „174) Ix Ag 2d", von der neun Exemplare ermittelt werden konnten (a. a. 0 . 1 0 0 ) . Eggers 1951, Kat. 1493-1494. Schulz / Zahn 1933, Taf. 11,12. Schulz 1952,105 Abb. 3.

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

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Toilettbesteck, Spielsteine) deuten auf ein Männergrab, die Länge der Grabgrube (2.80 m) weist auf einen Erwachsenen. Das Körpergrab von Promyky (okr. Litomefice, CZ)313 enthielt vermutlich die Bestattung einer Frau, wie drei Spinnwirtel andeuten. Hier wurden zwei Silberfibeln dieses Typs gefunden. Auch wenn keine Grabbeschreibung überliefert ist, so wird man annehmen können, daß die Fibeln zum Verschluß der Kleidung auf der rechten bzw. linken Schulter gedient haben. Die reichen Grabbeigaben der Gräber von Halberstadt-Emersleben (Import) und Promyky (CZ) (Edelmetall) deuten an, daß die Bestatteten zu Lebzeiten eine gehobene Position eingenommen haben dürften. Almgren VI,176 - Variante mit Nadelscheide (Typ 17.02) Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, gelten die in die ehemalige Bürgermeisterkette eingesetzten Fibeln mit festem Nadelhalter und dreieckigem Fußende samt der Kette seit Kriegsende als verloren. Im Fall der vorliegenden zweigliedrigen Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und verbreitertem, dreieckigem Fußende und Nadelscheide (Liste 1,54) ist außer den publizierten Senkrechtaufnahmen auch eine Nachbildung (Liste 2,21) erhalten. Aufgrund der guten Nachbildung sind daher für die verschollene Fibel die meisten Einzelheiten bekannt314. Zweigliedrige Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und verbreitertem, dreieckigem Fußende und Nadelscheide sind relativ weit verbreitet. Ein Schwerpunkt ist kaum herauszuarbeiten. Diese Fibeln kommen vor allem im Elbegebiet (Niedersachsen, Mitteldeutschland und Böhmen) vor, jedoch auch in Westfalen, Franken und im Trierer Land315. Die Körpergräber 2 und 3 aus Erfurt enthielten jeweils zwei Fibeln, eine davon mit dreieckigem Fußabschluß316. Durch die Beigabe eines silbernen Halsrings mit birnenförmigem Verschluß wird das Grab in die Stufe C2 datiert317. Grab 170 in

313 314

315 314 317

Svoboda 1965, Taf. 23,12.15; Schulze 1977,100 Nr. 6 (Kat. 1645). Das Stück wurde von M. Schulze zu ihrer „Gruppe 169) Ix Ag ld" gerechnet (bei dem von M. Schulze [1977, 96 Nr. 10, Kat. 303; LMH Inv.-Nr. 24314] bearbeiteten Stück handelt es sich um die erwähnte Nachbildung der Gießerei Haegemann, Hannover). Dies erscheint nicht recht nachvollziehbar, da die Fibel eine ganz andere Kopfgestaltung aufweist und auch viel grober erscheint als die ansonsten eher zierlich wirkenden Fibeln der genannten Gruppe. Sie wäre daher als Form „Iz A G 2d" zu bezeichnen, die bei ihr nicht aufgeführt ist Die nächsten Parallelen hat M. Schulze (1977, 106-107; Taf. 13,185) in ihrer „Gruppe 185) Iz Ag ld" zusammengefaßt. Schulze 1977. Schnellenkamp 1940, Abb. 2,1.3. Der Fund einer Fibel ähnlich einem Pyrmonter Stück (Liste 1,45) läßt die Nutzungsphase dieses Typs erahnen. Wie in Kap. 6.10 bereits dargelegt wurde, datieren diese Formen in Preetz (Kr. Plön) vorwiegend in die Stufe Clb.

150

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Preetz (Kr. Plön), das eine ähnliche Fibel enthält, ist chorologisch in die Gräberzone 4 einzuordnen und datiert in die Stufe C2318. Im vermutlich Mitte des 3. Jhs. n. Chr.319 zerstörten römischen Kastell Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis) wurde eine ähnliche Fibel gefunden320. Solange das Inventar des Grabes von 1891 aus Seiwerath (Kr. Bitburg-Prüm) nicht publiziert ist, läßt sich K. J. Gilles' Datierung der Fibel in die 2. Hälfte 3./ Anfang 4. Jh. nicht überprüfen321. Die schon genannten Gräber aus Erfurt322 enthielten jeweils zwei Fibeln, eine davon mit dreieckigem Fußabschluß. Der silberne Halsring aus Grab 3 ist in der Stufe C2 eine typische Beigabe in reicher ausgestatteten Frauengräbern323. Ob das nur zwei Fibeln enthaltende Grab 2 dann ebenfalls als Frauengrab angesprochen werden kann, muß offenbleiben. Grab 1 aus Güsten (Kr. Aschersleben-Staßfurt), die Bestattung eines adulten Individuums324, ist aufgrund des Spinnwirteis und der Bronzekästchenbeschläge als Frauengrab zu deuten. Grab 14 aus Dessau-Großkühnau (Stadt Dessau) barg ein Individuum der Altersklasse infans I325. Die Fibel bildete neben dem Urnenharz die einzige Beigabe. Grab 1 von Aisleben (Kr. Bernburg) belegt, daß dieser Fibeltyp auch von Männern getragen wurde, vermutlich im Schulterbereich326. Die Annahme A. Böhmes, daß „Elbefibeln" zur Frauentracht gehören327, ist in dieser Ausschließlichkeit nicht haltbar. Sie wurden vermutlich von beiden Geschlechtern getragen, vielleicht etwas häufiger von Frauen. Almgren VI, 176 - Variante mit langem, schmalem Fuß (Typ 17.03) Die zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhalter und langem, schmalem Fuß mit dreieckigem Fußende der Form Almgren VI,176 - Variante (Liste 1,55) ist verschollen. Eine genauere Typzuweisung ist daher nicht möglich328.

318 319

320 321 322 323

324 325 326 327 328

Brandt 1960, Karte A. Schönberger 1986,480-481. Die Münzreihe läuft noch weiter, allerdings ist „ein gewisser Einschnitt um die Mitte des 3. Jhs. erkennbar" (a. a. 0.480). Schumacher 1929, Taf. 6,15; Schulze 1977,100 Nr. 4 (Kat 587). Gilles 1981; 1984, Kat. 178,v. Da die Funde unsachgemäß geborgen wurden, ist über die Lage der Fibeln nichts bekannt Sie finden sich hauptsächlich in Gräbern der Ausstattungsstufe l b nach W. Schlüter (1970, Tab. 1). Goldene Halsringe (Ausstattungsstufe la) sind dagegen sowohl in Männer- als auch Frauengräbern nachgewiesen. Laser 1965,230-231 Kat. 193/1; Taf. 42,1. Laser 1965,60 Kat 52/14; Taf. 6,14. Die Fibel wurde hinter dem Kopf des erwachsenen Mannes gefunden (Schmidt 1956,205). Böhme 1972,34. Die vorliegende Fibel wäre nach dem Typenschema von M. Schulze als Form „Ix A G l/2d" zu bezeichnen. Sie hat sie in ihrer „Gruppe 169) Ix Ag ld" zusammengefaßt (Schulze 1977, 33; Taf. 12,169).

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

151

Ahnliche Fibeln sind im gesamten Elbegebiet verbreitet, weisen jedoch im südlichen Raum ein gewisses Verbreitungszentrum auf329. Einzelne Exemplare wurden am obergermanischen Limes, im Trierer Land, im Weserbergland (Pyrmont), Bayern, Niederösterreich und Mähren gefunden. Der Pyrmonter Fund könnte im Zusammenhang mit weiteren Fibelfunden des 3. und 4. Jhs. n. Chr. aus dem (oberen) Elbegebiet zu sehen sein. Für die Datierung dieser Fibelgruppe gibt es mehrere geschlossene Funde bzw. absolute Daten. Das Kastell am kleinen Feldberg (Hochtaunuskreis), das bis Mitte des 3. Jhs. bzw. bis zum Limesfall 259/260 n. Chr. bestand330, belegt, daß dieser Fibeltyp bereits in der 1. Hälfte bzw. dem zweiten Drittel des 3. Jhs. n. Chr. ausgebildet war. Das Exemplar aus einem Urnengrab des Gräberfeldes Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg) war mit einer Fibel vom Typ Almgren VII, Ser. 2 vergesellschaftet Jene Fibeln sind beispielsweise auf dem Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) in den Belegungszonen 1-3 vertreten (Stufe Cla-C2) und werden daher nach J. Brandt in das 3. bis frühe 4. Jh. n. Chr. datiert331. Das Urnengrab 204 von Kostelec na Hane (okr. Prostäjov, CZ) wird aufgrund der Urnenform von M. Schulze332 in die ältere Phase des Gräberfeldes und damit in das 3. Jh. n. Chr. datiert. Das Körpergrab 7 von Haßleben (Kr. Sömmerda) ist u. a. aufgrund der Schildfibel in die Stufe C2 einzuordnen333. Auch Körpergrab 2 von Häven (Kr. Parchim) läßt sich aufgrund des typischen Grabinventars in diese Stufe datieren334. Die Fibeln aus Prag-Podbaba (CZ) und Zvoleneves (CZ) wurden in Körpergräbern gefunden, die dort erst in der Zeit um 300 n. Chr. auftreten335. Grab 7 von Haßleben wird von W. Schulz „einer weiblichen Person" zugeordnet336. Grab 1 aus Schwanebeck (Kr. Halberstadt)337 ist wohl ebenfalls als

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Schulze 1977. Reparatur des Bades nach 235 n. Chr.: Schönberger 1986,419; 478 (E 39). Brandt 1960, Karte G. Schulze 1977, 97. Vgl. Eggers 1955, Abb. 4. Hollnagel 1970,278. Schulze 1977, 97. Da unser Wissen um die kaiserzeitlichen Köipergräber noch relativ lückenhaft ist, sollte bei der Datierung mit Wechsel der Bestattungssitte sehr vorsichtig verfahren werden. Generell gibt es in der gesamten römischen Kaiserzeit und frühen Völkerwanderungszeit neben der vorherrschenden Brandbestattung immer wieder einzelne Körpergräber (ζ. B. Zauschwitz [Kr. Torgau-Oschatz] mit einem Körpergrab und 66 Brandgräbern [Meyer 1969]) oder kleine Körpergräberfelder (ζ. B. Erfurt [n=3]; Schnellenkamp 1940). Schulz / Zahn 1933,15-16. Die Maße der Grabgrube (1.8 m) könnten (grenzwertig) auf eine erwachsene Person deuten. Allerdings weisen gelegentlich reiche Bestattungen von Kindern und Jugendlichen überproportional große Grabgruben auf (Teegen 1994a). Laser 1965,102 K a t 74/1; Taf. 27,1; es enthielt u. a. Schloßbestandteile.

152

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Frauenbestattung zu interpretieren. Das o. g. Urnengrab 204 von Kostelec na Hane (okr. Prostejov, CZ) enthielt u. a. einen Spinnwirtel338. Der Fund je einer Fibel aus dem Legionslager von Enns — Lauriacum (A)339 und dem Kastell am Kleinen Feldberg (Hochtaunuskreis) deutet — bei aller Vorsicht an, daß dieser Fibeltyp auch von Männern getragen worden sein könnte340. Dies trifft auch für Germanien zu, wie eine Fibel aus Körpergrab 2 von Häven (Kr. Parchim) zeigt341, die im Grab eines 45-50jährigen Mannes gefunden wurde342. Eine Aussage über die Trageweise der Fibel ist nicht möglich343. Die kleinen Urnenmaße eines Grabfundes (ohne Nummer) aus Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg)344 könnten eine Kinderbestattung andeuten. Der Befund enthielt außer dem hier interessierenden Typ auch eine Fibel der Form Almgren VII,195. Auch in Südwestdeutschland ist dieser Fibeltyp in einem Kindergrab aus Gundelsheim (Kr. Heilbronn) enthalten345. Die anthropologische Bearbeitung der Zahnreste ergab ein 2.5-3 Jahre altes Kind346. Zusammengefaßt bedeuten diese Funde, daß die vorliegende Fibelform in Germanien vorwiegend in Gräbern von Frauen, seltener von Männern und Kindern vertreten ist. Almgren VI,176 - Variante mit verkürzter Nadelscheide (Typ 17.04) Im Brunnenfund ist eine zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhalter und leicht verbreitertem, dreieckigem Fußende und verkürzter Nadelscheide der Form Almgren VI,176 - Variante vorhanden (Liste 1,56; Taf. 8,a)M7. Dieser Fibeltyp ist weit verbreitet und kommt zwischen dem Elbegebiet und der Norwestschweiz, Mähren und Holstein vor348.

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348

PeSkar 1972,24; Taf. 45,7. Zur Lage: Jobst 1975, Übersichtsplan. Vgl. auch Jobst 1975, 86. A. Böhme (1974a, 8) verweist auf die germanische Frauentracht Ihre Bügelform ähnelt dem Pyrmonter Stück, doch besitzt sie einen kurzen Nadelhalter. Hollnagel 1970,270. Der Ausgräber vermutet, daß das Stück im Zuge des Grabkults in drei Teile zerbrochen wurde. Denkbar ist natürlich auch, daß ein bereits zerstörtes Exemplar als Beigabe benutzt wurde. Höhe 9.5 cm (Kuchenbuch 1938,100; Taf. 1,10). Roeren 1959,84. Bestimmung W. Gieseler (Roeren 1959, 90). Nach dem Klassifizierungsschema von M. Schulze (1977) wäre sie als Form „Ix aG 7d" zu bezeichnen, ein Typ, der bei ihr ebenfalls nicht aufgeführt ist Die dieser Fibel am nächsten kommende Fibelgruppe nach M. Schulze (1977,101-102) ist „177) Ix Ag 4a". Ähnliche Stücke aus Äugst -Augusta Rmrica (CH) (Riha 1979, Taf. 12,285), Kritzow, Grab 76 (Schach-Dörges 1970, Taf. 31,9), Preetz (Kr. Plön), Grab 77 (Brandt 1960, Taf. 18,77), Wechmar (Kr. Gotha), Grab 161 (Kaufmann 1984, Taf. 16,29), Wetzheim (H. Heinz, Fundber. Schwaben NF 14,1957, Taf. 27,B7), Worms-Kirschgartenweg (Grünewald 1986, Abb. 72).

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

153

Der zeitliche Rahmen wird durch Grabfunde aus Preetz (Kr. Plön) und Worms gebildet. Grab 77 aus Preetz datiert, wie schon mehrfach erwähnt, in J. Brandts Zone 2, was der Stufe Clb entspricht. Das Grab aus Worms-Kirschgartenweg (Stadt Worms) enthielt eine Münze des Constantius II (341-348 n. Chr.), dürfte also in die 2. Hälfte des 4. Jhs. datieren. Diese Funde bestätigen M. Schulzes Datierungsvorschlag für ihre „Gruppe 177) Ix Ag 4a", die sie vom frühen 3. bis Ende des 4. bzw. frühen 5. Jh. n. Chr. ansetzt349. Das vorstehend genannte Grab aus Worms, das von der Ausgräberin als „Mädchen"bestattung bezeichnet wird, barg außer der Münze einen Kamm germanischer Machart, eine Halskette aus blauen Glasperlen sowie drei Fibeln mit festem Nadelhalter350. Grab 77 aus Preetz enthielt vier Fibeln und ist aufgrund der Grabmaße eher für ein nicht-erwachsenes Individuum bestimmt gewesen. Die wenigen auswertbaren Befunde lassen es allerdings nicht zu, diesen Fibeltyp als „Mädchenfibel" zu bezeichnen. Almgren VI, 177 (Typ 18) Im Inventar des Brunnenfundes befindet sich auch eine silberne zweigliedrige Armbrustfibel mit knieförmigem Bügel, kurzem, festem Nadelhalter, dreieckigem, verbreitertem Fußende und Fußverzierung der Form Almgren VI,177 (Liste 1,57; Taf. 8,b). Sie unterscheidet sich von den vorherigen Fibeln mit dreieckigem Fußende vor allem durch den abgesetzten kurzen Nadelhalter. Diese Fibel entspricht etwa der Form Almgren VI,177351. Direkte Vergleichsstücke konnten nicht ermittelt werden. Mehr oder weniger ähnliche Fibeln sind vornehmlich in Mitteldeutschland352, in der Altmark353, in Mecklenburg354 und Schleswig-Holstein355 verbreitet. Einzelstücke stammen aus dem Weserbergland (Pyrmont) und Bayern356. 349 350 351

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Schulze 1977,102. Grunewald 1986,83; 84 Abb. 70. Nach dem Schema von M. Schulze (1977) wäre sie als Form „Iz ag l/2a" anzusprechen. Diese Form ist in ihrer Studie nicht vertreten. Schlieben (ehemals Kr. Herzberg) (Schulz 1931, Abb. 27). Fragliche Zuordnung: Haßleben (Kr. Sömmerda), Grab 19 (Schulz / Zahn 1933, Taf. 11); Phöben (Kr. Potsdam-Mittelmark), Urnengrab (Hoffmann 1939, Abb. 5,15-16). Arneburg (Kr. Stendal; Kuchenbuch 1938, Taf. 30,4); Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg; Almgren 1923, Abb. 177). Neu Kaliß (Kr. Ludwigslust), Grab 19 (Schach-Dörges 1970, Taf. 36,1-7); fragliche Zuordnung: Piitzier (Kr. Ludwigslust), Grab 815 (Schuldt 1955, Abb. 265-266); Stolpe (Kr. Parchim) (Schach-Dörges 1970, Taf. 60,1). Heiligenhafen (Kr. Ostholstein), Körpergrab 3 (Raddatz 1962); Preetz (Kr. Plön), Grab 77 (Brandt 1960). Wechingen (Kr. Donau-Ries), Flußfund (Keller 1970, Abb. 1,1; fragliche Zuordnung).

154

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Die Pyrmonter Fibel besitzt gewisse Ähnlichkeit mit einem Stück aus Preetz (Kr. Plön), Grab 77, das in die Stufe Clb datiert wird357. Das Inventar des Körpergrabes 3 von Heiligenhafen (Kr. Ostholstein) ist nach Ansicht von K. Raddatz dagegen typisch für die Stufe C2358. In die Stufe C2 wird auch die Fibel aus Grab 19 von Haßleben (Kr. Sömmerda) eingeordnet. Damit sind diese Fibeln in die Stufen Clb bis C2 zu datieren359. Kötpergrab 3 von Heiligenhafen (Kr. Ostholstein) gibt Aufschluß über Träger und Trageweise. Nach der anthropologischen Bestimmung von U. Schaefer360 handelt es sich um die Überreste eines adulten Mannes, der vermutlich mit Mitte dreißig gestorben war; er wurde mit leicht angewinkelten Knien beigesetzt361, wie es bei Körpergräbern der römischen Kaiserzeit zumeist der Fall ist. Soweit sich der Befundzeichnung entnehmen läßt, lag die Fibel unter dem Kinn des Toten, vermutlich im Bereich der rechten Schulter. Die Gürtelschnalle wurde erwartungsgemäß im Beckenbereich gefunden. Nach Angaben der Ausgräber befand sich in den Urnen Pritzier (Kr. Ludwigslust) Grab 815 und Phöben (Kr. Potsdam-Mittelmark) der Leichenbrand erwachsener Individuen362. Grab 77 von Preetz (Kr. Plön) könnte einem Mädchen zugeordnet werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß dieser Fibeltyp sowohl im Rahmen der Frauen- wie der Männertracht Verwendung fand. Vorherrschend ist die Einfibelbeigabe363, gelegentlich kommen auch zwei Fibeln364 in Gräbern vor, sehr selten bis zu vier Fibeln365. Almgren VI,178 - Variante (Typ 19) Von den zweigliedrigen Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter, sich verjüngendem Fuß und facettiertem Bügel, einer Variante der Form Almgren VI, 178, ist im 357 358

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Brandt I960, Karte A. Raddatz 1962, 102. Die Omegaschnalle läuft auch noch bis in die frühe Völkerwanderungszeit Urnenformen und Inventarbestandteile aus anderen, derartige Fibeln fuhrenden Gräbern unterstützen diesen Zeitansatz (Schulze 1977,158). Raddatz 1962,97. Raddatz 1962,94 Abb. 3,1. Schuldt 1955,129; Hoffmann 1939,310. Heiligenhafen (Kr. Ostholstein), Grab 3 (Raddatz 1962), verschiedene Gräber aus Borstel (Kr. Stendal; Kuchenbuch 1938, Taf. 7,9), Kasseedorf (Kr. Ostholstein; Schulze 1977,105), Krummensee (Kr. Plön; Genrich 1954, Taf. 17,E) und Pritzier (Kr. Ludwigslust; Schuldt 1955,175). Haßleben (Kr. Sömmerda), Körpergrab 19; Kasseedorf (Kr. Ostholstein), Grab 199 (Schulze 1977, 105 Kat 141), und die Brandgräber 44 und 47 von Butzow (Kr. Potsdam-Mittelmark; Schulze 1977,105 Kat. 735-736). Preetz, Grab 77 (Ldkr. Plön; Brandt I960).

Fibeln mit festem Nadelhalter (Typ 14-19)

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Brunnenfund nur ein Einzelstück vorhanden (Liste 1,58; Taf. 8,c). Die Untersuchung dieser Fibel ergab Hinweise auf eine nicht antike Provenienz; der Gesamteindruck läßt jedoch ein direktes Vorbild in entsprechender Form wahrscheinlich erscheinen (vgl. Kap. 5)366. Diese Fibelgruppe ist im südlichen Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, dem Weserbergland (Pyrmont), Unterfranken367, dem Limesgebiet368 und der Ukraine bzw. Südrußland verbreitet. Hinzu kommt ein fragliches Stück aus Dura Europos (Syrien)369. Die mitteleuropäischen und skandinavischen Funde datieren in die Stufe Clb 370 (und Übergang zu C2). Die Fibel aus dem römischen Kastell Saalburg dürfte vor 260 n. Chr. zu datieren sein371. Dieser Zeitansatz wird außerdem durch einen Fund aus dem Mitte des 3. Jhs. n. Chr. zerstörten Kastell Osterburken belegt372. Das fragliche Stück aus Dura Europos373 liefert einen sehr sicheren terminus ante quem (persische Eroberung im Jahre 256 n. Chr.)374. Die südrussischen Funde sind anscheinend später (2. Hälfte 3. Jh. bis Anfang 4. Jh. n. Chr.)375. Derartige Fibeln scheinen sowohl Teil der Tracht von Männern (römische Kastelle Saalburg, Osterburken (?]; Dura Europos; Körpergrab aus Störlinge By [Gärdslösa Sn., Öland, S]), Frauen376 wie Kindern (?) gewesen zu sein. Nachgewiesen sind sie als Bestandteil einer Ein-, Zwei-378 und Vierfibeltracht379.

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Die vorliegende Fibel wäre nach dem Typenschema von M. Schulze als Form „Ix AD 2b" zu bezeichnen. Die nächsten Veigleichsstücke sind in ihrer Gruppe „92) Ix Ad 2d" vorhanden (Schulze 1977,60-61; Taf. 7,92). Michelfeld (Kr. Kitzingen), Siedlungsfund (Rosenstock 1992,193 Abb. 4,23). Kastell Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis), Einzelfund: Bronzefibel (Schulze 1977, 60 Nr. 8 [Kat 587]). Variante mit breiter Bügelöse: Kastell Saalburg (Hochtaunuskreis; Böhme 1972,102; Taf. 23,918). Vgl. dazu auch Kuchenbuch 1954,26. Toll 1949a. Preetz (Kr. Plön), Grab 77 (Brandt 1960,47 ff. bes. 51); Gdrdlösa No. 3 (Schonen, S), Grab 2 (Stjetnquist 1951,173 [51]); Friedland (Kr. Mecklenburg-Strelitz), Grab 101: Kombination mit Almgren VI.162 (Schmidt 1987). Böhme 1972, Taf. 23,918; Schönberger 1986,461 ρ 44). Schulze 1977, 60 Kat. 587; Schönberger 1986, 480-481 (E 63). Die Münzreihe führt weiter, jedoch mit einem Einschnitt in der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. (a. a. O. 480). Das Stück besitzt allerdings einen laschenfötmig gestalteten Achshalter (vgl. Toll 1949a, 62; Taf. 15,123). Toll 1949a, 45. Ambroz 1966,71. Gdrdlösa No. 3 (Schonen, S), Grab 2 (Stjetnquist 1951,162-163; 1955,168). Preetz (Kr. Plön), Grab 77 (Brandt 1960). Simris (S), Grab 77 (Stjernquist 1955,24). Gdrdlösa No. 3 (Schonen, S), Grab 2; Preetz (Kr. Plön), Grab 77.

156

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

6.11 Almgren 187 (Typ 20) Von den kreuzförmigen Scharnierfibeln mit profiliertem Bügelknopf, halbrundem Bügel und festem, kastenförmigem Nadelhalter der Form Almgren 187 (sogenannte Bügelknopffibel) ist im Pyrmonter Brunnenfund nur ein Exemplar vertreten (Liste 1,59; Taf. 8,d). Diese Fibeln sind zwischen Britannien380, Gallien381, dem römischen Germanien, Pannonien382, Norditalien383 und der Schweiz384 verbreitet. Auch am Donau-385 und Euphratlimes386 kommen sie vor. Das Hauptverbreitungsgebiet bilden die germanischen Provinzen sowie Raetien und Noricum. In den Kastellen des obergermanisch-raetischen Limes sind die Armbrustscharnierfibeln recht häufig387. Ihre Herstellung wird daher in diesem Bereich vermutet388. In Germanien sind sie — im Gegensatz zu den jüngeren und etwas häufiger vertretenen Zwiebelknopffibeln - sehr selten389. Fibeln der Form Almgren 187 beginnen Ende des 2. Jhs., sind aber hauptsächlich bis zum Ende des 2. Drittels des 3. Jhs. n. Chr. getragen worden. Aus Äugst Augusta Raurica (CH) stammen schichtdatierte Armbrustscharnierfibeln aus dem späten 2./1. Hälfte 3. Jh. und dem 3. Jh. n. Chr.390. Münzdatierte Grabfunde mit Fibeln der Form Almgren 187 sind mehrfach bekannt geworden: In einem Frauengrab aus Bulgarien (FO unbekannt) wurde neben einer Bronzefibel u. a. auch eine Caracallamünze gefunden391. Aus Grab C von Camuntum (Deutsch-Altenburg, A) stammen neben einer Bronzefibel auch 3 Bronzemünzen der Kaiser Severus Alexander, Julius Philippus und Gallienus392. In das letzte Drittel bzw. Viertel des

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Böhme 1972, 62-64 Fundliste 27-28. R. Hattatt (1989, 368 Abb. 227,1259) hat eine vollständige Bügelknopffibel publiziert, die sich von dem Pyrmonter Exemplar nur durch den leicht eingezogenen ansteigenden Bügelteil unterscheider, sie wird von ihm in das 3. Jh. datiert In Gallien sind diese Fibeln selten: A. Böhme (1972, 62-64 Fundliste 27-28) weist vier Stücke nach. Hinzu kommen sieben Exemplare aus Südfrankreich (vgl. Feugüre 1985, Taf. 159-161). Kovrig 1937,125; Taf. XVIII,184. Maggi / Prenc 1992,172. Ettlinger 1973,138 (Typ 56). Böhme 1972,62-64 Fundliste 27-28. So in Syrien in Dura Europos (Toll 1949a, Taf. 13,93). Vgl. den ORL-Index (Oldenstein 1982, 12). Neben den „Soldatenfibeln" (Almgren 15) und den Emailfibeln (Böhme 41) stellen sie am Limes den dritthäufigsten Fibeltyp. Jobst 1975, 87. So schon O. Almgren (1923,110). Sie kommen, im Gegensatz zu A. Böhme (1972,27), jedoch vor. Riha 1979,167. Böhme 1972,63 Fundliste 27, Nr. 40. Böhme 1972,63 Fundliste 27, Nr. 34.

Almgren 187 (Typ 20)

157

3. Jhs. weist ein Fund aus dem römischen Gräberfeld an der Jakobstraße zu Köln. In der Grabgrube von Bestattung 179 befand sich „ein wenig abgegriffener Antonian des Postumus von 260/268 n. Chr."393. Das Vorkommen in den Limeskastellen gibt ebenfalls wichtige Datierungshinweise: Auch in dem um 260 zerstörten Kastell von Niederbieber (Kr. Neuwied)394 war dieser Fibeltyp vertreten395. In der von 165-256 n. Chr. römisch besetzten Stadt Dura Europos am Euphrat wurden einige Bügelknopffibeln gefunden. Aus der Zitadelle der Stadt stammt ein ähnliches Stück396. Die absolut datierten Funde belegen eindeutig daß diese Fibelform Ende des 2. Jhs. am obergermanisch-raerischen Limes aufkommt und im letzten Drittel des 3. Jhs. ausläuft. Die zahlreichen Funde dieses Fibeltyps aus den Lagern und Kastellen397 deuten auf eine starke Verankerung im militärischen Bereich. Aus Carnmtum (DeutschAltenburg, A) ist ein Grab bekannt, das durch die in ihm gefundenen „Panzerschuppen"398 als Soldatengrab anzusprechen ist. Die Fibel aus dem o. g. Grab 179 des römischen Gräberfelds an der Jakobstraße zu Köln gleicht dem Stück aus Pyrmont399. Aufgrund der Grabgrubenmaße wird m. E. zu Recht von einem Kindergrab ausgegangen400. In Bulgarien wurde ein Frauengrab mit einer entsprechenden Fibelbeigabe gefunden401. Aussagen zur Verwendung dieses Fibeltyps in Germanien können nicht getroffen werden. Gelegentlich kommen diese Fibeln auch im Römischen Reich in kultischen Zusammenhängen vor, so bei einem Fund aus dem Tempelbezirk im Trierer Altbachtal402. Inwieweit die Funde aus dem Waal bei Nijmegen (NL) kultisch zu interpretieren sind („Flußopfer"), muß aufgrund des Publikationsstandes offenbleiben (Altfunde)403.

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Friedhoff 1991,169. Schönberger 1986,477 (E29). Gechter 1980,603 Abb. 7; Friedhoff 1991,169. Toll 1949a, Taf. 13 Nr. 93. Vgl Böhme 1972,62-64 Fundliste 26-28. Böhme 1972,63. Friedhoff 1991,169; Taf. 89,179,3. Friedhoff 1991,267-268 Nr. 179. Böhme 1972,63 Fundliste 27, Nr. 40. Loeschke 1942, Taf. 23,20. van Büchern 1941,120 Nr. 1355.

158

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

6.12 Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29) Der Pyrmont« Brunnenfund enthält 149 zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Almgren Gruppe VII), die insgesamt neun Typen angehören. Dies ist die größte Ansammlung von Fibeln dieser Gruppe, die bislang bekannt wurde. Bei ihnen handelt es sich um typische Formen der jüngeren römischen Kaiserzeit (Eggers Stufe Q . Sie datieren absolutchronologisch in das späte 2. und 3. Jh. n. Chr. und reichen vermutlich noch in das beginnende 4. Jh. n. Chr. Die „Fibeln mit hohem Nadelhalter" haben ihren Namen von O. Montelius und A. Iissauer erhalten404. O. Almgren bearbeitete jedoch erstmals diese Fibelgruppe zusammenfassend405, bezeichnete sie als „Gruppe VII" und unterschied vier Serien406. Das Verbreitungsgebiet dieser Fibelgruppe liegt zwischen Mittelrhein, dem niederländischen Küstengebiet407, der Elbe und Südskandinavien, wobei die verschiedenen Fibeltypen charakteristische Verbreitungsschwerpunkte aufweisen408. O. Almgren datierte seine Gruppe VII nach Vorarbeiten von O. Montelius und C. Neerga[a]rd in den „früheren Teil der jüngeren römischen Periode (...) welcher etwa das dritte nachchristliche Jahrhundert umfassen würde."409. Μ. B. Mackeprang stellte seine Typen Ι - Π und IV in das 3. Jh., während Typ ΙΠ „sich unverändert durch den ganzen Zeitabschnitt410 erhalten [hat], so daß eine Einteilung in

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Kuchenbuch 1938,26. Almgren 1923,90-98; Taf. 9. Serie 1: mit Fußknopf (Fig. 193, 201-203, 210, 213; Varianten Fig. 214, 215); Serie 2: mit dickem, scharf abgeschnittenem Fußende (Fig. 194-198); Serie 3: ohne Fuß; der Bügel geht direkt in den Nadelhalter über (Fig. 199, 205-207); Serie 4: monströs entwickelte Formen (Fig. 208-209,211-212,216-221). Auf dieser Basis wurden von W. Matthes (1931,19 ff.) und F. Kuchenbuch (1938, 26-31) weitere Einteilungen vorgenommen. Da beide ebenfalls vier Serien herausstellten, fuhrt dies gelegentlich zu Verwirrungen. E. Schuldt (1955) und K. Raddatz (1957,108) modifizierten das Kuchenbuch'sche Schema noch geringfügig. In der dänischen Forschung entsprechen Μ. B. Mackeprangs (1943, 4) Typen I—IV weitgehend den Serien 1—4 von Almgrens Gruppe VII. Erdrich 1997. Nachdem O. Almgren (1923, 90-98 und Beil. 1) Grundlegendes zur Verbreitung der Fibeln mit hohem Nadclhalter veröffentlicht hatte, haben W. Matthes (1931, 19 ff.; Karte 1-5; mit Ergänzungen für das provinzialrömische Gebiet durch A. Böhme [1972, Abb. 2-4; 65 Fundliste 31]), regional F. Kuchenbuch (1938,68-80; Liste 2-6) für die Altmark und Osthannover sowie H. Geisler (1977) und A. Leube (1992) Kartierungen vorgenommen. Neuere zusammenfassende Arbeiten fehlen bislang, die Zusammenstellung Leubes (1997) geht über Bekanntes nicht hinaus. Almgren 1923,98. Das 3. bis 5. Jh. n. Chr.? Μ. B. Mackeprangs (1943, 23) zusammenfassende Aussage ist nicht ganz eindeutig.

Zweigliedrige Amibrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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frühe und späte Formen unmöglich ist"411. J. Brandt konnte aufgrund typischer Fundkombinationen und der Verbreitung auf dem Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) eine chronologische Abfolge der vier Serien der Gruppe Almgren VII nachweisen, wobei die Serien 1-2 der Stufe Cl, die Serien 3-4 der Stufe C2 entsprechen412. P. Ethelberg hat vor wenigen Jahren eine chronologische Übersicht über die wichtigsten nördlichen Fibelformen der Gruppe Almgren VIE vorgelegt Sie reichen kaum in das 4. Jh. n. Chr. hinein. Kinsig sein Typ 7 (Almgren Vü,3 [207]) wird bis in den Übergang von Stufe C2 zu C3, die er um 300/310 n. Chr. ansetzt, datiert413. Almgren ΥΠ, Serie 1 (Typ 21; 25) Von den „zweigliedrigen Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, Serie 1: mit Fußknopf' 414 sind im Pyrmonter Brunnenfund vier Exemplare der Form VII,193 (Liste 1,60-63) und zwei Fibeln Almgren VII,202 (Liste 1,197-198) vorhanden415. Bereits O. Almgren war der Ansicht, daß seine Serie 1 eigentlich aus zweien bestehen würde416. Er teilte sie in diejenigen mit S-förmigem Bügel, d. h. die seiner Fig. 193 und solche „mit scharfer Grenze zwischen Bogen und Fuss" (Fig. 201, 203,210 etc.). Almgren VII,193 (Typ 21) Vier Exemplare der zweigliedrigen Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter und Fußknopf Form Almgren VII,193 sind im Pyrmonter Brunnenfund vorhanden (Liste 1,60-63; vgl. Taf. 9,a). Dieser Fibeltyp ist vorwiegend im Elbegebiet mit Ausläufern bis nach Böhmen verbreitet, kommt aber auch in Schleswig, auf den dänischen Inseln, in Mecklenburg und gelegentlich bis nach Ostpreußen vor417. In den Taunuskastellen ist er in einigen Exemplaren vertreten418: Auf der Saalburg (Hochtaunuskreis) ist eine entsprechende Fibel vorhanden419, vom Zugmantel (Hochtaunuskreis) sind deren vier bekannt420. Diese stellen jedoch allesamt Varianten mit relativ dickem Bügel dar. Aus dem römischen Kastell Osterburken

4,1 412 413 414 415

416 417 418 419 420

Mackeprang 1943,23. Brandt 1960,38; Karte A.G. Ethelberg 1991,568 Abb. 13. Almgren 1923, Taf. 9,193.201-203.210.213; Varianten Taf. 9,214-215. Die Ansprache als Form Almgren VII,193; 203 und 213 (Almgren 1923,235 Beil. IV) trifft so nicht zu. Almgren 1923,91. Matthes 1931,110 Kartei. Böhme 1972,32 Abb. 2. Böhme 1972, Taf. 22,867. Böhme 1972, Taf. 22,868-872.

160

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

(Neckar-Odenwald-Kreis) stammt eine zur Fibel Liste 1,60 recht ähnliche Form, die jedoch keinen Ring vor dem Nadelhalter aufweist421. Auch aus anderen Kastellen sind derartige Fibeln bekannt422. Aus dem Rhein-Weser-Gebiet sind nur wenige entsprechende Funde überliefert, so aus den Gräberfeldern Leverkusen-Rheindorf (Grab 99) und Oberhausen (Grab 3)423. Fundkombinationen und typologische Ähnlichkeiten belegen einen frühen Zeitansatz der Fibeln der Form Almgren VII,193 (vgl. Kap. 7). Insbesondere die Vergesellschaftung mit Kniefibeln deutet auf eine Eingruppierung in Stufe Cla. E. Keller datiert diese Fibeln (vor allem die Form mit breiterem Bügel) aufgrund von Keramik- und Sachgutkombinationen in Gräbern des Elbegebietes in die Stufe Cla424. Auf dem großen mecklenburgischen Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust) wurden diese Fibeln nicht mit anderen Fibeln in Kombination gefunden, sondern (wenn überhaupt) nur typgleich425. In den von E. Schuldt für Pritzier (Kr. Ludwigslust) herausgestellten Belegungshorizonten sind diese Fibeln vor allem in Horizont A, nur in einem Fall (Grab 551) in Horizont Β nachgewiesen426. Die Funde aus den römischen Kastellen Saalburg427, Zugmantel (beide Hochtaunuskreis), Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis)428 und anderen belegen eine Datierung vor dem Limesfall von 259/260 n. Chr.429 und damit in die Stufe Cl. Die im Kastell Niederbieber (Kr. Neuwied) gefundene Fibel Almgren VII, 193 wird durch die Belegungszeit des Kastells von 190-260 n. Chr. datiert430. Publizierte anthropologische Bestimmungen der Leichenbrände von Gräbern, die Fibeln vom Typ Almgren VII, 193 enthalten, liegen kaum vor. Grab 42 aus Zauschwitz (Kr. Torgau-Oschatz) enthielt eine adult bis mature Frau431. Aus Hamfelde (Kr. Hzgt. Lauenburg), Grab 420432, und Preetz (Kr. Plön), Grab 29433, sind ebenfalls erwachsene Individuen bekannt, wobei das erstgenannte Gräberfeld Hamfelde eher als für Männer vorbehalten scheint434. Auch in Pritzier (Kr. Lud-

421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434

Schumacher 1929, Taf. 6,13. Nachweis bei Oldenstein 1982,12 Liste Fibeln 38. v.Uslar 1938. Keller 1974,265 Abb. 5. Schuldt 1955,47. Schuldt 1955, 50. Verhältnis Horizont Α zu Β = 14:1. Besetzt bis 260 (Schönberger 1986,461). Zerstörung Mitte des 3. Jhs. (Schönberger 1986,480). Böhme 1972; Schönberger 1986,461. Gechter 1980,590; 607 Abb. 9,2. Worbs 1979; Müller 1979. Bantelmann 1971; Aner 1971. Brandt 1960; Schaefer 1960. Bantelmann 1971; Aner 1971; Gebühr 1975; 1976a; Kunst 1978.

Zweigliedrige Atmbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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wigslust) sind ausschließlich Erwachsene mit diesem Fibeltyp ausgestattet worden435. Demnach können sie Erwachsenen beiderlei Geschlechts zugeordnet werden. Die meisten Fibeln wurden in einer Einfibeltracht verwendet, nachgewiesen sind aber auch Zwei-436, Drei-437 und Vierfibelbeigaben438. Aus dem Opfermoor von Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg) sind zwei Fibeln der Form Almgren VII,193 belegt, desgleichen aus dem Vimosefund auf Fünen (DK)439. Almgren Vü,202 (Typ 25) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter der Form Almgren VII,202 sind im Pyrmonter Brunnenfund mit zwei Exemplaren vertreten (Liste 1,197-198; Taf. 9,d). Diese Fibeln sind überwiegend aus dem Elbegebiet und angrenzenden Landschaften bekannt. Der Fundort Pyrmont stellt anscheinend den bislang westlichsten Nachweis dar. Die Datierung dieser Objekte ist schwierig, weil sie nur selten mit anderen, nicht typgleichen Fibeln, vergesellschaftet sind. In Putensen (Kr. Harburg) befinden sich diese Fibeln am Südende des Gräberfeldes440 und stellen den räumlichen und zeitlichen Abschluß dar. Sie gehören damit in die jüngere Kaiserzeit; weitere Formen mit hohem Nadelhalter oder gar mit festem Nadelhalter sind aus Putensen nicht bekannt441. Das Gräberfeld endet somit in einem frühen Abschnitt der Stufe Cl. Diese chorologische Datierung wird durch Befunde aus der Altmark bestätigt. Hier sind zwei geschlossene Grabfunde bekannt, in denen diese Fibel mit einer Fibel mit umgeschlagenem, breitem Fuß vergesellschaftet war442. R. Leineweber datiert letzteren Fibeltyp an den Beginn der Stufe Cl 443 . Grab 171 aus Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel) enthielt außer einer solchen Fibel eine weitere mit hohem Nadelhalter sowie zwei Perlen und einen Dreilagenkamm444. Mit Vorsicht kann dieses Grab als das einer Frau interpretiert werden.

435 436 437 438 439 440 441 442

443 444

Gräber 484,551,590,1711 (Schuldt 1955). Oberhausen, Grab 3 (v. Uslar 1938). Pritzier (Kr. Ludwigslust), Grab 590 (Schuldt 1955). Preetz (Kr. Plön), Grab 28 (Brandt 1960). Almgren 1923,234 Beil. ΙΠ; Raddatz 1957; 1987a. Wegewitz 1972,257 Abb. 44. Wegewitz 1972,267. Kuchenbuch 1938, 29; leider gibt er keinen genauen Nachweis. Auch mit der Arbeit von R. Leineweber (1997) läßt sich dies nicht sicher fassen. Leineweber 1997,66-67. Leineweber 1997,275; Taf. 32,6.

162

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Es sind nur sehr wenige anthropologisch untersuchte Bestattungen mit einer Fibel der Form Almgren VII,202 vorhanden: Grab 11 von Cammer (Kr. PotsdamMittelmark) belegt die Beigabe dieses Typs bei einem 12-18jährigen Individuum, dessen Geschlecht nicht bestimmt werden konnte445. Grab 413 aus Hamfelde (Kr. Hzgt. Lauenburg) ist in diesem Zusammenhang unspezifisch, da es sich um eine Doppelbestattung von einem erwachsenen und einem subadulten Individuum unbestimmbaren Geschlechts handelt444. Auch wenn die Materialbasis sehr gering ist, so läßt sich ein diskreter Trend, daß Fibeln der Form Almgren VII,202 eher subadulten Individuen mitgegeben wurden447, verzeichnen. Aussagen zum Geschlecht der Bestatteten lassen sich bislang weder anthropologisch noch archäologisch infolge der Beigabenarmut treffen. Einen diskreten Hinweis gibt das Gräberfeld Hamfelde (Kr. Hzgt. Lauenburg), das allgemein als „Männerfriedhof" angesprochen wird448. Die vorliegenden Fibeln wurden vorwiegend im Rahmen der Einfibeltracht getragen449. Gelegentlich kommen sie auch in der Zweifibeltracht vor - sowohl paarweise (Hamburg-Fuhlsbüttel, Grab 227) als auch unpaarig (Cammer, Kr. Potsdam-Mittelmark, Grab 11; zwei Gräber ohne Fundort aus der Altmark). Die Beigabenzahl in Gräbern mit Fibeln der Form Almgren VII,202 ist meist gering450. Ein Zusammenhang zwischen Beigabenzahl und Zahl der Fibeln besteht nicht. Almgren VII, Serie 2 (Typ 22-23) Almgren VII,195 (Typ 22) Der Brunnenfund enthielt (vermutlich Kriegsverlust) eine zweigliedrige Armbrustfibel mit hohem Nadelhalter der Form Almgren VII,195 (Liste 1,64; Taf. 9,b). Die Kartierung dieses Fibeltyps durch W. Matthes451 zeigte ein Hauptverbreitungsgebiet in der Altmark, im Wendland und der Prignitz sowie Einzelnachweise aus

445 446 447

448

449

450 451

Müller / Müller 1972; Geisler 1972. Aner 1971. Geringe Fibelgröße kann ein Hinweis auf „Kinderfibeln" darstellen (Konze 1984; Lenerz-de Wilde 1992), muß jedoch immer im Einzelfall überprüft werden. Aner 1971; Kunst 1978. Dies kann hier nicht als gesicherte Annahme herangezogen werden, da anthropologische Untersuchungen andeuten, daß eine vollständige geschlechtsspezifische Beisetzungssitte nicht besteht (Wahl 1988). 1 Fibel· 8 Gräber, 2 Fibeln: 4 Gräber in der untersuchten Stichprobe von ca. 2000 Fibelgräbern. 1 - 4 Beigaben: 11 Gräber, 5-9 Beigaben: 1 Grab Patenbasis: ca. 2000 Fibelgräber). Matthes 1931,110 Karte 2.

Zweigliedrige Atmbrustfibeln mit hohem Nadelhaltet (Typ 21-29)

163

Dänemark. Inzwischen hat sich das Fundbild auf der kimbrischen Halbinsel durch mehrere Nachweise im Gräberfeld Husby (Kr. Schleswig-Flensburg) etwas verdichtet Hinzu kommt als westlicher Ausläufer die Fibel aus dem Pyrmonter Brunnenfund. Zur Datierung können bislang nur chorologische Befunde herangezogen werden. Die Gräber 42/1955 sowie 757 und 780 aus Husby (Kr. SchleswigFlensburg)452 liegen im Verbreitungsgebiet der übrigen Fibeln mit hohem Nadelhalter. Diese Fibeln gehören damit sicherlich in die Stufe Eggers Cl. Die Grabfunde aus Husby453 belegen, daß diese Fibeln Bestandteil der Männertracht gewesen sein dürften. Die Urnenmaße deuten auf erwachsene Individuen hin. Unter den Bestattungen ist auch ein mutmaßliches Kriegergrab. In Kyritz Π (Kr. Ostprignitz-Ruppin) wurde dieser Fibeltyp dagegen in einem Kindergrab (?) gefunden454. In den wenigen bekannt gewordenen Grabzusammenhängen liegen Fibeln der Form Almgren VII,195 überwiegend als Einzelfibeln vor455. Aussagen zum „Reichtum" der Gräber mit entsprechenden Fibeln sind aufgrund der geringen Datenbasis kaum möglich, wobei sich allerdings eine Tendenz zu „ärmer" ausgestatteten Gräbern abzeichnet. Almgren VII, 196 (Typ 23) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter der Form Almgren VII,196 sind im Pyrmonter Brunnenfund in vier Exemplaren vertreten (Liste 1,65—68; Taf. 9,c) — allerdings nicht in klassischer Form, sondern in Varianten. Nach den Kartierungen von W. Matthes456 und A. Böhme457 liegt ein Verbreitungsschwerpunkt im Mittelelbegebiet und in der Altmark sowie entlang des obergermanischen Limes. Einzelfunde liegen aus Holstein und Angeln sowie vom Niederrhein vor. Gelegentlich treten sie sowohl im römischen wie im germanischen Teil der heutigen Niederlande auf (ζ. B. ein Exemplar aus der kaiserzeitlichen Siedlung Ezinge, Prov. Friesland, NL)458. Neben Pyrmont ist das Gräberfeld von Porta Westfalica-

452 453 454

455

456 457 458

Raddatz 1974. Grab 757: Rasiermesser; Grab 780: Schildfessel der Form Jahn 220 (Raddatz 1974). Die nur 8 cm hohe Schalenume aus Kyritz II, Grab 1, veranlaßte bereits W. Matthes (1931a, 89), eine Kinderbestattung anzunehmen. Eine Durchsicht der übrigen Urnenmaße von Kyritz II macht dies auch wahrscheinlich. Der Nachweis (Matthes 1931, 80 Liste 4) von je zwei Fibeln aus Broholm (DK), Krielow (Kr. Potsdam-Mittelmark) und Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg) läßt theoretisch auch die Herkunft von zwei Fibeln aus einem Grab vermuten. Matthes 1931,111 Karte 4. Böhme 1972,33 Abb. 3. Haalebos 1986,64 Abb. 24,5.

164

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Costedt (Kr. Minden-Lübbecke)459 inzwischen der zweite Fundplatz mit entsprechenden Fibeln aus dem Weserbergland. Nach O. Almgren kommen diese Fibeln bis nach Böhmen, östlich nur bei Reichersdorf (ehemals Kr. Guben) und im linksweichselseitigen Westpreußen vor. In Dänemark sind sie vor allem auf Seeland und Bornholm verbreitet. Auch in Norwegen460 und Schweden (ζ. B. Gärdlösa)461 wurden Fibeln dieses Typs gefunden. Fibeln der Form Almgren VII,196 und ihre Varianten sind eine typische Beigabe in jüngerkaiserzeitlichen Gräbern. In Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel), Grab 162, ist eine entsprechende Fibel mit einer Kniefibel der Form Almgren Vn,144 vergesellschaftet462. Diese Kombination datiert das Grab in die Stufe Cla bzw. die Übergangsstufe B2/C1 und damit sicher in die 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. Durch Funde aus dem römischen Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis)463 werden diese Fibeln absolutchronologisch vor 260 n. Chr. datiert464. Es liegen nur wenige (publizierte) anthropologische Untersuchungen von Bestattungen mit entsprechenden Fibelbeigaben vor. In den Gräberfeldern Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) und Süderbrarup (Kr. SchleswigFlensburg) wurden diese Fibeln Erwachsenen mitgegeben. In Süderbrarup waren es Männer465. In Costedt weist die Kombinationstabelle der Grabbeigaben466 ebenfalls auf das Grab eines Mannes. In Preetz (Kr. Plön), Grab 110, das zwei Varianten mit facettiertem Bügel der Form Almgren VII,196 aufweist467, konnte die Doppelbestattung einer juvenil-adulten Frau und eines zweiten, geschlechtsunbestimmbaren Erwachsenen nachgewiesen werden468. In Sörup I (Kr. SchleswigFlensburg), Grab 399, weist das Vorkommen von Rasiermesser und Pinzette sowie die Urnenhöhe auf das Grab eines erwachsenen Mannes469. Bemerkenswert ist das Vorkommen von Fibeln mit hohem Nadelhalter der Form Almgren VII,196/197 und VH,207 in einem Körpergrab aus Egeln, Mühlenbreite (Kr. AscherslebenStaßfurt)470. Das Grabinventar entspricht dem einer weiblichen Bestattung.

459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 470

Teegenetal. 1996. Almgren 1923,94. Stjernquist 1951; 1955. Worbs 1979. Böhme 1972, Taf. 22,894-896. Schönberger 1986,461. Wahl 1988. Siegmund 1996; Hummel 1996. Brandt 1960. Schaefer 1960,96. Raddatz 1981,147. Das Grab enthielt außer den Fibeln Perlen aus Glas und Bernstein, eine Bronzenadel und einen Eisenrest mit Gewebe (Schulz 1952,116).

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21 -29)

165

Insgesamt ist wohl davon auszugehen, daß die hier interessierenden Fibeln vorwiegend Männern mit ins Grab gegeben wurden, doch gibt es deutliche Hinweise, daß sie gleichfalls auch in Frauenbestattungen vorkommen, hingegen in Kindergräbern bislang nicht nachweisbar sind. Unter den herangezogenen Gräbern (15 von 2000) überwiegt geringfügig die Einfibelbeigabe. Sieben Gräber wiesen zwei Fibeln auf, wobei in Hamburg-Fuhlsbüttel, Grab 229, ein typgleiches Fibelpaar zu beobachten ist. Die übrigen Kombinationen zeigen vor allem die Vergesellschaftung mit anderen Fibeln mit hohem Nadelhalter, aber auch mit einer Kniefibel. Bezogen auf die Beigabenzahl liegen nur „weniger reich" ausgestattete Gräber vor, die Fibeln der Form Almgren VII,196 als Grabbeigaben besitzen471. Fibeln dieser Form sind nicht nur aus dem Pyrmonter Brunnenfund, sondern auch aus dem Thorsberger Moorfund (Kr. Schleswig-Flensburg) bekannt472. Almgren VH, Serie 3 (Typ 24,26-27) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, „ohne Fuß" (Almgren VII, Ser. 3) stellen die zahlenmäßig größte Fibelgruppe dar, die im Pyrmonter Brunnenfund vertreten ist. Insgesamt handelt es sich um 135 Exemplare. Sie entsprechen den Formen Almgren VII,199 (Liste 1,69-196), VII,205 (Liste 1,199-200) und Vü,207 (Liste 1,201-205). Trotz einiger Vorschläge zur typologischen Gliederung dieser vielfältigen Fibelformen473 gibt Almgrens Studie als einzige eine Gesamtübersicht. Auffällig ist eine gewisse regionale Differenzierung der Bügelform der drei Fibelformen Almgren Vn,199/205/207. Sind sie im rheinweser-germanischen Gebiet, im ElbeWeser-Dreieck und der Altmark eher hochgewölbt, so sind die Bügel in Mecklenburg, der kimbrischen Halbinsel, den dänischen Inseln, Südschweden und Norwegen (?) eher flach und lang. Aus dem Pyrmonter Brunnenfund ist nur eine Fibel (Almgren Vü,205) mit einem langen und eher flachen Bügel bekannt (Liste 1,200). Fibeln der Form Almgren VII, Serie 3 sind im unteren Elbegebiet, im Elbe-WeserDreieck, der Altmark, Mecklenburg, Holstein, Angeln, Jütland und auf den dänischen Inseln verbreitet. Neuerdings sind Dutzende von Exemplaren im Wurtengürtel der Niederlande von Detektorgängern entdeckt worden474. Vereinzelt sind sie aus dem Mittelgebirgsraum, dem Rheinland, entlang des obergermanisch-

471 472 473

474

1 - 4 Beigaben: 11 Gräber, 5-9 Beigaben: 4 Gräber. Raddatz 1957. Matthes 1931, 25-26; 86-87 Beil. Π Liste; Kuchenbuch 1938, 31-32; 79-80 Liste 6; Schuldt 1955,48; Mackeprang 1943,7-9. Erddch 1997. Eine ausführliche Publikation dieser Funde wird von ihm vorbereitet

166

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

raetischen Limes und auch in Mähren475 nachgewiesen. Wie die Funde in den rheinweser-germanischen Gräberfeldern Leverkusen-Rheindorf und Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) sowie verschiedene Einzelfunde zeigen, kommen diese Fibeln auch im Westen in einiger Zahl vor, nicht jedoch in dieser hohen Konzentration wie in Mecklenburg, Angeln und Dänemark — wenn der Pyrmonter Brunnenfund ausgeklammert bleibt. Ob diese Verteilung für das Gebiet zwischen Rhein und Elbe eine Forschungslücke darstellt oder (angenähert) die Realität widerspiegelt, läßt sich derzeit noch nicht schlüssig belegen. Tabelle 3. Mehr als 10 Fibeln der Form Almgren VII, Serie 3 (ohne Fuß) von germanischen und römischen Fundplätzen.

Germanien Pyrmonter Brunnenfund

135 Stück

Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust)

61 Stück1

Gräberfeld Sörup I (Kr. Schleswig-Rensburg)

27 Stück2

Gräberfeld Preetz (Kr. Plön)

18 Stück3

Thorsberger Moorfund (Kr. Schleswig-Flensburg)

13 Stück4

Niederländische Wurten

sehr zahlreich5

Römische Provinzen Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

14 Stück6

Schuldt 1955,48. Raddatz 1981,38. Brandt 1960,23. Raddatz 1957,109-110; Taf. 17; 1987a, 138 Nr. 296-305,307-308; 304a. Mehrere Dutzend Stück oder eine noch größere Anzahl (Erdrich 1997). Böhme 1972, 34.

Sieht man vom Pyrmonter Brunnenfund und den noch nicht publizierten niederländischen Neufunden ab, dann finden sich die höchsten Fundzahlen im nordelbischen Gebiet, was aufgrund des allgemeinen Fundbildes auch zu erwarten ist476. Besonders aufschlußreich ist die Analyse des Anteils von Fibeln der Form Almgren VII,199/205/207 auf den einzelnen Fundplätzen. Die in Tabelle 3 aufge-

475 476

Peäkar 1972, Taf. 20,8.10.12. Auf den Gräberfeldern der Altmark sind diese Fibeln zwar regelhaft, jedoch jeweils mit unter fünf Stücken vertreten (Leineweber 1997, Liste 54-55).

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21 -29)

167

listeten Fundorte bilden eine ausreichende Basis, das Verhältnis der genannten Fibeln einschließlich ihrer Varianten zueinander zu untersuchen477. Demnach werden rheinweser-germanische Fundplätze durch einen hohen Anteil von Fibeln der Form Almgren VII, 199 charakterisiert. Bei den mecklenburgisch-holsteinischen Fundplätzen liegt der Anteil von Almgren VII,199 unter 50%, während der der Form VII,205 höher ist und VII,207 unter 20% liegt. Die beiden anglischen Fundorte verteilen sich auf das dänische sowie das Opferfund-Cluster. Letztere sind ansonsten dem rheinweser-germanischen näher. Leider ist für weitergehende Schlußfolgerungen das Fundspektrum noch zu gering. Insbesondere fehlen detaillierte Angaben für Westfalen. Die noch nicht publizierten niederländischen Wurtenfunde478 passen mit der hohen Frequenz der Form Almgren VII,199 in dieses Bild. Diese Ergebnisse sind auch wichtig für die Interpretation des Fundes, deuten sie doch darauf hin, daß bestimmte Typen landschaftscharakteristisch sein könnten. Almgren VII,199 (Typ 24) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, „ohne Fuß", der Form Almgren VII,199 kommen in vielfältiger Form vor. Bislang konnten 18 Varianten festgestellt werden, von denen 16 im Pyrmonter Brunnenfund vertreten sind. Diese Fibeln sind vor allem im unteren Elbegebiet, im Elbe-Weser-Dreieck, der Altmark, Mecklenburg, Holstein, Angeln und auf den dänischen Inseln verbreitet479. Vereinzelt sind sie aus Südschweden und Südnorwegen, dem norddeutschen Mittelgebirgsraum, entlang des obergermanischen Limes, aus dem Rheinland und bis in die Niederlande (ζ. B. Ewijk, Voorburg-Arentsburg, Nijmegen)480 bekannt. Neuerdings wurden im Bereich der friesischen Wurten mehrere Stücke, meist Bügel, entdeckt481. Gelegentlich kommen sie auch in Mahren vor482.

477

478 479 480 481 482

In Pritzier (Kr. Ludwigslust) wurden 21 Fibeln der Form Almgren VII,199 gefunden, 30 Exemplare der Form Almgren VII,205 und 10 der Form Almgren VII,207. In Dahlhausen I (Kr. Ostprignitz-Ruppin) lautet das Verhältnis der Fibeln Almgren VII,199/205/207 5:5:0, in Sörup I (Kr. Schleswig-Flensburg) 10:1:4 (hinzu kommen 7 nicht klassifizierbare Fibeln), in Preetz (Kt. Plön) 6:10:1, in Südensee (Kr. Schleswig-Flensburg) 2:0:0, in Hjemsted (DK) (3):6:2+5 (sowie 3 nicht klassifizierbare Exemplare), in Husby (Kr. Schleswig-Flensburg) 1:3:3, in Leverkusen-Rheindorf 2:0:2, in Westerwanna (Kr. Cuxhaven) 2:0:2, in Pyrmont 128:2:5, in Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg) 10:1:2 und auf den Kastellen Saalburg 1:0:0 und Zugmantel (beide Hochtaunuskreis) 12:1:1. Erdrich 1997. Almgren 1923, Beil. I. Kartierungen: Matthes 1931; Böhme 1972,34 Abb. 4; Leube 1992. Haalebos 1986,64 Abb. 24,7-11. Erdrich 1997. PeSkar 1972, Taf. 20.

168

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Aufgrund der Fundvergesellschaftungen mit römischem Import auf dem Gräberfeld Leverkusen-Rheindorf datierte IL v. Uslar diese Fibeln in die Zeit um 200 n. Chr.483. K. Raddatz setzt die Thorsberger Fibeln Almgren VII,199 in die Stufe C1 und vermutet, „daß sie um 200 schon fertig ausgeprägt" 484 sind. Dies wird ζ. B. durch Kombinationen mit Fibeln Almgren V,144 auf dem Gräberfeld von Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) gestützt. Auf dem holsteinischen Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) wurden diese Fibeln in den Zonen 2 und 3 (nach J. Brandt) gefunden, was relativchronologisch den Stufen C l b und C2 (früh) entspricht485. E. Keller konnte für das Elbegebiet eine relative Datierung in die Phase C l b ermitteln486. Bei der Untersuchung der Fibelverteilung auf den Gräberfeldern Husby, Sörup Ι-Π, Sörup-Südenseeholz, Nottfeld und Süderbrarup (sämtlich Kr. Schleswig-Flensburg) konnte K.-H. Willroth feststellen, daß die Fibeln der Form Almgren VII, Serie 3 ([Matthes Serie 4a-b] ohne Fuß) in seiner Fibelzone 4 vorkommen, die er als „C1 spät (Clb)" bezeichnet487, dagegen datiert sie P. Ethelberg in den jüngeren Abschnitt der Stufe C l b bis in die mittlere Stufe C2488

sie dürften daher deutlich vor 300 n. Chr. ausgelaufen sein. Die weiter unten vorgelegte Seriation nordwestdeutscher Grabfunde ergab eine Datierung in die Stufe Clb und stützt den Datierungsansatz der vorstehend genannten Autoren. Absolute Datierungen der Fibeln der Form Almgren VH,199 werden durch Funde aus römischen Militäranlagen und Zivilsiedlungen ermöglicht. Eine kleine Fibel mit rundem Bügelquerschnitt aus dem Kastell Niederbieber (Kr. Neuwied) ist etwa zwischen 185—260 n. Chr. zu datieren489. Die Exemplare aus den Kastellen Saalburg und Zugmantel (beide Hochtaunuskreis) sind zeitlich ähnlich anzusetzen490. Zusammenfassend bedeutet dies, daß Fibeln der Form Almgren VH,199 bereits im späten 2. Jh. auftreten, vor allem aber für die Stufe Clb, d. h. die erste Hälfte des 3. Jhs., typisch sind. Sie laufen auch noch in die Stufe C2 weiter, enden vermutlich aber deutlich vor 300 n. Chr. Gesicherte Funde aus dem 4. Jh. sind selten, jedoch aus den römischen Provinzen vorhanden491. 483 484 485 486 487 488 489 490 491

v. Uslar 1938,108. Raddatz 1957,111. Brandt I960,41-60. Keller 1974,264-265. Willroth 1992,338. Ethelberg 1990,121; Tab. S. 127-128. Gechter 1980,589; Schönberger 1986,477 (E29). Böhme 1972,9-10; 38. Römisches Gräberfeld an der Jakobstraße zu Köln, Grab 59: kleine Fibel Almgren VII,199 (Riha 3.8; Friedhoff 1991,169; Taf. 68,59,25) und sechs Münzen Constantin I. (nach 308/313 n. Chr.). Krefeld-Gellep, Grab 2674: zwei silberne Bügel von Fibeln der Form Almgren VII,199 (Pirling 1979, Taf. 55,20-21), Datierung: Ende des 4. Jhs. (Piding 1979a, 59).

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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Aussagen zu Trägern und Trageweisen dieses Fibeltyps sind aufgrund der relativen Beigabenarmut jüngerkaiserzeitlicher Gräber, des überwiegenden Fehlens geschlechtsspezifischer Beigaben, des Vorherrschens der Brandbestattung und der relativen Seltenheit anthropologischer Untersuchungen schwierig. Aufgrund der häufigen Nachweise zweigliedriger Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, „ohne Fuß" (Almgren VII, Serie 3) auf dem Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust) bietet es sich an, dies genauer zu untersuchen. Dabei wird die Form Almgren VII, 199 mit den Frequenzen der Fibeln Almgren VII, Serie 3 und den Häufigkeiten sämtlicher Fibeln des Gräberfeldes verglichen. So lassen sich besonders gut Gleichförmigkeiten und Abweichungen erkennen. Demnach wurden Fibeln der Form Almgren VII, 199 vornehmlich von Erwachsenen getragen und nur zu weniger als einem Viertel auch von Kindern492. Auffällig bei den Gräbern mit Fibeln der Form Almgren VII,199 ist die Tatsache, daß sie durchschnittlich etwas „reicher" ausgestattet sind, dies ist schon innerhalb der Serie 3 (ohne Fuß) festzustellen und wird besonders auffällig im Gesamtvergleich. Die Gräber mit Fibeln der Form Almgren VII,199 entsprechen in der Zahl der Fibelbeigaben weitgehend der gesamten Serie 3 (ohne Fuß). Ein Kindergrab enthielt eine Fibel Almgren VII,199, zwei Fibeln waren in zwei Gräbern und drei Fibeln in wiederum einem Grab vorhanden. Bei den Erwachsenen beträgt das Verhältnis Ein-, Zwei-, Dreifibelbeigabe 7:5:1, dies entspricht nicht dem zu erwartenden Wert der Gesamtverteilung von vier Kinder- zu 13 Erwachsenengräbern mit dieser Fibelbeigabe. Verglichen mit der Zahl der Beigaben ergibt sich ebenfalls ein interessanter Befund. Nur ein „Kinder"-Grab (720) enthielt weniger als fünf Beigaben, drei Gräber (466, 539 und 723) dagegen 5-9 Beigaben. Aufschlußreich ist bei den Kindergräbern, daß sich ein leichter Trend zu reicherer Grabausstattung abzeichnet Allerdings ist die Datenbasis zu gering, um daraus weitere Schlüsse abzuleiten. Eine Bestätigung des Trends ergibt sich durch das „Kinder"-Grab 539 aus Pritzier (Kr. Ludwigslust). Es enthielt als einziges zwei Silberfibeln493, die mit PerldrahtAQi

ringen verziert waren. Als Parallele zum Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust) seien hier noch die Grabfunde mit Fibeln der Form Almgren VH,199 aufgeführt, die in der Vergleichsstichprobe vorhanden sind. Es standen 32 von 2000 Fibelgräbern zur 492

493 494

Die in diesem Zahlenverhältnis ebenfalls enthaltenen Juvenilen sind aufgrund der relativ geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe (vgl. Acsädi / Nemeskiri 1970; Rösing 1977; Hassan 1981; Hertmann etal. 1990) zu vernachlässigen; sie dürften sich auf beide Gruppen verteilen. Schuldt 1955,48. Schuldt 1955, Abb. 221-222. Fibeln mit Perldrahttingen sind außer in Grab 539 auch in den Gräbern 538, 542 und 713 vorhanden.

170

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Verfügung495, wobei die Fibeln aus acht Gräbern nicht genauer als Almgren VII, Ser. 3 bestimmt werden konnten. Danach überwiegt in den norddeutschen Gräberfeldern auch bezüglich dieser Fibelform die Einfibelbeigabe496, allerdings sind Dreifibelgräber relativ häufig497. Auch in der Beigabenzahl ist, wie in der jüngeren Kaiserzeit allgemein üblich, ein Trend zu beigabenarmen Gräbern zu erkennen498. Dieser Befund unterscheidet sich somit deutlich von den Verhältnissen in Pritzier (Kr. Ludwigslust) und deutet dort auf eine regionale Variante. Vergleichsweise wenig Leichenbrände oder Skeletreste von Gräbern mit Fibeln der Form Almgren VE,199 sind anthropologisch untersucht worden. Es ist zu erkennen, daß solche Fibeln und deren Varianten in den Gräbern von Angehörigen sämtlicher Altersklassen gefunden wurden. Außerdem sind sowohl männliche als auch weibliche Individuen vertreten499. Untersucht man die wenigen Gräber nach geographischen Gesichtspunkten, so zeigt sich sowohl am Rande des Mittelgebirgsraumes (Porta Westfalica-Costedt, Kr. Minden-Lübbecke) wie im Küstenraum, daß beide Geschlechter diese Fibeln als Beigabe mitbekommen haben. Bei den Spiralen in den Kindergräbern aus Süderbrarup (Kr. SchleswigFlensburg) könnte an eine pars pro toto-Beigabe gedacht werden. Eine sichere Ausstattung mit dieser Fibelform ist ab der Altersstufe infans II belegt (Preetz, Kr. Plön, Grab Ulf0. Aussagen zur Trageweise erlaubt nur das bislang unpublizierte Grab 12 der Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven). Nach eigenen Untersuchungen handelt es sich um eine 60-65jahrige Frau, die in Bauchlage bestattet wurde. Die Lage der Fibeln im Skeletbereich ist von den Ausgräbern dokumentiert worden501. Demnach wurden zwei Exemplare oberhalb der rechten Clavicula, ein weiteres

495

496 497

498 499

500

501

In Frage kamen Fibeln aus folgenden Gräberfeldern: Wilhelmsaue, Kr. Märkisch-Oderland (Schach-Dörges 1969); Leverkusen-Rheindorf (v. Uslar 1938); Husby (Raddatz 1974), Südensee (Lagler 1989), Sörup I, sämtlich Kr. Schleswig-Flensburg (Raddatz 1981); Brautberg bei Bordesholm, Kr. Rendsburg-Eckernförde (Saggau 1981; 1986); Porta Westfalica-Costedt, Kr. Minden-Lübbecke (Teegen et al. 1996); Preetz, Kr. Plön (Brandt 1960). 1 Fibel: 16 Gräber, 2 Fibeln: 3 Gräber, 3 Fibeln: 4 Gräber. Allerdings ist hierin ein unklarer Grabbefund (Grab 28) aus Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) enthalten (Teegen et al. 1996). 1 - 4 Beigaben: 16 Gräber, 5-9 Beigaben: 5 Gräber, >9 Beigaben: 2 Gräber. Infolge der Beigabenarmut und des weitgehenden Fehlens spezifischer Beigaben (Spinnwirtel, Waffen) sind die meisten Gräber mit Fibeln der Form Almgren VII, 199 archäologisch nicht geschlechtsbestimmbar. Brandt 1960. Das Fibelpaar könnte mit Vorsicht auf ein weibliches Individuum deuten. Zumal eine hier nicht vorgelegte Kombinationstabelle schleswig-holsteinischer Gräberfelder die Zweifibelbeigabe tendenziell als eher weibliches Merkmal kennzeichnet. Den Herren Prof. Dr. P. Schmid, Dr. W. H. Zimmermann und J. Schuster Μ. Α., Niedersächsisches Institut fur historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, ist fiir Hinweise zu danken.

Zweigliedrige Amibrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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oberhalb der linken Scapula und ein viertes Stück zwischen linkem Oberarm und Rippen gefunden. In den folgenden Abschnitten werden zuerst die Varianten 1-16 der Form Almgren VII, 199 dargestellt. Sodann sind - soweit möglich - charakteristische Vergleichsfunde aufgeführt. Die Variante 1 (Liste 1,69-72; Taf. 10,a) besitzt ein abgesetztes Bügelende, d. h., es ist auf einer kleinen Strecke mehr oder weniger senkrecht abgeschnitten oder weist einen kleinen Knick auf. Der Bügel ist parabelförmig hochgewölbt, der Bügelquerschnitt vieleckig. Ein vergleichbarer Fund ist aus Northeim (Kr. Northeim) bekannt502. Fibeln der Variante 2 (Liste 1,73-80) besitzen ein abgesetztes Bügelende (vgl. Variante 1), jedoch einen viereckigen Bügelquerschnitt (quadratisch, trapezförmig bis rechteckig), der auch abgerundet sein kann. Allgemein sind sie unverziert. Aus dem Gräberfeld Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) liegen zwei entsprechende Fibeln vor. Eine wurde im Grab 20 einer adulten Frau (W>M) gefunden und war mit einer römischen Emailscheibenfibel Ettlinger 45 und einer Tutulusfibel Almgren 224/VQ,205 vergesellschaftet503. In Bestattung 28, die die Überreste eines jungen Mannes (juvenil bis adult, (MäW) enthielt, waren zwei Fibeln dieser Variante mit einer Fibel Almgren V,144 kombiniert. Ein entsprechend abgesetzter Nadelhalter ist bei einer Fibel aus Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel) vorhanden, bei der der Bügelquerschnitt allerdings hochrechteckig ist504. Zudem gibt es jedoch noch eine Untervariante, die am Bügelende beidseits Kerben aufweist (Liste 1,80). Typisches Merkmal der Variante 3 (Liste 1,81-84; Taf. 10,b) ist die sichelförmige Punzverzierung auf dem Bügel. Von der Form her entsprechen sie überwiegend der Variante 2 (Liste 1,81-82); weitere Stücke besitzen auf der Oberseite eine oder mehrere Querkerben (Liste 1,83-84). Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter - ohne Fuß - und gepunzter Bügelverzierung sind im Weserbergland nicht nur im Pyrmonter Brunnenfund vertreten. Ein zu Liste 1,81 sehr ähnliches Stück wurde in der jüngerkaiserzeitlichen Siedlung von Mennighüffen (Stadt Löhne, Kr. Herford) gefunden505. Als Siedlungsfund ist jene Fibel allerdings nicht näher datierbar. Weitere Fibeln mit einer entsprechenden Punzverzierung sind mir nicht bekannt. Ansonsten gibt es noch

502 503 504 505

v. Uslar 1938, Taf. 22,31. Teegen et al. 1996; Hummel 1996. Kuchenbuch 1938, Taf. 27,11. Polenz 1985, 83 Abb. 35 re.

172

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Fibeln mit dreieckigem, vieleckigem oder ovalem Bügelquerschnitt und Punzverzierung auf dem Mittelgrat.506 Variante 4 (Liste 1,85-86) wird charakterisiert durch ein abgesetztes Bügelende, eine gegenüber dem Bügel größere Höhe (Dicke) und am Übergang vom Bügel zum Fuß auf der Unterseite eine Einziehung; der Bügelquerschnitt ist achteckig. Fibeln der Variante 5 (Liste 1,87-102) besitzen ein abgesetztes Bügelende und einen ausschwingenden Fuß/Nadelhalter. Der Bügelquerschnitt variiert. Vergleichbare Fibeln sind aus Elmschenhagen (Stadt Kiel)507 und vom Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis)508 bekannt. Die Fibeln der Variante 6 (Liste 1,103-112) unterscheiden sich von den vorangegangenen Formen dadurch, daß der Fußanfang gegenüber dem Bügelende eine größere Dicke aufweist und einen Knick bzw. minimalen Fußdorn hat. Diese Variante wurde auf dem nur bruchstückhaft bekannten Brandgräberfeld von Flögeln, Schmuts Acker (Kr. Cuxhaven), nachgewiesen. Dieses Gräberfeld datiert in die späte vorrömische Eisenzeit bis jüngere römische Kaiserzeit (3. Jh.). Es wurden nach M. D. Schön509 sowohl Männer (Axtbeigabe) als auch Frauen (Fibelbeigabe) bestattet. Aus dem Thorsberger Moor (Kr. Schleswig-Flensburg)510 liegt eine in der Bügelform und dem laschenförmig umgeschlagenen Achshalter mit einem Pyrmonter Stück (Liste 1,103) vergleichbare Fibel vor. Auch bei den Fibeln der Variante 7 (Liste 1,113-114) weist der Fußanfang eine größere Höhe auf, besitzt jedoch auf der Oberseite eine oder mehrere Kerben. Typisch für die Fibeln der Variante 8 (Liste 1,115-131; Taf. 10,c) ist der mehr oder weniger ausgeprägte Fußdorn, dem ein oder mehrere Querkerben auf der Oberseite vorangehen. Auch der Kopfbereich kann eine oder mehrere Kerben aufweisen. Für die Fibeln mit schwach, wie bei Liste 1,118, oder mäßig ausgeprägten Dornen am Fußanfang liegen Vergleichsstücke vom Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis)511 und aus dem Gräberfeld Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg)512 vor. Die grob gestaltete Einkerbung des Bügelendes von Liste 1,128 läßt sich mit einem Exemplar vom Kastell Zugmantel vergleichen513.

506

507 508 509 510 511 512 513

Entsprechende Fibeln sind aus Preetz (Kr. Plön), Grab 135 (Brandt 1960, Taf. 13,135b), und aus Dänemark bekannt (Typ Ringtved [1989] = Ethelberg5a [1990]). Genrich 1954, Taf. 9Λ3. Böhme 1972, Taf. 23,912. Schön 1988,232. Raddatz 1987, Taf. 17,15. Böhme 1972, Taf. 22,903. Kuchenbuch 1938, Taf. 1,6. Böhme 1972, Taf. 22,900.

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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Variante 9 (Liste 1,132-139; Taf. 10,d) wird durch umgelegte Perldrahtringe charakterisiert, die den Bügel einfassen, somit im Kopf- und Bügelendbereich angebracht sind (Liste 1,132). Ein Teil dieser Pyrmonter Fibeln besitzt einen oder mehrere kleine Dorne am Nadelhalteranfang (Liste 1,132-134), Kerben (Liste 1,135—136) oder nur einen ausgeschwungenen Nadelhalter (Liste 1,137-138). Zu den Formen mit ausgeschwungenem Nadelhalter gibt es einige Vergleichsfunde aus Pritzier (Kr. Ludwigslust; Grab 538-539)514. Aus Rerik (Kr. Bad Doberan) liegt eine Fibel mit mehrkantigem Bügelquerschnitt und Perldrahtringen am Kopf und Bügelende vor. Im Gegensatz zu den übrigen Fibeln scheint sie außerdem noch auf der Oberseite einen längsverlaufenden Perldraht aufzuweisen515. Aus Angeln sind mindestens zwei eher als Form Almgren VII,207 anzusprechende Varianten mit Drahtringen bekannt. Die Fibel aus Husby (Kr. SchleswigFlensburg) Grab 902 besitzt im Kopfbereich zwei umgeschlagene Drahtringe516, ein Exemplar aus Mühlenbrücke (Kr. Schleswig-Flensburg) weist im Kopfbereich zwei Perldrahtringe auf517. Vielleicht handelt es sich bei den Fibeln mit Perldrahtringen um eine mecklenburgische Variante. Ein Vergleichsstück zu einer Fibel mit doppeltem Perldrahtring (Liste 1,136) ist mir nicht bekannt. Eine Sonderform stellt die Fibel Liste 1,139 dar, die nicht nur die vorstehend angesprochenen Ringe besitzt, sondern auch noch über weitere, in gleichmäßigen Abständen am Bügel angebrachte Ringe verfügt; bislang handelt es sich bei dieser Fibel um ein Unikat. Die Fibeln der Variante 10 (Liste 1,140-142) besitzen einen etwa dreieckigen Fuß/Nadelhalter und einen relativ langen, aber eher flachen Bügel. Ahnliche Fibeln sind vor allem von der kimbrischen Halbinsel und aus Mecklenburg bekannt. Vergleichsfunde zu Liste 1,140: Thorsberger Moor (Kr. SchleswigFlensburg)518; nur Nadelhalterform, ansonsten Almgren VII,205/207: Preetz (Kr. Plön), Grab 61519. Ähnlich Liste 1,141: Malente (Kr. Ostholstein)520, Krummensee-Pötterberg (Kr. Ostholstein)521, Pirow (Kr. Prignitz)522. Ähnlich Liste 1,142: Gletschendorf (Kr. Ostholstein), vermutlich Frauen- oder Mädchengrab523.

Schuldt 1955,49 Abb. 220-222. Schach-Dörges 1970, Taf. 44,7. 516 Raddatz 1974. 517 Genriehl954,Taf.23,C2. S1® Raddatz 1957, Taf. 17,7. 519 Brandt 1960, Taf. 27,61b. 520 Jedoch mit dreieckigem Bügelquerschnitt: Genrich 1954, Taf. 27,5. 521 Genrich 1954, Taf. 17,L2. 522 Jedoch mit rhombischem Bügelquerschnitt: Schach-Dörges 1970, Taf. 38,7. 523 Dreifibeltracht, Perlen. Jedoch mit dreieckigem oder rhombischem Bügelquerschnitt: Genrich 1954, Taf. 1 1 ^ 6 . 514

515

174

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Bei den Fibeln der Variante 11 (Liste 1,143-152.154-158) geht der Bügelschwung in den Fuß über. Das Bügelende stellt den Wendepunkt dar. Der Bügelquerschnitt ist meist rhombisch, gelegentlich auch vieleckig oder rund. Vergleichbare Fibeln liegen vor u. a. vom Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis)524, aus Ewijk und Nijmegen (beide NL)525, aus Pritzier (Kr. Ludwigslust), Grab 464, 664 und 678526, Krummensee-Pötterberg (Kr. Ostholstein), vermutlich Grab einer weiblichen Person527, Malente (Kr. Ostholstein)528, Mühlenbrücke (Kr. SchleswigFlensburg)529 und aus dem Thorsberger Moor (Kr. Schleswig-Flensburg)530, aber auch aus Haßleben (Kr. Sömmerda; Streufund)531 und Kostelec na Hane (CZ), Grab 407532. Eine kleine Fibel mit rundem Bügelquerschnitt ist im Kastell Niederbieber (Kr. Neuwied) gefunden worden533. Variante 12 (Liste 1,153.159-175) besitzt auf dem Bügelende bis zu zwei Kerben oder umlaufende Rillen. Vergleichsfunde zu dieser Form sind u. a. im Kastell Zugmantel534 (Hochtaunuskreis) nachgewiesen. Fibeln der Variante 13 (Liste 1,176-188; Taf. ll,a) besitzen im Kopf- und Bügelendbereich mindestens zwei, meist jedoch mehrere umlaufende Rillen oder Kerben. W. Matthes535 hat eine Fibel entsprechender Form aus Rebenstorf (Kr. Lüchow-Dannenberg) publiziert536. Aus Leverkusen-Rheindor^ Grab 54, ist eine Fibel mit ca. zwei umlaufenden Rillen am Bügelende bekannt537, die eine ausgesprochen breite Spirale, eine eiserne Achse mit profilierten Achsendknöpfen besitzt. Die Kombination mit einer Scheibenfibel538 läßt das Grab eines weiblichen Individuums vermuten. Von der Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven) sind aus Körpergrab 12, das eine 60-65jährige Frau barg, vier Bronzefibeln dieser Variante

524 525 526 527

528 529 00 531 532 533 534 535 536

537 538

Böhme 1972, Taf. 23,906.910.912. Haalebos 1986,64 Abb. 24,7.11. Schuldt 1955,49 Abb. 218.223-224. Dreifibeltracht mit zwei Scheibenfibeln und einer Almgren VE, 199 (Genrich 1954, Taf. 17,Fl). Genrich 1954, Taf. 27,6. Genrich 1954, Taf. 23,Cl. Raddatz 1957, Taf. 17,11. Schulz / Zahn 1933, Taf. 11,15. PeSkar 1972, Taf. 20,9. Gechter 1980,607 Abb. 9,3. Böhme 1972, Taf. 22,901.903-904. Matthes 1931, Taf. 14,a. Zur Bügelform und breiten Spirale der Silberfibel Liste 1,177 gibt es ein Vergleichsstück aus Renzow (Kr. Nordwestmecklenburg); jenes besteht allerdings aus Bronze, ist unverziert und besitzt vermutlich einen anderen Bügelquerschnitt (dreieckig?). v. Uslar 1938, Taf. 22,33; 30,10. v.Uslar 1938,227.

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhaltet (Typ 21-29)

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bekannt539. Sie besitzen auf der Oberseite im Kopf- und Bügelendbereich ca. sechs querverlaufende Rillen. P. Ethelbergs Typ 5a540 mit vieleckigem oder hochovalem Ringquerschnitt, Punzverzierung auf der Oberseite541 und seitlich angebrachten Quertillen auf Bügelanfang und -ende dürfte als weitere Ausprägung der vorliegenden Variante angesprochen werden. Die Fibeln der Variante 14 (Liste 1,189-193; Taf. ll,b) besitzen einen hochrechteckigen Bügelquerschnitt, der auch abgerundete oder abgeschrägte Ecken aufweisen kann. An Kopf- und Bügelende befinden sich teilweise je zwei Rillen. Eine Fibel (Liste 1,189; Taf. ll,b) weist beidseits je fünf eingepunzte Kreispunkte auf. Eine ähnliche Verzierung ist bei je einer Fibel aus Rockenthin (Altmarkkreis Salzwedel)542 und Groß Moringen543 (Kr. Stendal) zu finden. Kreispunktverzierungen sind sowohl im Germanischen (häufig auf Knochenkämmen) als auch im Römischen (ζ. B. Bügelknopffibeln544) übliche Verzierungselemente. Ob sie Augen darstellen sollen, ist ungeklärt, doch ihr Auftreten bei Augenfibeln545 könnte auf einen Zusammenhang deuten. Dann wäre auch an eine apotropäische Bedeutung dieses Motivs zu denken546. Die randparallele Verzierung der Fibel Liste 1,191 findet einen Vergleich in Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg)547; von der massiven Form her ähnelt sie einer Fibel aus Schäplitz (Kr. Stendal)548. Die Fibel Liste 1,193 ist aufgrund der Kerbung der oberen Bügelkanten mit entsprechenden Formen aus dem Thorsberger Moor (Kr. Schleswig-Flensburg) zu vergleichen549, auch wenn deren Bügelquerschnitt massiver ist Die bei den meisten Vertretern dieser Form vorhandenen Querrillen an den Seiten vom Bügplende besitzt beispielsweise auch eine Fibel vom Zugmantel (Hochtaunuskreis)550. Der Bügelquerschnitt der Fibel der Variante 15 (Liste 1,194; Taf. 11,c) ist ebenfalls hochrechteckig, weist jedoch beidseitig je einen Zierknopf auf; der Kopfbereich besitzt die größte Dicke (Höhe). Ein genau entsprechendes Vergleichsstück

539 540 541 542 543 544 545 546 547 548

549

550

Schuster 1998, Taf. 7,50-53. Ethelberg 1990,32-33 mit Abb. Typ 6; Form nach Ringtved 1989. Ethelberg 1990,32 Abb. Typ 5a. Kuchenbuch 1938, Taf. 27,10. Leineweber 1997, Taf. 33,3. Meyer 1960, Tab. 1. Vgl die entsprechenden Darstellungen bei Almgren 1923, Gruppe ΙΠ. Ulbert 1959,65. Raddatz 1957, Taf. 17,10. Kuchenbuch 1938, Taf. 6,5. Das Grab enthielt neben der Fibel noch den Griff einer bronzenen Schöpfkelle (a. a. 0.113). Raddatz 1957, Taf. 17,9-10 (besonders letztere weist wie Liste 1,193 Kerben nur im hinteren Bereich auf). Böhme 1972, Taf. 23,907.

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Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

ist mir nicht bekannt. Der schmale und ausgesprochen hochrechteckige Bügelquerschnitt ist jedoch bei einer Fibel aus Zethlingen (Altmarkkreis Salzwedel) zu beobachten551. Die Ausprägung des Achshalters ähnelt der einer Fibel aus Rockenthin (Altmarkkreis Salzwedel)552. Die Fibel der Variante 16 (Liste 1,195; Taf. 11,d) besitzt am Bügelende beidseits je ein Hörnchen, deren Enden sich berühren. Der Nadelhalter ist langgestreckt dreieckig. Auf diese Variante hat bereits O. Almgren hingewiesen und sie als Unikat dargestellt. Daran hat sich m. W. bis heute nichts geändert. Die Ausziehungen finden dagegen Parallelen bei einer Fibel mit hohem Nadelhalter aus dem Gräberfeld Zauschwitz (Kr. Torgau-Oschatz), Grab 25553. Die anthropologische Untersuchung des Leichenbrandes ergab ein eher weibliches Individuum des „jüngsten Erwachsenenalters"554. Nicht unerwähnt darf das verschollene Exemplar einer Fibel Almgren VH,199 bleiben. Es handelt sich um das Geschenk der Stadt Pyrmont an Professor H. Vogt (Liste 1,196). Über Form und Aussehen dieser Fibel ist nichts bekannt555. Auch wenn der Pyrmonter Brunnenfund die größte Zahl und Variationsbreite an Fibeln der Form Almgren VII,199 aufweist, so sind hier nicht sämtliche Möglichkeiten vertreten. So fehlen zweigliedrige Armbrustfibeln der Form Almgren Vn,199 mit dreieckigem Bügelquerschnitt (Variante 17). Diese Form, die dem Typ Mackeprang ΙΠ,3 entspricht, soll typisch für die Stufen Eggers C2-3 sein556. Übereinstimmende Fibeln sind vor allem von der kimbrischen Halbinsel und den dänischen Inseln bekannt557. Auch die Variante 18 mit facettiertem Bügel, wie sie beispielsweise in Malente (Kr. Ostholstein), Grab 14, vorkommt558, ist im Brunnenfund nicht vertreten. Es handelt sich vermutlich um eine typische Form der kimbrischen Halbinsel. Almgren VII,205 (Typ 26) Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, ohne Fuß, mit breitem Bügel der Form Almgren VIE,205 sind im Brunnenfund mit zwei charakteristischen Exemplaren vertreten (Liste 1,199-200; Taf. 12,a).

551 552 50 554 555

556 557 558

Kuchenbuch 1938, Taf. 27,11. Kuchenbuch 1938, Taf. 27,10. Meyer 1969,121-124; 122 Abb. 37,1. Grimm 1969,200. Eine Identifizierung auf der alten Ubersichtsaufnahme aus dem Berliner Album (vgl. Günther / Voss 1880, Taf. 17) war nicht möglich. Lund Hansen 1987,55 Abb. 20. Almgren 1923; Mackeprang 1943; Ethelberg 1986; 1990. Genrich 1954, Taf. 22,C.

Zweigliedrige Annbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

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Die Verbreitung dieser Fibeln entspricht der der Formen Almgren VII, 199 und Vn,207. Zahlreich sind sie vor allem auf dem Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust), wo sie über 49% (30 von 61) der Armbrustfibeln ohne Fuß ausmachen559. Aus dem mährischen Gräberfeld Kostelec na Hani (CZ) sind drei Exemplare bekannt (zwei Fibeln mit breitem Bügel aus Grab 203, eine Fibel mit facettiertem Bügel aus Grab 307)560. Sie kommen ansonsten auch in Nordwestdeutschland, dem Rheinland und am obergermanisch-raetischen Limes vor. In Dänemark sind die Fibeln mit rechteckigem Bügel der Form Mackeprang ΙΠ (1) vorwiegend mit frühen Fibeln vergesellschaftet, nur einmal mit einer Fibel des 4. Jhs.561. P. Ethelberg datiert diese Fibeln aufgrund des Gräberfeldes Hjemsted 2 in die Stufen Clb2 und den frühen Abschnitt von C2562. Auf den anglischen Gräberfeldern von Husby und Sörup I (beide Kr. Schleswig-Flensburg) finden sie sich mit den übrigen Fibeln der Gruppe Almgren VII in einer Zone563. Auf dem Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) sind vier Gräber mit Fibeln der Form Almgren VII,205 und ihre Varianten bekannt (Grab 61, 109, 112, 150). Sie liegen in den Gräberzonen 2-3 und datieren in die Stufen Clb (Grab 61) und C2, dort sowohl in den älteren (Grab 109, 112) als auch den jüngeren (Grab 150) Bereich. Vergesellschaftungen mit anderen Fibeln sind allgemein selten und teilweise wenig aussagekräftig. In Pritzier (Kr. Ludwigslust) ist sie mit einer Fibel mit schmalem, umgeschlagenem Fuß (VI,1 Serie 2 nach E. Schuldt)564 vergesellschaftet, was eher für eine frühe Datierung spricht. Dort sind sie vorwiegend im Horizont Α vertreten, den E. Schuldt in das 3. Jh. datiert. Die Seriation nordwestdeutscher Grabfunde (Kap. 7) legt eine Datierung in das frühe C2 nahe. Funde aus den römischen Kastellen Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis)565 und Zugmantel (Hochtaunuskreis)566 datieren diese Fibeln vor den Limesfall von 259/260 n. Chr.567. Anthropologische Untersuchungen von Gräbern, die Fibeln der Form Almgren Vn,205 enthalten, sind selten. Eines dieser raren Beispiele ist Grab 339 aus Süderbrarup (Kr. Schleswig-Flensburg), das die Reste eines spätmaturen Mannes (M>W) enthielt. Die Gräber 505, 745, 923 aus Husby und 61, 182, 261, 461 aus Sörup I (beide Kr. Schleswig-Flensburg) sind aufgrund einer von K. Raddatz

559 560 561 362 563 564 565 566 567

Schuldt 1955,48. Peäkar 1972, Taf. 20,8.10.12. Mackeprang 1943, 8. Ethelberg 1991,568 Abb. 13. Raddatz 1981. Schuldt 1955, 51. Schumacher 1929, Taf. 6,4. Böhme 1972, Taf. 23,913. Schönberger 1986,480-481.

178

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

publizierten Kombinationstabelle der Grabbeigaben eher als Männerbestattungen aufzufassen568. Grab 150 aus Preetz (Kr. Plön) enthielt den Leichenbrand einer adulten Frau569. Neben einem Exemplar Almgren VII,205 waren ihr zwei Fibeln mit festem Nadelhalter (etwa Almgren VI,179) mitgegeben worden570. Auch in Pritzier (Kr. Ludwigslust) könnte die Dreifibelbeigabe als ein weibliches Merkmal interpretiert werden. Auf letztgenanntem Gräberfeld ist die Zweifibelbeigabe zwar deutlich stärker vertreten als im übrigen Verbreitungsgebiet der Form Almgren VII,205. Insgesamt überwiegt jedoch die Einfibelbeigabe. Reich ausgestattete Gräber sind in Pritzier selten, doch sind sie im Vergleich mit anderen jüngerkaiserzeitlichen Grabfunden nicht als ärmlich zu bezeichnen571. Auffallend ist der Befund, daß nur in den Kindergräbern572 dieser Typ paarweise nachgewiesen wurde. Bemerkenswert ist weiterhin, daß sich die Zahl der Gräber von Erwachsenen (n=9) und Kindern (n=8) mit entsprechender Fibelbeigabe fast entspricht. Dies ist bei der absolut gesehen geringen Zahl der mit Fibeln ausgestatteten Kindergräber573 ein signifikanter Befund. Aufgrund dieser Erkenntnisse sind lokale bzw. regionale Fibeltragesitten zu vermuten, wo Fibeln der Form Almgren VII,205 vom einen oder anderen Geschlecht bevorzugt verwendet wurden (Angeln: Männer, Holstein: Frauen, Mecklenburg: Frauen und Männer?). Aus dem jütländischen Gräberfeld Hjemsted (DK) sind einige Körpergräbers74 bekannt geworden, die auch Fibeln der Form Almgren VII,205 enthielten. Zumindest eins von ihnen erlaubt Aussagen zur Trageweise: In Grab 16805 lagen die beiden Fibeln Almgren VII,205 jeweils im Schulterbereich, zwischen ihnen eine Scheibenfibel575. Außer im Pyrmonter Brunnenfund ist auch im Opfermoor von Vimose (DK) eine Fibel der Form VE,205 belegt576.

568 569 570 571

m 573 574 575 m

Raddatz 1981. Schaefer 1960. Brandt 1960, Taf. 26,150. Gräber mit 5-9 Beigaben sind in Pritzier (Kr. Ludwigslust) häufiget als solche mit weniger Beigaben. Grab 694,719,723,1682 (Schuldt 1955,48). 67 von 288 Gräbern. Grab 297,16805,16810,16816 (Ethelberg 1990). Ethelberg 1990,183 Abb. Almgrenl923.234BeU.nl.

Zweigliedrige Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

179

Almgren VII,207 (Typ 27) Zweigliedrige Armbrustfibel mit hohem Nadelhalter - ohne Fuß - der Form Almgren VII,207 (=Mackeprang Π^2) sind im Pyrmonter Brunnenfund mit fünf Exemplaren vertreten (Liste 1,201-205; Taf. 12,b). Diese Fibeln sind vor allem auf den dänischen Inseln, Jütland, Angeln und Holstein, Mecklenburg und der Altmark verbreitet. Gelegentlich kommen sie in Nordwestdeutschland vor, im Rheinland und am Limes, östlich bis nach Pommern, südöstlich bis nach Mähren (Kostelec na Hane, CZ)577. Auf dem Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) ist eine Bestattung mit einer Variante Almgren VII ,205/207 in der Gräberzone 3 vorhanden578. Sie datiert in den frühen Abschnitt der Stufe Eggers C2. Dort sind nur Fibeln der Form Almgren VQ,206 mit Almgren VH, Serie 2 vergesellschaftet (Grab 116)579. In Pritzier (Kr. Ludwigslust) sind Fibeln der Form Almgren VII,207 meist mit formgleichen Exemplaren vergesellschaftet, in einem Fall (Grab 593) mit einer Fibel mit umgeschlagenem Fuß (Almgren VI,162var.). In der Seriation jüngerkaiserzeitlicher Gräber Seelands konnte U. Lund Hansen eine zeitliche Differenzierung zwischen den Gräbern mit Fibeln der Form Mackeprang ΙΠ,Ι (Almgren VII,205), TU,2 (Almgren VII,207) und ΙΠ,3 (Almgren VII,199 und Varianten) herausarbeiten. Demnach gehören die Fibeln Mackeprang ΙΠ,2 in die jüngere Phase von Clb580. Μ. B. Mackeprang berichtet bei seinem Typ ΙΠ,2 (=Almgren VII^07) von Vergesellschaftungen mit Armbrustfibeln mit abgeschnittenem Fuß (Mackeprang II = Almgren VH, Serie 2) und Mackeprang IV (=Almgren VH,219)581; gelegentlich ist er mit späteren Formen (Mackeprang VIII und X) kombiniert582. P. Ethelberg nimmt für die Fibeln der Form Mackeprang ΙΠ,2 und Almgren VH,207 eine unterschiedlich lange Laufzeit an583: erstere gehören seiner Meinung nach in die Stufen C1 bl/2, letztere in die Stufe C2 und fraglich in den frühesten Abschnitt von C3 („Raa Melle-Horizont"). Aufgrund von dendrochronologisch untersuchten Hölzern aus Hjemsted (DK) ist das Ende der Stufe C2 um 300/310 n. Chr. anzusetzen584, was ein Weiterlaufen jener Fibeln bis in den Beginn des 4.Jhs. bedeuten würde. In unserer Seriation von Grabfunden vorwiegend aus Norddeutschland sind die Fibeln Almgren Vü^207 in ein frühes C2 zu setzen (Kap. 7).

577 578 579 580 581 582 583 584

Grab 309: PeSkar 1972,27; Taf. 20,11. Brandt 1960, Taf. 12,111. Brandt 1960, Taf. 24,116. Lund Hansen 1987,55 Abb. 20. Beide datieren nach U. Lund Hansen (1987,55) in den älteren Abschnitt der Stufe Clb. Mackeprang 1943,8. U. Lund Hansen (1987,55) datiert Mackeprang X in die Stufe C2/3. Ethelberg 1991, 568 Abb. 13. Ethelberg 1990,122.

180

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Direkte Aussagen zur Trageweise dieser Fibeln sind nur bei einigen Körpergräbern aus Jütland möglich. Demzufolge wurden sie entweder einzeln auf der rechten Schulter585 oder beidseitig getragen586. Oftmals finden sich zwischen den Fibeln zahlreiche Perlen, die eine Kette belegen. Die norddeutschen Gräber mit Fibeln der Form Almgren VII,207 weisen eine relativ einheitliche, geringe Beigabenzahl auf587. Im Gegensatz zu Pritzier (Kr. Ludwigslust), wo die Gräber mit zwei oder mehr Fibeln vorherrschen588, ist im übrigen Norddeutschland ein Überwiegen von Einzelfibeln589 zu beobachten. Der Bestattungsplatz Leverkusen-Rheindorf unterscheidet sich in seiner Beigabensitte deutlich von den norddeutschen Gräberfeldern, in denen Fibeln der Form Almgren VII,207 und Varianten vertreten sind. Die Gräber 80 und 95 590 zeigen ausgesprochen reiche Inventare mit zahlreichem Import und Silberobjekten. Dies ist auffällig, denn die anderen Gräber aus Leverkusen-Rheindorf mit Fibeln der Gruppe Almgren VII sind weniger beigabenreich ausgestattet (5-9 Beigaben). Ähnlich wohlhabende Bestattungen liegen aus Jütland vor (Hjemsted, DK), die vor allem durch zahlreiche Perlenfunde sowie Silberbeigaben herausragen591, jedoch wenig Import aufweisen. Betrachten wir zum Schluß noch die Frage der Geschlechtsbestimmung der Träger dieser Fibeln. Anthropologische Untersuchungen der mit entsprechenden Stücken versehenen Bestattungen sind mir nicht bekannt geworden. So liegen nur wenige archäologische Anhaltspunkte zur Klärung dieser Frage vor. In Husby (Kr. Schleswig-Flensburg) legt die Vergesellschaftung der Fibeln mit breiten gebogenen Messern (Rasiermesser [?]) eine Bezeichnung als Männergräber nahe. Die zahlreichen Perlenbeigaben der jütischen Gräber lassen dort eher Frauenbestattungen vermuten. Ahnliches ist auch für das Grab aus Egeln (Kr. AscherslebenStaßfurt)592 und vor allem für die Gräber mit mehr als zwei Fibeln zu vermuten. Der Spinnwirtel aus Kyritz Π (Kr. Ostprignitz-Ruppin), Grab 12, zeigt an, daß die Fibel Almgren VII,207 aus einem Frauengrab stammt593. Aus Pritzier (Kr. Ludwigslust) ist ein Kindergrab mit einer solchen Fibel belegt594.

585 586 587

588 589 590 591 592 393 594

Im Bereich der rechten Schulter: Hjemsted (DK), Grab 16811 (Ethelbeig 1990,1.91 Abb.). Auf beiden Schultern: Hjemsted (DK), Grab 319 (Ethelberg 1986). 1 - 4 Beigaben: 15 Gräber, 5-9 Beigaben: 1 Grab (Norddeutschland ohne Pritzier, Kr. Ludwigslust). Schuldt 1955. 1 Fibel: 15 Gräber, 2 Fibeln: 1 Grab (Norddeutschland ohne Pritzier, Kr. Ludwigslust). v. Uslar 1938,229-230. Ethelberg 1986; 1990. Schulz 1952. Matthes 1931a, 90. Grab 651 (Schuldt 1955).

Zweigliedrige Annbrustfibeln mit hohem Nadelhalter (Typ 21-29)

181

Almgren VII, Serie 4 (Typ 28-29) Von der Almgren'schen Serie 4 der zweigliedrigen Armbrustfibeln mir hohem Nadelhalter sind zwei Tyen vorhanden. Almgren Vü,208 (Typ 28) Nur ein Exemplar der zweigliedrigen Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter der „monströs entwickelten Form" Almgren VII,208 ist im Pyrmonter Brunnenfund vertreten (Liste 1,206; Taf. 12,c). Fibeln dieser Form sind vor allem in Angeln, Holstein und der Altmark verbreitet. Einzelnachweise stammen aber auch aus Norwegen, dem Rheinland und den Niederlanden. Eine Mischform Almgren VII,198/208 wurde in Grab 29 des Gräberfeldes Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) gefunden595. Sie war mit einer Kniefibel Almgren V,141 vergesellschaftet Grab 71 aus LeverkusenRheindorf enthielt neben einer Bronzefibel Almgren VII,208 u. a. auch eine Terra Sigillata-Scherbe, die um 180 n. Chr. datiert wurde, die germanische Keramik aus dem Grab dürfte nach Ansicht R. v. Uslars nur wenig jünger sein596. Damit datieren diese Fibeln in die Stufe Cla. Geschlechts- und Altersbestimmungen liegen nur für zwei Gräber vor. Der adult-mature Mann (M>W)597 aus Süderbrarup (Kr. Schleswig-Flensburg), Grab 279, war mit einer Fibel Almgren VII,208/198 versehen598. Grab 29 aus Porta Westfalica-Costedt (Kr. Minden-Lübbecke) enthielt den Leichenbrand einer adulten Frau (W>M)599. Die Tote war mit zwei Fibeln ausgestattet. Unter den wenigen Grabfunden herrscht eine relative Beigabenarmut vor600. Aussagen zur Trageweise dieser Fibeln sind nicht zu treffen. Aus dem Thorsberger Opfermoor (Kr. Schleswig-Flensburg) sind zwei Fibeln der Form Almgren VII,208 bekannt, darunter das von O. Almgren als typbildend herausgestellte Exemplar601. Almgren VH,209 (Typ 29) Die beiden zweigliedrigen Armbrustfibeln mit hohem Nadelhalter, „monströs entwickelte Form" Almgren Vü,209 gehören zu den auffalligsten im Pyrmonter Brunnenfund vertretenen Formen (Liste 1,207-208; Taf. 12,d).

595 596 597 598 599 400 601

Teegen et al. 1996. Dies ist damit der zweite Nachweis aus dem Weserbergland. v. Uslar 1938,108. Wahl 1988. Bantelmann 1988. Hummel 1996. 1 - 4 Beigaben: 2 Gräber, 5-9 Beigaben: 2 Gräber. Raddatz 1957, Taf. 16,3-4; Raddatz 1987a, 136 Nr. 275-276.

182

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Fibeln dieser Art kommen nach O. Almgren außer im Pyrmonter Brunnenfund vorzugsweise in Schleswig-Holstein und dort vor allem in Angeln (Thorsberger Moor, Kr. Schleswig-Flensburg) vor. Ein fragliches Stück soll aus Norwegen stammen602. In der Altmark sind sie mehrfach belegt, allerdings nur als Einzelfunde603. Bemerkenswert ist ein Stück aus Mechau (Altmarkkreis Salzwedel) mit scheibenförmigen Achsendringen604, das seine nächste Entsprechung im Thorsberger Moorfund (Kr. Schleswig-Flensburg) besitzt605. Eine Fibel der Form Almgren VII,209 stammt aus der kaiserzeitlichen Siedlung Gleichen (Schwalm-Eder-Kreis) in Nordhessen606, zwei weitere Fibeln wurden im Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) gefunden607 und eine weitere im großen Gräberfeld Leverkusen-Rheindorf608. Der räumlich zu Pyrmont nächste Fund kam kürzlich in Müllingen (Kr. Hannover) zutage (Bügel einer Fibel Almgren VII,209)609. O. Almgren hat diesen Fibeltyp im Rahmen seiner Gruppe VH in das 3. Jh. n. Chr. datiert610. In den wenigen Grabfunden (Rheindorf, Grab 267; Variante: Husby [Kr. Schleswig-Flensburg], Grab 537) liegt diese Fibel stets als Einzelfibel vor, so daß Aussagen über Fundkombinationen nicht möglich sind. Durch die Funde aus dem Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) liegt jedoch ein ungefährer terminus ante quem vor, denn das Kastell wurde um 260 n. Chr. aufgegeben611. Brandgrab 267 aus Leverkusen-Rheindorf wird durch die darin gefundene Terra Sigillata in das 2. Jh. bis Mitte 3. Jh. n. Chr. datiert612. Damit existiert aufgrund des römischen Imports und absolut zeitbestimmter Plätze eine sichere Datierung dieses Fibeltyps vor Mitte des 3. Jhs. An der Datierung in die Stufe Eggers C1 kann damit keinerlei Zweifel bestehen613. Die Sedation kaiserzeitlicher Grabfunde läßt eine Datierung in die Stufe Cl a wahrscheinlich erscheinen (Kap. 7). Aussagen über Träger und Trageweise sind schwierig zu treffen. Grab 267 aus Leverkusen-Rheindorf beinhaltet keine geschlechtsbestimmenden Merkmale, der

602 603 404 405 606 607 608

609

610 611 6,2 613

Almgren 1923,96. Leineweber 1997,66; Liste 53; Taf. 32,9. Kuchenbuch 1938,76 Liste 5a; Taf. 26,21. Raddatz 1957, Taf. 16,14; 1987a, 137 Nr. 286. Mildenberger 1972,93-94; Taf. 7,27. Sie waren O. Almgren noch nicht bekannt v. Petrikovits / v. Uslar 1950, 176 Abb. 22,33; 183. Vom Niederrhein sollen weitere Stücke bekannt sein: v. Uslar 1938,108 f. Variante mit geschwungenem, massivem Bügel und langem Nadelhalter (Cosack 1994, 111 Nr. 66; 112 Abb. 10,66). Almgren 1923,98. Schönberger 1986,461. v. Petrikovits / v. Uslar 1950,180. Vgl. auch Raddatz 1957,109.

Scheibenfibeln (Typ 30-31)

183

Leichenbrand ist nicht untersucht. Grab 537 aus Husby (Kr. Schleswig-Flensburg), das eine Variante der Form Almgren VII,209/196/195 enthält, könnte aufgrund der Pinzettenbeigabe mit aller Vorsicht eventuell als Bestattung eines männlichen Individuums gedeutet werden. Dies könnte mit dem Auftreten dieser Fibelform im römischen Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) korreliert werden. Da jedoch nur bei wenigen Funden bekannt ist, ob sie im Lager oder im Vicus gefunden wurden614, sind entsprechende Aussagen nur als vorläufig zu betrachten. A. Böhme nimmt für die Fibeln der Kastelle Saalburg und Zugmantel (beide Hochtaunuskreis) an, daß „mehr als 80% der Spangen von Männern und knapp 20% von Frauen" getragen wurden615. Die Funde aus Grab 267 in Leverkusen-Rheindorf und Husby (Kr. Schleswig-Flensburg), Grab 537, deuten darauf, daß diese Fibeln einzeln getragen wurden. Im Thorsberger Moorfund (Kr. Schleswig-Flensburg) sind zehn Exemplare dieses Typs vorhanden616. Damit stammt die größte Zahl der Funde aus den Heiligtümern von Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg) und Pyrmont.

6.13 Scheibenfibeln (Typ 30-31) Zu den bekanntesten Objekten des Pyrmonter Brunnenfundes gehören die vier Scheibenfibeln. Sie sind in der Literatur bereits vielfach publiziert worden (Liste 1,209-212; Taf. 13), doch erst mit der Neubearbeitung des Brunnenfundes wurden diese herausragenden Stücke näher untersucht617. Germanische Tierscheibenfibeln (Typ 30) Mit den tiergestaltigen Scheibenfibeln hat sich neben O. Almgren618 und F. Kuchenbuch619 vor allem S. Thomas620 befaßt, die fünf Serien unterscheiden konnte, von denen hier nur Eber (Ser. 1), Hund oder Wolf (Ser. 4) und Hase (Ser. 5) interessieren. Alle drei Tierfibeln aus Pyrmont weisen den gleichen Aufbau auf. Sie bestehen aus einer in der Regel gegossenen Grundplatte, auf deren Unterseite sich ein Steg

614 615 616 617

i18 6,9 620

Böhme 1972,6. Böhme 1972,47. Raddatz 1957,109; Taf. 16; 1987a. Untersuchungs- und Vorberichte: Pendel / Meier 1988; Fendel et al. 1989; Fendel / Teegen 1990. Almgren 1923,100; Fig. 229. Kuchenbuch 1938. Thomas 1967,62-63 (Typ F).

184

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

befindet, der Achs- und Nadelhalter miteinander verbindet. Die Silberauflage ist mit der Grundplatte durch eine Lotschicht verbunden. Die Zusammensetzung der einzelnen Schichten konnte bereits geklärt werden621. Die eigentliche Fibelkonstruktion besteht bei den drei Pyrmonter Exemplaren aus unterschiedlichen Legierungen: Kupfer (Hund; Liste 1,211), Bronze (Eber; liste 1,209) und Messing (Hase; Liste 1,210). Die Lotschicht setzt sich bei der Eberfibel aus reinem Zinn zusammen, ansonsten aus einem Zinn-Blei-Lot. Für die treibziselierten reliefierten Tierdarstellungen wurde relativ reine Silberfolie verwendet. Vom Stilistischen und von der Bearbeitungstechnik der Silberauflagen her gesehen, ist damit zu rechnen, daß sie von gleicher Hand hergestellt wurden. Daher sind sie als ungefähr gleichzeitig anzusehen. Ikonographisch bemerkenswert ist die Tatsache, daß alle drei Tiere stilisierte Halsringe aufweisen. Bislang liegen außerhalb des Brunnenfundes nur sehr wenige Tierscheibenfibeln vor, die direkt mit den Pyrmonter Exemplaren vergleichbar sind, d. h. eine silberne Blechauflage tragen. Die eine Fibel stammt aus dem jütländischen Waffenopferfund von Illerup Adal (DK)622. Dargestellt ist ein Adler. Bislang ist von jenem Stück allerdings nur eine Zeichnung publiziert worden, so daß sich nicht sämtliche Einzelheiten, insbesondere technische Details, erkennen lassen. Vermutlich handelt es sich ebenfalls um eine Sandwichkonstruktion wie im Fall Pyrmont. Das andere Stück stammt aus Dambach (Kr. Ansbach)623. Die Fibel wurde im Bereich des dortigen römischen Vitus gefunden und von der Prähistorischen Staatssammlung, München, angekauft, ist jedoch bislang unpubliziert. Dargestellt ist ein sich-umblickendes-Tier, das einen Halsring trägt und keine primären Geschlechtsmerkmale aufweist. Reste einer Silberpreßblechauflage trägt auch eine Tierscheibenfibel (Hund?) vom Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis)624. Außer den vorstehend genannten Exemplaren sind die meisten Stücke aus Gräbern bekannt. Wegen der vorherrschenden Brandbestattungssitte sind sie im allgemeinen mit dem Toten auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden, so daß meist nur noch ihre Grundplatte einigermaßen erhalten blieb. Daher ist die Frage problematisch, ob andere tiergestaltige Scheibenfibeln eine entsprechende Silberblechauflage besaßen oder nicht625.

621

622 623 624 625

Anemüller 1988; 1989 und unpublizierte Befunde. Herrn Dr. U. Anemüller, Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover, gilt herzlicher Dank für die Durchführung der Analysen. Ilkjser / Lanstrop 1983,113 Abb. 14. Pers. Mitt. von Herrn PD Dr. C. v. Carnap-Bornheim, Universität Marburg. Böhme 1972,108 Nr. 1064; Taf. 28,1064. Lotschicht und Silberfolie sind korrosionsanfällig und können schon durch das Liegemilieu stark geschädigt sein. Weiterhin sind Altrestaurierungen zu berücksichtigen (ζ. B. Säurebehandlung).

Scheibenfibeln (Typ 30-31)

185

Tierscheibenfibeln sind vornehmlich in der Altmark, im Wendland und im Mittelelbe-Saale-Gebiet verbreitet. Eine weitere Konzentration dieser Fibeln ist elbaufwärts in Böhmen zu beobachten626. Gelegentlich kommen sie auch in Jütland (Illerup Ädal, DK), Holstein (Preetz, Kr. Plön), im Rheinland (Troisdorf, Rhein-Sieg-Kreis), am obergermanischen Limes (Saalburg, Hochtaunuskreis) und in Unterfranken vor627. Aufgrund von Fundkombinationen vorwiegend aus Mitteldeutschland628 sowie chorologischen Befunden629 datieren die tiergestaltigen Scheibenfibeln in die Stufe Eggers Cla 630 . Eberfibel (Typ 30.01) Kaiserzeitliche Tierscheibenfibeln in Form eines Ebers631 sind in der archäologischen Literatur bereits des öfteren behandelt worden, so von F. Kuchenbuch632, J. Werner633 und S. Thomas634. Diese Fibeln sind vornehmlich in der Altmark und dem Wendland635 sowie dem Saale-Unstrut-Gebiet verbreitet636. Das westlichste Stück des Hauptverbreitungsgebietes stammt aus der kaiserzeitlichen Siedlung von Salzgitter-Lobmachtersum637. Eine weitere Konzentration der Eberfibeln ist elbaufwärts in Böhmen zu beobachten638. Gelegentlich kommen sie außerdem in Thüringen639 und Unterfranken vor640. Der Fund von Pyrmont (Liste 1,209; Taf. 13,a) liegt demzufolge außerhalb des eigentlichen Verbreitungsgebietes641. Einzelfunde stammen aus Schleswig-Holstein642 und Schweden643.

424 427 428 429

630

431 432 433 434 435 434 437 438 439 440 441 442 443

Svoboda 1948 zitiert nach Werner 1966. Thomas 1967; Böhme 1972; Joachim 1987. Keller 1974,264-265. Auf dem Gräberfeld Preetz (Kr. Plön) enthält Grab 32 eine EberfibeL Dies liegt in der Gräberzone 1, die von J. Brandt (I960, Kar« A.I) in die Stufe Cla datiert wird Entsprechendes ergab F. Siegmunds (1996, Beil. 1) Seriation einiger nordwestdeutscher Gräberfelder. Dort liegen die germanischen Scheibenfibeln im älteren Abschnitt der Stufe C1, jedoch deutlich von der Übergangsphase B2/C1 getrennt Auf den Symbolgehalt des Ebers wird unten kurz eingegangen. Kuchenbuch 1938. Werner 1966. Thomas 1967. Kuchenbuch 1938; Thomas 1967; Leineweber 1997,69. Kuchenbuch 1938; Thomas 1967; Ergänzungen: Becker 1996. Stelzer 1959; 1960. Svoboda 1948 zitiert nach Werner 1966. Erfurt (Schnellenkamp 1940,261 Abb. 1); Wechmar, Kr. Gotha (Kaufmann 1984, Taf. 24; 37). Rosenstock 1992,188 Abb. 3,22. Nicht jedoch aus dem Gesamtverbreitungsgebiet von Tierscheibenfibeln (vgl. Thomas 1967). Preetz, Kr. Plön (Brandt 1960, Taf. 7,32). Thomas 1967, Kat. 67.

186

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Diese Fibeln datieren überwiegend in die Stufe Cla 644 . Die Kombination mit einer Fibel mit hohem Nadelhalter der Form Almgren VII, 195 in Cheine (Altmarkkreis Salzwedel) läßt eine Einordnung in Stufe C1 zu645. Ob Eberfibeln auch noch am Beginn von C2 getragen wurden, läßt sich nicht sicher belegen, doch nimmt R. Leineweber dies für manche Eberfibeln aus der Altmark an646. M. Becker647 datiert die paarweise ins Grab gelangten Eberfibeln von Wetzendorf (Burgenlandkreis) in die Stufe C2. Eine paarweise Mitgabe von Eberfibeln ist in Mitteldeutschland nicht ungewöhnlich648. In etwa zwei Drittel der untersuchten Stichprobe überwiegen allerdings Gräber mit Einfibelbeigabe649. In den Gräbern mit Zweifibelbeigabe liegt jeweils ein Paar Eberfibeln vor. Von den zwei Gräbern mit drei Fibeln enthielt eins ein Paar650. Erstmals machte J. Werner ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die im Grabzusammenhang gefundenen Eberfibeln ausschließlich aus Frauenbestattungen stammen651. Von zehn Gräbern aus der Altmark ist aufgrund der Ausstattung nur eines einem Mann zuzuordnen. Unter den wenigen anthropologisch untersuchten Bestattungen befindet sich auch ein Kind der Altersstufe infans II652. DessauGroßkühnau, Grab 5653, enthielt ein geschlechtsunbestimmtes, matures Individuum mit einer Eberfibel und insgesamt sechs Beigaben. Grab 46 aus Großbadegast (Kr. Kothen)654, ein anthropologisch nicht geschlechtsbestimmbares matures Individuum, das allerdings typisch weibliche Beigaben mitbekommen hatte, führte unter den 10 Beigaben zwei Eberfibeln. Die mature Frau655 aus Grab 67 in

644 645 646 647 648

649 650 651

652 653 654 655

Brandt 1960, Karte A.I; Keller 1974,264-265. Kuchenbuch 1938; zu den Datierungen der Fibeln Almgren VII,195 s. o. Leineweber 1997 und pers. Mitt. (Februar 1998). Becker 1996,37. Vgl. ζ. B. Großbadegast (Kr. Kothen), Grab 46 (Laser 1965, 133; 139 Nr. 115; Thomas 1967, Kat 90); Merseburg (Kr. Merseburg-Querfurt), Fdpl. I, Grab 27 (Thomas 1967, Kat 122-123); nach der Neuaufnahme durch M. Becker (1996, Taf. 44,4-5 und pers. Mitt.) handelt es sich nicht um ein identisches Paar, Sömmerda (Kr. Sömmerda), Fdpl. 1 (fraglich; Mildenberger 1970, Taf. 28A); Wetzendorf (Burgenlandkreis), Grab 3 (cave: vermischter Komplex; Becker 1996,111-112; Taf. 84,5-6). 9 von 13 untersuchten Gräbern. Leineweber 1997,69. Werner 1966, 13. Er stützte sich seinerzeit hauptsächlich auf die von F. Kuchenbuch (1938) und B. Svoboda (1948) publizierten Inventare aus der Altmark und Böhmen, bei denen es sich um Urnenbestattungen handelte. Leineweber 1997,69. Laser 1965,51 Kat 52/5; Taf. 5,5. Laser 1965,133; 139 Nr. 115. Grimm 1969,212.

Scheibenfibeln (Typ 30-31)

187

Zauschwitz (Kr. Torgau-Oschatz)656 enthielt als einzige Beigabe eine Eberfibel. Die wenigen anthropologischen Untersuchungen könnten vermuten lassen, daß Eberfibeln anscheinend vorwiegend von maturen Frauen getragen wurden657. Die gelegentlich deutlich ausgeprägten Abnutzungsspuren könnten ebenfalls auf ein fortgeschrittenes Alter der Trägerinnen oder auf Erbstücke weisen. Den einzigen Hinweis auf die Trageweise bietet die o. g. Körperbestattung aus Zauschwitz (Kr. Torgau-Oschatz)658. Die Fibel stellte die einzige Beigabe dar659 und lag anscheinend im Bereich bzw. über der linken Brust660. Hasenfibel (Typ 30.02) Tierscheibenfibeln in Form eines Hasen sind aus Germanien nur aus Pyrmont bekannt (liste 1,210; Taf. 13,b)661. Dargestellt ist ein männliches Tier. In den römischen Provinzen sind hasenförmige Scheibenfibeln weit verbreitet662. Der römische Agrarschriftsteller Varro beschreibt die Fruchtbarkeit und Vermehrungsfreudigkeit der Hasen663. Sein Vorkommen auf britanno-römischen Grabsteinen wird als „Symbol für Fruchtbarkeit und Fülle des Lebens im Jenseits" interpretiert664. Sich-umblickendes-Tier (Hund) (Typ 30.03) Die Fibel aus Pyrmont (liste 1,211; Taf. 13,c), die ein sich-umblickendes-Tier zeigt, kann ohne Bedenken als Darstellung eines männlichen Hundes interpretiert werden. F. Kuchenbuch beschreibt aus Mechau (Kr. Salzwedel) eine bronzene Tierscheibenfibel, von der er annimmt, daß sie wahrscheinlich einen Hund oder Wolf darstellen soll665. Die Umrißform der Fibel ähnelt dem Pyrmonter Exemplar. Das Stück wurde von S. Thomas zeichnerisch dokumentiert und zeigt ein männliches 656 657

at 659 460 661 662

663 664 665

Meyer 1969. Dies könnte auch fur andere Tierscheibenfibeln zutreffen (s. u.) wie Troisdorf (Rhein-SiegKreis), Grab 53, andeutet (Joachim 1987; Wittwer-Backofen 1987). Meyer 1969,183, Abb. 85. Entsprechendes ist aus dem Körpergrab 1 aus Erfurt belegt (Schnellenkamp 1940). Meyer 1969,183 Abb. 85. Thomas 1967,63. Vgl. ζ. B. 28 Hasenfibeln aus Österreich: Matouschek / Nowak 1981-82, 131-132; weitere Funde: Matouschek / Nowak 1985-86. NachToynbee 1983,188. Toynbee 1983,190. Aus den Gräberfeldern Cheine und Zethlingen (beide Altmarkkreis Salzwedel) sind mehrere Fibeln bekannt, bei denen F. Kuchenbuch (1938,92 Liste 14) sich nicht fesdegen mochte, ob es sich um Hunde- oder Hasenfibeln handelt Da diese Fibeln nicht abgebildet sind, können keine weiteren Aussagen getroffen werden.

188

Die Fluide (Originale undfraglicheStücke)

sich-umblickendes-Tier666. Aus Cheine (Altmarkkreis Salzwedel) ist eine Scheibenfibel bekannt, bei der nicht zwischen Hund oder Hase unterschieden werden konnte667. Wie oben bereits erwähnt, ist eine Tierscheibenfibel in Form eines Tieres mit geradeaus schauendem Kopf vom Zugmantel (Hochtaunuskreis) bekannt668. Das Exemplar läßt sich als Hundefibel bezeichnen. Bislang scheint dazu kein weiterer Vergleichsfund bekannt geworden zu sein. Dieser Fund ist auch der einzige, für den ein absolutchronologischer terminus ante ^»«/»vorliegt. Die Fibel dürfte vermutlich vor 260 n. Chr., der Aufgabe des Kastells Zugmantel (Hochtaunuskreis)669, in den Boden gelangt sein, also in der Stufe Eggers Cl. Durch Vergleiche mit anderen Tierscheibenfibeln gehört sie wahrscheinlich in die Phase Cla. Indirekt mit der Pyrmonter Fibel vergleichbar, ist die bekannte Scheibenfibel von Tangendorf (Kr. Harburg)670, auf der ein sich-umblickendes-Tier dargestellt ist. Aus der kaiserzeitlichen Nekropole Troisdorf-Sieglar (Rhein-Sieg-Kreis) wurde eine Tierscheibenfibel bekannt. Sie ist in Form eines sich-umblickenden-Tieres gestaltet und wurde in Grab 53 zusammen mit einer runden Scheibenfibel671, einem Spinnwirtel, Resten von mindestens zwei Keramikgefaßen und Terra Sigillata-Fragmenten sowie verschmolzenen Bronzeresten gefunden. H.-E. Joachim datiert das Grab in die Stufe Cla672. Die Spinnwirtelbeigabe deutete bereits auf eine Frauenbestattung. Dies wurde durch die anthropologische Untersuchung des Leichenbrandes bestätigt, die eine über 50 Jahre alte Frau ergab673. Im Gegensatz zu den vergleichsweise wenigen Exemplaren aus Germanien sind in den römischen Provinzen Hundefibeln beliebt674. Reiterfibel (Typ 31) Im Pyrmonter Brunnenfund ist auch eine Scheibenfibel in Form eines Reiters vorhanden (Liste 1,212; Taf. 13,d). Als Nachbildung ist sie in mehreren Museen vertreten und außerdem seit Jahren als bronzene und silberne Replik im Handel (Liste 2,39-40a).

666

667 668 649 670 671 672 673 674

Thomas 1967, Abb. 25,1. Das Stück wurde von ihr jedoch als „Hindin" (Hirschkuh) bezeichnet. Entsprechend wird es bei R. Leineweber (1997, 244) klassifiziert Die publizierte Abbildung spricht jedoch dagegen. Leineweber 1997, 209. Böhme 1972, Taf. 28,1064. Schönberger 1986,461. Drescher 1955. Joachim 1987, Taf. 23,6-7. Joachim 1987,13 ff. Wittwer-Backofen 1987,56 Tab. 1. v. Patek 1942; Matouschek / Nowak 1981-82; 1985-86.

Scheibenfibeln (Typ 30-31)

189

Die Metallanalyse des Originals675 ergab eine Bleibronze mit einem einprozentigen Zinkanteil (Blei-Zinn-Messing676 bzw. Gußbronze677). Die silbrig-grauen Auflagen konnten noch nicht analysiert werden, jedoch blieb ein Silbertest negativ678. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Verzinnung . Im Gegensatz zur Vermutung R. Ludwigs, der die Reiterfibel als „offenbar aus der Werkstätte eines einheimischen Mannes hervorgegangen, welcher mehr guten Willen als Geschmack und Geschick besass"680 bezeichnete, ist sie sicher provinziakömischen Ursprungs. Reiterfibeln werden als eine Untergruppe der sogenannten Pferdefibeln angesehen681. Die Kombinationstabelle und Korrespondenzanalyse typologischer und ikonographischer Merkmale von kaiserzeitlichen und völkerwanderungs-/ merowingerzeitlichen Reiterfibeln ergab eine gute Gliederung des Materials682. Dabei konnten fünf Formen kaiserzeitlicher halbplastischer Reiterfibeln herausgearbeitet werden 683 . Auch aus der Merowingerzeit sind Reiterfibeln gut bekannt684. Sie unterscheiden sich von den kaiserzeitlichen Formen nicht nur durch ihre meist geringere Größe, sondern auch durch die gedrungene Darstellungsweise. Vergleichsfunde von römischen Fundplätzen, vor allem Militäranlagen, lassen eine Datierung in das 3. Jh. n. Chr. (vor 260 [?]) vermuten685. Das späte 2. Jh. kann

675 676 677 678 679 680 681

682 683

684 685

Glaeseker 1987; Teegen 1995, Numerischer Katalog 6. Nach Riederer 1984; 1987, Tab. S. 108. Nach Hammer/Voß 1997. Freundl. Mitt H. Pendel, Archäologische Restaurierungswerkstatt, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover. Eine solche ist von emaillierten britanno-römischen Reiterfibeln aus dem Tempelkomplex von Lamyatt Beacon (Somerset, GB) röntgenfluoreszenzanalytisch belegt (Butcher 1986). Ludwig 1864,3. Jobst 1975, 114 (Gruppe C: trabend mit Krieger); Matouschek / Nowak 1979; 1985-86, 188-189 (Gruppe 4: Reiter: a) nach rechts galoppierend, ohne Standleiste; b) nach rechts schreitend, mit Standleiste; c) nach links schreitend, mit Standleiste). Teegen 1995, Abb. 109-110. Es handelt sich um die Typen Pyrmont, Hallstatt (A; Morton 1958), Lauriacum (Enns, A; Jobst 1975, Nr. 323), Camuntum (Deutsch-Altenburg, A; Matouschek / Nowak 1985-86, Abb. 25) und Klein-Winterheim (Kr. Mainz-Bingen; Iindenschmit 1870, Taf. 4,1). Janssen 1968; v. Padberg 1977; U. Koch 1984; Häßler 1985; Marti 1990. Aufgrund von Alt- und Lesefunden ist eine Datierung dieser Fibeln schwierig. Das Vorkommen im Kastell Osterburken, Neckar-Odenwald-Kreis (Schumacher 1929, 32-33; Taf. 6,18), deutet auf einen Zeitraum zwischen der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. bis mindestens bis 244/249 n. Chr. (Schönberger 1986,480-481). Aufgrund von Münzfunden wird die römische Villa von Thalmassing (Kr. Regensburg), in der ebenfalls eine Reiterfibel gefunden wurde (Κ. Β rügmann in: Fundchronik 1988 (1991), 154; 153 Abb. 91,17), mindestens zwischen hadrianischer und aurelianischer Zeit genutzt worden sein. S.Thomas (1966) datiert diese Fibeln allgemein in das 3. Jh. n. Chr.

190

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die Reiterfibel aus dem Pyrmonter Brunnenfiind ist die einzige ihres Typs aus Germanien686. Ansonsten kommen diese Fibeln ausschließlich in den Provinzen Raetien und Noricum sowie der Germania inferior et superior vor687. Einzelstücke stammen aus England688 und Gallien689, die nächsten direkten Vergleichsfunde aus Rheinhessen, dem römischen Kastell Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis) und aus Cammtum (Deutsch-Altenburg, A). Auf ein Herstellungszentrum in Noricum weist nicht nur der Fund eines Halbfabrikats in Hallstatt (A), sondern auch das Verbreitungsbild der Reiterfibeln. Direkte Aussagen zur Tracht und Trageweise sind nicht möglich. Die Funde aus Militäranlagen690 könnten darauf weisen, daß diese Fibeln von Militärpersonen getragen wurden. Frauen als Trägerinnen sind aber wegen eines Fundes aus einer Villa rusticam nicht gänzlich auszuschließen. In der Merowingerzeit sind dagegen verschiedene Typen von Reiterfibeln üblich, die fast ausschließlich von Frauen getragen wurden und in den Gräbern oft paarweise vorkommen692. Der Zustand der Pyrmonter Fibel, bei der die Verzinnung nur an unzugänglichen Stellen und in Vertiefungen erhalten geblieben ist, weist auf eine längere Nutzungsdauer.

6.14 Delphinfibel (Typ 32) Der einzige Hinweis auf eine Delphinfibel ist R. Ludwigs erstem Bericht im Pyrmonter Wochenblatt zu entnehmen: „Einige andere Nadeln bestehen aus Bronge und sind in ihrer Construction denen ähnlich, welcher sich die Damen jetzt zum Festhalten der Umschlagtücher bedienen. Ihr Haken ist jedoch breit von sauberer, schöner Arbeit in Delphinform oder breit geschlagen, gravirt und zierlich geschmückt."693. Dieses Stück ist weder in den Bonner Jahrbüchern erwähnt noch dort abgebildet694. Sie ist auch nicht auf den älteren Übersichtsaufnahmen zu

686 487

688 689 m 491

492 493 494

Vgl. Thomas 1966,145. Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis) und Mainz (Schumacher 1929, 33); Hallstatt (A; Morton 1958, 158); Thalmassing (Kr. Regensburg; K.Brügmann in: Fundchronik 1988 [1991], 154; 153 Abb. 91,17). Hattatt 1989. Morton 1958,158. Schumacher 1929. Thalmassing (Kr. Regensburg; K.Brügmann in: Fundchronik 1988 [1991], 154; 153 Abb. 91,17). Koch 1984. Ludwig 1863,2 (ungez.). Ludwig 1865.

Delphinfibel (Typ 32)

191

finden, noch im erhaltenen Fundmaterial vorhanden. Es ist nicht sicher, ob es sie überhaupt gegeben hat, denn die Textstelle könnte auch so interpretiert werden, daß der Fibelbügel an eine Delphinform erinnern, er jedoch kein Abbild darstellt695. Kinzig die Abbildung in der „Dlustrirten Zeitung" von 1881 (vgl. Abb. 12,b) könnte eine Vorstellung vom Aussehen dieser Delphinfibel geben (Liste 1,255). Sie ist dort zusammen mit drei weiteren Fibeln gezeigt, die als Nachbildungen bzw. Nachahmungen in den Handel gelangten. Die Delphinfibel ist heute nur noch durch verschiedene Nachbildungen belegt (Liste 2,41-43), die anscheinend alle auf das 1881 publizierte Vorbild zurückgehen. Delphindarstellungen sind in der antiken und besonders in der römischen Kunst und im Kunstgewerbe ein beliebtes Motiv. Dies belegen zahlreiche Mosaiken (ζ. B. Ostia [Prov. Rom, I], sog. Piazza delle corporazioni)696, Fresken, Wasserspeier697, Türklopfer, Keramik698, Rasiermesser699, Schnallen700 und vieles andere mehr. Delphinförmige Fibeln sind vergleichsweise selten, aber durchaus vertreten. Die frühesten Delphinfibeln sind in Frauengräbern tarentiner Nekropolen des 4. Jhs. v. Chr. nachgewiesen701. Ein Zusammenhang mit späteren römischen Formen ist nicht zu belegen. Bei den Fibeln mit Delphindarstellungen ist zwischen vollplastischen, halbplastischen und stilisierten Objekten zu unterscheiden. Vollplastische Delphinfibeln sind die ältesten. Unter den kaiserzeitlichen Formen lassen sich die britannischen, stilisierten „Dolphin-Brooches" und naturalistische Delphindarstellungen unterscheiden702. Die „Dolphin-Brooches" sind eine geläufige Fibelform von der Mitte des 1. bis in das frühe 2. Jh. n. Chr. In die gleiche Zeit sind Delphinscheibenfibeln aus Südwestdeutschland und angrenzenden Gebieten zu datieren. Plastische Delphinfibeln sind dann aus dem 2. Jh. bekannt (Britannien, Gallien, römisches Germa695 494 497 498

499 700 701

702

So wie dies bei den britannischen „dolphin brooches" der Fall ist (vgl. Hattatt 1989). L'Orange / Nordmann 1960, Taf. 20A-CToynbee 1983, Abb. 110. Delphin im Spiegel eines Tetra Sigilkta-Tellers der Form Drag. 32 in Barbotine-Technik (vermutL Rheinzabern): Doppelfeld 1950,121-122; 123 Taf. 2,14. Beliebtes Motiv auf antiken Gefäßen, auch auf anderen Formen der Relief- und Barbotine-Sigillata (ζ. B. Niederbieber 19; Oelmann 29, Doppelfeld 1950, Taf. 5,3-4). Zu Darstellungen von Meereslebewesen auf Keramik vgl Lactoix o. J. Garbsch 1975,82 Abb. 7. Chadwick Hawkes/ Dunning 1964. De Juliis 1984; Lippolis 1984. Sie belegen eine (3-) 4 Fibeltracht Anthropologisch untersuchte Bestattungen mit Delphinfibeln sind bislang wohl nicht publiziert. Wichtige Literatur: Collingwood 1930; Kovtig 1937; v. Patek 1942; Hull 1947; Behrens 1954; Böhme 1970; 1972; Rieckhoff 1975; 1977; Riha 1979; FeugÄre 1985; Hattatt 1989; BöhmeSchönbetger 1990.

192

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

nien). Eine sehr naturalistische Delphinfibel, die in den Vatikanischen Museen aufbewahrt wird, soll in das 4. Jh. n. Chr. datieren703. Im Gegensatz zu den spätklassisch-hellenistischen Delphinfibeln sind für die kaiserzeitlichen Exemplare bislang keine Aussagen zur Trageweise und den Trägern möglich. A. Böhme zufolge wurden Tierfibeln sowohl aus Militäranlagen, verstärkt aber aus Zivilsiedlungen bekannt704. Dies läßt die Vermutung aufkommen, daß sie auch (und besonders?) von Frauen getragen wurden. Das einzige Grab, in dem eine Delphinfibel gefunden und dessen Skeletreste anthropologisch untersucht wurden (Worms, Gräberfeld an der Mainzer Straße, Grab 92), enthielt eine Doppelbestattung (Frau und Mann). Die Delphinfibel aus dem Brunnenfund erinnert in ihrer Ausprägung, so wie sie durch die Nachbildungen/Nachahmungen angedeutet wird, eher an ein Fabeltier als einen richtigen Delphin. Fabelwesen sind allerdings in der antiken Kunst und im Kunsthandwerk nicht selten. Hinzu kommt, daß der Leib des Tieres geschuppt dargestellt ist. Eine derartige Präsentationsweise ist nicht ungewöhnlich, tritt bereits spätestens seit dem 4./3. Jh. v. Chr. auf705 und ist auch bei kaiserzeitlichen Delphinscheibenfibeln des späten 1. Jhs. n. Chr. üblich706. Bemerkenswert ist in unserem Fall, daß das Tier den Achshalter im Maul trägt und der Nadelhalter am Schwanz befestigt ist. Dies konnte bei den vollplastischen Delphinfibeln ansonsten nicht beobachtet werden. Die Art der Darstellung erinnert allerdings sehr stark an die von M.Jahn herausgestellten frühkaiserzeitlichen stilisierten Tierfibeln und Tierdarstellungen „mit bleckendem Tierkopf' 707 oder eben an die „Dolphin-Brooches". Die Komposition der Pyrmonter Delphinfibel scheint sich durchaus in die Variationsbereite kaiserzeitlicher Delphinfibeln einzuordnen. Sichere Aussagen zur Herkunft und Datierung sind allerdings nicht zu treffen. 703

704 705 706 707

Dieser Typ ist mir nur durch ein Replikat der Firma C. Ed. Schünemann (Bremen) bekannt. Dem Katalog dieser Firma zufolge handelt es sich um eine (provinzial- [?]) römische Delphinfibel, die sich in den Vatikanischen Museen befinden und in das 4. Jh. datieren soll (Schünemann 1991-1993). Die 57 mm lange Replikat ist aus vergoldetem Silber gefertigt. Der Körper des Delphins ist plastisch gestaltet und in der für die Kaiserzeit typischen geschwungenen Form dargestellt, wie man sie auf zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen findet (vgl. ζ. B. Ostia [Prov. Rom, I], Piazza delle Corporazioni oder die Terme del Nettunno, in Deutschland das bekannte Mosaik von Bad Vilbel [Wetteraukreis]). Böhme 1972,41. Schojer 1984,188 Kat 123. Vgl. Böhme-Schönberger 1990. Jahn 1952,100 Abb. 2; Taf. 14; er fuhrt diese Darstellungsweise auf osteuropäische Vorbilder zurück (a. a. O. 99 ff.). Hier sei besonders auf die bronzene Fibel aus Döllnitz (Saalkreis; a. a. O. Taf. 14,1) erinnert sowie an das Silbergefäß mit Bronzegriff von Hoby (Lolland, Dänemark; a. a. O. Taf. 14,5). Zur neueren Diskussion vgL Peschel 1978,108 f. mit Anm. 387-388.

Ringfibeln (Typ 33-40)

193

6.15 Ringfibeln (Typ 33-40) Ringfibeln sind im Pyrmonter Brunnenfund in 19 Exemplaren und acht Typen sowie einigen Varianten vertreten. Damit umfaßt dieser Fund eine erstaunlich hohe Typenvielfalt, wie sie bezüglich Ringfibeln ansonsten in Germanien kaum belegt ist708. Bereits im 19. Jh. fanden Ringfibeln Beachtung709, doch hat O. Almgren ihnen keine eigenen Untersuchungen gewidmet710. E. Fowler hat 1960 ein Gliederungssystem für Ringfibeln vorgelegt711, das grundlegend für die gesamte angelsächsische Forschung wurde und heute in leicht modifizierter Form712 verwendet wird. Sie unterscheidet die Formen A-H 713 , die auf vielfältige Weise zusammenhängen714. In der deutschsprachigen provinzialrömischen Forschung wird bei den Ringfibeln allgemein zwischen Omegafibeln (mit auswärts gebogenen Enden) und Ringfibeln (übrige Formen) unterschieden715. Innerhalb dieser Gruppen wird ggf. weiter differenziert716. M. Feugere benutzt beispielsweise beide Begriffe synonym („Fibules en omega ou penannulaires")717. Auf der Basis der genannten Typschemata ergab sich die typologische Gliederung der Pyrmonter Ringfibeln. Ringfibeln werden im allgemeinen als typisch provinzialrömische Fibelform angesehen718, die auch in Germanien vorkommen719 (Import)720. Dies ist zwar

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709 7,0 711 712 713

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720

Eine ähnliche Typenvielfalt (sechs Typen bei neun Fibeln) ist von der Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven) bekannt (Schuster 1998, Taf. 11,74-82). Den Herren J. Schuster Μ. A. und Dr. W. H. Zimmermann, Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, verdanke ich einen Einblick in die Funde der Feddersen Wierde, wofür auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Vgl. 2. B. Mestorf 1884. Vgl. Almgren 1923,111-112. Fowler 1960. Hattatt 1989. Zu diesen und ihren Untergruppen gibt es inzwischen eine ausführliche Literatur, die vor allem in den Zeitschriften Britannia und Medieval Archaeology verfolgt werden kann. Fowler I960,151 Abb. 1; vgl. auch Hattatt 1989,257 Abb. 122. Böhme 1972,46;Jobst 1975,124-127; Riha 1979,205 ff.; Böhme-Schönberger 1994. Vgl. Jobst 1975; Riha 1979. Feugere 1985, 416. Im Gegensatz zum überwiegenden Teil der deutschsprachigen Literatur hat er sich bei der typologischen Gliederung der Ringfibeln auch an dem Schema von E. Fowler (I960) orientiert Riha 1979,205. O. Almgren betrachtet sie als „Spezifisch provinzialrömische Fibelformen, die nur sporadisch in Nordeuropa vorkommen" (Almgren 1923,106-112; hier: 111-112). Jacob-Friesen 1928.

194

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

nicht auszuschließen, doch darf nicht vergessen werden, daß Ringfibeln in Nordwestdeutschland bereits seit der ausgehenden Bronze- und frühen Eisenzeit belegt sind721. Unbestreitbar erscheint jedoch, daß römische Ringfibeln als Anregungen und/oder Vorbilder für manche germanische Schöpfungen gedient haben. Ringfibeln bestehen meist aus Kupferlegierung („Bronze"), in Germanien auch aus Eisen. Die Verwendung von Edelmetallen ist vergleichsweise selten. Aus Pyrmont liegen keine eisernen Ringfibeln vor, dagegen ein silbernes Exemplar. Ringfibeln unterschiedlicher Ausprägung sind auch im Grabinventar merowingerzeitlicher Gräberfelder vorhanden722. In der Wikingerzeit sind sie im Ostseeraum723, vor allem auf Gotland verbreitet (7./8. Jh. bis über das 11. Jh. hinaus)724. Im Baltikum kennzeichnen sie das 11.-13. Jh. und laufen ζ. T. bis in das 16.—17. Jh. weiter725. In Italien hingegen kommen sie in byzantinischer Zeit und im Hochmittelalter vor726. Fowler C (Typ 33) Von den im Pyrmonter Brunnenfund vertretenen Ringfibeln stellen diejenigen mit aufgerollten Enden727 die häufigste Form dar, wobei es sich um insgesamt acht Exemplare (Liste 1,214-221) handelt Unter ihnen gibt es Stücke mit rechteckigem (Liste 1,214-215; Taf. 14,a), rhombischem (Liste 1,216-218) und rundem Ringquerschnitt (Liste 1,219-221). Diese Ringfibeln sind als Form Fowler C zu klassifizieren. Sie bestehen, metallanalytisch nachgewiesen, aus Bronze728. Diese Ringfibeln sind in Norddeutschland allgemein verbreitet, allerdings nicht gerade häufig. Verbreitungskarten von kaiser- und völkerwanderungszeitlichen Ringfibeln mit aufgerollten Enden liegen nur für Britannien vor729, wo sie bis nach Südschottland streuen, d. h. bis zum Firth of Forth730. Sie sind aber vor allem im Osten, seltener

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Mestorf 1884; Beltz 1928,145; Tuitjer 1986; Hingst 1989,18-19. Zu dieser Problematik haben sich u. a. U. Koch (1977) bei Bearbeitung des Gräberfeldes Schretzheim (Kr. Dillingen) und A. Wieczorek (1988, 427-429) bei chronologischchorologischen Studien am Gräberfeld Rübenach (Stadt Koblenz) geäußert. Dabei wurde besonders diskutiert, ob es sich um römische Altsachen oder zeitgenössische Arbeiten handelt. Sie wurden anscheinend als Gürtelschnallen genutzt, da sie meist im Beckenbereich gefunden wurden. Salmo 1956; Carlsson 1988. Müller-Wille 1989a, 756 (Funde u. a. aus Haithabu, Kr. Schleswig-Flensburg, und Starigard/ Oldenburg, Kr. Ostholstein). Brivkalne 1974,139. Sfigüotti 1990, 542; Taf. 82,729; Abb. 164,1; vgl. auch Teegen 1992 mit Lit. Fowler C = Böhme 51b = Jobst 36A = Riha 8.2.4 = Feugire 30g. Glaeseker 1987; Teegen 1995, Numerischer Katalog 6. Fowler 1960,164 Abb. 9; Hattatt 1989,263 Abb. 127. Valium Antonini, von 145 bis 181 n. Chr. die römische Reichsgrenze.

Ringfibeln (Typ 33-40)

195

in Mittel-, Süd- und Südwestengland verbreitet731. In den römischen Provinzen nördlich der Alpen sind diese Ringfibeln allgemein üblich732. In Germanien können sie in Westfalen, im Weserbergland (Pyrmont), in Holstein und Mecklenburg sowie in Unterfranken nachgewiesen werden. Ringfibeln mit aufgerollten Enden sind zwischen dem 1. und 4. Jh. n. Chr. einzuordnen, wie gut datierte Komplexe und Stratigraphien aus den römischen Provinzen (ζ. B. Äugst - Augusta Raurica in der Schweiz und Enns - Launacum in Österreich) andeuten. In Britannien treten frühe Ringfibelformen in der ersten Hälfte des l.Jhs. n. Chr. auf733 (ζ. B. Colchester - Camuloclunum1^). Nach Auffassung R. Hattatts datieren die britannischen Ringfibeln mit aufgerollten Enden und rundem Ringquerschnitt in das erste vor- und das erste nachchristliche Jahrhundert Die Exemplare mit rechteckigem Ringquerschnitt sind sicher zwischen der zweiten Hälfte des ersten und zweiten Jahrhunderts n. Chr. sowie in das vierte Jahrhundert datiert735. Fundkombinationen von Ringfibeln mit aufgerollten Enden sind aus Norddeutschland selten. Oftmals sind sie nur chorologisch ungefähr datierbar. Die Vergesellschaftung einer Ringfibel mit einer Kniefibel Almgren V.139 aus Hamburg-Fuhlsbüttel, Grab 66, läßt eine Datierung in die Stufe Eggers B2 vermuten736. Darauf deuten auch die Funde aus dem zum größten Teil älterkaiserzeidichen Gräberfeld Hamfelde (Kr. Hzgt. Lauenburg)737. Aufgrund der Funde aus Husby (Kr. Schleswig-Flensburg), Grab 671 (zusammen mit einer Fibel der Form Almgren VI)738, und Pritzier (Kr. Ludwigslust), Grab 1588 (zusammen mit zwei Fibeln mit festem Nadelhalter)739, werden diese Ringfibeln dort in die jüngere Kaiserzeit datiert, in letzterem Fall nimmt man die

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Snape 1993,29. Äugst -Augusta Raima (CH) (Riha 1979); Schweiz allgemein: Ettlinger 1973; Enns - Launacum (A) ([obst 1975). Da sie in England hauptsächlich in vorrömischen Siedlungen (ζ. B. den Oppida Bagendeon, Cadbury Castle) gefunden wurden, wird auch vom „Belgic Type" der Ringfibeln gesprochen. Unter ihnen befinden sich solche mit aufgerollten Enden. Hawkes / Hull 1947. Hattatt 1989,259 Tab. 7. Auch die Kombination von einer Ringfibel mit einer Kniefibel läßt sich durchaus in den Obergangsbereich der Stufe Eggers B2/C1 stellen bzw. in das frühe Cl, denn Kniefibeln Almgren V, Serie 9, können auch noch mit Fibeln mit hohem Nadelhalter vergesellschaftet sein (Teegen et al. 1996). Grab 39, 239, 487 sowie fragliche Doppelbestattung Grab 502. Die Fibeln sind dreimal aus Bronze und einmal aus Eisen gefertigt (Grab 487) (Bantelmann 1971). Raddatz 1974. M t den Formen Almgren VI 2Slb und VI 2S5 nach E. Schuldt (1955).

196

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Stufe Eggers C2 740 an. Auf dem Gräberfeld Bordesholm-Brautberg (Kr. Rendsburg-Eckernförde) wurde auch eine bronzene Ringfibel mit aufgerollten Enden und flachrechteckigem Ringquerschnitt gefunden (Urne 2873)741. Η. E. Saggau datiert diese und eine weitere Ringfibel chorologisch in die Stufe Eggers C2742, Eine Analyse der Fibelverteilungen erlaubt allerdings nur eine allgemeine jüngerkaiserzeitliche Datierung. Diese Annahme wird durch ähnliche Befunde aus den Gräberfeldern Preetz (Kr. Plön), Sörup I und Süderbrarup (beide Kr. SchleswigFlensburg) gestützt743. Zusammengefaßt bedeutet dies für die germanischen Ringfibeln mit aufgerollten Enden, daß sie vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert nachweisbar sind. Die Analyse der fibelfiihrenden Gräber aus dem Nordwesten Germaniens zeigt, daß jeweils nur eine Ringfibel mit aufgerollten Enden mitgegeben wurde. Es überwiegt die Einfibelbeigabe, jedoch sind auch Zwei- und Dreifibelbeigaben belegt, wobei es sich bei den weiteren Stücken nicht um Ringfibeln handelt. Die Ausstattung der Gräber ist eher als „arm" anzusprechen (1-4 Beigaben), selten findet sie sich in Gräbern mit 5-9 Beigaben. Zum Geschlecht der Bestatteten lassen sich sowohl von anthropologischer als auch von archäologischer Seite keine Angaben machen. Aus dem überwiegend älterkaiser2eitlichen Gräberfeld von Hamfelde (Kr. Herzogtum Lauenburg)744 sind drei der Gräber mit diesen Ringfibeln Kindern zuzuordnen (Grab 239: spätinfans Π; 487: infans; 509: spätinfans II), zwei Erwachsenen (Grab 39; 129). Bei Grab 502 handelt es sich vermutlich um die Doppelbestattung eines Juvenilen und eines Erwachsenen. Insgesamt scheint sich ein Trend zu jüngeren (männlichen?) Individuen abzuzeichnen (infans [II] - frühadult). Für das jüngerkaiserzeitlich mecklenburgische Gräberfeld Pritzier (Kr. Ludwigslust) ergibt sich dagegen zwischen Adulten und Subadulten eine Relation von 5:1 zuzüglich einer Doppelbestattung (Erwachsene/Kinder)745.

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In der von E. Schuldt herausgestellten Stufengliederung des Gräberfeldes Pritzier (Kr. Ludwigslust) gehören sie, von einer Ausnahme abgesehen, in seine Stufe B. Diese datiert er absolutchronologisch in die Zeit von 300-350 n. Chr. (Schuldt 1955, 54). Nach der Revision der Chronologie von Pritzier durch H. Schach-Dörges bedeutet dies: Grab 1588, das zwei Armbrustfibeln mit festem Nadelhalter und spitz endendem Fuß enthält, gehört nach ihrer Kombinationstabelle in die Gruppe 2. Dies entspricht relativchronologisch der Stufe C2 (jüngerer Abschnitt?), absolutchronologisch vor/um Mitte des 3.Jhs. bis in die 1. Hälfte des 4. Jhs. (Schach-Dörges 1970,28). Saggau 1986,31; 1981, Taf. 114. Saggau 1986,31; 1981 Karte 6. Vgl. Brandt 1960; Raddatz 1981; Bantelmann 1988. Typ 14b nach Bantelmann 1971,30 und Typentafel V,A14b. Schuldt 1955.

Ringfibeln (.Typ 33-40)

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Aussagen zur Trageweise sind aufgrund der vorherrschenden Brandbestattung in Germanien nicht möglich. Funde aus Körpergräbern der römischen Provinzen zeigen, daß sie auf der rechten Schulter getragen wurden746. In manchen Gräbern deutet die Fundlage im Beckenbereich747 auf die Verwendung als Gürtel-748 oder Taschenschnalle. Vorzugsweise gehörte diese Fibel, wie die Zwiebelknopffibel, zur Männertracht (Beispiel aus Pannonien), gelegentlich konnte sie aber auch in Frauen- und Kindergräbern nachgewiesen werden. Insgesamt ist sie im circumalpinen Gebiet häufiger in Männer- als in Frauengräbern vertreten. Fehlende anthropologische Untersuchungen und die schlechte Publikationslage lassen derzeit keine weitergehenden Fragestellungen zu. Die Befunde deuten auf regionale Unterschiede in der Fibeltracht hin. Fowler Β — Variante mit Zierknöpfen (Typ 34) Ringfibeln mit horizontal aufgerollten Enden und Zierknöpfen sind in dem Pyrmonter Brunnenfund nur mit einem Exemplar vertreten (Liste 1,222; Taf. 14,b). Das Stück ist nicht vollständig erhalten, da das rechte aufgerollte Ende fehlt Unklar bleibt, ob die Fibel ursprünglich aus mehreren Komponenten bestand, die zusammengelötet wurden, oder eine antike Reparatur vorliegt. Diese muß dann beide Spiralen betroffen haben, wobei die rechte verlorengegangen ist. Bislang konnte zur Pyrmonter Fibel noch kein exaktes Vergleichsstück ermittelt werden. Die ähnlichsten Exemplare stellen Ringfibeln mit horizontal aufgerollten (bzw. umgeschlagenen) Enden dar749, die keinen Zierknopf tragen (Typ Fowler Β)750. Bei diesen Stücken ist allerdings zu berücksichtigen, daß ein Zierknopf auch während der Lagerung im Boden oder nach der Entdeckung verlorengegangen sein kann751. Zierknöpfe bei Ringfibeln sind aus dem provinzialrömischen Gebiet von zahlreichen Fundorten bekannt752.

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Keller 1971. Vgl. u. a. BreSka (Srem, Woiwodina, Ex-Jugoslawien), Körpergrab 13 (Marijanski-Manojlovid 1987,61 Tab. 1). Marijanski-Manojloviä 1987, 40; 92. Böhme 1972, Taf. 31,1220.1221; Jobst 1975, Taf. 49,357; Simpson et al. 1979; Feug£re 1985, Taf..159,2000. Fowler 1960,151 Abb. 1. M. Feugire (1985, Taf. 158,1999) hat eine Omegafibel mit Zierknöpfen publiziert Vielleicht besaßen ursprünglich mehr Ringfibeln solche Zierknöpfe. VgL z. B. Äugst -Augtsta Raurica (CH) (Riha 1979, Taf. 69; fiir weitere schweizerische Fundorte: Ettlinger 1973, 131 ff. mit Fundliste); Saalburg (Hochtaunuskreis), Typ Böhme 50a (Böhme 1972,112; Taf. 31,1215; in der Umbiegung konische Knöpfe). Es handelt sich dabei anscheinend nur um Omegafibeln mit auswärts gebogenen Enden. Dabei sind diese so gebogen, daß die Zierknöpfe nicht hinausrutschen können. Zu Lötungen findet sich in der Literatur kein Hinweis.

198

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Typologisch ist die vorliegende Ringfibel zwischen den Formen mit horizontal umgelegtem Ende und rundem Ringquerschnitt und denen mit horizontal aufgerollten Enden einzuordnen753, wobei letztere überwiegend aus Bronze bestehen. Aus dem Baltikum hingegen sind auch eiserne Stücke belegt754. Ganz selten sind silberne Exemplare755. Teilweise ist eine Silberauflage auf den aufgerollten Enden zu vermuten (Marwedel I, Kr. Lüchow-Dannenberg)756. Die Enden stellen in der Regel das einzige Verzierungselement dar. In wenigen Fällen ist der Ring tordiert (England ohne FO)757 oder gerippt/gewulstet (Schleitheim-Hebsack, CH)758. Ringfibeln mit horizontal aufgerollten Enden sind bislang vor allem von den Britischen Inseln und der Iberischen Halbinsel bekannt geworden759. In Mittelund Osteuropa sind sie weniger verbreitet, jedoch aus Norddeutschland von drei Fundorten760 in meist mehreren Exemplaren vorhanden. Diese Fibeln gehören in Norddeutschland vermutlich in die ältere römische Kaiserzeit761. Aus provinzialrömischen762 und baltischen763 Fundzusammenhängen sind sie wohl auch für die jüngere Kaiserzeit belegt. Nur zwei Grabfunde aus Germanien geben Anhaltspunkte zur Trageweise. Das sogenannte Fürstengrab I von Marwedel belegt die Verwendung dieser Ringfibeln in der Tracht sozial herausragender Männer (vermutlich zum Verschluß eines Lederkollers o. ä.)764. Der Altfund von Mooster bei Marnitz (Kr. Parchim) in Mecklenburg765 deutet darauf hin, daß diese Fibel Bestandteil einer weiblichen Tracht gewesen sein könnte766. Ob man von diesen Befunden unterschiedliche

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Fowler Β = Böhme 50c = Jobst 35. Allgemein zu diesen Fibeln: Mestorf 1884; Simpson et al. 1979. Schmiedehelm 1990. England ohne FO: Hattatt 1989,339 Abb. 198,111. Laux 1993. Hattatt 1989, 339 Abb. 198,111. Guyan 1965; Simpson et al. 1979, 328 Taf. 57,14. Simpson et al. 1979. Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven; Haarnagel 1956, 140 Abb. 4; Schuster 1998, Taf. 11,7); Marwedel (Kr. Lüchow-Dannenberg; Krüger 1928; Laux 1993, 326 Abb. 7,8.10); Pyrmont. Marwedel, Fürstengrab I: Stufe B2, wohl in den ersten beiden Jahrzehnten des 2. Jhs. n. Chr. (Laux 1993,344). Enns - Lauriacum (A) (Jobst 1975). Gjsior (PL), Grab 97 (Schmiedehelm 1990,32; Taf. 9,4.6). Laux 1993. Mestorf 1884,28 Abb. 7. In dem gleichen Grabfund befand sich eine Ringschnalle, Perlen aus Bernstein und dunkelblauem Glas, zwei Nadeln und zwei unvollständige Bügelfibeln (Mestorf 1884,28). Geht man davon aus, daß es sich bei den Funden um das Inventar eines Grabes handelt, so dürfte eine reichere Frauenbestattung anzunehmen sein.

Ringfibeln (Typ 33-40)

199

Trageweisen westlich (Männertracht) und östlich der Elbe (Frauentracht) postulieren kann, muß derzeit offenbleiben. Der Fund von Ggsior (PL)767 könnte letzte Interpretation stützen, doch ist die Materialbasis derzeit noch zu gering. Ein Fund von der Feddersen Wierde zeigt, daß dieser Fibeltyp auch in (reichen) ländlichen Siedlungen getragen wurde. Wer sie nutzte (Männer, Frauen, Kinder), ist dort allerdings nicht zu ermitteln. Fowler H2 - Variante mit Glasperlenauflage (Typ 35) Ringfibeln mit erweiterten runden Enden sind im Pyrmonter Brunnenfund nur durch ein Exemplar vertreten (Liste 1,223; Taf. 14,c). Es trägt eine Auflage, die aus einer aufgelöteten „Fassung" aus gewickeltem Draht besteht, die eine blaue Glasperle hält. Ein Vergleichsobjekt zum Pyrmonter Stück wurde mir nicht bekannt. Die horizontal angeordneten runden Endplatten lassen eine Klassifikation als Form Fowler H2 zu768. Ringfibeln mit plattig erweiterten runden Enden - ohne Glasperlenauflagen wurden in Norddeutschland im sog. „Fürstengrab" Marwedel Π (Kr. LüchowDannenberg)769 und im Reitergrab von Hankenbostel (Kr. Celle)770 gefunden. Auch aus dem Baltikum sind sie überliefert (Ggsior, PL). In abgewandelter Form stellen sie dort 771 und in der ostpolnischen Maslomgcz-Gruppe charakteristische Funde des 3.-5. Jhs. dar772. Die west- und ostgermanischen Fundgebiete sind vermutlich unabhängig voneinander zu sehen773. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß Ringfibeln mit runden, horizontal angeordneten Endplatten während der Völkerwanderungszeit, vornehmlich im 5./6.Jh. 774 , auch auf den Britischen Inseln auftreten (England, Schottland, Irland)775. Auch aus dem römischen Germanien und der Gallia Belgica16 sind sie bekannt. Das römische Lager Hofheim (Main-Taunus-Kreis) ergab eiserne Exemplare777, die

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Grab 97 (Schmiedehelm 1990,32; Taf. 9,4.6). Fowler 1960,151 Abb. 1; Hattatt 1989,266 Tab. 8. Laux 1993,351. Vermutlich aus Kupferlegienmg mit Süberplattierung. Cosack 1977,37; 41 Abb. 1,1: Messing (?), Lotreste (?) auf der scheibenförmigen Erweiterung. M. Kaczyüski et al. 1987,90-91. Kokowski 1995,68 Abb. 45. Wahrscheinlich ist römischer Einfluß bei den baltischen Fibeln zu vermuten. Hattatt 1989,266 Tab. 8. Es handelt sich um die Typen Fowler H2 (ansonsten unverziert) und H3 (nach Hattatt 1989, 266 Tab. 8; mit Emailauflagen). Verbreitungskarte: a. a. 0 . 2 7 7 Abb. 139. Mus. Trier: Mestorf 1884,28 Abb. 4. Ritterling 1905,47 Abb. 14,16115; Taf. 5,62.

200

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

vermutlich in die Zeit von 40-69/70 n. Chr. datieren778. Ein nicht genauer zeitlich einzuordnendes (90-259/260 n. Chr.) Stück aus Bronze wurde im Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) ausgegraben779. Diese Ringfibeln sind im Großraum „Lüneburger Heide", im Weserbergland sowie im Mosel- und Rhein-Main-Gebiet verbreitet. Aufgrund der Nichtdatierbarkeit des Pyrmonter Exemplars sind wir auf Vergleiche mit anderen Stücken aus Germanien angewiesen. Die einzigen sicher datierbaren Ringfibeln mit erweiterten runden Enden stammen aus den Gräbern Marwedel Π (Kr. Lüchow-Dannenberg) und Hankenbostel (Kr. Celle)780. Beide Grabkomplexe datieren in die Stufe Eggers B2781. Vermutlich in die jüngere Kaiserzeit, vielleicht auch bereits den Übergang von Stufe B2 zu Cl(a) gehören die baltischen Ringfibeln von Ggsior (PL)782. Die genannten Gräber sind aufgrund der Beigabenausstattung (Sporen, Waffen) mit großer Sicherheit als Männergräber anzusprechen. Da keine anthropologische Geschlechts- und Lebensaltersbestimmung der Skeletreste bzw. des Leichenbrandes vorliegt, sind nähere Aussagen nicht möglich. Aufgrund der Körperbestattung im „Fürstengrab" Marwedel Π (Kr. Lüchow-Dannenberg) und der ausfuhrlichen Studie von F. Laux sind in diesem Fall auch detaillierte Aussagen zur Trageweise der Ringfibeln möglich. Die Rekonstruktion des Grabungsbefundes ergab, daß die fünf Fibeln in einer Reihe parallel zur Längsachse des Toten lagen, vermutlich im linken Brustbereich783. Ahnliches konnte F. Laux beim Grab Marwedel I (Kr. Lüchow-Dannenberg) wahrscheinlich machen784. An den korrodierten Fibeln hafteten noch Textdlreste785, die zwei Webkanten aufwiesen. Er interpretiert dies, m. E. zu Recht, als Hinweise auf Stoffbänder. Damit sind die

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Nuber 1982; Schönberger 1986. Böhme 1972,112 Nr. 1224; Taf. 31,1224. Die Vermutung von E. Cosack (1977, 47), daß die Fibeln von Marwedel Π (Kr. LüchowDannenberg) und Hankenbostel (Kr. Celle) in demselben Model gegossen worden wären, erscheint mir vor allem aufgrund der unterschiedlichen Gestaltung der Fibelenden sowie Maßunterschieden beider Stücke unwahrscheinlich. Absolutchronologisch datierte F. Laux (1993, 370) die sog. „Fürstengräber" von Marwedel (I—Π1) (Kr. Lüchow-Dannenberg) in den Zeitraum „von den ersten beiden Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts n. Chr. bis um die Mitte dieses Jahrhunderts". Schmiedehelm 1990, 33; Taf. 9,7. K. Godiowski (1974, 106) rechnet diese Ringfibeln der westbaltischen Kultur zu den frühen Formen der jüngeren Kaiserzeit. Die Seriation der nordeuropäischen Waffengräber durch J. Dkjaer (1990, 330 Abb. 199) und die daraus abgeleitete Chronologie der Schildbuckel bestätigt die von K. Godiowski (1974) angenommene Einordnung (d. h. Stufe B2/Cla). Laux 1993. Vier Ringfibeln mit nach außen aufgerollten Enden; Krüger 1928; Laux 1993, 319 Abb. 3,B; 326 Abb. 7. Vgl. Zeichnung und Ausführungen bei Kömer 1952,47.

Ringfibeln (Typ 33-40)

201

Ringfibeln als Schnallen anzusprechen, die zum Verschluß einer - wie auch immer gearteten — Oberbekleidung dienten. In beiden Fällen nimmt F. Laux ein Lederkoller an786, das mit Stoffbändern verschlossen wurde787. Die auf der rechten Schulter gefundene Fibel Almgren V,147 deutet an, daß der Tote wohl auch einen Mantel bzw. Überwurf getragen haben könnte. Vielleicht war die Tracht des Toten von Hankenbostel (Kr. Celle) ähnlich gestaltet. Auch in seinem Grab wurde neben einer Ringfibel eine — allerdings „gewöhnliche" — Kniefibel gefunden788. Beide Gräber belegen die Nutzung dieser Fibeln in der germanischen Führungsschicht. Die Ringfibeln aus dem frührömischen Lager Hofheim (Main-Taunus-Kreis) sowie aus dem Kastell Zugmantel (Hochtaunuskreis) könnten ebenfalls von Männern getragen worden sein789. Die baltischen Ringfibeln von Ggsior (PL) sind, im Gegensatz zu den norddeutschen Gräbern, vermutlich einem Frauengrab zuzuordnen790. Fowler B l / 2 - Variante (Typ 36) Unter den Ringfibeln des Pyrmonter Brunnenfundes befindet sich auch ein silbernes Exemplar mit horizontal nach außen umgebogenen, profilierten Enden und rundem Ringquerschnitt (Liste 1,224; Taf. 14,d). Es ist die einzige silberne Ringfibel aus dem Brunnenfund. Typologisch gesehen besteht ein deutlicher Zusammenhang mit provinzialrömischen Omegafibeln791, so daß das Stück als Variante der Formen Fowler B l / 2 bezeichnet werden kann792.

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Laux 1993, 330 f.; 351. Vielleicht dienten diese Bänder auch zur Unterfuttemng von Lederriemen (?). Cosack 1977. Vermutlich eher von einem einfachen Soldaten als von einem Offizier, ohne dies näher fassen zu können. Die Perlen könnten darauf hinweisen; eine anthropologische Analyse des Leichenbrandes liegt allerdings nicht vor. Wenn man von den bereits in der vorrömischen Eisenzeit in Norddeutschland bekannten Ringfibeln absieht (Tuitjer 1986), so sind die Germanen spätestens in augusteischer Zeit mit Omegafibeln in Berührung gekommen. So sind beispielsweise in der Kalkriese-Niewedder Senke (Gmk. Kalkriese, Stadt Bramsche, Kr. Osnabrück) zwei unterschiedlich große Ringfibeln gefunden worden (Franziusl992, 352 Abb. 2,5-6). Bei ihnen sind die Enden nach außen umgeschlagen, leicht gewellt und laufen knaufförmig zu. Zeitgleiche Stücke sind auch aus Haltern (Kr. Recklinghausen) bekannt (Bechert 1973, 48). Aus diesen oder ähnlichen Formen könnten sich dann die Ringfibeln mit horizontal umgeschlagenen, profilierten Enden entwickelt haben. Ein Fund aus Asciburgum (Moers-Asberg/Duisburg-Rheinhausen) könnte diese Vermutung bestätigen, denn bei jenem Stück ist das verdickte Ende umlaufend gerieft (a. a. O. Taf. 10,104). Fowler 1960,151 Abb. 1; Abb. 5; 10-11.

202

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Zu diesem Ringfibeltyp sind mir nur drei mehr oder weniger ähnliche, allerdings bron2ene, Exemplare aus dem Waffenlager +27 aus dem Bereich des kaiserzeitlichen Urnengräberfeldes von Hamburg-Langenbek bekannt geworden793. Das Waffenlager, u. a. bestehend aus Hiebschwert, Schild, Sporen, Gürtelschnalle und den Ringfibeln, kann als Ausstattung eines (reichen) Kriegers interpretiert werden794. Das Ensemble ist älterkais erzeitlich und wird von W. Wegewitz in das 2. Jh. n. Chr. datiert795, vermutlich in die erste Hälfte (jüngeres B2). Die typologischen Ähnlichkeiten zu den (früh-) kaiserzeitlichen Omegafibeln stützen eine Datierung in die ältere Kaiserzeit. Wie schon erwähnt, ist das Waffenlager +27 aus Hamburg-Langenbek vermutlich einem (reichen) Krieger zuzuordnen. Die Zusammensetzung des Komplexes entspricht dem reicher Waffengräber aus Norddeutschland. Auffällig ist weiterhin, daß Ringfibeln aus Silber bzw. mit Silberauflagen im westlichen Germanien nur in reichen Grabzusammenhängen auftreten („Fürstengrab" Marwedel II, Kr. Lüchow-Dannenberg)796. Beide Befunde deuten darauf hin, daß dieser Ringfibeltyp, der vielleicht den römischen Omegafibeln nachgeahmt wurde oder gar römischer Import ist, reichen Männern vorbehalten war. Importfunde sind allgemein eher in reich ausgestatteten Gräbern797 zu finden. Allerdings ist die Materialbasis für weitergehende Aussagen zu gering. Anzumerken ist, daß in den römischen Provinzen (ζ. B. Raetien) Omegafibeln in Gräbern von Frauen798 und Kindern799, aber auch in Männergräbern gefunden wurden. Die zahlreichen Funde aus den Limeskastellen und der Fund von dem spätaugusteischen „Schlachtfeld" bei Kalkriese (Kr. Osnabrück)800 weisen ebenfalls daraufhin, daß derartige Fibeln zur Männertracht gehörten.

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Wegewitz 1965,23-24; Taf. 4; 23. Vergleiphbar etwa mit dem o. g. Krieger- bzw. Reitergrab von Hankenbostel, Kr. Celle (Cosack 1977). Wegewitz 1965,14; 1972,268. Körner 1952; Laux 1993. Gebühr 1976a; Gebühr / Kunow 1976; Gebühr et al. 1989; Geisler 1984; Kunst 1978; Siegmund 1996. Brandgrubengrab 2 aus dem norischen Gräberfeld bei Hörafing im Chiemgau (Kr. Berchtesgadener Land) enthielt neben einer Omegafibel auch eine kräftig profilierte Fibel Almgren 68 und Fragmente von zwei norischen Flügelfibeln der Form Almgren 238; insgesamt waren 18 Beigaben vorhanden. Die Bestimmung des Leichenbrandes durch K. Gerhardt ergab ein mindestens adultes Individuum; das Geschlecht war nicht bestimmbar (Gerhardt / Maier 1963, 164). Die zahlreichen Fibeln, insbesondere die paarweise getragenen Flügelfibeln, weisen auf ein Frauengrab (Garbsch 1965). Kempten - Cambodtmum, Gräberfeld Keckwiese, Grab 278: M=W, infans I, wohl älter als 6 Monate (Mackensen 1978, 277-278; Taf. 110,5). Zwei Exemplare der Form Böhme 50b (Franzius 1992, 352 Abb. 2,5-6; 1 9 9 3 , 1 3 9 Abb. 32).

Ringfibeln (Typ 33-40)

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Fowler D 4 / 5 - Variante (Typ 37) Ringfibeln mit beidseits zurückgebogenen, profilierten Enden und rhombischem Ringquerschnitt sind im Pyrmonter Brunnenfund durch ein Exemplar vertreten (Liste 1,225; Taf. 14,e). Es kann als Variante der Form Fowler D4/5 interpretiert werden801. Die vorliegende Fibel gehört zu den fraglichen Stücken, bei denen nicht genau bestimmt werden kann, ob es sich um ein antikes Exemplar handelt oder nicht802. Beim gegenwärtigen Kenntnisstand ist davon auszugehen, daß das vorliegende Stück ein Unikat zu sein scheint. Formal gesehen handelt es sich hierbei um eine Ringfibel mit umgeschlagenen, profilierten Enden. Im Gegensatz zu den entsprechenden Stücken, die im folgenden Abschnitt vorgestellt werden, ist hier das Ende nicht umgeschlagen (dies impliziert, daß das umgeschlagene Ende mehr oder weniger den Ring berührt), sondern sorgfältig umgebogen. Ein Kontakt zwischen Ring und Ringende besteht nicht. Der Übergang von einem Ring mit rhombischem Querschnitt zu dem Ende mit rundem Querschnitt ist ungewöhnlich. Man könnte das vorliegende Stück auch als Variante der Ringfibel mit horizontal nach außen umgebogenen, profilierten Enden (Liste 1,224) ansprechen, wobei die Enden nicht horizontal nach außen umgebogen wurden, sondern nach oben803. Es sei angemerkt, daß sich unter den Ringfibeln der vorrömischen Eisenzeit auch solche befinden, bei denen das Ende so umgebogen ist, daß es mehr oder weniger senkrecht nach oben steht804. Es wäre zu überlegen, ob die Pyrmonter Fibel nicht von derartigen Formen abgeleitet werden kann. Die am ehesten mit diesem Fund vergleichbare Ringfibel wurde im September 1884 bei Straßenbauarbeiten in Osnabrück gefunden. Das Stück weist ähnlich zurückgebogene Enden auf, die jedoch mit einem stilisierten Tierkopf („Drachenkopf" nach & Virchow) versehen sind805. In der Diskussion nach der Fundvorlage glaubte O. Olshausen (Berlin) „sich zu erinnern, dass in dem Pyrmonter Quellfund ähnliche Stücke enthalten gewesen seien"806. „Dieselbe hat ebenfalls in die Höhe gebogene Enden, wenn diese Enden auch nicht Thierköpfen ähneln. Uebrigens zeigt auch das photographische Album der Berliner Ausstellung mehrere solcher Schnallen mit aufgebogenen Enden, allerdings nicht so charakteristisch. Immerhin

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Fowler I960,151 Abb. 1; Hattatt 1989,266 Tab. 8. Die Fibel wurde erstmals von E. aus'm Weerth (1869,47 Abb. 7) publiziert. Wenn man von einer Nachbildung/Nachahmung ausgeht, könnte auch daran gedacht werden, daß der Handwerker die Konstruktion einer Omegafibel mit horizontal nach außen gebogenen Enden (wie Liste 1,224) nicht verstanden hat und die Enden nach oben umgebogen hat. Vgl. Hattatt 1989, 339 Abb 198, Nr. 1295A und 1296. Bei diesen Fibeln ist das Ende jedoch knaufförmig verdickt Virchow 1885, Abb. S. 117. Virchow 1885,119.

204

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

wird man auf den Zusammenhang mit Pyrmont hinweisen können, bei der geographischen Lage beider Orte zu einander."807. Zur Datierung schrieb R. Virchow: „Vielleicht ist es ein römisches Stück, aber ich bin noch mehr geneigt, es für vorrömisch zu halten."808. Auch wenn mir entsprechende Vergleichsstücke zu der Osnabrücker Ringfibel nicht bekannt sind809, so wird man nicht fehlgehen, sie den Gruppen Fowler E/F zuzuordnen810. Diese datieren in die Völkerwanderungszeit811. Auch die Ausprägung des Tierkopfes könnte für diese Datierung sprechen. Allerdings kann eine Datierung in die Wikingerzeit nicht ausgeschlossen werden. Für das Pyrmonter Exemplar kann man nur allgemein eine Einordnung in die Kaiser- oder Völkerwanderungszeit annehmen — sofern das Stück echt ist. Fowler D (Typ 38) Von den Ringfibeln mit umgeschlagenen, profilierten Enden ist im Pyrmonter Brunnenfund ein Exemplar vertreten (Liste 1,226; Taf. 15,a). Bei diesem handelt es sich um ein Stück von fraglicher Echtheit. Nach der Klassifikation von E. Fowler gehört das vorliegende Exemplar zu ihrer Gruppe D 812 . Ein Fund aus Altenbülstedt (Gem. Bülstedt, Kr. Rotenburg [Wümme]) ist das ähnlichste Vergleichsstück zum Pyrmonter Fund 813 , doch ist es

807 808 809 810 8,1 812

813

O. Olshausen in Virchow 1885,119 Anm. 1. Virchow 1885,119. So fehlen entsprechende Formen in dem Katalog der zoomorphen Ringfibeln der Britischen Inseln (Kilbridge-Jones 1980). Fowler 1960,151 Abb. 1. Vgl. auch Hattatt 1989, Tab. 8. Fowler 1960, Abb. 1. Betrachtet man die weiteren Formen der Gruppe Fowler D, so fällt auf, daß das Pyrmonter Stück zum einen am Übergang von den Fibeln mit umgeschlagenen, profilierten Enden zu denen mit senkrecht stehender Endplatte und facettierter Oberseite steht Zum anderen gehört es an den Übergang zur Form Fowler Ε, indem es eine Übergangsform zu den Fibeln mit stilisiertem Tierkopf darstellt Oer horizontale Einschnitt und das gegenüber dem Ring leicht versetzte Ende (vgl. Teegen 1995, Taf. 523,1 — Schnittzeichnung) belegt allerdings die Zugehörigkeit der Fibel zu der vorliegenden Gruppe. Ringfibeln mit umgeschlagenen, profilierten Enden werden von manchen Forschern auch als stilisierte Tierköpfe interpretiert (Fowler 1960, Typ Dl; Saggau 1986, 31; 1981, Taf. 110). Vermutlich haben sich aus diesen Fibeln die Ringfibeln mit Tierkopfenden entwickelt (Fowler 1960; vgl. die Beispiele bei Kilbridge-Jones 1980 und Hattatt 1989,256-277). In der Tat ähneln diese sich in gewisser Weise. Roeder (1927, Taf. 6,3 [Mitte]) und H.-W. Böhme (1974, 218 Nr. 1; Taf. 1,1-9) bezeichnen das Stück als „Armreif mit Zinnenkopfenden; achtkantig. Dm. 5,4 [cm]". Dies kann zwar nicht ausgeschlossen werden, doch erscheint wegen des geringen Durchmessers eine Interpretation als Ringfibel wahrscheinlicher (zum Vergleich: der Durchmesser der Ringfibel Liste 1,226 beträgt 49 mm).

Ringfibeln (Typ 33-40)

205

aufgrund der Andreaskreuz-Verzierung (x) auch in Verbindung mit den Ringfibeln mit verzierten senkrecht stehenden Endplatten zu bringen. Ringfibeln mit umgeschlagenen, profilierten Enden sind in Britannien recht häufig vertreten814. Gelegentlich kommen sie auf den dänischen Inseln vor. In Norddeutschland sind sie vor allem im Elbe-Weser-Gebiet815 und in Holstein816 vertreten. Der einzige dem Verf. bekannt gewordene Fund aus dem Mittelgebirgsraum ist das Pyrmonter Stück. Die m. W. älteste, sicher datierte Ringfibel mit umgeschlagenen profilierten Enden stammt aus dem Mädchengrab 3 von Juellinge (Lolland, DK) und gehört in die Stufe B2; sie war mit einer Ringfibel mit abgesetzten, kugeligen Enden sowie mit Fibeln der Form Almgren V.121 und V.147 (Vax.) vergesellschaftet817. Grab 2729 vom Gräberfeld am Brautberg in Bordesholm (Kr. Rendsburg-Eckernförde) wird von Η. E. Saggau chorologisch in die Stufe Eggers C2 datiert818. Das Grab mit einem entsprechenden Fund aus Altenbülstedt (Kr. Rotenburg [Wümme]) wird von H.-W. Böhme in das 4./5.Jh. datiert819, während es W.Thieme und F. Laux in das frühe 5. Jh. einordnen820. In Britannien datieren Ringfibeln mit umgeschlagenen, profilierten Enden (Fowler D) in das 1.-3. Jh.821, laufen jedoch auch in die Völkerwanderungszeit weiter. Da die Pyrmonter Fibel eine Übergangsform zwischen den Gruppen Fowler D / E (umgeschlagenes Ende/Zinnenform bzw. stark stilisierter Tierkopf) darstellt, erscheint aufgrund der britannischen Funde eine Datierung in das 4. Jh. wahrscheinlicher. Aussagen über Träger und Trageweise sind schwierig zu ermitteln. Ein Fund von der Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven) läßt vermuten, daß auch Ringfibeln dieser Form in Germanien von Bewohnern ländlicher Siedlungen getragen wurden. Ob dies nun Männer, Frauen oder Kinder waren, läßt sich nicht feststellen.

814 815

81i 8,7 818

819 820 821

Verbreitungskarten: Fowler 1960; Hattatt 1989,264 Abb. 128; 273 Abb. 135. Altenbülstedt, Kr. Rotenburg (Wümme) (H.-W. Böhme 1974,218 Nr. 1; Taf. 1,1-9) und Wurt Feddersen Wierde, Kr. Cuxhaven (Schuster 1998, Taf. 11,81), sowie ein Exemplar mit profilierter senkrecht stehender Endplatte (a. a. O. Taf. 11,78). Brautberg bei Bordesholm, Kr. Rendsburg-Eckernförde (Saggau 1986,31; 1981, Taf. 110). Gebühr 1976,37. Saggau 1986, 31; 1981 Karte 6. Die Verteilung anderer Fibeltypen in der Nähe der Urne läßt allerdings auch eine Datierung in die Stufe C1 zu. Sicher erscheint aufgrund der chorologischen Befunde nur, daß diese Fibel vermutlich jüngerkaiserzeitlich ist H.-W. Böhme 1974,218. Thieme/ Laux 1978,629. Fowler 1960,151 Abb. 1; 152; 176 (Typ D); Hattatt 1989,259 Tab. 7; 266 Tab. 8.

206

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Das B2-zeitliche Grab 3 von Juellinge (DK) ist einem 12-13 (15) jährigen Mädchen zuzuordnen822. Das Inventar des Grabfundes von Altenbülstedt (Kr. Rotenburg [Wümme]) deutet darauf hin, daß diese Fibel von einer Frau getragen wurde823. Die Beigaben aus Grab 2729 des Urnengräberfeldes auf dem Brautberg bei Bordesholm (Kr. Rendsburg-Eckernförde) sind unspezifisch und geben keine Hinweise auf Geschlecht und Alter. E. Fowler vermutet aufgrund der vielen Ringfibelfunde aus militärischen Anlagen, daß diese Fibelgruppe ein populärer Trachtbestandteil von Militärangehörigen war824. Allerdings weisen Funde aus ländlichen Siedlungen Britanniens darauf, daß der vorliegende Ringfibeltyp ebenso im zivilen Bereich vielfach getragen wurde. Fowler H3 - Variante (Typ 39) Ringfibeln mit senkrecht stehenden verzierten Endplatten sind im Pyrmonter Brunnenfund mit vier Exemplaren vertreten (Liste 1,227-230; vgl. Taf. 15,b). Sie können als Variante der Form Fowler H3 klassifiziert werden825. In Form und Verzierung der Endplatten unterscheiden sie sich, so daß sie daher getrennt behandelt werden. Diese Ringfibeln sind sehr selten, und es sind kaum Vergleichsfunde bekannt. Ihre Datierung ist dementsprechend schwierig. Aussagen zu Trägern und Trageweise erscheinen nicht möglich. Alle Exemplare sind — bis auf ein gegossenes Stück (Liste 1,229; s. u.) - aus Bronze geschmiedet worden. Ihr Ringquerschnitt ist rund. Außer den aus Pyrmont bekannten verzierten Formen gibt es auch unverzierte Stücke, ζ. B. von der Wurt Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven)826. Von weiteren Stücken ist der Fundort unbekannt827. Ringfibeln mit einfachem Andreaskreuz (Typ 39.01) Ringfibeln mit senkrecht stehenden und mit je einem Andreaskreuz verzierten Endplatten und rundem Ringquerschnitt sind im Brunnenfund zweimal vertreten (Liste 1,227-228; Taf. 15,b). Aus der Literatur sind nur zwei Vergleichsstücke

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826 827

Das Grab ist als sogenanntes Lübsow-Grab anzusprechen (vgl. Eggers 1953; 1955; Gebühr 1974). Nach Ansicht von M. Gebühr (1976, 37) entspricht die Tracht im wesentlichen der einer erwachsenen Frau. Vgl. H.-W. Böhme 1974. Ob das Stück als zusätzliche Fibel zu den beiden Scheibenfibeln, die vermutlich auf den Schultern getragen wurden, oder als Schnalle einer Tasche etc. genutzt wurde, läßt sich nicht ermitteln. Fowler I960,17t, Fowler 1960, 151 Abb. 1; 153. R. Hattatt (1989, 266 Tab. 8) gibt als Form H3 eine Ringfibel mit horizontalen runden Endplatten und Emailauflage an (vgl. Kap. 6.15). Schuster 1998, Taf. 11,80.82. Im Museo Stibbert (Florenz, 1) sind derartige vorhanden (v. Hessen 1983, Taf. 4).

Ringfibeln (Typ 33-40)

207

bekannt. Es handelt sich um ein Stück unbekannter Herkunft im Museo Stibbert zu Florenz (I)828 und ein Exemplar aus Grab 58 des kaiserzeitlich-fruhvölkerwanderungszeitlichen Gräberfeldes Sörup I (Kr. Schleswig-Flensburg) in Angeln829. Chorologisch830 liegt das Grab in einer Zone, die ausschließlich jüngerkaiserzeitliche Fibeln enthält831. Die Fibeln mit hohem Nadelhalter und mit umgeschlagenem Fuß datieren diesen Bereich des Gräberfeldes in die Stufe Cl. Das bescheidene Grabinventar (Ringfibel, gerades Messer) und der Erhaltungszustand der Urne gibt zu der bestatteten Person keine Auskunft832. Charakteristisch sind die jeweils mit einem „x" verzierten Endplatten, wobei sie zu der offenen Seite durch eine senkrechte Rille begrenzt werden833. Diese Verzierungsform findet ihre Entsprechung bei der mutmaßlichen Ringfibel aus dem frühvölkerwanderungszeitlichen Gräberfeld Altenbülstedt (Kr. Rotenburg [Wümme])834. Das Andreaskreuz (x) stellt ein beliebtes Verzierungsmotiv auf kaiserzeitlichen Fibeln, Gürtelschnallen und anderen Objekten dar. Im Pyrmonter Brunnenfund ist es außer auf Ringfibeln ζ. B. auf Fibeln mit umgeschlagenem Fuß vorhanden. Das Muster selbst ist nicht chronologisch empfindlich, sondern durchlaufend. Durchaus vergleichbar sind sie mit provinzialrömischen Armringen835.

828

829 830 831 832 833 834 835

v. Hessen 1983, Taf. 4,1. Im Gegensatz zu den Pyimonter und Söruper Funden ist jenes auch auf der Ringoberseite verziert. Die florentiner Ringfibel ähnelt der im RGZM Mainz aufbewahrten Fibel aus Pyrmont (Liste 1,228). Bei beiden sind die Endplatten nicht gerade, sondern ungleichmäßig schräg abgesetzt ist. Auch verjüngt sich die rechte Seite von der Endplatte zur Ringmitte. Raddatz 1981,42-43; Taf. 10,58b. Raddatz 1981, Karte 14. Der Ausgräber K. Raddatz (1981,43) schließt aufgrund der Urnenform eine Datierung in die ältere römische Kaisetzeit aus. Es gehört aber zu den 60.72% der Gräber, die eine oder mehrere Beigaben enthalten. Raddatz 1981, Taf. 10,58b. H.-W. Böhme 1974, Taf. 1,1. Objekte ähnlichen Aussehens ohne sicher zu definierende Funktion, sind aus dem Römischen Reich bekannt Hier sei auf entsprechend verzierte Gegenstände, die in Basel-Aeschenvorstadt (CH), Grab 300, ausgegraben wurden (Laur-Belart / Degen 1957,5 Abb. 4; 18), verwiesen. Sie wurden als Atmreifen publiziert und datieren wohl in das 3. Jh. n. Chr. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Armringe u. ä. Objekte auch sekundär, ζ. B. als Ringfibeln, verwendet wurden oder verwendet worden sein könnten (Beckmann 1981). Aus Befund B179 der römischen Siedlung Baidock (Hertfordshire, GB) stammt ein Armring mit x-Verzierung zwischen senkrechten Linien bzw. Einkerbungen (Stead 1986a, 127 Abb. 53,175). Wie bei vergleichbaren Ringen (Stead 1986a, Abb. 53) sind die schmalen Außenseiten verziert. Senkrecht stehende Abschlußplatten sind nicht vorhanden. Das Stück ist durch sechs Münzen aus dem gleichen Schichtverband (B179) in das ausgehende 4. Jh. datiert. Die Münzreihe reicht von 341 bis 395+ n. Chr. (Curnow 1986,101-102 [Tab. 2j).

208

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Als Sonderform einer Ringfibel mit Andreaskreuzverzierung ist ein Exemplar mit quadratisch verdickten Enden und x-Verzierung auf der Oberseite aus dem römischen Kastell Niederbieber (Kr. Neuwied) zu nennen836. Ringfibel mit je zwei Andreaskreuzen (Typ 39.02) Im Vergleich mit den übrigen Ringfibeln mit senkrecht stehenden und mit je einem Andreaskreuz verzierten Endplatten stellt das vorliegende Stück (Liste 1,229) eine Besonderheit dar, da es relativ sorgfältig gearbeitet wurde. Die Herstellung erfolgte vermutlich im Guß. Die Oberfläche wurde anschließend sorgfältig poliert. Feilspuren oder ähnliches lassen sich auf der Oberfläche der Schauseite nicht erkennen, allenfalls sind (rezente?) Kratzer vorhanden. Auf der Rückseite der Endplatten sind allerdings schräg verlaufende Feilspuren nachgewiesen. Die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung837 eines Abgusses einer der Endplatten belegt die sorgfältige Oberflächenbehandlung der Schauseite nachdrücklich. Wie die Auswertung der Aufnahmen ergab, wurde die Verzierung mit einem Gravierstichel eingegraben und nicht etwa eingefeilt838. Vergleichsfunde zu diesem Stück sind anscheinend unbekannt. Es dürfte vermutlich ebenfalls jüngerkaiserzeitlich sein. Ringfibel mit senkrechten Rillen auf den Endplatten (Typ 39.03) Als Variante der Ringfibeln mit senkrecht stehenden verzierten Endplatten ist das vorliegende Stück anzusehen (Liste 1,230). Es ist das einzige im Pyrmonter Brunnenfiind vertretene Exemplar dieser Form. Von der gesamten Ausprägung her steht diese Fibel im Zusammenhang mit den übrigen Ringfibeln mit verzierten Endplatten. Vergleichsstücke zu der Pyrmonter Ringfibel scheinen zu fehlen. Nur für die Kerbung der Oberseite der Endplatten deuten sich Übereinstimmungen zu einem Fund aus der Sammlung Stibbert an (Florenz, I)839. Aufgrund der ähnlichen Machart liegt, wie bei den o. g. Ringfibeln (Liste 1,227-228), eine jüngerkaiserzeitliche Datierung nahe. 836

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Gechter 1980, 608 (Nr. 58); 609 Abb. 10,5. Da das Kastell nur zwischen 190-260 n. Chr. belegt war, ergibt sich - auch wenn es sich um einen Altfund des frühen 19. Jhs. handelt-eine recht genaue Datierung dieser Fibel. Die Untersuchungen erfolgten im Zentrum Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen durch Frau I. Hettwer-Steeger. H. Fendel (Archäologische Restaurierungswerkstatt, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover) danke ich fiir die Diskussion der Befunde. v. Hessen 1983, Taf. 4,4. Leider ist die Zeichnung der Fibel so schlecht, daß sich nicht sicher entscheiden läßt, ob tatsächlich eine Kerbung der Oberseite bzw. der Kante vorliegt. Die Katalogbeschreibung (a. a. O. 39 Nr. 36) hilft nicht weiter.

Ringfibeln (Typ 33-40)

209

Für das Motiv der senkrechten Linien oder Rillen, die eingefeilt oder mit dem Gravierstichel angebracht wurden, lassen sich aus dem provinziaLrömischen Bereich weitere Beispiele anführen Ringfibeln mit trapezförmiger Fußplatte (Typ 40) Im Pyrmonter Brunnenfund sind insgesamt zwei Ringfibeln mit trapezförmiger Fußplatte vorhanden (Liste l,231-232 8 4 1 ; Taf. 15,c). Sie unterscheiden sich im wesentlichen in der Verzierung der Fußplatte. Diese Fibeln sind ausschließlich aus Bronze hergestellt. Das Pyrmonter Exemplar (Liste 1,231) ist eine Blei-Bronze842. Ringfibeln mit trapezförmiger Abschlußplatte sind in der Literatur gelegentlich behandelt worden 843 . Zwei Typschemata liegen vor: W. H. Zimmermann844 unterscheidet in Mitteleuropa sieben verschiedene Typen (I-VII), R. Koch 845 kommt auf fünf Ringfibeltypen (A—E). In der vorliegenden Arbeit interessieren nur die Ringfibeln mit trapezförmiger Fußplatte und ihre nächsten Entwicklungen, d. h. die Typen Zimmermann ΙΙ-ΠΙ 846 bzw. Koch A-C 8 4 7 . Die Pyrmonter Fibeln (Liste 1,231-232) sind dem Typ Böckingen848 zuzuordnen. Die Seriation typologischer Merkmale der Ringfibeln mit Trapezfuß ergab eine gute Übereinstimmung mit den typologischen Gliederungen von R. Koch und W. H. Zimmermann: Die Typen Böckingen849, Preten850 und Westdorf 8 5 1 /

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844 845 846 847 848 849 850 851

So ist aus dem spätrömischen Gräberfeld Straubing-Azlburg I, Grab 34, ein offener „Armring mit Schaufelenden" bekannt (Prammer 1989,65 Abb. 49,1). Im Gegensatz zu der Pyrmonter Ringfibel (Liste 1,230) ragen die verzierten Enden symmetrisch über den Ringquerschnitt hinaus und haben eine Schaufelform. Auf jedem Ende sind vier senkrechte Rillen angebracht, die von drei waagerechten Linien gekreuzt werden. Die einander gegenüber stehenden Schmalseiten sind je dreimal gekerbt Die Fibel war zur Zeit der Materialaufnahme nicht auffindbar, eine Photographie wurde allerdings vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz dankenswerterweise zur Verfugung gestellt werden. Glaeseker 1987. Zu nennen sind hier: R. Beltz (1899,143 Abb. 244), H. Dannheimer (1962, 25 mit Anm. 1-5), W.Nowothnig (1970, 136-143), W. Η Zimmermann (1972) und R. Koch (1974, 227-233; 244-245), A. Roes (1965) und R. Swanton (1967). Die Form wurde von E. Fowler (1960) nicht erfaßt Zimmermann 1972. Koch 1974. Π: Typ Böckingen 3./4.-7. Jh.; lila: Typ Westdorf (3./4.-7.-Jh.), Mb: Typ Preten (2. Hälfte 4.Jh.[?]). A: Böckingen (= Zimmermann Π), B: Hameln (= lila), C: Preten (= Illb). Stadt Heilbronn (Werner 1938,114ff. Abb. 1,4; Zimmermann 1972,201). Stadt Heilbronn (Werner 1938,114 ff. Abb. 1,4). Kr. Ludwigslust (Nowothnig 1970,137 Abb. l,c). Kr. Dithmarschen (Zimmermann 1972,190 Abb. 3,2).

210

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Hameln852 setzen sich deutlich ab. Darüber hinaus lassen sich innerhalb des Typs Böckingen noch Varianten ausmachen. Auch mittels metrischer Merkmale konnte eine plausible Gliederung des Materials erzielt werden. Sowohl bei der Hauptkomponentenanalyse der Fibelfußmaße und der Korrespondenzanalyse sämtlicher Maße liegen die Pyrmonter Fibeln zusammen mit Fibeln aus Mainz-Kastell853, vom Runden Berg bei Urach854, Nürnberg-Ziegelstein855 und Worms 856 zusammen. Hypothetisch ließen sich damit die Ringfibeln mit Trapezfuß des Brunnenfundes einem „Südblock" zuweisen. Er unterscheidet sich meist deutlich von dem — vermutlich zeitgleichen - Typ Hameln/Westdorf. Dies ist ob der großen geographischen Nähe zu diesen norddeutschen Fibeln bemerkenswert. Ringfibeln mit trapezförmigem Fuß sind vor allem in Mitteleuropa zwischen der jütischen Halbinsel, Mecklenburg, Mitteldeutschland, Böhmen, dem Rheingebiet und den Alpen verbreitet. Gelegentlich werden sie auch auf den Britischen ηςη

QCQ

Inseln gefunden . Einige Funde sind auch aus Italien (Rom-Colle Oppio , Rebbio [Prov. Como; fraglicher Befund]859 und Como [?]860) bekannt. Der nächstgelegene Fund stammt aus dem Kreis Hildesheim861. Einen wichtigen Hinweis auf die Datierung der norddeutschen Ringfibeln mit trapezförmigem Fuß gibt das in Grab 72 des jüngerkaiserzeitlich bis frühvölkerwanderungszeidichen Gräberfeldes Preetz (Kr. Plön) gefundene Fragment. Es ist allerdings so abgebrochen, daß die Form der Fußplatte nicht zu erkennen ist Chorologisch gesehen liegt das Grab in der von J. Brandt herausgestellten Zone 2, die der Stufe C l b entspricht und absolutchronologisch in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. datiert862. Das Grab aus Böckingen (Stadt Heilbronn) wird von J. Werner aufgrund der Pfeilspitzen und der Pinzette mit entsprechenden Funden aus spätantiken Körpergräbern vom Typ Haßleben-Leuna verglichen und in die Zeit um 300 n. Chr. datiert863. Ergänzt werden diese Befunde durch einen spätantiken Siedlungsfund aus Mainz-Kastell, wo in einer Grube („b") eine Ringfibel mit

Kr. Hameln-Pyrmont (Nowotbnig 1970,137 Abb. l,b). Stadt Mainz (Behrens 1918a, 60 Abb. 26,3). 854 Kr. Reutlingen (Christlein 1974, Taf. 10,6; 1979, Taf. 1,8). 855 Dannheimer 1962, Taf. 3,4. * * Koch 1974,228 Abb. 1,9. 857 Londesborough (GB), Grab 7 (Swanton 1967, 44 Abb. 1); Burgh-Castle (Norfolk, GB) (Hattatt 1989,213 Abb. 101,1688). 858 Marcelli 1990; Teegen 1992. 859 Bertolone 1956,111 Abb. 7,16. 860 Dannheimer 1962,25 Anm. 2. 861 Metalldetektorfund. Cosack 1994,109. 862 Brandt 1960,63; Karte A;I. 863 Werner 1938,116-117. 852 853

Ringfibeln (Typ 33-40)

211

trapezförmiger Fußplatte (verziert mit drei Kreispunkten)854 zusammen mit einer konstantinischen Münze gefunden wurde865. Außer diesen Funden gibt es noch Nachweise aus späteren Grabkontexten. Ein Fund aus Rom (I)866 datiert in das 5./6. Jh.867, Stößen (Burgenlandkreis), Grab 70, in die 2. Hälfte des 5./1. Viertel des 6. Jhs.868, Grab 7 aus Londesborough (GB) in das 6. Jh. 869 und das Grab von Hettstadt (Kr. Würzburg) in das 7. Jh.870. Vermutlich wurden sie dort sekundär verwendet, doch ist nicht gänzlich auszuschließen, daß derartige Fibeln noch in dieser Zeit hergestellt wurden. Dies trifft besonders auf die Funde mit zwei871, drei872 oder vier trapezförmigen Ansatzplatten873 zu, bei denen es sich m. W. bislang um Unikate sowie meist um nicht strati fixierte Funde handelt. Aussagen zu Trägern und Trageweise sind schwierig zu treffen, da nur zwei Grabfunde herangezogen werden können. Demnach kommen Ringfibeln mit trapezförmiger Fußplatte in der jüngeren Kaiserzeit sowohl in den Gräbern von Männern (Böckingen, Stadt Heilbronn) wie von Frauen vor (Preetz, Kr. Plön, Grab 72). Auch bei den aus völkerwanderungszeitlich-merowingprzeitlichen Gräbern bekannten Ringfibeln ist die Situation entsprechend. Männergräber mit Ringfibeln mit Trapezfuß aus dem 5—7.Jh. liegen aus Rom-Colle Oppio (I), Grab 116 (maturer Mann) und Ghlin-les-Mons (B) vor. Frauengräber (archäologische Geschlechtsbestimmung) sind aus Stößen (Burgenlandkreis), Grab 70, Londesborough (GB), Grab 7, Hettstadt (Kr. Würzburg) und Wahlheim (Kr. AlzeyWorms) belegt. Kinderbestattungen mit diesen Fibeln sind bislang nicht bekannt geworden. Zum Abschluß soll noch der Verwendungszweck der Ringfibeln mit trapezoidem Fuß beachtet werden. Die Diskussion von Ringfibeln in der Literatur ergab, daß ihre Funktion im wesentlichen nur aus der Lage im Grab abgeleitet werden kann: In einer Reihe von Fällen ist anzunehmen, daß derartige Fibeln als Mantel-

864

MS 866 867 868 869 870 871 872

m

Behrens 1918a, 59; 60 Abb. 26,3. Wichtig ist der Hinweis auf die in Mainz aufbewahrte Pyrmonter Ringfibel mit einer ähnlichen Verzierung (vgl. Liste 1,232). Ziegelstempel Legio I Ad., acht Ziegelstempel Legio XXIIPPF etc. (Behrens 1918a, 59). Marcelli 1990, 537 Abb. 16. Marcelli 1990,533 Tab. 2; 534. Schmidt 1961,126. Swanton 1967. Zimmermann 1972,201. Kaltenengers (Kr. Mayen-Koblenz) (Koch 1974,228 Abb. 1,8). Hofen am Neckar (Kr. Ludwigsburg) (Paret 1938,120; Werner 1938, 117; Koch 1974, 228 Abb. 1,7). Balhorn (Stad Paderborn) (Först 1992,557 Abb. 2-3).

212

Die Funde (Originale und itagliche Stücke)

verschluß auf der rechten Schulter getragen wurden. Andere, gleichartige Stücke wurden dagegen im Beckenbereich oder seitlich davon gefunden. Sie dienten aller Wahrscheinlichkeit nach als Gürtelschnallen, zum Verschluß von Taschen o. ä. Infolge unterschiedlicher Trageweisen werden derartige Funde in der Literatur sowohl als Ringfibeln wie auch als ringförmige Schnallen angesprochen und abgehandelt. Der anscheinend einzige Beleg zur Fundlage einer Ringfibel mit Trapezfuß stammt aus dem merowingerzeitlichen Grab von Hettstadt (Kr. Würzburg). Sie lag „zusammen mit SpinnwirteL, Messer und Eisenringen zu beiden Seiten des oberen Teils des linken Oberschenkels und gehörte zu einem Gehänge oder zu einem Tascheninhalt. Die bronzene Scheibenfibel lag dagegen korrekt in Trachtlage am Hals, zwischen beiden Schlüsselbeinen"874. W. Nowothnig hat diese Ringfibeln wegen ihrer Seltenheit als „Auszeichnung" interpretiert und stützt sich auf die Funde aus spätantiken römischen Militäranlagen (Mainz; Carnuntum [Deutsch-Altenburg, A]; Enns - Lauriacum [A], Saalburg [Hochtaunuskreis]) und das Grab von Böckingen (Stadt Heilbronn) sowie ein Stück aus dem ehemaligen Jugoslawien mit der Inschrift INVIDI CREPEN(T) 8 7 5 . Da diese Fibeln — im Gegensatz zu den nachweislich als Auszeichnungen verliehenen Zwiebelknopffibeln — nicht auf entsprechenden spätantiken Darstellungen zu finden sind und die Materialbasis sehr gering ist, halte ich diese Interpretation zum jetzigen Wissensstand nicht für haltbar.

6.16 Spiralfingemng (Typ 41) Im Pyrmonter Brunnenfund ist auch ein „Spiralfingerring" enthalten (Liste 1,233; Taf. 15,d). Ein exaktes Vergleichsstück ist mir nicht bekannt. Vermutlich ist der Ring als Fingerring anzusprechen, jedoch ist auch eine abweichende Interpretation als Zopfring nicht auszuschließen. Der Ring ist im Vergleich mit anderen kaiserzeitlichen Spiralfingerringen aus Germanien recht lang. Er stellt eine Variante zu Ch. Beckmann Gruppe 30 dar, die vor allem auf den dänischen Inseln und im Baltikum verbreitet ist und gelegentlich in Südschweden, Norwegen, Nordwestdeutschland, der Altmark und Mitteldeutschland vorkommt876. Ch. Beckmann datiert die bronzenen und eisernen Formen in die ältere, die goldenen Ringe aber in die jüngere Kaiserzeit. Allerdings sind auch aus jüngerkaiserzeitlichem Kontext

874 875 876

Koch 1974,230 Anm. 19. Nowothnig 1970,142. Beckmann 1969, Taf. 15; Leineweber 1997,74; Schuster 1998, Taf. 18,14&-154.

Römische Münzen (Typ 42)

213

Q77 070 bronzene Exemplare bekannt . Spiralfingerringe kommen sowohl in Männerais auch Frauengräbern879 vor. In Edelmetallausführung sind sie in den reichsten Gräbern vertreten 880 , aber auch im Thorsberger Moor (Kr. Schleswig-Flensburg)881. In Siedlungen wurden ebenfalls Spiralfingerringe gefunden, die meist aus Kupferlegierung gefertigt waren882. Ein ähnlicher Ring ist aus dem provinzialrömischen Opferschacht „Coventina's Well" in Carrawburgh -Pmcolitia am Hadrianswall (Britannien) bekannt883. Aus dem Opferfund von Ejsbol (DK) stammt ein kupferner Spiralring884.

6.17 Römische Münzen (Typ 42) Der Pyrmonter Brunnenfund enthält drei römische Münzen (Liste 1,234—236; Taf. 16). Es handelt sich um Denare der Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.)885, Trajan (98-117 η. Chr.)886 und Septimius Severus (193-211 n. Chr.) für Caracalla (211-217 n. Chr.)887. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß es sich bei dem Caracalla-Denar um ein subaerates Stück handelt, wie die Metallanalyse bestätigt hat 888 . Das Vorliegen einer Bronzemünze hat bereits der Ausgräber bemerkt889, und auch J. v. Olfers hat daraufhingewiesen 890 . Die neuere Forschung tendiert bei den römischen Gußmünzen zu einer Interpretation als „Falschgeld"891, zumal aufgefallen

877 878 879 880

881 882 883 884 885 886 887 888 889 890 891

Beckmann 1969,43 ff. Sörup I (Kr. Schleswig-Flensburg), Grab 217: maturer Mann (Raddatz 1981, Taf. 35,217); Ehestorf-Vahrendorf (Kr. Harburg), Grab 354 und 920 (Wegewitz 1962; Taf. 12; 28). Parum (Kr. Ludwigslust), Grab 46: ca. 60jährige Frau und Grab 89: ca. 29jährige Frau (Heußner 1987,41). So sind Fingerringe in der jüngerkaiserzeitlichen Körpergräbergruppe Haßleben-Leuna auf die reichste Gräbergruppe (I) nach W. Schlüter (1970) beschränkt. Goldene Ringe sind nur in der Gruppe la, silberne und bronzene in der Gruppe lb vorhanden (a. a. 0.138). Raddatz 1957, Taf. 18; 1987a, 139-140. Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven) (Schuster 1998, Taf. 18,148-149). Alkson-Jones / McKay 1985, 26 Nr. 61; 27 Abb. 61. In Britannien sind diese Ringe von der vorrömischen bis zur sächsischen Zeit belegt (a. a. O. mit Nachweisen). 0rsnes 1988,105-106 (Nr. Ε 13083); Taf. 211,9. Liste 1,234 (=FMRD VII,4014,1); Gewicht 3.15 g. RIC 23 (geprägt 81 n. Chr. in Rom). Liste 1,235 (=FMRD VD,4014,2); Gewicht 3.26 g; RIC 266 (geprägt 112/114 n. Chr. in Rom). Liste 1,236 (=FMRD VII,4014,3); Gewicht 2.68 g; RIC 11 (Original 196/198 n. Chr. in Rom geprägt). Zusammensetzung in Gewichtsprozenten (Daten nach Anemüller 1989): Cu 79.99, Sn 15.19, Zn 0.95, Pb 1.88, Fe 1.95. Ludwig 1863a, 2 (unpaginiert). v. Olfers 1864, Sp. 248: „von geringem Lothe". Zedelius 1983; Peter 1990; gegenteilige Meinung: Alföldi 1971; 1974.

214

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

ist, daß oftmals Abdrücke von gut geprägten und wenig abgenutzten Münzen genommen wurden. In diesem Jahrhundert wurden zahlreiche Tonförmchen zum Abguß von Münzen gefunden892 - eine Form fur RIC 11 ist mir allerdings nicht bekannt geworden.

6.18 Emaillierte Schöpfkelle (Typ 43) Der bedeutendste Bestandteil des Fundkomplexes ist die emaillierte Schöpfkelle (Liste 1,237; Taf. 17). Sie gehört zu denjenigen Stücken des Brunnenfundes, die in der Literatur oftmals abgebildet worden sind893. Eingehendere archäologische oder technologische Untersuchungen fehlten bislang oder wurden nur in Vorberichten veröffentlicht894. An dieser Stelle kann auf das Stück nur kursorisch eingegangen werden895. Das Stück entspricht der Form Eggers 156896 bzw. dem Typ Pyrmont. Aufgrund der großen Ähnlichkeiten zwischen den Typen Pyrmont (Eggers 156) und Vehner Moor (Eggers 157) ist eine ungefähre Gleichzeitigkeit von beiden anzunehmen897, wobei letztere Form aufgrund typologischer Erwägungen auch etwas jünger sein könnte898. Das verbreitete Auftreten emaillierter Objekte, ζ. B. Trompeten- und Scheibenfibeln899, in Britannien vor Ende des 1. Jhs. n. Chr. weist auf eine zeitliche Untergrenze hin900. Von den sechs Exemplaren der Typen Eggers 156-157 (Pyrmont, Vehner Moor [Kr. Oldenburg], La Plante b. Namur [B], Rochefort [F], Canterbury [GB])

892

893 894

895

896 897 898 899 900

Vgl. u. a. Behrens 1920/21; Alföldi 1971; 1974; Martin 1982; Zedeüus 1983; E. Nuber 1988; Peter 1990 (jeweils mit weiterer Literatur). Obersicht bei Articus 1984. Andraschko / Teegen 1988; Fendel et al. 1989; Fendel / Teegen 1990; Teegen 1988; vgl. auch Andraschko et al. 1990; 1992. Im Zusammenhang mit der Neubearbeitung des emaillierten Gefäßes aus dem Vehner Moor, Kr. Oldenburg (Teegen 1997f; Teegen / Fendel 1997), wurden auch vergleichbare emaillierte Schöpfgefäße ausfuhrlicher dargestellt An anderer Stelle wurde vor allem der archäologische und soziale Kontext, in dem Emailgefaße in den nördlichen Provinzen und im westlichen Germanien vorkommen, untersucht (Teegen 1997a). Da nicht absehbar ist, wann die Publikation des Pyrmonter Fundkataloges erfolgen kann, werden parallel dazu Beschreibung und Abbildung der Schöpfkelle in einer von E. Künzl (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz) vorbereiteten Arbeit über römische Emailgefäße erscheinen. Eggers 1951,120 Nr. 1081. K. Exner (1938,50) hat darauf bereits hingewiesen. Teegen 1997f. Butcher 1977,44. Κ. Exner (1938,52) nahm das Jahr 100 n. Chr. als Untergrenze zur Datierung der Emailgefäße an.

Emaillierte Schöpfkelle (Typ 43)

215

und Bradley Hill [GB]) gibt es nur für das letztgenannte Gefäßfragment einen datierenden Anhaltspunkt. Es wurde unter einem Pflasterstein von Haus 2 gefunden, das um 350 errichtet und bis 420/450 n. Chr. benutzt wurde901. Damit liegt auf jeden Fall ein terminus ante quem vor.

Das Gefäß von Brougham (Cumbria, GB)902 zeigt auf dem Gefäßkörper zwei Details, die mit dem Pyrmonter Fund vergleichbar sind. Es handelt sich um die aufrecht stehenden Blätter, das Blütenmotiv und eine Kombination von beidem, wie sie in abgewandelter Form in den zentralen Fünfecken dargestellt ist. Das Gefäß wurde in Grab 12 zusammen mit Keramik gefunden, die nach 200 n. Chr. datiert903. Die senkrecht übereinander stehenden, nach oben gerichteten herzförmigen Blätter des englischen Gefäßes sind in verbreiterter Form auf dem heute in New York aufbewahrtem Gefäß aus Rochefort (F) vorhanden904. Bei letzterem sind die breiten Blätter im Zentrum der Fünfecke angebracht. Das Gefäß aus Bradley Hill (GB) zeigt über der zentralen Verzierungszone mit den Fünfecken ein fischgrätenähnliches Motiv905, wie es auch bei den Gefäßen vom Typ Maltbsek (Eggers 158) vorhanden ist906. Der Griff des Gefäßes aus Linlithgow/West Lothian (GB)907 weist am Griffansatz einen Halbkreis auf, der wiederum an den vollen Kreis auf den Griffen von Kirkby Lathorpe (GB)908 und Pyrmont erinnert. Damit lassen sich die Typen Eggers 156-158 sowie einige Varianten typologisch miteinander verbinden und die Kenntnis der verschiedenen Formen durch die Produzenten vermuten. Auch dies weist auf eine ungefähre Gleichzeitigkeit dieser Emailgefäße und wird zudem durch die vorherrschenden Emailfarben (blau, gain, rot) unterstrichen909. Die typologischen Vergleiche belegen daher relativ sicher eine Produktion vor dem Jahr 200 n. Chr. Vor einiger Zeit hat C. N. Moore eine Datierung der Gefäße vom Vehner Moor Typ in das letzte Viertel des 1. und das erste Viertel des 2.Jhs. vorgeschlagen910. Er bezog sich dabei auf folgende Indizien: 1. die sog. Elmswell Plakette trägt ein Weinblattmotiv und soll nach C. F. C. Hawkes in der Tradition südenglischer eisenzeitlicher Emailproduktion

901 902 903 904 905 906

907 908 909 910

Leech 1981; Fowler 1981,210; 1983,237. Butcher 1977,47 Abb. 2. Butcher 1977,45. Forsyth 1950, Abb. 5. Fowler 1981,211 Abb. 15,1. Maltbxk (DK) (Lund Hansen 1987, 94 Abb. 35); Braughing (GB) (Eggers 1966, 148 Abb. 48.31A); Linlithgow/West Lothian (GB) (Eggers 1966,148 Abb. 48,80); Nehasitz (CZ) (Exner 1938, Taf. 21,1). Eggers 1966,148 Abb. 48,80. Butcher 1977,46 Abb. 1. Vgl. auch Butcher 1977,48. Moore 1978,325.

216

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

stehen911. Sie dient als Anhaltspunkt dafür, daß sich bereits in der Zeit der Ankunft von Petillius Cerialis in Yorkshire (um 71 n. Chr.) dieser Stil in der Emailproduktion durchgesetzt hat; 2. sollen die Weinranken von Terra Sigillaten der Formen Dragendorff 29 (vor 85 n. Chr.) und Dragendorff 37 (70 bis 3. Jh.) übernommen worden sein912; 3. sollen die gezackten Blätter auf dem sogenannten Benevento cup 913 von entsprechenden Darstellungen der ersten Produktionsphase der Terra Sigillata-Töpferei von Lezoux914 abgeleitet sein und in die Zeit von ca. 50-75 n. Chr. datieren915. Das stilisierte Zweig- oder Fischgrätenmuster unterhalb des Randes der Gefäße vom Typ Maltbaek oder dem Exemplar aus Bradley Hill soll davon abgeleitet sein. Diese typologische Ableitung erscheint mir fraglich. 4. Die geschwungenen Griffenden der Emailgefäße sollen in Anlehnung an bestimmte Silbergefäße entstanden sein916. Dies erscheint nicht unwahrscheinlich, doch geben die von ihm herangezogenen Beispiele keine genaue Datierung. In diesem Zusammenhang sei auf einige Griffenden917 der sog. Wetterauer Ware aufmerksam gemacht, die zwischen ca. 100 n. Chr. und späthadrianischer/frühantoninischer Zeit im Großraum Frankfurt/Main hergestellt wurde. Parallelen zu den herzförmigen Blättern finden sich, wie schon F. Henry herausgestellt hat, auf emaillierten Plaketten aus Fundorten der Germania superior (ζ. Β. Karlsruhe, Saalburg [Hochtaunuskreis], Osterburken [Neckar-Odenwald-Kreis], Mainz)918. Die genannten Kastellfunde datieren aber zwischen der Mitte des 2. Jhs. und etwa 260 n. Chr.919. Herzförmige Blätter und Ranken sind auch aus dem jüngerkaiserzeitlichen Britannien von Mosaiken und Wandmalereien bekannt. Zusammengefaßt läßt sich feststellen, daß zum gegenwärtigen Stand der Forschung keine genauere Datierung der emaillierten Schöpfkellen als in das 2. Jh. n. Chr. möglich ist; eine Herabdatierung in das letzte Viertel des 1. Jhs. ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, erscheint mir aber derzeit weniger wahrscheinlich. Auch wenn ein Exemplar dieser Form sowie ein weiteres Stück aus Fundkontexten des 4. Jhs. stammen, ist eine Datierung über das Jahr 200 n. Chr. hinaus unwahrscheinlicher als eine Früherdatierung.

911 912 913 9,4 915 916

917 918 919

Stiert nach Moore 1978, 324. Moore 1978,324. Henry 1933, Abb. 23,l;Forsyth 1950, Abb. 9. So schon Henry 1933, Abb. 23,2. Moore 1978,325. Allerdings zitiert C. N. Moore (1978, 325 Anm. 39) selbst D. E. Strong (1966, 167), der diese geschwungenen Enden bei Silbergefäßen in das 2./3. Jh. n. Chr. datiert; vgl. auch Sunter / Brown 1988,16. Rupp 1988, Taf. 19,F13i.l; 19,F13j.l (Griffende). Henry 1933, Abb. 32,2.4-6. Vgl. Schönberger 1986.

Emaillierte Schöpfkelle (Typ 43)

217

Das Herstellungsgebiet dieser Gefäße war in der provinzialrömischen Forschung umstritten. K. Exner nimmt als Produktionsgebiet den Rhein-Maas-Raum an920. G. Ekholm921 und H. J. Eggers922 vermuten dagegen eine britanno-römische Herkunft. Letztere Annahme wird durch das Verbreitungsgebiet der emaillierten Gefäße insgesamt und die unten genannten Funde von Gußformfiragmenten anderer Gefäßtypen gestützt. Damit ist die Produktion entsprechender Gefäße in Yorkshire und Wales gesichert. Auch die Inschrift auf dem sog. Rudge cup mit der Nennung von Befestigungen des Hadrianwalls läßt eine britannische Arbeit sehr wahrscheinlich erscheinen923. Vermutlich wurden die Gefäße an verschiedenen Orten Britanniens produziert, ohne daß dies allerdings bislang durch Funde nachgewiesen werden konnte. Die Herkunftsbestimmung der Gefäße der Typen Pyrmont (Eggers 156) und Vehner Moor (Eggers 157) gestaltet sich schwieriger. Von den sechs bekannten Exemplaren beider Typen stammen zwei aus Britannien und vier vom Kontinent, davon zwei aus Gebieten mit zahlreichen Emailfunden. Zählt man die Kelle von Brougham (GB)924 und die Kellengriffe mit floralem Dekor aus Kirkby Lathorpe, (GB)925 und Brough-on-Fosse, (GB)926 sowie (weniger ähnlich) aus Burgh Apton (GB927) hinzu, so ergibt sich ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis. Die Kelle von Brougham (GB), die typologische Details von Gefäßen der Typen Pyrmont/Vehner Moor aufweist, könnte ebenfalls eine Entstehung in Britannien belegen (Kombination verschiedener typologischer Elemente). Daher möchte ich sowohl für das Gefäß aus dem Vehner Moor (Kr. Oldenburg) wie für das aus Pyrmont eher eine Herkunft aus Britannien annehmen. Eine gallo-römische Entstehung ist zwar nicht vollständig aus zuschließen, erscheint jedoch erheblich weniger wahrscheinlich. Wo diese Gefäße in Britannien hergestellt wurden und für welche Auftraggeber, ist noch völlig unbekannt. Gußformen für Emailgefäße der Form Eggers 156-157 sind bislang nicht nachgewiesen worden. Die von E. Künzl vorgelegte Verbreitungskarte928 läßt ein charakteristisches Muster erkennen. Sämtliche Typen von Emailgefäßen sind in großer Konzentra-

920 921 922 923 924 925 926 927 928

Exner 1938, 51. Ekholm 1934, 57. Eggers 1951,174 Beilage 67. Butcher 1977,43; Moore 1978. Butcher 1977,47 Abb. 2. Butcher 1977,46 Abb. 1. Moore 1978,320 Abb. 1. Moore 1978,323 Abb. 4. Künzl 1995,654 Abb. 7.

218

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

üon in der Provinz Britannia vertreten (südlich des Hadrianswalles und vor allem in Südost-England). Auf dem europäischen Festland zieht sich eine Kette von Fundpunkten von der Kanalküste durch Nordfrankreich und Belgien die Maas entlang bis zum Rhein und dann flußaufwärts. Besondere Schwerpunkte liegen im MaasRhein-Gebiet vor. Die Funde weisen auf den Rhein als große Transportader, aber auch auf die Straßen von Boulogne über Tongeren und Maastricht nach Köln, wie E. Künzl herausgestellt hat929. Bemerkenswert ist festzustellen, daß sich die Verbreitungsgebiete der Gußformfragmente und der Emailgefäße in Britannien weitgehend ausschließen. Der Fund aus dem Lagerbad von Caerleon (Wales, GB)930 steht allein, es gibt anscheinend bislang kein publiziertes Emailgefaß aus Wales. Aus Yorkshire sind mehr als 1000 tönerne Gußformfragmente für Emailgefäße bekannt931, jedoch bislang nur einige Einzelfunde von Griffen und anderen Emailobjekten932 und keine Gefäße. Die Konzentration von Emailgefäßen im Rhein-Maas-Gebiet weist auf eine größere Beliebtheit solcherart verzierter Objekte. Wahrscheinlich hat sich aufgrund dieser Vorliebe dann hier eine „Emailindustrie" ausgebildet933. Ob es sich um die Nachahmung britannischer Mode handelt oder ob hier eigene Entwicklungen stattfanden, läßt sich derzeit nicht abschließend klären. Eine eigene frühe (spätes l./l. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) Produktion an emaillierten Großobjekten kann zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, das Verbreitungsbild spricht nach Einschätzung E. Künzls934 und des Verf. jedoch eher für eine britanno-römische Produktion. Diese Einschätzung wird durch die in Britannien entdeckten Gußformfragmente eindrucksvoll untermauert. Entsprechende Funde fehlen auf dem Kontinent vollständig. Römischem Import, vor allem von Gefäßen, ist aufgrund der Grabfunde eine bevorzugte Stellung zuzusprechen935. Aufgrund des hohen kunstgewerblichen Wertes der Emailgefäße und ihrer relativ geringen Zahl im archäologischen Fundgut, dürften sie sowohl im Römischen Reich wie auch in Germanien etwas Besonderes gewesen sein936. Letzteres deutet besonders der Fund aus dem Vehner Moor (Kr. Oldenburg) an. Er war wohl mit dem sogenannten „Prachtmantel II"

929 930 931 932 933 934 935 936

Künzl 1995,654. Boon 1986. Bayley 1989a; 1995. Moore 1978, 322 Abb. 3; Künzl 1995,654 Abb. 7. Exner 1941; Spitaels 1970. Künzl 1995; 1995a. Vgl. u. a. Gebühr / Kunow 1976; Gebühr et al. 1989; Geisler 1984; Siegmund 1996. Vgl. dazu Teegen 1997a.

Funde aus organischem Material (Fundgruppe 44-45)

219

vergesellschaftet. Der textilkundliche Bearbeiter K. Schlabow bezeichnete ihn als einen „der bedeutendsten Textilfunde der Eisenzeit". Aufgrund seiner Studien zu den „Prachtmänteln" vermutete er: „Die Fertigung eines solchen Kleidungsstückes vom Färben der Schafwolle, vom Spinnen der Garne und vom Weben in Köperbindung mit breitem Brettchenkanten, ist für zwei tüchtige Weberinnen in der Eisenzeit eine Jahresarbeit gewesen"937. Dies wurde inzwischen durch das Nachweben des Prachtmantels aus dem Vehner Moor bestätigt938.

6.19 Funde aus organischem Material (Fundgruppe 44-45) Holzgefaße (Fundgruppe 44) Die genaue Zahl der aufgefundenen hölzernen Schöpfgefäße geht aus den Beschreibungen R. Ludwigs nicht sicher hervor, wenn er im „Archiv für Balneologie"939 schreibt: „Einige hölzerne roh geschnitzte Schöpfgefasse." Doch dürften es mit Sicherheit zwei Gefäße gewesen sein, die sich auch voneinander unterschieden. Es gab ein „sehr roh geschnitzt" (Liste 1,238) und ein „besser und dünner gearbeitetes Holzgefäß" (Liste 1,239)940. Eine genauere Beschreibung gibt R. Ludwig leider nicht941, so daß sich nicht sagen läßt, ob letzteres Gefäß nicht vielleicht sogar gedrechselt war. Beide Gefäße sind beim Trocknen zerfallen942. Die Gefäße wurden nicht zusammen gefunden, sondern je eines zwischen den Quellen I und Π und I und ΙΠ. Um eine Vorstellung vom Aussehen dieser Gefäße zu bekommen, sind wir auf zeitgleiche Vergleichsfunde angewiesen. Infolge der für Holz meist schlechten Erhaltungsbedingungen ist unsere Kenntnis des Holzgefäßinventars der römischen Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit sehr lückenhaft. Dies betrifft vor allem Gefäße, die keine Metallbeschläge aufweisen. Allerdings fanden hölzerne Gefäße aus den großen nordischen Mooropferkomplexen bereits im letzten Jahrhundert Beachtung?43. Die Forschungsgeschichte bezüglich kaiser- und völkerwanderungszeitlicher Holzgefäße ist bei T. Capelle944 und J. Szydlowski945 dargestellt. 937 938

939 940 941 942 943 944 945

Schlabow 1976,66. Studioausstellung im Staatlichen Museum fur Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg, Herbst 1996; pers. Mitt. Prof. Dr. M. Fansa, Oldenburg (1996). Ludwig 1864,3. Ludwig 1863,2 (ungez.). Erwähnungen bei Ludwig 1863,2 (ungez.); 1864, 3; 1865, 51. Ludwig 1865, 51. Engelhardt 1863; 1865; 1869. Capelle 1976; 1981a; 1983. Szydlowski 1986, bes. 70-71.

220

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Die Schöpfgefäße der römischen Kaiserzeit werden durch einen relativ langen und nach unten umgebogenen Griff charakterisiert. Diese Konstruktion diente vermutlich dem Aufhängen der Gefäße im Hause. Die Grifform ist aber auch bei flachen Schalen zu beobachten946, wobei die Abgrenzung zwischen Schöpfgefäß und (Griff-) Schale nahezu fließend ist947. Hölzerne Schöpfgefäße sind auch von den großen nordeuropäischen Mooropferplätzen Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg), Vimose, Nydam und Ejsbol (alle DK) bekannt. Ein ausgesprochen auffälliges Exemplar wurde in Vimose (DK) gefunden: Hier ist der Griff mehr als sechsmal so lang wie der Gefäßdurchmesser948. Vermutlich eine Übergangsform bzw. multifunktionale Form stellen Griffschalen dar, wie sie aus Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg)949 oder Vimose (DK)950 bekannt sind. Von der Form her ähneln sie römischen Kasserollen oder Griffschalen951. Aus dem Mittelgebirgsraum sind kaum Funde überliefert. Einer der seltenen Nachweise einer Schöpfkelle stammt vom Göttinger Kiessee (Stadt Göttingen)952. Ob der Fund aus der dort nachgewiesenen frühkaiserzeitlichen Siedlung (Fund u. a. einer Fibel vom Typ Almgren 65)953 stammt, läßt sich nicht sicher belegen. Bei dem Gefäß handelt es sich zweifelsfrei um ein Schöpfgefäß. Vermutlich dürfen wir uns eines der Pyrmonter Holzgefaße ähnlich vorstellen. Holzartenbestimmungen liegen kaum vor. Das Beispiel Feddersen Wierde (Kr. Cuxhaven) zeigt, daß für die gedrechselten Gefäße vorwiegend Ahorn, für die geschnitzten dagegen vor allem Erle verwendet wurde954. Die Holzartenbestimmungen von Κ. E. Behre an den Funden der wikingerzeitlichen Wurt Elisenhof (Kr. Nordfriesland) belegen für Schöpf-, Rühr- und Gießkellen die Verwendung von Erle (sowie Esche)955, bei Griffschalen und Löffeln dagegen Eiche956.

946 947

948 949 950 951 952

953 954 955 956

Vimose (DK) (Engelhardt 1869, Taf. 16,13). Die Schalen sind meist flacher und breiter, der Griff biegt kurz nach der Gefäßwandung um (z. B. Engelhardt 1869,16,13 [Vimose, DK]). Die Schöpfgefäße dagegen sind eher tiefer und schmaler, der Griff ist länger (ζ. B. Engelhardt 1865, Taf. 4,36 [Nydam, DK]). Engelhardt 1869, Taf. 16,3. Engelhardt 1863, Taf. 17,2 (bei Raddatz 1987 nicht abgebildet). Engelhardt 1869, Taf. 16,11. Ob sie römischen Vorbildern nachempfunden sind, bedarf noch weiterer Abklärung. Das 24 cm lange Stück aus Göttingen wurde aus Wurzelholz (Holzart unbekannt) gefertigt (Bachmann 1957,40). Abgebildet bei: Maier 1971,46 Kat. 230; Taf. 77,1; Driehaus et al. 1972, 49 Abb. 23. Maier 1971,16. Körber-Grohne 1967,28 f.; Capelle 1976,32. Szab0 et al. 1985,87 ff. Szabö et al. 1985,70 f.; 92 ff.

Funde aus organischem Material (Fundgruppe 44-45)

221

Pflanzenreste (Fundgruppe 45) Die R. Ludwig bei den Ausgrabungsarbeiten zur Quellenneufassung bekannt gewordenen Pflanzenreste hat er zumindest kurz erwähnt957. Dies waren Bäume und ihre Bestandteile, Kräuter, Moose und Kulturpflanzen (Obst). In seinen Beschreibungen schilderte er ausfuhrlich die Befundsituation. Für die Darstellung des Befundes und seine Interpretation ist deutlich zwischen den botanischen Resten zu unterscheiden, die aus dem Bereich der Mineralquellen stammen (Liste 1,240). Dabei handelt es sich um die Stammscheibe einer Linde und die mit den Fibeln gefundenen Zwetschgenkerne. Unabhängig davon sind die Holz- und Pflanzenreste zu bewerten, die in höheren Schichten entdeckt wurden: Neben einem Buchenstumpf in der sich oberhalb der Linde befindenden Schicht wurden Früchte von Schlehen und wilden Kirschen sowie Blätter und Früchte von Buche, Eiche, Hasel, Linde und Erle gefunden. Davon ist heute nichts mehr erhalten. Holzreste (Fundgruppe 45.01) Neben den Quellen ragten zwei umgestürzte Lindenstämme schräg empor (vgl Abb. 9). Von einer der Linden hat R. Ludwig eine Scheibe entnehmen lassen und mehr als 200 Jahresringe gezählt958. Diese Lindenscheibe wurde dann mit den Funden in den Sälen des Stahlbadehauses aufbewahrt959. Sie ist später zerfallen, so wie die übrigen Holzreste auch. In höheren Schichten (vgl Abb. 9) wurden Stammstücke und Wurzelstöcke von Buchen, Erlen und Linden gefunden. Durch Blätter sind Buchen, Eichen, Hasel, Linde und Erle, durch Früchte Linde, Bucheckern, Eicheln, Haselnüsse (und andere)960 nachgewiesen. Außerdem wurden Moos, Schilf und allerlei Kräuter beobachtet. Fruchtsteine (Fundgruppe 45.02) Zahlreiche Diasporen wurden von R. Ludwig in dem Aufschluß bemerkt und zum Teil gesammelt961. Zusammen mit den Fibeln wurden auch einige Zwetschgenkerne gefunden 962 . R. Ludwig schreibt: „Merkwürdig ist, daß zwischen den Nadeln sich einige Zwetschenkerne fanden, die an keiner andern Stelle vorkamen."963.

957 958 959 960 961

962 963

Erwähnt bei Ludwig 1863,3 (ungez.); 1864,1; 1865,48-49 Abb. 1. Ludwig 1865, 51. Ludwig 1863, 3 (ungez.). Ludwig 1865,48. In höheren Schichten wurden Kirschen, Schlehen, Bucheckern und Haselnüsse beobachtet (Ludwig 1865). Ludwig 1864,3. Ludwig 1863,2 (ungez.).

222

Die Funde (Originale und fragliche Stücke)

Leider wird nicht angegeben, mit welchen Fibeln diese angetroffen wurden. Es ist anzunehmen, daß diese nicht zufällig dorthin gelangt sind — sonst hätten sie sich vermutlich auch an anderen Stellen finden müssen. Auch dürften die Fruchtsteine nicht selbst weggeworfen oder niedergelegt worden sein, sondern ganze Früchte964. Für Abfälle gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Damit würde sich - bei aller Vorsicht - auch ein Termin für die Niederlegung geben: Spätsommer oder Frühherbst, geht man von heutigen Reifezeiten aus. Dies ist der einzige - indirekte und mit Vorsicht zu betrachtende - Beleg für den Zeitpunkt einer Opferhandlung. Dieser Zeitraum dürfte auch nur für die Fibeln zutreffen, die mit den Zwetschgen zusammen gefunden wurden965. Die Obstfunde aus dem Pyrmonter Brunnenfund können durchaus kaiserzeitlich sein. Denn sämtliche nachgewiesenen Arten (Kirsche, Schlehe, Zwetschge) sind spätestens in der römischen Kaiserzeit bekannt966. Bei den „Zwetschen" ist dies aufgrund des von R. Ludwig beschriebenen Fundzusammenhanges auch in Pyrmont sicher belegt. Haselnüsse liegen in z.T. großen Mengen bereits von mesolithischen Fundstellen vor967. Das Sammeln von fettreichen Bucheckern ist seit den Metallzeiten anzunehmen968. Die Schlehe {Prunus spinosa L.) ist seit dem Neolithikum belegt; sie kommt häufig vor. Die Zwetschge {Prunus domestica ssp. domestica) tritt seit der jüngeren vorrömischen Eisenzeit gelegentlich auf. Die Pflaume (Krieche, Spilling, Ziparte [Prunus domestica L. ssp. insititia Schneider]) kommt gelegentlich seit dem Neolithikum vor. Die Rundpflaume {Prunus domestica ssp. italica Gams bzw. Prunus domestica ssp. rotunda nach Werneck) ist gelegentlich seit der römischen Kaiserzeit belegt. Die Kirschkerne hatte R. Ludwig nicht weiter differenziert. Aus ur- und frühgeschichtlichen Fundzusammenhängen sind sowohl die Süßkirsche/Vogelkirsche {Prunus avium L. s.l.) als auch die Sauerkirsche {Prunus cerasus L. s.l.) bekannt. Erstere ist seit dem Neolithikum häufig, letztere vermutlich erst seit der römischen Kaiserzeit (bei älteren Belegen oft Verwechslungen mit Prunus avium)969. Ob die in den höheren Schichten gefundenen Früchte Kirsche, Schlehe, Buchecker und Haselnuß nur eine zufällige Fundgemeinschaft darstellen oder dort absichtlich deponiert wurden, läßt sich nicht klären. Doch erscheint es aufgrund des feuchten Milieus mehr als fraglich, ob derartige Bäume hier gewachsen sind.

964

965 966 967 968 969

Nachweise von ganzen Früchten sind in ur- und frühgeschichdicheii bzw. mittelalterlichen Fundzusammenhängen Mitteleuropas höchst selten. Wobei wir über den Fundzusammenhang nichts wissen (s. o.). Willerding 1969,227; 232 Diagramm; 1996,126 Abb. 17. Willerding 1969,228. Willerding 1969,223. Willerding 1969,227.

Löffel mit Pinienzapfenabschluß (Typ 46)

223

Desgleichen ist der Fundzusammenhang zwischen den einzelnen Fruchtresten unbekannt. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Obststeine auch durch Vögel, die hier vielleicht ihre Schlafbäume hatten, an diesen Fundplatz transportiert und dann ausgeschieden wurden. Stratigraphisch sind die Obststeine eindeutig jünger als die niedergelegten Funde. Doch ist nicht auszuschließen, daß sie mit den spätesten Gegenständen des Fundkomplexes (d. h. aus der 1. Hälfte des 5. Jhs.) gleichzeitig sind. Inwieweit die Identifizierung der Zwetschgen durch R. Ludwig sicher ist, kann hier nicht genau abgeschätzt werden. Es ist anzunehmen, daß er als aufmerksamer Beobachter durchaus die Form- und Größenunterschiede zwischen rezenten Pflaumen und Zwetschgen gekannt hat und dies dann auf die Pyrmonter Verhältnisse übertragen hat.

6.20 Löffel mit Pinienzapfenabschluß (Typ 46) Unter den Objekten aus dem Brunnenfund befindet sich auch ein Löffel mit Pinienzapfenabschluß (Liste 1,241). Über seine Fundumstände liegen nur wenige Angaben vor. Bei der Ersterwähnung im Pyrmonter Wochenblatt vom 4. November 1863 wurde nur der Fund eines Silberlöffels bekanntgegeben970. Dies korrigierte R. Ludwig in seinem Artikel vom 22. November 1863 insofern, als daß er von einem Löffel aus „goldgelber Bronze" schrieb971. In diesem Artikel folgt die Erwähnung des Löffels im Anschluß an die Beschreibung der Fundschicht der Fibeln. Vermutlich ist der Löffel aus den oberen spätmittelalterlich-friihneuzeitlichen Schichten in das „brodelnde" Quellwasser gefallen und wurde zusammen mit den kaiserzeitlichen Funden aufgelesen. Löffel mit Pinienzapfenabschluß wurden in Mitteleuropa und den britischen Inseln mindestens zwischen der Mitte des 16. und des 17. Jhs. gefertigt, vermutlich sogar zwischen dem 15. Jh. und 1700. Einige ihrer Produzenten (ζ. B. Jan Gerrits aus Leeuwarden und Heinrich Frerichs aus Hamburg) bzw. Produktionsorte sind infolge der Marken bekannt (ζ. B. Hamburg 1640-1650). In mindestens einem Fall ist ein entsprechender Löffel auch bildlich abgebildet972. In den Sammlungen haben sich vorwiegend Silberlöffel erhalten, während aus Grabungen (Bad

970 971 972

NN 1863a, 2. Ludwig 1863, 2. Unterschiedliche Materialangaben sind bei den Pyrmonter Funden bis in jüngste Zeit gang und gäbe. Georg Hinz (1630/31-1688), Stilleben mit Glaspokal und goldener Henkelschale. Öl auf Leinwand, 87 χ 69.8 cm (Werkverzeichnis Nr. 28; Bastian 1984,265-266). Aufbewahrungsort: Kunsthalle Hamburg.

224

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Pyrmont, Göttingen973, Amsterdam974) und von künstlerischen Darstellungen eher Messinglöffel bekannt wurden. Aufgrund englischer Vergleichsfunde975 ist der Pyrmonter Löffel typologisch in die erste Hälfte des 17. Jhs. zu datieren. Löffel mit Drei-Löffel-Marke werden aus kunstgeschichtlicher Sicht in das 16. Jh. (2. Hälfte [?]) eingeordnet976, doch sind sie nach C. A. Peal977 typologisch eher in die Zeit zwischen 1600—1660 zu setzen. Daher ist letztlich eine genauere Datierung des Pyrmonter Exemplares als zwischen 1550-1650 nicht möglich. Ein Zusammenhang mit dem Pyrmonter Wundergeläuf von 1556/57 ist damit nicht gänzlich ausgeschlossen, erscheint jedoch weniger wahrscheinlich.

6.21 Verschollene Fibeln unbekannten Typs (Fundgruppe 47—48) Großherzoglich Hessisches Museum zu Darmstadt (Fundgruppe 47) Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, wurden Ende des 19. Jhs. etwa 40 Fibeln aus dem Pyrmonter Brunnenfund im Großherzoglich Hessischen Museum zu Darmstadt (heute: Hessisches Landesmuseum Darmstadt) aufbewahrt978. Auf der vermutlich ebenfalls Ende des 19. Jhs. oder spätestens im ersten Viertel des 20. Jhs.979 angefertigten Übersichtsaufnahme980 sind sie jedoch nicht abgebildet. Der Auflistung von R. Adamy zufolge981 handelt es sich um eine Armbrustfibel (Liste 1,244) und eine Ringfibel unbekannter Form (Liste 1,245). Da die Inventarbücher des Hessischen Landesmuseums verbrannt und die Inventarnummern einiger in Darmstadt aufbewahrter Fibeln nicht mehr lesbar sind, ist eine Zuordnung der von R. Adamy genannten Inventarnummern zu den verschollenen Fibeln nicht möglich982. Genausowenig ist der Verlustzeitraum enger als auf die Jahre zwischen 1897 und 1945 einzugrenzen, obwohl ein Kriegsverlust die wahrscheinlichste 973 974

975 976

977 978 979

980 981 982

Unpublizierter Fund im Städtischen Museum Göttingen („16. Jh."). Baart etal. 1977, 318 III. 112-113,b; 319 Ab. 601. Schichtdatiert 2.-3. Viertel des 17. Jhs. (a. a. O. 316; 319). Peal 1970,254 Abb. 2. Benker 1978, 54 Abb. 43; briefl. Mitt. Dr. L. Seelig, Bayerisches Nationalmuseum München, vom 28.11.1989. Peal 1970,254 Abb. 2. Adamy 1897,40. Es handelt sich um ein Glasplattennegativ (pers. Mitt Dr. W. Stolle und Mitarbeiter, Hessisches Landesmuseum Darmstadt). Derartige Negative wurden bis in die 1920er Jahre verwendet. Articus 1984, Abb. 16. Adamy 1897,40. Herrn Dr. Stolle, Hessisches Landesmuseum Darmstadt, ist fur entsprechende Auskünfte zu danken.

Die sogenannten „Pyrmonter Quellnadeln" (Typ 49)

225

Ursache für den Verlust dieser Fibeln darstellen dürfte. Daß sie sich unter den unbeschrifteten Fibeln (Kriegsschäden) des Hessischen Landesmuseums verbergen, erscheint mir unwahrscheinlich. Eine Durchsicht des Materials983 blieb erfolglos. Fürstliche Antikensammlung Schloß Arolsen (Fundgruppe 48) In der Fürstlichen Antikensammlung Schloß Arolsen wurden (mindestens?) acht Fibeln aus dem Pyrmonter Brunnenfund aufbewahrt, die heute verschollen sind (Liste 1,246-253). Es muß sich nach den Angaben R. Ludwigs984, J. v. Olfers985 und O. Almgrens986 zufolge um sieben Armbrustfibeln (liste 1,246-252) und eine Ringfibel handeln (Liste 1,253). Sämtliche Fibeln sind offensichtlich auf der Übersichtsaufnahme, die anläßlich der Berliner Ausstellung prähistorischer und anthropologischer Funde Deutschlands (1880)987 angefertigt wurde, vorhanden. Jedoch ist lediglich eine Ringfibel mit profilierten Enden (Liste 1,253) auf der Photographie mit Sicherheit zu erkennen. Die Senkrechtaufnahme ist allerdings hinsichtlich der Details ohne größere Aussagekraft, so daß sie nicht sicher einem der in dieser Arbeit herausgestellten Ringfibeltypen zuzuordnen ist. Wann diese Fibeln verschollen sind, ist nicht endgültig zu klären. Der in Frage kommende Zeitraum liegt zwischen 1880 (Anfertigung der Übersichtsaufnahme) und der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, als in Pyrmont ein erstes Inventar angefertigt wurde.

6.22 Die sogenannten „Pyrmonter Quellnadeln" (Typ 49) Der Terminus „Quellnadel" wurde erstmals 1864 von dem Pyrmonter Goldschmied C. A. Bluhm in Werbeanzeigen für Nachbildungen bzw. Nachahmungen von Fibeln des Brunnenfundes verwendet In der „Illusttirten Zeitung" erschien 1881 ein Bericht, in dem vier sogenannte „Pyrmonter Quellnadeln" abgebildet waren988. R. Articus ging bei seiner Besprechung der vier Fibeln wie selbstverständlich davon aus, daß es sich um antike Stücke handelt. Aufgrund der vorliegenden Studie ist aber mit großer Sicherheit anzunehmen, daß es sich um Nachbildungen

983

984 985 986 987 988

Dem Erhaltungszustand nach dürfte es sich bei diesen um Fundgut aus Siedlungen und Gräbern des Rhein-Main-Gebietes handeln. Ludwig 1863; 1864; 1865. v. Olfers 1864. Almgren 1923,235 Beil. IV. Günter/Voss 1880. R. Articus (1984,199 Abb. 20) hat als erster auf diesen Beitrag aufmerksam gemacht.

226

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

oder Nachahmungen handelt. Möglicherweise handelt es sich bei den „Quellnadeln" um die Vorlagen, nach denen bis in die Gegenwart Fibeln von Pyrmonter Goldschmieden hergestellt werden. Auffallig ist, daß die vier Stücke mehrere konstruktive Gemeinsamkeiten besitzen, wie sie ansonsten in der Übereinstimmung bei antiken Fibeln kaum zu beobachten sind. Die Spirale besteht aus 16 (8/8) Windungen; die Wicklung beginnt rechts neben dem Achshalter. Dies ist sowohl bei den Pyrmonter Fibeln als auch bei anderen kaiserzeitlichen Fibeln nur selten zu beobachten. Alle Fibeln besitzen eine untere, hochgewölbte Sehne; die Spiralen werden beidseits von halbkugel- (?) bzw. drahtförmigen Achsendringen begrenzt, die Achsenden sind vermutlich vernietet. Bis auf die Fibel mit umgeschlagenem Fuß (Liste 1,257) öffnet sich der Nadelhalter immer nach rechts. Bei den überlieferten Nachbildungen öffnet sich der Nadelhalter — im Gegensatz zu der Abbildung aus der „Illustrirten Zeitung" bei den Fibeln mit festem Nadelhalter nach links, bei denen mit umgeschlagenem Fuß nach rechts989. Die Öffnung des Nadelhalters nach links ist im archäologischen Fundgut sehr selten. Diese Fakten unterstützen m. E. die Hypothese, daß es sich bei den genannten Fibeln mit einiger Sicherheit um Nachbildungen/Nachahmungen des 19. Jhs. handeln dürfte. Die Vorlagen für zwei „Quellnadeln" (Liste 1,256-257; Abb. 12,c-d) sind heute noch vorhanden (Liste 1,35-40, Kap. 6.9; Liste 1,51, Kap. 6.10). Ein Stück (Liste 1,255; Abb. 12,b) orientiert sich vermutlich an der heute verschollenen, von R. Ludwig jedoch mehrfach erwähnten Delphinfibel (Liste 1,213). Zu den genannten Fibeln ist bei Behandlung der Originale alles Nötige geschrieben worden. Einzig zu dem Stück mit bandförmigem Bügel (Liste 1,254; Abb. 12,a) gibt es kein erhaltenes Original, so daß es hier näher behandelt sei. Almgren VI, Serie 2, Variante mit bandförmigem Bügel (Typ 49.01) Abbildung 12,a zeigt eine vollständig erhaltene zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhalter und bandförmigem Bügel (Liste 1,254). Es handelt sich um eine Variante der Form Almgren VI,169. Der bandförmige Bügel ist geschwungen, der Querschnitt flach rechteckig und in den facettierten Bereichen wohl flach trapezförmig. Im Kopfbereich ist der Bügel vermutlich laschenförmig zum Achshalter umgebogen. Das Fußende erscheint auf der Oberseite abgerundet, der Nadelhalter schließt vermutlich mit dem Fußende ab. Die Bügeloberseite ist verziert. Die querverlaufenden Rillen auf

989

Denkbar wäre es, daß der Holzschnitt in der „Illustrirten Zeitung" seitenverkehrt gedruckt wurde.

Die sogcnannten „Pyrmonter Quellnadeln" (Typ 49)

227

diesem Stück sind sowohl auf Fibeln mit festem Nadelhalter (Liste 1,45) als auch mit umgeschlagenem Fuß (Liste 1,37) belegt. Dies betrifft auch das AndreaskreuzMotiv (x), welches im Pyrmonter Brunnenfund mehrfach vertreten ist. Nachbildungen dieser Fibel sind in verschiedenen Ausprägungen belegt (Liste 2,18-20). Eine sichere Typzuweisung über die Angabe „zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhalter und bandförmigem Bügel, vermutlich Variante der Form Almgren VI,169 (Ser. 2)" ist schwierig. Nach der Klassifikation der Fibeln mit festem Nadelhalter durch M. Schulze ist das betreffende Stück ihrer Gruppe „3) IxAalb" zuzuordnen990. Sie konnte 37 Exemplare feststellen, zu denen außer dem fraglichen Pyrmonter Stück je eine Fibel aus einem Frauengrab des Gräberfeldes Wechmar (Kr. Gotha)991 und aus dem Männergrab von Kemathen (Kr. Eichstätt)992 hinzuzurechnen ist. Das Verbreitungsgebiet der Fibeln Schulze Gruppe 3 liegt, bei einem Schwerpunkt im Gebiet der Mures-ίernjachov-Kultur, zwischen Hessen und Südrußland993. Sie werden in das 4. Jh. datiert994. Die chronologische Einordnung dieser Fibeln paßt zu den übrigen im Brunnenfund vertretenen spätkaiserzeitlichen Typen. Die spärlichen Daten belegen, daß dieser Fibeltyp sowohl von Männern wie von Frauen getragen wurde. Almgren VI, Serie 2, Variante mit „delphinförmigem" Bügel (Typ 49.02) Die Abbildung 12,b zeigt eine vollständig erhaltene zweigliedrige Armbrustfibel mit „delphinförmigem" Bügel (Liste 1,255). Es handelt sich um eine Fibel mit festem Nadelhalter der Form Almgren VI, Ser. 2 — Variante mit tierförmigem Bügel. Nachbildungen bzw. Nachahmungen der Delphinfibel sind in verschiedenen Ausformungen belegt (vgl. Liste 2,41-43).

990

991

992

993 994

Ggf. kommt auch die Gruppe „8) IxAa2b" in Frage, doch werden jene Fibeln vor allem durch einen facettierten Bügel gekennzeichnet, der bei der Pyrmonter Fibel nur ganz diskret angedeutet ist Das Verbreitungsgebiet liegt zwischen dem nördlichen Elbegebiet (Schwerpunkt) und dem ehemaligen Jugoslawien, dem oberem Dnjepr und Mittelschweden. Sie datieren in das 4. Jh., schwerpunktmäßig in die 2. Hälfte; Ausläufer gehören in das frühe 5. Jh. (Schulze 1977,18-19; Karte 13). Brandgrubengrab 118: Spinnwirtel, zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhaltet, bandförmigem Bügel und rechteckigem (verrundetem?) Fuß (Nadelhalter abgebrochen; durch Brand deformiert), dreieckiger Ohrring, Bronzeblech (vermutlich Sieb), Nagel, Urnenharz (Kaufinann 1984,51; Taf. 14,11). Unverzierte Bronzefibel mit bandförmigem Bügel (Keller / Rieder 1992,135 Abb. 105,9); das Grab enthielt auch einen Spiralfingerting. Schulze 1977, Karte 13. Schulze 1977, 15-16. Ein Fund stammt aus einem Zusammenhang der 2. Hälfte des 5. Jhs., dürfte hier aber zu vernachlässigen sein.

228

Die Funde (Originale undfraglicheStücke)

Almgren VI,175 - Variante (Typ 49.03) Abbildung 12,c zeigt eine vollständig erhaltene zweigliedrige Armbrustfibel mit festem Nadelhalter, vermutlich achteckigem Bügel und Perldrahtringen an Kopf, Bügelende und Fuß (Liste 1,256). Es handelt sich um eine Fibel mit festem Nadelhalter der Form Almgren VI,175 (Variante). Nachbildungen sind in unterschiedlicher Größe und vermutlich auch von verschiedenen Herstellern belegt (Liste 2,13-17). Almgren VI,162 (Typ 49.04) Die Abbildung 12,d zeigt eine vollständig erhaltene zweigliedrige Armbrustfibel mit umgeschlagenem Fuß, Fußwicklung und facettiertem Bügel (Liste 1,257). Es handelt sich um eine Fibel mit umgeschlagenem Fuß der Form Almgren VI,162. Auch von dieser Fibel sind Nachbildungen von vermutlich verschiedenen Herstellern belegt (Liste 2,7-11).

7 Zur Datierung der Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund Die ältere Forschung ordnete die Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund zeitlich zwischen Spät&tenezeit/früher Kaiserzeit (die letzten Jahrzehnte vor der bzw. um die Zeitenwende) und dem 3.Jh. n.Chr. ein1. Auf der Basis von M. Schulzes Studie zu den Fibeln mit festem Nadelhalter (Almgren VI, Serie 2) wurde die Schlußdatierung modifiziert2.

7.1 Absolute Chronologie Für die weitere Diskussion und die Abbildung 14 3 wurden folgende absolute Datierungen4 verwendet Die Stufeneinteilung folgt H. J. Eggers5: Römische Kaiserzeit Stufe Β1: Christi Geburt bis Mitte des 1. Jhs. Stufe B2: Mitte des 1. Jhs. bis 150/160 n. Chr.6

1

2 3

4 5 6

Jacob-Friesen 1928, 11 f.; G. Jacob-Friesen 1974, 578; den älteren Forschungsstand zusammenfassend: Articus 1984,199. Dieser Chronologieansatz geht letztlich auf O. Almgren (1923, 119; 128) zurück. Articus 1984,199: 5.-6. Jh. n. Chr. beruhend auf M. Schulzes (1977, 37; 274; Kat. 306) Datierung der Fibeln mit P-förmigem Bügel (Liste 1,46-50). Zur Darstellung der Laufzeiten (vgl. ζ. B. van der Roest 1988,169 Diagramm 1): Angegeben sind die absolut datierten Funde (meist römische Kastelle und andere Plätze sowie Münzen, ggf. auch Tetra Sigillata oder Import), schließlich die in Kapitel 6 fur die Germania Magia herausgearbeiteten gesicherten Datierungen (durchgezogene Linie) sowie ein Hinweis auf vermutliches Weiterlaufen etc. (gestrichelte Linie). Außerdem wurde aufgrund der Aufstellungen in Kapitel 6 versucht, einen ungefähren Schwerpunkt der Datierungen festzustellen. Dieser wurde in den Zeichnungen mit einem Dreieck versehen, konnte jedoch nicht überall angegeben werden. Es versteht sich von selbst, daß es sich dabei um Schätzungen handelt Bezüglich der Problematik von Datierungen mittels provinzialrömischer datierter Funde sei auf die kritischen Bemerkungen von E. Schallmeyer (1987) eindrücklich verwiesen. Eggers 1955; 1974; graphische Obersicht über wichtige Chronologiesysteme der römischen Kaiserzeit: Eggers 1955,233 Abb. 12; Lund Hansen 1987,30 Abb. 10. Raddatz 1957,148.

230

Zur Datierung der Gegenstände aus dem Pyrmonter Brunnenfund

Stufe Cl: 150/160 n. Chr. bis 259/260 n. Chr.7 Stufe Cla: 150/160 n. Chr. bis um 200 n. Chr.8 Stufe Clb: Um 200 n. Chr. bis um 259/260 n. Chr. Stufe C2: 259/260 n. Chr. bis um 300 n. Chr.9 Stufe C3: Um 300 n. Chr. bis Mitte 4. Jh. n. Chr.10 Völkerwanderungszeit Stufe D l : 350/360 n. Chr. bis um 400 n. Chr.11 Stufe D2: Ab 400 n. Chr.12

7.2 Auswertung Für Nordwestdeutschland - besonders für das Gebiet zwischen Rhein und Weser - wurden seit längerer Zeit keine eingehenden chronologischen Untersuchungen zur römischen Kaiserzeit durchgeführt. Erst vor kurzem änderte sich dieses Bild13. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Chronologie der im Brunnenfund vertretenen Funde sowohl konventionell14 als auch mit Hilfe einer auf der Korrespondenzanalyse beruhenden rechnergestützten Seriation ermittelt. Als Basis dienten die zum Vergleich aufgenommenen Gräber mit Fibeln und römischem Import (meist Bronzen und Keramik) vorwiegend aus Nordwestdeutschland und angrenzenden Gebieten15. Die Kontingenztafel beruht auf 171 Gräbern mit 97 Typen16. Als Maß für die Güte der erzeugten Ordnung diente der sog.

7 8 9 10 11 12 13 14 15

16

Schönberger 1986,423; Ilkjser 1990,325. Hkjser 1990, 325. Godlowski 1970,108; sog. Fürstengräberhorizont Godlowski 1970; Keller 1974,272-273. Bemmann 1993,166-167; sog. Nydamfibelhorizont Horizont der kreuzförmigen Fibel (Reichstein 1975). Vgl. Hübener 1981; Siegmund 1996. Abbildung 14 faßt die oben gewonnenen Ergebnisse graphisch zusammen. Frau cand. phil. M. Siegmann (Göttingen) gilt herzlicher Dank fur die Hilfe bei der Bearbeitung des Grunddatensatzes. Verwendet wurde das „Bonn Sedation and Archaeological Statistics Package (BASP4.5)" (Scollar etal. 1992). Von etwa 2000 Fibelgräbern enthielten 711 zwei oder mehr Fibeln bzw. Import Da ein Großteil der Gräber Fibelpaare bzw. typgleiche Fibeln enthielt, konnten letztlich nur 171 Gräber berücksichtigt werden. Um Beeinflussungen der hier zeitlich interpretierten Seriation ausschließen zu können, wurden die Daten auch nach folgenden Untergruppen analysiert: anthropologisch bestimmte Männer-, Frauen-, Kinder- und Erwachsenengräber. Daraus resultierten aber — bis auf eine Ausnahme — keine (sinnvoll) seriierbaren Datensätze. Bei den Erwachsenengräbern ergaben sich keine Abweichungen von der Gesamtseriation, die Aussagefähigkeit war infolge der starken Datenreduktion erheblich geringer. Die Voruntersuchungen und das Endergebnis deuten an, daß vor allem zeitliche Unterschiede fur die Gliederung des Materials verantwortlich sind.

Auswertung

231

Parabeltest17. Die Verteilung ergab eine zufriedenstellende modifizierte Parabelform (Abb. 15). Abbildung 16 zeigt das Ergebnis der Seriation. Deutlich erkennbar sind im linken oberen Bereich die Gräber der älteren römischen Kaiserzeit, im unteren rechten Abschnitt die der jüngeren Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit. Ein Vergleich zwischen konventioneller Datierung (Dreiecke) und Seriation (gefüllte Rhomben) ergab weitgehend übereinstimmende Resultate (Abb. 14). Abbildung 17,a faßt die Datierung der Zahl der Fibeltypen auf die Eggers'schen Stufen zusammen, Abbildung 20,a zeigt die zeitliche Verteilung aller Funde. Die Datierungen erfassen nicht die Herstellungszeit der Fibeln, sondern den Zeitpunkt, zu dem sie durchschnittlich ins Grab gelangten18. Im Hinblick auf die Deponierung in Pyrmont wird man in den meisten Fällen davon ausgehen können, daß der Zeitansatz ähnlich oder jünger anzusetzen ist19. Darauf deuten vor allem die Abnutzungsspuren. Nachdem die ältere Forschung den Beginn der Opfertätigkeit in der Endphase der Stufe Α vermutet hatte (geschweifte Fibeln), ist aufgrund der Seriation anzunehmen, daß erst in B1 mit der Deponierung am Brodelbrunnen zu rechnen ist. Aus der Stufe B1 liegen sechs Fibelformen vor (Almgren 2 und Varianten, 22 und Varianten, 19 und 111,45). Die Matrix (Abb. 16) läßt erkennen, daß sich die Gräber der Stufe B1 deutlich von denen der Stufe B2 absetzen. Die Grenze verläuft im Bereich der nicht näher differenzierbaren Rollenkappenfibeln (Legende: All)20. In Stufe B1 läßt sich eine ältere und eine jüngere Phase erkennen. In den älteren Bereich gehören Fibeln der Formen Almgren 22 und 18 (sowie Stützbalkenfibeln), die Scharnierfibeln, Kostrzewski Var. Μ und nicht näher spezifierzierbare Spätlatenefibeln. Sichere Formen Almgren 2 sind in den seriierbaren Gräbern nicht vorhanden, jedoch verbergen sich unter Kostrzewski Var. Ν sehr ähnliche Formen. Für die Fibel Almgren 2 ist demnach eine Datierung in die entwickelte Stufe B1 anzunehmen. Vergesellschaftungen mit ansprechbaren und seriierbaren Bronzegefäßen aus B1 liegen nicht vor. Damit ist wahrscheinlich, daß die Fibeln Almgren 22 und 2 die ältesten Formen im Brunnenfund darstellen. In den späteren Abschnitt von B1 gehören die Augenfibeln Almgren 111,45. Ähnlich, vielleicht geringfügig früher, datieren die Übergangsformen Almgren 22 var. Aufgrund ihrer starken typologischen Ähnlichkeiten mit den Augenfibeln Almgren 111,45 ist dies plausibel.

17 18 19 20

Vgl. Scollar et al. 1992; Siegmund 1996,80 f. Zur Datierungsproblematik allgemein Scollar et al. 1992. Zu Modifizierungen aufgrund der Abnutzungsspuren s. u. Außer den in der Legende zu Abbildung 16 angegebenen Abkürzungen wurden für die Fibeln der Gräberfelder Pritzier und Perdöhl (beide Kr. Ludwigslust) die Kürzel von E. Schuldt (1955; 1976) verwendet.

232

Zur Datierung det Gegenstände aus dem Pyrmontet Brunnenfand

CQ

233

Auswertung

cP Ο

ο2000) und Bronzen, insbesondere Tierdarstellungen ( » 2 0 0 0 ) als Opfergaben.

165

166 167 168

169

Bei der Interpretation der Funde aus Skedemosse (S) machte U. E. Hagbetg (1987,81) auf das Phänomen der griechischen Tempelschätze als Modell für Mooropferfunde aufmerksam. Philipp 1981,260 ff. Kilian 1975,8. Das unterschiedliche Vorkommen von Nadeln und Fibeln ist auch in der Magna Graecia auf griechischen und/oder einheimischen Nekropolen festgestellt worden und belegt unterschiedliche Trachten (Kilian 1975 mit Nachweisen). Die Arbeit umfaßt die bis in die 1970er Jahre geborgenen Nadeln (n=393), Ohrringe (n=113), Fingerringe (n=212), Armreifen (n=262), Fibeln (n=248) und Anhänger (n=118). Die einzelnen Objekte sind detailliert beschrieben, Untersuchungen zu Herstellung und Gebrauch der Objekte fehlen allerdings weitgehend, desgleichen die Gewichtsangaben. Die solide und sorgfältige Fundvorlage ist zu weiteren, auswertenden Untersuchungen gut geeignet.

262

Kulturgeschichtliche Auswertung

Sie sind vor allem in den frühen Abschnitten vertreten170. Für Nadeln ist in den Heiligtümern die Herstellung bis in das 5. Jh. v. Chr. belegt, für Schmuck allgemein dagegen länger171. Die Deponierung von Fibeln tritt verstärkt in der 2. Hälfte des 8. Jhs. und im 7. Jh. v. Chr. auf. Latenefibeln fehlen vollständig. Einen größeren Komplex bilden die frühkaiserzeitlichen Aucissa-Fibeln172. Später sind überwiegend Einzelstücke bis in das 3. Jh. n. Chr., einige auch aus dem 4. Jh. n. Chr. belegt. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß kostbare, aufwendige und schwere173 Fibeln gänzlich fehlen. Die handwerkliche Qualität ist im allgemeinen gut, wobei die Rückseite meist einfacher gestaltet ist als die verzierten Teile174. Für Olympia sind auch fehlerhafte und unfertige Stücke nachgewiesen175. Dies deutet auf eine lokale Verbreitung. Bis in die 1. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. ist in Olympia die Produktion von Schmuck vermutlich auch als Votivgabe nachgewiesen176 (s. u.). Importierte Fibeln sind von der Apenninenhalbinsel, Thessalien, Nordgriechenland, Thrakien, Phrygien/Lydien und Attika belegt. Die Importe aus Italien sind jedoch die ältesten und über die längste Zeit nachgewiesen177. Für die frühe Eisenzeit nimmt K. Kilian an, daß in Heiligtümern gefundene „auswärtige" Trachtgegenstände (ζ. B. Fibeln) Weihungen von Souvenirs oder von „Barbaren" niedergelegte Opfergaben darstellen178. Die religiöse, politische und wirtschaftliche Bedeutung der großen griechischen Heiligtümer war überregional, was sich auch in der Herkunft der Weihegaben äußerte. Weiheinschriften sind auf Schmuck sehr selten. Aus Olympia ist nur ein beschrifteter Armring bekannt, der von einem Mann geweiht wurde179. Literarisch belegt ist das Schmücken von Statuen mit Ketten, Ringen und anderem Schmuck bis in die römische Zeit. Pausanias berichtet, daß der Hera alle fünf Jahre von 16 Frauen ein Gewand gewebt wurde. Ob dieses mit Schmuck versehen wurde, ist nicht überliefert, jedoch zu vermuten. Denn Harpokrates berichtet von zwei Frauen, die am Weben eines Peplos für Athena beteiligt waren und ihren Goldschmuck der Göttin geweiht hatten180.

170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180

Philipp 1981,2. Bieber 1973,425 ff.; Philipp 1981,4. Philipp 1981,9. So ζ. B. die schweren thessalischen Fibeln mit bis zu 2 kg Gewicht Philipp 1981,11. So der Fingerring 580, der Armreif 889, die Nadel 243 und die Fibeln 1023 und 1230. Philipp 1981,13; vgl. auch a. a. O. Anm. 50. Philipp 1981,14-15. Kilian 1975a, 118. Philipp 1981,20. Philipp 1981.

Das prähistorische Fibelopfer - ein Überblick zur Forschungslage

263

Schmuckopfer wurden überwiegend weiblichen Gottheiten dargebracht, so der Hera in Argos, der Athena in Lindos auf Rhodos (GR) und der Artemis Enodia in Pherai (GR). Aber auch männlichen Gottheiten wurde Schmuck dargebracht, wie die Dikte-Grotte auf Kreta (GR) andeutet181. Außerdem ist aus Keynouria (GR) eine Fibel mit einer Apollon-Dedikation bekannt182. Es wurden nicht nur speziell angefertigte, sondern auch bereits genutzte Trachtteile geweiht. Dies ist bei Fibeln insbesondere durch Reparaturen belegt. Aus Olympia ist mindestens eine183, aus Pherai sind verschiedene Fibelreparaturen bekannt geworden184. Auch antike Quellen, ζ. B. Inventare von Heiligtümern, überliefern dies185. Systematische Gebrauchsspurenanalysen fehlen. Gelegentlich wird auf besonders auffallige, d. h. abgenutzte Stücke hingewiesen. In Brassai wurde Schmuck in unmittelbarer Umgebung des Heiligtums angefertigt186. Des weiteren ist die Herstellung von Nadeln in Argos nachgewiesen187. Die Befunde werden so interpretiert, daß die Handwerker während der großen Feste in die Heiligtümer kamen und vor Ort ihre Produkte fertigten. Halbfabrikate von Fibeln sind aus Heiligtümern in Delos, Olympia, Perachora, Pherai und Sparta nachgewiesen188. Werkstätten bzw. Hinweise auf Metallguß liegen aus Olympia vor und aus Perachora vom Rande des Heiligtums.

8.5.3 Fibelfunde aus prähistorischen italischen Quellopferkomplexen Fibelfunde sind aus prähistorischen Opferkomplexen Italiens, darunter auch Quellen189, immer wieder belegt Meist handelt es sich jedoch nur um Einzelstücke oder wenige Exemplare. Nur aus sehr wenigen Befunden sind größere Fibelmengen belegt. Da sie aber auf eine prähistorische Tradition in der - vermutlich — kultisch bedingten Niederlegung von Fibeln hindeuten, sollen sie in den folgenden Abschnitten kurz skizziert werden.

181 182 183 184 185 186 187 188 189

Funde im Ashmolean-Museum Oxford (Boardman 1961). Philipp 1981,23. Philipp 1981,260 ff. Kilian 1975,29. Philipp 1981; Linders 1972. Philipp 1981,12 Anm. 48. Payne 1940,70 f.; Verdeiis 1963,61. Kilian 1973,1 Anm. 4. Im Januar 1997 wurde in Imola (Prov. Bologna, I) eine Tagung zum Thema „Acque, Grotte e Dei" abgehalten, die sich aus vergleichender Sicht mit Opfern in Gewässern und Höhlen vom Äneolithikum bis zum Hellenismus befaßte. Bislang ist der Katalog einer gleichnamigen Ausstellung erschienen.

264

Kulturgeschichtliche Auswertung

Verucchio — Pian del Monte (Prov. Forli, I) Während der Ausgrabungen bei Verucchio - Pian del Monte (Prov. Forli, I) wurde 1963 von R. Scarani eine Struktur freigelegt, die er als „inghiottitoio naturale" (natürlicher Schlund) bezeichnete190. Diese Struktur besitzt im Mündungsbereich einen Durchmesser von ca. 10 m, verjüngt sich dann jedoch auf 4 m. R. Scarani grub bis in eine Tiefe von 6 m. G. V. Gentili setzte 1971 die Grabungen fort und kam bis auf ein Niveau von 14 m unter der Oberfläche; die Schachtsohle scheint immer noch nicht erreicht. G. V. Gentili nahm eine künstliche Anlage an, Arbeitsspuren sind an dem heute noch zugänglichen, durch ein Gitter abgedeckten191, Schacht zu erkennen192. Die Grabungsbefunde sind unpubliziert, desgleichen der größte Teil des Fundmaterials. Es besteht vorwiegend aus Fibeln (s. u.), Keramik, hauptsächlich Trinkgefäßen (Feinkeramik [ζ. T. mit etruskischen Graffiti], Schwarzfirnisware des 5. Jhs., attischer Import des 4. Jhs.)193 sowie verschiedenen Bronzeobjekten (ζ. B. Nadeln, Ringe, Knöpfe, Beschläge, Pinzetten, Pfeilspitzen etc.)194 sowie figürlichen Bronzen, figürlichen Appliken und Votivtäfelchen des 6—4.Jhs. v. Chr.195. Von herausragender Bedeutung sind die villanovazeitlichen Schilde196. Bei weiteren Ausgrabungen in der Nähe konnte G. V. Gentili Siedlungsstrukturen der Phasen Verucchio I-IV 197 , d. h. des 9.-5. Jhs. v. Chr., nachweisen198. Demnach liegt der Schacht im villanovazeitlichen Siedlungsbereich, vielleicht am Rande — sicher jedoch außerhalb des Grabungsareals199. Im Schacht wurden mehr als 200 Bügel von Fibeln gefunden sowie eine unbekannte Zahl von Spiral- und Nadelfragmenten200. Die Fibeln waren nicht mehr funktionsfähig, vielleicht sogar absichtlich zerstört worden. Die älteren VillanovaPhasen sind besonders durch verschiedene Typen von Bogenfibeln sowie durch Sanguisugafibeln gekennzeichnet, die jüngeren durch Drago- und verschiedene

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Zitiert nach Bergonzi 1989-90,419 Anm. 15. Gentili 1987, Taf. 7a-b. Bergonzi 1989-90,419 Anm. 15. Guarnieri 1987; Monterumici 1987. Baldoni 1987,268-269 Abb. 174-175. Romuald! 1987. v. Eies et aL 1997,118. Verucchio 1:9.-1. Hälfte 8. Jh. v. Chr., Π A/B: 2. Hälfte 8. bis 1. Hälfte 7. Jh., ΙΠ: Mitte 7. Jh. bis Mitte 6. Jh., IV: 2. Hälfte 6. bis 5. Jh. (Gentili 1987a, 208; 210). Gentili 1987,25 Übersichtsplan. In welchem Zusammenhang der Schacht, die Siedlungsreste und die dort ebenfalls gefundenen früheisenzeitlichen Rundschilde stehen, ist unbekannt (vgl. Bergonzi 1989-90, 419 Anm. 15). Morico 1987,270.

Das prähistorische Fibelopfer — ein Überblick zur Forschungslage

265

Bügelknopf- und Fußknopffibeln. Für das ausgehende 6. und 5. Jh. v. Chr. sind verschiedene Typen der Certosa-Fibel201 sowie der in der Romagna und im Veneto im 5. Jh. v. Chr. häufige Typ Casalfiumanense202 vertreten. Die Endphase stellen eingliedrige Fibeln mit Armbrustkonstruktion dar203. Der größte Teil der Fibeln scheint in das 9.-8. Jh. v. Chr. zu datieren, in geringerer Zahl kommen sie bis zum 4. Jh. v.Chr. vor204. Bemerkenswert ist die Feststellung von G. Morico, daß die im Schacht vertretenen Fibeltypen nur teilweise mit denen übereinstimmen, die aus den zeitgleichen Nekropolen von Verucchio bekannt sind205. Leider ist dieses Problem nicht näher zu untersuchen, da im Gegensatz zu den Nekropolen das Schachtinventar nur ausschnitthaft publiziert ist206. Ansonsten ließen sich ggf. und erstmals speziell geopferte Fibeltypen herausarbeiten. Die Funktion des Schachtes wird unterschiedlich beurteilt (Votivdepot [stipe votiva] oder villanovazeitlicher Brunnen)207. G. Bergonzi nimmt einen Zusammenhang mit Wasser an208. Nach Aussage der wenigen Keramikfunde muß der Schacht Ende des 8. Jhs. v. Chr. angelegt worden sein, welche Bedeutung er hatte, ist unklar. P. v. Eies Masi und ihre Mitarbeiterinnen vermuten, daß der Schacht spätestens seit Mitte des 7. Jhs. v. Chr. eine kultische Bedeutung gehabt haben dürfte, die vielleicht in Verbindung mit einer Quelle (in der Umgebung?) stand209. Die Kultaktivitäten setzten sich bis in das 4. Jh. v. Chr. fort. Später wurde der Schacht mit Siedlungsschutt aus der Umgebung verfiillt. Statuetten und Votivtäfelchen datieren in das 6.-4. Jh. v. Chr. und besitzen Vergleichsstücke in etruskischen aber auch paleovenetischen Heiligtümern210. Die Keramik könnte im Zusammenhang mit Libationshandlungen u. ä. stehen, wie sie auch durch die ungefähr zeitgleiche Situlenkunst ikonographisch belegt ist. Auch aus anderen Orten der Emilia sind Brunnen und Schächte mit Opfergaben

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Morico 1987,271 Abb. 276,18-19; 273 Abb. 177,20-22. Morico 1987,271 Abb. 176,17. Morico 1987,273 Abb. 177,23. Bergonzi 1989-90,419-420. Morico 1987,270. Daran hat sich auch durch die jüngste Übersichtsarbeit von P. v. Eies et al. 1997 nichts geändert Es ist zu hoffen, daß, wie von M. Miari (a. a. O. 120 Anm. 9) angekündigt, eine baldige Vorlage des Materials erfolgen wird. Guatnieri 1987,263. Bergonzi 1989-90,420. v. Eies et al. 1997,118. Vergleiche bei Romualdi 1987, 274 ff. Das Fundmaterial zeigt Verbindungen nach Zentralund Nordetrurien, nach Venetien, in das Picenum und ab dem 6. Jh. v. Chr. auch in das Verbreitungsgebiet der Golasecca-Kultur (v. Eies et al. 1997).

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Kulturgeschichtliche Auswertung

bekannt geworden211. Wichtig für die Interpretation ist das Vorliegen von nicht mehr funktionsfähigen, vielleicht sogar absichtlich zerstörten und aus größerer Höhe in die Tiefe geworfenen Gegenständen. Ein ähnlicher Befund — darauf weist G. Bergonzi ausdrücklich hin — liegt in der sog. Fliegengrotte bei St. Kanzian im heutigen Slovenien (Grotta delle Mosche a S. Canziano sul Carso) vor. Dort wurden Anfang dieses Jahrhunderts in einen mehr als 50 m tiefen Karstschacht vornehmlich Waffen sowie Nadeln und auch Fibeln gefunden212. Sämtliche Gegenstände waren zerschlagen und wiesen teilweise Feuerspuren auf 213 . In den etruskischen Heiligtümern haben Wasserbecken, Zisternen, Brunnen und Schächte eine wichtige kultische Funktion214. Nicht mehr gebrauchte Zisternen und Brunnen dienten zur rituellen „Bestattung" von Weihegeschenken und Tempelschmuck. Gelegentlich wurden Gruben und Schächte auch speziell dafür angelegt215. Este - Fondo Baratela (I) Bereits im vergangenen Jahrhundert hat G. Ghirardini zahlreiche Fibeln und andere Schmuckbestandteile sowie Votivbleche, -inschriften und -Statuetten im Heiligtum der Göttin Reitia in Este, Fondo Baratela (I), ausgegraben216. Die mehreren hundert Fibeln datieren vorwiegend in die mittlere und späte Latenezeit. Calalzo „Lägole" Calalzo „Lägole" (I) ist eine Fundstelle im oberen Piavetal. Dort kamen seit 1914 immer wieder Funde zum Vorschein; eine Grabung in den 1950er Jahren durch G. Fogolari wies dort ein prähistorisches Heiligtum an einer schwefelhaltigen Quelle nach217. Opfertätigkeiten lassen sich dort vom 4./3. Jh. v. Chr. bis in das 4. Jh. n. Chr. nachweisen. Das Fundmaterial umfaßt ca. 100 Inschriften, meist auf kleinen Bronzetäfelchen mit und ohne bildliche Darstellungen, Bronzestatuetten, anatomische Bronzevotive, Schöpfkellen, Gürtelhaken, Fibeln und größere Gefäße. Aus Eisen waren

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Bergonzi 1989—90, 420 Anm. 17 mit Nachweisen. Fibeln scheinen ansonsten keine Rolle zu spielen. Szombarthy 1907; Bergonzi 1989-90,418-419. Hier ist sicher ein Ausdruck der „Vernichtungswut" im Sinne von W. Burkert (1972, 65) zu vermuten. Colonna 1985, 24. Vgl. ζ. B. das mehr als 20 m lange „heilige Becken" im Portonaccio-Heiligtum von Veji (a. a. 0 . 1 0 0 Abb. oben). Colonna 1985,25 mit Nachweisen. Ghirardini 1888, Tai. 13,1-16. Die Fibeln aus den Heiligtümern von Este wurden inzwischen in einer Dissertation bearbeitet (Melier 1998). Fogolari 1975; Pauli 1981,178-180; v. Uslar 1991.

Das prähistorische Fibelopfer - ein Überblick zur Forschungslage

267

Schwerter, Messer, Dolche und eine Sense gefertigt. Nach der römischen Eroberung im frühen 1. Jh. v. Chr. sind zahlreiche Münzfunde nachgewiesen. Sie reichen zeitlich von 80 v. Chr. bis 340 n. Chr. Außer auf den genannten Täfelchen wurden die Inschriften auch auf den bronzenen Statuetten und den Griffen der Schöpfkellen angebracht. Es handelt sich um Weiheinschriften. Die Kellen sind - wie die übrigen Opfergaben auch — zerbrochen. Vermutlich wurden sie nach mehrfacher Nutzung unbrauchbar gemacht218 und an der Quelle niedergelegt. Die Auswertung der Grabungsbefunde und der Inschriften läßt es zu, die Kulthandlungen zu rekonstruieren. Von Bedeutung ist, daß die Inschriften meistens die Namen der Opfernden nennen. Dies ermöglicht nicht nur die Feststellung ihrer Herkunft219, sondern auch die des Geschlechts. In Calalzo „Lagole" (I) waren es anscheinend nur Männer220 zumindest sind nur sie genannt221. Neben zahlreichen Opfergaben in und bei der Quelle wurden auch Spuren großer Feuer mit erheblichen Mengen verbrannter Tierknochen und zerschlagener Keramik nachgewiesen. Dies ähnelt dem Quellheiligtum von San Pietro Montagnon (Este, I)222. Ob es sich dabei auch um die Reste großer Opfermähler handelt223, sei dahingestellt.

8.5.3.1 Zusammenfassende Betrachtung zu den Fibelfunden aus italischen Heiligtümern Für das prähistorische Italien existieren drei Fundkomplexe, die zahlreiche Fibeln enthalten. Es sind dies Verucchio, Este-Fondo Baratella und Lagole. Dabei ist der Fund von Verucchio der einzige, bei dem die Zahl der Fibeln sämtliche andere Fundbestandteile übersteigt. Er scheint daher durchaus mit den großen Fibelopferkomplexen von Dux und Pyrmont vergleichbar, obwohl endgültige Aussagen erst nach einer Gesamtvorlage möglich sind. Die zwischen 1884 und 1886 entdeckten Fibeln von Meclo/Mecheln (I)224 stammen vermutlich ebenfalls aus einem Opferkomplex. Außer Fibeln wurden

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Pauli 1981,178. Zumindest ihrer Sprachgruppe: Nachgewiesen sind venetische und lateinische Inschriften. Pauli 1981,178. In der Inschrift aus Steinberg am Achensee (Tirol; Pauli 1981, 180) werden vorwiegend Frauen (im Verhältnis 4:1) genannt, die an der Quelle Wasser schöpften und opferten. Dimmer 1986. Pauli 1981,178. Gehring 1976.

268

Kulturgeschichtliche Auswertung

Klapperbleche, Glasperlen, Bernsteingegenstände, Götter- und Tierfiguren in ζ. T. größerer Zahl gefunden. Die Bearbeiterin B. Gehring nimmt an, daß das Material nicht in situ gefunden wurde. Es lag verstreut in Gebäuderesten, die nicht als Heiligtum interpretiert werden. Hinweise auf ein Quellheiligtum gibt es bislang nicht225. Vielleicht kann es als eine Art Tempelschatz angesehen werden. Interessant ist eine Kontinuität von Ha D3 bis in das 3. Jh. n. Chr. Von manchen Autoren wird dieser Fund mit den alpinen Brandopferaltären verglichen, die ebenfalls Fibeln enthalten können226. Dagegen spricht die wenige Keramik227. In verschiedenen prähistorischen Opferfiinden Italiens sind Fibeln vorhanden228 - z . T . in Miniaturform. Sie spielen in der Gesamtfundzahl jedoch keine Rolle. Dies gilt entsprechend für die Nadelfimde229. A. Mastrocinque230 nimmt für die Paleoveneter an, daß die Niederlegung von Opfergaben in den großen Opferkomplexen des Veneto im Zusammenhang mit der „Initiation" der Jungen und Mädchen gestanden haben könnte (Jungen wurden zu Kriegern, Mädchen in die Sphäre der erwachsenen Frauen aufgenommen). Für derartige Bräuche gibt es sowohl aus Griechenland wie aus Etrurien Belege. A. Breiich hat dies für das Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta (GR) und M. Torelli für die Heiligtümer Etruriens angenommen. Vielleicht haben die Veneter diese südlichen Bräuche übernommen. Bislang konnten derartige Initiationsriten für ältere Zeiten in Norditalien nicht nachgewiesen werden. Die These von A. Mastrocinque wird durch einige unpublizierte Examensarbeiten über die Trachtsitten im Veneto unterstützt231.

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Gehring 1976,162. Gauting: Egger 1985; Schwangau: Maier 1985. Gehring 1976,161. Bergonzi 1989-90; Landolfi 1997. Ihre Präsenz ist schlechter zu erschließen als die der Fibeln. Bei P. Pascucd (1989-90, 472 Abb. 3) dürften sie in den Kategorien „utensili metallico" oder „altri ornamenti" vertreten sein, da sie (a. a. O.) auf Abb. 4 (Padova, stipe votiva A, area Pilsen) abgebildet sind. Sie unterscheiden sich aber deutlich von den stiks, den Schreibstäbchen, die oftmals Inschriften tragen. Mastrocinque 1987. Fogolari 1988, 415. Fibeln sind dort wohl zumindest als fragliches Indiz anzusehen. Für Etrurien hat sich der Verf. mit dem Problem des Übergangs von Kindheit/Jugend zum Erwachsenenalter befaßt (Teegen 1997e). Allerdings scheinen dort nur för die ausgehende Urnenfelderzeit Belege für spezielle Trachten vorzuliegen. Die Materialbasis fur derartige Untersuchungen ist infolge des weitgehenden Fehlens anthropologisch untersuchter Gräber bislang aber noch zu gering.

Das prähistorische Fibelopfer - ein Überblick zur Forschvingslage

269

8.5.4 Hallstattzeidiche Fibelfunde aus Gewässern Während der Hallstattzeit sind Fibelfunde aus Gewässern relativ selten232. Zu nennen sind fur Norddeutschland die Drago-Fibel aus den Quellen der Apenteiche bei Winzenburg (Kr. Hildesheim)233 und aus der Schweiz einige hallstattzeitliche Fibeln, die zusammen mit einem Messergriff während alter Flußbaggerungen bei Orpund gefunden wurden234.

8.5.5 Latenezeitüche Fibelfunde aus Gewässern Aus der Latenezeit sind sowohl aus Quellen (Dux, CZ) wie auch aus Mooren und Flüssen Fibeln bekannt geworden. Dux (CZ) Bei Erneuerungsarbeiten in der sogenannten „Riesenquelle" bei Dux (Lahost bei Duchov, CZ) wurden 1882 zahlreiche Funde geborgen. Die Riesenquelle ist eine Thermalquelle. In etwa 9 m Tiefe lagen ein bronzezeitlicher Dolch und eine Lanzenspitze. Darüber wurden ein 32.41 fassender Bronzekessel sowie Fibeln, Arm- und Fingerringe gefunden235. Vermutlich verteilten sich die latenezeitlichen Funde zwischen 6 m und 9 m unter der Oberfläche. Die Funde gelangten, ähnlich wie in Pyrmont, nach der Auffindung in Privatbesitz und Sammlungen. Heute ist das Fundmaterial über zahlreiche Museen Mitteleuropas verstreut V. Kruta konnte in Museen der ehemaligen Tschechoslovakei noch 573 Fibeln, 479 Armringe und Ringe sowie 56 Fingerringe, dies sind 1108 Funde, auffinden. Den Gesamtumfang schätzt er aufgrund verschollener und ins Ausland gelangter Funde auf 1600 Gegenstände (850 Fibeln, 650 Armringe und Fingerringe und andere Objekte)236. Der Kessel237 ist geflickt, die übrigen Funde weisen Gebrauchsspuren auf238.

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Dies trifft neben diesen auch auf Höhen- und Depotfunde im gesamten Mitteleuropa zu (vgl. Müller 1988, 43). Eine Ausnahme ist der Fibelfund vom „Heidentor" der Oberburg bei Egesheim (Kr. Tuttlingen; Bauer / Kuhnen 1995). Barner 1958; Etrusker und Europa 1993,249 Nr. 248. Müller 1988,43; Osterwalder 1979/80. Die in der Riesenquelle so reichhaltig gefundenen Fibeln vom Frühlatteeschema wurden namengebend für die sog. „Duxer Fibeln" (vgl. Virchow 1882, 142 Abb. 1-2; Kruta 1971; Pauli 1980,290-291; Motykovi 1986, Taf. 27). Kruta 1971,101. Kruta 1971, Taf. 3. Vor allem die Ringe sind stark abgenutzt (Kruta 1971,102).

270

Kulturgeschichtliche Auswertung

Die Funde gehören ausschließlich der Stufe Latene Β an. L. Pauli veranschlagt den Niederlegungszeitraum, den er in die Stufe Latene B1 setzt, mit ca. 70 Jahren239. In diesem Ansatz werden aber die abgenutzten Gegenstände nicht genügend berücksichtigt. Denkbar wäre daher auch eine spätere Niederlegung. Wieso die Opferungen auf die Stufe Latene Β beschränkt waren, ist unbekannt240. Die Siedlungstätigkeit in der Umgebung läuft weiter241. Aus dem Quellbereich sollen auch römische Objekte stammen, doch ist dieser Befund unsicher. In ihrer Arbeit zu den keltischen Hort- und Gewässerfunden versucht G. Kurz, letztlich auf ältere Ansätze von J. Filip242 zurückgehend, den Fund von Dux (CZ) nicht als charakteristischen Quellopferfund darzustellen243. Aufgrund der gesamten Fundumstände erscheint mir ein Händler- oder Altmetalldepot sehr unwahrscheinlich. Allenfalls könnte an einen rituell deponierten Tempelschatz gedacht werden244. Die von G. Kurz erwähnten ζ. T. stark abgenutzten Gegenstände sind kein Widerspruch zu einem Opferfund (siehe Pyrmont). La Tene (CH) Unter den Funden, die bei der Ortschaft La Tene (CH)245 im Zuge der JuraGewässerkorrektion im 19. Jh. geborgen wurden, befinden sich auch 392 Latenefibeln verschiedener Zeitstellung246. Damit stellen diese — vor Lanzenspitzen (n=265) und Schwertern (n=166)247 - die häufigste Fundkategorie dar. Belegt sind zwei Brücken über die Zihl und Holzhäuser am Ufer. Seit der Entdeckung wurde eine Vielzahl von Interpretationen des Fundplatzes diskutiert. L. Pauli faßte sie folgendermaßen zusammen: „Wenn ein wichtiger Handelsweg mittels einer Brükke an einer auch kultisch bedeutsamen Stelle (Ausfluss aus einem See) den Fluss überquerte und zugleich die Möglichkeit des Umladens vom Land auf den Wasserweg bot, so ist dort alles miteinander vereinbar: Handelsplatz, Zollstation, Hafen, Kultgebäude am Land (mit Weihegaben) und Kulthandlungen am oder über dem

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Pauli 1980,290-291 (Kat. 194). Vielleicht ist dies auch nur überlieferungsbedingt, denn der geologische Schnitt durch die Fundstelle (Kruta 1971, Taf. 2) reicht sehr tief. Vielleicht sind Funde auch in den Quellschacht gelangt und somit nicht mehr nachweisbar. Ähnliches ist auch für die heilige Quelle von Bath -Aquae Suits möglich (Cunliffe 1988). Die angeblich ebenfalls in der Riesenquelle gefundenen römischen und anderen Gegenstände werden von K. Motykovi (1986) als nicht zu diesem Komplex gehörig bezeichnet J. Filip (1955,96) nimmt ein Händlerdepot an. Kurz 1995,47. M. Konrad (1994) vermutet eine einmalige Votivniederlegung. Vouga 1885; 1923. Furger-Gunti 1984,64. Pauli 1991,130.

Das prähistorische Fibelopfer - ein Oberblick zur Forschungslage

271

Fluss. Unmöglich ist es demnach, bei jedem Gegenstand entscheiden zu wollen, 'jjt

-

ob er zufallig verloren, bei Hochwasser aus den Häusern oder Lageträumen fortgeschwemmt wurde, mit einer Wagenladung von der einstürzenden Brücke fiel oder als Opfer an die bei der Brücke der Furt verehrten Gottheit versenkt wurde"248. Die große Anzahl von Fibeln erscheint im Vergleich mit dem Fund von Dux (CZ) nicht ganz zufällig. Wahrscheinlich wird man davon ausgehen können, daß Fibeln und Waffen intentionell in der Zihl deponiert wurden249. Vergleicht man den Befund aus La Tene (CH) mit anderen latenezeitlichen Rußfunden, so erscheint das Bild weniger zufällig: Unter den aus der Themse geborgenen Funden der Latenezeit stellen Fibeln nach Lanzenspitzen, Schwertern und Münzen die vierthäufigste Objektgattung dar250. Weitere Fundplätze Gelegentlich sind aus der Latenezeit Fibelfunde auch aus Gewässern und Mooren belegt251. G. Kurz hat diese Funde in ihrer Arbeit zu den latenezeitlichen Gewässerfunden Europas zusammengestellt, so daß auf die von ihr erzielten Ergebnisse verwiesen werden kann252. Hier seien nur einige Fundkomplexe erwähnt, die von ihr nicht berücksichtigt werden konnten. Aus der Lahnaue zwischen Heuchelheim (Kr. Gießen) und Dutenhofen (Kr. Wetzlar) wurden zahlreiche Funde sämtlicher prähistorischer Perioden ausgebaggert253. An eisenzeitlichen Fibelfunden liegt der Bügel einer Latenefibel254 und ein Fuß einer Vogelkopffibel255 vor. Ob diese Funde im Rahmen kultischer Aktivitäten, im Zuge der Abfallbeseitigung in das Überschwemmungs- und/oder Flußgebiet der Lahn gelangten oder verloren gingen, läßt sich nicht sicher fassen. Das Fundspektrum (Waffen, Werkzeuge, Hausgeräte, Schmuck, Münzen) entspricht dem anderer Flußfunde. Zahlreiche antik beschädigte aber auch unzerstörte Latenefibeln wurden gehäuft entlang eines Quellbaches in der großen eisenzeitlichen Siedlung von

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Pauli 1991,130. Bei den Waffen wird man sicherlich hinter den Offeranten Männer vermuten dürfen. Bei den Fibeln ist eine Interpretation als Opfer von Frauen unsicher. Hier müßte - wie auch bei anderen latenezeitlichen Fibelhorten - erst eine sorgfältige Analyse der in La Τέηε (CH) vertretenen Fibeltypen und ein Vergleich mit geschlechtsbestimmten Grabfunden erfolgen. Fitzpatrick 1984; Bradley 1990,165 f.; Abb. 37. Pauli 1992,121 ff. Kurz 1995,49-53; 247 Liste 21. Darunter auch bronze- und kaiserzeitüche Fibelfragmente (Kunter 1994, 156 Nr. 130 bzw. 129) sowie verschiedene Nadeln (a. a. 0 . 1 5 6 Nr. 131-135). Kunter 1994,155 (Nr. 127); Abb. 25,19. Kunter 1994,156 Nr. 128; Abb. 25,10.

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Kulturgeschichtliche Auswertung

Jüchsen-Widderstatt (Kr. Schmalkalden-Meiningen) in Südthüringen gefunden256. In der Siedlung selbst konnte durch Halbfabrikate und Produktionsabfälle die Herstellung von Fibeln nachgewiesen werden. Die Zahl von 181 gefundenen Fibeln (Ha D2/3 bis LT Dl) ist überregional bemerkenswert. Der Bearbeiter Th. Grasselt interpretiert - zumindest einen Teil - der Fibeln, Ringe und Glasarmringe als Quellopfer257. Der Beginn wird Ende des 4. Jhs. v. Chr., die Hauptniederlegungsphase im 2. und 1. Jh. v. Chr. angenommen. Diese Interpretation erscheint nicht unrealistisch, doch bleibt die ausführliche Vorlage der Befunde aus der Siedlung abzuwarten. Aufgrund des Umfangs gehört der Fundplatz zu den größeren - mutmaßlichen — Fibelopfern der vorrömischen Eisenzeit. In dem mehrperiodigen Quellheiligtum von Röekillorna (S) wurde auch eine latenezeitliche Fibel entdeckt258. Interessant an diesem Fundplatz ist die über Jahrtausende währende Kontinuität als Opferplatz. Zum Abschluß dieses Abschnittes muß erwähnt werden, daß unter den Weihegaben gallischer Heiligtümern sich immer wieder Fibeln fanden259. Betrachtet man die Verbreitung der eisenzeitlichen Fibelfunde aus Gewässern und Heiligtümern (Abb. 24), so scheint dieser Brauch vor allem in den keltischen bzw. keltisch beeinflußten Gebieten üblich gewesen zu sein260.

8.5.6 Fibelfunde in kaiserzeitlichen Tempeln und Heiligtümern der römischen Provinzen In den Tempelbezirken und Heiligtümern der römischen Provinzen nördlich der Alpen sowie aus Olympia (GR) sind zahlreiche Fibeln gefunden worden261. Der Forschungsstand ist hierzu höchst unterschiedlich, meist nicht zufriedenstellend. Dies betrifft vor allem Kartierungen der Funde im Temenos, die für die Interpretation von grundlegender Bedeutung sind. Ohne diese Informationen besteht keine Möglichkeit, zwischen Verlustfunden und absichtlichen Deponierungen zu unterscheiden. Zahlreiche Fibelfunde sind aus Tempelbezirken und Heiligtümern der Normandie bekannt (n=118). Nach den Grabfunden (n=156; 36%) sind die Tempel-

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Grasselt 1994, Taf. 1-8. Grasselt 1994,88. Stjernquist 1997. Haffher 1995,28. Allerdings ist das Material aus dem Norden weniger gut erschlossen, so daß auch eine Forschungslücke bestehen kann. Eine zusammenfassende Untersuchung dieser speziellen Tempelfunde fehlt bislang.

Das prähistorische Fibelopfer — ein Überblick zur Forschungslage

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funde mit 28% die zweithäufigste Fundgruppe - noch vor den Siedlungsfunden mit 26.8% (n=112)262. Sie sind zumindest teilweise als Opfergaben zu interpretieren, da verschiedene Fibeltypen unter den Tempelfunden immer wiederkehren263. Besonders zu nennen ist in diesem Zusammenhang der gallorömische Tempel von Chätillon-sur-Seine (F), in dem und in dessen Umgebung mehr als hundert Ringfibeln gefunden wurden264. In Argentomagus (F)265 wurden im Tempelbereich ebenso Fibeln gefunden wie in treverischen Heiligtümern266. Aus dem Hercules-Heiligtum von Empel (NL) in der Germania inferior sind kürzlich mehr als 500 Fibeln ausgegraben worden267, wobei ihnen — nach Ansicht der Ausgräber — sicher kultische Bedeutung zukommt. Auch im Tempel von Martigny (CH) sind mehrere hundert Fibeln gefunden worden268. Mit diesem Komplex liegt einer der wenigen Fälle vor, wo auch eine Kartierung der Fibeln im Temenosbereich vorgenommen wurde269. Aufgrund der Fundverteilung sind vorwiegend kultische Deponierungen, jedoch auch Verlustfunde anzunehmen. Eine ungewöhnliche Entdeckung stammt aus dem römischen Bregenz — Brigantium (A), wo gut 100 Fibeln - in Mörtel verbacken - gefunden wurden. Dieser Lesefund soll aus dem Bereich des Haupttempels stammen und wird von der Bearbeiterin M. Konrad als Bauopfer vornehmlich von Frauen interpretiert270. Er steht bislang ohne Vergleich in der römischen Welt da. Die radiologisch festgestellten ca. 80 Messingfibeln des Typs Almgren 68 und die 22-24 eisernen Fibeln mit Bügelknick datieren schwerpunktmäßig in die claudisch-neronische Zeit und dürften wohl aus einer Werkstatt stammen. Im Gegensatz zu den Eisenfibeln waren die anderen Stücke paarweise ineinander gehängt. Es sei angemerkt, daß Fibeln auch gelegentlich auf den raetischen Brandopferplätzen belegt sind. So wurden auf dem Brandopferplatz in der Lechstauanlage „Forggensee" (Schwangau, Kr. Ostallgäu) auch „Fibeln, Arm- und Fingerringe, Gürtelschließen, Zierkettenteile, Amulettring" gefunden271, neben Waffen, Werkzeugen und Geräten von Haus und Herd und den vorherrschenden kalzinierten Tierknochen. 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271

Dollfus 1973,19-20. Dollys 1973,21 Tab. Π. Paris 1960. Fauduet 1979; 1986. Gose 1972. Roymans / Derks 1990; 1993. Vodoz 1983; Rey-Vodoz 1986. Rey-Vodoz 1986, Abb. 1. Konrad 1994,229. Czysz / Maier 1984, 90 Abb. 56,1.

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Kulturgeschichtliche Auswertung

Darüber hinaus konnten auch in Mithräen Fibeln gefunden werden. Bei der Ausgrabung des Mithraeum von Pons Aeni (Pfaffenhofen a. Inn, Kr. Rosenheim) kamen eine kräftig profilierte Fibel272, ein Kopffragment273 einer ebensolchen sowie das Kopffragment einer Zwiebelknopffibel274 zutage. Die beiden kräftig profilierten Fibeln, die in die ältere Kaiserzeit, wohl gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. datieren, könnten noch von einer vorangehenden profanen Nutzung des Platzes stammen275. Die Zwiebelknopffibel aus dem 4. Jahrhundert276 gehört dagegen sicher in die (späte) Nutzungsphase. Ob die Fibeln allerdings Opfergaben darstellen, in irgendeiner Form im Kult benutzt wurden oder einfach nur verlorengingen, muß offenbleiben. Fluß- und andere Gewässerfunde von Fibeln sind auch für Rom (I)277 und die römischen Provinzen belegt. Entsprechende Funde aus der Nähe von Brücken278 dürften, ähnlich wie Münzen aus derartiger Fundlage, auch rituell zu interpretieren sein. Beim Vorliegen von einzelnen oder wenigen Exemplaren ist die Abgrenzung von Verlustfunden allerdings kaum möglich. Eine Aufarbeitung kaiserzeitlicher Gewässerfunde fehlt279. Einige Fibelfunde sind aus den Quell- bzw. Brunnenheiligtümern der Sulis Minerva in Bath — Aquae Sulis (GB) sowie der Coventina am Hadrianswall in Carrawburgh - Procolitia (GB) bekannt geworden. Allerdings nimmt sich die Zahl der Fibeln (n = 4 bzw. 12) im Vergleich mit den Münzfiinden (n = 12597 bzw. 13490) sehr bescheiden aus.

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278

279

FNr. 5362; Fdst. Fläche 2, westlich außerhalb unter Rasen (Garbsch 1985, 437 Nr. 5, 436 Abb. 29,3). Die mit einem Weißmetallüberzug versehene Fibel wird als „intakt und ohne Gebrauchsspuren" bezeichnet. Lesefund 1983 (Garbsch 1985,437 Nr. 4, 436 Abb. 29,4). FNr. 5386; Fdst. Fläche 3, Schiff (Garbsch 1985, 437 Nr. 5,436 Abb. 29,5). Garbsch 1985,449. Vgl. Garbsch 1985,447 Abb. 32. Aus dem Tiber sind mir mindestens 50 Fibeln bekannt, die heute im Museo Nazionale Romano (Rom, 1) aufbewahrt werden. Sie reichen von der frühen Kaiserzeit (Aucissa-Fibeln) bis in die Spätantike (Zwiebelknopffibeln). Dem Direktor des Museo Nazionale Romano, Herrn Prof. Dr. A. la Regina, gilt herzlicher Dank fur die Erlaubnis zur Durchsicht der magazinierten Funde. Aus dem Tiber stammt auch ein spätrepublikanisch-frühkaiserzeitlicher Fibelkomplex (Konrad 1994, 225 Anm. 27), der zusammen mit Münzen und anderen Bronzefundgruppen gefunden wurde (vgl. Riederer 1974; mit älterer Lit.). Pons Aeni (Pfaffenhofen a. Inn, Kr. Rosenheim): Fragment einer bronzenen zweigliedrigen Armbrustfibel mit gewölbtem Bügel und flach sechseckigem Querschnitt (R. Chrisdein in: Chrisdein et al. 1976, 12-13 Abb. 1,5). Inn-Brücke: 20 Münzfunde, zwei Nadeln, davon eine mit doppelter Öse, eine mit stilisiertem Vogelkopfaufsatz (fragl. römisch) (W.Czysz in: Chrisdein etal. 1976,101-106). Vgl. auch Wegner 1995.

Das prähistorische Fibelopfer - ein Überblick zur Forschungslage

275

Aus Britannien sind neben dem sog. Coventina's Well280 zahlreiche weitere Schächte aus eisenzeitlichem281 wie kaiserzeitlichem Kontext bekannt. Die Aufstellung G. A. Waits zeigt, daß keiner der 21 eisenzeitlichen Schächte Fibeln enthielt, dagegen aber fünf von 81 der römischen Schächte (einschließlich Coventina's Well)282. Der Prozentsatz der Funde mit Schmuck blieb in beiden Perioden konstant (3/21 = 19% bzw. 22/81 = 19%)283. Auch wenn die Zahl gering ist, läßt sich vermuten, daß dem Fibelopfer in römischer Zeit eine gewisse Bedeutung zukam. 8.5.7 Ergebnis Die vorgestellten Funde belegen in eindrucksvoller Weise, daß das Fibelopfer in Alteuropa eine lange Tradition hat, die bis in die späte Urnenfelderzeit zurückreicht. Dabei lassen sich zeitliche und geographische Schwerpunkte ausmachen. In Griechenland (u. a. Olympia) ist dieser Brauch vor allem in der geometrischen und archaischen Zeit üblich, in Italien zwischen früher Eisenzeit (Verucchio) und Latenezeit (Este). In Mitteleuropa steht der Fund von Dux (CZ) in seinem großen Umfang zwar immer noch allein, doch sind auch aus der Latenezeit Fibelweihungen in größerer Zahl in gallischen Heiligtümern, topographisch herausragenden Plätzen (Egesheim, Kr. Tuttlingen), Höhlen (mehrere Fundorte in Südfrankreich, aber auch im westfälischen Bergland und im Harz), Quellen (fuchsen, Kr. Schmalkalden-Meiningen; Winzenburg, Kr. Hildesheim), Flüssen (Themse) und Mooren (Lauterach, A) verbreitet. Bevor die Fibelfunde von „heiligen" Plätzen der vorrömischen Metallzeiten zusammenfassend untersucht werden können, sind allerdings noch zahlreiche Materialeditionen notwendig. Auch in der römischen Kaiserzeit stammen Fibelfunde sowohl aus Heiligtümern (Meclo/Mecheln p], Martigny [CH], Chätillon-sur-Seine [F], Bregenz - Bngantium [A], Empel [NL]), Quellen (Bath — Aquae Suits, GB), Flüssen (Tiber, Inn), Opferschächten (Coventina's Well, GB) und Brandopferplätzen (Schwangau, Kr. Ostallgäu). Ein Großteil der provinzialrömischen Fibelgaben reicht über das Ende des 1. Jhs. n. Chr. (bekannte Ausnahme: Meclo/Mecheln) nicht hinaus. Das Auslaufen dieses Brauches hängt nach L Pauli sowohl mit grundlegenden Änderungen in der Tracht - und damit des Fibelgebrauchs - zusammen als auch mit geänderten Opfersitten284. Das Weihen von Münzen nimmt parallel dazu stark zu.

280 281 282 283 284

Cartawburgh - Procolitia (Allason-Jones / McKay 1985). Ross 1968, Wait 1985, 320-336. Wait 1985,65 Tab. 3.6. Pauli 1986,823 ff.; Konrad 1994,225.

276

Kulturgeschichtliche Auswertung

8.6 Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht Schon O. Montelius bewertete den Pyrmonter Brunnenfund als nicht geschlossenen Fund285. In der Folgezeit wurde der Komplex überwiegend als nicht gleichzeitige, sondern kontinuierliche Niederlegung von der Spätlatenezeit bis in das 3. Jh. n. Chr. angesehen286. Der Brunnenfund läßt sich nach dem „Prüfschema" von B. Stjernquist als Opferfund charakterisieren. Qualifizierte Fundumstände, die prinzipiell verehrungswürdige Stelle mit Quelle und Baum sowie die wiederholte Niederlegung von gleichartigen Gegenständen sprechen dafür. Gegenstand der Verehrung war zum einen wohl der Brodelbrunnen, da er sich ungefähr mittig in der Fundverteilung befindet, zum anderen auch eine alte Linde oder Buche, an deren Fuß die Opfergaben lagen. In diesem Zusammenhang darf die namengebende Eigenschaft des Brodelbrunnens nicht vergessen werden. Wir wissen natürlich nicht, ob diese auffälligen Geräusche bereits in der römischen Kaiserzeit zu hören waren. Da er bei Heinrich von Herford (f 1370) als Jons bulliens erwähnt wurde, ist belegt, daß das laute Brodeln zumindest knapp 600 Jahre lang andauerte. Daher erscheint es nicht unmöglich, daß dies schon ein Jahrtausend länger der Fall war. Wie oben ausfuhrlich beschrieben, traten die Funde an mehreren Stellen auf. Die emaillierte Schöpfkelle wurde nordöstlich am Fuße des sog. Lindenbaumes (Stelle a nach R. Ludwig; vgl. Abb. 9-10), der Großteil des Fundes südlich davon entdeckt, zwischen der sog. Linde und Quelle II (zwischen b—c). Die hölzernen Schöpfgefaße fanden sich abseits zwischen den Quellen I und Π bzw. I und ΠΙ. Aufgrund dieser Verteilung ist davon auszugehen, daß - wie auch immer geartete Aktivitäten sowohl zwischen dem Brodelbrunnen (I) und der Quelle Π sowie der nahe gelegenen sog. Linde stattfanden, als auch zwischen den Quellen Π und HL Die heute nicht mehr erhaltenen Holzgefäße deuten an, daß diese Aktivitäten in einem Zusammenhang mit den Quellen gestanden haben dürften (ζ. B. Schöpfen des Wassers). Die Fundverteilung läßt vermuten, daß allen drei Quellen eine Bedeutung während der Opferhandlungen zugekommen sein dürfte. Über das Aussehen des Opferplatzes läßt sich nur spekulieren. Fest scheint aufgrund der sorgfältigen Beobachtungen R. Ludwigs zu stehen, daß keinerlei artifizielle Anlagen/Bauten vorhanden waren, auch keinerlei Kultbilder. Eine wichtige Rolle spielte vermutlich der mehr als 200 Jahre alte Baum, die sog. Linde, an

285

286

Montelius 1903. Im Gegensatz dazu interpretierte er a. a. O. den Thorsberger Moorfund (Kr. Schleswig-Flensburg) als geschlossenen Fund. Jacob-Friesen 1928; 1974; Articus 1984; Andraschko / Teegen 1988.

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

277

dessen Basis die Opfergaben lagen287. Aufgrund des Fundortes der emaillierten Schöpfkelle ist anzunehmen, daß auch dieser Baum in einem kultischen Zusammenhang gestanden haben könnte. In der Umgebung wird man vermutlich einen feuchten, mal festen, mal sumpfigen Untergrund annehmen können, wo wahrscheinlich mehrere Quellen hervortraten. Wie dicht die Bewaldung war, läßt sich nicht sicher sagen, doch standen wohl mehrere Bäume im Umkreis der Quellen. Um den Charakter des Opfers zu klären, ist es notwendig, die Art der Niederlegung der Funde zu kennen. Aus den Berichten des Ausgräbers geht hervor, daß die Fibeln auf einem drei Quadratfuß großen und etwa drei Fuß tiefen Areal (ca. 1 m 3 lagen — und zwar zwischen dem Laub. Gesichert scheint die Tatsache, daß die Objekte nicht im Quelloch selbst gefunden wurden. Nicht mehr nachvollziehbar ist es, ob sich am Quellort kleine Quellbecken befunden haben, in denen sich Laub abgelagert hatte. Bei dieser Annahme könnten die Funde in diesen Becken deponiert worden und allmählich einsedimentiert sein. Genausogut könnten die Funde im Laufe der Zeit auf festem Land auf einem Haufen gelegen haben. Die Patina-Analyse von einer Fibel ergab allerdings, daß das Stück unter Luftabschluß gelegen haben muß288. Dies könnte aber nicht nur im Wasser, sondern auch in dem feuchten Untergrund des Fundplatzes geschehen sein. Ob die Schöpfkelle an der Linde (Buche) absichtlich niedergelegt wurde, läßt sich nicht klären, jedoch vermuten. Bei den hölzernen Schöpfkellen, die zwischen den Quellen gefunden wurden, könnte auch ein Verlust o. ä. und keine intentionelle Deponierung vorgelegen haben. Bei der Analyse des Fundmaterials wurde deutlich, daß die im Brunnenfund vertretenen Fibeln nur eine kleine Auswahl der während der römischen Kaiserzeit und frühen Völkerwanderungszeit in Nordwestdeutschland benutzten Typen darstellen289. Bemerkenswert ist zum einen das gänzliche Fehlen von Rollenkappenfibeln und zum anderen die vergleichsweise große Zahl von Ringfibeln und vor allem von Fibeln der Form Almgren VII,199. Damit hebt sich der Brunnenfund sehr deutlich von den zeitgleichen Grabfunden Nordwestdeutschlands ab. Er stellt somit eine bewußte Auswahl von Gegenständen dar. Im Vergleich zu den Grabfunden fällt auch das Fehlen von Nadeln auf, die funktionell den Fibeln entsprechen (können). Ahnliches ist auch in anderen zeitgleichen Opferfunden zu beobachten. Ein Händler- oder Gießerdepot ist aufgrund der Zusammensetzung des Fundes auszuschließen.

287 288 289

Ludwig 1863,2; 1865,51. Rösch 1987 (Analyse der Fibel Liste 1,65). Dies belegt auch die Seriationsmatrix, die zum größten Teil aus Fibeln besteht, die in Pyrmont nicht vertreten sind

Kulturgeschichtliche Auswertung

278 Kat.-Nr.

Typ

Typ Pyrmont

η

%

Datierung

Geschlecht

Alter

"Reichtum"

1

A2

1.01

1

0.43

B1

M-W

IE)

Μ

19-20

A 22

6.01

2

0.85

B1

W>M

Ε

-I++)

24

A 2 var.

1.02-03

3

1.27

B1

M-W

E-K

Μ

21-25

A 22 var.

6.02-03

5

£14

B1

l(W>M)>

Ε

(-)

18

A 19

5

1

0.43

B1

(W)

Ε

26-27

A 111,45

7

2

0.85

B1

W>M

E>

S

A 1,12

2

1

0.43

B1

M-W

E>K

+ >-

234

D. Domitian

42.01

1

0.43

B2

235

D. Trajan

42.02

1

0.43

B2

222

Ringfibel

34

1

0.43

B2

M-W

(E)

i + + +)

6-15

A 15

3

10

4.27

B2

|M>W|

IE)

? >K

16-17

A 16

4

0.85

B2

?

|r5m.:E)

29

AV.138

8

1

0.43

B2IC1

M-W

K>E

1

0.43

B2

M-W

Ε IK?)

0.85

B2

?

30

AV.139

9

28,32

A V,140

10

224

Ringfitael

36

1

0.43

B2

Μ

7

31

AV.141

11

1

0.43

B2

M-W

Ε > 1 > )K E-K7

+ (++)

7

1+)

33

AV.145

12.01

1

0.43

B2

W>M

34

A V,145-147

12.02

1

0.43

B2

M-W

Ε (K7- > DB)

223

Ringfibsl

35

1

0.43

B2

M>W

IE)

237

Schöpfkelle

43

1

0.43

B2/C1

214-221

Ringfibel

33

β

3.41

B2/C3

M>W

E>K

60-63

A VII,193

21

4

1.71

B2IC1

W>M

Ε

65-68

A VII,196

23

4

1.71

Clb

M>W

Ε

197-198

A VI 1,202

25

2

0.85

Cla

(M-W7I

K>E

206

A VII.208

28

1

0.43

Cla

(W>M?)

IE)

209-211

A 229

30

3

1.27

Cla

W

Ε

236

D. Caracalla

42.03

1

0.43

C1a

M-W

(+++) (+++) I+ + + )

64

A VII,195

22

1

0.43

Cla

M>W

E>K

227-230

Ringfibel

39

4

1.71

CI

7

«Ell

207-206

A VII,209

29

2

0.85

C1a

M>W

((E))

69-196

A VII,199

24.01-16

128

54.7

Clb

M-W

E>

212

Reiterfibel

31

1

0.43

Clb

(M>WI

IE)

201-205

A VII,207

27

5

2.14

C1b/C2

M-W

E>K

199-200

AVII.205

26

2

0.85

C1b/C2

IM > W?l

E>K

35-40

A VI, 162

13

6

2.56

C2fr0h

M-W

E>

45

AVI.169

14.02

1

0.43

C2

M-W

Ε

7

51-52

A VI, 175

16

2

0.85

Clb

W>M7?

Ε

7

58

A VI,178

19

1

0.43

Clb

M-W

E>K

+

59

A VI,187

20

1

0.43

C1IC2

M-W

E>K

7

57

A VI, 177

18

1

0.43

Clb

M-W

E>K

-/+

53

A VI,175 var.

17.01

1

0.43

C2

M-W

IE)

+ +

54

A VI,176

17.02

1

0.43

C2

W>M

E>K

H+l >K

>K

55

A VI,176

17.03

1

0.43

C2

W>M

E>K

•b

226

Ringfibel

38

1

0.43

C2JC3

|W>MI

7

7

231-232

Ringfibel

40

2

0.85

C2/C3

M-W

Ε

7

56

AVI.176

17.04

1

0.43

C3

WOMI

K>E77

7

41-44

AVI.169

14.01

4

1.71

D1

?

7

7

46-50

A VI,170

15

5

2.14

•1/02

7

?

7

234

100%

Summa 233

Spiralring

41

1

M-W

213

Delphinfitaal

32

1

M-W

(+1 ?

254

"Quellnadel"

49.01

1

225

Ringfibel

37

1

?

7

Abbildung 18. Fundtypen des Pyrmonter Brunnenfundes: Fundzahl, prozentuale Verteilung, Datierung und die Geschlechts- und Alterszuordnung und der vermutliche soziale Bezug aufgrund der Grabfunde.

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

279

Kat.-Nr.

Typ

Typ Pyrmont

Datierung

Verteilung 1

Verteilung 2

Verteilung 3

Verteilung 4

Verteilung 5

1

A2

1.01

B1

Elbgeblet

Weichsel -

Oland -

NlBdersachsen

Donaugebiet)

19-20

A 22

6.01

B1

Rhelngeblet

(lockere

Verbreitung

In NWDtld.1

NWDtld.

2-4

A 2 var.

1.02-03

B1

Waaerbergland

21-25

A 22 var.

6.02-03

B1

Rhelngeblet

NWDtld.

18

A 19

5

B1

Rheingebiet

Rheln-Maln

26-27

A 111,45

7

B1

Rhelngeblet

Bähmen

Elbgeblat

NWDtld.

5

A 1,12

2

B1

Unterelbe

Norddeutschland

wastl.

Schleawlg-H.

234

D. Domitian

42.01

B2

Elbgeblet

235

D. Trajan

42.02

B2

222

Ringfibel

34

B2

Wendland

6-15

A 15

3

B2

Rhelngeblet

Feddersen Wierde Weserberglend

16-17

A 16

4

B2

Belglca

Rhalngebtet

29

AV.138

8

B2/C1

Unterelbe

Rhelndort

30

AV.139

9

B2

Unteretbe

NWDtld.

28,32

AV.140

10

B2

Unteralbe

Rheingebiet

224

Ringfibel

36

B2

Unterelbe

31

AV.141

11

B2

Unterelbe

NWDtld.

12.01

B2

Unterelbe

Rhelngeblet

33

A V.145

34

A V,145-147

12.02

B2

Unterelbe

NWDtld.

223

Ringfibel

35

B2

Wendlend

LQneburger Heide

ifthe/M/orfJ

Rhelngeblet

237

Schöpfkelle

43

B2IC1

Britannia

Gallia

NWDtld.

214-221

Ringfibel

33

B2/C3

Westfalen

Hetateln

Mecklenburg

60-63

A VII.193

21

B2/C1

Elbgebiet

NWDtld.

Weaarberglend

65-68

A VII, 196

23

CI b

Mlttelelbegeblet

Altmark

obergemi. Umes

197-198

A VII,202

25

C1a

Elbgeblet

Mecklenburg

Schleswlg-H.

206

A VII,208

28

Cla

Angeln

Holstein

AltmBrk

209-211

A 229

30

Cla

AIDnark

Mlttelelbegeblet

Bähmen

236

D. Caracalla

42.03

Cla

64

A VII,195

22

Cla

Altmark

Wendtand

Prlgnttz

227-230

Ringfibel

39

C1

Angeln

207-208

A VII.209

29

Cla

Angeln

Altmerk

Lknes

69-196

A VII,199

24.01-16

C1b

NordaeekOate

Elbgebletf NWDtld. Germenla slip.

Mecklenburg

Schleswlg-H.

Raatlen

Noricum

212

Reiterfibel

31

C1b

Garmenle Inf.

201-205

A VII,207

27

C1b/C2

Dänemark

Schlaswjg.H.

Mecklenburg

Altmerk

Mecklenburg

Settles wlg-H.

Dänemark

Schleswlg-H.

199-200

AVII.205

26

C1WC2

Elbgeblet

3540

A VI,162

13

C2früh

Elbgeblet

Odergeblet

45

A VI,169

14.02

C2

Elbgeblet

Holstein -

rset. Umee

51-52

A VI, 175

16

Clb

n.b.

(Schweden,

Elbgeblet,

58

A VI,178

19

Clb

SOdskandlnevlen

Holeteln

Unterfranken

Dänemark

Weaerberglend.

Mähren/NO

(Britannien -

Syrian)

59

AVI.187

20

C1IC2

Germania sup.

Reetlen

Norleum

57

AVI.177

18

Clb

Elbgeblet

Mecklenburg

Schleewlg-H.

53

A VI, 175 var.

17.01

C2

Elbgeblet

Angatn -

raet. Lbnee

54

A VI,176

17.02

C2

Elbgeblet

(Trier -

Bähmen •

NWDtld. 1

55

A VI,176

17.03

C2

Elbgeblet

(obergatm. Limas

Trier

Mähren)

226

Ringfibel

38

C2/C3

Holstein

231-232

Ringfibel

400

C2/C3

Feddarean Wierde Limas

56

AVI.176

17.04

C3

Elbgeblat

(NW-Schwelz

Mehren

Holstein)

4144

A VI, 169

14.01

D1

Nledarland

Westfalen

Weserbergland

46-50

A VI,170

15

D1/D2

Baltikum

Ukrelne

RumBnlen

233

Spiralring

41

213

Delphinfibel

32

254

"Quellnadel"

49.01

225

Ringfibel

37

NWDtld.

Summe

Abbildung 19. Fundtypen des Pyrmonter Brunnenfundes: Datierung und Hauptverbreitungsgebiete der Vergleichsfunde.

280

Kulturgeschichtliche Auswertung

8.6.1 Zeitliche Verteilung der Funde Die Objekte des Pyrmonter Brunnenfundes datieren von (spät-) augusteischer Zeit (Stufe Bl) bis in die Zeit um 400 bzw. maximal bis in die erste Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. (Stufe D). Mehr oder weniger genau chronologisch faßbar sind 234 Funde. Sie gehören 49 Typen bzw. Varianten an (Abb. 18) und bilden den Ausgangspunkt für die kulturgeschichtliche Auswertung des Brunnenfundes. Abbildung 20,a zeigt die Verteilung der Fibeln auf die einzelnen Zeitstufen in relativer Häufigkeit (n=230). Erkennbar ist ein leichter Anstieg der Fundfrequenzen von Bl nach B2 mit einer rapiden Zunahme in Stufe Cl. Es erfolgt dann ein sehr starker Frequenzabfall nach C2, wobei das Niveau von B2 nicht wieder erreicht wird. Eine weitere Abnahme ist nach C3 zu erkennen. In der frühen Völkerwanderungszeit (Stufe D) bleibt das Niveau gleich niedrig290. Die zeitliche Verteilung der Funde gibt nur Aufschluß über den durchschnittlichen Nutzungszeitraum dieser Fibeln, abgeleitet aus geschlossenen Grabfunden, nicht jedoch über den Zeitpunkt, zu dem diese Fibeln in Pyrmont niedergelegt wurden. Die Analyse der Abnutzungsspuren aus chronologischer Sicht läßt eine genauere Eingrenzung dieses Problem zu. Während der Stufe Bl können wir unter den Fibeln einen frühen (Almgren 2, 19, 22) mit insgesamt 12 Fibeln und einen späteren Block („Augenfibelhorizont"; Almgren 111,45; 1,12) mit drei Fibeln vermuten. Die frühen Fibeln sind zwar meist deutlich, nicht jedoch so stark abgenutzt wie die etwas jüngeren Bl-Formen. Wenn man nicht unterschiedliche Gebrauchsmuster vermuten will, wofür keine Anzeichen vorliegen, dürfte dies ein Hinweis auf eine gewisse zeitliche Differenzierung zwischen beiden Gruppen darstellen. Die starke Abnutzung von mindestens zwei der drei Fibeln aus dem „Augenfibelhorizont" kann daraufhindeuten, daß diese Stücke mindestens bis in die frühe Stufe B2 genutzt und dann niedergelegt wurden. Wenn wir die Zeitspannen der durchschnittlichen Abnutzung pro Abnutzungsgrad nach J. v. Richthofen als Anhaltspunkt nehmen, die er mit ungefähr 20 Jahren veranschlagt291, kann sich eine Änderung des Zeitansatzes von etwa 50 Jahren (oder mehr) ergeben. Dies würde

290

291

In dieser Darstellung wurde fur die vermutlich nicht antiken Fibeln mit P-förmigem Bügel, Almgren VI, 170, nur ein Exemplar angenommen. v. Richthofen 1997. Seine Werte sind Schätzungen, die von vielerlei Faktoren (tatsächliche Gebrauchsintensität und Funktion, aber auch Problemen in der anthropologischen Lebensaltersbestimmung) beeinflußt sind. Das von ihm herangezogene anthropologisch untersuchte Leichenbrandmaterial wurde nur zu einem geringen Teil histomorphometrisch analysiert. Daher können die älteren Erwachsenen unterrepräsentiert sein.

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

281

eine Jüngerdatierung von Β1-zeitlichen Fibeln in die Stufe B2 bedeuten, ζ. T. bis an das Ende des 1. Jhs. n. Chr. In geringerem Maße ist dies vielleicht auch für die Übergangsphase B2/C1 zu vermuten. Hier ist aber auch eine mögliche Spätdatierung der Kniefibeln generell zu berücksichtigen. Die Fibeln der Stufe B2 (Almgren 15 und 16; Kniefibeln) dürften vornehmlich in das 2. Jh. datieren. Die stark abgenutzten „Soldatenfibeln" dürften die jüngere Kaiserzeit allerdings nicht mehr erreicht haben. Die Tierscheibenfibeln sind jedoch relativ deutlich abgenutzt. Dies könnte ein Hinweis auf eine jüngere Deponierung sein. Damit würde auch R. Ludwigs Feststellung, daß die Tierfibeln relativ hoch gefunden wurden, besser in Übereinstimmung gebracht werden, als es die reine Datierung (Cla) nahelegt. Die durchweg geringe Abnutzung der Fibeln Almgren VII,199 läßt eine Niederlegung in Stufe Clb durchaus zu292. Einige stärker abgenutzte Formen könnten einer späteren Deponierung angehören, wie dies auch in Illerup Adal (DK) nachgewiesen ist293. Schwierig ist auch die Ermittlung der Niederlegung der C2/3-zeitlichen Fibeln. Auch sie sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht stark abgenutzt. Vorstellbar wäre eine Deponierung in der Zeit um 300 n. Chr. Nimmt man eine Verehrungsdauer von 400 Jahren an und eine - nachgewiesene — Fundzahl von 320 Objekten, so kommt man auf eine Zahl von etwa 0.8 Opferungen pro Jahr. Werden nur die datierbaren Funde berücksichtigt, so ergibt sich eine Zahl von 0.58 Funden pro Jahr. In den Stufen B1 und B2 liegt der Wert bei 0.30 bzw. 0.24 (ältere Kaiserzeit insgesamt 0.26), in Stufe C1 bei 1.67, in Stufe C2 bei 0.34 und in Stufe C3 bei 0.04 (jüngere Kaiserzeit insgesamt 0.93) pro Jahr. Bemerkenswert ist eine relative Ähnlichkeit der Frequenzen (ca. 0.3) in der älteren Kaiserzeit und in Stufe C2. Die Frequenzen könnten so interpretiert werden, daß in diesen Perioden durchschnittlich nur etwa alle 3 Jahre eine Fibel in den Boden kam. Dies könnte ein Indiz für eine Nutzung des Opferplatzes in mehrjährigem Abstand sein. In der Hauptniederlegungszeitphase Clb wurden durchschnittlich etwa 2.74 Fibeln pro Jahr niedergelegt. Diese Zahl könnte eine jährliche Nutzung des Opferplatzes wahrscheinlich machen. In der ausgehenden Kaiserzeit und frühen Völkerwanderungszeit gehen die Niederlegungen sehr stark zurück: Ein Wert von 0.04 entspricht einer Deponierung in 25 Jahren. Es deutet auf ein Ausklingen dieser Sitte ab 300 n. Chr.

292

293

Methodisch muß angemerkt werden, daß Fibeln, die keinen großen Beanspruchungen ausgesetzt wurden, vielleicht eine Generation getragen worden sein können, ohne daß dies besondere Auswirkungen auf die Fibeln gehabt hat. Chronologisch dürfte dies zu vernachlässigen sein.

Hkjzr 1997.

282

Kulturgeschichtliche Auswertung Der Pyrmonter Brunnenfund Anteil der Fibeln pro Zeitstufe (n = 230)

% 100 80 60

40

20

0 A

B1

a

B2

C1

C2

C3

D

C3

D

Stufe nach Eggers

Der Thorsberger Opferfund Anteil der Fibeln pro Zeitstufe (n = 54)

% 100 80 60

40

20

0 A

b

81

B2

C1

C2

Stufe nach Eggers

Abbildung 20. Verteilung der Fibelzahl auf die Zeitstufen nach H. J. Eggers. a Pyrmont (n=230). b Thorsberg (n=54).

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

283

Die theoretischen Deponierungsraten pro Jahr sind besonders in den Stufen Β1-2 und C2-D viel zu gering, so daß während dieser Phasen eine jährliche Niederlegung auszuschließen ist. Auch für die besser belegte Stufe C1 möchte ich dies nicht annehmen. Wahrscheinlicher erscheinen mir auch aufgrund der großen nordischen Opferfunde, insbesondere von Illerup Adal294, mehrere Deponierungen zu unterschiedlichen Zeiten. Natürlich ist auch eine einmalige Deponierung denkbar. Diese müßte dann um oder nach 400 n. Chr. anzusetzen sein, also in der frühen Völkerwanderungszeit. Diese theoretisch mögliche Niederlegung gilt aber nicht für alle Funde, denn sowohl das Emailgefäß wie auch die hölzernen Schöpfkellen lagen abseits der Hauptdeponierung. Da sich ausgerechnet der wertvollste Gegenstand nicht zwischen den übrigen fand, erscheint eine einmalige Niederlegung wenig wahrscheinlich. Die unterschiedlichen Areale der Deponierung in Pyrmont lassen sich auch zeitlich interpretieren. Wenn die Schöpfkelle ungefähr Mitte des 2. Jhs. n. Chr., also gegen Ende der Stufe B2, hergestellt wurde, kann sie frühestens in der Übergangsphase B2/C1 niedergelegt worden sein. Die übrigen Metallfunde wurden sämtlich an einer Stelle gefunden, das Fundmaterial datiert zwischen B l - D ( l ) . Wir fassen somit archäologisch mindestens zwei Deponierungsphasen: C l a (oder später) und D(l). Die an unterschiedlichen Stellen gefundenen Holzgefäße unterstützen die Vermutung mehrerer Deponierungsphasen, auch wenn sie selbst nicht (mehr) datierbar sind. Eine einzige Niederlegung zu Beginn der Völkerwanderungszeit — so wie es M. Mgczynska für Lubiana (PL) vermutet295 — halte ich aber für nicht sehr wahrscheinlich, zumal es im Pyrmonter Tal und im Weserbergland keinerlei Anhaltspunkte für größere Aktivitäten im späten 4. oder frühen 5. Jh. n. Chr. gibt. Auch für die Verbergung eines „Tempelschatzes" in dieser Zeit gibt es von der Befundlage keine Hinweise. Bei einer solchen Interpretation wäre dann die emaillierte Schöpfkelle bei den übrigen Funden zu erwarten gewesen296, und nicht Meter davon entfernt. Auch die Schilderung R. Ludwigs, daß sich die Funde in einem 2lA χ 3 χ 3 Fuß großen Areal befunden haben, spricht dagegen. Der Ausgräber bemerkte eine gewisse Stratigraphie und notierte die Tatsache, daß die Tierscheibenfibeln recht hoch gelegen haben sollen. Betrachtet man die Gesamtzahl der Funde, und unterstellt man eine kontinuierliche Niederlegung nach Herstellungszeit, so wären sie zwar höher als die älterkaiserzeitlichen Funde zu erwarten gewesen, jedoch unterhalb der Masse der Fibeln Almgren VII,199. Die geringe Größe und

294 295 296

Ukjxr 1993. M^czynska 1997; vgl. Kap. 8.7.7. Vgl. die Schilderung der Fundumstände von Emailgefäßen aus spätrömischen Horten bei Forsyth 1950.

284

Kulturgeschichtliche Auswertung

das geringe Gewicht der Funde lassen allerdings auch ohne menschliche Einwirkung eine Störung der Stratigraphie nicht unwahrscheinlich erscheinen. Denkbar sind Einwirkungen des Wassers (2. B. Überschwemmungen, Auswaschungen), Tieraktivitäten und vor allem auch natürliche Sedimentationsprozesse. Auch wenn der genaue Ablauf nie mehr zu klären sein wird, so ist doch aufgrund der Befundlage und der vorstehend geschilderten Überlegungen eine einmalige Deponierung an dem Hauptfundplatz weitgehend auszuschließen. Eher annehmbar erscheinen mir mehrere Deponierungen zu unterschiedlichen Zeiten. Dabei ist nicht zu klären, ob es periodische, ζ. B. jährliche (aufgrund der geringen Zahl eher unwahrscheinlich) bzw. mehrjährige, Niederlegungen gab oder nur eine bzw. wenige Deponierungen während der Eggerschen Stufen B1 bis D(l). Aufgrund der großen Moorfunde erscheint mir letzteres eher zuzutreffen. Zusammengefaßt ergeben sich folgende Deponierungsphasen: (frühes) B1 bzw. Mitte 1. Jh. (B1/B2) frühes B2? spätes B2/frühes Cla um/nach 200 (Clb) um 300 vor/um 400 (Dl). Diese Verteilung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Zuweisung auf die Zeithorizonte (Abb. 20,a), die somit ein guter Indikator für die Deponierungsintensität bleibt. In der zusammengefaßten Datierung können deutliche zeitliche Parallelen zu den Deponierungen in den großen nordischen Opferfunden ausgemacht werden. Ihr Charakter (Kriegsbeuteopfer) hebt sich jedoch grundlegend von dem für Pyrmont, Strückhausen (Kr. Wesermarsch) und BraunschweigDowesee/Bullenteich (mit Einschränkungen Lubiana, PL) belegten zivilen Bereich ab. Die dahinterstehende Ideologie des Fruchtbarkeitsopfers unterscheidet sich ebenso und belegt eine „konservative" Komponente ländlicher Heiligtümer. Was zum Ende der Opfertätigkeit in Pyrmont führte, ist unbekannt297. Die Buckelurne aus Pyrmont-Holzhausen zeigt in der Mitte des 5. Jhs. den Beginn einer neuen Zeit im Weserbergland an - die sächsische Landnahme im Mittelgebirgsraum.

297

R. Gaberts (1935; 1937) zeitgeschichtlich zu erklärende Hypothese, daß Karl der Große das Pyrmonter Heiligtum zerstört habe, trifft nach Funden und Befunden her nicht zu.

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

285

8.6.2 Wer waren die Opfernden? Außer den Funden liegen keinerlei Angaben zu den Opfernden vor. Daher muß versucht werden, über die Opfergaben Aufschlüsse über die Adoranten zu bekommen. Es bedarf kaum einer Erwähnung, daß die mit diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse daher nur Modellcharakter haben können. Als Grundannahme für die folgenden Überlegungen wird davon ausgegangen, daß Schmuckstücke, in diesem Fall Fibeln, innerhalb gewisser Grenzen Aussagen über ihre Träger erlauben. Daher wurden die in Kapitel 6 zusammengetragenen Angaben zu Vergleichsfunden aus Gräbern unter folgenden Fragestellungen untersucht Gibt es charakteristische Gruppierungen bezüglich Geschlecht, Alter und „Reichtum" der Bestatteten, die als Grabbeigaben Fibeln aufweisen, die den im Brunnenfund vertretenen Typen entsprechen? Gibt es unterschiedliche Herkunftsgebiete der verschiedenen Fundtypen?298 Geschlecht Für 41 Fibeltypen mit 214 Fibeln liegen Angaben zur vermutlichen Geschlechtszuordnung vor, wobei die geschlechtsunspezifischen Fibeln mit 74.3% überwiegen. Typen- und Fibelverteilung ähneln sich. Innerhalb der verschiedenen Zeitstufen sind gewisse Unterschiede in der Geschlechtsspezifität vorhanden. In B1 überwiegen Fibeln aus vorwiegend weiblichem, in B2 aus männlichem Fundzusammenhang. In der Hauptniederlegungsphase C1 ist bezüglich der Fibeltypen ein ungefähr ausgeglichenes Verhältnis festzustellen, während bei der Fundzahl leichte Differenzen vorhanden sind. Dies trifft besonders auf die Teilphasen von C1 zu. In C2/C3 ist ein leichtes Übergewicht der Funde aus weiblichem Zusammenhang zu beobachten. Trägt man die Zahl „geschlechtsbestimmter" Fibeln graphisch auf, so zeigt sich bei den weiblichen Formen ein „wellenförmiger" Verlauf mit Maxima in B1 und C1 und ein Auslaufen in C3. Bei den Männern liegt das Maximum in B2 mit kontinuierlicher Abnahme nach C2 (Abb. 21,a). Dieser Befund unterscheidet sich deutlich von Thorsberg (Kr. Schleswig-Flensburg) (vgl. Abb. 22,a). Insgesamt läßt sich feststellen, daß die im Pyrmonter Brunnenfund vertretenen Fibeltypen zum größten Teil in Gräbern von Frauen und Männern vorkommen. Genauere Eingrenzungen sind aufgrund des publizierten Fundstoffs nicht möglich. Das Vorliegen von einigen Fibeltypen, die in norddeutschen Gräbern ausschließlich in Frauen- oder Männergräbern auftreten, läßt annehmen, daß Fibeln

298

Einen ähnlichen Arbeitsansatz bezüglich der geographischen Herkunft der Funde hat J. Ilkjxr (1990; 1993; 1994) bei der Untersuchung des Waffenopferplatzes Dlerup Adal (DK) verfolgt.

286

Kulturgeschichtliche Auswertung Bad Pyrmont Brunnenfund

(10)

--

(20)

ΒΊ

B2

C1

C2

C3

Zeitstufe nach H. J. Eggers •

Frauen •

Männer

Bad Pyrmont Verteilung der Fibeln

100

50 --

I

(50)

-+-

A

B1

ι

-+-

B2

C1

C2

C3

Dl

Zeitstufe nach H. J. Eggers b



M =W •

n.b.

Abbildung 21. Verteilung der im Pyrmonter Brunnenfund vertretenen Fibeln auf die Zeitstufen nach H. J. Eggers nach Geschlechtern getrennt a Frauen, Männer, b Unbestimmbar: M=W = Fibeln, die in Gräbern von Männern und Frauen vertreten sind.

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

287

aus dem Besitz von beiden Geschlechtern hier niedergelegt wurden. Bei den in Gräbern von Frauen und Männern in ungefähr gleicher Zahl vorkommenden Fibeln ist zu vermuten, daß beide hier beteiligt waren. Im Gegensatz zu den geschlechtstypischen Fibeln läßt sich dies jedoch mit archäologischen Methoden nicht näher verifizieren. Alter Zur vermutlichen Alterszuordnung liegen Angaben für 39 Fibeltypen mit 215 Funden vor, wobei der größte Teil (87.1% der Typen, 96.2% der Funde) ausschließlich oder überwiegend bei Erwachsenen vorkommt. Fibeln, die in Kindergräbern vorherrschen, sind selten (7.7% der Typen, 1.9% der Funde). Dies belegt ein starkes Übergewicht der (vorwiegend) von Erwachsenen getragenen Fibeln (mindestens vier Fünftel der Funde). Der Anteil der Fibeln, die ausschließlich oder überwiegend bei Kindern belegt sind, liegt deutlich unter 10%. Aufgrund des gegenwärtigen Wissenstandes ist zu vermuten, daß sich auch einige Kinder unter den Opfernden befunden haben mögen. J. v. Richthofen konnte bei den von ihm untersuchten Fibeln der Stufen Bl—2 aus Brandgräbern mit anthropologisch bestimmten Leichenbränden nachweisen, daß deutlich und stark abgenutzte Fibeln vor allem in den höheren Altersklassen vorkommen299. Demnach könnte bezüglich der Pyrmonter Fibeln vermutet werden, daß die Klassen 3-5 (deutlich bis sehr stark abgenutzt) mit einiger Sicherheit Erwachsenen zuzuordnen sind, und zwar vorzugsweise solchen fortgeschrittenen Alters. In der älteren Kaiserzeit sind 20 von 33 (60.6%) Fibeln deutlich bis sehr stark abgenutzt, in der jüngeren Kaiserzeit sind es bedeutend weniger (42 von 171 = 30.4%). Aus dem sich zeitlich ändernden Abnutzungsgrad auf unterschiedliche Altersgruppen der Adoranten in der älteren und jüngeren Kaiserzeit zu schließen, heißt wohl, die Aussagekraft des Materials zu überfordern, zumal auch mit „Erbstücken" zu rechnen ist. Der soziale Bezug Neben Geschlecht und Alter der Opfernden interessierte auch ihr sozialer Status. Daher wurde versucht, die im Pyrmonter Brunnenfund vorhandenen Fibeltypen in ihrem Kontext, d. h. gräbersoziologisch, auszuwerten. Der erste Versuch, „soziale Schichtungen in den Opferdepots der Völkerwanderungszeit" Nordeuropas herauszuarbeiten, wurde von H. Geißlinger unternommen. Er unterschied300 zwischen Individual- und Kollektivopfer, Opfer der „Volksschicht" und der

299 300

Vgl. v. Richthofen 1992, 337 Abb. 11-14. Geißlinger 1967 (zu Fibeln: 113 ff.); 1970.

288

Kulturgeschichtliche Auswertung

„Oberschicht" (vor allem Goldobjekte). Dabei ist folgende Bemerkung wichtig: „Spenden von geringem Materialwert müssen nicht unbedingt von wirtschaftlich Schwachen gegeben worden sein. Aber die reichen Opfer sind jedenfalls von Vermögenden dargebracht"301. Um über die mutmaßliche soziale Stellung einer Bestattung Aufschluß zu erhalten, bieten sich vor allem zwei Merkmale an: das Vorhandensein von Edelmetallobjekten und römischem Import sowie die Anzahl der Beigaben. Das Auftreten von Edelmetall- und Importfunden im Pyrmonter Brunnen deutet bereits die Opfertätigkeit sozial herausgehobener Personen an. Aufgrund von vollständig untersuchten und mit multivariaten Verfahren analysierten Gräberfeldern (ζ. B. Hamfelde [Kr. Hzgt. Lauenburg] oder Kemnitz (Kr. Teltow-Fläming]) ergibt sich, daß Fibelgräber (ohne Waffen, Import und Edelmetall) durchschnittlich einen mittleren Ausstattungsgrad der beigabenführenden Gräber repräsentieren302. In reichen Gräbern303 und Fürstengräbern vom Typ Lübsow304 und Haßleben-Leuna305 sind sie regelhaft vertreten. Von den 222 aufgenommenen und befundbaren Fibeln des Brunnenkomplexes bestehen 206 (92.7%) aus einer Kupferlegierung („Bronze"), drei (1.35%) aus einer Kupferlegierung mit Einlagen, drei (1.35%) Tierscheibenfibeln aus unterschiedlichen Kupferlegierungen mit Silberblechauflage und zehn (4.5%) aus Silber. Hinzu kommen zwei (0.9%) fragliche Silberobjekte306. Bemerkenswert ist das Fehlen von Gold im Pyrmonter Brunnenfund. Die Verteilung der Silberfunde auf die einzelnen Zeitstufen ist unterschiedlich. Die einzigen Silberobjekte der älteren Kaiserzeit sind die Denare von Domitian und Trajan sowie vermutlich auch die einzige Ringfibel mit horizontal umgeschlagenen Enden (Liste 1,224). Alle übrigen silbernen Fibeln datieren in die jüngere Kaiserzeit. Um Aufschlüsse über das Vorkommen von Edelmetallobjekten in den üblichen Grabfunden zu bekommen, wurden die zu Vergleichszwecken aufgenommenen Inventare herangezogen. Die 2070 Fibelgräber enthielten insgesamt 2904 Fibeln, von denen bei 2870 das Material (Eisen, Bronze, Silber, sonstige [ζ. B.

301 302 303 304 305 306

Geißlinger 1970,203. Gräbersoziologische Auswertungen hat er nicht vorgenommen. Kunst 1978,100 ff. Gebühr / Kunow 1976; Kunst 1978. Gebühr 1974; Redlich 1977. Schulz / Zahn 1933; Schulz 1953; Schlüter 1970. Die Materialzusammensetzung der 258 insgesamt erfaßten Funde lautet wie folgt: „Bronze": 218 (84.5%), Kupferlegierung und Email: 1 (0.4%), Kupferlegierung mit Einlagen: 3 (1.2%), Kupferlegierung mit Silberblechauflage: 3 (1.2%), Silber: 14 (5.4%), unbestimmbar, da verschollen etc.: 19 (7.3%).

Die Auswertung des Pyrmonter Brunnenfundes aus kulturgeschichtlicher Sicht

289

Silberplattierungen, Email]) bekannt war. Von diesen bestanden 884 (30.7%) aus Eisen, 1822 (63.7%) aus Bronze und 127 (4.3%) aus Silber. Goldene Fibeln waren nicht vorhanden; sie sind extrem selten307. Sonstige Materialien kamen in 37 Fällen (1.3%) vor. Diese Übersicht scheint für Nordwestdeutschland und angrenzende Gebiete repräsentativ zu sein. Unter den Grabfunden mit Beigaben (n=2502) beträgt die durchschnittliche Beigabenzahl 4, während sie in den edelmetallführenden Gräbern mit 9 mehr als doppelt so hoch ist (n=138). Bei den anthropologisch untersuchten Gräbern mit Edelmetallfunden weisen die Männergräber (n=16) durchschnittlich 11 Beigaben auf, während in den Frauengräbern (n=26) 9 Beigaben enthalten sind; bei sämtlichen anthropologisch untersuchten beigabenführenden Bestattungen ist die durchschnittliche Beigabenzahl mit 6 Objekten ausgeglichen (Männergräber: n=225, Frauengräber: n=207). Es wird deutlich, daß die Gräber mit Beigaben aus Edelmetall eine höhere Beigabenzahl aufweisen als die Gräber ohne solche. Werden die Gräber mit anthropologisch bestimmten Leichenbränden und mit £ 5 Beigaben mit denen mit weniger als 5 Beigaben verglichen, so beträgt bei ihnen die durchschnittliche Edelmetallzahl 2 (M: n=14; W: n=18) bzw. 1 (M: n=2; W: n=8). Entsprechendes ist bei den edelmetallfuhrenden Gräbern insgesamt zu beobachten (> 5: n=100; ο

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