Strukturprobleme in primitiver Musik [Reprint 2020 ed.] 9783112351420, 9783112351413


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German Pages 262 [265] Year 1931

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Strukturprobleme in primitiver Musik [Reprint 2020 ed.]
 9783112351420, 9783112351413

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STRUKTURPROBLEME IN P R I M I T I V E R MUSIK VON

WILHELM HEINITZ

MIT 68 NOTENTAFELN, 13 TABELLEN UND 17 BEISPIELEN

HAMBURG FRIEDERlOHSEN.DE GRUYTER & Oo.M.B.H. 1931

Druck Ton J. J. Augustin in Glüektadt und Hamburg.

INHALT Seite

Arbeitsübersicht 1 Einführung 4 Material 34 Textliche Erläuterungen 36 Diskussion der Terminologie und Besprechung des Materials 47 A. Zeitliche Faktoren 49 I. Dauer 49 II. Metrik 49 I I I . Tempo 52 Ergebnisse 54 B. Energetische Faktoren 67 a) Formen 67 I. Schwere 69 II. Gewicht 70 Ergebnisse 81 ß) Bewegungsverhalten 83 I. Druck 83 II. Stoß 84 Ergebnisse 85 C. Räumliche Faktoren 86 I. Masse 86 II. Resonanz 88 Ergebnisse 90 D. Zeitlich-energetische Faktoren 94 I. Intensität 95 II. Takt 102 I I I . Rhythmus 110 IV. Agogik 118 V. Deklamation 119 Ergebnisse 128

IV E. Zeitlich-energetisch-räumliche Faktoren Lautheit Ergebnisse F. Zeitlich-energetisch-pseudoräumliche Faktoren I. Tonhöhe II. Tonhöhenschichtung III. Tonhöhenbewegung IV. Mehrstimmige Tonhöhenbewegung V. Tonalität Ergebnisse G. Qualitative Faktoren I. Stimmfarbe II. Klangfarbe Ergebnisse Schlußbetrachtung Literaturverzeichnis Notentafeln I. Transkriptionen Tafel lff. II. Vergleichende Analysen Tafel 26ff. III. Abstrahierte Skalen Tafel 60ff.

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ARBEITSÜBERSICHT Die vorliegende Arbeit behandelt eine Anzahl von Phonogrammen über musikalisch-phonetische Äußerungen Primitiver. Es wurde versucht, die S t r u k t u r der einzelnen Melodien inbezug auf ihre formalen Komponenten: Metrum, Tempo, Gewicht, Takt, rhythmische und melodische Deklamation, Tonhöhenbewegung, Tonalität usw. näher zu bestimmen und daraus Erkenntnisse zu sammeln über das Wechselspiel der spannenden und entspannenden Kräfte, die in diesen primitiven und verhältnismäßig leicht überhörbaren Ausdrucksbewegungen wirksam sind. Als Methode hierfür wurde gewählt: eine gehörsmäßige Übertragung der einzelnen Phonogramme in europäische Notenschrift; Messung und Darstellung der in dem Notentext fixierten Erscheinungen mit Hilfe von Mitteln, wie sie in der experimentellen Phonetik zum Teil üblich sind; subjektive Betrachtung des Materials auf Grund der persönlichen musikalischen Empfindung, vergleichende Betrachtung an der Hand modernen musiktheoretischen Wissens und gegebenenfalls Nachprüfung der Wirkungen durch eingeschaltete planmäßige wissenschaftliche Experimente. Grundsätzlich gingen wir davon aus, daß es sich bei unserm Material nicht um irgendwelche kosmologischen Konstruktionen handle, sondérn um organisch gewachsene Gebilde, die sich in diesem Sinne (also abgesehen von dem spezifisch formalen Ablauf) nicht von den charakteristischen musikalischen Ausdrucksbewegungen anderer Menschen und Völker unterscheiden. Wir folgten hierin der Auffassung der Phonetik, wonach keine bis in das Gebiet der akustischen Wahrnehmbarkeit vorgedrungene sprachliche Ausdrucksbewegung ohne funktionelle Beziehungen zwischen Dauer, Stärke, Tonhöhe und Klangfarbe denkbar ist. Die akustische Wahrnehmbarkeit mußten wir jedoch auffassen als das bloße Endergebnis komplizierter genetischer Prozesse, nicht als das Wesentliche einer psycho-physiologisch erlebbaren musikalischen Erscheinung. Wir legten infolgedessen dem Begriff 1

Heinitz.

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der („aus der Idee des Musikalischen heraus realisierten") Musik eine Bedeutungserweiterung bei, etwa in dem Sinne, daß wir seine Wurzeln und Wirkungen aus dem vollen Umkreis seiner biologischen Bezogenheiten verstanden wissen wollten. Diese Voraussetzung, ohne die wir keine neuen und vertiefenden Aufschlüsse über die Struktur primitiver Musikäußerungen glaubten erwarten zu dürfen, zwang uns folgerichtig zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der zur Verfügung stehenden Terminologie, die wir grundsätzlich von der allgemeinen Musikwissenschaft entleihen mußten. Diesen uns als wichtig erscheinenden Erörterungen wurde ein verhältnismäßig breiter Raum unserer Arbeit gewidmet. Viele Schwierigkeiten, Bedenken und selbstgemachte Einwände mußten dabei allmählich überwunden werden, bis wir den stellenweise recht spröden Stoff für formal darstellungsreif hielten. Sollte es uns trotzdem nicht immer gelungen sein, den Leser vorbehaltlos zu überzeugen oder dem stilistischen Ausdruck eine genügend leicht faßbare und fließende Form zu geben, so wolle man uns das freundlichst nachsehen und dem Umstand zugute rechnen, daß wir uns oft genug den Weg durch scheinbar völlig irrationale Gestaltkomplexe erst mühsam bahnen mußten. Nur wenige Vorarbeiten anderer modernen Forscher (z. B. E. Kurth, Sievers, Becking, Wiehmayer, Mersmann) standen uns von Seiten der europäischen Musik her für unsere entsprechenden Untersuchungen an den musikalisch-phonetischen Ausdruckserzeugnissen Primitiver zur Verfügung, und viele der u. E. sehr wichtigen Ergebnisse der genannten Forscher sind heute auch in der allgemeinen Musikwissenschaft noch nicht Allgemeingut geworden. Andererseits trägt unsere Arbeit ausgesprochen den Charakter einer Grenzwissens c h a f t , und es mußte schon aus diesem Grunde schwer sein, sich nach den verschiedenen Seiten hin in gleichem Maße genügend leicht verständlich auszudrücken. Rein äußerlich gliederten wir die Arbeit in vier Teile. Einem einführenden Teil folgt die vorbereitende Darstellung des Materials, dem wir textliche und sonstige Anmerkungen einfügten, soweit sie uns von den betr. Herren Fachvertretern liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt wurden. Den dritten und breitesten Teil nimmt die Besprechung des Materials und die Auseinandersetzung mit der

Ö

iiimiiiiMiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiniiiHiM dafür zu benutzenden Terminologie ein. Endlich folgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse. Auf eine nochmalige Unter betitelung der einzelnen Absätze haben wir dabei verzichtet, da es sich den inneren Zusammenhängen des Materials nach oft nicht vermeiden ließ, auf andere Teile erinnernd oder vorausgreifend hinzuweisen. Als Ergebnis unserer Arbeit durften wir im Hinblick auf das relativ wenig umfangreiche Material wohl nicht eine unbedingte stilkritische Unterscheidungsmöglichkeit zwischen den einzelnen Musikkulturen, aus denen unsere Beispiele stammten, oder gar zwischen der primitiven und der europäischen Musik erwarten. Es hat sich aber gezeigt, daß man vermittelst einer genügend geschärften Begriffsbestimmung sehr viel weiter unter die nur akustische Oberfläche einer musikalisch-phonetischen Ausdrucksbewegung eindringen kann, als man in der Regel anzunehmen geneigt ist. Grade dort, wo man nicht unternimmt, die h i s t o r i s c h e n Gebundenheiten eines musikalischen Objekts in den Bestand menschlicher Erkenntnisse einzuordnen, sondern wo man versucht, das „aus der Tiefe des Unterbewußten hervordrängende Kräftespiel biologischer K o m p l e x e " in seinen erregenden, spannenden, entspannenden und kompensierenden Wirkungen zu beobachten, scheint uns nach den Erfahrungen dieser Arbeit das Material von Primitiven besonders ergiebig zu sein. Wenn es sich bei den Beispielen auch durchweg nur um eine „relative Primitivität" handeln konnte, so ließ sich doch genügend deutlich erkennen, daß die meisten dieser Melodien mehr einen emotionell-naiven als einen voluntativ-disponierenden Charakter tragen, und daß sie sich zugunsten einer wissenschaftlichen Analyse gegenüber etwa modernen europäischen Kunstäußerungen in der Musik als viel ungehemmtere Abläufe erweisen. So war es denn möglich, über das schon bekannte und allseitig geübte Verfahren der Skalenanalyse hinaus eine Reihe von neuen Momenten frei zu legen, aus denen sich uns da,s Charakteristische einer musikalisch-formalen Struktur offenbaren kann.

(Diese Arbeit wurde als Habilitationsschrift im Frühjahr 1929 abgeschlossen.)

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EINFÜHRUNG Der folgenden Arbeit liegt eine Anzahl von afrikanischen, indianischen und ozeanischen Musikphonogrammen zugrunde, die dem Archiv des Phonetischen Laboratoriums der Universität Hamburg entstammen und von uns persönlich transkribiert, d. h. in europäische Notenschrift übertragen worden sind. Die näheren Umstände der Transkription sollen nebst den uns von den Herren Prof. D. Carl Meinhof, Prof. Dr. August K l i n g e n h e b e n , Prof. Dr. 0. Dempwolff und Prof. Dr. Fr. B o a s in liebenswürdigster Bemühung zur Verfügung gestellten Texten bzw. Texterklärungen an Ort und Stelle gewürdigt werden. Wir wollen diese Beispiele vermittelst induktiver (den Naturwissenschaften, speziell der experimentellen Phonetik entlehnten) Methoden untersuchen in bezug auf ihre Struktur, deren einzelne Momente sich zusammenfassend schließlich ordnen lassen nach den Phänomenen „Spannung und Lösung". Den speziellen psychophysiologischen Sinn dieser in der modernen Musikwissenschaft und Phonetik gebräuchlichen Begriffe Spannung und Lösung glauben wir als bekannt voraussetzen zu dürfen. Kurz und klar finden wir die beiden Phänomene bei Schering [1] erklärt: „Das musikalische Kunstwerk zeigt elementare Gegensätze wie Klang und Pause, stark und schwach, Steigen und Fallen, formale Gegensätze wie Motiv und Gegenmotiv. Das Zusammentreffen und Sichausgleichen bewirkt Spannung und Lösung". Dieser Sinngebung, der wir später noch einige Worte widmen werden, wollen wir uns anschließen. Angesichts dessen, daß wir es hier mit musikalischphonetischen Erzeugnissen von P r i m i t i v e n zu tun haben, müssen wir jedoch von dem Versuch einer musikalischen Hermeneutik (inhaltlichen Auslegung im Sinne Kretzschmars) der aufzuweisenden Spannungs- und Lösungskomplexe absehen. Es wird vielmehr unsere Hauptaufgabe sein, diese Komplexe zunächst in ihre Komponenten zu zerlegen und zweckmäßig zu ordnen, um auf Grund

5 der bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiete der vergleichenden Musikwissenschaft womöglich zu neuen Gesichtspunkten und von dort aus zu orientierten Ergebnissen vorzudringen. Die Bezeichnung „primitiv" müssen wir selbstverständlich als Relativität verstehen. Sie soll hier den bestimmten Gegensatz ausdrücken zur Musik des Abendlandes in ihren historisch sicher verbürgten Formen und Darstellungsweisen. An sich sind natürlich die Beispiele unseres hier zu untersuchenden Materials ebenfalls Endergebnisse einer mehr oder weniger langen Entwicklung, deren historische Phasen uns allerdings noch so sehr verschleiert sind, daß es geradezu unwissenschaftlich wäre, ihnen schon heute nachspüren zu wollen. Andererseits kann und braucht das Kriterium „primitiv" nicht an geographische Grenzen gebunden zu sein. Es gibt zweifellos inmitten unserer üppig gedeihenden abendländischen Musikkultur musikalisch-phonetische Erzeugnisse, die ihrem Duktus nach primitiver sind als manche durch Kult und Tradition geadelten Gesänge eines Südsee-Insulaners. Es kann hier wie dort einmal die Entwicklung stagnieren oder durch günstige Umstände beschleunigt ablaufen. Oder es können ihr künstlich fremde Entwicklungsergebnisse nach einer Art sympathetischer Auslese aufgepropft werden. Denken wir hier etwa an manche noch heute inmitten des Kakophonienwirbels der Jazz-Musik lebendigen Spinnstubenlieder oder an die faeröischen Reigentänze aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, von denen wir vor einigen Jahren noch eine ganze Anzahl an Ort und Stelle phonographieren und transkribieren konnten; denken wir andererseits daran, wie die ursprünglichen musikalischen Produkte selbst der entferntesten Urwaldeinwohner durch die moderne Technik (Schallplatte und Rundfunk) in ihrer Eigenart immer mehr gefährdet werden. So dürfen wir den Begriff „primitiv" hier nicht als universelle Wertung fassen, sondern als Ausdruck für eine grundsätzlich anders als im Abendlande gerichtete Entwicklung, die auf manche stilistische Möglichkeiten (rational geordnete Mehrstimmigkeit, phonetische Klangpflege im Sinne des abendländischen Ideals, distinkte Stufenprägung usw.) verzichtet, um sich dagegen in der ihr verbliebenen Richtung umso variantenreicher darstellen zu können. Unterstellen wir den Begriff „primitiv" einer schärferen kritischen Betrachtung, dann ergibt sich etwa folgendes:

6 Der Sinn der uns geläufigen Bedeutung des Begriffes „primitiv" ist: ursprünglich, anfänglich, einfach. Bekennen wir uns zu dieser Begriffsbestimmung, so entsteht für uns sofort die Frage, ob wir innerhalb des Gebietes sinnlich v e r m i t t e l t e r Erfahrungen (wie es hier die zum Hören bezw. zum kinästhetischen Erleben realisierte Musik ist) auf ein wissens c h a f t l i c h erhärtbares Objekt rechnen dürfen, dessen Charakter schlechthin „primitiv" ist. Wir können diese Frage, wenigstens soweit sie sich auf die Musik bezieht, unter zwei verschiedenen Betrachtungswinkeln erörtern. Einmal unter dem der historischen, das andere Mal unter dem einer biologischen Einstellung. Dabei werden wir in beiden Fällen zunächst zu einem negativen Ergebnis kommen müssen. Alles, was g e s c h i c h t l i c h ist, was also geschieht oder geschehen ist, muß die F o l g e eines Ursprungs, eines Anfangs sein. Es kann also nicht zugleich selbst als ursprünglich oder anfänglich bezeichnet werden. Wollten wir hier aber einwenden, daß, nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, eine Entwicklung, die ihrem Ursprung noch sehr nahe steht, immerhin als „ursprünglich", als „primitiv" bezeichnet werden könnte, so würde sich doch wissenschaftlich sofort die Schwierigkeit ergeben, letzthin zu bestimmen, bis zu welcher P h a s e das Primitive reicht, um alsdann in das nicht mehr primitive überzuziehen. Ebenso ist alles B i o l o g i s c h e der folgerichtige Ablauf einer F u n k t i o n (hier der Funktion des Lebens), ist also ebenfalls nicht mehr Ursprüngliches, Anfängliches, geschweige denn Einfaches. Wir sehen also, daß der Begriff „primitiv" innerhalb unseres Aufgabenkreises zu etwas wissenschaftlich weder Objektivierbarem noch Diskutierbarem führen muß, wenn wir ihm nicht, um eine Arbeitshypothese zu gewinnen, eine P s e u d o b e d e u t u n g eine „Als-ob-Bedeutung" beilegen wollen. Wir wollen das tun. Aber welche methodologische Richtung dürfte uns hier zu einer relativ sicheren Basis führen ? Wieder könnten wir eine „musikalische" Erscheinung in ihren Stufen der Produktion, Reproduktion und Rezeption historisch diskutieren.

iiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiniHiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiim Knüpfen wir daran die Bedingung, daß in geisteswissenschaftlichem Sinne ein bloßes zeitlich zu einander stehendes unter- bezw. u n b e w u ß t e s Geschehen für den h i s t o r i s c h Betrachtenden noch keine Bedeutung haben kann, sondern daß der Historiker erst zu seinem Arbeitsrecht kommt, wo das Geschehene die Schwelle des aufmerksamen Bewußtseins überschreitet, dann sind allerdings der Musikforschung sehr bald Grenzen gesetzt. Die Grenzen lägen mindestens dort, wo die psychische Wirkung eines klanglichmotorischen Komplexes von dem Individuum erst e n t d e c k t und in seinem Kausalnexus erkannt worden wäre, um danach zu einer Funktion voluntativer Dispositionen zu werden. An diesen Punkt haben wir also den Anfang, den Ursprung m u s i k g e s c h i c h t l i c h e n D e n k e n s zu verlegen. Über das „Musikalisch-primitive" sind wir damit bereits weit hinaus. Wollten wir diese Stufe als arbeitshypothetischen „Pseudoanfang" musikalischen Geschehens setzen, so würden sich daraus große Schwierigkeiten ergeben. Wir wüßten dann z. B. nicht, ob wir das Anfängliche zu suchen hätten in einer faktischen Gefühlswirkung zufällig verbundener akustisch-motorischer Reize oder erst in der Bewußt-werdung dieser Zuordnung, d. h. wir wären im Zweifel, ob wir das Emotionelle oder das Intellektuelle für unsere Überlegung als Kriterium einsetzen sollten. Ja, gegebenenfalls würde sogar der voluntativen Disposition in diesem Zusammenhang der Charakter des ursächlich erregenden zugesprochen werden müssen. Wesentlich anders wird dagegen das Bild, wenn wir die Stufe des ,.Pseudoprimitiven", also die Basis unserer „Arbeitshypothese" auf jeden Fall vor den Eintritt j e d e r Ordnung, also auch der historischen Gefühls-, Willens- und Denkordnung verlegen. Also dorthin, wo akustisch-motorische Reize der belebten oder der unbelebten Welt bei dem empfangenden Organismus vorläufig nicht hinausgehen über motorische körperliche Reflex-bewegungen, über materielle Handlungen" bzw. die damit verwandten „automatischen Bewegungen". Wir sind dabei der Meinung, daß die Rolle der Reflexbewegungen (mag es sich dabei um ungehemmte oder gehemmte handeln) in der Diskussion musikalischer Ausdrucksbewegungen bis heute viel zu wenig beachtet worden ist. Wo sich solche „ m o t o r i s c h e n Reaktionen" auf der biologischen Skala in „ s e n s o r i s c h e Reaktionen" verwandeln, würden

8 iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiim wir dann hypothetisch die frühesten Stufen musikalischer wie überhaupt künstlerischer Formgebung zu suchen haben. Daß den motorischen Reflexbewegungen auf a k u s t i s c h e Reize entwicklungsgeschichtlich (nicht geistesgeschichtlich) andere (etwa solche auf optische oder nur taktile Reize) vorangegangen sein können, spielt für unsere Betrachtung keine Rolle, da wir hier nur den Sonderfall a k u s t i s c h - m o t o r i s c h e n Verhaltens zu diskutieren haben. Ebenso ist es völlig gleichgültig, ob sich heute irgendwo noch musikalische Ausdrucksbelege finden, die ausschließlich auf der Stufe des Reflex-Konnexes stehen geblieben sind. Alles was sich heute an intendierten musikalischen Erzeugnissen, wenn auch in noch so mollusken Formen, vorfindet, gehört zweifellos schon der Periode einer geistesgeschichtlichen Betrachtungsmöglichkeit an. Es steht also bestimmt in irgend einer, wenn auch noch so lockeren Verbindung mit kulturellem Hintergrund bzw. mit zivilisatorischer Kulisse. Dabei können also weder Erzeuger, noch Vermittler, noch Verbrauchende als „primitiv" im engeren Wortsinne mehr aufgefaßt werden. Alles vielmehr, was „primitiv" im Sinne einer verharrenden Tendenz, im Sinne einer zu seinem Ursprung zentripetal gerichteten Potenz, ist, alles das kann nur unterhalb der Schwelle des bewußten Wollens, Fühlens und geistigen Aufnehmens liegen. In unserem Zusammenhang also auf dem Gebiet des motorischen Reflexes bzw. der triebhaften Geste. Wir müssen für unsere Zwecke also versuchen, jenseits der geistesgeschichtlichen Sphäre in eine entwicklungsgeschichtliche Sphäre vorzudringen, um hier, mit biologischen, nicht spekulativen Methoden, rückwärts tastend in Richtung auf das Primitive hin fortzuschreiten. Es ist das also mehr ein Suchen nach den organisch gebundenen Motiven eines unter bestimmten Voraussetzungen notwendigen Geschehens als nach dem Geschehenen selbst. Somit ist es für uns belanglos, welche Moden und gesellschaftlichen Zeitströmungen aus einem musikalischen Werk zu uns sprechen, oder mit welchem Aufwand von Intellekt man für die schriftliche Darstellung eines musikalischen Werkes bereits geeignete Symbole gefunden hat, oder mit welchem Grad von Bewußtheit man die komplexen Wirkungen eines musikalischen Werkes nutzbar zu machen versteht, sei es im Dienste der Religion, der Moral oder auch der Unmoral. M. a. W. wir fragen hier nicht,

9 iiiiiimimiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiniiiiiiiiiiuiiiiiiiuiiiiiiM was und zu welchem Zweck dieses Was geschehen ist, sondern, warum es, aus der uns unbewußten und unbekannten Sphäre des Primitiven heraufdringend, werden m u ß t e bzw. werden muß. Wir dürfen uns also mit dem Begriff „primitiv" nicht binden wollen an bestimmt geartete oder noch nicht geartete Individuen. Damit bekommt auch die Frage nach den Q u e l l e n für unser spezielles Unternehmen ihren besonderen Sinn. Quellen dürfen uns nicht mehr ausschließlich die schriftlich oder mündlich überlieferten Belege musikalischer Erzeugnisse sein, die nebenbei vielleicht völlig unkontrollierbare intellektuelle Medien passiert haben. Unsere Quelle erster Ordnung ist vielmehr das organischreflektorische Verhalten des lebendigen Menschen selbst. In zweiter Ordnung folgen die durch ihren praktischen Gebrauch sanktionierten Musikinstrumente, und erst in dritter Ordnung folgt das seiner Natur nach so variable Material k l a n g l i c h e r Darstellungsformen. U n s e r e wissenschaftliche Aufgabe wird dabei sein, aus den Quellen zweiter und dritter Ordnung die Spuren primitiv gerichteter Tendenzen bloß zu legen, die dafür ursächlichen Funktionen kritisch über die Schwelle des Bewußtseins herauszuheben und sie in ihrer biologischen Gesetzmäßigkeit zu verstehen. Um alsdann das so gewonnene Material wieder zurückzuleiten in die Bahnen m u s i k g e s c h i c h t l i c h e r Betrachtung. Die Arbeits- und Denkweise des experimentellen Phonetikers in Verbindung mit der des vergleichenden Musikwissenschafters, sowie darüber hinaus die Möglichkeit, geeignete Erkenntnisse der Musikgeschichte, Formenlehre, Psychologie, Physiologie, Ethnographie, Ethnologie, Linguistik, Ästhetik, Physik usw. durch unsere Untersuchungen zu fundieren, gibt unserm Arbeitsunternehmen den Charakter einer ausgeprägten G r e n z w i s s e n s c h a f t . Wegbahnend ist darin in unserem Falle diejenige Wissenschaft, der unsere gesamte Beschäftigung mit der Musik von Primitiven sowie mit dem musikalischen Verhalten von stimmlichen Erscheinungen (Tonhöhenbewegung, Dauer, Stärke, Klangfarbe) entwachsen ist, nämlich die experimentelle Phonetik. Robert L a c h [2] hat den von der experimentellen Phonetik herkommenden, naturwissenschaftlich gerichteten Methoden und Fragestellungen einen breiten Raum angewiesen. Dieser Umstand

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enthebt uns zugleich der Notwendigkeit, auf völlig neuen Wegen wandeln zu müssen. Wir zitieren R. Lach (S. 24): „Der Einwand, d a ß die Phonetik eine selbständige Wissenschaft mit vollständig getrenntem, eigenem Forschungsbereich u n d Problemgebiet ist, u n d m a n d a h e r nicht berechtigt sei, die von ihr benutzten Apparate bei der Aufzählung des I n s t r u m e n t a r s der vergleichenden Musikwissenschaft mit anzuführen, erledigt sich wohl durch den Hinweis auf die von J a h r zu J a h r immer unabweisbarer u n d unerläßlicher sich f ü r den vergleichenden Musikwissenschafter herausstellende Notwendigkeit des intimsten Zusammenarbeitens mit dem Phonetiker; dieser letztere ist zwar nicht auf den ersteren angewiesen, findet aber in dessen musikalischen Erfahrungen eine überaus wohltuend empfundene Ergänzung und systematische Einordnung seiner eigenen rein empirischen Beobachtungen u n d Ergebnisse, ersterer aber ist, wo immer seine Untersuchungen sich auf Probleme erstrecken, die dem Forschungsbereiche des Phonetikers angehören -— u n d dies ist überaus häufig der Fall, ergibt sich o f t notgedrungen a u s dem Grundwesen der vom vergleichenden Musikforscher untersuchten Phänomene selbst: ihrer Bedingtheit aus den rein physiologischen und akustischen Bedingungen ilirer E n t s t e h u n g : der Phonation usw. —, einfach bedingungslos auf die hilfreiche Unterstützung der Phonetik u n d die Mitarbeiterschaft des Phonetikers angewiesen, u n d es ist daher n u r Erfüllung geziemender Dankespflicht, in einer Anführung des dem vergleichenden Musikforscher zur Untersuchung seiner Probleme dienenden I n s t r u m e n t a r s wenigstens nur mit einigen Worten auch jener im Dienste der Phonetik stehenden Apparate zu gedenken, denen die vergleichende Musikwissenschaft eine lange Reihe unschätzbarster Vorarbeiten und Feststellungen verdankt, ohne die es ihr unmöglich wäre, sich m i t jenen Problemen zu beschäftigen, die mit ihren Wurzeln auf das spezifische Forschungsgebiet der Phonetik hinübergreifen. U n d dies u m so mehr, als diese spezifisch-phonetischen Probleme (so namentlich die Untersuchung der Klangformanten der Vokale, der Akzenttypen, der Sprachkadenzierung u n d der Sprachmelodie ü b e r h a u p t usw.) j a sogar eine überaus wichtige Gruppe von Problemen der vergleichenden Musikwissenschaft bilden, so d a ß wir sie (zusammen m i t denen der Akustik u n d experimentellen Tonpsychologie) als die erste große Hauptklasse der Probleme der vergleichenden Musikwissenschaft zusammenzustellen haben werden." (S. 10) . . . . „ f a ß t die Musikgeschichte den von ihr u n t e r s u c h t e n Tatsachenkomplex als Glied einer nach den Gesetzen historischer Kausalität sich abspielenden kontinuierlichen Reihe auf, so sucht die vergleichende Musikwissenschaft d a s Auftreten und d e n Zusammenhang dieser Phänomene in deren physiologischer, psychologischer u n d biologischer Bedingtheit u n d Abhängigkeit von den Entwicklungsfaktoren allgemeinen Naturgeschehens zu erfassen u n d aus diesen zu

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iiiiiiHiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiim erklären. Sie wird — mit anderen Worten — zu einer Naturgeschichte, zu einer Biologie des musikalischen Schaffens." (S. 11) „Sie (die vergleichende Musikwissenschaft) sieht in den musikalischen und musikhistorischen Phänomenen keine historischen Erscheinungen, sondern biologische Funktionsäußerungen, deren historische Aufeinanderfolge keine rein formale, zufällig-äußerliche ist, sondern sich auf Grund einer naturwissenschaftlichen, durch psychologische und physiologische Momente determinierten inneren Notwendigkeit vollzieht."

Zunächst wird uns der Grenzcharakter unserer Untersuchungen infolge unserer speziellen Fragestellung zu einer kritischen Betrachtung der musikwissenschaftlich üblichen Terminologie zwingen. Wir werden sehen, wie aus der Perspektive des Physiologisch phonetischen heraus ein Teil dieser Terminologie den zu stellenden kritischen Anforderungen nicht mehr stichhält, wie manche komplexen Begriffe einer Auflösung in ihre Komponenten bedürfen, wie für manche andern die Bedeutung erweitert bzw. eingeschränkt werden muß usw. Dieser Aufgabe wollen wir uns unterziehen. Und wenn sich dabei die eine oder andere unserer Prägungen als noch nicht genügend abgeschliffen oder auch mangels einer uns zur Verfügung stehenden treffenderen Benennung etwas gewaltsam erscheinen sollte, wolle man das dem Umstand der „Grenzverständigung nach mehreren Seiten hin" zur Last schreiben. Selbstverständlich liegt es uns völlig fern, die gebräuchliche Terminologie aus Prinzip zu beanstanden und zu verändern. Es mag uns auch nicht darauf ankommen, gelegentlich wissenschaftlich eingebürgerte Begriffe ihrer Nomenklatur nach wieder aufzunehmen, nachdem wir ihre Schwäche kritisch erkannt haben. Den induktiven und mit naturwissenschaftlichen Methoden betriebenen Forschungen auf musikalischem und phonetischem Gebiet wird gemeinhin ein sehr unterschiedlicher Wert beigemessen. Eine grundsätzliche Erörterung hierüber steht uns an dieser Stelle nicht zu. Wir glauben aber, „nach bestem Wissen und Ermessen" zu verfahren, wenn wir uns der Grenzen bewußt bleiben, die allen induktiven Methoden notwendig gesetzt sind. Somit werden noch zahlreiche Untersuchungen nötig sein, um das zu bestätigen (gar zu verallgemeinern) oder wieder zu verwerfen, was wir an unserm beschränkten Material werden aufweisen können. Wenn wir andererseits in aller Bescheidenheit wagen, über eine lediglich deskriptive

I2 iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin Darstellung hinauszugehen, und reale formale Gegebenheiten unseres musikalischen Materials auf die psychologische Funktion „Spannung-Lösung" (indessen ohne Wertung der einen wie der anderen auf allgemeine Lust- oder Unlustgefühle hin) zu projizieren, so denken wir doch nicht daran, eine programmatische Aufzählung dessen zu geben, was in Zukunft getan werden müßte, um in unserm Sinne breiter und tiefer in die hier vorgelegten Komplexe einzudringen. Wir sind der Meinung, daß diesbezüglich zu jedem spezifischen Inhalt einer weiterführenden Fragestellung eine nur ihr angemessene Form der Methode gesucht werden muß. Eingedenk der Einschränkung der uns für die vorliegende Arbeit gegebenen Möglichkeiten wollen wir begrifflich zunächst das „Prinzip des Musikalischen" von der „Musik" (als dessen Realisation) trennen. Das Prinzip des Musikalischen (allgemein des Musischen) mag seinen universellen Ursprung in der „Geistigkeit", also auf dem Gebiet des Metaphysischen haben. Bis in diese Sphäre werden uns naturwissenschaftliche Methoden niemals führen können. Sie erscheinen uns aber dort unerläßlich, wo es sich darum handelt, die biologische Realisation des „musikalischen Prinzips", also die Musik selbst in ihrer „psychophysiologischen Wirksamkeit" induktiv zu erfassen. Und uns will scheinen, daß diese Untersuchungen umso fruchtbarer sein können, je mehr sie sich auf das musikpsychologisch (nicht tonpsychologisch!) Einfache richten, also hier z. B. auf die musikalisch-phonetischen Erzeugnisse von P r i m i t i v e n . In den so zur sinnlichen Wahrnehmbarkeit realisierten Objekten unterscheidet die wissenschaftliche Betrachtung zwischen Inhalt und Form. Inhalt, den wir kurz als motorisch-klangliche A b s i c h t in das Gebiet des rein Psychologischen verweisen können, wohingegen die Form u. E. als materieller Teil der motorisch klanglichen G e s t a l t u n g zum Gebiet des Psycho-physiologischen zu rechnen ist. Beide, Inhalt und Form, gelangen, als „objektiv auf einander Bezogenes" in der Phänomenologie der Musik (soweit sie sich nicht unmittelbar im Sinne der reinen Phänomenologie H u s s e r l s , sondern mehr im Sinne Hans M e r s m a n n s „von der Musik her orientiert") zur höheren fachlich-sachlichen Diskussion. Sind wir uns also dessen bewußt, daß unsere Untersuchungen der

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psycho-physiologischen Sparmungs- und Lösungserscheinungen, soweit man sie als ästhetisch gerichtete hinnehmen will, nur einem e l e m e n t a r e n Range wissenschaftlicher Betrachtungsweise entsprechen, so glauben wir doch andererseits, daß diese elementare Vorarbeit an möglichst spezifizierten Komponenten musikalischen Geschehens einmal geleistet werden muß, ehe wir darauf rechnen können, uns dem Verständnis des „musischen Prinzips" von der induktiven Seite her zu nähern. Was wir dabei voraussetzen, ist nur das eine: nämlich,daß die noch so einfachen Beobachtungen im musikpsychologischen, nicht lediglich aber im tonpsychologischen Sinne unternommen werden, d.h., daß sie unter dem Empfindungsoder Hör- oder Sehwinkel der G e s a m t g e s t a l t des musikalischen Objekts, also als Relativitäten geschehen, sich nicht aber begnügen mit „absoluten" Feststellungen an den isolierten Gliedern (Einzelton, Einzelintervall, Akkord). Es sei erlaubt, hier an das bekannte Beispiel zu erinnern, wonach z. B. die Töne „c" und „as" tonpsychologisch konsonant (in hohem Grade verschmolzen) sein können, wohingegen sie musikpsychologisch dissonant werden, sobald man das „as" als abwärts zum ,,g" zu führenden Vorhalt im Sinne alles Vorangehenden und alles Folgenden „auffassen" muß. Hier scheiden sich also jene beiden Tendenzen, die u. a. der Phonetiker H. Gutzmann recht glücklich und anschaulich als Hören einerseits und Verstehen andererseits angesprochen hat. Was wir hier als „Musikpsychologie" im Gegensatz zu „Tonpsychologie" (Helmholtz, S t u m p f , Preyer, Mach, Krüger, Lipps, Abraham, v. H o r n b o s t e l , R é v é s z u.a.) verstehen wollen, wird heute allgemein bereits zur Musikästhetik gerechnet. Wir möchten diesen letzten Terminus hier jedoch für das Gebiet des rein Psychologischen (Phantasie, Gefühlserleben etc.) reserviert sehen, um für die später zu diskutierenden organischen Komplexe real dargestellter musikalischer Erscheinungen einen geeigneten Ausdruck zur Verfügung zu haben. Für die Art und Weise der von uns in Aussicht genommenen Untersuchungen kommen nur wenige wesentliche Vorarbeiten in Frage. Die meisten Arbeiten vergleichend-musikwissenschaftlichen Charakters beschränken sich auf rein deskriptive Darstellungen ihres Materials und der daraus zu abstrahierenden Skalen und Intervalle. Soweit die Arbeiten dem Bezirk der experimentellen

Psychologie entstammen, handelt es sich überwiegend um tonpsychologische und tonphysiologische Problemstellungen an isoliertem Klangmaterial. An musikpsychologischen Arbeiten besteht, wenn man nicht die umfangreiche auf der Affektenlehre basierende Literatur einbeziehen will, bis heute noch großer Mangel. Die meisten Versuche, über das Tonpsychologische (Schwellenlehre, Verschmelzungslehre etc.) ins Musikpsychologische (Erklärung einer Erscheinung aus der Gesamtgestalt, deren Teil sie ist, anstatt aus der isolierten Situation einer Testgebung oder eines einseitigen Experiments) hinaus vorzudringen, sind bis heute zumeist an der (nur scheinbar nötigen) zu komplexen Reizgebung gescheitert. Wir glauben deshalb auf die eingehende Würdigung solcher Arbeiten, wie sie aus den verschiedenen Wissensgebieten in unser musikalisch-phonetisches Grenzgebiet herüberreichen, verzichten zu dürfen. Die Erkenntnis musikalisch-phonetischer Ausdrucksbewegungen von Primitiven ist heute bei weitem noch nicht so vorgeschritten, daß wir es schon wagen könnten, nach dem bestimmten inhaltlichen Erlebnis etwa eines Südsee-Insulaners beim Singen oder Spielen zu fragen. Wir dürfen aber wohl annehmen, daß das, was wir in der Musik als „Spannung" empfinden, von einem Primitiven mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als „Entspannung" empfunden wird. Aber damit haben wir keinerlei Recht, auch über das emotionelle Erlebnis eines Menschen, der kulturell so anders geartet ist als wir, etwas auszusagen. Wie es ja schon innerhalb der uns viel mehr vertrauten europäischen Musik unmöglich wäre, vorauszusetzen, daß zwei Beobachter bei einem noch so sehr präzisierten musikalischen oder gar nur akustischen Reiz das völlig gleiche Erlebnis hätten. Eines aber glauben wir voraussetzen zu dürfen, nämlich, daß auch bei Primitiven einem stärkeren Reiz ganz allgemein eine stärkere Empfindung entsprechen wird. Ohne hier in irgendeiner Weise auf das umstreitbare Gebiet der exakten Messung von absoluten Empfindungsgrößen eingehen zu wollen. Sollte für uns einmal die Frage akut werden, in welchem Ordnungsverhältnis musikalischer Reiz und musikalische Empfindung zueinander stehen, so müßten wir etwa von der Gegebenheit des Weberschen Gesetzes ausgehen. So weit reichen indessen unsere Absichten nicht in das Gebiet der experimentellen Psychologie hinein. Wir wollen

mirotutijiti rii(fiitiriii«iiiiiitiiiiititiiiiiitii»»iiiitiitiiiiit*iiiiiiiiiiiiittiiiiit>iiiiiiuiiiiiijii>iiiiiiiiiii((itiiiai«i*iiitiiiiii*iiiiiiiiii*aiiiiiii*iii(iiiiiiiaitiii(a*tiiiii« Es besteht motivisch aus einer ziemlich steil absteigenden Linie, die sich dreimal wiederholt. Nr. 14 (Kate). Auch dieses Lied hat (nach Tafel 42) wie das vorige stark fallende Tendenz, wie der herausgeschälte Melodiekern zeigt. Charakteristisch ist die sequentierende Wendung : gecac e c a f a, wie wir sie aus der Tafel ersehen. Nr. 15 (Kate). Ein typischer Unterschied gegenüber den andern Kate-Stücken ist in dieser Melodie in motivischer Beziehung kaum zu finden (vergl. Tafel 43). Die Melodie ist verhältnismäßig einfach. Wie uns Tafel 44 zeigt, wird für die zweite und dritte Phrase ein Motivteil der vorangegangenen weiterentwickelt. Streng genommen handelt es sich dabei nur um die wechselweise Terzenfolge a c a und g e g, die alsdann einigemale umgekehrt wird. Dieses Lied ist also stark terzbetont. Nr. 16 (Käte). Auch dieses Lied (Tafel 45) zeigt eine Bevorzugung der Terzen. Mit zwei eingeschalteten Tönen (g und e in Taktreihe 9) wendet das schlichte, aber eindrucksvolle Hauptmotiv nach der Unterquinte hinüber. Es folgt (Takt 20) die stark verkürzte Tonikaphrase in der unteren Oktave, worauf das Stück mit einer bloßen Hindeutung auf die Tonika (das „a" in Takt 20) schließt. In Tafel 46 geben wir die reine Tonbewegungskurve dieses Stücks. An ihrem Gesamtablauf sehen wir, daß es gegen das Ende hin wieder zu einem starken Steigen kommt, worauf dann eine kurze Abwärtswendung folgt. Dieses Verhalten ist also keineswegs primitiv zu nennen. Eingeschachtelt in den Melodiekern finden wir eine regelrechte inversionale Skalenführung (fett gedruckte Noten). Selbstverständlich wird diese Skala von unserm Sänger nicht intendiert worden sein. Vielleicht handelt es sich hier aber um ein sehr altes Lied, das schon einmal kosmologischen Einflüssen ausgesetzt gewesen ist. Zuverlässig läßt sich darüber nichts sagen. Nr. 17 (Käte). Die Tafel 47 läßt uns wieder die melodische Motivbildung deutlich erkennen. Besondere Merkwürdigkeiten liegen nicht vor. Auffallend ist jedoch die aus Tafel 48 ersichtliche Umfangsbildung, die sich durchweg, von dem tiefen „a" aus, über eine große Septime erstreckt. Nr. 18 (Käte). Diese Melodie (Tafel 49) ist augenscheinlich nur aus „Tonika" und Unterquinte motivisch entwickelt. Als Vermitt-

182

lung zwischen beiden scheint der Ton „d" zu dienen, der alsdann innerhalb der Unterquinte wieder zu „dis" wird. Ebenso stehen „ais" und „a" in der gleichen Melodie nebeneinander. Da eine Zurückwendung zum Tonikakomplex nicht erfolgt, wiirden.wir das Stück im europäischen Sinn für formal unvollständig halten. Man vergleiche hierzu das über Nr. 16 Gesagte. In dem vorliegenden Stück kommt auf Grund dieses Verhaltens die Tendenz der motivischen Entspannung deutlich zum Ausdruck (vgl. Tafel 50). Nr. 19 (Kate). Die Stützpunkte der Motivbildung (Tafel 51) treten in der Tonikalage als „e fis e eis" plastisch heraus. Auf die erste Bildung folgt eine Wiederholung in der Unterquinte, dann eine nochmalige, die auf die zweite Unterquinte hindeutet. Alsdann geht es über die Unterquinte zurück in die Tonika, die (mit Ausnahme von Takt 24) bis ans Ende erhalten bleibt. Als „modulierender Ton" begegnet uns (neben „gis") ein „g". Der gesamte melodische Ablauf zeigt (Tafel 52) die Tendenz „fallend—steigend". Der Schluß trägt also den Charakter erhöhter Spannung. Damit muß die Darstellung (produktive oder reproduktive) gegen das Ende hin mit einem höheren Grade von „musikalischerAufmerksamkeit" verbunden gewesen sein. Wir haben hier also keine im strengsten Sinne primitive Melodie vor uns. Nr. 20 (Kate). Dieses Stück (Tafel 53) gibt uns wieder einigen Aufschluß über charakteristische Variantenbildungen (Taktreihe 19). Nr. 21 (Kate). Die erste Phrase dieses Liedes (Tafel 54) enthält bereits das gesamte motivische Material. Die erste Hälfte des Stücks wird von der „Tonika", die zweite von der Unterquinte der Tonika beherrscht. Nr. 22 (Kate, Tafel 55) zeigt wiederum, wie sich einfache melodische Formeln durch Zwischennoten beleben können. Kosmologisch verdächtig ist die melodisch-symmetrische Gerüstbildung in der Taktreihel. Es findet sich dort unterAuslassung einiger Zwischennoten die Tonreihe: e eis h eis a e a eis h eis e, also eine regelrecht inversional lesbare (aber unserm Sänger wohl nicht bewußte) Ordnung. Aus Tafel 56 ersehen wir noch, wie man die meisten der in diesem Lied vorkommenden Töne als Umspielungen des „eis" auffassen könnte. Nr. 23—25 (Sioux). Wir haben diese drei Lieder auf Tafel 57

i»3 triiiiiiErf(tfrtii[iiiif(*iiii(irfiii(iiitfriiiiiiiaaai(ii(iiiiiiiiiiiii)iii(iiiiiiiiiiiiiiiiiii*iiiit(isiiitiini»aitiiiauiti*(iiiitiitiiiiiiitiiiititiiiii)iiaiiuit motivisch miteinander verglichen. Sie zeigen in dieser Beziehung keine besonders interessanten Einzelheiten. Die dritte Melodie, das Jagdlied, hebt sich durch einige Motiverweiterungen von den andern beiden ab. Die Taktbildung geht in einigen Fällen eigene Wege, aber in dieser Beziehung zeigen diese Indianermelodien bei weitem keine solche Abwechslung wie etwa die Käte-Lieder. In Tafel 58 haben wir die den drei Melodien gemeinsame Melodiekurve dargestellt. Tafel 59 zeigt uns, wie die Strophe des Jagdliedes gegliedert ist. Zu Halbe-Werten zusammengefaßt ergibt sich daraus die regelmäßige Folge von 7 7 13 (17) 7 7 13. Anzahl der praktikablen Intervallzirkumflexe Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 2

Quarten

Quarten

Terzen

Terzen

Quinten

Quinten

A

V

A

V

A

V

1 5 1 1 0 0 1 0 3 3 3 2 0 2 2 2 2 2 4 1 3 2 1 2 1 44

0 l 0 0 0 0 0 0 2 0 0 1 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 2 0 1 9

0 2 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 2 0 0 1 10

2 2 1 0 1 0 0 0 2 1 2 0 0 1 2 1 1 1 1 1 1 1 0 1 22

1 1

1.

0 l 0 0 0 2 0 4 2 2 1 1 1 0 0 3 2 2 2 1 1 1 29

2 3 4 1 1 1 1 0 3 1 1 2 0 1 1 3 1 2 1 0 2 2 0 1 0 34 Tabelle 10

184

Im vorigen Absatz haben wir mehrmals von „quartenbetonten" Melodien gesprochen. Damit wurde also bereits ein wichtiges Moment der melodischen Struktur angedeutet. Wir wissen z. B., daß auch manche europäische Komponisten eine gewisse Vorliebe für bestimmte Intervalle zu haben scheinen. So liegt es also nahe, auch unsere Beispiele von Primitiven in ihrer Gesamtheit einmal auf den Intervallstand hin genauer anzusehen. Man muß dabei natürlich unterscheiden zwischen Intervallen, die aus einer Melodie wegen der entsprechenden Tonhöhenstufen wohl abstrahiert werden können, aber doch augenscheinlich keine größere musikalische Bedeutung haben, und solchen, die, sei es sprungweise, sei es stufenweise, in dem Ablauf tatsächlich vorkommen. Diese letzteren, die wir allein insAuge fassen, haben wir bezeichnet als praktikable I n t e r v a l l e . Wir wollen sehen, welche Bedeutung sie in unsern Beispielen haben. Aus den Melodien unseres Materials wurden die in zirkumflexer Richtung (steigend/fallend bzw. fallend/steigend) stehenden Tonschritte sorgfältig herausgezogen und in der vorstehenden Tabelle (10) ihrer Anzahl nach verzeichnet. Diese Aufstellung scheint uns zunächst ziemlich belanglos zu sein. Wir ersehen bestenfalls aus den Endsummen, daß „fallendsteigende" Terzen in unsern Beispielen am häufigsten, „steigendfallende" Quinten dagegen am seltensten vorkommen. Im übrigen sagt die Tabelle über die melodische Struktur nicht allzuviel aus, denn es kommt ja schließlich nicht so sehr darauf an, welche Intervalle überhaupt vorkommen, als darauf, in welcher Aufeinanderf o l g e sie vorkommen. Hierüber gibt uns die folgende Tabelle (11) Aufschluß. Die einzelnen Ziffern darin stellen also keine Häufigkeitsgrößen dar, sondern sind nur Symbole für bestimmte Intervallfolgetypen. Aus der folgenden Tabelle (11) läßt sich mancherlei Interessantes über unsere Beispiele ablesen. Wir sehen z. B., daß die Stücke vorzugsweise mit steigend-fallenden Terzen (also „konvex") beginnen (10 von 24), wohingegen die Quarten zu Beginn überhaupt in der Minderheit stehen. In ähnlicher Weise kann man untersuchen, welche Intervalltypen an zweiter, dritter, vierter usw. Stelle unserer primitiven Melodien bevorzugt werden. Es sind für die 2. Stelle die „konkaven Terzen" (10 von 24), an 3. Stelle die „konkaven Quarten" (9 von 21), an 4. Stelle wieder die „konkaven Terzen" (11 von

A u f e i n a n d e r f o l g e der Q u a r t e n - und T e r z - Z i r k u m f l e x e 1 = /\ Quarten 2 = V Quarten Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

3 4 3 3 3 3 4 0 3 3 4 3 2 2 3 3 4 1 4 2 1 2 4 4 1

3 3 2 4 2

1 4 1

3 = / \ Terzen 4 = V Terzen

4 3 3

2 4 4

1 2 3

1 3

4

1

4

1 4 4 3

3 1 3 4

3

2

4

4

1

1 2

2

2

4

2

4 4 4 4 4 4

1 1 2

2 1

3

3 2

2

4

4

1

3 4

2 2

4 4

4 1

3

3

1

3 0 4 2 4 4 1 2 4 2 2 4 3 4 1 4 3 1 3 3 4 3 2 4 2 4 2 3 3 1 2 3 2 4 2

4

Tabelle 11

16), an 5. Stelle, ohne allzu große Mehrheit, die „konkaven Quarten" (5 von 14) und an 6. Stelle die gleichen Typen (4 von 11). Dagegen nehmen die „konvexen Quarten" in bezug auf die Rangfolge der Intervalltypen in unsern Beispielen überhaupt keine bevorzugte Stelle ein. Wollte man sich auf diese Weise einen „hypothetischen Typus" einer primitiven Melodie zurechtlegen, so würde derselbe (in Typenziffern) folgendes Aussehen haben 3 4 2 4 2 2. Die Folge 3 4 steht auch dann, wenn man von einer Rangordnung absieht, an erster Stelle. Es kommt in unserm Material überhaupt

i86 häufiger (60:36) vor, daß eine Quartenbewegung auf eine Terzenbewegung f o l g t , als daß sie ihr vorangeht. Diese Feststellungen sollen hier aber nur methodologische Bedeutung haben. U m den Ergebnissen einen stilkritischen Wert beizumessen, müßten wir vor allen Dingen wissen, wie es sich in dieser Beziehung in der abendländischen Musik verhält. Es würde hier auch wenig Sinn haben, die diesbezüglichen Ordnungen für unsere einzelnen Melodiegruppen nachzuprüfen, da fast die Hälfte unserer Beispiele Käte-Lieder sind. Grundsätzlich scheint uns die Bestimmung des bevorzugten Intervallablaufs aber doch sehr wichtig zu sein, insofern nämlich von dem Intervallverhalten das S p a n n u n g s v e r h a l t e n in melodischer Beziehung mit abhängig ist. Diesbezügliche Untersuchungen könnte man rein experimentell unternehmen, indem man etwa Melodiekonstruktionen wie die folgenden von geeigneten Versuchspersonen in bezug auf melodische Spannungs- und Entspannungswirkung beurteilen ließe:

3

4

2

4

3

1

4

3

2

1

2

1

usw.

Beispiel 17

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß hiervon die zweite (genau umgekehrte) Anordnung eine größere melodische Spannung enthält. Hiermit sind wir auch mit diesem Teil unserer Besprechung am Ende. Über eine Mehrstimmigkeit in der Tonhöhenbewegung läßt sich aus unsern Beispielen nicht viel entnehmen. Wir finden zwar in unsern Nyiha-Liedern sowohl Terzen als auch Quarten in parallelem Ablauf übereinander geschichtet. So besonders in Nr. 4 und 5. Wir wissen aber nicht, ob den Eingeborenen dafür nicht etwa (besonders für die Terzen) ein europäisches Beispiel zugänglich gewesen ist. Auch können wir mangels genügend musikkundiger Protokollangaben nicht erkennen, ob die Mehrstimmigkeit gewollt oder un-

I87 IIIIIIIIIIUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIflllUIIIIIIUlM

gewollt oder auch nur bewußt vorlag. In manchen der Lieder fehlt sie jedenfalls ganz. An dieser Stelle müssen wir auch noch einmal die Trommelbegleitung zu den Indianerliedern erwähnen, obgleich sie ja im Tonhöhenbewegungssinne keine direkte Mehrstimmigkeit bedeutet. Diese Trommelbegleitung scheint von der Melodie völlig unabhängig zu sein. Man hat den Eindruck, als schlüge der Trommler stets im gleichen Tempo seine Schläge herunter, während es ein bloßer Zufall wäre, mit welchem Taktteil der Melodie einmal ein Trommelschlag zusammenfiele. So entfallen in Nr. 23 auf 137 Viertelnotenwerte (unserer Rechnung) 57 Trommelschläge. Das ist also ein völlig inkommensurables Verhalten. In Nr. 24 trifft es sich, daß auf 120 Viertel 40 Schläge entfallen. Damit erhält dann (gegen den „Takt") etwa jedes dritte Viertel einen Schlag. Regelmäßiger ist der Ablauf in dieser Beziehung in Nr. 25, wo jeweils das erste von zwei Vierteln durch die Trommel unterstützt wird. Wir haben die Eingeborenen bei der Aufnahme des Phonogramms genau beobachtet und festgestellt, daß sie sich in ihrem Gesang durchaus nicht von dem irregulären Gang der Trommelbegleitung beirren ließen. Das erinnerte uns wieder an die faeröischen Sänger, die ohne die geringste Unsicherheit zu ihren Wechseln von fünf-, sieben- und sonstwieteiligen Takten unentwegt ihre 3 mal 2 Stampfschritte ausführten. Um etwas über das tonale Verhalten unserer Beispiele zu erfahren, ist es nötig, aus den einzelnen Melodien die Tonleitern herauszuziehen. Dabei kommt es nicht nur auf die Feststellung der benutzten Tonstufen an, sondern auch darauf, in welcher Richtung und mit welcher Dauer die einzelnen Stufen (Gebrauchsstufen) vorkommen. Nebenstehend (Tabelle 12) geben wir eine Probe davon, wie die diesbezügliche statistische Feststellung für die einzelnen Stücke unserer Sammlung geschah. Das Beispiel bezieht sich auf Nr. 11 (Käte-Lied). Man ersieht daraus folgendes: In steigender Richtung fällt eine Stufe („e") aus. Die gleiche Stufe ist auch in fallender Richtung nur sehr schwach vertreten, so daß man sie wohl als zufälligen Durchgang auffassen kann. Auch die Ecktöne der Leiter, „ a " und „d", spielen nur eine geringe Rolle. Danach würde die gesamte Skala schon etwa auf die Töne c d f g a c reduziert werden, worin wir eine regelmäßig gebaute pentatonische Leiter wiedererkennen. Wir sehen ferner, daß in bezug auf die H ä u f i g k e i t

i88 S t a t i s t i s c h e E r m i t t l u n g einer S k a l e n s t r u k t u r a

c

d

e

f

a

c

d

E

0 2

1 6

4 2

0 3

3 3

4 7

4 4

5 3

3 0

24 30

insgesamt 2

7

6

6

11

8

8

3

54

a

c

d

f

g

a

c

d

Z

0 8

4 22 0 48 4 8

Häufigkeit des Vorkom- steigend mens der Töne fallend

Dauer der einzelnen Töne in ^„-Werten

steigend fallend

e

g

12 26 10 34 12 120 20 36 20 22 0 166

insgesamt 8 | 52| 26 8 | 32 62 30 56 12 286 Tabelle 12

eine viel größereUniformität herrscht als in bezug auf die Dauer. Wollen wir also aus der Statistik Haupttöne theoretisch herausziehen, dann bietet dafür zweifellos die Dauer eine bessere Orientierung als die Häufigkeit. Die Dauer ist hier immer in 1/16-Werten ausgedrückt worden. Der Vergleich der Dauersummen aus sämtlichen Leitertönen zeigt ein Überwiegen der „fallend" eingeführten Töne, das sind also solche, denen ein höherer Ton unmittelbar voranging. Wollen wir wissen, ob im Durchschnitt die steigend oder die fallend eingeführten Töne größere Dauer haben, dann müssen wir die Dauersummen durch die Häufigkeitssummen dividieren, in unserm Falle also 120:24 und 166:30. Das ergibt hier die Größen 5,0 und 5,5. Das heißt also, daß nicht nur die Gesamtdauer der fallend eingeführten Töne größer ist, sondern daß auch jeder einzelne dieser Töne einen breiteren relativen Zeitwert einnimmt. Würden wir die Leitertöne nicht nach steigender und fallender Einführung getrennt haben, dann bekämen wir in dem vorliegenden Falle als Dauerhauptton das „g", wohingegen der nach der Trennung in Frage kommende Dauerhauptton für die fallende Reihe „c" ist. Außerdem hat dann die steigende Reihe noch einen Dauerhauptton in dem eine Oktave höher liegenden „c". In beiden Fällen steht das „g" aber (es läge fast nahe zu sagen: die erste Stufe in dem zweiten „Tetrachord der pentatonischen Kernskala) an zweiter Stelle. Das alles weist natürlich wieder auf ein bestimmtes Spannungsverhalten hin. Näheres darüber haben wir in unserer oben zitierten Arbeit [36] schon ausgeführt. Da wir auch

189 ltimiiiiiiKki U I M I I I I I I I t •iitMiiiMiiiiitiiii r liauiiiMiiMiiaiitiiiiiiiiiMit ii(*(ij)iaiiiiaiiiiiiiiiiaaiiiiMiii«iiiitiiiiiiiiiiriiiiiii)i«iiiiiJii(f •liiiKiiiitiiaaiin bereits bei der Besprechung der metrischen Verhältnisse in der vorliegenden Arbeit festgestellt haben, daß metrische Kürzen gegenüber metrischen Längen eine vermehrte Spannung repräsentieren, so können wir das hier, wo es sich um die Diskussion der tonalen Spannungen und Entspannungen handelt, ohne weiteres wieder in Anwendung bringen. Die Notentafeln 60—69 geben eine Übersicht über sämtliche aus unsern Beispielen abstrahierte Skalen. Die einzelnen Werte mußten (beispielsweise bei Triolenbildungen) zuweilen etwas abgerundet werden, um die Darstellung nicht unnötig zu belasten. Tonwiederholungen wurden der Häufigkeit des Skalentons nach stets nur als 1 gezählt. Die Dauer der unmittelbar wiederholten Töne wurde dementsprechend addiert. Die Tafeln zeigen 1. die in dem betreffenden Stück überhaupt benutzten Stufen, 2. die Stufenverteilung nach der Häufigkeit ihres Auftretens, 3. die Stufenverteilung nach der Dauer ihres Auftretens. Das, was uns an den Skalen am meisten interessiert, sind die H a u p t töne, da sie erstens für das melodische Spannungsverhalten gewisse Ruhepunkte, und zweitens für den tonalen Aufbau bestimmte Richtlinien darbieten können. Wir haben deshalb zum Zweck einer besseren Vergleichsmöglichkeit sämtliche Dauerhaupttöne in Notentafel 67 noch einmal untereinander geordnet. Dabei wurden sämtliche Intervalle so t r a n s p o n i e r t , daß der am tiefsten gelagerte H a u p t t o n der f a l l e n d e n Skala stets gleich dem Ton „ f " wird. Aus den Dauerhaupttönen haben wir dann noch einmal, ohne Rücksicht auf Steigen, Fallen oder unterschiedliche Dauer, Leitern gebildet (Notentafel 68), die wir nunmehr als „tonalen Kern" betrachten können. Die Leiterkurven sind hierbei genau so transponiert worden wie in der vorigen Tafel. Das durch eine ungefüllte Note dargestellte ,,f" stellt hier also nicht etwa einen besonders ausgezeichneten Dauerwert dar. Ebenso deutet der Gipfelton zumeist lediglich die Grenze zwischen Steigen und Fallen an. Daß sich in den letzten beiden Aufstellungen jeweils mehrere Haupttöne finden, erklärt sich daraus, daß es nicht immer grade einzelne Stufen zu sein brauchen, die sich ihrer Dauer nach aus dem Gesamtkomplex herausheben.

190 iiiniiinimiiiiiniiiiniiiiimiiimiiiw^ Aus den beiden letzten Tafeln (67 und 68) ersehen wir, daß der breiteste fallende Dauerhauptton in den meisten Fällen (15 von 25) auch zugleich am tiefsten gelagert ist. Die Fälle, in denen zwei gleichlange Haupttöne in der fallenden Bewegung konkurrierend nebeneinander stehen, sind ziemlich, selten. Wir finden es in den Melodien Nr. 1, 2, 3, 6, 7, 8 und 16, also überwiegend in den afrikanischen. Dagegen ist die Anzahl der Dauerhaupttöne in den KäteLiedern besonders groß. Könnten wir lediglich aus diesen Verhältnissen auf die Tonalität schließen, dann müßten wir etwa annehmen, daß hier noch kein sehr ausgesprochenes Tonalitätsprinzip vorläge. Wir würden das aber für einen sehr gefährlichen Schluß halten. Die Ursache für den Mangel fest ausgeprägter Dauerhaupttöne könnte auch darin liegen, daß in den einzelnen Liedern höchst komplizierenderweise verschiedene Skalenmoden „modulierend" durcheinander geführt würden. Es läßt sich also aus den Phonogrammen allein nur sehr schwer etwas über die Tonalität aussagen. Auch der Skalenraum, der von den Haupttönen ausgefüllt wird, bietet hierfür kaum eine Grundlage. Am kleinsten ist der Umfang der Haupttonintervalle (vergl. Tafel 68) in den Nummern 24, 23, 12, 13 und 19. Betrachtet man die aus den Haupttönen abgeleiteten Leitern genauer, so wird man, wie gesagt, keine entscheidenden Finaltöne aus ihnen herauslesen können, wohl aber zeigen sie uns charakteristische Tonfolgen, die dem betr. Lied ein ganz bestimmtes tonales Gepräge geben. In der folgenden Tabelle (13) sind diese Leitern nach Halbtonabständen ihrer einzelnen Stufen wiedergegeben. Werfen wir zunächst einen Blick auf diejenigen, die sich auf mindestens eine volle Oktave erstrecken (Nr. 10, 11, 15 und 20). Mit Ausnahme von Nr. 20 lassen sich alle diese Oktaven nach der Art „getrennter Tetrachorde" zerlegen, also in Nr. 10: b f/es b, in Nr. 11: f c/b f, in Nr. 15: d a/g d. (Die Tonhöhen haben hier wegen der erfolgten Transposition natürlich keine absolute Bedeutung.) Diese Beispiele gehören sämtlich den Käte-Liedern an. In Nr. 10 und 11 findet sich das höhere Tetrachord haupttonmäßig zerlegt in die (nach Halbtönen abwärts gezählten) Stufen 3 2. Für Nr. 15 trifft das nur zu, wenn man von „f", aber nicht von „d" aus, wie wir es oben taten, rechnet. Was bedeutet das ? Es weist uns darauf hin, daß in Nr. 15 in der Tat zwei „Tetrachordgruppen" ineinander

191

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiHiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiitiiiiin H a l b t o n a b s t ä n d e in den Nr. 1 2 3 4 6 6 7 8 9 10 11 12 13

Haupttonskalen

Nr. 2 2 3 1 1 2 3 2 7 3 3 2 3

1 1 2 2 2 5 2 3

4 2 2 2 2

2 2

2 2

5 3

2

5 3

2

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

7 3 2 4 2 3 5 2 2 2 0 2

2 1 5 2

3 2 2 2

3 3 2

2 4 3

2 2

2

3 2 2

5

Tabelle 13

verschachtelt zu sein scheinen (f c/c g und d a/g d), so daß es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Art von „Modulation" handelt. Wenn das auch kein eindeutiges Merkmal für eine bestimmte Kultur bietet, so geht daraus doch hervor, daß die so gearteten Melodien schon auf einer relativ höheren Stufe primitiven musikalischen Ausdrucksvermögens stehen. Im übrigen zeigen sich bezüglich der Haupttonleiterbildung auch Übereinstimmungen zwischen völlig entgegengesetzten Stücken unseres Materials. So stimmen z. B. die Stufenfolgen für Nr. 3 (Nyiha) und Nr. 11 (Kate) genau überein, ohne daß wir darin natürlich etwas Besonderes sehen dürften. Nach dieser Übersicht über das Gebiet der zeitlich-energetischpseudoräumlichen Faktoren bleibt nur noch eine verhältnismäßig kurze Behandlung der qualitativen Faktoren, Stimmfarbe und Klangfarbe, übrig. G. QUALITATIVE FAKTOREN Bei der Darstellung der q u a l i t a t i v e n F a k t o r e n können wir uns nunmehr kurz fassen. Wir wollen als solche bezeichnen die Unterschiede in dem akustischen Teil der musikalisch-phonetischen Erscheinungen, die man als Klangfarbe bezeichnet. Die experimen-

192 iiiimiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiimiiM^^ teile Phonetik unterscheidet neben der Klangfarbe die Stimmfarbe oder besser Lautfarbe. Sie versteht unter der ersteren die mehr objektiv-konventionell bestimmte, gewissermaßen „phonetisch normierte" Klangzusammensetzung. Das wäre also der „klangliche Sinn", den wirdem Schriftbilde eines „a", „e", „i"usw. innerhalb einer bestimmten Sprache sozusagen als „Standard" zuzuordnen hätten. Die Lautfarbe entspricht dagegen der subjektiven Behandlung jener Lautsymbole durch einen Sprecher. I. S t i m m f a r b e Im soeben erörterten Sinne kann es sich handeln um eine unwillkürliche und um eine willkürliche Stimmfarbengebung. Als unwillkürliche würden wir ansehen: sämtliche dem Sprecher individuell eigenen Klangmerkmale, also Helligkeit, Glätte, Näseln, Knödeln, Schärfe, Stumpfheit, Sehnigkeit, Hohlheit, Flackern, Vibrato, Reiben, Quetschen, Gurgeln etc. Die willkürliche Stimmfarbengebung begegnet uns vielfach in den musikalisch-phonetischen Erzeugnissen der nicht abendländischen Völker als besonders ausgeprägt. So finden wir dort bauchrednerische Verfärbungen der Stimme, Nachahmung von Tierlauten und wohl noch anderes mehr. II. K l a n g f a r b e Während sich die Stimmfarbe nur an organisch bedingten Schallerscheinungen nachweisen läßt, kann man von K l a n g f a r b e sowohl im organischen als auch im mechanischen Sinne reden. Ohne auf die hinlänglich bekannten Erregungsmomente der Klangfarbe eingehen zu wollen, können wir unter Klangfarbe verstehen: das charakteristische klangliche Moment der verschiedenen Idiophone, Membranophone, Aerophone und Chordophone, je nach Richtung und Form der sie erregenden Energie, wobei wir als „Richtung und Form" bezeichnen: Druck, Zug, Stoß, Riß und Oszillation. Eine Würdigung der Klangfarben erscheint uns für die Instrumentalmusik primitiver Völker als unerläßlich. Da wir es in unserer Arbeit fast nur mit Vokalmusik zu tun haben, spielt dieser Faktor aber für uns keine so wesentliche Rolle. Als Abschluß unserer Aufstellung der formalen Elemente im musikalisch-phonetischen Geschehen registrieren wir also:

imiiiiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiniiiiiiiMii

193

Ergebnisse I. Stimmfarbe (Lautfarbe) a) unwillkürliche Stimmfarbengebung b) willkürliche Stimmfarbengebung II. Klangfarbe Die Untersuchung unseres Materials in bezug auf Spannungs-und Entspannungsakzente im Stimm- und Klangfarbenverhalten kann naturgemäß nicht sehr ergiebig sein. Wohl könnte man in solchem Zusammenhang von gewissen „Farbenakzenten" sprechen, die sich aus dem Nebeneinander von „hellen" und „dunkleren" Lauten ergeben würden. Das würde aber nicht nur klanglich völlig naturgetreue Phonogramme, sondern auch eine restlose phonetische Kenntnis der betreffenden Sprachen, aus denen unsere Texte stammen, voraussetzen. Hier hätten also vorläufig mehr die Sprachwissenschafter als die Musikwissenschafter das Wort. Solche Untersuchungen würden natürlich auch besser an lebenden Versuchspersonen als an der Hand von Phonogrammen vorgenommen werden müssen. Das einzige, was wir in bezug auf das Stimmfarbenverhalten in unserm Material aussagen können, bezieht sich auf die SiouxGesänge. Wir waren bei diesen Aufnahmen zugegen und stellten fest, daß die Eingeborenen ihre Lieder mit ausgesprochen „zusammengeschnürt" und „kehlig" klingenden Lautgebungen sangen. Ob es sich dabei aber um unwillkürliche Veränderungen der Phonation handelte, konnten wir nicht ermitteln. Wo immer man phonetisch eindeutig bestimmte Zuordnungen zwischen Text und Melodie vornehmen könnte, ließen sich gewiß auch in bezug auf die Klangfarbe wertvolle Untersuchungen erwarten. Wir gestatten uns, an dieser Stelle hinzuweisen auf einen eigenen früheren Aufsatz [41]. Für die vorliegende Arbeit wäre es ohne die dauernde Mithilfe eines Linguisten allerdings nicht möglich gewesen, auf solche Probleme einzugehen.

13 H e i n i t z .

SCHLUSSBETRACHTUNG Zusammenfassend läßt sich sagen : Es konnte in dieser Arbeit nicht unsere Aufgabe sein, für die verschiedenen Musikkulturen mehr oder weniger primitiver Völker, von denen unser Phonogramm-Material stammt, bestimmte bezüglich sämtlicher musikalischen Faktoren unterscheidende Stilmerkmale festzustellen. Dazu war das Material, namentlich für einzelne Gruppen, viel zu wenig umfangreich. Desgleichen wäre es unmöglich gewesen, für die charakteristische Auswirkung aller musikalisch-phonetischen Faktoren eine Gegenüberstellung von „primitiver" und „hochentwickelter" Musik (etwa des Abendlandes) zu unternehmen. Dazu hätte es, und zwar nach ganz bestimmten Methoden, vieler Vorarbeiten auf dem Gebiet mindestens der europäischen Musik bedurft, wie sie heute noch nicht zur Verfügung stehen, wenn wir absehen wollen von den in dieser Beziehung sehr wertvollen Arbeiten von R. Lach, E. Kurth, G. B e c k i n g und einigen andern, die uns für unsere Untersuchungen wertvolle Wegweiserdienste leisteten. Grundsätzlich konnten wir davon ausgehen, daß primitive Musik gegenüber der höher entwickelten eine weniger fein durchgeführte Organisation innerhalb des Verhältnisses zwischen ihrem Inhalt und ihrer Form aufweisen würde, daß also die formalen Abläufe mehr auf „emotionellem Sich-Hingeben" als auf „voluntativer Disposition" beruhten. Die Entscheidung für die eine oder die andere Tendenz war bei unsern Untersuchungen nicht immer ganz leicht. Wir mußten im Interesse einer nicht nur oberflächlichen, sondern mögüchst vertieften Betrachtung voraussetzen, daß sich Musik als realisierte Erscheinung einer metaphysischen „Idee" nicht nur auf dem Gebiete des K l a n g l i c h e n , sondern vornehmlich auch auf dem des Motorischen, des Bewegungsmäßigen abspielen müsse. Diese Orientierung, nicht nur vom Hörer, sondern von der erlebnismäßig in ihrer biologischen Gesamtheit beteiligten Persönlichkeit her

IIIIIIIIMIIIMIIIinilllllllllllllllllllllllllllllllllM

brachte eine große Anzahl neuer Momente in unsere Untersuchungen hinein. So mußte sich uns innerhalb dieser primitiven Musikbeispiele manches als viel verwickelter darstellen, als wir es gemeinhin aus unserer europäischen Musikvorstellung heraus b e w u ß t zu hören gewohnt sind. Die Verbreiterung des „musikalischen Schauplatzes im Gebiete der Persönlichkeit" zwang uns ierner zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der herkömmlichen Terminologie, die wir außerdem durch einige Neuprägungen aus der Erkenntnis elementarer Momente heraus erweitern konnten. Wir glauben damit nicht nur der vergleichenden Musikwissenschaft, sondern auch der experimentellen Phonetik einigermaßen gerecht zu werden, denn wir mußten immer wieder feststellen, daß diese beiden Disziplinen in einem viel engeren Verhältnis zueinander stehen, als man gewöhnlich annimmt. Nach aller versuchten subjektiven und objektiven Durchdringung unseres Materials kamen wir zu dem Ergebnis, daß sich die von uns untersuchten Melodien weniger ihrem inneren als ihrem äußeren Wesen nach von europäischer (etwa schlichter Volks-) Musik unterscheiden, daß also auch in ihnen ein bestimmter Wechsel von Spannungszuwachs und Entspannung waltet, der sich gegebenenfalls zu deutlich empfundenen Akzenten verdichten kann. Selbstverständlich ließ sich trotz dieser deutlichen Feststellung nirgends eine bestimmte Gefühlsbewertung des Spannungsverhaltens vornehmen. In dieser Beziehung blieb die Deutung unseres Materials also völlig irrational. Als wesentliche äußere Merkmale unserer Melodien lernten wir das bestimmte Richtungsverhalten von Spannung und Entspannung, sowie die Positionsverteilung der zeitlichen, dynamischen und melodischen Gipfelbildungen kennen. So ergaben sich schon aus der rein metrischen Gliederung der Ablaufszeiten charakteristische Merkmale für den ausdruckstechnischen Charakter eines Stückes. Sehr instruktiv waren die allerdings nur subjektiv betriebenen Untersuchungen des Masseverhaltens. In dieser Beziehung ließen sich sogar die einzelnen Gruppen ziemlich scharf voneinander trennen, indem die verschiedenen Melodien den aufmerksamen und motorisch genügend begabten Beobachter zu Mitbewegungen jeweils verschiedener Körperteile veranlaßten. Bezeichnend war dabei, daß die Mitwirkung der Hände und Finger, wie wir es häufig genug an hochstehender europäischer Musik beobachten können, kaum jemals 13*

196 lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll^ in Anspruch genommen wurde. Hier läge also gegebenenfalls ein ausgesprochenes Kriterium für primitive Musik vor. Das gleiche gilt auch für die untersuchten Intensitätsverhältnisse, soweit sie sich vor allem auf die deklamatorische Dynamik beziehen. Manche Lieder zeigten in dieser Beziehung einen außerordentlich schlichten Ablauf, manche andere dagegen offenbarten unter Bevorzugung bestimmter dynamischer Ablaufstypen einen erstaunlichen Reichtum. Die Melos-Analyse unseres Materials ergab besonders interessante Aufschlüsse über den „motivischen" Charakter der einzelnen Stücke. Hier war deutlich zu erkennen, daß sich schon in einem ganz schlichten Liede eines Primitiven logische Formbeziehungen offenbaren können. Bemerkenswert war ferner, daß die melodische und die dynamische Gipfelbildung gewöhnlich nahe beieinander standen oder gar zusammenfielen, und daß sie durchweg sehr früh auftraten. Wir müssen auch darin wohl ein Charakteristikum primitiven Bewegungsablaufs erblicken, insofern sich der Ablauf, genau wie beim naiven physiologischen Verhalten etwa der menschlichen Atembewegung, von einem schnell erreichten Spannungsgipfel aus in allmählicher Entspannung vollzieht. Wichtige Aufschlüsse über den Aufbau der einzelnen Melodien gaben auch die Tonleiteranalysen. In ihnen zeigte sich durchweg ein asymmetrisches Verhalten der Skalen töne, wie wir es früher bereits an anderem Material nachgewiesen haben. Sichere Aussagen über die Tonalität der verschiedenen Beispiele ließen sich vorderhand nicht machen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es noch sehr vieler Untersuchungen bedürfen wird, um die in unserer Arbeit dargestellten Ergebnisse so fest zu fundieren, daß man sie verallgemeinernd für die Musik von Primitiven in Anspruch nehmen könnte. Immerhin aber glauben wir, unter Heranziehung einiger der modernsten musikwissenschaftlichen und phonetischen Methoden einen bescheidfenen Beitrag geliefert zu haben zur Erkenntnis der Strukturverhältnisse, also des sich in buntester Mannigfaltigkeit überschneidenden Kräftespiels in musikalisch-phonetischen Ausdrucksbewegungen von Primitiven. *

*

LITERATURVERZEICHNIS Geordnet in der Reihenfolge der Zitate Vgl. die eckigen Klammern im T e x t ! [1] A. S c h e r i n g , Zur Grundlegung der musikalischen Hermeneutik, Kongr. f. Aesth., Bericht, Stuttgart 1914, S. 491. [2] R . L a c h , Die vergleichende Musikwissenschaft, ihre Methoden u n d Probleme, Wien 1924. [3] H . G u t z m a n n , Versuch einer synoptischen Gliederung der Sprachstörungen, Berliner Klinische Wochenschrift 1913, S. 1194. [4] E . K u r t h , Grundlagen des linearen K o n t r a p u n k t s , Berlin 1922. [5] G. P a n c o n c e l l i - C a l z i a , Experimentelle Phonetik, Berlin 1921. [6] W . H e i n i t z , Das Studium musikalischen Ausdrucks a n Atembewegungskurven, Zschr. f. Laryngologie, Sonderdruck 1928. [7] G. A. R o e m e r , A t m u n g und musikalisches Erleben, Zschr. f. Psychologie u n d Medizin, 1925, Bd. I, S. 94. [8] W . H e i n i t z , Singstottern und Musikalität, Zschr. Vox 1925, S. 49. [9] B. N a u n y n , Die organischen Wurzeln der Lautsprache des Menschen, München 1925. [10] R . L a c h m a n n , Musik des Orients, Breslau 1929. [11] H j . T h u r e n , Tanz, Dichtimg und Gesang auf den Faeröern, Sammelb. d. intern. Musikges. Bd. I I I , 1902, S. 251. [12] T r . B a c h m a n n , Nyiha-Märchen, Zschr. f. Kolonialsprachen, Bd. VI, 1915, H . 2, S. 81 [18] W . H e i n i t z , Analyse eines abessinischen Harfenliedes, Festschrift Meinhof, H a m b u r g 1927, S. 263. [14] C h r . K e y s s e r , Wörterbuch der Käte-Sprache, Berlin 1925. [15] P a n c o n c e l l i - C a l z i a , Untersuchungen über Südsee-Sprachlaute mit Röntgenstrahlen, Zschr. f. Eingeborenensprachen, Bd. I X , 1917, S. 23. [16] W. H e i n i t z , Experimentelle Untersuchungen über das Metrum, Zschr. f. angew. Psych. Bd. XIV, 1916, S. 90. [17] M. C o u r a n t , Chine et Corée, A. Lavignac, Encyclopédie de la Musique, Bd. I, Paris 1914, S. 103. [18] H . R i e m a n n , Musik-Lexikon, Berlin 1929. [19] A. S c h e r i n g , Musikalische Bildung, Leipzig 1919. [20] H. M e r s m a n n , Zur Phänomenologie der Musik, Kongr. f. Aesth., Bericht, S t u t t g a r t 1925, S. 376. [21] G. B e c k i n g , Der musikalische R h y t h m u s als Erkenntnisquelle, Augsburg 1928.

198

•••HstBiii(iiiiiiiEiiiiiiHiiititiiiii***iJHH*iiu*iiajiiMiii)iiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiuiiii)aiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiaiiaiiiaiiiaiiiiiiaiaii*iJHiiii*iiMiiitiiiii(iiitiiii«iiiis]( [22] D e r s e l b e , Über ein dänisches Schulliederbuch, über Mitbewegungen u n d Gehaltsanalyse, Zschr. f. Musikw., Bd. VI, 1923, S. 100. [23] T h . W i e h m a y e r , Über die Grundfragen der musikalischen R h y t h m i k und Metrik, Kongr. f. Musikw., Bericht, Leipzig 1926, S. 445. [24] P . H a b e r m a n n , Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Berlin 1928. [25] H. R i e m a n n , Wurzelt der musikalische R h y t h m u s im Sprachrhythmus ? Viertelj.-Schr. f. Musikw., 1886. [26] D e r s e l b e , Musikalische Dynamik u n d Agogik, H a m b u r g 1884. [27] W . H e i n i t z , Wie lassen sich experimentalphonetische Methoden auf die psychologische Zergliederung gesprochener Sätze anwenden ? Zschr. Vox, 1920, S. 73. [28] D e r s e l b e , Untersuchung und Beurteilung schauspielerischer Sprechleistungen, Zschr. f. Aesth. u. allgem. Kunstw., Bd. X X I I , 1928. S. 1. [29] D e r s e l b e , Musikalische Ausdrucksstudien an Phonogrammen, Zschr. f. Musikw. Bd. I X , 1927, S. 568. [80] D e r s e l b e , Vortragskunst u n d musikalische Gestaltung, Zschr. f. Schulmusik, 1928, H . 2. [81] H . K e l l e r , Zur Ästhetik der musikalischen Notation, Neue Musikzeitung, 1925, H . 16. [32] F. R o s e n t h a l , Probleme der musikalischen Metrik, Zschr. f. Musikw. Bd. V I I I , 1926, S. 262. [88] W. H e i n i t z , E i n Beitrag zur Musik der Somali, Zschr. f. Musikw. Bd. I I , 1920, S. 257. [84] R . L a c h , Vorläufiger Bericht über die Gesänge russischer Kriegsgefangener, Wien 1918. [85] C. S t u m p f , Die Anfänge der Musik, Leipzig 1911. [36] W . H e i n i t z , Asymmetrien in Gebrauchstonleitern, Kongr. f. Musikw., Bericht, Leipzig 1926, S. 67. [87] H . R i e m a n n , H a n d b u c h der Akustik, Berlin 1914 (wegen der zahlreichen Druckfehler mit großer Vorsicht zu benutzen). [88] W . H e i n i t z , Das Verhältnis von reiner u n d pythagoreischer Stimmimg als psychologisches Problem, Kongr. f. Musikw., Bericht, Leipzig 1926, S. 425. [89] M. M e t f e s s e l , Phonophotography in Folk Music, Chapel Hill 1928. [40] B. A n k e r m a n n , Die afrikanischen Musikinstrumente, Diss., Leipzig 1903. [41] W . H e i n i t z , Musikalisch-dynamische Textauslese in faeröischen u n d faeröisch-dänischen Reigentänzen, Festschrift Pipping, Helsingfors 1924.

NOTENTAFELN I. TRANSKRIPTIONEN

Tafel i

Nr. 1. Korana-Lied

f

17

18

r J

f~

19

O = melodischer | Gipfel X = dynamischer j (Takt 1—14) Der besseren Übersicht halber wurden die Noten, entgegen der Gewohnheit bei Vokalmusik, durch Balken verbunden. Die Ziffern (oben) innerhalb der Takte beziehen sich auf die deklamatorische Dynamik. 14 Heinitz.

200

-I [ - q *— 1 —1 •J-J-

1*1»

II

20I

iiiiiiiminiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiHiiiM

Tafel 2

Nr. 2. Korana-Lied 4

+

3

2

9

1 1

10

12 4

2 4

11

13

14

2 1 1 3

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2

j c j ji j J j ' J 15

18

3

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16

19

1 17

20

21

3

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4

j j j j

202

Fortsetzung von Tafel 2

28

29

31

30

32 4

2

-4 Clr J" J1 35

Tafel 3

33

^

J.

J|Jlg

34 Ig » ' 2

4

1

J

36

37

3

2

4

j J' J ' J j

Nr. 3. Nyiha-Lied

Hierzu werden, mit z. T. unbestimmter Tonhöhe, Terzen, Quarten usw. gesungen.

iimniiiiiiimiiiiimiiiiiiii

203

204 iiiiiiMiiiiimiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiin

Tafel 5

Nr. 5. Nyiha-Lied

205

iiiiiiimtiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiHiiiiiniiiiiiiiiiiiHiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiii

Tafel 6

Nr. 6. Nyiha-Lied Solo O O

í

Chor

1

X

A

Takt 1

9

1

1

A

2

9

O

1

A

3

usf.

Tafel y

Nr. 7. Nyiha-Lied

Takt 1

2

usf.

Tafel 8

Nr. 8. Nyiha-Lied Solo gesprochen

Takt 1

Chor

X

2

3

4

usf.

2o6

Tafel ça

Nr. 9 a. Abessinisches Klagelied (Tochter)

Takt

1

5

6

10

11

3

7

16

21

2

13

22

27

9

14

18

24

29

20

25

r—3—J

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28

15

19

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26

8

12

17

4

a 1 30

207

litiiiittiiittiiiiittiin

t iit iiit»iaiiitiitati*i«**ii*(*iii(

Tafel 25

Nr. 25. Dakota-Lied 1 0

+

I

X

224 MMHMIIIHIIIMM

II. VERGLEICHENDE ANALYSEN

Tafel 26 Korana-Lied (1) Korrespondierende Wendungen

Takt 5

6

7

8

21

22

23

24

36

37

38

39

mi

Tafel 2j

Korana-Lied (1) 3 X J-Teile, untereinander gestellt

226 IIJIHIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIUIIIIIM

Tafel 28

Korana-Lied (1) Gebrauchstöne (ohne Oktavenunterschiede) •— = ^ = Quintenbeziehungen

Takt 1

17

2

3

18

4

19

Quarten-,

15

20

16

47

227

iiiiiiiiiiimiiiiiiiiiimiMiiiinM^

Tafel 2g

Korana-Lied (1) Korrespondierende Stütztöne

21

22

23

rfls

24

"

29

Ida

• » 33

_



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27

28

30

31

1

* 34

1"

35

50

51

52

53

228

llinilllllllUUllllllllllNIIIIIIIM

Tafel 30

Korana-Lied (1) Interpolierte Kurve der General-Intervalle

Takt 6

9

12

2XO Tafel 32

Abessinisches Klagelied (9) Korrespondierende Wendungen

Taktl

Tafel 33

Abessinisches Klagelied (9)

Superponierte Melodiekurve (ohne unmittelbar wiederholte Töne)

Tafel 34

Käte-Lied (10) Korrespondierende Wendungen Ida

-

H.

-

IL.

_

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Takt 1 1 Jg.

|

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10

12



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Ida

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-

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17

16 Heinitz.

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Tafel 35

Käte-Lied (11) Korrespondierende Wendungen

imiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiN

Tafel jó lit 1* 1* < N . tu _

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234

Tafel 37

Käte-Lied (11) Taktüberschneidungen bei Quintenstellung der Melodie

Tafel 38

Käte-Lied (12) Taktdehnung =

8 Vierteil für die gleiche melodische Wen= 13 „ dung 14

15

iiiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiH

Tafel 39

Käte-Lied (12) Korrespondierende W e n d u n g e n in Sekunden- u n d Quartenstellung

% J-3 Takt 1

j J l 2

15

j 3

itJi 4

16

IIWIUIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIimillltlllUIIIIIIIIIIUIIIIIIIIIIIIIIH

Tafel 41

Käte-Lied (13) Korrespondierende Wendungen

Tafel 42

Käte-Lied (14) Melodiekern; reine Melodiekurve

Charakteristische Sequentierung

Tafel 4.3 Käte-Lied (15) Korrespondierende Wendungen

18

Tafel 44 Käte-Lied (15) Reine Tonbewegungskurve

iiiHiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiniiiuiiiiiiiuiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiin

239

Tafel 45

Käte-Lied (16) Korrespondierende Wendungen

Tafel 46

Käte-Lied (16) Reine Tonbewegungskurve

240

Tafel 47

Käte-Lied (17) Korrespondierende Wendungen

16

Tafel 48

Käte-Lied (17) Reine Tonbewegungskurve

Tafel 4Q

Käte-Lied (18) Korrespondierende Wendungen

15

Tafel 50

Käte-Lied (18) Reine Melodiekurve

242

Tafel 51

Käte-Lied (19) Korrespondierende Wendungen

Takt 1

1

^

S: ^

Oberquinte usf. 1

^

11

18

Tafel 52

Käte-Lied (19) Stütztöne für die praktikabeln Intervalle

243

iiiiiiiimiiiiniiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiinii

Tafel 53

Käte-Lied (20) Korrespondierende Wendungen

19

244

T a f e l 54.

Käte-Lied (21) Korrespondierende Wendungen

246

Tafel 56

Käte-Lied (22)

Auffallende Umspielungen des „eis" (So auch von anderen Tönen aus zu verstehen)

247

Tafel 57

Dakota-Lieder (23—25) Korrespondierende Wendungen 223 4

Takt 3 £24

(fr

5 |

12

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18

19

17

18

19

20

21

20

24 16 25 17

17 Heinitz.

18

19

22

23

248

Tafel 58

Dakota-Lieder (23—25) Gemeinsame melodische Wurzel

249

iiiiiiHiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii

Tafel 5g

D