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Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert
Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient Band 14
Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert Deutschland und Italien i m Vergleich
Herausgegeben von
Gerhard Dilcher Cinzio Violante
Duncker & Humblot · Berlin
Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient Ländliche Herrschaftsstrukturen in der Wandlungsperiode des Mittelalters (1000-1250) 37. Studienwoche 12.-16. September 1994 Leiter der Studienwoche Gerhard Dilcher Cinzio Violante Italienische Ausgabe Strutture e trasformazioni della signoria rurale nei secoli X - X I I I (Annali dell*Istituto storico italo-germanico in Trento. Quaderno 44), il Mulino, Bologna 1996 Übersetzung der italienischen Texte Monika Pelz
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert : Deutschland und Italien im Vergleich / hrsg. von Gerhard Dilcher ; Cinzio Violante. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient ; Bd. 14) ISBN 3-428-10182-0
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0939-0960 ISBN 3-428-10182-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Der vorliegende Band beruht auf der Tagung „Strutture e trasformazioni della signoria rurale in Italia e Germania durante il Medioevo (secc. X-XIII)" „Ländliche Herrschaftsstrukturen in der Wandlungsperiode des Mittelalters (10001250)", die i m September 1994 am Italienisch-Deutschen Historischen Institut in Trient stattgefunden hat. Die Vorträge wurden, i n überarbeiteter u n d z.T. stark erweiterter Fassung, i m Jahre 1996 i n italienischer Sprache i n der Reihe des Instituts publiziert. Die Herausgeber freuen sich, n u n auch eine deutschsprachige Fassung vorlegen zu können u n d danken dafür, daß der Arbeitsstab u n d die Mittel des Instituts hierfür wiederum zur Verfügung standen. Das Thema erwies sich in besonderer Weise als Herausforderung, w e i l die Tagung die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit zeigte, über die Unterschiede der Ausbildung und des Wandels der ländlichen Herrschaftsstrukturen nördlich u n d südlich der Alpen hinaus, die Begrifflichkeiten zu ihrer Erfassung u n d die verschiedenen historiographischen Traditionen, in denen sie entwikkelt w o r d e n sind, in den Blick zu nehmen. Während für die Sachproblematik die Beschränkung auf den oberitalienischen u n d den deutschen Raum gewählt wurde, konnte für die Reflektion der historiographischen Traditionen Frankreich miteinbezogen werden. Es ist dadurch ein i n mehrfacher Hinsicht vergleichendes Werk entstanden, das n u n für die deutsche Diskussion leichter zugänglich ist. U m dem deutschen Leser den Zugriff auf die behandelten methodischen u n d sachlichen Probleme zu erleichtern, ist gegenüber dem italienischen Band eine Umstellung der Beiträge ( u n d der Ausschluß eines Spanien betreffenden) vorgenommen worden. Die Einführung u n d die Zusammenfassung durch die beiden Herausgeber w u r d e n i n den methodisch-reflektierenden ersten Teil miteinbezogen, weil die Linien der Diskussion, die sich durch den ganzen Band ziehen, dadurch schärfer herausgehoben werden. Die Deutschland betreffenden Aufsätze, mehr als Problemanalysen angelegt, folgen sodann; die auf Italien bezogenen, die ein detailliertes Material landesgeschichtlicher Forschung darbieten, bilden nunmehr den dritten Teil. Wir hoffen, daß die Ergebnisse der Tagung mit ihren methodischen u n d vergleichenden Aspekten auf diese Weise der deutschen Mediävistik Anregungen u n d Anstöße nicht nur zum Thema Grundherrschaft, sondern darüber hinaus zur Frage der Herrschaftsbildung i m mittelalterlichen Europa vermitteln können.
Cinzio
Violante
Gerhard
Dilcher
Inhaltsverzeichnis
Die Problematik und die Begrifflichkeiten Cinzio
Violante
Einführung - Ländliche Herrschaftsstrukturen i m historischen Kontext des 10.-12. Jahrhunderts Dominique
Barthélemy
Der Herrschaftsmythos der französischen Historiker Klaus
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Schreiner
Grundherrschaft - ein neuzeitlicher Begriff für eine mittelalterliche Sache Gerhard
69
Dilcher
Ländliche Herrschaftsstrukturen i n Italien u n d Deutschland (10.-13. Jahrhundert). Probleme u n d Perspektiven
95
Ländliche Herrschaftsstrukturen und Grundherrschaft in Deutschland Werner
Rösener
Struktur u n d Entwicklung der Grundherrschaft i m deutschen Altsiedelgebiet (10.-13. Jahrhundert) Martina
Schattkowsky
Grundherrschaft m i t oder ohne Gerichtsherrschaft? Überlegungen zur Herausbildung ländlicher Herrschaftsstrukturen i n den Siedlungsgebieten zwischen Elbe u n d Oder (12. u n d 13. Jahrhundert) Franz
135
Irsigler
Zur wirtschaftlichen Bedeutung der frühen Grundherrschaft Hanna
111
165
Vollrath
Die Rolle der Grundherrschaft bei der genossenschaftlichen Rechtsbildung. Analysen am Beispiel der Klöster Werden u n d Rupertsberg
189
Inhaltsverzeichnis
8
Dietmar
Willoweit
Grundherrschaft u n d Territorienbildung. Landherren u n d Landesherren in deutschsprachigen Urkunden des 13. Jahrhunderts
215
Ländliche Herrschaft i n Oberitalien Giancarlo
Andenna
Formierung, Strukturen u n d Prozesse der rechtlichen Anerkennung v o n ländlichen Herrschaften zwischen der Lombardei u n d d e m ösdichen Piemont (11.-13. Jahrhundert) Andrea
Castagneti
Arimannen u n d Herren v o n der nachkarolingischen Zeit bis zur frühen kommunalen Epoche Piero Brancoli
271
Busdraghi
„Masnada" u n d „boni homines" als Mittel der Herrschaftsausübung der ländlichen Herrschaften in der Toscana (11.-13- Jahrhundert) Chris
237
363
Wickham
Die ländlichen Herrschaftsstrukturen in der Toskana Verzeichnis der Autoren
405 455
Die Problematik u n d die BegriCflichkeiten
Einführung — Ländliche Herrschaftsstrukturen im historischen Kontext des 10.-12. Jahrhunderts Von Cinzio Violante
ad Adriaan Verhulst
Vorwort Wer i n einen Kongreß einführt, dem fällt die Aufgabe zu, die behandelten Probleme genauer zu bestimmen u n d ihre Bedeutung näher zu präzisieren, als dies der Titel selbst vermag. Da w i r n u n einmal Historiker sind, kann dies nicht besser geschehen, als mit Giambattista Vico „la guisa dei nascimenti" zu betrachten, d.h. zu erklären, w i e es zur Festlegung des Themas u n d zur Definition der Struktur dieses Kongresses kam. Anfangs schlug ich dem wissenschaftlichen Beirat des deutsch-italienischen Geschichtsinstituts als Thema ländliche Herrschaftsstrukturen i m karolingischen u n d nach-karolingischen Europa u n d seinen politischen Ablegern (dem normannischen England u n d dem normannischen Süditalien) sowie i n den christlichen Reichen der Iberischen Halbinsel i m Zeitraum des 9. - 12./13. Jahrhunderts vor. Der Vorschlag wurde i m Grundsatz einstimmig angenommen. Der einzige Einwand betraf die Ausdehnung u n d die Struktur des Kongresses: Wir sollten uns - unserer Tradition entsprechend - besser auf Deutschland u n d Italien beschränken u n d die gut bewährte Struktur der Trentiner Studienw o c h e n übernehmen. Diesem Einwand lag der Gedanke zugrunde, daß die ländlichen Herrschaftsstrukturen i m wesentlichen als Problem der Lokalgeschichte behandelt werden sollten. Ausgehend v o n meinem Vorschlag eines nicht auf Deutschland u n d Italien beschränkten internationalen Kongresses hätte unser Thema hingegen unter vorwiegend methodologischen u n d problemorientierten Gesichtspunkten angegangen werden sollen, u n d dies wäre nur innerhalb eines weitgesteckten Vergleichsrahmens möglich gewesen. A u f diese Weise könnte man meiner Ansicht nach versuchen, sich einer, w e n n auch nur provisorischen, jedoch artikulierten Zusammenschau anzunähern. Diese Zusammenschau darf uns angesichts einer Geschichtsschreibung, die immer fragmentarischer w i r d oder stets mehr schematisiert, u m sich der Methode der sogenannten ,Humanwissenschaften' anzugleichen, keine Ruhe lassen. Selbstverständlich gebe ich mich
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nicht der Illusion hin, daß alle wünschenswerten lokalen Forschungen bereits durchgeführt wurden; aber ich meine, daß in jeder Phase der historiographischen Arbeit, welches Stadium sie auch erreicht haben mag, eine Verpflichtung zur historischen Synthese besteht u n d diese mit dem Fortgang der Studien stets erneut zur Diskussion gestellt werden kann. Das Thema der ländlichen Herrschaftsstrukturen kann zu den großen Themen der Geschichtsschreibung gerechnet werden. Und in der letzten Zeit ist das Interesse der Historiker an den ländlichen Herrschaftsstrukturen noch gewachsen u n d hat sich ausgebreitet, vor allem seit vor einigen Jahrzehnten der grundlegende Unterschied zwischen herrschaftlichem System u n d lehensrechtlichem System nachgewiesen wurde. Einleitend muß präzisiert werden, daß ,signoria rurale' oder ,ländliche Herrschaftsstrukturen', wie Gerhard Dilcher als Titel unseres Kongresses für die deutsche Formulierung empfiehlt, allgemeine Ausdrücke sind, die jedwede Art v o n Herrschaft bezeichnen, die sich auf dem Lande bildete. I n ihrem Wesen muß die ländliche Herrschaft als das kleinste Element (ich würde sagen die ,Zelle') der politisch-administrativen u n d militärischen Struktur begriffen werden, d. h. als die Form der lokalen Organisation einer unabhängigen Macht i m Vergleich zur zentralen Autorität. Die herrschaftliche Macht rührt nämlich i n unterschiedlichem Maße und i n unterschiedlicher Weise v o m lokalen Ambiente u n d v o n persönlichen Umständen her, selbst w e n n sie ursprünglich eine Aneignung v o n königlichen oder gräflichen Machtbefugnissen ist. Die ländlichen Herrschaften, die sich i n großen Teilen des karolingischen u n d nach-karolingischen Europa verbreiteten u n d sich mit der Zeit immer weiter verdichteten, machten eine bemerkenswerte typologische Entwicklung durch u n d ordneten sich dabei innerhalb v o n keineswegs einheitlichen institutionellen Rahmenbedingungen zutiefst i n das ganze politische, kirchliche u n d soziale Gefüge ein. Sie fügten sich somit i n die Entwicklung des gesamten Organisationssystems des Lebens auf dem Lande ein, d.h. in die Entwicklung der Villikationswirtschaft, i n den Entstehungs- u n d Wachstumsprozeß einer neuen Generation v o n Burgen, i n die Ausbildung der Landgemeinde und i n die Entwicklung des lokalen Organisationssystems der cura animarum. Auf der anderen Seite beeinflußte die Entstehung der ländlichen Herrschaften an einem gewissen Punkt auf entscheidende Weise auch die großen politischen Formationen (,Marken' u n d ,comitatus'), indem sie diese in die Krise führte oder ihre Wiederorganisation i n neuen Formen, eben denen territorialer Herrschaft, hervorrief. Die ländlichen Herrschaftsformen brachten sich auch in die Entwicklung des Lehenswesens i n Richtung auf stabilere Formen ein, die die Ganglien des politischen u n d kirchlichen Lebens betrafen, ja sogar den Feudalstaat u n d die sogenannte ,Feudalkirche' ( i n verschiedenen Formen) charakterisierten. Kurz u n d gut, die Einführung der ländlichen Herrschaftsstrukturen in die allgemeine Geschichte erfolgte entsprechend ihren verschiedenen Formen, den ursprünglichen oder denen, die sich i m Verlauf ihrer typologischen Ent-
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w i c k l u n g ergaben. Alle sind ungemein interessant, so daß w i r i m Folgenden noch darüber sprechen müssen. Die Wertung der historischen Funktion der ländlichen Herrschaftsstrukturen geht besonders aus dem Vergleich zwischen der Geschichte der Regionen, i n denen sie sich entwickelten u n d derjenigen der Regionen, i n der sie hingegen fehlten oder fast fehlten, hervor. Es existierten nämlich historische Gebiete, i n denen man grundherrschaftliche Strukturen nicht kannte, außer frühestens - ab dem Ende des 12. Jahrhunderts. Das Fehlen der Grundherrschaft in gewissen Regionen kann Material zur Reflexion über die allgemeinen Bedingungen bieten, die in diesen Regionen entstanden, und die Unterschiede zu den Bedingungen der Regionen aufzeigen, bei denen die ländlichen Herrschaftsstrukturen zu den Grundbausteinen v o n Wirtschaft, Gesellschaft sowie v o n weltlichen u n d kirchlichen Institutionen zählten. Zu diesem Zweck genügt es, das Beispiel einer Region anzuführen, w o sich - mindestens bis Ende des 12. Jahrhunderts - keine Grundherrschaften bildeten: die Romagna, ein Gebiet mit byzantinischer Tradition, das außerhalb des Regnum Italicum stand, aber z u m Imperium gehörte u n d daher in den Rahmen der allgemeinen Institutionen des nachkarolingischen Europa einbezogen war. Das fast vollständige Fehlen v o n ländlichen Herrschaften i n einem Gutteil der Romagna (besonders i m Gebiet Ravennas u n d Ferraras) begründet i m Vergleich zum Regnum Italicum einen nicht nur formalen Unterschied, da er nicht v o m noch üblichen Gebrauch des römischen an Stelle des langobardischen Rechts abhing. I n der Tat entwickelte sich in diesem Teil des byzantinischen Italien i m Unterschied zur ,Langobardia' die Villikationsverfassung i m allgemeinen nicht, es bildeten sich keine Dörfer, man baute keine Burgen u n d man errichtete die Klöster nicht auf dem Land sondern i n der Stadt. I n welcher Beziehung stand n u n zu diesen Phänomenen das Fehlen v o n Herrschaftsbildungen? Es scheint, als o b das Fehlen v o n ländlichen Herrschaften hauptsächlich mit der fehlenden Entwicklung der Villikationsverfassung i n Verbindung stehen würde. Der Rest dürfte dann - vor allem - die Folge sein. Somit entsteht ein Bild v o n der Romagna als einer Region, i n der die Städte, o b w o h l i m langsamen Niedergang begriffen, das ganze Frühmittelalter hindurch ihre zentrale Bedeutung, die sie in römischer Zeit innehatten, bewahrten; auf lange Sicht bewirkte diese Gleichgewichtsstörung zugunsten der Städte allerdings eine schwierige Lage für das Umland, w o Entwicklungszentren selbständiger wirtschaftlicher, sozialer oder kirchlicher Kräfte, die in der Lage gewesen wären, mit den Städten für deren Erneuerung u n d Potenzierung unabdingbare Beziehungen einzugehen, in Schwierigkeiten gerieten, gar nicht erst entstanden oder keine Vitalität besaßen. Gerade aufgrund der Unmöglichkeit, mit dem unbeweglichen u n d apathischen Umland fruchtbare Beziehungen einzugehen, verloren die Städte der Romagna Kraft zur Weiterentwicklung u n d gerieten genau dann i n Schwierigkeiten, als i m Italien langobardischer
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Tradition die Stadtkommunen aufzublühen begannen 1 . Ich habe den sicheren Eindruck, daß i n diesem ganzen geschichtlichen Prozeß das Fehlen der ländlichen Herrschaften ein wichtiges, w e n n nicht zentrales Phänomen bildete. Aus all diesen Gründen ist m e i n Vorschlag einer methodologischen u n d problemorientierten Ausrichtung des Kongresses angenommen worden, aber man hielt auch an den Bezügen zu den lokalen Wurzeln der ländlichen Herrschaften fest u n d an ihrer Einbindung i n alle Lebenswirklichkeiten ihrer Umgebung. Daher w u r d e beschlossen, den weiten Horizont des Programms einzuengen u n d die Regionen auszuschließen, i n denen darüber hinaus die herrschaftlichen Phänomene einen ganz spezifischen Charakter besaßen (England u n d Süditalien). Mit diesem glücklichen Kompromiß wurde die traditionelle Struktur unserer Trientiner Studienwochen mit der tragenden Achse Deutschland-Italien i m wesentlichen beibehalten, der betrachtete Horizont aber bedeutungsvoll erweitert. Bei der Eröffnung des Kongresses ist auch eine Vorbemerkung zur Forschung, die sich mit den ländlichen Herrschaften beschäftigte, notwendig. Zu diesem Thema erabeitete die historische Forschung i m Verlauf v o n mehr als einem Jahrhundert sehr unterschiedliche, ja sogar gegensätzliche, Definitionen, Theorien u n d Formeln, die manchmal lebhaft debattiert u n d heftig abgelehnt wurden, andere Male hingegen w u r d e n sie abgewandelt u n d i n Umfelder übertragen, die v o n denen, für die sie ursprünglich formuliert w o r d e n waren, gänzlich verschieden waren. Meiner Meinung nach lagen dabei letztlich häufig Mißverständnisse zugrunde, da man die Verschiedenheit der Standpunkte, v o n denen aus die einzelnen Autoren die ländlichen Herrschaftsstrukturen betrachtet hatten, nicht berücksichtigte. Es gab nämlich Autoren, die ihre eigene Theorie konstruierten, indem sie das Problem ab ovo angingen, v o n den Quellen der herrschaftlichen Macht her; andere sorgten sich vor allem darum, das Wesen der Macht zu definieren, o b sie öffenüicher oder privatrechtlicher Natur war; u n d wieder andere untersuchten die Skala der Machtbefugnisse u n d der Rechte des Herrschaftsinhabers oder die Ausdehnung u n d das Umfeld, i n dem die Herrschaft ausgeübt wurde, oder die v o n ihr betroffenen Schichten. Die Definition ,Grundherrschaft' Csignoria fondiaria ) bezieht sich z u m Beispiel auf die A n w e n d u n g der herrschaftlichen Machtbefugnisse nur auf die Besitzungen des Herrschaftsinhabers; die Definition ,Bannherrschaft' führt auf 1 M. Montanari , Forza e debolezza delle città romagnole, in: B. Andreolli / P.P. Bonacini / V. Fumagalli / M. Montanari, Territori pubblici rurali nell'Italia dell'alto Medioevo, Sonderdruck der monographischen Sektion von „Proposte e ricerche", Centro di Studi Storici Sanmarinesi dell'Università degli studi di San Marino, 31 (1993), 2, S. 13-19. Die von mir im Text ausgedrückten Ansichten, die versuchen für das ganze Phänomen eine geschichtliche Erklärung zu finden, unterscheiden sich etwas vom Urteil Montanaris.
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den Ursprung und das Wesen der herrschaftlichen Machtbefugnisse, die v o n der Aneignung des Königsbannes seitens der öffentlichen Amtsträger herrührten, zurück. Der Gebrauch der Definition ,Bannherrschaft' wurde - verallgemeinernd - fälschlicherweise auf das Gebiet des Regnum Italicum ausgeweitet, während dort am Anfang der Herrschaft häufig nicht die Aneignung des Königsbannes stand. I n der Tat besaßen i m Regnum Italicum nicht alle Herrschaftsinhaber die Machtbefugnisse des Königsbannes vollständig. Darüber hinaus war i m Gegensatz zur Entstehung der ,seigneuries banales' des Mäconnais die ex nofo-Bildung eines Territoriums das wichtige Phänomen i n Nord- u n d Mittelitalien für die Entwicklung der Herrschaft: Diese historische Neuheit, die für dieses Gebiet charakteristisch ist, hat den Begriff ,Territorialherrschaft' (signoria territoriale) angeregt. Wenn man die einzelnen Standpunkte, v o n denen aus die Definitionen der verschiedenen Arten v o n ländlicher Herrschaft formuliert wurden, berücksichtigt, dann könnten - hin u n d wieder - auftretende Mißverständnisse u n d Polemiken vermieden werden. Die Untersuchung der verschiedenen Theorien u n d der entsprechenden, v o n der Forschung zu den ländlichen Herrschaftsstrukturen ersonnenen Definitionen läßt es zweckmäßig erscheinen, - zu Vergleichszwecken - eine gewissenhafte Kollation der zu unserem Thema gehörenden Terminologie vorzubereiten, sowohl der Begriffe i n den Quellen als auch i n den historiographischen Werken. Das Hauptinteresse bestünde natürlich i n einem Vergleich der - sagen w i r - herrschafdichen Terminologie i n den verschiedenen Sprachen. Dies alles wäre der erste Schritt zur Realisierung eines Lexikonprojekts der vergleichenden historiographischen Terminologie, das dem wissenschaftlichen Beirat des deutsch-italienischen historischen Instituts v o m Ehrenpräsidenten Adam Wandruszka vorgeschlagen u n d v o m Beirat einstimmig angenommen wurde. O b w o h l ich mich - soweit es notwendig ist u n d meine spärliche Kompetenz es erlaubt - auch auf andere Regionen des nachkarolingischen Europa beziehen werde, werde ich doch meine Abhandlung auf das Entwicklungsmodell der ländlichen Herrschaften i m Regnum Italicum konzentrieren, u m es als Vergleichsraster vor allem für den so unterschiedlichen Entwicklungsprozeß vorzuschlagen, der i m deutschen Reich ablief.
I. Grundherrschaft und Immunitätsherrschaft 2 Unser Ausgangspunkt ist - u m die verständlichste Definition für das Anfangsstadium zu verwenden - die »signoria fondiaria' (auf französisch seigneurie
2 Für eine ausführlichere und besser dokumentierte Darstellung dieser Themen sei mir der Verweis auf meinen Vortrag „La signoria rurale nel secolo X: proposte tipologiche" erlaubt, den ich auf der XXXVIII. Studienwoche des Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo vom 19 -25. April 1990 präsentierte, veröffentlicht in: Il secolo di ferro: mito e realtà del secolo X, Spoleto 1991, Bd. I, S. 329-385 (347-358).
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fondere), die die deutschen Historiker, die sie als erstes untersuchten, ,Grundherrschaft' nannten. Die Verbreitung der ,Grundherrschaft' setzt vor allem die Entwicklung des großen Landbesitzes u n d die Organisation dieses Besitzes in (organischen) Betriebseinheiten (,curtes\ ,villae' oder ,villicationes') voraus, entsprechend dem, was als sistema curtense , regime domaniale oder ,Villikationssystem' bezeichnet wurde. Die Einleitung dieses Prozesses der Erweiterung u n d strukturellen Entwicklung des großen Landbesitzes zwischen dem Ende des 8. u n d dem Beginn des 9. Jahrhunderts ging auf das Heranreifen der Ergebnisse v o n äußeren u n d inneren Umständen zurück: auf der einen Seite die dynamische Ausdifferenzierung verschiedener Zivilisationsgebiete i m Mittelmeerraum (der byzantinischen, islamischen u n d lateinisch-germanischen), die Fortschritte der nordischen Völker sowie das Auftreten der slawischen Völkerschaften i m Osten; auf der anderen Seite die Einigung des fränkischen Reiches u n d dann die Formierung der differenzierten politischen, kirchlichen u n d kulturellen Einheit desjenigen Gebildes, das w i r karolinigisches Europa nennen. Ich denke seit geraumer Zeit 3 - u n d kürzlich erkannte dies auch die internationale Forschung 4 - , daß diese Entwicklung des ausgedehnten Landbesitzes kein Latifundien-Phänomen u n d - i m allgemeinen - ökonomisch regressiv gewesen ist u n d daß speziell die Einrichtung des eng koordinierten u n d stark zentralisierten Villikationssystems v o n den Bedürfnissen der Produktionsentwicklung bestimmt wurde, die wachsende Ansprüche für die Fürsorge u n d für den Kult i n einer Gesellschaft auslösten, die (mit Beziehung auf das 9. Jahrhundert) als „civiltà liturgica" (liturgische Gesellschaft) bezeichnet wurde, sowie Bedürfnisse nach politischem u n d sozialem Prestige seitens der Monarchen u n d großen Laien des neuen westlichen Kaiserreichs. Die über den Binnenkonsum hinausgehende Agrarproduktion wurde auf den neuen Villikationsmärkten zum Verkauf angeboten oder - auch - nach auswärts, i n Gegenden, die w e n i g oder gar nichts produzierten (wie zum Beispiel nach Venedig), verkauft. Die Mittel aus diesem Handel mit Primärprodukten erlaubten den Mächtigen (Laien u n d Geisüichen) u n d den Monarchen, sich gelegentlich - auch v o n weit her - Waren, bisweilen sogar wertvolle, die sie für ihre Bedürfnisse gehobenerer Natur benötigten, zu besorgen.
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C. Violante , La società milanese nell'età precomunale, Bari 1953; 2. Aufl., Bari
1981. 4
Ich denke vor allem an den Aufsatz von P. Toubert, Il sistema curtense, la produzione e lo scambio interno in Italia nei secoli Vili, IX e X, in: Economia naturale ed economia monetaria (Storia d'Italia. Annali 6), Turin 1983, S. 3-63 und an die in dem Werk „Dalla terra ai castelli. Paesaggio, agricoltura e potere in Italia medievale", Turin 1995, publizierten Aufsätze desselben Autors. Weiter denke ich an den Einleitungsvortrag von A. Verhulst zur XL. Studienwoche des Centro di Studi sull'alto Medioevo (23 -29· April 1992) „Marchés, marchands et commerce au haut moyen age dans l'historiographie récente", in: Mercati e mercanti nell'alto Medioevo: l'area euroasiatica e l'area mediterranea, Spoleto 1993, S. 23-43.
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Die curtis bildete sich an einem historischen Schnittpunkt aufgrund der Mitwirkung verschiedener u n d sich zuweilen widersprechender Gegebenheiten. Es handelte sich - i m allgemeinen - u m eine neue Struktur, d e m neu entstandenen Umfeld organisch verbunden, dynamisch, auf die Produktionsentwicklung u n d die Wiederbelebung des Handels gerichtet. Sie konnte ihrem Besitzer mittels wirtschaftlichem Wachstum politische Macht zur Verfügung stellen. Die Machtbefugnisse, die der Eigentümer v o n Anfang an über die curtis u n d ihre Arbeiter besaß, waren eng an den Besitz des Landes gebunden u n d leiteten sich v o n seinen Funktionen ab, die einheidiche Organisation der curtis selbst zu sichern u n d sie funktionieren zu lassen. Diese Herrschaft, die zutiefst mit d e m Villikationssystem verbunden war, ist daher aus gutem Grund mit der spezifischeren Bezeichnung signoria curtense , seigneurie domaniale oder - eben - ,Grundherrschaft' versehen worden. Ich leugne nicht, daß der Grundherr i n einigen Fällen das Terrain - unter einem gewissen Aspekt - schon vorbereitet vorfinden konnte, da ein Teil seiner Abhängigen (nicht diejenigen neuer u n d anderer Herkunft) traditionellen Formen der Unterworfenheit unerlagen, deren Herkunft sehr weit reicht, sogar i n die spätrömische i n die Zeit. Ich möchte hier nicht diskutieren, o b diese antiken, so lange andauernden persönlichen Verpflichtungen privatrechtlicher Natur oder - w i e jetzt auch vertreten w i r d - öffentlich-rechtlichem Ursprungs waren, da sie sich auf jeden Fall durch die historische u n d institutionelle Neuheit der curtis wesentlich ändern mußten, u m sich d e m neuen komplexen Kontext, den neuen Strukturen anzupassen. Wir können daher zusammenfassen, daß sowohl i m Fall der einfachen ,Grundherrschaft' (signoria fondiaria ) als auch i m Fall der ,Villikationsherrschaft' Csignoria curtense) die Herrschaftsbefugnisse nicht nur eng an das Land gebunden waren, sondern sich v o n dem Besitz des Landes selbst herleiteten. I n der Tat w i r d die Definition signoria fondiaria/seigneurie fondere oft als Entsprechung für signoria curtense/seigneurie domaniale benutzt; sie bezeichnet aber eigentlich allgemeiner die Herrschaft, die ein Grundherr über alle seine Ländereien - u n d nur über diese - besitzt, so zerstückelt, verstreut u n d entlegen sie auch sein mochten, u n d über alle, Unfreie u n d Freie, die diese Ländereien bearbeiteten u n d bewohnten. Dies gilt besonders für das Regnum Italicum, w o die curtis oft stark zersplittert war u n d ihre zunehmende Zerstükkelung früher einsetzte, aber auch für die anderen Regionen, w o die curtis kompakter u n d der Zerstückelungsprozeß langsamer war. Daß für das Reich in Deutschland keine andere Bezeichnung verwendet wurde als ,Grundherrschaft', sowohl für signoria fondiaria als auch für signoria curtense , ist hingegen kein Zufall: I n dieser Region waren die mittelgroßen freien Besitzungen seltener, die villicatio war recht kompakt u n d zerfiel nicht, es sei denn viel später. Es scheint mir wichtig zu bemerken, daß i n Nord- u n d Mittelitalien zu Beginn des 9. Jahrhunderts Freie auftauchen, die sich, nachdem sie Land 2 Dilcher/Violante
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mittels eines schriftlichen Vertrages (Libell) zum Bebauen erhalten hatten, gegenüber dem Eigentümer - unter anderem - verpflichten, sich seiner Gerichtsbarkeit u n d seinem Rechtszwang zu unterstellen. H i n u n d wieder ( z u m Beispiel i m Luccheser Umland) gingen diese Pächter dieselbe schriftliche Verpflichtung für die Bauern ein, die für sie arbeiten würden. I n diesen Fällen scheint besonders klar, daß sich die Herrschaftsbefugnisse des Grundherrn v o m Besitz des Landes selbst herleiteten u n d nicht durch das Fortdauern antiker, sondern durch die Einführung neuer Rechte, i n privatrechtlicher u n d vertraglicher Form, entstanden. Die v o m Grund- oder Villikationsherrn ausgeübte Gerichtsbarkeit war an erster Stelle - so könnten w i r sagen - ,grundherrliche Gerichtsbarkeit' (giustizia padronale ), da sie die Erfüllung der (aus Unfreiheit, Gewohnheits- oder Vertragsrechten erwachsenden) Pflichten der Bauern gegenüber seinem Agrarbetrieb betraf. D a n n dehnte sich die Gerichtsbarkeit auf alle juristisch relevanten Beziehungen aus, die zwischen den Bauern untereinander, z u m Grundherrn oder endlich auch zu auswärtigen Personen oder Institutionen bestanden: Sie wurde dann i m engeren Sinne zur ,herrschaftlichen Gerichtsbarkeit' (giustizia signorile). I m Gegensatz zur ,Grundherrschaft' besaß die ,Immunitätsherrschaft' öffentlich-rechtliche Wurzeln, da sie v o n einem königlichen Immunitätsprivileg für mächtige Laien u n d besonders für bedeutende kirchliche Institutionen ausging; sie war auch ausdrücklich zu vollem Eigentum gewährt. Die ,Immunitätsherrschaft' dehnte sich w i e die ,Grundherrschaft' auf allen Landbesitz eines Herrn aus, w i e verstreut er auch lag, u n d nur selten betraf sie nur einen bestimmten Besitz. Es ist denkbar, daß alle ,Immunitätsherrschaften' auch ,Grundherrschaften' waren, aber - natürlich - nicht umgekehrt. Ursprünglicher Zweck der Immunität war es, den v o m König gewährten Schutz effektiv werden zu lassen. Sie bestand daher anfangs i m Verbot für die königlichen u n d gräflichen Amtsträger, in den immunen Gebieten die Rechts-, Zwangs-, militärische Rekrutierungs- u n d Steuereinzugsgewalt (teloneum , ripaticum etc.) auszuüben. I n einer späteren Phase wandelte sich das »negative' Privileg i n ein »positives': Die Immunitätsherren, die das Recht besaßen, ihre Leute außerhalb ihrer eigenen Besitzungen z u m öffenüichen Gericht u n d z u m Militärdienst zu geleiten, erwarben das Recht, die Gerichts- u n d Zwangsgewalt persönlich oder mittels eigener Vertreter auszuüben, die Steuern einzutreiben u n d Truppen innerhalb ihrer Besitzungen und bei ihren abhängigen Bauern auszuheben: zunächst nur bei den unfreien, aber dann - bald - auch bei den freien. Die v o n den Immunitätsprivilegien gewährten Machtbefugnisse variierten, vor allem hinsichtlich der Adressaten: I m speziellen konnte es sich u m die niedrige u n d hohe Gerichtsbarkeit handeln, sogar bis hinauf zur Ebene der gräflichen Gerichtsbarkeit. Die zunächst v o n den karolingischen Monarchen gewährte Immunität verbreitete sich allmählich - mit verschiedenen chronologischen Abstufungen i n ganz Europa, ausgenommen nur einige Regionen w i e zum Beispiel die
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Provence. Unter die i m m u n e n Ländereien k ö n n e n auch die königlichen Besitzungen aufgenommen werden, die an Privatleute oder an kirchliche Institutionen geschenkt wurden, da diese weiterhin auch i n den Händen des Empfängers die Privilegien aus der Zugehörigkeit zum königlichen Fiskus genossen 5 .
Π. Der Ursprung der »Territorialherrschaft* Ergebnis ( u n d - gleichzeitig - auch Ursprung) v o n wichtigen historischen Neuerungen war die Bildung der ,Territorialherrschaft', die sich i n jenen Prozeß der Rekonstruktion der politischen u n d kirchlichen Machtbereiche v o n unten einfügte, mit d e m sich - ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts der Prozeß der partikularistischen Auflösung umkehrte, der seit dem Ende des vorausgegangenen Jahrhunderts andauerte 6 . I n der ,Territorialherrschaft' wurden die Rechte u n d Machtbefugnisse des Herrn nicht nur auf seinen Besitz u n d auf die Menschen, die i h n bebauten u n d dort lebten, angewandt, sondern sie breiteten sich über die gesamten Ländereien u n d alle abhängigen - auch auf die v o n anderen Grundherrn abhängigen - Bauern aus, die sich innerhalb seines Territoriums befanden 7 . Dies bedeutete die Rückkehr zu einem auf Territorien basierenden Organisationsprinzip, das sich seit d e m Ende der Antike i n Auflösung befand. Die auf diesem Prinzip aufgebaute ,Territorialherrschaft' n a h m verschiedene Formen an, da ihr Wesen, die Art der Territorienbildung u n d die Herkunft der herrschaftlichen Machtbefugnisse v o n Region zu Region variierten. I n gewissen Regionen des französischen Reichs waren zum Beispiel die Territorien der .Bannherrschaften' vorgezeichnet, da sie v o n den kleineren politisch-administrativen Bezirken gebildet wurden, an deren Spitze öffentliche Amtsträger standen, die sich den Königsbann erblich aneigneten. Dies ist der berühmt gewordene Fall der von Georges Duby untersuchten ,Bannherrschaften' des Maconnais, die dieser eben als territoriale Herrschaften erkannte. Die ,Bannherrschaften' begannen sich ab dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts zu entwickeln. Ich könnte nicht genau sagen, o b auch i m deutschen Reich - natürlich mit einer gewissen Verzögerung - ein analoger Schritt v o n der ,Grund-' u n d 5 Hierzu siehe jetzt F. Menarti , Campagnes lombardes du moyen äge. L'économie et la société rurales dans la région de Bergame, de Crémone et de Brescia du Xe au XlIIe siècle, Rom 1993, S. 404-408. 6
C. Violante , Il monachesimo cluniacense di fronte al mondo politico ed ecclesiastico (secoli X e XI) (I960), jetzt in: Studi sulla Cristianità medioevale, 2. Aufl., Mailand 1975, S. 3-67 (10-31). 7
Vgl. C. Violante , Un esempio di signoria territoriale nel secolo XII: la „corte" di Talamona in Valtellina secondo una sentenza dei Comune di Milano, in Mélanges Labande. Études de civilisation médiévale (Xle-XIIe siècle), Poitiers 1974, S. 739-749; sowie ders., La signoria rurale nel secolo X, S. 365-375. *
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,Immunitätsherrschaft' zur .Territorialherrschaft' hin - ich sage nicht zur großen ,Landesherrschaft' - erfolgte: Dies zu klären, zählt ja gerade zu den Zielen, für die dieser Kongreß geplant wurde. Ich beschränke mich vorläufig lieber auf meine direkten Kenntnisse u n d ziehe es vor, dieses Problem in Bezug auf das Regnum Italicum mit gewissem Nachdruck auf einigen besonderen Aspekten zu behandeln, u m ein Modell zu bieten, das für andere Regionen als Muster dienen möge. I m Regnum Italicum waren Territorien für Herrschaften - i m allgemeinen - nicht vorgezeichnet. In langobardischer Zeit existierte keine systematische Organisation kleinerer öffentlicher Bezirke, u n d die vorhandenen wurden dann - gewöhnlich - v o n der Politik der karolingischen Monarchen abgeschafft, die dazu tendierte, die weltliche - w i e die kirchliche - Organisation auf die städtischen Zentren auszurichten. A u c h der immer weiter verbreitete Burgenbau auf d e m Lande, der Ende des 9. Jahrhunderts begann, führte nicht sofort zu einem Netz v o n kleineren militärischen u n d politischen Bezirken, aus denen Territorien zu Herrschaften werden konnten 8 . Die Errichtung der Burgen verlief nämlich nicht nach einem Gesamtplan, da sie vor allem der Privatinitiative v o n weltlichen und geistlichen Herren zu verdanken war u n d nicht v o n der Monarchie geregelt wurde. Es scheint aber auch nicht so, daß die Burg bereits i m 10. Jahrhundert aufgrund gewisser äußerer Umstände der Kern eines eigenen Territoriums wurde. Während der Ungarn- u n d Sarazeneneinfälle flüchteten die Bewohner aus der Umgebung nicht dauerhaft, sondern nur gelegentlich und für einen kurzen Zeitraum i n die Burg, w e i l die gefürchteten äußeren Einfälle keine beständige Gefahr für die einzelnen Ortschaften bildeten. I m Verlauf v o n über einem halben Jahrhundert betrafen sie nämlich denselben Ort nur ein Mal oder nur wenige Male u n d - i m allgemeinen - i m Abstand v o n bemerkenswert langen Zeiträumen. So kann man sich nur schwer vorstellen, daß aufgrund einer sehr ungewissen Erwartung das gesamte Leben blockiert war, die Bevölkerung beständig in der Burg eingeschlossen blieb u n d endlich am Ende des ganzen Invasionszyklus auf das so lange verlassene Land „ausschwärmte". Analog dazu bildeten auch die kleinen Überfälle v o n mächtigen Nachbarherren oder der Durchzug der Heere v o n Monarchen, die u m die Krone wetteiferten, keine dauerhafte Bedrohung, sondern betrafen ein u n d denselben Ort nur i n bestimmten Augenblicken; es ist daher nicht denkbar, daß sie zu einer ständigen Zufluchtnahme der Bevölkerung i n einer Burg i m 10. Jahrhundert führten u n d sogar bis h i n zur Formierung einer ,Territorialherrschaft' u m diesselbe gingen. Die Institutionalisierung der Burg als zentralem Herrschaftskern des umliegenden Territoriums scheint - für das 10. Jahrhundert - nicht durch i m Original erhaltene königliche oder kaiserliche Privilegien dokumentiert zu sein. 8 Zum Folgenden siehe - ausführlicher - C. Violante, La signoria rurale nel secolo X, S. 361-365.
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Die zu diesem Thema ausgestellten u n d erhaltenen Diplome sind eher selten u n d betreffen in ihrer großen Mehrheit eine bestimmte Region, das Friaul u n d das Patriarchat v o n Aquileia; darüber hinaus sind sie uns i n späten Kopien (des 11. u n d 12., aber vor allem des 13. bis 15. Jahrhunderts) überliefert und stehen unter Fälschungsverdacht 9 . Tatsächlich war das Patriarchat nämlich während dieser Jahrhunderte der schwierigen Systematisierung seines Territorialfürstentums auch eine Fälscherwerkstätte. In Wirklichkeit w i r d - i m allgemeinen - noch ungefähr bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts i n den öffentlichen u n d privaten Urkunden nicht die Burg als Zentrum der Herrschaft angegeben, sondern die „curtis domuicultilis", der Herrenhof, der nicht notwendigerweise dem zentralen Kern der „pars dominica" des Villikationskomplexes entsprach, da diese bereits seit dem 10. Jahrhundert i n einem Prozeß der Aufteilung i n Quoten begriffen war u n d daher oft kein eigenes Zentrum mehr besaß. Die Burg gehörte i n den Urkunden jener Epoche - i m allgemeinen - noch zur „curtis domuicultilis", w i e die Kapelle u n d die Häuser, Felder, Wälder u n d Weiden des Grundherrn. Wenn eine Burg als Zubehör zu einer ,curtis 4 erschien, an die öffendiche Rechte angegliedert waren, lautete die Formel „curtis cum castro": Z u m Beispiel schenkten zwei Eheleute i m März 1029 10 dem Erzbischof v o n Mailand „curtem domuicultilem, qui nominatur Talamona, cum casis, castro, capella atque omnibus rebus pertinentibus, ... c u m districtis et teloneis". Die Burg wurde aber sehr rasch Zentrum der Herrschaft; die Formel „curtis c u m castro" wandelte sich damals in die umgekehrte „Castrum cum curte". Den ursprünglichen Teil der Territorialherrschaft bildete der Grundbesitz des Herrn. Er war am ausgedehntesten u n d wurde mittels einer Tausch- u n d Kaufpolitik erweitert u n d abgerundet, die unter verschiedenen privaten Rechtstiteln u n d - manches Mal - dank königlicher Privilegien erfolgte. Von seinen Besitzungen aus, die über eine zentrale ,curtis' verfügten und oft mit einer Burg ausgestattet waren, dehnte der Herr nach u n d nach seine Rechte u n d Machtbefugnisse der Grund- u n d Immunitätsherrschaft u n d anderen Ursprungs auch auf die Ländereien anderer Grundherren aus, die zwischen seine eingeschoben oder u m seine Ländereien herumlagen, bis ein einheiüiches Territorium für eine Herrschaft gebildet war. Wenn man die gleichbleibenden Grundelemente betrachtet, war das Gebiet der Territorialherrschaft i n bestimmten Orten - ganz oder teilweise - v o n der natürlichen Umgebung bedingt, v o n der gemeinsamen Nutzung der Wiesen u n d Wälder u n d v o n den anderen grundlegenden allgemeinen Lebensnotwendigkeiten der Einwohner, die seit weit zurückliegenden Zeiten der Überlagerung durch Organisationsstrukturen aller Art unterworfen waren. Mehr als
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Siehe zu näheren Erläuterungen und Beispielen ebd., S. 364 und Anm. 63.
Atti privati milanesi e comaschi, hrsg. von C. Manaresi / C. Santoro , Bd. II: (1026-1050), Mailand I960, Nr. l69, S. 57-61. Siehe auch C. Violante , La signoria rurale nel secolo X, S. 363-365 und Anm. 63··
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tausend Gründe des täglichen Lebens in seiner wirtschaftlichen, sozialen u n d religiösen ,Routine' schufen dort eine neue Gepflogenheit des lokalen Zusammenschlusses, w o aufgrund der alles andere als kompakten Natur der curtis Zersplitterung, Isolation u n d heterogene Vermischung existierten. So w u r d e n auch die Rechte u n d Machtbefugnisse des Territorialherrn zu Gewohnheitsrecht oder bereicherten sich u m Gewohnheitsrechte. Die Wege, die einen Herrn zur erfolgreichen Territorienbildung führen konnten, waren zahlreich u n d nicht immer legal: A b u n d zu waren es die politischen Umstände, einige vorübergehende, andere durch eine Tradition konsolidierte, die zum Erfolg führten. Oft reichten die Grenzen eines Territoriums bis zu den Punkten, w o es der bisweilen gewalttätigen Expansionskraft des lokalen Herrn gelang, sie hinzuschieben, oder bis zu den Grenzen der Territorien der benachbarten Herrn. Vieles hing auch v o n den persönlichen, politischen u n d militärischen Fähigkeiten des Herrn ab, v o n der Macht seiner Verwandtschaft u n d der Umsicht seiner Heiratspolitik, v o n glücklichen Umständen bei Ereignissen, v o n der Macht, die über Kirchen u n d Klöster ausgeübte Rechte u n d öffentliche Ämter verliehen. I n zahlreichen Fällen übertrugen Markgrafen, Grafen, Vizegrafen u n d sogar niedrigere öffenüiche Amtsträger nämlich die Machtbefugnisse, die sie nicht mehr über ihren gesamten Amtsbezirk ausüben konnten, auf ihre eigenen Territorialherrschaften. Diese öffentlichen Machtbefugnisse w u r d e n auch auf Territorialherrschaften ausgedehnt, die sich noch i n der Formierung befanden oder außerhalb des Amtsbezirks des frischgebackenen Territorialherrn lagen 1 1 . Die Bischöfe u n d einige große Äbte führten analoge Operationen hinsichtlich der eignenen Herrschaften durch, auf die sie die hohen Immunitätsbefugnisse übertrugen, die sie für mehr oder weniger ausgedehnte Gebiete erhalten hatten, die sie nicht mehr vollständig kontrollieren konnten 1 2 . I m Regnum Italicum stellten die Territorialherrschaften eine Neuerung v o n bemerkenswerter historischer Bedeutung dar: hauptsächlich aufgrund ihrer Anlage einer territorialen politischen Organisation, entsprechend dem Wiedererstarken eines analogen territorialen Kriteriums i n der kirchlichen Organisation, aber auch wegen anderer Gründe. Oft deckten die Territorien einer Herrschaft aufgrund der Art u n d Weise, w i e sie entstanden waren, nicht den vorhergehenden institutionellen Rahmen ab, i m besonderen füllten sie nicht die Flächen der curtes aus, die ja nicht kompakt waren, da sie sich stufenweise u n d zufällig gebildet hatten. Auch der zentrale Kern der Territorialherrschaft entsprach nicht notwendigerweise dem wirtschaftlichen u n d administrativen Zentrum der alten curtis, da er gut v o n einer v o m zukünftigen Herrn vorgenommenen neuen Zusammenstellung der Besitztümer gebildet werden konnte. Oft fand sich der zentrale Kern der Herrschaft neben einer neu errichteten Burg, angelegt gemäß den speziellen 11
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Ebd., S. 369.
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Erfordernissen des Augenblicks, ohne auf die vorhergehenden wirtschaftlichen u n d institutionellen Rahmenbedingungen Rücksicht zu nehmen; u n d h i n u n d wieder war, i m allgemeinen - in einer zweiten Phase - , die Burg selbst der ursprüngliche Kern der Herrschaft. Aus all diesen Gründen war i m Regnum Italicum der Übergang v o n der ,Grund-' u n d ,Immunitätsherrschaft' zur ,Territorialherrschaft' ein besonders langsamer Entwicklungsprozeß, der i m Verlauf der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts begann, i m 11. Jahrhundert verwirklicht wurde, aber erst i m 12. Jahrhundert seinen Abschluß fand. Die Epoche, i n der die ,Territorialherrschaft' ihre höchste institutionelle Realisierung erfuhr u n d ihre größte Verbreitung erreichte, war genau dieses Jahrhundert. Auch die Burg wandelte sich i m Laufe der Zeit. Während sie i m 10. Jahrhundert lange Zeit einen so großen Umfang besaß, daß sie für die umliegende Bevölkerung bei Gefahren ein Zufluchtsort werden konnte, verfügte sie u m die Mitte des 11. Jahrhunderts als werdendes Herrschaftszentrum jetzt nicht selten über eine weitaus geringere Ausdehnung, so daß sie fast ausschließlich befestigte Residenz des Herrn, seiner Amtsträger u n d Bewaffneten, u n d - ab u n d zu - seiner milites war. I m 10. Jahrhundert gab es außerdem in der Burg gewöhnlich mehrere Kapellen; i m 11. Jahrhundert hingegen existierte normalerweise außerhalb der Burg u n d neben ihr nur eine Kapelle, die ,Eigenkirche' des Herrn, die auch für die Seelsorge seiner Untergebenen zuständig war. Besonders w e n n die Herrschaft einem Kloster oder einem Kapitel gehörte, tendierte der Herrschaftsinhaber ab d e m Ende des 11. Jahrhunderts dazu, aus dieser Kapelle eine Pfarrkirche zu machen. Gleich außerhalb der Burg entstand gleichzeitig eine offene villa und/oder ein befestigter Burgus, w o der Herr versuchte, die i h m untergebenen Bauernfamilien, die zuvor auf dem Land verstreut waren u n d zwischen den Familien v o n Abhängigen anderer Grundherrn gelebt hatten, auf Dauer zu konzentrieren 1 3 . Tatsächlich begannen die isolierten oder i n kleinen Wohngruppen vereinten bäuerlichen Absiedlungen langsam zu verschwinden, u n d auch die Anzahl der ländlichen Kapellen verminderte sich nach u n d nach. Die Folge all dieser Tendenzen war das allmähliche Verschwinden v o n etlichen MikroOrtsnamen aus den Quellen der Zeit. Außer zur Festlegung der neuen Territorien führte die Anlage der »Territorialherrschaften' aufgrund all dieser Veränderungen auch zu einer gewissen Revolution i m Habitat auf dem Lande. Weiter schufen die Konzentration der gesamten Bevölkerung der ,Territorialherrschaft' i n der villa und/oder d e m 13
C. Violante , Una famiglia della „Langobardia" tra il X e ΓΧΙ secolo: i „da Bariano" / „da Maleo", in: Archivio Storico Lodigiano, 1974, S. 5-105 (Nachtrag zum Kap. II: Qualche osservazione sulle vicende dei castelli e sul variare della loro ampiezza, S. 67-70). Vgl. jetzt E. Colemann, Incastellamento on the Po Plain: Cremona and its Territory in the Tenth Century, in: Reading of Medieval Studies, XVII (1991), S. 77-101.
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Burgus, den der herrschaftliche Wille unmittelbar außerhalb der Burg entstehen hatte lassen, u n d die Nähe dieser Ansiedlung zur herrschaftlichen Kapelle, deren seelsorgerischen Funktionen anwuchsen, unter den untergebenen homines desselben Herrn eine Interessen- u n d Gefühlsgemeinschaft, kurz u n d gut jene Solidarität, die letztlich zur Bildung der Landgemeinde führen sollte. Die Ausdehnung der »Territorialherrschaften' war sehr unterschiedlich. Das Territorium der weniger großen entsprach - gewöhnlich - dem späteren Bezirk einer Pfarrei, der ebenfalls v o n ziemlich unterschiedlicher Größe war, denn die Pfarrei bildete sich eben oft i m Bereich der »Territorialherrschaft'. (Selten entsprach das herrschaftliche Territorium einem Taufkirchensprengel, da sich nur selten eine Taufkirche i m Bereich einer ,Territorialherrschaft' formierte oder umgekehrt) 1 4 . Es gab auch weit ausgedehntere »Territorialherrschaften', so daß es d e m Herrn nicht gelang, die gesamte Bevölkerung bei seiner Burg zu sammeln. Ein Teil v o n ihr blieb und/oder sammelte sich daher an einem anderen Ort, der verwurzelte Traditionen als Siedlungszentrum besaß. Die dort versammelte Bevölkerung konnte dann erklären, daß dieser Ort „locus per se" wäre u n d seine Loslösung v o n der Herrschaft u n d seine Anerkennung als ein eigenes autonomes Territorium fordern, das sich dann zu einer weiteren Herrschaft oder einer neuen Landgemeinde entwickeln konnte 1 5 . I n der Lunigiana - ich nehme hier eine Anregung v o n Mario Nobili auf bildeten sich i m Bereich v o n sehr ausgedehnten ,Territorialherrschaften', die ein v o m geophysischen Gesichtspunkt her klar gegliedertes Territorium besaßen, h i n u n d wieder autonome Zentren, die eine zunehmende Selbständigkeit entwickelten, welche zur Errichtung eigener Burgen führte. Diese Burgen blieben jedoch i m Bereich der Gerichtsbarkeit der ursprünglichen Hauptburg. Ich weiß nicht, o b eine i m Contado ( d e m v o n der Stadt beherrschten Umland) v o n Mailand festgestellte Situation analoge Ursprünge besitzt, i n der der mit einer wichtigen Burg verbundene Burgbann nicht nur auf das Territorium der Herrschaft, deren Zentrum diese Burg war, angewendet wurde, sondern auch auf Territorien v o n anderen umliegenden oder jedenfalls nahen Herrschaften 16 . 14 C. Violante , Pievi e parrocchie nell'Italia centrosettentrionale durante i secoli XI e XII, in: Le istituzioni ecclesiastiche della „societas Christiana" dei secoli XI e XII. Diocesi, pievi e parrocchie (Atti della VI Settimana di studio, Mailand 1.-7. September 1974), Mailand 1977, S. 643-799 (730 ff.), jetzt in C. Violante , Ricerche sulle istituzioni ecclesiastiche dell'Italia centro-settentrionale nel Medioevo, Accademia Nazionale di Scienze Lettere e Arti di Palermo, 1986, S. 369 ff. 15
C. Violante , La signoria »territoriale' come quadro delle strutture organizzative del contado nella Lombardia del secolo XI, in: Histoire comparée de l'adiministration (IVe-XIIe siècles). Actes du XIV colloque franco-allemand (Tours 27 mars - ler avril 1977) (Beihefte der Francia, hrsg. vom Deutschen Historischen Institut Paris, 9), Zürich / München 1980, S. 333-345, (337-341). 16 Am 10. März 1192 verkauften drei Brüder, die zur Mailänder Familie der Avvocati gehörten, für 38 Lire fünf Männern aus Trezzano die Herrschaftsrechte, die sie über
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Es entwickelte sich unter den Burgen so fast eine Hierarchie hinsichtlich ihrer Wichtigkeit, der die Größen- u n d Architekturunterschiede der Gebäude w o h l entsprachen.
m . Die der »Territorialherrschaft* Unterworfenen A n diesem Punkt stellt sich das Problem der Lebensbedingungen u n d des persönlichen Rechtsstatus der Bauern und der anderen Untertanen des Territorialherrn, die i n den Quellen i n der Regel als homines, in der Lombardei als rustici u n d i n der Toskana als villani bezeichnet wurden. Hinsichtlich des persönlichen Rechtsstatus fragt man sich vor allem, welcher Unterschied zwischen diesen der Territorialherrschaft unterworfenen homines u n d den Abhängigen des Villikationssystems, besonders den Unfreien, existierte - falls er existierte. U m aber diesen Unterschied zu verstehen, muß einleitend festgehalten werden, was man unter dem rechtlichen und dem de facto - oft sehr unterschiedlichen - Status der v o m Villikationssystem Abhängigen versteht, da die klassische Unterscheidung zwischen ihrem allgemein ,unfreien' Status u n d d e m Status der Sklaven i n der Antike kürzlich wieder zur Diskussion gestellt wurde. U n d w e n n man denn zugesteht, daß ein Unterschied zwischen der ,Sklaverei' u n d der ,Unfreiheit' bestand, i n welcher Epoche wäre dann der Übergang v o n einer Form zur anderen erfolgt? Diese bereits aufgrund der vielfältigen philologischen, juristischen u n d historischen Facetten komplexen u n d verwickelten Probleme w u r d e n noch durch ideologische Bedenken belastet. Eher als eine notwendigerweise unzulängliche persönliche Lösung der gesamten Fragestellung zu versuchen, werde ich mich daher darauf beschränken, eine für unser Thema ausreichende Teillösung vorzuschlagen. Wie leicht vorstellbar, haben sich mit dem bereits v o n Marc Bloch aufgegriffenen Thema des Endes der esclavage ancien jetzt sowohl Altertums- als auch Mittelalterhistoriker erneut auseinandergesetzt. Der These, die Sklaverei sei bereits in den letzten Jahren der römischen Zeit verschwunden oder habe sich tiefgreifend gewandelt, steht die These (heute zahlreicher u n d verbissener vertreten) entgegen, daß sich die Sklaverei i m Villikationssystem durch das ganze Frühmittelalter bis ins 10. Jahrhundert u n d zur - je nach Ort i n verschiedenen Epochen erfolgten - Ausbildung der ,Bannherrschaft' (oder - w i e auch sie an jenem Ort besaßen, und darüber hinaus den mit der Burg von Iborino verknüpften, aber auch in Trezzano ausgeübten Burgbann. Der Ort Trezzano lag im Taufkirchensprengel von Cesano Boscone, wo die Burg von Baggio lag, während die Burg von Iborino andernorts, nämlich im nahen Taufkirchensprengel von Rosate, lag (E. Occhipinti, Una famiglia di ,rustici' proprietari legati alla canonica di Sant'Ambrogio: i ,da Trezzano', in: Contributi dell'Istituto di Storia Medievale dell'Università Cattolica del Sacro Cuore, Bd. II, Mailand 1972, S. 756-757.
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immer - BurgLeibeigenschaft gang fast exakt Bannherrschaft
u n d Territorialherrschaft) hinzieht, i n der man endlich zur übergegangen sei 17 . Es gab sogar jemanden, der diesen Überauf das Jahr 1000 legte, in dem er eben die Formierung der annahm 1 8 .
Der Wandel v o n der Sklaverei zur Leibeigenschaft kann n u n sicher nicht auf einen präzisen Augenblick gelegt werden, da es sich u m einen stufenweisen u n d sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Prozeß handelte, der entsprechend den einzelnen Gebieten nicht ohne chronologische Phasenverschiebungen ablief. Es ist daher schwierig u n d an dieser Stelle auch nicht meine Aufgabe, den ersten Hinweis auf die Leibeigenschaft zu suchen. I n Bezug auf die Probleme, die ich mir jetzt stelle, genügt es anzumerken, daß man zwischen d e m 9. u n d dem 10. Jahrhundert deutlich eine neue Lage der Bauern i m Rahmen des Villikationssystems wahrzunehmen beginnt, als dieses System auf seinem Höhepunkt einen inneren Evolutionsprozeß begann, aus dem sein Untergang, aber auch eine wirtschaftliche u n d soziale Entwicklung hervorging. Die Verbesserung der Lage der Leibeigenen wurde durch die langobardische u n d karolingische Gesetzgebung sowie die kirchlichen Verfügungen vorbereitet, die dazu tendierten, der Ehe der Unfreien eine allmähliche Anerkennung zu geben, die Strafen für Ehen zwischen Unfreien u n d Freien zu mildern, die Freilassung „cum obsequio" für die Unfreien zu erleichtern u n d weniger drückend zu machen sowie die Freilassungen zu voller Freiheit stark zu vermehren, indem sie solche nach römischen Recht wieder aufleben ließen oder die „manumissiones i n ecclesia" einführten 1 9 . Da die Vollendung der Villikationsorganisation u n d die Ausdehnung der Besitzungen es erlaubten, löste die Entwicklung neuer Konsum- u n d Handelsbedürfnisse zumindest i m Regnum Italicum das Engagement der großen weltlichen - u n d besonders - geistlichen Landbesitzer i n Richtung einer Produktionssteigerung mittels organisatorischer Innovationen aus, die unter anderem Anstöße zur Verbesserungen der Lage der Bauern umfaßten. So führten gewisse Anpassungen der Villikationsstrukturen (wie die Aufteilung des Sallandes i n Quoten) zu der vorteilhaften Umwandlung der „servi praebendarii" i n (mit bebaubarem Land ausgestattete) „servi casati" u n d zur Verminderung oder am Ende gar zum Verschwinden der drückenden corvées. Dank auch der Tatsache, daß sich i m Verlauf der Jahrhunderte abhängige Bauern v o n ungleichem persönlichen Rechtsstatus u n d unterschiedlichen Arbeits- u n d Lebensbedin17 P. Bonnassie, Survie et extinction du régime esclavagiste dans l'Occident du haut moyen àge, in: Cahiers de Civilisation Médiévale, XXVIII (1985), S. 307-321. Vgl. F. Panerò , Servi e rustici. Ricerche per la storia della servitù e del servaggio e della libera dipendenza rurale nell'Italia medievale (Biblioteca della Società Storica Vercellese), Vercelli 1990, S. 53-54. 18
G. Bois, La mutation de l'an mil, Paris 1989-
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F. Panerò, Servi e rustici, S. 22 ff.
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gungen v o n verschiedenen Ausgangspunkten aus u n d i n unterschiedlichen Situationen einander an die Seite stellten, entstanden - besonders i n den unteren Schichten - ein starkes Verlangen nach Gleichstellung u n d - i m allgemeinen - Bestrebungen nach Verbesserungen. U m die Mitte des 10. Jahrhunderts begannen die Bauern niedrigsten Status darauf zu drängen, daß ihre Leistungen nicht mehr nach Belieben v o m Grundherrn festgesetzt, sondern v o m Gewohnheitsrecht fixiert würden. Es gelang ihnen bei dieser Gelegenheit, die öffentlichen Gerichte anzurufen, u m gegen ihre jeweiligen Grundherren zu fordern, nicht mehr als „servi propter personam", d.h. aufgrund eines erblichen Rechtsstatus, eingeschätzt zu werden, sondern aufgrund der Rechtslage des bebauten Bodens. Die Unfreien waren n u n nicht mehr die überwiegende Mehrheit: Der Fang neuer Menschen (sciavi ) jenseits der östlichen Grenzen des Imperiums, i n Regionen, die vorwiegend v o n slawischen Völkern bewohnt w u r d e n (daher stammte ihr Name), kompensierte nur den durch den Verkauf v o n Unfreien i n islamische Länder, vor allem der Iberischen Halbinsel, erzielten Verlust. A u f der anderen Seite hatten gewisse, die Freiheit der Bauern begrenzende Normen jetzt ihren alten Charakter der Sklaverei verloren: Z u m Beispiel hatte sich i n einer Epoche extremer Unsicherheit die Bindung an den Boden i n der Praxis v o n einer stark restriktiven Verpflichtung zu einer Unterhaltsgarantie gewandelt. Erleichternd wirkte sich auch für die Unfreien aus, daß die Praxis seltener angewandt wurde, sie getrennt v o n dem Boden, auf dem sie lebten, zu veräußern. Der Aufstieg der Bauern zu besseren Arbeits- u n d Lebensbedingungen verlieh den ländlichen Schichten eine neue Dynamik: Das Phänomen war allgemein, w e i l es auch Hörige, die Pächter (Libellarier) wurden, u n d - i n der Regel - die Libellarier selbst betraf, die dem Grundherrn nicht mehr per Vertrag das ganze conquestum überlassen mußten, d.h. den Zuwachs der eigenen mobilen Güter (Vieh u n d Werkzeuge), den sie auf dem v o n ihnen bebauten Land erzielten, sondern für sich ein Viertel davon, später immer größere Anteile bis h i n zur Gesamtheit, behalten konnten. Aus den Pachtverträgen' waren jetzt Ende des 10. Jahrhunderts die Klauseln verschwunden, die die Libellarier der Rechtssprechung der Grundherren unterwarfen. Die stärksten u n d wagemutigsten unter den Pächtern unternahmen am Ende alles mögliche, u m ihr ,Pachtgut' i n Besitz zu verwandeln u n d aus der Kategorie der abhängigen Bauern auszuscheiden. Zusammenfassend kann man sagen, daß i m Verlauf des 10. Jahrhunderts ein allgemeiner Fortschritt i n der Lage der Bauern eintrat. U m die Jahrhundertwende existierten sogar ,Unfreie', die reich geworden waren („divitiis inflati", w i e ein Bischof klagte) 2 0 ; nicht wenige waren v o n den Ländereien der Grund20
Epistula Leonis episcopi Vercellensis, in: Le carte dell'Archivio capitolare di Vercelli, hrsg. von D. Arnoldi / G.C. Faccio / F. Gabotto / R. Rocchi (Biblioteca della Società Storica Subalpina, 70-71), Pinerolo 1912-1914, I, Nr. 40, S. 49-50 (1022).
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herren geflohen, u n d nicht selten gab es Unfreie, die gegen das Gesetz in den Klerus eintraten und/oder freie Frauen heirateten, u m eine freie Nachkommenschaft zu zeugen, so daß Kaiser Otto III. ( i m Jahre 1002) gezwungen war, eine Konstitution „de servis libertatem anhelantibus" 2 1 zu erlassen. Auch das Konzil v o n Pavia v o n 1022 beschäftigte sich mit unfreien Klerikern, die mit freien Frauen verheiratet waren 2 2 . Diese Überlegungen vermindern stark den Wert bestimmter kirchlicher Urkunden als Zeugnis für Absichten und Mentalitäten, die auf Sklaverei hindeuten könnten. Diese Urkunden präsentierten der Tradition folgend auch weiterhin die Rechte der Kirche auf die »Unfreien' als unveräußerlichen Besitz, auf der gleichen Stufe mit Grund und Boden. Solche Forderungen waren gerade zwischen d e m 10. u n d dem 11. Jahrhundert i m Geist der kirchlichen Reform, die gebot, die Immobilien u n d auch die mobilen Güter der Kirche als „res sacrae" zu rekuperieren, lebhaft erneuert worden. Dies geschah i n einer bedrohlichen Lage, i n der die kirchlichen Ländereien v o n allen Seiten besetzt, die abhängigen Bauern v o n (mit Sicherheit nicht wohlgesonnenen) mächtigen weltlichen Herren i n Razzien geraubt wurden u n d die Unfreien ihrerseits solche Umstände zur Flucht ausnutzten. Es scheint zwar nicht so, daß i n der Kirche damals einfach das Bewußtsein der Grundherrenrechte gegenüber den Sklaven wieder erwachte: Mit Sicherheit war ihr aber bewußt, daß sie zwei große Kategorien weltlicher Mitarbeiter benötigte, die milites und die labor at or es, u n d wichtig war eben auch, daß die letztgenannten auf ihren Ländereien nicht fehlten. Ein Gutteil der vorangegangenen Beobachtungen über die Lage der Bauern können - natürlich mit einer gewissen chronologischen Phasenverschiebung dort, w o verschiedene Verspätungen bei der Entwicklung der Villikationsorganisation eintraten - v o m Regnum Italicum auch auf andere Regionen übertragen werden. Zusammenfassend k ö n n e n w i r sagen, daß i m Augenblick des Übergangs v o n der ,Grundherrschaft' zur »Territorialherrschaft' kein Sklavenregime mehr bestand. Es gab viele Kategorien u n d Mischungen v o n Kategorien v o n Abhängigen, eine solche Häufigkeit u n d solche Vielfalt der Übergänge v o n einer zur anderen Kategorie, einen solch allgemeinen Fortschritt, daß es am Ende unmöglich ist, alle gemäß eines einzigen präzisen Rechtsstatus zu qualifizieren, u n d es schwierg ist, jemanden i n der Rechts- u n d de facto-Lzge eines antiken Sklaven zu finden, den völlig Unfreien, der der Willkür des Eigentümers seiner Person unterstellt ist.
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MGH, Legum s. IV, Constitutiones et acta publica, I, Nr. 21, S. 47.
Ebd., Nr. 34, S. 70-78. Zur ganzen Problematik der Verbesserung der Lage der Bauern im Zeitraum vom Ende des 9. bis Anfang des 11. Jahrhunderts vgl. C. Violante , La società milanese, S. 94-113, 193-207. Weitere Überlegungen machte ich in meinen beiden langen Diskussionsbeiträgen zum Vortrag von V. Fumagalli , Le modificazioni politico-istituzionali in Italia sotto la dominazione carolingia, in: Nascita dell'Europa carolingia: un'equazione da verificare (XXVII. Studienwoche des Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo, 19.-25. Aprii 1979), Spoleto 1981, S. 319-322 und 324-327.
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Wenn es sich auch am Übergang v o m 10. zum 11. Jahrhundert sehr unscharf und noch ziemlich variantenreich präsentierte, zeigte das Bild der Masse der Bauern dennoch eine gewisse Einheitlichkeit. U m i n großen Linien die Lage der Abhängigen, wie sie sich i m Rahmen des Villikationssystems und/oder der ,Grundherrschaft' entwickelte, zu bezeichnen, könnten w i r denke ich - den Begriff .Unfreiheit' benutzen. Die Unfreiheit, nicht die Sklaverei, bildete also die Ausgangslage für diejenigen, die nach und nach der ,Territorialherrschaft' unterworfen wurden, da sie v o n der herrschaftlichen ,Curia' abhingen, die sich am zentralen Kern des Territoriums, dem Herrenhof oder in der Burg, befand. Dem Territorialherrn unterstanden alle, die innerhalb seines Territoriums Land bebauten, das ihnen nicht gehörte 23 . Daher besaßen die Bauern in der »Territorialherrschaft' einen zweifachen Status der Abhängigkeit: v o m Grundherrn des Landes, das sie bebauten, der nicht immer der Territorialherr selbst war, u n d v o m Herrn des Territoriums. Da sich auch die Pächter, die sich die zum Bebauen erhaltenen Ländereien nicht angeeignet hatten, i n gleicher Weise dem Gewohnheitsrecht angepaßt u n d unterworfen hatten - Libellarverträge mit Bauern waren i n der Tat selten geworden oder ganz verschwunden - , waren die Verpflichtungen der Bauern gegenüber dem Grundherrn in der Regel immer mehr auf unbestimmte Zeit v o m Gewohnheitsrecht festgelegt, das die Abgaben in Naturalien, Geld oder beidem genau fixierte. So entstand für die abhängigen Bauern schrittweise eine Nivellierung der Arbeitsbedingungen, die für die meisten ein Fortschritt war oder es zumindest wurde, denn die Abgaben u n d Grundzinsen blieben unverändert, während aufgrund der Anwendung neuer Techniken die Produktivität des Bodens wuchs u n d der Geldwert abnahm. Normalerweise waren gegenüber dem Territorialherrn nur die Besitzungen anderer weltlicher oder geistlicher Herren vollständig exemt, die als enclaves innerhalb seines Territoriums existierten, denn jeder dieser Herren übte herrschaftliche Machtbefugnisse auf seinen eigenen Ländereien aus. Außerdem existierten einfache Besitzungen v o n anderen Grundherren, die d e m Territorialherren nicht untergeben waren, auch dann nicht, w e n n sie persönlich ihr eigenes Land bebauten. Sie mußten aber immerhin gestatten, daß ihre abhängigen Bauern dem Territorialherren untergeben waren. Der Territorialherr versuchte wiederum auf verschiedene Weise, solche exemten Gebiete u n d
23 Zum territorialen Charakter der Herrschaft und damit zur Unterwerfung unter den Herrn auch der Bauern, die Land, das nicht ihm gehörte, bebauten, verweise ich auf C. Violante, La signoria rurale del secolo X, passim und S. 345, Anm. 20, zur Liste meiner diesem Thema gewidmeten Arbeiten. Übrigens tauchen in den von der Kommune Mailand im Verlauf des 12. Jahrhunderts erlassenen Urteilen häufig Herrn auf, die die eigenen Rechte über homines, die Land von anderen Besitzern bearbeiten, einfordern oder verteidigen.
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auch einfache Besitzungen anderer Grundherren zu eliminieren oder zumindest zu verringern. Diejenigen, die d e m Territorialherrn untergeben waren, waren seiner Jurisdiktions- u n d Zwangsgewalt unterworfen u n d schuldeten i h m einen Zins, der aus einer auf der Basis des bebauten Landes festgelegten Familienabgabe (condicio) bestand. Sie mußten den Herrn oder einen seiner Beauftragten mit dem jeweiligen Gefolge bei einem Kontrollbesuch beherbergen (Pflicht zur albergarla) u n d darüber hinaus waren sie zu persönlichen Dienstieistungen für Arbeiten v o n öffendichem Nutzen verpflichtet, die zum Beispiel Straßen, Zäune, den Gemeinschaftsbrunnen oder die Kirche betrafen. Wenn es eine Burg gab, besaßen die homines die spezielle Pflicht, d e m Herrschaftsrecht des ,Burgbanns' zu gehorchen, indem sie Arbeits- u n d Geldleistungen für die Restaurierung oder den Bau, die Bewachung oder die Verteidigung der Burg selbst erbrachten. Endlich zog der Herr v o n seinen Untergebenen das köngliche Fodrum ein, falls er dieses Privileg besaß, und behielt sich - zumindest in der Lombardei die Hälfte der Nutzungsrechte der gemeinschafdichen Wiesen und Wälder vor 2 4 . Außer den Ausnahmen, die w i r gleich sehen werden, befanden sich alle „homines", die der ,Territorialherrschaft' unterworfen waren, i m wesenüichen in derselben Lage u n d hatten dieselben Pflichten gegenüber dem Herrn. I n Wirklichkeit unterwarfen seit Anfang des 11. Jahrhunderts u n d - i n einigen Fällen - bereits vor dem Jahr 1000 mächtige und anmaßende Herren gegen die königlichen Verbote - auch bescheidene Landbesitzer, die seit langem freie „exercitales" (oder - i m Regnum Italicum - „Arimannen") waren, u n d andere kleine u n d kleinste Eigentümer u n d gliederten sie i n die Schicht der Untergebenen ihrer Herrschaft ein. I n diesem Kreis erlangten besonders die „Arimannen", aber auch andere unterworfene Landbesitzer, dennoch eine Sonderstellung mit etwas leichteren Bürden u n d erleseneren u n d ehrenvolleren Verpflichtungen ( z u m Beispiel als persönliche Dienstleistungen die Korrespondenz zu überbringen), u n d es gelang ihnen, diese Sonderstellung zu bewahren. Arimanni u n d kleine Eigentümer tauchen i n der Tat an der Spitze einiger Listen v o n Abhängigen v o n ,Territorialherrschaften' u n d in gewisser Weise privilegiert auf 2 5 . I n den »Territorialherrschaften' formierten sich de masnada, Freie u n d Unfreie mit militärischen ben bei der Leitung der Herrschaft, die - hin u n d weniger bedeutende Zukunft ausersehen waren
darüber hinaus die homines u n d unterstützenden Aufgawieder - für eine mehr oder (den homines de masnada
24 Eine aufmerksame und ausdifferenzierte Untersuchung der Herrschaftsrechte in Norditalien findet sich in H. Keller , Adelsherschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien (9. bis 12. Jahrhundert), Tübingen 1979, und in F. Menant , Campagnes lombardes du moyen äge, S. 425-476. 25
Vgl. jetzt F. Menant , Campagnes lombardes du moyen àge, S. 464-467.
Einführung. Ländliche Herrschaftsstrukturen
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entsprechen in Deutschland grosso modo die servi ministerialesY 6. Auf der anderen Seite existierte das »Hausgesinde', u n d es ist nicht ausgeschlossen, daß noch einige andere übriggebliebene Leibeigene vorhanden waren, u m der Herrschaft unterworfenes Land zu bebauen. Unfreie bildeten unter den der Herrschaft des Territorialherrns Unterworfenen eine Ausnahme. I n den Landbesitzungen, die v o n dieser Herrschaft exempt waren, o b w o h l sie sich innerhalb des herrschaftlichen Territoriums befanden, überlebten hingegen ab u n d zu Strukturen der Villikationsherrschaft noch mit Leibeigenen als Bauern - u n d dies besonders i n den Ländereien der großen kirchlichen Institutionen. Diese Inseln waren jedoch nicht Teil der Territorialherrschaft, o b w o h l sie innerhalb derselben lagen. Insgesamt war die Schicht der der Territorialherrschaft Unterworfenen i m wesentlichen homogen u n d gleichgestellt, auch w e n n die kleinen Landbesitzer einige Privilegien bewahrten. Wie ein vor dem Gericht der Kommune v o n Mailand, deren Richter übrigens ein negatives Urteil fällten, eingereichtes Gesuch vielmehr aufzeigt, bestand gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Tendenz des Territorialherrn, den Familienzins (die condicio ) der seiner Herrschaft unterworfenen homines i n eine echte Grundabgabe umzuwandeln, die auch auf die Bürger u n d die freien Grundbesitzer (