Strafrecht und Strafprozeß: Eine Sammlung der wichtigsten, das Strafrecht und das Strafverfahren betreffenden Gesetze. Zum Handgebrauch für den preussischen Praktiker [16. Aufl., Reprint 2022] 9783112676264, 9783112676257


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German Pages 804 [988] Year 1923

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Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur vierzehnten Auflage
Vorrede zur sechzehnten Auflage
Übersicht des Inhalts
Erklärung der Abkürzungen
I. Teil. Strafrecht
I Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch
II. Gesetz zur Erweiterung Les Anwendungsgebiets -er Geldstrafe und zur Einschränkung -er kurzen Freiheitsstrafen
III. Strafgesetzbuch für bar Deutsche Reich
IV. Die Strafbestimmungen der Konkursordnung
V. Gesetz, betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit
VI. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen
VII. Strafvorschriften des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen
Auszug aus dem VIII. Vereinsgesetz
IX. Gesetz über die Presse
X. Auszug aus der Preußischen Jagdordnung
XI. Preuß. Gesetz, betr. den Forstdiebstahl
XII. Preuß. Feld- und Forstpolizeigesetz
XIII. Fischereigesetz
XIV. Vogelschutzgesetz. Reichsgesetz betr, den Schutz von Vögeln
XV. Gewerbeordnung für das deutsche Reich
XV a. Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter
XVI. Gesetz, betressend Kinderarbeit in gewerblichen Betriebe
XVII. preuß. Gesetz, betreffend die Besteuerung des Gewerbebetriebe- im Umherziehe» und einige Abänderungen des Ges. wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820
XVIII. Verordnung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
XIX. Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenstände
XX. Gesetz gegen den ««lauteren Wettbewerb
XXI. Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen
II. Teil. Strasprozeß
XXII. Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetze
XXIII. Gerichtsverfassungsgesetz
XXIV. Preuß. Ausführungsgesetz zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz
XXV. Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung
XXVI. Strafprozeßordnung
XXVIa. Vorschriften der Reichsabgabenordnung über das gerichtliche Verfahren
XXVII. Preuß. Gesetz, betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen
XXVIII. Die Bestimmungen der Preuß. Schiedsmannsordnung über die Sühneverhandlung bei Beleidigungen und Körperverletzungen.
XXIX. Gesetz, betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen
XXX. Gesetz, betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft
XXXI. Verordnung über Sondergertchte gegen Schleichhandel und Preistreiberei (Wuchergerichte)
XXXII. Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Sondergerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei (Wuchergerichte
XXXIII. Gesetz MM Schutze der Republik
XXXIV. Rennwett- und Lotteriegesetz
Anhang
I. Allgemeine Verfügung Aber die Anständigkeit und das verfahren in Gnadensachen
Ia. Allgemeine Verfügung über die Zuständigkeit und das Verfahren in Gnadensachen
II. Allgemeine Verfügung, betreffend die Bewilligung von Strafausstand
III. Anhang. Erlaß der Preußischen Staatsregierung vom 2. August 1920 und Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 19. Oktober 1920 über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung
IV. Allgemeine Verfügung, betreffend die von den Beamten der Staatsanwaltschaft, von den Strafvollstreckungsbehörden und in Privatklagesachen von den Amtsgerichten an andere Behörden zu machenden Mitteilungen
V. Anhang. Gesetz über beschrankte Auskunft ans dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken
Sachregister
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Strafrecht und Strafprozeß: Eine Sammlung der wichtigsten, das Strafrecht und das Strafverfahren betreffenden Gesetze. Zum Handgebrauch für den preussischen Praktiker [16. Aufl., Reprint 2022]
 9783112676264, 9783112676257

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Arnsrcht und Ltrchrostß. Line Sammlung der wichtigsten das

Strafrecht und das Strafverfahren detreffevden Gesetzt

Zum L^andgebrauche für den preußischen Praktiker erläutert und herausgegeben

Dr. A. Dalcke, weiland Gber-Staatsanwalt, Geh. Gber-Iusttzrat.

Sechzehnte neubearbeitete Auflage, besorgt von

V.

Amtsgerichtsrat i. R.

Berlin (923. Verlag von H. IV. Müller Sw. 68, Schützenstr. 29/30.

Aus dem Vorwort ?ur ersten Auflage. Aus den Wunsch des Verlegers, welcher den mit der Handhabung des Strafrechts betrauten Richtern und Anwälten bei dem Eintritt in die neue Ära der Strafrechtspflege ein praktisches Handbuch darbieten

wollte, habe ich mich der Herausgabe eines solchen unterzogen, und es sind für die Bearbeitung desselben folgende Gesichtspunkte maß­ gebend gewesen. Ohne daß es in meiner Absicht liegen konnte, mit den größeren selbständigen Kommentaren über das Strafgesetzbuch und über die Strafprozeßordnung in Konkurrenz zu treten, oder eine vollständige Sammlung der noch neben dem Strafgesetzbuche in Preußen gellenden Strafgesetze zu liefern, so sollte doch so viel Material geboten werden, um in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle die Zurhandnahme noch anderer Bücher entbehrlich zu machen. Aber der Wunsch, recht viel zu geben, mußte seine natürliche Einschränkung in der Rücksicht finden, daß dem Buche nicht durch einen zu großen Um­ fang die handliche Form geraubt werden dürfe, welche für ein Vademecum des Kriminalisten, wie es hier geschaffen werden sollte, ganz

unerläßlich schien. Hauptsächlich aus diesem letzteren Grunde mußte auch von dem Gedanken, ein Handbuch für das Gebiet des ganzen Deutschen Reiches herzustellen, abgesehen werden. Eine bloße Sammlung der Reichs­ gesetze würde nämlich dem praktischen Bedürfnisse nirgends und nament­ lich nicht in Preußen genügt haben. Eine Sammlung der Partikular­ strafgesetze aber, wenn auch nur der erheblicheren, würde den Charakter

und das Wesen des Buches total verändert haben. Sollte deshalb auf einem möglichst geringen Raume etwas möglichst Vollständiges dar­ geboten werden, so war die Beschränkung auf das preußische Rechts­ gebiet nicht zu vermeiden. Marienwerder im Mai 1879.

A Dalckr

Vorwort zur vierzehnten Auflage. Im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Reform des Straf­ prozesses und des Strafrechts mag die Herausgabe einer neuen Auf­ lage gewagt erscheinen. Indessen, wenn auch unter dem Zwange der Verhältnisse den neuen Gesetzentwürfen voraussichtlich ein besseres Schicksal beschieden sein dürfte, als den früheren Entwürfen, so werden doch die Strafprozeßordnung und das Strafgesetzbuch in ihrer jetzigen Gestalt noch mehrere Jahre ihre Geltung behalten. Deshalb wird hoffentlich diese neue Auflage nicht unwillkommen sein. Auch sie ist wie die früheren Auflagen nach dem Stande der neuesten Gesetzgebung und Rechtsprechung vervollständigt. Um Raum für den seit dem Er­ scheinen der letzten Auflage stark angeschwollenen Kommentar zu ge­ winnen, sind das Gesetz über die Verletzung der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter vom 24. April 1854 sowie die Erläuterungen zum Vereinsgesetze fortgelassen. Beide Gesetze haben im wesentlichen ihre Bedeutung verloren. Neu ausgenommen sind das Gesetz für Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 21. Oktober 1917, die Anordnung zur Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter vom 23. November 1918 und die Verordnung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 11. Dezember 1918. In dem Anhang sind an Stelle der Allgemeinen Verfügung vom 14. August 1879 die All­ gemeinen Verfügungen über die Zuständigkeit und das Verfahren in Gnadensachen vom 19. Juni und 26. August 1919 getreten. Die strasrechtlichen Bestimmungen des Fischereigesetzes vom 11. Mai 1916 und die Allgemeine Verfügung betr. bedingte Strafaussetzung vom 14. März 1917 hatten bereits in dem im vorigen Jahre erschienenen berichtigten Abdruck Aufnahme gefunden. Herrn Staatsanwalt vr. Fuhrmann in Lyck, der mich bei Be­ arbeitung auch dieser Auflage tatkräftig unterstützt hat, spreche ich wiederum meinen herzlichen Dank aus.

Eberswalde im November 1919.

P

Baidu.

Vorrede zur sechzehnten Auflage. Dem Titel des Buches entsprechend sind in dieser Auflage das Strafgesetzbuch und die strafrechtlichen Nebengesetze vorangestellt worden. Neu ausgenommen sind das Gesetz zur Erweiterung des An­ wendungsgebiets der Geldstrafe und zur Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen vom 21. Dezember 1921, die Verordnung über Sonder­ gerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei (Wuchergerichte) vom 27. November 1919 und die Verordnung zur Ausführung der Ver­ ordnung über Wuchergerichte von demselben Tage. An Stelle der Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle sind die Vorschriften der Reichsabgabenordnung über das polizeiliche Ver­ fahren abgedruckt. Ferner konnten noch Ausnahme finden das Gesetz zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 und die Strafbestim­

mungen des Rennweltgesetzes vom 8. April 1922. Der Kommentar ist nach dem Stande der neuesten Rechtsprechung vervollständigt, der zum Strafgesetzbuch ist an der Hand des grundlegenden Kommentars der Mitglieder des Reichsgerichts (der Kürze halber KR. zitiert) einer erneuten Durchsicht und Prüfung unterzogen worden. Herrn Staatsanwalt Dr. Fuhrmann spreche ich für die mir auch bei dieser Auflage gewährte Unterstützung meinen herzlichen Dank aus. Eberswalde im November 1922.

p Nalckr, Amtsgerichtsrat.

Übersicht -es Inhalts. I. Teil.

Strafrecht.

Seite

I. Einf.Ges. z. Strafgesetzbuch v. 31. Mai 1870 ........................ 1 II. Ges. zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Geldstrafe u. z. Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen v. 21. De­ zember 21.................................................................................... 4 III. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 15. Mai 1871 . . 6 mit: 1. dem Ges. gegen den Verrat militärischer Geheimnisse v. 3. Juni 1914................................................................................................. 47 2. dem Ges., betr. das Spiel in außerpreuß Lotterien, v. 29. August 1904 ................................................................................... 203 3. dem Ges., betr. die Losgesellschaften, die Veräußerung von Jnhaberpapieren mit Prämien und den Handel mit Lotterie­ losen, v. 19. Juli 1911................................................................. .205 4. den Strafbestimmungen des Ges., betr. die Abzahlungsge­ schäfte, v. 16. Mai 1894 ........................................................... 207 5. dem Ges. betr. die Wetten bei öffentl. veranstalteten Pferde­ rennen, v. 4. Juli 1905 ............................................................ 208 6. dem Ges., betr. Bestimmungen über den Wucher, v. 19. Juui 1893 ............................................................................................... 222 7. den Strafvorschriften (88 67—69) des Ges. über die Beur­ kundung des Personenstandes v. 6. Februar 1875 • • • 244 8. den Bestimmungen der Reichsverflcherungsordnung, v. 19. Juli 1911 und des Bersicherungsges. für Angestellte, v. 20. Dezember 1911 betr. die Quittungskarten und Marken- - 270 IV. Die Strafbestimmungen der Konkursordnung v. 10. Febr. 1877 mit den Strafbestimmungen des Depotgesetzes v. 5. Juli 1896 über den Bankrott (S. 280).............................. 288 V. Ges., betr. die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit, v. 9. April 1900 ........................................................................ 299

VI. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Ge­ brauch von Sprengstoffen, v. 9. Juni 1884 ........................ VII. Die strafrechtlichen Bestimmungen des Ges. über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, v. 3. Mai 1909 ....................................

303

....

311

VIII.

Auszug aus dem Bereinsgesetz v. 19. April 1908

301

Übersicht des Inhalts.

VII Seite

IX. Gesetz über die Presse v. 7. Mai 1874 mit dem Ges., betr. die Stimmzettel für öffentliche Wahlen, v. 12. Mürz 1884

(S. 309) ....

................................................................

314

X. Jagdordnung v. 15. Juli 1907 mit dem Ges. über die ..........................

332

XI. Gesetz, betr. den Forstdiebstahl, v. 15. April 1878 ....

346

Schonzeit der Robbe» v. 4. Dezbr. 1876

XII. Feld- und Forstpolizeigesetz v. 1. April 1880

........................

362

XIII. Auszug aus dem Fischereigesetzes v. 11. Mai 1916 ....

387

XIV. Vogelschutzgesetz v. 30. Mai 1908 ...............................................

397

XV. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich v. 21. Juni 1869

.

401

XV a. Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher

Arbeiter v. 23. November 1918..............................................515 XVI. Ges., betr. die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, v. 30. März 1903..................................................................................

519

XVII. Gesetz, betr. die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umher­

ziehen vom 3. Juli 1876 und den Abänderungen des Ges.

vom 4. Januar 1922

..........................................................

529

XVIII. Verordnung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom

11. Dezember 1918 XIX. Gesetz,

.

.

.....................................................545

betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genuß­

mitteln und Gebrauchsgegenständen, v. 14. Mai 1879 .

.

546

XX. Ges. gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. Juni 1909 .

.

561

XXL Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen v. 12. Mai 1894

580

II. Teil.

Strafprozeß.

XXII. Einf.Gesetz z. Gerichtsverfassungsges. v. 27. Jan. 1877

.

.

599

XXIII. Gerichtsverfassungsges. v. 27. Jan. 1877 ...................................

602

XXIV. Preuß. Ausführungsges. z. GVG., v. 24. April 1878 .

.

639

XXV. Einf.Ges. z. Strasprozeßordn. v. 1. Febr. 1877 .......................

646

XXVI. Strafprozeßordnung v. 1. Febr. 1877

649

. -.

.

XXVI a. Vorschriften der Reichsabgabenordnung über das gerichtliche

Verfahren, v. 13. Dezember 1919..............................................846 XXVII. Ges., betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, v. 23. April 1883 .........................................

851

XXVIII. Die Bestimmungen der Schiedsmannsordn. über die Sühneverhandl. bei Beleidigungen und Körperverletzungen, v.

29. März 1879

......................................................................

855

XXIX. Ges., betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren

freigesprochenen Personen, v. 20. Mai 1898 ........................

857

XXX. Ges., betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Unter­

suchungshaft, v. 14. Juli 1904 .........

861

VIII

Übersicht des Inhalts.

Seite XXXI. Verordnung über Sondergerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei, v. 27. Novbr. 1919........................................ 866

XXXII. Verordnung des Reichsjustizministers zur Ausführung der BO. unter XXX, v. 27. Novbr. 1919,.............................................. 873

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik, v. 21. Juli 1922....

876

XXXIV. Rennwett- und Lotteriegesetz, v. 8. April 1922 ........................

884

Anhang.

I. Allg. Vers, über die Zuständigkeit und das Ver­ fahren in Gnadensachen vom 19. Juni 1919 ..

887

I a. Allgem. Berfg. über die Zuständigkeit und das Verfahren in Gnadensachen vom 26. Aug. 1919

888

II. Allg. Berf., betr. die Bewilligung von Strafaus-

stand, v. 22. Dezember 1911.................................. 898 III. Allg. Berf. über die bedingte Aussetzung der

Sttafvollstreckung v. 19. Oktober 1920.

.

.

901

IV. Allg. Berf., betr. die von den Beamten der Staats­

anwaltschaft, von den Sttafvollstteckungsbehörden und in Privatklagesachen von den Amtsgerichten

an andere Behörden zu machenden Mitteilungen,

v. 29. April 1907

..............................................

915

V. Gesetz über beschränkte Auskunft aus dem Straf­

register und die Tilgung von Sttafvermerken v.

9. April 1920

....................................................

928

Sachregister........................................................................... 932

Erklärung -er Abkürzungen. A. AE. AG. AGO.

— = = —

Angeklagter. Allerh. Erlaß. Ausführungsgesetz. Allgem. Gerichtsordnung.

AKO. ALR. A.M. AV. BA. BayObLG.

= — = = — —

Allerh. Kab.-Ordre. Allgem. Landrecht. Anderer Meinung. Allgem. Verfügung. Annalen des Reichsgerichts, herausg. v. Blum. Erkenntnis des Bayrischen Obersten Landesgerichts.

BGB. BGBl. DIZ. DStZ. Entsch. Erk.

— — — = — —

Bürgerl. Gesetzbuch. Bundesgesetzblatt. Deutsche Juristenzeitung. Deutsche Strafrcchtszeitung. Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts. Erkenntnis eines Strafsenats des Reichsgerichts.

F.u.FPG. — Feld- und Forstpolizeigesetz. Frank — Strafgesetzbuch von R. Frank. 14. Aufl. GA. — Goltdammers Archiv für Strafrecht. GKG. GS. GVG. GewArch. JMBl. Johow

----— — — — =

Jur.W. ----KR. ----

KG. ----KGBl. —

Gerichtskostengesetz. Gesetzsammlung. Gerichtsversassungsgesetz. Gcwerbcarchiv. Justizministerialblatt. Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts, herausg. v. Johow und Ring. Juristische Wochenschrift. Das Reichsstrafgesetzbuch erläutert von Ebermayer, Eichelbaum, Lobe, Rosenberg. (Mitgliedern des Reichsgerichts.) Kammergericht. Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammer­ gerichts.

X

Erklärung der Abkürzungen.

LBG. — Ges. über die allg. Landesverwaltung. Löwe — Strafprozeßordnung von Löwe, herausgegeben von Rosenberg. 15. Aufl. LZ. — Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht. Lucas = Anleitung zur strafrechtlichen Praxis. Meyer-Allfeld — Lehrbuch des deutschen Strafrechts von Meyer, be­ arbeitet von Allfeld. MStGO. — Militärstrafgerichtsordnung v. 1. Dezbr. 1899. Müller — Die Preußische Justizverwaltung von H. Müller. 6. Aufl. Olshausen — Strafgesetzbuch von Olshausen. Herausgegeben von Zweigert. 10. Aufl. OR. — Oppenhoff, Rechtsprechung des preuß. Obertrib. OStA. = Ober-Staatsanwalt. OBG. — Ober-Verwaltungsgericht. R. — Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strass., herausg. v. d. Mitglied, der Reichsanwaltschast. RA. — Rechtsanwalt. Recht — Das Recht (Zeitschrift), herausg. von Soergel. RGBl. — Reichsgesetzblatt. StA. — Staatsanwalt bzw. Staatsanwaltschaft. Stenglein — Stenglein, Kommentar zu den strafrechtlichen SLebengesetzen, bearbeitet von Ebermayer, Galli, Linden­ berg. 4. Aufl. StGB. — Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. StPO. — Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich. BMBl. — Ministerialblatt für die innere Verwaltung. V. ----- Verordnung. Zentralbl. — Zentralblatt für das Deutsche Reich. ZPO. — Zivilprozeßordnung.

I. Teil.

Strafrecht.

I Linfiihrungsgesetz juui Ltrafgesetzbuch. Bom 31. Mat 1870. (BGBl. 1870 S. 196.)

§ 1 DaS Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (de» Norddeutschen Bund) tritt im ganzen Umfange des Bundesgebiete-mit dem 1. Januar 1872 (1871) in Kraft. § 2 Mit diesem Tage tritt das Reichs- (Bundes-) und LandeSstrafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, *) welche Gegenstand deS Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) find, außer Krafts) 1) Materien sind solche RechtSstoffe, die etner Mehrheit gedachter Strafbestimmungen ülS gemeinsames Schutz- oder Bekämpfungsziel zugrunde liegen. Köhler, Deutsches Strafrecht S. 148. Die allgemeinen Bestimmungen deS StGB, sind nicht Materie. Erk. v. 30. Mai 11, E. 45 S. 53. 2) Beseitigt ist hiernach die Vorschrift des § 28 des Ges. v. 8. Mai 1837 (Aufstellung einer zu hohen Braudschadensliquidation), Erk. v. 4. Dezbr. 80, E. 3 S. 84, ferner die §§ 2, 24 desselben Gesetzes durch das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag v. 30. Mai 08 (RGBl. S. 263). KG. v. 30. Juni 10, Johow 40 S. C 393. Desgl. § 20. Erk. v. 24. Juni 11, E. 45. S. 118. In Kraft geblieben ist ferner die Vorschrift wegen mutwilligen Querulierens (88 30, 31 der AGO. III Tit. 1), KR. Anm. V 4, Erk. v. 8. Dezbr. 83, E. 9 S. 357. Diese Vorschrift lautet: AGO. III 1 8 30. „Diejenigen Parteien, welche sich der vorgeschriebenen Ordnung nicht unterwerfen, sondern entweder die Kollegia und deren Vorgesetzte mit offenbar grundlosen und widerrechtlichen Beschwerden gegen beffere Wiffenschast und Überzeugung belästigen; oder nachdem sie ihres Unrechts gehörig be­ deutet worden, mit ihren Klagen dennoch fortfahren, und durch wiederholtes un­ gestümes Supplizieren, etwas, so gegen Recht und Ordnung ist, durchzusetzen und zu erzwingen suchen; oder die endlich gar das Justizdepartement, oder Sr. Königl. Majestät Allerhöchste Person mit falschen und unrichtigen Darstellungen ihrer Angelegenheiten, oder mit unwahren und erdichteten Beschuldigungen und Verunglimpfungen der Kollegien und Gerichte zu behelligen sich unterfangen, sollen als mutwillige oder boshafte Querulanten angesehen, ihnen der Prozeß gemacht, und über ihre Bestrafung rechtlich erkannt werden." 8 31. „Gegen einen solchen unbefugten Querulanten soll, nach Beschaffenheit der Umstände, des mehr oder minder offenbaren Ungrunds seiner Beschwerden, und des dabei erwiesenen Grades von Bosheit und Hartnäckigkeit, Gefängnis­ strafe oder Festungshaft.... von 14 Tagen bis zu 6 Monaten stattfinden." Vor Einleitung eines Verfahrens wegen Querulierens ist die Genehmigung deS OLGP. oder GStA. einzuholen. AB. v. 13. Dezbr. 15. Dalcke, Strafrecht.

16. Aust.

(1922).

1

2

L SiNführungSgesetz zum Strafgesetzbuch §§ 3—5.

In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften deS Reichs- (Bundes-) und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Mißbrauch deS Vereins- und BersammlungSrechtS und über den Holz- (Forst-) Diebstahl. BiS zum Erlasse eines Reichs- (Bundes-) gesetzeS über den Konkurs bleiben ferner diejenigen Strafvorschristen in Kraft, welche rücksichtlich deS Konkurses in Landesgesetzen enthalten sind, insoweit dieselben sich auf Handlungen beziehen, über welche daS Strafgesetzbuch für daS Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) nichts bestimmt. § 3. Wenn in Landesgesetzen auf straftechtliche Vorschriften, welche durch daS Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (den Norddeutschen »und) außer Kraft gesetzt sind, verwiesen wird, so treten die entsprechen­ den Vorschriften deS letzteren an die Stelle, der ersteren. § 4. BiS zum Erlasse -bei in den Artikeln 61 und 68 der Ver­ fassung deS Deutschen Reichs (Norddeutschen Bundes) vorbehaltenen Reichs(Bundes-) gesetze sind die in den §§ 81, 88, 90, 307, 311, 312, 315, 322, 323 und 324 des Strafgesetzbuchs für daS Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Teile deS Bundesge­ bietes, welchen der Kaiser (Bundesfeidherr) in Kriegszustand (Art. 68 der Verfassung) erklärt hat, oder während eines gegen das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) auSgebrochenen Krieges auf dem KriegSsHauplatze begangen werden.8) § 5. In landesgesetzltchen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für daS Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) sind, darf nur Gefängnis bis zu zwei Jahren, Hast, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Ämter angedroht werden. Ebenso hält daS RG. den § 270 des früheren preuß. StGB. (Abhalten von Bietern bei Versteigerungen) noch für zu Recht bestehend, Erk. v. 27. März 84, E. 10 S. 221; v. 10. Dezbr. 88, R. 10 S. 713; v. 18. März 95, E. 27 S. 106; v. 6. Oktbr. 02, E. 35 S. 393, u. v. 3. Mai 04, E. 37 S. 139. S. a. Johow 25 S.090. Der § lautet: Wer andere vom Mitbielen oder Weiterbieten bei den von öffentlichen Behörden oder Beamten vorgenommenen Versteigerungen, dieselben mögen Verkäufe, Verpachtungen, Lieferungen, Unternehmungen oder Geschäfte irgend einer Art betreffen, durch Gewalt oder Drohung, oder durch Zusicherung oder Gewährung eines Vorteils abhält, wird mit Geldbuße bis zu 300 Talern oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Über den Tatbestand des Vergehens aus § 270: Erk. v. 9. Juli 97, GA. 45 S. 360 u. KG. v. 20. April 17 Recht 21 S. 290. Siehe auch M. v. 21. Sept. 06, E. 39 S. 134. 3) Siehe Ges. v. 4. Juni 51 über Verhängung des Kriegszustandes. GS. S. 451.)

I. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch 88 6—8. § 6.

3

Bom 1. Januar 1872 (is?i) ab darf nur auf die im Straf-

gesetzbuche für das Deutsche Reich (ben Norddeutschen Build) enthaltenen

Strafarten erkannt werden.*) Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängnis- oder Geldstrafe

Forst- oder Gemeindearbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält

es hierbei sein Bewenden. § 7.

Vom 1. Januar 1872 (i8?i) ab verjähren Zuwiderhand­

lungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Branntwein­ steuer, der Biersteuer und der Postgefälle in drei Jahren. § 8. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, Übergangs­ bestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Landesstraf­

gesetze mit den Vorschriften des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) in Übereinst immuntz zu bringen.

4) Wo also ein preuß. Ges. eine Gefängnisstrafe bis zu 6 Wochen be­ droht, ist jetzt auf Haft zu erkennen. Erk. v. 27. Novbr. 85, E. 13 S. 93.

II. Gesetz zur Erweiterung Les Anwendungsgebiets -er Geldstrafe und zur Einschränkung -er kurzen Freiheitsstrafen?) Vom 21. Dezember 1921. (RGBl. S. 1604.)

§ 1. Der Höchstbetrag der Geldstrafen, die in reichs- oder landes­ rechtlichen Strafvorschristen bei Verbrechen, Vergehen oder Über­ tretungen angedroht sind, wird auf das Zehnfache, bei Verbrechen oder Vergehen aber auf mindestens 100000 Mark erhöht. Ermächtigt das Reichsrecht oder das Landesrecht eine Behörde oder einen Beamten Strafvorschriften zu erlassen und darin Geldstrafen bis zu einem be­ stimmten Höchstbetrag anzudrohen, so wird der zugelassene Höchstbetrag auf das Zehnfache erhöht. Die Vorschriften des Absatz 1 gellen nicht, wenn die angedrohte Geldstrafe in dem Mehrfachen eines bestimmten Betrags besteht. Der Höchstbetrag der in reichs- oder landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Bußen wird auf das Zehnfache erhöht. § 2. Das Strafgesetzbuch wird geändert, wie folgt1 2): Soweit in reichs- oder landesrechtlichen Strafvorschriften der Höchstbetrag der Geldstrafe, die für einen Tag Freiheitsstrafe anzusetzen ist, besonders bestimmt ist, wird er auf den zehnfachen Betrag erhöht. § 3 Ist für ein Vergehen, für das nach den bestehenden Vor­ schriften Geldstrafe überhaupt nicht oder nur neben Freiheitsstrafe zu­ lässig ist, Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten verwirkt, so ist an Stelle der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu einhunderi­ fünfzigtausend Mark zu erkennen, wenn der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann. Soweit die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, tritt die verwirkte Freiheitsstrafe an ihre Stelle. Bei der Umwandlung ist das Gericht an den Maßstab des § 29 des Strafgesetzbuchs nicht gebunden. § 4. Bei der Festsetzung der Geldstrafe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. 1) Hierzu ergangen AB. v. 22. Dezbr. 21 (JMBl. S. 665), welche auch die Begründung zu dem Gesetz enthält, sowie v. 8. März 22 (JMBl. S. 69). 2) Die Änderungen sind bei den einzelnen Paragraphen des StGB,

berücksichtigt.

II. Ges. z. Eiweiler, d. Anwendungsgebiets d. Geldstrafe usw. 885—10.

5

§ 5. Ist dem Verurteilten nach seinen wirtschaftlichen Verhält­ nissen nicht zuzumuten, daß er die Geldstrafe sofort zahlt, so kann ihm das Gericht eine Frist bewilligen oder gestatten, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann diese Vergünstigungen auch nach dem Urteil be­ willigen. Es kann seine Entschließungen nachträglich ändern. Leistet der Verurteilte die Teilzahlungen nicht rechtzeitig oder bessern sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich, so kann das Gericht die Ver­

günstigung widerrufen. Auf die nach Abs. 2 zu treffenden Entscheidungen findet § 494 der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung. § 6. Soweit die Geldstrafe nicht bezahlt wird, ist sie beizutreiben. Der Versuch, die Geldstrafe betzutreiben, kann unterbleiben, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Ver­ mögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann. § 7. Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Das Nähere regelt die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats. Soweit dies nicht geschieht, sind die obersten Landes­ behörden ermächtigt, das Nähere zu regeln. § 8. Nach Anhörung der Staatsanwaltschaft kann das Gericht (§ 494 StPO.) anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzsreiheitsstrase unterbleibt, wenn der Verurteilte ohne sein Verschulden außer­ stande ist, die Geldstrafe zu zahlen oder durch freie Arbeit zu tilgen. 8 9. Die Vorschriften des Militärstrafgesetzbuchs werden durch dieses Gesetz nicht berührt. § 10. Das Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1922 in Kraft. Ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes wegen eines Vergehens, wegen dessen nach den bestehenden Vorschriften auf Freiheitsstrafe er­ kannt werden mußte, auf eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten erkannt worden, so kann das Gericht (§ 494 StPO.) dem Verurteilten auf seinen Antrag gestatten, die Freiheitsstrafe, soweit sie noch nicht verbüßt ist, durch Zahlung einer Geldstrafe bis zu ein­ hundertfünfzigtausend Mark abzuwenden; dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung, durch welche die Strafe festgesetzt worden ist, erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig wird. 8 3 Abs. 2 gilt entsprechend.

III. Strafgesetzbuch für bar Deutsche Reich. Bom 16. Mat 1871. (RGBl. 1876 S. 40.)

Das Strafgesetzbuch ist in derjenigen Fassung mitgetetll, welche dasselbe durch die nachstehend aufgesührten Abänderung-- und Er­ gänzungsgesetze erhalten hat. 1. Ges. v. 10. DeÄr. 1871 (RGBl. S. 442), betr. Einschaltung des § 130 a. [2. Ges. v. 26. Febr. 1876 (RGBl. S. 25), betr. Abänderung von Bestimmungen des StGB, und die Ergänzung desselben. Q 3. Ges. v. 10. Febr. 1877 (RGBl. S. 390), betr. die Einführung der Konkursordnung. 4. Ges. v. 24. Mai 1880 (RGBl. S. 109), betr. den Wucher. 5. Ges. v. 5. April 1888 (RGBl. S. 133), betr. die unter Aus­ schließung der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen

(Ergänzung des Z 184). 6. Ges. v. 13. Mat 1891 (RGBl. S. 107), betr. die Abänderungen von Bestimmungen des StGB. 7. Ges. v. 26. März 1893 (RGBl. S. 133), betr. die Abänderung des § 69. 8. Ges. v. 19. Juni 1893 (RGBl. S. 197), betr. Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher. 9. Ges. v. 3. Juli 1893 (RGBl. S. 205) gegm den Berra militärischer Geheimnisse. 10. Ges. v. 12. März 1894 (RGBl. S. 259), betr. die Änderung des Ges. über den Unterstützungswohnsitz und die Ergänzung des StGB. 11. Einf.Ges. zum BGB. v. 18. August 1896 (RGBl. S. 604). 12. Ges. v. 27. Dezbr. 1899 (RGBl. S. 729), betr. Abänderung des § 316. 13. Ges. v. 25. Juni 1900 (RGBl. S. 301), betr. Änderungen

und Ergänzungen des StGB. 14. Ges. v. 19. Juni 1912 (RGBl. S. 395), betr. Änderung des

StGB. 15. Ges. v. 23. Dezember Glücksspiel.

1919

(RGBl.

S. 2145)

gegen das

Einleitende" Bestimmungen §§ 1—3.

7

16. Ges. v. 21. Dezember 1921 (RGBl. S. 1604) zur Erweiterung des Anwendungsgebietes der Geldstrafe und zur Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen.

Einleitende Bestimmungen. § 1. Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungs­ haft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Berbrechen?) Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe von mehr als eintausendfünfhundert Mark bedrohte Handlung ist ein Vergehen. Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert u) Mark bedrohte Handlung ist eine Übertretung. § 2 Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Hand­ lung begangen wurde.lb) Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Hand­

lung bis zu deren Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.a) § 3. Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle lut Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Täter ein Ausländer ist.31) 2 1) Für die Zuständigkeit der Gerichte ist diese Einteilung nicht maßgebend. Die Zuständigkeit ist durch das am 1. April 1921 in Kraft getretene Entlastungsgesetz geändert. la) Siehe Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. lb) Der Richter hat zu prüfen, ob die Verkündung des Gesetzes in verfassungsmäßiger Weise erfolgt ist. KR. Anm. 3 Abs. 2. 2) Der & 2 Abs. 2 ist in solchen Fällen nicht anwendbar, wo eine Ände­ rung der Rechksanschauung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit oder deren Muß nicht eingetreten ist, Erk. v. 24. Mai 17, E. 50 S. 401; auch nicht wo die Änderung des Gesetzes sich auf Umstände bezieht, die zwar Voraussetzungen der Strafbarkeit, aber nicht Tatbestandsmcrkmale sind. Erk. v. 1. März 00, E. 33 S. 185. Siehe aber Erk. v. 7. Novbr. 12, E. 46 S. 269 u. v. 26. Juni 99 E. 32 S. 247, welche die Vorschrift im Falle mangelnden Strafantrages bzw. im Falle der Verjährung für anwendbar halten. Als Zeitpunkt der begangenen Handlung gilt derjenige, in dem die Straftat zum Abschluß ge­ langt ist. Erk. v. 5. Mai 02. Recht 6 S. 300. Dies gilt auch in Fällen der fortgesetzten strafbaren Handlung. Erk. v. 6. Mai 10, E. 43 S. 355. Die­ jenigen Tätigkeitsatte, die vor dem strafrechtlichen Verbot begangen sind, haben auszuscheiden. Erk. v. 23. Septbr. 10, E. 44 S. 273. — Zeitpunkt der Verkündung eines Reichsgesetzes ist lediglich der Tag, an dem tatsächlich das RGBl, ausgegeben ist. BayObLG. v. 1. Dezbr. 21, DIZ. 27 S. 136. 3) Die Handlung ist auch dann im Jnlande verübt, wenn nur ein Teil der Tätigkeit des Angetl. im Inlands erfolgt ist und der Erfolg im Auslande zur Erscheinung gekommen ist. Plen.Entsch. v. ll. Febr. 86, E. 13 S. 337. Vgl.

8

III. Strafgesetzbuch § 4.

§ 4

Wegen der im Auslande begangenen Derbrechen und Der-

gehen findet in der Regel keine Verfolgung statt. *)

Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden: 1. ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverräterische

Handlung

gegen

das

Deutsche

Reich

oder

einen

Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen

Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im

Amte anzusehen ist;

2. ein Deutscher, welcher im Auslande eine landesverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat oder eine Beleidigung gegen einen Bundesfürstcn begangen hat; 3. ein Deutscher, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder

Vergehen avzusehen und durch die Gesetze deS Orts, an welchem fie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist.6* )* * 4 5 Erk. v. 4. Jan. 08, E. 41 S. 37. Die im Jnlande geleistete Beihilfe zu einem im Auslande verübten Berbrechen ist nach inländ. Recht zu bestrafen. Erk. v. 14. Juni 83, E. 9 S. 10. Ebenso ist die im Auslande geleistete Beihilfe zu der im Jnlande begangenen Tat nach inländ. Ges. zu bestrafen. Erk. v. 24. Juni 84, E. 11 S. 20, u. Erk. v. 18. März 89, E. 19 S. 147. Auch die im AuSlande betätigte Anstiftung zu einer im Gebiete des Deutschen Reichs verübten Tat ist als im Jnlande verübt anzusehen. Erk. v. 14. Juni 94, E. 25 S. 424. Desgl. ist mittelbare Täterschaft strafbar, auch wenn die Tat im Auslande begangen und dort nicht strafbar ist. Erk. v. 4. Juni 17, E. 51 S. 9. Eine auf einem Deutschen Schiffe auf hoher See verübte Tat ist nach Deutschem Recht zu bestrafen. Erk. v. 18. Juni 89, GA. 37 S. 288, u. Erk. v. 21. Oktbr. 92, E. 23 S. 266. Das Gesandtschaftshötel ist als Inland anzu­ sehen. KG. v. 26. Juli 99, JMBl. 00 S. 597. Die Bedrohung eines Ausländers durch einen Ausländer mittels eines imJnlande geschriebenen Briefes kann hier bestraft werden. Erk. v. 6. Mai 97,(5.30 98. Die Versendung einer nach § 184 Nr. 3 strafbaren Druckschrift in daS Ausland ist ftrafbar, wenn auch die Ankündigung dort straflos ist. Erk. v. 16. Dzbr. 13, E. 48 S. 60. 4) Ob bei den von einem Deutschen, im Ausl, verübten Verbrechen die Voraussetzungen der §§ 4 u. 5 vorliegen, haben die Geschworenen und nicht das Gericht zu entscheiden. Erk. v. 14. Jan. 86, R. 8 S. 51. 5) Unter welchem recht!. Gesichtspunkte die Tat im AuSl. strafbar ist, ist un­ erheblich. Erk. v. 9. Jan. 82, E. 5 S. 424. Es ist nicht erforderlich, daß die Strafbarkeitsmerkmale nach dem deutschen und dem ausl. Recht völlig über­ einstimmen , im Urteil müssen aber die Tatbestandsmerkmale nicht nur des in­ ländischen, sondern auch des ausländischen Rechts festgestellt werden. Erk. v. 9. Febr. 05, Recht 9 S. 139. Der deutsche Richter ist zur Anwendung der fremdländischen Grundsätze über Berbrechenskonkurrenz nicht verpflichtet. Erk. v. 11. Mai 09, E. 42 S. 330. Für Entscheidung einer privatrechtl. Borfrage maßgebend. Erk. v. 1. April 95, E. 27 S. 135.

Einleitende Bestimmungen §§ 5—12.

9

Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Täter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher war.

In diesem Falle bedarf eS

jedoch eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen worden, und das ausländische Straf­

gesetz ist anzuwenden, soweit dieses milder ist. § 5.

Im Falle des 8 4 Nr. 3 bleibt die Verfolgung ausge­

schlossen, wenn

1. von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechts­

kräftig erkannt und entweder eine Freisprechung erfolgt oder die aus­ gesprochene Strafe vollzogen/) 2. die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Ge­

setzen des Auslandes verjährt?) oder die Strafe erlassen, oder 3. der nach den Gesetzen des Auslandes zur Verfolgbarkeit der

Handlung erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist.®) § 6. Im Auslande begangene Übertretungen sind nur dann

zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist.0)

§ 7.

Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben

Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals, eine Verurteilung

erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen.10) § 8.

Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum

Deutschen Reich gehörige Gebiet. 88 9-12.")

6) Vollzogen ist die Strafe nur dann, wenn ste ganz zur Vollstreckung ge­ langt ist. Erk. v. 15. Novbr. 87, E. 16 S. 319. * Diese Vorschrift bezieht sich aber nur auf die im Auslande begangenen Straftaten, nicht auch auf die, welche teilweise im Jnlande begangen sind. Erk. v. 15. Dez. 08, DIZ. 14 S. 436. Die Einstellung steht im Sinne dieser Vorschrift der Freisprechung nicht gleich. Erk. v. 26. Juni 14, GA. 62 S. 161. 7) Die Frage der Verjährung richtet sich nach ausl. Recht. KR. Anm. zu Nr. 2. 8) Der Antrag muß bei der ausländischen Behörde gestellt und darf nicht zurückgenommen sein. Erk. v. 22. Apr. 11, E. 44 S. 433. Nach dem Erk. v. 21. Jan. 15, Recht 19 Nr 966 ist er bei der Deutschen Behörde und in den Formen des Deutschen , Rechts zu stellen. 9) Die Frage, ob eine Übertretung vorpegt, ist nach inländ. Recht zu ent­ scheiden. Erk. v. 17. Dezbr. 88, E. 18 S. 298. 10) Hat der ausländische Richter auf eine Gesamtstrafe erkannt, ohne Einzel­ strafen festzusetzen, so muß die im Ausland erkannte Strafe auf die einzelnen Straffälle nach dem subsidiären Ermessen des inländ. Richters verteilt werden. Erk. v. 17. Dezbr. 01, E. 35 S. 41. Der ausländische Richter kann nicht dar­ über vernommen werden, ob er bei seiner Verurteilung den der inländischen Ab­ urteilung unterliegenden Tatbestand mit abgeurteilt habe. Erk. v. 22. Dez. 08, Recht 13 Nr. 392. 11) Die 88 9—12 sind, da ihre Aufhebung bevorfteht, fortgelafsen.

10

III. Gtrafgesetzbuch §8 18—17.

l. Teil, von -er Bestrafung -er verbrechen, vergehen «nd Vbrrtrrtnngeu im allgemeinen. 1. Abschnitt.

Strafen.")

§ 13. § 14.

Die Todesstrafe ist durch. Enthauptung zu vollstrecken.u) Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn") Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr. Wo daS Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich alS eine lebenslängliche audroht, ist dieselbe eine zeitige.

§ 15. Die zur Zuchthausstrafe Verurteilten sind in der Straf­ anstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, insbesondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. § 16. Der Höchstbetrag der Gefängnisstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die zur Gefängnisstrafe Verurteilten können in einer Gefangen­ anstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemeffene Weise be­ schäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig. § 17. Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist funfec^t") Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. 12) Folgende Sonderbestimmungen des MStGB. sind zu beachten: Wird auf Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen erkannt, so besteht die Strafe in Arrest. Auf Arrest kann nur bis zur Höchstdausr von 6 Wochen erkannt werden. Die Arreststrafe besteht entweder in Stubenarrest, mittlerem oder gelindem Arrest. Die Art deS Arrestes muß im Urteil stets bezeichnet werden. Die Strafe deS „strengen" Arrestes ist beseitigt. Gegen Unteroffiziere mit Portepee bars nur auf gelinden Arrest erkannt werden. Der Stubenarrest findet gegen Offiziere statt (AB. v. 3. Jull 21, JMBl. S. 373). Siehe auch die weitere AB. v. 25. Novbr. 21 (JMBl. 590). 13) Die Enthauptung erfolgt nach der MO. v. 19. Juni 1811 durch das Beil, in der Rheinprovinz nach der AKO. v. 17.Aug. 1818 und in der Pro­ vinz Hannover nach dem Ges. v. 31. Dezbr. 59 durch das Fallschwert (Hann. GS. 1859 S. 953). 14) Es kann auf mehr als 15 Jahre erkannt werden, wenn mehrere Ber­ brechen, aber nicht die Voraussetzungen des 8 79 vorliegen. Erk. v. 5. April 81, E. 4 S. 53.

Strafen §§ 18—21.

11

Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebens­ längliche androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft14a) besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen. § 18. Der Höchstbetrag der Hast ist sechs Wochen, ihr Mindest­ betrag Ein Tag. Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung. § 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet. Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen be­ messen werden.16 * *) 15 § 20 Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungs­ haft gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehr­ losen Gesinnung entsprungen ist. § 21 Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Ge­ fängnisstrafe, achtmonatliche Gefängnisstrafe einer einjährigen Festungs­ haft gleich zu achten.16) 14a) Über die Vollstreckung von Festungshaft siehe AB. v. 20. Juli 21

(JMBl. S. 410). 15) Wenn neben einer Zuchthausstrafe eine Gefängnisstrafe erkannt wird, welche als Zusatzstrafe oder zur Bildung einer Gesamtstrafe auf Zuchthaus zu reduzieren ist, so kann auch eine Bemeffung der Zuchthausstrafe nach Tagen ein­ treten, Erk. v. 13. April 81, E. 4 S. 161. Bei Bemessung einer Gesamtstrafe mehrerer konkurrierender mit Zuchth. zu bestrafender Verbrechen darf nicht unter einen vollen Monat Zuchth. herabgegangen werden. Erk. v. 29. Jan. 83, R. 5 S. 63. Eine Bemessung der Strafe nach Bruchteilen eines Tages, Mo­ nats oder Jahres ist nicht zulässig. Erk. v. 9. Juni 87, R. 9 S. 369, u. Erk. v. 21. Dezbr. 83, E. 10 S. 22. Siehe auch Sinnt. 18. Bleibt der nicht beitreibliche Rest einer Geldstrafe hinter der Höhe des Betrages, für welchen im Urteil ein Tag Freiheitsstrafe unterstellt ist, zurück, so ist der Restbetrag zurück­ zuzahlen, die Umwandlung nach dem Urteil vorzunehmen und die Freiheits­ strafe zu vollstrecken. OLG. Breslau v. 2Ö./28. Febr. 02, GA. 50 S. 295. AM. KG. v. 27. März 13, GA. 60 S. 477. Will die Strafvollstreckungs­ behörde einem darauf gerichteten Ersuchen nicht stattgeben, so ist eine Entscheidung gemäß, 8 490 StPO, herbeizuführen. AB. v. 22. Mai 14 (JMBl. S. 539). Über die Berechnung der Strafzeit, wenn die Vollstreckung unterbrochen

gewesen, siehe GA. 45 S. 290 u. GA. 49 S. 301. 16) Diese Bestimmung ordnet nur das Verhältnis der verschiedenen Strafen zueinander, bestimmt aber nicht, in welchen Fällen auf Zuchthaus statt Gefängnis zu erkennen ist. Erk. v. 30. Novbr. 80, R. 2 S. 583. Über die Berechnung der Strafe, wenn ein zu Gefängnisstrafe Verurteilter nach Antritt dieser Strafe zu einer Gesamtzuchthausstrafe verurteilt wird, siehe GA. 49 S. 316.

12

III. Strafgesetzbuch §§ 22—28.

§ 22. Die Zuchthaus- und Gefängnisstrafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Teil der erkannten Strafzeit in der Weise in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen gesondert gehalten wird. Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen. § 23. Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe Verurteilten können, wenn sie drei Vierteile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden.*?) § 24. Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auf­ erlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vorläufigen Entlassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zett auf die fest­ gesetzte Strafdauer nicht angerechnet wird. § 25. Der Beschluß über die vorläufige Entlassung, sowie über einen Widerruf ergeht von der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde. Bor dem Beschluß über die Entlassung ist die Gesängntsverwaltung zu hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizeibehörde des Orts, an welchem der Entlassene sich aufhält, verfügt werden. Der Beschluß über den endgültigen Widerruf ist sofort uachzusuchen. Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Festnahme erfolgt. § 26. Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt die Freiheits­ strafe als vexbüßt. § 27. Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Berbrechen und Vergehen drei Mark, bei Übertretungen Eine Mark.17 18) § 28. Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Gefängnis und, wenn sie wegen einer Übertretung erkannt worden ist, in Hast

umzuwandeln. 17) Ist bei Berechnung der Dauer der Strafe auch eine Ersatzfreiheitsstrafe einbezogen, so ist die Vollstreckung der Geldstrafe auch dann unzulässig, wenn die festgesetzte Strafzeit noch nicht abgelaufen ist. KG.v. 21. Dezbr. 17, GA. 65 S. 375. 18) Eine Geldstrafe von weniger als einer Mark, welche nach einzelnen Gesetzen zulässig ist, kann nicht in Freiheitsstrafe umgewandelt werden. Erk. v. 9. Juni 87, R 9 S. 369. Auch wenn die Geldstrafe für ein vollendetes Ver­ brechen nur auf drei Mark bemessen ist, kann im Falle eines bloßen Versuchs auf keine geringere Geldstrafe erkannt werden. Erk. v. 28. Juni 88, R. 10 S. 454. Wegen des Höchstbetrages der Geldstrafen siehe 8 1 deS Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II.

Ist bei einem Vergehen Geldstrafe allein oder an erster Stelle, oder wahlweise neben Haft angedroht, so kann die Geldstrafe in Haft umgewandett werden, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von sechstausend u) Mark und die an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die Dauer von sechs Wochen übersteigt.ie) War neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die an deren Stelle tretende Gefängnisstrafe nach Maßgabe des § 21 in Zuchthausstrafe umzuwandeln.19 20)21 Der Verurteilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrags, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren sreimachen. § 29. Bet Umwandlung einer wegen eines Verbrechens oder Vergehens erkannten Geldstrafe ist der Betrag von drei bis zu fünf­ zehn Mark, bei Umwandlung einer wegen einer Übertretung erkannten

Geldstrafe der Betrag von einer bis zu einhundertundfünfzigla) Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten. 20B) Der Mindestbetrag der an Stelle einer Geldstrafe tretenden Frei­ heitsstrafe ist Ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei Gefängnis Ein Jahr?od) Wenn jedoch eine neben der Geldstrafe wahl­ weise angedrohte Freiheitsstrafe ihrer Dauer nach den vorgedachten Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe den angedrohten Höchstbetrag jener Freiheitsstrafe nicht übersteigen.2') § 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann voll­ streckt werden, wenn das Urteil bet Lebzeiten des Verurteilten rechts­ kräftig geworden war. § 31. Die Verurteilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde 19) Bei Umwandlung einer Geldstrafe in Freiheitsstrafe kann die letztere auch nach Monaten bemessen werden, auch braucht ein Tag Freiheitsstrafe nicht notwendig einer bestimmten nach Mark abgerundeten und keinen Bruchteil ent­ haltenden Summe zu entsprechen. Erk. v. 27. Novbr. 84, E. 11 S. 272. 20) Es muß also die Geldstrafe zunächst in Gefängnisstrafe u. diese nach 8 21 in Zuchthausstrafe umgewandelt werden. Erk. v. 2. April 94, E. 25 S. 233. Geldstrafen, die neben Gefängnisstrafen erkannt sind, dürfen nicht in Zuchthausstrafen umgewandelt werden, auch wenn die Gefängnisstrafen in Zuchthausstrafen umgewandelt werden. Erk. v. 9. April 20, E. 54 S. 296. 20a) Eine Festsetzung aus Abs. 1 ermangelt aller Bedeutung, wenn das Höchstmaß aus Abs. 2 überschritten würde. Erk. v. 3. Oktbr. 19, E. 54 S. 24. Erk. v. 27. Mai 21, E. 56 S. 67. Siehe jetzt 8 3 d. Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 20b) Auch bei dem Zusanunentreffen mehrerer wegen selbständiger Straf­ taten erkannter Geldstrafen. Erk. v. 12. Juli 17, E. 51 S. 176. 21) Der Grundsatz des 8 29 gilt nicht bloß für den erkennenden Richter, sondern ist auch bei der Strafvollstreckung maßgebend. GA. 3J S. 446.

14

III. Strafgesetzbuch §§ 31—34.

Unfähigkeit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der (Kaiserlichen) Marine, sowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter von Rechts wegen zur Folge. Unter öffentlichen Ämtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Advokatur, die Anwaltschaft und das Notariat, sowie der Geschworenenund Schöffendienst mitbegriffen. § 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe22)23kann 24 aus den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefängnisstrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder die Gefängnisstrafe wegen An­ nahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausge­ sprochen wird.2a) Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängnisstrafe min­ destens Ein Jahr und höchstens fünf Jahre. § 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffent­ lichen Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen.2*) § 34 Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urteile bestimmten Zeit 1. die Landeskokarde zu tragen; 2. in das Deutsche Heer oder in die (Kaiserliche) Marine einzutreten; 3. öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen; 4. in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; 5 Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein; 6. Vormund, Gegenvormund, Pfleger, Beistand der Mutter, Mitglied eines Familienrats oder Kurator zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handele und die obervormund­ schaftliche Behörde oder der Familienrat die Genehmigung erteile. 22) Neben lebenslänglicher Zuchthausstrafe kann Ehrverlust nur auf die Lebensdauer und nicht auf bestimmte Zeit ausgesprochen werden. Erk. v. 10. März 87, R. 9 S. 175. 23) Bei Meineid (^161), schwerer Kuppelei (§ 181) und gewerbsmäßigem Wucher (§ 302 ä) muß auf Verlust der bürgerl. Ehrenrechte erkannt werden. — Wenn als ordentliche Strafe wahlweise Zuchthaus oder Gefängnis an­ gedroht ist, so kann bei Annahme m. U. neben der Gefängnisstrafe nicht auf Verlust der Ehrenrechte erkannt werden. Erk. v. 5. Juni 94, E. 25 S. 408. 24) Wegen Verlustes der Orden rc. s. AB. v. 23. April 75 (JMBl. S. 105). Neben Verlust der Ehrenrechte darf nicht gleichzeitig noch auf Unfähigkeit zu öffentlichen Ämtern ersannt werden. Erk. v. 12. Dezbr. 90, E. 21 S. 264.

Strafen 98 35—39.

§ 35

16

Neben einer Gefängnisstrafe, mit welcher die Aberkennung

der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter hat den dauernden Verlust der bekleideten Ämter von Rechts wegen

zur Folge. § 36. Die Wirkung der Aberkennung der bürgerlichen Ehren­ rechte überhaupt, sowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter insbesondere, tritt mit der Rechtskraft des Urteils ein; die Zeitdauer wird von dem Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben welcher jene Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt, ver­ jährt oder erlassen ist. § 37 Ist ein Deutscher im Auslande wegen eines Verbrechen­ oder Vergehens bestraft worden, welches nach den Gesetzen des Deut­ schen Reichs den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann, so ist ein neues Strafverfahren zulässig, um gegen den in diesem Verfahren für schuldig Erklärten auf 'jene Folge zu er­ kennen. 2B) § 38. Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Ge­ setz vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht ererkannt werden. Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Er­ kenntnis die Befugnis, nach Anhörung der Gefängnisverwaltung den Verurteilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter PolizeiAufsicht zu stellen.2«)

Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheits­ strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. § 39. Die Polizei-Aufsicht hat folgende Wirkungen:2'') 1. dem Verurteilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizetbehörde untersagt werden;2«) 25) Die auf Grund dieses § erfolgte Aberkennung der b. E. ist keine Strafe, welche die Voraussetzungen des Rückfalls enthält. Erk. v 7. Juli 90, E. 21 S. 35. 26) Behauptet der Verurteilte zu Unrecht unter Polizeiauffscht gestellt zu sein, so hat richterliche Entscheidung zu erfolgen. Löwe, Anm. 3 zu 8 490 StPO. A. M. Ols Hausen, Anm. 14. KR. Anm. 4 am Ende. . 27) Vgl. Beschlüsse des Bundesr. v. 16. Juni 72, Zentralbl. S. 1967, u. v. 27. April 73 über Bekanntm. der Ausweisung von Ausländern. Siehe auch AB. v. 23. Juli 00 betr. die Ausführung der in §§ 38, 39 enthaltenen Vorschriften. (JMBl. S. 525). 28) Eine solche Verfügung kann nicht mittels Beschwerde bei dem ordent­ lichen Gericht angefochten werden. OVG. v. 2. Novbr. 09, GA. 58 S. 207.

16

IIT. Strafgesetzbuch § 40. 2. die höhere Laudespolizetbehörde ist befugt, den Ausländer aus

dem Bundesgebiete zu verweisen;

3. Haussuchungen unterliegen keiner Beschränkung hinsichtlich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen.

§ 40.

Gegenstände, r») welche durch ein vorsätzliches Berbrechen

oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vor­

sätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind,so),

können- sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer3l 29)32 30gehören, ein­

gezogen werden.33) 29) Hierzu gehören nicht Rechte und somit auch nicht Bankbücher als Beweismittel für die darin verzeichneten Forderungen. Erk. v. 5. Juli 18, E. 52 S. 201, überhaupt nicht Bankguthaben. Erk. v. 15. Jan. 19, Recht 23 Nr. 510. 30) Dies ist der Fall, wenn da- bewußte Beisichführen einer Waffe ein den Tatbestand eines Verbrechens oder Vergehens begründender oder die Straf­ barkeit erhöhender Umstand ist. Erk. v. 10. Novbr. 10, E. 44 S. 140. Hierzu gehören auch Gelder, die ein Buchmacher auf den Rennplatz in der Absicht mstbringt, mit ihnen die Gewinne auszuzahlen. Erk. v. 30. Septbr. 02, E. 35 S. 391 (vgl. Erk. v. 10 Juli 06, E. 39 S. 78 u. Erk. v. 26. Jan. 12, Recht 16 Nr. 828), aber nicht gewonnene Wetteinsätze. Erk. v. 14. Mai 04, Recht 8 S. 340, auch nicht Geld, das durch Verkauf hehlerisch erlangter Sachen er­ worben ist. Erk. v. 30. Jan. 20, E. 54 S. 223. Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn Gegenstände, die zum unzüchtigen Gebrauch bestimmt find, dem Publikum angekündigt werden. Erk. v. 8. Mai 06, Recht 10 S. 691, GA. 53 S. 282, wohl aber auf Getränke bei Bestrafung wegen ungenehmigten Schankwirtschaftsbetriebes. KG. v. 13. Jan. 10, DIZ. 15 S. 485. Durch gut­ gläubigen Verschnitt eingezogenen Kunstweins entsteht eine neue Sache, welche von der Einziehung, die gegen den Kunstwein ergangen war, nicht erfaßt wird. Erk. v. 21. Dez. 08, E 42 S. 123. 31) D. h. einem strafbaren Teilnehmer. Erk. v. 24. Mai 87, E. 16S. 114. Die Einziehung ist unzulässig, wenn der Wille des Täters, dem das Werkzeug gehörte, nicht auf dessen Benutzung ging. Erk. v. 30. April 16, GA. 63 S. 118. Sie ist ferner unzulässig, wenn die im Jnlande straflose Tättgkeit im Auslande vorgenommen ist. Erk. v. 19. Apr. 07, Recht 11 S. 650. Die Einziehung ist aber zulässig, wenn der Versuch als solcher nicht strafbar ist. Erk. v. 6. März 03, E. 36 S. 145. A. M. KR. Anm. 5b. Der Erlös kann eingezogen Werder:, wenn die sttafverfolgende Behörde die beschlagnahmten Sachen hat veräußern lassen. KG. v. 7. März 17, GA. 64 S. 380; sonst ist eine Umwandlung in das Geldäquivalent unzulässig. Erk. v. 2. Juli 88, E. 18 S. 43. 32) Die rechtliche Natur der Einziehung ist streitig. Als Strafe wird die Einziehung dann anzusehen sein, wenn sie nur unter der Voraussetzung für statthaft erklärt ist, daß der Eigentümer der einzuziehenden Sache an der Straf­ tat beteiligt ist. Erk. v. 18. Juni 12, E. 46 S. 131. Die Frage, wann das Eigentum auf den Fiskus übergeht, ist bestritten. Nach KR. Anm. 6 hat das Urteil lediglich deklarattve Wirkung. Das Eigen­ tum verfällt durch die Tat und zur Zeit der Tat, wenn dieser Verfall durch Ur­ teil erklärt wird. Mch Frank Anm. IV 3 bedeutet das Urteil nur, daß der Täter , verpflichtet ist, das Eigentum auf den Fiskus zu übertragen. Über die Behandlung von Vorräten, die im Strafverfahren eingezogen

17

Strafen §§ 41,42.

Die Einziehung ist im Urteile auszusprechen.88»)

§ 41 Wenn der Inhalt einer Schrift,88") Abbildung oder Dar­ stellung strafbar ist, so ist im Urteile auszusprechen, daß alle Exem­ plare, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des Verfassers, Druckers, Herausgebers , Verlegers oder Buchhändlerbefindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder öffentlich angebotenen Exemplare. Ist nur ein Teil der Schrift, Abbildung oder Darstellung straf­ bar, so ist, insofern eine Ausscheidung möglich ist, auszusprechen, daß nur die strafbaren Stellen und derjenige Teil der Platten und Formen, auf welchem sich diese Stellen befinden, unbrauchbar zu machen sind. § 42 Ist in den Fällen der §§ 40 und 4188) die Verfolgung oder die Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar,8*) so können die daselbst vorgeschrtebenen Maßnahmen selbständig erkannt werden.86) sind, siehe AB. 9. Juni 16 (JMBl. S. 127), über die Verfallerklärungen in Strafsachen wegen Schmuggels mit Papiergeld und Wertpapieren AB. v. 27. Mai 19 (JMBl. S. 306), über die rechtliche Natur der Berfallerklärung Klaffenbach, DIZ. 24 S. 465. 32 a) Das Schweiget: des Urteilstenors über die Einziehung steht der Ab­ lehnung gleich. Ist sie in der Begründung erwähnt, so stehen Tenor mü) Gründe int Widerspruch. Erk. v. 19. Dezbr. 11, DIZ. 17 S. 460. 32 b) Erforderlich ist, daß der volle objektive Tatbestand des Delikts vor­ liegt und die Verfolgung oder Verurteilung einer Person im allgemeinen denk­ bar erscheint. — Phonographische Platten und Walzen sind als Schrift anzu­ sehen. Erk. v. 16. Febr. 06, E. 38 S. 345. Auch bei plastischen Erzeugnissen kann der Inhalt strafbar sein. Erk. v. Febr. 10, GA. 57 S. 400. 33) Im Falle des § 40 ist zur Anwendung des § 42 notwendig, daß der Täter oder Teilnehmer der dort bezeichneten Tat und der Eigentümer der dort beschriebenen Gegenstände dieselbe Person sind, mithin ist die Einziehung un­ zulässig, wenn der Gegenstand dem freigesprochenen Angekl. gehört. Erk. v. 15. Febr. 92, E. 22 S. 351. Auch im Falle des Todes des Täters ist die Ein­ ziehung zulässig. Erk. v. 17. Jan. 19, E. 53 S. 181. Einziehung ist nicht zulässig, wenn der Täter wegen Unzurechnungsfähig­ keit außer Verfolgung gesetzt ist. Erk. v. 15. Oktbr. 96, C. 29 S. 130. 34) Ob dies der Fall, darüber hat allein der StA. zu befinden. Erk. v. 7. Jan. 87, R. 9 S. 15, v. 24. Mai 87, E. 16 S. 114. Die Verurteilung ist nicht ausführbar, wenn subj. oder obj. Gründe die Freisprechung des Ange­ klagten veranlassen. Sie ist aber nicht unausführbar, wenn das zeitweilige Ver­ fahren ruht. Erk. v. 22. Novbr. 12, DIZ. 18 S. 469, Recht 17 Nr. 126. Erk. V. 4. Juli 89, E. 19 S. 371. 35) Ist die Verfolgg. und Berurteilg. einer best. Person erfolgt, so findet nachträglich das obj. Strafverf. nicht statt. Erk. v. 25. Mai 83, E. 8 S. 349. Dalcke, Strafrecht.

16. Anst.

(1922).

2

18

in. Strafgesetzbuch § 43.

2. Abschnitt.

§ 43.

Versuch.

Wer den Entschluß, ein Berbrechen

oder Bergehen zu

verüben , durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten,86) betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung8') gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen.88)

Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen

bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Durch den Freispruch der Geschworenen wird die Anwendung der §§ 41 u. 42 nicht gehindert, da die Nichtausführbarteit der Verfolgung auch dann vor­ liegt, wenn eine Verschuldung des Täters nicht nachgewiesen ist. Erk. v. 22. Dezbr. 84, R. 6 S. 837. Bei Antragsvergehen ist nicht bloß die strafrechtl. Verfolgung überhaupt, sondern auch das obj. Verfahren unzulässig, wenn der Antrag nicht rechtzeitig gestellt ist. Erk. v. 25. Septbr. 84, R. 6 S. 559. — Die Verjährung der Straf­ verfolgung einer durch den Inhalt einer Druckschrift begründeten strafb. Hand­ lung hindert nicht das obj. Strafverfahren. Erk. v. 15. Oktbr. 86, E. 14 S. 382. Ebenso Erk. v. 7. Jan. 87, R. 9 S. 15. A. M. KR. Anm. 5 am Ende. 36) Der Tatbestand des Versuchs erfordert, daß wenigstens mit einer Handl., welche zum Tatbestände der Straftat gehört, der Anfang der Ausführung gemacht ist. Erk. v. 19. Oktbr. 83, E. 9 S. 81. Ein solcher Anfang ist in allen Handlungen zu finden, die vermöge ihrer notwendiaen Zusammengehörigkeit mit einer TatvestandShandlung des Vergehens für die natürliche Auffassung als deren Bestandteil erscheinen. Erk. v. 15. Jan. 17, C» 51 S. 341; z. B. wenn der Täter in der Absicht rechtswidriger Zueignung seine Hand nach der Mitte eines mit Holz beladenerr Wagens erhoben hat, um ein Stück Holz zu ergreifen. Erk. v. 18. Okt. 07, Recht 11 S. 1414 oder wenn er behufs Einbruch die Fenster mit grüner Seife beschmiert. Erk. v. 4. März 12, Recht 16 Nr. 1392. Die Anstiftung zu einer Straftat, die im Stadium des Versuchs geblieben ist, ist alS Anstiftung zur versuchten Straftat zu ahnden. Erk. v. 12. Dez. 05, E. 38 S. 248. Eine Verurteilung wegen Versuchs setzt nicht den Nachweis voraus, daß das beabsichtigte Verbrechen nicht zur Vollendung gekommen ist. Erk. v. 15. Juni 08, E. 41 S. 352. Ein Zeuge, welchem statt des Eides eine Beteuerungs­ formel gestattet ist, kann den Versuch eines Meineides begehen, wenn die ge­ brauchte Beteuerungsformel den gesetzl. Vorschriften nicht entspricht. Erk. v. 27. März 93, E. 24 S. 91. 37> Zuweilen kann lediglich die Absicht des TäterS auch objektiv den äußeren Tatbestand derart bestimmen, daß nur die vollständige Verwirklichung die Vollendung der Tat bedeutet. Es kann von der Absicht hinsichttich der Menge abhängen, ob vollendete Genußmittelentwendung oder Vers. Diebstahl vorliegt; es hängt von der Absicht hinsichttich der geschlechtl. Erregung ab, ob Greifen unter die Röcke Versuch oder Vollendung des § 174 ist. KR. Anm. 6c. 38) Der Versuch mit untauglichen Mitteln und am untauglichen Objett ist nach feststehender Praxis des RG. strafbar. Siehe hierüber die Plen.Etsch. v. 24. Mai 80, E. 1 S. 439, u. Erk. v. 14. März 01, E. 34 S. 217, Erk. v. 25. Okt./6. Dez. 06, E. 39 S. 316 und bezüglich der Strafbarkeit des Versuchs am untauglichen Objett Erk. v. 10. Juni 80, E. 1 S. 451, ferner Erk. v. 3. Dezbr. 08, E. 42 S. 92.

Versuch §§ 44—46.

19

§ 44 Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen, als das vollendete. Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebens­ länglichem Zuchthaus bedroht, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden taun.8$>) Ist das vollendete Verbrechen mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so tritt Festungshaft nicht unter drei Jahren ein. In den übrigen Fällen kann die Sttafe bis auf ein Vierteil 39 40)41 42 des Mindestbettages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt werden. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirtt, so ist dieselbe nach Maß­ gabe des § 21 in Gefängnis zu verwandeln.") 8 45. Wenn neben der Sttafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist, oder auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden kann, so gilt Gleiches bei der Bersuchsstrafe. § 46. Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Täter 1. die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben") hat, 39) Ist wahlweise lebenslängliches und zeitiges Zuchthaus angedroht, wie im Falle des § 214, so steht dem Richter auch bei dem Versuch die Wahl zwischen den Strafen des § 44 Abs. 2 offen und kann auch auf Polizeiaufsicht erkannt werden. Erk. v. 24. Novbr. 87, E. 16 S. 400. 40) Das Vierteil einer als Mindestbettag zugelaffenen einmonatlichen Gefängnisstrafe beträgt 8 Tage und nicht eine Woche, Erk. v. 13. Febr. 82, E. 5 S. 442; bei einer Sttafe von einer Woche 2 Tage. GA. 47 S. 157. Die Geldstrafe darf im Falle des § 44 nicht unter drei Mark bemessen werden. Erk. v. 28. Juni 88, R. 10 S. 454. 41) Bei Festsetzung der Strafe ist nicht von einem Strafmaß auszugehen, welches für das Delikt im Falle seiner Vollendung angemessen sein würde. Erk. v. 13. Juni 02, E. 35 S. 282. Tritt der Versuch eines Verbrechens mit einem Ver­ gehen in Konkurrenz, so ist zunächst die Sttafe des Versuchs selbständig festzusetzen, so daß, wenn sie gemäß § 44 Abs. 4 im Gefängnis zum Ausdruck gelangt, in dieser Form als Einzelstrafe zu verwenden ist. Dies gilt selbst dann, wenn als Gesamt­ strafe eine Strafe von mindestens einem Jahr Zuchthaus angemessen sein würde. Erk. v. 8. Mai 94, GA. 42 S. 127. Erk. v. 13. Oktbr. 20, E. 55 S. 97. 42) Der Rücktritt bildet einen persönlichen Ausschließungsgrund. Erk. v. 16. Febr. 05, E. 37 S. 402. Daher wird der Teilnehmer durch den Rücktritt des Haupttäters nicht straflos. Erk. v. 15. April 09, E. 42 S. 224; aber auch der zurücktretende Haupttäler bleibt strafbar, wenn er nicht die übrigen Teil­ nehmer ernstlich bestimmt, die Tat aufzugeben, oder er die Vollendung der Tat hindert. Erk. v. 10. Oktbr. 13, E. 47 S. 358. Erk. v. 4. Dezbr. 19, E. 54 S. 177. Erk. v. 18. April 21, Recht 25 Nr. 2063. Wird eine vorbereitete Tat von beiden Teilnehmern ernstlich aufgegeben, dann aber die gleiche Tat von dem einen abermals beschlossen und ausgeführt, ist der frühere Gehilfe straffrei. Erk. v. 15. Oktbr. 20, E. 55 S. 105.

20

III. Strafgesetzbuch § 47.

ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden

ist, welche von seinem Willen unabhängig waren,4S 43) 44 oder 2. zn einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt")

war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abgewendet

3. Abschnitt.

§ 47

46)

Teilnahme.

Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich

ausführen, so wird jeder als Täter4") bestraft.")

43) Der Rücktritt muß ganz aus freiem Willen erfolgt sein und zwar ob­ schon dem Täter die Ausführung möglich schien. Erk. v. & Juli 87, E. 16 S. 182. Freiwilliger Rücktritt liegt vor, wenn der Täter die Ausführung des Diebstahls deshalb aufgibt, weil die Vorgefundenen Sachen nach Menge oder Wert seinen Erwartungen nicht entsprechen. Erk. v. 8. Juli 20, E. 55 S. 66; aber nicht deshalb, weil der Dieb den Gegenstand für unbrauchbar hält. Erk. v. 20. Jan. 17, GA. 64 S. 121; oder weil er den Gegenstand bei dem Versuch beschädigt hat. Erk. v. 11» Mai 11, E, 45 S. 6; oder weil er von der Erfolg­ losigkeit seiner bisherigen Versuche überzeugt ist. Erk. v. 9. April 18, E. 52 S. 181. Die Furcht vor alsbaldiger Entdeckung kann ein so starker Beweg­ grund sein, daß sie die Freiwilligkeit aufhebt. E. 37 S. 402. Vgl. aber hierzu Erk. v. 7. März 13, E. 47 S. 74. Nicht ist erforderlich, daß der Täter die be­ absichtigte Tat aus Reue aufgegeben hat. Erk. v. 13. Juni 93, E. 24 S. 222. 44) Entdeckt ist die Tat; wenn andere Kenntnis von derselben erlangt haben, von denen eine Veranlassung der Strafverfolgung zu erwarten.ist. Erk. v. 8. Dezbr. 80, E. 3 S. 94. Erk. v. 23. März 06, E. 38 S. 402. Über Entdeckung bei Brandstiftung stehe Erk. v. 3. Mai 80, E. 1 S. 375. 45) Der § 46 unterscheidet abweichend von den sonstigen Vorschriften des StGB, den beendigten von dem nicht beendigten Versuch. Ob letzterer vorliegt, hängt davon ab, welche Handlungen der Täter zur Verwirklichung des vollen­ deten Tatbestandes nach der gegebenen Sachlage für geeignet und für aus­ reichend gehalten hat. Erk. v. 21. Dezbr. 09, E. 43 S. 138. Erk. v. 10. Oktbr. 11, E. 45 S. 185. In Nr. 2 muß der Täter die Tätigkeit, welche seinerseits zur Vollendung der Straftat erforderlich war, ganz entwickelt haben und nur der Erfolg darf nicht eingetreten sein, Erk. v. 15. März 89, GA. 37 S. 180. Auch hier muß der Rücktritt wie in § 46 Nr. 1 ein freiwilliger sein. Erk. v. 23. März 06, E. 38 S. 402. Ein wirkliches Tun ist erforderlich, ein passives Verhalten genügt nicht. Erk. v. 21. Sept. 06, E. 39 S. 220. Bei dem Berbrechen des Meineides kann § 46 Nr. 2 überhaupt nicht An­ wendung finden. Erk. v. 15. Jan. 92, E. 22 S. 363, ebensowenig bei dem durch Drohung verübten Vergehen der Erpressung. Erk. v. 27. Septbr. 94, E. 26 S. 77. Bezügl. d. Gehilfen siehe Erk. v. 1. Dez. 05, E. 38 S. 223. 45 a) Täter ist auch derjenige, der den Tatbestand nicht „unmittelbar" ver­ wirklicht, sondern sich dazu eines anderen bedient, der zu dessen Verwirklichung ohne Tätervorsatz mitwirkt. Erk. v. 17. Jan. 08, E. 41 S. 64. (Mittelbare Täter.) 46) Die Mittäterschaft setzt voraus, daß jeder Mittäter die Tat als seine eigene unterstützt und zur Vollendung bringen hilft, daß also bezüglich eines jeden eine, aus die Ausführung der strafbaren Handlung gerichtete Tätigkeit

Teilnahme § 48. § 48.

21

Als Anstifter") wird bestraft, wer einen anderen zu der

von demselben begangenen strafbaren Handlung durch Geschenke oder

vorliegt, Er5. v. 17. Mai 81, R. 3 S. 309, aber es ist nicht notwendig, daß jeder Täter bei der Ausführung der eigentlichen Tat selbst physisch mitwirkt, Erk. v. 3. Mai 86, R. 8 S. 337; es genügt z. B. auch die Vornahme einer bloßen Borbereitungshandlung. Erk. v. 16. Ottbr. 83, E. 9 S. 76. Es muß aber seitens eines jeden Teilnehmers zur Begehung der Straftat vor ihrer Vollendung, wenn auch nur intellektuell mitgewirkt sein. Erk. v. 8. Juli 04, DIZ. 9 S. 1044. Es gibt Fälle, in denen selbst eine bloße Mitanwesenheit zur Mittäterschaft werden kann, weil sie auf Grund ftüherer Vereinbarung und be­ gleitender Umstände eine Verbindung mit den Physisch tätigen Komplizen her­ stellt, die eigener Tätigkeit gleichwertig ist. Erk. v. 19. Dezbr. 94, E. 26 S: 345; Erk. v. 17. Jan. 21, DStZ. 8 S. 244. Mittäterschaft liegt immer nur soweit vor, als das Einverständnis der Täter reicht. Erk. v. 13. Febr. 85, E. 12 S. 8. Erk. v. 4. Juni 96, GA. 44 S. 143. Beim sog. delictum proprium ist die Mittäterschaft dessen, dem die vorausgesetzte des. Eigenschaft fehlt, ausgeschloffen. Siehe Anm. 71 Abs. 1 zu § 218. Bei Aufstellung einer falschen Brandschadensliquidation (Betrug) genügt schon die Anzeige an den Agenten zur Mittäterschaft. Erk. v. 19. Novbr. 89, GA. 37 S. 366. — Verfasser und Verleger einer unzüchtigen Schrift sind als Mittäter anzusehen. Erk. v. 13. Jan. 93, E. 23 S. 388. Der Mittäter kann nicht zugleich als Anstifter, Gehilfe oder Hehler bestraft werden. Erk. v. 9. Dezbr. 02, E. 36 S. 25. Erk. v. 6. Febr. 19, E. 53 S. 189. Bei fahrlässigen Handlungen gibt es keine Mittäterschaft. Erk. v. 5. Dezbr. 83, E. 10 S. 8. A. M. KR. Anm. 4. 47) Die Anstiftung kann sich immer nur auf eine bestimmte Handlung be­ ziehen und erfordert den Vorsatz, einen anderen zur Verübung dieser Handlung zu bestimmen, Erk. v. 14. Juni 81, E. 1 S. 110; aber in der Anstiftung zu Straftaten überhaupt kann auch Anstiftung zu einer konkreten Tat gefunden werden. Es ist nicht erforderlich, daß der Anstifter es auf eine bestimmte Per­ son abgesehen hat. Erk. v. 14. Mai 01, E. 34 S. 328. Erk. v. 1. Febr. 87, R. 9 S. 107. Ferner erfordert die Anstiftung den Vorsatz, den anderen zur wirklichen Begehung, nicht zu einem bloßen Versuch zu bestimmen. Erk. v/ 17. Febr. 87, E. 15 S. 315. Anstiftung ist auch mit Bezug auf strafbare Hand­ lungen möglich, die ohne ein schuldhaftes Verhalten zu erfordern (Stempel­ vergehen), vorsätzlich begangen sind. Erk. v. 21. Dezbr. 14, E. 49 S. 86. Wer strafunmündige Personen zu einer Straftat anstiftet, ist in der Regel als Täter, nicht als Anstifter zu bestrafen. Erk. v. 28. Mai 94, E. 25 S. 397. Doch ist auch strafbare Teilnahme an der Straftat solcher Personen begrifflich zulässig. Siehe Anm. 63 zu § 55 aber nicht an der Tat Geisteskranker. Erk. v. 20. Juni 18, Recht 22 Nr. 1460. Der Anstifter haftet nicht für solche erschwerenden Umstände der Tat, auf die sich die Anstiftung nicht bezogen hat. Erk. v. 11. Juni 94, GA. 42 S. 241. Liegen strafbegründende Umstände ausschließlich beim Täter vor und waren sie dem Anstifter bekannt, so sind sie letzterem zuzurechnen, daher ist die Anstiftung einer Militärperson zu einem militärischen Delikt durch eine Zivilperson strafbar. Erk. v. 5. April 94, E. 25 S. 234. Eine selbständige Anstiftung von feiten mehrerer nacheinander zu der­ selben Tat ist rechtlich nicht denkbar. Erk. v. 7. Dezbr. 85, E. 13 S. 121. Mehrere Anstiftungen seitens einer Person zu derselben Tat bilden nur eine Straf­ tat, aber anders wenn eine Anstiftung zu mehreren Straftaten ftattgefunden

22

III. Strafgesetzbuch § 49.

Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irr­ tums oder durch andere Mittel 47 * *B*) * vorsätzlich * * * * * * * * bestimmt ***** hat. Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich

angestiftet hat. § 49. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat.") hat. Erk. v. 9. Dezbr. 81, E. 5 S. 227, u. Erk. v. 9. Oktbr. 96, GA. 44 S. 261. Ob und inwieweit jemand in Ansehung einer als fortgesetztes Delikt sich darstellenden Haupttat als Mittäter oder Anstifter strafbar ist, ist von der­ jenigen Einzelhandlung aus zu würdigen, an der er sich beteiligt hat. Erk. v. 13. Novbr. 00, E. 34 S. 5. Erk. v. 13. März 14, E. 48 S. 206. — Der Täter kann auch zur Begünsttgung der eigenen Tat anstiften. Erk. v. 23. April 17, E. 50 S. 364. A. M. KR. Anm. 2 h. Der Versuch einer Anstiftung ist nicht sttafbar. Beim Zusammentteffen von Anstiftung und Beihilfe liegt Gesetzeskon­ kurrenz vor. Erk. v. 4. Juni 12, E. 47 S. 372. Ob in der Begehung von Anstiftung und Hehlerei durch eine und dieselbe Person und in bezug auf dieselbe Tat reale oder ideale Konkurrenz vorliegt, ist eine Tatftage. Erk. v. 24. März 87, R. 9 S. 193. Vgl. auch Erk. v. 19. Juni 83, R. 5 S. 455. Die Anstiftung zu einem Fahrlässigkeitsvergehen ist rechtlich ausgeschloffen. Erk. v. 20. Juni 92, E. 23 S. 175. Die Sttafverfolgung der Anstiftung verjährt erst mit der Haupttat. Erk. v. 30. Dezbr. 81, R. 3 S. 837. Erk. v. 23. Jan. 13, Recht 17 Nr. 777. 47 a) Als solche sind angesehen: Überredung und Erteilung von Rat. Erk. v. 2. März 81, R. 3 S. 94 u. Erk. v. 5. Apr. 94, E. 25 S. 234. Auch eine Bitte mit dem gewollten Erfolge der Mitleidserregung. Erk. v. 2 k. Jan. 18, LZ. 12 S. 639. L 48) Das Charakteristische der Beihilfe im Gegensatz zur Mittäterschaft ist, daß der Gehilfe nicht mit der Willensrichtung des Täters, sondern nur mit dem Borsatze handelt, einen anderen bei der von diesem gewollten Tat zu unterstützen. Erk. v. 10. Juni 84, R. 6 S. 416. Erforderlich ist, daß eine strafbare Haupt­ tat vorliegt. Ist der Haupttäter nach 8 51 straflos, ist es auch der Gehilfe. Erk. v. 9./16. Juni 84, E. 11 S. 56; der Gehilfe ist es aber nicht, wenn der an sich schuldhafte Täter aus persönlich strafbefreienden Gründen straflos bleibt. KR. Anm. 3 c. Der Wille des Gehilfen muß auf Ausführung einer bestimmten Tat gerichtet sein. Bon allen wesentlichen Begttffsmerkmalen muß der Gehilfe Kennt­ nis haben. Erk. v. 17. Febr. 87, E. 15 S. 315. Erk. v. 7. Oktbr. 90, E. 21 S. 93. Nicht notwendig ist, daß der Gehilfe die Person deS TäterS gekannt hat. Erk. v. 13. März 88, R. 10 S. 242. Gleichgültig ist auch, ob die Bei­ hilfe für den Erfolg von Einfluß war. Erk. v. 22. Febr. 87, R. 9 S. 149. Der Gehilfe braucht auch nicht den Erfolg der Haupttat gewollt zu haben. KR. Anm. 4 a. E. A. M. Erk. v. 17. Novbr. 04, E. 87 S. 321. Keine Beihilfe liegt aber vor, wenn der Gehilfe die Untauglichkeit der Mittel kennt. Erk. v. 19. Apr. 87, R. 9 S. 253. Beihilfe kann durch bloße Vorbereitungshandlungen geleistet werden. Erk. v. 10. Mai 83, E. 8 S. 267. Desgl. durch Unterlaffungen. Erk. v. 21. Oktbr.

Teilnahme g 49 a.

S3

Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versucheaufgestellten Grundsätzen zu ermäßigen." § 49 a. Wer einen anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen auffordert, oder wer eine solche Aufforderung annimmt, wird, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, wenn das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroht ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, wenn das Verbrechen mit einer geringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.") Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zur Begehung 84, E. 11 S. 53, daher macht sich eiu Gefangenenaufseher strafbar, wenn er die Gefangenen während der Außenarbeit nicht an Begehung von Diebstählen hin­ dert. Erk. v. 1. Juli 19, E. 53 S. 292. Nicht ist aber der Verlobte gehalten, die Braut an der Vornahme von Abtreibungshandlungen zu hindern. Erk. v. 6. Oktbr. 21, Recht 26 Nr. 133. Wer durch eine einmalige Handlung zu mehreren Straftaten Hilfe leistet, ist Teilnehmer an jeder in Realtonkurrenz. Erk. v. 3. Novbr. 81, R. 3 S. 684. Die Zusammenfassung von Einzelhandlungen, die teils eigene Tat, teils Bei­ hilfe zu fremder sind, zu einer fortgesetzten Handlung ist unzulässig. Erk. v. 7. Jan. 16, KR. Anm. 9. Ein Versuch der Beihilfe ist nicht strafbar. Erk. v. 16. Juni 84, E. 11 S. 56. Beihilfe und Fahrlässigkeit-Vergehen gibt es nicht. Erk. v. 5. Dezbr. 83, S. 10 S. 8. A. M. KR. Anm. 3 e. 48 a) Bei der Bestrafung der Beihilfe zum Versuch ist keine doppelte Reduk­ tion des Strafmaßes erforderlich. Der Höchstbetrag der Strafe muß hinter dem Höchstbetrage der Strafe des Versuchs zurückbleiben, kann aber bis auf ein Viertel des Mindestmaßes der auf den Versuch angedrohten Strafe ermäßigt werden. Erk. v. 24. Juni 04, DIZ. 9 S. 1043. Die Strafe deS Gehilfen kann die deTäters übersteigen. Erk. v. 29. Juni 17, E. 51 S. 112. 49) Der § 49 a enthält nur eine subsidiäre Strafvorschrift für diejenigen Fälle, in denen nicht schon sonst von dem StGB, die erfolglose Aufforderung zur Begehung von Berbrechen (§§ 110, 111, 112 usw.) mit Straw bedroht ist. Erk. v. 3. Dezbr. 83, E. 9 S. 261. Ob die Tat ein Berbrechen ist, ist nach deutschem Recht zu beurteilen, wenn auch die Tat im Auslande begangen ist. Erk. v. 4. Jan. 04, E. 37 S. 45. Der Tatbestand aus § 49 a kann vorliegen, auch wenn der Auffordernde der Täter und der Aufgeforderte nur der Gehilfe sein sollte, auch das Objett, an welchem das Verbrechen verübt werden sollte, gar nicht existiert. Erk. v. 11. Juli 84, R. 6 S. 535. Aufforderung zur ge­ meinschaftlichen Ausführung eines nur auf feiten des Auffordernden als Ver­ brechen sich darstellenden einfachen Diebstahls ist nicht strafbar. GA. 48 S. 366. Es genügt, daß das Verbrechen auch bei der den Vorstellungen des Auffordernden entsprechenden Ausführung nicht über strafbaren Versuch hinaus gelangen konnte. Erk. v. 22. Dezbr. 11, Recht 16 Nr. 519. Das Vergehen aus § 49 a ist mit der geschehenen Aufforderung vollendet, Erk. v. 16. April 83, E. 8 S. 229, und

24

III. Strafgesetzbuch §§ 49a,b.

eine- Berbrechens oder zur Teilnahme an einem Berbrechen erbietet,"»)

sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt."'') Es wird jedoch das lediglich mündlich ansgedrückte Auffordern

oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von

Vorteilen irgend welcher Art geknüpft worden ist.60)

Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden/0'') § 49 b60*).

Wer mit einem anderen ein Verbrechen des Morde­

verabredet, wird schon wegen dieser Verabredung mit Gefängnis nicht

unter einem Jahre bestraft; die Strafe ist Zuchthaus, wenn eine Person

aus Gründen ermordet werden soll, die in ihrer Stellung im öffent­

lichen Leben liegen.

Neben der Freiheitsstrafe kann

auf Geldstrafe

bis zu fünf Millionen Mark erkannt werden. eS kommt also auf die Ausführung des Verbrechens nicht an. Erk. v. 11. Juli 84, R. 6 S. 535. Auch in der Erteilung eines Rates kann eine Aufforde­ rung liegen. Erk. v. 7. Oktbr. 19, E. 53 S. 351. Die Aufforderung ist strafbar, auch wenn sie sich an einen zur Tat bereits Entschlossenen wendet. Erk. v. 24. Oktbr. 04, GA. 52 S. 84 und auch, wenn der Aufgeforderte geisteskrank ist. Erk. v. 21. Mai 13, E. 47 S. 230. In der Übersendung

eines Rezepts kann die Aufforderung zur Abtreibung gefunden werden. Erk.v.7.Dezbr.11, Recht 16 Nr. 331. Die Aufforderung, einen Menschen durch Beschwörungen oder Sympathiemittel zu töten, ist nicht strafbar. Erk. v. 21. Juni 1900, E. 33 S. 321. Die Anwendung der §§ 49 a u. 218 in Ideal­ konkurrenz ist begrifflich ausgeschloffen. Erk. v. 11. Jan. 10, E. 43 S. 206, aber nicht des § 333. Erk. v. 26. Febr. 85, E. 12 S. 54. A. M. KR. Anm. 3. 49 a) Der andere muß vom Erbieten Kenntnis bekommen haben. Erk. v. 12. Dezbr. 13, LZ. 8 S. 496. 49 b) Die Mitteilung der Bereitwilligkeit genügt nicht, sondern es muß vom Täter die Annahme oder Ablehnung des Erbietens in Aussicht genommen sein. Erk. v. 25. Mai 1900, GA. 47 S. 375. 50) Die Vorteile brauchen nur versprochen, nicht schon gegeben zu sein. Erk. v. 25. Novbr. 80, R. 2 S. 564. Das Versprechen kann durch konkludente Handlungen geschehen. Erk. v. 28. Septbr. 09, Recht 13 Nr. 3245. Es genügt, wenn auf beiden Seiten Einverständnis herrscht. Erk. v. 20. Dezbr. 12, E. 46 S. 400. Ob jemand die Vorteile unmittelbar aus dem Vermögen des andern Teils erlangt oder nur mittelbar durch deffen Tätigkeit, ist gleichgültig. Erk. v. 11. Juli 14, DStZ. 2 S. 555. Als Vorteil gilt das Versprechen der Ehe, Erk. v. 5. Novbr. 80, E. 3 S. 63; Erk. v. 11. April 21, Recht 25 Nr. 2070, die Hingabe eines Angeldes, Erk. v. 23. Febr. 82, E. 6 S. 67, nicht aber die Gewährung von Vorteilen, welche erst durch die Ausführung des Ver­ brechens entstehen sollen, Erk. v. 24. Jan. 84, E. 10 S. 3, oder welche lediglich in der Teilnahme an dem aus dem Verbrechen zu ziehenden Ge­ winn bestehen. Erk. v. 23. Jan. 12, Recht 16 Nr. 830; auch nicht das Ver­ sprechen, daß der Auffordernde dafür sorgen wolle, daß das Verbrechen unentdeckt bleibe, oder daß er dem Täter zur Flucht behilflich sein wolle. Erk. v. 27. Aug. 91, E. 22 S. 94. 50a) Beruht auf dem Ges. z. Schutze der Republik v. 21. Juli 22 (RGBl. S. 585).

Teilnahme §§ 50—52.

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Strafftet bleibt, wer der bedrohten Person oder der Behörde von der Verabredung Kenntnis gibt, bevor der Mord begangen oder ver­ sucht worden ist. § 50. Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach dm persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen,") welcher dieselbe begangen hat, erhöht oder vermindert, so sind diese besonderen Tatumstände dem Täter oder demjenigen Teilnehmer (Mittäter, An­

stifter, Gehilfe) zuzurechnen, bei welchem sie vorliegen.

4. Abschnitt.

Gründe, weiche die Strafe ausschileße« oder mildern.

§ 51. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeitß2) oder krankhafter Störung der Geistestätigfett68) befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausge­ schlossen war.") § 52 Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt worden ist.") 51) Zu diesen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen gehören auch die Begriffsmerkmale der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit. Plen. Entsch. v. 18. April 94, E. 25 S. 266. Ist aber die Gewerbsmäßigkeit eine strafbe­ gründende Eigenschaft, so findet die Ausnahmevorschrift keine Anwendung. Erk. v. 10. März 03, E. 36 S. 154. 52) Trunkenheit, die nicht in Bewußtlosigkeit ausgeartet ist, schließt die Strafbarkeit nicht aus. Erk. v. 11. Mai 94, GA. 42 S. 135. Aber der Begriff „Bewußtlosigkeit" ist nicht als völliges Schwinden des Bewußtseins u. gänz­ liches Einstellen der Sinnestätigkeit aufzufaffen. Ist deshalb auch sinnlose Trunken­ heit nicht erwiesen, so ist doch die Annahme eines Zustandes der Bewußtlosigkett nicht ausgeschlossen. Erk. v. 29. Jan. 94, GA. 42 S. 45. Über den Zustand

der Bestürzung siehe Erk. v. 1. Juni 00, GA. 47 S. 376. 53) Durch sog. moralisches Irresein wird Zurechnungsfähigkeit nur dann ausgeschlossen, wenn der Mangel aus krankhafter Störung zu erklären ist. Erk. v. 14. Dezbr. 86, E. 15 S. 97. Ein Zweifel des Richters an der Willensfreiheit des Täters genügt zur Freisprechung. Erk. v. 23. Ottbr. 90, E. 21 S. 131. Zur Ausschließung eines Einwandes aus § 51 ist die Feststellung erforder­ lich, daß der Täter z. Z. d. Begehung der Tat in einem der dort befindlichen Zustände sich nicht befunden hat. GA. 47 S. 441. 54) Da eine strafbare Handlung nicht vorliegt, so ist Teilnahme nicht möglich. Erk. v. 9./16. Juni 84, E. 11 S. 56. Wer von einem Geisteskranken für ihn gestohlene Sachen gekauft hat, ist nach § 246 zu bestrafen, w.enn er den Zustand des Diebes nicht gekannt hat. Erk. v. 20. Juni 18, E. 52 S. 197. 55) Das Übel muß mit der Drohung zeitlich in einem so nahen Zusammen­ hang stehen, daß der Wille des Täters durch die Furcht vor Verwirklichung der Drohung ausschließlich beherrscht wird. KG. v. 3. Dez. 06, DIZ. 12 S. 430.

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III. Strafgesetzbuch § 53.

AlS Angehörige^*) im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen

Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv-

und Pflegeeltern und -linder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehe­

gatten, und Verlobte."*) § 53.

Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die

Handlung durch Notwehr geboten todt.67) Für Handlungen, die der Täter auf Befehl seiner Vorgesetzten begangen hat, bleibt er strafrechtlich verantwottlich. Ett. v. 11. Mai 20, E. 54 S. 337. 55 a) Das zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie bestehende Verhältnis der Angehöttgkeit erlischt nicht durch den Tod des einen Ehegatten. Erk. v. 7. April 80, R. 1 S. 548. Ebenso E. 5 S. 200 u. R. 3 S. 758. Zu­ sammengebrachte Kinder sind nicht Angehöttge. Erk. v. 1. März 00, KR. Anm. 5 f. Zwischen den Ehemännern zweier Schwestern besteht keine Schwägerschast, Erk. v. 13. Dezbr. 86, E. 15 S. 78, wohl aber zwischen dem Täter und den Geschwistern seines Ehegatten. Erk. v. 22. Oktbr. 03, GA. 51 S. 47. 56) Zur Verlobung gehört nicht ein zivilrechtlich gültiges Verlöbnis. Es ist auch unerheblich, ob die Verlobten noch minderjährig sind und ob ste in diesem Fall die Einwilligung ihrer Eltern erlangt haben. Ett. v. 16. Nov. 05, E. 38 S. 242. Das Eheversprechen eines Verheirateten kann kein Verlöbnis begründen. Erk. v. 12. Mai 93, E. 24 S. 155. Über Pflegeeltern stehe Anm. 36 zu 8 174. 57) Die Mttel der Abwehr müssen zur Energie des Angriffs in einem ent­ sprechenden Verhältnis stehen. Erk. v. 21. Nov. 04, DIZ. 10 S. 268; verant­ wottlich gemacht werden kann der Täter dann, wenn ihm ein minder gefähr­ liches Mttel als das gebrauchte zu Gebote gestanden hätte. Erk. v. 2. Jan. 06, Recht 9 S. 95. Ob die Art der Betteidigung zur Abwehr geboten war, ist nach der objekttven Sachlage, nicht nach der subj. Anschauung des Handelnden zu beur­ teilen. Die irttümliche Ansicht des Angekl. kann aber Freisprechung nach Abs. 3 begründen. Erk. v. 2. Dez. 90, E. 21 S. 189. Erk. v. 19. Dezbr. 19, E. 54 S. 197. Daß ein Angegriffener sich gegen Faustschläge nicht mit einem Messer wehren dürfe, kann als Grundsatz nicht aufgestellt werden. Erk. v. 18. Dez. 05, Recht 10 S. 130. Durch die Möglichkeit, sich dem Angttffe durch die Flucht zu entziehen, wird die Notwehr nicht unbedingt ausgeschlossen: Jeden­ falls wird sie nicht ausgeschloffen, wenn die Flucht unehrenhaft war oder die­ selbe nur unter Preisgebung berechttgter Interessen erfolgen konnte. Erk. v. 13. Mai 87, E. 16 S. 69. Die Ausübung deS Notwehrrechts ist in der Regel nicht davon abhängig, daß der Angegttffene erst dritte Personen um ihre Hilfe angeht. Erk. v. 19. Jan. 05, Recht 9 S. 139. Die Hilfsbereitschaft Dtttter muß aber zur Stelle sein u. d. Angegttffene sich fest auf sie verlassen können. Ett. v. 26. Febr. 06, JurW. 35 S. 487. Z. B. der Schutzmann auf seine in der Nähe befindlichen Kollegen. Erk. v. 6. Mai 09, Recht 13 Nr. 1950. DIZ. 14 S. 1332. Auf das Motiv der Notwehr kommt es nicht nu. Notwehr kann auch zwecks Wiedervergeltung geübt werden. Erk. v. 20. Septbr. 10, JurW. 40 S. 235. Über Selbsthilfe flehe §§ 229 ff. BGB. Das Recht der Selbsthilfe schließt

nicht ohne weiteres die Befugnis in sich, strafbare Handlungen zum Schutze eines Rechts vorzunehmen. Erk. v. 14. Ottbr. 02, GA. 50 S. 106, u. Erk. v. 5. Novbr. 01, E. 34 S. 443. § 859 Abs. 2 BGB. gewährt dem Besitzer nicht die Befugnis, jedes Mttel zu ergreifen, um dem Täter die von ihm wegge-

Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern § 53.

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Notwehr ist diejenige Verteidigung,^) welche erforderlich ist, uni einen gegenwärtigen'""), rechtswidrigen»>) Angriffs) von sich oder einem anderen abzuwenden. Die Überschreitung60 * *) * *der 58 59 Notwehr ist nicht strafbar, wenn der

Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen tft.61) nommene Sache wieder abzunehmen. Erk. v. 19. Äov. 06, DIZ. 12 S. 361. Die Wahrung der zeitlichen Schranken des hier gewährten Selbsthilferechts er­ fordert trotz des Ausdrucks „sofort" nicht ein blitzschnelles Handeln. Erk. v. 16. Febr. 04, GA. 51 S. 191. 58) Auch ein Gegenangriff kann sich als Verteidigung darstellen. Erk. v. 13. Mai 87, E. 16 S. 69. 58 a) Es muß eine Handlung bevorstehen, welche die Gefahr der Ver­ letzung zur Folge hat/ Frank Anm. I, 1. 58 b) Ein höhnisches Auslachen des Lehrers durch den Schüler kann sich als ein rechtswidriger Angriff darstellen. Erk. v. 11. März 09, DIZ. 14 S. 1091. Ein Gastwirt, der einen Gast wegen „unnützen Benehmens" gewalt­ sam entfernt, macht gegen diesen einen rechtswidrigen Angriff. Erk. v. 24. Ottbr. 04, GA. 52 S. 84. Der Angriff kann auch von einem Unzurechnungsfähigen ausgegangen sein, oder von einem in unvermeidlichem Irrtum Handelnden. Erk. v. 19. Febr. 95, E. 27 S. 44. 59) Der Angriff braucht nicht unmittelbar gegen die Person gerichtet zu sein, sondern es genügt jeder Eingriff in die Rechtssphäre eines anderen. Erk. v. 30. Septbr. 84, R. 6 S. 277. Auch gewaltsame Störungen in der Berufs­ arbeit können Noiwehrhandlungen rechtfertigen. Hamm v. 13. Febr. 12, GA. 60 S. 155. Notwehr im einzelnen für zulässig erachtet, gegen eine rechts­ widrige Pfändung, Erk. v. 13. Jan. 81, E. 3 S. 222; gegen einen rechts­ widrigen Angriff der Ehefrau gegen Sachen des Ehemanns, Erk. v. 20. April 83, E. 8 S. 210; gegen Beleidigungen. Erk. v. 24. Novbr. 90, E. 21 S. 168, Erk. v. 14. Dezbr. 96, E. 29 S. 240. Auch der Angreifer kann sich dem Angegriffenen gegenüber wieder in Not­ wehr befinden. Erk. v. 30. Septbr. 84, R. 6 S 576 u. GA. 40 S. 161. Gegen Angriff von Tieren gibt es keine Notwehr. Erk. v. 17. Juni 10, E. 34 S. 295, KG. v. 11. Novbr. 09, DIZ. 15 S. 150. A. M. KR. Anm. 2 c. Die Abwehr eines Tieres zur Abwendung von Gefahr ist Notstand. Siehe Erk. v. 7. Oktbr. 01, DIZ. 7 S. 152. Liegt ein strafrechtlicher Not­ stand nicht vor, so kann die im 8 304 erforderte Rechtswidrigkeit durch den zivilrechtlichen Notstand ausgeschlossen sein. Erk. v. 10. April 13, Recht 17 Nr. 1535. Der durch Wild drohende Nachteil darf nicht in vergütungs­ fähigem Wildschaden bestehen. Dalcke-Delius, Pr. Jagdrecht S. 343. 60) Ein Jagdschutzbeamter überschreitet nicht das Maß der erlaubten Ver­ teidigung, wenn er dem zu erwartenden Angriff durch Benutzung seiner Schutz­ waffe entgegentritt. Erk. v. 23. Ottbr. 18, E. 53 S. 132, oder wenn er dem Jagdfrevler das Gewehr fortnimmt. Erk. v. 21. Oktbr. 20, E. 55 S. 167; oder wenn er auf einen Dieb zur Erlangung der gestohlenen Sache schießt. Erk. v. 20. Septbr. 20, E. 55 S. 82. 61) Die Aufzählung der Geisteszustände im Abs. 3 ist limitattv und eine analoge Anwendung ausgeschloffen. Erk. v. 8. Febr. 87, R. 9 S. 120. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 3 kann nicht damit begründet werden, daß der

III. Strafgesetzbuch §§ 54—56. § 54

Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die

Handlung außer dem Falle der Notwehr in einem unverschuldeten,

auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstände zur Rettung auS einer gegenwärtigen Gefahr für Leib

oder

Leben des Täters oder

eines Angehörigen begangen worden tft.62 * *)63 ******* § 55.

Wer bei Begehung der Handlung das zwölfte Lebens­

jahr nicht vollendet hat^ kann wegen derselben nicht straftechtlich ver­ folgt werden, b»)

Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der

landesgesetzlichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen werden.

Die Unterbringung in eine

Familie, Erziehungsanstalt oder Besserungsanstalt kann nur erfolgen, nachdem durch Beschluß des BormundschastsgerichteS die Begehung der

Handlung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt ist.64)65 § 56.

Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das

zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte/») eine

Angegriffene den Streit provoziert habe. Erk. v. 2. März 05, Recht 9 S. 20*0. Es kommt auch nicht daraus an, ob der Handelnde noch fähig war zu erwägen, welche Maßregeln zur Abwehr erforderlich waren. Erk. v. 15. April 21, E. 56 S. 33. Begeht er in bloß vermeintlicher Notwehr einen Exzeß der Verteidigung, so ist er strafbar, auch wenn er ihn in Bestürzung verübte. Erk. v. 2. Dezbr. 90, E. 21 S. 189. A. M. KR. Anm. 6 a. E. Ist der A. im Fall Wittlicher Notwehr ohne Bestürzung über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen, so schließt doch sein tatsächlicher Irrtum über die Notwendigkeit der Betteidigung den Vorsatz aus. Erk. v. 1. Okt. 07, Recht 11 S. 1338. 62) Ein Angriff auf das Eigentum berechtigt zur Gegenwehr nur dann, wenn sein Eigentum im Vergleiche zu der dem Notftandsberechtigten drohenden Gefahr einen so hohen Wett besitzt, daß ihm nicht zugemutet werden kann, dasselbe unbeschützt zu lassen. Erk. v. 5. Mai 92, E. 23 S. 116. Notstand bei Abtteibung ist möglich. Erk. v. 3. Juli 03, E. 36 S. 334 u. Erk. v. 14. Mai 14, GA. 62 S. 149. Ein Notstand kann auch in Frage kommen gegenüber Verhältnissen, die aus behördlicher Anordnung erwachsen. Erk. v. 31. März 08, E. 41 S. 214. Siehe auch: die Einwirkung des BGB. auf Polizeiübettretungen im Notstände. Titze in DIZ. 9 S. 284. Über Notstand gegenüber Tieren siehe Anm. 59. 63) Der § stellt nur einen persönlichen Strafausschließungsgrund auf, der die Bestrafung der Teilnehmer nicht hindert. Erk. v. 13. Novbr. 18, E. 53 S. 143. A. M. KRGR. Anm. 1 u. Einl. II, 6 a. Beim schweren Diebstahl ist der Vater für das Einsteigen des strafunmürrdigen Sohnes, das er veranlaßt hatte, verantwortlich. Erk. v. 7. Novvr. 18, LZ. 13 S. 269. Ebenso kann sich jemand der Hehlerei in bezug aus einen von einem Unmündigen verübten Diebstahl schuldig machen. Erk. v. 6. Juni 82, E. 6, S. 336. Der Hehler braucht daher auch nicht zu wissen, daß dem Bottäter die zur Erkenntnis der Strafbarkeit der Vottat erforderliche Einsicht gefehlt hat. Erk. v. 2. Jan. 17, E. 50 S. 199. 64) Siehe das preuß. Ges. über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger v. 2. Juli 00. Vgl. dazu Att. 135 des EG. zum BGB. 65) Die Vollendung des Lebensalters bestimmt sich nach § 187 BGB. Erk. v. 16. Dez. 01, E. 35 S. 37.

Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern § 57.

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strafbare Handlung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß.6Ö) In dem Urteile ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so lange zu behalten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde solches für erforder­ lich erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Lebensjahr.67) § 57. Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende Bestimmungen zur Anwendung:67a) 6) Beim Fehlen des Einsichtserfordernisses kann Einstellung des Ver­ fahrens seitens des StA. erfolgen. Wachs muth, DIZ. 12 S. 762, Lucas, I S. 153, A. M. Olshausen Anm. 18. D'heil, DIZ. 12 S. 1140. Die Einsicht ist derjenige Grad von Berstandeseutwicklung, der erforderlich ist, um den strafrechtlichen Charakter der Tat d. h. deren Be­ deutung als Verletzung gewisser durch das Strafgesetz geschützter Rechtsgüter sich soweit klar zu machen, als einem Erwachsenen im allgemeinen möglich ist. Erk. v. 7. Oktbr. 13, E.47 S. 385. Siehe Erk. v. 1. Febr. 00, E. 33 S. 108. Nach KR. Anm. 3 deckt sich die Einsicht des § 56 mit dem allgemeinen Merkmal der Zurechnungsfähigkeit. Nicht wird erfordert die Fähigkeit einzu­ sehen, daß gewisse Tatumstände ein Straferhöhungsmerkmal bilden. Erk. v. 26. April 94, E. 25 S. 319. Das Vorhandensein der Einsicht kann auf jede Weise festgestellt werden, es kann deshalb gegen den jugendlichen Täter auch in Abwesenheit verhandelt werden. Erk. v. 21. Novbr. 93, E. 24 S. 411. Wegen Erl. eines Strafbefehls an jugendliche Täter siehe § 447 Abs. 4 StPO. Nicht genügend ist die Feststellung, daß die Einsicht des Angekl. bei der Art des De­ likts und bei dem Umstande, daß die Tat nur wenige Tage vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen wurde, zweifellos ist. Erk. v. 29. Jan. 06, Recht 10 S. 320. — Wenn Handlungen, die der Täter vor vollendetem 18. Lebensjahre ohne die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht vorgenommen hatte, mit später begangenen Handlungen zu einer fortgesetzten Handlung zusammengefaßt werden, so kann das nicht die Folge haben, daß die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Handlungen straflos bleiben. Erk. v. 18. Febr. 07, Recht US. 391. Desgl. nicht, wenn der Täter im Falle der Tateinheit oder der Gesetzeskonkurrenz die Einsicht hinsichtlich der Tat nur in einer ihrer mehreren Beziehungen zum Strafrecht besessen hat. Erk. v. 7. Oktbr. 13, E. 47 S. 385. 67) Dem Richter steht nur die Entscheidung über die Alternative zu, ob der Angekl. seiner Familie zu überweisen oder in eine Erziehungs- oder Besserungs­ anstalt zu bringen sei. Welche von den letzteren beiden Anstalten zu wählen ist. bestimmt die Verwaltungsbehörde. Erk. v. 17. März 93, GA. 41 S. 31. Die . Strafbestimmungen des Fürsorgeerziehungsges. v. 2. Juli 00 finden aus diese Zwangserziehung keine Anwendung. Erk. v. 2. Jan. 06, E. 38 S. 46. 67 a) Im Falle des Versuchs oder der Beihilfe ist zunächst der Straftahmen aus § 44 zu bestimmen und dann die Strafe gemäß § 57 zurückzusühren. Erk.

30

III. Strafgesetzbuch §§ 58, 59.

1. ist die Handlung mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht/«) so ist auf Gefängnis von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 2. ist die Handlung mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so ist auf Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 3. ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Straf­ art bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der angedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbetrages der an­ gedrohten Strafe zu bestimmen.««) Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, fo tritt Gefängnisstrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle; 4. ist die Handlung ein Vergehen oder eine Übertretung, so kann in besonders leichten Fällen auf Verweis erkannt werden/«) 5. auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder ein­ zelner bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei­ aufsicht ist nicht zu erkennen.ll) Die Freiheitsstrafe ist in besonderen, zur Verbüßung von Strafen jugendlicher Personen bestimmten Anstalten oder Räumen zu vollziehen.

§ 58. Ein Taubstummer, welcher die zur Erkenntnis der Straf­ barkeit einer von ihm begangenen Handlung erforderliche Einsicht nicht besaß, ist fteizusprechen.72) § 59. Wenn jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein von Tatumständen nicht kannte, welche zum gesetzv. 12. Juni 82, E. 6 S. 98. — Die Berücksichtigung der Jugendlichkeit des Täters im Rahmen der „mildernden Umstände" ist mit der Anwendung des § 57 nicht unvereinbar. Erk. v. 25. Novbr. 13, E. 48 S. 308. 68) Ist die Handlung mit Zuchthaus bedroht, wird aber wegen Annahme mild. Umst. auf Gefängnis erkannt, so ist die Strafe des Verweises ausgeschlossen u. im Falle eines schweren Diebstahls die Strafe zwischen 1 Tag u. 2 Jahren 6 Monaten Gefängnis zu bemessen. Erk. v. 28. Septbr. 86, R. 8 S. 571. 69) Der Strafmilderungsgrund des § 57 Nr. 3 findet auch auf diejenigen Geldstrafen Anwendung, welche absolut bestimmt sind, wie für Zoll- und Steuer­ vergehen. Erk. v. 5. Dezbr. 87, R. 9 S. 693. S. auch R. 1 S. 508 u. E. 1 S. 334. 70) § 57 Nr. 4 enthält nur einen Strafzumessungsgrund; daß ein besonders leichter Fall vorliege, braucht in dem Urteil nicht sestgestellt zu werden. Erk. v. 10. Febr. 82, E. 6 S. 25. — Über die Vollstreck, der Strafe des Verweises s. Sinnt, zu § 483 StPO. — Bei Zuwiderhandlungen gegen das Forstdiebstahl­ gesetz ist der Verweis ausgeschlossen § 10, aber nicht bei denen gegen das Feldund Forstpolizeigesetz § 4. 71) Auch nicht im Falle einer Verurteilung wegen Meineides. GA. 47 S. 447. 72) Auch bei einem Taubstummen muß die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht ausdrücklich festgestellt werden. Erk. v. 2. Dezbr. 92, E. 23 S. 351. Erk. v. 26. Septbr. 19, E. 53 S. 347.

Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern § 59.

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lichen Tatbestände gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, so sind ihm

diese Umstände nicht zuzurechnen. ’3) Bei

der Bestrafung fahrlässig") begangener Handlungen gilt

diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntnis selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist.

73) § 59 bezieht sich nur auf Tatirrtum. Erk. v. 31. Jan. 90, E. 20 S. 198. A. M. Bin ding, Schuld im Deutschen Strafrecht S. 94. Dem tat­ sächlichen Irrtum steht der Irrtum über zivilrechtliche Fragen gleich. Erk. v. 27. Mai 81, E. 4 S. 233. Siehe hiergegen KR. Anm. 7 b. Ob ein Irrtum ein Rechtsirrtum oder ein solcher über Tatsachen ist, ist oft schwer zu entscheiden. Aus der Rechtspr. des RG. ist zu erwähnen: a. Als nicht st rafausschließend ist angesehen der Irrtum über eine Waffe bei der vorsätzlichen Körperverletzung, E. 26 S. 61; ferner der Irrtum des Veranstalters einer Versammlung über die erteilte polizeiliche Genehmigung, E. 26 S. 265; ob ein beurlaubter Rekrut zu den Soldaten gehört, E. 26 S. 314; ob Berechtigung zur Selbsthilfe vorliegt, E. 25 S. 150; über den amtlichen Charakter der Aufbewahrung von Aktenstücken, E. 25 S. 283; darüber, ob die Handlung eines Beamten eine Amtshandlung ist, GA. 42 S. 404; des Stief­ vaters, daß er mit der unehelichen Tochter seiner Eheftau nicht verschwägert sei, Erk. v. 19. Febr. 85, R. 7 S. 130, E. 12 S. 275, u. Erk. v. 8. Novbr. 01, E. 34 S. 418; über die Begriffsmerkmale, deren Gesamtheit das Strafgesetz bildet, E. 20 S. 200 u. 393; über die Konzessionspflichtigkeit einer Schankwirt­ schaft, GA. 42 S. 56, OLG. Rostock v. 13. Dezbr. 12, DIZ. 18 S. 1144 über Verordnungen des Reichspräsidentenn. Erk. v. 19. Oktbr. 20, E. 55 S. 115; der Irrtum hinsichtlich der Bedeutung von „Lotterie und Spiel". Erk. v. 14. März 05, Recht 9 S. 229. Die Annahme des Täters, der auf Grund des § 127 StPO. Festnehmende handele rechtswidrig. Erk. v. 26. Jan. 03, DIZ. 8 S. 224. Siehe auch GA. 52 S. 267. b. Dagegen ist als unter den § 59 fallend angesehen der Irrtum über staatsrechtliche oder privatfürstenrechtliche Normen (über die Eigenschaft des Beleidigten als Mitglied eines fürstlichen Hauses), E. 22 S. 141; des Täters über seine Beamteneigenschaft, E. 23 S. 374. A. M. KR. Anm. 11 zu 8 348; d. Mieters bezügl. seiner Berechtigung zur Fortschaffung d. Jllaten Erk. v. 8. April 86, R. 8 S. 272; über die Vorschrift, daß die Beschlagnahme auch die Pertinenzien eines Grundstücks ergreife E. 1 S. 368; über die Eigenschaft der Jagdbarkeit eines wilden Tieres Erk. v. 3. März 84, E. 10 S. 234; über das Recht zur Tötung eines fremden Hundes im eigenen Jagdrevier Erk. v. 26. März 84, E. 19 S. 209; über die Vorschriften betr. Anerkennung eines unehelichen Kindes Erk. v. 20. Okt. 03, DIZ. 9 S. 123; über die Voraus­ setzungen für vorläufige Festnahme Erk. v. 15. Febr. 83, E. 8 S. 104. Erk. V. 5. Novbr. 01, E. 34 S. 443. 74) Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Täter bei Anwendung ge­ höriger Sorgfalt und Überlegung einen wesentlichen Umstand Ahütte keimen müssen, aber durch Nichtbeachtung eines solchen wesentlichen Momentes gegen seine Rechtspflicht verstoßen hat. Lucas Anl. II S. 141. Gewerbetreibende, denen durch polizeiliche Vorschriften besttmmte Handlungen oder Unterlassungen zur Pflicht gemacht sind, handeln fahrlässig und bleiben verantwortlich, wenn sie die Erfüllung dieserPflichten einem Bediensteten übertragen und überlassen. Erk. v. 12. Oktbr. 80, R. 2 S. 326. Vgl. auch GA. 38 S. 450.

III. Strafgesetzbuch §§ 60, 61. § 60.

Eine erlittene Untersuchungshaft7Ö) kann bet Fällung de-

Urteils auf die erkannte Strafe75 •) ganz oder teilweise angerechnet

werden. ™)

§ 61.

Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag ”) ein-

75) Auch ein Bruchteil eines Tages kann aus die erlittene Untersuchungs­ haft angerechnet werden. Erk. v. 18. Mai 08, E. 41 S. 318. Bleibt nach An­ rechnung der Untersuchungshaft Zuchthausstrafe unter einem Jahr übrig, so findet eine Umrechnung in Gefängnis nicht statt, O l s h a u s e n Anm. 10. KR Sinnt. 3 zu 8 21. Lautet die Strafe auf einen Monat und mehrere Tage Gefängnis, so find zunächst der Monat und dann die Tage abzurechnen. Stuttgart v. 23. Ottbr. 16, DStZ. 4 S. 378. Die im Auslande erlittene Sicherheitshast ist als Unteruchungshaft zu erachten. Erk. v. 6. Okt. 05, E. 38 S. 182, aber nicht, wenn der Täter nach der Verurteilung in das Ausland geflüchtet ist. Siehe Anm. 81 Abs. 3 zu § 482 StPO.

Erlittene Untersuchungshaft kann auch als Strafzumefiungsgrund ange­ sehen werden. Erk. v. 21. März 82, R. 4 S. 264. Nach der Verkündung des Urteils kann durch eine Nachtragsentscheidung die Untersuchungshaft nicht mehr angerechnet werden. Erk. v. 22. Novbr. 81, E. 5 S. 173. Die irrtümlich er­ folgte Anrechnung einer nicht erlittenen Untersuchungshaft kann mit der Revision nicht angefochten werden. Erk. v. 3. Jan. 87, E. 15 S. 143. Die Anrechnung der UH. gilt als Strafverbüßung im Sinne der §§ 245 u. 264 des StGB, erst mit dem Zeitpuntt der Rechtskraft des Urteils. Erk. v. 21. März 82, R. 4 S. 264. Siehe auch Erk. v. 28. Septbr. 96, E. 29 S. 75. 75 ») Auch auf eine Geldstrafe. Olshausen Anm. 8. KR. Anm. 1. Eine Ersatzfreiheitsstrafe kann durch eine kürzere Untersuchungshaft nicht für völlig verbüßt erklärt werden. Erk. v. 3. Ottbr. 19, E. 54 S. 24.

76) Als antizipierte Strafhast kann die Untersuchungshaft nicht angerechnet werden. Erk. v. 28. Septbr. 96, E. 29 S. 75. — Wenn mehrere strafb..Handlungen vorliegen, so setzt eine Anrechnung der Untersuchungshaft stets voraus, daß dieselben Gegenstand derselben Untersuchung gewesen sind. Erk. v. 19. Juni 97, E. 30 S. 182, Erk. v. 7. Juli 98, E. 31 S. 244. Die Ablehnung des Antrages auf Anrechnung der Untersuchungshaft braucht in den Urteils­ gründen nicht erwähnt zu werden. Erk. v. 9. Mai 02, E. 35 S. 235.

77) In dem Anträge braucht die Tat nur im allgem. bezeichnet zu . werden, eine Bezeichnung der Person des Täters ist nicht notwendig. Erk. v. 25. Jan. 87, R. 9 S. 95. S. auch E. 5 S. 97 u. 7 S. 35. An Bedingungen aber darf der Antrag nicht geknüpft werden. Erk. v. 16. April 86, R. 8 S. 291. S. auch E. 6 S. 152. In der Erklärung des Verletzten, sich dem Verfahren als Nebenkläger anschließen zu wollen, liegt ein wirksamer Antrag. Erk. v. 18. Novbr. 89, GA. 37 S. 427. Hat eine kollegialische Behörde den Antrag gestellt, so ist die Legalität der Beschlußfassung nicht zu prüfen. Erk. v. 16. Mai 93, E. 24 S. 179, v. 1. Febr. 98, GA. 46 S. 123. Anzeige bei der Behörde wegen Verfolgung eines Offizialdelikts ist kein Strafantrag im Sinne dieses § und ist also gegen Angehörige nicht wirksam. Erk. v. 8. März 94, E. 25 S. 176. Der gegen eine Firma gestellte Antrag genügt zur straftechtlichen Ver­ folgung des Inhabers. Erk. v. 22. Jan. 94, GA. 42 S. 38. Erk. v. 15. Mal 07, DIZ. 12 S. 1148. Ob in der Erklärung: „zur weiteren Veranlassung" ein wirksamer Strafantrag liegt, ist nach den bes. Umständen des Falles zu entscheiden. Erk. v. 10. Juli 95, Jur.W. 24 S. 563.

Gründe, welche die Strafe ausschlietzen oder mildern § 61.

33

tritt, ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Anträge Berechtigte") es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage,n) seit welchem der zum Anträge Berechtigte .78) Berechtigt ist der durch die Straftat Verletzte. R. 1 S. 607, E. 1 S. 3^0. Für diesen kann auch ein Vertreter den Antrag stellen und dazu genügt mündlicher Auftrag, R. 2 S. 625, E. 3 S. 425 u. Recht 20 Nr. 2024. Ein Generalbevollmächtigter ist bei Verletzung materieller Rechtsgüter zur Stellung berechtigt, E. 1 S. 387 u. 2 S. 145. (Die aus der Vollmacht des Geschäfts­ herrn sich ergebende Vermutung für die Antragsberechtigung kann aber widerlegt werden. Erk. v. 17. Okt. 04, GA. 52 S. 82.) Auch unter Umständen der Pfleger eines Nachlasses. E. 8 S. 112, sowie der Pfleger des Verletzten. Erk. v. 9. Jan. 90, GA. 37 S. 438. Auch der Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen offenen HG. Erk. v. 25. Juni 08, E. 41 S. 377. Desgl. ein Prokurist. Erk. v. 13. Dezvr. 86, E. 15 S. 144. Antragsberechtigt sind die zur Vertretung des rechtsfähigen Vereins nach außen ermächtigten Vorstands­ mitglieder. Erk. v. 26. Febr. 09, E. 42 S. 216. Das Antragsrecht eines Be­ leidigten, der als Mitglied einer Personeneinheit gekennzeichnet ist, besieht, auch wenn dem Täter eine Vorstellung von der Individualität derselben nicht bei­ gewohnt hat. Erk. v. 30. Septbr. 92, E. 23 S. 247. Der Umstand, daß ein Ehegatte den anderen selbst zum Ehebrüche angestistet hat, schließt sein Antrags­ recht aus § 172 StGB, nicht aus. Erk. v. 6. Febr. 94, E. 25 S. 119. 79) Die Frist läuft nicht, wenn der Berechtigte tatsächlich oder rechtlich nicht in der Lage war (geisteskrank) den Antrag zu stellen. Erk. v. 3. Oktbr. 95, E. 27 S. 366. Vgl. Erk. v. 18. März 10, GA. 57 S. 405. Antragsftist und Verjährungsfrist sind zwei nebeneinander laufende selbständige Fristen, von welchen die eine die Berechtigung des Verletzten, die andere das Recht der Staats­ gewalt zur Verfolgung strafbarer Handlungen regelt. Erk. v. 22. April 84, R. 6 S. 291. Der Tag, an w.lchem der Antragsberechtigte von der Handlung und der Person des Täters Kenntnis erhalten, ist in die Frist einzurechnen, so daß die letztere mit dem Ablauf des letzten zu der Frist gehörigen Tages endet. Erk. v. 22. Dezbr. 79, E. 1 S. 40. Erreicht der Verletzte während der seinem Ver­ treter laufenden Frist das 18. Lebensjahr, so beginnt für ihn nicht eine neue dreimonatliche Frist. Erk. v. 4. Dezbr. 93, E. 24 S. 427. Sind bei einer Straftat mehrere Personen beteiligt, so beginnt die Frist mit dem Tage, an welchem der Berechtigte von der Tat und Person auch nur eines Beteiligten Kenntnis erlangt hat. Erk. v. 2. Jan. 84, E. 9 S. 390. Wenn der Berechtigte erst von der Haupttat Kenntnis erhält, nachdem er schon von der Person und Tätigkeit des Gehilfen Kenntnis erlangt hatte, so läuft die Frist von dem ersteren Zeitpunkte ab. Erk. v. 30. Jan. 94, E. 25 S. 107. Vergl. hierzu Erk. v. 10. Mai 07, E. 40 S. 331 Bei einer fortgesetzten Handlung läuft die Frist von der Kenntnis der letzten Einzelhandlung und es ist gleichgültig, ob der Berechtigte von anderen Einzelhandlungen auch schon früher Kenntnis gehabt hat. Erk. v. 18. März 87, E. 15 S. 370. Der Strafantrag begründet die Verfolgbarkeit des Antragdelikts mit Einschluß aller nachfolgenden Einzelhandlungen, wenn nur die fortgesetzte Hdl. schon vor dem Strafantrag begonnen hatte. Erk. v. 1. Mai 05, E. 38 S. 40. Diq Antragsfrist ist auch dann gewahrt, wenn nur der Antrag innerhalb der Zeit gestellt ist, binnen welcher die Verübung des fortgesetzten Delikts sich vollzogen hat. Erk. v. 22. Okt. 07, E. 40 S. 320. 3 Dalcke, Strafrecht. 16. Aufl. (1922).

34

UI. Strafgesetzbuch §§ 62, 63.

von der Handlung und von der Person deS Täters Kenntnis80)81ge82 ­ 83 84 85 * * habt hat. *1) § 62. Wenn von mehreren zum Anträge Berechtigten einer die dreimonatliche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen.88) § 63. Der Antrag kann nicht geteilt werden.88) Das gericht­ liche Verfahren findet gegen sämtliche an der Handlung Beteiligte") (Täter und Zeitnehmer), sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gc^m eine dieser Personen auf Bestrafung angettagen worden ist.88) 80) Die Kenntnis braucht sich nur auf die Tat in ihren wesentlichen Bestandteilen beziehen. Ert. v. 5. Mai 91, GA. 39 S. 217. Erk. v. 8. Mai 17, E. 51 S. 63. Das Watt „Kenntnis" bedeutet nicht Tatverdacht, Erk. v. 7. Juli 11, E. 45 S. 128. Die Frist läuft nicht von dem Zeitpunkte, in welchem sich der Berechtigte Kenntnis von der Person des Täters hätte verschaffen können, sondern erst von dem, in welchem er diese Kenntnis wirklich erlangt hat. Ert. v. 15. Febr. 95, E. 27 S. 34. Doch ist eine frühere Stellung des Antrages nicht unbedingt ausgeschlossen. Erk. v. 21. Mai 06, E. 38 S. 434 u. Erk. v. 7. Febr. 13, GA. 60 S. 43 81) Die Frage, ob der Strafanttl.g überhaupt und rechtzeittg gestellt ist, ist von den Geschworenen nicht zu beantworten. Erk. v. 12. Juni 80, E. 2 S. 221. Dte Antragsberechtigung geht auf dte Eiben nicht über. Erk. v. 9. Juni 84, E. 11 S. 53, doch das eingelritete Strafverfahren kann nach dem Tode des Berechtigten fortgeführt werden. So KG. im Urt. v. 5. März 03, DIZ. 8 S. 275. A. M. Loewenstein daselbst 7 S. 573. 82) Sind mehrere Vorgesetzte antragsberechtigt, so. hat jeder die drei­ monatliche Antragsftist. Erk. v. 8. Oklbr. 12, E. 46 S. 203. Bei mehreren Vorstandsmitgliedern ist die Kenntnis eines Mitgliedes unwesentlich. Erk. v. 21. Lktbr. 13, E. 47 S. 338. 83) Der gegen eine bestimmte Person gestellte Antrag gestattet die Verfol­ gung aller bei der Straftat Beteiligten, auch wenn dieselben nicht im Anträge genannt sind und eine Mitschuld derselben im strafrechtlichen Sinne nicht festgestellt ist. Erk. v. 17. Dezbr. 81, E. 5 S. 261 Der Grundsatz von der Unteil­ barkeit des Strafantrags gilt auch bei den relattven Antragsdelikten und insbes. int Falle des § 247 des StGB. Erk. v. 17. Jan. 88, R. 10 S. 38. Anders wenn die Straflosigkeit der übrigen Teilnehmer zur Bedingung des Sttafanttags gemacht ist. Erk. v. 29. März 20, E. 54 S. 288. Im Privatklageverfahren ist die Teilbarkeit nicht in vollem Umfange durchführbar. Dresden v. 15. Mai 02, GA. 49 S. 324. 84) Der Ausdruck „Beteiligte" umfaßt nicht bloß die gesetzlicher^ Formen der Teilnahme (§§ 47, 48 u. 49). Erk. v. 9. Novbr. 89, E. 20 S. 54, U. Erk. v. 20. K br. 00, E. 33 S. 163. 85) Ist nicht gegen sämtliche Teilnehmer die Klage erhoben, so kann das Gericht daraus keine Veranlassung nehmen, die Verhandlung gegen den oder die wirklich Angeklagten abzulehnen. Erk. v. 5. Juli 92, E. 23 S. 202. Aber das Strafverfahren mub stattfinden, auch wenn der Antragsteller gegen einen oder einzelne Beteiligte keinen Anttag stellen will. Erk. v. 1. April 82, E. 6 S. 152.

Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern §§ 64, 65.

§ 64.

35

Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich

besonders vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig.86)87

Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der vor­ bezeichneten Personen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge.

§ 65.

Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr voll­

endet hat, ist selbständig zu dem Anträge auf Bestrafung berechtigt. Solange er minderjährig ist, hat, unabhängig

von seiner eigenen

Befugnis, auch sein gesetzlicher Vertreter8?) das Recht, den Antrag

zu stellen. 86) Mit der Urteilsverkündung erlischt das Recht zur Zurücknahme und lebt mit der Aufhebung des Urteils auch nicht wieder auf. Erk. v. 12.Novbr. 80, E. 2 S. 420. Die Zurücknahme ist an keine Form gebunden. Erk. v. 26. Jan. 83, E. 8 S. 79. Eine nur bedingt ausgesprochene Zurücknahme ist wirkungslos. Erk. v. 6. März 14, E. 48 S. 195. Der volljährig gewordene Verletzte kann den von seinem Vertreter gestellten Antrag zurücknehmen. Erk. v. 19. Novbr. 91, E. 22 S. 256. Die Zurücknahme kann nicht widerrufen werden, auch nicht von einem hierzu bestellten Pfleger. Erk. v. 13. Jan. 03, E. 36 S. 64. Die Zurücknahme einer Privatklage hindert die weitere Verfolgung des An­ tragdeliktes nur dann, wenn das Gesetz die Zurücknahme des Strafantrages aus­ drücklich gestattet. Erk. v. 20. April 83, E- 8 S. 207. Die Zurücknahme des Strafantrages kann auch mündlich bei der Polizeibehörde erfolgen, bei der er gestellt war. Erk. v. 7. Febr. 93, GA. 41 S. 28. Sie muß aber gegenüber der Dienststelle erklärt werden, die mit der Strafverfolgung befaßt ist. Erk. v. 29. Juni 18. E. 52 S. 200. Erk. v. 4. Juni 20, E. 55 S. 22. Durch einen Verzicht des Berechtigten wird die nachträgliche Stellung innerhalb der An­ tragsfrist nicht ausgeschlossen. Erk. v. 13. Jan. 81, E. 3 S. 221. 87) Wer gesetzlicher Vertreter ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des BGB. Es sind jetzt der Vater, resp, die Mutter, der Vormund oder der Pfleger. Ein gemäß § 1687 BGB. der Mutter „für alle Angelegenheiten" bestellter Beistand ist nicht der gesetzliche Vertreter der minderjährigen Kinder im Sinne des § 65. GA. 47 S. 440. Ob der Vater befugt ist, aus eigenem Recht für sein minderjähriges Kind Strafantrag zu stellen, ist bestritten. Bejaht wird die Frage vom RG., nach dessen Ansicht das Antragsrecht auch nach dem Tode des Kindes nicht erlischt. Erk. v. 20. Febr. 02, E. 35 S. 131. Desgl. wird sie bejaht vom KG. im Erk. v. 28. Juni 02, G. 51 S. 58, doch soll nach dem Erk. v. 18. April 03, Blätter für Rechtspflege 14 S. 63 der Vater den Antrag aus eigenem Recht nur stellen dürfen, wenn der Minderjährige über 18 Jahre alt ist. Verneint aber wird die Frage in ausführlicher und überzeugender Be­ gründung vom OLG. Celle im Erk. v. 22. Jan. 08, GA. 58 S. 470. Unter­ läßt es der Vater pflichtwidrig den Strafantrag zu stellen, so kann den Antrag ein auf Grund der §§ 1909, 1666 BGB. bestellter Pfleger stellen. Erk. vom 23. Dez. 01, E. 35 S. 47. Nach Ablauf der Antragsfrist kann der Antrag auch nicht mehr durch einen Pfleger gestellt werden. Erk. v. 13. Novbr. 08, GA. 50 S. 78. Auch für den im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB. geschäftsunfähigen Volljährigen kann zum Zwecke der Strafantragsstellung ein Pfleger bestellt werden. Erk. v. 30. Mai 10, GA. 58 S. 182. Eine Nachprüfung, ob der Pfleger zu Recht bestellt ist, steht dem Strafrichter nicht zu. Erk. v. 17. Novbr. 11, GA. 59

3*

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HI. Strafgesetzbuch §§ 66, 67.

Ist der Verletzte geschäftsunfähig88) oder hat er da- achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist sein gesetzlicher Vertreter der zur Stellung des.Antrages Berechtigte. § 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen.89) § 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt,99) wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus be­ droht sind, in zwanzig Jahren; wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in fünfzehn Jahren; wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer S. 452. Erk. v. 3. Novbr. 16, E. 50 S. 156. Ein Zweifel an der Rechtmäßig­ keit der Bestellung macht jedenfalls den Antrag nicht unwirksam. Erk. vom 19. April 15, E. 49 S. 226. 88) Der Vormund einer wegen Geistesschwäche entmündigten oder einer nach § 1906 BGB. unter vorläufige Vormundschaft gestellten Person ist zur Stellung des Strafantrages nicht berechtigt, jedenfalls nicht aus eigenem Recht. Erk. v. 18. Jan. 01, E. 34 S. 98. Desgl. nicht der Vormund des wegen Trunksucht gemäß § 6 Nr. 3 BGB. Entmündigten. DIZ. 8 S. 250. Die Mutter kann an Stelle des Strafe verbüßenden Vaters Strafantrag stellen. KG. v. 11. Juni 08, GA. 55 S. 334. 89) Es ist in jedem einzelnen Falle sorgfältig zu prüfen, ob es nach den obwaltenden Umständen angezeigt ist, den Eintritt der Verjährung durch eigens hierauf gerichtete Handlungen zu unterbrechen. AB. v. 27. Dezbr. 11 (JBBl. S. 451). Bei einem Dauerdelikt beginnt die Verjährung mit der Erfüllung der Verpflichtung oder deren Wegfall. Erk. v. 28. April 11, E. 44 S. 428. 90) Bei Straftaten, deren Tatbestand in dem Bestehen eines rechtswid­ rigen Zustandes besteht, beginnt die Verjährung erst mit dem Aufhören dieses Zustandes. Liegt aber die Strafbarkeit in der Herstellung eines Zustandes gegen ein bestimmtes Verbot, so beginnt die Verjährung schon mit der Beendigung der Herstellungshandlung. Erk. v. 14. Febr. 81, E. 3 S. 382, Erk. v. 5. März 81, R. 3 S. 117. Gehört es aber zum Tatbestands eines Vergehens, daß das Handeln des Täters einen bestimmten Erfolg herbeigeführt habe und ist dieser Erfolg eingetreten (z. B. beim Betrug der Eintritt des Bermögensschadens), so kann die Verjährung erst von dem Zeitpunkt des Erfolgeintrittes ab zu laufen änfangen. Erk. v. 29. Jan. 09, E. 42'S. 171. Bei einem fortgesetzten Delikt beginnt die Verjährung mit der letzten Fortsetzungshandlung. Erk. v. 23. April 85, R. 7 S. 247. Siehe auch R. 9 S. 483 — Beim Versuch und bei der Bei­ hilfe berechnet sich die Verjährungsfrist nach der gegen diese gerichteten Straf androhung. O l s h a u s e n Anm. 2 c. Bei Ehebruch beginnt die Verjährung mit dem Tage der Rechtskraft des Ehescheidungsurteils. Erk, v. 8. Febr. 87, R. 9 S. 121. Bei Unterlassungsdelitten beginnt die Verjährung, wenn die Unterlassung durch Vornahme der gebotenen Handlung anfgehört hat, oder die Zeit abgelaufen ist, innerhalb welcher diese noch vorgenommen werden konnte und sollte. Erk. v. 2. Novbr. 83, E. 9 S. 152.

Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern § 68.

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längeren als dreimonatlichen Gefängnisstrafe bedroht find, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren. Die Strafverfolgung von Übertretungen verjährt in drei Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, 9l)92an welchem die Hand­ lung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges.

§ 68.

Jede Handlung des Richters, *2) welche wegen der be-

91) Der Tag der Begehung der Tat ist in die Verjährungsfrist mit ein­ zurechnen. Erk. v. 25. Juni 86, R. 8 S. 493. 92) Nur die Handlung des Richters, welche er in seiner Eigenschaft als Strafrichter vorgenommen hat, unterbricht die Verjährung. Erk. v. 8. Dezbr. 96, E. 29 S. 234. Die polizeiliche Strafverfügung und der Strafbescheid der Verwaltungsbehörde haben die Wirkung einer richterlichen Handlung. Erk. v. 27. Apr. 82, E. 6 6. 212; auch die Handlung des Richters, welche auf Ersuchen der Steuerbehörde üorgeiiommeu wird. Erk. v. 11. Mai 86, R. 8 5. 353; auch die Handlung, durch welche das Gericht zur Bermittelung des­ dienstlichen Verkehrs zwischen der StA. und einer anderen Behörde tätig ge­ wesen ist. KG. v. 19. Septbr. 19, Johow 52 S. 368. Zu den die Berj. unterbrechenden Handlungen gehören ferner Einstellungsbeschlüsse. Erk. v. 7. März 95, E. 27 S. 81; Gerichtsbeschlüsse, durch welche .nach § 261 StPO, eine zivilrechtliche Entscheidung herbeigeführt werden soll. KG. v. 1. Mai 90, GA. 38 S. 213; Maßregeln des Vorsitzenden, welche die Anbe­ raumung einer anderweiten Hauptversammlung bezwecken. Erk. v. 23. Oktbr. 93, E. 24 S. 330; (Ternrinsaufhebnng unterbricht ohne Weiteres nicht. KG. v. 29. März 15, GA. 63 S. 335). „Aktenrückfordern", wenn die Rückforde­ rung zum Zwecke der Terminsanberaumung erfolgte. Erk. v. 20. Novbr. 05, DIZ. 11 S. 205; die Vollziehung des Strafurteils durch die Mitglieder des erkennenden Gerichts. OLG. Posen v. 6. Jul: 12, GA. 60 S. 163. Die Verfügung des Richters: „der beantragte Strafbefehl wird erlassen" (aber nicht: „Herrn Gerichtsschreiber zum Entw. d. Stb."). KG. v. 7. Mai 14, DIZ. 19 S. 941; das Ersuchen des AG. an die Polizeibehörde um Vernehmung des Beschuldigten. Erk. v. 18. Juni 08, E. 41 S. 365. Es unterbrechen aber nicht bloße Reproduktionsverfügungen. Erk. v. 6. Febr. 91, E. 21 S. 308; richterliche Strafvollstreckungsverfügungen. KG. v. 18. Mai 14, DIZ. 19 S. 942; der die Eröffnung des Hauptverfahrens ab­ lehnende Beschluß. GA. 49 S. 143; eine gegen Unbekannt gerichtete Handlung. Erk. v. 25. Jan. 10, Recht 14 Nr. 808; der Hinweis des Richters an den Ge­ richtsschreiber nach § 361 StPO, zu verfahren. Erk. v. 13. Mai 07, DIZ. 12 S. 1030; eine Terminsaufhebung. KG. v. 15. Septbr. 08, DIZ. 14 S. 149; die Anfrage, ob die Verfügung zurückgenommen wird. Erk. v. 28. Septbr. 08, ebenda S. 213; die Rückgabe der Akten an die StA., um einen Irrtum zu be­ seitigen. KG. v. 22. Oktbr. 94, GA. 42 S. 265; Ersuchen an die Polizei „sachdienliche Ermittelungen, anzustellen". KG. v. 24. Novbr. 13, DIZ. 19 S. 510; eine nicht vorschriftsmäßige polizeiliche Strafverfügung. KG. v. 17. Dezbr. 03, DIZ. 9 S. 269. Eine Verpflichtung des Richters, aus Antrag des StA. eine die Verjährung unterbrechende Verfügung zu erlassen, ist nicht anzuerkennen. GA. 46 S. 347. Wird aber vom Richter eine Verfügung getroffen, so kommt es nicht darauf an, ob sie notwendig war. DIZ. 6, S. 562. — Nach Trennung mehrerer bisher

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ni. Strafgesetzbuch §§ SS, 70.

gangeneu Tat gegen den Täter gerichtet ist, unterbricht die Ver­ jährung. Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt,93) aus welchen die Handlung sich beziehtNach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung.9*) § 69.96) Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Ent­ scheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung. Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigung nach dem Strafgesetz erforderlich, so wird der Lauf der Verjährung durch den Mangel des Antrages oder der Ermächtigung nicht gehindert.

§ 70. Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn 1. auf Tod oder auf lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebens­ längliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren; 2. aus Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren; 3. auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Festungshaft von fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängnis von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn Jahren; 4. auf Festungshaft oder Gefängnis von zwei bis zu fünf Jahren

verbundener Sachen wird durch richterliche Handlungen wegen des einen abge­ trennten Straffalles die Berj. hinsichtlich der anderen nicht dadurch unterbrochen, daß deren weitere Verhandlung bis zur Erledigung des ersten Falles ausgesetzt ist. Erk. v. 25. März 07, E. 40 S. 88. 93) Dem Gehilfen gegenüber wird die Verjährung selbständig unterbrochen ohne Rücksicht darauf, ob die Unterbrechung auch gegenüber dem Täter wirkt. Erk. v. 12. Dezbr. 07, E. 41 S. 17. Die Unterbrechung wirkt auch gegenüber Mittätern, wenn die richterliche Handlung die Verfolgung aller Mittäter ins Auge faßt. Erk. v. 10. Juli 03, E. 36 S. 350. 94) Die neue Verjährung beginnt mit dem Tage der Unterbrechung und endet mit dem Beginn des dem Anfänge entsprechenden Kalendertages. Erk. v. 19. Ottbr. 85, E. 13 S. 57. 95) Die Verjährung ruht, wenn Beginn oder Fortsetzung des Straf­ verfahrens von einer Vorfrage abhängt, nur dann, wenn die Vorfrage in einem anderen Verfahren entschieden werden muß und also in dem Strafverfahren nicht bloß entschieden werden kann oder darf. Erk. v. 2. Dezbr. 92, GA. 40 S. 328. Die Vorschrift setzt ein im inländischen Recht begründetes Hindernis der Strafverfolgung voraus. Erk. v. 28. Novbr. 07, E. 40 S. 402. Gegen Geisteskranke ruht die Verjährung nicht. Erk. v. 5.Oktbr. 17, E. 52 S. 36; auch nicht, wenn das Verfahren wegen Einziehung des A. zum Heere ausgesetzt ist. Erk. v. 6. Novbr. 17, E. 52 S. 54.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen 88 71—73.

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oder auf Geldstrafe von mehr als sechstausend Mirk erkannt ist, in zehn Jahren; 5. auf Festungshaft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als eintausendsünshundert *') bis zu sechs­ tausend Mark erkannt ist, in fünf Jahren; 6. auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundertu) Mark erkannt ist, in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urteil rechtskräftig geworden ist. § 71. Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer Freiheitsstrafe erkannten Geldstrafe verjährt nicht früher, als die Vollstreckung der Freiheitsstrafe. § 72. Jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung06) derjenigen Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurteilten unter­ bricht die Verjährung. Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe beginnt eine neue Verjährung. 5. Abschnitt.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.

§ 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt,'91) so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste98) Gegen Mitglieder des Reichstages ruht die Verjähr, während der Sitzungs­ periode, gleichviel ob der Staateanwalt die Genehmigung zur Strafverfolgung nachgesucht hat oder nicht. Erk. v. 15. Febr. 95, E. 27 S. 10. (Siehe Art. 37 d. RB.) Die Verjährung ruht aber nicht, lucnn d e Strafverfolgung schon vor Beginn der Sitzungsperiode begonnen hat. Erk. v. 17. Oktbr. 95, E. 27 S. 385. Vgl. auch Erk v. 16. Novbr. 03, GA. 51 S. 53. 96) Die Handlungen müssen die Tendenz haben, die Vollstreckung der Strafe herbeizuführen. Daher Unterbrechuiig durch Strafaufschub, Aufforderung zum Strafantritt usw. Doch muß bestimmt werden, auf wie lange der Aufschub oder die Unterbrechung erfolgt. Olshausen Anm. 5. Nach Mettgenberg unterbricht auch die Anordnung: „die Strafe wird ausgesetzt". DIZ. 12 S. 236. Gl. A. Haldy. GA. 61 S. 5L 97) Ob dies der Fall ist, entscheidet allein die Einheit des natürl'chen Tun und Lassens, der körperl. Tätigkeit und des sie leitenden Willens. Erk v. 28. April 99, E. 32 S. 137. Der einheitliche Wille d rf nur eine körperliche Tätigkeit als Ursache für die mehieren Erfolge ausgclöst haben KR. Ein>. 'S. 44. Erforderlich ist weiter, daß mindestens die eine oder aiidere in den Bereich der Einheit fallenden Handlungen gleichzeitig den Tatbeständen der mehreren in Betracht kommenden Strafgesetze angehört. Erk. v. 1. Juli 10, E. 44 S. 28. Erk. v. 17. Septbr. 15, E. 49 S. 272. Es können rechtlich zusammentreffen oder ideell konkurrieren: Versuch und vollendete zweite Straftat. E. 12 S. 64; auch zwei in Fortsetzungszusammenhang begangene Straftaten. KR. Einl. S. 43. Notzuchtsverjuch und Verbrechen gegen § 176 Nr. 1, GA. 62 S. 142

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NI. Strafgesetzbuch § 74.

Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die

schwerste Strafart androht, zur Anwendung.") § 74

Gegen

denjenigen,

welcher durch

mehrere

selbständige

Sanbluneen10°) mehrere Verbrechen oder Vergehen/) oder dasselbe (siehe aber E. 23 S. 225); Kindesmord und Aussetzung. E. 25 S. 321; Raub und Körperverletzung. Recht 11 S. 1152; Raub und räuberische Erpressung. E. 55 S. 239; räuberische Erpressung und Landfriedensbruch. Recht 26 Nr. 335. Erpressung und Hehlerei. E. 35 S. 278; Betrug und Münzvergehen. E. 54 S. 219; Betrug und Betteln unter Vorzeigung gefälschter Legitimations­ papiere. E. 23 S. 243; Freiheitsberaubung und Körperverletzung. E. 25 S. 147. Vergehen aus § 289 (Rechtsvereitelung) und Erpressung. E. 25 S. 147; Jagdvergehen und Nichtbesitz eines Jagdscheins. E. 22 S. 234; betrügerischer Und einfacher Bankrott. E. 6 S. 94. Nicht ist Jdealkonkurrenz angenommen bei Hausfriedensbruch und schwerem Diebstahl. E. 47 S. 25; bei Vergehen aus 288 u. 305; bei Verbrechen aus § 176 Nr. 3 und tätl. Beleidigung. E. 45 S. 344 (siehe aber E. 46 S. 302); bei Vergehen aus 8§ 117 u. 241. E. 54 S. 206. 98) Im Falle der Jdealkonkurrenz muß stets und ausschließlich dasjenige Gesetz zur Anwendung kommen, welches die schwerste Strafe androht. Hat dies Gesetz ein minderes Strafminimum, so kann bei der Strafabmessung bis zu dem­ selben heruntergegangen werden. Erk. v. 24. April 85, R. 7 S. 256. Vgl. ins­ besondere auch Erk. v. 10. Novbr. 87, E. 16 S. 302. Im übrigen ist dasjenige Gesetz als das schwerere anzusehen, welches die schwerere Strafart gebietet. Erk. v. 7. März 93, E. 24 S. 58. Siehe auch Erk. v. 22. Oktbr. 97, E. 30 S. 284. Die lediglich in dem milderen Gesetz an­ gedrohten Nebenstrafen dürfen aber neben dem schwereren nicht zur Anwendung kommen. Erk. v. 17. April 82, E. 6 S. 180. Drohen beide Vorschriften eine Gefängnisstrafe von gleicher Dauer an, so ist die härtere die, welche. daneben auch Geldstrafe androht. Erk. v. 22. Oktbr. 12, E. 46 S. 268. Bei idealer Konkurrenz von Jagdvergehen und fahrlässiger Körperver­ letzung kann nicht auf Einziehung des Gewehrs erkannt werden. Erk. v. 30. April 86, R. 8 S. 330. Wohl aber kann bei Jdealkonkurrenz auf Buße erkannt werden, weil diese keine Strafe, sondern eine Entschädigung darstellt. GA. 37 S. 209.' Die öffentliche Bekanntmachung einer Verurteilung kann nur insoweit angeordnet werden als das die schwerste Strafandrohung enthaltende Straf­ gesetz es zuläßt. Erk.-v. 1. Juli 19, E. 53 S. 290. Konkurriert das Vergehen aus 8 10 des Nahrungsmittelges. mit Betrug, so kann weder auf öffentliche Bekanntmachung noch auf Einziehung erkannt werden. Erk. v. 24. Jan. 95, E. 26 S. 406. 99) Ist bei idealer Konkurrenz die Straftat mit Bezug auf das eine ver­ letzte Ges. bereits geahndet, so kann sie nicht nochmals Gegenstand der Straf­ verfolgung sein. Erk. v. 23. Novbr. 80, E. 3 S. 210. Im Tenor des Urteils ist das Schuldig wegen aller ideal konkurrierenden Vergehen auszusprechen, wenn die Verurteilung auch nur aus einem Gesetze erfolgt, Erk. v. 17. Mai 81, R. 3 S. 307. Die Feststellung in den Gründen genügt nicht. Erk. v. 8. März 95, E. 27 S. 86. Eine besondere Freisprechung hat aber zu unterbleiben. Erk. v. 4. Juni 18(?), E. 52 S. 190. 100) Selbständige Handlung liegt vor, wenn Wiederholung der Tätigkeit erfolgt, um wiederholt den Erfolg herbeizuführen, weil bereits der herbeigeslihrte frühere Erfolg voll befriedigt hatte, ein unselbständiger Teilatt ist vor-

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen § 74.

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Verbrechen oder Vergehen mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen-) verwirkt hat, ist auf eine Gesamtstrafe zu erhanden, wenn die Wiederholung erfolgt, weil der nur teilweise herbeigeführte Erfolg nicht voll befriedigt hatte. B i n d i n g, Handbuch I S. 523. Zur An­ nahme eines Fortsetzungszusammenhangs ist erforderlich, daß die einzelnen Tätigkeitsatte als unselbständige Aussührungsakte einer Straftat erscheinen. Erk. v. 4. März 12, E. 46 S. 16. Es genügt nicht die Feststellung, daß der A. ein für allemal den Entschluß gefaßt hatte, stets nach demselben bestimmten Plan zu handeln. Erk. v. 20. Juni 11-, E. 45 S. 70. Der Begriff der Fortsetzung bedeutet die sukzessive Ausführung eines einheitlichen, auf eine in ihrer Richtung feststehende strafbare Handlung ge­ richteten Entschlusses. Es wird vor allem Einheit des Beschädigten und Miß­ brauch desselben Verhältnisses vorausgesetzt. Erk. v. 20. Ottbr. 94, E. 26 S. 175. Erforderlich ist, daß der Vorsatz von vornherein die mehreren in Aussicht genommenen Atte strafbarer Tätigkeit als ein einheitliches Ganzes, als eine einzige, in ihrer wesentlichen Gestaltung abgegrenzte Straftat um­ faßt, dergestalt, daß die einzelnen Tätigkeitsakte als unselbständige Ausführungs­ atte einer Straftat erscheinen. Erk. v. 30. Januar 03, DIZ. 8 S. 250. Bei zeitlich auseinanderliegenden Einzelhandlungen ist ein Fortsetzungsverhälinis nicht anzunehmen. Erk. v. 7. Mal 03, GA. 50 S. 285. Z. B. dann nicht, wenn der Täter Gelder, die ihm zu verschiedenen Zeiten und von ver­ schiedenen Personen für seinen Dienstherrn ausgehändigt waren, sich zugeeignet hat. Erk. v. 19. Dez. 05, Recht 10 S. 130. Jnsbes. kann von einer fortge­ setzten Handlung nicht mehr die Rede sein, wenn zwischen den mehreren Hand­ lungen, welche zusammengefaßt werden sollen, eine Verurteilung des Täters wegen einer gleichen Straftat ergangen war. Erk. v. 12. April 94, GA. 42 S. 114. Außer der Einheit des Vorsatzes ist Identität des Rechtsguts er­ forderlich. Erk. v. 27. Novbr. 03, DIZ. 9 S. 220. Die Zusammenfassung zu einer fortgesetzten Tat ist aber ausgeschlossen, wenn sich die verschiedenen Einzelhandlungen gegen das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder die Ehre verschiedener Personen richten. Erk. v. 12. Febr. 95, E. 27 S. 19 u.' Erk. v. 15. Dezbr. 09, E. 43 S. 135. Daher keine fortgesetzte Handlung, wenn an verschiedenen Mädchen unzüchtige Handlungen vorgenommen sind, Erk. v. 29. Apr. 05, DIZ. 10 S. 1012 oder im Falle des Vergehens gegen § 183, Erk. v. 23. Septbr. 10, GA. 58 S. 439 oder falls einheitlicher Entschluß vorliegt, alle Arbeitswilligen, die dem Täter begegnen, anzugreifen. Erk. v. 18. Apr. 05, Recht 9 S. 286. — Der Begriff des Fahrlässigkeitsvergehens schließt den Be­ griff des fortgesetzten Delikts aus. Erk. v. 14. Febr. 08, E. 41 S. 98. Erk. v. 4. April 19, E. 54 S. 226 (A. M. KR. Einl. S. 41); aber nicht der der Gewerbemäßigkeit. Erk. v. 28. April 21, E. 56 S. 54. Aus dem Grundgedanken, daß das fortgesetzte Verbrechen vom Richter als ein einheitliches Ganze zu behandeln ist, folgt nicht, daß die für eine Einzel­ handlung zutreffenden Strafermäßigungsgründe ohne weiteres auf das Ganze zu beziehen sind. Erk. v. 4. Febr. 10, E. 43 S. 219. Für die vor erreichter Strafmündigkeit begangenen strafbaren Handlungen ist nachzuweisen, daß der Täter die erforderliche Einsicht hatte. Erk. v. 29. März 17, Recht 21 Nr. 940. 1) Auf Übertretungen findet der § keine Anwendung.

2) Freiheitsstrafen, welche an die Stelle von Geldstrafen treten, dürfen nicht zu einer Gesamtstrafe vereinigt werden. Erk. v. 15. April 82, R. 4 S. 326. — Aus den Entscheidungsgründen müssen sich die verhängten Einzel­ strafen entnehmen lassen. Erk. v. 20. Septbr. 80, E. 2 S. 253.

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M. Strafgesetzbuch 88 76, 76.

kennen, welche m einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht.s) Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. Das Maß der Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirtten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehn­ jähriges Gefängnis oder fünfzehnjährige Festungshaft nicht übersteigen. § 75. Trifft Festungshaft nur mit Gefängnis zusammen, so ist auf jede dieser Strafarien gesondert zu erkennen. Ist Festungshaft oder Gefängnis mehrfach verwirkt, so ist hin­ sichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu Verfahren, als wenn dieselben allem verwirkt wären. Die Gesamtdauer der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen. § 76. Die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe schließt die Ab­ erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn diese auch nur neben einer der verwirkten Einzelstrafen zulässig oder geboten ist. *) Jngleichen kann neben der Gesamtstrafe auf Zulässigkeit von Wird das Erkenntnis aufgehoben, so können die Einzelftrafen anders be­ stimmt werden, doch darf keine höhere als die ftühere Gesamtstrafe erkannt werden. Eik. v. 12. Juli 80, R. 2 S. 187. Erk. v. 8. Mai 93, E. 24 S. 149. 3) Die Erhöhung darf nicht in der Weise statlfinden, daß die Einzelftrafen nach einem gleichen Verhältnis gekürzt und darauf der Einsatzstrafe zugezählt werden. Erk. v. 30. Jan. 11, E. 44 S. 302. Bei dem Zusammentreffen mehrerer mit Zuchthaus zu bestrafender Verbrechen muß die Emsatzstrafe min­ destens um einey vollen Monat erhöht werden. Erk. v. 29. Jan. 83, E. 8 S. 26. — Treffen ungleichartige Freiheitsstrafen zusammen, so sind zunächst die milderen in die schwereren umzuwandeln. Das Maß der Gesamtstrafe darf den Betrag der danach ermittelten Einzelstrafen nicht erreichen. Erk. v. 30. Mai 84, R. 6 S. 388. Es ist aber nicht erforderlich, daß die einzelnen Gefängnis­ strafen ausdrücklich in ziffermäßige Zuchthausstrafen umgewandelt werden. Erk. v. 6. Febr. 03, E. 36 S. 88. Besteht eine Einzelstrafe nur in Einem Tage Ge­ fängnis, so muß von der Erhöhung der schwersten Einzelstrafe abgesehen werden. Erk. v. 4. Juni 97, E. 30 S. 141. Auch bei jugendlichen Angeklagten darf die Gesamtstrafe zehn Jahre erreichen. Erk. v. 22. Dezbr. 19, E. 54 S. 202. Wird ein Erk. in der Revisionsinstanz nur teilweise aufgehoben, so werden die für die in realer Konkurrenz stehenden Delikte verhängten Einzelftrafen nur soweit berührt, als sie für die durch die Aufhebung betroffenen Delikte ausge­ worfen sind. Plen.Entsch. v. 18. April 94, E. 25 S. 298. 4) Neben einer wegen Realkonkurrenz erkannten Strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nur erkannt werden, wenn wenigstens eine der ver­ wirkten Einzelstrafen die Dauer von drei Monaten erreicht. Erk. v. 5. Febr. 80, R. 1 S. 321. Die Dauer der Aberkennung darf aber auch bei einer Gesamt­ strafe niemals über 10 Jahre betragen. Erk. v. 12. Mai 82, R. 4 S. 479. Die Ehrenstrafe ist nur neben der Gesamtstrafe, nicht neben den Einzelftrafen zu verhängen. Erk. v. 6. Febr. 03, E. 36 S. 88.

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen §§]77—79.

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Polizei-Aufsicht erkannt werden, wenn dieses auch nur wegen einer der mehreren strafbaren Handlungen statthaft ist.

§ 77. Trifft Haft mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert zu erkennen. Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrenr Gesamtbeträge nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen. § 78. Auf Geldstrafen, welche wegen mehrerer strafbarer Hand­ lungen allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ist ihrem vollen Betrage nach zu erkennen, v) Bei Umwandlung mehrerer Geldstrafen ist der Höchstbetrag der an die Stelle derselben tretenden Freiheitsstrafe zwei Jahre Gefängnis und, wenn die mehreren Geldstrafen nur wegen Übertretungen er­ kannt worden sind/ drei Monate Haft.

§ 79. Die Vorschriften der §§ 74 bis 78 finden auch An­ wendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist,5 6)7 die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung er­ folgt,^) welche vor7a) der früheren Verurteilung begangen war. 5) Es sind zunächst die einzelnen Geldstrafen unter Beobachtung der hier­ für festgesetzten Höchstgrenzen in Freiheitsstrafen umznwandeln, sodann ist die Höchstsumme der zu'substituierenden Freiheitsstrafe zu bemessen aber nicht ge­ mäß § .74. Erk. v. 24 Febr. 85, N. 7 S. 144. Erk. v. 12. Juli 17, E. 51 S. 176. 6) Daß dies geschehen, muß in dem Urteil festgestellt werden. Erk. v. 28. Novbr. 79, N. 1 S. 102. Hat nach Aufhebung eines früheren Urteils eine zweite Verurteilung wegen derselben Tat stattgefunden und es erfolgt nunmehr die Ab­ urteilung wegen einer strafbaren Handlung, welche nach der ersten, aber vor der zweiten Verurteilung begangen, so ist ebenfalls auf eine Gesamtstrafe zu er­ kennen. Erk. v. 5. April 99, E. 33 S. 231. Ist im Falle abermaliger Verurteilung die Bildung einer neuen Gesamtstrafe erforderlich, so ist von den ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen auszugehen. Die neue Gesamtstrafe darf den Betrag der neuen Einzelstrafe u. den der Gesamtstrafe nicht übersteigen. Erk. v. 26. Juni 14, E. 48 S. 277. A. M. KR. Anm. 7. Ist der A. durch das 1. Urt. zu einer Frei­ heitsstrafe und durch ein 2. zu einer Zusatzstrafe verurteilt worden, so kann wegen einer zwischen beiden Verurteilungen liegenden Handlung nur auf eine selbständige Strafe erkannt werden. Erk. v. 13. Sept. 06, Recht 10 S. 1151. Verbüßt ein Verurteilter eine Gesamtstrafe, in die frühere Strafen unzulässig einbezogen waren, so'ist § .74 so gegen ihn anzuwenden, wie es hätte geschehen müssen, wenn die schon abgeurteilte und die vor der früheren Verurteilung begangene, aber jetzt erst zur Aburteilung kommende Tat zu gleichzeitiger Entscheidung Vor­ gelegen hätten. Erk. v. 24. Juli 12, E. 46 S. 179. Hat bereits ein rechtskräf­ tiges Urteil eine Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil gebildet, so hat ein drittes Urteil/eine Strafe selbständig, ohne Herbeiführung einer weiteren Ge­

samtstrafe dann zu erkennen, wenn die von ihm abgeurteilte Tat zwar vor Ver­ kündigung des zweiten, aber nach Verkündigung des ersten Urteils verübt worden ist. Erk. v. 21. Novbr. 12, GA. 60 S. 414. 7) Entscheidend ist die Verkündung des ersten verurteilenden Erkenntnisses, nicht dessen Rechtskraft. Erk. v. 14. März 87, R. 9 S. 177, u. Erk. v. 10. Jan.

44

in. Strafgesetzbuch §§ 80—83.

2. Teil.

Von Leu einzelnen Verbrechen, Vergehen und Über­ tretungen und deren Lestrafung. 1. Abschnitt.

Hochverrat un- Landesverrat.

8 80.™) § 81. Wer es unternimmt, 1. einen Bundesfürsten zu töten, gefangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen, 2. die Berfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats

oder die in demselben bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern, 3. das Bundesgebiet ganz

oder teilweise einem fremden Staate

gewaltsam einzuverleiben oder einen Teil desselben vom Ganzen

loszureißen, oder 4. das Gebiet eines Bundesstaats ganz oder teilweise einem an­

deren Bundesstaate gewaltsam einzuverleiben oder einen Teil desselben vom Ganzen loszureißen,

wird wegen Hochverrats mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebens­

länglicher Festungshaft bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.

Neben der Festungshaft kann aus Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. 8 82. Als ein Unternehmen, durch welches das Verbrechen des Hochverrats vollendet wird, ist jede Handlung aüzusehen, durch welche das Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll.

8 83.

Haben mehrere die Ausführung eines hochverräterischen

Unternehmens verabredet, ohne daß es zum Beginn einer nach 8 82 strafbaren Handlung gekommen ist, so werden dieselben mit Zuchthaus

nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. 81, E. 3 S. 213. War das ftühere Urteil noch nicht rechtskräftig, so kann die Entscheidung über die Gesamtstrafe einem späteren Verfahren (§ 492 StPO.) Vorbehalten werden. Erk. v. 6. Juli 81, E. 5 S. 1. War das ftühere Ur­ teil rechtskräftig und dasselbe dem Gericht bekannt, so muß bei Strafe der Nichtigkeit auf eine Gesamtstrafe erkannt werden. Erk. v. 6. Ottbr. 81, R. 3 S. 602. War das ftühere Urteil dem Gericht unbekannt, so gibt die unter­ lassene Anwendung des 8 79 keinen Revisionsgrund. Erk. v. 17. März 85, R. 7 S. 186, ebensowenig dann, wenn die Borbestrasungsakten noch nicht vor­ liegen. Erk. v. 14. Mai 01, E. 34 S. 267. Erk. v. 7. Mai 12, KR. Anm. 6. 7 a) Erfolgt die spätere Verurteilung wegen eines fortgesetzten Delikts und liegt ein Teil der Handlungen vor der ersten Verurteilung, darf eine Gesamt­ strafe nicht gebildet werden. Darmstadt v. 28. Jan. 98, GA. 46 S 230. 7 b) 8 80 ist sortgelassen.

Hochverrat und Landesverrat §§ 84—87.

45

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht

unter zwei Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. § 84. Die Strafvorschriften des § 83 finden auch gegen den­ jenigen Anwendung, welcher zur Vorbereitung eines Hochverrats ent­ weder sich mit einer auswärtigen Regierung einläßt oder die ihm von dem Reich oder einem Bundesstaate anvertraute Macht mißbraucht oder Mannschaften anwirbt oder in den Waffen einübt. § 85. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung8)9 oder öffentlichen Anschlag der öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zur Ausführung einer nach § 82 strafbaren Handlung auffordert,8) wird mit Zuchthaus Vis zu zehn Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein. § 86. Jede andere, ein hochverräterisches Unternehmen vor­ bereitende Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestrgft.l0) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von

sechs Monaten bis zu drei Jahren ein. § 87. Ein Deutscher, welcher sich mit einer ausländischen Re­ gierung einläßt, um dieselbe zu einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu veranlassen, wird wegen Landesverrats mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, mit lebens­ länglichem Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. 8) Der Verbreiter muß das Bewußtsein haben, daß der Inhalt der Schrift geeignet ist, den Willen zur Verübung der strafbaren Handlung, in den Personen, in deren Hände die Schrift gelangen soll, hervorzurufen. Erk. v. 5. Oktbr. 82, E. 7 S. 113. Die Versendung einer Druckschrift durch die Post erfüllt den Be­ griff der Verbreitung, wenn die Absicht ausgeschlossen ist, daß nur der Adressat sie lese. Erk. v. 10. Oktbr. 87, E. 16 S. 245. 9) Es muß zu einer Handlung aufgefordert werden, durch welche das hochverräterische Unternehmen unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll. Erk. v. 10./21. Oktbr. 81, E. 5 S. 60. 10) Die in der Absicht der Verbreitung erfolgte Herstellung eines Plakats, ln welchem zur gewaltsamen Änderung der Verfassung des Deutschen Reichs und der Bundesstaaten aufgefordert wird, ist ein Unternehmen im Sinne dieses Paragraphen. Erk. der verein. Sen. v. 30. Oktbr. 86, R. 8 S. 653. Vgl. auch Erk. v. 13./18. Juni 87, E. 16 S. 165.

46

IN. Strafgesetzbuch 8 88- 90.

Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen

Rechte erkannt werden. § 88. Ein Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges in der feindlichen Kriegsmacht Dienste nimmt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundes­ genossen trägt, wird wegen Landesverrats mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Ein Deutscher, welcher schon früher in ftemden Kriegsdiensten stand, wird, wenn er nach Ausbruch des Krieges in der feindlichen Kriegsmacht verbleibt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundes­ genossen trägt, wegen Landesverrats mit Zuchthaus von zwei bis zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. § 89.10a) Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder der Kriegsmacht des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben Nachteil zufügt, wird wegen Landesverrats mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungs­ haft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen

Rechte erkannt werden. § 90. Lebenslängliche Zuchthausstrafe tritt im Falle des § 89 ein, wenn der Täter 1. Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Verteidigungs­ posten, ingleichen Teile oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht in feindliche Gewalt bringt; 2. Festungswerke, Schiffe oder Fahrzeuge der Kriegsmarine, öffentliche Gelder, Vorräte von Waffen, Schießbedarf oder anderen Kriegsbedürfnissen, sowie Brücken, Eisenbahnen, Tele­ graphen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vorteile des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht; 10 a) Beim Zusammentreffen der Strafbestimmungen der §§ 89, 90 Nr. 5 mit denen des Spionage-Ges. unter 10 b sind ausschließlich die ersteren anzu­ wenden. Erk. v. 9. März 16, E. 49 S. 423.

Hochverrat und Landesverrat § 91, 92.

47

3. dem Feinde Mannschaften zuführt oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht verleitet, zum Feinde über­ zugehen; 4. Operaüonspläne oder Pläne von Stellungen dem Feinde mitteilt;

Festungen

oder

festen

5. dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt verbirgt oder ihnen Beistand leistet, oder

6. einen Ausstand unter Angehörigen der deutschen oder einer verbündeten Kriegmacht erregt. In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent­ lichen Ämter sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen

Rechte erkannt werden. § 91. Gegen Ausländer ist wegen der in den §§ 87, 89, 90 bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauche zu verfahren. Begehen sie aber so-lche Handlungen, während sie unter dem Schutze des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats sich innerhalb des Bundesgebietes aufhalten, so kommen die in den §§ 87, 89 und 90 bestimmten Strafen zur Anwendung.

§ 92. u)

Wer vorsätzlich

11) Siehe hierzu das Reichsgesetz gegen den Verrat militärischer Geheimniffe v. 3. Juni 1914 (RGBl. S. 195). § 1. Wer vorsätzlich Schriften, Zeichnungen oder andere Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet, wird mit Zuchthaus nicht unter 2 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 1 Jahre bestraft. Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich Nachrichten, deren Geheimhaltung im Jnterene der Landesverteidigung erforderlich ist, an eine ausl. Regierung oder an eine Person, die im Interesse einer ausl. Regierung tätig ist, gelangen läßt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet. Hat der Verrat einen schweren Schaden für die Sicherheit des Reichs zur Folge gehabt, so kann, wenn der Täter dies vorausgesehen und gegen Entgelt gehandelt hat, auf lebenslanges Zuchthaus erkannt werden. § 2. Wer ohne den Vorsatz, die Sicherheit des Reichs zu gefährden, vor­ sätzlich und rechtswidrig Gegenstände der im 8 1 Abs. 1 bezeichneten Art in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt, wird mit Gefängnis oder mit Festungshaft bis zu 5 Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. § 3. Wer sich den Besitz oder die Kenntnis von Gegenständen der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art in der Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung zu gebrauchen, wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft.

48

III. Strafgesetzbuch § 92.

Ebenso wird bestraft, wer sich Nachrichten der im § 1 Abs. 2 bezeichneten Art in der Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung an eine ausl. Regierung oder an eine im Jntereffe einer ausl. Regierung tätige Person zu gebrauchen. Waren die Gegenstände oder Nachrichten dem Täter in seiner Eigenschaft als deutscher Beamter oder deutsche Militärperson zugänglich, so kann auf Zucht­ haus bis zu 15 Jahren erkannt werden. § 4. Wer sich vorsätzlich und rechtswidrig den Besitz oder die Kenntnis von Gegenständen der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art ohne die Absicht verschafft, sie zu einer die Sicherheit des Reichs gefährdenden Mitteilung zu gebrauchen, wird mtt Gefängnis oder Festungshaft bis zu 3 Jahren bestraft. Bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe bis zu 5000 *12) Mark erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 8 5. Wer ein Verbrechen der in den §§ 1, 3 bezeichneten Art mit einem anderen verabredet, wird, wenn es nicht zur Vollendung oder zu einem straf­ baren Versuche des Verbrechens gekommen ist, mit Gefängnis nicht unter 1 Jahre, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft. Der an einer Verabredung Beteiligte wird nicht bestraft, wenn er zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des verabredeten Verbrechens noch möglich ist, fteiwillig Anzeige bei der Behörde erstattet. Dies gilt nicht für den Beteiligten, der den anderen zu der Verabredung vorsätzlich bestimmt hat. § 6. Wer vorsätzlich mit einer Person, die im Jntereffe einer ausl. Re­ gierung tätig ist, Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 1 Abs. 1, 2 bezeichneten Art zum Gegenstände haben, wird mit Gefängnis bestraft.12 a) Ebenso wird bestraft eine Person, die im Jntereffe einer ausl. Regierung tätig ist, wenn sie vorsätzlich mit einem anderen Beziehungen anknüpft oder unterhält, welche die Mitteilung von Gegenständen oder Nachrichten der im § 1 Abs. 1, 2 bezeichneten Art zum Gegenstände haben. § 7. Wer vorsätzlich in einer Festung, einem Reichskriegshafen oder einer militärischen Anlage, auf einem Schiffe der Kaiserlichen Marine oder innerhalb der deutschen Hoheitsgewäffer gegenüber einer Behörde, einem Beamten oder einer Militärperson über seinen Namen, seinen Stand, seinen Beruf, sein Gewerbe, seinen Wohnort oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige An­ gabe macht oder die Angabe verweigert, wird, wenn nach den Umständen an­ zunehmen ist, daß der Aufenthalt an dem Orte oder die unrichtige Angabe oder die Verweigerung der Angabe mit Zwecken der in den §§ 1, 3 bezeichneten Art zusammenhängt, mit Gefängnis bis zu 1 Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 1000la) Mark bestraft. Einer Festung, einem Reichskriegshafen oder einer militärischen Anlage stehen gleich deren amtlich bekanntgemachte Sicherungsbereiche sowie gewerbliche Anlagen, in denen Gegenstände für die Bedürfniffe der inländischen Kriegsmacht hergestellt, ausgebeffert oder aufbewahrt werden. Die Tat ist nur strafbar, wenn die Behörde, der Beamte oder die Militär­ person zuständig war. § 8. Wer fahrlässig Gegenstände der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, die ihm kraft seines Amtes oder eines von amtlicher Seite erteilten Auftrags zu­ gänglich waren, in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt

12) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 12 a) ($8 genügt schon die bloße Vorspiegelung eines Verrats um eines Lohnes willen.. BayObLG. v. 14. Juli 21, DStZ. 9 S. 60.

49

Hochverrat und Landesverrat § 92.

und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 5000 Mart bestraft. § 9. Wer von dem Vorhaben eines der in den §§ 1, 3 bezeichneten Ver­ brechen zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntnis erhält und es vorsätzlich unterläßt, hiervon der Behörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird, wenn das Verbrechen oder ein straf­ barer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis bestraft. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn'die Anzeige gegen einen Angehörigen oder von einem Geistlichen in Ansehung desjenigen, was ihm bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden ist, hätte erstattet werden müßen. § 10. Wer vorsätzlich während eines Krieges gegen das Reich oder bei drohendem Kriege Nachrichten über Truppen- oder Schiffsbewegungen oder über Verteidigungsmittel einem vom Reichskanzler erlassenen Verbote zuwider ver­ öffentlicht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 5000 ' Mark bestraft. § 11. Wer vorsätzlich über schwebende amtliche Ermittelungen wegen eines Verbrechens oder Vergehens gegen dieses Gesetz ohne Erlaubnis der die Er­ mittelungen leitenden Behörde Mitteilungen in die Öffentlichkeit bringt, wird

mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu 1 Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 1000 12) Mark bestraft. Diese Vorschrift findet auf die Veröffentlichung von Mitteilungen, die nach der Eröffnung des gerichtlichen Hauptverfahrens, im militärgerichtlichen Ver­ fahren nach Verfügung der Anklage erfolgt, keine Anwendung. § 12. Mit Haft oder Geldstrafe bis zu 150 l2) Mark wird bestraft, 1. wer einem an Ort und Stelle erkennbar gemachten Verbote der Militär­ behörde zuwider eine militärische Anlage oder ein Schiff der Kaiserlichen Marine betritt; 2. wer in einer Festung, einem Reichskriegshafen oder in deren amtlich bekanntgemachten Sicherungsbereichen die Vorschriften über Aufenthalts­ meldung Übertritt; 3. wer von einem Festungswerk, einem Gebäude der Kaiserlichen Marine, in welchem Munitton oder Minen gelagert werden, einer militärischen Luft­ fahrzeughalle oder einer militärischen Anlage für drahtlose Telegraphie ohne Erlaubnis der zuständigen Militärbehörde Aufnahmen macht oder veröffentlicht. Die Aufnahmen und Veröffentlichungen können eingezogen werden ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. § 13. In den Fällen der §§ 1, 3 kann neben der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu 50 000 l2) Mark, bei mildernden Umständen bis zu 25 000 Mark erkannt werden. In den Fällen der §§ 2, 4, 5, 6, 8 kann neben, der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu 5000 Mark erkannt werden. § 14. In den Fällen der §§ 1, 3, 5, 6 kann neben Gefängnis auf Verlust der öffentlichen Ämter und der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte,

neben jeder Freiheitsstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Ein Ausländer, der wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens gegen dieses Gesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, kann nach Verbüßung der Strafe von der Landespolizeihörde aus dem Reichs­ gebiet ausgewiesen werden. § 15. Hat der Täter für die Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gegen dieses Gesetz Entgelt empfangen, so ist das Empfangene oder dessen Wert in dem Urteil für dem Staate verfallen zu erklären. § 16. Auf die Verbrechen und Vergehen gegen die §§1,3, 5,6, 8 findet die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des StGB. Anwendung. Dalcke, Strafrecht.

16. Auf!.

(1922).

4

60

HI. Strafgesetzbuch §§ 93—102.

1. Staatsgeheimnisse oder Festungspläne, oder solche Urkunden, Aktenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Ge­

heimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl deS Deutschen Reichs

oder

eines

Bundesstaats

erforderlich

ist, dieser Regierung mitteilt oder öffentlich bekannt macht; 2. zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs

oder eine-

Bundesstaats' im Verhältnis zu einer anderen Regierung die über solche Rechte

sprechenden Urkunden oder Beweismittel

vernichtet, verfälscht oder unterdrückt, oder

3. ein ihm von seilen des Deutschen Reichs oder von einem Bundes­

staate aufgetragenes Staatsgejchäst mit einer andern Regierung zum Nachteil dessen führt, der ihm den Auftrag erteilt hat, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht

unter sechs Monaten ein.

§ 93. Wenn in den Fällen der §§ 80, 81, 83, 84, 87—92 die Untersuchung eröffnet wird, so kann bis zu deren rechtskräftigen Be­ endigung das Vermögen,

welches

der Angeschuldigte besitzt, oder

welches ihm später ansällt, mit Beschlag belegt werden.

2. Abschnitt.

Lelcldlgung -er Landesherrv.

8 94.llb)

4. Abschnitt. Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten.

§ 102.

Ein Deutscher, welcher im Jnlande oder Auslande, oder ein Ausländer, welcher während seines Aufenthalts im Jnlande gegen einen nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staat oder dessen Landes­

herrn eine Handlung vornimmt, die, wenn er sie gegen einen Bundes­

staat oder einen Bundessürsten begangen hätte, nach Vorschrift der §§ 81 b;S 86 zu bestrafen sein würde, wird in den Fällen der §§ 81 bis

84 mit Festungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder, wenn mildernde Umstände

vorhanden

sind,

mit Festungshaft von

sechs

§ 17. Soweit in Gesetzen oder Verordnungen auf Vorschriften verwiesen ist, die durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzt werden, treten an deren Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes. § 18. Bei Verbrechen gegen die §§ 1, 3 ist das Reichsgericht für die Unter­ suchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz ausschließlich zuständig. (Die Militärgerichtsbarkeit wird hierdurch nicht berührt.) Die Geschäfte, die im 8 72 Abs. 1 des GVG. der Strafkammer des LG. zugewiesen sind, erledigt der 1. Strafsenat des Reichsgerichts. Das Haupt­ verfahren findet vor einem der übrigen Strafsenate des Reichsgerichts statt. 12 b) Die §8 94 bt- 101 sind sortgriassen.

Berbr. u. Vergehen in Bez. auf b. Ausüb. staatSb. Rechte §§ 103—105.

51

Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen der §§ 85 und 86 mit Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, sofern in dem anderen Staate dem Deutschen Reich die Gegenseitigkeit ver­ bürgt ist.

ein.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

§ 103. Wer sich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängnis von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft, sofern in diesem Staate dem Deutschen Reich die Gegenseitigkeit verbürgt ist. ein.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

§ 103 a. Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität18) eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eine- solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu hundert *«) Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

§ 104 Wer sich gegen einen bei dem Reich, einem bundes­ fürstlichen Hofe oder bei dem Senate einer der fteien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Festungs­ haft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein. Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

5. Abschnitt,

Die

verbrechen und vergehen in Seziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Uechte.

§ 105. Äer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der fteien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaates auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter Einem Jahre ein.

13) Ein solches Zeichen soll die Regierungsgewalt de- bett. TtaateS zum Ausdruck bringen. Erk. v. 10. Mai 98 E. 31 S. 14.

52

in. Strafgesetzbuch §§ 106—108.

§ 106. Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versamm­ lungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Hand­ lung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungs­

haft von gleicher Dauer bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein.

§ 107. u) Wer einen Deutschen durch Gewaltlö) oder durch Be­ drohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Ge­ fängnis nicht unter sechs Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. § 108. Wer in einer öffentlichen Angelegenheit") mit der Sammlung von Wahl- oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der Beurkundungsverhandlung beauftragt, ein unrich­ tiges Ergebnis17 14) 15 der 16 Wahlhandlung18) vorsätzlich herbeiführt oder 14) Der Paragraph findet nicht bloß Anwendung, wenn eine Person überhaupt verhindert wird zu wählen, sondern auch dann, wenn sie verhindert wird, eine bestimmte Person zu wählen. Erk. v. 21. März 82, R. 4 S. 266. Übrigens bezieht sich diese Strafbestimmung auf alle, also auch auf Ge­ meindewahlen. Erk. v. 9. Novbr. 82, E. 7 S. 223.

15) Das Bereiten eines rein sachlichen Hinderniffes, wie Verriegeln der Tür des Wahllokals ist keine Gewalt. Erk. v. 9. März 14, GA. 62 S. 131. 16) D. h. des Staates oder einer öffentlichen Korporation. Frank StGB. Anm. 1. Es gehören daher auch die Gemeindewahlen hierher. Erk. ti. 11. Oktbr. 01, GA. 48 S. 435, auch die Wahlen von Vertretern zur Generalversammlung einer Ortskrankenkasse. Erk. v. 30. Jan./24. Febr. 08, E. 41 S. 121. 17) Ein solches liegt auch schon dann vor, wenn ein unrichtiges Stimmen­ verhältnis herbeigeführt ist, die Person des Gewählten braucht dadurch nicht verändert zu sein. Erk. v. 6. Oktbr. 81, E. 5 S. 49. Vgl. auch E. 7 S. 144. Erk. v. 2. Juni 90, E. 20 S. 420. Verstöße gegen das Wahlreglement nehmen der Wahlhandlung nicht ihren Charakter. Erk. v. 31. Juni 82, E. 6 S. 351. Der Paragraph fordert nicht ausdrücklich rechtswidriges Handeln. Erk. v. 9. Oktbr. 05, Recht 9 S. 624. Er richtet sich nicht ausschließlich gegen den, der selbst als Wähler auftritt. Erk. v. 21. Oktbr. 12, GA. 60 S. 274. Auch eine zur Wählerliste abgegebene falsche Erklärung fällt unter den §. Erk. v. 23. Jan. 84, R. 6 S. 70. Die Abgase eines Stimmzettels für einen anderen unter Miß­ brauch des Namens des letzKren fällt ohne Rücksicht darauf, ob der Unberechttgte ebenso gewählt hat, wie der Berechtigte gewählt haben würde, unter den §. Erk. v. 12. März 85, R. 7 S. 168. Unrichttges Wahlergebnis wird dadurch herbeigeführt, daß der Wahlberechtigte heimlich einen Stimmzettel in die Urne hineinsteckt. Erk. v. 26. Juni 05, JurW. 05 S. 747. Ist eine Person irr­ tümlich als berechttgt in die Wahlliste eingetragen u. wählt sie, so findet § 108 keine Anwendung. Erk. v. 6. April 91, E. 21 S. 414. Die widerrechtliche

Widerstand gegen die Staatsgewalt § 109, 110.

53

das Ergebnis verfälscht, wird mit Gefängnis von Einer Woche bis zu drei Jahren bestraft. Wird die Handlung von jemand begangen, welcher nicht mit der Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei dem Wahlgeschäste beauftragt ist, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren ein. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. § 109. Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlsttmme kauft oder verkauft,19 * *) 18 wird mit Gefängnis von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

6. Abschnitt.

Widerstand gegen die Staatsgewalt.

§ 110. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, 20)21oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Aus­ stellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam") Wegnahme von Wahlurnen und Stimmzetteln ist nicht nach § 108 strafbar. Erk. v. 21. Juni 21, Recht 25 Nr. 2908. 18) Unter Wahlhandlung kann nur der eigentliche durch Ausübung des Wahlrechts von feiten der Wähler sich vollziehende Wahlakt verstanden werden. Erk. v. 2. Juni 90, E. 20 S. 420. Siehe § 54 d. Reichswahlordnung v. 21. Dezbr. 20 (RGBl. S. 2171). 19) Hierbei handelt es sich nicht um die zivilrechtl. Grundsätze über den Kauf, sondern um die Anschauungen des gewöhnt. Lebens. Es genügt daher die dem Wähler gewachte u. von diesem angenommene Zusage eines materiellen Vor­ teils irgend einer Art. Wie der Wähler hat stimmen wollen u. ob er der Verab­ redung gemäß gestimmt hat, ist gleichgültig. Erk. v. 9. April 88, R. 10 S. 289, aber Willenseinigung ist erforderlich. Erk. v. 3. April 82, E. 6 S. 194. Es ist insbes. nicht nötig, daß der Wähler hat bestimmt werden sollen, gegen seine Überzeugung zu wählen. Erk. v. 15. Novbr. 83, E. 9 S. 197. Es soll aber nicht die Gewährung eines Vorteils dafür genügen, daß der Sttmmberechttgte überhaupt abstimmt. GA. 51 S. 415. Nicht ist erforderlich, daß der Vorteil dem Stimmenverkäufer selbst zu gute kommt. Erk. v. 6. März 13, E. 47 S. 71. Auch der gegen Entgelt erklärte Verzicht auf Ausübung des Wahlrechts gilt als Verkauf. Erk. v. 20. Dezbr. 13, E. 48 S. 70. 20) Die Aufforderung muß vor einer Menschenmenge erfolgt sein, kann aber auch an eine einzelne Person gerichtet sein. Auf den Erfolg kommt es nicht an. Erk. v. 10. Oktbr. 81, E. 5 S. 71. Der Begriff der Menge fordert nicht eine ungeordnete und zusammengewürfelte Mehrheit. Die Arbeiterschaft einer Fabrik kann eine Menge darstellen. Erk. v. 12. März 07, E. 40 S. 76. 21) Während § 111 die Aufforderung zu einer einzelnen bestimmten Straftat bedroht, bedroht § 110 die Aufforderung zum Ungehorsam gegen das Gesetz im allgemeinen, zur grundsätzlichen Auflehnung gegen die im Gesetz ent­ haltenen Grundlagen der Rechtsordnung. Erk. v. 22. Ottbr. 14, LZ. 9 S. 58. Erk. v. 1. Juni 93, E. 24 S. 189. Die Aufforderung, einer staatsanwaltschast-

54

III. Strafgesetzbuch § 111.

gegen Gesetze 22 * *)23oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von

der Obrigkeit 2S) innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen

auffordert,24) wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

§ 111

Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer

strafbaren Handlung26) auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen,

lichen Zeugenladurg nicht Folge zu leisten, fällt nicht unter den §. 1. Febr. 15, GA f2 S. 342.

Erk. v.

22) Unter diesen Gesetzen sind nicht nur Strafgesetze, sondern auch die Vor­ schriften deS Zivilrechts zu verstehen, Erk. v. 28. Jan. 91, E. 21 S. 299; auch gegen die Gesetzesbestimmungen, welche die Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeiter vorschreiben. Erk. v. 23. Juni 03, Recht 7 S. 366. — Ein Irrtum über die Rechtsgültigkeit des Gesetzes begründet nicht die Anwendbarkeit des § 59 StGB. Erk. v. 6. Novbr. 03, E. 36 S. 417.

23) Obrigkeit sind nur solche Organe der Staatsgewalt, welche in einem gewisien Umfange die Staatsgewalt ausüben. Bloße Vollzugsorgane für einen konkreten Fall gehören nicht hierher. Erk. v. 9. Oktbr. 84, R. 6 S. 605, ins­ besondere nicht Schutzleute. Erk. v. 8. März 04, Recht 8 S. 199.

Hierher gehören auch solche Anordnungen der Behörden, welche einen be­ stimmten Fall betreffen, generell verpflichtende Anordnungen werden nicht vor­ ausgesetzt. Erk. v. 29. Mai 83, E. 8 S. 321. Z. B. ein Verbot des Ministe­ riums Wahlen vorzunehmen. Erk. v. 4. Mai 20, E. 55 S. 8. Auch bloße Berwaltungsmaßnahmen gehören hierher. Erk. v. 2. Juli 21, DStZ. 9 S. 55. Die Anordnungen brauchen auch nicht gesetzlich erzwingbar zu sein. Erk. v. 30. Septbr. 80, E. 2 S. 281 u. Erk. v. 29. Mai 83, E. 8 S. 321. 24) Aufforderung ist jede Kundgebung mit der Absicht auf den Willen anderer einzuwirken. Erk. v. 19. April 81, E. 4 S. 106. Auffordern ist nicht gleich­ bedeutend mit anreizen. Erk. v. 7. Dezbr. 06, Jur.W. 36 S. 398. Es muß aber stets zum Ungehorsam gegen ein bestimmtes Gesetz oder eine bestimmte Anordnung der Obrigkeit aufgefordert werden. Erk. v. 16. Juni 84, R. 6 S. 433. Hierunter kann fallen die Aufforderung zum Sturz der gegenwärtigen Regierung, wenn -ie Beseitigung von Staatsämtern in bewußtem Gegensatz zum Gesetz gewollt war; auch ein Warnen der Soldaten vor dem Schießen auf ihre Klaffenge­ noffen. Erk. v. 23. März 20, E. 54 S. 264. Zur Herstellung des subjektiven Tatbestandes genügt schon das Bewußtsein des Auffordernden, daß seine Auf­ forderung auf die Verletzung des Gesetzes abzielt. Erk. v. 22. Dez. 02, Recht 7 S. 47 u. Erk. v. 28. Jan. 02, GA. 49 S. 124. Doch ist die Anführung des konkreten Gesetzes nicht erforderlich, es genügt, daß der Hörer versteht, welcher Gesetzesvorschrist nach dem Willen des Täters Ungehorsam ge­ leistet werden soll. Erk. v. 12. Jan. 04, DIZ. 9 S. 364 u. GA. 51 S. 178. Das Bewußtsein von der kriminellen Strafbarkeit der Tat, zu der aufgefordert wird, ist nicht erforderlich. Erk. v. 11. Dez. 05, GA. 53 S. 76. Erk. v. 1. Novbr. 07, E. 40 S. 363. Die Aufforderung zur Begehung von Schulversäumniffen wird nicht durch die irrtümliche Annahme einer genügenden Entschuldigung der Bersäumniffe ausgeschloffen. Erk. v. 20. Dez. 06, E. 39 S. 342.

25) Die Handlung muß wenigstens derart bestimmt bezeichnet werden, daß im Fall der Begehung einer strafbaren Handlung deren Zusammenhang mit

Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 111—113.

55

wenn die Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat. Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahre ein; war die Aufforderung auf eine Tötung gerichtet, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten, neben der auf Geldstrafe bis zu einer Million Mark erkannt werden fatin.25 * **)26 * * 27 *Die * 28 * *Strafe * darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keirle schwerere sein, als die auf die

Handlung selbst angedrohte. § 112 Wer eine Person des Soldatenstandes, es sei des Deutschen Heeres oder der Kaiserlichen Marine, ausfordert oder anreizt,M) dem Befehle2?) des Oberen nicht Gehorsam zu leisten, wer insbesondere eine Person, welche zum Beurlaubtenstande gehört, auffordert oder anreizt, der Einberufung zum Dienste nicht zu folgen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. § 113.22)

Wer einem Beamten,29) welcher zur Vollstreckung von

der Aufforderung erkannt werden kann. Erk. v. 18. Jan. 07, E. 39 S. 387. Auch Unterlassungen sind Handlungen im Sinne dieses Paragraphen. Erk. v. 19. April 81, E. 4 S. 109. Gleichgültig ist ob der Aufgesorderte ohnehin zum Handeln ent'chloffen war. Erk. v. 2a. Ott. 07, Recht 11 Nr. 3727. § 110 bleibt außer Anwendung, wenn der Tatbestand des 8 111 vorliegt. Erk. v. 19. April 81, E. 4 S 106 u. Erk. v. 20. Dezbr. 06, E. 39 S. 345. Nach KR. Anm. 7 zu 8 110 und Olshausen Anm. 9) ober in einem Postgebäude ") oder dem dazu gehörigen Hofraume, oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck6e) oder zu anderen Gegenständen der Beförderung67) gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens ferner auch dann, wenn der Dieb zunächst mit Hilfe eines falschen Schlüssels ein Behältnis öffnet, aus diesem den Schlüffe! entnimmt und mit letzterem das Behältnis öffnet, aus welchem er Geld stiehlt. Erk. v. 3. Mai 07, E. 40 S. 153.' Es ist nicht notwendig, daß die Öffnung des Verschlusses gerade vom Schlüsselloche. aus erfolgt. Erk. v. 8. Juni 95, E. 27 S. 285. 63 a) Die'es Merkmal setzt eine Einwirkung auf das Schließwerk eines Schlosses oder einer schloßartigen Vorrichtung voraus. Erk. v. 12. Juli 18, E. 52 S. 321. Erk. v. 17. Juni 19, E. 53 S. 277. Wird die Öffnung in der Weise

bewirkt, daß von dem richtigen Schlüssel mit Hilfe eines anderen Instruments (Zange) ein ordnungswidriger Gebrauch gemacht wird, so liegt der Tatbestand des § (zur Eröffnung nicht bestimmte Werkzuge) vor, Erk. v. 16. §ebr. 97, E. 29 S. 388, aber nicht dann, wenn ein Schraubenschlüffel zur Öffnung des Leitungshahnes der Wasserleitung benutzt wird. Erk. v. 7. Febr. 02, GA. 49 S. 128. 64) Auch ein im Privatbesitze befindlicher Platz ist ein öffentlicher, wenn dem Publikum allgemein der Zutritt gestattet ist. Erk. v. 25. Febr. 84, R. 6 S. 149. Siehe auch Anm. zu 8 116 u. Erk. v. 19. Febr. 91, E. 21 S. 370. 64 a) Offene See ist keine Wasserstraße. Erk. v. 8. Jan. 00, E. 33 @.*57, aber ein dem öffentlichen Verkehr dienender Landsee. Erk. v. 22. Febr. 21, Recht 25 Nr. 1532. Ob ein Gewässer als Wasserstraße anzusehen, hängt davon ab, ob der Verkehr auf ihm allgemein freigegeben ist. Erk. v. 11. Septbr. 00, E. 33 S 371. 64 b) Hierunter fallen nicht Privatanschlußgleise. Erk. v. 26. Mai 14, E. 48 S. 285; auch nicht Verladestellen, die Private unterhalten. Erk. v. 5. Juli 18, Recht 22 Nr. 1632. 65) Hierzu gehören auch solche Gebäude, in denen einzelne bestimmte Räume dem Postbetrieb unmittelbar dienen. Erk. v. 23. Septbr. 15, E. 49 S. 279. Wird in einem Postgebäude ein Diebstahl dadurch verübt, daß die als Umhüllung von Sachen dienende Leinwand zerschnitten wird, so treffen sowohl Nr. 2 als Nr. 4 dieses § zu. Erk. v. 27. Juli 86, R. 8 S. 536. 66) Zum Reisegepäck gehören alle Sachen, gleichviel ob sie Eigentum des Reisenden oder des Fuhrmanns sind, und es ist auch ohne Bedeutung, zu welchem Zwecke sie dienen. Erk. v. 27. Jnni 82, E. 6 S. 394. Doch müssen sich die Sachen auf dem Transportmittel zu dem Zweck befinden, um nach dem Willen ihrer Inhaber von dem einen Ort nach dem anderen befördert zu werden. Erk. v. 17. März 10, E. 43 S. 317. 67) Dahin gehört jeder Gegenstand, welcher zum Zwecke der Weiterbeför­ derung an einen der im § genannten Orte gebracht ist, und es ist gleichgültig, ob derselbe einem Bediensteten übergeben ist. Erk. v. 17. Septbr. 85, E. 13 S. 243; oder ob der betreffende Waggon dem Empfänger zur Verfügung gestellt ist. Erk. v. 11. Jan. 07, Recht 11 S. 195; oder auch, ob der Gegenstand sich aus einem besonders hierfür bestimmten oder geeigneten Transportmittel befindet. Deshalb gehört auch hierher das Geld, das der Kutscher eines Milchwagens vereinnahmt hat. Erk. v. 12. Aug. 82, R. 4 S. 693; auch der auf einem Kraftwagen befind­ liche Ersatzgummireifen. Erk. v. 12 Dezbr. 19, E. 54 S. 194, ferner der zum

Schwerer Diebstahl § 243.

155

der Befesttgungs- oder Verwahrungsmittel,68 * *)69oder durch Anwendung

falscher Schlüssel oder anderer zur ordnungsmäßige^ Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge gestohlen wird;

5. der Dieb oder einer der Teilnehmer am Diebstahle bei Be­

gehung der Tat Waffen bei sich führt;09) 6. zu dem Diebstähle mehrere70)71Mitwirken,^) welche sich zur

fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden72) haben, oder Unterhalt der Fahrtteilnehmer dienende Proviant. Erk. v. 22. Febr. 21, DStZ. 8 S. 368. 68) Hier wird eine gewisse Gewalttätigkeit vorausgesetzt, so z. B. Zerschneiden eines Sackes.- Erk. v. 9. Novbr. 81, R. 3 S. 699. Das Anbohren eines Fasses. Erk. v. 13. Juli 09, Recht 13 Nr. 2863. Das Zertrümmern einer Fenster­ scheibe des Eisenbahnpostwagens. Erk. v. 23. März 21, Recht 25 Nr. 1531. Selbst das einfache Ablösen ohne jede Verletzung der Substanz, Erk. v. 25. März 82, R. 4 S. 279, so z. B. das bloße Ablösen einer Gepäckmarke durch Anfeuchtung, Erk. v. 21. Juni 82, R. 4 S. 597, ferner das bloße Aufbinden der Befestigungsmittel. Erk. v. 26. April 83, R. 5 S. 286. Auch das bloße Ab­ streifen des Bindfadens von einem Pakete genügt. Erk. v. 27. April Hl, E. 21 S. 429. Siehe aber Erk. v. 18. Novbr. 02, E. 35 S. 431. In dem Öffnen

eines Wagenkastens kann der Tatbestand nicht gefunden werden; aber in dem Öffnen eines Plaidriemens. Erk. v. 1,0. Dezbr. 96, GA. 44 S. 383. 69) Die Bestrafung aus § 243 Nr. 5 setzt voraus, daß sich der Dieb bei Ausführung der Tat bewußt war, daß er Waffen bei sich führe. Erk. v. 24. Febr. 85, E. 12 S. 69. Vgl. auch Erk. v. 1. Oktbr. 83, R. 5 S. 558, darüber, daß „Waffe" hier nicht im technischen Sinne zu verstehen ist. Es genügt, daß der Täter die Waffe in seinem Handbereich hat. Erk. v. 18. Mai 20, E. 55 S. 17. Unerheblich ist es, ob der Täter zum Waffentragen befugt ist. Erk. v. 16. Dezbr. 19, E. 54 S. 195. Daß der Dieb die Absicht gehabt haben müffe, von der Waffe ev. gegen Menschen Gebrauch zu machen, ist nicht notwendig. Erk. v. 7. Dezbr. 96, E. 29 S. 228. 70) Zwei Personen genügen. Erk. v. 4. Juli 87, E. 16 S. 173. 71) Mitwirken setzt nicht voraus, daß jeder Beteiligte ein Tatbestandsmerk­ mal des Diebstahls hervorbringt; wie die Mittäterschaft, so kann die Mitwirkung auch in Handlungen gefunden werden, welche sich als Beihilfe, so sogar als bloße Borbereitungshandlungen qualifizieren. Erk. v. 23. Oktbr. 84, R. 6 S. 644. Erfordernis ist aber, daß eine Mehrheit von Personen sich zur Ausführung von nach Zahl und Individualität unbestimmt gelassenen Diebstählen verbunden hat. Erk. v. 20. März 94, E. 25 S. 421; aber nicht, daß die Reihenfolge der Be­ teiligung im voraus bestimmt ist. Erk. v. 1. Oktbr. 18, E. 52 S. 209. Wird ein Bandendiebstahl festgestellt, so können die mehreren Diebstähle nicht gleichzeittg als Einzelakte einer einheitlichen Handlung angesehen werden. Erk. v. 12. u. 27. April 94, GA. 42 S. 115. 72) Ein gewerbsmäßiges Verüben von Raub oder Diebstahl ist nicht er­ forderlich, Erk. v. 15. Juni 82, R. 4 S. 567, aber es ist die Verbindung zu mehreren selbständigen Diebstählen erforderlich. Erk. v. 4. Juli 87, E. 16 S. 173. Erk. v. 9. Mai 21, E. 56 S. 90. Indes genügt schon die Verbindung für eine gewisse, auch kürzere Zeit, z. B. für einen Jahrmarktstag. Erk. v. 13. Dezbr. 83, R. 5 S. 776, u. Erk. v. 6. Mai 90, GA. 38 S. 187. — Es genügt auch die Vereinigung der Täter zu einer bestimmten Art von Diebstählen. Erk. v. 23. Ottbr. 13, E. 47 S. 341. Es ist auch der Bandendiebstahl gegen den-

156

III, Strafgesetzbuch § 244.

7. der Diebstahl zur Nachtzeit76) in einem bewohnten Gebäude, in welches sich der Täter in diebischer Absicht eingeschlichen,oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwesend sind. Einem bewohüten Gebäude werden der zu einem be­ wohnten Gebäude gehörige umschlossene Ramn und die in einem solchen befindlichen Gebäude jeder Art, sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleichgeachtet. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe

nicht unter drei Monaten ent.76) § 244 Wer im Jnlaude als Dieb,76) Räuber oder gleich einem Räuber oder als Hehler bestraft77) worden ist, darauf aberselben Eigentümer (z. B. gegen den Staat, Stadtgemeinde usw.) möglich. Erk. v. I.Oktbr. 18, E. 52 S. 211. 73) Nachtzeit ist die Zeit der Dunkelheit und ist nicht auf die Zeit der nächt­ lichen Ruhe beschränkt. Erk. v. 23. Dezbr. 80, E. 3 S. 209. 74) Zum Einschleichen gehört nur ein möglichst heimliches und geräusch­ loses Eintreten, E. 5 S. 400, vgl. auch R. 5 S. 581 u. Erk. v. 7. April 84, R. 6 S. 274. Daß zwischen dem Einschleichen und der Ausführung der Tat ein gewisser Zwischenraum liegt, ist nicht notwendig. Erk. v. 11. Aug. 80, E. 2 S. 223, u. Erk. v. 6. Mai 81, E. 4 S. 127. Auch das Abpassen einer be­ sonderen Gelegenheit zum Einschleichen ist nicht notwendig. Erk. v. 16. Mai 85, R. 7 S. 302. Vgl. auch Erk. v. 23. Oktbr. 99, E. 32 S. 310; ein Einschleichen innerhalb des Gebäudes genügt nicht, wenn der Zutritt nicht in diebischer Absicht geschehen war. Erk. v. 31. März 11, Recht 15 Nr. 1846. Ob der Diebstahl mittels Einschleichens auch von einem Mitbewohner verübt werden kann, wie dies Erk. v. 6. April 03, Recht 7 S. 242 annimmt, mag zweifelhaft sein, jeden­ falls kann sich ein Bewohner des Nebengebäudes in das Hauptgebäude ein­ schleichen. Erk. v. 22. Dezbr. 20, E. 55 S. 170. — Auch dadurch wird der Tatbestand nicht ausgeschloffen, daß das Einschleichen zum Zwecke einer Ent­ wendung (§ 370 Nr. 5) geschieht und dann andere Sachen gestohlen werden. Erk. v. 20. Dezbr. 83, E. 9 S. 297. — Das Einschleichen in diebischer Absicht ist Versuch, nicht Borbereitungshandlung. Erk. v. 22. Sept. 05, E. 38 S. 177. 75) Im Falle der Beihilfe ist die Mindeststrafe 23 Tage Gefängnis. Erk. v. 18. Novbr. 12, E. 46 S. 303. 76) Ob als Täter oder wegen Ansttftung, Beihilfe oder wegen Versuchs, ist gleichgülttg. Erk.)). 23. Septbr. 80', R. 2 S. 243 u. Erk. v. 18. Novbr. 90, GA. 38 S. 441. Die Bestrafung wegen Begünstigung kommt nur in Betracht, wenn die letztere vor der Tat zugesagt war. Erk. v. 8. Juni 83, R. 5 S. 417. Vgl. R. 4 S. 40. Auch eine von den Militärgerichten verhängte Sttafe begründet den Rückfall. Erk. v. 27. März 84, E. 10 S. 330, ebenso eine mate­ riell nicht gerechfferttgte Bestrafung wie die eines Strafunmündigen. Erk. v. 20. Sept. 88, R. 10 S. 501. Der rückfällige Dieb kann nur bestraft werden, wenn er bei der Begehung das Borliegen der Rückfallsvoraussetzungen gekannt hat. Erk. v. 16. März 20, E. 54 S. 274. 77) Gerade auf die Bestrafung, nicht auf die Verurteilung kommt es an; Rückfall liegt deshalb nur vor, wenn die ftühere Strafe entweder ganz oder zum Teil verbüßt ist. Erk. v. 8. Juli 84, R. 6 S. 527. Anrechnung der Unter-

Unterschlagung §§ 245, 246.

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mals eine dieser Handlungen begangen hat, und wegen derselben bestraft worden ist,78) wird, wenn er einen einfachen Diebstahl (§ 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§ 243) begeht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim einfachen Diebstahl Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Dieb­ stahl Gefängnisstrafe nicht unter Einem Jahre ein. § 245 Die Bestimmungen des § 244 finden Anwendung, auch wenn die früheren Strafen nur teilweise verbüßt oder ganz oder teilweise erlassen78 a) find, bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn feit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe78 b) bis zur Begehung des neuen Diebstahls zehn Jahre verflossen sind.78) § 246. Wer eine fremde88) bewegliche Sache,88») die er in Besitz suchungshaft ist Strafverbüßung. Erk. v. 13. Juni 18, E. 52 S. 191. Die Rückfallstrafe begründet auch ein vor Rechtskraft des Urteils erteilter Verweis. Erk. v. 14. Oktbr. 86, E. 14 S. 421. Die Verurteilung gilt nicht mehr im Sinne dieses § als Bestrafung, wenn der Vermerk über die Verurteilung im Strafregister gelöscht ist. § 5 des Ges. v. 9. April 20. (Anhang unter V). Doch muß die Tilgung auch wirklich erfolgt sein. Tilgungsreife genügt nicht. Erk. v. 7. Juli 21, E. 56 S. 75. A. M. Ert. v. 6. Oktbr. 21, Recht 25 Anm. zu Nr. 2943. 78) Zur Feststellung des Rückfalles genügt die Angabe mit den Worten des Gesetzes nicht, die einzelnen Vorbestrafungen müssen vielmehr angegeben werden. Erk. v. 24. Oktbr. 81, R. 3 S. 636, u. Erk. v. 22. Jan. 83, R. 5 S. 47. Ist aber der Rückfall zu Unrecht festgestellt, muß Wiederaufnahme des Ver­ fahrens stattfinden. Erk. v. 14. April 85, R. 7 S. 225. 78 a) Ter Erlaß der ersten Strafe muß der zweiten Tat vorangegangen sein. Siehe das Anm. 77 zit. Erk. in E. 54 S. 274. 78 b) Hierunter fällt auch die im Gnadenwege erfolgte Umwandelung einer kriminellen Strafe in eine Schulstrafe. Erk. v. 9. Nov. 05, GA. 53 S. 71. Bei vorläufig Entlassenen beginnt die Verjährung erst mit dem Ablauf der festgesetzten Strafzeit. Erk. v. 4. Febr. 08, GA. 55. S. 229; bei der sog. bedingten Be­ gnadigung erst mit dem Gnadenakt, durch den die Strafe endgültig erlassen wird. Erk. v. 30. Septbr. 13, JurW. 43 S. 374. Recht 17 Nr. 2815. 79) Es kommt, um die Anwendung des § 244 auszuschließen, nur darauf an, daß zwischen der letzten Strafe und dem neu' abzuurteilenden Diebstahle mehr als zehn Jahre liegen. Die Zwischenräume zwischen den früheren Vor­ strafen sind gleichgültig. Erk. v. 4. März 80, E. 1 S. 246. Bei einer fortge­ setzteil Tat läuft die Frist bis zur Begehung der ersten Einzelhandlung. Erk. v. 8. Febr. 17, E. 50 S. 243. 80) Ob eine ftemde Sache vorliegt, ist nach den Regeln des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Erk. v. 15. Novbr. 80, E. 3 S. 35. Erk. v. 21. Septbr. 91, E. 22 S. 354, unter Umständen also nach dem Zivilrecht des Auslandes. Erk. v. 1. April 95, E. 27 S. 135. Hervorzuheben sind folgende Entschei­ dungen : Es macht sich der Unterschlagung schuldig der Konkursverwalter, der das bei einer Auktion gelöste Geld vom Auktionator durch einen Dritten abholen

158

III. Strafgesetzbuch § 246.

oder Gewahrsam") Hal, sich rechtswidrig zueignet,82) wird wegen Unterschlagung mit Gefängnis bis zu drei Jahren und, wenn die und durch denselben sofort zur Deckung einer persönlichen Schuld seinem Gläu­ biger überbringen läßt. Erk. v. 2. Novbr. 94, GA. 42 S. 392; der Gesell­ schafter nach Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft an von ihm einge­ brachten Sachen, wenn er vor der endgültigen Auseinandersetzung über sie ver­ fügt. Erk. v. 8. Febr. 95, E. 27 S. 11; der Beamte, der das ihm lediglich zur Heizung seiner Dienstwohnung mit dem Verbot des Verkaufs übergebene Deputatholz verkauft, Erk. v. 16. Jan. 80, E. 1 S. 75; -er Empfänger einer Zahlung, wenn der Zahlende sich über den Wert der in Zahlung gegebenen Stücke geirrt hatte, indem er z. B. statt eines Hundert- einen Tausendmarkschein gegeben. Erk. v. 12. Jan. 86, R. 8 S. 43 u. Erk. v. 14. Mai 97, GA. 45 S. 266 (anders, wenn der Zahlende aus Irrtum zu viel gezahlt hat. Erk. v. 24. Mai 80, E. 2 S. 65 u. Erk. v. 13. Jan. 05, GA. 52 S. 243), der mit der Einlösung eines sog. Kaffenschecks Beauftragte, wenn er das erhaltene Geld für sich verwendet. Erk. v. 9. Dezbr. 19, E. 54 S. 185; der Kellner, der für seinen Dienstherrn eingenommenes Geld sich aneignet, Erk. v. 18. Mai 03, GA. 50 S. 288. (Nach Erk. v. 10. Dezbr. 00, E. 34 S. 39 auch der Kellner, der das Bier auf eigene Rechnung verkauft. A. M. Frank, Anm. II 2 c u. KR. Anm. 13 a. E. zu § 266). Eine Unterschlagung kann auch begehen ein Stellvertreter, der für einen anderen eine Sache okkupiert. Erk. v. 9. Oktbr. 06, E. 39 S. 179, ebenso der RA. an dem Gelde, welches er als Prozeßmandatar zur Absendung an seinen Mandanten erhält. Erk. v. 12. Juli 89, GA. 37 S. 302. Aber noch nicht macht sich der Unterschlagung schuldig, wer zwar im Interesse eines an­ deren, aber ohne dessen Willen und Auftrag, einen Wechsel einkassiert und so-dann das Geld für sich verbraucht. Erk. v. 30. Septbr. 93, GA. 41 S. 288. An einer herrenlosen Sache kann keine Unterschlagung verübt werden. Eine von einem Diebe versteckte Sache ist keine herrenlose. Erk. v. 2. März 11, Recht 15 Nr. 1452. Die Besitznahme eines Schatzes durch den Entdecker (§ 984 BGB.) stellt sich hinsichrlich der ganzen Sache als Unterschlagung dar. KR. Anm. 4 a. A. M. Olshausen Anm. 8. Betr. der Aneignung von Bernstein siehe Ges. v. 22. Febr. 67 (GS. S. 272) und der befugten Aneignung von Mineralien Ges. v. 26. März 56, ^GS. S. 203). An von Natur zahmen oder gezähmten Tieren, die ihren Herren ent­ laufen sind, kann eine Unterschlagung verübt werden. Erk. v. 13. Febr. 91, E. 21 S. 342. Betr. der Tauben siehe Anm. 51 Avs. 4 sowie 89 zu § 303. 80 a) Zu den Sachen gehören auch Dokumente über Forderungen, Erk. v. 11. Febr. 81, R. 3 S. 35; Wechsel, Erk. v. 11. Juli 81, E. 5 S. 4, und Schuld­ scheine. Erk. v. 19. Juni 85, R. 7 S. 420; auch vertretbare Sachen, wenn sie als Sonderiachen zurückzugeben sind. Olshausen Anm. 14. Über Aneig­

nung von Sparkassenbüchern siehe Anm. 50 zu § 242. 81) Zum Tatbestände der Unterschl. gehört ferner, daß der Täter die Sache in Gewahrsam hat. Ob dies der Fall ist, kann oft sehr zweifelhaft sein. Übergäbe des Konoffements gewährt für sich allein noch nicht Gewahrsam im

strafrechtlichen Sinne. Erk. v. 19. Mai 13, GA. 61 S. 126. Siehe ferner Anm. 51 zu § 242, insbes. Abs. 1. 82) Die rechtswidrige Zueignung besteht in einer widerrechtlichen Dis­ position über die Sache, z. B. in der Ausnutzung des Sachwerts einer Urkunde (Schecks). Erk. v. 27. Oktbr. 14, DStZ. 3 S.>180. Verpfändung ist rechts­ widrige Zueignung dann, wenn der Täter mit dem Vorsatz handelt, daß infolge

Unterschlagung § 246.

159

Sache ihm anvertraut Ist,") mit Gefängnis bis zu fünf Jahren be­ straft. der Verpfändung die Sache dem Eigentümer dauernd entzogen wird oder werden soll. Erk. v. 12. Novbr. 94, E. 26 S. 230. Unerheblich ist es, ob die Ver­ pfändung aus den Namen des Eigentümers erfolgt. Erk. v. 3. Mai 00, GA. 47 S. 244. In dem Verkauf eines Pfandscheins liegt noch keine Verfügung über die Sache selbst. Erk. v. 19. Jan. 99, E. 31 S. 437. Die Zueignung kann ferner gefunden werden in der Vermischung ftemden Geldes mit dem eigenen, Erk. v. 2. Novbr. 91, E. 22 S. 230, u. Erk. v. 8. Febr. 95, E. 26 S. 437, wenn sich mit der Handlung die Absicht verbindet, über die ftemden Gelder wie über eigene zu verfügen und der Täter das Bewußtsein hat, daß er damit in die Rechtssphäre des Eigentümers eingreift. Ist eine Trennung der vermischten Geldstücke nicht möglich, so entsteht nach §§ 947 Abs. 1, 948 BGB'. Miteigentum, und es kann sich der Inhaber des Mischbestandes der Unterschlagung schuldig machen, wie jeder Miteigentümer, der über die gemeinsame Sache mit Ausschluß der übrigen Miteigentümer verfügt. Erk. v. 5. Jan. 05, DIZ. 10 S. 460. Erk. v. 8. April 18, JurW. 47 S. 567. Die Zueignung kann darin gefunden werden, daß der Inhaber einer ftemden Sache einem Dritten die Wegnahme gestattet. Erk. v. 7. Febr. 82, R. 4 S. 129. Unterschlagung liegt vor, wenn ein Mandatar die zur Ausführung eines bestimmten Auftrages ihm gegebenen Gelder für sich verbraucht. Erk. v. 12. Juni 84, R. 6 S. 419. Eine rechtswidrige Zueignung kann in der Diskon­ tierung eines Wechsels liegen, wenn diese ausdrücklich untersagt war. Erk. v. 20. Mai 80, R. 1 S. 808. Der Zueignungsnkt kann auch in einer bloßen ent­ sprechenden Erklärung gefunden werden. Erk. v. 28. April 87, R. 9 S. 291. Auch in dem Abschluß eines Kaufvertrages. Erk. v. 13. Jan. 38, E. 17 S. 59; anders aber, wenn die Sache offen als ftemde verkauft wird. Erk. v. 12. Jan. 17, DStZ. 4 S. 370. In der Vernichtung einer Urkunde zum Zwecke der Beseitigung eines Beweismittels liegt kein Zueignungsakt. Erk. v. 9. Jan. 94, GA. 42 S. 29. Der Akt der Aneignung, der ausdrücklich sestzustellen ist, kann erst erfolgen, nachdem der Täter Besitz oder Gewahrsam der Sache erlangt hat. A. M. KR. Anm. 1 a. E. In dem Verschweigen'des Besitzes liegt noch keine Aneignung, wohl aber in dessen Ableugnung. Erk. v. 22. Novbr. 81, E. 5 S. 253. Auch die bloße Nichtablieferung eingezogenen fremden Geldes ist noch kein positiver Zueignungsakt. Es müssen Umstände hinzutreten, aus denen die Absicht, über das Geld gleich -em berechtigten Eigentümer zu verfügen, in äußerlich erkenn­ barer Weise hervortritt. Erk. v. 25. März 02, Recht 6 S. 244, u. v. 11. Novbr. 02, ebenda S. 619. Dies ist der Fall, wenn ein Schenkungsversprechen vor­ liegt. Ob ein solcher Vertrag rechtliche Wirksamkeit hat, ist gleichgültig. Erk. v. 26. Novbr. 03, DIZ. 9 S. 220, GA. 51 S. 54. Der dolus besteht in der Absicht der Zueignung mit dem Bewußtsein, daß die Sache eine ftemde und die Zueignung eine rechtswidrige ist. Erk. v. 11. Jan. 81, E. 3 S. 184. Der dolus kann ausgeschloffen sein, wenn sich der Täter irrttimlich zur Auftechnung für berechtigt hielt. Erk. Y. 14. Dez. 06, DIZ. 12 S. 540. Der dolus ist ausgeschlossen, wenn sich der Täter bewußt war, der Eigen­ tümer werde mit der Aneignung seiner Sache einverstanden sein. Erk. v. 12. Febr. 91, E. 21 S. 364. Desgl. bei rechtsirrtümlicher Annahme eines Rechts auf Zueignung. Erk. v. 21. Jan. 80, E. 1 S. 290. Erk. v. 5. Mai 80, E. 2 S. 48. Die bloße Absicht des Ersatzes schließt die Strafbarkeit nicht aus, es sei denn, daß die Möglichkeit sofortiger Ersatzleistung besteht. Erk. v. 10. Dezbr. 81, E. 5 S. 304, u. Erk. v. 25. Juni 86, E. 14 T. 242.

160

III. Strafgesetzbuch § 247. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis

zu neunhundert16) Mark erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 88B)

§ 247

Wer einen Diebstahl88 b) oder eine Unterschlagung gegen

Angehörige,8^) Vormünder oder Erzieher88) begeht, oder wer einer

Person, zu der er im Lehrlingsverhättnisse steht,88) oder in deren 83) Anvertraut sind solche Sachen, deren Besitz oder Gewahrsam jemand kraft eines Rechtsgeschäfts mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zurückzugeben oder einem Dritten abzuliefern. Erk. v. 12. Juli 81, E. 4 S. 386. Anvertraut sind Gelder, welche ein zum Verkauf Bevollmächtigter als Kaufpreis erhebt und ebenso das Mündelvermögen, das der Vormund zur Verwaltung erhalten hat. Erk. b. 12. Novbr. 82, E. 9 S. 337. Nicht anvertraut ist eine Sache, welche der Dieb in der Absicht späterer Veräußerung einem andern zur Aufbewahrung übergeben hat. Erk. v. 18. Juni 07, E. 40 S. 222. 83 a) Zum § 246 StGB, ist zu bemerken der § 9 des sog. Depotgesetzes v. 5. Juli 1896 (RGBl. S. 183), welcher lautet: § 9. „Wenn ein Kaufmann über Wertpapiere der im 8 1 bezeichneten Art, welche ihm zur Verwahrung oder als Pfand übergeben sind, oder welche er als Kommissionär für den Kommittenten in Besitz genommen hat, außer dem Falle deS 8 246 des StGB, zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten rechts­ widrig verfügt, wird er mit Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu dreitausend n) Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der gleichen Strafe unterliegt, wer der Vorschrift deS 8 8 zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten vorsätzlich zuwiderhandelt. Ist der Täter ein Angehöriger (8 52 Abs. 2 des StGB.) des Verletzten, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Der 8 247 Abs. 2 u. 3 des StGB, findet entsprechende Anwendung." (Die übrigen Strafbestimmungen dieses Ges. sind bei den Strafvorschriften der KonkursO. abgedruckt.) Siehe zu diesem 8 A l s b e r g, Strafbare Berf. des Bankiers in LZ. 8 S. 524.) 83 b) auch Rückfallsdiebstahl.. Siehe Erk. v. 3. Mai 10, E. 43 S. 363, das Antrag auch bei Rückfallsbetrug für erforderlich hält. 84) Nur wenn der Angehörige allein verletzt ist, bedarf es eines Strafantrags, nicht, wenn noch andere Personen verletzt sind, wie z. B. der Gewahrsamsinhaber. Erk. v. 20. Jan. 14, Recht 18 Nr. 712. Erk. v. 30. Juni 94, E. 26 S. 43. Sttehlt ein Angehöriger des Diebes diesem die gestohlene Sache, so bedarf es zur Verfolgung deS ersteren keines Antrags. Erk. v. 26. Juni 03, Recht 7 S. 434. Zu den Angehörigen gehört auch das uneheliche Kind, Erk. v. 30. März 11, DIZ. 16 S. 1092. Der Angehörige braucht int Antrag nicht ausdrücklich be­ zeichnet zu werden. Erk. v. 28. Juni 21, Recht 25 Nr. 2684. Der Irrtum, daß die gestohlene Sache Eigentum eines Angehörigen sei, schützt nicht vor Strafe. Erk. v. 18. Septbr. 14, Recht 18 Nr. 2939. 85) Erzieher ist, wer das Erziehungsrecht in seiner Gesamtheit auszuüben hat. Der Lehrer an einer öffentlichen Schule ist nicht ohne weiteres auch Er­ zieher. Erk. v. 18. Novbr. 12, E. 46 S. 344. Als Erzieher kann auch eine Person gelten, welcher die Behörde ein Kind in Pflege gegeben hat. Erk. v. 19. Oktbr. 94, GA. 42 S. 388. Desgl. kann ein Lehrherr eines gewerblichen Lehr­ lings als Erzieher angesehen werden, wenn ihm die Pflicht obliegt, die gesamte Lebensführung des Lehrlings zu überwachen. Erk. v. 26. Nov. 01, E. 35 S. 10. 86) Unter den Lehrlütgen sind auch Handlungslehrlinge zu verstehen. Erk.

161

Diebstahl und Unterschlagung §§ 248, 248 a.

häuslicher Gemeinschaft er als (Sefinbe87) sich befindet,88) Sachen von unbedeutendem Werte88) stiehlt oder unterschlägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Anträge- ist zulässig. Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos.88) Diese Bestimmungen finden auf Teilnehmer oder Begünstiger, welche nicht in einem der vorbezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen, keine Anwendung.8*) § 248. Neben der wegen Diebstahls oder Unterschlagung er­ kannten Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, und neben der wegen Diebstahls erkannten Zuchthausstrafe auf Zu­ lässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.88) § 248a.82a) wer aus Not82'») geringwertige82c) Gegenstände v. 27. Novbr. 91, E. 22 S. 243, auch wenn sie zugleich Stadtreisende sind. Erk. v. 28. Novbr. 05, Recht 10 S. 66. Siehe auch §§ 126 ff. GewO. Das Alter des Lehrlings ist ohne Belang. GA. 48 S. 354. 87) Unter Gesinde sind nur die eigentlichen Dienstboten zu verstehen, nicht Gewerbegehilfen rc. Erk. v. 19. Ottbr. 85, R. 7 S. 588, E. 13 S. 14, z. B. nicht eine Hausnäherin. Erk. v. 18. Dezbr. 08, GA. 56 S. 89, aber auf einem Landgut gehört auch der Hirt dazu. Erk. v. 15. Mai 06, GA. 53 S. 285. 88) Nur wenn der Diebstahl gegen den Dienstherrn oder deffen Angehörige (Eheftau) selbst verübt ist, bedarf es eines Strafantrags, nicht wenn eine in der häuslichen Gemeinschaft des letzteren befindliche Person bestohlen ist. Erk. v. 29. Jan. 07, E. 40 S. 1 u. Erk. v. 31. Mai 07, ebenda S. 187. A. M. Frank, Anm. II, 2 u. Buddee, Recht 10 S. 1161. 89) Es kommt nicht einseitig auf die Vermögenslage des Lehrherrn oder des Lehrlings an. Ist die Straftat gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begangen, so ist sie Antragsdelikt ohne Rücksicht auf den Wert. 90) Der § 247 ist nicht auf andere Vergehen auszudehnen; der Vater, welcher als Vormund seiner Kinder deren ihm anvertrautes Vermögen durch­ bringt, ist trotz der Bestimmung des § 247 doch wegen Untreue aus § 266 zu bestrafen. Erk. v. 24. Novbr. 87, R. 9 S. 635. 91) Auch nicht auf Hehler. Erk. v. 12. April 81, E. 4 S. 83. 92) Wird bei einem Versuch des Diebstahls die Zuchthausstrafe in Gefäng­ nisstrafe umgewandelt, so darf nicht auf Polizeiaufsicht erkannt werden. Erk. v. 30. Ottbr. 84, E. 11 S. 159. 92 a) Dieser § ist durch Gesetz v. 19. Juni 1912 eingeschaltet. Das Verhältnis dieses Delikts zum gemeinen Diebstahl ist kein anderes als nach fest­ stehender Praxis für den § 370 Nr. 5 angenommen wird. Insbesondere be­ gründet eine Vorbestrafung auf Grund dieses § keinen Rückfall im Sinne des 8 244 (Begr. S. 18). Erk. v. 12. Dezbr. 12, DIZ. 18 S. 644. 92 b) Unter dem Antrieb der Not handelt der, der durch die Tat der Not steuern will. Erk. v. 5. Dezbr. 12, GÄ. 60 S. 417; aber auch derjenige, der ohne tatsächlich in wirtschaftlicher Bedrängnis zu sein, durch die Vorstellung, er sei in Not, zu seinem Handeln bestimmt wird. Erk, v. 22. Ottbr. 14, Recht H)

Dalcke, Strafrecht.

16. Aufl. (1922.)

11

162

in. Strafgesetzbuch §§ 249, 250.

entwendet v") oder unterschlägt, wird mit Geldstrafe bis zu drei­ hundert lB) Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.

Die Zurücknahme

des Antrags ist zulässig. Wer die Tat gegen einen verwandten absteigender Linie oder

gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt straflos.

rv. Abschnitt. Laub und Erpressung. § 249.

Wer mit Gewalt") gegen eine Person oder unter An­

wendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr Leben eine fremde bewegliche Sache

für Leib oder

einem anderen in der Absicht

wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden,

so tritt Gefängnisstrafe

nicht unter sechs Monaten ein. § 250. Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn

Nr. 264, GA. 62 S. 324. Derjenige befindet fich nicht in Not, der weiß, daß er nur die Hand auszustrecken braucht, um ein Unterhaltsmittel zu erlangen. Erk. v. 15. April 13, GA. 61 S. 117, ebensowenig der, der seine Notlage nicht emp­ funden hat. Erk. v. 28. Novbr. 13, Recht 18 Nr. 145. Es muß sich um eine wirtschaftliche Not, nicht um eine sog. Ehrennot handeln. Erk. v. 6. April 16, Recht 20 Nr. 1045, GA. 63 S. 117. Eine durch die Kriegsverhältniffe ge­ schaffene Notwendigkeit, sich in dem Verbrauch von Lebensrnitteln Beschränkungen aufzuerlegen, ist keine Not. Erk. v. 18. Jan. 18, GA. 66 S. 79. Die An­ wendung des § 248 a auf den Diebstahl von Lebensmittelkarten ist aber grund­ sätzlich nicht ausgeschloffen. Erk. v. 4. Juli 18, E. 52 S. 296. 92 c) Die Annahme einer Geringwerttgkeit wird einer Begründung be­ dürfen in den Fällen, in denen sie gegenüber der allgemeinen Berkehrsauffaffung auffallend erscheint. Erk. v. 15. April 13, GA. 61 S. 116. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob entwendete Bettäge geringwertig sind, ist die Größe der Not und Umfang desjenigen Bedürfniffes, deffen Befriedigung im Hinblick auf die Erhaltung des Täters und seiner Familie geboten ist. Erk. v. 12. März 13, GA. 61 S. 114. Erk. v. 1. April 13, Recht 17 Nr. 1235. Nicht notwendig ist es, daß der Gegenstand geeignet ist, unmittelbar der Not abzu­ helfen. Erk. v. 12. Novbr. 12, E. 46 S. 265. Auch ist es unerheblich, wenn bei der Teilung auf den einzelnen Teilnehmer nur ein geringer Wert entfällt. Erk. v. 24. Novbr. 13, Recht 18 Nr. 144. 92 d) Ein strafloser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Vorsatz auf Ent­ wendung eines geringwertigen Gegenstandes gerichtet war. Siehe das 92 c zit. Erk. E. 46 S. 265. 93) Die Drohung und resp. Gewalt müssen das Mttel der Wegnahme ge­ wesen sein. GA. 23 S. 531 u. Erk. v. 30. März 82, R. 4 S. 288. Anwen­ dung von Betäubungsmitteln fällt nicht unter den Begriff der Gewalt. Erk. v. 6. Mai 21, E. 56 S. 87. Ein überraschendes Wegreißen von Sachen mittels teilweiser Zerstörung, bei der kein Widerstand geleistet wird, ist kein Raub. Erk. v. 13. Jan. 13, E. 46 S. 403.

163

Raub und Erpressung §§ 251, 252.

1. der Räuber oder einer der Teilnehmer am Raube bei Be­ gehung der Tat Waffen bei sich führt;04) 2. zu dem Raube mehrere Mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben;06) 3. der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer 1 Eisenbahn, einem öffentlichen Platze,00) auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird; 4. der Raub zur Nachtzeit0?) in einem bewohnten Gebäude (§ 243 Nr. 7) begangen wird, in welches sich der Täter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Eingang verschafft-0 ?*) oder in welchem er sich in gleicher Ab­ sicht verborgen hatte, oder 5. der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem Räuber im Jnlande bestraft worden ist. Die im § 245 ent­ haltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 8 251. Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebens-länglichem Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube ein Mensch gemartert,00) oder durch die gegen ihn verübte Gewalt eine schwere Körperverletzung00) oder der Tod "0) desselben verursacht worden ist. § 252. Wer, bei einem Diebstahlel) auf frischer Tat betroffen, 94) Siehe Anm. 69 zu § 243 Nr. 5. 95) »Siehe Anm. 72 zu § 243 Nr. 6. 96) Siehe Anm. 64 zu § 243 Nr. 4. Hierunter fällt auch ein auf der Straße begonnener, aber erst außerhalb derselben auf privatem Grund u. Boden vollendeter Raub. Erk. v. 3. März 02, GA. 49 S. 133, aber nicht ein Raub, der in dem offenen Flur eines an der Straße belegenen Hauses begangen wird, wenn der zu Beraubende von der Straße in den Flur gelockt ist. Erk. v. 25. April 03, Recht 8 S. 318. 97) Siehe Anm. 73 zu § 243 Nr. 7. 97 a) Wird die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen, so genügt es, wenn einer der Mittäter den Erschwerungsgrund in seiner Person verwirk­ licht. Erk. v. 20. Febr. 20, E. 54 S. 247. . 98} Martern bedeutet eine besonders starke Zufügung von körperlichen Schmerzen aus Bosheit und Lust am Leiden des andern. Erk. v. 18. Oktbr. 17, LZ. 12 S. 52. 99) Dies ist die im § 224 vorgesehene Körperverletzung. Daß der Täter eine solche beabsichtigt hat, ist nicht notwendig, lediglich der Erfolg ist ent­ scheidend. Erk. v. 17. Juni 81, E. 4 S. 287. 100) Ist der erfolgte Tod beabsichtigt gewesen, so liegt ideale Konkurrenz aus 88 211 u. 251 vor. Erk, v. 17. Febr. 85, R. 7 S. 127, u. Erk v. 10. Dezbr. 96, GA. 44 S. 386. Über reale Konkurrenz zwischen Raub und Mord siehe Erk. v. 5. April 94, GA. 43 S. 56. 1) Al- Diebstahl ist auch hier die Entwendung von Eßwaren anzusehen, 11*

164

III. Strafgesetzbuch § 253.

gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestoh­ lenen Guts zu erhallen, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.2) § 253. Wer, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Bermögensvorteil3) zu verschaffen, einen anderen *) durch Gewalt3) Erk. v. 8. Mai 82, E. 6 S. 325, auch Entwendung von Feldfrüchten. Erk. v. 5. März 86, E. 13 S. 391. a. M. KR. Sinnt. 2. Die Bestimmung ist auf den bei einem Raube auf frischer Tat Betroffenen nicht anwendbar. GA. 47 S. 355. 2) Gegen einen rückfälligen Dieb, der nach § 252 zu bestrafen, ist die Strafe nur aus §§ 249—251 zu bemessen. wenn auch wegen Diebstahls im Rückfalle ein höheres Strafminimum angedroht ist. Ideale Konkurrenz liegt hier nicht vor. Erk. v. 29. April 82, E. 6 S. 243. 3) Rechtswidrig ist jeder Vermögensvorteil, auf den ein Rechtsanspruch nicht besteht. Erk. v. 7. Jan. 95, E. 26 S. 351; z. B. auf die Ehemaklergebühr. Erk. v. 9. Jan. 11, Recht 15 Nr. 939; auf Lohnzahlung für die Zeit der Ar­ beitseinstellung. Erk. v. 16. Dezbr. 20, DStZ. 8. S. 178. Aber ein Ver­ mögensvorteil, auf welchen der Täter ein Recht zu haben glaubt, kann auch durch das rechtswidrige Mittel der Drohung nicht zu einem rechtswidrigen werden. Erk. v. 5. Jan. 82, R. 4 S. 18. Siehe aber Erk. v. 7. April 93, GA. 41 S. 39. Die Zurückforderung des durch falsches Spiel verlorenen Geldes erstrebt keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil. Erk. v. 10. Novbr. 85, R. 7 S. 653. Dagegen ist ein rechtswidriger Vermögensvorteil gefunden in der Be­ freiung von einem Vertrage, dessen zivilrechtliche Gültigkeit dem Drohenden be­ kannt war, bzw. in Zurücknahme einer Klage, Erk. v. 22. Novbr. 81, R.' 3 S. 725, u. Erk. v. 23. Dezbr. 87, R. 9 S. 748, in einer den wahren Wert über­ steigenden Entschädigung für eine stattgehabte Sachbeschädigung, Erk. v. 6. Juni 90, GA. 38 S. 207. — Ebenso liegt ein Vermögensvorteil in der Erlangung eines Beweismittels (Schuldscheines) für eine Forderung. Erk. v. 14. De^br. 96, GA. 44 S. 396, so auch früher R. 2 S. 599; in der Erlangung eines Zwangs­ vergleiches im Konkurse. Erk. v. 23. Febr. 86, R. 8 S. 136. Auch die Er­ langung eines geringwertigen Verzehrungsgegenstandes stellt einen Vermögens­ vorteil dar. GA. 47 S. 376. Desgl. die Erlangung von Mitgliederbeiträgen einer Verbandskasse, wenn die Gegenleistungen der letzteren völlig ungewiß sind. Erk. v. 11. April 05, E. 38 S. 15. Der durch eine Sttaftat Verletzte erstrebt einen rechtswidrigen Vermögensvorteil, wenn er durch Drohung mit einer Denunziatton einen übermäßigen Schadenersatz zu erreichen sucht, sollte derselbe auch noch nicht den Höchstbettag der zulässigen Buße erreichen. Erk. v. 29. April 92, GA. 40 S. 54. Die angekündigten nachteiligen Folgen müssen für den Täter das Mittel sein, um seine rechtswidrige Absicht, den Willen des anderen zu beeinfluffen, zu erreichen. Erk. v. 1. Juli 97, GA. 45 S. 356. Daß der beabsichtigte Vermögensvorteil wirklich erworben wird, ist nicht erforderlich. Erk. v. 16. Jan. 00, E. 33 S. 78. Der Umfang der Vermögens­ vermehrung ist gleichgültig. Erk. v. 26. Mai 00, GA. 47 S. 376. Ein Hausdiener, der b->) zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht,verrückt oder fälschlich setzt. 9ft) § 275. Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft, wer 1. wissentlich von falschem oder gefälschtem Stempelpapier,96 * *)97 * von * ** * * * * 94 95 falschen oder gefälschten Stempelmarken,96 a) Stempelblanketten, Stempel­ abdrücken, 99") Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelten Äriefkuverts Gebrauch macht,91) 2. unechtes Stempelpapier, unechte Stempelmarken, Stempelblankette oder Stempelabdrücke für Spielkarten, Pässe oder sonstige Drucksachen oder Schriftstücke, ingleichen wer unechte Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte Briefkuverts in der Absicht anfertigt, sie als echt zu verwenden, oder 3. echtes Stempelpapier, echte Stempelmarken, Stempelblankette, Stempelabdrücke, Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte Briefkuverts in der Absicht verfälscht, sie zu einem höheren Werte zu verwenden. Um den Grenzsteinen den gesetzlichen Schutz dieses § zu gewähren, bedarf es weder der Zuziehung des Richters noch der Schriftform. Erk. v. 20. Septbr. 89, GA. 37 S. 355. Vgl. aber Erk. v. 18. Oktbr. 92, E. 23 S. 254. Ebenso gehören Grenzraine hierher und wird ein solcher durch Abpflügen rc. seiner Be­ stimmung als Grenze entzogen, so liegt Idealkonkurrenz mit § 370 Nr. 1 vor. Erk. v. 29. Dezbr. 91, E. 22 S. 286. 93 a) Nicht gehört hierher ein Stein, der nur die künftige Bezeichnung eines Wasserstandes vorbereiten soll. Erk. v. 10. Mai 98, E. äl S. 143. 93 b) Hierunter fällt seel. Unlustgefühl. Erk. v. 9. Jan. 17, E. 50 S. 213. 94) Einen Grenzst. macht unkenntl., wer ihn durch Verminderung der Substanz der Wahrnehmung entzieht. Erk. v. 15. Dezbr. 94, GA. 42 S. 406. 95) Unter fälschlichem Setzen ist nur die Herrichtung solcher Grenzmerk­ male zu verstehen, welche äußerlich als solche zu erkennen sind; ob die Grenz­ zeichen definitiv oder provisorisch gesetzt sind, ist gleichgültig. Erk. v. 5. Novbr. 87, E. 16 S. 280, Als dolus genügt das Bewußtsein, einem anderen durch Verrückung oder Beseitigung des Grenzsteines ein Beweismittel zu entziehen. Erk. v. 20. Septbr. 89, GA. 37 S. 355. 96) Ein falsches Stempelpapier ist ein solches, dem der Schein eines echten gegeben ist, es genügt aber ein solcher Grad von Ähnlichkeit, daß eine Täuschung

möglich ist. Erk. v. 26. Juni 91, GA. 39 S. 236. 96 a) Stempelmarken verlieren ihre Eigenschaft nicht dadurch, daß sie als Ursprungszeugnisse verwendet werden. Erk. v. 1. Dez. 05, E. 38 S. 263. Banderolen für Zigaretten sind keine Stempelmarken. Erk. v. 22. Novbr. 21, Recht 26 Nr. 352. 96 b) Strafbar ist nur der Gebrauch von unechten Abdrücken, nicht von un­ richtigen. Erk. v. 8. Dezbr. 18, E. 52 S. 257. 97) Zum Gebrauchmachen gehört auch das Veräußern, die Absicht, „selbst" das Stempelpapier zu verwenden, ist nicht erforderlich. Es wird auch nicht erfordert, daß durch die Verwertung einer falschen Briefmarke der Postfiskus geschädigt wird, aber nur ein solcher Gebrauch gehört hierher, durch den dieselbe in den äußeren Rechtsverkehr gebracht wird. Erk. v. 13. April 93, E. 24 S. 111. Siehe auch E. 6 S. 387.

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III. Strafgesetzbuch §§ 276—279.

8 276. Wer wissentlich schon einmal zu stempelpflichtigen Ur­ kunden, Schriftstücken oder Formularen verwendetes Slempelpapier oder schon einmal verwendete Stempelmarken oder Sternpelblankette, ingleichen Stempelabdrücke, welche zum Zeichen stattgehabter Ver­

steuerung gedient haben, zu stempelpflichtigen Schriftstücken verwendet, wird, außer der Strafe, welche durch die Entziehung der Stempel­ steuer begründet ist, mit Geldstrafe bis zu sechshundert lg) Mark be­ straft.") Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher wissentlich schon einmal verwendete Post- oder Telegraphenwertzeichen nach gänzlicher oder teilweiser Entfernung des Entwertungszeichens zur Frankierung benutzt. Neben dieser Strafe ist die etwa wegen Entziehung der Post­ oder Telegrapheugebühren begründete Strafe verwirkt. § 277. Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson") oder unbe­ rechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt*l)2 oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht, und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft. § 278. Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichttgxs3) Zeugnis3) über den Gesundheitszustand eines Men­ schen zum Gebrauche bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Gefängnis von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. § 279. Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von 98) Daß die Verpflichtung zut Verwendung der Marke sich erledigt hatte, schließt die Strafbarkeit einer nochmaligen Verwendung derselben nicht aus. Erk. v. 21. Dezbr. 97, E. 30 S. 384. 99) Dahin gehören alle, landesgesetzlich approbierten Medizinalpersonen, aber nicht Hebammen. Erk. v. 27. März 84, E. 10 S. 340, Der Tatbestand des § 277 schließt die Anwendung des § 267 aus. Erk. v. 21. Juni 10, Recht 14 Nr. 2764. Strafbar ist auch ein Kurpfuscher der ein Zeugnis unter der Bezychnis als Arzt ausstellt. Erk. v. 18. Oktbr. 17, Recht 22 Nr. 179. 1) Das Zeugnis braucht nicht inhaltlich unrichttg zu sein. Erk. v. 28. Novbr. 89, E. 20 S. 138. 2) Hier wird im Gegensatz zu § 277 ein inhaltlich unrichttges Zeugnis verlangt. Wider besseres Wissen ist ein Zeugnis ausgestellt, wenn sich der Aus­ steller bewußt ist, daß diejenigen, füx die dasselbe bestimmt ist, nach der gemeinen Auffasiungs- u. Ausdrucksweise das Wahre nicht zu erkennen vermögen. Erk. v. 12. April 97, GA. 45 S. 132. 3) Dahin gehört auch ein Impfschein. Erk. v. 21. Septbr. 93, E. 24 S. 284. Auch die Würdigung des Befundes fällt unter den Begriff des Zeugniffes. Erk. v. 18. Mai 00, E. 33 S. 294.

Strafbarer Eigennutz §§ 280, 284.

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einem Zeugnisse der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art4)5Gebrauch macht, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft.

§ 280. Neben einer nach Vorschrift der §§ 267, 274, 275, 277 bis 279 erkannten Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 24. Abschnitt.

Bankrott.6)

25. Abschnitt.

Strafbarer Eigennutz und verletznng fremder Geheimnisse.

I. Durch zember 1919" durch folgende § 284. o) Glücksspiel7")

das „Gesetz gegen das Glücksspiel. Vom 23. De­ (RGBl. S. 2145) sind die §§ 284 und 285 StGB, Vorschriften ersetzt: Wer ohne behördliche Erlaubnis7) öffentlich7 *) ein veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hiezu be-

4) Die Absicht, sich durch die Handlung einen Vermögensvorteil zu ver­ schaffen, schließt den Tatbestand nicht aus. Erk. v. 1. Dezbr. 81, E. 6 S. 1. 5) Die §§ 281—283 sind feit* dem 1. Oktbr. 1879 durch die RKonkO. außer Kraft gesetzt und durch die §§ 239—244 der letzteren ersetzt. Siehe IX. 6) Die bisherigen §8 284 und 285 sind erfolgt durch das Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23. Dezember 1919 (RGBl. S. 2145). 7) Die behördliche Erlaubnis zum öffentlichen Glücksspiel darf nur für Jahrmärkte, Schützenfeste sowie ähnliche unter freiem Himmel gelegentlich statt­ findende Veranstaltungen von vorübergehender Dauer und nur unter der Be­ dingung erteilt werden, daß der Spieleinsatz nicht mehr als eine Mark beträgt und dem Spielunternehmer kein höherer Verdienst als 10 vom Hundert der Spieleinsätze zufließt. Die Erteilung der Spielerlaubnis kann im Einzelfalle von weiteren Be­ dingungen abhängig gemacht werden. Bek. v. 27. Juli 20 (RGBl. S. 1482). Die formelle Gültigkeit der Bek. wird bestritten. Schellhas DIZ. 25 S. 704. AM. Weiß eb nba S. 772. 7 a) Es genügt, daß die Beteiligungsmöglichkeit an dem Spiel nicht auf einen geschlossenen Personenkreis beschränkt geblieben ist. Erk. v. 18. Febr. 21, Recht 25 Nr. 1537. 7 b) Das sind diejenigen Spiele um Vermögenswerte, bei denen Gewinn und Verlust allein oder doch in der Hauptsache vom Zufall abhängen. Erk. v. 10. Ottbr. 90, E. 21 S. 107, u. Erk. v. 13. Oktbr. 80, R. 2 S. 331 oder dann, wenn die Wahrscheinlichkeit auf den Ausgang des Spiels durch Geschicklichkeit oder Be­ rechnung einzuwirken, nach der Anlage des Spiels so gering ist, daß in der großen Mehrzahl der Einzelspiele mit dieser Fähigkeit oder Geschicklichkeit der Spieler überhaupt nicht zu rechnen ist (wie z. B. bei den meisten Geldspielauto­ maten). Erk. v. 3. Apr. 08, E. 41 S. 218 u. v. 26. Mai 08 ebenda S. 331, sowie Erk. v. 20. Dezbr. 09, E. 43 S. 155. In diesen Fällen ist immer zu prüfen,, ob das Publikum in seiner überwiegenden Mehrheit willens und in der Lage war, an den Apparaten seine Geschicklichkeit zu erproben und die hierzu ge­ hörige Zeit, Mühe und Geldausgabe aufzuwenden, oder ob für das Publikum die Erlernbarkeit des Spiels gar nicht in Betracht kam. Erk. v. 9 Novbr. 09, Recht 13 Nr. 3692. — Ein Spiel, das an sich Geschicklichteitsspiel ist, kann im ein­ zelnen Falle als Hazardspiel angesehen werden. Erk. v. 19. März 94, E. 25 S.192.

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III. Strafgesetzbuch §§ 284 a—285.

reitsteltt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahreu und mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark oder mit Geldstrafe bis zu dem gleichen Betrage bestraft. Als öffentlich veranstaltet gellen auch Glücksspiele in Bereineu oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden. 284 a. Wer sich an einem öffentlichen Glücksspiel (Z 284) be­ teiligt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark oder mit Geldstrafe bis zu dem gleichen Betrage bestraft. 284 b. In den Fällen der §§ 284, 284 a sind die Spielemrichtungen und das auf dem Spieltisch oder in der Bank befindliche Geld einzuziehen, sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer ge­ hören. Andernfalls können die Gegenstände eingezogen werden?) 285. Wer aus dem Glücksspiel ein Gewerbe9) macht,") wird Ein Irrtum über den Rechtsbegriff des.Glücksspiels ist unerheblich. Siehe E. 41 S. 334. Lotterien und Ausspielungen gehören nicht zu den Glücksspielen, sondern fallen unter § 286. Erk. v. 1. April 84, R. 6 S. 261. Dieselben unter­ scheiden sich vom Glücksspiel dadurch, daß bei der Lotterie im voraus planmäßig festgestellte Gewinne vorliegen, welche nach einer Zufallsentscheisung unter die Mitspieler verteilt werden. Erk. v. 24. April 83, R. 5 S. 283, u. Erk. v. 11. Jan. 89, E. 18 S. 342 u. Anm. 13. Daß um Gewinne von unerheblicher pekuniärer Bedeutung gespielt ist, schließt den Begriff eines Glücksspiels nicht aus, Erk. v. 3. Novbr. 85, R. 7 S. 636, u. Erk. v. 1. Novbr. 87, E. 6 S. 70 u. R. 4 S. 215. Es ist auch nicht erforderlich, daß jeder Spieler die Gefahr eines Bermögensverlustes trägt. Erk. v. 16. Febr. 12, E. 45 S. 424. Siehe hierzu Galli,DJZ. 19S. 140. Mauscheln wird (auch ohne Aß- und Trumpfzwang) als Glücksspiel ange­ sehen. Erk. v. 17. Sptbr. 15, DStZ. 3 S. 255. Siehe auch GA. 52 S. 267. Kümmelblättchen bleibt Glücksspiel, auch wenn die Parteien den Gewinn lediglich von ihrer Geschicklichkeit abhängig machen wollen. Erk. v. 10. Novbr: 02, GA. 5Q S. 112. Daß Pokern Glücksspiel ist, wird vom RG. nicht verneint. Erk. v. 11. Juni 06, Recht 10 S. 1015. Auch Ringwersen ist ein Glücksspiel. Erk. v. 11, Mai 06, Recht 10 S. 760. Über den Unterschied zwischen Spiel u. Wette siehe Erk. v. 30. Juni 82, R. 4 S. 641 u. E. 6 S. 421, über die Frage über die strafrechtliche Bedeutung der Wette, Bin ding, LZ. 13 S. 337, wann das Glücksspiel im Jnlande be­ gangen ist, Erk. v. 5. Jan. 09, GA. 56 S. 92. Gewerbsmäßiger Abschluß von Rennenwetten ist noch nicht strafbares ge­ werbsmäßiges Glücksspiel. Erk. v. 12. Juli 12, E. 46 S. 170. Auch das Würfelspiel um Geld in den Glücksbuden ist Glücksspiel und nicht Lotterie. Erk. v. 25. Septbr. 93, GA. 41 S. 283. 8) Das ist auch der, der die Räume, Tische und Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellt. Erk v. 3. Juni 21, E. 56 S. 117. 9) Hierzu wird eine fortgesetzte, absichtlich auf Gewinn gerichtete Tättgkeit verlangt, Erk. v. 24. April 80, R. 1 S. 654, aber auch hier kann unter Um­ ständen schon ein Fall genügen. Erk. v. 10. Dezbr. 79, E. 1 S. 119, u. Erk.

Strafbarer Eigennutz §§ 285 a, 286.

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mit Gefängnis und mit Geldstrafe bis zu zweihunderttausend Mark, bei mildernden Umständen mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark oder mit Geldstrafe bis zu dem gleichen Betrage bestraft.") 285 a. In den Fällen der §§ 284, 284 a und 285 kann neben Gefängnis auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf die Zulässigkett von Polizeiaufsicht und auf Überweisung an die Landespolizeibehörde

mit den im § 362 Abs. 3, 4 vorgesehenen Folgen erkannt werden. Einen Ausländer kann die Landespolizeibehörde nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Reichsgebiete verweisen. Neben der Strafe kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen ist. § 286. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubnis 12 * *)** öffentliche * * * * * * 10 11 Lotte­ rien 18) veranstaltet,14)* *wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend lö) Mark bestraft. v. 29. Septbr. 85, R. 7 S. 541. In dem letzteren wird zugleich ausgeführt, daß die Absicht, bei dem Glücksspiele einen Gewinn zu machen, für sich allein noch nicht die Gewerbsmäßigkeit begründen kann. „Gewinnsucht" ist nicht er­ forderlich. Erk. v. 10. April 00, E. 33 S. 237. Sie kann daher als straf­ schärfend berücksichtigt werden. Erk. v. 20. Okt. 08, GA. 56 S. 73. Siehe auch Erk. v. 19. Apr. 07, Recht 11 S. 652. Ist jemand wegen gewerbsmäß. Glücksspiels freigesprochen, so kann nicht eine vor diesem Urteil liegende Spieltätigkeit in einem späteren Verfahren zur Feststellung der Gewerbsmäßigkeit herangezogen werden, Erk. v. 4. Dezbr. 94, E. 26 S. 299, Wohl aber können frühere bereits verjährte Fälle herangezogen werden. Erk. v. 15. Nov. 81 u. 28. Juni 81, R. 3 S. 716 u. 442. 10) Wer sich auf eigene Rechnung bei einem Glücksspiel beteiligt, in der Ab­ sicht, das Spiel als eigene Tat ins Werk zu setzen und daraus einen fortlaufen­ den Gewinn zu erzielen, ist, wenn er noch andere Teilhaber hat, Mittäter, wenn auch ein anderer, Mittäter oder Gehilfe, das Spiel physisch ausführt. Erk. v. 18. März 86, R. 8 S. 189, u. v. 3. Novbr. 87, R. 9 S. 551. Beihilfe kann durch Gewährung von Darlehen an Mitspieler begangen werden. Erk. v. 5. März 08, GA. 55 S. 232. Beihilfe leistet die Ehefrau, welche die Abrechnungen mit den Weitannahmeslellen ihres Ehemannes selbständig besorgt, Erk. v. 17. Novbr. 11, E. 45 S. 253. Bei einem nicht öffentl. Glücksspiel braucht der Ge­ hilfe selbst nicht gewerbsmäßig zu handeln, weil hier die Gewerbsmäßigkeit ein' strafbegründendes Merkmal ist. KR. Anm. III u. V Abs. 1. 11) Der IM. hat die Strafvollstreckungsbehörden darauf hingewiesen, daß, wenn auch das Gestatten von Glücksspielen durch Inhaber eines öffentlichen Versammlungsorts einen selbständigen strafrechtlichen Tatbestand nicht mehr erfüllt, es doch in der Regel eine Förderung verbotener Glücksspiele enthalten und deshalb als Beihilfe strafbar sein wird. A. B. v. 23. September 20 (JMBl. S. 506). 12) Der Mangel der Erlaubnis wird nicht dadurch nachgewiesen, daß der Täter keinen preußischen Wandergewerbeschein besitzt. Erk. v. 18. Juni 09, Jur.W. 38 S. 516. ' Der Irrtum, eine obrigkeitliche Erlaubnis erhalten zu haben, kann den hier erforderlichen Vorsatz ausschließen. Erk. v. 15. Febr. 95, E. 27 S. 31.

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HI. Strafgesetzbuch § 286. Den Lotterten find öffentlich veranstaltete Ausspielungen16fc) beweg­

licher oder unbeweglicher Sachen gleichzuachten.

13) Eine „öffentliche" Lotterie liegt vor, sobald das Anbieten von Losen sich nicht auf einen begrenzten Kreis von Teilnehmern beschränkt, sondern an eine Mehrzahl unbesttmmter Personen erfolgt ist. Erk. v. 21. Mai 81, R. 3 S. 320. Bgl. auch Erk. v. 17. Juni 86, R. 8 S. 460. Die Lotterie verlangt nicht, daß die Einzahlenden sich in ihren Gewinnaussichten gegenseittg beschränken, Erk. v. 5. Juli 10, GA. 58 S. 194. Unter welchen Voraussetzungen ein Spiel als Lotteriespiel anzusehen ist, darüber siehe Erk. v. 21. Febr. 95, E. 27 S. 47, Erk. v. 6. Novbr. 84, E. 11 S. 211. 14) Veranstalter ist immer nur der Unternehmer, nicht derjenige bet den Verkauf der Lose übernimmt. Beschl. OLG. Düsseldorf v. 16. Ottbr. 11, GA. 60 S. 152. Ein Kaufmann, welcher angelobt, den Personen, welche an einem bestimmten nach seinem Belieben festzuftellenden und später bekannt zu machen­ den Tage Waren in seinem Geschäfte gekauft haben würden, den dafür ge­ zahlten Preis zurückzuerstatten, veranstaltet eine Lotterie. Erk. v. 15. März 98, GA. 46 S. 199. Ebenso liegt Veranstaltung einer Lotterie vor, wenn ein Kaufmann Waren unter dem Versprechen öffentlich ausbietet, daß einzelnen Abnehmern, die durch die Reihenfolge des Eingangs der Bestellung bestimmt werden sollen, eine Prämie gewährt werden soll. Erk. v. 18. Juni 97, GA. 45 S. 278. Ferner kann in dem Ausschreiben von Preisrätseln, deren Ge­ winne für die Zeitungsabonnenten durch den Zufall bestimmt werden, die Ver­ anstaltung einer Lotterie gefunden werden, Erk. v. 2. Mai 87, R. 9 S. 294, Erk. v. 15. März 94, E. 25 S. 180, u. v. 9. April 94, ebenda S. 256; ebenso in der Ausgabe von Anteilsscheinen an Prämienanleihelosen, Erk. v. 13. Juni 81, R. 3 S. 387; auch in dem Verkauf von Prämienlosen selbst, wenn zugleich eine Gewinnhoffnung Gegenstand des Berttags ist, Erk. v. 3. Jan. 84, R. 6 S. 9; ebenso in der Kolportage eines Romans, bei welcher jedem Abonnenten eine Quote des Gewinns von einem vom Kolporteur gespielten Lotterielose zugesichert wird, Erk. v. 28. Mai 81, R. 3 S. 345; ferner in dem Verkaufe von Waren, denen Anweisungen auf Gewinne beiliegen, Erk. v. 5. Mai 87, R. 9 S. 300. Der Zusammenhang zwischen den Kaufgeschäften und dem Spielunternehmen und das Zusammentreffen von Kaufpreis und Spieleinlage muß auf dem Spiel­ plan beruhen. Erk. v. 4. März 21, E. 55 S. 271. Würfeln um einen Geld­ bettag ist keine Lotterie. GA. 39 S. 336. 15) Siehe § 1 b. Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 15a) Ausspielen umfaßt nach der Ausführung in dem Erk. v. 1. April 84, R. 6 S. 261, jede Veranstaltung, durch welche dem Publikum gegen Entrichtung eines Einsatzes die Hoffnung in Aussicht gestellt wird, je nach dem Ergebniffe einer wesentlich durch den Zufall bedingten Ziehung (oder eines sonsttgen Mittels) einen mehr oder weniger bestimmten Wertgegenstand zu gewinnen. Das Aus­ spielen wird zur Lotterie, wenn die Einrichtung gettoffen ist, daß der Gewinner nach seiner Wahl entweder die ausgespielte Sache oder einen Geldbettag erhält. Erk. v. 17. Dezbr. 80, E. 3 S. 123. Siehe auch Erk. v. 28. Jan. 09, JurW. 38 S. 300 u. v. 28. Septbr. 09, GA. 57 S. 204. Übrigens kommt es bei dem

Ausspielen nur darauf an, daß dabei irgend etwas in Ungewißheit ist und durch Zufall entschieden wird; daß der Gewinn oder Verlust eines Teils der Spielenden bezweckt wird, ist nicht notwendig. Erk. v. 18. Mai 88, E. 17 S. 379. Erk. v. 18. Novbr. 01, E. 34 S. 447. Zur Veranstaltung einer Ausspielung genügt, daß dem Publikum die Teilnahme an derselben ermöglicht wird. Erk. v. 15. Febr. 97, GA. 45 S. 56. Bgl. auch Erk. v. 22. Novbr. 83, E. 9 S. 202. Auch

Strafbarer Eigennutz (zu § 286).

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I. Gesetz, beit, das Spiel in außerpreußischen Lotterien, v. 29. August 1904. (GS.' 8. 255; ausgegeben am 26. Sept 1904.) § l.16 * )* *Wer * * * in * * außerpreuß. * * * * * * * Lotterien, die nicht im König­ reich Preußen zugelassen sind, spielt, wird mit Geldstrafe bis zu 600lö) Mark oder im Nichtbeitreibungsfalle mit Haft bestraft.16 n) § 2. Wer sich dem Verkaufe n) oder der sonstigen Veräuße­ rung eines Loses, eines Losabschnittes oder eines Anteiles an einem Lose oder Losabschnitte der in § 1 bezeichneten Lotterien unterzieht, insbesondere auch, wer ein Los, einen Losabschnitt oder einen Losanteil dieser Art zum Erwerbe anbietet oder zur Veräußerung bereit hält, wird mit Geldstrafe bis zu 100016) Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher bei einem solchen Geschäfte oder einer solchen Handlung als Mittelsperson mitwirkt. Ist die Zuwiderhandlung durch eine Person begangen, welche Losehandel gewerbsmäßig betreibt, oder bei ihm gewerbsmäßig innerhalb eines durch Beruf und Interessen begrenzten Personenkreises kann eine öffentliche Ausspielung veranstaltet werden, wenn die durch diese Jntereffen begründeten Beziehungen keine derartigen sind, daß die dem Kreise angehörigen Personen in einer näheren Verbindung zueinander stehen. Erk. v. 15. Febr. 87, E. 15 S. 274. Der Tatbestand einer öffentl. Ausspielung wird auch dadurch nicht aus­ geschloffen, daß die Entscheidung über den Gewinn von der Willkür des Unter­ nehmers abhängt. Erk. v. 12. März 95, E. 27 S. 94. Ebensowenig wird der Begriff einer Ausspielung dadurch ausgeschloffen, daß die Teilnehmer mindestens einen ihrem Einsätze gleichwertigen Gegenstand erlangen müffen. Erk. v. 18. Septbr. 97, GA. 45 S. 419. Vgl. auch Erk. v. 9. Jan. 80, R. 1 S. 205. Auch die Aufstellung eines Würfelautomaten zur Benutzung -er Gäste in einem Schanklokale fällt unter den Begriff der öffentl. Ausspielung. Erk. v. 22. Septbr. 96, E. 29 S. 66. Ebenso ein öffentliches Preis-Radwettfahren. Dresden v. 15. Jan. 13, GA. 63 S. 472. Ein Preiskegelschieben fällt nur dann unter diesen §, wenn nach den konkreten Verhältnissen der Erfolg der Würfe überwiegend ein Werk des Zufalls ist. Erk. v. 8. April 97, GA. 45 S. 58. Erk. v. 13. Juli 14, DStZ. 2 S. 555. Hydra- oder Schneeballengeschäfte, die zum Zwecke des Absatzes von Ware veranstaltet werden, sind Ausspielgeschäfte im Sinne dieses §. Erk. v. 14. Febr. 01, E. 34 S. 140. Siehe auch S. 321, 390 u. 403. — Gewerbsmäßiges Ausspielen ist nicht gewerbsmäßiges Glücks­ spiel. Erk. v. 26. Okt. 09, Recht 13 Nr. 3500. 16) Eine Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz kann Nur vorsätzlich be­ gangen werden. Erk. v. 8. Mai 13, DIZ. 18 S. 1326. 16 a) Ist eine außerpreußische Lotterie in einem Teile Preußens zugelaffen, so ist der Vertrieb der Lose in den anderen Teilen nicht strafbar. KG. v. 13Ottbr. 10, Johow 40 S. 6 460, auch dann nicht, wenn die Beschränkungen, unter denen die Lotterie zugelaffen ist, nicht inne gehalten werden. KG. v. 5. Dezbr. 10, 40 S. C 463. 17J Der Verkäufer auswärtiger Lose kann sich nicht mit dem Einwande ent­ schuldigen, daß er von der Nichtzulassung der Lose in Preußen keine Kenntnis gehabt habe. Erk. v. 11. Juni 96, E. 28 S. 418.

Hilfe leistet, oder ist sie durch öffentliches Auslegen, Ausstellen oder Aushängen oder durch Versenden eines Loses, eines Losab­ schnittes, eines Bezugsscheines, eines Anteilscheines, eines Ange­ botes, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes oder durch Ein­ rücken eines Angebotes, einer Anzeige oder eines Lotterieplanes in eine in Preußen erscheinende Zeitung erfolgt,18) so tritt Geld­ strafe von 100 bis zu 150016) Mark ein. Jede einzelne Verkaufs- oder Vertriebshandlung, nament­ lich jedes einzelne Anbieten, Bereithalten, Auslegen,19) Ausstellen, Aushängen, Versenden eines Loses, eines Losabschnittes, eines Bezugsscheines, eines Anteilscheines, eines Angebotes, einer An­ zeige oder eines Lotterieplanes wird als besonderes selbständiges Vergehen bestraft/M) auch wenn die einzelnen Handlungen Zusam­ menhängen und auf einen einheitlichen Vorsatz des Täters oder Teilnehmers zurückzuführen' sind.20) § 3. Wer, nachdem er wegen eines der in § 2 bezeichneten Vergehen rechtskräftig verurteilt worden ist, abermals eine dieser Handlungen begeht, wird in den Fällen des § 2 Abs. 1 mit Geldstrafe von 10015) bis zu 1500 Mark, in den Fällen des § 2 Abs. 2 mit Geldstrafe von 200 bis zu 2000 Mark bestraft. § 4. Jeder fernere Rückfall nach vorausgegangener rechts­ kräftiger Verurteilung im ersten Rückfalle zieht Geldstrafe von 300 bis zu 3000 Mark nach sich. § 5. Die Bestimmungen der §§ 3 und 4 finden Anwendung, auch wenn die früheren Geldstrafen noch nicht oder nur teilweise gezahlt oder ganz oder teilweise erlassen sind; sie bleiben je18) Diese Vorschrift erfordert den Nachweis einer besonderen Betätigung des als Mittelsperson Mitwirkenden. Für die Mitwirkung spricht nicht ohne weiteres die Präsumtion des Preßgesetzes. KG. v. 24. Mai 09, DIZ 14. S. 829. 19) Hierunter ist jedes Auslegen, Ausstellen, Aushängen, Anschlägen, Anheften, Ankleben oder sonstige Anbringen in Geschäfts-, Wirts- oder Erfrischungs­ räumen, in Läden oder Schaufenstern wie an Anschlagssäulen oder anderen all­ gemein oder einem größeren Personenkreise zugänglichen oder sicheren Ort zu verstehen. (Mot.) 19 a) Durch diese Bestimmung wird nicht in den im § 260 StPO, festge­ legten Grundsatz der freien Beweiswürdigung eingegriffen. Erk. v, 26. Apr. 06, E. 39 S. 1. Die gleichzeitige Versendung mehrerer Lose kann als ein Vergehen artgesehen werden. KG. v. 27. April 08, Johow 36 S. 0 100. 20) Der Tatbestand des Vergehens gegen § 2 des Ges. u. gegen § 286 schließen einander vollständig aus, insofern bei dem letzteren der Täter das Eigentum an aliquoten Teilen des Originalloses gar nicht übertragen will, während dieser Wille,, gerade Voraussetzung bei dem Vergehen gegen § 2 ist. GA. 44 S. 168. — Über Beihilfe zu dem Vergehen gegen § 2 siehe Erk. v.

15. Febr. 98, E. 31 S. 35.

doch ausgeschlossen, wenn seit der Zahlung oder dem Erlasse der letzten Geldstrafe oder der Verbüßung der an ihre Stelle ge­ tretenen Freiheitsstrafe bis zur Begehung der neuen Zuwider­ handlung drei Jahre verflossen sind. § 6. Wer Ge^innergebnisse der in § 1 bezeichneten Lotterien in einer in Preußen erscheinenden Zeitung veröffentlicht oder durch öffentliches Auslegen, Ausstellen oder Aushängen bekannt gibt, wird mit Geldstrafe bis zu 50lö) Mark bestraft.21) Gehört der Täter oder Teilnehmer zu den in § 2 Abs. 2 bezeichneten Personen, so tritt Geldstrafe von 100 bis zu 600 Mark ein. § 7. Den außerpreußischen Lotterien sind alle außerhalb Preußens veranstalteten Ausspielungen beweglicher oder unbe­ weglicher Gegenstände gleich zu achten. II. Gesetz, betr. die Losgesellschaften, die Veräußerung von Inhaberpapieren mit Prämien und den Handel mit Lotterielosen v. 19. Juli 1911 (GS. 8. 175). § le Wer gewerbsmäßig in der Absicht, andere auszubeuten, zur Beteiligung an Losgesellschaften auffordert oder sich mit deren Bildung oder Geschäftsführung befaßt oder wer gewerbs­ mäßig solche Losgesellschaften oder deren Bildung in anderer Weise wissentlich fördert, wird mit Gefängnis bis zu 3 Monaten und zugleich mit Geldstrafe von 1001B) bis 3000 Mk. oder mit einer dieser Strafen bestraft. Losgesellschaften im Sinne dieses Gesetzes sind Vereinigungen jeder Art, welche die Gewinnaussichten von Serien- oder Prämien­ losen oder von Lotterie- oder Ausspielungslosen ausnutzen wollen. § 2. Die gleiche Strafe -trifft denjenigen, welcher gewerbs­ mäßig216) in der Absicht, andere auszubeuten: a) Anteile von Serien- oder Prämienlosen oder Urkunden, durch die solche Anteile zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, feilhält, anderen überläßt oder zur Über­ lassung anbietet; b) öffentlich oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, unter dem Versprechen der Stundung des Preises sich erbietet, Serien- oder Prämien­ lose anderen zu überlassen. 21) Auch die Veröffentlichung eines einzelnen Gewinnergebniffes ist straf­ bar. KG. v. 17. Mai 06, Johow 32 S. 57. 21a) Ein Zigarrenhändler, der Losanteile verkauft, um den Kundenbestünd seines Zigarrengeschäfts zu sichern, handelt gewerbsmäßig. KG. v. 4. Juli 04, Johow 28 S. 0 32.

III. Strafgesetzbuch (zu § 286).

Der Stundung des Preises steht die Beleihung der Papiere gleich. Die gleiche Strafe trifft auch denjenigen, welcher gewerbs­ mäßig Geschäfte der vorstehenden Art wissentlich fördert. § 3. Wer nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Ver­ gehens gegen §§ 1 oder 2 abermals gegen eine ^dieser Vorschriften verstößt, wird mit Gefängnis von 1 Woche bis zu 6 Monaten und zugleich mit Geldstrafe von 30016) bis zu 6000 Mk. oder mit einer dieser Strafen bestraft. § 4. Die Bestimmungen des § 3 finden Anwendung, auch wenn die früheren Gefängnis- und Geldstrafen noch nicht oder nur teilweise vollstreckt oder gezahlt oder ganz oder teilweise erlassen sind; sie bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Vollstreckung oder Zahlung oder dem Erlasse der letzten Strafe oder seit Verjährung der Strafvollstreckung bis zur Begehung der neuen Zuwiderhandlung 3 Jahre verflossen sind. §5» Wer Gewinne für bevorstehende Ziehungen von Serien­ oder Prämienlosen ohne Angabe der Zahl der an den Ziehungen teilnehmenden Stücke öffentlich oder durch Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, bekannt gibt um zur Ausnutzung der Gewinnaussichten anzureizen, wird mit Geldstrafe bis zu 15015) Mk. bestraft. § 6* Wer ohne Ermächtigung der Lotten everwaltung gewerbs­ mäßig Lose oder Losabschnitte der Königlich Preußischen Staats­ lotterie oder Urkunden, durch die Anteile an solchen Losen oder Losabschnitten zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, feilhält, anderen überläßt oder zur Überlassung anbietet, wird mit Geldstrafe von 10016) bis J500 Mk. bestraft. Wer gewerbsmäßig geringere als die genehmigten Anteile oder Abschnitte von Losen zu Privatlotterien oder Ausspielungen oder Urkunden, durch die Anteile oder Abschnitte dieser Art zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, feilhält, anderen überläßt oder zur Überlassung anbietet, wird mit der gleichen Strafe bestraft. Auch denjenigen trifft dieselbe Strafe, welcher ein Geschäft der im Abs. 1 oder Abs. 2 bezeichneten Art als Mittelsperson fördert. § 7. Wer gewerbsmäßig Lose oder Losabschnitte einer öffent­ lichen Lotterie oder Ausspielung, welche nur für einen Teil des preußischen Staatsgebiets zugelassen ist, außerhalb dieses Gebiets feilhält, anderen überläßt oder zur Überlassung anbietet, obwohl die räumlich beschränkte Zulassung aus dem Lose ersichtlich ist, wird mit Geldstrafe bis zu 15016) Mk. bestraft.

Wer gewerbsmäßig Lose oder Losabschnitte einer außer­ preußischen Lotterie oder Ausspielung, welche nur in einer be­ stimmten Anzahl mit behördlichem Stempel versehener Lose in Preußen zugelassen ist, ohne diesen Stempel feilhält, anderen über­ läßt oder zur Überlassung anbietet, verfällt der gleichen Strafe, sofern diese Beschränkung der Zulassung der Lotterie aus dem Lose ersichtlich ist. § 8. Jedes einzelne Zuwiderhandeln gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere jedes einzelne Ausserdem zur Be­ teiligung an Losgesellschaften, jede einzelne Verkaufs-, Überlassungs- oder Vertriebshandlung, jedes einzelne Anbieten und jedes einzelne Veröffentlichen und Bekanntgeben von Gewinnen wird als besonderes selbständiges Vergehen bestraft, auch wenn die einzelnen Handlungen Zusammenhängen und auf einen ein­ heitlichen Vorsatz des Täters oder Teilnehmers zurückzuführen sind. Gegen denjenigen, welcher mehrere nach diesem Gesetze strafbare Handlungen begangen hat, ist auf eine Gesamtstrafe zu erkennen, die in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht. Das Maß der Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen, auch einjähriges Gefängnis und 20000") Mk. Geldstrafe nicht übersteigen. Diese Vorschriften finden auch Anwendung, wenn, bevor eine auf Grund dieses Gesetzes erkannte Strafe vollstreckt, gezahlt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung auf Grund dieses Ge­ setzes wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, die vor der früheren Verurteilung begangen war.

III. Gesetz, betr. die Abzahlungsgeschäfte, v. 16. Mai 1894. (RGBl. 8. 450.) Hier interessieren nur die §§ 7 u. 8 desselben, welche lauten:

§ 7. Wer Lotterielose, Inhaberpapiere mit Prämien (Ges. v. 8. Juni 71, RGBl. 8. 210) oder Bezugs- oder Anteilscheine auf solche Lose oder Inhaberpapiere gegen Teilzahlungen verkauft oder durch sonstige auf die gleichen Zwecke abzielende Verträge veräußert, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundertl6) Mark be­ straft. 22) 22) Der § 7 findet bei Lieferung ideeller Anteile an Prämienlosen auch dann Anwendung, wenn bei Abschluß des Vertrages über eine Mehrheit von Losen die monatliche Lieferung je eines Loses und zugleich die monatliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrages vereinbart ist. Erk. v. 18. Juni 97, E. 30 S. 165.

III. Strafgesetzbuch (zu § 286).

Es begründet keinen Unterschied, ob die Übergabe des Papiers vor oder nach der Zahlung des Preises erfolgt. § 8. Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine. An­ wendung, wenn der Empfänger der Ware als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist. IV. Gesetz, beir. die Wetten bei öffentl. veranstalteten Pferde­ rennen, v. 4. Juli 1905 (RGBl. 8. 595). § 6. Mit Gefängnis von ein bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe von 500l6) bis 1500 Mk. wird, sofern nicht nach anderen Gesetzen eine höhere Strafe ein tritt, bestraft: 1. wer ein Wettunternehmen für öffentlich veranstaltete Pferderennen ohne die vorgeschriebene Erlaubnis betreibt, 2. wer den Vorschriften des § 3 zuwiderhandelt.22 a) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Gefängnis­ strafe bis zu einem Monat oder auf Geldstrafe bis zu 50016) Mk. erkannt werden. Der* § 3 lautet: Das geschäftsmäßige Vermitteln22 b) von Wetten für öffentlich im In- oder Auslande veranstaltete Pferderennen ist verboten. Aufforderungen22 °) und Angebote zum Abschluß oder zur Ver­ mittelung solcher Wetten sind verboten,220) wenn sie öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften oder anderen Darstellungen er­ folgen. Unter dieses Verbot fallen nicht Ankündigungen22 ®) eines nach diesem Gesetz erlaubten Wettunternehmens. 22 a) Dies Gesetz ist kein Spezialgesetz, das die Anwendung des § 284 ausschließt. Erk. v. 27. Nov. 06, E. 38 S. 383. Der Begriff des Betriebes eines Wettunternehmens wird keineswegs bedingt durch das erweisliche Be­ treiben gewerbsmäßigen Glückspiels. Erk. v. 30. Ottbr. 11, Recht 15 Nr. 3962. 22b) Auch derjenige vermittelt Wetten, der in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung Wettaufträge entgegennimmt und sie weitergibt. Erk. v. 10. März 14, E. 48 S. 200. Hierzu gehört auch die Entgegennahme der Wetten­ sätze und Auszahlung der Gewinne. Erk. v. 15. Ott. 06, E. 39 S. 209. Die Erlangung eines Gewinns ist nicht erforderlich. Erk. v. 20. Sept. 06, DIZ. 12 S. 187. GA. 53 S. 446. 22 c) Hierzu gehört auch jedes unmittelbare und mittelbare Anzeigen in Zeitungen, wodurch jemand in seinem Entschluß bestärtt wird. 22 d) Das Angebot von Tips ist an sich nicht strafbar, Erk. v. 6. Dez. 10, E. 44 S. 174, aber dann, wenn es die verschleierte Aufforderung zum Wetten enthält. KG. v. 22. Septbr. 11, Johow 42 S. 441. Siehe aber Erk., v. 1. Novbr. 13. E. 47 S. 411, nach welchem in dem Anreizen zum Abschluß von Rennwetten nicht ohne Weiteres ein Auffordern zu finden ist. 22 e) Das sind solche, die von einem erlaubten Wettunternehmen erlassen find. KG. v. 13. Ottbr. 11, DIZ. 17 S. 103.

209

Strafbarer Eigennutz 88 287, 288.

§ 287. (Derselbe wurde zunächst ersetzt durch 8 14 deS Ges. v. 30. Novbr. 1874 über den Markenschutz, an dessen Stelle jetzt die §§ 14 und 15 des Ges. v. 12. Mai 1894 zum Schutze der Warenbezeichnungen, RGBl. S. 441, ge­ treten sind.) § 288. Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung28) in der Absicht,2*) die Befriedigung des Gläubigers28) zu vereiteln, Be­ standteile seines Vermögens28*) veräußert28) oder beiseite schafft,2') 23) Zwangsvollstreckung droht, wenn nach den Umständen des Falles an­ genommen werden kann, daß der Berechtigte den ernstlichen Willen hat, seinen Anspruch, nötigenfalls im Wege der Zwangsvollstr, zu verwirklichen. Begr.: Es ist nicht erforderlich, daß der Gläubiger Klage erhoben oder seine Absicht, seine Forderung zwangsweise zu verwirklichen, zu erkennen gegeben hat. Erk. v. 4. Juli 93, E. 24 S. 238. Kein Drohen der Zwangsvollstr., wenn das materielle Recht noch nicht entstanden ist. Erk. v. 4. Febr. 98, E. 31 S. 22. Erk. v. 1LX Jan. 11, E. 44 S. 251. Die Zwangsvollstreckung muß dem Schuldner persönlich drohen. Bgl. Crk. v. 26. Mai 87, R. 9 S. 344 u. E. 16 S. 121. Auch eine bereits eingeleitete Zwangsvollstr. kann als drohende aufgefaßt werden. Erk. v. 10. Jan. 88, E. 17 S. 42, Erk. v. 14. Jan. 02, E. 35 S. 62. auch dann, wenn Pländung und Überweisung der Hypothekenforderungen bereits erfolgt ist und nur noch die Hypothekenbriefe wegzunehmen sind. Erk. v. 3. Dezbr. 07, GA. 55 S. 115. 24) Es wird hier der bestimmte auf die Herbeiführung des bezeichneten Erfolges gerichtete Wille gefordert, ein bloßer dolus event, genügt hier nicht; aber gewollt ist der Erfolg schon dann, wenn der Täter ihn als notwendige u. unvermeidliche Folge vorausgesehen. Erk. v. 17. Mai 95, E. 27S. 241. Der dolus braucht nicht darauf gerichtet zu sein, die Befriedigung des Gläubigers überhaupt unmöglich zu machen, es genügt vielmehr, daß die augen­ blickliche Exekutionsmaßregel wirkungslos wird. Erk. v. 8. April 80, R. 1 S. 560. Daß der Erfolg der Absicht entsprochen hat, ist indes nicht notwendig. Erk. v. 8. Mai 81, R. 3 S. 270. Auch muß sich die Handlung des Schuldners gegen denjenigen Gläubiger richten, von welchem die Zwangsvollstr. droht. Erk. v. 19. Febr. 86, R. 8 S. 126, u. Erk. v. 10. Jan. 88, R. 10 S. 19. Doch ge­ nügt das Bewußtsein des Täters, daß der Gläubiger überhaupt mit Zwangs­ vollstreckung gegen ihn Vorgehen will; nicht notwendig ist das Bewußtsein, daß der Gl. gerade den verheimlichten Gegenstand pfänden will. Erk v. 27. Juni 05, JurW. 34 S. 754.- Der dolus wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Ver­ äußerung zum Zwecke der Befriedigung eines anderen Gläubigers geschieht. Erk. v. 5. Novbr. 79, R. 1 S. 36. Bgl. Erk. v. 21. Okt. 04, GA. 52 S. 83. A. M. KR. Anm. 9. Für die Frage, ob ein doloseS Beiseiteschaffen vorliegi, ist es von Bedeutung, ob der Gläubiger aus anderen Bermögensobjekten sich beftiedigen kann. Erk. v. 4. Jan. 83, E. 8 S. 50 u. 18. Mai 85, R. 7 S. 304. 25) Gläubiger ist jeder, welcher einen Anspruch auf Zwangsvollstr. in das Vermögen eines anderen hat, wenn auch dieser andere nicht obligatorisch verpstichtet ist, Erk. v. 9. Novbr. 83, E. 9 S. 164, doch muß er ein materiell Be­ rechtigter sein. GA. 47 S. 296. Der Kostenanspruch des Fiskus gegen einen Beschuldigten entsteht nicht erst mit dem Strafurteil, sondern schon mit dem Zeit­ punkte, in welchem staatliche Organe zum Zwecke der Strafverfolgung in Tätigkeit treten. Erk. v. 4. Dezbr. 85, E. 13 S. 138. Siehe auch Erk. v. 7. Jan. 87., E. 15 S. 164. Erk. v. 8. Juli 90, E. 21 S. 54. 25a) Als Vermögensbestandteil kann nur gelten, was für sich überhaupt Dalcke, Strafrecht.

16. Aufl.

(1922).

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310

XXVni. Strafgesetzbuch § 288.

Wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu

zweitausend") Mark bestraft.88) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Gläubigers ein. *°) einen pfändbaren Gegenstand vorzuftellen geeignet ist. Erk. v. 12. Novbr. 08, (8. 42 S. 62. 26) Eine Veräußerung liegt auch in der Bestellung einer Hypothek für eine fingierte Schuld, Erk. v. 11. Jan. 83, R. 5 S. 24 ; in der Eintragung einer Vormerkung. Erk. v. 13. Novbr. 00, E. 34 5. 3; in der Zession von Forde­ rungen, Erk. v. 18. Novbr. 82, E. 7 S. 237; ferner in einer Verpachtung, Erk. v. 17. Febr. 82, E. 6 S. 101; in einer vereinbarten Abpfändung, Erk. v. 17. Juni 92, GA. 40 S. 165; überhaupt in jedem, in der Absicht des Schuldners liegenden Vermögen-verlust, in jeder bewußten Aufgabe eines Bermögensbestandteils, GL. 38 S. 215, inSbes. auch einer Forderung, Erk. v. 30. Novbr. 83, E. 9 S. 231; auch in der Entsagung des Nießbrauchs, Erk. v. 10. Mai 92, GA.40 S.145; in der Auflassung eines Grundstücks, wenn für einen anderen alS den Erwerber ein Recht auf Auflassung bestand. Erk. v. 5. Dez. 05, E. 38 S. 227. In dem Abschluß eine- Kaufvertrages ist eine Veräußerung auch dann zu finden, wenn der Verkäufer sich das Eigentum an den verkauften Sachen biS zur vollständigen Bezahlung deS Preises Vorbehalten hat. Erk. v. 21. Nov. 11, Recht 16 Nr. 150. Keine Veräußerung enthält die Ausschlagung der Erbschaft. KR. Anm. 7 Abs. 2. A. M. Erk. v. 3. April 02, Recht 6 S. 328. 27) DaS Beiseiteschaffen setzt zwar keine dauernde Entziehung voraus, aber eS genügt doch auch nicht ein bloß passives Verhalten des Exequenden, es wird vielmehr immer irgend eine Veranstaltung gefordert werden müssen, durch welche dem Gerichtsvollzieher die Abpfändung unmöglich gemacht oder doch erschwert wird. Erk. v. 15. Jan. 86, R. 8 S. 60. Es kommt nicht auf den Eintritt einer Recht-veränderung, sondern nur darauf an, daß tatsächlich der Zugriff deS Gläubigers dauernd oder zeitw. vereitelt wird. Erk. v. 14. Jan. 02, E. 35 S. 62. Ein Beiseiteschaffen liegt auch in der Zerstörung. Erk. v. 26. Febr. 89, E. 19 S. 25 (vgl. aber Erk. v. 25. März 95, E. 27 S. 122); auch in der Abhebung eine- SparkaffenguthabenS durch die Ehefrau u. Übergabe desselben an den Ehe­ mann. Erk. v. 4. Febr. 02, GA. 49 S. 128. In einem Ccheinverkauf mit nachfolgender Ableistung des OffenbarungseideS kann ein Beiseiteschaffen gefunden werden. Erk. v. 10. Mai 95. E. 27 S. 213. vgl. auch Erk. v. 24. Septbr. 95, JurW. 24 S. 567, wonach es wesentlich von den begleitenden Umständen abhängt, ob in einem Scheingeschäft ein Beiseite­ schaffen liegt. Ein solches kann gefunden werden in der zu frühen Einziehung einer Forderung, Erk. v. 30. Novbr. 83, C. 9 S. 231; aber nicht darin, daß der Schuldner Beweisurkunden über ihm zustehende Forderungen vor dem Gerichts­ vollzieher verborgen hält. Erk. v. 26. Juni 94, E. 26 S. 9. In der Ausstellung einer nicht ernstlich gemeinten Zessionsurkunde kann, insoweit dadurch der Zwangsvollstreckung Erschwernisse bereitet werden, ein Beiseileschaffen der For­ derungen erblickt werden. Erk. v. 1. Febr. 98, GA. 46 S. 122. 28) Der Unterschied zwischen diesem vergehen und dem aus 8 211 (jetzt § 239) R. KO. liegt inSbes. in der Absicht, die Befriedig, des Gläubigers zu ver­ hindern. Wer bei dem Ankauf der zur Vereitelung der Befriedigung veräußerten Sachen den Zweck verfolgt, sich wegen seiner eigenen Forderung zu befriedigen, macht sich der Teilnahme schuldig. Erk. v. 8. März 92, GA. 40 S. 35. 29) Antragsberechtigt ist nur derjenige Gläubiger, dessen Befriedigung ver­ eitelt werden sollte. Erk. v. 16. Dezbr. 79, R. 1 S. 152. Handelt es sich um

§ 289. Wer seine eigene bewegliche Sache,, oder eine fremde bewegliche Sache zugunsten des Eigentümers derselben, dem Nutz­ nießer, Pfandgläubiger oder demjenigen, welchem an der Sache ein Gebrauchs- oder Zurückbehaltungsrecht zusteht,30 * *)31 * *in* * rechtswidriger ********* Absicht") wegnimmt,32) wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu neunhundertI5) Mark bestraft. eine Gerichtskostenschuld, so ist für den Fiskus der Rendant und der Kassen­ kurator zum Anträge berechtigt, Erk. v. 25. Jan. 01, E. 34 S. 111, und wenn eine Beiseiteschaffung eingezogener Gegenstände vorliegt, so ist, sofern nicht besondere Vorschriften die Vertretung des Fiskus anderweit regeln, der Regie­ rungspräsident zum Strafantrage berechtigt, Erk. v. 7. Jan. 87, E. 15 S. 164. Der Konkursverwalter ist berechtigt, wegen einer die Masse benachteiligenden Straftat Antrag zu stellen. Erk. v. 26. Oktbr. 00, E. 33 S. 433, aber nicht an Stelle des benachteiligten Gläubigers. Erk. v. 31. März 11, JurW. 40 S. 509. Die Antragsfrist beginnt mit der Kenntnis von der Veräußerung oder Bei­ seiteschaffung unter Gewinnung der Überzeugung seitens des Gläubigers, daß die Handlung gegen ihn gerichtet ist. Erk. v. 4. Mai 81, R. 3 S.-270. Das Recht des Gläubigers, den Strafantrag zu stellen, wird dadurch nicht beein­ trächtigt, daß über sein Vermögen der Konkurs eröffnet ist. Erk. v. 10. Aug. 92, E. 23 S. 221. 30) Ein Pfandrecht, auch wenn es nicht ausdrücklich geltend gemacht wird, steht dem Vermieter an den eingebrachten Sachen des Vermieters wegen der Forderungen aus dem 'Mietverhältnis zu. Für künftige Entschädigungs­

forderungen und für beit Mietzins für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr kann es aber nicht geltend gemacht werden (§ 559 BGB.). Das Pfandrecht entsteht in dem Zeitpunkt der Einbringung der Sachen des Mieters oder dann, wenn eingebrachte fremde Sachen Eigentum des Mieters werden (siehe § 929 BGB.). Ist es zweifelhaft, ob überhaupt an den wegge­ nommenen Sachen ein Pfandrecht besteht, so muß dies dem Täter nachgewiesen werden. Erk. v. 9. Mai 04, DIZ. 9 S. 867 u. GA. 51 S. 354. Die Ver­ fügungsbeschränkung der Ehefrau ist für die Entstehung des Pfandrechts ohne Bedeutung. Erk. v. 25. April 02, E. 35 S. 202 u. ebenda S. 402; Erk. v. 24. Oktbr. 02. Das Pfandrecht des Vermieters erstreckt sich gemäß § 559 BGB. nicht auf die der Pfändung nicht unterworfenen Sachen. Es bedarf der ausdrück­ lichen Feststellung, daß die vom Mieter sortgeschafften Sachen zu den letzteren nicht gehören. Erk. v. 9. Mai 04, GA. 51 S. 355. Wegen des Pfandrechts des Verpächters siehe § 585 BGB. Die Voraussetzungen, unter denen ein Zurückbehaltungsrecht kraft Ge­ setzes zur Entstehung gelangt, regelt § 273 BGB. Das Zurückbehaltungsrecht kann aber auch durch Vertrag, wenn auch ohne dingliche Rechtsfolgen bestellt und auf die gemäß § 811 ZPO. von der Pfändung ausgenommenen Sachen aus­ gedehnt werden. Erk. v. 6./20. Febr. 02, E. 35 S. 150- u. Erk. v. 14. April 04, E. 37 S. 118. Diese Entscheidung ist in der Literatur mit Recht vielfach be­ kämpft. Siehe Hellwig im „Recht" 7 S. 169 u. KR. Anm. 6.

31) Diese liegt vor, wenn die Absicht des Täters dahin ging, die Rechte des Pfandgläubigers, Nutznießers usw. zu verletzen, der Absicht einer Scha­ denszufügung bedarf es nicht. Erk. v. 28. Juni 80, R. 2 S. 131. Das bloße

212

III. Strafgesetzbuch § 289.

Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar.32 a) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.33)

Bewußtsein des Täters, daß seine Handlung eine Verletzung dieser Rechte zur Folge habe, oder haben könne, genügt nicht. Absicht ist hier nicht gleichbedeutend mit Vorsatz, es muß vielmehr ein bestimmter Zweck verfolgt werden. Erk. v. 30. Jan. 91, E. 21 S. 312. Ebenso Erk. v. 2. März 94, E. 25 S. 154. Ein bloßer dolus event, ist hier nicht genügend. Gleichgültig ist, ob der Vermieter die Möglichkeit hat, den entzogenen Pfandbesitz wiederzuerlangen. Erk. v. 27. April 03, Recht 7 S. 269. Wer aus der Wohnung eines anderen dessen Sachen wegschafft, um sie für sich zu verwenden, ist nur dann strafbar, wenn er in rechts­ widriger Absicht handelte und gleichzeitig nicht bloß sein eigenes, sondern auch das Jntereffe des Mieters dem Vermieter gegenüber fördern wollte. Erk. v. 1. Dezbr. 93, GA. 41 S. 413. 32) Das Wort „wegnehmen" hat hier nicht die Bedeutung wie im § 242, es hat nicht die volle Verfügungsgewalt zur Voraussetzung, sondern es begreift jedes Fortschaffen von Sachen, durch welches das dem Pfandbesitz ähnliche Ver­ hältnis des Vermieters zu den Sachen aufgehoben wird. Erk. v. 22. April 84, R. 6 S. 284. Siehe auch Erk. v. 13. Mai 95, E. 27 S. 222 u. Erk. v. 14. April 04, E. 37 S. 126. Mit der vollendeten Entfernung der Sachen des Mieters aus dem Mietgrundstück ist aber die Wegnahme ausgeschloffen. Erk. v. 26. April 00, GA. 47 S. 287. Eine Wegnahme liegt auch dann vor, wenn die im gemeinsamen Gewahrsam des Eigentümers-und des Gebrauchsberechtigten befindlichen Sachen von dem ersteren in seinen alleinigen Gewahrsam gebracht werden. Erk. v. 8. Mai 88, E. 17 S. 358. Der Begriff der Wegnahme aber umfaßt nicht die Zerstörung der dem Pfandrecht des Vermieters unter­ worfenen Sache. Erk. v. 28. April 93, GA. 41 S. 56, u. o. 29. März 87, R. 9 S.211. Jdealkonkurrenz zwischen § 289 it. § 253, Erk. v. 19. Juni 94, E. 25 S. 435, u. § 223, Erk. v. 12. März 86, E. 13 S. 399, ist möglich. Die schwerere Strafe ist im letzteren Falle die aus § 289 nach Ansicht des RG. A. M. Olshausen Anm. II, 29 zu § 73. Der in einem Frachtbrief bezeichnete Empfänger des Frachtgutes, welcher die Fracht und Nachnahme noch nicht bezahlt hat, begeht, wenn er dem Fracht­ führer den Frachtbrief gegen dessen Willen wegnimmt, kein Vergehen gegen § 289, denn er ist nicht Eigentümer des Frachtbriefes geworden. Erk. v. 13. Febr. 99, E. 32 S 22. Es wird darin ein Diebstahl zu finden sein. 32 a) Ein Versuch der Wegnahme liegt nicht schon in dem Abschluß eines Kauf­ vertrages über Früchte auf dem Halm, die dem Pfandrecht des Verpächters bei ihrer Trennung unterfallen. Erk. v. 28. April 01, GA. 48 S. 127, vgl. auch Erk. v. 7. März 01, ebenda S. 129. Wegnahme von Früchten liegt auch nicht in der Fortschaffung, die im gewöhnlichen Betriebe des Geschäfts erfolgt. Erk. v. 8. Febr. 06, Recht 10 S. 321. GA. 53 S. 172? 33) Wer eijien gültigen Mietvertrag abgeschlossen hat, ist berechtigt, bei Verschleppung von Jllaten den Strafantrag zu stellen, auch wenn er nicht Eigen­ tümer ist, Erk. v. 25. April 87, R. 9 S. 284; insbes. ist der Verwalter eines Hauses antragsberechtigt. Erk. v. 7. Dezbr. 81, R. 3 S. 770; aber nicht der Hypothekengläubiger, Erk. v. 23. Juni 98, GA. 46 S. 340.

Strafbarer Eigennutz §§ 290—292, Jagdvergehen § 292.

213

Die Bestimmungen des § 247 Absatz 2 und 3 finden auch hier Anwendung. § 290. Öffentliche Pfandleiher, welche die von ihnen in Pfand genommenen Gegenstände unbefugt in Gebrauch nehmen,^) werden mit Gefängnis bis zu Einem Jahre, neben welchem auf Geld­ strafe bis zu neunhundert16) Mark erkannt werden kann, bestraft. § 291. Wer die bei den Übungen der Artillerie verschossene Munition, oder wer Bleikugeln aus den Kugelfängen der Schießstände der Truppen sich widerrechtlich zueignet,S6) wird mit Gefängnis bis

zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunl)imbert15) Mark bestraft.

§ 292. Wer an Orten, ”) an denen zu jagen er nicht berechtigt37 34a38 35 ) *36 ist, die Jagd33) ausübt,3^) wird mit Geldstrafe bis zu bretfiuiibertlö) Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. 40) 34) Das sind nicht bloß diejenigen, welche das Psandleihgewerbe unter öffentlicher Kontrolle betreiben, sondern alle Pfandleiher, die das Gewerbe offen­ kundig betreiben, Erk. v. 8. Mai 83, R. 5 S. 345. 35) Darunter ist nicht bloß ein körperlicher Gebrauch zu verstehen, sondern insbes. auch eine Weiterverpfändung. Siehe das in vor. Anm. zit. Erk. v. 2. April 83. Erhebt der Pfandleiher Geld auf ein verpfändetes Sparkassenbuch, so liegt Unterschlagung vor. Erk. v. 13. Dez. 86, E. 15 S. 147. 36) Ist der Kugelfang umschlossen, so kommt die Diebstahlsstrafe zur An­ wendung. Erk. v. 1,0. Novbr. 80, R. 2 S. 490. A. M. KR. Anm. 2. Über die Aneignung von Patronenhülsen, welche nicht unter diesen § fällt, siehe Erk. v. 1. Juni 06, E. 39 S. 26. 37) Die Jagd muß auf einem Terrain ausgeübt sein, auf welchem einem anderen ein Okkupationsrecht an dem dort vorhandenen Wild zusteht. Wer sich also auf einem fremden Revier aufstellt, um auf dem eigenen das Wild zu er­ legen (Anstand), macht sich nicht strafbar. Erk. v. 10. Juni 82, E. 6 S. 375. Strafbar macht er sich aber dann, wenn er seinen Hund auf ein ftemdes Revier schickt, um ihm Wild zuzutreiben. Erk. v. 28. Nov. 89, E. 20 S. 98. Ebenso macht sich derjenige strafbar, welcher von einem ftemden Reviere dem Jäger, der auf seinem eigenen Reviere geblieben ist, Wild zutreibt, selbst wenn ein Einverständ­ nis mit dem Jäger nicht vorhanden ist. Erk. v. 25. April 88, R. 10 S. 331. Siehe auch Erk. v. 12. Oktbr. 88, R. 10 S. 565. Dagegen ist der Jäger nur strafbar, wenn ihm das Wild mit seinem Einverständnis zugetrieben wird. Erk. V. 28. Jan. 13, DIZ. 18 S. 1077. Das Aufstellen auf dem eigenen Revier, um das austretende Wild auf dem fremden zu erlegen, fällt unter § 292. Erk. v. 16. Juni 81, R. 3 S. 409, u. v. 1. Juni 86, R. 8 S. 420. 37 a) Der Jagdpächter ist nicht mehr jagdberechtigt, wenn der Pachtvertrag für nichtig erklärt ist. Erk. v. 2. Novbr. 14, E. 49 S. 83. 38) Unter Jagd sind alle Handlungen zu verstehen, welche die Okkupation jagdbarer Tiere (8 1 JO. sub X) bezwecken; daß dieser Zweck erreicht ist, ist aber nicht notwendig; es genügt also bloßes Durchstreifen des Forstes mit schußfertigem oder jederzeit schußfertig zu machendem Gewehr. Erk. v. 17. März 85, R. 7 S. 184, Erk. v. 24. Okt. 89, E. 20 S. 4, auch das Nichtzurückrufen eines jagenden Hundes. GA. 52 S. 426 (vgl. auch Erk. v. 8. Febr. 09, Recht 13

214

III. Strafgesetzbuch § 292.

Nr. 1081, Jagenlassen eines abgerichteten Hundes); nach Erk. v. 24. Mai 86, R. 8 S. 379, sogar das bloße Aufsuchen von geeigneten Orten, um dort Schlingen zu legen; doch geht dies wohl zu weit und könnte darin höchstens ein (strafloser) Versuch gefunden werden. Siehe Dalcke-Delius, 6. Aufl., Jagdr. S. 345. Keine Jagdausübung ist es, wenn das Wild lediglich, um bei einer künftigen Jagd bessere Ausbeute zu sichern, auf das Nachbargebiet getrieben wird. GA. 48 S. 366. Dagegen muß das Aufstellen von Schlingen schon als Jagdausübung gelten. Erk. v. 2. Juni 91, E. 22 S. 115. Das Stehen auf dem Anstande ist auch schon baun Jagdausübung, wenn das Gewehr noch gar nicht geladen war. Erk. v. 24. Oktbr. 89, E. 20 S. 4. Erk. v. 29. Jan. 86, R. 8 S. 102. Ob der Jagende das erlegte Wild für sich haben will, oder um es dem Jagdberechtigten abzuliefern, ist ganz gleichgültig. GA. 39 S. 351. Erk. v. 10. Dezbr. 85, E. 13 S. 195, u. Erk. v. 16. Juni 81, R. 3 S. 409. Desgl, ob der Täter das gefangene Wild nur jemandem zeigen will. Pcksen v. 18. Nov. 11, GA. 60 S. 164. Es ist auch ganz unerheblich, ob die Ausübung der Jagd nur zu dem Zwecke geschah, um Schaden (Wildschaden) von sich abzuwenden. Erk. v. 2. Juni 91, E. 22 S. 115. Erk. v. 23. Septbr. 86, R. 8 S. 555 u. E. 14 S. 419. Über das Recht, Tiere zur Abwehr einer Gefahr zu töten, siehe Anm. 59 zu § 53. Das Reichsgericht hat in feststehender Praxis auch die Aneignung von sog. Fallwild als Jagdausübung angesehen. Erk. v. 13. Jan. 81, E. 3 S. 226, und Erk. v. 19. Novbr. 85, E. 13 S. 84. Diese Rechtsprechung hat wenigstens in­ sofern eine anerkennenswerte Einschränkung erfahren, als vollständig in Ver­ wesung übergegangenes Fallwild nicht mehr als Jagdobjekt angesehen wird. Erk. v. 16, Febr. 83, R. 5 S. 126; doch kommt es darauf, ob der Täter es für wertlos gehalten hat, u. ob er die Absicht hatte, es für sich zu behalten, nicht an. Erk. v. 20. Jan. 08, DIZ. 13 S. 596. Muß die Jagd auf dem Grund­ stück ruhen, dann darf der Grundstückseigentümer sich das Fallwild aneignen. Dalcke-Delius S. 195, KR. Anm. 7. Die Aneignung abgeworfener Hirsch­ geweihe stellt keine Ausübung der Jagd dar. Dalcke-Delius a. a. O. S. 75. Eine PBO., die das Sammeln von Hirschgeweihen verbietet, ist gültig. Erk. v. 16. März 14, Recht 19 S. 46. Siehe Erk. v. 19. Novbr. 85, E. 13 S. 84. Erfolgt sie in eingefriedetem Tierpark, so liegt Diebstahl vor. KG. v. 1. Dezbr. 10, DIZ. 16 S. 221, Recht 15 S. 141. Das sog. Hirschen­ sprengen ist eine Jagdausübung. Erk. v. 14. Febr. 07, E. 40 S. 7.

39) Als dolus wird nur verlangt, daß der Täter eine sich als Jagdaus­ übung qualifizierende Handlung vorsätzlich vornimmt und daß er sich dabei seiner Nichtberechtigung bewußt ist. S. a. Erk. v. 10. Juni 82, E. 6 S. 375. Voraus­ gesetzt wird ein unberechtigter Eingriff in das Jagdrecht eines anderen. Die Tatsache, daß die Jagd auf einem Grundstück ruht, rechtfertigt daher noch nicht die Anwendung des §. Erk. v. 24. Mai 12, GA. 60 S. 87. Befindet sich der Jagende in einem tatsächl. Irrtum z. B. ein Jagdgast über die Grenzen des Jagdreviers, so ist er nicht strafbar. Dalcke-Delius S. 347; auch nicht, wer im Walde eine zahme Ente schießt, die er für eine wilde hielt. Hamm v. 14. Mai 18, Recht 23 S. 124. Ein Irrtum über die Jagdbarkeit eines Tieres schützt nicht vor Strafe. Erk. v. 3. März 84, E. 40 S. 234; ebensowenig ein Irrtum über die Jagdausübung (Aneignung von Fallwild durch einen Nichtjagdberechtigten). Erk. v. 22. Jan. 12, Recht 16 Nr. 833. Der Treiber, der im Einverständnis mit dem Jäger handelt, ist nicht bloßer Gehilfe, sondern Mittäter. Erk. v. 15. Okt. 07, GA. 54 S. 480. Unberechtigt übt die Jagd auch aus, wer die Beschränkungen, unter denen die Jagderlaubnis erteilt ist, nicht innehält, Erk. v. 14. Juni 10, E. 43 S. 439. Erk. v. 25. Febr. 13, Recht 17

Jagdvergehen § 293.

LIS

Ist der Täter etn Angehöriger des Jagdberechttgtm, so tritt die

Verfolgung nur auf Antrag ein.

Die Zurücknahme des Antrages

ist zulässig.

§ 293.

Die Strafe kann auf Geldstrafe bis zu sechshundert1B)

Mark oder auf Gefängnis bis 311 sechs Monaten erhöht werden,")

wenn dem Wilde nicht mit Schießgewehr oder Hunden, sondern mit Schlingm,

Netzen, Fallen oder anderen Vorrichtungen nachgestellt

oder, wenn das Vergehen während der gesetzlichen Schonzeit, ") tu Wäldern,") zur Nachtzeit") oder gemeinschaftlich von mehreren") begangen wird.") S. 473. Doch ist dies bestritten. DaS Jagdrecht ist kein persönliches Rechts­ gut, daher können sukzessive Verletzungen verschiedener Jagdberechtigungen zu einem fortgesetzten Vergehen zusammengefaßt werden. Erk. v. 7. Mär- 11, DA. 59 S. 142, Recht 15 Nr. 2402. 40) £b die Wegnahme von Wild aus umzäunten Gehegen den Tatbe­ stand des Diebstahls erfüllt, ist im wesentlichen Tatftage, da es hauptsächlich auf die Beschaffenheit des Geheges ankommt. Erk. v. 9. Novbr. 94, E. 26 S. 218, Erk. v. 26. Novbr. 08, E. 42 S. 75. DaS Wegnehmen von Wild, das sich in einer von einem Dritten aus­ gestellten Schlinge gefangen hat, ist nach dem Erk. v. 21./25. April 92, E. 23 S. 89 nicht Diebstahl, sondern Jagdvergehen. Ist die Fangvorrichtung vom Jagdberechtigten gestellt, so begeht der Wilderer Diebstahl. Dalcke-DeliuS a. a. O. S. 9. Die Fortnahme eines von einem anderen eingefangenen Rehes auS einem Stall soll Jagdausübung sein, wenn der Täter sich bewußt war, in ein ftemdes Jagdrecht einzugreifen. Erk. v. 30. Mai 11, Recht 15 Nr. 2685. Wer unbetugt die Jagd ausübt, ohne einen Jagdschein zu., besitzen, macht sich in idealer Konkurrenz des Vergehens aus § 292 und der Übertretung der JO. schuldig. Erk. v. 23. Novbr. 91, E. 22 S. 234. Auch Jdeaikonkurrenz mit verbotenem Waffenttagen ist möglich. Siehe Erk. v. 17. Septbr. 15, E. 49 S. 272. 41) Die strafschärfenden Momente dieses § können bei Aneignung von Fall­ wild selbstredend dann nicht Platz greifen, wenn die Tat während der Schon­ zeit stattgefunden, Erk. v. 16. Septbr. 86, R. 8 S. 540, und ebensowenig inso­ fern die Sttasichärfung in dem Gebrauch von Netzen, Schlingen, Fallen usw. besteht, dagegen sollen die übrigen erschwerenden Umstände Platz greifen, Erk. v. 14. Dezbr. 87, E. 15 S. 268. Der Erschwerungsgrund deS Nachstellens mit Schlingen liegt aber gegen den Täter vor, wenn er das Legen der Schlingen für die Zwecke seiner Jagdausübung veranlaßt hat. Erk. v. 11. Novbr. 04, DIZ. 10 S. 220, Recht 8 S. 634. 42) Die Schonzeiten sind festgesetzt durch §§ 39 ff. der Jagdordnung (X). 43) Wald ist ein mit Bäumen bestandenes Grundstück im Gegensatz zum übersichtlichen Gelände. GA. 52 S. 110. Der Begriff deS Waldes wird da­ durch nicht ausgeschloffen, daß es sich um eine sog. Blöße handelt, die von 3 Seiten vom Walde umgeben und nur nach einer Seite hin offen ist. Siehe Dalcke-Delius, Jagdr. S. 186. Auch eine baumfreie Einbuchtung kann als ein Dell des Waldes angesehen werden. Erk. v. 23. Ott. 06, Recht 10 S. 1328. Es kommt nicht darauf an ob sich der Täter im Walde und das Wild im freien befunden hat, oder ob das Umgekehrte der Fall war. DalckeDelius S. 350. Erk. v. 16. Septbr. 02, GA. 49 S. 282. Siehe auch Erk.

216

III. Strafgesetzbuch § 294.

§ 294

Wer unberechtigtes Jagen gewerbsmäßig *’) betreibt, wird

mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei­ aufsicht erkannt werden. Siehe auch Erk. v. 8. Febr. 94, E. 25 S. 120. In dem Erk. v. 25. März 98, GA. 46 S. 203, ist ausgeführt, zur An­ nahme des erschwerenden Moments der Jagdausübung im Walde genüge, daß die Tat auf einem forstwirtschaftlich als Wald benutzten Terrain verübt worden sei. 44) Nachtzeit ist die Zeit der Dunkelheit. Erk. v. 27. Jan. 85, R. 7 S. 56. Siehe auch die Anm. zu § 243 Nr. 7. 45) Das Vergehen der gemeinschaftlichen unbefugten Jagdausübung liegt nicht vor, wenn von zwei Jagenden der eine dabei im guten Glauben war. Erk. v. 16. April 88, E. 17 S. 413. Im übrigen wird hier Mittäterschaft verlangt. Erk. v. 16. Juni 81, E. 4 S. 261. Selbst der zum Jagen Berechtigte macht sich nach § 293 strafbar, wenn er bewußt mit einem Nichtberechtigten gemein­ schaftlich jagt, Erk. v. 21. Septbr. 86, R. 8 S. 546. Siehe gegen diese Ent­ scheidung die zutreffende Ausführung des OLG. Hamburg v. 25. Febr. 97. GA. 44, S. 402. Nach KR. Anm. 8 kommt es darauf an, ob die jagende Per­ son ein Recht oder nur eine widerrufliche Erlaubnis zum Jagen besitzt. Nur im letzten Fall sei § 293 anwendbar. Jedenfalls ist zur Feststellung dieses erschwerenden Umstandes zu fordern, daß jeder von den mehreren die Tat als seine eigene gewollt und nicht etwa nur eine fremde Tat unterstützt hat, so daß ein gemeinsames Zusammenwirken zur Ausführung der letzteren stattgefunden haben muß. Deshalb ist auch die Entsch. des RG. v. 25. April 88, R. 10 S. 331 (oben Anm. 37) als richttg nicht anzuerkennen. Gegen dieselbe auch zutreffend Darmstadt in GA. 44 S. 403. 46) Eines Strafantrages bedarf es im Falle des § 293 nicht. Erk. v. 23. Juni 81, E. 4 S. 330. 47) Gewerbsmäßigkeit setzt eine fortgesetzte, gewinnsuchende Tättgkeit voraus, es genügt, daß der Täter das Wild in seinem Haushalte ver­ brauchte. Siehe die Erk. v. 16. Oktbr. 80, R. 2 S. 336, u. v. 25. März 82, R. 4 S. 280, Erk. v. 24. Jan. 87, R. 9 S. 90. Die auf Gewinn gerichtete Absicht genügt nicht, es ist die Absicht erforderlich, die Jagd fortgesetzt zum Zwecke dauernden Erwerbes auszuüben. Erk. v. 26. Juni 19, DStZ. 7 S. 249. Auch ein einzelner Fall kann genügen. Erk. v. 23. Jan. 83, E. 8 S. 16. Siehe auch R. 4 S. 280. Es ist aber nicht genügend, wenn nur das Verlangen des Angekl.. sich auf billige Weise Wildfleisch zu verschaffen, und der Umstand, daß das erlegte Wild entweder verkauft oder im Haushalte des Täters verbraucht ist, festgestellt werden. Erk. v. 24. Aug. 06, Recht 10 S. 1093. Der Gehilfe, gegen den Gewerbsmäßigkeit nicht vorliegt, kann nicht aus § 294 bestraft werden. Erk. v. 9. Jan. 93, E. 23 S. 378. Da hier ein Kolletttvreat vorliegt, so ist auch, wenn mehrere Fälle gewerbsmäßigen Jagens vorliegen, der 8 74 des StGB, doch ausgeschlossen. Erk. v. 23. Jan. 83, E. 8 S. 16. Deswegen können auch, wenn bei den einzelnen' Fällen des gewerbsmäßigen Jagens die erschwerenden Umstände aus § 293 vorliegen, diese nur als Sttafzumeffungsgründe in Bettacht kommen. Erk. v. 18. Juni 81, R. 3 S. 415. Vgl. auch Erk. v. 18. Juni 96, GA. 44 S.161. Über das Heranziehen früherer Fälle zur Feststellung der Gewerbsmäßig­ kett stehe Erk. v. 20. Septbr. 92, E. 23 S. 230, u. v. 13. April 94, GA. 42 S. 116. Zur Feststellung der Gewerbsmäßigkeit können auch Fälle berechtigten

Jagdvergehen §§ 295, 296.

217

8 295. Neben der durch das Jagdvergehen verwirkten Strafe ist48 * *)49 * *auf 50 51Einziehung 52 53 des Gewehrs, des Jagdgeräts48) und der Hunde, welche der Täter bei dem unberechtigten Jagen bei sich ge­ führt hat,88) ingleichen der Schlingen, Netze, Fallen und anderen Vorrichtungen zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.öl)

§ 296. Wer zur Nachtzeit,ö2) bei Fackellicht oder unter Anwen­ dung schädlicher oder explodierender Stoffe unberechtigt fischt88) oder Jagens herangezogen werden, Erk. v. 12. Dezbr. 93, GA. 41 S. 421, aber es muß nachgewiesen werden, daß die Absicht des Angekl., dabei dahin gerichtet ge­ wesen ist, fortgesetzt auch aus dem unberechtigten Betriebe der Jagd sich Erwerb zu verschaffen. Erk. v. 2. Mai 05, Recht 9 S. 318. 48) Hier muß abweichend von der allgem. Vorschrift des § 40 in allen Fällen auf Einziehung erkannt werden. Erk. v. 19. Juni 85, R. 7 S. 416. Die Einziehung ist ausgeschloffen, wenn 'durch eine andere positive Gesetzesbestimmung (§ 111 der StPO.) die Berücksichtigung der Rechte eines Dritten aus­ drücklich geboten ist. Erk. v. 2. Juli 88, R. 10 S. 457. Siehe aber E. 46 S. 131 u. KR. Anm. 4. Über die Grenzen der Einziehung siehe Schwabe, GA. 60 S. 395. Zur Einziehung wird erfordert, daß die Gegenstände bei der Jagd gebraucht sind, die bloße Feststellung, daß dieselben zur Ausübung von Jagd­ vergehen bestimmt seien, genügt nicht. Erk. v. 20. Mai 95, E. 27 S. 243. 49) Hierunter sind solche leblose Gerätschaften zu verstehen, die nach ihrer Beschaffenheit an sich zur Verwendung bei der Jagd geeignet und dazu auch dauernd'bestimmt sind, wie z. B. Jagdschlitten, nicht über ein zum Transport dienender Schlitten. Erk. v. 22. Mai 91, E. 22 S. 15. Auch ein Fernrohr kann hierher gerechnet werden. Erk. v. 21. Febr. 05, Recht 9 S. 171. 50) Es genügt das bloße tatsächliche Mitsichführen; daß sie ausdrücklich zur Jagdausübung mitgenommen oder gebraucht worden, ist nicht notwendig. Erk. v. 16. Juni 81, E. 4 S. 262. Das Erk. v. 15. Oktbr. 87, R. 9 S. 502, nahm an, daß auf Einziehung des Gewehrs nicht erkannt werden dürfe, wenn der Täter dasselbe bei der Jagdfolge und resp, der Okkupation des Wildes auf dem ftemden Revier auf seinem eigenen zurückgelaffen hat. Siehe hiergegen GA. 38 S. 363 u. Dalcke-Delius S. 369. 51) Es wird auch hier der § 42 des StGB. Anwendung finden müssen. Ist aber die Strafbarkeit aus § 292 wegen mangelnden Strafantrages ausge­ schloffen, so kann nicht selbständig auf Einziehung erkannt werden. OR. 17 S. 759. Die Einziehung findet auch dann statt, wenn bei Tateinheit mit Dieb­ stahl die Strafe aus § 242 festgesetzt wird. Erk. v. 25. Jan. 18, DStZ. 5 S. 306. — Durch vorherige Beschlagnahme ist die Einziehung nicht bedingt. Erk. v. 7. Febr. 81, R. 3 S. 56. Die Einziehung der Gehörne ist nicht zu­ lässig. Erk. v. 12. März 09, GA. 56 S. 225. 52) Fischen zur Nachtzeit liegt vor, wenn das Einlegen der Netze bei Tage erfolgt ist, die Netze aber zum Zwecke des Fischfangens bei Nacht im Waffer belaffen sind. Erk. v. 15. April 04, E. 37 S. 117. A. M. KR. Anm. 2. 53) Dahin gehört nicht bloß die Okkupation, sondern auch die Veranstal­ tung aller Handlungen, welche auf das Auffuchen und Nachstellen von Fischen gerichtet sind. Erk. v. 7. Febr. 82, R. 4 S. 133, u. Erk. v. 7. Novbr. 87, R. 9 S. 563. Auch umfaßt der Ausdruck „Fischen" neben dem Fange von Fischen auch den solcher Waffertiere (Muscheln), bezüglich deren landesrechtlich das Fischerei-

218

UI. Strafgesetzbuch §§ 296 a—299.

krebst, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert1B) Mark oder mit Ge­ fängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

§ 296 a.

Ausländer, welche in Deutschen Küstengewässern un­

befugt fischen, werden mit Geldstrafe bis zu sechshundert1B) Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

Neben der Geld- oder Gefängnisstrafe ist auf Einziehung der Fanggeräte, welche der Täter bei dem unbefugten Fischen bei sich

gesührt hat, ingleichen der in. dem Fahrzeuge enthaltenen Fische zu erkennen, ohne Unterschied, ob die Fanggeräte und Fische dem Ver­

urteilten gehören oder nicht.

§ 297.

Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Bor­

wissen des Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Borwiffen

des Reeders Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung deS Schiffes oder der Ladung veranlassen können,*") wird mit Geldstrafe

bis zu eintausendfünfhundert16) Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei

Jahren bestraft.

§ 298. Ein Schiffsmann, welcher mit der Heuer entläuft,BB) oder sich verborgen hält, um sich dem übernommenen Dienste zu entziehen, wird, ohne Unterschied, ob das Vergehen im Jnlande oder im Auslande begangen worden ist, mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft.

§ 299.

Wer sirren verschlossenen Brief oder eine

andere ver­

schlossene Urkunde, die nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmt ist, vor­

sätzlich und unbefugterweise eröffnet,BB) wird mit Geldstrafe bis zu

dreihundert1B) Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.B7) recht geschützt ist. Erk. v. 21. Febr. 88, E. 17 S. 161. Wegnahme von Fischen aus geschlossenen Gewässern ist Diebstahl. Erk. v. 5. Febr. 84, R. 6 S. 82. Der § 5 des Sprengstoffes, v. 9. Juni 84 findet hier keine Anwendung. Erk. v. 22. Jan. 86, E. 13 S. 305. In der Regel findet zwischen beiden «Gesetzen Realtonkurrenz statt. Erk. v. 18. Septbr. 08, Recht 12 Nr. 3191. 54) Es genügt die Möglichkeit der Beschlagnahme des Schiffes. Erk. v. 8. Dezbr. 04, GA. 52'S. 90. Doch muß der Vorsatz auch das Merkmal der Gefährdung von Schiff oder Ladung umfaffen. Erk. v. 28. Apr. 10, E. 43 S. 383. Über die Beihilfe zu diesem Vergehen durch Lieferung von Waren

fiehe Erk. v. 25. Jan. 08, E. 41 S- 70. Vollendet ist die Tat, sobald die Gegen­ stände an Bord gebracht sind. Erk. v. 15. April 09, E. 42 S. 294. 55) Das Delikt ist als auf dem Schiffe begangen anzusehen, Erk. v. 27. Septbr. 80, R. 2 S. 261, woraus sich die Zuständigkeit ergibt. 56) Das bloße Öffnen genügt, Lesen ist nicht notwendig; der Ehemann hat

kein Recht, die Briefe seiner Frau zu öffnen. Dresden v. 14. Jan. 14, GA. 65 S. 178. Goldmann in DIZ. 9 S. 63. Daß das Öffnen mit Schwierigkeiten verbunden gewesen sein müffe, ist nicht notwendig. Erk/V. 15. Ottdr. 87, E. 16 S. 284. 57) Antragsberechttgt ist sowohl der Adreffat wie der Absender.

Erk. v.

Wucher §§ 300—302.

219

§ 300.“) Rechtsanwälte, Advokaten, Notare, Verteidiger in Strafsachen, Ärzte, Wundärzte, Hebammen, Apotheker, sowie die Ge­

hilfen dieser Personen werden, wenn sie unbefugt Privatgeheimnisse“) offenbaren, die ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut find, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundertlö) Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ehr.60 * *) * 58 59 § 301. Wer in gewinnsüchtiger Absicht61) und unter Benutzung des Leichtsinns“) oder der Unerfahrenheit“) eines Minderjährigen 62) sich von demselben Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntuisse, Bürg­ schafts-Instrumente oder eine andere, eine Verpflichtung enthaltende Urkunde ausstellen oder auch nur mündlich ein Zahlungsversprechen erteilen lägt z63)64wird 65 mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert15) Mark bestraft.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. °*) § 302. Wer in gewinnsüchtiger Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns “) oder der Unerfahrenheit“) eines Minderjährigen 13. Oktbr. 13, GA. 61 S. 339. LZ. 8 S. 193. Nach Erk. d. OLG. Colmar v. 14. Juni 02, GA. 51 S. 204, ist bis zur Beförderung des Briefes an den Empfänger nur der Absender und von da ab der Empfänger antragsberechttgt. 58) Auf Patentanwälte ist der Paragraph nicht anwendbar. KR. Anm. 2. 59) Wahrnehmungen, die ein Arzt bei der Untersuchung einer Person wegen erlittener Mißhandlungen gemacht hat, sind Privatgeheimniffe, deren Richttgkeit er auch nicht anderen Personen gegenüber bestättgen darf. Erk. v. 26. Juni 94, E. 26 S. 5. Gleichgültig ist, ob die Mitteilungen wahr sind. Reichel DStZ. 8 S. 338. Die Schweigepflicht ist keine absolute, sie entfällt, wenn ihr Rechtspflichten oder höhere sittliche Pflichten Vorgehen. Edermayer, DIZ. 15 S. 1219. Siehe auch Erk. v. 16. Mai 05, E. 38 S. 62. Das Schweigerecht des Anwalts bezieht sich nicht nur auf Dinge, die ihm von seinem Mandanten anvertraut sind. Erk. v. 19. Dezbr. 11, DIZ. 17 S. 516. 60) Antragsberechttgt ist in der Regel das Familienoberhaupt; siehe das in vor. Anm. zit. Erk. v. 22. Oktbr. 85. 61) Eine gewinnsüchtige Absicht kannfchon in der Absicht gefunden werden, durch den Wechsel, zu dessen Annahme ein Minderjähriger ohne Rechtspflicht veranlaßt worden, Sicherstellung für eine an sich begründete Forderung zu er­ halten. Erk. v. 18. Febr. 82, E. 6 S. 48. 62) Ane nachträgliche Genehmigung seitens des Vaters oder Vormundes schließt die Strafbarkeit nicht aus. Erk. v. 18. Febr. 82, E. 6 S. 48. 63) An Zahlungsversprechen liegt nicht vor, wenn der Minderjährige um ein Darlehn bittet oder es in Empfang nimmt, ohne Rückgabe zu versprechen. KR. Anm. 7. A. M. Erk. v. 19. April 98, E. 31 S. 118. 64) Die Antragsftist beginnt erst mit dem Zeitpuntt an zu laufen, in welchem dem Minderjährigen zum Bewußtsein gekommen ist, daß eine strafb. Ausnutzung feines Leichtsinns vorliege. Erk. v. 18. Febr. 82, E. 6 S. 48. 65) Leichtsinnig handelt derjenige, welcher den Folgen seiner Handlungen aus Sorglosigkeit oder Mangel genügender Überlegung die ihnen zukommende

Bedeutung nicht beilegt. Erk. v. 11. Febr. 95, E. 27 S. 18. Erk. v. 7. Jan.

220

III. Strafgesetzbuch § 302 a.

sich von demselben unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Beteuerungen die Zahlung einer Geldsumme oder die Erfüllung einer anderen, auf Ge­ währung geldwerter Sachen gerichteten Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt/?) wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend lö) Mark bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust bet bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher sich eine Forderung, von der er weiß, daß deren Berichtigung ein Minderjähriger in dxr vorbezeichneten Weise versprochen hat, abtreten läßt. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. § 302a.

Wer

unter

Ausbeulungo»)

der Notlage/»)

des

87, GA. 35 S. 52. Der Leichtsinn muß sich nicht in der sonstigen Lebensweise, sondern gerade in seinem Verhalten bei den in Frage stehenden Rechtsgeschäften u. deren Eingehung bekunden. Erk. v. 3. Mäxz 04, Recht 8 S. 199. 66) Über Unerfahrenheit siehe Anm. 71. 67) Der Unterschied zwischen §§ 301 u. 302 besteht darin, daß es sich in dem letzteren um Versprechen von Geldsummen oder geldwerter Sachen handelt und daß besondere Bestärkungsmittel (Ehrenwort, Eid) vorliegen müssen. Im übrigen ist der Tatbestand derselbe. 68) Die Ausbeutung wird dadurch nicht ausgeschlosien, daß sich der Gläu­ biger mit den ihm von dem Schuldner selbst gestellten Bedingungen einverstanden erklärt hat. Erk. v. 10. Jan. 81, E. 3 S. 218. Doch muß der Schuldner die Bedingungen, denen er sich unterworfen hat, als solche gekannt haben. Erk. v. 10. Febr. 13, Recht 17 Nr. 1059. GA. 50 S. 439. Eine Ausbeutung liegt nur dann vor, wenn der Täter die Notlage des Darlehnssuchers kannte. Erk. v. 27. März 96, E. 28 S. 289. 69) Eine Notlage ist dann vorhanden, wenn der Darlehns- oder Stun­ dungssucher durch seine Verhältnisse zur Aufnahme des Darlehns oder Nachsuchung der Frist auch gegen erhebliche Opfer genötigt wird und wenn er auf diese finanziellen Maßregeln als Mittel zur Ordnung seiner Vermögensange­ legenheiten hingewiesen ist, sollten auch diese Mittel sich nicht als die letzten und äußersten hinstellen. Erk. v. 30 Septbr. 81, R. 3 S. 568. Maßgebend ist für den Begriff der Notlage der Zustand der augenblicklich drängenden Not. Erk. v. 29. Mai 08, JurW. 08 S. 587. Eine nur augenblickliche Geldverlegenheit kann für sich allein nicht schon als Notlage gelten. Erk. v. 2. Novbr. 81, R. 2 S. 680. Doch kann auch bei vorhandenem, aber nicht flüssigem Vermögen eine augenblickliche dringende Geldverlegenheit die Ursache einer Notlage bilden. Erk. v. 23. Sept. 09, Recht 13 Nr. 3017. Siehe über den Begriff der Notlage insbes. auch Erk. v. 27. März 96, E. 28 S. 288; es wird eine drängende Not gefordert, durch welche die wirtschaftliche Existenz des Darlehnssuchers bedroht ist. Vgl. auch Erk. v. 13. Juli 81, E. 4 S. 390. Die Notlage muß objektiv vorhanden sein. Erk. v. 18. Juni 86, R. 7 S. 403. Sie ist aber nicht mit Notwendigkeit nach den außerhalb -seiner Person liegenden Umständen zu beurteilen, sondern kann auch aus Umständen ent­ nommen werden, welche in seiner Person liegen, insbes. seine größere oder ge­ ringere Kenntnis von äußeren Umständen, z. B. wenn er nicht weiß, daß Mittel für ihn zur Disposition stehen. Erk. v. 12. Febr. 84, R. 6 S. 106.

Wucher § 302 a.

221

Leichtsinns73 70) 71 oder 72 der Unerfahrenheit7*) eines anderen mit Bezug auf ein Darlehn72) oder auf die Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zweiseitiges Rechtsgeschäft,73) welches denselben wirt­ schaftlichen Zwecken dienen sott,74)75sich 76 oder einem Dritten"") Bermögensvorteile7Ö) versprechen77)78oder 79 gewähren läßt,73) welche den üblichen Zinsfuß73) dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen 70) Das Fehlen der ernstlichen Absicht rechtzeitiger Erfüllung auf feiten des Bewucherten steht der Annahme der Ausbeutung.eines Leichtsinns nicht ent­ gegen. Erk. v. 18. Oktbr. 01, GA. 48 S. 437. Der Schuldner braucht nicht in seiner ganzen Lebensweise leichtsinnig zu sein, es genügt, daß er es in bezug auf das Rechtsgeschäft war. Erk. v. 16. Febr. 11, Recht 15 Nr. 1244. 71) Unerfahrenheit ist eine aus dem Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung entspringende, die Fähigkeit zur Wahrnehmung oder zur treffen­ den Beurteilung wirtschaftlicher Zustände und rechtsgeschäftlicher Vorgänge aus­ schließende oder beeinträchtigende Eigenschaft. Erk. v. 28. Novbr. 09, Recht 12 Nr. 215. Sie kann schon angenommen werden, wenn der Verletzte die Gelegen­ heit nicht kennt, sich zu billigeren Bedingungen Geld zu verschaffen. Erk. v. 2. Novbr. 81, R. 3 S. 680. Siehe auch Erk. v. 26. April 94, E. 25 S. 315 u. Erk. v. 10. Juni 04, E. 37 S. 205. 72) Zwischen dem Darlehen usw. und den versprochenen oder gewährten Vorteilen muß ein erkennbarer Zusammenhang bestehen. Erk. v. 30. April £5, E. 27 S. 190, aber nicht ist erforderlich, daß die Zusicherung der Vorteile eine Bedingung für die Hingabe des Darlehns bildet. Erk. v. 9. Jan. 12, Recht 16 Nr. 709. 73) Vgl. hierüber Erk. v. 26. April 94, E. 25 S. 315, welches darunter solche Geschäfte versteht, welche zwar nicht für die juristische, wohl aber für die wirtschaftliche Auffaffung ihrem Zwecke und Ergebnisse nach dem Kreditwucher völlig gleichstehen. 74) Hierunter kann auch der Kauf einer Forderung gegen bare Valuta (Erk. v. 4. Febr. 02, E. 35 S. 111) und der eines Gegenstandes (Erk. v. 3. Juli 06, E. 39 S. 126) sowie der einer Erbschaft fallen. Erk. v. 22. Dezbr. 14, Recht 19 Nr. 737. Maßgebend ist nicht der Zweck, den der Wucherer mit dem Ge­ schäft verfolgt, sondern nur zu welchem Zweck es von dem anderen Teil abge­ schlossen ist. 75) Der Vermittler kann weder Täter noch Mittäter, wohl aber Gehilfe sein. Erk. v. 4. Mai 03, E. 36 S. 226. Erk. v. 12. Novbr. 09, Recht 13 Nr. 3693. 76) Auch bedingt zugesicherte Vorteile sind hierher zu rechnen. Ihr Wert ist nach den Regeln des Probabilitätskalküls zu berechnen. Erk. v. 25. Febr. 90 E. 20 S. 279. 77) Ob das Versprechen zivilrechtlich gültig ist oder nicht, kommt hier gar nicht in Betracht. Erk. v. 30. Dezbr. 81, R. 3 S. 846. Vgl. auch Erk. v. 25. Febr. 87, E. 15 S. 333. Das Gesetz verlangt nicht, daß das Versprechen der wucherischen Vermögensvorteile als Bedingung für die Gewährung des Darlehns entgegengenommen wird. Erk. v. 9. Jan. 12, Recht 16 Nr. 709. 78) „Sich-gewähren-lassen" steht im Gegensatz zu „sich-versprechenlaffen" und bezeichnet die Annahme von Vorteilen, welche vorher nicht versprochen sind. Erk. v. 26. April 81, E. 4 S. 110. Die Verjährung beginnt mit der An­ nahme der Leistung. Erk. v. 28. April 06, E. 38 S. 426. 79) Als solcher ist derjenige maßgebend, welcher nach den Orts- und Zeit-

222

in. Strafgesetzbuch § 302 b.

des Falles die Bermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnis80 * *)81 *zu * der Leistung stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend16) Mark be­

straft.

Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt

werden.") § 302 b.82)

Wer sich oder einem Dritten die wucherlichen Ber-

verhältnissen, wozu auch die allgemeinen Kreditverhältnisse gehören, sowie nach der objektiven Natur und dem Zwecke des Geschäftes als der gewöhnliche sich dar­ stellt. Die Bestimmungen über den Zinsfuß für Pfandleiher (Ges. v. 17. März 81) sind hier nicht maßgebend. Erk. v. 17. Mai 92, E. 23 S. 121. 80) Ob ein solches Mißverhältnis vorliegt, ist im wesenllichen nach den Um­ ständen des konkreten Falles zu beurteilen. Erk. Yk 13. Juli 81, E. 4 S. 390. Auf die dem Schuldner erwachsenen Vorteile kommt es dabei nicht wesentlich an. Erk. v. 5. Jan. 85, E. 11 S. 389. Erk. v. 3. Juli 06, E. 39 S. 126. 81) Dies aber nur, wenn auf mindestens 3 Monate Gefängnis erkannt ist. Erk. v. 6. Mai 89, E. 19 S. 203. 82) Die §§ 302 b—e sind durch die Ges. v. 24. Mai 1880 u. 19. Juni 1893 eingeschoben bzw. abgeändert, was im obigen Text berücksichtigt ist.

DaS Ges. v. 24. Mat 1880 (RGBl. S. 109) lautet: Art. 1. Hinter den § 302 des StGB, für das Deutsche Reich werden die folgenden neuen §§ 302 a, 302 b, 302 c, 302 d eingestellt. (Siehe dieselben oben im Texte.) Art. 2. Der § 360 Nr. 12 des StGB, in der durch das Gesetz vom 26. Febr. 1876 festgestellten Fassung wird durch nachstehende Bestimmung ersetzt: (8 360 Nr. 12 ist in der neuen Fassung unten eingeschaltet.) Art. 3 ist durch Art. 47 des EG. z. BGB. aufgehoben.

DaS Ges. v. 19. Juni 1893 (RGBl. S. 197), betreffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher, hat folgende Bestimmungen: Dies Gesetz hat im Art. I den §§ 302 a und 302 d die im Texte wieder­ gegebene anderweite Fassung gegeben, sodann den § 302 e eingeschoben und dem § 367 des StGB, eine neue Nr. Iß hinzugefügt, welche unten bei diesem Para­ graph abgedruckt ist. Im Art. II ist der jetzt aufgehobene Art. 3 des Ges. v. 24 Mai 1880 abgeändert, außerdem aber ist den Bestimmungen dieses letztgedachten Gesetzes ein neuer Artikel hinzugefügt, welcher lautet: „Art. 4. Wer aus dem Betriebe von Geld- oder Kreditgeschäften ein Ge­ werbe macht, hat die Rechnung des Geschäftsjahres für jeden, welcher ein Ge­ schäft der bezeichneten Art mit ihm abgeschlossen hat und daraus sein Schuldner geworden ist, abzuschließen und dem Schuldner binnen drei Monaten nach Schluß des Jahres einen schriftlichen Auszug dieser Rechnung mitzuteilen, der außer dem Ergebnis derselben auch erkennen läßt, wie solches erwachsen ist. Wer sich dieser Verpflichtung vorsätzlich entzieht, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Hast bestraft und verliert den Anspruch auf die Zinsen für das verflossene Jahr hinsichtlich der Geschäfte, welche in den Rech­ nungsauszug aufzunehmen waren. Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung: 1) wenn das Schuldverhältnis auf nur Einem während des abgelaufenen Geschäftsjahres abgeschlossenen Rechtsgeschäfte beruht, über dessen Ent­ stehung und Ergebnis > em Schuldner eine schriftliche Mitteilung be­ händigt ist;

Wucher § 302 c.

223

Mögensvorteile (302a) verschleiert8^) oder wechselmäßig83 * *) * *oder **************** unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähn­ lichen Versicherungen oder Beteuerungen versprechen läfjt,84)85wird

mit Gefängnis bis zu Einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu sechstausend16) Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. § 302 o. Dieselben Strafen (§ 302 a, § 302 b) treffen denjenigen, welcher mit Kenntnis des Sachverhalts eine Forderung der vorbe­ zeichneten, Art erwirbt und entweder dieselbe weiter veräußert oder die wucherlichen Vermögensvorteile gellend macht.8^) 2) auf öffentliche Banken, Notenbanken, Bodenkreditinstitute und Hypo­ thekenbanken auf Aktien, auf öffentliche Leihanstalten, auf Spar- und Darleihinstitute öffentlicher Korporationen und auf eingetragene Genossenschaften, soweit es sich bei den eingetragenen Genossenschaften um den Geschäftsverkehr mit den Mitgliedern handelt; 3) auf den Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten, deren Firma in das Handelsregister eingetragen ist." Endlich enthält das Gesetz einen Art. III, welcher lautet: „Der Abs. 3 Satz 1 des § 35 der Gewerbeordnung erhält folgende veränderte Fassung." In dieser veränderten Fassung ist der § 35 der Gewerbeordnung znm Ab­ druck gebracht. 82 a) Dies kann angenommen werden, wenn bei der Beurkundung eines Darlehns nicht zu erkennen gegeben wird, daß gleich die Zinsen auf eine gewisse Zeit vorweg in Abzug gebracht sind, Erk. v. 26. April 82, R. 4 S. 385, oder wenn bei einem Darlehn Waren statt baren Geldes gegeben werden. Erk. v. 17. Juni 84, E. 10 S. 432. Verschleierung liegt ferner vor, wenn dem Ge­ schäfte überhaupt eine unwahre, den Wucher verhüllende Form gegeben wird. Eine Täuschung des Schuldners ist nicht notwendig. Erk. v. 11. Oktbr. 88, E. 18 S. 332. Eine besonders aus die Verschleierung gerichtete Absicht ist nicht erforderlich. Erk. v. 26. April 82, N. 4 S. 385. Zum verschleierten Wucher ist ebensowenig eine gegenseitige Erklärung des Willens der Kontrahenten, als ein darauf gerichteter beiderseitiger Wille erforderlich. Der Wille der Verschleierung muß bei dem Wucherer vorhanden sein. Erk. v. 8. Mai 91, E. 21 S. 434. Über den Fall, wenn das Hauptgeschäft zur Verschleierung der wucherischen Vor­

teile mit einem anderweiten ernstl. Vertrage verbunden wird, Hingabe eines Darlehns mit Verkauf von Lotterielosen, siehe Erk. v. 25. Febr. 90, E. 20 S. 279. 83) Die Wechselform muß dazu benutzt sein, um durch dieselbe die in der Wechselsumme enthaltenen wucherischen Vorteile zu erlangen. Dies liegt nicht vor, wenn zwar über das Darlehn ein Wechsel ausgestellt worden ist, die wuche­ rischen Vorteile dagegen in der Zahlung unverhältnismäßig hoher Zinsen bei Prolongation des Wechsels bestanden haben. Erk. v. 10. Juli 85, R. 7 S. 486. 84) Es genügt, daß die betreffende Versicherung überhaupt mit dem Wucher­ geschäft in Verbindung gebracht ist. 85) Die strafschärfenden Umstände (Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit) können auch im Falle dieses § in Betracht kommen. Erk. v. 25. Septbr. 88, E. 18 S. 100. Die Vorschrift findet auch Anwendung, wenn die wucherliche Forderung von TodeS wegen erworben ist. Erk. v. 6. Oktbr. 03, E. 36 S. 374.

224

in. Strafgesetzbuch §§ 302 d, 302 e, 303.

§ 302 d. Wer den Wucher (§§ 302 a bis 302 v) gewerbs- oder gewohnheitsmäßig88 86) 87betreibt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe von einhundertfünfzig16) bis zu fünfzehntausend Mark bestraft.

Auch ist auf Verlust der bürgerlichen

Ehrenrechte zu erkennen.

§ 302 e. Dieselbe Strafe (ß 302 ä) trifft denjenigen, welcher mit Bezug auf ein Rechtsgeschäft anderer als der im Z 30? a bezeichneten Art 87) gewerbs- oder gewohnheitsmäßig unter Ausbeulung der Not­

lage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines anderen sich oder

einem Dritten Bermögensvortetle versprechen oder

gewähren

läßt,

welche den Wert der Leistung dergestalt überschreiten, daß nach den

Umständen >des Falles die Bermögensvorteile in ausfälligem Miß­ verhältnis zu her Leistung stehen.

26. Abschnitt.

§ 303.

Sachbeschädigung. 8«)

Wer vorsätzlich und rechtswidrig89) eine fremde90) Sache

86) Gewohnheitsmäßigkeit setzt mehrere Fälle voraus, Gewerbsmäßigkeil kann schon bei einem Falle vorliegen. Erk. v. 24. Jan. 82, E. 5 S. 370. Die Gewerbs- u. Gewohnheitsmäßigkeit muß auch bei dem Gehllfen vorhanden sein. Erk. v. 18. Febr. 02, Recht 6 S. 187. 87) Der Gegensatz zwischen § 302 a und e ist nicht „Kreditwucher und Sach­ wucher", sondern das unterscheidende Merkmal ist in dem von dem ausge­ beuteten Teile verfolgten wirtschaftlichen Zweck gegeben. Erk. v. 4. Febr. 02, E. 35 S. 111. — Es sind hierunter Rechtsgeschäfte jeglicher Art begriffen, z. B. auch die Leistungen eines Rechtsberaters, Erk. v. 23. Ottbr. 11, E. 45 S. 197, auch Mietverträge. Erk. v. 20. Juni 19, E. 53 S. 285. 88) Als Objekt wird eine körperliche Sache vorausgesetzt. Erk. v. 18. Juni 83, E. 8 S. 399, welches sich zugleich über das Verhältnis der §§ 303 bis 305 aüsspricht. Ein Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen wird nicht gemacht und ebensowenig zwischen einfachen und zusammengesetzten, daher z. B. Beschädigung eines Brunnens durch Verunreinigung des Waffers unter den § fällt. Siehe unten Anm. 91. 89) Zum Tatbestände gehört eine vorsätzliche Handlung mit dem Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit. Durch Einwilligung des Eigentümers wird die letz­ tere ausgeschlossen, selbst wenn nach beiderseitigem Einverständniffe durch die Beschädigung der Sacke ein rechtswidriger Zweck angebahnt werden soll. Erk. v. 11. Novbr. 95, E. 27 S. 420. Nicht widerrechtlich handelt, wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt. 229 BGB. Dem Jagdberechtigten steht kein allgemeines Recht vom Standpunkt der Selbsthilfe oder Notwehr aus zu, s r e m d e H u n d e zu töten. Erk. to. 17. Juni 01, E. 34 S. 295 u. Erk. v. 30. Apr. 03, E. 36 S. 230. Das Töten fremder Hunde ist aber durch Spezialgesetze erlaubt. Siehe hierüber die §§ 64—67 II, 16 des ALR., die nach Art. 69 des EG. z. BGB. auch jetzt noch ihre Gül­ tigkeit behalten. Insbesondere aber sind die Provinzialges. in dieser Beziehung entscheidend. Siehe die ausführliche Darstellung derselben vei Dalcke-Delius Jagdr. S. 93ff. Aus der Rechtspr. der Gerichte ist hervorzuheben, daß die dem Jagd-

225

Sachbeschädigung § 303.

beschädigt ^) oder zerstört, wird mit Geldstrafe bi- zu eintausend'*) Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.

Der Versuch ist strafbar.

berechtigten nach § 65 ALR. II, 16 gewährte Befugnis herumlaufende Hunde zu töten, nur während des Herumlaufens der Hunde Platz greift und nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn der Hund wieder unter Aufsicht seines Herrn ist. Dies ist wiederholt von dem ftüheren Obertrib. und vom Reichsgericht aus­ gesprochen, zuletzt durch Erk. v. 1. Febr. 98, GA. 46 S. 121. Aus der Recht­ sprechung betr. die Provinzialges. ist zu bemerken: bezüglich des linken Rheinufers BO. des Generalgouvernements v. 18. Aug. 1814. JMBl. 1871 S. 231, bez. der Prov. Sachsen OR. 9 S. 45 u. GA. 26 S. 226, bez. der Prov. Hannover GA. 25 S. 565 u. OR. 18 S. 803, bez. des Reg.-Bezirks Frankfurt a. O. GA. 24 S. 601, OR. 17 S. 708, bez. der Mark Brandenburg Erk. v. 14. März 93, E. 24 S. 63 bez. der Provinz Ostpreußen OR. IIS. 470, OR. 15 S. 296, GA. 9 S. 566, Erk. v. 15. Novbr. 92, E. 23 S. 296 und GA. 23 S. 545, ferner Erk. v. 15. Novbr. 92, E. 23 S. 296; bez. der Prov. Westpreußen StrArch. 45 S. 347 u. GA. 46 S. 231, bez. der Prov. Pommern Erk. v. 24. Oktbr. 82, E. 7 S. 128; in betreff der Prov. Schlesien GA. 10 S. 637, OR. 5 S. 462, GA. 25 S. 566 u. Erk. v. 14. März 93, E. 24 S. 62; bez. der Prov. Westfalen GA. 27 S. 548; in . betreff der Rhein­ provinz GA. 42 S. 440 u. Johow 12 S. 231, Erk. des OBG. v. 3. Juni 85, Bd. 12 S. 415. Vgl. auch das Ges. v. 24. Mai 99 (GS. S. 106) betr. die Aufhebung einiger in den Oberl.Gerichtsbezirken Cöln, Hamm und Frank­ furt a. M. bestehenden jagdpol. Strafbestimmungen. Die gen. provinzialrechilichen Vorschriften haben nicht den Charakter einer Strafvorschrift. Anm. 2 zu AG. z. GVG. Ein Irrtum des Jagdberechtigten über seine Befugnis zur Tötung des Hundes soll die Strafbarkeit ousschließen. Erk. v. 26. März 89, E. 19 S. 209, die Ausführung ist aber nicht überzeugend. Eine Pol.Berordn., welche jedermann ohne Unterschied gestattet, frei umher­ laufende Hunde zu töten, ist ungültig. GA. 25 S. 566. Vgl. auch GA. 46, S. 231. Tauben, die jemand hält, ohne ein Recht dazu zu haben, unterliegen nach § 111 I, 9 ALR. dem freien Tierfange, wenn sie im Freien angetroffen werden. Letzteres ist aber nicht der Fall, bei Tauben, die sich außerhalb ihres Berwahrungsorts auf städtischen Hausgrundstücken aufhalten. KG. v. 20. Mai 13, Johow 44 S. 436. — Das G. v. 28. Mai 94 (RGBl. S. 463) betrifft nur den Schutz der Brieftauben im Kriege. Siehe besonders § 4. Auch durch Selbsthilfe kann die Rechtswidrigkeit ausgeschloffen werden, z. B. durch Ausstreuen von Gift, um sich vor fremdem Vieh zu schützen. Siehe GA. 24 S. 369 und GA. 37 S. 67. Vgl. auch § 228 BGB. und dazu Meves in GA. 46 S. 163 sowie Erk. v. 17. Juni 01, E. 34 S. 295. 90) An der eigenen Sache kann keine Sachbeschädigung verübt werden, selbst wenn einem anderen Realrechte an derselben zustehen. OR. 8 S. 375 u. GA. 38 S. 216. — Aber der Ehemann kann die gütergemeinschaftliche Sache beschädigen, wenn dies, mit der Absicht geschieht, die Rechte der Ehefrau zu kränken. Erk. v. 25. Septbr. 85, R. 7 S. 531. 91) Durch die Beschädigung muß die körperliche Unversehrtheit der Sache aufgehoben und die Brauchbarkeit der Sache für die ihr gegebene Zweckbe­ stimmung herabgemindert sein, Erk. v. 27. Febr. 00, E. 33 S. 177, Erk. v. 19. Oktbr. 85, E. 13 S. 27; doch ist es im einzelnen Falle Tatftage, ob dies

Dalcke. Strafrecht.

16. Ausl.

(I922\

15

III. Strafgesetzbuch § 304. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.9a)

Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt,

so

ist die

Zurücknahme des Antrages zulässig. § 304.

Verehrung

Wer

einer

vorsätzlich im

und

rechtswidrig

Staate bestehenden

Gegenstände9 * ») ** 311*der S. * * *

Religionsgesellschaft,

oder

Sachen, die dem Gottesdienste gewidmet sind, oder Grabmäler,9*) öffent­

liche Denkmäler,94a) Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes,

welche

in

öffentlichen

Sammlungen aufbewahrt

werden

oder öffentlich aufgestellt sind, oder Gegenstände, welche zum öffent­

lichen Nutzen, oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen,99) beschädigt oder zerstört, wird mit Gefängnis bis

anzunehmen ist. So ist Beschädigung eines Brunnens darin gefunden, daß Schmutz in denselben geworfen, Erk. v. 4. März 87, R.-9 S. 171 u. Ert. v. 3. Juni 13, Recht 17 Nr. 2022 (aber nicht einer WasserleitrmgSanlage durch Abgraben der Quellen. Erk. v. 11. Dez. 06. E. 39 S. 3 28); ferner in der Wegnahme eines Teils einer zusammengesetzten Sache, GA. 39 S. 75; ferner darin, daß eine Maschine durch Bereitung eines Hindernisses in ihrem Be­ triebe gehemmt'wird, Ert. v. 17. Jan. 90. E. 20 S. 182; ferner in der äußeren und inneren Verunreinigung eines Briefkastens und in dem Einschneiden von Namen in Ruhebänke, GA. 43 S. 134 u. 135; in dem Herausheben eines McrkpfahleS, Ert. v. 15. Novbr. 98, E. 31 S. 329. Bei Tieren kann -ie Sachbeschädigung durch eine nachteilige Einwirkung auf das Nervensystem (Kitzligmachen eine- Pferdes) herbeigeführt werden. Erk. v. 28. Febr. 05, E. 37 S 412. Bei einem Denkmal genüut ei«e Einwirkung, die zwar leine stoffliche Verringerung, wohl aber eine belangreiche Veränderung der äußeren Erscheinung und Form mit sich bringt. Ert. v. 8./29. Jan. 10, E. 43 S. 2o4. Auch das Beflecken sauberer Wäsche mit fcl und Asche ist Sachbeschädigung, GA. 49

S. 301. Das Werfen von Küchengerät in einen Fluß kann Sachbeschädigung, mindestens aber der Versuch dieses Vergehens sein. Erk. v. 4. Febr. 04, DIZ. 9 S. 5"8 u. GA. 51 S. 182; a. M. KR. Anm. 8; auch das Autzsäen größerer Unkrautmengen ist Sockbesch. KG. v. 2x. Sptbr. 14, Johow 46 S. 368. Siehe Anm. 36 zu § 26 Feld- u. ForslPG. aub XII. 92) Antragsberechtigt ist nicht bloß der Eigentümer, sondern auch jeder andere, der nur ein persönliches Recht an der Sache hat, E. 1 S. 306, u. Erk. v. 28. Novbr. 84, R. 6 S. 766, aber nicht der Versicherers GA. 42 S. 50. GA. 50 S. 287. Wegen Vernichtung von Strafakten ist der Erste StA. antragsbercchtigt. Ert. v. 9. Juli 09, GA. 57 S. 201. 93) Die beschädigte Sache braucht hier keine fremde zu sein. Erk. v. 26. Oktbr. 88, R. 10 S. 595, Erk. v. 15. März 12, Recht 16 Nr. 1408. GA. 60 S. 69. 94) DaS Abpflücken einzelner Blumen von Gräbern ist als eine Beschädi­ gung deS Grabmals regelmäßig nicht an,Zusehen. Ob überhaupt § 304 oder FeldpolOidn. Anwendung findet, kommt auf die Umstände an. Ert. v. 29. Novbr. 83, E. 9 S. 219. Der Schutz der Grabmäler dauert auch nach Ablauf der Berwesungsfrist fort. Ert. v 17 Dezbr. 08, E. 42 S. 116. 94 a) Hier wird eine Zweckbestimmung erfordert, vermöge deren dad als Denkmal anzusprechende Werk der Öffentlichkeit gewidmet erscheint. Erk. v.

11. Febr. 10, E. 43 S. 240. 95) Ts genügt ein den Dienst döS öffentlichen Nutzens oder der Verschöne-

Sachbeschädigung § 305.

327

zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu etntausendfüufhundertlö) Mark bestraft.

Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen

Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar.

§ 305.

Wer vorsätzlich und rechtswidrig ein Gebäude/«) ein

Schiff, eine Brücke,^ einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eisen­

bahn oder ein anderes Bauwerks) welche fremdes Eigentum sind, ganz oder teilweise zerstört/) wird mit Gefängnis nicht unter Einem

Monat bestraft Der Versuch ist strafbar.

rung leistender tatsächlicher Zustand. Erk. v. 25. Juni 83, E. 9 S. 26. Siehe auch E. 5 S. 319. Der Zustand muß eine gewisse Dauer haben. Celle v. 19. Mai 11, GA. 60 S. 301. Zum öffentlichen Nutzen dienen alle Gegenstände, die in irgend einer Beziehung zum Nutzen der Allgemeinheit stehen und zum Gebrauch des Publikums dienen, wie z. B. Straßenbahnen, Erk. v. 12. Novbr. 00> E. 34 S. 1, oder ein von Menschenhand hergestellter Weg, Erk. v. 10. Jan. 96, E. 28 S. 117. Wahlurnen. Erk. v. 29. Junt 20, E. 55 S. 61. Ferner trigonometrische Marksteine. Erk. v. 15. Okt. 06, E. 39 S. 206. A. M. KR. Anm. 7. Auch Hünengräber können hierher gerechnet werden. Erk. v. 6. März 99, DIZ. 4 S. 278. öffentlich ausgestellt sind sie aber nur dann, wenn sie freigelegt, erhalten

und für die Allgemeinheit zugänglich gemacht worden sind. Erk. v. 30. März 05, Recht 9 S. 258. Die Beschädigung eines Spritzenhauses fällt unter diesen Paragraph, wenn es durch die Handlung des Täters gerade in derjenigen Be­ ziehung minder tauglich geworden, vermöge welcher es dem öffentlichen Nutzen dient. Erk. v. 27. Juni 05, Recht 9 S. 477. Hierher gehören auch Wasserstandsmerkmale (siehe oben Anm. 91 und Erk. v. 10. Mai 98, E. 31 S. 143. Nicht hierher zu rechnen ist ein Tisch zur Er­ ledigung von Arbeiten eines Gemeindebeamten, Erk. v. 27. Febr. 13, GA. 60 S. 443, DIZ. 18 S. 1443; auch nicht Einrichtungen der Gefängniszellen. Erk. v. 7. Febr. 16, Recht 20 Nr. 1420. 96) Über „Gebäude" siehe die Anm.zu 8 243 Nr. 2. Als solches kann ein freistehender, auf einem Balkenfundament ruhender Abtritt gelten. Erk. v. 28. März 87, R. 9 S. 198. Die Durchlöcherung des Strohdachs eines Hauses fällt nicht hierunter. Erk. v. 22. Febr. 07, Recht US. 466. 1) Brücke ist nicht jeder von Menschen hergestellte Übergang. ES muß ein Bauwerk von Erheblichkeit sein. Erk. v. 27. Febr. 93, E. 24 S. 26, u. Erk. v. 2. Oktbr. 00, E. 33 S. 391. Übrigens gehören hierher nicht bloß öffent­ liche und zum Gebrauch für Menschen bestimmte Brücken. Erk. v. 31. März 90, E. 20 S. 353. Die Zerstörung einer Brücke kann auch darin gefunden werden, daß dieselbe z. B. durch Wegnahme einer Bohle ungangbar gemacht wird. Erk. v. 31. März 90, E. 20 S. 353, oder daß durch Beseitigung einer Steinplatte die Benutzung eines Geländers unmöglich gemacht ist, wenn diesem eine selbständige Gebrauchsbestimmung beiwohnte. Erk. v. 8. Juni 06, Recht 10 S. 870. 2) Über den Begriff eines Bauwerkes siehe Erk. v. 11. Febr. 87, E. 15

S. 263, ein solches ist z. B. eine Mauer, Erk. v. 26. Juni 84, R. 6 S. 477; ein stehen gebliebener Schornstein ist kein Bauwerk, Erk. v. 11. Novbr. 95; E.

228

m. Strafgesetzbuch 88 306, 307. 27. Abschnitt. § 306.

Gemeingefährliche Verbrechen uub vergehen.

Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bestraft, wer

vorsätzlich in Brand setzt:4* )*5 36

1. ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude,

2. ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder

3. eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Men­ schen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in

derselben sich aufzuhalten pflegen/)

§ 307.

Die Brandstiftung (§ 306) wird mit Zuchthaus nicht

unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, wenn

1. der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat/) daß dieser zur Zett der Tat in einer der in Brand gesetzten Räum­ lichkeiten sich befand, 27 S. 420, wohl aber sind Teile eines Neubaues (Erk. v. 16. Septbr. 97, E. 30 S. 246) ein solches. 3) Die teilweise Zerstörung setzt voraus, daß die ganze Sache für einzelne ihrer Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht wird, wie bei teilweiser Weg­ nahme des Geländers einer Brücke. Erk. v. 4. Mai 85, R. 7 S. 274. Erk. v. 30. Dezbr. 19, E. 54 S. 205. Bei einer Eisenbahn genügt Lockerung und zur Seiteschiebung der Schienen. Erk. v. 19 Novbr. 20, E. 55 S. 169.

. 4) Das bloße Ankohlen ist noch kein „Jnbrandsetzen", vielmehr muß ein solcher Gebäudeteil derart wirklich gebrannt haben, daß sich das Feuer selb­ ständig weiter verbreiten konnte. Erk. v. 20. Oktbr. 82, E. 7 S. 131. So auch Erk. v. 30. April 94, E. 25 S. 326. Das Fortbrennen muß als möglich in Betracht kommen. Erk. v. 2. Mai 02, Recht 6 S. 300. Dagegen ist ein Flammenausbruch nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine ohne Flammenbildung durch Glimmen entstandene Fortpflanzung des Feuers. Erk. v. 7. Mai 88, R. 10 S. 383. Erk. v. 18. Jan. 89, E. 18 S. 362. Im übrigen liegt der Tatbestand der Brandstiftung vor, wenn ein Ge­ bäude, welches zur Wohnung von Menschen dient, in Brand geraten, und dieser Erfolg durch eine Handlung des Angeschuldigten verursacht ist; ob diese Handlung aber für sich allein oder im Zusammenwirken mit anderen Umständen kausal gewesen ist, ist unerheblich. Erk. v. 26. Jan. 82, R. 4 S. 72. In dem Erk. v. 8. März 92, GA. 39 S. 442 wird ausgeführt, daß die Brandstiftung vollendet sei, sobald einem nicht völlig unwesentlichen Bestandteile des Gebäudes (Dielen und Türbekleidung) das Feuer durch den Zündstoff der­ artig mitgeteilt sei, daß ein Fortbrennen und Niederbrennen des ganzen Ge­ bäudes möglich werde. 5) Eine Räumlichkeit ist der einzelne Raum, nicht das aus einer Mehrzahl von Räumen bestehende Gebäude. Erk. v. 22. Jan. 14, DIZ. 19 S. 883. Ob sich wirklich zu der Zeit Menschen in dem Raume befunden haben, darauf kommt eS nicht an. Erk. v. 2. Mai 92, E. 23 S. 102. 6) Der Tod muß durch den Brand verursacht sein, sonst kommt eS aber nur auf den objektiven Erfolg an und ist es gleich, ob der Täter denselben beabsichtigt hat oder nur voraussehen konnte. Erk. v. 3. Dezbr. 81, E. 5 S. 202.

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen § 308.

229

2. die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen

Ausruhr zu erregen, oder 3. der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Löschgerätschaften entfernt oder unbrauchbar ge­

macht hat. § 308.

Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn

Jahren bestraft, wer vorsätzlich Gebäudes») Schisse, Hütten,') Berg­ werke, Magazine,8* )* Warenvorräte, 7 welche auf dazu bestimmten öffent­ lichen Plätzen lagern, Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen8)

oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte aus dem Feldes8)11 Waldungen ") oder Torfmoore in Brand setzt, wenn diese Gegenstände

entweder stemdes Eigentum sind,12)

oder zwar

dem Brandstifter

eigentümlich gehören, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach ge-

6 a) Siehe Anm. 57 zu § 243. Ein Ziegelschuppen ist kein Gebäude. Erk. v. 25. April 99, E. 32 S. 128. 7) Zur „Hütte" wird gefordert, daß sie ein selbständiges, unbewegliches Ganzes bildet, eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und zum Schutze gegen äußere Einwirkung in einer dem jeweiligen Zwecke genügenden Dauer­ haftigkeit und Festigkeit, sei es durch Wand oder Dach, oder sonst ausreichend abgeschloffen ist. Erk. v. 16. Febr. 88, E. 17 S. 179. 8) Unter Magazin sind die magazinierten Vorräte, einschließlich der die­ selben sichernden Umschließung zu verstehen. Erk. v. 11. März 86, E. 13 S. 407. 9) Vorrat ist jede gewiffe Menge zu Gebrauchszwecken dienender vereinigter Gegenstände; Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugniffen können, im Gegen­ satze zu den Vorräten von Manen, auch dann Gegenstand der Brandstiftung sein, wenn sie sich auf dem Transporte befinden. Erk. v. 21. Febr. 84, R. 6 S. 140. Erk. V...29. Novbr. 95, E. 28 S. 39. Vgl. auch Erk. v. 3; Juni 02, E. 35 S. 285. Über den Begriff des Vorrats siehe auch Erk. v. 4. Jan. 86,

C. 13 S. 218, wonach es nur auf die objektive Beschaffenheit ankommt, nicht auf Momente, welche aus dem Willen deS Eigentümers entnommen sind. Zu den landwirtschaftlichen Erzeugniffen kann auch Rohr gerechnet werden, Erk. v. 8. Febr. 95, E. 27 S. 14, aber kein Düngerhaufen, Erk. v. 19. Juni 80, R. 2 S. 82; wohl aber Kartoffelkraut, Erk. v. 27. Febr. 00, GA. 47 S. 165, auch Baumwollballen. Erk. v. 28. Mai 06, E. 39 S. 22. Auch Rüben gehören hierher. Erk. v. 29. Novbr. 92, GA. 40 S. 326. 10) Es ist nicht notwendig, daß die Früchte mit dem Boden verbunden sind oder daß sie als wertvolles fremdes Gut sich darstellen. Erk. v. 20. März 02, GA. 49 S. 140. Auch ist das Vorhandensein eines wirtschaftlichen Nutzungs­ wertes der Frucht kein Begriffsmerkmal. Die Bestimmungen des BGB. sind hier nicht maßgebend. Erk. v. 9. Mai 05, Recht 9 S. 318. Grasstoppeln ge­ hören auch zu den Früchten auf dem Felde. Erk. v. 30. Juni 05, E. 38 S 140. 11) Unter Waldung ist nur eine umfangreichere mit Holz bewachsene Grund­ fläche zu verstehen; aber diese Bestimmung bezieht sich nicht bloß auf die Bäume, sondern auch auf andere Bodenerzeugniffe. Erk. v. 8. Febr. 82, E. 6 S. 22, u. Erk. v. 4. Ottbr. 80, E. 2 S. 314. 12) Hierüber entscheiden die Vorschriften des Zivilrechts. DaS im Eigen-

230

in. Strafgesetzbuch §§ 309, 310,

eignet sind,l8)

das Feuer einer der im 8 306 Nr. 1

bi- 3 be­

zeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzuteilen.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. § 309.

Wer durch Fahrlässigkeit") einen Brand der in den

88 306 und 308 bezeichneten Art herbeiführt, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundertl6) Mark und, wenn durch, den Brand der Tod eines Menschen verursacht worden

ist,16 fc) mit Gefängnis von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. 8 310.

Hat der Täter den Brand,16) bevor derselbe entdeckt17)

tum des Ehemanns stehende Gebäude ist für die Eheftau im Sinne dieses § fremdes Eigentum. Erk. v. 2. Jan. 85, E. 11 S. 345. Über die straflose Anstiftung seitens des Eigentümers eines Gebäudes flehe Erk. v. 30. Mär- 85, R. 7 S. 207,

13) Dabei wird zwischen einer näheren oder entfernteren Möglichkeit, das Feuer mitzuteilen, kein Unterschied gemacht. Siehe das in vor. Anm. zit. Erk. v. 2. Jan. 85. 14) Fahrlässigkeit liegt auch dann vor, wenn der Täter den Brand vorsätz­ lich herbeigeführt hat, aber in fahrlässiger Unkenntnis darüber war, daß der Gegenstand geeignet war, den Braüd weiter mitzuteilen. KR. Anm. 1. 15) Siehe § 1 b. Ges. v. 1. Dezbr. 21 unter II.

15 a) Es genügt nicht jeder ursächliche Zusammenhang mit der Jnbrandsetzungshandlung, sondern der Tod des Menschen muß in unmittelbarem Zu­ sammenhänge mit dem Brande stehen. Erk. v. 11. Ott 07, E. 40 S. 321. Bgl. aber hierzu Erk. v. 3. Dezbr. 81, E 5 S. 202. Für die Frage des Kausalzusammenhanges kommt es nicht darauf an, in welchen einzelnen Entwickelungsstadien des Brandes der Tod durch die zerstörende Kraft des Feuers und seiner Begleiterscheinungen (Rauch, Gase) herbeigeführt ist. Erk. v. 10. Juli 03, DIZ. 8 S. 502. — Durch diese Vorschrift ist die Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung nicht ausgeschloffen'. Erk. v. 6. Juni 05, JurW. 05, S. 755.

16) Der § 310 bezieht sich auch aus die fahrlässige Brandstiftung und kommt auch zur Anwendung, wenn der Täter nicht allein, sondern mit Hilfe anderer den Brand gelöscht hat. GA. 23 S. 130 und OR. 16 S. 162. Die Entdeckung, d. h. Wahrnehmung durch einen Dritten muß so beschaffen sein, daß sie eine Verhinderung der Tat oder eine Strafverfolgung gegen den Täter nach sich ziehen konnte. Erk. v. 3. Mai 80, E. 1 S. 375. 17) Die Entdeckung eines Branies ist dann noch nicht als erfolgt anzu­ sehen, wenn derselbe nur von Personen wahrgenommen worden, von denen der Täter eine Anzeige durchaus nicht zu befürchten hatte. Erk. v. 16. Novbr. 91, GA. 39 S. 330. Bgl. auch Erk. v. 26. Septbr. 89, E. 19 S. 394, Über den Begriff des „Entdeckens". Die eigene Wahrnehmung des Täters kann niemals als Entdeckung im gesetzt. Sinne gelten. Erk. v. 24J25. Septbr. 97, GA. 45 S. 424. Bei einem bloßen Versuche der Brandsttftung findet der 8 310 Überhaupt keine Anwendung. Lrt. v. 3. Jan. 89, E. 18 S. 355.

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen 8s 311—314.

231

und ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte

Schade entstanden war. wieder, gelöscht,18)19so20 tritt 21 22 Straflosigkeit 23 24 25 ein.

ß 311.

Die gänzliche oder teilweise Zerstörung einer Sache'")

durch Gebrauchs) von Pulver oder anderen explodierenden Stoffen8*) ist der Inbrandsetzung der Sache gleich zu achten.

§ 312. Wer mit gemeiner Gefahr88) für Menschenleben vor­ sätzlich eine Überschwemmung88) herbeiführt,**) wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren und, wenn durch die Überschwemmung der

Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

§ 313. Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigentum88) vor­ sätzlich eine Überschwemmung herbeisührt, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist jedoch die Absicht des Täters nur auf Schutz seines Eigen­ tums gerichtet gewesen, so ist auf Gefängnis nicht unter Einem Jahre zu erkennen.

§ 314.

Wer eine Überschwemmung mit gemeiner Gefahr für

Leben oder Eigentum durch Fahrlässigkeit herbeisührt,88) wird mit 18) Hat der Täter die Feuerwehr herbeigerufen, so kann darin eine eigene Löschungstätigkeit gefunden werden (vgl. da- in vor. Anm. zit. Erk. v. 24./2Ö. Septbr. 97), auch darin, wenn er andere Personen zum Löschen veranlaßt hat. Erk. v. 3. Jan. 05, DIZ. 10 S. 363. 19) Das bloße Zerspringen der Fenster infolge einer Explosion erfüllt den Tatbestand nicht. Erk. v. 9. Febr. 83, E. 8 S. 33. — Ging die Absicht deTäters nur auf Zerstörung eines Gebäudes, war er sich aber bewußt, daß da­ durch auch Menschen getötet werden tonnten, so kann ideale Konturrenz mit Mordversuch angenommen werden. Erk. v. 15.'22. Dezbr. 84, E. 12 S. 64. 20) Gebrauchen ist gleich „Verwenden" oder „UmgetM" mit solchen Stoffen, keineswegs wird ein besonderer zweckentsprechender Gebrauch gefordert. Erk. v. 11. Märi 89, E. 19 S. 279. 21) Wasserdampf ist kein explodierender Stoff im Sinne dieses §. Erk. v. 21. Jan. 92, E. 22 S. 304. 22) Diese liegt vor, wenn der Täter die Ausdehnung seiner Gefährdung nicht in seiner Gewalt hat. E. 5 S. 309. Es genügt deshalb nicht, daß eine Mehrzahl von Personen gefährdet ist. sondern es muß eine nicht bestimmbare Anzahl von Personen oder Sachen gefährdet sein. Erk. v. 29. Septbr. 83, R. 6 S. 557. 23) Der Begriff der Überschwemmung ist gegeben, wenn die Menge und die Gewalt des aus seinen ihm durch Natur oder Kunst gezogenen Grenzen auStretenden Wassers eine Gefahr für das von ihm überströmte Gebiet mit sich bringt. Erk. v. 13. Lktbr. 85, R. 7 S. 577. 24) Hierher gehört auch die Vergrößerung einer schon vorhandenen Über­ schwemmung. 25) Auf es dabei nicht 2*9 Die

Erk. v. 23. Dezbr. 81, E. 5 S. 309. den Wert und die (toöfee der bedrohten Eigentumsobjekte kommt an. Siehe das in Anm. 23. zit. Erk. R. 7 S. 577. Herbeiführung einer Überschwemmung ist auch dann strafbar,

wenn ein Wasserberechtigter, der dieselbe mit gemeiner Gefahr für Leben und

232

III. Strafgesetzbuch § 315.

Gefängnis bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Überschwemmung

der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängnis von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. § 315. Wer vorsätzlich2') Eisenbahnanlagen,28 * *)29 27Beförderungs 30 31 32 ­ mittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt beschädigt, oder auf der Fahrbahn28) durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weife 80) solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Trans­ port 81) in Gefahr gesetzt wird,82) wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Eigentum herbeiführte, berechtigt war, das Wasser so hoch zu stauen, wie er getan. Erk. v. 8. Juli 81, R. 3 S. 471, u. Erk. v. 23. Dezbr. 81, E. 5 S. 309. 27) Es genügt Vorsätzlichkeit der Handlung mit dem Bewußtsein der Ge­ fährdung; die Absicht, den Transport zu gefährden oder einen Schaden anzu­ richten, ist nicht notwendig. Erk. v. 10. April 80, R. 1 S. 565. 28) Pferdebahnen gehören nicht hierher, Erk. v. 19. Mai 85, E. 12 S. 205, wohl aber Straßenbahnen mit Lokomotivbetrieb, Erk. v. 3. Juli 84, E. 11 S. 33; siehe auch Erk. v. 9. Dezbr. 87, E. 16 S. 431, u. Erk. v. 1. Dezbr. 84, R. 6 S. 771; u. auch Bergbahnen, Erk. v. 2. Dez. 01, E. 35 S. 12. Ebenso die elektrische Eisenbahn, Erk. v. 17. Sept. 85, E. 12 S. 371, auch gehören solche Eisenbahnen hierher, welche nur industriellen Zwecken und Privatinteressen dienen, namentlich dann, wenn dieselben nicht bloß innerhalb der Grenzen eines bestimmten Etablissements liegen. Erk. v. 2. März 86, E. 13 S. 380. — Die §§ 315 u. 316 finden selbst dann Anwendung, wenn die Bahn noch gar nicht dem öffentlichen Verkehr übergeben ist, sondern nur zu Transportzwecken in Benutzung genommen ist, Erk. v. 4. Dezbr. 83, E. 9 S. 233. 29) Dazu gehört auch der Schutzstreifen neben dem äußeren Rande -er Schienen. Erk. v. 28. Dezbr. 00, KR. Anm. 4. 30) Z. B. durch Aufdrehen der Bremse an einzeln stehenden Eisenbahn­ güterwagen. Erk. v. 16. Juni 98, E. 31 S. 198. Der führerlos dahinroüende Güterwagen ist dabei zugleich selbst als ein Transport anzusehen. 31) Unter Transport im Sinne dieses § ist nicht ein bestimmter Eisenbahn­ zug zu verstehen, der Ausdruck begreift vielmehr den Eisenbahnbetrieb oder die Benutzung der Eisenbahn zu Transportzwecken überhaupt. Erk. v. 30. Oktbr.. 84, R. 6 S. 663, u. E. 11 S. 205 u. Erk. v. 23. Mai 87, R. 9 S. 334. — Deshalb fallen auch die Transportmittel unter den Begriff des Transports, Erk. v. 18. Mai 86, E. 14 S. 135, so z. B. eine einzelne Lokomotive, Erk. v. 24. Febr. 81, E. 3 S. 415. Selbst eine innerhalb des Bahnhofes zum Rangierdienste verwendete Lokomotive ist hierher zu rechnen. Erk. v. 8. Febr. 92, E. 22 S. 344. Auch das Rangierpersonal. Erk. v. 19. April 09, E. 42 S. 301. Ob irgend ein Gegenstand als Transportmittel oder Transporwbjekt anzusehen ist, hängt von der jeweiligen Beziehung ab, in welcher er zu der Eisen­ bahn und den die Bewegung auf derselben hervorbringenden Kräften steht. Erk. v. 13.-Mai 87, E. 16 S. 66. 32) Gefahr besteht im Sinne dieses § nur dann, wenn der Eintritt eines Unglücks wahrscheinlich ist und nur durch das Dazwischentreten von Zufällig­ keiten abgewendet worden ist. Ob dies der Fall, ist Tatftage. Erk. v. 7. Febr. 84, R. 6 S. 99. Vgl. auch Erk. v. 11. März 84, E. 10 S. 178. Eine bloße Pflichtvernachlässigung und die bloße Möglichkeit des Eintrittes eines Schadens genügt nicht. Erk. v. 17. Febr. 85, R. 7 S. 128. Aber es genügt eine nahe

Gemeingefährliche Berbrechen und Bergehen § 316.

233

Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der Tod88) eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. § 316. Wer fahrlässigerweise") durch eine der vorbezeichneten Handlungen den Transport auf einer Eisenbahn in Gefahr88) setzt, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert16 * *)** *Mark * 19 * * 20 * * und, * * * * wenn * * * durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist,86) mit Gefängnis von Einem Morßat bis zu drei Jahren bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen,87) wenn sie durch Vernachlässigung88) der ihnen obliegenden Pflichten einen Transport in Gefahr setzen. liegende Möglichkeit. Erk. v. 25. Oktbr. 88, R. 10 S. 594. Erk. v. 17. Septbr. 95, GA. 43 S. 257. Nicht erforderlich ist die Gefahrlosigkeit als unmittelbar­ vorhergehender Zustand. Erk. v. 18. März 19, E. 53 S. 212. — Siehe über den Begriff der Gefährdung insbes. auch noch Erk. v. 14. Juni 97, E. 30 S. 178 u. Erk. v. 9. Novbr. 07, E.40 S. 376 (Gefährdung durch Bereitung eines Hinderniffes auf der Fahrbahn), ferner Erk. v. 15. Mai 17, E. 51 S. 77 (Ge­ fährdung durch Werfen mit Steinen nach einem Zuge). Liegt objektiv keine Ge­ fährdung vor, so kann eine der im § bezeichneten Handlungen als grober Unfug bestraft werden. Erk. v. 11, Jan. 07, Recht US. 196. Die Transportgefährdung ist nur dann nach § 315 strafbar, wenn sie zu­ gleich Bettiebsgefährdung ist. Erk. v. 14. Novbr. 98, GA. 46 S. 448. 33) Es ist nicht erforderlich, daß der Gelötete sich auf dem Eisenbahn­ transport befand. Erk. v. 22. Okt. 06, GA. 54 S. 74. 34) Zum Begriff gehört zwar ein Außerachtlaffen pflichtmäßiger Sorgfalt, aber der Maßstab der letzteren kann nicht allgemeinen Bettachtungen entnommen werden, vielmehr sind es die besonderen Umstände des einzelnen Falles, von denen bei Prüfung der Frage, was zur Verhütung von Unglücksfällen ver­ ständigerweise hätte geschehen können, auszugehen ist. Erk. v. 12. Febr. 92, E. 22 S. 357. Die Gefährdung des Transports als mögliche Folge des Ver­ haltens des Täters muß vorhersehbar sein. Erk. v. 25. April 04, Recht 8 S. 340. Das Ausbleiben erwarteter Gegenwirkung beseitigt die Verantwortlichkeit nicht. Erk. v. 20. Septbr. 17, Recht 22 Nr. 642. GA. 65 S. 308. Nicht ist erforder­ lich, daß vor der Gefährdung völlige Gefahrlosigkeit bestand. Erk. v. 18. März 19. Siehe Anm. 32. In dem unbeaufsichtigten Stehenlassen eines Fuhrwerks neben dem Sttaßenbahngleise kann eine Gefährdung erblickt werden. Erk. v. 20. Febr. 05, JurW. 05 S. 755, ebenso darin, daß ein Kutscher vor dem Über­ schreiten eines Bahnüberganges es unterläßt, sich vollständige Gewißheit zu ver­ schaffen, daß das Fuhrwerk dem Zusammentreffen mit einem herannahenden Zuge nicht ausgesetzt ist. Erk. v. 3. Febr. 08, JurW. 37 S. 384. Erk. v. 12. Novbr. 17, LZ. 12 S. 450. 35) Über Transport und „in Gefahr setzen" siehe die Anm. 31 u. 32. 36) Daß der Tod dem Täter als Fahrlässigkeit zuzurechnen sei, wird vom Gesetz nicht verlangt. Erk. v. 22. Ott. 06, GA. 54 S. 73 Recht 10 S. 1373. 37) Dahin gehören nicht bloß die höheren Beamten, sondern alle Per-

234

rn. Strafgesetzbuch §§ 317, 318. 8 317.

Wer vorsätzlich") uttb rechtswidrig den Betrieb einer

zu öffentlichen Zwecken40 * *) * *dienenden 38 39 Telegraphenanlage dadurch ver­ hindert oder gefä^bet,*1) daß er Teile oder Zubehörungen derselben

beschädigt oder Veränderungen 42)43 daran vornimmt, wird mit Gefängnis von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.

§ 318. Wer fahrlässigerweise durch eine der vorbezeichneten Hand­

lungen den Betrieb einer zu öffentlichen Zwecken dienenden") Tele­ fonen, welche darauf zu achten haben, daß bei einer Eisenbahnfahrt kein Schaden entstehe, z. B. auch Hilfsbremser. Erk. v. 23. Juni 90, E. 21 S. 15; auch der nur gegen Tagelohn angestellte Wagenschieber, Erk. v. 29. Ottbr. 89, GA. 37 S. 359; ebenso ein Hilfstelegrap hist, Ert. v. 20. Dezbr. 81, R. 3 S. 816. 38) Zu den Pflichten gebürt die Kenntnis der Dienstinstruktion. GA. 20 S. 406. Ert. v. 12. Febr. 03, GA. 50 S. 136. Im übrigen erfordert die Pflichtvernachlässigung, daß dem Täter ein Verschulden zur Last fällt und daß derlelbe imstande gewesen ist, seine Pflicht zu erlennen und zu erfüllen, Ert. V. 16. Novbr. 83, E. 9 S. 189, u. Ert. v. 14. Jan. 90, E. 20 S. 190, die bloße für eine Transportgefährdung kausale Zuwiderhandlung gegen die Dienstinstr. ohne ein subj. Verschulden genügt nicht. Ert. v. 9. Ottbr. 91, E. 22 S. 163..— Handelte der Täter auf Befehl eines Vorgesetzten, so kommt es darauf an, ob er nach seiner Dienstinsrruttion verpflichtet war, diesem Befehl Folge zu leisten. Ert. v. 5. Novbr. 80, R. 2S. 511, und das oben zit. Ert. E. 20 S. 190. Aber bei einer Zuwiderhandlung gegen die Tienstinstruttion kann die Strafbarkeit durch einen direkten Befehl des Dienstvorgesetzten ausgeschlosien sein. Ert. v. 25. Jan. 97, GA. 45 S. 41. Für den Strafrichter haben die Dienstinstruktionen nur die Natur eines Beweismittels, nicht die eines Gesetzes. Erk. v. 17. Dezbr. 79, R. 1 S. 161, Nicht ist straflos, wer sich darauf verläßt, daß ein anderer Beamter seine Pflicht tut. Ert. v. 11. März 04, Recht 8 S. 199. Die Feststellung einer besonderen Fahrlässigkeit ist im Falle des Abs. 2 nicht erforderlich. Ert. v. 13. Dezbr. 81, E. 5 S. 234. Ert. v. 26. Ottbr. 18, E. 53 S. 134. A. M. KR. Anm. 6 c. Die Vergehen aus tztz 315, 316 können mit § 222 oder § 232 in Jdealtonturrenz treten. Erk. v. 16. Juni 98, E. 31 S. 198. 39) Der Borsatz muß sowohl die Beschädigung oder Änderung der An­

lage, alS auch die dadurch herbeigeführte Verhinderung der Gefährdung des Betriebes umfassen. Dieser Vorsatz kann jedoch auch ein dolus eveutualis sein. Ert. v. 8. März 92, E. 22 S. 393. 40) Die Anlage kann auch öffentlichen Zwecken dienen, wenn sie im Eigen­ tum einer Privatperson stebt. Erk. v. 10. Dezbr. 96, E. 29 S. 244. — Auch die Beschädigung einer zum eigenen Gebrauch überlassenen Fernsprechstelle, um den Anschluß völlig aufzuheben, ist strafbar. Ert. v. 14. Novbr. 12, Recht 17 Nr. 140. GA. 60 S. 284. 41) Z. B. durch Zerschneiden der Schnur, an der sich daS Hörrohr einer öffentlichen Fernsprechanlage befindet. Erk. v. 19. Apr. 07, Recht 11 S. 715. Die Gefährdung wird durch zufällige Umstünde, durch welche zwar die Gefahr selbst, aber nicht die Gefährlichkeit des durch die Pflichtvernachläsfigung geschaffenen Zu­ standes beseitigt ist, nicht ausgeschlossen. Ert. v. 14. Juni 97, E 30 S. 178. 42) Veränderung liegt vor, wenn bewirkt wird, daß der bisherige Zustand deS Teiles oder der Zubehörung einer Telegraphenstange beseitigt und durch einen davon abweichenden Zustand ersetzt wird. Ert v. 12. Jan. 04, E. 37 S. 53. 43) Z. B. durch unvorsichtiges Anfahren einer Telegraphenstange. — Ob

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen 88 318 a—321.

235

graphenanlage verhindert oder gefährdet, wird mit Gefängnis bis zu

Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundertl5) Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Beaufsichtigung und Bedienung der

Telegraphenanlagen und ihrer Zubehörungen angestellten Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten")

den Betrieb verhindern oder gefährden.")

§ 318 a.

Die Vorschriften in den §§ 317 und 318 finden gleich­

mäßig Anwendung auf die Verhinderung oder Gefährdung des Be­

triebes der zu öffentlichen Zwecken dienenden Rohrpostanlagen. Unter Telegraphenanlagen im Sinne der §§ 317 und 318 sind

Fernsprechanlagen milbegrifsen. 8 319. Wird einer der in den §§ 316 und 318 erwähnten An­ gestellten wegen einer der in den §§ 315 bis 318 bezeichneten Hand­ lungen verurteilt, so kann derselbe zugleich für unfähig zu einer Be­

schäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste erklärt werden.")

8 320. steher

einer

Die Vorsteher einer Eisenbahngesellschast, sowie die Vor­

zu

öffentlichen

Zwecken

dienenden Telegraphenanstalt,

welche nicht sofort nach Mitteilung des rechtskräftigen Erkenntnisses

die Entfernung des

Verurteilten bewirken,

werden mit Geldstrafe

btS zu dreihundertl6) Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten

bestraft.") Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisen­

bahn-oder Äelegraphendienste erklärt worden ist, wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn oder Telegraphenanstalt wieder

anstellen läßt,

sowie diejenigen, welche ihn wieder angestellt haben, obgleich ihnen

die erfolgte Unfähigkeitserklärung bekannt war. 8 321

Wer

vorsätzlich

Wasserleitungen,

Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten,

Schleusen,

Wehre,

oder Brücken, Fähren,

die Telegraphenanstalt während der Dauer der Beschäftigung benutzt werden sollte, ist unerheblich. Erk. v. 12. Dezbr. 92, GA. 40 S. 336. 44) Über die Pflichten der Beamten siehe oben Sinnt. 37 zu 8 316. 45) Fahrlässige Gefährdung des Betriebes einer Fernsprechanlage kann mit vorsätzlicher Sachbeschädigung (§§ 308 u. 304) ideell konkurrieren. Erk. v. 1. Febr. 92, GA. 39 S. 425. Siehe über fahrlässige Beschädigung einer Tele­ graphenanlage auch Erk. v. 12. Dezbr. 92, GA. 40 S. 336. 46) Liegt gegen einen Eisenbahn beamten ideelle Konkurrenz aus den 88 316 u. 230 Abs. 2 vor, so droht das letztere Gesetz die schwerere Strafe an und kann deshalb nicht auf die Nebenstrafe aus 8 319 erkannt werden. Erk. v. 5. Jan. 82, R. 4 S. 19, u. ebenso Erk. v. 7. März 93, E. 24 S. 58. Es kommen hier nur Beamte des eigentlichen Betriebsdienstes in Frage. KR. Anm. 2. 47) Die Bestimmung findet nur auf Privatbahnen Anwendung. OlShausen Anm. 2, KR. Anm. 1.

236

III. Strafgesetzbuch §§ 322, 323.

Wege") oder Schutzwehre, oder dem Bergwerksbetriebe dienende Vor­ richtungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder beschädigt, oder in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen das Fahrwasser stört") und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit anderer herbeiführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren ein. § 322. Wer vorsätzlich ein zur Sicherung der Schiffahrt be­ stimmtes Feuerzeichen oder ein anderes zu diesem Zwecke aufgestelltes Zeichen zerstört, wegschafft oder unbrauchbar macht, oder ein solches Feuerzeichen auslöscht oder seiner Dienstpflicht zuwider nicht aufstellt, oder ein falsches Zeichen, welches geeignet ist, die Schiffahrt unsicher zu machen, ausstellt, insbesondere zur Nachtzeit auf der Strandhöhe Feuer anzündet, welches die Schiffahrt zu gefährden geeignet ist, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung die Strandung eines Schiffes verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein § 323. Wer vorsätzlich die Strandung oder das Sinken60) eines Schiffes«") bewirkt und dadurch Gefahr für Pas Leben eines anderen herbeiführt,^) wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. 48) Unter einem Weg ist hier jeder tatsächlich bestehende Weg zu verstehen, ohne Rücksicht auf das Rechtsverhältnis, in welchem die betr. Wegstrecke steht. Erk. v. 22. März 02, Recht 6 S. 245. Es ist kein Unterschied zwischen Privatu. Notwegen zu machen. Erk. v. 30. Mai 90, E. 20 S. 393. Auch ein Notweg gehört hierher. Erk. v. 20. Septbr. 95, C? 27 S. 363. 49) Fahrwasser ist der Teil des Gewässers, der mit Schiffen befahren werden kann. Erk. v. 18. Septbr. 88, E. 18 S. 85. 50) Dazu gehört, daß das Schiff mindestens teilweise unter der Oberfläche des Wassers verschwindet. Erk. v. 4. Juni 80, E. 2 S. 85, u. Erk. v. 16. Oktbr.

02, E. 35 S. 399. 51) Auch ein Boot gehört hierher. Erk. v. 17. April 83, E. 8 S. 219. 52) Es genügt, wenn durch die fahrlässige Handlung, durch welche das Sinken bewirtt und der Schaden verursacht ist, zugleich schon bei dem Beginnen des Sinkens objektiv eine Gefahr herbeigesührt worden ist. Erk. v. 26. April 94, E.25S. 312.

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen g§ 324—327,

237

§ 324 Wer vorsätzlich Brunnen-oder Wasserbehälter, welche zum Gebrauche anderer dienen, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkaufe oder Verbrauche bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Ge­ sundheit zu zerstören geeignet sind, ingleichen wer solche vergiftete oder mit gefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung dieser Eigenschaft verkauft, feilhält oder sonst in Ver­ kehr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zucht­ haus bestraft. § 325. Neben der nach den Vorschriften der §§ 306 bis 308, 311 bis 313, 315, 321 bis 324 erkannten Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. § 326. Ist eine der in den §§ 321 bis 324 bezeichneten Hand­ lungen aus Fahrlässigkeit68) begangen worden, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Gefängnis bis zu Einem Jahre und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängnis von Einem Monat bis zu drei Jahren zu erkennen. § 327. Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln66) oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigenM) Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit ange­ ordnet worden fml),67) wissentlich verletzt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu zweitausend15) Mark bestraft. 53) Eine Fahrlässigkeit ist in dem vorsätzlichen Beimischen eines gesund­ heitszerstörenden Stoffes zu finden, wenn der Täter diese Eigenschaft aus Fahr­ lässigkeit nicht erkannt hat. Erk. v. 28. März 11, GA. 59 S. 143. 54) Ein Schaden wird erfordert, der abgesehen von dem durch die Fahr­ lässigkeit verursachten Erfolge entstanden ist. Erk. v. 1. Juli 04, GA. 51 S. 406. Es braucht kein Schaden an Leben oder Gesundheit eines Menschen zu sein. Erk. v. 17. April 82, E. 8 S. 66. 55) Hierunter sind sanitätspolizeiliche Vorschriften gemeint, wie 'z. B. Absperrung eines Hauses, in dem sich Pockenkranke befunden haben. Erk. v. 13. Novbr. 83, E. 9 S. 366. Die Vorschriften der Hebammeninstruktion v. 22. Novbr. 88 gehören nicht hierher. Erk. v. 30. März 94, E. 25 S. 201. 56) Siehe auch das Ges. v. 30. Juni 1900 betr. die Bekämpfung gemein­ gefährlicher Krankheiten (RGBl. S. 306). Ausführungsbestimmungen v. 21. Febr. 04 (RGBl. S. 67) u. v. 10. Jul. 13 (RGBl. S. 572), sowie Ges. v. 28. August 05 (GS. S. 373). 57) Eine Verletzung von Vorschriften gegen den Milzbrand kann nicht unter den § 327 fallen, weil es sich hier nicht um eine ansteckende Menschenkrankheit handelt. Erk. v. 12. Oktbr. 93, E. 24 S. 332. Die Nachprüfung, ob An­ steckungsgefahr vorhanden war, steht dem Strafrichter nicht zu. Erk. v. 24. Novbr. 05, Recht 10 S. 66.

in. Strafgesetzbuch § 328.

238

Ist infolge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden

Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein.

§ 328.68)

Wer88)

die

Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln

oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Behörde88) zur Ver­ hütung deS Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen8l) unge­ ordnet worden sind, °*2).* *wissentlich S. * * verletzt, 8»)* * wird * * * * mit Gefängnis bis

zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu eintausend l5) Mark bestraft. 58) Gegen Biehkrankheiten find folgende Gesetze ergangen: Ges. v. 7. Apr. 69 betr. Maßregeln gegn die Rinderpest (RGBl. S. 103), v. 21. Mai 78 betr. Zuwiderhandlungen gegn die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Bieheinfuhrverbote (RGBl. S. 78). — Über das Verhältnis des § 328 zu dem

letzteren Gesetz siehe Erk. v. 2. Juli 83, E. 9 S. 191 u. v. 28. Novbr. 92, E. 23 S. 312. — Ferner Gs. v. 25. Febr. 76 betr. die Beseitigung von An­ steckungsstoffen bei der Biehbeförderung (S. 163), daS Biehseuchengesetz v. 26. Juni 09 (RGBl. S. 519), Ausführungsvorschriften hierzu v. 7. Dezbr. 11 (RGBl. 1912 S. 4), das pr.AG. v. 25. Juli 11 (GS. S. 149) und das Ges. betr. die Beseitigung von Tierkadavern v. 17. Juni 11 (RGBl. S. 248), nebst den Ausführungsbestimmungen hierzu v. 28. März 1912 (RGBl. S. 230). Die letzteren drei Gesetze sind gleichzeitig am 1. Mai 1912 in Kraft getreten. BO. v. 29. März 1912 (RGBl. S. 229). 59) Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen des Viehseuchengesetzes fällt nicht unter § 328 StGB., sondern ist nach 88 74, 76 Nr. 1 jenes Gesetzes strafbar. S t e n g l e i n, Nebengesetze S. 880. Die vor Inkrafttreten des Ges. v. 26. Juni 1909 erlassenen Maßregeln haben ihre fortdauernde Geltung be­ halten. Erk. v. 29. März 13 E. 47 S. 110. 60) Für die auf Grund des Ges. v. 7. April 69 gegen die Rinderpest zu­ treffenden Maßregeln sind die Regierungen zuständig. Erk. v. 10. Febr. 85, R. 7 S. 96. Die Anordnung und die Durchführung der Bekämpfungsmaßregeln gegen die Viehseuchen liegt dem Landwirtschaftsminister, den Regierungspräsi­ denten, den Landräten und den Orispolizeibehörden ob (PrAG). 61) Als Viehseuchen führt das Gesetz auf im § 10: Milzbrand, Rausch­ brand, Wild- und Rinderseuche, Tollwut. Rotz, Maul- und Klauenseuche, Lungen­ seuche des Rindviehs, Pockenseuche der Schafe, Beschälseuche der Pferde und des Rindviehs, Räude der Einhufer und der Schafe, Schweineseuche, Rotlauf, Ge­ flügelcholera und Hühnerpest, äußerlich erkennbare Tuberkulose des Rindviehs. 62) Die Anordnungen der Behörden, welche in Ausführung des Ges. zur Verhütung von Viehseuchen erlassen werden, sind keine Polizeiverordn. und nicht den Vorschriften über diese unterworfen. Erk. v. 3. Novbr. 91, E. 22 S. 190, u. Erk. v. 3. Juni 91, GA. 39 S. 171. Vgl... auch GA. 42 S. 420 über die formellen Erfordernisse dieser Anordnungen. Übrigens gehören zu diesen An­

ordnungen auch solche, die durch Gesetze getroffen sind und insbesondere § 328 selbst. Erk. v. 24. Septbr. 95, E. 27 S. 357, v. 13. Dezbr. 98, E. 31 S. 380, u. v. 15. Mai 02, E. 35 S. 243. Ebenso Plen. Beschl. v. 27. April 04, E. 37 S. 178. 63) Hierzu wird nur verlangt, daß der Täter die Anordnung kennt und daß er das Bewußtsein hat, daß dieselbe durch seine Handlung verletzt wird; die Absicht, sich einen Bermögensvorteil zu verschaffen oder andern einen Schaden zuzusügen, ist nicht erforderlich. Erk. v. 13. April 82, E. 6 S. 159, u. Erk. v.

Gemeingefährliche Berbrechen und Vergehen §§ 329, 330.

239

Ist infolge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen")

worden,

so

Jahren ein. 8 329.

tritt Gefängnisstrafe

von Einem Monat biS zu zwei

Wer die mit einer Behörde geschlossenen Lieferungsver­

träge 64 * *•) 65 * * über Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zett eines

Krieges,

oder über Lebensmittel zur Abwendung oder Beseitigung

eines Notstandes vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zett oder nicht in der vorbedungenen Weife erfüllt, wird-mit Gefängnis nicht

unter sechs Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit 64 b) zum Grunde, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden64 c) verursacht worden ist, auf Gefängnis bis zu zwei Jahren zu erkennen.

Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Ver­ mittler und Bevollmächtigten

des Lieferanten

Anwendung,

welche

mit Kenntnis des Zweckes der Lieferung die Nichterfüllung derselben vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verursachen. § 330.

Wer bei der ßeitung66) oder Ausführung eines Baues 6e)

5. Jan. 92, E. 22 S. 296. Erk. v. 25. Juni 95, GA. 43 S. 235. Eventual­ dolus genügt. Erk. v. 1. Febr. 04, DIZ. 9 S. 460. Die Maßregeln haben nicht die Bedeutung eines Strafgesetzes, deshalb ist die Berufung auf Nicht­ kenntnis u. irrige Auffassung nicht ausgeschloffen. Erk. v. 6. Juli 03, E. 36 S. 359. 64) Der Abs. 2 setzt nichts weiter voraus, als daß objektiv ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der in Abs. 1 charakterisierten'Zuwiderhandlung und dem Ergriffenwerden von Bieh durch die Seuche vorliegt. GA. 48 S. 117. 64 a) Hierzu gehören auch Wei kverdingungsverttäge. Erk. v. 20. Juni 16, E. 50 S. 109. 64 b) Die Fahrlässigkeit kann vor dem Berttagsabschluß liegen. Erk. v. 6. Juni 16, E. 50 S. 102. 64 c) Hierunter ist nicht der Vermögensschaden des FiskuS zu verstehen, sondern eine Schädigung höherer allgemeiner Güter wie der Sicherheit des Staates und des Volkes. Erk. v. 26. Febr. 15, E. 49 S. 94. Erk. v. 26. Juni 16, GA. 62 S. 430. 65) Als Leiter eines Baues ist derjenige anzusehen, deffen Anordnungen die Ausführung des Bauwerkes als Ganzes zum Gegenstände haben und nicht bloß einzelne nebensächliche Arbeiten betreffen. Erk. v. 13. Novbr. 90, GA. 38 S. 439. Es kann dies auch ein Bauführ-er ohne selbständige Stellung sein. Erk. v. 27. Novbr. 05, Recht 10 S. 66. Auf den Rechtsgrund, aus welchem jemanb eine Bauleitung übernommen hat, kommt es nicht an, entscheidend ist viel­ mehr die tatsächliche Leitung. Erk. v. 7. Mai 97, GA. 45 S. 263. Aber Bau­ leiter kann begrifflich doch nur derjenige sein, der die mechanischen Kräfte für die mechanische Gestaltung des Baues als eines Ganzen durch geistige Urheber^ schäft unmittelbar in Bewegung setzt. Erk. v. 31. Mai 98, GA. 46 S. 209. Daß dieser Bauleiter bestimmte Arbeiten, z. B. sämtliche Maurerarbeiten, in Akkord gegeben, ändert seine Stellung nicht, er bleibt auch für die letzteren ver­ antwortlich. Erk. v. 12. Novbr. 91, GA. 39 S. 323. Eine besondere Befug­ nis auf Seiten des Leitenden ist nicht erforderlich. Erk. v. 18. Apr. 07, Recht 11

240

III. Strafgesetzbuch § 330.

wider die allgemein anerkannten Regeln67) der Baukunst dergestalt

handelt,'®8) daß hieraus für andere Gefahr88) entsteht, wird mit Geld­

strafe bis zu neunhundert16) Mark oder mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft. S. 715.

Über den Umfang der Verpflichtung des Leiters, den Bau zu über­

wachen, siehe GA. 48 S. 353. Der den Auftrag zur Herstellung des Baues er­ teilende Bauherr ist nicht Bauleiter. — In der bloßen Anfertigung einer Zeich­ nung kann eine Mitwirkung bei der Ausführung des Baues noch nicht ge­ funden werden. Erk. v. 15. Juni 03, GA. 50 S. 390. Vgl. Anm. 26 zu § 367.

66) Bauen ist jede Tätigkeit, welche die Herstellung von Gebäuden oder von Straßen, Eisenbahnen usw. und auch die Reparatur und den Abbruch zum Gegenstand hat. Erk. v. 23. Jan. 94, E. 25. S. 90. Auch die für den Bau erforderlichen Nebenarbeiten gehören hierher wie Errichtung eines Baugerüstes. Erk.v. 12. März 88, R. 10 S. 242; Steinsprengungsarbeiten, Erk.v. lO.Novbr. 92, E. 23 S. 277; die den Bau gefährdende Ausschachtung einer Kiesgrube. Erk. v. 17. Septbr. 96, E. 29 S 71; aber nicht die bloße Anlage einer Sand­ grube. Erk. v. 14. Novbr. 13, E. 47 S. 426. Der § findet aber auch An­ wendung, wenn es sich nur um einstweilige, nicht für die Dauer berechnete bau­ liche Einrichtungen handelt. Erk. v. 7. Juni 98, E. 31 S. 180 u. Erk. v. 26. Juni 06, GA. 53 S. 440 und selbst dann, wenn es sich um die Nichterrichtung von Schutzvorrichtungen gegen das Herabfallen von Baumaterial handelt. Erk. v. 2. Re6r. 09, Recht 13 Nr. 936, GA. 56 S. 219.

67) Allgemein anerkannte Regeln der Baukunst sind solche, die nicht nur durch die Wiffenschaft als richtig nachgewiesen worden, sondern auch im Kreise der Techniker bekannt und anerkannt sind. Erk. v. 3. u. 26. April 91, GA. 39 S. 208, u. Erk. v. 11. Oktbr. 10, E. 44 S. 75. — Vgl. auch die Erk. v. 28. Septbr. 95, E. 27 S. 388 (es brauchen nicht gerade Konstrukttonsfehler zu sein), und das in vor. Anm. zit. E. 29 S. 71. — Werden die anerkannten Regeln nach verschiedenen Richtungen verletzt, so liegt doch nur eine strafbare Hand­ lung vor. Erk. v. 28. März 04, DIZ. 9 S. 748.

68) Auch ein fahrlässiges Handeln erfüllt den Tatbestand. Erk. v. 4. Jan. 83, R. 5 S. 8. Jedenfalls wird kein vorsätzliches (doloses) Handeln gefordert Erk. v. 28. Novbr. 90, GA. 38 S. 444. Handelt der Täter vorsätzlich, so ist auch Anstiftung und Beihilfe möglich. Erk. v. 4. Jan. 98, GA. 46 S. 110. Nicht erheblich ist es, ob der Täter sich an die betr. baupolizeilichen Vorschriften gehalten u. ob seine Pläne die Genehmigung der Baupolizeibehörde erhalten haben. Erk. v. 22. Septbr. 02, Recht 6 S. 513. 69) Die Gefahr muß in der Gegenwart vorhanden sein. Erk.v. 22. Novbr. 81, E. 5 S. 254. Erk. v. 7.Jnni 98, E. 31 S. 182. Dies ist aber schon dann der Fall, wenn der Schaden aus einem künftigen Ereignis, insbesondere dem Ausbruch eines Feuers zu befürchten ist. Erk. v. 27. Febr. 14, Recht 19 Nr. 2417. Erk. v. 28. März 87, R. 9 S. 203. Die Gefahr kann in der schuldhaften Verursachung von Schwammbildung gefunden werden. Erk. v. 28. Septbr. 95, E. 27 S. 388. Daß bestimmte Personen als gefährdet bezeichnet werden können, ist nicht erforderlich, es genügt die Möglichkeit einer Gefährdung von Menschen über­ haupt, Erk. v. 28. Novbr. 90, GA. 38 S. 444. Es gehört zum Begriff der Gefahr, daß sie in der Gegenwart vorhanden ist, so daß der Bau, wie er tatsächlich vorliegt, für andere eine Gefahr in sich

241

Berbrechen und Bergehen im Amte 88 331, 332.

28. Abschnitt.

8 331.

Verbrechen und Vergehen im Amte.

Ein Beamter,") welcher für eine in sein 9lmt71) ein­

schlagende, an sich nicht pflichtwidrige") Handlung") Geschenke") oder andere Vorteile76) annimmt, fordert oder sich versprechen läßt,7«)

wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert15) Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.77) § 332.

Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Ver­

letzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält,") Geschenke oder andere schließt. Erk. v. 21. April 04. Siehe auch über den Begriff der gegenwärtigen Gefahr Erk. v. 7. Juni 98, E. 31 S. 180. 70) Über den Begriff „Beamter" siehe Sinnt. 46 zu § 359. 71) Nicht jeder aus Anlaß oder bei Gelegenheit angenommene Vorteil kann als für die Amtshandlung angenommen angesehen werden, sondern es muß ein ausdrücklicher Zusammenhang zwischen der Annahme des Vorteils und der Amts­ handlung zu erkennen sein. Erk. v. 25. Jan. 89, E. 19 (5.J9. 72) Eine solche liegt nicht vor, wenn dieselbe nicht zu den Funktionen des Beamten gehört, also innerhalb des Kreises seiner ihm zur Pflicht gemachten Tätigkeit liegt, sondern wenn dieselbe nur unter Einsetzung seines amtlichen Einfluffes vorgenommen ist. Erk. v. 13. März 85, R. 7 S. 175 u. GA. 47 S. 439. Siehe aber Erk. v. 17. Dezbr. 07, E. 41 S. 1. Nimmt der Beamte Geschenke dafür an, daß er nicht zu Pflichtwidrigkeiten üdergeht, so ist dies im Sinn deS 8 331 pflichtwidrig, erfüllt aber nicht den Tatbestand des 8 332. Erk. v. 25. Juni 09, E. 42 S. 382. 73) Sowohl bei dem Beamten wie bei dem Geber muß das Bewußtsein obwalten, daß das Geschenk für einen amtlichen Akt gegeben wird, GA. 27 S. 462, die Anwendung des § ist also ausgeschloffen, wenn das Geschenk ohne jede Rücksicht auf eine bestimmte amtliche Tätigkeit gegeben ist. Erk. v. 9. Novbr. 79, E. 2 S. 129. S. auch Erk. v. 7. Novbr. 84, E. 11 S. 219. 74) Unter Geschenken sind auch vorübergehende materielle Genüffe zu rechnen, wie Spendung eines Trunks, Erk. v. 9. Oktbr. 93, GA. 41 S. 383; Vollziehung des Beischlafs, Erk. v. 5. Novbr. 83, E. 9 S. 166. A. M. KR. Anm. 4 a. E. Das Geschenk braucht nicht zur Zeit des Anbietens schon nach Art und Maß bestimmt zu sein. Erk. v. 20. Mai 92, E. 23 S. 141. 75) Dauernde Vermögensvermehrung ist nicht erforderlich. Vorteil kann auch im Empfange eines Darlehns gefunden werden. Erk. v. 16. Jan. 03, Recht 7 S. 109. Geschuldete Leistungen dürfen es nicht sein, Erk. v. 3. Febr. 11, Recht 15 Nr. 1080. 76) Ein solches „Sichversprechenlaffen" kann auch in einem Verhalten des Beamten, aus welchem die Geneigtheit zur Annahme des Geschenks hervorgeht, gefunden werden. Erk. v. 8. Mai 85, R. 7 S. 285. 77) Der Geber ist straffrei und macht sich auch nicht einer Teilnahme schuldig. Erk. v. 17. Dezbr. 85, E. 13 S. 181 und daS unter 79 zitierte Erk. E. 36 S. 68. Eine Beihilfe zu 8 331 ist aber möglich, insofern sich die unterstützende Tätigkeit auf das Annehmen, Fordern oder sich Bersprechenlaffen bezieht und der Mittäter auch Beamter ist. Siehe E. 42 S. 382. 78) Unter Handlungen, welche die Verletzung einer Amtspflicht enthalten, kann nur eine Amtshandlung oder Unterlaffung einer durch Amtspflicht ge­ botenen Amtshandlung verstanden werden, Erk. v. 6. Mai 87, R. 9 S. 308, Erk. v. 14. März 89, E. 19 S. 206. Nimmt aber, ein Beamter nach seinem

Dalcke, Strafrecht. 16. Aufl. (1922).

16

HI. Strafgesetzbuch § 333.

Vorteile amitmmt, fordert") oder sich versprechen läßt, wird wegen Bestechung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein.

§ 333.

Wer einem Beamten80 * *)81 * *oder 82 * * *83* einem * * * * * 79 Mitglieds der be­

waffneten Macht Geschenke oder andere Vorteile anbietet,8*) verspricht

oder gewährt, um88) ihn zu einer Handlung,88) die eine Verletzung

Dienstgebräuche eine Handlung vor, so handelt er, auch wenn er nicht dazu ver­ pflichtet war, sondern dieselbe ablehnen konnte, im Amte und macht sich event, strafbar. Erk. v. 10. Novbr. 87, E. 16 S. 300, u. Erk. v. 18. Oktbr. 87, R. 9 S. 517. Zwischen dem Berbrechen im Sinne dieses § und derjenigen Straftat, für deren Ausübung der Beamte Geschenke angenommen hat, liegt Realkonkurrenz vor. Erk. v. 5. Febr. 07, GA. 54 S. 293. Im Sinne dieses § ist auch die Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegen­ heit eine pflichtwidrige Handlung, Erk. v. 9. Juni 96, E. 28 S. 424. Nicht ist aber Dienstverletzung die Ei-teilung einer formlosen Auskunft gegen Entgelt. (Auskunft eines Beamten deS Einwohnermeldeamts.) Erk. v. 19. Dezbr. 04, JmW. 05 S. 245. Ebensowenig ist Dienstverletzung die Unterlassung der Stellung eine- Strafantrages wegen Amtsbeleidigung. Erk. v. 2. Juni 90, E. 20 S. 415.

79) Das Fordern eines Vorteils kann auch der pflichtwidrigen Handlung folgen, muß aber zu der letzteren in Beziehung stehen. Erk. v. 5. Novbr. 83, Nr. 5 S. 670. Der Täter muß sich dieses Zusammenhangs bewußt sein, so­ wie daß die Handlung die Verletzung einer Amtspflicht enthält. Der Geber braucht sich des Wesens der von ihm verübten Tätigkeit als einer Amtspflicht­ verletzung nicht bewußt zu werden. Erk. v. 16. Jan. 03, E. 36 S. 66. Erk. v. 5. Lktbr. 06, E. 39 S. 143. Der § trifft aber dann nicht zu, wenn der Geber die Zahlung in der An­ nahme eines dem Beamten zustehenden Rechts auf Zahlung geleistet hat. (Ein Gefängnisaufseher hatte einem Gefangenen beffere Kost verabfolgt und für. diese Zahlung angenommen.) Erk. v. 16» Dezbr. 98, E. 31 S. 389. Daß der Be­ amte die pflichtwidrige Handlung auch wirtlich ausgeführt hat, ist nicht erforder­ lich. Erk. v. 14. März 89, E. 19 S. 206, ebensowenig, daß der Beamte den Vorsatz hat, die Amtspflicht wirklich zu verletzen. Es genügt, daß er dies wahr­ heitswidrig vorgibt. Erk. v. 30. Novdr. 09, Recht 14 Nr. 241. 80) Oder auch einem Angehörigen des Beamten. Erk. v. 30. März 81, R. 3 S. 176. Doch muß der Beamte davon Kenntnis haben. Erk. v. 8. März 86, E. 13 S. 396. 81) Auch das Anbieten eines seinem Gegenstände nach ganz unbestimmt gelaffenen Geschenk- erfüllt den Tatbestand. Erk. v. 20. Mai 92, E. 23 S. 141. Auch braucht daS Anbieten kein ausdrückliches zu sein. Erk. v. 25. Jan. 95, E. 26 S. 424. DeSgk. ist es unerheblich, daß die Erfüllung des Versprechens durch einen anderen als durch den Täter erfolgen soll. Erk. v. 5. Mai 08, DIZ. 13 S. 972. 82) Es muß die Absicht vorliegen, den Beamten zu einer pflichtwidrigen Handlung zu bestimmen. Erk. v. 17. Dezbr. 85, E. 13 S. 181. Es genügt aber nicht, daß der Beamte zur Teilnahme von irgend einer strafbaren Hand­ lung bestimmt wird. Erk. v. 24. Juni 20, Recht 24 Nr. 2974. Bedingter Vorsatz genügt. Erk. v. 13. Novbr. 94, E. 26 S. 194. 83) Nur „in den Dienst einschlagende" Handlungen sind Gegenstand dieser

Berbrechen und Vergehen im Amte 88 334, 335.

243

einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, zu bestimmen,84 * *) * *wird * * * * wegen * Bestechung^) mit Gefängnis bestraft;

auch kann auf Verlust der

bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis

zu eintausendfünfhunvert Mark erkannt werden.

§ 334.

Ein Richter,8^) Schiedsrichter, Geschworener oder Schöffe,

welcher Geschenke oder andere Vorteile fordert, annimmt oder sich

versprechen läßt, um eine Rechtssache, deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zugunsten oder zum Nachteile eines Beteiligten zu leiten oder zu entscheiden, wird mit Zuchthaus bestraft.

Derjenige, welcher einem Richter, Schiedsrichter, Geschworenen

oder Schöffen zu dem vorbezeichneten Zwecke Geschenke oder gudere Vorteile anbietet, straft.

verspricht oder gewährt, wird mit Zuchthaus be­

Sind mildernde Umstände

vorhanden, so tritt Gefängnis­

strafe ein. § 335.

In den Fällen der §§ 331 bis 334 ist im Urteile das

Empfangene oder der Wert desselben für dem Staate verfallen zu

erklären.86) Bestimmung. Erk. v. 4. Dezbr. 13, E. 48 S. 46. Einer genauen Bezeichnung der dienstwidrigen Handlung bedarf es nicht. Erk. v. 22. Juni 85, R. 7 S. 424. Es kommt nur darauf an, daß der Beamte bestimmt werden soll, seine Tätigkeit in einer bestimmten pflichtwidrigen Richtung auszuüben. Die Erhebung eines Antrages auf Bestrafung wegen Amtsbeleidigung gehört nicht zu den Amts­ pflichten des Beamten. Erk. v. 2. Juni 90, E. 20 S. 415. Die nicht amtliche Besorgung eines Pakets durch einen Beamten ist keine Amtshandlung. Erk. v. 25. Juni 20, E. 55 S. 50. Der Beamte braucht auch den Bestechungsversuch als solchen gar nicht erkannt zu haben. Erk. v. 25. Jan. 95, E. 26 S. 424. 84) Darauf, ob die Amtsverletzung wirklich begangen ist, kommt es nicht an. Erk. v. 20. Mai 04, E. 37 S. 171} auch darauf nicht, ob der Beamte infolge schon vorher gefaßten Borsatzes die Handlung auch ohne das Geschenk vorgenommen haben würde. Erk. v. 29. Nov. 04, JurW. 05 S. 245. Es ist auch nicht notwendig, daß die pflichtwidrige Handlung dem Beamten gleichzeitig mit der Gewährung des Geschenks als Gegenleistung dafür angesonnen wird. Erk. v. 4. März 13, E. 47 S. 68. 85) Jdealkonkurrenz zwischen Bestechung und Anstiftung aus § 49 a ist möglich. Erk. v. 3. Dezbr. 83, E. 9 S. 261. Erk. v. 26. Febr. 85, E. 12 S. 54. A. M. KR. Anm. 10. 85 a) Auch Untersuchungsrichter. Erk. v. 18. Novbr. 18, Recht 23 Nr. 375. 86) .Einzuziehen ist daS in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Be­ stochenen gekommene Bestechungsmittel. Ist die Einziehung nicht ausführbar, trifft den Täter eine Bermögensstrafe, die dem Werte des Empfangenen d. h. des in die tatsächliche Gewalt des Beamten gelangten Bestechungsmittels gleich zu bemeffen ist. Erk. v. 4. Juni 17, E. 51 S. 87. Erk. v. 17. Novbr. 91, E. 22 S. 270. Dagegen ist das bloß Versprochene, das nur mündlich ohne körper­ liche Darreichung Angebotene, nicht einziehbar. Erk. v. 22. Febr. 87, E.15S. 348. Die Berfallerklärung ist nur gegen den zu erlassen, der das Bestechungsmittel oder dessen Wert in Händen hat. Erk. v. 8. Jan. 20, E. 54 S. 215. Sie ist

244

HI. Strafgesetzbuch §§ 336—339.

§ 336. Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache 87 * *) vorsätzlich zugunsten oder zum Nachteile88) einer Partei einer Beugung des Rechtes schuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. § 337 (ist ersetzt durch den § 67 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Ebeschließung vom 6. Febr. 1875. RGBl. S. 28).89)

§ 338. Ein Religionsdiener oder Personenstandsbeamter, welcher, wissend, daß eine Person verheiratet ist, eine neue Ehe derselben schließt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. § 339. Ein Beamter, welcher durch Mißbrauch seiner Amts­ gewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung widerrechtlich nötigt,99) wird mit Gefängnis bestraft. aber auch auszusprechen, wenn auch nur der Bestechende verurteilt ist. Erk. v. 2. Novbr. 20, Recht 25 Nr. 2283. 87) Dahin gehören auch Strafsachen, welche durch polizeiliche Strafbefehle erledigt werden. Erk. 19. April 94, E. 25 S. 276. 88) Eine auf die Begünstigung oder Benachteiligung als den erstrebten Erfolg der Handlung gerichtete Absicht wird neben dem vorsätzlichen Handeln nicht weiter verlangt. Siehe das in vor. Sinnt, zit. Erk. 89) Die §§ 67—69 des Ges. v. 6. Febr. 1875 haben durch Art. 46 III, IV EG. z. BGB. eine anderweite Fassung erhalten und lauten jetzt dahin: §67. „Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschloffen sei, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Geistliche oder der Religionsdiener im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestat­ tenden Erkrankung eines der Verlobten zu den religiösen Feierlichkeiten der Ehe­ schließung schreitet." § 68. „Wer den in den §§ 17 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 vorge­ schriebenen (NB! Geburis- und Sterbefälle betr.) Anzeigepflichten nicht nach­ kommt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft be­ straft. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist. Die bezeichnete Strafe trifft auch den Schiffer oder Steuermann, welcher den Vorschriften der §§ 61 bis 64 zuwiderhandelt. Die Standesbeamten sind außerdem befugt, die zu Anzeigen oder zu sonstigen Handlungen auf Grund dieses Gesetzes Verpflichteten hierzu durch Geldstrafen anzuhalten, welche für jeden einzelnen Fall den Betrag von fünfzehn Mark nicht übersteigen dürfen." § 69. „Ein Standesbeamter, welcher unter Außerachtlaffung der in diesem Gesetze und in dem Bürgerlichen Gesetzbuche gegebenen Vorschriften eine Ehe­ schließung vollzieht, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft." Im Falle des § 67 genügt als dolus das Bewußtsein des mangelnden Nachweises, Erk. v. 11. Novbr. 87, R. 9 S. 595. Das bloß fahrlässige Ver­ schulden des Geistlichen ist nicht strafbar. Erk. v. 27. Mai 81, R, 3 S. 336.

Verbrechen und Vergehen im Amte §§ 340, 341.

245

Der Versuch ist strafbar. In den Fällen der §§ 106, 107,167 und 253 tritt die daselbst angedrohte Strafe ein, wenn die Handlung von einem Beamten, wenn auch ohne Gewalt oder Drohung, aber durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder . Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben

begangen ist. § 340. Ein Beamter, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorsätzlich eine Körperverletzung begeht oder begehen läfct,91) wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.92) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängnis ermäßigt oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert'ö) Mark erkannt werden.9^ Ist die Körperverletzung eine schwere, so ist auf Zuchthaus nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. § 341. Ein Beamter,*") welcher vorsätzlich, ohne hierzu berech­ tigt zu sein,9'*) eine Verhaftung oder vorläufige Ergreifung und 90) Es wird eine Handlung vorausgesetzt, die sich als ein Mißbrauch der in dem Amte des Täters liegenden Befugnis, zum Nachteil eines anderen wirk­ sam zu werden, darstellt. Der Täter muß in amtlicher Eigenschaft handeln. Erk. v. 21. Jan. 16, E. 49 S. 338. Amtsmißbrauch begeht ein Schutzmann, der Namensangabe durch Waffengebrauch erzwingt. Erk. v. 29. Mai 11, Recht 15 Nr. 2489; oder ein Polizeibeamter, der eine amtliche Beschlagnahme vor­ täuscht. Erk. v. 13. Juni 21, Recht 25 Nr. 2284. . 91) Die Körperverletzung in Ausübung des Amtes setzt voraus, daß der Beamte bei Verübung derselben in seiner amtlichen Eigenschaft aufgetreten ist; es fällt daher nicht jede während der Amtsausübung begangene Mißhandlung ohne weiteres unter § 340. Erk. v. 23. Febr. 88, E. 17 S. 165. Erk. v. 1. Febr. 04, Recht 8 S. 145. Die Möglichkeit idealer Konkurrenz zwischen § 240 u. § 223 a wird bejaht im Erk. v. 13. Jan. 02, Recht 6 S. 50, mit Recht ver­ neint im Erk. v. 20. Jan. 84, R. 6 212 u. v. KR. Anm. 10. 92) Hierher gehören auch die Fälle einer Überschreitung des Züchtigungs­ rechts namentlich seitens der Lehrer. Siehe hierüber Anm. 88 zu § 223. 93) Eine Aufrechnung gemäß § 233 ist ausgeschlossen, mag § 340 gegen einen oder beide Täter Anwendung finden, Erk, v. 4. Juli 82, E. 6 S. 433. Aber Zuerkennung einer Buße ist statthaft. Erk. v. 22. Mai 85, R. 7 S. 321, u. ebenso Erk. v. 31. Mai 86, R. 8 S. 409. 94) Zum Tatbestände genügt, daß der Täter überhaupt ein Beamter ist und in dieser seiner Amtseigenschaft gehandelt hat. Erk. v. 11. Juni 95, E. 27 S. 287. 95) Widerrechtlichkeit liegt nicht bloß dann vor, wenn dem Beamten über­ haupt die Befugnis zur Verhaftung fehlt, sondern auch dann, wenn im konkreten Falle keiner der Gründe vorlag, die ihn zu einer solchen Maßregel berechtigten. OR. 17 S. 326. Erfordert wird in jedem Falle ein vorsätzliches Handeln, wozu aber auch das Bewußtsein von der Nichtberechtigung der Handlung gehört. Es genügt weder der Umstand, daß der Beamte seine Befugnis nicht erweisen kann, noch

246

III. Strafgesetzbuch §§ 342—345.

Festnahme

oder Zwangsgestellung vornimmt oder vornehmen läßt,

oder die Dauer einer Freiheitsentziehung verlängert, wird nach Vor­

schrift des § 239, jedoch mindestens mit Gefängnis von drei Monaten

bestraft. § 342.

Ein Beamter, der in Ausübung oder, in Veranlassung

der Ausübung seines Amtes einen Hausfriedensbruch (§ 123) begeht,") wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu

neunhundertl8) Mark bestraft. § 343.

Ein Beamter, welcher in einer Untersuchung °7) Zwangs­

mittel anwendet oder anwendeu läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 344.

Ein Beamter,

welcher vorsätzlich zum Nachteile einer

Person, deren Unschuld ihm bekannt ist, die Eröffnung oder Fort­

setzung einer Untersuchung beantragt oder beschließt, wird mit Zucht­ haus bestraft.

§ 345.

Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher vorsätzlich

eine Strafe vollstrecken läßt,") öon der er weiß, daß sie überhaupt eine durch Fahrlässigkeit verschuldete Unkenntnis. Erk. v. 13. Oktbr. 94, GA. 41 S. 388. 96) Auch hier muß der Täter sich bewußt sein, daß er in Ausübung seines Amtes handelt. Olshausen Anm. 3. KR. Anm. 4. 97) Eine strafgerichtliche Untersuchung ist nicht notwendig. Erk. v. 14. März 82, E. 6 S. 83. Auch Polizeibeamte unterliegen dieser Vorschrift. Erk. v. 8. Apr. 13, Recht 17 Nr. 1544. Ein Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft (Ge­ meindevorsteher), der infolge einer Anzeige wegen Diebstahls den Verdächtigen ver­ nimmt, führt eine Untersuchung. Erk. v. 21. Novbr. 93, GA. 41 S. 408. Auch die Vernehmung eines noch nicht 12 Jahre alten Kindes über eine ihm zur Last gelegte Straftat seitens der Polizeibehörde ist ein Akt der Untersuchung. Erk. v. 22. Mai 94, E. 25 S. 366. 98) Für die Frage der Täterschaft ist es gleichgültig, ob der Täter bei -er Vollstreckung unmittelbar eine Tätigkeit ausübt, oder ob er einen Dritten dazu veranlaßt, eine Sttafe, die nicht vollstreckt werden darf, in dem irrigen Glauben an die Vollstreckbarkeit zur Vollstreckung zu bringen. Deshalb kann Täter auch ein Beamter sein, der vermöge seines Amtes bei der Strafvollstreckung gar nicht mitzuwirken hat, also z. B. der Vorsitzende des Gerichts und der Gerichtsschreiber. Erk. v. 21. Juni 89, E 19 S. 342 und Erk. v. 1. März 09, DIZ. 14 S. 827 u. GA. 56 S. 224. Liegt aber der Grund der unzulässigen Strafvollstreckung lediglich in der Unrichtigkeit der Entscheidung des erkennenden Richters, so greift § 345 nicht Platz. Erk. v. 13. Oktbr. 97, E. 16 S. 221, u. Erk. v. 12. Juli 94, E. 26 S. 59, Wohl aber kann in der fahrlässigen Vollstreckung der zu Unrecht verhängten Sttafe eine neue selbständige Sttaftat gefunden werden. Siehe die Erk. v. 21. Juni 89 u. 12. Juli 94. Der 8 345 setzt nicht voraus, daß der Täter die Sttafvollstteckung selb­ ständig anzuordnen und zu leiten hat, vielmehr macht sich auch ein nur mit­ wirkender Bureaubeamter (z. B. durch unrichttge Führung des Entlassungskalenders) sttafbar. Erk. v. 9. Jan. 82, R. 4 S.25. Aber der die Bollstr. leitende

Verbrechen und Vergehen im Amte § 346.

247

nicht oder nicht der Art oder dem Maße nach vollstreckt werden

bars.99) Ist die Handlung

aus Fahrlässigkeit begangen, so

tritt Ge­

fängnisstrafe oder Festungshaft bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert,ft) Mark ein.100) § 346.*l) 2 3Lin 4 Beamter, welcher vermöge seines Amtes bei Aus­ übung der Strafgewalt oder bei Vollstreckung der Strafe mitzuwirken

hat, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft, wenn er in der Absicht/) jemand der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu entziehen, die Verfolgung einer strafbaren Handlung*) unterläßt/) oder eine Handlung begeht, welche geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem

Beamte hat die mit der Ausführung beauftragten Organe zu kontrollieren und macht sich durch die Unterlassung dieser Kontrolle unter Umständen selbst der Ver­ letzung einer Amtspflicht schuldig, (h-f. v. 1. Juni 97, E. 3u S. 135. Der Umstand, daß e n Richier bereits auf Wrunfr eines Urteils Strafvollstreckungs­ Verfügungen erlassen hat, entbindet den Nachfolger nicht von der Prüfung der Rechtskraft des Urteil*, Erk. v. 22. Apr. 10 Recht 14 Nr. 2135, JurW. 39 S. 676. 99) Unter den Begriff „Strafvollstreckung" fallen alle diejenigen Maßregeln, durch welche die Verbüßung der Straie ins Werk gesetzt werden soll, insbei. die Vorführung, Verhaftung rc. Erk. v. 24. April 91, E. 21 S. 424. Keine Strafvollstreckung ist angenommen in dem Falle, in welchem ein Amtsvorsteher gegen «einen Diener eine Geldstrafe durch Strafbefehl festgesetzt und den Betrag der Geldstrafe von seimm Lohn abgezogen und an die Amtstasse abgeführt hatte. OLG. Naumburg v. lu. Dezbr. U3. DIZ. 10 S. 1069. 100) Über Fahrlässigkeit im Sinne des si< he Erk. v. 30. Ottbr. 80, R. 2 S. 329. Eine solche kann darin gesunden werden, daß der Beamte unterlassen hat, sich mit den einschlagend, n gesetzlichen Bestimmungen bekannt zu machen. Dgl. ouw GA. 22 S. 274, ober darin, daß er eine unrichtige Abschrift einer Urteilsformel qls richtig beglaubigt. Erk. v. 1. März 09, Recht 13 Nr. 1251. 1) Siehe über den Tatbestand M § 346 im allgemeinen Heigelin in GA. 43 S. 96 u. folg. 2) Absicht bedeutet den bestimmten zielbewußten, gerade auf die Herbei­ führung des Erfolges gerichteten Willen. Bloßer Borsatz genügt nicht. Erk. V. 1. Juni 20, E. 54 S. 351 u. Erk. v. 7. Febr. 16, DStZ. 3 S. 490. Eine zeitweise Entziehung genügt. Erk. v. 24. Apr. 91. E. 24 S. 424. 3) Die Handlung darf nicht bloß von dem Beamten für strafbar gehalten sein, sondern muß objettin strafbar sein. Erk. v. 13. März 85, R. 7 S. 175. 4) Auch die Unterlassung der Anzeige eines Polizeibeamten gehört hierher. Erk. v. 30. April 85, E. 12 S. 161. Erk. v. 18. Juni 12, DStZ. 1 S. 324. Hat der Beamte an der zu verfolgenden Handl, selbst Teil genommen, so ist er zur Verfolgung ders. nicht verpflichtet. Erk. v. 6. Juni 98, E. 31 S. 196, auch dann nicht, wenn er in nach tz 257 oder 346 strafbarer Weise zugunsten des Täters gewirkt hat. Erk. v. 3 Jan. 08, GA. 55 S. 224 u. Erk. v. 11. März 13, Recht 17 Nr. 1237. Der Tatbestand des vollendeten Verbrechens scheidet aus, wenn die Vollstreckung einer Strafe absichtlich unterbleibt, die durch Am­ nestie erlassen ist, ohne daß der Beamte es weiß. Erk. v. 15. Febr. 21, Recht 25 Nr. 1243.

248

NI. Strafgesetzbuch §§ 347, 348.

Gesetze nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken, oder die Voll­ streckung der ausgesprochenen Strafe nicht betreibt, oder eine ge­ lindere als die erkannte Strafe zur Vollstreckung bringt. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter Einem Monat ein. § 347. Ein Beamter,*») welcher einen Gefangenen,«) dessen Be­ aufsichtigung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut ist,75) 6 vor­ sätzlich 8)9 10 entweichen 11 läßt oder dessen Befreiung vorsätzlich bewirkt»») oder befördert, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter Einem Monat ein. Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit»»») befördert oder er­ leichtert worden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu sechshundert»') Mark ein. § 348. Ein Beamter,»»') welcher, zur Aufnahme»^) öffentlicher 5) Ein Gefängnisbeamter wird hier nicht vorausgesetzt. GA. 21 S 358. 6) Über den Begriff des Gefangenen siehe die Anm. 58 zu § 120. 7) Eine besondere Übergabe und resp. Übernahme ist nicht notwendig,

Ert. v. 29. Mai 83, E. 8 S. 313, u. v. 19. Jan. 86, E. 13 S. 254; der § findet vielmehr schon Anwendung, wenn für den Beamten die Pflicht besteht, die Person des Gefangenen unmittelbar oder mittelbar zu beaufsichtigen, dies ist aber nicht der Fall bei den lediglich mit Bureauarbeiten beschäftigten Beamten. Erk. v. 7. Mai 95, E. 27 S. 209. 8) Der Borsatz kann nicht schon darin-gefunden werden, daß der Angekl. sich habe bewußt sein müssen, 'daß sein Tun zur Befteiung des Gefangenen führe. Ert. v. 18. Dezdr. 94, E. 26 S. 334. Zum Tatbestand des § genügt auch nicht die Vorhersehbarkeit der Entstehung günstigerer Bedingungen für ein Entweichen, sondern es muß auch die Möglichkeit des Entweichens selbst vorher­ sehbar sein. Erk. v. 24. Febr. 08, E. 41 S. 119; ferner auch nicht, daß in dem Gefangenen lediglich der Wille zu fliehen geweckt wird. Ert. v. 9. März 20, E. 54 S. 259. 9) Eine besondere Absicht, eine auf das Entweichen gerichtete Zweckvor­ stellung des Taters wird nicht verlangt. Erk. v. 29. Juni 08, Recht 12 Nr. 3002. Der Ta« bestand wird dadurch nicht ausgeschloffen,'baß der Täter in der Absicht handelte, der Gefangene werde nach einiger Zeit freiwillig zurihkkehren. Ert. v. 5. Juli 94, E. 26 S.. 53. Eine Entweichung liegt vor, wenn der Gefangene zu Botengängen benutzt und dabei unzureichend überwacht wird, auch wenn er sich wieder emfindet. Ert. v. 15. Novbr. 18, Recht 23 Nr. 684. 10) Auch die fahrlässige Befreiung eines Gefangenen, nicht bloß das Entweichenlaffen fällt unter den §. Ert: v. 2. Jan. 82, E. 5 S. 324 u. Erk. v. 14. Febr. 87, E. 15 S. 345. Es ist nicht erforderlich, daß der Beamte voraus­ sehen tonnte, der Gefangene werde die sich ihm etwa bietende Gelegenheit zur Flucht benutzen. Erk. v. 3. Apr. 13, Recht 17 Nr. 1405. 11) Siehe §11). Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 11a) Hierher gehören nicht bloß die eigentlichen Beurkundungsbeamten, sondern alle Beamte, welche nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften zu amtlichen Beurkundungen zuständig sind.

Berbrechen und Vergehen im Amte § 348.

249

Insbesondere gehören hierher: Gerichtsvollzieher, und zwar sind als hierher gehörige von denselben ausgestellte öffentliche Urkunden angesehen insbesondere das Protokoll über eine freiwillig erfolgte Zahlung, Erk. v. 14. Febr. 88, R. 10 S. 145, die Urkunde über das Ersuchen an die Post um Zustellung, Erk. v. 23. März 88, R. 10 S. 266; ferner auch die Protokolle über eine ftattgehabte Pfändung, Erk. v. 18. April 84, E. 6 S. 184 u. Erk. v. 11. Jan. 89, GA. 37 S. 51; ferner Bersteigerungsprotykolle, Erk. v. 24. Juni 85, R. 7 S. 431, das in Gemäßheit des tz 59 derGeschäftsanw. v. 24. Juli 79 (jetzt des §52 derGesch.Anw. v. 24. März 14) aufgenommene Protokoll, Erk. v. 13. Dezbr. 89, E. 20 S. 120. Für rechtlich er­ heblich ist auch die vom Gerichtsvollz. zu beurkundende Tatsache erachtet, daß das Pfändungsprvtokoll bei seiner Vorlesung, Genehmigung und Unterzeichnung auch die Angabe der abgepfändeten Gegenstände enthalten habe. Erk. v. 16. Jan. 91, GA. 39 S. 59. Keine Urkunden im Sinne dieses § sind die bloßen Pfändungsbe­ richte des Gerichtsvollz., sowie die Beilreibungslisten und Dienstregisier desselben, Erk. v. 14. Juni 81, E. 4 S. 283, Erk. v. 7. Jan. 99, E. 31 S. 420; (letztere sind aber Urkunden im Sinne des Abs. 2- Erk. v. 25. Jan. 10, Recht 14 Nr. 1054), ferner die Eingangsvermerke, mit denen d. Gerichtsvollz. nach der AB. v. 23. Febr. 85 (jetzt nach §53 GBO. v. 23. März 14) eingehende amtliche Aufträge zu ver­ sehen hat, Erk. v. 10. Jan. 90, E. 20 S. 175; ebensowenig die in Gemäßheit des § 14 der Min.Anw. v., 15. Septbr. 79 (jetzt KB. v. 15. Novbr. 99) vor­ geschriebenen Auszüge aus den Restverzeichniffen (Mahnlisten), Erk. v. 2. Oktbr. 90, E. 21 S. 104, auch nicht die Berichte eines Bollziehungsbeamten. Erk. v. 5. März 09, E. 42 S. 234. Über die Strafbarkeit eines von dem Gerichtsvollzieher zur Ergänzung

a.

einer Zustellungsurkunde gemachten unrichtigen Zusatzes siehe Erk. v. 18. Novbr. 92, E. 23 S. 321. Es liegt falsche Beurkundung vor. b. Standesbeamte. Ein solcher -macht sich strafbar nach diesem §, wenn er eine Urkunde über eine ihm gemachte Anzeige durch seinen Schreiber aufnehmen läßt und dieselbe später unterzeichnet, obgleich er dem Akte selbst gar nicht bei­ gewohnt hat. Erk. v. 3. Dezbr. 85, E. 13 S. 116. Es ist ferner die falsche Be­ urkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache, wenn der Beamte in der von ihm aufgenommenen Verhandlung den Vermerk, daß die Verhandlung den Er­ schienenen vorgelesen und von ihnen genehmigt sei, oder wenn er im Register das Datum der Eintragung wissentlich falsch angibt, Erk. v. 21. Juni 89, GA. 37 S. 203; nicht minder fällt der Beamte unter diesen §, wenn er die Unterschriften unter den über Geburtsanzeigen aufgenommenen Protokollen vorsätzlich und ohne Wissen und Willen der Unterzeichner verändert. Erk. v. 29. Oktbr. 89 GA. 37 S. 364. In der unrichtigen Beurkundung der Anerkennung der unehelichen Vater­ schaft in dem Register ist der Tatbestand des § zu finden, Erk. v. 24. Jan. 95, E. 26 S. 408. — Ebenso verstößt ein Standesbeamter gegen das Gesetz, der Geburten oder Sterbefälle beurkundet hat, obwohl die Anzeigenden mit ihm gar nicht persönlich verkehrt haben. Dolus eventualis ist zur Begründung des subj. Tatbestandes ausreichend. Erk. v. 8. Jan. 98, GA. 46 S. 111. Wegen Bei­ hilfe des Schreibers siehe Erk. v. 8. März 86, E. 13 S. 393. c. SchiedSmänuer. Der Umstand, daß bei einer Sühneverhandlung vor dem Schiedsmanne der eine Teil persönlich erschienen ist, bildet keine rechtlich er­ hebliche Tatsache, deren unrichtige Beurkundung unter § 348 fällt. Erk. v. 14. Febr. 90, E. 20 S. 235. Dagegen begeht ein Schiedsmann eine Fälschung, wenn er in dem Protokollbuche und in dem ausgestellten Atteste bezeugt, daß in dem Termine der Be-

260

III. «Strafgesetzbuch § 348.

klagte nicht erschienen sei, während er selbst den Termin gar nicht wahrgenommen, und bleibt der Tatbestand der Fälschung selbst dann bestehen, wenn die bezeugte Tatsache richtig ist. Erk. v. 4. März 92, GA. 40 S. 34.

a. yleiichbrschauer. Ein solcher fällt unter den 8, wenn er bezeugt, daß er daS Fleisch „in vorschriftsmäßiger Weise" untersucht habe und er die unter­ suchten Teile nicht selbst entnommen hat. Denn letzteres ist eine rechtlich erhebliche Tatsache, die von dem Atteste mit umfaßt wird. Erk. v. 30. Oktbr. 91, GA. 39 S. 317. Bgl. Erk. v. 27. Jan. 88, E. 17 S. 94 u. Erk. v. 23. Septbr. 18, Recht 23 Nr. 184. (Bek. v. 29. Ottoder 17 über die Regelung des Fleischverbrauchs RGBl. ©. 949 § 11.) e. Gemeindevorsteher. Öffentl. Urkunde ist die Bescheinigung, welche der vom Standesbeamten ersuchte Gemeindevorsteher über einen stattgehabten Aus­ hang erteilt. Erk. v. 7. Mai 81, E. 4S. 155. Desgleichen sind die Biehursprungsatteste öffentliche Urkunden, deren Ausstellung zur Zuständigkeit des Ge­ meindevorstehers gehört. Erk. v. 17. Juni 80, R. 2 S. 76. Zur Beglaubigung von Namensunterschristen sind die Gemeindevorsteher in den östlichen Provinzen nicht zuständig, Erk. v. 21. Juni 92, E. 23 S. 180, u. ebensowenig in der Rheinprovinz, Erk. v. 16. Mai 95, E. 27 S. 231.

f. Postagenten sind Beamte, und falsche Einträge derselben in daS PostAnnahmebuch B fallen unter § 348. Erk. v. 26. Jan. 91, E. 21 S. 310. g. Postboten. Schreibt ein solcher das Wort „selbst" auf die Rückseite deS Ablieferungsscheines, so stellt dies keine Beurkundung im Sinne des § 348 dar. Erk. v. 12. Dezbr. 84, R. 6 S. 811. Wenn ein Postbote die wahrheitswidrige Beurkundung über eine Zustellung an die Postbehörde abliefert, so macht er sich nach § 348 strafbar, wenn er auch zur Zeit der Ausfüllung des Formulars den Namen des Adressaten in dem guten Glauben eingesetzt hat, daß er denselben antreffen und die Zustellung bewirken werde. Erk. v. 14. Jan. 86, R. 8 S. 46. Bgl hierzu auch das Erk. v. 17. Mai 89, E. 19 S. 243 über den Fall, in welchem die vorbereitungsweise ausgestellte Urkunde ohne Wissen und Willen deS Beamten aus seiner Verfügungsgewalt gekommen war. Zu den Urkunden im Sinne dieses § gehören auch die Posteinlieferungs­ scheine, Erk. v. 8. Novbr. 83, E. 9 S. 240, die Bescheinigungen über Zustel­ lungen, Erk. v. 7. Febr. 82, E. 6 S. 17. h. Telegraphenbcnmte. Ein Telegraphenbeamter, der innerhalb seiner Zu­ ständigkett eine in Wirklichkeit auf der Station nicht amtlich angekommene Depesche alS solche fälschlich ausfertigt, verübt eine fälschliche Beurkundung. Erk. v. 5. Juli 97, E. 30 S. 238, u. ebenso Erk. v. 28. Febr. 98, E. 31 S. 42.

I. Austizanwärter, welche zu ihrer Ausbildung einem Gerichtsschreiber über­ wiesen sind, sind zur Aufnahme öffentlicher Urkunden nicht ohne weiteres befugt. Erk. v. 23./30. Oktbr. 88, R. 10 S. 589. Siehe auch Erk. V.18. Ottbr. 18, E. 52 S. 268.

k. GerichtSschrelber. Ein Gerichtsschreiber, der einen noch gar nicht existterenden aber mit Sicherheit zu erwartenden Gerichtsbeschluß ausferttgt, macht sich strafbar, Erk. v. 8. Mai 11, JurW. 40 S. 853. 1. Notar. Ein Notar, der die nachträgliche Berichtigung einer von ihm geferttgten Urkunde vornimmt, in der Annahme, daß er hierzu berechtigt sei, ob­ wohl dies nach seiner Dienstanweisung nicht der Fall ist. befindet sich im strafauSschließenden Irrtum (§ 59). Erk. v. 13. Febr. u5, JurW. 34 S. 756. Die Angabe der Nummer des Notariatsregisters auf der Urschrift einer notariellen Urkunde ist keine Beurkundung. Erk. v. 25. Febr. 08, E. 41 S. 131.

251

Verbrechen und Vergehen im Amte § 348.

Urkunden") befugt, eine

rechtlich

innerhalb seiner Zuständigkeitu)

erhebliche16)

Tatsache

falsch

vorsätzlich")

beurkundetI7)

oder

in

m. Kan-teipprsonal. Kanzleibeamte und Kanzleigehilfen sind Staatsbeamte. Die im Falle eines vorübergehenden Bedürfnisses angenommenen Hilfsschreiber haben nicht die Eigenschaft eines Staatsbeamten. (§§1,8 der Kanzlei-Ordnung v. 27. März 07, JMBl. S. 89.) ». Die Bürgermeister sind in der Rheinprovinz zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugte Beamte und das Beschlußbuch des Gemeinderats ist ein öffent­ liches Buch. Erk. v. 27. Oktbr. 94, E. 26 S. 165. o. Der preußische Jagdvorfteher; sein von ihm aufgenommenes Protokoll stber Verpachtung der Jagd ist ein amtliches Schriftstück. Erk. v. 20. Febr. 12, E. 46 S» 3. p. AmtSnnwLlte. Deren Strafprozeßliste ist Urkunde im Sinne des §. Erk. v. 10. Oktober 11, E. 45 S. 164. q. Beamte, denen in gesetzlich zulässiger Weise z. B. auf Grund eines Orts­ statuts ein amtlicher Zustellungsauftrag erteilt ist. Erk. v. 25. Oktbr. 07, E. 40 S. 351. Einem Schutzmann muß der Auftrag von der zuständigen Dienststelle erteilt sein. Erk. v. 2. Febr. 09, GA. 56 S. 218.

12) Die Ausdrücke „Aufnahme" und „Ausstellung" einer Urkunde sind Nicht gleichbedeutend. Erstere ist der Akt, durch welche der Beamte eine vor ihm von einem anderen abgegebene Erklärung zum Zwecke des Beweises feststellt. Erk. v. 13, März 80, E. 1 S. 312. 13) Über öffentliche Urkunden siehe oben die Anm. zu § 267.

14) Nur auf die Zuständigkeit kommt es an, nicht auch auf die Rechtmäßig­ keit der Amtsausübung. Erk. v. 13. Dezbr. 89, E. 20 S. 119. Ein Irrtum des Täters über seine Beamteneigenschaft kann ein Strafaus­ schließungsgrund sein. Erk. v. 9. Jan. 93, E. 23 S« 374. 15) Zum dolus wird nur das Bewußtsein gefordert, daß die beurkundete Tatsache rechtlich erheblich sei. Erk. v. 10. Jan. 84, E. 10 S. 36. Erk. v. 17. Mai 89, E. 19 S. 243, aber nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Handlungsweise. Erk. v. 19. Juni 11, GA. 59 S. 326. Es genügt aber auch, daß der Beamte sich auch nur der möglichen Rechts­ erheblichkeit der ftaglichen Tatsache bewußt gewesen ist, also der dolus eventualis. Erk. v. 7. Febr. 82, E. 6 S. 17, Erk. v. 6. Juni 85, E. 12 S. 297. Stellte sich der Beamte die Möglichkeit, daß die beurkundete Tatsache rechtlich erheblich sei, überhaupt nicht vor, so liegt auch kein dolus eventualis vor. Erk. v. 14. Febr. 90, E. 20 S. 236. Auch das Auftreten von Zweifeln rechtfertigt noch nicht die Annahme von Eventualdolus. Erk. v. 23. Febr. 03, Recht 7 S. 162. Fahrlässige Beurkundungen fallen nicht unter § 348. Erk. v. 23.Nov. 93, E. 24 S. 400. 16) Rechtlich erheblich ist alles dasjenige, worüber der Beamte eine Nach­ richt oder eine Beurkundung in die Urkunde aufzunehmen durch die ihm ge­ gebenen Vorschriften angewiesen ist. Erk. v. 24. Mai 82, E. 6. S. 362, u. Erk. v. 21. Juni 89, GA. 37 S. 203. So z. B. der Grundbuchführer den Eingang eines Antrags. Erk. v. 27. Oktbr. 14, E. 48 S. 416. Im übrigen kommt es nicht darauf an, daß die fälschlich beurkundete Tatsache für den konkreten Fall rechtlich erheblich ist, sondern es genügt, daß sie in abstracto rechtserheblich ist. Erk. v. 3. Dezbr. 97, E. 30 S. 373. 17) Beurkundung ist der Akt, durch welchen der Beamte eine von einem anderen abgegebene Erklärung oder eine von ihm gemachte Wahrnehmung zum

252

HL Strafgesetzbuch § 348.

öffentliche Register oder Bücher18) falsch einträgt, wird mH Gefängnis

nicht unter Einem Monat bestraft. Dieselbe Strafe trifft einen Beamten,19) welcher eine ihm amtlich anvertraute") oder zugängliche2l) Urkunde") vorsätzlich vernichtet,

beiseite schafft,") beschädigt") oder verfälscht.") Zwecke des urkundlichen Beweises feststellt. Erk» h. 7. Novbr. 84, E. 11 S. 257. — Beurkundungen, welche nur zur Kontrollierung des inneren Dienstverkehrs bestimmt sind, fallen nicht unter diesen §.' Erk. v. 10. Jan. 90, E. 20 S. 175, Erk. v. 2. Oktbr. 90, E. 21 S. 105. So z. B. nicht ein Vermerk in der Liste der Überführungsstücke über die Aushändigung eines solchen Stücks. Erk. D,

18. Oktbr. 18, E. 52 S. 268; nicht die Bestellvermerke des Postboten auf der Rückseite der Paketadresse. Erk. v. 2. Apr. 19, Recht 23 Nr. 1018. Auch die Kostenregister der preuß. Gerichtskassen find Urkunden im Sinne des §. Erk. v. 4. Oktbr-92, E. 23 S. 237 ; desgl. Strasprozeßregister. Erk. v. 10. April 05, E. 38 S. 46. Doch gehören hierher nicht Urkunden, die nur für Zwecke des inneren Dienstes bestimmt sind. Erk. v. 18 28. Jan. 09, E. 42 S. 161. Ferner auch nicht Zifferblätter vor dem Zeitpunkt ihrer Einlegung in die Kontrolluhren. Erk. v. 25. Febr. 10, Recht 14 Nr. 1311. 18) Dies sind nur solche, welche für und gegen jedermann allgemein als Beweismittel dienen. Diejenigen, welche nur die Kontrolle des inneren Dienstes bezwecken, gehören nicht hierher. Siehe die in vor. Anm. zit. Erk. 19) Der Abs. 2 trifft alle Beamte, auch solche, die nicht zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt sind, und die hier genannten Urkunden brauchen nicht immer öffentliche, noch auch zum Beweise rechtlich erheblicher Tatsachen geeignet zu sein. Erk. v. 19. Dezbr. 87, R. 9 S. 731, Erk. v. 21. Febr. 88, E. 17 S. 169, u. Erk. v. 18. Novbr. 92, E. 23 S. 321. Dagegen wird Beweisfähig­ keit als zum Wesen jedes Beweismittels gehörig von dem Erk. v. 19. Dezbr. 87,

E. 17 S. 103, verlangt. Erk. v. 11. Dezbr. 96, E. 29 S. 238. In dem Erk. v. 22. Jan. 84, R. 6 S. 42 ist ein bloßes Erinnerungs­ schreiben eines Vorgesetzten an den untergebenen Beamten hierher gerechnet worden, ebenso ein Schreiben an einen Gerichtsvollzieher, in welchem demselben von dem Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung beantragt hatte, mit einer Beschwerde gedroht wird. Erk. v. 13. Septbr. 93, GA. 41 S. 276. Auch Restverzeichniffe, die zur Kontrolle der erledigten Sachen geführt werden, gehören hierher. Erk. v. 13. Novbr. 14, E. 49 S. 32. 20) Es wird also die Verletzung einer besonderen Berttauenspflicht vor­ ausgesetzt, welche darin besteht, daß der Beamte für die Erhaltung der Existenz, Gebrauchsfähigkeit und materiellen Richtigkeit der Urkunde zu sorgen hat. Erk. v. 23. Septbr. 84, E. 11 S. 85. Die in einem verschlossenen Briefe enthaltenen Urkunden sind dem Post­ beamten, welcher den Brief zu besorgen hat, nicht anvertraut. Erk. v. 15. März 83, E. 8 S. 196. Vgl. dazu Erk. v. 11. Juli 99, E. 32 S. 266. Der Posteinlieferungsschein, welchen der Gerichtsvollz. über eine an seinen Aufttaggeber abgesendete Geldsumme von der Postbehörde erhalten, kann als eine ihm amtlich anvertraute u. bzw. amtlich zugängliche Urkunde angesehen werden. Erk. v. 2. Juli 89, GA. 37 S. 296. Dem Boten, der im amtl. Auf­ trage Postsendungen zur Post befördert und die eingegangenen Postsachen von der Post abholt, sind dieselben anvertraut. Erk. v. 11. Dezbr. 96, E. 29 S. 238. Desgl. auch dem Gerichtsdiener, der die eingehenden Briefe zu öffnen und Vorzülegen hat. Erk. v. 21. Dezbr. 14, GA. 62 S. 336.

Berbrechen und Vergehen im Amte §§ 349, 350.

253

§ 349. Wird eine der im § 348 bezeichneten Handlungen in der Absicht begangen, sich oder einem anderen einen Vermögens­ vorteil 26) zu verschaffen oder einem anderen Schaden znzufügen, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich auf Geldstrafe von einhundertsunfzig19 bis zu dreitausend Mark zu erkennen. § 350. Ein Beamter, welcher Gelder oder andere Sachen, die er in amtlicher Eigenschaft2?) empfangen oder in Gewahrsam hat, 21) Dazu gehört, daß der Beamte durch seine dienstliche Stellung die Möglichkeit gewinnt, zu der Urkunde zu gelangen. Erk. v. 19. Dezbr. 87, R. 9 S. 731. Erk. v. 24. März 93, E. 24 S. 89. 22) Über den Begriff der Urkunde im Sinne dieses § siehe Anm. 17. 23) Beiseiteschaffen ist vorhanden, wenn die Urkunde durch räumliche Ent­ fernung von ihrem Aufbewahrungsorte, wenn auch nur vorübergehend, der Disposition deS Berechtigten entzogen wird, Erk. v. 8. Novbr. 80, R. 2 S. 474, aber bloßes Verheimlichen genügt nicht. Erk. v. 28. Febr. 84, E. 10 S. 189, wohl aber das Verstecken von Schriftstücken (unbearbeiteten Resten), damit sie der Vorgesetzte nicht findet. Erk. v. 5. April 21, Recht 25 Nr. 2081. Daß die Urkunde aus dem Amtslokal entfernt worden, ist nicht notwendig und ebenso­ wenig ist erforderlich, Laß der Täter dieselbe dem Berechtigten dauernd hat entziehen wollen. Erk. v. 4. Dezbr. 91, E. 22 S. 242. Aber es genügt auch wiederum nicht jedes bewußt unberechtigte Ansichnehmen der Urkunde und ins.besondere nicht die zum Zwecke eines augenblicklichen unbefugten Gebrauchs be­ wirkte Wegnahme, es ist vielmehr eine solche unberechtigte Verfügung erforder­ lich, welche gegen die durch amtliche Verwahrung gewährte Sicherheit für die Erhaltung der Integrität und Gebrauchsfähigkeit der Urkunde gerichtet und diese aufzuheben oder zu beeinträchtigen bestimmt ist. Erk. v. 29. April 92, E. 23 S. 99. Vgl. auch Erk. v. 31. Jan. 95, E. 26 S. 413. Zur Zeit des Bei­ seiteschaffens muß der Täter die amtliche Eigenschaft noch besitzen. Erk. v. 5. Juli 20, Recht 25 Nr. 2285. 24) z. B. Herausschneiden eines Protokolls aus den Akten, Erk. v. 10. Mai 82, R. 4 S. 470; ebenso Beseitigung u. Ersatz einzelner Teile eines Protokolls, Erk. v. 18. Septbr. 94, E. 26 S. 72, aber der A. muß sich bewußt sein, daß er dadurch die Beweiskraft des Protokolls zerstörte. Die irrige Annahme des Beamten, daß er befugt gewesen sei, die ihm an­ vertraute Urkunde zu vernichten, kann seine Strafbarkeit ausschließen. Erk. v. 29. Oktbr. 95, E. 27 S. 401. 25) Dahin gehört jede unbefugte Änderung des Inhalts; auf die materielle Unrichtigkeit kommt es nicht an. Erk. v. 17. Jan. 81, E. 3 S. 324. Erk. v. 17. Dezbr. 12, E. 46 S. 418. 26) Ob der Vermögensvorteil schon vor der Verübung der Tat gewährt, worden, ist gleichgültig; es kommt nur auf den Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung an, Erk. v. 8. Dezbr. 87, R. 9 S. 713. Die Beur­ kundung von objektiv Unwahrem braucht nicht notwendig in der Attestierung positiver unwahrer Tatsachen zu bestehen, es genügt auch das Verschweigen er­ heblicher Tatsachen. Erk. v. 5. Oktbr. 91, E. 22 S. 151. 27) Amtliche Eigenschaft deckt sich nicht mit Zuständigkeit. E. 1 S. 124. Es genügt, daß der Täter zur Ausführung des Geschäfts, wofür er das dem­ nächst unterschlagene Geld empfangen hatte, tatsächlich in seiner Eigenschaft als Beamter angewiesen ist. Erk. v. 1. Dezbr. 05, DIZ. 11 S. 320; selbst wenn die Hingabe in der irrtümlichen Annahme erfolgt, der Empfangende sei zur

254

in. Strafgesetzbuch § 351.

unterschlägt, 2b) wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten be­ straft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Der Versuch ist strafbar. § 351.

Hat der Beamte29) in Beziehung auf die Unterschlagungso)

Empfangnahme berufen. Erk. v. 7. Juli 90, E. 21 S. 51. Erk. v. 6. Novbr. 11, GA. 50 S. 440. Empfangen i. a. E. ist auch das Geld, welches ein zur Vornahme öffentlich freier Versteigerungen bestellter Auktionator aus einer im Auftrage einer Privatperson vorgenommenen Versteigerung vereinnahmt. Erk. v. 16. März 03, Recht 7 S. 216. Ader nicht dasjenige, welches einem Beamten nur bei Gelegenheit der Ausübung des Amtes gezahlt worden ist. Erk. v. 3. Juni 80, E. 2 S. 84. Siehe auch Erk. v. 6. Mai 81, E. 4 S. 153. — Kennt ein Beamter seine Beamteneigenschaft nicht, so liegt ein Irrtum vor, der einen Schuldausschließungsgrund darstellt. Erk. v. 22. April 04, Recht 8 S. 534. Amtliches Anvertrauen liegt vor, sobald ein unmittelbar ursächlicher Zu­ sammenhang zwischen der dienstlichen Obliegenheit und der Empfangnahme besteht. Ein Beamter, welcher mit Genehmigung des Vorgesetzten einen anderen Beamten vertritt, empfängt etwa übernommene Gelder in amtlicher Eigenschaft. Erk. v. 14. April 80, R. I S. 591. Ebenso empfängt ein Postbote die Gelder in amtlicher Eigenschaft, über die er eine Postanweisung ausfertigen und die er sodann der Post übergeben soll. Erk. v. 4. April 84, R. 6 S. 271. Ein suspen­ dierter Beamter hört nicht auf, Beamter zu sein. Erk. v. 30. Dezbr. 03, Recht 8 S. 51. Der Hausvater eines Kreislazaretts ist Beamter und hat die nach dem Tode eines Kranken in Verwahrung genommenen Sachen in amtlicher Gewahr­ sam. Erk. v. 1. Novbr. 93, GA. 41 S. 400. 28) Die Amtsunterschlagung erfordert dieselben Tatbestandsmerkmale wie die einfache Unterschlagung, dieselbe liegt also nicht schon notwendig darin, daß der Beamte amtlich empfangene Gelder zurückhält, um sie zur Deckung eines Mankos in seiner Kaffe zu verwenden, denn es fehlt der Akt der Zueignung. Erk. v. 12. April 88, E. 17 S. 321. Der Tatbestand der A.-U. wird jedoch dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Beamte jederzeit in der Lage ist, Ersatz zu leisten. Erk. v. 20. Oktbr. 8V, E. 3 S. 10. Erk. v. 27. Nov. 93, GA. 41 S. 410. Vgl. aber das abweichende Erk. v. 17. März 98, GA. 46 S. 202. Die bloße Vermischung amtlich empfangenen Geldes mit dem eigenen stellt nicht schon an sich eine Art der Zueignung dar. Erk. v. 8. Febr. 95, E. 26 S. 437. Der Postbeamte, der nur das Umpacken, Ordnen und Aufsichten der Pakete zu be­ sorgen hat, hat an ihnen keinen Gewahrsam. Erk. v. 28. Okt. 10, DIZ. 16 S. 283. Erk. v. 23. März 16, Recht 20 Nr. 1228. Übernimmt ein Ge­

meindevorsteher die Einziehung der Kommunalabgaben, so empfängt er die eingezogenen Gelder in amtlicher Eigenschaft und fällt event, unter diesen §. Erk. v. 31. März 96, GA. 44 S. 56. — § 350 ist auch dann anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des § 370 Nr. 5 vorliegen. Erk. v. 21. Dezbr. 12, E. 46 S. 377. 29) Hier werden nur solche Beamte vorausgesetzt, die amtliche Gelder zu erheben und abzuführen, sowie darüber Listen zu führen haben; eine Verwaltung braucht ihnen nicht obzuliegen. Ein Landbriefträger wird hierher gerechnet. Erk. v. 15. Febr. 84, R. 6 S. 114, u. Erk. v. 4. April 84, ebenda S. 271. 30) Es müssen alle Tatbestandsmerkmale der einfachen Unterschlagung vor­ liegen, der § 351 stellt nur einen straferhöhenden Umstand des Vergehens aus § 350 dar. Erk. v. 30. Septbr. 80, E. 2 S. 279.

Berbrechen und Vergehen im Amte § 352.

266

die zur Eintragung oder Kontrolle der Einnahmen oder Ausgaberk be­ stimmten Rechnungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, ver­ fälscht oder unterdrückt, oder unrichtige Abschlüsse oder Auszüge aus diesen Rechnungen, Registern oder Büchern, 3*) oder unrichtige BelegeSOb) zu denselben vorgelegt, oder ist in Beziehung auf die Unterschlagung aus Fässern, Beuteln oder Paketen der Geldinhalt fälschlich bezeichnet, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. § 352.

Ein Beamter, Advokat, Anwalt31 * *)32 * oder * * * *sonstiger * Rechts­

beistand , welcher Gebühren33) oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vorteile zu erheben hat, wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß,33) daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage ver30 a) Hierzu gehört auch das vom Kreisarzt zu führende Jnventarienverzeichnis. Erk. v. 1. Dezbr. 11, E. 45 S. 293; ferner das Annahmebuch des Landbriefträgers. Erk. v. 26. Ottbr. 20, Recht 25 Nr. 2930. Ein öffentliches Register oder Buch im Sinne des § 348 wird nicht vorausgesetzt. Erk. v. 11. Jan. 10, E. 43 S. 207. Doch findet der Paragraph auch auf sie Anwendung. KR. Anm. 5. A. M. Olshausen Sinnt. 5. 30 b) Beleg ist nur dasjenige, was zur Rechtfertigung der Eintragungen in die Bücher dienen soll. Erk. v. 14. Mai 06, GA. 53 S. 285. 31) Der § trifft auch dann zu, wenn der RA. die Berufstätigkeit, für die er liquidiert hat, gar nicht gewähren durfte und aus diesem Grunde die Gebühr auch nicht verschuldet wird. Erk. v. 5. Ottbr. 86, E. 14 S. 364. Dies Delikt kann ein RA. nur der von ihm vertretenen Partei, nicht auch dem Gegner gegen­ über begehen. Erk. v. 22./26. Novbr. 88, R. 10 S. 685. — Hierher gehören auch die Gerichtsvollzieher. Erk. v. 21. Febr. 88, E. 17 S. 169. 32) Unter Gebühren ist nur eine Gegenleistung für Handlungm oder Leistungen des Staates oder einer öffentlichen Institution zu verstehen, welche ihrer Höhe nach im voraus durch einen festgestellten Tarif reguliert worden ist. Erk. v. 13. Juli 93, E. 24 S. 234. — Zu den Gebühren gehören nicht auch Portoauslagen, aber anders im Falle des § 353, Erk. v. 21. Febr. 88, E. 17 S. 169. Erk. v. 5. Oktbr. 86, E. 14 S. 364. In dem zuletzt erwähnten Erk. wird ausgeführt, daß „Erheben" von Gebühren nichts ärgeres ist, als Fordern und Empfangen und daß es unerheblich ist, ob die Forderung mit Klage und Zwangsvollstreckung beigetrieben wird. Unerheblich ist es auch, ob sie mittels Abrechnung abgezogen wird. Erk. v. 10. Februar 14, GA.. 62 S. 127. — Zu den Gebühren gehören Pauschsätze gemäß § 78 RAGebO. Erk. v. 6. Juli 14, Recht 16 Nr. 2806.

33) Als dolus genügt das Bewußtsein, daß er die betreffenden Gebühren nicht, zu fordern hat; die Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, oder gar eine betrügerische Absicht ist nicht erforderlich. Erk. v. 28. April 81, E. 4 S. 227 u. Erk. v. 20. Septbr. 97, E. 30 S. 249. Jnsbes. ist hier auch ein bloßer Eventualdolus genügend. Erk. v. 24. Novbr. 87, E. 16 S. 383. A. M. KR. Anm. 7.

256

HI. Strafgesetzbuch §§ 353, 353 a.

schuldet, mit Geldstrafe bis zu dreihundertn) Mark oder mit Gefäng­ nis bis zu Einem Jahre bestraft. Der Versuch ist strafbar.^) § 353. Ein Beamter, welcher Steuern, GebührenS6) oder andere Abgaben für eine öffentliche Kasse zu erheben hat, wird, wenn er Abgaben, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage verschuldet, erhebt, und das rechts­ widrig Erhobene ganz oder zum Teil nicht zur Kasse bringt,^) mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher bei amtlichen Aus­ gaben an Geld oder Naturalien dem Empfänger vorsätzlich und rechts­ widrig Abzüge macht und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung stellt. § 353 a. Ein Beamter im Dienste des Auswärtigen Amtes deS Deutschen Reichs, welcher die Amtsverschwiegenheit ”) dadurch verletzt, daß er ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftstücke oder eine ihm von seinem Vorgesetzten erteilte Anweisung oder deren In­ halt anderen widerrechtlich mitteilt, wird, sofern nicht nach anderen Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend") Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft einen mit einer auswärtigen Missivn be­ trauten oder bei einer solchen beschäftigtest Beamten, welcher den ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich erteilten Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandett, oder welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder entstellte Tatsachen berichtet. 34) Ein strafbarer Versuch kann schon in der erfolglosen Aufforderung zur Zahlung nicht verschuldeter Gebühren gefunden werden. Erk. v. 17./21. Dezbr. 86, R. 8 S. 771. 35) . Dahin gehören auch Postportobeträge. Erk. v. 7. Dezbr^ 80, E. 3 S. 87. A. M. KR. Anm. II 2. Es wird für den Tatbestand des Delikts vor­ ausgesetzt, daß es sich um Abgaben handelt, welche in der Tat der Staat er­ hebt und die also von den öffentlichen Kaffen erhoben und eingezogen werden. Erk. v. 11. Oktbr. 92, E. 23 S. 263; ebenso GA. 42 S. 269. Nicht ist er­ forderlich, daß der Betrag der Leistungen ein mittels Gesetzes oder Berwaltungsvorschrift fixierter sei. Erk. v. 11. Febr. 08, E. 41 S. 91. Unter den § fällt auch W Gebührenerhebung der Gerichtsvollzieher. Erk. v. 15. Novbr. 07, E. 40 S. 378. 36) Das Merkmal des „Nichtzurkaffebringens" wird nicht schon dadurch allein ausgeschloffen, daß das rechtswidrig Erhobene tatsächlich überhaupt dem Kaffenbestande zugeführt ist, etwa um vorhandene Defekte zu verdecken. Erk. v. 30. Novbr. 94, E. 26 S. 259. 37) Der Umfang der Amtsverschwiegenheit bestimmt sich nach § 11 des Reichsbeamtengesetzes. — Das Vergehen gegen Abs. 1 kann nicht fahrlässig be­ gangen werden. Erk. v. 20. Dez. 07, E. 41 S. 4.

257

verbrechen und vergehen im'Amte §§ 354, 355.

z 354.

Ein Postbeamter, welcher die der Post “) anvertrauten

Briefe00) oder Pakete in anderen, als den im Gesetze vorgesehenen

Fällen eröffnet40 36)41 * oder * 42 * 43unterdrückt,") oder einem anderen wissentlich eine solche Handlung gestattet, oder ihm dabei wissentlich Hilfe leistet,

wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.") § 355.

Telegraphenbeamte oder andere mit der Beaufsichtigung

und Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphen­

anstalt betraute Personen,") welche die einer Telegraphenanstalt an­ vertrauten Depeschen

verfälschen oder in anderen,

als in den im

Gesetze vorgesehenen Fällen eröffnen oder unterdrücken, oder von ihrem Inhalt

Dritte

rechtswidrig

benachrichtigen,

oder

einem

anderen

wissentlich eine solche Handlung gestatten oder ihm dabei wissentlich

Hilfe leisten, werden mit Gefängnis bestraft. 36) D. h. der Postbehörde. Erk. v. 8. März 92, E. 22 S. 394. 39) Kreuzbandsendung ist kein Brief. Erk. v. 15. Mai 00, E. 33 S. 276. Ansichtspostkarten sind offene Briese, falls sie nicht allein bildliche Darstellungen enthalten, sondern daneben noch gedankliche Mitteilungen vermitteln sollen. Erk. V. 15. Febr. 05, Recht 9 S. 139. Briefe sind auch Postpackemdreffen. Erk. v. 12. Jan. 12, GA. 59 S. 467. Desgl. Postanweisungen. Erk. v. 8. Dezbr. 79, R. 1 S. 124, Nachnahmekarten. Erk. v. 9. Juli 13, GA. 61 S. 335. Auch ein offener, eine Drucksache enthaltender Umschlag, Erk. v. 16. Juni 03, E. 36 S. 267. Wenn ein Postbeamter einem Postboten einen Brief zur Abgabe an die Postbehörde eines anderen Ortes übergibt, so ist ein solcher Brief nicht der Post anvertraut. Erk. v. 8. März 92, E. 22 S. 394. Sine spezielle dienstliche Be­ fassung des Täters mit dem Brief ist nicht erforderlich. Erk. v. 29. Dezbr. 03, E. 37 S. 40. Zwischen § 354 u. 348 besteht Jdealkonkurrenz. Erk. v. 22. Jan. 15, E. 49 S. 136. 40) Die betr. Feststellung braucht nicht mit den Worten des Gesetzes zu ge­ schehen. Erk. v. 3. Apr. 06, GA. 53 S. 276. Eröffnen heißt den Verschluß des Briefes (Paketes) beseittgen oder unwirksam machen. Ob der Verschluß mangel­ haft war, ist gleichgültig. Auch ist eine vollständige und dauernde Offenlegung des Inhalts nicht notwendig. Erk. v. 18. März, u. v. 25. April 90, E. 20 S. 349 u. 375. 41) Auch eine zeitweise Entziehung aus dem Postverkehr genügt. Erk. v. 8. Dezbr. 79, E. 1 S. 114. Erk. v. 9. Jan. 96, E. 28 S. 100. Erk. v. 9. Ottbr. 18, E. 52 S. 248. Es ist aber erforderlich, daß der Zweck des Absenders und Postverkehrs vom Täter durchlreuzt wird. Siehe E. 47 S. 68. 42) Zum dolus genügt, daß die Eröffnung vorsätzlich und mit dem Be­ wußtsein der mangelnden Befugnis geschieht. Erk. v. 8. Dezbr. 79, E. 1 S. 114. Das Bewußtsein der Beamteneigenschaft ist nicht erforderlich, nur muß der Täter wiffen, er befinde sich in einer Dienststellung, die ihm besonderes Verhalten zur Pflicht macht, und daß ihm aus dieser Pflicht heraus jein Tun verboten war. Erk. v. 22. Oktbr. 18, E. 53 S. 131. 43) Die Personen müffen in einem dienstlichen Verhältnis zu der Tele­ graphenanstalt ft« hen und von einem dazu Berufenen mit der Wahrnehmung der Funktion betraut sein. Erk. v. 9. Novbr. 94, E. 26 S. 183. — Nicht ist erforderlich, daß der Täter dienstlich mit der Depesche befaßt war. Erk. v. 27. März 15, E. 49 S. 213. Dalcke, Strafrecht.

16. Aufl.

(1922-.

17

258

III. Strafgesetzbuch §§ 356—359.

Den einer Telegrapbenanstalt anvertrauten Depeschen werden Nachrichten gleichgeachtet, die durch eine zu öffentlichen Zwecken dienende Fernsprechanlage vermittelt werden. § 356. Ein Advokat, Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand,"*) welcher bei den ihm vermöge seiner amtlichen Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache") beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Handelt derselbe im Einverständnisse mit der Gegenpartei zum Nachteile seiner Partei, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein. § 357. Ein Amtsvorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer strafbaren Handlung im Amte vorsätzlich verleitet oder zu ver­ leiten unternimmt, oder eine solche strafbare Handlung seiner Unter­ gebenen wissentlich'geschehen läßt, hat die auf diese strafbare Hand­ lung angedrohte Strafe verwirkt. Dieselbe Bestimmung findet auf einen Beamten Anwendung, welchem eine Aufticht oder Kontrolle über die Amtsgeschäste eines anderen Beamten übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Beamten begangene strafbare Handlung die zur Aufsicht oder Kontrolle ge­ hörenden Geschäfte betrifft. § 358. Neben der nach Vorschrift der §§ 331, 339—341, 352 bis 355 und 357 erkannten Gefängnisstrafe kann aus Verlust der Fähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von Einem bis

zu fünf Jahren erkannt werden. 46 * *) 44 45 § 359. Unter Beamten^) im Sinne dieses Strafgesetzes sind 43 a) Hierzu gehören nicht Privatpersonen, die frembe Rechtsangelegen­ heiten gewerbsmäßig betreiben. Erk. v. 20. Septbr. 17, E. 51 S. 220. 44) Rechtssache bedeutet alle Rechtsangelegenheiten, bei welchen zwei, ein entgegengesetztes Jntereffe verfolgende Parteien vorkommen können. Erk. v. 13. April 92, E. 23 S. 60. Dgl. auch Erk. v. 5. Oktbr. 86, E. 14 S. 365. Hier­ unter fallen auch Straffachen. Erk. v. 28. Oktbr. 13, E. 49 S. 342. Die Ab­ sicht, zum Nachteil einer Partei zu handeln, wird nicht verlangt. Erk. v. 24. Fedr. 21, DStZ. 8 S. 307. Zum Versuch eines billigen Ausgleichs darf der Anwalt nur schreiten, wenn er von beiden Mandanten dazu ermächtigt ist. Erk. v. 23. Juni/7. Juli 10, JurW. 40 S. 246. Nicht strafbar macht sich der zum Konkursverwalter bestellte Anwalt, der für Konkursgläubiger Forde­ rungen anmeldet. Oetker, DIZ. 17 S. 332. Strafbar macht er sich aber, wenn er gegen eine Partei, die ihn vorher mit dem Ausgleich wechselseitiger Be­ leidigungen beauftragt hatte, nach Zurücknahme des Aufttags für die Gegen­ partei Privatklage erhebt. Erk. v. 14. Dezbr. 11, E. 45 S. 305. Siehe hierzu Galli, DIZ. 18 S. 139. 45) Die Bestimmung findet auch Anwendung, wenn die Dauer der er­ kannten Gefängnisstrafe drei Monate nicht erreicht (§ 32). Olshausen, Anm. 2. KR. Anm. 1. 46) Die Begriffe „Amt", „amtlich", „Beamter" decken sich nicht überall,

259

Verbrechen und Vergehen im Amte § 359.

sodaß auch andere als die im §359 bezeichneten Personen amtliche Handlungen verrichten können, z. B. ein Stadtverordnetenvorsteher, OR. 18 S. 13, Bezirks­ vorsteber, E. 3 S. 420. Auch Offiziere sind im Sinne des § Beamte. Erk. v. 16. Juni 96, E. 29 S. 15. D-e den Angestellten übertragenen Verrichtungen müssen solche sein, die von einem Organ der Staatsgewalt unter öffentlicher Autorität vorgenommen werden. Erk. v. 30. Ott. 06, E. 39 S. 232. Über die Beamteneigenschaft entscheidet zunächst die Anstellung durch die zuständige Behörde. Erk. v. 25. April 89, E. 19 S. 180, u. v. 8. Febr. 95, E. 26 S. 437. Nicht jeder Angestellte eines Gemeinwesens ist Beamter. Die näheren Be­ dingungen des Anstellungsverhältnisses sind festzustellen. Erk. v. 24. Ottbr, 21, JurW. 51 S. 103. Ob die Anstellung eine dauernde oder nur einstweilige ist, ist unerheblich. Erk. v. 7. Jan. 84, R. 6 S. 26, u. ebenso, ob eine Beeidigung stattgefunden hat, Erk. v. 3. Mai 88, R. 10 S. 372 u. auch, ob der Täter vor­ der Anstellung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren hat. Erk. v. 30. März 16, E. 50 S. 19. Es ist auch gleichgültig, ob der Beamte ein festes Gehalt bezieht oder nicht. Erk. v. 24. Juni 80, R. 2 S. 108. — Die Bestallung braucht aber keine formelle schriftliche zu sein. Erk. v. 1. Febr. 87, E. 15 S. 244. Erk. v. 8. Juli 02, E. 35 S. 325. Dadurch, daß den Zeug­ nissen gewisser Personen eine amtl. Beweiskraft beigelegt ist, wird keine amtl. Eigenschaft bedingt. Erk. v. 7. Jan. 84, R. 6 S. 26. Auch die von Privatper­ sonen angestellten Bediensteten können die Qualität, von Beamten haben, insbes. die von Waldeigentümern angestellten, auf Grund des Forstdiebstahlsgesetzes vereidigten Forstbeamten. Erk. v. 1. Novbr. 80, R. 2 S. 288. Bestreitet der A. seine Beamteneigenschaft, so bedarf eS der Feststellung der­ jenigen Tatsachen, aus deren Berücksichtigung für ihn erkennbar war, daß er zufolge einer Anstellung im Staatsdienste und nicht bloß auf Grund eines privat­ rechtlichen Dienstvertrags tätig war. Erk. v. 2. Ottbr. 11, DIZ. 17 S. 100. Als Beamte sind angesehen: Die vom Landrat bestätigten und beeideten Bürobeamten eines Amtsvorstehers. E. 29 S. 430; die staatl. bestätigten Chaufieeaufseher der Kommunalverbänoe. GA. 46 S. 43; die Diener der Dorf­ gemeinden. E. 14 S. 350, Fleischbeschauer. Recht 23 Nr. 184; Geistliche, soweit sie berechtigt sind, amtl. Zeugnisse zu erteilen. R. 5 S. 56; Mitglieder der evangelischen Landeskonsistorien. Recht 26 Nr. 336; Hausväter einer Armen­ anstalt oder Kreislazaretts. E. 24 S. 83; GA. 41 S. 400; Hilfsgefangenauf­ seher, Recht 24 Nr. 3515; Hundefänger, die mit Genehmigung der Staats­ behörde von Tierschutzvereinen angestellt sind. E. 30 S. 29; Kirchenkassen rendant, E. 13 S. 432; Klrchenpatron als Vorsitzender des Schulvorstandes. E. 9 S. 205; Landschaftliche Beamte. E. 55 S. 142; Mitglieder der Magi stratsdeputationen. R. 10 S. 565; Nachtwächter, die mit staatl. Genehmigung angestellt sind. E. 22 S. 39; die vom Magistrat angestellten Polizeibüroassistenten. R. 1S. 64; Postagenten, E. 21S. 310 und deren ständige Vertreter. E. 54 S. 203; Postaushelfer, dem der Bestelldienst übertragen ist. E. 51 S. 66 u. E. 52 S. 309; abweichend E. 49 S. 111; Schleusenmeister. E. 14 S. 345; Schulkassenrendant. E. 4 S. 379; Mitglieder des Schulvorstandes. GA. 26 S. 530; öffentl. angestellte Bolksschullehrer. E. 25 S. 89. Ein Krankenwärter in einer unter staatl. Obhut stehenden Anstalt ist kein Beamter. Erk. v. 13. Novbr. 84, R. 6 S. 711.

Ferner sind nicht als Beamte angesehen: Die Büreaubeamten der Amts­ anwälte, E. 19 S. 434, die vorübergehend zur Aushilfe angenommenen Kanz­ leigehilfen. Recht IIS. 323, die Land- und Feldmesser, GA. 40 S. 157, die Kirchenbeamten (Kirchendiener), Küster, Organisten usw., E. 13 S. 432. 17*

260

III. Strafgesetzbuch ff 360.

zu verstehen alle im Dienste deS Reichs oder in unmittelbarem oder

mittelbarem Dienste eines Bundesstaats auf Lebenszeit, auf Zeit oder

nur vorläufig

angestellte Personen,

Diensteid geleistet haben oder

nicht,

ohne Unterschied, ob sie einen

ingleichen Notare, nicht aber

Advokaten und Anwälte. 29. Abschnitt. § 360.

Übertretungen.47 * *)

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunszig ll) Mark oder

mit Hast wird bestraft:

") 1.

2. wer außerhalb seines Gewerbebetriebes heimlich oder wider

das Setbot48*) der Behörde Vorräte von Waffen48) oder Schießbedarf aufsammelt;w)

Krankenwärter einer provinzialen Heilanstalt. R. 6 S. 711. Bgl. hierzu GA. 59 S. 348. 47) Die Bestimmungen des Allgem. Teils des Strafgesetzbuchs beziehen sich auch auf die Übertretungen, soweit dies nicht durch die Natur der Sache oder besondere Bestimmungen ausgeschlossen ist. Insbesondere ist zu bemerken: a. Auf die Einziehung darf hier nur in den besonders bezeichneten Fällen erkannt werden. Sie ist aber auch dann zulässig, wenn die Verfolgung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist. GA. 25 S. 49. A. M. KG, I o h o w 33 S. 0. 36 u. KR. Borbemerk. 4. b. Der Versuch einer Überttetung ist immer straflos. c. Die Anstiftung zu einer Übertretung ist, soweit die letztere vorsätzlich verübt ist, rechtlich denkbar und aus § 48 zu strafen. d. Beihilfe zu einer Übertretung ist, wie sich aus § 49 ergibt, straflos. e. Die Strafausschließungsgründe sind auch hier maßgebend. f. Auch die Grundsätze über dolus und culpa kommen im allgem. hier in Bettacht. Bei rein Polizei!. Sttafverboten kann die Frage, ob Vorsatz erforder­ lich ist oder Fahrlässigkeit gefügt, nur nach der Natur der einzelnen Übertretung unb nach dem Zweck entschieden werden, den der Gesetzgeber mit der Sttafschrift erkennbar verfolgt hat. Erk. v. 16. Mai 14, E. 48 S. 321. g. Die Begünstigung einer Übertretung ist straflos, denn § 257 spricht nur von dem Verbrechen und Vergehen, dagegen kommt h. der § 259 (Partiererei) auch bei Übertretungen zur Anwendung. i. Über die im Auslande verübten Übertretungen siehe § 6 des StGB. k. Wo Spezialgesetze bei einer Übertretung Gefängnisstrafe androhen, ist jetzt auf Hast zu erkennen. GA. 22 S. 411. l. Der Grundsatz des § 74 ist bei Übertretungen ausgeschlossen. m. Der Erlaß einer vollstreckbar gewordenen polizeilichen Strafverfügung schließt die Verfolgung wegen eines mit der Überttetung ideell konkurrierenden Vergehens oder Verbrechens nicht aus. Siehe 8 10 d. G. v. 23. Apr. 83 (sub XXVII) u. Anm. 16 zu 8 263 StPO. 48) Nr. 1 ist aufgehoben durch Ges. v. 3. Juni 14 (RGBl. S. 195), Nr. 3 ist gegenstandslos geworben. 48 a) Das Verbot der Behörde kann auch fahrlässig übertreten werden. KR. Anm. II zu Nr. 2.

Übertretungen $ 360.

261

4. wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von Metall- oder Papiergeld, oder von solchen Papieren, welche nach § 149 dem Papiergelde gleich geachtet werden, oder von Stempelpapier, Stempel­ marken, Stempelblanketten, Stempelabdrücken, Post- oder Telegraphen­ wertzeichen, öffentlichen Bescheinigungen oder Beglaubigungen dienen können, anfertigt oder an einen anderen als die Behörde verabfolgt; 5. wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde den Abdruck der in NK 4 genannten Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder Formen, oder einen Druck von Formularen zu den daselbst bezeichneten öffent­ lichen Papieren, Beglaubigungen oder Bescheinigungen unternimmt, oder Abdrücke an einen anderen aW die Behörde verabfolgt;61)

6. wer Waren-Empfehlungskarten, Ankündigungen oder andere Drucksachen oder Abbildungen, welche in der Form oder Verzierung dem Papiergelde oder den dem Papiergelde nach § 149 gleich geach­ teten Papieren ähnlich sind, anfertigt oder verbreitet,33) oder wer Stempel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von solchen Drucksachen ober Abbildungen dienen können, anfertigt;

7. wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Landeswappen6?a) gebraucht;

oder Wappen

eines Bundesfürsten

8. wer unbefugt63) eine Uniform,eine Amiskleidung, ein Amts­ zeichen, einen Orden oder ein Ehrenzeichen trägt, oder Titel,w) 49) Wegen Verheimlichung eines Waffenlagers flehe § 7 u. 8 des Ges. z. Sch. d. Republik v. 23. Juli 22. 50) Hierunter ist gemeint die Bereinigung in einer Hand..Das Aufsammeln kann auch durch eine einmalige Handlung erfolgen. Erk. v. 8. Juli 07, GA. 54 S. 476. 51) Hierher gehört auch das Nachahmen des auf den Frachtbriefen befind­ lichen Stempels und der Verkauf der mit dem nachgemachten Stempel versehenen Formulare. GA. 26 S. 531. Unerheblich ist es, ob die Nachahmung auf Scherzarttkeln erfolgt. GA. 49 S. 152. 52) Siehe Ges. v. 26. Mai 85, betr. den Schutz des zur Anferttgung von Reichskaffenscheinen dienenden Papiers (RGBl. S. 165) u. Ges. v. 2. Jan. 11, betr. d. Schutz des zur Anferttgung von Reichsbanknoten verwendeten Papiers (RGBl. S. 25). 52 a) Betr. die Preuß. Landeswappen siehe Bek. v. 11. Juli 21 (GS S. 444), betr. Reichswappen u. Reichsadler, Bek. v. 11. Novbr. 19 (RGBl. S. 1877). 53) Ein bloß fahrlässiges Verhalten genügt nicht, GA. 39 S. 173. 54) Es genügt die Feststellung, daß die Kleidung nach ihrem Gesamtein­ druck bei kleinen Abweichungen von der echten Uniform eine ausfallende Ähnlich­

keit mit dieser aufweist. Erk. v. 4. Apr. 14, GA. 62 S. 137, Recht 18 Nr. 1935. 55) Unter Titeln sind solche Bezeichnungen zu verstehen, welche dnrch

262

IIT. Strafgesetzbuch § 360.

Würden ^) oder Adelsprädikate67) annimmt,67 *) ingleichen wer sich eine- ihm nicht zukommenden Namen-68) einem zuständigen Beamten B0) gegenüber bedient; höhere Verleihung von Staatswegen erworben werden oder mit einer be­ stimmten Rangftellung verknüpft sind. Erk. v. 2. Mai 04, E. 37 S. 175. Nach Art. 109 d. RA. dürfen Titel nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen. In Preußen können verliehene Titel weitergeführt werden. Bek. v. 14. Dezbr. 18 (GS. S. 206). Als Titel sind angesehen: Amtsrichter a. D. Johow 26 S. 59; Apo­ theker. E. 46 S. 322; gencdtl. vereid. Auktionator. GA. 49 S. 154; die staatl. verlieh. Bezeichnung Musikdirektor. GA. 49 S 169; Pfarrer, wenn bei der Ernennung staatl. Mitwirkung statlfindet. GA. 49 S. 173; Privatdozent. DIZ. 6 S. 509; Prozeßagent. GA. 48 S. 318 u. 49 S. 328; Rechtsanwalt. E. 34 S. 271. (Ein in der Rechte SNwaltsliste gelöschter Anwalt darf sich Rechtsanwalt a. D. nennen. DIZ. 14 S. 8b); Revierförster. GA. 58 S. 246; Vizekonsul a. D. Johow 20 S. 6. 102. Kein Titel ist Handelsanwalt. DIZ. 25 S. 722. 56) Akademische Grade werden durch die Vorschrift Art. 109 RB. nicht betroffen. Über die Befugnis zur Führung ausländischer Doktortitel siehe BO.

v. 7. April 97 (GS. S. 99). Die unbefugte Führung eines ausl. DoktortitelS ist strafbar. GA. 40 S.. 347 u. 42 S. 421. Diplomingenieur ist eine akade­ mische Würde. Erk. v. 29. Sept. 08, Recht 12 Nr. 3366. 57) Adelsbezeichnungen gelten nach Art. 109 Abs. 3 der Reichsverfaffung v. 11. Aug. 19 nur als Teil des Namens. 57 a) Das Annehmen eines Titels setzt eine eigene Tätigkeit des hlngekl. voraus, ein bloßes Dulden der Anrede genügt nicht. Erk. v. 16. Juni 00, E. 33 S. 305. Es genügt ein einmaliger Gebrauch, wenn dadurch bei anderen der Glaube erweckt werden soll, daß dem des Titels sich Bedienenden der Titel zukomme. Celle v. 27. Februar 05, DIZ. 12 S. 226. 58) Der Familienname preußischer Staatsangehöriger kann, soweit nicht das BGB. ein anderes vorschreibt, nur mit der Ermächtigung des Justizministers geändert werden. BO. v. 3. November 1919 (GS. S. 177). Nach der BO. v. 29. Ottober 1920 (GS. S. 516) bezieht sich erstere BO. auch auf die Änderung von Bornamen. Die unbefugte Namensänderung ist nicht schon

dann strafbar, wenn die objektive Unrichtigkeit des gebrauchten Namens feststeht. KG. v. 12. Apr. 06. Johow 32 S. 51. Die Ermächtigung eines anderen, sich seines Namens bei Stellung eines gerichtlichen Antrages zu be­ dienen, macht den Täter nicht straflos. Erk. v. 23. Jan. 14, Recht l 8 Nr. 717. Die Führung des durch Scheinannahmevertrag erlangten Familiennamens ist strafbar. KG. v. 15. Novbr. 09, I o h o w 38 S. C 61, Ist jemandem gestattet, einen neuen Namm zu führm, so ist die Führung des früheren Namens damit ausgeschlossen. GA. 46 S. 139. Eine Änderung des Namens liegt auch dann vor, wenn die Schreibweise des Namens in der Weise abgeändert wird, daß die Aussprache des Namens keine Änderung erleidet. Erk. d. OBG. v. 18. Juni 01, GA. 49 S. 285. Künstlern steht gewohnheitsrechtlich- die Führung eines angenommenen Namens zu. KG. v. 28. Novbr. 04, DIZ. 1 S. 174. — Straf­ barkeit ausgeschloffen, wenn der Täter an die Richtigkeit des von ihm ange­ nommenen Namens glaubt. KR. Anm. VIII 16. 59) Zuständiger Beamter ist derjmige, der ein Recht hat, den Namm zu erfahren, z. B. der Registerrichter, GA. 51 S. 376; ein Bahnwärter, Erk. v.

Übertretungen § 360.

263

9. wer gesetzlichen Bestimmungen66*) zuwider ohne Genehmigung der Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe- oder Witwenkassen, Ver­ sicherungsanstalten 60 * *) * * oder * * * * * andere ** dergleichen Gesellschaften oder Anstalten errichtet, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines Ein­ kaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen beim Eintritte ge­ wisser Bedingungen oder Fristen, Zahlungen an Kapital oder Rente zu leisten; 10. wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter66 *) zur $ilfe60 bj aufgefordert, keine Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erheb­ liche eigene Gefahr genügen sonnte;61)62 11. wer ungebührlicher Weise ruhestörenden Lärm66) erregt oder wer groben Unfug verübt;66) 10. April 80, R. 1 S. 566; ein Standesbeamter, Erk. v. 4. Juni 91, E. 22 S. 60; ein Wahlvorsteher bei einer Reichstagswahl, Erk. v. 10. Ium 07, E. 40 S. 201; auch Rondevffiziere, GA. 37 S. 215, R. 10 ©. 123, dagegen nicht ein Telegraphen Beamter, Erk. v. 15. Mai 80, R. 1 S. 793, ferner nicht ein Brief­ träger, Ert. v. 9. Fedr. 88, E. 17 S. 224; auch nicht ein Spartaffenrendant. .Erk. v. 14. März 0*2, GA. 49 S. 138. Irrtum des Angekl. über die Beamten­ eigenschaft begründet d. Anwendung destz59. Erk.v. 1O. April 80, R. 1 S.567. 59 a) Siehe das Gesetz üner die privaten Bersicherungsunternehmungen vom 12. Mai 01 (RGBl. S. 139) § 108 Abs. 3: Die Vorschrift der Nr. 9 des 8 360 StGB, ist, soweit sie sich auf Versicherungsunternehmungen im Sinne dieses Gesetzes bezieht, aufgehoben. 60) Hierher gehören nur solche Versicherungsanstalten, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines Eintaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen bei dem Eintritt gewisser Bedingungen oder Fristen Zahlungen an Kapital oder Rente zu leisten, GA. 37 ©.371. Vgl. auch ebenda S. 448, GA. 40 S. 60, 46 S. 350, sowie Ert.v. 23.Sept. 02, E. 35 S. 346 u. über die Verjährung GA. 46 S. 53. . 60 a) Hierunter sind alle Beamte zu verstehen, die überhaupt berufen sind, für die Sicherheit des Staates und seiner Angehörigen zu sorgen. OLG. Celle v. 27. Mai 10, GA. 59 S. 358. 60 b) Auch Sachleistungen wie Hergabe von Wasser können verlangt werden. Bay. OLG. v. 22. Juli 20, DIZ. 25 S. 919. 61) Auch eine vorübergehende Versagung der Hilfeleistung genügt, GA. 37 S. 449. Als gemeine Gefahr kann auch das Auftreten des Nonnenschmetterlings angesehen werden. GA. 39 S. 352. 62) Ruhestörenden Lärm erregt derjenige, welcher bewirtt, daß solcher ent­ steht, OR. 17 S. 275 u. 416. Übrigens genügt zum Tatbestände, daß auch nur die Mitbewohner eines pauses durch den Lärm belästigt werden. Ert. d. 21. Mai 89, GA. 37 S. 197, u. Ert. v. 22. Febr. 86, R. 8 S. 133. Ruhestörender Lärm kann auch durch den Betrieb eines Gewerbes erregt werden, insbesondere dann, wenn derselbe untersagt ist, GA. 37 S. 215, oder wenn während der Nacht gearbeitet wird. GA. 39 S. 175. Vgl. auch GA. 42 S. 272 u. 273. Ferner kann ruhestörender Lärm auch in einer von der Polizei gestatteten Tanzmusik gefunden werden, I o h o w Jahrb. 3 S. 372; ferner in dem fortgesetzten Dulde« des Bellens eines Hundes, Colmar v. 6. März 00, GA. 47 S. 454 u. KG. ti. 15./26. Mai 13, Recht 17 Nr. 473; ebenso in dem Dulden von lautem Kla-

264

III. Strafgesetzbuch § 360.

vierspiel, Gesang rc. seitens eines Wirts. GA. 42 S. 273 u. 56 S. 243. A. M. GA. 43 S. 412 (KG. v. 9. Dezbr. 95). Jedenfalls aber genügt zum Tatbestände das Bewußtsein, daß die von dem Täter gewollte Handlung notwendig oder doch möglicherweise einen ruhestörenden Erfolg haben werde. GA. 41 S. 59; es genügt also der eventuelle dolus. GA. 43 S. 119. Siehe auch Erk. v. 15. Mai 05, Recht 9 S. 348. Auch ist es nicht nötig, daß wirtlich eine. Ruhestörung eingetreten ist, vielmehr genügt, daß die Handlung zur Störung der öffentlichen Ordnung geeignet gewesen und also das Publikum nur gefährdet, nicht wirtlich belästigt worden ist. GA. 41 S. 58. Da die Strafbarkeit der Erregung von Lärm durch diese Vorschrift reichs­ rechtlich geregelt ist, ist für das Pokizeiverordnungsrecht kein Raum. I o h o w 20 S. C 52, GA. 48 S. 317, DIZ. 8 S. 405 u. 12 S. 133 (z. B. unzulässig das Verbot der Erregung von Lärm durch Teppichklopfen, AM. Braunschweig v. 7. Juni 10, DIZ. 16 S. 992 u. jetzt auch KG. v. 19. Apr. ,15, DIZ. 20 S. 618. Johow 47 S. 374).

63) Zum Tatbestände genügt bei einem an sich vorsätzlichen Handeln jedwede Verschuldung des in Gefährdung oder Belästigung des Publikums bestehenden Erfolges. Es genügt mithin, daß der Täter bei der nötigen Überlegung zu der Überzeugung hätte kommen müssen, daß seine Handlung diesen Erfolg haben würde. Erk. v. 17. Mai 87, R. 9 S. 323. Übrigens muß die Belästigung oder Beunruhigung des Publikums stets eine unmittelbare Folge der Handlung deS Täters sein. Erk. v. 17. April 88, R. 10 S. 304, v. 14. Juni 98, E. 31 S. 185,ö. 12. Nov. 01, E. 34 S. 425, und insbes. Erk.v. 7. April 99, E. 32 S. 100. Auch Angriffe gegen einzelne Personen können als grober Unfug angesehen werden, wenn andere Personen durch die Angriffe beunruhigt werden. Erk. v. 17. Septbr. 01, E. 34 S. 364. Erk. v. 4. Rovbr. 18, E. 53 S. 139. Aber § 360 Nr. 11 enthält nicht eine allgemeine Strafandrohung gegen jeden störenden Eingriff in die unter dem Schutze der öffentlichen Ordnung stehen­ den Interessen und Gerechtsame; derselbe verpönt vielmehr nur solche, den äuße­ ren Bestand der öffenllichenOrdnung unmittelbar verletzenden Ungedührlichkeiten, durch welche das Publikum schlechthin, nicht also ein individuell begrenzter Per­ sonenkreis belästigt und solchergestalt der öffenlliche Friede im allgemeinen beun­ ruhigt wird. Erk. v. 3. Juni 89, E. 19 S. 294. Erk. v. 27. April 80, E. 1 S. 400; Erk. v. 19. Septbr. 19, E. 53 S. 257. Daß grober Unfug auch durch die Presse verübt werden kann, wird jetzt von der Rechtsprechung allgemein anerkannt. E. 16 S. 98 — 25 S. 405 — 31 S. 193. Eine Verletzung oder Gefährdung des äußeren Bestandes der öffent­ lichen Ordnung muß auch hier festgestellt werden. Erk. v. 28. April 03, E. 36 S. 213. Erk. v. 13. Juli 03, Recht 7 S. 460. Die Veröffentlichung muß gegen die allgemeine Verkehrssitte verstoßen. KR. Anm. 14. Aus der Rechtsprechung ist folgendes hervorzuheben: Grober Unfug ist ge­ funden worden in schwindelhaften Reklamen, GA. 37 S. 216; ja selbst eine fahrlässige Verübung desselben mittels der Preffe ist für rechtlich denkbar erachtet, -GA. 37 S. 68. Siehe auch GA. 39 S. 180, 181. Verübung groben UnfugS durch Zeitungsinserate ist verneint, GA. 38 S. 74. Wenn sich der grobe Unfug auch gegen die Allgemeinheit richten muß, so setzt derselbe doch nicht notwendig eine unmittelbar gegen das Publikum als solches gerichtete Tättgkeit voraus, es genügt vielmehr, daß die Handlung zunächst nur gegen eine einzelne Person oder gegen einen Personenkreis sich richtet, dadurch aber zugleich das nicht unmittelbar betroffene Publikum in dem Gefühle seiner Sicherheit beeinträchttgt und stört. E. 5 S. 299 u. GA. 39 S. 176—179. Vgl. E. 34 S. 364. Ferner ist grober Unfug gefunden in der Ankündigung deS Wahrsagens, Frankfurt a. M. v.

Übertretungen § 360. 12.

wer als

Pfandleiher «*)

oder

Rückkaufshändler bet Aus­

übung seines Gewerbes den darüber erlassenen Anordnungen zuwider­ handelt, insbesondere den durch Landesgesetz oder Anordnung der zuständigen Behörde bestimmten Zinsfuß überschreitet;««) 13. wer öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft

quält oder roh mißhandelt;««) 14. «')

In den Fällen der Nummern 2, 4, 5, 6 und 14 kann neben der Geldstrafe oder der Haft auf Einziehung der Vorräte von Waffen

oder Schießbedarf, der Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder anderen gönnen, der Abdrücke oder Abbildungen erkannt werden, ohne Unter­ schied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.

4. Juni 15, DStZ. 2 S. 370; in einem unanständigen Verhalten auf offener Straße (Entblößen der Geschlechtsteile), Ert. v. 30. Oktbr. 82, E. 7 S. 168; ferner in einer Boykotterklärung, GA. 39 S. 76, sowie in der öffentlichen durch Verbreitung von Klugblättern bewirkten Aufforderung zum Boykott, Erk. v. 14. Juni 95, E. 27 S. 292 (siehe aber Erk. v. 13. Juli 03, GA. 50 S. 396 u. KG. v. 6. Jan. 08, DIZ. 13 S. 308). Über groben Unfug durch Mißbrauch deS Feuermelders siehe Lion, DIZ. 18 S. 1319. Es muß eine Gefahr für den Bestand der öffentlichen Ordnung emgetreten sein: in unzüchtigen Äußerungen in einem öffentlichen Wirtshause, GA. 41 S. 60; in einer Rauferei in einem Wirtshause, GA. 41 S. 60; in der unwahren Mitteilung über einen Fall von Scheintod Erk. v. 5. Juni 94, E. 25 S. 404; in der Vorführung eines spirittstischen Mediums, GA. 45 S. 140. Zur Annahme eines groben Unfugs genügt, daß eine Handlung zur Störung deS Sicherheitsgefühls geeignet ist; daß eine solche wirklich eingetreten ist, ist nicht notwendig. Ert. v. 6. April 97, GA. 46 S. 128. 64) Das Pfandleihgewerbe besteht begrifflich ausschließlich in dem Verleihen von Geld auf Pfänder; der Verkauf von Waren und Kreditteren des Kauf­ preises unter Pfandbestellung für letzteren gehört nicht hierher. Erk. v. 28. April 85, R. 7 S. 257. 65) Strafbar ist die Überschreitung des durch das Ges. v. 17. März 81 ge­ statteten Zinsfußes an sich nur bei den Pfandleihern und Rückkaufshändlern, welche die Erlaubnis zu solchem Gewerbebettiebe erhalten haben. Erk. v. 8. Mai 83, E. 8 S. 283. Dieser Zinsfuß kann rechtsgrundstttzlich nicht als der landesübliche Zinsfuß angesehen werden, Erk. v. 17. Mai 92, E. 23 S. 121. 66) Darauf, ob der Täter obj. oder subj. ein berechttgtes Jntereffe an der bestimmten Behandlung des Tieres hatte, kommt es nicht an. GA. 42 S. 142. — Roh ist diejenige Mißhandlung, welche eine Gemeinheit der Gesinnung dokumenttert. GA. 42 S. 274. Nach KR. Aum. 5 u. GA. 43 S. 414 genügt es, daß die Mißhandlung einer gefühllosen Gesinnung entspringt. Mißhandlung kann auch in der Art des Transports eines Tieres bestehen. Erk. v. 12. Jan. 04, GA. 51 S. 178, auch in der Unterlassung der nöttgen Pflege. GA. 52 S. 426 und in der Nichtgewährung ausreichender Nahrung. GA. 58 S. 467. Nicht ist erforderlich, daß das Ärgerüis sofort hervorgerufen wird. OLG. Frank­ furt a/M. v. 8. Aprll 07, GA. 56 S. 113. Das Ärgernis kann daher auch durch eine Erzählung der Tat hervorgerufen werden. OLG. Darmstadt v.

266

III. Strafgesetzbuch § 360. § 361.

Mit Haft wird bestraft:

1. wer, nachdem er unter Polizeiaufsicht gestellt worden ist, den infolge derselben ihm auferlegten Beschränkungen zuwtderhandett;

2. wer, nachdem er des Bundesgebietes oder des Gebietes eines

Bundesstaats verwiesen ist, ohne Erlaubnis zurückkehrt;68 * *)69 67

3. wer als Landstreicher umherzieht;8») 4. wer bettelt70) oder Kinder zum Betteln anleitet oder aus11. Juni 97, GA. 45 S. 291. A M. KR. Anm. 8 zu XII S. 982. Stutt­ gart v. 10. Februar 92. GA. 41 S. 62 Anm. 1. 67) Nr. 14 ist durch das Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23. Dezember 1919 aufgehoben. 68) Ob die Ausweisung mit rechtlicher Wirksamkeit erfolgt ist, unterliegt der Prüfung des Strafrichters. Erk. v. 17. Juni 82, E. 6 S. 378. In Preußen find die Ortspolizeidehörden, nicht bloß die Landespolizeibehörden zuständig, Ausländer auszuweisen. Erk. v. 21. April 85, E. 12 S. 154. Die Rückkehr des Ausgewiesenen ohne Erlaubnis ist nicht bloß dann strafbar, wenn sie im Bewußt­ sein des Unbefugten erfolgt, sondern auch dann, wenn sich der Täter im Irrtum über die Statthaftigkeit seiner Rückkehr befindet. GA. 43 S. 59. Der Begriff „Rückkehr" wird dadurch nicht ausgeschloffen, daß der Be­ treffende, ohne Aufenthalt zu nehmen, durch daS Land reist. GA. 37 S. 372. Dagegen u. mit Recht Erk. d. KG. v. 11. Jan. 04, DIZ. 9 S. 366. Auch das weitere Verweilen nach vorangegangener Bestrafung ist strafbar. OLG. Breslau v. 15. Febr. 10, GA. 58 S. 235. Der A. hat nicht den Beweis zu führen, daß er Reichsangehöriger ist. GA. 43 S. 136. Die Übertretunfl ist kein Dauerdelikt. Ungedr. Erk. des KG. v. 18. Apr. 13.

Die Verjährung beginnt mit der Rückkehr. GA. 38 S. 218.

69) ES wird ein mittel-, zweck- und erwerbsloses Umherziehen verlangt. GA. 25 S. 595, sowie w chselndes Nachtquartier GA. 52 S. 266. Wesent­ lich ist das Fehlen der zum Unterhalt erforderlichen Mittel. Erk. v. 12. Dezbr. 12, Recht 17 Nr. 294. Eine Weibsperson, die einen Verdienst durch Hurerei sucht, zieht alS Landstreicherin umher. Erk. v. 28. Jan. 98, E. 30 S. 438. A. M. KR. Anm. 2.

. 70) Der Täter muß auf Grund wirklicher oder vorgespiegelter Bedürftig­ keit eine fremde Person um eine Gabe zum Lebensunterhalt ansprechen. GA. 37 S. 70. GA. 48 S. 139. Darum ist eine Sammlung zugunsten notleiden­ der (streikender) Arbeiter nicht Betteln. GA. 39 S. 181. Das Betteln kann auch schriftlich betrieben werden, GA. 38 S. 76 und es kann selbst darin ge­ funden werden, daß Kinder ausgeschickt werden, um kleinere Gegenstände zu ver­ kaufen, wenn dadurch zugleich die Mildtätigkeit des Publikums angeregt werden soll. GA. 37 S. 307, GA. 41 S. 149. Es kann auch mittels Gesangvorträgen geschehen. DIZ. 9 S. 997. Zum Betteln gentsgt däS Erbitten von Almosen, daS Geben u. Nehmen ist nicht notwendig. Erk. v. 17. April 82, E. 6 S. 218. GA. 41 S. 150. Über Betteln unter Vorzeigung gefälschter Legittmationspapiere siehe Anm. zu § 363. Betteln gehört nicht zum Tatbestände des Landstreichens. Erwirbt der Landstreicher seinen Unterhalt durch nicht als Bettel strafbare Hand­ lungen, so können einzelne Ausnahmsfälle von Bettel neben der Landstreicherei strafbar sein. KR. Anm. 10. Zwischen dem Betteln unter Drohungen und der Erpreffung (§ 253) besteht keine Gesetzeskonkurrenz, vielmehr muß, wenn die

Übertretungen § 361.

267

schickt, oder Personen, welche -seiner Gewalt70 * **) und Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, vom Betteln abzu­

halten unterläßt;7^ 5. wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hin­

gibt,

daß er in einen Zustand gerät, in welchem zu seinem Unter­

halte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er ver­

pflichtet ist, durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß;72)* 74

6. eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht7') einer polizeilichen Aussicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hin­ sicht zur Sicherung der Gesundheit,

der

öffentlichen Ordnung

und

des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften7') zu­ widerhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu

sein, gewerbsmäßig Unzucht7'") treibt;

7. wer,

wenn

er

aus

öffentlichen Armenmitteln

eine

Unter­

stützung empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der

Behörde

angewiesene,

seinen

Kräften

angemessene Arbeit zu

ver­

richten;7')

8. wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens7') binnen

das Betteln begleitende Drohung als eine im Sinne des § 253 anzusehen ist, dieser letztere § zur Anwendung kommen. Erk. v. 16. Febr. 99, E. 32 S. 46. 70 a) Hierunter ist ein solches Rechtsverhältnis zu verstehen, kraft deffen jemand von einer andern Person in gewissem Grade Gehorsam zu fordern be­ rechtigt ist. GA. 49 S. 335. 71) Beide Eltern können sich gleichzeitig strafbar machen. GA. 42 S. 274. 72) Es muß festgestellt werden, daß die Unfähigkeit zur Unterhaltung der Angehörigen durch Spiel, Trunk rc. herbeigeführt ist. Erk. v. 21. Febr. 80, R. 1 S. 366. 73) GU. liegt nicht vor, wenn die Weibsperson sich nur einem bestimmten einzelnen Mann gegen Entgelt preisgibt und nicht die Absicht hat, sich in Zukunft einem individuell nicht bestimmten Kreise von Personen, pretszugeden. Erk. v. 29. Oktbr. 00, GA. 47 S. 441. D/r Begriff der Unzucht umfaßt neben Beischlafsvollziehung auch solche Handlungen einer Weibsperson, die im Widerspruch mit den Geboten der Sitte die Erregung fremder geschlechtlicher Tttebe durch eigene körperliche Tätigkeit bezweckt. Erk. v. 15. Novbr. 04, E. 37 S. 303. 74) Dies brauchen keine Pol.Berordn. im Sinne des Ges. v. 11. März 1850 zu fein, GA. .25 S. 60, und die Frage, ob der Polizeibehörde das Recht zusteht, einer Weibsperson aufzugeben, sich außerhalb ihres Aufenthaltsortes zur Kontrolle einzufinden, unterliegt nicht der Entscheidung des Gerichts. GA. 42 S. 422. — Die Stellung unter polizeiliche Aufsicht kann auch zwangsweise er­ folgen. GA. 38 S. 364. Die Vorschriften sind solange zu befolgen, bis ein Rechtsmittel gegen die polizeil. Verfügung eingelegt ist. KG. v. 23. April 06, Johow 32 S. C 69. 74 a) Anbieten zur Beischlafsvollziehung ist nicht ausreichend. Erk. v. 11. Novbr. 10, Recht 14 Nr. 4041. 75) z. B. Nachtwächterdienste zu leisten. GA. 39 S. 182. 76) Unterkommen bedeutet nach Olshausen Anm. b nur Obdach, nach

UI. Strafgesetzbuch § 361.

der ihm von der zuständigen Behörde bestimmten Frist ”) sich kein anderweitiges Unterkommen verschafft hat und auch nicht Nachweisen

kann, daß er solches der von ihm angewandten Bemühungen unge­ achtet nicht vermocht habe;

9. wer Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossen­ schaft gehören, von der Begehung von Diebstählen, sowie von der Begehung strafbarer Verletzungen der Zoll- oder Steuergesetze, oder der Gesetze zum Schutze der Forsten, der Feldftüchte, der Jagd oder

der Fischerei abzuhalten unterläßt.

Die Vorschriften dieser Gesetze

über die Haftbarkeit für die den Täter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen werden hierdurch nicht berührt;

10.78 * *)79 * wer, * * 77 obschon er in der Lage ist, diejenigen, zu deren Er­

nährung er verpflichtet' ist, zu unterhalten, sich der Unterhaltspflicht trotz der Aufforderung78) der zuständigen Behörde78») derart entzieht, daß

durch Bermittelung der Behörde ftemde Hilfe79b) in Anspruch genommen werden muß. Rostock v. 19. Septbr. 94, GA. 42 S. 274 auch die zum Unterhalt erforder­ lichen Mittel. Es ist nicht erforderlich, daß das Unterkommen auf ehrliche Weise erworben ist. Erk. v. 8. Jan. 03, E. 36 S. 59. Die bloße Anmeldung bei einer Herberge, ohne daß eine bestimmte Zusage erteilt ist, genügt nicht. Erk. v. 5. Novbr. 04, Recht 9 S. 22; GA. 52 S. 86. 77) Über die Frist entscheidet ausschließlich die Polizeibehörde. GA. 41

S. 296. 78) Die Übertretung kann nur vorsätzlich begangen werden. Olshausen Anm. b. Eine zivilrechtliche Berzugsetzung wird nicht vorausgesetzt. GA. 47 S. 469. Vgl. auch GA. 48 S. 156. Es genügt aber auch nicht, daß der Unterhaltungspflichtige den Unterhalt nicht leistet, sondern er muß sich der Unterhaltspflicht entziehen. GA. 48 S. 372. Es 'entzieht sich dieser Pflicht, wer sich nicht um Arbeit bemüht und sich dadurch außerstand setzte seine Familie zu unterhalten. KG. V. 1. Dezbr. 08, DIZ. 14 S. 662, Johow 37 S. 6 78. Ein den Unterhaltsanspruch abweisendes rechtskräftiges aber materiell unrich­ tiges Zivilurteil steht der Strafverfolgung entgegen. Dresden v. A. Apr. 12, GA. 61 S. 367. Die Vorschrift bezieht sich nicht auf den Erzeuger eines unehe­ lichen Kindes. KG. v. 17. Jan. 08, GA. 58 S. 238 u. auch Düffeldorf v. 20. Novbr. 09, ebenda S. 495. A. M. in ausführlicher Begründung Celle v. 8. Dez. 08, GA. 58 S. 243, ferner Hamm v. 11. Aug. 13y GA. 62 S. 211 ü. KR. Anm. 4. Über die Unterhaltungspflicht des Vaters seiner geschiedenen

Eheftau gegenüber siehe KG. v. 3. Juni 12, GA. 61 S. 367. 79) Es genügt eine allgemeine Aufforderung ohne Angabe einer be­ stimmten Art der Unterhaltsgewährung. GA. 59 S. 379.

79 a) In Preußen sind nebeneinander Polizei- u. Gemeindebehörden zur Aufforderung berechtigt. Erk. v. 14. Jan. 08, GA. 55 S. 236. Siehe auch GA. 56 S. 244 u. 57 S. 249. 79b) Fremd ist jede Hilfe, die dem Unterstützungsbedürftigen nicht von dem Unterhaltspflichtigen zukommt. GA. 56 S. 106.

Übertretungen §§ 362, 263.

269

In den Fällen der Nr. 9 und 10 kann statt der Hast auf Geld­ strafe bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt werden. § 362 Die nach Vorschrift des § 361 Nr. 3—8 Verurteilten können zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen ange­ messen sind, innerhalb und, sofern sie von anderen steten Arbeitern ge­

trennt gehalten werden, auch außerhalb der Strafanstalt angehalten werden. Bei der Verurteilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß die verurteilte Person nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen fei790) Im Falle des § 361 Nr. 4 ist dieses jedoch nur dann zulässig, wenn der Verurteilte in den letzten drei Jahren wegen dieser Überttetung mehrmals rechtskräftig verurteilt worden ist,80 * *)81oder 82 wenn derselbe unter Drohungen oder mit Waffen gebettelt hat.8*) Durch die Überweisung erhält die Landespolizeibehörde die Be­ fugnis, die verurteilte Person bis zu zwei Jahren entweder in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu ver­ wenden. Im Falle des § 361 Nr. 6 kann die Landespolizeibehörde die verurteilte Person statt in ein Arbeitshaus in eine Besserungs- oder Erziehungsanstalt oder in ein Asyl unterbringen; die Unterbringung

in ein Arbeitshaus ist unzulässig, falls die verurteilte Person zur Zeit der Verurteilung das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Ist gegen einen Ausländer auf Überweisung an die Landes­

polizeibehörde erkannt, so kann neben oder an (Stelle der Unter­ bringung Verweisung aus dem Bundesgebiet eintreten.88) § 363. Wer, um Behörden oder Privatpersonen zum Zwecke seines besseren Fortkommens83)* oder * * * des besseren Fortkommens eines anderen 79 c) Die Überweisung ist Nebenstrafe. Daher kann bei Jdealkonkurrenz von § 180 mit § 361 Nr. 6 nicht auf sie erkannt werden. GA. 48 S. 357. 80) Die Strafen können auch durch polizeiliche Strafverfügungen festgesetzt sein. Erk. v. 20 /27. Juni 03, E. 36 S. 313. 81) Unter Drohungen bettelt auch der, welcher nach erfolgter Abweisung droht, Erk. v. 8. Septbr. 02, E. 35 S. 343; siehe auch Anm. 70 zu § 361. 82) Die Berweisung der Ausländer ist zeitlich unbeschränkt. GA. 39 S. 77. 83) Ein prinzipieller Unterschied findet zwischen den Erfordernissen des § 363 u. des § 267 nicht statt, in dem ersteren ist nur das entscheidende Gewicht darauf gelegt, daß die Tat zum Zwecke des besseren Fortkommens des Täters oder eines Dritten geschehen ist. Unter besserem Fortkommen ist aber nicht jede bessere Gestaltung der äußeren Lebensverhältniffe zu verstehen. Darum fällt der Gebrauch einer falschen Urkunde, um sich eine Altersrente zu verschaffen, nicht unter § 363. Erk. v. 23. Novbr. 91, E. 22 S. 225. Begrenzt und erschöpft sich der Zweck des Handelns in der Erlangung einer bestimmten Arbeitsstellung bet einem bestimmten Werke mit bestimmten Rechten und Pflichten, so ist nicht § 363, sondern § 267 anwendbar. Erk. v. 1. Mai 18, E. 52 S. 186. Der § 363 setzt in subjekttver Beziehung voraus, daß die Absicht des Täters, sich günstigere Bedingungen für fein Fortkommen zu verschaffen, eine unbestimmte, ufgemeine ist und sich nicht gegen ein konkretes Recht eines Dritten richtet. Erk.

270

in. Strafgesetzbuch § 363.

zu täuschen, Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder sonstige Legtti-

mationSpapiere,»*») **) Dienst- oder Arbeitsbücher oder sonstige auf Grund

v. 2. Oktbr. 94, E. 26 S. 83. Das Erk. v. 15. gebt*. 83, E. 8 S. 37, hat be­ sonders darauf hingewiesen, daß der § 363 namentlich solche Fälle im Auge habe, in denen zur Erfüllung polizeilicher Kontrollvorschristen Zeugnisse über Leumund, Borbildung, Erwerbsverhältnisse usw. behufs Anknüpfung neuer Arbeits- oder Erwerbsverhältnisse vorgelegt werden müssen. Vgl. Erk. v. 4. Febr. 90, E. 20 S. 229. Hierunter fällt auch die Fälschung eines pfarramtlichen TaufzeugnisseS zum Zwecke, die kirchliche Trauung zu erlangen. Erk. v. 22. Juni 06, E. 39 S. 75; ferner die Fälschung behufs Erlangung einer Schank­ konzession. Erk. v. 2. Oktbr. 94, E. 26 S. 83, und die Fälschung eines Zeug­ nisses, um zu einer Prüfung zugelaffen zu werden. Erk. v. 18. Febr. 84, E. 10 S. 162. Es kommt aber nicht der § 363, sondern § 267 zur Anwendung, wenn die Fälschung und der Gebrauch erfolgt ist, um Aufnahme in einem Seminar zu finden, oder um von einer bestimmten Person eine Unterstützung zu erhalten, Erk. v. 14. Febr. u. v. 5. April 92, GA. 39 S. 431 (vgl. aber Erk. v. 28. Febr. 10, E. 43 S. 271), oder eine amtliche Anstellung oder solche als Lehrer oder Arbeilsstellung zu erhalten. Erk. v. 29. Juni 06, E. 39 S. 77. Erk. v. 1. Novbr. 98, E. 31 S. 296 oder, um die Stellung zur Bornahme strafbarer Handlungen zu mißbrauchen. Erk. v. 13. Apnl 15, GA. 62 S. 348, oder um sich eine ge­ setzwidrige Erleichterung der Jagdausübung zu verschaffen oder um eine Strafe abzuwenden. Erk. v. 9. März 88, R. 10 S. 214; oder wenn die Fähigkeits bescheinigung nur für bestimmten Empfänger ausgestellt ist. Erk. v. 2. März 11, E. 44 S. 369. Erk. v. 2. März 17, DStZ. 5 S. 49. Auch eine Bescheinigung, daß der Arbeitnehmer die Beiträge zur Jnvaliditätsversicherung gezahlt habe, fällt nicht unter § 363, GA. 42 S. 401 u. Erk. v. 27. Novbr. 93, E. 24 S. 348, ebensowenig ein Zivilversorgungsschein, Erk. v. 28. Febr. 25, E. 27 S. 56; auch nicht eine Abmeldebescheinigung des Bezirksfeldwebels. Erk. v. 21. Juni 10, GA. 58 S. 192; auch nicht ein Wander­ gewerbeschein Erk. v. 18. März 09, E. 42 S. 249; ebensowenig Fälschung eines Taufscheines, um die Berechtigung zum Adel nachzuweisen, Erk. v. 8. Dezbr. 96, E. 29.,S. 241. Übertretung gegen § 363 kann ideell mit Betrug konkurrieren. Erk. v. 8. April 92, E. 23 S. 43.

A. M. KR. Anm. 8.

83 a) Bezüglich der QuittungSkarten und »Marken der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung bestimmt die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 507) und hinsichtlich der Versicherung der Angestellten das Bersicherungsgesetz für Angestellte v. 20. Dez. 11 (RGBl. S. 989).

§ 1495 RBO.; 88 347, 348 BfA.

Wer QuittungSkarten mit unzulässigen Eintragungen oder mit besonderen Merkmalen versieht, kann vom Bersicherungsamt (Rentenausschuffe BfA.) mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark bestraft werden. Mit der gleichen Strafe kann bestraft werden, wer in QuittungSkarten den Vordruck fälschlich auSfüllt oder die zur Ausfüllung des Vordrucks ein­ getragenen Worte oder Zahlen verfälscht oder wissentlich eine solche Karte ge­ braucht. Wer die Eintragungen, Merkmale oder Fälschungen in der Absicht macht, den Inhaber Arbeitgebern gegenüber kenntlich zu machen, wird mit Geldstrafe

Übertretungen § 363.

271

besonderer Vorschriften auszustellende Zeugnisse,86 * *)**sowie * * * * Führungs * * * * * * *­ * * * * * * * * * * * * oder Fähigkeitszeugnisse falsch anfertigt oder verfälscht, oder wissent­ lich von einer solchen falschen oder verfälschten Urkunde Gebrauch macht, wird mit Hast oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig M) Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zu demselben Zwecke von solchen für einen anderen88) ausgestellten echten Urkunden, als ob sie für. ihn ausgestellt seien, Gebrauch macht, oder welcher solche für ihn ausgestellte Urkunden einem anderen zu dem gedachten Zwecke überläßt.

biS zu 2000 M. ober mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Bei mil­ dernden Umständen kann statt der Gefängnisstrafe auf Hast erkannt merden. Eine Verfolgung wegen Urkundenfälschung (§9 267, 268 StGB) tritt nur gegen Personen ein, welche die Fälschung in der Absicht begangen haben, sich oder anderen einen Bermögensvorteil zu verschaffen oder anderen einen Schaden zuzufügen. § 1496 RBÖ.; § 354 BfA. Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, neben dem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, wird bestraft, wer Marken fälschlich anfertigt oder verfälscht, um sie al- echte zu verwenden, oder wer zu demselben Zwecke falsche Marken sich verschafft, verwendet, feilhält oder in Verkehr bringt. 83 b) tzs ist nicht erforderlich, daß die Marken dem Publikum zugänglich gemacht sind, sondern es genügt jedes Überlassen an einen andern zu einer ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung entsprechenden Benutzung. Erk. v. 12. März 13, DFZ. 18 S. 1444. GA. 60 S. 444. § 1497 RVO.; § 355 BfA. Mit der gleichen Strafe (§ 1496) wird bestraft, wer wissentlich bereits ver­ wendete Marken wieder verwendet oder zur Wiederverwendung sich verschafft, feilhäit oder in Verkehr bringt. Bei mildernden Umständen darf auf Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Haft erkannt werden. 83 c) Bei Annahme mildernder Umstände kann nicht auf Gefängnis erkannt werden. Erk. v. 23. Dezbr. 12, E. 46 S. 354.

§ 1498 RVO.; § 356 BfA. In den Fällen der §§ 1496, 1497 ist zugleich auf Einziehung der Marken zu erkennen, auch wenn sie dem Verurteilten nicht gehören. Das muß auch ge­ schehen, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. 84) Dahin gehören insbesondere Päffe, Geburtsatteste, Tauficheine und bergt Erk. v. 29. Septbr. 85, R. 7 S. 536, u. 21. Novbr.85, R. 7 S. 681. Ob auch sog. Brandatteste, wie das RG. im oben zit. Erk. v. 8. April 92, E. 23 S. 43, annimmt, erscheint sehr zweifelhaft. 85) Der Aussteller muß zur Ausstellung des Zeugniffes besonders ver­ pflichtet sein. Erk. v. 3. Juli 19, DIZ. 25 S. 532. Diplomzeugniffe einer technischen Hochschule fallen nicht unter diesen Begriff. Erk. v. 7. Juli 05, E. 38 S. 145. 86) Das Papier muß wirklich für eine andere Person ausgestellt fein, nicht bloß auf einen anderen Namen. Erk. v. 31. März 84, E. 10 S. 262.

272

III. Strafgesetzbuch §§ 364, 365. § 364.

Mit Geldstrafe bi- zu einhundertfunfzigll) Mark wird

bestraft, wer wissentlich schon einmal verwendetes Stempelpapier nach

gänzlicher oder teilweiser Entfernung der darauf gesetzten Schrift­ zeichen, oder schon einmal verwendete Stempelmarken, Stempelblankette

oder ausgeschnittene oder sonst abgetrennte Stempelabdrücke der in § 276 bezeichneten Art veräußert oder feilhält.

Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher wissentlich schon einmal

verwendete Post- oder Telegraphenwertzeichen nach gänzlicher oder teil­ weiser Entfernung des Entwertungszeichens veräußert oder feilhätt. § 365.

Wer in einer Schankstube 87) oder an einem öffentlichen

Bergnügungsorte88) über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, ungeachtet der Wirt, sein Vertreter88) oder ejn Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldstrafe bis zu fünfzehn11) Mark bestraft.

Der Wirt, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde88) hinaus duldet,88') wird mit Geldstrafe bis zu sechzig")

Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft. 87) Schankstube ist jedes offene Lokal, in dem Getränke zum Genuß auf der Stelle feilgehalten und gegen Entgelt verabfolgt werden. Erk. v. 22. Dezbr. 04, E. 37 S. 260. Auch ein Privatzimmer kann als Schankstube, angesehen werden, wenn tatsächlich Schantwirtschast darin betrieben wird und die Bewirtung ohne Entgelt kann dann den Charakter der Gewerbsmäßigkeit tragen, wenn ein indirekter Vorteil damit verbunden ist. Daß gerade geistige Getränke ausgeschänkt werden, erfordert der Begriff der Schankstube nicht. GA. 44 S. 403—405. Zusammenkünfte zur Besprechung von Wahlen sind hiervon nicht ausgenommen. OR. 15 S. 43 u. GA. 22 S. 56. — Schankgäste sind nur solche, welche sich im Schanklokale Getränke zum Genuß auf der Stelle g e g^en Bezahlung verabreichen lassen. GA. 38 S. 77. Für Logiergäste gilt die Polizeistunde auch dann nicht, wenn sie es nur-geworden sind, um an die Polizeistunde nicht gebunden zu sein. GA. 51 S. 59. 88) Kein öffentl. Vergnügungsort ist eine räumliche Anlage, die be­ stimmungsgemäß nur zu Veranstaltungen von Vereinen und geschloffenen Gesell­ schaften verwendet werden soll und verwendet wird. Erk. v. 30. Jan. 17, E. 50 S. 327. Geschlossen ist eine Gesellschaft, wenn sie aus einem nach Außen hin ab­ geschloffenen Kreis von Personen besteht, die nach Innen miteinander verbunden sind, mag die innerliche Verbindung auf persönlichen Beziehungen, die zwischen den Mitgliedern bereits bestehen, oder auf der Gemeinsamkeit des sachlichen Zwecks beruhen. KG. v. 9. Novbr. 05, GA. 54 S. 310. Siehe auch GA. 52 S. 114 (Skattlub). Eine g. G. ist aber nicht vorhanden, wenn beliebige Gäste beim Eintritt der Polizeistunde sich lediglich zu dem Zweck zusammenschließen, sich die Fortsetzung des Wirtshausaufenthalts zu ermöglichen, mögen sie auch einen besonderen Raum angewiesen erhalten haben. OLG. Rostock v. 10. Febr. 11, Jahrb. d. Straft, u. Strafpr. 6 S. 111. Desgl. KG. v. 27. April 11. U. E. 89) Der faktische Vertreter des Wirts, insbesondere die Eheftau desselben, macht sich strafbar. GA. 42 S. 142. KG. v. 30. Jan. 08, Recht 12 S. 388. 90) Anordnung über die einzuhaltende Polizeistunde sind keine selbständigen Holizeiverordnungen. Erk. v. 14. Dezbr. 15, E. 49 S. 309. Die gewährte Er-

Übertretungen § 366.

§ 366.

273

Mit Geldstrafe bis zu sechzigll) Mark oder mit Hast bis

zu vierzehn Tagen wird bestraft: 1. wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Fest­ tage erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt;01) 2. wer in Städten oder Dörfern übermäßig schnell fährt9U) oder laubnis zur Ausübung des Gewerbes über die Polizeistunde hinaus darf nur aus Rücksichten polizeilicher Art entzogen werden. Vorbehalt der Widerruflichkeit ändert daran nichts. OGB. v. 20. Dez. 05, DIZ. 11 S. 658.. Die Be­ stimmung einer Zeit, vor der am Morgen Gäste nicht in den Wirtschaften sich aufhalten dürfen, ist ungültig. KG. v. 13. Jan. 13, Recht 17 S. 207. DIZ. 18 S. 701. Die Polizeibehörde darf aber die allgemein festgesetzte Polizeistunde wegen Kellnerinnenbedienung kürzen. KG. v. 28. Oktbr. 12, Johow 43 S. 380. Für dieselben Schankräume kann nur eine und. dieselbe Polizeistunde festgesetzt werden. OBG. v. 3. Juni 12, GA. 62 S. 182. Übrigens

findet die Polizeistunde auch auf die Bahnhofsrestaurationen Anwendung. Erk. v. 22. Sept. 04, E. 37 S. 260. KG. v. 23. Okt. 05, DIZ. 11 S. 87, u. GA. 39 S. 353, (A. M. OLG. Celle v. 19. Sept. 04, GA. 53 S. 187). Die irrtüm­ liche Annahme des Täters, daß durch die PB. für den gegebenen Fall eine Polizeistunde nicht bestimmt sei, fällt unter § 59 StGB. OLG. Celle v. 14. Juni 10, GA. 59 S. 360. Ist der Schankbetrieb verboten, dann ist nach KG. v. 1. Dezbr. 16, Recht 21 S. 141 eine Polizeistunde begrifflich ausge­ schlossen; nach dem zit. Erk. d. RG. v. 22. Septbr. 04 ist es unerheblich, ob sich der Betrieb als ein rechtmäßiger darstellt oder nicht. 90 a) Der Wirt mutz zum Verlassen des Lokals aufgefordert haben. KG. v. 10. Oktbr. 05, GA. 52 S. 422. Die bloße Erklärung des Wirts, es sei Feierabend, genügt nicht, ebensowenig das- Einstellen des Ausschanks. KG. v. 24. Novbr. 13, LZ. 8 S. 311. Nach Braunschweig v. 17. Mai 94, GA. 43 S. 61 genügt die Äußerung Feierabend. 91) Über die Anordnungen gegen die Störung der Feier der Sonn- und Feiertage siehe insbes. die eingehende Erörterung in dem Erk. v. 24./30. Oktbr. 89, E. 20 S. 82. Es handelt sich danach nur um Störungen, welche nach außen hin wirksam unmittelbar in die äußere Erscheinung treten und als solche geeignet sind, die äußere Heilighaltung der Sonn- und Festtage, die an denselben zu be­ obachtende äußere Ruhe und in diesem Sinne die allgemeine Sonntag-feier zu beeinträchtigen und zu stören. Eine Reihe wesentlicher Bestimmungen, insbes. über die Vornahme gewerblicher Arbeiten an Sonn- und Feiertagen finden sich jetzt in den §§ 105 ff. der Gew.Ordn. Siehe dieselben und die Anm. dazu. — Außerdem ist die Heilighaltung der Sonntage durch eine Reihe von Poltzeiverordn. der Regierungsbehörden geregelt, welche ihre gesetzliche Grundlage in der AKO. v. 7. Febr. 1837 (GS. S. 19) finden. Die allgemeine Sonntagsfeier beginnt nicht mit dem Anfänge des Kalendertages, sondern vielmehr erst mit den Morgenstunden des Sonntags. Anders aber verhält es sich mit den Vor­ abenden der drei großen Feste (Weihnachten, Ostern und Pfingsten), GA. 46 S. 141. Eine Polizeiverordnung, welche die Veranstaltung von Tanzmusiken an dem Vorabend des Bußtages verbietet, ist gültig. Johow 27 S. 019; aber ungültig diejenige, die das Ende von Tanzluftbarkeiten an Sonnabenden auf 12 Uhr festsetzt. KG. v. 24. April 11, Johow 41 S. 413. Bei idealer Konkurrenz mit Übertretung gegen das Hausiersteuerges. (süb XVII) ist die

Strafe aus diesem § festzusetzen. KG. v. 13. Dez. 09, DIZ. 15 S. 317. 91 a) Dahin gehört auch das Fahren auf einem von dem Fahrer durch

Dalcke, Strafrecht.

16. Aufl.

(1922).

18

274

III. Strafgesetzbuch § 366.

rettet, oder auf öffentlichen Straßen oder Plätzen der Städte oder Dörfer mit gemeiner Gefahr Pferde einsährt»») oder zureitet;

3. wer auf öffentlichen Wegen, Straßen,

Plätzen oder Wasser­

straßen das Vorbeifahren anderer mutwillig verhindert; 4. ßoer in Städten mtt Schlitten ohne feste Deichsel oder ohne Geläute oder Schelle fährt; b. wer Tiere in Städten oder Dörfern, auf öffentlichen Wegen,

Straßen oder Plätzen, oder an anderen Orten, wo sie durch Aus­

reißen, Schlagen oder aus andere Weise Schaden anrichten können, mit Vernachlässigung

der

erforderlichen Sicherheitsmaßregeln

stehen

läßt oder führt;»»)

6. wer Hunde auf Menschen hetzt; 7. wer Steine oder andere harte Körper oder Unrat auf Menschen,

auf Pferde oder andere Zug- oder Lasttiere, gegen fremde Häuser,

Gebäude oder Einschließungen,

oder in Gärten

oder

eingeschlossene

Räume totrft;9*) 8. wer nach einer öffentlichen Straße»^) oder Wasserstraße, oder nach Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren Pflegen, Sachen, durch deren

Umstürzen oder Herabfallen jemand beschädigt werden kann, ohne ge­ hörige Befestigung aufstellt oder aufhängt, oder Sachen auf eine Weise

ausgießt oder auswirft, daß dadurch jemand beschädigt oder verun­

reinigt werden kann;»») 9. wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen

Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt oder liegen läßt;»») eigene Kraft bewegtem Rade. Erk. v. 14. März 04, Recht 8 S. 229 u. GA. 51 S. 195. Desgl. das Fahren von Straßenbahnwagen. KG. v. 12. Febr. 14, DIZ. 19 S. 701. 92) Dahin gehört nicht ein bloßes Probefahren, GA. 40 S. 352. 93) Die Bestimmung bezieht sich nicht auf frei herumlaufende Tiere, ins­ besondere nicht auf Hunde auf einem geschloffenen Hofe, GA. 46 S. 240. 94) Die Bestimmung dieses § hat keineswegs die Gefährdung der öffent­ lichen Sicherheit als Voraussetzung, sondern auch die Gefahr, die für ein ein­ zelnes Individuum entstehen kann. OLG. Breslau v. 20. Novbr. 94, GA. 42 S. 425. A. M. Olshausen. Daß die Menschen, Pferde rc. auch wirklich getroffen sind, ist nicht not­ wendig. GA. 25 S. 576 u. Erk. v. 31. Jan. 81, E. 8 S. 306. Unter „Unrat" ist nicht bloß eine Ekel erregende Substanz zu verstehen, vielmehr jede, die ver­ unreinigt. Erk. v. 5. Febr. 91, E. 21 S. 314. 94a) Es ist nicht erforderlich, daß der Werfende sich außerhalb der Straße befindet. Erk. v. 14. Dez. 05, GA. 53 S. 77. 95) Der Tatbestand liegt vor, sobald die mangelhafte Befestigung ein Herabstürzen objektiv möglich erscheinen läßt; auf den irrigen Glauben des Täters kommt es nicht an. Erk. v. 17. April 88, E. 17 S. 303. 96) Der Täter muß sich, der Rechtswidrigkeit seines Tuns bewußt sein.

Übertretungen §§ 366 a, 367.

275

10. wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Rein­ lichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt.97) § 366 a. Wer die zum Schutze der Dünen und der Fluß- und Meeresufer, sowie der auf denselben vorhandenen Anpflanzungen und Anlagen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt, wird mit Geld­ strafe bis zu einhundertsunfzig *ll) Mark oder mit Hast bestraft. § 367. Mit Geldstrafe bis zu einhundertsunfzig ll) Mark oder

mit Haft wird bestraft: Colmar v. 18. Novbr. 02, GA. 51 S. 208. — Im Sinne dieses § ist ein Weg schon dann ein öffentlicher, wenn er dem öffentlichen Verkehr freigegeben ist. GA. 39 S. 82. S. auch Erk. v. 11. Septbr. 00, @.;33 S. 373, u. KG. v. 11. März 01, Johow 21 S. 93. Abweichend GA. 39 S. 83. Beruht die Be­ stimmung zum öffentlichen Wege auf der Willenserklärung einer Privatperson, so geht diese Eigenschaft durch entsprechenden Widerruf verloren. Erk. v. 7. Jan. 09, JurW.09 S. 303. Hamm v. 14. Novbr. 13, DStZ. 1 S. 684. Darüber, was ein Verkehrshindernis ist, entscheidet die Örtlichkeit, Umfang des Verkehrs, Auffaffung der Ortsbewohner. GA. 51 S. 413. — Für die Angehörigen, An­ gestellten 2C. ist der Geschästsherr verantwortlich, GA. 40 S. 61 u. 41 S. 152. 97) Hierunter kann auch das Verteilen von Druckschriften auf öffentlichen Straßen fallen. GA. 39 S. 354; auch der Einzelverkauf von Theaterbillets. KG. v. 19. Juli 06, DIZ. 12 S. 71. Herumlaufenlaffen von Hunden. KG. v. 12. Oktbr. 14, DStZ. 2 S. 559; auch das Stehenbleiben auf dem Bürger­ steige. KG. v. 16. Aug. 06, Recht IIS. 786; auch das Ausrufen von Berkaufsgegenständen KG. v. 21. Oktbr. 07, DIZ. 13 S. 197, das Abspringen von der Straßenbahn KG. v. 16. Jan. 08, ebenda S. 309; ferner das Streik­ postenstehen. KG. v. 15. Juni 05, DIZ. 10 S. 653; durch letzteres muß aber die Sicherheit des Straßenbahnverkehrs unmittelbar bedroht sein. KG. v. 5. März 06, DIZ. 11 S. 766. Vorausgesetzt werden nicht bloß gülttge Polizeiverordnungen, vielmehr ist die Bestimmung in einer Polizeiverordnung, daß den Weisungen der Aufsichts­ beamten unbedingt Folge zu leisten sei, ausreichend, um die Nichtbefolgung dieser Anordnungen und Weisungen strafbar zu machen. GA. 39 S. 448. Ebenso im Erk. v. 7. Juni 87, R. 9 S. 359. Vgl. KG. v. 12. Mai 02, GA. 52 S. 59. Auch Landesgesetze gelten im Sinne dieser Vorschrift als PolBO. DIZ. 10 S. 223. — Die Regelung der Straßenreinigungspflicht kann auch durch Ortsstatut erfolgen. DIZ. 7 S. 251; aber nur hinsichtlich solcher Straßen, deren polizei­ mäßige Reinigung der Gemeinde obliegt. KG. v. 28. Novbr. 10, Iohow 40 S. C 425. Durch Observanz kann die Reinigung den Anliegern nur bei rechtlich öffentlichen Straßen auferlegt werden. GA. 51 S. 63. Siehe auch Johow 22 S. C 47 u. 31 S. 6 12. Unter dem Druck einer die Reinigung anordnenden PO. kann sich die Observanz nicht bilden. KG. v. 2. Febr. 11, Recht 1.5 S. 140. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf Anlieger in neuen Straßen. Johow 28 S. C 58, nicht auf die Besitzer der zum Nachbargebiet gehörenden Grenzgrund­ stücke, ebenda S. C 60. In neu eingemeindeten Ortschaften müssen PO. oder Observanzen besonders eingeführt werden. KG. v. 13. Febr. 11, Recht 15 S. 162. Siehe auch RGZ. 48 S. 275. Jetzt ist die Reinigungspflicht geregelt durch das Gesetz v. 1. Juli 1912 (GS. S. 187). Die KO. v. 24. Febr. 1816, die Verhütung der Verunreinigung der Flüsse 18*

276

III. Strafgesetzbuch § 367.

1. wer ohne Vvrwissen der Behörde einen Leichnam") beerdigt") oder Weite schafft,*) oder wer unbefugt einen Teil einer Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Personen wegnimmt;

2. wer den polizeilichen Anordnungen über vorzeitige Beerdigungen entgegenhandett;9)

3. wer ohne polizeiliche Erlaubnis Gift8) oder Arzeneien, *) soweit und Kanäle betr. (GS. S. 108) ist noch in Gültigkeit und gilt als Pol.Berordn. im Sinne dieses § und zu den Verunreinigungen, welche dieselbe verbietet, ge­ hören nicht bloß solche, welche ein mechanisches Hindernis für die Schiffahrt bieten. GA. 40 S. 212 u. 41 S. 67. 98) Siehe Sinnt. 14 zu § 168. 99) Täter ist auch der, dem die Verfügung über die Begräbnisstätte zusteht und der die Beerdigung anordnet oder gestattet. GA. 58 S. 474. — Nicht­ befolgung des § 60 des Ges. über den Personenstand ist nach diesem § zu be­ strafen. GA. 26 S. 148. Vgl. auch GA. 27 S. 381 u. Sinnt. 2. Im Falle eines unnatürlichen Todes ist der StA. u. bzw. das Gericht zu benachrichtigen. Die Unterlassung der Anzeige fällt unter die Strafbestimmung der Nr. 1 bzw. Nr. 2 dieses §. GA. 43 S. 61. Über Feuerbestattung siehe G. v. 14. Septbr.

11 (GS. S. 193). 1) Hierunter ist eine Handlung zu verstehen, durch welche die Leiche ört­ lich aus der Lage, in der sie sich befindet, entfernt und der Behörde ihre Besichttgung unmöglich gemacht oder doch erschwert wird. Erk. v. 17. Jan. 96, E. 28 S. 119. 2) Auch tz 60 des Pers. StG. enthält eine Anordnung über vorzeitige Be­ endigung. Posen v. 4. Dezbr. 97, GA. 46 S. 355. 3) Die vor Erlaß der Gew.Ordn. in Preußen ergangenen Verbote über den Handel mit Giften sind noch in Gülttgkeit. GA. 42 S. 279 u. 280. 4) Was als Arznei anzusehen ist, bestimmt sich zunächst nach der Kaiser!. VO. v. 22. Oktbr. 01 (RGBl. S. 380). Es ist aber nicht bloß der Verkauf von wirklichen Arzneien verboten, sondern der § bezieht sich auf das Verbot des Feilhaltens von Heilmitteln aller Art, ohne Unterschied, ob sie heilkräfttge Stoffe enthalten und resp, unschädlich sind oder nicht. Destillate sittd nicht schlechthin zum freien Verkehr zugelassen. KG. v. 27. Novbr. 08, I o h o w 37 S. C 74 u. Bd. 44 S. 447. Insbesondere gehören zu den Arzneien die in dem Verzeichnis B der BO. v. 22. Oktbr. 01 aufgeführten Stoffe. Maßgebend ist für die Entscheidung der Frage, welche Stoffe u. Zubereitungen nur von konzessionierten Gifthändlern feilgehalten werden dürfm, ist die MPB. v. 22. Febr. 06 (BMBl. S. 42), KG. v. 30. Apr. 08, Johow 36 S. 6 78. Karbolwasser darf außerhalb der Apotheken „zum äußeren Gebrauch" feilgehalten werden. KG. v. 24. Mai 07, GA. 55 S. 123. Die Zubereitung der Stoffe ist nach der Entsch. des KG. v. 16. Dezbr. 01 dem freien Verkehr nicht entzogen. I o h o w 23 S. 6 56. Ob das Heilmittel für Menschen oder Tiere besttmmt ist, macht keinen Unter­ schied. GA. 39 S. 83,356 u. 449. Über den Begriff Heilmittel siehe auch GA. 43 S. 263—266. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Arznei als Heilmittel angepriesen ist, das bestimmt sei, einen kranken Zustand zu heilen, sondern es genügt, daß dieselbe als Heilmittel zubereitet ist und als solches feilgehalten wird. GA. 38 S. 366. Nicht genügt der Verkauf zu anderen Zwecken. Erk. v. 3. Novbr. 91, E. 22 S. 197. Linderungsmittel gehören hierher. GA. 39 S. 366; auch Brusttee. GA. 39 S. 449; nicht Zahnpasta. GA. 39 S. 355; auch nicht ohne weiteres ein Mittel gegen Kindergeschrei. GA. 52 S. 113.

Übertretungen § 367.

277

der Handel mit denselben nicht freigegeben ist/) zubereitet, fetthätt,ÖB)

verkauf/) oder sonst an anderes überläßt/) 4. wer ohne die vorgeschriebene Erlaubnis Schießpulver oder andere

explodierende Stoffe oder Feuerwerke zubereitet/) 5.

wer

bei der

Aufbewahrung10)

oder

bei

der

Beförderung

von Giftwaren, Schießpulver oder Feuerwerken, oder bei der Aufbe-

Unter „Geheimmittel" versteht man ein staatlich nicht anerkanntes oder nicht genehmigtes Heilmittel gegen Krankheiten, das unter einem Namen empfohlen wird, welcher seine Natur und die Art seiner Zusammensetzung nicht deutlich er­ kennen läßt. GA. 38 S. 454. Siehe auch Erk. v. 25. Mai 82, E. 6 S. 329 u. Erk. v. 21./28. Novbr. 87, R. 9 S. 625. Vielfach ist durch besondere Polizeiverordn. das öffentliche Anpreisen von Heilmitteln und bzw. Geheimmitteln ver­ boten. Diese Verordnungen sind aber nicht rechtsgülttg. Siehe das oben zit. Erk. des KG. v. 16. Dezbr. 01. Vgl. Anm. 8. 5) Freigegeben ist der Handel mit Arzneien, soweit sie nicht nach der BO. v. 22. Oktbr. 01 den Apotheken Vorbehalten sind. Der Großhandel ist überhaupt freigegeben. 5 a) Bloßes Ankündigen und Angreifen ist kein Feilhalten. KG. v. 19. Febr. 12, Johow 42 S. 426. Die Ankündigung und Verabfolgung von Heilmitteln ist keine Ausübung der Heilkunde KG. v. 28. Mai 06, I o h o w 33 S. 69. S. auch Min. Erl. v. 28. Juni 02 u. 7. April 1903 bett. Bekämpfung der Kur­ pfuscherei. Med. MBl. S. 241, 163 u. § 7 der Apotheker-Betriebsordnung v. 18. Febr. 02 ebenda S. 69 (Verbot der Ausübung der Heiltnnft). Bek. über den Handel mit Arzneimitteln v. 22. März 17. (RGBl. S. 270) ist durch § 21 PreisbrBO. v. 8. Mai 18 außer .Kraft gesetzt. 6) Strafrechtlich verantwortlich ist für den Berkaus in einem Drogengeschäst auch der Gehilfe. Erk. v. 8. April 95, E. 27 S. 167. Siehe auch GA. 42 S. 145 über die Haftbarkeit des Prinzipals. § 367 Nr. 3 und § 148 Nr. 7 GWO. stehen nicht zueinander im Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz. Erk. v. 3. Jan. 13, E. 47 S. 20. 7) Zur Strafbarkeit der Überttetung dieser Bestimmung als eines reinen

Polizeidelikts genügt auch Fahrlässigkeit. GA. 44 S. 407. Siebe auch GA. 53 S. 300. Einziehung nach § 40 des StGB, ist im Falle des § 367 Nr. 3 nicht zulässig. GA. 46 S. 142. Der Verkauf von Arzneien im Umherziehen darf nach § 56 Nr. 9 der Gew.O. nicht stattfinden. Wird er bettieben, so fällt er unter die Steuerstrafe. GÄ. 25 S. 227. Auch das unentgeltliche Verabfolgen

an andere ist strafbar. Erk. v. 13. Dezbr. 80, E. 3 S. 119. 8) Unter dem Überlassen an andere kann immer nur ein „in Verkehr­ bringen" verstanden werden. GA. 46 S. 356. Ein Überlasten liegt auch dann

vor, wenn der Arzt einer Krankenkasse die aus Mitteln der Krankenkasse an­ geschafften Arzneien an Mitglieder der Kasse verabfolgt. GA. 48 S. 145, 61 S. 165. Landesgesetzliche Bestimmungen, welche die Anpreisung von Arz­ neien in der Form von Geheimmitteln untersagen, sind, insoweit sie den Ver­ kauf untersagen, nicht ohne weiteres in Kraft geblieben, Erk. v. 25. Mai 82, E. 6 S. 329, v. 21./28. Novbr. 87, E. 16 S. 359, u. v. 13. Febr. 92, E. 23 S. 428, wohl aber, soweit das öffentl. Anpreisen von Geheimmitteln unter Sttafe gestellt ist. GA. 37 S. 374—376. 9) Vgl. jetzt Ges. v. 9. Juni 84 gegen den verbrecherischen-und gemeinges. Gebrauch von Sprengstoffen, unter Nr. VI.

278

III. Strafgesetzbuch § 367.

Wahrung, Beförderung, Verausgabung oder Verwendung von Spreng­ stoffen oder anderen explodierenden Stoffen, oder bet Ausübung der

Befugnis zur Zubereitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände, sowie der Arzeneien") die deshalb ergangenen Verordnungen nicht befolgt;

5 a. wer bei Versendung oder Beförderung von leicht entzündlichen

oder ätzenden Gegenständen durch die Post die deshalb ergangenen Ver­ ordnungen nicht befolgt;12 10) 11

6. wer Waren, Materialien oder andere Vorräte, welche sich leicht von selbst entzünden oder leicht Feuer fangen, an Orten oder in Be­

hältnissen aufbewahrt, wo ihre Entzündung gefährlich werden kann, oder wer Stoffe, die nicht ohne Gefahr einer Entzündung bei einan­

der liegen können, ohne Absonderung aufbewahrt;13)14 15 7. wer verfälschteu) oder verdorbene Getränke oder Eßwaren,l6)

insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft;

8.

wer

ohne

polizeiliche Erlaubnis

an

bewohnten

oder von

Menschen besuchten Otten16) Selbstgeschoffe, Schlageisen oder Fuß­ angeln legt, oder an solchen Orten mit Feuergewehr oder anderem

Schießwerkzeugen) schießt,"') oder Feuerwerkskörper abbrennt; 10) Hierunter ist jede Niederlegung zu vorübergehender oder dauernder Lagerung zu verstehen. München v. 6. gebt. 92, GA. 41 S. 68. 11) Siehe oben Anm. 5 zu diesem §. 12) Siehe 8 5 d. PostO. v. 28. Juli 17 (RGBl. S. 765). 13) Aufbewahren heißt die betr. Gegenstände an einem Orte lagern lassen, bis sie ihre bestimmungsmäßige Verwendung finden, dies ist nicht der Fall, wenn Gegenstände z. B. zu dem Zwecke auf einen Ofen gelegt werden, damit sie dort schneller trocknen. Erk. v. 29. März 92, E. 22 S. 435. Über den Begriff „Vor­ räte" siehe GA. 40 S. 461. Vgl. Anm. 9 zu 8 308. 14) Diese Bestimmung ist durch das Nahrungsmittelgesetz nicht aufgehoben. Sie bezieht sich jedoch nur auf die Fälle, in denen es sich nicht um mit Vorsatz verübte oder aus Täuschung berechnete Fälle handelt. Erk. v. 9. Mai 82, E. 6 S. 269, u. v. 5. Febr. 95, E. 26 S. 419. Siehe auch Erk. v. 11. Nov. 04, DIZ. 10 S. 268. Aber es ist auch hier zum Tatbestände ein subjektives Ver­ schulden erforderlich. Erk. v. 20. Mai 90, GA. 38 S. 191. Über den Begriff „verfälschen" siehe Erk. v. 5. Oktbr. 81, R. 3 S. 504. Es wird eine absichtlich bewirkte Verschlechterung des Stoffes vorausgesetzt. 15) Hierher gehört auch das von den Fleischern aufgeblasene Fleisch, Erk. v. 27. Mai 87, R. 9 S. 355, und insbes. das Fleisch von kranken Tieren, Erk. v. 3; Jan. 82, E. 5 S. 287. Ob der mangelhafte Zustand durch Kochen oder eine andere Zubereitung beseitigt werden kann, ist unerheblich. Siehe das Anm. 14 zit. Erk. v. 9. Mai 82. 16) Dahin gehören auch solche Orte, deren Betreten nicht erlaubt ist, die aber doch von Menschen besucht werden. Erk. v. 11. Oktbr. 83, E. 9 S. 124. Siehe auch GA. 43 S. 62 u. 47 S. 440, auch Gebäude, sofern sie abgesehen vom Täter noch von jemand bewohnt oder besucht werden. GA. 54 S. 317. Es braucht aber die Eigenschaft eines Ortes als besuchten keine dauernde zu sein. Erk. v. 18. Febr. 21, E. 55 S. 252. Das Schießen muß aber in seiner Wir­ kung den betr. Ort gefährden. Breslau d. 19. Mai 14, Recht 18 S. 465.

Übertretungen § 367.

279

9. wer einem gesetzlichen Verbot17 18) zuwider Stotz-, Hieb- oder Schußwaffen, welche in Stöcken oder Röhren oder in ähnlicher Weise verborgen sind, feilhält oder mit sich führt;

10. wer bei einer Schlägerei,

in welche er nicht ohne sein Ver­

schulden hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriff sich einer Waffe,

insbesondere eines «Messers

oder eines anderen gefährlichen

Werkzeuges bebtent;19) 11. wer ohne polizeiliche Erlaubnis gefährliche wilde Tiere hält,

oder wilde oder bösartige.Tiere frei umherlaufen läßt,

oder in An­

sehung ihrer die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von Beschädigungen unterläßt;

17) Ein Blaserohr in der Hand eines Knaben kann nicht hierher gerechnet werden. GA. 38 S. 242; wohl aber eine Patrone, ine durch einen Schlag mit einem Hammer zur Entladung zu bringen ist. Erk. v. 19. Jan. 11, Recht 15 Nr. 948. — Der Nachweis, daß scharf geschossen wurde, ist mcht erforderlich. Erk. v. 25. Juni 06, Recht 10 S. 1152. GA. 53 S. 439. Ein Beamter, der den Gebrauch der Schußwaffe fur gegeben hält, ist straflos, auch wenn er sich hinsichtlich der Notwendigkeit des Gebrauchs im Irr um befindet. Erk. v. 2. März 11, E. 44 S. 353, Bei Vorliegen von Notstand ist die Vorschrift nicht anwendbar. Celle v. 5. März 06, GA. 58 S. 240. 17») In dem bloßen Laden eines Gewehrs ist ein Schießen nicht zu finden. Erk. v. 16. Mai 14, E. 48 S. 321. Siebe auch Anm. 47 f. zu § 36o. 18) Das Verbot kann auch durch eine Pol.Verordn. erfolgen. Erk. v. 14. Oktbr. 89, E. 20 S. 43, Erk. v. 19. Febr. 03, E. 36 S. 109, u. ebenda S. 248, Erk. v. 20. Mai 03. Das KG., welches früher auch diese Ansicht vertrat (GA. 38 S. 85), hat später seine Meinung gewechselt (I o h o w 25 S. 0 87 u. 26 S. C 49) ist zuletzt aber wieder zu seiner ersten Ansicht zurückgekehrt und hält nunmehr derartige Verbote für gültig. Iohow 26 S. 0 85 u. DIZ. 8 S. 502. Siehe auch Erk. d. OVG. v. 14. April 04, GA. 51 S. 372. Darüber, ob eine PVO. den Verkauf von Waffen an solche Personen, die außerhalb deS Bezirks wohnen, beschränken darf siehe KG. v. 5. Dezbr. 12, DIZ. 18 S 590 u. v. 3. Juli 13, ebenda 19 S. 104. Auch Verordnungen, die den Waffen­ händlern eine Buchführung für den Verkauf von Waffen vorschreiben, sind für zulässig erklärt. DIZ. 9 S. 461 Johow 32 S. C 59. Personen, denen der Gebrauch von Waffen gestattet ist, bedürfen auch zum Führen nicht vorgeschrie­ bener Waffen keines Waffenscheins. KG. v. 15. Apr. 12, Johow 43 S. 438. 19) Die Bestimmung ist auch anwendbar, wenn sich an der Schlägerei nur zwei Personen beteiligt haben. GA. 25 S. 61, 49 S. 335. — Die Vorschrift findet Anwendung auf jeden Angriff und zwar auch auf einen solchen, welchen eine einzelne Person verübt hat. Erk. v. 19. Jan. 88. R. 10 S. 46. — DaS Sichhinstellen vor einen andern mit einem geöffneten Messer, um gegen ihn tätlich vorzugehen, ist noch kein Angriff. Erk. v. 21'. Jan. 05, Recht 9 S. 113. Der Angegriffene selbst braucht sich eines Messers nicht bedient zu haben. Erk. v. 27. Juni 90, GA. 38 S. 333. — Ein „sich bedienen" des Mesters durch den An­ greifenden liegt vor, sobald dasselbe in der Schlägerei in irgend einer Weise be­ nutzt ist. Es ist nicht notwendig, daß mit demselben eine Tätlichkeit gegen eine Person verübt ist. Erk. v. 17. Oktbr. 81, E. 5 S. 170. — Der Einwand der Notwehr ist nicht ausgeschlossen. Erk. v. 7. Apr. 11, GA. 59 S. 312. — Ein Strafantrag ist nicht erforderlich. GA. 20 S. 409.

HI. Strafgesetzbuch § 367. 12. wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen,

in Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, 8Q) Brunnen,") Keller, Gruben, Öffnungen88) oder Abhänge2S * *)16dergestalt * * * * * * * 24 unverdeckt oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für andere ent­

stehen kann;84) 13. wer trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche dem Einsturz drohen,84 B) auszubessern oder niederzureißen; 14. wer Bauten86) oder Ausbesserungen von Gebäuden, Brun­

nen, Brücken, Schleusen oder anderen Bauwerken Dorntmmt,86) ohne die von der Polizei ungeordneten oder sonst' erforderlichen Sicherungs­ maßregeln zu treffen;

15. wer als Bauherr,88 B) Baumeister26 b) oder Bauhandwerker28c)

20) Auch ein Privatgarten, in dem Personen (Arbeiter) mit einer gewiffen Regelmäßigkeit zu verkehren pflegen, gehört hierher. Erk. t>. 11. Oktbr. 10, DIZ. 16 S. 156. Der Begriff des „Verkehrens" ist ein rein tatsächlicher. Erk. v. 18. Juni 89, GA. 37 S. 202. 21) Brunnen sind künstliche Anlagen zur Fassung oder Förderung deS Wassers. Erk. v. 17. März 94, GA. 42 S. 427. 22) Hierzu gehört auch die Lucke in einem Treppengeländer. Erk. v. 20. Septbr. 92. GA. 40 S. 306. 23) Hierunter ist nicht nur die hängende Fläche, sondern die seitlich durch sie begrenzte Masse zu verstehen. Stettin v. 25. Jan. 95, GA. 42 S. 427. 24) Darunter fallen auch gebrechliche Personen. Erk. v. 14. Jan. 90, GA. 37 S. 441. Fahrlässigkeit genügt. Olshausen Anm. a. Übrigens trifft die Verpflichtung außer dem Eigentümer auch den Inhaber oder Verwalter, nicht aber jeden Nutzungsberechtigten. Erk. v. 23. Febr. 82, E. 6 S. 64. Siehe auch GA. 23 S. 444. Jdealkonkurrenz mit § 222 ist mög­ lich. Erk. v. 13. Jan. 97, GA. 45 S. 34. 24 a) Dies hat der Strafrichter nachzuprüfen. OLG. Hamm v. 15. Ottb. 12, GA. 60 S. 155. 25) Die Begriffe „Bau" und „Bauwerk" sind hier im weitesten Umfange gebraucht, z. B. Ausschachtung von Sand- und Lehmgruben, Legung von Ton­ röhren unter einer Straße usw. GA. 42 S. 453. 26) Ist durch Polizeiverordn. ein schriftlicher Baukonsens vorgeschrieben, so fällt derjenige unter diese Bestimmung, welcher auf Grund einer bloß mündlichen Erlaubnis baut. Erk. v. 3. April u. *26. Juns 91, GA. 39 S. 208. 26 a) Neben dem Bauleiter (Unternehmer) ist auch der Bauherr verant­ wortlich. GA. 37 S. 219. A. M. KR. Anm. XIV, 2. Bauherr ist derjenige, dessen Wille den Bau beherrscht? und, abgesehen von der technischen Seite für die Ausführung derart maßgebend ist, daß der Bauausführende seinen Anordnungen nachzukommen hat. Ob er auch zivilrechtlich als Bauherr anzusehen ist, ist be­ deutungslos. KG. v. 17. Oktbr. 07, DIZ. 13 S. 141. Vgl. Anm. 65 zu § 330. 26 b) Das ist derjenige, der die Ausführung des Bauwerks als Ganzes unmittelbar und in wesentlichen Beziehungen anordnet. DIZ. 7 S. 323. 26c) Hierher gehören nicht alle Personen, welche die handwerksmäßigen Arbeiten beim Bau ausführen, es wird vielmehr eine Tätigkeit verlangt, die darauf gerichtet ist, den Bau durch planmäßige Verwendung der eigenen Arbeits-

Übertretungen § 368.

281

einen Bau 2') oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Ab­ weichung von dem durch die Behörde genehmigten Bauplane ausführt

oder aussühren läßt;

16. wer 5en über das Abhalten von öffentlichen Versteigerungen und über das Verabfolgen geistiger Getränke vor und bet öffentlichen Versteigerungen erlassenen polizeilichen Anordnungen zuwiderhandelt. In den Fällen der Nr. 7 bis 9 kann neben der Geldstrafe oder der Hast auf die Einziehung der verfälschten oder verdorbenen Ge­ tränke oder Eßwaren, ingleichen der Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln, sowie der verbotenen Waffen erkannt werden, ohne Unter­ schied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. § 368. Mit Geldstrafe bis zu sechzig23) Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: 1. wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung der Weinberge zuwiderhandelt; 2. wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnungen gebotene Raupen unterläßt;^)

3. wer ohne polizeiliche Erlaubnis eine neue Feuerstätte errichtet oder eine bereits vorhandene an einen anderen Ort verlegt;3") 4. wer es unterläßt, dafür zu sorgen, daß die Feuerstätten in seinem Hause in baulichem und brandsicherem Zustande unterhalten, oder daß die Schornsteine zur rechten gett31) gereinigt werden; 5. wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche zur Aufbewahrung feuerfangende.r Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder Licht betritt, oder sich denselben mit unverwahrtem Feuer oder Licht nähert;32)

kraft und Kenntnisse sowie gegebenenfalls durch Leitung mechanisch arbeitender Gehilfen zur Vollendung zu bringen. KG. v. 9. Juli 06, DIZ. 12 S. 71. 27) Das wesentliche Merkmal eines Baues bildet dessen Jmmobiliareigenschaft und Untrennbarkeit von der Grundfläche. So Dresden in GA. 42 S. 52, abweichend Kammerger. ebenda. Bauausführung ist auch die Errichtung eines Brunnens. KG. v. 24. Mai 09, DIZ. 14 S. 829. Die Übertretung beginnt mit dem Abschluß der Ausführung des Baues zu verjähren. Erk. v. 15. Febr. 04 S. 78 u.Erk. v. 11. Juli 04, Recht 8 S. 487. 28) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezember 1921 unter II. 29) Auch hier wie bei Nr. 1 bedarf es nicht besonderer Pol.Berordn. Erk. des OTrib v. 21. Febr. 77, JMBl. S. 72. Johow 20 S. 6 103. 30) Hier liegt kein Dauerdelikt vor, die Verjährung beginnt mit der Er­ richtung oder Verlegung der Feuerstätte. Erk. v. 29. März 92, E. 22 S. 435. 31) D. i. zu der gesetzlich vorgeschriebenen oder nach den Umständen des Falles erforderlichen Zeit. GA. 41 S. 428. 32) Zur Auslegung der Nr. 5 siehe Erk. v. 4. Mai 97, E. 30 S. 108.

III. Strafgesetzbuch § 368.

6. wer au gefährlichen Stellen in Wäldern oder Heiden, oder in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen Feuer anzündet;")

7. wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mtt Feuergewehr schießtM) oder Feuerwerke abbrennt;

8. wer die polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgerätschaften über­ haupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustande hält oder andere feuerpolizeiliche Anordnungen^) nicht befolgt; 9. wer unbefugt86) über Gärten oder Weinberge, oder vor be­ endeter Ernte über Wiesen oder bestellte Äcker, oder über solche Äcker,

Wiesen, Weiden oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung ver­ sehen sind, oder deren Betreten durch Warnungszeichen ”) untersagt Ob ein Feuer ein unverwahrtes ist, ist Tatfrage. Erk. v. 8. Jan. 06, Recht 10 S. 195 GA. 53 S. 164. Landesfeuerpvlizeiliche Vorschriften sind zulässig. Erk. v. 2. Novbr. 82, E. 7 S. 201. Vgl. 88 32, 44 Feld u. Forst. PG. sub XII. 33) oder für das Weilerbrennen tätig ist. GA. 46 S. 114. 34) Hierunter fällt auch das Abseuern blinder Schüsse. Das Schießen mit nicht feuergefährlichen Schießwerkzeugen (Windbüchsen, Floberts rc.) gehört also nicht hierher, sondern fällt unter § 367 Nr. 8. Dalcke-Delius, Jagdr. S. 63. 35) Darunter sind solche allgemeine Anordn, zu verstehen, die gegenüber jedem Einwohner des Bezirks, für den sie erlassen, Geltung haben, während sich § 360 Nr. 10 nur auf individuelle Weisungen der Polizeibehörde bezieht. GA. 37 S. 308 u. 42 S. 281. Außerdem umfaßt der Begriff alle Anordnungen, welche sich auf das Feuerlöschwesen überhaupt beziehen. GA. 42 S. 281. Es fallen aber nicht darunter ortsstatutarische Vorschriften über die Verpflichtung der Gemeindemitglieder zum Eintritt in die Pflichtfeuerwehr. KG. v. 13. Apr. 08, Johow 36 S. 6 8. Siehe auch Ges. über die Befugnis der Polizeibenörden zum Erlasse von PO. Über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden v. 21. Dezbr. 04 (GS. S. 291). Hiernach sind PO. gültig, welche die Inhaber von Gespannen verpflichten, Pferde für die Feuerlöschübungen gegen Entgelt zu stellen. KG. v. 20. Jan. 11,Johow41 S. 437. 36) Die irrige Annahme einer Wegegerechligkeit kann die Strafbarkeit aus­ schließen. Erk. v. 29. Mai 14, DStZ. 1 S. 679. Dw Vorschrift bezieht sich auch auf Forstgrundstücke. Sie ist durch F. u. FPG. (vgl. § 10, 36) Nicht be­ seitigt. Es darf somit das Betreten von Privatwegen in Wäldern untersagt werden. KG. v. 30. Mai 05, GA. 53 S. 181, Recht 11 S. 77 u auch KG. v. 26. Novbr. 08, Recht 13 S. 158 DIZ. 14 S. 213. Es ist zulässig, einen Privatweg nur für einige Arten von Fahrzeugen (z. B. Fahrräder) zu sperren. KG. v. 2. Apr. 14, Recht 18 S. 711. Unbefugt handelt nicht, wer gemäß 8 917 BGB. ein Recht auf einen Notweg hat, mag dies Recht auch noch nicht durch Urteil festgestellt sein. KG. v 1. Juli 09, DIZ. 14 S. 1446. Der Jagdberechtigte betritt fremde Äcker nicht unbeiugt, richtet er aber Schaden an, so ist er zum Ersatz verpflichtet. GA. 43 S. 137. Fahrlässige Übertretung ist nicht strafbar. GA. 53 S. 82. 37) Nur solche Warnungszeichen sind zu beachten, welche von einer be­ rechtigten Person gesetzt sind. GA. 24 S. 470. Hierher gehört auch ein Schlag-

Übertretungen § 369.

ist, oder auf einem durch Warnungszeichen geschlossenen Privatwege geht, fährt, rettet oder Vieh treibt; 10.

wer

ohne

sonstige Befugnis ^)

des

öffentlichen,

des

Genehmigung

auf

zum

wenn auch nicht jagend,

einem

Jagdberechtigten

oder

ohne

fremden Jagdgebiete^) außerhalb

gemeinen

Gebrauche

doch zur

Jagd

bestimmten

ausgerüstet,4*)

SßegeS,40 * *)41 38 42 39 43

betroffen

wird;")

11. wer unbefugt Eier oder Junge4S) von jagdbarem Federwild

oder von Singvögeln ausntmmt.44) § 369.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertM) Mark oder mit Hast

bis zu vier Wochen werden bestraft: 1. Personen, welche ohne obrigkeitliche Anweisung oder ohne Ge­

nehmigung des Inhabers einer Wohnung Schlüssel zu Zimmern oder Behältnissen in der

letzteren anfertigen oder Schlösser an denselben

öffnen, ohne Genehmigung des Hausbesitzers oder seine- Stellvertreter-

bäum, wenn er die Sperrung des Weges bezweckt. Erk. v. 17. Novbr. 10, DIZ. 16 S. 96. 38) Forstschutzbeamte können In Ausübung des Forst- und Jagdschutzes auch fremde Reviere betreten. Erk. v. 20. Septbr. 87, E. 16 S. 197. Siehe auch GA. 39 S. 356. Die Befugnis kann auch durch § 228 BGB. gegeben sein. OLG. Rostock v. 20. Mai 10, DIZ. 16 S. 544. 39) Der Staat ist Inhaber des Jagdrechts am Meeresstrande. GA. 47 S. 470. 40) Zum Gebrauch bestimmt ist nur der eigentliche Weg, nicht auch die Böschungen, Seitengräben usw. Erk. v. 12. Juli 87, E. 16 S. 203. Der Irr­ tum des Täters über die Öffentlichkeit des Weges schüeßt die Strafbarkeit ans.

GA. 41 S. 152. 41) Zur Jagd ausgerüstet ist, wer Jagdgerät, insbesondere ein Gewehr bei sich führt, von dem er in jedem Augenblicke Gebrauch machen kann. Daß das Gewehr auseinander genommen ist, schließt die Jagdausrüstung nicht aus. OR. 13 S. 672, Erk. v. 20. April 80, R. 1 S. 671, u. Erk. v. 4. Novbr. 87, R. 9 S. 556. GA. 47 S. 469. Das Mifführen eines Jagdhundes ist nicht strafbar, wenn dem Begleiter des Jagdhundes nicht das Bewußtsein innewohnt, daß er durch das Mitsühren des Hundes zur Jagd ausgerüstet fei. GA. 48 S. 148. Zum Tatbestände dieser Übertretung gehört nicht bewußte Widerrecht-

lichkeit, es liegt ein reines Polizeidelikt vor und genügt also Fahrlässigkeit. GA. 44 S. 174. Dalcke-Delius S. 379 u. Erk. v. 18. Mai 05, E. 38 S. 104. Hat der A. bei Beginn der Pacht Erkundigungen über die Grenzen seines Bezirks beim Gemeindevorsteher eingezogen, so hat er das getan, was von ihm verlangt werden konnte. KG. v. 3. Juli 12, Recht 17 S. 473. 42) Dazu gehört nicht, daß der Täter körperlich betroffen wird. Erk. v. 31. Mai 81, R. 3 S. 352, u. v. 24. Oktbr. 81, E. 5 S. 72. 43) Über das Ausnehmen von Jungen siehe Dalcke-Delius S. 380. 44) Soweit es sich um den Schutz von Singvögeln handelt, ist jetzt das Bogelschutzgesetz vom 30. Mai 08 (sub XIV) maßgebend. Bezüglich jagdbares Federwild siehe § 1 JO. (sub X).

284

111. Strafgesetzbuch § 370.

einen Hausschlüssel") anfertigen, oder ohne Erlaubnis der Polizei­

behörde Nachschlüssel oder Dietriche verabfolgen; ") 2. 3. Gewerbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn sie die Vorschriften nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anlegung und Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, sich des Feuers zu bedienen, erlassen sind. § 370. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig") Mark öder mit Hast wird bestraft: 1. wer ünbeftrgt ein fremdes Grundstück, einen öffentlichen oder Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben oder Abpflügen verringert;47 45) 46 2. wer unbefugt von öffentlichen oder Privatwegen Erde, (Steine48)49 50 51 52 oder Rasen, oder aus Grundstücken,48) welche einem anderen gehören, Erde, Lehm, Sand,88) Grand oder Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Rasen,69 (Steine,62) Mineralien, zu deren Gewinnung 45) AlS solcher ist kein Schlüssel anzusehen, der einen Torweg öffnet, durch den man in das unverichlossene Haus gelangen kann. GA. 43 S. 268. 46) Nr. 2 ist aufgehoben durch die Maß- und Gewichtsordnung v. 30. Mai 08 (RGBl. G. 349). Auf Grund des § 19 ist die Eichordnung für das Deutsche Reich vom 8. Novbr. 11 (RGBl. S. 960 — Beilage) u. Bet. v. 29. Juni 15 (RGBl. S. 431) erlassen. Siehe auch Bek. v. 2. März u. v. 27. Dezbr. 21 (RGBl. S. 260 — u. 1922 — S. 2). 47) Die Verringerung eines Grenzraines kann mit der Beseitigung der vorhandenen Grenzmerkmale (§ 274 Nr. 2) in Jdealkonkurrenz Zusammen­ treffen. Erk. v. 29. Dezbr. 91, E. 22 S. 286 u. Erk. v. 19. Novbr. 09, Recht 13 Nr. 3882. Daß der verringerte Grenzrain oder Weg ein ftemder, dem Täter nicht gehöriger ist, ist nicht notwendig. Erk. v. 21. Septbr. 94, E. 26 S. 74. Erk. v. 23. Mai 02, GA. 49 S. 271 u. Erk. v. 28. Septbr. 11, DIZ. 16 S. 1560, Recht 15 Nr. 3590. Auch der Pächter macht sich schuldig, der Pacht­ land des Nachbars abpflügt, auch wenn beide Grundstücke dem Verpächter ge­ hören, KG. v. 26. Mai 10, DIZ. 15 S. 970. 48) Die Steine können sich auch auf der Oberfläche befinden. Nicht not­ wendig ist es, daß sie mit dem Grund und Boden verbunden sind. Vgl. aber Anm. 52. 49) Die Grundstücke müssen durch die Wegnahme eine Substanzveränderung erleiden. Erk. v. 18. Novbr. 09, Recht 14 Nr. 249. 50) Über die Wegnahme von Sand vom Meeresufer siehe GA. 37 S. 222, dieselbe fällt nicht unter diesen Paragraphen. 51) Die Entwendung »»gestochenen Torfes ist nach diesem Paragraph, nicht nach § 18 der Feldpol.Ordn. zu bestrafen. Erk. v. 27. Juni 90, E. 21 S. 27. Ebenso wird man die Wegnahme von Eis aus Privatgewässern hierher zu rechnen haben. O l s h a u s e n Anm. c. KR. Anm. II 5. 52) Hier wird vorausgesetzt, daß sich die Steine bis zu ihrer Wegnahme in dem Grundstück als Bodenbestandteil befunden haben. Waren sie schon vom Eigentümer ausgegraben, so liegt Diebstahl vor. Erk. v. 13. Mai 87, R. 9 S. 313. Vgl. hierzu GA. 39 S. 449. Diebstahl soll dann nicht vorliegen, wenn

Übertretungen § 370.-

285

es einer Verleihung, einer Konzession oder einer Erlaubnis der Be­ hörde nicht bedarf, oder ähnliche Gegenstände wegnimmt;63) 3. wer von einem zum Dienststande gehörenden Unteroffizier oder Gemeinen des. Heeres oder der Marine ohne die schriftliche Erlaubnis des vorgesetzten Kommandeurs Montierungs- oder Armaturstücke kaust oder zum Pfande nimmt; 4. wer unberechtigt fischt oder krebst;3*) 5.66) wer Nahrungs-33 *) oder Genußmittel36) oder andere Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs3'7). in geringer HTengc37a) oder von unbedeutendem werte 33).zum alsbaldigen^) verbrauch entwendet33) oder unterschlägt. die Steine vom Eigentümer nur zufällig, nicht aber in der Absicht, sie zu ver­ wenden, ausgegraben sind. 53) Das bloße „Graben" genügt nicht, es ist vielmehr Wegnahme in rechts­ widriger Absicht erforderlich. GA. 26 S. 453, Olshausen Anm. d. A. M. GA. 49 S. 315. KR. Anm. II 6. Unter allen Umständen ist ein vorsätzliches Handeln erforderlich und ein fahrlässige Übertretung dieser Strafbestimmung ausgeschlossen. GA. 37 S. 73. 54) Die Frage, ob jemand unberechtigt fischt, ist nach den Bestimmungen des Fischereigesetzes vom 11. Mai 16 (sub XIII) zu beurteilen. 55) Die Vorschrift setzt nicht voraus, daß das Bedürfnis, das den Anreiz zur Tat gab, auf andere Weise nicht befriedigt werden konnte. Erk. v. 4. Oktbr. 18, E. 52 S. 245.

55 a) Tahin gehören alle Gegenstände, welche zur Ernährung des mensch­ lichen Körpers dienen, auch, wenn sie erst gekocht werden müssen, um genießbar zu sein. Erk. v. 24. Febr. 80, E. 1 S. 233. Selbst lebende Tiere sind hierher­ gerechnet. Erk. v. 1. Juli 84, R. 6 S. 488. 56) Genußmittel sind diejenigen, welche zwar dem Körper zugeführt und genosien werden, aber nicht zur Ernährung bestimmt sind. Es gehören hierher nicht Blumen, E. 4 S. 72, wohl aber Tabak, E. 5 S. 289. Auch Btebfutter kann hierunter fallen, wenn es zur Nahrung für ein in der.Hauswirtschaft be­ nutztes Tier dient. Erk. v. 13. Febr. 13, E. 47 S. 247 u. Erk. v. 1. Juli 13, ebenda S. 266. Siehe aber auch Erk. v. 5. Jan. 15, GA. 62 S. 340. 57) Es muß stoffliche Umgestaltung oder Zerstörung des Stoffes in Aus­ sicht genommen sein. Daher fällt nicht hierunter die Verwendung von Wäsche­ stücken. Erk. v. 7. Febr. 13, E. 46 S. 422, nicht von Stroh als Bettstroh. Erk. v. 21. April 17, Recht 21 Nr. 1392, nicht die Einpflanzung von Sträuchern. Erk. v. 20. Oktbr. 13, Recht 18 Nr. 3088, wohl aber Leder, wenn es geeignet ist, zu kleinen Ausbesserungen am Schuhwerk zu dienen. Erk. v. 28. April 19, E. 53 S. 229. Auf den Zweck, den der Dieb mit der Wegnahme verfolgt, kommt es nicht an, sondern auf die Zweckbestimmung, die dem Gegenstand nach feiner Beschaffenheit entsprechend der Verkehrsauffassung innewohnt. Erk. v. 16. Mai 19, Recht 23 Nr. 1227. Es fallen auch hierunter Serpentin und Firnis zum Anstreichen einer Laube. Erk. v. 10. März 13, E. 47 S. 80; unter Umständen auch Kalk. Erk. v. 20. April 17, E. 51 S. 51, nicht Grubenholz, soweit es nicht als Brennholz dient. Erk. v. 16. Mai 19, E. 53 S. 205, nicht Brotmarken. Erk. v. 15. Dezbr. 17, R. 51 S. 317.

III. Strafgesetzbuch § 370.

wer die Tat gegen einen verwandten absteigender Linie oder gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt straflos.

6. wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte

57 a) Eine Flasche Aquavit ist keine geringe Menge. Erk. v. 21. Febr. 19, LZ. 13 S. 812. 58) Maßgebend ist der Wert zur Zeit der Entwendung. Erk. v. 12. Dzbr. 16, GA. 64 S. 118. Es kommt auf den gemeinen Wert an. Erk. v. 26v. Juni

11, Recht 15 Nr. 3042; Die gegenwärtigen Teuerungsverhältnisse und die Entwertung des Geldes können berücksichtigt werden. Erk. v. 30. Mai 16, JurW. 45 S. 1128 u. Erk. v. 8. Juli 18, JurW. 48 S. 46. Ist die Ent­ wendung von mehreren verübt, so ist der Gesamtwert des Entwendeten ent­ scheidend. Erk. v. 10.' Mai 83, E. 8 S. 406, desgl. bei fortgesetzter Handlung. Erk. v. 16. April 88, E. 17 S. 332. Unerheblich ist die Zahl und der Bedarf der Täter. Erk. v. 23. Dezbr. 13, JurW. 43 S. 380. Bei fortgesetzten Entwendungen, deren Gesamtsumme eine geringe Menge oder unbedeutenden Wert übersteigt, ist Diebstahl anzunehmen, wenn die Ab­ sicht des Täters von vornherein auf diese sukzessive Entwendung gerichtet ge­ wesen ist. Erk. v. 26. April 88, R. 10 S. 333. Vgl. auch Erk. v. 27. Juni 14, DStZ. 2 S. 360. 59) „alsbald" ist nicht gleichbedeutend mit „sofort" oder „unmittelbar"; zwischen der Entwendung und dem Gebrauche kann vielmehr einige Zeit liegen, Erk. v. 24. Febr. 80, R. 1 S. 385, siehe auch Erk. v. 8. Juni 03, GA. 50 S. 386; auch ist es irrelevant, daß die Nahrungsmittel nicht in einer Mahl­ zeit verzehrt worden sind, Erk. v. 15. Oktbr. 85, R. 7 S. 582. Nimmt der Täter aber mehr, als sich in nächster Zeit überhaupt verzehren läßt, sodaß die Ansammlung eines Vorrates für mehrere Mahlzeiten anzuuehmen ist, so kann der Tatbestand des Diebstahls vorliegen. Vgl. Erk. v. 25. April 84, E. 10 S. 308. Alsbaldiger Verbrauch liegt auch nicht vor, wenn die Nahrungsmittel zur Zubereitung eines als Vorrat besttmmten anderen Nahrungsmittels ver­ wendet werden. Erk. v. 24. April 01, GA. 48 S. 300. Diese Strafbestimmung findet auch dann Anwendung, wenn die Entwen­ dung zum alsbaldigen Gebrauch dritter Personen (Angehöriger) erfolgt ist, Erk. v. 26. Febr. 86, R. 8 S. 139; Erk. v. 3. Dezbr. 18, E. 53 S. 169; sie ist aber ausgeschlossen, wenn der Täter die Absicht gehabt, das Entwendete zu ver­ schenken oder zu verkaufen, Erk. v. 25. April 84, E. 10 S. 308 (selbst wenn der Beschenkte es sofort verzehren will. Erk. v. 11. April. 11, Recht 15 Nr. 1853). 60) Die Tat ist begrifflich Diebstahl oder nunmehr auch Unterschlagung. Es ist daher in objektiver und subjettiver Beziehung der vollständige Tatbe­ stand dieser Delitte erforderlich. Erk. v. 13. Juni 84, R. 6 S. 422. Erk. v. 27. Novbr. 17, E. 51 S. 65. Die im § 243 enthaltenen Erschwerungsgründe fitlden jedoch auf den Mundraub keine Anwendung. Anm. 92 a zu § 248 a. Wenn der Täter einsteigt, einbricht usw. lediglich in der Absicht, einen Mundraub zu verüben, er aber demnächst andere Sachen wegnimmt, so begeht ar einen schweren resp, einfachen Diebstahl. Siehe oben Anm. 74 zu § 243 Nr. 7, ferner Erk. v. 7. Juli 86, E. 14 S. 312. Hat der Täter den Borsatz Lebens­ mittel und Geld zu stehlen, nimmt er aber nur Lebensmittel, weil er Geld nicht findet, oder hat er den Borsatz nur Geld zu stehlen, nimmt er aber nur Lebens­ mittel, so liegt Tateinheit zwischen versuchten (und wenn er eingestiegen ist zwischen Vers, schweren Diebstahl) und Mundraub vor. Erk. v. 21. Febr. 19'

Übertretungen § 370.

287

oder geeignete Gegenstände wider Willen des Eigentümers wegnimmt,

um dessen Vieh damit zu füttern. In den Fällen der Nr. 5 und 6 tritt die Verfolgung nur auf

Antrag ein.6l * *) * * Die * * * * Zurücknahme des Antrages ist zulässig.

E. 53 S. 198 und Erk. v. 22. April 97, E. 30 S. 67. KR. Anm. 12 Ad nimmt int ersten Fall vollendeten Diebstahl an. Durch die gleichzeitige Wegnahme der Gefäße und resp. Umhüllungen, in welchen sich die Nahrungsmittel befinden, wird § 370 Nr. 5 nicht ausgeschlossen. Erk. v. 21. Septbr. 81, R. 3 S. 516. Bei einer mittels Sachbeschädigung (Einbruch) und widerrechtlichen Eindttngens in eine fremde Behausung ausge­ führten Entwendung konkurrieren selbständig und realiter die beiden Delikte aus den §§ 123 u. 303 des StGB. Erk. v. 29. Mai 88, R. 10 S. 418. 61) Über die Frage, wer zum Sttafantrage berechtigt ist, wenn sich die entwendettn Gegenstände auf einem Eisenbahntransport befinden, siehe Erk. v. 23. Septbr. 89, E. 19 S. 378 u. Erk. v. 22. Novbr. 07, DIZ. 13 S. 428 u. GA. 55 S. 114. Ein Bäckermeister ist nicht mehr strafantragsberechtigt, wenn der gestohlene Semmelbeutel sich an der Haustür des Käufers befand. Erk. v. 17. Dezbr. 08, DIZ. 14 S. 491.

IV. Die Strafbestimmungen -er Lonkursor-nung/) Bom 10. Februar 1877. (RGBl. 1877 S. 351.

RGBl. 1898 S. 612.)

§ 239 Schuldners) welche ihre Zahlungen eingestellt haben/) oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden*) ist, werden wegen betrüglichen Bankrotts mit Zuchthaus bestraft/) wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachteiligen/) 1) Diese sind an die Stelle der §§ 281 ff. des StGB, getreten. 2) Schuldner ist lediglich der, über deffen Vermögen der Konkurs eröffnet ist. Es ist unzulässig, den tatsächlichen Inhaber eines zum Schein unter dem Namen einer anderen Person betriebenen Geschäfts als solchen Schuldner zu betrachten, weil zwar formell das Konkursverfahren gegen die andere Person eröffnet, materiell aber von der Konkurseröffnung das Vermögen des tatsächlichen Geschäftsinhabers betroffen sei. Erk. v. 13. Oktbr. 96, E. 29 S. 103. Erk. v. 3. Jan. 16, E. 49 S. 321. Leben Eheleute in Gütergemeinschaft, so sind sie beide als Schuldner anzusehen. Erk. v. 23. Oktbr. 83, E. 9 S. 161. Ein Gesell­ schafter wird nicht dadurch straflos, daß er vor der Konkurseröffnung aus der offenen Handelsgesellschaft ausscheidet. Erk. v. 24. Jan. 02, E. 35 S. 83. Im Falle eines Nachlaßtonkurses kann sich der Erbe strafbar machen. Jaeger Konkursordnung Anm. 2. 3) Zahlungseinstellung ist auch dann vorhanden, wenn an sich Zahlungs­ fähigkeit besteht, sei es, daß der Schuldner sich über seine Fähigkeit täuscht oder trotz seiner ihm bekannten Fähigkeit nicht zahlen will. Erk. v. 8. Mai 08, E. 41 S. 312. Zahlungseinstellung liegt nicht schon dann vor, wenn der Schuldner die zur Zahlung fälliger Schulden erforderlichen Mittel nicht aus den regel­ mäßigen Geschäftseinnahmen entnehmen, sondern nur durch außerordentliche Kreditoperationen beschaffen konnte. Erk. v. 9. Juni 91, GA. 39 S. 231. Zahlungseinstellung und Konkurseröffnung kommen lediglich als äußere -Tatsache in Betracht, liegen gänzlich außerhalb des inneren Tatbestandes und brauchen daher vom Borsatz nicht mit umfaßt zu werden. Erk. v. 13. Jan. 11, E. 45 S. 88. A. M. Erk. v. 2. Juli 95, E. 27 S. 316. Daher auch kein Ver­ such, wenn ZE. oder KE. nicht erfolgt ist. KR. Anm. 21. 4) Bei der Konkurseröffnung ist allein entscheidend, daß dieselbe durch den Zivilrichter rechtskräftig eröffnet ist. Erk. v. 6. Juli 94, E. 26 S. 37. Dem Strafrichter ist die Nachprüfung der Grundlagen des Eröffnungsbeschlusses ent­ zogen. Erk. v. 30. März 11, Recht 15 Nr. 1859. Durch die nachträgliche Ein­ stellung d. Kkv. wird die straftechtliche Wirkung der KE. nicht beseitigt. KR. Anm. 5. 5) Zahlungseinstellung liegt vor, auch wenn nur -in einziger Gläubiger

IV. Konkursordnung § 239.

1. Bermögensstücke verheimlicht oder beiseite geschafft haben/) 2. Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder teilweise erdichtet sind/3. Handelsbücher*) zu führen unterlassen haben, deren Führung") ihnen gesetzlich oblag,oder nicht befriedigt ist. Erk. v. 8. Mai 08, E. 41 S. 313. Auf Grund ein und der­ selben Zahlungseinstellung können die Delikte aus den §§ 239 bis 241 der Konk.Ordn. nebeneinander nur in idealer Konkurrenz Vorkommen. Erk. v. 5. Febr. 83, R. 5. S. 86. Ebenso E. 1 S. 101, R. 2 S. 438 und R. 5 S. 52. — Auch kann Beihilfe zum betrüglichen Bankrott in ideale Konkurrenz treten mit einer nach § 242 Nr. 1 strafb. Handlung. Erk. v. 13. Jan. 91, E. 21 S. 291. Mittäterschaft zweier Personen ist im Falle des § 239 begrifflich be­ dingt einerseits durch den Umstand, daß bezüglich beider entweder Zahlungs­ einstellung oder Konkurseröffnung vorliegt, andererseits durch — wenigstens partielle — Gemeinsamkeit der Gläubigerschaft, deren Benachteiligung von beiden beabsichttgt wird. Erk. v. 30. Dezbr. 98, E. 31 S. 407. 6) Die unter Nr. 1—4 dieses § aufgeführten Handlungen und Unterlaffungen stellen nur verschiedene Merkmale des bettüglichen Bankrotts dar und bilden deshalb bei dem Zusammentteffen mehrerer nur eine strafb. Handlung. Erk. v. 3. Nodbr. 80, R. 2 S. 438, Erk. v. 8. Jan. 97, E. 29 S. 308. Auch eine fortgesetzte Handlung ist begrifflich nicht denkbar. Erk. v. 2. Juni 19, Recht 23 Nr. 2058. 7) Auch unbewegliche Sachen können beiseite geschafft werden. Erk. v. 22. Juni 80, E. 2 S. 118. A. M. Jaeger, Anm. 29. Hierher gehören nicht Sachen, die der Zwangsvollstreckung gemäß § 811 ZPO. entzogen sind. GA. 47 S. 158. Zerstören oder Veräußern einer Sache fällt nicht unter den Begriff des Beisetteschaffens. Jaeger a. a. O. KR. Anm. 9. Wenn bei einer Handelsgesellschaft nur über das Gesellschaftsvermögen der Konkurs eröffnet ist, so kann der einzelne Teilhaber nicht Privatvermögensstücke beiseite schaffen. Erk. v. 22. Juni 89, GA. 37 S. 314. 8) Aber es genügt nicht bloß die Aufstellung solcher simulierter Geschäfte, sondern dieselben müssen auch zum Zweck der Benachteiligung der Gläubiger gel­ tend gemacht sein. Erk. v. 19. Septbr. 80, E. 2 S. 338. 9) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Handelsbücher zu führen, § 38 des HGB.; diese Vorschrift findet aber nach § 4 ibid. auf Handwerker, sowie auf Personen, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinaus­ geht, keine Anwendung^ Die Grenze des Kleingewerbes kann durch die Landes­

gesetzgebung gezogen werden. Nach § 2 HGB. erlangt aber auch Kaufmanns­ qualität der, dessen gewerbliches Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und dessen Firma in das Handelsregister eingetragen ist. Für die Abgrenzung des Fabrikbetriebes vom Handwerksbetrieb ist neben der Größe des durch Verkauf der Produkte er­ zielten Umsatzes an erster Stelle die ganze Art u. Einrichtung des Geschäfts­ betriebes maßgebend. Erk. v. 6. Juni 02, DIZ. 7 S. 534. Erk. v. 13. Juni 02, E. 35 S. 288. Ob Fabrik- oder Handwerksbetrieb anzunehmen ist, hängt davon ab, ob solche Momente u. charakteristische Merkmale vorhanden sind, die, wenn auch nicht einzeln, so doch in ihrem Zusammenhänge als Grundlage für die Annahme eines fabrikmäßigen Betriebs im Gegensatz zu bloß handwerksmäßigem Betriebe dienen können. Erk. v. 30. Dezbr. 02, E. 36 S. 37. Siehe auch Erk. v. 24. Juni 89, GA. 37 S. 293. Eine offene Handelsgesellschaft ist zur Führung Dalcke, Strafrecht.

16. Aust.

(1922).

19

290

IV. Konkursordnung § 239.

von Büchern verpflichtet, auch wenn sie zeitweilig nur Geschäfte von geringem Umfang zu erzielen vermag. Erk. v. 2. April 12, GA. 60 S. 76. 10) Für die Verpflichtung zur Buchführung kommt eS wesentlich auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung an. Erk. v. 13. Jan. 95, E. 26 S. 385. Ein Gesellschafter kann nicht durch Beitrag von der Buchführung entbunden werden. Erk. v. 25. Juni 08, JurW. 08 S. 604. Darüber, in welcher Weise die HandelSbücher geführt werden müssen, um als kaufmännische Buchführung gelten zu können, siehe Erk. v. 11. Jan. 94, E. 25 S. 36. Die Buchführung muß nicht nur den rein rechnungsmäßigen Aktiv- oder Passivbestand des BermögenS er­ geben, sondern sie muß auch für jeden beliebigen Zeitpunkt der Vergangenheit eine Übersicht deS BermögenSzustandeS gewähren. Erk. v. 30. Jän. 11, DIZ.

16 S. 820. AuS den Büchern eines EinzelkaufmannS muß hervorgehen, ob er BermögenSstücke besitzt, die nicht den Zwecken seines HandelSgewerbeS dienen. Über sein Privatvermögen braucht er aber Bücher nicht zu führen. Erk. v. 10.

Jan. 08, E. 41 S. 41. Das Fehlen einzelner Bestandteile derselben kommt nur alS unordentliche Buchführung in Betracht. Erk. v. 22. Juni 97, E. 30 S. 170. An Unterlassen der Führung von Handelsbüchern liegt nur dann vor, wmn überhaupt keine Handelsbücher geführt sind. Erk.,v. 19. Sept. 05, DIZ. 11 S. 84, Recht 10 S. 569. Die Bücher müssen die Übersicht über daS vermögen unmöglich machen, eine bloße Erschwerung genügt nicht, Erk. v. 30. Oktbr. 80, R. 2 S. 417 Wohl aber eine wesentliche Erschwerung. Erk. v. 16. Septbr. 13, E. 47 S. 311. Die Unmöglichkeit der Übersicht mpß stets mit der Zahlungs­

einstellung zeillich zusammentreffen. Erk. v. 21. Novbr. 81, E. 5 S. 415. Per­ sönliche Unfähigkeit, die Bücher zu führen, entschuldigt nicht. Erk. v. 17. Novbr. 80, R. 2 S. 523. Siehe auch GA. 48 S. 362. Die Pflicht, die Bücher zu führen, dauert so lange, biS die Lösung der in dem Geschäft übernommenen Verbindlichkeiten erfolgt ist. Erk. v. 1. April 81, E. 4 S. 41. Sie trifft stets nur den wirklichen GeschästSherrn. Erk. v. 9. Novbr. 94, E. 26 S. 187. Bloße Notizbücher sind keine Handelsbücher. Erk. v. 14. Mai 81, R. 3 S. 304; auch nicht Geheimbücher, die mit den Geschäftsbüchern in keinem Zu­ sammenhang stehen. Erk. v. 2. Juli 07, Recht 11 S. 1084 Nr. 2658; ebenso­ wenig genügt eine Buchführung auf losen Blättern. Erk. v. 16. April 88, E. 17 S. 301. Erk. v. 4. Juli 16, E. 50 S. 131. Die unterlassene Führung von Handelsbüchern wird auch durch einen Irrtum des Angeklagten über die Be­ schaffenheit seines Geschäft- nicht entschuldigt. Erk. v. 4. Juni 86, R. 8 S. 421. Siehe auch R. 5 S. 425. Daß die Übersicht mit Hilfe des Schuldners gewonnen werden kann, genügt nicht. Erk. v. 30. April 81, E. 4 S. 120. Die Handels­ korrespondenz kann zur Erläuterung des Inhalts der Bücher herangezogen werden. Erk. v. 15. Jan. 86, R. 8 S. 60. Siehe auch Anm. 21. 11) Über die Verpflichtung Bücher zu führen, siehe int einzelnen betreffs eines Apothekers E. 24 S. 426, Bäckers E. 24 S. 356, Barbiers E. 34 S. 101, Brauers R. 5 S. 488, Kürschners R. 6 S. 294, Schlächters E. 31 S. 178, Schneiders E. 21 S. 209, GA. 59 S. 461, Uhrmachers E. 8 S. 148, Vieh­ händlers GA. 57 S. 217, Wirts E. 4 S. 281. Ein HandelSmäkler, der Boll­ kaufmann ist, muß neben seinem Tagebuch auch Handelsbücher führen. Erk. v. 20. Mai 12, E. 46 S. 102. Bauunternehmer sind zur Führung von Handelsbüchern nicht ver­ pflichtet, Erk. v. 18. Jan. 89, E. 19 S. 363, Erk. v. 31. Jan. 19, E. 52 S. 292, aber nach 8 2 d. G. vom 1. Juni 09, (RGBl. S. 499) über die Sicherung der Bauforderungen zur Führung eine- Baubuchs. § 6 dieses Ges. bestimmt zur Führung eines Baubuchs verpflichtete Personen, welche ihre Zahlungen ein­ gestellt haben oder über deren vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden

IV. Konkursordnung 8 340.

291

4. ihre Handelsbücher vernichtet") oder verheimlicht oder so ge­ führt oder verändert haben, daß dieselben keine Übersicht des Bermögenszustandes gewähren.")

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe

nicht unter drei Monaten ein.

8 240. Schuldner,") welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden

wegen einfachen Bankrotts") mit Gefängnis bestraft, wenn sie1*)

1. durch Aufwand,") Spiel") oder Wette oder durch Differenz­ ist, und deren im § 2 Abs. 3 Ziffer 1 bezeichnete Gläubiger zur Zeit der Zah­ lungseinstellung oder der Konkurseröffnung benachteiligt sind, werden mit Ge­ fängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark bestraft, wenn sie das vorgeschriebene Baubuch zu führen unterlassen, oder eS verheim­ licht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, daß eS keine genügende Übersicht, insbesondere über die Verwendung der zur Bestreitung der Bau­ kosten -ugestcherten Sättel, gewährt. Als Bauunternehmer im Sinne dieses Ge­ setzes ist derjenige anzusehen, in dessen Namen die Herstellung deS Neubaus er­ folgt und der hierdurch in seiner Person Träger der aus der Bauausführung entstandenen Rechte und Verbindlichkeiten geworden ist. Erk. v. 1. März 12, E. 46 S. 10. Auch der Generalunternehmer ist zur Führung eines BaubuchS verpflichtet. Erk. V. 15. Novbr. 12, E. 46 S. 305. Übernimmt von mehreren Personen jeder eine besondere Gruppe von Bauarbeiten, so ist jeder zur Füh­ rung eine-BaubuchS verpflichtet. Erk. v. 20. Mai 13, E. 47 S. 181. Die Führung von Handelsbüchern ersetzt nicht das Baubuch. Erk. v. 4. Novbr. 13, GA. 61 S. 35.0. DaS Weitere über die Führung von Handelsbüchern siehe

Anm. 21. 12) ES ist gleichgültig, ob der Täter zur Führung der Bücher verpflichtet war oder nicht. Erk. v. 6. Dezbr. 87, E. 16 S. 429. A. M. KR. Anm. 14. Nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist ist die Vernichtung straflos. KR. Anm. 15. A. M. OlShausen Anm. 27. Die Vernichtung eines einzel­ nen Handelsbuches soll nur für die Annahme einer unordentlichen Buchführung von Bedeutung sein. Erk. v. 31. März 10, GA. 58 S. 170. 13) Siehe Anm. 10. 14) Siehe Anm. 2. 15) Die Strafbarkeit des Vergehens erfordert eine schuldhafte Pflichtver­ letzung des Schuldners. Erk. v. 9. Jan. 86, E. 13 S. 242. Es kann sowohl fahrlässig als vorsätzlich begangen werden. Beihilfe setzt immer voraus, daß der Bankrott vorsätzlich verübt ist. Erk. v. 2. Juli 95, E. 27 S. 316. Siehe aber im übrigen das Anm. 3 Abs. 2 zit. Erk. v. 13. Jan. 11, E. 45 S. 88. 16) Über ideale Konkurrenz zwischen betrügerischem und einfachem Bankrott siehe oben Anm. 5 zu 8 239 und über reale Konkurrenz zwischen einfachem Bankrott und der Anstiftung zur Übertretung des § 243 (Abstimmung) Erk. v.

8. Jan. 97, E. 29 S. 305. 17) AIS Aufwand können auch übermäßige Ausgaben angesehen werden, welche im geschäftlichen Interesse gemacht sind. Erk. v. 27: Mai 84, R. 6 S. 383, u. Erk. v. 22. Septbr. 90, GA. 38 S. 351. Bei Beurteilung der Frage, welche Ausgaben für den Haushalt als übermäßig anzusehen sind, ist auf die soziale Stellung des Schuldners nur mit Einschränkung Rücksicht zu nehmen. Zur Aufrechterhaltung des Kredits dürfen übermäßige Au-gaben nicht

29?

IV. Kontursordnung § 240. handel^) mit Waren oderBörsenpapieren übermäßige Summen

verbraucht haben oder schuldig geworden sind; 2. in der Absicht, die Eröffnung des Konkursverfahrens hinaus­ zuschieben, Waren oder Wertpapiere auf Kredit entnommen und diese Gegenstände erheblich unter dem Wertewa) in einer den An­ forderungen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben habens) 3. Handelsbücher zu führen unterlassen haben,") deren Führung gemacht werden. Erk. v. 24. Juni 84, R. 6 S. 470. Erk. v. 7. Jan. 97, E. 29 S. 347. — Bei der Entscheidung der Frage, ob übermäßiger Aufwand getrieben, ist das Maß des Notwendigen und Üblichen nach den Lebensverhältnissen des Schuldners zugrunde zu legen, während für die Frage, ob die verbrauchten Summen als übermäßige anzusehen sind, die Vermögenslage des Schuldners in Betracht zu ziehen ist. Auf die Motive des Aufwands kommt es nicht an. Erk. v. 25. Febr. 87, E. 15 S. 309. Einer speziellen Feststellung, welche einzelnen Ausgaben übermäßige ge­ wesen sind, bedarf es nicht, Erk. v. 24. Juni „84, R. 6 S. 470, auch braucht nicht das Bewußtsein des Schuldners von der Übermäßigkeit der Ausgaben fest­ gestellt zu werden. Erk. v. 5. April 86, E. 14 S. 80, Erk. v. 1. Novbr. 87, R. 9 S. 546. — Kaufmännische Spekulationen fallen der Regel nach nicht unter den Begriff des Aufwandes. Erk. v. 2. Juli 87, R. 9 S. 400. — Der wegen Aufwandes durch Verbrauch übermäßiger Summen angeklagte Schuldner kann sich nicht damit entschuldigen, daß der Verbrauch nicht durch ihn, sondern die zu seinem Hausstande gehörigen Mitglieder der Familie erfolgt sei. Erk. v. 17. Mai 98, E. 31 S. 151. 18) Unter Spiel ist nur das gewöhnliche Karten- und Würfelspiel usw. zu verstehen, nicht auch das Börsenspiel, Erk. v. 13./20. Dezbr. 86, E. 15 S. 277, wohl aber das Spiel in der Lotterie. Erk. v. 30. April 95, E. 27 S. 180. DaS verspielte Geld muß zur Konkursmasse gehört haben. Es darf nicht erst nach der KK. Eröffnung erworben sein. Erk. v. 8. Juni 20, E. 55 S. 30. 19) Siehe § 764 BGB. — Die Prolongation eines Differenzgeschäfts ist wieder Differenzgeschäft. Erk. v. 29. Novbr. 16, Recht 21 Nr. 323. 19a) Hierunter ist der laufende Marktpreis zu verstehen, den die Waren zur Zeit der Weiterveräußerung hatten. Erk. v. 27. Febr. 13, E. 47 S. 61. 20) Veräußerung ist das gänzliche Aufgeben der Verfügungsgewalt, Weg­ geben die teilweise Entäußerung dieser Verfügungsgewalt, wie z. L. Lombar­ dierung. Erk. v. 23. März 14, E. 48 S. 217. 21) Über die Pflicht zur Buchführung siehe oben Anm. 10 zu § 239. Im

übrigen ist über die Buchführung noch zu bemerken: Die Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern muß besonders fest­ gestellt werden, doch genügt die Feststellung, daß der Angekl. Kaufmann sei. Erk. v. 17. Jan. 82, R. 4 S. 48. Der Vorstand einer Aktiengesellsch. ist für die Buchführung und Bilanzziehung verantwortlich und kann hieran durch den Gesellschaftsvertrag nichts geändert werden. Erk. v. 9. Jan. 86, E. 13 S. 235. Vgl. auch bez. einer offenen Handelsges. Erk. v. 30. April 86, R. 8 S. 331 u. Erk; v. 18. April 05, DIZ. 10 S. 964 Nr. 48. Das Mitglied einer offenen HandelSges. ist für die unordentliche Buchführung verantwortlich, wenn der mit der Führung beauftragte Mitgesellschafter sich hartnäckig der Erfüllung seiner Pflicht weigert. Erk. v. 6. Febr. 12, E. 45 S. 387

IV. Konkursordnung § 240.

ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben,") daß sie keine Übersicht

ihres Bermögenszustandes gewähren, oder 4. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen.") 22) Der Mangel eines KopierbucheS begründet nur dann die Strafbarkeit, wenn die übrige Buchführung eine unordentliche ist. Erk. v. 3. Oktbr. 84, R. 6 S. 595, u. v. 23. Oktbr. 88, R. 10 S. 585. Siehe auch oben Anm. 10 af Unordentliche Buchführung liegt insbes. in der Unterlassung der Eintragung von Geschäften oder in der Eintragung erdichteter unwahrer Vorgänge, GA. 26 S. 68. Erk. v. 10. Juni 87, E. 15 S. 174, oder in der wissentlich falschen Bewertung von Bermögensstücken. Erk. v. 26. Okt. 06, E. 39 S. 222, oder in der Buchung der Geschäftsvorfälle am Ende längerer Zeiträume. Erk. v. 26. Okt. 06, ebenda S. 217. Die Pflicht zur Buchführung beginnt erst mit dem tatsächlichen Betriebe des Handelsgeschäfts. Erk. v. 21. Ottbr. 90, GA. 39 S. 46. Die Bücher müssen auch über die Lage des Vermögens Aufschluß geben, welches der Kaufmann außerhalb des seine Eigenschaft als Bollkaufmann be­ gründenden Geschäfts besitzt. Erk. v. 1. Febr. 82, E. 5 S. 407. Auch die Unter­ lassung bet Buchung eines einzigen erheblichen Postens kann den Tatbestand be­ gründen. Erk. v. 14. Mai 81, R. 3 S. 304. Nicht bloß das Endergebnis von Ausgaben und Einnahmen muß sich aus den Büchern ergeben, sondern jede für die Vermögenslage erhebliche Geschäftsoperation muß aus ihnen ersichtlich sein. Erk. v. 2. Juli 95, GA. 43 S. 240. Auch die Privatschulden eines Einzel­ kaufmanns müssen aus den Büchern ersichtlich sein. Erk. v. 3. Novbr. 98, GA. 46 S. 438. Der Annahme der Verheimlichung der Geschäftsbücher steht der Umstand nicht entgegen, daß der Schuldner ihre mit den Originalen im wesentlichen übereinstimmende Abschriften vorgelegt hat. Erk. v. 19. Sept. 02, DIZ. 7. S. 558. Für verschiedene Zeiträume kann unterlassene und unordent­ liche Buchführung festgestellt werden. Erk. v. 21. Septbr. 15, E. 49 S. 277. 23) Über den Begriff der Bilanz s. § 39 HGB. Erk. v. 4. Dezbr. 03,

E. 36 S. 436 u. Erk. v. 8. Mai 08, E. 41 S. 294. Ein Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Bilanzziehung u. der Konkurseröffnung ist nur insoweit er­ forderlich , als erstere nicht außer Beziehung zu demjenigen Vermögen stehen darf, welches den Gegenstand der späteren Konkurseröffnung bildet. Erk. v. 17. Dezbr. 01, GA. 48 S. 452 u. Erk. v. 22. Juni 06, Recht 10 S. 1212. Irr­ tum über die Verpflichtung zur Bilanzziehung ist Strafrechtsirrtum. Erk. v. 24. Oktbr. 10, DIZ. 16 S. 219. Auch wer ein Berkaufskommissionsgeschäft beginnt, ist zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz verpflichtet. Erk. v. 22. Septbr. Y0, GA. 38 S. 351. Ebenso muß bei dem Beginn des Handelsbe­ triebes einer offenen Handelsgesellschaft selbst dann eine Eröffnungsbilanz aufgestellt werden, wenn kein Gesellschaftsvermögen (weder Aktiva noch Passiva) vorhanden ist. Erk. v. 21. Oktbr. 90, GA. 39 S. 46. Durch die bei dem Be­ ginn des Handelsgewerbes erfolgte Eintragung des Einlagekapitals wird die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz nicht ersetzt. .Erk. v. 5. April 92, E. 22 S. 439. Die Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genoffenschaft sind zur Auf­ stellung einer Eröffnungsbilanz verpflichtet. Erk. v. 25. Juni 07, E. 40 S. 242. Auch der kaufmännisch nicht ausgebildete Geschäftsinhaber, der die Buch­ führung geeigneten Personen übertragen hat, hat dafür zu sorgen, daß die Bi-

294

IV. Konkur-ordnung 8 241.

Neben bet Gefängnisstrafe kann in den Fällen der Nr. 1, 2 auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu sechstausend*") Mark erkannt werden. 8 241.

Schuldner,

welche ihre Zahlungen eingestellt haben,

oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie, ob­

wohl sie ihre Zahlungsunfähigkeit kannten, einem Gläubiger") in der Absicht,") ihn vor den übrigen Gläubigern") zu begünstigen,

lanz gezogen wird. GA. 48 S. 364. Auch hat er die Bilanz zu unterzeichnen. Erk. v. 17. Mai 07, Recht 11 S. 780. Auf einen bevormundeten Minderjährigen findet aber die Strafvorschrift keine Anwendung. Erk. v. 8. Septbr. 03, E. 36 S. 357. Nach erreichter Volljährigkeit ist er aber zur Aufstellung der Eröff­ nungsbilanz verpflichtet. Erk. v. 1. Mai 11, E. 45 S. 4. Line Eröffnungsbilanz ist auch dann notwendig, wenn ein Kaufmann, der bisher Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft war, dies Geschäft erwirbt und für eigene Rechnung unter der alten -Firma weiter führt. Erk. v. 23. Novbr. 94, E. 26 S. 222. Desgleichen ist sie notwendig, wenn ein Handels­ gewerbe, das sich bi- dahin in den Grenzen des handwerksmäßigen Betriebes gehalten hat, von einem gewiffen Zeitpunkt ab über diesen Umfang hinausgeht und nunmehr nach Art und Umfang einen kaufmännischen Betrieb erfordert. Erk. v. 22. Jan. 06, Recht 10 S. 260 u. Erk. v. 28. April 08, DIZ. 13 S. 875. Die Unterlassung der Unterschrift der Bilanz stellt nicht ohne weiteres eine Unterlassung der Bilanzziehung dar. Erk. v. 20. Juni 83, E. 8 S. 424. Siehe auch R. 2 S. 417 u. E. 7 S. 87. Die Nichtaufbewahrung der Bilanzen und Inventare stellt den Tatbestand deS Deliktes nur dann dar, wenn darin eine Vernichtung oder unordentliche Führung von HandelSbüchern zu finden ist. Erk. v. 5. April 83, R. 5 S. 226. Die Tatsache, daß der Angell, für die fol­ genden Jahre vorschriftsmäßig die Bilanz gezogen hat, macht ihn nicht straf­ frei. Erk. V. 25. Sept. 06, E. 39 S. 165. Ist die Bilanz so mangelhaft, daß sie keine Überflcht über das Vermögen gewährt, so gllt sie als überhaupt nicht gezogen. Erk. v. 21. Juni 82, R. 4 S. 592, u. Erk. v. 10. Jan. 87, E. 15 S. 174. Daß die einzelnen in der Bilanz aufgeführten Aktiv- und Passivposten spezifiziert werden, ist nicht erforderlich. Erk. v. 2. Ottbr. 05, JurW. 05 S. 761. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist der Tag der Eintragung der für die Ausstellung der Eröffnungsbilanz maßgebende Zeitpunkt. Erk. v. 27. Novbr. 96, E. 29 S. 222. Handelsgebräuche können bei Beurteilung einer Bilanz und zur Recht­ fertigung von Mängeln derselben nicht berücksichtigt werden. Erk. v. 28. Septbr. 97, GA. 45 S. 364. 23 a) Siehe § 1 des Ges. zur Erweiterung deS Anwendungsgebiets der Geldstrafe vom 21. Dezbr. 21 unter II. 24) Der Gläubiger, der die Befriedigung annimmt macht sich nicht straf­ bar. Erk. v. 12. Novbr. 80, E. 2 S. 439. Entwickelt der Gläubiger eine weitergehende Tättgkeit, so kann er wegen Beihilfe oder Anstiftung bestraft werden. Erk. v. 21. Novbr. 13, E. 48 S. 18. A. M. OlShausen Anm. 11. 25) Zur Bestrafung aus § 241 genügt nicht, daß daS Bewußtsein deS in­ solventen Schuldners darüber festgestellt wird, daß er durch eine Leistung an den Gläubiger diesen vor anderen begünstigte, sondern es muß auch noch feftgeftellt

IV. Konkursordnung 8 241.

eineGicherung oder Befriedigung gewährt haben,'lf) welche derselbe nicht

oder nicht in der Art") oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.") werden, daß er sich bewußt gewesen, dies in einer Weise zu tun, auf welche der Gläubiger keinen Anspruch hatte. Erk. v. 6. Novbr. 84, R. 6 S. 708. Bgl. auch Erk. d. 17. Febr. 93 u. 22. Septbr. 93, E. 24 S. 7 u. S. 255. Es genügt aber, wenn der Täter den Eintritt des Erfolges als notwendige, unvermeidliche Folge seines Handelns voraussieht und mit solchem Bewußtsein zur Ausführung schreitet. Erk. v. 10. April 02, Recht 6 S. 329. Dagegen genügt nicht der bloße Eventual­ dolus. Trk. v. 15. Nov. 01, JurW. 02 S. 308. Der gute Glaube deS Schuldners, daß der begünstigte Gläubiger die ihm gewährte Leistung zu be­ anspruchen habe, schließt die Strafbarkeit auS. Erk. v. 8. Febr. 83, R. 5 S. 90. 26) Dies brauchen keine Konkursgläubiger zu sein, vielmehr sind alle Gläubiger hierher zu rechnen. Erk. v. 24. Novbr. 87, E. 16 S. 402; auch Mafsegläubiger und solche Gläubiger, von benot im Sinne des § 17 KO. nicht feststeht, ob ihre Forderungen von dem Konkursverfahren überhaupt unberührt bleiben werden. Erk. v. 3. April 07, E. 40 S. 105. Die Forderung muß vor der Befriedigung bereits bestanden haben. Erk. v. 18. Febr. 02, E. 35 S. 127. Der Tatbestand des § 241 kann auch dann vorliegen, wenn Gläubigern in der Absicht,dieselben vor einem einzigen Gläubiger zu begünstigen, Siche­ rung oder Befriedigung gewährt worden ist. Erk. v. 14. Ottbr. 86, R.8 S. 617. Erk. v. 18. Dezbr. 03, Recht 8 S. 503. Die Begünstigung zweier Gläubiger durch einen zahlungsunfähigen Schuldner bildet nur eine einheitliche Straftat und keinen realen Zusammenfluß. Erk. v. 20. Ottbr. 84, R. 6 S. 640, und ebenso Erk. v. 18. Septbr. 85, R. 7 S. 517. 27) Hierher gehören alle Arten einer Sicherstellung, sofern der Gläubiger diese nicht schon rechtlich zu beanspruchen hatte, und alle Rechtshandlungen, welche die Befriedigung eines Gläubigers bewirken, ohne daß derselbe auf die geschehene Art oder auf die Zeit der Befriedigung einen rechtlichen Anspruch gehabt hätte. Mot. zu 8 23 Nr. 2 (§ 30 Nr. 2) der KonkOrdn. Beispielsweise werden dahin gerechnet: Erfüllung einer suspensiv bedingten Forderung ober einer überhaupt nicht llagbaren Forderung, Abkürzung der Berfallzeit, Herbeiführung der Kompensabilität einer Forderung des Gläubigers durch Abschließung eines Recht--geschäftS, Einräumung eines vollstreckbaren SchuldtttelS. Erk. v. 8. AprU 81, E. 4 S. 61; Erk. v. 1. Novbr. 81, E. 5 S. 116. Dagegen hat einen Anspruch auf Sicherstellung z. B. die Eheftau wegen ihres eingebrachten Gutes. § 1391 BGB. Darin, daß der Schuldner sich von einem Gläubiger, der eine fällige Forderung hat, verttagen und demnächst abpfänden läßt, ist die Gewährung einer Sicherung oder Befriedigung nicht zu finden, Erk. v. 27. März 88, E. 17 S. 220; ebensowenig in der Gewährung eines bloßen Titels zur Zwangsvollstr., Erk. v. 14. März 90, E. 20 S. 301, wohl aber wird § 241 anwendbar, wenn die Sicherung dadurch bewirtt wird, daß der Schuldner dem Gläubiger eme nach § 794 Nr. 5 ZPO. zur ZwangSvollstr. berechttgende Urkunde erteilt und der Gläubiger aus Grund derselben bei dem Schuldner pfänden läßt und den Erlös erhält. Erk. v. 26. März 97, E. 30 S. 46; oder wenn auf Grund einer Lereinbarung mit dem Gläubiger das Kkverfahren nicht beantragt wird, obwohl eS beantragt werden mußte. Erk. v. 21. Novbr. 13, E. 48 S. 19. Eine widerrechtliche Sicherung liegt ferner in der Gewährung einer Hypothek. Erk. v. 11. Dezbr. 80, R. 2 S. 626, und selbst dann, wenn das verpfändete Grundstück schon stark verschuldet ist. Erk. v. 24. Septbr. 97, E. 30 S. 261. In dem letzteren wird zugleich auSgeführt, daß der § 241 nicht voraussetze, daß den anderen Gläubigern durch die Befriedigung ein Schaden erwachse. Siehe auch Erk. v.

IV. Konkursordnung 88 242, 243. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis

zu sechstausend"^ Mark erkannt werden.

§ L4L

Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1. im Interesse eines Schuldners, .welcher seine Zahlungen ein­

gestellt hat, oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Bermögensstücke desselben verheimlicht oder beiseite geschafft hat,") oder

2. im Interesse eines solchen Schuldners, oder, um sich oder einem anderen Bermögensvorteil zu verschaffen, in dem Verfahren"») erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorge­

schobene Personen geltend gemacht hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe oder Geldstrafe bis zu sechstausend"•) Mark ein.

§ 243.

Ein Gläubiger, welcher sich von dem Gemeinschuldner

oder anderen Personen besondere Vorteile dafür hat gewähren oder

versprechen lassen, daß er bei den Abstimmungen der Konkursgläubiger 30. Juni 05, JurW 05 S. 761. Eine Sicherung ist aber dann dem Gläubiger nicht gewährt, wenn ihm vom Schuldner an dessen Grundstück eine Briefhypothek bestellt, der Brief aber nicht übergeben ist. Erk. v. 19. Febr. 01, E. 34 S. 171. Ert. v. 12. Novbr. 12, GA. 60 S, 284. Ein Schuldner, welcher die auf Grund eines nicht gültigen Zwangsvollstreckungstitels erwirkte Zwangsverst. im Ein­ verständnis mit dem Gläubiger geschehen läßt, fällt unter diesen §. Erk. v. 28. Septbr. 97, GA. 45 S. 427. Das „Gewähren" kann nicht schon durch eine einseitige Willenserklärung des Darbieters oder Gebers erfüllt werden, sondern setzt eine Zustimmung oder Annahme auf Seiten des Empfängers voraus. Erk. v. 22. Febr. 97, E. 29 S. 413. Dgl. auch Erk. v. 26. März 97, E. 30 S. 46. Dem Inhaber eines in blanco ausgestellten Wechselakzepts, welcher sich als Aussteller bezeichnen sollte, steht ein Anspruch auf Sicherheit nicht zu. Erk. v. 30. Novbr. 94, E. 26 S. 257. 28) Dies ist der Fall, wenn der Schuldner einem Gläubiger, der nur eine Geldforderung hat, Mobilien oder Waren zu seiner Befriedigung gibt. Erk. v. 1. Novbr. 81, E. 5 S. 116. Erk. v. 31. März 82, E. 6 S. 149, u. Erk. v. 18. Juni 83, R. 5 S. 449. In der Ausstellung eines Wechsels für die Forderung liegt weder eine Sicherstellung noch Befriedigung. Erk. v. 9. Juni 91, GA. 39 S. 230. 29) Das Vergehen der Begünstigung auS § 241 kann mit dem Vergehen des einfachen Bankrotts nur ideal zusammentreffen. Erk. v. 26. Septbr. 84, R. 6 S. 570, ebenso Erk. v. 17. Oktbr. 84, ebenda S. 633, u. Erk. v. 16. Juni 85, R. 7 S. 399. Jdealkonkurrenz mit § 239 liegt vor, wenn der begünstigte Gläubiger mehr bekommen hat, als seine Forderung beträgt. Erk. v. 12. Juli 83, R. 5 S. 518. — Auch ideale Konkurrenz mit dem Vergehen aus § 288 StGB, kann vorliegen. Erk. v. 31. Jan. 90, E. 20 S. 214. 30) Eine nach § 242 Nr. 1 strafbare Handlung kann auch mit Beihilfe -um bettüglichen Bankrott in ideale Konkurrenz treten. Erk. v. 13. Jan. 91, E. 21 S. 291. 30 a) ES muß sich um ein durch einen gerichttichen Eröffnungsbeschluß be­ dingtes Verfahren handeln. KR. Anm. 6.

IV. Konkursordnung § 244.

297

in einem gewissen Sinne stimme, wird mit Geldstrafe bis zu drei­

tausend >'») Mark oder mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft.")

§ 244.

Die Strafvorschriften der §§ 239—241 finden gegen die

Mitglieder des Vorstandes82) einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft und gegen die Liquidatorenss) einer Handelsgesellschaft

oder eingetragenen Genossenschaft, welche ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden

ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben.") 31) Auch der Gemeinschuldner kann sich an der Straftat aus § 243 be­ teiligen, insbesondere durch Anstiftung. Erk. v. 24. März 85, E. 12 S. 122, u. Erk. v. 8. Jan. 97, E. 29 S. 304. Kein „Stimmen" liegt vor, wenn der Gläubiger sich verpflichtet, sich der Abgabe der Stimmen zu enthalten. Siehe aber §317 HGB. 32) Wegen unterlassener Buchführung oder Bilanzziehung sind nur die­ jenigen Mitglieder verantwortlich, denen diese Pflicht nach dem Gesellschaftsvertrage obliegt. Erk, v. 9. März 85, E. 12 S. 73. Abweichend aber Erk. v. 9. Jan. 86, E. 13 S. 235, welches sämtliche Mtglieder des Borstandes ver­ antwortlich macht. Der Umstand, daß die Wahl eines Mitgliedes des Bor­ standes keine ordnungsmäßige und den Vorschriften des Statuts nicht ent­ sprechende gewesen, schließt die straftechtliche Verantwortlichkeit nicht aus. Erk. v. 14. Oktbr. 87, E. 16 S. 269. Die bloße Berteilung der Geschäfte unter den Mitgliedern einer offenen Handelsgesellschaft, durch welche keines von der Ge­ schäftsführung ausgeschlossen ist, befreit kein Mitglied von der Verantwortlichkeit für ordnungsmäßige Buchführung. Erk. v. 30. April 86, R. 8 S. 331. 33) Diese Strafvorschrift bezieht sich auch auf die Liquidatoren einer G. m. b. H. Erk. v. 8. Mai 08, E. 41 S. 309. 34) Bgl. auch die §§ 10—12 des «es. tetr, die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere, v. 5. Juli 96 (RGBl. S. 183), welche lauten: § 10. „Ein Kaufmann, welcher seine Zahlungen eingestellt hat oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wenn er den Vorschriften des § 1 Ziff. 1 oder 2 vorsätzlich zuwidergehandelt hat und dadurch der Berechtigte bezüglich des An­ spruches auf Aussonderung der von jenem zu verwahrenden Wertpapiere benach­ teiligt wird, desgleichen wenn er als Kommissionär den Vorschriften der §§ 3 oder 5 vorsätzlich zuwider gehandelt hat und dadurch der Berechttgte bezüglich des Anspruches auf Aussonderung der von jenem eingekauften, eingetauschten oder bezogenen Wertpapiere benachteiligt wird." § 11. „Ein Kaufmann, welcher seine Zahlungen eingestellt hat oder über deffen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wird mit Zuchthaus bestraft, wenn er im Bewußtsein seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ftemde Wertpapiere, welche er im Betriebe seines Handelsgewerbes als Ver­ wahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär in Gewahrsam genommen, sich rechts­ widrig zugeeignet hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein." § 12. „Die Strafvorschrist des § 9 findet gegen die Mtglieder des Vor­ standes einer Akttengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft, die Geschäfts-

IV. KonkurSordnung § 244.

führer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sowie gegen die Liquidatoren

einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft Anwendung, wenn fle in Ansehung von Wertpapieren, die sich im Besitze der Gesellschaft oder Genoffenschast befinde« oder von dieser einem Dritten ausgeantwortet find, die mit

Straft bedrohte Handlung begangen haben. Die vorhezeichneten Personen werden, wenn die Gesellschaft oder Genoffen­

schaft ihre Zahlungen eingestellt hat oder wenn über deren vermögen daS Kon­ kursverfahren eröffnet worden ist, bestraft 1. gemäß § 10, wenn sie den Borschriste« deS § 1 Ziffer 1 oder 2 oder den Vorschriften der §§ 3 oder 5 vorsätzlich zuwider gehandelt haben und dadurch der Berechttgte bezüglich deS Anspruches auf Aussonderung der von der Gesellschaft oder Genoffenschaft zu verwahrenden oder von

ihr eingekauften, eingetauschten oder bezogenen Wertpapiere benach­ teiligt wird, 2. gemäß § 11, wenn sie im Bewußtsein der Zahlungsunfähigkeit oder Über­ schuldung der Gesellschaft oder Genossenschaft fremde Wertpapiere, welche von dieser alS Verwahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär in Ge­ wahrsam genommen sind, sich rechtswidrig zugeeignet haben."

V. Gesetz, betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit. Bom 9. April 1900. (RGBl. S. 228.)

8 1 Wer einer elektrischen Anlage oder Einrichtung fremde elektrische Arbeit mittels eines Leiters l)2 entzieht, 345 der zur ordnungs­ mäßigen Entnahme von Arbeit aus der Anlage.oder Einrichtung nicht bestimmt') ist, wird, toeim er die Handlung in der Absicht begeht,') die elektrische Arbeit sich rechtswidrig zuzueignen/) mit Gefängnis und mit Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert °) Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. 1) Leiter ist jeder zur Aufnahme und Fortpflanzung der elektr. Spannung geeignete Körper, den ein Unbefugter mit einer elektr. Anlage oder Einrichtung metallisch verbindet oder mit dem Erfolg der Erzeugung von Jnduttionsströmen in räuml. Beziehung bringt, um ihr stemde elektr. Arbeit zu entziehen. Erk. v. 14. Febr. 07, E. 39 S. 436. Als Leiter (im Gegensatz zu einem Isolator) hat jeder Körper zu gelten, der geeignet ist, die elektrische Spannung aufzunehmen und fortzupflanzen, sei eS auch zunächst nur auf keiner eigenen Oberfläche. Trk. v. 22. Mai 16, GA. 63 S. 123. Die Bestimmung eines Leiters hat von dem auszugehen, der über die Abgabe des Stroms verfügt. Erk. v. 22. Ott. 09, GA. 57 S. 213. 2) Die Entziehung fremder elektrischer Arbeit, welche mittels eines zur ordnungsmäßigen Entnahme nicht bestimmten Leiters geschieht, ist nicht gleichzuftellen einer solchen Entnahme, welche auf andere Weise rechtswidrig erfolgt. Erk. v. 26. Juni 02, E. 35 S. 311. Der Tatbestand dieses § liegt aber auch dann vor, wenn eine Zweigleitung angelegt wird, die ausschließlich ein unrichtiges Funktio­ nieren des Zählers bewirken soll und bewirtt. Erk. v. 28. Apr. 08, GA. 55 S. 314. Wer an dem Elektrizitätsmesser Vorkehrungen trifft, die darauf abzielen, den Zähler auszuschalten, macht sich mindestens des Versuchs schuldig. Erk. v. 23. Septbr. 15, LZ. 8 S. 1530. 3) Es kommt nicht darauf an, ob die Zuleitung des Stromes durch eine Handlung des Angekl. oder die eines Dritten bewerkstelligt ist. Erk. v. 19. Febr. 07, Recht 11 S. 392, GA. 54 S. 296, auch nicht darauf, ob der Täter die elektr. Arbeit in eigenem Interesse verwenden will. Erk. v. 2. Nov. 06, GA. 54 S. 78. Erk. v. 20. Ott. 08, E. 42 S. 20. 4) Rechtswidrig eignet sich elektr. Arbeit zu, wer sie gegen die eingegangenen Vertragsbestimmungen entnimmt. Erk. v. 25. April 07, Recht IIS. 780. Erk. v. 23. Oktbr. 11, E. 45 S. 230. 5) Siehe 8 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II.

V. Gesetz, betreffend die Bestrafung ter Entziehung elektrischer Arbeit.

300

Neben der Gefängnisstrafe

kann ans Verlust der bürgerlichen

Ehrenrechte erkannt werden.

Der Versuch ist strafbar. § L

Wird die im z 1 bezeichnete Handlung in der Absicht be­

gangen, einem anderen rechtswidrig Schaden zuzufügen, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend *) Mark oder auf Gefängnis bis-zu zwei

Jahren zu erkennen. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.

VI. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährliche« Gebrauch von Sprengstoffen. Bom S. Juut 1884. S. 81.)

§ 1 Die Herstellung,*) der Vertriebs und der Besitz') von Sprengstoffen') sowie die Einführung derselben aus dem Auslande ist unbeschadet der bestehenden sonstigen Beschränkungen nur mit polizeilicher Genehmigung zulässig.') 1) Damit ist die tatsächliche Herstellung gemeint. Hersteller ist derjenige, unter dessen persönlicher Leitung der Sprengstoff fabriziert wird. Reskr. v. 28. März 85, BMBl. S. 104. 2) Es braucht dies nicht notwendig ein Gewerbebetrieb zu sein. Voraus­ setzung aber ist, daß derjenige, welcher in den tatsächlichen Besitz gesetzt wird, den Sprengstoff auch erwerben will. Erk. v. 28. Jan. 87, E. 15 S. 237. 3) Unter Besitz ist lediglich das tatsächliche Verhältnis der Jnnehabung zu verstehen. Erk. v. 26. Febr. 85, R. 7 S. 147, Erk. v. 12. Juni 85, E. 12 S. 257 u. Erk. v. 28. Jan. 07, GA. 54 S. 291. Besitz hat der, der die tatsächliche'

Herrschaft ausüben kann, auch wenn er den Gegenstand aus der Hand legt, aber dauernd unter unmittelbarer Bewachung behält. Erk. v. 12. Juli 02, JurW. 03 S. 142. Erk. v. 15. Okt. 09, E. 43 S. 10. 4) Als Sprengstoff ist jeder explosive d. h. jeder Stoff anzusehen, der bei der Entzündung eine gewaltsame Ausdehnung von elastischen Flüssigkeiten oder Gasen hervorruft, die als Sprengmittel sich eignet. Die Art, wie die Entzün­ dung herbeigeführt wird, ist für den Begriff „Sprengstoff" ganz gleichgültig. Erk. v. 28. März 98, GA. 46.S. 203. Auch solche Sprengstoffe fallen hierunter, bei denen die Entzündung nur in einer ganz bestimmten Weise herbeigeführt werden kann. Erk. v. 15. Nov. 20, DStZ. 8 S. 244. Ebenso ist es gleichgülttg, ob der Sprengstoff in der Praxis als solcher bezeichnet und als Spreng­ mittel verwendet wird. Erk. v. 22. Dezbr. 13, E. 48 S. 72. Ein Stoff, welcher die Sprengfähigkeit verloren hat, fällt nicht unter das Gesetz. Erk. v. 23. Febr. 03, GA. 50 S. 141; wohl aber ein Stoff, der sie nur vorübergehend verloren hat. Erk. v. 30. Jan. 12, E. 45 S. 383. Schwarzpulver ist Sprengstoff, wenn eS zur Sprengung dienen soll. Erk. v. 24. Septbr. 18, Recht 22 Nr. 1748. Der Begriff Sprengstoff unterliegt nicht der richterlichen Prüfung. Erk. v. 15. Oktbr. 09, E. 43 S. 10. 5) Die Genehmigung zum Vertriebe schließt nicht ohne weiteres die Ge-

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen §§ 2, 3.

302

Wer sich mit der Herstellung oder dem Vertriebe von Spreng­

stoffen befaßt, hat ein Register zu führen, aus welchem die Mengen der hergestellten, aus dem Auslande eingeführten oder sonst zum Zweck des Vertriebes angeschafften Sprengstoffe, sowie die Bezugs­

quellen und der Verbleib derselben ersichtlich sein müssen. Dieses Register

ist der zuständigen Behörde auf Erfordern jederzeit vorzulegen.') Auf Sprengstoffe, welche vorzugsweise als Schießmittel gebraucht werden, finden vorbehaltlich abweichender landesrechtlicher Vorschriften

die Bestimmungen des ersten und des zweiten Absatzes keine Anwen­ dung.

Die Bezeichnung dieser Stoffe erfolgt durch Beschluß des

Bundesrats.') Insoweit Sprengstoffe zum eigenen Gebrauch durch Reichs- oder Landesbehörden von der zuständigen Verwaltung hergestellt, besessen,

eingeführt oder vertrieben werden, bleiben die Vorschriften des ersten und zweiten Absatzes ebenfalls ausgeschlossen.

82.

Die Zentralbehörden der Bundesstaaten erlassen die zur

Ausführung der Vorschriften in dem 8 1 Absatz 1 und 2, sowie in dem 8 16 erforderlichen näheren Anordnungen und bestimmen die

Behörden, welche über die Gesuche um Gestattung der Herstellung, des

Vertriebes, des Besitzes und der Einführung von Sprengstoffen Ent­ scheidung zu treffen haben.')

8 8.

Gegen die versagende Verfügung ist nur die Beschwerde an

die Aufsichtsbehörde innerhalb 14 Tagen zulässig.

Dieselbe hat keine

aufschiebende Wirkung. nehmigung zur Herstellung in sich und ebensowenig berechtigt die Genehmigung zur Einführung aus dem Auslande zum Vertriebe, wohl aber zum Besitz. Stenglein-Galli, Nebengesetze Anm. 9 zu 8 1. Die Genehmigung zur Herstellung und zum Vertriebe berechtigt noch nicht zur Heranziehung von Hilfs­ kräften. Erk. v. 21. Novbr. 85, E. 13 S. 90. Übrigens kommt es auf die

QuaMität deS hergestellten Sprengstoffes nicht an, auch die kleinste Quantität genügt. Erk. v. 10. April 88, E. 17 S. 278. ' Die erteilte Erlaubnis zum Besitz von Sprengstoff entfällt nicht ohne weitere-, wenn derselbe für einen anderen als den Betriebszweck verwendet wird. Erk. v. 18. Dezbr. 99, E. 33 S. 41. 6) Über den Transport von Sprengstoffen siehe Stenglein-Galli

Anm. 11 zu § 1. 7) Siehe die Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 29. April 03 (RGBl. S. 211), v. 20. Juni 07 (RGBl. S. 375), v. 10. April 11 (RGBl. S. 180), v. 4; März u. v. 14. April 16 (RGBl. S. 155 u. 295). 8) Siehe PBO. v. 14. Septbr. 05 (Handels-MBl. S. 282) und Erlaß v. 14. April 04 betr. Führer von Sprengstofftransporten (ebenda S. HO). AB. d. HM. MI. betr. polizeiliche Genehmigung zur Herstellung,., zum Betrieb und Besitz von Sprengstoffen v. 10. Aug. 21 (ebenda S. 183). Über die Erforder­ nisse der von einer Zentralbehörde erlaffenen Anordnungen im Ginne deS § 2 dieses Ges. siehe Erk. v. 23. Febr. 99, E. 32 S. 39.

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen 88 4—7.

308

8 4 Die Erteilung der nach 8 1 Abs. 1 erforderlichen Erlaub­ nis erfolgt in widerruflicher Weise. Wegen der Beschwerde gegen die Zurücknahme gilt die Vorschrift des 8 3 des gegenwärtigen Gesetzes.

8 6. Wer vorsätzlich •) durch Anwendung von Sprengstoffen Gefahr") für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft.") Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt- Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren, und wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. Ist durch die Handlung der Tod eines Menschen herbeigeführt worden und hat der Täter einen solchen Erfolg voraussehen können, so ist auf Todesstrafe zu erkennen.") 8 6. Haben mehrere") die Ausführung einer oder mehrerer nach 8 b zu ahnender strafbarer Handlungen verabredet oder sich zur fortgesetzten Begehung derartiger, wenn auch im einzelnen noch nicht bestimmter Handlungen verbunden, so werden dieselben, auch ohne daß der Entschluß der Verübung des Verbrechens durch Hand­ lungen, welche einen Anfang der Ausführung enthalten, betätigt worden ist, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. 8 7. Wer Sprengstoffe herstellt,"*) anschafft, bestellt, oder in seinem Besitze hat, in der Absicht, durch Anwendung derselben Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen ent­ weder selbst herbeizuführen oder andere Personen zur Begehung dieses Verbrechens in den Stand zu setzen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der gleichen Strafe verfällt, wer Sprengstoffe, wissend, daß die9) Ob durch den Gebrauch des Sprengstoffes eine gemeine Gefahr herbei­ geführt wird, ist gleichgültig; 8 5 findet auch Anwendung, wenn vorsätzliche Körperverletzung einer bestimmten Person mittels Sprengstoffes stattfindet. 10) Zwischen Mordversuch und Verbrechen gegen 8 5 Abs. 1 ist Jdealkonkurrenz sehr wohl denkbar. Erk. v. 9. Juli 97, E. 30 S. 216. 11) Die bloß abstrakte Möglichkeit einer Lebens- oder Sachbeschädigung genügt zum Begriffe der Gefährdung nicht, vielmehr muß der Eintritt eines schädigenden CreigniffeS wahrscheinlicher.sein, als der Nichteintritt. Vgl. Erk. v. 7. Febr. 84, R. 6 S. 99 u. E. 10 S. 173. Auch der Versuch dieses Gesährdungsverbrechens ist möglich. Erk. v. 20. Dezbr. 12, Recht 17 Nr. 456. 12) DaS Gesetz unterscheidet nicht zwischen Mord und Totschlag. Siehe über Abs. 3 Stenglein-Galli Anm. 17. 13) Auch zwei Personen genügen'. 13 a) Der strafbare Borsatz ist erst dann erfüllt, wenn der Täter gewußt hat, daß sein Erzeugnis in der von ihm hergestellten Art und Menge sich zur Verwendung als Sprengmittel eigne. Erk. v. 23. Nov. 11, Recht 16 Nr. 163.

304

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen §§ 8, 9.

selben zur Begehung eines in dem § 5 vorgesehenen Berbrechens bestimmt sind, an andere Personen überläßt.

§ 8 Wer Sprengstoffe herstellt, anschafft, bestellt, wissentlich") in seinem Besitze hat oder an andere Personen überläßt unter Um­ ständen, welche nicht erweisen,") daß dies zu einem erlaubten Zweck") geschieht, wird mit Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Jahre bestraft. Diese Bestimmung findet auf die gemäß § 1 Absatz 3 vom Bundesrat bezeichneten Stoffe nicht Anwendung.") § Wer der Vorschrift in dem ersten Absatz des ß 1 zuwider es unternimmt,") ohne polizeiliche Ermächtigung") Sprengstoffe her­ zustellen,"^) vom Auslande einzuführen, feilzuhalten, zu verkaufen oder 14) Das Wort „wissentlich" hat hier keine besondere Bedeutung. Vgl. darüber Erk. v. 26. Febr. u.,8. Juni 85, E. 12 S. 73 u. 12 S. 244. 15) Jedes Anschaffen, Überlassen usw. hat deshalb die Vermutung gegen sich, daß eS zu einem verbrecherischen Zweck geschehen ist. Erk. v. 25. Novbr. 84, R. 6 S. 762, u. Erk. v. 22. Novbr. 87, R. 9 S. 632. Der Angekl. braucht aber den erlaubten Zweck nicht zu beweisen, es ist dies, wie in dem zuletzt er­ wähnten Erk. ausgeführt ist, Gegenstand der tatsächlichen Feststellung. Es be­ steht keine Jdealkonkurrenz des § 8 mit § 9. Erk. v. 17. Febr. 11, E. 44 S. 331. 16) Der Ausdruck „Zweck" ist von dem schließlichen Gebrauch deS Spreng­ stoffes durch Verbrauch zu verstehen; daß dieser Zweck ein erlaubter ist, muß zur Abwendung der Strafe festgestellt werden. Erk. v. 22. Novbr. 87, R. 9 S. 632. Die Absicht, Dynamitpatronen zum Fischen zu verwenden, enthält keinen unerlaubten Zweck. Erk. v. 22. Jan. 86, E. 13 S. 305. Siehe aber die abweichende Ausführung betr. das Fischen in geschloffenen Gewässern bei Stenglein-Galli Anm. 2 Abs. 3 Die Anwendung des § 8 ist überhaupt ausgeschlossen, wenn erwiesen ist, daß der Besitz des Sprengstoffes zu einem andren Zweck stattfand, als um Ge­ fahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben anderer herbeizuführen. Erk. v. 25. Novbr. 84, N. 6 S. 762. 17) Polizeiliche Erlaubnis zum Besitz von Sprengstoffen schließt die Be­ strafung aus § 8 nicht unbedingt aus. 18) Zu dem Begriffe des „Unternehmens" gehört, daß die Absicht des Ver­ kaufs oder der Überlassung sich durch eine in die äußere Erscheinung tretende

Handlung objekttviert und daß der Unternehmer also irgendwelche Anstalten ge­ troffen haben muß, um seine Absicht auszuführen. Erk. v. 19. März 88, E. 17 S. 257. 19) Durch die einer bestimmten Person erteilte polizeiliche Erlaubnis ist nicht ohne weiteres auch den Bediensteten dieser Person die Erlaubnis erteitt. Erk. v. 21. Novbr. 85, E. 13 S. 90. «gl. aber Erk. v. 7. Novbr. 90, GA. 39 S. 48. Der Besitz eines Sprengstoffrestes nach Beendigung der Arbeiten ist kein uner­ laubter, wenn die Erlaubnis unbeschräntt erteilt war. Erk. v. 10. Jan. 21, E. 55 S. 221. 19 a) Der Täter muß das Bewußtsein haben, daß der von ihm hergestellte Stoff Sprengstoff im Sinne deS Ges. ist. Erk. v. 23. Novbr. 11, DIZ. 17 S. 348, GA. 59 S. 452,

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen § 9.

305

sonst an andere zu überlassen,10) ober wer im Besitze") derartiger Stoffe betroffen wird,") ohne polizeiliche Erlaubnis") hierzu nach­ weisen zu können,") ist mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen.") Gleicher Strafe verfällt, wer die Vorschriften des § 1 Absatz 2, 20) Ein Überlassen von Sprengstoffen im Sinne des § 9 umfaßt nicht bloß die Veräußerung derselben, sondern jede tatsächliche Einräumung der Gewalt­ herrschaft über Sprengstoffe. Erk. v. 16. Septbr. 86, R. 8 S. 538. Ebenso Erk. v. 19. März 88, E. 17 S. 258 u. Erk. v. 22. Nov. 06, GA. 54 S. 80/ JurW. 07 S. 415. Aushändigung von Schlüsseln zum Patronenkasten. Erk. v. 25. Nov. 09, Recht 14 Nr. 257. Auf den Zweck des Überlassens und ob dies

aus bloßer Gefälligkeit geschehen ist, kommt es nicht an. Erk. v. 25. Juni 86, E. 14 S. 231. Auch die von einem Besitzberechtigten an einen anderen Besitz­ berechtigten ohne polizeiliche Erlaubnis erfolgte Überlassung fällt unter das Ges. Erk. v. 4. April 87, E. 15 S. 387. Gewerbsmäßiges Handeln ist auch hier kein Erfordernis. Erk. v. 25. Juni 86, E. 14 S. 231. 21) Siehe oben die Anm. 3 zu 8 1. Der wissentliche Besitz von Spreng­ stoffen ohne Nachweis der polizeilichen Genehmigung genügt. Eine Anzeige an die Polizeibehörde von dem Besitze des Sprengstoffes schließt, wenn die polizei­ liche Erlaubnis nicht erteilt ist, die Bestrafung nicht aus. Erk. v. 30. Oktbr. 85, E. 13 S. 35, Erk. v. 23. Jan. 96, E. 28 S. 130. — Nur der wissentliche Besitz macht strafbar, weshalb derjenige straflos bleibt, bei dem Sprengstoffe heimlich niedergelegt sind. Erk. v. 8, Juni 85, E. 12 S. 244. Das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit der Handlung, sei es, daß dar­ unter das Bewußtsein der gestörten Rechtsordnung oder dasjenige der Straf­ barkeit verstanden wird, ist zum Tatbestände des vorsätzlichen Delikts nicht not­ wendig. Erk. v. 17. Jan. 87, E. 15 S. 158. Erk. v. 30. Oktbr. 85, E. 13 S. 35. 22) Hierzu genügt jedes tatsächliche Verhältnis, jedes wissentliche Inne­ haben von Sprengstoffen; es ist nicht nötig, daß die, letzteren bei dem Angekl. von der Behörde gefunden sind. Erk. v. 16. IRoübt? 85, E. 13 S. 46. Siehe

auch Anm. 3 zu 8 1- Nicht ist Besitzer, wer den Sprengstoff zum .Zwecke der Vernichtung an sich nimmt. Erk. v. 24. April 13, E. 47 S. 150. Überläßt ein Unternehmer zeitweise sein Geschäft einem Vertreter, der gleichfalls zum Feil­ halten ermächtigt ist, so ist er für dessen Handlungen nicht yerantwortlich. Erk. v. 22. April 01, GA. 48 S. 298. Anstiftung zum unerlaubten Besitz von Sprengstoffen ist möglich. Erk. v. 23. April 03, GA. 50 S. 230, aber wer nicht Besitzer der Sprengstoffe ist, kann nicht als Mittäter in Frage kommen. Erk. v. 4. Mai 05, JurW. 05 S. 764. 23) Das bloße Nachsuchen der Erlaubnis in der Erwartung, daß dieselbe erteilt werde, genügt nicht, ebensowenig die Angabe, daß ein Dritter für ihn die Erlaubnis nachgesucht und erhalten habe. Erk. v. 16. Novbr. 85, s. vor. Anm. Vgl. auch Erk. v. 15. Oktbr. 85, E. 13 S. 22, u. Erk. v. 20. März 03, E. 36 S. 158. 24) Anders aber verhält es sich, wenn die Erlaubnis bei einer unzustän­ digen Behörde nachgesucht und von dieser erteilt worden ist; hier tritt Straf­ losigkeit ein. Erk. v. 13. Oktbr. 85, R. 7 S. 579, Erk. v. 9. Novbr. 85, E. 12 5. 431, weil hier 8 59 des StGB, zutrifft. Siehe auch Erk. v. 20. März 03, JurW. 03 S. 325 u. Erk. v. 23. Nov. 05, Recht 10 S. 67. 25) Gelangt jemand durch Diebstahl in den Besitz von Sprengstoffen, so liegt nicht Realkonkurrenz von Diebstahl und Verstoß gegen § 9, sondern nur eine Handlung vor. Erk. v. 3. Dezbr. 85, E. 13 S. 145.

Dalcke, Strafrecht. 16. Aust. (1922).

20

306

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen §§ 10,11.

die von den Zentralbehörden in Gemäßheit des § 2 getroffenen An­ ordnungen*") oder die bereits bestehenden oder noch zu erlassenden sonstigen polizeilichen Bestimmungen*«?) über den Verkehr mit Spreng­ stoffen,»') auf welche g 1 Absatz 1 Anwendung findet, übertritt.

§ 10. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Allsstellung von Schriften oder anderen Darstellungen, oder wer in Schriften oder an­ deren Darstellungen zur Begehung einer der in den 88 ö und 6 be­ zeichneten strafbaren Handlungen oder zur Teilnahme an denselben auffordert, wird mit Zuchthaus bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung der im Absatz 1 gedachten strafbaren Handlungen insbesondere dadurch anreizt oder verleitet, daß er dieselben anpreist oder als etwas Rühmliches darstellt.

§ 11. In den Fällen der g§ 5, 6, 7, 8 und 10 kann auf Zu26) Unter diesen Anordnungen sind nur allgem. Polizeiverordnungen zu verstehen, nicht die im Einzelfalle dem Gewerbetreibenden von der Polizeibe­ hörde auferlegten besonderen Verpflichtungen. Erk. v. 16. Septbr. 86, R. 8 S. 538. Wohl aber gehören hierher Polizeiverordnungen, welche Anordnungen treffen über Anschaffung, Transport, Aufbewahrung und Verausgabung des Dynamits und daS güt inSbes. auch von Verordnungen der Bergpolizei. Erk. v. 29. Novbr. 87, R. 9 S. 681. Ferner gehören hierher die landespolizei­ lichen Verordnungen über den Transport der Sprengstoffe. Erk. v. 4. Febr. 87, E. 15 S. 245 u. Erk. v. 3. März 08, E. 41 S. 156, sowie die bergpolizeilichen Vorschriften über Verausgabung und Aufbewahrung. Erk. v. 30. Juni 08, E. 41 381; auch die in §427 der PVO. v. 14. Sept. 05 (flehe Anm. 26 a) vorge­ schriebene Buchführung über die Verausgabung von Sprengstoffen. Erk. v. 28. April 10, GA. 58 S. 175. Ein vorsätzliches Übertreten der polizeilichen Anordnungen ist für die Straf­ barkeit nicht erforderlich. Erk. v. 4. Febr. 87, E. 15 S. 245 u. Erk. v. 5. Juni 14, E. 48 S. 316.» Der Irrtum des Täters über die Beschaffenheit deS Spreng­ stoffes ist beachtlich. Erk. v. 15. Febr. 09, Recht 13 Nr. 1090, nicht aber darüber, ob er unter die Bekanntm. des Reichskanzlers v. 29. Apr. 03 fällt. Erk. v. 30. Jan. 02, Recht 6 S. 156... Die Beihilfe zu der Übertretung der polizeilichen Anordnungen ist, weil

eS sich hier um den Tatbestand eines Vergehens handelt, strafbar. Erk. v. 25. Febr. 90, E. 20 S. 275. 26 a) Siehe MinPO. v. 14. Septbr. 05 (BMBl. S. 173). 27) Der „Verkehr mit Sprengstoffen" ist nicht gleichbedeutend mit Ver­ trieb von Sprengstoffen, sondern hat einen weiteren umfassenderen Sinn. Erk. v. 29. Novbr. 87, GA. 36 S.. 152. Erk. v. 18. Novbr. 01, E. 34 S. 440. Es ist darunter neben der Herstellung und der Einführung der Sprengstoffe auch deren Besitz und Vertrieb zu verstehen. Erk. v. 7. Mai 06, Recht 10 S. 814. Im übrigen unterliegt der Verkehr mit Sprengstoffen ausschließlich der Vorschrift des § 9 und ist § 367 Nr. 5 StGB, insoweit beseitigt. Erk. tk 15. Oktbr. 85, E. 13 S. 22. Ob Sprengkapseln unter § 9 fallen, hängt von deren besonderer Beschaffenheit (Füllung) ab. Erk. v. 8. Jün. 94, E. 25 S. 29.

VI. Ges. gegen den verbrech. Gebrauch v. Sprengstoffen 88 12—14. 307

lässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. In den Fällen der 88 6, 6, 7, 8 und in dem Falle einer Anwendung der Strafvor­ schriften des 8 9 ist auf Einziehung der zur Zubereitung der Sprenge stosse gebrauchten oder bestimmten Gegenstände, sowie der im Besitze des Verurteilten Vorgefundenen Vorräte von Sprengstoffen zu er­ kennen, ohne Unterschied, ob dieselben dem Verurteilten gehören oder nichz?^)

8 12. Die Bestimmungen ttn § 4 Absatz 2 Nr. 1 des Straf­ gesetzbuchs für das Deutsche Reich finden auch auf die in den §g 5, 6, 7, 8 und 10 dieses Gesetzes vorgesehenen Verbrechen Anwendung.

8 13. Der in dem § 139 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich angedrohten Strafe verfällt, wer von dem Vorhaben eines im § . 15. März 19, DStZ. 7 S. 312. — Ein Landesgesetz, welches gewisse Ankün­ digungen (z. B. von Geheimmitteln) nicht allgemein, sondern speziell durch die Presse verbietet, verstößt gegen § 1. GA. 39 S. 196, 197. 2) Betroffen sind hier alle Bervielfältigungsmethoden, auch die Photo­ graphie. Erk. v. 29. Juni 81, E. 4 S. 362. Hierunter fallen nicht mittels einer Schreibmaschine hergestellte Durchschläge. Marienwerder v. 18. Febr. 18, LZ. 12 S. 462. 3) Berbreitm ist diejenige Tättgkeit, durch welche die Druckschrift einem größeren, wenn auch nach Zahl oder Individualität der Personen begrenzten Kreise zugänglich wird. Erk. v. 2. Juli 03, E. 36 S. 331. Es genügt die Mtteilung an eine Person, wenn dieselbe mit dem Bewußtsein geschieht, daß durch die letztere eine weitere Verbreitung erfolgen werde. Erk. v. 8. Juli 84, R. 6 S. 525. Verbreitung ist gefunden worden in der Aushändigung einiger Exem­ plare von Druckschriften an den Verfasser. Erk. v. 28. Sept. 80, E. 2 S. 270. 3a) Eine kinematographische Aufführung fällt nicht hierunter. OVG. v. 21. Juni 09, GA. 58 S. 210.

IX. Paßgesetz 88 4—6.

315

$ 4 Eine Entziehung der Befugnis zum selbständigen Betriebe irgend eines Preßgewerbes oder sonst zur Herausgabe und zum Ver­ triebe von Druckschriften kann weder im administrativen, noch im richterlichen Wege stattfinden. Im übrigen sind für den Betrieb der Preßgewerbe die Be­ stimmungen der Gewerbeordnung maßgebend?) § 5 Die nichtgewerbsmäßige öffentliche Verbreitung von Druck­ schriften kann durch die Ortspolizeibehörde denjenigen Personen ver­ boten werden, welchen nach § 57 der Gewerbeordnung ein Legitimationsschein versagt werden darf?) Zuwiderhandlungen gegen ein solches Verbot werden nach § 148 der Gewerbeordnung bestraft?) II. Ordnung der Preffe.

§ 6- Auf jeder im Geltungsbereich dieses Gesetzes erscheinenden Druckschrift74)85muß 96 der Name und Wohnort •) des Druckers •) und, wenn 4) Siehe §§ 14, 42, 43, 56 u. 143 GewO. 5) Bet., bett, die Redaktion der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich, v. 26. Juli 1900 (RGBl. S. 871) §43: „An die Stelle des im 8 5 Abs. 1 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 angezogenen § 57 der Gewerbeordnung treten die Bestimmungen des § 57 Ziffer 1, 2, 4, der §§ 57 a, 57 b Ziffer 1 und 2 des gegenwärtigen Gesetzes."

6) Vgl. Ges. betr. die Stimmzettel für öffentliche Wahle» v. 12. März 84 (RGBl. S. 17). Dasselbe lautet: „Stimmzettel, welche im Wege der Vervielfältigung hergestellt sind und nur die Bezeichnung der zu wählenden Personen enthalten, gelten nicht als Druckschriften im Sinne der Reichs- und der Landesgesetze." 7) Für den Begriff der Druckschrift ist entscheidend, ob sie ausschließlich den Zwecken des Gewerbes dient, oder aber ob sie daneben noch andere Zwecke verfolgt. GA. 51 S. 60. Als Druckschrift ist auch anzusehen ein Kalender, der als Gratisbeilage einer Zeitung dient. OLG. Hamm v. 5. Septbr. 12, DIZ. 19 S. 176. Der Begriff des Erscheinens deckt sich nicht mit dem der Verbreitung. Galli, Recht 10 S. 82. Auf Druckschriften, deren Inhalt nicht strafbar ist, bei denen vielmehr nur gegen formale Vorschriften des Preßges. verstoßen ist, findet der § 41 deS StGB, keine Anwendung. R. 4 S. 235. 8) Als Wohnort deS Verlegers ist deffen geschäftliche Niederlaffung zu be­ trachten und, wenn der Verleger den Verlag nicht gewerbsmäßig betreibt, deffen Wohnsitz. Stenglein-Galli, Anm. 7. 9) Drucker ist der gewerbliche Unternehmer der Druckerei, resp, der Ge­ schäftsführer, wenn er vollständiger Vertreter ist. Erk. v. 17. Juni 87, R. 9 S. 374 u. E. 16 S. 144. ©ei Benutzung einer einem anderen gehörigen Handpreffe ist die Angabe deS Eigentümers der Letzteren nicht unbedingt erforderlich. Erk. v. 30. Mai 11, Recht 15 Nr. 2494. Sind bei Herstellung einer Druck­ schrift mehrere Trucker selbständig beteiligt, so muß Namen und Wohnort eines jeden auf der Druckschrift genannt werden. Erk. v. 20. Febr. 91, E. 21 S. 361. Für die richtige Angabe deS Druckers ist nicht nur der Inhaber der Druckerei, sondern jeder verantwortlich, der die Unterlaffung der Angabe oder

316

IX. Paßgesetz § 6.

sie für den Buchhandel, oder sonst zur Verbreitung bestimmt ist,16)

der Name und Wohnort des Verlegers,") oder — beim Selbstver­ triebe der Druckschrift — des Verfassers oder Herausgebers genannt sein.") An Stelle des Namens des Druckers oder Verlegers genügt die Angabe der in das Handelsregister eingetragenen Firma.") Ausgenommen von dieser Vorschrift sind die nur zu den Zwecken des Gewerbes und Verkehrs, des häuslichen und geselligen Lebens dienenden Druckschriften,") als: Formulare, Preiszettel, Visitenkarten und dergleichen, sowie Stimmzettel für öffentliche Wahlen, sofern sie nichts weiter als Zweck, Zeit und Ort der Wahl und die Bezeichnung der zu wählenden Personen enthalten. die unrichtige Angabe vorsätzlich bewirkt hat. R. 4 S. 212 u. 438. Wegen Nichtbefolgung der Vorschriften des § 6 ist nur strafbar, wer als Folge seines Berufs oder seiner besonderen Stellung bei der Drucklegung physisch oder intellektuell mitwirkt und verpflichtet ist, ein Zuwiderhandeln gegen das Preßges. zu verhüten, .also nicht jeder, der eine Druckschrift in die Druckerei befördert oder in Bestellung gibt. Erk. v. 1. Novbr. 97, GA. 46 S. 25. Für die rich­ tige Angabe des Namens des Druckers und Verlegers nach § 6 ist auch der Verleger verantwortlich', aber nicht der Redakteur. Erk. v. 21. Mai 95, E. 27 S. 246. Der Drucker muß äußerlich sofort als solcher erkennbar sein, Erk. v. 23. Mai u. 6. Juni 01, DIZ. 7 S. 52. 10) Es ist hier nicht bloß die gewerbsmäßige Verbreitung, sondern über­ haupt jede Verbreitung gemeint. Erk. v. 3. Dezbr. 99, E. 20 S. 63. 11) Der Drucker haftet für Nennung des Verfassers oder Verlegers, wenn er gewußt hat, daß die Druckschrift zur Verbreitung bestimmt ist. GA. 26 S. 354. Erk. v. 8. Okt. 06, E. 39 S. 202. Die Angabe eines falschen Ver­ legers ist nur strafbar, wenn sie dolo oder culpa bewirkt worden ist. Erk. v. 17. Juni 87, E. 16 S. 144. Das bloße Verbreiten einer Druckschrift, auf welcher Drucker und Herausgeber nicht genannt sind, ist nicht strafbar. Erk. v. 28. Novbr. 87, E. 16 S. 409, KG. v. 1. Ott. 06, DIZ. 12 S. 242.

12) Ist ein Personenverein der Herausgeber, so muß eine physische Person als haftbar bezeichnet werden. GA. 41 S. 435. Die Benennung des Druckers, Verlegers oder Herausgebers muß mit ausdrücklichen Worten und außerhalb des Contextes der Druckschrift geschehen. Stenglein-Galli Anm. 9. 13) Das Preßdelikt aus § 6 ist mit dem Erscheinen, d. h. mit der Ausgabe der Druckschrift, vollendet. GA. 38 S. 232. Bei einer mehrfachen Übertretung

des § 6 sind die Geldstrafen zu kumulieren. GA. 24 S. 649, siehe auch E. 6 S. 367. 14) Druckschriften dienen nur dann den Zwecken des Gewerbes im Sinne dieses Paragraphen, wenn sie denselben ausschließlich dienen und dies sofort aus der Druckschrift erkennbar ist. Das Motiv des Verlegers ist ohne Belang. Erk. v. 24. Juni 86, R. 8 S. 483 u. @.14 S. 279. Erk. v. 5. Juni 02, GA. 51 S. 59. Diese Ausnahme hat nicht alle mit irgend welchen Zwecken des Gewerbes zusammenhängenden, sondern nur die dem regelmäßigen geschäftlichen Leben dienenden Druckschriften zum Gegenstände. Erk. 3. Dezbr. 89, E. 20 S. 65. Anstchtspostkarten, welche einen politischen oder sozialen Inhalt haben, fallen nicht unter diese Ausnahme. DIZ. 6 S. 462. Siehe auch Erk. v.

IX. Preßgesetz § 7.

317

8 7- Zeitungen und Zeitschriften,") welche in monatlichen oder kürzeren, wenn auch unregelmäßigen Fristen erscheinen") (periodische Druckschriften im Sinne dieses Gesetzes), müssen außerdem auf jeder Nummer, jedem Stücke oder Hefte den Namen uiib Wohnort") des ver­ antwortlichen Redakteurs enthalten.") 13. Novbr. 02, E. 36 S. 11, wohl aber in der Regel solche, die nur Landschafts­ oder Architekturbilder enthalten. KG. v. 11. Dez. 08, GA. 56 S. 240. 15) Zum Begriff der Zeitung ist wesentlich, daß dieselbe periodisch erscheint, dagegen ist nicht erforderlich, daß eine unbegrenzte Dauer in Aussicht genommen ist, es genügt vielmehr, daß das Erscheinen zu einem bestimmten Zweck und für einen im voraus begrenzten Zeitraum beschränkt wird. Siehe das oben Anm. 14 zit. Erk. v. 24. Juni 86, MeV es in GA. 39 S. 19. 16) Erscheint die einzelne Nummer in getrennten Teilen (Hauptblatt u. Beiblatt), so braucht der Redakteur doch nur einmal genannt zu sein. Erk. v. 22. Septbr. 82, E. 7 S. 45. 17) Wohnort ist nicht gleichbedeutend mit Erscheinungsort der Zeitung. Erk. v. 25. Juni 06, E. 39 S. 105. 18) Redakteur ist derjenige, welcher tatsächlich die Redaktionsgeschäste be­ sorgt» der diese Stellung mit dem Willen des Eigentümers der Zeitung bekleidet und kraft derselben zu verfügen hat, ob ein Beitrag wegen strafbaren Inhalts zurückzuweisen ist oder Aufnahme finden kann. Erk. v. 24. Juni 90, E. 21 S. 23. Siehe insbes. auch Erk. v. 30. Mai 02, E. 35 S. 271, Erk. v. 28. April 03, E. 36 S. 215, Erk. v. 25. Jan. 06, GA. 53 S. 167. Die Angabe: die Zeitschrift er­ scheint jeden Monat und wird herausgegeben und „geleitet" v. N. N. ersetzt nicht die Benennung des verantwortlichen Redakteurs. GA. 39 S. 197. Bgl. Erk. v. 2. Juni 96, E. 28 S. 399. Durch die Bezeichnung: Redaktion A. in M. (Name und Wohnort) wird der Vorschrift des § 7 nicht genügt. Erk. v.' 15. März 94, E. 25 S. 180. Der Chefredakteur ist für den gesamten Inhalt der Zeftung verantwortlich, sofern nicht für einzelne äußerlich erkennbare Teile des Blattes besondere Redakteure bestellt sind, also unter Umständen auch für In­ serate, obgleich eiü besonderer Redakteur für den Inseratenteil bestellt ist. GA. 39 S. 374. Nach DIZ. 9 S. 464 wird die Angabe des v. R. durch die Be­ zeichnung als Chefredatteur nicht ersetzt. Neben dem v. R. bestellte Mitredak­ teure dürfen sich nach Erk. v. 13. Dezbr. 95, E. 28 S. 72 nicht mit ihrem Schriftstellernamen bezeichnen. A. M. Beschl. d. AG. v. 8. Oktbr. 94, GA. 42 S. 432. Die Berantworllichkeit des Redakteurs erstreckt sich auf alle Teile des Blattes, auch auf die Beilagen, selbst wenn sie nicht als solche bezeichnet sind. Erk. to.,2 Febr. 82, R. 5 S. 82. Die Verwahrung gegen die Verantwortlich­ keit ist ohne Bedeutung, wenn für den Inseratenteil nicht ein besonderer Redatteur bestellt ist. Erk. v. 26. April 80, R. 1 S. 673, u. v. 19. April 82, R. 4 S. 352. Bgl. Erk. v. 18. Oktbr. 04, GA. 52 S. 83. Wird eine selbständige periodische Druckschrift einer andern regelmäßig als Beilage beigefügt, so ist auf den als Beilage ausgegebenen Exemplaren auch der Redakteur der ersteren als solcher zu benennen. Erk. v. 2. Februar 83, R. 5 S. 82. Der Redakteur bleibt für den strafbaren Inhalt einer der Zeitung beigelegten Druckschrift verantwortlich, wenn nicht festgestellt wird, daß das Beilegen weder auf ein vor­ sätzliches noch fahrlässiges Handeln des Redatteurs zurückzuführen ist. Erk. v. 2. Febr. 83, R. 5 S. 82. Der wegen Nachdrucks in Anspruch genommene Ver­ leger einer periodischen Zeitschrift kann sich nicht mit dem Einwande schützen, daß

318

IX. Preßgesetz §§ 8—10.

Die Benennung mehrerer Personen als verantwortliche Redakteure1*) ist nur dann zulässig, wenn aus Form und Inhalt der Benennung mit Bestimmtheit zu ersehen ist, für welchen Teil der Druckschrift jede der benannten Personen die Redaktion besorgt.

§ 8- Verantwortliche Redakteure periodischer Druckschriften dürfen nur Personen sein, welche verfügungsfähig,**) im Besitze der bürger­ lichen Ehrenrechte sind und im Deutschen Reiche ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. 6 v Bon jeder Nummer (Heft, Stück) einer periodischen Druck­ schrift muß der Verleger, sobald die Austeilung oder Ursendung beginnt, ein Exemplar gegen eine ihm sofort zu erteilende Beschei­ nigung an die Polizeibehörde des Ausgabeortes unentgeltlich ab­

liefern.*^ Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Druckschriften, welche ausschließlich Zwecken der Wissenschaft, der Kunst, des Gewerbes oder der Industrie dienen. 8 10. Der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druck­ schrift, welche Anzeigen aufnimmt, ist verpflichtet, die ihm von öffent­ lichen Behörden mitgeleilten amtlichen Bekanntmachungen**) auf deren er für die Druckschrift einen verantwortlichen Redakteur bestellt habe. Erk. v. 6. Juni 90, E. 20 S. 430. 19) Sind mehrere Redakteure auf einer Zeitschrift, benannt, ohne genaue Abgrenzung der Teile, für die jeder von ihnen haftet, so kann § 20 auch keine Anwendung finden. In der Einrede des Angekl., daß die Veröffentlichung des betr. Artikels nicht zu dem ihm überwiesenen Teile der Schrift gehört, liegt zu­ gleich der Einwand, daß er von dem Inhalte des Artikels keine Kenntnis gehabt habe. Erk. v. 4. Juni 96, GA. 44 S. 144. Eine Teilung der Verantwortlich­ keit unter mehrere Redakteure muß stets äußerlich erkennbar gemacht werden, so daß erstchtlich ist, für welchen Teil jeder die Verantwortlichkeit übernimmt. GA. 23 S. 591, GA. 39 S. 374 und Erk. v. 17./24. März 92, E. 23 S. 9, u. v. 4. Juni 96, GA. 44 S. 144. Die Erklärung eines Teilredakteurs, daß er für gewisse Einzelartikel,-hie dem von ihm übernommenen Teile angehören, die Verantwortlichkeit ablehne, ist rechtlich bedeutungslos. Erk. v. 26. Febr. 01, E. 34 S. 187. Die Strafe für Nichtbenennung oder falsche Benennung des Redakteurs trifft zunächst den Verleger, aber auch jeden, welcher durch sein schuldhaftes Verhalten den gemißbilligten Tatbestand herbeigeführt hat, also auch den bloß tatsächlichen Redakteur, Erk. v. 24. Juni 90, E. 21 S. 23, OR. 15 S. 456 und wenn mehrere Redakteure vorhanden sind, find sie alle verantwort­ lich. GA. 39 S. 51. Siehe insbes. Erk. v. 21. Mai 95, E. 27 S. 246. 20) Die Benennung einer unfähigen Person ist nach § 19 strafbar. Vgl. Erk. v. 22. April 87, E. 16 S. 16. 21) Die Druckschrift muß mit allen Beilagen eingeliefert werden. GA. 26 S. 543. Die Vorschrift bezieht sich auch auf Extrablätter. Appelius a. a. O. S. 57. 22) Dahin gehört auch die Bekanntmachung von Strafurteilen in Gemäß­ heit des § 200 StGB. GA. 27 S. 130.

IX. Preßgesetz § 11.

SIS

Verlangen, gegen Zahlung der üblichen Einrückungsgebühren in eine der beiden nächsten Nummern des Blattes aufzunehmen.

S 11. Der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druck­ schrift ist verpflichtet,-) eine Berichtigung") der in letzterer mitge­ teilten Tatsachen auf Verlangen einer beteiligten"«) öffentlichen Be­ hörde oder Privatperson ohne Einschaltungen oder Weglassungen auf­ zunehmen, sofern die Berichtigung von dem Einsender unterzeichnet ist, keinen strafbaren Inhalt hat und sich auf tatsächliche Angaben") beschränkt?«) Der Abdruck muß in der nach Empfang der Einsendung nächst­ folgenden, für den Druck nicht bereits abgeschlossenen Nummer und zwar in demselben Teile der Druckschrift und mit derselben Schrift, wie der Abdruck des zu berichtigenden Artikels geschehen. Die Aufnahme erfolgt kostenfrei, soweit nicht die Entgegnung den Raum der zu berichtigenden Mitteilung überschreitet; für die über 23) Die Pflicht zur Berichtigung liegt dem verantwortlichen Redakteur ob Vgl. Erk. v. 24. Juni 90, E. 21 S. 23; und zwar dem Redakteur derjenigen Nummer des Blattes, in welche die Berichttgung aufzunehmen ist. Celle v. 80. Jan. 13, GA. 63 S. 155. Die Berichttgung kann nicht auS dem Grunde ab­ gelehnt werden, weil sie eine Unwahrheit enthalte. GA. 25 S. 352, GA. 38 S. 460, GA. 39 S. 197 u. Erk. v. 6. Oktbr. 93, E. 24 S. 278. 24) Die Berichttgung selbst muß unterzeichnet sein, nicht lediglich daS Er­ suchungsschreiben. KG. v. 19. Dezbr. 01, GA. 49 S. 339. Sie muß druckferttg abgefaßt sein. Erk. v. 26. Mai 10, E. 44 S. 5. Auf Verlangen ist die Berich­ ttgung in deutscher Sprache aufzunehmen. OLG. Posen v. 11. Mai 07, GA. 56 S. 117. 24 a) Es muß sich um eine die einzelne Persönlichkeit berührende Angelegen­

heit handeln im Gegensatz zu Jntereffen, die einem unbegrenzten Personenkreis gemeinsam sind. KG. v. 8. Dezbr. 11, GA. 59 S. 475.

25) Unter tatsächlichen Angaben sind bejahende oder verneinende Mit­ teilungen über äußere mit den Sinnen wahrnehmbare Ereigniffe (in die äußere Erscheinung getretene Vorkommnisse, nicht reine Ergebnisse des Denkprozeffes) verstanden worden. GA. 39 S. 375. GA. 41 S. 72, GA. 42 S. 303. Das OLG. Hamburg hat aber überzeugend ausgeführt, daß die Unterscheidung zwischen rein äußerlich wahrnehmbaren Tatsachen und sog. inneren Tatsachen (Beweggründen, Absichten, Zielen) unhaltbar und nicht gerechtferttgt sei. GA. 46 S. 392. Auf Inserate bezieht sich der Berichttgungszwang nicht. OLG. Bres­ lau v. 24. April 09, DIZ. 15 S. 1416. 26) Erfolgt die durch ein Strafurtell angeordnete Aufnahme der Berich­ ttgung nicht, so ist eine neue Bestrafung zulässig. Bayr. Kaff. Hofes v. 22. Mai 75, GA. 24 S. 147 u. ObTrib. v. 13. Septbr. 77, ebenda 25 S. 591. Eine Zwangsvollstreckung im BerichttgungSverfahren gibt eS nicht. Horn in GA. 58 S. 129 ff., insbes. 359. Die Verjährung beginnt mit dem Erscheinen der nächstfolgenden für den Druck nicht bereits abgeschlossenen Nummer. KG. v. 10. Dezbr. 00, DIZ. 6 S. 143. Vgl. auch GA. 37 S. 87. Dagegen Johow 5 S. 278.

320

IX. Preßgesetz §§ 12—16.

dieses Maß hinallsgehenden Zeilen sind die üblichen Einrückungsgebühren zu entrichten.")

§ IS Auf die von den deutschen Reichs-, Staats- und Gemeinde­ behörden, von deut Reichstage oder von der Landesvertretung eines deutschen Bundesstaats ausgehenden Druckschriften finden, soweit sich ihr Inhalt auf amtliche Mitteilungell beschränkt, die Vorschriften der §§ 6—11 keine Anwendung.

§ 13. Die auf mechanischem oder chemischem Wege vervielfältigtenperiodischenMitteilungen (lithographierte, autographierte, metallographierte, durch sch riebene Korrespondenzen) unterliegen, sofern sie aus­ schließlich an Redaktionen verbreitet werden, den in diesem Gesetze für periodische Druckschriften getroffenen Bestimmungen nicht.")

514. Ist gegen eine Nummer (Stück, Heft) einer im Auslande erscheinenden periodischen Druckschrift binnen Jahresfrist zweimal eine Verurteilung auf Grund der §§ 41 unbx42 des Strafgesetzbuchs erfolgt, so kann der Reichskanzler innerhalb zwei Monaten nach Ein­ tritt der Rechtskraft des letzten Erkenntnisses das Verbot der ferneren Verbreitung dieser Druckschrift bis auf zwei Jahre durch öffentliche Bekanntmachung aussprechen.") Die in den einzelnen Bundesstaaten auf Grund der Landes­ gesetzgebung bisher erlassenen Verbote ausländischer periodischer Druck­ schriften treten außer Wirksamkeit.

§ 15. (Ausgehoben durch § 19 d. Ges. v. 3. Juni 14, RGBl. S. 195). § 16. Öffentliche Aufforderungeil mittels der Presse") zur tos* bringung der wegen einer strafbaren Handlung erkannten Geldftrofen11) und Kosten, sowie öffentliche Bescheinigungen mittels der 27) Überschreitet die Berichtigung den Umfang des Artikels, so berechtigt

dieser Umstand den Redakteur nicht, die Aufnahme zu verweigern. Vgl. GA. 25 S. 352. Eine Vorausbezahlung der Jnsertionsgebühren kann der Redakteur nicht verlangen. GA. 42 S. 306. 28) Der § 13 bezieht sich nicht bloß auf lithographierte re. Korrespon­ denzen, sondern auch auf gedruckte der hier bezeichneten Art. Erk. des KG. v. 19. Febr. 85, Jo how 5 S. 292. 29) Das Verbot erstreckt sich nicht bloß auf die nach dem Verbot erschienenen Nummern, sondern überhaupt auf Verbreitung der Druckschrift. Stenglein Anm. 2 zu 8 14. Erk. v. 17. Novbr. 03, E. 36 S. 413. Mit dem Verbot ist auch der Postdebit entzogen. Stenglein-Galli Anm. 6. Eine unter einem neuen Titel und neuer äußerer Einrichtung erscheinende periodische Druck­ schrift kann als Fortsetzung einer verbotenen Druckschrift erachtet werden. Erk. v. 14. Novbr. 79, R. 1 S. 66. 30) Und zwar nicht bloß durch periodische Druckschriften (Zeitungen), Stenglein-Galli Anm. 1. 31) Das sind wirkliche Strafen, die bloße Buße gehört nicht hierher. Erk.

321

IX. Preßgesetz 8 17.

Presse über den Empfang der zu solchen Zwecken gezahlten Beiträge sind verboten. Das zufolge solcher Aufforderungen Empfangene oder der Wert desselben ist der Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen zu erklären. 8 17 Die Anklageschriften oder andere amtliche Schriftstücke«) eines Strafprozesses«) dürfen durch die Presse nicht eher veröffentlicht werden,«) als bis dieselben in öffentlicher Verhandlung«) kundgegeben worden sind oder das Verfahren sein Ende erreicht hat.«) v. 1. Oktbr. 94, E. 26 S. 91. Es muß aber bereits auf eine Strafe rechtskräftig erkannt sein. Vgl. A p p e l i u s a. a. O. S. 86. 32) Dahin gehören auch die in einem Strafprozeß ergangenen schrift­ lichen Gutachten. Erk. v. 5. Juli 83, E. 9 S. 193; Beschlüsse über einen Ent­ haftungsantrag, Erk. v. 28. März 96, GA. 44 S. 55. Dagegen gehören nicht hierher verkündete Strafurteile. KG. v. 3. Dezbr. 12, DIZ. 18 S. 170; oder Mitteilungen über erfolgte prozessualische Vorgänge und strafbare Handlungen, Erk. v. 10. Dezbr. 91, E. 22 S. 273; und einer demnächst der Staatsanwalt­ schaft einzureichenden Strafanzeige. Erk. v. 30. April 94, E. 25 S. 330. Auch die auszugsweise oder teilweise Veröffentlichung eine- amtlichen Schriftstückes ist strafbar, unter Umständen selbst dann, wenn sie in Form einer Kritik er­ scheint. Erk. v. 27. Septbr. 86, R. 8 S. 570, u. v. 24. Septbr. 94, E. 26 S. 79. Erk. v. 20. Juli 20, LZ. 14 S. 928. Der § 21 des Preßges. findet auch bei einer nach § 17 strafbaren Handlung und also auch dann Anwendung, wenn der Inhalt der Druckschrift an sich nicht strafbar ist, sondern nur dadurch Strafe verwirkt wird, daß er unbefugt vorzeitig veröffentlicht wird. Erk. v. 13. Mai 97, GA. 45 S. 262. Anklageschriften dürfen nur nach Beendigung des Ver­ fahrens veröffentlicht werden. Macht der Täter solche Mitteilungen gleichzeittg in verschiedenen Zeitungen, so bildet jede Veröffentlichung für sich ein besonderes Delikt und tritt also mehrfache Bestrafung ein. Erk. v. 27. Septbr. 86, R. 8 S. 570. Durch die Bestimmung, daß die Anklageschrift nicht mehr verlesen wird, ist an der Vorschrift des § 17 nichts geändert. Erk. v. 27. Septbr. 86, E. 14 S. 340. Vgl. auch Erk. v. 4. Juni 96, E. 28 S. 411. Die Strafbarkeit der V eröffenüichung wird dadurch nicht beseitigt, daß die Schriftstücke wahrheitsge­ treue Berichte über die Gerichtsverhandlung enthalten. OR. 17 S. 598. So­ bald aber die Verlesung einzelner Teile in öffentlicher Sitzung stattgefunden hat, ist deren VeröffenÜichung erlaubt. Erk. v. 3. Jan. 87, E. 15 S. 253, Stenglein-Galli Anm. 6. Das Schriftstück muß in der Kundgebung als amttiches erkennbar gemacht sein. Erk. v. 4. Novbr. 07, GA. 55 S. 110. 33) Der Ausdruck „Strafprozeß" umfaßt nicht auch das ehrengerichtliche und das Disziplinarverfahren, Erk. v. 3. Novbr. 80, E. 3 S. 42; wohl aber das staatsanwaltliche oder polizeiliche Bor- oder Ermittelungsverfahren, Erk. v. 10. Dezbr. 91, E. 22 S. 272, auch die polizeiliche Strafverfügung. Erk. v. 28. Jan. 96, E. 28 S. 141; und das sog. objektive Verfahren gemäß § 42. Erk. v. 13. Dezbr. 10, E. 44 S. 279. 34) Die Strafbestimmung richtet sich nicht nur gegen den Redakteur, sondern gegen jedermann. Erk. v. 30. Novbr. 07, E. 40 S. 360. Es ist ohne Bedeutung, ob die VeröffenÜichung in einer periodischen oder nicht periodischen Druckschrift erfolgt und ob sie von einer Person ausgeht, die sich an der Fertigstellung der Druckschrift beteiligt hat. Erk. v. 3. Juli 13, E. 47 S. 243. Dalcke, Strafrecht.

16. Ausl.

(1922).

21

IX. Preßgesetz § 18.

§ 18. Mit Geldstrafe bis zu eintausend *7) Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten werden bestraft: 1. Zuwiderhandlungen gegen die in den 88 14, 16 und 17 ent­ haltenen Verbote;") 2. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der 88 (>, 7 und 8,") welche durch falsche Angaben mit Kenntnis der Unrichtig­ keit begangen werden.") 35) Ist überhaupt nicht öffentlich verhandelt worden und hat also eine öffentliche Kundgebung der amtlichen Schriftstücke überhaupt nicht stattgefunden, so ist eine Publikation der letzteren jedenfalls bis dahin ausgeschlossen, wo das Verfahren sein Ende erreichthat. Erk. v. 3. Jan. 87, E. 15 S. 253. 36) Das Verfahren hat aber erst sein Ende erreicht mit der rechtskräftigen Beendigung. Erk. v. 3. Juni 02, E. 35 S. 275. Das Verfahren ist noch nicht beendet, wenn das Verfahren wegen Unbrauchbarmachung der Exemplare noch schwebt. Erk. v. 21. Sept. 08, Recht 12 Nr. 3373, DIZ. 14 S. 1404. Die Vor­ schrift des § 17 setzt ein subjektives Verschulden des Täters voraus, aber zur Ver­ übung des Delikts genügt dolus eventualis. Doch findet auch hier die Präsumtion der Täterschaft seitens des Redakteurs einer periodischen Druckschrift, wenn dieselbe nicht durch besondere Umstände ausgeschloffen ist, Anwendung. Erk. v. 27. Septbr. 86, R. 8 S. 560. Auf ein bloß fahrlässiges Verschulden findet dagegen der 817 keine Anwendung, Erk. v. 10. Dezbr. 83, E. 9 S. 269, wohl aber dann, wenn es sich um die im 8 21 Abs. 1 bezeichneten Personen handelt. Diese Personen sind nach 8 21 strafbar, wenn die Veröffentlichung unter dem Einfluß eines tatsächlichen Irrtums aus Fahrlässigkeit erfolgt, Erk. v. 16. April 03, E. 36 S. 191. 37) Siehe 8 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 38) Der Tatbestand dieser Delikte setzt ein vorsätzliches Handeln voraus, eine bloß fahrlässige Verschuldung genügt nicht. In betreff der Zuwiderhandlung gegen 8 14 ist dies besonders ausgesprochen in dem Erk. v. 12. Mai 92, E. 23 S. 117. Dagegen Appelius S. 106. 39) Hier wird im Gegensatze zu 8 19 Nr. 1 nur die wissentlich falsche Benennung unter Strafe gestellt. Bezüglich des 8 6. Urheber der Zuwiderhandlung ist derjenige, welcher durch sein schuldhaftes Verhalten den Tatbestand, welchen das Gesetz reprobiert, verwirklicht hat, es kann dies auch eine zum Druckerpersonal gehörige Person sein, Erk. v. 17. Juni 87, E. 16 S. 144. Erk. v. 29. April 04, Recht 8 S. 318 u. GA. 51 S. 354. Die strafrechtliche Verantwortung des Druckergehilfen wird nicht dadurch beseitigt, daß er kraft Vertrages den Weisungen seines Auftrag­ gebers zu folgen hat. Erk.v.29.Apr.04,Recht8S.318. Stenglein-Galli Anm. 2Ba. Der Redakteur aber haftet als solcher für die Zuwiderhandlungen gegen den 8 6 nicht, Erk. v. 21. Mai 95, E. 27 S. 246. Wird bei dem Vorhandensein mehrerer Drucker nur einer auf der Druckschrift genannt, so liegt darin ein Verstoß gegen den 8 6. Erk. v. 20. Febr. 91, E. 21 S. 360. Bezüglich des 8 7. Ist der wirkliche Redakteur ein anderer als der auf der Druckschrift Genannte, so liegt eine falsche Angabe vor, die den wirklichen Redakteur nicht von seiner Verantwortung befreit und die den Staat nicht zwingt, sich an den Schein- oder Sitzredakteur zu halten. Erk. v. 21. Mai 95, E. 27 S. 246. Dagegen legen Erk. v. 17. März 92 und 15. März 94, E. 23 S. 9 u. 25 S. 180, das entscheidende Gewicht auf die Nennung des Redakteurs.

IX. Preßgesetz 88 19, 20.

323

Dieselbe Strafe trifft den Verleger einer periodischen Druckschrift auch dann, wenn er wissentlich geschehen läßt, daß auf derselben eine Person fälschlich als Redakteur benannt wird. § 19. Mit Geldstrafe bis zu einhundert und fünfzig^ Mark oder mit Haft werden bestraft: 1. Zuwiderhandlungen gegen die §§ 6, 7 und 8, welche nicht durch § 18 Ziffer 2 getroffen sind; 2. Zuwiderhandlungen gegen den § 9; 3. Zuwiderhandlungen gegen die §§ 10 und 11. In den Fällen der Ziffer 3 tritt die Verfolgung nur auf An­ trag ein, und hat das Strafurteil zugleich die Aufnahme des ein­ gesandten Artikels in die nächstfolgende Nummer anzuordnen. Ist die unberechtigte Verweigerung im guten Glauben geschehen, so ist unter Freisprechung von Strafe und Kosten lediglich die nachträgliche Aufnahme anzuordnen. III. Verantwortlichkeit für die durch die Preffe begangenen strafbaren Handlungen.

§ LV Die Verantwortlichkeit für Handlungen, deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druckschrift begründet tont),41) bestimmt sich nach den bestehenden allgemeinen Strafgesetzen. Ist die Druckschrift eine periodische,4») so ist der verantwortliche Bezüglich des § 8. Die Allegation des § 8 beruht auf einem Versehen, da derselbe gar keine Angaben erfordert. Appelius S. 110. 40) Diese Zuwiderhandlung kann nur durch positive unrichtige Angaben, nicht durch bloße Unterlassung der vorgeschriebenen Angaben verübt werden. Erk. v. 20. Juni 82, E. 6 S. 367, u. MeV es in GA. 39 S. 26. 41) Es müssen in der Druckschrift diejenigen TatbestündSmerkmale ent­ halten sein, in deren Kundgebung die Begehungshandlung besteht. StengleinGalli, Vorbemerk, zu § 20. Solche Delikte scheiden daher aus, deren Tatbestand erst durch das Eintreten eines weiteren, von der Wirkung des gedruckten Wortes abhängigen Erfolges vollendet werden kann wie z. B. bei der Körperverletzung. OLG. Hamm v. 16. Febr. 09, DIZ. 14 S. 374, bei der Erpressung: Erk. v. 3. Apr. 00, E. 33 S. 230. Ferner scheiden aus Handlungen, deren Strafbarkeit nicht in der Beschaffenheit des Inhalts der Druckschrift, sondern in anderweitigen Momenten ihren Grund hat, z. B. Nachbildungen von Warenzeichen. Erk. v. 1. Dez. 08, E. 42 S. 87. 42) Abs. 2 enthält nur eine Beweisvermutung und eine Abweichung von den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen der freien Beweiswürdigung. Es soll gegen den Redakteur die Vermutung gelten, daß er die Druckschrift mit Kenntnis und Verständnis des Inhalts vorsätzlich veröffentlicht hat, bis das Gegenteil erwiesen ist; im übrigen aber sollen die gesetzlichen Strafausschließungsgründe, mitsamt der Norm des § 193 StGB, dem Redakteur in demselben Umfange zur Seite stehen, wie jedem anderen Täter. Abs. 2 bezweckt deshalb keineswegs, den im Abs. 1 vorangestellten Grundsatz der Herrschaft der allgemeinen Straf­ gesetze dem Redakteur gegenüber zu durchbrechen, insbesondere spricht derselbe

324

IX. Preßgesetz § 20.

Redakteur als Täter zu bestrafen, wenn nicht durch besondere Um* stände«) die Annahme seiner Täterschaft") ausgeschlossen wird.") nicht eine Fiktion der Täterschaft aus; vielmehr sagt derselbe nur, daß der Re­ dakteur einer periodischen Druckschrift die Vermutung gegen sich hat, daß die Beröffenüichung der ganzen von ihm gezeichneten Druckschrift mit seinem Wiffen und Willen, sowie mit seiner Kenntnis und seinem Verständnis des Inhalts geschehentst. PlenEntsch. v. 6. Juni 91, E. 22 S. 65. Den übrigen Tätern (Verfasser rc.) muß hiernach das Vorhandensein des dolus bewiesen werden, dagegen muß der Redakteur beweisen, daß die Ver­ öffentlichung ohne sein vorsätzliches Mitwirken geschehen ist, indem die in dieser Richtung zu seiner Entlastung aufgestellten Behauptungen vom Richter nicht un­ beachtet gelassen werden dürfen. Erk. v. 17. Novbr. 91, E. 22 S. 221, u. Erk. v. 5. Juni 94, E. 25 S. 404. Die Beweispräsumtion aus § 20 Abs. 2 greift aber nicht lediglich gegen den genannten Redakteur Platz, sondern sie richtet sich gegen den wirklichen ver­ antwortlichen Redakteur. Erk. v. 28. April 03, E. 36 S. 215. Lucas Anl. I S. 118. Siehe auch Erk. v. 16. Septbr. 12, GA. 60 S.- 266. Die Nichtschuld des Verfassers begründet nicht notwendig die Nichtschuld des Redakteurs, so kann dem ersteren der § 193 des StGB, zur Seite stehen, dem letzteren dagegen nicht. Erk. v. 13. Oktbr. 93, E. 24 S. 304, u. v. 29. Juni 94, E. 26 S. 18. 43) Die besonderen Umstände begreifen alle Tatmomente, welche die An­ nahme vorsätzlich, mit Kenntnis und Verständnis des Inhalts verursachter Ver­ öffentlichung nach den gewöhnlichen Grundsätzen des Strafprozesses im Einzel­ falle zu widerlegen geeignet sind. Keineswegs sind darunter nur qualitativ be­ sonders geartete (eigenartige, außergewöhnliche, außerordentliche, ungewöhnliche, unverschuldete) zu verstehen. PlenBeschl. v. 6. Juni 91, E. 22 S. 65, u. Erk. v. 17. Novbr. 91, E. 22 S. 221. Der Redakteur, welcher einem anderen will­ kürlich die Redaktion überlassen hat, ist deshalb für die Handlungen des letzteren nicht verantwortlich. Aber der Redakteur muß nachweisen, daß er den strafbaren Inhalt des Artikels überhaupt nicht gekannt hat und daß er auch nicht mit Even­ tualdolus gehandelt hat. Jedoch kennt das Gesetz einen generellen Eventualdolus, vermöge dessen der Redakteur für alle während seiner Abwesenheit durch die Druckschrift begangenen Straftaten haftet, nicht. Erk. v. 17. Juni 05, JurW. 05 S. 764. Vgl. auch Erk. v. 29. Juni 06, E. 39 S. 88. Der Täter muß sich eine. Gesetzesverletzung in konkreter Richtung, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch mehr oder weniger bestimmt als möglichen Erfolg seines Tuns vorgestellt und in diesem Bewußtsein gebilligt haben. Erk. v. 6. Nov. 05, JurW. 06 S. 257. 44) Die Nennung des Verfassers durch den Redakteur schließt die Schuld des letzteren nicht aus. Erk. v. 26. April 80, R. 1 H. 673. 45) Ein Inserat, in welchem zur Beteiligung atr einer öffentlichen ohne obrigkeitliche Erlaubnis veranstalteten Lotterie aufgefordert wird, macht den Redakteur nicht ohne weiteres verantwortlich, es kommt darauf an, ob er von dem Fehlen der Erlaubnis Kenntnis gehabt hat. Erk. v. 23. Novbr. 94, E. 26 S. 225. Strafbar ist die Aufforderung zur Beteiligung an einer auswärtigen Lotterie. Erk. v. 7. Dezbr. 81, E. 5 S. 301. Hat der Redakteur den Abdruck eines Inserats mit strafbarem Inhalt einmal angeordnet, so ist eine spätere bloße Kundgebung seiner Willensänderung ohne Bedeutung. Erk. v. 4. Juli 95, E. 27 S. 338. Haben Arttkel strafbaren Inhalts wider den Willen des Redatteurs Aufnahme in die Zeitung gefunden, so hat er die Ausgabe zu verhindern, solange dies noch möglich ist. Erk. v. 1. Juli 02, E. 35 S. 315.

IX. Preßgesetz § 21.

§ 21.

325

Begründet der Inhalt einer Druckschrift den Tatbestand

einer strafbaren Handlung, so ftnb46)47

der verantwortliche Redakteur, der Verleger, der Drucker, derjenige, welcher die Druckschrift gewerbsmäßig vertrieben oder

sonst öffentlich verbreitet hat (Verbreiter), soweit sie nicht nach § 20 als Täter oder Teilnehmer zu bestrafen

sind, wegen Fahrlässigkeit mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder

mit Haft oder mit Festungshaft oder Gefängnis bis zu einem Jahre zu belegen, wenn sie nicht die Anwendung der pflichtgemäßen Sorg­

falt oder Umstände nachweisen, welche diese Anwendung unmöglich ge­ macht haben. Die Bestrafung bleibt jedoch für jede der benannten Personen ausgeschlossen, wenn sie als den Verfasser oder den Einsender, mit dessen Einwilligung die Veröffentlichung geschehen ist, oder, wenn es sich um eine nicht periodische Druckschrift handelt, als den Herausgeber

derselben, oder als einen der in obiger Reihenfolge vor ihr Benannten

eine Person bis zur Verkündigung des ersten Urteils nachwetst,")

46) Hier handelt es sich nicht um fahrlässige Begehung des durch den In­ halt der Druckschrift begründeten Delikts resp, um Teilnahme an einem solchen, vielmehr wird hier ein dem Preßrecht eigentümliches Fahrlässigkeitsdelikt ge­ schaffen. Erk. v. 29. Novbr. 88, E. 18 S. 293, u. Erk. v. 20. März 06, E. 38 S. 379. Der § 21 betrifft alle Druckschriften, nicht bloß die perodischen. Erk. v. 8. Novbr. 87, R. 9 S. 572. Die Bestrafung aus § 20 schließt »die Bestrafung aus § 21 aus. Ist dem Täter der Borsatz bei dem durch den Inhalt der Druckschrift begründeten Delikt nachgewiesen, dann ist die Annahme ausgeschlossen, daß er die Verbreitung aus F a h r l ä s s i g k e i t herbeigeführt habe. Daher ist auch eine Bestrafung aus § 21 nicht um deswillen statthaft, weil eine Bestrafung nach den allgemeinen Strafgesetzen mangels eines Strafantrages nicht möglich ist. Erk. v. 7. Jan. 08, E. 41 S. 49. Derjenige, welcher einen Verlag kauft, soll nach Erk. v. 9. Juli 89, E. 91 S. 357 aus 8 21 verantwortlich sein, wenn er sich über den Inhalt der verlegten Werke nicht unterrichtet. Vgl. auch Erk. v. 23. Dezbr. 81, R. 3 S. 826. Der Verleger kann sich von der Verantwortlichkeit aus § 21 unter Um­ ständen durch die Bestellung eines zuverlässigen Redakteurs befteien, namentlich wenn das Unternehmen ein sehr umfangreiches ist. Erk. v. 2. Novbr. 92, E. 23 S. 275. 47) Den Vormann nach weisen bedeutet erheblich mehr, als ihn bloß namhaft machen oder bezeichnen, vielmehr muß die Verantwortlichkeit des Bormanns durch liquide Beweismittel klar gestellt oder doch bescheinigt sein. Erk. v. 20. Novbr. 93, E. 24 S. 391. Die Anwendung des Abs. 2 wird aber durch die rechtskräftige Freisprechung des Bormanns nicht ausgeschloffen. Erk. v. 29. Jan. 07, E. 39 S. 408. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Nachweises;

326 welche in dem Bereich der richterlichen Gewalt eines deutschen Bundes­ staats sich befindet, oder falls sie verstorben ist, sich zur Zeit der Ver­ öffentlichung befunden hat; hinsichtlich des Verbreiters ausländischer Druckschriften außerdem,") wenn ihm dieselben im Wege des Buch­ handels zugekommen finb.49 * *)50 * * * * * * * * * * * * * * * 48 IV. Verjährung.°)

§ 22 Die Strafverfolgung derjenigen Verbrechen und Ver­ gehen/'^) welche durch die Verbreitung von Druckschriften strafbaren die Benennung des Vormanns ist also unwirksam, wenn dieser in der Zeit zwischen der Veröffentlichung der Druckschrift und dem Nachweise sich der Straf­ verfolgung entzogen hat. Erk. v. 13. Oktbr. 93, E. 24 S. 321. Dem Nachweise steht der Fall gleich, wenn der Bormann der Strafverfolgungsbehörde auf andere Weise bekannt geworden ist und ist auch nicht notwendig, daß dies in einem gegen den Nachmann schwebenden Verfahren geschehen ist. Erk. v. 21. März 92, E. 22 S. 431, u. v. 13. Oktbr. 93, E. 24 S. 321. Die Vorschrift des § 59 des StGB, gehört zu den Strafausschließungs­ gründen des § 20, sie steht jedoch einer Anwendung des 8 21 nicht entgegen, selbst wenn es sich um den Tatbestand einer Beleidigung handelt. Erk. v. 1. Febr. 89, GA. 37 S. 56. Die im 8 21 Abs. 2 unter den dort angegebenen Voraus­ setzungen eintretende Straflosigkeit bezieht sich nur auf die Fahrlässigkeitsstrafen, nicht aber auf die Fälle der wissentlichen Beihilfe zu dem durch die Presse ver­ übten Delikt. GA. 23 S. 452. Im Falle einer Beleidigung darf die Strafe des 8 200 des StGB. (Ver­ öffentlichung) nicht verhängt werden, wenn nur wegen des im 8 21 vorgesehenen Fahrlässigkeitsdeliktes erkannt ist. Erk. v. 2. Febr. 86, R. 8 S. 107 u. E. 13 S. 319. 48) Unter dem Verbreiter, dem die ausländischen Schriften int Wege des Buchhandels zugekommen sind, ist nicht auch der zu verstehen, der, ohne selbst Buchhändler zu sein, die ausländische Schrift vom Buchhändler bezieht oder dem sie vom Buchhändler in Ausübung seines Gewerbes zur Verbreitung über­ geben wird. Erk. v. 28. April 92, E. 23 S. 110. 49) Bezüglich des örtlichen Gerichtsstandes siehe § 7 Abs. 2 StPO. 50) Die Verjährung beginnt mit dem Tage der Verbreitung (Veröffent­ lichung). Die einzelnen sukzessiven Akte, welche durch Verlag und Vertrieb einer Druckschrift bedingt sind, können als eine einzige Handlung aufgefaßt werden. In diesem Falle beginnt die Verjährung mit dem letzten Verbreitungsakte. Erk. v. 30. Septbr. 87, R. 9 S. 483. Siehe auch Erk. v. 28. Febr. 99, E. 32 S. 69. Auf den strafbaren Nachdruck findet die Verjährungsfrist aus diesem 8 keine Anwendung. Erk. v. 30. Jan. 90, E. 20 S. 181. Im 8 22 ist die Frage der Verjährung generell dahin geregelt, daß alle Verbrechen und Vergehen, welche durch die Presse verübt werden, der sechsmonatigen Verjährung unterliegen, und zwar nicht bloß die Verstöße gegen preßpolizeiliche Vorschriften, sondern auch diejenigen, deren Strafbarkeit durch den Inhalt der Druckschrift begründet wird, so daß also die sechsmonatige Verjährung im Falle der Verübung durch die Preffe auch da eintritt, wo sonst die fünfjährige Verjährung Platz greifen würde. Nach eingetretener Verjährung kann auch die strafrechtliche Verfolgung nicht wegen Vergehen gegen 8 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB, eintreten. Erk. v. 3. Juni 05, E. 38 S. 70. Siehe die Bemerkung hierzu von Galli in DIZ. 11 S. 171. Die kurze Verjährung greift aber nicht Platz, wenn die in Betracht kommende

XL Preßgesetz § 23.

327

Inhalts begangen werden, sowie derjenigen sonstigen Vergehen, welche in diesem Gesetze mit Strafe bedroht sind, verjährt in sechs Monaten. V. Beschlagnahme.")

§ 23.

Eine Beschlagnahme von DruckschriftenM) ohne richterliche

Anordnung findet nur statt: 1. wenn eine Druckschrift den Borfchriften der §§ 6 und 7 nicht entspricht, oder den Vorschriften des § 14 zuwider verbreitet wird, 2. wenn durch eine Druckschrift einem auf Grund des § 15 dieses Gesetzes erlassenen Verbot zuwider gehandelt wird, 3 Bia) wenn der Inhalt einer Druckschrift den Tatbestand einer der in den §§ 85, 95, Hi, 130 oder 184 des deutschen Straf­ gesetzbuchs mit Strafe bedrohten Handlungen begründet, in den Straftat schon vorderVerbreitungder Druckschrift vollendet- ist (Gebrauch eines Warenzeichens in einer Annonce). Erk. v. 17. Sept. 07, E. 40 S. 270. Aus die Verbreitung solcher Gegenstände, die durch die Verbindung einer Druck­ schrift mit einer anderen Sache, die keine Druckschrift ist, findet § 22 nur dann Anwendung, wenn es sich um ein Preßerzeugnis (nicht z. B. um Etikette auf Zigarrenkisten) handelte. Erk. v. 1. Dez. 08, E. 42 S. 87. Bei den Zuwider­ handlungen gegen die §§ 6, 7 u. 8 des Ges. beginnt die Verjährung mit dem ersten Verbreitungsakte, mit dem auch die Tat abgeschloffen ist. Erk. v. 17. Oktbr. 93, E. 24 S. 350. Die Verfolgung im Auslande erschienener Druckschriften strafbaren In­ halts unterliegt denselben Grundsätzen wie bei anderen Delikten. Die Mit­ teilung eines Manuskripts an den Drucker stellt nicht einen selbständigen straf­ baren Tatbestand dar. Vgl. Erk. v. 29. Septbr. 93, E. 24 S. 270. 51) Gibt ein Zeitungsarttkel, welcher sich als Abdruck eines Arttkels aus einer anderen inländischen Zeitung bezeichnet, zu einem straftechtlichen Ein­ schreiten Anlaß, so hat der StA. zugleich über die Verfolgung der als Quelle angegebenen Zeitung zu befinden, bzw. dem zuständigen StA. Mitteilung zu machen. Glaubt dieser letztere von einer Verfolgung absehen zu müssen, so ist die Entscheidung des vorgesetzten Ober-StA. (jetzt GStA.) von ihm einzuholen. AV. v. 2. Septbr. 91 (JMBl. S. 218). 52) Aber nur Verbr. u. Vergehen; die Übertretungen, auch die im § 19 erwähnten, verjähren nach § 67 Abs. 3 StGB, in drei Monaten. Mot. S. 20. 53) a. Es wird hier nur die polizeiliche Beschlagnahme geregelt, bezüglich der richterlichen bewendet es bei den allgemeinen Vorschriften der StPO., aber auch für letztere sind die §§• 27 u. 28 dieses Ges. maßgebend. Appelius S. 219. b. Eine Beschlagnahme kann immer erst vorgenommen werden, wenn bereits die Veröffentlichung stattgefunden hat. Appelius S. 225. A. M. Galli, Recht 10 S. 20. Vgl. aber dagegen Bomhard ebenda S. 586. 54) Die Beschlagnahme ist auch vor Stellung des Strafantrages zulässig. Siehe Anm. 16 zu 8 94 StPO. 54 a) Nach dem Entwurf einer dem Reichsrat vorgelegten Novelle zum Strafgesetzbuch soll hier § 95 gestrichen und in dem ersten Zitat zwischen den Ziffern 111 und 130 eingefügt werden „§ lila".

IX.PreßgesetzF8 24—27.

328

Fällen der §§ 111 und 130 jedoch nur dann, wenn dringende

Gefahr besteht, daß bei Verzögerung der Beschlagnahme die Aufforderung oder Anreizung ein Verbrechen oder Vergehen unmittelbar zur Folge haben werde. 8 24. Über die Bestätigung oder Aufhebung der vorläufigen

Beschlagnahme hat das zuständige Gericht zu.entscheiden.66) Diese Entscheidung muß von der Staatsanwaltschaft binnen vier­

undzwanzig Stunden nach Anordnung der Beschlagnahme beantragt

und von dem Gericht binnen vierundzwauzig Stunden «ach Empfang

des Antrag- erlassen werden.

Hat die Polizeibehörde die Beschlagnahme ohne Anordnung der

Slaat-anwaltschast verfügt, so muß sie die Absendung der Verhand­ lungen an die letztere ohne Verzug und spätestens binnen zwölf Stun­ den bewirken.

Die Staatsanwaltschaft hat entweder die Wiederauf­

hebung der Beschlagnahme mittels einer sofort vollstreckbaren Ver­ fügung anzuordnen, oder die gerichtliche Bestätigung binnen zwölf Stunden nach Empfang der Verhandlungen zu beantragen.

Wenn nicht bis zum Abläufe des fünften Tages nach Anordnung der Beschlagnahme der bestätigende Gerichtsbeschluß der Behörde, welche die Beschlagnahme angeordnet hat, zugegangen ist, erlischt die letztere und muß die Freigabe der einzelnen Stücke erfolgen.

8 25.

Gegen den Beschluß des Gerichts, welcher die vorläufige

Beschlagnahme aufhebt, findet ein Rechtsmittel nicht statt.66)

8 26.

Die vom Gericht bestätigte, vorläufige Beschlagnahme ist

wieder aufzuhebeu,6') wenn nicht binnen zwei Wochen.nach der Be­ stätigung die Strafverfolgung in der Hauptsache eingeleitet worden ist.66)

8 27.

Die Beschlagnahme von Druckschriften trifft die Exemplare

nur da, wo dergleichen zum Zwecke der Verbreitung sich befinden.66) Sie kann sich auf die zur Vervielfältigung dienenden Platten und

Formen erstrecken; bei Druckschriften im engeren Sinne hat auf An55) Zuständig ist der Amtsrichter des Bezirks, in welchem die Beschlagnahme stattgefunden hat, und wenn die öffentliche Klage bereits erhoben ist, die be­ schließende Strafkammer, nicht aber der Untersuchungsrichter. Stenglein Galli Anm.1. Appelius S. 230. Zitzlaff, GA. 54 S. 49. 56) Der die Beschlagnahme bestättgende Beschluß kann aber mit der ein­ fachen Beschwerde angefochten werden. 57) Der § findet nur auf die vorläufige, nicht aus die gerichtliche Beschlag­ nahme Anwendung. GA. 23 S. 210. 58) d. h. wenn nicht die Eröffnung der Voruntersuchung oder des Haupt­ verfahrens beschlossen ist. AppeliusS. 233. Stenglein-Galli Anm. 2. 59) Die in den Privatbesitz übergegangenen Exemplare dürfen nicht be­ schlagnahmt werden, auch nicht die, welche in den Lesezimmern geschaffener Ge­ sellschaften ausliegen, wohl aber die, welche sich in öffentlichen Lokalen befinden, zu denen jedermann Zutritt hat. Siehe auch AppeliusS. 235.

IX. Preßgesetz §§ 28—30.

329

trag des Beteiligten statt Beschlagnahme des Satzes das Ablegen des letzteren zu geschehen. Bei der Beschlagnahme sind die dieselbe veranlassenden Stellen der Schrift unter Ansührung der verletzten Gesetze zu bezeichnen?") Trennbare Teile der Druckschrift (Beilagen einer Zeitung rc.), welche nichts Strafbares enthalten, sind von der Beschlagnahme auszuschließen.

§ 28. Während der Dauer der Beschlagnahme60 61)62ist 63 die 64 65 Ver­ breitung dex von derselben betroffenen Druckschrift oder der Wieder­ abdruck der die Beschlagnahme veranlassenden Stellen unstatthaft?*) Wer mit Kenntnis o») der verfügten Beschlagnahme dieser Be­ stimmung entgegenhandelt, wird mit Geldstrafe bis fünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. § 29. Zur Entscheidung über die durch die Presse begangenen Übertretungen sind die Gerichte auch in denjenigen Bundesstaaten ausschließlich zuständig, wo zur Zeit noch deren Aburteilung den Ver­ waltungsbehörden zusteht?*) VI.

SchlußLestimmungen.

§ 30.

Die für Zeilen der Kriegsgefahr, des Krieges, des er­ klärten Kriegs- (Belagerungs-) Zustandes oder innerer Unruhen (Auf­ ruhrs) in bezug auf die Presse bestehenden besonderen gesetzlichen Be­ stimmungen bleiben auch diesem Gesetze gegenüber bis auf weiteres in Kraft?") 60) Ist dies nicht geschehen, so ist zwar die Verbreitung und Vervielfältigung des ganzen Inhalts der Druckschrift unstatthaft und strafbar, dagegen fällt der Abdruck einzelner Stellen nicht unter § 28, da ja nicht feststeht, welche Stellen inkriminiert worden sind. GA. 24 S. 633 u. OR. 17 S. 709. 61) Über den Begriff der „Beschlagnahme" im Sinne des § 28 siehe Erk.

v. 12. Novbr. 97, E. 30 S. 323. Eine nach § 24 Abs. 4 verspätete Bestäti­ gung der vorläufigen Beschlagnahme oder ein auf Unbrauchbarmachung lautendes Urteil rechtfertigt die Anwendung des § 28 nicht, dagegen ist es unerheblich, daß die Beschlagnahme später aufgehoben wird. Erk. v. 27. Sept. 04, E. 37 S. 254. 62) Ob dies Verbot sich auch auf die Druckschriften bezieht, welche wegen Überttetung der Ordnungsvorschriften beschlagnahmt sind, ist bestritten, die Frage wird aber, da das Gesetz keinen Unterschied macht, zu bejahen sein. — Die Ver­ breitung braucht keine gewerbsmäßige zu sein. A p p e l i u s S. 238. Die Wirksamkeit der Beschlagnahme beginnt; wohl mit dem Moment der bekannt gemachten Verfügung. A p p e l i u s S. 239. 63) Wie der Verbreiter von der Beschlagnahme Kenntnis erlangt hat, ist ganz gleichgültig. GA. 8 S. 816. Der Wiederabdruck einer beschlagnahmten Schrift in Form eines Berichts über eine Gerichtsverhandlung, auch wenn die­ selbe dort verlesen ist, ist strafbar. GA. 26 S. 229. 64) Polizeiliche Sttafverfügungen sind daher in Preßsachen nicht zulässig. Stenglein-Galli Anm. zu § 29. Der Abs. 2 des § 29 hat seine Be­ deutung durch 8 142 GBG. verloren und ist daher fortgelassen. 65) Siehe Ges. v. 4. Juni 51 (GS. S. 451) über den Belagerungszustand.

330

IX. Preßgesetz § 30.

Das Recht der Landesgesetzgebung,^) Vorschriften über das öffent­ liche Anschlägen, Anhesten, Ausstellen, sowie die öffentliche, unentgelt­ liche Verteilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen zu erlassen, wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dasselbe gilt von den Vorschriften der Landesgesetze über Abgabe von Freiexemplaren an Bibliotheken und öffentliche ©ommlmtgen.66 67) 66) Unter der Landesgesetzgebung im Sinne dieses § ist auch der Erlaß von Polizeiverordnungen zu verstehen. GA. 44 S. 182. 67) Hiernach sind folgende Vorschriften des früheren vreuß. Preßgef. *•* 12. Mai 1851 (GS. S. 273) in Kraft geblieben: § 6. „An der bisherigen Verpflichtung des Verlegers, zwei Exemplare seiner Berlagsartikel, und zwar eines an die Königliche Bibliothek in Berlin, das andere an die Bibliothek der Universität derjenigen Provinz, in welcher er wohnt, unentgeltlich einzusenden, wird nichts geändert." (Vgl. hierzu die AKO. v. 28. Dezbr. 24, GS. von 25 S. 2, und das ZirkR. v. 25. Febr. 40, VMBl. S. 93.) § 9. „Anschlagzettel und Plakate, welche einen andern Inhalt haben, als Ankündigungen über gesetzlich nicht verbotene Versammlungen, über öffentliche Vergnügungen, über gestohlene, verlorene oder gefundene Sachen, über Verkäufe oder andere Nachrichten für den gewerblichen Verkehr, dürfen nicht angeschlagen, angeheftet oder in sonstiger Weise öffentlich ausgestellt werden. Auf die amtlichen Bekanntmachungen öffentlicher Behörden sind die vor­ stehenden Bestimmungen nicht anwendbar." § 10. „Niemand darf aus öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten Druckschriften oder andere Schriften oder Bildwerke ausrufen, verkaufen, verteilen, anheften oder anschlagen, ohne daß er dazu die Erlaubnis der Ortspolizeibehörde erlangt hat, und ohne daß er den Erlaubnis* schein, in welchem sein Name ausgedrückt sein muß. bei sich führt. Die Erlaub­ nis kann jederzeit zurückgenommen werden." § 41. „Wer den Vorschriften der §§ 9 u. 10 zuwiderhandelt, hat eine Strafe bis fünfzig Taler oder eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Wochen ver­ wirkt." Es ist zwar Zweifel an dem Fortbestehen dieser §§ erhoben worden, derselbe ist aber unberechtigt. Nach der Entstehungsgeschichte des § 30 (vgl. darüber MarquardsenS. 252 ff.) kann es nicht dem geringsten Bedenken unterliegen, daß die landesgesetzl. Bestimmungen, welche das Plakatwesen regulieren, haben auftecht erhalten werden sollen. Ebenso das KG., Johow 2 S. 242 u. 26 S. 6 73. Der § 9 ist auch nicht durch das Reichsvereinsgesetz berührt worden. Andere landesgesetzliche Vorschriften, insbesondere solche, welche die Verbreitung von Druckschriften mit Strafe bedrohen, die nicht den Ordnungsvorschriften des Preßges. (§§ 6 u. 7) entsprechen, sind neben dem Reichspreßges. nicht in Kraft ge­ blieben. Erk. v. 28. Novbr. 87, E. 16 S. 409. Die §§ sind durch Art. 118 d. RB. nicht aufgehoben. KG. v. 26. Novbr. 20, DIZ. 26 S. 278. Siehe hierzu Thiemann DStZ. 8 S. 214. Das KG. hat in dem Erk. v. 19. Septbr. 1889, GA. 37 S. 321, ausgesprochen, daß der § 9 nur bestimmt, welche Ankündigungen überhaupt als Plakate und Anschlagzettel angeschlagen und öffentlich ausgestellt werden dürfen utrd daß 8 10 ergänzend hinzufügt, daß Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke auf öffentlichen Straßen, Plätzen usw. stets nur mit Erlaubnis der Polizei angeschlagen oder angeheftet werden dürfen. Siehe auch GA. 39 S. 207

IX. Preßgesetz § 31.

331

Vorbehaltlich der auf den Landesgesetzen beruhenden allgemeinen

Gewerbesteuer findet eine besondere Besteuerung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse (Zeitungs- und Kalenderstempel, Abgaben

von Inseraten rc.) nicht statt. § 31.

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1874 in Kraft.

Seine Ein­

führung in Elsaß-Lothringen bleibt einem besonderen Gesetze Vorbehalten. u. I o h o w 25 S. C 65. Ein in einem Laden angebrachtes Plakat, daS nur von der Straße aus gesehen werden kann, ist nicht im Sinne des § 10 angeheftet, wohl aber im Sinne des § 9 öffentlich ausgestellt. KG. v. 25. Juni 14, Johow 46 S. 373. Unter Plakaten, deren Anbringung von polizeilicher Genehmigung abhängig sind, sind nur solche Schriften zu verstehen, die eine dem Publikum verständliche Mitteilung enthalten. Aussprüche ganz allgemeiner Art genügen nicht. Erk. v. 10. Apr. 11, DIZ. 16 S. 1095. Die Inschrift „Hier wird boykottfreies Bier verzapft" ist aber eine solche verständliche Mit­ teilung. KG. v. 8. Jan. 06, Recht 11 S. 78 Johow 31 S. 6 35. Des­ gleichen Widmungen auf Kränzen. KG. v. 9. Oktbr. 13, DIZ. 19 S. 310. Auch das Extrablatt einer Zeitung, wenn es behufs der Mitteilung an das Publikum öffentlich angeschlagen wird, kann als Plakat angesehen werden. Erk. des Kammer­ ger. v. 15. Dezbr. 84, Iohow 5 S. 286, aber wenn der polittsche Teil einer Zeitung im gewerblichen Interesse zu Reklamezwecken öffentlich (im Schaufenster der Expeditton) ausgestellt wird, so kann hierin ein Anschlägen oder Anheften eines „Plakates" oder „Anschlagzettels" nicht gefunden werden. GA. 39 S. 376. Tafeln mit dem Namen einer Partei, welche vor dem Eingang eines Wahllokals aufgestellt werden, sind keine Plakate. Johowl9S. 304. Das Umhertragen von Reklametafeln bedarf nicht der polizeilichen Genehmigung. Johow 20 S. C 85. Zu den int § 9 genannten Nachrichten über gewerblichen Verkehr fallen nicht Benachrichtigungen, welche das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und Gesellen regeln. KG. v. 4. Dezbr. 11, Recht 16 S. 30. — Unter Anheften und Anschlägen ist die Verbindung mit einer feststehenden, unbeweglichen Sache ge­ meint. KG. v. 19. Juni 11, DIZ. 17 S. 226. Johow 41 S. 411. Auf gewerbliche Unternehmer findet der § 10 keine Anwendung, wenn sie Plakate, die sich auf ihren Gewerbebetrieb beziehen, in oder vor ihrem Geschäftslokal an­ schlagen. KG. v. 17. Febr. 13, Johow 43 S. 419. Der § 10 ist, soweit er das gewerbsmäßige Verkaufen von Druckschriften rc. betrifft, durch den § 43 der GewOrdn. modifiziert worden. Die nicht gewerbs­ mäßige Verteilung von Druckschriften in geschlossenen Räumen bedarf nicht mehr einer polizeilichen Erlaubnis. Johow 41 S. 404. Der § ist also nur noch soweit in Kraft, als er die Nachsuchung der polizeilichen Erlaubnis für das An­ schlägen von Plakaten vorschreibt, siehe Erk. v. 7. Jan. 02, E. 35 S. 53, u. so­ weit er sich bezieht auf eine unentgeltliche Verteilung. Unter letzterer ist bisher eine solche verstanden, für die der Verteiler keinen Lohn erhält. KG. v. 18. April 04, Johow 27 S. C. 63 u. v. 1. Mai 11, DIZ. 16 S. 1096; neuer­ dings wird vom KG. darunter die unentgeltliche Abgabe von Druckschriften ver­ standen. Erk. v. 2./30. Oktbr. 11, Johow 41 S. 406. Siehe auch DIZ. 17 S. 96. Das Verbot des §10 betrifft auch den, welcher gedruckte Bekanntmachungen, in denen zur Teilnahme an Versammlungen aufgefordert wird, von Haus zu Haus gehend, in die in den offenen Hausgängen befindlichen Briefkasten wirft. GA. 41 S. 438. Vgl. dazu GA. 45 S. 376; oder den der Druckschriften verteilt, dik neben anderweitigem Inhalt Bekanntmachungen und Auftufe enthalten. KG. v. 10. Juli 13, Johow 44 S. 441.

X Äu-Mg aus der Preußischen Jagdordnung.') Bom 15. Juli 1907. (GS. S. 207.) (Die Ansf.-Anweisung v. 29. Juli 1907 s. LwMBl. 07 S. 279ff.)

Wir Wilhelm rc., verordnen, rc., für den ganzen Umfang der Monarchie, mit Ausschluß der Provinz Hannover, der Hohenzollernfchen Lande und der Insel Helgoland, was folgt: Erster Abschnitt.

Ilmsang -es Iagdrechts:

§ 1. Jagdbare1 2) Tiere 3)4 find 5 : a) Elch-, Rot-, Dam-, Reh- und Schwarzwilds) Hafen, .Biber, Ottern/") Dachse, Füchse/) wilde Katzen/) Edelmarder*); b) Auer-, Birk- und Haselwild, Schnee-/) Reb- und schottische Moorhühner, Wachteln, Fasanen, wilde Tauben/) Drosseln (Krammetsvögel), Schnepfen, Trappen, Brachvögel, Wachtel­ könige, Kraniche, Adler *) (Stein-, See-, Fisch-, Schlangen-, Schrei­ adler), wilde Schwäne, wilde Gänse/) wilde Enten, alle anderen Sumpf- und Wasservögel6) mit Ausnahme der grauen Reiher/") 1) Das Gesetz gilt nicht in Hannover, Helgoland und Hohenzollern. Für Hohenzollern ist maßgebend die Jagdordnung vom 10. März 02 (GS. S. 33). Die 88 139, 140 I 9 ALR. (Benachrichtigung vom Entkommen des Wildes) sind beseitigt. KG. v. 4. Juni 08, Johow 36 S. O 32. Siehe Görcke, Die preußische Jagdordnung, 5. Auflage S. 21. Polizeivorschriften, welche die Jagdausübung in örtlicher Beziehung beschränken, z. B. am Meeresstrande greifen in das Jagdrecht ein und sind daher ungültig. KG. v. 15. Novbr. 09, Johow 38 S. C 34. 2) Zu den nicht jagdbaren Tieren gehören Bär, Wolf, Luchs, Seehund, Igel, Iltis, Frettchen, Wiesel, Hermelin, Eichhörnchen, Kaninchen. Siehe 8 41 u. 77 Nr. 2. 3) Der Seehund ist nicht jagdbar. Der Seebundsjäger bedarf keines Fischereischeins (8 92 FG.)..— Delius, Fischereigesetz Anm. 3d zu 8 1 • 4) Die Tiere'sind jagdbar, aber keiner Schonzeit unterworfen. 4 a) Siehe 8 105 des Fischereigesetzes. 5) Hierher gehören Kiebitze, Möven u. Seeschwalben, aber nicht der Eisvogel. Nicht jagdbar ist das Steppenhuhn. Siehe aber 8 50. 5 a) Wegen der Reiher auch der jagdbaren, siehe 8 105 FG.

Jagdscheine §§ 2, 3, 29, 30.

333

der Störche6b) der Taucher,") der Säger,") der Kormorane") und der Bleßhühner,") Bronzeputer7*)8 6 oder wilde Trut­ hühner, Muffelwild (ovis musimon).7) § 2. Das Jagd recht steht jedem Eigentümer auf seinem Grund und Boden zu.7") Eine Trennung des Jagdrechts von Grund und Boden kann als dingliches Recht künftig nicht stattfinden. § 3. Das Jagdrecht darf nur ausgeübt werden auf Jagdbezirken (Eigenjagdbezirken und gemeinschaftlichen Jagdbezirken) und auf Grund­ flächen, die Eigenjagdbezirken angeschlossen oder gemeinschaftlichen Jagd­ bezirken zugelegt sind

Zweiter Abschnitt.

Dritter Abschnitt.

Jagdbezirke.7'')

Jagdscheine.

8 29. Wer die Jagd ausübt, muß einen aus seinen Namen lautenden Jagdschein bei sich führen. Zuständig für die Erteilung des Jagdscheins ist der Landrat, in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde, desjenigen Kreises, in welchem der dey Jagdschein Nachsuchende einen Wohnsitz hat oder zur Ausübung der Jagd berechtigt ist?) Personen, welche weder Angehörige eines deutschen Bundesstaats sind, noch in Preußen einen Wohnsitz haben, kann der Jagdschein gegen die Bürgschaft einer Person, welche in Preußen einen Wohnsitz hat, erteilt werden. Die Erteilung erfolgt durch die für den Bürgen gemäß Abs. 1 zuständige Behörde.- Der Bürge haftet für die Geld­ strafen, welche auf Grund dieses Gesetzes oder wegen Übertretung

sonstiger jagdpolizeilicher Vorschriften gegen den Jagdscheinempfänger verhängt werden, sowie für die Untersuchungskosten. § 30. Eines Jagdscheins bedarf es nicht: 1. zum Ausnehmen von Kiebitz- und Möveneiern: 5 b) Siehe Anm. 29 zu § 48. 6) Diese Vögel gehören zu den ungeschützten Vögeln, denen jeder nachstellen kann. Görcke, Fischereigesetz Anm. 4 zu § 105. Siehe auch Anm. 50 XIII. 7) VO. wegen Jagdbarkeit der Bronzeputer oder wilden Truthühner v. 9. August 1910 (GS. S. 257) und wegen Jagdbarkeit des Muffelwildes v. 22. Jan. 12 (GS. S. 11) erlassen auf Grund des § 50 JO. 7 a) Die Luft gehört soweit zum Jagdgebiet, als Federwild überhaupt steigt. KG. v. 25. Jan. 12, Recht 16 S. 564. 7 b) Die §§ 4 bis 28 und 51 bis 71 sind wegen ihrer geringen strafrechtl. Bedeutung fortgelassen. 8) Den Gerichten steht eine Kognition darüber, ob die zuständige Behörde den Jagdschein erteilt hat, nickt zu. GA. 17 S. 429 u. OR. 10 S. 224. Keines Jagdscheins bedarf, wer nur sein Jagdrecht ausübt, z. B. das vom anderen auf seinem Jagdgebiet erlegte Wild sich aneignet, GA. 49 S. 161.

334

X. Preußische Jagdordnung §§ 31, 32.

2. zu Treiber- und ähnlichen bei der Jagdausübung geleisteten

Hilfsdiensten; 3. zur Ausübung der Jagd im Auftrag oder auf Ermächtigung der Jagdpolizeibehörde in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. Der Auftrag oder die Ermächtigung vertritt die Stelle des Jagdscheins?) § 31. Der Jagdschein gilt für den ganzen Umfang der Monarchie.") Er wird in der Regel auf ein Jahr ausgestellt (Jahresjagdschein).") Personen, welche die Jagd nur vorübergehend ausüben wollen, kann jedoch ein auf drei aufeinander folgende Tage gültiger Jagdschein (Tagesjagdschein) ausgestellt werden. § 32. Für den Jahresjagdschein ist eine Abgabe von 15 Mark, für den Tagesjagdschein von 3 Mark zu entrichten. Personen, welche weder Angehörige eines deutschen Bundesstaats sind, noch in Preußen einen Wohnsitz oder einen Grundbesitz mit einem Grundsteuerreinertrage von 150 Mark haben, müssen eine erhöhte Abgabe für den Jahres­ jagdschein von 100 Mark, für den Tägesjagdschein von 20 Mark ent­ richten. Neben der Jagdscheinabgab^werden Ausfertigungs- oder Stempel­ gebühren nicht erhoben. Gegen Entrichtung von 1 Mark kann eine Doppelausfertigung des Jagdscheins gewährt werden. Die Jagdscheinabgabe fließt zur Kreiskommunalkasse, in den 9) Dies sind die Fälle der §§ 60, 62 u. 63. 10) Zur Verfolgung und Tötung des Schwarzwildes bedarf es trotz der Bestimmung des § 64 eines Jagdscheines, dagegen nicht zum Fangen von Kaninchen, Johow20S. 05. Nur wer die Jagd ausüben, d. h. jagdbare wilde Tiere aufsuchen und er­ legen will, bedarf eines Jagdscheines. I o h o w 20 S. 0 25. — Im übrigen ist jeder, der die Jagd ausüben will, verpflichtet, einen Jagdschein zu lösen, und ist es insbesondere auch ganz gleich, ob das Wild auf einem offenen oder auf einem vollständig eingefriedeten Terrain erlegt werden soll und ob der Jäger sich eines Gewehrs bedient, oder ob er die Jagd mit Schlingen, Netzen, Fallen u. dergl. ausüben will, GA. 22 S. 667. Eines Jagdscheins bedarf auch der, welcher bei einer Treibjagd, wenn auch ohne Gewehr, als Flügelmann bei der Schützenkette tätig ist und sich von seinem Hunde einen Hasen apportieren läßt, um sich denselben zuzueignen. Johow 11 S. 283. Die Verpflichtung zur Lösung des Jagdscheins hat aber nur der, welcher befugterweise ein eigenes oder ftemdes Jagdrecht selbständig ausübt, nicht auch der, welcher dem Jagd­ berechtigten die Ausübung der Jagd nur ermöglicht oder erleichtert. GA. 39 S. 380. Wer die Jagd auf einem Gebiet ausübt, das in niemandes Privateigen­ tum steht, z. B. auf offenem Meer, bedarf keines Jagdscheins. GA. 15 S. 77. Görcke S. 84. A. M. KG. v. 9. Mai 98, GA. 46 S. 232. 11) Der Lauf des Jahresjagdscheins beginnt mit dem darin bestimmten Tage. Görcke Anm. 17.

Jagdscheine §§ 33—35.

SIMkreisen

zur Gemeindekasse.

335

Über die Verwendung der ein­

gegangenen Beträge Hal die Vertretung des betreffenden Kommunal­

verbandes zu beschließen. § 33. Bon der Entrichtung der Jagdscheinabgabe find befreit: die auf Grund des § 23 des Forstdiebstahlgesetzes vom 15. April 1878 (GS. S. 222) beeidigten sowie diejenigen Personen, welche sich in der für den Staatssorstdienst vorgeschriebenen Ausbildung befinden. Der unentgeltlich erteilte Jagdschein genügt nicht, um die Jagd auf eigenem oder gepachtetem Grund und Boden oder auf solchen Grundstücken auszuüben, auf welchen von dem Jagd­ scheininhaber außerhalb seines Dienstbezirkes die Jagd ge­ pachtet worden ist. Die Unentgeltlichkeit ist auf dem Jagdscheine zu vermerken. § 34. Der Jagdschein muß versagt werden: 1. Personen, von denen eine unvorsichtige Führung12)13 des 14Schieß *** ­ gewehrs oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit18) zu besorgen ist; 2. Personen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehren­ rechte befinden, oder welche unter polizeilicher Aufsicht stehen; 3. Personen, welche in den letzten 10 Jahren a) wegen Diebstahls, Unterschlagung oder Hehlerei wiederholt, oder b) wegen Zuwiderhandlung gegen die §§ 117 bis 119 und 294 des Reichsstrafgesetzbuchs mit mindestens 3 Monaten Gefäng­ nis bestraft sind.' § 35. Der Jagdschein kann versagt werden:.") 1. Personen, welche in den letzten 5 Jahren a) wegen Diebstahls, Unterschlagung oder Hehlerei einmal, oder b) wegen Zuwiderhandlung gegen die §§ 117 bis 119 des 12) Eine einmalige unvorsichtige Führung des Gewehrs kann genügend sein. — Die Prüfung steht der Behörde zu, welche den Jagdschein erteilt hat. 13) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfaßt alles, was nach der Sprache des gewöhnl. Lebens darunter verstanden wird, insbes. also das Gesichertsein der Staatsbürger vor gewaltsamen und widerrechtlichen Angriffen in Ansehung ihrer Rechte und ihres Vermögens. OBG. v. 18. Septbr. 1884, E. US. 295. Die Gefährdung ist zu besorgen bei Trunksucht, Neigung zu Ge­ walttaten, Stehenlaffen eines geladenen Gewehrs an Kindern zugänglichem Ort, wiederholte Bestrafung wegen öffentlicher Beamtenbeleidigung. Görcke Anm. 29. 14) Die Versagung geschieht durch eine Behörde, die den Jagdschein zu erteilen hat u. muß begründet sein. Erk. des OBG. v. 2. Juni 81, E. ? S. 253. Das Berwaltungsstreitverfahren findet nicht bloß bei gänzlicher Versagung des Jagdscheins, sondern auch dann statt, wenn die Erteilung an die Bedingung

336

X. Preußische Jagdordnung §§ 36—38.

Reichsstrafgesetzbuchs mit weniger als 3 Monaten Gefängnis bestraft sind;

2. Personen, welche in den letzten 5 Jahren wegen eines Forst­ diebstahls, wegen eines Jagdvergehens, wegen einer Zuwider­

handlung gegen den § 113 des Reichsstrafgesetzbuchs, wegen der Übertretung einer jagdpolizeilichen Vorschrift oder wegen unbefugten Schießens (§ 337

Nr. 8

und § 368 Nr. 7 des

RStGB.) bestraft sind. § 36.

Wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines

rechtfertigen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder zur

Kenntnis der Behörde gelangen, so muß in den Fällen des § 34 und kann in den Fällen des § 35 der Jagdschein von der für die Erteilung zuständigen Behörde für ungültig erklärt und dem Empfänger wieder

abgenommen werden.") Eine Rückvergütung der Jagdscheinabgabe oder eines Teilbetrags findet nicht statt.

§ 37. Gegen Verfügungen, durch welche der Jagdschein versagt oder

entzogen wird, finden diejenigen Rechtsmittel statt, welche in den §§ 127 bis 129 des Gesetzes über die allgemeine Landes Verwaltung vom 30. Juli 1883 (GS. S. 195) gegen polizeiliche Verfügungen gegeben find. § 38.

Wer die Jagd innerhalb der abgesteckten Festungsrayons

(§§ 8, 24 des Reichsrayongesetzes v. 31. Dezember

1871, RGBl.

S. 459) ausüben will, muß vorher seinen Jagdschein von der Festungs­

behörde mit einem Einsichtsvermerke versehen lassen. Vierter Abschnitt.

§ 39.

Schonvorschrifteu.

Mit der Jagd zu verschonen") sind:

1. männliches Elchwild vom 1. Oktober bis 31. August; 2. weibliches Elchwild und Elchkälber das ganze Jahr hindurch; 3. männliches Rot- und Damwild vom 1. März bis 31. Juli;

der Bürgschaft oder Zahlung einer höheren Abgabe geknüpft oder wenn die Er­ teilung eines unentgeltlichen Jagdscheins abgelehnt wird. Erk. des OBG. v. 26. Jan. 98, E. 33 S. 333. 15) Hierunter ist jede in Beziehung auf die Jagd u. deren Ausübung ge­ gebene Vorschrift zu verstehen. Erk. d. OVG. v. 2. Mai 01, E. 29 S. 288. 16) Nur die Behörde, welche den Jagdschein erteilt hat, darf ihn wieder entziehen. Erk. v. 8. Juni 06, Recht US. 76. Schon bevor diese Verfügung rechtskräftig geworden ist, kann auf Grund des § 53 LBG. vom 30. Juli 83 der Jagdschein abgefordert werden, sofern die Entscheidung ohne Nachteil für das Gemeinwesen nicht unausgeführt bleiben kann. YBG. v. 23. März 11, Recht 15 S. 625. Ob wegen fahrlässiger Tötung der Jagdschein einzuziehen ist, ist Tatstage. OBG. v. 30. Septbr. 20, DStZ. 8 S. 60. 17) Für den Fang von Robben ist eine besondere Schonzeit durch da- Ges» v. 4. Dezbr. 76 (RGBl. S. 233) festgesetzt. Dasselbe lautet:

337

Schonvorschristen § 39. 4. weibliches

Rotwild,

weibliches

Damwild

Kälber

sowie

von

Rot- und Damwild vom 1. Februar bis 15. Oktober;

5. Rehböcke vom 1. Januar bis 15. Mai; 6. weibliches Rehwild und Rehkälber vom 1. Januar bis 31. Oktober; 7. Dachse vom 1. Januar bis 31. August;

8. Biber vom 1. Dezember bis 30. September; 9. Hasen von 16. Januar bis 30. September;

10. Auerhähne vom 1. Juni bis 30. November; 11. Auerhennen vom 1. Februar bis 30. November; 12. Birk-, Hasel- und Fasanenhähne vom 1. Juni bis 15. September;

13. Birk-, Hasel- und Fasanenhennen vom 1. Februar bis 15. Sept.; 14. Rebhühner, Wachteln und schottische Moorhühner vom 1. De­ zember bis 31. August;

15. wilde Enten vom 1. März bis 30. Juni; 16. Schnepfen vom 16. April bis 30. Juni ,

17. Trappen vom 1. April bis 31. August;

18. Wilde Schwäne, Kraniche, Brachvögel, Wachtelkönige und alle anderen jagdbaren Sumpf- und Wasservögel, mit Ausnahme der wilden Gänse, vom 1. Mai bis 30. Juni; Drosseln (Krammetsvögel) vom 1. Januar bis 20. September,

a) Truthähne'*) vom 15. Mai bis 15. Oktober; d) Truthennen'*) vom 1. Januar bis 15. Oktober; c) männliches Muffelwild'*) vom 1. Februar bis 31. August,

weibliches vom 16. Dezember bis 15. September.

Die im vorstehenden als Anfangs- und Endtermine der Schon­

zeiten bezeichneten Tage gehören zur Schonzeit. Beim Elch-, Rot-, Dam- und Rehwild gilt das Jungwild als Kalb bis einschließlich zum letzten Tage des auf die Geburt folgenden Februars. Vorstehende Vorschriften über Schonzeiten finden auf das Fangen

oder Erlegen von Wild in eingefriedigten Wildgärten18 * *) *keine * * * * Anwendung. ***

„Mit Geldstrafe bis zu 5000 M. werden Deutsche und zur Besatzung eines deutschen Schiffes gehörige Ausländer bestraft, wenn sie den vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrats erlassenen Verordn, zuwider­ handeln, durch welche der Fang von Robben in den Gegenden zwischen dem 67. u. 75. Gr. nördl. Breite und dem 5. Gr. östl. u. 17. Gr. westl. Länge, vom Meridian von Greenwich aus, gerechnet, für bestimmte Zeiten deS Jahres beschränkt oder verboten wird." Durch die Kaiser!. Verordn, v. 29. März 77 (RGBl. S. 409) ist es sodann verboten, in den genannten Gegenden den Fang von Robben, einschließlich der sog. Klappmützen, vor dem 3. April jedes Jahres zu betreiben. 18) Als Wild- oder Tiergarten kany auch ein umschlossener Raum von 120 ha angesehen werden. Für die Frage des Eigentumes an Parkwild ist nur erheblich, ob der zur Festhaltung des eingehegten Wildes umschlossene Raum Dal cke, Strafrecht.

16. Aufl.

(1922).

22

338

X. Preußische Jagdordmmg §§ 40, 41.

§ 40. AuS Rücksichten der Landeskultur oder der Jagdpflege kann der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten den Abschuß weiblichen Elchwildes für die Zeit vom 16. bis 30. September gestatten. Aus denselben Gründen können durch Beschluß18 * **)19 * des * * Bezirksaus­ schusses: a) der Anfang und der Schluß der Schonzeiten für die im § 39 unter 12—14 genannten Wildarten und der Schluß der Schon­ zeit für Rehböcke anderweit, jedoch nicht über 14 Tage vor oder nach den dort bestimmten Zeitpunkten festgesetzt, b) daS Ende der Schonzeit für Drosseln (Krammetsvögel) bis 30. September einschließlich hinausgeschoben, c) die Schonzeiten für Dachse und wilde Enten eingeschränkt oder gänzlich aufgehoben sowie für Rehkälber und Biber verlängert oder aus das ganze Jahr ausgedehnt, d) die Schonzeiten für Truthähne'*) und Truthennen ver­ längert oder aus das ganze Jahr ausgedehnt, e) die Schonzeiten des Muffelwildes'*) verlängert oder auf das ganze Jahr ausgedehnt werden. Die hiernach zulässige Abänderung oder Aufhebung der Schon­ zeiten darf für den ganzen Umfang oder nur für , einzelne Teile des Regierungsbezirkes, die Abänderung für die einzelnen Teile desselben Regierungsbezirkes in verschiedener Weise erfolgen?8) Der Beschluß zu a kann nur für die Dauer eines Jahres gefaßt werden.

§ 41. Das Aufstelleu von Schlingen, in denen sich jagdbare Tiere oder Kaninchen fangen können, ist verboten?8») geeignet ist, die Gefangenschaft des Wildbestandes zu begründen. Erk. v. 26. Nov. 08, E. 42 S. 75. Siehe auch Anm. 51 zu 8 242 StGB. — Die Aus­ nahmebestimmung bezieht sich nur auf solche jagdbaren Tiere, welche durch die Einfriedigung am Entweichen verhindert werden, z. B. nicht auf Fasanen oder Hasen in Hirschgehegen. Danckelmann-Engelhard Anm. 18. 18 a) Der Beschluß hat nicht den Charakter einer Polizeivervrdnung. KG. d. 6. Apr. 08, Johow 36 S. O 42. Irrtum über Verlängerung der Schonzeit ist Irrtum über eine Tatsache. KG. v. 4. März 09, DIZ. 14 S. 494. 19) Das Verbot gilt für jagdberechtigte und andere Personen. (Mot.) Es gilt auch für Wildgärten. Siehe § 77. Der Jagdberechtigte ist für befugt zu erachten, einen zum Fang von Wild bestimmten Gegenstand, den er in seinem Jagdrevier vorfindet und den ein Un­ befugter dorthin gebracht hat, wegzunehmen. (Kom.Ber. S. 11.) 19 a) Eine Polizeiverordnung, die das Betreten ftemder Grundstücke von der Zustimmung des Eigentümers oder des Jagdberechtigten abhängig macht, ist gültig. Erk. 28. Dezbr. 09, E. 43.S. 162. Der Jagdaufseher darf den beim unerlaubten Frettieren Betroffenen Fanggeräte und Frettchen wegnehmen. Ert. v. 15. Novbr. 12, E. 46 S. 348.

Schonvorschristen §§ 42, 43.

339

Unter dieses Verbot fällt nicht die Ausübung des Dohnenstiegs mittels hoch­ hängender Dohnen. Die Art der Ausübung des Dohnenstiegs kann durch den Regierungspräsidenten im Wege der Polizeiverordnung geregelt werden.19 b)

§ 42.

Kiebitz- und Möveneier dürfen nur bis 30. April ein­

schließlich eingesammelt werden.

Durch Beschluß des Bezirksausschusses kann dieser Termin bis zum 10. April einschließlich zurückverlegt oder für Möveneier bis zum

15. Juni einschließlich verlängert werden. Das Sammeln der Kiebitz- und Möveneier darf von anderen Personen als dem Jagdberechtigten nur in dessen Begleitung oder mit dessen schriftlich erteilter Erlaubnis, welche der Sammelnde bei sich zu führen hat, vorgenommen toerbett.80)

Eier oder Junge von anderem jagdbaren Federwild auszunehmen,

ist'auch der Jagdberechtigte nicht befugt, mit Ausnahme derjenigen

Eier, welche ausgebrütet werden sollen? l) Zum Ausnehmen von Eiern, welche zu wissenschaftlichen oder zu

Lehrzwecken benutzt werden sollen, bedarf es der Genehmigung der

Jagdpolizeibehörde. § 43. Vom Beginne des fünfzehnten Tages der für eine Wildart fest­

gesetzten Schonzeit bis zu deren Ablauf ist es verboten, derartiges Wild in ganzen Stücken oder zerlegt, aber nicht zum Genusse fertig zubereitet,

in demjenigen Bezirke, für welchen die Schonzeit gilt, zu versenden,99) zum Verkaufe herumzutragen oder auszustellen oder feilzubieten,98) zu ver­ kaufen, anzukaufen,94) oder den Verkauf von solchem Wild zu vermitteln?^) 19 b) Die Ausübung des Dohnenstieges ist durch § 8 des Reichsvogelschutz­ gesetzes verboten. Siehe Anm. 15. zu XIV. 20) Das Sammeln von Kiebitzeiern ist durch PBO. v. 30. Mai 1921 ver­ boten. Siehe Anm. 50 unter XII. 21) Es dürfen somit nicht Eier von Seeschwalben oder Strandläufern ein­ gesammelt, noch die Ger jagdbarer Adkerarten (siehe §lb) ausgenommen werden. 22) Wer aus einen preußischen oder nichtpreußischen Bezirk, in welchem die Schonzeit noch nicht eingetreten ist, Wild nach dem Schonbezirk absendet, macht sich strafbar. Der Begriff des Versendens von Wild ist ein weiterer als der des Absendens. KG. v. 5. April 06 Recht 11 S. 470. Siehe aüch KG. v. 15. Mai 05 DIZ. 10 S. 917. Das Versenden ist auch strafbar, wenn es zum Zweck eines Geschenks stattfindet. KG. v. 27. Sept. 06 Recht US. 784. Aber stets muß es sich um ein wirkliches Versenden handeln. Der Besitzer muß sich hierbei der Sache entäußern. KG. v. 8. Mai 13, DIZ. 18 S. 1325. 23) Feilbieten ist nicht identisch mit Feilhalten. Der Begriff des Feilbietens erfordert noch positive zum Kauf anregende Handlungen. KG. v. 12. April 00, Johow 20 S. C 77; DIZ. 5 S. 505. 24) Der Ankauf ist auch dann unstatthaft, wenn die Lieferung aus dem Auslande erfolgt. KG. v. 30. März 05. I o h o w 29 S. C 75. 25) Der Jagdberechtigte, welcher daS ihm gehörende Wild einem Kom­ missionär zum Weiterverkauf sendet, vermittelt keinen Verkauf. Siehe das Erk. unter 14.

340

X. Preußische Jagdordnung §§ 44, 45.

Vorstehenden Beschränkungen unterliegt nicht der Vertrieb einzelner Arten von Wild aus Kühlhäusern, wenn er unter Kontrolle nach Maßgabe der von den zuständigen Ministem zu erlassenden Bestim­ mungen stattfindet.2«) Die Kosten der Kontrolle fallen den Inhabern der Kühlhäuser zur Last und können in Form einer Gebühr nach Tarifen erhoben werden. Ferner dürfen Ausnahmen, wenn es sich um die Versendung, den Verkauf, den Ankauf und die Verkaufsvermittlung von lebendem Wilde zum Zwecke der Blutauffrischung oder Einführung einer Wild­ art handelt, durch den für den Empfangsort zuständigen Regierungs­ präsidenten gestattet werden. Die Bestimmungen des ersten Absatzes finden auf Kiebitz- und Möveneier entsprechende Anwendung.26 27) § 44. Bom Beginne des fünfzehnten Tages der für das weibliche Elch-, Rot-, Dam- und Rehwild festgesetzten Schonzeiten bis zu deren Ablauf ist es verboten, unzerlegtes Elch-, Rot-, Dam- und Rehwild, bei welchem das Geschlecht nicht mehr mit Sicherheit zu erkennen ist, zu versenden, zum Verkaufe herumzutragen oder auszustellen oder feilzubieten, zu verkaufen, anzukaufen oder den Verkauf von solchem Wilde zu vermitteln. § 45. Die Vorschriften der §§ 43 und 44 finden aus Wild keine Anwendung, welches im Strafverfahren in Beschlag genommen oder eingezogen, oder welches mit Genehmigung oder auf Anordnung der zuständigm Behörde oder in Fällen erlegt ist, in betten besondere ge­ setzliche Vorschriften es gestatten. Wer jedoch solches Wild in ganzen Stücken oder zerlegt versendet, zum Verkaufe herumträgt oder ausstellt oder feilbietet, verkauft, oder den Verkauf von solchem Wilde vermittelt, muß mit einer befristeten Bescheinigung der Ortspolizeibehörde oder des von ihr mit Genehmi­ gung des Landrats zur Ausstellung einer solchen ermächtigten Gemeinde­

sGuts-) Vorstehers versehen fein.271) Der Käufer muß sich die Bescheinigung vorzeigen lassen.

26) Siehe Ausf.Anw. v. 29. Juli 07. 27) Verboten ist demnach der An- und Verkauf hinsichtlich solcher Eier mit Beginn des 15. Tages nach Ablauf derjenigen Zeit, in welcher das Sammeln der Eier gestattet ist, sofern es sich nicht um Eier handelt, die zum Genusse fettig zubereitet sind. 27 a) Die Bescheinigung braucht nicht an dem Wilde befestigt zu sein. Erk. v. 20. Novbr. 11, Iohow 42 S. 410. Sie wird nicht dadurch ungültig, daß der Amtsvorsteher selbst an der Verwertung deS WildeS beteiligt ist. KG. v. 10. Novbr. 13, Johow 45 S. 438.

Schonvorschriften §§ 46—50.

Strafvorschriften §, 72.

341

§ 46. Die Versendung von Wild darf nur unter Beifügung eines Ursprungsscheins erfolgen.28 29)30 Die näheren Vorschriften werden von dem Oberpräsidenten oder dem Regierungspräsidenten im Wege der Polizeiverordnung erlassen; hierbei können von dem Erfordernisse des Ursprungsscheins bezüglich einzelner kleinerer Wildarien Ausnahmen gestattet werden.

§ 47. Die Vorschriften der §§ 43 bis 46 finden auch auf Wild, welches in eingeftiedigten Wildgärten erlegt oder gefangen ist, Anwendung. § 48. Der Bezirksausschuß ist befugt, für den Umfang des ganzen Regierungsbezirkes oder einzelne Teile des letzteren diejenigen nicht jagdbaren Vögel29) zu bezeichnen,, auf welche die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 1 des Retchsgesetzes, betreffend den Schutz von Vögeln, vom 22. März 1888 (RGBl. S. 111) dauernd oder vorübergehend An­ wendung finden darf.

§ 49. Der Beschluß des Bezirksausschusses ist in den Fällen der §§ 40, 42 und 48 endgültig. § 50. Bei Einführung oder Einwanderung bisher nicht ein­ heimischer Wildarten kann durch Königliche Verordnung Bestimmung getroffen werden über ihre Jagdbarkeit, die Festsetzung von Schon­ zeiten für sie und die Androhung von Strafen bei Verletzung der festgesetzten Schonzeiten. Achter Abschnitt.

Strafvorschristen.

§ 72.

Mit Geldstrafe bis zu 2029e) Mark wird bestraft: 1. wer bei Ausübung der Jagd seinen Jagdschein oder die nach 8 30 Nr. 3 an dessen Stelle tretende Bescheinigung nicht bei sich führt;29)

28) Für das sonstige Inverkehrbringen, insbes. Has Feilbieten oder für das in Kühlhäusern aufbewahrte Wild darf die Beifügung eines Ursprungsscheins nicht vorgeschrieben werden. KG. v. 31. Oktbr. u. v. 17. Juni 12, Johow 43 S. 417 bzw. 414 u. v. 2. Oktbr. 13, DIZ. 19 S. 310. Polizeiverordnungen über die Wildlegittmattonskonttolle, die vor dem Wildschongesetze v. 14. Juli 04 rechtsgültig waren, wird durch jenes Gesetz nicht aufgehoben (also auch nicht durch die JO.). Dies gilt auch für Sttafverbote gegen den Transport von Wild ohne Ursprungsschein. KG. v. 22. Juni 05, Iohow 30 S. 0 22. 29) Hierzu gehört der weiße und schwarze Storch. 29 a) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 30) Dem Nichtbeisichführen steht gleich die Verweigerung der Vorzeigung. Erk. v. 19. Juni 94, E. 25 S. 429. Dem Jagdausübenden steht es nicht frei, die verlangte Vorzeigung zu einem ihm genehmen Zeitpunkt zu bewirken. Erk. v. 4. Juli 11, E. 45 S. 126. Der Jagdschein muß selbst während des Treibens einer Treibjagd vorgezeigt werden. KG. v. 27. Juli 11, Recht 15 S. 668. Ebenso ist nach dieser Bestimmung strafbar, wer den Jagdschein nur in solcher Entfernung vorzeigt, daß der Beamte von dem Inhalt nicht Kenntnis nehmen

342

X. Preußische Jagdordnung §§ 73—75

2. wer die Jagd innerhalb der abgefteckten Festungsrayous aus­ übt, ohne einen von der Festungsbehörde mit dem Einsichts­ vermerke versehenen Jagdschein bei sich zu führen (§ 38).

§ 73.

wer

Mit Geldstrafe von 15 bis 10029 * * *) ** *31 Mark * *32 * *33 * wird 34 bestraft:")

ohne

den

vorgeschriebenen

Jagdschein

zu

besitzen,

die

Jagd ausübt oder wer von einem gemäß § 36 für ungültig

erklärten Jagdscheine Gebrauch macht?2)

Ist der Täter in den letzten fünf Jahren wegen der gleichen Übertretung vorbestraft, so können neben der Geldstrafe die Jagd­

geräte sowie die Hunde,

welche er bei der Zuwiderhandlung bei sich

geführt hat, eingezogen werden, ohne Unterschied, ob der Schuldige Eigentümer ist oder nicht.

§ 74.

Die Fristen im § 34 Ziffer 3, § 35 Ziffer 1 und 2, § 73

Absatz 2 beginnen mit dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist.

§ 75.

Wer zwar, mit einem Jagdscheine versehen, aber ohne Be­

gleitung22) des Jagdberechtigten oder ohne befielt schriftlich erteilte Erlaubnis ") bei sich zu führen, die Jagd auf fremdem Jagdbezirk aus­

übt, wird mit einer Strafe von sechs bis fünfzehn29a) Mark belegt."*)

kann. Johow13S. 347. Ein später geführter Beweis, daß der Täter wirklich einen Jagdschein besessen, schließt die Strafbarkeit nicht aus. GA. 14 S. 577 u. JMBl. 66 S. 235. Wer von der Jagd heimkehrt, braucht den Jagdschein nicht bei sich zu führen. Erk. v. 29. Mai 02, Johow 24 S. 6 85. Berechtigt, die Vorzeigung des Jagdscheins zu fordern, sind alle Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes sowie alle Forstschutz- und Jagdschutzbeamten. Auch der Jagdberechtigte hat die Kontrollbefugnis, aber nicht ein Staatsanwalt. Dalcke-Delius, Jagdr. S. 283. Erk. v. 30. Juni 94, GA. 42 S. 259. Nach dem KG. v. 5. Juli 09, Recht 14 S. 92, ist ein staatlicher Förster nicht befugt, außerhalb seines Schutzbezirks die Jagdscheinkoutrolle auszuüben. 31) Wer*, ohne einen Jagdschein zu besitzen, zugleich unbefugt jagt, macht sich dieser Übertretung und des Vergehens aus § 292 des StGB, in idealer Konkurrenz schuldig. Erk. v. 23. Novbr. 91, E. 22 S. 234. 32) Gebrauchmachen liegt vor, wenn der Täter bei der Jagdausübung den ungültigen Schein vorgezeigt hat. Das Beisichführen eines solchen Scheins ist nicht strafbar. KG. v. 26. Juni 05, Johow 30 S. 6 20. Hat ein Sohn auf Veranlassung seines Vaters die Jagd ohne Jagdschein ausgeübt, so ist zu prüfen, ob der Vater nicht wegen Anstiftung strafbar ist. Der § 3619 StGB, ist nur­ anwendbar, wenn der Vater nicht wegen Mittäterschaft bestraft werden kann. KG. v. 15. Septbr. 08, Recht 13 S. 115. 33) Der Begriff erfordert ein räumliches Beisammensein und eine äußer­ lich erkennbare Zusammengehörigkeit. Eine Begleitung ist nicht angenommen in einem Falle, indem die Entfernung zwischen Begleiter und Begleiteten 1200 bis 2000 m betrug. KG. v. 1. Dezbr. 90, Dalcke-Delius S. 288. 34) Das Recht zur Erteilung der Jagderlaubnis kann nicht auf andere Personen übertragen werden. KG. v. 25. Jan. 12, Recht 16 S. 564. Auch ein

343

Strafvorschriften § 76.

§ 76. Mit den nachstehenden Geldstrafen wird bestraft, wer8$) während der Schonzeit erlegt8*) oder einfängt:

1. ein Stück Elchwild

150 Mark,

2. ein Stück Rotwild

150

3. ein Stück Damwild

100

4. einen Biber

100

.

.

60 30

5. ein Stück Rehwild 6. ein Stück Auerwild, eine Trappe, einen Schwan

10

7. einen Dachs, einen Hasen, ein Stück Birk- oder

Haselwild, eine Schnepfe oder einen Fasan.

.

.

8. ein Rebhuhn, ein schottisches Moorhuhn, eine Wachtel,

eine wilde Ente, einen Kranich, einen Brachvogel, einen Wachtelkönig oder einen sonstigen jagdbaren

5 Mark

Sumpf- oder Wasservogel

2

30 9. eine Drossel (Krammetsvogel) 100 10. ein Stück Trutwild^) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Geldstrafe in 11.Fällen ein Stück ........................................ den 1 bisMuffelwild^) 4 ctuf86a) 15 Mark, 5 und 6 auf 5 Mark, in den Fällen 7 bis 9 bis auf 1 Mark für jedes Stück ermäßigt werden.

Generalbevollmächtigter des jagdberechtigten Eigentümers darf nicht ohne Be­ gleitung oder schriftliche Erlaubnis des letzteren jagen. I o h o w 11 S. 282. Jagdbeamte brauchen die schriftliche Erlaubnis des Jagdberechtigten nicht bei sich zu führen. GA. 38 S. 383. * Mehreren Jägern kann ein gemeinschaftlicher Erlaubnisschein erteilt werden; es muß aber jeder Jäger in der Lage sein, ihn auf Erfordern alsbald vorzuzeigen. KG. v. 18. Ott. 09, DIZ. 15 S. 85. Auch wenn mehrere Mitpächter das gepachtete Jagdgebiet unter sich räumlich geteilt haben, muß die Erlaubnis zur JagdauSübung auf einem be­ stimmten Teile des Jagdgebiets von allen Mitpächtern erteilt werden. KG. v. 4. Febr. 09, Johow 37 S. 6 46. KG. v. 28. Aug. 13, GA. 61 S. 365. ODG. v. 10. April 19, Recht 25 Nr. 2533.

34 a) Der § ist gegen den nicht anwendbar, der unberechtigt jagt. Erk. v. 19. Dezbr. 13, Recht 18 Nr. 576. 35) Werden von mehreren Tätern mehrere Stück Wild erlegt, so hat jeder den mehrfachen Betrag verwirkt, gleichviel ob nur eine oder eine Mehrheit von Handlungen vorliegt. Vgl. das Erk. in der DIZ. 5 S. 362. 36) Es ist nicht erforderlich, daß die auf die Tötung des Tieres gerichtete Handlung dessen Eingehen unmittelbar herbeiführt. KG. v. 1. Juni 17, Johow 50 S. 311. — Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung hat das KG. an­ erkannt, daß, wer ein infolge Krankheit oder Verletzungen bereits daniederliegen­ des Stück Wild tytschießt oder dem nicht mehr lebensfähigen Stück auf andere Weise ein Ende macht, zwar das Wild tötet, es aber nicht strafbarerweise erlegt. KG. v. 21. März 07, Recht 11 S. 784. Siehe hierüber Dalcke-DeliuS 5. 292. 36 a) In allen Fällen des Abs. 2, nicht nur in den zu §§ 7 bis 9, ist Er-

344

X. Preußische Jagdordnung §§ 77—80.

Bei Trutwild") kann die Strafe auf 6 Mark, bei Muffel­

wild") auf 15 Mark für jedes Stück ermäßigt werden. § 77.

Mit Geldstrafe bis zu 15029 a) Mark wird bestraft, wer:

1. innerhalb der Schonzeit auf die durch diese- geschützten Tiere die Jagd ausübt, otyne86b) sie zu erlegen oder einzufangen; 2, den Vorschriften des 8 4l zuwider Schlingen stellt, in denen

jagdbare Tiere oder Kaninchen sich fangen können.8') Ist in den Schlingen Wild gefangen worden, für welches eine

Schonzeit vorgeschrieben ist, so darf eine niedrigere Strafe, als wie sie nach §§ 50 und 76 angedroht ist, nicht verhängt werden.

Das

gleiche findet Anwendung auf Wild, für welches die Schonzeiten des­ halb nicht gelten, weil es sich in eiugesriedigten Wildgärten befindet. Bei einer Zuwiderhandlung gegen den § 41 ist neben der Geld­

strafe die Einziehung der Schlingen auszusprechen, ohne Unterschied, ob sie dem Schuldigen gehören oder nicht.88) § 78.

Mit Geldstrafe bis zu 150m) Mark wird bestraft:

wer .den Vorschriften der §§ 43, 44 und 45 zuwider Wild oder Kiebitz- oder Möveneier versendet, zum Verkaufe herumträgt oder

ausstellt oder seilbietet, verkauft, ankaust oder den Verkauf von solchem Wilde (Eiern) vermittelt. Hat der Täter gewerbs* oder gewohnheitsmäßig gehandelt, so ist

eine Geldstrafe von nicht unter 30e") Mark zu verhängen. Neben der Geldstrafe ist da- den Gegenstand der Zuwiderhand­

lung bildende Wild (die Kiebitz- und Möveneier) einzuziehen, ohne Unterschied, ob der Schuldige Eigentümer ist oder nicht; von der Ein­ ziehung kann abgesehen werden, wenn der Ankauf nur zum eigenen Verbrauche geschehen ist.

§ 79.

An die Stelle einer nach Maßgabe her vorstehenden Be­

stimmungen zu verhängenden, nicht beitreibbaren Geldstrafe tritt Hast­

strafe nach Maßgabe der §§ 28 und 29 deS Reichsstrafgesetzbuchs. § 80.

Für die Geldstrafe und die Kosten, zu denen Personen

verurteilt werden, welche unter der Gewalt, der Aufsicht oder im

Dienste eines anderen stehen und zu dessen HauSgenofienschast ge-

mäßigung im Rahmen der vorgesehenen Strafen biS zu dem Mindestbettage zugelassen. KG. v. 24. Febr. 10, Johow 3S S. O 43.

36 b) Voraussetzung der Strafbarkeit ist nicht Nachweisbarkeit deS NichterlegenS. KG. v. 6. Juli 14, DIZ. 20 S. 211. 37) Gleichviel ob die Tiere gefangen werden oder nicht. 38) Die Einziehung findet nicht statt neben einer Verurteilung auf Grund einer Polizeiverordnung, welche den Kaninchenfang verbietet. KG. v. 23. Nov. 08, Recht 13 S. 679.

Strafvorschriften § 80.

345

hören, ist letzterer im Falle des Unvermögens der Verurteilten für haftbar zu erklären, und zwar unabhängig von der etwaigen Strafe, zu welcher er selbst auf Grund dieses Gesetzes oder des § 361 zu 9 des Strafgesetzbuchs verurteilt wird. Wird sestgestellt, daß die Tat nicht mit seinem Wissen verübt ist, oder daß er sie nicht verhindern konnte, so wird die Haftbarkeit nicht ausgesprochen. Hat der Täter noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet, so wird derjenige, welcher in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen haftet, zur Zahlung der Geldstrafe und der Kosten als unmittelbar haftbar verurteilt. Dasselbe gilt, wenn der Täter zwar das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte und wegen Mangels der zur Erkenntnis der Strafbarkeit seiner Tat erforder­ lichen Einsicht freizusprechen ist, oder wenn-derselbe wegen eines seine freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes straffrei bleibt. Gegen die in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen als haft­ bar Erklärten tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe nicht ein. Nenntrr Abschnitt enthalt: Abrrgangr- und Schtußbrstimmnugrn.

XI. Preuß. Gesetz, betr. Le» ForstLiebstahl. Bom 15. April 1878. (GS. S. 222.)

Mr Wilhelm rc.-verordnen, unter Zustimmung der beiden Häuser des Landtages Unserer Monarchie, für den ganzen Umfang derselben, was folgt: 8 1. Forstdiebstahl*) im Sinne dieses Gesetzes ist der in einem Forst oder auf einem anderen hauptsächlich zur Holznutzung bestimmten Grundstücke») verüble Diebstahl:») 1) Nicht Holzbiebstahl, denn derselbe umfaßt jetzt abweichend von der frühe­ ren Gesetzgebung auch andere Waldprodukte als Holz. 2) Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Forstdiebstahl vorliegt, kommt es jetzt also wesentlich auf den Ort, nämlich darauf an, ob das betreffende Grundstück zur Holznutzung bestimmt ist, nicht darauf, ob das gestohlene Holz der Holznutzung wegen gezogen war. Wer z. B. wilde Rosenstöcke aus einem Walde entwendet, ist unbedingt wegen Forstdiebstahls zu bestrafen. Ein wald­ artiger Park, bei dem die Durchforstung nur insoweit erfolgt, als die Zwecke der Verschönerung und Erhaltung seiner Bestimmung es erfordern, gehört nicht hierher. Erk. v. 6. Juli 20, Recht 24 Nr. 3557. 3) Also immer Diebstahl. Bgl. über die rechtliche Natur des Holzdieb­ stahls GA. 14 S. 449 u. 15 S. 712. Die Absicht einer rechtswidrigen Zueig­ nung ist auch hier notwendig. Oft ist die Absicht des Täters entscheidend. GA. 11 S. 268. Die Wegnahme und Aneignung von Baumstämmen, welche die Forstverwaltung nach Absägen der Kronen zu Markpfählen und Einfriedigungen bestimmt hat, ist nicht Diebstahl, sondern nur Holzdiebstahl. Erk. v. 5. Oktbr. 83, R. 5 S. 579 u. E. 9 S. 72. Die Wegnahme von Weiden, welche auf einer durch eine strombauliche Anlage entstandenen Anlandung gewachsen sind, ist nicht unter allen Umständen als Diebstahl anzusehen, sondern kann auch als Forstdiebstahl erachtet werden. Erk. v. 25. Jan. 89, E. 18 S. 436. DaS Abhauen und Entwenden von Ästen bereits gefällter Bäume im Walde,

mit deren Zubereitung noch nicht begonnen worden, ist gemeiner, nicht Forstdieb­ stahl. Erk. v. 1. Juni 94, E. 25 S. 393. Werden Weidenruten von Anpflanzungen auf Anlandungen der Flußufer entwendet, so kommt nicht 8 18 des F.U.FPG. zur Anwendung, sondern es Liegt entweder ein gewöhnlicher Diebstahl oder, wenn die Weiden zugleich als Holznutzung dienen, ein Forstdiebstahl vor. Erk. v. 25. Oktbr. 89, E. 20 S. 11. Wenn der Holzdieb das ihm vom Förster abgenommene Holz sich später

XL Forstdiebstahlsgesetz § 1.

347

1. an Holz, welches noch nicht vom Stamme oder vom Boden getrennt ist;4 * )*S.* 2. an Holz, welches durch Zufall abgebrochen oder umgeworfen, und mit dessen Zurichtung noch nicht der Anfang gemacht worden ist;6) 3. an Spänen,*) Abraums oder Borke,6) sofern dieselben noch nicht in einer umschlossenen Holzablage6) sich befinden, oder noch nicht geworben oder eingesammelt sind; 4. an anderen Walderzeugnissen, insbesondere") Holzpflanzen, Gras, Haide, Plaggen, Moos, Laub, Streuwerk, Nadelholz­ zapfen, Waldsämereien, Baumsaft und Harz,") sofern dieselben noch nicht geworben oder eingesammelt sind.

doch wieder zueignet, so begeht er einen neuen selbständig strafbaren Diebstahl. Erk. v. 20. Oktbr. 85, R. 7 S. 597. Vgl. Erk. y. 20. März 96, GA. 44 S. 50. Der im Staatsdienste angestellte Förster, welcher in dem seiner Obhut an­ vertrauten Walde Holz schlagen läßt und sich zueignet, begeht keine Unterschlagung, sondern einen gemeinen Diebstahl oder Forstdiebstahl, je nachdem er die Absicht zu stehlen erst nach dem Schlagen des Holzes oder schon bei dem Fällen desselben gehabt hat. Erk. v. 24. Septbr. 86, E. 14 S. 305. 4) Wesentlich ist also immer die Trennung vom Stamme. Diebstahl an Holz, welches ein Holzdieb im Walde zurückgelasien, ist gemeiner Diebstahl. GA. 16 S. 148. Geschieht das Abhauen der Bäume aber nicht in der Absicht rechts­ widriger Zueignung, sondern aus Rache, so liegt Sachbeschädigung vor. R. 3 S. 67. 5) Also z. B. Windbruch, Lagerholz, Raff- und Leseholz rc. Ob der Anfang mit der Zurichtung gemacht worden, ist reine Tatfrage. GA. 18 S. 121. Es soll genügen, wenn ein Forstbeamter eine Nummer auf das Holz geschrieben hat. 6) Hierzu gehören auch die sog. Felgenspähne. GA. 5 S. 682. 7) Unter Abraum sind Abfälle geringen Wertes zu verstehen, die in abge­ holzten Schlägen zurückgelasien sind, welche der Waldeigentümer noch nicht als bereits gewonnene Objekte seiner Nutzungsberechtigung betrachtet, zum Verar­ beiten oder zur Verwertung eingesammelt, zusammengebunden, zusammenge­ schichtet hat. Erk. 7. Febr. 02, E. 35. S. 161. Hierunter kann auch zum Ver­ kauf bestimmter Reisig fallen. Erk. v. 20. Oktbr. 13, DStZ. 1 S. 275. — Abraum gehört zum Begriff des Raff- und Leseholzes im Sinne § 2151 Tit. 22 MR. Erk. v. 19. Dezbr. 12, Recht 17 Nr. 457. GA. 60 S. 423. 8) Hierher gehört nicht solche Borke, welche vom Berechtigten im wirtschaft­ lichen Verfahren behufs bestimmter Verwendung abgelöst wird. GA. 3 S. 254. 9) Darunter ist kein umschlosiener Raum im Sinne des StGB, zu ver­ stehen, sondern jeder Ort, wohin bestimmungsmäßig geschlagenes Holz zur vor­ läufigen Aufbewahrung und späteren Fortschaffung gebracht wird, Groschuff Anm. 10 c. 10) Es sind hier nur Beispiele ausgeführt. 11) In diesen Fällen kann ideale' Konkurrenz mit 8 30 Nr. 5 des F. u. FPG. vorliegen und ist dann auf eine Geldstrafe nicht unter 6 Mark zu erkennen, Rotering S. 24.

348

XI. Forstdiebstahlsgesetz §§ 2, 3.

Das unbefugte Sammeln von Kräutern, Beeren und ^i^en11) unterliegt forstpolizeilichen Bestimmungen. §2.18) Der Forstdiebstahl wird mit einer Geldstrafe vom einfachen bis zum fünffachen Wertes) des Entwendeten, jedoch niemals unter einer Mark bestraft.") Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf eine Mark ermäßigt werden, wenn der Wert des Entwendeten höher ist. §318) Der Forstdiebstahl wird mit einer Geldstrafe vom zweifachen bis zum zehnfachen Werte des Entwendeten, jedoch niemals unter zwei Mark bestraft. . . . 1. wenn der Forstdiebstahl an einem Sonn- oder Festtage oder in der Zeit von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang begangen ist; 2. wenn der Täter Mittel angewendet hat, um sich unkenntlich zu machen; 3. wenn der Täter dem Bestohlenen oder der mit dem Forstschutz betrauten Person seinen Namen oder Wohnort anzugeben sich geweigert tyat,1*) oder falsche Angaben über seinen oder seiner Gehilfen Namen oder Wohnort gemacht,") oder auf Anrufen des Bestohlenen oder der mit dem Forstschutz betrauten Person, stehen zu bleiben/») die Flucht ergriffen oder fortgesetzt hat; 4. wenn der Täter in den Fällen Nr. 1—3 § 1 zur Begehung des Forstdiebstahls sich eines schneidenden Werkzeuges, insbe­ sondere der Säge, der Schere oder des Messers bedient hat;") 12) Diese Bestimmung gilt aber nur für den Umfang der im § 1 dieses Ges. bezeichneten Grundstücke. 13) Der Wortlaut beruht auf dem Ges. v. 14. Dezember 1920 (GS. 1921 S. 103). 14) Kann der Wert nicht ermittelt werden, so ist auf mindestens eine Mark zu erkennen. GA. 17 S 284. 15) Bei mehreren selbständigen Forstdiebstählen ist für jeden einzelnen die volle Strafe zu erkennen. Wegen der Ersatzfreiheitsstrafe siehe § 13. 16) Das Wort „hat" beruht hier auf einem Redaktionsfehler, auch die falschen Angaben rc. müssen dem Bestohlenen oder Forstschutzbeamten gegenüber gemacht sein. Oehlschläger und Bernhardt 5. Aust. S. 11. 17) Die Angabe des falschen Namens kann nicht selbständig als Über­ tretung des § 360 Nr. 8 StGB, bestraft werden, dieselbe kommt hier vielmehr nur als erschwerender Umstand in Betracht. Vgl. GA. 5 S. 502. A. M. aber Erk. v. 26. Febr. 14, E. 48 S. 177. Auch der Borname muß richtig angegeben sein, Groschuff Anm. 4f. 18) Die Flucht für sich allein ist kein erschwerender Umstand, es muß vor­ her der Anruf des Forstschutzbeamten (Bestohlenen) erfolgt sein. 19) Der Gebrauch des schneidenden Werkzeuges kommt als erschwerender Umstand, also nur bei dem eigentlichen Holzdiebstahl in Betracht, nicht auch bei bar Entwendung anderer Waldprodukte. Übrigens sind die erschwerenden Umstände bei der Bestrafung auch dann

XI. Forstdiebstahlsgesetz § 4.

349

5 tyenn der Täter die Ausantwortung der zum Forstdiebstahl bestimmten Werkzeuge verweigert;») 6 wenn zum Zwecke des Forstdiebstahls») ein bespanntes Fuhrwerk, ein Kahn oder Lasttier mitgebracht ist; 7. wenn der Gegenstand der Entwendung in Holzpflanzen be­ steht;») 8. wenn Kien, Harz, Saft, Wurzeln, Rinde oder die Haupt(Mittel-) Triebe von stehenden Bäumen entwendet sind; 9. wenn der Forstdiebstahl in einer Schonung, in einem Pflanz­ garten oder Saatkampe begangen ist.») Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf zwei Mark ermäßigt werden, wenn der zweifache Wert des Entwendeten höher ist. § 4 Der Versuch») des Forstdiebstahls und die Teilnahme (Mit­ täterschaft, Anstiftung,^M) Beihilfe) an einem Forstdiebstahl oder an einem Versuche desselben werden mit der vollen••) Strafe des Forst­ diebstahls bestraft.»)

zu berücksichtigen, wenn sie in der Forststrafliste nicht erwähnt sind, daS Vorhan­ densein derselben vielmehr erst in der mündlichen Verhandlung sich herausgestellt­ hat. GA. 13 S. 115. Die Axt ist, weil ihr Gebrauch weithin erschallt, kein schneidendes Werkzeug int Sinne dieses §. Iohow 3 S. 354 u. GA. 45 S. 310. 20) Die einfache Weigerung genügt. Widerstand wird nach den §§ 117 ff. des StGB, geahndet. Daß die Werkzeuge auch zur Tat benutzt sind, ist nicht Voraussetzung. 21) Das Fuhrwerk rc. muß also ausdrücklich zu dem Zwecke mitgebracht sein, die gestohlenen Gegenstände fortzuschaffen. 22) Hierher gehören auch die wilden Schößlinge, nicht bloß die gezogenen Pflanzen. 23) Hier, bildet der Ort, an welchem gestohlen ist, das erschwerende Moment. Objekt des Diebstahls aber muß selbstverständlich immer eines der § 1 genannten sein, wenn ein Forstdiebstahl vorliegen soll. Ob also die Baum pflanzen in dem Pflanzgarten ausschließlich den Zwecken der Waldkultur dienen, oder behufs anderweiter Verwendung dort vorläufig untergebracht sind (wie GA. 12 S. 773 unterschieden wurde), ist ganz gleichgültig. 24) Hier ist abweichend von den Vorschriften des StGB, also' auch der Versuch einer Übertretung unter Strafe gestellt. Die Frage, ob ein strafbarer Versuch anzunehmen, ist auch hier nach den Vorschr. des StGB, zu entscheiden. 25) Die Absicht des Täters bei der Anstiftung ist entscheidend für die Frage, ob gemeiner oder Forstdiebstahl vorliegt. 26) § 44 des StGB, bleibt also ausgeschlossen. Über die Frage, wie der

Wert im Falle des Versuchs der Teilnehmer rc. festzustellen, siehe oben Anm. 14 zu § 2. Es ist hier auch stets auf Ersatz des Werts zu erkennen. Johow 3 S. 351. 27) d. h. jeder wird mit der vollen Strafe belegt, die seine Tat trifft, nicht alle mit der gleichen, was von Wichtigkeit ist, wenn sich der eine im Rückfalle

350

XI. Forstdiebstahlsgesetz §§ 5, 6.

5 g.18) Wer sich in Beziehung auf einen Forstdiebstahl der Be­ günstigung88) oder der Hehlerei88) schuldig macht, wird mit einer Geld­ strafe vom einfachen bis zum fünffachen Werte des Entwendeten, je­ doch niemals unter einer Mark bestraft. Sind mildernde Umstände vor­ handen, so kann die Strafe bis auf eine Mark ermäßigt werden, wenn der Wert des Entwendeten höher ist. Die Bestimmungen des § 257 Abs. 2 und 3 des Reichs-Straf­ gesetzbuch- finden Anwendung. § 6- Neben der Geldstrafe kann") auf Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten erkannt werden: 1. wenn der Forstdiebstahl von drei oder mehr Personen in gemein­ schaftlicher Ausführung begangen ist; 2. wenn der Forstdiebstahl zum Zwecke der Veräußerung des Ent­ wendeten oder daraus hergestellter Gegenstände begangen ist;38) 3. wenn die Hehlerei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betrieben worden ist.88) befindet, der andere nicht, oder wenn nur gegen einen Teilnehmer erschwerende Umstände vorliegen, die der andere nicht zu verantworten hat. 28) Der Begriff der Begünstigung ergibt sich aus § 257 des StGB. Daß der Begünstigte ermittelt und bestraft ist, ist nicht notwendig. OR. 10 S. 313. Eine Begünstigung zum Zwecke, den Täter der Bestrafung zu entziehen, setzt nicht mit Notwendigkeit voraus, daß die Haupttat vollendet ist. Siehe GA. 7 S. 823. Die Strafe des Begünstigers tritt auch dann ein, wenn der Be­ günstigte (z.'B. weil er strafunmündig, oder weil die Tat verjährt) nicht bestraft

werden kann. 29) Darunter sind beide Fälle der Hehlerei, sowohl die aus § 258, als die (Partiererei) aus § 259 des StGB, zu verstehen. Siehe auch Erk. v. 24. Jan. 90, E. 20 S. 209. — Die Ehefrau, die von ihrem Ehemann gestohlenes Holz im Haushalt verwendet, begeht keine Hehlerei. Siehe Anm. 30 zu § 259 StGB. Der Umstand, daß der A. mit der mangelnden Berechtigung des Verkäufers der Bäume rechnete, schließt nicht aus, daß er im übrigen an die Verfügungs­ berechtigung glaubte. Annahme des sog. Eventualdolus kann die Feststellung der Absicht der rechtswidrigen Zueignung nicht ersetzen. KG. v. 9. Dezbr. 09, DIZ. 15 S. 262 und Recht 14 S. 213. 30) Über den Fall, wenn der Hehler einen Forstdiebstahl annimmt, wäh­ rend in Wirklichkeit ein gemeiner Diebstahl vorliegt, siehe GA. 14 S. 363. Den Hehler trifft die Strafe der Hehlerei nur aus derjenigen strafbaren Handlung, aus welche sich sein Wissen bezogen hat. 31) Die Verhängung der zusätzlichen Gefängnisstrafe ist also in das Er­ messen des Richters gestellt. Übrigens findet die Bestimmung des § 6 auch in den Fällen der §§ 7 u. 8 Anwendung. Die Zusatzstrafe ist neben der für den einzelnen Fall angedrohten Geldstrafe zu verhängen. Ergibt sich eine Mehrheit von Zusatzstrafen, so ist § 74 StGB, anzuwenden. KG. v. 1. Dez. 03, DIZ. 9 S. 269. Siehe § 13. 32) Es ist unerheblich, daß der entwendete Baum von dem Täter vor dem Fällen bereits verkauft ist. KG. v. 21. März 07, DIZ. 12 S. 661. 33) Vgl. die Anmerkungen zu § 260 des StGB.

XI. Forstdiebstahlsgesetz §§ 7—9.

351

§ 7- Wer, nachdem er wegen Forstdiebstahls oder Versuchs eines solchen, oder wegen Teilnahme (§ 4), Begünstigung oder Hehlerei in Beziehung auf einen Forstdiebstahl von einem preußischen Gerichte rechtskräftig verurteilt worden8«) ist, innerhalb der nächsten zwei Jahre abermals eine dieser Handlungen begeht, befindet sich im Rück­ falle und wird mit einer Geldstrafe vom zweifachen bis zum zehnfachen Werte des Entwendeten, jedoch niemals unter zwei Mark bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf zwei Mark ermäßigt werden, wenn der zweifache Wert des Entwendeten höher ist. § 8Neben der Geldstrafe ist8«) auf Gefängnis bis zu zwei Jahren zu erkennen, wenn der Täter sich im dritten od!r ferneren

Rückfalle befindet.8') Beträgt die Geldstrafe weniger als zehn Mark, fir kann statt der Gefängnisstrafe auf eine Zusatzstrafe bis zu ein­ hundert Mark erkannt werden. 8 In allen Fällen88) ist neben der Strafe die Verpflichtung des Schuldigen zum Ersätze des Wertes des Entwendeten an den Bestohlenen auszusprechen.88) Der Ersatz des außer dem Werte des 34) ES kommt also nur auf die rechtskräftige Verurteilung an. Ob dieselbe mittels Strafbefehls oder Urteils erfolgt ist, ist ganz gleichgültig. 35) Über die Maßnahmen zur Kontrolle des Rückfalles stehe Sets. v. 12. Septbr. 81, JMBl. S. 182. Siehe über Feststellung des Rückfalles auch Johow 2 S. 278. Zur Feststellung des dritten Rückfalles kommt es nur darauf an, ob die abzuurteilende Tat innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren seit der letzten Verurteilung liegt und ist es völlig gleichgülttg, wann die früheren Vorstrafen ergangen sind. Bezüglich dieser ist nur notwendig, daß die Tat nach Eintritt der Rechtskraft des vorangegangenen Urteils begangen war. KG. v. 27. April 96, Johow 18 S. 217 u. KG. v. 3. Mai 97, GA.45 S.310. 36) In diesem Falle muß auf eine zusätzliche Gefängnisstrafe erkannt werden, wenn die Geldstrafe mindestens 10 Mark beträgt. Siehe § 13. 37) Die Prinzipale Geldstrafe ist die im § 7 für den Rückfall normierte. Beträgt diese nicht 10 Mark, so kann zusätzlich statt der Gefängnisstrafe eine Geldstrafe verhängt werden, aber eine dieser beiden Strafen „muß" verhängt werden. Das Minimum der zusätzlichen Geldstrafe beträgt 3 Mark, denn es liegt ein Vergehen vor. 38) In „allen" Fällen, also auch in den Fällen der §§ 6 bis 8 und bei dem bloßen Versuche. Siehe oben Anm. 26. 39) Auf den Wertersatz ist zu erkennen, ohne Rücksicht darauf, ob der Dieb das gestohlene Objekt mit sich genommen, oder ob er es im Walde hat liegen lasten. Erk. v. 24. April 85, R. 7 S. 252; oder sich mit dem Bestohlenen ge­ einigt hat. KG. v. 7. Jan. 21, DStZ. 8 S. 180. Nach Eichhorn bei Bro­ sch uff (Anm. 4) ist auch im Falle des § 5 gegen den Begünstiger oder Hehler auf Wertersatz zu erkennen. Abweichend und mit Recht Rotering S. 57. Handelt es sich aber um mehrere Mttäter, so ist nicht jeder von ihnen zum Wertersatze zu verurteüen, vielmehr werden nur alle gemeinschaftlich, aber unter solidarischer Haftung zum einmaligen Ersatz des Wertes verurteilt. Io how 5 S. 331.

352

XI. Forstdiebstahlsgesetz §§ 10—12.

Entwendeten verursachten Schadens kann nur im Wege des Zivil­ prozesses geltend gemacht werden. Der") Wert des Entwendeten wird sowohl hinsichtlich der Geld­ strafe als hinsichtlich des Ersatzes nach der von der Bezirksregierung aus­ gestellten Forsttaxe abgeschätzt.'") 6 10. Die im § 57 des Strafgesetzbuchs bei der Verurteilung von Personen, welche zur Zeit der Begehung der Tat das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, vorgesehene Strafermäßigung findet bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz keine Anwendung.") § 11. -Für die Geldstrafe, den Wertersatz und die Kosten, zu denen Personen verurteilt worden,") welche-unter der Gewalt/') der Aufsicht oder im Dienst eines anderen stehen und zu dessen Haus­ genossenschaft") gehören, ist letzterer im Falle des Unvermögens der Verurteilten") für haftbar zu erklären, und zwar unabhängig von der etwaigen Strafe, zu welcher er selbst auf Grund dieses Gesetzes oder des § 361 Nr. 9 des Strafgesetzbuchs verurteilt wird.") Wird festgestellt, daß die Tat nicht mit seinem Wissen verübt ist, oder daß er sie nicht verhindern konnte, so wird die Haftbarkeit nicht ausgesprochen. 8 12- Hat der Täter noch nicht das zwölfte Lebensjahr voll­ endet,") so wird derjenige, welcher in Gemäßheit des § 11 haftet, 39 a) Eine andere Abschätzung ist nicht statthaft. 40) Die Strafermäßigung resp. Verhängung eines bloßen Verweises ist also abweichend von den Vorschriften des StGB, hier ausgeschloffen. Sobald der Richter festgestellt hat, daß der Täter mit der erforderlichen Einsicht gehandelt hat, muß auf die volle gesetzliche Strafe erkannt werden. 41) Die Haftbarkeit der dritten Personen trifft alle Fälle des Forstdieb­ stahls, auch die in den 8§ 6—8 aufgeführten. GA. 2 S. 108. 42) Nach bisheriger Praxis wurde hierher auch die Ehefrau gerechnet, doch wird jetzt der 8 11 auf das eheliche Verhältnis nicht mehr für anwendbar er­ achtet. Rotering S. 64 u. Eichhorn bei Groschuff Sinnt. 3, sowie das von letzterem zit. ungedruckte Erk. d. KG. v. 4. Aug. 98. Im übrigen wird nur ein tatsächlich bestehendes Gewalts- und resp. Aufsichtsverhältnis vorausgesetzt. Vgl. die Ausführung in GA. 11 S. 338. 42 a) Es genügt, wenn die bediensteten Personen auf demselben Hofe (z. B. im Pferdestall) Wohnung und Schlafraum haben. KG. v. 9. April 00, Gros chuff Anm. 2 Abs. 3. 43) Voraussetzung der Haftbarkeit ist also hier die Verurteilung und außer­ dem tritt sie nur eventuell ein, während sie im Falle des 8 12 für den Fall der Freisprechung eintritt und eine Prinzipale ist. 44) Die Haftbarkeit, obgleich an sich eine Art der Strafe, wird durch die Verhängung anderer Strafen, also z. B. der wegen Mittäterschaft oder wegen Vernachlässigung der Aufsicht, nicht absorbiert. 45) Vgl. Ges. v. 2. Juli 00 über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger (GS. S. 264).

353

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 13, 14.

zur Zahlung bet Geldstrafe, des Wertersatzes und der Kosteil als utt-

mittelbar haftbar verurteilt.") Dasselbe gilt, wenn der Täter zwar das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte und wegen Mangels der zur Erkenntnis der Strafbarkeit seiner Tat erforderlichen Einsicht frei zu sprechen ist, oder wenn derselbe wegen eines seine freie Willens­ bestimmung ausschließenden Zustandes") straffrei bleibt.

§ 13 “) An die Stelle einer Geldstrafe, die wegen Unvermögens des Verurteilten und des für haftbar Erklärten nicht beigetrieben werden kann,") tritt Haftstrafe oder, wenn neben der Geldstrafe gemäß den §§ 6 oder 8 auf Gefängnis erkannt worden ist, Gefängnisstrafe. Freiheitssttafe kann vollstreckt werden, ohne daß der Versuch einer Beitrei­ bung der Geldstrafe gegen den für haftbar Erklärten gemacht ist, sofern dessen Zahlungsunfähigkeit gerichtskundig ist. Der Betrag von einer bis zu fünfzehn Mark ist einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten") Der Mindestbetrag der an die Stelle der Geldstrafe tretenden Frei­ heitsstrafe ist ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei Ge­ fängnis sechs Monate. Kann nur ein Teil der Geldstrafe beigetrieben werden,1o tritt für den Rest derselben nach dem in dem Urteile festge­ setzten Verhältnisse die Freiheitsstrafe ein. Gegen die gemäß §§ 11 und 12 für haftbar Erklärten tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe nicht ein.

§ 14 Statt der in dem § 13 vorgesehenen Freiheitsstrafe") kann während der für dieselbe bestimmten Dauer der Verurteilte, auch ohne 46) Hier wie im Falle des Abs. 2 dieses § kommt auch der Schlußsatz des § 11 über den Wegfall der Haftbarkeit zur Anwendung. Vgl. OehlschlägerBernhardt a. a. O. S. 38. 47) Nach Schönfeld a. a. O. S. 43 kommt hier nur der 8 51 des StGB, in Betracht, die Fälle der §§ 52 u. 54 sollen dagegen nicht hierher gehören. Ebenso Rotering S. 68. 48) Gegen den Verurteilten muß der Versuch der Beitreibung ge­ macht werden, gegen den H a f t b a r e n n i ch t. S ch ö n f e l d a. a. O. S. 48. — Die Androhung der Gefängnisstrafe macht die Zuwiderhandlimgen gegen dieses Gesetz nicht zu Vergehen. L u c a s I S. 22.

49) Die Vorschrift ist nicht da bin aufzufassen, daß statt einer Geldstrafe bis zu fünfzehn Mark immer nur Ein Tag Freiheitsstrafe zu treten habe, sondern dahin, daß für je fünfzehn Mark mindestens Ein Tag Freiheitsstrafe festzusetzen, daß aber auch der Geldstrafe von einer Mark schon ein Tag.Frei­ heitsstrafe gleichstehen kann, so daß also einer Geldstrafe von 6 Mark zwar mindestens zwei Tage Freiheitsstrafe substituiert werden müssen, daß ihr aber auch drei, vier, fünf und resp, sechs Tage substituiert werden können. 50) Nicht auch an die Stelle der in den §§ 6 u. 8 angedrohten Prinzipalen Gefängnisstrafe. Diese letztere muß als Freiheitsstrafe verbüßt und kann birret) Forst- und resp. Gemeindearbeit nicht ersetzt werden.

Dalcke, Strafrecht.

16. Ausl.

(1922).

23

354

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 15,16.

in einer Gefangenanstalt eingeschlossen zu werden, zu Horst- ober Ge­

meindearbeiten,") welche seinen Fähigkeiten und Verhältnissen ange­ messen sind, ungehalten werden.") Die näheren Bestimmungen wegen der zu leistenden Arbeiten werden mit Rücksicht auf die vorwaltenden Lohn- und örtlichen Ver­ hältnisse von dem Regierungspräsidenten (Landdrosten) in Gemein­ schaft mit dem Ersten Staatsanwalt beim Oberlandesgerichte erlassen. Dieselben sind ermächtigt, gewisse Tagewerke dergestalt zu bestimmen, daß die Verurteilten, wenn sie durch angestrengte Tätigkeit mit der ihnen zugewiesenen Arbeit früher zustande kommen, auch früher ent­ lassen werde...") § 15 Äxte, Sägen, Messer und andere zur Begehung des Forst­ diebstahls geeignete Werkzeuge,") welche der Täter bei der Zuwider­ handlung bei sich geführt hat, sönnen18) eingezogen werden,") ohne Unterschied, ob sie dem Schuldigen gehören oder nicht.") Die Tiere, und andere zur Wegschaffung des Entwendeten dienen­ den Gegenstände, welche der Täter bei sich führt, unterliegen nicht der Einziehung.") § itz Wird der Täter bei Ausführung eines Forstdiebstahls, oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt, so sind die zur Be­ gehung des Forstdiebstahls geeigneten Werkzeuge,") welche er bei sich führt (§ 15), in Beschlag") zu nehmen.") 51) Andere Arbeiten als Forst- und Gemeindearbeiten dürfen nicht sub­ stituiert werden. 52) Hat der Richter statt der Gefängnisstrafe Forst- und Gemeindearbeit substituiert, was ganz in sein Ermessen gestellt ist, so kann der Verurteilte zwangsweise zur Leistung derselben angehalten, es kann aber auch, wenn er sich weigert, sofort mit Vollstreckung der Gefängnisstrafe vorgegangen werden. Ob die Substituierung der Forst- und Gemeindearbeit schon in dem Straf­ befehl oder dem Urteil zu erfolgen hat, oder ob hierüber erst bei der Straf­ vollstreckung zu beschließen ist, ist streitig. Letzteres nehmen Eichhorn bei Groschuff Anm. 1 und Rotering S. 70 an. ersteres OehlschlägerBernHardt zu 8 14. Das Richtige dürfte sein, daß beides zulässig ist. 53) An sich steht ein Arbeitstag einem Tage Gefängnis gleich. 54) Der Umstand, daß sie zu der Tat haben dienen können, genügt- daß sie zu derselben wirklich gebraucht sind oder gewöhnlich gebraucht werden, ist nicht notwendig. 55) § 42 des StGB, findet auch hier Anwendung. 56*) Wem das Eigentum zusteht, ist ganz gleichgültig. 57) Weil der Wert derselben mit der Erheblichkeit des Straffalles regel­ mäßig in keinem Berhältniffe steht. 58) Transportmittel können nicht beschlagnahmt werden. Groschuff Nebenges. Anm. 1 b. öhlschläger-Bernhardt S. 48.

59) Eine Bestätigung der Beschlagnahme durch den Richter ist hier nicht erforderlich.

XI. Forstdiebstahlsgesetz §§ 17—19.

355

§ 17. Wird in dem Gewahrsam eines innerhalb der letzten zwei Jahre wegen einer Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz rechtskräftig Verurteilten frisch gefälltes, nicht forstmäßig zugerichtetes Holz ge­ funden, so ist gegen den Inhaber auf Einziehung des gefundenen Holzes zu erkennen, sofern er sich über den redlichen Erwerb des Holzes nicht ausweisen kann. Die Einziehung erfolgt zugunsten der Armenkasse des Wohnorts des Verurteilten.") § 18 Die Strafverfolgung") von Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz verjährt, sofern nicht einer der Fälle der §§ 6 und 8 vorliegt, in sechs Monaten. § 19. Für die Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz sind die Anrtsgerichte zuständig.") Dieselben verhandeln und entscheiden, sofern nicht einer der Fälle der §§ 6 und 8 vorliegt, ohne die Zuziehung von Schöffe..") Das Amt des Amtsanwalts kann verwaltenden Forstbeamten übertragen werden.") Für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung sind die Strafkammern zuständig; dieselben entscheiden in der Besetzung mit drei Mitgliedern einschließlich des Vor sitzenden.••) 60) Diese Bestimmung soll nach Oehlschläger-Bernhardt S. 49 ausdrücken, daß, im Falle der Täter bei Ausführung eines Forstdiebstahls oder gleich nachher betroffen oder verfolgt wird, die der Einziehung unterliegenden Werkzeuge auch durch einen Nichtbeamten in Beschlag genommen werden dürfen, während in jedem anderen Falle die allgemeinen Bestimmungen der StPO. §§ 94 ff. zu beobachten sind. Insbesondere also kann in dem Falle des § 16 auch der Waldeigentümer die Beschlagnahme bewirken. Ebenso Schön­ feld a. a. O. S. 55. Auch nach Ansicht des RG. sind der Waldeigentümer resp. Privatforstaufseher zu Beschlagnahmen nach § 16 berechtigt. Erk. v. 20. Novbr. 84, E. 11 S. 321. Dagegen steht diesen Personen das Recht zu Haussuchungen, mag cs sich auch nur um die Beschlagnahme der zur Begehung des Holzdiebstahls geeigneten Werkzeuge handeln, nicht zu, vielmehr kommen in dieser Beziehung die Vor­ schriften der StPO. (§ 105) zur Anwendung. Erk. v. 29. Jan. 86, E. 13 S. 270. 61) Auch dieser Fall ist in die Forststrafliste aufzunehmen und durch Straf­ befehl zu erledigen. Siehe Rotering S. 81 u. folg. Wegen des Gerichtsstandes siehe § 21 Abs. 3. Das Verfahren stützt sich auf § 42 des StGB. Siehe auch §§ 47 7 ff. StPO. 62) Nicht die Strafvollstreckung. In den Fällen der §§ 6 u. 8 verjährt die Strafverfolgung also erst in fünf Jahren. § 67 des StGB. Im übrigen finden wegen des Beginnes der Verjährung und der Unter­ brechung derselben die allgemeinen Bestimmungen des StGB. Anwendung. 63) Im Falle der Konnexität sind auch die Strafkammern zuständig. R. 2 S. 693 u. E. 3 S. 157. 64) Vgl. § 211 der StPO. 65) Über die Ernennung der Amtsanwälte siehe § 63 des Ges. v. 24. April 78 in der Fassung vom 24. Febr. 13 sub III. 66) Vgl. § 77 des GVG. Die Strafkammern entscheiden hiernach über

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XI. Forftdiebstahlsgesetz §§ 20—23.

§ LV Für das Verfahren gelten, soweit nicht in diesem Gesetze abändernde Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften der Straf­ prozeßordnung über das Verfahren vor -en Schöffengerichten. 8 LI. Der Gerichtsstand ist nur bei demjenigen Amtsgerichte begründet, in dessen Bezirke die Zuwiderhandlung begangen ist. Ist der Ort der begangenen Zuwiderhandlung nicht zu ermitteln, oder ist die Zuwiderhandlung außerhalb des preußischen Staatsge­ biets begangen, so bestimmt der Gerichtsstand sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung.") Im Falte des § 17 ist der Gerichtsstand bei demjenigen Amts­ gerichte begründet, in dessen Bezirke das Holz gefunden worden ist.

- 8 22 In dem Verfahren vor dem Amtsgerichte") werden sämt­ liche Zustellungen") durch den Amtsrichter unmittelbar veranlaßt. Die Formen für den Nachweis der Zustellungen werden durch die Justizverwaltung bestimmt.") 8 23 Personen, welche mit dem Forstschutze betraut sind, können, sofern dieselben eine Anzeigegebühr nicht empfangen, ein- für allemal gerichtlich beeidigt werden,") wenn sie 1. Königliche Beamte sind,") oder 2. vom Waldeigentümer auf Lebenszeit, oder nach einer vom Landrat (Amtshauptmann, Oberamtmann) bescheinigten drei­ jährigen tadellosen Forstdienstzeit auf mindestens drei Jahre mittels schriftlichen Vertrages angestellt sind, oder 3. zu den für den Forstdienst bestimmten, oder mit Forstversorgungsschein entlassenen Militärpersonen gehören.") In ben Fällen der Nr. 2 und 3 ist die Genehmigung des Be­ zirksrats erforderlich.")

In denjenigen Landesteilen, in welchen das

die Berufungen in Forstdiebstahlssachen, auch wenn ein Vergehen vorliegt, in der Besetzung mit nur drei Mitglieder. 67) Vgl. die §8 8 ff. der StPO. 68) Also nut in erster Instanz, für die Berufungs- und resp. Revisionsnstanz treten die allgemeinen Bestimmungen ein. 69) Über das Verfahren bei Zustellungen gelten nach § 37 der StPO, die Bestimmungen der §§ 166 ff. der ZPO. 70) Siehe Anm. 38» zu § 37 StPO. 71) Darüber, ob die Voraussetzungen einer generellen Beeidigung vor­ liegen, entscheidet das Amtsgericht. § 24. Restr. v. 24. Febr. 91, VMBl. S. 47. 72) Welche Staatsbeamte den Forstschutz ausüben, ist angegeben bei Oehlschläger-Bernhardt S. 68 u. 69. Dalcke-Delius S. 142. 73) Siehe Oehlschläger-Bernhardt S. 69. 74) Vgl. die 88 16 u. 30 des Zuständ.Ges. v. 1. Aug. 83 (GS. S. 237) u. das Ges. betr. die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Holzungen v. 14. August 76 (GS. S. 373).

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 24—26

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Gesetz vom 26. Juli 1876 (GS. S. 297) nicht gilt, tritt an die Stelle des Bezirksrats die Regierung (Landdrostei). § 24. Die Beeidigung erfolgt bei dem Amtsgerichte, in dessen Bezirk der zu Beeidigende seinen Wohnsitz hat, dahin:75)76 daß er die Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz, welche den seinem Schutze gegenwärtig anvertrauten oder künftig anzuver­ trauenden Bezirk betreffen, gewissenhaft anzeigen, bei seinen gerichtlichen Vernehmungen über dieselben nach bestem Wissen die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hin-zusetzen, auch die ihm obliegenden Schätzungen unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen bewirken werde. Eine Ausfertigung des Beeidigungsprotokolls wird den Amts­ gerichten mitgeteilt, in deren Bezirke der dem Schutze des Beeidigten anvertraute Bezirk liegt. § 25. Ist eine in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen oder nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften zur Ermittelung von Forstdiebstählen beeidigte Person als Zeuge oder Sachverständiger zu vernehmen, so wird es der Eidesleistung gleichgeachtet,’•) wenn der zu Vernehmende die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den ein für allemal geleisteten Eid versichert.77)78 Diese Wirkung der Beeidigung hört auf, wenn gegen den Be­ eidigten eine die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nach

sich ziehende 'Verurteilung ergeht, oder die in Gemäßheit des § 23 erteilte Genehmigung zurückgezogen wird. § 26 Die mit dem Forstschutze betrauten Personen erstatten ihre Anzeigen an den Amtsanwalt schriftlich und periodisch. Sie haben zu diesem Zwecke Verzeichnisse zu führen, in welchen die ein­ zelnen Fälle unter fortlaufenden Nummern zusammenzustellen sind. Die Verzeichnisse werden dem Amtsanwalt in zwei Ausfertigungen eingereicht. In diese Verzeichnisse können von dem Amtsanwalt auch die anderwärts 7>) eingehenden Anzeigen eingetragen werden. Die näheren Vorschriften über die Aufstellung und die Ein­ reichung der Verzeichnisse ’•) werden von der Justizverwaltung er­ lassen?-)

75) Dieser Eid ersetzt nicht den Amtseid, die Leistung desselben ist aber von Erheblichkeit für das Recht des Waffengebrauchs der Forstbeamten. Siehe § 1 d. Ges. v. 31. März 1837 (GS. S. 65) abgedr. bei Görcke JO. S. 221. 76) Es bleibt aber dem Richter unbenommen, wenn er dies aus beson­ deren Gründen für erforderlich erachtet, ihnen den vollständigen Eid abzunehmen. 77) Die Versicherung hat der Vernehmung vorauszugehen. 78) d. h. Anzeigen, die von anderen Personen als den Forstschutzbeamten gemacht sind.

358

XI. Forstdiebstahlsgesetz § 27.

$ L7- Der Amtsanwalt erhebt b(e öffentliche Klage, indenr er bei Überreichung einer Ausfertigung des Verzeichnisses (g 26) den

Antrag auf Erlaß eines richterlichen Strafbefehls stellt und die be­ antragten Strafen nebst Wertersatz neben den einzelnen Nummern des Verzeichnisses vermerkt.") Der Erlaß eines Strafbefehls ist für jede Geldstrafe und die dafür im Unvermögensfalle festzusetzende Haftstrafe,»») sowie für den Wert­ ersatz und die verwirkte Einziehung zulässig.«») Der Strafbefehl muß die Eröffnung enthalten, daß er vollstreck­ bar werde, wenn der Beschuldigte nicht in einem, sogleich in dem Straf­ befehle anzuberaumenden, eintretendenfalls zugleich zur Hauptver­ handlung bestimmten Termine»») vor dem Amtsrichter erscheine und Einspruch erhebe. Die in dem Strafbefehle getroffene Festsetzung ist von dem Amts-

richter neben jeder Nummer des Verzeichnisses einzutragen und dem Angeklagten mit einem Auszuge aus dem Beczeichnisse zuzustellen. Die mit dem Forstschutz betrauten Personen,»») welche nach den An­ zeigen als Beweiszeugen auftreten sollen, sind durch ihre Vorgesetzten zu veranlassen, in dem anberaumten Termine zu erscheinen. Die sonst erforderlichen Zeugen sind zu demselben zu laden. 79) Vgl. über die Aufstellung der Forstdiebstahlsverzeichniffe die Reskr. v. 29. Juli 79 (JMBl. S. 221) u. v. 12. Septbr. 81 (JMBl. S. 182). Über die bezüglich der Privatförster einzureichenden Verzeichnisse stehe

ZirkulBerf. v. 15. Oktbr. 89, Müller S. 194, nach welcher drei Verzeichnisse einzureichen sind. 80) Die nicht am Sitze des Amtsgerichts oder nicht in dessen unmittelbarer Nähe (d. h. 2 Kilometer) wohnenden Forstamtsanwälte sollen in der Regel durch den am Sitz des Amtsgerichts wohnhaften Amtsanwalt vertreten werden. Reskr. v. 10. Febr. 91 u. v. 31. Dezbr. 94, Müller D. 196. 81) Die Vorschriften der StPO, finden hier keine Anwendung. 82) Siehe Anm. 13. 83) Aus dem Worte „zulässig" darf man nicht schließen, daß es in das Be­ lieben des Richters gestellt sei, einen Strafbefehl zu erlassen, oder sofort Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen, vielmehr muß ersteres geschehen, wenn nicht besondere Bedenken gegen das Mandatsverfahren obwalten. Lehnt der Richter den Erlaß des Strafbefehls ab und weigert er sich auch, Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen, so steht dem AmtSanwalt die Beschwerde zu. — Auch gegen Personen unter 18 Jahren kann ein Strafbefehl erlassen werden. 84) Der Einspruch kann nur in dem Termin erhoben werden. Ein vorher angebrachter schriftlicher Einspruch wird nicht berücksichttgt. Wird der Termin aufgehoben, etwa wegen verspäteter Zustellung, so kann der Einspruch natürlich auch noch in dem neuen Termine erhoben werden. Der Beschuldigte kann sich aber im Termine vertreten lassen. Schönfeld a. a. O. S. 95. 85) Auch die im Privatdienste stehenden, wie sich aus den Berhandl. des Landtages ergibt. Oehlschläger-Bernhardt S. 83.

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 28—31.

359

§28« Auf den Einspruch kann vor dem Termine verzichtet werden?«) Auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver­ säumung des Termins finden die §§ 44, 46 Abs. 1, 46 und 47 der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung. Wird dem Gesuche stattgegeben, so ist ein neuer Strafbefehl unter Aufhebung des früheren zu erlassen.

§ LA Über alle Einsprüche, sowie über alle Anträge, welche der Amtsrichter unter Ablehnung des Strasbefehls.,zur Hauptverhand­ lung gebracht hat, kann in einer Hauptverhandlung verhandelt und entschieden werden.") Das Protokoll über dieselbe wird nach den Nummern des Verzeichnisses geführt. Bon einem auf Verwerfung des Einspruchs lautenden Urteile««) wird dem Verurteilten nur die Urteilsformel zugestellt.««)

830- In den Fällen der §§ 6 und 8 findet der Erlaß eines Strafbefehls nicht statt. Der Amtsanwalt erhebt die öffentliche Klage durch Einreichung einer Anklageschrift, welcher ein Auszug aus dem Verzeichnisse (§ 26) beizufügen ist. Die Hauptverhandlung kann ohne Anwesenheit des Angeklagten erfolgen.««) 8 31. Wird gegen ein von dem Amtsrichter ohne die Zuziehung von Schöffen erlassenes Urteil die Berufung eingelegt,«*) so sind 86) Der Verzicht kann aber nicht mehr widerrufen werden; denn da der Einspruch an keine Frist geknüpft ist, der Termin aber, in welchem derselbe er­ hoben werden könnte, aufgehoben ist, so würde ja ein Widerruf des Verzichts zu jeder Zeit statthaft sein, was unmöglich hat die Absicht des Gesetzes sein können. Wird erst im Termin auf den Einspruch verzichtet, so ist dem Anträge gemäß zu verurteilen. Eichhorn bei Groschuff Anm. 1. Die Bestimmung des § 451 der StPO., wonach der.StA. bis zum Beginn der Hauptverhandlung die Klage fallen lasten kann, findet auch hier Anwendung. Schönfelda, a. O. S. 93. 87) Entfernt sich der Angeklagte aus der Hauptverhandlung oder erscheint er in einer fortgesetzten nicht wieder, so wird in Gemäßheit des § 230 der StPO, verfahren, es wird also nicht auf Verwerfung des Einspruchs erkannt. 88) d. h. wenn es ein Kontumazialurteil ist. Ein solches kann nur vor­ kommen, wenn die Sache im ersten Verhandlungstermine vertagt ist und der Angeklagte in dem späteren Termine ausbleibt, denn bleibt er in dem ersten aus, so liegt ja gar kein Einspruch vor. Wenn auch die Verurteilung konform dem Strafbefehle erfolgt, so ist doch nicht auf Verwerfung des Einspruchs zu erkennen. So jetzt-auch Eichhorn bei Groschuff Anm. 2. Vgl. Rotering S. 96. 89) Legt der Angeklagte Berufung ein, so muß ihm das Urteil mit Grün­ den zugestellt werden; § 357 der StPO. 90) Die §§ 231 u. 233 der StPO, finden hier keine Anwendung, die Ver­ handlung erfolgt in Abwesenheit des Angeklagten ohne Rücksicht auf die Höhe der Strafe. 91) Die Berufung findet in allen Fällen und ohne Rücksicht auf die Höhe der Strafe statt, die Revision ist dagegen nur in den Fällen der §§ 6 u. 8 des Ges. zulässig.

360

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 32—35.

zum Zwecke der Bildung besonderer Akten durch den Gerich IsschreiLer beglaubigte Auszüge aus den Men erster Instanz zu fertigen. § 32 Die Revision") gegen die in der Berufungsinstanz er­ lassenen Urteile ’8) findet nur statt,88) wenn eine der in den §1 6 und 8 vorgesehenen strafbaren Handlungen den Gegenstand der Unter­ suchung bildet.88) *§ 33 Die Vollstreckung der Strafbefehle und der Urteile erfolgt durch den Amtsrichter.88) § 34 Eine auf Grund dieses Gesetzes, ausgesprochene und ein­ gezogene Geldstrafe fließt dem Beschädigten au.87) Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf eine im Falle des § 8 erkannte Zusatzstrafe.88) Weist der Beschädigte im Falle der Nichteinziehbarkeit der Geld­ strafe Arbeiter.,88) welche den Erfordernissen des § 14 entsprechen, der Behörde nach, so soll der Verurteilte zu deren Leistung ungehalten werden.888) Diese Nachweisung ist nicht mehr zu berücksichtigen, so­ bald mit der anderweiten Vollstreckung der Strafe begonnen ist.888) 8 35. Der Amtsrichter ist befugt, wenn der Verurteilte zu der Gemeinde gehört, welcher die erkannte Entschädigung888) und Geld92) Für die Frage, ob die Revision zulässig, entscheidet nicht der vom Be­ rufungsrichter festgestellte, sondern vielmehr der von der Anklage behauptete Tatbestand.' Iohow 3 S. 233. 93) Auch der Haftbare wird zur Einlegung der Revision berechtigt sein Siehe Erk. v. 7. Juni 83, E. 8 S. 363. 94) Die Revision kann nur auf materielle Gesetzesverletzung gestützt werden mit der einzigen Ausnahme des Falles des § 398 der StPO. Siehe § 380 der StPO. 95) Zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision ist daS Kammergericht. § 50 des Ges. v. 24. April 78. 96) Siehe den Schlußsatz des § 483 der StPO. u. AB. v. 14. Aug. 79 (JMBl. S. 243). 97) Als eine Art Schadensersatz. Ebenso erhält der Geschädigte die Wert­ ersatzsumme. Siehe hierzu auch Rotering S. 100. Bezüglich der Vereinnahmung und Verrechnung resp. Abführung der ein­ gezogenen Strafen usw. siehe betr. der Privat- und Gemeindeforsten die Berf. v. 23. Jan. 54 (JMBl. S. 29); bezügl. der königl. Forsten Berf. v. 8. Juni u. 12. Juli 54 (JMBl. S. 306) u. v. 27. Mai 54 (JMBl. S. 275), ferner Berf. v. 14. April 68 (JMBl. S. 123) u. v. 27. Novbr. 70 (JMBl. S. 345). 98) Denn dies ist eine öffentliche Strafe. 99) d. h. nur solche, an denen er selbst ein Jntereffe hat. 100) Ob notwendige Voraussetzung ist, daß der Richter auf Zulassung von Arbeit erkannt hat, darüber siehe Anm. 52 zu 8 14. 101) Dem Minister für Landwirtschaft ist durch Merh. Erlaß v. 15. Dezbr. 80 (JMBl. 81 S. 31) die Ermächtigung erteilt, Geldstrafen bis zum Betrage von 30 Mark zu erlassen. Siehe § 3d b. AB. v. 26. Aug. 19 im Anhau­ unter la. \ 102) d. h. den Wertersatz.

XL ForstdiebstahlSgesetz §§ 36—39.

361

strafe zusällt, die Beitreibung dieser Entschädigung und Geldstrafe nebst den Kosten der Gemeindebehörde in der Art aufzutragen, daß sie die Einziehung auf dieselbe Weise zu bewirken hat, wie die Ein­ ziehung der Gemeindegefälle."») Es dürfen jedoch dem Verurteilten keine Mehrkosten erwachsen.

§ 36. Steht mit einer Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz ein nach § 361 Nr. 9 des Strafgesetzbuches strafbares Nichtabhalten von der Begehung von Forstdiebstählen im Zusammenhänge, so findet auch auf diese Übertretung das in diesem Gesetze vorgeschriebene Ver­ fahren Anwendung. g 37 Für das weitere Verfahren in den am Tage des Inkraft­ tretens dieses Gesetzes anhängigen Sachen finden die Vorschriften der §§ 8 u. ff. des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung ent­ sprechende Anwendung. g 38 Dieses Gesetz tritt mit dem in dem g 39 bezeichneten Zeit­ punkte an die Stelle des Gesetzes vom 2. Juni 1852, den Diebstahl an Holz und anderen Waldprodukten betreffend (GS. 1852 S. 305). Wo in einem Gesetze auf die bisherigen Bestimmungen über den Holz- (Forst-) Diebstahl verwiesen ist, treten die Vorschriften des gegen­ wärtigen Gesetzes an deren Stelle. g 39- Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungs­ gesetze in Kraft.

103) BO. v. 15. Novbr. 99 (GS. S. 545).

XII. preuß. Feld- und Forftpolizeigeseh. Vom 1. April 1880. (GS. S. 230.)

Mr Wilhelm rc. verordnen, mit Zustimmung der Heiden Häuser des Landtages Unserer Monarchie, für den ganzen Umfang derselben, was folgt: 1. Titel.

Strafbestimmungen.

8 1 Die in diesem Gesetzt mit Strafe bedrohten Handlungen unterliegen, soweit dasselbe nicht abweichende Vorschriften enthält, den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs. § 2. Für die Strafzumessung wegen Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz kommen als Schärfungsgründe in Betrachts) 1. wenn die Zuwiderhandlung an einem Sonn- oder Festtage oder in der Zeit von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang begangen ist; 2. wenn der Zuwiderhandelnde Mittel angewendet hat, um sich unkenntlich zu machen; 3. wenn der Zuwiderhandelnde dem Feld- oder Forsthüter, oder einem anderen zuständigen Beamtens) dem Beschädigten oder dem Pfändungsberechtigten seinen Namen oder Wohnort an­ zugeben sich geweigert oder falsche Angaben über feinen oder seiner Gehilfen Namen oder Wohnort gemacht, oder auf An­ rufen der vorstehend genannten Personen, stehen zu bleiben, die

Flucht ergriffen oder fortgesetzt hat;«) 1) Das Gesetz findet ebensowohl auf städtische wie auf ländliche Grundstück Anwendung. Vgl. auch Erk. v. 26. Oktbr. 82, E. 7 S. 190 u. R. 5 S. 30 u. S. 96 2) d. h. der Richter ist befugt, eine Strafschärfung eintreten zu lassen notwendig ist dieselbe nicht. Anders im Forstdiebst.-Ges. 3) Das ist der, welchem ein Recht zusteht, nach dem Namen zu fragen. Erk. v. 9. Febr. 88, E. 17 S. 224. 4) Bgl. die Anm. 17, 18 zu 8 3 Nr. 3 des Forstdiebst.-Ges. (unter XL) •5) Die einfache Weigerung genügt. Ist ein tätlicher Widerstand damit ver­ bunden, so kommt 8 17 oder die 8§ 113 ff. des StGB, zur Anwendung.

XII. Feld- und Forstpolizeigesetz §§ 3—5.

363

4. wenn der Täter die Aushändigung der zu der Zuwiderhand­ lung bestimmten Werkzeuge oder der mitgeführten Waffen ver­

weigert hat;«) 5. wenn die Zuwiderhandlung von drei oder mehr Personen in gemeinschaftlicher Ausführung begangen ist; 6. wenn die Zuwiderhandlung im Rückfalle begangen ist. § S Im Rückfalle (§ 2 Nr. 6) befindet sich, wer, nachdem er auf Grund dieses Gesetzes wegen einer in demselben mit Strafe be­ drohten Handlung im Königreiche Preußen vom Gerichte oder durch polizeiliche Strafverfügung rechtskräftig verurteilt worden ist,6)7inner 89 ­ halb der nächsten zwei Jahre dieselbe oder eine gleichartige strafbare Handlung, sei es mit oder ohne erschwerende Umstände, begeht. Als gleichartig geltens 1. die in demselben Paragraphen oder, falls ein Paragraph mehrere strafbare Handlungen betrifft, in derselben Paragraphennummer vorgesehenen Handlungen; 2. die Entwendung, der Versuch einer solchen und die Teilnahme (Mittäterschaft, Allstiftung, Beihilfe), die Begünstigung und die Hehlerei in Beziehung auf eine Entwendung.

§ 4 Die im § 57 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs bei der Verur­ teilung von Personen, welche zur Zeit der Begehung der Tat das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, vorge­ sehene Strafermäßigung findet bei Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz keine Anwendung.6) 8 5. Für die Geldstrafe, den Wertsersatz (§ 68) und die Kosten, zu denen Personen verurteilt werden, welche unter der Gewalt, der Aufsicht oder im Dienste eines anderen stehen und zu dessen Hausgenossenschaft gehören, ist letzterer im Falle des Unvermögens der Verurteilten für haftbar zu erklären, und zwar unabhängig von der etwaigen Strafe, zu welcher er selbst auf Grund dieses Gesetzes oder des g 361 Nr. 9 des Strafgesetzbuchs verurteilt wird. Wird fest­ gestellt, daß die Tat nicht mit seinem Wissen verübt ist,6) oder daß er sie nicht verhindern konnte, so wird die Haftbarkeit nicht aus­

gesprochen. 6) Rechtskräftige Verurteilung genügt, Strafverbüßung ist nicht notwendig. 7) Vgl. hierüber Eichhorn bei Gros chuff Nebenges. Anm. 3, 5 zu 8 3. 8) Vgl. hierzu § 1 des Ges. v. 2. Juli 00, wonach Personen, welche straf­ rechtlich nicht verfolgt werden können, auf Beschluß deS Borm.Ger. der Für­ sorgeerziehung überwiesen werden können, und bezüglich der Verpflichtung der Amtsanwälte, dem Borm.Ger. Mitteilung zu machen: § 20 d. AB. v. 29. April 07 (Anhang IV). 9) Hierüber entscheidet der Richter nach seiner Überzeugung.

364

Strafbestimmungen §§ 6, 7.

Hat der Täter noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet, so wird derjenige, welcher in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmung haftet, zur Zahlung der Geldstrafe, des Wertsersatzes und der Kosten als unmittelbar haftbar verurteilt. Dasselbe gilt, wenn der Täter zwar das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte und wegen Mangels der zur Erkenntnis der Strafbarkeit seiner Tat erforderlichen Einsicht freizusprechen ist, oder wenn derselbe wegen eines seine freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes straf­ frei bleibt. Gegen die in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen als haftbar Erklärten tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe nicht ein. § 6 Entwendungen,") Begünstigung und Hehlerei in Beziehung auf solche, sowie rechtswidrig und vorsätzlich begangene Beschädigungen (§ 303 des Strafgesetzbuchs) und Begünstigung in Beziehung auf solche unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann, wenn der Wert") des Entwendeten oder'der angerichteteSchader. hundertlla) Mark nicht übersteigt. § 7. Die Beihilfe zu eiltet nach diesem Gesetze strafbaren Ent­ wendung oder vorsätzlichen Beschädigung wird mit der vollen Strafe der Zuwiderhandlung bestraft. 10) a. Die Entwendung von Feldfrüchten, die sich an einem auf dem Acker Gelegenen Orte zur Aufbewahrung befinden, ist Diebstahl. Daher ist Diebstahl die Wegnahme von Kartoffeln aus einer Miete. Erk. v. 7. Febr. 82, E. 5 S. 385; selbst dann, wenn die Kartoffeln auf demselben Acker, auf dem sie geerntet sind, in die Miete eingeheimst sind. Erk.s 27. Novbr. 16, Recht 21 Nr. 304, aber nicht die Wegnahme von Kartoffeln, die auf dem Felde bereits in Säcke gefüllt, behufs demnächstiger Fortschaffung stehen. Erk. v. 9. März 08, E. 41 S. 159. Darauf, ob der Wert den Betrag von 10 Mark erreicht oder nicht, kommt es nicht an. Erk. v. 2. Novbr. 83, E. 9 S. 163. b. In Preußen kann eine Verurteilung wegen Diebstahls resp. Hehlerei nur erfolgen, wenn sestgestellt ist, daß die besonderen Strafbestimmungen des F. u. FPGes. ausgeschlossen sind. Erk. v. 26. April 81, R. 3 S. 249. 11) Bei Berechnung des Werts kommt der etwa durch die Entwendung an dem Holzbestande angerichtete Schaden nicht in Betracht. Erk. v. 16. Juni 03, E. 36 S. 311. Siehe auch Erk. v. Oktbr. 12, Recht 16 No. 3315. Beim Dieb­ stahl von Bäumen eines Parks ist der Wert lediglich des Holzes, nicht der Wert der Bäume als Bestandtelle des Parkes maßgebend. Erk. v. 13. Febr. 08, DIZ. 13 S. 429. Bei Obstbäumen kommt auch der Wert in Betracht, den sie in dieser Eigenschaft im Zeitpunkt der Tflt haben. Erk. v. 17. Febr. 20, E. 54 S. 243. Für die Wertsfeststellung ist lediglich der Zeitpunkt der Entwendung maßgebend. Erk. v. 22. Jan. 07, Recht IIS. 323. Bei gemeinschaftlichem oder fortge­ setztem Diebstahl ist der Gesamtwert des Entwendeten entscheidend. KG. v. 19. Mai 13, DIZ. 18 S. 1389. GA. 61 S. 366. Auf die allgemeine Geldent­ wertung ist keine Rücksicht zu nehmen. Erk. v. 4. März 20, E. 54 S. 143. 11a) Die Veränderung der Wertgrenze beruht auf dem Ges. v. 28. März 22 (GS. S. 69).

XII. Feld- und Forstpolizeigesetz 88 8—11.

365

§ 8 Der Versuch der Entwendung, die Begünstigung und Heh­ lerei in Beziehung auf eine Entwendung, sowie die Begünstigung in Beziehung auf eine nach diesem Gesetze strafbare vorsätzliche Be­ schädigung werden mit der vollen Strafe der Entwendung beziehungs­ weise vorsätzlichen Beschädigung bestraft. Die Bestimmungen des § 257 Absatz 2 und 3 des Strafgesetz­ buchs finden Anwendung. §9 Mit Geldstrafe bis zu zehn") Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des § 123 des Strafgesetzbuchs, von einem Grundstücke, auf dem er ohne Be­ fugnis sich befindet, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.") § 10. Mit Geldstrafe bis zu zehn") Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des § 368 Nr. 9 des Strafgesetzbuchs, unbefugt") über Grundstücke reitet, karrt, fährt, Vieh treibt, Holz schleift, den Pflug wendet oder über Acker, deren Bestellung vorbereitet oder in Angriff genommen ist, geht. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Der Zuwiderhandelnde bleibt straflos, wenn er durch die schlechte Beschaffenheit eines an dem Grundstücke vorüberführenden und zum gemeinen Gebrauch bestimmten Weges oder durch ein arideres auf dem Wege befindliches Hindernis zu der Übertretung genötigt worden ist.

§ 11 Mit Geldstrafe bis zu aetyu12)13Mark 14 15 oder mit Haft bis zu drei Tagen wird bestraft, wer außerhalb eingefriedigter Grundstücke sein Vieh") ohne gehörige Aufsicht oder ohne genügende Sicherung läßt. Diese Bestimmung kann durch Polizeiverordnung abgeändert werden. Eine höhere als die vorstehend festgesetzte Strafe darf jedoch nicht angedroht werden. 12) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 13) Der Tatbestand des Hausfriedensbruches (§ 123 StGB.) wird hier bezüglich des unbefugten Verweilens auch auf unbesriedete Grundstücke ausgedehnt. Vgl. Erk. v. 1. Novbr. 81, E. 5 S. 413, u. 2. Mai 64, R. 6 S. 332. 14)- Die Vorschrift darf nicht wie die des 8 11 durch PVO. abgeändert werden. KG. v. 14. Juni 09, DIZ. 14 S. 1270. Auch ein Polizei- oder Sicherheitsbeamter (Forstbeamter), der einen flüch­ tigen Verbrecher verfolgt und dabei fremde Grundstücke betritt, fällt nicht unter diesen §. — Bezüglich der Posten vgl. § 17 des RGes. v. 28. Oktbr. 71 (RGBl. S. 347). Das bloße Gehen über unbestellte Äcker ist überhaupt nicht strafbar.

Ebensowenig ist das Befahren von Privatgewässern strafbar. 15) Unter „Vieh" ist hier nicht bloß größeres Weidevieh, wie Rindvieh, Pferde, Schafe, Schweine rc. zu verstehen, sondern insbesondere auch Federvieh. Darunter auch Hunde und Katzen zu verstehen, dürfte der ratio legis nicht entsprechen.

366

Strafbestimmungen §§ 12—15.

Die Bestrafung tritt nicht ein, wenn nach den Umständen die Gefahr") einer Beschädigung Dritter nicht anzunehmen ist. § 1L Mit Geldstrafe bis zu zehn18 16)19 17 Mark 20 oder mit Haft bis zu drei Tagen wird der Hirt bestraft, welcher das ihm zur Beaufsichtigung anvertraute Vieh ohne Aufsicht oder unter der Aufsicht einer hierzu untüchtigen Person läßt. § 13 Die Ausübung der Nachtweide, des Einzelhütens, sowie der Weide durch Gemeinde- und Genossenschaftsherden wird durch Polizeiverordnung geregelt.") §14. Mit Geldstrafe bis zu fünfzig18) Markoder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft, wer unbefugt auf einem Grundstücke Bieh weidet. Die Strafe ist verwirkt, sobald das Bieh die Grenzen des Grundstücks, auf welchem es nicht gewejdet werden darf, überschritten hat, sofern nicht festgestellt wird, daß der Übertritt von der für die Beaufsichtigung des Viehes verantwortlichen Person nicht verhindert werden formte.18) Die Bestimmung des Absatzes 2 findet, wo eine Verpflichtung zur Einfriedigung von Grundstücken besteht, oder wo die Einfriedigung landesüblich ist, keine Anwendung. ß 16. Geldstrafe von fünf bis zu einhundertundfünfzig") Mark oder Haft tritt ein, wenn der Weidefrevel (§ 14) begangen wird. 1. auf Grundstücken, deren Betreten durch Warnungszeichen18) verboten ist; 2. auf eingefriedigten Grundstücken, sofern nicht eine Verpflichtung zur Einfriedigung der Grundstücke besteht, oder die Einfriedigung der Grundstücke landesüblich ist; 3. auf solchen Dämmen und Deichen, welche von dem Besitzer selbst noch mit der Hütung verschont werden; 4. auf bestellten88) Ackern oder auf Wiesen, in Gärten, Baum­

schulen, Weinbergen, auf mit Rohr bewachsenen Flächen, auf Weidenhegern, Dünen, Buhnen, Deckwerken, gedeckten Sand­ flächen, -Graben- oder Kanalböschungen, in Forstkulturen, Schonungen oder Saatkämpen; 5. auf Forstgrundstücken mit Pferden oder Ziegen. 16) Nur eine relativ nahe Gefahr, die eine nicht unvernünftige Besorgnis erregt, kann Beachtung finden. Rote ring, Feld- u. Forstpolizeiges. S. 18. 17) Bis zur Regelung dieser Angelegenheit durch Pol.Berordn. bleiben die Bestimmungen der Feldpol.O. v. 1. Novbr. 47 §§ 29 ff. in Kraft. 18) Daß das Bieh wirklich geweidet hat, ist nicht notwendig. 19) Solche Warnungszeichen kann jede Privatperson aufstellen. GA. 24 S. 470. 20) Bestellte Äcker sind solche, die bereits besäet oder bepflanzt sind; die bloße Beackerung für die-Saat genügt nicht.

OR. 9 S. 142 u. GA. 16 S. 375.

XU. Feld- und Forstpolizeigesetz §§ 16—18

367

§ 16. Ein wegen Weidefrevels rechtskräftig verurteilter Hirt kann von der Dienstherrschaft innerhalb vierzehn Tagen, von der rechtskräftigen Verurteilung an gerechnet, entlassen werden. § 17. Mit Geldstrafe bis zu enihundertundfüiifzitz*r) Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer eine rechtmäßige Pfändung (§ 77) vereitelt oder zu ver­ eiteln versucht;21)22 23 24 2. wer, abgesehen von den Fällen der §§ 113 und 117 des Straf­ gesetzbuchs, dem Pfändenden in der rechtmäßigen Ausübung seines Rechts (§ 77) durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet oder den Pfändenden während der rechtmäßigen Ausübung seines Rechts tätlich angreift; 3. wer, abgesehen von den Fällen der §§ 137 und 289 des Straf­ gesetzbuchs, Sachen, welche rechtmäßig in Pfand genommen sind (§ 77), dem Pfändenden in rechtswidriger Absicht weg­ nimmt;») 4. wer vorsätzlich eine unrechtmäßige Pfändung (§ 77) bewirkt'

§ 18. Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig») Mark oder mit Hast wird bestraft, wer Gartenfrüchte, Feldsrüchte») oder andere Bodenerzeugnisse») aus Gartenanlage,.») aller Art, Weinbergen, 21) Wer einen anderen durch Bedrohung »mit einem Verbrechen oder Ver­ gehen widerrechtlich nötigt, von der Pfändung abzustehen, ist nach § 240 des StGB, und nicht aus § 17 dieses Ges. zu bestrafen. Erk. v. 10. Oktbr. 82, E. 7 S. 116. Die Möglichkeit einer Gesetzeskonkurrenz besteht nur zwischen 8 240 StGB. u. § 17 Nr. 2 dieses Ges. 22) Die eigenmächtige Wegnahme des durch Private auf Grund des F. u. FPGes. gepfändeten Viehes durch den Eigentümer ist nicht nach § 289 des StGB., sondern nach § 17 Nr. 3 zu bestrafen. Erk. v. 4. Dezbr. 82, E. 7 S. 302. Ebenso Erk. v. 29. Jan. 83, E. 5 S. 66. Nach dem (ungedruckten) Urteil des KG. v. 8. Dzbr. 13 ist aber diese Strafvorschrift nur anwendbar, wenn die Voraussetzungen des §§ 137, 289 StBG. nicht gegeben sind. 23) Vgl. Anm. 11 zu § 6 dieses Ges. Die Entwendung von Buschwerk im Werte unter 10 Mark, welches auf einem Felde gewachsen und niedergehauen dort lagert, ist nach dem F.u.FPGes. zu bestrafen. Erk. v. 1. Juni 81, R. 3 S. 357. 24) Torf ist kein Bodenerzeugnis, sondern Bodenbestandteil. Die Ent­ wendung desselben fällt unter § 370 Nr. 2 des StGB. Ist der entwendete Torf bereits gestochen, so liegt gemeiner Diebstahl vor. Erk. v. 27. Juni 90, E 21 S. 27. Ebensowenig fällt die Entwendung von Weidenruten von An­ pflanzungen auf Anlandungen unter § 18. Erk. v. 25. Oktbr. 89, E. 20 S. 11. Siehe auch Anm. 4 zu 8 1 des Forstdiebst.Ges. Hierzu gehören auch Pflanzen, die aus anderem Boden übertragen find. Erk. v. 1. Novbr. 92, E. 23. S. 269. Als Bodenerzeugnis ist auch das Pflanzengebilde selbst anzusehen und zwar unabhängig davon, ob auS ihm die Erzielung eines Fruchtgenusses oder einer, sonstigen wirtschaftlichen Nutzung über-

368

Strafbestimmungen §§ 19, 20.

Obstanlagen, Baumschulen/ Saatkämpen,88) von Scfern,87) SBiefen,18) Weiden, Plätzen, Gewässern, Wegen oder Gräben entwendet?8) Liegen die Voraussetzungen des § 370 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs vor, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. 8 19. Geldstrafe von fünf bis zu einhundertundfünfzig") Mark oder Haft tritt ein, wenn die nach § 18 strafbare Entwendung be­ gangen wird 1. unter Anwendung eines zur Fortschaffung größerer Mengen geeigneten Gerätes, Fahrzeuges oder Lasttieres; 2. unter Benutzung von Äxien, Sägen, Messern, Spaten oder ähnlichen Werkzeugen; 3. aus einem umschlossenen Raume mittels Einsteigens; 4. gegen die Dienstherrschaft oder den Arbeitgeber; 5. an Kien, Harz, Saft, Wurzeln, Rinde oder Mittel- (Haupt)Trieben stehender Bäume, sofern die Entwendung nicht als Forstdiebstahl strafbar ist. 8 20 Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten tritt ein, wenn die nach 8 18 strafbare Entwendung begangen wird 1. unter Mitführung von Waffen; 2. aus einem umschlossenen Raume mittels Einbruchs; 3. dadurch, daß zur Eröffnung der Zugänge eines umschlossenen Raumes falsche Schlüssel oder andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge angewendet werden; 4. durch Wegnahme stehender Bäume, Frucht- oder Ziersträucher, sofern die Entwendung nicht als Forstdiebstahl strafbar ist; Haupt möglich ist oder nicht. Erk. v. 27. Oktbr. 11, E. 45 S. 200. Weiden­ zweige sind auch hierher zu rechnen. KG. v. 29. Oktbr. 94, GA. 42 S. 440. Der bloße Zweck, der Pflanze durch Unterbringung in den Boden Ernährung züzuführen, genügt nicht für den Begriff des Bodenerzeugniffes. Erk. v. 16. Jan. 02, E. 35 S. 67. 25) Dahin gehören unter Umständen auch Kirchhöfe. Erk.' v. 27. Oktbr. 96, E. 29 S. 138. Sind Blumen von einer Grabstätte entwendet, so ist die Anwendung des F. u. FPGes. nicht ausgeschloffen, wenn festgestellt werden kann, daß die Grabstätten gartenähnlich angelegt sind. Erk. v. 15. Jan. 83, R. 5 S. 30. Erk. v. 26. Oktbr. 82, E. 7 S. 190. Topfpflanzen, welche in Gartenanlagen aufgestellt sind, sind, wenn sie auch früher nicht in Töpfen gestanden haben, keine Bodenerzeugniffe im Sinne dieses § 18. Erk. v. 30. Juli 94, E. 26 S. 101. 26) Vgl. § 3 Nr. 9 des Forstdiebstahlsges. 27) Die Entwendung muß von den Äckern selbst geschehen, nicht aus Mieten, Diemen, Schobern rc. Siehe Anm. 10. 28) Unter Wiese ist eine Bodenfläche zu verstehen, welche eine wiederholte Grasnutzung gestattet und zu einer solchen besttmmt ist. GA. 41 S. 440. 29) § 252 des SiGB. findet auch auf den Fall der Entwendung im Sinne dieses § Anwendung. Erk. v. 5. März 86, E. 13 S. 391.

Strafbestimmungen §§ 21—24.

369

5. von dem Aufseher in dem seiner Aufsicht unterstellten Grund­ stücke. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe von fünf bis zu dreihundert Mark erkannt werden.") § 21 Auf Gefängnisstrafe von einer Woche bis zu einem Jahre

ist zu erkennen: 1. wenn im Falle einer Entwendung der Schuldigesich im dritte,i oder ferneren Rückfalle befindet; 2. wenn die Hehlerei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig be­ gangen ist?-) § 22 Bei Entwendungen (§§ 18 bis 21) finden die Bestim­ mungen des § 247 des Strafgesetzbuchs entsprechende Anwendung. § 23 In den Fällen der §§ 18 bis 21 sind neben der Geld­ strafe oder der Freiheitsstrafe die Waffen (§ 20), welche der Täter bei der Zuwiderhandlung bei sich geführt hat, einzuziehen, ohne Unter­ schied, ob sie dem Schuldigen gehören oder nicht.") In denselben Fällen können die zur Begehung der strafbaren Zuwiderhandlung geeigneten Werkzeuge, welche der Täter bei der Zu­ widerhandlung bei sich geführt hat, eingezogen werden, ohne Unterschied, ob sie dem Schuldigen gehören oder nicht. Die Tiere und andere zur Wegschaffung des Entwendeten dienenden Gegenstände, welche der Täter bei sich führt, unterliegen nicht der Einziehung. § 24 Mit Geldstrafe bis zu zehn") Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen der §§ 18 und 30, unbefugt 1. das auf oder an Grenzrainen, Wegen, Triften oder an oder in Gräben wachsende Gras oder sonstige Biehfutter abschneidet oder abrupft; 2. von Bäumen, Sträuchern oder Hecken Laub abpflückt oder Zweige abbricht, insofern dadurch ein Schaden entsteht.") 30) Auch in den Fällen her 88 19 u. 20 ist, wenn die Voraussetzungen des StGB. § 370 Nr. 5 vorliegen, ein Strafantrag notwendig. Erk. v. 13. Mai 87, E. 16 S. 63. Im Falle d. § 20 Nr. 5, in dem es sich um einen straferschwerenden Umstand handelt, ist Strafantrag nicht für erforderlich er­ achtet worden. KG. v. 5. Mai 87, Jvhow 7 S. 271. 31) Siehe § 260 StGB. u. die Anm. dazu. 32) Die Einziehung der Waffen muß erfolgen; bezüglich der im Abs. 2 ge­ dachten Werkzeuge unterliegt die Einziehung dem richterlichen Ermefsen, Tiere und Transportmittel dürfen nicht eingezogen werden. Der § 42 des StGB, (selbständige Einziehung ohne Verfolgung einer bestimmten Person) findet hier gleichfalls Anwendung und zwar nicht bloß bei den Vergehen aus den §§ 20 u. 21, sondern auch in den Fällen der 88 18, 33, 40 Nr. 1. Daude, Feld- u. Forstpolizeiges. (5. Aust.) S. 49. 33) Hierher gehört selbstverständlich jede Art des AbtrennenS, also auch

Dalcke, Strafrecht. 1«. Aust. (1922).

24

370

XII. Feld- und Forstpolizeigesetz §§ 25—28.

Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 5 L5 Mit Geldstrafe bis zu breifjifc12) Mark oder mit Haft bis zu einer Woche wird bestraft, wer unbefugt 1. Dungstoffe von Äckern, Wiesen, Weiden, Gärten, Obstanlagen

oder Weinbergen aufsammelt;") 2. Knochen gräbt oder sammelt;"") 3. Nachlese hält.") § LS Mit Geldstrafe bis zu fünfzig*") Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft, wer unbefugt"") 1. abgesehen von den Fällen des § 366 Nr. 7 des Strafgesetzbuchs, Steine, Scherben, Schutt oder Unrat auf Grundstücke wirft oder in dieselben bringt;"") 2. Leinwand, Wäsche oder ähnliche Gegenstände zum Bleichen, Trock­ nen oder anderen derartigen Zwecken ausbreitet oder niederlegt; 3. tote Tiere liegen läßt, vergräbt oder niederlegt; 4. Bienenstöcke aufstellt.

8 27."«) § 88. Mit Geldstrafe bis zu fünfzig*2) Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft, wer unbefugt ein Abschneiden. Ein Schaden wird sich in den seltensten Fällen feststellen lassen; ein solcher wird aber nicht bloß in der Zufügung eines vermögensrechtlichen Nachteils gefunden werden dürfen, sondern wird auch schon dann für vor­ liegend erachtet werden müssen, wenn nach dem Gutachten von Sachverständigen der Baum resp. Strauch rc. durch das Abbrechen von Zweigen und Laub in seiner Entwickelung und in seinem Wachstum gehemmt und resp, verunstaltet ist, ohne daß sich ein solcher Schaden gerade in einer bestimmten Geldsumme ausdrücken läßt. Vgl. D a u d e a. a. O. S. 52. § 24 Nr. 2 findet auch aus Forstgrundstücke Anwendung. Mot. 34) Nur das Aufsammeln des auf den Feldern zerstreut umherliegenden Düngers fällt unter diesen §. Die Wegnahme von Dünger, der in zusammen­ gefahrenen Haufen auf dem Felde liegt, ist Diebstahl. Erk. v. 16. Dezbr. 90, E. 21 S. 245. Vgl. auch OR. 9 S. 152 u. GA. 45 S. 430. 34 a) Dahin gehört nicht das Sammeln abgeworfener Wildstangen. I o h o w 18 S. 282. 35) Nachlese ist das unbefugte Aufsammeln von Feldfrüchten nach völlig beendeter Ernte. Steht das Getreide noch in Stiegen auf dem Felde, so fällt das Ährenlesen unter § 18. 35 a) Unbefugt kann auch der Eigentümer gegenüber dem Nutzungsberech­ tigten handeln. GA. 53 S. 306. 36) Bezüglich des Werfens von Steinen auf die Chaussee siehe die 88 11, 17 u. 21 der zusätzlichen Bestimmungen zum Chauffeegeldtarif v. 29. Febr. 40 (GS. S. 94). Das Aussäen größerer Unkrautmengen kann hierunter fallen u. zugleich auch Sachbeschädigung sein. KG. v. 28.Sptbr. 14, Johow 46 S. 368. 36 a) Aufgehoben durch 8 399 des Wassergesetzes vom 7. April 13 (GS. S. 53). Das Röten von Flachs und Hanf ist jetzt durch 8 20 des letzteren Ges. verboten. Wegen Verunreinigung des Wassers siehe 88 375, 376 d. Ges.

Strafbestimmungen §§ 29, 30.

371

1. fremde auf dem Felde zurückgelassene Ackergeräte gebraucht; 2. die zur Sperrung von Wegen oder Eingängen in eingefriedigte Grundstücke dienenden Vorrichtungen öffnet oder offen stehen läßt;

3. Gruben auf fremden Grundstücken anlegt. §29. Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig") Mark oder mit Hast wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des § 367 Nr. 12 des Strafgesetzbuchs, den Anordnungen der Behörden zuwider es unterläßt:") 1. Steinbrüche, Lehm-, Sand-, Kies-, Mergel-, Kalk- oder Ton­ gruben, Bergwerksschachte, Schürflöcher oder die durch Stock­ roden entstandenen Löcher, zu deren Einfriedigung oder Zuwerfung er verpflichtet ist, einzustiedigen oder zuzuwerfen;88) 2. Öffnungen, welche er in Eisflächen gemacht hat, durch deutliche Zeichen zur Warnung vor Annäherung zu verwahren. § 30. Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig") Mark oder mit Hast wird bestraft, wer unbefugt 1. abgesehen von den Fällen des § 305 des Strafgesetzbuchs, fremde Privatwege oder deren Zubehörungen beschädigt oder verunreinigt oder ihre Benutzung in anderer Weise erschwert;")

2. auf ausgebauten öffentlichen40 37)41 38 oder 42 39 Privat wegen die Banquette) (GS. S. 65.) Zweiter Abschnitt.

Fischereiberechttguug. § 12. (3) Unzulässig sind Maßnahmen, die den Zweck haben, die Rück­ kehr der Fische in das Gewässer oder das Fischen auf den überfluteten Grundstücken zu hindern.

Dritter Abschnitt.

Ausübung -es Fischereirechts.

§ 35. (1) In einem offenen Gewässer dürfen, unbeschadet der §§ 3, 34, keine Vorrichtungen getroffen werden, die den Zweck haben, den Wechsel der Fische zu verhindern. Der Regierungspräsident kann aus polizeilichen oder wirtschaftlichen Rücksichten, namentlich für den Fisch­ fang, vorübergehend Ausnahmen gestatten. Ausnahmen zum Zwecke

des Betriebes der Fischereiwirtschaft sind nur auf Grund von § 3 zulässig. (2) Durch ständige Fischereivorrich tungen darf ein offenes Ge­ wässer zum Zwecke des Fischfangs nicht auf mehr als die halbe Brette der Wasserfläche, bei gewöhnlichem Wasserstande vom Ufer aus ge­ messen, für den Wechsel der Fische versperrt werden. Solche Vorrich­ tungen dürfen einander nicht so nahe sein, daß sie den Wechsel der x) Das Ges. ist am 15. April 17 in Kraft getreten. BO. v. 27. März 17 (GS. S. 50). Hierzu ist die Ausführungsanweisung vom 16. März 1918 (abgedr. bei Görcke, Das preußische Fischereigesetz-Nachtrag) ergangen.

25*

388

XIII. Fischereigesetz § 92.

Fische erheblich beeinträchtigen. Nähere Bestimmungen können durch Polizeiverordnung getroffen werden. (3) Abs. 2 gilt in Grenzgewässern nur so weit, als im Nachbar­ land ebenso verfahren wird; auch kann der Minister für Landwirt­ schaft, Domänen und Forsten ihn zeitweilig für solche Gewässer außer Kraft setzen, die nicht ausschließlich dem preußischen Staatsgebiet an­ gehören. (4) Die schon bestehenden ständigen Fischereivorrichtungen unter­ liegen diesen Vorschriften nicht, wenn der Fischereiberechtigte ein Recht auf deren Benutzung hat. (5) Ständige Fischereivorrichtungen sind solche, die unter dauern­ der Befestigung am Ufer oder im Bett ins Gewässer eingebaut sind, namentlich feststehende Fischwehre, Fischzäune, Fischfallen. Die Eigen­ schaft der Vorrichtung als einer ständigen wird dadurch nicht ausge­ schlossen, daß das angebrachte Fanggerät entfernt werden kann Freistehende Pfähle gelten nicht als ständige Fischereivorrichtungen

Sechster Abschnitt.

Fischereischeine und Erlaubnisscheine. 8 92.

(1) Wer den Fischfang ausübt, muß einen auf seinen Namen lautenden Fischereischein bei sich führen. (2) Ein Fischereischein*) ist nicht erforderlich: 1. für Gehilfen, die mit dem Fischereiberechtigten, Fischereipächter oder Inhaber eines Erlaubnisscheins zusammen den Fischfang ausüben; 2. zum freien Fischfang in der Nord- und Ostsee, einschließlich der offenen Meeresbuchten, soweit sie nicht im Eigentums stehen; 3. zum Fischfang in Gewässern, die dem Fischereiberechtigten ge­ hören und vollständig von Grundstücken desselben begrenzt sind, sowie in künstlichen Fischteichen, die mit einem Wasser­ laufe nur dadurch in Verbindung stehen, daß sie mittels künst­ licher Vorrichtungen aus ihm gefüllt oder in ihn abgelassen werden. 2) Siehe Ministerialerlaß vom 16. März 1917 betr. Fischereischein (abgedr. bei Görcke).

XIII. Wscheretqesetz §§ 93—96.

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§ 93. Zuständig für die Erteilung des Fischereischeins ist die Fischerei­ behörde, in deren Bezirke der Antragsteller den Fischfang ausüben will. Der Fischereischein wird für das Kalenderjahr ausgestellt und gilt für das ganze Staatsgebiet.

§ 94. Wird der Inhaber eines nach § 93 ausgestellten Fischereischeins plötzlich behindert, so kann der für den Ort der Fischereiausübung zuständige Gemeinde- (Guts-) Vorsteher einen auf höchstens zwei Wochen lautenden Fischereischein für den Vertreter ausstellen. Die Ausstellung des Vertretungsscheins hat er sogleich der Fischerei­ behörde anzuzeigen. Diese kann den Schein zurückziehen.

§ 95. Fischereischeine sind gebühren- und stempelfrei.

§ 96. (1) Der Fischereischein kann versagt werden:

1. Personen, die nicht glaubhaft machen können, daß sie als Fischereiberechtigte, Fischereipächter oder Inhaber eines Er­ laubnisscheins zur Ausübung der Fischerei im Bezirke der Fischereibehörde befugt sind; für Fischereiberechtigte, deren Fischereirecht im W.rsserbuch eingetragen ist (§ 11), gilt diese Vorschrift nicht; 2. Personen, die nicht Fischereiberechtigte sind, wenn sie in den letzten drei Jahren rechtskräftig verurteilt sind

a) wegen Diebstahls, Unterschlagung, Hehlerei, Jagd- oder Fischereivergehens oder Widerstandes gegen einen Fischerei­ beamten oder amtlich verpflichteten Aufseher (§ 119 Abs. 7) aus § 113 des Reichsstrafgesetzbuchs oder aus den §§ 117 bis 119 daselbst. b) wegen einer Straftat, die zugleich mit Polizeiaufsicht, Ehr­ verlust oder Überweisung an die Landespolizeibehörde (§ 362

StrGB.) bedroht ist;

3. Personen, die keinen Wohnsitz im Deutschen Reiche haben. (2) Nach Abs. 1 Nr. 2 kann der Fischereischein nur wegen solcher Straftaten versagt werden, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes be­ gangen sind.

390

XIH.Fischereigeseb K 97, 98.

(3) Wenn Tatsachen, welche die Versagung rechtfertigen, erst nach Erteilung des Fischereischeins eintreten oder zur Kenntnis der Be­ hörde kommen, so kann der Fischereischein dem Empfänger entzogen und wieder abgenommen werden. (4) Bor Ablauf von zwölf Monaten seit der rechtskräftigen Ver­ sagung, Entziehung oder Anordnung der Wiederabnahme des Scheines kann ein Antrag auf Neuerteilung nicht gestellt werden, es sei denn, daß schon vorher der gesetzliche Grund für die frühere Entscheidung weggefallen ist.

§ 97. Personen, die nicht die Reichsangehörigkeit besitzen, kann nur der Regierungspräsident einen Fischereischein ausstellen. Er kann den Schein auch unter der Bedingung erteilen, daß eine Person, welche die preußische Staatsangehörigkeit besitzt und in Preußen ihren Wohn­ sitz hat, selbstschuldnerisch bürgt. Der Bürge haftet für den Schaden, den der Inhaber nach § 15 zu ersetzen, sowie für Unkosten und Geld­ strafen, die er nach diesem Gesetz oder fischereipolizeilichen Vorschriften verwirkt hat. Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidenten ist nur die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 98. (1) Wer in einem Gewässer, in dem er nicht Fischereiberech­ tigter oder Fischereipächter ist, den Fischfang ausübt, muß einen Er­ laubnisschein des Berechtigten oder Pächters bei sich führen. (2) Der Fischereipächter darf Erlaubnisscheine außer an seine Ge­ hilfen und angestellten Fischer nur mit Ermächtigung deZ Fischerei­ berechtigten ausstellen. Der Fischereiberechtigte, der die Ermächtigung an den Pächter erteilt, ist selbst nicht mehr zur Ausstellung solcher Scheine befugt. Fischereiberechtigte und Pächter können die Ausstellung an ihrer Statt einem Bevollmächtigten übertragen. (3) Ein Erlaubnisschein ist nicht erforderlich: 1. zum Fischfang in Gegenwart des nach Abs. 2 zur Ausstellung befugten Fischereiberechtigten oder Fischereipächters; 2. z.um Fischfang in Gewässern, für die es keines Fischereischeins nach § 92 Abs. 2 Nr. 3 bedarf. (4) Wer nur berechtigt ist, zum häuslichen Gebrauche zu fischen, darf nur mit Genehmigung der Fischereibehörde Erlaubnisscheine zur Ausübung dieses Rechtes ausstellen. Stellt er einen Schein aus so darf er während dessen Geltung nicht selbst Fische fangen. (5) Erlaubnisscheine für Personen, die nicht die Reichsangehörig-

XIII. Wschereigesetz §§ 99, 100.

391

leit besitzen, dürfen nur mit Genehmigung des Regierungspräsidenten ausgestellt werden. (6) Der Erlaubnisschein muß auf die Person, auf ein oder meh­ rere bestimmt zu bezeichnende Gewässer und auf eine nicht länger als drei Jahre bemessene bestimmte Zeit lauten sowie genaue Angaben über die Fanggeräte und Fahrzeuge enthalten. (7) Für offene Gewässer kann der Regierungspräsident die Zahl der Erlaubnisscheine festsetzen, auch zur Erhaltung des Fischbestandes die Ausstellung zeitweise verbieten oder auf bestimmte Fischarten oder Fangmittel beschränken. Für Gehilfen und Angestellte Fischer des Fischereiberechtigten und Pächters gilt dies nicht. (8) Erlaubnisscheine, die nicht von einer öffentlichen Behörde oder einem öffentlichen Beamten innerhalb seiner Amtsbefugnisse oder von dem Borstand einer Wirtschaftsgenossenschaft ausgestellt sind, müssen von dem Gemeinde- (Guts-) .Vorsteher einer der Gemeinden (Guts­ bezirke), in deren Bezirke die Fischerei ausgeübt werden soll, beglau­ bigt werden. Dies geschieht gebühren- und stempelfrei.

Siebenter Abschnitt.

Sezrichnuug der zum Fischfang -ieueudeu Fischerzeugr.

8 99. Soweit nicht die gesetzlichen Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See gelten, kann durch Polizeiverord­ nung bestimmt werden, daß und wie die in offenen Gewässern aus­ liegenden Fahrzeuge, Fanggeräte und Fischbehälter als solche kennt­ lich zu machen sind.

Achter Abschnitt.

Schutz brr Fischerei. Erster Titel.

Allgemeine Vorschriften.

§ 100. Beim Fischfang ist die Anwendung schädlicher oder explodieren­ der Stoffe (giftiger Köder, Mittel zur Betäubung oder Vernichtung der Fische, Sprengpatronen oder anderer Sprengmittel usw.) ver­ boten. Für geschlossene Gewässer kann der Regierungspräsident Aus­

nahmen zulassen.

392

XHL Fischereigesetz §8 102, 103, 106.

§ 102. (1) Werden auf Grund eines nach dem ,§§ 379, 380 des Wasser gesetzes aufrecht erhaltenen Rechts in ein Gewässer flüssige Stoffe eingeleitet, welche die Fischerei wesentlich beeinträchtigen, so sönne« die Fischereiberechtigten verlangen, daß der Unternehmer der An­ lage Einrichtungen trifft, die geeignet sind, die nachteiligen Wirkungen zu beseitigen oder zu verringern, soweit solche Einrichtungen wirtschaft­ lich gerechtfertigt sind und den Betrieb des Unternehmens nicht wesent­ lich beeinträchtigen. Über solche Einrichtungen beschließt der Bezirks­

ausschuß. (3) Abs. 1 gilt sinngemäß auch für Fischereiberechtigte in Ge­ wässern, auf die das Wassergesetz keine Anwendung findet. Für Küstenvewässer, in denen keine Fischereirechte bestehen, können durch Polizei­ gerordnung Bestimmungen getroffen werden.

8 103. Durch Polizeiverordnung kann bestimmt werden, daß Fisch­ gewässer nur zu einer bestimmten Zeit oder bis zu einem be­ stimmten Maß abgeleitet werden dürfen und daß der zur Ableitung Berechtigte dem Fischereiberechligten den Beginn und die voraussicht­ liche Dauer einer beabsichtigten Ableitung bestimmte Zeit vorher an­ zuzeigen hat. Besondere Rechte werden hierdurch nicht berührt.

§ 106. (1) Vorbehaltlich der §g 100, 107 bis 114 können durch Polizei­ verordnung Bestimmungen über folgende -Gegenstände getroffen werden: 1. das Mindestmaß der Fische; 2. die Schonzeiten der Fische, die Verbote und Beschränkungen des Fischens während der Schonzeiten und die Behandlung der während der Schonzeiten gefangenen Flsche; 3. weilergehende Verbote und Beschränkungen hinsichtlich der Aus­ setzung, des Fanges und der Versendung von Fischen sowie hinsichtlich der Art und Beschaffenheit der Fanggeräte; 4. die aus Rücksichten auf den öffentlichen Verkehr und die Schiff­ fahrt sowie zur Vermeidung gegenseitiger Störung der Fischer und zur Erleichterung der Anfsichtsführung beim Fischfang zu beobachtende Ordnung; 5. die Abfischung von Gewässern; 6. die Bekämpfung von Fischkrankheiten;

7. das Aussetzen ausländischer Fische;

XIII. Fischereigesetz §§ 107,108. 8. die Art und Zeit der Werbung von Wasserpflanzen (Rohr, Schilf, Binsen usw.);

9. den Schutz der Fischfuttertiere; 10. den Schutz des Fischlaichs; 11. das Einlässen von Enten in Fischgewässer; 12. den Schutz von Fischteichen und Fischzuchtanstalten mit zuge­

hörigen Anlagen. (2) Nicht berührt werde,! durch Abs. 1 Nr. 3 Rechte auf die Be­ nutzung ständiger Fischereivorrichtungen sowie auf den Gebrauch eines anderen bestimmten Fangmittels, wenn der Fischereiberechtigte nur mit diesem die Fischerei ausüben darf. (3) Angeln außerhalb geschlossener Ortschaften darf durch Polizei­ verordnung für Sonn- und Feiertage nicht weiter beschränkt werden als für Wochentage. (4) Für geschlossene Gewässer gelten die Nrn. 2 bis 7 nicht, die Nrn. 8 bis 12 nicht dem gegenüber, dem die Ausübung des Fischerei­ rechts zusteht. Nr. 1 gilt nicht für Fischbrut und Besatzfische, die aus Fischzuchtanstalten oder geschlossenen Gewässern stammen und zur Be­

setzung anderer Gewässer bestimmt sind. (5) Vor Erlaß einer Polizeiverordnung nach 9tbf. 1, 3 sollen Be­ teiligte gehört werden.

§ 107. (1) Ist der Fang von Fischen unter einem bestimmten Maße verboten (§ 106 Abs. 1 Nr. 1), so dürfen solche Fische im Geltungsbereiche des Verbots unter diesem Maße weder feilgeboten, noch vertaust, noch zur Beförderung gebracht werden. Durch Polizeiverord­ nung können für offene Gewässer Bestimmungen getroffen werden, daß die Fische auch nicht an Land gebracht, aufbewahrt oder zu bestimmten Zwecken verwandt werden dürfen und wie nach der Anlandung mit ihnen zu verfahren ist. (2) Dasselbe gilt, wenn der Fang einzelner Fischarten verboten ist, für die Fische dieser Arten während der Verbotszeit sowie für Fische, die ausschließlich mit besonders eingerichteten Fanggeräten ge­ fangen werden, während der Verbotszeit dieser Fanggeräte. (3) Der Regierungspräsident kann zu wissenschaftlichen, gemein­ nützigen und wirtschaftlichen Zwecken Ausnahmen von Abs.. 1, 2 ge­

statten.

§ 108. Während der Dauer der Schonzeiten (8 106 Abs. 1 Nr. 2) müssen ständige Fischereivorrichtungen (§ 35 Abs. 5) in offenen Gewässern

394

Xin. Fischereigesetz 88 109, 111, 112, 118.

beseitigt oder abgestellt sein. Soweit die Rücksicht auf die Erhaltung des Fischbestandes es gestattet, kann der Regierungspräsident Aus­ nahmen zulassen.

§ 109. Außerhalb der Grenzen des freien Fischfangs darf niemand auf Wasserfahrzeugen unverpackte oder nicht als Frachtgut oder Reise­ gepäck beförderte Fischereigeräte mit sich führen, es sei denn, daß er in dem Gewässer fischereiberechtigt ist oder sich auf dem Wege zwischen seinem Wohnort und einem Gewässer befindet, in dem er den Fisch­ fang ausüben darf.

Zweiter Titel. Schonbezirke.

§ 111. In Fischschonbezirken ist jede Art des- Fischfangs verboten, die der Regierungspräsident nicht aus den Gründen des § 107 Abs. 3 an­ ordnet oder gestattet. In Laichschonbezirken gilt dies nur für die Laichzeit der Fischarten, für die der Schonbezirk angeordnet ist.

§ 112. In Laichschonbezirken muß während der Laichzeit der zu schonenden Fischarten die Räumung, das Mähen von Schilf und Gras, die Entnahme von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Kies und Steinen sowie jede andere der Fortpflanzung der Fische gefährliche Störung unterbleiben, soweit nicht der Regierungspräsident aus den Gründen des § 107 Abs. 3 Ausnahmen zuläßt. Enten dürfen wäh­ rend der Laichzeit nicht in Laichschonbezirke emgelassen werden.

Dritter Titel.

Fischwege.

§ 118. (1) In den Fischwegen ist jede Art Fischfang verboten. (2) Auch ober- und unterhalb des Fischweges muß für die Zeit, während welcher er geöffnet ist, der Fischfang in einer den örtlichen Verhältnissen angemessenen Ausdehnung verboten werden. Der Re­ gierungspräsident bestimmt die Strecken. Er kann aus den Gründen des § 107 Abs. 3 Ausnahmen zulassen. Werden durch das Verbot Fischereirechte beeinträchtigt, so hat Entschädigung der zu leisten, der den Fischweg unterhält.

XIII. Fischereigesetz 88 125-127.

395

Zehnter Abschnitt.

Strafoorschristerr. § 125. Mit Geldstrafe bis zu dreißig8) Mark oder Hast bis zu einer Woche wird bestraft: 1. wer entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes (§§ 92 bis 98) den Fischereischein8) oder Erlaubnisschein nicht bei sich führt; 2. wer verbotswidrig (§ 98 Abs. 2, Abs. 4 bis 7) Erlaubnisscheine ausstellt; 3. wer Fischerzeuge ohne die vorgeschriebenen Kennzeichen (§ 99) auslegt.

§ 126. Mit Geldstrafe bis zu sechzig8) Mark oder Haft bis zu zwei Wochen wird bestraft: wer den Fischfang ausübt, ohne den vorgeschriebenen Fischerei­ schein (§ 92) oder Erlaubnisschein (§ 98) zu besitzen.

§ 127. Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig8) Mark oder Haft wird bestraft: 1. wer Maßnahmen trifft, die den Zweck haben, die Rückkehr der Fische in ein über seine Ufer getretenes Gewässer oder das Fischen auf den überfluteten Grundstücken zu hindern (§ 12 Abs- 3); 2. wer entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes den Wechsel der Fische8) verhindert oder ein Gewässer über die Hälfte der Breite versperrt (§ 35); 3. wer beim Fischen verbotene8) Stoffe anwendet (§ 100); 4. wer entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes ständige Fischereivorrichtungen^) nicht rechtzeitig beseitigt oder abstellt (§ 108); 3) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 4) Wenn ein Amtsvorsteher einem Angler das Angelgerät deshalb be­ schlagnahmt, weil dieser ihm die Vorzeigung des Fischereischeins verweigert, befindet er sich in der rechtmäßigen Ausübung seines Amts. KG. v. 13. Febr. 20, Johow 52 S. 407. 5) Es ist ein vollständiges Hindern oder Sperren des Fischwechsels er­ forderlich. (Herrenhdrucks. 9lo. 27 A ©. 71.) Görckefischereigesetz Anm. 2. 6) Fischen mit Dynamitpatronen fällt nicht unter das Sprengstossgesetz. Siehe das Anm. 16 unter VI zit. Erk. v. 22. Jan. 86. 7) Das sind solche, die für eine längere Dauer bzw. für eine unbestimmte

396

XIII. Fischereigesetz §§ 128—130.

5. wer verbotswidrig auf Wasserfahrzeugen Fischereigeräte mit­ führt (§ 109); 6. wer in Schonbezirken verbotswidrig die Fischerei ausübt (§ 111) oder den besonderen Schutzvorschriften für Laichschon­ bezirke (§ 112) zuwiderhandelt; 7. wer in Fisch wegen sowie in den Teilen darunter und darüber, die dem Fischfang entzogen sind, fischt (§ 118).

8 128. (1) Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig*) Mark oder Hast wird ferner bestraft: wer den Bestimmungen auf Grund des § 102 Abs. 3, der §§ 103, 106 oder dem § 107 zuwiderhandelt. (2) Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen auf Grund des § 106 und des § 127 Nr. 5, 6 kann neben der Strafe auf Ein­ ziehung der mitgeführten Fanggeräte erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. (3) Die entgegen dem § 107 feilgebotenen, verkauften oder zur Beförderung gebrachten Fische sind einzuziehen, auch wenn keine be­ stimmte Person verfolgt oder verurteilt wird.

8 129. Wer sich bei einer Fischereiübertretung einer Person, die zu seinem Haushalte gehört oder in einem Dienstverhältnis zu ihm fteot, als Teilnehmers bedient, haftet, wenn diese Person nicht zah­ lungsfähig ist, für die über sie verhängte Geldstrafe und die ihr auf­ erlegten Kosten neben der Strafe, die er selbst verwirkt hat.

§ 130. Durch die §§ 125 bis 129 werden die Fischereibehörden nicht ge­ hindert, nach § 132 Nr. 2 des Landesverwaltungsgesetzes Geld­ strafen zur Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung anzudrohen und festzusetzen. Zeit angebracht sind. Nicht gehört zum Begriff der Ständigkeit, daß alle ihre einzelnen Teile stets vorhanden sind. (OLG. Oldenburg v. 6. Juni 10 Oldenb. Z. 38, 235. Delius, Das Fischereigesetz Anm. 1.)

XIV. Vozelschuhgeseh. Reichsgesetz bett, den Schutz von Vögeln. Bom 22. März 1888 (RGBl. S. 111) in der Fassung vom 30 Mai 1908 (RGBl. S. 317).1)2 3 4 5

§ !♦ Das Zerstören und das Ausheben von Nestern 2) oder Brut­ stätten der Vögel, das Zerstören und Ausnehmen von Eiern, das Ausnehmen und Töten von Jungen ist verboten^ Desgleichen ist der Ankauf, der Verkauf, die An- und Verkaufs­ vermittelung, das Feilbieten, die Ein-, Aus- und Durchfuhr und der Transport der Nester, Eier und Brut der in Europa einheimischen Bogelarten untersagt?) Dem Eigentümer und dem Nutzungsberechtigten und deren Be­ auftragten steht jedoch frei, Nester, welche Vögel in oder an Wohn­ häusern oder anderen Gebäuden und im Innern von Hofräumen ge­ baut haben, zu zerstören. Auch findet das Verbot keine Anwendung auf das Einsammeln, den Ankauf, Verkauf, die Ay- und Verkaufsvermittelung, das Feil­ bieten, die Ein-, Aus- und Durchfuhr uirb den Transport der Eier von Möwen und Kiebitzen, soweit es nicht durch Landesgesetz*) oder durch landespolizeiliche Anordnung auf die Eier dieser Vögel für be­ stimmte Orte oder für bestimmte Zeiten ausgedehnt wird. § 2. Verboten ist ferner: a) jede Art des Fangens von Vögeln, solange der Boden mit Schnee° bedeckt ist; 1) Das Gesetz in der geänderten Fassung gilt seit dem 1. September 1908 Seine Vorschriften beziehen sich auf alle nicht jagdbaren Vögel. Hinsichtlich der jagdbaren Vögel finden die Vorschriften der Jagdordnung (X) Anwendung. 2) Unter Nestern sind auch leere Nester zu verstehen, jedoch nicht verlassene, z. B. Nester von Zugvögeln im Winter. Stenglein-Galli, Strafrechtliche Nebengesetze Anm. 1. 3) Nester und Eier von Vogelarten, die außerhalb Europas heimisch sind, z. B. japanische Schwalbennester und Eier von Kanarienvögeln können in Deutsch­ land vertrieben werden. Görcke, Jagdordnung S. 162 Anm. 2. 4) Für Preußen siehe § 42 der Jagdordnung. 5) Es genügt eine dünne kurzzeitige Schneelage. Stenglein-Galli Anm. 1.

398

XIV. Reichsgesetz, betreffend den Schutz von Vögeln §§ 3—5. b) das Fangen von Vögeln mittels Leimes und Schlingen^

c) das Fangen und die Erlegung von Vögeln zur Nachtzeit mit Netzen oder Waffen; als Nachtzeit gilt der Zeitraum, welcher eine Stunde nach Sonnenuntergang beginnt unb eine Stunde vor Sonnenuntergang endet; d) das Fangen von Vögeln mit Anwendung von Körnern oder­ anderen Futterstoffen, denen betäubende oder giftige Bestandteile beigemischt sind, oder unter Anwendung geblendeter Lockvögel; e) das Fangen von Vögeln mittels Fallkäfigen und Fallkästen, Reusen, großer Schlag- und Zugnetze, sowie mittels beweg­ licher und tragbarer, auf dem Boden oder quer über das Feld, das Niederholz, das Rohr oder den Weg gespannter Netze. Der Bundesrat ist ermächtigt, auch bestimmte andere Arten des Fangens sowie das Fangen mit Vorkehrungen, welche eine Massen­ vertilgung von Vögeln ermöglichen, zu verbieten. § 3. In der Zeit vom 1. März bis zum 1. Oktober ist das Fangen und die Erlegung von Vögeln sowie der Ankauf, der Ver­ kauf und das Feilbielen/) die Vermittelung eines hiernach verbotenen An- und Verkaufs, die Ein-, Aus- und Durchfuhr von lebenden sowie toten Vögeln der in Europa einheimischen Arten überhaupt, ebenso der Transport solcher Vögel zu Handelszwecken untersagt. Dieses Verbot erstreckt sich für Meisen, Kleiber und Baumläufer auf das ganze Jahr. Der Bundesrat ist ermächtigt, das Fangen und die Erlegung bestimmter Bogelarten sowie das Feilbieten und den Verkauf derselben auch außerhalb des im Abs. 1 bestimmten Zeitraums allgemein oder für gewisse Zeilen oder Bezirke zu untersagen.

8 4. Dem Fangen im Sinne dieses Gesetzes wird jedes Nach­ stellens zum Zwecke des Fangens oder Tötens von Vögeln, insbesondere das Aufstellen von Netzen, Schlingen, Leimruten oder anderen Fang­ vorrichtungen gleich geachtet. 8 6. Vögel, welche dem jagdbaren Feder- und Haarwild und dessen Brut und Jungen sowie Fischen und deren Brut nachstellen, dürfen nach Maßgabe der landesgesetzlichen Bestimmungen über Jagd und Fischerei von den Jagd- oder Fischereiberechtigten und deren

Beauftragten getötet werden?) 6) Demnach dürfen Vogelhändler in dieser Zeit geschützte Vögel nicht in den Läden zum Verkauf ausstellen. Görcke, Anm. 20. Feilbieten und Ver­ kauf wird in der Regel als eine fortgesetzte Handlung aufzufassen sein. S teng lein-Galli Anm. 6 zu 8 6; 7) Nicht jedes Nachstellen ist strafbar, sondern nur dasjenige, für welches die bezüglich des Fangens erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. OLG. Breslau v. 28. März 99, GA. 50 S. 339 (Repertorium).

XIV. Reichsgesetz, betreffend den Schutz von,Vögeln §§ 6, 7.

399

Wenn Bögel in Weinbergen, Gärten, bestellten Feldern, Baum­ pflanzungen, Saalkämpen und Schonungen Schaden anrichten, können die von den Landesregierungen bezeichneten Behörden den Eigen­

tümern und Nutzungsberechtigten der Grundstücke und deren Beauf­ tragten oder öffentlichen Schutzbeamten (Forst- und Feldhütern, Flur­

schützen usw.), soweit dies zur Abwendung dieses Schadens notwendig ist, das Töten solcher

Bögel mit Feuerwaffen innerhalb der be­

troffenen Örtlichkeiten auch während der int § 3 Abs. 1 bezeichneten Frist gestatten.*)

Das Feilbieten und der Verkauf der auf Grund

solcher Erlaubnis erlegten Bögel sind unzulässig,

Ebenso können die im Abs. 2 bezeichneten Behörden einzelne Ausnahmen von den Bestimmungen in §§ 1 bis 3 dieses Gesetzes zu

wissenschaftlichen oder Lehrzwecken, zur Wiederbevölkerung mit einzelnen Bogelarten, sowie für Stubenvögel für eine bestimmte Zeit und für bestimmte Örtlichkeiten bewilligen.

Der Bundesrat

bestimmt die näheren Voraussetzungen, unter

welchen die im Abs. 2 und 3 bezeichneten Ausnahmen statthaft sein sollen.

Bon der Vorschrift unter . 8 2a kann der Bundesrat für be­

stimmte Bezirke eine allgemeine Ausnahme gestatten.

§6

Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes

oder gegen die von dem Bundesrat auf Grund derselben erlassenen Anordnungen werden mit Geldstrafe bis zu

einhundertundfünfzig**)

Mark oder mit Haft bestraft.") Der gleichen Strafe unterliegt, wer es unterläßt, Kinder oder

andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, von der Übertretung dieser Vorschriften abzuhalten.")

87.

Neben der Geldstrafe oder der Haft kann auf die Einziehung

der verbotswidrig in Besitz genommenen, feilgebotenen oder verkauften

Bögel, Nester, Eier, sowie auf Einziehung der Werkzeuge erkannt

werden, welche zum Fangen oder Töten der Bögel, zum Zerstören oder Ausheben der Nester, Brutstätten oder Eier gebraucht oder be-

8) Soweit diese Vögel eine Schonzeit haben, muß diese innegehalten werden und, soweit sie jagdbar sind (§ 1 JO.), dürfen sie von dem Fischereiberechtigten über­ haupt nicht erlegt werden. Siehe auch § 48 der JO. 9) § 228 BGB. schließt auch gegenüber dem Bogelschutzgesetz die Rechts­ widrigkeit aus. OLG. Darmstadt v. 7. März 02, GA. 50 S. 187 (Repertorium). Siehe hiergegen aber Stenglein-Galli Anm. 2. 9 a) Siehe § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 10) Hierdurch ist die Vorschrift des § 368 Nr. 11 StGB, beseitigt. Den Vogelfang auf fremden Grundstücken stellt § 33 F. u. FPG. (XII) unter Strafe. 11) Siehe § 361 Nr. 9 StGB.

400

XIV. Reichsgesetz, betreffend den Schutz von Bügeln §§ 8, 9.

stimmt waren, ohne Unterschied, ob die einzuziehenden Gegenstände dem Verurteilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so können die im vorstehenden Absätze bezeichneten Maßnahmen selbständig erkannt werden.") § 8 Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung a) auf das im Privateigentums befindliche Federvieh;") b) auf die nach Maßgabe der Landesgesetze jagdbaren Vögel; c) auf die in nachstehendem Verzeichnis aufgefü^rten Bogelarten: Tagraubvögel mit Ausnahme derTurmfalken,Schreiadler,") Seeadler,") Bussarde und Gabelweihen (rote Milane), Uhus,") Würger (Neuntöter),") Sperlinge (Haus- und Feldsperlinge), Rabenartige Vögel (Rabenkrähen, Nebelkrähen, Saatkrähen, Eister.l, Eichel äher), Wildtauben (Ringeltauben, Hohltauben, Turteltauben),") Wasserhühner (Rohr-") und Bleßhühner), Reiher (eigentl. Reiher, Nachtreiher ober gtotyrbommelti),")16) Säger (Sägetaucher, Tauchergänse),") alle nicht im Binnenlands brütenden Möwen,")") Kormorane,") Taucher (Eistaucher und Haubentaucher), jedoch gilt auch für die vorstehend unter a, b, c bezeichneten Vögel das Verbot des Fangens mittels Schlingen.") § 9 Die landesrechtlichen Bestimmungen, welche zum Schutze der Vögel weitergehende Verbote enthalten,") bleiben unberührt. Dle aus Grund derselben zu erkennenden Strafen dürfen jedoch den Höchst­ betrag der in diesem Gesetz angedrohten Strafen nicht übersteigen. 12) Dies ist eine Ergänzung der Vorschrift der §§ 40, 42 StGB., welche das sog. objektive Strafverfahren nur bei Verbrechen und Vergehen zulaffen. 13) Hierzu gehören auch die in Volieren, zoologischen Gärten usw. gehaltenen Vögel, bei denen durch Verwahrung das Privateigentum gekennzeichnet ist. SteNglein-Galli Anm. 2. 14) Diese Vögel sind in Preußen jagdbar. Bon den Reihern ist der graue Reiher nicht jagdbar: 8 1 der JO. 15) Diese Vögel sind jetzt durch PVO. v. 30. Mai 21 (siehe Anm. 50 zu XII) das ganze Jahr geschützt und zwar die Reiher mit Ausnahme der Fischreiher. 16) Diese Vögel sind durch die in voriger Anm. gen. PVO. in der Zeit vom 1. März bis 31. August geschützt. 17) Hiermit ist auch der Schlingenfang der jagdbaren Krammetsvögel und die Ausübung des Dohnenstieges verboten, § 41 Abs. 2 JO. ausgehoben. 18) Nur soweit sind die landesrechtlichen Bestimmungen stehen geblieben, als sie einen über dies Gesetz hinausgehenden Schutz gewähren.

XV. Gewerbeordnung für das deutsche deich?) Bom 21. Juni 1869. (RGBl. 1900 S. 871.)

Ettel I.

Allgemeine Seflimmunge«.

5 1 Der Betrieb eines Gewerbes») ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen») vorgeschrieben oder zugelassen finb.41) 2 3 Wer gegenwärtig zum Betrieb eines. Gewerbes berechtigt ist, kann von demselben nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil er den Er­ fordernissen dieses Gesetzes nicht genügt. 1) Der Text des Ges. entspricht der durch die Bekanntm. des Reichskanzlers v. 26. Juli 1900 veröffentlichten Fassung, zu der die Ermächtigung durch Art. 17 deS Ges. v. 30. Juni 1900 (RGBl. S. 321) erteilt ist. Ausf.Anw. z. GO. v. 1. Mai 08 (GMBl. S. 123). 2) Gewerbebetrieb liegt vor, wenn eine erlaubte Berufs- und ErwerbSart mit der Absicht des Erwerbes und fortgesetzt (berufsmäßig) ausgeübt wird. Stenglein-Lindenberg Anm. 1 zu § 1. Es ist eine fortgesetzte öftere Tätigkeit erforderlich, die erkennbar das Ergebnis eines Entschluffes bildet, der­ artige Handlungen öfters zum Zwecke des Erwerbes vorznnehmen. In einer Einzelhandlung, kann ein Gewerbebetrieb nur dann gesunden werden, wenn sie erkennen läßt, daß andere Handlungen stattgefunden haben oder beabsichtigt werden. KG. v. 13. Febr. 02, I. 23 S. 93. In jedem Falle aber muß die Tätigkeit auf Erzielung eines Gewinnes gerichtet sein, weshalb Kasinos, Konsum­ vereine und dergleichen kein Gewerbe betreiben, auch nicht Konsumvereine. KG. v. 17. Dezbr. 00, Johow 21 A. S. 77. 3) Eine polizeiliche Regelung des Gewerbebetriebes im Interesse der öffent­ lichen Wohlfahrt ist nicht ausgeschloffen. OBG. v. 21. März 77, Entsch. 2 S. 392, Erk. v. 17. April 81, E. 7 S. 309. Landesgesetzl. Vorschriften über die Art der Ausübung deS Geschäfts eines Masseurs sind rechtsgültig. Erk. b. 2. Mai 04, E. 37 S. 175. 4) Verträge, durch welche sich ein Kontrahent dem anderen gegenüber Be­ schränkungen der Gew.Freiheit unterwirft, sind der Regel nach ungültig, doch ist es für statthaft erachtet daß der eine Kontrahent sich verpflichtet, an einem be­ stimmten Orte und während einer bestimmten Zeit ein Gewerbe nicht zu betreiben, Erk. des RG. in Zivs. v. 5. Dezbr. 79, E. 1 S. 22; v. 6. Dezbr. 02, E. 53. S. 561 u. OLG. Marienwerder v. 9. Ottbr. 05, DIZ. 12 S. 664.

Dalcke, Straftecht.

16. Aufl.

(1922).

26

402

XV. Gewerbeordnung §§ 2—6.

§ 2. Die Unterscheidung zwischen Stadt und Land in bezug auf den Gewerbebetrieb und die Ausdehnung desselben hört auf. § 3. Der gleichzeitige Betrieb verschiedener Gewerbe sowie des­ selben Gewerbes in mehreren Betriebs- und Berkau fsstätt em ist ge­ stattet. Eine Beschränkung der Handwerker auf den Berkaus der selbst­ verfertigten Waren findet nicht statt. § 4 Den Zünften und kaufmännischen Korporationen ein Recht, andere von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu. § 5. In beu Beschränkungen des Betriebs einzelner Gewerbe, welche auf den Zoll-, Steuer- und Postgesetzen beruhen, wird durch das gegenwänige Gesetz nichts geändert. § 6 Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung») auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken/) die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische') und Notariatspraris, den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunter­ nehmer und Answanderungsagenten/) der Bersicherungsurrternehmer •) und der Eilenbahnunternehmungen,") die Befugnis zum Halten öffent­ licher Fähren und Die Rechtsverhältnisse 'der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen.") — Auf das Bergwesen, die Ausübung der Heil­ kunde, den Berkaus von Arzneimitteln,"*) den Vertrieb von Lotterie5) Die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Nebengewerbe fallen nicht unter die Bestimmungen der GewO. (z. B. FlachSschwingerei). Erk. v. 14. Jan. 89, E. 18 S. 371, E. 22 S. 288, GA. 43 S. 139. Treten aber die Nebengewerbe in die Reihe der selbständigen Gewerbebetriebe ein, so findet die GewO. Anwendung. Vgl. Erk. v. 14. Juni 81, E. 18 S. 371 u. v. 11. Juni 03, E. 36 S. 305. Gärtnereien unterstehen an sich der GO. § 154 Ziff. 4 schließt nur die Anwendung bestimmter Vorschriften aus. Karlsruhe v. 22. Juli 21, JurW. 51 S. 140. 6) Bezüglich der Anlegung von Apotheken sind lediglich die Landesges. maß­ gebend. GA. 46 S. 58. Ein Apothekenbetrieb liegt nicht schon dann vor, wenn jemand einzelne den Apotheken vorbehaltene Waren feilhält. Erk. d. KG. v. 16. Oktbr. 05, DIZ. 10 S. 1174. Siehe Apotheker-Betriebsordnung v. 18. Febr. 02, Med. M. Bl. S. 69. 7) Vgl. jetzt § 157 Ads. 4 ZPO. u. dazu die AV. des Justizmin. v. 25. Septbr. 99 (JMBl. S. 272). 8) Der Gewerbebetrieb dieser Personen ist geregelt durch das Ges. v. 9. Juni 97 (RGBl. S. 463). Dazu Bekanntm. des Reichskanzlers v. 14. März 98 (RGBl. S. 39 u. 57), sowie 23. Aug. 03 (RGBl. S. 274). Siehe auch Erk. v. 28. Jan. 10, E. 43 S. 210. 9) Siehe Ges. v. 12. Mai 01 (RGBl. S. 139) über die privaten Bersicherungsunternehmungen. 9 a) Siehe Eisenbahn-Verkehrs- Ordnung v. 23. Dezbr. 08 (RGBl. 09 S. 93). 10) Siehe die Seemannsordn. v. 2. Juni 02 (RGBl. S. 175); abgeändert durch Ges. v. 23. März 03 u. 12. Mai 04 (RGBl. S. 57 bzw. 167). 10 a) Ein nach den Vorschriften des Arzneibuchs u. des Weingesetzes her­ gestellter Kognak ist ein Arzneimittel. KG. v. 21. Septbr. 14, I o h o w 46 S. 333.

Allgemeine Bestimmungen § 7.

403

losen und die Viehzucht findet das gegenwärtige Gesetz nur insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält. Durch Kaiserliche Verordnung wird bestimmt, welche Apothekerwaren dem freien Verkehre zu überlassen sind.") 87. Bom 1. Januar 1873 ab sind, soweit die Landesgesetze solches nicht früher verfügen, aufgehoben: 1. die noch bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen,

d. h. die mit dem Gewerbebetriebe verbundenen Berechtigungen, anderen den Betrieb eines Gewerbes, sei es im allgemeinen oder hinsichtlich

der Benutzung eines gewissen Betriebsmaterials, zu untersagen oder sie darin zu beschränken;") 2. die mit den ausschließlichen Gewerbeberechtigungen verbun­ denen Zwangs- und Bannrechte, mit Ausnahme der Abdeckereibe­ rechtigungen;") 3. alle Zwangs- und Bannrechte, deren Aufhebung nach dem Inhalte der Berleihungsurkunde ohne Entschädigung zulässig ist; 4. sofern die Aufhebung nicht schon infolge dieser Bestimmungen eintritt, oder sofern sie nicht auf einem Vertrage zwischen Berechtigten und Verpflichteten beruhen: a) das mit dem Besitz einer Mühle, einer Brennerei oder Brenn­ gerechtigkeit, einer Brauerei oder Braugerechtigkeit, oder einer Schank­ stätte verbundene Recht, die Konsumenten zu zwingen, daß sie bei beit Berechtigten ihren Bedarf mahlen oder schroten lassen, oder das Ge­ tränk ausschließlich von denselben beziehen (der Mahlzwang, der

Branntweinzwang oder der Brauzwang); b) das städtischen Bäckern oder Fleischern zustehende Recht, die Einwohner der Stadt, der Vorstädte oder der sogenannten Bannmeile zu zwingen, daß sie ihren Bedarf an Gebäck oder Fleisch ganz oder

teilweise von jenen ausschließlich entnehmen; 5. die Berechtigungen, Konzessionen zu gewerblichen Anlagen oder

zum Betriebe von Gewerben zu erteilen, die dem Fiskus, Korpora­ tionen, Instituten oder einzelnen Berechtigten zustehen; 11) Siehe VO. betr. den Verkehr mit Arzneimitteln v. 22. Okt. 01, v. 31. März 11, v. 18. gebt. 20 u. v. 21. April 21 (RGBl. S. 380,181, 253, 490). 12) Eine PolBerordn., welche jedem von mehreren amtlich bestellten Fleisch­ beschauern eine ausschließliche Gewerbeberechtigung für einen bestimmten Bezirk erteilt, ist ungültig. Johow 2 S. 272, vgl. auch ebenda 1 S. 189. Doch kann eine Gemeindeverwaltung aus gesundheitspolizeilichen Gründen ihren Gemeindemitgliedern die Benutzung gewisser Einrichtungen, w. z. B. bei FäkalienAbfuhr, zur Pflicht machen. GA. 54 S. 104. 13) Siehe Ges. über Aufhebung und Ablösung des Abdeckereiwesens v. 17. Dezbr. 72 (GS. S. 717) u. RG. betr. die Beseitigung von Tierkadavern vom 17. Juni 1911 (RGBl. S. 248).

404

XV. Gewerbeordnung §§ 8—11a.

6. vorbehaltlich der an den Staat und die Gemeinde zu ent­ richtenden Gewerbesteuern, alle Abgaben, welche'für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden, sowie die Berechtigung, dergleichen Ab­ gaben aufzuerlegen. Ob und in welcher Weise den Berechtigten für die vorstehend aufgehobenen ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, Zwangs- und Bannrechte rc. Entschädigung zu leisten ist, bestimmen die Landes­ gesetze. 8 8 Bon dem gleichen Zeitpunkt (§ 7) ab unterliegen, soweit solches nicht von der Landesgesetzgebung schon früher verfügt ist, der Ablösung: 1. diejenigen Zwangs- und Bannrechte, welche durch die Be­ stimmungen des § 7 nicht aufgehoben sind, sofern die Verpflichtung auf Grundbesitz haftet, die Mitglieder einer Korporation als solche betrifft, oder Bewohnern eines Ortes oder Distrikts vermöge ihres Wohnsitzes obliegt; 2. das Recht, den Inhaber einer Schankstätte zu zwingen, daß er für seinen Wirtschaftsbedarf das Getränk aus einer bestimmten Fabrikationsstätte entnehme. Das nähere über die Ablösung dieser Rechte bestimmen die Landesgesetze.

8 9- Streitigkeiten darüber, ob eine Berechtigung zu den durch die 83 7 und 8 aufgehobenen oder für ablösbar erklärten gehört, sind im Rechtswege zu entscheiden. Jedoch bleibt den Landesgesetzen Vorbehalten, zu bestimmen, von welchen Behörden und in welchem Verfahren die Frage zu entscheiden ist, ob oder tvie weit eine auf einem Grundstücke haftende Abgabe eine Grundabgabe ist, oder für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden muß. 8 10. Ausschließliche Gewerbeberechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche durch Gesetz aufgehoben oder für ablösbar erklärt worden sind, können fortan nicht mehr erworben werden. Realgewerbeberechtigungen dürfen fortan nicht mehr begründet werden. 8 11. Das Geschlecht begründet in Beziehung auf die Befugnis zum selbständigen Betrieb eines Gewerbes keinen Unterschied.") 8 11a, Betreibt eine Ehefrau, für deren güterrechtliche Verhält­ nisse ausländische Gesetze maßgebend sind, im Jnlande selbständig ein 14) Durch Art. 36oes EG. z. BGB. ist der Abs. 2 deS § 11 der GewO, aufgehoben und statt besten der oben mitgeteilte § 11 a eingeschoben.

Allgemeine Bestimmungen §§ 12—14.

405

Gewerbe, so ist es auf ihre Geschäftsfähigkeit in Angelegenheiten des -Gewerbes ohne Einfluß, daß sie Ehefrau ist. Soweit die Frau infolge des Güterstandes in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt ist, finden die Vorschriften des § 1405 des BGB. Anwendung. Hat die Frau ihren Wohnsitz nicht im Jnlande, so ist der Einspruch des Mannes gegen den Betrieb des Ge­ werbes und der Widerruf der erteilten Einwilligung in das Güter­ rechtsregister des Bezirkes einzutragen, in welchem das Gewerbe be­ trieben wird. Betreibt die Frau das Gewerbe mit Einwilligung des Mannes oder gilt die Einwilligung nach § 1405 Abs. 2 des BGB. als erteilt, so haftet für die Verbindlichkeiten der Frau aus dem Gewerbebetrieb ihr Vermögen ohne Rücksicht auf die dem Manne kraft des Güter­ standes zustehenden Rechte; im Falle des Bestehens einer ehelichen Gütergemeinschaft haftet auch das gemeinschaftliche Vermögen. § 12 Hinsichtlich des Gewerbebetriebes der juristischen Personen des Auslandes bewendet es bei den Landesgesetzen.'°) Diejenigen Beschränkungen, welche in betreff des Gewerbebetriebs für Personen des Soldaten- und Beamtenstandet") sowie deren An­ gehörige bestehen, werden durch das gegenwärtige (Gesetz nicht berührt. § 13. Bon dem Besitze des Bürgerrechts soll die Zulassung zum Gewerbebetrieb in keiner Gemeinde und bei keinem Gewerbe ab­

hängig sein. Nach dem begonnenen Gewerbebetrieb ist, soweit dies in der be­ stehenden Gemeindeverfassung begründet ist, der Gewerbetreibende auf Verlangen der Gemeindebehörde nach Ablauf von drei Jahren ver­ pflichtet, das Bürgerrecht zu erwerben. Es darf jedoch in diesem Falle von ihm das sonst vorgeschriebene oder übliche Bürgerrechtsgeld nicht gefordert und ebenso nicht verlangt werden, daß er sein ander­ weit erworbenes Bürgerrecht aufgebe.

Titel n.

Stehender Gewerbebetrieb.

I. Allgemeine Erfordernisse. § 14. Wer den selbständigen") Betrieb eines stehenden") Ge­ werbes ansängt, muß der für den Ort, wo solches geschieht, nach 15) Siehe jetzt §§ 23, 24 des BGB. u. Art. 10 des EG. zu letzterem. 16) Siehe Wehrgesetz v. 23. März 21 (RGBl. S. 329) § 31 u. Reichsbeamtenges. v. 31. März 73 (RGBl. S. 61) § 16. Für Preußen gilt noch § 59 der GewO. v. 17. Jan. 45; ferner siehe MinBerf. v. 15. März u. 24. April 71 (BMBl. S. 118 u. 153), wonach die Ortsschulzen kein Schankgewerbe betreiben sollen, u. Reskr. v. 19. Mai 79 (BMBl. S. 158) wegen Musikmachens der Be­ amten.

406

XV. Gewerbeordnung § 15.

den Landesgesetzen zuständigen Behörde") gleichzeitig Anzeige davon machen Diese Anzeige liegt auch demjenigen ob, welcher zum Be­ trieb eines Gewerbes im Umherziehen (Titel III) befugt ist. Außerdem hgt, wer Versicherungen für eine Mobiliar- oder Jmmobiliar-Feuerversichemngs-Anstalt als Agent oder Unteragent vermitteln will, bei Übernahme der Agentur, und derjenige, welcher dieses Geschäft wieder aufgibt, oder welchem die Versicherungsanstalt den Auftrag wieder entzieht, innerhalb der nächsten acht Tage der zu­ ständigen Behörde seines Wohnorts davon Anzeige zu machen. Buchund Steindrucker, Buch-und Kunsthändler, Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitungen und Bildern haben bei der Eröffnung ihres Gewerbebetriebs das Lokal desselben sowie jeden späteren Wechsel des letzteren spätestens am Tage seines Eintritts der zuständigen Behörde ihres Wohnorts anzugeben.") $ 1L Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Em­ pfang der Anzeige. Die Fortsetzung des Betriebs kann polizeilich verhindert wer­ den,") wenn ein Gewerbe, zu dessen Beginn eine besondere Ge­ nehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung begonnen wird. 17) Selbständig ist jeder Gewerbebetrieb, welcher für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortlichkeit betrieben wird, auch wenn der Eigentümer deS Lokals dem Gewerbetreibenden bezüglich der Art und des Umfanges deS Be­ triebes vertragsmäßig gewisse Beschränkungen auferlegt haben sollte. I o h o w 7 S. 207, GA. 21 S. 299 u. 22 S. 135. Die Erteilung einer Schankerlaubnis ist für den Begriff nicht bestimmend. OLG. Posen v. 13. Mai 11, GA. 60 S. 333. Der Betrieb einer Warenhauskanttne gehört nicht hierher. DIZ. 7 S. 582. Wer ein Gewerbe ohne Auftrag und ohne Borwiffen eines anderen betreibt, haftet auch dann als selbständiger und allein verantwortlicher Unter­ nehmer, wenn er den Gewinn diesem anderen zuwendet (Lagerhalter eines Konsumvereins). KG. v. 4. Jan. 06, DIZ. 11 S. 265. 18) Zum Betriebe eines stehenden Gewerbes ist eine Gewerbsanlage nicht erforderlich. Erk. v. 18. Dezbr. 84, E. 11 S. 309. Siehe auch GA. 58 S. 255. 19) Das ist in Preußen die Gemeindebehörde. OR. 14 S. 624. 20) Die Anzeige muß für jeden Gewerbebetrieb besonders gemacht werden, OR. 16 S. 84. Auch das Betriebslokal muß bezeichnet und jede Veränderung deS letzteren angezeigt werden. Erk. des OBG. v. 18. Dezbr. 84, E. 11 S. 318. 21) Vgl. Erk. deS KG. v. 9. Dezbr. 80, Johow 1 S. 183. — Der In­ haber eines Bergnügungsetabliffements betreibt durch den Verkauf von Anstchtspostkarten kein von seinem Wirtschaftsbetrieb getrenntes Gewerbe. GA. 49 S. 356. 22) Siehe über die Wegnahme von Gasthausschildern. Erk. des OBG. v. 1. Aug. 76, E. 1 S. 319. Auch ein noch nicht begonnener Betrieb kann ge­ hindert werden. Über den von der Polizeibehörde auszuübenden Zwang stehe Erk. des OBG. v. 7. April 77, E. 2 S. 295 u. 3. April 79, E. 5 S. 278, sowie Erk. v. 19. Mai 97, E. 32 E. 290, wo die Unzulässigkeit der Verbindung von Zwangsmitteln ausgesprochen yitb. Auch ein Zwang durch Derstegelung der

Stehender Gewerbebetrieb §§ 15 a, 16.

407

$ 15a. Gewerbetreibende, die einen offenen gaben,s) haben oder Gast- oder Schankwirt schäft betreiben, sind verpflichtet, ih-en Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen"*) an der Außenseite.oder am Eingänge des Ladens oder der Wirtschaft in deutlich lesbarer Schrift anzubringen. Kaufleute, die eine Handelsfirma führen, haben zugleich die Firma in der bezeichneten Weise an dem Laden oder der Wirtschaft anzu­ bringen; ist aus der Firma der Familienname des Geschäftsinhabers mit dem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die An­ bringung der Firma. Aus offene Handelsgesellschaften, Korn nianditgesellsch aften und Kommanditgesellschaften auf Aktien finden diese Vorschriften mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Namen der persönlich haftenden Gesellschafter gilt, was in betreff der Namen der Gewerbetreibenden bestimmt ist. Sind mehr als zwei Beteiligte vorhanden, deren Namen hier­ nach in der Aufschrift anzugeben wären, so genügt es, wenn die Namen von zweien mit einem das Vorhandensein weiterer Beteiligter andeutenden Zusatz ausgenommen werden. .Die Polizeibehörde kann im einzelnen Falle die Angabe der Namen aller Beteiligter anordnen. II. Erfordernis besonderer Genehmigung.

V Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen.

§ 16

Zur Errichtung von Anlagen,") welche durch die örtliche

Gewerbsräume, um die Fortsetzung des Betriebes zu hindern, ist statthaft. Erk. v. 27. April 91, E. 22 S. 5. 23) Offener Laden setzt ein Geschäftslokal voraus, wo Waren feilgeboten werden und in das jeder Kauflustige Einlaß erhält, gleichgültig in welchem Stockwerk und ob erst aus Klingeln, gleichgültig auch, aus welchen Personen­ kreisen sich die Kunden rekrutieren. KG. v. 10. Dezbr. 00, DIZ. 6 S. 215. Auch Has Geschäftslokal eines mit Grabdenkmälern handelnden Kaufmanns kann ein Laden sein. KG. v. 22. April 12, DIZ. 17 S. 1413. 23 a) Die Inhaber eines fremdsprachlichen Vornamens sind nicht ver­ pflichtet, ihn in deutscher Form zu führen. GA. 51 S. 74. 24) Nur die „Anlagen" sind konzessionspflichtig, nicht der Betrieb. Des­ halb ist die Konzession einer Anlage übertragbar. OR. 18 S. 65. Durch die Genehmigung der Anlage im Sinne der GewO, wird die Genehmigung in bauu. feuerpolizeilicher Hinsicht nicht erübrigt. Erk. v. 20. Mai 84, EZ. 11 S. 185. Unter Anlagen sind nicht notwendig besondere bauliche Vorrichtungen zu ver­ stehen. Erk. v. 17. Dezbr. 86, R. 8 S. 764, u. OR. 17 S. 122. GA. 37 S. 377. Die Genehmigung muß vor Beginn der Herrichtung der Anlage nachgesucht werden; sobald mit der letzteren begonnen, ist die Strafe verwirkt. OR. 19 S. 192. — § 16 bezieht sich nicht auf Anlagen, die land- und forst­ wirtschaftlichen Zwecken dienen. KG. v. 27. Febr. 08, GewArchiv 7 S. 546. —

408

XV. Gewerbeordnung § 16.

Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum über­ haupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich. Es gehören dahin: Schießpulverfabriken, Anlagen zur Feuerwerker^**) und zur Bereitung von Zündstoffen aller Art, Gasbereitungs- und Gasbe­ wahrungsanstalten, Anstalten zur Destillation von Erdöl, Anlagen zur Bereitung von Braunkohlenteer, Steinkohlenteer und Koks, sofern sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden, Glas- und Rußhütten, Kalk-, Ziegel- und Gipsöfen,—) Anlagen zur Gewinnung roher Metalle, Röstöfen, Metallgießereien, sofern sie nicht bloße Tiegelgießereien sind, Hammerwerke, chemische Fabriken aller Art, Schnellbleichen, Firnissiedereien, Stärkefabriken, mit Ausnahme der Fabriken zur Bereitung von Kartoffelstärke, Stärkesirupsfabriken, Wachstuch-, Darmsaiten-, Dachpappen- und Dachfilzfabriken, Leim-, Tran-undSeifensiedereien, Knochenbrennereien, Knochendarren, Knochenkochereien und Knochenbleichen, Zubereitungsanstalten für Tierhaare, Talgschmelzen, Schlächtereien,**) Gerbereien, Abdeckereien,**) Poudretten- und Düngpulverfabriken, Stauanlagen für Wassertriebwerke (6 23), Hopfens chwefeldörren; Asphaltkochereien und Pechsiedereien, soweit sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden, Strohpapierstoffabriken, Darmzubereitungsanstalten, Fabriken, in welchen Dampfkessel oder andere Blechgefäße durch Vernieten her­ gestellt werden,**) Kalifabriken und Anstalten zum Imprägnieren von Holz mit erhitzten Teerölen, Kunstwollefabriken, Anlagen zur Her­ stellung von Zelluloid und Dsgrasfabriken, die Fabriken, in welchen Röhren aus Blech durch Vernieten hergestellt werden, sowie die An­ lagen zur Erbauung eiserner Schiffe, zur Herstellung eiserner Brücken oder sonstiger eiserner Baukonstruktionen, die Anlagen zur Destillation Wohl aber auf solche Anlagen, die Gemeinden für eigenen Bedarf errichten. OBG. v 17. April 16, GA. 65 S. 561. 25) Zur Feuerwerkerei gehört auch die Anfertigung von Metallpatronen. OLG. München v. 24. Novbr. 94, GA. 43 S. 66. 26) Eine Schlächterei setzt keine besondere bauliche Anlage voraus. Erk. v. 17. Dezbr. 86, R. 8 S. 764 u. GA. 37 S. 377. — Fisch- u. Gestügelschlächtereien gehören nicht hierher. OBG. v. 26. Mai 97, E. 32 S. 248. 27) Abdeckereien sind Anlagen, die zur gewerbsmäßigen Ausnutzung und unschädlichen Beseitigung von Tierkadavern dienen. Bayr. Oberst. LG. v. 14. März 07, GewArch. 7 S. 199. 28) Dahin gehören auch Anlagen zur Reparatur von Dampfkesseln durch Vernieten re. KG. v. 17. Juni 95, GA. 43 S. 141.

Stehender Gewerbebetrieb §§ 17, 18.

409

oder zur Verarbeitung von Teer und von Teerwasser, die Anlagen, in welchen aus Holz oder ähnlichem Fasermaterial auf chemischem Wege Papierstoff hergestellt wird (Zellulosefabriken), die Anlagen, in welchen Albuminpapier hergestellt wird, die Anstalten zum Trocknen und Einsalzen ungegerbter Tierfelle sowie die Berbleiungs-, Berzinnungs­ und Berzinkungsanstalten, die Anlagen zur Herstellung von Gußstahl­ kugeln mittels Kugelschrotnlühlen (Kugelfräsmaschinen), die Anlagen zur Herstellung von Zündschnuren und von elektrischen Zündern. Das vorstehende Verzeichnis kann, je nach Eintritt oder Wegfall der im Eingänge gedachten Voraussetzung, durch Beschluß des Bundes­ rats, vorbehaltlich der Genehmigung des nächstfolgenden Reichstags, abgeändert werde,.") § 17. Dem Antrag auf die Genehmigung einer solchen Anlage müssen die zur Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschrei­ bungen beigefügt Werder.80) Ist gegen die Vollständigkeit dieser Vorlagen nichts zu erinnern, so wird das Untemehmen mittels einmaliger Einrückung in das zu den amtlichen Bekanntmachungen der Behörde (§ 16) bestimmte Blatt zur öffentlichen Kenntnis gebracht, mit der Aufforderung, etwaige Einwendungen gegen die neue Anlage binnen vierzehn Tagen anzu­ bringen. Die Frist nimmt ihren Anfang mit Ablauf des Tages, an welchem das die Bekanntmachung enthaltende Blatt ausgegeben worden, und ist für alle Einwendungen, welche nicht auf privatrechtlichen Titeln beruhen,") präklusivisch. § 18 Werden keine Einwendungen angebracht, so hat Ine Be­ hörde zu prüfen, ob die Anlage erhebliche Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum herbeiführen könne. Auf Grund dieser Prüfung, welche sich zugleich aus die Beachtung der bestehenden bau-, feuer- und gesundheilspolizeilichen Vorschriften erstreckt, ist die Genehmigung zu versagen, oder, unter Festsetzung der sich als nötig 29) Bezüglich elektrischer Anlagen siehe § 12 des Ges. v. 6. April 92 (RGBl. S. 467). Nicht fallen hierunter SauggaSanlagen. DIZ. IIS. 90. 30) Der Unternehmer, der es fahrlässig Unterlasten hat, eine zur Sicher­ heit der Arbeiter erforderliche Schutzvorrichtung anzubringen, kann sich nicht mit dem Einwande schützen, daß die ihm erteilte Konzession die Herstellung einer solchen Vorrichtung nicht vorgeschrieben habe. Erk. v. 13. Juli 88, 18 S. 73. Geht die Anlage auf einen neuen Erwerber über und vermietet dieser dieselbe an einen Dritten, so bleibt er für die Innehaltung der Konzessions­ bedingungen verantwortlich. GA. 37 S. 455. Die Einwendungen müffen sich gegen die geplante Anlage richten. Sachs. OBG. v. 31. Dezbr. 02, DIZ. 9 S. 1096. 31) Auch die auf dem Nachbarrechte beruhenden Einwendungen privat­ rechtlicher Natur sind hierher zu rechnen. Kayser-Steiniger Anm. 6.

410

XV. Gewerbeordnung §§ 19—21.

ergebenden Bedingungen, zu erteilen. Zu den letzteren gehören auch diejenigen Anordnungen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen Ge­ fahr für Gesundheit und Leben notwendig sind. Der. Bescheid ist schriftlich auszufertigen und muß die festgesetzten Bedingungen ent­ halten; er muß mit Gründen versehen sein, wenn die Genehmigung versagt oder nur unter Bedingungen erteilt wird.

8 19. Einwendungen, welche auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind zur richterlichen Entscheidung zu verweisen, ohne daß von der Erledigung derselben die Genehmigung der Anlage ab­ hängig gemacht wird. Andere Einwendungen dagegen sind mit den Parteien vollständig zu erörtern. Nach Abschluß dieser Erörterung erfolgt die Prüfung und Entscheidung nach den im §18 enthaltenen Vorschriften. Der Bescheid ist sowohl dem Unternehmer als dem Widersprechenden zu eröffnen.

§ 19 ft. In dem Bescheide kann dem Unternehmer auf seine Gefahr, unbeschadet des Rekursverfahrens (§ 20), die unverzügliche Ausführung der baulichen Anlagen gestattet werden, wenn er dies vor Schluß der Erörterung beantragt. Die Gestattung kann von einer Sicherheits­ leistung abhängig gemacht werden. § 20- Gegen den Bescheid ist Rekurs an die nächstvorgesetzte Be­ hörde zulässig, welcher bei Verlust desselben binnen vierzehn Tagen, vom Tage der Eröffnung des Bescheids an gerechnet, gerechtfertigt werden muß. Der Rekursbescheid ist den Parteien schriftlich zu eröffnen und muß mit Gründen versehen sein. 8 21. Die näheren Bestimmungen über die Behörden und das Verfahren, sowohl in der ersten als in der Rekursinstanz, bleiben den Landesgesetzen Vorbehalten.") Es sind jedoch folgende Grundsätze einzuhalten: 1. In erster oder in zweiter Instanz muß die Entscheidung durch eine kollegiale Behörde erfolgen. Diese Behörde ist befugt, Unter­ suchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachver­ ständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenen Beweis in vollem Umfange zu erheben. 2. Bildet die kollegiale Behörde die erste Instanz, so erteilt sie ihre Entscheidung in öffentlicher Sitzung, nach erfolgter Ladung und 32) Der Kreis- (Stadt-) Ausschuß, in den einem Landkreise angehörigen Städten mit mehr als 1000fr Einw. der Magistrat, beschließt über Anträge auf Genehmigung zur Errichtung oder Veränderung gewerblicher Anlagen. § 109 deS Zuständ.Ges. v. 1. August 83 (GS. S. 237), und soweit die Beschlußfaffung nicht dem Ausschuß resp. Magistrat zusteht, beschließt der Bezirksausschuß. 8 110 ibid.

Stehender Gewerbebetrieb §§ 21 ft—23.

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Anhörung der Parteien, auch in dem Falle, wenn zwar Einwendungen nicht angebracht sind, die Behörde aber nicht ohne weiteres die Ge­ nehmigung erteilen will, und der Antragsteller innerhalb vierzehn Tagen nach Empfang des die Genehmigung versagenden oder nur unter Bedingungen erteilenden Bescheids der Behörde auf mündliche Verhandlung anträgt. Z. Bildet die kollegiale Behörde die zweite Instanz, so erteilt sie stets ihre Entscheidung in öffentlicher Sitzung, nach erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien. 4. Als Parteien sind der Unternehmer (Antragsteller), sowie die­ jenigen Personen zu betrachten, welche Einwendungen erhoben haben.

5. Die Öffentlichkeit der Sitzungen kann unter entsprechender Anwendung der §§ 173—176 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausge­ schlossen oder beschränkt werden. §21 ft. Die Sachverständigen (§ 21 Ziffer 1) haben über die Tatsachen, welche durch das Verfahren zu ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich der Nachahmung der von dem Unternehmer geheim gehaltenen, zu ihrer Kenntnis gelangten Betriebs­

einrichtungen und Betriebsweisen, solange als diese Betriebsgeheimnisse lind, zu enthalten.

§ 22 Die durch unbegründete Einwendungen erwachsenden Kosten fallen dem Widersprechenden, alle übrigen Kosten, welche durch das Verfahren entstehen, dem Unternehmer zur Last. In den Bescheiden über die Zulässigkeit der neuen Anlage wird zugleich die Verteilung der Kosten festgesetzt.

§ 23 Bei den Stauanlagen für Wassertriebwerke sind außer den Bestimmungen der 88 17—22 die dafür bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften anzuwenden.") Der Ländesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, die fernere Benutzung bestehender und die Anlage neuer Privatschlächtereien in solchen Orten, für welche öffentliche Schlachthäuser in genügendem Umfange vorhanden sind oder errichtet werden, zu untersagen.") Soweit durch landesrechtliche Vorschriften Bestimmungen getroffen werden, wonach gewisse Anlagen oder gewisse Arten von Anlagen in 33) Die Errichtung einer Stauanlage ist strafbar, wenn auch das Wasser­ werk noch nicht in Betrieb gesetzt ist. Erk. v. 19. Novbr. 79, E. 1 S. 103. Wasserräder u. Turbinen sind Bestandteile der Stauanlage. GA. 50 S. 418. 34) Bgl. die Ges. über -ie Errichtung von Schlachthäusern v. 18. März 68 (GS. S. 277) u. v. 9. März 81 (GS. S. 273). ME. v. 10. Febr. 87, «MBl. S. 67. Bgl. hierzu Erk. v. 17. Jan. 89, E. 18 S. 351, über die Beschränkungen, denen der Absatz von Fleisch des auswärts geschlachteten Biehes unterworfen werden kann und Ges., betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau v. 3. Juni 1900 (RGBl. S. 547).

412

XV. Gewerbeordnung §§ 24, 25.

einzelnen Ortsteilen gar nicht, oder nur unter besonderen Beschrän­ kungen zugelassen sind, finden diese Bestimmungen auch auf Anlagen der im tz 16 erwähnten Art Anwendung. § 24 Zur Anlegung von Dampfkesseln, dieselben mögen zum Maschinenbetriebe bestimmt sein oder nicht, ist die Genehmigung der

nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich. Dem Ge­ suche sind die zur Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Be­ schreibungen beizufügen. Die Behörde hat die Zulässigkeit der Anlage nach den bestehenden bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften sowie nach denjenigen allgemeinen polizeilichen Bestimmungen zu prüfen, welche von dem Bundesrat über die Anlegung von Dampfkesseln erlassen werden.M) Sie hat nach dem Befunde die Genehmigung entweder zur versagen oder unbedingt zu erteilen, oder endlich bei Erteilung derselben die erforderlichen Vorkehrungen und Einrichtungen vorzuschreiben. Bevor der Kessel in Betrieb genommen wird, ist zu untersuchen, ob die Ausführung den Bestimmungen der erteilten Genehmigung entspricht. Wer vor dem Empfange der hierüber auszufertigenden Bescheinigung den Betrieb beginnt, hat die im § 147 angedrohte Strafe verwirkt. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für bewegliche Dampfkessel. Für den Rekurs und das Verfahren über denselben gellen die Vorschriften der §§ 20 und 21. 8 25 Die Genehmigung zu einer der in den 86 16 und 24 be­ zeichneten Anlagen bleibt solange in Kraft, als keine Änderung in der Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte vorgenommen wird, und bedarf unter dieser Voraussetzung auch dann, wenn die Anlage an einen neuen Erwerber übergeht, einer Erneuerung nicht. Sobald aber eine Veränderung der Betriebsstätte vorgenommen wird, ist dazu die Genehmigung der zuständigen Behörde nach Maßgabe der 88 17 bis 23 einschließlich beziehungsweise des 8 24 notwendig. Eine gleiche Genehmigung ist erforderlich bei wesentlichen—) Veränderungen in dem Betrieb einer der im § 16 genannten Anlagen. Die zu­ ständige Behörde kann jedoch auf Antrag des Unternehmers von der 35) Siehe Bekanntm. v. 5. August 90 (RGBl. S. 163), bett, allgem. polizeiliche Bestimmungen über die Anlage von Dampfkesseln v. 17. Dezbr. 08, (RGBl. 09, S. 3) bez. Landdampfkessel, gleichem Tage (ebenda S. 51) bez. Schiffsdampfkessel v. 15. Aug. 14, (S. 373) betr. Änderungen u. Ergänzungen, v. 30. Jan. 19 (S. 283) Änderung der allgem. Polizei!. Best, über die Anlegung von Schiffsdampfkesseln. 35 a) Wesentlich ist jede Veränderung, die gegenüber der erteilten Kon­ zession sachlich die Grenzen der Geringfügigkeit überschreitet. GA. 49 S. 359.

Stehender Gewerbebetrieb §§ 26—29.

413

Bekanntmachung (§ 17) Abstand nehmen, wenn sie die Überzeugung

gewinnt, daß die beabsichtigte Veränderung für die Besitzer oder Be­ wohner benachbarter Grundstücke oder das Publikum überhaupt neue oder größere Nachteile, Gefahren oder Belästigungen, als mit der

vorhandenen Anlage verbunden sind, nicht herbeiführen werde. Diese Bestimmungen finden auch auf gewerbliche Anlagen (§§ 16

und 24) Anwendung, welche bereits vor Erlaß dieses Gesetzes be­ standen haben.

§ 26 Soweit die bestehenden Rechte zur Abwehr benachteiligen­ der Einwirkungen, welche von einem Grundstück aus auf ein benach­ bartes Grundstück geübt werden, dem Eigentümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage gewähren, kann diese Klage einer mit obrig­ keitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber nie­

mals auf Einstellung des Gewerbebetriebes, sondern nur auf Herstellung

von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen,

oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden.

§ 27 Die Errichtung oder Verlegung solcher Anlagen, deren Betrieb mit ungewöhnlichem Geräusche verbunden ist, muß, sofern sie nicht schon nach den Vorschriften der §8 16 bis 25 der Genehmigung bedarf, der Ortspolizeibehörde angezeigt werden.-

Letztere hat, wenn

in der Nähe der gewählten Betriebsstätte Kirchen, Schulen oder andere

öffentliche Gebäude, Krankenhäuser oder Heilanstalten vorhanden sind, deren bestimmungsmäßige Benutzung durch den Gewerbebetrieb auf dieser Stelle eine erhebliche Störung erleiden würde, die Entscheidung

der höheren Verwaltungsbehörde darüber einzuholen, ob die Ausübung des Gewerbes an der gewählten Betriebsstätte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu gestatten fet.86b)

8 28 Die höheren Verwaltungsbehörden sind befpgt, über die Entfernung, welche bei Errichtung von durch Wind bewegten Trieb­ werken von benachbarten fremden Grundstücken und von öffentlichen

Wegen inne zu halten ist, durch Polizeiverordnungen Bestimmung zu treffen.

2.

Gewerbetreibende, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen.

§ 29.

Einer Approbation, welche auf Grund eines Nachweises der Befähigung erteilt wird, bedürfen Apotheker••) und diejenigen 35 b) Unberührt ist das Recht der Polizei, nach Maßgabe des Landesrechts gegen übermäßigen Lärm bei nicht gewerblichen Anlagen einzuschreiten. KayserSteiniger, Anm. 7. 36) Über die Befugnis der Polizeibehörden, gegen Personen einzuschreiten,

414

XV. Gewerbeordnung § 30.

Personen, welche sich als Ärzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburts­

helfer/^) Zahnärzte und Tierärzte)") oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen.") Es darf die Approbation jedoch von der vorherigen akade­ mischen Doktorpromotion nicht abhängig gemacht werden.")

Der Bundesrat bezeichnet mit Rücksicht auf das vorhandene Bedürfnis in verschiedenen Teilen des Reichs die Behörden, welche für das ganze Reich gültige Approbationen zu erteilen befugt sind, und erläßt die Vorschriften über den Nachweis der Befähigung. Die Namen der Approbierten werden von der- Behörde, welche die Appro­ bation erteilt, in den vom Bundesrate zu bestimmenden amtlichen Blättern veröffentlicht. Personen, welche eine solche Approbation erlangt haben, sind innerhalb des Reichs in der Wahl des Ortes, wo sie ihr Gewerbe bvtreiben wollen, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Errichtung und Verlegung von Apotheken (g 6), nicht beschränkt. Dem Bundesrate bleibt Vorbehalten, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Personen wegen wissenschaftlich erprobter Leistungen von der vorgeschriebenen Prüfung ausnahmsweise zu entbinden sind. Personen, welche vor Verkündigung dieses Gesetzes in einem Bundes­ staate die Berechtigung zum Gewerbebetriebe als Ärzte, Wundärzte,

Zahnärzte, Geburtshelfer, Apotheker oder Tierärzte bereits erlangt haben, gelten als für das ganze Reich approbiert. g 80 Unternehmer von Privat-Kranken-, Privat-Entbindungsund Privat-Jrrenanstalten bedürfen einer Konzession der höheren Ver­

waltungsbehörde.")

Die Konzession ist nur dann zu versagen:

welche den Anschein erwecken, daß eine Apotheke vorhanden sei, siehe Erk. des OBG. v. 14. Dezbr. 78, E. 4 S. 349. Siehe Anm. 6. 37) Arzte unterstehen im übrigen, nicht der GO. Sie sind weder Gewerbe­ treibende noch gewerbliche Arbeiter. RGZ. v. 24. März 08, E. 68 S. 186. 38) Siehe auch § 2 des Reichsviehseuchengesetzes v. 26. Juni 09 (RGBl.

S. 519). 39) An sich ist die Ausübung der Heilkunde (mit Ausnahme der Apotheker) freigegeben, nur darf derjenige, der nicht approbiert ist, keine der in diesem § aufgeführten Titel führen. Es kann aber den nicht approbierten Personen durch Pol.Berordn. die Pflicht auferlegt werden, von der Ausübung der HeUkunde dem Kreisarzt Mtteilung zu machen. DIZ. 8 S. 323.

40) Zur gewerblichen Herstellung von Blitzableitern bedarf eS keiner Approbatton; aber die Errichtung von Blitzableitern bedarf nach § 80 I 8 ALR. der polizeilichen Genehmigung und wer diese nicht einholt, verfällt der Strafe aus § 367 Nr. 15 StGB. KG. v. 25. Febr. 95, GA. 43 S. 66. Diese Bestimmung

des ALR. ist in Kraft geblieben, siehe Art. 89 des AG. z. BGB. 41) Über die Anträge entscheidet der Bezirksausschub. § 115 des Zu-

Stehender Gewerbebetrieb § 30 a.

416

a) wenn Tatsachen") vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit") des Unternehmers in Beziehung auf die Leitung oder Ver­ waltung der Anstalt dartun,")

b) wenn nach den von dem Unternehmer einzureichenden Be­ schreibungen und Plänen die baulichen und die sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt den gesundheitspolizei­ lichen Anforderungen nicht entsprechen. c) wenn die Anstalt nur in einem Teile eines auch von an­ deren Personen bewohnten Gebäudes untergebracht werden soll und durch ihren Betrieb für die Mitbewohner dieses Gebäudes erhebliche Nachteile oder Gefahren Hervorrufen kann. d) wenn die Anstalt zur Aufnahme von Personen mit an­ steckenden Krankheiten oder von Geisteskranken bestimmt ist und durch ihre örtliche Lage für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke erhebliche Nachteile oder Ge­ fahren Hervorrufen kann. Bor Erteilung der Konzession sind über die Fragen zu c und d die Ortspolizei- und die Gemeindebehörden zu hören. Hebammen bedürfen eines Prüfungszeugnisses") der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde.") 8 30 a. Der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes kann durch die ständGes. Über den Begriff der Krankenanstalten rc. siehe GA. 43 S. 271,272 u. 49 S. 348, über Entbindungsanstalten GA. 54 S. 105. 42) Dahin gehört auch ein Mangel an Fähigkeit zur Leitung einer solchen Anstalt. Erk. des OVG. v. 28. Septbr. 78, E. 4 S. 337. Tatsachen sind sowohl Handlungen als Unterlassungen. Erk. des OVG. v. 2. Juli 77, E. 3 S. 237. 43) Die Unzuverlässigkeit braucht nicht in der Leitung der betr. Anstalt hervorgetreten zu sein. Erk. des OVG. v. 12. Mai 80, E. 6 S. 260. 44) Zu dem Begriff einer Krankenanstalt gehört es, daß Kranke in dazu bereit gestellten Räumen ihren auf eine gewisse Dauer berechneten Aufenthalt nehmen. Erk. v. 7. Juli 99, E. 32 S. 235. So auch KG. v. 2. Mai 95, Johow 16 S. 341. 45) Männer, wenn sie sich nicht als approbiert bezeichnen, können unge­ straft als Geburtshelfer fungieren. Erk. v. 14. Jan. 87, E. 15 S. 181. 46) Aber die Hebamme ist nicht für eine approbierte Medizinalperson im Sinne des § 278 StGB, zu erachten, denn die Erteilung eines Prüfungszeugniffes steht der Approbation nicht gleich. Erk. v. 27. März 84, E. 10 S. 340. — Wenn eine Hebamme ihr Gewerbe ohne Prüfungszeugnis betreibt, so ver­ fällt sie der Strafe des § 147 Nr. 1 der GewO. Erk. v. 14. Jan. 87, E. 15 S. 181, nicht der Strafe aus § 147 Nr. 3. Die Befugnis zur Ausübung des Gewerbes erlischt durch Verzicht auf das Prüfungszeugnis. OVG. v. 19. Juni 95, GA. 54 S. 427. — Ist eine Hebamme wegen unbefugter GewerbeauSübung verurteilt, so schließt das eine neue Strafverfolgung wegen fahrlässiger Tötung aus. Erk. v. 12. Jan. 83, R. 5, S. 29.

416

XV. Gewerbeordnung 88 31, 32.

Landesgesetzgebung") von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig gemacht werden. Das erteilte Prüfungszeugnis gilt für den ganzen Umfang des Reichs. 8 31- Seeschiffer, Seesteuerleute,") Maschinisten") der Seedampfschisfe und Lotsen müssen sich über den Besitz der erforderlichen Kennt­ nisse butd) ein Befähigungszeugnis der zuständigen Verwaltungsbe­ hörde ausweisen. Der Bundesrat erläßt die Vorschriften über den Nachweis der Befähigung. Die auf Grund dieses Nachweises erteilten Zeugnisse gelten für das ganze Reich, bei Lotsen für das im Zeugnis angeführte Fahrwasser. Soweit in betreff der Schiffer und Lotsen auf Strömen infolge von Staatsverträgen besondere Anordnungen getroffen sind, behält es dabei sein Bewenden. 8 32 Schauspielunternehmer bedürfen zum Betrieb ihres Ge­ werbes der Erlaubnis.'«) Dieselbe gilt nur für das bei Erteilung 47) Für Preußen ist das Gesetz betr. den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes v. 18. Juni 84 (GS. S. 305) ergangen. Danach ist der Betrieb des HufbeschlaggewerbeS von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig gemacht, und zur Erteilung dieses Zeugnisses sind berechtigt: 1. die Innungen der Schmiede, welche von der höheren Verwaltungs­ behörde die Berechtigung zur Erteilung dieser Zeugnisie erhalten haben, 2. die vom Staate bestellten oder bestätigten Prüfungskommissionen, 3. die vom Staate eingerichteten oder anerkannten Hufbeschlagslehr­ anstalten und Militärschmieden, welchen die Befugnis beigelegt wird. Vgl. dazu die Prüfungsordn. v. 23. Jan. 85 (BMBl. S. 31 u. 61). Wer die tierärztliche Prüfung bestanden und die Approbation als Tierarzt erlangt hat, bedarf keines besonderen Prüfungszeugnisses. KG. v. 6. Apr. 11, Johow 40 S. C. 401. DIZ. 16 S. 821. 48) Siehe Bekanntm. v. 16. Jan. 04 (RGBl. S. 3), 14. März (RGBl. S. 427), v. 24. Juli 09 (RGBl. S. 892) u. v. 3. Juni 10 (RGBl. S. 867). 49) Siehe Bekanntm. v. 26. Juli 91 (RGBl. S. 359), v' 5. Mai 04 (RGBl. S. 163), v. 7. Jan. 09 (RGBl. S. 210) u. v. 13. Novbr. 13 (RGBl. S. 749). 50) Ist die Erlaubnis nicht für bestimmte Orte erteilt, so gilt sie für das ganze Reich. Nach dem ME. v. 17. Aug. 96 (BMBl. S. 166) sind die zur Ertellung der Erlaubnis zuständigen Behörden angewiesen, auf möglichst genaue Bezeichnung des Unternehmens Bedacht zu nehmen, und insbesondere auch bei Wandertruppen die Bezirke oder Orte, welche besucht werden, anzugeben. Auch kann die Behörde Verordnungen erlassen, durch welche die Kontrolle über die Ausübung des Schauspielunternehmens geregelt wird. Johow 4 S. 249. Vgl. auch OBG. 24 S. 312. Wandertheater schließt den Paragraph nicht aus. Waltet ein höheres Kunstintereffe ob, so ist Wandergewerbeschein nicht erforderlich. Erk. d. OBG. v. 24. Ottbr. 04, DIZ. 10 S. 318. Wegen der Vorführung von Bildstreifen (Lichtspiele) siehe Anmerkung 61 zu § 33 S. 420.

417

Stehender Gewerbebetrieb § 33.

der Erlaubnis bezeichnete Unternehmen. Zum Betrieb eines anderen oder eines wesentlich veränderten Unternehmens bedarf es einer neuen Erlaubnis. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn der Nachsuchende den Be­ sitz der zu dem Unternehmen nötigen Mittel nicht nachzuweisen ver­ mag oder wenn die Behörde auf Grund von Tatsachen die Über­ zeugung gewinnt, daß derselbe die zu dem beabsichtigten Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit insbesondere in sittlicher, artistischer und finanzieller Hinsicht nicht besitzt, § 33 - Wer Gastwirtschaft,") Schankwirtschaft") oder Klein51) Gastwirtschaft besteht in der Beherbergung und Verpflegung fremder und einheimischer Gäste. I o h o w 1 S, 181, GA. 38 S. 457 u. GA. 42 S. 284. Aber das Lokal muß jedermann zugänglich sein, es liegt keine Gastwirtschaft vor, wenn es sich nur um Unterkommen und Verpflegung bestimmter Personen handelt. GA. 40 S. 194. Das Vermieten an Sommergäste mit Verpflegung kann nicht ohne weiteres als Gastwirtschaft angesehen werden. GA. 46 S. 59, ebensowenig das Vermieten von Schlafstellen mit Verpflegung. Johow 11 S. 227. 52) Schankwirt sch ast besteht in bei gewerbsmäßigen Verabfolgung von Getränken jeder Art, nicht bloß geistigen Getränken u. zwar gleichviel, ob tu Flaschen oder Gläsern zum Genuß auf der Stelle. OBG. v. 4. Juli 77, E. 2 S. 233. GA. 48 S. 147, 49 S. 347. Die unentgeltliche Verabreichung von Getränken an Geschäftskunden in den großen Warenbazaren und kallfmännischen Geschäften ist Schankwirtschaft. GA. 46 S. 366. Darin, daß ein Vermieter an einen Mieter Getränke verabfolgt, ist nicht ohne weiteres der Betrieb einer Schantwirtschaft zu finden. Erk. v. 22. April 95, E. 27 S. 173. Siehe auch KG. v» 10. Septbr. 10, Recht 14 S. 711 und ferner Erk. v. 8. Juli 05, JurW. 05 S. 761 (Verabfolgung von Getränken durch den Hausbesitzer an zur Miete wohnende Dirnen). Es gehört nicht zum Begriff der Schantwirtschaft, daß die Getränke an „jedermann" verabfolgt werden. Erk. v. 22. März 02, E. 35 S. 175. Vgl. ebenda S. 335 Erk. v. 12. Juni 02. Da die Schantwirtschaft eine Anstalt zur Verabreichung von Getränken jeder Art zum Genuß auf der Stelle ist, so wird ein Platz vorausgesetzt, auf. welchem der Genuß stattfinden kann, aber dieser Platz braucht dem Schankwirt nicht zu gehören, GA. 43 S. 142 ; insbesondere brauchen die Getränke auch nicht in geschlossenen Räumen genoffen zu werden. OBG. E. 2 S. 336 und OR. 17 S. 562, GA» 42 S. 56. Nach dem Erk. des RG. v. 7./14. Ium 88, R. 10 S. 422, findet Schantwirtschaft auch dann statt, wenn Getränke zum Zweck der sofortigen Verzehrung in einem mit der Berkaufsstätte in irgend welcher Ver­ bindung stehenden Raum verkauft werden, auch in Kanttuen gewerblicher Etablissements, bei welchen die Verzehrung an den Arbeitsstellen stattfindet. Daß die Getränke nicht innerhalb des Lokals verzehrt werden, schließt also den Begriff der Schantwirtschaft nicht aus. Erforderlich ist also nur eine gewisse räumliche Verbindung zwischen dem Schanklokal und dem Berzehrungsort, sowie eine ge­ wisse Disposition des Wirtes über den letzteren. GA. 42 S. 55 und 56. Ein Krämer, der duldet, daß die Konsumenten das von ihm gekaufte Bier auf seinem Hausflur auStrinken, fällt unter § 147 Rr. 1. Johow 14 S. 294. Schantwirtschaft ist nicht auf den Ausschank geistiger.Getränke beschränkt, umfaßt vielmehr auch,den Ausschank von Schokolade^ Kaffee, Tee, Selterswassern.

Dalcke, Strafreckt. 16. Aust. (1922).

27

418

XV. Gewerbeordnung § 33.

handel-) mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu

der Erlaubnis-). OR. 19 S. 490. Schankwirtschaft aber ist eS nicht, wenn ein Landwirt die auseinem landwirtschaftlichen Betriebe herrührende Milch zum Genuß auf der Stelle verkauft. GA. 43 S. 139. KG. v. 6. Febr. 96, ebenda S. 420. Siehe aber auch KG. v. 6. März 11, GA. 60 S. 479. Die Konzession zum Betriebe einer Schankwirtschast wird nur für ein bestimmtes Lokal erteilt. Erk. v. 10. Oktbr. 93, GA. 41 S. 290. Zur Ab­ trennung von Räumen des bisherigen Lokals zum Zwecke selbständigen Betriebs der Schankwirtschaft ist neue Erlaubnis erforderlich. OLG. v. 7. März 18, Regers E. 38 S. 148. Die Gewerbsmäßigkeit einer Schankwirtschast setzt voraus, daß eine fortgesetzte, auf Erzielung deS vermvgensvorteilS gerichtete Tätigkeit vor­ liegt und ein offenes Lokal gehalten wird, welche- allgemein zugänglich ist. GA. 38 S. 457. Bgl. auch GA. 39 S. 366. Es genügt aber auch die Erzielung eine­ mittelbaren oder indirekten Gewinnes. Johow 1 S. 178,180. vgl. über den Begriff tnSbes. auch GA. 43 S. 141. ES genügt aber, daß der Betrieb nur ein

vorübergehender ist, z. B. während eines Baues, OR. 12 S. 125, ja es kann ein Ausschank an einem einzigen Tage genügen. Stenglein-Linden-erg Anm. 16 zu § 33. Selbst die unentgeltliche Verabreichung von Getränken schließt unter Umständen die GewerbSmäßigkeit nicht auS, z. B. wenn ein Kaufmann oder Speisewirt nur die Waren u. Speisen, nicht aber die Getränke besonder- be­ rechnet. I o h o w 1 S. 178, OR. 19 S. 529 u. GA. 42 S. 56. Die Gewer-Smäßigkeit wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß der AuSschank nur an einen bestimmten Kreis von Personen, z. B. an Mitglieder einer geschloffenen Gesellschaft, erfolgt, GA. 39 S. 366 u. 42 S.H6 U. 284, und selbst dann nicht, Venn der Wirt die Getränke zu einem verabredeten Preise liefern muß. OR. 18 S. 520, GA. 43 S. 141. Auch Militärkantinen gehören hierher. GA. 41S. 308. 53) Für den Begriff des Kleinhandels sind die einzelstaatlichen verwaltungSbestimmungenmaßgebend. KG.v. 16.Jan.05. Johow29S.6.5. Für Preußen ist es die Nr. 45 Abs. 2 der Ausführungsanweisung zur GWO. v. 1. Mai 04. Danach liegt Kleinhandel auch dann vor, wenn zwar eine größere als die Mindestmenge von einem halben Anker Branntwein verabfolgt wird, die Lieferung aber aus verschiedenen Sorten besteht, von denen eine jede dieses Mindestquantuur nicht erreicht. KG. v. 11. Juni 14, Johow 46 S. 336. Auf Kleinhandel mit denaturiertem Spiritus und auch mit vergälltem Spiritus findet der § 33 nach §§ 107 ff. des Branntweinsteuergesetzes und § 15 der BO. des Bundesrats vom 17. September 09 keine Anwendung. Die Ab­ gabe von Branntwein zu Arzneizwecken ist frei, wenn ein besonderer, außerhalb deS Mittels liegender arzneilicher Zweck erreicht werden soll. Erk. v. 21. Sptbr. 14, DS1Z. 2 S. 87. Siehe auch Anm. 10» zu 8 6. 54) Die Erlaubnis erteilt der Kreis- (Stadt-) Ausschuß, § 114 des ZuständGes. Die Witwe, welche das Gewerbe ihres verstorbenen Ehemannes fortsetzen will, bedarf keiner neuen Erlaubnis, aber es ist Anzeige nach dem Ges. v. 3. Juli 76 notwendig. Erk. deS KG. v. 6. März 84, Johow 4 S. 288. vgl. auch Erk. v. 17. Dezbr. 84, E. 14 S. 315. Auch der Stellvertreter bedarf keiner besonderen Konzession, Erk. v. 28. Mai 80, E. 1 S. 434 (vgl. Anm. 7 zu 8 45); aber es ist keine Stellvertretung mehr, wenn der Inhaber der Konzession einem anderen den Betrieb deS Geschäfts auf eigene Rechnung überläßt. Erk. v. 4. März 81, E. 3 S. 419 u. OR. 19 S. 209. GA. 42 S. 287. Wer das Schank­ gewerbe ohne Auftrag und ohne vorwiffen eines andern betreibt, haftet auch

Stehender Gewerbebetrieb § 33.

419

Diese Erlaubnis ist nur dann zu versagen: 1. wenn gegen den Nachsuchenden Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Böllerei, des verbotenen Spieles,^) der Hehlerei oder der Un­ sittlichkeit mißbrauchen werde; 2. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte £o!ol68

u. GA. 42 S. 301. Siehe Ges. v. 2. Septbr. 99 (GS. S. 161). 81) Ob eine Fabrik vorliegt, ist nach den Umständen des einzelnen Falles, insbesondere nach dem Umfange und Größe der Räumlichkeiten und der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeiter, sowie nach der Arbeitsteilung unter den Arbeitern bei Herstellung der Produtte, auch nach der Herstellung der letzteren für den Handel usw. zu entscheiden. Erk. v. 18. Septbr. 88, R. 10 S. 495. Erk. v. 30. Dezbr. 02, E. 36 S. 37. Erk. v. 21. Novbr. 04, E. 37 S. 310. Daß nur eine geringe Anzahl von Arbeitern beschäftigt wird, schließt den Begriff für sich allein nicht aus. Erk. v. 10. Novbr. 85, R. 7 S. 655. 82) Werkstätte ist jeder dem handwerksmäßigen Betriebe gewidmete Raum, z. B. die Backstube des Bäckers, die Barbierstube rc. Johow 16 S. 446, 448. Eine Werkstätte betreibt auch der Inhaber eines Konfektionsgeschäfts, der das Um­ ändern der gekauften fertigen Kleider übernimmt. Erk. v . 2 Okt. 08, E. 42 S. 9. Auch Badeanstalten sollen nach d. Erk. v. 12. April 04, DIZ. 9 S. 816 u. GA. 51 S. 349 als Werkstätten angesehen werden können. 83) Unter Bauhof ist ein umschlossener Platz zu verstehen, auf dem Holz gewerbsmäßig für Bauwerke verarbeitet wird, nicht ein Platz, auf dem Steine als Baumaterialien verarbeitet werden. Erk. v. 24. Febr. 90, E. 20 S. 287. 83 a) Auch derjenige Arbeitgeber beschäftigt, der die Tättgkeit des Arbeiters duldet; nur der beschäfttgt nicht, der die Tätigkeit verbietet und verhindert. DIZ. 5 S. 397. Siehe auch Erk. v. 21. Novbr. 01, E. 35 S. 9. Vgl. auch Anm. 18 sub XVI.

454

XV. Gewerbeordnung § 105 b.

zu gewährende Ruhe hat mindestens für jeden Sonn- und Festtag vierundzwanzig, für zwei aufeinander folgende Sonn- und Festtage sechsunddreißig, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest achtund­ vierzig Stunden zu dauern. Die Ruhezeit ist von zwölf Uhr nachts zu rechnen und muß bei zwei aufeinander folgenden Sonn- und Festtagen bis sechs Uhr abends des zweiten Tages dauern. In Be­ trieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann die Ruhezeit frühestens um sechs Uhr abends des vorhergehenden Werktags, spätestens um sechs Uhr morgens des Sonn- oder Festtags beginnen, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden vierundzwanzig Stunden der Betrieb ruht.

Verordnung über Sonntagsruhe im Handelsgewerbe und in Apotheken. Bom 5. Februar 1919.

Artikel 1.

Der § 105b Abs. 2 der Gewerbeordnung wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: „Im Handelsgewerbe") dürfen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden. Die Polizeibehörde kann für sechs Sonn- und Festtage, die höhere Verwaltungsbehörde für weitere vier Sonn- und Festtage im Jahre, an denen besondere 84) Das Handelsgewerbe umfaßt den Groß- und Kleinhandel u. Hausier­ handel , den Geld- und Kredithandel, Leihanstalten u. die Hilfsgewerbe des Handels, Spedition, Kommission usw. Mot. S. 28. Insbesondere gehört hierher auch der Handel mit Milch, GA. 41 S. 162, aber nicht der Handel mit Eis. GA. 42 S. 65. Das Gewerbe des Konditors setzt sich aus einem hand­ werksmäßigen Betriebe u. dem Handelsgewerbe zusammen. GA. 42 S. 291. Der Verkauf von Theaterbilletten ist kein Handelsgeschäft. GA. 42 S. 431, wohl aber der Handel durch Zwischenhändler. Johow 16 S. 453. Als Ausübung des Handelsgewerbes gilt auch der Bierverkauf über die Straße seitens eines Schankwirts. GA. 41 S. 161. Desgl. die Aushändigung bereits früher ver­ kaufter Waren wie der Verkauf selbst. GA. 42 S. 289. Ferner der Betrieb eines Auskunftsbüros, der sich mit der Nachforschung über die Kreditfähigkeit kaufmännischer Personen umfaßt. Erk. v. 19. Jan. 06, E. 38 S. 331. Beim Milchhandel im Umherziehen fällt auch das Zurückbringen unverkauft gebliebener Mlch noch unter die Ausübung des Handelsgewerbes. GA. 42 S. 299. Da Handelsgewerbe die auf den Umsatz von Waren gerichtete Tätigkeit ist, so sind nur diejenigen Arbeiter als in demselben beschäftigt anzusehen, welche bei dem Umsätze (z. B. dem Verpacken) Dienste leisten, nicht diejenigen, welche bei Herstellung der umzusetzenden Waren beschäftigt sind. GA. 42 S. 300. Die sämtlichen Zweige der Gärtnerei unterliegen jetzt der GewO. Siehe auch Dresden v. 29. Novbr. 11, GA. 60 S. 492, v. 20. März 12, GA. 61 S. 179, KG. v. 17. Sptbr. 14,,DIZ. 20 S. 721. Siehe auch Anm. 5.

Gewerbliche Arbeiter 8 105 e.

466

Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, füt alle oder für einzelne Geschäftszweige eine Beschäftigung bis zu acht Stunden, jedoch nicht über sechs Uhr abends hinaus, zulassen und die Beschäftigungsstunden unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit festsetzen. Für das Speditions- und das Schisfsmaklergewerbe sowie für andere Gewerbebetriebe, soweit es sich um Abfertigung und Expedition von Gütern handelt, kann die höhere Verwaltungsbehörde eine Be­ schäftigung bis zu zwei Stunden zulassen." Artikel 2.

Auf Geschäftsbetriebe der Versicherungsunternehmer einschließlich der Vereine zur Versicherung auf Gegenseitigkeit, der Versicherungs­ agenten und der Sparkassen finden die Vorschriften der Gewerbe­ ordnung über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe entsprechende Anwendung.

Artikel 3. Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken an Sonnund Festtagen oder während bestimmter Stunden dieser Tage ab­ wechselnd einen Teil der Apotheken zu schließen. Die Schließung kann bis acht Uhr morgens des nächsten Tages ausgedehnt werden. An den geschlossenen Apotheken ist an sichtbarer Stelle ein Aus­ hang anzubringen, welcher die zur Zeit offenen Apotheken bekannt gibt. Mrd von dem Rechte der Schließung kein Gebrauch gemacht oder bleibt die Apotheke an Sonn- und Festtagen länger als sechs Stunden geöffnet, so müssen den pharmazeutischen Dienstangestellten für jeden Sonn- und Festtag, an dem sie beschäftigt werden, ein Wochentag oder zwei Nachmittage freigegeben werden.

Artikel 4.

Diese Verordnung tritt am 1. April 1919 in Hrast. Gleichzeitig treten alle Sonder- und Ausnahmebestimmungen außer Kraft, die für die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe auf Grund des § 105b Abs. 2 und 3 der Gewerbeordnung erlassen sind.

5 105e. Die Bestimmungen des § 106b finden keine Anwen­ dung: 1. auf Arbeiten, welche in Notfällen-) oder im öffentlichen In­ teresse unverzüglich vorgenommen werden müssen; 85) Notfall ist nicht gleichbedeutend mit Eilfall; es muß sich um die Be­ seitigung einer Not handeln. Johow 19 S. 317, DIZ. 10 S. 173 oder einer

456

XV. Gewerbeordnung §§ 105 d.

2. für einen Sonntag auf Arbeiten zur Durchführung einer ge­ setzlich vorgeschriebenen Inventur; 3. auf die Bewachung der Betriebsanlagen, auf Arbeiten zur Peinigung und Instandhaltung, durch welche der regelmäßige Fort­ gang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt ist, sowie auf Arbeiten, von welchen die Wiederaufnahme des vollen werktätigen Betriebs abhängig ist, sofern nicht diese Arbeiten an Werktagen vor­ genommen werden können; 4. auf Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Roh­ stoffen oder des Mißlingens von Arbeilserzeugnissen erforderlich sind, sofern nicht dieseArbeiten an Werktagen vorgenommeü werden sönnen;1*) 5. auf die Beaufsichtigung des Betriebs, soweit er.nach Ziffer 1 bis 4 an Sonn- und Festtagen stattsindet. Gewerbetreibende, welche Arbeiter an Sonn- und Festtagen mit Arbeiten der unter Ziffer 1 bis 5 erwähnten Art beschäftigen, sind verpflichtet, ein Verzeichnis anzulegen, in welches für jeden einzelnen Sonn- und Festtag die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten einzutvagen sind. Das Verzeichnis ist auf Erfordern der Ortspolizeibehörde sowie dem im § 139b bezeichneten Beamten jederzeit zur Einsicht vorznlegen. Bei den unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten, sofern die­ selben länger als drei Stunden dauern, oder die Arbeiter am Besuche des Gottesdienstes hindern, sind die Gewerbetreibenden verpflichtet, jeden Arbeiter entweder an jedem dritten Sonntage volle sechsund­ dreißig Stunden, oder an jedem zweiten Sonntage mindestens in der Zeit von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends von der Arbeit frei zu lassen. Ausnahmen von den Vorschriften des vorstehenden Absatzes darf die untere Verwaltungsbehörde gestatten, wenn die Arbeiter am Be­ suche des sonntäglichen Gottesdienstes nicht gehindert werden und ihnen an Stelle des Sonntags eine viernndzwanzigstündige Ruhezeit nn einem Wochentage gewährt wird 8 1056. Für bestimmte Gewerbe, insbesondere für Betriebe, in denen Arbeiten Vorkommen, welche ihrer Natur nach eine Unterbrechung oder einen Aufschub nicht gestatten,***) sowie für Betriebe, welche ihrer plötzlich eimretenden Gefahr handeln. Hamburg v. 13. Dez. 17, DStZ. 6 S. 70. Es darf sich nicht nur blos; um Vermeidung geschäftlicher Nachteile handeln. Hamburg v. 10. Oktbr. 18, LZ. 13 S. 168. 86) Wie viele Arbeiter dazu verwendet sind, ist gleichgültig, entscheidend ist, daß niiT solche Arbeiten verrichtet sind, welche zur Verhütung des Ver­ derbens von Rohstoffen (Fischen) notwendig waren. GA. 41 S. 314. 86 aj Z. B. Betriebe mit ununterbrochenem Feuer.

Gewerbliche Arbeiter §§ 105 e, 105 s.

457

Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt sind, oder welche in gewissen Zeilen des Jahres zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind, können durch Beschluß des Bundesrats Aus­ nahmen von der Bestimmung des § 105b Abs. 1 zugelassen werden. Die Regelung der an Sonn- und Festtagen in diesen Betrieben gestatteten Arbeiten und der Bedingungen, unter welchen sie gestattet sind, erfolgt für alle Betriebe derselben Art gleichmäßig und unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 105c Abs. 3. Die vom Bundesrate getroffenen Bestimmungen sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. 8 105 e- Für Gewerbe, deren vollständige oder teilweise Ausübung an Sonn- und Festtagen zur Befriedigung täglicher oder an dieser: Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforder­ lich ist, sowie für Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft") bewegten Triebwerken arbeiten, können durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde Ausnahmen von den im § 105b getroffenen Bestimmungen zugelassen werden. Die Regelung dieser Ausnahmen hat unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 105c Abs. 3 zu erfolgen. Der Bundesrat trifft über die Voraussetzungen und Bedingungen der Zulassung von Ausnahmen nähere Bestimmungen; dieselben sind dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme mitzuteilen."^) Das Verfahren auf Anträge wegen Zulassung von Ausnahmen für Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, unter­ liegt den Vorschriften der §§ 20 und 21. § 105t. Wenn zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens ein nicht vorherzusehendes Bedürfnis der Beschäftigung von Arbeitern 86 b) Bek. v. 5. Febr. 95, betr. Ausnahmen von dem Verbot der Sonntags­ arbeit im Gewerbebetriebe (RGBl. 12) abgeändert durch folgende Bek. v. 25. 10. 95 (RGBl. S. 448) für Stahl- und Hammerwerke, v. 20. 4. 96 (S. 104) für chemische Wäscherei und Schönfärberei, v. 26. 6. 96 (S. 177) für Molkerei und Käseherstellung, v. 14. 7. 96 (S. 191) für Fischmehl und Fischttan, v. 27.11. 96 (S. 744) für Mälzereien, v. 16.10. 97 (S. 773) für Molke­ reien, v. 3. 11. 98 (S. 1185) für Kürschnereien, v. 26. 4. 99 (S. 271) für Röstwerke, Stahlwerke, v. 15. 7. 99 (S. 373) für Molkereien, v. 25. 5. 06 (S. 475) für Glashütten, Glasherstellung und flüssige Koh ensäure, v. 25. 6.14 (S. 234) für forstwirtschaftliche Nebenprodukte. 86 c) Das ist jede Wafferkraft, welche nicht stets in gleichem und ausreichen­ dem Maße zur Verfügung steht. Kayser-Steiniger, Anm. 3. 86 d) Bet. v. 3. April 01, bett. Ausnahme von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe (RGBl. S. 117).

458

XV. Gewerbeordnung §§ 105 g—105 i.

an Sonn- und Festtagen eintritt, so können durch die untere Berwattungsbehörde Ausnahmen von der Bestimmung des 8 105b Ab­ satz 1 für bestimmte Zeit zugelassen werden. Die Verfügung der unteren Verwaltungsbehörde ist schriftlich zu erlassen und muß von dem Unternehmer auf Erfordern dem für die Revision zuständigen Beamten an der Betriebsstelle zur Einsicht vorgelegt werden. Eine Abschrift der Verfügung ist innerhalb der Betriebsstätte an einer den Arbeitern leicht zugänglichen Stelle auszuhängen. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die von ihr gestatteten Ausnahmen ein Verzeichnis zu führen, in welchem die Betriebsstätte, die gestatteten Arbeiten, die Zahl der in dem Betriebe beschäftigten und der an den betreffenden Sonn- und Festtagen tätig gewesenen Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung sowie die Dauer und die Gründe der Erlaubnis einzuttagen sind. 8 105$. Das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern an Sonnund Festtagen kann durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats auf andere Gewerbe ausgedehnt werden. Diese Ver­ ordnungen sind dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. Auf die von dem Verbote zuzu­ lassenden Ausnahmen finden die Bestimmungen der §§ 105c bis 105 entsprechende Anwendung. § 105h. Die Bestimmungen der 88105a bis 105g stehen weiter­ gehenden landesgesetzlichen Beschränkungen der Arbeit an Sonn- und Festtagen nicht entgegen. Den Landes-Zentralbehörden bleibt Vorbehalten, für einzelne Fest­ tage, welche nicht auf einen Sonntag fallen, Abweichungen von der Vorschrift des 8 105b Absatz 1 zu gestatten. Auf das Weihnachts-, Neujahrs-, Oster-, Himmelfahrts- und Pfingstfest findet diese Bestim­ mung keine Anwendung. 8 105 L Der 8 105 a Abs. 1 und die 88 105 b bis 105g finden auf Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe,") Musikausführungen, Schau­ stellungen,"*) theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten so­

wie auf Berkehrsgewerbe keine Anwendung. 87) Auch in Gast- und Schankwirtschaften ist der Handel, welcher regelmäßig in denselben bettieben zu werden pflegt, auch der mittels Automaten, nicht gestattet, GA. 42 S. 293; zulässig ist nur die Verabreichung von Speisen und Getränken zum Genuß auf der Stelle, nicht der Verkauf derselben Über die Straße. Siehe insbes. GA. 43 S. 68. Der Handel mit Flaschenbier wird Schankwirtschaft, sobald es zum Genuß auf der Stelle verabfolgt wird. Der sog. Gassenschank von Bier aus dem Faß, das außerhalb der Schantstätte ge­ nossen wird, ist Handelsgewerbe. KG. v. 18. Mai 93, Johow 13 S. 387. 87 a) Hierzu gehören Kinematographenvorstellungen KG. v. 22. Juni 08,

Gewerbliche Arbeiter §§ 106—ION

469

Die Gewerbetreibenden können die Arbeiter in diesen Gewerben nur zu solchen Arbeiten an Sonn- und Festtagen verpflichten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebs einen Aufschub oder eine Unter­ brechung nicht gestatten. § 106, Gewerbetreibende, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte ab­ erkannt sind, dürfen, solange ihnen diese Rechte entzogen bleiben, mit der Anleitung von Arbeitern unter achtzehn Jahren sich nicht befassen.*^)

Diss Entlassung der dem vorstehenden Verbote zuwider beschäftigten Arbeiter kann polizeilich erzwungen werden. 8 107, Minderjährige Personen dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme solcher Arbeiter hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist verpflichtet, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen fror» zulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses wieder auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den gesetzlichen Ver­ treter, sofern dieser es verlangt, oder der Arbeiter das sechzehnte Lebens­ jahr noch nicht vollendet hat, anderenfalls an den Arbeiter selbst. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 108 bezeichneten Ortes kann die Aushändigung des Arbeitsbuchs auch an die zur gesetzlichen Vertretung nicht berechtigte Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, finden vorstehende Bestimmungen keine Anwendung. 8 108. Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizei­ behörde desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher im Gebiete des Deutschen Reichs nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten deutschen Arbeitsorts kosten- und stempelftei ausge­ stellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag odor mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Ist die Erklärung des gesetzlichen Vertreters nicht zu beschaffen oder verweigert dieser die Zustimmung ohne ge­ nügenden Grund und zum Nachteile des Arbeiters, so kann die Ge­ meindebehörde die Zustimmung ergänzen. Borger Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war. 8 169- Wenn das Arbeitsbuch vollständig ausgesüllt oder nicht DIZ. 13 S. 1173, Bilderausstellungen eines Kunsthändlers. Hamburg v. 6. Juli 14, DStZ. 2 S. 91. 87 b) Der Gewerbtreibende darf aber einen Vertreter mit der Anleitung betrauen. Siehe Kayser-Steiniger, Anm. 5.

460

XV. Gewerbeordnung §§ 110—112.

mehr brauchbar, oder wenn es verloren gegangen oder vernichtet ist, so wird an Stelle desselben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem der Inhaber des Arbeitsbuchs zuletzt seinen dauernden Aufent­ halt gehabt hat. Das ausgefüllte oder nicht mehr brauchbare Arbeits­ buch ist durch einen amtlichen Vermerk zu schließen. Wird das neue Arbeitsbuch an Stelle eines nicht mehr brauch­ baren, eines verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuchs aus­ gestellt, so ist dies darin zu vermerken. Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr bis zu fünfzig Pfennig erhoben werden. § 110. Das Arbeitsbuch (§ 108) muß den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag seiner Geburt, Namen und letzten Wohnort seines gesetzlicheil Vertreters und die Unterschrift des Arbeiters enthalten.^) Die Ausstellung erfolgt unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat über die von ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichnis zu führen. Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Reichskanzler bestimmt. § Hl. Bei dem Eintritte des Arbeiters in das Arbeilsverhältnis hat der Arbeitgeber an der dafür bestimmten Stelle des Arbeitsbuchs die Zeit des Eintritts und die Art der Beschäftigung, am Ende des Arbeitsverhältnisses die Zeit des Austritts und, wenn die Beschäfti­ gung Änderungen erfahren hat, die Art der letzten Beschäftigung des

Arbeiters einzutragen. Die Eintragungen sind mit Tinte zu bewirken und von dem Arbeit­ geber oder dem dazu bevollmächtigten Betriebsleiter zu unterzeichnen. Die Eintragungen dürfen nicht mit einem Merkmale") versehen sein, welches den Inhaber des Arbeitsbuchs günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bezweckt. Die Eintragung eines Urteils über die Führung oder die Leistungen des Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vor­ gesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeilsbuche sind unzulässig. §118. Ist das Arbeitsbuch bei dem Arbeitgeber unbrauchbar geworden, verloren gegangen oder vernichtet, oder sind von dem Arbeit­ geber unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht, oder wird von dem Arbeitgeber ohne recht88) Bewirkt der Arbeiter, daß die Polizeibehörde unrichtige Angaben über seine Verhältniffe in das Buch einträgt, so liegt darin nicht der Tatbestand intellektueller Urkundenfälschung. Erk. v. 30. Juni 90, E. 21 S. 31. 89) Das sind solche besondere Zeichen, deren Bedeutung für den Unein­ geweihten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Erk. v. 6. Novbr. 91, E. 22 S. 200.

Gewerbliche Arbeiter §§ 113—114 a.

461

mäßigen Grund die Aushändigung des Arbeitsbuchs verweigert, so kann die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuchs auf Kosten des Arbeit­ gebers beansprucht werden. Ein Arbeitgeber, welcher das Arbeitsbuch seiner gesetzlichen Ver­ pflichtung zuwider nicht rechtzeitig ausgehändigt oder die vorschrifts­ mäßigen Eintragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke gemacht hat, ist dem Arbeiter entschädigungspflichtig. Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach seiner Entstehung im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist. § 113 Beim Abgänge können die Arbeiter ein Zeugnis über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern. Dieses Zeugnis ist auf Verlangen der Arbeiter auch aus ihre Führung und ihre Leistungen auszudehnen. Den Arbeitgebern ist untersagt, die Zeugnisse mit Merkmalen zu versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus den: Wortlaute des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen. Ist der Arbeiter minderjährig, so kann das Zeugnis von dem gesetzlichen Vertreter gefordert werden. Dieser kann verlangen, daß das Zeugnis an ihn, nicht an den Minderjährigen ausgehändigt werde. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 108 be­ zeichneten Ortes kann auch gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters die Aushändigung unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. § 114 Auf Antrag des Arbeiters hat die Ortspolizeibehörde die Eintragung in das Arbeitsbuch und das dem Arbeiter etwa aus­ gestellte Zeugnis kosten- und stempelftei zu beglaubigen. § 114a.8ea) Für bestimmte Gewerbe kann der Bundesrat Lohn­ bücher oder Arbeitszettel vorschreiben88b) und die zur Ausführung erforderlichen Bestimmungen erlassen. In die Lohnbücher oder Arbeits­ zettel sind von dem Arbeitgeber oder einem dazu bevollmächtigten Be­ triebsbeamten einzutragen: 1. der Zeitpunkt der Übertragung von Arbeit, Art und Umfang der Arbeit, bei Akkordarbeit die Stückzahl, 2. die Lohnsätze,8»') 3. die Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugen und Stoffen zu den Arbeiten, 89a) Die Fassung des 8 114a sowie die §§ 114b bis 114e beruhen auf dem Gesetz v. 27. Dezbr. 11 (RGBl. 12 S. 139). 89 b) Siehe Bek. v. 14. Febr. 13 (RGBl. S. 97) betr. Lohnbücher für die Kleider- und Wäschekonfektion. 89 c) Zum Lohn sind nicht zu rechnen Bereürbarungen über die dem Arbeiter zu gewährende freie Zeit und über die Erlaubnis, sich Nebenverdienst zu ver­ schaffen. GA. 49 S. 350.

XV, Gewerbeordnung §§ 114b—114e. 4. der Zeitpunkt der Ablieferung sowie Art und Umfang der ab­ gelieferten Arbeit, 5. der Lohnbetrag unter Angabe der etwa vorgenommenen Abzüge, 6. der Tag der Lohnzahlung. Der Bundesrat kann bestimmen, daß in die Lohnbücher oder Arbeilszettel auch die Bedingungen für die Gewährung von Kost und Wohnung eingetragen werden, sofern Kost oder Wohnung als Lohn oder Teil des Lohnes gewährt werden soll.

Im übrigen sind noch solche Eintragungen zulässig, welche sich auf Namen, Firma und Niederlassungsort des Arbeitgebers, Namen und Wohnort des Arbeiters, die übertragenen Arbeiten und die dafür vereinbarten oder gezahlten Löhne beziehen. Für die Eintragungen gelten entsprechend § 111 Abs. 3, 4, § 113 Abs. 3.

§ 114b. Das Lohnbuch oder der Arbeitszettel ist von dem Arbeit­ geber auf seine Kosten zu beschaffen und dem Arbeiter sofort nach Voll­ ziehung der vorgeschriebenen Eintragungen kostenfrei auszuhändigen. Die Eintragungen sind von dem Arbeitgeber oder einem dazu bevoll­ mächtigten Betriebsbeamten zu unterzeichnen. Der Bundesrat kann bestimmen, daß die Lohnbücher in der Betriebsstätte verbleiben, wenn die Arbeitgeber glaubhaft machen, daß die Wahrung von Fabrikationsgeheimnissen diese Maßnahme erheischt. Den beteiligten Arbeitern ist Gelegenheit zu geben, sich vor Erlaß dieser Bestimmung zu äußern. Sofern nicht der Bundesrat anders bestimmt, sind die Eintragungen gemäß § 114 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vor oder bei der Übergabe der

Arbeit, die gemäß § 114 a Abs. 1 Nr. 4 bei der Abnahme der Arbeit, die gemäß § 114 a Abs. 1 Nr. 5, 6 bei der Lohnzahlung mit Tinte zu bewirken und zu unterzeichnen.

In den Lohnbüchern sind die §§ 115 bis 119a Abs. 1, § 119b abzudrucken.

§ 114c. Soweit der Bundesrat Bestimmungen auf Grund des § 114 a Abs. 1, 2 nicht erläßt, kann die Landeszentralbehörde oder nach Anhören beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter die zuständige Polizeibehörde durch .Polizeiverordnung sie erlassen. Für diesen Fall kann die Landeszentralbehörde oder die zuständige Polizeibehörde auch Bestimmungen auf Grund des § 114 b Abs. 2 erlassen.

§ 114d. Bundesrat und Landeszentralbehörde können die Be­ stimmungen auf Grund der §§ 114 a bis 114 c auch für einzelne Be­ zirke erlassen.

8 11466 Für die Bestimmungen des Bundesrats gilt § 120g entsprechend.

Gewerbliche Arbeiter § 115.

463

$ 115- Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter"^) in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen.") Sie dürfen den Arbeitern keine Waren kreditieren.") Doch ist es gestattet, den Arbeitern Lebensmittel") für den Betrag der Anschasfungskosten,") Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Miet- und Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäßige Be­ köstigung,") Arzneien und ärztliche Hilfe sowie Werkzeuge und 89 d) Darüber, inwieweit die in der Hausindustrie beschäftigten Arbeiter gewerbliche Arbeiter sind, siehe Erk. v. 5./12. Juni 99, E. 32 S. 224. 90) Die Zahlung des Lohnes muß unbedingt bar erfolgen, nicht durch Anweisung (Bons), Erk. v. 19. April 80, E. 1 S. 386, u. v. 8. Jan. 83, R. 5 S. 18; ebensowenig durch Marken, Erk. v. 22. Septbr. 82, E. 7 S. 38; auch nicht durch Abzug der Forderung eines Dritten an den Arbeiter für entnommene Waren, Erk. v. 2. Febr. 94, GA. 42 S. 46; ferner auch nicht durch Abzug einer persönlichen Forderung, die der Gewerbetreibende oder dessen Beauftragter an den Arbeiter hat; Erk. v. 17. Novbr. 94, E. 26 S. 208; auch nicht durch Wechsel, ausgenommen, wenn der letztere nicht als Zahlung gelten soll, sondern nur zur Sicherung des Lohnes gegeben wird; Erk. v. 27. März 88, E. 17 S. 285. Die Aufrechnung ist nach § 394 BGB. unzulässig. Einbehaltung von Lohn­ beträgen zur Tilgung von Entschädigungsforderungen ist daher nach § 1461 * * * S. * * * * 10 strafbar. Erk. v. 11. Jan. 04, GA. 51 S. 379. Wohl aber ist statthaft, daß der Arbeitgeber Marken als Lohnvorschüsse gibt, daß die Arbeiter diese Marken bei Dritten bei Entnahme von Waren in Zahlung geben und daß der Arbeit­ geber später diese Marken bei den Dritten gegen Barzahlung einlöst. Erk. v. 28. Septbr. 96, E. 29 S. 95. Die Marken dienen hier nur gewissermaßen als Beweismittel für die von dem Arbeitgeber geleistete Bürgschaft. Dgl. auch Erk v. 17. Novbr. 96, E. 29 S. 190. Auch ist es nicht ausgeschlossen, daß den Ar­ beitern bei der Auszahlung des Lohnes gewisse Abzüge gemacht werden, Erk. v. 13. Dezbr. 83, R. 5 S. 779, und noch weniger fällt es unter dies Gesetz, wenn der Arbeiter den eben empfangenen Lohn unmittelbar darauf im Geschäfte des Arbeit­ gebers zum Ankauf von Waren verwendet, Erk. v. 18. Dezbr. 85, E. 12 S. 182. 91) Aber sie können den Arbeitern Waren gegen Barzahlung verkaufen. Erk. v. 20. Oktbr. 91, E. 22 S. 177. Die für kreditterte Waren geschuldeten Beträge dürfen von dem Arbeitslöhne auch dann nicht gekürzt werden, wenn dieser zunächst bar bezahlt wird, GA. 38 S. 375. Erk. v. 12. Novbr. 82, E. 7 S. 197. Es kommt nicht daraus an, ob ein Borgverhältnis den Arbeitern und ihren Familien Borteile gewähren soll u. wirklich gewährt. Erk. v. 19. Apr. 09, E. 42 S. 298... 92) Im Übermaß verabfolgter Branntwein ist kein Lebensmittel, Erk. v. 10. Jan. 89, E. 20 S. 217; ebensowenig sind dahin Haushaltungsgegenstände zu rechnen, sondern nur Nahrungsmittel. Erk. v. 26. April 87, R. 9 S. 289. Vgl. auch Erk. v. 23. Septbr. 97, E. 30 S. 253. 93) Darunter sind nicht bloß die Einkaufspreise zu verstehen, sondern auch andere Aufwendungen, wie Transportkosten usw. Erk. v. 19. Novbr. 88, E. 18 S. 224. 94) Sie ist nur dann vorhanden, wenn dem Arbeiter während eines längeren Zeitraums wenigstens eine der üblichen täglichen Mahlzeiten in einer zu soforttgem Genusse geeigneten Weise verabfolgt wird. Erk. v. 14. Juni 88, R. 10 S. 422.

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XV. Gewerbeordnung §§ 115 a—118.

Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten füfc den Betrag der durch­ schnittlichen Selbstkosten") unter Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen. Zu einem höheren Preise ist die Berabfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Akkordarbeiten zulässig, wenn derselbe den ortsüblichen nicht übersteigt und im voraus vereinbart ist.") § 115a. Lohn- und Abschlagszahlungen dürfen in Gast- und Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen nicht ohne Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde erfolgen; sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden über Rechts­ geschäfte, welche nach § 2 des Gesetzes, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohns, vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl.

S. 242) rechtlich unwirksam sind.") § 116. Arbeiter, deren Forderungen in einer dem $115 zu­ widerlaufenden Weise berichtigt worden sind, können zu jeder Zeit Zahlung nach Maßgabe des § 116 verlangen, ohne daß ihnen eine Einrede aus dem an Zahlungsstatt Gegebenen entgegengesetzt werden kann. Letzteres fällt, soweit es noch bei dem Empfänger vorhanden oder dieser daraus bereichert ist, derjenigen Hilfskasse zu, welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der Gemeinde­ behörde zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Orts­ armenkasse. § 117. Verträge, welche dem § 116 zuwiderlaufen, sind nichtig. Dasselbe gilt von den Verabredungen zwischen Gewerbetreibenden und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufsstellen sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen Zwecke als zur Beteiligung an Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien.") § 118. Forderungen für Waren, welche dem § 115 zuwider kreditiert worden sind, können von dem Gläubiger weder eingeklagt, noch durch Anrechnung oder sonst geltend gemacht werden, ohne Unter95) Die Selbstkosten decken sich nicht mit den Anschaffungskosten, sondern umfassen auch die Aufwendungen für Aufbewahrung, Unterhaltung der Waren usw. Erk. v. 27. Juni 95, E. 27 S. 321. 96) Die Vorschrift des § 115 kann auch fahrlässigerweise übertreten werden. Erk. v. 11. Juni 91, E. 22 S. 43. 97) Die Lohnauszahlung, auf Grund von Vollmachten, durch die der Ver­ walter eines kreditgebenden Konsumvereins ein für allemal ermächtigt wird, fällige Lohnbeträge für den Arbeiter zu erheben, ist strafbar. Erk. v. 13. Juni 95, E. 27 S. 289. 98) Der § 117 bezieht sich nur auf den § 115, nicht auf den 8 115 a. Siehe das in vor. Anm. zit. Erk.

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Gewerbliche Arbeiter §§ 119—119 b.

schied, ob sie zwischen den Beteiligten unmittelbar entstanden oder

mittelbar erworben sind. Dagegen fallen dergleichen Forderungen der im § 116 bezeichneten Kasse zu. § 119 Den Gewerbetreibenden im Sinne der §§ 115 bis 118 sind gleich zu achten deren Familienglieder, Gehilfen, Beauftragte/») Geschäftsführer, Aufseher und Faktoren sowie andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäft eine der hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.

§ 119a. Lohneinbehaltungen, welche von Gewerbeunternehmern zur Sicherung des Ersatzes eines ihnen aus der widerrechtlichen Auf­ lösung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Schadens oder einer für diesen Fall verabredeten Strafe ausbedungen Werders, dürfen bei den einzelssen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Ge­ samtbeträge den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) kann für alle Gewerbebetriebe oder ge­ wisse Arten derselben festgesetzt werden: 1. daß Lohn- und Abschlagszahlungen in festen Fristen erfolgen müssen, welche nicht länger als einen Monat und nicht kürzer als eine Woche sein dürfen; 2. daß der von minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vormünder und nur mit deren schriftlicher Zustimmung oder nach deren Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohn­ zahlung unmittelbar an die Minderjährigen gezahlt wird; 3. daß die Gewerbetreibenden den Eltern oder Vormündern inner* halb gewisser Fristen Mitteilung von beit an minderjährige Arbeiter gezahlten Lohnbeträgenf zu machen haben. § 119b. Unter den in §§ 114a bis 119a bezeichneten Arbeitern werden auch diejenigen Personen verstanden, welche für bestimmte Ge­ werbetreibende außerhalb der Arbeitsstätten der letzteren mit der An­ fertigung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt sind, und zwar auch dann, wenn sie die Roh- und Hilssstoffe selbst beschaffen?»») 99) Der Wirt der Kanttne kann alS Beauftragter angesehen werden. 100) Die Bestimmung wird durch das Hausarbeitsgesetz (Anm. 79) nicht berührt. Stenglein-Lindenberg Anm. 1. Hierunter fallen auch ohne ausdrücklich vereinbarten Dienstvertrag alle sog. Haus- oder Heimarbeiter, welche nur an einen bestimmten Gewerbetreibenden als Arbeitsherrn ihre Arbeiten ab­ setzen können. Erk. v. 12. Oktbr. 85, R. 7 S. 569. Auch die Arbeiter gehören hierher, welche nur gelegentlich, um sich einen Nebenverdienst zu verschaffen, arbeiten. Erk. v. 18. Dezbr. 85, E. 12 S. 182; ebenso selbständige Gewerbe­ treibende, die selbst Gehilfen beschäftigen, welche ausschließlich für einen Unter­ nehmer und nicht für das Publikum arbeiten. Erk. v. 21. Jan. 86, R. 8 S. 66.

Dalcke, Strafrecht.

16. Aust. (1922).

30

466

XV, Gewerbeordnung § 120.

§ 12O.looa) Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, ihren Ar­ beitern unter achtzehn Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staate als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichenfalls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren?"^) Am Sonntage darf der Unterricht

nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert werden, den Hauptgottesdienst oder einen mit Genehmigung der kirchlichen Behörden für sie eingerichteten be­ sonderen Gottesdienst ihrer Konfession zu besuchen?) Ausnahmen von dieser Bestimmung kann die Zentralbehörde für bestehende Fort­ bildungsschulen, zu deren Besuche keine Verpflichtung hesteht, bis zum 1, Oktober 1894 gestatten. Als Fortbildungsschulen im Sinne dieser Bestimmung gelten auch Anstalten, in welchen Unterricht in weiblichen Hand- und Hausarbeiten erteilt wird. Die Pflicht zum Besuch einer Fortbildungsschule kann, soweit sie nicht nach Landesgesetz besteht, durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) für die im Abs. 1 bezeichneten Arbeiter eingeführt werden. Diese Pflicht besteht dann auch für die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden. Insbesondere können durch statu­ tarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbe­ suchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Ar­ beitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vor­ schriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fmtbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Verpflich­ tung zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, Daß der Heimarbeiter auch für mehrere Gewerbetreibende beschäftigt ist, ist ohne Belang. Erk. v. 17. Novbr. 87, R. 9 S. 615. 100 a) Die Fassung beruht auf dem Ges. v. 27. Dezbr. 11 (RGBl. 12 S. 139). 100 b) Es ist nicht erforderlich, daß für den Arbeiter eine Verpflichtung zum Besüch besteht. Stenglein-Lindenberg Anm. 8. Der Arbeitgeber hat für rechtzeitige Entlassung des Arbeiters zu sorgen. KG. v. 12. Juli 97, GA. 45 S. 300. — Ein Irrtum über die Schulpflichtigkeit des Arbeiters schützt nicht. KG. v. 4. April 07, GewArch. 6 S. 109.

1) Es kommt bei der Beurteilung der Strafbarkeit (wegen Versäumnis des Unterrichts) nur darauf an, ob der Unterricht während der Zeit des HauptgotteSdienstes der Konfession, welcher der Angekl. angehört, stattgefunden hat. Ist dies der Fall, so ist der Angekl. nicht strafbar, gleichviel ob er den Gottes­ dienst besucht hat, oder nicht. KG. v. 21. Febr. 95, GA. 42 S. 431.

Gewerbliche Arbeiter § 120 a.

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welche eine Jnnungs- oder andere Fortbildungs- oder Fachschule be­ suchen, sofern der Unterricht dieser Schule von der höheren Verwal­ tungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fort­ bildungsschulunterrichts anerkannt wird?) Die im Abs. 3 Satz 1 ausgesprochene Pflicht kann für eine Ge­ meinde oder einen weiteren Kommunalverband durch Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde eingeführt werden, wenn ungeachtet einxr von ihr auf Antrag beteiligter Arbeitgeber oder Arbeiter an die Ge­ meinde oder den weiteren Kommunalverband erlassenen Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist das Statut nicht erlassen worden ist. Die im Abs. 3 vorgesehenen Bestimmungen werden in diesem Falle von der höheren Verwaltungsbehörde getroffen. Gegen die Aufforderung und die Anordnungen der höheren Verwaltungsbehörde ist Beschwerde an die Landeszentralbehörde zulässig. Die Unterrichtszeiten werden von der hierfür nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt und bekanntgemacht. § 120a. Die Gewerbeunternehmer») sind verpflichtet, die Arbeits­ räume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften so einzu­ richten und zu unterhalten und den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Natur des Betriebs gestattet?) •2) Der § 120 findet auch auf Lehrlinge in Handelsgeschäften Anwendung. GA. 43 S. 144. Auch auf Handwerkslehrlinge, GA. 63 S. 462, sowie auf Lehrlinge von Handels- und Kunstgärtnereien. KG. v. 30. Mai 01, Jo how 22 S. 6 16, aber nicht auf solche Lehrlinge, die hauptsächlich mit landwirtschaft­ lichen Arbeiten beschäftigt werden. KG. v. 11. März 01 Johow 21 S. 0 72. Auch nicht auf Volontäre mit Einjährigenzeugnis, die ohne Bezahlung Dienste leisten und nicht an die Geschäftszeit gebunden sind. KG. v. 25. Juli 19, Die Polizei 16 S. 297. Das KG. hat auf Grund eines gemäß der BO. v. 28. März 19 (RGBl. S. 354) erlassenen Ortstatuts eines Magistrats die Fortbildungs­ schulpflicht der Rechtsanwaltsbürolehrlinge anerkannt. KG. v. 18. Oktbr. 21, JurW. 50 S. 1556. Siehe dagegen Wreschner ebenda. — Strafbar ist auch das Versäumen des Turn- und Spielunterrichts der Fortbildungsschule. LG. Liegnitz v. 11. Juni 21, JurW. 51 S. 113. Gewerbliche Arbeiter, denen durch Ortsstatut die Verpflichtung zum Besuch der gewerblichen Fortbildungsschule am Orte ihrer Beschäftigung auserlegt ist, werden von dieser Verpflichtung nicht deshalb befreit, weil sie eine ländliche Fortbildungsschule ihres Wohnortes be­ suchen. KG. v. 1. April 12, Johow 43 S. 421. 3) Auf die im § 6 aufgeführten Gewerbe findet die Vorschrift keine An­ wendung. Kayser-Steiniger Anm. 1. 4) Der Unternehmer kaun sich nicht damit entschuldigen, daß der Fabrik­ inspektor den Mangel der betr. Schutzvorrichtung nicht gerügt habe, Entsch. für Zivs. 12 S. 46; auch nicht damit, daß ihm in seiner Konzessionsurkunde die Herstellung der Schutzvorrichtung nicht zur Pflicht gemacht sei, Erk. v. 3. Juli 88, E. 18 S. 73; ebensowenig damit, daß die Herstellung ohne eine Betriebs­ störung nicht möglich gewesen sei, Erk. v. 5. Dezbr. 83, E. 10 S. 6. Auch ge

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XV. Gewerbeordnung 88 120 d—1206.

Insbesondere ist für genügendes Licht, ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubes, der dabei entwickelten Dünste und Gase sowie der dabei entstehenden

Abfälle Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen gefährliche Berührungen mit Maschinen oder Maschinenteilen oder gegen andere in der Natur der Betriebs­ stätte oder des Betriebs liegende Gefahren, namentlich auch gegen die Gefahren, welche aus Fabrikbränden erwachsen können, erforder­ lich sind.') Endlich sind diejenigen Vorschriften über die Ordnung des Be­ triebs und .as Verhalten der Arbeiter zu erlassen, welche zur Siche­ rung eines gefahrlosen Betriebs erforderlich sind. § 120b. Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, diejenigen Einrichtungen zu treffen und zu unterhalten und diejenigen Vor­ schriften über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe zu erlassen welche erforderlich sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes zu sichern. Insbesondere muß, soweit es die Natur des Betriebs zuläßt, bei der Arbeit die Trennung der Geschlechter durchgeführt werden, sofern nicht die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebs ohnehin gesichert ist. In Anlagen, deren Betrieb es mit sich bringt, daß die Arbeiter sich umkleiden und nach der Arbeit sich reinigen, müssen ausreichende, nach Geschlechtern getrennte Ankleide- und Waschräume vorhanden sein. Die Bedürfnisanstalten müssen so eingerichtet fein, daß sie für die Zahl der Arbeiter ausreichten, daß den Anforderungen der Gesund­ heitspflege entsprochen wird und daß ihre Benutzung ohne Verletzung

von Sitte und Anstand erfolgen kann. § 120c. Gewerbeunternehmer, welche Arbeiter unter achtzehn Jahren beschäftigen, sind verpflichtet, bei der Einrichtung der Betriebs­ stätte und bei der Regelung des Betriebs diejenigen besonderen Rück­ sichten auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen, welche durch das Alter dieser Arbeiter geboten sind. § 120& Die zuständigen Polizeibehörden sind befugt, im Wege wisse, nur mittelbar zum Fabrikbetriebe gehörige Vorrichtungen, welche an sich außerhalb des letzteren liegen, fallen unter den § 120 a. Erk. v. 25. Oktbr. 88, E. 18 S. 204. Vgl. Johow 24 S. 6 13. 5) Welche Vorrichtungen zur Sicherung gegen Gefahren notwendig, hat zunächst der Gewerbetreibende selbst zu prüfen. Es kommt nicht darauf an, ob er die Notwendigkeit einer Schutzvorrichtung erkannt hat, sondern nur darauf, ob er sie hätte erkennen müssen. Entsch. in Zivs. 12 S. 130.

Gewerbliche Arbeiter § 120 e.

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der Verfügung für einzelne Anlagen die Ausführung derjenigen Maß­ nahmen anzuordnen, welche zur Durchführung der in §§ 120a bis 120c enthaltenen Grundsätze erforderlich und nach der Beschaffenheit der Anlage ausführbar erscheinen. Sie können ancrdnen- daß den Arbeitern zur Einnahme von Mahlzeiten außerhalb der Arbeitsräume angemessene, in der kalten Jahreszeit geheizte Räume unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Soweit die angeordneten Maßregeln nicht die Beseitigung einer dringenden, das Leben oder die Gesundheit bedrohenden Gefahr be­ zwecken, muß für die Ausführung eine angemessene Frist gelassen

werden. Den bei Erlaß dieses Gesetzes bereits bestehenden Anlagen gegen­ über können, solange nicht eine Erweiterung oder ein Umbau eintritt, nur Anforderungen gestellt werden, welche zur Beseitigung erheblicher, das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Arbeiter gefährden­ der Mißstände erforderlich oder ohne unverhältnismäßige Aufwendungen ausführbar erscheinen. Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbeunternehmer binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungs­ behörde zu. Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde Zulässig;

diese entscheidet endgültig. Widerspricht die Verfügung den von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist zur Einlegung der vorstehend bezeichneten Rechts­ mittel binnen der dem Gewerbeunternehmer zustehenden Frist auch der Vorstand der Berufsgenossenschaft befugt.

§ 120e.“) Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen in bestimmten Arten von Anlagen zur Durchführung der in den §§ 120a bis 120c ent­ haltenen Grundsätze zu genügen ist.«) In diesen Bestimmungen können 6) Folgende im RGBl, veröffentlichten Bek. kommen in Betracht: a. v. 16. Mai 07 (S. 233) betr. die Einrichtung u. den Betrieb von An­ lagen zur Herstellung von Alkali-Chromaten. b. v. 4. März 96 (S. 55) betr. den Betrieb von Bäckereien u. Konditoreien. c. b. 26. Mai 03 (S. 225) betr. die Einrichtung und den Betrieb von An­ lagen zur Herstellung von Bleifarben und anderen Bleiprodutten. d. v. 16. Juni 05 (S. 545) bew. die Einrichtung und den Betrieb der Bleihütten. e. v. 31. Juli 97 (S. 614), v. 5. Juli 07 (S. 405) u. v. 22. Dezbr. 08 (S. 654) betr. die Anrichtung der Buchdruckereien und Schriftgießereien. f. v. 4. Mai 14 (S. 118) u. 21. Ottbr. 14 (S. 446) (stehe Erk. v. 13. Jan 14, E. 48 S. 94 über die Bek. v. 19. Dezbr. 08) betr. den Betrieb der Anlagen der Großeisenindustrie.

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XV. Gewerbeordnung § 120e.

auch Anordnungen über das Verhallen der Arbeiter im Betriebe zum Schutze von Leben und Gesundheit ausgenommen werden. Eine Ab­ schrift oder ein Abdruck der Anordnungen ist an geeigneter, allen be­ teiligten Arbeitern zugänglicher Stelle auszuhängen und in lesbarem Zustand zu erhalten. Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, können dieselben durch Anordnung der Landes-Zentral­ behördenoder durch Polizeiverordnungen der zuständigen Polizeibehörden erlassen werden. Vor dem Erlasse solcher Anordnungen und Polizei­ verordnungen ist den Vorständen der beteiligten Berufsgenossenschaften oder Berufsgenossenschafts-Sektionen Gelegenheit zu einer gutachtlichen Äußerung zu geben. •*) Auf diese finden die Bestimmungen des § 113

g. v. 6. Mai 08 (S. 172) betr. die Einrichtung u. den Betrieb von An­ lagen zur Herstellung elektrischer Akkumulatoren aus Blei oder Bleiverbindungen. h. v. 23. Jan. 02 (S. 33) betr. die Beschäftigung von Gehilfen und Lehrlingen in Gast- u. Schankwirtschaften. (Siehe hierzu GA. 57 S. 243 u. E. 47 S. 53.) i. v. 26. Apr. 99 (S. 273) u. v. 15. Nov. 03 (S. 287) u. v. 25. Nov. 10 (S. 1105) betr. den Betrieb von Getreidemühlen. K. v. 1. März 02 (S. 59) betr. die Einrichtung und den Betrieb gewerb­ licher Anlagen zur Vulkanisierung von Gummiwaren. l. v. 22. Okt. 02 (S. 269) betr. die Einrichtung und den Betrieb der Roß­ haarspinnereien, Haar- und Borstenzurichtereien usw. m. v. 8. Dezbr. 09 (S. 969) betr. die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter bei der Bearbeitung von Faserstoffen, Tierhaaren usw. n. v. 25. Novbr. 09 (S. 965 u. 966) betr. die Beschäftigung von Arbeite­ rinnen in Betrieben zur Herstellung von Gemüse- oder Obstkonserven und in Betrieben zur Herstellung von Fischkonserven. o. v. 27. Juni 05 (S. 555) Vorschriften für Betriebe, in denen Maler-, Anstreicher-, Tüncher-, Weißbinder- oder Lackiererarbeiten ausgeführt werden. p. v. 31. Mai 09 (S. 471) u. v. 20. Novbr. 11 (S. 955) betr. die Ein­ richtung und den Betrieb von Steinbrüchen und Steinhauereien. q. v. 23. Dezbr. 11 (S. 1153) betr. die Einrichtung und den Betrieb ge­ werblicher Anlagen, in denen Thomasschlacke usw. gelagert wird. Siehe auch Bek. v. 21. Oktbr. 14 (S. 445). r. v. 25. Novbr. 09 (S. 968) betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Anlagen, die zur Herstellung von Zichorie dienen. 8. v. 17. Febr. 07 (S. 34) betr. die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Zigarren bestimmten Anlagen. t. v. 6. Febr. 00 (S. 32), v. 5. Juli 01 (S. 261), u. v. 8. Dezbr. 09 (S. 971) betr. die Einrichtung und den Betrieb von Zinkhütten. u. v. 24. Novbr. 11 (S. 958) betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Rohzuckerfabriken. 6 a) In der Bekanntmachung braucht dies nicht ausdrücklich erwähnt zu werden. Erk. v. 30. Septbr. 01, E. 34 'S. 368. Es genügt, daß die Vor­ schriften auf den § 120 e Bezug nehmen. Bahr. OLG. v. 25. Juni 10, Recht 14 S. 583.

Gewerbliche Arbeiter §§ 120 f—123.

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Abs. 2, 4 und des § 115 Abs. 4 Satz 1 des Gewerbe-Unfallversrcherungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900 S. 573, 585) Anwendung. § 120 f. Für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, kann der Bundesrat und, soweit er nicht Bestimmungen erläßt/ die Landeszentralbehörde oder pach Anhören beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter die zuständige Polizeibehörde durch Polizeiverordnung Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen regeln und die zur Durchführung erforderlichen Anordnungen erlassen. Soweit solche Bestimmungen nicht erlassen sind, kann auf Antrag oder nach Anhören des Gewerbeaufsichtsbeamten (§ 139 b) und nach Anhören beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter die zuständige Polizeibehörde für einzelne Betriebe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, im Wege der Verfügung Bestimmungen und Anordnungen dieser Art erlassen. § 120d Abs. 4 gilt entsprechend. $ 120g. Die Bestimmungen des Bundesrats auf Grund der §§ 120 e, 120 f sind durch das RGBl, zu veröffentlichen und dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorzulegen. II. Verhältnisse der Gesellen und Gehilfen.

§ 121. Gesellen') und Gehilfen sind verpflichtet, den Anordnungen der Arbeitgeber in Beziehung aus die ihnen übertragenen Arbeiten und auf die häuslichen Einrichtungen Folge zu leisten; zu häuslichen Arbeiten sind sie nicht verbunden. § 122. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Gesellen oder Ge­ hilfen und ihren Arbeitgebern kann, wenn nicht ein anderes verabredet ist, durch eine jedem Teile freistehende, vierzehn Tage vorher erklärte Aufkündigung gelöst werden. Werden andere Aufkündigungsfristen vereinbart, so müssen sie für beide Teile gleich sein. Verein­ barungen, welche dieser Bestimmung zuwiderlaufen, sind nichtig. § 123* Bor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Auf­ kündigung können Gesellen und Gehilfen entlassen werden: 1. wenn sie bei Abschluß des Arbeilsvertrags den Arbeitgeber durch Vorzeigung falscher oder verfälschter Arbeitsbücher oder Zeugnisse 7) Geselle ist jeder unselbständige Arbeiter, der weder Lehrling noch lediglich Fabrikarbeiter ist. Zwischen Gesellen und Gehilfen besteht nur ein Unterschied tatsächlicher Natur, bei den letzteren werden keine technischen Kenntnisse erfordert. Erk. des ROHG. v. 30. April 73, E. 9 S. 306, u. v. 16. Febr. 76, E. 19 S. 382. Siehe auch Hilfe in GA. 51 S. 16ff.

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XV. Gewerbeordnung § 124.

hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen, sie gleich­ zeitig verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einen Irrtum versetzt haben; 2. wenn sie eines Diebstahls, einer Entwendung, einer Unter­ schlagung, eines Betrugs oder eines liederlichen Lebenswandels sich

schuldig machen; 3. wenn sie die Arbeit unbefugt verlassen haben oder sonst den nach dem Arbeilsvertrag ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzu­ kommen beharrlich verweigern; 4. wenn sie der Verwarnung ungeachtet mit Feuer und Licht

unvorsichtig umgehen; 6. wenn sie sich Tätlichkeiten oder grobes Beleidigungen gegen den Arbeitgeber oder seine Vertreter oder gegen die Familienange­ hörigen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter zu Schulden kommen lassen; 6. wenn sie einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum Nachteile des Arbeitgebers oder eines Mitarbeiters sich schuldig

machen; 7. wenn sie Familienangehörige des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder Mitarbeiter zu Handlungen verleiten oder zu verleiten versuchen oder mit Familienangehörigen.des Arbeitgebers oder seiner Vertreter Handlungen begehen, welche wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen; 8. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig oder mit einer abschreckenden Krankheit behaftet sind. In den unter Ziffer 1 bis 7 gedachten Fällen ist die Entlassung nicht mehr zulässig, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen dem Arbeitgeber länger als eine Woche bekannt sind. Inwiefern in den unter Ziffer 8 gedachten Fällen dem Entlassenen

ein Anspruch auf Entschädigung zustehe, ist nach dem Inhalte des Vertrags und nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu be­ urteilen.

§ 124. Bor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Auf­ kündigung können Gesellen und Gehüfen die Arbeit verlassen: 1. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig werden; 2. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter sich Tätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen die Arbeiter oder gegen ihre Familien­ angehörigen zu Schulden kommen lassen; 3. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter oder Familienange­ hörige derselben die Arbeiter oder deren Familienangehörige zu Hand6) Es muß ausdrücklich festgestellt werden, daß die Beleidigung eine grobe gewesen ist. Erk. des ROHG. v. 30. April 73, E. 9 H. 306.

Gewerbliche Arbeiter §§ 124 a—125.

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hingen verleiten oder zu verleiten versuchen oder mit den Familien­ angehörigen der Arbeiter Handlungen begehen, welche wider die Ge­

setze oder die guten Sitten laufen;

4. wenn der Arbeitgeber den Arbeitern den schuldigen Lohn nicht in der bedungenen Weise auszahlt, blei Stücklohn nicht für ihre aus­ reichende Beschäftigung sorgt, oder wenn er sich widerrechtliche Über­

vorteilungen gegen sie schuldig macht; 5. wenn bei Fortsetzung der Arbeit das Leben oder die Gesund­ heit der Arbeiter einer erweislichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche bei Eingehung des Arbeitsvertrags nicht zu erkennen war. In den unter Ziffer 2 gedachten Fällen ist der Austritt aus der Arbeit nicht mehr zulässig, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen dem Arbeiter länger als eine Woche bekannt sind. § 134a. Außer den in §§ 123 und 124 bezeichneten Fällen kann jeder der beiden Teile aus wichtigen Gründen vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses verlangen, wenn dasselbe mindestens auf vier Wochen oder wenn eine längere als vierzehntägige Kündigungsfrist vereinbart ist. 5 124b. Hat ein Geselle oder Gehilfe rechtswidrig die Arbeit verlassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des Vertragsbruchs und jeden folgenden Tag den vertragsmäßigen oder gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohns (§ 8 des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883, Reichs-Gesetzbl. S. 73)ea) fordern. Diese Forderung ist an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden. Durch ihre Geltendmachung wird der Anspruch auf Erfüllung des Vertrags und auf weiteren Schadensersatz ausgeschlossen. Dasselbe Recht steht demGesellen oder Gehilfen gegen den Arbeitgeber zu, wenn er von diesem vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses entlassen worden ist.

8 126. Ein Arbeitgeber, welcher einen Gesellen ^der Gehilfen verleitet, vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verlassen, ist dem früheren Arbeitgeber für den entstandenen Schaden oder den nach § 124 b an die Stelle des Schadensersatzes tretenden Betrag als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet ein Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehilfen annimmt, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist. In dem im vorstehenden Absätze bezeichneten Umfang ist auch derjenige Arbeitgeber mitverhaftet, welcher einen Gesellen oder Ge8 a) Siehe § 149 ff. RBO.

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XV. Gewerbeordnung §§ 126—126 b.

Hilfen, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist, während der Dauer dieser Verpflich­ tung in der Beschäftigung behält, sofern nicht seit der unrechtmäßigen Lösung des Arbeitsverhältnisses hereits vierzehn Tage verflossen sind. Den Gesellen und Gehilfen stehen im Sinne der vorstehenden Bestimmungen die im § 119b bezeichneten Personen gleich.

III. Lehrlingsverhältnisse. A. Allgemeine Bestimmungen.

$ 126 Die Befugnis zum Halten oder zur Anleitung von Lehr­ lingen') steht Personen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, nicht zu. § 126». Die Befugnis zum Halten und zur Anleitung von Lehrlingen kann solchen Personen ganz oder auf Zeit entzogen werden, welche sich wiederholt grober Pflichtverletzungen gegen die ihnen an­ vertrauten Lehrlinge schuldig gemacht haben, oder gegen welche Tat­ sachen vorliegen, die sie in sittlicher Beziehung zum Halten oder zur Anleitung von Lehrlingen ungeeignet erscheinen lassen. Die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen kann ferner solchen Personen entzogen werden, welche wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zur sachgemäßenAnleitung eines Lehrlinges nicht geeignet sind. Die Entziehung erfolgt durch Verfügung der unteren Verwaltungs­ behörde; gegen die Verfügung findet der Rekurs statt. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§ 20 und 21, soweit nicht landesgesetzlich das Verfahren in streitigen Verwaltungs­ sachen Platz greift. Durch die höhere Verwaltungsbehörde kann die entzogene Befug­ nis nach Ablauf eines Jahres wieder eingeräumt werden. 5 126b. Der Lehrvertrag ist binnen vier Wochen") nach Beginn der Lehre schriftlich abzuschließen. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Gewerbes oder des Zweiges der gewerb­ lichen Tätigkeit, in welchem die Ausbildung erfolgen soll;

2. die Angabe der Dauer der Lehrzeit; 9) Ob eine Person als Lehrling anzusehen ist, muß in jedem einzelnen Falle entschieden werden. Durch eine Zahlung von Lohn wird der Begriff nicht berührt. Erk. v. 19. Ottbr. 82, E. 7 S. 105. Es wird als Lehrling jeder jugendliche Arbeiter anzusehen sein, der auf Grund eines Bertragsverhältniffes in einem Gewerbe tätig ist, um dasselbe zu erlernen. GA. 45 S. 68. DaS jugendliche Alter ist für den Begriff aber nicht wesentlich. GA. 48 S. 354. 10) Der Nichtabschluß ist nach Ablauf der Frist nicht straflos. G«. 52 S. 105. Auch der Lehrherr, der ohne Befugnis Lehrlinge anleitet, Ist zur Abschließung eines ordnungsmäßigen Lehrvertrages verpflichtet. Celle v. 28. Novbr. 12, GA. 63 S. 151.

Gewerbliche Arbeiter §§ 127—127 b.

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3. die Angabe der gegenseitigen Leistungen; 4. die gesetzlichen und sonstigen Voraussetzungen, unter welchen die einseitige Auflösung des Vertrag zulässig ist. Der Lehrvertrag ist von dem Gewerbetreibenden oder seinem Stell­ vertreter, dem Lehrling und dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlinges zu unterschreiben und in einem Exemplar dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlinges auszuhändigen. Der'LehrHerr ist verpflichtet, der

Ortspolizeibehörde auf Erfordern den Lehrvertrag einzureichen. Auf Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Das Gleiche gilt für Lehrverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, falls der Handwerkskammer das Bestehen des Lehrverhältnisses, der Tag seines Beginns, das Gewerbe oder der Zweig der gewerblichen Tätigkeit, in welchem die Ausbildung erfolgen soll, und die Dauer der Lehrzeit schriftlich angezeigt wird. Der Lehrvertrag ist kosten- und stempelfrei. § 127. Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem Betriebe vorkommenden Arbeiten des Gewerbes dem Zwecke der Ausbildung entsprechend zu unterweisen, ihn zum Besuche der Fortbildungs- oder Fachschule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen. Er muß entweder selbst oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter die Ausbildung des Lehrlinges leiten, den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anhalten und vor Ausschweifungen bewahren, er hat ihn gegen Mißhandlungen seitens der Arbeits- und Hausgenossen zu schützen und dafür Sorge zu tragen, daß dem Lehrlinge nicht Arbeitsverrichtungen zugewiesen werden, welche seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind. Er darf dem Lehrlinge die zu seiner Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes an Sonn- und Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit nicht entziehen. Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im Hause des Lehrherrn weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden. § 127 a. Der Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und dem Lehrherrn sowie demjenigen, welcher an Stelle des Lehrherrn die Ausbildung zu leiten hat, zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und anständigem Betragen verpflichtet. Übermäßige und unanständige Züchtigungen sowie jede die Gesundheit des Lehrlinges gefährdende Behandlung sind verboten.

S 127 Das Lehrverhältnis kann, wenn eine längere Frist nicht vereinbart ist, während der ersten vier Wochen nach Beginn der Lehrzeit durch einseitigen Rücktritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wo­ nach diese Probezeit mehr als drei Monate betragen soll, ist nichtig. Nach Ablauf der Probezeit kann der Lehrling vor Beendigung

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XV. Gewerbeordnung §§ 127 o—127 o.

der verabredeten Lehrzeit entlassen werden, wenn einer der im § 123 vorgesehenen Fälle auf ihn Anwendung findet oder wenn er die ihm im § 127a auferlegten Pflichten wiederholt verletzt oder den Besuch der Fortbildungs- oder Fachschule vernachlässigt. Bon feiten des Lehrlinges kann das Lehrverhältnis nach Ablauf der Probezeit aufgelöst werden, wenn: 1. einer der im § 124 unter Ziffer 1, 3 bis 5 vorgesehenen Fälle vorliegt; 2. der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen gegen den Lehr­ ling in einer die Gesundheit, die Sittlichkeit oder die Aus­ bildung des Lehrlinges gefährdenden Weise vernachlässigt, oder das Recht der väterlichen Zucht mißbraucht, oder zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig obliegenden Verpflichtungen unfähig wird. Der Lehrvertrag wird durch den Tod des Lehrlinges aufgehoben. Durch den Tod des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als aufgehoben, sofern die Aufhebung binnen vier Wochen geltend gemacht wird. § 127 o. Bei Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling unter Angabe des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist, über die Dauer der Lehrzeit und die während derselben erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie über sein Betragen ein Zeugnis auszustellen, welches von der Gemeindebehörde kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist. An Stelle dieser Zeugnisse treten, wo Innungen oder andere Vertretungen der Gewerbetreibenden bestehen die von diesen aus­ gestellten Lehrbriefe. § 127 d. Verläßt der Lehrling in einem durch dies Gesetz nicht vorgesehenen Falle ohne Zustimmung des Lehrherrn die Lehre, so kann letzterer den Anspruch auf Rückkehr des Lehrlinges nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag schriftlich geschlossen ist. Die Polizeibehörde kann in diesem Falle auf Antrag des Lehrherrn den Lehrling an­ halten, solange in der Lehre zu verbleiben, als durch gerichtliches Urteil das Lehrverhältnis nicht für aufgelöst erklärt ist, oder dem Lehrlinge durch einstweilige Verfügung eines Gerichts gestattet ist, der Lehre fern zu bleiben. Der Antrag ist nur zulässig, wenn er binnen einer Woche nach dem Austritte des Lehrlinges gestellt ist. Im Falle unbegründeter Weigerung der Rückkehr hat die Polizeibehörde den Lehrling zwangsweise zurückführen zu lassen oder durch Androhung

von Geldstrafe bis zu fünfzig Mark oder Haft bis zu fünf Tagen zur Rückkehr anzuhalten. 8 127 e. Wird von dem gesetzlichen Vertreter für den . Lehrling oder, sofern der letztere volljährig ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung abgegeben, daß der Lehrling zu einem anderen

Gewerbliche Arbeiter § 127 f—128.

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Gewerbe oder anderen Beruf übergehen werde, so gilt das Lehr­ verhältnis, wenn der Lehrling nicht früher entlassen wird, nach Ablauf von vier Wochen als aufgelöst. Den Grund der Auflösung hat der Lehrherr in dem Arbeitsbuche zu vermerken. Binnen neun Monaten nach der Auflösung darf der Lehrling in demselben Gewerbe von einem anderen Arbeitgeber ohne Zustimmung des früheren Lehrberrn nicht beschäftigt werden.

8 127 f11) Erreicht das Lehrverhältnis vor Ablauf der verab­ redeten Lehrzeit sein Ende, so kann von dem Lehrherrn oder von dem Lehrling ein Anspruch auf Entschädigung nur gellend gemacht werden, wenn der Lehrvertrag schriftlich geschlossen ist. In den Fällen des § 127b Abs. 1, 4 kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn dieses in dem Lehrvertrag unter Festsetzung der Art und Höhe der Entschädigung vereinbart ist. Der Anspruch der Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach Auflösung des Lehrverhältnisses im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist. § 127 g. Ist von dem Lehrherrn das Lehrverhältnis ausgelöst worden, weil der Lehrling die Lehre unbefugt verlassen hat, so ist die von dem Lehrherrn beanspruchte Entschädigung, wenn in dem Lehr­ vertrage nicht ein geringerer Betrag ausbedungen ist, auf einen Be­ trag festzusetzen, welcher für jeden auf den Tag des Vertragsbruchs folgenden Tag der Lehrzeit, höchstens aber für sechs Monate, bis auf die Hälfte des in dem Gewerbe des Lehrherrn den Gesellen oder Ge­ hilfen ortsüblich gezahlten Lohnes sich belaufen darf. Für die Zahlung der Entschädigung sind als Selbstschuldner mit­ verhaftet der Vater des Lehrlinges, sofern er die Sorge für die Person des Lehrlinges hat, sowie derjenige Arbeitgeber, welcher den Lehrling zum Verlassen der Lehre verleitet oder welcher ihn in Arbeit genommen hat, obwohl er wußte, daß der Lehrling zur Fortsetzung eines Lehr­ verhältnisses noch verpflichtet war. Hat der Entschädigungsberechtigte erst nach Auflösung des Lehrverhältnisses von der Person des Arbeit­ gebers, welcher den Lehrling verleitet oder in Arbeit genommen hat, Kenntnis.erhalten, so erlischt gegen diese der Entschädigungsanspruch erst, wenn derselbe nicht innerhalb vier Wochen nach erhaltener Kennt­ nis geltend gemacht ist. § 128 Wenn der Lehrherr eine im Mißverhältnisse zu dem Um­ fang oder der Art seines Gewerbebetriebes stehende Zahl von Lehr­ lingen hält und dadurch die Ausbildung der Lehrlinge gefährdet er­ scheint, so kann dem Lehrherrn von der unteren Verwaltungsbehörde

11) Siehe hierüber Schneiderim Recht 13 S. 696.

XV. Gewerbeordnung 8 129.

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die Entlassung eines entsprechenden Teiles derLehrlinge auferlegt und die Annahme von Lehrlingen über eine bestimmte Zahl hinaus untersagt werden. Die Bestimmungen des § 126a Abs. 3 finden hierbei entsprechende Anwendung., Unbeschadet der vorstehenden Bestimmung können durch Beschluß des Bundesrats für einzelne Gewerbszweige Vorschriften über die höchste Zahl der Lehrlinge erlassen werden, welche in Betrieben dieser Gewerbs­ zweige gehalten werden darf. Soweitsolche Vorschriften nicht erlassensind, können sie durch Anordnung der Landes-Zentralbehörde erlassen werden. B.

Besondere Bestimmungen für Handwerker.

8 129. In Handwerksbetrieben steht die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur denjenigen Personen zu, welche das 24. Lebens­ jahr vollendet und eine Meisterprüfung (§' 133) bestanden haben. Haben solche Personen die Meisterprüfung nicht für dasjenige Gewerbe oder denjenigen Zweig des Gewerbes bestanden, in welchem die An­ leitung der Lehrlinge erfolgen soll, so haben sie die Befugnis dann, wenn sie in diesem Gewerbe oder Gewerbszweige entweder die Lehr­ zeit (8 130a) zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden haben, oder fünf Jahre hindurch persönlich das Handwerk selbständig aus­ geübt haben oder während einer gleich langen Zeit als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind. Die höhere Verwaltungsbehörde kann Personen, welche diesen Anforderungen nicht entsprechen, die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen'widerruflich verleihen. Bor der Entscheidung über die Er­ teilung der Befugnis oder den Widerruf ist die Handwerkskammer und, wenn die Person einer Innung angehört oder an ihrem Wohn­ orte für ihren Gewerbszweig eine Innung besteht, außerdem die Innung zu hören. In Handwerksbetrieben, welche nach dem Tode des Gewerbetreibenden für Rechnung der Witwe oder minderjährigen Erben fortgesetzt werden, sind bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Lehrherrn als Vertreter (8 127 Abs. 1) zur Anleitung von Lehr­ lingen auch Personen befugt, welche eine Meisterprüfung nicht bestanden haben, sofern sie im übrigen den Anforderungen des Abs. 1 Satz 2 entsprechen. Die untere Verwaltungsbehörde kann solchen Personen als Vertretern des Lehrherrn auch in anderen Fällen bis zur Dauer eines Jahres die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen erteilen. Die hiernach zulässige Dauer der Vertretung kann von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer entsprechend dem Bedürfnisse des einzelnen Falles verlängert werden. Die Unterweisung des Lehrlinges in einzelnen technischen Hand-

Gewerbliche Arbeiter §§ 129 a, 129 b.

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griffen und Fertigkeiten durch einen Gesellen fällt nicht unter die im Absatz 1 vorgesehenen Bestimmungen. Die Zurücklegung der Lehrzeit kann auch in einem dem Gewerbe an­ gehörenden Großbetrieb erfolgen und durch den Besuch einer staatlichen, staatlich unterstützten oder vom Staate anerkannten Lehrwerkstätte oder sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt ersetzt werden. Bor der Aner­ kennung einersonstigen gewerblichenUnterrichtsanstaltsollderzuständigen Handwerkskammer Gelegenheit gegeben werden, sich gutachtlich zu äußern. Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstatten oder von Prüfungs­ behörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nach­ weise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, die Wirkung der Verleihung der im Abs. 1 bezeichneten Befugnis für bestimmte Gewerbszweige beilegen. Der Eintritt dieser Wirkung ist davon abhängig zu machen, daß der Besitzer des Prüfungszeugnisses in dem Gewerbe oder in dem Zweige des Gewerbes, in welchem die Anleitung bet Lehrlinge erfolgen soll, eine bestimmte, auf nicht mehr als drei Jahre festzusetzende Zeit hindurch persönlich tätig gewesen ist. Der Bundesrat ist befugt, für einzelne Gewerbe nach Anhörung der Handwerkskammern Ausnahmen von den Bestimmungen im Abs. 1 zuzulassen.

§ 129a. Wer für einen gesondert betriebenen Zweig eines Ge­ werbes den Voraussetzungen des § 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den übrigen Zweigen dieses Gewerbes Lehrlinge anzuletten. Wer für ein Gewerbe den Voraussetzungen des § 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den diesem verwandten Gewerben Lehrlinge an­ zuleiten. Welche Gewerbe als verwandle Gewerbe im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, bestimmt die Handwerkskammer. Dem Unternehmer eines Betriebs, in welchem mehrere Gewerbe vereinigt sind, kann die untere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer die Befugnis erteilen, in allen zu dem Betriebe vereinigten Gewerben oder in mehreren dieser Gewerbe Lehrlinge an­ zuleiten, wenn er für eines der Gewerbe den Voraussetzungen des § 129 entspricht. Zu Arbeiten in denjenigen Gewerben seines Betriebs, für welche er zur Anleitung von Lehrlingen nicht befugt ist, darf er die Lehrlinge nur insoweit heranziehen, als es dem Zwecke der Ausbildung in ihrem Gewerbe nicht widerspricht. Das gemäß § 131 c Abs. 2 dem Prüfungsausschüsse vorzulegende Lehrzeugnis darf nur für dasjenige Gewerbe ausgestellt werden, für welches der Lehrherr oder sein Vertreter (§ 127 Abs. 1) zur Anleitung von Lehrlingen befugt ist. 8 129 b.

Gehört der Lehr Herr einer Innung an, so ist er ver-

480

XV. Gewerbeordnung §§ 130—131 a.

pflichtet, eine Abschrift des Lehrvertrags binnen vierzehn Tagen nach Abschluß desselben der Innung einzureichen; er kann hierzu durch die Ortspolizeibehörde angehatten werden. Die Innungen können bestimmen, daß der Abschluß des LehrVertrags vor der Innung erfolgen soll. In diesem Falle ist dem Lehrherrn und dem Vater oder Vormunde des Lehrlinges eine Ab­ schrift des Lehrvertrags auszuhändigen. 8 130- Soweit durch den Bundesrat oder die Landes-Zentralbehörde auf Grund des § 128 Absatz 2 Vorschriften über die zulässige Zahl von Lehrlingen nicht erlassen sind, ist die Handwerkskammer und die Innung zum Erlasse solcher Vorschriften befugt. 8 130a. Die Lehrzeit soll in der Regel drei Jahre dauern; sie darf den Zeitraum von vier Jahren nicht übersteigen. Bon der Handwerkskammer kann mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde die. Tauer der Lehrzeit für die einzelnen Gewerbe oder Gewerbszweige nach Anhörung der beteiligten Innungen und der im 8 103a Abs. 3 Ziffer 2 bezeichneten Bereinigungen festgesetzt werden. Die Handwerkskammer ist befugt, Lehrlinge in Einzelföllen von der Innehaltung der festgesetzten Lehrzeit zu entbinden. 8 131 Den Lehrlingen ist Gelegenheit zu geben, sick nach Ab­ lauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung (8129 Abs. 1) zu unterziehen. Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungs­ behörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, die Wirkung der Zeugnisse über das Bestehen der Gesellenprüfung beilegen. DieAbnahme der Gesellenprüfungen(Abs. 1) erfolgt durch Prüfungs­ ausschüsse. Bei jeder Zwangsinnung wird ein Prüfungsausschuß ge­ bildet, bei anderen Innungen nur dann, wenn ihnen die Ermächtigung zur Abnahme der Prüfungen von der Handwerkskammer erteilt ist. Soweit für die Abnahme der Prüfungen für die einzelnen Gewerbe nicht durch Prüfungsausschüsse der Innungen und die im Abs. 2 bezeichneten Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten und Prüfungsbe­ hörden gesorgt ist, hat die Handwerkskammer die erforderlichen Prü­

fungsausschüsse zu errichten. 8 131a. Die Prüfungsausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses wird von der Hand­ werkskammer bestellt. Bon den Beisitzern wird bei dem Prüfungs­ ausschuß einer Innung die Hälfte durch diese, die andere Hälfte aus der Zahl der Gesellen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben,

481

Gewerbliche Arbeiter §§ 131 b, 131 c.

durch beit Gesellenausschuß bestellt. Bei beii von der HandwerLsEiimmer errichteten Prüfungsausschüssen werden auch die Beisitzer von der Handwerkskammer bestellt; die Hälfte der Beisitzer muß aus Ge­ sellen bestehen. Die Bestellung der Mitglieder der Prüfungsausschüsse erfolgt in der Regel auf drei Jahre. Während der ersten sechs Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen können auch Gesellen (Gehilfen), welche die Gesellen­ prüfung nicht abgelegt haben, gewählt werden, wenn sie eine Lehrzeit von mindestens zwei Jahren zurückgelegt herben. 8 131 d. Die Prüfung hat den Nachweis zu erbringen, daß der Lehrling die in feinem Gewerbe gebräuchlichen Handgriffe und Fertig­ keiten mit genügender Sicherheit ausübt und sowohl über beit Wert, die Beschaffung, Aufbewahrung und Behandlung der zu verarbeitendeil Rohmaterialien, als auch über die Kennzeichen ihrer guten oder schlechten Beschaffenheit unterrichtet ist. Im übrigen werden das Verfahren vor dem Prüfungsausschüsse, der Gang der Prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren durch eine Prüfungsordnung geregelt, welche von der höheren Verwaltungs­ behörde im Einvernehmen mit der Handwerkskammer erlassen wird. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so entscheidet die LandesZentralbehörde. Durch die Prüfungsordnung kann bestimmt werden, daß die Prüfung auch in der Buch- und Rechnungsführung zu erfolgen hat. In diesem Falle ist der Prüfungsausschuß befugt, einen besonderen Sachverständigen zuzuziehell, welcher an der Prüfullg mit vollem Stimmrechte teilnimmt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Kosten der Prüfung werden, sofern diese von dem Prüfungs­ ausschuß einer Innung abgehalten wird, von letzterer, im übrigen von der Handwerkskammer getragen. Diesen fließen die Prüfungs­ gebühren zu. § 131c. Der Lehrling soll sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung unterziehen. Die Innung und der Lehrherr sollen ihn dazu anhalten. Das Gesuch um Zulassung zur Prüfung hat der Lehrling an den Prüfungsausschuß zu richten. Dem Gesuche sind das Lehrzeugnis

(§ 127 o) und, sofern der Prüfling während der Lehrzeit zum Besuch einer Fortbildungs- oder Fachschule verpflichtet war, die Zeugnisse über den Schulbesuch beizufügen. Der Prüfungsausschuß hat das Ergebnis der Prüfung auf dem Lehrzeugnis oder Lehrbriefe zu beurkunden. Wird die Prüfung nicht Dalcke, Strafrecht. 16. Aust. (1S22).

31

482

XV. Gewerbeordnung 88 132—133.

bestanden, so hat der Prüfungsausschuß den Zeitraum zu bestimmen*

vor dessen Ablaufe die Prüfung nicht wiederholt werden darf.

Die Prüfungszeugnisse sind kosten- und stempelfrei. 8 132 Der Vorsitzende ist berechtigt, Beschlüsse des Prüfungsausschusses mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden, über die Be­ anstandung entscheidet die Handwerkskammer (g 103 e Ziffer 6).

g 132»

Die Landes-Zentralbehörden sind befugt, die Bestellung

der Prüfungsausschüsse, das Verfahren bei der Prüfung, die Gegen­ stände der Prüfung sowie die Prüfungsgebühren abweichend von den

Vorschriften der gg 131 bis 132 zu regeln, dabei darf jedoch hinsicht­ lich der bei der Prüfung zu stellenden Anforderungen nicht unter das

im g 131b Abs.

1 bestimmte Maß herabgegangen werden.

Illa. Meistertitel.

8 133

Den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung

eines Handwerkes dürfen nur Handwerker führen, welche für dieses Handwerk die Meisterprüfung bestanden und das 24. Lebensjahr zurück­

gelegt haben.

Die Befugnis zur Führung des Meistertitels in Verbindung mit einer anderen Bezeichnung, die auf eine Tätigkeit im Bau­

gewerbe hinweist, insbesondere des Titels Baumeister und Baugewerbe meister, wird durch den Bundesrat geregelt.

Bis zum Inkrafttreten

des. Bundesratsbeschlusses darf ein solcher Titel nur dann geführt werden, wenn die Landesregierung über die Befugnis zu seiner Führung

Vorschriften erlassen hat, und nur von denjenigen Personen, welche

diesen Vorschriften entsprechen. Der Bundesrat kann ferner Vorschriften über die Führung des Meistertitels in Verbindung mit sonstigen Be­ zeichnungen erlassen, die auf eine Tätigkeit im Handwerke Hinweisen.

Zur Meisterprüfung (Abs. 1) sind in der Regel nur solche Personen zuzulassen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben und in dem

Gewerbe, für welches sie die Meisterprüfung ablegen wollen, mindestens drei Jahre als Geselle (Gehilfe) tätig gewesen, oder welche nach g 129

Abs. 6 zur Anleitung von Lehrlingen in diesem Gewerbe befugt sind.

Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungskommissionen, welche

aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen. Die Entscheidung der Prüfungskommission, welche die Zulassung

der Meisterprüfung (Abs. 1) ablehnt, kann binnen zwei Wochen durch Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde angefochten werden.

Diese hat, bevor sie der Beschwerde stattgibt, die Handwerkskammer zu hören. Die Errichtung der Prüfungskommissionen erfolgt nach Anhörung

483

Gewerbliche Arbeiter §§ 133 a, 133 aa.

der Handwerkskammer durch Verfügung der höheren Verwaltungs­ behörde, welche auch die Mitglieder ernennt; die Ernennung erfolgt

aus drei Jahre. Die Prüfung hat den Nachweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung und Kostenberechnung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes sowie der zu dem selbständigen Betriebe desselben sonst notwendigen Kenntnisse, insbesondere auch der Buch- und Rechnungs­ führung, zu erbringen. Das Verfahren vor der Prüfungskommission, der Gang der Prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren werden durch eine von der Handwerkskammer mit Genehmigung der Landes-Zentralbehörde zu erlassende Prüfungsordnung geregelt. Die Kosten der Prüfungskommissionen fallen der Handwerks­ kammer zur Last, welcher die Prüfungsgebühren zufließen. Die Prüfungszeugnisse sind kosten- und stempelfrei. Der Meisterprüfung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen können von der Landes-Zentralbehörde die Prüfungen bei Lehrwerk­ stätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder bei Prüfungsbehörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Be­ fähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind, gleichgestellt werden, sofern bei denselben mindestens die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei den im Abs. 1 vorgesehenen Prüfungen. Illb.

Verhältnisse

der Betriebsbeamten, Techniker.

Werkmeister,

8 133a. Das Dienstverhältnis der von Gewerbeunternehmern gegen feste Bezüge beschäftigten Personen, welche nicht lediglich vor­ übergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder einer Abteilung desselben beauftragt (Betriebsbeamte, Werkmeister^) und ähnliche Angestellte) oder mit höheren technischen Dienstleistungen betraut sind (Maschinentechniker, Bautechniker, Chemiker, Zeichner und dergl.), kann, wenn nicht etwas anderes verabredet ist, von jedem Teile mit Ablauf jedes Kalendervierteljahrs nach sechs Wochen vorher erklärter Aufkündigung aufgehoben werden. § 133aa. Wird durch Vertrag eine kürzere oder längere Kün­ digungsfrist bedungen, so muß sie für beide Teile gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat betragen. Die Kündigung kann nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassen werden. 11a) Dies können auch Direktricen eines Dresden v. 25. Sptvr. 12, GA. 62 S. 205.

Konfektionsgeschäfts

sein.

484

XV. Gewerbeordnung §§ 133 ab—133 c.

Die Vorschriften des Abs. 1 finden auch in dem Falle Anwen­ dung, wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit mit der Ver­ einbarung eingegangen wird, daß es in Ermangelung einer vor dem Ablaufe der Vertragszeit erfolgten Kündigung als verlängert gelten soll. Eine Vereinbarung, die diesen Vorschriften zuwiderläuft, ist nichtig. § 133ab. Die Vorschriften des § 133aa finden keine Anwen­ dung, wenn der Angestellte ein Gehalt von mindestens dreißig­ tausend^) Mark für das Jahr bezieht. Sie bleiben ferner außer Anwendung, wenn der Angestellte für eine außereuropäische Niederlassung angenommen ist und nach dem Vertrage der Arbeitgeber für den Fall, daß er das Dienstverhältnis kündigt, die Kosten der Rückreise des Angestellten zu tragen hat. § 133 ac- Wird ein Angestellter nur zur vorübergehenden Aus­ hilfe, genommen, so finden die Vorschriften des § 133 aa keine An­ wendung, es sei denn, daß das Dienstverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird. Die Kündigungsfrist muß jedoch auch in einem solchen Falle für beide Teile gleich sein. § 133b. Jeder der beiden Teile kann vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Auf­ hebung des Dienstverhältnisses verlangen, wenn ein wichtiger, nach den Umständen des Falles die Aufhebung rechtfertigender Grund vorliegt. § 133 c. Gegenüber den im § 133 a bezeichneten Personen kann die Aufhebung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangt werden: 1. wenn sie beim Abschlüsse des Dienstvertrags den Arbeitgeber durch Borbringung falscher oder verfälschter Zeugnisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen, sie gleichzeitig verpflichten­ den Dienstverhältnisses in einen Irrtum versetzt haben: 2. wenn sie im Dienste untreu sind oder das Vertrauen miß­ brauchen; 3. wenn sie ihren Dienst unbefugt verlassen oder den nach dem Dienstvertrag ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen, be­ harrlich verweigern; 4. wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Anwesenheit an der Verrichtung ihrer Dienste ver­ hindert werden; 5. wenn sie sich Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen den Arbeitgeber oder feinen Vertreter zu Schulden kommen lassen;

11b) Die Fassung beruht auf dem Ges. v. 12. Juli 21 (RGBl. S. 927).

Gewerbliche Arbeiter §§ 133 d—133 b.

485

6. wenn sie sich einem unsittlichen Lebenswandel ergeben. In dem Falle zu 4 bleibt der Anspruch auf die vertragsmäßigen Leistungen des Arbeitgebers für die Dauer von sechs Wochen in Kraft, wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück verhindert worden ist. Jedoch mindern sich die Ansprüche in diesem Falle um denjenigen Betrag, welcher dem Berechtigten aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Krankenversicherung oder Unfallversicherung zukommt. § 1336. Die im § 133 a bezeichneten Personen können die Auf­ lösung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangen: 1. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter sich Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen sie zu Schulden kommen lassen; 2. wenn der Arbeitgeber die vertragsmäßigen Leistungen nicht gewährt; 3. wenn bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses ihr Leben oder ihre Gesundheit einer erweislichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche bei Eingehung des Dienstverhältnisses nicht zu erkennen war. § 133 e. Auf die im § 133 a bezeichneten Personen finden die Bestimmungen der §§ 124b und 125 Anwendung, dagegen nicht die Bestimmungen des § 119 a. § 133 f. Eine Vereinbarung zwischen dem Gewerbeunternehmer und einem der im § 133a bezeichneten Angestellten, durch die ber Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, ist für den Angestellten nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung seines Fortkommens ausgeschlossen wird. Die Vereinbarung ist nichtig, wenn der Angestellte zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist.

IV. Besondere Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden.

§ 133 g. Die Bestimmungen der f § 133h bis 139aa finden An­ wendung auf Gesellen, Gehifen, Lehrlinge und sonstige gewerbliche Arbeiter mit Ausnahme der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker (§§ 133a bis 133f). A. Bestimmungen für Betriebe, in denen in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden. § 133h. Auf Betriebe, in denen in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, finden die nachfolgenden Bestimmungen der §§ 134 bis 134h Anwendung. Dies gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewissen Zeilen des Jahres ein vermehrtes Arbeits-

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XV. Gewerbeordnung §§ 134—134 b.

bedürfnis einkitt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mmdestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden. 8 134. Den Unternehmern ist untersagt^ für den Fall der rechts­ widrigen Auslösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnitt­ lichen Wochenlohnes hinaus auszubedingen. Aus die Arbeitgeber und Arbeiter in solchen Betrieben finden die Bestimmungen des g 124b keine Anwendung. Den Arbeitern ist bei der regelmäßigen Lohnzahlung ein schrift­ licher Beleg (Lohnzettel, Lohntüte, Lohnbuch usw.) über den Betrag des verdienten ohnes und der einzelnen Arten der vorgenommenen Abzüge auszuhändigen. g 134a. Für jeden Betrieb") ist innerhalb vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betriebs eine Arbeitsordnung")zu erlassen. Für die einzelnen Abteilungen des Be­ triebs oder für die einzelnen Gruppen der Arbeiter können besondere Arbeitsordnungen erlassen werden. Der Erlaß erfolgt durch Aushang (g 134 e Abs. 2). Die Arbeitsordnung muß den Zeitpunkt, mit welchem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher sie erläßt, unter Angabe des Datums unterzeichnet sein.") Abänderungen ihres Inhalts können nur durch den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise exfolgen, daß an Stelle der bestehenden eine neue Arbeitsordnung erlassen wird. Die Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben treten frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung. g 134b. Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten: 1. über Anfang und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowie der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen; 2. über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung mit der Maßgabe, daß die regelmäßige Lohnzahlung nicht am Sonntage statt­ finden darf. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungsbehörde zugelassen werden; 3. sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll, 12) Auch für Schantwirtschasten. Dresden v. 27. Sptbr. 11, GA. 59 S. 493* 13) AuSfAnw. über Üie ArbOrd. v. 10. Septbr. 20 (MBl. HGwB

S. 284). 14) g 104 IV des Betriebsrätegesetzes vom 4. Februar 1920 (RGBl. S. 147) bestimmt: Der § 134 a Abs. 2 und der § 134 b Abs. 3 der Gewerbe­ ordnung werden dahin geändert, daß alS derjenige, der die Arbeitsordnung und Nachträge zu derselben erläßt, der Arbeitgeber zusammen mit dem Betriebsrat gilt. AlS Unterschrist deS Betriebsrats gilt diejenige des Vorsitzenden.

Gewerbliche Arbeiter §§ 134 c.

487

über die Frist der zulässigen Aufkündigung sowie über die Gründe, aus welchen die Entlassung und der Austritt aus der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen darf; 4. sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Höhe derselben, über die Art ihrer Festsetzung und, wenn sie in Geld be­ stehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen sie verwendet werden sollen; 6. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen nach Maßgabe der Bestimmung des g 134 Abs. 1 durch Arbeitsordnung oder Arbeilsver­ trag mlsbedungen wird, über die Verwendung der verwirkten Beträge. Strafbestimmungen, welche daS Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nicht ausgenommen werden. Geldstrafen dürfen die Hälfte des durchschnittlichen Tagesarbeitsver­ dienstes nicht übersteigen; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten sowie gegen die zur Auf­ rechterhaltung der Ordnung des Betriebs, zur Sicherung eines gefahr­ losen Betriebs oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbe­ ordnung erlassenen Vorschriften mit Geldstrafen bis zum vollen Be­ trage des durchschnittlichen Tatzesarbeitsverdienstes belegt werden. Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter des Betriebs verwendet werden. Das Recht des Arbeitgebers, Schadensersatz zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt. Desn Betriebsinhaber bleibt überlassen, neben den im Abs. 1 unter 1 bis 6 bezeichneten, noch weitere die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen in dieArbeitsordnung aufzunehmen.14) Mt Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten ge­ troffenen mit dem Betriebe verbundenen Einrichtungen sowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebs ausgenommen werden. $ 134c. Der Inhalt der Arbeitsordnung ist, soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und. Arbeiter rechts­ verbindlich. Andere als die in der Arbeitsordnung oder in den §§ 123 und 124 vorgesehenen Gründe der Entlassung und des Austritts aus der Arbeit dürfen im Arbeitsvertrage nicht vereinbart werden. Andere als die in der Arbeitsordnung vorgesehenen Strafen dürfen über den Arbeiter nicht verhängt werden. Die Sttafen müssen ohne Verzug festgesetzt und dem Arbeiter zur Kenntnis gebracht werden. Die verhängten Geldstrafen sind in ein Verzeichnis einzutragen, welches den Namen des Bestraften, den Tag der Bestrafung sowie

488

XV. Gewerbeordnung §§ 134 d—135.

den Grund und die Höhe der Strafe ergeben und auf Erfordern dem im K 139b bezeichneten Beamten jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden muß. 8 134d.w‘) g 134®.**)

Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu der­

selben ist binnen drei Tagen nach dem Erlaß in zwei Ausfertigungen der unteren Verwaltungsbehörde einzureichen. Die Arbeitsordnung ist an geeigneter, allen beteiligten Arbeitern zugänglicher Stelle auszuhängen. Der Aushang muß stets in les­ barem Zustande erhalten werden. Die Arbeitsordnung ist jedem Arbeiter bei seinem Eintritt in die Beschäftigung zu behändigen. 8 134f Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben, welche nicht vorschriftsmäßig erlassen sind, oder deren Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft, sind auf Anordnung der unteren Ver­ waltungsbehörde durch gesetzmäßige Arbeitsordnungen zu ersetzen oder den gesetzlichen Vorschriften entsprechend abzuändern. Gegen diese Anordnung findet binnen zwei Wochen bis Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde statt. 8 134 g. Arbeitsordnungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, unterliegen den Bestimmungen der §§ 134a bis 134c, 134e Abs. 2 und des § 134f und sind binnen vier Wochen der unteren Verwaltungsbehörde in zwei Ausfertigungen 'ein­ zureichen. Auf spätere Abänderungen dieser Arbeitsordnungen und auf die seit dem 1. Januar 1891 erstmalig erlassenen Arbeitsordnungen finden die §§ 134d und 134c Abs. 1 Anwendung. 8 i34h.14a) B. Bestimmungen für alle Betriebe, in denen in der Regel mindestens Fehn Arbeiter beschäftigt werden. 8 1341. Auf Betriebe, in denen in der Regel, Mindestens zehn Arbeiter^) beschäftigt werden, finden, unbeschadet des £ 13ÖB, die nach­

folgenden Bestimmungen der 88 135 bis 139aa Anwendung. Dies gilt für Betriebe, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, schon dann, wenn zu diesen Zeiten mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden. 8 135'.***) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt 1.4 a) § 134 d und 184 h sind durch 8104 V des Betriebsrätegesetzes vöm 4. Februar 1920 aufgehoben. 15) Der Wortlaut des 8 134 e beruht auf 8 104 VI BetriebsrStegesetz vovi 4. Februar 1920. 16) Es genügt, daß regelmäßig zu gewissen Zeiten 10 Arbeiter beschäftigt werden. Erk. v. 8. Apr. 15. Reger, Entscheidungen 25 S. 404. Zu den Arbeitern gehört ein Schwimmlehrer nicht. Erk. v. 24. Juni 14, GA. 65 S. 374.

Gewerbliche Arbeiter § 136.

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werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen, nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten.") Junge Leute zwischen vierzehn und sechzehn Jahren dürfxn nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

§ 136. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§ 136) dürfen nicht vor sechs Uhr morgens beginnen und nicht über acht Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeits­ tage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen.") Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstündige sowie vormittags und nachmittags je eine halbstündige Pause gewährt werden.") Eine Bor- und Nachmiltagspause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden, und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit am Bor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Be­ schäftigung im Betrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestaltet werden, wenn in denselbell diejenigen Teile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter be­ schäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andere geeignete Ausenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten nicht 6e* schafft werden können. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den jugendlichen Arbeitern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. 16a) Die zulässige Arbeitszeit ist nach deren täglicher Dauer, nicht nach der Durchschnittsdauer der wöchentlichen Beschäftigung zu beurteilen. Erk. v. 19. Novbr. 88, R. 10 S. 675. In welcher Weise der jugendliche Arbeiter beschäftigt wird, ob er insbesondere als Lehrling irgendwelche produktiv wirtschaftliche Leistungen verrichtet, ist unerheblich. Erk. v. 3. Novbr. 90, E. 21 S. 152, immerhin aber muß ein Arbeitsverhältnis vorliegen und der jugendliche Arbeiter im Interesse der Fabrik beschäftigt werden. 17) Bei jugendl. Arbeitern, welche als Fabrikarbeiter anzusehen sind, ist auch die Arbeit, welche sie außerhalb der Fabrik zu leisten haben, auf die gesetzlich zulässige Zeitdauer einzurechnen. Erk. v. 20. Juni 84, R. 6 S. 448. 18) Die Zeit der Pausen darf nicht willkürlich verändert werden, Erk. v. 28. Oktbr. 90, E. 21 S. 439. Erk. v. 30. Jan. 99, E. 32 S. 18, hält es für unstatthaft, daß an Stelle der Pausen die Arbeitszeit verkürzt wird.

490

XV. Gewerbeordnung § 137.

An Sonn- und Festtagen sowie während der von dem ordent­ lichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beichtund Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen-jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden.

5 137. Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von acht Uhr abends bis sechs Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vor­ abenden der Festtage») nicht nach fünf Uhr nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen darf die Dauer von zehn Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von acht Stunden, nicht überschreiten.

Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine minbestens einstündige Mittagspause gewährt werden.»)

Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den Arbeiterinnen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern, diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Arbeiterinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während acht Wochen nicht beschäftigt werden. Ihr Wiedereintritt ist an den Ausweis geknüpft, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens sechs Wochen verflossen sind. Arbeiterinnen dürfen nicht in Kokereien und nicht zum Trans­ porte von Materialien bei Bauten aller Art verwendet werden.») 20) ES muß zur Feststellung der Schuld aber feststehen, daß der Angeklagte den betreffenden Tag als einen gesetzlich anerkannten Festtag kannte oder kennen mußte. GA. 42 S. 301. Unerheblich ist, ob die Tätigkeit im Jntereffe der Arbeiter ist, z. B. Vorbereitung für den folgenden Arbeitstag. KG. v. 6. Nov. 05, DIZ. 11 S. 149. Siehe auch GA. 53 S. 302. Zur Beschäftigung gehört auch die Reinigung der Kontorräume in der Fabrik. Erk. v. 23. März 06, E. 38 S. 381. 21) Dahin gehören auch Wäschereien, siehe Anm. 81 zu § 105 b, nicht aber Waschanstalten, die im Hotelbetrieb aufgehen. Erk. v. 5. Dez. 05, E. 38 S. 226. Auch das Austragen von Sachen durch Laufmädchen fällt hierunter. GA. 53 S. 454. Die Anwendung der §§ 137, 146* wird nicht dadurch ausgeschloffen, daß die Arbeiterinnen in mehr oder minder großem Umfange auch kaufmännische Arbeiten vorzunehmen hatten. Erk. v. 17. Novbr. 10, Recht 15 Nr, 4226. 22) ES genügt nicht, daß von den Arbeiterinnen während der Pause keine Arbeit verlangt wird, sondern dieselben biirfen während dieser Zeit nicht beschäf­ tigt werden und der Gewerbetreibende macht sich strafbar, wenn er daS Arbeiten auch nur auS Fahrlässigkeit zuläßt. Erk. v. 1. April 95, E. 27 S. 139.

23) Das Verbot beschränkt sich nicht auf schwere Arbeiten. Erk. v. 26. Mai

Gewerbliche Arbeiter §§ 137 a, 138.

431

§ 137». Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf für die Tage, an welchen sie in dem Betriebe die gesetzlich zulässige Arbeits­ zeit hindurch beschäftigt waren, Arbeit zur Verrichtung außerhalb des Betriebs vom Arbeitgeber überhaupt nicht übertragen oder für Rech­ nung Dritter überwiesen werden. Für die Tage, an welchen die Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in dem Betriebe kürzere Zeit beschäftigt waren, ist diese Über­ tragung oder Überweisung nur in dem Umfange zulässig, in welchem Durchschnittsarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussichtlich in dem Be­ triebe während des Restes der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit würden Herstellen können, und für Sonn- und Festtage überhaupt nicht. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Abs. 2 kann die zuständige Polizeibehörde auf Antrag oder nach Anhörung des zu­ ständigen Gewerbeaussichtsbeamten (§ 139b) im Wege der Verfügung für einzelne Betriebe die Übertragung oder Überweisung solcher Arbeit entsprechend den Bestimmungen des Abs. 2 beschränken oder von be­ sonderen Bedingungen abhängig macken. Bor Erlaß solcher Ver­ fügungen hat der Gewerbeaufsichtsbeamte beteiligten Arbeitgebern und Arbeitern, wo ständige Arbeiterausschüsse (§ 134b) bestehen, diesen

Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbeunter­ nehmer binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungs­ behörde zu. Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde zulässig; diese entscheidet endgültig.

§ 138. Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen.") In der An­ zeige sind der Betrieb, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen sowie die Art der Beschäftigung anzugeben. Eine Änderung hierin darf, ab­ gesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten notwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist“) 14, E. 48 S. 281. — Die Ortsveränderung des Materials ist nicht entscheidend. OLG. Breslau v. 15. Dezbr. 14, GA. 63 S. 332. 24) Die Anzeige ist vor der Beschäftigung zu machen und diese Pflicht be­ steht während der Dauer der Beschäftigung. Die Verjährung beginnt erst mit dem Wegfall der Anzeigepflicht. Erk. v. 21. Dezbr. 83, R. 5 S. 801.

25) Eine willkürliche Veränderung und Verlegung der in der Anzeige be-

492

XV. Gewerbeordnung § 138 a.

In jedem Betriebe hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in denjenigen Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichnis der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter enthält.

8 138 ä. Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die« Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre bis neun Uhr abends an den Wochentagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung gestatten, daß die tägliche Arbeits­ zeit zwölf Stunden nicht überschreitet und die zu gewährende ununter­ brochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. Innerhalb eines Kalenderjahrs darf die Erlaubnis einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Abteilung seines Betriebs für mehr als vierzig Tage nicht erteilt werden. Für eine zwei Wochen übersteigende Dauer kann die gleiche Erlaubnis nur von der höheren Verwaltungsbehörde und auch von dieser für mehr als vierzig Tage, jedoch nicht für mehr als 60 Tage int Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit für den Be­ trieb oder die betreffende Abteilung des Betriebs so geregelt wird, daß die tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet.

Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, aus welchem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung sowie den Zeitraum angeben, für welchen dieselbe stattfinden soll. Der Be­ scheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu erteilen. Gegen die Versagung der Erlaubnis steht die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubnis erteilt worden ist, ein Verzeichnis zu führen, in welches der Name des Arbeitgebers und die für den schriftlichen Antrag vor­ geschriebenen Angaben einzutragen sind. Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von zeichneten Pausen ist, bevor nicht eine neue bezügliche Anzeige gemacht Ist, straf­ bar. Erk. v. 6. Dczbr. 94, E. 26 S« 243.

Gewerbliche Arbeiter §§ 139, 139 a.

493

Arbeiterinnen über sechzehn Jahre, welche kein Hauswesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im § 105c Abs. 1 unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen nachmittags nach fünf Uhr, jedoch nicht über ächt Uhr abends hinaus unter der Voraussetzung gestatten, daß diese Arbeiterinnen am folgenden Sonn- oder Festtage arbeitsfrei bleiben. Die Erlaubnis ist schriftlich zu erteilen. Eine Abschrift der­ selben ist in denjenigen Räumen, in welchen die Arbeiterinnen be­ schäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle auszuhängen. § 139. Wenn Naturereignisse oder Unglücksfalle den regelmäßigen Betrieb einer Anlage unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in §§ 136, 137 Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichskanzler zügelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Ver­ hütung von Unglücksfällen kann die untere Verwaltungsbehörde, jedoch höchstens auf die,Tauer von vierzehn Tagen, solche Ausnahmen ge­ statten.

Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Anlagen es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch § 136 Abs. 1, 2, 4, § 137 Abs. 1, 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweile Regelung hinsichtlich der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im übrigell durch den Reichskanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt' werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Ver­ fügungen müssen schriftlich erlassen werden. Bor Erlaß von Ver­ fügungen auf Grund des Abs. 2 ist den Arbeitern und, wo ständige Arbeiterausschüsse auf Grund reichsgesetzlicher oder landesgesetzlicher Vor­ schriften bestehen, diesen Gelegenheit zu geben, sich gutachtlich zu äußern. § 139a.

Der Bundesrat ist ermächtigt:^)

1. die Verwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Arbeitern für gewisse Gewerbezweige, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen; 26) Auf Grund dieses § sind folgende im Reichsgesetzblatt veröffentlichten Bekanntmachungen erlassen:

494

XV. Gewerbeordnung § 139 a.

2. für Anlagen, die mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder die sonst durch die Art des Betriebs auf eine regelmäßige Tagund Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Anlagen, deren Be­ trieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten be­ schränkt ist, Ausnahmen von den im § 136 Abs. 2, 3, § 136, g 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen zuzulassen, soweit § 136 Abs. 3 in Betracht kommt; jedoch nur für männliche jugendliche Arbeiter;

3. für gewisse Gewerbezweige, soweit die Natur des Betriebs oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vorge­ schriebenen Pausen zu gestatten; 4. für Gewerbezweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des' Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, auf höchstens 40 Tage im Kalenderjahr Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1, 2, 4 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden, an Sonnabenden acht Stunden nicht über­ schreitet, und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. In der ununterbrochenen Ruhezeit müssen die Stunden zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens liegen; 5. für Gewerbezweige, in denen die Verrichtung der Nachtarbeit zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mßlingens von Arbeitserzeugnissen dringend erforderlich erscheint, Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1 bis 4 mit der Maßgabe zuzulassen, a. v. 9. März 13 (S. 129) tieft, die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, Glasschleifereien und Glastieizereien sowie Sandbläsereim. b. v. 4. Juni 10 (S. 868) tieft, die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Meiereien und Betrieben zur Sterilisierung von Mich. c. v. 30. Jan. 03 (S. 3) u. v. 1. April 03 (S. 123) tieft, dm Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Präservativs, Sicherheitspeffarim, Suspensorien u. dergl. d. v. 7. März 13 (S. 125) tieft, die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auf Steinkohlmbergwerkm in Preußm usw.

e. v. 24. März 92 (S. 331), v. 11. März 97 (S. 25), v. 20. März 02 (S. 77) u. v. 12. Apr. 07 (S. 93) tieft, die Beschäftigung von Arbeiterinnen auf Steinkohlmbergwerkm usw. im Rg.Bez. Oppeln.

L v. 20. Mai 12 (S. 311) tieft, die Beschäftigung von Artieiterinmn und jugendlichen Arbettern in Walz- u. Hammerwerken. g. v. 15. Novtir. 03 (S. 286) tieft, die Beschäftigung von Artieiterinnm und jugendlichm Arbeiters in Ziegeleien. Siehe auch Anm. 6 zu 8 120 e.

Gewerbliche Arbeiter §§ 139 aa, 139 b.

496

daß die ununterbrochene Ruhezeit an höchstens sechzig Tagen im Kalenderjähre bis achteinhalb Stunden täglich herabgesetzt werden darf.

In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder sechsunddreißig Stunden, für junge Leute sechzig, für Arbeiterinnen achtundfünfzig Stunden nicht überschreiten. Die Nacht­ arbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln.

In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen ryindestens einstün­

diger Dauer gewährt werden. In den Fällen zu 4 darf die Erlaubnis zur Überarbeit für mehr als vierzig Tage, jedoch nicht für mehr als 50 Tage dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit in der Weise geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebstage des Jahres die regel­ mäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet.")

Die durch Beschluß des Bundesrats getroffenen Bestimmungen sind zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke er­ lassen werden. Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnis­ nahme vorzulegen.

8 139aa. Auf die Arbeiter in den unter Abschnitt IV fallenden Betrieben finden im übrigen die Bestimmungen der §§ 121—125 oder, wenn sie als Lehrlinge anzusehen sind, die Bestimmungen der 88126 bis

128 Anwendung.

V. Aufsicht. 8 139b.

Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen

der 88 105a, 105 b Abs. 1, der 88 105c bis 105h, 120a bis 1201,133g bis 139aa ist ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen. Denselben stehen bei Ausübung dieser Aufsicht alle amt­ lichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere das Recht zur 27) Zuwiderhandlungen gegen die vom Bundesrat in den vorstehend auf­ geführten Bekanntmachungen erlaffenen Vorschriften und gegen den § 138 fallen unter die Strafbestimmung des § 149 Nr. 7. Erk. v. 11. Ottbr. 94, E. 26 G. 124. Siehe aber Stenglein-Lindenberg Anm. 17.

496

XV. Gewerbeordnung § 139 c.

jederzeitigeri Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntnis gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der ihrer Revision unterliegenden Anlagen zu verpflichten.

Die Ordnung der Zuständigkeitsverhältnisse zwischen diesen Be­ amten und den ordentlichen Polizeibehörden bleibt der verfassungs­ mäßigen Regelung in den einzelnen Bundesstaaten Vorbehalten. Die erwähnten Beamten haben Jahresberichte über ihre amtliche Tätigkeit zu erstatten. . Diese Jahresberichte oder Auszüge aus den­ selben sind dem Bundesrat und dem Reichstage vorzulegen. Die auf Grund der Bestimmungen der §§ 105a bis 105h, 120a bis 120k, 133 x bis 139aa auszuführenden amtlichen Revisionen müssen die Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nächt, während des Betriebs gestatten.

Die Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, den genannten Beamten oder der Polizeibehörde diejenigen statistischen Mitteilungen über -die Verhältnisse ihrer Arbeiter zu machen, welche vom Bundesrat oder von der Landes-Zentralbehörde unter Festsetzung der dabei zu beobach­ tenden Fristen und Formen vorgeschrieben werden.

VT. Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen.

§ 139c. In offenen Verkaufsstellen und den dazu gehören­ den Schreibstuben (Kontore) und Lagerräumen ist den Gehilfen, Lehr­ lingen und Arbeitern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden zu gewähren. In Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als zwanzigtausend Einwohner haben, muß die Ruhezeit in offenen Verkaufsstellen, in denen zwei oder mehr Gehilfen und Lehr­ linge beschäftigt werden, für diese mindestens elf Stunden betragen; für kleinere Ortschaften kann diese Ruhezeit durch Ortsstatut vorge­ schrieben werden. Innerhalb der Arbeitszeit muß beii Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern eine angemessene Mittagspause") gewährt werden. Für Ge­ hilfen, Lehrlinge und Arbeiter, die ihre Hauptmahlzeit außerhalb des 28) Ein Verzicht auf die Mittagspause ist unzulässig. Erk. v. 21. Novbr. 01, E. 35 S. 9.

4^7

Gewerbliche Arbeiter §§ 139 d, 139 s.

die Verkaufsstelle enthaltenden Gebäudes einnehmen, muß diese Pause mindestens ein und eine halbe Stunde betragen. §139d. Die Bestimmungen des § 139 c finden keine An­ wendung 1. auf Arbeiten, die zur Verhütung des Verderbens von Maren unverzüglich vorgenommen toerbett müssen, 2. für die Aufnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur sowie bei Neueinrichtungen und Umzügen, 3. außerdem an jährlich höchstens dreißig von der Ortspolizeibehörde allgemein oder für einzelne Geschäftszweige zu besinnmenden Tagen. § 139e. Von neun Uhr abends fünf his Uhr morgens muffen offene Verkaufsstellen") für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein.") Die beim Ladenschluß im Laden schon anwesenden Kunde): dürfen noch bedient werden.") Über neun Uhr abends dürfen Verkauftstellen für den geschäft­ lichen Verkehr geöffnet sein 1. für unvorhergesehene Notfälle, 2. an höchstens vierzig von der Ortspolizeibehörde zu bestimmen­ den Tagen, jedoch bis spätestens zehn Uhr abends, 3. nach näherer Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde in Städten, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung weniger als zweitausend Einwohner haben, sowie in ländlichen Ge­ meinden, sofern in denselben der Geschäftsverkehr sich vornehm­ lich auf einzelne Tage der Woche oder auf einzelne Stünden des Tages beschränkt. Die Bestimmungen der £§ 139c und 139d werden durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt. Während der Zeit, wo die Verkaufsstellen geschlossen sein müssen, ist das Feilbielen von Waren auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Be­ stellung von Haus zu Haus im stehenden Gewerbebetriebe (§ 42b Abs. 1 Ziffer 1) sowie im Gewerbebetrieb im Umherziehen (§ 55 Aös. 1 Ziffer 1) verboten Ausnahmen können von der Or'tspvlizeibehörde zü29) Dazu gehören auch Automaten, DIZ. 7. S. 127, aber nicht Schankund Speisewirtschäften, DIZ. 7 S. 54, auch nicht Kontore, welche nur einzelnen Gruppen, wie z. B. Engroskäufern offen stehen. DIZ. 7 S. 103. Unter Schluß der Verkaufsstelle ist der sog. Geschäftsschluß gemeint. DIZ. 7 S. 463. 30) Andere Tätigkeit als Bedienung von Kunden, z. B. AufräumungsArbeiteN, sind erlaubt. Ka yser --Stei tri g er ö. a. O. 31) Diese Vorschrift darf nicht analog auf § 105 b Abs. 2 angeivrndet iverden. Erk. v. 29. Juni 05, E. 38 S. 145. Dalcke, Strafrecht.

16 Ausl.

(1922)

32

498

XV. Gewerbeordnung §§ 139f, 139 g.

gelassen Werber.

Die Bestimmung des g 65a Abs. 2 Satz 2 findet

Anwendung.-)

g 139 f. Auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der beteilig­ ten Geschästsinhaber kann für eine Gemeinde oder mehrere örtlich unmittelbar zusammenhängende Gemeinden durch Anordnung der

höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörden

für alle oder einzelne Geschäftszweige-) angeordnet werden, daß die offenen Verkaufsstellen während bestimmter Zeittäume oder während des ganzen Jahres auch in der Zeit zwischen acht und neun Uhr abends und zwischen fünf und sieben Uhr morgens für den geschäftlichen Ver­

kehr-) geschlossen sein müssen.

Die Bestimmungen der gg 139c und

139d werden hierdurch nicht berührt. Auf Antrag von mindestens einem Drittel der beteiligten G^

schäftsiyhaber hat die höhere Verwaltungsbehörde die beteiligten Ge­

schäftsinhaber durch ortsübliche Bekanntmachung oder besondere Mit­ teilung zu einer Äußerung für oder gegen die Einführung des Laden­ schlusses im Sinne des vorstehenden Absatzes auszufordern.

Erklären

sich zwei Drittel der Abstimmenden für die Einführung, so kann die

höhere Verwaltungsbehörde die entsprechende Anordnung treffen. Der Bundesrat ist befugt, Bestimmungen darüber zu erlassen, in

welchem Verfahren die erforderliche Zahl von Geschäftsinhabern fest* zustellen ist. Während der Zeit, wo Verkaufsstellen aus Grund des Abs. 1 ge­

schlossen sein müssen, ist der Verkauf von Waren der in diesen BerkaufSstellen geführten Art sowie das Feilbieten von solchen Waren

auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Bestellung von HauS zu Haus im stehen­

den Gewerbebetriebe (g 42b Abs. 1 Ziffer 1) sowie im Gewerbebetrieb

im Umherziehen (g 66 Abs. 1 Ziffer 1) verboten. Ausnahmen können von der Lrtspolizeibehörde zugelassen werden.

Die Bestimmung des

g 65a Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung, g 139 g. Die Polizeibehörden sind befugt, im Wege der Ver­ fügung für einzelne offene Verkaufsstellen diejenigen Maßnahmen an­ zuordnen, welche zur Durchführung der im g 62 Abs. 1 des Handels32) Die Bestimmung de- § 139 e bezieht sich weder auf den Großhandel noch den Marktverkehr. I o h o w 22 S. C 98. 33) Ein Geschäft ist nicht schon deshalb zu einem bestimmten Geschäfts­ zweig zu rechnen, weil in ihm einzelne Waren dieses Geschäftszweiges geführt werden. G«. 51 S. 79. 34) Hierunter fallen lediglich solche Geschäfte, die mit dem Betriebe der BerkaüfSftelle in unmittelbarem Zusammenhang stehen, für deren Vornahme die offene BvckmfSstelle bestimmt ist. SA. 53 D. 83. Zur Auslegung de- § siehe v. Dassel, Recht 13 T. 171.

Gewerbliche Arbeiter §§ 139 h—139 k.

499

gesetzbuchs enthaltenen Grundsätze in Ansehung der Einrichtung und Unterhaltung der Geschäftsräume und der für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften sowie in Ansehung der Regelung des Geschäftsbetriebs erforderlich und nach der Beschaffenheit der Anlage ausführbar erscheinen. Die Bestimmungen im g 1206 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende

Anwendung.

§ 13911. Durch Beschluß des Bundesrats können Vorschriften darüber erlassen werden, welchen Anforderungen die Laden-, Arbeits­ und Lagerräume und deren Einrichtung sowie die Maschinen und Gerätschaften zum Zwecke der Durchführung der im § 62 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs enthaltenen Grundsätze zu genügen haben. Die Bestimmung im § 120g findet Anwendung?') Soweit solche Vorschriften durch Beschluß des Bundesrats nicht erlassen sind, können sie durch Anordnung der im § 120e Abs. 2 be­ zeichneten Behörden erlassen werden. § 1391. Die durch § 76 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs sowie durch § 120 Abs. 1 begründete Verpflichtung des Geschäftsinhabers findet an Orten, wo eine vom Staate oder der Gemeindebehörde anerkannte Fachschule besteht, hinsichtlich des Besuchs dieser Schule entsprechende Anwendung. Der Geschäftsinhaber hat die Gehilfen und Lehrlinge unter acht­ zehn Jahren zum Besuche der Fortbildungs- und Fachschule anzuhallen und den Schulbesuch zu überwachen.

§ 139 k. Für jede offene Verkaufsstelle, in welcher in der Regel mindestens zwanzig Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt werden, ist innerhalb vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nach der Eröffnung des Betriebs eine Arbeitsordnung zu erlassen. Auf die Arbeitsordnung finden die Vorschriften der gg 134a, 134 b Abs. 1 Ziffer 1 bis 4, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, des g 134c Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3, des § 1346 Abs. 1 und der §g 134e,.134f ent­ sprechende Anwendung. Andere als die in der Arbeitsordnung oder in den gg 71 und 72 des Handelsgesetzbuchs vorgesehenen Gründe der Entlassung und des Austritts mls der Arbeit dürfen im Arbeitsvertrage nicht ver­ einbart werden. Die verhängten Geldstrafen sind in ein Verzeichnis einzutragen, welches , den Namen des Bestraften, den Tag der Bestrafung sowie 35) Bek. v. 26. Nov. 00 (RGBl. S. 1033), betr. die Einrichtung von Sitzgelegenheit für Angestellte in offenen Verkaufsstellen.

500

XV. Gewerbeordnung §§ 1391—142.

den Grund und die Höhe der Strafe ergeben und auf Erfordern der Ortspolizeibehörde jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden muß. Auf Arbeitsordnungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Ge­ setzes erlassen worden sind, finden die Bestimmungen der §§ 134 a, 134 b Abs. 1 Ziffer 1 bis 4, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, des § 134 c Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 des ß 134e Abs. 2 und des § 134t entsprechende Anwendung. Dieselben sind binnen vier Wochen der unteren Ver­ waltungsbehörde in zwei Ausfertigungen einzureichen. Auf spätere Abänderungen dieser Arbeitsordnungen und auf die seit dem 1. Oktober 1899 erstmalig erlassenen Arbeitsordnungen finden der § 134 e Abs. 1 und der § 134e Abs. 1 entsprechende Anwendung. § 1391. . Auf das Halten von Lehrlingen in offenen Verkaufs­ stellen sowie in anderen Betrieben des Handelsgewerbes findet die

Bestimmung des § 128 Anwendung. § 139 m Die Bestimmungen der K§ 139c bis 139i finden auf den Geschäftsbetrieb der Konsum- und anderer Vereine entsprechende Anwendung.

Titel Ylli.

Gewerbliche Hllftkasseu.

§ 140. Die durch Ortsstatut oder Anordnung der Verwaltungs­ behörde begründete Verpflichtung der selbständigen Gewerbetreibenden, einer mit einer Innung verbundenen oder außerhalb derselben be­ stehenden Kranken-, Hilfs- oder Sterbekasse für selbständige Gewerbe­ treibende betzutreten, wird aufgehoben. Im übrigen wird in den Verhältnissen dieser Kassen durch gegenwärtiges Gesetz nichts geändert. Neue Kassen der selbständigen Gewerbetreibenden für. die er­ wähnten Zwecke erhalten durch die Genehmigung der höheren Ver­ waltungsbehörde die Rechte juristischer Personen, soweit es zur Er­ langung dieser Rechte einer besonderen staatlichen Genehmigung bedarf. H8 141—141 f. (aufgehoben durch Ges. v. 15 Juni 83, RGBl. S. 73).

Titel IX.

Statutarische Sestlmmungen.

§ 142. Statutarische Bestimmungen einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes können die ihnen durch das Gesetz über­ wiesenen gewerblichen Gegenstände mit verbindlicher Kraft ordnen. Dieselben werden nach Anhörung beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter") abgefaßt, bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltunasbehörde") und sind in der für Bekanntmachungen der Ge36) Bgl. über die Gültigkeit der vor dem 1. April 1892, also auf Grund der älteren Fassung des § 142 erlassenen Statute insbesondere über die Zu­ ziehung von Arbeitern: GA. 42 S. 432 u. 43 S. 275. 37) Das ist in diesem Falle der Bezirksausschuß.

Strafbestimmungen §§ 143—144 a.

501

meinte ober des weiteren Kommunalverbandes vorgeschriebenen oder üblichen Form zu veröffentlichen?«) Die Zentralbehörde ist befugt, statutarische Bestimmungen, welche

mit den Gesetzen oder den statutarischen Bestimmungen des weiteren Kommunalverbandes in Widerspruch stehen, außer Kraft zu setzen. Titel X.

Strafbestimmungen.

8 143. Die Berechtigung zum ^Gewerbebetriebe kann, abgesehen von den in den Reichsgesetzen vorgesehenen Fällen««) ihrer Ent­ ziehung, weder durch richterliche, noch administrative Entscheidung ent­ zogen werden. Ausnahmen von diesem Grundsätze, welche durch die Steuergesetze begründet sind, bleiben so lange aufrecht erhallen, als diese Steuergesetze in Kraft bleiben?«) Die Bestimmungen der Landesgesetze, nach welchen die Befugnis zur Herausgabe von Druckschriften und zum Vertriebe derselben inner­ halb des Reichsgebiets im Verwaltungsweg entzogen werden darf, werden hierdurch aufgehoben. § 144. Inwiefern, abgesehen von den Vorschriften über die Ent­ ziehung des Gewerbebetriebs (g 143), Zuwiderhandlungen der Ge­

werbetreibenden gegen ihre Berufspflichten außer den in diesem Gesetz

erwähnten Fällen einer Strafe unterliegen, ist nach den darüber be­ stehenden Gesetzen zu beurteilen. Jedoch werden aufgehoben die für Medizinalpersonen bestehenden besonderen Bestimmungen, welche ihnen unter Androhung von Strafen einen Zwang zu ärztlicher Hilfe auferlegen. § 144». Personen, welche den Bestimmungen der 88 126, 126a und 129 entgegen Lehrlinge hätten, anleiten oder anleiten lassen, können von der Ortspolizeibehörde durch Zwangsstrafen zur Entlassung der Lehrlinge augehalteu werden. In gleicher Weise kann die Entlassung derjenigen Lehrlinge, welche den auf Grund des 8 81a Ziffer 3, des 8 128 Abs. 2 und des g 130 erlassenen Vorschriften entgegen angenommen sind, verfügt werden. 38) Zur Aufhebung eines Statuts ist gleichfalls-die Einwilligung sämtlicher Organe, welche bei dem Erlaß mitgewirkt haben, insbesondere also auch die des Bezirksausschusses notwendig. GA. 43 S. 144. 39) Abgesehen von der GewO, selbst kommen hier noch in- Betracht das sog. Dynamitges. v. 9. Juni 84 und düs Ges. über die Untersuchung von See­ unfällen v. 27. Juli 1877, Kraftfahrzeuggesetz v. 3. Mai 09 und Stellenver­ mittlergesetz v. 2. Juni 10. 40) Auf die in den Steuerges. angedrohte Untersagung des Gewerbebetriebs kann auch heute noch erkannt werden, in den neuerlassenen Steuerges. darf diese Strafe aber nicht mehr angedroht werden.

502

XV. Gewerbeordnung § 145—146.

t 146 Für das Mindestmaß der Strafen, das Verhältnis von Geldstrafe zur Freiheitsstrafe sowie für die Verjährung der in den gg 146a, 146 und 163 verzeichneten Vergehen sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich maßgebend.") Die übrigen in diesem Titel mit Strafe bedrohten Handlungen verjähren binnen drei Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie begangen sind. 8 146a. Die in den Fällen der §8 16, 24 und 25 gemäß 8 21 Ziffer 1 zugezogenen Sachverständigen werden bestraft, 1. wenn sie unbefugt Betriebsgeheimnisse offenbaren, welche durch das Verfahren zu ihrer Kenntnis gelangt sind, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert") Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten; 2. wenn sie absichtlich zum Nachteile des Betriebsunternehmer Be­ triebsgeheimnisse, welche durch das Verfahren zu ihrer Kennt­ nis gelangt sind, offenbaren oder geheimgehaltene Betriebseinrichtungen oder Betriebsweisen, welche durch des Verfahren zu ihrer Kenntnis gelangt sind, solange als diese Betriebs­ geheimnisse sind, nachahmen, mit Gefängnis, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Tun sie dies, um sich oder einem anderen einen Vermögens­ vorteil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe bis zu dreitausend") Mark erkannt werden. Im Falle der Ziffer 1 tritt die Verfolgung nur auf Antrag des Betriebsunternehmers ein. 8 146. Mit Geldstrafe bis zu zweitausend") Mark und im Un­ vermögensfalle") mit Gefängnis bis zu sechs Monaten.werden be­ straft:") 1. Gewerbetreibende, welche dem 8 116 zuwiderhandeln;") 41) DaS Wesentliche des § 145 Ist die vom gemeinen Strafrecht abweichende Regelung der Verjährung. ..Die vergehen gegen §§ 146 u. 147 werden bezüglich der Verjährungsfrist wie Übertretungen behandelt. Stenglein-Linden-

berg Anm. 2. ' 42) Siehe § 1 deS Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 43) Zunächst muß stets auf Geldstrafe erkannt werden. Erk. v. 16. Juni 84. R. 6 S. 436. In Haftstrafe darf die Geldstrafe nicht umgewandelt werden. Erk. v. 3. Jan. 88, E. 17 S. 39 u. KG. v. 28. Febr. 08, GewArch. 8 S. 148. 44) Auch das fahrlässige Zuwiderhandeln gegen die hier gedachten Vor­ schriften ist strafbar. Erk. v. 25. Febr. 87, R. 9 S. 160 u. Erk. v. 11. Juni 91. E. 22 S. 43. Eine Fahrlässigkeit aber wird regelmäßig schon in der Unterlassung einer erforderlichen Kontrolle liegen, vgl. Erk. v. 18. Juni 81, R. 3 S. 412. Erk. v. 3Q. Septr. 87, R. 9 S. 486. 45) Ob Verstöße gegen Nr. 1 als mehrere selbständige Delttte oder alS eine fortgesetzte Handlung anzusehen sind, wird von den besonderen Umständen deS ,

Strafbestimmungen § 146 a.

803

2. Gewerbetreibende, die den gg 135 bis 137, g 137 a Abs. 1, g 139 c

oder den auf Grund der gg 120e, 120f, 139, 139a erlassenen Bestimmungen insoweit zuwider handeln, als danach die Ver­

wendung der Arbeiter zu bestimmten Beschäftigungen untersagt oder Arbeitszeit, Nachtruhe oder Pausen geregeltfittb;")

3. Gewerbetreibende, welche dem g 111 Abs. 3, g 113 Abs. 3

oder dem,g 114 a Abs. 4, soweit daselbst die Bestimmungen des g 111 Abs. 3 und des g 113 Abs. 3 für anwendbar erklärt

worden sind, zuwiderhandeln; War in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 der Täter zur Zeit der

Begehung der Gtraftat bereits zweimal wegen einer der dort bezeich­ neten Zuwiderhandlungen rechtskräftig verurteilt, so tritt, falls die

Straftat vorsätzlich begangen wurde, Geldstrafe von 100 bis 3000") M.

oder Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten ein.

Die Anwendung dieser

Vorschrift bleibt ausgeschlossen, wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung bis zur Begehung der neuen Straftat drei Jahre ver­

flossen sind. 4. wer dem g 56 Ziffer 6 zuwiderhandelt.")

Die Geldstrafen fließen der im g 116 bezeichneten Hasse zu.") Der g 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes findet Anwendung.")

9 146».

Mit Geldstrafe bis zu sechshundert") Mark, im Un­

vermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer den 99 105b bis 106 g") oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern

an Sonn- und Festtagen Beschäftigung gibt oder den 99 41a, 65a, 139e, 139k Abs. 4 oder den auf Grund des 9 105b Abs. 2 erlassenen

Falle- abhängen. Vgl. darüber Erk. v. 13. Jan. 85, R. 7 S. 32, u. Erk. v. 21. Jan. 86, E. 13 S. 285. 46) a. Die Nr. 2 bezieht sich nicht nur auf die eigentlichen jugendlichen Arbeiter im Sinne deS 9 136, sondern umfaßt alle jugendlichen Personen, auch solche, die überhaupt nicht in Fabriken beschäftigt werden dürfen. Erk. v. 12. Dezbr. 84, R. 6 S. 804. Siehe auch Anm. 30 u. 36. — Da hier ein »ergehen vor­ liegt, so darf überhaupt nicht unter drei Mark Geldstrafe erkannt werden. Erk. v. 16. März 82, R. 4 S. 253. — Der Werkmeister, welchem die Leitung eines Teiles 'der Fabrik, insbesondere auch die Annahme und Löhnung der betreffenden Arbeiter übertragen ist, hastet als teilweiser Stellvertreter aus § 151. Aber neben ihm ist der Gewerbetreibende nur insofern strafbar, als die Übertretung polizeilicher Vorschriften mit seinem Wissen begangen ist oder er eS hat an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen. Erk. v. 26. Septbr. 93, E. 24 S. 293. 47) Siehe jetzt Ges. v. 9. Juni 84 unter VI. 48) Die Kasse, in welche die Strafen fließen sollen, braucht in der Urteils­ formel nicht bezeichnet zu werden. Erk. v. 14. Juni 87, R. 9 S. 373. 49) § 75 ist aufgehoben. 50) Vgl. die Anm. z« diesen §§.

604

XV. 'Gewerbeordnung § 147.

statutarischen Bestimmungen oder- den aus Grund des- g 41b öder dee fr 139f Abs. 1 getroffenen Zuordnungen zuwider handeltel) Wer dell §§ 105b bis 105g oder den auf Grund dieser Bor­ schriften erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern an Sonn- und Festtagen Beschästigullg gibt oder den auf Grund des § 105b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen zuwiderhandelt, nachdem er bereits zweimal wegen einer Zuwiderhalldlung gegen die bezeichneten Borschristen rechtskräftig verurteilt worden ist, wird, falls die Straftat vorsätzlich begallgell wurde, mit Geldstrafe von- 50 bis 1000 M. oder

mit Haft bestraft, g 146 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. fr 147. Mit Geldstrafe bis zu dreihundertMark und im Un­ vermögensfalle mit Hast wird bestraft:") -1. wer den selbstäudigen Betrieb") eines stehellden Gewerbes, zu dessen Beginn eine besondere polizeiliche Gellehmigung (Konzession, Approbation, Bestallung) erforderlich ist,61) ohne die vorschriftsmäßige Genehmigung unternimmt oder fortsetzi,"). oder von den in der Ge­ nehmigung festgesetzteli Bedingungen abweicht;") 2. wer eine gewerbliche Anlage,") zu der mit Rücksicht auf die 51) Die Strafbestimmung des § 146 a findet auch auf fahrlässige Zuwider­ handlungen Anwendung. Erk. v. 15. Febr. 95, E. 27 S. 31. Irrtum darüber, ob ein Tag Festtag sei, ist als Rechtsirrtum unerheblich, GA. 42 S. 301, da­ gegen kann Irrtum darüber, ob ein Berkehrsgewerb^ vorliegt, sückflos sein.

GA, 41 S. 311. Zu den Arbeitern gehören auch Handlungsgehilfen u. Lehr­ linge» DIZ. 7 S. 558. 52) Auch die hier mit Strafe bedrohten Handlungen find Vergehen. Vgl. Anm. 46 zu § 146. 53) Uber selbständigen Betrieb siehe oben Anm. 17 zu 8 14. 54) Hierunter fallen Apotheker (§ 29), Unternehmer von Krankenanstalten (§ 30), Seefahrer und Lotsen (§31), Hebammen. Letztere bedürfen zwar seiner Konzession, sondern nur eines Prüfungszeugnisses und gehören deshalb zwar nicht zu den approbierten Medizinalpersvnen, gleichwohl fallen sie, wenn sie kein Prüfungszeugnis besitzen, unter diesen §. Erk. v. 14. Jan. 87, E. 15 S. 181. Vgl. auch Erk. v. 27. März 84, E. 10 S. 340. Eine Hebamme, die sich als Ge­ burtshelferin bezeichnet, fällt unter § 147 Nr. 3, Johow 14 S. 281 u. GA. 41 S. 306. Vgl. Anm. 46 zu § 30. 55) d. h. nach stattgehabter Untersagung. War das Gewerbe steuerpflichtig, so.trstt eine neue Steuerdefraude ein. GA. 18 S. 497 u. Iohow 6 S. 235. 56) Die Ausübung des Gewerbes setzt ein positives Handeln voraus. Ein bloßes Dulden genügt nicht. Erk. v. 28. Mai 97, E. 30 S. 133. Teilnahme qn diesem Vergehen ist möglich, deshalb macht sich eine Ehefrau, die ihrem Ehe­ manne im Schankgewerbe Hisse leistet, obwohl sie weiß, daß derselbe keine Kon­ zession hat, der Beihilfe zu dem Gewerbevergehen, nicht aber auch der Beihilfe zu der Steuerdefraude schuldig. J^ h o-w 14 S. 291. Die Verjährung des VrrgeheM beginnt-nicht, solange- das genehmigungspflichtige Gewerbe ohne Ge­ nehmigung betrieben wird. OR. 19 S. 137. Wegen Begnadigung siehe § 3b d. AB. v. 26. Aug. 19 im Anhang la. 57) Über Anlagen siehe Anm. 24 zu § 16. Die Strafbarkeit tritt ein, so-

Strafbestimmungen H 147.

505

Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte oder des Lokals eine be­ sondere Genehmigung erforderlich ist (g§ 16 und 24), ohne diese Ge­ nehmigung errichtet^ oder die wesentlichen Bedingungen,") unter welchen die Genehmigung erteilt worden, nicht innehält, oder ohne neue Genehmigung eine wesentliche Veränderung") der Betriebsstätte oder eitie Verlegung des Lokals oder eine wesentliche Veränderung in dem-Betriebe der Anlage vornimmt;") 3. wer, ohne hierzu approbiert zu sein,") sich als Arzt") (Wund­ arzt, Augenarzt, Geburtshelfer, Zahnarzt, Tierarzt) bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt/*) durch den der Glauben erweckt wird,") der' Jnbaber desselben'sei eine geprüfte Medizinalperson;") bald mit der Anlage der Anfang gemacht ist. GA. 26 S. 226. Es darf sich aber nicht bloß um eine vorübergehende Einrichtung handeln. OR. 16 S. 534. Auch der spätere Erwerber einer nicht genehmigten Anlage ist strafbar. GA. 24 S.' 50 u. OR. 19 S. 37. Solange die unkonzessionierte Anlage besteht, läuft keine Verjährung. GA. 37 S. 458 und 26 S. 226.Eine Veränderung des Be­ triebes stellt nicht Errichtung einer Anlage dar. GA. 26 S. 456. 58> Das sind diejenigen Bedingungen, die für notwendig erachtet werden, damit die Anlage resp, deren Betrieb nicht Nachteile für die Nachbarn oder das Publikum herbeiführt. GA. 41 S. 168, 170 u. GA. 42 S. 152. 59) Über Veränderungen an Neuwerten siehe OBG. 10 S. 277. Die Nichterfüllung von Bedingungen, unter denen eine Änderung genehmigt ist, fällt gleichfalls unter diese Vorschrift. KG. v. 29. Mai 05, DIZ. 10 S. 966. 60) Wer eine genehmigte Anlage vermietet, wird dadurch von seiner per­ sönlichen Verantwortlichkeit nicht frei. Johow 9 S. 181 u. OR. 19 S. 137. 61) Diese Vorschrift trifft diejenigen Personen, welche die vorgeschriebene Approbation nicht besitzen, aber den Glauben erwecken wollen, daß dies der Fall sei. OR. 17 S. 572 u. 20 S. 36. 62) Strafbar ist nicht bloß die Bezeichnung als Arzt, Zahnarzt, Tier­ arzt usw., sondern auch schon die Beilegung eines ähnlichen Titels, durch welchen der Glaube erweckt wird, der Inhaber sei eine approbierte Person. Arzt darf sich nur derjenige nennen, der auf Grund einer bestandenen Prüfung appro­ biert ist, auch ein Zusatz schließt die Strafbarkeit nicht aus, deshalb ist für strafbar erachtet die Bezeichnung als Naturarzt, GA. 23 S. 570, 24 S. 621 u. DIZ. 6 S. 215; nicht strafbar ist der Gebrauch des Arzttitels, wenn gleichzeitig zum Ausdruck gebracht ist, daß der Bezeichnete eine im Auslande approbierte Medizinalperson ist. Erk. v. 21. Sept. 05, E. 38 S. 158. Vgl. auch Erk. v. 1. Nbvbr. 79, R. 1 S. 30 u. v. 6. Novbr. 80, R. 2 S. 460. Der auf Fahrlässig­ keit beruhende Irrtum, der Titel sei zur Irreführung nicht geeignet, schließt die Strafbarkeit aus. Erk. v. 20. Dezbr. 10, E. 44 S. 309. 63) Als ähnliche Titel, durch welche der Glaube erweckt wird, der Inhaber sei approbiert, sind angesehen die Bezeichnungen als: Medicus non approbatus, GA. 25 S. 537; Assistent des weltberühmten Dr. med., GA. 50 S. 123; als Homöopath, GA. 19 S. 824 u. Erk..v. 7. Ian. 87, R. 9 S. 9; Anstalt für Matteische Elektro-Hömöopathie, GA. 39 S. 192 (siehe aber GA. 47 S. 386); Spezialist für Geschlechtskrankheiten, GA. 26 S. 350; Atelier für künstliche Zähne, OR. 17 S. 572; und ebenso Zahntechniker Dr. N., Erk. v. 10. Dezbr. 19, E. 1 S. 117; und Zahnklinik Dr., Johow 3 S. 241 u. GA. 52 S. 258 oder Dentist, DIZ. 13 S. 1352; ferner Autorität für Behandlung gewisser

506

XV. Gewerbeordnung g 147.

4. wer den auf (Brunb der g§ 120d, 137a Abs. 3, § 139g end­

gültig erlassenen Verfügungen oder, abgesehen von den Fällen des g 146 Abs. 1 Nr. S, g 150a, den auf Grund der §§ 120s, 120k, 139, 139a, 139h erlassene Bestimmungen zuwiderhandelt;••)

5. wer eine gewerbliche Anlage betreibt oder eine offene Verkaufs­

stelle hält, für welche eine Arbeitsordnung (gg 134 a, 139 k) nicht besteht, oder wer der endgültigen Anordnung der Behörde wegen Ersetzung oder

Abänderung der Arbeitsordnung nicht nachkommt. Enthält die Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die

Steuergesetze, so soll nicht außerdem noch auf eine Steuerstrafe er­ kannt werden, es ist aber darauf bei Zumessung der Strafe Rücksicht zu nehmen.") Krankheiten, GA. 40 S. 464; auch Spezialist für Frauenkrankheiten, Erk. v. 4. Juli 95, E. 27 S. 335; deSgl. der Titel „Professor" in Verbindung mit dem Heilwesen, DIZ. 7 S. 54. Auch die bloße Bezeichnung als Dr. kann unter Um­ ständen zur Strafbarkeit auSreichen. OR. 16 S. 389, ebenso die Ausstellung eines Schriftstücks mit der Überschrift „ärztliches Zeugnis". Erk. v. 28. Juni 04, E. 37 S. 220. DeSgl. die Bezeichnung alS Kurschmied. GA. 43 S. 70. Für nicht strafbar erachtet ist die Bezeichnung alS american dentiet, GA. 39 S. 193. Nach der Rechtsprechung d. KG. ist die Bezeichnung selbst dann strafbar, wenn sich auS ihr ergibt, haß der Täter eine inländische Approbation nicht behaupten will. KG. v. 18. Novbr. 12, I o h o w 43 S. 371, u. v. 11. Mai 14, Recht 18 S. 711. AM. RG. Erk. v. 21. Novbr. 13, E. 48 S. 2. 64) Die Frage, ob ein ähnlicher Titel gebraucht worden, ist nicht rein tat­ sächlicher Natur. Erk. v. 24. Dezbr. 79, E. 1 S. 126, u. Erk. v. 4. Juli 95, E. 27 S. 335 65) Die Frage, ob der Glaube erweckt wird, ist wesentlich tatsächlicher Natur. OR. 17 S. 726, 18 S. 654, 20 S. 122 u. GA. 24 S. 621. Stehe auch E. 1 S. 126. Zum dolus genügt, daß der Angeschuldigte die Erweckung dieses Glaubens beabsichtigt hat. E. 1 S. 117. Bgl. auch Erk. v. 4. Juli 95, E. 27 S. 335, wonach eS genügt, daß der Titel objektiv geeignet gewesen ist, den Glauben zu erwecken, und dies zu entscheiden ist lediglich Sache der tatsächlichen Feststellung. ES ist deshalb nicht erforderlich, daß der irrige Glaube auch wirklich bei einzelnen Personen erweckt worden ist. I o h o w 3 S. 441. 66) Die Duldung von Schlafstätten in den Betriebsräumen gegen polizei­ liches verbot fällt unter diese Vorschrift. Erk. v. 10. Juli 96, E. 29 S. 50. 67) Das Steuervergehen wird aber nicht bloßer Strafzumeffungsgrund, es ist Insofern von Bedeutung, als der Betrag der Steuerstrafe nicht unter­ schritten werden soll, eS sei denn, daß letztere 300 Mark übersteigt. Erk. v. 23. Juni 82, E. 6 S. 371. Siehe auch Erk. v, 14. Nov. 92, E. 23 S. 288. Daher müffen beide Delikte selbständig festgestellt und es muß mindestens immer auf die verwirkte Steuerstrafe erkannt werden. GA. 18 S. 772 u. OR. 17 S. 847, 19 S. 529 u. 20 S. 324. In diesen Fällen der Jdealkonkurrenz ist der Straf­ bescheid der Steuerbehörde nicht statthaft. OR. 15 S. 48,16 S. 273,20 S. 320, Johow 10 S. 170. Ist daS Gewerbepolizeivergehen verjährt, so kann das Steuervergehen selbständig verfolgt werden. Erk. v. 23. Juni 82, E. 6 S. 372. Erk. 6. 9. Oktbr. 14, Recht 18 Nr. 3074. In diesem Falle ist die Strafe nicht aus § 147, sondern auS dem verletzten Steuergesetz zu verhängen. Erk. v. 5. Novbr.

Strafbestimmungen tz 148.

507

In dem Falle zu 2 kann die Polizeibehörde die Wegschaffung der Anlage oder die Herstellung des den Bedingungen entsprechenden Zu­ standes derselben anordnen.") In dem Falle zu 4 kann die Polizeibehörde bis zur Herstellung

des der Verfügung oder der Vorschrift entsprechenden Zustandes die

Einstellung des Betriebs, soweit derselbe durch die Verfügung oder

die Vorschrift getroffen wird, anordnen, falls dessen Fortsetzung er­

hebliche Nachteile oder Gefahren herbeizuführen geeignet sein würde.

$ 148. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünszig") Mark und im Unvermögenssalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft: 1. wer außer den im § 147 vorgesehenen Fällen ein stehendes

Gewerbe beginnt, ohne dasselbe vorschriftsmäßig anzuzeigen;") 2. wer die im g 14 erforderte An- oder Abmeldung einer über­ nommenen Feuerversicherungsagentur unterläßt;

3. wer die im g 14 erforderten Anzeigen über das Betriebslokal unterläßt; 4. wer der nach g 36 gegen ihn ergangenen Untersagung eines Gewerbebetriebs zuwiderhandelt, oder die im g 35 vorgeschriebene An­

zeige unterläßt;") 4». wer außer den Fällen des § 360 Nr. 12, g 367 Nr. 16 des 95, E. 27 S. 405. Abweichend Erk. v. 14. Novbr. 92, E. 23 S. 288. Die Verjährung der Strafverfolgung von Gewerbesteuerdelikten erfolgt übrigens noch Art. V d. Ges. v. 22. Mai 52 (GS. S. 250) und für die neuen Provinzen nach Art. 11 d. Ges. v. 25. Juni 67 in 5 Jahren. Ist wegen deS GewerbevergehenS rechtskräftig freigesprochen, so kann das Steuervergehen allein noch verfolgt werden. KG. v. 18. März 86, Johow 6 S. 167. A. M. ObTr. v. 15. Septbr. 70, OR. 11 S. 454. 68) Über die Mittel der Polizeibehörde stehe E. des OLG. 5 S. 44. Ob

die Befugnis der Polizeibehörde, die Anlage wegzuschaffen, von der vorher­ gegangenen Bestrafung abhängig ist, ist streittg, aber mit OBG. v. 24. Juni 82, Entsch. 9 S. 275 u. Steng lein-Lin den berg Sinnt. 37 zu verneinen. 69) Eine stattgehabte Bestrafung wegen unterlaffener Anzeige entbindet nicht von der Verpflichtung, dieselbe doch noch zu machen. I o h o w 6 S. 235. Die Vergehen gegen § 147 Nr. 1 u. 8 148 Nr. 1 können m Jdealkonkurrenz begangen werden. Erk. v. 10. Oktbr. 02, E. 35 S. 378. 70) Gewerbetreibender ist, wer nach außen dem Publikum und den Be­ hörden gegenüber alS die zivil- wie öffentlichrechtlich für den Betrieb verantworttiche Person auftritt. GA. 50 S. 328. Wenn jemand wegen Fortsetzung eines untersagten Gewerbebetriebs bestraft wird, so betrifft dies die Zeit bis zum ersten, nicht bis zum rechtskräftigen Urteil, GA. 39 S. 347. Ob nach Unter­ sagung des Gewerbebetriebs stattgehabte Zuwiderhandlungen jede für sich eine selbständige Straftat bilden oder nur zusammen ein gewerbsmäßiges oder fort­ gesetztes guwiderhandeln darstellen, ist nicht unbestritten. Siehe GA. 39 S. 347 1L namentlich GA. 47 S. 465, dagegen Erk. v. 19. März 95, E. 27 S. 111. Richtig ist wohl die Annahme eines KollekttvdelittS. Vorsatz ist nicht erforderlich. Erk. v. 18. Dezbr. 07, GA. 55 S. 117.

508

XV. Gewerbeordnung 8 148.

Strafgesetzbuchs den auf Grund des $ 38 erlassenen Vorschriften zu­ widerhandelt; 5. wer dem § 33b oder außer den im § 149 Ziffer 1 vorgesehenen Fällen den §§ 42 a bis 44 a zuwiderhandelt, oder seine Legitimations­ karte (§ 44a) oder seinen Wandergewerbeschein (§ 55) einem anderen zur Benutzung überläßt; 6. wer zum Zwecke der Erlangung einer Legitimationskarte, eines Wandergewerbescheins oder der im § 62 vorgesehenen Erlaubnis in bezug auf seine Person, oder die Personen, die er mit sich zu führen beabsichtigt, wissentlich unrichtige Angaben macht;n) 7. wer ein Gewerbe im Umherziehen ohne den gesetzlich erforder­

lichen Wandergewerbeschein, imgleichen wer eines der im g 59 Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe der nach g 59a ergangenen Untersagung zuwider betreibt; 7 a. wer dem g 56 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1 bis 5, 7 bis 11, Abs. 3, den gg 56a oder 56 b zuwider handelt; 7b. wer den Vorschriften der gg 56c, 60a, 60b Abs. 2, 3 oder des g 60c Abs. 2, 3 zuwiderhandelt;") 7 c. wer einer ihm in Gemäßheit des g 60 Abs. 1, g 60b Abs. 1 oder des g 60 d Abs. 3 in dem Wandergewerbeschein auferlegten Be­ schränkung zuwider handelt; 7d. wer bei dem Gewerbebetrieb im Umherziehen-Kinder unter bierzehn Jahren zu gewerblichen Zwecken mit sich führt, oder zu dem nach g 42 b Abs 5 verbotenen Gewerbebetriebe Kinder unter vierzehn Jahren anleitet oder ausschickt; 7e. ein Ausländer, welcher bei dem Gewerbebetrieb im Umher­ ziehen den in Gemäßheit des g 56 d vom Bundesrate getroffenen Be­ stimmungen zuwider handelt; 8. wer bei dem Betriebe seines Gewerbes die durch die Obrigkeit oder durch Anzeige bei derselben festgelegten Taxen überschreitet oder es unterläßt, das gemäß g 75 oder g 75 a vorgeschriebene Verzeichnis einzureichen;")

71) Die Anwendung der Vorschriften des StGB, über intellektuelle Ur­ kundenfälschung ist nicht ausgeschloffen. Stenglein-Lindenberg Anw. 8. Vgl. g 363 StGB. AM. Kayser-Steiniger, Anm. 9. 72) Wenn ohne obrigkeitliche Erlaubnis Waren im Umherziehen im Wege öffentlicher Ausspielung feilgehalten werden, so liegt Jdealkonkurrenz mit § 286 des StGB. vor. Erk. v. 15. Oktbr. 86, E. 14 S. 384. Daß die Form der Ausspielung den Begriff des Feithaltens nicht ausschließt, erkennt auch Erk. v. 15. Febr. 95, E. 27 S. 31 an. 73) Die Überschreitung muß schuldhafterweise erfolgt sein. Irrtum über

die Höhe des Tarifs ist entschuldbar.

KG. v. 9. Febr. 05, DIZ. 10 S. 413»

Strafbestimmungen § 149.

509

9. wer die gesetzlichen Pflichten gegen die ihm anvertrauten Lehr­ linge verletzt; 9a. wer den §§ 126 und 126a zuwider Lehrlinge hält, anleitet oder anleiten läßt; 9b. wer dem § 129 oder den auf Grund der §§ 128 und 130 er­ lassenen Vorschriften zuwider Lehrlinge hält, anleitet oder anleiten läßt; 9c. wer unbefugt den Meistertitel führt; 10. wer wissentlich der Bestimmung im § 127e Abs. 2 zuwider einen Lehrling beschäftigt; 11. wer der Bestimmung des § 1346 Abs. 2 zuwider gegen

Arbeiter Strafen verhängt, welche in der Arbeitsordnung nicht vor­ gesehen sind oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, oder wer Strafgelder oder die int § 134 b Ziffer 5 bezeichneten Beträge in einer in der Arbeitsordnung nicht vorgesehenen Weise verwendet; 12. wer es unterläßt, der durch § 134e Abs. 1, §§ 134 g. 139 k Abs. 5 für ihn begründeten Verpflichtung zur Einreichung der Arbeits­ ordnung, ihrer Abänderungen und Nachträge nachzukommen; 13. wer dem § 115a oder den auf Grund des § 119a erlassenen statutarischen Bestimmungen zuwiderhandelt; 14. werden Vorschriften des § 15a zuwiderhandelt. In allen diesen Fällen bleibt die Strafe ausgeschlossen, wenn die

strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuer­ gesetze enthält.") § 149 Mit Geldstrafe bis zu dreißig42) Mark und im Unver­ mögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft: 1. wer den im § 42b vorgesehenen Erlaubnisschein oder den im § 43 vorgesehenen Legilimationsschein während der Ausübung des Gewerbebetriebs nicht bei sich führt, oder den Bestimmungen des § 44a Absatz 2 zuwiderhandelt; 2. wer bei dem Gewerbebetrieb im Umherziehen dem letzten Ab­

sätze des ß 56 oder dem § 60c Abs. 1 zuwider handelt; 3. wer ein Gewerbe im Umherziehen, für welches ihm ein auf einen bestimmten Bezirk lautender Wandergewerbeschein erteilt ist, unbefugt in einem anderen Bezirke betreibt; 4. wer ein Gewerbe im Umherziehen mit anderen Warengat­ tungen oder unter Darbietung anderer Leistungen betreibt, als sein

Wandergewerbeschein angibt; 5. wer bei dem Gewerbebetrieb im Untherziehen unbefugt Per74) Hier wird die Gewerbeübertretung von dem Steuerdelikt völlig ad­ sorbiert und deshalb ist hier nicht hloß nur aus dem Steuergesetz zu strafen, sondern es ist auch prinzipaliter das Berwaltungsstrafverfahren zulässig. LG. v. 10. Febr. 10, Johow 39 S. 0 20.

510

XV. Gewerbeordnung § 150.

fönen mit sich führt, oder einen Gewerbetreibenden, zu welchem er nicht in dem Verhältnis eines Ehegatten, Kindes oder Enkels steht,

unbefugt begleitet; 6. wer den polizeilichen Anordnungen wegen des Marktverkehrs

zuwiderhandelt;7i)

7. wer es unterläßt, den durch g 105c Abs. 2, § 134e Abs. 2,

§§ 138, 138a Abs. 5, § 139b für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen; 7a. wer es unterläßt, gemäß §§ 75, 75a") das Verzeichnis anzu-

schlagen oder dem Stellefuchenden vor Abschluß des Bermittelungs­ geschäfts die für ihn zur Anwendung kommende Taxe mitzuteilen.

In allen diesen Fällen bleibt die Strafe ausgeschlossen, wenn die strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuer­

gesetze enthält.

§ 160. Mit Geldstrafe bis zu zwanzig 4a) Mark und im Unver­ mögensfi Ile mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Ver­

letzung des Gesetzes wird bestraft:

1. wer den Bestimmungen der §§ 106 bis 112 zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält; 2. wer außep dem im § 146 Nr. 3 vorgesehenen Falle den Vor­

schriften dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher, Lohnbücher

oder Arbeitszettel oder den auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Bestimmungen oder den Vorschriften des g 134 Abs. 2 zuwiderhandelt; 3. wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet;77)

4. wer den Bestimmungen des g 120 Abs. 1, des g 1391 oder einer auf Grund des g 120 Abs. 3 erlassenen statutarischen Bestim­ mung") zuwiderhandell;")

4a. der Lehrherr, welcher den Lehrvertrag nicht ordnungsmäßig abschließt (g 103e Abs. 1 Ziffer 1 und g 126b);

5. wer es unterläßt, den durch g 134c Abs. 3, g 139 k Abs. 4 für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen. 75) Siehe oben die Anm. 62—67 zu § 69. 76) Siehe Anm. 62 o zu H 34. 77) Die Strafe trifft nur den Inhaber des Buches. 78) Die Gültigkeit des OrtsstatutS hat der Richter zu prüfen. GA! 41 S. 167, nicht aber die Notwendigkeit u. Zweckmäßigkeit. Kayser-Steiniger, Anm. 6. Siehe auch die Anm. zu § 142. Unkenntnis eines Ortsstatuts, welches ortsüblich verkündet ist, schadet. GA. 46 S. 226. 79) Ob der unterlassene Besuch der Fortbildungsschule als entschuldigt an­ zusehen ist, hat der Richter zu prüfen. I o h o w 10 S. 101. Über Entschuldigung wegen Nichtbeschaffung von Lehrmitteln stehe GA. 40 S. 199. Siehe auch Anm. 1 und 2 zu § 120.

Strafbestimmungen §§ 150 a, 151.

511

Landesgesetzliche Vorschriften gegen die Verletzung der Schul­ pflicht, nach welcher eine höhere Strafe eintritt, werden durch die Be­

stimmung unter Ziffer 4 nicht berührt.

§ 150 a.

Mit Geldstrafe bis zu 642) Mark und im Unvermögens-

falle mit Hast von 1 Tage für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird besttaft, wer den auf Grund des § 120 e Abs. 1 Satz 2 erlassenen

Bestimmungen zuwiderhandelt. $ 151.

Sind bei der Ausübung des Gewerbes polizeiliche Vor­

schriften von Personen übertreten worden, welche der Gewerbetreibende

zur Leitung des Bettiebs oder eines Teiles desselben oder zur Be­

aufsichtigung bestellt hatte, so trifft die Strafe diese letzteren.") Der Gewerbetreibende ist neben denselben strafbar, wenn die Übertretung mit seinem Borwissen begangen ist oder wenn er bei der nach den

Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebs, oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Betriebsleiter oder Auf­

sichtspersonen es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen. Ist an eine solche Übertretung der Verlust der Konzession, Appro-

80) Leiter deS Betriebs ist derjenige, welchem in einem Gewerbebetriebe der Verkauf in der Art überttagen ist, daß der Gewerbetteibende selbst sich um diesen Teil nicht kümmert. GA. 46 S. 61. Erforderlich ist die Überttagung des

Rechts, die Gesamtheit der gewerblichen Handlungen, die mit der Leitung oder Beaufsichtigung deS Betriebs verbunden sind, als Stellvertreter des Gewerbe­ treibenden auszuüben. Erk. v. 16. Febr. 14, DStZ. 1 S. 366. Eine Eheftau die von ihrem Ehemann stillschweigend Vollmacht zu Ladenverkäufen hat, ist zur Leitung des Betriebs bestellt. Erk. v. 21. Juni 18, E. 52 S. 279. Für Zu­ widerhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften haftet, wenn der Gewerbetteibende einen Vertreter hat, neben diesem auch er selbst noch, wenn er fahrlässig gehandelt hat. GA. 41 S. 51. Der Betriebsunternehmer hat unter Umständen durch sorgfältige Auswahl und Überwachung der Betriebsleiter und Aufsichtspersonen

seiner Pflicht noch nicht genügt, vielmehr hat er ttotzdem die Pflicht, den Betrieb auch noch selbst zu beaufsichtigen und trifft ihn in dieser Beziehung ein Ver­ schulden, so ist er neben dem Betriebsleiter oder Aufseher doch noch verantwort­ lich. Erk. v. 26. Septbr. 93, E. 24 S. 293. Eine Beaufsichtigungspflicht hinsichtlich der Gesellschafter liegt dem Gewerbetteibenden nicht ob. Erk. v. 30. Jan. 12, E. 45 S. 402. Der Mitinhaber einer Firma ist nicht schon wegen seiner Teilhaberschaft für die Überttetung polizeilicher Vorschriften bei dem Gewerbebetriebe verant­ wortlich, es muß ein subjektives Verschulden hinzutteten. Erk. v. 21. Mai 94, GA. 42 S. 137. Über die Verantwortlichkeit der Bertteter juristischer Personen stehe Erk. v. 3. Mai 00, E. 33 S. 261. Vgl. auch E. 29 S. 27. Über die Ver­ antwortlichkeit der Direktoren von Aktiengesellschaften bet Überttetung polizei­

licher Vorschriften siehe Erk. v. 30. Juni 96, E. 29 S. 27. Zieglermeister sind nicht lediglich als Gewerbegehilfen anzusehen, vielmehr bedarf es der Feststellung, ob sie zur Leitung deS Betriebs oder zur Beaufsichtigung angestellt sind. Siehe daS zit. Erk. GA. 42 S. 137. Stellvertretung eines Apothekers durch einen noch nicht approbierten Gehilfen ist unstatthaft. GA. 40 S. 200.

612

XV. Gewerbeordnung §§ 152—154.

bation oder Bestallung geknüpft, so findet derselbe auch als Folge her von dem Stellvertreter begangenen Übertretung statt, wenn diese mit Borwissen des verfügung-fähigen Vertretenen begangen worden, ) Krankenpfleger und Hebammen;")

4. Apotheker, welche keine Gehilfen haben;

5. Personen, welche das fünfundsechzigste Lebensjahr zur Zeit der Aufstellung der Urliste vollendet haben oder dasselbe bis zum Abläufe des Geschäftsjahres vollenden würden;

6. Aufgehoben durch Ges. v. 4. Juli 22 (RGBl. S. 561). 7. Frauen, welche glaubhaft machen, daß ihnen die Fürsorge, für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße

erschwert.1 f) § 36.

Der Vorsteher einer jeden Gemeinde oder eines landes­

gesetzlich der Gemeinde gleichstehenden Verbandes hat alljährlich ein Verzeichnis der in der Gemeinde wohnhaften Personen, welche zu dein

Schöffenamte berufen werden können, aufzustellen (Urliste).9 *) Die Urliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu jedermanns Darauf, daß eine Person als Geschworener mitgewirtt hat, die nicht zum Ge­ schworenenamt berufen werden soll, kann die Revision nicht gestützt werden. Erk. v. 29. Jan. 15, Recht 19 Nr. 2192. 7) Vgl. RBeamtenges. v. 31. März 73 § 15 (RGBl. S. 85). 8) Für Preußen 8 87 des Ges. v. 21. Juli 52 (GS. S. 465). 9) Amtsvorsteher dürfen zu Schöffen u. Geschworenen berufen werden. 9 a) Aufgehoben durch Ges. v. 17. August 20 (RGBl. 1579). 9b) Auch Zahn- nnd Tierärzte sind hierher zu rechnen. Löwe, Anm. 8. 9 c) Siehe AB. v. 20. Septbr. 21 (JMBl. S. 497) über die Aufstellung der Urlisten für die Schöffen und Geschworenen. Dalcke, Strafrecht.

16. Aust.

(192ü).

39

610

XXIII. GerichtSversaffungSgesetz §§ 37—42.

Einsicht auszulegen.

Der Zeitpunkt der Auslegung ist vorher öffent­

lich bekannt zu machen.

8 37.

Gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Urliste kann

innerhalb der einwöchigen Frist schriftlich oder zu Protokoll Einsprache erhoben werden. § 38.

Der Gemeindevorsteher sendet die Urliste nebst den er­

hobenen Einsprachen und den ihm erforderlich erscheinenden Bemer­

kungen an den Amtsrichter des Bezirks.

Wird nach Absendung der Urliste die Berichtigung derselben er­

forderlich, so hat der Gemeindevorsteher hiervon dem Amtsrichter An­ zeige zu machen. 8 39.

Der Amtsrichter stellt die Urlisten des Bezirks zusammen

und bereitet den Beschluß über die Einsprachen gegen dieselben vor.

Er hat die Beachtung der Vorschriften des 8 36 Abs. 2 zu prüfen und dir Abstellung etwaiger Mängel zu veranlassen.

8 40.")

Bei dem Amtsgerichte tritt alljährlich ein Ausschuß zu­

sammen.

Der Ausschuß besteht aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und

einem von der Landesregierung zu bestimmenden Staatsverwaltungs­ beamten, sowie sieben Bertrauenspersonen als Beisitzern.10) Die Bertrauenspersonen werden aus den Einwohnern des Amts-

gerichtsbezirks gewählt.

Die Wahl erfolgt nach näherer Bestimmung der Landesgesetze durch die Vertretungen der Kreise, Ämter, Gemeinden oder dergleichen Ver­ bände ; wenn solche Vertretungen nicht vorhanden sind, durch den Amts­

Letzterer hat die Vertrauenspersonen vornehmlich aus den Vor­

richter.

stehern der vorbezeichneten Verbände zu wählen.

Zur Beschlußfähigkeit des Ausschusses genügt die des

Anwesenheit

Vorsitzenden, des Staatsverwaltungsbeamten und dreier Ber-

trauensperfonen

Der Ausschuß faßt seine Beschlüsse nach der absoluten

Mehrheit der Stimmen.

Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme

des Vorsitzenden.

8 41.

Der Ausschuß.entscheidet über die gegen die Urliste er­

hobenen Einsprachen. merken.

Die Entscheidungen sind zu Protokoll zu ver­

Beschwerde findet nicht statt.

§ 42

Aus der berichtigten Urliste wählt der Ausschuß für das

nächste Geschäftsjahr:

1. die erforderliche Zahl von Schöffen;

2.

die erforderliche Zahl derjenigen Personen, welche in der von

dem Ausschüsse festzusetzenden Reihenfolge an die Stelle weg-

10) Vgl. die 88 34—36 deS pr. AG. v. 24. April 1878.

Schöffengerichte §§ 43—48.

611

fallender Schöffen treten (Hilfsschöffen). Die Wahl ist auf Personen zu richten, welche am Sitze des Amtsgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen. 8 43. Die für jedes Amtsgericht erforderliche Zahl von Haupt­ schöffen und Hilfsschöffen wird durch die Landesjustizverwaltung be­ stimmt. n) Die Bestimmung der Zahl der Hauptfchöffen erfolgt in der Art, daß voraussichtlich jeder höchstens zu fünf ordentlichen Sitzungstagen im Jahre herangezogen wird.

§ 44.

Die Namen der erwählten Hauptschöffen und Hilfsschöffen

werden bei jedem Amtsgerichte in gesonderte Verzeichnisse ausgenommen (Jahreslisten).

§ 45. Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt. Die Reihenfolge, in welcher die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. Das Los zieht der Amtsrichter. Ist für eine Sitzung eine Frau ausgelost worden, so sind weitere auf eine Frau lautende Auslosungen für diese Sitzung unwirksam.lf) Über die Auslosung wird von dem Gerichtsschreiber ein Proto­

koll ausgenommen. 8 46. Der Amtsrichter setzt die Schöffen von ihrer Auslosung und von den Sitzungstagen, an welchen sie in Tätigkeit zu treten haben, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis.H) In gleicher Weise werden die im Laufe des Geschäftsjahres einzuberufenden Schöffen benachrichtigt. 8 47.

Eine Änderung in der bestimmten Reihenfolge kann aus

übereinstimmenden Antrag der beteiligten Schöffen von dem Amts­ richter bewilligt werden, sofern die in den betreffenden Sitzungen zu verhandelnden Sachen noch nicht bestimmt sind. Der Antrag und die Bewilligung sind aktenkundig zu machen.

8 48. Wenn die Geschäfte die Anberaumung außerordentlicher Sitzungen erforderlich machen, so werden die einzuberufenden Schöffen vor dem Sitzungstage in Gemäßheit des 8 45 ausgelost. Erscheint dies wegen Dringlichkeit untunlich, so erfolgt die Aus­ losung durch den Amtsrichter lediglich aus der Zahl der am Sitze 11) Vgl. AB. v. 22. Juli 79, betr. die Vorbereitung zur Bildung der Schöffengerichte und der Schwurgerichte (JMBl. S. 195). 12) Außerdem sollen dieselben noch von jeder Sitzung besonders benach­ richtigt werden, AB. v. 30. Oktbr. 82 (JMBl. S. 324).

XXIII. Gerichtsversassungsgesetz §§ 49—53.

612

des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen. Die Umstände, welche den Amts­ richter hierzu veranlaßt haben, sind aktenkundig zu machen.

§ 49.

Wird zu einzelnen Sitzungen die Zuziehung anderer als

der zunächst berufenen Schöffen erforderlich, so erfolgt dieselbe aus der Zahl der Hilfsschöffen nach der Reihenfolge der Jahresliste mit der

Maßgabe, daß tunlichst an Stelle eines zunächst berufenen Mannes ein Mann, an Stelle einer.zunächst berufenen.Frau eine Frau ttitt.1 f)

Würde durch die Berufung der letzteren eine Vertagung der Ver­ handlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginnes notwendig, so

sind die nicht am Sitze des Gerichts wohnenden Hilfsschöffen zu übergehen. § 50.

Erstreckt sich die Dauer

einer Sitzung

über die Zeit

hinaus, für welche der Schöffe zunächst einberufen ist, so hat er bis zur Beendigung der Sitzung seine Amtstätigkeit fortzusetzen. § 51.

Die Beeidigung der Schöffen erfolgt bei ihrer ersten Dienst­

leistung in öffentlicher Sitzung.

Sie gilt für die Dauer des Geschäfts­

jahres. Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte:

„Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schöffen getreulich zu erfüllen und Ihre Stimmen nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben."

Die Schöffen leisten den Eid, indem jeder einzeln die Worte spricht: „ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben.

Ist ein Schöffe Mitglied einer Religionsgesellschast, welcher das Ge­ setz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Beteuerungs­

formel dieser Religionsgesellschast der Eidesleistung gleichgeachtet. Über die Beeidigung wird von dem Gerichtsschreiber ein Protokoll

ausgenommen.

§ 52.

Wenn die Unfähigkeit einer als Schöffe in die Jahresliste

aufgenommenen Person eintritt oder bekannt wird, so ist der Name derselben von der Liste zu streichen.

Ein Schöffe,

hinsichtlich dessen nach seiner

Aufnahme in die

Jahresliste andere Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorhandensein eine Berufung zum Schöffenamte nicht erfolgen soll, ist

zur Dienstleistung ferner nicht heranzuziehen. Die Entscheidung erfolgt durch den Amtsrichter nach Anhörung

der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. Beschwerde findet nicht statt. § 53. Ablehnungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie

innerhalb einer Woche, nachdem, der beteiligte Schöffe von seiner

Einberufung in Kenntnis gesetzt worden ist, von demselben geltend

Schöffengerichte §§ 54—56.

613

gemacht werden. Fällt ihre Entstehung oder Bekanntwerduug in eine spätere Zeit, so ist die Frist erst von diesem Zeitpunkte zu berechnen. Der Amtsrichter entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. Beschwerde findet nicht statt. § 54. Der Amtsrichter kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an be­ stimmten Sitzungstagen entbinden. Die Entbindung des Schöffen von der Dienstleistung kann davon abhängig gemacht werden, daß ein anderer für das Dienstjahr be­ stimmter Schöffe für ihn eintritt. Der Antrag und die Bewilligung sind attenkundig zu machen. 13) 14Die Schöffen und die Berttauenspersonen des Aus­ § 55.IS schusses erhalten eine angemessene Entschädigung für den ihnen durch ihre Dienstleistung entstehenden Berdienstausfall und den mit der Dienstleistung verbundenen Aufwand sowie Ersatz der Fahrkosteu. Ist durch die Dienstleistung eine Vertretung des zum Schöffen oder zun Bertrauensperson Berufenen notwendig geworden, so können die Kosten der Vertretung nach billigem Ermessen erstattet werden. Die Höhe der Aufwandsentschädigung und die Fahrkosten sowie die Höchst- und Mindestgrenzen der Entschädigung für den Verdienst­ ausfall bestimmt die Reichsregierung mit Zustimmung des Retchsrats durch allgemeine Anordnung. Die Höchstgrenze ist mindestens auf den Bettag festzusetzen, der sich ergibt, wenn das Einkommen, für das es nach § 48 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes einer Veranlagung nicht bedarf, auf dreihundert Arbeitstage im Jahre von acht Stunden verteilt wird. Bis zu dieser Höchstgrenze ist der volle Perdienstausfall zu ersetzen. Entschädigung und Fahrkosten werden nur auf Verlangen ge­ währt. Der Anspruch erlischt, wenn das Verlangen nicht binnen drei Monaten nach Beendigung der Dienstleistung bei dem Gerichte, bei dem die Dienstleistung stattgesunden hat, gestellt worden ist. Be­ schwerden über die Höhe der Entschädigung und der Fahrkosten werden im Aussichtsweg entschieden. § 56. Schöffen und Berttauenspersonen des Ausschusses, welche ohne genügende Entschuldigung u) zu den Sitzungen nicht rechtzeittg sich einfinden oder ihren Obliegenheiten in anderer Weise sich entziehen, sind zu einer Ordnungsstrafe von fünf bis zu eintausend Mark, sowie in die verursachten Kosten zu verurteilen. 13) Der Wortlaut beruht auf dem Ges. v. 4. Juli 22 (RGBl. S. 561). Hierzu ist die BO. über die Entschädigung der Schöffen, Geschworenen und Ber­ ttauenspersonen v. 8. Jüli 22 (RGBl, ebenda) ergangen. 14) Versagung des Urlaubs seitens des Vorgesetzten ist keine genügende Entschuldigung. Beschluß v. 22. Mai 80, R. 1 S. 810.

614

XXIII. Gerichtsverfassungsgesetz §§ 57—61.

Die Verurteilung wird durch den Amtsrichter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft ausgesprochen.") Erfolgt nachträglich genügende Entschuldigung, so kann die Verurteilung ganz oder teilweise zurück­ genommen werden. Gegen die Entscheidungen findet Beschwerde von Seiten des Verurteilten nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung statt. § 57. Bis zu welchem Tage die Urlisten aufzustellen und dem Amtsrichter einzureichen find, der Ausschuß zu berufen und die Aus­ losung der Schöffen zu bewirken ist, wird durch die Landesjustizver­ waltung bestimmt."*)

§ 57 a.1 d) Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen die Entscheidung der Strafsachen ganz oder zum Teil zugewiesen werden. Die Landesjustizverwaltung bestimmt die für dieses Gericht er­ forderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen nnd die Verteilung der Zahl auf die einzelnen Amisgerichtsbezirke. Die übrigen Vorschriften dieses Titels finden entsprechende An­ wendung.

5. Titel. Landgerichte. 8 58. Die Ländgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Direktoren und Mitgliedern besetzt. Die Mitglieder können gleichzeitig Amtsrichter im Bezirke des Landgerichts sein. § 59. Bei den Landgerichten werden Zivil- und Strafkammern gebildet. § 60. Bei den Landgerichten find Untersuchungsrichter nach Be­ dürfnis zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch die Landesjustizverwaltung auf die Dauer eines Geschäftsjahres. § 61. Den Vorsitz im Plenum führt der Präsident, den Vorsitz in den Kammern führen der Präsident und die Direktoren.16 b) Vor Beginn des Geschäftsjahres bestimmt der Präsident die Kammer, welcher er sich anschließt. Über die Verteilung des Vorsitzes in den übrigen Kammern entscheiden der Präsident und die Direktoren nach Stimmen15) Auch wenn es sich um die Verurteilung eines Mitgliedes des Aus­ schusses handelt, ist zuvor der Staatsanwalt (Amtsanwall) zu hören. 15 a) Die Aufstellung der Urlisten soll bis zum 1. August und die Einsen­ dung an die Amtsgerichte bis zum 1. Septbr. erfolgen. AB. v. 18. Jan. 82 (JMBl. S. 18). 15 b) Auf Ferienkammern findet die Bestimmung nicht unbedingt An­ wendung. Erk. v. 14. Juli 21, E. 56 S. 143. — Ein Direktor kann zum Vorsitzenden mehrerer Kammern eines LG.- bestellt werden. Erk. v. 17. Dezbr. 20, E. 55 S. 201.

Landgerichte §§ 62, 63.

616

Mehrheit; tm Falle der Stimmengleichheit gibt die Stimme de- Präsi­ denten den Ausschlag.16) § 62. Bor Beginn des Geschäftsjahres werden auf die Dauer desselben die Geschäfte unter die Kammern derselben Art verteilt und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern sowie für den Fall ihrer Verhinderung die regelmäßigen Vertreter bestimmt. Jeder Richter kann zum Mitgliede mehrerer Kammern bestimmt werden.17) Die getroffene Anordnung kann im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen eingetretener Überlastung einer Kammer oder infolge Wechsels oder dauernder18) Verhinderung ein­ zelner Mitglieder des Gerichts erforderlich wird. § 63. Die im vorstehenden Paragraphen bezeichneten Anordnungen erfolgen durch das Präsidium.19) Das Präsidium wird durch den Präsidenten als Vorsitzenden, die Direktoren und das dem Dienstatter nach, bei gleichem Dienstalter dader Geburt nach älteste Mitglied gebildet. Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit; im Falle der Stimmengleichheit gibt die (Stimme des Präsidenten den Ausschlag. § 64 Der Präsident kann bestimmen, daß einzelne Untersuchungen von dem Untersuchungsrichter, dessen Bestellung mit dem Ablaufe deGeschästsjahres erlischt, zu Ende geführt werden, sowie daß in einzelnen 16) Der Landgerichtspräsident darf in die über den Vorsitz in den Kammern getroffene Anordnung durch Bestellung eines andern Vorsitzenden nicht eingreifen. Erk. v. 1. Mai 06, E. 38 S. 416. 17) Es genügt, daß für die ständigen Mitglieder eine nach Zahl und Per­ sonen abgegrenzte Reihe anderer Mitglieder des Gerichts als regelmäßige Stell­ vertreter in der Weise bestimmt werden, daß jeder als regelmäßiger Stellvertreter an die Stelle eines jeden der verhinderten ständigen Mtglieder zu treten befugt ist. Erk. v. 29. Apr. 07, Recht 11S. 716. Die im Geschäftsverteilungsplan zwar als ständige Mtglieder einer Kammer bezeichneten, aber nur im Bedarfsfälle heranzuziehenden Richter sind als Stellvertreter zu betrachten. Erk. v. 30. Ottbr. 07, GA. 55 S. 109. Die Bildung einer besonderen Strafkammer zur Entlastung der übrigen, welcher nur bestimmte Sachen überwiesen werden, ist nicht unzulässig. Erk. v. 21. Mai 89, E. 19 S. 230. Es ist auch nicht geboten, daß jedes Mit­ glied des Landgerichts einer Kammer zugeteilt wird. Erk. v. 15. März 12, E. 46 S. 254. 18) D. h. eine längere Zeitdauer — einige Wochen genügen, daß eine Un­ möglichkeit des Wiedereintrittes vorliege — ist nicht notwendig. Erk. v. 9. Mai 90, E. 20 S. 385. — Eine freiwillige Vertretung eines Mitgliedes der Straf­ kammer durch einen andern Richter ohne Mtwirkung der zuständigen Organe ist Nicht zulässig. Erk. v. 22. Jan. 85, R. 7 S. 41. 19) Die nachträgliche Genehmigung einer Anordnung des Präsidenten durch das Präsidium kennt das Gesetz nicht. Ebensowenig kann das Präsidium den Präsidenten ermächtigen, nach seinem Ermesien die in den §§ 62, 63 vor­ gesehenen Anordnungen zu treffen. Erk. v. 27. Mai 92, E. 23 S. 167. Doch ist die Beurkundung der Beschlüsse nicht Voraussetzung ihrer Gültigkeit. Erk. v. 21. Dezbr. 12, GA. 60 S. 426. Ein dem Landgericht durch die Justizver-

616

XXIII. Gerichtsverfaffungsgesetz §§ 64—69.

Sachen, in welchen während des Geschäftsjahres eine Verhandlung

bereits stattgefunden hat, die Kammer in ihrer früheren Zusammen­

setzung auch nach Ablaufs) des Geschäftsjahres verhandle und entscheide. § 65.

Im Falle der Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden

führt den Vorsitz in der Kammer dasjenige Mitglied der Kammer, welches dem Dtenstalter nach und bet gleichem Dtenstalter der Geburt nach das älteste ist.") Der Präsident wird in seinen übrigen durch dieses Gesetz be­

stimmten Geschäften, wenn ein Direktor zu seinem ständigen Vertreter ernannt ist, durch diesen, sonst durch denjenigen Direktor vertreten, welcher dem Tienstalter nach und bei gleichem Dienstatter der Geburt nach der älteste ift.21a)

§ 66. Im Falle der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters

eines Mitgliedes wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Präsidenten

bestimmt.22)

8 67 betrifft Kammern für Handelssachen. § 68.

Innerhalb der Kammer verteilt der Vorsitzende die Ge­

schäfte auf die Mitglieder.

§ 69.

Soweit die Vertretung eines Mitgliedes nicht durch ein

Mitglied") desselben Gerichts

möglich ist, erfolgt

die

Anordnung

Wallung zugewiesener Vertreter tritt nicht von selbst in die Funktion des behindetten Richters; seine Verwendung erfolgt durch das Präsidium. Erk. v. 6. Oktbr. 04, E. 37 S. 301. 20) Diese Befugnis steht dem Präsidenten auch für den Fall einer Ände­ rung der Geschäftsverteilung innerhalb des Geschäftsjahres zu. Erk. v. 24. Aug. 06, DIZ. 12 S. 69, GA. 53 S. 445, auch für die Ferienstrafkammern. Erk. v. 7. Dezbr. 08, GA. 56 S. 85. 21) Der Fall der Verhinderung liegt vor, wenn der Vorsitzende aus dem Amt geschieden ist und einen Ersatz noch nicht gefunden hat., Erk. v. 6. Juli 14, Recht 18 Nr. 2818, oder wenn er geschäftlich überlastet ist. Erk. v. 5. Novbr. 15, GA. 62 S. 482. Schon bei Beginn des Geschäftsjahres kann angenommen werden, daß der gesetzliche Vertreter des Bors, verhindert sein werde, in be­ stimmten Sitzungen den Vorsitz zu führen. Erk. v. 12. April 20, E. 54 S. 298. Es ist aber nicht zulässig, dey Vvrs. mehrerer Kammern in einer der Kammern als ständig verhindert zu behandeln. Erk. v. 12. Febr. 21, E. 55 S. 236; auch nicht, wenn bereits die Schaffung neuer Direktorstellen beantragt ist. Erk. v. 7. Oktbr. 21, E. 56 S. 157. Ein Verhinderungsgrund kann Unkenntnis des Akteninhalts sein. Erk. v. 4. Mai 21, E. 56 S. 63. Wenn der ordentliche Vorsitzende nur an der Führurtg des Vorsitzes, nicht aber an der Tätigkeit als Beisitzer behindert ist, so kann er auch als Beisitzer fungieren. Erk. v. 22. April 84, E. 10 S. 318. Ein Amtsrichter kann den Vorsitz nicht führen. Erk, v. 29. Dezbr. 88, E. 18 S. 307; auch nicht ein Assessor. Erk. v. 23. Febr. 20, E. 54 S. 252. 21a) Der Wortlaut beruht auf dem Gesetz v. 8. Juli 22 (RGBl. S. 569). 22) Diese Befugnis kann der Präsident nicht auf den Vorsitzenden der Kammer übertragen. Erk. v. 17. März 08, E. 41 S. 184. 23) Auch der Landgerichtspräsident ist Mtglied des Gerichts. Er darf die Teilnahme an der Sitzung nicht ablehnen. Erk. v. 4. Juni 18, DIZ. 24 S. 351.

Landgerichte 88 70—73.

617

derselben auf den Antrag des Präsidiums durch die Landesjustizver­ waltung.

Die Beiordnung eines nicht ständigen Richters darf, Ivenn fie auf

eine bestimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieser Zeit, wenn sie auf un­ bestimmte Zeit erfolgte, solange das Bedürfnis, durch welches sie

veranlaßt wurde, fortdauert, nicht widerrufen werden.

Ist mit der

Vertretung eine Entschädigung verbunden, so ist diese für die ganze

Dauer im voraus festzustellen.

Unberührt bleiben diejenigen landesgesetzlichen Bestimmungen, nach welchen richterliche Geschäfte nur von ständig angestellten Richtern") wahrgenommen werden können, sowie diejenigen, welche die Vertretung durch ständig angestellte Richter regeln.") 88 70, 71 regeln die Zuständigkeit der Zivil- und Handelskammern.

§ 72.

Die Strafkammern sind zuständig für diejenigen die Vor­

untersuchung und deren Ergebnisse betreffenden Entscheidungen, welche nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung von dem Gerichte zu

erlassen sind; sie entscheiden über Beschwerden gegen Verfügungen des

Untersuchungsrichters

und des Amtsrichters, sowie gegen Entschei­

dungen der Schöffengerichte.

Die Bestimmungen über die Zuständig­

keit deS Reichsgerichts werden hierdurch nicht berührt.

Die Strafkammern erledigen außerdem die in der Strafprozeß

ordnung den Landgerichten zugewiesenen Geschäfte. § 73. Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte zuständig:") 1. für die Vergehen, welche nicht zur Zuständigkeit der Schöffen­

gerichte gehören;

2. für diejenigen Verbrechen, welche mit Zuchthaus von höchstens fünf Jahren, allein oder in Verbindung mit anderen Strafen

bedroht sind.

Diese Bestimmung findet nicht Anwendung in

den Fällen der §§ 86, 100 und 106 des Strafgesetzbuchs;

3. für die Verbrechen der Personen, welche zur Zeit der Tat.daS achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten;

4. für das Verbrechen der Unzucht im Falle des § 176 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs;

5. für die Verbrechen des Diebstahls in den Fällen der §§ 243 und 244 des Strafgesetzbuchs; 24) Die Heranziehung von Amtsrichtern muß in der durch das Präsidium

festgestellten Reihenfolge geschehen. § 38 pr. AG, Erk. v. 30. März 22, Recht 26 Nr. 1027. ’ 25) Gerichtsaffessoren, welche eine Amtsrichterstelle verwalten, können nicht ohne weiteres zu Beisitzern in eine Strafkammer herangezogen werden. Erk. v. 19. Oktbr. u. 13. Novbr. 91 (JMBl. 91 S. 166) u. E. 22 S. 168, 203.

618

XXIII. Gerichtsverfassungsgesetz 88 74—78.

6 für das Verbrechen der Hehlerei in den Fällen der §§ 260 und 261 des Strafgesetzbuchs; 7. für das Verbrechen des Betruges im Falle des § 264 des Strafgesetzbuchs. § 74.26) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte aus­ schließlich zuständig: 1. für die nach § 145 a des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlungen; 2. für Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz vom 25. Oktober 1867, betreffend

die Nationalität der Kauffahrteischiffe rc.;

3. für Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der §§ 1, 2 und 3 des Gesetzes vom 8. Juni 1871, betreffend die Inhaber­ papiere mit Prämien; 4. für die nach § 67 und § 69 des Gesetzes vom 6. Februar 1875, betreffend die Beurkundung des Personenstandes rc., strafbaren

Handlungen; 5. für die nach § 59 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 straf­

baren Handlungen. § 75.“) § 76. Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte ferner zu­ ständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile der Schöffengerichte. § 77. Die Kammern entscheiden2?) in der Besetzung von drei Mit­ gliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Die Sttafkammern sind in der Hauptverhandlung mit fünf Mitgliedern, in der Berufungsinstanz bei Überttetungen und in den Fällen der Privatklage aber mit drei

Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden zu besetzen. § 78. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltang kann wegen großer Entfernung des Landgerichtssitzes bei einem Amtsgerichte für den Bezirk eines oder mehrerer Amtsgerichte eine Strafkammer gebildet und derselben für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit der Strafkammer des Landgerichts oder ein Teil dieser Tätigkeit zugewiesen werben.28) 26) Ob eine Sache vor die eine oder die andere Strafkammer gehört, ist Sache der Geschäftsverteilung und kann in der Revisionsinstanz nicht geltend gemacht werden. Erk. v. 29. Septbr. 92, E. 23 S. 234. 27) Die Strafkammer kann aus Zweckmäßigkeitsgründen ihre Sitzung auch außerhalb der ordentlichen Gerichtsstelle abhalten. Erk. v. 20. Novbr. 84, E. US. 352. Vgl. Anm. 33 a. 28) Vgl. AB. v. 25. Juli 79, betr. die Bildung von Strafkammern bei Amtsgerichten (JMBl. S. 207). Ein Mangel in der Besetzung kann durch nach­ ttägliche Verfügung der obersten Justizbehörde nicht geheilt werden. Erk. v. 17. Jan. 21, E. 55 S. 225. Die auswärtige Strafkammer ist in bezug auf die örtliche Zuständigkeit als ein selbständiges Gericht anzusehen. Erk. v. 20. Septbr. 14, GA. 65 S. 370. Ihr ist nur die Tätigkeit des erkennenden Gerichts über­ wiesen. Bfg. d. IM. v. 8. Mai 80. Löwe Anm. 3 d. Wird die kommissarische

619

Schwurgerichte gß 79—83.

Die Besetzung einer solchen Strafkammer erfolgt aus Mitgliedern

des Landgerichts oder Amtsrichtern des Bezirks, für welchen die Kammer­

gebildet wird. Der Vorsitzende wird ständig, die Amtsrichter werden aus die Dauer des Geschäftsjahres durch die Landesjustizverwaltung berufen, die übrigen Mitglieder, werden nach Maßgabe des § 62 durch das Präsidium des Landgerichts bezeichnet.28 * *)29 * 30 31

6. Titel. § 79

Schwurgerichte.

Für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen

treten bei den Landgerichten periodisch Schwurgerichte zusammen.89) § 80.

Die Schwurgerichte sind zuständig für die Verbrechen, welche

nicht zur Zuständigkeit der Strafkammern oder des Reichsgerichts gehören. § 81.

Die Schwurgerichte bestehen aus drei richterlichen Mit­

gliedern mit Einschluß des Vorsitzenden und aus zwölf zur Entscheidung der Schuldftage berufenen Geschworenen.80)' § 82.

Die Entscheidungen, welche nach den Vorschriften dieses

Gesetzes oder der Strafprozeßordnung von dem erkennenden Gerichte

zu erlassen sind, erfolgen in den bei den Schwurgerichten anhängigen Sachen durch die richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts.

Werden

diese Entscheidungen außerhalb der Dauer der Sitzungsperiode erfor­

derlich, so erfolgen sie durch die Strafkammern der Landgerichte. § 83.

Der Vorsitzende des Schwurgerichts wird für jede Sitzungs­

periode von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts ernannt.

Me Er­

nennung erfolgt aus der Zahl der Mitglieder des Oberlandesgerichts

oder der zu dem Bezirke des Oberlandesgerichts gehörigen Landgerichte. Der Stellvertreter des Porsitzenden und die übrigen richterlichen

Mitglieder werden von dem Präsidenten des Landgerichts aus der

Zahl der Mitglieder des Landgerichts bestimmt.8*) Vernehmung von Zeugen außerhalb der Haüptverhandlüng angeordnet, so steht die Beschlußfassung nur der landgerichtlichen Kammer zu. Diese hat ein ihr an­ gehöriges Mitglied als beauftragten Richter zu bestellen. Erk. v. 29. Ottbr. 17, Recht 22 Nr. 318, LZ. 12 S. 329. 29) Vgl. §§ 44 u. 45 des pr. AG. v. 24. April 78 unter XXIV. 30) Wird ein schwurgerichtliches Urteil unter Aufrechterhaltung der tat­ sächlichen Feststellung aufgehoben und in die Borinstanz zurückgewiesen, so ent­ scheidet der Gerichtshof ohne Geschworene. Erk. v. 14. Dezbr. 86, R. 8 S. 760. Erk. v. 13. Febr. 91, E. 21 S. 388. — Ist der ernannte Vorsitzende und dessen Stellvertreter behindert, so ernennt der Landgerichtspräsident einen anderen Vorsitzenden. Erk. v. 26. April 95, GA. 43 S. 113. 31) Auch Landgerichtsdirektoren können Mitglieder bet Schwurgerichte sein. Erk. v. 31. Jan. 81, R. 2 S. 776 u. E. 3 S. 310. Desgl. Amtsrichter. Erk. V. 5. Juni 94, E. 26 S. 94. Die Annahme der Verhinderung kann als eine Frage tatsächlichen Ermessens ehren Revisionsgrund nicht bilden. Erk. v. 29. Ottbr. 08, GA. 56 S. 74.

620

XXIII. GerichtSversastungSgesetz §§ 84—91.

Solange die Ernennung des Borsitzenden nicht erfolgt ist, erledigt

der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts die in der Straf­ prozeßordnung dem Vorsitzenden des Gerichts zugewiesenen Geschäfte. § 84.

Das Amt eines Geschworenen ist ein Ehrenamt.81 e)

Das­

selbe kann nur von Deutschen versehen werden.lf)

§ 85.

Die Urliste für die Auswahl der Schöffen dient zugleich

als Urliste für die Auswahl der Geschworenen.

Die Vorschriften der §§ 32—35 über die Berufung zum Schöffen­ amte finden auch auf das Geschworenenami Anwendung.82)

§ 86.

Die Zahl der für jedes Schwurgericht erforderliche« Ge­

schworenen und die Verteilung dieser Zahl auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke wird durch die Landesjustizverwaltuug bestimmt. § 87.

Der alljährlich bei dem Amtsgerichte für die Wahl der

Schöffen zusammentretende Ausschuß (§ 40) hat gleichzeitig diejenigen

Personen aus der Urliste auszuwählen, welche er zu Geschworenen für das nächste Geschäftsjahr vorschlägt.

Die Vorschläge sind nach

dem dreifachen Betrage der auf den Amtsgerichtsbezirk verteilten Zahl

der Geschworenen zu bemessen. § 88.

Die Namen der zu Geschworenen vorgeschlageuen Personen

werden in ein Verzeichnis ausgenommen (Vorschlagsliste). § 89. Die Vorschlagsliste wird nebst den Einsprachen, welche sich ans die in dieselbe ausgenommenen Personen beziehen, dem Präsidenten

des Landgerichts übersendet. Der Präsident bestimmt eine Sitzung des Landgerichts, an welcher

fünf Mitglieder mit Einschluß des Präsidenten und der Direktoren

teilnehmen.

Das

Landgericht entscheidet endgültig

über die

Ein­

sprachen und wählt sodann aus der Vorschlagsliste die für das Schwur­

gericht bestimmte Zahl von Hauptgeschworeuen und Hilfsgeschworenen.

Als Hilfsgeschworene sind solche Personen zu wählen, welche au

dem Sitzungsorte des Schwurgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen.

§ 90.

Die Namen der Haupt- und Hilfsgeschworeneu werden in

gesonderte Jahreslisten ausgenommen.

§ 91.

Spätestens zwei Wochen vor Beginn der Sitzungen des

Schwurgerichts werden in öffentlicher Sitzung des Landgerichts , an welcher der Präsident und zwei Mitglieder teilnehmen, in Gegenwart 31a) Siehe 8 96 u. 8 55. 32) Die Landgerichte sollen nach Beendigung jeder Schwurgerichtsperiode

den Amtsgerichten, aus deren Bezirke Geschworene einberufen gewesen sind, die Namen derselben mitieilen und bemerken, welche davon entschuldigt oder nicht entschuldigt auSgeblieben oder für die ganze Periode oder einen Teil derselben entlasten worden sind.

AB. v. 16. Febr. 84 (JMBl. S. 36).

621

Schwurgerichte §§ 92-97. der

Staatsanwaltschaft

dreißig

Hauptgeschworene

ausgelost.

Das

Los wird von dem Präsidenten gezogen.83)

Auf Geschworene, welche in einer früheren Sitzungsperiode des­ selben Geschäftsjahres ihre Verpflichtung erfüllt haben,

erstreckt die

Auslosung sich nur dann, wenn dies von ihnen beantragt wird. Über die Auslosung wird von dem Gerichrsschreiber ein Protokoll ausgenommen. § 92.

Das Landgericht übersendet

losten Hauptgeschworenen (Spruchliste)

das Verzeichnis der ausge­

dem ernannten Vorsitzenden

des Schwurgerichts. § 93. Die in der Spruchliste verzeichneten Geschworenen werden auf Anordnung des für das Schwurgericht ernannten Vorsitzenden

zur Eröffnungssitzung des Schwurgerichrs unter Hinweis auf die ge­ setzlichen Folgen des Ausbleibens geladen. Zwischen der Zustellung der Ladung und der Eröffnungssitzung

soll tunlichst die Frist von einer Woche, jedoch mindestens von drei Tagen liegen.

§ 94.

Über die von Geschworenen gellend gemachten Ablehnungs­

und Hinderungsgründe erfolgt die Entscheidung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft durch die richterlichen Mitglieder und, solange das

Schwurgericht nicht zusammengetreten ist, durch den ernannten Vor­ sitzenden des Schwurgerichts.

Beschwerde findet nicht statt.

An Stelle der Wegsallenden Geschworenen hat der

Vorsitzende,

wenn es noch geschehen kann, aus der Jahresliste durch Auslosung

andere Geschworene auf die Spruchliste zu bringen und deren Ladung anzuordneu. Über die Auslosung wird von dem Gerichtsschreiber

ein Protokoll ausgenommen. § 95.

Erstreckt sich eine Sitzungsperiode des Schwurgerichts über

den Endtermin des Geschäftsjahres hinaus, so bleiben die Geschworenen,

welche zu derselben einberufen sind, bis zum Schluffe der Sitzungen zur Mitwirkung verpflichtet. 8 96.

Die Bestimmungen der §§ 5512 e), 56 finden auch auf Ge­

schworene Anwendung.

Die im § 56 bezeichneten Entscheidungen werden in bezug auf Geschworene

von den richterlichen

Mitgliedern des Schwurgerichts

erlassen.

8 97.

Niemand soll für dasselbe Geschäftsjahr als Geschworener

und als Schöffe bestimmt werden.

Ist

dies dennoch geschehen,

oder ist jemand für dasselbe Ge-

33) Für die Auslosung von Ersatzgeschworenen sind diese Bestimmungen nicht maßgebend. Erk. v. 24. Septbr. 81, E. 5 S. 21.

622

XXIII. Gerichtsverfafsungsgesetz §§ 98 -123.

schäftsjahr in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden,

so hat der Einberufene dasjenige Amt zu übernehmen, zu welchem er zuerst einberufen wird. § 98. Die Strafkammer des Landgerichts kann bestimmen, daß einzelne Sitzungen des Schwurgerichts nicht am Sitze des Landgerichts,

sondern an einem anderen Orte innerhalb des Schwurgerichtsbezirks abzuhallen feien.83*) In diesem Falle wird für diese Sitzungen von dem Landgerichte eine besondere Liste von Hilfsgeschworenen gebildet. § 99 Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, daß die Be­ zirke mehrerer Landgerichte zu einem Schwurgerichtsbezirke zusammen­

gelegt und die Sitzungen des Schwurgerichts bei einem der Landge­ richte abgehalten werden. In diesem Falle hat das Landgericht, bei welchem die Sitzungen des Schwurgerichts abgehalten werden, und der Präsident desselben die ihnen in den §§ 82—98 zugewiesenen Geschäfte für den Umfang des Schwurgerichtsbezirks wahrzunehmen. Die Mitglieder des Schwurgerichts mit Einschluß des Stellver­ treters des Vorsitzenden können aus der Zahl der Mitglieder der im Bezirke des Schwurgerichts belegenen Landgerichte bestimmt werden.

7. Titel.

Lämmern für Handelssachen §§ 100—118. 8. Titel.

§ 119

Oderlavdesgerichte.

Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten und

der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten besetzt. § 120 Bei den Oberlandesgerichten werden Zivil- und Straf­

senate gebildet. § 121 Die Bestimmungen der §§ 61—68 finden mit der Maß­ gabe Anwendung, daß zu dem Präsidium stets die beiden ältesten Mitglieder des. Gerichts zuzuziehen sind.

§ 122

Zu Hilfsrichtern dürfen nur ständig angestellte Richter

berufen werden.

§ 123

Die Oberlatrdesgerichte sind zuständig.für die Verhand­

lung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Berufung gegen die Endurieile der Landgerichte in bürger­ lichen Rechtsstreiligkeiten;

33 a) Das Gericht entscheidet hierüber nach freiem Ermessen. Erk. v. 16. Juni 17, E. 51 S. 121. Es ist zulässig, auch einen Teil der Hauptverhandlung, namentlich der Beweisaufnahme, außerhalb der Gerichtsstelle stattfinden zu taffen. Erk. v. 22. Dez. 06, E. 39 S. 348.

Oberlandesgerichte § 124. Reichsgericht §§ 125—136.

2. der Revision gegen Urteile der Strafkammern in der Be­ rufungsinstanz;") 3. der Revision gegen Urteile der Strafkammern in erster In­ stanz, sofern die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;") 4. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte in bürger­ lichen Rechtsstreitigkeiten; 6. der Beschwerde gegen straftichterliche Entscheidungen erster In­ stanz, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammer begründet ist, und gegen Entscheidungen der Straflammern in der Be­ schwerdeinstanz und Berufungsinstanz. 8 124 Die Senate der Oberlaudesgerichte entscheiden in der Be­ setzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. 9. Eitel.

Reichsgericht.

8 126. Der Sitz des Reichsgerichts wird durch Gesetz bestimmt 8 1-6 Das Reichsgericht wird mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten besetzt. 8 127. Der Präsident, die Senatspräsidenten und Räte werden aus Vorschlag des Bundesrats von dem Kaiser.ernannt. Zum Mitgliede des Reichsgerichts kann nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richteramte in einem Bundesstaate erlangt und das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. 88 128—135 enthalten Bestimmungen über die Bersetzung der Mitglieder des RS. in den Ruhestand und regeln die Zuständigkeit des RG. in bstrgerl. Rechtsstreitigkeiten.

8 136. In Strafsachen ist das Reichsgericht zuständig: 1. für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Jnstanz in den Fällen des Hochverrats und des Landesverrats, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich ge­ richtet sind; 2. für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Revision gegen Urteile der Strafkammern in erster Instanz, insoweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist, und gegen Urteile der Schwurgerichte.") 34) Die Zuständigkeit des OLG. ist auch dann gegeben, wenn die Straf­ kammer rechtsirrtümlich als Berufungsgericht erkannt hat, während der Sach­ lage nach gemäß § 369 Abs. 3 StPO, zu verfahren gewesen wäre. Beschl. v. 7. Mai 09, Recht 13 Nr. 1831. Vgl. Anm. 36. 35) Haben mehrere Verurteilte die Revision eingelegt und behauptet der eine Verletzung des Reichsrechts, der andere Verletzung des Landesrechts, so ist durchweg das ReichSger. zuständig. Erk. v. 8. Jan. 97, GA. 45 S. 29. 36) Für die Frage, ob für die Verhandlung u. Entscheidung über die Revi­ sion daS OLG. oder das RG. zuständig ist, ist nicht entscheidend, ob die Straf-

624

XXIII. Gerichtsversaffungsgesetz § 137.

Ju.Strafsachen wegen Zuwiderhandlungeir gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle ist das Reichsgericht auch für die Verhandlung und Ent­ scheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen Urteile der Straf­ kammern in der Berufungsinstanz zuständig, sofern die Entscheidung des Reichsgerichts von der Staatsanwaltschaft bei der Einsendung der Akten an das Revisionsgericht beantragt tobt).87) § 137 Will in einer Rechtsfrage ein Zivilsenat von der Ent­ scheidung eines anderen Zivilsenats oder der vereinigten Zivilsenate, oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder der vereinigten Strafsenate abweichen, so ist über die streitige Rechtsfrage im ersteren Falle eine Entscheidung der vereinigten Zivil­ senate, im letzteren Falle einesolche der vereinigten Strafsenate einzuholen. Einer Entscheidung der Rechtsfrage durch das Plenum bedarf es, wenn ein Zivilsenat von der Entscheidung eines Strafsenats oder der vereinigten Strafsenate, oder ein Strafsenat voll der Entscheidung eines Zivilsenats oder der vereilligten Zivilsenate, oder ein Senat von der früher eingeholten Entscheidung des Plenums abweichen will. Die Entscheidung der Rechtsfrage durch die vereinigten. Senate oder das Plenum ist in der zu entscheidenden Sache bindend. Sie er­ folgt in allen Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung. Vor der Entscheidung der vereinigten Strafsenate oder derjenigen des Plenums, sowie in Ehe- und Entmündigungssachen und in Rechtsstreitigkeilen, welche die Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischell Eltern und Killdern oder die Anfechtung einer TodeserklärMg zum Gegenstände haben, ist der Ober-Reichsanwalt mit seinen schrift­ lichen Anträgen zu hören. Soweit die Entscheidung der Sache eine vorgängige mündliche Verhandlung erfordert, erfolgt dieselbe durch den erkennenden Senat auf Grund einer erneuten mündlichen Verhandlung, zu welcher die Prozeßbeteiligten von Amts wegen unter Mitteilung der ergangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu laden sind. kammer als Gericht I. oder als Gericht II. Instanz hätte erkennen müssen, sondern ob sie in dieser oder jener Funktion erkannt hat. GA. 49 S. 308. Das RG. ist als Revisionsgericht zur Entscheidung über Aufhebung eines Haftbefehls nicht zuständig. Beschl. v. 27. Mai 87, R. 9 S. 352; auch nicht über Urteile der Wuchergerichte. Erk. v. 14. Mai 20, LZ. 14 S. 694. 37) Die StA. ist berechtigt, durch ihren Antrag auf Entscheidung des RG. die Zuständigkeit des letzteren über das Rechtsmittel der Revision gegen Urteile der Strafkammer in der Berufungsinstanz wegen in die Staatskasse fließender Abgaben und Gefälle selbst auch dann zu begründen, wenn weder sie selbst Revi­ sion eingelegt hat noch die Revision gegen sie gerichtet war. Erk. v. 7. Dez. 82, E. 7 S. 326.

Reichsgericht §§ 138—141. Staatsanwaltschaft §§ 142—144.

625

§ 138. Der erste Strafsenat des Reichsgerichts hat bei den im § 136 Nr. 1 bezeichneten Berbrechen diejenigen Geschäfte zu erledigen, welche im § 72 Abs. 1 der Strafkammer des Landgerichts zugewiesen sind. Das Hauptverfahren findet vor einem der übrigen Senate des Reichsgerichts statt21 a) § 139. Zur Fassung von Plenarentscheidungen und von Entscheidungen der vereinigten Zivil- oder Strafsenate ist die Teilnahme von mindestens zwei Drittteilen aller Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden er forderlich.21 a) Die Zahl der Mitglieder, welche eine entscheidende Stimme führen, muß eine ungerade sein. Ist die Zahl der anwesenden Mit­ glieder eine gerade, so hat derjenige Rat, welcher zuletzt ernannt ist, und bei gleichem Dienstalter derjenige, welcher der Geburt nach der jüngere ist, oder, wenn dieser Berichterstatter ist, der nächst ältere kein Stimmrecht. § 140. Die Senate des Reichsgerichts entscheiden in der Be­ setzung von sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. § 141 Der Geschäftsgang wird durch eine Geschäftsordnung ge­ regelt, welche das Pletlum auszuarbeiten und dem Bundesrat zur Bestätigung vorzulegen hat.

10. Titel.

Staatsanwaltschaft.

§ 142 Bei jedem Gerichte soll eine Staatsanwaltschaft bestehen. 8 143. Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt: 1. bei dein Reichsgerichte durch einen Ober-Reichsanwalt und durch einen oder mehrere Reichsanwälte; 2. bei den Oberlandesgerichten, den Landgerichten uub den Schwur­ gerichten durch eilten oder mehrere Staatsanwälte; 3. bei den Amtsgerichten uub beit Schöffengerichten burch einen oder ntehrere Amtsanwälle. Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in denjenigen Strafsachen, welche zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Schöffengerichte gehören. 8 144. Die örtliche Zuständigkeit der Beamten der Staatsan­ waltschaft wird durch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, für welches sie bestellt sind.") Ein unzuständiger Beamter der Staatsanwaltschaft hat sich den-

38) Ein nicht zuständiger StA. kann vom IM. mit der Vertretung der Anklage in einer einzelnen Sache beauftragt werben. Erk. v. 11. Okt. 10, E. 44 S. 76. Dalcke, Strafrecht.

16. Aust.

(1U22).

40

626

XX1H. GerichtSverfaffungSgesetz §§ 145—149.

jenigen innerhalb seines Bezirks vorzunehmenden AmtshaMungen zu unterziehen, in Ansehung welcher Gefahr im Verzüge obwaltet. Können die Beamten der Staatsanwaltschaft verschiedener Bundes­

staaten sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen hat, so entscheidet der ihnen gemeinsam vorgesetzte Be­

amte der Staatsanwaltschaft und in Ermangelung eines solchen der

Ober-Reichsanwalt. 8 145-

Besteht

die

Staatsanwaltschaft

eines

Gerichts aus

mehreren Beamten, so handeln die dem ersten Beamten beigeordneten

Personen als dessen Vertreter; sie sind, wenn sie für ihn auftreten, zu allen Amisverrichtungen desselben ohne den Nachweis eines besonderen Auftrags berechtigt.

8 146. Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Ober­

landesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten

ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit Wahrnehmung derselben einen andereil als den

zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen?') Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten unb den Schöffengerichten versehen.

8147. Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Allweisuilgen ihres Vorgesetzten nachzukommen.

Jil denjenigen Sachen, für welche das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig ist, haben alle Beamte der Staatsanwaltschaft

den Anweisungen des Ober-Reichsanwalts Folge zu leisten. 8 146

Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu:

1. dem Reichskanzler hinsichtlich des Ober-Reichsanwalts und der

Reichsanwälle; 2. der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwalttichell

Beamten des betreffenden Bundesstaates; 3. den ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandes­ gerichten und den Landgerichten hinsichtlich aller Beamten der

Staatsanwaltschaft ihres Bezirks. 8 149.

Der Ober-Reichsanwall und die Reichsanwälle sind nicht

richterliche Beamte. Zu diesen Ämtern sowie den Ämtern der Staatsanwaltschaft bei

den Oberlandesgerichten und den Landgerichten können nur znm Richter­

amte befähigte Beamte ernannt werden. 39) Besteht ein Gerichtssprengel aus Gebietsteilen verschiedener Bundes­ staaten, so steht den ersten Beamten der Staatsanwaltschaft diese Befugnis auch bezüglich derjenigen untergebenen Beamten zu, welche einem anderen Bundes­ staat angehören, als daS Gericht, bei welchem sie zu fungieren beauftragt find. Erk. v. 20. Mat 86, R. 8 S. 369.

Gtaatsanwaltsch. 88 150—153. Gerichtsschr. 8 154. Zustellungsb. 8155. 627

8 160-ld) Der Ober-Reichsanwalt und die Reichsanwälte werden aus Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser3®a) ernannt. Für die Ver­ setzung in den Ruhestand und das zu gewährende Ruhegehals finden die Vorschriften des § 130 entsprechende Anwendung. Dieselben können durch Kaiserliche Verfügung jederzeit mit Ge­ währung des gesetzlichen Warlegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden. 8 151: Die Staatsanwaltschaft ist in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig. 8 152. Die Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Auch darf ihnen eine Dienstaufsicht über die Richter nicht übertragen werden.") 8 153. Die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft und sind in dieser Eigenschaft ver­ pflichtet, den Anordnungen der Staatsanwälte bei dem Landgerichte ihres Bezirks und der diesen vorgesetzten Beamten Folge zu leisten.") Die nähere Bezeichnung derjenigen Beamtenklassen, auf welche diese Bestimmung Anwendung findet, erfolgt durch die Landes­

regierungen.")

1L Titel,

-erichtsschreiber.

8 154

Bei jedem Gerichte wird eine Gerichtsschreiberei einge­ richtet. Die Geschäftseinrichtung bei dem Reichsgerichte wird durch den Reichskanzler, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizver­ waltung bestimmt.

12. Titel.

Justelluugs- und vollstreckuugsbeamte.

8 155 Die Dienst- und Geschäftsverhältnisfe der mit den Zu­ stellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauenden Beamten (Ge39 a) Jetzt Reichspräsident. Art. 46 RB. 40) Der einer preuß. StA. zur Beschäftigung oder alS Hilfsarbeiter über­ wiesene GerichtSasseffor darf richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Erk. v. 19. Oktbr. 86, R. 8 S. 634; wohl aber der Assessor, der die Stelle eines Amts­ anwalts bekleidet, die Geschäfte eines StA. beim Landgericht. Erk. v. 21. Septbr. 17, E. 51 S. 222. 41) Dadurch werden sie aber nicht Beamte der StA. Ein mündlich bei ihnen angebrachter Strafantrag hat daher keine Wirksamkeit. Erk. v. 23 Nov. 80, E. 3 S. 55. 42) Siehe AB. v. 15. Septbr. 79 (JMBl. S. 349). Gendarmen (Landjäger) sind in Preußen Hilfsbeamte der StA. AB. d. IM. u. M. d. I. v. 6. März 19 (JMBl. S. 69). Über ihre Rechtsstellung siehe AB. v. 3. Mai 19 (JMBl.

S. 287), über den Geschäftsverkehr zwischen StA. und Gendarmen AB. des Min. d. In. v. 26. Oktbr. 03 BMBl. S. 243.

XXm. GerichtSverfaffungSgesetz §§ 166—159.

richtsvollzieher) werden bei dem Reichsgerichte durch den Reichskanzler, bei den Landesgerichten durch die Landesjustizverwaltung bestimmt. 8 156- Der Gerichtsvollzieher ist von der Ausübung seines Amts kraft Gesetzes ausgeschlossen: I. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeitenc 1. wenn er selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei

ist, oder zu einer Partei in dem Verhältnisse eines Mitberech­ tigten, Mitverpflichteten oder Schadensersatzpflichtigen steht; 2. wenn sein Ehegatte Partei ist, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. wenn eine Person Partei ist, mit welcher er in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht; II. in Strafsachen: 1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt ist; 2. wenn er der Ehegatte des Beschuldigten oder Verletzten ist oder gewesen ist; 3. wenn er mit dem Beschuldigten oder. Verletzten in dem vor­ stehend unter Nr. I 3 bezeichneten Berwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnisse steht. 13. rttel.

Rechtshilfe.

8 167. Die Gerichte haben sich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen Rechtshilfe zu leisten.") 8 158. Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Amtsgericht zu richten, in dessen Bezirke die Amtshandlung vorgenommen werden soll. 8 159- Das Ersuchen darf nicht abgelehnt werden."*) Das Ersuchen eines nicht im Jnstanzenzuge vorgesetzten Gerichts ist jedoch abznlehnen, wenn dem ersuchten Gerichte die örtliche Zu43) Diese Bestimmungen finden nach Erk. v. 21. Oktbr. 89, E. 19 S. 438, nicht analoge Anwendung, wenn eine Disziplinarbehörde gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Siehe darüber Dalcke in GA. 39 S. 248. Siehe dazu auch Beschl. deS RG. v. 29. Juli 91, E. 22 S. 111. Ein Ersuchen um Mitteilung gewährten Strafaufschubs ist kein Rechtshilfeersuchen. KG. v. 16. Oktbr. 19, DIZ. 24 S. 941. Wegen der Rechtshilfe im AnSlande siehe Anrn. 45 Abs. 3 zu 8 48 StPO. 43 a) auch nicht daS Ersuchen um Befragung deS A., ob er von dem Er­ scheinen in der Hauptverhandlung entbunden sein will. Beschl. v. 27. Juli 12, E. 46 S. 174; ebensowenig ein Ersuchen um Feststellung der Strafbarkeits­ einsicht. KG. v. 28. Dezbr. 17, LZ. 12 S. 342.

Rechtshilfe §§ 160— 164.

ständigkeit mangelt, oder die vorzunehmende Handlung nach dem Rechte des ersuchten Gerichts verboten ist.")

8 160. Wird das Ersuchen abgelehnt, oder wird die Vorschrift des § 159 Abs. 2 zuwider dem Ersuchen stattgegeben, so entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirke das ersuchte Gericht gehört. Eine Anfechtung dieser Entscheidung findet nur statt, wenn dieselbe die Rechtshilfe für unzulässig erklärt, und das ersuchende und das ersuchte Gericht den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte angehören. Über die Beschwerde entscheidet das Reichsgericht.") Die Entscheidungen erfolgen auf Antrag der Beteiligten oder des ersuchenden Gerichts ohne vorgängige mündliche Verhandlung.

8 161. Die Herbeiführung der zum Zwecke von Vollstreckungen, Ladungen und Zustellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorschrift der Prozeßordnungen ohne Rücksicht darauf, ob die Hand­ lungen in dem Bundesstaate, welchem das Prozeßgericht angehört oder in einem anderen Bundesstaate vorzunehmen sind."*)

8162 Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gerichtsschreiber können wegen Erteilung eines Auftrags an einen Gerichtsvollzieher die Mit­ wirkung des Gerichtsschreibers des Amtsgerichts in Anspruch nehmen, in dessen Bezirke der Auftrag ausgeführt werden soll. Der von dem Gerichtsschreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittelbar beauftragt.

8 163 Eine Freiheitsstrafe, welche die Dauer von sechs Wochen nicht übersteigt, ist in demjenigen Bundesstaate zu vollstrecken, in welchem der Verurteilte sich befindet.

8 164 Soll eine Freiheitsstrafe in bem Bezirke eines anderen Gerichts vollstreckt oder ein in dem Bezirke eines anderen Gerichts be­ findlicher Verurteilter zum Zwecke der Strafverbüßung ergriffen unb abgeliefert werden, so ist die Staatsanwaltschaft hei dem Landgerichte des Bezirks um die Ausführung zu ersuchen.") 44) Ein Ersuchen darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das ersuchte Gericht der Ansicht ist, die verfolgte Handlung falle unter die Amnestie. KG. v. 21. Febr. 19, GA. 67 S. 460; ferner auch nicht die Anwendung der Zwangs­ hast gegen einen daS Zeugnis verweigernden Zeugen, weil das ersuchte Gericht die Weigerung des Zeugen für gesetzl. begründet erachtet. Löwe Anm. 3 b. 45) Entsteht zwischen zwei Amtsgettchten Differenz über die Strafvoll­ streckung, so finden die Vorschriften der §§ 160 u. flg. keine Anwendung. Erk. v. 9. Dezbr. 89, E. 20 S. 101. 45 a) Das von Gericht zu Gericht gestellte Ersuchen uih Vollstreckung eines Haftbesthls ist kein Att der Rechtshilfe, zu dem das ersuchte Gericht verpflichtet ist. Beschl. v. 22. Dezbr. 94, E. 26 S. 338. 46) In denjenigen Fällen, in welchen durch die AB. v. 14. August 79 (JMBl. S. 237 u. Anm. zu § 483 der StPO.) die Sttafvollstreckung pen AmtS-

XXIII. ÄerichtSverfaffungSgesetz 88 165—169.

630 8 166-

Im Falle der Rechtshilfe unter den Behörden ver­

schiedener Bundesstaaten sind die baren Auslagen, welche durch eine Ablieferung oder Strafvollstreckung entstehen, der ersuchten Behörde

von der ersuchenden zu erstatten. Im übrigen werden Kosten der Rechtshilfe von der ersuchenden

Behörde nicht erstattet. Ist eine Zahlungspflichtige Partei vorhanden, so sind die Kosten

von derselben durch die ersuchende Behörde einzuziehen und der ein­ gezogene Betrag der ersuchten Behörde zu übersenden.

Stempel-, Einregistrierungsgebühren oder andere öffentliche Ab­ gaben, welchen die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schrift­ stücke (Urkunden, Protokolle) nach dem Rechte der ersuchten Behörde

unterliegen, bleiben außer Ansatz. 8 166.

Für die Höhe der den geladenen Zeugen und Sachver­

ständigen gebührenden Beträge sind die Bestimmungen maßgebend, welche bei dem Gerichte gelten, vor welches die Ladung erfolgt.

Sind die Beträge nach dem Rechte des Aufenthaltsorts der ge­

ladenen Personen höher, so können die höheren Beträge gefordert werden.

Bei weiterer Entfernung des Aufenthaltsorts der geladenen Per­ sonen ist denselben auf Antrag ein Borschuß zu bewilligen.

§ 167

Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Be­

zirks ohne Zustimmung des Amtsgerichts des Orts nur vornehmen,

wenn Gefahr im Verzüge obwaltet.

In diesem Falle ist dem Amts­

gerichte des Orts Anzeige zu machen.

§ 168.

Die Sicherheilsbeamten eines Bundesstaates sind ermäch­

tigt, die Verfolgung"") eines Flüchtigen auf das Gebiet eines anderen Bundesstaates fortzusetzen und den Flüchtigen daselbst zu ergreifen. Der Ergriffene ist unverzüglich an das nächste Gericht oder die

nächste Polizeibehörde des Bundesstaates, in welchem er ergriffen wurde, abzuführen/-)

8 169.

Die in einem Bundesstaate bestehenden Vorschriften über

die Mitteilung von Akten einer öffentlichen Behörde an ein Gericht dieses Bundesstaates kommen auch dann zur Anwendung, wenn das ersuchende Gericht einem anderen Bundesstaate, angehört.

richtern übertragen ist, können diese nach einer Entscheidung deS JustizminifterS auch unmittelbar um die Ausführung der Strafvollstr. ersucht werden. 46 a) Der Begriff der Verfolgung umfaßt auch hier alle diejenigen Maß­ nahmen, welche auf die Ergreifung der als Täter ins Auge gefaßten Person abzielen und ihxer Natur nach geeignet stab, diese zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. Erk. v. 13. Dez. 97, E. 30 S. 386.

Öffentlichkeit und Sitznngspolizei §§ 170—173.

14. Titel.

631

OseMchKeit und Si-nugSP-lftti.

§ 170.

Die Verhandlung vor dem erkennenden Gerechte, ein­ schließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse desselben, erfolgt öffentlich.") 8 171. In Ehesachen ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn eine der Parteien es beantragt.

§ 172 In dem auf die Klage wegen Anfechtung oder Wieder­ aufhebung der Entmündigung einer Person wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche eingeleiteten Verfahren (§§ 664, 679 der Zivilprozeßordnung) ist die Öffentlichkeit während der Vernehmung des Entmündigten auszuschließen, auch kann auf Antrag einer der Parteien die Öffentlichkeit der Verhandlung überhaupt ausgeschlossen werden.

Das Verfahren wegen Entmündigung oder Wiederaufhebung der Entmündigung (§§ 645—663, 675—678 der Zivilprozeßordnung) ist nicht öffentlich. § 173 In allen Sachen kann durch das Gericht für die Verhand­ lung oder für einen Teil") derselben die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung/') ins­ besondere der Staatssicherheit, oder eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen läßt.") 47) Wegen Überfüllung des Raumes können Zuhörer zurückgewiesen

werden. Erk. v. 11. Febr. 82, R. 4 S. 152. Eine Anordnung deS Land­ gerichtspräsidenten, daß nur den mit besonderen Erlaubniskarten versehenen Personen der Eintritt in die Sitzungszimmer gestattet werde, ist zulässig. Erk. v. 10. Juli 06, GA. 53 S. 443. Desgleichen die Anordnung, daß die Zahl der Zuhörer die der Sitzplätze nicht überschreite. Erk. v. 20. Jan. 06, Recht 10 S. 260. Bei einer Augenscheinseinnahme kann der Vorsitzende wegen der Enge des Raumes dem Publikum den Eintritt verbieten. Erk. v. 3. Ottbr. 13, d; 47 S. 322. Erk. v. 5. Febr. 18, E. 52 S. 137. Es sind auch Maßnahmen der Verwaltungsbehörden zum Schutz des Geschäftsbetriebes der Gerichte statthaft. Erk. v. 30. Jan. 20, E. 54 S. 225. Siehe Anm. 50. 48) Diese Vorschrift ist nicht dahin zu verstehen, daß der Ausschluß der Öffentlichkeit lediglich für diejenigen Erklärungen erfolgen dürfe, welche die Besorgnis begründen. Erk. v. 29. April 10, E. 43 S. 367. Mrd die Öffent­ lichkeit für einen bestimmten Fall ausgeschloffen und zeigt sich, daß sich die Er­ örterung der anderen Fälle nicht abtrennen läßt, so ist ein neuer- Beschluß er­ forderlich. Erk. v. 28. Febr. 11, GA. 59 S. 139. 49) Eine Gefährdung liegt vor-, wenn die Öffentlichkeit von der Zuhörer­ schaft zu Störungen der Verhandlungen gemißbraucht oder durch sie die Er­ mittelung der Wahrheit gehindert wird. Erk. v. 10. Mai 97 u. Erk. v. 13. Aug. 97, E. 30 S. 101 u. 244. 50) Der Grund, aus welchem die Öffentlichkeit ausgeschloffen ist, muß un­

bedingt angegeben werden. Erk. v. 30. Mai 90, GA. 38 S. 195. Auch hier kann der Zutritt einzelnen Personen vom Gericht gestattet werden wie im Fall des t>§ 176 Abs. 2. Erk. v. 12. Juni 00, E. 33, S. 311. Eine Ausschließung der Öffentlichkeit liegt nicht vor, wenn versehentlich die Tür zum guhörerraum

632

XXIII. GerichtSversaffungSgesetz §§ 174,175,

§ 174 Die Verkündung des Urteils erfolgt in jedem Falle öffentlich. Durch einen besonderen Beschluß des Gerichts lanii für die Ver­ kündung der Urteilsgründe oder eines Teiles derselben die Öffent­ lichkeit ausgeschlossen werde::, wenn sie eine Gefährdung der Staats­ sicherheit oder eine Gefährdung der Sittlichkeit besorget: läßt") § 175. Die Verhandlung über die Ausschließung der Ofsentlich-

keit findet in nicht öffentlicher Sitzuttg statt/1) wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet'. Der Beschluß, welcher die Öffentlichkeit ausschließt, muß öffelttlich verkündet Werder:. Bei der Verkündung ist anzugeben, ob die Ausschließung wegen Ge­ fährdung der öffentlichen Ordnung, itlsbesoltdere wegen Gesährdmlg der Staatssicherheit, oder ob sie wegen Gefährdung der Sittlichkeit erfolgt. Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdutlg der Staatssicherheit aus­ geschlossen, so kann das Gericht der: anwesenden Personen die Geheim­ haltung von Tatsachen, welche durch die Berhaudlung, durch die Anklageschrift oder durch andere amtliche Schriftstücke des Prozesses zu ihrer Kenntnis gelange::, zur Pflicht machen.»1») Der Beschluß ist

ii: das Sitzuugsprotvkoll auszuuehmeu. Gegen derselben findet Be­ schwerde statt. Die Beschwerde hat keine arlfschiebende Wirkung. auf kurze Zeit verschlossen blieb, der Zutritt durch andere Türen ersichtlich offen ftottb. Erk. v. 9. Oktbr. 16, LZ. 10 S.1433. Eme Beschränkung der Öffentlich-

teit. unterliegt nur bann der Revision, wenn sie auf ein Verschulden des Vorsitzen­ den ober des Gerichts zurückzuführen ist. Erk. v. 14. Jan. 10, E. 43 S. 189. Die ist nicht beschränkt, wenn das Gerichtsgebäude wegen zu erwartender Un­ ruhen auf Anordnung des LGP. verschlossen ist und der Zutritt nur nach Prüfung eines Ausweises gestattet wird. Erk. v. 13. Jan. 22, LZ. 16 S. 167. 51) Es ist nicht statthaft, den Beschluß auf Ausschluß der Öffentlichkeit und den aus § 174 Abs. 2 gleichzeitig bei Beginn der Verhandlung zu erlassen. Erk. v. 4. Febr. 10, E. 43 S. 300. 52) Ist der A. aus dem Sitzungssaal entfernt (8 246 der StPO.) und wird dann über Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt, so muß er wieder zurückgeführt werden. Erk. v. 2. Oktbr. 88, E. 18 S. 138. Überhaupt muß

in jedem Falle, auch in dem des 8 174, Abs. 2, mit den Prozeßparteien über Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden. Erk. v. 3. Juni 02, E. 35 S. 103. Dies gilt auch dann, wenn mit der Verkündung der Urteilsgründe bereits begonnen war und das Gericht sich nunmehr entschließt, die Gründe erst nach Wiederausschluß der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Erk. v. 13. März 22, Recht 26 Nr. 911. Auch der Nebenkläger muß über den Ausschluß der Öffentlich­ kett gehört werden. Erk. v. 5. Juli 95, GA. 43 S. 242. Es ist aber nicht er­ forderlich, daß jeder emzelne der Beteiligten zur Erklärung aufgefordert ist. Erk. v. 1. März 05, E. 37 S. 437. Erk. v. 24. Oktbr. 13, E. 47 S. 342. Zur Wiederherstellung der Öffentlichkeit bedarf es bann keines besonderen Beschluffes, wenn die Ausschließung der Öffentlichkeit nur für einen bestimmten Teil ungeordnet war. Erk. v. 1. Dezbr. 02, Recht 7 S. 23. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann durch Wiederholung der Verhandlung geheilt werden Erk. v. 26. Sept. 03, E. 35 S. 354.

Öffentlichkeit und Sitzungspolizei §§ 176—178.

633

§ 176- Der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen kann uner­ wachsenen") uub solchen Personen versagt werden, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, oder welche in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen.

Zu nicht öffentlichen Verhandlungen kann der Zutritt einzelnen Personen vom Gerichte gestattet werden. Einer Anhörung der Be­ teiligten bedarf es nicht. Die Ausschließung der Öffentlichkeit steht der Anwesenheit der die Dienstaussicht führenden Beamten der Justizverwaltung bei den Berhandlnr.gen vor dem erkennenden Gerichte nicht entgegen. § 177 Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung liegt dem Vorsitzenden ob.") § 178 Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, welche den zur Aufrecht­ haltung der Ordnung erlassenen Befehlen nicht gehorchen, sönne» auf Beschluß des Gerichts"*) aus dem Sitzungszimmer entfernt,auch zur Haft abgeführt uub während einer in dem Beschlusse zu be­ stimmenden Zeit, welche vierundzwanzig Stunden") nicht übersteigen

darf, festgehalten werden. 52») Die 88 173 ff. u. § 195 find in der Fassung wiedergegeben, welche sie durch das Ges. v. 5. April 88 (RGBl. S. 133) erhalten haben. Dies Ges. lautet: Art. 1. Die §§ 173 bis 176 und 195 des GBG. werden durch nach­ stehende Bestimmungen ersetzt. (Es folgt der Wortlaut der abgeänderten §§.) Art. II. Wer die nach § 175 Abs. 2 des GVG. ihm auferlegte Pflicht der Geheimhaltung durch unbefugte Mitteilung verletzt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mart oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. — Art. III. Soweit bei einer Gerichtsverhandlung die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen war, dürfen Berichte über die Verhandlung durch die Presse nicht veröffentlicht werden. Das gleiche gilt auch nach der Beendigung des Verfahrens in betreff der Veröffentlichung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke des Prozesses. — Zuwider­ handlungen unterliegen der im Art. II bestimmten Strafe. — Art. IV siehe bei 8 184 des StGB. 53) Das Gericht hat darüber zu befinden, welche Personen als uner­ wachsen anzusehen sind. Erk. v. 30. Juni 13, E. 47 S. 374. 54) Der Vorsitzende kann die Verhandlung abbrechen, wenn der StA. die Geschworenen in ungesetzlicher Weise zu beeinflussen sucht. Das Wort darf er dem StA. nicht entziehen. Erk. v. 2. März 81, R. 3 S. 96. Zu den Befug­ nissen des Vorsitzenden gehört auch die Erteilung von Rügen an die als Partei­ vertreter beteiligten Rechtsanwälte. ErkI d. Ehrenger. v. 7. Novbr. 86, R. 8 S. 657. Dem Vorsitzenden gebührt auch die Entscheidung darüber, ob der Angekl. auf der Anklagebank Platz zu nehmen hat. GA. 39 S. 377. 54 a) Bezieht sich auch auf eine vom erkennenden Gericht ausgeführte Augenscheinöeinnahme.' Erk. v. 10. Dez. 96, GA. 44 S. 386. 54 b) Der 8 findet auch auf Abgeordnete Anwendung. Art. 37 steht nich entgegen. Löwe le.

634

XXin. GerichtSverfaffungSgesetz §§ 176—184.

6 179. Das Gericht kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, welche sich in der Sitzung einer Ungebühr") schuldig machen, vorbe­ haltlich der strafgerichtlichen Verfolgung, eine Ordnungsstrafe bis zu einhundert WH") oder bis zu drei Tagen Haft festsetzen und sofort vollstrecken lassen. 8 180.67a) 8 181. Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungs­ strafen hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen.

8 188- Die in den 88 177—181 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu.") 8 188. Ist in den Fällen der 88 179, 180, 182 eine Ordnungs­ strafe festgesetzt, so findet binnen der Frist von einer Woche nach der Bekanntmachung der Entscheidung Beschwerde statt, sofern die Ent­ scheidung nicht von dem Reichsgerichte oder einem Oberlandesgerichte getroffen ist» Die Beschwerde hat in dem Falle des 8 179 keine aufschiebende Wirkung, in den Fällen des 8180 und des 8182 aufschiebende Wirkung. Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

8 184 Ist eine Ordnungsstrafe wegen Ungebühr festgesetzt, oder eine Person zur Haft abgeführt, oder eine bei der Verhandlung be55) Die Haft braucht nicht mit dem Schluß der Sitzung aufzuhören. A. M. Rasch, Recht 18 S. 483. 56) Ungebühr ist jede gröbere Verletzung der Ordnung. Sie erfordert Vorsatz. Rasch, Recht 18 S. 479. A. M. KG. v. 25. Ottbr. 10, G«. 58 S. 230. TS ist keine Ungebühr, wenn ein A. auf die Frage nach seinen Vor­ strafen und auf die Anklage nicht antwortet. GA. 37 S. 239. Der Täter braucht in dem SitzungSraum nicht körperlich anwesend zu fein. Auch wer aus dem Flur­ gang lärmt und dadurch die Sitzung stört, verfällt der Ungebührstrafe. v. S t a f f, DStZ. 1 S. 37. Die Strafe muß von demjenigen Richter verhängt werden, dem gegenüber die Ungebühr erfolgt. Hamburg v. 13. Ottbr. 16, DStg. 4 S. 95. Gegen einen Untersuchungsgefangenen können wegen Ungebühr in der Hauptverhandlung nicht im Disziplinarwege die in der Gefängnisordnung vor­ gesehenen Disziplinarstrafen verhängt werden. KG. v. 13. Oktbr. 08, GA. 56 S. 98. Siehe auch OLG. BreSlau v. 2. März 09, GA. 58 S. 468. A. M. Löwe Anm. 8. 57) Diese Geldstrafe kann in Freiheitsstrafe umgewandelt werden. KG. v. 28. Febr. 19, Johow Bd. 51 S. 442-u. OLG. Marienwerder v. 18. Mai 06, GA. 54 S. 101. Breslau v. 31. Ottbr. 11, GA. 60 S. 136. A. M. Ham­ burg v. 7. Septbr. 01, GA. 50 S. 189. Anfechtung von Beschlüssen, die eine Ordnungsstrafe ablehnen, ist unzulässig, DIZ. 10 S. 1071. 57 a) § 180 ist gemäß Gesetz zur Entlastung der Gerichte vom 11. März 1921 (RGBl. S. 229) gestrichen. 58) Greift der Richter bei der Vollstreckung persönlich ein, so genießt er den Schutz deS § 113 des StGB. Erk. v. 10./17. Jan. 87, E. 15 S. 227.

Lffentlichkeit u. Sitzungspolizei § 185. Gerichtssprache §§ 186,187.

635

teiligte Person entsend worden, so ist der Beschluß des Gerichts und dessen Veranlassung ui das Protokoll aufzunehmen.") 5 185 Wird eine strafbare Handlung in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. Zn ge­ eigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu ver­

fügen?") 15. Titel,

-erichtssprache.

8 186. Die Gerichtssprache ist die deutsche. 8 187. Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zu­ zuziehen.") Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden Sprache findet nicht statt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokolle eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden.

Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind.") 59) Das Protokoll soll den Vorgang darstellen, in welchem die Ungebühr gefunden ist. Fehlt diese Darstellung oder ist sie unzureichend, so kann der Mangel aus anderweitigen Erklärungen nicht ergänzt werden. DIZ. 9 S. 269. GA. 64 S. 569. Die Angabe, der Bestrafte habe sich ungebührlich benommen, genügt nicht. Anzugeben ist der Zeitpunkt, namentlich, ob die Ungebühr während der Sitzung begangen ist. Anhörung des Täters wird häufig zweckmäßig sein. B. des KGP. v. Januar 22. 60) Die Festnahme ist vor der Verkündung des Geschworenenspruchs zu vermeiden,^ aber nicht unstatthaft. Erk. v. 23. Febr. 12, DIZ. 17 S. 1132. Den Haftbefehl erläßt das zuständige Amtsgericht. GA. 38 S. 379. 61) Die Zuziehung hat zu Beginn der Hauptverhandlung zu erfolgen falls der Angell, der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig ist. Erk. v. 11. Sept. 00, GA. 47 S. 384. Ist eine Verständigung über einzelne Puntte möglich, so liegt eS im Ermessen deS Gerichts, den Zeitpunkt zu bestimmen, von welchem die Mitwirkung deS Dolmetschers erforderlich ist. Erk. v. 6. Juli 03, GA. 50 S. 394; Recht 7 S. 435. Der Dolmetscher darf zugleich als Zeuge vernommen werden. Erk. v. 12. Dezbr. 11, E. 45 S. 304. 62) Die Unterlassung der Zuziehung eines Dolmetschers wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß der Zeuge nicht habe vernommen werden können, weil ein Dolmetscher nicht vorhanden und von keiner Seite Einsprache erhoben sei. Erk. v. 10. Novbr. 81, R. 3 S. 708. Dolmetscher find Organe des Gericht-, auf welche die Borschriftm des § 67 der StPO, keine Anwendung finden. Erk. v. 19. März 86, R. 8 S. 203. Der Richter kann -um besseren Verständnis nicht hochdeutscher Mundarten Sprachkundige zuziehen. Erk. v. 11. März 86, R. 8 S. 160. Handelt es sich um die Feststellung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen

636

XXIII. GertchtsverfaffungSgesetz §§ 188—193.

8 188 Zur Verhandlung mit tauben oder stummen Personen ist, sofern nicht eine schriftliche Verständigung erfolgt, eine Person als Dolmetscher zuzuziehen, mit deren Hilfe die Verständigung in anderer Weise erfolgen kann.")

8 189? Ob einer Partei, welche taub ist, bei der mündlichen Verhandlung der Vortrag zu gestatten sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Dasselbe gilt in Änwaltsprozessen von einer Partei, die der

deutschen Sprache nicht mächtig ist. 8 190. Personen, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, leisten Eide in Ler ihnen geläufigen Sprache.

8.191- Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten: daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art im allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid.")

8192. Der Dienst des Dolmetschers kann von dem Gerichtsschreiber wahrgenommen werden. Einer besonderen Beeidigung bedarf es nicht.") 8 193 Auf den Dolmetscher finden die Bestimmungen über Aus­ schließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechende Anwen­ dung. Die Entscheidung erfolgt durch das Gericht oder den Richter, von welchem der Dolmetscher zugezogen ist.") für die Vornahme einer Prozeßhandlung vorliegen, so genügt die Verlesung vorher gefertigter Übersetzungen fremdsprachiger Schriftstücke ohne Zuziehung eines Dolmetschers. Erk. v. 26. Jan. 06, E. 38 S. 323. 63) Unter schriftlicher Verständigung ist keineswegs nur eine beiderseits schriftliche zu verstehen, es genügt, daß einer tauben Person schriftliche Fragen vorgelegt und von dieser mündlich beantwortet werden. Erk. v. 8. Novdr. 98, E. 31 S. 313. In der Hauptverhandlung müssen einem tauben Angekl. die Aussagen der vernommenen Zeugen mitgeteilt werden. Erk. v. 14r. Aug. 03, E. 36 S. 355. Durch welche Veranstaltungen einem schwerhörigen A. das un­ mittelbare Verständnis der Zeugen zu ermöglichen ist, bleibt dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen. Erk. v. 8. Novbr. 10, Recht 14 Nr. 4224. 64) Die Berufung des Dolmetschers auf den ein für allemal geleisteten Eid muß in jeder einzelnen Sache erfolgen. Die protokollmäßige Bezeichnung: ^ver­ eideter Dolmetscher" genügt nicht. Erk. v. 24. Juni 85, R. 7 S. 426. Die Berufung genügt aber, wenn ein Dolmetscher vereidigt und in demselben Ver­ fahren wiederholt zugezogen wird. Erk. v. 21. August 20, DIZ. 26 S. 204. 65) Jeder Dolmetscher, wenn er nicht der fungierende Gerichtsschreiber ist, muß beeidigt werden. Erk. v. 22. Oktbr. 80, R. 2 S. 372 ü. E. 2 S. 373. Ein Verzicht der Beteiligten aus die Vereidigung ist unstatthaft. Erk. v. 12. Septbr. 03, Recht 7 S. 486. 66) Verwandtschaft des Dolmetschers mit dem Verletzten macht ersteren nicht ohne weiteres unfähig, doch kann es ein Grund zur Ablehnung sein. Erk. v. 26. Aug. 85, R. 7 S. 501. Auch ein Zeuge kann Dolmetscher fein. Erk. v. 1. Mai 14, Recht 18 Nr. 1936.

Beratung und Abstimmung §§ 194—198, 16. Titel.

637

Beratung und Abstimmung.

§ 194. Bei Entscheidungen dürfen Richter nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl'Mitwirken. Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsrichtern anordnen, welche der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung eines Richters für den­ selben einzutreten haben. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Schöffen und

Geschworene Anwendung. § 195 Bei der Beratung und Abstimmung") dürfen außer den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Ge­ richte zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen zugegen jein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet.") § 196. Der Vorsitzende leitet die Beratung, stellt die Fragen und jammett die Stimmen. Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet das Gericht. § 197. Kein Richter, Schöffe oder Geschworener darf die Ab­ stimmung über eine Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist. § 198 Die Entscheidungen erfolgen, soweit das Gesetz nicht ein anderes, bestimmt, nach der absoluten Mehrheit der Stimmen. Bilden sich in Beziehung auf Summen, über welche zu ent­ scheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt. Bilden sich in einer Strafsache, von der Schuldfrage abgesehen, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den zunächst minder

nachteiligen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt.") 67) Beratung und Abstimmung müssen zwischen den Schlußvorträgen und der Urteilsverkündung erfolgen. Erk. v. 1. Dezbr. 08, E. 42 S. 85. Nach Wiederaufnahme der Bei Handlung ist beim Fehlen neuer Anträge und Aus­ führungen der Prozeßbeteiligten keine besondere Beratung nötig. Erk. v. 7. Juli 21, DIZ. 27 S. 258. Bgd. Erk. v. 21. Novbr. 12, E. 46 S. 373, Die An­ wesenheit der Jupizaufsichtsbeamten bei der Beratung ist nicht statthaft. Erk. v. 12. Novbr. 86, R. 10 S. 640. 68) Der Gerichtshof braucht sich zum Zwecke der Beratung nicht zurückzu­ ziehen oder das Publikum abtreien zu lassen. Erk. v. 23. Febr. 92, E. 22 S. 397. 69) Hängt eine Entscheidung von der Beantwortung mehrerer rechtlicher oder tatsächlicher Fragen ab, so muß über jede derselben getrennt, also nach

638

XXIII. Gerichtsversaffungsgesetz §§ 199—204.

§ 199. Die Reihenfolge bei der Abstimmung richtet sich nach dem Dienstalter, bei den Schöffengerichten und den Kammern für Handels­ sachen nach dem Lebensalter; der jüngste stimmt zuerst, der Vor­ sitzende zuletzt.") Wenn ein Berichterstatter ernannt ist, so gibt dieser seine Stimme zuerst ab. Bei der Abstimmung der Geschworenen richtet sich die Reihenfolge nach der Auslosung. Der Obmann stimmt zuletzt. § 200* Schöffen und Geschworene sind verpflichtet, über den Her­ gang bei der Beratung und Abstimmung Stillschweigen zu beobachten.") 17. Titel,

-erichtsferieu.

§ 201- Die Gerichtsferien beginnen am 16. Juli und endigen am 16. September. 8 202- Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehallen und Entscheidungen erlassen. Feriensachen sind: 1. Strafsachen; 2. "a) 8 203 Zur Erledigung der Feriensachen können bei den Land­ gerichten Ferienkammern, bei den Oberlandesgerichten und dem Reichs­ gerichte Ferieusenate gebildet werden ") 8 204* Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsver­ fahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. Urkundlich rc. Teilen ahgestimmt werden. Löwe Anm. 3 b. Darüber, daß die Echuldfrage ungeteilt zur Abstimmung gebracht werden muß, siehe Anm. 13 zu 8 262 StPO. 70) Aus dieser Bestimmung ist nicht zu folgern, daß der Vorsitzende der beschließenden Strafkammer nicht die Berichterstattung über den Antrag auf Er­ öffnung des Hauptverfahrens übernehmen dürfe. Erk. v. 3. Apr. 06, Recht 10 S. 575. 71) Deshalb kann ein Richter über die Art und Weise, wie ein Richter­ spruch zustande gekommen ist, nicht als Zeuge vernommen werden. Erk. v. 13. Novbr. 94, E. 26 S. 202. Erk. v. 11. Juni 16, GA. 64 S. 553. Die Revision kann nicht auf einen angeblich gesetzwidrigen Hergang bei Beratung der Geschworenen gestützt werden. Erk. v. 19. Jan. 09, GA. 56 S. 212. 71 a) Der übrige Teil dieses § kommt für das Strafrecht nicht in Betracht. 72) Die Bildung der Ferienkammern hat durch Beschluß des Präsidiums, nicht durch Verfügung des Präsidenten zu erfolgen. Erk. v. 22. Jan. 04, JMBl. S. 61 u. E. 37 S. 59. Über die Zuziehung von Amtsrichtern zu land­ gerichtlichen Ferienkammern siehe Erk. v. 22. März 07, JMBl. S. 388 u. E. 40 S. 85.

XXIV. preuß. Ausfuhrungggeseh zum Deutschen Gerichtsverfaffuugsgesetz. Bom 24. April 1878.

(SS. S. 230.)

1. Ittel.

Ulchleramt §§ 1—11. 2. Titel. «erichtsbarkeit §§ 12—20. 3. titel. Aml-gerichle §§ 21—32.

4. titel. Schöffengerichte. 8 3S Zu dem Amte eines Schöffen sollen außer den im g 34 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Beamten nicht berufen werden: 1. die Vortragenden Räte der Ministerien, einschließlich des General­

inspektors des Katasters; 2. die Provinzialsteuerdirektoren; 3. der Dirigent der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin; 4. die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts, sowie die ständigen Mitglieder der Bezirksverwaltungsgerichte und des Verwaltungs­ gerichts für die Stadt Berlin. § 34 Der als Beisitzer des Ausschusses für die Auswahl der Schöffen eintretenbe Staatsverwaltungsbeamte wird von dem Regie­ rungspräsidenten (Landdrosten) bestellt. Zugleich ist ein Stellvertreter zu bestellen.

8 35 Die Vertrauensmänner des Ausschusses werden durch die Kreisvertretungen, in den Hohenzollernschen Landen durch die Amts­ vertretungen, in der Provinz Hannover durch die Amtsvertretungen und durch die zu einem Kollegium vereinigten Magistrate und Bürger­ vorsteher der einem Amtsverbande nicht angehörigen Städte gewählt. Erstreckt sich der Bezirk des Amtsgerichts über mehrere wahl­ berechtigte Verbände, so ist die von jedem einzelnen Verbände zu wählende Anzahl der Vertrauensmänner unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl durch den Amtsrichter zu bestimmen. Die Vorschriften der 32—35 des Deutschen Gerichtsver­ fassungsgesetzes über die Berufung zum Schöffen- und Geschworenen-

640

XXIV. Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz §§ 36—50.

amte finden auf die zu wählenden Vertrauensmänner entsprechende

Die Wahl erfolgt, sofern mindestens zwei Personen

Anwendung.

zu wählen sind, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, andern­ falls nach der absoluten Mehrheit der (Stimmen.1)

§ 36 2)3 (Den Vertrauensmännern und den Schöffen werden, so­ fern sie außerhalb ihres Aufenthaltsortes einen Weg bis zur Entfernung von mehr als zwei Kilometern zurückzulegen haben, an Reise­ kosten gewährt:

1. bei Reisen, welche auf Eisenbahnen oder Dampfschiffen gemacht werden können, für jedes angefangene Kilometer des Hinweges und des Rückweges zehn Pfennige;

2. bei Reisen, welche nicht auf Eisenbahnen oder Dampfschiffen

zurückgelegt werden können, für jedes angefangene Kilometer des Hinweges und des Rückweges zwanzig Pfennige;

im ganzen jedoch mindestens 3 Mark. Mußte der Vertrauensmann oder Schöffe innerhalb seines Aufent­

haltsorts einen Weg bis zur Entfernung von mehr als zwei Kilo­

metern zurücklegen, so sind ihm als Reiseentschädigung für jedes an­ gefangene Kilometer des Hinweges und des Rückweges zwanzig Pfennige

zu gewähren.")

5. Titel.

Landgerichte §§ 37-43.

6. Titel. Schwurgerichte. § 44 Die Vorschriften des § 33 über die Berufung zum Schöffen­ amte finden auch auf das Geschworenenamt Anwendung.

8 4b.2)

7. Titel. Lämmern für Handelssachen § 46. 8. Titel. Oberlandesgerichte. 88 47—49 betreffen die Vertretung der Richter und die Zuständigkeit in Zivil­ sachen.

§ 50

Das Oberlandesgericht in Berlin ist ausschließlich zu

ständig für die Verhandlung und Entscheidung:

1. über die nicht zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in erster Instanz;*) 1) Der Wortlaut beruht auf dem Ges. v. 3. März 1922 (GS. S. 49-. Die AusfBest. im § 16 d. Ges. v. 18. Juli 19 (GS. S. 118) sind bei der Wahl .anwendbar. Berf. d. IM. u. M. d. I. v. 21. Mai 22 (JMBl. S. 214). 2) Aufgehoben durch die Allg. Berf. v. 12. August 13 (JMBl. S. 303) siehe 88 96 u. 55 a des GVG. ; 3) Die Zuständigkeit des .KG. ist begründet, wenn der Revident die Revision ausschließlich auf Verletzung landesgesetzlicher Normen stützt. R a s ch. Die Zu­ ständigkeit des RG. als letzte Instanz in Strafsachen Recht 17 S. 322. Siehe auch Celle v. 26. Juni 13, GA. 63 S. 159.

641

Staatsanwaltschaft §§ 58—62.

2. über die Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungsinstanz und' über olle Beschwerden gegen Entschei­ dungen der Strafkammern, sofern eine nach Landesrecht strasbare Handlung den Gegenstand der Untersuchung bildet?) In den unter Nr. 2 bezeichneten Beschwerdesachen findet bei Zweifeln über die Zuständigkeit der 'S 388 der Deutschen Strafprozeß­ ordnung entsprechende Anwendung. 88 51—66 find aufgehoben durch Art. 130 Rr. I des Preuß. Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 31. September 1899 (GS. S. 249). 8 57 bezieht sich ausschließlich auf Zivilsachen.

9. Titel.

Staatsanwaltschaft.

S 58. Die bestehenden staatsanwaltschaftlichen Behörden werden ausgehoben. Die Zuständigkeit derselben in den Angelegenheiten, welche durch die Deutschen Prozeßordnungen nicht betroffen werden, geht, insoweit llicht besondere Bestimmungen gegeben sind, in dem Umfange, in welchem sie in den einzelnen Landesteilen bisher bestanden hat, auf die Staatsanwaltschaften bei den ordentlichen Landesgerichten über. § 59. Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlan­ desgerichten führen den Amtstitel Oberstaatsanwalt/) die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten den Amtstitel Erster Staats­ anwalt. Die übrigen Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Ober-, landesgerich ten und den Landgerichten führen den Amtstitel Staatsanwalt. § 60Die Oberstaatsanwälte und die Staatsanwälte werdell vom Könige ernannt. § 61 Die Oberstaatsanwälte und die Staatsanwälte sind nicht richterliche Beamte. § 62.*) Die Amtsanwälte werden von dem Justizminister ernannt. Der Justizminister kann die Ernennungsbefugnis den Oberstaats­ anwälten übertragen. Diejenigen Amtsanwälte, welche eine in dem 4) Das KG. ist demnach zuständig, wenn dem A. eine Tat zur Last gelegt wird, deren Tatbeftandsmerkmale im Landesrecht festgesetzt sind, gleichgültig, ob die landesrechtliche Norm Gesetz im e. S. ist oder auf Verordnungen beruht, die auf Grund eines Blankettges. erlassen sind. Rasch a. a. O. Siehe Anm. 1. OLG. Königsberg v. 25. März 15, DStZ. 3 S. 267. A. A. GA. 45 S. 293 u. 53 S. 187. Ohne Bedeutung ist eS auch, ob die Revision auf die Verletzung einer Rechtsnorm gestützt wird, welche nicht den Charakter einer Strafvorschrist hat, wie die provinzialrechtlichen Vorschriften über das Töten revierender Hunde. KG. v. 1. Dezb. 10, Recht 15 S. 204. 5) Die Oberstaatsanwälte führen jetzt den Titel Generalstaatsanwalt, die Ersten Staatsanwälte den Titel Oberstaatsanwalt und die Abteilungsvorsteher bei den Staatsanwaltschaften den Titel Erster Staatsanwalt. Siehe AB. v. 3. Juni 20 über die Amtsbezeichnungen der Justizbeamten (JMBl. S. 267). 6) Fassung des Ges. v. 24. Febr. 13 (GS. S. 25). Dalde, Strafrecht.

16. Aufl.

(1922)

41

642

XXIV. Ausführungsgesetz zum GertchtSverfassungSgesetz §§ 63—69.

Besoldungsetat aufgeführte Stelle bekleiden, werden gegen festes Ge­ halt auf Lebenszeit, die übrigen auf Kündigung angestellt. § 63 fl) Staatsanwälte, Gerichtsasselsoren, sofern sie nicht gleich­ zeitig mit richterlichen Geschäften in Strafsachen betraut sind, Referendare und Gerichtsschreiber sind verpflichtet, die Geschäfte des Amtsanwalts zu übernehmen?) § 64-") Vorsteher der Gemeindeverwaltung am Sitze des Amtsgerichtssind verpflichtet, die Geschäfte eines Amtsanwalls zu übernehmen, sofern nicht die örtliche Polizeiverwaltung Königlichen Behörden über­ tragen ist. Wird von der Gemeindebehörde eine andere geeignete Person in Vorschlag gebracht, welche zur Übernahme dieser Geschäfte bereit ist,

so fällt die Verpflichtung des Vorstehers der Gemeindeverwaltung fort. Neben dem Vorsteher der Gemeindeverwaltung ist auf Antrag der Gemeindebehörde eine von dieser vorgeschlagene geeignete Person zum Stellvertreter des Amtsanwalts zu bestellen. Über die Verteilung der Geschäfte entscheidet der Vorsteher der Gemeindeverwaltung. In den Fällen dieses Paragraphen ist vor der Ernennung des Umtsanwalts der Regierungspräsident zu hören. § 65 Die Kosten, welche aus der Führung der Amtsanwaltsgeschäfte erwachsen, fallen in jedem Falle dem Staate zur Last. Die nach § 64 ernannten Amtsanwälte erhallen für ihre persönliche Müh-

waltung und zur Deckung der sächlichen Kosten eine als Pauschquantum festzusetzende Entschädigung. § 66 Im Falle der Verhinderung eines Beamten der Staats­ anwaltschaft ist für Geschäfte, welche keinen Aufschub gestatten, nötigen­ falls von dem Vorstände des Gerichts ein Vertreter zu bestellen. Zur Übernahme einer solchen Vertretung sind die Beamten des

Gerichts, einschließlich der Richter, verpflichtet. § 67 Mit der einstweiligen Wahrnehmung von Geschäften der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten können nur zum Richteramte befähigte Personen beauftragt werden. 10. Titel.

Gerichtsschreibrr.

§ 68. Die Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber werden durch Gesetzt) die Geschäftsverhältnisse derselben durch den Justizminister bestimmt?) 8 69 (fällt fort).«)

7) Geschäftsanweisung für die AmtsanwLite v. 28.Aug.79(JMBl.S.261), AB. v. 16. Dez. 06 (JMBl. S. 561), v. 9. Mai 11 (JMBl. S. 195), v. 18. Febr. 14 (JMBl. S. 195), v. 9. Juli 21 (JMBl. S. 383) und v. 29. Mai 22 (JMBl. S. 202). 8) Siehe Ges. v. 3. März 79 (GS. S. 99). 9) Siehe Gerichtsschreiberordnung v. 5. Juni 13 (JMBl. S. 179).

GerichtSschr. 88 70—72. GerichtSvollz. §§73-76, Justizverwttg. § 77.

643

§ 70- Die Gerichtsschreiber bei den Amtsgerichten sind zuständig, Wechselproteste aufzunehmen, sowie Siegelungen, Entsiegelungen und Inventuren vorzunehmen. Sie sollen sich solchen Geschäften nur auf Anordnung des Richters unterziehen.^)

§ 71. Die Gerichtsschreiber bei den Amtsgerichten sind verpflichtet, in gerichtlichen Angelegenheiten, welche von den Deutschen Prozeßordntlngen nicht betroffen werden, Gesuche zu Protokoll zu nehmen. Das Protokoll ist erforderlichenfalls der zuständigen Stelle zu über­ senden.

§ 72. Die im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln be­ stehenden Bestimmungen, nach welchen den Gerichtsschreibern die Vor­ nahme üon öffentlichen Versteigerungen im Auftrage der Parteien zu­ steht, werden aufgehoben. 11. Titel.

Gerichtsvollzieher.

§ 73. Die Dienst- und Geschäftsverhältnisse der Gerichtsvollzieher werden durch den Justizminister bestimmt.u) § 74. Die Gerichtsvollzieher sind zuständig: 1. Wechselproteste aufzunehmen; 2. freiwillige Versteigerungen von Mobilien, von Früchten aus dem Halm und von Holz auf dem Stamme vorzunehmen; 3. Siegelungen, Entsiegelungen und Inventuren im Auftrage des Gerichts oder des Konkursverwalters vorzunehmen; 4. das tatsächliche Angebot einer Leistung zu beurkunden; 5. öffentliche Verpachtungen an den Meistbietenden im Auftrage des Gerichts vorzunehmen.la) § 76 Die Vorschriften des § 156 des Deutschen Gerichtsver­ fassungsgesetzes finden in den durch die Deutschen Prozeßordnungen nicht betroffenen Angelegenheiten entsprechende Anwendung.

12. Titel.

Justizverwaltung.

§ 77. Die Vorstände der Gerichte und der Staatsanwaltschaften sind nach näherer Bestimmung des Justizministers die Organe des­ selben bei den Geschäften der Justizverwaltung. Sie können bei Er­ ledigung dieser Geschäfte die Mitwirkung der ihrer Aufsicht unter­ stellten Beamten in Anspruch nehmen. 10) Abs. 2 ist aufgehoben durch Ges. v. 21. Sept. 99, stehe vor. Sinnt. 11) Siehe die Gerichtsvollzieherordnung v. 23. März 14 und die Geschäfts­ anweisung f. GB. v. 24. März. 14 (JMBl. S. 289 u. 343). 12) Abs. 2 dieses § ist fortgefallen und Nr. 4 u. 5 in Abs. 1 find eingeschoben durch Ges. v. 21. Septbr. 99 (GS. S. 249) Art. 130.

644

XXIV. Ausführungsgesetz zum GerichtSverfaffungSgesetz §§ 78—82.

$ 78. Das Recht der Aufsicht steht zu: 1. dem Justizminister hinsichtlich sämtlicher Gerichte und Staats­ anwaltschaften ; 2. dem Präsidenten des Oberlandesgerichts hinsichtlich dieses Ge­ richts, sowie der Gerichte des Bezirks; 3. dem Präsidenten des Landgerichts hinsichtlich dieses Gerichts, sowie der Gerichte des Bezirks; 4. dem Oberstaatsanwalt und dem Ersten Staatsanwalt hinsichtlich der Staatsanwaltschaften ihres Bezirks; 6. dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei einem Amts­ gerichte hinsichtlich dieser Staatsanwaltschaft. Das Recht der Aufsicht erstreckt sich auf alle bei den bezeichneten Behörden angestellten oder beschäftigten Beamten. $ 79- Bei den nur mit einem Richter besetzten Amtsgerichten steht dem Amtsrichter die Aufsicht über die bei dem Amtsgerichte an­ gestellten oder beschäftigten Beamten zu. Bei den mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten ist die Aufsicht über die bei denselben angestellten oder beschäftigten nicht richterlichen Beamten durch den Justizminister einem der Richter zu übertragen. 6 80- In dem Recht der Aussicht liegt die Befugnis, gegenüber nicht richterlichen Beamten die ordnungswidrige Ausführung eines Amtsgeschäfts zu rügen und die Erledigung eines Amtsgeschäfts durch Ordnungsstrafen bis zum Gesamtbeträge von einhundert Mark zu erzwingen. Der Festsetzung einer Strafe muß die Androhung der­ selben vorausgehen. Ob und in welchem Umfange gleichartige Befugnisse gegenüber richterlichen Beamten zur Anwendung gelangen, bleibt der Bestimmung

des Disziplinargesetzes Vorbehalten. § 81.

Die im § 80 bezeichnete Befugnis steht ferner zu:

1. den Staatsanwaltschaften bei den Oberlandesgerichten und bei den Landgerichten hinsichtlich derjenigen Beamten des Polizeiund Sicherheitsdienstes, welche Hilfsbeamte der Staatsanwalt­ schaft sind, mit Ausnahme solcher Beamten, welche ihr Amt als Ehrenamt versehen; 2. den in Gemäßheit des § 73 zu bestimmenden Beamten hin­ sichtlich der Gerichtsvollzieher. § 88Die Bestimmungen, nach welchen Gerichtsbeamte zum Ersatz von Schäden und Kosten im Aufsichtswege angehalten werden

können, werden aufgehoben. Die Vorschriften über die Feststellung und den Ersatz der Kassendefekte bleiben unberührt.

Zstlftizverwltg. §§ 83—86.

Rechtshilfe § 87.

Öffentlichkeit §§ 88, 89.

646

8 83 Sofern die Aufsicht über besondere Gerichte bisher nicht der Justizverwaltung oder nicht ausschließlich der Justizverwaltung zustand, bleiben die das Recht der Aufsicht betreffenden Vorschriften unberührt. 8 84 Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, auf Verlangen der Aufsichtsbehörden über Angelegenheiten der Gesetz­ gebung und der Justizverwaltung Gutachten abzugeben. 8 85 Beschwerden, welche Angelegenheiten der Justizverwaltung, insbesondere den Geschäftsbetrieb und Verzögerungen betreffen, werden im Aufsichtswege erledigt. 8 86 ist aufgehoben durch das Ges. betreffend die Vertretung des FiSkuS in bürgerlichen Recht-streitigkeiten der Justizverwaltung v. 14. März 85 (GS. S. 65). “)

Später hat derselbe folgende Fassung erhalten:")

Sachverständige für gerichtliche Angelegenheiten im allgemeinen zu beeidigen, ist Sache der Justizverwaltung.") Das gleiche gilt für die Ausstellung von Zeugnissen über das in Preußen gellende Recht. 13. Ettel.

Rechtshilfe.

8 87 betrifft die nicht streitige Gerichtsbarkeit.

14. Ettel.

Öffentlichkeit uv- Lihungspolhei.

8 88 betrifft die nicht streitige Gerichtsbarkeit.

8 89 *) Richter, Staatsanwälte, auf Lebenszeit angesteltte Amts­ anwälte und Gerichtsschreiber tragen in den öffentlichen Sitzungen eine von dem Justizminister zu bestimmende Amtsiracht. Dieselbe Vor­ schrift findet Anwendung auf die in den öffentlichen Sitzungen der Oberlandesgerich le und Landgerichte auftretenden Rechtsanwälte.") Die auf Kündigung angestellten Amtsanwälle sind befugt, die für die Amtsanwälte bestimmte Amistracht zu tragen. Die Titel 15-17 betreffen die nicht streitige Gerichtsbarkeit rc.

13) Auf Grund dieses Ges. ist die Vertretung des JuftizfiSkuS durch die AB. v. 23. März 85 (JMBl. S. 119) u. 22. Dezbr. 86 (JMBl. S. 340) ge­ regelt worden. Siehe dazu auch AB. v. 19. Jan. 98 (JMBl. S. 29), betr. die Vertretung des JustizfiSkuS im Berwaltungsstreiwerfahren. 14) Durch preuß. Ges. über die sreiw. GerichtSb. v. 21. Septbr. 99 (GS. S. 249) Art. 130 Nr. X. 15) Auf Grnnd dieser Bestimmung ist nun das Verfahren betr. die all­ gemeine Beeidigung von Sachverständigen durch die Av. v. 5. Febr. 1900 (JMBl. S. 48) geregelt worden. 16) Siehe die AO. v. 4. u. Av. v. 12. Juli 79 (JMBl. S. 172). Nach d. A«. v. 17. März 13 (JMBl. S. 99) haben auch die AmtSanwälte AmtStracht anzulegen. Protokollführer dürfen bis auf weitere- dunklen Anzug mit schwarzer Halsbinde tragen. AV. v. 18. Jan. 22 (JMBl. S. 24).

XXV. Einsiihrungsgeseh zur Ltrafprozeßordmng. Bom 1. Februar 1877. (RGBl. 1877 S. 346.)

g 1. Die Strafprozeßordnung tritt im ganzen Umfange des Reichs gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungsgesetze in Krafts) 8 2- Die erforderlichen Anordnungen, um die Jahreslisten der Schöffen und der Geschworenen bis zum Tage des Inkrafttretens der Strafprozeßordnung nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungs­ gesetzes herzustellen, insbesondere die Bezeichnung der Behörden, welche hierbei die den Amtsrichtern und den Landgerichten zuge­ wiesenen Geschäfte wahrzunehmen haben, erfolgen durch die Landes­ justizverwaltung?) Dieselbe kann den Zeitraum, für welchen die in dieser Weise hergestellten Listen Geltung haben sollen, abweichend von dem Gerichtsverfassungsgesetze, jedoch nicht über das zweite Geschäfts­ jahrs) bestimmen. t & Die Strafprozeßordnung findet auf alle Strafsachen An­ wendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. Insoweit die Gerichtsbarkeit in Strafsachen, für welche besondere Gerichtes zugelassen sind, vurch die Landesgesetzgebung den ordent­ lichen Gerichten übertragen wird, kann diese ein abweichendes Ver­ fahren gestatten. Die Landesgesetze können anordnen, daß Forst- und Feldrüge­ sachen durch die Amtsgerichte in einem besonderen Verfahren, sowie ohne Zuziehung von Schöffen verhandelt und entschieden werden?) 8 4. In Ansehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie 1) Ist mit dem 1. Oktbr. 79 geschehen; in Helgoland am 8. April 1891 nach der Verordnung v. 22. März 1891 (RGBl. S. 22). 2) Siehe AB. v. 22. Juli 79 betr. die Vorbereitung zur Bildung der Schwur- und Schöffengerichte (JMBl. S. 195). 3) Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Berf. v. 28. Juli 79 (JMBl. S. 209). 4) Siehe Anm. 1 zu 8 1 der StPO. 5) GS können für dieses besondere Verfahren in Forst- und Feldrügesachen insbesondere abweichende Bestimmungen über die Beeidigung der Zeugen ge­ troffen werden. Vgl. §§ 23 ff. Forftdiebst.-Ges. v. 15. April 78.

XXV. EmfÜhrungSgesetz zur Strafprozeßordnung 88 8—7.

647

Hohenzollern finden die Bestimmungen der Strafprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als. nicht besondere Borschriften der HauSverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthaltend) Das gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hanno­ verschen Königshauses, be3 vormaligen Kurhessischen und des vor­ maligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses.

8 5 Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt. Wird in den Fällen des 8 ioi der Seemannsorduung') gegen den Bescheid des Seemannsamtes auf gerichtliche Entscheidung angetragen, so finden auf das weitere Verfahren die 8§ 455—458 der Strafprozeß­ ordnung entsprechende Anwendung.

8 6 Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze treten für alle Strafsachen, deren Entscheidung in Gemäßheit des tz 3 nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zu erfolgen hat, außer Kraft, insoweit nicht in der Strafprozeßordnung auf sie verwiesen ist?) Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Bestimmungen: 1. über die Voraussetzungen, unter welchen gegen Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung während der Dauer einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;') 2. über da» Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über da» Verein»- und Versammlung-recht

3. über das Verfahren im Verwaltungswege bei Übertretungenwegen deren die Polizeibehörden zum Erlaß einer Strafverfügung befugt sind, und bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, insoweit^ nicht die

88 453, 454, 455 und 459—463 der Strafprozeßordnung abändernde Bestimmungen treffend)

8 7. Gesetz im Sinne der Strafprozeßordnung und dieses Ge­ setzes ist jede Rechtsnorm.

6) Die Vorschrift über die landesherrlichen Familien ist auch nach der Revolution noch in Geltung geblieben. Löwe 1 a. 7) Jetzt § 122 Seem.Ordn. v. 2. Juni 02 (RGBl. S. 175). 8) Vgl. z. B. 88 64, 73 Abs. 2, 288, 453, 459 StPO. 9) Vgl. Art. 37 Reichsverf. v. 11. Aug. 19 (RGBl. S. 1383). — Art. 37 hindert aber nur die Einleitung eines neuen Strafverfahrens. Der Fortsetzung eines bereits vor dem Zusammentritt des Reichstages begonnenen Strafver­ fahrens während der Sitzungsperiode steht er nicht entgegen. Erk. v. 11. Aug. 20, Recht 24 Nr. 3547. 10) Ausgehoben durch § 23 deS BereinsgesetzeS v. 19. April 08. 11) Hiermit sind nur die Vorschriften über daS Verfahren im Verwaltungs­ wege aufrecht erhalten; § 14 des Ges. v. 24. Mai 61 ist beseitigt. Erk. v. 24» April 83, R. 5 S. 277.

648

XXV. riuführungsgesep zur Strafprozeßordnung §§ 8—12.

$ 8.

Irr den am Tage des Inkrafttreten- der Strafprozeßord­

nung anhängigen Strafsachen sind für das weitere Verfahren die

Vorschriften der Strafprozeßordnung maßgebend. Die Landesgesetzgebung kann die zur Überleitung des Verfahrens erforderlichen Be­

stimmungen treffen. War jedoch vor dem Tage des Inkrafttretens der Strafprozeß­ ordnung ein Endurteil erster Instanz ergangen, so finden auf die

Erledigung der Sache bis zur rechtskräftigen Entscheidung die bis­

herigen Prozeßgesetze Anwendung. ß 9.

Wird ein vor dem Tage des Inkrafttretens der Straf­

prozeßordnung ergangenes Endurteil erster Instanz in der höheren Instanz aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung in

die erste Instanz zurückgewiesen, so regelt sich das weitere Verfahren «ach den Vorschriften der Strafprozeßordnung.

$ 10.

Für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Ur­

teil geschlossenen Verfahrens sind die Vorschriften der Strafprozeß­

ordnung auch damr maßgebend, wenn das Urteil vor dem Tage des Inkrafttretens der Strafprozeßordnung erlassen oder rechtskräftig geworden war. S 11. Die Verfolgung von Beleidigungen und Körperverletzungen

findet nur nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung statt.

Insoweit diese Verfolgung nach der Gesetzgebung eines Bundes­

staates im Wege des Zivilprozesses stattfand, richtet sich die Erledigung eines anhängigen Verfahrens nach den Vorschriften des Einführungs­ gesetzes zur Zivilprozeßordnung.

8 19

Auf die Strafvollstreckung finden die Vorschriften der

Strafprozeßordnung") Anwendung, auch wenn die Strafe nach den bisherigen Vorschriften über das Strafverfahren erkannt ist.

XXVI. Strafprozeßordnung. Bom 1. Februar 1877. (RGBl. 1877 S. 858.)

L Such. Allgemeine Srstimmungen. 1. Abschnitt. Sachliche Juftau-igkett -er Gerichte. 8 1 Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt. 82- Zusammenhängende Strafsachen, welche einzeln zur Zu­ ständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung gehören würden, können verbunden bei demjenigen Gericht anhängig gemacht werden, welchem die höhere Zuständigkeit beiwohnt. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann durch Beschluß dieses Gerichts die Trennung der verbundenen Strafsachen angeordnet werdend) 8 3. Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt wird, oder wenn bei einer strafbaren Handlung mehrere Personen als Täter, Teilnehmer, Be­ günstiger oder Hehler beschuldigt werden?) 1) Sowohl für die Verbindung von Strafsachen, als für die Trennung der verbundenen Strafsachen ist lediglich die Zweckmäßigkeit maßgebend. Bei einem Kollektivdelikt ist eine getrennte Verhandlung der einzelnen Fülle nicht statthaft. Erk. v. 21. Ottbr. 98, E. 31 S. 286. Eine Beschwerde gegen den die Trennung anordnenden Beschluß ist nicht ausgeschloffen. Löwe Anm. 9. Über die Tren­

nung verbundener, an sich vor verschiedene Gerichte gleicher Ordnung gehöriger Sachen, wenn die Verbindung vor Erhebung der Anklage erfolgt ist, stehe Erk. v. 6. Juni 98, E. 31 S. 171. Auch in der Hauptverhandlung kann die Trennung wie die Verbindung beschloffen werden. Erk. v. 2. Febr. 88, GA. 36 S. 168. . 2) Ane Vereinigung von Straffällen in anderen, als in den im 8 3 be­ zeichneten Füllen, ist unzulässig. Die im § 236 gestattete gleichzeitige Verhand­ lung mehrerer Straffülle ist lediglich eine formale und hat auf die Zuständigkeit des Gerichts keinen Anfluß. Der durch die Mitwirkung mehrerer Täter begrün­ dete Zusammenhang erfordert Anheit der Sttaftat, die nicht ersetzt wird durch die Gleichartigkeit der strafbaren Handlungen. Erk. v. 4. Rovbr. 07, GA. 55 S. 109 u. Erk. v. 2. Jan. 09, E. 42 S. 133,

660

XXVI. Strafprozeßordnung 9§ 4—7.

6 4. Tine Verbindung zusammenhängender oder eine Trennung verbundener Strafsachen kann auch nach Eröffnung der Untersuchung auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten oder von Amts wegen durch gerichtlichen Beschluß angeordnet werden?) Zuständig für den Beschluß ist vasjenige Gericht, zu dessen Bezirk die übrigen Gerichte gehören. In Ermangelung eines hiernach zu­ ständigen Gerichts erfolgt die Beschlußfassung durch das gemeinschaft­ liche obere Gericht. § 5. Für die Dauer der Verbindung ist der Straffall, welcher zur Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung gehört, für das Ver­ fahren maßgebend. 8 6 Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen?) r. Abschnitt.

Gerichtsstand.

§ 7. Der Gerichtsstand ist bet demjenigen Gerichte begründet, in dessen Bezirk die strafbare Handlung begangen Ist.B) 3) Daß die zu verbindenden Strafsachen sich in der gleichen Prozeßlage be­ finden, ist kein Erfordernis für die Verbindung. Erk. v. 30. Dezbr. 89, S. 20 S. 161 u. Erk. v. 28. Jan. 14, E. 48 S. 119. Der Verbindung steht nicht entgegen, daß einem Angekl. durch die Verbindung Beweismittel (Zeugen) ver­ loren gehen. Erk. v. 7. Mai 97, GA. 45 S. 262. Ein wegen Hehlerei Ange­ klagter hat keinen Anspruch darauf, daß sich das Verfahren auch gegen den Haupt­ täter richte. Erk. v. 20. Juni 19, E. 54 S. 107. 4) Jnsbes. auch noch in der Hauptverh. Erk. v. 9. Juli 88, E. 18 S. 51. 5) Als Ort der Tat kommt jeder Ort in Betracht, an dem irgendein Teil deS gesetzt. Tatbestandes verwirklicht wird. Erk. v. 17. Febr. 14, 6.48 S. 141. Wird eine strafb. Handlung durch Zusendung eines Briefes begangen, so ist als Ort der begangenen Tat sowohl der Ort der Absendung als der Ort des Emp­ fanges anzusehen. Lucas, Anl. z. strafrechtl. Praxis I S. 31. Gehören zum Tatbestände mehrere Handl., die an verschiedenen Orten vorgenommen sind, so ist jedes Gericht zuständig, in deffen Bezirk die Handlung begangen ist. Erk. d. 25. Jan. 87, E. 15 S. 232. Ane Urkundenfälschung ist sowohl da begangen, wo die Fälschung vorgenommen ist, als auch da, wo von der gefälschten Urkunde Gebrauch gemacht ist. OlShausen Anm. 4b zu 8 3. Bei Beihilfe ist das Gericht des OrtS der Haupttat als auch das deS Orts der Hilfeleistung zuständig. Ist die Beihilfe zu einer im Inlands begangenen Straftat im Auslands be­ gangen, so ist sie doch alS auch im Jnlande begangen zu erachtet Erk. d. 22. Okt. 05, JurW. 34 S. 757. Bei dem obj. Verfahren (§ 477) der StPO, richtet die Zuständigkeit des Gerichts sich nach dem Orte, an welchem die obj. strafbare Handl, begangen ist. Erk. v. 28. Jan. 87, E. 15 S. 235. Ist die straf­ bare Handl, im AuSlande begangen, so hat auch bei dem obj. Strafverfahren daS ReichSger. das zuständige Gericht zu bestimmen. Beschl. v. 28. April 67, R. 9 S. 290. Ane strafbare Handlung ist im Jnlande begangen, wenn die Tätigkeit auch nur zum Teil hier erfolgt und der Erfolg im AuSlande zur Erscheinung gekommen ist. Srk. v. 19. Mai 84, E. 10 6. 420.

Gerichtsstand §§ 8, 9.

€51

Wird der Tatbestand der strafbaren Handlung durch den Inhalt einer im Inland erschienenen Druckschrift begründet,') so ist als das nach Abs. 1 zuständige Gericht nur dasjenige Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 8 Der Gerichtsstand ist auch bei demjenigen Gerichte begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klaget seinen Wohnsitz hat.') Hat der Angeschuldigte einen Wohnsitz im Deutschen Reich nicht, so wird der Gerichtsstand auch durch den gewöhnlichen Aufenthaltsort ')und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt.

§ 9. Wenn*die strafbare Handlung im Auslande") begangen und ein Gerichtsstand in Gemäßheit des § 8 nicht begründet ist, so ist dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ergreifunger6) Dieser Gerichtsstand ist auch dann gegeben, wenn zum Tatbestände die Ankündigung und Anpreisung dem Publikum gegenüber gehört. Erk. v. 29. Okbr. 07, E. 40 S. 354. Die Bestimmung des Abs. 2 bezieht sich nicht auf die Preßpolizeidelikte. Birkmeyer, DIZ. 6 S. 183, auch nicht auf Nachdrucksachen, denn der Inhalt des Nachdrucks ist an sich straffrei. DIZ. 8 S. 550. Der Gerichtsstand ist nur unter der Voraussetzung begründet, daß die Handlung auch an dem Orte des Erscheinens der Druckschrift mit Strafe bedroht ist. Erk. v. 25. Mai 03, E. 36 S. 257. Begangen aber ist die Straftat nicht nur da, wo die Druckschrift der Post Übergeben, sondern auch da, wo sie durch Bermittelung der Post in die Hände des Adressaten gelangt. Erk. v. 8. Dezbr. 03, E. 37 S. 19. 7) Der Wohnsitz z. Z. der Tat ist unerheblich. 8) Nur der freiwillige Wohnsitz, besten Begriff sich übrigens nach dem be­ treffenden Zivilrecht bestimmt, ist maßgebend. Gegen einen Angehörigen der Reichswehrmacht ist ein Gerichtsstand nach Art. II § 5 Ges. betr. Aufheb. d. MStGB. v. 17. August 20 auch da begründet, in dessen Bezirk sich der Stand­ ort deS Truppenteils befindet. 9) Über den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltsorts vgl. § 10 deS Ges. über den Unterstützungswohnsitz v. 30. Mai 08 (RGBl. 381). 10) Ausland ist jedes nicht zum D. Reiche gehörige Gebiet, § 8 StGB. Die Frage, ob Küstengewüster als Staatsgebiet zu betrachten sind, ist zweifelhaft. Erk. v. 11. Juli 21, E. 56 S. 135. • 11) Ergreifung ist die erste durch einen dazu berufenen Beamten (im Falle des'8 127 Abs. 1 auch die durch eine andere Person) zum Zweck der Strafver­

folgung bewirtte Festnahme einer Person. Eine gerichtliche Verhaftung ist nicht erforderlich, — Der durch die Ergreifung begründete Gerichtsstand wird durch die Flucht oder die gegen Sicherheitsleistung erfolgte Entlastung deS Ergriffenen nicht wieder aufgehoben. Es ist nicht notwendig, daß die Ergreifung gerade cmS Anlaß der letzten Tat erfolgte. Srk. v. 2. Jan. 82,JR. 4 774. Die Zurücknahme seitens des StA. ist noch möglich, nachdem der Angekl. seine Erklärung abgegeben hat. Erk. v. 28. Juni 04, E. 37 S. 421. 55 a) Verzichten einige A. auf Mitwirkung bei der Ablehnung, so wachsen die hierdurch freiwerdenden Ablehnungen den übrigen A. zu. Erk. v. 10. März 22, Recht 26 Nr. 1035.

766

XXVI, Strafprozeßordnung 88 285—288.

Ablehnungen, welche sich nicht gleichmäßig verteilen lassen, sowie über die Reihenfolge der Erklärungen entscheidet das Los.

§ 285.

Ist die Zuziehung von Ergänzungsgeschworenen ange­

ordnet worden, so vermindert sich die Zahl der zulässigen Ablehnungen

um die Zahl der Ergänzungsgeschworenen.66) Sind mehrere Ergäuzungsgeschworene zugezogen worden, so treten

sie in der Reihenfolge der Auslosung ein.56 57)58 59

§ 286.

Stehen an demselben Tage mehrere Verhandlungen an,

so verbleibt die für eine derselben gebildete Geschworenenbank für die

folgende Verhandlung oder für mehrere folgende Verhandlungen,M) wenn die dabei beteiligten Angeklagten und die Staatsanwaltschaft

sich damit vor der Beeidigung der Geschworenen einverstanden erklärt haben. 5Ö) § 287.

Muß nach Unterbrechung einer Hauptverhandlung mit

dem Verfahren vytr neuem begonnen werden, so ist auch die Ge­ schworenenbank von neuem zu bilden. 8 288.

Nach Bildung der Geschworenenbank werden die Ge­

schworenen in Gegenwart der Angeklagten, über welche sie richten

sollen, beeidigt. Die Beeidigung erfolgt in öffentlicher Sitzung.

Der Vorsitzende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: „Sie schwören bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, in der Anklagesache (den. Anklagesachen) wider N. N. die Pflichten

eines Geschworenen getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben." 56) Hat der Vorsitzende erklärt, das er Ergänzungsgeschworene auslosen wolle, so kann er diese Anordnung nach Vollendung der Auslosung nicht mehr zurücknehmen. Erk. v. 27. Mai 06, E. 14 S. 206. Nach Beginn der Auslosung kann die Zuziehung von Ergänzungsgeschworenen nicht mehr mit der Wirkung ausgeübt werden, daß dadurch die Zahl der Ablehnungen verringert wird. Die Zustimmung der Prozeßbeteiligten ist unerheblich. Erk. v. 21. Juni 94, E. 26 S. 1. Erk. v. 7. Septbr. 01, E. 34 S. 335.

57) Der Bors, kann den Eintritt des Ergänzungsgeschworenen anordnen, wenn keiner der Beteiligten widerspricht. Erk. v. 9. Mai 05, E. 38 S. 43. Über die Anwesenheit des Ergänzungsgeschworcnen im Beratungsziwmer siehe Anm. 84 zu 8 303. 58) Nicht ist erforderlich, daß die ursprüngliche Bildung der GeschwBank gerade für die zuerst anstehende Sache geschieht. Erk. v. 11. Apr. 06, GA. 53 S.^77. Bei der Verhandlung über Beibehaltung der für eine andere Sache gebildeten Geschworenenbank ist die Anwesenheit des Verteidigers notwendig. Erk. v. 5. Jan. 89, E. 18 S. 361.

59) Dagegen ist ein Wechsel der richterlichen Mitglieder nicht ausgeschloffen. Erk. v. 19 Jan. 97, E. 29 S. 338.

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten §§ 289—291.

767

Die Geschworenen leisten den Eid, indem jeder einzeln die Worte spricht:

„ich schwöre eS, so wahr mir Gott helfe." Der

Schwörende

soll

bei der

Eidesleistung

die

rechte

Hand

erheben.

Ist ein Geschworener Mitglied einer Religionsgesellschast, welcher da- Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des

Eide- gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Beteuerungsformel dieser Religionsgesellschast der Eidesleistung gleich­

geachtet. § 289.

Nach der Beeidigung der Geschworenen erfolgt die Ver­

handlung in der Sache selbst?2») Die den Geschworenen zur Beantwortung vorzulegenden

§ 290.

Fragen werden von dem Vorsitzenden entworfen?2")

Nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme werden die entworfenen Fragen verlesen.60 * *)61 * * Der * Vorsitzende kann sie den Geschworenen, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten in Abschrift mitteilen und soll einem hierauf gerichteten Anträge entsprechen.

Auf Verlangen der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten oder

eines der Geschworenen ist behufs Prüfung der Fragen die Verhand­ lung auf kurze Zett zu unterbrechen.

§ 291.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, sowie jeder

Geschworene ist befugt, auf Mängel in der Fragestellung aufmerksam

zu machen, sowie auf Abänderung und Ergänzung der Fragen anzutragen.br)

Das Gericht stellt, wenn Einwendungen erhoben oder Anträge

angebracht werden, oder wenn einer der Richter es verlangt, die Fragen fest62)

Die festgestellten Fragen sind zu verlesen.

59 a) Der Vorsitzende des Schwurgerichts darf an die Vernehmung des Angell, über seine persönlichen Verhältnisse eine Erläuterung des Eröffnungsbeschlusses knüpfen. Erk. v. 28. Jan. 07, Recht 11 S. 323. 59 b) Der Entwurf der Fragen kann auf Grund einer Beratung des Ge­ richts hergestellt werden. Erk. v. 23. Febr. 05, Recht 9 S. 171. 60) Die Verlesung ist unerläßlich und wird durch keine andere Att der Mitteilung ersetzt. Erk. v. 17. Jan. 84, R. 6 S. 440. Hat nach erfolgter Ver­ lesung eine Wiedereröffnung der Beweisaufnahme stattgefunden, so brauchen, wenn diese beendet, die Fragen nicht nochmals verlesen zu werden. Erk. v. 9. Ottbr. 91, E. 22 S. 138. Vgl. auch Erk. v. 23. Novbr. 82, E. 7 S. 284. Hat aber eine Abänderung der verlesenen Fragen stattgefunden, so müssen die veränderten Fragen nochmals verlesen und den Prozeßparteien auch nochmals daS Wort gestattet werden. Erk. v. 14. April 93, E. 24 S. 102 u. GA. 41 S. 43 u. Erk. v. 20. Dezbr. 94, E. 26 S. 336. 61) Tine Änderung oder Ergänzung der Fragen ist solange zulässig, bis der Obmann mit der Verkündung eines fehlerfreien Spruchs begonnen hat. Erk. v. 10. Juli 11, E. 45 S. 132.

768

XXVI. Strafprozeßordnung § 292.

§ 292. Die Fragen sind so zu stellen, daß sie mit Ja oder mit Nein sich beantworten lassen.62 63)64 65 Wenn eine nachfolgende Frage nur für den Fall zu beantworten ist, daß eine vorausgehende in einem gewissen Sinne erledigt werde, so ist dies bemerklich zu machen. Bei einer Mehrzahl von Angeklagten oder von strafbaren Hand­ lungen müssen die Fragen für jeden Angeklagten und für jede straf­ bare Handlung besonders gestellt werden.^) 62) Die Ablehnung eines Antrages auf bloße Abänderung der Fassung der Fragen braucht nicht besonders begründet zu werden. Erk. v. 28. Febr. 95 E. 27 S. 66. 63) Alternative Fragen sind zulässig, sofern daS Gericht sich mit einer ein­ fachen Bejahung begnügen, die in der Frage liegende Unbestimmtheit auch in der Antwort und folgeweise auch im Urteil bestehen bleiben darf. Erk. v. 11. Aug. 02, E. 35 S. 357. S'khe auch Anm. 24 g zu § 266. 64) a. Die Bestimmung des Abs. 3, daß besondere Fragen gestellt und beantwortet werden müssen, findet auch dann Anwendung, wenn die Verneinung der Schuld des einen folgerichtig zur Verneinung der Schuld der übrigen An­ geklagten führen muß. Erk. v. 10. Qttbr. 93, E. 24 S. 302. b. Die Vorschrift des Abs. 3 erstreckt sich nicht bloß auf die Haupt-, sondern auch auf die Hilfs- und Nebenfragen. Erk. v. 25. Aug. 80, E. 2 S. 227. c. Die Zusammenfassung zweier in realer Konkurrenz zur Anklage gestellter Verbrechen in einer Frage führt zur Aufhebung des Urteils. Erk. v. 15. Dezbr. 80, R. 2 S. 638. , d. Ebenso ist eine Fragestellung, ob der Angekl. die Straftat wiederholt durch mehrere selbständige Handlungen verübt habe, unzulässig. Erk. v. 28. Jan. 82, R. 4 S. 86. Siehe dazu auch Erk. v. 30. März 83, R. 5 S. 203. Siehe hierüber Erk. v. 22. Jan. 97, E. 29 S. 327. e. Bei der Anstiftung genügt es nicht, zu fragen, ob der Haupttäter, von dem Anstifter bestimmt sei, sondern es muß festgestellt werden, ob derselbe die Tat auch wirklich infolge der Anstiftung verübt hat. Erk. v. 15. Jan. 86, E. 13 S. 234. Ebenso Erk. v. 15. Febr. 87, R. 9 S. 137. Es ist die Frage zulässig, ob der Angeklagte den einen Täter oder die mehreren Mittäter derselben einen Straftat angestiftet hat. Erk. v. 27. Novbr. 02, E. 36 S. 18 u. Erk. v. 21. Juni 04, E. 37 S. 215. f. Es ist im Falle der Jdealkonkurrenz auch nicht unbedingt nötig, in der Frage die Einheitlichkeit der Handlung durch einen besonderen Zusatz kenntlich zu machen, es genügt, daß die Einheitlichkeit klar zum Ausdrucke kommt. g. Die Frage nach mildernden Umständen ist auch dann zu stellen, wenn sie nur bei einem Delikte zulässig sind, es muß aber aus der Frage erhellen, bei welchem. Erk. v. 13. Mai 92, GA. 40 S. 146. Es ist zulässig, die Fragestellung von vornherein auf Beihilfe zu einer der strafbaren Handlungen zu beschränken. Erk. v. 31. März 11, E. 44 S. 409. 65) Die Geschworenen haben nicht mehr bloß über das Wahr oder.Nicht­ wahr von Tatsachen zu urteilen, sondern sie haben über die Schuldfrage in vollem Umfange zu urteilen, und also auch die rechtlichen Merkmale des Ver­ brechens festzustellen. Erk. v. 2. Novbr. 80, R. 2 S. 431. Ebenda ®.; 550. Erk. v. 17. März 82, E. 6 S. 94. Die Fortlassung der Eingangsworte „Ist der A. schuldig?" führt zur Aufhebung des Urteils. Erk. v. 19. März 08, E.

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten § 293.

769

§ 293. Die Hauptfrage beginnt mit den Worten: „Ist der An­ geklagte schuldig?" 6Ö) Sie muß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat") nach ihren gesetzlichen Merkmalen6?) und unter Hervorhebung der zu ihrer Unterscheidung erforderlichen Umstände bezeichnen.68) 41 S. 186. — Über Strafausschließungsgründe dürfen Fragen nicht gestellt werden, denn über diese erkennen die Geschworenen mit der Hauptfrage. Erk. v» 27. Juni 81, E. 4 S. 400. Siehe bezüglich der Notwehr: Erk. v. 1. Dezbr. 84, R. 6 S. 773. — Es dürfen deshalb auch nicht andere tatsächliche Umstände in die Frage ausgenommen werden, durch deren Bejahung die Strafbarkeit der Tat ausgeschlossen werden würde. Erk. v. 28. Febr. 95, E. 27 S. 66. Erk. v. 10. Novbr. 21, E. 56 S. 221. Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Amnestie vorliegen, ist keine Schuldfrage. Erk. v. 2. Juli 21, E. 56 S. 106. Siehe Anm. 70 Abs. 1. 66) Die Bezeichnung des Tatorts ist nur dann notwendig, wenn ohne^ sie die strafrechtliche Verfolgbarkeit der Tat in Zweifel gestellt wird. Erk. v. 18. Mai 11, Recht 15 Nr. 2410. Die Aufnahme einzelner konkreter Umstände in die Frage an Stelle der gesetzlichen Merkmale ist unstatthaft. Erk. v. 1. Juli 85, R. 7 S. 447. So ist es unstatthaft, in einer Frage wegen Meineides durch Aufnahme einzelner an­ geblich falsch beschworener Tatsachen die Entscheidung der Geschworenen zu be­ schränken. Erk. v. 7. Oktbr. 95, E. 27 S. 369. Siehe auch Erk. v. 23. Mai 06, GA 53 S. 287. 67) Bezüglich der Fragestellung in einzelnen Fällen sind folgende Ent­ scheidungen ergangen: a. Über die Fragestellüng, wenn die Tat-im Auslande begangen ist. Erk. v. 30. Apr. 98, E. 31 S. 122 u. v. 18. Juni 08, Recht 12 Nr. 2524 u. v. 21. Sept. 08, E. 39 S. 136. b. Bei dem Versuch. Erk. v. 11. Mai 81, R. 3 S. 292. Die Frage muß die gesetzlichen Merkmale des Versuchs enthalten. c. Bei der Mittäterschaft ist die Frage „mit einem anderen handelnd" nicht genügend. Erk. v. 8. Juli 10, GA. 58 S. 197. Statt „gemeinschaftlich" darf nicht gesagt werden „in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken". Erk v. 15. Dezbr. 21, LZ. 16 S. 168. d. Bei der Anstiftung muß die Frage bahin gehen, ob der Haupttäter infolge der Anstiftung auch die Tat verübt hat. Siehe Anm. 64 e. Ferner muß die Frage mindestens eines der im Gesetze angeführten Mittel der Anstiftung mit dem Zusatz der Generalklausel „oder durch andere Mittel" enthalten. Erk. v. 10. Jan. 87, R. 9 S. 25, Erk. v. 19. Jan. 88, GA.' 36 S. 162. Dagegen braucht der Name des Angestifteten nicht genannt und die Person desselben nicht näher bezeichnet zu werden. Erk. v. 11. Juli 90, GA 38 S. 345. Erk. v. 12. Okt. 05, JurW. 34 S. 760. Auch bei Nebentäterschaft ist Anstiftung mög­ lich. Erk. v. 21. Aug. 20, E. 55 S. 78. Wegen Fragestellung bei gemeinschaftlich ausgeführter Anstiftung stehe Erk. v. 7. Dezbr. 85, E. 13 S. 121.

e. Bei der Beihilfe muß aus der Frage hervorgehen, daß die Tat, zu welcher sie geleistet, auch wirklich begangen ist. Erk. v. 15. Febr. 87, R. 9 S. 137. Nach Erk. v. 5. Febr. 03, Recht 7 S. 134 muß es heißen „zur Begehung" der vom Täter verübten Tat. Auch ist der Zusatz notwendig, daß die Beihilfe durch Rat oder Tat geleistet ist. Erk. v. 22. März 20, DIZ. 25 S. 719. Dalcke, Strafrecht, iß. Aust. (1922). 49

770

XXVI. Strafprozeßordnung § 293.

Im Falle des g 49 a StGB, sind die Berbrechen, zu dem sich der A. er­ boten Hat, näher zu bezeichnen. Erk. v. 9. Septbr. 13, GA. 61 S. 336. f. Über die Fragestellung beim fortgesetzten Berbrechen siehe Erk. v. 28. Nov. 87, R. 9 S. 672 und auch Sinnt. 70 b. Eine Aufzählung der zu einer rechtlichen Einheit zusammengefaßten Einzelhandlungen ist nicht notwendig. Erk. v. 25. Febr. 18, E. 51 S. 420. — Faßt ein Strafgesetz mehrere für gleichwertig erachtete Begehungsarten zusammen, so braucht den Geschworenen nicht mehr als eine Alternative zur Beantwortung vorgelegt zu werden. Erk. v. 7. Febr. 98, GA. 46 S. 126. g. Die Frage auS § 115 Abs. 1 StGB, kann die Tatbestände der §§ 113 u. 114 wahlweise nebeneinander enthalten. Erk. v. 3. Mai 20, E. 54 S. 323. h. Bei der Fragestellung wegen Widerstandes auS § 117 des StGB. ist das Latbestandsmerkmal der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung nicht in die Frage aufzunehmen. Erk. v. 22. Dezbr. 81, R. 3 S. 819. i. Eine alternative Fragestellung aus § 132 StGB, ist unzulässig. Erk. v. 13. Septbr. 21, JurW. 50 S. 1603. k. Bei der Fragestellung aus § 139 StGB, braucht die Frage nur das Tatbestandsmerkmal zu enthalten, ob die Anzeige an die Behörde erstattet wurde, wenn das Berbrechen sich nickt ausschließlich gegen die Person richtet. Erk. v. 7. Ottbr. 12, DIZ. 18 S. 236. l. Bei der Fragestellung wegen MüvzverbrecheuS ist es nicht erforder­ lich den Begriff „verfälschtes Geld" in seine sich aus § 146 StGB, ergebenden Merkmale aufzulvsen. Erk. v. 11. März 10, E. 43 S. 311; auch nicht die Be­ zeichnung „inländisches oder ausländisches in die Frage aufzunehmen. Erk. v. 9. März 20, E. 54 S. 270.

m. Bei wissentlichem Meineide muß festgestellt werden, daß der Eid vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde geleistet ist. Erk. v. 12. Febr. 83, R. 5 S. 97 u. v. 9. Febr. 91, E. 21 S. 321. Bei dem Parteieneide aus § 153 ist dies nicht notwendig, auch braucht die Streitsache nicht bezeichnet zu werden. Erk. v. 9. Septbr. 87, R. 9 S. 420 u. Erk. v. 5. Jan. 88, GA. 36 S. 157. Nach d. Erk. v. 5. Apr. 06, JurW. 06 S. 494 kann auch bei § 154 die An­ führung der Behörde unterbleiben, soweit es nicht zur Individualisierung der Tat erforderlich ist. Die Angabe des Inhalts des Eides ist nicht erforderlich. Erk. v. 11. Juni 81, E. 4 S. 314. Über die Fragestellung aus § 155 Nr. 2 siehe Erk. v. 22.Novbr. 10, GA. 58 S. 160. DIZ. 16 S. 475. Bei der Ver­ leitung zum Meineide (§ 159) muß der Meineid, zu dessen Begehung verleitet werden sollte, nach seinen tatsächlichen Merkmalen In der Frage enthalten sein. Erk. v. 21. März 81, R. 3 S. 152 u. Erk. v. 18. Oktbr. 92, E. 23 S. 251. Bei dem fahrlässigen Falscheid braucht sich die Fragestellung nicht un­ bedingt an den Wortlaut des § 163 anzuschließen. Erk. v. 22. Ottbr. 89, GA. 37 S. 360. n. Über die Fragestellung bei Bornahme nnzüchttger Handlungen mit Personen unter 14 Jahren stehe Erk. v. 1. Juli 85, E. 12 S. 337. Übrigen- ist

bei dem Berbrechen aus § 176 StGB, eine alternative Fragestellung dahin zu­ lässig, ob sich der Angekl. einer Zuwiderhandlung gegen Nr. 1 oder gegen Nr. 3. schuldig gemacht hat. Erk. v. 5. April 92, GA. 40 S. 44. o. Bei vollendetem Mord muß die Frage lauten: Ist A schuldig, bei B vorsätzlich getötet und diese Tötung mit Überlegung ausgeführt zu habm? Erk. v. 30. April 83, E. 8 S. 276. Bgl. aber Erk. v. 4. Juli 90, GA. 38 S. 339, wonach neben der Hauptfrage auf Tötung die Nebenfrage gestellt werden kann: „Hat der Angeklagte diese Tötung mit Überlegung ausgeführt"? Vgl,

auch Erk. v. 17. Novbr. 98, E. 31 S. 332-

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten § 293.

771

Über die Fragestellung bei versuchtem Mord stehe Erk. v. 9. Dezbr. 02, E. 36 S. 26. Das Merkmal der Überlegung ist nicht als Bestandteil des Ent­ schlusses, sondern in unmittelbarer Verbindung mit den einen Anfang der Aus­ führung enthaltenden Handlungen hervorzuheben. Crk. v. 30. Dezbr. 20, E. 55 S. 208. Die Frage hat zu lauten: Hat der A. den Entschluß zu töten, durch vorsätzlich und zwar mit Überlegung begangene Handlungen, die einen Anfang

der Ausführung deS beabsichtigten Verbrechens enthalten, betätigt? Erk. v. 7. Oktbr. 19, E. 53 S. 349. über die Fragestellung, wenn Bedenken obwalten,

ob Mord oder Totschlag vorliegt, siehe Erk. v. 15. Febr. 86, E. 13 S. 344 und über die Fragestellung in -em Falle, daß es sich darum handelt, ob Mord, Tot­ schlag .oder Kindesmord anzunehmen, Erk. v. 2. Jan. 90, E. 20 S. 171. Über die Fragestellung, wenn es sich um eine Verwechslung des Getöteten handelt, siehe Erk. 29. Dezbr. 88, E. 18 S. 337. Neben Stellung von 2 Hauptfragen wegen Mordes in zwei Fällen kann, ohne

daß die Selbständigkeit der Handl, erwähnt wird, für den Fall der Verneinung eine Hilfsfrage dahin gestellt werden, ob der Angekl. durch eine und dieselbe Handlung den A u. B ermordet habe. Erk. v. 8. Juni 94, E. 25 S. 409. p. Uber die Fragestellung bei versuchtem Totschlag siehe Erk. v. 16. Jan. 02, E. 35 S. 70. Erk. v. 11. Febr. 04, GA. 51 S. 188. Es ist zulässig, in Fällen, in denen Mord oder Totschlag in Frage kommen, zunächst eine Haupt­ frage auf Totschlag zu stellen. Erk. v. 11. Juni 17, E. 51 S. 117. q. Bei einer Fragestellung aus § 214 StGB, braucht zwar nicht der Be­ griff „Unternehmung" nach seinen gesetzlichen Merkmalen näher bezeichnet zu werden, wohl aber der Begriff „strafbare Handlung". Erk. v. 19. Mai 81, E. 4 S. 231 u. Erk. v. 13. April 92, E. 23 S. 78. Siehe auch Erk. v. 31 Jan. 11, E. 44 S. 270. r. Bei einem Vergehen aus § 216 StGB, ist es zulässig, das Merkmal der Überlegung in die Frage aufzunehmen. Erk. v. 27. Aug. 19, E. 53 S. 294. Bei Verneinung der Frage aus § 216 ist das Stimmenverhältnis anzugeben. Erk. v. 21. Novbr. 11, E. 45 S. 247. s. In eine den Geschworenen aus § 219 StGB, vorgelegte Frage braucht da- Moment der Einwilligung nicht ausgenommen zu werden. Erk. v. 7. Febr. 98, GA. 46 S. 126. t. Über Fragestellung wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgange,

wenn zugleich eine Waffe gebraucht ist, stehe Erk. v. 15. Dez. 94, E. 26 S. 312 mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung siehe Erk. v. 12. Juni 03, E. 36 S. 277. Siehe auch Erk. v. 19. Nov. 06, Recht 11 S. 72. u. Über die Fragestellung wegen Verbrechens aus § 239 KO. siehe Erk. v. 20. Dez. 93, E. 24 S. 433 u. v. 21. Sept. 06, E. 39 S. 136, aus tz 242 Erk. v, 24. Nov. 05, E. 38 S. 275. Die Stellung der Frage nach der realen Konkurrenz deS betrüglichen mit dem einfachen Bankrott ist rechtlich unzulässig, wenn es sich um eine und dieselbe Zahlungseinstellung handelt. Erk. v. 25. März 87, R. 9 S. 197. v. Beim Raube ist die Zusammenziehung des Tatbestandes aus §§ 251, 252 in einer Frage zulässig. Erk. v. 20. Dezbr. 88, E. 19 S. 41. w. Bei der Urkundenfälschung (§ 270) muß die Frage das Merkmal „rechtswidrige Absicht" enthalten. Erk. v. 20. März 85, E. 12 S. 112. x. In der auf die 2. Alternative des g 308 StGB, gestützten Frage können die Eigentumsverhältnisse des angezündeten Gebäudes weggelaffen werden. Erk. v. 16. Febr. 93, GA. 41 S. 33. y. Bei der Frage aus § 334 Abs. 2 ist anzugeben, daß dem Richter die Entscheidung der in Betracht kommenden Rechtssache oblag. Erk. v. 9. Juli 18,

DIZ. 24 S. 436.

772

XXVI. Strafprozeßordnung 8 294.

§ 294 Hat die Verhandlung Umstände ergeben,69) nach welchen eine von dem Beschlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens abweichende Beurteilung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat in Betracht kommt, so ist eine hierauf gerichtete Frage zu stellen (Hilfsfrage).70) z. Über die Frage bei Amtsunterschlagung siehe Erk. v. 13. März 85, R. 7 S. 174 u. Erk. v. 19. Nov. 03, E. 37 S. 8. Die Frage ist zulässig, ob die Unterschlagung unter dem einen oder dem anderen Erschwerungsgrund be­ gangen ist. Erk. v. 15. Apr. 10, E. 43 S. 382. Bei der Frage nach Vorlegung unrichtiger Abschlüsse dürfen die Worte „aus diesen Rechnungen" nicht fehlen. Erk. v. 17. März 21, E. 55 S. 279. In die Frage aus § 69 MStGB. ist die Tatsache, daß der Fahnenflüchtige eine Person des Soldatenstandes sei, aufzunehmen. Erk. v. 14. Juli 21, E. 56 S. 151. 68) Die gesetzlichen Merkmale der zur Anklage gestellten Tat sind stets mit dem Ausdruck des Gesetzes aufzunehmen. Erk. v. 28. Novbr. 87, R. 9 S. 673. Deshalb darf nicht gefragt werden, ob der Angeklagte „unterschlagen" hat, viel­ mehr müssen die gesetzlichen Merkmale der Unterschlagung nach § 246 angegeben werden. Erk. v. 30. Septbr. 80, R. 2 S. 283. Auch dürfen die Ausdrücke des betr. Strafgesetzes nicht durch andere Bezeichnungen ersetzt werden, es sei denn, daß absolut selbstverständliche Rechtsbegriffe und Tatsachen in Frage stehen. Siehe hierüber besonders Dalcke, Fragestellung S. 66. 69) Ob eine Hilfssrage zu stellen ist, unterliegt zunächst dem richterlichen Ermeffen. Erk. v. 7. Jan. 82, E. 5 S. 327. Eine vom Eröffnungsbeschluß ab­ weichende Auffassung von der Sachlage kann auch durch Erweiterung der Haupt­ frage zum Ausdruck kommen. Erk. v. 17- Oktbr. 21, DStZ. 9 S. 113. Ist aber ein Antrag auf Stellung derselben gerichtet, so muß demselben stattgegeben werden, wenn nicht der Fall des 8 296 der StPO, vorliegt. Jnsbes. kann die Stellung nicht aus dem Grunde abgelehnt werden, weil die Verhandl. keinen An­ laß gegeben, von dem Eröffnungsbeschlusse abzuweichen, Erk. v. 13. Mai 82, R. 4 S. 484 u. Erk. v. 29. Septbr. 87, E. 14 S. 75, oder weil der Angekl. bei Verneinung der Hauptfrage kein Interesse habe, die Hilfsfrage beantwortet zu sehen. Erk. v. 26. Novbr. 80, E. 3 S. 67. 70) Jnsbes. ist die Stellung von Hilfsfragen für zulässig erachtet: wenn die Hauptfrage auf mehrere selbständige Handlungen lautet und in Frage kommt, ob nicht eine fortgesetzte Handlung vorliegt, Erk. v. 2. April 86, R. 8 S. 251; wenn die Hauptfrage auf Brandstiftung lautet u. festzustellen ist, ob nicht der Fall des 8 139 StGB, vorliegt. Erk. v. 5. April 86, N. 8 S. 256. Hilfsfragen wegen einer nur auf Antrag strafb. Handlung können nur dann gestellt werden, wenn ein Strafantrag vorliegt. Erk. v. 1. April 87, R. 9 S. 226 u. v. 28. Febr. 05, E. 37 S. 412. Die Stellung ist unzulässig, wenn das Vergehen unter eine Amnestie fällt. Erk. v. 25. Novbr. 19, E. 54 S. 19. — Angriffe gegen Hilfsfragen begründen die Revision nicht. Erk. v. 9. Febr. 05, GA. 52 S. 254. a. Gegen eine als Täter angeklagte Person kann ohne gleichzeitige ander­ weite Fragestellung wegen der Haupttat keine Hilfsfrage wegen Anstiftung gestellt werden. Erk. v. 4. Jan. 87, E. 15 S. 178. b. Die Frage, öb der Strafverfolgung der Einwand ne bis in iäem ent­ gegensteht, ist vom Gericht zu entscheiden und deshalb also keine Hilfsfrage zu stellen. Erk. v. 3. Dezbr. 09, E. 43 S. 60. Erk. v. 13. Oktbr. 13, DIZ. 19 S. 379. Der Zusatz der Geschworenen zur Bejahung der Schnldfrage, daß die

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten §§ 295, 296.

773

Diese ist der dem Beschluß entsprechenden Frage voranzustellen,71 * *) * * * * * * * * * wenn die abweichende Beurteilung eine erhöhte Strafbarkeit begründet.72) § 295. Über solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene Um­

stände, welche die Strafbarkeit vermindern oder erhöhen, sind geeig­ netenfalls den Geschworenen besondere Fragen vorzulegen (Neben­ fragen). 73) Eine Nebenfrage kann auch auf solche vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände gerichtet werden, durch welche die Strafbarkeit wieder aufgehoben wird.74)75 § 296. Wird die Vorlegung von Hilfs- oder Nebenfragen be­ antragt, so kann sie nur aus Rechtsgründen abgelehnt werden. 7Ö) strafbare Handlung mit einer rechtskräftig abgeurteilten Tat im Fortsetzungs­ zusammenhang sieht, ist bedeutungslos. Erk. v. 16. Febr. 12, E. 45 S. 396. c. Eine Hilfsfrage braucht dann nicht gestellt zu werden, wenn sie einen mit den Merkmalen des einschlagcnden Strafgesetzes nicht zu vereinbarenden Tat­ bestand enthält. Erk. v. 29. Dezbr. 88, E. 18 S. 337. d. Gegen den gemeinschaftlich mit einem anderen der Brandstiftung Angekl. kann eine Hilfsfrage aus § 139 StGB, gestellt werden und wird eine solche Frage beantragt, so kann sie nur aus Rechtsgründen abgelehnt werden. Erk. v. 5. April 86, R. 8 S. 256. ' e. Ob versuchte Notzucht als tätliche Beleidigung aufzufaflen sei, kann Gegenstand einer Hilfsfrage sein. Erk. v. 7. Febr. 93, GA. 41 S. 28. 71) Auf Fälle der Jdealkonkurrenz findet der § 294 Abs. 2 keine Anwen­ dung. Erk. v. 6. Oktbr. 93, E. 24 S. 28V. Die Hilfsfrage aus §§ 177 u. 43 StGB, darf der Hauptfrage aus § 176 Nr. 1 nicht vorangkstellt werden, wird jedoch letztere verneint u. erstere bejaht, so ist der Verstoß ohne Bedeutung. Erk. v. 22. Septbr. 93, GA. 41 S. 282. 72) Die Stellung einer Hilfsfrage nur mit der Bezeichnung „eventuell" ohne Angabe der Eventualität ist ungenügend. Erk. v. 8. Jan. 83, E. 7 S. 434. Ebenso R. 4 S. 404. — Die Hauptfrage darf der Nebensrage nicht nachgestellt werden. Erk. v. 25. März 84, R. 6 S. 225. 73) Die Ncbcnfragen dürfen sich immer nur auf solche die Schuldfrage be­ treffenden Umstände beziehen, welche der Kognition der Geschworenen unterliegen, also nicht auf Rückfall, Verjährung, Strafantrag usw. Vgl. Erk. v. 12. Juli 80, R. 2 S. 188 u. Erk. v. 27. Septbr. 83, R. 5 S. 550. Wohl aber ist eine Neben­ frage (keine Hilfsfrage) zu stellen, wenn der erschwerende Umstand des § 214 des StGB, festzustellen ist, Erk. v. 11. Juni 85, R. 7 S. 367; wenn die Gewerbsmäßigkeit bei der Hehlerei festzustellen ist, Erk. v. 8. Oktbr. 76, E. 14 S. 356; bei dem Rücktritt vom Versuch, Erk. v. 25. Novbr. 97, E. 16 S. 347. Siehe auch Erk. v. 3. Juni 92, E. 23 S. 147 und über die Nebenfrage aus § 157 Nr. 2: Erk. v. 20. April 93, GA. 41 S. 49. Siehe hierüber Haschke in DIZ. 10 S. 851. 74) Über solche Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen (Zurechnungs­ fähigkeit usw.), sind keine Nebenfragen zu stellen, da diese von der Beantwortung der Hauptfrage mitumfaßt werden. Erk. v. 27. Juni 81, R. 3 S. 437, Erk. v. 1. Dezbr. 84, E. 11 S. 277, auch nicht aus § 193, Erk. v. 27. Septbr. 83, E. 9 S. 105. — Über den Zeitpunkt der Stellung von Nebenfragen siehe Erk.

v. 24. Mai 87, E. 16 S^126; nicht mehr nach Verkündung des Verdikts. 75) Wird eine Hilfsfrage aus Rechtsirrtum abgelehnt, so ist das Urteil

774

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 297, 298.

8 297. Wenn das Gesetz beim Vorhandensein mildernder Um­ stände 76 * *) * eine * * * *geringere * * * * * * * *Strafe * * * * * androht, so ist eine darauf gerichtete Nebenfrage zu stellen, wenn es von der Staatsanwaltschaft oder dem An­ geklagten beantragt oder von Amts wegen für angemessen erachtet wird. 77) Zur Verneinung der Frage nach dem Vorhandensein mildernder Umstände bedarf es einer Mehrheit von mindestens sieben Stimmen.78) § 298. Hatte ein Angeklagter zur Zeit der Tat noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet, so muß die Nebenftage gestellt werden,

ob er bei Begehung der Tat die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkett erforderliche Einsicht besessen habe.78 *) aufzuheben, selbst wenn die Geschworenen wegen einer schwereren Tat das Schuldig ausgesprochen, so daß die Hilfsfrage gar nicht zur Beantwortung ge­ kommen wäre. Erk. v. 22. Jan. 86, N. 8 S. 86. Das Gericht kann aber eine Hilfsfrage ablehnen, wenn die Umstände, auf welche die letztere gerichtet ist, bereits in der Hauptfrage enthalten sind. Erk. v. 2. April 86, E. 14 S. 75. Die Hilfsfrage darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß der A. an der Stellung der Frage kein Interesse hat. Erk. v. 22. Febr. 11, E. 44 S. 338. Ist die Nebenfrage in der beantragten Weise unzulässig, so hat das Gettcht nicht zu Prüfen, ob sie etwa nach einer anderen.Richtung zulässig sein könnte. Erk. v. 11. Febr. 89, E. 18 S. 400. Haben die Geschworenen die Hauptfrage verneint und eine Hilfs frage, die unzulässig war, bejaht, so ist zu prüfen, ob der verneinende Spruch auf Stellung der Hilssfrage beruht. Erk. v. 10. Dez. 08, E. 42 S. 105. Die Stellung einer Hilfsfrage wegen Begünstigung zu der in der Haupt­ frage bezeichneten Tat darf nicht ohne weiteres aus dem Grunde abgelehnt werden, weil Begünstigung eine andere Tat sei, als die unter Anklage gestellte. Erk. v. 5. Mai 94, E. 25 S. 334 u. v. 26. April 97, GA. 45 S. 134. Wird bei einer Amtsunterschlagung aus § 351 des StGB, die Stellung einer Hilfsfrage wegen Urkundenfälschung verlangt, so kann dieselbe abgelehnt werden. Erk. v. 15. Jan. 89, GA. 37 S. 53. 76) Auch bei Rückfallsverbrechen haben die Geschworenen über das Vor­ handensein von mildernden Umständen zu entscheiden. Erk. v. 28. August 06, E. 39 S. 37. 77) Die Frage soll lauten: „Sind mildernde Umstände vorhanden", nicht etwa: „w ar en" bei der Tat mildernde Umstände vorhanden? Erk. v. 24. Febr. 90, E. 20 S. 266. Siehe auch Erk. v. 20. März 83, R. 5 S. 191. Im Falle der Jdealkonkurrenz ist die Frage wegen mildernder Umstände nur einmal zu stellen. Erk. v. 17. Febr. 88, E. 14 S. 8 u. Erk. v. 20. Mai 13, E. 47 S. 175. Zulässig ist es aber, die Frage nach m. U. für den Fall der Bejahung des vollendeten, aber nicht für den Fall der Bejahung der Hilfsfrage nach dem ver­ suchten Berbrechen zu stellen. Erk. v. 6. Juli 85, R. 7 S. 471. — Bei Real­ konkurrenz muß die Frage nach m. U. so oft gestellt werden, als betreffende Schuldftagen vorliegen. Erk. v. 25. August 80, R. 2 S. 202 u. E. 2 S. 227. — Die Frage nach m. U. umfaßt nicht auch den im § 213 StGB, gedachten Umstand des Anreizes zum Zorn. Erk. v. 19. Jan. 92, GÄ. 39 S. 419.

78) Ist die Stimmenzahl nicht angegeben, so führt dies zur Aufhebung. Erk. v. 29. Jan. 83, R. 5 S. 66. 78 a) Die Unterlassung der Stellung dieser Nebenfrage fährt unbedingt zur Aufhebung. Erk. v. 5. Juli 98, E. 31 S. 232.

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten §§ 299—301.

775

Dasselbe gilt, wenn ein Angeklagter taubstumm ist. § 299. An die Fragestellung schließen sich die Ausführungen und Anträge der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten zur Schuld­

ftage. ™) § 300. Der Vorsitzende belehrt, ohne in eine Würdigung der Beweise einzugehen, die Geschworenen über die rechtlichen Gesichts­ punkte, welche sie bei Lösung der ihnen gestellten Aufgabe in Betracht zu ziehen haben. ^0) Die Belehrung des Vorsitzenden darf von keiner Sette einer Er­

örterung unterzogen werden.81 79) 80

§ 301.

Die Fragen werden vom Vorsitzenden unteraetdjnet81*)

und den Geschworenen übergeben.

Die Geschworenen ziehen sich in

79) Wird dem Verteidiger, welcher in seinem Schlußvortrage auf die zu er­ wartende Strafe hinweist, das Wort abgeschnitten, so kann darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung gefunden werden. Erk. v. 29. Novbr. 87, E. 16 S. 365. Nach der Rechtsbelehrung des Vorsitzenden braucht dem Verteidiger das Wort zur Ergänzung seiner Ausführungen nicht mehr erteilt zu werden. Erk. v. 29. April 95, E. 27 S. 188.

80) Verlangen die Geschworenen, bevor sie sich in das Beratungszimmer zurückziehen, eine Belehrung und erhallen sie dieselbe in der Weise, daß noch­ mals in die Verhandlung eingetreten wird,, so muß wiederum nach § 257 ver­ fahren und eine neue Rechtsbelehrung erteilt werden. Erk. v. 26. März 96, GA. 44 S. 53. Hat eine Wiederaufnahme der Beweiserhebung stattgefunden, so muß zwar an sich auch eine erneute Rechtsbelehrung erfolgen, Erk. v. 26. März 96, GA. 44 S. 53; dieselbe kann aber unterbleiben, wenn der nachträg­ liche Beweisakt derartig ist, daß er zu einer erneuten Rechtsbelehrung gar keinen Anlaß bietet. Erk. v. 11. Dezbr. 96, E. 29 S. 263 u. v. 29. April 98, GA. 46 S. 212. Durch den bloßen Hinweis auf eine in einem ftüheren Abschnitte der Ver­ handlung (bei Stellung der Fragen) den Geschworenen erteilte Belehrung wird die Rechtsbelehrung nach § 300 nicht ersetzt. Erk. v. 24. März 91, E. 22 S. 18. 81) Die Überschreitung dieser Grenzen oder die Unrichtigkeit der Belehrung kann nie Gegenstand der Revision sein, Erk. v. 28. Jan. 80, E. 1 S. 85; aber die Belehrung muß in den Grenzen einer Rechtsbelehrung bleiben. Erteilt der Vorsitzende auf Verlangen der Geschworenen in Abwesenheit des A. Auskunft über tatsächliche Ermittelungen, so führt dies zur Revision. Erk. v. 20. März 88, E. 17 S. 231. Auch darf die Rechtsbelehrung nicht den Schlußvorträgen der Beteiligten voraufgehen. Erk. v. 11. Febr. 82, R. 4 S. 152. Ein Antrag auf protokollarische Konstatierung des Inhalts der Rechtsbelehrung ist unzu­ lässig. Erk. v. 28. Jan. 80, R. 1 S. 284. Die Vorschrift des Abs. 2 greift nicht Platz, wenn der Verteidiger, nachdem nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten war, bei seinen erneuten Ausführungen die Rechtsbelehrung bekämpft. Erk. v. 22. Jan. 09, GA. 56 S. 213. 81 a) Ist die Unterschrift vergessen, so muß der betreffende Teil der Ver­ handlung wiederholt werden. Erk. v. 21. Oktbr. 02, E. 35 S. 407; doch braucht dies nicht zu geschehen, wenn der Spruch der Geschworenen noch nicht verlesen ist. Erk. v. 25. Juli 13, Recht 17 Nr. 2668.

776

XXVT. Strafprozeßordnung §§ 302, 303.

das Beratungszimmer zurück.

Der Angeklagte wird aus dem Sitzungs­

zimmer entfernt.82) § 302. Gegenstände, welche in der Verhandlung den Geschworenen zur Besichtigung vorgelegt wurden, können ihnen in das Beratungs­

zimmer verabfolgt werden.8») * § 303. Zwischen den im Beratungszimmer versammelten Ge­ schworenen und anderen Personen darf keinerlei Verkehr stattfinden.84) Der Vorsitzende sorgt dafür, daß ohne seine Erlaubnis kein Ge­ schworener das Beratungszimmer verlasse und keine dritte Person in

dasselbe eintrete.8")

82) Daß die Geschworenen sich in das Beratungszimmer zurückziehen ist eine wesentliche Vorschrift, deren Verletzung zur Aufhebung führt; dagegen ist es nicht wesentlich, daß der Angekl. nicht entfernt worden ist. Erk. v. 29. Mai 88, R. 10 S. 417. — Während der Beratung darf durch Gerichtsbeschluß mit Einverständnis der Parteien die Entlastung der Sachverständigen erfolgen. Erk. v. 17. Nov. 05, Recht 10 S. 67. 83) Das Protokoll über eine frühere Vernehmung des Angekl. darf den Geschworenen nicht in das Beratungszimmer mitgegeben werden. Doch schadet diese Normwidrigkeit nicht, wenn das Protokoll vorher in der Sitzung verlesen ist. Erk. v. 1. Mai 94, GA. 42 S. 118. Erk. v. 11. Aug. 10, JurW. 40 S. 250. Den Geschworenen dürfen nur solche Gegenstände in das Beratungs­ zimmer milgegeben werden, welche in der Verhandlung Gegenstand der Beweis­ aufnahme gewesen sind, Erk. v. 11. Dezbr. 83, R. 5 S. 773, mithin keine Aktenbände oder Protokolle. Erk. Fer.Sen. v. 13. Septbr. 87, E. 16 S, 187 Dagegen können Beweisurkunden (z. B. Zusammenstellungen aus Len Haun büchern) mitgegeben werden. Erk. v. 30. Jan. 88, R. 10 S. 88; desgl. unordentl. geführte Handelsbücher. Erk. v. 25. Jan. 89,. GA. 37 S. 54; auch Kommentare zum StGB. Erk. v. 11. Jan. 86, E. 13 S.248; Löwe, Anm. 3 hält letzteres nicht für angemessen. Es steht jedenfalls ganz im freien Ermeffen des Vorsitzenden. Erk. v. 9. Dezbr. 13, E. 48 S. 34. — Daß die Gegenstände mitgegeben sind, muß im Protokoll vermerkt werden. Erk. v. 14. Juli. 04, E. 34 S. 248. Von wem sie herbeigeschafft sind, ist gleichgültig. Erk. v. 23. Aug. 16, GA. 63 S. 436. 84) Dies Verbot greift erst Platz mit dem Zeitpunkt des Empfangs der Fragen u. des Eintritts der Geschworenen in das Beratungszimmer. Erk. v. 19. Jan. 09, GA. 56 S. 212. Ein Ergänzungsgeschworener darf sich nicht im Beratungszimmer aufhalten. Erk. v. 30. Septbr. 20, LZ. 14 S. 963. Doch wird durch den bloßen Miteintritt eines Ergänzungsgeschworenen in letzteres der § nicht verletzt. Erk. v. 23. Jan. 11, Recht 15 Nr. 961. Ein Verkehr zwischen den Geschworenen außerhalb des Beratungszimmers mit andern Personen gehört nicht hierher. Erk. v. 29. Mai 88, GA. 36 S. 195. Siehe auch Erk. v. 7. Febr. 95, E. 27 S. 3; anders aber, wenn ein Geschworener während die übrigen Geschworenen sich im Beratungszimmer befinden, mit einem Mitglied des Gerichts in Verkehr tritt. Erk. v. 12. Febr. 20, E. 54 S. 241. Siehe auch Erk. v. 13. Mai 21, DIZ. 27 S. 61. 84 a) Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß ein Gerichtsdiener auf Verlangen der Geschworenen oder auf Anordnung des Vorsitzenden das Beratungszimmer betritt. Erk. v. 30. Dez. 05, Recht 10 S. 195.

Haupcverhaudlung vor den Schwurgerichten §§ 304—306.

777

§ 304 Die Geschworenen wählen ihren Obmann mittels schrift­ licher Abstimmung nach Mehrheit der Stimmen. Bei Stimmengleich­ heit entscheidet das höhere Lebensalter.") Der Obmann leitet die Beratung und Abstimmung. § 305 Die Geschworenen haben die ihnen vorgelegten Fragen mit Ja oder mit Nein zu beantworten. Sie sind berechtigt, eine Frage teilweise zu bejahen und teilweise zu verneinen.88) 8 306- Glauben die Geschworenen vor Abgabe ihres Spruchs einer weiteren Belehrung87) zu bedürfen, so wird diese auf ihren An­ trag durch den Vorsitzenden erteilt, nachdem sie zu dem Zweck in das Sitzungszimmer zurückgekehrt fhib.87a) Ergibt sich Anlaß zur Änderung oder Ergänzung der Fragen,") so muß der Angeklagte zur Verhandlung zugezogen werden.88) 85) Ob die Wahl nach dieser Vorschrift vollzogen, entzieht sich der Prüfung des Revisionsrichters. Erk. v. 20. Septbr. 80, E. 2 J5. 257, R. 2 S. 222. Ebenso Erk. v. 31. Aug. 15, Recht 19 Nr. 2419. ^Überhaupt ist die ganze Tätigkeit der Geschworenen im Beratungszimmer (Art der Abstimmung) den Revisionsangriffen entzogen. Erk. v. 12. Septbr. 81, R. 3 S. 495. 86) Eine bestimmte Form ist nicht erforderlich. Erk. v. 16. Jan. 02, E. 35 S. 70. Die Bejahung der Schuldfrage unter Verneinung eines wesentlichen Merkmales des Tatbestandes ist nicht in sich widersprechend, sondern führt zur Freisprechung, event, durch den Revisionsrichter. Erk. v. 21. Dezbr. 81, R. 3 S. 817. Talbestandsmerkmale dürfen die Geschworenen nicht ungefragt fest­ stellen. Erk. v. 3. Okibr. 13, E. 47 S. 322. Machen Sie einen Zusatz, der einen Straferhöhungs- oder Minderungsgrund bildet, so ist dies rechtlich be­ deutungslos. Erk. v. 16. Febr. 12, E. 45 S. 397. Löwe, Anm. 5. Be­ deutungslos ist auch ein Zusatz: „Gnadengesuch wird befürwortet". Erk. v. 19. April 12, DIZ. 17 S. 1412. Ein in der Frage angegebenes Datum dürfen die Geschworenen ändern, wenn die Identität der Tat nicht in Frage gestellt wird. Erk. v. 27. Novbr. 95, GA. 43 S. 260. 87) Diese Belehrung bildet einen Teil der Hauptverh. und muß in An­ wesenheit aller der im § 225 genannten Personen erfolgen. Erk. v. 26. Septbr. 81, R. 3 S. 535. Auch die Gegenwart der Ergänzungsgeschworenen und Er­ gänzungsrichter ist notwendig. Zweifel der Geschworenen in tatsächlicher Be­ ziehung können nur durch Wiedereintritt in die Verhandlung gehoben werden. Erk. v. 20. März 88, E. 17 S. 231. 87 a) Eine Rückkehr ist dünn nicht nötig, wenn sich aus der Belehrung er­ gibt, daß die von den Geschworenen gewählte Form des Spruchs die richtige ist. Erk. v. 28. Juli 21, Recht 25 Nr. 2693. 88) Die Ergänzung der Fragen im Sinne des Abs. 2 begreift auch die Stellung neuer Neben- und Hilfsfragen. Erk. v. 10. Juni 80, R. 2 S. 55. 89) Die Frage, ob auf diese Belehrung aus § 306 auch der Abs. 2 des § 300 Anwendung findet, ist zu bejahen. Dalcke, Fragestellung S. 117. Es verstößt zwar gegen das Gesetz, wenn der Angekl. bei der erteilten weiteren Belehrung zugegen ist, der Verstoß führt aber nur dann zur Aufhebung, wenn das Urteil auf demselben beruht. Erk. v. 29. Mai 88, GA. 36 S. 309. Sobald es sich dagegen um eine Änderung der Fragen handelt, und wenn diese

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XXVI. Strafprozeßordnung 88 307, 308.

§ 307. Der Spruch ist von dem Obmann neben den Fragen niederzuschreiben und von ihm zu unterzeichnen.") Bei jeder dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung» ist anzu­ geben, daß dieselbe mit mehr als sieben Stimmen, bei Verneinung der mildernden Umstände, daß dieselbe mit mehr als sechs Stimmen gefaßt worden ist. Im übrigen darf das Stimmenverhältnis nicht ausgedrückt werden.")

8 308 Der Spruch ist im Sitzungszimmer von dem Obmann kundzugeben. Der Obmann spricht die Worte: „Auf Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch der Ge­ schworenen"") und verliest die gestellten Fragen mit den darauf abgegebenen Ant­ worten.") Der verlesene Spruch ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichtsschreiber zu unterzeichnen.") auch nur eine nicht wesentliche Förmlichkeit betrifft, muß der Angekl. zugezogen werden. Erk. v. 20. Juni 92,"GA. 40 S. 169. Ö0) Auch dann, wenn sich die Fragen auf mehreren nicht verbundenen Bogen befinden, bedarf es nur einer einmaligen Unterschrift. Erk v. 28. Dezbr. 80, R. 2 S. 674. Hat der Obmann aber einzelne Fragebogen unterschrieben und andere nicht, so gelten die letzteren als nicht unterschrieben. Erk. v. 22. Jan. 83, E. 8 S. 10. Siehe aber Erk. v. 6. Juni 07, E. 40 S. 197, nach welchem die Unterzeichnung am Schluffe des Spruchs ihn in seinem ganzen Umfange deckt. Wenn der Obmann nach dem Berichtigungsverfahren den neuen Spruch über seine frühere Unterschrift schreibt, liegt kein Grund vor, das Urteil aufzuheben. Erk. v. 12. Jan. 85, R. 7 S. 26. Unterschreibt der Obmann den Spruch auf der Spalte, auf welcher die Fragen stehen, so schadet das auch nicht, wenn nur die Beglaubigung des Vorsitzenden und des Gerichtsschreibers darunter sich be­ findet. Erk. v. 7. Novbr. 87, R. 9 S. 566. Es ist auch nicht erforderlich, daß der Obmann seine Eigenschaft als solcher beifügt. Erk. v 20. Nov. 94, E. 26 S. 213. Durchstreichungen u. Einklammerungen bei der Niederschrift sind nicht verboten. Erk. v. 1. Mai 15, GA. 63 S. 121. 91) Die Angabe, der Spruch sei einstimmig gefaßt, führt nicht zur Aus­ hebung des Urteils. Erk, v. 14. Mai 00, GA. 47 S. 297. Bei Bejahung der selbständig gestellten Frage, ob eine fortgesetzte Handlung vorliegt, ist das Stimmenverhältnis anzugebcn. Erk. v. 1. Mai 15, GA. 63 S. 121. Erk. v. 2. April 19, E. 53 S. 222. Siehe hierzu Löwe, Anm. 4 a. 92) Das Weglaffen dieser solennen Formel führt zur Aufhebung. Erk. v. 22. Dezbr. 80, R. 2 S. 661. Vgl. auch R. 3 S. 842. 93) Wenn die Geschworenen einen korrekten Spruch abgegeben haben, so ist damit die Stellung weiterer Fragen, insbesondere auch Hilfsfragen selbst dann ausgeschlossen, wenn der Geschworenenspruch die Schuldfrage nur teilweise be­ jaht. Erk. v. 14. Juli 84, R. 6 S. 537. Jnsbes. kann auch eine Frage wegen mild. Umst. selbst dann nicht mehr gestellt werden, wenn sich erst durch die teil­ weise Bejahung der Tatbestand einer Straftat ergeben hat, bei welcher mild. Umst. zulässig sind. Erk. v. 24. Mai 87, E. 16 S. 126. Bgl. auch E. 2 S. 361 u. E. 7 S. 346. Siehe Anm. 76 zu § 297. Die Verkündung des Spruches darf Nicht unterbrochen oder geteilt werden. Erk. v. 24. Septbr. 85, E. 12 S. 373.

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten § 309.

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§ 309. Erachtet das Gericht, daß der Spruch in der Form nicht vorschriftsmäßig oder in der Sache undeutlich,") unvollständig") oder sich widersprechend fei,Ma) so werden die Geschworenen von dem Bor94) Ist dies unterblieben, so ist der betreffende Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen. Erk. v. 8. Septbr. 10, GA. 58 S. 197. Es ist aber nicht er­ forderlich, daß im Falle des Berichtigungsverfahrens auch noch der frühere Spruch von den Gerichtspersonen unterschrieben wird. Erk. v. 27. April 20, E. 54 S. 320. 95) Ein Geschworenenspruch ist in der Sache undeutlich und muß das Berichtigungsverfahren eintreten, wenn sich aus ihm der Sinn, den die Geschworenen mit ihm verbunden haben, nicht mit Sicherheit entnehmen läßt. Erk. v. 27. April 88, GA. 36 S. 188. Ein sachlicher Mangel liegt vor, wenn der Spruch auf die Hauptfrage lautet: ja mit 7 gegen 5 Stimmen, ebenda S. 379, R. 4 S. 315, 5 S. 601, 6 S. 438 oder, wenn durch die Beantwortung einer Neben­ frage die an sich klare Antwort auf eine Hauptfrage unklar wird. Erk. v. 31. Mai 92, GA. 40 S. 154; wenn die Frage nach Meineid verneint, aber der Zusatz gemacht wird „fahrlässig" ja, mit mehr als sieben Stimmen. Erk. v» 25. Novbr. 18, E. 53 S. 147 oder wenn der bejahende Spruch das Stimmen­ verhältnis nicht angibt. Erk. v. 14. Juli 04, E. 37 S. 248. Doch liegt nur ein formeller Mangel vor, wenn der Obmann ohne Widerspruch der Geschworenen die Angabe mündlich nachholt. Erk. v. 18. Juni 12, E. 46 S. 205 u. das vorige Erk. Wird bei Anordnung des Berichtigungsverfahrens ein sachlicher Mangel als for­ meller Mangel bezeichnet, so führt dies zur Revision. Erk. v. 3. Juni 98, GA. 46 S. 329. Darüber, ob das Gericht einen sachlichen oder bloß formellen Mangel annimmt, braucht' sich der Beschluß nicht auszusprechen. Erk. v. 4. Juli 94, E. 26 S. 89. Über das Berichtigungsverfahren im Falle eines sachlichen Mangels siehe auch Erk. v. 15. Novbr. 95, E. 27 S. 411, insbes. bezüglich der zu wieder­ holenden Verlesung des ganzen Spruches. Sind sachliche Mängel eines Spruches in einem Punkte zu berichtigen, so bedarf doch der gesamte Spruch einer erneuten Beratung und selbst dann, wenn er mehrere voneinander unabhängige Straftaten zum Gegenstände hat. Erk. v. 26. April 87, R. 9 S. 287 und ebenso Erk. v. 27. April 88, R. 10 S. 349. Siehe auch die Anm. zu § 309 u. Erk. v. 13. Jan. 99, E. 31 S. 425. 96) Ist in einer Frage ein Tatbestandsmerkmal nicht zum Ausdruck gebracht, so kann die Frage im Wege des Berichtigungsverfahrens vervollständigt werden. Erk. v. 12. Mai 93, GA. 41 S. 124. Erk. v. 10. Juli 11, E. 45 S. 132. Das Berichtigungsverfahren ist noch zulässig, selbst wenn sich erst bei den De­ batten über den verkündeten Geschworenenspruch die Unvollständigkeit herausstellt. Erk. v. 14. Jan. 86, R. 8 S. 51. Das Berichtigungsverfahren muß auch ein­ treten, wenn die Unvollständigkeit auf eine fehlerhafte Fragestellung, nicht aus einen Irrtum der Geschworenen zurückzuführen ist. Erk. v. 20. März 91, E. 21 S. 405. Vgl. auch Erk. v. 16. April 86, R. 8 S. 286. 96 a) Die Frage, ob ein innerer Widerspruch vorliegt, ist nicht nach einem lediglich den Fragen selbst entnommenen abstrakten Maßstabe zu beurteilen, sondern nach dem Inhalt der Hauptverhandlung. Verneint das Schwurgericht das Vor­ handensein eines Widerspruchs, so kann das Revrsionsgericht das Beweisergebnis nicht berücksickttgen. Erk. v. 25. Novbr. 10, E. 44 S. 166. Eine Anfechtung der Ablehnung des Berichtigungsverfahrens kann nur selten Erfolg haben, denn der Ablehnungsbeschluß bedarf keiner Begründung. Erk. v. 19. April 21, E. 56 S. 37. Nach der Erk. v. 2. Dezbr. 12, E. 46 S. 346 genügt aber die bloße Feststellung, daß der Spruch an einem unlösbaren Widerspruch leidet, zur Eiy-

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XXVI, Strafprozeßordnung 88 310, 311.

sitzenden aufgefordert, sich in das Beratungszimmer zurückzubegeben, um dem gerügten Mangel abzuhelfen?^^)

Diese Anordnung ist zulässig, solange das Gericht noch nicht aus Grund des Spruchs das Urteil verkündet hat. § 310. Sind nur Mängel in der Form des Spruchs zu berich­ tigen, so darf eine sachliche Änderung nicht vorgenommen werden.")

§ 311 Sind sachliche Mängel des Spruchs zu berichtigen, so sind die Geschworenen bei ihrer erneuten Beratung an keinen Teil ihres früheren Spruchs gebunden. Ergibt sich bei der Erörterung solcher Mängel Anlaß zur Ände­ rung oder Ergänzung der Fragen, so muß der Angeklagte zur Ver­ handlung zugezogen werden.") leitung des Berichtigungsverfahrens nicht. Ein Spruch ist widersprechend, wenn die Frage nach mildernden Umständen in einem Falle beantwortet ist, für den sie nicht zu beantworten war. Erk. v. 6. Juni 02, E. 35 S. 283. Ebenso liegt ein sachlicher Widerspruch vor, wenn die Geschworenen nach Bejahung zweier Hauptfragen, welche ein und dieselbe Tat aus verschiedenen rechtl. Ge­ sichtspunkten betreffen, die Nebenfragen nach mild. Umst. in dem einen Falle be­ jahen und in dem andern verneinen. Erk. v. 8. Novbr. 81, R. 3 S. 694. Wenn die Geschworenen einen noch nicht 18 Jahre alten Angekl. für schuldig erachten, aber die erforderliche Einsicht verneinen u. mild. Umst. annehmen, so liegt darin kein Widerspruch. Erk. v. 19. Ottbr. 95, E. 27 S. 392. Erk. v. 5. Dezbr. 13, GA. 61 S. 513; auch nicht, wenn die Geschworenen die Schuldfrage bejahen, aber zugleich die Strafbarkeit durch Verneinung eines wesentlichen Tatbestandes ausschließen. Erk. v. 7. Apr. 08, E. 41 S. 238. Ein sich widersprechendes Verdikt darf nicht durch Auslegung verbessert werden. Erk. v. 28. Aug. 95, GA. 43 S. 256. Im Falle des Widerspruchs (§ 309) können auch nach Ver­ kündung des ersten Wahrspruches noch Hilfsfragen gestellt werden. Erk. v. 13. Oktbr. 80, R. 2 S. 332 u. Erk. v. 27. April 88, R. 10 S. 349. Siehe auch Erk. v. 14. Jan. 86, E. 13 S. 229 und Anm. 75 zu 8 296. Undeutlich ist auch der Spruch, wenn die Geschworenen selbst ihn für un­ deutlich erklären. Erk. v. 12. Juli 12, E. 46 S. 171. Siehe aber Erklärung des ONA. am Ende des Bandes 46. 96 b) Wenn die Geschworenen eine Schuldfrage nur teilweise bejahen und teilweise verneinen, so darf daraus nicht gefolgert werden, daß die übrigen Momente, über welche der Spruch schweigt, milbejaht oder mitverneint seien, sondern es muß . das Berichtigungsverfahren einireten. Erk. v. 30.Dktbr. 82, R. 4 S. 755. Über den Einfluß der unterlassenen Berichtigung des Spruches

bezüglich eines Angekl. auf die Mitangekl. siehe Erk. v. 10. Oktbr. 93, E. 24 S. 302. 97) Formelle Mängel, Schreibfehler oder unerhebliche Formverstöße erfor­ dern keine neue Beratung, sondern können sofort redressiert werden. Erk. v. 15. Jan. 14, GA. 62 S. 111. Es ist nur ein Mangel in der Form, wenn die Antwort versehentlich neben eine Frage geschrieben ist, auf die sie sich nicht bezieht. Erk. v. 2. Nov. 05, E. 39 S. 245. Eine Ergänzung der Antwort der Geschworenen im Sitzungssaal ist zulässig. Erk. v. 11. Dezbr. 19, E. 54 S. 190. 98) Die Zuziehung des A. ist nur dann erforderlich, wenn Anlaß zur Änderung oder Ergänzung der Fragen gegeben war. Erk. v. 29. Juni 82, R. 4 S. 581. Erk. v. 10. Juli 11, E. 45 S. 136.

Hauptverhandlung vor den Schwurgerichten §§ 312—317.

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§ 312 Der berichtigte Spruch ist in der Weise niederzuschreiben, daß der frühere erkennbar bleib!.'-) § 313 Der Spruch der Geschworenen wird dem Angeklagten, nachdem er in das Sitzungszimmer wieder eingetreten ist, durch Ver­ lesung i") verkündet?) § 314 Ist der Angeklagte von den Geschworenen für nicht schuldig erklärt worden, so spricht das Gericht ihn frei. Anderenfalls mü'sen, bevor das Urteil erlassen wird, die Staatsanwaltschoft und der Angeklagte mit ihren Au-führungen und An­ trägen gehört werden. § 315 Die Verkündung des Urteils erfolgt am Schlüsse der Verhandlung?^)

§ 316 In den Gründen des Urteils ist auf den Spruch der Geschworenen Bezug zu nehmen. Die Urschrift des Spruchs ist dem niedergeschriebenen Urteil anzufügen. §317. Ist das.Gericht einstimmig der Ansicht,') daß die Ge­ schworenen sich in der Hauptsache') zum Nachteile des Angeklagten

99) Es führt aber nicht zur Aufhebung, wenn der frühere Spruch und die Art der Berichtigung sich aus dem Protokoll entnehmen lassen. Erk. v. 24. Mai 86, R. 8 S. 383. Siehe auch Erk. v. 22. Nov. 06, E. 39 S. 277. Es ist demnach nicht erforderlich, daß der berichtigte Spruch auf den früheren Frage­ bogen niedergeschrieben wttd. Erk. v. 23. Mai 13, E. 47 S. 187; auch nicht, daß die unverändert gebliebenen Am Worten nochmals niedergeschrieben werden. Erk. v. 16. April 20, E. 54 S. 307. 100) Ob auch die Fragen vorzulesen sind, bestimmt das Ermeffen des Vor­ sitzenden. Erk. v. 23. Jan. 12, E. 45 S. 348. 1) Nach Verkündung des Spruches der Geschworenen sind Beweisanträge nicht mehr zulässig. Erk. v. 9. Dezbr. 90, E. 21 S. 243. Eine Unterbrechung des zwischen der Kundgebung und Verkündung des Wahrspruches liegenden Ver­ handlungsteiles ist nur statthaft, wenn dem Anträge, zu desien Stellung die Unterbrechung verlangt wird, stattgegeben werden muß. Erk. v. 1. Juli 10, E. 44 S. 38. 1 a) Eine nachträgliche Ergänzung des Urteils auch nur wegen der Kosten ist in Abwesenheit der Geschworenen unzulässig. Erk. v. 16. März 14, LZ. 8 S. 1135, GA. 62 S. 136. Desgleichen ist auch nach der Verkündigung eine Beweiserhebung über die Gründe der Strafzumeffung nicht zulässig. Sie kann aber über die Voraussetzungen des Rückfalls oder über Prozeßvoraussetzungen stattsinden. Erk. v. 24. Novbr. 14, E. 49 S. 69. 2) Die Verweisung an ein anderes Schwurgericht nach Fällung des Spruches ist nicht mehr möglich, wenn das Nevisionsgericht das Urteil unter Aufrechter­ haltung des Verdikts aufgehoben hat. Erk. v. 22. Dezbr. 85, R. 7 S. 757. Bloße Zweifel an der Nichtigkeit des Geschworenenspruches genügen nicht zur Berweisung. Erk. v. 11. März 98, GA. 46 S. 198. 3) Als die Hauptsache betreffend ist die volle Bejahung der Schuldfrage an­ zusehen .und es ist-belanglos, daß die betreffende Frage als Hilfsfrage der Haupt­ frage angereiht ist. Jede der beiden Fragen für sich genommen betrifft die Haupt-

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XXVI. Strafprozeßordnung 88 318-^-320.

geirrt haben, so verweist es durch Beschluß ohne Begründung seiner Ansicht die Sache zur neuen Verhandlung vor das Schwurgericht der nächsten Sitzungsperiode. Die Verweisung ist nur von Amts wegen und bis zur Verkündung des Urteils zulässig/) Betrifft das Verfahren mehrere selbständige strafbare Handlungen oder mehrere Angeklagte, so erfolgt die Verweisung nur in Ansehung derjenigen Handlung oder Person, in bezug auf welche die Geschworenen sich nach Ansicht des Gerichts geirrt haben/) An der neuen Verhandlung darf kein Geschworener teilnehmen, welcher bei dem früheren Spruche mitgewirkt hat. Auf Grund des neuen Spruchs ist stets das Urteil zu erlassen. 8. Abschnitt.

Verfahren gegen Abwesende.

5 318. Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein Aufent­ halt unbekannt ist oder, wenn er sich im Ausland aufhält und seine Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder nicht an­ gemessen erscheint. 8319. Gegen einen Abwesenden kann eine Hauptverhandlung nur dann stattfinden, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat nur mit Geldstrafe«) oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander, bedroht ist. Für das Verfahren kommen die Vorschriften der §8 320—326 zur Anwendung. § 320. Die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung ist im Falle, daß sein Aufenthalt unbekannt ist oder die Befolgung der für Zustellungen im Auslande bestehenden Vorschriften unausführbar oder voraussichtlich erfolglos erscheint, in einer beglaubigten Abschrift fache und es ist nicht statthaft, die verschiedenen Qualifikationen der Tat als Nebenpunkt zu betrachten. Erk. v. 13. Dezbr. 87, E. 17 S. 31. Es scheidet allein die Frage der mildernden Umstände auS. Löwe, Sinnt. 3» am Ende. 4) Die Unterlassung der Verweisung unterliegt dann der Anfechtung durch die Revision, wenn das Gericht die Gründe der Unterlassung ausdrücklich ange­ geben hat. Erk. v, 13. Dezbr. 87, E/17 S. 31. 5) Ist die eine Mehrheit von Fällen in getrennten Fragen umfassende Sache im ganzen vor ein neues Schwurgericht gewiesen, so können den späteren Ge­ schworenen doch nicht wiederum diejenigen Fragen vorgelegt werden, welche früher zugunsten des A. verneint worden sind. Erk. v, 13. Jan. 85, R. 7 S. 30. Tin Irrtum der Geschworenen „zum Nachteil" ist auch dann anzunehmen, wenn die Geschworenen im Falle einer Jdealkonkurrenz die Schuldirage bejaht haben, mag auch die irrige Bejahung ohne Einfluß auf die Strafzumessung blei­ ben, da die Lage des A. durch unrechtmäßige Verurteilung aus einem doppelten straft. Gesichtspunkt verschlechten wird. Erk. v. 24. August 98, E. 31 S. 241. 6) Daß die Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden kann, chließt dies Verfahren nicht aus, Erk. v, 27. Febr, 90, E. 20 S. 290,

Verfahren gegen Abwesende §§ 321—326.

783

an die Gerichtstafel bis zum Tage der Hauptverhandlung anzuhesten.

Außerdem ist ein Auszug der Ladung in das für amtliche Bekannt­ machungen des betreffenden Bezirks bestimmte Blatt') und nach Er­ messen des Gerichts auch in ein anderes Blatt dreimal einzurücken. Zwischen dem Tage der letzten Bekanntmachung und dem Tage der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einem Monate liegen. Die Ladung muß enthalten: § 321 die Angabe des Namens und, soweit dies bekannt, des Bor­

namens, Alters, Standes, Gewerbes und Wohnorts oder Aufenthaltsorts des Angeklagten, die Bezeichnung der dem An­ geklagten zur Last gelegten strafbaren Handlung, sowie die An­ gabe des Tages und der Stunde der Hauptverhandlung. Zugleich ist die Warnung hinzuzufügen, daß bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten zur Hauptverhandlung werde geschritten werden.'*) § 322 In der Hauptverhandlung kann für den Angeklagten ein Verteidiger auftreten. Auch Angehörige des ersteren sind, ohne daß sie einer Vollmacht bedürfen, als Vertreter zuzulassen. § 323 Die Zustellung des Urteils erfolgt nach Maßgabe der Bestimmungen des § 40 Abs. 2. § 324 Die im § 322 bezeichneten Personen können von den dem Beschuldigten zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch machen. § 325 Insoweit es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, können einzelne zum Vermögen des Angeschuldigten gehörige Gegenstände mit Beschlag be­ legt werden.^) Auf diese Beschlagnahme finden die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Vollziehung und die Wirkungen des ding­ lichen Arrestes entsprechende Anwendung. Die Beschlagnahme ist auf­ zuheben,'wenn der Grund derselben weggefallen ist. § 326 Insoweit eine Deckung in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmung nicht ausführbar erscheint, kann durch Beschluß des Ge­ richts das im Deutschen Reich befindliche Vermögen des Angeschuldigten mit Beschlag belegt werden. Der Beschluß ist durch den Deutschen Reichsanzeiger und nach Ermessen des Gerichts auch durch andere Blätter zu veröffentlichen. 7) Dies ist dasjenige Blatt, düs für den Sitz des Prozeßgericht- (nicht den Wohnort des Angekl.) zur Beröffenllichung der amllichen Bekanntmachungen be­ stimmt ist. Erk. v. 28. Mai 06, E. 39 S. 20. 7 &) Der § 321 bezieht sich nur auf den Fall der öffentlichen Ladung. Erk. D. 27. Febr. 90, E. 20 S. 290. 7 b) Die Beschlagnahme ist auch nach eingetretener Rechtskraft de- UrteilMöglich. Del jus, die Beschlagnahme des Vermögen-, GA, 37 H. 117 ff.

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XXVI. Strafprozeßordnung §§ 327—334.

Verfügungen, welche der Angeschuldigte über sein mit Beschlag belegtes Vermögen nach der ersten durch den Deutschen Reichsanzeiger bewirkten Veröffentlichung des Beschlusses vornimmt, sind der Staats­ kasse gegenüber nichtig. Die Beschlagnahme des Vermögens ist aufzuheben, sobald der Grund derselben weggefallen oder die Deckung der Staatskasse durch eine Beschlagnahme in Gemäßheit des § 325 bewirkt ist. DieAufhebung der Beschlagnahme ist durch dieselben Blätter bekannt zu machen, durch welche die Beschlagnahme veröffentlicht worden ist. § 327 In anderen als den im § 319 bezeichneten Fällen findet gegen einen Abwesenden eine Hauptverhandlung nicht statt. Das gegen den Abwesenden eingeleitete Verfahren hat die Aufgabe, für den Fall seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern. Für dieses Verfahren gelten die Bestimmungen der §§ 328—336.

Die Zulassung eines Verteidigers wird durch die Ab­ § 328 wesenheit des Beschuldigten nicht ausgeschlossen. Zur Wahl eines Verteidigers sind auch Angehörige des Beschuldigten befugt. Zeugen und Sachverständige sind eidlich zu vernehmen. § 329. Lern abwesenden Beschuldigten steht ein Anspruch aus Benachrichtigung über den Fortgang des Verfahrens nicht zu. Der Richter ist jedoch befugt, einem Abwesenden, dessen Aufent­ halt bekannt ist, Benachrichtigungen zugehen zu lassen. § 330. Der Abwesende, dessen Aufenthalt unbekannt ist, kann in öffentlichen Blättern zum Erscheinen vor Gericht oder zur Anzeige

seines Aufenthaltsorts aufgefordert werden. § 331. Stellt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Abwesenheit des Angeklagten heraus, so erfolgen die noch erforderlichen Beweisaufnahmen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter. § 332. Liegen gegen den Abwesenden, gegen welchen die öffent­ liche Klage erhoben ist, Berdachtsgründe vor, welche die Erlassung eines Haftbefehls rechtfertigen würden, so kann sein im Deutschen Reich be­ findliches Vermögen durch Beschluß des Gerichts mit Beschlag belegt werden. Die im vorstehenden Absätze bezeichnete Beschlagnahme findet in

Sachen, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehören, nicht statt. § 333 Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt zu Machen und kann nach dem Er­ messen des Gerichts auch durch andere Blätter veröffentlicht werden. § 334 Mit dem Zeitpunkte der ersten Bekanntmachung in dem Deutschen Reichsanzeiger verliert der Angeschuldigte das Recht, über da- in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen. Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist derjenigen Be-

Rechtsmittel.

Allgem. Bestimmungen §8 335—338.

785

Hörde mitzuteilen, welche für die Einleitung einer Vormundschaft über Abwesende zuständig ist. Diese Behörde hat eine Gülerpflege einzuleiten. § 335 Die Beschlagnahme ist aufzuheben^ wenn die Gründe

derselben weggefallen sind. Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch dieselben Blätter bekannt zu machen, durch welche die Beschlagnahme selbst veröffentlicht

worden war. § 336 Auf das nach Erhebung der öffentlichen Klage eintretende Verfahren finden im übrigen die Vorschriften über die Voruntersuchung entsprechende Anwendung. In dem nach Beendigung dieses Verfahrens ergehenden Beschlusse (§ 196) ist zugleich über die Fortdauer oder Aufhebung der Beschlagnahme zu entscheiden. § 337 Das Gericht kann einem abwesenden Beschuldigten sicheres Geleit erteilen; es kann diese Erteilung an Bedingungen stüpfen.70) Das sichere Geleit gewährt Befreiung von der Untersuchungshaft, jedoch nur in Ansehung derjenigen strafbaren Handlung, für welche dasselbe erteilt ist. Es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht, wenn der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, oder wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, unter welchen ihm das sichere Geleit erteilt worden ist.

3. Luch. -Rechtsmittel. 1. Abschnitt.

Allgemeine Sestimmungen.

§ 338 Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten $u.e) 7 c) Es ist unzulässig, wegen Veränderung der Sachlage nachträglich die Fortdauer des sicheren Geleits an Bedingungen zu knüpfen, wenn der Beschul­ digte von dem sicheren Geleit Gebrauch gemacht hat. KG. v. 1. Febr. 06, DIZ. 11 S. 489. 8) Siehe AB. v. 3. Jan. 19 betr. Belehrung über Rechtsmittel in Straf­ sachen (JMBl. S. 4). Dem freigesprochencn A. steht ein Rechtsmittel nur inso­ weit zu, als eine ihn benachteiligende Disposition getroffen worden ist. Erk. v. 11. Juni 81, E. 4 S. 355. Erk. v. 12. Novbr. 12, E. 46 S. 371. Deshalb ist auch die Revision des A., daß er wegen Geistesstörung freigesprochen sei, un­ zulässig. Erk. v. 18. Septbr. 84, R. 6 S. 545. Auch die Feststellung in den Gründen, daß objektiv eine strafb. Handlung vorliege, begründet die Revision deS freigespr. A. nicht. Erk. v. 14./21. Jan. 86, E. 13 S. 324. Auch darauf kann keine Revision gegründet werden, daß der A. nicht wegen versuchter, sondern^ wegen vollendeter Straftat hätte verurteilt werden müssen. Erk. v. 30. Jan. 85, R. 7 S. 65; auch nicht darauf, daß gegen den A. auf Einstellung und nicht auf

Dalcke, Strafrecht. le.Aufl. (1922)

50

786

XXVI. Strafprozeßordnung 88.339, 340.

Die Staatsanwaltschaft kann von denselben auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.')

§ 339 Für den Beschuldigten kann der Verteidiger,") jedoch nicht gegen dessen ausdrückichen Willen, Rechtsmittel einlegen.

§ 349 Der gesetzliche Vertreters) eines Beschuldigten, desgleichen der Ehemann einer beschuldigten Frau") können binnen der für den Freisprechung erkannt ist, wenn jede Verfolgung der Tat für immer ausge­ schloffen ist. Erk. v. 21. Sept. 09, E. 42 S. 399. Bedingte Erklärungen über Einlegung eines Rechtsmittels sind unzulässig. Erk. v. 27. Juli 61, R.3 S. 490. 9) Die Befugnis der StA. z. Einlegung von Rechtsmitteln zugunsten deS A. ist davon abhängig, daß eine gerichtliche Entscheidung in Frage steht, welche sowohl von dem StA. als auch von dem Beschuldigten angefochten werden kann. Erk. v. 21. Dezdr. 82, R. 5 S. 889. 10) Die Einlegung des Rechtsmittels durch den Verteidiger ist wirkungs­ los, wenn der Beschuldigte selbst auf das Rechtsmittel verzichtet hat, selbst wenn ihm die Einlegung des letzteren unbekannt geblieben ist. Erk. v. 5. April 87, R. 9 S. 230. Über Zustellung deS Urteils an den Verteidiger siehe Anm. 38 zu § 36 am Ende. Der Verteidiger bedarf zur Einlegung des Rechtsmittels keiner Vollmacht, wohl aber bedarf einer solchen der RA., welcher nicht als Verteidiger fungiert hat. Erk. v. 16. Jan. 80, E. 1 S. 71; desgl. der Verteidiger, der als Vertreter nach § 233 ohne schriftliche Vollmacht in der Hauptverh. zugelassen war, Erk. v. 14. Jan. 89, E. 18 S. 346. Daß die Vollmacht erst nach Ablauf der Revistonsanmeldungsfrist beigebracht ist, schadet nicht, wenn nur die Bevollmächtigung innerhalb dieser Frist stattgefunden hat. Erk. v. 21. Novbr. 12, E. 46 S. 372. Gl. A. L ö w e, Anm. 7. A. M. KG. v. 24. Mai 21, DStZ. 8 S. 372. Der A. kann auch durch eine andere Person als seinen Verteidiger Rechtsmittel einlegen. Dresden v. 3. Febr. 22, DStZ. 9 S. 183. A. M. Löwe, S. 305 Anm. 6 a. 11) Im Strafverfahren nimmt der Beschuldigte seine Rechte selbst wahr. Die Zuziehung des gesetzt. Vertreters (Vormundes) von Amts wegen ist nicht geboten. Erk. v. 12. Juni 85, R. 7 S. 377. Der gesetzliche Vertreter, welcher namenS deS A. ein Rechtsmittel eingelegt hat, bedarf zur Zurücknahme des­ selben der Einwilligung des A. Erk. v. 22. Mai 96, E. 28 S. 385. Der Later ist nicht befugt, die von seinem Sohne bezw. dessen Verteidiger eingelegte Revision ohne Bevollmächtigung zu begründen. Erk. v. 9. Dez. 02, DIZ. 8 5. 106. Der Vertreter kann die von ihm eingelegte Revision rechtswirksam nicht mehr begründen, wenn er nach der Einlegung aber vor der Rechtfertigung deS Rechtsmittels aufgehört hat, gesetzlicher Vertreter zu sein. Beschluß v. 11. Mai 09, E. 42 S. 342. Das Rechtsmittel ist überhaupt nicht mehr zulässig, wenn die gesetzliche Vertretung vor der Hauptverhandlung beendet ist. Erk. v. 6. Mai 13, E. 47 S. 159. Ist dem Vater die elterliche Gewalt entzogen, so ist der Vormund, nicht die Mutier, zur Einlegung des Rechtsmittels berechttgt. Erk. v. 10. Juli 17, Recht 21 Nr. 1755. Der vom Vater deS A. nach § 137 Abs. 2 zum Verteidiger des Angekl. gewählte Anwalt ist dadurch noch nicht zum Ver­ treter des LaterS bestellt und kann daher ohne Vollmacht nicht namens deS Vaters Rechtsmittel einlegen. Erk. v. 2. Ott. 06, Recht 10 S. 1328. 12) Der Ehemann, welcher namens seiner Frau und nicht in eigenem Namen ein Rechtsmittel anmeldet, bedarf einer Vollmacht, welche innerhalb der Anmeldungsfrist beigebracht werden muß. Erk- v. 30. März 81, R. 3 S. 175. Ebenso Erk. v. 5. Oktbr. 81, R. 3 S. 602. Legt der Ehemann das Rechtsmittel

Rechtsmittel. Allgeur. Bestimmungen 88 341—343.

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Beschuldigten laufenden Frist selbständig von den zulässigen Rechts­

mitteln Gebrauch machen.") Auf ein solches Rechtsmittel und auf das Verfahren finden die über die Rechtsmittel des Beschuldigten geltenden Vorschriften ent­

sprechende Anwendung. § 341 Der nicht auf stetem Fuße befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, welche sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll des Gerichtsschreibers"*) derjenigen Gerichts geben, in dessen Gefängnis er sich befindet, und falls das Gefängnis kein gerichtliches ist, desjenigen Amtsgerichts, in dessen Bezirke das Gefängnis liegt. Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn innerhalb derselben das Protokoll ausgenommen wird.")

§ 34S Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechts­ mittels ist unschädlich.") § 343 Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann ")

„für seins Ehefrau" ein, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er kraft eigenen Rechts handelt. Beschl. v. 12. Febr. 91, E. 21 S. 335.

13) Der amtliche Vorgesetzte ist zum Gebrauch eines Rechtsmittels nicht befugt. Erk. v. 25. April 10 DIZ. 15 S. 1028. 13 a) DaS Protokoll braucht von den Beteiligten nicht unterschrieben zu werden. Erk. v. 23. Dezbr. 13, E. 48 S. 79. Es ist unstatthaft, daß der nicht verhaftete Verurteilte die Revision bei änderen Gerichtsschreibern als demjenigen des Gerichts, dessen Urteil angefochten wird, zu Protokoll gibt. Erk. v. 16. Febr. 81, R. 3 S. 50 u. Beschl. v. 16. Septbr. 82, E. 7 S. 174.

14) Beantragt der verhaftete A. rechtzeitig seine Vorführung zur Proto­ kollierung seiner Revisionsanträge, wird er aber erst nach Ablauf der Frist vor­ geführt, so begründet dies die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Erk. v. 21. Jan. 80, R. 1 S. 179. Vgl. aber Anm. 48. 15) Der bloße Antrag auf Erteilung einer Abschrift deS Urteils gilt nicht alS Einlegung des Rechtsmittels. Beschl. v. 2. Dezbr. 79, R. 1 S. 110. 16) Durch diese Bestimmung ist ein Recht zum Anschluß an ein vom Staats­ anwalt eingelegtes Rechtsmittel nicht gegeben. Erk. v. 9. Febr. 80, E. 1 S. 194. Für den Fall, daß der StA. nur Erhöhung der Strafe erzielen will, kann auch auf geringere Strafe erkannt werden, auf Freisprechung aber nur dann, wenn der vom Schöffengericht festgestellte Tatbestand nicht mit Strafe bedroht ist. Erk. v. 9. Nov. 91, E. 22 S. 217 u. KG. v. 6. Okt. 04, DIZ. 10 S. 74. (Siehe hiergegen Löwe, Anm. 2 zu 8 367.) Eine Prüfung der Schuldftage steht dem BG. in diesem Falle nicht zu, auch nicht, wenn das Finanzamt die Berufung ein­ gelegt hat. KG. v» 7. Oktbr. 21, DIZ. 26 S. 766. Hat aber das Berufungs­ gericht unzulässiger Weise die Schuldfrage doch geprüft, dann ist auch Revision zulässig. Karlsruhe v. 5. Novbr. 21, DSiZ. 8 S. 377. Die Vorschrift des 8 findet auch auf das Rechtsmittel des Nebenklägers Anwendung. Erk. v. 5. Juni 08. E. 41 S. 349.

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 344—346.

788

§ 344

Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht")

auf die Einlegung eines Rechtsmittels kann auch vor Ablauf der Frist") zur Einlegung desselben wirksam erfolgen.") Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechts­ mittel kann jedoch ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden. Der Verteidiger bedarf -ur Zurücknahme einer ausdrücklichen Er­

mächtigung. § 345. Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach

Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners "a) erfolgen. 2. Abschnitt.

Seschwerde.

§ 346. Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz erlassenen Beschlüsse und gegen 17) Die Frage, ob ein wirksamer Verzicht vorliegt und ob ein später angemeldeies Rechtsmittel zulässig ist, kann nur von dem über das Rechtsmittel entscheidenden Gerichte entschieden werden. Erk. v. 21. Juni 86, R. 8 S. 469. Erklärt der StA. in Fällen, in denen es sich um Festsetzung von Kosten handelt, dem Landger.Präs. gegenüber, daß die Einlegung jeines Rechtsmittels nicht beabsichtigt werde, so liegt darin ein wirksamer Verzicht. GA. 46 S. 331. Der Verzicht bedarf der Schriftform. Ein Vermerk des Vorsitzenden in den Akten genügt nicht. BayObLG. v. 31. Jan. 18, DSiZ. 6 S. 138. 18) Der Verzicht und die Zurücknahme des Rechtsmittels können auch inner­ halb der Anmeldungssrist nicht mehr widerrufen werden. Erk. v. 31. Jan. 80, E. 1 S. 92. Wird die Revision durch einen von mehreren Verteidigern zurück­ genommen, so können die anderen nicht widersprechen. Erk. v. 25. Novbr. 18, LZ. 13 S. 389. 19) Der Verzicht kann nicht eher ausgesprochen werden, bis der Lauf der Rechtsmittelfrist begonnen, also nicht vor der Verkündung der Urteilsgründe. Beschl. v.. 1. Juni 80, E. 2 S. 78. Erk. v. 21. Febr. 22, Recht 26 Nr. 697. Der in der Hauptverhandlung nach Verkündung der Gründe erklärte und zu Protokoll, genommene Verzicht ist rechtsgültig und unwiderruflich. Erk. v.23. Novbr. 80. R. 2 S. 562. Vgl. Anm. 10. Erklärt ein A., das Rechtsmittel auf bestimmte von mehreren Delikten beschränken zu wollen, so liegt darin ein Verzicht auf das Rechtsmittel bezüglich der übrigen Delikte. Erk. v. 7. Oktbr. 82, R. 4 S. 732. Vgl. Erk. v. 22. Jan. 07, E. 39 S. 393. Ein Verzicht auf ein Rechtsmittel ist erst dann wirksam, wenn derselbe bei dem Gericht eingegangen ist. Erk. v. 21. Jan. 80, R. 1 S. 301, es genügt aber schon die Abgabe an die Botenmeisterei. Beschl. v. 29. Jan. 84, R. 6 S. 63. Auch auf ein nicht befristetes Rechtsmittel kann verzichtet werden. GA. 42 S. 149. Für die schriftliche Zurücknahme bedarf es der eigenhändigen Unter­ schrift. Erk. v. 14. Septbr. 01, E. 34 S. 358. Der vor dem Gefängnisinspektor erklärte Verzicht ist bindend/ wenn der­ selbe ersehen läßt, daß er für das Gericht bestimmt war und an dieses gelangt ist. Beschl. v. 25. Mai 80, R. 1 S. 826. Siehe auch ebenda S. 365 u. 423. 19 a) Die Zurücknahme des Verzichts bedarf auch der Zustimmung der StA. KG. v. 13. Jan. 20, Johow 52 S. 377.

Beschwerde §§ 347, 348.

789

die Verfügungen des Vorsitzenden, des Untersuchungsrichters, des Amtsrichters und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz dieselben nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.")

Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch welche sie betroffen werden, Be­ schwerde erheben. Gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte und des Reichsgerichts findet eine Beschwerde nicht statt.11) § 347 Entscheidungen der erkennenden Gerichte, welche der Urteilsfätlung vorausgehen,") unterliegen nicht der Beschwerde. Aus­ genommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, Beschlagnahmen oder Straffestsetzungen, sowie alle Entscheidungen, durch welche dritte Personen betroffen werden."'1) § 348 Die Beschwerde wird bei demjenigen Gerichte, von welchem oder? von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder schriftlich eingelegt.") Sie kann in dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegericht ein­ gelegt werden. Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie derselben 20) Gegen dos Urteil der Strafkammer, welches die Kosten nicht dem verpflichteien Antragsteller, sondern der Staatskaffe auferlegt, ist die Revision und nicht die Beschwerde statthaft. Erk. v. 14. April 82, R. 4 S. 322. Vgl. Erk. v. 22. Oktbr. 83, R. 5 S. 623. Ob Beschwerde oder Berufung resp. Revision zulässig, ist ausschließlich von der Form abhängig, in welcher die angefochtene Entscheidung ergangen ist, nicht Von dem Inhalt der letzteren. GA. 39 S. 187. Löwe, Anm. 1. Zur Entscheidung über Beschwerden, welche gegen die Verfügungen deS Vorsitzenden der Strafkammer gerichtet sind, ist nicht die letztere, sondern das Oberlandesgericht zuständig. GA. 39 S. 361. 21) Be'chlüffe eines unzuständigen OLG. sind unanfechtbar. Breslau v. 19. Otibr.20, JurW.50 S. 470. Erk. v. 20./22. März 99, E. 32 S. 90. In Sachen, für die das RG. in erster Instanz zuständig ist, wird die Entscheidung des LG. über die Beschwerde des AR. als nichtig behandelt. Löwe 4e. 22) Nicht ist erforderlich, daß sie in innerem Zusammenhang mit der Urteils­ fällung stehen und zu deren Vorbereitung dienen. Erk. v. 9. Novbr. 09, E. 43 S. 179. A. M. Löwe Anm. 4. KG. v. 20. Septbr. 18, GA. 67 S. 464. 22 a) Beschwerde ist zulässig gegen einen vom LG. als Berufungsgericht erlaffenen Beschluß, durch den Personen als Nebenkläger zugelassezr sind. KG. v. 4. Juni 09, GA. 57 S. 234. A. M. Kolmar v. 28. Mai 15, DStZ. 2 S. 563. 23) Es kann dies auch telegraphisch geschehen. Erk. v. 2. Juli 83, R. 5 S. 481. Dgl. Plen.-Entsch. v. 6. März 83, E. 8 S 92. Vgl. auch Erk. v. 21. Febr. 88, R. 10 S. 176. Aber das Telegramm muß die Unterschrift des Antragstellers enthalten oder eS muß sonst erhellen, daß dasselbe von ihm her­ rührt. — Eine Anmeldung mittels Fernsprechers ist nicht statthaft. Erk. v. 11. Dez. 05, E. 38 S. 282.

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XXVI. Strafprozeßordnung §§ 349—353.

abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegerichte vorzulegen. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf die Entscheidungen des Amtsrichters im Vorverfahren, des beauftragten oder ersuchten Richters und des Untersuchungsrichters Anwendung. 8 349. Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht an­ ordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszu­ setzen sei. 8 350- Das Beschwerdegericht kann dem Gegner des Beschwerde­ führers die Beschwerde zur schriftlichen Gegenerklärung Mitteilen; es kann etwa erforderliche Ermittelungen anordnen oder selbst vornehmen.

8 351 Die Entscheidung über die Beschwerde erfolgt ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Be­ schwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung. 8 352 Beschlüsse, welche von dem Landgericht in der Beschwerde­ instanz erlassen sind, können, insofern sie Verhaftungen betreffen, durch weitere Beschwerde angefochten werden.**) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der in der Beschwerde­ instanz ergangenen Entscheidungen nicht statt.*5) 8 353 Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nach­ folgenden besondere^ Bestimmungen. Die Beschwerde ist binnen der Frist von einer Woche, welche mit der Bekanntmachung (8 35) der Entscheidung beginnt, einzulegen. Die Einlegung bei dem Beschwerdegerichte genügt zur Wahrung der Frist, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird. Das Gericht ist zu einer Abänderung feinet durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. 24) Der w. B. unterliegen nicht solche Entscheidungen, die zwar mit Ver­ haftungen im Zusammenhänge stehen, die aber nur die Ausführung vou Ver­ haftungen ader die Modalitäten der Ausführung betreffen. (Verbringung in ein Krankenhaus.) OLG. Stuttgart v. 26. März 14, DStZ. 1 S. 539. Gezen die zur Erzwingung des Zeugnisses angeordnete Hast ist w. B. nicht zulässig. KG. v. 26. März 06, GA. 53 S. 180, auch nicht bei Verhaftung zum Zwecke der Strafvollstreckung. Königsberg v. 5. Felr. 20, GA. 68 S. 315. 25) Auch nicht im Kostenerstattungsverfahren. GA. 51 S. 417 i. auch nicht, wenn die Beschwerde über Ablehnung der Einleitung einer Privatklage verworfen ist. Beschl. v. 28. Novbr. 95, E. 28 S. 31.

Berufung §§ 354—359.

3. Abschnitt.

791

Lerufuug.

§ 354. Die Berufung findet statt gegen die Urteile der Schöffen­ gerichte.^). § 355 Die Berufung muß bei dem Gerichte erster Instanz binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder schriftlich eingelegt toerben.161) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des An­ geklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zu­ stellung.6^) § 356 Der Beginn der Frist zur Einlegung der Berufung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß gegen ein auf Ausbleiben des An­ geklagten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann. Slellt der Angeklagte ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Berufung dadurch gewahrt, daß sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig eingelegt wird. Die weitere Verfügung in bezug auf die Berufung bleibt dann bis zur Erledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgesetzt. Die Einlegung der Berufung ohne Verbindung mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf die letztere. § 357 Durch rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urteils, soweit dasselbe angefochten ist, gehemmt. Dem Beschwerdeführer, welchem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist dasselbe nach Einlegung der Berufung sofort zuzustellen."1) § 358. Die Berufung kann binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn.zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht erster Instanz zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder in einer Beschwerdeschrist gerechtfertigt werden. § 359- Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen ober eine Rechtfertigung 26) Auch wegen des Kostenpunkts. Erk. v. 27. April 82, E. 6 S. 237. 26 a) Die Berufungsschrift muß unterschrieben sein. Beschl. b. KG. v. 17. Nov. 04, DIZ. 10 S. 126. 27) Dasselbe gilt für die Verwaltungsbehörde (§ 469) und den Neben­ kläger. Erk. v. 11. Fedr. 82, E. 6 S. 28. Ein Verzicht auf die Zustellung ist nicht statthaft. Crk. v. 5. Dezbr. 79, R. 1 S. 118. Die Niederlegung des Schriftsatzes im verschlossenen Arbeitszimmer des Gerichtsschreibers genügt nicht, das Schriftstück muß vielmehr in die Hände des zur Empfangnahme berufenen Beamten gelangt sein. GA. 39 S. 187. 27 a) Wegen der Zustellung siehe Anm. 38 zu § 36.

792

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 360—365.

überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als

angefochten.

4 360. Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat das Gericht erster Instanz das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen?^) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Berufungsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Berufungsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt.

8 361. Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt, so hat nach-Ablauf der Frist zur Rechtfertigung der Gerichtsschreiber ohne Rücksicht darauf, ob eine Rechtfertigung stattgefunden hat oder nicht, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Diese stellt, wenn die Berufung von ihr eingelegt ist, dem Angeklagten die Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der Berufung zu. § 362. Die Staatsanwaltschaft übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgerichte. Diese übergibt die Akten binnen einer Woche dem Vorsitzenden des Gerichts. § 363. Erachtet das Berufungsgericht die Bestimmungen über die Einlegung der Berufung nicht für beobachtet, so kann es das Rechts­ mittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. Anderenfalls entscheidet

es über dasselbe durch Urteil. Der Beschluß kann durch sofortige Beschwerde angefochten werden.

§ 364.

Auf die Vorbereitung der Hauptverhandlung finden, die Vorschriften der §§ 213, 215—224 Anwendung. In der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich htnzuweisen. Die Ladung der in erster Instanz^ vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann unterbleiben, wenn deren wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. Neue Beweismittel find zulässig. Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist auf die von dem Angeklagten zur Rechtfertigung der Berufung benannten Personen Rücksicht zu nehmen.

§ 365. Nachdem die Hauptverhandlung nach Vorschrift des § 242 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Das Urteil erster Instanz ist stets zu verlesen. Sodann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten und die Be­ weisaufnahme.

27 b) Gegen diesen Beschluß ist die sofortige Beschwerde unzulässig. Löwe, Anm. 5. OLG. Königsberg v. 25. März 15, DStZ. 2 S. 267. A. M. Posen v. 16. März 12, GA. 60 S. 332. Celle v. 14. u. 25. Novbr. 12, GA. 63 S.151.

Berufung §§ 367—369.

793

§ 366. Bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme können Schriftstücke verlesen toetben;27c) Protokolle über Aussagen der tn der Hauptverhandlung erster Instanz vernommenen Zeugen und Sach­ verständigen dürfen, abgesehen von den Fällen der §§ 250, 252, ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nicht verlesm werden, wenn die wiederholte Vorladung der Zeugen oder Sachverständigen erfolgt ist oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptverhandlung beantragt worden war. § 367. Nach dem Schlüsse der Beweisaufnahme werden die Staatsanwattschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. § 368. Der Prüfung des Gerichts unterliegt das Urteil nur, soweit dasselbe angefochten ist.27 * *d*) * * * § 369. Insoweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen. Leidet das Urteil an einem Mangel, welcher die Revision wegen Verletzung tzjner Rechtsnorm über das Verfahren begründen würde, so kann das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache, wenn die Umstände des Falles es erfordern, zur Entscheidung an die erste Instanz zurückverweisen. Hat das Gericht erster Instanz mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht27*) zu verweisen oder, wenn es selbst in erster Instanz zuständig ist, zu erkennen.22)

27 c) Auch im Falle der Verbindung einer erstinstanzlichen und einer Be­ rufungssache vor der Strafkammer. Erk. v. 3. Jan. 21, E. 55 S. 212. 27 d) Hat der A. die Berufung auf das Strafmaß beschränkt, so darf der Berufungsrichter die Schuldfrage nicht mehr erörtern, Wohl aber Beweis­ erhebungen behufs Prüfung -er Angemessenheit der Strafe bewirken. Erk. v. 17. Jan. 18, JurW. 47 S. 454, KG. v. 10. Mai 07, GA. 55 S. 122. 27 e) Eine Berweisung an eine andere, nach dem Geschästsplan zuständige Kammer ist nicht zulässig. Hatte das Schöffengericht seine sachliche Zuständigkeit überschritten, so ist die Berufungskammer als Gericht erster Instanz zuständig. Erk. v. 23. Jan. 12, E.45 S. 351. Die Strafkammer am Sitz des Landgerichts kann an die auswärtige Strafkammer am Sitz des Amtsgerichts verweisen. Erk. v. 21. Novbr. 16, E. 50 S. 159. 28) Wenn das Berufungsgericht das Urteil des Schöffengerichts wegen Unzuständigkeit aufhebt und selbst als erste Instanz erkennt, so darf dies nicht auf Grund der Beweiserhebung erster Instanz, sondern nur auf Grund einer selbständigen Beweiserhebung geschehen. Erk. v. 26. Novbr. 83, E. 9 S. 282. Ebenso Erk. v. 4. Mai 86. R. 8 S. 342. Die Hauptverh. vor der Stk. gehört mit der schöffengerichtl. Berh. zu demselben Hauptverfahren. Erk. v. 14. Dez.

794

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 370—372.

§ 370. Ist bei dem Beginne der Hauptverhandlung weder der Angeklagte, noch in den Fällen, wo solches zulässig, ein Vertreter desselben erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so ist, insoweit der Angeklagte die Berufung eingelegt hat, dieselbe sofort28 * *B) zu verwerfen, insoweit die Staatsanwaltschaft die Berufung eingelegt hat, über diese zu verhandeln oder die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen. Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung

des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44, 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen. § 371. Ist von einer der im § 340 bezeichneten Personen die Berufung eingelegt worden, so hat das Gericht auch den Angeklagten zu der Hauptverhandlung vorzuladen und kann ihn bei seinem Aus­ bleiben zu derselben zwangsweise vorführen lassen. § 372 War das Urteil nur von dem Angeklagten oder zu­ gunsten desselben von der Staatsanwaltschaft oder von einer der im § 340 bezeichneten Personen angefochten worden, so darf das Urteil nicht zum Nachteile des Angeklagten abgeändert werden.28) 05, GA. 53 S. 77. Der Eröffnungsbeschluß braucht nicht nachträglich verlesen zu werden. Erk. v. 19. Jan. 06, Recht 10 S. 265. 28 a) ohne jede Prüfung der Sach- und Rechtslage. 29) Der § enthält das Verbot der reformatio in pejus. Diese liegt vor, wenn der Berufungsrichter unter Beibehaltung der Gesamtstrafe die Einzel­ strafen höher festsetzt. Erk. v. 12. Mai 08, GA. 55 S. 316. Die Art, wie der erste Richter die Einzelstrafen auf eine Gesamtstrafe zurückgefübrt hat, ist ohne Belang. Löwe, Anm. 4 b. Erk. v. 25. Septbr. 97, GA. 45 S. 425. Ist ein Urteil wegen konkurrierender Delikte aufgehoben, weit nur eine Straftat vor­ liege, so kann der Richter bei der erneuten Aburteilung auf dieselbe Strafe er­ kennen. Erk. v. 22. Septbr. 80, R. 2 S. 239. Siehe auch R. 2 S. 186 u. GA. 37 S. 79. An Stelle der in 1. Instanz erkannten Freiheitsstrafe kann eine Geld­ strafe verhängt werden, die höher ist, als sie nach dem Umwandelungsmaßstabe des 8 29 StGB, sein dürfte, nur darf dieser Geldstrafe nicht eine höhere Freiheits­ strafe substituiert werden als die früher erkannte. Erk. v. 12. Juli 80, E. 2 S. 205. Hat der erste Richter die erkannte Freiheitsstrafe durch Untersuchungs­ haft für verbüßt erklärt, so darf nicht nach D. Geldstrafengesetz, auf eine Geldstrafe erkannt werden, von der nur ein Teil durch die Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wird. H e l l w i g, LZ. 16 ©. 311. Der in diesem § aufgestellte Grund­ satz gilt ganz allgemein und also nicht bloß für das Berufungsgericht, sondern auch für daS von letzterem unter Aufhebung des vom Angeklagten angefochtenen Urteils als zuständig bezeichnete erstinstanzliche Gericht. Erk. v. 24. Mai 83, R. 5 S. 381. Ob der Einwand der reformatio in pejus überhaupt in der Revision gegen Urteile des Berufungsgerichts erhoben werden kann oder nach 8 380 der StPO., weil es sich um eine Vorschrift über das Verfahren handelt, unstatthaft ist, ist bestritten. Siehe GA. 38 S. 368, 369; GA. 64 S. 175 zu 8 380. Das Verbot findet auf die Verpflichtung zur Tragung der K osten keine Anwendung. RG. v. 5. Dezbr. 05, GA. 55 S. 119. Ist in 1. Instanz wegen

Revision 88 373—376.

79b

§ 373. Im übrigen finden die im sechsten Abschnitte des zweiten Buch- über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften Anwendung. 4. Abschnitt.

Revision.

§ 374. Die Revision findet statt gegen die Urteile der Land­ gerichte und der Schwurgerichte. § 375. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, welche dem Urteile vorausgegangen sind, sofern dasselbe auf ihnen beruht.^) § 376. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer VerletzungS1) des Gesetzes *) beruhe.^) einfacher Beleidigung verurteilt, so darf in 2. Instanz nicht auf Publikations­ befugnis erkannt werden. Erk. v. 1. Nov. 06, Recht 10 S. 1387. 30) Das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Voruntersuchung kann mit der Revision nicht geltend gemacht werden. Erk. v. 29. Febr. 84, R. 6 S. 161, auch nicht ein angeblicher Mangel der Voruntersuchung. Erk. v. 18. Jan. 21, E. 55 S. 225, wohl aber das Fehlen des Eröffnungöbeschlusies, Erk. v. 29. Jan. 84, E. 10 S 56, aber der Mangel muß in der Hauptverhandlung gerügt sein. Erk. v. 23. Oktbr. 84, R. 6 S. 644. 31) Die Entscheidung der Talfrage ist der Nachprüfung des Revisionsttchters entzogen, so die Feststellung des Tatorts. Erk. v. 21. Sepibr. 11, E. 45 S. 159; des Rückfalls. Erk. v. 14. April 85, R. 7 S. 225; die Würdigung der für die Strafzumeffung u. Annahme mildernder Umstände maßgebend ge­ wesenen tatsächl. Verhältnisse. Erk. v. 22. April 92, E. 23 S. 91; die Anrech­ nung einer in Wirklichkeit nicht erlittenen Untersuchungshaft. Erk. v. 12. Novbr. 83, E. 9 S. 244 (aber nicht die recht!. Zulässigkeit der Anrechnung. Erk. v. 7. Juli 98, E. 38 S. 244); ein Irrtum über Zahl u. Größe der Vorstrafen. Erk. v. 12. Oktbr. 11, GA. 59 S. 350; die Einziehung einer Sache. Erk. v. 13. Juli 17, E. 51 S. 198. Dagegen steht die Prüfung der tatsächl. Unterlagen der Prozeßrecht!. Be­ schwerde dem Revisionsrichter zu. Erk. v. 13. Juli 81, E. 4 S. 388. Er kann daher auch neue Tatsachen berücksichtigen, wenn sie eine prozessuale Voraussetzung bilden. Er kann nachprüfen, ob die Strafverfolgung überhaupt vor die ordentl. Gerichte gehört. Erk. v. 27. März 85, 91. 7 @. 198; ob die Voraussetzungen eines Strafantrages vorliegen. Erk. v. 4. April 82, E. 6 S. 161; ob ein Zeuge, der sein Alter auf 16 Jahre angegeben batte, vereidigt werden durfte, Erk. v. 18. Novbr. 84, E. 11 S. 261; ob die Voraussetzungen für eine Amnestie vor­ liegen. Erk. v. 19. Mai 19, E. 53 S. 59. Doch kann er nicht prozeßrechtl. er­ hebliche Umstände nachprüfen, über deren Borliegen der Tatrichter in der Hauptverbandl. nach freiem Ermessen zu entscheiden batte. Löwe, Anm. 2dAbs. 2 am Ende.: so z. B. nicht, ob der A. das 18. Jahr überschritten hatte. Erk. v. 23. März 82, E. 4 S. 273; ob der A. verhandlungsfähig war. Erk. v. 8. Jan. 97, E. 29 S. 324. Erk. v. 8. Dezbr. 13, DIZ. 19 S. 755; ob der Zeuge wegen Berstandesschwäche nicht beeidigt werden durfte. E. US, 261. 31 a) Auch auf die Verletzung ausländischer Gesetze kann die Revision ge­ gründet werden. Erk. t). 21. Febr. 84, R. 6 S. 142. 31 b) Ob eine Verletzung von Prozeßvorschriften von Einfluß auf das er­ gangene Urteil gewesen ist, ist nach Lage des konkreten Falls zu entscheiden u.

796-

XXVI. Strafprozeßordnung § 3-7.

Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm32 * *) *nicht * * * oder nicht richtig angewendet worden ist.

§ 377. Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen: 1. wenn das erkennende Gericht33) oder die Geschworenenbank34)35 36 nicht vorschriftsmäßig besetzt todt;3B) 2. wenn bei dem Urteile ein Richter,s6) Geschworener37) oder überall da anzitnehmen, wo die Möglichkeit besteht, daß das Urteil auf dem Ver­ stoß beruht, so wenn der Hinweis auf § 264 unterblieben ist. Erk. v. 5. Novbr. 89, E. 20 S. 33; oder dem A. das letzte Wort zur Schuldfrage nicht erteilt ist (§ 299). Erk. v. 30. Ottbr. 99, E. 32 S. 321; oder der Zeuge die ihm vorge­ legten Generalfragen nicht unter Eid beantwortet hat. Erk. v. 7. März 84, R. 6 S. 176. 32) „Rechtsnormen" sind nicht bloß die ausdrücklichen Bestimmungen der Gesetze, sondern auch alle Grundsätze, welche sich aus dem Sinne und Zusam­ menhänge der gesetzlichen Vorschriften ergeben. Die StPO, macht hierbei keinen Unterschied zwischen den Normen des materiellen Rechts und des Prozeßrechts, und grundsätzlich ist keine Prozeßvorschrift von der Begründung der Revision ausgeschloffen. Mot. — Vgl. Erk. v. 27. April 82, R. 4 S. 388. Hierher ge­ hören auch Grundsätze des Gewohnheitsrechts. Erk. v. 5. Novbr. 83, E. 9 S. 299. Ebenso sind Auslieferungsverträge (in Preußen durch die Gesetzsammlung publiziert) hierher zu zählen. Erk. v. 3. Oktbr. 90, E. 21 S. 180 und Erk. v. 10. Febr. 91, GA. 39 S. 65. Keine Rechtsnormen sind Unfallverhütungsvor­ schriften einer Berufsgenoffenschaft. Erk. v. 9. Oktbr. 17, E. 52 S. 42. Dienst­ instruktionen. Erk. v. 16. Febr. 04, DIZ. 9 S. 556. Der Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“. Erk. v. 2. Oktbr. 18, E. 52 S. 319. Erk. v. 24. Oktbr. 21, Recht 26 Nr. 151. 33) Wegen der Fähigkeit zur Ausübung des Richteramts trotz Nichtleistung des Lides auf die Verfassung siehe Anm. 27 zu § 24. 34) Auf die Behauptung, daß die Spruchliste ohne Grund eine Minderung erfahren habe, daß also ein Geschworener zu Unrecht entlasten sei, kann die Re­ vision nicht gegründet werden. Erk. v. 25. Jan. 95, E. 26 S. 409. Ist ein gesetzlich unfähiger Geschworener auf die Liste gebracht, dieser aber krank und beurlaubt gewesen, so ist kein Revisionsgrund gegeben. Erk. v. 15. Juni 94, E. 25 S. 418. Die Geschworenenbant ist nicht besetzt, wenn nach Kundgabe des Spruchs bei Fortsetzung der Verhandlung die Geschworenen nicht zugegen sind. Erk. v. 24. Febr. 19, E. 53 S. 199. 35) Ein Richter, der zum StA. ernannt ist, wird nicht schon mit dem Datum des Ernennungsdekrets unfähig zum Richteramt, Erk. v. 28. Jan. 95, E. 26 S. 412; ein Geschworener nicht dadurch, daß er zur Zeit der Hauptverhandl. nicht mehr seinen Wohnsitz im Schwurgerichtsbezirk hat. Erk. v. 29. Dezbr. 02, Recht 7 .S. 84. 36) Die Prüfung des Revisionsgerichts hat sich nur darauf zu beschränken, ob die erforderliche Zahl von Richtern vorhanden gewesen und ob die letzteren zur Wahrnehmung der Geschäfte überhaupt und bei dem bestimmten Landgericht die Befähigung und gesetzlich vorgeschriebene Berufung hatten. Erk. v. 13. Nvbr. 80, R. 2 S. 511. Die Nichtanwendung bloß reglementärer Vorschriften gibt keinen Revisionsgrund. Erk. v. 16. Oktbr. 80, E. 3 S. 8; Erk. v. 8. Juli 80, E. 2 S. 195. Führt ein nichtberufener Richter den Vorsitz, so führt dies zur Aushebung des Urteils. Erk. v. 2. März 80< E. 1 S. 238. Siehe auch Erk. v.

Revision 8 377.

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Schöffe mitgewirkt hat, welcher von der Ausübung des Richteramts kraft des Gesetzes ausgeschlossen todt;88) 3. wenn bei dem Urteile ein Richter oder Schöffe mitgewtrkt hat, nachdem derselbe wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;88)

4. wenn das Gericht nommen Ijat;40)

seine Zuständigkeit mit Unrecht

ange­

5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staats­ anwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vor­ schreibt, stattgefunden

6. wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung 22. April 84, R. 6 S. 287 u. Erk. v. 11. Juni 88, R. 10 S. 432. Daß ein Richter, welcher beurlaubt gewesen, doch an der Verhandlung teilgenommen, kann die Revision nicht begründen. Erk. v. 14. Novbr. 90, GA. 38 S. 440. 37) § 377 Nr. 1 richtet sich besonders gegen die Mitwirkung von Ge­ schworenen, welche an sich und absolut unfähig sind, Erk. v. 21. Septbr. 80, R. 2 S. 225, während § 377 Nr. 2 die relative Unfähigkeit in der konkreten Sache mitzuwirken im Auge hat. Erk. v. 15. Mai 88, E. 17 S. 375. Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, daß ein Geschworener der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen sei. Erk. v. 7. Jan. 98, E. 30 S. 399. 38) Ein Richter, welcher nur eine amtliche Erklärung bezüglich der Straf­ tat abgegeben hat, aber nicht als Zeuge vernommen worden ist, ist vom Richter­ amt nicht ausgeschlossen. Erk. v. 1. Mai 85, R. 7 S. 269. Darauf, daß ein Geschworener oder Richter während der Verhandlung ge­ schlafen hat, kann die Revision nicht gegründet werden. Erk. v. 29. Juli 91, E. 22 S. 106. Erk. v. 8. Jan. 21, DStZ. 8 S. 244. 39) Der Revisionsrichter hat seine Prüfung auch auf das tatsächliche Material auszudehnen, welches zur Begründung der Ablehnung vorgebracht ist. Erk. v. 30. Novbr. 82, E. 7 S. 340, Erk. v. 22. Jan. 86, R. 8 S. 89. Neue Tatsachen dürfen in der Revisionsinstanz nicht vorgebracht werden. Erk. v. 6. Juni 82, R. 4 S. 527. 40) Auf die Unzuständigkeit des Gerichts kann der StA. keine Revision stützen und der Angeklagte nur, wenn der Einwand rechtzeitig erhoben ist. Erk. v. 20. Novbr. 80, E. 3 S. 136. 41) Nichtanwesenheit des StA. bei der Urteilsverkündung bewirkt Auf­ hebung des Urteils. Erk. v. 11. Oklbr. 83, R. 5 S. 587 u. E. 9 S. 275. Erk. v. 28. März 88, R. 10 S. 276, auch wenn die Nichtanwesenheit nur kurze Zeit dauerte. Erk. v. 20. Juni 07, E. 40 S. 230, desgl. Nichtanwesenheit des not­ wendigen Verteidigers während eines Teils der Verhandlung. Erk. v. 23.Nov. 05, E. 38 S. 216 u. Erk. v. 28. Juni 10, E. 44 S. 16. Belehrung der Ge-. schworenen im Beratungszimmer ohne Zuziehung der beisitzenden Richter, des StA. und Verteidigers führt zur Aufhebung des Urteils. Erk. v. 14. Dezbr. 83, R. 5 S. 787. Aber nicht ist ein Revisionsgrunv zugunsten des Angekl. gegeben, wenn gegen einen Mitangekl. verhandelt ist, gegen den, weil er abwesend ist, nicht verhandelt werden durfte. Erk. v. 2. Jan. 06, E. 38 S. 272 (anders E. 29 S. 294).

798

XXVI. Strafprozeßordnung 8 378.

ergangen ist, bet welcher die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt fittb;42)43

7. wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält;

8. wenn

die Verteidigung in einem für die Entscheidung we­

sentlichen Punkte durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig be­

schränkt worden ist.48)

§ 378.

Die

Verletzung

von Rechtsnormen,

welche

lediglich

zugunsten des Angeklagten gegeben sind, kann von der Staatsan­

waltschaft nicht zu dem Zwecke geltend gemacht werden,44)* *um eine 42) Das Protokoll über die Hauptverh. muß ausdrücklich die Gründe registrieren, auS welchen die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist. Erk. v.

9. Dezbr. 87, R. 9 S. 715. Der A. hat übrigens kein Recht auf Ausschluß der Öffentlichkeit. Erk. v. 23. April 80, R. 1 S. 652. Siehe die §§ 170 ff. des GBG.

43) Beschränkung der Verteidigung liegt nur dann vor, wenn bestimmte Rechtsnormen, die eine Beeinträchtigung der Verteidigung verbieten, verletzt sind. Erk. v. 12. Juni 06, GA. 53 S. 293. Die wichtigste Rolle spielt hier die unbegründete Ablehnung von Beweisanträgen. Siehe darüber insbesondere die Anm zu § 243 der StPO. Als einzelne Fälle unzulässiger Beschränkung her Verteidigung sind noch zu erwähnen: Die Ablehnung von Beweisanträgen, welche vor der Hauptverh. gestellt, bei der letzteren aber nicht wiederholt sind. Erk. v. 23. Septbr. 8V, R. 2 S. 246. — Die Ablehnung von förmlich durch den Angekl. geladenen Zeugen wegen BeweiSunerhebltchkeit. Erk. v. 10. April 80, R. 1 S. 571. Siehe auch E. 7 S. 76. — Ablehnung eines Beweisantrags: „Zeugen über die dem Angekl. zur Last gelegte Beschuldigung zu vernehmen", nicht mit der Begründung, daß die Tat­ sachen, über welche die Zeugen vernommen werden sollen, nicht angegeben seien. Erk. v. 25. Septbr. 85, R. 7 S. 534. — Ablehnung eines Beweisantrags, weil die unter Beweis gestellte Tatsache wegen Unglaubwürdigkeit des Angekl. sich alerdichtet darstelle. Erk. v. 23. Dezbr. 85, R. 7 S. 761. — Ablehnung der Ver­ nehmung eines Zeugen wegen ungenügender Bezeichnung. Erk. v. 14. März 90, GA. 38 S. 60, oder eines Zeugen darüber, daß eine Zeugin Männern sehr ent­ gegenkommend sei. Erk. v. 16. Juni 05, DIZ. 10 S. 1171. Durch Ausschluß der Öffentlichkeit kann die Verteidigung nicht beschränkt werden. Erk. v. 21. Jan. 95, E. 26 S. 395. — Die Ablehnung eines Beweis­ ermittelungsantrages kann nicht mit der Revision angefochten werden. Erk. v. 27. Novbr. 93, E. 24 S. 422. — Die Frage, ob die Aussage eines Zeugen einer andern Zeugenaussage gegenüber noch erheblich ist, kann erst nach der Vernehmung des Zeugen entschieden werden. Erk. v. 7. Dezbr. 81, R. 3 S. 768. — Vgl. dazu das abweichende Erk. v. 1. Mai 82, R. 4 S. 421, welches di­ vorstehende Frage für tatsächlicher Natur und dem Revistonsrichter entzogen erachtet. — Die Begründung eines Beweisantrages über eine Negative mit de» Behauptung, die Zeugen hätten die inkriminierte Äußerung hören müssen, weil sie mit dem Angekl. in demselben Zimmer gewesen, ist genügend substantiiert. Erk. v. 9. Novbr. 86, R. 8 S. 693. — Es ist keine unzulässige Beschränkung der Verteidigung, wenn eine Frage an einen Zeugen auf Grund des § 240 StPO. alS unzulässig abgeschnitten wird. Erk. v. 28. Juni 89, GA. 37 S. 295. 44) Die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens gehören nicht

hierher und kann die Verletzung derselben von dem Staatsanwalt geltend gemacht werden. Erk. v. 30. Jan. 80, E. 1 S. 90.

Revision §§ 379—381.

Aufhebung des

Urteils zum Nachteile4B)

799

des Angeklagten herbei­

zuführen. § 379. Wenn der Angeklagte von den Geschworenen für nicht­ schuldig erklärt worden ist- so steht der Slaalsanwalischast die Re­ vision nur in den Fällen zu, in welchen dieselbe durch die Be­ stimmungen des § 377 Nr. 1, 2, 3, 5 oder durch die Stellung oder Ntchtstellung von Fragen begründet wird.") § 380. Gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Urteile der Landgerichte kann die Revision wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren nur auf Verletzung der Vorschrift des § 398 gestützt werden.") § 381. Die Revision muß bei dem Gerichte, desien Urteil an­ gefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung deS Urteils zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder schriftlich eingelegt werden.") Ebenso steht dem StA. die Revision zu, wenn § 232 der StPO. zu.Unrecht in Anwendung gebracht ist, denn diese Bestimmung ist nicht lediglich zugunsten des A. getroffen. Erk. v. 7. Juli 96, E. 29 S. 44. 45) Zugunsten des A. kann sie aber der StA. geltend machen. Erk. v. 7. Dezbr. 81, E. 5 S. 218. 46) Die Anfechtung seitens der StA. ist nur soweit beschränkt, als ein Nicht­ schuldig vorliegt, nicht auch wegen der Fälle, bezüglich deren eine Verurteilung erfolgt ist. Erk. v. 27. Mai 84, E. 10 S. 410 Die Revision des StA. ist auch dann zulässig, wenn bei einem teilweise auf Nichtschuldig lautenden Verdikte, die­ selbe darauf gestützt wird, daß das Berichtigungsverfahren zu Unrecht erfolgt sei. Erk. v. 8. Juni 86, E. 14 S. 298, Sie ist ferner zulässig, wenn die Unbrauch­ barmachung einer Druckschrift abgelehnt wird. Erk. v. 12. Juli 80, R. 2 S. 191 oder, wenn der Obmann den Wahrspruch nicht unterzeichnet hat. Erk. v. 20. Jan. 13, DIZ. 18 S. 923. 47) Bestritten ist die Frage, ob der Strafantrag zu den Vorschriften des Prozeßrechts oder des materiellen Rechts gehört. Für die erste Ansicht Erk. v. 12. Juli 80, E. 2 S. 221, v. 2. Febr. 85, E. 12 S. 34, Rostock v. 26. Jan. 06, GA. 54 S. 104, für die letztere Ansicht Naumburg v. 4. Dezbr. 93 u. 5. Novbr. 04, GA. 42 S. 51 u. 52 S. 236. Gemischten Charakter nehmen mit Recht an Löwe, Anm. 6, Olshausen § 61 Sinnt. 1, Lucas I S. 343. Auch der Rechtssatz ne bis in idem hat gemischten Charakter. Erk. v. 3. März 08, E. 41 S. 153 u. v. 3. Dezbr. 09, E. 43 S. 60. Dagegen ist angenommen, daß der Einwand der Verjährung dem materiellen Recht angehöre. GA. 37 S. 312, 38 S. 218, 40 S. 187, 41 S. 303, 429. Ebenso ist hie Frage, ob eine Person als gesetzlicher Vertreter anzusehen und zur Vertretung zugelaffen sei, als materiell rechtlich angesehen. GA. 37 S. 452. Desgleichen gehört die Frage, ob jemand berechtigt sei, sich als Neben­ kläger anzuschließen, dem materiellen Pecht an. GA. 38 S. 455. Die Frage, wer die Kosten zu tragen hat, ist gleichfalls eine Frage deS materiellen Rechts, doch verletzt ein Urteil, daS über die Kosten nicht entscheidet, nur die formelle Vorschrift des § 496 KG. v. 11. Ott. 06, DIZ. 12 S. 190. 48) Die Frist wird nicht gewahrt, wenn der RA., der daS Rechtsmittel ein­ gelegt hat, aber nicht Verteidiger ist, Vollmacht erst nach Ablauf der Frist bei­ bringt. Erk. v. 17. Dezbr. 96, E.^9 S. 257; wohl aber dann, wenn innerhalb

800

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 382, 383.

Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des An­ geklagten stattgefunden , so beginnt für diesen die Frist mit ber

Zustellung.") § 382. Der Beginn der Frist zur Einlegung der Revision wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß gegen ein auf Ausbleiben des Angeklag­ ten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann. Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Revision dadurch gewahrt, daß sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig eingelegt und begründet wird. Die weitere Verfügung in bezug auf die Revision

bleibt dann bis zur Erledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in

den vorigen Stand ausgesetzt. Die Einlegung der Revision ohne Verbindung mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf

die letztere. § 383. Durch rechtzeitige Einlegung der Revision wird die Rechtskraft des Urteils, soweit dasselbe angefochten ist, gehemmt. der Frist der berufene Beamte in die Lage gesetzt wird, über dies Schriftstück zu verfügen. Erk. v. 10. März 11, E. 44 S. 350. Hat-der Verteidiger Vertretungs­ vollmacht, so ist, wenn er für die Zeit einer kurzen Abwesenheit von seinem Wohn­ ort sein Bureau beauftragt, einen andern RA. zur Vollziehung von Unterschriften an seiner Stelle zu exsuchen u. demgemäß ein solcher Anwalt die Revisionsein­ legung unterschreibt, letztere wirksam. Erk. v. 15. Dezbr. 08, GA. 56 S. 87. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung kann nicht darauf gegründet werden, daß der Gerichtsschreiber die Protokollierung der Anmeldung verweigert habe. Erk. v. 9. August 97, GA. 45 S. 365. Dagegen hat ein verhafteter A. Anspruch auf Wiedereinsetzung; wenn ihm die Gelegen­ heit, die Revisionseinlegung zu Protokoll zu erklären, nicht gewährt ist. Erk. v. 11. Jan. 98, GA. 46 S. 113. Ist das Urteil von einer detachierten Strafkammer gefällt, so kann die Revision auch bei dem Landgericht eingelegt werden. Erk. v. 4. Juni 80, R. 2 S. 30. Bei dem Vorsitzenden eines Schwurgerichts kann die Revision nur wäh­ rend der Dauer des Schwurgerichts angebracht werden. Beschl. v 30. Novbr. 85, E. 13 S. 156. 49) Ist das Urteil in Gegenwart des den A. in gesetzlicher Weise vertreienBevollmächtigten erfolgt, so beginnt die Rechtsmittels erst mit der Zustellung deS Urteils. Caffel v. 18. Juli 89, GA. 37 S. 312. Dagegen wird der Privat­ kläger hinsichtlich den Bekanntmachungen durch den Verteidiger vertreten. Celle v. 11. Febr. 88, GA. ebenda. Ist das Erkenntnis ohne Gründe publiziert, so beginnt die Frist erst mit der Zustellung. Erk. v. 6. Febr. 80, E. 1 Seite 192. Eine Revisionsanmeldung ohne Unterschrift ist wirkungslos. Erk. v. 18. Febr. 87, R. 9 S. 144. Dagegen gilt eine von einem Gefängnisbeamten auf­ genommene Revisionsanmeldung als schriftlich, wenn dieselbe des Sabbats wegen nicht unterschrieben ist. Erk. v. 9. März 88, E. 17 S^ 256. Wegen der telegraphischen Anmeldung und wegen Anmeldung mittels Fern­ sprechers siehe Anm. 23 zu § 348.

801

Revision §§ 384, 385.

Dem Beschwerdeführer,

welchem das Urteil mit den Gründen

noch nicht zugestellt war, ist dasselbe nach Einlegung der Revision

zuzustellen.60)

§ 384.

Der

Beschwerdeführer

inwieweit er daS Urteil

hat

anfechte und

die

abzugeben,

Erklärung

dessen Aufhebung

beantrage

(Revisionsanträge)°o»), und die Anträge zu begründen.51 * *) * * * * * * * * * * * * * 50 AuS der Begründung muß hervorgehen, ob- das Urteil wegen

Verletzung einer Rechtsnorm über das Serfaljttn61*) oder wegen Ver­ letzung einer anderen Rechtsnorm ftlb) angefochten wird.

müssen die § 385.

Ersterensalls

den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Die

Revisionsanträge

und

deren

Begründung

sind

spätestms binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil 50) Die Frist beginnt auch dann mit der Zustellung des Urteils, wenn der Spruch der Geschworenen, auf den das Urteil Bezug nimmt, dem Angekl. auf dessen Antrag erst später abschriftlich mitgeteilt ist. Erk. v. 14. Mai 86, R. 8 S. 360. Das Urteil kann auch dem als Zustellungsbevollmächtigten legitimierten Verteidiger zugestellt werden, die Zustellung an den Beschwerde­ führer selbst ist aber ebenfalls wirksam. Crk. v. 20. Novbr. 82, R. 4 S. 830. Siehe auch Erk. v. 8. Jan. 84, R. 6 S. 32. Ist aber das Urteil nach Anmeldung der Revision dem Angekl. zugestellt, statt dem als Zustellungsbevollmächtigten legitimierten Verteidiger, obgleich der Staatsanw. dem Gerichtsvollzieher auf­ gegeben, die Zustellung an letzteren zu bewirken, so ist diese unwirksam und läuft die Frist erst von der Zustellung an den Verteidiger. Beschl. v. 13. Jan. 87, R. 9 S. 42. Siehe auch Anm. 38 zu § 36. Das Urteil muß mit den Gründen zugestellt werden. Siehe Beschl. v. 26. Febr. 87, R. 9 S. 161. Auf die Zu­ stellung kann der Beschwerdeführer nicht verzichten. Erk. v. 5. Dezbr. 79, R. 1 S. 118. 50 a) Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich. Erk. v. 7. Juli 21, E. 56 S. 225. 51) Es genügt nicht die allgemeine Rüge, daß die Fragestellung die §§ 292, 293 verletzt habe. Erk. v. 20. Mai 06, DIZ. US. 1029, wenn nicht zu­ gleich die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden, ferner nicht, daß statt der Begründung auf die Revisionsschrift in einet anderen Sache, mag dieselbe auch in Abschrift überreicht sein, Bezug genommen wird. Erk. v. 12. Novbr. 89, E. 20 S. 42. Bei Beschränkung der Anfechtung auf eine erkannte Nebenstrafe kann nicht die Feststellung des Tatbestandes bemängelt werden. Erk. v. 12. März 09, E. 42 S. 241. Es kann aber das Urteil (auch das eines Schwurgerichts) lediglich wegen der Straffestsetzung angefochten werden. Erk. v. 19. Septbr. 11, E. 45 S. 149. 51 a) Es genügt nicht die Begründung, das Urteil werde wegen Ver­ letzung der Vorschriften über das Verfahren «angefochten. Erk. v. 12. Dezbr. 81, R. 3 S. 792; auch nicht, daß die Verletzung dieser Vorschriften zu vermuten sei. Erk. v. 26. Mai 14, E. 48 S. 288. Auch eine bedingt erhobene BerfahrenSrüge ist nicht zulässig. Erk. v. 29. April 19, E. 53 S. 50. 51b) In diesem Falle genügt die Behauptung der Verletzung einer materi­ ellen Rechtsnorm. Erk. v. 21. März 07, L. 4U S. 99. A. M. Oß»; Naum­ burg v. 5. Septbr. 17, JurW. 47, S. 189.

Dalcke, Strafrecht.

18. Ausl.

(1922).

öl

802

XXVI. Strafprozeßordnung § 385.

noch nicht zugestellt war, nach besten Zustellung^) bet dem Gerichte,Ms) besten Urteil angefochten wird, anzubringeu.ö8)

Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Ver­ teidiger^) oder einem RechtSanwatt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers geschehen.M) 52) Ist die Zustellung innerhalb der Anmeldefrist erfolgt, so läuft die Rechtfertigungssrist erst von dem Ablauf der Anmeldefrist ab. GA. 38 S. 219. 52 b) Die Zuständigkeit des AG. wird nicht dadurch begründet, daß eS das zuständige LG. um Aufnahme der Rechtfertigung ersucht. Erk. v. 6. Dezbr. 12, DIZ. 18 S. 588. 53) Die Frist wird nicht gewahrt, wenn der Schriftsatz nach Schluß der Dienstftunden an den Kastellan abgegeben wird, sollte dieser auch denselben noch an demselben Tage in der GerichtSschreiberei niedergelegt haben. Erk. v. 5. Febr. 84, R. 6 S. 85. Bgl. dagegen Erk. v. 6. Dezbr. 80, R. 2 S. 613, wonach die Abgabe an den zur Empfangnahme von Schriftstücken berechtigten Gerichts­ diener auch noch nach Schluß der Bureaustunden genügen soll. 54) Die von einem nicht legitimierten RA., welcher nicht Verteidiger war, unterzeichnete RevistonSschrift ist zuzulaffen, wenn besondere Bedenken nicht ent­ gegenstehen und der Angekl. insbesondere die Revision selbst angemeldet hat. Erk. v. 5. Mai 84, R. 6 S. 355 und ebenso R. 9 S. 90 u. E. 15 S. 226. Der unter der Unterschrift de- A. stehende Vermerk: „Beglaubigt, N. N. Rechtsanwalt" ist ungenügend. Trk. v. 14. Fe-r. 88, R.10 S. 149. Bgl. Erk. v. 2. Oktbr. 88, R. 10 S. 542. Ein formloses, als integrierender Bestandteil der von einem RA. unterzeichneten Revision bezeichnetes Schriftstück ist als RevistonSantrag nicht zu berücksichtigen. Erk. v. 1. Oktbr. 86, E. 14 S. 348 Erk. v. 25. März 20, E. 54 S. 282. Der Verteidiger muß die RevistonSschrift mit seinem vollen Namen unterschreiben. Erk. v. 25. Febr. 04, E. 37 S. 81. Die Unterschrift eines RA. mit dem Zusatz „legalisiert auf Antrag des X" genügt nicht. Erk. v. 7. Novbr. 90, E. 21 S. 159. Die mangelnde Unterschrift des RA. kann nicht durch den Beweis, daß die Schrift von diesem herrühre, ersetzt werden. Erk. v. 6. Dezbr. 97, E. 30 S. 366. Die Vollziehung der Unterschrift durch einen anderen ist unzulässig. KG. v. 28. Novbr. 11, GA. 59 S. 474. Auch der StA. muß die RevistonSschrift unterschreiben. Erk. v. 20. Oktbr. 08, DIZ. 14 S. 148. Der Mangel der Unterschrift kann auch hier nicht nach­ geholt werden. Erk. v. 23. Jan. 28, Recht 26 Nr. 298. Es genügt auch nicht eine Abschrift, die durch Beidrückung eines Dienstsiegels der StA. beglaubigt ist. Erk. v. 14. März 22, DStZ. 9 S. 179. 55) Der A. braucht das Protokoll nicht zu unterschreiben. Seine Er­ klärungen sind aber unwirksam, wenn er die Unterschrift verweigert, weil ihm daS Protokoll nicht zur Durchsicht vorgelegt ist. Erk. v. 22. Juli 16, LZ. 10 S. 1319. Der Beschwerdeführer darf dem Gerichtsschreiber die Revistonsanträge u. deren Begründung nicht in die Feder diktieren. Erk. v. 9. Mai 95, E. 27 S. 211. Erk. v. 8. Aug. 18, E. 52 S. 52 S. 149. Er darf auch nicht eine vom A. selbst gefertigte u. unterschriebene RevistonSschrift in der Art verwenden, daß er derselben durch Hinzufügung eines bezüglichen Eingangs u. Schlusses die Form eines Protokolls gibt. Erk. v. 3. Mai 86. R. 8 S. 338. Der GerichtSfchreiber ist übrigens nur der bei dem Gericht fungierende, dessen Urteil ange­ fochten wird. Beschl. v. 16. Septbr. 82, E. 7 S. 174. Ausgenommen ist der Fall des § 341 StPO. Die Mitwirkung des Richters bei der Protokollierung ist nicht unstatthaft. Erk. v. 21. Sept. 05, DIZ. 11 S. 84.

Revision 88 386—388,

§ 386 Ist die Revision verspätet eingelegt, oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der tat 8 385 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als un­ zulässig zu verwerfen. B5a) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts an­ tragen.^) In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. § 387. Ist die Revision rechtzeitig eingelegt, und sind die Re­ visionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form ange­ bracht, so ist die Revisionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. 57) Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Der Angeklagte kann letztere auch zu Protokoll des Gerichtsschreibers abgeben. Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist erfolgt durch die Staatsanwaltschaft die Einsendung der Akten an das Revisionsgericht.

8 388. Findet das Gericht, an welches die Einsendung der Akten erfolgt ist, daß die Verhandlung und Entscheidung über das Rechts­ mittel .zur Zuständigkeit eines anderen Gerichts gehöre, so hat es durch Beschluß seine Unzuständigkeit auszusprechen. Dieser Beschluß, in welchem das zuständige Revisionsgericht zu bezeichnen ist, unterliegt einer Anfechtung nicht und ist für das in demselben bezeichnete Gericht bindend.^) Die Abgabe der Akten erfolgt durch die Staatsanwaltschaft. 55 a) Auch wenn der Verwerfungsbeschluß rechtskräftig geworden, ist doch noch ein Wiedereinsetzungsgesuch gegen Versäumung der Revisionsbegründungs­ frist zulässig. Beschl. v. 4. Juli 19, E. 53 S. 287. Hat die Strafkammer in der irrigen Annahme, die Anträge seien nicht rechtzeitig eingelaufen, die Revision verworfen, so kann sie diesen Beschluß nicht wieder aufheben. Erk. v. 19; Mai 19, Recht 23 Nr. 1232. 56) Aber nicht der StA. zugunsten des Angekl. Beschl. v. 21. Dezbr. 82, R. 4 S. 889. Auch ist der Ehemann nicht selbständig zur Stellung eines An­ trages berechtigt. Beschl. v. 25. März 05, E. 38 S. 9.

57) Die Revisionsbegründung hat das Gericht d. A. zuzustellen. OLG. Düsieldorf v. 26. Juni 09, GA. 58 S. 257. Löwe, Anm. 2b. Weber, DStZ. 8 S. 17. A. M. Cöln v. 3. Dezbr. 89, GA. 38 S. 19. 58) Ein nach diesem 8 erlassener Unzuständigkeitsbeschl. bindet das darin bezeichnete Revisionsgericht nur insoweit, als überhaupt ein zur Entscheidung in der Revisionsinstanz geeignetes Rechtsmittel vorliegt. Erk. v. 24. April 84, R. 6 S. 298.

804

XXVI. Strafprozeßordnung 88 389—3V3.

§ 389.58 a59 ) Erachtet das Revisionsgericht die Bestimmungen über die Einlegung-der. Revision oder diejenigen über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.") Das gleiche ist der Fall, wenn das Reichsgericht über die Revision zn entscheiden hat und die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erklärt wird. Anderenfalls wird über das Rechtsmittel durch Urteil entschieden. § 390. Der Angeklagte oder auf dessen Verlangen der Vertei­ diger ist von dem Tage der Hauptverhandlung zu benachrichtigen. Der Angeklagte kann in dieser erscheinen oder sich durch einen mit schrift­ licher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat keinen An­ spruch auf Anwesenheit. § 391. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Vorträge eines Berichterstatters. Hierauf werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. § 392. Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, insoweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur diejenigen Tatsachen, welche bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden fittb.60) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge, als die im § 384

Abs. 2 vorgeschriebene, ist nicht erforderlich und , wenn sie unrichtig ist, unschädlich. § 393. Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Gleichzeitig sind die dem Urteile zugrund liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, .wegen deren die Aufhebung des Urteils erfolgt.61)

58 a) Der Wortlaut beruht auf dem Gesetz v. 8. Juli 22 (RGBl. S. 569) 59) Dies kann auch geschehen, wenn die Revision nicht den Vorschriften der 88 376 u. 384 der StPO, entspricht. Erk. v. 3. Mai 86, R. 8 S. 336. Das Revisionsgericht kann die Revision auch dann durch Beschluß verwerfen, wenn das Berufungsgericht den § 386 Abs. 1 unbeachtet gelassen hat, oder wenn bloß

die tatsächliche Feststellung des Jnstanzrichters angefochten ist. GA. 37 S. 233. Eine Verwerfung durch Beschluß kann in dem Falle erfolgen, in dem der Be­ schwerdeführer die Revision zwar auf Verletzung des Strafgesetzes stützt, in Wirk­ lichkeit aber die Beweiswürdiguug angreift. Erk. v. 21. März 07, E. 40 S. 99. 60) Die Revision kann niemals darauf gestützt werden, daß im Protokoll ein Vorgang unvollständig, undeutlich oder garnicht beurkundet sei. Erk. v. 26. Mai 14, E. 48 S. 288.

Revision § 394.

805

§ 394 Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzes­ verletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteile zugrund liegmden Feststellungen, fo hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut be­ stimmte Strafe zu erkennen ist, oder das Revisionsgericht in Überein­ stimmung mit dem Anträge der Staatsanwaltschaft 01 ft) die gesetzlich niedrigste Strafe61 62)63für 64 angemessen erachtet. In anderen Fällen ist die Sache zur anderweilen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, dessen Urteil aufgehoben ist/») oder an ein, demselben Bundesstaate angehöriges, benachbartes Ge­ richt^) gleicher Ordnung zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört. 61) Wenn das Urteil, durch welches der Angekl. wegen Vergehens fteigesprochen ist, auf die Revision des StA. nur deshalb aufgehoben wird, weil der Jnftanzrichter eine ideell konkurrierende Übertretung festgestellt hat, ohne wegen der letzteren auf Strafe zu erkennen, so unterliegt die ganze Tat wiederum der steten Würdigung des Jnstanzrichters. Erk. v. 8. Jan. 86, R. 8 S. 19. Zurückweisung in die Instanz kann erfolgen, wenn auch nur noch über die Buße zu erkennen ist. Erk. v. 12. Juli 86, R. 8 S. 532. Die vom Revistonsrichter aufrecht erhaltene tatsächliche Feststellung ist vom Jnstanzrichter der neuen Ent­ scheidung selbst dann zugrunde zu legen, wenn er infolge der neuen Beweisauf­ nahme zu einer andern tatsächlichen Beurteilung gelangt. Erk. v. 29. Septbr. 81, R. 3 S. 561. Siehe auch Erk. v. 3. Novbr. 82, E. 7 S. 176. Werden bei der Aufhebung eines Urteils die tatsächlicherr Feststellungen nicht mitaufgehoben, so bleibt auch die Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Angekl. auftecht er­ halten. Erk. v. 14. Febr. 90, GA. 38 S. 47. Erfolgt die Aufhebung der tat­ sächlichen Feststellungen, so hat eine neue vollständige Verhandlung stattzufinden. Erk. v. 19. März 08, E. 41 S. 189. Strafzumefsungsgründe fallen nicht unter die auftecht erhaltenen Feststellungen. Erk. v. 7. Febr. 81, E. 3 S. 319. Wird auf Revision des Angekl. das ihn unter Freisprechung von einem anderen rechtl. Gesichtspunkte aus verurteilende Erkenntnis aufgehoben, so steht bei der erneuten Berhandl. seiner Verurteilung aus jenem anderen Gesichtspunkte ein Hindernis nicht entgegen. Erk. v. 20. Dezbr. 94, GA. 42 S. 408.

61 a) Der StA. beim Revisionsgericht. Nr. 656, LZ. 12 S. 780.

Erk. v. 11. Febr. 18, Recht 22

62) Das Reichsgericht kann nicht auf die vom StA. beantragte niedrigste Strafe erkennen, wenn es zu diesem Zwecke vorher mildernde Umstände feststellen müßte. Erk. v. 19. Ottbr. 80, E. 2 S. 355.

63) Auch in diesem Falle kann eine andere Kammer des Landgerichts ent­ scheiden, als diejenige, welche ftüher erkannt hat. Erk. v. 9. April 81, R. 3 S. 216. Vgl. auch Beschl. v. 15. März 88, E. 17 S. 230. 64) Dies ist auch eine detachierte Strafkammer. LZ. 11 S. 1331.

Erk. v. 20. Septbr. 17,

XXVI. Strafprozeßordnung H§ 395—398.

806 § 395.

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht der vorigen

Instanz sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das

Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.00) § 396.

Die Verkündung

des

Urteils

erfolgt

nach

Maßgabe

des § 267. § 397.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des

Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes,

und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf

andere Angeklagte, welche die Revision nicht eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls die Revision eingelegt hätten, 00) § 398.

Das Gericht, an welches

die Sache zur

anderweiten

Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Be­ urteilung, welche der Aufhebung des Urteils zugrund gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrund zu legen.67 * *)68 * 66

War das Urteil nur von dem Angeklagten oder zugunsten des­ selben von der Staatsanwaltschaft oder von einer der im § 340 be­

zeichneten Personen angefochten worden, so darf das neue Urteil eine

härtere Strafe, als die in dem ersteren erkannte, nicht verhängen.08)

6^) Es kann hiernach ein Urteil der Strafkammer aufgehoben und die Sache Zur erneuten Verhandlung vor das Schwurgericht gewiesen werden. Erk. v. 10. Novbr. 84, R. 6 S. 726 u. v. 15. März 86, E. 14 S. 19. 66) Die Revision kommt nur den Mitangekl. zu statten, welche bei derjenigen Tat beteiligt gewesen sind, auf welche sich die Revision bezieht. Erk. v. 5. Mai 82, E. 6 S. 256 u. Erk. v. 27. Jan. 78, R. 10 S. 74. Die Vorschrift findet auch auf solche Mitangekl. Anwendung, welche die Revision zwar eingelegt, aber in unzutreffender Weise nur auf die Verletzung von Prozeßvorschriften gestützt haben. Erk. v. 23. Septbr. 84, R. 6 S. 557. 67) In ber neuen Hauptverhandl. braucht das Revisionsurteil nicht ver­ lesen zu werden. Erk. v. 15. Mai 91, E. 21 S. 436. Hat die erneute Hauptverhandlung ein verändertes tatsächliches Ergebnis, so ist der erste Richter nicht gehindert, das Ergebnis von dem rechtlichen Gesichts­ punkt aus zu prüfen, der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegt. Erk. v. 19. Jan. 99, E. 31 S. 436. 68) Wenn das frühere Urteil Untersuchungshaft angerechnet hatte, darf das neue nicht ohne Anrechnung erkennen. Erk. v. 4. Dezbr. 80, R. 2 S. 602. Die erneute Verhandlung findet auf Grund des Eröffnungsbeschluffes statt und kann die Tat schwerer qualifiziert, aber nicht härter bestraft werden. Erk. v. 17. Oktbr. 81, R. 3 S. 627. Ist in dem früheren Urteile, nur eine Hand­ lung festgestellt, so können in dem erneuten Verfahren mehrere selbständige Handlungen angenommen werden, nur darf niemals die Strafe erhöht werden. Erk. v. 20. Septbr. 87, R. 9 S. 449. Unter derselben Voraussetzung kann, wenn in dem ersten Urteil nur wegen Versuchs verurteilt war, in dem späteren Ver­ fahren eine vollendete Tat festgestellt werden. Erk. v. 29. April 86, R. 8 S. 319. Werden in einem erneuten Urteil mehr Gegenstände eingezogen, als in dem auf­ gehobenen eingezogen waren, so unterliegt dasselbe wegen reform in pejus der Aufhebung. Erk. v. 20. Mai 95, E. 27 S. 245. In dem neuen Urteil kann noch auf eine Buße erkannt werden, wenn dies auch in dem früheren Urteil ab-

Wiederaufnahme eines Verfahrens § 399.

4. vuch.

807

Wiederaufnahme einer; durch rechtskräftiges Urteil geschloffenen verfahrens.

§ 399. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtetl69 * *)70 71 geschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten findet statt: 1. wenn eine

in der Hauptverhandlung

zu seinen Ungunsten

alS echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 2. wenn durch Beeidigung eines zu seinen Ungunsten abgelegten

Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachver­ ständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eides­

pflicht schuldig gemacht hat; 3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe

milgewirkt hat, welcher sich in Beziehung aus die Sache einer Ver­ letzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese Ver­

letzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu ver­ hängenden öffentlichen Strafe bedroht und nicht vom Verurteilten selbst

veranlaßt ist; 4. wenn

ein zivilgerichtliches

Urteil,

auf welches das

Straf­

urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil

aufgehoben ist; 5. wenn

neue Tatsachen oder Beweismittel?9) beigebracht find,

welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen

die Freisprechung?*) des Angeklagten oder in Anwendung eines mil­

gelehnt war, denn die Buße ist keine Strafe. Erk. v. 25. April 87, E. 15 S. 439. Siehe über das Verbot der reformatio in pejus auch Anm. 29 zu § 372. 69) Amtsrichterliche Strafbefehle stehen den Urteilen nicht gleich. Mot. zu § 344 des Entw. 70) Das sind nur solche, durch welche die Beweisgrundlagen für die Tat beseitigt oder erschüttert werden. Erk. v. 13. Juni 89, E. 19 S. 321. Daß der Angekl. solche nicht schon vor der ftüheren Verhandlung gekannt hat, ist in den nicht von den Schöffengerichten verhandelten Sachen ohne Bedeutung. Erk. v. 12. Oktbr. 80, R. 2 S. 315. Darüber, ob ein Zeuge, der bis zum Endur­ teil sein Zeugnis verweigert hat, später aber zur Zeugnisablegung bereit ist, als ein neues Beweismittel gelten kann, siehe GA. 44 S. 410. Die Benennung neuer Sachverständigen fällt nicht unter Nr. 5. GA. 54 S. 99. Doch kann ein Sachverständigengutachten auch neues Beweismittel sein. Karlsruhe v. 29. Febr. 16, DStZ. 3 S. 265. 71) Der Freisprechung im Sinne dieser Bestimmung steht auch ein Urteil 'auf Einstellung des Verfahrens, weil der Angekl. noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet hatte, gleich. Erk. v. 15. Novbr. 89, E. 20 S. 46. Auf das novum, daß er zur Zeit der im AuSlande begangenen Straftaten Ausländer gewesen sei, kann der Verurteilte die Wiederaufnahme nicht stützen. GA. 37 S. 80, auch nicht auf den Einwand der rechtskräfttg entschiedenen Sache. KG. v. 5. März 06, DIZ. IIS. 657. Siehe über den Begriff der neuen Tatsachen Ol bricht in GA. 48 S. 100; Spindler GA: 53 S. 433.

808

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 400—402.

deren Strafgesetzes eine geringere Bestrafung zu begründen geeignet find. In den vor den Schöffengerichten verhandelten Sachen können nur solche Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, welche der Verurteilte in dem früheren Verfahren einschließlich der Berufungsinstanz nicht gekannt hatte oder ohne Verschulden nicht geltend machen konnte.72)73 § 400. Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Vollstreckung des Urteils nicht gehemmt.^) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. § 401. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch die erfolgte Strafvollstreckung noch durch den Tod des Verurteilten ausgeschlossen. Im Falle des Todes sind der Ehegatte, die Verwandten aufund absteigender Linie sonne die Geschwister des Verstorbenen zu dem Anträge befugt.74) 75 H 402. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten findet statt: 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 2. wenn durch Beeidigung eines zu seinen Gunsten abgelegten Zeugnisses oder abgegebenen Gutachtens der Zeuge oder Sachver­ ständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eides­ pflicht schuldig gemacht hat; 3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat, welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Ver­ letzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 4. wenn von dem Freigesprochenen76) vor Gericht oder außergericht­ lich ein glaubwürdiges Geständnis76 •) der strafbaren Handlung abge­ legt wird. 72) Die unangefochten beschlossene Wiederaufnahme des Verfahrens ver­ bindet den Richter zu einer neuen Prüfung und Entscheidung und schließt die Erörterung der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme aus. Erk. v. 1. Mai 83, R. 5 S. 300. Dies letztere ist auch der Fall, selbst wenn die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens von einem unzuständigen Gericht gettoffen fft. Erk. v. 2. Mai 84, R. 6 S. 344. 73) Auch der Beschluß, der die Wiederaufnahme anordnet, hat an sich nicht aufschiebende Wirkung. Löwe, Anm. 1. 74) Auch die StA. kann zugunsten des verstorbenen Verurteilten die Wieder­ aufnahme beantragen. GA. 38 S. 79. 75) Es wird hier eine völlige Freisprechung vorausgesetzt, so daß ein nur wegen Totschlags Verurteilter nicht mehr wegen Mordes verfolgt werden kann. Erk. v. 5. März 81, E. 3 S. 399. Löwe, Anm. 7.

Wiederaufnahme eines Verfahrens §§ 403—408.

809

§ 403. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zum Zwecke der Änderung der Strafe innerhalb des durch dasselbe Gesetz bestimmten Strafmaßes findet nicht statt.76 * *) * § 404. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, wel­ cher auf die Behauptung einer strafbaren Handlung gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechts­ kräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.77)78 79 § 405. Die allgemeinen Bestimmungen über Rechtsmittel finden auch bei dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Anwendung.70) § 406. In dem Anträge müssen der gesetzliche Grund der Wieder­

aufnahme des Verfahrens sowie die Beweismittel angegeben werden. Von dem Angeklagten und den im § 401 Abs. 2 bezeichneten Personen kann der Antrag nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden. § 407. Über die Zulassung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet das Gericht, dessen Urteil mit dem An­ trag angefochten wird.70) Wird ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aus anderen Gründen als auf Grund des § 399 Nr. 3 oder des § 402 Nr. 3 angefochten, so entscheidet das Gericht, gegen dessen Urteil die Revision eingelegt war. Die Entscheidung erfolgt ohne mündliche Verhandlung. § 408. Ist der Antrag nicht in der vorgeschriebenen Form an­ gebracht oder ist darin kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder kein geeignetes Beweismittel angeführt, so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen. 75 a) Nur ein Geständnis der strafbaren Handlung im objektiven Sinne, nicht der Schuld muß abgegeben sein. Bay. ObstLGR. v. 1. Juli 21, DIZ. 27 S. 455. 76) Dieser § setzt dem Richter, wenn die Wiederaufnahme einmal zugelassen ist, keine Schranke, der Richter hat vielmehr die Sache ganz frei zu beurteilen und ist event, nur durch 8 413 Abs. 2 gebunden. Erk. v. 5. April 97, GA. 45 S. 128. 77) 8 .404 bezieht sich richtiger Meinung nach nicht auf 8 399 Nr. 5. Es kommt also nicht darauf an, ob ein früher vernommener Zeuge einen Meineid geleistet haben muß. Hamm, DIZ. 7 S. 266. Löwe, Anm. 1. — Notwendig zur Anwendung des 8 ist die Behauptung einer strafbaren Handlung. Das Aus­ sprechen eines Verdachts genügt nicht. Breslau v. 18. Septbr. 14, DStZ. 2 S. 91. 78) Der dem A. früher bestellte Verteidiger fungiert auch im Wiederauf­ nahmeverfahren. Erk. v. 29. Juni 91, E. 22 S. 97. 79) Die Strafkammer in der Besetzung mit drei Richtern. Erk. v. 1. Juni 81, R. 3 S. 356. Sie entscheidet auch, wenn das Urteil von einem Wucher­ gericht erlassen ist. § 14 BO. v. 27. März 19 (unter XXXI).

810

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 409^-411.

Anderenfalls80)81ist82derselbe 83 84 85 *dem * Gegner des Antragstellers unter

Bestimmung einer Frist zur Erklärung zuzustellen.

§ 409. Wird der Antrag an sich für zulässig befunden, so be­ auftragt das Gericht mit Aufnahme der angetretenen Beweise, soweit diese erforderlich ist, einen Richter.8*)

Dem Ermessen des Gerichts bleibt eS überlassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich vernommen werden sollen.88)

Hinsichtlich

der

Berechtigung

der Beteiligten

zur Anwesenheit

bei der Beweisaufnahme kommen die für die Voruntersuchung

ge­

gebenen Vorschriften zur Anwendung.88) Nach Schluß der Beweisaufnahme sind die Staatsanwaltschaft

und

der

Angeklagte unter Bestimmung

einer

Frist

zur

ferneren

Erklärung aufzufordern.

§ 410. Der Antrag auf Wiederaufnahme deS Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben, oder wenn in den Fällen des § 399 Nr. 1, 2 oder deS § 402

Nr. 1, 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Bestimmungen bezeichnete Handlung aus die Entscheidung

Einfluß gehabt hat.") Anderenfalls verordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Ver­

fahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung.88) § 411.

Ist der Verurteilte bereits

verstorben,

so hat ohne

Erneuerung der Hauptverhandlung das Gericht nach Aufnahme des

80) Wird der StA. nicht gehört, so kann dieser Mangel die Revision be­ gründen. Erk. v. 11. März 20, Löwe, Anm. 4. 81) Das Gericht kann auch sofort die Wiederaufnahme des Verfahrens an­ ordnen und in der neuen Hauptverh. den Beweis erheben. Erk. v. 5. Juni 96, GA. 44 S. 146. Die Beobachtung des Verurteilten in einer Irrenanstalt ist zu­ lässig. L ö w e 1 d. A. M. für den Fall, daß die Erneuerung der Hauptverhandl. noch nicht angeordnet war, Düffeldorf v. 17. Juni 12, GA. 60 S. 153. 82) Ein nach § 411 zu erlassendes Urteil setzt aber voraus, daß die Zeugen u. Sachverst. eidlich vernommen sind. Erk. v. 22. Septbr. 96, E. 29 S. 64. 83) Daß der § 191 Abs. 2 hier allgemein Anwendung finde, wie GA. 41 S. 429 angenommen, ist nicht anzuerkennen. Löwe, Anm. 4. Für den Fall deS 8 411, wenn also der Verurteilte bereits verstorben, kommen die Bestim­ mungen deS 8 191 Abs. 2—4 jedenfalls nicht zur Anwendung. GA. 37 S. 813. 84) Bei wiederholten Anträgen ist nur zu prüfen, ob und welche Tatsachen neu vorgebracht sind, und ob diese Tatsachen geeignet lind, die Feststellungen des Urteils zu erschüttern. KG. v. 27. März 08, GA. 58 S. 226. 85) Der Beschluß gemäß 8 410 bildet die Grundlage des Wiederaufnahme­ verfahrens. Das ohne diesen Beschluß ergehende neue Urteil unterliegt der Auf­ hebung. Erk. v. 26. Septbr. 02, E. 35 S. 351. Notwendig ist die Verlesung deS Beschluffes nicht, aber zweckmäßig. Erk. v. 9. Mai 21, Recht 25 Nr. 2296.

Wiederaufnahme §§ 412, 413.

811

etwa noch erforderlichen Beweises entweder die Freisprechung zu er­ kennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen.8e) Auch in anderen Fällen kann das Gericht, bet öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft,86 87) den Verurteilten sofort fteisprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits vorliegen.88) Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des früheren Urteils zu verbinden. Die Aufhebung ist auf Verlangen des Antragstellers durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt.zu machen, und kann nach dem Er­ messen des Gerichts auch durch andere Blätter veröffentlicht werden.89)90 91 92 § 412 Alle Entscheidungen, welche aus Anlaß eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens von dem Gericht in erster Instanz erlassen werden, können mit der sofortigen Beschwerde88) angefochten werden.8 *) § 413. In der erneuten Hauptverhandlung ist entweder das frühere Urteil aufrecht zu erhalten89) oder unter Aufhebung desselben anderweit in der Sache zu erkennen.89) 86) Die Erneuerung der Hauptverh. gegen einen verstorbenen Verurteilten ist auch dann ausgeschlossen, wenn es sich um mehrere Verurteilte handelt, von denen nur einer gestorben ist. Erk. v. 29. April 84, E. 10 S. 423. 87) Vgl. Reskr. des Justizmin. v. 4. Ottbr. 83 u. 13. Septbr. 86, wonach der StA. am Landgericht nur mit Genehmigung des Ober-StA. (jetzt Gen.-StA.) diese Zustimmung erteilen darf. Müller S. 1165.. 88) Die gemäß § 411 Abs. 1 ergehende freisprechende Entscheidung ist ein Urteil und kein Beschluß. Erk. v. 24. Jan. 96, E. 28 S. 146. Das abgekürzte Verfahren findet auch dann Anwendung, wenn neben einer nur teilweisen Frei­ sprechung die anderweite Bildung einer Gesamtstrafe erforderlich ist. Erk. v. 6. Mai 13, E. 47 S. 166. 89) Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Fälle, die ohne Erneuerung der Hauptverhandlung ihre Erledigung finden. Erk. v. 14. Dez. 08, E. 42 S. 115. Ist in dem ftüheren Urteil die Publikation als Nebenstrafe ausgesprochen, so muß dies auch in dem neuen Urteil geschehen. Erk. v. 18. Jan. 87, E. 15 S. 188. 90) Für die Form der Beschwerde, wenn sie neue Tatsachen oder Beweis­ mittel vorbringt, sind die Vorschriften des § 406 maßgebend. GA. 44 S. 68 u. GA. 55 S. 121. Die sofortige Beschwerde muß auch innerhalb der gesetzlichen Frist von einer Woche begründet werden. GA. 42 S. 149. 91) Die Revision ist nicht statthaft. Erk. v. 15. Novbr. 89, E. 20 S. 46. Erk. v. 9. Mai 21, Recht 25 Nr. 2297. 92) Die erneute Hauptverhandlung hat selbständige Bedeutung. Sie be­ schränkt sich nicht auf die Kontrolle der ftüheren, sondern verlangt selbständige Beweisführung, ohne das der früher gelieferte Beweis als solcher benutzt wer­ den darf. Erk. v. 11. Juni 88, R. 10 S. 429. Der Ausdruck „aufrechterhalten" ist materiell bedeutungslos. Bezugnahme auf das ftühere Urteil und deffen Fest­ stellungen ist unzulässig. Erk. v. 11. Juni 88, GA. 36 S. 314. In dem erneuten Hauptverfahren kann die Aussage eines in dem früheren Verfahren kommissarisch vernommenen Zeugen verlesen werden. Erk. v. 5. Dezbr. 90 und die Bemerkungen zu demselben in GA. 39 S. 54. Frühere Mit-

812

XXVI. Strafprozeßordnung § 414.

Ist

die

Wiederaufnahme

des

Verfahrens

nur

von

dem

Ver­

urteilten oder zugunsten desselben von der Staatsanwaltschaft oder von einer der im § 340 bezeichneten Personen beantragt worden, so

darf das neue Urteil eine härtere Strafe als die in dem früheren erkannte nicht verhängen.

5. Luch. Beteiligung des verletzten bei dem verfahren. 1. Abschnitt. PrivatKtagr.

§ 414.9Se)

Im Wege der Privatklage können vom Verletzten9*) verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der Staats­ anwaltschaft bedarf,

1. das Vergehen des Hausftiedensbruchs im Falle des § 123 des

Strafgesetzbuchs; 2. die Vergehen der Beleidigung in den Fällen der §§ 186 bis 187, 189 des Strafgesetzbuchs, wenn nicht eine der im § 197 bezeich­ neten politischen Körperschaften beleidigt ist;

3. die Vergehen der Körperverletzung in den Fällen der §§ 223) 223 a Ubs. 1 und des § 230 des StGB., sofern nicht die Körperver­

letzung mit Übertretung einer Amts-, Berufs- oder Bewerbspflicht

begangen worden ist; 4. das Vergehen der Bedrohung im Falle des § 241 des StGB.;

5. das Vergehen der Verletzung ftemder Geheimnisse im Falle des § 299 des StGB.;

6.

das Vergehen der Sachbeschädigung im Falle des § 303 des StGB.

7. alle nach dem Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb straf­

baren Vergehen;

8. alle Verletzungen des literarischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechts, soweit sie als Vergehen strafbar sind. Die gleiche Befugnis steht denjenigen zu, welchen in den Straf­

gesetzen das Recht, selbständig auf Bestrafung anzutragen, beigelegt ist. Hat der Verletzte einen gesetzlichen Vertreter,9^) so wird die Befugnis

verurteilte sind nicht als Angeklagte sondern als Zeugen zu vernehmen. Erk. v. 7. Novbr. 04, GA. 52 S. 88. 93) Wird im Wiederaufnahmeverfahren das frühere Urteil, auf Grund dessen bereits eine Freiheitsstrafe verbüßt ist, aufgehoben, so bedarf es in dem neu ergehenden Urteile, welches wiederum eine Freiheitsstrafe verhängt, eines AuSspruchS nicht, daß die verbüßte Sttafe auf die erkannte anzurechnen sei. Die Anrechnung versteht sich von selbst. Erk. v. 11. Mat 00, GA. 47 S. 296. 93 a) Fassung beruht auf Entl. Ges. v. 11. März 21 (RGBl. S. 231). 94) Auch Behörden können die Privatklage erheben und als Nebenkläger auftreten. Erk. v. 7. Novbr. 92, E. 23 S. 293. 95) Der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen oder geschäftsunfähigen Kindes hat kein eigenes Anttagsrecht. Er hat die Privatklage namens des Kindes

Privatklage §§ 415—417.

813

zur Erhebung der Privatklage durch diesen und, wenn Korporationen, Gesellschaften und andere Personenvereine, welche als solche in bürger­ lichen Rechtsstreiligkeiten klagen können, die Verletzten sind, durch dieselben Personen wahrgenommen, durch welche sie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeilen vertreten werden.

§ 415 Sind wegen derselben strafbaren Handlung mehrere Personen zur Privatklage berechtigt, so ist bei Ausübung dieses Rechts ein jeder von dem anderen unabhängig. °6) Hat jedoch einer der Berechtigten die Privatklage erhoben, so steht den übrigen nur der Beitritt zu dem eingeleiteten Verfahren, und zwar in der Lage zu, in welcher sich dasselbe zur Zeit der Beitritts­ erklärung befindet. Jede in der Sache selbst ergangene Entscheidung äußert zugunsten des Beschuldigten ihre Wirkung auch gegenüber solchen Berechtigten, welche die Privatklage nicht erhoben haben. § 416. Die öffentliche Klage wird wegen der im § 414 be­ zeichneten strafbaren Handlungen von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. ®7) § 417 In dem Verfahren auf erhobene Privatklage ist die Staatsanwattschast zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet; es ist ihr zu erheben. Celle v'. 22. Jan. 08, GA. 58 S. 470. Ist dies nicht geschehen, kann der Richter auf Ergänzung oder Berichtigung der Klage hinwirken. Löwe, Anm. 4. Nach KG. v. 18. April 03, KGBl. 14 S. 62 bat der Bettreter ein selbständiges Klagerecht, wenn der Berttetene das 18. Lebensjahr überschtttten hat. Durch die Bestellung eines Pflegers verliert der Privatkläger seine Prozeß­ fähigkeit nicht (anders § 53 CPO.). Dresden v. 30. Dezbr. 21, DStZ. 9 S. 183. 96) Die Bestimmung gilt für den Fall, wenn neben dem Verletzten auch Noch andere Personen zur Erhebung der Privatklage berechtigt sind, wie auch für den Fall, daß durch eine und dieselbe Handlung mehrere Personen verletzt sind. Löwe, Anm. 2. Erk. v. 25. Febr. 81, E. 3 S. 363. 'Ist in diesem Falle auf Antrag eines der Verletzten eine Entscheidung in der Sache selbst ergangen, so ist die Erhebung einer ferneren Privatklage oder eine Verfolgung durch die StA. ausgeschlosien. Erk. v. 22. Apttl 81, R. 3 S. 240 u. Erk. v. 13. Juli 81, R. 3 S. 479. Erk. v. 25. Febr. 81, E. 3 S. 362. 97) Eine im Privatklageverfahren widerklagend geltend gemachte Körper­ verletzung kann nur dann nicht mehr im Wege der öffentl. Klage verfolgt wer­ den , wenn das im Privatklageverfahren über die Widerklage ergangene Erk. rechtskräftig geworden ist. Erk. v. 17. Jan. 89, GA. 37 S. 156. Die Zurück­ nahme der Privatklage schließt die Erhebung der öffentlichen Klage nicht aus. Erk. t>. 13 März 02, GA. 49 S. 136. Wird nach Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils die Privat­ klage zurückgenommen, so wird dadurch die Erhebung der öffentlichen Klage wegen derselben Beleidigung nicht ausgeschloffen. Erk. v. 21. Mai 89, E. 19 S. 284. Vgl. auch GA. 43 S. 269. Der Umstand, daß der Beschuldigte im Privatklageverfahren auf Grund der 88 199 oder 233 des StGB, für straffrei erklärt worden ist, schließt die Er­ hebung der öffentlichen Klage nicht aus. GA. 37 S. 314.

814

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 418, 419.

jedoch

der zur Hauptverhandlung

bestimmte

Termin bekannt

zu

machen. Auch kann die Staatsanwaltschaft in jeder Lage der Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils durch eine ausdrückliche Erklärung die Verfolgung übernehmen. 97 * *‘*) * In der Einlegung eines Rechtsmittels ist die Übernahme der Verfolgung enthalten.

Übernimmt die Staatsanwaltschaft

die Verfolgung, so richtet

sich das weitere Verfahren nach den Bestimmungen, welche im zweiten Abschnitte dieses Buchs für den Anschluß des Verletzten als Neben­ kläger gegeben finb.98)99 § 418 Der Privatkläger kann erscheinen oder sich durch einen mit Rechtsanwalt vertreten lassen.") Zustellungen an den Privatkläger

im Beistand eines Rechtsanwalts schriftlicher Vollmacht versehenen Im letzteren Falle können die mit rechtlicher Wirkung an den

Anwalt erfolgen. § 419 Der Privatkläger hat für die der Staatskasse und dem Beschuldigten voraussichtlich erwachsenden Kosten unter denselben Voraussetzungen Sicherheit zu leisten, unter welchen in.bürgerlichen

97 a) Hat die StA. einmal die Verfolgung übernommen, so kann sie später dieselbe nicht wieder ablehnen. Erk. v. 2. Oktbr. 84, E. 11 S. 128. Nach Ein­ stellung des Privatklageverfahrens (wegen Todes des Privatklägers) kann die StA. die Verfolgung nicht mehr übernehmen. Erk. v. 6. Dezbr. 87, E. 16 S. 421. Vgl. aber E. 8 S. 207. 98) Übernimmt die StA. die Verfolgung, so kann sie nur innerhalb der

dem Privatkläger zustehenden Fristen selbständig Rechtsmittel einlegen. GA. 38 S. 369. Die Anklage ist nicht neu zu erheben. Eines Einstellungsbeschluffes be­ darf es nicht. Das bereits eröffnete Verfahren nimmt seinen Fortgang. Erk. v. 23. Mai 08, E. 41 S. 277. So auch Erk. v. 14. Juni 12, E. 46 S. 119. Hat der Amtsrichter das Verfahren eingestellt, so hat dieser Einstellungsbeschluß nur die Eigenschaft einer prozeßleitenden Verfügung. Erk. v. 22. Febr. 09, Recht 13 Nr. 1262. Auch nach der Entscheidung des KG. v. 14. Juli 08, Jo how 36 S. C. 3 ändert die Übernahme der Verfolgung durch den StA. nichts an der

einmal begründeten Zuständigkeit des Gerichts. Das begonnene Privatklagever­ fahren ist bei derjenigen Instanz fortzusetzen, bei der es zur Zeit der Übernahme­ erklärung schwebt. Das erste Urteil behält seine relative Rechtskraft; daher kann, wenn der A. Berufung eingelegt hat, auf keine höhere Strafe erkannt werden. Erk. v. 23. Septbr. 09, E. 42 S. 422. Wird gleichzeitig über ein in derselben Handlung gefundenes Vergehen ver­ handelt, so ist der Privatkläger doch zuzuziehen. Erk. v. 19. Jan. 83, E. 7 S. 437. Die notwendigen Auslagen fallen bei späterer Verurteilung dem A., nicht dem Privatkläger zur Last. Erk. v. 28. Novbr. 07, Recht 12 Nr. 223. Der Mangel eines Sühneversuchs ist ohne Einfluß. Erk. v. 27. Oktbr. 11, E. 45 S. 222. 99) Neben dem Privatkläger braucht nicht auch sein Bertteter besonders ge­ laden zu werden. KG. v. 28. Febr. 07, DIZ. 12 S. 602. Der dem Privat­ kläger beigeordnete Armenanwalt hat keinen Anspruch auf Gebühren aus der Staatskasse. Beschl. v. 8. Mai 94, E. 25 S. 360.

PrivatNage §§ 420—424.

815

Rechtsstreitigktiten der Kläger auf Verlangen des Beklagten Sicherheit wegen der Prozeßkrsten zu leisten hat. Die Sicherheitsleistung ist durch Hinterlegung in barem Gelde oder in Wertpapieren zu bewirken. Für die Höhe der Sicherheit und die Frist zur Leistung der­ selben, sowie für die Bewilligung des Armenrechts gelten dieselben Bestimmungen wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten?"«)

§ 420. Wegen Beleidigungen ist, insofern nicht einer der im g 196 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Fälle vorliegt, die Erhebung der Klage erst zulässig,*) nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Bergleichsbehörde die Sühne erfolglos versucht worden ist?) Der Kläger hat die Bescheinigung hierüber mit der Klage einzureichen?) Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Parteien nicht in demselben Gemeindebezirke wohnen. g 421 Die Erhebung der Klage geschieht zu Protokoll des Ge­ richtsschreibers oder durch Einreichung einer Anklageschrift. Die Klage muß den im g 198 Abs. 1 bezeichneten Erfordernissen entsprechen. Mit der Anklageschrift sind zwei Abschriften derselben einzureichen?*) g 422 Ist die Klage vorschriftsmäßig erhoben, so teilt das Gericht dieselbe dem Beschuldigten unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung und der Staatsanwaltschaft zur Kenntnisnahme mit. g 423 Nach Eingang der Erklärung des Beschuldigten oder Ablauf der Frist entscheidet das Gericht darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder die Klage zurückzuweisen sei, nach Maßgabe der Be­ stimmungen, welche bei einer von der Staatsanwaltschaft unmittelbar erhobenen Anklage Anwendung finden. g424- Das weitere Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen, welche für das Verfahren auf erhobene öffentliche Klage gegeben sind?*»)

Bor dem Schwurgerichte kann eine Privatklagesache nicht gleich-

100) Siehe §§ 114—127 ZPO. und Erk. v. 7. Juni 97, E. 30 S. 143 1) Ist der Privatbeklagte ein im mittelbaren oder unmittelbaren Staats­ dienste stehender Beamter, so soll der Vorgesetzten Dienstbehörde Abschrift der Klage mitgeteilt werden. Allg. Berf. v. 5. April 82 (JMBl. S. 86). 2) Siehe die sub XXVIII abgedruckte Schiedsmannsordn. und bezüglich des Sühneversuchs bei Studierenden die AB. v. 22. Aug. 79 (JMBl. S. 251). 3) Mrd die Privatklage zurückgewiesen, weil das Sühneattest nicht bei­ gebracht ist, so kann die Privattlage binnen der Verjährungsfrist von neuem erhoben werden. Kade, PrivatNage S. 19. 3 a) Die fehlende Unterschrift wird sich nur innerhalb der Antragsfrist nach­ holen lassen. Mosler im Recht 11 S. 1252. 3 b) Auch der Erlaß eines Haftbefehls erscheint zulässig z. B. im Falle des § 429 bis zur Rechtskraft des Urteils. Siehe hierüber Rasch, Recht 21 S. 160.

816

XXVI. Strafprozeßordnung 88 425—428.

zeitig mit einer auf öffentliche Klage anhängig gemachten Sache ver­ handelt werden. § 425 Insoweit in dem Verfahren auf erhobene öffentliche Klage die Staatsanwaltschaft zuzuziehen und zu hören ist, wird in dem Ver­ fahren auf erhobene Privatklage der Privatkläger zugezogen und gehört. Desgleichen sind alle Entscheidungen, welche dort der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden, hier dem Privatkläger bekannt zu machen.*«) Es werden jedoch die auf richterliche Anordnung ergehenden Ladungen nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch den Gerichtsschreiber bewirkt. Zwischen der Zustellung der Ladung des Privatklägers zur Hauptverhandlung und dem Tage der letzteren muß eine Frist von mindestens einer Woche liegen. Das Recht der Akteneinsicht kann der Privatkläger nur durch seinen Anwalt ausüben. 8 426 Der Vorsitzende des Gerichts bestimmt, welche Personen als Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung geladen werden sollen/) Dem Privatkläger wie dem Angeklagten steht das Recht der un­ mittelbaren Ladung zu. § 427. In der Hauptverhandlung kann auch der Angeklagte im Beistand eines Rechtsanwalts erscheinen oder sich auf Grund einer schriftlichen Vollmacht durch solchen vertreten lassen?) Die Bestimmung des § 139 findet auf den Anwalt des Klägers wie auf den des Angeklagten Anwendung. Das Gericht ist befugt, das persönliche Erscheinen des Klägers •) sowie des Angeklagten anzuordnen, auch den Angeklagten vorführen zu lassen. 8 428 Hat der Verletzte die Privatklage erhoben, so kann der Beschuldigte bis zur Beendigung der Schlußvorträge (§ 257) in erster Instanz mittels einer Widerklage die Bestrafung des Klägers beantragen, wenn er von diesem gleichfalls durch ein Vergehen verletzt worden ist, das im Wege der Privatklage verfolgt werden kann und mit dem den Gegenstand der Klage bildenden Vergehen im Zusammenhänge steht.7) 3 c) Siehe Anm. 49 zu 8 381. 4) Der Privattläger kann nicht als Zeuge vernommen werden. Erk. v. 8. Juli 80, R. 2 S. 174. Wegen des Nebenklägers siehe Anm. zu 8 437. 5) Am Schlüsse der Verhandl. muß dem Privatkläger das Wort erteilt werden, auch wenn er dies nicht verlangt. Erk. v. 28. Ottbr. 87, R. 9 S. 537. 6) Ein Mittel zum Zwange fehlt. Kommt der Kläger nicht, so treten die Folgen aus § 431 Abs. 2 ein. 7) Der Wortlaut beruht auf dem Ges. v. 8. Juli 22 (RGBl. S. 569).

817

Privatklage §§ 429, 430.

Über Klage und Widerklage ist gleichzeitig zu erkennen.

Die Zurücknahme der Klage ist auf das Verfahren über die Widerklage ohne Einfluß.

8 429 Findet das Gericht nach verhandelter Sache, daß die für festgestellt zu erachtenden Tatsachen eine solche strafbare Hand­ lung darMlen, auf welche das in diesem Abschnitte vorgeschriebene Ver­ fahren keine Auwendung erleidet, so hat es durch Urteil, welches diese Tatsachen hervorheben muß, die Einstellung des Verfahrens auszu­ sprechend) Die Verhandlungen sind in diesem Falle der Staatsanwaltschaft mitzuteilen.

§ 439 Dem Privatkläger stehen diejenigen Rechtsmittel zu, welche in dem Verfahren aus erhobene öffentliche Klage der Staats­ anwaltschaft zustehen.') Dasselbe gilt von dem Anträge auf Wieder­ aufnahme des Verfahrens in den Fällen des § 402. Die Bestimmung des § 343 findet auf das Rechtsmittel des Pnvatklägers Anwendung. Revisionsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahrens kann der Privatkläger nur mittels einer von einem Rechtsanwalt") unterzeichneten Schrift anbringen.") Die in den 88 361, 362, 387 angeordnete Vorlage und Einsendung der Akten erfolgt wie im Verfahren auf erhobene öffentliche Klage an und durch die Staatsanwaltschaft. Die Zustellung der Berufungs­ und Revisionsschriften an den Gegner des Beschwerdeführers wird durch den Gerichtsschreiber bewirkt. 8) Eine Verweisung vor ein anderes Gericht'findet nicht statt. Ist sie doch prozeßordnungswidrig erfolgt, so kann die Strafkammer nicht die Einstellung aussprechen. Erk. v. 9. Juli 12, E. 46 S. 165. Hat das Gericht der Vorschrift des,8 429 zuwider in der Sache selbst erkannt, so ist auch eine spätere Verfolgung durch die StA. ausgeschloffen. Erk. v. 15. Novbr. 83, E. 9 S. 324. Hat das Gericht I. Instanz im Privatklageverfahren erkannt und legt die StA. Berufung ein, so ist das Verfahren nicht einzustellen. Erk. v. 23. Mai 08, E. 41 S. 277. Siehe auch Anm. 98. — Ein im Zivilprozeß rechtskräftig ergangenes Urteil, wonach Beklagter verurteilt ist, eine von ihm erhobene Privatklage zurückzu­ nehmen, führt nicht zur Einstellung des Privatklageverfahrens. DIZ. 8 S. 405. 9) Das vom Privatkläger eingelegte Rechtsmittel wirkt auch zugunsten des A. Der Privatkläger kann auch zugunsten des A. das Rechtsmittel einlegen. Erk. v. 26. Febr. 92, E. 22 S. 40. A. M. KG. v. 10. Jan. 10, I o h o w, S. 39 C. 9. Löwe, Anm. 2. 10) Die Erklärung des RA., daß er die Schrift ohne Verantwortung für den Inhalt nur zur Wahrung des Rechtsmittels unterzeichnet habe, ist unge­ nügend. Beschl. v. 2. April 89, E. 19 S. 115. 11) Also nicht zu Protokoll des Gerichtsschreibers erklären. Siehe KG. v. 16. Septbr. 12, DIZ. 18 S. 168.

Dalcke, Strafrecht. 16. Aust.

(1922).

52

818

XXVI. Strafprozeßordnung 8 431.

§ 431 Die Privatklage kann bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz und, soweit zulässige Berufung eingelegt ist, bis zur Verkündung des Urteils zweiter Instanz zurückgenommen werden.") Als Zurücknahme gilt es im Verfahren erster und, soweit der Angeklagte die Berufung eingelegt hat, im Verfahren zweiter Instanz, wenn der Privatkläger in der Hauptverhandlung weder erscheint noch durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, oder in der Hauptverhand­ lung oder einem anderen Termine ausbleibt,"*) obwohl das Gericht fein persönliches Erscheinen angeordnet hatte, oder eine Frist nicht einhält, welche ihm unter Androhung der Einstellung des Verfahrens gesetzt war. Soweit der Privatkläger die Berufung eingelegt hat, ist dieselbe im Falle der vorbezeichneten Versäumungen unbeschadet der Bestim­ mung des § 343 sofort zu verwerfen. Der Privatkläger kann binnen einer Woche nach der Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den 88 44, 46 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.") 12) Das RG. hat ausgesprochen, daß die Zurücknahme der erhobenen Privatklage die weitere Verfolgung des Antragsvergehens durch die StA. nur dann hindert, wenn das Gesetz die Zurücknahme des Strafantrages noch gestattet. Erk. v. 21. Mai 89, E. 19 S. 284. Die Einstellung erfolgt durch Beschluß. Erk. v. 13. Mär- 02, JurW. 31 S. 586. Im Falle der Zurücknahme der Privatklage außerhalb der Hauptverhandlung ist ein Einstellungsbeschluß nicht erforderlich. KG. v. 23. Apr. 06, DIZ. 11 S. 825. Haben die Parteien irrtümlich statt der Zurücknahme der Privatklage Zurück­ nahme der Berufung erklärt, so ist der Irrtum zu berücksichtigen und es hat die Privatklage als zurückgenommen zu gelten. OLG. Düsseldorf v. 24. Ott. 08, DIZ. 15 S. 152. Ein vor der Bergleichsbehörde geschloffener Vergleich hebt auch daS An­ tragsrecht auf. Dresden v. 25. Juni 92, GA. 40 S. 188. Löwe, Anm. 7 zu 8 420. Eines besonderen Einstellungsbeschluffes bedarf es nicht. KG. v. 23. Aprll 06, DIZ. 11 S. 825. Auch ein außergerichtlicher Vergleich hebt das Privatklagerecht auf, BayObLG. v. 24. Dezbr. 10, DIZ. 17 S. 105. Doch ist letzteres bestritten. Nach Löwe, Anm. le zu § 431 hat, solange die Zurück­ nahme nicht erfolgt ist, die zwischen den Parteien getroffene private Verabredung für das Pxozeßgerscht keine rechtliche Bedeutung. Ein Vergleich über die Ver­ teilung der Kostenlast wird mit Löwe, Anm. 6d zu § 503 gemäß § 87 GKG. für das Gericht für bindend zu erachten sein. GlA. auch OLG. Cassel v. 1. Mai 05, GA. 52 S. 565. A. M. Erk. v. 4. Juli 92, E. 23 S. 197 u. Breslau v. 15. Febr. 10, GA. 58 S. 237. Ein bedingter Vergleich ist nicht zulässig. Blanckmeister im „Recht" 8 S. 492. 12 a) Ist der Privatlläger vorgeladen, so ist die Nichtladung seines Ver­ treters unerheblich. Siehe Anm. 99. Bleibt der A. aus, so ist er vorzuführen. — Die Einstellung des Verfahrens erfolgt auch hier durch Beschluß. Löwe, Anm. 7. Siehe über die Säumnis deS Privatklägers. Beling in LZ. 8

S. 724. 13) Die Frist ist von dem Zeitpuntt des Nichterscheinens an zu berechnen. Löwe, Anm, 11, A. M, Celle v, 13, Novbr. 90, GA. 38 S. 456.

Nebenkläge r 432—435.

§432

819

Die zurückgenommene Privatklage kann nicht von neuem

erhoben werden.")

§ 433 'Der Tod des Privatklägers hat die Einstellung des Ver­ fahrens zur Folge.") War jedoch die Privatklage daraus gestützt, daß der Beschuldigte wider besseres Wissen, in Beziehung auf den anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet habe, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, so kann die Klage nach dem Tode des Klägers von den Eltern, den Kindern oder dem Ehegatten des letzteren fortgesetzt werden. Die Fortsetzung ist von dem Berechtigten bei Verlust des Rechts binnen zwei Monaten, vom Tode des Privatklägers an gerechnet, bei Gericht zu erklären.

§ 434 Die Zurücknahme der Privatklage und der Tod des Privatklägers, sowie die Fortsetzung der Privatklage sind dein Bechuldigten bekannt zu machen. 2. Abschnitt.

Nebenktage.

§ 435 Wer nach Maßgabe der Bestimmung de- § 414 als Privatkläger aufzutreten berechtigt ist, kann sich der erhobenen öffent­ lichen Klage in jeder Lage des Verfahrens als Nebenkläger anschließen.") Der Anschluß taun behufs Einlegung von Rechtsnlitteln auch nach ergangenem Urteile geschehen.") 14) Dies gilt auch von der fingierten Zurücknahme im Hall § 431 Ads. 2. 15) Damit ist auch die Verfolgung der Sache durch den StA. ausgeschlossen. Wegen der Kosten siehe Anm. 14 Äbs. 2 zu 8 503. 16) Ob die Voraussetzungen für die Anschlußberechtigung gegeben sind, ist nach der jeweiligen Lage des Verfahrens zu beurteilen. Erk. v. 25. Febr. 10, E. 43 S. 260. Die uneheliche Mutter hat die Berechtigung nicht. Erk. v. 22. März 19, E. 53 S. 214; auch nicht der Ehemann einer mißhandelten Ehefrau. Colmar v. 11. Novbr. 16, GA. 64 S. 383. Ist die Anschlußerklürung erfolgt, so darf das Gericht nicht noch vor Entscheidung über die letztere verschiedene Prozeßhandlungen vornehmen. Erk. v. 15. März 94, E. 25 S. 186. Ähnlich Erk.

v. 15. Febr. 95, GA. 43 S. 32. Der Nebenkläger gehört nicht zu den Personen, die in der Hauptverhandlung anwesend sein müssen und deren Abwesenheit die -Verhandlung unmöglich macht. Erk. v. 20. Febr. 96, E. 28 H. 220. 17) Ein Mitangeklagter kann gegen den anderen als Nebenkläger in der Hauptverhandlung zugelassen werden. Erk. v. 19. März 92, E. 22 S. 421. Der­ jenige, welcher auf Grund einer, eidlichen Zeugenaussage verurteilt ist, soll sich, wenn später gegen den Zeugen wegen Meineides die öffentliche Klage gemäß §170 StPO, erhoben wird, diesem Verfahren als Nebenkläger anschließen können. Beschl. v. 29. Mai 88, R. 10 S. 419. Im sog. objektiven Verfahren ist ein Anschluß des Nebenklägers nur dann möglich, wenn er berechtigt ist, Ruße zu

820

XXVI. Strafprozeßordnung § 436.

Die gleiche Befugnis steht demjenigen zu, welcher durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 170) die Erhebung der öffent­ lichen Klage herbeigeführt hat, wenn die strafbare Handlung gegen sein Leben, seine Gesundheit, seine Freiheit, seinen Personenstand oder seine Vermögensrechte gerichtet todt.18 * *)** ** 21 ************* 8 436 Die Anschlußerklärung ist bei dem Gerichte schriftlich einzureichen?8) Das letztere hat über die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschlüsse nach Anhörung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden?") Zu einer Sicherheitsleistung ist der Nebenkläger nicht verpflichtet. verlangen. DIZ. 7 S. 52. Auch demjenigen steht die Befugnis zum Anschluß als Nebenkläger zu, gegen besten Sittlichkeit die strafbare Handlung gerichtet ge­ wesen. Erk. v. 5. Juni 93, E. 24 S. 187. Wenn auch die Anklage wegen eines Delikts erhoben ist, welches den An­ schluß nicht zuläßt, so kann sich, der Verletzte doch als Nebenkläger behufs Ein­ legung eines Rechtsmittels anschließen, wenn er behauptet, e8 liege ein zur Neben­ klage berechtigendes Delikt in idealer Konkurrenz vor. Erk. v. 21. Juni 86, R. 8 S. 468, Erk. v. 21. Oktbr. 87, R. 9 S. 524. Stellt sich später heraus, daß diese Behauptung nicht zutrifft, so ist dies unerheblich. Erk. v. 25. Febr. 10, E. 43 S. 260 u. Erk. v. 28. Juni 17, E. 51 S. 129. Handlungsunfähige Personen müssen sich durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten lasten. Erk. v. 11. Oktbr. 83, E. 9 S. 125 u. Erk. v. 26. Jan. 04, E. 37 S. 63; der dem Nebenkläger zugeordnete Vertreter bedarf keiner schrift­ lichen Vollmacht. Erk. v. 25. Juli 95, E. 26 S. 97. 18) Dies können auch fahrlässig verübte Straftaten sein. Beschl. v. 29. Mai 88, R. 10 S. 419. Nach Ansicht des KG. reicht es nicht aus, daß der Verletzte nur mittelbar durch die Straftat verletzt ist. KG. v. 25. Juni 14. GA. 63 S. 342. Gl. A. Löwe, Anm. 31). 19) Jede schriftliche Erklärung, aus welcher die Absicht, sich der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen zu wollen, genügt. Erk. v. 31. Jan. 82, R. 4 S. 42. Insbesondere liegt in der Einlegung des Rechtsmittels eine Anschluß­ erklärung. Beschl. v. 23. März 82, R. 4 S. 273, dazu Erk. v. 25. April 87, R. 9 S. 283. Eine Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers ist unstatthaft. Erk. v. 31. März 80, R. 1 S. 520, ebenso eine in der mündlichen Verhandlung ab­ gegebene mündliche Erklärung. Erk. v. 26. Oktbr. 85, R. 7 S. 616. Erk. v. 18. Mai 03, E. 36 S. 246. Vgl. aber Beschl. v. 23. März 82, R. 4 S. 274, E. 6 S. 139, wo eine Erklärung zu Protokoll, wenn sie unterschrieben worden für ausreichend erachtet ist. Auch eine Erklärung zu Protokoll eines beauftragten Richters ist genügend. Erk. v. 29. Novbr. 83, E. 9 S. 223. Desgl. genügt es, wenn die an die StA. gerichtete Anschlußerklärung von jener an das Gericht weiter gegeben wird. Erk. v. 19. März 09, GA. 56 S. 227, Recht 13 Nr. 1438. Als Unterschrift des die Anschlußerklärung einer Verwaltungsbehörde ent­ haltenden Telegramms genügt nicht die bloße Bezeichnung der Behörde. Erk. v. 21. Septbr. 93, E. 24 S. 283. Über Zulastung des Nebenklägers, der sich nur

behufs Anmeldung des Rechtsmittels der öffentlichen Klage anschließen will, ent­ scheidet das für das Rechtsmittel zuständige Gericht. Erk. v. 10. Mai 83, R. 5 S. 358. Siehe auch E. 6 S. 139. 19 a) Über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger u. zwar vor jeder wetteren Veränderung der Prozeßklage ist ein Beschluß zu erlassen. Erk.

Nebentlage §§ 437—440.

5 437

Der Nebenkläger hat nach erfolgtem Anschlüsse die Stechte

des Privatklägers«) An den Erklärungen über Annahme oder Ablehnung der Ge­ schworenen nimmt der Nebenkläger nicht teil. § 438 Der Fortgang des Verfahrens wird durch den Anschluß nicht aufgehallen.«) Die bereits anberaumte Hauptverhandlung sowie andere Termine finden an den bestimmten Tagen statt, auch wenn der Nebenkläger wegen Kürze der Zeit nicht mehr geladen oder benachrichtigt werden

konnte«) § 439 Entscheidungen, welche schon vor dem Anschluß ergangen und der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht waren, bedürfen keiner Bekanntmachung an den Nebenkläger. Die Anfechtung solcher Entscheidungen steht auch dem Neben­ kläger nicht mehr zu, wenn.für die Staatsanwaltschaft die Frist zur Anfechtung abgelaufen ist. § 440. Ist in der Hauptverhandlung weder der Nebenkläger noch ein Anwalt desselben erschienen,«) so wird das Urteil dem ersteren zugestelll.") v. 15. März 94, E. 25 S. 186. Zustellung des Beschlusses an den Verteidiger ist nicht erforderlich. Erk. v. 28. Juni 17, E. 51 S. 129. 20) Dem Nebenkläger muß nach Schluß der Beweisaufnahme neben dem

Staatsanwalt auch ohne seinen Antrag daS Wort erteilt werden. Erk. v. 28. Oktbr. 87, E. 16 S. 253. Der A. aber hat bei Verletzung dieser Vorschrift kein Beschwerderecht. Erk. v. 30. Septbr. 10, GA. 58 S. 440, DIZ. 16 S. 155. Der Nebenkläger kann auch als Zeuge vernommen werden, Plen.Trk. v. 25. Oktbr. 80, E. 2 S. 384, und wird er vernommen, so kann er nur aus einem gesetzlichen Grunde unbeeidet bleiben. Erk. v. 20. Novbr. 80, E. 3 S. 47. Revisionsanträge kann er nur gemäß 430 Abs. 2 StPO, anbringen. Erk. v. 2. Jan. 03, E. 36 S. 75. — Das Gericht kann den Nebenkläger von der Ver­ handlung nicht ausschließen, wenn auch zu befürchten steht, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die Wahrheit nicht sagen werde. Erk. v. 9. März 94, E. 25 S. 177. 21) Der Nebenkläger kann das Verfahren nicht aufhalten, aber das Gericht kann eine Beweisaufnahme wegen der Buße beschließen. Erk. v. 20. Febr. 88, R. 10 S. 169. 22) Trotzdem er nicht geladen und nicht erschienen ist, kann doch auf eine Buße für ihn erkannt werden. Erk. v. 29. Novbr. 83, E. 9 S. 223. Liegt der Ausnahmefall des Abs. 2 nicht vor, so liegt in der Nichtzuziehung des Neben­ klägers ein prozessualer Verstoß, der zur Aufhebung des Urteils führt. Erk. 11. Dez. 05, Recht 10 S. 67. 23) Das Ausbleiben des Nebenklägers und seines Vertreters in der Hauptverhandl. gilt nicht als Zurücknahme der Klage. Erk. v. 5. Jan. 83, E. 7 S. 376. 24) Dem Nebenkläger, der bei der Verkündung des Urteils weder selbst er­ schienen, noch durch einen Anwalt vertreten gewesen ist, läuft die Frist zur Ein­ legung der Revision erst von Zustellung des Urteils an ihn. Erk. v. 11. Febr. 82, E. 6 S. 28.

822

XXVI.

Strafprozeßordnung §§ 441—443.

§ 441 Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen?^) Wird auf ein nur von dem Nebenkläger22) eingelegtes Rechtsmittel

die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft d6?7) § 442 Die Anschlußerklärung verliert durch Widerruf sowie durch den Tod des Nebenklägers ihre Wirkung?2)

§ 443 Die Befugnis, sich einer öffentlichen Klage nach den Be­ stimmungen der §§ 435—442 als Nebenkläger anzuschließen,22) steht auch demjenigen zu, welcher berechtigt ist, die Zuerkennung einer Buße zu verlangen?2) Wer die Zuerkennung einer Buße in einem auf erhobene öffent-

25) Der -Nebenkläger ist nicht ein dem StA. koordinierter Mitkläger, sondern eine in bestimmten Schranken zur Geltendmachung eigener privater Gerechtsame u. Interessen zugelassene-Nebenpartei. Erk. v. 20. Febr. 96, E. 28 S. 220. Er kann seine Revision darauf stützen, daß ein Antrag der StA., der seinem In­ teresse diente, ohne Angaben von Gründen abgelehnt ist. Erk. v. 12. März 09, Recht 13 Nr. 1262. Im Falle der Jdealkonkurrenz kann er nicht einen Rechts­ irrtum geltend machen, der sich ans eine seine Anschlußberechtigung nicht be­ gründende Strafbestimmung bezieht. Erk. v. 23. Jan. 03, E. 86 S. 85. Erk. v. 27. Jan. 21, Löwe, Anm. 2. ' 26) Der Umstand, daß die Berufung nur vom Nebenkläger eingelegt ist, legt dem Berufungsgericht in Ansehung der freien Beurteilung keine Schranken auf. Erk. v. 22. Mai 00, GA. 47 S. 373. 27) Der Nebenkläger kann zum Kostenpunkte allein die Revision einlegen. Erk. v. 27. April 82, N. 4 S. 388. Ihm steht das Rechtsmittel der Revision wegen Abweisung des Anspruchs auf Buße selbständig zu, auch wenn über die Strafe rechtskräftig entschieden ist. Erk. v. 1. Juli 82, R 4 S. 662. Ob ihm auch das Recht zusteht, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verlangen, ist streitig. Löwe Anm. 6 bejaht. 28) Der Widerruf der Anschlußerklärung als Nebenkläger hindert die Er­ neuerung des Anschlusses nicht, ausgenommen im Falle des'8 444 Abs. 2. Erk. v. 18. Juni 83, E. 8 S. 384. Erk. v. 5. Jan. 83, E. 7 S. 376. Löwe Anm. 2. A. M. OLG. Breslau v. 4. Mai 11, GA. 59 S. 173. 29) Der Strafrichter kann in der Hauptsache erkennen und die Entscheidung über die Buße im Strafverfahren unterlassen, -wenn diese letztere Angelegenheit noch nicht spruchreif ist. Erk. v. 3. März 82, R. 4 S. 223. Vgl. auch ebenda S. 328. Aber er kann den Anspruch nicht lediglich aus dem Grunde ablehnend weil die Höhe des Schadens nicht habe zuverlässig festgestellt werden können. Erk. v. 20. Juni 82, R. 4 S. 590. 30) Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße kann schriftlich u. außerhalb der Verhandlung gestellt werden und auch mit der Anschlußerklärung verbunden werden. Er ist durch Verlesung zur Kenntnis des Gerichts zu bringen. Erk. v. 18. Dezhr. 85, E. 13 S. 186. Nach Verkündung des Urteils kann die. An­ schließung nicht mehr erfolgen, also auch nicht nach Verlust des Bußanspruchs. Löwe Anm. 2. KG. v. 7. Juni 18, GA. 66 S. 285. A. M. Erk. v. 13. März 08, E. 41 S. 168.

Nebenklage §§ 444, 445.

liche Klage anhängigen Verfahren beantragen will, muß sich zu diesem Zwecke der Klage als Nebenkläger anschließen.") § 4-44* Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße") kann bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz gestellt werden.-) Der Antrag") kann bis zur Verkündung des Urteils zurückge­ nommen, ein zurückgenommener Antrag nicht erneuert werden.") Wird der Angeklagte freigesprochen oder das Verfahren eingestellt, oder die Sache ohne Urteil erledigt, so gilt auch der Antrag ohne weitere Entscheidung für erledigt.") Der Anspruch auf Buße kann von den Erben des Verletzten nicht erhoben oder fortgesetzt werden. § 445- Der Nebenkläger hat den Betrag, welchen er als Buße verlangt, anzugeben.") Aus einen höheren Betrag der Buße als den beantragten") darf nicht erkannt werden. 31) Ein bei der StA. angebrachter Antrag, sollte er auch an das Gericht gelangt sein, ist nicht ausreichend. Erk. v. 7. Novbr. 90, G. 21 S. 156. Minderjährige können sich wegen Zuerkennung einer Buße nicht selbständig als Nebenkläger anschließen. GA. 38 S. 455; auch nicht der Ehemann der Verletzten. Beschl. v. 7. Mai 97, E. 30 S. 77. Celle v. 3. Juni 12, GA. 61 S. 368. Der Vater kann als Vertreter seines Sohnes dessen Ansprüche nach dem Tode desselben nicht mehr geltend machen. Erk. v. 2. Novbr. 96, E. 29 S. 140. 32) Die Ablehnung des Antrages kann erfolgen, wenn die Sache spruchreif ist, die Unterlagen für die Bemessung des Anspruchs aber noch nicht gegeben sind. Erk. v. 20. Juni 82, E. 6 S. 398. Löwe, Anm. 2 Abs. 2. Ablehnung ist zu begründen. Erk. v. 15. April 82, R. 4 S. 328. 33) Der Antrag kann auch noch gestellt werden, wenn daS Urteil in einer höheren Instanz aufgehoben und die Sache in die erste Instanz zurückgewiesen ist. Erk. v. 25. April 87, E. 15 S. 439, auch im Wiederaufnahmeverfahren. Erk. v. 24. Okt. 07, E. 41 S. 104. Siehe auch GA. 51 S. 72. 34) Der Antrag auf Zuerkennung der Buße ist an keine Form gebunden und kann schriftlich und mündlich gestellt werden. Erk. v. 26. Oktbr. 85, R. 7 S. 616 u. Erk. v. 18. Dezbr. 85, E. 13 S. 186. Die Buße verjährt gleichzeitig mit dem Strafanspruch. Erk. v. 17. Jan. 11, E. 44 S. 294. 35) Die Zurücknahme fordert eine ausdrückliche Erklärung. Erk. v. 15. Jan. 83, E. 7 S. 376. Der Verzicht auf Zuerkennung der Buße ist aber gemäß § 119 BGB. anfechtbar. Erk. v. 16. Juni 04, Recht 8 S. 456. 36) Eine Unterscheidung zwischen Anschlußerklärungen bloß zum Zwecke der Buhe und einer allgemeinen auf Beteiligung an der Strafverfolgung ge­ richteten Anschlußerklärung kennt die StPO, nicht. Insbesondere ist aus tz 444 Abs. 3 nicht zu folgern, daß dem Nebenkläger, welcher sich nur behufs Erlangung einer Buße angeschlossen, ein Rechtsmittel gegen ein freisprrchendes Urteil nicht zustehe. Erk. v. 18. Septbr. 84, E. 11 S. 90. 37) Wenn über die Zulassung deS Nebenkläger- überhaupt kein Beschluß gefaßt ist oder auf Buße erkannt ist, ohne daß der Nebenkläger die Höhe seineAnspruches -iffermäßig angegeben hat, so begründet dies die Revision. Erk. v. 12. Juli 86, R. 8 S. 532. Der Höchstbetrag der in den Gesetzen vorgesehenenBuße ist durch § 1 des Ges. v. 21. Dezbr. 21 (unter II) auf das Zehnfache erhöht.

824

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 446—448.

§ 446. Die Bestimmungen der §§ 444, 445 finden aus den Fall entsprechende Anwendung, daß von dem die Buße Beanspruchenden die Privatklage erhoben wird.")

6. find). 1. Abschnitt,

Sesonderr Arten des verfahrens. verfahren bei amtsrichtertichen Strafbefehlen.

§ 447.89a) Bei Übertretungen und Vergehen kann die Strafe durch schriftlichen Strafbefehl des Amtsrichters ohne vorgängige Verhandlung festgesetzt werden, wenn»die Staatsanwaltschaft schriftlich hierauf anttdßt.40 38)41 39 Bei Vergehen, für welche der Staatsanwalt die Zuständigkeit der Schöffengerichte begründen kann (§ 29 des Gerichtsverfassungs­ gesetzes), kann nur der Staatsanwalt den Antrag stellen; mit der Stellung des Antrages gellen die Sachen als zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörig. Durch einen Sirasbefehl darf jedoch keine andere40a) Strafe als Geld­ strafe oder Freiheitsstrafe von höchstens sechs Wochen sowie eine etwa verwirkte Einziehung festgesetzt werden. Die Überweisung des Beschuldigten an die Landespolizeibehördr

darf in einem Strafbefehl nicht ausgesprochen werden. Gegen einen Beschuldigten, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, darf durch einen Sirasbefehl Freiheitsstrafe nur festgesetzt werden, wenn die Freiheitsstrafe an die Stelle einer nicht beizutreibenden Geldstrafe treten soll. 8 448- Der Antrag ist auf eine bestimmte Strafe zu richten. Der Amtsrichter hat demselben zu entsprechen, wenn der Erlassung des Strafbefehls Bedenken nicht enlg^genstehen. Findet der Amtsrichter Bedenken, die Strafe ohne Hauptverhand­ lung festzusetzen, so ist die Sache zur Hauptverhandlung zu bringen. Dasselbe gilt, wenn der Amtsrichter eine andere als die beantragte Strafe festsetzen will und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Anträge beharrt.") 38) Hat der Nebenkläger nur Berufung wegen Erhöhung der Buße ein­ gelegt, so darf in zweiter Instanz die Buße nicht herabgesetzt werden. Löwe, Anm. 2 b. 39) Bezüglich der Kostenpflicht des Nebenklägers siehe die Anm. zu § 503. 39 a) Fassung beruht auf Entl. Ges. v. 11. März 21. 40) Gegen einen abwesenden Beschuldigten ist der Erlaß eines Haftbefehls nur in den Fällen deS 8 319 zulässig. 40a) Bedeutet keine schwerere Strafe. Verweis ist zulässig. Löwe 2a. 41) Der Amtsrichter darf vor Erlaß des Strafbefehls nicht erst noch eine Beweisaufnahme anordnen. Löwe, Anm. 4 c.

Verfahren bei amtsrichterlichen Strafbefehlen §§ 449—452.

825

§ 449- Der Strafbefehl muß außer der Festsetzung der Strafe die strafbare Handlung, das angewendete Strafgesetz und die Beweis­ mittel bezeichnen, auch die Eröffnung enthalten, daß er vollstreckbar werde, wenn der Beschuldigte nicht binnen einer Woche nach der Zu­ stellung bei dem Amtsgerichte schriftlich oder zu Protokoll des Gerichts­ schreibers Einspruch erhebe. Auf den Einspruch kann vor Ablauf der Frist verzichtet werden. § 450 Ein Strafbefehl, gegen welchen nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, erlangt die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.") § 451 Bei rechtzeitigem Einsprüche wird zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengerichte geschritten, sofern nicht bis zum Beginn derselben die Staatsanwaltschaft die Klage fallen läßt oder der Ein­ spruch zurückgenommen wird.") Der Angeklagte kann sich in der Hauptverhandlung 48a) durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Bei der Urteilsfällung ist das Schöffengericht an den in dem Strafbefehle enthaltenen Ausspruch nicht gebunden. § 452 Bleibt der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung in der Hauptverhandlung aus, und wird er auch nicht durch einen Verteidiger vertreten, so wird der Einspruch ohne Beweisaufnahme durch Urteil verworfen.") Ein Angeklagter, welchem gegen den Ablauf der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden war, kann die letztere nicht mehr gegen das Urteil beanspruchen. 42) Erfolgt nach Erlaß des Haftbefehls eine neue Verurteilung wegen der­ selben Tat (siehe Anm. 16 zu § 263) so sind beide Entscheidungen gegenseitig zu ergänzen. Ist die im Strafbefehl festgesetzte Haftstrafe noch nicht bollstreckt, so kommt sie unter Beachtung des § 73 StGB, in Wegfall. Erk. v. 11. Jan. 17, E. 50 S. 237. Ist eine Freiheitsstrafe bereits vollstreckt, so ist sie von der später erkannten Strafe in Abzug zu bringen. Erk. v. 30. März 12, E. 46 S. 53 u. Erk. v. 23. April 18, E. 52 S. 183. Eine verwirkte Geldstrafe muß ausgerech­ net werden u. zwar nach dem Umrechnungsmaßstab, den der Strafbefehl fest­ gesetzt hat, so daß die später erkgnnte Freiheitsstrafe bis zur Höhe der dort vor­ gesehenen für verbüßt zu erachten ist. Erk. v. 8. Juli 20, Recht 24 Nr. 3288. Die in einem rechtskräftigen Strafbefehl zu Unrecht nicht ausgesprochene Einziehung kann in einem neuen Verfahren nicht wiederholt werden. KG. v. 18. Oktbr. 21, LZ. 16 S. 39. 43) Grundlage der Hauptverhandlung ist nicht der Strafbefehl, sondern die Anklage. Erk. v. 30. Septbr. 20, LZ. 14 S. 929. 43 a) Bor dem Schöffengericht, nicht vor dem Berufungsgericht. KG. v. 6. Febr. 20, DIZ. 25 S. 662. 44) Die Berufung gegen das den Einspruch verwerfende Urteil kann nur auf die Behauptung gestützt werden, daß der Einspruch zu Unrecht verworfen sei. Wird die Behauptung für unbegründet erachtet, so ist jedes Eingehen auf die Sache ausgeschlossen. Löwe, Anm. 3. KG. v. 21. März 89, Johow 9 S. 162.

XXVI. Strafprozeßordnung 8 453.

2. Abschnitt. Verfahren «ach vorangegan-ener polizeilicher Strafverfügung. 8 453. Wo nach den Bestimmungen der Landesgesetze") die Polizeibehörden befugt sind, eine in den Strafgesetzen angebrachte Strafe durch Verfügung festzusetzen, Erstreckt sich diese Befugnis muT auf Übertretungen, Auch kann die Polizeibehörde keine andere Strafe als Hast bis zu vierzehn Tagen oder Geldstrafe und diejenige Haft, welche für den Fall, daß die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, an die Stelle der letzteren tritt, sowie eine etwa verwirkte Einziehung verhängen.") Die Strafverfügung muß außer der Festsetzung der Strafe die strafbare Handlung, das angewendete Strafgesetz und die Beweis­ mittel bezeichnen, auch die Eröffnung enthalten, daß der Beschuldigte, sofern er nicht eine nach den Gesetzen zugelassene Beschwerde an die höhere Polizeibehörde ergreife,") gegen die Strafverfügung binnen einer Woche nach der Bekanntmachung bei der Polizeibehörde, welche diese Verfügung erlassen hat, oder bei dem zuständigen Amtsgericht auf gerichtliche Entscheidung antragen könne.") Die Strafverfügung") wirkt in betreff der Unterbrechung der Ver­ jährung wie eine richterliche Handlung.") 45) Siehe Ges. v. 23. Avr. 83, i. d. Fassg. v. 22. Juni 07, unter XXVII. 46) Überweisung an d. LPB. darf nicht ausgesprochen werden, wohl aber

ein Berweis, Löwe, Sinnt. 2 c. 47) In Preußen gibt es diese Beschwerde nicht. 48) Hat die Polizeibehörde in der Strafverfügung die Bestimmung der im Unvermögensfall eintretenden Haftstrafe unterlassen, so kann diesem Mangel nur durch Erlaß einer neuen Strafverfügung abgeholfen werden. Der 8 491 bezieht sich nur auf eine vom Gericht verhängte Strafe. Das Fehlen der Beweismittel macht die Verfügung zwar nicht ungültig, verhindert aber die Unterbrechung der Verjährung. KG. v. 17. Dez. 03, DIZ. 9 S. 269 u. Lindenberg, ebenda 10 S. 1156. Siehe auch KG. v. 8. Jan. 06, DIZ. 11 S. 373. Im übrigen beeinträchtigen Mängel eine polizeil. B., wenn Antrag auf gerichtliche Ent­ scheidung gestellt ist. das gerichtliche Verfahren nicht. KG. v. 26. Jan. 14, DIZ. 19 S. 701. Über das Verfahren auf Grund mangelhafter polizeil. Straf­ verfügungen siehe Gadow in DIZ. US. 143, der vorschlägt, nach § 211 StPO, zu verfahren. Revision gegen Berufungsurteile, die 8 453 verletzen, ist

unzulässig. KG. v. 3. Mai 21, DIZ. 27 S. 453. 49) und zwar schon der Erlaß der Verfügung. Löwe Sinnt. 8. 50) Durch eine rechtskräftige Strafverfügung ist die Strafklage insoweit verbraucht, als die strafbare Handlung in den Grenzen der Zuständigkeit der Behörde lag. Erk. v. 19. Septbr. 13, E. 47 S. 306. Erk. v. 18. Septbr. 16, Recht 20 Nr. 2049. Im gerichtl. Strafverfahren ist die durch die Verfügung festgesetzte Strafe auf die neu zu erkennende Strafe aufzurechnen und zwar be­ reits im Urteil. Erk. v. 7. Jan. 15, Recht 19 Nr. 1004. Ist eine Geldstrafe > entrichtet, so ist nach Maßgabe des 8 29 StGB, ein entsprechender Teil einer ge­ richtlich erkannten Freiheitsstrafe als durch die Zahlung der Geldstrafe gettlgt zu bezeichnen. Erk. v. 12. Febr. 14, DStZ. 1 S. 365. Vgl. Anm. 42.

Verfahren nach vorangegangener Polizei!. Strafverfügung §§ 454—458.

827

§ 454 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann bei der Polizeibehörde schriftlich oder mündlich,") bei dem Amtsgerichte schrift­ lich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden.") Die Polizeibehörde übersendet, falls sie nicht die Strafverfügung zurücknimmt, die Akten an die zuständige Staatsanwaltschaft, welche sie dem Amtsrichter vorlegt. § 455 Gegen die Versäumung der Antragsfrist ist. unter den in den §§ 44, 45 bezeichneten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig. Das Gesuch ist bei einer der im § 454 Abs. 1 genannten Behörden anzubringen. Über das Gesuch entscheidet der Amtsrichter. Die Bestimmungen des § 46 Abs. 2, 3 finden hier gleichfalls Anwendung. § 456 Ist der-Antrag rechtzeitig") angebracht, so wird zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht geschritten, ohne daß es der Einreichung einer Anklageschrift oder einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bedarf. Bis zum Beginne der Hauptverhandlung kann der Antrag zurück­ genommen werden. § 457. Das Verfahren vor dem Schöffengericht ist dasselbe wie im Falle einer von der Staatsanwaltschast erhobenen und zur Haupt­ verhandlung verwiesenen Anklage. Der Angeklagte kann sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.") Bei der Urteilsfällung ist das Gericht an den Ausspruch der Polizeibehörde nicht gebunden. § 458- Stellt sich nach dem Ergebnisse der Hauptverhandlung die Tat des Angeklagten als eine solche dar, bei welcher die Polizei­ behörde zum Erlaß einer Strafverfügung nicht befugt nmi,55) so hat 51) Der mündliche Antrag muß protokolliert werden. Zurückweisen z. B. wegen Verspätung darf die Polizeibehörde den Antrag nicht, sie mutz vielmehr, falls- sie die Strafverf. nicht zurücknimmt, was bis zur Abgabe der Akten an das Gericht geschehen kann, ihn unter allen Umständen dem Amtsanwalt vorlegen. Durch den rechtzeitigen Antrag tritt die Verfügung autzer Kraft. Löwe Anm. 6 a. 52) Aber nicht bei dem Amtsanwalt. Dieser kann die Strafverfügung nicht zurücknehmen, sondern mutz dieselbe dem Richter vorlegen. 53) Ist der Antrag nicht rechtzeitig angebracht, so hat ihn der Richter durch Verfügung zurückweisen. L ö w e Anm. 1. 54) Das Ausbleiben des A. zieht keine besonderen Folgen nach sich. § 231 findet Anwendung. 55) Stellt sich nach dem Ergebnis der Hauptverh. die Tat als eine solche dar, deren Aburteilung an sich die Zuständigkeit des Schöffenger. überschreiten würde, so hat das Gericht auch in diesem Falle die Polizei!. Strafverf. aufzu­ heben, nicht aber die Sache an ein Gericht höherer Ordnung zu verweisen. Ist

XXVI. Strafprozeßordnung § 453.

2. Abschnitt. Verfahren nach vorangegangener polizeilicher Strafverfügung. § 453 Wo nach den Bestimmungen der Landesgesetze") die Polizeibehörden befugt sind, eine in den Strafgesetzen angedrohte Strafe durch Verfügung festzusetzen, Erstreckt sich diese Befugnis nur auf Übertretungen, Auch kann die Polizeibehörde keine andere Strafe als Hast bis zu vierzehn Tagen oder Geldstrafe und diejenige Haft, welche für den Fall, daß die Geldstrafe nicht beigelrieben werden kann, an die Stelle der letzteren tritt, sowie eine etwa verwirkte Einziehung verhängen.") Die Strafverfügung muß außer der Festsetzung der Strafe die strafbare Handlung, das angewendete Strafgesetz und die Beweis­ mittel bezeichnen, auch die Eröffnung enthalten, daß der Beschuldigte, sofern er nicht eine nach den Gesetzen zugelassene Beschwerde an die höhere Polizeibehörde ergreife,") gegen die Strafverfügung binnen einer Woche nach der Bekanntmachung bei der Polizeibehörde, welche diese Verfügung erlassen hat, oder bei dem zuständigen Amtsgericht auf gerichtliche Entscheidung antragen könne.") Die Strafverfügung") wirkt in betreff der Unterbrechung der Ver­ jährung wie eine richterliche Handlung.") 45) Siehe Ges. v. 23. Apr. 83, i. d. Fassg. v. 22. Juni 07, unter XXVII. 46) Überweisung an d. LPB. darf nicht ausgesprochen werden, wohl aber ein Verweis, Löwe, Sinnt. 2 c. 47) In Preußen gibt es diese Beschwerde nicht. 48) Hat die Polizeibehörde in der Strafverfügung die Bestimmung der im Unvermögensfall eintretenden Haftstrafe unterlassen, so kann diesem Mangel nur durch Erlaß einer neuen Strafverfügung abgeholfen werden. Der § 491 bezieht sich nur auf eine vom Gericht verhängte Strafe. Das Fehlen der Beweismittel macht die Verfügung zwar nicht ungültig, verhindert aber die Unterbrechung der Verjährung. KG. v. 17. Dez. 03, DIZ. 9 S. 269 u. Lindenberg, ebenda 10 S. 1156. Siehe auch KG. v. 8. Jan. 06, DIZ. 11 S. 373. Im übrigen beeinträchtigen Mängel eine polizeil. B., wenn Antrag auf gerichtliche Ent­ scheidung gestellt ist das gerichtliche Verfahren nicht. KG. v. 26. Jan. 14, DIZ. 19 S. 701. Über das Verfahren auf Grund mangelhafter polizeil. Straf­ verfügungen siehe Gadow in DIZ. US. 143, der vorschlägt, nach § 211 StPO, zu verfahren. Revision gegen BerufungZurteile, die § 453 verletzen, ist unzulässig. KG. v. 3. Mai 21, DIZ. 27 S. 453. 49) und zwar schon der Erlaß der Verfügung. Löwe Sinnt. 8. 50) Durch eine rechtskräftige Strafverfügung ist die Strafklage insoweit verbraucht, als die strafbare Handlung in den Grenzen der Zuständigkeit der Behörde lag. Erk. v. 19. Septbr. 13, E. 47 S. 306. Erk. v. 18. Septbr. 16, Recht 20 Nr. 2049. Im gerichtl. Strafverfahren ist die durch die Verfügung festgesetzte Strafe auf die neu zu erkennende Strafe aufzurechnen und zwar be­ reits im Urteil. Erk. v. 7. Jan. 15, Recht 19 Nr. 1004. Ist eine Geldstrafe entrichtet, so ist nach Maßgabe des § 29 StGB, ein entsprechender Teil einer ge­ richtlich erkannten Freiheitsstrafe als durch die Zahlung der Geldstrafe gettlgt zu bezeichnen. Erk. v. 12. Febr. 14, DStZ. 1 S. 365. Vgl. Anm. 42.

Verfahren nach vorangegangener Polizei!. Strafverfügung §§ 454—458.

827

§ 454 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann bei der Polizeibehörde schriftlich oder mündlich,") bei dem Amtsgerichte schrift­ lich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden?') Die Polizeibehörde übersendet, falls sie nicht die Strafverfügung zurücknimmt, die Akten an die zuständige Staatsanwaltschaft, welche sie dem Amtsrichter vorlegt.

§ 455- Gegen die Versäumung der Antragsfrist ist unter den in den §§ 44, 45 bezeichneten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig. Das Gesuch ist bei einer der im § 454 Abs. 1 genannten Behörden anzubringen. Über das Gesuch entscheidet der Amtsrichter. Die Bestimmungen des § 46 Abs. 2, 3 finden hier gleichfalls Anwendung. § 456 Ist der - Antrag rechtzeitig") angebracht, so wird zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht geschritten, ohne daß es der Einreichung einer Anklageschrift oder einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bedarf. Bis zum Beginne der Hauptverhandlung kann der Antrag zurück­ genommen werden. § 457. Das Verfahren vor dem Schöffengericht ist dasselbe wie im Falle einer von der Staatsanwaltschaft erhobenen und zur Haupt­ verhandlung verwiesenen Anklage. Der Angeklagte kann sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten fassen.64) Bei der Urteilsfällung ist das Gericht an den Ausspruch der Polizeibehörde nicht gebunden. § 458. Stellt sich nach dem Ergebnisse der Hauptverhandlung die Tat des Angeklagten als eine solche dar, bei welcher die Polizei­ behörde zum Erfaß einer Strafverfügung nicht befugt war,66) so hat 51) Der mündliche Antrag muß protokolliert werden. Zurückweisen z. B. wegen Verspätung darf die Polizeibehörde den Antrag nicht, sie muß vielmehr, falls- sie die Strafverf. nicht zurücknimmt, was bis zur Abgabe der Akten an das Bericht geschehen kann, ihn unter allen Umständen dem Amtsanwalt vorlegen. Durch den rechtzeitigen Antrag tritt die Verfügung außer Kraft. Löwe Anm. 6». 52) Aber nicht bei dem Amtsanwalt. Dieser kann die Strafverfügung nicht zurücknehmen, sondern muß dieselbe dem Richter vorlegen. 53) Ist der Antrag nicht rechtzeitig angebracht, so hat ihn der Richter durch Verfügung zurückweisen. Löwe Anm. 1. 54) Das Ausbleiben des A. zieht keine besonderen Folgen nach sich. § 231 findet Anwendung. 55) Stellt sich nach dem Ergebnis der Hauptverh. die Tat als eine solche dar, deren Aburteilung an sich die Zuständigkeit des Schöffenger. überschreiten würde, so hat das Gericht auch in diesem Falle die polizeil. Strafverf. aufzu­ heben, nicht aber die Sache an ein Gericht höherer Ordnung zu verweisen. Ist

830

XXVI. Strafprozeßordnung § 477.

4. Abschnitt.

Verfahren gegen Abwesende, welche sich der Wehrpflicht

entzogen haben. 5. Abschnitt. § 477

buchs

oder

Verfahrenö9) bei Einziehungen und Vermögen-beschlagnahme«.

In den Fällen, in welchen nach § 42 des Strafgesetz­ nach

anderweiten

ziehung, Vernichtung

oder

gesetzlichen

Bestimmungen

Unbrauchbarmachung

auf

Ein­

von Gegenständen

selbständig erkannt werden kann, ist der Antrag, sofern die Entscheidung nicht

in

Verbindung

mit

einem

Urteil

in

der Hauptsache erfolgt,

seitens der Staatsanwaltschaft oder des Privatklägers bei demjenigen

Gerichte0O) zu stellen,

welches für den Fall

der Verfolgung

einer

bestimmten Person zuständig sein toütbe.01)

58) Die §§ 470 bis 476, Kelche nach Abschaffung der Wehrpflicht ihre Be­ deutung verloren haben, sind fortgelassen. 59) Einziehungsinteressenten können im ordentl. d. h. gegen eine bestimmte Person gerichteten Strafverfahren nicht auftreten. Erk. v. 11. Oktbr. 01, E. 34 S. 388. Erk. v. 19. Novbr. 17, Recht 22 Nr. 316. Rach Löwe, Vorbe­ merkung Aa ju § 477 muß der Eigentümer zu dem Verfahren zugezogen werden. 60) Bezüglich des Gerichtsstandes vgl. Anm. 6 zu § 7 StPO. Ist die Handlung im Auslande begangen und ein Gerichtsstand nach den §§ 8 u. 9 der StPO, nicht begründet, so ist auch für das objektive Verfahren durch das RG. das zuständige Gericht zu bestimmen. Erk. v. 28. April 87, R. 9 S. 290. 61) Wird der Antrag des StA., die Sache im obj. Verfahren einzuziehen, abgelehnt, so ist nicht auf Einstellung des Verfahrens, sondern auf Zurückweisung des Antrags zu erkennen. Das Gepicht hat zwar zu prüfen, ob der Tatbestand einer strafbaren Handlung auch in subjektiver Richtung vorliegt, ob aber gegen eine bestimmte Person die Anklage zu erheben, darüber hat zunächst der StA. zu befinden. Erk. v. 5. April 83, E. 8 S. 246. Ist die Verfolgung und Verurteilung einer bestimmten Person erfolgt, so findet nachträglich ein objektives Strafverfahren nicht weiter statt. Erk. v. 25. Mai 83, E. 8 S. 349. Doch ist das Verfahren statthaft, wenn die Einziehung nicht den Nachweis einer schuldhaften Handlung, sondern nur den äußeren Tatbestand einer gegen das Strafgesetz verstoßenden Handlung voraussetzt. L ö w e, S. 358. Erk. v. 9. Febr. 11, E. 44 S. 320. In subjektiver Beziehung führt ein ob­ jektives Verfahren einen Verbrauch der Strafklage nicht herbei. KG. v. 28. Jan. 19, Johow 51 S. 404. Ist der Antrag auf Anordnung der Unbrauchbar­ machung einer unzüchtigen Schrift in einem früheren Verfahren rechtskräftig zurückgewiesen, so soll trotzdem von neuem die Unbrauchbarmachung angeordnet werden können, wenn eine spätere Verbreitung der Schrift erfolgt. Erk. v. 4. Febr. 12, E. 46 S. 420. (Zustimmend Galli, DIZ. 19 S. 412.) Ist eine Person wegen Münzverbrechens freigesprochen, so kann auf Ein­ ziehung des gefälschten Geldes nachträglich im objektiven Verfahren erkannt werden. Erk. v. 28. Mai 86, E. 14 S. 161. Erk. v. 19. Septbr. 95, E. 27 S. 352; jedoch ist das Verfahren nicht mehr zulässig, wenn rechtskräftig ststgestellt ist, daß eine strafbare Handl, nicht vorliegt. Erk. v. 9. Febr. 11, E. 44 S. 318. Es ist nicht zulässig, im objektiven Verfahren auf Einziehung von Jagd­ gerät zu erkennen, welches ein unbekannter Täter bei sich geführt hat, das aber

Verfahren bei Einziehungen und Bermögensbeschlagnahmen §§ 478,479.

831

An die Stelle des Schwurgerichts tritt die an dessen Sitzungs­

orte bestehende Strafkammer.

§ 478. Die Verhandlung und Entscheidung erfolgt in einem Termine, auf welchen die Bestimmungen über die Hauptverhandlung entsprechende Anwendung finden?«) Personen, welche einen rechtlichen Anspruch auf den Gegenstand der Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung haben, sind, sowett dies ausführbar erscheint, zu dem Termine zu laden.

Dieselben können alle Befugnisse ausüben, welche einem An­ geklagten zustehen, sich auch durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen

Verteidiger

vertreten

lassen.

Durch

ihr

Nichterscheinen

wird das Verfahren und die Urteilssällung nicht aufgehalten?«)

§ 479.

Die Rechtsmittel gegen das Urteil stehen der Staats­

anwaltschaft, dem Privatkläger und den im § 478 bezeichneten Per­

sonen au.64 * *) * * * * 62 63 dem unbekannten Täter nicht erweislich gehött. Erk. v. 11. Febr. 89, E. 19 S. 45. Desgl. ist die Konfiskation eines Gegenstandes, in bezug auf welchen eine Zolldefraudation begangen worden, im Wege des obj. Strafverfahrens unzu­ lässig. Erk. v. 9./27. Apttl 91, E. 21 S. 431. Die Einziehung von Nachdrucks­ exemplaren kann ausgesprochen werden, wenn auch die straftechtlich verantwort­ lichen Personen außer Verfolgung bleiben. Erk. v. 25. Mai 91, E. 22 S. 55. 62) Eines Eröffnungsbeschlusses bedarf es aber nicht, vielmehr wird sofort zur Hauptverhandlung geschritten. Erk. v. 9. Oktbr. 84, R. 6 S. 611. § 264 StPO, findet keine Anwendung. Erk. v. 7. Oktbr. 04, E. 37 S. 270; wohl aber die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§ 249, 252). Erk. v. 26. April 20, Löwe, Anm. 1. Einziehungsinteressenten können nicht als Zeugen vernommen werden. Erk. v. 2. Mai 12, E. 46 S. 88. A. M. A l s b e r g. GA. 61 S. 486. Auf Urteile findet der § 266 entsprechende Anwendung. Das auf Ablehnung des stäatsanwaltlichen Antrags lautende Urteil ist nach Maßgabe der für freisprechende Urteile gegebenen Vorschrift zu begründen. Erk. v. 12. Dezbr. 07, E. 41 S. 19. Die Kosten sind, wenn der StA. den Antrag gestellt hat, der Staatskasse aufzuerlegen. Erk. v. 15. Mai 88, E. 12 S. 198. Ihre Auslagen haben die Einziehungsintereffenten selbst zu tragen. Erk. v. 1. Oktbr. 12, Recht 16 Nr. 3161. 63) Alle Einziehungsintereffenten haben zwar das Recht, gegen Urteile Rechtsmittel einzulegen, einen Anspruch auf Zustellung des Urteils haben aber nur die wirklich geladenen Jntereffenten. Für die nicht geladenen läuft die Rechts­ mittelfrist unter allen Umständen mit -er Verkündung des Urteils. Erk. v. 26. Jan. 85, R. 7 S. 52. Nach dem Beschl. d. RG. v. 12. Juli 01, E. 34 S. 331, bedarf eS aber einer Zustellung an den Einziehungsintereffenten nicht, wenn er bei der Urteilsverkündung vertreten war. Gl. M. jetzt auch Löwe, Anm. 6. Einen Anspruch aus Zustellung der Anklage haben die geladenen Jnter­ effenten nicht. Erk. v. 26. Mai 93, E. 24 S. 197. Der Fiskus, welcher die Einziehuug falscher Münzen beanttagt, gehört nicht zu diesen Einziehungsintereffenten u. steht demselben ein Rechtsmittel nicht zu. Erk. v. 20. Dezbr. 88, E. 18 S. 299. Auch ein entmündigter Beschlag nah meintereffent kann selbständig kein Rechts­ mittel einlegen. Erk. v. 25. Juli 96, E. 29 S. 52.

832

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 480—482.

§ 480. Auf die im § 93 des Strafgesetzbuchs vorgesehene Be­ schlagnahme des Vermögens eines Angeschuldigten finden die Be­ stimmungen der §§ 333—335 und auf die in § 140 des Strafgesetz­ buchs vorgesehene Beschlagnahme die Bestimmungen der §§ 325, 326 entsprechende Anwendung.

7. Luch.

Strafvollstreckung und Losten -es Verfahrens. 1. Abschnitt.

Strafvollstreckung.

§ 481. Strafurteile sind nicht vollstreckbar,66 64) 65 bevor sie rechtskräftig geworden fhtb.66)

§ 482. Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt diejenige Untersuchungshaft anzurechnen, welche der Angeklagte er­ litten hat, fett67) 68 er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hat,67) oder seitdem die Einlegungsftist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat.66) 64) Die Revision kann auch ein Einziehungsinteressent zu Protokoll des Gerichtsschreibers begründen. Erk. v. 7. April 05, Recht 9 S. 286; DIZ. 10 S. 916. 65) Sind durch ein Urteil mehrere Angeklagte verurteilt, von denen nur einige Revision eingelegt haben, so ist die Strafvollstreckung gegen den einzelnen zulässig, sobald ihm gegenüber die Rechtskraft des Urteils eingetreten ist, doch empfiehlt es sich im Hinblick auf 397 auch gegen ihn die Strafvollstreckung auf­ zuschieben. ,Lö we, Anm. 4. A. V. v. 20. Mai 87. Müller S. 1716. 66) Wird die Strafe vollstreckt, bevor das Urteil rechtskräftig ist, so kann sie nicht als gar nicht vollstreckt angesehen werden, vielmehr wird die Vollstreckung mit dem Eintritt der Rechtskraft in bezug auf die Rückfallstrafe wirksam. Erk. v. 14. Oktbr. 86, R. 8 S. 612. Ist der A. zu einer Gesamtstrafe verurteilt, so ist Vollstreckung der nicht angefochtenen Einzelstrafe zulässig. Löwe, Anm. 6 c. Krug, GA. 60 S. 59. Siehe auch Hamm v. 9. Jan. 14, GA. 63 S. 451. A. M. Alsberg, GA. 59 S. 299. Ist die Revision eines in Haft befindlichen Angekl. durch Beschluß zurück­ gewiesen, so ist der Zeitpunkt, in welchem der die Revision verwerfende Beschluß ergangen ist, als Zeitpunkt des Beginnes der Vollstreckbarkeit anzusehen. Restt. des Just.Min. v. 19. März u. 30. Juli 83, Müller, S. 1754. 67) Es kommt auf den Zeitpunkt an, in dem der A. die Erklärung dem für die Aufnahme solcher Erklärungen zuständigen Beamten übergeben hat, nicht auf den Eingang der Erklärung bei Gericht. Karlsruhe v. 8. April 14, DStZ. 1 S. 444. 68) Ist die vor der Urteilsfällung erlittene Untersuchungshaft anzurechnen, so ist diese Zeit vom Ende der Strafzeit an zurückzurechnen. Erk. v. 28. Septbr. 96, E. 29 S. 75. War die Untersuchungshaft nicht wegen der Straftat verhängt, wegen der das Strafurteil ergangen ist, so muß die Strafvollstreckungsbehörde damit ein­ verstanden sein, daß der Verurteilte in Strafhaft genommen wird. Geschieht dies, so ist die Untersuchungshaft unverkürzt anzurechnen. GA. 41 S. 304. Wird gegen einen Strafgefangenen Untersuchungshaft verhängt und zur Aus-

833

Strafvollstreckung 8 483.

§ 483.

Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwalt­

schaft 69 * *) * *auf * * * Grund * * * * * * *einer ** von dem Gertchtsschreiber zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen,

beglaubigten

Abschrift der Urteilsformel. 70) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nicht zu.

Für die zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen'*) kann

durch

Anordnung

der Landesjustizverwaltung

die Strafvoll­

streckung den Amtsrichtern übertragen werden. 71 *)

führung gebracht, so wird die Strafhaft unterbrochen, wenn nicht die Strafvoll­ streckungsbehörde damit einverstanden ist, daß die Strafverbüßung fortdauern soll. Erk. v. 6. Novbr. 80, R. 2 S. 456. Die Vorschrift ist nicht anwendbar auf die Freiheitsentziehung, die der in daS Ausland geflüchtete Verurteilte durch daS Auslieferungsverfahren im Aus­ lande erlitten hat. KG. v. V. Juli 03, DIZ. 8 S. 479. Vgl. aber Anm. 75 zu § 60 StGB. Liegen gleichzeitig mehrere Haftbefehle vor, so kann die Untersuchungshaft auch in jeder der Strafsachen angerechnet werden. So: OLG. Königsberg Beschl. v. 5. Oktbr. 91, GA. 39 S. 273. OLG. Cöln, Beschl. v. 6. Juni 02, u. DronkeinGA.49S.318. Konietzko in GA.52 S. 197 u. Löwe Anm. 8. Dagegen Ellendt in GA. 39 a. a. O. OLG. Marienwerder Beschl. v. 24. Jan. 99, GA. 46 S. 364 u. ausführlich Olbricht in GA. 48 S. 393ff, Hat der Angekl. wegen Verurteilung zu einer Gesamtstrafe ein Rechtsmittel eingelegt und hat dasselbe nur teilweisen Erfolg, so ist die Untersuchungshaft anzurechnen. GA. 37 S. 81 u. 235. 69) Die Strafe des Verweises vollstreckt die'zustänbige Behörde, also ent­ weder der StA. oder das AmtsG. Erk. v. 2. Febr. 93, E. 23 S. 403 u. GA. 47 S. 304 u. zwar schriftlich oder mündlich. Im ersteren Falle ist persönl. Zu­ stellung nicht erforderlich. @rb v. 30. Juli 98, E. 31 S. 283. Wird ein Urteil vom RG. aufgehoben und die Sache an ein anderes Land­ gericht verwiesen, so bleibt für die Strafvollstreckung doch die StA. desjenigen Gerichts zuständig, dessen Urteil aufgehoben ist. Reskr. v. 21. Mai 87, JMBl. S. 135. Die Vollstreckung von Strafen, die im gerichtl. Strafverfahren wegen Steuerzuwiderhandl. (§ 356 StAO.) gegen Zoll oder Reichssteuergesetze fest; gesetzt werden, liegt den Justizbehörden ob, soweit nicht ein Steuergesetz Ab­ weichende- bestimmt. AV. v. 9. Mai 21 (JMBl. S. 303). 70) Der zuständige Beamte muß sich ausdrücklich als Gertchtsschreiber, nicht mit seinem Titel bezeichnen. Die für die Vollstreckung wesentlichen Be­ standteile der Formel müssen wörtlich abgeschrieben werden. Breslau v. 5. Aug. 21, DStZ, 8 S. 315. Sind die Allen verloren gegangen, hat aber das Ge­ richt die Überzeugung, daß ein bestimmtes Urteil erlassen ist, so hat es den

Gerichtsschreiber zur Erteilung der entsprechenden vollstreckbaren UrteilSformel anzuweisen. Hamm v. 11. Aug. 13, GA. 62 S. 210. Siehe auch Anm. 27 h zu § 267. 71) Entsteht zwischen zwei Amtsrichtern eine Meinungsverschiedenheit über die Strafvollstreckung, so ist der Konflikt von der LandeSjuftizverwaltung zu ent­ scheiden. Erk. v. 5. Dezbr. 89, E. 20 S. 102. 71 a) Gemäß Art. VI des Entlastungsges. v. 11. März 21 kann die LandeSjustizverwaltung bestimmen, daß die Strafvollstreckung mit Ausnahme der Ent-

Dalcke, Strafrecht.

16. Aufl.

(1923).

53

834

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 484—487. § 484.

In Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt

hat, steht das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu.72 * *)* * * * * 8 485.

Todesurteile bedürfen zu ihrer Vollstreckung keiner Be­

Die Vollstreckung ist jedoch erst zulässig, wenn die Ent­

stätigung.

schließung des Staatsoberhauptes73) und in Sachen, in denen das Reichs­ gericht in erster

Instanz erkannt hat, die Entschließung des Kaisers

ergangen ist, von dem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch machen zu wollen.

An schwangeren oder

geisteskranken Personen darf ein Todes­

urteil nicht vollstreckt werden. 8 486.

Die Vollstreckung der Todesstrafe erfolgt in einem um­

schlossenen Raume. Bei

der Vollstreckung

müssen zwei Mitglieder des Gerichts73)

erster Instanz, ein Beamter der Staatsanwaltschaft, ein Gerichtsschreiber

und ein Gefänguisbeamter zugegen sein.

Der Gemeindevorstand des

Orts, wo die Hinrichtung stattfindet, ist aufzufordern, zwölf Personen aus

den Vertretern

oder

aus

anderen

achtbaren Mitgliedern der

Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung beizuwohuen.

Außerdem

ist

einem Geistlichen von dem Religionsbekenntnisse

des Verurteilten und dem Verteidiger und nach dem Ermessen des die Vollstreckung leitenden Beamten auch anderen Personen der Zutritt zu gestatten.

Über bett Hergang ist ein Protokoll aufzunehmen, welches von

dem Beamten der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtsschreiber zu

unterzeichnen ist. Der Leichnam des Hingerichteten ist den Angehörigen desselben

auf. ihr Verlangen zur einfachen, ohne Feierlichkeiten vorzunehmenden Beerdigung zu verabfolgen. 8 487.

Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben,

wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt.

Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen steht.74)

scheidungen über Aufschub und Unterbrechung der Strafvollstreckung sowie der richterlichen Entscheidungen gemäß §§ 490 bis 499 Gerichtöschreibern, Amts­ anwälten oder bet der Staatsanwaltschaft hierfür zu bestellenden Beamten über­ tragen wird. Über Einwendungen, bie von diesen Beamten getroffen worden

sind, entscheidet der Staatsanwalt oder der Amtsrichter an deffen Statt der Be­ amte entschieden hat. Für Preußen ist die AB. v. 3. März 21 (JMBl. S. 133) ergangen. Siehe § 21 dieser Berf. 72) Jetzt dem Reichspräsidenten. Art. 49 RB. 73) In Preußen übt das Recht der Begnadigung das Staatsministerium aus. Art. 55 der preußischen Verfassung. 74) ES ist die Krankheit vom Kreis- oder Gerichtsarzt zu bescheinigen. AB. v. 3. Febr. 53, JMBl. S. 65.

Strafvollstreckung 88 488—490.

835

Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschobeu werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustande befindet, bei welchem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Straf­ anstalt unverträglich ist.75 76) § 488. Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder der Familie desselben erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen. Die Bewilligung desselben kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden.79) § 489. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, behufs Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen Borführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, 77)78 wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. ’•) Auch kann von der Staatsanwaltschaft zu demselben Zwecke ein Steckbrief erlassen werden, wenn der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält.79) Diese Befugnisse stehen im Falle des § 483 Abs. 3 auch dem Amtsrichter zu. § 490. Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Sttafe Zweifel entstehen, oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen?9) 75) Siehe Anhang II und III. 76) Über den Verfall der Sicherheit hat nicht die StA., auch nicht das Zivilgericht, sondern das zuständige Strafgericht zu entscheiden, GA. 38 S. 370. Löwe, Anm. 5b. 77) Die Vorzeigung des Haftbefehls ist bei der Verhaftung behufs der Sttasvollstreckung nicht erforderlich. Erk. v. 4. Juni 86, R. 8 S. 424. Der Haftbefehl ist erst zu erlaffen, wenn die Zustellung der erfolglosen Ladung zum Strafantritt nachgewiesen ist. AB. v. 23. Septbr. 10 (JMBl. S. 355). Die Strafzeit beginnt erst vom Eintritt in die für die Sttafverbüßung bestimmte Anstalt, GA. 52 S. 267; es sei denn, daß den Verurteilten kein Borwurf des Ungehorsams gegen die Ladung trifft. Darmstadt v. 26. Juni 18, DStZ. 6 S. 140. Bei Reichstagsmitgliedern ist, sofern durch die Sttasvollstreckung die Ausübung des Abgeordnetenberufs beeinträchtigt wttd, Genehmigung des Reichs­ oder Landtags erforderlich. Att. 37 d. RB. 78) Beschlagnahme u. Durchsuchung zu dem Zweck, Beweise für den gegen­ wärtigen Aufenthalt des Gesuchten zu erlangen, hält Sch neide Win, LZ. 16 S. 182, nicht für zulässig. Siehe Anm. 21 a zu 8 99. 79) Eine Entscheidung des Gerichts darüber, ob die Voraussetzungen für den Erlaß eines Steckbriefs vorliegen, findet nicht statt. KG. v. 19. April 95, GA. 43 S. 137.

836

XLVI. Strafprozeßordnung 88 491« 492.

Dasselbe gilt, wen«, nach Maßgabe des § 487 Eiuwendmvgen gegen die Ablehnung eine- Antrags auf Aufschub der Strafvoßstreckung erhoben werden.. Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. 149t. Kann eine verhängte Geldstrafe nicht beigelrieben werden und ist die Festsetzung der für diesen Fall eintretenden Freiheitsstrafe unterlassen worden, so ist die Geldstrafe nachträglich von dem Gericht in die entsprechende Freiheitsstrafe umzuwandeln?') 8 492 Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile Strafen verurteilt worden, und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (8 79 des Strafgesetzbuchs) außer Betracht geblieben,") sy sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurück­ zuführen.") 80) Wird eine Beschlußfassung des Gerichts beantragt, weil Zweifel über die Berechnung einer Gesamtstrafe entstanden sind, so hat das Gericht nicht bloß die Grundsätze anzugeben, nach denen die Entscheidung zu treffen sei, fonbcnt hat die Strafe selbst zu berechnen und festzusetzen. GA. 41 S. 70. Ob gegen die Entscheidung auch die Strafvollzugsbehörde ein selbständiges Beschwerderecht hat (H a s s e, Recht 23 S. 185), erscheint sehr zweifelhaft. 81) Das Gericht ist aber nicht zuständig, über eine Unterbrechung der Strafvollstreckung zu beschließen. GA. 43 S. 419. Darüber, ob und inwieweit die gegen einen Strafgefangener; verhängte Untersuchungshaft die Strafhaft unterbricht, siehe oben die Anm. zu § 482. 82) Wegen Vollstreckung der Geldstrafe stehe §§ 5 bis 7 d. Ges. v. 21. Dezbr. 21 unter II. 83) Hat der Richter die Voraussetzungen des § 79 des StGB, geprüft, aber die Anwendbarkeit verneint, fo findet das Verfahren aus § 492 nicht statt. DaS letztere greift vielmehr nur dann Platz, wenn der Richter die tatsächlichen Voraussetzungen des 8 79 nicht gekannt« oder aus versehen unbeachtet gelassen hat, oder wenn, weil bei der späteren Aburteilung das frühere Erkenntnis noch nicht rechtskräftig war, aus Zweckmäßigkettsgründen von Bildung einer Gesamtstrafe Abstand genommen ist. Erk. v. 27. Juli 83, R. 5 S. 525. Siehe auch R. 3 S. 468, E. 5 S. 1 u. E. 8 S. 62. Ebenso Erk. v. 17. März 85, R. 7 S.186. Es ist nicht gerechtfertigt, die Bildung einer Gesamtstrafe im Falle deS 8 79 des StGB, aus Zweckmäßigkeitsgründen dem SLrasvollftreckuugSverfahren vorzubehalten und auch dann nicht, wenn die früher erkannte Strafe in der Verbüßung begriffen ist. Erk. v. 2./5. Jan. 86, R. 8 S. 3. vgl. R. 5 S. 130. Ist aber das frühere Urteil noch nicht rechtskräftig, so kann daS Gericht trotz BorliegenS der Voraussetzung deS 879 von Verhängung einer Gesamtstrafe Abstand nehmen und dieselbe dem Nachtragsverfahreu auS 8 492 überlasten. Erk. V. 14. März 87, R. 9 S. 177. Die Nachtragsentscheidung aus 8 492 hat auch eine zur Zett der Erteilung schon vollständig verbüßte Strafe in Betracht zu ziehen. GA. 37 S. 236. Für die Vollstreckung der Entscheidung ist ein Rechtskraftattest nicht erforderlich. DIZ. 12 S. 304.

Strafvollstreckung §§ 493—495.

S 493.

837

Ist der Verurteilte nach Beginn der Strafvollstreckung

wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufenthalts in der Kranken­

anstalt in die Strafzeit einzurechnen,88) wenn nicht der Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit

herbeigeführt hat. Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle eine Entscheidung

de- Gerichts herbeizusühren. 8 494.

Die bei der Strafvollstreckung notwendig werdenden

gerichtlichen Entscheidungen (§§ 499—493) werden von dem Gericht

erster-Instanz ohne mündliche Verhandlung erlassen.

Bor der Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft und dem Ver­ urteilten Gelegenheit zu geben, Anträge zu stellen und zu begründen.

Kommt es auf die Festsetzung einer Gesamtstrafe an (8 492), und waren die verschiedenen hierdurch abzuändernden Urteile von

verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung demjenigen

Gerichte zu,'s) welches die schwerste Strasart oder bei Strafen gleicher Art die höchste Strafe erkannt hat, falls hiernach aber mehrere Gerichte zuständig sein würden, demjenigen, dessen Urteil zuletzt ergangen ist.

War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gerichte höherer Instanz erlassen, so setzt das Gericht erster Instanz, und war eine-

der Strafurteile von dem Reichsgericht in erster Instanz erlassen, das Reichsgericht die Gesamtstrafe fest.

Gegen diese Entscheidungen findet, insofern sie nicht von dem Reichs­ gericht erlassen sind, sofortige Beschwerde statt,87 84) 85 86

8 495.

Die Vollstreckung der über eine Bermögensstrafe oder

eine Buße ergangenen Entscheidung erfolgt nach den Vorschriften über die Vollstreckung der Urteile der Zivilgerichte.88) 84) Über den Fall, daß die Festsetzung der Einzelstrafen durch Gerichte

verschiedener Bundesstaaten erfolgt ist, f. AV. v. 8. Septbr 85 (JMBl. S. 304) u. AB. v. 22. Mai 00 (JMBl. S. 431), v. 26. April 01 (JMBl. S. 99). Über

die vorläufige Entlassung und Ausübung des Begnadigungsrechts in diesem Falle flehe AB. v. 29. Juni 14 (JMBl. S. 571). S. auch Anhang la Schluß­ bestimmungen 1 Abs. 3. 85) Wenn nicht die Staatsanwaltschaft die Strafvollstreckung ganz vor­ behaltlos unterbrochen hat. Ist letzteres geschehen, so ist der Aufenthalt in der Krankenanstalt nicht einzurechnen. Bgl. auch GA. 39 S. 189. A. M. Rosen­ berg, DStZ. 3 S. 10. Spitzn er, GA. 65 S. 302. OYG. Hamburg v. 18. April 16, verlangt, daß die Unterbrechung nicht nur angeordnet, sondern auch durchgeführt wird. DStZ. 3 S. 264, GA. 63 S. 139. 86) Ist von verschiedenen Gerichten auf eine Gesamtstrafe erkannt, so setzt die weitere Gesamtstrafe dasjenige Gericht fest, welches die höchste Einzelftrafe erkannt hat. Erk. v. 21. Dez. 99, E 33 S. 23. 87) Insofern eine materielle Entscheidung über die Festsetzung der Ge­ samtstrafe ergangen ist. Erk. v. 19. Juni 99, E. 32 S. 234.

*38

XXVI. Strafprozeßordnung §§ 496, 497.

S. Abschnitt.

Losten -es Verfahrens.

§ 496

Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Unter­ suchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.")

Die Höhe der Kosten und Auslagen, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten hat, wird auf Antrag eines Beteiligten durch den Gerichtsschreiber festgesetzt. Auf das Verfahren und auf die Vollstreckung der Entscheidung finden die Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung entsprechende Anwendung.88 89 *) 90

§ 497. Die Kosten, mit Einschluß der durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage und die Strafvollstreckung entstandenen, hat der Angeklagte zu tragen, wenn er zu Strafe verurteilt wird.99) 88) Der § findet auch bei den auf Einziehung lautenden Entscheidungen Anwendung. Zweifelhaft ist es, von wem die Herbeiführung des Offenbarungs­ eides behufs Herausgabe des einzuziehenden Gegenstandes zu betreiben ist. Jastrow, GA. 33 S. 29. Hoppe, GA. 44 S. 372. Der Justizminister neigt der Auffaffung zu, daß dies vom OStA. (jetzt GSlA.) als Vertreter des FiSkus zu geschehen hat. JMB. v. 5. April 99. Müller S. 1763. 89) Der § 496 enthält keine Bestimmung darüber, wer die Kosten zu tragen hat, oder daß das Gericht diese Frage nach freiem Ermeffen zu entscheiden habe; insbesondere ist der Satz, daß derjenige die Kosten zu tragen habe, um dessen In­ teresse mit Mißerfolg gestritten worden, nicht unbedingt anzuerkennen. Trifft keine der in den 88 497 bis 505 enthaltenen Bestimmungen über die Pflicht zur Tragung der Kosten zu, so müssen diese der Staatskasse auferlegt werden. Erk. v. 15. Mai 85, E. 12 S. 198. Die Entscheidung trifft dasjenige Gericht, bei dem die betreffenden Kosten entstanden sind. GA. 52 S. 264. Nach § 64 GKG. kann das Gericht, wenn weder eine Voruntersuchung noch in dem Haupwerfahren eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Gebühren in Strafsachen bis auf fünf Zehnteile ermäßigen. Vgl. über diese in der Praxis wohl nur sehr selten zur Anwendung gelangte Vorschrift B r ü ck m a n n in GA. 52 S. 145. — Die Frage, ob die Sicherung der Kosten durch Arrest zulässig ist, dürste zu bejahen seht. — A. M. Alsberg, 2HZ. 18 S. 442. Wird das Verfahren eingestellt, so trägt mit Ausnahme der in den §§ 502 u. 503 vorgesehenen Fälle die Staatskaffe die Kosten. Erk. v. 10. Dezbr. 89, E. 20 S. 118. Die Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung ist mit denselben Rechtsmitteln anfechtbar wie „die Entscheidung in der Hauptsache. Erk. v. 14. April 82, R. 4 S. 322. — Üher den Ansatz der Gebühren und Auslagen siehe AG. z. GKG. v. 10. März 79 (GS. S. 145), 89 a) Wird das Verfahren vor Rechtskraft durch einen Gnadenerlaß nieder­ geschlagen, so kann eine Entscheidung gemäß Abs. 2 nicht mehr ergehen. Beschl. d. RG. v. 26. Juni 19, Löwe, Anm. 10. 90) Der zur Strafe verurteilte Angekl. hat auch diejenigen Kosten und Auslagen zu tragen, die durch eine unrichtige Behandlung der Sache entstanden -sind. Erk. v. 1. Dezbr. 85, R. 7 S 710. Ein Anspruch, ihn von den durch eine Verlegung entstandenen Kosten zu befreien, steht ihm nicht zu. Erk. v. 5. Apr. 06, DIZ. 11 S. 968. Sind einem Zeugen die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt, so ist, wenn der A. zur Tragung der Kosten des

Kosten des Verfahrens § 498.

839

Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.") § 498. Wenn ein Angeklagter in einer Untersuchung, welche mehrere strafbare Handlungen umfaßt/) nur in Ansehung eines Teils derselben verurteilt wird, durch die Verhandlung der übrigen Straf­ fälle aber besondere Kosten') entstanden sind, so ist er von deren Tragung zu entbinden. Verfahrens verurteilt wird, jene Einschränkung bezüglich der Kostentragung in der Urteilsformel, mindestens aber in den Gründen zu erwähnen. @tt. v. 12. Oktbr. 08, DIZ. 14 S. 148. Im Falle einer idealen Konkurrenz darf nicht teilweise Freisprechung und teilweise Verurteilung erfolgen und eben­ sowenig darf ein Teil der Kosten der Staatskasse auferlegt werden. Erk. v. 12. Ottbr. 83, R. 5 S. 604; ebenso wenn bei einer Fortsetzungstat nur einige Einzel­ akte für strafbär erachtet werden. Erk. v. 28. April 18, JurW. 47 S. 622; doch muß Freisprechung erfolgen, wenn nur einzelne Straftaten für erwiesen und diese als selbständige angesehen werden. Erk. v. 19. Septbr. 16, Recht 21 Nr. 319. Erk. v. 22. Mai 17, E. 51S. 81. Auch einem prozeßunfähigen Privat­ kläger können bei Einstellung des Verfahrens die Kosten auferlegt werden. GA. 45 S. 61. Wenn über die Höhe der Kosten, die durch die VeröffentlichungsbefugniS entstanden sind, Streit entsteht, ist -er Strafrichter zur Entscheidung berufen. GA. 44 S. 281 u. 45 S. 62. Zu diesen Kosten gehören auch die Kosten der ärztlichen Untersuchung. GA. 52 S. 267. Dem zur Strafe verurteilten Angekl. fallen auch die durch eine Vertagung der Hauptverh. entstandenen Kosten zur Last, GA. 44 S. 148, wenn dieselben nicht einem anderen besonders auferlegt sind; ebenso der Regel nach auch die­ jenigen Kosten, welche durch eine etwaige Verschuldung dritter Personen ein­ schließlich der in dem Verfahren tätig gewesenen Beamten entstanden sind. Erk. v. 24. März 80, R. 1 S. 508. Ob der Angekl. auf Grund einer anderen straf­ rechtlichen Beurteilung der Tat als der im Eröffnungsdeschl. angenommenen verurteilt ist, macht bezüglich der Kostenpflicht keinen Unterschied. Erk. v. 25. Septbr. 93, GA. 41 S. 284 u. Erk. v. 1. Novbr. 88, R. 10 S. 609. 91) AIS Angeklagter im Sinne dieses § gilt nur der Angeschuldigte, nicht auch etwaige Einziehungsinteressenten. Erk. v. 29. Oktbr. 85, E. 13 S. 19, 1) Von „mehreren strafbaren Handlungen" kann nur da die Rede sein, wo mehrere selbständige Taten von der Untersuchung umfaßt find und eine Verbin­ dung mehrerer Klagen vorliegt. Erk. v. 26. Novbr. 86, E. 15 S. 105. Sämt­ liche Kosten sind aber selbst dann dem A. aufzuerlegen, wenn der Eröffnungs­ beschluß zu Unrecht Tateinheit angenommen hat. Erk. v. 4. Juni 18 (nicht 16), E. 52 S. 190. Kosten, die, wenn mehrere Strafsachen verbunden sind, durch die Verhand­ lung einzelner Straftaten entstanden sind, dürfen einem Mitangeklagten, der bei diesen letzteren gar nicht beteiligt gewesen ist, nicht auferlegt werden. Erk. v. 21. Oktbr. 97, E. 30 S. 287. Vgl. dazu auch Erk. v. 9. Novbr. 96, E. 29 S. 145, das von demselben Grundsätze ausgeht. Es ist aber nicht rechtsirrig, wenn einem Angekl. trotz teilweiser Freisprechung sämtliche Kosten auferlegt werden, weil alle Beweiserhebungen zur Bildung eines Urteils über daS ge­ samte Treiben des Angell, zweckmäßig waren. Erk. v. 14. Juni 06, DIZ. 11 S. 1016, G«. 53 S. 293. vgl. auch Erk. v- 14. Mai 09, Recht 13 Nr. 1962. 2) Hierher gehören nur die nicht zu den Gebühren zu rechnenden Auslagen,

840

XXVI.. Strafprozeßordnung § 499. Mitangeklagte, welche in Bezug auf dieselbe XU8* )* *10 zu * S.Strafe **

verurteilt sind, haften für die Auslagen als Gesamtschuldner. Dies gilt nicht von den durch die Strafvollstreckung oder die Untersuchungs­ haft entstandenen Kosten.8)

§ 499. Einem freigesprocheneu8) oder außer Verfolgung geschten Angeschuldigten sind nur solche Kosten aufzuerlegen, welche er durch eine schuldbare Versäumnis verursacht hat.88) Die dem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen8) könnens der Staatskasse auserlegt werdet..8)

Erk. v. 6. Mai 92,GA. 40 S. 56. Vgl. auch Erk. v. 8. gebt. 81, E. 3 S. 343 tt. Erk. v. 10. Novdr. 93, E. 24 S. 384. 3) Über die Bedeutung, welche dem Begriffe „dieselbe Tat" im Sinne dieses § zukommt, siebe Erk. v. 18. Novbr. 90, E. 21 S. 164. 4) Die Haftung aus Abs. 2 tritt von Rechts wegen ein. Erk. v. 2. gebr. 80, R. 1 S. 309 u. E. 1. S. 93. — Als Gesamtschuldner für die Auslagen in bezug auf dieselbe Tat sind in Verbindung mit dem Haupttäter auch die Hehler und Begünstiger auszufaffen. Erk. v. 28. Mai 85, R. 7 S. 334. Mehrere Ver­ urteilte haften auch als Gesamtschuldner wegen der Kosten der Bekanntmachung aus 8 200 StGB. Erk. v. 4. Okt. 04, E. 37 S. 267. Der Teilnehmer haftet als Gesamtschuldner auch für die von den übrigen Teilnehmern verursachten Auslagen selbst dann, wenn er bei den einzelnen Handlungen derselben weder mitgewirkt, noch überhaupt von denselben gewußt hat. Erk. v. 29. Oktbr. 85, R. 7 S. 624. Erk. v. 31. Mai 06, DIZ. 11 S. 1208. Mitangeklagte sind für die Auslagen, welche in bezug auf dieselbe Tat, der eine wegen aktiver, der andere wegen passiver Bestechung verurteilt sind, als Gesamtschuldner verhaftet. Die gerichtlichen Kosten dürfen einem jeden, nur soweit er verurteilt ist, auferlegt werden. Erk. v. 23. Septbr. 87, R. 9 S. 457. 5) Darunter ist jeder Angeschuldigte zu verstehen, der, ohne verurteilt zu werden, aus der Verhandlung hervorgeht, also auch derjenige, bezüglich besten das Verfahren eingestellt wird. Erk. v. 10. Dezbr. 89, E. 20 S. 118. Ab­ weichend: GA. 37 S. 237. Die Kosten einer im früheren Verfahren erfolglos eingelegten Revision sind dem im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Angeklagten zu erstatten. Erk. v. 17. Oktbr. 95, E. 27 S. 382. So auch Colmar GA. 40 S. 191. 5 a) Die durch Vereitelung eines Verhandlungstermins verschuldeten Kosten müffelt dem A. auferlegt werden. Erk. v. 18. Dezbr. 14, E. 49 S. 58. 6) Zu den Auslagen gehört nicht entgangener Arbeitsverdienst. Erk. v. 10. April 22, Recht 26 Nr. 1036, auch nicht die Kosten der Annahme eines Rechts­ anwalts im Vorverfahren, ebenda. Siehe auch GA. 60 S. 477. Das Gericht hat nur über die Höhe der Auslagen zu bestimmen, nicht aber die Anweisung auf eine bestimmte Kasse zu erlassen. GA. 39 S. 86. Die dem Nebenkläger erwachsenen Auslagen hat die Staatskasse nicht zu tragen. Erk. v. 2. März 11, Recht 15 Nr. 1462. 7) Die Entscheidung darüber, ob die einem greigesprochenen erwachsenen Auslagen der Staatskasse aufzulegen sind, ist mit der Revision nicht anfechtbar. Erk. v. 6. Nov. 05, GA. 53 S. 70. Ist der Antrag aber gestellt, so darf er nickt übergangen werden. Erk. v. 14. Novbr. 90, JurW. 20 S. 52. Die Ent­ scheidung kann nicht durch nachträglichen besonderen Beschluß erfolgen. Ham­ burg 23. März 16, LZ. 10 S. 776.

Kosten des Verfahrens §§ 500, 501.

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§ 500- Bei wechselseitigen Beleidigungen oder Körperverletzungen wird die Verurteilung eines oder beider Teile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlossen, daß einer derselben oder beide für straffrei er­ klärt Werder..')

S 501- Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren") durch eine wider besseres Mssen gemachte oder auf grober Fahr­ lässigkeit beruhende to^eiße10 * **)8 9 veranlaßt worden, so kann das Gericht dem Anzeigenden, nachdem derselbe gehört worden, die der Staatskasse und dem Beschuldigten erwachsenen Kosten auferlegen.

Der Abs. 2 findet auch auf die nach § 411 dem Antragsteller erwachsenen Auslagen Anwendung. Erk. v. 24. Jan. 96, E. 28 S. 146. 8) Werden gestellte und erschienene Entlastungszeugen nicht vernommen, weil schon der Beweis der Nichtschuld geführt ist, so kann die Erstattung der Kosten für diese Zeugen der Staatskaffe zur Last gelegt werden. Erk. v. 29. Jan. 84, R. 6 S. 57. Der Ersatz der dem freigesprochenen A. durch seine Verteidigung erwachsenen notwendigen Auslagen ist nicht auf die Fälle der notwendigen Verteidigung des § 140 zu beschränken. Erk. v. 29. Juni 82, E. 6 S. 429. Die Kosten einer not­ wendigen Verteidigung find zwar notwendige Auslagen im Sinne des Abs. 2, dieselben sind aber, wenn der A. sich eines Wahlverteidigers bediente, auch im Falle der Freisprechung nur nach Ermefien des Gerichtshofes der Staatskaffe auf­ zulegen. Erk. v. 29. Novbr. 83, R. 5 S. 743.. Der freigesprochene A. hat An­ spruch auf unentgeltliche Erteilung einer Urteilsabschrift. KG. v. 30. Dezbr. 20, DStZ, 8 S. 180. Über das Verfahren bei Festsetzung der dem Beschuldigten erwachsenen not­

wendigen Auslagen, falls dieselben der Staatskaffe auferlegt find, siehe Reskr. v. 15. März 92, JMBl. S. 109. 9) Einem Verletzten, welcher als Zeuge vernommen worden ist, können, weil eine wechselseittge Beleidigung oder Körperverletzung festgestellt ist, die Kosten nicht auferlegt werden, denn der § 500 hat nur Angeklagte im Auge. Erk. v. 19. März 86, E. 13 S. 421. Sind aber die Kosten doch zu Unrecht emem Zeugen auferlegt, so hat dieser die Revision und nicht die Beschwerde. Erk. v. 5. Jan. 86, R. 8 S. 11 u. E. 13 S. 211. Die Bestimmung deS § geht dahin, daß dem für straffrei Erklärten der Regel nach die Kosten nicht auferlegt werden sollen, daß das Gericht jedoch befugt ist, demselben trotz der Straffreiheit alle oder einen Teil der Kosten auszuerlegen. Erk. v. 9. Dezbr. 89, GA. 37 S. 53.

10) Mit dem außergerichtlichen Verfahren ist das flaatsanwaltliche Er­ mittelungsverfahren gemeint und selbstverständlich gehört hierher auch daS ge­ richtliche Verfahren. Nach Erlaß des rechtskräftigen Urteils kann ein Beschluß nur ergehen, wenn das Urteil entsprechenden Vorbehalt enthält. KG. v. 3. März 10, DIZ. 15 S. 429. A. M. Löwe Anm. 4a. — Ein RA., der für seine Partei eine Anzeige erstattet hat, kann persönlich in die Kosten Verurteilt werden, wenn er weiß, daß die Anzeige nur zum Schein erstattet ist. Karlsruhe d. 15. Febr. 17, Recht 21 S. 373 Nr. 798.

10 a) Zu den Anzeigen gehören nicht Mitteilungen an den Privattläger. A. M. Pfeiffer, Recht 23 S. 257.

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XXVI. Strafprozeßordnung 88 502, 503.

War noch kein Gericht mit der Sache befaßt,") so erfolgt die Ent­ scheidung auf den Antrag der Staatsanwaltschaft durch dasjenige Gericht, welches für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt.118)

§ 508 Erfolgt eine Einstellung des Verfahrens wegen Zurück­ nahme desjenigen Antrags, durch welchen dasselbe bedingt war, so hat der Antragsteller die Kosten zu tragen.18) § 503 In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Aus­ lagen zu erstatten.18) 11) Zu den Gerichten im Sinne dieses § gehört das Gericht, das mit ber Sache befaßt ist und also auch das Berufungsgericht. GA. 44 S. 411. Solange nur noch einzelne amtsgerichtliche Untersuchungsverhandlungen vorliegen, ist noch kein Gericht mit der Sache befaßt und kann also nur der StA. einen Antrag stellen. GA. 37 S. 237. 11a) Auch dann, wenn der Antrag nicht in Form eines Beschlusses, sondern in den UrtellSgründen beschieden ist. Erk. v. 7. Mai 20, E. 54 S. 331. 12) Über die Tragweite der Bestimmung des § 502 überhaupt siehe Erk. v. 4. Jan. 86, E. 7S. 409 u. Winkler in GA. 56 S. 53. Dem Gericht steht immer die Prüfung zu, ob dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen sind. Zu den Kosten gehören nicht die dem Angekl. erwachsenen, notwendigen Auslagen. Beschl. d. KG. v. 16. März 05, DIZ. 10 S. 701. War wegen schweren Dieb­ stahls das Verfahren eröffnet und nimmt der Bestohlene den Antrag zurück, nach­ dem sich herausgestellt, daß 8 370 Ziff. 5 StGB. Anwendung zu finden hat, so können ihm nicht die Kosten auferlegt werden. Erk. v. 11. Juni 06, Recht 10S. 870. Nur dann, wenn die Zurücknahme des Strafantrags den unmittelbaren Grund zur Einstellung des Verfahrens bildet, sind die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen. Erk. v. 9. Mai 95, GA. 43 S. 123. Legt das Gericht in diesem Falle die Kosten der Staatskasse zur Last, so steht dem StA. nicht die Beschwerde, sondern nur das RechtSm. der Revision zu. Erk. v. 14. April 82, R. 4 S. 322. Vgl. hierzu Erk. v. 22. Ottbr. 83, R. 5 S. 623. — Auch dem Antragsteller, dem die Kosten auferlegt sind, stehen die Rechtsmittel zu. OLG. Posen v. 16. Aug. 11, GA. 60 S. 330. War das Verfahren nicht bloß auf Grund des später zurückgenommenen Strafantr., sondern auch wegen eines ideell konkurrierenden Delikts eingeleitet, bezügl. deffen der Angell, freigesprochen ist, so bleibt 8 502 außer Anwendung. Erk. v. 10. Novbr. 90, GA. 38 S. 438. Siebe auch Erk. v. 22. Okt. 83 R. 5 S. 623. Die Vorschrift des § 502 ist eine bindende, von welcher der Richter nicht absehen darf. Erk. v. 4. Juli 92, E. 23 S. 197. Die Bestimmung ist auch anwendbar, wenn der Vorgesetzte den von ihm gestellten Antrag zurückgenommen hat. Der Vorgesetzte haftet aber nicht persönlich. Erk. v. 10. Mai 00, GA. 47 S. 295. Ist der Vorgesetzte Träger eines staatlichen Amts, so sind die Kosten der Staats kaffe aufzuerlegen. DIZ. 9 S. 318 u. DIZ. 10 S. 221. Mehrere Antragsteller haften als Gesamtschuldner, auch wenn einer der Anträge von einem amtlichen Vorgesetzten gestellt ist. OLG. Hamm v. 9. April 12, GA. 60 S. 154. 13) Die Kosten, die durch eine Vertretung des Privatklägers bei Be­ wirkung der Publikatton gemäß § 200 StGB, entstanden sind, braucht der A. nicht zu erstatten. KG. v. 16. Jan. 93, GA. 41 S. 148.

Kosten des Verfahrens § 503.

843

Wird der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen, oder, wird das Verfahren eingestellt, so fallen dem Privatkläger die Kosten des Verfahrens sowie die dem Beschuldigten erwachsenen not­ wendigen Auslagen zur Last.") Ist den Anträgen des Privatklägers nur zum Teil entsprochen worden, so kann das Gericht die Kosten angemessen verteilen.") Mehrere Privatkläger und mehrere Angeklagte hasten als Ge­ samtschuldner. Unter den nach den Bestimmungen dieses Paragraphen zu er­ stattenden Auslagen sind, wenn sich der Gegner der erstattungs­ pflichtigen Partei eines Rechtsanwalts bedient, die Gebühren und Der zu den Kosten des Verfahrens verurteilte Angekl. hat dem zugelaffenen Nebenkläger die erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten, ohne daß es deshalb eines besonderen Ausspruchs im Urteile bedarf. Erk. v. 26. Febr. 84, R. 6 S. 153. Wird der A. für straffrei erklärt, so bedarf es einer besonderen Enischeidung. Erk v. 28. Febr. 11, E. 44 S. 334. Die Kosten sind dem Neben­ kläger von dem verurteilten Angekl. auch dann zu erstatten, wenn der Angekl. aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt verurteilt worden ist, welcher einen Anschluß als Nebenkläger nicht zuläßt. Erk. v. 2. Oltbr. 83, R. 5 S. 572. Erk. v. 5. Jan. 09, Recht 13 Nr. 616. Der Nebenkläger kann Ersatz seiner Auslagen auch im Vorverfahren beanspruchen. KG. v. 5. Dezbr. 13, GA. 61 S. 363. Einer als Nebenkläger zugelaffenen Verwaltungsbehörde sind die Auslagen nicht zu erstatten. Erk. v. 30. Juni 14, E. 48 S. 340. — Bezüglich der Kostenfest­ setzung siehe Anm. 98 a zu § 496. 14) Im Falle der Freisprechung des Angekl. fallen die Kosten des Ver­ fahrens mit Einschluß der durch die Nebenklage veranlaßten der Staatskaffe zur Last. Dagegen hat der Nebenkläger die ihm erwachsenen baren Auslagen selbst zu tragen, da § 503 Abs. 2 hier keine analoge Anwendung findet. Erk. v. 13. Jan. 87, E. 15 S. 190. Auch im Falle der Niederschlagung des Verfahrens sind dem Privatkläger die Kosten aufzuerlegen. Marienwerder v. 20. Jan. 19, LZ. 13 S. 284. Düffeldorf v. 4. März 19, ebenda S. 443 hält in dem Ver­ fahren eine derartige Kostenentscheidung nicht mehr für möglich. Überall da, wo es zu einer Verurteilung des Angekl. nicht kommt, kann die Staatskaffe für die Kosten nicht haftbar gemacht werden. Der Privatkläger hat daher die Kosten auch dann zu tragen, wenn die Privatklage prozeffual durch den Tod des Angekl. erlischt: GA. 37 S. 453. A. M. Pfeiffer, LZ. 13 S. 102. Stirbt der Verurteilte vor der Rechtskraft deS Urteils, so fallen dem Privatkläger nicht bloß die Kosten, sondern auch die dem Angekl. erwachsenen notwendigen Auslagen zur Last. GA. 46 S. 365; ebenso auch, wenn das Ver­ fahren auf Grund der Amnestie eingestellt wird. Cassel v. 18. Septbr. 19, GA. 68 S. 309. Eine Kostenfestsetzung notwendiger Auslagen ist auch in den Rechts­ mittelinstanzen nicht ausgeschlossen. Siehe DIZ. 9 S. 351. 15) Der § 503 greift im Verfahren auf erhobene öffentliche Klage nur so­ weit Platz, als bezüglich der Kostenerstattungspflicht der Nebenkläger dem Privat­ kläger gleichgestellt wird, aber im übrigen nicht und kann also der Nebenkläger von den Kosten des Verfahrens nicht betroffen werden. Erk. v. 1. Juli 98, E. 31 S. 230. — Wegen Kosten im Falle der Widerklage siehe Lindemann in GA. 51 S. 267.

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XXVI. Strafprozeßordnung §§ 504, 505.

Auslagen des Anwalts insoweit inbegriffen, als solche nach der Be­ stimmung des 8 87 (91) der Zivilprozeßordnung die unterliegende Partei der obsiegenden zu erstatten hat.

§ 604- Wird in dem Falle des § 173 der Angeschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen,^) oder das Verfahren ein­ gestellt, so finden auf den Antragsteller die Bestimmungen des § 603 Abf. 2, 3, 4, 6 entsprechende Anwendung. Das Gericht kann jedoch nach Befinden der Umstände den Antragsteller von der Tragung der Kosten ganz oder teilweise entbinden. Bor der Entscheidung über den Kostenpunkt ist der Antragsteller zu hören, sofern er nicht als Nebenkläger aufzutreten berechtigt war.

8 505. Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos ein­ gelegten Rechtsmittels treffen derjenigen, der dasselbe eingelegt hat.") War das Rechtsmittel von der Staatsanwaltschaft eingelegt, so können die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staats­ kasse auferlegt werden.") Hatte das Rechtsmittel teilweisen Erfolg, so kann das Gericht die Kosten angemessen verteilen.") 16) Wegen der Gebühren des bestellten Verteidigers siehe § 150 und Anm. 72 dazu. 17) Wird, wenn der StA., Privatkläger, oder Nebenkläger daS Rechts­ mittel zuungunsten des A. eingelegt hat, der A. sreigesprochen, so sind die Kosten des Rechtemittels der Staatskasse aufzuerlegen. Erk. v. 5. Juni 08, E. 41 S. 349. L. M. Erk. v. 1. Juni 97, E. 30 S. 128 u. Löwe, Anm. 1 a a. E. Der Nebenkläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen, wenn sein Anschluß zu-Unrecht zugelassen ist. Erk. v, 15. Jan. 04. GA. 51 S. 179. Kosten eines Rechtsmittels, welches ein Rechtsanwalt ohne Bevoll­ mächtigung eingelegt hat, sind diesem aufzuerlegen. Erk. v. 28. Sept. 06, Recht 10 S. 1277. Beschl. d. RG. v. 8. Juli 21, DIZ- 27 S. 195. Der gesetzliche Vertreter, der erfolglos ein Rechtsmittel eingelegt hat, haftet nur mit dem Ver­ mögen des von ihm Vertretenen. Beschl. d. RG. v. 9. Juli 12, E. 46 S. 138. Erk. v. 30. Sptbr. 19, E. 53 S. 345. 18) Wird die Berufung vor der Hauptverhandlung zurückgenommen, so hat die Entscheidung durch Beschluß zu erfolgen. KG. v. 14. Juni 18, GA. 66 S. 286. 19) Wird auf eine vom A. zunächst allgemein eingelegte, später auf das Strafmaß beschränkte Berufung die Strafe herabgesetzt, so ist nur ein teilweiser Erfolg erreicht. KG. v. 24. Novbr. 90, GA. 39 S. 87. Löwe, Anm. la. Wird aber das Urteil von vornherein nur teilweise angefochten und hat insoweit das Rechtsmittel Erfolg, so sind ihm Kosten nicht aufzuerlegen. Erk. v. 2. Novbr. 11, E. 45 S. 268. Wird durch das eingelegte Rechtsmittel nicht in der Sache selbst eine günstigere Entscheidung erzielt, so ist dasselbe erfolglos eingelegt. Die bloße Aufhebung deS früheren Urteils bildet keinen Erfolg und also auch keinen Faktor für die Gebührenpflicht. Erk. v. 15. Jan. 89, E. 18 S. 347. Zu den Kosten, welche bei teilweisem Erfolge verteilt werden können, gehören nicht bloß die Auslagen, sondern auch die Gerichtsgebühren. GA. 37 S. 314. Aber die Kosten des Rechtsmittels müssen verteilt werden, nicht die Kosten des ganzen Verfahrens. KG. v. 23. Oktbr. 90, GA. 38 S. 371. — Über Einziehung u.

Kosten des Verfahren- § 506.

846

Dasselbe gilt von den Kosten, welche durch einen Antrag aus Wiederaufnahme") des durch ein rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahrens verursacht worden sind. Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind. 8 606- In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in erster Instanz gehörigen Sachen sind die von der Staatskasse zu tragenden Kosten der Reichskasse aufzuerleLen.

Urkundlich rc. Berechnung der für die Geschäfte des RG. in Ansatz kommenden Kosten siehe AV. v. 17. Mai 22 (JMBl. S. 186). 20) Erlangt der A. durch sein Gesuch um Wiederaufnahme eine ihm günstigere Entscheidung, indem unter Anwendung eines milderen Strafgesetzes die Strafe herabgesetzt wird, so liegt nur ein teilweiser Erfolg vor. Erk. v. 6. Dezbr. 89, E 20 S. 116.

XXVI a. Vorschriften der Veichsabgabenorduung über das gerichtliche Verfahren. Bom 13. Dezember 1919. (RGBl. 1993.)

Gerichtliches verfahren. *) § 426. Hat der Beschuldigte oder ein Nebenbetetligter auf ge­ richtliche Entscheidung angetragen, so kann das Finanzamt den Straf­ bescheid wegen des Antragstellers bis zur Übersendung der Verhand­

lungen an die Staatsanwaltschaft zurücknehmen. In diesem Falle kann es das Verfahren einstellen, nach weiteren Ermittlungen einen neuen Bescheid erlassen oder die Sache an die Staatsanwaltschaft zum ge­ richtlichen Verfahren abgeben. Der Antragsteller ist zu benachrichtigen. § 427. Wird der Strafbescheid?) nicht zurückgenommen, so über­ sendet das Finanzamt die Verhandlungen der StaatsanwaltschKft mit dem Antrag, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Die Staatsanwaltschaft legt sie dem Gerichte vor; eine Anklageschrift wird nicht eingereicht. Wegen der örtlichen Zuständigkeit der Staatsanwalt­ schaft und des Gerichts gilt § 411 Abs. 2.8) Wenn die Sache dem Schöffengericht überwiesen werden könnte, kann die Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit des Schöffengerichts da­ durch begründen, daß sie die Verhandlungen mit Zustimmung des

Finanzamts dem Amtsrichter vorlegt. § 428. Das Gericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen, wenn er nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Form gestellt ist, oder wenn er nach §415 wirkungs­ los ist, weil Beschwerde eingelegt ist. Bei Versäumung der Frist kann nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Verwirft das Gericht den Antrag nicht als unzulässig, so ist die Hauptverhandlung anzuberaumen. 1) Die Bestimmungen über das gerichtl. Sers, gelten nicht für das Ver­ gehen der Konterbande. Erk. v. 11. Juli 21, E. 56 S. 78. 2) Formfehler inSbes. Verfahrensverstöße im Bescheide sind für das Ge­ richt bedeutungslos. Erk. v. 11. Juli 21, E. 56 S. 40. 3) Nach § 411 ist örtlich zuständig auch die StA. deS Bezirks, in dem das Finanzamt seinen Sitz hat.

Gerichtliches Verfahren §§ 429—433.

847

Ist der Beschuldigte abwesend (§ 318 der Strafprozeßordnung), so ist gegen ihn nach den §§ 320 bis 326 der Strafprozeßordnung zu verfahren. § 429. Nach Übersendung der Verhandlungen an die Staatsanwaüschast kann das Finanzamt den Strafbescheid nur mit deren Zustimmung zurücknehmen. Die Staatsanwaltschaft teilt die Zurück­ nahme dem Gerichte mit, wenn sie ihm die Verhandlungen schon vor­ gelegt hat. Das Gericht stellt das Verfahren ein. Nach Beginn der Hauptverhandlnng kann das Finanzamt den Strafbescheid nur mit Zustimmung dessen, der auf gerichtliche Ent­ scheidung. angetragen hat, nach Verkündung des Urteils erster Instanz überhaupt nicht mehr zurücknehmen. § 430. Der Beschuldigte oder der Nebenbeteiligte kann den An­ trag auf gerichtliche Entscheidung bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz zurücknehmeu, nach Beginn der Hauptverhaudlung jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und, falls es als Neben­ kläger vertreten ist, auch des Finanzamts. Der Antrag gilt als zurückgenommen, wenn der Beschuldigte oder der Nebenbeteiligte ohne genügenden Grund in der Hauptverhandlung ausbleibt und sich nicht durch einen Verteidiger, vertreten läßt.

§ 431. Hat der gesetzliche Vertreter eines noch nicht achtzehn Jahre alten Beschuldigten die gerichtliche Entscheidung beantragt, so ist auch der Beschuldigte zu laden. Sein Erscheinen kann erzwungen werden. Der gesetzliche Vertreter kann sich durch einen Verteidiger vertreten lassen, der mit einer ausdrücklich darauf gerichteten schrift­ lichen Vollmacht versehen ist. Bleibt der gesetzliche Vertreter aus und läßt er sich nicht ver­ treten, so hat das Gericht gleichwohl zu verhandeln, wenn der Be­ schuldigte selbst erscheint. Bleibt auch dieser aus, so gilt § 430 Abs. 2.

§ 432. Ist gerichtliche Entscheidung beantragt, so hat das Finanz­ amt für daS weitere Verfahren die Rechte eines Nebenklägers. Das Urteil und andere Entscheidungen sind dem Finanzamt zu­ zustellen, auch wenn es bei der Verkündung vertreten gewesen tft.*) Die Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln beginnen für das Finanzamt erst mit der Zustellung. Für Revisionsanträge und für Erklärungen auf solche halbes einen Monat Frist. Berufungsanträge, Revisionsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens

kann es schriftlich selbst stellen. § 433. Hängt eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung oder Steuergefährdung davon ab, ob ein Steueranspruch besteht, oder 4) Auch dann, wenn der StA. die öffentliche Klage erhoben hat. (AB. v. 13. Febr, 22. JMBl. S. 46.)

848

XXVia. Vorschriften der Retchsabgabenordnung §§ 434, 435.

ab und in welcher Höhe ein Steueranspruch verkürzt oder ein Steuer­

vorteil zu Unrecht gewährt ist, und hat der Retchsfiuanzhof über diese Fragen entschieden, so bindet dessen Entscheidung das Gericht.

Liegt

eine Entscheidung des Reichsfinanzhofs nicht vor, sind die Fragen jedoch

von Fiuanzbehörden oder Finanzgerichten zu entscheiden, so hat das Gericht das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Fragen rechts-

kräsrig entschieden worden ist.B)

Entscheidet der Reichsfinanzhof, so

bindet dessen Entscheidung das Gericht.

Ergeht keine Entscheidung des

Reichsfiuanzhofs, so hat das Gericht, wenn es von der rechtskräftigen

Entscheidung des Finanzamts oder der Rechtsmiltelbehörde abweichen will, die Entscheidung des Reichsfinanzhoss einzuholen. die Akten dem Reichsfinanzhof.

Es übersendet

Dieser entscheidet im Beschluß verfahren

in der Besetzung von fünf Mitgliedern.

Seine Entscheidung ist bindend.

Während der Aussetzung des Verfahrens ruht die Verjährung. Weicht die

Entscheidung des Reichsfinanzhofs von der rechts­

kräftigen Entscheidung des Finanzamts oder der Rechtsmittelbehörde

ab, so ist diese zu berichtigen- § 212 Abs. 2, 8, § 213 gelten ent­ sprechend.

g 434.

Das Gericht ist bei der Entscheidung an die im Straf­

bescheide festgesetzte Strafe nicht gebunden.

Stellt sich heraus, daß die Tat der Strafbefugnis des Finanz­ amts entzogen war, so hat das Gericht, ohne in der Sache zn ent­ scheiden,

den Strafbescheid durch Beschluß aufzuhebeu und dieBer-

handlungen der Staatsanwaltschaft mitzuteilen; gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. § 435.

Kann eine durch Strafbescheid festgesetzte Geldstrafe oder

die Strafe des Ersatzes des Wertes nicht einziehbarer Sachen nicht

beigetrieben werden, so hat das Gericht auf Antrag des Finanzamts die Strafe in Freiheitsstrafe umzuwandeln.

DaS Finanzamt über­

sendet die Verhandlungen der Staats,anwaltschast.

Die Entscheidung

steht dem Gerichte zu, das für die Eröffnung deS Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre.

Bor der Entscheidung sind die Staatsanwalt­

schaft und der, gegen den die Strafe festgesetzt ist, sowie das Finanz­ amt zu hören.

Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig.

5) Ein strafgerichtl. Urteil vor den Entscheidungen der Finanzbehörden ist damit ausgeschlossen. Erk. v. 6. Oktbr. 21, E. 56 S. 107. Eine Aussetzung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die Finanzbehörde sich die Entscheidung über das Bestehen eines Steueranspruchs bis nach Erledigung deS gerichtlichen Strafverfahrens Vorbehalten hat. (A. M. Klee.) Erk. v. 10. Jan. 22, JurW. 51 S. 410. Ob aber unter der Voraussetzung von Steuerpflicht und Steuer­ pflichtverletzung eine strafbare Handlung vorliegt, darüber hat allein der Straf­ richter unabhängig von Auffassungen der Steuerbehörde« zu entscheiden. Erk. v. 3. Febr. 22, E. 56 S. 278.

849

Gerichtliches Verfahren §§ 436—439.

8 436. Beamte der Finanzämter dürfen außerhalb des Deutschen Reichs wohnende Personen, von denen eine Geldstrafe nicht eiugezogen werden kann, beim Antreffen im Inland festnehmen. Sie haben sie ohne Verzug der Strafvollstreckungsbehörde vorzuführen. Diese hat die ErsatzfreiheitSstrafe zu vollstrecken oder, wenn eine solche noch nicht festgesetzt ist, die Entscheidung über die Umwandlung sofort herbei­ zuführen und die festgenommenen Personen solange in Haft zu be­ halten; die Haft ist auf die Freiheitsstrafe unverkürzt anzurechnen.

§ 437. Erhebt die Staatsanwaltschaft wegen einer Steuerzuwiderhandlung die öffentliche Klage, so hat das Finanzamt die Rechte eines Nebenklägers (§ 432).6) Lehnt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Verfolgung einer Steuerzuwiderhandlung ab, so kann das Finanzamt die öffentliche Klage selbst erheben. Sein Vertreter hat im weiteren Verfahren die­ selbe Stellung wie die Staatsanwaltschaft im Verfahren auf öffent­ liche Klage. § 432 Abs. 2 gilt entsprechend. Hat das Finanzamt die öffentliche Klage erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft in jeder Lage des Verfahrens Mitwirken. Sie be­

wirkt die Ladungen zur Hauptverhandlnng und muß darin vertreten sein. Die Entscheidungen sind ihr bekanntzugeben. Bis zur Rechts­ kraft des Urteils kann sie die Verfolgung übernehmen; legt sie ein

Rechtsmittel ein, so übernimmt sie die Verfolgung. Das Verfahren wird in der Lage fortgesetzt, in der es sich befindet. Das Finanzamt hat die Rechte eines Nebenklägers (§ 432). Die Vorschrift des § 433 gilt auch in den Fällen dieses Para­ graphen.

§ 438. Ist der Angeklagte in den Fällen des § 437 abwesend (§ 318 der Strafprozeßordnung), so ist gegen ihn nach den 8§ 320 bis 326 der Strafprozeßordnung zu verfahren. 8 439. Wenn jemand als Nebenbeteiligter für die Geldstrafe haftet, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe nur zu vollstrecken, nachdem das Finanzamt gehört worden ist und soweit es^die Vollstreckung beantragt. Gegenstände, deren Einziehung ausgesprochen ist, sind dem Finanz­

amt auszuhändigen. Hat das Gericht erkannt, daß die Verurteilung auf Kosten des Verurteilten bekanntzumachen sei, so bestimmt das Finanzamt die Art der Bekanntmachung. 6) Eines Gerichtsbeschlusses über die Zulassung bedarf eS nicht. Crk. v. 22. Dezbr. 21, Recht 26 Nr. 523, ebensowenig einer Anschlußerklärung. Erk. v. 23. Jan. 22, Recht 26 Nr. 923. Doch ist dies anders, wenn es sich um ein Vergehen der Konterbande handelt. Erk. v. 20. März 22, Recht 26 Nr. 922. Siehe auch Anm. 1. Da Icke, Strafrecht.

16. Aull.

(1922).

Ü4

860

Vorschriften der Reichsabgabenordnung §§ 440—442.

§ 440. § 425 gilt auch bei gerichtlich erkannten Strafen. § 441. Schließt da- gerichtliche Verfahren mit einer Verurteilung, so gehören die notwendigen Auslagen des Finanzamt- zu den Kosten

deS Verfahren-.

§ 442. Das Landesfinanzamt kann die Befugnisse, die den Finanzämtern im gerichtlichen Verfahren zustehen, anderen Behörden oder bestimmten Beamten übertragen.

XXVII. preuß. Gesetz, betreffen- den Erlaß polizei­ licher Atrafverfügungen wegen Übertretungen. Bom 23. April 1888.') (GS. S. 66.)

Wir Wilhelm re. verordnen mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtages Unserer Monarchie, für den ganzen Umfang derselben,

was folgt: § 1. Wer die Polizeiverwaltung in einem bestimmten Bezirke auszuüben hat/) ist befugt/) wegen der in diesem Bezirke verübten, in seinen Berwaltungsbereich fallenden Übertretungen die Strafe

durch Verfügungen festzusetzen, sowie eine etwa verwirkte Einziehung zu verhängen. Die polizeiliche Strafverfügung ist auch gegen Be­ schuldigte im Alter von 12 bis 18 Jahren zulässig. Wird Geldstrafe festgesetzt, so ist zugleich die für den Fall des Unvermögens an die Stelle der Geldstrafe tretende Hast zu bestimmen. Die festzusetzende Geldstrafe darf den Betrag von dreihundert^) Mark, die Haft, auch wenn sie an die Stelle einer nicht beizutrei'benden 1) Zur Ausführung dieses Ges. ist die Anweisung deS IM. u. d. I. vom 2. Juli 83 (IMBl. S. 223) erlassen. Das Gesetz gilt jetzt auch im Gebietsteil Pyrmont. BO. v. 31. März 22 (GS. S. 70). 2) Die Befugnis zur Ausübung der Lokalpolizei ist in den verschiedenen Provinzen eine ganz verschiedene. In den Städten übt dieselbe, soweit nicht staatl. Polizeiverwaltungen eingerichtet sind, regelmäßig der Bürgermeister auS, im übrigen im Geltungsgebiete der Kreisordnung der AmtSvorsteher. 3) Außerdem sind zum Erlaß von polizetlichen Strafmandaten zuständig: a. In Strompolizeisachen die Regierungen resp, die Landräte. Berf. v. 13. Jan. 63 (BMBl. S. 27). b. In Chausseeangelegenheiten die Landräte. Regul. v. 7. Juni 44 u. Berf. v. 17. Juni 74 (BMBl. S. 161). c. In Fischereiangelegenbeiten die Oberfischmeister bzw. Bürgermeister oder AmtSvorsteher. Siehe Görcke, Fischereigesttz, Anm. 1 zu 8 119. d. Zn Eisenbahnvolizeisachen die staatlichen Eisenbahnbehörden und bei Privatbadnen die zuständigen Polizeibehörden. e. In Deichpolizeisachen die Deichbehörden. Reglement v. 30. Septbr. 52 (JMBl. S. 342). 4) Die Festsetzung der Wertgrenze beruht auf Ges. v. 28. März 22 (GS. S. 77).

862

XXVII, Ges. best, polizeil. Strafverf. wegen Übertretungen §§ 2—4.

Geldstrafe tritt, die Dauer von drei Tagen nicht überschreiten.

Er­

achtet der Polizeiverwalter eine höhere Strafe für gerechtfertigt, so muß die Verfolgung dem Amtsanwalte überlassen werden.") § 2.

Die Festsetzung einer Strafe durch die Polizeibehörde

findet nicht statt: 1) bei Übertretungen, für deren Aburteilung die Rheinschiffahrtsgerichte, die Elbzollgerichte») oder die Gewerbegerich le zuständig sind; 2) bei Übertretungen der Vorschriften über die Erhebung öffent­

licher Abgaben oder Gefälle; 3) bei Übertretungen bergpolizeilicher Vorschriften?) § 3.

Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung*) binnen

einer Woche') nach der Bekanntmachung in Gemäßheit der Straf­

prozeßordnung auf gerichtliche Entscheidung antragen?) Ist gegen einen Beschuldigten im Mer von 12—18 Jahren eine

Strafverfügung erlassen, so kann binnen der für den Beschuldigten laufenden Frist auch der gesetzliche Vertreter desselben auf gerichtliche

Entscheidung antragen.") § 4

Die Strafverfügung muß außer der Festsetzung der Strafe

die strafbare Handlung, Zeit und Ort derselben, die angewendete"')

Strafvorschrift und die Beweismittel, sowie die Kasse bezeichnen, an welche die Geldstrafe zu zahlen ist.

Sie muß die Eröffnung enthalten' a) daß der Beschuldigte binnen einer Woche nach der Bekannt­

machung auf gerichtliche Entscheidung antragen könne;

4 a) Überweisung an die Landespolizeibehörde ist ausgeschloffen. 5) Nach dem Ges. v. 26. Juli 97 (GS. S. 387) ist die Bestimmung des § 2 hinsichtlich derjenigen ström- und schiffahrtspolizeilichen Vorschriften, für deren Aburteilung die Elbzollgerichte u. die Rheinschiffahrtsgerichte zuständig sind, außer Kraft gesetzt. 6) In Bergpolizeisachen ist der Erlaß eines Strafbefehls überhaupt aus­ geschlossen, es darf ein solcher also auch nicht von den Bergpolizeibehörden er­ lassen werden. § 209 des Bergges. v. 24. Mai 65. 7) Ein Rekurs an die höhere Polizeibehörde findet nicht statt. Der Polizeiverwalter kann den Strafbefehl nach erhobenem Widerspruche wieder zurücknehmen, § 454 der StPO. Seitens des Amtsanwalts kann dies nicht geschehen. Siehe 8 13 der Anw. in Anm. 1. 8) Für die Berechnung dieser Frist gelten die Vorschriften der §§ 42 u. 43 der StPO. 9) Entweder schriftlich oder mündlich oder zu Protokoll des Gerichts­ schreibers, § 454 der StPO. 10) Siehe § 340 der StPO, und die Anm. dazu. Eine besondere Behändi­ gung der Strafverfügung an den gesetzlichen Vertreter ist nicht notwendig. 10 a) D. h. die Vorschrift, welche die Polizeibehörde für anwendbar erachtet mag sie auch eine unzutreffende sein. KG. v. 19. Septbr. 12, DIZ. 18 S. 237.

XLVII. Ges. bett. Polizei!. Sttafverf. wegen Übertretungen §g 5^-10.

868

b) daß der Antrag entweder bei der Polizeibehörde, welche die Strafverfügung erlassen hat, oder bei dem zuständigen Amts­ gericht bzw. Elbzollgericht und Rheinschiffahrtsgerichtxd>) anzu­

bringen sei; c) daß die Strafverfügung, falls innerhalb der bestimmten Frist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht erfolge, Voll­ stteckbar werde. i 5 Die polizeiliche Strafverfügung ist nach Maßgabe der zu erlassenden Ausführungsbestimmungen (§ 13) dem Beschuldigten durch einen öffentlichen Beamten zu behändigen. 8 6. Für dieses Verfahren (§§ 1—5) sind weder Stempel noch Gebühren anzusetzen, die baren Auslagen aber fallen dem Beschul­ digten nach näherer Maßgabe der zu erlassenden Ausführungsbestimmungen (§ 13) in allen Fällen zur Last, in welchen eine Strafe endgültig gegen ihn festgesetzt ist. § 7. Die in Gemäßheit dieses Gesetzes endgültig festgesetzten Geldstrafen, sowie die eingezogenen Gegenstände fallen demjenigen zu, welcher die sächlichen Kosten der Polizeiverwaltung zu tragen hat. Der letztere ist dagegen verpflichtet, die durch Festsetzung und Vollstreckung der Strafen entstehenden, von dem Beschuldigten nicht beizutreibenden Kosten zu tragen. Insoweit besondere Vorschriften bestehen, nach welchen Geldstrafen oder etngezogene Gegenstände einem anderen Berechtigten zufallen, findet die Vorschrift des ersten Absatzes keine Anwendung. Desgleichen bleiben vertragsmäßige Bestimmungen unberührt. | 8. Ist der Amtsanwalt eingeschritten, bevor die polizeiliche Sttafverfügung dem Beschuldigten behändigt worden, so ist die letztere wirkungslos. 8 9. Wird bei dem Amtsgericht bzw. Elbzollgericht und Rheinschifsahrtsgericht*—) auf gerichtliche Entscheidung angetragen, so ist dem Antragsteller eine Bescheinigung hierüber kostenfrei zu erteilen") 8 10- Ist die polizeiliche Strasverjügung vollstreckbar geworden, so findet wegen derselben Handlung eine fernere Anschuldigung nicht statt, es sei denn, daß die Handlung keine Übertretung, sondern ein

Vergehen oder Verbrechen darstellt und daher die Polizeibehörde ihre Zuständigkeit überschritten hat.") 10 b) Siehe § 2 deS in Anm. 5 zit. Ges. 11) Dies geschieht durch den Gerichtsschreiber. Allg. Berf. v. 2. Juli 83 (JMBl. S. 223). 12) Siehe die Lnm. 54 zu § 458 u. Anm. 16 zu 8 263 StPO. Wird die noch Nicht vollstreckbare Verfügung zurückgenommen, so ist Erlaß einer neuen Verfügung zulässig. KG. v. 5. Mai 13, DIZ. 18 S. 1270.

864

XXVH. Ges. betr. pottzeil. Strafvers. toegen Übertretungen §§ 11—13.

In diesem Falle ist während des gerichtlichen Verfahrens die Vollstreckung der Strafverfügung einzustellen; erfolgt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vergehens oder Verbrechens, so tritt die Strafverfügung außer Kraft.

8 11. Gegen Militärpersonen dürfen die Polizeibehörden Strafen nur wegen solcher Übertretungen festsetzen, zu deren Aburteilung im gerichtlichen

Verfahren die ordentlichen Gerichte zuständig sind.")

(Eine Festsetzung von Haft für den Fall des Unvermögens (§ 1 Abs. 2) findet durch die Polizeibehörde nicht statt.) u)

§ 12. Das gegenwärtige Gesetz tritt am 1. Juli 1863 in Kraft und in denjenigen Landesteilen, in welchen zur Zeit das Gesetz vom 14. Mai 1852 Geltung hat, an die Stelle dieses Gesetzes und der dasselbe ergänzenden Bestimmungen. Bon diesem Tage ab sind für das weitere Verfahren in denjenigen Sachen, in welchen eine polizeiliche Strafverfügung noch nicht behändigt ist, die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes maßgebend.

8 13. Die Minister des Innern und der Justiz haben die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen reglementarischen Bestim­ mungen zu erlassen. 13) Die Militärgerichtsbarkeit ist durch Ges. v. 17. August 1920 auf­ gehoben. 14) Aufgehoben durch Ges. v. 22. Juni 07 (G. S. 345).

XXVIII. Vie Ltklmmnngen -er Preuß. Lchiedsmanusordnung über die Sühneverhandlung bei Beleidigungen «nd Körper­ verletzungen. Bom 29. März 1879. (GS. S. 821.)

§ 33. Bei den nur auf Antrag zu verfolgenden Beleidigungen und Körperverletzungen ist der Schiedsmann die zum Zwecke der Sühneverhandlung zuständige Bergleichsbehörde.

§ 34 Auf die Sühneverhandlung über Beleidigungen und Körperverletzungen finden die Vorschriften des zweiten Abschnitts mit den in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen Abweichungen ent­ sprechende Anwendung. 5 35 Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Deutschen Straf­ prozeßordnung vor Erhebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muß, daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für diesen Bergleichsversuch der Schiedsmann, in dessen Bezirk der Beschuldigte wohnt, ausschließlich zuständig.

§ 36 Bei der nach § 420 der Deutschen Strafprozeßordnung erforderlichen Sühneverhandlung darf der zuständige Schiedsmann die Ausübung seines Amtes aus den in § 16 Nr. 3 bis 6 und § 17 Nr. 2 angegebenen Gründen nicht ablehnen?) 1) Die 88 16 und 17 bestimmen: § 16. „Der Schiedsmann soll die Ausübung seines Amtes ablehnen: 1. wenn er der Sprache der Parteien nicht mächtig ist; 2. wenn zur Gültigkeit der Willenserklärung der Parteien dem Ge­ genstände nach die gerichtliche oder notarielle Form ausschließlich erfordert wird; 3. wenn die Parteien dem Schiedsmanne nicht bekannt sind und auch nicht nachweisen können, daß sie diejenigen sind, wofür sie sich aus­ geben ; 4. wenn Bedenken gegen die Geschäfts- oder Berfügungsfähigkeit der Parteien oder gegen die Legitimation der gesetzlichen Vertreter der­ selben bestehen; 5. wenn eine Partei blind oder taubstumm ist;

856

XXVIII. Bestimmungen ber Schiedsmannsordnung 88 37—ZS.

Er hat, wenn bei einer Partei einer der im g 16 Nr. 3 bis 6 angegebenen Umstände vorliegt, dies in dem Protokolle zu vermerken. Gegen eine solche Partei findet die Zwangsvollstreckung aus einem aufgenommenen Vergleiche nicht statt.

§ 37. Die Ladung zu der nach § 420 der Deutschen Strafprozeß­ ordnung erforderlichen Sühneverhandlung ist den Parteien durch den Schiedsmann oder in anderer zuverlässiger Weise zuzustellen. Erscheint der Antragsteller in dem Termine nicht, so findet eine Sühneverhandlung nicht statt. Erscheint der Beschuldigte nicht, so wird angenommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht ein­ lassen wolle.

§ 38. Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit des Sühne­ versuchs kann nur erteilt werden, wenn der Antragsteller im Termine erschienen ist. Die Bescheinigung muß mit der Unterschrift und dem Amtssiegel des Schiedsmanns versehen sein. Sie soll die Angabe der Zeit der

Beleidigung und der Anbringung des Antrags, sowie des Orts und der Zeit der Ausstellung enthalten. Über die Verhandlung und die Ausstellung der Bescheinigung hat

der Schiedsmann im Protokollbuche einen Vermerk auszunehmen,

g 39- Für die Privatklagen gegen Studierende kann der Justiz­ minister im Einverständnisse mit dem Minister der geistlichen, Unter­ richts- und Medizinalangelegenheiten bestimmen, daß der nach g 420 der Deutschen Strafprozeßordnung erforderliche Sühneversuch nicht von dem Schiedsmanne, sondern von einer anderen Bergleichsbehörde vorzunehmen sei?) 6. wenn eine Partei taub oder stumm ist und mit derselben eine schrift­ liche Verständigung nicht erfolgen kann." § 17. „Der Schiedsmann kann die Ausübung seines Amtes ablehnen: 1. wenn seine Zuständigkeit lediglich auf der Vereinbarung der Par­ teien beruht; 2. wettn ihm die streitige Angelegenheit zu weitläufig oder zu schwierig erscheint. Beschwerde gegen die Ablehnung findet nicht statt." 2) Siehe Allg. Vers. v. 22 Aug. 79 (JMBl. S. 251), wonach der Sühne­ versuch von dem Rettor und in dessen Vertretung von dem Universitätsrichter (Syndikus) vorzunehmen ist.

XXIX. Gesetz, betr. die Entschädigung der im Wieder­ aufnahmeverfahren freigefprochenen Personen. Som 20. Mat 1898. (RGBl. G. 845, au-gegeben den 87. Mai 1898.)

s 1. Personen, welche im Wiederaufnahmeverfahren freige­ sprochen oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes*) mit einer geringeren Strafe belegt werden, können Entschädigung") aus der Staatskasse verlangen, wenn die früher erkannte Strafe*^) ganz oder teil­

weise gegen sie vollstreckt *°) worden ist. Das Wiederaufnahmeverfahren muß die Unschuld») des Verurteilten bezüglich der ihm zur Last gelegten Tat oder bezüglich eines die Anwendung eines schwereren Straf­ gesetzes^) begründenden Umstandes ergeben, oder doch dargetanhaben, daß ein begründeter Verdacht gegen den Angeklagten nicht mehr vorliegt.*) 1) ES muß eine wirkliche Freisprechung erfolgt sein, eine bloße Einstellung deS Verfahrens wegen mangelnden Strafantrages, Verjährung usw. oder Straffreiertlärung ist nicht ausreichend. 2) Eine geringere Bestrafung unter Anwendung desselben Gesetzes genügt also nicht, es muß vielmehr ein anderes als daS früher angewandte, milderes Gesetz zur Anwendung kommen. 2a) Für die Prüfung der Entschädigungsansprüche sind bestimmte Grund­ sätze aufgestellt. AB. v. 6. Oktbr. 07, S. 124. 2b) Auch eine Gesamtstraft, wenn sie zu tellweiser Freisprechung geführt u. die nunmehr erkannte Strafe geringer als die bereits vollstreckte ist. B u r l a g e, die Entschädigung der unschuldig Verhafteten u. der unschuldig Bestraften S. 124. 2c) Eia Akt der Vollstreckung ist auch Dienstentlassung. Lrk. v. 13. März 16, JMBl. S. 139. 3) ES bedarf nicht deS positiven Beweise-, daß die Tat entweder gar nicht, oder von einem andern verübt, bzw. von dem Angekl. unmöglich verübt fein kann. Es genügt, wenn der vorhanden gewesene Verdacht völlig beseitigt ist. Siehe auch Anm. 17. 4) DaS ist der Fall, wenn festgestellt ist, daß ein daS schwerere Strafgesetz begründender erschwerender Umstand nicht vorgelegen hat. 5) Ob dies der Fall ist, läßt sich immer nur im Einzelfalle ftststelle». vgl. darüber Wo ermann, das Wiederaufnahmeverfahren und die Entschädigung unschuldig verurteilter.

858

XXIX. Entschädig, d. im Wiederausnahmeverf. sreigespr. Pers. §§ 2—4 Außer dem Verurteilten haben diejenigen, denen gegenüber er

kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war, Anspruchs) auf Entschädigung?) Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn der Verurteilte die frühere

Verurteilung vorsätzlich herbeigeführt oder

durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat. Die Versäumung der Einlegung eines Rechtsmittels ist nicht als eine Fahrlässigkeit zu erachten.

§2

Gegenstand des dem Verurteilten zu leistenden Ersatzes ist der

für ihn durch die Strafvollstreckung entstandene Bermögensschaden?)

Unterhaltsberechtigten ist insoweit Ersatz zu leisten, als ihnen

durch die Strafvollstreckung der Unterhalt entzogen worden ist. § 3.

Die Entschädigung wird aus der Kasse desjenigen Bundes­

staats gezahlt, bei dessen Gerichte das Strafverfahren in erster Instanz anhängig war?)

Bis zum Betrage der geleisteten Entschädigung tritt die Kasse in

die Rechte ein, welche dem Entschädigten gegen Dritte um deswillen zustehen, weil durch deren rechtswidrige Handlungen seine

Verur­

teilung herbeigeführt war?) § 4

Über die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung

wird durch besonderen Beschluß des im Wiederaufnahmeverfahren er­

kennenden Gerichts Bestimmung getroffen?")

5 a) Der Anspruch ist ein rein privatrechtlicher, auf den die Vorschriften des BGB. Anwendung finden. Kähler, die Entschädigung für Strafe u. Unter­ suchungshaft S. 11 ff. 6) Welchen Personen gegenüber der Verurteilte unterhaltungspflichtig ist, bestimmt sich jetzt nach den Vorschriften des BGB. §§ 1601 ff. Jedenfalls muß die Unterhaltungspflicht immer auf einem Gesetz, nicht auf Vertrag beruhen. Auch das Haftpflichtges. v. 7. Juni 1871 gehört hierher. 7) Das ist nach den Mot..jede Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, welche sich in Geldwert ausdrücken läßt. Auch hier sind jetzt die Bestimmungen des BGB., 88 249 ff., maßgebend. Es kommt hier aber immer nur ein BermögenSschaden in Betracht, aber nicht ein solcher, der durch die Verurteilung allein hervorgerufen ist. Erk. v. 4. Febr. 07, Recht IIS. 390. War eine Geldstrafe verhängt, so kann die Entschädigung nicht bloß in der Zurückzahlung derselben bestehen, vielmehr wird unter Umständen ein weiterer Schaden z. B. durch Verlust der Zinsen nachgewiesen werden können und ist dann .auch dieser zu ersetzen. Vgl. Wo ermann a. a. O. Auf den Vermögensschaden kann der Gesangenenarbeitsverdienst nicht angerechnet werden. B u r l a g e a. a. O. S. 130. Kähler a. a. O. S. 47. 8) Ist die Verurteilung von einem mehreren Bundesstaaten gemeinschaft­ lichen Gerichte erfolgt, so sollen sich nach den Mot. die einzelnen Staaten über die Regelung verständigen. 9) Siehe die 8§ 823 u. folg, des BGB. 10) Die Beschlußfassung erfolgt von Amts wegen und im schwurgerichtlichen

XXIX. Entschädig, d. Int Wiederaufnahmeverf. freigespr. Personen § 5.

869

Der Beschluß ist von dem Gerichte gleichzeitig mit dem Urteile zu fassen, aber nicht zu verkünden, sondern durch Zustellung bekannt zu machen.") Der Beschluß unterliegt nicht der Anfechtung durch Rechtsmittel."*) Er tritt außer Kraft, wenn das Urteil aufgehoben wird.

§ 5 Wer auf Grund des die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung aussprechenden Beschlusses einen Anspruch gellend macht, hat diesen Anspruch bei Vermeidung des Verlustes binnen drei Monaten") nach Zustellung des Beschlusses durch Antrag bei der

Staatsanwaltschaft zu verfolgen. Der Antrag"*) ist bei der Staats­ anwaltschaft desjenigen Landgerichts zu stellen, in dessen Bezirke das Urteil ergangen ist. Über den Antrag entscheidet die oberste Behörde der Landesjustiz­ verwaltung. Eine Ausfertigung der Entscheidung ist dem Antrag­ steller nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zuzustellen.

Gegen die Entscheidung ist die Berufung auf den Rechtsweg zu­ lässig.") Die Klage ist binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben.") Für die Ansprüche auf Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rück­ sicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig. Verfahren ohne Mitwirkung der Geschworenen mit einfacher Stimmenmehrheit. Der Beschluß erfordert keine Begründung und ist, da er „besonders" ergeht, weder in das Protokoll über die Hauptverhandlung aufzunehmen, noch auch mit dem Urteil zu verbinden; er ist nur dann zu fassen, wenn ein freisprechendes oder milderes Urteil ergeht u. eine Strafvollstreckung stattgefunden hat. Burlage a. a. O. S. 132. Ist die Beschlußfassung in diesem Falle unterblieben, so ist Beschwerde unzulässig. Cassel v. 23. Aug. 04, GA. 51 S. 416. A. M. Löwe, S. 1211. 11) Zuzustellen ist der Beschluß den Freigesprochenen u. im Falle des § 411 der StPO, den Personen, welche den Antrag aus Wiederaufnahme des Ver­ fahrens gestellt haben, aber nicht den Unterhaltungsberechtigten. Siehe W o e r mann a. a. O. 11 a) Nach GA. 50 S. 147 ist der Beschl. nur dann unanfechtbar, wenn er unter Mitwirkung sämtlicher bei der Fällung des freisprechenden Urteils be­ teiligten Mitglieder erlassen ist. Siehe dagegen Beschl. d. OLG. Kasiel v. 22. März 06, GA. 53 S. 296 u. DIZ. 12 S. 720. 12) Die Frist wird auch in dem Falle inne zu halten sein, daß gegen das Erkenntnis Revision eingelegt ist und noch nicht feftsteht, ob dasselbe nicht wieder aufgehoben wird. 12 a) Siehe d. AB. v. 22. Novbr. 98, betr. die Behandlung der Anträge. JMBl. S. 280. 13) Die Klage ist gegen den Ober-Staatsanwalt desjenigen Bezirks zu richten, in dessen Bezirk das Landgericht liegt, das den Beschluß gefaßt hat. Erk. v. 17. Febr. 08, JurWoch. 37 S. 282. 14) Sowohl diese wie die Frist zur Anmeldung des Anspruchs bei der StA. find Ausschlußfristen, bezüglich deren es keine Unterbrechung und keine Wieder­ einsetzung in den vorigen Stand gibt. Mot.

XXIX. Entschädig, d. im Diederaufnahmeverf. freigespr. Persom« 8 6.

860

Bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag ist der An­

spruch weder übertragbar, noch der Pfändung unterworfen. 8

In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in erster In­

stanz gehörigen Sachen ist statt der Staatskasse die Reichskasse ersatz­ pflichtig.

In diesen Fällen tritt an die Stelle der Staatsanwaltschaft des Landgerichts die Staatsanwaltschaft bei dem Reichsgericht, an die

Stelle der obersten Behörde der Landesjustizverwaltung der Reichs­

kanzler.

XXX. Gesetz, betr. die Lutschädigmg für Ullschuldig erlittene Antersuchuugshast.15)16 17 18 19 Som 14. IM 1904. (RGBl. S. 821, auSgegebkn den 29. Juli 1904.)

§ 1 Personen, die im Strafverfahren freigesprochen oder durch Beschluß des Gerichts außer Verfolgung gesetzt sind,") können für er­ littene Untersuchungshaft") Entschädigung aus der Staatskasse ver­ langen, wenn das Verfahren ihre Unschuld") ergeben oder dargetan hat, daß gegen sie ein begründeter Verdacht nicht vorliegt.") 15) DaS Gesetz findet Anwendung aus diejenigen Sachen, in denen das freisprechende Urteil oder der Beschluß des Gerichts auf Außerverfolgungsetzung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ergeht. (Kom.Bericht S. 23.) Auch für im Ermittlungsverfahren unschuldig erlittene Untersuchungshaft kann unter Umständen eine Entschädigung bewilligt werden. AB. v. 23, Novbr. 04, Müller S. 1788. 16) Hierunter sind alle Personen zu verstehen, hinsichtlich deren die Eröff­ nung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist, und zwar im letzteren Falle ohne Unterschied, ob eine Voruntersuchung vorausging oder nicht. (Mot.) 17) Die auf einem richterlichen Haftbefehl beruhende und auch die auf Grund der §§ 229,235,370 StPO, verhängte Hast. B u r l a g e a. a. O. S. 63. Schon die bloße Verhängung der Untersuchungshaft kann den Anspruch aus Schadensersatz begründen, Erk. v. 10. April 16 (Z. S.), JurW. 45 S. 1414. 18) Bloße Strafausschließungsgründe, im Gegensatz zu Schuldansschließungsgründen, begründen die Unschuld nicht. Aber auch wenn der SchuldauSschließungsgrund zugunsten deS Beschuldigten nur wegen vorhandener Zweifel (z. B. bei sich widersprechenden Gutachten der Sachverständigen) angenommen ist, kann die Unschuld nicht für dargetan gelten. (Mot.) Nach B u rla g e a. a. O. S. 21 ff. ist die Unterscheidung zwischen Schuld- und Strafausschließungsgründen an sich zur Lösung der Unschuldftage ungeeignet. Für die Frage nach der Schuld ist, wenn einmal das Strafgesetz von vornherein die Straffreiheit einer Handlung ausgesprochen hat, überhaupt keinRaum. Nach Kähler a. a.O. S.28 kommt eS darauf an, ob der Freigesprochene sich in der Sache mit dem Bewußtsein ver­ halten hat, daß er dem Rechte und den guten Sitten konform handle und ob er dies Bewußtsein nach dem Urteil verständiger Menschen auch haben konnte und durste. 19) Der Verdacht ist nicht begründet, wenn er sich nur auf unklare, un­ bestimmte Gefühle stützt, ebensowenig dann, wenn zwar feststeht, daß einer innerhalb eines größeren Kreises von Personen die Tat begangen hat, aber kein

862

XXL. Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft §§ 2—4.

Außer dem Verhafteten haben diejenigen, denen gegenüber er kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war, Anspruch auf Entschädigung. 8 L Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn der Verhaftete die Untersuchungshaft vorsätzlich herbeigeführt oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat.") Die Versäumung der Ein­ legung eines Rechtsmittels ist nicht als eine Fahrlässigkeit zu erachten. Der Anspruch kann ausgeschlossen werden, wenn die zur Unter­ suchung gezogene Tat des Verhafteten eine grobe Unredlichkeit oder Unsittlichkeit in sich geschlossen hat oder in einem die.freie Willens­ bestimmung ausschließenden Trunkenheitszustande begangen worden ist oder wenn aus den Tatumständen erhellt, daß der Verhaftete die Verübung eines Verbrechens oder Vergehens vorbereitet hatte.") Der Anspruch kann auch dann ausgeschlossen werden, wenn der Verhaftete zur Zeit der Verhaftung sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befand oder unter Polizeiaufsicht stand oder wenn gegen den Verhafteten auf Grund des g 181a oder des g 362 des StGB, innerhalb der letzten zwei Jahre auf Überweisung an die

Landes-Polizeibehörde rechtskräftig erkannt worden ist. Das gleiche gilt, wenn der Verhaftete mit Zuchthaus bestraft worden ist und seit der Verbüßung“) der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind, g 3. Gegenstand des dem Verhafteten zu leistenden Ersatzes ist der für ihn durch die Untersuchungshaft entstandene Bermögensschaden.") Hat vor dem Erlasse des Haftbefehls eine Vorführung oder eine vor­ läufige Festnahme stattgefunden, so erstreckt sich der Entschädigungs­ anspruch auch auf die dem Haftbefehle vorausgegangene Zeit der Hast. Unterhallsberechtigten ist insoweit Ersatz zu leisten, als ihnen durch die Verhaftung der Unterhalt entzogen worden ist.

8 4

Über die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung

wird von dem Gerichte gleichzeitig mit seinem den Verhafteten fteisprechenden Urteile durch besonderen Beschluß Bestimmung getroffen.") Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß gerade die konkrete ins Auge gefaßte Person der Täter war. Kähler iw Gerichtssaal 64 6. 358. 20) Fällt dem Verhafteten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nur in Be­ ziehung auf einen Teil der Untersuchungshaft zur Last, so wird der Anspmch auf Entschädigung nur insoweit ausgeschloffen, als die Haft infolge deS Ver­ haltens des Beschuldigten verlängert ist. 21) Die Vorschrift des Abs. 2 wie die des Abs. 3 bezweckt, dem Gericht zu ermöglichen, die Gewährung einer Entschädigung auszuschließen, wenn sie nttt dem Rechtsbewußtsein in öffenbaren Widerspruch treten würde. (Mot.) 22) Der Verbüßung steht die Verjährung oder der Erlaß der Straft gleich. 23) Ersatz von StellvertretungSkosten kann der verhaftete nur verlangen, soweit ihm solche erwachsen sind. Erk. v. 20. Geptbr. 09, Recht 13 Nr. 3675. Iw übrigen stehe Anm. 7.

XXX. Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft §§ 5, 6.

Wird auf ein gegen das Urteil eingelegtes Rechtsmittel von neuem auf Freisprechung erkannt, so ist von dem erkennenden Gerichte nach Maßgabe des Abs. 1 von neuem Beschluß zu fassen.24 25)26 27 28

Der Beschluß ist nicht zu verkünden, sondern durch Zustellung be­ kannt zu machen,^) sobald das freisprechende Urteil rechtskräftig geworden ist. Er unterliegt nicht der Anfechtung durch Rechtsmittel.^) Wird die Entschädigungsverpflichtung der Staatskasse ausgesprochen, so soll der Beschluß auch den Unierhaltsberechtigten, die nicht dem Hausstande des Verhafteten angehören, mitgeteilt werden, sofern ihr Aufenthalt dem Gerichte bekannt ist.

Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn der Verhaftete durch Beschluß des Gerichts außer Verfolgung gesetzt wird. § 5- -Der die Entschädigungsverpflichtung der Staatskasse aus­ sprechende Beschluß tritt außer Kraft, wenn zu Ungunsten des Frei­ gesprochenen die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet oder wenn gegen den außer Verfolgung Gesetzten nach Wiederaufnahme der Klage das Hauptverfahren eröffnet wird. War die Entschädigung schon gezahlt, so kann das Gezahlte zurückgeforder?s) werden. § 6. Wer auf Grund des die Entschädigungsverpflichtung der Staatskasse aussprechenden Beschlusses einen Anspruch geltend macht,

24) Der Beschluß ist auch dann zu fassen, wenn die Entschädigungspflicht verneint wird. Das Revisionsgericht ist hierzu unzuständig. Beschl. v. 3. Dez. 06, E. 39 S. 291. A. M. Hamburg v. 22. Septbr. 11, DIA. 17 S. 1191. Der Beschluß soll mit Gründen nicht versehen werden. Wird der Entschädigungs­ anspruch versagt, so ist nicht auszusprechen, ob dies auf Grund des § 1 Abs. 1 oder des § 2 Abs. 2 geschieht. B u r l a g e a. a. O. S. 80. Wird wegen Unzu­ ständigkeit des Gerichts die Beschlußsafsung abgelehnt, so ist Beschwerde zulässig. Celle v. 31. März 11, GA. 59 S. 480. In dem Beschluß ist der verhaftet Ge­ wesene nach seiner Staatsangehörigkeit zu bezeichnen. AB. v. 12. April 06, Müller S. 1787. Über einen etwa gestellten Entschädigungsanspruch kann eine Entscheidung nicht ergehen. — Ist eine Ergänzung der Beweisaufnahme für den Ausgang des Strafprozeßes unerheblich, für die Entscheidung über den Entschädigungs­ anspruch dagegen erheblich, so ist es nicht angängig, die Unschuld des Angekl. zum Geger^stande besonderer Erhebungen zu machen. Siehe Mot. u. Burlage a. a. O. S. 83. 25) Keiner neuen Beschlußfassung bedarf es, wenn ein Rechtsmittel als un­ zulässig verworfen, oder die gegen ein freisprechendes Urteil eingelegte Revision zurückgewiesen wird. (Mot.) 26) Die Zustellung erfolgt durch das Gericht. KG. v. 4. Juli 11, DIZ. 16 S. 1277. 27) Es gibt auch keine Wiederaufnahme des Verfahrens. Beschl. v. 23. OktLr. 19, E. 53 S. 350. 28) Die Entscheidung über die Zurückforderung der gezahlten Entschädigung bleibt dem IM. Vorbehalten. AB. v. 27. Aug. 04 (JMBl. 239).

864

XXL. Entschädigung f. unschuldig erlittene Untersuchungshaft §§ 7—10.

hat

diesen Anspruch bei Vermeidung des

Verlustes binnen sechs

Monaten nach Zustellung des Beschlusses durch Antrag") bei der

Staatsanwaltschaft des Landgerichts zu verfolgen, in dessen Bezirke

das Verfahren in erster Instanz anhängig war. Über den Antrag entscheidet die oberste Behörde der Landes-Justiz­

verwaltung.

Eine Ausfertigung der Entscheidung ist dem Antrag­

steller nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zuzustellen.

Gegen die Entscheidung ist die Berufung auf den Rechtsweg zu­

lässig.

Die Klage ist binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten

nach Zustellung der Entscheidung zu erheben.

Für die Ansprüche auf

Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht

auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.")

Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag ist der

Anspruch nicht übertragbar.

§ 7. Die Entschädigung wird aus der Kasse des Bundesstaats gezahlt, bei dessen Gerichte das Strafverfahren in erster Instanz an­ hängig war. Bis zum Betrage der geleisteten Entschädigung tritt die Kasse in

die Rechte ein, welche dem Entschädigten gegen Dritte um deswillen zustehen, weil durch deren rechtswidrige Handlungen die Untersuchungs­ haft herbeigeführt war.

§ 8. Ist zu Ungunsten des Freigesprochenen die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt oder gegen den außer Verfolgung Gesetzten die Klage wieder ausgenommen worden, so kann die Entscheidung der

obersten Behörde der Landes-Justizverwaltung (§ 6 Abs. 2) sowie die

Zahlung der Entschädigung (§ 7 Abs. 1) ausgesetzt werden.")

§ 9 In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in erster Instanz gehörigen Sachen ist statt der Staatskasse die Reichskasse ersatzpflichtig. In diesen Fällen tritt an die Stelle der Staatsanwaltschaft des

Landgerichts die Staatsanwaltschaft bei dem Reichsgericht, an die Stelle der obersten Behörde der Landes-Justizverwaltung der Reichskanzler.

§ 10. Dieses Gesetz findet auf die im militärgerichtlichen Ver­ fahren freigesprochenen Personen entsprechende Anwendung. An die Stelle der Staatskasse tritt im Heere die Kasse desjenigen Kontingents,

28) Der Antrag ist formlos. Es genügt, daß der Berechtigte seinen Willen kundgibt, daß er überhaupt einen Anspruch geltend macht. Siehe AB. v. 27. August 04, JMBl. S. 239. Aufstellung falscher Behauptungen ist als Betrugs­ versuch strafbar. GA. 53 S. 185. 29) Ist auf eine Geldrente erkannt, so tarnt, sofern eine wesentliche Ände­ rung derjenigen Verhältniffe eintritt, die für die Verurteilung maßgebend ge­ wesen sind, gemäß § 323 ZPO. eine Abänderung des Urteils verlangt werden. (Kom.Bericht S. 28.) 30) Stehe Abs. 3 d. AB. v. 27. Aug. 04 (JMBl. S. 239).

XXX. Entschädigung f. unschuldig erlittene Untersuchungshaft 88 11,12.

86b

bei dessen Gerichte das Strafverfahren in erster Instanz anhängig war, in der Marine die Reichskasse. Statt der Staatsanwaltschaft des Landgerichts ist der Gerichtsherr erster Instanz, statt der obersten Behörde der Landes-Justizverwaltung die oberste Militär- oder MarineJustizverwaltungsbehörde zuständig.") g 11. In den zur Zuständigkeit der Konsulargerichte gehörigen Sachen findet dieses Gesetz mit folgenden Maßgaben Anwendung: An Äe Stelle der Staatsanwaltschaft des Landgerichts tritt der

Konsul. Für die Ansprüche auf Entschädigung ist das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zuständig. 8 IT Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf Angehörige eines auswärtigen Staates nur insoweit Anwendung, als nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung durch die Gesetzgebung dieses Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist.")

31) Siehe hierzu § 22 betr. Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 20 (RGBl. S. 1579). 32) a. Der Beschluß gemäß § 4 Abs. 1 begründet keinen Entschädigungs­ anspruch, sondern stellt nur eine für die demnächstige Entscheidung wesentliche Tatsache rechtlicher Natur fest. Stellt sich nachträglich heraus, daß der Antrag­ steller Ausländer ist, so braucht beim Mangel der Gegenseitigkeit Entschädigung nicht gezahlt zu werden. OLG. Oldenburg v. 6. Febr. 07, stecht 11 S. 390. b. Gegenseitigkeit ist verbürgt mit Dänemark, Norwegen und Schweden, RGBl. 06 S. 465, Ungarn, RGBl. 13 S. 747 und Danzig, RGBl. 20 S. 1683. Angehörige eines auswärtigen Staates, von welchem die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist, haben auf eine Entschädigung selbst dann keinen Anspruch, wenn ein Beschluß zu ihren Gunsten gefaßt ist. Erk. v. 16. Jan. 08, Müller S. 1788.

Dalcke, Strafrecht. 16. Aust. (1922).

66

XXXI. Verordnung über Londergertchte gegen Schleichhandel vnd Preistreiberei (Wncherzerichte). Bom 27. November 1919.

Artikel I. § 1. Für den Bezirk eines jeden Landgerichts wird ein Wucher­ gericht l) zur schleunigen Aburteilung folgender Straftaten eingesetzt: 1. der Verbrechen und Vergehen wider die Verordnung gegen den Schleichhandel vom 7. März 1918 (RGBl. S. 112) in der Fassung des Artikel II § 1 dieser Verordnung, 2. der Verbrechen und Vergehen wider die Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mat 1918 (RGBl. S. 395) und der Ver­ gehen gegen sonstige Vorschriften, welche die Überschreitung von Höchstpreisen mit Strafe bedrohen, 3. der Verbuchen und Vergehen nach Artikel II §§ 2, 3 dieser Verordnung, 4. der Vergehen gegen § 5 der Verordnung zur Fernhältung un­ zuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 (RGBl. S. 603) in der Fassung des Artikel III Nr. 2 dieser Verordnung. Das Wuchergericht ist ferner zuständig für andere nach den Vor­ schriften des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit der Schöffen­ gerichte oder der Strafkammern gehörige Straftaten, insbesondere Be­ stechungen und Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über die öffent­ liche Bewirtschaftung von Gegenständen, soweit sie in der Absicht be­ gangen sind, eine im Abs. 1 bezeichnete Straftat vorzubereiten oder

zu fördern oder den Täter zu begünstigen. Daß dieselbe Handlung noch ein anderes Strafgesetz verletzt, steht der Zuständigkeit des Wuchergerichts nicht entgegen. § 2. Die Staatsanwaltschaft soll nur solche Strafiachen vor die Wuchergerichte bringen, die sich zu einer schleunigen Aburteilung eignen. 1) Die Wuchergerichtsordnung ist giltig. Die Wuchergerichte sind gesetz­ mäßige Sondergerichte. Erk. v. 1. Febr. 21, E. 55 S. 276. BahObLG. Beschl. v. 23. März 20, DStZ. 8 S. 61.

XXXI. Verordnung über Wuchergerichte Art. I.

867

Bevor der Staatsanwalt das Verfahren wegen einer Straftat der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art einstellt, soll er der Behörde oder BewirtschastungSstelle Gelegenheit zur Äußerung geben, die den Verkehr

mit dem Gegenstände zu überwachen hat, auf den sich die strafbare Handlung bezieht. § 3. Die Wuchergerichte werden bei den Landgerichten errichtet. Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, daß für den Bezirk eines Landgerichts mehrere Wuchergerichte oder daß für den Bezirk mehrerer Landgerichte ein oder mehrere gemeinschaftliche Wuchergerichte errichtet werden. Wird nach Abs. 2 ein Wuchergericht an einem Orte errichtet, wo kein Landgericht ist, so wird es dem Amtsgericht angegliedert. § 4. Das Wuchergericht ist in der Hauptverhandlung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und mit zwei Schöffen besetzt.

Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet es in der Besetzung mit drei Richtern. § 5. Den Vorsitzenden des Wuchergerichts und seinen Stell­ vertreter sowie die übrigen richterlichen Mitglieder und deren Stell­ vertreter bestimmt die Landesjustizverwaltung oder mit deren Er­ mächtigung der Präsident des Lberlandesgerichls oder des Landgerichts. Von den Schöffen soll der eine dem Kreise der Verbraucher, der andere dem Kreise der Erzeuger oder Handeltreibenden angehören. § 6. Auf das Verfahren vor den Wuchergerichten finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung Anwendung, soweit nicht in dieser Verordnung oder auf Grund dieser Verordnung ein anderes bestimmt ist. § 7. Bei dringendem Verdacht einer Straftat der im § 1 Abs. 1, 2 bezeichneten Art darf im Verfahren vor den Wuchergerichten

und vor den ordentlichen Gerichten der Beschuldigte wegen Flucht­ verdachts in Untersuchungshaft genommen werden, ohne daß der Ver­ dacht der Flucht einer weiteren Begründung bedarf. § 8. Die öffentliche Klage wird dadurch erhoben, daß die Staats­ anwaltschaft bei dem Vorsitzenden des Wuchergerichts die Anberaumung der Hauptverhandlung beantragt. Eine Eröffnung des Hauptverfahrens findet nicht statt. Beantragt die Staatsanwaltschaft in einer zur Zuständigkeit der Wuchergertchte gehörigen Sache einen amtsrichterlichen Strafbefehl, so kaun sie gleichzeitig für den Fall, daß der Amtsrichter Bedenken findet, die Strafe ohne Hauptverhandlung festzusetzen, oder daß der Be­ schuldigte gegen den Strafbefehl Einspruch einlegt, die Zuständigkeit

des Wuchergerichts zur Verhandlung und Entscheidung dadurch be­ gründen, daß sie für diesen Fall die Anberaumung der Hauptverhand­ lung vor dem Wuchergerichte beantragt. Auch nach Einlegung des 56*

868

XXXI. Verordnung über Wuchergerichte Art. I.

Einspruchs kann die Staatsanwaltschaft in dieser Weise die Zuständig­ keit des Wuchergerichts begründen; diese Vorschrift gilt entsprechend für das Verfahren nach vorangegangener polizeilicher Strafverfügung. Die Ladungsfrist (§ 216 der Strafprozeßordnung) beträgt drei Tage. § 9. Im Verfahren vor dem Wuchergericht ist die Verteidigung notwendig, wenn der Angeklagte taub oder stumm ist oder das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet. In anderen Fällen kann der Vorsitzende des Wuchergerichts dem Beschuldigten auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger be­

stellen. Ein Verteidiger soll insbesondere bestellt werden, wenn der Beschuldigte nach seinem Bildungsgrad oder deswegen, weil er nicht auf stetem Fuße ist, oder wegen der Schwierigkeit der Sache der eigenen Wahrnehmung seiner Rechte nicht gewachsen erscheint. § 10. Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Wucher­ gericht nach stetem Ermessen. § 11. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des An­ geklagten kann das Wuchepgericht auch dann verhandeln und ent­ scheiden, wenn sich in der Hauptverhandlung herausstellt, daß die Zu­ ständigkeit des Wuchergerichts nach § 1 nicht gegeben ist. Dies gilt nicht für Straftaten, die zur Zuständigkeit des Reichs­ gerichts oder der Schwurgerichte gehören. § 12. Stellt sich heraus, daß sich die Sache nicht zur schleunigen Aburteilung eignet, so hat das Wuchergericht die Sache an das ordent­ liche Gericht zu verweisens) auf Antrag der Staatsanwaltschaft ist die Sache an das Schöffengericht zu verweisen, wenn sie zwar an sich zur Zuständigkeit der Strafkammer gehört, der Staatsanwalt aber die Zuständigkeit des Schöffengerichts hätte begründen können. § 18. Gegen die Entscheidungen des Wuchergerichts findet kein Rechtsmittel») statt. Über Beschwerden gegen Entscheidungen des Vorsitzenden ent­ scheidet das Wuchergericht endgültig. § 14 Über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens ent­ scheidet die Strafkammer. Die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten findet auch dann statt, wenn Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die es notwendig erscheinen lassen, die Sache im ordentlichen Verfahren nach2) Das zunächst angegangene ordentliche Gettcht kann nicht die Sache an das Wuchergettcht verweisen. Der A. hat kein Beschwerderecht. Erk. v. 1. Apr. 21, Recht 25 Nr. 2107. 3) Beschwerde gegen eine Ordnungsstrafe gemäß § 180 GBG. ist zulässig. Bayr. OLG. Beschluß v. 2. März 20, DIZ. 26 S. 80.

XXXI. Verordnung über Wuchergerichte Art. II. zuprüfen.

Die Vorschrift des

869

§ 403 der Strafprozeßordnung bleibt

unberührt. Die erneute Hauptverhandlung findet vor der Strafkammer statt.

Auf Antrag des Staatsanwalts

die Sache zur neuerlichen Ver­

ist

handlung vor das Schöffengericht zu verweisen, wenn nach den Vor­ schriften des Gerichtsverfassungsgesetzes die Sache zur Zuständigkeit deS Schöffengerichts gehört oder der Staatsanwalt für sie die Zu­

ständigkeit des Schöffengerichts hätte begründen können. § 15.

Die näheren Vorschriften über die Bildung der Wucher­

gerichte und über das Verfahren erläßt der Reichsminister der Justiz.

Artikel II.

§ 1.

Im 8

1 der Verordnung gegen den Schleichhandel vom S. 112) erhält der Abs. 1 folgende

7. März 1918 (Reichs-Gesetzbl. Fassung:

Wer Gegenstände, *) für die Höchstpreise festgesetzt sind oder

die sonst einer Verkehrsregelung unterliegen, unter vorsätzlicher Verletzung

der

zur

ergangenen

Regelung

eines

unter Verleitung

Vorschriften

oder

zur Verletzung dieser Vor­

anderen

schriften oder unter Ausnutzung der. von einem anderen be­

gangenen Verletzung dieser Vorschriften zum Zwecke der Weiter­ veräußerung b) mit Gewinn erwirbt oder wer sich zu solchem Erwerb

erbietet,

bestraft.

wird wegen Schleichhandels mit Gefängnis

Daneben ist auf Geldstrafe bis zu fünfhunderttausend

Mark zu erkennen.

§ 2.

der

In besonder- schweren Fällen des Schleichhandels und

vorsätzlichen

Preistreiberei

1



der

Verordnung

gegen

den

Schleichhandel, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 der Verordnung gegen Preis­

treiberei) ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren und Geldstrafe bis zu fünfhunderttausend Mark.

Neben der Strafe ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte

zu erkennen und anzuordnen, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen ist.

Eine Verurteilung nach Abs.

1

gilt,

wenn sie wegen Schleich­

handels erfolgt, als Borbestrafung im Sinne des § 2 der Verordnung

gegen den Schleichhandel, wenn sie wegen vorsätzlicher Preistreiberei

4) Das sind nicht Waren, die nur angeblich zu der in Betracht kommenden Art gehören, in Wahrheit aber einer anderen nicht regelungspflichtigen Gattung angehören. Erk. v. 17. Okt. 21, E. 56 S. 109. 5) Die liegt auch vor, wenn Waren lediglich zum Selbstkostenpreis abge­ geben werden, um die bisherige Kundschaft festzuhalten upd neue Kundschaft zu gewinnen. Erk. v. 9. Juni 21, E. 56 S. 69.

XXXI. Verordnung über Wuchergerichte Art. III.

870

erfolgt, hl3 Borbestrasung im Sinne des § 5 der Verordnung gegen

Preistreiberei. § 3. Wer es unternimmt, Gegenstände, die der Reichswirtschafts­ minister als lebenswichtig bezeichnet hat, ohne die erforderliche Ge­ nehmigung aus dem Reichsgebiet auszusühren,6) wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, bei mildernden Umständen mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Neben der Strafe ist auf Geldstrafe bis zu fünshunderttausend Mark zu erkennen. Neben Gefängnis kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Neben Zuchthaus ist darauf zu erkennen. Ist die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen, so ist aus Gefängnis bis zu einem Jahre und auf Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark oder auf eine dieser Strafen zu erkennen. Neben der Strafe kann auf Einziehung der Gegenstände erkannt werden, auf die sich die strafbare Handlung bezieht, ohne Unterschied, ob sie dem Täter gehören oder nicht. Auch ist neben der Strafe ein Betrag einzuziehen, der dem durch

die strafbare Handlung erzielten Gewinn entspricht. Auf die Ein­ ziehung finden die Vorschriften der §§ 7, 9 bis 13 der Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 (RGBl. S. 395) entsprechende Anwendung. Neben der Strafe i,st in den Fällen des Abs. 1 anzuordnen, daß die Verurteilung aus.Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen ist; in den Fällen des Abs. 4 kann dies angeordnet werden. Die Art der Bekanntmachung wird im Urteil bestimmt; die Bekanntmachung kann auch durch Anschlag an oder in dem Geschäftsraum des Verur­

teilten erfolgen.

Artikel III. Die Verordnung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 (RGBl. S. 603) wird geändert, wie folgt:

1. Als §§ 4a und 4b werden folgende Vorschriften eingestellt: § 4 a. Wird ein Handeltreibender vom Wuchergerichte wegen einer Straftat verurteilt, die seine Unzuverlässigkeit in bezug auf den Handelsbetrieb dartut, so kann ihm das Wucher6) Die gesetzlichen Vermutungen des Bereinszollges. kommen nicht in Be­ tracht. Ist der Nachweis nicht zu liefern, daß die Ausfuhr mcht beabsichtigt war, ist die WGBO. nicht anwendbar. Erk. v. 29. Juli 20, Recht 24 Nr. 3554,

XXXI. Verordnung übet Wuchergenchte Art. Ill

8?1

geeicht im Urteil den Handel mit den im § 1 bezeichneten Gegenständen untersagen. Vorläufig kann das Wuchergericht die Anordnung durch Beschluß treffen. Die zuständige Verwaltungsbehörde kann die Wiederauf­ nahme des Handelsbetriebs gestalten, wenn seit dem Urteil mindestens drei Monate verflossen sind. § 4b. Ist nach §§ 1, 3, 4a dieser Verordnung oder nach anderen während des Krieges oder der Übergangszeit erlaffenen

Vorschriften jemandem der Handel untersagt oder die erforder­

liche Erlaubnis zum Handel nicht erteilt oder ist die Erlaubnis zurückgenommen worden, so ist jedes hiernach unzulässige Ge­ schäft nichtig, gleichviel ob die Person, welcher der Handel untersagt ist oder die Erlaubnis zum Handel fehlt, daS Geschäft selbst oder durch eine vorgeschobene Person abschließt. 2. Der § 5 erhält folgende Fassung: Mit Gefängnis und mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft,

1. wer selbst oder durch eine vorgeschobene Person oder als vorgeschobene Person einen Handel betreibt, obwohl der Handelsbetrieb nach den im § 4b bezeichneten Vor­ schriften unzulässig ist; 2. wer zu Handelszwecken mit einer der in Nr. 1 bezeich­ neten Personen ein Geschäft abschließt, obwohl er weiß, daß das Geschäft nach den im § 4b genannten Vor­ schriften unzulässig ist.

Neben der Strafe kann auf Einziehung der Gegenstände erkannt werden, auf die sich der unzulässige Handelsbetrieb oder das unzulässige Geschäft bezieht, ohne Unterschied, ob sie dem Täter gehören oder nicht. Neben der Strafe kann ferner ein Betrag eingezogen werden der dem aus dem unzulässigen Handelsbetrieb oder dem unzu­ lässigen Geschäft erzielten Gewinn entspricht. Auf die Ein­ ziehung finden die Vorschriften der §§ 7, 9 bis 13 der Ver­ ordnung

gegen Preistreiberei

vom

8.

Mai

1918

(RGBl.

S. 395) entsprechende Anwendung. Auch kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen bekanntzumachen ist. Die Art der Be­ kanntmachung wird im Urteil bestimmt; die Bekanntmachung kann auch durch Anschlag an oder in dem Geschästsrautn des Verurteilten erfolgen.

XXXI Psrordnulig über Wpchergenchle Art. IV—V.

872

Artikel IV. Die Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Mit der Verkündung dieser Verordnung treten außer Kraft: 1. § 9 der Verordnung über dm Handel mtt LebenS- und Futter­ mitteln vom 24. Juni 1916 in der Fassung der Bekannt­ machung vom 16. Juli 1917

(RGBl.

1916 S. 581, 674 ;

1917 S. 626); 2. § 9 der Verordnung über den Handel mit Arzneimitteln vom

22. März 1917 (RGBl. g. 270); 3. § 16 Nr. 2 der Verordnung über Gemüse, Obst nnd Süd-

ftüchte vom 3. April 1917 (Reichs-Gesetzbl, S. 307); 4. § 9 der Verordnung über den Handel mit Tabakwaren vom 28. Juni 1917 (RGBl. S. 563); 5. § 8 Nr. 2 der Verordnung über Wein vom 31. August 1917

(RGBl. S, 751); 6. die Verordnung über Zuwiderhandlungen gegen Ausfuhrver­ bote für Getreide und Getreideerzeugnisse vom 28. August 1919

(RGBl. S. 1493). Im § 16 Abs. 2 der Verordnung über Gemüse, Obst und Süd­ früchte vom 3. April 1917 in der Fassung der Verordnung vom

28. Juli 1919 (RGBl. 1917 S. 307; 1919 S. 1358) wird die Ver­ weisung „Nrn. 2, 5" durch die Verweisung „Nr. 5" ersetzt

Im § 6 Abs. 1 der Verordnung über dm Verkehr mit Opium vom 15. Dezember 1918 (ReichS-Gesetzbl. S. 1447) wird die Ver­

weisung „§ 2 Abs. 1," gestrichen.

Soweit in anderen Vorschriften auf eine nach Abs. 2 bis 4 auf­ gehobene Vorschrift verwiesen ist, tritt an deren Stelle die Vorschrift

dieser Verordnung, durch welche die aufgehobene Vorschrift ersetzt wird. Artikel V,

Der Reichsminister der Justiz bestimmt mit Zustimmung des Reichsrats, wann und in welchem Umfang die Verordnung außer

Kraft tritt.

Er trifft die erforderlichen Übergangsbestimmuvgm.

Berlin, -den 27. November 1919. Die Reichsregierung

Bauer

XXXII. Verordnung M Ausführung der Verordnung über Zondergerichte gegen Lchleichhandel nnd Preistreiberei (Wuchergerichte). Bom 27. November 1919. Auf Grund des Artikel I 8 15 der Verordnung über Sonderge­

richte gegen Schleichhandel und Preistreiberei (Wuchergerichte) vom

27. November 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 1909) wird folgendes ver­ ordnet: 8 1.

Auf die Schöffen bei den Wuchergerichten finden die Vor­

schriften für die Schöffen bei den Schöffengerichten entsprechende An­ wendung, soweit sich nicht aus den 88 2, 3 ein anderes ergibt.

8 2.

Die erforderliche Zahl von Schöffen und Hilfsschöffen be­

stimmt der Präsident des Landgerichts.

Sie soll so bemessen werden,

daß voraussichtlich kein Schöffe zu mehr als zehn Sitzungstagen im

Jahre herangezogen wird.

Die Schöffen und Hilfsschöffen wählt der nach 8 40 deS Gerichtsverfaffungsgesetzes gebildete Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen

Bezirk das Wuchergericht seinen Sitz hat, aus den in die berichtigte Urliste für die Schöffen (8 42 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ange­

nommenen Personen, die am Sitze des Wuchergerichts oder in dessen

Umgebung wohnen.

Die eine Hälfte ist dem Kreise der Verbraucher,

die andere Hälfte dem Kreise der Erzeuger oder Handeltreibenden zu entnehmen.

Personen, die schon für das gleiche Geschäftsjahr zu

Schöffen für das Schöffengericht oder zu Geschworenen bestimmt sind,

sollen nicht gewählt werden.

Die Namen der gewählten Haupt- und Htlfsschöffen werden, ge­ trennt nach ihrer Zugehörigkeit zum Kreise der Verbraucher oder zum

Kreise der Erzeuger oder Handeltreibenden, in vier gesonderte Ver­ zeichnisse (Jahreslisten) ausgenommen.

8 3.

Die Reihenfolge, in welcher die Hauptschöffen an den ein­

zelnen Sitzungen des Wuchergerichts teilnehmeu, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Landgerichts, an welcher der Präsident und

874 XXXll. Verordnung z. Ausführung d. Verordnung über Wuchergerichte' zwei

Mitglieder

des

Landgerichts

teilnehmen,

in Gegenwart

der

Staatsanwaltschaft bestimmt; das Los zieht der Präsident. Ist am Sitze des Wuchergerichts kein Landgericht, so findet die

Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgericht- statt; das Los zieht der Amtsrichter.

Die Auslosung wird für die beiden Gruppen von Schöffen (§ 2 Abs. 2 Satz 2) gesondert vorgenommen. Der Eintritt der Hilfsschöfftu.an Stelle der zunächst berufenen

Schöffen (§ 49 des Gerichtsverfassungsgesetzes) erfolgt je nach ihrer

Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen von Schöffen. § 4.

Die Geschäfte der Strafverfolgungsbehörde besorgen Staats

anwälte, die der erste Beamte der Staatsanwaltschaft bei dem Ober­ laudesgerichte bestimmt.

Bet Wuchergerichteu, die einem Amtsgericht ungegliedert werden

(8 3 Abs. 3 der Verordnung), können die Geschäfte der Strafver­

folgungsbehörde auch einem Amtsanwalt überttagen werden. § 5.

In Sachen, die zur Zuständigkeit der Wuchergerichte ge­

hören, ist neben dem Amtsrichter auch der Vorsitzende des Wucher­ gericht- für richterliche Handlungen im vorbereitenden Verfahren zu­

ständig.

Richterliche Untersuchung-handlungen, die zur Vorbereitung

der Hauptverhandlung vor dem Wuchergericht erforderlich sind, kaun

der Vorsitzende de- Wuchergerichts auch von Amts wegen vornehmen. Der Vorsitzende kann auch einen anderen Richter, der Mitglied

de- Wuchergerichts ist, mit der Vornahme der im Abs. 1 bezeichneten Handlungen beauftragen.

§ 6.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anberaumung

der Hauptverhandlung vor dem Wuchergerichte muß den wesentlichen Inhalt einer Anklageschrift (§ 198 Abs. 1 der Strafprozeßordnung) enthalten; eine Abschrift ist dem Beschuldigten und den nach § 9 der

Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 zu ladenden Per­

sonen bei der Ladung zur Hauptverhandlung mitzuteilen. 8 7.

An Stelle des Beschlusses über die Eröffnung des Haupt­

verfahren- wird in der Hauptverhandlung der Antrag der Staats­ anwaltschaft auf Anberaumung der Hauptverhandlung verlesen. Verweist das Wuchergericht eine Sache an das ordentliche Gericht, so gilt dieser Beschluß als Beschluß über die Eröffnung de- Haupt­

verfahrens vor dem ordentlichen Gerichtes.

Erforderlichenfalls hat

das Wuchergericht bei der Verweisung über die Fortdauer der Unter­ suchungshaft zu beschließen.

1) Siehe Anm. 80 zu 8 270 StPO.

XXXII. Verordnung z. Ausführung d. Verordnung über Wuchergerichte. 875

§ 8.

DaS Wuchergericht kann im Urteil die gerichtliche Mit­

wirkung an dem in den §§ 11, 18 der Verordnung gegen Preis­

treiberei vom 8. Mai 1918 vorgesehenen besonderen Verfahre» dem

ordentlichen Gericht, und zwar statt der Strafkammer auch dem Amts­ gericht überlassen.

§ 9.

Hinsichtlich der Gebühren für Recht-anwälte sind die für

das Verfahren vor den Strafkammern geltenden Vorschriften anzu­ wenden. § 10. Die Schöffen für das Geschäftsjahr 1920 find auch für den

Rest des Jahres 1919 als Schöffen heranzuziehen. Berlin, den 27. November 1919. Der Reichsminister der Justiz

Schiffer

XXXIII. Gesetz MM Schutze der Republik. Bom 21. Juli 1922 (RGBl. S. 585). I. Strafbestimmungen zum Schutze der Republik. § 1. Wer au einer Bereinigung oder Verabredung tethümmt,*) zu deren Bestrebungen es gehört, Mitglieder8) einer republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit lebenslangem Zuchtshaus bestraft. Ist in Verfolgung dieser Bestrebungen eine Tötung begangen oder versucht worden, so roittr jeder, der zur Zeit der Tat an der Ber­ einigung oder Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft. § 2. Wer an einer Geheimverbindung8) der im § 128 des Straf­ gesetzbuchs bezeichneten Art teilnimmt, wird mit Zuchthaus bestraft, wenn die Verbindung eine im 8 1 Abs. 1 genannte Bestrebung verfolgt. § 3. Der Teilnehmer an einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Ber­ einigung, Verabredung oder Verbindung bleibt straffrei, wenn er der Behörde oder der bedrohten Person von dem Bestehen der Bereinigung, Verabredung oder Verbindung, von den ihm bekannten Mitgliedern und ihrem Verbleibe Kenntnis gibt, bevor in Verfolgung der Bestre­ bungen der Bereinigung, Verabredung oder Verbindung eine Tötung begangen oder versucht worden ist. § 4. Dem Teilnehmer an einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Ber­ einigung, Verabredung oder Verbindung steht gleich, wer die Bereini­ gung oder Verbindung oder einen an der Verabredung Beteiligten mit Rat und Tat, insbesondere mit Geld, unterstützt. § 5. Wer von dem Dasein einer in den 88 1, 2 genannten Ber­ einigung, Verabredung oder Verbindung oder von dem Plane, eine

im 8 1 genannte Person zu töten, Kenntnis hat, wird mit Zuchthaus, 1) Der Begriff der Teilnahme ist auch hier im Sinne des gewöhnlichen Lebens zu verstehen. Siehe Anm. 41 zu 8 115 u. Anm. 89 zu 8 128 StGB. 2) 8 24 bestimmt, wer als Mitglied der Regierung anzusehen ist. 3) Siehe Anm. 90 zu 8 128 StGB.

877

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik.

bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, wenn er es unterläßt, von dem Bestehen der Bereinigung,

Verabredung oder Verbindung, von den ihm bekannten Mitgliedern,

ihrem Verbleib oder von der geplanten Tötung und det Person deß Täters der Behörde ober der bedrohten Person unverzüglich Kenntnis

zu geben. *) Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Anzeige von einem Geistlichen in Ansehung dessen, was ihm bei Ausübung der Seelsorge

anvertraut worden

ist,

hätte

erstattet

werden

müssen.

Strafftei bleiben Verwandte auf- und absteigender Linie, Ehegatten und Geschwister, wenn sie sich nach Kräften bemüht haben, den Täter

von der Tat abzuhalten, es sei denn, daß die Unterlassung der Anzeige eine Tötung oder einen Tötungsversuch zur Folge gehabt hat.

§ 6.

Wer einen anderen begünstigt (§ 257 des Strafgesetzbuchs),

der eine tm § 1 Abs. 1 genannte Person vorsätzlich getötet oder zu töten versucht hat oder der an einer solchen Tat teilgenommeu hat,

wird mit Zuchthaus bestraft. § 7.

Mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren wird,

soweit nicht andere Vorschriften eine schwerere Strafe androhen, bestraft: 1. wer gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs

oder eines Landes einen Angriff aus Leib oder Leben (Gewalt­

tätigkeit) begeht oder mit einem anderen verabredet, oder wer

zu einer solchen Gewalttätigkeit auffordert; 2. wer einen anderen, der als Mitglied einer republikanischen Re­ gierung des Reichs oder eines Landes durch eine gegen ihn gerichtete Gewalttätigkeit') getötet worden ist, öffentlich oder in

einer Versammlung beschimpft') oder verleumdet;

3. wer öffentlich oder in einer Versammlung ein Verbrechen gegen § 1 oder Gewalttätigkeiten, die gegen Mitglieder der republi­ kanischen Regierung des Reichs oder eines Landes begangen

worden sind, verherrlicht oder ausdrücklich billigt, wer solche

Taten belohnt oder den

Täter oder Teilnehmer

begünstigt

(§ 257 deS Strafgesetzbuchs); 4. wer

an

einer

geheimen

oder

staatsfeindlichen

Verbindung

(§§ 128, 129 StGB.), die die Bestrebung verfolgt, die verfaffungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform deS Reichs

4) Der Anzeigepflicht wird nicht genügt, wenn nur eine Tatsache ängezeigt, eine andere aber verschwiegen wird. Lobe, DIZ. 27 S. 470. 5) Siehe Anm. 83 zu § 125. 6) Beschimpfen kann mündlich oder schriftlich geschehen. Auch bildliche Darstellungen werden hierher zu rechnen sein. 7) Republikanische Staatsform ist nicht gleichbedeutend mit der Rv. Sie

XXXI11, Gesetz zum Schutze der Republik.

878

oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt, oder sie oder im

Dienste ihrer Bestrebungen ein Mitglied mit Rat oder Tat,

insbesondere durch Geld, unterstützt;

5. wer

sich

einer

geheimen , oder

staatsfeindlichen

Verbindung

(§§ 128,129 StGB.) anschließt, die selbst oder deren Mitglieder

unbefugt Waffen besitzen;

6. wer ein bis dahin verheimlichtes Waffenlager in Eigentum oder Gewahrsam hat und es unterläßt, der Behörde von dem Aufbewahrungsort unverzüglich Kenntnis zu geben; dem Waffen­ lager steht ein Munitionslager, ein Geschütz, ein Minenwerfer

oder Flammenwerfer, ein Maschinengewehr oder eine Maschinen­

pistole gleich.

In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus. Neben der Freiheitsstrafe ist auf Geldstrafe bis zu fünf Millionen

Mark zu erkennen. § 8.

Mit Gefängnis bis zu fünf Jahren, neben dem auf Geld­

strafe bis zu einer Million Mark erkannt werden kann, wird bestraft, 1. wer öffentlich oder in einer Versammlung die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines

Landes beschimpft oder dadurch heradwürdigt, daß er Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes beschimpft oder verleumdet;

2. wer öffentlich oder in einer Versammlung

die Reichs-

oder

Landesfarben beschimpft; 3. wer von dem Vorhandensein eines bis dahin verheimlichten Waffenlagers Kenntnis hat und es unterläßt, hiervon der Be­

hörde unverzüglich Kenntnis zu geben, es sei denn, daß damit für Verwandte aus- oder absteigender Linie oder Geschwister oder den Ehegatten des Wissenden die Gefahr der Bestrafung einträte, oder daß die Anzeige von einem Geistlichen, Rechts­

anwalt oder Arzt in Ansehung dessen hätte erfolgen müssen,

was ihm bei Ausübung seines Berufs anvertraut worden ist.

8 7 Nr. 6 Halbsatz 2 gilt entsprechend. 8 9.

Neben jeder Verurteilung wegen Hochverrats oder wegen

eines Verbrechens gegen die §§ 1 bis 6 ist auf Geldstrafe zu erkennen; die Höhe der Geldstrafe ist nicht beschränkt.

beschränkt sich nicht auf die im Deutschen Reich zur Zeit verfassungsmäßig gel­ tende Staatsform. Wenn die Verbindung den Zweck hat, die Räterepublik zu errichten, bezweckt sie nicht, die rep. Staatsform zu beseitigen. Lobe, DIZ. 27 S. 461 und 466.

879

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik.

Dem Verurteilten kaun im Urteil der Aufenthalt in bestimmten

Teilen oder an bestimmten Orten des Reichs auf die Dauer bi- zu fünf Jahren angewiesen werden; gegen Ausländer ist auf Ausweisung auS dem Reichsgebiete zu erkennen. Zuwiderhandlungeu gegen diese Anordnungen werden mit Gefängnis bestraft. § 10.

Die Verurteilung zum Tode oder zu Zuchthaus wegen

Hochverrats oder einer in den §§ 1 bis 7 bezeichneten strafbaren

Handlung hat außer den im § 31 StGB, genannten Folgen den Ver­ lust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte uud bei Beamten und Mtlitärpersonen den Verlust des Gehalts und, wenn

sie nicht mehr im Amte sind, des Ruhegehalts von Rechts wegen zur Folge.

Wird wegen der im Abs. 1 genannten strafbaren Handlungen oder wegen eines Vergehens gegen den § 8 auf Gefängnis oder

Festungshaft erkannt, so kaun zugleich auf Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter, bei Militärpersonen auf Dienstentlassung, dauernde

oder zeitweilige Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, den

gänzlichen oder teilweisen, den dauernden oder zeitweiligen Verlust des GehaltS oder des Ruhegehalts erkannt werden.

Soweit nach anderen

Vorschriften auf Verlust der auS öffentliche» Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden kann, behält es dabei sein Bewenden.

§ 11.

Deutsche und Ausländer können wegen der in den §§ 1

bis 8 bezeichneten Handlungen auch dann verfolgt werden, wenn diese

Taten im Ausland begangen sind. II. Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik.

§ 12.

Bei dem Reichsgerichte wird ein Staatsgerichtshof zum

Schutze der Republik errichtet.

Der Gerichtshof entscheidet in einer Besetzung von neu» Mit­

gliedern.

Drei von ihnen sind Mitglieder deS Reichsgerichts.

Die

übrigen sechs Mitglieder brauchen nicht die Fähigkeit zum Richreramte zu haben.

Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung ergehen

in der Besetzung von drei Mitgliedern, von denen mindesten- eins dem Reichsgerichte nicht angehört.

Die Mitglieder werden vom Reichs­

präsidenten für die Dauer der Geltung dieses Gesetze- ernannt.

die ordentlichen Mitglieder sind Stellvertreter zu ernennen.

Für

Die not­

wendigen ergänzenden Anordnungen trifft der Reichsminister der Justiz

mit Zustimmung des Reichsrats.

Anklagebehörde ist die Reichsanwaltschast.

Der § 147 Abs. 2

und der § 153 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

Auf da- Verfahren finden die Vorschriften über da- Verfahre» vor dm Strafkammern entsprechende Anwendung.

Der Reichsminifter

880

XXXIII, Gesetz zum Schutze der Republik.

der Justiz kann mit Zustimmung des Reichsrats besondere Borschristen erlösten. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Öffentlichkeit und

Mündlichkeit der Hauptverhandlung, die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen, die Verhaftung, die Verteidigung, das Verfahren gegen Nichtanwesende, den Umfang der Beweisaufnahme und die Vor­ schriften des § 262 StPO, dürfen nicht zum Nachteil des Beschuldigten geändert werden. Gegen die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs finden Rechtsmittel nicht statt. § 13. Der Staatsgerichtshof ist zuständig für die in den §§ 1 bis 8 dieses Gesetzes bezeichneten Handlungen, gleichgültig, ob sie nach diesem Gesetz oder anderen Gesetzen strafbar sind, sür Hochverrat sowie für Tötung und Tötungsversuch, begangen gegen Mitglieder einer früheren republikanischen Regierung. Soweit diese Taten ausschließ­ lich gegen die verfassungsmäßig sestgestellte republikanische Staatsform eines Landes, die Mitglieder einer im Amte befindlichen oder einerfrüheren republikanischen Regierung eines Landes oder gegen Landes­ farben gerichtet sind, ist die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs nur begründet, wenn die Landesregierung oder der Verletzte bei dem Oberreichsanwalte vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Einleitung oder Übernahme des Verfahrens beantragt. Der Staatsgerichtshof ist ferner zuständig für Handlungen, die mit den nach Abs. 1 zu seiner Zuständigkeit gehörenden Handlungen

im tatsächlichen Zusammenhänge stehen. Der Oberreichsanwalt kann eine Untersuchung an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Der Staatsgerichtshof kann eine bei ihm anhängig gewordene Untersuchung auf Antrag des Oberreichsanwalts zum ordentlichen Verfahren verweisen. Diese Vorschriften sind auch anzuwenden auf die vor dem In­ krafttreten dieses Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen. Ist in der Sache bereits ein Urteil ergangen, gegen das die Revision zu­ lässig ist, so entscheiden über die Revision die ordentlichen Gerichte.

III. Verbotene Bereinigungen. § 14. Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen können ver­ boten werden, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis rechtfertigen, daß in ihnen Erörterungen stattfinden, die den Tatbe­ stand einer der in den §§ 1 bis 8 bezeichneten strafbaren Handlungen

bilden. Vereine und Vereinigungen, in denen Erörterungen der bezeich­ neten Art stattfinden oder die Bestrebungen dieser Art verfolgen oder die die Erhebung einer bestimmten Person auf den Thron betreibe«' können verboten und aufgelöst werden.

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik.

881

Im Falle des Verbots ist dem Veranstalter auf Antrag sofort ein kostenfreier Bescheid mit Angabe der Gründe zu erteilen. § 15. Die Vorschriften des § 14 Abs. 1 finden keine Anwendung auf Versammlungen der Wahlberechtigten zur Betreibung der Wahlen des Reichstags, des Reichspräsidenten, der Volksvertretung eines Landes oder einer kommunalen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft vom Tage der amtlichen Bekanntmachung des Wahltags bis zur Beendigung der Wahlhandlung. Das gleiche gilt für Ver­

sammlungen zur Betreibung von Abstimmungen und Eintragungen, die zur Feststellung des Willens der Bevölkerung auf Grund der Reichsverfassung und der Verfaffuugsgesetze der Länder stattfinden. § 16. Versammlungen, auch der im § 15 genannten Art, in denen Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1 bis 8 vorkommen und ge­ duldet werden, können durch Beauftragte der Polizeibehörde aufgelöst werden. 8 17 Zuständig für Maßnahmen nach § 14 sind die Landes­ zentralbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen. Der Reichsminister des Innern kann die Landeszentralbehördeu um die Anordnung einer solchen Maßnahme ersuchen. Glaubt die Landeszentralbehöroe einem solchen Ersuchen nicht entsprechen zu

können, so teilt sie dies unverzüglich auf telegraphischem oder tele­ phonischem Wege, spätestens aber am zweiten Tage nach Empfang des Ersuchens dem Reichsminister des Innern mit und ruft gleich­ zeitig auf demselben Wege die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an. Entscheidet dieser für die Anordnung, so hat die Landeszentralbehörde die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Gegen eine Anordnung nach §§ 14, 15 ist binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung ab die Beschwerde zulässig; sie hat keine aufschiebende Wirkung. Die Beschwerde ist bei der Stelle einzureichen, gegen deren Anordnung sie gerichtet ist. Diese hat sie unverzüglich an die Landeszentralbehörde abzugeben. Die Landeszentralbehörde kann der Beschwerde außer im Falle des Abs. 2 abhelfen, andernfalls hat sie die Beschwerde unverzüglich dem Staats­ gerichtshöfe zum Schutze der Republik zur Entscheidung vorzulegen. Gegen eine Entscheidung der Landeszentralbehörde, die der Beschwerde abhilst, kann der Reichsminister des Innern die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik anrufen. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe regelt der Reichs­ minister des Innern mit Zustimmung des Reichsrats. Insbesondere kaun er Vorschriften über die Zulässigkeit vorläufiger Entscheidungen

erlassen. Dqlckss, Strafrecht.

16, Tlufl.

(1922).

56

882

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik.

§ 18.

Im Falle der Auflösung eine- Verein- oder einer Ber­

einigung kann da- Vermögen des Vereins oder der Bereinigung zu­

gunsten deS Reichs beschlagnahmt und eiugezogen werden. § 19.

Wer nach § 14 verbotene Versammlungen, Aufzüge oder

Kundgebungen veranstaltet oder in solchen als Redner auftrttt, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, neben

dem auf Geldstrafe bis zu fünfhuuderttausend Mark erkannt werden kann. Ebenso wird bestraft, wer sich an einem nach § 14 Abs. 2 auf­

gelösten Verein oder einer danach aufgelösten Bereinigung als Mit­

glied beteiligt oder sie auf andere Weise unterstützt.

Dem aufgelösten

Verein steht ein angeblich neuer Verein gleich, der fich sachlich als der

alte darstellt; das gleiche gilt für Bereinigungen. IV. Beschlagnahme und Verbot von Druckschriften.

8 20.

Die Vorschriften deS Gesetzes über die Presse vom 7. Mai

1874 (RGBl.

S. 65) über die Beschlagnahme

von

Druckschriften

(83 23 ff. des Gesetzes) finden auch auf die in 88 1 bis 8 dieses Ge­

setzes bezeichneten strafbaren Handlungen mit der Maßgabe Anwendung, daß der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß de- Gerichts, der die

vorläufige Beschlagnahme aushebt, die sofortige Beschwerde mit auf­ schiebender Wirkung zustehl.

8 21.

Wird durch den Inhalt einer periodischen Druckschrift die

Strafbarkeit einer der in den §8 1 bis 8 bezeichneten Handlungen begründet, so kann die periodische Druckschrift, wenn es sich um eine Tageszeitung handelt, bis auf die Dauer von vier Wochen in anderen

Fällen bis auf die Dauer von sechs Monaten verboten werden.

Auf

die Zuständigkeit und das Verfahren finden die Vorschriften des § 17 Anwendung.

Das Verbot umfaßt auch jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich als die alte darstellt.

8 22.

Wer eine nach 8 21 verbotene periodische Druckschrift

herausgibt, verlegt, druckt oder verbreitet, wird mit Gefängnis von

drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, neben dem auf Geldstrafe bis zu fünshunderttausend Mark erkannt werden kann. V. Mitglieder vormals landesherrlicher Familien. 8 23.

Mitgliedern solcher Familien, von denen ein Angehöriger

bis November 1918 in einem ehemaligen deutschen Bundesstaate, re­

giert hat, kann, wenn sie ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt

im Ausland haben, von der Reichsregierung das Betreten des Reichs­ gebiet- untersagt oder der Aufenthalt auf bestimmte Teile oder Orte des Reichs beschränkt werden, falls die Besorgnis gerechtfertigt ist,

XXXIII. Gesetz zum Schutze der Republik.

883

daß andernfalls das Wohl der Republik gefährdet wird. Im Falle der Zuwiderhandlung können sie durch Beschluß der Reichsregierung

aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden. Jede der vorbezeichneten Anordnungen ist mit schriftlichen Gründen zu versehen und den Betroffenen zuzustellen. Binnen zwei Wochen nach Zustellung kann der Betroffene die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik anrufen. Das Verfahren regelt der Reichsminister des Innern mit Zustimmung des Reichsrats. VI. Schluß best immun gen.

§ 24. Mitglieder der republikanischen Regierungen des Reichs und der Länder im Sinne dieses Gesetzes sind der Reichspräsident sowie alle Regierungsmilglieder, die einer aus allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl hervorgegangenen Volksvertretung

verantwortlich sind oder waren. § 25.«) § 26. Eine Maßnahme, die auf Grund der Verordnungen des Reichspräsidenten vom 26. und 29. Juni 1922 (RGBl. I S. 521, 523 und 532) getroffen und auch nach den Bestimmungen dieses Ge­ setzes zulässig ist, gilt als aus Grund dieses Gesetzes getroffen. § 27. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Den Zeitpunkt, mit dem der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik errichtet wird, bestimmt der Reichsminister der Justiz. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26.. Juni 1922 (RGBl. I S. 521) errichtete Staatsgerichtshof bestehen ; seine Zuständigkeit bestimmt sich vom In­ krafttreten dieses Gesetzes ab nach dessen Vorschriften. Mit der Er­ richtung des neuen Staatsgerichtshofs gehen die bei dem bisherigen Staatsgerichtshof anhängigen Sachen in der Lage, in der sie sich be­ finden, auf den neuen Staatsgerichtshof über. Das Nähere wegen der Überleitung bestimmt der Reichsminister der Justiz. Das Gesetz 'tritt nach Ablauf von fünf Jahren außer Kraft.

8) Siehe § 49 b u. § 111 Abs. 2 StGB.

XXXIV. Nennwett- und Lotteriegeseh. Bom 8. April 1922 (RGBl. S. 377).

Rennwetten. Allgemeine Vorschriften. § 1. Das Unternehmen eines Totalisators kann aus Anlaß öffentlicher Pferderennen und anderer öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde durch die Landeszentralbehörde zugelassen werden. Die Erlaubnis ist alljährlich einzuholen; sie kann von Bedingungen abhängig gemacht, für bestimmte Renntage erteilt und jederzeit be­ schränkt oder widerrufen werden. Die Erlaubnis darf nur solchen Vereinen erteilt werden, welche die Sicherheit bieten, daß sie die Einnahmen ausschließlich zum Besten der Landespserdezucht verwenden,

§ 2.

Wer

gewerbsmäßig

Wetten

bei

öffentlichen Leistungs­

prüfungen für Pferde abschließen oder vermitteln will (Buchmacher), bedarf der Erlaubnis der Landeszentralbehörde oder der von ihr be­ zeichneten Behörde. Die Erlaubnis darf nur an deutsche Reichsan­ gehörige erteilt werden. Die Erlaubnis kann jederzeit beschränkt oder

widerrufen werden. Der Buchmacher bedarf der Erlaubnis für die Örtlichkeit, wo die Wetten entgegengenommen oder vermittelt werden, und auch für die Personen, deren er sich zum Abschluß und zur Vermittlung von Wetten bedienen will. Diese Personen wie der Buchmacher selbst haben bei Ausübung der Wettättgkeit ein Abzeichen zu tragen, dessen Form die Landeszentralbehörde bestimmt. Die Landeszentralbehörde oder die von ihr bezeichnete Behörde darf die Erlaubnis nur für die Örtlichkeiten ihres Landesgebiets erteilen. Die Erteilung der Erlaubnis ist zu veröffentlichen. § 3. Der Reichsminister der Finanzen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen Totalisatorunternehmen zugelassen werden dürfen. Er bedarf der Zustimmung des Reichsrats.

XXXIV. Renn wett- und Lotteriegesetz.

885

§ 4. Der Unternehmer des Totalisators und der Buchmacher­ haben über die Wette eine Urkunde (Wettschein) auszustellen. Bei Buchmachern ist statt dessen auch die Eintragung der Wette in em amtlich geliefertes Weltbuch zulässig. In welchen Fällen die Ein­ tragung in das Weitbuch genügt sowie welche Angaben der Wettschein und die Eintragung im Wettbuch enthalten muß, bestimmt der ReichSminister der Finanzen. Ist der Wettschein ausgehändigt oder die Wette in das Wettbuch eingetragen, so ist die Wette für den Unternehmer des Totalisators und den Buchmacher verbindlich. Ein von den Wettenden gezahlter Einsatz kann nicht unter Berufung auf § 762 BGB. zurückverlangt werden. Soweit der Einsatz nicht gezahlt ist, kann er von dem Gewinn abgezogen werden. Im übrigen bleiben die Vorschriften des BGB.

unberührt. * Auf den Rennplätzen ist den Buchmachern nur das Legen von Wetten zu festen Odds gestattet. Auf den Rennplätzen dürfen von den Buchmachern nur Wettsätze im Betrage von mindestens dreihundert Mark angenommen werden. § 5. Wer ohne Erlaubnis ein Totalisatorunternehmen betreibt oder gewerbsmäßig Wetten abschließt oder vermittelt, wird mit Ge­ fängnis bis zu zwei Jahren bestraft; daneben ist auf Geldstrafe von eintausend Mark bis zu einhunderttausend Mark zu erkennen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Ist der Verurteilte ein Ausländer, so ist die Landespolizeibehörde befugt, ihn aus dem Reichsgebiet auszuweisen. Die empfangenen Einsätze oder deren Wert sind in dem Urteil für verfallen zu erklären. § 6. Wer gewerbsmäßig zum Abschluß oder zur Vermittlung von Wetten auffordert oder sich erbietet oder Angebote zum Abschluß

oder zur Vermittlung solcher Wetten entgegennimmt, wird mit Geld­ strafe von fünfhundert Mark bis zu einhunderttausend Mark und mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit einer dieser Sttafen be­ straft. Unter dieses Verbot fallen nicht Aufforderungen, Erbieten und Angebote der zugelassenen Wettunternehmer sowie der Personen, deren sich die Wettunternehmer mit Genehmigung der Landeszentralbehörde zum Abschluß und zur Vermittlung von Wetten bedienen, soweit diese Personen bei der Abwicklung von Wettgeschästen im Auf­

trag des Wettunternehmers handeln. Die empfangenen Einsätze oder deren Wert sind in dem Urteil für verfallen zu erklären. § 7. Der Buchmacher und die Personen, deren er sich zum Ab­ schluß und zur Vermittlung von Wetten bedient, werden, wenn sie

XXXIV. Rennwett- und Lotteriegesetz.

886

außerhalb der gemäß § 2 genehmigten Örtlichkeiten Welten vermitteln oder abschließen oder Angebote dazu entgegennehmev, mit Geldstrafe

bis zu

einhunderttausend Mark und mit Gefängnis bis zu

drei

Monaten oder mit einer dieser Strafen bestraft.

§ 8.

Wer an einem Totalisatorunternehmen, das im Inland

nicht erlaubt ist, oder bei einem Buchmacher, der hn Inland nicht zugelassen ist, wettet oder einen Antrag zum Abschluß einer Wette

stellt, oder wer zum Abschluß

oder zur Vermittlung einer solchen

Wette einen Auftrag erteilt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundert­

tausend Mark bestraft. Die empfangenen Gewinne oder deren Wert sind in dem Urteil

für verfallen zu erklären. § 9.

Mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark, im Unver­

mögenssalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wird bestraft:

1. wer

öffentlich

oder

durch

anderen Darstellungen,

Verbreitung

von

Schriften

oder

ohne zugelassener Unternehmer eines

Totalisators oder zugelaffener Buchmacher zu sein, zum Ab­ schluß von Wetten außerhalb der Örtlichkeiten des Totalisator­ unternehmens oder außerhalb der im 8 2 Abs. 2 bezeichneten Örttichkeiten des Buchmachers anteizt,

2. wer gewerbsmäßig Voraussagen über den Ausgang von Rennen verbreitet,

3. wer in seinen Räumen den Abschluß oder die Vermittlung von Welten duldet, ohne daß die Räume für das Unternehmen eine- Totalisators oder eines Buchmachers zugelaffeu sind.

Straffrei sind redaktionelle Veröffentlichungen in einer periodisch erscheinenden Druckschrift, sofern diese nicht ausschließlich oder über­ wiegend der Verbreitung von Voraussagen dient.

Anhang. I. Allgemeine Verfügung Aber die Anständigkeit nnd daS verfahre« in Gnadensacheu. Bom 19. Juni 1919. (JMBl. S. 341.)

I. Bom 16. September 1919 ab gilt für die Bearbeitung der Gnadensachen folgendes: 1. In jedem Aandgertchtsbeztrke werden von mir ein oder mehrere Richter zu meinen Beauftragten für Gnadensachen auf die Dauer eines Geschäftsjahrs bestellt. 2. Die für die Bearbeitung von Gnadensachen erlassenen Allge­ meinen Verfügungen und Rundverfügungen bleiben, soweit sie nicht mit dieser Verfügung im Widerspruch stehen, mit der Maßgabe in Kraft, daß an Stelle der Ersten Staatsanwälte die Beauftragten treten. Sie sind befugt, die Strafvollstreckung bis zur Entscheidung über ein Gnadengesuch auszusetzen, falls eine solche Anordnung nicht bereits von der Strafvollstreckungs­ behörde getroffen wird. 3. Der Beauftragte führt die Amtsbezeichnung „Der Beauftragte für Gnadensachen bei dem Landgericht in . . . Für diese Stellung sind mir Richter von besonderer Lebenserfahrung und ausgeprägtem sozialem Empfinden vorzuschlagen. Ihnen können Gerichtsaffessoren als Hilfsarbeiter beigeordnet werden. 4. Der Landaerichtspräsident ersucht die Anwaltschaft des Bezirkes um Bezeichnung eines oder mehrerer Rechtsanwälte, die zur ehrenamtlichen Mitwirkung bei Der Bearbeitung der Gnaden­ sachen bereit find. 5. Bet der Vorbereitung der Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung eines Gnadenerweises hat der Beauftragte den Ersten Staatsanwalt sowie den gemäß Ziffer 4 bezeichneten Rechtsanwalt yi hören. Der Erste Staatsanwalt und der Rechtsanwalt find ttt jeder Lage der Ermittelungen berechtigt, Anregungen zn geben, Anträge zn stellen, von den Ermitte­ lungen Kenntnis zu nehmen und im Einvernehmen mit dem Beauftragten solche auch selbst vorzunehmen. 6. Die Beauftragten haben alle für die Beurteilung des Einzel­ falls wesentlichen Ermittelungen anzustellen. Sie werden sich

888

Anhang. I a. Allgem. Verfg. üb. d. Zuständigkeit u. d. Verfahren usw.

dabei nicht auf die Mitarbeit behördlicher Stellen (wie insbe­ sondere der Gemeinden und Strafanstalten) beschränken, viel­ mehr besonderen Wert aus die Anhörung nichtbeamteter Auskunftspersonen legen, um deren Benennung erforderlichenfalls geeignete berufliche, wirtschaftliche oder Fürforgeorganisationeu zu eriuchen sind. Sie können im Verlaufe der Ermittelungen die Gerichte um Vornahme richterlicher Nnterfuchungshandlungen ersuchen (§ 77 AG. GVG., 8 38 der Verordnung vom 2. Januar 1849, GS. S. 12). 7. Nach Abschluß der Prüfung ist an mich nicht nur in den Fällen zu berichten, in denen dies besonders angeordnet wird, sondern, auch in allen übrigen Fällen dann, wenn nur eine der in Ziffer 5 bezeichneten drei Stellen einen Gnadenerweis befür­ wortet.

II. Der Erlaß von näheren Aussührungsbestimmungen zu dieser Allgemeinen Verfügung bleibt Vorbehalten.

Ia. Allgemeine Verfügung über die Zuständigkeit und daS Verfahren in Gnadensachen.

Vom 26. August 1919. (JMBl. S. 405.)

Zur Aussührung der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 über die Zuständigkeit und das Verfahren in Gnadensachen (JMBl. S. 341) werden unter Aufhebung aller früher erlassenen Allgemeinen und Rundverfügungen über die Bearbeitung von Gnadensachen, soweit ihr Jnkrastbleiben nicht ausdrücklich im nachstehenden angeordnet ist, die folgenden Bestimmungen erlassen. Mit ihnen soll der am 16. k. M. beginnenden Tätigkeit der Beauftragten für Gnadensachen zunächst eine vorläufige Grundlage gegeben werden; eine endgültige Regelung ihrer Zuständigkeit und des in Gnadensachen anzuwendenden Verfahrens bleibt vorbehalten, bis übersehen werden kann, welchen Einfluß die in Aussicht genommene Neuregelung verschiedener, das Gnadenrecht eng berührender Einrichtungen auf strafrechtlichem Gebiet auf dessen Aus­ übung in Preußen haben wird. Für die abschließende Regelung werden auch die inzwischen gesammelten Erfahrungen über das Wirken der neuen Gnadenorgane wertvolle Anhaltspunkte geben können. Ziffer 12 Satz I der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 findet durch diese Verfügung seine Erledigung.

I. Umfang, Inhalt und Inhaber de* Gnadenrecht*. 1. Das Gnadenrecht (Straferlaß und Strafmilderung) erstreckt sich, soweit es für die Tätigkeit der Beauftragten für Guadensachen in Frage kommt, auf diejenigen Strafen, die von den zum Bereiche der

Anhang. Ia. Allgem.Verfg. üb. b. Zuständigkeit u. b.Verfahren usw.

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preußischen Justizverwaltung gehörenden Gerichten einschließlich der bisherigen außerordentlichen Kriegsgerichte (§§ 10 ff. des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 18bl) rechtskräftig verhängt worden sind. Es findet insoweit Anwendung auch a) aus Nebenstrafen und die von Rechts wegen eintretenden Ehren­ folgen einer Verurteilung zu Zuchthausstrafe sowie Einziehungen utto Verfallserklärungen, b) auf Ordnungsstrafen und Strafen, die auf Grund von § 890 ZPO. festgesetzt sind. 2. Inhalt des Gnadenrechts in dem in Ziffer 1 bezeichneten Um­ fang ist die Befugnis zum Erlasse, zur Ermäßigung oder Umwandlung von Strafen. Das Gnadenrecht schließt hiernach in sich die Wiederverlechung der bürgerlichen Ehrenrechte. und der Heeresfähigkeit, der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und des Rechtes, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, sowie die Aufhebung der Zulässigkeit von Polizeiaufsicht und die Befreiung von der Haftbarkeit für Geldstrafen. 3. Inhaber des Gnadenrechts ist die preußische Staatsregierung (§ 5 des Gesetzes zur vorläufigen Ordnung der Staatsgewalt in Preußen vom 20. März 1919 — GS. S. 53 —Soweit ;edoch der frühere Inhaber des Gnadenrechts in Preußen feine Ausübung anderen Stellen Übertragen hat, ist es hierbei verblieben. Solche Übertragungen sind erfolgt: a) an den Finanzminister: «) bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die sonstigen Vorschriften über indirekte Reichs- und Landesabgaben durch Erlaß vom 26. September 1897 (GS. S. 402), ß) bet Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über die direkten Steuern durch Erlaß vom 15. August 1913 (JMBl. S. 408); soweit es sich um Reichsgesetze handelt, ist die Ausübung des Gnadenrechts dezn Finanzminister zum Teil schon durch die betreffenden Reichsgesetze selbst etngeräumt worden, z. B. § 39 des Umsatzsteuergesetzes vom 26. Juli 1918 (RGBl. S. 779). In beiden Fällen hat der Finauzminister auf Grund der ihm zustehenden Befugnis seine Rechte an Behörden seines Ge­ schäftsbereichs weiter übertragen. Die hiernach zur Zeit für die Ausübung des Gnadenrechts in dem obenerwähnten Um­ fange zuständigen Stellen find in Anlage A aufgeführt. b) an den Minister des Innern: bei Zuwiderhandlungen gegen § 33 in Verbindung mit § 147 Abs. 1 Nr. 1 der Gewerbeordnung durch den zu a ß erwähnten Erlaß vom 15. August 1913, e) an den Minister der öffentlichen Arbeiten: bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Er­ hebung von Berkehrsabgaben durch Erlaß vom 27. April 1914 KMBl. S. 693), d) an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten: bei Forstkontraventionen einschließlich der Forstdiebstähle für Geldstrafen, die den Betrag von 30 Mark nicht übersteigen, durch Erlaß vom 15. Dezember 1880 (JMBl. 1881 S. 31).

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Ia. Allgem. Verfg. üb. d. Zuständigkeit u. b. Verfahren usw.

Der genannte Minister hat diese Befugnis — ermächtigt durch Erlaß vom 25. Januar 1911 — in den Fällen, die sich auf forstfiskalische Waldungen beziehen, auf die Regierungen, in allen anderen Fällen auf die Regierungspräsidenten über­ tragen, e) an den Justizminister: für die Provinzen Hessen-Nassau, Hannover und SchleswigHolstein, soweit es sich um Geldstrafen bis zu 30 Mark handelt, durch Erlasse vom 19. Dezember 1866 und 16 Februar 1867 (JMBl. 1867 S. 6 und 67). 4. Soweit die Bearbeitung von Gnadensachen in dem zu 1 ge­ nannten Umfange nicht einer anderen Stelle besonders übertragen ist, liegt sie dem Justizminister — allein oder im Einvernehmen mit anderen Verwaltungen — ob. Seine Organe sind hierbei die nach Ziffer I, 1 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 bestellten Beauftragten für Gnadensachen.

II. Zuständigkeit der Kemrftrugten für Gnadensache«. Die Beauftragten für Gnadensachen sind für die Bearbeitung aller Gnadensachen des Landgerichtsbezirks zuständig l), für den sie bestellt sind, also auch für die Sachen, in denen Strafen von einem Amts­ gericht (Schöffengericht, Rheinschiffahrtsgericht, Elbzollgericht) oder einem sonstigen Gericht, das in diesem Bezirk seinen Sitz hat, verhängt sind. Wird eine Strafsache von dem mit ihr zunächst befaßten Land­ gericht an ein anderes verwiesen (§ 394 Abs. 2 SrPO.), so ist für die Bearbeitung der Gnadensache der Beauftragte zuständig, der für den Bezirk des ursprünglich mit der Sache befaßten Landgerichts be­ stellt ist. Sind für eine Gnadensache mehrere Beauftragte zuständig (z. B. im Falle der Gesamtstrafenbildung), so ist die gesamte Bearbeitung von dem zuerst mit der Sache befaßten Beauftragten zu übernehmen. Er hat hierbei auch eine Äußerung der andern beteitigten Beauftragten einzuholen; bei Abgabe derselben ist von einer Beteiligung der in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 bezeichneten Stellen abzusehen. III. Verfahren in Gnadenfachen. Behandlung der Gnadengesuche. Wirkung ihrer Ein­ richtung auf die Strafvollstreckung.

1. Gnadengesuche, die bei den Justizbehörden in Sachen eingehen, in denen nach den Bestimmungen zu 1, 3 e und 4 die Ausübung des Gnadenrechts oder die Bearbeitung dem Justizminister zustehl, sind 1) Hat der Gnadenbeauftragte an dem Erkenntnis mitgewirkt, so ist er von der Tätigkeit ausgeschloffen. Erl. d. IM. v. 5. Ottbr. 20 I 6475. — Die Dienstaufsicht über die Gnadenbeauftragten und über die Gerichte, soweit sie mit der bedingten Strafaussetzung besaßt sind, steht dem LGP. und dem OLGP. in derselben Weise zu wie bei anderen Justizverwaltungsangelegenheiten. B. d. IM. v. 21. April 22 (JMBl. S. 143).

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außer' im Falle des nachfolgenden Abs. 3 alsbald unmittelbar dem Justizmintster einzureicden, und zwar auch dann, wenn sie an die Preußische Regierung, den Reichspräsidenten oder andere Stellen gerichtet sind. Eine Rückgabe von Gesuchen mit dem Anheimstellen, sie an die Preußische Regierung oder den Justizminister zu richten, hat zu unterbleiben. Matzgebeno für die Behandlung einer Eingabe als Gnadengesuch ist ihr Inhalt, nicht ihre äußere Form. Auch sind die GerichtSschreibereien und Sekretariate der Staatsanwaltschaft auf An­ trag eines Verurteilten verpflichtet, sein Gnadengesuch zu Protokoll aufzunehmen und an den Justizminister weiterzugebeu. Gnadengesuche in Haft befindlicher Personen hat die Strafanstalt mit einer Äußerung über die Führung des Verurteilten zunächst dem zuständigen Beauftragten für Gnadenjacheu (Ziffer II) zu übersenden, der sie dem Justizministet einreicht. Gnadengesuche, die bei dem für ihre Bearbeitung zuständigen Be­ auftragten für Gnadensachen eingehen, sind von ihm — nötigenfalls unter Herbeiziehung der Akten — vor ihrer Weitergabe einer vor­ läufigen Prüfung zu unterziehen. Ergibt diese, daß voraussichtlich Anlaß zur Befürwortung eines Gnadenerweises vorliegen wird, so hat der Beauftragte von einer Weiterretchung an den Justizminister zu­ nächst abzusehen und alsbald die ihm erforderlich erscheinenden Er­ mittelungen (Ziffer I, 6 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919) vorzunehmen. Läßt deren Ergebnis dem Beauftragten die Be­ fürwortung eines Gnadenerweises nicht mehr angezeiat erscheinen, so bat er das Gesuch nunmehr unter entsprechender Anzeige an den Justizminister weiterzugeben. Andernfalls ist diesem nach Anhörung der in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 bezeichneten Stellen gemäß Ziffer 7 der vorliegenden Verfügung zu berichten. 2. Die Einreichung eines Gnadengesuchs hemmt grundsätzlich die Vollstreckung nicht. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind zu machen: a) bet Todesstrafen (vgl. Ziffer 10), b) wenn sich der Verurteilte auf freiem Fuß befindet und auf ein erstes Gnadengesuch vom Justlzminister Bericht erfordert wird (Ziffer 3), c) auch ohne vorgängige Berichtserforderung, wenn dem Ver­ urteilten durch den Antritt der Strafe oder die Fortsetzung der Strafvollstreckung ein unwiderbringlicher Schaden zugefügt würde. Diese Voraussetzung wird insbesondere vorliegen, wenn nach pflichtmäßigem Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde oder des Beauftragten für Gnadensachen einem zu Freiheits­ strafe Verurteilten erhebliche Begnadigungsgründe zur Seite stehen und die Freiheitsstrafe oder ihr noch zu verbüßender Rest so gering ist, daß ohne Aussetzung der Vollstreckung diese vor Ergehen des Gnadenerwetses voraussichtlich beendet sein würde. Erfolgt in einem solchen Falle die Aussetzung nicht herettS durch die Strafvollstreckungsbehörde, so ist sie von dem Beauftragten für Gnadensachen auf Grund der ihm durch Ziffer I, 2 Satz 2 der All­ gemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 gegebenen Befugnis anzu­ ordnen.

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Anhang, la. Allgern. Versg. üb. d. Zuständigkeit u. d. Verfahren usw.

Tätigkeit der Beauftragten für Gnadensachen.

3. Der Justizminister fertigt die ihm zugegangenen Gnadengesuche den Beauftragten für Gnadensachen zu. Sieht der Justizminister in jedem Falle der Erstattung eines Berichts (Ziffer 7) entgegen, so wird dies durch Beifügung der Worte „zum Bericht" bet der Zufertigung zum Ausdruck gebracht werden. Die Prüfung der Gesuche hat völlig unbeeinflußt davon zu erfolgen, ob Bericht erfordert ist oder nicht, so daß auf jedes dem Beauftragten zugefertigte Gnadengesuch die gleiche Sorgfalt zu verwenden ist. Der Pflichttreue der Beauftragten darf vertraut werden, daß sie diesem ersten Erfordernis für eine gerechte Ausübung des Gnadenrechts in jedem Falle nachkommen und auch bei den ihnen ohne Berichtserforderung zrmefertigten Gesuchen die für die Beurteilung des Falles wesentlichen Ermittelungen in gleichem Um­ fange vornehmen wie in den Fällen, in denen ein Bericht erfordert ist. Ergibt die Prüfung eines Gnadengesuchs, auf das Bericht er­ fordert ist, daß die Angaben des Gesuchs für die Gnadenirage wesent­ liche Tatsachen verschweigen oder unwahrer Weise behaupten, und er­ scheint die Annahme gerechtfertigt, daß bei Kenntnis dieser Sachlage Bericht nicht erfordert worden wäre, so ist nur eine kurze Anzeige über den Sachverhalt zu erstatten und abzuwarten, ob dennoch Bericht für erforderlich erklärt wird. 4. Über die zugefertigten Gnadengesuche sowie die sonstigen von dem Beauftragten zu bearbeitenden Gnadensachen ist bei ihm ein Re­ gister für Gnadensachen nach dem Muster der Anlage B sowie ein alphabetisches, auf die lausenden Nummern des Registers verweisendes Namensverzeichnis der Verurteilten zu führen. Das Register ist für die in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 bezeichneten Stellen zur Einsicht offen zu legen. 5. Bei der Prüfung der Gnadengesuche ist folgendes zu beachten: Ergibt sich Anlaß zur Aussetzung der Strafvollstreckung bis zur Entscheidung auf. ein Gesuch gemäß Ziffer 2b und c, so ist, falls dies nicht schon seitens der Strafvollstreckungsbehörde geschehen sein sollte, eine entsprechende Anordnung unverzüglich zu treffen. Bei Anstellung der erforderlichen Ermittelungen wird tunlichst darauf Bedacht zu nehmen sein, daß dem Verurteilten nicht durch wettere Verbreitung der Kenntnis von seiner Straftat oder seiner Ver­ urteilung Nachteile für seine soziale Stellung und sein Fortkommen erwachsen. Auf die in Ziffer I, 6 der Allgemeinen Berfüguug vom 19. Juni 1919 gegebenen Anregungen für eine zweckmäßige Auswahl der im Ermittelungsverfahren zu hörenden Personen und Stellen wird hier nochmals besonders hingewiejen. Die Ermittelungen sind bei Verurteilten, die langjährige FreihettSstrafen verbüßen, auch darauf zu erstrecken, ob sie im Falle der Ent­ lassung ein hinreichend gesichertes Unterkommen finden. Zur Vermitte­ lung eines solchen werden vielfach neben Fürsorgevereinen die beiden größeren Strafanstalten zu bildenden Beiräte (Allgemeine Verfügung vom 22. Februar und 19. Juni 1919 — JMBl. S. 54 und 342 —) mit Erfolg um ihre Mitwirkung ersucht werden können. Ist der Verurteilte ein Beamter, so ist in jedem Falle seine vor­ gesetzte Dienstbehörde — bei inzwischen ausgeschiedenen Beamten die

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letzte — zu hörens. Wird von dieser ein Gnadenerweis befürwortet, so ist in jedem Falle an den Justizminister zu berichten. Betrifft die Gnadensache die Verurteilung eines Kommunalbeamten, so ist die Äußerung der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörde einzuholen. Vorstehender Absatz findet keine Anwendung auf solche Beamte deS auswärtigen Dienstes, die nicht bei inländischen Pehördeu angestellt sind; in diesen Fällen wird die Einholung einer Äußerung der vor­ gesetzten Dienstbehörde gegebenenfalls vom Justizminister vermittelt weroen. Ebenso wie im Falle der Verurteilung eines Beamten ist, wenn sonst durch die Straftat der Geschäftsbereich anderer Verwaltungen berührt wird, den zuständigen Provinzialbehörden Gelegenheit zur Äußerung zu geben. 6. Nach Abschluß der Ermittelungen sind die entstandenen Vor­ gänge den nach Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 zu hörenden Stellen mit dem Ersuchen um Stellungnahme auch daun vorzulegen, wenn fie bereits im Laufe der Prüfung von ihnen Kenntnis genommen oder sich sonst an dem Verfahren beteiligt haben. In geeigneten Fällen, insbesondere wenn eine der bezeichneten Stellen einen dahingehenden Wunsch geäußert hat, wird ihnen bereits bei Eingang des zugefertigten Gesuchs oder im Laufe des Prüfungs­ verfahrens durch Vorlage von dem Sachverhalt Kenntnis zu geben fein. Dem Ersten Staatsanwalt bleibt es unbenommen, vor Abgabe einer Äußerung die Weisung des Oberstaatsanwalts bezüglich seiner Stellungnahme zu dem Gnadengesuch einzuholen. Etwaigen Wünschen der genannten Stellen, selbst Ermittelungen vorzunebmen, ist in weitgehendem Maße zu entsprechen. 7. Ist auf ein Gnadengesuch nach Abschluß der Prüfung dem Justizminister zu berichten (Ziffer I, 7 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919), so hat dies, sofern nicht der Umfang oder die besondere Bedeutung der Strafsache zu einer anderen, dem Ermeffen des Berichterstatters überlassenen Berichtsform nötigen, nach dem Vor­ druck Anlage C unter kurzer Darstellung des Tatbestandes und der für oder gegen einen Gnadenerweis sprechenden Gründe zu geschehen. Sind Mitverurteilte vorhanden, so hat sich der Bericht in jedem Falle auch darüber zu äußern, ob und in welchem Maße ein etwaiger Gnadenerweis auf diese auszudehnen sein würde. Auch ist in ge­ eigneten Fällen zu erörtern, inwieweit ein Erlaß der Kosten des Straf­ verfahrens angezeigt sei. Dem Bericht sind die Akten und die bei dem Beauftragten ent­ standenen Vorgänge beizufügen. 8. Wird von keiner der in Ziffer I, 5 a. a. O. -bezeichneten drei Stellen ein Gnadenerweis befürwortet und ist auch kein Bericht er­ fordert, so ist der Beauftragte für Gnadensachen ermächtigt, den Gesuch­ steller im Namen des Justizministers ablehnend zu bescheiden. Ein Muster ist als Anlage D betgefügt, das auch in den Fällen, in denen dem Justizminister die Ausübung des Gnadenrechts zusteht (Ziffer 1,3 e), zu verwenden ist. Vordrucke sind für die Bescheide nicht zu verwenden. 2) Handelt es sich um einen Beamten der Justizverwaltung, so sind die be­ treffenden Vorgänge stets dem OLGP. oder dem GStA. vorzulegen. AB. v. 29. Apr. 22 (JMBl. S. 166).

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In den Bescheiden sind alle Mitteilungen zu vermeiden, die von den Verurteilten so gedeutet werden können, daß ihnen unter gewissen Voraussetzungen, z. B. im stalle guter Führung, eine bestimmte Ausstcht auf einen künftigen Gnadenerweis eröffnet worden sei. Da der künftigen Stellungnahme der Gnadeninstanz nicht vorgegriffen werden kann, besteht die Gefahr, daß derartige Mitteilungen zu Enttäuschungen führen können, die im Interesse sowohl.des Ansehens der Gnaden­ organe wie der Verurteilten selbst zu vermeiden sind. In jedem Bescheid, der auf ein Gnadengesuch ergeht, ist an ge­ eigneter Stelle, z. B. bei Erwähnung der Verfügung des Justiz­ ministers, die Geschäftsnummer des Justizministeriums zu vermerken. 9. Bon der auf einen Bericht (Ziffer 7) ergehenden Entscheidung hat der Beauftragte für Gnadensachen alsbald den Verurteilten in Kenntnis zu setzen und die Akten alsdann unter Beifügung des bei ihm entstandenen Schriftwechsels einschließlich der Urschrift des er­ statteten Berichts und der ergangenen Entscheidung der Strafvollstreckunasbe Hörde zurückgegeben. Die Vorgänge des Beauftragen sind in die Atten nicht einzuheften, sondern gesondert bei ihnen aufzubewahreu. Die Entscheidung ist in Spalte 7 des bei dem Beaufttagten zu führenden Registers (Ziffer 4) zu vermerken. Von einer Mitteilung derselben an die in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfassung vom 19. Juni 1919 bezeichneten Stellen ist abzusehen, sofern sie nicht im Einzel­ fall ausdrücklich gewünscht worden ist. Die Benachrichtigung des Strafregisters erfolgt nach Maßgabe der Allgemeinen Verfügung vom 4. Februar 1904 (JMBl. S. 24) durch die Strafvollstreckungsbehörde.

Berichterstattung der Beauftragten für Gnadensachen von Amts wegen.

10. Die Vollstreckung von Todesurteilen ist gemäß § 485 StPO, nur dann zulässig, wenn eine Entschließung der Preußischen Staats­ regierung dahin ergangen ist, von ihrem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen. Über solche Urteile ist an den Justizmintster also auch dann zu berichten, wenn ein Gnadengesuch des Verurteilten nicht eingeht. Für die Berichterstatter aelten, auch soweit es sich um ein Todesurteil eines außerordentlichen Kriegsgerichts handelt, die vor­ stehenden Bestimmungen mit folgender Maßgabe: Sobald ein rechtskräftiges Todesurteil vorliegt, hat der Erste Staatsanwalt die Atten mit seiner Äußerung dem Beauftragten für Gnadensachen vorzulegen. Dieser hat in jedem Falle, ohne auf die Einreichung eines Gnadengesuchs zu warten, mit größter Beschleuni­ gung an den Justizminister zu berichten. Erscheint nach dem Ergebnis oer Ermittlungen die Annahme gerechtfertigt,„ daß eine nochmalige An­ hörung des Ersten Staatsanwalts zu einer Änderung seiner Stellung­ nahme nicht fuhren werde, so kann im Interesse der Beschleunigung von ihr abgesehen werden. Der Bericht ist ohne Benutzung des Vordrucks zu erstatten und ausführlich zu Hallen. Ihm sind eine Abschrift des von dem Beauf­ tragten herbeizuziehenden Berichts des Schwurgerichtsvorsitzenden und

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die Äußerungen der in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 genannten Stellen beizufügen. Der Erste Staatsanwalt hat vor Abgabe seiner Äußerung die Vorgänge dem Oberstaatsanwalt vorzulegen und dessen Stellungnahme seiner Äußerung anzuschließen.

11. Findet eine Strafvollstreckungsbehörde Anlaß zur Befürwortung eines Gnadenerweises von Amts wegen, so übersendet sie die Akten mit einer Darlegung der nach ihrer Ansicht für den Gnadenerweis sprechenden Gründe oem Beauftragten für Gnadensachen. Dieser be­ arbeitet die Sache in gleicher Weise, als wenn ein Gnadengesuch vor­ läge, und berichtet stets an den Justizminister. Ist Strafvollstreckungs­ behörde eine Staatsanwaltschaft, so kann von oer nochmaligen An­ hörung des Ersten Staatsanwalts vor Erstattung des Berichts Ab­ stand genommen werden.

IV. Bedingte Strafaussetzung, vorläufige Entlassung, Gewährung von Strafaufschub. 1. Hinsichtlich der Zuständigkeit und des Verfahrens für die Ge­ währung bedingter Strafaussetzung behält es zunächst bei der Allge­ meinen Verfügung vom 14. März 1917 (JMBl. S. 85) sein Be­ wenden. Jedoch erhält § 33 der genannten Verfügung folgenden Wortlaut: Alle Gnadengesuche sind, soweit sie nach den bestehenden Vorschriften durch Justizbehörden zu bearbeiten sind, auch nach der Richtung zu prüfen, ob der Fall sich zur Bewilligung von bedingter Strafaussetzung anstatt eines sofortigen Gnadener­ weises eignet. Mit Rücksicht darauf, daß die Prüfung der Gnadengesuche nunmehr den Beauftragten für Gnadensachen übertragen ist, wird hierbei folgendermaßen verfahren: a) Erachtet aus ein dem Beauftragten für Gnadensachen zugesertigtes Gnadengesuch keine der in Ziffer I, 5 der Allge­ meinen Verfügung vom 19. Juni 1919 bezeichneten drei Stellen einen sofortigen Gnadenerweis, wohl aber auch nur eine derselben bedingte Strafaussetzung für angezeigt, so hat der Beauftragte das Gesuch nebst den entstandenen Vor­ gängen — im Falle der Berichtserforderung unter ent­ sprechender Anzeige an den Justizminister — oer Strafvoll­ streckungsbehörde zwecks Einstellung des Verurteilten in die Liste A mit entsprechende Äußerung zu übersenden. Der Fall ist alsdann in gleicher Weise zu behandeln, wie wenn das erkennende Gericht Strafaussetzung befürwortet hätte; es ist also, falls die Strafaussetzung nicht im Rahmen der durch die Allgemeine Verfügung vom 14. März 1917 be­ gründeten Zuständigkeit gewährt wird, stets die Entscheidung des Justizministers durch Einreichung des Verzeichnisses A einzuholen. In dem Verzeichnis ist oie Stellungnahme der Gnadenbehörde in Spalte 3 unter c auszunehmen. b) Ergibt sich bei Prüfung eines Gesuchs, daß dem Verurteilten bedingte Strafaussetzung bereits bewilligt ist und wird ein sofortiger Gnadönerweis von keiner Seite für angezeigt ep

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achtet, so ist der Bescheid dahin zu fassen, daß mit Rücksicht auf die dem Verurteilten bewilligte bedingte Strafaussetzung zurzeit keine Veranlassung vorlieae, einen weitergehenden Gnadenerweis zu befürworten. War seitens des Justiz­ ministers Bericht erfordert, so ist zunächst unter Beifügung des Äesuchs eine kurze Anzeiae zu erstatten und abzuwarteu, ob Bericht dennoch für erforoerlich erklärt wird. e) Ist der Justizbehörde, bei der ein Gnadengesuch eiugeht, bekannt, daß der Verurteilte bereits in ein Verzeichnis A eingestellt, eine Entscheidung darauf aber noch nicht ergangen ist, so hat sie die Einstellung bei Weitergabe des Gesuchs an den Justizmiuister ersichtlich zu machen. Dies gilt ins­ besondere für den Fall ver vorläufigen Prüfung eines Gnadengesuchs durch den Beauftragten für Gnadensachen Ziffer III, 1, Abs. 3). 2. In Kraft bleiben ferner, sowohl hinsichtlich der Verfahren wie der in ihnen geregelten Zuständigkeiten,

a) die gemeinschaftliche Verfügung des Justizministers und des Ministers des Innern vom 21. Januar 1871 (JMBl. S. 34) über die Handhabung der vorläufigen Entlassung, b) die auf Grund des Erlasses vom 18. November 1911 ergangene Allgemeine Verfügung vom 22. Dezember 1911 (JMBl. S. 448) über die Bewilligung von Strafausstand, nebst den sie ergänzenden Bestimmungen, jedoch mit folgender Maßgabe: Erachtet auf ein Gnadengesuch keine der an seiner Prüfung be­ teiligten Stellen (Ziffer 15 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919) einen sofortigen Gnadenerweis, wohl aber auch nur eine von ihnen die Gewährung der vorläufigen Entlassung oder von Strafaus­ stand (Strafaufschub, Strafunterbrechung, Teilzahlungen) für angezeigt, so hat der Beauftragte das Gesuch nebst den bei ihm entstandenen Horgängen der Strafvollstreckungsbehörde mit einer entsprechenden Äußerung zur weiteren Veranlassung zu übersenden und hiervon, falls Bericht erfordert war, dem Justizminister Anzeige zu erstatten. Die Strafvollstreckungsbehörde hat in solchen Fällen stets die Entscheidung des Justizministers herbeizuführen, soweit sie nicht nach den vorbe­ zeichneten Verfügungen zuständig und gewillt ist, der ihr durch den Beauftragten übermittelten Anregung ihrerseits zu entsprechen.

V. Kchtrrtzttkfttmmirrrgerr. 1. Gehen bei Justizbehörden Gnadengesuche ein, für deren Be­ arbeitung oder Entscheidung der Justizminister nicht zuständig ist, so sind sie an die zuständige Stelle weilerzureichen. Bestehen über diese im Einzelfall Zweifel, so können die . Gesuche dem Jusnzminister mit der Bitte um Weitergabe übersandt werden. Bon einer Rückgabe mit dem Auheimstellen der unmittelbaren Einreichung ist in jedem Falle auch hier abzusehen. Hierzu wird bemerkt, daß das Gnadenrecht in Fällen, in denen Gerichte oes Reichs entschieden haben, dem Reichspräsidenten zusteht (Art. 49 RB. vom 11. August 1919). Gnadengesuche militärgerichtlich verurteilter Angehöriger des bisherigen preußischen Kontingents sind

A ii Hang. Ia. Allgem. Berfg. üb. d. Zuständigkeit u. d. Verfahren usw.

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dem Justizminister zur Weitergabe an die zuständige Stelle einzu­ reichen; Gnadengesuche, die sich auf polizeiliche Strasverfügungen be­ ziehen; sind an oen Regierungspräsidenten, für Berlin an den Polizei­ präsidenten abzugeben. Über die Ausübung des Gnadenrechts in den Fällen, in denen einer Gesamtstrafe Einzelstrafeu zugrunde liegen, die von Gerichten verschiedener Deutscher Staaten festgesetzt worden sind, ist durch Ziffer II der Allgemeinen Verfügung vom 29. Juni 1914 (JMBl. S. 571) Be­ stimmung getroffen. Die Herbeiführung des Einvernehmens mit den obersten Justizbehörden der anderen im Einzelfalle in Betracht kom­ menden deutschen Staaten bleibt nach wie vor dem Justizminister Vor­ behalten ; die Tätigkeit der Beauftragten für Gnadensachen erstreckt sich nur auf die preußischen Urteile. 2. Die bezüglich der bet Ziffer I, 3 a und b dieser Verfügung ge­ nannten Strafverfahren ergangene Allgemeine Verfügung über Steuer­ strafsachen vom 20. Oktober 1913 (JMBl. S. 408), die nach der All­ gemeinen Verfügung vom 18. August 1914 (JMBl. S. 693) auch auf die Strafsachen bei Ziffer I, 3c der vorliegenden Verfügung Anwen­ dung findet, bleibt unverändert in Kraft. Das Gleiche gilt von der Allgemeinen Verfügung über die Behandlung solcher Begnadigungs­ gesuche von Strafgefangenen, an denen der Geschäftsbereich der Militär­ verwaltung beteiligt ist, vom 31. Juli 1900 (JMBl. S. 530) in der Fassung Der Allgemeinen Verfügung vom 4. Februar 1908 (JMBl. S. 30), von letzterer jedoch mit Der Maßgabe, daß die Ersten Staats­ anwälte die bei ihnen eingehenden Gesuche an die Beauftragten für Gnadensachen zur weiteren Veranlassung nach Maßgabe der vorliegenden Verfügung abgeben. 3. Soweit über die Einleitung oder Fortführung der Strafvoll­ streckung gegen einen Kriegsteilnehmer wegen einer vor seiner Ein­ berufung KU den Fahnen begangenen Straftat zu befinden ist, bleibt mit Rücksicht darauf, daß der größte Teil dieser Fälle bereits erledigt ist, im Interesse einheitlicher Erledigung der Gesamtheit dieser Fälle die durch die Allgemeine Versüßung vom 4. Juni 1919 (JMBl. S. 313) getroffene Regelung auch hinsichtlich der Zuständigkeit für die Bericht­ erstattung in Kraft. Aus dem gleichen Grunde behält es bei allen Vorschriften der Allgemeinen Verfügung vom 4. Dezember 1918 (JMBl. S. 445), zur Ausführung der Amnestieverorduung des Rates der Bolksbeauftragten vom 3. Dezember 1918, und der Allgemeinen Verfügung vom 12. Dezember 1918 (JMBl. S. 504) zur Ausführung der Verordnung über eine militärische Amnestie vom 7. Dezember 1918 seitens bei* bürgerlichen Justizbehörden, sein Bewenden. 4. Hinsichtlich der gnadenweisen Löschung von Strafvermerken im Strafregister verbleibt es im Hinblick auf die voraussichtlich bald zu erwartende Neuregelung des Sirasregisterwesens und wegen des engen Zusammenhanges dieser Löschungen mit der Anordnung der Löschung von Strafvermerken in den polizeilichen Listen bei der bisherigen Handhabung und Zuständigkeit.

VI. Diese Verfügung tritt mit dem 16. September 1919 in Kraft. Gnadengesuche, die zu diesem Zeitpunkte bereits den Ersten StaatsDai cke, Strafrecht.

16. Aust.

(1922).

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Anhang. II. Allg. Vers. betr. die Bewwigung von Strafausstand.

auwälten zugefertigt sind, desgleichen sonstige den Bestimmungen dieser Verfügung unterfallende Guaoensachen, die beim Jnkralttreten dieser Verfügung schon bei einer Staatsauwaltscha't bearbeitet werden, sind noch nach den bisherigen Bestimmungen zu erledigen. Jedem Beaultragten für Gnadensacheu ist für die Erledigung der Bürogeichä'te ein Gerichtsschreiber zuzuteilen, der zweckmäßig einer Gerichtsjchretbereiabteilung für Strafsachen angehört und in seinen Sigeu Dieustaeschätteu entsprechend zu entlasten ist. Sollte dies bei ereu Behörden ohne Heranziehung von Hilfskräften nicht durch­ führbar sein, so ist, sobald hinreichende Erfahrungen über die Vermebruna der Geschäfte bet den Gerichtsschreibereien der Landgerichte infolge dieser Neuregelung des Gnadenweseus vorliegen, dem Justiz­ minister zu berichten.

II. Allgemeine Verfügung, betreffend die Bewilligung von Strafausstaud. Vom 22. Dezember 1911. (JMBl. S. 448.) 1. Über den Aufschub der Vollstreckung von Freiheitsstrafen gemäß tz 487 StrPO. entscheidet die Behörde, der oie Strafvollstreckung obliegt. II. 1. Über den Aufschub der Vollstreckung von Freiheitsstrafen gemäß § 488 StPO, entscheiden die Ersten Staatsanwälte.l) 2. Auf Grund des Allerhöchsten ErlaffeS vom 18. November 1911 übertrage ick die,Befugnis a) MM Aufschübe der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in sonstigen

b) mr Unterbrechung von Freiheitsstrafen, die in den Gefängnissen der Justizverwaltung vollstreckt werden, c) zur Stundung von Geldstrafen oder zur Bewilligung ihrer Zahlung in Teilbeträgen *) den Ersten Staatsanwälten bis zu einer Frist von Nicht mehr als sechs Monaten, den Oberstaatsanwälten bis zu einer Frist von nicht mehr als einem Jahre. Die Gewährung längerer Fristen bleibt dem Justizminister Vorbehalten. 3. Die örtliche Zuständigkeit der Ersten Staatsanwälte und Ober­ staatsanwälte zur Bewilligung von Strafausstand bestimmt sich nach dem Sitze der Behörde, der die Strafvollstreckung obliegt. 4. Die unter 2 bestimmten Fristen beginnen mit dem Tage, an dem der Strafaufschub (2 a, c) gewährt oder die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen wird. Die Befugnis, die Zahlung einer Geldstrafe in Teilbeträgen zu bewilligen, richtet sich nach dem Zeitraum, innerhalb dessen die ganze Geldstrafe gezahlt sein soll. *) Die Ersten Staatsanwälte führen jetzt den Titel Oberstaatsanwalt, diese den Titel Generalstaatsanwalt. Siehe S. 641 Anm. 5.

Anhang. II. Allg. Sers. betr. die Bewilligung von StrafauSftand.

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Werden mehrere der unter 1 und 2 bezeichneten Vergünstigungen Neben- oder nacheinander gewährt, so darf ihre Gesamtdauer die Be­ fugnisse der bewilligenden Stelle nicht übersteigen. b. Zur Ablehnung von Gesuchen sind die Ersten Staatsanwälte oder die Oberstaatsanwälte ohne Rücksicht auf die Dauer der darin nachgesuchten Vergünstigungen befugt. 6. Die Ersten Staatsanwälte haben, wenn die von ihnen für angemesseu erachtete Dauer der Vergünstigungen ihre Befugnisse über­ steigt, unmittelbar die Entscheidung der zuständigen Stelle einzuholen. Davei sind bestimmte Anträge zu stellen und, soweit erforderlich, kurz zu begrürrden. 7. Die zur Vorbereitung der Entscheidung oder der Anträge er­ forderlichen Ermittelungen sind möglichst zu beschleunigen. Auch die Entscheidung selbst muß stets davon ausgeheu, daß der Strafvollzug nicht ohne ausreichende Gründe in die Länge gezogen und dadurch in seinem Ernste und seiner Wirksamkeit beeinttächtigt werden darf. Namentlich wird die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nur in be­ sonderen Ausnahmesällen zu unterbrechen sein. Innerhalb der hierdurch gezogenen Grenzen soll aber die Be­ fugnis zur Gewährung von Vergünstigungen dazu benutzt werden, die häuslichen, wirtschaftlichen und bürgerlichen Verhältnisse der Ver­ urteilten beim Strafvollzüge zu berücksichtigen und, soweit angängig, 5u schonen. Insbesondere wird bei Geldstrafen durch angemessene Zahlungsbedingungen die Vollstreckung von Ersatz-Freiheitsstrafen möglichst zu vermeiden sein. 8. Der Endpunkt der bewilligten Fristen ist durch Angabe der Kalendertage zu bezeichnen. Handelt es sich um Vergünstigungen bei der Zahlung von Geld­ strafen, so ist die Bewilligung in oer Regel von dem Nachweis einer angemessenen Anzahlung abhängig zu machen; auch ist schon in der Entscheidung zu bestimmen, welche Folgen eintreten, wenn der Ver­ urteilte bei oer Erfüllung der Zahlungsbedingungen säumig ist. III. 1. Werden Gesuche um Bewilligung von Vergünstigungen bei den mit der Strafvollstreckung betrauten Amtsrichtern angebracht, so haben diese die Gesuche schleunigst an die Staatsanwaltschaft deS LarwgerichtS weilerzugeben. Durch die Einreichung des Gesuchs wird die Strafvollstreckung nicht gehemmt; der Amtsrichter kann sie jedoch mit Rücksicht auf das Gesuch vorläufig einstellen, sofern nicht ekue Freiheitsstrafe zu vollstrecken und diese bereits angetreten ist. Einem Ersuchen oer Staatsanwaltschaft, die Vollstreckung vorläufig einzustellen, ist in jedem Falle zu entsprechen. 2. Wird ein Strafaufschub (II 2 a, c) von nicht mehr als einem Monat nachgesucht,*) so ist der mit der Strafvollstreckung betraute Amts­ richter ermächtigt, dem Gesuche stattzugeben; hält er dies nicht kür angezeigt, so hat er nach III1 zu verfahren. Ist das Gesuch bei der 2) Nach der Allgem. Serfg. v. 6. Juli 18 (JMBl. S. 281), die durch AB. v. 19. Apr. 20 (JMBl, S. 163) aufrecht erhalten ist, ist die Er­ mächtigung für die Dauer deS Krieges dahin erweitert, daß er zur Stundung von Geldstrafen oder zur Bewilligung ihrer Zahlung von Teilbeträgen bis zu einer Frist von nicht mehr alS sechs Monaten zuständig ist. Siehe auch § 5 b. Ges, v. 21. Dezbr. 21 S. 3 dieses Buches.

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Anhang. II. Allg. Berf. bett, die Bewilligung von Strafausstand.

Staatsanwaltschaft angebracht worden, so hat diese es zunächst an den mit der' Strafvollstreckung betrauten Amtsrichter wetterzugeben.

IV. Die Gefängnisvorsteher (§ 3* der Gefängnisordnung für die Justizverwaltung v. 21. Dezember 1898) sind befugt, Strafgefangene bis zur Dauer von-nicht mehr als einer Woche unter Vorbehalt des Widerrufs zu beurlauben, wenn dringende Gründe dies gebieten und es nach Lage des Falles nicht angängig erscheint, zuvor die Ent­ scheidung der für die Unterbrechung zuständigen Stelle einzuholen. Sie haben von der Beurlaubung den Ersten Staatsanwalt (II 3) sofort zu benachrichtigen und ihm die weitere Entschließung, auch über einen etwaigen Widerruf, zu überlassen. Gibt der Gefängnisvorsteher einem Gesuch um sofortige Beur­ laubung nicht statt, insbesondere weil nach seiner Ansicht eine Be­ urlaubung mit Fluchtgefahr verbunden sein würde, so hat er das Gesuch dem Ersten Staatsanwalte sofort zur Entscheidung vorzulegen. V. Hinsichtlich der Unterbrechung von Freiheitsstrafen, die in den Gefängnissen und Strafanstalten der Verwaltung des Innern vollstreckt werden, gelten folgende mit dem Herrn Minister des Innern vereinbarte Bestimmungen: 1. Strafunterbrechung kann bewilligen der Vorsteher des Gefängnisses oder der Strafanstalt nach Zustimmung des Ersten Staatsanwalts (II 3) bis zu einer Frist von nicht mehr als 6 Monaten, der Regierungspräsident — in Berlin der Polizeipräsident — nach Zustimmung des Oberstaatsanwalts (II 3) bis zu einer Frist von nicht -mehr als einem Jahre. Die Bewilligung längerer Fristen bleibt der geweinschastlichen Entscheidung des Ministers des Innern und des Justizministers Vor­ behalten; der Oberstaatsanwalt hat sich auf Ersuchen des Regierungs­ präsidenten — in Berlin des Polizeipräsidenten — über die Straf­ unterbrechung gutachtlich zu äußern. Die Fristen werden nach II 4 berechnet. 2. Zur Ablehnung von Gesuchen sind die bezeichneten Verwaltungs­ behörden mit Zustimmung der Justizbehörden ohne Rücksicht auf die Dauer der darin nachgesuchten Strafunterbrechung befugt. 3. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verwaltungs- und den Justizbehörden ist die Entscheidung der nach V 1 zunächst höheren Stellen einzuholen. Diese entscheiden auch auf Beschwerden der von der Ablehnung eines Gesuchs betroffenen Personen. 4. Die Vorsteher der Gefängnisse (K 1 II der Dienstordnung für die dem Ministerium des Innern unterstellten Strafanstalten und größeren Gefängnisse v. 14. November 190?) können, entsprechend der unter IV den Gefängnisvorstehern der Justizverwaltung erteilten Be­ fugnis, in besonderen dringlichen Fällen Strafgefangene bis zur Dauer von einer Woche beurlauben, ohne daß es hierzu der Zu­ stimmung des Ersten Staatsanwalts bedarf; die Justizbehörden werden von der Erteilung des Urlaubs alsbald benachrichtigt. Will der Vorsteher einen Urlaub von mehr als einer Woche be­ willigen oder einem Gesuch um sofortige Beurlaubung nicht stattgeben, so wird gemäß V 1—3 verfahren.

Anhang. 111. Erlaß der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw.

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VI. Nach einer mit dem Herrn Minister des Innern getroffenen Vereinbarung (vgl. MBl. f. d. i. V. 1885 S. 47) soll die Voll­ streckung von Freiheitsstrafen gegen Personen, die sich in korrektioneller Nachhast befinden (§ 362 Abs. 3 StGB.), bis zu deren Beendigung, aufgeschoben werden, wenn sich der Aufschub mit den Interessen der Strafrechtspflege verträgt und andererseits eine Unterbrechung der Nachhaft deren Erfolg gefährden würde. Demgemäß werden tm all­ gemeinen Zuchthaus- oder längere Gefängnisstrafen unverzüglich, Haft- oder kurze Gefängnisstrafen aber erst nach Beendigung der Nachüast zu vollstrecken sein. In diesen Fällen ordnet den Strafaufschub die Behörde an, der die Strafvollstreckung obliegt. Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Strafvollstreckungs- und den Verwaltungsbehörden, so entscheidet der Oberstaatsanwalt im Einvernehmen mit dem Regie­ rungspräsidenten — in Berlin dem Polizeipräsidenten —; kommt ein Einvernehmen dieser nicht zustande, so ist die gemeinschaftliche Ent­ scheidung des Justizministers und des Ministers des Innern herbei­ zuführen (AB. v. 15. Mürz 1918 JMBl. S. 68). VII. Durch diese Verfügung werden aufgehoben: die Allgemeine Verfügung vom 26. August 1846 (JMBl. S. 152), die Allgemeine Verfügung vom "30. November 1853 (JMBl. S. 410), die Allgemeine Verfügung vom 20. Mai 1875 (JMBl. S. 144), § 10 der Allgemeinen Verfügung vom 22. August 1867 (JMBl. S. 266), § 15 der Allgemeinen Verfügung vom 14. Juli 1868 (JMBl. S. 253), Ziffer II der Allgemeinen Verfügung vom 14. August 1879 (JMBl. S. 237), die Rundverfügung vom 25. September 1880, I. 3888, die Rundverfügung vom 29. Juli 1870, I. 1721, die Rundverfügung vom 7. Juni 1881, I. 2432, die Rundversügung vom 17. Januar 1882, I. 5153, die Rundverfügung vom 6. Juli 1885, I. 2832.

III. Anhang. Erlaß der Preußischen Staatsregierung vom 2. August 1920 und Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 19. Oktober 1920 über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung. A.

Erlaß der preußischen Staatsregiernng vom 2. August (920. (JMBl. 5. 56t).

Auf Antrag des Justizministers wird genehmigt, daß die Gerichte ermächtigt werden, die Vollstreckung gerichtlich festgesetzter Freiheits­ strafen von nicht mehr als sechs Monaten unter Bestimmung einer Bewährungsfrist auszusetzen, bewilligte' bedingte Strafaussetzungen zu widerrufen und Freiheitsstrafen von' nickt mehr als 6 Monaten sowie Geldstrafen, zu deren Ersatz solche Freiheitsstrafen festgesetzt sind, nach Ablauf der bewilligten Bewährungsfrist zu erlassen.

902 Anhang. HI. Erlaß der Preuß. Staatsregierung. v. 2. Aug. 1920 usw. B. (Erlag des preußischen Staats Ministeriums vom 25. Mai (921 (IMBl. S. 349).

Auf Antrag des Justtzmtnisters wird im Anschluß an den Erlaß vom 2. August 1920 genehmigt, daß die den Gerichten erteilte Er­ mächtigung, die Vollstreckung gerichtlich festgesetzter Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Bewährungsfrist auszusetzen und ausgesetzte Freiheitsstrafen oder Geldstrafen, zu deren Ersatz die Freiheits­ strafen festgesetzt sind, nach Ablauf der Bewährungsfrist zu er­ lassen, auf solche Fälle erstreckt wird, in denen die festgesetzte Freiheitsstrafe mehr als 6 Monate beträgt, jedoch die Aussetzung nur eines Teiles der Strafe von nicht mehr als 6 Monaten in Aussicht genommen wird.

C. Erlaß des preußischen Staatsministeriums vom 2 t. Juni 192t (IMBl. S. 369). Auf Antrag des Justizministers wird im Anschluß an die Er­ lasse vom 2. August 1920 und vom 25. Mai 1921 genehmigt, daß die Ermächtigung, die Vollstreckung gerichtlich festgesetzter Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Bewährungsfrist auszusetzen und ausgesetzte Freiheitsstrafen oder Geldstrafen, zu deren Ersatz die Freiheits­ strafen festgesetzt sind, nach Ablauf der Bewährungsfrist zu er­ lassen, bei Gefängnis nnd Festungshaft den Gerichten ohne Rücksicht auf die Dauer der Strafe erteilt wird.

D. Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 19. Oktober 1920 (IMBl. S. 56t) in der Fassung der Av. vom 15. Juni \y2\ (IMBl. S. 3t9) und vom 19. Juni 1921 (IMBl. S. 369). r. Aussetzung

Strafvollstreckung durch die Gerichte.

§ 1 Auf Grund der Erlasse der Preußischen Staatsregierung vom 2. August 1920 und des Preußischen Staatsministeriums vom 25. Mai und 24. Juni 1921 werden die Gerichte ■) ermächtigt, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Vollstreckung gerichtlich er­ kannter Gefängnis-, Festungshaft-, Arrest- und Haststrasen bet Zucht­ hausstrafen die Vollstreckung eines nicht mehr als 6 Monate betragenden Teiles der Strafe unter Bewilligung einer Bewährungsfrist auszusetzen. § 2. Die Aussetzung der Strafvollstreckung soll in der Regel nur daun gewährt werden, wenn die begangene Verfehlung nicht durch Ver­ dorbenheit und verbrecherische Neigung, sondern durch Leichtsinn, Un­ erfahrenheit, Verführung oder Not veranlaßt worden ist und wenn erwartet werden kann, daß der Verurteilte sich durch gute Führung während der Bewährungsfrist eines künftigen Gnadenerweises würdig erzeigen wird. Für die Entscheidung dieser Frage ist neben den Umständen der 1) Die Ermächtigung gilt auch für die Wuchergerichte und die außerordent­ lichen Gerichte. Hellwig, Die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung in Preußen und im Reich. Anm. 1. Berlin 1922 (H. W. Müller).

Anhang.

Ist. Erlaß der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw.

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Tat vor allem daS Borleben des Verurteilten von Bedeutung. Auch der Tat nachfolgende Umstünde können in Betracht kommen, ins­ besondere, daß der Verurteilte aufrichtige Reue empfindet und den ernstlichen Willen zeigt, nach Kräften den verursachten Schaden wieder gutzumachen. Bei Schleichhandel- und Wucherveigehen ist mit be­ sonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die Aussetzung der Sirasvollstreckung mit dem öffentlichen Interesse au einer wirksamen Bekämpfung dieser gemeingefährlichen Vergehen vereinbar ist. Die Aussetzung der Strafvollstreckung gegen Mtlitärpersonen soll nur erfolgen, nachdem dem unmiitelbaren Disziplin al vorgesetzten Ge­ legenheit zur Äußerung darüber gegeben worden ist?) ob die Aussetzung

der Strafvollstreckung sich mit der Aufrechterhaltung der Disziplin verträgt. tz 3. Auch die Verhältnisse, in denen der Verurteilte während der Bewährungsfrist voraussichtlich zu leben haben wird, sind in Be­ tracht zu ziehen. In geeigneten Fällen kann die Aussetzung der Strafvollstreckung von besonderen Maßnahmen abhängig gemacht werden, so insbesondere von der Unterbringung in einet passenden Lehr- oder Dienststelle, von der Fürsorgeerziehung oder von sonstigen Maßnahmen des Bormundschastsgerichts, von der Uuierstellung unter die Schutzaufsicht einer Bertrauensstelle (Jugendgerichtshilse, Fürsorger, Fürforgeausschuß, Kreiswohlfahrtsami, Jugendamt, Fürsorgeverein, Arbeiterkolonie, Gefängnisverein, Trinkersürsorgestelle, Berufsorgani­ sation usw.). Die Stellung unter Schutzaufsicht wird sich insbesondere bei Jugendlichen häufig empfehlen. Die Aussttzung kann auch nach­ träglich von derart,geil Maßnahmen abhängig gemacht werden; auch können die getroffenen Maßnahmen abgeändert werden. Bei Minderjährigen, die der Fürsorgeerziehung oder aus anderer Veranlassung einer Erziehungs- oder Besserungsanstalt überwiesen oder die gemäß § 5 des Fürsorgeerziehungsgesetzes vorläufig unter­ gebracht find, hat das Gericht in jedem. Falle die Frage der Aus­ setzung der Strafvollstreckung auch uni er dem Gesicvtspunkte zu prüfen, daß eine Störung oder ein Aufschub des Erziehungswerkes durch den Strafvollzug möglichst vermieden werden soll. Bei diesen Verurteilten kann die Strafvollstreckung auch unter der Bedingung ausgesetzt werden, daß sie aus der Fürsorge- oder Anstaltserziehung nicht entweichen. Hält das Gericht nach der Persönlichkeit deS Ver­ urteilten, insbesondere nach seinen Vorstrafen, oder nach der Schwere der Straftat sofortigen Strafvollzug für geboten, so hat eS dem Vor­ stande des zur Fürsorgeerziehung verpflichteten Kommunalverbandes oder der Erziehungs- oder Besserungsanstalt, in Fällen vorläufiger Unterbringung dem Bormundichastsgericht, unverzüglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 3 a. Erscheint noch der Art der Straftat oder den sonstigen in Betracht kommenden Umständen die Aussetzung der ganzen Strafe als eine zu weitgehende Vergünstigung, so kann, insbesondere bei Freiheitsstrafen von längerer Dauer, die Vollstreckung eines Teile- der Strafe ausgesetzt werden. Voraussetzung ist, daß davon ein günstiger 2) Eine Hinausschiebung der Entscheidung über die Strafaussetzung soll nicht gescheut werden, wenn die Äußerung des DiSziplinarvorgesetzten noch nicht

vorliegt. Letzterer ist auch dann zu hören, wenn der Verurteilte bereits aus dem Mlitärverbande entlassen ist. AB. v. 4. April 22 (JMBl. S. 115),

904 Anhang. ITT. Erlaß der Prenß. Staatsregiernng v. 2. Ang. 1920 usw. Einfluß auf den Verurteilten erhofft werden kann. DaS wird dann der Fall sein, wenn unter Würdigung der Talumstände, der Persön­ lichkeit des Täters und der Verhältnisse, in denen er während der Be­ währungsfrist zu leben haben wird, die Annahme begründet erscheint, daß es zur Erreichung des Strafzwecks der Verbüßung der ganzen Strafe nicht bedarf, vielmehr die Erwartung gehegt werden kann, daß der Verurteilte, wenn er eine Zeitlang den Ernst der Strafvollstreckung verspürt hat, sich der in Aussicht genommenen Vergünstigung würdig zeigen und in Zukunft straffrei führen werde. Sind diese Voraus­ setzungen gegeben, so wird die Aussetzung eines Strafteils auch dann bewilligt werden können, wenn die begangene Verfehlung nicht durch Leichtsinn, Unerfahrenheit, Verführung oder Not veranlaßt worden ist. § 3b. Bei der Bewilligung der bedingten Strafaussetzung kann das Gericht in geeigneten Fällen dem Verurteilten die Auflage der Zahlung einer Geldbuße machen. Die Frist, innerhalb deren die Buße, nötigenfalls in angemessenen Teilzahlungen, zu entrichten ist, wird vom Gericht unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhäuniffe des Verurteilten bestimmt; sie kann nachträglich, jedoch nicht über das Ende der Bewährungsfrist hinaus, verlängert werden. Die Entrichtung der Geldbuße allein begründet kein Anrecht auf den in Aussicht genommenen Gnadenerweis: ein solcher ist vielmehr in jedem Falle von dem Wohlverhalten des Verurteilten während der Bewährungsfrist abhängig. Wird mit Rücksicht auf das Verhalten des Verurteilten die Vollstreckung der Strafe angeordnet, nachdem er die Buße ganz oder teilweise bezahlt hat, so hat er keinen Anspruch auf Rückzahlung. § 4. Mit der Aufklärung der Umstände, die für die Frage der späteren Aussetzung der Strafvollstreckung erheblich sein können, ist schon in dem Vorverfahren so frühzeitig zu beginnen, daß das Er­ gebnis der Ermittlungen, tunlichst bereits in der Hauptverhandlung oder bei dem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls vorlieat. Eine »erung des Verfahrens, insbesondere wenn der Beschuldigte zur er Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist aber zu vermeiden. § 5. Die Bewährungsfrist beträgt in der Regel 3 Jahre, in leichteren Fällen 2 Jahre. In Fällen nahe bevorstehender Ver­ jährung ist die Frist so zu bemessen, daß sie mindestens 3 Monate vor dem Eintritt der Verjährung abläust. Die Bewährung kann durch Gerichtsbeschluß nach Anhörung der Staatsanwaltschaft nachträglich bis aus insgesamt 5 Jahre verlängert werden, jedoch nicht über den Eintritt der Verjährung hinaus. § 6. Die Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung erfolgt durch einen besonderen, durch Rechtsmittel nicht anfechtbaren, mit Gründen versehenen Beschluß des Gerichts. Der Beschluß ist tunlichst mit dem Urteil zu verkünden oder mit dem Strafbefehl zu3) Die Geldbuße darf nur zugunsten der Staatskasse auferlegt werden. AB. v. 19. April 22 (JMBl. S. 126). Die Aussetzung kann auch von Hinter­ legung der Geldbuße abhängig gemacht werden. Ist die Geldbuße später zurück­ zuzahlen, wird im Falle der Hinterlegung das umständliche Berichtsverfahren vermieden. Hellwig a. a. O. Anm. 36 c u. 100.

A nha ng. III. E'l^ß der Preuß. Stoatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw. 905 zustellen. Kann dies nicht geschehen, so ist er besonders zuzustellen. Bei minderjährigen Verurteilten erfolgt die Zustellung auch an den gesetzlichen Vertreter oder an denjenigen, dem die Sorge für seine Person zustehl. Lassen Umstände, die bei Erlaß des Urteils oder des Strafbefehls noch nicht bekannt gewesen sind, dem Gericht nachträglich die Bewilligung der Aussetzung der Strafvollstreckung angezeiat er­ scheinen, so kann nach Anhörung der Staatsanwalischaft die Straf­ vollstreckung nachträglich ausgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Aussetzung durch einen früheren Gerichtsbeschluß ausdrücklich abgelehnt war. Insbesondere können Verurteilte, für die ein-Gnaden­ erweis zunächst nicht in Aussicht genommen ist, sich die Aussicht auf einen solchen durch gute Führung während der Strafverbüßung er­ werben. Wenn die Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrestes in Frage kommt, so ist stets auch die Strafanstalt, in der der Verurteilte den bisher vollstreckten Teil -der Strafe verbüßt hat, zu hören, ins­ besondere über seine Führung in der Strafhaft (§ 3 der Allgemeinen Verfügung vom 21. Januar 1871 — JMBl. S. 34 —) und, sofern er sich noch in der Strafhaft befindet, über die Sicherung geeigneter Unterkunft und Arbeitsgelegenheit für den Fall der Entlassung. § 7. Zuständig zur Entscheidung über die Aussetzung der Straf­ vollstreckung ist das Gericht erster Instanz. Das Berufungsgericht kann, außer wenn es die Berufung lediglich aus prozessualen Gründen verwirft, gleichzeitig mit der Entscheidung über die Berufung über die Aussetzung der Strafvollstreckung entscheiden oder sich die Entscheidung über die Aussetzung der Strafvollstreckung ausdrücklich Vorbehalten.

§ 8. Das erkennende Gericht hat bei der Festsetzung, einer Freiheitsstrafe stets von Amts wegen zu prüfen, ob Anlaß zur Aus­ setzung der Strafvollstreckung gegeben ist. Im Falle der Verneinung dieser Frage bedarf es eines besonderen Beschlusses nur, wenn sie von der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten oder seinem Verteidiger be­ antragt tvorden war, oder wenn der Verurteilte zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. § 9. Nach der Rechtskraft des Urteils oder Strafbefehls ist dem Verurteilten, dem die Aussetzung der Strafvollstreckung bewilligt ist, mitzuteilen, daß das Urteil oder der Strafbefehl nunmehr vollstreckbar sei, daß aber die Strafvollstreckung gemäß dem Beschlusse des Gerichts bis zum Ablaufe der mit dem Ende des Monats^ in dem die Mit­ teilung erfolgt, beginnenden Bewährungsfrist ausgesetzt werde. Zu­ gleich ist er unter Eröffnung der ihm etwa auserlegten besonderen Verpflichtungen über die Bedeuiung der Bewährungsfrist zu belehren und ihm auszuaeben, dem Gericht oder der Vertrauensstelle jeden Wechsel seines Wohnorts während der Bewährungsfrist anzuzeigen. In geeigneten Fällen ist er darauf hinzuweisen, daß es für die Frage demnächstiger Begnadigung von Bedeuiung sein werde, ob er den durch seine Straftat verursachten Schaden während der Bewährungsfrist nach Kräften wieder gutgemacht habe. Wird bedingte Strafaussetzung unter der Auflage der Zahlung einer Geldbuße gewährt, oder wird eine Freiheitsstrafe ausgesetzt, neben der auf eine Geldstrafe erkannt ist, so ist der Verurteilte über den Inhalt des § 3b Abs. 2 und des ß 11 Satz 3 zu belehren.

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Anhang. 111. (Svla6 der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw.

fctefe Mitteilungen haben tunlichst mündlich zu erfolgen. Es empfiehlt sich, hierzu regelmäßig auch den gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Verurteilten oder denjenigen, dem die Sorge für seine Person Zu steht, mit vorzuladen. Soll der Verurteilte unter Schutz­ aufsicht gestellt werden, so ist es angebracht, auch einem Vertreter der Bertrauensstelle Gelegenheit zu geben, der Mitteilung der Aussetzung der Strafvollstreckung an den Jugendlichen beizuwohnen. Um die Mitteilung und Belehrung kann das Bormundschastsaericht, das Jugendamt oder eine andere Behörde, bet einem in einer Anstalt untergebrachten Verurteilten die Anstallsleitung ersucht werden, wenn sich der Verurteilte an einem anderen Orte als dem Sitze des Gericht- aufhält. § 10. Gewinnt die Strafvollstreckungsbehörde die Überzeugung, daß der zu einer Geldstrafe Verurteilte auch bei gutem Willen zur Abtragung der Geldstrafe selbst in Teilzahlungen nicht imstande ist, so hat sie, wenn der Verurteilte zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch wcht vollendet hatte, oder wenn sie die Aussetzung der Voll­ streckung der Ersatzfreihettsstrafe für angezeigt erachtet,*) die Akten dem Gericht zur Entscheidung gemäß § 1 ff. vorzulegen. In diesem Falle bedarf der Beschluß des Gerichts über die Bewilligung oder die Ab­ lehnung der Aussetzung der Strafvollstreckung nicht der Zustellung; im Falle der Bewilligung genügt die gemäß § 9 erfolgende Mit­ teilung, im Falle der Ablehnung gibt das Gericht die Akten der Strafvollstreckungtzbehörde zurück. § 11. Die Justizbehörden, insbesondere die Strafverfolgungs­ behörden, die Strafvollstreckungsbehörden, die Strafanstalt, in der der Verurteilte Sttafe verbüßt, und das Bormundschaftsgericht haben dem erkennenden Gericht erster Instanz mitzuteilen, wenn ihnen bekannt wird, daß der Verurteilte sich schlecht führt. Geht dem Gericht von dieser oder anderer Seite eine solche Mitteilung zu, so ist es ermäch­ tigt, nach Anstellung der etwa erforderlichen weiieren Ermittlungen und nach Anhörung der Staatsanwaltschaft die Bewährungsfrist zu verlängern, dem Verurteilten andere als die zunächst vorgesehenen Auf­ lagen 64) 5auch nach § 3d zu machen, weitere Maßnahmen des Vormund­ schaftsgerichts oder der Fürforgeerziehungsbehörde anzuregen oder die Aussetzung der Strafvollstreckung zu wioerrufen?) Dies' gilt insbe4) Siehe §§ 5 ff. des Ges. v. 21. Dezember 21 S. 4 dieses Buchs und die AB. v. 29. Juni 21 (JMBl. S. 368). 5) Hat der Verurteilte neben einer bedingt ausgesetzten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu zahlen, so finden die Vorschriften des § 11 Abs. 1 Sotz 2 in Ver­ bindung mit § 3 b Abs. 1 Satz 2 u. des 8 11 Satz 2 sowie § 19 Satz 2 ent­ sprechende Anwendung. Berf. d. IM. v. 5. Septbr 21 (JMBl. S. 482). 6) Werden dem Gettcht, nachdem es Strafaussetzung gewährt hat, nachträglrch Tatsachen bekannt, die es, wenn sie ihm zur Zeit des Beschluffes bekannt gewesen wären, bei Würdigung deS Wesens der bedingten Strafaussetzung von der Gewährung dieser Vergünstigung abgeholten haben würden (z. B. erhebliche Vorstrafen, andere schwelende Strafverfahren), so ist es in der Lage, je nach den Umständen des Einzelfalls den gefaßten Beschluß wieder aufzuheben und die Vollstreckung der erkannten Strafe anzuordnen, auch wenn eine schlechte Führung deS Berutteilten seit der Sttafaussetzung nicht fest gestellt ist. (Verf. d. IM. v. 19. Jan. 22 (JMBl. S. 30).

Anhang. III. Erlaß der Preuß. Staatßregierung v. 2. Aug. 1920 usw. 907 sondere im Falle des 8 3 a, wenn der Verurteilte sich während der Strafvollstreckung schlecht führt, oder im Falle des § 3 b, wenn er die Buße oder wenn er eine neben der ausgesetzten Freiheitsstrafe er­ kannte Geldstrafe schuldHasterweise nicht pünktlich zahlt. Bei einem Verurteilten, der sich in Fürsorgeerziehung oder aus anderer Veranlassung in einer Fürsorge- oder Besserungsanstalt befindet, ist vor dem Widerruf der Aussetzung die Entscheidung des Justizministers einzuholen, wenn der Vorstand des zur Fürsorgeerziehung verpflichteten Kommun al Verbandes oder der Vorstand der Erziehungsanstalt oder Besserungsanstalt der Strafvollstreckung widerspricht. War jedoch die Aussetzung der Strafvollstreckung von vornherein an die Bedingung geknüpft, daß der Verurteilte aus der Fürsorge- oder Anstaltserziehung nicht entweiche, so kann, wenn die Bedingung nicht erfüllt wird, die Strafvollstreckung ohne weiteres eingeleitet werden. en im Falle des § 3 b Abs. 2 Satz 2 Billigkeilsgründe die ung der bereits ganz oder zum Teil entrichteten Buße oder einen anderweiten Gnadenerweis angebracht erscheinen, so find die Akten dem Beauftragten für Gnadensachen zwecks Berichterstattung an den Justtzminister vorzulegen.

a

§ 12 Gegen Ablauf der Bewährungsfrist zieht das Gericht erster Instanz Erkundigungen nach der Führung des Verurteilten in der Zwischenzeit ein. Soweit den Auskunstspersonen der. Zusammenhang der Anfrage mit einer früheren Bestrafung bekanntgegeben werden muß, ist kenntlich zu machen, daß es sich um die Frage des Erlasses der Strafe auf Grund guter Führung handelt; es ist zu verhüten, daß die Nachfrage unter dem Gesichtspunkt einer kriminalpolizeilichen Ermittlung aufgefaßt wird. Zum Nachweis einer guten Führung ist nicht genügend, daß über den Verurteilten nichts Nachteiliges bekanntgeword.n. ist, sondern es bedarf der tatsächlichen Feststellung eines zufriedenstellenden Gesamt­ verhaltens. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Verurteilte den bei Erwir­ kung der Strafaussetzung in ihn gesetzten besonderen Erwartungen (Unter­ stellung unter Schutzaufsicht, Eintritt in die Lehre, Leistung von Schadens­ ersatz, Enthaltung von geistigen Getränken usw.) entsprochen hat. 8 13. Ergeben die eingezogenen Erkundigungen, daß sich der Verurteilte während der Bewährungsfrist gut geführt hat, so ist das Gericht ermächtigt, nach Anhörung der Staatsanwaltschaft GefängnisFestungshaft-, Arrest- und Haftstrafen ohne Rücksicht auf die Dauer, bei Zuchthausstrafen Reststrafen von nicht mehr als 6 Monaten zu erlassen; das aletche gilt für Geldstrafen, zu deren Ersatz solche Frei­ heitsstrafen festgesetzt sind. Hält das Gericht zwar.einen Gnadenerweis, aber nicht den vor­ behaltlosen Erlaß der Strafe für angezeigt, so kann es dem Ver­ urteilten nachlassen, die Strafvollstreckung durch Zahlung einer Geld­ buße abzuwenden. 8 14. Von der Bewilligung der Aussetzung der Strafvollstreckung und ihrem etwaigen Widerruf, von einer Verlängerung der Be­ währungsfrist sowie von dem Gnadenerweis hat das Büro der Strafvollstreckungsbehörde das Strafregister unverzüglich zu benach­ richtigen?)

7) Siehe wegen des Rückfalldiebslahls Anm. 2 Anhang V.

908

Anhang.- NI. Erlah der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw.

§ 15. Die Vorbereitung und die Ausführung der Entscheidungen des Gerichts liegen dem Vorsitzenden oder einem von ihm bestellten Mitglied ob. § 16. Ist der Verurteilte von mehreren Gerichten zu Freiheits­ strafen verurteilt, die er noch nicht verbüßt hat, oder wird gegen ihn ein neues Strafverfahren anhängig, so haben sich die beteiligten Be­ hörden miteinander m Verbindung zu setzen, um eine einheitliche Behandlung der Aussetzung der Strafvollstreckung, des Widerrufs und des Gnadenerweises herbeizuführen. Gelingt eine Einigung nicht, so hat dasjenige Gericht, das die Strafe vollstrecken will, an den Justizminister zu berichten. Ist das. Gericht eines anderen Landes beteiligt, so ist die Allgemeine Verfügung vom 29.-Juni 1914 (JMBl. S. 571) entsprechend anzuwenden.

§ 17. Alle vor oder nach der Verurteilung erforderlichen Er­ kundigungen sind schonend einzuziehen. Als Auskunstsstellen kommen, abgesehen von den Gemeinde- und Polizeiverwaltungen sowie der Bertrauensstelle, welche die Schutzaufsicht übernommen hat, insbe­ sondere die Jugendgerichts Hilfe, Fürsorgevereine, Jugendämter, Kreis­ wohlfahrtsämter, Fürsorgeausschüsse und dergleichen, Waisenräte, Geistliche, Lehrer, unter Umständen auch Arbeitgeber, Lehr- und Dienstherren in Betracht. Auf eine vertrauliche Behandlung der An­ frage ist hinzuwirken.

11. Aussetzung der Strafvollstreckung durch den Justizminister.

§ 18. Erachtet das Gericht die Aussetzung der Strafvollstreckung in einem Falle für angezeigt, in welchem es zu ihrer Bewilligung nicht ermächtigt ist, so spricht es dies in einem mit Gründen ver­ sehenen Beschluß aus, sieht aber von dessen Verkündung oder Zu­ stellung ab. Nach der Rechtskraft des Urteils legt die Straf­ vollstreckungsbehörde den Beschluß mit ihrer Äußerung dem Beauf­ tragten für Gnadensachen vor, der gemäß III, 11 der Allgemeinen Verfügung vom 26. August 1919 (JMBl. S. 405) verfährt. § 19. Die dem Gericht in § 11 erteilte Ermächtigung gilt auch für diejenigen Fälle, in denen die Aussetzung der Strafvollstreckung von dem Justizminister bewilligt ist. Das Gericht kann für die Ent­ richtung Teilzahlungen litib Fristverlängerungen innerhalb der Be­ währungsfrist bewilligen, wenn der Jnstizminister die Auflage der Zahlung einer Geldbuße gemacht hat. § 20. § 13 gilt auch für diejenigen Fälle, in denen die Aus­ setzung der Vollstreckung einer Gefängnis-. Festungshaft-, Arrest- oder Haftstrafe oder oei Zuchthausstrafen die Vollstreckung einer Reststrafe von nicht mehr als 6 Monaten durch den Justizminister bewilligt ist.

§ 21. In denjenigen Fällen, in denen nicht gemäß §§ 13, 20 das Gericht zum Erlasse der Strafe ermächtigt ist, zieht gegen Ablauf der Bewährungsfrist der Beauftragte für Gnadensachen die erforder­ lichen Erkundigungen ein und ersucht sodann das Gericht erster Instanz sowie die in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 (JMBl. S. 341) bezeichneten Stellen um eine

Anhang.

III. Erlaß der Preuß. Staatsregi^rung v. 2. Aug. 1920 usw.

909

Äußerung über die Herbeiführung eines Gnadenerweises. Nach Eingang der Äußerungen berichtet er stets an den Justizminister.

§ 22 Soweit nicht in den £§ 18 bis 21 etwas abweichendes bestimmt ist, findet Abschnitt I dieser Verfügung auch auf die Fälle des Abschnitts II singemäße Anwendung.

III. Gnadengesuche.

§ 23

Alle Gnadengesuche, in denen lediglich um Aussetzung der Strafvollstreckung gebeten wird, sind von den Justizhehöroen, bei denen sie Eingehen, unmittelbar dem erkennenden Gericht erster Instanz zu übersenden. Ist das Gericht zur Aussetzung der Strafvollstreckung ermächtigt, so verfährt es gemäß Abschnitt L Will es nach Abschluß der Er­ mittelungen die Aussetzung nicht bewilligen, so gibt es das Gesuch mit seiner Äußerung an den Beauftragten für Gnadensachen weiter. Dieser hat, wenn auch keine der in Zister I, ö der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juni 1919 (JMBl. S. 431) bezeichneten drei Stellen die Aussetzung der Strafvollstreckung oder einen alsbaldigen Gnadenerweis befürwortet, das Gesuch ablehnend zu bescheiden, andernfalls an den Justizminister zu berichten. Der Berichterstattung bedarf es nicht, wenn von keiner Seite ein alsbaldiger Gnadenerweis befürwortet und einer Anregung auf Aussetzung der Strafvollstreckung von dem Gericht bet nochmaliger Vorlegung der Akten entsprochen wird. Sind die Voraussetzungen des § 1 nicht gegeben, so gibt das Gericht das Gesuch ohne weitere Ermittelungen mit einer vorläufigen Äußerung an den Beauftragten für Gnadensacheu weiter. Dieser zieht, wenn das Gericht die Erörterung der Aussetzung empfiehlt, die erforderlichen Erkundigungen ein und verfährt sodann gemäß Ziffer III, 11 der Allgemeinen Verfügung vom 26. August 1919 (JMBl. S. 405). Spricht sich das Gericht gegen jede Berücksichtigung des Gesuchs aus, so verfährt der Beauftragte für Gnadenjachen gemäß Abs. 2 Satz 3.

§ 24. Auch alle übrigen Gnadengesuche sind, soweit sie nach den bestehenden Vorschriften von Justizbehörden zu bearbeiten sind, von dem Beauftragten für Gnadensachen nach der Richtung zu prüfen, ob der Fall sich zur Bewilligung der Aussetzung der Strafvollstreckung anstatt eines sofortigen Gnadenerweises eignet. Erachtet auf ein dem Beauftragten für Gnadensachen zuaefertigtes Gnadengesuch keine der in Ziffer I, 5 der Allgemeinen Verfügung vom 19. Juli 1919 (JMBl. S. 341) bezeichneten drei Stellep einen sofortigen Gnadenerweis, wohl aber auch nur eine von ihnen die Aus­ setzung der Strafvollstreckung für angezeigt, so hat der Beauftragte das Gesuch nebst den entstandenen Vorgängen dem Gericht erster In­ stanz vorzulegen. Der Vorlegung bedarf es nicht, wenn das Gericht die Aussetzung der Strafvollstreckung bereits abgelehnt hat, es sei denn, daß sich neue Umstände ergeben haben, die für die Aussetzung sprechen. Erachtet, das Gericht die Aussetzung der Strafvollstreckung für angezeigt, so regelt sich das weitere Verfahren nach den Bestim­ mungen in Abschnitt I und II. Hatte der Justizminister Bericht über das Gnadengesuch erfordert, so erstattet tbm in den Fällen des Ab­ schnitts I das Gericht Anzeige von der Bewilligung der Aussetzung;

910

Anhang. III. Erlaß der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw.

diese Anzeige übersendet es lern Beauftragten für Gnadensachen zur Weitergabe an den Justizminister. Spricht sich das Gericht gegen die Aussetzung der Strafvollstreckung aus. so gibt eS das Gesuch nebst den Vorgängen dem Beauftragten für Gnadensacheu zur weiteren Be­ handlung zurück?) Bewilligt das Gericht aus ein dem Beauftragten für Gnadeusachen noch nicht zugefertigtes Gnadengesuch dem Verurteilten Strafaussetzung himichtttch der erkannten Freiheitsstrafe oder eine- Sirasteils, so be­ darf eS der Vorlegung deS Gesuchs beim Justizminister nur. wenn eine der hörenden Stellen (I 5 der Allg. Berf. vom 19. Juli 1919) einen sofortige» Gnadeuerweis befürwortet hat, oder wenn der Berurteilte dieS, nachdem ihm die gerichtliche Entscheidung mitgeteitt worden ist, ausdrücklich verlangt.")

§ 85 Auch wenn der Justizminister auf den Bericht des Be­ auftragten für Gnadensachen die Aussetzung der Strafvollstreckung bewilligt hat, erfolgt die im 8 9 vorgeschrrebene Mitteilung durch das Gericht. IV.

Vorläufige Entlassung.

z 86. Anträge aus vorläufige Entlassung eines Verurteilten (88 23ff. StGB.) sind stets auch nach der Richtung zu prüfen, ob etwa die Aussetzung vorzusiehen ist. Dies wild namentlich dann der Fall sein, wenn die Genehmigung der vorläufigen Entlassung deshalb bedenklich erscheint, weil im Hinblick auf die Beschaffenhell der Straf­ tat oder die Persönlichkeit des Verurteilten die bis zum Abläufe der Strafzeit noch verbleibende Frist (8 26 StGB.) eine zu kurze Be­ währungsfrist darstellen würde. In diesen Fällen ist die Ausfi tzung der Strafvollstreckung lediglich danach zu beurteilen, ob sie für die nicht uugängig erscheinende vorläufige Entlassung des Verurteilten Ersatz zu bieten vermag. Gegebenenfalls hat die Staatsanwaltschaft die Strafakten und die Akten der Strafanstalt mir sämtlichen auf die zunächst in Aussicht genomm'ne vorläufige Entlassung bezüglichen Vorgängen dem Gerichte ureun dieses zur Aussetzung zuständig ist, andernfalls dem Beauf­ tragten für Guadensachen zu übersenden. DaS Gericht verfährt ge­ mäß Abschnitt I; will es nach dem Abschlüsse der Ermittlungen die Aussetzung nicht bewilligen, so gibt es das Gesuch mit seiner Äußerung an hen Beauftragten für Gnadeusachen weiter. Der Beauftragte für Gnadeusachen. dem ein Antrag auf vorläufige Entlassung gemäß Abs. 2 vorgelegt wird, berichtet stets an den Justiz­ minister nach dem Muster der Anlage C der Allgemeinen Verfügung vom 26. August 1919 (JMBl. S. 405). In Spalte 4 ist neben der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und deS beteiligten Anwalts stets auch diejenige der Strafanstalt anzugeben. 8 23 Abs. 2 Satz 4 findet entsprechende Anwendung. 8) Auch vor Zufertigung deS Gnadengesuchs kann dem erkennenden Gericht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Berf. d. IM. v. 4. Apr. 21 (JMVl. S. 276). 9) Der Grundsatz deS Abs. 3 gilt auch für den 8 24 Abs. 3. AB. v. 21. April 22 (JMBl. S. 143).

Anhang. III. Erlaß der Preuß. Staatsregierung v. 2. Aug. 1920 usw. 911 V.

Übergangs- und Schlußbestirnmuugeu.

§ 27. Inwieweit die am 31. Oktober 1920 schon im AussetzungSverfahren laufenden Strafsachen noch nach den bisherigen Bestimmungen zu erledigen sind, bleibt dem Ermessen der zuständigen Behörden der Staatsanwaltschaft überlassen.

§ 28. Die dem Gericht in den §§ 11 und 13 erteilte Ermäcktiaung gilt auch für diejenigen Fälle, in denen die Aussetzunader Sirasvoltstreckung von einer Behörde der Staatsanwaltschaft betmlligt worden ist. § 29. Nach Schluß eines jeden Vierteljahr- sind die Ergebnisse der Ausietzung der Strafvollstreckung aus dem abgelaufenen Viertel­ jahr nach dem in der Anlage abgedruckten Muster mitzuteileu. Das Büro des aufsichtführenden AmtsgerichtsratS hat diese Mitteilung an den Präsidenten des Landgerichts zu machen. Das Büro deS Präsidenten des Landgerichts hat eine Zusammenstellung für daS Landgericht und die Amtsgerichte an den Präsidenten deS Oberlandes­ gerichts zu senden. DaS Büro des Präsidenten deS OberlaudesgerichtS hat die Zahlen für den Oberlandesgerichtsbezirk zusammenzustellen und die von ihm gefertigte Zusammenstellung der Geheimen Kalkulatur deS Justizministeriums bis zum 15. Februar, 15. Mat, 15. August, 15. November mitzuteileu. Die erstmalige Übersicht nach dem ttt der Anlage abgedruckten Muster umfaßt Die Zeit biS zum 31. Dezember 1920. In sie find nur gerichtliche Entscheidungen auszunehmen. Daneben verbleibt eS für daS Jahr 1920 bei der Aufstellung der in der Allgemeinen Ver­ fügung vom 9. Mai 1917 vorgeschriebenen Übersicht C. Vom Jahre 1921 ab fällt die in der Allgemeinen Verfügung. vom 9. Mai 1917 vorgeschitebene Übersicht C fort: die dann etwa noch ergehenden Ent­ scheidungen der Behörden der Staatsanwaltschaft sind um er den für entsprechende gerichtliche Entscheidungen bestimmten Nummern mit farbiger Tiule besonder- aufzuführen. 8 30. Für die Fälle der §8 35 bi- 38 der Allgemeinen Ver­ fügung vom 14. März 1917 (ZMBl. S. 85) bleibt jene Allgemeine Verfügung in Kraft. Im übrigen wird sie samt den Bestimmungen unter Ziffer I, 3 bis 5 der Allgem« inest Verfügung vom 9. Mab 1917 (IM Bl. S. 166) — vorbehaltlich der Übergangsbestimmung in 8 29 — und unter Ziffer IV, 1 der Allgemeinen Verfügung vom 26. August 1919 (JMBl. S. 405) aufgehoben.

912

Übersicht über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung.

Oberlandesgerichtsbezirk Landgerichtsbezirk Amtsgericht in

Übersicht über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung für das

Kalendervierteljahr 192

Allgemeine Verfügung vom 19. Oktober 1920 (JMBl. S. 565).

Übersicht über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung.

913

Von den in Spalte I

Personen die bei Begehung der strafbaren Handlung

noch nicht 18 oder mehr 18 Jahre alt Jahre alt waren waren und -war

die verurteilt sind -

wegen

' in einer Strafsache !! anhängig in erster Instanz vor

und zwar

männ ! weib- männ-I weib­ iid)en| lieben lichen Eichen Geschlechts i

2

!

3

GeichiechtS

4

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ft

6

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7

J. Bewilligung von Straf­ aussetzungen:

a) durch Verfügung d. Jttstizminiuers b) durch Beschluß des Gerichts.... 2. Verlängerung von Be> Währung-fristen: . .

a) durch Verfügung d. Justiznunisters b) durch Beschluß des Gerichts....

3. Vorbehaltloser Erlaß der Strafe nach. Ablauf der Bewährungsfrist, und -war: .... a) der ganzen Strafe

b) der Reststrafe .

.

4. SonstigeGnadenerweike «am Ablauf der Be» Währungsfrist . . .

5. Erledigung von Straf­ aussetzungen durch. . a) Widerruf

.

.

.

b) Einleitung. der Strafvollstreckung nach Ablauf der Bewährungsfrist.

c) Begnadigung wäh. rend der Bemäh. rung-frtst . . . d) Tod. Flucht. Berjährung oder auf andere Weise . .

Saide, Strafrecht.

16. Aust.

(ivN),

Ü8

Übersicht über die bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung.

914

bezeichneten Fällen betrafen

die Aussetzung der Vollstreckung zujammen

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und zwar von Freiyeiisstrase von

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§ 13

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zogen XXVI 262; Unterbrechung ; durch Strafverfügung 453 und Strafbescheide 453 u. XXVI a. Verkaufsstellen, offene xv 139c, 139m, 147. Verkündung, s. Urteil. Verlassen (Aussetzers«! 221. Verleger. Benennung auf Druck­ sachen IX 6; Verantwortlichkeit 21; Schadensersatzpflicht XX 1. Verleitung zu strafbaren Handlungen UI 48, 49a, 111, zur Desertion 141; zur Auswanderung 144; B. z. A. von Frauenspersonen S. 102 Anm. 60; zum Meineid 159,160; zur Eheschließung 170; zum Beischlaf 179, 182; eines Be­ amten 357. Verlesung von Protokollen XXVI71, 186, 250, 253; B. von Urkunden in der Hauptverh. 248, 255, 366; *93. von Urteilen 267, 365; des Gefchworenenspruchs 308,313.

Verletzter. Ausschließung des. v. Gerichtsvollz. XXin 156; des Richters XXVI 22 Nr. 1—3;BeschW. des B. wegen Ablehnung des Klageerhe­ bungsantrages 170; Privatklage des B. 414; Anschluß als Nebenkl.

der Gesetze, die arab 1 s chen die HZ derselben.

435; Befugnis zum Strafantrag III 65. Verleumdung in 187; xx 15. Verlobte. Zeugnisverweigerungsrecht XXVI 51 Nr. 1, 57. Verlust der bürgerl. Ehrenrechte III 31; des ösfentl. Amts 33; des Ge­ werbescheins XVII 16. Vermögen Beschlagnahme. III 93.

Bermögensschadeu, Freigesproche­ ner XXX2, XXXI 3. Vermutung des Verzichtes auf d. Wiedereinsetzungsgesuch XXVI356, 382.

Vernehmung. Allgem. XXVI 136;

969

163; eidesstattliche B. der Forst­ schutzpersonen XI 25.

Berfichernngs - Anstalten, - Gesell­ schaften NI 360 Nr. 9; Täuschung 277—280.

Verstandesschwache Personen. Unterlaffung ihrer Vereidigung XXVI 56 Nr. 1.

Versteigerer. Untreue Ui 266 Nr. 3; Gewerbe XV 36. Versteigerung. Abhatten von Bieten vor d. B. S. 2 Anm. 2; unbefugtes Abhalten von B. III 367 Nr. 16. Berstricknng ni 137. Versuch NI 43—46; in Forst­ diebstahlssachen XI 4; in Feld- n. F.P.-Sachen XII 3 Nr. 2.

B. eines vorläufig Festgenommenen 128, 132; B. des Beschuld. 133, 164 (Vorverfahren); 190 (in der Verteidiger, Verteidigung, QualiBorunters.); 237, 242 (i. d. Hauptfikation XXVI 138, 144; Sub­ verhandl.); 365 (i. d. Berufungs­ stitution 139; Ausschließung von instanz); des Borgeführten 135; bereits als B. in der Sache tätig kommissarische Vernehmung des A. gewesenen Gerichtspersonen 22 Nr. oder von Zeugen 232, 2.22; 4, 31, 32; Zeugnisverweigerungs­ V. der Zeugen und Sachverst. über­ recht des V. 52 Nr. 2; keine Ord­ haupt 58, 60, 66, 72, 78ff.; kein ; nungsstrafen gegen B. (XXIII 180 eidl. V. seitens der StA. 159; ■ aufgehoben); Wahl des V. XXVI Fälle notwendiger Anwesenheit des , 137; durch Angehörige 322, 328; StA. u. A. bei Vernehmungen 39Ist. Notwendigkeit der V. 140; Be­ zahlung des bestellten V. 150; Akten­ Vernichtung von Urkunden III 92 einsicht des V. 147; Verkehr mit Nr. 2, 133, 274 Nr. 1, 280; von Hem Verhafteten 148; Anwesenheit Sachen 137; von Grenzsteinen 274 im Vorverfahren 167; in der Vor­ Nr. 2, 280; von Handelsbüchern untersuchung 191; Kreuzverhör u. IV 239; von mit Warenzeichen ver­ Fragerecht 238,239; Schlußvortrag sehenen Gegenstände XXI19; von 257; Einlegung der Rechtsmittel Spuren der Tat XXVI 112; Ver­ fahren 476—479. 324,339, 344; Unterzeichnung der Veröffentlichung von Truppenbe­ Revisionsschrift 385; des Wieder­ aufnahmeantrages 406; Offen­ wegungen IX 15; von Anklage­ barung von Geheimniffen III 300. schriften 17, 18. Verrat Militär. Geheimnisse S. 47. Vertrauensmänner xxiii 40 ff.,

Versammlung s. Vereinsgesetz Versäumniskosten der Zeugen XXVI

85; Vergütung der Reisekosten 55; Ordnungsstrafen 56.

70; der Sachverst. 84; bei unmittel­ barer Ladung 219. Verschwägerung, s. Schwägerschaft oder Angehörige 219. Verschwiegenheit, s. Amtsgeheimnis. Versickerung g. Feuersgefahr m 265. Versicherung auf den geleisteten Eid

Vertreter, Vertretung. B. des A. in der Hauptverh. XXVI 233; des

XXVI 66, 79; auf den Diensteid NI 155; an Eidesstatt 156, 161, I

abwesenden A. 322, 328; B. in der Revisionsinstanz 390; in der Privatklage 427; im Verfahren nach amtsrichterlichem Strafbefehl 451; nach polizeilicher Strafverfügung 457; B. des Privatklägers 418; des Nebenklägers 437; der Der-

970

Dierömischen Ziffern bezeichnen die Nummern

waltungsbehörde464; dritter Inte­ ressierter 478. Vertrieb, öffentl.. von Druckschriften XV 43, 56. Verunreinigung von Gewässern XII 27. Verunstaltung öffentlicher Bekannt­ machungen III 134. Verwalter. Untreue HI 266 Nr. 1. Berwaltungsbeamte höhere kein Schöffe XXIII 34. Verwaltungsbehörden Strafbescheid XXVI 459. Verwandtschaft. Grund zur Aus­ schließung eines Gerichtsvollziehers XXII1156; eines Richters, Schöffen oder Geschworenen XXVI 22 Nr. 3; 31,32;Zeugnisverweigerungs­ grund 51 Nr. 3 ff.; 57, 72,76; Be­ rechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens 401. Verweigerung des Zeugnisses oder Eides XXVI 51, 52, 54, 55, 57, B. eines Gutachtens 72, 76; über die Beschlagn. der Korrespondenz zeugnisverweigerungsberecht. Per­ sonen 97. Verweis b. jugendl. Pers. III 57 Nr. 4; bei Forstdiebstahl ausge­ schlossen XI 10.

Vögel XIV 1 ff., XII33; Ausnehmen v. Eiern u. Jungen III368 Nr. 11.

Bogelschutzgesetz XIX S. 397. Boltsschullehrer. Keine Befteiung vom Schöffenamt § 34 Nr. 8 GVG. aufgehoben. Vollmacht. Erfordernis schriftlicher B. eines Verteidigers XXVI 233, 390,451,457,478; Befreiung der Angehörigen von besonderer B. 322; Privatklageverfahren 418, 427. Vollstreckbarkeit des Strafurteils XXVI 481; des polizeilichen Straf­ befehls XXVIII 10. Vollstreckung von Entscheidung XXVI 33; der Strafen 481; von Bermögensstrasen 495; B. der Strafbesehle in Forstdiebstahlssachen XI 33; V. durch Gerichtsschreiber S. 833 Anm. 71a. Bollstreckungsbeamte. Ausschluß vom Schöffenamte XXIII34 Nr. 6. Borbeisahren mutwilliges Verhindern dess. VIII 366 Nr. 3.

Vorbereitendes Verfahren xxvi

Gegenüberstellung von Zeugen 58; Beeidigung 65; Verteidigung 142, Vernehmung des Beschuldigten 164; Abschluß 168. Vorbereitende Handlungen bei Verweisung an das zuständige Ge­ Hochverrat III 83—86. richt XXVI270,369,395; B. einer Vorführung. Zwangsweise B. von Schwurgerichtssache wegen Irrtums Zeugen XXVI 50; V. Festgenommener128; des Beschuldrgten der Geschw. 317. Verzicht aus Rechtsmittel XXVI344; 134;$. des ausgebliebenen A. 229, 235, 370, 427; behufs Strafvoll­ gesetzlich vermuteter Verzicht auf ! ein Wiedereinsetzungsgesuch 356, streckung 489. Vorgesetzte. Rügen ili 193; An­ 382; Verzicht auf den Einspruch trag bei Beleidig. Untergebener 196, gegen Strafbefehle 449; Bedeutung 232; Verleitung Untergebener 357. des Verzichtes für die Anrechnung Vorläufige Einstellung des Ver­ der Untersuchungshaft 482; V. auf fahrens XXVI 196, 208. das Einspruchsrecht gegen Straf­ Vorläufige Festnahme xxvi 127. befehle in Forstdiebstahlssachen Vorlesung, s. Verlesung. XI 28. Vormund Unfähigkeit dazu III 34; Vieh. Unbef. Treiben dess. III Befugnis zum Strafantrag 65; 368 Nr. 9; XII 10; ohne Auf­ Unzucht 174; Kuppelei 181; Liebst. sicht lassen 11, 12; unbefugtes 247; XII 22; Entziehung aus der Weiden 14,15. Gewalt d. B. III 235; Entführung Vieheinfuhrverbote. Gesetz z. Abwehr 237; Untreue 266; Betrug gegen d. Rinderpest, S. 238 Anm. 58. B. 263 Abs. 4; Ausschließung als Viehfutterweguahme iu 370 Nr. 5, Viehseuche m 328. Richter usw. XXVI 22 Nr. 2,31,32.

der Gesetze, die arabischen die 88 derselben.

Vorstrafen bei Rückfall III 244 An­ hang V S. 947. Voruntersuchung. Allgemeines üb. die Zulässigkeit XXVI176; Antrag

Vorräte als Gegenstand der Brandftiftung ID 308; feuergefährl. 367 Nr. 6. Vorschlagsliste xxm 87—89. Vorfchudleisten der Unzucht m 180. Porschutz für Zeugen und Sachverst. XXIII 166. Borfitzender des Schöffenger. XXIII 26; der Straft. 61 ff.; des Schwurger. 83, 92ff.; Handhabung der Sitzungspolizei 177, 181; allg. Befugnisse 196 (199); XVVI 124, 141, 144, 147, 199, 212, 218, 219, 220, 237 ff., 271, 426, besondere Tätigkeit des B. bei den Schwurger.: Bildung der Geschwo­ renenbank 281 ff.; Fragestellung 290; Rechtsbelehrung 300, 306; Unterzeichnung des Wahrspruchs 308; Beschwerde gegen den V. 346.

der StA. 168, 177; Verfahren auf den Antrag 179—181; Eröffnung und Führung der B. 182, Erlaß der Entscheidungen durch die Straskammer XXIII 72, XXVI 182, Einwendung der Unzuständig­ keit 16, 17; Beeidigung in der B. 65, 72; Haftbefehle 124; Akten­ einsicht durch den Verteidiger 147; die StA. 194; Vernehmung desA., der Zeugen und Sachverständigen 190, 191 ff.; Schluß der«. 195; über hie B. im Wiederaufnahme­ verfahren 409. Vorverfahren, s. vorbereit. Vers, und Borunters.

Waffen, Bringen in feindl. Gewalt III 90 Nr. 3; Verteilung an unbe­ fugt gesam. Mannschaft 127; Haus­ friedensbruch m. W. 123; Zweikamvf201; Körperverletzung 223a; Diebstahl 243 Nr. 5; Raub 250 Nr. 1; Bettelei 362; Aufsammeln verbotener W., Waffenbesitz 360 Nr. 2 u. Anm. 49; Tragen ver­ botener W. 367 Nr. 9; W. bei Schlägerei 367 Nr. 10; Felddiebstahl XII2 Nr. 4, 20, 23, 27; Erscheinen mit W. in der Versammlung XIII 11, 19. Waffenlager verheimlichtes XXXIII 7 Nr. 6. Wage, unrichtige III369 Nr. 2. Wäger in 296 Nr. 3. Wahl III 107—199, 33, 34 Nr. 4, 339. Wahlkonsuln Gerichtsstand XXVI11. Wahlrecht Verlust III 34 Nr. 4. Wahlstimme in 108.106. Wahlweise Feststellung V 266 Anm. 24 g. Wahrheit. Beweis III 186, 190, 192; XXVI 404. Wahrsagen grober Unfug S. 264 a.E. Anm. 63 Abs. 5; kein Gewerbe­

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schein S. 531 Anm. 17; Betrug (durch Kartenlegen) S. 176 Anm. 40 Abs. 1. Wahrspruch der Geschworenen XXVI 307—311. Wald. Nachstellen des Wildes im W. in 293; Anzündg. 308; Feuer in Wäldern 368 Nr. 6; Xn 44; unbefugte Fortschaffung erworbenen Holzes aus fremden W. 38, 39; Kohlenmeiler 45; Feuerstelle 47 ff. Waldeigentümer, Widerstand gegen ni 117; xn 17. Walderzengniffe xn 36, 96. Waldwege ni 368 Nr. 10. Wanderbuch. Fälschung in 363. Wandergewerbeschein xv 55, 57 ff., 148. Wappen des Reichs in 360 Nr. 7; als Warenzeichen XI 16. Waren Vergiftung von in 324—326; entzünd!. W. 367 Nr. 6; un­ richtige Angaben über Bezugsquellen u. Beschaffenheit XX 2, 3, 4, 6, 7; Nachschieben v. W. 8. Warenbestellungen. Besteuerung xvn 1. Warenbezeichnungen Ges.z. Schutze von XXI S. 580.

972

Die römischen Ziffern bezeichnen die Nummern

Waren-Empfehlungskarten m 360 Nr. 6. Warenvorräte Brandsttftg. m 308. Warnungszeiche« Nichtbeachtung v. 368 Nr.9; Weideftevel XII 15; Zerstörung 30 Nr. 3. Wäsche trocknen XII 26. Wafferleitung Zerstörung m 321, 325, 326; XII 31. Wasserstraße in 243 Nr. 4, 250 Nr. 3. Wafferstand. Merkmal m 274 Nr. 2; XII 30 Nr. 3. Weg. Liebst. III 243 Nr. 4; Raub 250 Nr. 3; Beschäd. 304,321, 326; Abpflügen 370 Nr. 1, 2; Verkehr 366 Nr. 3, 5, 9,jl0; 367 Nr. 12; 368 Nr. 9; s. al XII 18,

24, 30.

Wegweiser Zerstörung XII 30. Wehr. Beschäd. III 321, 326. Weidefrevel xn 14 ff., 69 ff. Weiden. Betreten III 368 Nr. 9. Wein, Ausschänken. Konzession XV 33. Weinberge Schließung ui 368 Nr.

XXVI 44; W. eines in Abwesenheit Verurteilten 234; eines in der Be­ rufungsinstanz ausgebliebenen A. 370; Verbindung der W. mit Be­ rufung 358, mit der Revision 382; W. in Privatklagesachen 431; gegen Bescheide 461; in Forstdiebstahls­ sachen XI 28; Kosten XXVI 405.

Wiederergreifung eines Gefange­ nen. Nächtliche Durchsuchung zwecks W. XXVI104; Erlaß eines Steck­ briefs 131.

Wiesel nicht jagdbar S. 332 Anm. 2. Wiesen. Betreten III 368 Nr. 9; Weideftevel XII15, 71. • Wilddieberei in 294; S. 148 Anm. 51 Abs. 4.

Wildschongesetz, s. ■ Jagdordnung X 39 ff. Winkeladvokaten xxvi 138,xv35. Wirt, Wirtshaus. Verspätetes Blei­ ben (Polizeistunde) III 365; als

Gehilfe beim Glücksspiel S. 200 Anm. 8. Witwenkaffen. Errichtung III 360 Nr. 9. 1; unbefugtes Betreten 368 Nr. 9; i Woche. Berechnung III 19; FristEntwendung XII 18, 25. berechnung XXVI 43; FreiheitsWerbung zum Militärdienst III141. I Wersen von Steinen III366 Nr. 7; beraubg. über eine W. 239. i Wöchnerinnen in Fabriken XV XII 26. Werkzeuge gefährl. III 223 a; beim 137, 146. Wohnsitz als Erfordernis für das Forstdiebst. XI 3 Nr. 3, 15, 16; in Feld- und Forstpolizeisachen Schöffen- und Geschworenenamt XXIII33 Nr. 2, 85; Gerichtsstand XII 2 Nr. 4,19 Nr. 2,20 Nr. 3,36. Wertpapiere, fremde, Aufbewahrung des W. XXIV 8, 11; falsche An­ gabe des W. XI 3 Nr. 3, XII 2 S. 160 Anm. 83 a. Nr. 3. Wettbewerb, unlauterer XXS. 561. Wohnung. Eindringest III 123; Wette S. 202 Anm. 7, S. 208. Widerklage bei Beleidigungen und durch Beamte 342. Wucher III 302 a—302 e. Körperverletzungen XXVI 428. Wuchergerichte XXXI. Widerruf der vorl. Entlassung III Wundärzte beim Zweikampf III209; 24; des Meineides 158, 163; der Offenbarung v. Privatgeheimniffen Nebenklage XXVI 442. Widersetzlichkeit (Widerstd.) in 110 300; Approbation XV 29; Straf1 best. 146. — 122; XII 17. Würden. Verlust u. Unfähig!. III Wiederaufnahme der abgelehnten 33,34 Nr. 3; unbef. Annahme 360 Klage XXVI 172, 210; W. des Nr. 8. abgeschlossenen Verfahrens 399 ff.; Wurst von kranken Tieren XIX 5 W. aus Antrag des Privatklägers Nr. 3. 430; Kosten der W. 505. Wurzeln Entwendung von XI 3 Nr. Wiedereinsetzung in den vorigen 8, XII Nr. 5. Stand wegen Fristversäumnis

der Gesetze, die arabische» die 88 derselben.

973

I. Zablungseinstelluna iv 239. Zaylnngsuufähigkät Vollstreckung der Freiheijsstrase bei II 6. fahnarzt xv 29,147 Nr. 3. eichen, der Autorität, Zerstörung III103 a, 135; der Schiffahrt 322. Zeichenrolle xxi 1 ff. Zeitschriften IX 7 ff. Zeitung IX 7; verantwortlicher Re­ dakteur 7, 8, 20; amtl. Bekanntm. 10; Berichtigungen 11,19; Verbot der ferneren Verbreitung 14; Ver­ öffentlichung von Truppenbewe­ gungen 15; Beschlagnahme 23 ff.; Austragen, von Zeitungen durch Kinder XVI 17. Zerstörung, s. Vernichtung, Beschädi­ gung, Unbrauchbarmachung. Zeuge«, Zeugnis, Z.-Gebühren XXIII166; Ordnungsstrafen 178, 182; Schutz durch Beschw.183; Aus­ schließung von bereits zeugeneidlich vernommenen GerichtSpers. XXVI 22 Nr. 5, 31, 32; Ladung als Z. 48,218,220; unmittelbare Ladung 38, 221, 364 (Berufung), 426 (Privatklageverfahren); Erschei­ nungspflicht vom A. unmittelbar geladener Z. 219; Vernehmung der höchsten Würdenträger 49; Zwangsmittel gegen ausbleibende Z. 50; Zeugnisverweigerungsrecht 51 ff.; unbeeidigt zu vernehmen 56; Gegenüberstellung 58; Aus­ setzung der Beeidigung 60; Eid 61, 62; Ableistung 63; Fluchtver­ dacht wegen Verleitung, von Z. 112; kommissarische Vernehmung von Z. 222 ff.; Kreuzverhör 238; Verlesung v. Zeugenauss. 249 ff.; Zeugenvernehmung im Ausl. 48; Unfähigkeit als Urkundsz. oder Z. eidl. vernommen zu werden III 34 Nr. 5, 161; Vorbringen falscher Entschuldigungen 138; Meineid 154ff.; beim Zweikampf 209. Zeugengebühren xxvi 70. Zeughäuser Bringen in feindl. Ge­ walt IO 90 Nr. 2.

eugmffe, falsche, III27 7—279,363. euguugssähigkeit in 224.

I

iege, Weidefrevel XII15 Nr. 5,72. inssuß III 302 a. insscheine, falsche in 149, s. a. 360 Nr. 6.

Zivilgerichtsurteil. Bedeutung für d. Wiederaufnahmeverfahren XXVI 399 Nr. 4; Abwarten deSs. im Strafverfahren 261. Zivil - Prozeß - Ordnung, Anwen­ dung auf das Zustellungsverfahren XXVI37; auf Beschlagnahmen 325; auf Vollstreckungen von Vermögens­ strafen und Bußen 495. Zöglinge in 174 Nr. 1,181. Zuchthausstrafe. Dauer, Berechn, in 14 ff.; Folgen ders. 31,32; Um­ wandlung 44, 57 Nr. 3, 157; Konkurrz. 73; Verjährung 70. ; Züchtigungsrecht S. 132 Anm. 83; gegen Lehrlinge XV 127 a. | Zufall als Wiedereinsetzungsgrund XXVI 44. Zuhälter in 181a. | Zündwaren S. 439 Anm. 28. i Zurechnungsfähigkeit in 351— I 358. i Zureiten von Pferden in 366 Nr. 2. I Zurückbehaltungsrecht ni 289. 1 Zurücknahme der öffentl. Klage XXVI

154; der Privatklage 431; des Antrages auf Buße 444; des Ein­ spruchs gegen amtsrichterl. Straf­ befehle 451; des Antrages auf gerichtliche Entsch. gegen Strafv. 456; gegen Strafbescheide der Berwaltungsbeh. 462; des Finanzamts XXVI a 430; von Rechtsmitteln 344, 345; des Strafantrags III , 64. i Zurückverweisung aus der BeI rufungsinstanz XXVI369; aus der ! Revisionsinstanz 394. ' Zusammenhang von Strafsachen. Begriff XXVI 3; Verbindung oder Trennung zusammenhäng. Straf­ sachen 2, 4, 5; Verbindung in der Hauptverhandl. 236; Gerichtsst. 13.

I

974

Die römischen Ziffer?» bezeichnen die Nummern

Zusammeurotteu

bei Aufruhr M

116; von Gefangenen 122; bei HauS- und Landfriedensbruch 124, 125. Zusammenstoß d. Schiffe m 145. Zusammentreffe«

mehrerer strafb.

Handlungen 73r-79.

Zusatzstrafe in Forstdiebstahlssachen XI 6, 8, 9; in Feld- u. Forstpolizeisachen XU 2.

Zuständigkeit der AmtSger. xxni 23, 24; der Schöffenger. 27—29; der Straft. 72—74'; der Schwur­ gerichte 80; der Oberlandesgerichte 123; des Kammergerichts XXIV 50; des NG. XXVI 136; der StA. 144; Prüfung der g. von Amts wegen 6; Verfahren bei Unzuständigkeit 270,369; Revision wegen Unzuständigkeit 377 Nr. 4; Verweisung au das zuständige Ge­ richt 395; tat Wiederaufnahmever­ fahren 407; im Vollstreckungssachen 494, des Gerichtsschreibers hierbei S. 833 Amu. 71a; in.Prebsachen XI 23, 24, 29.

Zustellung. Besorgung derg. XXIII 155, 161, 162; Z. von Ent­ scheidungen XXVI 36—41; Emp­ fangnahme von Z. durch Bevoll­ mächtigte 119; g. von Urteilen 268 (an gesetzliche Vertreter), 323, in der Beruftmgstastanz 357, °Revisionsinstanz 383; an de» Ver­ treter deS PrivatklägerS 418; an den Nebenkläger 440; an die LerwaltungSbehörde 468, XXVI a 431; Z. der Ladung zur Sühne­ verhandlung XXVIII 37. Zwang M 52, 107. ZwaugSmaßregel« gegen ausge­ bliebene Zeugen XXVI 50, 69; gegen Sachverst. 72, 77. Zwangsmittel Anwendung in einer Untersuchung durch eine« Beamten III 343. Zwangsvollstreckung. Strafbare vereitel, ders. m 288; Wider­ stand 113 ; Entziehung 137; Be­ schränkung d. Z. aus SchtedSmannSvergleiche» XXVm 36, Zweige abbrechen XII 24. Zweckm-flll201 -210.

G. Pätz'sch« Buchdr. Lippert & Lo. G. m. b. H.» Naumburg a. d. S.

Verlag von 4- W. Müller, München und Berlin.

Vas Feld- und Forftpolheigesetz vom 1. April 1880 mit Erläuterungen von

Dr. N. Darrde weil. Seh. Reg.-Rat und UniversttätSrichter.

Fünfte Auflage bearbeitet und herausgegeben von

Dr. S. Danve Amtsgerichtsrat in Halle a. E.

1920.

14 Bogen.

Gmndzahl 3.5

Die preußische Jagdordnung vom 16. Juli 1907 nebst der Ausführungsanweisung und die sonstigen jagd­ gesetzlichen Bestimmungen für Preußen. Zum praktischen Gebrauch

Amisgerichtsrat.

erläutert von

5. Auflage des vr. P. Kohli'schen Werkes „Die preuß. Jagdgesetze". 1920.

253 Seiten.

Gebunden Gmndzahl 4&

Das preußische Flschereigesetz vom 11. Mai 1916 nebst der Fischerei-Ordnung vom 29. März 1917 und den sonstigen fischereigesehlichen Vorschriften fitr Preußen. Mit Nachtrag euthaltrud Abänderung vom 16. März 1918 »ad Ausführungs-Anweisung. Zum praktischen Gebrauch erläutert von «Svckr,

Amtsgerichtsrat in Eberswalde.

1918.

265 Seiten.

Gebunden Grundzahl 4

Grundzahl X Schlüsselzahl — Verkaufspreis.

Verlag von H. W. Müller, München and Lerlin. Sie

Verfassung des Freistaates Preußen vom 30. November 1920.

Mit einer Einleitung und Anmerkungen. HerauSgegebrn von

Dr. Conrad Kornhalr, Geh Justizrat, Profeflor an der Universität Berlin.

72 S-.

1921

Geheftet Grundzahl 1

Die bedingte Aussetzung der Straswllstrrckung in Preußen. Erlaß der Preuß. Staatsregierung v. 2. VIII. 1920 und Allg. Verfügung des Justizministers vom 19. X. 1920 nebst Erläuterungen und einer Einleitung von AmtSgerichtSrat Dr. Albert HeUivig in Frankfurt a.O. 8e.

52 S.

Steif geheftet Grundzahl 0.5

Als Ergänzung erschien vom selben Verfasser: Ausgabe nach de» em 1. Juni 1922 geltenden Bestimmungen. 48 S. Steif geheftet Grundzahl 0.8

8°.

Reichsgrundbuchordnung von MMeitbScher. 4. Auflage, bearbeitet von Amtsgerichtsrat Krause, Berlin. Ausgabe für daS Reich; VIII, 134 S. 1921, Geb. Grundzahl 1.80 Ausgabe für Preußen; VIII, 283 S. 1921. Geb. Grundzahl 3.40

Die Fandgemeindesrdnung für die 7 östliche« Provinzen der Monarchie. Vom 3. Juli 1891. Nebst den zu ihrer Ausführung erlassenen Anweisungen.

Erläutert von Kt. Genzmer, CenatsprLfident am Oberverwaltung-gericht.

3., verbesserte Auflage.

1914.

Geb. Grundzahl 3.35

Grundzahl X Schlüsselzahl — Verkaufspreis.