Steuerpolitik in der Überflussgesellschaft [1 ed.] 9783428410835, 9783428010837


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German Pages 31 [32] Year 1961

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Steuerpolitik in der Überflussgesellschaft [1 ed.]
 9783428410835, 9783428010837

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FRITZ NEUMARK

Steuerpolitik in der Überflussgesellschaft

Steuerpolitik in der Überflussgesellschaft

Von

Prof. Dr. Dr. h. c. Fritz Neumark

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1961 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin SW 61 Printed in Germany

© 1961

Vortrag anlässlich der feierlichen Ehrenpromotion durch die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Freien Universität Berlin

am 23. Juli 1961

I

Gegenstand dieses Vortrags ist die Frage, welche finanzwirtschaftliehen Konsequenzen von .einem Andauern gewisser Entwkklungstendenzen zu erwarten sind, die sich seit einiger Zeit in den reichen und "reifen" Nationalwirtschaften der westlichen Welt beobachten lassen. über diese Tendenzen hat sich Schumpeter in seinem "Capitalism, Socialism, and Democracy" folgendermaßen geäußert: "Würde der Kapitalismus seine frühere Leistung (sc. diejenige, die er zwischen 1870 und dem Ende der zwanziger Jahre vollbrachte) während eines weiteren halben Jahrhunderts von 1928 an wiederholen, so würde .dies mit allem, was nach heu~igem Standar.d Armut genannt werden könnte, auch in den untersten Schichten der Bevölkerung, abgesehen von pathologischen Fällen, aufräumen1 ". In ·den rund zwei Jahrzehnten, die seit Schumpeters hypothetischer Voraussage verflossen sind, hat die Überzeugung, daß diese sich als zutreffend erweis·en wind, immer mehr an Boden gewonnen. Dazu hat nicht ,zuletzt das Erscheinen .der "Afflu:ent Society" von ]ohn K. Galbraith2 beigetra•gen. Kein Zweifel, daß dieses Buch rn ähnLicher Weise ·durch amerikanische Erfahrungen g.eprägt worden rst, wie seinerzeit das Werk der Klassiker durch englische. Aber ebensowenig, wie der ursprünglich weitgehend "'britische" Charakter der klassiesearch" über "Public Finances. Needs, Sources and Utilization", aus dem besonders die Unllersuchungen von Colm und Helzner hervorzuheben sind7 , sowiefür ,ein Spezlialgebiet - "Die Schu1ausga:ben 1960/70" von Edding un'd Albers8 • Was die allS~Cmeinen Methodenprobleme von Projektionen anlangt, so verweise ich beispielsweilse auf den bedeutsamen Bericht einer von R. Regul geLetillellen Sachverständigengruppe der europäischen Gemein'Schafl:en über "Methoden zur Vorausschätzung der Wirtschaftsentwicklung auf lange Sicht" (Nr. 6/1960 .der "Stallistischen Informationen" des Stat. Amtes der europ. Gemeinschaften).

7 Gerhard Colm and Manuel Helzner: Financial Needs and Resources over the Next Decade: At all Levels of Government, in: Public Finanoes: Needs, Sources and Utilization. A Conference of the Universities-National Bureau Committee for Economic R.esearch, Princeton 1961. - Vgl. auch die früheren Projektionen Colms: "The American Econorny in 1960", Planning J>.amphlets No. 81, NPA (Washington), 1952, und dens.: Economic projections, in "American Economic Review", vol. XLVIII, 1958, P.ap. and Proc., p. 178 ff. 8 Friedrich Edding und Willi Albers: Die Schulausgaben 1960/70. Versudt einer Vorausschätzung des Bedarfs der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen und der Möglichkeit seiner Finanzierung. Herausg. von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Lehrerverbände, o.O., Juni 1960.

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II 1. Wie be!'le]ts angedeutJet, soll dieser Vortrag .sich nicht sowohl mit rder besonderen ProbLemaUik der künftigen FinanzpoLitik eines einzelnen Landes als vielmehr mit .der eines bestimmten W i r ts c h a f t s t y p s beschäfb~n. Als solcher wird hier eine Wil1tschaftsgesellschaft gewählt, zu rde11en Merkmalen gehören ( 1) eine Wirnschaftsordnung, die weder (im klass~schen Sinne) libe!'lal noch planwnctschaftlich ist, sondern "gemi:schren", konkreter: interv·entionistischen Charakter trägt, (2) das Vorhandensein 11ealer politischer Dremokranie sowie (3) ein hoher ökonomischer Entwicklungsgrad. Damit sind aus unseren Betrachtungen auf .der einen Seite "und.er.developed countries" aller Art und auf ·der anderen entwikkelte Industrieländer sowjetlischen Typs ausgeschlossen. Aber selbst von den danach noch verbleibenden Nationalwirtschaften sollen tliUr diejenigen berücksichtigt Wier:den, die eine "überflußgesellschaft" r:epräsentieren oder sich doch auf dem Wege befinden, zu einer solchen zu werden. In Anlehnung an, aber nicht in völliger übereinstlimmung mit Galbraith sehe ich eine " Üb e rf l u ß g es e ll s c h a f t " als durch folgende Tatbestände charakter~sie11t an: (1) .die Abwesenheit von Massena11mut in ·dem Sinne, daß - ander.s als in e11rmen Volksw~rt­ schaften- ·dars Einkommensnivea.u nicht nur einer schmalen Schicht PriVlile~ierter, rsondern auch der großen, ahsolut wie relativ .ständig wachsenden Zahl abhängig Beschäfti.goor die Befriedigung von weit über den phytsiologischen Existenzbedarf hinaUISreich.enden Bedürfrus.sen sowtie ,d,ie Bildung von Ersparmissen gestattet, (2) ein umfassendes System sozialer Sicherheitseinrichtungen, (3) einen großen und stark wachsenden Bestandteil an Fixkapital, (4) einen hohen Grad von Unternehmenskonzentration, (5) eine Tendenz zu mindestens relativer Schrumpfung des Agrarsektors und (6) die Anerkennung und mehr oder minder weitgehende Realisierung der Postulate einer

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gewissen Einkommens- und Vermögensredistribution sowie der Sicherung eines möglichst stetigen, insbesondere nicht durch schwere und/oder langdauernde Depressionen unterbrochenen Wirtschaftswachstums. Das sind, wie ersichtlich, Merkmale, die großenteils schon heute für zahlreiche westliche Industrieländer zutreffen und sich bei Andauern ruhig-"normaler" Bedingungen künftig immer stärker ausprägen dürften. 2. Damit sind die w~chtiggnen Rahmenbedingungen skizziert, di,e für die folgenden Projektionen von Bedeutung sind. Sie müssen nunmehr durch .gewisse q u anti t •a t .iv e An n ahmen ergänzt weroden. (a) Die erstle dieser Annahmen be:zJileht ,sich auf ,das Maß des Wirt·schaftswachstums. Von diesem wi11d unterstellt, daß es sich zwi~chen 3 Ofo und 7 Ofo je Jahr bewegen wird, mit der Maßgabe, daß hei ·einer Annäherung an die Obergrenze dieser Annahme Tendenzen zu .einer "schleichenden Inflation" auftreten. Um die Rechnungen zu veroeinfachen, gehe ich von einer gleichmäßigen jährlichen Wachstumsrate von nominal 5 Ofo und einer jährlichen Inflationsrate von 1 Ofo aus. Das kumulative Ergebnis ist dann, daß das Sozialprodukt binnen einem Jahrzehnt nominal um 63 Ofo und real um 48 Ofo steigt. (b) Damit wird natürlich nur .eine größenmäßige VorsteUung Vlermintelt. Immerhin sind .die i hr zugrunde liegtenden Hypothesen, wenn auch nicht für alle, so doch für viele hier in Betracht kommende Nationalwirtschaften als nicht ganz unrealistisch anzusehen. Auf weit unsichereren Füßen stehen diejenigen, die hinsichtlich der E n t w ii c k 1u n g des ö f f e n t l1i c h e n B .e d a r f s a,ufzustellen sind. Unoor den ,gegenwärtigen weltpolitischen Bedingungen ist dahei die am stärksten ins Gew~cht fallende Unbekannte der Verteidigungsbedarf, .in bezug a,uf den es in besonderem Maße unerläßlich ilst, von Alternativannahmen a:uszugehen. U111ter Abstraktion von der Möglichkeit eines "heißen Kr.ieges" wir.d angenommen, daß eine sich ggfs. al.s .e rfo·rderlich .erweisende relauiv starke Steigerungdes Verteidigungsaufwands zu Lasten eines tendenziellen Rückgangs der sonstigen Ausgaben, das heißt in erster Linie Sozialleistun12

genund Aufwendungen für wirtschaftspolitische Zwecke aller Art, geht. Für den Fall einer durch weltweiteAbrüstungsübereinkommen ermöglichten beträchtlichen Reduzierung der Verteidigungslasten mögen umgekehrt die so frei werdenden Mittel großenteils, aber nicht zur Gänze einer verhältnismäßig starken Ausweitung der zivilen Ausgaben zugute kommen. Da .in diesem Vortrag aaJs Schwergew.icht auf die Finanzi:erun~s­ sei~e gelegt wir:d, die freilich durch eine unterschiedliche Entwicklung des Staatsfinanzbedarfs nicht unberührt bleiben wird, begnüge ich mich hinsichtlich des letzteren mit einigen wenigen Bemerkungen quantitativer Natur. Je nachdem, ob man sich stärker an amerikanischen oder an westeuropäiochen Verhältnlissen orientiert, und .im zweiten Falle: ob man mehr an ,die mögliche Entwicklung ,in der Bundesrepublik oder an die :in Frankreich, England, Belg~ien usw..denkt, wir-d man untersd:lliedliche Annahmen zugrunde leg~en müssen. Ganz allgemein läßt sich jedoch sagen, daß unter den hier gemachten Voraussetzungen üher das Wirnschaftswach!ltum selbst eine bedeutende Stei.gerung der VertJeidigungsausgaben ohne Erhöhung des gesamten Staatsanteils am Sozialprodukt möglich ·sein ,dürfbe. Gehe ich von Größenor-dnungen aus, wie sie annähernd für ·die Bundesrepublik bestehen, so würde bei gleicher Aufteilung des Bedarfs in militärischen und nichtmilitärischen, wie sie zur Zeit zu beobachten ist, für 1970 mit einer Steigerung der Verteidigungsausgaben von 12-13 Mrd. um 7-8 Mrd. auf rund 20 Mrd. zu rechnen sein, während der Zivilhedarf J. w. S. oeteris paribus von rund 70 Mrd. um etwa 44 M11d. auf 114 Mrd. DM anwachsen wü,11de. Mir scheint, daß die letztJerwähntJe Zahl aus verschiedenen Gründen nicht nur über das hinausgeht, wst ohnehin eine relative Zurückdrängung der zivilen Ausgaben erfor:derlich, ·sofern eine Erhöhung des gesamten Staatsan~eils am So:z.ialprodukt ausgeschlossen wird. Unterstellt man, daß der Anteil 13

des Rüstungsaufwands am öffentlichen Gesamtbedarf von z. Z. etwa 14 Ofo auf - ~>agen wir - 18 Ofo wächst, so würde der Zivilbedarf immer noch einen Expan1sionsspielraum von rund 40 Mrd. ( = + 57 Ofo gegen 1960) haben. Ich möchte das jedenfalls als Maximum betrachten; könnte die gegenwärtige Quote des Militäraufwands außenpolitisch beibehalten werden, so würde der Gesamtstaatsanteils am Sozialprodukt sich daher von rund 28 1/z Ofo auf etwa 27 1/z Ofo reduzieren. Damit käme die Bundesrepublik in die Nähe der USA mit ihren 25 Ofo, wobei jedoch zu beachten bleibt, daß selbst ein Anteil des Verteidigungsaufwandsam Gesamtbedarf der öffentlichen Hand von 18 Ofo erst etwa die Hälfte des entsprechenden gegenwärtigen Anteils in den USA ausmacht. Sollte aufgrund eines weltweiten Abrüstungsabkommens der Verteidigungsaufwand beispielsweise auf 10 Mrd. DM in 1970 gesenkt werden können, so würde unter Beibehaltung der Annahme, daß die nichtmilitärischen Ausgaben maximal auf 110 Mrd. DM wachsen, der gesamte Staatsanteil am Sozialprodukt sich auf etwa 25 Ofo senken lassen. Mag sein, daß in manchen Staaten eine noch stärkere Komprimierung dieses Anteils unter den gemachten Voraussetzungen durchsetzbar ist - daß die öffentliche Hand selbst oder gerade in einer "Oberflußgesellschaft" sich mit weniger als 20 Ofo des Volkseinkommens oder gar wieder mit der vor dem Ersten Weltkrieg üblichen Quote von annähernd 10 Ofo begnügen könnte, möchte ich als ausgeschlossen bezeichnen.

III Im w.ende mim nunmehr einer Betrachtung der Auswirkungen zu, die die hypothetÜism vorausgesetzte W~rtsdtaA:swamsrumsent­ Wlicklung möglicherweise auf S t e u e r w i r t s c h a f t u n d - p o1i t i k haben Wlird. Dahei or.ientliere lim mlim w:i!ede11um an hundes.l'lepubl:ikanitSchen Verhältnissen, laS'se jedom aus Zeitgründen die P,robleme hei~te, die ~~m aus der äm folgenden ,skäzzier,tJen Entwick.l·ung .in bezugauf eine Umgestaltlung des Flinanmusgleichs ergeben würoen. 1. Wenn man für dlie BundesrepubLik für 1961 von einem Bruttosozialproduk!t zu Marktprei:sen von ·etwa 320 Mrd. DM und einetp. Aufkommen 1an Steuem aller Ebenen !in Höhe von r;und 80 Mr·d. DM a~ht >s.owie ferner arulli.mmt, .daß der Anteil des Soouera.ufkommens an den öff:entlimen Gesamteinnahmen unverändert bleibt und zu Beginn :dieses wie des kommenden Jahr.zehnJts ein over-allGleichgew.imt ·der öff.entLichen Haushalte besteht, iSOwürde der nominale Gesamtsteuerertrag bei gleichbleibendem Anteil am Sozialprodukt innerhalb dieses Zeitraums um rund 50, bei einem durm Rüstungsbeschränkungen .ermöglichnen Sinken jener Quone von z. 2. 25 °/o auf 22 °/o um rund 35 Mrd. DM ·steigen müssen. Bedenkt man, .daß die Gesamtlsteuereinnahmen allein zwischen 1959 und 1961 um mehr aLs 20 Mrd. DM (davon fast dlie Hälfbe tulate eignen. Obwohl ich es daher als wah11scheinlich aillsehe, daß hei weiter wachsendem Wohlsta-nd der Anteil der "direkten" Steuern am Gesamtsteueraufkommen .dort, wo das noch nicht der Fall .ll