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German Pages 206 Year 1991
Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters
Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient Band 2
Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters
Herausgegeben von
Reinhard Elze Gina Fasoli
Duncker & Humblot · Berlin
Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters 14. Studienwoche Leiter der Studienwoche Reinhard Elze Gina Fasoli Italienische Ausgabe Aristocrazia cittadina e ceti popolari nel tardo Medioevo in Italia e in Germania (Annali dell'lstituto storico italo-germanico in Trento. Quademo 13), il Mulino, Bologna 1984 Übersetzung der italienischen Texte Peter Sandrini
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Mittelalters I hrsg. von Reinhard Elze; Gina Fasoli. [Übers. der ital. Texte: Peter Sandrini]. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient; Bd. 2) ( ... Studienwoche I Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient; 14) Einheitssacht.: Aristocrazia cittadina e ceti popolari nel tardo Medioevo in Italia e in Germania (dt.) ISBN 3-428-07009-7 NE: E1ze, Reinhard [Hrsg.]; EST; Istituto Storico Italo-Germanico (Trento): Schriften des Italienisch-Deutschen . . .; Istituto Storico Italo-Germanico (Trento): ... Studienwoche
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0939-0960 ISBN 3-428-07009-7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ........................................................................................................................................
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Gina Faso/i Oligarchie und Mittelschicht in den Städten der Poebene vom 13. zum 14. Jahrhundert ............................................................................. 11 Andrea Castagnetti Bemerkungen zu einer Geschichte von Gesellschaft und Politik der Städte in der Mark Verona-Treviso (11.-14. Jahrhundert) ............................................................................................................................ 31 Ulf Dir/meier Zu den materiellen Lebensbedingungen in deutschen Städten des Spätmittelalte rs: Äußerer Rahmen, Einkommen, Verbrauch ..................................................................................................................... 59 Aljred Hauerkamp "Innerstädtische Auseinandersetzungen" und überlokale Zusammenhänge in deutschen Städten während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ......................... ... ....................... ........................... 89 En rico Mazzarese Pardelta Siziliens Aristokratie im 14. Jahrhundert und ihre Bezie hunge n zu de n Städte n de r Krone: De r Kampf um die Mac ht .................................................................................................................................. 127 Nicola Cilento Stadt und städtische Gesellschaft im mittelalterlichen Süditalien. Anfänge , Entwicklung und Niedergang in den Quellen und in der Geschichtsforschung ............................................................... 139 Knut Schutz Stadtadel und Bürgertum vornehmlich in oberde utschen Städten im 15. Jahrhundert ............................................................................... 161 Herbert Knittler Die Österreichische Stadt im Spätmittelalter. Verfassung und Sozialstruktur. Unter besondere r Be rücksichtigung des Problemkreises "Stadtadel und Bürgertum" ................................................ 183
Einleitung
Bei den Beiträgen, die in diesem Buch unter dem Titel "Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters" enthalten sind, handelt es sich um eine Wiederaufnahme und Vertiefung von Themen, die schon in Band "Le citta in Italia e in Germania nel Medioevo: cultura, istituzioni, vita religiosa" 1 nur flüchtig gestreift wurden. Die soziale und wirtschaftliche Schichtung, die Beziehungen der Stände untereinander in den italienischen und deutschen Städten, die jeweilige Existenz einer herrschenden Oligarchie, sowie der Druck, den andere Stände ausübten, um in die Stadträte einzutreten, um Zutritt zu Posten und Ämtern mit Regierungsgewalt zu erlangen, um eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zu erreichen; dies alles sind Themen, die stets - fast ist man versucht zu sagen, von jeher - in der italienischen und deutschen Geschichtsschreibung präsent sind. So erschien der Versuch, eine historiographische Bilanz zu ziehen, eine lohnenswerte Aufgabe. Auch wenn dies nicht für das gesamte Gebiet beider Länder möglich war, so wurden doch einige a priori besonders geeignet erscheinende Gebiete ausgewählt, um sie aus der Perspektive einer analogen, wenn auch chronologisch differenzierten Problematik zu untersuchen. So beginnt der Einzug des Bürgertums in die Politik in Italien tatsächlich zu einem weitaus früheren Zeitpunkt als dies in den Ländern jenseits der Alpen der Fall ist und ist hier schon zu einem Zeitpunkt im Ausklingen begriffen, als er sich dort deutlich zu manifestieren beginnt. Aber die Unterschiede sind nicht nur chronologischer Natur, sondern sie betreffen auch die Substanz, und diese Tatsache erschwert den Versuch eines systematischen Vergleichs. Diese Unterschiede treffen auch auf Italien selbst zu: der Norden besaß äußerst lebhafte städtische Autonomien, während dem Süden ganz anderes widerfuhr; und hier muß wiederum zwischen dem kontinentalen Gebiet - vielleicht wäre es angebrachter von den kontinentalen Gebieten zu sprechen: Kampanien, Apulien, Kalabrien - und Sizilien differenziert werden. Aus diesem Grund erschien es uns ratsam, in den neuen Band zwei Beiträge aufzunehmen, die sich mit der Poebene befassen; ein Gebiet, in Le cittä in Italia e in Germania nel Medioevo: cultura, istituzioni, vita religiosa (Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento, Quademo 8), hrsg. von R. Elze I G. Fasoli, Bologna 1981.
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dem die Beziehungen zwischen der herrschenden Oligarchie und dem Bürgertum zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert eine chronologisch parallele Entwicklung nahmen: in den verschiedenen Städten, in den Beziehungen zum Reich, in der Italienpolitik der Kaiser sowie in der Anwesenheit mächtiger territorialer Signorien, die sich zwar Städte gründeten, aber danach strebten, überstädtische Staaten zu gründen und so zu den Wegbereitern wahrhaftiger Territorialstaaten wurden. Diesen beiden Beiträgen, die sich mit einem Gebiet befassen, auf dem die historischen Probleme dank beachtlichen Quellenmaterials und dank einer lokalen sowie allgemeinen historischen Literatur, die mindestens bis auf die Tage L. A. Muratoris zurückgeht, mit übergroßer Deutlichkeit hervortreten, stehen zwei Beiträge gegenüber, die die außergewöhnliche Situation des Regnum Sicilie näher beleuchten wollen. Hier handelt es sich um einen historisch-territorialen Bereich, auf dem die historische Städteforschung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist - sei es aufgrund unzureichender Quellen oder aufgrund mangelnden Interesses seitens der Historiker, die sich bevorzugt anderen Forschungsgebieten zugewandt haben. Bekannt ist immerhin, daß sowohl in den reichsunmittelbaren Städten als auch in den zu Lehen gegebenen die normannische Monarchie jenen Autonomiebestrebungen ein Ende bereitet hatte, die erst im Zeitalter der Anjou und der Aragonesen wieder aufkommen oder sich durchsetzen konnten, aber nur zum Vorteil der sozial und wirtschaftlich privilegierten Stände. Erst mit einer ebensogroßen Verspätung wurde es den Handwerkern gestattet, sich in Zünften zusammenzuschließen, die trotzdem nie die nötige zahlenmäßige und wirtschaftliche Stärke erreichten, um mit denen des Nordens vergleichbare politisch-administrative Ansprüche durchzusetzen. In Sizilien, wo zum Zeitpunkt der Sizilianischen Vesper die Forderung nach Autonomie plötzlich aufflackerte und genauso schnell wieder erlosch, kam dann eine Bewegung unter ganz anderen Vorzeichen auf, über die uns einer der beiden Beiträge zum Thema Süditalien berichtet: die Usurpation königlicher Städte durch große Adelsgeschlechter im Laufe des 14. Jahrhunderts, denen es gelang, sie ausschließlich zum eigenen Vorteil zu regieren und zu verwalten. So wie in Ober- und Mittelitalien haben auch in Deutschland die Studien zu den Beziehungen zwischen Stadtadel und Bürgertum eine lange und feste Tradition, die analytischen Untersuchungen einzelner Städte und Städtegruppen detaillierte interpretative Synthesen gegenüberstellt. Die Beiträge in diesem Band schreiten gebietsweise vor, von den Städte n des Rheinlandes und Süddeutschlands zu denen des Süd-Ostens, Kärntens, der Steiermark, Österreichs und streichen die Auswirkungen heraus, die auch hier die kaiserliche Politik und die Beziehungen zu den einzelnen Landesherren hatten. Die Autoren sind - selbstverständlich - nicht nach dem gleichen expositorischen Schema vorgegangen; jeder hat im Unterschied zu den Kollegen bestimmte Momente und Aspekte stärker hervorgehoben, aber die
Einleitung
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Literatur und Quellen wurde von neuem untersucht und eine Reihe noch offener Fragen wurden erneut aufgeworfen, die für neue Arbeiten sowohl im deutschen als auch im italienischen Bereich eine Anregung sein können.
Oligarcllie Wld Mittelschicht in den Städten der Poebene vom 13. zwn 14.Jahrhundert Von Gina Fasoli
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts konnte sich die städtische Mittelschicht .popolo" in der Kommunalpolitik erstmals an der bis dahin einer einzigen sozialen Schicht vorbehaltenen Macht beteiligen. Dies ist allgemein bekannt und steht seit langem schon in den Schulbüchern. Doch gerade deshalb muß diese Tatsache wiederaufgenommen und vertieft werden, ohne dabei jedoch die weit verbreitete, wenn nicht vorherrschende Auffassung zu teilen, daß das Beispiel Florenz als idealtypisch für ganz Mittel- und Norditalien anzusehen sei, da es, wie ich schon 1939 geschrieben habe\ keineswegs beispielhaft ist. Jeder weiß außerdem, daß die Stadtkommunen des 13.-14. Jahrhunderts keine im modernen Sinn demokratische Einrichtung waren. Das lehrten uns schon unsere alten Lehrer, noch bevor man es als große Neuheit wiederentdeckte, und wenn ich von alten Lehrern spreche, so liegt das bei mir wirklich lange Zeit zurück. Zugang zu öffentlichen Ämtern und Würden hatten damals nur jene Bürger, die über ansehnlichen Besitz verfügten, wobei dieser in direktem Verhältnis zur Höhe des Amtes stand. Wir wissen außerdem, daß es im Mittelalter keine Zusammenarbeit zwischen den Parteien gab und den politischen Widersachern die gleichen Rechte, wie man sie selber besaß, verwehrt wurden; die Vorstellung politischer Gleichberechtigung war dem Mittelalter gänzlich fremd. Entscheidend für die Stärke einer Gruppierung war nicht die Zahl ihrer Parteigänger oder die erhaltenen Stimmen, - Wahlsysteme und Stimmenzählung im Mittelalter sind übrigens noch nicht erschöpfend untersucht worden 2 , - sondern die Fähigkeit, die Straßen und das Rathaus zu besetzen oder etwa den Dom, wenn dieser als Versammlungsort diente 3 . Es zählte die Macht, die Gegner aus der Stadt zu vertreiben, ihre Häuser zu zerstören und ihre Güter zu beG. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia nei comuni dell'aha e media Italia, in: Rivista di storia del diritto italiano, 12 (1939), S. 30 des Sonderdruckes. E. Ruffini-Avondo, I sistemi di deliberazione collettiva nel Medio Evo, Milano 1911. Vgl. A.l. Pini, Da! comune cittä-stato al comune ente amministrativo, in: Storia d'Italia 4, hrsg. von G. Galasso, Torino 1982, S. 537 ff. B. Belotti, Storia di Bergamo e dei Bergamaschi, 1, Milano 1940, S. 358.
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schlagnahmen. Diese Verhältnisse ließen die Vertriebenen auf den Burgen der Umgebung (..contado") Zuflucht suchen, oder in nahegelegenen und von befreundeten Parteien beherrschten Städten, wo sie sich dann zur Erhaltung ihrer Identität nach dem Organisationsmuster der verlassenen Kommune zusammenschlossen und sich den Namen comune extrinsecorum gaben. Die siegreiche Partei, die allein regierte, war, um sich nach außen gegenüber den politischen Gegnern besser durchsetzen zu können und nach innen die Einheit zu sichern, ebenso nach dem Vorbild der Kommune organisiert, - sie nahm an dem politisch-administrativen Leben teil4 . Alles sattsam bekannte Tatsachen. Dennoch war die kommunale Regierungsform wesentlich demokratischer als die vorhergehende Herrschaft der Bischöfe oder Grafen oder die spätere der Signori. Ebenso bekannt, wenigstens den Fachleuten, ist ferner die Tatsache, daß, zur Zeit der Konsuln wie zur Zeit der Podesta und der Herrschaft des "popolo", in jeder Stadt immer nur eine begrenzte Anzahl von Individuen oder von Familien auschlaggebend war. Um diesem Kreis anzugehören, oder ihn sogar zu ersetzen, und dadurch in den Genuß aller daraus folgenden politischen Vorteile, aber auch des entsprechenden sozialen Prestiges zu kommen, entbrannten heftige Kämpfe. Sprechen wir nun von Städten, ihren politischen und militärischen Aktionen, sollten wir ruhig ihre geographischen Namen verwenden - Mailand, Bologna, Verona usw. -, darüber jedoch nie vergessen, daß hinter dieser "Personifizierung" sehr komplexe politische und soziale Gebilde stehen, die es genau zu kennen gilt, will man dieses politische und militärische Handeln in seiner ganzen Bedeutung erfassen, die politischen Kontinuitäten, den plötzlichen Wechsel der politischen Ziele, die institutionellen Innovationen umfassend verstehen. Beginnen wir damit, den Begriff der Aristokratie und der Mittelschicht in den italienischen Städten zu klären, auch wenn man dazu etwas weiter ausholen muß. Schon vor dem Jahr 1000 hatte es für die Einwohner der Städte eine begrenzte Form der Beteiligung am öffentlichen Leben gegeben, doch nur für eine beschränkte Anzahl von Bürgern, die sich durch Reichtum, familiäres oder persönliches Prestige ausgezeichnet hatten. Sie arbeiteten in verschiedener Weise mit dem Bischof oder dem Grafen zusammen oder stellten sich gelegentlich gegen den einen oder den anderen 5• Es war dies eine heterogene Schicht, die aus in der Stadt ansässigen Landbesitzern, bischöflichen und gräflichen Vasallen und Beamten, Richtern, Rechtskundigen, sowie reichen Kaufleuten bestand, kurzum allen jenen, die in den Quellen maiores 1901.
Vgl. A. Vitale, I! dominio della parte guelfa in Bologna (1286-1326), Bologna
Vgl. G. Fasoli, Che cosa sappiamo delle cittä italiane nell'alto Medio Evo, in: Scritti di storia medievale, Bologna 1970, S. 181-228; G. Fasoli I R. Manselli I G . Tabacco, La struttura sociale delle cittä italiane da! V al XII secolo, in: Vorträge und Forschungen 11 (1966), S. 290-320.
Oligarchie und Mittelschicht
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oder milites genannt werden, weil sie berittenen Wehrdienst abzuleisten hatten. Die Fachsprache der modernen Geschichtsforschung nennt sie zusammenfassend Adel, Aristokratie oder Patriziat. Diese Termini finden, wie ich schon mehrmals ausgeführt habe, nicht ganz meine Zustimmung. Das ,Patriziat' im Mittelalter ist ein ausgesprochener Anachronismus, da diese humanistische Wiederbelebung eines Begriffs aus der Antike völlig unzureichend ist zur Bezeichnung einer offenen, ständigen Veränderungen unterworfenen Schicht, nämlich der heterogenen Oberschicht, von der hier die Rede ist. Wenig geeignet erscheint mir der Begriff ,Aristokratie', der ebenso wie Patriziat die Vorstellung einer geschlossenen Gesellschaftsschicht vermittelt. Was den Adel angeht, wissen alle, daß dieser Begriff für die städtische Gesellschaft vom 10. bis zum 13., bzw. 14. Jahrhundert noch umstritten ist, obgleich die Chronisten sehr gern den Terminus nobiles verwendeten6 . Der kleine Mann jedenfalls hätte keine exakte Definition geben können. Ging jedoch die Rede von den milites oder den nobiles, wußte jeder genau, welche Familien und welche Personen gemeint waren, denn diese waren von den direkten Steuerabgaben befreit, die ausschließlich auf dem Volk lasteten. Später, als das Volk Gesetze zur Eindämmung von Machtmißbrauch und Übergriffen erlassen konnte, nannte man sie magnates, zur Sicherheit verwendete man auch potentes, potentiores, de progeniepatenturn seu militum, casatici, de hospitiis, de parentelis, und um ganz sicher zu gehen, wurden sogar Listen erstelle. Die Zusammensetzung dieser Oberschicht variierte von Stadt zu Stadt, änderte sich auch im Laufe der Zeit durch Zuwanderung von Landbesitzern und Herren aus dem "contado", die sich langsam in die ursprüngliche Stadtelite politisch und auch sozial einfügten. Begünstigt durch das natürliche Aussterben alter Familien übten emporstrebende Elemente, die in zunehmendem Maße Reichtum erlangten und danach strebten, durch Aufsteigen in die Führungsschicht entsprechendes Ansehen zu erlangen, noch bevor sie einen eigenen gesellschaftlichen Platz gefunden hatten, zusätzlichen Druck aus. Wesentliches Merkmal der Oberschicht ist ihre Strukturiertheit, die in jenen Gefügen zum Ausdruck kommt, welche in den Quellen hospitia, "casate" (Geschlechter) oder "parentele" (Verwandtschaften), und heute Familienverbände genannt werden . Unser Wissen über sie ist sehr unterschiedlich, da abhängig von der schriftlichen Überlieferung, die von jeder Stadt in unterschiedlicher Quantität vorliegt, aber auch von der Art und Weise, in der diese Urkunden aufgearbeitet wurden8 . Beinahe alles wissen wir etwa von Vgl. G. Fasoli, Citt:'i e feudalit:'i, in: Structures feodales e t feodalisme dans I'Occident mediterraneen (Xe-XIIIe siede) (Bibliotheque de I'Ecole fran.,:aise de Rome, 44) Roma 1980, S. 366. G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia S. 53. F. Niccolini, I consorzi nobiliari ed il comune nell'alta e media Italia, Bologna 1940; die in diesem Band untersuchten Familienverbände stammen aus unterschiedlichen Epochen und nicht alle sind Stadtbewohner. Vgl.]. Heers, Le clan familial au Moyen Age, Paris 1974. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch
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den "alberghi" zu Genua9 , wenig hingegen von den Familienverbänden der "consorterie" in Bologna, obwohl sie reichliche Zeugnisse ihrer Aktivitäten hinterlassen haben, in der schriftlichen Überlieferung ebenso wie in der Topographie und Toponomastik der Stadt; die von ihnen erbauten Türme etwa stehen heute noch. Als sich die herrschende Oligarchie in Bologna in zwei Lager spaltete, was in allen Städten diesseits und jenseits des Po, nördlich und südlich des Apennin geschah, wurden die zwei Faktionen nach den "consorterie" der Geremei und der Lambertazzi benannt. Doch von den Geschlechtern, die dem einen oder dem anderen Lager angehörten, weiß man nur wenig. Allein die Namen wurden uns durch die Geschichtsschreibung und in erster Linie durch zwei sehr bekannte dichterische Werke überliefert, die aber als solche noch nicht genügend erforscht worden sind, besonders nicht in Bezug auf die öffentlichen und privaten Urkunden über die politische Tätigkeit und die Besitzverhältnisse dieser Geschlechter10 • Viel Forschungsarbeit ist auch in Padua noch nötig, obwohl diese Stadt über eine reiche Sammlung genealogischer Aufzeichnungen verfügt und schon neuere gründliche Untersuchungen zur politischen und zur Sozialgeschichte vorliegen 11 . Dasselbe gilt für die anderen Städte der Poebene. Erforderlich wären - soweit die Quellen es erlauben - flächendeckende, systematisch Stadt für Stadt durchgeführte Arbeiten zur Zusammensetzung der Führungsschicht und ihrer Veränderung im Lauf der Generationen, wie es seine rzeit Pietro Vaccari in einer Abhandlung über seine Heimatstadt Pavia gefordert hatte12 . Wie der "popolo" setzte sich auch die he rrsche nde Oligarchie aus verschiedenen Elementen zusammen: kleine Grundbesitzer, Kaufleute, Handwerker mit mehreren Lohnarbeitern, Notare, Ärzte. Die traditionelle Geschichtsschreibung lehrt uns, daß der Übergang von der Regierung der Konsuln zu jener des Podesta, von der Ratsaristokratie zum die Unterlage n zu den Tagungen über die Führungsschichten der "Associazione: nobiliare toscana", [I ceti dirigenti in Toscana nell'etä precomunale 1 0981), 2 (1982), 3 (1983), 4 (1982), 5-6 (1987)1, oder der "Associazione nobiliare ligure". ]. Heers, Genes au XVe siede. Activite economique et problemes sociaux, Paris 1961. 10 G. Fasoli, Appunti sulle torri, cappelle gentilizie e grandi casate bolognesi fra il XII e il XIII secolo, in: I! Carrobbio 1 (1975), S. 137-147 mit Verweisen auf G. Gozzadini, Delle torri gentilizie di Bologna e delle famiglie a cui appartennero, Bologna 1975, A. Gaudenzi, Storia del cognome a Bologna nel secolo XIII in: Bollettino dell'Istituto storico italiano, 19 0898), S. 76-77, F. Pellegrini, II sirventese dei Geremei e dei Lambertazzi, in: Atti e Memorie della Deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, Reihe III, 9 (1891), und 10 (1892). 11 j.K. Hyde, Padua in the age of Dame. A social history of an Italian City-State, Manchester 1966. Vgl. S. Collodo-Ozoese, Genealogia e politica in una cronachetta padovana del prima Trecento, nota come pseudo-Papafava, in: Annali della Facoltä di Lettere e Filosofia dell'Universitä di Padova, 1 0976). 12 P. Vaccari, Pavia nell'alto Medio Evo e nell'etä comunale. Profilo storico, Pavia 1956, S. 66.
Oligarchie und Mittelschicht
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einzelnen gewählten Stadtoberhaupt, nur auf Druck von unten zustandekam. Später aber, d.h. vom 12. zum 13. Jahrhundert entschieden die Interessen der verschiedenen Elemente, aus denen der "popolo" bestand, über dessen gesellschaftliche Ambitionen und über die Wahl der politischen Mittel zu ihrer Erreichung. Ziel war die Sicherheit und Solidarität, welche die großen Adelsgeschlechter durch die Familienverbände genossen. Es entstanden somit die Gewerbezünfte zum Schutze der wirtschaftlichen Interessen einzelner Berufe, die Stadtviertelbünde, Wehrverbände mit der Aufgabe, die öffentliche Ordnung aufrecht zu halten und ihre Mitglieder vor den Übergriffen der Mächtigen zu schützen, und schließlich der allgemeine Verband des "popolo" als eine Art Oberverband mit Koordinierungsaufgaben für die einzelnen Gruppierungen. In vielen Städten nannte sich dieser allgemeine Verband nach dem Stadtheiligen, so als ob er allein die Stadt repräsentierte, die der Heilige zu schützen hatte 13 . Über diese Verbände des "popolo" wissen wir relativ viel. Unzählige Studien gibt es über die Handwerkszünfte, darunter Forschungen zur Gesamtheit der Verbände einer Stadt, über mehrere zusammengehörende Gruppen oder einzelne Zünfte. Diese Berufsverbände haben einen reichen Bestand an Urkunden und anderem Material hinterlassen, in vielen Städten sind sogar Mitgliederverzeichnisse erhalten, so z.B. in Bologna14 . Nur wenige Veröffentlichungen gibt es aber über die militärischen Verbände15 und über die Heiligenverbände ("societä del Santo") 16 , offensichtlich, weil diese nur von kurzer Dauer waren und deshalb nur wenige Spuren hinterließen. Die allgemeinen Verbände des "popolo" werden meistens im Rahmen der allgemeinen Geschichte der verschiedenen Städte behandelt. Nur wenn sie mit den "societä del Santo" zusammenfallen, werden sie Inhalt spezifischer Studien. Innerhalb der ersten dreißig Jahre des 13. Jahrhunderts war es dem "popolo" fast überall gelungen, seine Vertreter in die politischen Organe 13 Vgl. G. Fasoli, Governanti e governati nei comuni cittadini italiani fra !'XI e il XIII secolo, in: Recueils de Ia Societe Jean Bodin pour l'histoire comparative des institutions, XXV, jetzt in: Scritti di storia medievale, S. 221, mit Verweisen auf G. De Vergottini, Il popolo nella costituzione del comune di Modena sino alla meta del secolo XIII, in: Scritti di storia del diritto italiano, Bologna 1977, Bd. 1, S. 295 und 303. 14 Auch in Cremona (vgl. dazu Anm. 47), zu Bologna vgl. A./. Pini, "I Libri matricularum societatum bononiensium" e i1 loro riordinamento archivisticp (Archivio di Stato di Bologna: Quaderni della Scuola di paleografia ed archivistica, XV), Bologna 1967. 15 Siehe G. Fasoli, Le compagnie delle armi a Bologna, Bologna 1933 und A./. Pini I R. Greci, Una fonte per Ia demografia storica bolognese, in: Rassegna degli Archivi di Stato 36 (1976), S. 349-350. 16 Siehe E. Artifoni, La societä del "popolo" di Asti fra circolazione istituzionale e strategia familiare, in: Quaderni storici, 51 (1982), S. 1027- 1049, mit Verweis auf ders., Una societä di .,popolo". Modelli istituzionali, parentele, aggregazioni societarie e territoriali ad Asti nel XIII secolo [in: Studi medievali, III. Folge, XXIV (1983), 2, S. 545-616].
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der Kommune zu entsenden. Dies bedeutete einen großen Schritt nach vorne, da sich nun nicht mehr nur die Mitglieder einer streng abgegrenzten Schicht an der Regierung abwechselten, sondern eine Schicht mit einer viel breiteren Basis von Rechts wegen an der Macht teilhatte. Repräsentiert wurde sie von den rectores der allgemeinen Genossenschaften, von den rectores der Handwerkszünfte, der Stadtviertelbünde, oder von anderen ausdrücklich gewählten Vertretern, wie auch immer sie genannt wurden. Die großen Kaufleute, die reichen Bankiers, wo es sie gab, und die Richter waren in dieser Bewegung nicht vertreten, da sie zur herrschenden Oligarchie zählten17. Die Verteidigung der städtischen Autonomie gegen die zentralistischen und absolutistischen Bestrebungen Friedrichs II. erforderte Einheit innerhalb der Stadt. In dieser politischen Situation ist es der Aristokratie sehr bald und fast überall gelungen, die Verbände des "popolo" gewaltsam aufzulösen und ihre alte Vorherrschaft wiederherzustellen. Doch organisierten sich die allgemeinen Verbände des "popolo", manchmal schon vor dem Tode Friedrichs II., im allgemeinen aber danach, fast schlagartig wieder. Großen Einfluß dürfte das Vorbild nahegelegener Städte gehabt haben. Es wurde nun aber darauf verzichtet, eigene Vertreter in die Organe der Kommune zu entsenden und die Verfassung zu ändern. Der "popolo" gründete vielmehr parallel dazu eigene Organe mit Hilfe seiner Verbände und des allgemeinen Rates. Diesen Bünden schlossen sich sogar Mitglieder der großen Familien an, sei es, weil sie sich von den Waffenverbänden angezogen fühlten, deren Einzugsgebiet ihren Wohnsitz miteinschloß, sei es, weil sie selber eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, das Verhalten ihrer Standesbrüder mißbilligten oder einfach aus purer Demagogie. Jedenfalls stellten sie den Popolanen immer ihre politische Erfahrung zur Verfügung. Der Bewegung des "popolo" schlossen sich schließlich auch die Kaufleute und manchmal sogar die Richter an18 . Die Einheit der Kommune spaltete sich. Es entstand ein dualistisches Gebilde (commune et popolus) mit einem Podesta und einem capitaneus populi. Die Bedeutung, die den einzelnen Stadtviertelbünden und Handwerkszünften innerhalb des allgemeinen Rates zukam, verleitete einzelne moderne Geschichtsforscher dazu, von dem Nebeneinander der Gewalten ("costellazione di poteri") zu sprechen, das man dann -ein bisschen boshaft - mit dem heutigen vergleichen könnte 19 . Wichtiger wäre jedoch 17 G. De Vergottini, II "popolo" nella costituzione del comune di Modena fino alla meta del secolo XIII, 1932, in: Scritti di storia del diritto italiano 1, S. 263-332; ders.: II "popolo" di Vicenza nella cronaca ezzeliniana di Gerardo Maurisio, 1934, S. 333-374; ders.: Arti e popolo nella prima meta del secolo XIII, 1943, S. 387-467. 18 G. De Vergottini, II "popolo" nella costituzione del comune di Modena, S. 266 ff. 19 In jeder italienischen Stadt bestehen die Gewalten der Gemeinde, Provinz, Region, Gewerkschaften, Polizeien (Ordnungskräften), Justiz, Denkmalschutz, Schulbehörden usw. mit ihren eigenen Zuständigkeiten nebeneinander.
Oligarchie und Mittelschicht
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eine Untersuchung der Funktionsweise dieses neuen Systems, der Verteilung der Kompetenzen, ob es zu Überschneidungen bzw. Streitigkeiten zwischen den verschiedenen koexistierenden Organismen kam, bzw. wie ihre Anträge und Entscheidungen in die Wirklichkeit umgesetzt wurden. Dies hängt natürlich von der Verfügbarkeit entsprechender Quellen ab und dem guten Willen, sie auch mit der nötigen Sorgfalt aufzuarbeiten20 • In den Streit zwischen Friedeich II. mit den Kommunen einerseits, und dem Papst andererseits, wurden alle Städte hineingezogen. Jede hatte ihren Traditionen gemäß, bzw. mit Rücksicht auf ihren eigenen Vorteil, Partei ergriffen; Rivalitäten und Gegensätze zwischen den Städten bestimmten die Fronten. Nach dem Tode des Kaisers wurden diese Positionen beibehalten und es entstanden in jeder Stadt - innerhalb der herrschenden Oberschicht oder zwischen ihr und dem "popolo" - Faktionen, die sich selbst Guelfen oder Ghibellinen nannten. Zur Überwindung des jeweiligen Gegners suchten diese Faktionen die Unterstützung der entsprechenden Bruderparteien in den nahegelegenen Städten. Wurde eine Faktion besiegt und aus der Stadt vertrieben, versuchte sie mit der militärischen Unterstützung der von einer befreundeten Partei beherrschten Nachbarkommunen die gegnerische Partei wieder aus der Stadt zu jagen, oder sie wenigstens politisch zu entmachten. Eine genaue Untersuchung der Listen dieser Verbannten, -wo sie erhalten sind, wie z.B. in Bologna -, würde einen Einblick in die soziale Zusammensetzung dieser nach den großen Familien benannten Faktionen erlauben. Daß in den Faktionen der nobiles auch "Popolanen" anzutreffen waren, erklärt sich aus der Vielfalt der Klientelen, die Reiche, weniger Reiche und Arme verbanden21 • Der politische Aufstieg des "popolo" im konkreten Alltag gestaltete sich von Stadt zu Stadt verschieden und zeitlich verschoben. Die Forschungen Robert Davidsohns von 190822 zeigen dies für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ein Aufsatz von Giovanni de Vergottini aus dem Jahr 1943 deckt zwar das ganze 13. Jahrhundert ab, beschränkt sich aber auf einige bezeichnende Beispiele Norditaliens 23 . Hierher gehören auch meine Forschungen zur antimagnatischen, d.h. gegen den Adel gerichteten Gesetz20 A. Marongiu, Storia del diritto pubblico italiano, Milano 1958, S. 110. A.l. Pini, Dal comune citta-stato, S. 489. Vgl. G. Fasoli, Le compagnie delle arti, S. 35 u. S. 43 ff. mit vielen Einzelheiten zu Bologna. 21 Erhalten sind z.B. in Bologna die Listen der verbannten Mitglieder des Verbandes der Lambertazzi; sie waren Gegenstand einer These der Fakultät des Magistero (A. Montagnani, 1970-71). Vgl. A.l. Pini, Dal comune, S. 485; es handelt sich um ca. 14 000 Namen. 22 R. Davidsohn, Die Popularbewegungen in italienischen Städten bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts, in: Forschungen zur Geschichte von Florenz 4, Berlin 1908, S. 8-29. 23 Vgl. Anm. 17.
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gebung im mittleren und nördlichen Italien 24 . Sie stützen sich auf zum Teil veröffentlichte, zum Teil unveröffentlichte Quellen und die damals verfügbaren Geschichtswerke und verfolgen systematisch die Entwicklung der antimagnatischen Gesetzgebung in den verschiedenen Städten vom ersten politischen Auftreten des "popolo" an. Diese Gesetze entstanden als Selbstverteidigung der Mittelschichten gegen die Arroganz und die Übergriffe der Großen. Später wurden sie von den Signorien als Waffe gegen die Opposition zum neuen Regime verwendee5• Die zentralen Elemente der antimagnatischen Gesetzgebung waren: die Einschränkung, zuweilen sogar das Verbot der Bekleidung öffentlicher Ämter, verminderte Möglichkeiten finanzieller Spekulationen, die Einschränkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Schichten, die Maßnahmen gegen die sogenannte Besitzstörung ("turbamento di possesso") von seiten der großen Herren zu Lasten der Popolanen, weiters die polizeilichen Verordnungen zur Verhinderung oder Eindämmung innerstädtischer Tumulte, der durch das Hinterlegen einer Kaution gesicherte Treueeid auf die Kommune, Gerichtsprozesse im Schnellverfahren mit minimalem Aufwand an Entlastungsbeweisen, aber mit erhöhtem Strafmaß für Adelige, die sich an Mitgliedern des "popolo" vergangen hatten, und eine Reihe weiterer, nicht weniger diskriminierender Verordnungen. Diese Gesetzgebung erlaubt einen Einblick in die Spannungen zwischen der alten Oligarchie und den Mittelschichten. Sie unterstreicht die Machtstellung, die der "popolo" entsprechend seiner Zahl und wirtschaftlichen Macht errungen hatte. Meine nun schon weit zurückliegende Arbeit gibt einen, wenn auch nur skizzenhaften, regionalen Überblick über die politischen Beziehungen zwischen Adel und Mittelschichten. Die neuere Geschichtsforschung hat diese Fragestellung eher vernachlässigt. Dabei beziehe ich mich nicht auf Nachschlagewerke, wo die Beteiligung der Mittelschichten an der Stadtregierung ohnehin nur in ihren Grundzügen dargestellt wird, ohne dabei auf lokale Besonderheiten einzugehen 26 , sondern auf mehr oder weniger ausführliche Vgl. Anm. 1. G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 85. 26 So z. B. L. Salvatorelli, Italia comunale, Milano 1940, S. 565-578; G. De Vergottini, La rinascita politica medievale, in: Storia universale, hrsg. E. Pontieri, 4, 1961, S. 146-158; E. Cristiani, L'Italia nell'ultima eta sveva e durante il predominio angioino, in: Storia d'Italia, hrsg. von N. Valeri, 1, 1963, S. 507-514; G. Tabacco, La storia politica e sociale. Dal tramonto dell'Impero alle prime formazioni di stati regionali, in: Storia d'Italia II 1, Torino 1974, S. 223 ff; G. Galasso, Le forme del potere. Classi e gerarchie sociali, ebd., S. 419-420 u. 427-429; Phj. jones, Economia e societa nelI'Italia medievale. La leggenda della borghesia, in: Storia d'Italia. Annali, 1, Torino 1978, S. 187-374; Pbj. jones, Comuni e signorie. La citta-stato nell'Italia del tardo Medio Evo, in: La crisi degli ordinamenti comunali e Je origini dello stato del Rinascimento, hrsg. von G. Cbittolini, Bologna 1979, S. 99-123. Vgl. auch: Storia d'Italia, geleitet von G. Galasso, [IV (1981), V (1986), VII/ 1 (1987), VII/2 (1987)]; Storia della societa italiana, geleitet von G. Cherubini u.a., [V (1984), 6 (1986), 7 (1982)]. Das Buch 24
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Werke, die auf eine einzelne Stadt oder Gruppen von Städten Bezug nehmen. In den Bibliographien Giuseppe Martinis und Gigliola Saldi Rondininis zum Zeitraum 1945-65, sowie Alfred Haverkamps für 1959-1975, im italienischen Teil des "Guide international d'historie urbaine" (geleiteten von Ph. Wolff), Paris 1977, S.285-289, in der "Bibliografia storica nazionale" der Jahre bis 1980 und schließlich in der Bibliographie zur Geschichte der Stadt von G. Monteechi bis 1982 27 , sind Veröffentlichungen zu diesem Thema auffallend selten. Noch weniger Literatur gibt es für das Gebiet der Poebene. Werden noch dazu bei der Lektüre alle Hoffnungen auf eine gründliche Darstellung enttäuscht, bleibt nichts anderes übrig, als selbst Hand anzulegen. Ein schwieriges Unterfangen, da das Aufkommen der Popularbewegung eine größere Zeitspanne umfaßt und es in den verschiedenen Städten zu zeitlichen Verschiebungen kommt. Es müßte der Bezug zu den großen geschichtlichen Ereignissen in der Poebene hergestellt werden: das politische und militärische Handeln Friedrichs II., die Aktivitäten von Ezzelino da Romano, Oberto Pelavicino, Guglielmo VII. von Monferrato, des Geschlechts der Este, um nur die wichtigsten "Signori" zu nennen, die sich einer Stadt nach der anderen bemächtigten und Territorialstaaten zu gründen versuchten. Miteinbezogen gehörten auch das Eingreifen der Anjou, das Wiedererstarken des Kaisertums in Italien durch Heinrich VII. und vieles mehr. Als weiterer erschwerender Umstand kommt hinzu, daß die Literatur sehr heterogen bzw. weit verstreut ist und aus Gründen der Vorgangs- bzw. Denkweise kaum einen globalen, geschichtlich homogenen Überblick zuläßt über ein so weites Gebiet wie das der Poebene, wo Tradition und Entwicklung zu großen Unterschieden geführt hatten. Dennoch gab es auch hier zahlreiche Analogien, verwandte und komplementäre Wirtschaftsaktivitäten, unruhige politische Machtzentren mit weitem Aktionsradius wie Kaiser, Papst und mächtige Adelshäuser, die noch mehr Macht anstrebten. Unter Anwendung der gleichen Methodik wie bei den o ben genannten Untersuchungen zur antimagnatischen Gesetzgebung treffen wir in nahegelevon V. Rutenburg, mit dem vielversprechenden Titel Popolo e movimenti popolari nell'Italia del '300 e '400, Bologna 1971, beschäftigt sich nur mit Florenz, Siena und Perugia. Etwas umfassender, aber doch mit Schwerpunkt Florenz und Toskana: S. Bertelli, II potere oligarchico nello stato-citta medievale, Firenze 1978. Hierher gehören auch zwei Schriften von E. Sestan, eine sehr bekannt, die andere kaum: E . Sestan, La citta medievale italiana dei secc. XI-XIII neUe sue note caratteristiche rispetto al movimento comunale europeo, 1960, in: Italia medievale, Napoli 1966, S. 91-120, u. La citta italiana nei secoli XIV, XV, XVI (4. Kongreß der italienischen und sowjetischen Historiker), Roma 1969, SonderdruckS. 23. 27 G. Martini I G. Soldi-Rondinini, Il basso Medio Evo, in: La storiografia italiana negli ultimi vent'anni, Milano 1970, S. 79-471; A . Hauerkamp I H. Enzensberger, Italien im Mittelalter, Neuerscheinungen von 1959-1975, in: Historische Zeitschrift, Sonderheft 7, 1980; G. Monteccbi, Bibliografia di storia delle citta italiane, Bologna 1982.
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genen Städten sehr unterschiedliche Situationen an. In Bologna etwa 28 wurde die Politik von 1228 bis ins erste Viertel des 14. Jahrhunderts vom "popolo" beherrscht, der sich in den Handwerkszünften und bewaffneten Stadtviertelbünden innerhalb des allgemeinen Dachverbandes organisiert hatte. Bologna scheint die Unterscheidung zwischen niederen und höheren Zünften nicht gekannt zu haben. Dennoch wurde bestimmten Handwerkern das Recht auf Zusammenschluß verwehrr29 , andere von der Führung der Verbände ausgeschlossen und den Notaren, später den Metzgern, eine Vorrangstellung eingeräumt. Zehn Jahre vor Florenz erließ man in Bologna äußerst strenge Gesetze gegen die aufrührerischen Magnaten. Die Mitglieder der großen aus dem "popolo" stammenden Geschlechter, die an Reichtum, Macht und Fehdelust den alten, großenteils ausgestorbenen oder verschwundenen Familien aus der Zeit der Konsuln in nichts nachstanden, wurden aber von den Verbänden des "popolo" nicht ausgeschlossen 30 . Diese rivalisierenden Großen bestimmten die Geschicke der Stadt. Kriege mit den Nachbarstädten, innere Unruhen, Ausweisungen, Rückkehr und wiederum Ausweisung der Angehörigen der Partei der Lambertazzi waren an der Tagesordnung. Im Lauf des 14. Jahrhunderts versuchte der Papst das formalrechtlich zum Kirchenstaat gehörende Bologna wieder in seinen Machtbereich zu bringen, während vom Norden die Expansionsbestrebungen der Visconti drohten. In Bologna löste eine Signoria die andere ab, die traditionellen Regierungsorgane der Stadt wurden mißbraucht, entmachtet und zum Teil sogar abgeschafft. Es kam zwar immer wieder zu Aufständen, die die Herrschaft des "popolo" mit dem Ruf: "Viva il popolo e le arti" wiederherzustellen versuchten und dem Mythos der libertas, deren Figur die Kommune stolz in ihr Wappen übernomm.e n hatte, neuen Aufschwung gaben. In Wirklichkeit wurden diese Unruhen aber immer von den großen Familien der Stadt gesteuert3 1 . Auch in der Romagna erlangten die Verbände des "popolo", Handwerkszünfte und bewaffneten Bünde, besonders in Imola und Fae nza, sowie allgemeine Verbände zusehends Macht32 . In Forli, Ravenna und Rimini beteiligten sie sich an der Stadtregierung. Doch in 28 Eine vollständige Bibliographie bis 1975, in der überarbeiteten Fassung bis 1978, bieten A Hesse!, Geschichte der Stadt Bologna von 1116-1284 [Nachdr. d. Ausg. Berlin Ebering 1910 I Vaduz 1965], ital. Übersetzung von G. Fasoli, Bologna 1975 und G. Fasoli, Bologna nell'eta medievale, in: Storia di Bologna, Bologna 1978, s. 195-196. 29 G. Fasoli, Le compagnie d elle arti a Bologna, fino al principio del secolo XV, Bologna 1936, S. 24 ff. 30 Ebd., S. 28-29. Vgl. G. Cencetti, Rolandino Passeggeri da! mito alla storia 0930), in: Notariato bolognese, Bd. 1: Scritti di Giorgio Cencetti, Roma 1977, S. 215. 31 G. Fasoli, Le compagnie delle arti, S. 48 ff. u. G. Fasoli, Bologna nell'etä medievale, S. 161 ff. 32 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 28 ff. Vgl. G. De Vergottini, II popolo di Vicenza, S. 348.
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keiner Stadt der Romagna gelang es der breiten, wirtschaftlich jedoch schwachen Mittelschicht sich durchzusetzen. Die Ansätze zur antimagnatischen Gesetzgebung, die in den lokalen Verfassungen überliefert sind, hatten allein den Zweck, die Macht einer Faktion gegenüber der anderen zu stärken. In den Faktionen der Mächtigen treffen wir auch hier wieder viele Mitglieder des "popolo" an 33 • Die dauerhafte politische Etablierung des "popolo" wurde jedoch von der mehr oder weniger raschen Machtübernahme der Signorien verhindert34 . In Ferrara, das von den Kämpfen zwischen den Familien der Adelardi und den Marchesella, den Torelli und den Este zerrüttet war, wurde jede politische Machtbeteiligung des "popolo" durch die frühe Signoria der Este ausgeschlossen. Dasselbe geschah in Modena und Reggio, die 1288 bzw. 1299 von den Este annektiert wurden35 . Schon 1229 hatte der "popolo" in Modena die absolute Vormachtstellung einiger weniger Familien gebrochen, die sich gegenseitig bekämpften und die wichtigsten Ämter der Kommune und die einträglichsten kirchlichen Pfründen in ihren Händen vereint hatten. Die Anführer der Stadtviertelbünde und der Handwerkszünfte traten dem allgemeinen Stadtrat bei, setzten 1250 das Amt der "anziani" durch und gründeten einen allgemeinen Verband des "popolo"36 . Die Übergabe der Stadt an das Geschlecht der Este hätte zwischen den Faktionen der Aigoni und der Ghisolfi, in die sich die Oberschicht der Magnaten gespaltet hatte, Frieden stiften sollen. Sie unterbrach aber vor allem die Entwicklung zu einer größeren Machtbeteiligung des "popolo". Der neue Signore löste im Einklang mit den Familien der Magnaten, die ihn unterstützten, alle Magistraturen des "popolo" auf. Erst 1306, als die Stadt gegen die Este rebellierte und eine sehr strenge antimagnatische Gesetzgebung37 erlassen konnte, wurden sie wieder eingeführt. Die schwierige Zeit zwischen 1306 und der Rückkehr der Signoria der Este im Jahre 1336 liegt im Dunkeln38. 33 G. Fasoli, Guelfi e Ghibellini di Romagna, In: Archivio storico italiano, VIII. Folge, I (1936), Anhang. 34 A. Vasina, Il mondo emiliano-romagnolo nel periodo delle signorie locali (secc. XIII-XVI), in: Storia deli'Emilia-Romagna, Imola 1975, S. 675-748, mit reicher Bibliographie. Vgl. A . Vasina, Comuni e signorie nell'area emiliano-romagnola, in: Storia d'Italia, hrsg. von G. Galasso, VII 1, 1981, S. 101 ff. 35 A. Vasina, Il mondo emiliano, S. 696-700, mit bibliographischen Angaben auf S. 745. Vgl. E. Sestan, Le origini delle signorie cittadine: un problema storico esaurito?, in: Italia medievale, S. 193-223. Eine umfassende Geschichte Ferraras ist vor kurzem [erschienen in: Storia di Ferrara, Bd. 4-5, hrsg. von A. Vasina, Perrara 1987]. 36 Vgl. G. De Vergottini, Il popolo nella costituzione di Modena, S. 303 ff. 37 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 25-27. 38 Ebd., S. 26-27; G. Vasina, 11 mondo emiliano, S. 697-700.
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In Reggio ist es dem "popolo" in den Jahren 1199 und 1201 durch zwei bewaffnete Aufstände gelungen, viele Vertreter der Oberschicht aus der Stadt zu vertreiben und sie hartnäckig zu bekämpfen. 1201 nahmen diese aber ihre alten Machtpositionen wieder ein. Alte Fehden - die Roberti gegen die da! Sesso-flammten neu auf, während das Volk diese Unruhen zu seinem Vorteil nutzte. Die vorwiegend agrarisch geprägte Wirtschaftsstruktur der Stadt erschwerte einen schnellen und problemlosen Aufstieg des "popolo". Wie in Modena hatten die Este auch hier leichtes Spiel. Nach einem Aufstand gegen die Este und langen politischen Kämpfen wurde der nach dem Hl. Prosperus benannte allgemeine Verband des "popolo" 1312 reorganisiert. Die Verfassungen wurden erneuert und antimagnatische Gesetze erlassen, um die für den Verlust der Freiheit Verantwortlichen zu bestrafen39. In Parma werden die Handwerkszünfte erstmals 1211 genannt, und zwar im Zusammenhang mit einer domus mercatorum, der ein potestas mercatorum vorstand. 1244 stand ein solcher Podesta aus einer großen Familie an der Spitze des Aufstandes, der die Entsendung von Vertretern der Berufsverbände und der Stadtviertelbünde in den Stadtrat erzwang. Das Kaisertum Friedrichs II. bewirkte auch in Parma einen Rückschlag für die Popularbewegung. Während sich in der Folge die Faktionen der Großen bekämpften, konnte die Bewegung ihren Aufstieg fortsetzen. Und dies trotz der Errichtung einer Signoria durch Ghiberto da Correggio, der den Mittelschichten, ihrem Streben nach Machtbeteiligung und den schon 1279 erlassenen antimagnatischen Gesetzen nicht gerade freundlich gegenüberstand. In den Wirren der Zeit Heinrichs VII. und Roberts von Anjou verlor Ghiberto mehrmals die Herrschaft der Stadt, eroberte sie aber immer wieder zurück. Erst nach seinem endgültigen politischen Abgang 1316 konnten die von Ghiberto mit Hilfe der Großen abgeschafften Organe des "popolo" wieder eingesetzt werden. Eine sehr rigorose und äußerst einseitige antimagnatische Gesetzgebung wurde erlassen, von deren praktischer Anwendung wir nichts wissen. Vor allem aber ist uns unbekannt, ob und in welcher Form sich der "popolo" im Laufe der zahlreichen einheimischen, bzw. von außen kommenden, offenen oder verborgenen Signorien weiterhin an der Macht beteiligen konnte40 • Zu untersuchen wäre auch der gegenseitige Einfluß, den diese Städte, die alle entlang der Via Emilia liegen, aufeinander ausübten, sei es durch den Austausch von Podesta, "capitani del popolo" oder durch die schnelle Verbreitung von Neuigkeiten. Piacenza bildet heute noch, und das e ntspricht auch der historische Wirklichkeit, Realität, den Übergang von der Emilia-Romagna zur Lombar-
39 Siehe Anm. 38. 40 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 24-25; A . Vasina, II mondo emiliano, S. 701-702 mit Bibliographieangaben S. 746.
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dei41 . Schon 1184 hatten die Konsuln der Berufsverbände politische Funktionen inne. Ein in den Jahren 1218-1219 gefaßter Entschluß der Konsuln wurde vom "popolo" und einer Anzahl von nobiles viri qui cum eo erant abgelehnt. Im Verband konnten sie ihre politischen Ziele durchsetzen, während andere Mitglieder der Oberschicht die Stadt verließen. Beim Versuch, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, löste der kaiserliche Legat Konrad von Metz 1220 omnes societates plebeiorum seu viciniarum quam et maior42 ohne viel Erfolg auf. 1222 erließ der Podestä einer nahen Stadt auf Betreiben der beiden Parteien einen Schiedsspruch, in dem er die öffentlichen Ämter zur Hälfte dem populus Placentie et militibus qui ad populum attendunt und zur anderen Hälfte den milites de Placentia et illi de populo qui ad milites attendunt zusprach 43 • Diese Quellen bestätigen wieder die Präsenz der Oberschicht in der Popularbewegung und der Popolanen in den Faktionen der Oberschicht. Sehr dürftig und widersprüchlich sind die Quellen zu der politischen Organisation des "popolo" in Piacenza. Diese wurde allem Anschein nach nicht von den Berufsverbänden getragen, sondern von den Stadtviertelbünden, zu denen auch die Adeligen zählten, die in den jeweiligen Vierteln wohnten 44 . Trotz des erwähnten Schiedsspruches gingen die Streitigkeiten weiter. Der an der Regierung beteiligte "popolo" war nicht mächtig genug, eine antimagnatische Gesetzgebung zu erlassen. Eine Reihe von De facto-Signorien, Signorien im Vorstadium und echten Signorien halfen den Großen, ihre Positionen zu behaupten. Analog dazu die Geschehnisse in Mantua. Während sich wie in allen italienischen Städten die großen Familien bekämpften, betraten die Führer der Berufsverbände und Stadtviertelbünde 1201 die politische Szene. 1206 stellte der "popolo" schon über die Hälfte der Ratsmitglieder45 . Die spätere Entwicklung liegt im Dunkeln, doch kann man davon ausgehen, daß die Signa41 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 15. Vgl. P. Racine, Plaisance du Xe a Ia fin du XIIIe siede. Essai d'histoire urbaine, Bd. 2, Paris I Lilie 1979, S. 724 ff. u. P. Castignoli, ll comune di Piacenza nel Trecento, in: Studi storici in onore di E. Nasalli Rocca, Piacenza 1971, S. 143-150. 42 j.F. Boehmer, Acta selecta imperii, Innsbruck 1870, S. 655. 43 Vgl. G. De Vergottini, II popolo a Vicenza, S. 343. 44 E. Nasalli-Rocca, Palazzi e Torri gentilizie nei quartieri delle cittä italiane medievali, in: Contributi dell'Istituto di Storia medievale (Universita cattolica del Sacro Cuore), I, Milano 1968, S. 303-325. B. Betto, Topografia e societa a Treviso nel Trecento, in: Tomaso da Modena e il suo tempo, Treviso 1979, S. 89-106. E. Guidoni, Residenze, case e proprieta nei patti tra feudalita e comuni (secc. XII-XIII), in: Structures feodales, S. 439-443. 45 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 14. Vgl. P. Torelli, Un comune cittadino in territorio a economia agraria 2, Mantova 1952, S. 109-110, 114115, ders., Mantova. La storia, Bd. 1: Dalle origini a Gianfrancesco primo marchese, hrsg. von G. Coniglio, Mantova 1958.
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ria der Bonaccolsi, wie alle Signorien, jeden weiteren Ausbau der Regierungsbeteiligung verhinderte und zudem noch alle bis dahin errungenen Positionen des "popolo" in Frage stellte. Besonders früh kam der Gegensatz zwischen "popolo" und großen Familien in Cremona zum Ausdruck. Schon 1209 lassen sich eine societas populi und consules viciniarum et paraticorum et societatum im Stadtrat nachweisen. Durch einen Schiedsspruch des Bischofs Sicardus 1210 wurde dem "popolo" ein Drittel aller städtischen Ämter zugesprochen. 1228/29 erschien die erste Verfassung des allgemeinen Verbandes des "popolo". Nichts Genaues wissen wir über die Zeit der Signoria des Oberto Pelavicino, später des Buoso di Dovara. Nach dem Sturz Buosos 1270 übernimmt der "popolo" die Macht. Nach einer kurzen Zeit der Zusammenarbeit mit den Adelsfamilien nimmt der "popolo" eine antimagnatische Stellung rein, wurde jedoch bald durch eine rasche Folge kurzlebiger Signorien - der Cavalcabo, der da Correggio, der Bonaccolsi und der Visconti, - in seine Schranken gewiesen46 . Auch in Pavia erscheint gegen Ende des 12. Jahrhunderts ein allgemeiner Verband des "popolo", der nach dem Hl. Syrus benannt wurde, aber auch eine societas der milites. Die Spannung und die Kämpfe, die sich aus dieser Konstellation ergaben, bewogen Friedrich II. zur Anordnung ut omnes societates sive popularium sive militum Papie, quocumque nomine appellentur, penitus dissolvantur et sint dissoluta omnino47 • Trotz Pavias Kaiserstreue, blieben die Verbände am Leben48 • Der Verband des "popolo" vereinigte Handwerkszünfte, Händler, Geldwechsler und pelliparii49 . Der Stand der Untersuchungen erlaubt noch keinen klaren Einblick in das Verhältnis zwischen Popolani und milites bei der Macht- und Ämterverteilung. Auch die Beteiligung des "popolo" an den Kämpfen zwischen den Langosco und den Beccaria ist noch unklar, doch hat es in Pavia offensichtlich zu keiner Zeit eine Herrschaft des "popolo" gegeben5° 46 Vgl. V. Gualazzini, II "populus" di Cremona e l'autonomia del comune. Ricerche di storia del diritto italiano, con appendice di testi statutari, Bologna 1940, und W. Montorsi, La matricola popolare di Cremona del 1283. Studio introduttivo , testo, indici, in: Annali della Biblioteca governativa e Libreria civica di Cremona, 1960. 47 E. Winke/mann, Acta. imperii inedita, Innsbruck 1880, Nr. 280 (1226) u . 289 (1227). Vgl. G. De Vergottini, Arti e Popolo, S. 397 u . 450. 48 P. Vaccari, Pavia, S. 69. 49 Ebd., S. 77-78. [Siehe außerdem Storia di Pavia, 2: L'alto Medioevo, Pavia 1987]. 50 Opicinus de Canistris schrieb in seinem Liber de laudibus civitatis Papie, veröffentlicht in: RR.II.SS. 1, hrsg. von R. Maiocchi I F. Quintavalle, S. 31, über die großen Familien Pavias: .Sunt e tiam in civitate quedam progenies que dicuntur de sanguine militari, quedam vero de sanguine populari. .. rarissime ex habitu discernuntur." An einer nicht eindeutigen Stelle spricht er von ihren Wappen: "habet utraque
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Noch unklarer sind die Verhältnisse in Mailand. 1198 erscheint die allgemein bekannte "Credenza", ein Verband der Handwerker und Händler, benannt nach dem Hl. Ambrosius. Der Bund der großen Kaufleute (Universitas mercatorum) bestand seit der Mitte des 12. Jahrhunderts und konnte bereits mit der Konsularregierung wirkungsvoll und beinahe unabhängig zusammenarbeiten. Geführt wurde er von den Familien der milites minores, die sich in einer eigenen Vereinigung, der Motta, zusammengeschlossen hatten. Es wird immer wieder wiederholt, daß die Großen als Gegengewicht zur Credenza, die ganz offen auf die Kontrolle der Stadt abzielte, die "Societa dei Gagliardi" gründeten. Der "popolo" stellte dieser sofort seine "Societa dei Forti" gegenüber. Die Beziehungen dieser "societ:l" zu den Nachbarschaftsverbänden, aus denen in den anderen Städten die bewaffneten Stadtviertelbünde hervorgingen, sind noch unklar51 . 1214 erließ der Podesta Uberto di Vidalta einen Schiedsspruch, in dem er die Hälfte der kommunalen Ämter den "capitani" und den "valvassori", pars civium sua insignia dissimilia: milites habent in insignis suis zonas equaliter distantes albo nigrove colore distinctas, quas baronias vocant. Populus vero habet insignia tota rubea. Ferunt quoque vexillum rubeum cum ymagine sancti Syri episcopi. Milites vero ferunt insignia quotquod ad exercitum procedunt equites etiam si sint de sanguine populari. Quasi omnes de civitate vel de districtu, tarn populares quam militares progenies, specialia insignia singula, unde quasi infinita possunt ibi reperiri insignia". Die milites schließen Ehen mit anderen Geschlechtern "sibi pari vel dispari, aut cum adversariis vel emulis ut pacem simul habeant et conservent. Quaedam progenies in tanto multiplicate sunt ab antiquo ut sub uno insigni vel signo, diversa vocabula secundum diversas lineas habeant". " 1 Das populärwissenschaftliche Werk Storia di Milano von A. Visconti, Milano 1937, hilft hier nicht weiter. G. Francescbini, La vita sociale e politica del Duecento, in: Storia di Milano, Bd. 4, hrsg. von G. Martini, Milano 1953 u.ff. umgeht diesen Problemkreis. A. Bosisio, Milano e Ia sua coscienza civica nel Duecento, in: La coscienza cittadina nei comuni italiani del Duecento, Todi 1972, S. 45-95, schneidet ihn nur kurz an. Nützlicher, wenn auch mit anderer Zielsetzung: F. Cognasso, I Visconti, Milano 1966, er schließt an frühere Werke an mit dem Schwerpunkt auf der Entstehungsgeschichte der Signoria der Visconti. Wenig zufrieden zeigt sich auch G. Martini, L'Universitas mercatorum di Milano e i suoi rapporti con il potere politico (secoli XIII-XIV), in: Studi di storia medievale e moderna per E. Sestan, Firenze 1980, I, S. 219 u. Anmerkungen. Die Stelle im Chronicon maius von G. Flamma, in: Miscellanea di storia italiana I, 7, 1869 über die "Societa dei Forti" und die "Societä dei Gagliardi" ist genauso wenig eindeutig wie die oben angeführte von Opicinus de Canistris: als 1203 Alberto Fontana Podestä war, "facta fuit quedam societas ex popularibus et ex illis de credentia pro custodia carroceri, que dicta fuit societas fortium ... Et sie fuerunt duo societates in civitate, una ex nobilibus equestris, que dicta fuit societas gagliardorum et alia ex popularibus pedestris, que dicta est societas fortium. Et una erat contraria alteri" (S. 766). An anderer Stelle faßt Galvanus Flamma die Situation in Mailand so zusammen: "artifices divisi sunt in duas partes, quia illi qui vivunt de emptionibus et venditionibus, absque opere manuali, dicti sunt populus, ut mercatores et homines medio modo se habentes inter divitias et paupertatem. Jlli autem qui vivunt de opere manuum dicti sunt credentia ... Et nota quod iste quatuor partialitates, scilicet nobilium, mote, populi, et credentie duraverunt usque ad tempus Azi Vicecomitis: tune enim monarchia fuit adeo fortis quod alie partialitates videantur fuisse sopitae" (S. 745-746).
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d.h. den Großen, die in Mailand so genannt wurden, zuerteilte. Die andere Hälfte erhielten die Verbände der Motta und der Credenza, jeder einzelne somit ein Viertel 52 . 1221 flammte ein neuer Streit auf und wurde mit einem ähnlichen Friedensspruch wie 1214 beigelegt. 1240 schlug sich eine Gruppe von capitanei auf die Seite des Popolo und der Credenza, die auch einen von ihnen, Pagano della Torre, zu ihrem Anführer machte53 . Die Umstände und die Gründe dafür sind noch unbekannt. Jedenfalls wurde die Teilung der Ämter in zwei Hälften im sogenannten Frieden des Hl. Ambrosius 1258 bestätigt. Den Popolanen wurde der Zugang zu den höchsten kirchlichen Würden ermöglicht, die vorher ausschließlich der Schicht der capitanei vorbehalten waren. Aufruhr, Fehden und der Krieg gegen Friedrich II . und Ezzelino da Rarnano stürzten die Kommune noch dazu in eine schwere finanzielle Krise. Schließlich verlieh die Credenza 1259 Martino della Torre den Titel und die Macht eines signore; ihm folgten mehrere Vertreter seiner Familie nach. Die Aufmerksamkeit der modernen Historiker richtet sich von diesem Zeitpunkt an auf die unübersichtlichen politischen Ereignisse in Mailand; sie führten schließlich zur Signoria des Erzbischofs Otto Visconti, dem 18 Jahre lang sein Erzbistum verwehrt worden war54 • Die institutionellen Reformen des Erzbischofs führten zur politischen Machtkonzentration in seinen Händen. Nur die Universitas mercatorum behielt weiterhin ihren großen Einfluß, da sie gewichtige Interessen vertrat. Eine Herrschaft des Popolo, vergleichbar jener in Bologna, hat es in Mailand jedenfalls nie gegeben. In Lodi bildeten sich innerhalb der großen Familien Faktionen. Der Popolo nahm mit seinem Verband, der Credenza des Hl. Bassian, 1206 gegründet, an der Regierung teil 55 . In Corno hingegen, das von den dauernden Kämpfen zwischen den Vitani und den Rusconi gezeichnet war, gelang dem Popolo nur ein sehr begrenzter Aufstieg56. Die schweren Gegensätze zwischen dem "popolo" und der Oberschicht zeigten sich in Brescia besonders um 1198. Im Jahre 1270 waren die Popolanen schon dauerhaft an der Regierung beteiligt und hatte n eigene Statuten. Antimagnatische Gesetze sind jedoch nur im Ansatz vorhanden57 • In Bergamo bekämpften sich vier Familienverbände, die Suardi, die Rivola, die Bonghi und die Colleoni. Seit 1206 gab es hier bewaffnete Bünde 52 C. Manaresi, Gli ani del comune di Milano, Milano 1919, S. 505. Vgl. G. De Vergottini, 11 popolo di Vicenza, S. 347. 53
F. Cognasso, I Visconti, S. 31 ff.
Ebd., S. 35 ff., S. 44 ff. Vgl. E. Cattaneo, Ottone Visconti, arcivescovo di Milano, in: Contributi dell'Istituto di storia medievale, S. 129-165. 55 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 15. Vgl. A. Caretta I L. Samarati, Lodi. Profilo di storia comunale, Lodi 1958, S. 131 ff. 56 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 15. Vgl. E. Besta, Da! Comune alla signoria (Storia di Corno), in: Bollettino della societä storica comense, NF, 7 (1949-1950), S. 44-56. 57 G. Faso/i, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 15-16. Vgl. A . Bosisio, Crisi del comune e premessa alla signoria locale, in : Storia di Brescia 1, Milano 1963. 54
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des "popolo", seit 1230 einen allgemeinen Verband. Doch obwohl der "popolo" auch in den Faktionen der Familien präsent war, erlangte er nie die Oberhand. Eine Folge mehrerer kurzer Signorien behinderten zudem seinen weiteren Aufstieg58 . Detailliertere und zielgerichtete Untersuchungen zu den Popularbewegungen in den Städten der Lombardei könnten das hieranhandder zur Verfügung stehenden Literatur grob umrissene Bild noch geringfügig ändern. Für die heutige Region Piemont hat Paolo Brezzi in seinem Beitrag zur "Storia del Piemonte" in einem überblicksartigen Abriß im großen und ganzen meine schematischen Untersuchungen bestätigt59 . Die geographische Lage Piemonts als Transitgebiet zwischen Genua bzw. der ganzen Poebene und dem westlichen Europa begünstigte natürlich den Aufstieg einer Schicht von Händlern. Diese hatte zu Beginn der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts schon ihre eigenen, nach Berufskategorien geordneten Verbände, mit deren Hilfe sie die Politik der Städte beherrschte und nach ihren wirtschaftlichen Interessen ausrichtete. Die freiwillige oder erzwungene Verstädterung der Herren aus dem "contado" und der Landbesitzer löste zwischen den Faktionen den Kampf um die Macht und die daraus folgenden Vorteile aus. Auch der "popolo" organisierte sich daraufhin in bewaffneten allgemeinen Verbänden, die den Namen eines Heiligen erhielten, und beanspruchte seinerseits eine Beteiligung an der Stadtregierung. Bereits 1186 erscheint in Vercelli der allgemeine Verband des Hl. Stefan, 1202 jener des Hl. Moritz in Ivrea. Eine societas nova, aus dem Namen läßt sich auf einen früheren Verband schließen, beanspruchte 1222 die Hälfte der kommunalen Ämter. 1228 finden wir in Chieri den Verband des Hl. Georg, der später große Bedeutung erlangte, im gleichen Jahr auch den Verband des Hl. Petrus in Alessandria. In Asti kann man die rectores societatum60 seit 1224 nachweisen, den Verband des Hl. Secundus erst seit 1256. 1255 entsteht ein Verband des Popolo in Turin, während in Novara in den Jahren 1277-1278 eine societas paraticorum erscheint, die neben der societas militum politische Macht ausübt61 .
58 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 16. Vgl. B. Belotti, Storia di Bergamo, S. 347 ff. 59 P. Brezzi, Barbari, feudatari, comuni, signorie fino alla meta del sec. XIV, in: Storia del Piemonte, Torino 1960, S. 127 ff. Vgl. G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 18-21. 60 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagatizia, und E. Artifoni, La societa del popolo di Asti. 61 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnatizia, S. 20. Vgl. F. Cognasso, Storia di Torino, 2. Ausg ., Torino 1969, und G. Sergi, Interazioni politiche verso un equilibrio istituzionale. Torino nel Trecento, in: Torino e i suoi statuti nella seconda meta del Trecento, Torino 1981, S. 13-22. Für Novara vgl. F. Cognasso, Novara nella sua storia, in: Novara e il suo territorio, Novara 1952, S. 230 f., 265 f., 277 ff.
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Eine Popularbewegung gab es also ungefähr zur gleichen Zeit wie in der Lombardei und in der Emilia-Romagna auch in Piemont. Doch hatte die weitere politische Entwicklung einen ungleich größeren Einfluß. Signorien wie die der Grafen von Monferrato, von Savoyen, der Pelavicino, der Visconti strebten nach territorialer Ausdehnung. Geschickt verstanden sie es, die lokalen Streitigkeiten und das Erstarken des "popolo" für ihre Zwecke zu nützen. Waren sie aber einmal an der Macht, beschnitten sie die Freiheit der Kommune und der Verbände. Antimagnatische Gesetzgebung gab es so gut wie keine. Im Veneto, Padua, Verona, Vicenza, gab es schon im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts Popularbewegungen. In Padua war der "popolo" 1200 an der Regierung beteiligt, in Vicenza 1220, in Verona ab den Jahren 1226122762. Das Aufflammen der Kämpfe zwischen den Faktionen hatte den Aufstieg des "popolo" in Verona und Vicenza zum Stillstand gebracht. Erst die Vorherrschaft Ezzelino da Romanos konnte die Popularbewegung in Padua wieder unterdrücken. Da dieser aber die ihm feindlich gesinnten Familien sehr hart bekämpft hatte63 , mußte er auf der anderen Seite der Popularbewegung Freiräume zugestehen. Nach seinem Abgang war der "popolo" somit den übriggebliebenen Familien gewachsen, die wieder in ihre alte Vormachtstellung drängten. Eine antimagnatische Gesetzgebung im gewohnten Bild entwickelte sich in unterschiedlichem Maß in Verona, Vicenza und Padua. Niemals ganz zur alten Oligarchie aufschließen konnte der "popolo" in Treviso, wo die Quellen wörtlich zwischen Bürgern erster Ordnung und Bür62 G. Fasoli, Ricerche sulla legislazione antimagnalizia, S. 12-14. Lückenhaft ist die Literatur für die Städte des Veneto. Für Verona liegt zwar ein monumentales Werk vor "Verona e il suo territorio", Verona 1960 ff., aber nicht alle Beiträge sind von gleichem wissenschaftlichem Niveau. In Vorbereitung ist ein Werk zur Geschichte Vicenzas in mehreren Bänden von zahlreichen Autoren, [vgl. jetzt Storia di Vicenza, 2: L'eta medievale, hrsg. von G. Cracco, Vicenza 1988]. Zur Zeit liegt aber zu unserem Thema nur der mehrmals zitierte Beitrag G. De Vergottinis vor. Für Padua gibt es keine Geschichte, auch keine in Vorbereitung, das angeführte Werk von J.K. Hyde liefert keine Antworten auf viele unserer Fragen, während der Band von L. Luppi I M. Universo, Padova, Bari 1982, mehr aus einem Urbanistischen Standpunkt heraus entstanden ist. Der Aufsatz von S. Bortolami, La citta del Santo e del tiranno. Padova nel primo Duecento, in: Sant'Antonio 1231-1981. Il suo tempo, il suo culto e Ia sua citta, Padova 1981, S. 244-261, bringt bei aller Sorgfalt nichts Neues. Mehr gibt es zu Treviso: A. Marcbesan, Treviso medievale, 2. Aufl., Bologna 1971 mit einem Vorwort und bibliographischer Ergänzung von L. Gargan, sowie A.A. Micbieli, Storia di Treviso, Firenze 1938; anregend ist M . Knapton, Venezia e Treviso: proposte per una ricerca sul primo dominio veneziano a Treviso, in: Tomaso da Modena el il suo tempo, S. 4178. Vgl. B. Betto, I collegi dei notai, dei giudici, dei medici, dei nobili di Treviso (secoli XIII-XVI), in: Deputazione di storia patria perle Venezie, Miscellanea di studi e memorie XIX, Venezia 1981. Eine ausgeglichene, klare Studie zu der politischen Struktur der Städte des Veneto bietet A. Ventura, Nobilta e popolo nella societä veneta del '400 e '500, Bari 1964, mit vielen Bezügen zum 13. Jahrhundert. 63 Zum Verhältnis des Ezzelino da Romano zu den großen Familien Paduas siehe G. Fasoli, Un cronista e un tiranno-Rolandino Padovano ed Ezzelino.
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gern zweiter Ordnung unterscheiden mit allen daraus folgenden Konsequenzen64. Der Leser ist mir bisher vielleicht nicht immer mit gleicher Aufmerksamkeit gefolgt, sonder müde geworden, weil so oft das Gleiche für viele Städte viederholt werden mußte - aber ich bin erst recht müde, wenn ich dies alles noch einmal zu wiederholen habe65 -, doch wird er bemerkt haben, daß dabei nur selten über den Anfang des 14. Jahrhunderts hinaus gegangen wurde. Im Laufe dieses Jahrhunderts nämlich hatte sich der kontinuierliche politische Aufstieg des "popolo" formal in den erreichten Positionen behauptet. In Wirklichkeit aber schwanden die Möglichkeiten der Entscheidungsbeteiligung durch die verworrene allgemeine politische Situation, durch das Einwirken äußerer Kräfte, die die Handlungsfähigkeit, Widerstandskraft - und vielleicht auch Verständnismöglichkeiten - einer ausschließlich auf ihre eigene Stadt beschränkten Bevölkerung und ihrer Führungsschicht überstiegen. Fehlendes Vertrauen, Überdruß und mangelnde Teilnahme an den Ratssitzungen 66 begünstigten die Vorherrschaft einzelner starker Persönlichkeiten und echter Signorien. Die Institutionen der Kommune wurden ausgehöhlt, entmachtet oder sogar abgeschafft, denn die neuen Machthaber herrschten mit dem Einverständnis der Großen, die nur zu gern ihre alte Vormachtstellung wieder einnahmen. Das erste politische Auftreten des "popolo" und seiner Verbände, die erste Ernennung der "anziani", des capitaneus populi wurden immer von den Chronisten vermerkt und werden in den Dokumenten der Archive, in den Statuten, in den Ratsbeschlüssen bestätigt. Später aber erwähnte keiner der unter gänzlich anderen Verhältnissen aufgewachsenen Chronisten das Verschwinden der alten Institutionen. In den Quellen wird nicht ausdrücklich auf die Abschaffung oder Änderung bestimmter Institutionen - bewaffnete Stadtviertelbünde, allgemeiner Verband des "popolo", "anziani", capitaneus populi - hingewiesen. Sie werden einfach nicht mehr erwähnt, die neue Situation wird unter Beibehaltung des alten Vokabulars oder Verwendung von neuem ohne Bezug zur Vergangenheit dargestellt. Die modernen Historiker interessieren sich vornehmlich für das Erscheinen neuer Phänomene, nicht für das Verschwinden alter. In unserem Fall wird die Kommune nur mehr als ein gescheiterter Versuch beschrieben und vielleicht sogar der Popularbewegung die Schuld dafür zugeschrieben. Man spricht darüber, was die Kommune alles versäumt habe und was dann von den Signorien bzw. von den Territorialstaaten durchgeführt worden 64 Vgl. B. Betto, Lo statuto caminese trevtgtano del 1283-1284 (Biblioteca dell'Archivio Veneto, Bd. 7), Venezia 1977, S. 14 ff. 65 .. . Und es tut mir leid, daß ich so oft mich selbst zitiert habe, doch ließ es sich nicht vermeiden. 66 Besser als die impliziten oder expliziten Beschuldigungen der Chronisten wird dies durch die Ratsprotokolle, sofern vorhanden, dokumentiert.
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sei67 . Aufgabe der Kommune war es aber, die Sicherheit der Stadt zu garantieren, die öffentliche Ordnung so weit als möglich aufrecht zu erhalten, das umliegende Gebiet langsam miteinzubeziehen, politische und wirtschaftliche Abkommen mit den Nachbarstädten abzuschließen; Straßen und Abwässerkanäle zu bauen, Ringmauern, Häuser und Kirchen zu errichten, das personale, ethnische Recht durch das Territorialrecht zu ersetzen, in den Statutarrechren die Rechte und Pflichten des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft sowie in den individuellen Beziehungen festzulegen, eine ordnungsgemäße Gerichtsbarkeit aufzubauen, Grundschulen einzurichten, ein Geldund ein Steuersystem einzuführen und durch eine entsprechende Versorgungspolitik die politische Basis zu erweitern und das System der politischen Vertretung in Frage zu stellen. Dies alles wurde trotz der Streitigkeiten und Fehden, von denen die zeitgenössischen und späteren68 Chronisten berichten, mit einer weit größeren Konsequenz und Beständigkeit verwirklicht, als es diese Umstände vermuten lassen. Daß die Signorien dann eine geordnetere und stabilere Regierung, eine effizientere Verwaltung aufweisen und größere Territorialstaaten gründen konnten als die Kommunen in den Städten und auf dem Land, verdanken sie ganz gewiß auch der Hinterlassenschaft der Kommunen. Berechtigt wäre an dieser Stelle die Frage, ob es richtig ist, das Verhältnis zwischen Oberschicht und "popolo" als einen dauerhaften Konfliktherd anzusehen, der nur durch eine offenkundige oder verschleierte Signoria gelöst werden kann, d.h. durch die Ersetzung der "freizügigen Regierungsweise" mit die "enge und strenge Regierungsweise". In den Vordergrund rücken sollte man aber, meiner Meinung nach, die Formen und die historischen Beispiele der Zusammenarbeit zwischen den beiden Schichten auf politischer sowie auf privater, persönlicher Ebene, wie das eine Reihe von Kontakten beweisen: von den Großen an Popolani vermietete Häuser, Werkstuben, Warenlager, Adelige, die Geld verliehen zur Investition in Handel und Handwerk, bzw. Geld von den Kaufleuten und Handwerkern liehen, Häuser verkauften und über Ehen Bündnisse schlossen, wie man aus den Notariatsakten, die sehr wertvolle Quellen darstellen, ersieht.
67 Vgl. La crisi degli ordinamenti comunali e le origini dello stato del Rinascimento, hrsg. von G. Chittolini, Bologna 1979; A.l. Pini, Dal Comune, S. 490. 68 j.K. Hyde, Contemporary views on faction and civil strife in thirteenth and fourteenth Century Italy, in: Violence and Desorder in Italian Cities, Berkeley I Los Angeles I London 1972, S. 273-307 mit überwiegendene Interesse für die Chronisten der Toskana.
Bemerlamgen zu einer Geschichte von Gesellschaft wtd Politik der Städte in der Mark Verona-Treviso (11.-14.Jahrhwtdert) Von Andrea Castagnetti
1. Einführung
Diese Ausführungen nehmen die Ergebnisse eines längerfristigen Arbeitsplans vorweg, der die Erfassung aller veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen vom frühen Mittelalter bis zu den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts zum Inhalt hat. Im Rahmen dieser Studie sollen Nachforschungen in den Archiven die Geschichte der Städte und ihrer Territorien vom hohen bis zum späten Mittelalter aufarbeiten. Ausgehend von "unserem" Verona wurde der Blick auf die umliegenden Städte und Territorien ausgedehnt: von Perrara bis Reggio und Modena, von Padua· bis Vicenza und Treviso, von Trient bis Mantua und Brescia. Die Methode eines Vergleichs zwischen unterschiedlichen Situationen, die jeweils unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet wurden, wurde von uns schon seit längerem angewandt, auch in weiter gefaßteren Rahmen und umfassenderen Themenstellungen als die hier vorliegenden. Erwähnt sei nur der Vergleich zwischen der Langobardia und der Romania1 , bei der es um die territorialen Institutionen kirchlicher oder weltlicher Art, agrarischer und sozialer Natur ging, wobei in der spätrömischen Zeit angesetzt und, besonders für die Zeit vom 9. zum 12. Jahrhundert hauptsächlich das Grenzgebiet, der nordöstliche Teil der Poebene, berücksichtigt wurde. Eine weitere Studie2 hatte die Geschichte der Grafendynastien in Verona, Vicenza und Padua zum Inhalt, ging dann aber auch auf die Gesellschaftsstruktur, das Verhältnis zwischen Stadt und "contado", zwischen lokalen und zentralen Gewalten ein. Dabei zeigte sich, daß sich auch politisch und geographisch
A. Castagnetti, L'organizzazione del territorio rurale nel medioevo. Circoscrizioni ecclesiastiche e civili nella "Langobardia" e nella "Romania", Torino 1979, 2. Aufl., Bologna 1982 und ders., Enti ecclesiastici, Canossa, Estensi, famiglie signorili e vassallatiche a Verona e a Ferrara, in: Structures feodales et feodalisme dans l'Occident mediterraneen (Xe-XII!e siecles), Roma 1980, S. 387-412. A . Castagnetti, I conti di Vicenza e di Padova dall'eta ottoniana al comune, Verona 1981.
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eng vetwandte Verhältnisse, die aber dennoch verschiedene Entwicklungen nahmen, erfolgversprechend vergleichen lassen. Im folgenden wird, absichtlich nur andeutungsweise3 , besonders die enge Verbindung zwischen der sozialen und politischen Entwicklung der beiden wichtigsten Städte der Mark', Verona und Padua, herausgehoben werden, andere Gesichtspunkte werden zurückgestellt, aber nicht gänzlich außer Acht gelassen. Der soziale und politische Evolutionsprozeß dieser beiden Städte trägt innerhalb der Geschichte der italienischen Kommunen besondere herausragende Züge, die zum Teil sehr verschieden aber auch ganz entgegengesetzt waren. Schließlich soll anband der Trevisaner Signoria vom 13. bis zum 14. Jahrhundert das Thema etwas allgemeiner beleuchtet werden. 2. Stadt wtd "contado" im frühen Mittelalter
In Verona konzentrierte sich vom 10. Jahrhundert an die lokale politische Macht in den Händen des Bischofs, des Domkapitels und des am Rande der Stadt gelegenen Benediktinerklosters San Zeno. Viele Burgen, die an strategisch günstigen Stellen entlang der wichtigsten Verkehrsadern lagen, in der Ebene an den Wasserläufen, im Norden an den Berghängen, waren im Besitz der Kirche5 . ,Autonome" Adelsfamilien gab es nur wenige, zwei Grafengeschlechter - die San Bonifacio und die Gandolfinger, wobei erstere eindeutig mächtiger waren6 - und seit Anfang des 12. Jahrhunderts mehrere Familien von capitanei - die da Nogarole7 und die da Lendinara8 , beide, meiner Meinung nach, von den Este mit den entsprechenden Burgen belehnt, - die kaiserlichen Turrisendi, vom Bischof von Trient und vom Veroneser Domkapitel mit Burgen und Gerichten belehnt und die Erzoni, Vasallen des Grafen, des Bischofs und des Domkapitels; sie starben um die
Die Geschichte des Gebietes Verona-Treviso wird in einem weiteren Beitrag A. Castagnetti, La Marca Veronese-Trevigiana (secoli XI-XIV), in: Storia d'Italia VII/1, 1987 ausführlicher dargestellt. Zur Mark Verona, gegründet von Otto 1., und zur Mark Treviso, gegründet von Friedrich II., siehe Quellenverweise und Bibliographie in: A . Castagnetti, I conti, S. 14-15, Anm. 14. A . Castagnetti, Aspetti politici, economici e soci