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German Pages [481] Year 2013
© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525570302 — ISBN E-Book: 9783647570303
Jüdische Religion, Geschichte und Kultur
Herausgegeben von Michael Brenner und Stefan Rohrbacher Band 20
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Anna Lena Menny
Spanien und Sepharad Über den offiziellen Umgang mit dem Judentum im Franquismus und in der Demokratie
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Diese Arbeit wurde im Jahr 2012 an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation eingereicht.
Umschlagabbildung: Königin Sofa in der Synagoge in Madrid, Mai 1976 Ó Foto: Archivo ABC, Urheber Manuel Sanz Bermejo Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-57030-2 ISBN 978-3-647-57030-3 (E-Book) Ó 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . Zu Leitfragen und Zielsetzung Zu Quellen und Archiven . . Zum Forschungsstand . . . . Zur Vorgehensweise . . . . .
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Einführende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kollektive Identitäten und Erinnerungskulturen in Spanien . . 1.1 Gruppen erinnern: kollektives und kulturelles Gedächtnis 1.2 Gesellschaften erinnern: Erinnerungskulturen und Erinnerungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Staaten und Nationen erinnern: imagined communities, Funktionsgedächtnis und Geschichtspolitik . . . . . . . . 2. Juden in Spanien. Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das historische Sepharad bis 1492 in der Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Spanisch-jüdische Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert 2.3 Antisemitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Philosephardismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Jüdische Gegenwart und das sich wandelnde Selbstverständnis des spanischen Staates: Zwischen Nationalkatholizismus, Philosephardismus und convivencia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ambivalente „Judenbilder“ im Franquismus . . . . . . . . . . . . 1.1 Der Regierungsdiskurs über Juden, Sepharden und Israel . . 1.2 Alternativer Diskurs über Juden und Christen. Die Amistad Judeo-Cristiana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legalisierung jüdischen Lebens im franquistischen Spanien . . . 2.1 Fuero de los EspaÇoles. Selbstdefinition als katholische Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ley de Libertad Religiosa. Eine erste religionspolitische Zäsur 2.3 Religionspolitik in der Regierungspraxis . . . . . . . . . . . . 3. „Judenbilder“ seit der transiciûn. Brüche und Kontinuitäten im demokratischen Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der Jüdische Weltkongress in Madrid. Eine Leerstelle im offiziellen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
3.2 Die Anerkennung des Staates Israel als zentrales Ereignis der spanisch-jüdischen Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Gründung der Casa Sefarad-Israel. Kontinuitätslinien bis in die Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das nationale Selbstverständnis auf dem Prüfstand. Neuregelung der juristischen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Verfassung 1978. Das Ende staatlicher Konfessionalität . . 4.2 Das Religionsgesetz von 1980. Bekenntnis zu „verwurzelten“ Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Neuregelung der Staatsbürgerschaft (1982). Sepharden als „Spanier ohne Heimatland“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die Institutionalisierung des Dialoges. Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit der FCJE . . . . . . . . . . . . . . Jüdisches Erbe und das sich wandelnde Selbstverständnis des spanischen Staates. Sepharad in offiziellen Erinnerungsdiskursen . . . 1. Zwischen Hispanidad und Trikulturalität. Darstellungsmuster spanisch-jüdischer Vergangenheit in Schulbüchern . . . . . . . . 1.1 Regulierte Geschichte – die bildungspolitischen Rahmenbedingungen des offiziellen Gedächtnisses . . . . . . 1.2 Geschichte im franquistischen Schulbuch: Juden als Nicht-Spanier und das Vertreibungsedikt als nationale Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Geschichte im Schulbuch seit der transiciûn: Umdeutung der Katholischen Könige und die trikulturelle Vergangenheit . . . 2. Legitimierende Erinnerung. „Rettermythos“ und Holocaust im offiziellen Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Mystifizierung der Vergangenheit. Spanische Selbstdarstellung in der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . 2.2 Kontrolle des Gedächtnisses. Nachwirkungen des „Rettermythos“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Europäisierung des Gedächtnisses. Der Holocaust als Erinnerungsort nach 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Memorialisierung von Sepharad in der offiziellen Erinnerungspolitik des franquistischen Regimes . . . . . . . . . . 3.1 Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial (1959). Eine philosephardische Erinnerungsoffensive . . . . . . . . . . . . 3.2 Das Museo Sefard (1964) als dauerhafter Erinnerungsort . . 4. Popularisierung, Regionalisierung, Demokratisierung. Auf dem Weg zu einem pluralen Gedächtnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Heritage tourism. Die Wiederentdeckung des jüdischen Erbes als Standortvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Sefarad 92. Eine Gelegenheit zur Neujustierung des Gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
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Vorwort Das vorliegende Buch ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Jahr 2012 an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) eingereicht habe und die im Kontext des interdisziplinären LMU-Exzellenzprojektes „Christen, Mauren und Juden – Erinnerungskultur und Identitätspolitik in der iberischen Moderne“ entstanden ist. Durch den Austausch innerhalb des Projektverbundes und das motivierende Arbeitsklima habe ich viele wichtige Anregungen erhalten. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Brenner und meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Martin Baumeister, die immer ein offenes Ohr für mich hatten und mir mit wertvollen Ratschlägen und konstruktiver Kritik zur Seite standen. Ich bin glücklich, meine beiden Projektkollegen kennengelernt zu haben und danke ihnen für zahlreiche interessante und fruchtbare Gespräche. Der intensive Austausch mit meinen Kollegen in der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur an der LMU ebenso wie mit Freunden und Bekannten war unglaublich bereichernd. Darüber hinaus war mein Vater ein wichtiger Gesprächspartner und eine großartige Unterstützung. Ihnen allen danke ich von Herzen dafür, dass sie mich während des gesamten Arbeitsprozesses mit ihren Anregungen, ihrer Kritik, ihren Fragen und ihren Tipps begleitet haben. Mein Dank gebührt hier ebenfalls Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum und Prof. Dr. Carlos Collado Seidel. Ohne die Mitarbeiter in den Archiven, Bibliotheken und weiteren von mir besuchten Einrichtungen, ohne die Herstellung vieler Kontakte über die FCJE und ohne die Auskunftsbereitschaft meiner verschiedenen Gesprächspartner wäre das Projekt nicht in diesem Umfang realisierbar gewesen. Für die Gewährung eines Promotions-Abschlussstipendiums und die finanzielle Unterstützung der Drucklegung bin ich der FAZITStiftung zu Dank verpflichtet. Schließlich möchte ich den Rückhalt erwähnen, den ich durch meine Familie und meine Freunde erfahren habe, und mich dafür bedanken, dass sie mit mir in den letzten Jahren alle Höhen und Tiefen durchlebt, mich immer wieder ermuntert und viel Geduld und Verständnis aufgebracht haben. Hamburg, im März 2013
Anna Lena Menny
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Einleitung „Über das Judentum in Spanien zu reden bedeutet über die Geschichte Spaniens selbst zu sprechen.“ 1
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht die Erinnerung an Sepharad2 hoch im Kurs. Offizielle Bekenntnisse, wie hier des spanischen Justizministers, werden begleitet von einer Vielzahl touristischer und kultureller Angebote, wie Reiserouten, Kochbüchern oder Festivals der Drei Kulturen.3 Gleichzeitig ist die spanische Gesellschaft durch eine zunehmende religiöse und kulturelle Pluralität gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund erlebt neben dem jüdischen Erbe auch die Phase der historischen convivencia4 – das relativ konfliktfreie Zusammenleben von Juden, Mauren und Christen – einen Erinnerungsboom und droht sich zu einer inhaltsarmen Chiffre für tolerantes Miteinander zu verselbstständigen. Die vorliegende Untersuchung nimmt eine dieser Kulturen in den Blick und fragt nach der Position, die der Staat im Franquismus und in der Demokratie gegenüber der jüdischen Minderheit und dem jüdischen Erbe einnahm. Das Judentum hat eine lange Tradition auf der Iberischen Halbinsel. Nach der 1 „Hablar del judasmo en EspaÇa es hablar de la propia historia de EspaÇa.“, CaamaÇo, Francisco (Justizminister bis 2011), El estado espaÇol y las comunidades judas: Nuevos marcos de referencia, in: Israel Garzûn, Jacobo/Macas Kapûn, Uriel (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa y las comunidades judas, Madrid 2010, 19. Diese sowie alle folgenden Übersetzungen wurden – sofern nicht anders vermerkt – von der Verfasserin angefertigt. 2 Unter dem Begriff Sepharad wird in dieser Arbeit nicht nur die geografische und dem Hebräischen entlehnte Bezeichnung für Spanien, sondern die Phase jüdischer Existenz auf der Iberischen Halbinsel unter christlicher und muslimischer (al-Andalus) Herrschaft bis Ende des 15. Jahrhunderts sowie die z. T. stereotypisierte und mystifizierte Erinnerung an eben diese Epoche zusammengefasst. Während al-Andalus ein historisches Herrschaftsgebiet bezeichnet, handelt es sich bei Sepharad um einen Sammelbegriff, mit dem verschiedene Geschichtsbilder und Erinnerungen assoziiert werden. Zur Begriffsbestimmung von Sepharad bzw. Sepharde vgl.: Carrete Parrondo, Carlos, Los judos de Castilla en la Baja Edad Media, in: Mallo Salgado, Felipe (Hg.), La EspaÇa cristiana medieval, Acta Salmanticensia 54, Salamanca 1990, 145. Carrete Parondo definiert Sepharden als die ehemaligen jüdischen Bewohner der Iberischen Halbinsel und deren Nachfahren und grenzt sie von den orientalischen Juden (Misrachim) und den Aschkenasen ab. Vgl. dazu auch: Benbassa, Esther/Rodrigue, Aron, Sephardi Jewry. A History of the JudeoSpanish Community, 14th–20th Centuries, Berkeley/Los Angeles/London 2000, 195; Daz-Mas, Paloma, Los sefardes. Historia, lengua y cultura, Barcelona 42006, 28ff; Gerber, Jane S., The Jews of Spain. A History of the Sephardic Experience, New York/Toronto 1992, xi – xvi, xxii – xxv. 3 Die Formulierung „Drei Kulturen“ bezieht sich auf das Christentum, den Islam und das Judentum in der Phase ihrer Koexistenz auf der Iberischen Halbinsel. 4 Der Begriff wird im Spanischen belassen, da nur so der Besonderheit Rechnung getragen werden kann, dass bei seiner Verwendung die Erinnerung an das Zusammenleben der Drei Kulturen im Mittelalter mitschwingt.
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Einleitung
Vertreibung 1492 fand eine Wiederansiedlung jedoch nur sehr zögerlich statt, und erst durch verschiedene Einwanderungswellen im 20. Jahrhundert konnten sich dauerhafte Strukturen etablieren. Gegenwärtig ist die kleine jüdische Gemeinschaft – aktuelle Schätzungen beziffern ihre Mitgliederzahl auf etwa 40.000 – in verschiedenen Gemeinden und Vereinigungen sowie in einem landesweiten Dachverband, der Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa (FCJE), organisiert.5 Der breit angelegte Untersuchungszeitraum deckt die Jahre zwischen 1945 und 1992 ab. Markiert werden der Anfangs- und Endpunkt durch zwei zentrale Ereignisse: 1945 wurde sechs Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges mit dem Fuero de los EspaÇoles das erste Grundgesetz des franquistischen Regimes verabschiedet, das den nationalkatholischen Charakter des neuen Staates legitimierte und zementierte.6 47 Jahre später gedachte das demokratische Spanien im Rahmen des Gedenkprogramms Sefarad 92 des 500. Jahrestages des Erlasses des Vertreibungsediktes gegen die iberischen Juden am 31. März 1492. Ausgehend von diesem Gedenkjahr bildete sich ein Gedächtniskonsens heraus, der das Bild einer friedvollen convivencia und einer kulturellen Blütezeit im trikulturellen Mittelalter ins Zentrum rückt und die Vertreibung der Juden als einen historischen Fehler und Verlust wertet. Er wurde in der Folgezeit nicht mehr grundlegend infrage gestellt. Zugleich wird 1992 gemeinhin als Höhepunkt eines nach 1975 einsetzenden „Normalisierungs“-Prozesses verstanden: Mittels dreier Staatsverträge wurden die protestantische, muslimische und jüdische Minderheit weitgehend mit der katholischen Kirche gleichgestellt. Das zwischen Justizministerium und dem jüdischen Dachverband ausgehandelte Abkommen bildet bis in die Gegenwart die juristische Grundlage für die Religionspolitik und den gesetzlichen Rahmen für jüdisches Leben. Allerdings ist der Untersuchungszeitraum flexibel gehalten und das 1995 gegründete Netz jüdischer Viertel (Red de Juderas) findet ebenso Berücksichtigung wie etwa die Gründung der Casa Sefarad-Israel im Jahr 2006/07.
5 Vgl.: Rozenberg, Danielle, La EspaÇa contempornea y la cuestiûn juda. Retejiendo los hilos de la memoria y de la historia, Madrid 2010, 272. Davon leben etwa 16.000 Juden in Madrid und etwa 8000 Juden in Katalonien. Die Mehrheit der in Spanien lebenden Juden sind Sepharden, für Barcelona wird beispielhaft folgende Aufteilung angegeben: 85 % Sepharden und 15 % Aschkenasen. Vgl.: Estruch, Joan u. a., Las otras religiones. Minoras religiosas en CataluÇa, Barcelona 2 2007, 30 f, 41. 6 Ein knapper Überblick zum Charakter und den verschiedenen Phasen des Regimes findet sich bei: Macher, Julia, Verdrängung um der Versöhnung willen. Die geschichtspolitische Auseinandersetzung mit Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in den ersten Jahren des friedlichen Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in Spanien (1975 – 1978), Gesprächskreis Geschichte 48, Bonn (Bad Godesberg) 2002, 15 – 19. Zum franquistischen Nationalismus vgl. z. B.: Barrachina, Marie-Aline, Idea Nacional y Nacionalismos bajo el Franquismo, in: GuereÇa, Jean-Louis/Morales MuÇoz, Manuel (Hg.), Los Nacionalismos en la EspaÇa contempornea. Ideologas, movimientos y smbolos, Mlaga 2006, 207 – 224.
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Zu Leitfragen und Zielsetzung
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Zu Leitfragen und Zielsetzung Der Fokus liegt auf dem offiziellen Umgang mit jüdischer Gegenwart und jüdischem Erbe in Spanien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unter dem Oberbegriff „Gegenwart“ werden die zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Ereignisse und Entwicklungen und somit historische Gegenwarten gefasst, mit denen sich die Regierung auseinandersetzen musste. In Abgrenzung dazu bezeichnet die Kategorie „Erbe“ den erinnerungspolitischen Zugriff auf zu dem jeweiligen Zeitpunkt bereits vergangene Geschehnisse, insbesondere auf das mittelalterliche Sepharad. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Perspektiven auf das Judentum. Es wird angenommen, dass sich die Aushandlung und Etablierung jüdischen Lebens in Spanien im Spannungsverhältnis von Außen-, Religions- und Erinnerungspolitik vollzog und diese Felder bei der Untersuchung zu berücksichtigen sind. Demnach ergibt sich erst durch das Zusammendenken von Gegenwart und Vergangenheit bzw. der kollektiven Erinnerung an diese ein vollständiges Bild. Konkret lassen sich folgende Leitfragen formulieren: Erstens wie verhielt sich der spanische Staat, d. h. die Regierung und ihre Ministerien, gegenüber in Spanien lebenden Juden bzw. gegenüber den sich gründenden jüdischen Gemeinden, welche charakteristischen Umgangs- und Wahrnehmungsformen lassen sich erkennen, welche Selbst- und Fremdbilder lagen dem Umgang mit dem Judentum zugrunde und wie gestalteten sich die juristischen, gesellschaftlichen und (religions-)politischen Rahmenbedingungen in den Jahrzehnten der Diktatur bzw. der Demokratie? Die Beantwortung dieses Fragenkomplexes gibt Aufschluss über den Stellenwert nichtkatholischer Minderheiten innerhalb der nationalen Gemeinschaft. Dabei muss auch der außenpolitische Kontext berücksichtigt werden, der das Verhalten gegenüber dem Judentum beeinflusste. Zweitens existierte oder entwickelte sich während des Untersuchungszeitraumes ein offizielles Gedächtnis an die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel vor 1492 und lässt sich eine Erweiterung des im Franquismus dominanten nationalkatholischen Narrativs konstatieren? Wenn ja, welche Erinnerungen beinhaltete es, welche Ausdrucksformen nahm es an und welche geschichtspolitischen Implikationen lagen ihm zugrunde? Dabei gilt es auch, die in der Literatur zu findende Meinung zu überprüfen, die jüdische Vergangenheit des Landes habe für das franquistische Regime keine sinnstiftende Funktion besessen.7 Drittens wird 7 Exemplarisch lässt sich die häufig vertretene These an folgendem Zitat verdeutlichen: „Con la dictadura de Franco cuestiones histûricas como la expulsiûn de judos y la tolerancia y la convivencia parecan irrelevantes y en consecuencia fueron ignoradas; la expulsiûn de los moros se consideraba sin ambigüedades como una victoria espiritual y militar llamada Reconquista, que se pareca mucho a la de Franco contra el comunismo, y bautizada como Cruzada por el clero catûlico.“, Palomero Plaza, Santiago, El Museo Sefard como trasmisor del patrimonio hispanojudo, in: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara/Izquierdo Benito, Ricardo/Benito Ruano, Eloy (Hg.),
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Einleitung
nach dem (wechselseitigen) Zusammenhang zwischen dem offiziellen Umgang mit der jüdischen Gegenwart auf der einen Seite und dem offiziellen Umgang mit der jüdischen Vergangenheit auf der anderen Seite gefragt. Da die staatliche Haltung gegenüber Minderheiten eng an das Selbstverständnis der Mehrheit und damit an die als solche erachtete „Wir-Gruppe“ geknüpft ist, werden der nationale Identitätsdiskurs, seine Veränderungen und Ausdrucksformen berücksichtigt und in die Untersuchung mit einbezogen. In Anlehnung an die von Christian Jansen und Henning Borggräfe genannten drei Untersuchungsebenen von Nationalismus wird nach den ideologischen Inklusions- und Exklusionskriterien, nach nationalen Topoi und Mythen sowie nach staatlichen Identifikationsangeboten gefragt.8 Von Interesse sind insbesondere offiziell sanktionierte Selbstdefinitionen, wie sie sich aus Verfassungs- und Gesetzestexten herauslesen lassen, die zugleich die juristischen Rahmenbedingungen jüdischen Lebens bilden. Für die Konstruktion der spanischen Identität hatten die katholische Tradition und die Abgrenzung gegenüber Andersgläubigen lange Zeit eine zentrale Funktion, sodass davon auszugehen ist, dass Religionspolitik in besonderem Maße identitätsrelevant war.9 Zu fragen ist daher, welche Auswirkungen der Nationalkatholizismus auf den Umgang mit anderen Religionen – hier dem Judentum – hatte. Die Untersuchung des dominanten Diskurses über die jüdische Minderheit in Spanien lehnt sich methodisch an das Konzept der historischen Diskursanalyse sowie an die neuere kulturhistorische Forschungsrichtung der history of representations an, die Klischees, Topoi und Darstellungsformen des „Anderen“ untersucht.10 Grundlegend ist die Annahme, dass soziale Wirklichkeiten konstruiert sind und durch Diskurse, verstanden als mit Machtformen verknüpfte Ordnungsmuster, hervorgebracht werden.11 Wenn Fremdheit bzw. Anderssein als „Produkt gesellschaftlicher Selbstbeschreibung“ verstanden wird, sind die Prozesse der Identitätsbildung, der staatlichen Klassifizierung und rechtlichen Kodifizierung relevante Analyseebenen.12 Dass die Aushandlung nationaler Identitätsentwürfe außerdem eng an die Interpretation der Vergangenheit gekoppelt ist, betonen Eric Hobsbawm mit dem Konzept der invention of tradition oder Benedict Anderson mit
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Juderas y sinagogas de la Sefarad medieval. XI Curso de Cultura Hispanojuda y Sefard de la Universidad de Castilla-La Mancha, Cuenca 2003, 456. Vgl.: Jansen, Christian/Borggräfe, Henning, Nation – Nationalität – Nationalismus, Historische Einführungen 1, Frankfurt a.M./New York 2007, 18 f. Bernecker betont die kaum zu überschätzende Rolle des „Katholizismus als nationale Ideologie in der Geschichte des Landes“, Bernecker, Walther L., Religion in Spanien. Darstellung und Daten zu Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1995, 7. Vgl.: Landwehr, Achim, Historische Diskursanalyse, Frankfurt a. M./New York 2008, 53; Burke, Peter, Was ist Kulturgeschichte?, Bonn 2005, 93 – 96. Vgl.: Landwehr, Historische Diskursanalyse, 96, 98. Aydın, Yas¸ar, Topoi des Fremden. Zur Analyse und Kritik einer sozialen Konstruktion, Konstanz 2009, 149. Vgl. auch: Ebd., 133 – 172, 173.
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Zu Leitfragen und Zielsetzung
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seinem Ansatz der imagined community.13 Dem offiziellen Gedächtnis an Sepharad, den ihm zugrunde liegenden Vergangenheitsbildern und der staatlichen Geschichtspolitik nähert sich die Arbeit exemplarisch über Erinnerungsorte an, wobei diese im Sinne Pierre Noras nicht auf ihre materielle Dimension beschränkt bleiben. Die Verknüpfung von erinnerungs-, kultur- und diskursgeschichtlichen Ansätzen bildet die Grundlage für eine kritische und fruchtbare Analyse des sehr heterogenen Quellenmaterials. Zugleich resultiert aus ihr eine Positionierung der Arbeit in verschiedenen Forschungsfeldern: Der offizielle Umgang mit Minderheiten lässt Rückschlüsse auf das Selbstverständnis des Staates sowie auf gesellschaftliche und politische Exklusionsmechanismen zu. Die Alterität der als Minderheit erachteten Gruppe geht einher mit einer (vorgestellten) Homogenität der Mehrheit, der „Wir-Gruppe“. Im Fall der Juden in Spanien handelt es sich um eine gesellschaftliche Gruppe, die in der Geschichte des iberischen Landes bis ins 15. Jahrhundert eine bedeutende Rolle gespielt hat. Erst das von den sogenannten Katholischen Königen Fernando und Isabel 1492 erlassene Vertreibungsedikt beendete die offizielle Existenz einer jüdischen Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel. Damit ist der staatliche Umgang mit der jüdischen Gegenwart und dem jüdischen Erbe in besonderem Maße ein Gradmesser für die Selbstbestimmung der Nation Spanien und tangiert die Religions- ebenso wie die Erinnerungspolitik und damit zwei zentrale Felder spanischer Zeitgeschichte. Mit der Untersuchung der „Vergangenheit von Sepharad“, d. h. des Niederschlages des spanischjüdischen Erbes in der offiziellen Erinnerungskultur, soll ein Beitrag zur Erforschung von kollektiven Gedächtnissen, Geschichtsbildern und Erinnerungspolitiken geleistet werden. Über die gewählte Perspektive können auch neue Impulse für die spanische Nationalismusforschung geliefert werden. In der bisherigen Forschung zur nationalen und kulturellen Identität Spaniens hat das Paradigma der Drei Kulturen nur eine untergeordnete Rolle gespielt, wird dieses Forschungsfeld doch insbesondere von dem Spannungsverhältnis zwischen Zentralstaat und Regionalismen bestimmt. Auch die Erinnerungsforschung hat das trikulturelle Erbe bislang gegenüber der in den letzten Jahren stark angestiegenen Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg und der Franco-Diktatur vernachlässigt. Die Untersuchung des Umgangs mit der jüdischen Minderheit und mit der Erinnerung an Sepharad gibt Aufschluss über nationale – und möglicherweise ebenfalls über regionale und lokale – Identitätsentwürfe und kann bisherige Ergebnisse zu historischen Meistererzählungen in einem neuen Licht erscheinen lassen. Der breit angelegte Untersuchungszeitraum ermöglicht es, Entwicklungen und Veränderungen aufzuzeigen. Da sowohl die franquistische Diktatur als 13 Vgl.: Hobsbawm, Eric/Ranger, Terence, The Invention of Tradition, Cambridge 2010 [1983], 9; Anderson, Benedict, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzeptes, Frankfurt a. M. 22005, 15 ff.
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Einleitung
auch die konstitutionelle Monarchie im demokratischen Spanien sowie die in der Forschung als transiciûn titulierte, weitgehend friedlich verlaufene Übergangsphase zeitlich abgedeckt werden, ist von besonderem Interesse, inwiefern das Ende des Franquismus eine Zäsur bildete bzw. sich nach 1975 Kontinuitäten feststellen lassen. Die Analyse der offiziellen Haltung gegenüber Minderheiten in zwei politischen Systemen kann für Forschungen zur FrancoDiktatur bzw. zum Demokratisierungsprozess in Spanien fruchtbar gemacht werden. Da der Untersuchungszeitraum nah an die Gegenwart heranreicht, kann die exemplarische Analyse des historischen Falls einer konkreten Minderheit zur Kontextualisierung der Debatten um die zunehmende kulturelle und religiöse Pluralität der spanischen Gesellschaft beitragen. Schließlich will die Studie einen Beitrag zu einem bislang vernachlässigten Aspekt jüdischer Zeitgeschichte liefern und verortet sich somit auch im Kontext der Erforschung des europäischen Judentums nach 1945. Der Fokus der Untersuchung liegt auf der zentralstaatlichen Perspektive. Zum einen ließ der nationale Identitätsdiskurs im Franquismus kaum regionale Ausdifferenzierungen zu,14 zum anderen unterliegt die Religionspolitik bis in die Gegenwart in weiten Teilen dem Zentralstaat und seinen Institutionen.15 Dennoch wird kursorisch und exemplarisch am Beispiel von Katalonien der Blick auf einen regionalen Identitäts- und Erinnerungsdiskurs gelenkt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede anzudeuten. Diese Herangehensweise kann auch deshalb gewinnbringend sein, da regionale Gedächtnisse häufig selektiver auswählen und Alternativen zum nationalen Gedächtnis anbieten.16 So geht Sören Brinkmann im Hinblick auf die Erinnerung an Bürgerkrieg und Franquismus von einer regionalen Ausdifferenzierung des Gedächtnisses – insbesondere im Baskenland und in Katalonien – aus, die er auch auf die unterschiedlichen historischen (Unterdrückungs-)Erfahrungen zurückführt.17 Für die Erinnerung an die hier untersuchte historische Phase 14 Zur Unterdrückung des Regionalismus, insbesondere in Katalonien und im Baskenland, vgl. z. B.: Bernecker, Walther L., Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert, München 2010, 243 f; Barrachina, Idea Nacional, in: GuereÇa/Morales MuÇoz (Hg.), Los Nacionalismos, 207 – 224. 15 Zur Verteilung der Kompetenz auf zentralstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene vgl.: Observatorio del pluralismo religioso en EspaÇa, Manual para la gestiûn municipal de la diversidad religiosa, o. O. 2011, 16 – 20. Die Autonomen Gemeinschaften sind für einzelne Bereiche zuständig, wie z. B. für den Religionsunterricht. Vgl.: Ebd., 19. 16 Zum regionalen Gedächtnis vgl.: Fuge, Janina/Hering, Rainer/Schmid, Harald, Norddeutsche Erinnerungsräume. Einleitende Gedanken, in: Dies. (Hg.), Das Gedächtnis von Stadt und Region. Geschichtsbilder in Norddeutschland, München/Hamburg 2010, 7 – 14, insb. 14. 17 Vgl.: Brinkmann, Sören, Katalonien und der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte und Erinnerung, Kultur und Gesellschaft der katalanischen Länder 4, Berlin 2007, 8 f; Bernecker, Walther L./Ders., Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936 – 2006, Nettersheim 2006, 328 – 337. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts entstand in Katalonien ein Gefühl der Verbundenheit mit dem Judentum, und Israel wurde von Vertretern des Katalanismus zunehmend als Vorbild und Verwirklichung der eigenen, unerfüllten Träume gesehen. Vgl.: Illas, Edgar, On universalist particularism: The Catalans and the Jews, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 77 – 94.
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Zu Quellen und Archiven
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deutet sich in Katalonien ein Abgrenzungsdiskurs „Katalonien ist nicht Sepharad“ an. Im Hinblick auf die jüdische Gemeinschaft in Spanien findet eine Konzentration auf die Gemeinden in Madrid (Comunidad Juda de Madrid, CJM) und in Barcelona (Comunidad Israelita de Barcelona, CIB) statt, wobei der Schwerpunkt auf Madrid liegt. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten noch weitere jüdische Gemeinden in den beiden Städten gründeten, sind, sofern nicht anders vermerkt, mit der jüdischen Gemeinde Madrid bzw. Barcelona jeweils die CJM und die CIB bzw. ihre namentlichen Vorläufer gemeint.18 Als Hauptstadtgemeinde kam und kommt der CJM im öffentlichen und offiziellen Bewusstsein eine besondere Bedeutung zu, die auch über die Grenzen Spaniens hinausreicht. Aufgrund der geografischen Nähe zum Regierungssitz unterlag die Gemeinde während der franquistischen Diktatur einer besonderen Überwachung, es ergaben sich aber zugleich häufigere und direktere Kontakte zwischen Gemeindemitgliedern und Regierungsstellen.19 Schließlich beherbergt Madrid seit den 1960er Jahren die größte jüdische Einzelgemeinde in Spanien.20 Einer Berücksichtigung weiterer Gemeinden, die sich mit Ausnahme von Ceuta, Melilla, Mlaga und Sevilla häufig erst seit den 1970er Jahren gründeten, stand auch der Mangel an verfügbarem Quellenmaterial entgegen.
Zu Quellen und Archiven Die Untersuchung basiert auf umfangreichem und heterogenem Quellenmaterial. Größtenteils handelt es sich um Archivalien, die in einigen Fällen erstmalig gesichtet wurden. Das Archivmaterial setzt sich hauptsächlich aus Dokumenten, Berichten und Korrespondenzen verschiedener Ministerien zusammen, die für die Religionsgemeinden zuständig waren und sind, wobei die Quellenlage für die franquistische Diktatur wesentlich ergiebiger ist als für die Phase nach 1975, deren Erforschung durch andauernde Sperrfristen der Archive oder die noch nicht erschlossenen Bestände erschwert wird. Allerdings ist die jüdische Geschichte im franquistischen Spanien nur schwer 18 Es werden im gesamten Text die aktuellen Bezeichnungen verwendet, da es sich um die von den jüdischen Gemeinden selbst gewählten Namen handelt und eine durchgehend einheitliche Bezeichnung die Leseverständlichkeit erleichtert. Dasselbe gilt für den jüdischen Dachverband, der sich von Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa (FCIE) in Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa (FCJE) umbenannte. 19 Darauf deutet das Quellenmaterial hin, ein entsprechender Hinweis findet sich außerdem bei: Berthelot, Martine, Crûnica de la reimplantaciûn de los judos en CataluÇa. Aspectos de su vida cotidiana en la primera mitad del siglo XX, in: Israel Garzûn, Jacobo (Hg.), Los judos de CataluÇa (1918 – 2007), Madrid 2007, 59. 20 Vgl.: Berthelot, Martine, Cien aÇos de presencia juda en la EspaÇa contempornea, Barcelona 1997, 127.
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greifbar. Daraus ergibt sich folgende Herangehensweise: Für die Phase der 1940er bis 1970er Jahre wird verstärkt der Diskurs der beteiligten Ministerien durch die Herausarbeitung der zentralen Topoi analysiert, die Untersuchung der Phase nach 1975 gliedert sich stärker nach öffentlich relevanten Ereignissen, an denen sich der offizielle Diskurs verdichtet. Hervorzuheben ist, dass die Zuständigkeit für das Judentum betreffende Fragen unter Franco auch beim Außenministerium lag – in dessen Archiv sich die umfangreichsten Bestände finden. Damit ist bereits eine Aussage über die den Juden zuerkannte Zugehörigkeit bzw. Nicht-Zugehörigkeit zur spanischen Nation getroffen. Ferner waren das Innen- und Justizministerium involviert.21 Im demokratischen Spanien obliegt die Verantwortung für Religionsgemeinden dem Justizministerium.22 Ausgewertet wurden das Archiv des Außenministeriums (Archivo General del Ministerio de Asuntos Exteriores, AMAE),23 das Archiv des Justizministeriums (Archivo General del Ministerio de Justicia, AGMJ),24 das Zentrale Verwaltungsarchiv (Archivo General de la Administraciûn, AGA),25 in dem die älteren Bestände verschiedener Ministerien zusammengeführt werden, das Archiv des Kulturministeriums (Archivo Central del Ministerio de Cultura, ACMC), in dem Material zu verschiedenen Ausstellungen, z. B. in Zusammenhang mit dem Gedenkjahr 1992, gesichtet wurde, und das Archiv der Presidencia del Gobierno (ACMP).26 Die innerhalb des staatlichen Consejo Superior de Investigaciones Cientficas (CSIC) angesiedelte Unidad de Tratamiento Archivstico y Documentaciûn (UTAD)27 ist ein groß angelegtes Programm zur Archivierung der Bestände verschiedener Institute und For21 Das Archiv des Innenministeriums konnte aufgrund der langen Wartezeiten nicht konsultiert werden. Ein Antrag wurde von der Verfasserin gestellt, bislang aber nicht genehmigt. 22 Vgl.: Mantecûn, Joaqun, Confesiones minoritarias en EspaÇa. Gua de entidades y Vadem¦cum normativo, Madrid 2004, 14. 23 Zur Struktur und den Reformen innerhalb des Außenministeriums sowie zu seinem Archiv vgl.: Santos Canalejo, Elisa Carolina de, Gua del Archivo General del Ministerio de Asuntos Exteriores, Madrid 1997. Die Bestände des Archivo Renovado umfassen Korrespondenzen, Berichte, interne Mitteilungen etc. der verschiedenen Sektionen des Außenministeriums, wobei eine systematische Suche durch die unzureichende Katalogisierung und Ordnung, z. B. nach Sachgruppen, und mangelnde Vollständigkeit erschwert wird. Auch sind die Findhilfsmittel bislang unzureichend. 24 Dort fanden sich in erster Linie Unterlagen im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Religionsgesetzes von 1967. Allerdings waren aufgrund von Umbauarbeiten nicht alle Bestände zugänglich. Eine Anfrage der Verfasserin an die für die Verwaltung des Religionsregisters zuständige Direcciûn General de Relaciûn con las Confesiones ergab, dass dort keine Unterlagen zu den jüdischen Gemeinden archiviert werden. 25 Im AGA wurden die Bestände des Kulturministeriums, des Innenministeriums, des Ministeriums für Information und Tourismus, des Außenministeriums, des Justizministeriums und der Presidencia del Gobierno konsultiert. 26 Eine adäquate Übersetzung ist nicht möglich. Das Ministerium ist heute etwa vergleichbar mit dem deutschen Kanzleramt. 27 Vgl.: http://www.investigacion.cchs.csic.es/utad/, 9. 8. 2011.
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schungseinrichtungen, wie z. B. des Instituto Arias Montano. Das Archiv der Real Academia de la Historia (RAH) und hier die Sammlung zum ehemaligen Außenminister Fernando Mara Castiella ebenso wie das Archiv der Oficina de Informaciûn Diplomtica (OID) beinhalten in erster Linie Presseartikel zu verschiedenen Themengebieten, mitunter aber auch Korrespondenzen und Mitteilungen. In einigen Fällen konnte zudem auf die Online-Archive des Congreso de los Diputados sowie des Senats zurückgegriffen werden, um Parlamentsdebatten nachzuvollziehen.28 In Barcelona und Girona wurden die jeweiligen Stadtarchive (Arxiu Municipal de Administratiu de Barcelona, AMAB und Arxiu Administratiu de la Ciutat de Girona, AACG) und in Girona zudem das Centro Bonastruc Åa Porta, welches das Jüdische Museum der Stadt beherbergt und die Akten der Red de Juderas sowie des Patronato del Call de Girona aufbewahrt, besucht. Die Suche im Stadtarchiv von Madrid (Archivo de Villa de Madrid) führte zu keinem Fund. Darüber hinaus konnte auf publizierte Quellen zurückgegriffen werden. Dies gilt z. B. für Gesetzestexte nach 1945, die sowohl in den entsprechenden Regierungsmitteilungen (Boletn Oficial del Estado, BOE) als auch in der Sekundärliteratur veröffentlicht wurden. Ferner wurden Dokumentenzusammenstellungen der OID sowie Akten der Spanischen Bischofskonferenz für die Untersuchung herangezogen.29 Letztere finden Berücksichtigung, da die katholische Kirche eine wichtige Machtsäule im franquistischen Regime darstellte. Im Hinblick auf den Franco-Nachlass wurde ebenfalls auf publizierte Quellensammlungen, deren Material bis zum Jahr 1970 reicht, zurückgegriffen. Allerdings boten sie nur wenig Aufschluss über die staatliche Politik gegenüber Juden. Die Veröffentlichungen stammen teilweise von der Fundaciûn Nacional Francisco Franco, die zusammen mit der Familie Franco den Nachlass verwaltet und den Zugang zu den Quellen streng kontrolliert.30 28 Vgl.: http://www.congreso.es/portal/page/portal/Congreso/Congreso/SDocum, 9. 8. 2011; http:// www.senado.es/public/bocg.html, 9. 8. 2011. Dort sind die Boletnes Oficiales de las Cortes Generales und die Diarios de Sesiones archiviert. Die Revista de las Cortes Generales erwies sich für diese Arbeit als nicht ergiebig. Von 1943 bis 1957 wurden die Sitzungsprotokolle der Cortes nicht veröffentlicht. Vgl.: Rivero Moreno, Ana, Las actas y diarios de sesiones en la historia parlamentaria, in: Revista de las Cortes Generales, 8/1986, 229 – 257. Zur Rolle der Cortes im Franquismus vgl. z. B.: Tusell, Javier, La dictadura de Franco, Madrid 1988, 217 – 222; Bernecker, Geschichte Spaniens, 190 f. Eine umfassende Auswertung der politischen Debatten steht noch aus. Die Stichproben in den hier zitierten Quellen führten allerdings zu wenig Fundstellen. 29 Zu den OID-Dokumenten vgl.: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina de Informaciûn Diplomtica, Madrid 1981 – 1992. Zu den Dokumenten der Spanischen Bischofskonferenz vgl.: Garcia Domene, Juan Carlos (Hg.), Documentos de la Conferencia Episcopal EspaÇola (1983 – 2000), I: 1983 – 1990, Madrid 2003; Ders. (Hg.), Documentos de la Conferencia Episcopal EspaÇola (1983 – 2000), II: 1990 – 1995, Madrid 2004; Ders. (Hg.), Documentos de la Conferencia Episcopal EspaÇola (1983 – 2000), III: 1995 – 2000, Madrid 2004; Iribarren, Jesffls (Hg.), Documentos de la Conferencia Episcopal EspaÇola. 1965 – 1983, Madrid 1984. 30 Zu den Schwierigkeiten, die sich bei der Erforschung des Franco-Nachlasses ergeben, vgl.: Rother, Bernd, Spanien und der Holocaust, Romania Judaica 5, Tübingen 2001, 22. Momentan
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Mitunter wurden sie noch während der Diktatur von der Direcciûn General de Cultura Popular y Espectculos herausgegeben.31 Auch die Bestände privater Archive wurden konsultiert. Dazu gehören z. B. die Sammlung des Centro de Estudios Judeo-Cristianos (CEJC), die sowohl Materialien zum aktuellen Studienzentrum als auch zur früheren Amistad Judeo-Cristiana (AJC) enthält, der ein Kapitel dieser Arbeit gewidmet ist, sowie das Archiv der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 in Barcelona. Die Kommission war an der Vorbereitung des Gedenkprogramms Sefarad 92 beteiligt. Die Einbeziehung jüdischer Gemeindearchive wäre wünschenswert gewesen, ließ sich aber nur sehr begrenzt verwirklichen, da in den meist sehr kleinen Gemeinden keine systematisch angelegten Archive existieren und historische Dokumente oftmals nicht erhalten bzw. für Außenstehende nicht zugänglich sind. Lediglich die Bibliothek der Comunidad Juda de Madrid und Teile der Archivbestände der Comunidad Israelita de Barcelona und der Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa in Madrid konnten gesichtet werden. Neben einigen Sitzungsprotokollen sind hier in erster Linie die verschiedenen Gemeindezeitschriften von Bedeutung. Darüber hinaus wurden Gespräche mit ehemaligen Präsidenten der CJM und CIB geführt. Die Einflussnahme der jüdischen Gemeinden auf die untersuchten Diskurse kann dennoch nur sehr punktuell beleuchtet werden. Generell erschwert wird eine Untersuchung dadurch, dass das öffentliche Agieren der jüdischen Gemeinden im Franquismus – vor allem bis Ende der 1960er Jahre, aber auch darüber hinaus – Einschränkungen unterlag. Eine weitere, die offiziellen Dokumente ergänzende Quellengruppe bilden Artikel und Aufsätze aus der spanischen Tagespresse sowie in Fachzeitschriften, wobei insbesondere für die frühe Phase des Franquismus aufgrund der strengen Zensur von einer engen Verschränkung des medialen mit dem
digitalisiert die Stiftung ihren Quellenbestand. Einige Hundert Dokumente lassen sich bereits online recherchieren. Eine Suche nach dem Schlagwort „judo“ führte zu keinem Ergebnis, vgl.: http://www.fnff.es/buscararchivo.php, 8. 8. 2011. Eine der Verfasserin zur Verfügung gestellte Liste über die im Archiv vorhandenen Dokumente zur jüdischen Geschichte in Spanien deutet auf eine große Überschneidung mit den Beständen des AMAE hin. Es fand sich kein einziges von Franco verfasstes Dokument auf der Liste. Zwei der dort verzeichneten Dokumente wurden der Verfasserin auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Sie brachten allerdings wenig neue Erkenntnisse. 31 Vgl.: Discursos y mensajes de S.E. el Jefe del Estado a las Cortes EspaÇolas. 1943 – 1961, Madrid 1961; Discursos y mensajes del Jefe del Estado. 1964 – 1967. Recopilaciûn de Agustn del Rio Cisneros, hg. v.: Direcciûn General de Cultura Popular y Espectculos, Madrid 1968; Discursos y mensajes del Jefe del Estado. 1968 – 1970. Recopilaciûn de Agustn del Rio Cisneros, hg. v.: Direcciûn General de Cultura Popular y Espectculos, Madrid 1970. Vgl. auch: Centro de Estudios Sindicales (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Social. IV, Madrid 1959; Rubio y MuÇoz-Bocanegra, Fernando (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Catûlico. 2 Bd., Madrid 1958; Fundaciûn Nacional Francisco Franco (Hg.), El legado de Franco. 2 Bd., Madrid 2000; Dies (Hg.), Documentos In¦ditos para la Historia del Generalsimo Franco. 4 Bd., Madrid 1992 – 1994.
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offiziellen Diskurs auszugehen ist.32 Aufgrund der Zielsetzung der Arbeit und des langen Untersuchungszeitraumes wurde auf eine systematische Presseanalyse verzichtet und stattdessen die Berichterstattung über ausgewählte Ereignisse in den Blick genommen. Konsultiert wurden die Tageszeitungen ABC, El Mundo (ab 1986), El Pas (ab 1976), Diario 16 (ab 1976), La Vanguardia (EspaÇola), das Organ der Einheitspartei Falange Arriba (bis 1976) sowie die Zeitschrift Historia 16 (ab 1976). Darüber hinaus fand die katholische Presse Berücksichtigung, dazu zählten die Tageszeitung Ya, die Zeitschriften Ecclesia (das Organ der Acciûn Catûlica EspaÇola)33 und die jesuitische Razûn y Fe. Einer vollständigen Sichtung wurden die vom Instituto Arias Montano seit 1941 herausgegebene wissenschaftliche Zeitschrift Sefarad und die seit 1982 erscheinende jüdische Kulturzeitschrift Races unterzogen. Das Gleiche gilt für die Bulletins der AJC (1963 – 1974) und die vom CEJC herausgegebene Zeitschrift El Olivo (ab 1977). Der Untersuchung des offiziellen Umgangs mit dem Erbe von Sepharad nähert sich die Arbeit über Erinnerungsorte. Dabei sind unterschiedliche Zugänge erforderlich: Eigene Quellengattungen bilden die spanischen Schulbücher,34 die einen Zeitraum von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart abdecken, und die Reiseführer zum jüdischen Spanien. Der „Rettermythos“ und seine Nachwirkungen werden anhand von Dokumenten des Außenministeriums sowie von Publikationen der dem Ministerium unterstehenden OID untersucht. Auch der ersten, zu sephardischer Kultur realisierten Ausstellung, Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, und dem 1964 in Toledo gegründeten Museo Sefard wird sich über Korrespondenzen und andere Archivdokumente genähert, zugleich wurde das Museumsarchiv, soweit es trotz Umbauarbeiten zugänglich war, konsultiert. Dem Kapitel zum Gedenkprogramm 1992 liegen bislang nicht gesichtete Quellen der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 sowie – angesichts der hier behandelten rezenten Vergangenheit – von der Verfasserin geführte Interviews mit Beteiligten zugrunde.
32 Zur franquistischen Zensur und Informationskontrolle vgl.: Chuli, Elisa, El poder y la palabra. Prensa y poder poltico en las dictaduras. El r¦gimen de Franco ante la prensa y el periodismo, Madrid 2001. Die Zuständigkeit für die Zensur wechselte mehrfach. 1951 ging sie größtenteils vom Erziehungsministerium auf das neu gegründete Ministerium für Information und Tourismus über. Vgl.: Neuschäfer, Hans Jörg, Macht und Ohnmacht der Zensur. Literatur, Theater und Film in Spanien (1933 – 1976), Stuttgart 1991, 41 f. 33 Zu Ecclesia und ihrer engen Anbindung an die katholische Hierarchie vgl. z. B.: Daz-Salazar, Rafael, El factor catûlico en la poltica espaÇola. Del nacionalcatolicismo al laicismo, Boadilla del Monte (Madrid) 2006, 74 – 79. 34 Neben der Biblioteca Nacional de EspaÇa (BNE) wurde hier auf die an der Universidad Nacional de Educaciûn a Distancia (UNED) in Madrid im Rahmen des MANES-Forschungszentrums bestehende Bibliothek und Datenbank zurückgegriffen, vgl.: http://www.uned.es/manesvirtual/ portalmanes.html, 9. 8. 2011. Außerdem besitzt das Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig einen Bestand an spanischen Schulbüchern, vgl.: http:// www.gei.de/, 9. 8. 2011.
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Einleitung
Zum Forschungsstand35 Der in der spanischen Gesellschaft bis heute weit verbreiteten Unkenntnis über jüdische Geschichte und Kultur steht die relativ frühe Institutionalisierung der wissenschaftlichen Erforschung des Judentums mit dem 1940 unter dem Dach des staatlichen CSIC gegründeten Instituto Arias Montano gegenüber.36 In der Forschungsliteratur überwiegt bislang eine Beschäftigung mit der Phase des historischen Sepharads, d. h. mit der jüdischen Präsenz unter christlicher bzw. arabisch-muslimischer Herrschaft im iberischen Mittelalter. Als grundlegend können hier die Werke von Yitzhak Baer, Julio Caro Baroja, Julio Valdeûn Baruque oder Joseph P¦rez angesehen werden.37 Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu einer bedeutenden Wissenschaftskontroverse zwischen dem Philologen Am¦rico Castro und dem Historiker Claudio SnchezAlbornoz über die Relevanz des jüdischen (und maurischen) Erbes für die Ausbildung der Nation. Die Auseinandersetzung mit der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte hat erst in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Sie beschränkt sich nicht auf den wissenschaftlichen Bereich, sondern findet ihren Niederschlag auch in journalistischen und populärwissenschaftlichen Debatten sowie innerhalb der jüdischen Gemeinden in Form von (auto-)biografischen Arbeiten. Wissenschaftliche Studien zur spanisch-jüdischen Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert sind noch überschaubar.38 Zuletzt erschien Danielle Rozen35 In den einzelnen Kapiteln finden sich weitere Angaben zur relevanten Forschungsliteratur. 36 Unter dem Dach des Instituto Arias Montano waren die Escuela de Estudios Hebraicos und die Escuela de Estudios Ýrabes vereint. 1945 wurde diese zu einem eigenständigen Institut mit dem Namen des berühmten spanischen Arabisten Miguel Asn. Vgl.: Noticias, in: Sefarad, 2/1944, 447; Noticias, in: Ebd., 1/1945, 255. Zum Instituto Arias Montano vgl.: Stillman, Norman A., Academic Study of Islamicate Jewry, in: Ders. (Hg.), Encyclopedia of Jews in the Islamic World, 2011, , 22. 6. 2011; http:// www.filol.csic.es/departamentos.html, 13. 7. 2011. Das Instituto Arias Montano muss von NSEinrichtungen zur „Judenforschung“ unterschieden werden, da es nicht die „wissenschaftliche“ Untermauerung des Antisemitismus anstrebte, seine Ausrichtung folgte eher philosephardischen Motivationen. Zur „Judenforschung“ in NS-Deutschland vgl.: Rupnow, Dirk, Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie, Historische Grundlagen der Moderne 14, Baden-Baden 2011. Ebenfalls in der Anfangszeit des franquistischen Regimes wurden, 1945 bzw. 1950, an den Universitäten Barcelona und Madrid Lehrstühle für hebräische Sprache und Literatur (wieder) gegründet. Vgl.: Noticias, in: Sefarad, 2/1945, 490; Noticias, in: Ebd., 1/1950, 257. 37 Vgl.: Baer, Yitzhak, Historia de los judos en la EspaÇa cristiana. 2 Bd., Barcelona 1998 [1945]; Caro Baroja, Julio, Los judos en la EspaÇa moderna y contempornea. 3 Bd., Madrid 21978; Valdeûn Baruque, Julio, Judos y conversos en la Castilla medieval, Valladolid 2004; Ders., El chivo expiatorio. Judos, revueltas y vida cotidiana en la Edad Media, Valladolid 2000; P¦rez, Joseph, Los judos en EspaÇa, Madrid 2005. 38 Die Aktualität des Themas zeigt sich z. B. daran, dass die Ausgabe 1/2011 des Journal of Spanish Cultural Studies dem „Jüdischen Spanien“ gewidmet ist, vgl.: Flesler, Daniela/Linhard, Tabea
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bergs 2006 veröffentlichte Studie L’Espagne contemporaine et la question juive in spanischer Übersetzung.39 Die breit angelegte soziologische Untersuchung, die den Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart abdeckt, macht es sich zum Ziel, Entwicklungsstränge der spanisch-jüdischen Geschichte herauszuarbeiten. Neben der Situation der Juden, ihrer Wahrnehmung und dem Niederschlag der „Judenfrage“ in politischen Debatten seit dem 19. Jahrhundert fragt die Autorin auch nach der Rolle der Erinnerung für die kollektiven (spanischen und jüdischen) Identitäten. Allerdings fehlt eine umfassende Untersuchung der Erinnerungskultur zu Sepharad, auf die Rozenberg nur knapp eingeht. Im Vergleich zu der als grundlegend zu erachtenden Studie von Jos¦ Antonio Lisbona bieten vor allem die Kapitel zur Situation der jüdischen Gemeinden nach 1992 neue Erkenntnisse. Lisbonas Retorno a Sefarad wurde im Kontext des Gedenkjahres 1992 veröffentlicht und von der staatlichen (Comisiûn Nacional del Quinto Centenario del Descubrimiento) sowie der jüdischen Vorbereitungskommission (Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92) gefördert, was dem Autor den Zugang zu den Quellen erleichterte.40 Die Untersuchung, die sich dem Untertitel zufolge der spanischen Politik gegenüber Juden im 20. Jahrhundert widmet, basiert auf umfangreichem Quellenmaterial, welches Lisbona teilweise erstmals sichtete. Ein großer Teil der von ihm im AMAE konsultierten Quellen wurde für diese Arbeit ebenfalls untersucht. Darüber hinaus konnten weitere für die Fragestellung relevante Quellen neu erschlossen werden. Lisbona schildert die Entwicklung der jüdischen Gemeinden in Madrid und Barcelona unter Berücksichtigung der Beziehungen zu spanischen Autoritäten und deckt dabei die Zeit von 1900 bis 1992 ab. Allerdings fehlen eine klare Fragestellung und vor allem eine kritische Analyse der verwendeten Quellen. Der mitunter eher nacherzählende Text bietet einen ereignisgeschichtlichen Überblick und eine Fülle an Material, er lässt aber eine systematische geschichtswissenschaftliche Analyse der angekündigten Thematik vermissen, und die Frage nach der staatlichen Alexa/P¦rez Melgosa, Adrin, Introduction: Revisiting Jewish Spain in the modern era, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 1 – 11. Ferner erschien im September 2012 Maite Ojeda Matas Untersuchung zur Konstruktion der soziopolitischen Kategorie „sephardisch“, die sie in Verbindung mit Identitätsentwürfen des Spanischen setzt. Zeitlich reicht die Studie, die in der vorliegenden Arbeit keine Berücksichtigung mehr finden konnte, vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1945, vgl.: Dies., Identidades ambivalentes. Sefardes en la EspaÇa contempornea, Madrid 2012. 39 Vgl.: Rozenberg, La EspaÇa contempornea y la cuestiûn juda [im französischen Original: L’Espagne contemporaine et la question juive. Les fils renou¦s de la m¦moire et de l’histoire, Toulouse 2006]. Für weitere Aufsätze der Autorin zur gleichen Thematik vgl. z. B.: Rozenberg, Danielle, Die ,Rückkehr‘ der Juden. Eine Minderheit im Demokratisierungsprozeß Spaniens, in: Tranvia, 53/1999, 7 – 12; Dies., L’Êtat et les minorit¦s religieuses en Espagne (du nationalcatholicisme la construction d¦mocratique), in: Archives de sciences sociales des religions, 98/ 1997, 9 – 30. 40 Vgl.: Lisbona, Jos¦ Antonio, Retorno a Sefarad. La poltica de EspaÇa hacia sus judos en el siglo XX, Barcelona 1993. Der Autor ist Politikwissenschaftler und Journalist.
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Einleitung
Politik gerät mitunter aus dem Blick. Trotz dieser Mängel ist Retorno a Sefarad nicht nur die wichtigste in den vergangenen beiden Jahrzehnten entstandene Untersuchung zur jüdischen Geschichte in Spanien, sie prägte auch nachfolgende Publikationen, die sich auf Lisbona beziehen, und ist eine unerlässliche Grundlage für die Erschließung des Quellenmaterials.41 In den letzten Jahren sind einige autobiografisch-historisch angelegte Aufsätze erschienen, wobei die Arbeiten des langjährigen Vorsitzenden der FCJE Jacobo Israel Garzûn hervorzuheben sind.42 Die FCJE selbst gibt in regelmäßigen Abständen Sammelbände zu Themen der spanisch-jüdischen Geschichte heraus, die häufig die Perspektive von Zeitzeugen wiedergeben.43 Ferner kann auf die Publikationen im Rahmen der von der Universidad Castilla-La Mancha und dem Museo Sefard veranstalteten Sommerkurse zur jüdischen Geschichte und Kultur verwiesen werden.44 Während Lisbona die Situation der Juden in Spanien untersucht, stand in den zuvor erschienenen Studien die Haltung Spaniens gegenüber im Ausland lebenden Juden im Fokus der Betrachtung, wobei hier insbesondere die Reaktion auf den Holocaust interessierte. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang: EspaÇa y los judos en el siglo XX. La acciûn exterior (1987) von Antonio Marquina und Gloria In¦s Ospina Snchez,45 Haim Avnis Spain, the Jews, and Franco46 sowie für den deutschsprachigen Raum Bernd Rothers grundlegende Studie Spanien und der Holocaust.47 Insbesondere aufgrund der 41 Für Antonio Marquina beginnt mit Lisbonas Studie eine Phase der Konsolidierung in der Untersuchung der Haltung der spanischen Regierung gegenüber Juden, vgl.: Marquina, Antonio, EspaÇa y los judos en el siglo XX. Algunas cuestiones centrales a clarificar, in: Rein, Raanan (Hg.), EspaÇa e Israel. Veinte aÇos despu¦s, Madrid 2007, 89 – 97. 42 Vgl. z. B.: Israel Garzûn, Jacobo, 1917 – 1997: ochenta aÇos de sinagoga madrileÇa, in: Races, 29/ 1996, 24; Ders./Macas Kapon, Uriel (Hg.), La comunidad juda de Madrid. Textos e imgenes para una historia 1917 – 2001, Madrid 2001; Ders., Escrito en Sefarad. Aportaciûn escrita de los judos de EspaÇa a la literatura, la erudiciûn, la ciencia y la tecnologa contemporneas, Madrid 2005; Ders., EspaÇa y los judos 1939 – 1945. Una visiûn general, in: Ders./Baer, Alejandro (Hg.), EspaÇa y el Holocausto (1939 – 1945). Historia y testimonios, Cuadernos de Sefarad 2, Madrid 2007, 15 – 37; Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea. Apuntes histûricos y jurdicos, Madrid 2008. 43 Zuletzt erschien: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa. 44 Vgl. z. B.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara/Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), El legado material hispanojudo. VII Curso de Cultura Hispanojuda y Sefard de la Universidad de Castilla-La Mancha, Humanidades 25, Cuenca 1998; Macas Kapûn, Uriel/Moreno Koch, Yolanda/Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), En la EspaÇa Contempornea: Historia y Visiones, 1898 – 1998. VIII Curso de Cultura Hispanojuda y Sefard de la Universidad de Castilla-La Mancha, Humanidades 44, Cuenca 2000. 45 Vgl.: Marquina, Antonio/Ospina Snchez, Gloria In¦s, EspaÇa y los judos en el siglo XX. La acciûn exterior, Madrid 1987. 46 Vgl.: Avni, Haim, Spain, the Jews, and Franco, Philadelphia 1982. In spanischer Übersetzung: EspaÇa, Franco y los judos, Madrid 1982. 47 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust. Zur gleichen Thematik veröffentlichte der Autor außerdem eine Reihe von Aufsätzen, vgl. z. B.: Ders., National-Spanien und die Juden 1938/39, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 5/1996, 103 – 126; Ders., Franco als Retter der
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Zum Forschungsstand
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von Rother geleisteten detaillierten und quellenkritischen Untersuchung kann dieses Forschungsfeld inzwischen als am besten aufgearbeitet gelten. Mit dem Gedenken an den Holocaust in Spanien haben sich Alejandro Baer sowie aus philosophischer Perspektive Manuel Reyes Mate in verschiedenen Publikationen beschäftigt.48 Darüber hinaus existieren einige Werke über die Geschichte des Antisemitismus in Spanien. Zuletzt erschien El enemigo judeo-masûnico von Javier Domnguez Arribas, in dem sich der Autor mit dem franquistischen Feindbild einer jüdisch-kommunistisch-freimaurerischen Verschwörung und seiner Funktion für die franquistische Propaganda und den nationalen Identitätsdiskurs vor 1945 auseinandersetzt.49 Als grundlegend müssen in diesem Zusammenhang außerdem die Arbeiten von Gonzalo Ýlvarez Chillida erachtet werden.50 Manfred Böcker untersucht in seiner Dissertation Antisemitismus ohne Juden anhand zahlreicher Presseorgane die Rezeption des nationalsozialistischen Antisemitismus bei der spanischen Rechte sowie die spezifischen Ausformungen des spanischen Antisemitismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.51 Einen Überblick über sephardische Geschichte, Kultur, Literatur und Sprache bieten die sprach- bzw. literaturwissenschaftlich ausgerichteten Studien von Paloma Daz-Mas.52 Norbert Rehrmann widmet sich in einem
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Juden? Zur Entstehung einer Legende, in: ZfG, 45:2/1997, 122 – 146; Ders., Spanien – zwischen Hilfe und Restriktion, in: Benz, Wolfgang/Wetzel, Juliane (Hg.), Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit. Regionalstudien 3: Dänemark, Niederlande, Spanien, Portugal, Ungarn, Albanien, Weißrußland, Berlin 1999, 135 – 160. Vgl. z. B.: Baer, Alejandro, Holocausto. Recuerdo y representaciûn, Madrid 2006; Ders., The voids of Sepharad: The memory of the Holocaust in Spain, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 95 – 120; Reyes Mate, Manuel, Memoria de Auschwitz. Actualidad moral y poltica, Madrid 2003. Vgl.: Domnguez Arribas, Javier, El enemigo judeo-masûnico en la propaganda franquista (1936 – 1945), Madrid 2009. Vgl.: Ýlvarez Chillida, Gonzalo, El Antisemitismo en EspaÇa. La imagen del judo (1812 – 2002), Madrid 2002; Ders./Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), El Antisemitismo en EspaÇa, Humanidades 90, Cuenca 2007. Vgl. außerdem: Rodrguez Jim¦nez, Jos¦ Luis, La extrema derecha espaÇola en el siglo XX, Madrid 1997; Ders., El discurso antisemita en el fascismo espaÇol, in: Races, 42/2000, 57 – 69; Ders., Im Schatten Francos: Antisemitismus in Spanien, in: Rensmann, Lars/Schoeps, Julius H. (Hg.), Feindbild Judentum. Antisemitismus in Europa, Berlin 2008, 125 – 146; Joan i Tous, Pere/Nottebaum, Heike (Hg.), El olivo y la espada. Estudios sobre el antisemitismo en EspaÇa (siglos XVI – XX), Tübingen 2003; Rohr, Isabelle, The Spanish Right and the Jews, 1898 – 1945. Antisemitism and Opportunism, Brighton/Portland 2007. Vgl.: Böcker, Manfred, Antisemitismus ohne Juden. Die Zweite Republik, die antirepublikanische Rechte und die Juden. Spanien 1931 bis 1936, Hispano-Americana 23, Frankfurt a.M. 2000. Für die „Judenfrage“ im ausgehenden 19. Jahrhundert vgl.: Gonzlez Garca, Isidro, El retorno de los judos, Madrid 1991. Vgl.: Daz-Mas, Los sefardes. In englischer, überarbeiteter Übersetzung: Dies., Sephardim. The Jews from Spain, Chicago/London 1992. Zur Darstellung der Juden in spanischer Literatur nach Franco vgl.: Daz-Mas, Paloma, Judos y conversos en la literatura espaÇola contempornea, in:
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Einleitung
umfangreichen Werk der Rezeption des sephardischen Erbes bei Vertretern mehrerer Generationen spanischer Intellektueller.53 Die Ausführungen zum Forschungsstand verdeutlichten, dass – trotz einer Zunahme der wissenschaftlichen Studien – geschichtswissenschaftliche Fragestellungen noch immer unterrepräsentiert sind. Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fehlt eine intensive Auseinandersetzung mit der Situation der Juden in Spanien ebenso wie mit dem offiziellen Umgang mit dem gegenwärtigen und historischen Judentum oder den öffentlichen Diskursen über die jüdische Minderheit. Zwar greifen Lisbona und Rozenberg diese Thematik auf, in vielen Fällen verzichten sie aber zugunsten der Gesamtdarstellung auf eine ausführliche Analyse relevanter Ereignisse und Dokumente. Dies gilt umso mehr für die Untersuchung zentraler Erinnerungsorte über einen längeren Zeitraum hinweg, die nach Aushandlungs- und Integrationsprozessen alternativer Erinnerungen fragen könnte. Ebenso wurde die regionale Ausdifferenzierung des Gedächtnisses an Sepharad bislang kaum in den Blick genommen. Schließlich lässt sich für diesen Aspekt spanischer Geschichte ein mangelnder Niederschlag der Forschungsdebatten und -ergebnisse in der nicht-spanischsprachigen Fachliteratur beobachten. In Überblickswerken zur jüdischen Geschichte und Kultur in Europa bleibt Spanien weitgehend eine Leerstelle. Obwohl die „Wiederentdeckung“ der jüdischen Vergangenheit in den letzten Jahren boomt, fehlt es für viele Aspekte dieses Erbes an national und noch mehr an transnational ausgerichteten Untersuchungen, wodurch eine Einordnung der Ergebnisse dieser Studie erschwert wird. Für Spanien böten sich vergleichende Studien mit dem Nachbarland Portugal ebenso wie mit weiteren während des Zweiten Weltkrieges „neutral“ gebliebenen Staaten, so etwa der Türkei, an. Offensichtliche Parallelen zu Portugal ergeben sich im Hinblick auf die iberisch-jüdische Vergangenheit, die Rolle als Transitland oder die Diktaturerfahrung im 20. Jahrhundert, die Bedeutung des Marranenbzw. Kryptojudentums für die portugiesisch-jüdischen Gemeinden verweist hingegen auf zu erwartende Unterschiede. Auffällige Gemeinsamkeiten im Vergleich mit der Türkei deuten sich hinsichtlich der Behauptung einer osmanisch-türkischen Toleranztradition sowie der Selbstdarstellung als „Retter“ verfolgter Juden an.54 Ebenso interessant wäre es, die symbolische Be-
Stillman, Yedida K./Stillman, Norman A. (Hg.), From Iberia to Diaspora. Studies in Sephardic history and culture, Brill’s series in Jewish Studies XIX, Leiden/Boston/Köln 1999, 346 – 361. 53 Vgl.: Rehrmann, Norbert, Das schwierige Erbe von Sefarad. Juden und Mauren in der spanischen Literatur. Von der Romantik bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2002. Vgl. auch: Ders./Koechert, Andreas (Hg.), Spanien und die Sepharden. Geschichte, Kultur, Literatur, Romania Judaica 3, Tübingen 1999. 54 Zu Portugal vgl.: Schröttner, Bea, Die politische und wirtschaftliche Annäherung zwischen Portugal und Israel bzw. dem Jischuw. 1945 – 1962, München 2010 [Diss.], insb. 24 – 99; Studemund- Hal¦vy, Michael, Portugal, in: Benz, Wolfgang (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 1: Länder und Regionen, München 2008,
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Zur Vorgehensweise
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deutung des Judentums und des jüdischen Erbes für Staaten und ihre Regierungen, wie sie u. a. Michael Brenner für Deutschland festgestellt hat, im europäischen Vergleich näher zu betrachten.55 Für die Zukunft ist zu hoffen, dass neue Forschungen und Erkenntnisse eine stärkere Kontextualisierung ermöglichen werden. Aus der Thematik wie aus den genutzten Archiven ergibt sich, dass die Quellen ebenso wie die Sekundärliteratur fast ausschließlich in spanischer Sprache verfasst sind. Zur besseren Lesbarkeit werden Zitate und Eigennamen im Haupttext ins Deutsche übersetzt. Die spanische Originalversion wird in der entsprechenden Anmerkung bzw. in Klammern angeben.56 Ministeriumsund Amtsbezeichnungen werden hingegen aufgrund der Schwierigkeit einer adäquaten Übertragung in andere Sprachräume mehrheitlich im Spanischen belassen. Lediglich gängige Bezeichnungen wie Außenminister oder Botschafter werden ins Deutsche übersetzt.57
Zur Vorgehensweise Die Untersuchung gliedert sich in zwei Hauptteile, denen ein einführendes Kapitel vorangestellt wird, das die Grundlagen für die eigentliche Untersuchung schafft. Dazu gehören sowohl theoretisch-methodische Überlegungen zum Konzept des kollektiven Gedächtnisses und der Erinnerungskulturen sowie zur Bedeutung kollektiver Erinnerungen für Gruppenidentitäten als auch ein Überblick über die geschichtswissenschaftliche Diskussion zum mittelalterlichen Sepharad. Die Voranstellung eines Abrisses der jüngeren spanisch-jüdischen Vergangenheit seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts soll dem Leser die Orientierung in den folgenden Kapiteln erleichtern, in denen die ereignisgeschichtliche Chronologie zugunsten einer problemorientierten Analyse und einer sich daraus ableitenden thematischen Gliederung aufgegeben wird. In den Abschnitten zu Antisemitismus und Philosephardismus 284 – 290. Zur Türkei vgl.: Guttstadt, Corry, Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Hamburg 2008. 55 Vgl.: Brenner, Michael, Vorwort, in: Schönborn, Susanne (Hg.), Zwischen Erinnerung und Neubeginn. Zur deutsch-jüdischen Geschichte nach 1945, München 2006, 11. 56 Bei nicht übersetzbaren Eigennamen bzw. in Fällen, in denen eine Übersetzung als nicht notwendig erscheint, wie z. B. bei spanischen Städtenamen, wird die spanische Schreibweise beibehalten. Ebenso bei der ausschließlichen Verwendung in der Fußnote. 57 Wenn deutsche Entsprechungen angegeben sind, orientieren sich diese an den Angaben des Presse- und Informationsdienstes der spanischen Botschaft sowie an denen des Sprachendienstes des Auswärtigen Amtes und den Einträgen in der DETERM-Datenbank. Vgl.: http://www.info-spa nischebotschaft.de/; http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Terminologie/Uebersicht_ node.html; http://unhq-appspub–01.un.org/dgaacs/gts_term.nsf, alle 5.10.2011.
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Einleitung
wird in zwei für den spanischen Kontext zentrale Kategorien der Wahrnehmung von Juden eingeführt. Die Kapitel zur jüdischen Gegenwart widmen sich der Haltung des franquistischen Regimes bzw. nach 1975 der demokratischen Regierungen gegenüber der jüdischen Minderheit in Spanien und dem Judentum im Allgemeinen. Konkret steht die Frage im Mittelpunkt, wann und unter welchen Bedingungen der Staat bereit war, die jüdische Minderheit juristisch und/oder als zur „nationalen Gemeinschaft“ zugehörig anzuerkennen. Die Untersuchung der offiziellen Reaktionen auf den langsamen Aufbau jüdischer Gemeinden und Gemeindestrukturen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Gegenwart gliedert sich in unterschiedliche Diskursebenen und Problemfelder, die immer wieder in Beziehung zur Aushandlung des nationalen Selbstverständnisses gesetzt werden. Die Analyse diskursiver „Judenbilder“, juristischer Rahmenbedingungen und staatlicher Religionspolitik erlaubt, charakteristische Positionen und Reaktionen der Autoritäten, aber auch der jüdischen Gemeinden herauszuarbeiten. Damit wird der Annahme Rechnung getragen, dass ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, Selbst- und Fremdbildern sowie der Aushandlung von Zugehörigkeiten existiert. Darüber hinaus dient die Untersuchung des offiziellen Umgangs mit der jüdischen Gegenwart der Verortung und Bestimmung der im zweiten Hauptteil untersuchten offiziellen Erinnerungskultur zu Sepharad. Der Annahme folgend, dass die Gegenwart immer den Zugriff auf die Vergangenheit formt, handelt es sich um die Rahmenbedingungen des Erinnerns. Die einzelnen Kapitel widmen sich der offiziellen Erinnerungskultur am Beispiel zentraler Erinnerungsorte und zeigen auf, zwischen welchen Polen sich das offizielle Gedächtnis bewegte. Welche Erinnerungen wurden wann, warum, wie und von wem politisch relevant gemacht, sind die strukturierenden Leitfragen. Anhand von Schulbüchern, die Quellen für offizielle Geschichts- und Selbstbilder sind, wird die Bedeutung des historischen Sepharads für nationale Selbstzuschreibungen in den Blick genommen und ein Überblick über den Wandel im Umgang mit dem jüdischen Erbe gegeben. Ein für den franquistischen Diskurs zentraler Erinnerungsort war der „Rettermythos“, der Spanien zu einem judenfreundlichen Staat stilisierte. Sein Entstehen und insbesondere sein Nachwirken im SpätFranquismus werden untersucht und durch einen Ausblick auf das demokratische Holocaust-Gedenken ergänzt. Der Memorialisierung von Sepharad wird am Beispiel der ersten unter Franco realisierten Ausstellung zu sephardischer Literatur in Madrid und der Gründung des Museo Sefard in Toledo im Jahr 1964 nachgespürt. Gefragt wird nach den Motivationen und Intentionen des Erinnerns sowie nach seinen Inhalten. Im letzten Kapitel steht die Phase nach 1975 im Mittelpunkt, in der sich Prozesse der Demokratisierung, Regionalisierung und Popularisierung des Gedächtnisses beobachten lassen. Am Beispiel der touristischen Aneignung von Sepharad im Kontext des Netzes Jüdischer Viertel bzw. der Restaurierung jüdischer Viertel wie in Girona und
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Zur Vorgehensweise
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am Beispiel des Gedenkprogramms Sefarad 92 im Jahr 1992 werden diese Transformations- und Ausdifferenzierungsprozesse in den Blick genommen. Das Resümee führt die beiden Hauptteile der Arbeit zusammen und verweist auf Parallelen und Unterschiede, Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten im offiziellen Umgang mit jüdischer Gegenwart und Vergangenheit.
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Einführende Überlegungen Vor der eigentlichen Analyse werden zunächst die für die Arbeit zentralen Begrifflichkeiten und Konzepte sowie der Forschungsstand zum mittelalterlichen Sepharad umrissen. Eine inhaltliche Einführung bietet der Überblick über die groben Entwicklungslinien jüdisch-spanischer Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert, wobei der Fokus auf der Vorgeschichte des Untersuchungszeitraumes liegt. Die Entwicklungen innerhalb des eigentlichen Betrachtungszeitraumes werden in dem für das Verständnis der folgenden Kapitel notwendigen Umfang skizziert.
1. Kollektive Identitäten und Erinnerungskulturen in Spanien „Wir definieren uns durch das, was wir gemeinsam erinnern und vergessen. Umbildung von Identität bedeutet immer auch Umbau des Gedächtnisses – auch das gilt, wie wir wissen, für Gemeinwesen nicht weniger als für Individuen, und es schlägt sich nieder in einem Umschreiben von Geschichtsbüchern, im Sturz von Denkmälern, in der Umbenennung öffentlicher Gebäude und Plätze“.1
Der in dem Zitat angesprochene Zusammenhang von Identität2 und Erinnerung ist zentral für diese Arbeit, die nach kollektiven Erinnerungen und Geschichtsbildern zur jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel und nach deren Relevanz für das Selbstverständnis des spanischen Staates fragt. Ausgehend von der Annahme, dass erinnerte Vergangenheit immer mit „Identitätsentwürfen, Gegenwartsdeutungen [und, A. M.] Geltungsansprü1 Assmann, Aleida, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 42009, 62 f. 2 Identität wird in dieser Arbeit als ein Konstrukt verstanden, welches zudem einem ständigen Wandlungs- und Anpassungsprozess unterliegt. Als solches dient es der Beschreibung der in einer Gesellschaft existierenden Selbst- und Fremdbilder. (Gruppen-)Identitäten basieren auf einer Abgrenzung nach außen mittels einer Homogenisierung nach innen, das Wir-Gefühl kann dabei durch als gemeinsam empfundene Traditionen und Erinnerungen verstärkt werden. Zur Problematik des Identitätsbegriffes vgl. z. B.: Kaschuba, Wolfgang, Geschichtspolitik und Identitätspolitik. Nationale und ethnische Diskurse im Vergleich, in: Binder, Beate/Ders./Niedermüller, Peter (Hg.), Inszenierung des Nationalen. Geschichte, Kultur und die Politik der Identitäten am Ende des 20. Jahrhunderts, alltag & kultur 7, Köln/Weimar/Wien 2001, 29 f. Zur Kritik an dem „Plastikwort“ Identität und fehlenden Theorien zum Konzept der kollektiven Identität vgl.: Niethammer, Lutz, Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek bei Hamburg 2000, 17 – 28, 33, 54 f.
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Einführende Überlegungen
chen“3 verquickt ist, hält die Untersuchung von kollektiven Gedächtnissen Erkenntnisse für die Frage nach nationaler Identitätsbildung und kollektiven Selbstbildern ebenso wie nach der Rolle von Erinnerungen für den Umgang eines Staates bzw. einer gesellschaftlichen Mehrheit mit einer Minderheit bereit. Die hier in den Blick genommenen nationalen Selbstbilder dienen der Legitimierung des politischen Systems und seiner Institutionen, womit insbesondere der Staat als Akteur von Erinnerungs- und Geschichtspolitik in den Fokus rückt. Darüber hinaus existieren in jeder Gesellschaft eine Vielzahl weiterer Gruppen und Organisationen, die auf diesem Feld aktiv sind. Sie können die offizielle Erzählung entweder stützen, sie hinterfragen oder ihr widersprechen. Dieser durch Interaktion und Austausch geprägten „horizontalen Ebene“ wird im Kontext des Gedenkprogramms Sefarad 92 nachgespürt. Der „vertikalen“ Vermittlung offizieller Geschichts- und Selbstbilder widmen sich die Kapitel zu spanischen Schulbüchern sowie zur Memorialisierung von Sepharad.4 1.1 Gruppen erinnern: kollektives und kulturelles Gedächtnis Bereits in den 1920er Jahren stellte der französische Soziologe Maurice Halbwachs die soziale Bedingtheit des individuellen Gedächtnisses fest. Die zentralen Aspekte seiner Theorie des kollektiven Gedächtnisses sind der Gruppenbezug von Erinnerungen, ihre identitätsstiftende Funktion und die Rahmenbedingungen des Erinnerns, die er als cadres sociaux bezeichnet.5 Während die Gruppe bei Halbwachs zeitlich und räumlich noch eng begrenzt und auf den privaten Bereich beschränkt blieb, gehen neuere Studien von einem breiter gefassten Gruppenverständnis aus.6 Die Ebene des direkten Erinnerungsaustausches wird zugunsten der massenmedialen Verbreitung von Erinnerungen und Geschichtsbildern verlassen, die auch in größeren Gemeinschaften – wie z. B. Nationen oder Staaten – eine wechselseitige Beeinflussung zwischen individuellen und kollektiven Erinnerungen ermöglicht.7 Aleida Assmann ergänzt eine weitere wichtige Unterscheidungskate3 Assmann, A., Erinnerungsräume, 83. 4 Vgl.: Moreno Luzûn, Javier, Mitos de la EspaÇa inmortal. Conmemoraciones y nacionalismo espaÇol en el siglo XX, in: Claves de Razûn Prctica, 174/2007, 26 ff. 5 Vgl.: Halbwachs, Maurice, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1985 [1950], 2 f, 74 f; Ders., Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt a.M. 1985 [1925], 381. Zur identitätsstiftenden Funktion von Erinnerungen für Gemeinschaften vgl. auch: Assmann, A., Erinnerungsräume, 62 f. 6 Zur Begrenzung der Gruppe bei Halbwachs, dem die Nation als Erinnerungsgemeinschaft zu weit gefasst erschien, vgl.: Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, 64 f, 76; Ders., Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 210. 7 Zum Zusammenhang von Medien und Erinnerungen vgl. z. B.: Erll, Astrid/Nünning, Ansgar (Hg.), Medien des kollektiven Gedächtnisses. Konstruktivität – Historizität – Kulturspezifität,
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Kollektive Identitäten und Erinnerungskulturen in Spanien
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gorie: die Art der Zugehörigkeit. Der „Eintritt“ in eine Wir-Gruppe kann ihr zufolge unwillkürlich (Familie, Nation), durch freie Wahl, durch Leistung oder durch Zwang erfolgen. Relevanz und Dauer dieser Wir-Gruppen sind sehr unterschiedlich. Die verschiedenen Zeithorizonte der Mitgliedschaft führen dazu, dass Wir-Gruppen unterschiedliche Gedächtnisformen ausbilden: das „Wir-Gedächtnis“ der Familie, der Nation, der Kultur etc.8 Gruppengedächtnisse unterscheiden sich darüber hinaus hinsichtlich der Gedächtnisinhalte. Jan Assmann beschreibt das kommunikative Gedächtnis als Speicher alltäglichen Erinnerungsaustausches, der unmittelbar an seine Träger gebunden ist, während das kulturelle Gedächtnis einer Gruppe nicht mehr lebendige Erinnerungen enthält und auf Speichermedien angewiesen ist.9 Es überliefert Symbolisierungen, die der Stärkung und Rückversicherung des Wir-Gefühls dienen, aber bewahrt Erinnerungen auch für die Zukunft.10 Diese Gedächtnisform ist zentral für die Gründungsmythen von Nationen, die sich durch die Erinnerung an historische Epochen und Ereignisse legitimieren. 1.2 Gesellschaften erinnern: Erinnerungskulturen und Erinnerungsorte In Gesellschaften existieren verschiedene Gruppengedächtnisse nebeneinander, die auch in Konkurrenz zueinander treten können, z. B. wenn sie kontroverse Interpretationen von Vergangenheit transportieren und um gesellschaftliche Deutungshoheit wetteifern.11 Insbesondere kulturelle Gedächtnisse und ihre Ausdrucksformen sind stark umkämpft, da sie sich durch eine Tendenz zur Hegemonie und einen normativen Geltungsanspruch auszeichnen. Die Heterogenität des Erinnerns, die das Erinnerungskulturen-Konzept abzubilden versucht,12 ergibt sich auch dadurch, dass in einer Gesellschaft
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Berlin/New York 2004; Erll, Astrid/Rigney, Ann (Hg.), Mediation, Remediation, and the Dynamics of Cultural Memory, Berlin/New York 2009. Assmann, Aleida, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, Bonn 2007 [2006], 21ff, 23. Zum kommunikativen Gedächtnis vgl.: Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 62007, 50 – 56; Welzer, Harald, Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München 2002, 14. Zum kulturellen Gedächtnis vgl.: Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 52 – 56; Ders., Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien, München 32007, 37 – 44; Erll, Astrid, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, Stuttgart/Weimar 2005, 113 f. Vgl.: Assmann, J., Das kulturelle Gedächtnis, 52 f; Assmann, A., Erinnerungsräume, 13 – 23, 133 – 139. Vgl.: Reichel, Peter, Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit, München/Wien 1995, 26. Einen guten Überblick gibt: Erll: Kollektives Gedächtnis. Zum von Bernd Schönemann geprägten Begriff der Geschichtskultur vgl.: Ders., Museum als Institution der Geschichtskultur,
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Einführende Überlegungen
neben einer breiten Öffentlichkeit verschiedene Rand- und Teilöffentlichkeiten existieren können, wie z. B. bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Religionsgemeinschaften.13 Während der franquistischen Diktatur wurde der Hegemonieanspruch der offiziellen, katholisch geprägten Erinnerungskultur daran sichtbar, dass alternative Gedächtnisse unterdrückt und Erinnerungsorte zum Teil zerstört wurden.14 Es wird daher auch zu fragen sein, inwieweit dennoch Erinnerungskonkurrenzen bestanden und sich z. B. regionale Erinnerungskulturen in Abgrenzung zum nationalen Gedächtnis herausbilden konnten.15 Erinnern ist ein gegenwartsbedingter Prozess, und Erinnerungen unterliegen einer permanenten Aktualisierung und „Umschreibung“.16 Das Erinnerungsgeschehen wird deshalb entscheidend durch die Rahmenbedingungen bestimmt, zu denen vor allem gesellschaftliche, politische und kulturelle Machtverhältnisse gehören. Im Fall von Staaten ist der Wandel der Gedächtnisrahmen von demografischen, gesellschaftlichen, innen- und außenpolitischen Faktoren abhängig.17 Die sich verändernden gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen des Erinnerns in den verschiedenen Phasen des Franquismus, der transiciûn und der Demokratie müssen daher entsprechend berücksichtigt werden. Als „Rahmen“ wird ebenso der offizielle Umgang mit den in Spanien lebenden Juden nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden. Innerhalb von Erinnerungskulturen spielen Erinnerungsorte eine wichtige Rolle. Mit den Erinnerungsorten, an denen sich kollektive Erinnerungen manifestieren,18 rückt das konkrete Erinnerungsgeschehen, welches u. a. am Beispiel von Ausstellungen, Gedenkfeiern und Schulbüchern untersucht wird, in den Blickpunkt. Von Interesse sind dabei die kulturellen Schemata und Codes, die das kollektive Erinnern einer Gesellschaft prägen. Erinnerungsorte, die als Ausdrucksformen kollektiver Gedächtnisse verstanden werden, gehen begrifflich auf den französischen Historiker Pierre Nora zurück.19
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in: Hartung, Olaf (Hg.), Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft, Bielefeld 2006, 24. Vgl.: Erll, Kollektives Gedächtnis, 119 f. Vgl.: Crameri, Kathryn, Catalonia. National Identity and Cultural Policy, 1980 – 2003, Cardiff 2008, 133. Cornelißen stellt fest, dass das jüdische Gedächtnis seit dem Zweiten Weltkrieg aus europäischen Erinnerungsdiskursen weitgehend verschwunden ist, ob Spanien als ehemals wichtiges Zentrum des Judentums hier eine Ausnahme bildet, soll die Untersuchung für den Fall der Erinnerung an Sepharad zeigen, vgl.: Cornelißen, Christoph, Die Nationalität von Erinnerungskulturen als ein gesamteuropäisches Phänomen, in: GWU, 1 – 2/2011, 7. Vgl.: Erll, Kollektives Gedächtnis, 7; Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 368. Vgl.: Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 176. Vgl.: Erll, Kollektives Gedächtnis, 101 f. Vgl.: Nora, Pierre (Hg.), Erinnerungsorte Frankreichs, München 2005 [1984 – 1992]. Zu Entstehung, Rezeption und kritischer Einordnung des Werkes von Nora vgl.: Konczal, Kornelia,
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Kollektive Identitäten und Erinnerungskulturen in Spanien
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Ausgehend von seiner groß angelegten Studie zu Frankreich, sind in den letzten Jahren für viele europäische Länder ähnliche Untersuchungen entstanden. Für Spanien steht ein solch umfassendes Projekt noch aus. Ulrich Winter hat mit Lugares de memoria de la Guerra Civil y el franquismo bislang nur ein auf Bürgerkriegs- und Diktaturerinnerung basierendes Werk vorgelegt.20 Als „Kristallisationspunkt[e] kollektiver Erinnerung und Identität“ oder auch des „nationalen Erbes“21 können Erinnerungsorte fiktionale Orte, geografische Regionen, Denkmäler, ebenso wie Gedenkzeremonien, Jahrestage oder historische Epochen und Ereignisse sein, denen eine kollektive emotionale Bindung zugesprochen wird. In einer demokratischen Gesellschaft sind zum Zweck des öffentlichen Erinnerns eingerichtete Gedächtnisorte Beispiele für die politisch zumeist konfliktreiche Aneignung und Bewertung von Vergangenheit, die außerdem einem ständigen Wandel unterliegt.22 Zugleich können sie eine wirtschaftliche Dimension aufweisen, indem sie z. B. in der Medien- oder Tourismusbranche ökonomisch nutzbar gemacht werden. Eine solche gezielte Vermarktung von Vergangenheit kann mit dem von Iris Hanika geprägten Begriff der „Vergangenheitsbewirtschaftung“ erfasst werden.23 Verschiedene Formen der angestrebten „Nutzbarmachung“ von historischen Erinnerungen stehen im zweiten Hauptteil der Untersuchung im Mittelpunkt. Die Beispiele verweisen auch auf den engen Zusammenhang von innen- und außenpolitischer Gemengelage.
1.3 Staaten und Nationen erinnern: imagined communities, Funktionsgedächtnis und Geschichtspolitik „Institutionen und Körperschaften wie Kulturen, Nationen, Staaten, die Kirche oder eine Firma kein Gedächtnis, sondern sich eines mithilfe me-
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Pierre Noras folgenreiches Konzept von les lieux de m¦moire und seine Re-Interpretationen: eine vergleichende Analyse, in: GWU, 1 – 2/2011, 17 – 36. Winter, Ulrich (Hg.), Lugares de memoria de la Guerra Civil y el franquismo. Representaciones literarias y visuales, Madrid/Frankfurt a.M. 2006. Am 25. 5. 2010 fand am Institut für Europäische Geschichte in Mainz ein Workshop zum Thema „Spanische Erinnerungsorte“ statt, der die Anwendbarkeit des Erinnerungsort-Konzeptes auf den spanischen Fall anhand konkreter Beispiele überprüfte. FranÅois, Etienne, Pierre Nora und die „Lieux de m¦moire“, in: Nora (Hg.), Erinnerungsorte, 9. Vgl.: Reichel, Politik mit der Erinnerung, 32 f. Iris Hanika bezog sich mit dem Begriff der „Vergangenheitsbewirtschaftung“ ursprünglich auf die wertschöpfende Nutzung im immateriellen Bereich im Umfeld der Holocaust-Bewältigung. Christoph Kühberger tritt in dem von ihm mitherausgegebenen Sammelband für eine Ausweitung des Begriffes ein und versteht darunter speziell die Vermarktung von Geschichte, vgl.: Ders./Pudlat, Andreas (Hg.), Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Innsbruck 2012.
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morialer Zeichen und Symbole. Mit diesem Gedächtnis sich Institutionen und Körperschaften zugleich eine Identität.“24
Nationale Identität ist seit dem 19. Jahrhundert das einflussreichste Konzept für die Selbstdefinition größerer sozialer Gruppen. Zentral für die jüngere Nationalismusforschung ist ein Nationenverständnis, wie es etwa Benedict Anderson, Ernest Gellner, Eric Hobsbawm oder Rainer Lepsius geprägt haben, das die Idee der Nation als „natürliche oder naturwüchsige Ordnung“ ablehnt. Dabei wird auch die idealtypische Unterscheidung in Staats- und Kulturnation aufgegeben, wie sie von Friedrich Meinecke Anfang des 20. Jahrhunderts vertreten wurde. Nationen sind in dieser Lesart nicht mehr nur politische, sondern auch gesellschaftliche und kulturelle Phänomene, die eine „Vielzahl von Menschen aufgrund angeblich gemeinsamer Eigenschaften als eine Einheit bestimmen“.25 Als imagined community ist die Nation ein System kollektiver Wertorientierung und Ordnungsvorstellungen, gemeinsamer Traditionen, Mythen und Erinnerungen, welches nach innen Teilhabe und nach außen Abgrenzung vermittelt.26 Sie konstituiert sich über Selbst- und Fremdbilder, wobei durch letztere die Selbstdeutung „katalysiert“ und „dynamisiert“ wird.27 Diese Prozesse von Inklusion und Exklusion erfolgen mithilfe von Grenzziehungen, die Fredrik Barth als symbolic boundaries be24 Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 35. Die zirkuläre Beziehung zwischen kollektivem Gedächtnis und kollektiver Identität betont auch Peter Novick, vgl.: Novick, Peter, Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord, München 2001 [1999], 19. 25 Jansen/Borggräfe, Nation – Nationalität – Nationalismus, 14. Vgl. auch: Lepsius, Rainer M., Nation und Nationalismus in Deutschland, in: Nationalismus in der Welt von heute, hg. v.: Winkler, Heinrich August, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 8: Nationalismus in der Welt von heute, Göttingen 1982, 13. Vgl. dort auch die idealtypische Unterscheidung in Volksnation, Kulturnation, Klassennation und Staatsbürgernation, ebenso wie die „Ordnungsvorstellung der Nation“ und ihren „Anspruch auf Höherrangigkeit“ gegenüber anderen Solidaritätsverbänden. 26 Vgl.: Hirschhausen, Ulrike von/Leonhard, Jörn, Europäische Nationalismen im West-Ost-Vergleich: von der Typologie zur Differenzbestimmung, in: Dies. (Hg.), Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich, Göttingen 2001, 14; Hall, Stuart, Kultur, Community, Nation, in: Harzig, Christiane/Räthzel, Nora (Hg.), Widersprüche des Multikulturalismus, Hamburg 1995, 29 f; Smith, Anthony D., Ethno-symbolism and Nationalism. A cultural approach, New York/London 2009, 109 f. 27 Hirschhausen/Leonhard, Europäische Nationalismen, in: Dies. (Hg.), Nationalismen in Europa, 38 f. Vgl. auch: Langewiesche, Dieter, Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000, 25 f; Anderson, Die Erfindung der Nation, 142 – 154. Zur weiterhin stark nationalen Ausrichtung von Erinnerungskulturen, die der fortschreitenden Europäisierung auf politischem und ökonomischem Gebiet entgegensteht, vgl.: Cornelißen, Die Nationalität von Erinnerungskulturen, in: GWU, 1 – 2/2011, 5. Zur Funktion von Feindbildern für nationale Identitäten vgl.: NfflÇez Seixas, Xos¦-Manoel/Sevillano Calero, Francisco, Introducciûn. Las EspaÇas y sus enemigos, in: Dies. (Hg.), Los enemigos de EspaÇa. Imagen del otro, conflictos b¦licos y disputas nacionales (siglos XVI – XX). Actas del IV Coloquio Internacional de Historia Poltica, 5 – 6 de junio de 2008, Madrid 2010, 13 – 27. Zum Feindbild des Juden in der spanischen Geschichte vgl.: Contreras Contreras, Jaime, El judo en EspaÇa: la construcciûn de un estereotipo, in: Ebd., 77 – 90.
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Kollektive Identitäten und Erinnerungskulturen in Spanien
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schreibt.28 Für den spanischen Fall ist die Grenzziehung mittels einer Verschränkung von Nation und Konfession zentral, mit der alle Nicht-Katholiken zu „Fremden“ im eigenen Land wurden. Der „Andere im Inneren“ dient, da er den „Nahbereich des Lebensalltags“29 betrifft, in besonderem Maße der Konstituierung und Stabilisierung des positiven Selbstbildes. Die Nation als vorgestellte Gemeinschaft wird vom Konzept des Staates als politischem Souverän und Institutionengebilde unterschieden.30 Während Bezeichnungen wie Nationalstaat oder Staatsnation implizieren, dass eine weitgehend homogene Bevölkerung auf einem Territorium vereint lebt, stellen konkurrierende, ethnisch und sprachlich motivierte Nationalismen dieses Konstrukt infrage. Auch in Spanien (ko-)existieren neben dem staatlichen Nationalismus weitere (teilweise separatistische) Nationalismen.31 Parallel zu den regionalen Identitätsdiskursen entwickeln sich dann auch regionale Gedächtnisse.32 Der offizielle Nationalismus wird durch staatliche Institutionen wie z. B. Bildungseinrichtungen gestützt und macht sich Erinnerungen an eine gemeinsame Vergangenheit zueigen. Den Zusammenhang von Macht, Herrschaftslegitimierung und Erinnerung beschreibt Aleida Assmann mit der Kategorie des Funktionsgedächtnisses. Es dient der Konstituierung und Legitimierung von kollektiven Handlungssubjekten, indem es sinn- und identitätsstiftende Erinnerungen bereithält.33 28 Vgl.: Barth, Fredrik, Introduction, in: Ders. (Hg.), Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference, London 1970 [Oslo 1969], 9 – 38. 29 Haury, Thomas, Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR, Hamburg 2002, 63. 30 Vgl.: Anderson, Die Erfindung der Nation, 16, 20. 31 Vgl.: Hobsbawm, Eric J., Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Bonn 2005 [1990], 204. Vgl. auch die Definition von „Nationalismus“ von Xos¦-Manoel NfflÇez Seixas in: Taibo Arias, Carlos, Sobre el nacionalismo espaÇol, in: Ders. (Hg.), Nacionalismo espaÇol. Esencias, memorias e instituciones, Madrid 2007, 14 f. Niethammer stellt fest, dass Nationalstaaten auf ihren „Rückzug“ mit kulturellen Kampagnen zur Stärkung ihrer Identität reagieren, dabei rekurrieren sie insbesondere auf symbolische Elemente, die im kulturellen Gedächtnis verankert sind, vgl.: Niethammer, Kollektive Identität, 498. Zur Regionalgeschichtsschreibung in Spanien vgl.: NfflÇez, Xos¦-Manoel, The Iberian Peninsula: Real and Imagined Overlaps, in: Frank, Tibor/Hadler, Frank (Hg.), Disputed Territories and Shared Pasts. Overlapping National Histories in Modern Europe, Hampshire/New York 2011, 329 – 348. 32 Zur Regionalisierung des Identitätsdiskurses und des Gedächtnisses in Spanien vgl. z. B.: RiviÀre Gûmez, Aurora, Envejecimiento del presente y dramatizaciûn del pasado. Una aproximaciûn a las sntesis histûricas de las Comunidades Autûnomas espaÇolas (1975 – 1995), in: P¦rez Garzûn, Juan Sisinio u. a. (Hg.), La gestiûn de la memoria. La historia de EspaÇa al servicio del poder, Barcelona 2000, 161 – 219. 33 Vgl.: Assmann, A., Erinnerungsräume, 134, 137 f. Das kulturelle Gedächtnis differenziert A. Assmann in das Funktions- und Speichergedächtnis, deren Funktion die Kanonisierung bzw. Archivierung ist, vgl.: Assman, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 54 – 58. Hayden White trifft eine ähnliche Unterscheidung, indem er das „traditionalised memory“ von dem „rationalised memory“ abgrenzt, vgl.: White, Hayden, Catastrophe, Communal Memory and Mythic Discourse: The Uses of Myth in the Reconstruction of Society, in: Strth, Bo (Hg.), Myth and Memory in the Costruction of Community. Historical Patterns in Europe and Beyond, Series
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Eine Variante dieses Funktionsgedächtnisses ist das Nationengedächtnis, dessen Besonderheit ist, dass es sich um eine relativ einheitliche Konstruktion handelt, die in politischen Institutionen verankert ist.34 In ihm sind Erinnerungen an glorreiche Epochen und nationale Helden enthalten, die die Vorstellung einer ungebrochenen Tradition begünstigen.35 Die offensichtlichste und zugleich dominanteste Form des Gebrauchs von Vergangenheit im Sinne einer Nation ist die Nationalgeschichtsschreibung. Geschichtsdeutung und -wissenschaft zählen damit neben staatlicher Herrschaft und gesellschaftlichen Institutionen zu den „zentralen Agenturen“ von Nationbuilding-Prozessen.36 Anthony Smith versteht nationale Identität als eine kontinuierliche Reproduktion und Re-Interpretation von Werten, Symbolen, Erinnerungen, Mythen und Traditionen, die das Kulturerbe der Nation bilden. Dieses Set an identitätsrelevanten Mythen bezeichnet er als Mythomotoren.37 Solche Mythen oder Meistererzählungen schlagen eine Brücke zwischen wissenschaftlichen Studien und „allgemeingesellschaftlichen Geschichtsbildern“ und dienen der kollektiven Identitätsbildung.38 Mythos meint somit auch die
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Multiple Europes 9, Brüssel 2000, 53. Zur Kritik an Assmanns Gegenüberstellung von Speicherund Funktionsgedächtnis, vgl.: Hasberg, Wolfgang, Erinnerungs- oder Geschichtskultur. Überlegungen zu zwei (un-)vereinbaren Konzeptionen zum Umgang mit Gedächtnis und Geschichte, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 44. Vgl.: Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 37. Vgl. auch: Hirschhausen/Leonhard, Europäische Nationalismen, in: Dies. (Hg.), Nationalismen in Europa, 15. Vgl.: Breuilly, John, Nationalismus und moderner Staat. Deutschland und Europa, Kölner Beiträge zur Nationsforschung 6, Köln 1999, 241. Andr¦s Sanz wählt die Bezeichnung „un imaginario nacional propio“, vgl.: Andr¦s Sanz, Jesffls de, Nacionalismo espaÇol y lugares de memoria, in: Taibo Arias (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 271. Vgl.: Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 25 f. Das Konzept der invention of tradition betont den engen Zusammenhang von Nationbuilding und Geschichtserinnerung. Kollektive Erinnerung wird in diesem Sinne zum Gemeinbesitz der Nation und definiert zugleich, was diese ist. Vgl.: Hobsbawm/Ranger, The Invention of Tradition, 9. Vgl. auch: Suter, Andreas, Der Nationalstaat und die „Tradition von Erfindung“ – Die Schweiz, Frankreich und Deutschland im Vergleich, in: Hirschhausen/Leonhard (Hg.), Nationalismen in Europa, 69; Assmann, A., Erinnerungsräume, 76, 78 f. Bösch und Goschler prägen für den Bereich der nichtwissenschaftlichen, öffentlichen Geschichtsdarstellung den Begriff Public History, vgl.: Bösch, Frank/Goschler, Constantin: Der Nationalsozialismus und die deutsche Public History, in: Dies. (Hg.), Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt/New York 2009, 7 – 23. Vgl.: Smith, Ethno-symbolism, 24, 109. Die Bedeutung der Geschichte für die Nation erkannte bereits Ernest Renan im Jahr 1882, vgl.: Renan, Ernest, Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften, Wien 1995 [1947], 41 – 58. Zur Entwicklung dieses Begriffs und seiner Bedeutung in der Geschichtswissenschaft vgl.: Jarausch, Konrad H./Sabrow, Martin, „Meistererzählung“ – Zur Karriere eines Begriffs, in: Dies. (Hg.), Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945, Göttingen 2002, 9 – 32. Die Autoren plädieren für eine Unterscheidung der Meistererzählung in vier Bedeutungsebenen: 1. „Inhaltsstoffe der Erzählung“, in Bezug auf diese Untersuchung wäre dies die jüdische Vergangenheit im Mittelalter und vor allem das Jahr 1492, 2. Argumentationsstruktur/innere Logik, hier die Gründe für die Vertreibung, 3. Sprache/Erzähltyp, je nach Lesart 1492 als Beginn des Aufstiegs der spanischen Nation oder als Ursache der
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„affektive Aneignung der eigenen Geschichte“.39 Für den Franquismus waren der Mythos der katholischen Nation, der Hispanidad oder der Reconquista als ein religiös-nationaler Abwehrkampf zentral.40 Auch der Mythos der spanischen Andersartigkeit im Vergleich zum restlichen Europa diente der Legitimation des Regimes.41 Die mythisierenden, exkludierenden und selbstentlastenden Selbstbilder und Erinnerungskonstruktionen von Nationen und Staaten werden A. Assmann zufolge seit zwei Jahrzehnten zunehmend hinterfragt und müssen komplexeren Geschichtsbildern weichen, die auch die „Opfer“ der „eigenen Geschichte“ integrieren.42 Zu dieser Hinterfragung können inoffizielle Funktionsgedächtnisse beitragen, die Gegenerinnerungen enthalten und auf das Zusatzwissen aus dem Speichergedächtnis zurückgreifen können.43 In Spanien nach 1975 wurden auf der Suche nach neuen Legitimations- und Gründungsmythen selektiv weiter zurückliegende historische Ereignisse erinnert, die demokratische und tolerante Traditionen betonen sollten, dazu gehörte z. B. auch die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel und insbesondere die Vorstellung einer trikulturellen convivencia.44
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spanischen Dekadenz, 4. kulturelle Sinnordnung, in diesem Fall die Relevanz der Vertreibung für die spanische Nationswerdung, vgl.: Ebd., 17. Vgl. auch: Jarausch, Konrad H., Die Krise der nationalen Meistererzählungen. Ein Plädoyer für plurale, interdependente Narrative, in: Ebd., 142. Hervorhebung im Original, Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 40 f. Vgl. auch die Definition von J. Assmann, der Mythos als „eine fundierende Geschichte“ beschreibt, „die erzählt wird, um eine Gegenwart vom Ursprung her zu erstellen“, Ders., Das kulturelle Gedächtnis, 52. Vgl.: Berger, Stefan, Narrating the Nation, in: APuZ, 1 – 2/2008, 11; Barrachina, Idea Nacional, in: GuereÇa; Morales MuÇoz (Hg.), Los Nacionalismos, 216ff; Dies., Propagande et culture dans l’Espagne franquiste. 1936 – 1945, Grenoble 1998, 10 – 22, 139 – 178. Zu nationalen Mythen in Spanien vgl. auch: Taibo Arias, Sobre el nacionalismo espaÇol, in: Ders. (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 23 – 27. A. Assmann unterstreicht die Bedeutung von Mythen für das kollektive Gedächtnis, vgl.: Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 40. Vgl.: Kleiner-Liebau, D¦sir¦e, Migration and the Construction of National Identity in Spain, Madrid/Frankfurt a.M. 2009, 147; Tusell, Javier, EspaÇa, una angustia nacional, Madrid 1999, 54 f. Vgl.: Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 116, 250 f. Vgl.: Assmann, Aleida/Assmann, Jan, Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in: Merten, Klaus/Schmidt, Siegfried J./Weischenberg, Siegfried (Hg.), Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, 125 f. A. Assmann geht davon aus, dass das Speichergedächtnis „neutrales“ Zusatzwissen beinhaltet, vgl.: Assmann, A., Erinnerungsräume, 136 f. A. Assmanns Annahme ist problematisch, denn auch in Museen oder Gedenkstätten wird Vergangenheit nicht absichtslos und unabhängig von politischen Rahmenbedingungen erinnert. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass Speicherinstitutionen auch das offizielle Funktionsgedächtnis stützen. Zugestimmt werden kann ihr in der Annahme, dass diese Institutionen ergänzende Erinnerungen beinhalten können. Vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 30 f. Zur nationalen Identität in Spanien vgl. auch: Corkill, David, Multiple National Identities, Immigration and Racism in Spain and Portugal, in:
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Einführende Überlegungen
Der im Konzept des Funktionsgedächtnisses zum Ausdruck kommende Zusammenhang von Erinnerung und Macht verweist auf die geschichtspolitischen Aspekte bei der Organisation kollektiver Gedächtnisformen. Es rücken die Ebenen der Organisation, Finanzierung, Verwaltung, Bürokratie und insbesondere die politischen Entscheidungsprozesse und damit die staatliche Ebene in den Fokus der Betrachtung.45 Geschichtspolitik meint aber nicht ausschließlich eine „top down verordnete[] und gewaltsam homogenisierende[] Form des Erinnerns“,46 sondern im Sinne Peter Novicks jede Form des „Gebrauchs“ von Vergangenheit.47 Die offiziell kanonisierte Erinnerung an die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel und damit die staatliche Geschichtspolitik wird exemplarisch an der Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, der ersten im franquistischen Spanien realisierten Ausstellung über sephardische Kultur, sowie an den Veranstaltungen, Publikationen und Ausstellungen anlässlich des 500-jährigen Jubiläums des symbolisch wichtigen Datums 1492 untersucht. Mit dem 1964 gegründeten Museo Sefard rückt eine Institution ins Blickfeld, bei der zu fragen sein wird, ob sie im Sinne A. Assmanns als korrigierendes Speichergedächtnis mit alternativen Erinnerungen dient oder vielmehr als staatliche Einrichtung eine Stütze des offiziellen Erinnerungsdiskurses darstellt. Die untersuchten Schulbücher sind eine Quelle für das staatlich sanktionierte, offizielle Gedächtnis und kolportieren zugleich in hohem Maße Vorstellungen der nationalen Identität.
Jenkins, Brian/Sofos, Spyros A. (Hg.), Nation and Identity in Contemporary Europe, London/ New York 1996, 158 – 168. 45 Vgl.: Leggewie, Claus/Meyer, Erik, Ein Ort, an den man gerne geht. Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989, München 2005, 13. 46 Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 274. 47 Novick fordert eine Differenzierung zwischen dem Gebrauch und Missbrauch von Erinnerungen. Eine Instrumentalisierung der Vergangenheit im negativen Sinne stellt für ihn nur die Legitimierung politischer Ziele mit „Ad-hoc-Argumenten“ aus der Geschichte dar, vgl.: Novick, Nach dem Holocaust, 9. Vgl. auch: Assmann, A., Der lange Schatten der Vergangenheit, 274 f. Steinbach hingegen bezeichnet ebendiesen zielbewussten Versuch, „politische Entscheidungen historisch zu legitimieren (und auf diese Weise gegen Kritik zu immunisieren)“ als Geschichtspolitik, vgl.: Steinbach Peter, Postdiktatorische Geschichtspolitik. Nationalismus und Widerstand im deutschen Geschichtsbild nach 1945, in: Bock, Petra/Wolfrum Edgar (Hg.), Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich, Göttingen 1999, 25. Edgar Wolfrum bezeichnet das Agieren politischer Akteure unter Zuhilfenahme historischer Erinnerungen als Geschichtspolitik, vgl.: Wolfrum, Edgar, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 – 1990, Darmstadt 1999.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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2. Juden in Spanien. Ein Überblick Juden wurden in der spanischen Nationalgeschichtsschreibung lange als die „natürlichen Feinde“ des nationalkatholischen Spaniens angesehen. Eine vergleichbare Stellung nahmen auch die Mauren ein. Im Kampf und in Abgrenzung gegen diese Gruppen hatte sich – so die Vorstellung – der spanische Charakter herausgebildet.48 Die sich hier andeutende spezifische Verschränkung von Ethnizität und Religion bezeichnet die Anthropologin Christiane Stallaert in Anlehnung an Am¦rico Castro als casticismo.49 Stallaert vertritt die Ansicht, dass die Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert ohne den casticismo als Interpretationsrahmen nicht verstanden werden könne.50 2.1 Das historische Sepharad bis 1492 in der Geschichtswissenschaft Juden lebten möglicherweise schon in punischen Zeiten auf der Iberischen Halbinsel, erste gesicherte archäologische Spuren existieren für das 3. Jahrhundert n. Chr. In der Zeit der Westgoten stellten die Juden bereits eine wichtige gesellschaftliche Gruppe dar.51 Während die bedeutende Rolle, die die jüdische Bevölkerung bis zum 11. Jahrhundert in al-Andalus und ab dem 12. Jahrhundert in den verschiedenen christlichen Königreichen, vor allem in Kastilien, spielte, inzwischen als geschichtswissenschaftlicher Konsens gelten kann, ist die Frage, welche Relevanz diese Vergangenheit für die spanische Gegenwart hat, umstritten.52 Bevor das Augenmerk auf die erinnerungskul48 Vgl.: Domnguez Arribas, El enemigo judeo-masûnico, 483 f. 49 Eine Verlagerung gesellschaftlicher Abgrenzungstendenzen beschreibt auch Kaschuba. Soziale Frontstellungen würden vielfach durch kulturell-ethnisch gezeichnete Eigen- und Fremdbilder abgelöst, vgl.: Kaschuba, Geschichtspolitik und Identitätspolitik, in: Binder/Ders./Niedermüller (Hg.), Inszenierung des Nationalen, 27 f. 50 Vgl.: Stallaert, Christiane, ,Biological‘ Christianity and Ethnicity : Spain’s Construct from Past Centuries, in: Leman, Johan (Hg.), The Dynamics of Emerging Ethnicities. Immigrant and indigenous ethnogenesis in confrontation, Frankfurt a.M. 1998, 128. 51 Vgl.: Stillman, Norman A., Al-Andalus, in: Ders. (Hg.), Encyclopedia of Jews in the Islamic World. Volume One: A-C, Leiden/Boston 2010, 101. Vgl. auch: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 17ff; Beinart, Haim, Los judos en la EspaÇa cristiana. Una visiûn histûrica, in: Espadas Burgos, Manuel/Ruiz Gûmez, Francisco (Hg.), Encuentros en Sefarad. Actas del Congreso Internacional „Los judos en la historia de EspaÇa“, Ciudad Real 1987, 1 – 21. Der liberale Schriftsteller Rafael Altamira bezeichnete die Juden als „historisches Ursubstrat“ Spaniens, da sie eine der ältesten Bevölkerungsgruppen darstellten. Vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 304; Altamira, Rafael, Los elementos de la civilizaciûn y del carcter espaÇoles, Buenos Aires 1950, 30. 52 Vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 13 f. Dort findet sich auch ein Überblick über die Bibliografie zu diesem Thema, vgl.: Ebd., 161 – 170. Vgl. auch: Abelln, Jos¦ Luis, Funciûn cultural de la presencia juda en EspaÇa antes y despu¦s de la expulsiûn, in: Alcal, Ýngel (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos. La expulsiûn de 1492 y sus consecuencias, Valladolid 1995, 395 –
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Einführende Überlegungen
turelle Bedeutung der historischen Phase von Sepharad gerichtet wird, soll hier zunächst die wissenschaftliche Debatte kursorisch skizziert werden. Das historische Sepharad, d. h. die Phase der jüdischen Präsenz auf der Iberischen Halbinsel bis 1492, weckte bereits im 19. Jahrhundert das Interesse einiger Wissenschaftler.53 Insbesondere Amador de los Ros’ mehrbändiges Werk über die Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel gilt in Spanien als wissenschaftliche Wiederentdeckung der jüdischen Vergangenheit des Landes.54 Als historische Phase der Nationswerdung spielte das Mittelalter und hier vor allem die Herrschaftszeit der sogenannten Katholischen Könige Isabel und Fernando sowie die ihnen zugeschriebene Einigungspolitik (Religion, Territorium, Institutionen) für die Geschichtsschreibung eine bedeutende Rolle.55 In Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um politische Modernisierung und dem Übergang in eine bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert hatte außerdem die Diskussion um die historische und gegenwärtige Haltung Spaniens gegenüber den Juden eine neue Dynamik gewonnen. Wichtige Impulse erhielt diese Debatte durch den spanischen Kolonialkrieg in Nordafrika 1859 – 60, der die spanische Armee in Kontakt mit in Marokko lebenden Sepharden brachte. Die Existenz sephardischer, ursprünglich von der Iberischen Halbinsel abstammender Gemein407. Carrete Parrondo kritisiert, dass es trotz einer Vielzahl von Studien weiterhin große Wissenslücken gebe und zentrale Begrifflichkeiten oft falsch oder ungenau verwendet würden, vgl.: Carrete Parrondo, Carlos, Los judos de Castilla en la Baja Edad Media, in: Mallo Salgado (Hg.), La EspaÇa cristiana medieval, 143 ff. 53 Isidro Gonzlez bringt dieses Interesse vor allem mit dem Romantizimus in Zusammenhang, vgl.: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 10 f. 54 Amador de los Ros endet im dritten Band seiner umfangreichen und detaillierten Pionierstudie nicht mit dem 1492 erlassenen Vertreibungsedikt, sondern schreibt die jüdische Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zur Verfassung von 1869 fort, vgl.: Amador de los Ros, Jos¦, Historia social, poltica y religiosa de los judos de EspaÇa y Portugal. 3 Bd., Madrid 1984 [1875]. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem früheren Werk Estudios histûricos, polticos y literarios sobre los judos de EspaÇa (Madrid 1848) von Amador de los Ros, die die ihm innewohnenden Ambivalenzen betont, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 258 – 269. Bereits vor Amador de los Ros’ Studie war Adolfo de Castros Historia de los judos en EspaÇa desde los tiempos de su establecimiento hasta principios del presente siglo (1847) erschienen, in dem sich der Autor vor allem mit der Inquisition beschäftigt. Auch Heinrich Graetz setzte sich in seiner mehrbändigen Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart mit der jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel auseinander. Vgl.: Stillman, Norman A., Academic Study of Islamicate Jewry, in: Ders. (Hg.), Encyclopedia of Jews in the Islamic World, 2011, http:// brillonline.nl/subscriber/entry?entry=ejiw_COM–0002050, 22. 6. 2011. 55 Vgl.: P¦rez Garzûn, Juan Sisinio, La creaciûn de la historia de EspaÇa, in: Ders. u. a. (Hg.), La gestiûn de la memoria, 75 – 81, 97, 105. Zur Herausbildung der spanischen Nationalgeschichtsschreibung vgl. auch: Manzano Moreno, Eduardo, La construcciûn histûrica del pasado nacional, in: Ebd., 48 – 60; Taibo Arias, Sobre el nacionalismo espaÇol, in: Ders. (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 23. Zur Bedeutung der Katholischen Könige für die spanische Nationalgeschichte vgl.: Ýlvarez Junco, Jos¦, The Formation of Spanish Identity, in: History&Memory, 14:1 – 2/2002, 20 – 33; Kamen, Henry, Imaging Spain. Historical myth & national identity, New Haven 2008, 42 – 48.
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den rückte ins öffentliche Bewusstsein und wurde zum Gegenstand der spanischen Presse.56 Im Zuge der 1881 in Zentral- und Osteuropa einsetzenden Pogromwelle erreichten Spanien zudem Asylgesuche aus den dortigen Spanisch sprechenden sephardischen Gemeinden, woraufhin die liberale Regierung Sagasta und König Alfonso XII. sich zu einer Einreise von Juden aus Odessa nach Spanien bereit erklärten.57 Innenpolitisch diente die sogenannte „Judenfrage“ im 19. Jahrhundert als „politisches Distinktionsmittel“.58 Diskutiert wurden weniger die Rechte der wenigen im Land lebenden Juden als die Interpretation der spanisch-jüdischen Vergangenheit sowie das Verhältnis zu den in der Diaspora lebenden Sepharden.59 Mittels der Bewertung von Inquisition und Vertreibungsedikt wahlweise als historische Notwendigkeit oder Beginn der spanischen Dekadenz wurde eine grundsätzliche Abgrenzung zwischen konservativen und liberalen Positionen vorgenommen.60 Die liberale Kritik an der religiösen Intoleranz Spaniens mündete in der Forderung nach der Abschaffung der Inquisition und der Politik der Blutreinheit (limpieza de sangre). In den Cortes kam es darüber zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Absolutisten.61 Nach dem Krisenjahr 1898, als infolge des Spanisch-Amerikanischen Krieges mit Kuba, Puerto Rico und den Philippinen die letzten spanischen Übersee-Kolonien verloren gingen, begannen die Intellektuellen der 98erGeneration nach neuen Konzepten der spanischen Nation und Zukunftsvisionen zu suchen.62 Die Neuorientierung ging bei den liberalen Intellektuellen 56 Vgl.: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 12; Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 45. 57 Von diesem Angebot machten allerdings nur wenige Juden Gebrauch, in erster Linie, da es ihnen an finanziellen Möglichkeiten für die Reise nach Spanien fehlte und die spanische Regierung sich weigerte, die Reisekosten zu übernehmen. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 21. Gonzlez Garca schreibt: „Ante el antisemitismo europeo la poltica exterior del Gobierno en el poder en 1881 se manifestû en dos vertientes: en primer lugar, intentando un acercamiento a las comunidades sefarditas abri¦ndoles las puertas del pas, y en segundo, interesndose por el fenûmeno del antisemitismo.“, Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 83. Zur spanischen Reaktion vgl.: Ebd., 84 – 100. 58 Vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 42 – 54. 59 Für Angaben zu den Ende des 19. Jahrhunderts in Spanien lebenden Juden vgl.: Avni, Spain, 40. 60 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 29. Zur Diskussion um die Abschaffung der Inquisition vgl.: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 58; Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 42 – 54. Zur Neubewertung der jüdischen Vergangenheit im 19. Jahrhundert vgl. auch: Ojeda Mata, Maite, Thinking about ,the Jew‘ in Modern Spain: Historiography, Nationalism and Antisemitism, in: Jewish Culture and History, 8:2/2006, 53 – 72. 61 Vgl.: Ýlvarez Chillida, El Antisemitismo en EspaÇa, 95 – 103. 62 Vgl.: Blas Guerrero, Andr¦s de/Gonzlez Cuevas, Pedro Carlos, El concepto de naciûn en la EspaÇa del siglo XX, in: Claves de Razûn Prctica, 136/2006, 9ff; Balfour, Sebastian/Quiroga, Alejandro, ¿Es EspaÇa una naciûn?, in: Ebd., 173/2007, 34 f. Zum ambivalenten Charakter der Krise des Jahres 1898 vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 11 – 29. Straub beschreibt „Regeneration“ und „Europäisierung“ als zentrale Topoi in der Diskussion um einen Ausweg aus der spanischen Dekadenz, vgl.: Straub, Eberhard, Das spanische Jahrhundert, München 2004, 34 f.
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mit einer pessimistischen Sichtweise auf die Geschichte ihres Landes einher, derzufolge das spanische Weltreich seit Beginn des 17. Jahrhunderts in einem ständigen Niedergang begriffen war und sich durch Rückständigkeit, religiösen Fanatismus und Ineffizienz auszeichnete.63 Die Vertreibung der Juden und die religiöse Intoleranz stellten in dieser Sichtweise einen historischen Irrtum und die Ursache für die kulturelle Rückständigkeit Spaniens dar und wurden zu einer Art „Grundübel“ stilisiert, welches einen spanischen „Sonderweg“ bedingt habe. Allerdings führte auch die kritische Sichtweise auf die Geschichte nicht zu einer Integration der arabisch/muslimisch-jüdischen Vergangenheit in die nationale Meistererzählung.64 Spanien blieb für die meisten Intellektuellen romanisch-westgotischen Ursprungs.65 Neben dem ursprünglich liberal geprägten Nationalismus-Diskurs entwickelte sich um 1900 eine neue autoritäre Rechte, die die Besinnung auf eigene Werte propagierte. Während sich der progressive Nationalismus an Europa orientierte, war für den konservativen Nationalismus Hispanoamerika die Bezugsgröße. Das von Men¦ndez y Pelayo und Ramiro de Maeztu geprägte Konzept der Hispanidad sah in den Bewohnern Spaniens und Hispanoamerikas Mitglieder desselben Kulturraums und bot so eine Art Ersatz für imperiale Bestrebungen.66 Die Vertreter des integralistischen Katholizismus und des Karlismus betonten den Exklusivcharakter der katholischen Religion. Maßgeblich für ihre Lesart der spanischen Geschichte war Marcelino Men¦ndez y Pelayo, der den historischen Antisemitismus als integralen Bestandteil der Vergangenheit
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Auch Rafael Altamira diskutiert den Topos der Dekadenz als ein zentrales Charakteristikum spanischer Identitätsdebatten, vgl.: Altamira, Los elementos de la civilizaciûn, 238 – 242. Vgl.: Ýlvarez Junco, The Formation of Spanish Identity, in: History&Memory, 14:1 – 2/2002, 32 f. Diese Kritik beschrieb Julin de Juderas 1914 als „schwarze Legende“, die von den Feinden Spaniens verbreitet werde. La leyenda negra erschien in zahlreichen Neuauflagen und die These einer Verschwörung gegen Spanien ist ein bis heute in konservativen Publikationen zu findender Topos. Der Verweis auf die „schwarze Legende“ dient der Entkräftung jeglicher Kritik. Vgl.: Kamen, Imaging Spain, xiii. Zur leyenda negra vgl. z. B.: Garca Crcel, Ricardo, La leyenda negra. Historia y opiniûn, Madrid 1992. „Eine ,Judenfrage‘, die um 1900 verschiedenste Gruppen in Europa beschäftigte, erübrigte sich: Spanien hatte seine Juden vier Jahrhunderte zuvor vertrieben. Es empfahl sich nicht, gerade jetzt das jüdische Erbe zu thematisieren. Schließlich war es im sechzehnten Jahrhundert das gewöhnlichste Vorurteil unter den Europäern, dass Spanier ohnehin nur getaufte Juden seien. Schlafende Hunde soll man nicht wecken.“, Straub, Das spanische Jahrhundert, 46. Vgl. z. B.: Ortega y Gasset, Jos¦, La EspaÇa invertebrada, Barcelona 2010 [1921]. Vgl. auch: Subirats, Eduardo, La Reforma de la Memoria Histûrica de EspaÇa, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 327 f. Die 1876 von Francisco Giner de los Ros gegründete liberale und laizistische Instituciûn Libre de EnseÇanza trat für eine Neubewertung der spanisch-jüdischen Geschichte ein. Vgl.: Balfour, Sebastian/Quiroga, Alejandro, The Reinvention of Spain. Nation and Identity since Democracy, Oxford/New York 2007, 32 f. Ramiro de Maeztu wird als Vater des Begriffs Hispanidad bezeichnet, da sein 1934 erschienenes Buch Defensa de la Hispanidad als Grundlage für die weitere ideologische Entwicklung diente, vgl.: Maeztu, Ramiro de, Defensa de la Hispanidad, Madrid 61952.
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der katholischen Nation Spanien rechtfertigte.67 In Maeztus Schrift Defensa de la hispanidad (1934) heißt es dazu: „Der spanische Charakter hat sich im jahrhundertelangen Kampf gegen die Mauren und die Juden herausgebildet.“ Und weiter : „In Abgrenzung zu den Juden […] hat sich unser Gefühl des Katholischseins, der Universalität, geformt“.68 Die nationale Meistererzählung begann mit dem Religiösen zu verschwimmen, wodurch Reconquista und Vertreibungsedikt zu einem religiös-nationalen Abwehrkampf gegen nichtchristliche Feinde gerieten.69 Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Portugal, wo die Vertreter des Integralismo Lusitano ebenfalls die „Reinheit der Rasse“ betonten.70 Im 20. Jahrhundert beschäftigten sich Autoren wie Yitzhak Baer,71 Julio Caro Baroja,72 Antonio Domnguez Oritz,73 Julio Valdeûn Baruque oder Luis Surez Fernndez74 mit der Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel. 67 Vgl.: Varela, Javier, La novela de EspaÇa. Los intelectuales y el problema espaÇol, Madrid 1999, 40 – 43. 68 „El carcter espaÇol se ha formado en lucha multisecular contra los moros y contra los judos.“, „Frente a los judos […] se forjû nuestro sentimiento de catolicidad, de universalidad“, Maeztu, Defensa de la Hispanidad, 165, 166. 69 Vgl.: Berger, Narrating the Nation, in: APuZ, 1 – 2/2008, 11. Men¦ndez y Pelayo vertritt in seinem Hauptwerk Historia de los heterodoxos espaÇoles die These, dass die spanische Identität ausschließlich katholisch sei und Spanien seine Größe dem katholischen Glauben zu verdanken habe, vgl.: Men¦ndez y Pelayo, Marcelino, Historia de los heterodoxos espaÇoles. Vol. I – III, Madrid 1992 [1947]. Diese Überlegungen waren Vorläufer des späteren Nationalkatholizismus. Vgl.: Ýlvarez Junco, The Formation of Spanish Identity, in: History&Memory, 14:1 – 2/2002, 29 – 33. Rehrmann attestiert Men¦ndez y Pelayos Werk einen schizophrenen Charakter, da er einerseits zu den „intellektuellen Hohepriestern des Nationalkatholizismus“ gehörte, andererseits aber der jüdischen und maurischen Kulturtradition seine Referenz erwies, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 288. 70 Vgl. dazu sowie zur weiteren Entwicklung des Antisemitismus in Portugal: Studemund-Hal¦vy, Portugal, in: Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Band 1, 286 – 290. 71 Baer gab zunächst die zweibändige Quellensammlung Die Juden im christlichen Spanien heraus, auf der seine Studie über die Geschichte der Juden im christlichen Spanien aufbaut, vgl.: Baer, A History of the Jews in Christian Spain. 72 Julio Caro Baroja wählt in seinem dreibändigen Werk zur Geschichte der Juden während des iberischen Mittelalters im heutigen Spanien und Portugal einen sozialgeschichtlichen Ansatz und nimmt das Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften, insbesondere das daraus resultierende Konfliktpotenzial in den Blick. Bewusst grenzt er sich von in der Forschung und in der spanischen Gesellschaft tradierten „Judenbildern“ ab und diskutiert relevante Begrifflichkeiten, vgl.: Caro Baroja, Los judos. 73 Vgl. z. B.: Domnguez Ortiz, Antonio, Los Judeoconversos en EspaÇa y Am¦rica, Madrid 1988. In der Studie untersucht er den Umgang mit jüdischen conversos ebenso wie verschiedene Aspekte des Lebens dieser sozialen Gruppe. Er weist die ökonomische Motivation der Inquisition zurück und betont ihre religiöse Dimension. Auch im Hinblick auf das Vertreibungsedikt vermutet er, dass die Konversion der Juden das eigentliche Ziel gewesen sei. Ebenso hebt er das Bedürfnis der Altchristen nach religiöser und sozialer Abgrenzung gegenüber den Neuchristen hervor, vgl.: Ebd., 29, 38 f, 77 ff. 74 Surez Fernndez’ Arbeiten zur mittelalterlichen Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel werden trotz des franquistischen Hintergrundes des Autors zu den Standardwerken
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Ihren bedeutendsten Impuls erhielt die Forschungsdebatte aber in den 1950er Jahren, als es zu einem regelrechten „Historikerstreit“ zwischen dem Philologen Am¦rico Castro und dem Historiker Claudio Snchez-Albornoz kam – beide Schüler des spanischen Historikers Ramûn Men¦ndez Pidal.75 Gestritten wurde über den Einfluss des Zusammenlebens von Christen, Mauren und Juden bzw. der Reconquista auf die Herausbildung eines „spanischen Nationalcharakters“, d. h. über die Beurteilung der convivencia als Symbiose oder Antibiose.76 Castro stellte fest, dass die spanische Geschichte nicht ohne Berücksichtigung der Juden verstanden werden könne und räumte der Phase des trikulturellen Zusammenlebens bzw. dem Zerbrechen der mittelalterlichen convivencia der Drei Kulturen eine zentrale Bedeutung ein.77 Allerdings führte die Anerkennung nicht-christlicher Wurzeln nicht zu einer positiven Beurteilung der Bedeutung des Judentums, welches bei Castro die Verantwortung für die Einrichtung der Inquisition und für die Politik der Blutreinheit trägt.78 Indem Castro aber die Vorstellung eines quasi zeit- und geschichtslosen Spaniertums hinterfragte und den kulturellen, ethnischen und religiösen Pluralismus zu einem Teil der spanischen Identität ernannte, wandte er sich gegen wichtige Gründungsmythen des Nationalkatholizismus.79 Subirats sieht in Castros Werk deshalb einen Wendepunkt im intellektuellen Selbstver-
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gezählt, vgl. z. B.: Surez Fernndez, Luis, Judos espaÇoles en la Edad Media, Madrid 1980; Ders., La expulsiûn de los judos de EspaÇa, Madrid 21992. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk von Men¦ndez Pidal im Hinblick auf das Juden- und Maurenbild vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 310 – 321. Vgl.: Bernecker, Walther L., Die Vertreibung der Juden aus Spanien. Zur Diskussion über das , in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 40. Zu Inhalt und Charakter dieser Debatte vgl. z. B.: Subirats, Eduardo (Hg.), Am¦rico Castro y la revisiûn de la memoria. El Islam en EspaÇa, Madrid 2003; Surtz, Ronald E./Ferrn, Jaime/Testa, Daniel P. (Hg.), Am¦rico Castro: The Impact of His Thought, Madison 1988. Zur Besonderheit spanischer Wissenschaftskontroversen vgl.: Dressendörfer, Peter, Idearium der späten Reconquista. Zu Am¦rico Castros ahistorischer Begrifflichkeit, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 125 f. Zur Bedeutung dieser Wissenschaftskontroverse bis in die Demokratie vgl. z. B.: Ruiz Bravo, Carmen, El implacable debate de la identidad nacional, in: ABC, 6. 1. 1992, „Los Anlisis“, XX – XXI. Mit dieser Debatte erreichte das akademische Interesse an der trikulturellen Geschichte Spaniens im Exil seinen vorläufigen Höhepunkt. Vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 736. Vgl. z. B.: Castro, Am¦rico, La Realidad Histûrica de EspaÇa, Mexico, D.F. 1962 [1954], 28. EspaÇa en su historia und Realidad histûrica de EspaÇa konnten während der Franco-Diktatur in Spanien nicht veröffentlicht werden. Subirats findet diese Tatsache aussagekräftiger für die Frage der „historischen Mythologie“ als die Kontroverse zwischen Castro und SnchezAlbornoz, vgl.: Subirats, Eduardo, Nota preliminar, in: Ders. (Hg.), Am¦rico Castro, 15 f. Vgl.: Castro, Am¦rico, EspaÇa en su historia. Cristianos, moros y judos, Barcelona 2001 [1948], 513 – 531. Zum Judenbild bei Castro vgl.: Menny, Anna, Entre reconocimiento y rechazo: los judos en la obra de Am¦rico Castro, in: Iberoamericana, 38/2010, 143 – 150. Vgl.: Subirats, Eduardo, La pennsula multicultural, in: Ders. (Hg.), Am¦rico Castro, 39 – 49; Rehrmann, Das schwierige Erbe, 739 f. Zu Castros Werk als Zäsur vgl.: Mrquez Villanueva, Francisco, Am¦rico Castro y la historia, in: Surtz/Ferrn/Testa (Hg.), Am¦rico Castro, 127 – 139.
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ständnis Spaniens.80 Snchez-Albornoz vertrat hingegen die Ansicht, dass der „spanische Charakter“ in erster Linie durch den geografischen Raum und seine ersten Bewohner geprägt worden sei und sich die spanische Geschichte durch Kontinuität und Einheit im Glauben auszeichne.81 Da SnchezAlbornoz die Formationsphase vor den Beginn der arabischen Eroberungen im Jahr 711 datierte, wies er die von Castro angenommene „trikulturelle Symbiose“ zurück, die „Textur“ Spaniens sei weder durch islamische noch durch jüdische Einflüsse tangiert worden und in erster Linie romanischwestgotisch-christlich.82 Die Bewertung des trikulturellen Zusammenlebens, die auch mit der Verortung Spaniens inner- oder außerhalb Europas verbunden ist,83 und die Frage nach den Motivationen und Intentionen der antijüdischen Maßnahmen im 14. und 15. Jahrhundert beschäftigt die Forschung bis heute. Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses sind insbesondere der Erlass des Vertreibungsediktes der Katholischen Könige gegen die in ihren Königreichen lebenden Juden im Jahr 1492, die vorherige Einrichtung des Inquisitionstribunals, das 1478 von Papst Sixtus IV. genehmigt worden war, und die infolge der Massenkonversionen aufkommende „Blutreinheitspolitik“ zur Stigmatisierung von zum Christentum konvertierten Nachfahren spanischer Juden. Auf der Iberischen Halbinsel war es im 14. Jahrhundert mehrfach zu judenfeindlichen Ausschreitungen gekommen, die in den Pogromen von 1391 kulminierten. Die Unruhen, bei denen sich religiöse mit sozialen Motiven vermengten, breiteten sich von Sevilla im übrigen Andalusien, in Kastilien und im aragonesischen Königreich aus.84 Etwa ein Drittel der damals auf dem Territorium des heutigen Spaniens lebenden Juden wurde getötet, ein weiteres Drittel ließ sich taufen. Infolge der Massenkonversionen entstand mit den 80 Vgl.: Subirats, La pennsula multicultural, in: Ders. (Hg.), Am¦rico Castro, 48. 81 Vgl.: Snchez-Albornoz, Claudio, EspaÇa, un enigma histûrico. Tomo I, Buenos Aires 1956, 99 – 103, Kapitel III; Ders., EspaÇa, un enigma histûrico. Tomo II, Buenos Aires 1956, 349 – 362. Vgl. auch: Bernecker, Die Vertreibung der Juden, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 41. 82 Vgl.: Snchez-Albornoz, Claudio, El drama de la formaciûn de EspaÇa y los espaÇoles. Prûlogo de Ramûn Peralta, Madrid 2008, 27 – 37. Vgl. auch: Blas Guerrero/Gonzlez Cuevas, El concepto de naciûn, in: Claves de Razûn Prctica, 136/2006, 14. Snchez-Albornoz charakterisiert das Zusammenleben der Kulturen als konflikt- und gewaltreich. Im Hinblick auf die christlichjüdischen Beziehungen erklärt er die Unausweichlichkeit des „tragischen Endes“, vgl.: SnchezAlbornoz, El drama de la formaciûn de EspaÇa, 35, 40, 47 f; Ders., EspaÇa, un enigma histûrico. Tomo II, 164, 176, 177 – 259. 83 Vgl.: Bianchini, Janna, Re-defining Medieval Spain, in: English Historical Review, 522/2011, 1168 f, 1178 f. 84 Zur judenfeindlichen Stimmung vgl.: Ýlvarez Chillida, El Antisemitismo en EspaÇa, 41 – 44. Zu den sich seit dem 14. Jahrhundert in Aragonien und Kastilien u. a. durch den Ausbruch der Pest, Erbstreitigkeiten bei der Thronfolge sowie eine antijüdische Gesetzgebung verschlechternden Bedingungen für jüdisches Leben vgl.: Valdeûn Baruque, Julio, El siglo XIV: la quiebra de la convivencia entre las tres religiones, in: Ders. (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos en la EspaÇa Medieval. De la aceptaciûn al rechazo, Valladolid 2004, 125 – 148.
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conversos eine neue soziale Gruppe, deren gesellschaftlicher Aufstieg seit Mitte des 15. Jahrhunderts erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen führte. Als converso wurden im spätmittelalterlichen Spanien aus dem Judentum konvertierte Neuchristen bezeichnet. Conversos waren vonseiten der Altchristen dem Verdacht des Kryptojudaismus ausgesetzt, d. h. dem heimlichen Weiterpraktizieren ihres jüdischen Glaubens.85 Die Massenkonversionen bewirkten Christiane Stallaert zufolge das Aufweichen der strikten konfessionellen Trennung und führten somit zu einer nachhaltigen Erschütterung des Fundaments der trikulturellen Gesellschaft.86 Dieser Lesart folgend wird die Inquisition in erster Linie als ein (religions-)politisches Instrument zur inneren Befriedung und Machtsicherung verstanden, welches auf das Bedürfnis nach Abgrenzung gegenüber den Neuchristen reagierte.87 Dass auch die Blutreinheitspolitik ein „Instrument sozialer Neuordnung“ war und mittels der Marginalisierung von Minderheiten entscheidend zur Selbstdefinition der altchristlichen Gesellschaft beitrug, zeigt Hering Torres in seiner Studie Rassismus in der Vormoderne.88 Mit der territorialen und ideellen Ausweitung 85 Zur Figur des converso vgl.: Benito Ruano, Eloy, El converso. Un prototipo histûrico espaÇol, in: Anes y Ýlvarez de Castrillûn, Gonzalo (Hg.), Las tres Culturas. Les tres Cultures. The three Cultures, Madrid 2004, 61 – 70; Domnguez Ortiz, Los Judeoconversos en EspaÇa y Am¦rica; Mrquez Villanueva, Francisco, El Problema de los Conversos: Cuatro Puntos Cardinales, in: Sola-Sol¦, Josep M./Armistead, Samuel G./Silverman, Joseph H. (Hg.), Hispania Judaica. Studies on the History, Language, and Literature of the Jew in the Hispanic World, I: History, Barcelona 1980, 51 – 75. Yovel unterstreicht die Aktualität der converso-Figur im gegenwärtigen Spanien: „But even today, with its Basque and Catalan questions, Spain still needs the broader framework of Europe in order to successfully deal with its unresolved problem of ‘unified‘ identity : it needs, that is, the late-modern view of pluri-identity and pluri-allegiance – the same ideas which the Judeo-Conversos have represented in their various dualities, and for which, consciously or not, they stood and struggled in the era of the Inquisition.“, Yovel, Yirmiyahu, Marranism and the Breakdown of Integral Identity, in: Goodman-Thau, Eveline/Oz-Salzberger, Fania (Hg.), Das jüdische Erbe Europas. Krise der Kultur im Spannungsfeld von Tradition, Geschichte und Identität, Berlin/Wien 2005, 76. 86 Vgl.: Stallaert, Etnog¦nesis, 165. Zu den Spannungen in den christlich-jüdischen Beziehungen vor allem nach 1391 und der Funktion der Juden als „Sündenbock“ für die christliche Gesellschaft vgl.: Valdeûn Baruque, Julio, Motivaciones socioeconûmicas de las fricciones entre viejocristianos, judos y conversos, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 72ff; Ders., El chivo expiatorio. Zu den Ausschreitungen 1391 vgl. z. B.: P¦rez, Los judos en EspaÇa, 124 – 138. 87 Die These des Inquisitionstribunals als politisches Instrument für die Stabilisierung und Vereinheitlichung des Königreiches vertritt z. B.: Bernecker, Die Vertreibung der Juden, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 30. Kriegel geht davon aus, dass die Inquisition die Vernichtung der Juden zum Ziel hatte, vgl.: Kriegel, Maurice, El edicto de expulsiûn: motivos, fines, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 137. Domnguez Ortiz beschreibt die Inquisition als ein Tribunal, das in erster Linie religiöse, aber auch politische und soziale Auswirkungen hatte, vgl.: Domnguez Ortiz, Antonio, El Antiguo R¦gimen: Los Reyes Catûlicos y los Austrias, Madrid 1988, 37. Für grundlegende Werke zur spanischen Inquisition vgl. auch: Kamen, Henry, The Spanish inquisition. A historical revision, New Haven/London 1997. 88 Vgl.: Hering Torres, Max Sebastin, Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2006. Zur „Blutreinheits“-Politik und ihrer Aus-
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des Reinheitsprinzips wurden die Juden zunehmend als „natürliche Feinde der Christen“ stigmatisiert.89 Die Ausschreitungen des Jahres 1391 werden daher von einigen Autoren als die eigentliche Zäsur in der Entwicklung der christlich-jüdischen Beziehungen in der mittelalterlichen Gesellschaft gewertet.90 Valdeûn Baruque wendet sich allerdings entschieden gegen die Vorstellung einer linearen, quasi unvermeidbaren Entwicklung von den Ereignissen des Jahres 1391 zum Erlass des Vertreibungsediktes 1492, Letzteres müsse vielmehr im Kontext der Inquisition und der Massenkonversionen verstanden werden.91 Dennoch, die verstärkte Berücksichtigung der sich seit Ende des 14. Jahrhunderts verschärfenden sozialen Spannungen und damit der Vorgeschichte des 1492 erlassenen Ediktes lässt dieses weniger als ein singuläres Ereignis denn vielmehr als Glied in einer Kette antijüdischer Maßnahmen erscheinen, die auch weitere Vertreibungsedikte (z. B. in Andalusien und im Königreich Portugal) umfassten.92 In der neueren Forschung finden sich unterschiedliche Interpretationsansätze des Vertreibungsediktes. Insgesamt wird die ökonomische zugunsten der religions- und (macht-)politischen Bedeutung zunehmend vernachlässigt. Valdeûn Baruque betont den aus religiöser Sicht notwendigen Schutz der (Neu-)Christen vor den Juden, und Henry Kamen versteht das Edikt als Aufforderung zur Konversion.93 Demgegenüber wertet Benzion Netanyahu die
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breitung zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert vgl. auch: Sicroff, Albert A., Los estatutos de limpieza de sangre. Controversias entre los siglos XV y XVII, Madrid 1979. Böttcher, Nikolaus, Rezension zu Hering Torres, Max Sebastin: Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit, Frankfurt M. 2006, in: H-Soz-u-Kult, 16. 11. 2007, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007 – 4–136, 24. 5. 2011. „1391 fue un aut¦ntico punto de no retorno en las relaciones cristiano-judas de las tierras hispanas. […] Efectivamente, la vieja pugna entre cristianos y judos, prcticamente muerta tras los sucesos de 1391, iba a ser sustituida por un nuevo conflicto, el que enfrentaba a los cristianos viejos con los nuevos o conversos“, Valdeûn Baruque, Motivaciones socioeconûmicas, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 74. Vgl. zu dieser Einschätzung auch: Ders., El siglo XIV, in: Ders. (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 125 – 148; Surez Fernndez, La expulsiûn de los judos, 201. Insbesondere für die Geschichte Kataloniens scheint sich das Jahr 1391 als zentrales Datum der jüdischen Vergangenheit zu etablieren. Vgl.: Valdeûn Baruque, El chivo expiatorio, 83 – 92. Vgl. zu den Entwicklungen im 14. Jahrhundert, die einen Anstieg der Judenfeindschaft mit sich brachten z. B.: Valdeûn Baruque, El siglo XIV, in: Ders. (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 125 – 148. Beinart stellt die Parallelen zwischen dem 1483 gegen die in Andalusien lebenden Juden und dem 1492 erlassenen Vertreibungsedikt heraus, vgl.: Beinart, Haim, La inquisiciûn espaÇola y la expulsiûn de los judos de Andaluca, in: Kaplan, Yosef (Hg.), Jews and Conversos. Studies in society and the inquisition. Proceedings of the Eighth World Congress of Jewish Studies held at The Hebrew University of Jerusalem, August, 16 – 21, 1981, Jerusalem 1985, 103 – 123. Roth wendet sich gegen die These, dass es sich bei der Inquisition um eine „Erfindung“ der Katholischen Könige gehandelt habe, und skizziert ihre Ursprünge und Vorgeschichte in den iberischen Königreichen, vgl.: Roth, Norman, Conversos, Inquisition, and the Expulsion of the Jews from Spain, Madison/London 1995, 203 – 212, 271 – 275. Vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 154ff; Kamen, The Spanish Inquisition, 19 – 27. P¦rez nimmt an, dass die religiöse Toleranz nach der Eroberung Granadas 1492 ihren Sinn
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Einrichtung des Inquisitionstribunals ebenso wie das Vertreibungsedikt als Ausdruck eines vormodernen Antisemitismus.94 Kamen wendet sich ferner gegen die lange Zeit von spanischen und ausländischen Historikern vertretene These eines durch die Ausweisung der Juden verursachten Niedergangs der Wirtschaft. Er bestreitet, dass der Großteil der jüdischen Bevölkerung der Mittelschicht angehörte und relativiert die ökonomischen Auswirkungen ebenso wie den demografischen Einschnitt des Vertreibungsediktes mit Verweis auf die Massenkonversionen.95 Außerdem nimmt er an, dass von den etwa 80.000 Juden nach neueren Schätzungen etwa die Hälfte in Spanien blieb oder zurückkehrte.96 Wenn diese Einschätzung zutreffend ist, würde die Bedeutung der Vertreibung als markante Zäsur eingeschränkt. Während für die konservative Geschichtsschreibung, die z. B. von der Real Academia de la Historia repräsentiert wird, das Vertreibungsedikt weiterhin ein wichtiger Bestandteil des „nationalen Einigungswerkes“ der Katholischen Könige ist,97 rückte im demokratischen Spanien insgesamt das Zusammen-
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verlor, die Katholischen Könige strebten ein christliches Königreich an. In diesem Kontext verortet er sowohl die Inquisition als auch das Vertreibungsedikt, vgl.: P¦rez, Los judos en EspaÇa, 208 – 212. Surez Fernndez führt die Einrichtung der Inquisition ebenso wie das Vertreibungsedikt auf das Bedürfnis nach einem einheitlichen Glauben zurück, welches er in Verbindung mit der Entstehung des modernen Staates bringt, vgl.: Surez Fernndez, La expulsiûn de los judos, 299 – 324; Ders., Claves histûricas del problema judo en EspaÇa medieval, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 74 f; Ders., Judos espaÇoles, 24 f. Er vertritt die These, dass das Edikt sich gegen das Judentum als Religion richtete, vgl.: Surez Fernndez, Luis, Los Reyes Catûlicos, Barcelona 2004, 330. Vgl.: Netanyahu, Benzion, Toward the Inquisition. Essays on Jewish and Converso history in late medieval Spain, New York 1997. Für Roth ist die Charakterisierung der Maßnahmen als antisemitisch anachronistisch, vgl.: Roth, Conversos, 229 f. Vgl.: Kamen, Henry, Las expulsiones de los judos y la decadencia de EspaÇa, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Converso, 420 – 433. Vgl. auch: Haliczer, Stephen, The Expulsion of the Jews and the Economic Development of Castile, in: Sola-Sol¦/Armistead/Silverman (Hg.), Hispania Judaica. I, 39 – 47. Auch P¦rez kritisiert die Überschätzung der ökonomischen Bedeutung der jüdischen Bevölkerung, vgl.: P¦rez, Los judos en EspaÇa, 168. Die neuere Forschung hat die ökonomische Bedeutung der jüdischen Bevölkerung für die Iberische Halbinsel stark relativiert und damit als Teil des Mythos vom „reichen Juden“ entlarvt. Vgl. z. B.: Bernecker, Die Vertreibung der Juden, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 34 – 38. Vgl.: Kamen, Las expulsiones de los judos, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Converso, 424. Über die Zahl der Juden, die die Iberische Halbinsel verließen, wurde in der Forschung viel gestritten. Neuere Studien nehmen eine Zahl von 70.000– 100.000 Juden an, von denen etwa 50.000– 80.000 im Gebiet der kastilischen Krone lebten. Vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 158; Ders., Motivaciones socioeconûmicas, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 75. Vgl.: Real Academia de la Historia (Hg.), EspaÇa. Reflexiones sobre el ser de EspaÇa, Madrid 1997; Dies. (Hg.), EspaÇa como naciûn, Barcelona 2000. Zur Vorstellung Spaniens als einer Einheit vgl. z. B.: Fernndez Ýlvarez, Manuel, EspaÇa como Imperio. Visiûn y perspectiva histûrica, in: Real Academia de la Historia (Hg.), EspaÇa, 151 – 169. Domnguez Ortiz räumt in seinem Beitrag den Drei Kulturen einen Platz in der spanischen Geschichte ein und misst ihnen Bedeutung für die Herausbildung der nationalen Identität bei, zugleich betont er aber, dass diese Kulturen auf spanischem Boden („nuestro suelo“) entstanden. Dieser Artikel ist einer der wenigen, in dem die jüdischen Einflüsse in der iberischen/spanischen Geschichte überhaupt
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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leben der Drei Kulturen vor 1492 ins Blickfeld und entwickelte sich zu einem stark mystifizierten Forschungsgegenstand.98 In der zeitgenössischen spanischen Geschichtsschreibung scheint sich die Vorstellung einer trikulturellen und weitgehend friedlichen convivencia als neue nationale Meistererzählung und singuläres Spezifikum der spanischen Geschichte herausgebildet zu haben. Inzwischen erfreut sich der Begriff, mit dem das romantische Bild einer schillernden Vergangenheit assoziiert wird, auch in populärwissenschaftlichen Diskursen äußerster Beliebtheit.99 Trotz Bemühungen mittels Detailstudien zu einem differenzierteren Bild zu gelangen, hat sich der Diskurs bis zu einem gewissen Grad verselbstständigt, wie zunehmend bemängelt wird.100 Peter Dressendörfer kritisiert z. B. die convivencia als „historische Wunschvorstellung“: Die Königreiche auf der Iberischen Halbinsel waren nicht durch innere Toleranz und inneren Frieden gekennzeichnet, sondern durch politischen Pragmatismus, der zu einer Duldung der Andersgläubigen führte.101 Eine ähnliche Beurteilung nimmt auch Valdeûn Baruque vor: „Das weit verbreitete Bild des mittelalterlichen Spaniens als ein Paradies, in dem Christen, Muslime und Juden idyllisch zusammenlebten, hat viel von einem Klischee. Toleranz im modernen Sinne gab es in dieser Zeit nicht. […] Die friedvolle convivencia [Hervorhebung, A. M.], dies sollten wir nicht vergessen, verhinderte nicht, dass auf eine mehr oder weniger unterschwellige Art eine judenfeindliche Stimmung
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betrachtet werden, vgl.: Domnguez Ortiz, Antonio, Las „Tres Culturas“ en la Historia de EspaÇa, in: Ebd., 172, 193. Die Idee der Einheit spielt für die spanische Identität eine zentrale Rolle, entsprechende Hinweise finden sich in den Verfassungen von 1812, 1837, 1845, 1856, 1876, 1978. Vgl.: Rumeu de Armas, Antonio, El Concepto de EspaÇa bajo el signo del liberalismo doctrinario, in: Real Academia de la Historia (Hg.), EspaÇa, 292 – 297. Vgl. auch: P¦rez Garzûn, Juan Sisinio, La creaciûn de la historia de EspaÇa, in: Ders. u. a. (Hg.), La gestiûn de la memoria, 66. Goytisolo kritisierte demgegenüber Ende der 1990er Jahre, dass sich die spanische Geschichtsschreibung weiterhin damit schwertue, das nicht-katholische Erbe zu integrieren, vgl.: Goytisolo, Juan, Historias, historietas e historia, in: El Pas, 28. 1. 1998, 15 – 16; Ders., Lo que no se dice de Sefarad, in: Ebd., 21. 12. 1999, 17 – 18. Vgl.: Ray, Jonathan, Beyond Tolerance and Persecution: Reassessing our Approach to Medieval Convivencia, in: Jewish Social Studies, 11:2/2005, 5. Ray selbst versucht den Mythos kritisch zu beleuchten, indem er sich der sephardischen Perspektive auf die mittelalterliche convivenciaGesellschaft nähert. Zu den Detailstudien vgl.: Viguera Molins, Mara Jesffls, Cristianos, judos y musulmanes en alAndalus, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 47 f. Vgl.: Dressendörfer, Idearium der späten Reconquista, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 128 f. Zur Betonung des Gewaltmoments vgl. auch: Nirenberg, David, Communities of violence. Persecution of minorities in the Middle Ages, Princeton 1996, 8 f. Auch Surez Fernndez hinterfragt das Bild einer friedlichen convivencia, indem er auf die Ausbreitung antijüdischer Stimmungen und die Beschränkungen jüdischen Lebens, z. B. in der Berufswahl eingeht, vgl.: Surez Fernndez, Luis, Puntualizaciones en la trayectoria del antijudasmo hispano, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 150 – 170. Meyuhas Ginio plädiert für den Begriff der Koexistenz, vgl.: Meyuhas Ginio, Alisa, ¿Convivencia o coexistencia? Acotaciones al pensamiento de Am¦rico Castro, in: Carrete Parrondo, Carlos/Dies. (Hg.), Creencias y culturas, Salamanca 1998, 157.
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Einführende Überlegungen
existierte, die einige Zeit später, als die Umstände es ermöglichten, an die Oberfläche trat“.102
Neuere Arbeiten tendieren dazu, das Zusammenleben in verschiedene Phasen zu unterteilen und so die Entwicklung von einem relativ friedlichen Zusammenleben hin zur Errichtung des Inquisitionstribunals und zum Erlass des Vertreibungsediktes nachzuzeichnen.103 Schließlich wird von einigen Autoren das Konzept eines trikulturellen Spaniens infrage gestellt. Nach Ansicht von Joseph P¦rez existierten im iberischen Mittelalter zwei dominante Kulturen, erst der Islam und dann das Christentum. Das Judentum habe sich diesen unterordnen müssen und sei weitgehend auf seine religiöse Dimension beschränkt geblieben. Sowohl Sprache als auch Kultur hätten die Juden von der Mehrheitsgesellschaft übernommen, das Judentum habe somit nicht als Kultur existiert.104 Noch setzt sich allerdings trotz dieser Debatten die Vorstellung von einer trikulturellen Gesellschaft fort, wobei, je nach Standpunkt,
102 „La imagen, tantas veces difundida, de la EspaÇa medieval como un paraso en el que convivan idlicamente cristianos, musulmanes y judos tiene mucho de tûpico. Tolerancia, en el sentido moderno del t¦rmino, no exista en aquellos siglos. […] La convivencia pacfica, no lo olvidemos, no evitaba que circularon, de forma ms o menos subterrnea, corrientes hostiles a la causa juda, que tiempo despu¦s, cuando las circunstancias lo propiciaran, iban a salir a la superficie“, Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 44 f. David Nirenberg kritisiert die Vorbildfunktion der convivencia, da sie zu einer Verengung des Untersuchungsgegenstandes führe: Die Geschichte lege kein Zeugnis „für die grundsätzliche Toleranz oder Intoleranz, Zivilisation oder Barbarei einer bestimmten Religion oder Kultur“ ab, „Religionen und Kulturen schaffen [vielmehr] immer das Potenzial für beides“, Nirenberg, David, Die moderne Vorbildfunktion des mittelalterlichen Spanien, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 29, sowie: 7 – 29. 103 Vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos. Die Phase nach der arabischen Eroberung der Iberischen Halbinsel im 8. Jahrhundert wird häufig mit einem „Goldenen Zeitalter“ des Judentums assoziiert. Die Vorstellung einer einheitlichen sephardischen Tradition oder Kultur ist problematisch, da die Bedingungen je nach Zeit und Region sehr unterschiedlich waren. Vgl.: Lehmann, Matthias, Sephardi (Sephardim), in: Stillman, Norman A. (Hg.), Encyclopedia of Jews in the Islamic World. Volume Four : P-Z, Leiden/Boston 2010, 286. Zur Situation der Juden in den christlichen Königreichen vgl. z. B.: Beinart, Haim, Los judos en la EspaÇa cristiana. Una visiûn histûrica, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 1 – 21. Zu den verschiedenen Herrschaftsphasen in al-Andalus und den Veränderungen, die damit für die jüdische Bevölkerung verbunden waren, vgl.: Viguera Molins, Cristianos, judos y musulmanes, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 46, 52 – 55, 59 – 63; P¦rez, Los judos en EspaÇa, 36 – 51; Stillman, Norman A., Al-Andalus, in: Ders. (Hg.), Encyclopedia of Jews. Volume One: A-C, 103 – 113. 104 Vgl.: P¦rez, Los judos en EspaÇa, 46 – 51. Auch Epalza geht von zwei dominanten Kulturen aus, unter denen sich lediglich religiöse Subkulturen entfalten konnten, vgl.: Epalza, Mkel de, Historia medieval de la pennsula: Tres culturas o tres religiones, in: Ayuntamiento de Toledo (Hg.), I Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“, 3 – 7 octubre 1982, Toledo 1983, 99 – 104. Zur Frage, ob es sich um eine trireligiöse oder trikulturelle Gesellschaft handelte, vgl. z.B: Olalla Snchez, Mûnica, El legado cultural de los judos en EspaÇa, in: Catal Rubio, Santiago/Mart, Jos¦ Mara/Garca Pardo, David (Hg.), Judasmo, Sefarad, Israel. Actas del II Encuentro sobre Minoras Religiosas, Cuenca 2002, 87.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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den einzelnen Kulturen unterschiedlicher Einfluss beigemessen wird und ihre angenommene Relevanz für die Gegenwart variiert.
2.2 Spanisch-jüdische Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert Andere Religionen als die katholische gab es nach der Vertreibung der Juden 1492 und der Morisken105 1609 in Spanien offiziell nicht. Allerdings führten weder Ausweisung noch Inquisition dazu, wie Lûpez Garca u. a. in ihrer Studie zu religiösen Minderheiten in Madrid betonen, dass Juden aus Spanien verschwanden, aufgehört habe das „organisierte Gemeindeleben“.106 Bevor sich Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten jüdischen Familien erneut in Spanien niederließen,107 war es zu einer langsamen Aufweichung der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bestimmungen gegen Juden und conversos sowie 1834 zur endgültigen Abschaffung der Inquisition gekommen.108 Die aufgrund ihrer Abstammung stigmatisierten Neuchristen konnten so im Verlauf des 19. Jahrhunderts größtenteils in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen.109 Die ersten Einwanderer im 19. Jahrhundert waren vor allem aschkenasische Juden aus West- und Mitteleuropa, die sich in Spanien als Vertreter ausländischer Unternehmen ansiedelten. Eine andere Gruppe bildeten jüdische Kleinhändler aus Nordafrika und Gibraltar. Allerdings gaben sich viele Juden anfänglich in der Öffentlichkeit nicht als solche zu erkennen, was der unsicheren rechtlichen Lage geschuldet war. Erst im Zuge des Marokko-Krieges in den 1860er Jahren wurde den marokkanischen Sepharden 105 Als Morisken werden die maurischen Bewohner der Iberischen Halbinsel bezeichnet, die nach 1492 zum Christentum (zwangs-)konvertierten. 106 Vgl.: Lûpez Garca, Bernab¦ u. a., Arraigados. Minoras religiosas en la Comunidad de Madrid, Madrid/Barcelona 2007, 63. 107 1797 hatte Finanzminister Pedro de Varela vorgeschlagen, um die wirtschaftlichen Probleme Spaniens zu lösen, mit jüdischen Handelshäusern in den Niederlanden und in Hansestädten über die Errichtung von Niederlassungen in spanischen Häfen zu verhandeln und dabei die Möglichkeit einer generellen Rückkehr von Juden nach Spanien in Aussicht zu stellen. Dieser Vorschlag war allerdings noch im Entwurfstadium gescheitert. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 27 f. Als eine der Ersten ließ sich die Familie Bauer 1848 in Madrid nieder. Ignacio Bauer sollte im 20. Jahrhundert entscheidend am Aufbau der jüdischen Gemeinde beteiligt sein. Bauer war Bankier und Generalkonsul für Finnland in Madrid, außerdem war er Mitglied der Academia de la Historia. 1923 wurde er als Abgeordneter in die Cortes gewählt. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 29. 108 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 27; Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 42. Böcker zufolge hatten die Cortes 1855 außerdem beschlossen, dass kein Spanier oder Ausländer aufgrund seiner religiösen Überzeugungen belästigt werden solle, vgl.: Ebd., 43. Zur zeitlich ähnlich verlaufenden Entwicklung in Portugal, vgl.: Schröttner, Die politische und wirtschaftliche Annäherung, 46 ff. 109 Eine Ausnahme bildeten z. B. die chuetas auf Mallorca, deren Stigmatisierung sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Vgl.: Ýlvarez Chillida, Gonzalo, Presentaciûn, in: Ders./Izquierdo Benito (Hg.), El antisemitismo, 11.
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Einführende Überlegungen
die Aufnahme in Spanien auch offiziell angeboten.110 Viele der Flüchtlinge siedelten sich in Sevilla an, wo sie 1913 die erste moderne jüdische Gemeinde in Spanien gründeten. Zu einer größeren Einwanderungswelle von jüdischen und wiederum meistens aschkenasischen Flüchtlingen nach Spanien kam es mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Sie ließen sich vor allem in Madrid und in Barcelona nieder.111 1917 wurde die erste Synagoge in Madrid offiziell eingeweiht, und drei Jahre später erkannte die Generaldirektion für Sicherheit (Direcciûn General de Seguridad) die jüdische Gemeinde an.112 Bereits ein Jahr zuvor war die 1918 in Barcelona gegründete Gemeinde genehmigt worden.113 Die Gemeindestrukturen blieben jedoch rudimentär und die Gemeindeaktivitäten gering. Obwohl in Spanien seit 1931 eine republikanische Regierung an der Macht war, gehörte das Land nicht zu den bevorzugten Zielen jüdischer Emigranten aus Deutschland. Dies muss vor allem auf die prekäre wirtschaftliche Lage und die befürchtete politische Instabilität der Zweiten Republik zurückgeführt werden. Auf spanischer Seite gab es zudem wenig Bereitschaft, die jüdischen Flüchtlinge aufzunehmen.114 Dennoch wuchs die jüdische Bevölkerung vorübergehend an. Lisbona nennt für Barcelona eine Zahl von etwa 2500 – 3000 und für Madrid etwa 500 Juden, die dort 1935 gelebt hätten.115 1933 hatte sich außerdem das Spanische Komitee zur Hilfe für Opfer des Hitler-Faschismus (Comit¦ espaÇol de ayuda a las vctimas del fascismo hitleriano) gegründet,
110 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 28. Die Volkszählung von 1877 erfasste 406 Personen jüdischen Glaubens, vgl.: Ebd., 29. 111 Vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, Apuntes histûricos sobre los judos espaÇoles (1834 – 2008), in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 18 f; Culla i Clar, Joan B., Crûnica de un reencuentro: Los judos en la CataluÇa contempornea, in: Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda, Barcelona 2002, 217. Einer der prominentesten Flüchtlinge war Max Nordau, der sich mit seiner Familie für fünf Jahre in Spanien niederließ. Zu Max Nordaus Spanienaufenthalt vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 35 f. 112 Vgl.: Israel Garzûn, 1917 – 1997, in: Races, 29/1996, 24. Eine erste kleine jüdische Vereinigung gab es in Madrid bereits vor dem Ersten Weltkrieg seit 1895. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 27 f. 113 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 31; Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 19. Lisbona führt die Ursprünge der Gemeinde in Barcelona auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Eine Einwanderungswelle nach Barcelona löste auch ein Erlass der französischen Regierung 1916 aus, mit dem Staatsbürger des Osmanischen Reiches aufgefordert wurden, das Land zu verlassen. Viele der in Südfrankreich lebenden sephardischen Türken emigrierten daraufhin nach Barcelona, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 32. 114 Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 31 f, 135 f. 115 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 83 f. Israel Garzûn geht von 3000 bis 3500 Juden aus, die sich in Spanien niederließen. Für die unmittelbare Zeit vor Ausbruch des Bürgerkrieges nimmt er eine Zahl von etwa 6000 bis 7000 in Spanien lebenden Juden an, vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 25, 29. Culla i Clar geht allein für Barcelona von 5000 Juden aus, vgl.: Culla i Clar, Crûnica de un reencuentro, in: Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda, 222.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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dem u. a. Am¦rico Castro und Claudio Snchez-Albornoz angehörten.116 Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Juli 1936 verließ ein Großteil derjenigen, die sich in Spanien niedergelassen hatten, das Land wieder. Gleichzeitig kamen viele Juden aus Europa und den USA nach Spanien, um dort in den Internationalen Brigaden auf der Seite der Republikaner gegen die franquistischen Aufständischen zu kämpfen. Im Vergleich zu ihrem Anteil an der jeweiligen Herkunftsbevölkerung waren in den Internationalen Brigaden überproportional viele jüdische Freiwillige vertreten, die die Gelegenheit ergriffen, sich in Spanien dem Faschismus entgegenzustellen.117 Spanien, das im März 1939 dem Anti-Kominternpakt Deutschlands, Italiens und Japans beigetreten war, erklärte sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges neutral. Ab 1940 schwankte die spanische Haltung zwischen Neutralität und „Nichtkriegführung“. Erst unter dem Eindruck zunehmender Erfolge der Alliierten verpflichtete sich die spanische Politik wieder der Neutralität.118 Der Umstand, dass Deutschland auf die Belieferung mit dem Rohstoff Wolfram angewiesen war, bescherte der Franco-Diktatur gegenüber dem NS-Regime einen gewissen Handlungsspielraum.119 Im Umgang mit jüdischen Flüchtlingen während des Zweiten Weltkrieges können drei Arten von Hilfsmaßnahmen unterschieden werden: der Transit durch Spanien, der Schutz vor Ort in unter deutschem Machteinfluss stehenden Gebieten und Repatriierungsmaßnahmen sephardischer Juden mit spanischer Staatsbürgerschaft.120 Im Hinblick auf den Transit von Flüchtlingen durch Spanien nach Portugal oder in andere Drittländer stellt Rother fest, dass den Flüchtlingen in der Regel keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Zu Zurückweisungen an der Grenze kam es nur vereinzelt.121 Insgesamt tolerierte Spanien unter alliiertem 116 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 57. 117 Ausführlich zu jüdischen Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg vgl.: Lustiger, Arno, Shalom Libertad! Juden im spanischen Bürgerkrieg, Berlin 2001. Lustiger zufolge meldeten sich viele der Juden, die nach Ausbruch des Bürgerkrieges in Spanien blieben, als Freiwillige und waren somit die ersten internationalen Spanienkämpfer, vgl.: Ebd., 53. 118 Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 199 ff. 119 Vgl.: Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 136 f. 120 Israel Garzûn plädiert für eine Differenzierung der Hilfsmaßnahmen nach verschiedenen Gruppen jüdischer Bevölkerung: Er unterscheidet zwischen den Juden, die im spanischen Einflussgebiet in Marokko lebten, den jüdischen Flüchtlingen aus Europa, die Spanien als Transitland nutzten, und den sephardischen Juden mit spanischer Nationalität in deutsch besetzten Gebieten. Die Haltung des franquistischen Regimes gegenüber diesen Gruppen fasst er folgendermaßen zusammen: „Presiûn sobre los judos del interior, no reconociendo sus derechos religiosos ni de asociaciûn. Neutralidad para los judos del Protectorado en Marruecos. Liberalidad para la concesiûn de visados de trnsito e incluso para el trnsito de los refugiados en el pas […]. No reconocimiento de los derechos ciudadanos […] de los judos espaÇoles del exterior.“, Israel Garzûn, Jacobo, EspaÇa y los judos (1939 – 1945). Una visiûn general, in: Ders./Baer (Hg.), EspaÇa y el Holocausto, 15, 36. Avni unterscheidet die spanischen Hilfsmaßnahmen in zwei Phasen: die Phase der Transitgewährung und die der aktiven Hilfe zur Rettung von Juden in der zweiten Hälfte des Krieges, vgl.: Avni, Spain, 186 – 199. 121 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 109 f. Auch Israel Garzûn betont die Bedeutung
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Einführende Überlegungen
Druck bis Kriegsende weitgehend den Transit von (illegalen) Flüchtlingen.122 Zur dauerhaften Aufnahme von Flüchtlingen war das Regime hingegen aus politischen und ökonomischen Gründen nicht bereit. Die sich vorübergehend im Land aufhaltenden Flüchtlinge wurden bis zu ihrer Ausreise streng überwacht.123 Die Haltung Spaniens hing somit von der Aufnahmebereitschaft Portugals bzw. anderer Drittländer ab und war nicht durch humanitäre Überlegungen oder die Ablehnung der nationalsozialistischen Politik begründet.124 Abgesehen von der Frage der Transitregelung musste sich das Regime gegenüber den in Frankreich, Griechenland, Rumänien oder Bulgarien lebenden sephardischen Juden mit spanischer Staatsangehörigkeit positionieren. Rother kommt hier zu dem Ergebnis, dass die Haltung der diplomatischen Repräsentanten stark variierte. In einigen Fällen wurden antisemitische Maßnahmen hingenommen, in anderen wurden die Juden als schutzwürdige spanische Bürger betrachtet. Das spanische Außenministerium trat im Vergleich zu seinen Diplomaten oftmals sehr zögerlich in Erscheinung. Das zeigte sich besonders deutlich, als Ende Januar 1943 die deutsche Botschaft in Madrid ein Ultimatum stellte, nach dem die im deutschen Machtbereich lebenden spanischen Juden repatriiert werden mussten oder der „Einbeziehung in die ,allgemeinen Judenmaßnahmen‘ zuzustimmen“ war.125 Erst nachdem Ende Juli 1943 die Deportation spanischer Juden aus Saloniki nach Bergen-Belsen begonnen hatte, war das Franco-Regime zur Aufnahme der Juden bereit.126
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Spaniens als Transitland, vgl.: Israel Garzûn, EspaÇa y los judos, in: Ders./Baer (Hg.), EspaÇa y el Holocausto, 25 f. Avni betont demgegenüber das bis Ende 1942 harte Vorgehen gegen illegal einreisende Flüchtlinge, vgl.: Avni, Spain, 180 f. An der Einreise nach Spanien sollten z. B. diejenigen gehindert werden, die im Bürgerkrieg auf der Seite der Republik gekämpft hatten. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 109 f. Vgl.: Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 138 – 141. Vgl.: Israel Garzûn, EspaÇa y los judos, in: Ders./Baer (Hg.), EspaÇa y el Holocausto, 27 – 30; Avni, Spain, 105 – 110. Die entschiedene Ablehnung eines dauerhaften Aufenthaltes von jüdischen Flüchtlingen in Spanien zeigt sich in einem Schreiben von Außenminister Francisco Gûmez Jordana an Kriegsminister Carlos Asensio vom 28. 12. 1943, in dem Jordana schreibt: „This being the system, it was obvious that under no circumstances would we allow the Jews to remain in Spain“, abgedruckt in: Avni, Spain, Anhang, Dokument J. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 130. Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 141 – 159. Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 125. In einer Notiz der deutschen Botschaft in Madrid aus dem Jahr 1944 heißt es dazu: „Die Spanische Regierung hat in den Verhandlungen im Jahre 1942 und bis Februar 1943 wiederholt betont, dass sie an den Juden spanischer Staatsangehörigkeit desinteressiert sei. Erst später genehmigte sie generall (sic) die Heimkehr aller spanischen Juden. Die für die Heimschaffung deutscherseits mehrfach festgesetzten Fristen liefen ab, ohne dass die spanischen zuständigen Stellen Wünsche geäußert hätten.“ (Deutsche Botschaft in Spanien, Notiz, Madrid, 18. 1. 1944; AMAE, Leg. R 1716/1). Zur Deportation spanischer Juden aus Athen und Saloniki vgl. z. B.: Bericht von Generalkonsul an Außenminister, Athen, 26. 3. 1944; Schreiben von Generalkonsul an Außenminister, Athen, 30. 6. 1943; beides AMAE, Leg. R 1716/4.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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Auch hier war der Leitgedanke, wie bei allen von der Regierung durchgeführten Repatriierungen, die Anzahl der Juden in Spanien so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund wurde die Anerkennung der spanischen Staatsbürgerschaft sehr restriktiv gehandhabt.127 Eine Ausnahme bildete Budapest, wo im Frühjahr 1944 die einzige jüdische Gemeinde im deutsch kontrollierten Teil Europas verblieben war. In diesem Fall und im Gegensatz zu ihrem Verhalten bei der Repatriierung spanischer Juden aus dem deutschen Machtbereich in Frankreich oder Griechenland war die Regierung in stärkerem Maße bereit, Hilfe zu gewähren, da es nicht um die Einreise nach Spanien, sondern um den Schutz vor Ort ging.128 Zudem engagierte sich der spanische Vertreter in Budapest, Ýngel Sanz Briz, in besonderem Maße für die in der Stadt lebenden Juden, indem er ihnen großzügig Schutzpässe ausstellte, die von der prodeutschen Regierung Ungarns akzeptiert wurden.129 Rothers als einigermaßen verlässlich zu erachtende Bilanz der von Spanien während des Zweiten Weltkrieges direkt oder indirekt „geretteten“ Juden führt zu einer Summe von etwa 5000 Juden, die vor Ort von Schutzmaßnahmen profitierten, und etwa 20.000 – 35.000 jüdischen Flüchtlingen, die Spanien als Transitland nutzen konnten.130 Der Bevölkerungsanteil der Juden in Spanien blieb jedoch sehr gering. Für 1950 geht Rehrmann von etwa 2500 Juden in Spanien aus, Barcelona bildete
127 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 184. 128 Avni und Marquina/Ospina betonen zudem den Druck, den die Alliierten in dieser Phase des Krieges auf Spanien ausübten, vgl.: Avni, Spain, 199; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 213 – 222. Vgl. auch: Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 154. 129 Für Sanz Briz’ Behauptung, dass die Rettungsaktion von Franco persönlich angeordnet worden sei, gibt es hingegen keinen Beleg. Vgl.: Rother, Spanien, in: Benz/Wetzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 153 – 159; Lipschitz, Chaim U., Franco, Spain, the Jews, and the Holocaust, New York 1984, 66. Sanz Briz trug durch verschiedene Interviews und Stellungnahmen selbst zu einer Glorifizierung bei. Vgl. z. B.: Molho, Isaac R., Un Hidalgo al Servicio de Dios y la Humanidad en Budapest: Don Angel Sanz Briz, in: Ders. (Hg.), Tesoro de los judos sefardes. Estudios sobre la historia de los judos sefardes y su cultura. Vol. VII, Jerusalem 1964, 34, 37; RAH-FFMC, Archiv. 14, Cj. 1, 2465/32; AMAE, Leg. R 12186/22; AMAE, Leg. R 7330/122. Die Glorifizierung und Legendenbildung wurde auch dadurch begünstigt, dass die Hilfsaktion in Ungarn nicht auf die Juden mit spanischer Staatsbürgerschaft beschränkt blieb und so ein größeres Ausmaß als das Engagement in Frankreich oder Griechenland annahm. Rother schränkt ein, dass Spanien sich im internationalen Vergleich nicht durch „außergewöhnliche Großzügigkeit“ bei der Ausstellung von Schutzpässen ausgezeichnet habe, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 302 – 318, insb. 313 f, 338 f. 130 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 340. Rothers Berechnung basiert auf einer breiten Quellenbasis und der einschlägigen Forschungsliteratur, sie kann als zuverlässig gelten und entspricht dem aktuellen Forschungsstand. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangen Gûmez Lûpez-QuiÇones und Zepp. Sie weisen außerdem auf die zahlreichen spanischen Republikaner hin, die in Konzentrationslagern umkamen, vgl.: Gûmez Lûpez-QuiÇones, Antonio/Zepp, Susanne, Introduction, in: Dies. (Hg.), The Holocaust in Spanish Memory. Historical Perceptions and Cultural Discourse, Leipzig 2010, 9.
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dabei die größte Einzelgemeinde.131 Als einzige Gemeinde, die in ihren Grundstrukturen den Spanischen Bürgerkrieg überstanden hatte, musste sie in den ersten Monaten der franquistischen Diktatur ihre Synagoge und ihr Gemeindezentrum schließen.132 Der Sieg der Franquisten im Bürgerkrieg und die Errichtung einer nationalkatholischen Diktatur veranlassten außerdem einige der in Spanien lebenden Juden, aus Angst vor Repressionen und Diskriminierungen zum Christentum zu konvertieren.133 Seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre erhielten die jüdischen Gemeinden Zuwachs und wichtige Impulse für den Ausbau ihrer religiösen, kulturellen und sozialen Infrastruktur, da mit dem Ende des spanischen Protektorats in Marokko 1956 viele marokkanische Sepharden nach Spanien einwanderten.134 Die jüdische Gemeinde in Madrid wuchs z. B. von etwa 300 Mitgliedern eine Dekade zuvor auf 1600 im Jahr 1962 und etwa 3000 Mitglieder im Jahr 1966 an.135 Auch veränderte sich die Zusammensetzung der bis dahin aschkenasisch geprägten Gemeinden.136 Die Mehrzahl der marokkanischen Juden stammte aus der nordafrikanischen Stadt Tetun, der ehemaligen Internationalen Zone von Tanger oder aus den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. In den Herkunftsgemeinden der 131 Vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 775. 132 Lisbona berichtet davon, dass die Synagoge bereits bei der Einnahme der katalanischen Stadt von Falangisten gestürmt und geplündert worden war, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 70 f, 107 f. Die Anordnung der Schließung der Synagoge in Barcelona rief im Ausland Befürchtungen vor einer antijüdischen Gesetzgebung hervor. Vgl. z. B. Schreiben von Duque de Alba, spanischer Botschafter in London, an Außenminister, London, 22. 6. 1942; Schreiben von Subsecretario del Ministerio de la Gobernaciûn an Außenminister, Madrid, 1. 8. 1942; beide AMAE, Leg. R 2158/101. 133 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 113. 134 Der damalige Präsident der CJM Max Mazin nannte 1966 eine Zahl von etwa 2000 – 2500 marokkanischen Sepharden, die sich in Spanien niederließen. Vgl.: OID, Nota Informativa confidencial, Madrid, 28. 9. 1964; AMAE, Leg. R 8447/12. Die in dem spanischen Einflussgebiet lebenden etwa 30.000 Juden genossen mehr Freiheiten als die jüdische Bevölkerung in Spanien selbst. Vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 50. Zur Einwanderungswelle aus Marokko vgl.: Rozenberg, La EspaÇa contempornea y la cuestiûn juda, 264 – 267. Rozenberg geht davon aus, dass für die Einwanderung nach Spanien sprachliche, kulturelle, familiäre und wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielten, und nicht die oftmals behauptete Sehnsucht nach Sepharad. Spanien war zudem nur eines unter verschiedenen möglichen Einwanderungsländern. Viele emigrierten nach Venezuela, die Mehrheit nach Israel, vgl.: Dies., Die ,Rückkehr‘ der Juden, in: Tranvia, 53/1999, 9 f; Vndor, Jaime, Orgenes, Desarrollo y Presente de la Comunidad de Barcelona, in: Macas Kapûn/ Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 316. Zur marokkanischen Einwanderung in Barcelona vgl.: Berthelot, Cien aÇos, 130. 135 Vgl.: „Spain“, in: AJYB, 63/1962, 319; „Spain“, in: Ebd., 68/1967, 337. Lisbona gibt für das Jahr 1966 folgende zahlenmäßige Verteilung der in Spanien lebenden Juden an: Barcelona: 3000, Madrid: 2000, Melilla: 1500, Ceuta: 400, Mlaga: 400, Valencia: 150. Außerdem gab es in Sevilla, Cûrdoba, San Sebastin, auf Mallorca und auf den Kanarischen Inseln einen geringen jüdischen Bevölkerungsanteil, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 238 f. 136 Daz-Mas geht davon aus, dass etwa 75 % der spanischen Juden Sepharden aus Marokko sind, vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 276.
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marokkanischen Sepharden hatten jüdische Tradition und Religion eine zentrale Rolle im Alltagsleben gespielt, in Spanien, wo sich das jüdische Leben im häuslichen und privaten Bereich abspielen musste, erlebten die eingewanderten Sepharden daher zunächst einen „Kulturschock“, wie es scar Camargo Crespo formuliert.137 Um die unmittelbaren religiösen und kulturellen Bedürfnisse zu decken, engagierten sich die neu eingewanderten marokkanischen Juden für den Aufbau der bis dahin aufgrund der geringen Mitgliederzahl und der fehlenden Rechtssicherheit kaum vorhandenen Gemeindestrukturen.138 Die Einwanderungswelle führte so zu einer Phase der „Wiedergeburt“, zu neuer Vitalität und Dynamik der Gemeinden.139 Eine offizielle Anerkennung als konfessionelle Glaubensgemeinschaften erhielten die Gemeinden infolge des 1967 von der franquistischen Regierung verabschiedeten Religionsgesetzes. Nach 1975 war ihre Entwicklung im demokratischen Spanien zum einen durch einen zunehmenden Institutionalisierungsgrad und eine weitreichende Verbesserung der juristischen Rahmenbedingungen sowie zum anderen durch eine weitere Einwanderungswelle geprägt.140 In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren flüchteten viele Chilenen und Argentinier vor den in ihren Heimatländern errichteten Diktaturen nach Spanien, darunter auch aschkenasische Juden, die sich hauptsächlich in Madrid und Barcelona niederließen.141 Diese Juden waren mehrheitlich säkularisiert, wiesen einen hohen Professionalisierungsgrad auf und verstanden sich in erster Linie als politische Flüchtlinge und Linke. Ihr kulturell geprägtes Verständnis des Judentums kontrastierte mit dem Selbstverständnis der sephardisch dominierten Gemeinschaft.142 Viele der Neueinwanderer gingen daher 137 Vgl.: Camargo Crespo, scar, Una aproximaciûn sociolûgica a la poblaciûn juda madrileÇa, in: Races, 42/2000, 19. 138 Vgl.: Estatutos de la Comunidad Sefard de Madrid, 21. 1. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. 139 Vgl.: Taylor, Carole, Rebirth of a Jewish Community in Spain hailed with pride, in: World Journal Tribune, 8. 12. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. Vgl. auch: „Conozca nuestras comunidades. En este nfflmero: Madrid“, in: Hakesher, 49/1970, 8. 140 Für Israel Garzûn vollzog sich seit den 1970er Jahren die endgültige Implementierung jüdischen Lebens in Spanien, vgl.: Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 260. 141 Vgl.: Daz-Mas, Sephardim, 194; Dies., Los Sefardes, 276 f. Camargo Crespo geht davon aus, dass etwa 10 – 15 % der lateinamerikanischen Immigranten Juden waren, vgl.: Camargo Crespo, Una aproximaciûn sociolûgica, in: Races, 42/2000, 18. Zur Einwanderungswelle aus Argentinien und Chile vgl. auch: Rozenberg, La EspaÇa comtempornea y la cuestiûn juda, 267 – 270. In den 1990er und frühen 2000er Jahren kam es zu einer erneuten, diesmal ökonomisch motivierten Emigration von Argentinien nach Spanien. Laut Israel Garzûn setzen sich die gegenwärtigen jüdischen Gemeinden aus etwa 50 % Juden marokkanischen Ursprungs, 30 % Lateinamerikanern und 20 % aus anderen Herkunftsländern zusammen (Interview mit Israel Garzûn zit. in: Ebd., 271 f). 142 Zum Selbstverständnis der argentinischen Juden vgl.: Camargo Crespo, Una aproximaciûn sociolûgica, in: Races, 42/2000, 20. Die Konflikte zwischen der mehrheitlich sephardisch geprägten CJM und den vor allem argentinischen Juden wurden auch in Races ausgetragen, vgl. z. B.: Liberman, Arnoldo, Una recuperaciûn imposible, in: Races, 17/1993, 21 – 25; „Acerca de ,Una recuperaciûn imposible‘“, in: Ebd., 18/1994, 10 – 11; „Cartas sobre ,Una recuperaciûn imposible‘“, in: Ebd., 19/1994, 62 – 63. Zur Einwanderung aus argentinischer Sicht vgl.: Ro-
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zu den bestehenden Gemeinden auf Distanz und gründeten eigene Institutionen, es kam zu Konflikten. „Die dominante Gruppe setzte ihre Definition als eine orthodoxe, traditionalistische und zionistische Gemeinde – eine strenge Konzeption, die weder der eigenen Realität [der Gemeinde, A. M.], noch ihrer Tradition der Toleranz entsprach – in dem Moment durch, als eine Öffnung am notwendigsten gewesen wäre, um Immigranten aufzunehmen, die in diese so definierte Gemeinde weder hineinpassten noch hineinpassen konnten. Auf der anderen Seite hatte die lateinamerikanische Gruppe, die sich aus Fachkräften und Intellektuellen zusammensetzte, keine hohe Meinung von den hispano-marokkanischen Sepharden, ohne diese überhaupt zu kennen; sie erschienen ihr als ungebildete Afrikaner und einfache Händler.“143
Ein Annäherungsprozess zwischen den alteingesessenen Gemeinden und den neu gegründeten jüdischen Einrichtungen setzte nur zögerlich ein.144 Durch die erneuten Einwanderungswellen stieg die jüdische Bevölkerung in Spanien auf eine aktuell geschätzte Zahl von 40.000 an, was etwa 0,1 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Die größte Bevölkerungsdichte weist mit etwa 16.000 jüdischen Einwohnern die Hauptstadt Madrid auf. Dort besteht ebenso wie in Barcelona eine umfassende Infrastruktur, welche u. a. das Amt eines Rabbiners, jüdische Schulen und Kindergärten, verschiedene Synagogen, Friedhöfe, rituelle Bäder sowie soziale Einrichtungen umfasst.145 Die etwa 8000 an der Costa del Sol lebenden Juden verteilen sich größtenteils auf die Gemeinden in
tenberg, Abraham, Encuentros, reencuentros, desencuentros, in: Ebd., 21/1994, 35 – 40. Zu den Konflikten zwischen den orthodoxen sephardischen Gemeinden und den Neueinwanderern vgl. auch: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 50; und für die Gemeinde in Barcelona: Vndor, Orgenes, Desarrollo y Presente, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 314 – 318; Culla i Clar, Crûnica de un reencuentro, in: Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda, 228 – 231. 143 „El grupo dominante estableciû su definiciûn como comunidad ortodoxa, tradicionalista y sionista – estrecha concepciûn que no se corresponda ni con su propia realidad ni con su tradiciûn de tolerancia –, cuando ms se necesitaba la apertura para recibir a unos inmigrantes que no cuadraban ni podan cuadrar con dicha definiciûn. Por otra parte, el grupo latinoamericano, formado por profesionales e intelectuales, despreciû sin conocerlos a los sefardes hispano-marroques, confundi¦ndolos con incultos africanos y clasificndolos como comerciantes.“, Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 50. 144 Rehrmann gibt eine Zahl von 4000 – 5000 jüdischen Einwanderer an, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 781. Die Heterogenität der jüdischen Gemeinschaft in Madrid untersucht Camargo Crespo anhand von Interviews und entwickelt darauf basierend verschiedene Identitätsmodelle, vgl.: Camargo Crespo, Una aproximaciûn sociolûgica, in: Races, 42/2000, 17 – 32. 145 Für die CIB gibt Rozenberg eine Zahl von 5000 Mitgliedern an, die jüdischen Einwohner in Katalonien schätzt sie auf etwa 10.000, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 215.
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Mlaga, Torremolinos, Marbella und Sevilla.146 Zudem bestehen jüdische Gemeinden in Alicante, Benidorm und Valencia sowie in Palma de Mallorca, auf den Balearen, den Kanarischen Inseln und in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.147 Diese 14 Gemeinden sind Mitglieder der FCJE. Darüber hinaus sind fünf weitere Vereinigungen mit dem Dachverband assoziiert.148 Aus dem sprunghaften Anstieg der jüdischen Bevölkerung und aus den spezifischen Bedürfnissen und Erwartungshaltungen der Einwanderer resultierte eine Erweiterung und Ausdifferenzierung der Angebotsstruktur, insbesondere im kulturellen Bereich. 1986 gründete eine Gruppe lateinamerikanischer Einwanderer die jüdische Kulturzeitschrift Races.149 Außerdem entstanden neue, häufig laizistische Einrichtungen, wie der Gesprächskreis (Crculo de Reflexiûn sobre la Problemtica Juda Contempornea) des Psychoanalytikers Arnoldo Liberman oder die aschkenasisch geprägte Asociaciûn Hebraica de Madrid, der hauptsächlich argentinische Juden angehören,150 sowie in den 1990er Jahren ein Maccabi-Sportverein und die Asociaciûn Hebraica de Catalunya in Barcelona. Außerdem gründeten sich die hauptsächlich argentinisch geprägte Reformgemeinde Comunitat Jueva Atid de Catalunya (ATID) in Barcelona, die 1997 offiziell anerkannt wurde, und in Madrid und Valencia die konservativ ausgerichteten Glaubensgemeinschaften Bet-El und La Javur.151 In den letzten Jahren sind ein Jabad Lubavitch-Zen146 Für einen knappen Überblick zu den jüdischen Gemeinden in Andalusien vgl.: Tarr¦s, Sol, El judasmo en Andaluca, in: Briones, Rafael (Hg.), ¿Y tffl (de) qui¦n eres? Minoras religiosas en Andaluca, Barcelona 2010, 349 – 361. 147 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 215 ff. Die Gemeinde in Murcia befindet sich im Entstehungsprozess. Die jüdischen Gemeinden in Valencia, Alicante und Benidorm sind in besonderem Maße durch Tourismus und temporäre Migrationsschübe geprägt. Auch in den andalusischen Gemeinden vervielfachen sich die Mitgliederzahlen in den Sommermonaten. Vgl.: Buades Fuster, Josep/Vidal Fernndez, Fernando, Minoras de lo mayor. Minoras religiosas en la comunidad valenciana, Barcelona 2007, 123 f; Tarr¦s, El judasmo en Andaluca, in: Briones (Hg.), ¿Y tffl (de) qui¦n eres?, 353. 148 Dazu zählen: Asociaciûn Cultural Aviv de Valencia, Comunidad Beith Shalom de CataluÇa, Comunidad Israelita del Principado de Asturias, Fundaciûn Sefarad Beiteinu und Maccabi EspaÇa. Vgl.: http://www.fcje.org/index.php/comunidades, 20. 4. 2011. 149 Races wird von Sefarad Editores herausgegeben, daneben gibt es weitere auf jüdische Literatur spezialisierte Verlagshäuser wie El Almendro in Cûrdoba, Hebraica in Madrid oder Riopiedras in Barcelona. Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 226 f. Races zeigte zugleich die Möglichkeit einer Zusammenarbeit von sephardischen und aschkenasischen Juden auf. Vgl.: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 51. Zu den verschiedenen jüdischen Einrichtungen in Madrid und ihren Aufgabengebieten vgl.: Lûpez Garca u. a., Arraigados, 177 – 181. Für einen Überblick über das Gemeindeleben in Madrid vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 78 – 87. 150 Vgl.: Camargo Crespo, Una aproximaciûn sociolûgica, in: Races, 42/2000, 28. 151 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 218 ff. Für einen Überblick über das Gemeindeleben in Barcelona vgl.: Central Pedagûgica y de Documentaciûn – CIB, La Comunidad Israelita de Barcelona entre 1954 y 1986, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos de CataluÇa, 61 – 67; Estanyol, Mara Jos¦, Comunidades judas en Catalunya, in: Ebd., 79 – 89.
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trum (auch: Chabad Lubawitsch) in Barcelona und die Bet Shalom-Gemeinde, die sich von ATID abgespalten hat und sich aus Sepharden und Aschkenasen zusammensetzt, sowie die kulturelle Vereinigung Aviv in Valencia hinzugekommen.152 Abgesehen von Barcelona wird die Vielzahl jüdischer Vereinigungen pro Stadt weiterhin durch eine einzige Gemeinde offiziell repräsentiert.153 Für die jüdischen Gemeinden lässt sich so ein Prozess der inneren Diversifizierung feststellen, der sich parallel zu der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hin zu einem kulturellen und religiösen Pluralismus vollzieht. Keiner der beiden Veränderungsprozesse verläuft konfliktfrei. 2.3 Antisemitismus In Anlehnung an Wolfgang Benz wird in dieser Arbeit ein weit gefasster Antisemitismus-Begriff vertreten, der sowohl religiös als auch rassistisch motivierte Formen der Judenfeindschaft einschließt.154 Er widersetzt sich der u. a. Zwischen den einzelnen Gemeinden und Einrichtungen kam es auch zu Spannungen. So deutet z. B. ein offener Brief des Präsidenten der CIB, Prosper Pinto, auf einen Konflikt mit der ATIDGemeinde hin, vgl.: „Carta abierta del Presidente de la Comunidad Israelita de Barcelona al Director de la Revista Races“, in: Zafir, 60/1999, 20. Zu ATID vgl.: Vndor, Orgenes, Desarrollo y Presente, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 318 f; sowie die Website der Gemeinde: http://www.atid.es/?page_id=4, 19. 7. 2011. Estruch verortet die ATID-Gemeinde ideologisch in der Nähe des konservativen Judentums in den USA. Sie wurde von der World Union for Progressive Judaism anerkannt, vgl.: Estruch u. a., Las otras religiones, 43. 152 Vgl.: Estanyol, Comunidades judas en Catalunya, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos de CataluÇa, 87 f. Zum 2002 von einem aus Mexiko eingewanderten Rabbiner gegründeten Lubavitch-Zentrum vgl.: Estruch u. a., Las otras religiones, 49 – 52; sowie die Website der Vereinigung: http://www.jabadbarcelona.org/, 19. 7. 2011. Zu Aviv vgl.: Buades Fuster/Vidal Fernndez, Minoras de lo mayor, 128 – 132. 153 Vgl.: Rozenberg, La EspaÇa contempornea y la cuestiûn juda, 279. 154 „Antisemitismus – als Begriff im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden – meint im modernen Sprachgebrauch die Gesamtheit judenfeindlicher Äußerungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen unabhängig von ihren religiösen, rassistischen, sozialen oder sonstigen Motiven. Nach der Erfahrung nationalsozialistischer Ideologie und Herrschaft wird Antisemitismus als ein gesellschaftliches Phänomen verstanden, das als Paradigma für die Bildung von Vorurteilen und die politische Instrumentalisierung daraus konstruierter Feindbilder dient“, Benz, Wolfgang, Antisemitismusforschung als Vorurteilsforschung, in: Ders./Königseder, Angelika (Hg.), Judenfeindschaft als Paradigma. Studien zur Vorurteilsforschung, Berlin 2002, 15. Der Begriff Antisemitismus tauchte vermutlich das erste Mal im Februar 1879 in Wilhelm Marrs Pamphlet Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum auf, welches im Herbst 1879 bereits in der 12. Auflage verkauft wurde. Vgl.: Benz, Wolfgang, Was ist Antisemitismus?, Bonn 2008 [2004], 88 – 91. Zum Antisemitismus als „kultureller Code“ vgl.: Volkov, Shulamit, Antisemitismus als kultureller Code. Zehn Essays, München 21990, 13 – 36. Zum Antisemitismus als Ausdrucksform der Mehrheitsgesellschaft vgl.: Schiffer, Sabine/Wagner, Constantin, Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich, Wassertrüdingen 2009, 13. Zur Kritik an dem Begriff Antisemitismus vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 13 – 17. In den 1970er Jahren plädierten Thomas Nipperdey und Rein-
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von Manfred Böcker kritisierten dualistischen Trennung von Antijudaismus und Antisemitismus. Böcker weist zu Recht darauf hin, dass ein eng gefasster Antisemitismusbegriff andere judenfeindliche Denkmuster, wie Ritualmordlegenden, antijüdische Stereotype oder Ausgrenzungsforderungen ohne rassistische Argumentationen bagatellisiert.155 Neben weit verbreiteten und traditionellen Mustern der Judenfeindschaft, wie die aus christlicher Wurzel stammenden Stereotype „von Wucherern, Christenfeinden, Brunnenvergiftern, Ritualmördern“,156 gibt es spezifische Ausprägungen des Antisemitismus in einzelnen Ländern. Diese stehen in Zusammenhang mit der jeweiligen Kultur und Religion, ebenso wie mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Region. Es wird daher ein kurzer Blick auf die Entwicklung des Antisemitismus in Spanien geworfen. Der spanische Antisemitismus, dessen Ursprünge Valdeûn Baruque auf das Mittelalter zurückführt, wird häufig als ein „Antisemitismus ohne Juden“ bezeichnet, da er sich nach 1492 in einem Land entwickelte, in dem bis ins 19. Jahrhundert offiziell keine Juden lebten.157 Allerdings war die Vorstellung hard Rürup für einen engeren Antisemitismusbegriff, der z. B. vom nicht-rassistischen Antijudaismus unterschieden werden sollte. Auch Johannes Heil trat Ende der 1990er Jahre für eine Differenzierung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus ein, vgl.: Nipperdey, Thomas/ Rürup, Reinhard, Antisemitismus, in: Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1: A-D, Stuttgart 1972, 141 f. 153; Heil, Johannes, „Antijudaismus“ und „Antisemitismus“. Begriffe als Bedeutungsträger, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 6/1997, 92 – 114. Herbert Strauss kritisiert die Inkorrektheit des Begriffes: „Schon die Geburt des Wortes Antisemitismus litt an dem Mangel an Geistigkeit, der der Sache anhaftet, denn es setzte eine ganze, von der Sprachwissenschaft identifizierte Sprachfamilie mit einem ihrer Mitglieder, den Juden, gleich, die zum damaligen Zeitpunkt [um 1879, A. M.] praktisch nirgends das Hebräische als Umgangssprache benutzten. Es postuliert dann eine völkisch oder biologisch einheitliche Gruppe als Mitglieder der jüdischen Sprachfamilie, um schließlich der so postulierten Volksgruppe angeborene (in diesem Fall negative) Charakter- oder Geisteseigenschaften zuzuschreiben.“, Strauss, Herbert A., Antisemitismusforschung als Wissenschaft. Aus der Antrittsvorlesung 1982, in: Benz/Königseder (Hg.), Judenfeindschaft als Paradigma, 23. 155 Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 17. Zur Ausgrenzung des als fremd Erachteten vgl.: Charim, Isolde, Der negative Fetisch – Zur Funktionsweise rassistischer Stereotype, in: typisch! Klischees von Juden und Anderen, hg. v.: Jüdisches Museum Berlin/Jüdisches Museum Wien, Berlin 2008, 27 – 38. Vgl. auch: Benz, Was ist Antisemitismus?, 12 f. Haury plädiert für ein Zusammendenken von Nationalismus und Antisemitismus und verweist auf die Funktion des Juden als „Feind der Nation“ und als „Antiprinzip zur nationalen Gemeinschaft“, Haury, Antisemitismus von links, 41, 84 – 105, insb. 84, 93. 156 Benz, Was ist Antisemitismus?, 76 f. 157 „El antisemitismo ha sido una constante en la vida y en la literatura espaÇolas. Lo fue en la Edad Media, en contacto con el judo real, y tambi¦n en los siglos XVI al XVIII en contacto con los restos convertidos de Israel. A partir de esa fecha, con exclusiûn del caso mallorqun, el judo ha estado ms en el imaginario que en la realidad espaÇola. […] As, el judo imaginario pasû a ser el masûn, el librepensador, el afrancesado, el liberal, el socialista y el comunista: siempre el hereje; todo ello sin dejar de ser rico y apegado al dinero“, „Antisemitismo en EspaÇa“, in: Races, 31/1997, 25. Vgl. auch: Stallaert, Christiane, Ni una gota de sangre impura. La EspaÇa
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der Blutreinheit im Spanien der frühen Neuzeit zu einer regelrechten „Obsession“ geworden und die durch sie reproduzierten antijüdischen Stereotype setzten sich in der Gesellschaft fest.158 Auch die Erinnerung und Interpretation der jüdischen Vergangenheit prägten den Antisemitismusdiskurs entscheidend.159 Im 19. Jahrhundert kam es in Spanien im Zuge von Modernisierungsund Liberalisierungstendenzen, wie bereits erwähnt, zu einem Aufleben der sogenannten „Judenfrage“ und damit der Deutung der spanisch-jüdischen Vergangenheit, wobei die Antisemiten die positive Wirkung der Inquisition und Vertreibung betonten. Mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich wurde der Antisemitismusdiskurs in Spanien, der sich an dem des Nachbarlandes orientierte, zunehmend mit nationalistischen und verschwörungstheoretischen Elementen aufgeladen: „[d]er Jude“ entwickelte sich zu einem „Synonym für den Fremden im eigenen Land“.160 Allerdings wurde der moderne rassistische Antisemitismus in Spanien nie zu einem Massenphänomen.161 Einen weiteren Schub erhielt der spanische Antisemitismus während der Zweiten Republik in den 1930er Jahren. Die von der republikanischen Regierung angestrebte Säkularisierung der Gesellschaft und die damit verbundene Entmachtung der katholischen Kirche sowie die geplanten Agrarreformen führten zu einer Reorganisationsphase der antidemokratischen Rechten.162 Die republikanischen Reformvorhaben wurden von ihren Gegnern als Teil einer „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung“ interpretiert.163 Eine These, die dadurch an Kraft gewann, dass viele Regierungsvertreter Frei-
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inquisitorial y la Alemania nazi cara a cara, Barcelona 2006, 356 – 372. Zu den Ursprüngen des Antisemitismus im Mittelalter vgl.: Valdeûn Baruque, El chivo expiatorio, 13ff; Ders., Judos y conversos, 47 f. Böcker sieht in den antisemitischen Ressentiments einen Teil des „geschichtlichen Erbe[s], mit dem Spanien seinen Weg in die Moderne antrat“, Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 76. Vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 35 – 42. Böcker weist zugleich auf einen zentralen Unterschied zwischen dem „iberischen ,Protorassismus‘“ und dem modernen Antisemitismus hin: Die Verfechter der Blutreinheitspolitik forderten nie die physische Ausrottung der Neuchristen, Ebd., 36 f. „El antisemitismo estaba intrnsecamente vinculado con la definiciûn misma del pueblo espaÇol, de modo que el etnicismo espaÇol no necesitaba ya de la presencia fsica de moros y judos para seguir defini¦ndose por oposiciûn a ambos pueblos“, Stallaert, Ni una gota de sangre, 355. Vgl. auch: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 332. Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 52, 69; Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 490. Zur Auswirkung der Dreyfus-Affäre auf spanische Antisemitismusdiskurse vgl.: Gonzlez, Isidro, El antisemitismo moderno llega a EspaÇa. El affaire Dreifus, in: Ýlvarez Chillida/ Izquierdo Benito (Hg.), El antisemitismo, 165 – 180; Rohr, The Spanish right, 33 f. Norbert Rehrmann führt als einen möglichen Grund dafür die trikulturelle Vergangenheit an, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 13 f. Zu Acciûn EspaÇola vgl.: Rohr, The Spanish right, 50 – 58. Zum Feindbild des Freimaurers und dem real in Spanien existierenden Freimaurertum vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 256 – 259. Domnguez Arribas betont die Kontinuität antisemitischer und antifreimaurerischer Einstellungen in Spanien und Europa seit dem 18. Jahrhundert, vgl.: Domnguez Arribas, El enemigo judeo-masûnico, 39 – 81.
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maurerlogen angehörten.164 Weitere angebliche Beweise für den „,sektiererischen‘ Charakter des neuen politischen Systems“ sahen die Rechten im republikanisch-philosephardischen „Bekenntnis zum jüdischen Erbe“ und zur „Kulturgemeinschaft der spanischen Nation mit den Sepharden“.165 Vor dem Hintergrund der erfolgreichen russischen Revolution und der wachsenden Bedeutung der Arbeiterbewegung im eigenen Land kam der Kommunismus als neues Feindbild neben dem Freimaurer- und Judentum hinzu. Damit entstand die Vorstellung einer „Trinität der subversiven Macht“, bestehend aus Kommunisten, Freimaurern und Juden.166 Dieser verschwörungstheoretische Antisemitismus verharrte auf einer abstrakten Ebene und bezog sich zumeist nicht auf die kleine jüdische Gemeinde in Spanien, nur vereinzelt richtete er sich gegen konkrete Personen oder Einrichtungen.167 Die Abwesenheit der Juden war vielmehr Bestandteil der Argumentation: Die „Unsichtbarkeit der vermeintlichen Verschwörer“ und ihr „Wirken als Drahtzieher“ im Verborgenen machten in dieser Lesart die eigentliche Gefährlichkeit der Verschwörung aus.168 Organisatorisch blieb der Antisemitismus schwach entwickelt, bei keiner Partei oder politischen Vereinigung wurde er zum zentralen programmatischen Bestandteil. Er war lediglich ein Aspekt der antiliberalen, katholischen Weltanschauung, insbesondere in Kreisen der katholisch-traditionalistischen Rechten.169 Im Verlauf des Bürgerkrieges weitete sich der Verschwörungsmythos zu einem Geschichtsnarrativ aus, demzufolge der Putsch der Franquisten als Kampf gegen das „Anti-Spanien“, die Gesamtheit aller Feinde, und der Bürgerkrieg als „heiliger Krieg“ gedeutet wurden.170 Der Sieg über die „antispanische Verschwörung“ diente als Legitimationsgrundlage für den franquistischen Staat.171 Die These einer freimaurerisch-jüdischen Verschwörung er164 Vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 329. Vgl. auch: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 126. 165 Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 326. 166 Ebd., 317. Zum Mythos der antispanischen Verschwörung als zentrales Element im spanischen Antisemitismus vgl. auch: Baer, Alejandro, Zwischen Aufhetzung und Verurteilung. Die geteilte Rezeption des Novemberpogroms im Spanien des Bürgerkrieges, in: Die Novemberpogrome 1938. Versuch einer Bilanz, hg. v.: Stiftung Topographie des Terrors, Berlin 2009, 59 ff. 167 Vgl.: Rohr, The Spanish right, 100. 168 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 127; Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 19. 169 Vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 332; Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 491. Zur Ausbreitung antisemitischer Einstellungen im rechten Diskurs in der Zweiten Republik vgl. auch: Avni, Spain, 39. 170 Vgl.: Domnguez Arribas, El enemigo judeo-masûnico, 74 – 81, 161 – 233. Domnguez Arribas bezeichnet die Verschwörungstheorie als ein Leitmotiv des rechten Diskurses, vgl.: Ebd., 76. 171 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 131. „Ser franquista es alimentar la imagen del Franco como salvador de EspaÇa, y esto supone agrandar la conspiraciûn antiespaÇola, pues cuanto ms peligrosa resulte ¦sta ms necesario ser Franco“, Rodrguez Jim¦nez, Jos¦ Luis, El antisemitismo en el franquismo y en la transiciûn, in: Ýlvarez Chillida/Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 250. Rohr zufolge
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füllte für das neu zu errichtende Regime in seiner Anfangszeit wichtige Funktionen.172 Domnguez Arribas unterscheidet erstens die erklärende Funktion – wie jede Verschwörungstheorie bot auch diese einfache Erklärungen für komplizierte Sachverhalte –, zweitens die legitimatorische Funktion, die für den jungen Staat besonders wichtig war, drittens die repressive Funktion, wobei von den Repressionen in erster Linie Freimaurer betroffen waren, viertens die einende Funktion durch ein gemeinsames Feindbild sowie fünftens ihre delegitimierende Funktion, indem die Verschwörungstheorie der Diskreditierung von politischen Konkurrenten diente.173 Bei der ersten Regierungsbildung, die noch 1938 während des Bürgerkrieges stattfand, wurde innerhalb des Ministeriums für öffentliche Ordnung (Ministerio de Orden Pfflblico, später Ministerio de la Gobernaciûn) die polizeiliche Direktionsabteilung für nationale Sicherheit (Jefatura del Servicio Nacional de Seguridad, später Direcciûn General de Seguridad) geschaffen, deren Behörden u. a. für Freimaurer, für das Judentum sowie weitere Religionen und ethnische Gruppen zuständig waren. Zwischen 1940 und 1941 nahm außerdem eine Spezialbrigade der politischen Polizei unter Leitung des Kommissars Julin Mauricio Carlavilla174 ihren Dienst auf. Rodrguez Jim¦nez vermutet, dass zu ihren Aufgaben die von NS-Deutschland gewünschte Überwachung und Registrierung der in Spanien lebenden Juden zählte. Die entsprechenden Direktiven wurden jedoch nicht an alle Entscheidungsstellen weitergeleitet und die Registrierung in Spanien lebender Juden in einer Kartei ebenso wie alle weiteren spezifisch gegen Juden gerichteten Aktivitäten wohl am Ende des Zweiten Weltkrieges wieder eingestellt.175 In den Gesetzen, die die
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spielte neben der These der antijüdischen Verschwörung der Mythos der Reconquista eine zentrale Rolle in der politischen Kultur der Rechten, vgl.: Rohr, The Spanish right, 4 f, 157 f. Vgl.: San Francisco, Matilde Eiroa, Poltica Internacional y Comunicaciûn en EspaÇa (1939 – 1975). Las cumbres de Franco con jefes del Estado, Biblioteca Diplomtica EspaÇola 28, Madrid 2009, 317. Domnguez Arribas, El enemigo judeo-masûnico, 490 ff. Zusammenfassend stellt er fest: „el enemigo judeo-masûnico, tal y como apareca en la propaganda de los primeros aÇos del r¦gimen, actuû en el seno de la coaliciûn franquista como un mecanismo para regular las tensiones y controlar la disidencia interior de cada facciûn. Unas veces, su invocaciûn como enemigo comffln poda desactivar los conflictos. Otras veces, la retûrica anti-judeo-masûnica, a modo de una vlvula de escape, permita al menos expresar (y quizs evacuar) esas mismas tensiones, por medio de las acusaciones que hemos visto, a la espera de una posible intervenciûn a favor de una u otra facciûn por parte del dictador, un rbitro supremo cuya obsesiûn antimasûnica todo el mundo conoca.“, Ebd., 492. Mauricio Carlavilla gründete nach dem Zweiten Weltkrieg den Verlag Nos, mit dem er antisemitische Literatur in Spanien vertrieb. Vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 428. Insgesamt gab es laut Ýlvarez Chillida in der Nachkriegszeit in Spanien keinen großen Markt für antisemitische Literatur. In den 1940er und 1950er Jahren erschienen vielmehr nationalkatholische Geschichtswerke, in denen sich antijüdische Interpretationen der Vergangenheit fanden, vgl.: Ebd., 430 – 433. Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 130 f; Ders., El antisemitismo en el franquismo y en la transiciûn, in: Ýlvarez Chillida/
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juristische Grundlage für Repressionen gegen Oppositionelle bildeten, wie das Gesetz über politische Verantwortlichkeiten (Ley de Responsabilidades Polticas, 1939), das Gesetz zur Unterdrückung von Freimaurerei und Kommunismus (Ley para la Represiûn de la Masonera y el Comunismo, 1940) oder das Gesetz zur Sicherheit des Staates (Ley para la Seguridad del Estado, 1941), werden Juden nicht erwähnt.176 Daraus lässt sich erkennen, dass Juden aufgrund ihres Jüdischseins in Spanien nicht systematisch verfolgt oder diskriminiert wurden. In der offiziellen Politik des Regimes fanden sie keine besondere Beachtung.177 Die vereinfachende Gleichsetzung von Falangisten und Antisemiten ist für Spanien unzutreffend. Innerhalb der Falange ebenso wie innerhalb der Ministerien gab es unterschiedliche Strömungen.178 Rohr stellt
Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 253 f. Dort finden sich aber keine weiteren Hinweise zu Aufgaben und Tätigkeiten dieser Behörden. Israel Garzûn geht außerdem davon aus, dass die franquistische Regierung auf Druck NS-Deutschlands 1941 ein polizeiliches Judenregister (Archivo Judaico policial) zur Überwachung der in Spanien lebenden jüdischen Bevölkerung einrichtete. Ein entsprechendes Rundschreiben der Generaldirektion für Sicherheit vom 5. 5. 1941 ist erhalten, in welchem Umfang ein solches Register tatsächlich erstellt wurde und bis wann es existierte, ist unklar, da große Teile des Quellenbestandes nicht überliefert sind. Berichte über jüdische Personen wurden allerdings auch noch in den 1950er und 1960er Jahren von der Generaldirektion für Sicherheit angefertigt, vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, El Archivo Judaico del franquismo, in: Races, 33/1997 – 98, 57 – 60. Zum Einfluss NS-Deutschlands auf Spanien vgl. auch: Collado Seidel, Carlos, EspaÇa, refugio nazi, Madrid 2005, 11 – 16. 176 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, El antisemitismo, in: Ýlvarez Chillida/Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 252 f. Für Rohr zeigt sich an dem Gesetz zur Unterdrückung von Freimaurerei und Kommunismus die Gleichsetzung dieser beiden Strömungen mit dem Judentum, vgl.: Rohr, The Spanish right, 101. 177 Zum Antisemitismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit vgl.: Rodrguez Ovide, Augustn Ramûn, Frente al revisionismo: Antisemitismo en la posguerra espaÇola, in: Races, 22/1995, 14 – 18. Zum franquistischen Antisemitismus vgl.: Rodrguez, Jos¦ Luis, El discurso antisemita en el fascismo espaÇol, in: Races, 42/2000, 57 – 69; Domnguez Arribas, El enemigo judeomasûnico, 407. Auch wenn es in der Soziologie und Geschichtswissenschaft inzwischen als Gemeinplatz gilt, dass das Feindbild einigend wirkte, wurde es bislang selten an konkreten Beispielen untersucht. Domnguez Arribas widmet sich daher der franquistischen Propaganda in der Zeit nach dem Bürgerkrieg, als die Stabilisierung des Regimes nach innen notwendig wurde – nachdem der Feind auf dem Schlachtfeld besiegt worden war, vgl.: Ebd., 451. 178 Vgl.: Rother, Bernd, Wiederentdeckung, Annäherung, Normalität? – Die spanische Politik und die Sepharden im 20. Jahrhundert, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 107 f. Für einen kurzen Überblick zur Falange vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 191 – 194. Die Verbindung zwischen Katholizismus und Antisemitismus zeigte sich z. B. an Luis Carrero Blanco, einer der wichtigsten Persönlichkeiten des Franco-Regimes. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 102. Aronsfeld nennt als einen Vertreter des verschwörungstheoretischen Antisemitismus Queipo de Llano, vgl.: Aronsfeld, Caesar C., The Ghosts of 1492. Jewish Aspects of the Struggle for Religious Freedom in Spain 1848 – 1976, Jewish Social Studies Monograph Series 1, New York 1978, 44 f. Für die von ihm untersuchte Phase des Zweiten Weltkrieges kommt Patrik von Zur Mühlen zu dem Ergebnis, dass judenfeindliche Einstellungen im Militär und im Außenministerium besonders stark verbreitet waren, vgl.: Zur Mühlen, Patrik von, Die Sepharden, der Holocaust und die iberische Fluchtroute, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 117 f. In dieser Untersuchung kann gezeigt werden, dass sich
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bei den Ministerien, die der Falange und damit während des Zweiten Weltkrieges auch dem Einflussbereich NS-Deutschlands unterstanden, eine eher antisemitische Einstellung fest, während Armeeoffiziere, die ihre Karriere in Nordafrika begannen, sich durch philosephardische Tendenzen ausgezeichnet hätten.179 Im Franquismus ließen sich sowohl Antisemitismus als auch Philosephardismus für den nationalen Diskurs instrumentalisieren: „In fact, the Franco regime oscillated almost schizophrenically between the philosephardic campaign and the crusade against the ,Judeo-Masonic-Bolshevik‘ conspiracy.“180 Die Frage, ob Francisco Franco Antisemit war, ist immer noch Anlass für zahlreiche Spekulationen, zu denen auch die Vermutung gehört, er sei jüdischer Abstammung.181 Überliefert sind nur wenige antisemitische Äußerungen von Franco, wie z. B. im Rahmen seiner Rede anlässlich der Siegesparade am 19. Mai 1939 in Madrid oder seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember 1939.182 In der Rede im Mai 1939 warnte Franco davor, dass sich „der jüdische Geist, der die breite Allianz des Großkapitals mit dem Marxismus erlaubte, der so sehr mit der antispanischen Verschwörung verstrickt ist, nicht an einem Tag bekämpfen lässt und im Bewusstsein vieler schlummert“.183 In der zweiten Rede machte er die „Feinde Spaniens“ für die akute Mangelsituation nach dem Bürgerkrieg verantwortlich und rechtfertigte die in einigen Ländern ergriffenen antisemitischen Maßnahmen unter Verweis auf die Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel:
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Vorbehalte gegenüber Juden und Judentum in Teilen des Außenministeriums bis in den späten Franquismus fortsetzten. Vgl.: Rohr, The Spanish right, 97 f. Ebd., 118. Lisbona beschreibt Franco als Antifreimaurer und Antikommunisten, Lisbona, Retorno a Sefarad, 99. Zur Behauptung einer jüdischen Abstammung Francos vgl. z. B. einen in La Luz 1975 veröffentlichten Artikel von Maurice Perlzweig, abgedruckt in: Elnecav¦, Nissim, Los hijos de Ibero-Franconia. Breviario del Mundo Sefarad desde los Orgenes hasta nuestros das, Buenos Aires 1981: Ap¦ndice VII, 1032 – 1033. Die verschiedenen Gerüchte sollen hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 62 f. Francos widersprüchliche Haltung zeigt sich auch an seinem Film Raza (1940/41), in dem er Sympathien für Juden äußert. Vgl.: Andrade, Jaime de [Francisco Franco], Raza. Anecdotario para el guiûn de una pelcula, hg. v.: Fundaciûn Nacional Francisco Franco, Barcelona 1997 [1942]. „el espritu judaico que permita la gran alianza del gran capital con el marxismo, que sabe tanto de pactos con la revoluciûn antiespaÇola, no se extirpa en un da y aletea en el fondo de muchas conciencias“, zit.n.: Ýlvarez Chillida, Gonzalo, La eclosiûn del antisemitismo espaÇol: De la II Repfflblica al holocausto, in: Ders./Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 251. Damit unterschied sie sich inhaltlich stark von Francos ersten überlieferten Äußerungen über Juden, die Isabelle Rohr auf das Jahr 1926 datiert. In einem in der Zeitschrift Revista de Tropas Coloniales veröffentlichten Artikel „Xauen la triste“ beschrieb Franco die Evakuierung dieser Stadt im Jahr 1924 und nahm dabei eine paternalistische Haltung gegenüber den sephardischen Juden ein, in denen er Opfer der ,barbarischen Muslime‘ sah. Vgl.: Rohr, The Spanish right, 68.
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„Nun werdet ihr die Gründe verstehen, die verschiedene Nationen dazu gebracht haben, ihre Aktivitäten mit denjenigen Rassen einzudämmen, die durch das Stigma der Habsucht und des eigenen Nutzens gekennzeichnet sind, denn ihre Dominanz in der Gesellschaft ist der Grund für Unruhen und gefährdet das Erreichen der historischen Bestimmung. Wir, dank Gottes Gnade und der klaren Weitsicht der Katholischen Könige, haben uns vor Jahrhunderten von dieser schweren Last befreit“.184
Mit der Niederlage NS-Deutschlands und der zunehmenden internationalen Isolierung Spaniens setzte eine Umstrukturierung und Entideologisierung des Regimes ein. Während zahlreiche Ideologen und Theoretiker des Franquismus weiterhin antisemitische Ideen vertraten, versuchte die Regierung sich den westlichen Staaten – wie zu zeigen sein wird – mittels eines „judenfreundliche[n] Image[s]“ anzunähern.185 Infolge der zunehmenden Westintegration und des wachsenden Einflusses der Technokraten innerhalb des Regimes wurde der Antisemitismus seit den 1960er Jahren zu einem Phänomen begrenzter faschistischer und neonazistischer Gruppierungen.186 In diesem Milieu erlebten antisemitische Publikationen allerdings einen Aufschwung.187 In mehreren spanischen Städten kam es zu antisemitischen Schmierereien an jüdischen Einrichtungen, die zeitlich mit dem Erscheinungsbeginn mehrerer neonazistischer Publikationen, wie z. B. ¿Qu¦ pasa?, Cruz Ib¦rica und Juanp¦rez, zusammentrafen.188 1966 gründete sich in Barcelona aus militanten Faschisten und Hitler-Verehrern als erste und Rodrguez Jim¦nez zufolge wichtigste neonazistische Gruppe CEDADE, Crculo EspaÇol de Amigos de 184 „Ahora comprender¦is los motivos que han llevado a distintas naciones a combatir y alejar sus actividades a aquellas razas en que la codicia y el inter¦s es el estigma que las caracteriza, ya que su predominio en la sociedad es causa de perturbaciûn y peligro para el logro de su destino histûrico. Nosotros, que por la gracia de dios y la clara visiûn de los Reyes Catûlicos hace siglos nos liberamos de tan pesada carga“, zit.n.: Ýlvarez Chillida, La eclosiûn del antisemitismo, in: Ders./Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 252. In einer Rede vor der Secciûn Feminina am 26. Mai 1942 hieß er abermals die Vertreibung der Juden durch die Katholischen Könige gut, indem er auf die von den Juden ausgehende Gefahr der Spaltung und Auflösung verwies. Vgl.: Domnguez Arribas, El enemigo judeo-masûnico, 453. Zur Rechtfertigung der Vertreibung der Juden vgl. auch: „Acciones asesinas“, 16. 7. 1950, in: Boor, Jakin [Francisco Franco], Masonera, Madrid 1952, 222 ff. 185 Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 345, 345 – 349; Rohr, The Spanish right, 160. 186 Vgl.: Joan i Tous, Pere/Nottebaum, Heike, El olivo y la espada: Introducciûn, in: Dies. (Hg.), El olivo y la espada, XII. 187 Das Verlagshaus Mateu aus Barcelona legte Der internationale Jude („El judo internacional“, 1961) und Die Protokolle der Weisen von Zion („Los protocolos de los Sabios de Siûn“, 1963) neu auf. Vgl.: Ýlvarez Chillida, Gonzalo, El Concilio Vaticano II y la reacciûn antisemita en la EspaÇa de los aÇos sesenta, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 395. Die Protokolle der Weisen von Zion sind eine Fälschung, die um die Jahrhundertwende in Russland aus französischen und deutschen literarischen Quellen entstand und den Mythos einer jüdischen Weltverschwörung und einer jüdischen Kapitalherrschaft verbreitete. Vgl.: Benz, Wolfgang, Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus, München 2001, 27 – 43. Zur Verbreitung der Protokolle in Spanien vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 138 f. 188 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 272 f.
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Europa. CEDADE vertrat nazistische, rassistische und antisemitische Positionen, zu denen auch die Leugnung des Holocaust zählte, die über eigene Publikationen verbreitet wurden.189 Neonazistische und faschistische Gruppen zeichneten in den 1970er Jahren für eine Welle antisemitischer Ausschreitungen gegen jüdische Einrichtungen in verschiedenen spanischen Städten verantwortlich.190 1976 und 1979 wurden Anschläge auf die Synagogen in Madrid und Barcelona verübt, im März 1980 starb der Anwalt und Geschäftsmann, Adolfo Cotelo Villarreal, bei einem Attentat, dessen eigentliches Ziel der ehemalige Präsident der CJM, Max Mazin, gewesen war.191 Die Existenz solcher Gruppierungen wurde durch das spanische Strafrecht begünstigt, welches bis 1995 weder neonazistische Organisationen und Publikationen noch die Leugnung des Holocaust verbot.192 Für die Zeit nach Franco unterscheidet Uriel Macas Kapûn einen religiös motivierten Antijudaismus, einen gesellschaftspolitischen Antisemitismus, einen gegen den Staat Israel als „Judenstaat“ gerichteten Antizionismus sowie eine Tendenz zur Stereotypisierung und Karikaturisierung bei der Darstellung von Juden.193 Diese neuen Formen des Antisemitismus, die bis in die gesellschaftliche Mitte und die politische Linke reichen, sind insbesondere seit den 1990er Jahren entstanden.194 Die Entwicklung begründet sich zum einen durch 189 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Jos¦ Luis, Los neonazis espaÇoles. Evoluciûn, organizaciones y conexiones internacionales (1966 – 1994), in: Historia 16, 240/1996, 12 – 24; Ders., La extrema derecha espaÇola, 398 – 409; Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 440. Trotz einer vorübergehenden Schließung auf Grundlage des 1996 in Kraft getretenen neuen Strafgesetzes war CEDADE bis vor wenigen Jahren aktiv. Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 140. 190 Vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 471ff; Lisbona, Retorno a Sefarad, 274, 317 ff. 191 Das Attentat wurde auf die PLO zurückgeführt. Vgl.: „Editorial“, in: Garin, 18/1980, 5 – 6. Zur Antisemitismuswelle und den Anschlägen auf die Synagogen vgl.: „De la bomba en la sinagoga a la noche de los cristales rotos“, in: Garin, 14/1979, 7 – 9; „Informaciûn“, in: Ebd., 10 – 16; „Atentado contra la Comunidad Israelita de Madrid“, 25. 12. 1976; AGA (3) 104.04, Cj. 573 (70663). Zu antisemitischen Vorfällen und neonazistischen Gruppierungen im demokratischen Spanien vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 317ff; Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 227 – 236. Die sich nach Francos Tod fortsetzenden Ambivalenzen im Umgang mit dem Judentum stellte auch Leopoldo Azancot Ende der 1980er Jahre fest, vgl.: Azancot, Leopoldo, Las relaciones entre EspaÇa y los judos, una historia llena de ambigüedades, in: Ya, 3. 10. 1987, 35. 192 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Los neonazis espaÇoles, in: Historia 16, 240/1996, 12 – 24; Ley Orgnica 10/1995, de 23 de noviembre, del Cûdigo Penal, BOE, 24. 11. 1995. Seit einer Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichtes im Jahr 2007 ist die Leugnung des Holocaust allerdings nicht mehr strafbar. Vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, Apuntes histûricos sobre los judos espaÇoles desde el siglo XIX, in: Menny, Anna/Voß, Britta (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten. Geschichts- und literaturwissenschaftliche Beiträge zu einem Paradigma der iberischen Moderne, Freiburg 2011, 183. 193 Vgl.: Macas Kapûn, Uriel, La tinta del desprecio, in: Races, 2/1986, 34 – 35. 194 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 142 f, 145.
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die starke Zunahme der Immigration und die Herausbildung fremdenfeindlicher Tendenzen, wobei sich Antiislamismus und Antisemitismus vermischen.195 Zum anderen stehen die neuen Formen des Antisemitismus in Zusammenhang mit der Kritik an der Rolle Israels im Nahost-Konflikt.196 Antizionistische Positionen kamen in Spanien seit dem Sechs-Tage-Krieg (1967) und verstärkt seit dem Libanon-Krieg (1982) auf. Wie in anderen westlichen Ländern identifizierte sich die spanische Linke mit dem revolutionären Kampf der palästinensischen Bevölkerung gegen Israel, welches als Teil des kapitalistischen und imperialistischen Systems gesehen wurde. Dabei kommt es vereinzelt zu einer Vermischung linker antizionistischer Positionen mit antisemitischen Topoi. Auf der anderen Seite beobachtet Ýlvarez Chillida, dass der Antizionismus in antisemitische Publikationen Einzug gehalten hat, wo er als neue Etikette für traditionelle Judenfeindschaft dient.197 Die Vermischung antiisraelischer und antisemitischer Topoi zeigt sich auch in der Berichterstattung über den Nahost-Konflikt.198 Im Zusammenhang mit den Konflikten in Gaza und im Libanon im Jahr 2006 stellen Alejandro Baer und Paula Lûpez in ihrer Untersuchung von Grafiken und Karikaturen in der spanischen Presse eine starke Vermischung der Darstellung Israels mit jüdischen Symbolen (z. B. Klagemauer, Judenstern etc.) und den Themen Antisemitismus und Holocaust fest.199 195 So verweist die 2010 veröffentlichte Studie zu Antisemitismus der Casa Sefarad-Israel auf eine enge Verschränkung der Wahrnehmung verschiedener religiöser Gruppen und zugleich auf die Rückkoppelung der negativen Einschätzung der Juden an die Einwanderungsproblematik, vgl.: Casa Sefarad-Israel, Estudio sobre antisemitismo en EspaÇa. Informe de resultados, Juli 2010, 14. 196 Vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 143 ff. Den wechselseitigen Zusammenhang der Wahrnehmung des Staates Israel und der jüdischen Bevölkerung zeigte die Studie der Anti-Defamation League Attitudes Toward Jews in Seven European Countries (Februar 2009). So war Spanien mit 36 % der Befragten auf Platz eins derjenigen, die angaben, dass ihre Einstellung gegenüber Juden von dem Verhalten des Staates Israel beeinflusst sei. Von diesen gaben wiederum 74 % an, dass es sich um eine negative Beeinflussung handele, Ebd., 12 ff. 197 Vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 466. Vgl. auch: Baer, Alejandro/Zukierman, Federico, Nuevo antisemitismo, viejos estigmas. Caricaturas viÇetas de la prensa espaÇola sobre el conflicto israel-palestino (2000 – 2003), in: Races, 58/2004, 25 – 38; Baer, Alejandro, Spain’s Jewish problem. From the „Judeo-Bolshevik conspiracy“ to the „Nazi-Zionist State“, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 18/2009, 89 – 110. Zum Zusammenhang und den Unterschieden zwischen den beiden Konzepten Antisemitismus und Antizionismus vgl.: Volkov, Antisemitismus als kultureller Code, 76 – 87. 198 Israel und der Nahostkonflikt sind in den spanischen Medien überrepräsentiert, dabei ist das Interesse sowohl religiös (Heiliges Land) als auch geopolitisch (Mittelmeerraum) bedingt. Vgl.: Sabanoglu, Albert/Baer, Alejandro, Israel en los medios espaÇoles: ¿Camino hacia la normalizaciûn?, in: Israel Garzûn, Jacobo (Hg.), EspaÇa e Israel. Una relaciûn de veinte aÇos, Madrid 2006, 80. Eine Umfrage aus dem Jahr 2010 ergab allerdings, dass bei 50,4 % auch Palästina negativ besetzt ist, vgl.: „Encuesta sobre Antisemitismo e Islamofobia en EspaÇa“, in: Cuadernos de Anlisis, 39/10, 11. 199 „El Holocausto tiende a funcionar como un elemento central a la hora de juzgar a Israel y de
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Einführende Überlegungen
Traditionelle Judenfeindschaft lässt sich im gegenwärtigen Spanien weiterhin in der katholisch geprägten Populärkultur finden. In der Literatur, in Redewendungen, Kinderspielen, Reimen oder Gebeten überdauerten ein antijüdisches Gedächtnis und antisemitische Traditionen, die den Juden als eine Legende, als Archetyp alles Schlechten und als genuin „Anderen“ erscheinen lassen.200 In der spanischen Gesellschaft stehen sich so ein Fortleben antijüdischer Stereotype auf der einen und die Faszination für die spanischjüdische Vergangenheit auf der anderen Seite gegenüber.201
2.4 Philosephardismus In der Forschungsliteratur ist häufig von einem spanischen Philosephardismus die Rede, ohne dass es bislang eine umfassende theoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen gab. Grob kann unter diesem Schlagwort eine paternalistische, sich aus hispanistischem Gedankengut speisende Haltung gegenüber als spanisch verstandenen Sepharden gefasst werden. exigir, en un grado generalmente muy superior al resto de los pases, que su actuar se moralmente acorde con su historia.“, Baer, Alejandro/Lûpez, Paula, Israel en el callejûn del gato. El conflicto de Gaza y Lbano de 2006 en el humor grfico espaÇol, in: Israel, Estrella u. a. (Hg.), Israel en los medios de comunicaciûn espaÇoles (2006 – 2009). Entre el estereotipo y la difamaciûn, Madrid 2010, 41. Eine ähnliche Herangehensweise wählten Siegfried und Margarete Jäger, die das Echo auf die zweite Intifada in deutschen Printmedien untersuchten. Sie stellen fest, dass die insgesamt negative Darstellung sowohl Israels als auch der Palästinenser oftmals durch antisemitische und/oder antiislamische Vorurteile geprägt war. Als ein weiteres strukturierendes Element führen sie die religiöse Lesart des Konfliktes an, in dem sich Judentum und Islam gegenüberstünden. Zugleich werde mitunter eine Relativierung der nationalsozialistischen Vergangenheit vorgenommen, vgl.: Jäger, Siegfried/Jäger, Margarete, Die NahostBerichterstattung zur Zweiten Intifada in deutschen Printmedien, in: Ders./Januschek, Franz (Hg.), Gefühlte Geschichte und Kämpfe um Identität, Münster 2004, 147 – 168. 200 Vgl.: Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 391; Ýlvarez Chillida, Gonzalo, Presentaciûn, in: Ders./Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 9 f. Zur Untersuchung des Antisemitismus in der Populärkultur vgl. die verschiedenen Publikationen von Jos¦ Manuel Pedrosa, z. B.: Ders., El antisemitismo en la cultura popular, in: Ýlvarez Chillida/Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 31 – 55; Ders., Los judos en la literatura tradicional espaÇola, in: Hassn, Iacob M./Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), Judos en la literatura espaÇola, IX Curso Cultural Hispanojuda y Sefard de la Universidad de Castilla-La Mancha, Cuenca 2001, 403 – 436; Ders., La teora literaria y antropolûgica de la otredad y la visiûn de lo judo en la literatura oral panhispnica, in: Revista de Folklore, 246/2001, 211 – 216. Pedrosa erwähnt u. a. lokale Traditionen, mit denen sich das eigene Dorf von den angeblich jüdischen Bewohnern des Nachbardorfes positiv abgrenzt. Die sich aus der religiösen Tradition speisenden Feindbildstereotypen werden in der jährlichen Karwoche wiederbelebt. Im Mittelpunkt steht dabei in verschiedenen Dörfern der Brauch des matarjudo (Juden töten), der seinen Ursprung in den gewalttätigen Übergriffen durch Christen auf die jüdische Bevölkerung im Mittelalter hat. Zum Feindbild des converso vgl.: Contreras Contreras, El judo en EspaÇa, in: NfflÇez Seixas/Sevillano Calero (Hg.), Los enemigos de EspaÇa, 84 ff. 201 Vgl.: Contreras Contreras, El judo en EspaÇa, in: NfflÇez Seixas/Sevillano Calero (Hg.), Los enemigos de EspaÇa, 90.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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Philosephardismus ist vom Philosemitismus zu unterscheiden.202 Er bezieht sich ausschließlich auf die Gruppe der Sepharden und nimmt eine positive Abgrenzung und diskriminierende Hierarchisierung gegenüber den Aschkenasen vor, die Rehrmann dazu veranlasst, vom Philosephardismus als einem „Aschenputtelsyndrom des Antisemitismus“203 zu sprechen. Auch Rother weist darauf hin, dass eine philosephardische Haltung nicht eine grundsätzliche Ablehnung des Antisemitismus impliziert. Indem den Sepharden bestimmte Merkmale und Verhaltensweisen zugeschrieben werden, handele es sich ebenfalls um ein rassistisches Konstrukt.204 Die Ursprünge des Philosephardismus lassen sich auf die vorletzte Jahrhundertwende zurückführen.205 Seinen Höhepunkt fand der Diskurs mit der Kampagne des spanischen Politikers und Arztes Ýngel Pulido Fernndez zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dessen Vorstellungen prägen den Umgang mit Sepharden und spanisch-jüdischer Geschichte bis in die Gegenwart und werden daher knapp skizziert. 202 Zum Philosemitismus vgl.: Schoeps, Julius H., Antisemitismus und Antizionismus – Hinweise zur historisch-politischen Bildung, in: Stein, Gerd/Schallenberger, E. Horst (Hg.), Schulbuchanalyse und Schulbuchkritik. Im Brennpunkt: Juden, Judentum und Staat Israel, Duisburg 1976, 126. Frank Stern beschreibt das Ineinandergreifen von Philosemitismus und Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945, vgl.: Stern, Frank, German-Jewish Relations in the Postwar Period. The Ambiguities of Antisemitic and Philosemitic Discourse, in: Bodemann, Y. Michal (Hg.), Jews, Germans, Memory. Reconstructions of Jewish Life in Germany, Michigan 1996, 78. Vgl. auch: Ders., The Whitewashing of the Yellow Badge: Antisemitism and Philosemitism in Postwar Germany, New York/Oxford 1992; Schiffer/Wagner, Antisemitismus und Islamophobie, 25; Loewy, Hanno (Hg.), Gerüchte über die Juden. Antisemitismus, Philosemitismus und aktuelle Verschwörungstheorien, Essen 2005. Aydın sieht in der positiven Akzentuierung des Fremden (Xenophilie) eine Tendenz der postmodernen Zeit, vgl.: Aydın, Topoi des Fremden, 138. 203 Rehrmann, Das schwierige Erbe, 13 f. Zur Begriffsbestimmung „Aschkenase“ vgl. z. B.: Silber, Marcos, Aschkenasim, in: Diner, Dan (Hg.), Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Bd. 1: A-Cl, Stuttgart/Weimar 2011, 168 – 171. 204 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 34. Die Vermischung von rassistischem, antisemitischem und philosemitischem Gedankengut zeigte sich in Deutschland im Jahr 2010 an Thilo Sarrazins Thesen über Juden, denen er eine überdurchschnittliche Intelligenz und einen guten Geschäftssinn attestierte, vgl.: Sarrazin, Thilo, Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, München 62010, insb. 93 – 96. 205 Lisbona datiert den Ausgangspunkt der philosephardischen Bewegung auf die Parlamentsdebatte zwischen Emilio Castelar und Manterola über die Verankerung der Religionsfreiheit in der Verfassung von 1869, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 21. Meyuhas Ginio verortet Pulidos Philosephardismus-Kampagne im Kontext der durch die Ereignisse des Jahres 1898 ausgelösten „nationalen Krise“, vgl.: Meyuhas Ginio, Alisa, Reencuentro y despedida. Dr. Ýngel Pulido Fernndez y la dispora sefard, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 58. Zum neuen, aber vorübergehenden Interesse an den Sepharden zu Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. auch: Touboul Tardieu, Eva, Le s¦phardisme dans l’Espagne des ann¦es 1920 – 1930. Pour une nouvelle representation des Jud¦o-Espagnols?, in: Benbassa, Esther (Hg.), Itin¦raires S¦pharades. Complexit¦ et diversit¦ des identit¦s, Paris 2010, 79 – 90. Touboul Tardieu widmet sich in ihrem Aufsatz der Frage, ob die philosephardische Bewegung auch als ein Versuch gelesen werden kann, das mythenumwobene und von christlich geprägten Klischees bestimmte „Judenbild“ durch ein realistischeres zu ersetzen, vgl.: Ebd., 82 – 85.
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Einführende Überlegungen
Die Philosepharden um Pulido zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden Sepharden vorrangig als Spanier und nicht als Juden. Sie hoben die Überlegenheit der Sepharden gegenüber den Aschkenasen hervor. Diese Unterscheidung setzte sich vor allem im Franquismus fort. Pulido ging davon aus, dass sich die spanische und die jüdische Bevölkerung während ihres jahrhundertelangen Zusammenlebens auf der Iberischen Halbinsel vermischt hätten. Aufgrund dieser Verbindung seien die Sepharden „die schönsten aller Juden“.206 In EspaÇoles sin patria y la raza sefard betonte er die „bewundernswerte Reinheit der [sephardischen, A. M.] Rasse“.207 Pulido war eng mit der liberalen Partei verknüpft und mit dem republikanischen Politiker und Präsidenten der Ersten Republik Emilio Castelar befreundet, der ihn für das Thema der Sepharden sensibilisierte.208 Seine Positionen entsprachen der liberalen Denkweise seiner Zeit und sie sind im Kontext der Hispanismo-Bewegung zu sehen, die die vergangene Größe Spaniens wiederherstellen und zugleich das Ansehen des Landes im Ausland verbessern wollte.209 Avni zufolge beruhten Pulidos Überlegungen auf drei Pfeilern: Als gläubiger Katholik trat er wie sein Freund Castelar für die Religionsfreiheit ein. Er verstand das Christentum als eine „Religion der Gnade“ („religiûn de la misericordia“) und sah in den Juden – im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen – keine Gottesmörder. Seine Begeisterung für Sprache und Tradition ließ ihn die Aufrechterhaltung spanischer Kultur und Sprache unter den Sepharden bewundern.210 In den sephardischen Gemeinden sah er eine Kompensation für die verlorenen Kolonien.211 206 „Esto de la nobleza de la rama espaÇola es uno de los rasgos caractersticos de los sefardim y de los que ms pueden enorgullecer a su antigua patria, bajo tal aspecto“, „parece una verdad inconcusa que los sefardim encarnan la belleza superior del pueblo judo“, Pulido, Ýngel, EspaÇoles sin patria y la raza sefard, Madrid 1905 [Nachdruck mit einer Einleitung von Mara Antonia Bel Bravo, Granada 1993], 21, 24. Vgl. auch: Ebd., 30, 33; Pulido, Ýngel, Los israelitas espaÇoles y el idioma castellano, Madrid 1904 [Neuauflage mit einer Einleitung von Jacobo Israel Garzûn, Barcelona 1992], 86 f. 207 „pureza admirable de la raza [sefard, A. M.]“, Pulido, EspaÇoles sin patria, 25. Vgl. auch: Rohr, The Spanish right, 15. 208 Vgl. Bel Bravo, Mara Antonia, El autor, in: Pulido, EspaÇoles sin patria, Granada 1993, XIVf. Pulido hatte seit 1888 verschiedene öffentliche Ämter inne, so war er z. B. Generaldirektor für das Gesundheitswesen, Staatssekretär der Regierung und viermal Vizepräsident des Senats. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 23 f. Zur Person Ýngel Pulido vgl.: Bel Bravo, El autor, in: Pulido, EspaÇoles sin patria, XI – XIV. 209 Rother, Spanien und der Holocaust, 31 f. Vgl. auch: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 55 f. Auch Touboul Tardieu sieht das Motiv des Philosephardismus in „les b¦n¦fices que l’Espagne pourrait tirer d’un rapprochement avec les S¦pharades“, Touboul Tardieu, Eva, S¦phardisme et Hispanit¦. L’Espagne la recherche de son pass¦ (1920 – 1936), Paris 2009, 145. 210 Pulidos Interesse für die spanische Sprache und ihre Förderung im Ausland wird deutlich in der Artikelserie, die er in verschiedenen Zeitungen nach seiner ersten Reise veröffentlichte und die in Los israelitas espaÇoles abgedruckt ist. Er verstand die Sprache dabei auch als Mittel zur Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Macht in den internationalen Beziehungen. Diese Position unterstrich Pulido in seiner Rede vor dem spanischen Senat am 13. 11. 1903 (abgedruckt in: Puldio, Los israelitas espaÇoles, 193 – 207). Zu Gründen für die Aufrechter-
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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Pulidos erster Kontakt zu Sepharden ergab sich während einer Donaureise im Jahr 1880, aber erst seine Balkanreise im August 1903 weckte sein Interesse an den „Spaniern ohne Heimatland“.212 Nach seiner Rückkehr nach Spanien begann er sich für die Aufnahme von Beziehungen zu den sephardischen Gemeinden einzusetzen und versuchte, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Spanien sich um die Sepharden mit spanischen Wurzeln kümmern müsse.213 Gleichzeitig ging Pulido davon aus, dass die Sepharden eine besondere Verbundenheit zu Spanien empfinden würden, welches sie als ihr Heimatland ansähen. Diese selbstlose Loyalität müsse der spanische Staat belohnen.214 Eine solche Form der Belohnung stellte in seinen Augen die Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an einige Sepharden dar. Sein Ziel war allerdings keine massenhafte Einwanderung, sondern lediglich die Ansiedlung von 15.000 bis 25.000 Juden, die die Wirtschaft stärken sollten. Er nahm an, dass die Repatriierung einiger sephardischer Juden nach Spanien und ihre Vermischung mit der spanischen Bevölkerung dazu führen würde, „dass der Gipfel unserer Intellektualität und nationalen Größe an Höhe gewänne und dass wir ein mächtigeres, brillanteres und angeseheneres Land würden“.215 Diese Erwartungshaltung beruhte auf Pulidos Annahme, dass die
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haltung der spanischen Sprache im Osmanischen Reich vgl.: Meyuhas Ginio, Reencuentro y despedida, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 64. Vgl.: Avni, Spain, 22. Vgl. auch die Einleitung von Mara Antonia Bel Bravo zu EspaÇoles sin patria y la raza sefard, Granada 1993, XVIIff. Zur positiven Wirkung, die sich Pulido von einer Versöhnung mit den Sepharden erhoffte, vgl.: Bel Bravo, Las soluciones de Ýngel Pulido, in: Pulido, EspaÇoles sin patria, XXIf. Über die Reise berichtet der Sohn Pulidos, Ýngel Pulido Martn, vgl.: Pulido Martn, Ýngel, Sobre los Sefardes, EspaÇa y Israel. Recuerdos de un m¦dico, in: Molho, Isaac R. (Hg.), Tesoro de los judos sefardes. Estudios sobre la historia de los judos sefardes y su cultura Vol. VI, Jerusalem 1963, 24 – 28. Pulido selbst schreibt von einem „afn de reconquistar al pueblo judeo-espaÇol“, den er empfand (Pulido, EspaÇoles sin patria, 1). Er unterhielt Korrespondenzen mit verschiedenen Gemeindevertretern, die ihm später als Grundlage für seine Publikationen dienten. So basiert z. B. sein 1905 erschienenes Buch EspaÇoles sin patria y la raza sefard in Teilen auf Korrespondenzen sowie auf Ergebnissen einer von Pulido durchgeführten Befragung zur Verbreitung der sephardischen Gemeinden und der judenspanischen Sprache, vgl.: Pulido, EspaÇoles sin patria, 11 f. Isidro Gonzlez bezeichnet Pulidos Initiative daher als „una campaÇa de sensibilizaciûn“, Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 176. Vgl. auch: Rother, Spanien und der Holocaust, 30. Vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 221. Touboul Tardieu nimmt eine kritische Haltung zum Mythos der „Spanienliebe“ unter den Sepharden ein: „Les r¦ponses des Jud¦o-Espagnols aux animateurs du s¦phardisme montrent que lorsqu’ils exprimaient leur amour pour l’Espagne, ce n’¦tait pas au territoire contemporain qu’ils se r¦f¦raient, mais plutút l’espace id¦alis¦ de Sefarad – cette mythique Espagne m¦di¦vale o¾ les ‘Trois cultures‘ avaient cohabit¦ en paix pendant des siÀcles.“, Touboul Tardieu, Le s¦phardisme dans l’Espagne, in: Benbassa (Hg.), Itin¦raires S¦pharades, 87. „que la cima de nuestra intelectualidad y grandeza nacional habra ganado en altura, y que seramos un pas ms poderoso, mas brillante y ms considerado“, Pulido, EspaÇoles sin patria, 540, 543. Vgl. auch: Rohr, The Spanish right, 16. Um die Rückkehr in das ursprüngliche Heimatland der Sepharden zu organisieren, wollte er eine ähnliche Organisation wie das 1886
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Ausweisung der Juden nicht nur den Niedergang der spanischen „Rasse“, sondern auch der Wirtschaft verursacht hätte.216 Eine Versöhnung mit den Sepharden sollte die ökonomische Genesung, aber auch ein Aufblühen der spanischen Kultur bewirken.217 Als besonders vielversprechend erschienen ihm die sephardischen Gemeinden auf dem Balkan, da er glaubte, diese kontrollierten den Handel im östlichen Mittelmeerraum.218 Seiner Ansicht nach sollten diejenigen Sepharden, die sich Spanien verbunden fühlten, als wirtschaftliche und kulturpolitische Brückenköpfe dienen.219 Pulidos Vorschläge zur kulturellen Annäherung an die Sepharden orientierten sich an der Arbeit der Alliance Isra¦lite Universelle (AIU), in der er ein wirtschaftspolitisches Instrument Frankreichs sah.220 1910 gründete er zusammen mit der Schriftstellerin Carmen de Burgos Segu die Alianza Hispano-Hebrea, die unter der Schirmherrschaft des spanischen Königs Alfonso XIII. stand und eine Versöhnung Spaniens mit den Sepharden zum Ziel hatte.221
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von Isidoro Lûpez Lapuya gegründete Centro EspaÇol de Inmigraciûn Israelita aufbauen. Vgl.: Avni, Spain, 17 – 21, 23 f, 41. Avni bezweifelt, dass Lapuyas’ Initiative praktische Auswirkungen hatte und zu einer Vergrößerung der jüdischen Gemeinde in Spanien führte. Dass es Pulido nicht um die Einwanderung der Sepharden nach Spanien ging, wird an folgendem Zitat deutlich: „Yo no he incurrido jams en la insensatez de pretender que los sefardes expatriados por el mundo se reintegren al suelo espaÇol. Ni a EspaÇa ni a ellos convendra tan extraordinario acontecimiento; porque no est mi patria preparada, econûmica y socialmente, para ¦l; ni aunque lo estuviera sera realizable.“, Pulido, Ýngel, El sefardismo en EspaÇa, hg. v.: Israel Garzûn, Jacobo, Madrid 2006, 58. Vgl.: Pulido, EspaÇoles sin patria, 201, 529 – 534. Vgl. z. B.: Pulido, Los israelitas espaÇoles, 6. Ein 1920 in Madrid erschienenes Werk hieß im Sinne dieser Forderung Reconciliaciûn hispanohebrea. Vgl. die Einleitung von Mara Antonia Bel Bravo zu EspaÇoles sin patria, XVII. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 32. Zur von Pulido angenommenen geografischen Verteilung der sephardischen Bevölkerung vgl.: Pulido, EspaÇoles sin patria, 34 – 44. Der „Mythos vom sephardischen Wirtschafts-Supermann“ (Benjamin Braude) existierte bereits seit dem 16. Jahrhundert. Vgl.: Rohr, The Spanish right, 16 f. Vgl.: Pulido, EspaÇoles sin patria, 183, 539 f. Anfang der 1930er Jahre trat der damalige spanische Handelsattach¦ in der Botschaft in Berlin, Jos¦ Mara Doussinague, unter dem Schlagwort „Sefarditismo econûmico“ ebenfalls für die ökonomische Nutzbarmachung der sephardischen Diaspora – vor allem auf dem Balkan – ein. Dabei wandte er sich entschieden gegen die Einwanderung von Sepharden nach Spanien. Auch Augustin de Fox betonte den wirtschaftlichen Einfluss der Sepharden auf dem Balkan. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 38ff; Rother, Spanien und der Holocaust, 35 f; Touboul Tardieu, S¦phardisme et Hispanit¦, 140. Vgl.: Avni, Spain, 23. Zur Reaktion der AIU auf Pulidos Kampagne vgl.: Rohr, The Spanish right, 18. Zur Verbreitung moderner Bildung durch die AIU in den sephardischen Gemeinden vgl.: Benbassa, Esther/Rodrigue, Aron, Die Geschichte der sephardischen Juden. Von Toledo bis Saloniki, Bochum 2005 [Paris 2002], 144 – 152; Rodrigue, Aron, French Jews, Turkish Jews. The Alliance Isra¦lite Universelle and the Politics of Jewish Schooling in Turkey, 1860 – 1925, Bloomington/Indianapolis 1990. Rother zufolge konnte die Alianza Hispano-Hebrea insbesondere im spanischen Protektorat in Marokko Fuß fassen und hatte dort 1920 bereits 4000 jüdische Mitglieder, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 31. Vgl. zu dieser Institution auch: Touboul Tardieu, Le s¦phardisme dans
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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Nach dem Verlust der letzten Überseekolonien im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 hatte der nördliche Teil von Marokko als spanisches Einflussgebiet an Bedeutung gewonnen und damit auch die dort lebende sephardische Bevölkerung.222 Pulido sah in diesen Sepharden potenzielle Stützen der spanischen Macht in Marokko.223 Manuel Ortega, der erste Biograf Pulidos, vertrat in seinem Buch Los hebreos en Marruecos (1919) ähnliche Positionen wie zuvor Pulido. Auch er ging von der Liebe der Sepharden zu Spanien aus und kontrastierte diese mit dem spanischen Desinteresse an den Sepharden, das er als „großes nationales Problem“ ansah.224 Er forderte die Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an die Sepharden in Marokko.225 Die von Ortega gegründete Zeitschrift Revista de Raza, die in Madrid zwischen 1915 und 1935 erschien, setzte sich für eine „nicht-rassische Hispanidad [ein, A. M.], eine Hispanidad, die die drei historischen Kulturen in sich vereint und untereinander versöhnt“.226 Armeegeneräle wie Jos¦ Marina Vega und der Vater des späteren franquistischen Außenministers Francisco Gûmez Jordana vertraten die Ansicht, dass die Stärkung der Handelsbeziehungen und der kulturellen Bindungen zwischen Spanien und den in Marokko lebenden Sepharden die spätere Kolonisierung erleichtern werde.227 Obwohl der Großteil der spanischen Bevölkerung von Pulidos Kampagne unberührt blieb, stieß sie auf reges Interesse unter Intellektuellen und Politikern, wie z. B. Rafael Cansinos-Assens, Manuel Ortega oder Niceto Alcal Zamora,228 und erreichte, dass Sepharden ins öffentliche Bewusstsein Spaniens rückten.229 Unmittelbare politische Auswirkungen hatte sie hingegen
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l’Espagne, in: Benbassa (Hg.), Itin¦raires S¦pharades, 81; Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 194 f. Vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 223 – 227. 1921 lebten etwa 12.000 Juden im spanischen Teil Marokkos. „Si tuvi¦ramos en EspaÇa gobiernos y ministros de Estado capaces de mirar al da de maÇana, y verdaderamente aptos por sus dotes diplomticas, y por su amor ardiente y previsor la patria, otra muy distinta sera nuestra influencia en este pueblo africano, donde siempre mantuvo EspaÇa puestos sus ojos y comprometidos sus ms caros intereses.“, Pulido, EspaÇoles sin patria, 479. „gran problema nacional“, zit.n.: Daz-Mas, Los Sefardes, 225. Vgl.: Touboul Tardieu, S¦phardisme et Hispanit¦, 212 f. „hispanidad no racial, una hispanidad queriendo reconciliar en ella, y entre ellas, sus tres culturas histûricas“, Guershon, Isaac, La Revista de la Raza, ûrgano del filosefardismo espaÇol, in: Races, 20/1994, 61. Vgl. zu der Zeitschrift auch: Rother, Spanien und der Holocaust, 32 f. In der Zeit ihres Erscheinens änderte die Zeitschrift dreimal ihren Namen: Revista de la Raza (1915 – 1930), La Raza (1930 – 1932) und Nuestra Raza (1934 – 1935). Guershon zufolge unterstützte Ignacio Bauer die Zeitschrift finanziell. Isidro Gonzlez datiert die Zeit des Erscheinens der Zeitschrift von 1922 bis 1930, vgl.: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 203. Vgl.: Rohr, The Spanish right, 20 – 25; Touboul Tardieu, S¦phardisme et Hispanit¦, 181. „Los sefardes, dispersos por diferentes pases de la cuenca mediterrnea, suscitaron en la EspaÇa liberal de la Restauraciûn, inter¦s y deseo de reparaciûn moral“, Lemoine, Martine, El doctor Pulido, apûstol de los sefarditas, in: Historia 16, 105/1985, 19. Zu Rafael Cansino-Assens vgl.: Touboul Tardieu, S¦phardisme et Hispanit¦, 187 – 191. Vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 221 f, 228 f.
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kaum.230 Allerdings lassen sich einige Ereignisse der Folgezeit auf das neu geweckte Interesse an den Sepharden zurückführen. So wurde dem Hebraisten Abraham Shalom Yahuda aus Jerusalem, der sephardische Wurzeln hatte, von der spanischen Regierung ein Lehrstuhl für Hebräische Literatur und die mittelalterliche Geschichte der Juden in Spanien an der Universität von Madrid angeboten.231 1920 wurde in Madrid die Casa Universal de los Sefardes gegründet. Ihr Ziel war die Stärkung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen Spaniens zu den Sepharden, zu diesem Zweck sollten zum einen Kulturinstitute im Ausland gegründet und zum anderen Bücher und Zeitungen herausgegeben werden. Die Gründung der Oficina de Relaciones Culturales EspaÇolas (ORCE) ging auf Am¦rico Castro und den Staatsminister Manuel Gonzlez Hontoria zurück. Sie verfolgte ebenfalls das Ziel, Kenntnisse der spanischen Sprache und Kultur zu verbreiten.232 Auch der spätere Faschist Ernesto Gim¦nez Caballero arbeitete mit der ORCE zusammen und gründete 1927 La Gaceta Literaria.233 In den Beiträgen der Gaceta zeigt sich die dem Philosephardismus eigene Vermischung mit panhispanischen, imperialisti-
230 Zum neu erwachten Interesse an den Sepharden vgl.: Lemoine, El doctor Pulido, in: Historia 16, 105/1985, 19. Allerdings stießen die philosephardischen Positionen auch auf Kritik. So sah sich Pulido von katholischer Seite dem Verdacht ausgesetzt, selbst Jude zu sein. Da sich viele seiner ehemaligen Freunde von ihm distanzierten, war seine politische Karriere aufgrund seiner philosephardischen Kampagne beendet. Vgl.: Avni, Spain, 27. Zu den Reaktionen von Sepharden auf Pulidos Kampagne vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 243 – 249. 231 Vgl.: Rohr, The Spanish right, 18. Zur Einrichtung eines Hebräisch-Lehrstuhls an der Universität von Madrid vgl. auch: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 195. Max Nordau setzte die Einrichtung des Lehrstuhls mit der Aufhebung des Ausweisungsediktes gleich. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 21. Aldina Quintana zufolge musste Yahuda bereits 1920 von seinem Lehrstuhl für rabbinische Sprache und Literatur an der Universität Madrid aufgrund starker Anfeindungen zurücktreten, vgl.: Quintana, Aldina, Sepharad ’92. 500 Jahre Vertreibung der Juden aus Spanien, in: Tranvia, 22/1991, 7. 232 Vgl.: Rohr, The Spanish right, 25 – 32; Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 198 f. Der Casa Universal de los Sefardes gehörten so unterschiedliche Persönlichkeiten an wie der spätere Präsident der Zweiten Republik Niceto Alcal Zamora, der spätere republikanische Premierminister Alejandro Lerroux, Konservative wie Antonio Goicochea, der Schriftsteller Manuel Ortega und Ignacio Bauer, Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid. 233 „A su vez, La Gaceta Literaria, como ûrgano de difusiûn ib¦rico, americano e internacional que promova el uso de las lenguas peninsulares – espaÇol, cataln, gallego, portugu¦s – en pos de una nueva uniûn hispnica, presentû al judo como el eslabûn que faltaba en la cadena ib¦rica e hizo explcita su misiûn de ser puente y foro pluralista de los hebreos, hermanos de lengua y tradiciûn.“, Schammah Gesser, Silvina, La imagen de Sefarad y los judos espaÇoles en los orgenes vanguardistas del fascismo espaÇol, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 68. Böcker sieht in Ernesto Gim¦nez Caballero ein Beispiel dafür, dass die Auseinandersetzung zwischen Antisemitismus und Philosephardismus in Spanien Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur zwischen verschiedenen Personen, Gruppen und Milieus verlief, sondern sich auch in einer Person wiederfinden konnte, vgl.: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 59. Zu Gim¦nez Caballero und seinen Positionen vgl. auch: Friedman, Michal, Reconquering „Sepharad“: Hispanism and proto-fascism in Gim¦nez Caballeros Sephardist crusade, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 35 – 60.
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Juden in Spanien. Ein Überblick
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schen und antisemitischen Vorstellungen.234 Gim¦nez Caballero hielt die Sepharden für die „Elite der [jüdischen] Rasse“ und engagierte sich für ein umfangreiches kulturelles Engagement Spaniens in den sephardischen Zentren. Ziele waren die Rekolonisation der Sepharden auf kulturellem, wirtschaftlichem und geopolitischem Gebiet. Der Philosephardismus wird hier zum kulturimperialistischen Instrument stilisiert.235 In der Zweiten Republik und insbesondere zu Beginn des primer bienio Anfang der 1930er Jahre konnten die Philosepharden ihr Anliegen vermehrt zum Gegenstand öffentlicher Debatten machen. Böcker konstatiert eine „Art romantische Aufbruchstimmung in den spanisch-jüdischen Beziehungen“.236 Den Anhängern der Republik ging es um eine Revision des Vertreibungsediktes, um eine Annäherung an die Sepharden und um ihre „Wiedereingliederung“ in die spanische Gesellschaft. Ebenso sollte die Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbs für Sepharden neu geregelt werden. Mithilfe symbolträchtiger historischer Persönlichkeiten versuchte die Regierung die Tradition der Toleranz zu betonen und gegen das Bild eines finsteren und rückständigen Spaniens anzukämpfen, so z. B. mit der offiziellen Gedenkveranstaltung anlässlich des 800. Geburtstages des Philosophen Maimonides 1935.237 Im Franquismus lebte der konservative Philosephardismus auf, einer seiner prominentesten Vertreter war Blas PiÇar.238 Von einem Bekenntnis zum sephardischen Erbe erhofften sich franquistische Philosepharden oftmals – wie diese Untersuchung zeigen kann – einen internationalen Prestigegewinn.239 Über die Phase des Franquismus hinaus prägen die Ideen des zum „Apostel 234 Vgl.: Rohr, The Spanish right, 27 – 30. 235 Vgl.: Schammah Gesser, La imagen de Sefarad, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 74, 68, 73 f, 83 f. Vgl. dort auch ausführlicher zur Gaceta Literaria und zur Position Gim¦nez Caballeros: Ebd., 67 – 88. 236 Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 139. Böcker zufolge wurde der Philosephardismus in der Zweiten Republik zunehmend mit dem liberalen und linken Lager identifiziert, der konservative Philosephardismus nahm ab, vgl.: Ebd., 59 f. 237 Zu den Feierlichkeiten anlässlich des 800. Geburtstages von Maimonides vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 56; Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 40 f; Touboul Tardieu, S¦phardisme et Hispanit¦, 196 f. Avni zufolge wurde bei den Feierlichkeiten eine Gedenktafel mit der Aufschrift „Spain, through the government of the Nation, expresses its homage to the immortal genius of Judaism. Cûrdoba, his native city, adores his memory“ enthüllt (Avni, Spain, 38). Speziell zur Instrumentalisierung der Gedenkfeiern rund um Maimonides vgl.: Gonzlez Garca, Isidro, La celebraciûn del 800 aniversario de Maimûnides hace 50 aÇos (1935), in: El Olivo, 24/1986, 183 – 193. 238 Vgl.: Hassn, Iacob M., El Simposio de Estudios Sefardes, in: Sefarad, 2/1964, 344; Rehrmann, Das schwierige Erbe, 771. Das imperialistische Streben des franquistischen Regimes machte es Rohr zufolge besonders empfänglich für philosephardisches Gedankengut, vgl.: Rohr, The Spanish right, 7. 239 Vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 771 ff. Stern stellt auch für die deutsch-jüdischen Beziehungen fest, dass der Philosemitismus in den 1950er Jahren zu einem politischen Instrument im Umgang mit internationalen jüdischen Organisationen wurde, vgl.: Stern, GermanJewish Relations in the Postwar Period, in: Bodemann (Hg.), Jews, Germans, Memory, 93.
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Einführende Überlegungen
der Sepharden“ verklärten Pulido das öffentliche Sephardenbild in Spanien bis in die Gegenwart.240 So werden Sepharden sowohl im öffentlichen Bewusstsein als auch in der Forschung häufig auf ihre Sprache, ihr Spaniertum oder den ihnen unterstellten Patriotismus reduziert. Der Hispanismo der Sepharden ist aber, wie der bekannte Hebraist Iacob Hassn zu Recht einwendet, weniger Ausdruck ihrer Spanienliebe als vielmehr Ausdruck der eigenen Identität, ebenso wie die spanische Sprache als eigene Sprache, nicht aus wehmütiger Erinnerung an das iberische Land, bewahrt wurde.241
240 Zu den Topoi, die ausgehend von der Philosephardismus-Kampagne die Wahrnehmung und Darstellung der Sepharden prägen, vgl.: Macas Kapon, Uriel, EspaÇa y los sefardes, in: El Pas, 19. 10. 1990. 241 Vgl.: Hassn, Iacob M., Los Sefardes como tûpico, in: Races, 1/1986, 36. Zur Haltung der Sepharden gegenüber Spanien vgl. auch: Daz-Mas, Los Sefardes, 247 f.
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Jüdische Gegenwart und das sich wandelnde Selbstverständnis des spanischen Staates: Zwischen Nationalkatholizismus, Philosephardismus und convivencia Es ist offensichtlich, dass es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Wiederansiedlung jüdischer Bevölkerung sowie ihrer Organisierung in Gemeinden nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufleben eines offiziellen Gedächtnisses an die spanisch-jüdische Vergangenheit im Mittelalter gab. Inwieweit lässt sich aber ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen beiden Entwicklungen feststellen? War die Wahrnehmung der jüdischen Gegenwart in Spanien, die in diesem Abschnitt untersucht wird, durch kollektive Erinnerungen an die Vergangenheit von Sepharad beeinflusst? Der Untersuchung des offiziellen Umgangs mit dem gegenwärtigen Judentum wird die These vorangestellt, dass ein grundlegender Unterschied zwischen der staatlichen Erinnerungs- und Religionspolitik bestand. Während die Erinnerungspolitik durch philosephardische Denkmuster beeinflusst war, war für die Religionspolitik bis mindestens zur Verfassung 1978 das nationalkatholische Selbstverständnis prägend. Bei der Untersuchung der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges steht kein ereignisgeschichtlicher Zugriff im Vordergrund, vielmehr sollen die strukturierenden Rahmenbedingungen herausgearbeitet und Entwicklungen aufgezeigt werden. Unter Rahmenbedingungen werden die diskursiven „Judenbilder“, die juristischen Grundlagen und die politischen Einflussfaktoren verstanden. Ergänzend werden Schlaglichter auf einige als zentral erachtete Ereignisse geworfen. Auf diese Weise kann der Zusammenhang zwischen dem Selbstverständnis des spanischen Staates vor und nach 1975 und dem offiziellen Umgang mit Juden herausgearbeitet werden.
1. Ambivalente „Judenbilder“ im Franquismus Im franquistischen Spanien existierte eine kleine jüdische Gemeinschaft, im Alltag rückten Juden aber lediglich in Ausnahmefällen ins öffentliche und offizielle Bewusstsein. Die Bevölkerung ebenso wie die Regierung nahmen Juden in erster Linie als abstrakte, historische oder biblische Figuren wahr. Die Re-
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Jüdische Gegenwart
gierung setzte sich in den Jahrzehnten der franquistischen Diktatur nur zu konkreten Anlässen mit Fragen der jüdischen Gegenwart auseinander. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Reaktionen auf Gesuche und Anfragen von jüdischer Seite, die Initiative lag somit selten beim Staat. Für die regierungsinternen Auseinandersetzungen mit Fragen jüdischer Gegenwart ebenso wie für die Kontakte, die das Regime zu jüdischen Repräsentanten unterhielt, lassen sich bestimmte Topoi feststellen, die auf ein stark stereotypisiertes „Judenbild“ verweisen. Die für den spanischen Fall häufiger untersuchte klischeehafte Darstellung von Sepharden lässt sich ergänzen, wenn der Blickwinkel erweitert wird und das Judentum im Allgemeinen sowie der Staat Israel in die Betrachtung mit einbezogen werden. Auch hier findet sich eine Überprägung der Diskursobjekte durch Vorurteile.1 Um die charakteristischen Merkmale herauszuarbeiten, ist es notwendig, die Chronologie zugunsten einer inhaltlich orientierten Gliederung aufzubrechen. Eine Zusammenfassung der 1950er und 1960er Jahre ist gerechtfertigt, da sich die grundlegenden Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster entgegen den juristischen Rahmenbedingungen jüdischen Lebens in diesem Zeitraum wenig veränderten. Bereits seit Anfang der 1960er Jahre entwickelte sich auch ein alternativer Minderheitendiskurs, der u. a. von der christlich-jüdischen Freundschaftsvereinigung Amistad Judeo-Cristiana (AJC) mitgetragen wurde. Kurz- und mittelfristig erreichte die Arbeit der AJC nur einen begrenzten Personenkreis, langfristig konnte sie aber dazu beitragen, den mystifizierten und stereotypisierten „Judenbildern“ ein realistischeres Bild der jüdischen Gegenwart entgegenzusetzen. Die Gegenüberstellung der verschiedenen diskursiven Charakteristika anhand von Schriftstücken und Stellungnahmen der verantwortlichen Ministerien einerseits und den Publikationen und Veranstaltungen der AJC andererseits zeigt auf, zwischen welchen Polen und basierend auf welchen politischen und ideologischen Grundüberzeugungen jüdische Gegenwart im franquistischen Spanien verhandelt wurde. Damit legt dieses Kapitel die Grundlage für das Verständnis und die Einordnung der Debatten um die juristische Anerkennung der nicht-katholischen Minderheiten und schlägt eine Brücke zur franquistischen Erinnerungspolitik, die durch ähnliche Topoi geprägt war.
1.1 Der Regierungsdiskurs über Juden, Sepharden und Israel Nach den Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die zu einer vorübergehenden Ansiedlung jüdischer Flüchtlinge in Spanien geführt 1 Iacob M. Hassn arbeitete in der ersten Ausgabe der jüdischen Kulturzeitschrift Races 1986 vier für den Diskurs über Sepharden charakteristische Topoi heraus: den Topos der Sprache, des Romancero, des Spaniertums und der Patria, vgl.: Hassn, Los Sefardes como tûpico, in: Races, 1/1986, 33.
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Ambivalente „Judenbilder“ im Franquismus
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hatten, bedeutete die Einwanderung der Sepharden aus Marokko eine strukturelle und dauerhafte Veränderung der in Spanien existierenden jüdischen Gemeinden. Gleichzeitig nahmen seit den 1950er Jahren die internationalen Kontakte der franquistischen Regierung zu. 1953 hatte das franquistische Regime erste Abkommen mit den USA (u. a. Verwendung militärischer Stützpunkte in Spanien, Wirtschaftshilfe) und das Konkordat mit dem Vatikan schließen können. 1955 wurde Spanien in die UN und 1956 in die Genfer Internationale Arbeitsorganisation aufgenommen.2 Diese vorsichtige Öffnung nach außen kontrastierte im Inneren des Regimes mit einer auf Autarkie und Protektionismus ausgerichteten Wirtschaftspolitik, deren Scheitern Ende der 1950er Jahre offensichtlich wurde. Eine enorme Preissteigerung 1956/57 führte zu sozialen Unruhen in der Arbeiterschaft, einer Protestbewegung an den Universitäten sowie einer Streikwelle in den Industriezentren. Die Regierungsumbildung 1957 und der steigende Einfluss des technokratischen Opus Dei bedeuteten einen grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, auf den auch internationale Organisationen und die USA hinarbeiteten. Der 1959 verabschiedete Stabilisierungsplan, der auf eine fortschreitende Integration Spaniens in die Weltwirtschaft zielte, war zugleich die Voraussetzung für umfangreiche Wirtschaftshilfen, die Spanien in den 1960er Jahren aus dem Ausland erhielt.3 Die Außenpolitik des Franco-Regimes befand sich Ende der 1950er Jahre somit in einem Spannungsverhältnis zwischen der Annäherung an die westliche Staatengemeinschaft auf der einen Seite und die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zu den arabischen Staaten auf der anderen Seite, wobei die Regierung versuchte, eine Vermittlerrolle zwischen der arabischen Welt und Europa einzunehmen.4 Die Frage des Umgangs mit dem Staat Israel avancierte vor diesem Hintergrund mehrfach zum Konfliktpunkt. Die zunehmende internationale Verflechtung und das Anwachsen der jüdischen Bevölkerung sowie das damit verbundene Interesse internationaler jüdischer Organisationen an den Rahmenbedingungen jüdischen Lebens in Spanien führten dazu, dass sich die spanischen Autoritäten gegenüber der jüdischen Gemeinschaft in Spanien sowie in einigen Fällen gegenüber der jüdischen Bevölkerung im Ausland positionieren und in Einzelfragen Entscheidungen treffen mussten.5 Für größere Aufmerksamkeit in 2 Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 226 – 230. 3 Bernecker, Walther L., Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, München 21988, 109 – 119. 4 Die guten Beziehungen zur arabischen Liga führt Lisbona auf die antizionistische Haltung der spanischen Regierung, auf die prospanische Politik der arabischen Staaten in den Vereinten Nationen sowie auf die spanischen Waffenlieferungen an arabische Staaten zurück, vgl.: Lisbona, Jos¦ Antonio, Las Relaciones Diplomticas EspaÇa-Israel: 1948 – 1986, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 202 f. Ferner spielten geostrategische Interessen der spanischen Regierung im arabischen Raum eine Rolle. 5 Das Außenministerium stellte dazu fest: „Desde hace ms de un aÇo se viene observando una creciente intensificaciûn del inter¦s del mundo judo tanto de Israel como de la Dispora por entablar contactos con EspaÇa en los terrenos ms diversos, poltico, religioso, cultural, aprovechando cualquier circunstancia favorable para iniciar una conversaciûn, sugerir un acerca-
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Regierungskreisen sorgte die Versammlung des Jüdischen Weltkongresses in Stockholm 1959, wie die Akten des Außenministeriums belegen.6 Dabei standen einer „Normalisierung“ der Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft aus Sicht des franquistischen Regimes mindestens zwei Hindernisse im Weg: Neben das allgemeine Misstrauen gegenüber allem Nicht-Katholischen trat eine spezifisch „jüdische Komponente“, zu der die (behauptete) Furcht vor einer Weltverschwörung und Infiltrierung der spanischen Politik ebenso gehörten, wie die Angst, durch eine vermeintliche Annäherung an Israel die traditionelle Freundschaft zu den arabischen Staaten zu gefährden. Der offizielle Diskurs wurde in erster Linie durch die Regierung und ihre Ministerien geprägt. Neben einigen wenigen öffentlichen Stellungnahmen Francos, die alle auf die unmittelbare Nach-Bürgerkriegszeit datieren und auf die Gefahr einer jüdisch-freimaurerisch-kommunistischen Verschwörung rekurrierten,7 waren insbesondere das Außenministerium und seine Diplomaten sowie das Innenministerium mit seinen Unterabteilungen an der Aushandlung des offiziellen „Judenbildes“ beteiligt. Verantwortlich für die Kontakte mit jüdischen Persönlichkeiten, Organisationen oder Gemeinden war vor allem das Außenministerium. In einigen Fällen waren außerdem das für Propaganda zuständige Ministerium für Information und Tourismus, die Presidencia del Gobierno oder das Justizministerium involviert. Während hier zunächst charakteristische Muster und damit insbesondere Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden sollen, kann an einigen Beispielen, besonders anschaulich im Kapitel zur Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial (EBSM), gezeigt werden, wie stark Einschätzungen von der jeweiligen Perspektive und Interessenlage abhingen und auch innerhalb eines Ministeriums variieren konnten. In Anlehnung an Martine Berthelot, die in verschiedenen Studien die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Barcelona untersucht hat, ist eine Differenzierung des Diskurses in drei Betrachtungsebenen zu erkennen: das Judentum im Allgemeinen, die in Spanien lebenden Juden, sowie der Staat Israel, wobei die jüdische Bevölkerung im In- und Ausland zusätzlich häufig in Sepharden und Aschkenasen unterschieden wurde und sich eine Hierarchisierung zugunsten der Sepharden feststellen lässt.8 Diese Dreiteilung war handlungsleitend für das Außenministerium. Allerdings blieben Fragen zur spanisch-jüdischen Gegenwart im offiziellen miento o aparecer interesado en un proyecto comffln del que inevitablemente se termina por desprender la consecuencia de que la actitud espaÇola hacia los judos se est modificando rpidamente.“, „EspaÇa y el Mundo judo“, ohne Datum (aus dem Zusammenhang der Akte ergibt sich eine ungefähre Datierung auf das Jahr 1960); AMAE, Leg. R 5965/40. 6 Vgl. insbesondere AMAE, Leg. R 6487/1. 7 Zu den bekannten antisemitischen Äußerungen Francos vgl.: Kapitel 2.3 „Antisemitismus“; sowie Rother, Spanien und der Holocaust, 62 f. 8 Berthelot stellt fest: „Globalmente, esta poltica juda presenta tres dimensiones: la cuestiûn religiosa, la cuestiûn sefard y las relaciones entre el Estado de Israel y EspaÇa“, Berthelot, Cien aÇos, 110.
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Diskurs des Franco-Regimes – im Gegensatz zur Betonung des nationalkatholischen Charakters des Staates – ein marginal(isiert)es Thema. Auch in der medialen Berichterstattung spielten sie keine wichtige Rolle. Während ausländische Medien und die jüdischen Gemeindeblätter die Entwicklungen in der jüdischen Gemeinschaft Spaniens aufmerksam beobachteten und dabei auf der Suche nach traditions- und sinnstiftenden Erinnerungen nicht selten einen Bezug zum „goldenen Zeitalter“ auf der Iberischen Halbinsel vor 1492 herstellten, berichtete die nationale Presse nur sehr vereinzelt über solche Themen. Von Interesse waren in diesem Kontext hauptsächlich kulturelle Belange oder solche, die in einem Zusammenhang mit Israel standen. Über das jüdische Leben in Spanien selbst wurde nur selten und selektiv informiert. So berichteten z. B. die Tageszeitungen ABC, La Vanguardia und Ya ebenso wie die falangistische Arriba über die erste Ausstellung zu sephardischer Kultur in Madrid im Jahr 1959,9 wohingegen die Berichterstattung über die Eröffnung einer Synagoge in Madrid im selben Jahr von der franquistischen Zensur unterbunden worden war.10 Gleiches gilt für die Audienz, die den jüdischen Gemeindepräsidenten aus Madrid und Barcelona im Januar 1965 gewährt wurde, die keine der oben genannten Zeitungen erwähnte, obwohl die zivilen und militärischen Audienzen des entsprechenden Tages minutiös aufgelistet wurden.11 Ebenso wenig findet sich ein Verweis auf die nach dem 1967 verabschiedeten Religionsgesetz erfolgte offizielle Anerkennung der jüdischen Gemeinden in Madrid und Barcelona.12 Jüdisches Leben in Spanien wurde öffentlich kaum wahrgenommen. 9 Vgl.: „Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: ABC, 19. 11. 1959, 46; „El Ministro de Educaciûn Nacional inaugurû la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: Arriba, 19. 11. 1959, 23; „Clausura de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: La Vanguardia, 19. 11. 1959, 10; „Los sefardes han sido fieles a su patria de origen“, in: Ya, 19. 11. 1959, 9. Ausführlich zu der Ausstellung vgl. das entsprechende Kapitel 3.1. 10 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 165. 11 Der Begriff „Audienz“ lehnt sich an die spanische Formulierung an. Spanien war seit 1947 als Monarchie konstituiert, und Franco hatte die Funktion des Regenten inne. Ein Protokoll der Audienzen unter Auslassung der Audienz mit den jüdischen Gemeindepräsidenten findet sich in: „Franco recibe a la directiva de la agrupaciûn de corresponsales extranjeros“, in: ABC, 21. 1. 1965, 35; „El Jefe del Estado recibiû a la Cooperativa de Promotores de la Costa del Sol“, in: Arriba, 21. 1. 1965, 4; „Audiencias de Su Excelencia el Jefe del Estado“, in: La Vanguardia, 21. 1. 1965, 5; „Audiencias civil y militar del Jefe del Estado“, in: Ya, 21. 1. 1965, 13. Bestimmte Meldungen konnten mittels sogenannter consignas verboten werden. Vgl.: Neuschäfer, Macht und Ohnmacht der Zensur, 43. 12 La Vanguardia berichtete in einer kleinen Notiz über die in unmittelbarer zeitlicher Nähe erfolgte Eröffnung der Synagoge in Madrid, vgl.: „Inauguraciûn de la primera sinagoga que se construye en Castilla desde el siglo XIV“, in: La Vanguardia, 17. 12. 1968, 9. Die katholische Tageszeitung Ya druckte am 14.12. einen Artikel aus dem Organ der Falange EspaÇola Tradicionalista y de las J.O.N.S El Alczar ab, in dem über die in Spanien lebenden Juden berichtet wurde, verwies aber nicht auf die am Vortag erfolgte Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid, vgl.: „8.500 hebreos en territorio espaÇol“, in: Ya, 14. 12. 1968, 14. Insgesamt lässt sich für die Zeit nach der Verabschiedung des Religionsgesetzes 1967 eine leichte Zunahme der
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Auch die historische Verbindung zwischen Spanien und der sephardischen Welt spielte entgegen der Betonung der traditionellen Freundschaft zu den arabischen Staaten (franquistischer Bruderdiskurs) in den offiziellen Stellungnahmen des Regimes, wie z. B. in Ansprachen des Staatschefs Franco, eine untergeordnete Rolle.13 Der franquistische Philosephardismus war – so die hier vertretene These – kein ideologischer Allgemeinplatz, sondern wurde in konkreten inhaltlichen Zusammenhängen virulent, die in den meisten Fällen aber nicht an die Öffentlichkeit drangen. Wiederkehrende Fragen waren die Regelung der Staatsbürgerschaft für Sepharden, ein spanisches Engagement für bedrohte Juden im Nahen und Mittleren Osten sowie die Möglichkeit einer Legalisierung der in Spanien existierenden Gemeindestrukturen. In der Diskussion um die Regelung der spanischen Staatsbürgerschaft für Sepharden Mitte der 1950er Jahre forderte die Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen eine „Unterstützung für den sephardischen Seminationalismus gegenüber dem marxistisch jüdisch-aschkenasischen Internationalismus“ und plädierte damit zugleich für eine eindeutige Unterscheidung zwischen Sepharden und Aschkenasen.14 Eine ähnliche Position vertrat der Außenminister Fernando Mara Castiella in einem Schreiben an den Minister für Information und Tourismus Manuel Fraga Iribarne, in dem er die Haltung des Außenministeriums angesichts eines von der jüdischen Gemeinde in Barcelona eingereichten Memorandums erläuterte, welches u. a. die Frage der spanischen Staatsbürgerschaft für Nicht-Sepharden berührte. „Wie ausreichend bekannt ist, war und ist zwischen der spanischen Politik gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Spanien und dem internationalen Judentum auf der einen Seite sowie dem Staat Israel auf der anderen [Seite, A. M.] zu unterscheiden.“15 Die Haltung der Regierung gegenüber den Juden im Allgemeinen zeichne sich durch ein sehr wohlwollendes Verhalten aus, dies zeige sich an der „Vielzahl von nationalen Berichterstattung über jüdisches Leben in Spanien beobachten. Vgl. zu diesen Entwicklungen auch den Abschnitt 2.3 „Religionspolitik in der Regierungspraxis“. 13 Zum (früh-)franquistischen Bruderdiskurs vgl.: Hertel, Patricia, Der erinnerte Halbmond. Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert, Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 40, München 2012, 127 – 130 sowie zu Islambildern im Franquismus: 109 – 130. 14 „apoyo al seminacionalismo sefard en contraposiciûn con el internacionalismo marxista judeoaskenazi [sic]“, Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales, Informe (reservado), Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. 15 „Como es suficientemente sabido ha sido y es muy distinta la poltica espaÇola de un lado con la colonia juda en EspaÇa y el judasmo internacional y de otro con el Estado de Israel.“, Schreiben von Fernando Mara Castiella an Manuel Fraga Iribarne, Madrid, 2. 1. 1963; AMAE, Leg. R 15123/8. Zu dieser Dreiteilung vgl. auch: Schreiben von Fernando Mara Castiella an Angel Sanz Briz, spanischer Botschafter in Den Haag, Madrid, 24. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15102/12. Zur Frage der Staatsbürgerschaft für die im ehemaligen spanischen Protektorat in Marokko lebenden Juden vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 463. Dabei verweist er auf die Schwierigkeiten der marokkanischen Sepharden beim Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft, insbesondere aufgrund fehlender Dokumente aus dem Herkunftsland.
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Schutzmaßnahmen und humanitären Interventionen, die zu ihren Gunsten während des letzten Weltkrieges von unseren [den spanischen, A. M.] diplomatischen Repräsentanten realisiert wurden“.16 Der Schutz der Sepharden im Besonderen wurde vom Außenministerium zu einer Traditionslinie spanischer Politik stilisiert, die sich angeblich auch in der Gesetzgebung – hier spielte das Ministerium auf die Staatsbürgerschaftsdekrete von 1924 und 1948 an – fortsetze.17 Mit Blick auf die jüdische Bevölkerung in Spanien hielt Castiella in dem gleichen Schreiben hingegen fest, dass es sich um „eine in sich geschlossene Gruppe [handele, A. M.], die aufgrund ihres eigenen Willens und Charakters gegenüber dem Rest der Bevölkerung in keinster Weise assimilierbar ist. Sie hält ihre spezifischen Unterscheidungsmerkmale von Generation zu Generation aufrecht, eine Eigenschaft, die bei anderen ausländischen Familien, die sich in Spanien niedergelassen haben, nicht festzustellen ist, bauen diese doch nach einiger Zeit eine familiäre, psychologische und ideologische Bindung [zu Spanien, A. M.] auf“.18
In weiteren Berichten des Außenministeriums aus den 1950er und 1960er Jahren wurde diese Einschätzung ausdifferenziert und die Unterscheidung zwischen Sepharden und Aschkenasen trat deutlich hervor : Die Mehrheit der in Spanien lebenden Sepharden, in denen das Außenministerium „die Aristokratie des Judentums“19 sah, habe sich in den 1960er Jahren durchaus um den Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft bemüht, insbesondere für die Generation der in Spanien geborenen Kinder. Demgegenüber besäßen die vornehmlich aus Osteuropa stammenden Aschkenasen weiterhin ihre ur-
16 „multitud de casos de acciones de protecciûn y de intervenciones por razûn de humanidad realizadas a su favor durante la pasada guerra mundial por nuestros Representantes diplomticos“, Schreiben von Fernando Mara Castiella an Manuel Fraga Iribarne, Madrid, 2. 1. 1963; AMAE, Leg. R 15123/8. 17 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Asuntos Consulares, Madrid, 20. 9. 1963; AMAE, Leg. R 7330/123. Zum Gesetz von 1924 vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 40 f; ausführlich zur Frage der Staatsbürgerschaft für Sepharden vgl.: Kapitel 4.3, zum Topos einer umfassenden Hilfe für verfolgte Juden in der Nachkriegszeit vgl. das Kapitel „Legitimierende Erinnerung“. 18 „un grupo cerrado y, por su propia voluntad y caractersticas, totalmente inasimilable al resto de la poblaciûn. Mantiene sus diferencias especficas generaciûn tras generaciûn, cosa que no sucede con las familias extranjeras implantadas en EspaÇa que al cabo de un cierto tiempo suelen vincularse familiar, psicolûgica e ideolûgicamente“, Schreiben von Fernando Mara Castiella an Manuel Fraga Iribarne, Madrid, 2. 1. 1963; AMAE, Leg. R 15123/8. Lisbona geht davon aus, dass sich Castiella hier auf die aschkenasischen Juden bezieht, dies geht aus dem Schreiben aber nicht eindeutig hervor, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 236. Dort heißt es lediglich, dass das zuständige Innenministerium (Ministerio de la Gobernaciûn) bei der Frage der Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an Aschkenasen, deren nicht-vorhandene Fähigkeit zur Assimilation und Integration berücksichtigen solle. 19 „la aristocracia del judaismo“, Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa reservado, Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37.
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sprünglichen Nationalitäten.20 Diese Einschätzung deutet auf eine von der Regierung vollzogene Unterteilung der Juden in „gute und patriotische Sepharden“ einerseits und als eher fremd und illoyal erachtete, „böse Aschkenasen“ andererseits hin.21 Die positive Abgrenzung der Sepharden als spanische Juden und Mitglieder der hispanischen Familie von den sich nicht als Spanier verstehenden Aschkenasen wird in einer Korrespondenz zwischen Justiz- und Außenministerium aus dem Jahr 1963 besonders deutlich, in der die Einschätzung des Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Melilla zustimmend wiedergegeben wird: „es scheint nicht gerecht, dass den Übrigen [die im ehemaligen spanischen Protektorat in Marokko oder in Ceuta und Melilla lebenden Sepharden, A. M.], die in Spanien geboren wurden, die sich aus Tradition und Überzeugung als Spanier fühlen und ihren Militärdienst geleistet haben, wie alle als solche anerkannten Spanier, kein Zutritt zur spanischen Gemeinschaft gewährt wird“.22
Die positive Bewertung der Sepharden beruhte auf der Annahme, dass die sephardische Kultur ein „wesentliche[r] Bestandteil“23 der spanischen Geschichte sei und basierte weitgehend auf philosephardischem Gedankengut. Zugleich fügte sie sich als kulturimperialistische Strategie in das kolonialistische Denken des franquistischen Regimes ein. Wie sehr die Beurteilung der Sepharden von kulturpolitischen Überlegungen beeinflusst war, zeigt sich auch daran, dass die im Außenministerium angesiedelte Abteilung für Kul20 Vgl.: Direcciûn General Prûximo Oriente, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 16. 3. 1965; AMAE, Leg. R 7632/35. Die Charakterisierung der aschkenasischen Juden als Ausländer wird auch in einem Schreiben des spanischen Generalkonsuls in Jerusalem deutlich, der deshalb ihre stärkere Überwachung fordert. Auch wirft er ihnen den Missbrauch des Staatsbürgerschaftsdekrets von 1924 vor, vgl.: Schreiben (muy reservado) von Lûpez Garca, P., spanischer Generalkonsul in Jerusalem, an Außenminister, Jerusalem, 17. 3. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. Die Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen betont demgegenüber, dass sogar die Mehrheit der sephardischen Juden in Israel gegenüber dem dortigen Generalkonsulat ihren Willen bekundet habe, die spanische Staatsbürgerschaft zu behalten und dafür die israelische abzugeben, vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales, Informe (reservado), Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. Vgl. auch: „Anlisis crtico y refutaciûn de los argumentos aducidos en favor de la revisiûn del decreto de Primo de Rivera de 20 de diciembre de 1924“, Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. 21 Vgl. z. B.: Cantera Burgos, Francisco, Los sefardes conservan el sello espaÇol, in: Ya, 19. 12. 1958; Lisbona, Retorno a Sefarad, 259. 22 „no parece justo que a los dems, que habiendo nacido en EspaÇa, sinti¦ndose espaÇoles, por tradiciûn y convicciûn, y habiendo prestado el servicio militar, como todos los espaÇoles reconocidos como tales, no se les admita en la comunidad espaÇola“, Schreiben von Director General de los Registros y del Notariado, Ministerio de Justicia an Director General de Asuntos Consulares, Madrid, 15. 6. 1963; AMAE, Leg. R 7330/123. Zur Haltung des Außenministeriums in dieser Frage vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 239. 23 „parte integrante“, Schreiben von Fernando Mara Castiella an Angel Sanz Briz, spanischer Botschafter in Den Haag, Madrid, 24. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15102/12. Zur These des Philosephardismus als Kulturimperialismus vgl.: Rohr, The Spanish right, 6 f.
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turelle Beziehungen gegenüber den dortigen politischen Abteilungen oftmals zu einer positiveren Einschätzung kam.24 Der kulturpolitische Diskurs wurde auch durch das bereits 1940 unter dem Dach des staatlichen CSIC gegründete Instituto Arias Montano entscheidend mitgeprägt.25 In der ersten Ausgabe der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift Sefarad heißt es zur Aufgabe der neu gegründeten Forschungseinrichtung: „Es muss bedacht werden, dass das spanische Judentum auf dem Gebiet der religiösen Poesie, der Bibelexegese, der hebräischen Philologie, Philosophie sowie der reinen und experimentellen Wissenschaften höchste Werte verkörperte. […] An dieses hebräisch-spanische Kulturerbe anzuknüpfen und es zu inventarisieren, seine Beziehungen zu anderen Zivilisationen aufzuzeigen, die spanischen Charakteristika zu betonen, die die Sepharden noch immer bewahren, wird ein weiteres Ziel der Escuela de Estudios Hebraicos sein.“26
Für das Instituto Arias Montano blieb die Bewahrung der spanischen Sprache auch in den nachfolgenden Jahrzehnten ein wichtiges Kriterium für die Bewertung der sephardischen Kultur.27 Es ordnete die Sepharden in die Familie der Hispanidad ein.28 Aus Sicht des Außenministeriums ergab sich das Interesse an der sephardischen Kultur ebenfalls aus dem Umstand, dass es sich bei dieser – ähnlich wie bei der hispano-arabischen Kultur – um ein „spezifisch spanisches Phänomen“ handelte.29 Das Interesse an den sephardischen Traditionen und Gebräuchen begründete die offizielle Haltung der franquis-
24 Zu den unterschiedlichen Positionen vgl. das Kapitel zur EBSM. 25 An der Gründung des Instituts waren die Hebraisten, Federico P¦rez Castro, der ab 1965 dessen Leiter wurde, und Francisco Cantera, der erste Direktor, beteiligt. 1982 ging die Leitung der Einrichtung mit Jos¦ Luis Lacave an einen weiteren Hebraisten über. 26 „Hay que tener en cuenta que el judasmo espaÇol ofreciû los ms altos valores en poesa religiosa, ex¦gesis bblica, filologa hebraica, filosofa y ciencias puras y experimentales. […] Recoger e inventariar el acervo cultural hebraicoespaÇol, anotar las relaciones que lo unen con otras civilizaciones, destacar los acentos espaÇoles que aun guarden los sefardes, ser, pues, otra de las aspiraciones de la Escuela de Estudios Hebraicos [Hervorhebung im Original].“, Prûlogo, in: Sefarad, 1/1941, 3 f. 27 Vgl. z. B.: Besso, Henry V., Informaciûn Sefard, in: Sefarad, 1/1961, 76 – 84. 28 Vgl.: Hassn, Iacob M. (Hg.), Actas del Primer Simposio de Estudios Sefardes. Primero de los actos celebrados con motivo del XXV aniversario de la fundaciûn del Consejo Superior de Investigaciones Cientficas, Madrid 1970. Besonders augenscheinlich bei der Untersuchung des wissenschaftlichen Diskurses ist, dass dieser nur von wenigen Personen geprägt wurde. An herausragender Stelle ist dabei auf Iacob M. Hassn zu verweisen, der als Wissenschaftler des Instituto Arias Montano, als Autor und Herausgeber zahlreicher Studien und zeitweilig der Zeitschrift Sefarad sowie Organisator von Kongressen und Symposien die wissenschaftliche Landschaft entscheidend mitgestaltete. Vgl.: CastaÇo, Javier, In Memoriam: Iacob M. Hassn (1936 – 2006), in: Sefarad, 1/2006, 1 – 6. 29 „fenûmeno especficamente espaÇol“, Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37.
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tischen Regierung gegenüber den Sepharden.30 Der spanische Staat sei deshalb, wie es ein Rundschreiben der Generaldirektion Naher und Mittlerer Osten Ende 1959 erläuterte, bereit, die Bemühungen sephardischer Gemeinden zur Bewahrung und Pflege ihrer Kultur zu unterstützen und so einer drohenden Assimilierung an die jeweilige Mehrheitsgesellschaft bzw. an die in Israel dominante aschkenasische Gemeinschaft entgegenzuwirken.31 Dabei galt dem Außenministerium das Überleben der spanischen Sprache in sephardischen Gemeinden außerhalb Spaniens als wichtiges Indiz für die den Sepharden hoch angerechnete Bewahrung der spanischen Kultur.32 Diesen Umstand betonte der Direktor des Instituto de Cultura Hispnica, Blas PiÇar, in einer Radioansprache während seines Aufenthaltes in Israel im April 1962: „Und an euch, diejenigen, die in diesen Sendungen in Ladino, in Judenspanisch, in dem alten Spanisch aller, in dem Spanisch von Cervantes und Lope de Vega und Lope de Rueda, in diesem Romancero-Spanisch, in diesem Neo-Spanisch, in dieser Romanze, die sich mit dem Beginn der Diaspora der spanischen Juden aus jenem geliebten Sepharad grammatikalisch und lexikografisch geformt und vervollständigt hat, an euch alle, die ihr mit heldenhafter Anstrengung diese Sendungen ermöglicht und die Stimme Spaniens an all diejenigen richtet, die die Sehnsucht nach ihrem alten gemeinsamen Heimatland weiterhin empfinden, meine enthusiastischsten Glückwünsche.“33
30 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37. 31 Vgl.: Rundschreiben (secreto) von Director General de Poltica Exterior, Prûximo y Medio Oriente an spanische Botschafter in Lateinamerika, Madrid, 23. 11. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. Vgl. auch: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (reservado), Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. Vermutlich basierte die Einschätzung des Außenministeriums auf dem Bericht des Jüdischen Weltkongresses, der den drohenden Verlust der sephardischen Sprache und Kultur thematisierte. Vgl.: „IVAsamblea del Congreso Judo Mundial celebrada en Estocolmo del 2 al 12 de agosto de 1959“, Madrid, 24. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6530/38. 32 Vgl. z. B.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales, Informe (reservado), Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34; „Nota sobre los sefardes“ [genauer Verf. unb.], Madrid, 11. 1. 1949; AMAE, Leg. R 2800/14. Das offizielle Interesse an der judenspanischen Sprache geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Vgl.: Gonzlez Garca, El retorno de los judos, 86. 33 „Y para vosotros, los que en estas emisiones en ladino, en judeo-espaÇol, en el viejo espaÇol de todos, en el espaÇol de Cervantes y de Lope de Vega y de Lope de Rueda, en ese romancero espaÇol, en ese neo-espaÇol, en ese romance que se estaba forjando y complementando gramatical y lexicogrficamente cuando se produce la dispora de los judiûs [sic] espaÇoles, de aquella querida Sefarad, para todos vosotros, que manten¦is con tensiûn herûica estas emisiones llevando la voz de EspaÇa a todos aquellos que affln sienten la nostalgia de esta patria vieja y comffln, mi felicitaciûn ms entusiasta.“, Alocuciûn del Dr. Blas PiÇar radiodifundida por la Radio Israel el 3 de abril de 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. Die philosephardischen Topoi fanden sich ebenso in der zeitgenössischen spanischen Presse: „Yo siento una enorme simpata por los sefardes, estas gentes llenas de nostalgia por su tierra perdida, que han seguido hablando una arcaica lengua castellana prefiri¦ndola a la de otros pueblos en los que han tenido de vivir. En sus tradiciones, en sus bailes y en sus cantos han permanecido fieles y sin rencor hacia EspaÇa“,
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In der Ansprache findet sich zugleich ein Motiv, das in der Folgezeit und bis in die Demokratie zentral für den offiziellen Diskurs wurde, die Vorstellung eines Treffens bzw. einer Wiederbegegnung Spaniens mit den Sepharden.34 Welche Motivation dem staatlichen Philosephardismus mitunter zugrunde lag, geht aus einer Note des Außenministeriums hervor, die im Zusammenhang mit der EBSM verfasst wurde. Dort heißt es, dass der „sephardische Faktor“ als politisches Instrument nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn auch höchste Vorsicht geboten sei, denn er „erlaube, die Vorwürfe des Antisemitismus, die aus verschiedenen innen- und außenpolitischen Gründen gegen Spanien erhoben werden, zu entkräften“.35 Die Sepharden ließen sich als „spanische Juden“ für die (Außen-)Politik instrumentalisieren, da sie zum einen als Beweis der toleranten Einstellung Spaniens gegenüber den Juden dienten und zugleich in bestehende Konzepte wie das der Hispanidad, der Größe und Überlegenheit des spanischen Kulturraums, integriert werden konnten. Zugleich konnte die Regierung hoffen, über spanischsprachige sephardische Gemeinden ihren Einfluss im Ausland auszubauen und zu sichern. Neben der bislang skizzierten Unterscheidung von Sepharden und Aschkenasen findet sich in den offiziellen Dokumenten auch der Themenkomplex „Juden in Spanien“. Charakteristisches Merkmal für die Beschreibung jüdischen Lebens in Spanien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war der Verweis auf die Abwesenheit von jeglicher Diskriminierung in Form von Antisemitismus oder Rassismus. Damit sollte eine deutliche Distanzierung des Franco-Regimes von NS-Deutschland und somit in erster Linie eine Legitimierung gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft erreicht werden.36 Die im Jahr 1952 vom Ministerium für Information und Tourismus herausgegebene Broschüre EspaÇa ante los judos en la paz y en la guerra verbindet die historische mit der gegenwärtigen Politik der spanischen Regierung, wobei als Kontinuitätslinie die tolerante und humane Haltung ausgemacht wird: „Spanien musste auf seinem Gebiet und unter seinen Bewohnern vor Jahrhunderten den Konflikt mit den Juden lösen, aber es löste ihn mit Menschlichkeit und verletzte keines der Grundprinzipien, die die Basis seines Geistes und seiner Kultur bilden. Aus der Notwendigkeit einer religiösen Ordnung heraus, bei der das Verlangen und die Verpflichtung zu einer nationalen Einheit mitschwang, erließ Spanien VertreiBalansû, Juan, En EspaÇa, in: ABC, 13. 7. 1969, 129. Vgl. z. B. auch: „Los sefardes han sido fieles a su patria de origen“, in: Ya, 19. 11. 1959, 9. 34 Vgl.: Alocuciûn del Dr. Blas PiÇar radiodifundida por la Radio Israel el 3 de abril de 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. 35 „factor sefard“, „permite eludir las acusaciones de antisemitismo que se lanzan contra EspaÇa por diversas razones de poltica interna y externa“, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 4. 7. 1960; AMAE, Leg. R 6170/33. Eine ähnliche Einschätzung findet sich in der von der gleichen Abteilung verfassten Nota Informativa vom 8. 9. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. Dort heißt es: „Desde el punto de vista poltico puede defenderse la conveniencia de revitalizar lo sefard y aprovecharlo como canal de expansiûn de la cultura hispnica“. 36 Vgl.: Rohr, The Spanish right, 160.
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bungsedikte, aber es hielt sich dabei an eine juristische Doktrin und politische Mittel, welche noch heute als ein reines, großzügiges und edles Verfahren gedeutet werden können. […] Auch im gegenwärtigen Spanien gibt es kein antisemitisches Programm. Unsere Nation hat diese Probleme überwunden, weil dieser Streit mit menschlicher Vernunft und großem Verständnis vor Jahrhunderten gelöst wurde“.37
Das Ministerium für Information und Tourismus weitete mit dieser Darstellung die These der „toleranten Nation“ so stark aus, dass die Vertreibung der Juden nicht nur als historische Notwendigkeit, die Spanien spätere Auseinandersetzungen und Religionskriege ersparte, sondern sogar als „Akt der Menschlichkeit“ und weitsichtige Konfliktlösungsstrategie interpretiert wurde.38 Die Verdrehung der historischen Tatsachen wird durch den Abschnitt „Freiheitsregelung für die Juden in Spanien“ (R¦gimen de libertad para los judos en EspaÇa) ergänzt, welcher die in Spanien herrschende convivencia und die Religionsfreiheit betont, die es den Juden erlaube, ihre eigenen Gebetshäuser zu eröffnen.39 Spanien als Verkörperung der christlichen Werte wird zum Vorbild in seiner Haltung gegenüber dem „jüdischen Volk“ stilisiert, das ein „Brudervolk“ sei, dem man zur Seite stehe.40 Letztlich erklärt die Broschüre die Vertreibung der Juden zum Ausgangspunkt für ein respektvolles Miteinander in der Gegenwart und rechtfertigt sie damit rückblickend als notwendiges und zugleich maßvolles Vorgehen der Könige. Deutlich wird an den Zitaten die Konstruktion einer Kontinuität im Verhalten der Regierung, welches sich sowohl im Mittelalter als auch in der Gegenwart an christlichen Idealen ausgerichtet habe. Es sollte der Eindruck einer weitgehend konfliktfreien und bruchlosen spanisch-jüdischen Geschichte entstehen, wobei es sich vor allem um eine ans Ausland gerichtete Botschaft handelte. Der Versuch einer harmonisierenden Bewertung der mittelalterlichen Vergangenheit kam dabei teilweise auch dem Bestreben der jüdischen 37 „EspaÇa tuvo que resolver en su tierra y entre sus gentes el conflicto de los judos hace siglos, pero al resolverlo lo hizo con humanidad y no daÇû a ninguno de los principios fundamentales que son la base de su espritu y de su cultura. EspaÇa, por necesidad de orden religioso, en las que palpitaba el ansia y la obligaciûn de la unidad nacional, dictû ûrdenes de expulsiûn, pero ateni¦ndose a una doctrina jurdica y a unos medios polticos en los que todava hoy se puede admirar una trayectoria limpia y generosa de caridad e hidalgua. […] No se d en EspaÇa actualmente tampoco ningffln programa antisemtico. Nuestra naciûn tiene superado este problema porque tal litigio fu¦ resuelto con humana prudencia y hbil comprensiûn hace siglos“, Ministerio de Informaciûn y Turismo, EspaÇa ante los judos en la paz y en la guerra, Madrid 1952, 1. Bei der Deutung des Vertreibungsediktes in diesem Zitat wird mit „la hidalgua“ auf einen als „urspanisch“ angenommenen Wesenszug zurückgegriffen. Über Auflage und Zielgruppe dieser Broschüre fanden sich in den Quellen keine Angaben. 38 Vgl. zu diesen beiden Motiven im franquistischen Erinnerungsdiskurs die Kapitel „Zwischen Hispanidad und Trikulturalität“ und „Legitimierende Erinnerung“. 39 Vgl.: Ministerio de Informaciûn y Turismo, EspaÇa ante los judos, 6. Vgl. zu dieser Darstellung auch: Schreiben von Fernando Mara Castiella an Angel Sanz Briz, spanischer Botschafter in Den Haag, Madrid, 24. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15102/12. 40 „pueblo hermano“, Ministerio de Informaciûn y Turismo, EspaÇa ante los judos, 15.
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Seite entgegen, eine zeitliche Brücke zwischen dem „Ende“ der jüdischen Geschichte auf der Iberischen Halbinsel und ihrem „Neuanfang“ im 20. Jahrhundert zu schlagen und so den Eindruck eines „Anknüpfens“ an die mittelalterliche Epoche bei gleichzeitiger Ausklammerung der historischen Wunden entstehen zu lassen. Dabei könnten auf jüdischer Seite sowohl der Wunsch nach Schaffung von Tradition als auch das Bedürfnis nach Legitimierung eine Rolle gespielt haben. Das Jahr 1492 behielt im kollektiven jüdischen Bewusstsein einerseits seine Bedeutung als zentrale Zäsur, andererseits diente es als historischer Referenzpunkt zur Bewertung der Entwicklungen im zeitgenössischen Spanien. Parallel zu der im Regierungsdiskurs dominierenden Betonung der wohlwollenden Haltung Spaniens gegenüber Juden im Allgemeinen und Sepharden im Besonderen hatte vor allem während der ersten beiden Jahrzehnte des Franquismus auch ein offen antisemitischer Diskurs existiert, der durch die Vorstellung einer gegen Spanien gerichteten jüdisch-freimaurerisch-kommunistischen Weltverschwörung bestimmt war, wie im Kapitel zum Antisemitismus bereits gezeigt wurde.41 Eindrucksvolles Beispiel für die These einer gegen Spanien gerichteten freimaurerischen Verschwörung als Erklärung für sämtliche weltpolitischen Vorgänge war die zwischen Dezember 1946 und Mai 1951 von Franco unter dem Pseudonym Jakin Boor in Arriba veröffentlichte Artikelserie.42 Der erste Artikel erschien am 14. Dezember 1946, zwei Tage nach der UN-Resolution, die einen diplomatischen Boykott gegenüber Spanien vorsah. Die Artikel verdeutlichen, dass Franco die Juden dem dominanten Feindbild des Freimaurertums unterordnete bzw. eine Gleichsetzung vollzog: „Es ist eine Tatsache, dass sie untrennbar vereint voranschreiten und die Juden für gewöhnlich in vielen Logen wichtige Positionen einnehmen“.43 41 Auch Rozenberg geht davon aus, dass die Haltung der franquistischen Regierung gegenüber der jüdischen Bevölkerung zwischen zwei Polen oszillierte: auf der einen Seite ein traditioneller Antisemitismus, auf der anderen Seite ein im Kolonialdenken verankerter Philosephardismus, vgl.: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 14. Zur jüdisch-freimaurerisch-kommunistischen Verschwörungstheorie und ihrer Funktion zur inneren Stabilisierung des Regimes vgl. z. B.: Rodrguez Jim¦nez, Jos¦ Luis, El antisemitismo en el franquismo y en la transiciûn, in: Ýlvarez Chillida/Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 246 – 250. 42 Eine Sammlung der entsprechenden Artikel findet sich in: Boor, Masonera. Vgl. hier insb.: „Persecuciones religiosas“, 9. 4. 1950, in: Ebd., 140; „¿Democracia?“, 5. 1. 1947, in: Ebd., 21 – 24; „El gran secreto“, 4. 4. 1948, in: Ebd., 37 – 44; „Acciones asesinas“, 16. 7. 1950, in: Ebd., 219. Zu der Artikelserie in Arriba vgl. auch: Rodrguez Jim¦nez, El antisemitismo, in: Ýlvarez Chillida/ Izquierdo Benito, El Antisemitismo, 255 – 259. Ähnliche Verschwörungstheorien entstanden innerhalb der spanischen Kirche während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Vgl.: Ýlvarez Chillida, Gonzalo, El Concilio Vaticano II y la reacciûn antisemita en la EspaÇa de los aÇos sesenta, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 409 – 415. Rodrguez Jim¦nez zufolge verfolgte Franco in der Nachkriegszeit eine Kampagne der „afirmaciûn nacional – frente al exterior“, zu der seine Artikelserie gezählt werden müsse, vgl.: Rodrguez Jim¦nez, Im Schatten Francos, in: Rensmann/Schoeps (Hg.), Feindbild Judentum, 134 f. 43 „El hecho es que marchan inseparablemente unidos y que los judos suelen ocupar en muchas de
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Mit entsprechenden Verweisen auf eine angebliche „jüdische Weltverschwörung“ oder „jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung“, die einer antisemitischen Logik entsprangen, wurde ein Bedrohungsszenario aufgebaut. Zugleich diente die These einer gegen Spanien gerichteten Verschwörung als Erklärung für weltpolitische Ereignisse, so z. B. für das Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen und die internationale Isolierung Spaniens.44 Auch wenn der offizielle Antisemitismus mit der zunehmenden internationalen Einbindung Spaniens seit den 1950er und vor allem in den 1960er Jahren an Bedeutung verlor, prägten einige ihm innewohnende Vorstellungen weiterhin die Haltung der Regierung gegenüber jüdischen Repräsentanten und Organisationen. Insbesondere ihr angenommener Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Medien in den USA sowie eine mit dieser angeblichen (medialen) Macht zusammenhängende Angst vor einer politischen Verschwörung bildeten Konstanten im Regierungsdiskurs.45 Ein wiederkehrendes Motiv ist in diesem Zusammenhang die Warnung, das „historisch Erreichte“ nicht durch unbedachtes Verhalten in der Gegenwart zu gefährden. So forderte der Generalkonsul aus Jerusalem im Jahr 1954 z. B. im Hinblick auf die Situation in Spanien und aufgrund von Befürchtungen vor einem Missbrauch der spanischen Staatsbürgerschaft eine strenge Überwachung der jüdischen Gemeinden: „Der Aufschwung, den diese Gemeinden in letzter Zeit verzeichnen konnten sowie der Plan eines Zusammenschlusses der [Gemeinden, A. M.] aus Madrid, Barcelona und Marokko, vorangetrieben durch die Agencia Juda [vermutl. Jewish Agency, A. M.] sind ausreichende Gründe um die Ereignisse mit einer gewissen Unruhe zu beobachten und mit größter Aufmerksamkeit zu überwachen. Es muss verhindert werden, dass ein falsch verstandenes Wohlwollen in Zukunft zu einem Problem für uns werden könnte, welches heute wie damals viele Länder schwer belastet und von dem sich Spanien bislang glücklicherweise verschont sah, dank der klugen, vor Jahrhunderten ergriffenen politischen Maßnahmen.“46 sus logias los principales puestos“, „Persecuciones religiosas“, 9. 4. 1950, in: Boor, Masonera, 140. Vgl. auch: „¿Democracia?“, 5. 1. 1947, in: Ebd., 21 – 24; „El gran secreto“, 4. 4. 1948, in: Ebd., 37 – 44. Das Zusammendenken der Feindbilder zeigt sich auch an folgenden Zitaten: „Y es que lo protestante, as como lo judo y lo masûnico, marchan en el mundo ntimamente ligados“ („Alta masonera“, 9. 8. 1949, in: Ebd., 76.); „Judasmo, masonera y comunismo son tres cosas distintas, que no hay que confundir, aunque muchas veces las veamos trabajar en el mismo sentido y aprovecharse unas de las conspiraciones que promueven las otras“ („Acciones asesinas“, 16. 7. 1950, in: Boor, Masonera, 219.). 44 Vgl.: „¿Democracia?“, 5. 1. 1947, in: Boor, Masonera, 21 – 24; „El gran secreto“, 4. 4. 1948, in: Ebd., 37 – 44. 45 Die Vorstellung von einer mächtigen jüdischen Lobby – insbesondere in den USA – und ihres starken Einflusses auf Politik und Medien weist Parallelen zu den antisemitischen „Protokollen von Zion“ auf, die eine jüdische Kapitalherrschaft behaupten. 46 „El auge que en estos fflltimos tiempos han adquirido estas comunidades y los propûsitos de federaciûn de las de Madrid, Barcelona y Marruecos, alentados por la Agencia Juda, son razones suficientes para que estos hechos deban ser observados con cierta alarma y vigilados con la
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Ähnlich wie in der Broschüre des Ministeriums für Information und Tourismus wird auch hier das Vertreibungsedikt als weitsichtige Handlung interpretiert, die Spanien vor religiös motivierten Konflikten bewahrte. Das Anwachsen und die zunehmende organisatorische Präsenz der jüdischen Bevölkerung im Spanien der Gegenwart werden hingegen als bedrohlich empfunden. Das Außenministerium vermutete, wie es in einem Bericht aus dem Jahr 1959 heißt, hinter dem Ausbau der Gemeindestrukturen einen Plan des „internationalen Judentums“.47 Erwähnt werden soll hier aber auch, dass die Haltung gegenüber den Juden keine Ausnahme darstellte, sondern sich im Umgang mit anderen religiösen Minderheiten wiederfand. Eine größere Bedrohung sah die spanische Regierung z. B. in den Protestanten, die sie als von ausländischen Kräften finanzierte Gefahr für die Patria und religiöse Einheit beschrieb. Gleichzeitig lagen der Regierung über die protestantischen Organisationsstrukturen in Spanien wesentlich umfangreichere Informationen vor als über die jüdischen Gemeinden.48 Latente Befürchtungen einer jüdischen Verschwörung bestanden im Außenministerium auch hinsichtlich der internationalen Situation, so z. B. nach der 1959 in Stockholm abgehaltenen Versammlung des Jüdischen Weltkongresses. Nachdem dieser die Einrichtung eines für Lateinamerika zuständigen Zweiges beschlossen hatte, befürchtete das Ministerium eine „jüdische Infiltrierung“ in den iberoamerikanischen Ländern, wie ein Rundschreiben der Abteilung Naher und Mittlerer Osten an die dortigen Botschafter vom November 1959 zeigt. Die Botschafter wurden angehalten, die jüdischen Gemeinden, deren politischen und kulturellen Einfluss sowie die Kontakte zu Exilspaniern zu beobachten, insbesondere da es sich bei den iberoamerikanimxima atenciûn, para evitar que una benevolencia mal entendida nos pudiera crear, ms adelante, un problema que hoy como ayer preocupa gravemente a muchos pases y del que EspaÇa hasta ahora, se ha visto libre, afortunadamente, gracias a las sabias medidas polticas adoptadas hace siglos.“, Schreiben (muy reservado) von Lûpez Garca, P., spanischer Generalkonsul in Jerusalem, an Außenminister, Jerusalem, 17. 3. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. Das Generalkonsulat in Westjerusalem war weder von Israel noch von Jordanien anerkannt worden und übernahm lediglich konsularische Aufgaben, keine politischen Tätigkeiten. Vgl.: Rein, Raanan, In the Shadow of the Holocaust and the Inquisition. Israel’s Relations with Francoist Spain, London/Portland 1997, 47; Subdirecciûn General de Africa, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 3. 6. 1971; AMAE, Leg. R 15102/1. 47 „judera internacional“, Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn Prûximo y Medio Oriente, Nota acerca de la inauguraciûn de la sinagoga de la Calle de Pizarro, Madrid, 8. 10. 1959; AMAE, Leg. R 5427/91. 48 Vgl.: „Las sectas protestantes en EspaÇa y nuestra Actitud ante ellas“, Madrid, Februar 1962; EspaÇa, ACMP: Fondo de la Secretara del Ministro Subsecretario, 115/6. 1950 gab die OID wohl auch die Broschüre La situaciûn del protestantismo en EspaÇa: seis estudios sobre una campaÇa de difamaciûn contra EspaÇa heraus, diese wird in: Hernando de Larramendi, Miguel/Garca Ortiz, Puerto (Hg.), Religion.es. Minoras religiosas en Castilla-La Mancha, Barcelona 2009, 367 erwähnt. Estruch nimmt für die erste Hälfte der 1960er Jahre eine Zahl von etwa 20.000 in Spanien lebenden Protestanten an, vgl.: Estruch, Juan, Los protestantes espaÇoles, Colecciûn Sociologa y Pastoral 7, Barcelona 1968, 41.
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schen Ländern um ein traditionelles Interessengebiet spanischer Außenpolitik handelte.49 So warnte das Außenministerium davor, dass sich die Sepharden, wenn ihnen auf spanischer Seite zu viel Interesse geschenkt werde, in ein „trojanisches Pferd“ verwandeln könnten, mit dem sich die Juden in spanische Einflusszonen einschleichen würden.50 Dieser Äußerung ebenso wie der oben wiedergegebenen Einschätzung des Generalkonsuls aus Jerusalem lag die Vorstellung einer von den Juden angestrebten Infiltrierung spanischer Politik zugrunde – ohne dass hier näher ausdifferenziert wurde, von wem die angebliche Gefahr ausging. Ein Hinweis auf die Wirkmächtigkeit des Verschwörungsmythos. Um der Gefahr entgegenzuwirken, plädierte das Außenministerium 1959 dafür, dass sich Spanien für die „jüdische Bewegung“ interessieren müsse.51 Eine Bedrohung sah die spanische Regierung vor allem in der von ihr angenommenen Verflechtung des „internationalen Judentums“ mit dem Staat Israel.52 Während sie hinter internationalen jüdischen Organisationen Agenten Israels vermutete und jüdischen Repräsentanten unterstellte, im Interesse der israelischen Regierung zu handeln und sich heimlich für eine diplomatische Annäherung zu engagieren, nahm sie Israel vornehmlich als einen „JudenStaat“ wahr, wodurch dessen politischem Agieren ein grundsätzlich religiöser Charakter unterstellt wurde. Die Berichterstattung in den franquistischen Medien zeichnete sich außerdem häufig durch eine begriffliche Unklarheit aus, die nicht selten das Judentum und den israelischen Staat gleichsetzte.53 Die bereits oben erwähnte Broschüre EspaÇa ante los judos en la paz y en la guerra sieht in dem Abstimmungsverhalten Israels im Rahmen der Vereinten Nationen 1949, als sich der neu gegründete Staat gegen eine Aufhebung des diplomatischen Boykotts von Franco-Spanien aussprach und dies mit dessen Nähe zu NS-Deutschland begründete, einen Ausdruck jüdischer Undankbarkeit.54 Eben dieses Verhalten der israelischen Regierung in den Vereinten 49 Vgl.: Rundschreiben (secreto) von Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an die Botschafter in Lateinamerika, Madrid, 23. 11. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. Zur spanischen Haltung gegenüber dem Jüdischen Weltkongress vgl. auch einen vertraulichen Bericht des Außenministeriums vom 26. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. Zur Furcht vor Kontakten zwischen Exilspaniern und jüdischen Organisationen in Lateinamerika vgl. auch: Rehrmann, Norbert, „Sefarad“ und die „Hispanidad“: Das mittelalterliche „Land der drei Kulturen“ als kulturpolitischer „Brückenkopf“ Spaniens in Lateinamerika, in: Hispanorama, 101/2003, 49 f. 50 Vgl.: Rundschreiben (secreto) von Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an die Botschafter in Lateinamerika, Madrid, 23. 11. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. In dem gleichen Schreiben werden die Juden als Gefahr für die „unidad espiritual“ charakterisiert. 51 Vgl.: Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an spanischen Botschafter in Stockholm, Madrid, 4. 7. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. 52 Vgl. z. B.: Rundschreiben (secreto) von Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an die Botschafter in Lateinamerika, Madrid, 23. 11. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. 53 Vgl. z. B. die Berichterstattung über den Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 in Arriba. 54 Vgl.: Ministerio de Informaciûn y Turismo, EspaÇa ante los judos, 8. Für entsprechende Argumentationen/Rechtfertigungen der Regierung vgl. z. B. auch: Nota informativa [Verf. unb.], Madrid, 20. 1. 1967; AMAE, Leg. R 8725/7; Schreiben von Marqu¦s de Santa Cruz (Jos¦ Fer-
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Nationen in der unmittelbaren Nachkriegszeit kann als Schlüsselereignis verstanden werden, auf welches sich die spanische Regierung bei der Rechtfertigung ihrer Haltung gegenüber dem israelischen Staat berief. So erklärte z. B. 1963 der Außenminister Castiella im Zusammenhang mit dem eingangs erwähnten Memorandum der jüdischen Gemeinde in Barcelona gegenüber dem Minister für Information und Tourismus Manuel Fraga Iribarne die Grundzüge spanischer Israelpolitik folgendermaßen: „Man muss bedenken, dass seine [des israelischen Staates, A. M.] erste internationale Handlung war, kaum in die Vereinten Nationen aufgenommen, sich in eben dieser internationalen Organisation gegen Spanien zu stellen. In der Folge wurde dieser Staat nicht von der spanischen Regierung anerkannt und diese Haltung unserer Außenpolitik ist eines der grundlegenden Prinzipien, die auf besondere und fruchtbare Weise unsere Beziehungen mit der arabischen Welt bestimmen, ohne dass irgendein wesentlicher Grund zur Änderung dieser Verhaltenslinie bestehen würde.“55
In einem Rundschreiben an die spanischen Botschafter in den arabischen Ländern hatte das Außenministerium bereits im Januar 1960 festgestellt, dass die spanische Israelpolitik über die „einfache Frage der Sympathie oder Antipathie gegenüber dem jüdischen Volk“ hinausgehe, es sich vielmehr um ein den Weltfrieden betreffendes politisches Problem handele. Bei dessen Lösung müssten die Interessen der befreundeten Länder, d. h. der arabischen Staaten, und der Christen in Palästina berücksichtigt werden.56 Damit ist auf zwei nndez-Villaverde), spanische Botschaft, an Fernando M. Castiella, London, 26. 4. 1967; AMAE, Leg. R 8725/7; Subdirecciûn General de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, 3. 6. 1971; AMAE, Leg. R 15102/1. Unter dem Pseudonym Jakin Boor führte Franco in seinen in Arriba veröffentlichten Artikeln das Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen auf eine gegen Spanien gerichtete, freimaurerische Verschwörung zurück, vgl. z. B.: „Alta masonera“, 9. 8. 1949, in: Boor, Masonera, 73 – 78. 55 „Cabe recordar que el primer acto internacional realizado por el mismo, apenas ingresado en las Naciones Unidas, fu¦ manifestarse en contra de EspaÇa en la propia Organizaciûn internacional. En consecuencia, no ha sido reconocido como tal Estado por el Gobierno espaÇol y esta actitud de nuestra poltica exterior es uno de los principios generales que definen y determinan, de forma especial y particularmente fructferas, nuestras relaciones con el Mundo Arabe, sin que exista ninguna razûn esencial que aconseje modificar dicha lnea de conducta.“, Schreiben von Fernando Mara Castiella an Manuel Fraga Iribarne, Madrid, 2. 1. 1963; AMAE, Leg. R 15123/8. Vgl. zu dieser Argumentation z. B. auch: Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Posiciûn de EspaÇa ante Israel y actitud que deben aportar las Representaciones espaÇolas en el extranjero, n8 10 (Confidencial y reservada), Madrid, 14. 5. 1959; AMAE, Leg. R 5965/41; Nota informativa [Verf. unb.], Madrid, 20. 1. 1967; AMAE, Leg. R 8725/7; Schreiben (confidencial) von Marqu¦s de Santa Cruz, spanischer Botschafter in London, an Fernando Mara Castiella, Außenminister, London 26. 4. 1967; AMAE, Leg. R 8725/7; Subdirecciûn General de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 3. 6. 1971; AMAE, Leg. R 15102/12. Bereits 1950 widerrief die UN ihre Boykottresolution und das franquistische Spanien konnte den ersten internationalen Organisationen beitreten. Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 226 – 229. 56 „El problema de Israel no es una simple cuestiûn de simpata o antipata hacia el pueblo judo
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wichtige Pfeiler spanischer Israelpolitik verwiesen, auf der einen Seite die „traditionelle Freundschaft“ zu den arabischen Staaten, die einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen – aber oftmals eben auch einer Annäherung an die jüdischen Gemeinden – entgegenstand, und auf der anderen Seite der Status der Heiligen Stätten, wenn auch diese Frage seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre an Bedeutung verlor.57 Zwar betonte das Außenministerium bei verschiedenen Anlässen die strikte Trennung zwischen der Haltung gegenüber dem Staat Israel und der gegenüber den Juden, räumte aber z. B. in einem Ministeriumsbericht vom Oktober 1959 ein, dass diese in der politischen Praxis kaum aufrechtzuerhalten sei. Der Bericht problematisiert, dass sich die internationale jüdische Gemeinschaft – in diesem Fall der Jüdische Weltkongress – zunehmend mit dem israelischen Staat identifiziere.58 Dadurch würden jüdische Gemeinden, so das Außenministerium, zu Werkzeugen des israelischen Staates.59 Im Zusammenhang mit der Position der spanischen Regierung gegenüber dem Jüdischen Weltkongress hielt das Außenministerium daher fest, „dass in der Praxis zwischen Israel und dem internationalen Judentum keine klar defi-
sino un problema poltico en el que estn implicados la paz mundial, los intereses de pases amigos y sobre todo los intereses superiores de la cristianidad en Palestina.“, Schreiben von Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an spanische Vertretungen in den arabischen Ländern, Madrid, 13. 1. 1960; AMAE, Leg. R 5966/1. Vgl. zu Israel auch das entsprechende Kapitel 3.2. 57 Darüber hinaus können in Anlehnung an Lisbona, der eine der wenigen Monografien zu dem Thema vorlegte, verschiedene Phasen der Israelpolitik unterschieden werden: Während unmittelbar nach der Staatsgründung Israels in der franquistischen Regierung der Wunsch nach einer Anerkennung durch Israel vorhanden gewesen sei, dominierte ab 1949 die Politik der traditionellen Freundschaft gegenüber den arabischen Staaten. Die Jahre 1952 bis 1956 sieht Lisbona durch israelische Bemühungen um eine Annäherung an Spanien gekennzeichnet, die auch Überlegungen umfassten, ein israelisches Konsulat in Barcelona zu eröffnen, vgl.: Lisbona, Jos¦ Antonio, EspaÇa – Israel. Historia de unas relaciones secretas, Madrid 2002. Allerdings enthält Lisbonas Studie keinen Anmerkungsapparat, sodass sich die Quellen nicht nachvollziehen lassen. Zur Frage der Heiligen Stätten aus der Sicht des spanischen Außenministeriums vgl.: AMAE, Leg. R 4785/43+61. Für einen knappen Überblick zum Dreiecksverhältnis Spanien – arabische Staaten – Palästina/Israel vgl.: Algora Weber, Mara Dolores, EspaÇa en el Mediterrneo: entre las relaciones hispano-rabes y el reconocimiento del Estado de Israel, in: Revista CIDOB d’Afers Internacionals, 79 – 80/2007, 15 – 34. 58 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (confidencial), Madrid, 26. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1; „Nota Informativa acerca de la personalidad del doctor Maurice Perlzweig y de su misiûn poltica en EspaÇa“ (confidencial) [Verf. unb.], Madrid, 4. 6. 1959; AMAE, Leg. R 5443/15. Vgl. zu dieser Einschätzung auch: „IVAsamblea del Congreso Judo Mundial celebrada en Estocolmo del 2 a 12 de Agosto de 1959“ [Verf. unb.]; RAH-FFMC, Archiv. 4, Cj. 2, 817/12, 1959. Dort heißt es: „Es indiscutible que estamos asistiendo en estos momentos a una en¦rgica e inteligente ofensiva del judasmo internacional para mantener y reforzar entre los judos de todo mundo la conciencia de su unicidad espiritual y cultural, consolidando ms y ms la posiciûn de las comunidades judas en todos y cada uno de los pases del mundo“. 59 Vgl.: Rundschreiben (secreto) von Director General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente an Botschafter in Lateinamerika, Madrid, 23. 11. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1.
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nierbare Trennlinie“ bestehe.60 So tendierte das Außenministerium einerseits zu einer Gleichsetzung von Juden mit dem Staat Israel und unterstellte den in Spanien lebenden Juden häufig eine Nähe zu Israel, andererseits unterband die Regierung aber jede von ihr als solche erachtete Manifestation dieser Verbindung. So musste sich z. B. Mitte der 1960er Jahre die Comunidad Israelita de Madrid, um jede Verwechslung mit Israel zu vermeiden, in Comunidad Hebrea de Madrid umbenennen.61 Der Versuch, eine Vermischung jüdischer und israelischer Themen zu verhindern, kann auch als eine Strategie der Entpolitisierung gelesen werden. Auf offizieller Seite wurde versucht, das Judentum auf seine kulturellen Aspekte zu reduzieren.62 Zugleich besaß der offizielle Regierungsdiskurs aber eine auffällige außenpolitische Dimension. Dazu gehörte auf der einen Seite die Betonung der „Internationalität“ des Judentums, die im engen Zusammenhang mit der Vorstellung einer antispanischen Verschwörung stand. Auf der anderen Seite stellte der Verweis auf staatliche Toleranz und die Darstellung Spaniens als ein von Rassismus und Antisemitismus nicht-betroffener Staat eine Form der Vergangenheitspolitik dar, die mittels der nachträglichen Distanzierung von NS-Deutschland auf internationale Anerkennung zielte.
1.1.1 Die franquistische Regierung im direkten Kontakt mit jüdischen Repräsentanten aus Spanien War der offizielle Diskurs über jüdische Gegenwart im ersten Jahrzehnt des Franquismus weitgehend unabhängig von der realen Existenz einer jüdischen Bevölkerung im In- und Ausland verlaufen, so nahmen ab Mitte der 1950er Jahre Kontakte zwischen Regierungsvertretern und jüdischen Repräsentanten langsam zu. In diesen Gesprächen spiegelten sich zum einen die offiziellen Topoi, zum anderen ist davon auszugehen, dass die Kontakte Impulse für den Diskursverlauf brachten. Gefragt wird, welche Verschiebungen einsetzten, wenn Juden nicht mehr ausschließlich Diskursobjekte waren, sondern selbst als Akteure auftraten. Bereits im Jahr 1953 war dem damaligen Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Madrid, Daniel FranÅois Baroukh, eine Audienz bei Franco gewährt 60 „que en la prctica no existe entre Israel y la judera internacional una lnea divisoria bien definida“, Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente an spanischen Botschafter in Stockholm, Madrid, 4. 7. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. 61 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente an Subsecretario del Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 28. 11. 1964; AMAE, Leg. R 7632/35; Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo Oriente, Nota para el seÇor Subsecretario, Madrid, 16. 3. 1965; AMAE, Leg. R 7632/35. Vgl. auch Kapitel „Die Sepharden-Karte“. Über Reaktionen aus der jüdischen Gemeinde auf diese Forderung ist nichts bekannt. 62 Dieser Befund gilt in noch stärkerem Maße für die offizielle Erinnerungspolitik.
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worden.63 Aufgrund seiner guten Kontakte zur franquistischen Regierung nahm Baroukh, wie die Quellen nahelegen, eine Vermittlerposition zwischen den in Spanien existierenden, aber nicht anerkannten, jüdischen Gemeinden und der Regierung ein. So leitete er z. B. eine Danksagung der Gemeinde in Melilla für die Haltung der franquistischen Regierung während des Zweiten Weltkrieges weiter.64 Er selbst schlug dem Außenministerium vor, dem im Mai 1954 in Jerusalem stattfindenden Sephardischen Weltkongress zwei Entwürfe für dort zu verabschiedende Resolutionen vorzulegen: „Entwurf zur Beschlussvorlage Nr. 1: Eine jüdische Schuld gegenüber Spanien (vorgelegt von der Sephardischen Gemeinde von Madrid): Der Sephardische Weltkongress drückt seine Anerkennung für die Anstrengungen aus, die Spanien während des Krieges auf sich genommen hat und für die bewundernswerte Interpretation der Erlasse zugunsten der Juden im Allgemeinen durch die spanischen Diplomaten, die so Tausenden jüdischen Flüchtlingen, die aus NS-Europa und aus den Konzentrationslagern nach Spanien kamen, Hilfe und Schutz boten“. „Entwurf zur Beschlussvorlage Nr. 2 (vorgelegt von der Sephardischen Gemeinde von Madrid): Der Sephardische Weltkongress drückt seine tiefe Anerkennung gegenüber Spanien für die wohlwollende Auslegung des ,jus sanguinis‘ im Dekret von 1924 aus, durch welche Tausende Sepharden in unterschiedlichen Teilen der Welt von dem spanischen Schutz und der spanischen Nationalität profitierten“.65 63 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 158. Der erste Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid in der Nachkriegszeit, Ignacio Bauer, unterhielt ebenfalls Kontakte zu den spanischen Regierungsstellen und empfahl sich dort als Kontaktperson nach Israel. Lisbona zufolge nahm das Regime die Dienste Bauers in Anspruch und bat diesen, im Rahmen einer Konferenzreihe in Israel über Religionsfreiheit in Spanien und den Schutz der Juden zu sprechen. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para su Excelencia, Madrid, 17. 5. 1950; AMAE, Leg. R 4786/155; Lisbona, Retorno a Sefarad, 157. Auch findet sich in den Akten des Außenministeriums ein Artikel Bauers über die politische, ökonomische, kulturelle und demografische Situation im neu gegründeten Staat Israel, vgl.: Ignacio Bauer, Visiûn del nuevo estado de Israel, in: Arbor, 51/1950, 371 – 388; AMAE, Leg. R 4786/71. Zu Ignacio Bauer, dem (wirtschaftlichen) Einfluss seiner Familie und seinen Beziehungen zu den spanischen Autoritäten vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, Ignacio Bauer y Landauer: primer presidente de la Comunidad Israelita de Madrid, in: Races, 29/1996, 31 – 35; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 245 – 248. 64 Vgl.: Brief von Daniel FranÅois Baroukh, Präsident der Comunidad Sefard de Madrid, an Duque de Terranova, Ministro Plenipotenciario, Madrid, 18. 2. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. Vgl. auch einen Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Jefe Superior de Polica de Madrid, 30. 1. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Ministro Plenipotenciario, Director de Poltica de Ýfrica, Madrid, 29. 3. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Ministro Plenipotenciario, Director de Poltica de Ýfrica, Madrid, 6. 4. 1954; alle AMAE, Leg. R 4538/40. 65 „Anteproyecto de acuerdo N8 1: Una deuda juda para con EspaÇa (Presentado por la Comunidad Sefardi [sic] de Madrid): El Congreso Mundial Sefard expresa su reconocimiento a la labor desarrollada por EspaÇa durante la guerra y a la admirable interpretaciûn dada a sus decretos por los diplomticos espaÇoles en favor de todos los judos en general, prestando ayuda y amparo a millares de judos fugitivos que llegaron a EspaÇa procedentes de la europa nazi y de los campos de concentraciûn“; „Anteproyecto de acuerdo N8 2 (Presentado por la Comunidad
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Etwa ein Jahr später kam der spanische Generalkonsul in Jerusalem zu dem Schluss, dass Baroukh im Rahmen des Kongresses „wirksame Propaganda für Spanien“ geleistet habe.66 Anfang 1955 rühmte Baroukh in einem Interview gegenüber der Jewish Telegraphic Agency, das an 3000 Zeitungen weltweit gesandt wurde, erneut die spanische Haltung gegenüber verfolgten Juden während des Zweiten Weltkrieges und wies Kritik aus den USA und aus England an einer intoleranten und antisemitischen Einstellung der Regierung zurück.67 In der von ihm verfassten und an alle jüdischen und sephardischen Organe verschickten öffentlichen Stellungnahme „Erlauben Sie einem Sepharden zu antworten“ heißt es zur aktuellen Situation in Spanien: Sefardi de Madrid): El Congreso Mundial Sefard expresa su profundo reconocimiento a EspaÇa por la benevola interpretaciûn del ,jus sanguinis‘ en el Decreto de 1924, que permitiû a miles de sefardes de diferentes partes del mundo gozar de la protecciûn y nacionalidad espaÇolas“; Brief von Daniel FranÅois Baroukh, vermutlich an Direcciûn de Asuntos Polticos del Mundo Ýrabe, Prûximo y Medio Oriente y Ýfrica, Madrid, 11. 1. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. In weiteren Schreiben informierte Baroukh über die Unterstützung dieser Vorschläge durch die jüdischen Gemeinden in Melilla, Ceuta, Sevilla, Alcazarquivir, Tetuan, Villa Nador, Larache, Arcila, Villa Sanjurjo sowie Barcelona. Die These einer Vermittlerposition Baroukhs wird dadurch weiter bekräftigt, vgl.: Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Duque de Terranova, Ministro Plenipotenciario, Ministerio de Asuntos Exteriores, Madrid, 18. 2. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Ministro de Plenipotenciario, Director de Poltica de Ýfrica, Madrid, 29. 3. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Madrid, 6. 4. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Madrid, 10. 4. 1954; alle AMAE, Leg. R 4538/40. Lisbona geht davon aus, dass eine ähnliche Resolution, die die Dankbarkeit der spanischen und marokkanischen Gemeinden für den Schutz verfolgter Juden beinhaltete, auf der Konferenz verlesen wurde, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 160 f. Vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 251 f. Die spanischen Hilfsmaßnahmen waren auch Gegenstand verschiedener Korrespondenzen zwischen Baroukh und dem spanischen Botschafter in Washington, Lequerica, vgl.: Korrespondenzen zwischen Daniel FranÅois Baroukh und J. F. de Lequerica, Januar – Februar 1954; AGA, AAEE, (10) 26.1, 54/8901, 002(4). Im April 1954 informierte Baroukh das Außenministerium über ähnliche Beschlüsse der Gemeinden in Spanien und Marokko und bat um deren Weiterleitung an Franco, vgl.: Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Marqu¦s de Bogaraya, Madrid, 6. 4. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Luis Carrero Blanco, Presidente del Consejo de Ministros, Madrid, 7. 4. 1954; beide AMAE, Leg. R 4538/40. 66 „eficaz propaganda en favor de EspaÇa“, Schreiben der Afrika-Abteilung des Außenministeriums, Madrid, 24. 5. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. 67 Vgl.: „President of Jewish Community says Spain is not anti-semitic“, Manila, 8. 2. 1955; Baroukh, Daniel FranÅois, Let a Sefard answer ; beides AMAE, Leg. R 4538/40; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Alberto Martin Artajo, Manila, 9. 3. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. Lisbona vermutet, dass Baroukh die Pressemitteilung auf Bitten des Außenministers Artajo schrieb, da das spanische Außenministerium im gleichen Zeitraum, am 2. 12. 1954, ein Rundschreiben an seine Vertretungen im Ausland schickte, in dem es über die mit der Genehmigung der Neujahrsfeier verbundenen Schwierigkeiten und die daraus resultierende „tendenziöse Kampagne“ in der ausländischen Presse informierte, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 162 f. Berthelot stellt im Rahmen ihrer auf Interviews basierenden Studie zur jüdischen Gemeinde in Barcelona eine weit verbreitete Bereitschaft zur Dankbarkeit für die wohlwollende Haltung des franquistischen Regimes fest, vgl.: Berthelot, Martine, Memorias judas (Barcelona 1914 – 1954). Historia oral de la Comunidad Israelita de Barcelona, Barcelona 2001, 531.
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„I needed a place of worship, for our Synagogue was small, so I secured a large luxurious hall at the Castellana Hilton Hotel. Not only did I secure the permits, but I invited the Spanish Government to attend our services. The Government’s official Representative did attend, for the first time for such attendance in 450 years, both our Rosh Hashana and Yom Kippur services.“68
Lisbona nimmt an, dass Baroukh um diese Stellungnahme von Außenminister Artajo gebeten wurde. Nachdem 1954 das Verbot einer erneuten Ausrichtung der jüdischen Neujahrsfeierlichkeiten Rosh Hashana in einem Hotel in Madrid zu Unmut und Protest geführt hatte, habe Baroukh seine Glaubensgenossen „besänftigen“ sollen.69 Es ist davon auszugehen, dass sich auch die von Baroukh und der jüdischen Gemeinde in Madrid mitorganisierte Gedenkveranstaltung zu Ehren von Ýngel Pulido Fernndez, die am 5. Dezember 1953 in der Hauptstadt stattgefunden hatte, ganz im Einklang mit der offiziellen spanischen Position befand, zumal mit Federico P¦rez Castro ein Vertreter des staatlichen Instituto Arias Montano anwesend war. Während P¦rez Castro eine Kontinuitätslinie von der Philosephardismus-Kampagne Pulidos zu Beginn des 20. Jahrhunderts über das von General Primo de Rivera 1924 erlassene Staatsbürgerschaftsdekret, die Hilfe der franquistischen Regierung für verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg und die Gründung des Instituto Arias Montano 1940 bis hin zum zweiten Staatsbürgerschaftsdekret für Sepharden 1948 ausmachte,70 be68 Daniel FranÅois Baroukh, Let a Sefardi answer ; AMAE, Leg. R 4538/40. 69 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 161 ff. Dafür könnte ein Antwortschreiben von Baroukh an Duque de Terranova sprechen, in dem die in England und den USA erhobene Kritik an Spanien thematisiert wird. Baroukh versichert: „LA COMUNIDAD SEFARDI DE MADRID Y YO, NO SOLAMENTE HAREMOS TODO LO POSIBLE PARA CORREGIR ESTA INJUSTICIA, PERO QUE NOS DEDICAMOS A QUE EL MUNDO SEFARDI EN PARTICULAR Y EL MUNDO JUDIO EN GENERAL SEPAN APRECIAR A ESPAÄA, LA ESPAÄA ANTIGUA DE NUESTRA GLORIAY LA ESPAÄA DE FRANCO [Hervorhebung im Original]“, vgl.: Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Duque de Terranova, Außenministerium, Manila, 25. 11. 1954; FNFF 9721, Rollo 90. Ýlvarez Chillida bezeichnet Baroukh als großen Verfechter des franquistischen Regimes, vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 423 f. Vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 251 f. Der ehemalige spanische Botschafter in Washington, Lequerica, betonte hingegen Baroukhs Einfluss in den USA und seine sich daraus ergebende Nützlichkeit für die Regimepropaganda, vgl.: Schreiben von Jos¦ F. de Lequerica an Jefe del Estado, 5. 1. 1955; FNFF, 9721, Rollo 90. Die Ausrichtung der Feierlichkeiten war von der Jefatura Superior de Polica de Madrid verboten worden, da das Außenministerium und die Generaldirektion für Sicherheit befürchteten, die muslimische und protestantische Minderheit könnten ähnliche Forderungen stellen. Erst ein Treffen des neu gewählten Gemeindevorstandes, Louis Blitz und Max Mazin, mit Blas P¦rez vom Innenministerium führte zu einer Genehmigung des Neujahrsfestes in den Jahren 1955 und 1956. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 160 – 164; Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 152 f. Baroukh führte in dem Interview mit der Jewish Telegraphic Agency das Verbot der Ausrichtung des Rosh Hashana-Festes 1954 auf einen technischen Fehler des jüdischen Gemeindesekretärs zurück, vgl.: President of Jewish community says Spain is not anti-semitic, 8. 2. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. 70 Vgl.: P¦rez Castro, Federico, Las relaciones hispanosefardes, in: Comunidad Sefard de Madrid
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tonte Baroukh die spanisch-sephardische Verbundenheit: „Die Sepharden, die seit fünf Jahrhunderten Kastilisch sprechen, auf Kastilisch beten und alles Spanische lieben, setzen ihre Hoffnungen auf die Pulidos dieser Welt, und durch sie erscheinen ihre Sehnsüchte gerechtfertigt.“71 Damit verortete er sich im offiziellen philosephardischen Diskurs. Als Baroukh im Frühjahr 1955 Madrid verließ, um sich aus geschäftlichen Gründen in Manila niederzulassen, bot er sich der spanischen Regierung erneut für Propagandazwecke an.72 Vom Jüdischen Weltkongress wurde Baroukh für seine opportunistische und anbiedernde Haltung gegenüber der franquistischen Regierung kritisiert.73 Für größere Aufmerksamkeit in der internationalen Presse und der spanisch-jüdischen Gemeinschaft sorgte die Audienz, die Franco den jüdischen Präsidenten aus Madrid und Barcelona, Max Mazin und Alberto Levy, am 20. Januar 1965 im Pardo-Palast in Madrid gewährte. In der jüdischen Gemeindepublikation Hakesher74 wurde dem Treffen ein „historischer Charakter“ zugestanden. „Die letzte offizielle Audienz geht auf das Jahr 1492 zurück, und ihre Protagonisten waren Fernando, der Katholische König, und der israelitische Anführer Isaac Abrabanel, welcher den Monarchen bat, das Edikt zur Vertreibung der Juden nicht zu veröffentlichen. Wie bekannt ist, wurde das Edikt kurze Zeit später veröffentlicht“.75
Im zeitgenössischen öffentlichen jüdischen Bewusstsein bedeutete das Treffen im Januar 1965 eine Zäsur, da es einen Wandel von dem Bekenntnis des Franco-Regimes zum historischen Erbe, wie es sich in der EBSM (1959) und in
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(Hg.), Acto de Homenaje a la Memoria del Doctor Angel Pulido Fernndez. 5 de diciembre de 1953, 15 – 30; AMAE, Leg. R 4538/40. „Los sefardes que a lo largo de cinco siglos hablan en castellano, rezan en castellano y aman todo lo que es espaÇol, cifran sus esperanzas en los Pulidos del mundo, y en ellos ven justificados sus anhelos.“, Baroukh, Daniel FranÅois, Introducciûn, in: Comunidad Sefard de Madrid (Hg.), Acto de Homenaje a la Memoria del Doctor Angel Pulido Fernndez. 5 de diciembre de 1953, 5; AMAE, Leg. R 4538/40. Vgl. einen Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Außenminister Martn Artajo, 11. 3. 1955, abgedruckt in: Lisbona, Retorno a Sefarad, 164. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 174 f. Hakesher war das erste Mitteilungsblatt der Gemeinde in Madrid und wurde 1962 gegründet. Von Herbst 1964 bis 1970 war es das Organ des 1964 gegründeten Rates der jüdischen Gemeinden von Spanien. Ab 1970 wurde es wieder zur Gemeindezeitschrift. „La fflltima audiencia oficial se remonta a 1.492 y sus protagonistas fueron el Rey Fernando el Catûlico y el jefe israelita Isaac Abrabanel, el cual solicitû del monarca que no se publicase el edicto de expulsiûn de los judos. Como es sabido, el edicto fue publicado poco tiempo despu¦s“, „Audiencia en ,El Pardo‘“, in: Hakesher, 2/1965, 5. Vgl. auch: „Franco’s cordiality awaits an echo“, in: JC, 4, 997, 29. 1. 1965, 17; Representaciûn de EspaÇa en la O.N.U. – Nueva York: Telegrama de Prensa Extranjera, 25. 1. 1965; AMAE, Leg. R 15123/8.
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der Gründung des Museo Sefard (1964) manifestiert hatte, zur Anerkennung der jüdischen Präsenz in der Gegenwart markierte.76 Im Vorfeld dieses Ereignisses informierte die Vertretung Spaniens vor den UN in New York das spanische Außenministerium über einen New York TimesBericht, demzufolge Max Mazin erklärt habe, um ein Treffen mit Franco zu bitten, bei welchem er die Dringlichkeit einer Legalisierung der 5000 in Spanien lebenden Juden verdeutlichen wolle.77 In dem gleichen Artikel habe Mazin erläutert, dass dies „der günstigste Moment“ seit der Vertreibung Hunderttausender Juden durch die Könige Fernando und Isabel sei, um einen legalen Status als Religionsgemeinde zu beantragen.78 Es ist zu vermuten, dass die Äußerungen Mazins gegenüber einer ausländischen und noch dazu einer US-amerikanischen Tageszeitung, die vom spanischen Botschafter in Washington als Spanien kritisch eingeschätzt wurde,79 in der Regierung auf Missfallen stießen, verwiesen sie doch auf eine Diskriminierung der nichtkatholischen Minderheiten in Spanien. In einer von der OID übermittelten Pressemitteilung der United Press vom 6. Juni 1964 widerrief Mazin seine in der New York Times zitierten Äußerungen, die falsch wiedergegeben worden seien. Ob dies auf Druck der spanischen Regierung erfolgte, geht aus den Quellen nicht hervor. „Welch größere Anerkennung benötigen wir in diesem Land [Spanien, A. M.]? Wir genießen komplette Religionsfreiheit, es ist uns bereits erlaubt, unsere Religion ohne Einschränkungen auszuüben, wir haben unsere Synagogen und unsere eigenen Friedhöfe“.80 Das Treffen mit Franco wünsche er lediglich, um dem Staatschef für die Gründung des Museo Sefard in Toledo zu danken.81 In ähnlicher Weise hatte sich bereits 1963 der Präsident 76 Vgl. z. B.: „Jews return to a Synagogue in Spain“, in: NYT, 17. 10. 1966; Szulc, Tad, Franco sees U.S. Jewish Aides. Calls new code ,act of justice‘, in: NYT, 22. 12. 1966. AMAE, Leg. R 12038/6. 77 Vgl.: OID, Telegrama de prensa extranjera. Informaciûn recibida por Telex de la Representaciûn de EspaÇa en la O.N.U. – Nueva York, 4. 6. 1964; AMAE, Leg. R 15123/8. Lisbona zufolge hatte Mazin bereits im April 1964 darum gebeten, zusammen mit dem Präsidenten aus Barcelona, von Franco empfangen zu werden. Im Mai sei die Bitte von der Casa Civil del Jefe del Estado akzeptiert worden, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 226. 78 „el momento ms propicio“, OID, Telegrama de prensa extranjera. Informaciûn recibida por Telex de la Representaciûn de EspaÇa en la O.N.U. – Nueva York, 4. 6. 1964; AMAE, Leg. R 15123/ 8. 79 Vgl.: Schreiben (reservada) von Jos¦ Mara Areilza, spanischer Botschafter in Washington, an Alberto Martn Artajo, Außenminister, Washington D.C., 8. 2. 1956; AMAE, Leg. R 3599/43. 80 „¿Qu¦ mayor reconocimiento necesitamos en este pais [sic]? Gozamos de completa libertad religiosa, ya que se nos permita practicar nuestra religiûn sin restricciones, tenemos nuestras sinagogas y nuestros propios cementerios“, OID, United Press International, 6. 6. 1964; OID, Telegrama de prensa extranjera. Informaciûn recibida por Telex de la Embajada de EspaÇa en Washington, 7. 6. 1964; beides AMAE, Leg. R 8434/4; „En EspaÇa se nos permite practicar nuestra religiûn sin restricciones“, declara el Jefe de la Comunidad Juda de Madrid, Agencia U.P.I., 6. 6. 1964; RAH-FFMC, Archiv. 14, Cj. 1, 2450/20, 1964. 81 „En EspaÇa se nos permite practicar nuestra religiûn sin restricciones“, declara el Jefe de la Comunidad Juda de Madrid, Agencia U.P.I., 6. 6. 1964; RAH-FFMC, Archiv. 14, Cj. 1, 2450/20, 1964.
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der Gemeinde in Barcelona, Levy, gegenüber dem US-amerikanischen Arzt, M. I. Salomon, geäußert, wie der B’nai B’rith Messenger aus Los Angeles berichtete.82 Das Verhalten der beiden jüdischen Gemeindepräsidenten lässt vermuten, dass sie sich des von der franquistischen Regierung gewährten, begrenzten öffentlichen Spielraumes bewusst waren, der Danksagungen ebenso umfasste wie die Betonung der sephardischen Verbundenheit zu Spanien, Forderungen an die Regierung hingegen nicht vorsah. Fragen zu den Rahmenbedingungen jüdischen Lebens, wie z. B. die Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid, wurden zwar möglicherweise diskutiert, sollten aber keinen Eingang in den öffentlichen Diskurs finden.83 Entgegen der in der jüdischen Gemeindepublikation und der ausländischen Presse verbreiteten Darstellung als erstes Treffen jüdischer Repräsentanten mit einem spanischen Staatschef seit 1492 konnte man 1965 – wie auch das Beispiel Baroukh verdeutlicht – bereits auf eine etwa zehnjährige Phase punktueller Kontakte auf der offiziellen Ebene zurückblicken, die sowohl im nationalen wie auch internationalen Rahmen stattgefunden hatten und die ähnliche Charakteristika aufwiesen. Mazin selbst hatte vor diesem Datum bereits Kontakte zur franquistischen Regierung unterhalten, insbesondere mit dem Außenministerium.84 Bei diesen Kontakten ging es in erster Linie um den Status der in Spanien lebenden Juden sowie um das Verhältnis des spanischen Staates zu Israel. So hatte sich Mazin gegenüber der Abteilung Kulturelle Beziehungen im Falle einer gewünschten Annäherung an Israel als Vermittler angeboten.85 Im November 1967 war die Lage der Juden im Nahen und Mittleren Osten Gesprächsgegenstand eines Treffens zwischen Mazin mit dem Generaldirektor für Angelegenheiten in Afrika und der arabischen Welt (Director General de Asuntos de Ýfrica 82 Vgl.: „Religious Freedom Enjoyed by Barcelona’s 2000 Jews“, in: Los Angeles. B’nai B’rith Messenger, 6. 9. 1963; AMAE, Leg. R 8434/4. 83 Zu der Audienz und möglichen Gesprächsthemen vgl. z. B.: „Dirigentes judos fueron recibidos por el General Franco“, in: Jewish Telegraphic Agency. Boletn Cablegrfico, 65/018, 27. 1. 1965; AMAE, Leg. R 7816/34; OID, Telegrama de prensa extranjera. Informaciûn recibida por Telex de la Representaciûn de EspaÇa en la O.N.U. – Nueva York, 25. 1. 1965; AMAE, Leg. R 15123/8; „Promise from Franco“, in: JC, 4, 996, 22. 1. 1965, 1; „Audiencia en ,El Pardo‘“, in: Hakesher, 2/1965, 5. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 226 f. Über eine mögliche Wirkung der Nachricht von einer solchen Audienz scheint die Regierung unsicher gewesen zu sein. In der nationalen Presse wurde nicht darüber berichtet, es ist daher davon auszugehen, dass die Nachricht zensiert wurde. Die Tradition des semiklandestinen jüdischen Lebens in Spanien wurde so fortgeschrieben. Zu diesem Ergebnis führte eine Durchsicht der wichtigsten Tageszeitungen: ABC, Arriba, La Vanguardia und Ya an dem enstprechenden Datum. 84 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota para el Sr. Ministro (reservado), Madrid, 20. 2. 1963 und 28. 10. 1963; Nota para el Sr. Ministro: Conversaciûn con el Presidente de la Comunidad juda en Madrid; alle AMAE, Leg. R 11491/40; OID, Telegrama de prensa extranjera. Informaciûn recibida de la representaciûn de EspaÇa en la O.N.U. – Nueva York, 4. 6. 1964; AMAE, Leg. R 15123/8. 85 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota para el SeÇor Ministro, Madrid, 20. 2. 1963; Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota para el SeÇor Ministro, Madrid, 28. 10. 1963; beide AMAE, Leg. R 11491/40.
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y Mundo Ýrabe).86 In dieses Bild passt auch, dass sich Mazin gegenüber internationalen Medien mehrfach positiv über das Franco-Regime geäußert hatte, was wiederum im Außenministerium aufmerksam verfolgt wurde.87 „Der General Franco ist tolerant gegenüber den Juden und ist unseren Problemen immer mit Verständnis begegnet. Ich glaube, dass die Haltung der Juden gegenüber dem Franco-Regime eine der loyalen Zusammenarbeit sein sollte, da das Regime sein Wohlwollen gegenüber den Juden in einer schwierigen Situation bewiesen hat. Das spanische Volk verfolgt mit Interesse und Verständnis die Anstrengungen der Juden, sich wieder eine Heimat aufzubauen“.88
1966 kursierten in den USA sogar Gerüchte, die spanische Regierung überlege, Mazin für seine Bemühungen, die Beziehungen zwischen Spanien und den Juden zu stärken, auszuzeichnen.89 Die angeblich geplante Ehrung wurde vom American Jewish Committee in Zusammenhang mit Mazins Engagement in der Amistad Judeo-Cristiana gebracht.90 Auch wenn sich der spanische Generalkonsul in New York nicht über den Ursprung der Gerüchte im Klaren war, befürwortete er gegenüber dem Außenministerium einen solchen Schritt angesichts der öffentlichen Meinung in den USA.91 Auch zwischen der Gemeinde in Barcelona und den spanischen Regierungsstellen hatten bereits vor der von Franco 1965 gewährten Audienz Kontakte bestanden.92 Lisbona berichtet von einem Brief des Gemeindeprä86 Bericht der Direcciûn General de Asuntos Ýfrica y Mundo Ýrabe, Madrid, 23. 11. 1967; AMAE, Leg. R 15123/8. 87 Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, spanischer Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 20. 12. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. Für weitere Hinweise auf positive Äußerungen Mazins vgl. auch: Schreiben von Manuel Garca Miranda, Primer Secretario, Encargado de Negocios, an Außenminister, Bogot, 8. 11. 1962; AMAE, Leg. R 7816/34. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 229. 88 „El General Franco es tolerante con los judos y siempre ha mostrado comprensiûn por nuestros problemas. Creo que la actitud de los judos ante el R¦gimen de Franco debiera ser de colaboraciûn leal porque el r¦gimen ha mostrado benevolencia con los judos en situaciûn difcil. El pueblo espaÇol sigue con inter¦s y comprensiûn los esfuerzos del pueblo judo para reconstruir una patria“, zit.n.: OID, Resfflmen de la prensa britnica correspondiente al da 26 – 1–62; AMAE, Leg. R 8434/4. 89 Vgl.: Manuel Alabart, spanischer Generalkonsul in New York, an Jos¦ Mara Moro, Director General del Servicio Exterior, New York, 19. 10. 1966; Brief von Simon S. Nessim, World Sephardi Federation, an Manuel Alabart, New York, 11. 10. 1966; Brief von Marc H. Tanenbaum, American Jewish Committee, an Manuel Alabart, 4. 10. 1966; alle AMAE, Leg. R 8447/12. 90 Vgl.: Brief von Rabbiner Marc H. Tanenbaum, Director of Interreligious Affairs Department, American Jewish Committee, an Manuel Alabart, spanischer Generalkonsul in New York, New York, 4. 10. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. 91 Vgl.: Manuel Alabart, spanischer Generalkonsul in New York, an Jos¦ Mara Moro, Director General del Servicio Exterior, New York, 19. 10. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. 92 Vgl.: Comunidad Israelita de Barcelona, Memorndum que presenta al Excmo. Sr. Ministro de Informaciûn y Turismo el Sr. Presidente de la Comunidad Israelita de Barcelona, angehängt an Schreiben von Manuel Fraga Iribarne, Ministro de Informaciûn y Turismo, an Fernando Mara Castiella, Außenminister, Madrid, 18. 12. 1962; AMAE, Leg. R 15123/8. Rozenberg erwähnt ein
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sidenten David Ventura an den Staatschef, der einer Laudatio auf Franco gleichgekommen sei.93 Nach Meinung der Generaldirektion für Sicherheit (Direcciûn General de Seguridad) provozierten die guten Beziehungen zwischen den lokalen Autoritäten und der jüdischen Gemeinde in Barcelona 1962 sogar einen antisemitischen Anschlag auf die dortige Synagoge: „Den bislang gesammelten Eindrücken zufolge lag diesem Vorfall das Ziel zugrunde, die Jüdische Religionsgemeinde (sic) und die Autoritäten sowie die spanische Regierung gegeneinander aufzubringen, da die guten Beziehungen, die gegenwärtig zwischen den Autoritäten und der erwähnten Gemeinde bestehen, offensichtlich sind; das geht soweit, dass im Jahr 1954 aus Anlass der Eröffnung der besagten Synagoge der damalige Rabbiner, Herr MELUL [Hervorhebung im Original] ein Gebet für den Staatschef sprach. […] Es sollte auch hervorgehoben werden, dass der gegenwärtige Präsident der Israelitischen Gemeinde, DON ALBERTO BENBASSAT GARTI [Hervorhebung im Original], sich immer in einem spanisch-nationalistischen Sinne geäußert und dabei seine tiefe Wertschätzung des Staatschefs, den die Mehrheit der erwähnten Gemeinde schätzt […], zum Ausdruck gebracht hat. Vor diesem Hintergrund ist in diesen Kreisen die Gewissheit entstanden, dass die Brandstiftung ein weiteres Werk der anti-spanischen Kampagne war, die die Kommunisten im Ausland betreiben“.94
Die knapp skizzierten Kontakte zwischen Vertretern der franquistischen Regierung und Repräsentanten der in Spanien lebenden Juden wiesen eine starke Hierarchie auf, die zur Folge hatte, dass die jüdische Seite sich an den Erwartungshaltungen der Regierung orientierte und bestimmte Themen deshalb von vornherein ausgeklammert blieben. Der spanische Staat nahm demgegenüber eine abwartende Haltung ein und hatte selbst kein unmittelbares Interesse, die Treffen des Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Barcelona, Alberto Benbassat, mit dem Minister für Information und Tourismus im Dezember 1962, bei dem u. a. die Frage der spanischen Staatsbürgerschaft für Nicht-Sepharden thematisiert wurde, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 162 f. 93 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 172. Darüber hinaus erwähnt Lisbona einen Dankesbrief von Ventura an Blas P¦rez anlässlich der Genehmigung des 1954 eröffneten jüdischen Gemeindezentrums in Barcelona, vgl.: Ebd., 171. 94 „Segffln impresiones recogidas hasta el momento, este hecho ha sido realizado a fn de indisponer a la Comunidad Religiosa Judia (sic) con las Autoridades y Gobierno EspaÇol por ser patentes las buenas relaciones que existen en la actualidad entre las Autoridades y mencionada Comunidad, hasta el extremo de que en el aÇo 1954 con motivo de la inauguraciûn de dicha Sinagoga, el entonces Rabino, Sr. MELUL, ofreciû una oraciûn especial por el Jefe del Estado […]. Es tambi¦n de destacar que el actual Presidente de la Comunidad Israelita, DON ALBERTO BENBASSAT GARTI, se ha manifestado siempre en un amplio sentido espaÇolista, dando muestras de un sincero afecto por la persona del Jefe del Estado, a quien la mayora de la citada Comunidad estima […]. De ah que haya surgido la certidumbre en estos medios de que el citado incendio sea una maniobra ms de la campaÇa anti-espaÇola que estn realizando los comunistas en el extranjero“, Direcciûn General de Seguridad. Servicio de Informaciûn, Nota dirigida a Excmo. Sr. Ministro de Asuntos Exteriores, 23. 10. 1962; AMAE, Leg. R 6745/36.
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Beziehungen zu intensivieren oder voranzutreiben.95 Dennoch brachten diese Kontakte und die (guten) Beziehungen, die einige jüdische Repräsentanten zu Vertretern des franquistischen Regimes unterhielten, wichtige Impulse für die Etablierung jüdischen Lebens. Für die Regierung wurden einige Repräsentanten, wie z. B. Max Mazin, über die Zeit ihres aktiven Wirkens in der jüdischen Gemeinde hinaus zu Ansprechpartnern.
1.1.2 Die franquistische Regierung im direkten Kontakt mit jüdischen Repräsentanten aus dem Ausland Im Unterschied zu den in Spanien lebenden Juden war die jüdische Gemeinschaft im Ausland insofern für das Franco-Regime von Bedeutung, als dass hier Überlegungen zur Position Spaniens in der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere zur öffentlichen Meinung in den USA, zum Tragen kamen.96 Der Bedeutung des Faktors „öffentliche Meinung“ waren sich die Vertreter der internationalen jüdischen Organisationen bewusst und stellten in Gesprächen und Korrespondenzen für ein bestimmtes Verhalten der spanischen Regierung eine positive Resonanz oder ihre „propagandistische 95 Rehrmann sieht in dem Umstand, dass sich prominente Vertreter der spanischen Juden für Propagandatätigkeiten des Regimes einspannen ließen, ein „dubioses Kapitel“ der neueren spanisch-jüdischen Geschichte, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 775 f. 96 Aus den Akten der Botschaft in Washington wird deutlich, dass der öffentlichen Meinung in den USA auf spanischer Seite eine hohe Bedeutung beigemessen wurde. Aus den Akten geht ebenfalls hervor, dass Spanien für die USA als antikommunistische Kraft wichtig war und in dem sich verschärfenden Kalten Krieg eine zunehmend strategische Bedeutung besaß. In katholischen Kreisen wurde Spanien außerdem als katholisches Land geschätzt. Vgl. z. B.: AMAE, Leg. R 3599/41 – 44. Dass der spanische Botschafter in Washington D.C. die Situation der Protestanten und Juden in Spanien für ein wichtiges Thema hielt, zeigt sich z. B. in: Schreiben (reservada) von Jos¦ Mara Areilza, Botschaft in Washington, an Alberto Martn Artajo, Washington D.C., 21. 12. 1954; AMAE, Leg. R 3599/43. Ýlvarez Chillida unterstreicht ebenfalls die Bedeutung der öffentlichen Meinung in den USA, die das franquistische Regime auch mittels eines „Sephardismus“ und der Betonung der Rettung verfolgter Juden im Zweiten Weltkrieg für sich gewinnen wollte, vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 427. San Francisco sieht in der amerikanischen Presse eines der Hauptziele der franquistischen Propaganda, vgl.: San Francisco, Poltica Internacional y Comunicaciûn, 306, 319. Zur Selbstdarstellung in den USA sollte wohl auch das von der spanischen Botschaft in Washington herausgegebene Spain. Information Bulletin dienen. Vgl. verschiedene Ausgaben des wöchentlich erschienenen Bulletins der Jahre 1946/47; AMAE, Leg. R 1454/2 – 2. Rosa Pardo erwähnt einen Spanish Newsletter, der mit einer Auflage von 6000 Exemplaren von der OID herausgegeben wurde und der Öffentlichkeitsarbeit in den USA diente. Ob es sich um das gleiche Organ handelte, ist unklar, vgl.: Pardo, Rosa, La poltica norteamericana de Castiella, in: Oreja Aguirre, Marcelino/ Snchez Mantero, Rafael (Hg.), Entre la Historia y la Memoria. Fernando Mara Castiella y la poltica exterior de EspaÇa (1957 – 1969), Madrid 2007, 330. Welche Bedeutung dem Spanienbild in den ausländischen Medien beigemessen wurde bzw. wie sehr die ausländische Presse als Informationsquelle über jüdisches Leben in Spanien diente, zeigt sich an der umfangreichen Dokumentation entsprechender Zeitungsartikel im Archiv des Außenministeriums.
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Hilfe“ in Aussicht. Die spanische Botschaft in Washington spielte vor diesem Hintergrund eine zentrale Rolle als Anlaufstelle. Viele der Kontakte zwischen jüdischen Repräsentanten und Regierungsvertretern wurden über den dortigen Botschafter hergestellt.97 Auch stellte er der franquistischen Regierung Informationen und Einschätzungen zu den in den USA tätigen jüdischen Organisationen bereit. Die Beziehungen zu internationalen jüdischen Organisationen beschränkten sich in den 1940er bis 1960er Jahren in erster Linie auf B’nai B’rith und den Jüdischen Weltkongress, zu dessen Repräsentanten Maurice Perlzweig bereits seit dem Zweiten Weltkrieg Kontakt bestand. Auf kulturellem Gebiet gab es außerdem eine Zusammenarbeit mit der Sephardischen Weltföderation.98 1944 hatte Perlzweig der spanischen Regierung im Namen des Jüdischen Weltkongresses öffentlichkeitswirksam und in vorheriger Absprache mit dem spanischen Botschafter in Washington für die Rettung verfolgter Juden während des Zweiten Weltkrieges gedankt.99 Perlzweigs Verhalten gegenüber Spanien wird aus diesem Grund von der 1952 vom Ministerium für Information und Tourismus herausgegebenen Broschüre EspaÇa ante los judos en la paz y en la guerra als positives Beispiel angeführt.100 Bei einem Besuch 1958 wurde der innerhalb des Jüdischen Weltkongresses für die äußeren Beziehungen zuständige Perlzweig von Vertretern des Außenministeriums empfangen. Den Besuch hatte der Botschafter Merry del Val mit dem Hinweis angekündigt, Perlzweig möglichst entgegenkommend zu behandeln, da der Jüdische Weltkongress in den USA eine bedeutende Stellung innehabe.101 Nach 97 Vgl. verschiedene Korrespondenzen zwischen dem spanischen Botschafter Merry del Val in Washington D.C. und dem Außenministerium 1966/67; AMAE, Leg. R 8447/12; verschiedene Korrespondenzen und Unterlagen zu B’nai B’rith; AMAE, Leg. R 12038/6; verschiedene Korrespondenzen zur Spanien-Reise von Moses Socachevsky, Präsident der Jewish Nazi Victims Organization of America; AMAE, Leg. R 12047/6; Korrespondenzen zwischen dem spanischen Botschafter Lequerica und Issachar Levin, Hapoel Hamizrachi of America, April/Mai 1953; Estados Unidos, ACMP: Jefatura del Estado, 1678/22.9; verschiedene Korrespondenzen zwischen dem spanischen Botschafter Juan F. de Cardenas und amerikanisch-jüdischen Organisationen; Expediente: Amercian Jewish Distribution Committee, AGA, AAEE, (10) 26.1, 54/ 8901, 002(1). In den 1950er Jahren hatte es Kontakte zwischen der spanischen Botschaft in Washington und der jüdischen Gemeinde in New York gegeben, die von dem Botschafter Jos¦ M. de Areilza als besonders bedeutend eingeschätzt wurde, vgl.: Schreiben (reservada) von Jos¦ M. de Areilza an Außenminister Alberto Martn Artajo, Washington D.C., 17. 11. 1955; AMAE, Leg. R 3850/25. 98 Darüber hinaus stand die Botschaft in Washington aber z. B. auch in Kontakt mi der Jewish Nazi Victims Organization of America, vgl. verschiedene Korrespondenzen; AMAE, Leg. R 12047/6. 99 Vgl.: Nota informativa [Verf. unb.], 18. 2. 1968; AMAE, Leg. R 15102/1; Brief von Juan F. de Cardenas, spanischer Botschafter in Washington, an Maurice L. Perlzweig; Washington, D.C., 21. 11. 1944; AGA, AAEE (19) 26.1, 54/8901 – 002(4). 100 Vgl.: Ministerio de Informaciûn y Turismo, EspaÇa ante los judos, 9. Zu den Kontakten der spanischen Botschaft in Washington mit Perlzweig vgl. auch: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 126 – 138. 101 Vgl.: OID, Nota para el Sr. Ministro, San Sebastin, 26. 8. 1958; AMAE, Leg. R 5025/69; Nota
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dem Treffen mit dem Generaldirektor für Außenpolitik in San Sebastin im August 1958 fanden im Mai 1959 zwei weitere Treffen zwischen Perlzweig und dem Direktor für Politische Angelegenheiten im Nahen und Mittleren Osten (Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente), Los Arcos, in Madrid statt.102 In dem ersten Gespräch informierte Perlzweig das Außenministerium über die bevorstehende Versammlung des Jüdischen Weltkongresses in Stockholm und drückte seine Hoffnung auf eine mögliche spanische Beteiligung aus, zum einen durch die Anwesenheit von Vertretern der jüdischen Gemeinden in Spanien, zum anderen durch die Anwesenheit eines offiziellen Vertreters der spanischen Regierung als Beobachter. Spanien könne diese Gelegenheit nutzen, um Missverständnisse zu beseitigen, die die Beziehungen zum Judentum belasteten. „[D]iese waren unglücklicherweise die Konsequenz aus der Situation der Juden in Spanien während des Mittelalters, aus ihrer Ausweisung und aus der Tatsache, dass Spanien während des letzten Weltkrieges als Verbündeter Deutschlands wahrgenommen worden sei“.103 In dem zweiten Gespräch bedauerte Perlzweig den rechtlichen Status der Juden in Spanien und verwies auf eine in den USA und in England entstehende, für Spanien ungünstige Stimmung, die auf die Einschränkungen bei der Ausübung der Religion zurückzuführen sei.104 Vonseiten der nordamerikanischen Protestanten gebe es Versuche, gemeinsam mit den Juden eine Kampagne für Religionsfreiheit in Spanien zu realisieren, denen sich die Juden noch widersetzten, mahnte Perlzweig die Regierung zum Handeln.105 Perlzweig sprach
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Informativa acerca de la personalidad del doctor Maurice Perlzweig y de su misiûn poltica en EspaÇa (confidencial), Madrid, 4. 6. 1959; AMAE, Leg. R 5443/15. Zu dem Treffen 1958 vgl.: OID, Nota para el Sr. Ministro, San Sebastin, 26. 8. 1958; AMAE, Leg. R 5025/69; zu den Treffen 1959 vgl.: Resfflmen de la conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, Sr. Los Arcos, el 22 de mayo de 1.959 en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial) [Verf. unb.], Madrid, 25. 5. 1959; AMAE, Leg. R 5443/15; Resfflmen de la segunda conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, SeÇor Los Arcos, el 27 de mayo de 1959, en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial) [Verf. unb.], Madrid, 1. 6. 1959; AMAE, Leg. R 6530/38+5443/15. Zu den Gesprächen zwischen Perlzweig und Los Arcos vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 287 – 291; Lisbona, Retorno a Sefarad, 176 f; RAH-FFMC, Archiv. 3, Cj. 3, 643/3, 1959. „que desgraciadamente eran consecuencia de la situaciûn de los judos en EspaÇa durante la Edad Media, de su expulsiûn y del hecho de que EspaÇa hubiera aparecido durante la fflltima Guerra Mundial como aliada de Alemania“, Resfflmen de la conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, el 22 de mayo de 1.959 en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial); AMAE, Leg. R 5443/15. Vgl.: Resfflmen de la segunda conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, SeÇor Los Arcos, el 27 de mayo de 1959, en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial); AMAE, Leg. R 6530/38. Vgl.: Resfflmen de la segunda conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente,
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damit einen sensiblen Punkt an, denn in der Selbstdarstellung des franquistischen Regimes gegenüber den USA spielte der Verweis auf die in Spanien herrschende Presse- und Religionsfreiheit eine wichtige Rolle.106 Das Außenministerium stellte daher – unter Rückgriff auf den Topos „staatlicher Toleranz“ – gegenüber Perlzweig klar, dass die Juden in Spanien unter keinerlei Diskriminierungen zu leiden hätten, dass sie die im Fuero de los EspaÇoles verankerten Rechte für alle Spanier genießen würden und, falls sie nicht die spanische Nationalität besäßen, die Rechte, die für alle ausländischen Staatsbürger gälten. Da Spanien ein katholischer Staat sei, gebe es bestimmte Bedingungen für die Ausübung nicht-katholischer Religionen, und den Juden komme keine Sonderbehandlung zu. Eine Teilnahme von Repräsentanten der jüdischen Gemeinden an der Versammlung des Weltkongresses in Stockholm könne von der spanischen Regierung nicht offiziell erlaubt werden, da die Gemeinden keinen legalen Status besäßen, sie werde aber toleriert, solange keine spanischen Interessen verletzt würden.107 In einer vertraulichen Korrespondenz zwischen dem Außenministerium und dem spanischen Botschafter in Stockholm beklagte das Außenministerium einige Monate später, dass unter den spanischen Juden kein Interesse an einer Teilnahme bestünde. Das Außenministerium hatte Bedenken, dass die Abwesenheit der jüdischen Repräsentanten missverstanden und der spanischen Regierung angelastet werden könnte.108 SeÇor Los Arcos, el 27 de mayo de 1959, en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial); AMAE, Leg. R 6530/38. Ein weiteres Dokument des Außenministeriums vermutet hinter Perlzweigs Äußerung taktische Motive: „Cabe tambi¦n pensar que los judos, conscientes de la dificultad de obtener un status de excepciûn para sus poco importantes comunidades en EspaÇa, esperan que el protestantismo tenga fuerza suficiente para modificar la actitud del Gobierno espaÇol hacia los cultos no catûlicos, beneficindose indirectamente de dicho cambio de situaciûn“, Nota Informativa acerca de la personalidad del Doctor Maurice Perlzweig y de su misiûn poltica en EspaÇa (confidencial), Madrid, 4. 6. 1959; AMAE, Leg. R 6530/ 38+5443/15. Zum US-amerikanischen Engagement für mehr Religionsfreiheit in Spanien vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 180 f. 106 Vgl. verschiedene Akten der spanischen Botschaft in Washington, AMAE, Leg. R 3599/41 – 44. 107 Vgl.: Resfflmen de la conversaciûn sostenida entre el seÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, Sr. Los Arcos, el 22 de mayo de 1.959 en el Ministerio de Asuntos Exteriores (confidencial); AMAE, Leg. R 5443/15. 108 Vgl.: Schreiben (confidencial) von Director General Prûximo y Medio Oriente an Botschafter in Stockholm, Madrid 4. 8. 1959; Nota para el Sr. Subsecretario: Asamblea del Congreso Judo en Estocolmo [Verf. unb.], Madrid, 30. 7. 1959; Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa confidencial, Madrid, 26. 10. 1959; alle AMAE, Leg. R 6487/1. Als inoffizieller Beobachter wurde der Sekretär der Botschaft in Stockholm, Alfonso de Arzua, ausgewählt, der einen ausführlichen Bericht über die Versammlung des Jüdischen Weltkongresses in der schwedischen Hauptstadt anfertigte. Im Hinblick auf Spanien erwähnte Arzua, dass es unter einigen Teilnehmern Vorbehalte gegen Franco-Spanien gegeben habe, die offizielle Haltung des Kongresses gegenüber Spanien sei jedoch angemessen gewesen, wozu Perlzweig nach eigenen Angaben entscheidend beigetragen habe, vgl.: Alfonso de Arzua, El Congreso Judo Mundial celebrado en Estocolmo del 2 al 12 de Agosto de 1959, angehängt an Schreiben von
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Da der spanische Botschafter Merry del Val B’nai B’rith ebenfalls als eine in den USA wichtige und mächtige Organisation einschätzte, kam das Innenministerium (Ministerio de la Gobernaciûn) 1962 zu dem Schluss, dass ein freundschaftliches Verhältnis zu dieser Organisation, die in Spanien eine Sektion eröffnen wollte, im Sinne Spaniens sei.109 Die Berücksichtigung der öffentlichen Meinung in den USA als wichtigem außenpolitischen Verbündeten überwog damit die ursprünglichen Bedenken der spanischen Regierung, die aufgrund der Organisationsstrukturen von B’nai B’rith eine Nähe zum Freimaurertum angenommen hatte und ein proisraelisches Engagement befürchtete.110 Dieses Beispiel zeigt, dass die Regierung durchaus zu pragmatischem Handeln bereit war, das sich an der jeweiligen Interessenlage orientierte. Die Nordamerika-Abteilung des Außenministeriums verfasste im April 1962 einen Bericht über den Besuch des Generalsekretärs von B’nai B’rith, der während seines Spanien-Aufenthaltes auch Kontakt zu den jüdischen Gemeinden in Madrid und Barcelona aufgenommen hatte. Sie unterstrich dabei die Einschätzung des Innenministeriums: „Der Generalsekretär der internationalen jüdischen Organisation B’nai B’rith ist hoch erfreut über die Situation und die Unterstützung vonseiten der Regierung für die jüdische Bevölkerung in Barcelona und Madrid, wo er gerade zu Besuch war, und er bittet mich um zwei lange Artikel über die umfangreichen Schutzmaßnahmen für Juden, die Spanien vor und während des Zweiten Weltkrieges realisierte, diese sollen den Anfang einer Propagandakampagne zugunsten Spaniens in der amerikanischen, von [B’nai B’rith, A. M.] kontrollierten, Presse bilden. Er hat seinen Wunsch ausgedrückt, in Spanien eine Gruppe von B’nai B’rith gründen zu können, die von spanischen Juden geführt werden und die keinerlei politischen Charakter aufweisen oder den Staat Israel unterstützen solle; daraus würde sich eine günstige Gelegenheit für die Außendarstellung in den Vereinigten Staaten ergeben“.111 Ernesto de Zulueta, spanischer Botschafter in Stockholm, an Außenminister, Stockholm, 13. 8. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. 109 Vgl.: Schreiben von Camilo Alonso Vega, Ministro de la Gobernaciûn, an Außenminister Fernando Mara Castiella, Madrid, 21. 3. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. Vgl. auch die Einschätzung des Außenministeriums: Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. Zu den Spanien-Besuchen von Saul Joftes vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 256 ff. 110 Eine solche Sichtweise vertritt z. B. Otto von Habsburg, der von San Francisco als ein Informant der franquistischen Regierung bezeichnet wird und der in den 1950er Jahren dem christlichkonservativen Elitezirkel Centro Europeo de Documentaciûn e Informaciûn vorstand. Vgl.: Brief von Otto de Austria-Hungra an Alfredo Snchez Bella, Washington D.C., 12. 3. 1956; AMAE, Leg. R 8434/4; San Francisco, Poltica Internacional y Comunicaciûn, 203 f, 301 – 304. 111 „El Secretario General de la Organizaciûn Internacional judia [sic] B’nai B’rith est entusiasmado de la situaciûn y del apoyo gubernamental a la colonia judia [sic] de Barcelona y Madrid, que acaba de visitar, y me pide dos largos artculos sobre la gran labor de protecciûn a los judos llevada a cabo por EspaÇa antes y durante la II Guerra Mundial como principio a una campaÇa de propaganda en favor de EspaÇa en toda la prensa y propaganda americana que
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In einem Bericht der Abteilung Außenpolitik (Poltica Exterior) über den ersten Spanien-Besuch von Saul Joftes 1962 wird dieser u. a. auf die Gründung und die Arbeit der Amistad Judeo-Cristiana zurückgeführt. Im Rahmen dieses Besuches wurde Joftes von dem Direktor für politische Angelegenheiten in Nordamerika (Director de Asuntos Polticos de Norteam¦rica), Ýngel Sagaz, empfangen. Bei dem Treffen waren ebenfalls der Büroleiter der Generaldirektion für Außenpolitik (Director de la Secretara de la Direcciûn General de Poltica Exterior) Fernando Olivi¦ und der Botschaftssekretär (Secretario de Embajada) Rafael Pastor anwesend. Als Motive seines Besuches habe Joftes den Wunsch angeführt, in Spanien eine Sektion von B’nai B’rith zu gründen. Diesen Wunsch habe er auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Osteuropa geäußert, die vermuten ließen, dass Spanien in Kürze erneut ein „sicherer Hafen“ für verfolgte Juden werde. Im Anschluss sei Joftes die spanische Haltung zu B’nai B’rith erläutert worden: „In Spanien existiert das Judenproblem nicht. Die jüdische Existenz ist für uns eine ausschließlich religiöse Angelegenheit, die in Artikel 6 des Fuero de los EspaÇoles geregelt ist“,112 heißt es in dem entsprechenden Bericht. Dieser unterstreicht ebenfalls, dass es keine antijüdische Diskriminierung gebe und die Juden in Barcelona und Madrid ihre Gemeindeaktivitäten frei entfalten könnten. Auch die Gründung der christlich-jüdischen Freundschaftsvereinigung vereinnahmte die Regierung als Beweis der staatlichen Toleranz. Ferner wurde gegenüber Joftes klargestellt, dass das Freimaurertum in Spanien per Gesetz verboten sei und B’nai B’rith, trotz ihres unpolitischen Charakters, einige Merkmale aufweise, die dem Freimaurertum ähnelten. Ein weiteres Hindernis bei der Anerkennung von B’nai B’rith stellte ferner die Befürchtung der Regierung dar, dass die Organisation versuchen könnte, die Aufnahme spanisch-israelischer Beziehungen voranzutreiben. Im weiteren Gesprächsverlauf erkundigte sich Joftes, ob die Juden aus Madrid „typische Spanier“ seien, er habe bei seinen Kontakten den Eindruck gewonnen, dass die Mehrheit Deutsch, Französisch, Englisch oder slawische Sprachen spreche. Das Außenministerium resümmierte: „Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass seine möglichen Repräsentanten in Spanien entwurzelte und eingewanderte Juden wären, die die Organisation B’nai B’rith für ihre
controla. Ha manifestado su deseo de poder constituir en EspaÇa un grupo de la B’nai B’rith presidido y dirigido por judos espaÇoles sin matis [sic] poltico y sin ningffln plan de apoyo al Estado de Israel que sera gran oportunidad para ofrecernos grandes posibilidades de relaciones pfflblicas en Estados Unidos“, Direcciûn General Norteam¦rica, Nota Informativa, Madrid, 11. 4. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. 112 „En EspaÇa, el problema judo no existe. El ser judo, para nosotros, es una situaciûn puramente religiosa, regulada por el artculo 68 del Fuero de los EspaÇoles.“, Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. Vgl. auch: Direcciûn General Norteam¦rica, Nota Informativa, Madrid, 11. 4. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4.
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persönlichen Interessen nutzen könnten.“113 Hier spielte Joftes vermutlich auf die von der Regierung angenommene, stärkere Verbundenheit der Sepharden gegenüber Spanien an. In dem Bericht heißt es dazu: „Man sagte ihm ganz offen, dass seine Vermutungen richtig waren; dass die als typisch spanisch erachteten jüdischen Familien (Toledano, Salame, Benarroch, etc.) kaum in die Leitung der Gemeinde von Madrid involviert waren, deren Führungsebene in der Hand von Juden ist, die obwohl sie die spanische Staatsbürgerschaft besitzen, nichts von Spaniern haben.“114
Die Äußerungen deuten darauf hin, dass die aus Marokko eingewanderten Sepharden als Spanier erachtet wurden, was für die Aschkenasen innerhalb der jüdischen Gemeinde in Madrid nicht zutraf.115 Joftes stimmte mit dieser Einschätzung überein und erklärte, dass vor diesem Hintergrund eine mögliche Sektion ausschließlich in Barcelona gegründet werden solle, wo die Juden „authentischere Spanier und seriöser“ als die in Madrid seien. Abschließend habe Joftes die Verbreitung von Informationen über die spanische Haltung im Zweiten Weltkrieg in Aussicht gestellt, die die Meinung der amerikanischen Juden positiv beeinflussen würden, und bot eine gute Presse in den USA an sowie die positive Einwirkung auf den Europäischen Rat.116 Im Gegenzug er113 „No le gustaba nada que sus posibles representantes en EspaÇa fueran judos desarraigados y de aluviûn y que pudieran utilizar la organizaciûn B’nai B’rith para sus intereses personales.“, Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. Lisbona führt diese Äußerung auf einen Konflikt zwischen Joftes und Mazin zurück. Mazin war mit dem Vorgehen Joftes nicht einverstanden, da dieser sich mit spanischen Regierungsvertretern getroffen hatte, ohne zuvor die jüdischen Gemeinden zu konsultieren, wie es üblich war, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 257. 114 „Se le dijo con toda franqueza que sus sospechas eran verdad; que las familias judas tpicamente espaÇolas (Toledano, Salame, Benarroch, etc.) intervenan poco en los manejos de la comunidad de Madrid, cuya direcciûn est en manos de judos que, aunque tienen carta de naturaleza espaÇola, no tienen nada de espaÇoles.“, Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. In Madrid hatten bis in die 1950er Jahre hauptsächlich aschkenasische Juden aus Deutschland, Polen, Ungarn etc. gelebt, die Zusammensetzung begann sich erst durch die Einwanderungswelle marokkanischer Sepharden zu ändern. Für Barcelona geht Rozenberg von einer sephardischen Mehrheit bereits in den 1950er Jahren aus, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 153 f. 115 Vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, Apuntes histûricos sobre los judos espaÇoles (1834 – 2008), in: Martn Snchez, Isidoro/Gonzlez Snchez, Marcos (Hg.), Los judos en EspaÇa. Cuestiones del Acuerdo de cooperaciûn con la FCJE de 1992, Collado Villalba (Madrid) 2010, 45. Für die für den Regierungsdiskurs typische Unterscheidung vgl. auch das Kapitel 1.1 zum Regierungsdiskurs. 116 „ms aut¦nticos espaÇoles y ms serios“, Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. Dass Joftes sein Angebot ernst meinte, zeigt ein Brief aus dem Jahr 1966, in dem er sich für die Übersendung eines Entwurfes des in Diskussion befindlichen Religionsgesetzes bedankt und erklärt: „As you can see from the enclosed news clipping, we put the draft to good use“, Brief von Saul Joftes an Marqu¦s de Merry del Val, spanischer
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wartete er die Genehmigung einer Sektion in Spanien, eine positive Haltung gegenüber den Juden aus dem Osten und keine politische und ökonomische Diskriminierung von Israel. Die spanische Seite sah darin ein gutes Angebot.117 Im folgenden Jahr, am 13. Februar 1963, wurde dem Präsidenten und dem Generalsekretär von B’nai B’rith, Label Katz und Saul Joftes, von Franco eine Audienz im Pardo-Palast gewährt.118 Auf der anschließenden Pressekonferenz drückten Katz und Joftes ihren Dank für die spanische Hilfe für verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg aus.119 Aufgrund solcher öffentlich vorgetragener Danksagungen hatten die Kontakte zu jüdischen Organisationen für die franquistische Regierung eine geschichtspolitische Dimension, da sie dazu beitrugen, die Erinnerung an Spaniens Rolle als ideologisch-moralisch Verbündeter Hitlers durch positive Aspekte zu ersetzen.120 1966, im Zuge der Reformierung der Religionsgesetzgebung in Spanien, äußerte auch der neue Präsident von B’nai B’rith, William A. Wexler, den Wunsch, von Franco empfangen zu werden und diesem seinen Dank für den entscheidenden Wechsel in der Religionspolitik auszudrücken.121 Die Organi-
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Botschafter in Washington, Washington D.C., 29. 12. 1966; vgl. auch den angehängten Artikel Szulc, Tad, Franco Sees U.S. Jewish Aides; Calls New Code ,Act of Justice‘, in: NYT, 22. 12. 1966; beides AMAE, Leg. R 12038/6. „A primera vista parece que lo que piden los judos es poco a cambio de lo que ofrecen.“, Direcciûn General Poltica Exterior, Visita a EspaÇa del SeÇor Saul E. Joftes, Secretario General para Asuntos Internacionales de la B’nai B’rith, o. Datum; AMAE, Leg. R 8434/4. Eine Ankündigung dieses Treffens findet sich in: Nota para el SeÇor Director General de la Oficina Diplomtica [Verf. unb.], Madrid, 8. 2. 1963; AMAE, Leg. R 7231/42. Vgl. dazu auch: Direcciûn General Norteam¦rica, Entrevista con S.E. el Jefe del Estado del Presidente y Secretario General de B’nai B’rith, Madrid, 13. 2. 1963; AMAE, Leg. R 12038/6. Dieses Treffen fand Erwähnung in dem Protokoll der von Franco gewährten Audienzen in der falangistischen Zeitung Arriba, vgl.: „Audiencias Militar y civil del Jefe del Estado“, in: Arriba, 14. 2. 1963, 8. Ein weiteres Treffen fand am 21. 12. 1966 mit Franco, Saul Joftes sowie dem neuen Präsidenten von B’nai B’rith, A. Wexler, statt. Vgl.: Szulc, Franco Sees U.S. Jewish Aides; Calls New Code ,Act of Justice‘, in: NYT, 22. 12. 1966; AMAE, Leg. R 12038/6. Vgl.: Direcciûn General Norteam¦rica, Entrevista con S.E. el Jefe del Estado del Presidente y Secretario General de B’nai B’rith, Madrid, 13. 2. 1963; AMAE, Leg. R 12038/6. Einige Jahre später, im Mai 1970, als sich die Einschätzung der positiven außenpolitischen Wirkung im Außenministerium geändert hatte, verurteilte es die Pressekonferenz als Indiskretion. Vgl.: Subdirecciûn General de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 26. 5. 1970; AMAE, Leg. R 15102/5. Auch Joachim Prinz, Präsident der Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations, drückte gegenüber dem spanischen Botschafter in Washington seinen Dank aus, vgl.: Brief von Joachim Prinz an Marqu¦s de Merry del Val, New York, 26. 9. 1967; AGA, AAEE (10) 26, 54/12473. Dass auch Privatpersonen ihrer Dankbarkeit medial Ausdruck verliehen, zeigt exemplarisch der Fall des Ehepaares Heller. Inwieweit die Äußerungen von der spanischen Botschaft in London forciert wurden, ist unklar, vgl.: Heller, E., Spanish aid to refugees, in: JC, 4, 760, 15. 7. 1960, 22; Nota para el Excmo. SeÇor Embajador [Verf. unb.], London, 13. 5. 1961; AMAE, Leg. R 6592/37. Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 137. Vgl.: Direcciûn General de Asuntos de Norteam¦rica, Nota para su Excelencia, Madrid, 9. 12. 1966; Schreiben an Außenminister, wahrsch. von Marqu¦s de Merry del Val, 16. 12. 1966; beide AMAE, Leg. R 12038/6.
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sation B’nai B’rith konnte aber erst im März 1978 und somit nach Francos Tod eine Sektion in Madrid und eine weitere Sektion im Oktober 1979 in Barcelona gründen.122 Trotz der durchaus positiven Bewertung einer Genehmigung von B’nai B’rith hatte im Außenministerium wohl letztlich die Furcht vor einer Politisierung überwogen. Dem Aufbau von Organisationsstrukturen, die über die wesentlich leichter zu kontrollierenden persönlichen Kontakte hinausgingen, stand die franquistische Regierung meistens ablehnend gegenüber. Entgegen der Vermutung, dass die auf internationaler Ebene angesiedelten Kontakte einen größeren (Ver-)Handlungsspielraum zuließen, machen die hier vorgestellten Beispiele deutlich, dass die Gesprächsinhalte – zumindest in der Form wie sie vom Außenministerium protokolliert wurden – stark den offiziellen Topoi verhaftet blieben. Eine mögliche Erklärung für diesen Befund kann sein, dass sich die Kontakte des franquistischen Regimes mit jüdischen Repräsentanten auf einige wenige Personen beschränkten, die sich durch ihr pro-spanisches Verhalten das Vertrauen der Regierung erworben hatten und dieses zur Aufrechterhaltung der Kontakte immer wieder unter Beweis stellten. Die Audienzen bei Franco wurden somit in erster Linie Einzelpersonen und nicht institutionellen Repräsentanten gewährt. Es zeigt sich aber auch die außenpolitische Dimension dieser Thematik. Zumindest die spanische Botschaft in den USA sah in der Beziehungspflege mit jüdischen Organisationen einen Teil ihrer diplomatischen Arbeit von der sie sich einen positiven Einfluss auf das öffentliche Spanienbild erhoffte. Insgesamt lässt sich für die Haltung der Regierung feststellen, dass sie immer dann zu einem „Entgegenkommen“ bereit war, wenn damit spanischen Interessen entsprochen wurde.
1.2 Alternativer Diskurs über Juden und Christen. Die Amistad Judeo-Cristiana In der hier untersuchten ersten Phase der Aufnahme von offiziellen Beziehungen zwischen spanischem Staat und jüdischen Gemeinden waren die 122 Vgl.: „Madrid lodge inaugurated“, in: JC, 5, 683, 24. 3. 1978, 4; „La B’nai B’rith y la comunidad israelita“, in: Zafir, 4/1990, 8. Vgl. zur Gründung sowie den Bemühungen von B’nai B’rith im Vorfeld auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 256 – 259, 319 ff. Trotz der Kontakte entschied sich die Regierung 1971 gegen eine Genehmigung von B’nai B’rith in Spanien, vgl.: Schreiben von Jos¦ Mara Allendesalazar, spanische Botschaft in Washington, an Antonio Elas Martinena, Subdirecciûn General de Asuntos de Am¦rica y Extremo Oriente, 6. 10. 1971; Brief von Herman Edelsberg, B’nai B’rith, an Count de Montefuerte (Jos¦ Mara Allendesalazar), spanische Botschaft in Washington, Washington D.C., 26. 8. 1971; beide AMAE, Leg. R 12186/21. Die Korrespondenzen zwischen den verschiedenen Ministerien und der Botschaft in den USA über die Anerkennung von B’nai B’rith setzten sich bis 1973 fort, der Botschafter in Washington unterstrich dabei immer wieder die positiven Auswirkungen auf die öffentliche Meinung im Ausland. Auch Max Mazin setzte sich für eine Genehmigung ein. Zentral in der Diskussion war die Frage, ob es sich um eine religiöse oder eine Wohltätigkeitsorganisation handelte. Vgl.: AMAE, Leg. R 12186/21; 15102/5.
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sporadischen Kontakte auf einen kleinen Kreis beschränkt. Unterhalb dieser offiziellen Ebene bot die Amistad Judeo-Cristiana seit 1961/62 Raum für einen kontinuierlichen Annäherungsprozess zwischen katholischer Mehrheitsgesellschaft und jüdischer Minderheit. Auch wenn hier ebenfalls nur ein begrenzter Personenkreis involviert war, bestehend aus katholischen Geistlichen und Vertretern der jüdischen Gemeinde in Madrid, und ihr unmittelbares Wirken geografisch weitgehend auf die Hauptstadt beschränkt blieb, trug die AJC, indem sie öffentlich in Erscheinung trat, dazu bei, dass der katholischjüdische Dialog Auswirkungen auf die spanische Gesellschaft hatte. Als zentraler Akteur im Annäherungsprozess war die jüdisch-christliche Freundschaftsvereinigung zugleich Ausdruck und Motor des in den 1960er Jahren vorsichtig einsetzenden Bewusstseinswandels gegenüber den nicht-katholischen Minderheiten. Indem ihre Entstehung und ihr Wirken in der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte verortet werden, soll auch ein Beitrag zur bislang noch weitgehend ausstehenden wissenschaftlichen Aufarbeitung der AJC geleistet werden. 1.2.1 Die Gründung der Amistad Judeo-Cristiana als Ausdruck eines Wandlungsprozesses „Die Freundschaft, heißt es in den Wörterbüchern, ist eine Gemütsbewegung, rein und uneigennützig, gewöhnlich beruht sie auf Gegenseitigkeit, sie entsteht und verstärkt sich im Kontakt miteinander. […] Und der Kontakt ist das, was dieses schlichte Bulletin verfolgt: Kontakt zwischen den Christen und den Juden, Zweige desselben Stammes“.123
In diesen wenigen Zeilen drücken sich zwei Grundgedanken der AJC aus, die Betonung der (religiösen) Gemeinsamkeiten von Christen und Juden sowie die Notwendigkeit eines gegenseitigen Verständnisses als Grundvoraussetzung für einen Annäherungsprozess. Dieser Annahme folgend, wurden in der ersten Ausgabe des Informationsblattes im Juni 1963 unter der Überschrift „Die Freundschaft ist eine Form der Liebe“ („La amistad es una forma de amor“) die Ziele der Vereinigung festgehalten: Nach Jahrhunderten der Entfremdung und des Hasses müsse der gegenseitige Argwohn durch Nächstenliebe ersetzt werden. Zu den Hintergründen ihrer Entstehung heißt es in derselben Ausgabe, dass die Gründung im Kontext des Eichmann-Prozesses 1961 verstanden werden müsse, der in Spanien – verstärkt durch seine zeitliche Überschneidung mit der Karwoche – eine antisemitische Welle ausgelöst hatte. In der Presse waren alte Stereotype, wie die des „gottesmörderischen 123 „La Amistad, dicen los diccionarios, es un afecto personal, puro y desinteresado, ordinariamente recproco, que nace y se fortalece con el trato. […] Y trato es lo que persigue este sencillo boletin [sic]: trato entre los cristianos y los judios [sic], ramas de un mismo tronco“, P¦rez Lozano, Jos¦ Mara, Razûn de una palabra: La amistad es una forma de amor, in: AJC, 1/1963, 1.
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Volkes“, wieder aufgelebt, und die Zahl der antisemitischen Vorfälle war angestiegen.124 Innerhalb der jüdischen Gemeinde von Madrid riefen diese Entwicklungen Beunruhigung hervor, sodass sich der Gemeindepräsident Max Mazin an den katholischen Priester und Hebräisch-Professor der Universidad Complutense in Madrid, Pater Antonio Peral, wandte.125 Peral leitete die Befürchtungen an die Oberschwester Esperanza des Ordens Religiosas de Nuestra SeÇora de Siûn weiter, eine Glaubensgemeinschaft, die seit August 1960 in Madrid einen Sitz unterhielt und sich für die christlich-jüdische Verständigung engagierte. Auf christlicher Seite artikulierte sich daraufhin der Wunsch nach einer Geste der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde. In Anlehnung an bereits existierende europäische und amerikanische Vorbilder entstand die Idee einer Organisation, die eine Freundschaft zwischen den Glaubensgemeinschaften etablieren sollte.126 Unterstützt durch den Weihbischof von Madrid-Alcal, Jos¦ Mara Garca Lahiguera,127 wurden in den Folgemonaten die ersten Schritte einer Kontaktaufnahme unternommen, und im Oktober 1961 fand im CSIC eine Konferenz statt, an der mehr als zweihundert Katholiken und Juden teilnahmen.128 Das dort mit der Bildung der spanischen Amistad Judeo-Cristiana beauftragte 124 Zur Berichterstattung in Arriba, die die Rechtmäßigkeit und Neutralität des Prozesses anzweifelte, vgl.: Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 397 f; „Ayer comenzû la vista de la causa contra Eichmann“, in: Arriba, 12. 4. 1961, 9; „Ayer se reanudû la vista del proceso contra Eichmann“, in: Ebd., 15. 4. 1961, 65; „,Si a Eichmann le juzgase fuera de Israel saldran a la luz muchas cosas‘“, in: Ebd., 16. 4. 1961, 141. Dass es bereits vor dem Eichmann-Prozess zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle in Spanien gekommen war, davon zeugen Akten im Archiv des Außenministeriums, vgl.: verschiedene Korrespondenzen sowie Berichte des Estado Mayor Central del Ej¦rcito, Segunda Secciûn BIS, 1960; AMAE, Leg. R 6170/28. 125 „Historia de la Amistad Judeo-Cristiana en EspaÇa“, in: AJC, 1/1963, 6 – 7. Vgl. auch: Serrano, Vicente, El Dilogo, in: El Olivo, 1/1977, 10. 126 Auch zuvor gab es schon Kontakte zwischen den katholischen Priestern Jos¦ Mara Javierre und Antonio Peral und der jüdischen Gemeinde in Madrid. Vgl.: OID, Informe sobre la Hermandad Judeo Cristiana en Madrid (confidencial); AMAE Leg. R 8434/4; Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota informativa, 16. 3. 1962; AMAE Leg R 8434/4. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 249; Espias Snchez, Manuel, Existe en Madrid una asociaciûn de amistad judeo-cristiana, in: Informaciones, 15. 8. 1966; AMAE, Leg. R 15123/8. Zum Verweis auf den Vorbildcharakter bereits bestehender Freundschaftsvereinigungen in anderen Ländern vgl.: „La Amistad Judeo-Cristiana en el mundo“, in: AJC, 1/1963, 7. Die Idee einer christlichjüdischen Vereinigung ist eng verbunden mit der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust. Ursprünglich als direkte Hilfe von Christen für verfolgte Juden noch im Krieg entstanden, entwickelte sich nach Kriegsende die Idee einer dauerhaften Einrichtung. 1948 wurde die Einrichtung Amiti¦ Jud¦o-Chr¦tienne in Paris gegründet, später folgten weitere Gruppen in Europa und Lateinamerika. Vgl.: Foschepoth, Josef, Im Schatten der Vergangenheit. Die Anfänge der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Göttingen 1993, 47 – 53. 127 Zur Rolle Lahigueras vgl.: „Spanish bishop praised“, in: JC, 4, 977, 11. 9. 1964, 44. 128 OID, Informe sobre la Hermandad Judeo Cristiana en Madrid (confidencial); AMAE Leg. R 8434/4. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 249 f.
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Exekutivkomitee,129 dem der katholische Priester und Vizekanzler des Bistums Madrid-Alcal, Vicente Serrano, sowie Max Mazin vorstanden,130 legte noch im selben Jahr, im November 1961, eine Deklaration vor, in der u. a. folgende Ziele benannt werden: „18) Die spirituelle Annäherung zwischen Juden und Christen stärken. 28) Die gegenseitigen Kenntnisse über Traditionen, Kultur und Lebensweisen erweitern. 38) Mit vollem Einsatz gegen diskriminierende Klischees, irrationale Vorurteile und verletzende Darstellungen, die in Texten, Familientraditionen, Sprichwörtern und Redewendungen festgeschrieben sind, angehen“.131
Der Vorstand der neu gegründeten AJC setzte sich aus einem katholischen Vertreter, Vicente Serrano, und einem Vertreter der jüdischen Gemeinde Madrid, Max Mazin, zusammen. Israel Garzûn zufolge legitimierte die Beteiligung Mazins die AJC in den Augen der spanischen Juden.132 Die Arbeitsgruppe Actividades culturales war für die Veröffentlichung des alle zwei Monate erscheinenden gleichnamigen Informationsblattes Amistad JudeoCristiana, mit einer Auflage von etwa 2000 Exemplaren zuständig, welches Ýlvarez Chillida zufolge vom Ministerium für Information und Tourismus streng überwacht wurde.133 Im Dezember 1961 erkannte das Bistum Madrid-Alcal die christlich-jüdische Vereinigung an.134 Die Genehmigung durch die Generaldirektion für Sicherheit (Direcciûn General de Seguridad) und den Eintrag ins Vereinsre129 „Historia de la Amistad Judeo-Cristiana en EspaÇa“, in: AJC, 1/1963, 6. Zur Gründung der AJC vgl. auch: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 157 ff. Vicente Serrano zufolge entstand die Idee zur Gründung einer Amistad Judeo-Cristiana nicht auf der eigentlichen Konferenz, sondern auf einem anschließenden Treffen einiger der Konferenzteilnehmer im Privathaus von Samuel Toledano, einem wichtigen Mitglied der jüdischen Gemeinde von Madrid, vgl.: Serrano, El Dilogo, in: El Olivo, 1/1977, 10. 130 Lisbona zufolge gehörten dem Exekutivkomitee außerdem auf katholischer Seite Esperanza Mary und Jos¦ Mara P¦rez Lozano, sowie auf jüdischer Seite Samuel Toledano an, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 250. 131 „18) Intensificar el acercamiento espiritual entre judos y cristianos. 28) Fomentar el conocimiento de sus mffltuas tradiciones, culturas y modos de vida. 38) Poner todo empeÇo en suprimir los tûpicos odiosos de aversiûn, los prejuicios irracionales, los conceptos comunes hirientes que se han conservado en los textos, tradiciones familiares, refranes y modismos populares.“, OID, Informe sobre la Hermandad Judeo Cristiana en Madrid (confidencial); AMAE, Leg. R 8434/4. 132 Vgl.: Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 243. 1966 wurde Francisco Riaza Saco Generalsekretär, und der Rabbiner Baruj Garzûn aus Madrid sowie die Nonne Mara Ionel Mihalovici von der Congregaciûn de las Religiosas de Nuestra SeÇora de Siûn schlossen sich dem Führungskomitee als neue Mitglieder an. 133 „Radio Vaticana se ocupa de la Amistad“, in: AJC, 22/1968, 2; Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 407. 134 Vgl. hierzu das Schreiben der Secretara-Cancillera del Obispado de Madrid-Alcal, abgedruckt in: AJC, 1/1963, 1.
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gister (Registro de Asociaciones) erhielt sie im April 1962.135 Die offizielle Autorisierung erfolgte, obwohl bei den zuständigen Stellen von Anfang an Zweifel an der apolitischen Ausrichtung und den rein religiösen Zielen der AJC bestanden hatten.136 Aus einem Schriftstück des Außenministeriums geht hervor, dass im Hinblick auf die jüdischen Mitglieder Bedenken existierten, ob diese durch politische Motive gelenkt seien. In erster Linie fürchtete man eine Instrumentalisierung der AJC im Sinne Israels.137 Dass die Genehmigung dennoch erfolgte, kann wohl auf die Beteiligung katholischer Geistlicher zurückgeführt werden. Allerdings änderte sich die Einstellung der spanischen Regierung – oder zumindest einiger ihrer Mitglieder – gegenüber der Freundschaftsvereinigung im Laufe der 1960er Jahre. So äußerte sich der Minister für Information und Tourismus, Manuel Fraga Iribarne, während eines New York-Besuches gegenüber Vertretern des American Jewish Committee lobend über die Arbeit der AJC und betonte die traditionell enge Bindung zwischen Spanien und den Juden.138 In späteren Jahren unterstützte der spanische Staat dann die Arbeit der Nachfolgeeinrichtung, bekannt sind finanzielle Hilfen für zwei Symposien des Centro de Estudios Judeo-Cristianos in den Jahren 1975 und 1977.139 Aber nicht nur auf offizieller Seite bestand Skepsis gegenüber der AJC.140 Vor allem die rechte Presse reagierte auf deren Gründung mit offener Kritik und Feindseligkeit: Die falangistische Zeitung Arriba warf der AJC eine zionistische Verschwörung im Dienste des Judentums vor und warnte vor einem philosemitischen Liberalismus.141 Die antisemitische, in Barcelona erschei135 Samuel Toledano, ehemaliger Vizepräsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, wertete die Genehmigung der AJC als ersten offiziellen Akt des spanischen Staates, in dem Juden und Katholiken juristisch identisch behandelt wurden, vgl.: Toledano, Samuel M., El Judasmo EspaÇol en 1964, in: Information Juive, Dezember/Januar 1965; AGA (3) 104.04, Cj. 573 (70663). Zunächst hatte es Schwierigkeiten bei der Genehmigung gegeben, wie in einem Schreiben an das Innenministerium angedeutet wird, vgl.: Schreiben an Camilo Alonso Vega [Verf. unb.], Madrid, 12. 2. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. 136 „Historia de la Amistad Judeo-Cristiana en EspaÇa“, in: AJC, 1/1963, 7; OID, Informe sobre la Hermandad Judeo Cristiana en Madrid (confidencial); AMAE Leg. R 8434/4. Auch Lisbona berichtet von Hindernissen bei der Anerkennung der AJC durch die spanische Regierung, speziell durch die Jefatura Superior de Polica. Im Auftrag des Außenministeriums habe der Servicio de Informaciûn de la Direcciûn General de Seguridad bis zu drei Geheimberichte über die AJC angefertigt, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 252; OID, Informe sobre la Hermandad Judeo Cristiana en Madrid (confidencial), o. Datum; AMAE, Leg., R 8434/4. 137 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa, 16. 3. 1962; AMAE Leg. R 8434/4. 138 „Spanish Minister lands ties with Judaism“, in: JC, 4, 986, 13. 11. 1964, 25. Eventuell trug zu der positiveren Einstellung gegenüber der AJC auch die große Resonanz im Ausland auf die Gründung der Vereinigung bei. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa, Madrid, 16. 3. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. 139 Vgl.: Brief von Vicente Serrano, Direktor des CEJC, an Director de Relaciones Culturales, Madrid, 13. 6. 1977; Brief von Alfonso de la Serna an Vicente Serrano, Madrid, 29. 6. 1977; beide AMAE, Leg. R 18587/33. 140 Vgl.: „En Toledo, X Aniversario“, in: AJC, 38/1972, 2. 141 „Catûlicos y judos“, in: Arriba, 14. 4. 1962. In den Beständen der BNE konnte der Artikel nicht
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nende Zeitschrift El Cruzado EspaÇol beschuldigte die AJC eines obskuren zionistischen Bekehrungseifers und subversiver Pläne zur Welteroberung.142 Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelte, die AJC sich vielmehr immer wieder Angriffen von rechter Seite ausgesetzt sah, in denen antisemitische Klischees bedient wurden, bezeugen die im CEJC-Archiv unter dem Schlagwort „Insultos“ zusammengefassten Materialien.143 Auch vonseiten der arabischen Staaten gab es scharfe Kritik an der AJC, in der sie ein Propagandainstrument Israels sahen. Der marokkanische Botschafter warf ihr im Namen der arabischen Vertretungen in Madrid vor, „eine der Masken zu sein, hinter denen sich der weltweite Zionismus verberge, um die Köpfe der geliebten spanischen Erde zu vergiften“.144 Der marokkanische Botschafter spielte damit auf die im spanischen Außenministerium vorhandenen Ängste vor einer „jüdischen Infiltrierung“ der spanischen Politik an. Lisbona zufolge waren arabische Botschafter auch für eine gegen die AJC gerichtete Diffamierungskampagne im April 1967 verantwortlich, als der spanischen Presse ein angebliches Geheimdokument über die „wahren Ziele“ der AJC zugespielt worden war. Wie sich später herausstellte, hatte das Dokument eine nazistische Gruppe verfasst, die wiederum, wie Lisbona vermutet, von arabischen Botschaftern finanziert wurde.145 Zu den Unterstützern der ersten Stunde zählten neben den bedeutenden zeitgenössischen Hebraisten, Francisco Cantera Burgos und Jos¦ Mara Mills Vallicrosa,146 Pater Jos¦ Mara Javierre147 und Blas PiÇar, der zwischen 1957
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gefunden werden, er wird aber erwähnt in: Lisbona, Retorno a Sefarad, 252. Der Arriba-Artikel wurde auch in der US-amerikanischen Chicago Daily Tribune aufgegriffen, wie die dortige spanische Vertretung dem Außenminister mitteilte, vgl.: Schreiben von Antonio Espinosa, Encargado de Negocios, an Außenminister, Washington, 17. 4. 1962; Darran, David, Christians, Jews in Spain form Society, in: Chicago Daily Tribune, 16. 4. 1962; beides AMAE, Leg. R 8434/4. Kritik an der Gründung der AJC findet sich auch in den rechtsextremen Zeitschriften Juanp¦rez und ¿Qu¦ pasa?. Vgl. dazu: „Spanish move to tolerance“, in: JC, 4, 958, 1. 5. 1964, 9; „Criticism annoys Madrid newspaper“, in: JC, 4, 968, 10. 7. 1964, 19. Vgl.: P¦rez Lozano, Jos¦ Mara, Continuemos el dilogo, in: AJC, 2/1964, 1. Vgl.: ACEJC, „Insultos“. Vgl. auch: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 448 f.; Ders., El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 413. Aber auch wenn die AJC unter antisemitischen Angriffen zu leiden hatte, so waren sie im Vergleich zu jenen, mit denen sich die jüdischen Gemeinden in Madrid und Barcelona Anfang der 1960er Jahre auseinandersetzen mussten, gering. Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 449. „uno de estos antifaces con que se disfraza el sionismo mundial para intoxicar las mentes de esta amada tierra espaÇola“, Schreiben von Botschafter des Konigreiches Marokko in Madrid an Außenminister, Madrid, 5. 3. 1964; AMAE, Leg. R 15123/8. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 254. Damit waren von Beginn an Wissenschaftler der Universität und des Instituto Arias Montano in den Reihen der AJC vertreten. Vgl. dazu auch: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa, 16. 3. 1962; AMAE, Leg. R 8434/4. Javierre hatte zeitweilig in Israel gelebt und setzte sich in mehreren Artikeln in der katholischen Zeitung Ya für eine Annäherung zwischen Christen und Juden ein, vgl. z. B.: „Sobre judos y cristianos“, in: Ya, 2. 5. 1962, 7 f.
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und 1962 Leiter des Instituto de Cultura Hispnica war.148 Auf jüdischer Seite waren es Samuel Toledano und Alberto Benasuly.149 Mit Ausnahme der religiösen Vertreter deutet die Zusammensetzung der Unterstützer darauf hin, dass im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich weniger Hindernisse hinsichtlich einer Annäherung an das Judentum bestanden. Auf positive Resonanz stieß die Gründung der AJC auch bei Teilen der katholischen Kirche in Spanien, was damit zu erklären ist, dass die Kirche seit den 1960er Jahren auf Distanz zum Regime ging. Insbesondere die jüngere Generation trat für einen Wandel ein. In der dritten Ausgabe ihres Informationsblattes veröffentlichte die AJC Schreiben von 15 spanischen Bischöfen aus allen Landesteilen, in denen diese ihren Segen aussprachen und die Ziele der AJC guthießen, wobei häufig eine Verbindung zu den Normen des Zweiten Vatikanischen Konzils hergestellt wurde.150 Das Konzil bedeutete einen entscheidenden Impuls für die AJC, da die dort verabschiedete Deklaration Nostra Aetate das gewandelte Verhältnis zum Judentum durch die höchsten katholischen Autoritäten legitimierte.151 Mit dieser Deklaration wurden das Judentum als Wurzel des Christentums anerkannt und die gemeinsamen religiösen Traditionen betont. Außerdem wurden der Vorwurf einer Kollektivschuld und die Vorstellung der Juden als ein von Gott verstoßenes Volk aufgegeben.152 Damit ergab sich eine 148 Rehrmann, Das schwierige Erbe, 772. Ýlvarez Chillida betont die pro-sephardische Ausrichtung seiner Kulturpolitik als Leiter des Instituto de Cultura Hispnica, er besuchte in dieser Funktion bereits 1962 Israel, vgl.: Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/ Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 399. Ab 1967 habe sich PiÇar allerdings von dieser prosephardischen Politik distanziert. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 250. 149 Gespräch der Verfasserin mit Alberto Benasuly, Madrid, 4. 11. 2009. 150 Vgl.: Callahan, William J., The Catholic Church in Spain, 1875 – 1998, Washington D.C. 2000, 500 – 526. Zu den Auswirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils auf die spanische Kirche vgl. auch das Kapitel zur Ley de Libertad Religiosa. Zur Unterstützung durch die Kirche vgl.: „Los obispos espaÇoles bendicen nuestra Amistad Judeo-Cristiana“, in: AJC, 3/1964, 3 ff. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 249. Auch im Jewish Chronicle heißt es anlässlich des zweijährigen Bestehens der AJC, dass es von Beginn an eine breite Unterstützung gegeben habe, „,Friends‘ group in Spain“, in: JC, 4, 942, 10. 1. 1964, 40. 151 Wichtige Impulse für die Einberufung eines Ökumenischen Konzils durch Papst Johannes XXIII., dessen Hauptanliegen die Neuregelung der Beziehungen der katholischen Kirche zu den anderen christlichen Religionen war, kamen von den 1946 in Seelisberg verabschiedeten „Zehn Thesen“, welche die Gemeinsamkeiten von Judentum und Christentum betonten und sich gegen antijüdisches Verhalten wandten, ebenso wie durch das Engagement von Jules Isaac. Im Oktober 1965, in der vierten Sitzungsperiode verabschiedete das Zweite Vatikanische Konzil die unter Leitung des deutschen Kardinals Augustin Bea ausgearbeitete Deklaration Nostra Aetate. Vgl.: Recker, Dorothee, Die Wegbereiter der Judenerklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Johannes XXIII., Kardinal Bea und Prälat Oesterreicher – eine Darstellung ihrer theologischen Entwicklung, Paderborn 2007, z. B. 156 – 169, 289ff; Renz, Andreas, Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, in: Bischof, Franz Xaver/Leimgruber, Stephan (Hg.), Vierzig Jahre II. Vatikanum. Zur Wirkungsgeschichte der Konzilstexte, Würzburg 2004, 208 – 231. 152 Vgl.: Declaraciûn del C. Vaticano II sobre las relaciones de la Iglesia con las religiones no cristianas, Pablo Obispo de la Iglesia Catûlica, in: Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales, Cristianos y judos por los caminos del dilogo, Madrid 1992, 14 f. Bereits 1959
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große Übereinstimmung zwischen den Normen des Zweiten Vatikanischen Konzils153 und dem Engagement der AJC.154 Insgesamt sorgte das Konzil mit der Nostra Aetate für ein neues Selbstbewusstsein der AJC und verschaffte ihr, da sie sich nun mit ihren Zielen in eine breite Bewegung einordnen konnte, Rückendeckung.155 In den ersten Jahren nach ihrer Gründung gewann die AJC an gesellschaftlicher Bedeutung, 1966 hatte sie bereits 2000 Mitglieder.156 Außerdem gründeten sich Ableger in Barcelona (1967) unter Leitung von Antonio Mara de Gibert und Carlos Benarroch sowie in Sevilla (1970).157 Der Gründung der Amistad Judeo-Cristiana in Barcelona, die sich im August 1979 in Entesa Judeo-Cristiana de Catalunya158 umbenannte, kam eine besondere Bedeutung zu, da die katalanische Stadt bis in die 1960er Jahre die größte jüdische Gemeinde beherbergte.159 Darüber hinaus fand die AJC vor allem in Städten mit einer jüdisch-christlichen Vergangenheit wie Hervs, Vitoria oder Cûrdoba
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hatte der Papst den Verweis auf die „verräterischen Juden“ in der Karfreitagsliturgie gestrichen. Vgl.: Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 402. Für Reaktionen auf die Entscheidungen des Vatikans, insbesondere von spanischen Botschaftern in arabischen Ländern vgl.: AMAE, Leg. R 7795/44. Für die enge Anbindung an das Konzil sprechen auch Kontakte mit Kardinal Bea. Vgl.: „La ,Amistad Judeo-Cristiana‘ recibida por el Cardenal Bea“, in: La Vanguardia, 17. 5. 1964, 7; „El Cardenal Bea, a la Amistad Judeo-Cristiana de Madrid“, in: AJC, 9/1966, 1 – 2. Die Vorschläge zur Umsetzung der Nostra Aetate von der Comisiûn para las Relaciones con el Judasmo betrafen gleichfalls die Bereiche des Dialoges, der Liturgie und der Erziehung, vgl.: Orientaciones y sugerencias para la aplicaciûn de la declaraciûn conciliar „Nostra Aetate“ (N.8 4). Documento de la Comisiûn para las Relaciones con el Judasmo, 1. 12. 1974, in: Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales (Hg.), Cristianos y judos, 17 – 23. Serrano, Vicente, Han vuelto a sonar las campanas, in: AJC, 7/1965, 4. „En Toledo, X aniversario“, in: AJC, 38/1972, 2. Sowohl anlässlich des 20-jährigen als auch des 40-jährigen Jubiläums war die Nostra Aetate Schwerpunktthema in El Olivo, vgl. die Ausgaben 23/1986 und 64/2006. Zur Bedeutung der Gründung der AJC vgl. auch: Easterman, Alex L., Spanish Jewry’s Resurgence, in: JC, 4, 965, 19. 6. 1964, 9. Die AJC in Barcelona unterstand nicht der kirchlichen Hierarchie. Vgl.: Serrano, Vicente, El dilogo interreligioso en EspaÇa, o. Datum; ACEJC, „Correspondencia, 1976 – 1986“. Zur AJC in Barcelona vgl. z. B.: „,Amistad Judeo-Cristiana‘, una asociaciûn para el entendimiento y la paz“, in: Hoja de lunes, 27. 12. 1971, 16; Statut der Entesa judeocristiana de Catalunya, vom 19. 7. 1979; beides ACEJC, „Barcelona“. Seit dem Frühjahr 2010 existiert die Entesa nur noch auf dem Papier, aufgrund eines starken Rückgangs des öffentlichen Interesses finden seitdem keine Veranstaltungen mehr statt. (Gespräch der Verfasserin mit Jaime Vandûr, Barcelona, 25. 10. 2010.) Der sevillanischen Sektion gehörten Prof. Jos¦ Mara de la PeÇa, Pater Jos¦ Mara Javierre, Simon Hassan Benasayag und Sanez de Ibarra (Director de Ecumenismo del Arzobispo) an. Vgl.: Mitteilung über Gründung der Amistad Judeo-Cristiana in Sevilla, o. Datum; AMAE, Leg. R 15123/8. Die Zielsetzung der Entesa ähnelt der Ausrichtung der AJC, zusätzlich wird das gemeinsame kulturelle Erbe von Juden und Christen in Katalonien betont. Vgl.: „Constituciûn de la ,Entesa Judeo-Cristiana de Catalunya‘“, in: La Vanguardia, 9. 3. 1980, 31. Zur (Um-)Gründung vgl. auch eine kurze Meldung in: Ecclesia, 1976, 29. 3. 1980, 25. „Asamblea General de ,Amistad Judeo-Cristiana‘ en Madrid“, in: La Vanguardia, 1. 12. 1967, 8.
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Unterstützung.160 Doch trotz der Neugründungen und Bemühungen, die Aktivitäten auf andere Regionen auszudehnen, blieb ihre Arbeit auf wenige Städte beschränkt. Einen Grund dafür sah Vicente Serrano in dem Fehlen jüdischer Gemeinden in den meisten spanischen Städten. Ohne die Anwesenheit einer jüdischen Gemeinde sei es schwer gewesen, einen Dialog aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Die Verankerung in der Hauptstadt bewirkte dennoch eine große und öffentliche Resonanz auf die Tätigkeiten, die über Madrid und sogar über die Grenzen Spaniens hinausging.161 Die Phase ihres aktiven Bestehens zwischen 1962 und 1972 unterteilte die AJC selbst in zwei Phasen. In der ersten Phase von der Gründung bis 1971 stand mit dem Kampf gegen die in der Gesellschaft und im Erziehungssystem verankerten Vorurteile („EnseÇanza del Desprecio“162) die Schaffung der gesellschaftlichen Grundlagen für eine Annäherung im Mittelpunkt. Erst in der zweiten Phase, die mit der Zehn-Jahres-Feier 1971 eingeläutet wurde, strebte die AJC eine Erziehung zu gegenseitiger Wertschätzung ohne Vorurteile („EnseÇanza del Aprecio“) an.163 Seit Ende der 1960er Jahre nahmen allerdings die Konflikte innerhalb der AJC-Führungsgruppe zu. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen stand die Person Max Mazin.164 Benasuly zufolge wurde Mazin von katholischer Seite vorgeworfen, zu stark zu politisieren und eine zu israelfreundliche Haltung einzunehmen.165 Zur gleichen Zeit kam in orthodoxen jüdischen Kreisen Kritik an den von der AJC veranstalteten gemeinsamen liturgischen Akten auf. Innerhalb der jüdischen Gemeinde in Madrid wurde Mazin und dem Rabbiner Baruj Garzûn ihr Engagement in der AJC von einer Gruppe um den Vizepräsidenten Lasry als unvereinbar mit ihren Gemeindefunktionen vorgeworfen.166 Diese Positionen deuten die Grenzen des christlich-jüdischen Dialoges in den 1960er Jahren an. Ausdruck der Krise innerhalb der Führung der AJC war die Gründung des Centro de Estudios sobre Judasmo 1969 in Madrid, die Avni auf eine Initiative Vicente Serranos zurückführt.167 Dieses Studienzentrum wurde im Oktober 1972 160 Vgl.: Asociaciûn Hebrea de EspaÇa: La Situaciûn, 21. 11. 1974, CSIC-UTAD, Cj. 987. Vgl. auch: „En Toledo, X aniversario“, in: AJC, 38/1972, 1 – 3; verschiedene Unterlagen zu Aktivitäten der AJC in Vitoria, Ývila und Salamanca; ACEJC, „Actos diversos“. 161 Serrano, Vicente, El dilogo interreligioso en EspaÇa, o. Datum; ACEJC, „Correspondencia, 1976 – 1986“. 162 Hierbei handelt es sich um eine von Jules Isaac geprägte Formulierung (L’Enseignement du m¦pris, 1962). Jules Isaac ebenso wie die AJC führten den Antisemitismus auf die „enseÇanza del desprecio“ zurück. Vgl.: 50 preguntas sobre judasmo, hg. v.: Amistad Judeo-Cristiana, Madrid 1970, 26. 163 „La EnseÇanza del Aprecio“, in: AJC, 35/1971, 1. 164 Vgl.: Brief wahrsch. von Vicente Serrano an Natn Lerner, World Jewish Congress, 18. 3. 1976; ACEJC, „Correspondencia, 1975 – 1979“. 165 Gespräch der Verfasserin mit Alberto Benasuly, Madrid, 4. 11. 2009. 166 Vgl.: „Madrid community split wide open“, in: JC, 5, 263, 6. 3. 1970, 15. 167 „Un Centro Catûlico de Estudios Judeo-Cristianos en Madrid“, in: AJC, 44/1973, 8. Vgl. auch: Avni, Spain, 211. Das Centro de Estudios sobre Judasmo war bereits im Oktober 1969 vom
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durch das Centro de Estudios Judeo-Cristianos ersetzt und vom neuen Erzbischof in Madrid, Enrique y Tarancûn, als Diözesen-Institution anerkannt.168 Seit 1977 veröffentlicht es die bis heute erscheinende Zeitschrift El Olivo, die sich historischen, religionswissenschaftlichen und kulturellen Themen widmet sowie in einem Extra-Abschnitt aktuelle Entwicklungen und Ereignisse dokumentiert.169 Mit der Gründung des Studienzentrums begann die dritte Phase im katholisch-jüdischen Dialog. Das bis in die Gegenwart existierende Zentrum, das offiziell mit dem Ziel gegründet wurde, das Wissen über das Judentum und über die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens zu vertiefen und sich in erster Linie an katholische Geistliche richtet, steht ebenfalls unter der Leitung des Ordens Religiosas de Nuestra SeÇora de Siûn und entwickelte sich schnell zum De-facto-Nachfolger der Amistad Judeo-Cristiana. Auch wenn diese zunächst vermutlich noch weiterbestand, konnte sie keine Bedeutung mehr erlangen.170 Bei dem neu gegründeten CEJC handelt es sich im Gegensatz zur AJC um eine rein christliche Einrichtung, auch wenn es von Anfang an eine enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde in Madrid gab und die Kurse weiterhin auf die Vermittlung von Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Religionen zielen.171
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damaligen Erzbischof von Madrid, Casimiro Morcillo, genehmigt worden. Vgl.: Serrano, Vicente, Las relaciones judeo-cristianas, in: El Olivo, 1/1977, 14. Am 15. 10. 1972 wurde die AJC offiziell in Centro de Estudios Judeo-Cristianos umbenannt. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 255. Gegenüber dem Informationsblatt der AJC weist El Olivo einen wissenschaftlicheren Charakter auf, so ist z. B. der Philologe Carlos Carrete Parrondo seit 1977 an der Redaktion beteiligt. Die wesentlich umfangreichere Zeitschrift, die alle drei bis sechs Monate erschien (inzwischen jährlich), besteht mehrheitlich aus thematischen Artikeln, die häufig von Wissenschaftlern verfasst werden. Kurzmeldungen wie im Bulletin der AJC sind kaum enthalten. Mit El Olivo rückte die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel verstärkt in den Fokus, vgl. z. B.: Carrete Parondo, Carlos, Convivencia judeo-crsitiana en Castilla antes de 1492, in: El Olivo, 2/1977, 29 – 34; Moreno Koch, Yolanda, La conquista de Granada y la expulsiûn de Sefarad, segffln las crûnicas hispano-hebreas, in: Ebd., 3 – 4/1977, 71 – 82; Surez Fernndez, Luis, Los judos castellanos en vsperas de la expulsiûn, in: Ebd., 5 – 6/1978, 61 – 69; Ben Ami, Slomû, Sobre la influencia recproca entre cristianos y judos en la EspaÇa medieval, in: Ebd., 10/1979, 9 – 30; Surez Fernndez, Luis, Tres humanismos: coexistencia rabe, juda y cristiana, in: Ebd., 24/1986, 133 – 143; Carrete Parrondo, Carlos, Judos y judeoconversos castellanos ante la expulsiûn de 1492, in: Ebd., 38/1993, 13 – 38; Alfonso, Esperanza, La construcciûn de la identidad juda en al-Andalus en la Edad Media, in: Ebd., 49/1999, 5 – 24. Die Zusammenarbeit mit Surez Fernndez ist aufgrund von dessen Nähe zum franquistischen Regime bemerkenswert. Lisbona zufolge gehörte er sogar der Führungsebene an, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 332. Vgl. einen entsprechenden Hinweis in einem Brief wahrsch. von Vicente Serrano an Natn Lerner, World Jewish Congress, 18. 3. 1976; ACEJC, „Correspondencia, 1975 – 1979“. Vgl.: Serrano, El Dilogo Judeo-Cristiano, in: El Olivo, 1/1977, 14 – 17.
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1.2.2 Der christlich-jüdische Dialog Die Arbeit der AJC erlangte auf drei Ebenen Bedeutung: Sie trug zur Veränderung des öffentlichen „Judenbildes“ bei, konkret durch dessen kritische Kommentierung und langfristig durch die Förderung eines gesellschaftlichen Bewusstseinswandels.172 Sie schuf mit ihren Veranstaltungen einen (geschützten) Raum für Begegnungen und mit dem interreligiösen Dialog eine wichtige Bedingung für ein gegenseitiges Kennenlernen von Christen und Juden. Schließlich war sie ein Sprachrohr und öffentliches Gesicht der in Spanien lebenden Juden, wodurch diese vermehrt als Mitmenschen in Erscheinung treten konnten. Im Mittelpunkt des interreligiösen Dialoges standen Bibelkurse, in denen die Bibel als gemeinsamer Bezugspunkt der beiden Religionen ins Zentrum gestellt wurde,173 und christlich-jüdische Gottesdienste.174 Aber auch Seminare und kulturelle Veranstaltungen entwickelten sich zu Begegnungsstätten und luden zum gegenseitigen Kennenlernen von Juden und Christen ein. Dabei wurden die gemeinsamen Traditionen und Glaubensinhalte, in erster Linie die Liebe zum gleichen Gott, betont, wodurch das beiderseitige Unverständnis überwunden werden sollte.175 Während das Außenministerium und die franquistische Kulturpolitik eine mögliche Verbindung zwischen Spanien und den Sepharden ausschließlich über die Kultur oder das Kulturerbe herstellten, hob die AJC die Gemeinsamkeiten der christlichen und jüdischen Religion hervor.176 Im Gegensatz zum offiziellen Regierungsdiskurs, der sich durch einen weitgehend entschärften Blick auf die Vergangenheit auszeichnete, diente der AJC die konfliktreiche Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen als Ansatzpunkt für die Etablierung neuer Umgangsformen. In dem 1963 erschienenen Artikel „Juden und Christen“ („Judos y cristianos“) stellte Max Mazin die Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus als den schrecklichen Höhepunkt eines jahrhundertelangen Klimas von Feindschaft und Gewalt dar. Da das Judentum aber durch Werte der Loyalität und Brüderlichkeit geprägt sei und es das Christentum als Religion gleichen Ursprungs verstehe, das außerdem 172 So wurde im Informationsblatt 16/1967 eine Studie angekündigt, die mit antijüdischen Anschuldigungen und Legenden aufräumen sollte, und in den folgenden Ausgaben Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, vgl.: AJC, 16 – 18/1967. 173 Vgl.: Serrano, El Dilogo Judeo-Cristiano, in: El Olivo, 1/1977, 13. Zur Betonung der spirituellen Gemeinsamkeiten vgl. z. B.: „Moral juda y moral cristiana“, in: AJC, 11/1966, 5; „Los obispos de Francia. Sobre la actitud de los cristianos respecto al judasmo“, in: AJC, 46/1973, 4 – 6. 174 Das ergab eine Durchsicht der Unterlagen im Archiv des CEJC: ACEJC, „Cursillos y seminarios“. 175 Vgl.: P¦rez Lozano, Razûn de una palabra, in: AJC, 1/1963, 1 – 2. 176 Vgl. z. B.: Mazin, Max, Judos y cristianos, in: AJC, 1/1963, 5; „Proyecto de declaraciûn sobre la actitud de la iglesia respecto a las religiones no-cristianas“, in: AJC, 5/1965, 1; „Por primera vez coloquio judeo-cristiano“, in: AJC, 10/1966, 6 – 8.
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denselben Gott verehre, gebe es eine gemeinsame Basis für den Annäherungsprozess.177 Geeint werde man auch durch gemeinsame Feinde, den Materialismus, den Atheismus und das Heidentum, denen man sich entschlossen entgegenstellen müsse.178 Im Kampf gegen den gottlosen Kapitalismus und den Kommunismus müssten Juden und Christen ihre Kräfte einen.179 Der Verweis auf einen gemeinsamen Feind sollte hier der Schaffung eines neuen christlichjüdischen Gemeinschaftsgefühls dienen. Nachdem 1963 ein Trauergottesdienst für Papst Johannes XXIII. in der Madrider Synagoge unter Anwesenheit von drei Priestern und einer Nonne abgehalten worden war und 1966 ein gemeinsamer Seder sowie im Mai ein erstes jüdisch-christliches Kolloquium in Madrid stattgefunden hatten, bildete der gemeinsame Gottesdienst in der Kirche Santa Rita im März 1967 den vorläufigen Höhepunkt der Annäherungsbemühungen der AJC.180 In einem Land wie Spanien, in dem bis dahin jeder interreligiöse Dialog gefehlt hatte,181 sah sich die AJC allerdings von verschiedenen Seiten Kritik ausgesetzt und befand sich in einem ständigen Rechtfertigungszwang. So wurde in ihrem Informationsblatt darauf verwiesen, dass die Betonung der spirituellen Gemeinsamkeiten von Christentum und Judentum weder mit dem Ziel einer Verschmelzung der beiden Religionen noch in Bekehrungsabsicht der jeweils anderen Gruppe erfolge.182 Während auf die historischen Konflikte zwischen Juden und Christen verwiesen wurde, spielte die Erinnerung an das Zusammenleben der Drei Kulturen für die AJC vorerst keine Rolle. Obwohl es naheliegend gewesen wäre, wurde keine Brücke zwischen dem mittelalterlichen Zusammenleben auf der Iberischen Halbinsel und dem Engagement für ein verständnisvolles und vorurteilfreies Miteinander in der Gegenwart geschlagen. Erst seit Ende der 1960er Jahre und verstärkt seit den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der AJC, die 1971 in Toledo stattfanden, lässt sich von einem bewussten 177 178 179 180
Vgl.: Mazin, Judos y cristianos, in: AJC, 1/1963, 5. Vgl.: P¦rez Lozano, Razûn de una palabra, in: AJC, 1/1963, 2. Vgl.: Mazin, Judos y cristianos, in: AJC, 1/1963, 5. Serrano sieht darin die „katholische Antwort“ auf den zuvor in der Synagoge von Madrid stattgefundenen Trauergottesdienst für Papst Johannes XXIII., vgl.: Serrano, El Dilogo JudeoCristiano, in: El Olivo, 1/1977, 13. Vgl. auch: „Existe en Madrid una asociaciûn de amistad judeo-cristiana“, in: Informaciones, 15. 8. 1966, AMAE, Leg. R 15123/8. Bei dem Gottesdienst in der Kirche Santa Rita waren Teams der US-amerikanischen Fernsehsender CBS und NBC anwesend. Vgl.: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 446. 181 Vgl.: Toledano, Samuel, Retos del dilogo judeo-cristiano en el horizonte del 2000, in: El Olivo, 42/1995, 81. La Vanguardia betonte die Schwierigkeiten eines solchen Annäherungsprozesses: „Hay y habr muchas dificultades para que esa amistad entre judos y cristianos sea tan pronto cosa sentida y compartida por la mayora. Lo mismo que abunda, para nuestro mal, el tipo cristiano exaltado que se niega a renunciar a sus prejuicios, existen tambi¦n muchos judos empeÇados en mirarnos a los ,goyim‘ por encima el hombro“, Revilla, Federico, „Descubrimiento“ de los judos, in: La Vanguardia, zit.n.: Hakesher, 15/1966, 4. 182 Vgl. z. B.: „Por primera vez coloquio judeo-cristiano“, in: AJC, 10/1966, 6 – 7.
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Umgang mit dem historischen Erbe sprechen.183 Bereits die Wahl des Ortes Toledo und der historischen Synagoge Samuel Ha-Lev für die Ausrichtung der Jubiläumsfeierlichkeiten verweisen auf eine Hinwendung der AJC zur spanisch-jüdischen Vergangenheit. Nun stellte sich die AJC erstmals bewusst in die Tradition der convivencia: „Die Amistad Judeo-Cristiana wählte Toledo, um ihren zehnten Geburtstag zu feiern, weil diese wunderbare Stadt jahrhundertelang der außergewöhnliche Beweis einer Zusammenarbeit von Juden, Christen und Muslimen gewesen ist“.184 Den Spuren der Vergangenheit dieser Stadt widmeten sich seit Ende der 1960er Jahre von der AJC veranstaltete Führungen.185 Bemerkenswert ist auch ein offener Brief des Vizepräsidenten der Amistad Judeo-Cristiana Barcelona, Carlos Benarroch, an den Herausgeber von La Vanguardia, über den die Tageszeitung ABC 1968 berichtete. In dem Brief kritisierte Benarroch den Umgang mit dem jüdischen Erbe in Spanien. Er schlug eine nationale Kampagne vor, die es den einzelnen Städten ermöglichen sollte, gegen diese „Nicht-Erinnerung“ anzugehen.186 Mit der Benennung einer Straße in Amistad Judeo-Cristiana in dem ehemaligen jüdischen Viertel in Hervs wurde 1971 ein erstes eigenes Erinnerungszeichen gesetzt.187 Insgesamt spielte der Umgang mit der spanisch-jüdischen Vergangenheit aber weder für die AJC noch für ihre Nachfolgeeinrichtung eine bedeutende Rolle, die Aufmerksamkeit galt der Gegenwart. Ihr gesellschaftspolitischer Entstehungskontext führte dazu, dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten zunächst im Kampf gegen Antisemitismus und den in der spanischen Gesellschaft weit verbreiteten antijüdischen Vorurteilen lag. Die AJC folgte der These, eines „Antisemitismus ohne Juden“.188 Nur durch eine bewusste Auseinandersetzung sei es möglich, die verinnerlichten Vorurteile abzulegen und die stereotypisierten „Judenbilder“ zu überwinden. Diese waren nach Auffassung der AJC insbesondere in der Populärkultur, in der Sprache und im Bildungsbereich verankert.189 Die AJC verstand sich als kritische Beobachtungsinstanz, die in ihrem Informationsblatt immer wieder 183 So hatten Ende der 1960er Jahre gemeinsame, christlich-jüdische Veranstaltungen in Avila, in dem Konvent Santo Toms, wo sich die sterblichen Überreste des ehemaligen Großinquisitors Torquemada befinden, stattgefunden. Vgl.: „Asamblea General de ,Amistad Judeo-Cristiana‘ en Madrid“, in: La Vanguardia, 1. 12. 1967, 8; „Da de la Amistad Judeo-Cristiana“, 4. 4. 1966, Seminario Diocesano Avila. Monasterio de Santo Toms; ACEJC, „Actos diversos“. 184 „La Amistad Judeo-Cristiana escogiû Toledo para celebrar su d¦cimo aniversario, porque este maravillosa ciudad ha sido durante muchos siglos excepcional muestra de la colaboraciûn entre judos, cristianos y musulmanes.“, Broschüre zum „10 aniversario“, hg. v.: Amistad Judeo-Cristiana, November 1971; ACEJC, „108 aniversario“. 185 Vgl. verschiedene Unterlagen zu dem Thema „Rutas“; ACEJC, „Actos diversos“. 186 „Para honrar la memoria de los judos espaÇoles“, in: ABC, 23. 1. 1968, 51; ACEJC, „Barcelona“. 187 „Calle con carcteres hebreos“, in: El Correo EspaÇol, 31. 10. 1971; ACEJC, „108 aniversario“. Vgl. auch: „El nombre de Amistad Judeo-Cristiana, a una calle de Hervs“, in: ABC, 26. 8. 1971, 31. 188 Vgl. z. B. auch: Ýlvarez Chillida, Presentaciûn, in: Ders./Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 9. 189 Vgl.: Riaza Saco, Jos¦-Francisco, ¿Por qu¦ soy amigo de los judos?, in: AJC, 13/1967, 8.
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auf Missstände hinwies, diskriminierende Berichterstattung in spanischen Medien anprangerte und teilweise in der Rubrik Recortes de la prensa dokumentierte.190 Allerdings kam es über die Form der Kritik, d. h. in welcher Offenheit und Schärfe sie vorgetragen werden sollte, zu einer internen Auseinandersetzung, dabei traten Samuel Toledano und Rabbiner Benito Garzûn für eine zurückhaltendere Position der AJC ein, während die katholischen Mitglieder eine deutliche Verurteilung von Neonazismus und Antisemitismus forderten.191 Dass somit gerade jüdische Mitglieder eine eindeutigere Haltung der AJC verhinderten, ist paradox, fügt sich aber in die in den vorherigen Abschnitten dargestellte Bereitschaft, den staatlichen Topos der Nicht-Diskriminierung zu bestätigen. Nach einer frühen Veranstaltung im November 1963 zum Thema antisemitische Vorurteile,192 an der etwa einhundert Personen teilnahmen, stellte die AJC den religiösen Antisemitismus in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten. 1966 läutete eine Konferenz mit Pater Jos¦ Mara Javierre den Beginn eines Arbeitsschwerpunktes zu den Ritualmordlegenden ein, der in erster Linie auf ihre kritische Hinterfragung zielte.193 Im April 1970 berichtete die spanische Nachrichtenagentur Cifra von einer Petition, welche die AJC beim Erzbischof von Zaragoza, der zugleich Präsident der Ökumenischen Bischofskonferenz war, eingereicht hatte und in der sie um die Abschaffung des Kultes um das Heilige Kind von La Guardia bat.194 Die fortdauernde öffentliche 190 Im Juni 1964 berichtete der Londoner Jewish Chronicle z. B. über die scharfe Kritik der AJC an der antisemitischen Darstellung in der Zeitschrift Cruzado EspaÇol aus Barcelona, die gegen eine vermeintliche, jüdisch-zionistische Weltverschwörung ins Feld gezogen war, vgl.: „Barcelona ,Crusader‘ attacks Jews“, in: JC, 4, 964, 12. 6. 1964, 24. 191 Die entsprechenden Ausgaben, die sich kritisch mit diesen Entwicklungen in Spanien auseinandersetzten, waren bereits vom Ministerium für Information und Tourismus genehmigt worden, wurden dann aber aufgrund der internen Konflikte zurückgehalten. Über die Gründe, warum sich die Vertreter der CJM (Max Mazin wird als eine Ausnahme hervorgehoben) gegen zu scharfe Kritik aussprachen, finden sich in dem Schreiben „La Situaciûn“, das vermutlich von der Asociaciûn Hebrea de EspaÇa verfasst wurde, keine Angaben, vgl.: „La Situaciûn“, 21. 11. 1974, CSIC-UTAD, Cj. 987. 192 Vgl.: „Continuemos el dilogo“, in: AJC, 2/1964, 1. 193 Vgl.: Javierre, Jos¦ Mara, ¿Es cierto que los judos asesinaron niÇos cristianos?, in: AJC, 10/1966, 1 – 3. Vgl. auch: „El Concilio y los judos“, in: AJC, 21/1968, 8 – 9. In den 1960er Jahren waren in der katholischen Kirche in Spanien die lokalen Kulte um Dominguito de Val in Zaragoza und um das Heilige Kind von La Guardia in Toledo, die auf der Vorstellung eines jüdischen Ritualmordes an christlichen Kindern beruhten, weit verbereitet. Zu antijüdischen Traditionen vgl.: Pedrosa, Jos¦ Manuel, El antisemitismo en la cultura popular espaÇola, in: Ýlvarez Chillida/Izquierdo Benito (Hg.), El Antisemitismo, 31 – 55; Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 61 – 73. Zu dem Kult um das Heilige Kind von La Guardia und seinen Ursprüngen vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 150 f. 194 La Vanguardia berichtete unter Berufung auf Cifra über die von der AJC geforderte Revision des Kultes um das Heilige Kind von La Guardia, dabei kritisierte der Autor das Aufreißen alter Wunden: „Es mejor olvidar estos hechos, mirar ms al futuro que al pasado.“, Moreno Nieto, Luis, Toledo: Pros y contras de la revisiûn del culto al santo NiÇo de la Guardia, in: La Vanguardia, 21. 4. 1970, 10.
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Thematisierung der antijüdischen Kulte durch die AJC führte dazu, dass der Erzbischof 1970 eine Expertenkommission einsetzte, die die historische Grundlage des angeblichen Ritualmordes an Dominguito de Val untersuchen sollte.195 Dennoch hielten sich die Kulte um Dominguito de Val und das Heilige Kind von La Guardia hartnäckig, wie die Einträge zu den beiden angeblichen Ritualmorden in dem vom CSIC herausgegebenen Diccionario de Historia Eclesistica de EspaÇa aus den Jahren 1972 bzw. 1975 verdeutlichen.196 1976 wurde das Heilige Kind von La Guardia vom Vatikan als lokaler Heiliger des Erzbistums Toledo anerkannt, und El Olivo berichtete noch 1979 davon, dass sich in Zaragoza der Kult um Dominguito de Val fortsetzte.197 Ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeiten der AJC war die Auseinandersetzung mit antijüdischen Klischees in der spanischen Alltagssprache. Als Grundvoraussetzung für einen gleichberechtigten Dialog erachtete die AJC ein vorurteilsfreies Miteinander.198 Bereits in der zweiten Ausgabe ihres Informationsblattes befasste sich die Vereinigung daher mit Vorurteilen in der Sprache. Als offizielles Wörterbuch der spanischen Sprache stand der Diccionario de la lengua espaÇola im Mittelpunkt.199 Dieser wird von der Real Academia EspaÇola veröffentlicht und enthält den jeweils aktuellen Stand der spanischen Sprache. In der 18. Auflage aus dem Jahr 1956 fand sich unter dem Eintrag „judo, a“ (Jude) die Bedeutung „Geizhals, Halsabschneider, Wucherer“.200 Außerdem waren Redewendungen enthalten, die auf den Juden zugeschriebene negative Eigenschaften wie Raffgier und übermäßige Neugierde anspielten.201 Auch philosephardische Topoi lassen sich in dem von der Kö195 In den Quellen fanden sich keine Angaben zu den Ergebnissen dieser Expertenkommission. 196 Vgl.: Aldea Vaquero, Quintin/Marn Martnez, Toms/Vives Gatell, Jos¦, Diccionario de Historia Eclesistica de EspaÇa, Bd. II, Madrid: CSIC 1972, 1059 f; Dies., Diccionario de Historia Eclesistica de EspaÇa, Bd. IV, Madrid: CSIC 1975, 2683 f. Vgl. dazu auch: „El Concilio y los judos“, in: AJC, 21/1968, 8 – 9; Sor Marie Despina, Las acusaciones de crimen ritual en EspaÇa, in: El Olivo, 9/1979, 70. 1995 berichtete Samuel Toledano in El Olivo, dass der lokale Kult um das Heilige Kind von La Guardia weiterhin bestehe, vgl.: Toledano, Samuel, Retos del dilogo judeo-cristiano en el horizonte del 2000, in: El Olivo, 42/1995, 85. 197 Vgl.: Sor Marie Despina, Las Acusaciones de crimen ritual en EspaÇa, in: El Olivo, 9/1979, 65, 70. 198 „¿[C]ûmo nos llamaremos amigos si decimos mal los unos de los otros?“, Jim¦nez-Salas, Mara, Los prejuicios en el lenguaje popular, in: AJC, 2/1964, 8. 199 Bereits 1960 hatte der Dritte Kongress der Akademien der spanischen Sprache in Bogot eine Überarbeitung des offiziellen Wörterbuches im Hinblick auf Vorurteile und Diskriminierungen eingefordert. Vgl.: „Actualidad espaÇola: La eliminaciûn de las acepciones peyorativas del Diccionario de la Real Academia EspaÇola“, in: Hakesher, 54/1970, 11 – 12; Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 161. 200 „avaro, usurero“, Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Madrid 181956, 774. Die tradierten Feindbildstereotype wie das des Wucherers und die daraus abgeleiteten Eigenschaften wie Raffgier, Arglist etc. führt Benz auf christliche Wurzeln und auf die historisch erzwungene Außenseiterrolle der Juden in sozialer und ökonomischer Hinsicht zurück. Antisemitische Propaganda konnte daher immer auf einen Kanon an judenfeindlichen Topoi zurückgreifen, vgl.: Benz, Bilder vom Juden, 14 f, 21. 201 „Al judo, dadle un huevo y pediros ha el tozuelo. Al judo, dadle un palmo y tomar cuatro.
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niglichen Akademie herausgegebenen Wörterbuch finden, so wurden Sepharden als „spanische Juden“ definiert.202 Im Sommer 1970 unterzog Carlos Benarroch, Präsident der Amistad Judeo-Cristiana Barcelona, die 19., neu überarbeitete Auflage des Wörterbuches einer kritischen Überprüfung.203 Positiv bewertete er die erstmalige Aufnahme der Begriffe „antisemita“ (Antisemit), „antisemtico, ca“ (antisemitisch) und „antisemitismo“ (Antisemitismus), sowie die Streichung der diskriminierenden Definition von „judiada“ als „unmenschliche Aktion“.204 Obwohl die Begriffe „Geizhals“ und „Wucherer“ ebenfalls entfallen waren, fand sich unter dem Eintrag „hebreo, a“ (Hebräer) in der Ausgabe von 1970 u. a. weiterhin die Erklärung, „[w]ird gesagt, wie Israelit oder Jude, zu dem, der immer noch [Hervorhebung, A. M.] nach dem Gesetz Mose lebt“.205 Die Königliche Akademie reagierte in einem Brief, der in der Ausgabe 36/1971 des Informationsblattes veröffentlicht wurde, auf die Kritik der AJC und kündigte eine Aufnahme einiger der von Benarroch gemachten Änderungsvorschläge in die Neuauflage des Wörterbuches an.206 Wie wenig die Königliche Akademie aber tatsächlich an einer Überarbeitung ihrer Publikation interessiert war, zeigt sich an dem Umstand, dass sich unter dem Schlagwort „judo, -a“ bis 1992 eine Redewendung fand,
202 203 204
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refs. contra los que en vez de agradecer el favor recibido, molestan al que se lo ha dispensado con nuevas importunaciones II Cegar como la juda de Zaragoza, llorando duelos ajenos. expt. con que se moteja a los que sin obligaciûn ni motivo justificado, se interesan demasiado por los asuntos ajenos.“, Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Madrid 181956, 774. Vgl.: Real Academia EspaÇola, Diccionario, 181956, 1185. Diese Definition findet sich bis in die Gegenwart, vgl.: Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola. Tomo II: h – z, Madrid 222001, 2038. Auch der Eintrag „judeoespaÇol, la“ ist enthalten. Vgl.: Ebd., 1325. Vgl.: Benarroch, Carlos, La Real Academia EspaÇola y los Judos, in: AJC, 31/1970, 8 – 10. Über die im Hinblick auf antisemitische Klischees überarbeitete 19. Auflage berichtete auch der Jewish Chronicle: „Spain purges dictionary“, in: JC, 5, 295, 16. 10. 1970, 14. Real Academia EspaÇola, Diccionario, 181956, 774: „judiada“. In dem entsprechenden Eintrag in der 19. Auflage hieß es nur noch: „Acciûn propia de judos“ und „Muchedumbre o conjunto de judos“, Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Madrid 191970, 772. Die Einträge zu „antisemita“, „antisemtico, ca“ und „antisemitismo“ sind noch in der 22. Auflage auffällig unverändert und inhaltsarm. Weiterhin ist die Definition des Judentums als „Rasse/ Volk“ enthalten. So heißt es unter dem Schlagwort „antisemita“ lediglich: „Enemigo de la raza hebrea, de su cultura o de su influencia“, Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Tomo I: a – g, Madrid 222001, 168. „Dcese, como israelita y judo, del que affln profesa la ley de Mois¦s“, Real Academia EspaÇola, Diccionario, 191970, 697. Auch unter dem Schlagwort „judo, a“ bestand eine diskriminierende Redewendung fort. Vgl.: Ebd., 772. Weitere diskriminierende Einträge fanden sich unter den Schlagworten „Sinagoga“ und „Perro“. Vgl.: Benarroch, La Real Academia EspaÇola y los Judos, in: AJC, 31/1970, 8 – 10. Vgl.: Carta de la Real Academia a la AMISTAD de Barcelona, in: AJC, 36/1971, 1; „El Diccionario de la Real Academia EspaÇola o seguira expurgando los conceptos antisemitas“, in: AJC, 36/1971, 3. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 255.
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die auf die angeblich übertriebene Neugier der Juden verweist.207 Für das Wort „hebreo, a“ wurde weiterhin die umgangssprachliche Bedeutung „Händler, der, der Handel betreibt“ angegeben.208 In einem offenen Brief wandte sich Carlos Benarroch 1997 in der jüdischen Zeitschrift Races anlässlich einer geplanten Neuerscheinung des offiziellen Wörterbuches der spanischen Sprache für das Jahr 2000 daher erneut an die Königliche Akademie und prangerte die immer noch bestehenden antisemitischen Klischees an.209 Aber auch in der 22. Auflage aus dem Jahr 2001 findet sich der von Benarroch kritisierte Eintrag „judiada“ mit der entsprechenden Erklärung: „schlechte Handlung, die tendenziöserweise als den Juden eigen erachtet wurde“.210 Benarroch hingegen hatte die vollständige Streichung aufgrund des diskriminierenden Gehalts dieses Begriffes vorgeschlagen.211 Die ebenfalls von Benarroch kritisierte, umgangssprachliche Bedeutung von „hebreo, a“ als Geschäftsmann und Händler setzte sich nicht fort. Diesen offiziell sanktionierten Begriffsdefinitionen stellte die AJC ihre Aufklärungsarbeit und Wissensvermittlung entgegen. 1961, im Kontext der Gründung der AJC, erschien Nosotros los judos (Wir, die Juden) von Jos¦ Jim¦nez Lozano. Die Publikation enthielt Informationen über Geschichte und Religion des Judentums und betonte die christlich-jüdischen Gemeinsamkeiten.212 1970 wurde außerdem die Informationsbroschüre 50 preguntas sobre judasmo (50 Fragen zum Judentum) herausgegeben, mit der die in Spanien bestehende große Wissenslücke über das Judentum gefüllt werden sollte.213 In der Broschüre werden neben einzelnen Begriffen wie Hebräer, Israelit, Sepharde oder Aschkenase die wichtigsten Grundzüge des Judentums ebenso wie das Verhältnis der Juden zu Israel und zu ihrem jeweiligen Heimatland erläutert. Letzteres wird als „Trinom von Gott, Volk und Verheißenem Land“ beschrieben, welches einen zentralen Bestandteil im jüdischen Glauben einnehme. Zugleich wird betont, dass die emotionale Bindung an Israel der ab207 Vgl.: Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Tomo II: h – z, Madrid 21 1992, 1209. 208 „mercader, el que comercia“, Real Academia EspaÇola, Diccionario, 211992, 769. In der Ausgabe von 2001 ist diese Bedeutung nicht mehr enthalten, vgl.: Real Academia EspaÇola, Diccionario, Tomo II: h – z, Madrid 222001, 1192. 209 Vgl.: Benarroch, Carta abierta a la Comisiûn de Diccionarios de la Real Academia EspaÇola, in: Races, 31/1977, 23 – 24. 210 „Acciûn mala, que tendenciosamente se consideraba propia de judos“, Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Tomo II: h – z, Madrid 222001, 1326. Diese Definition findet sich auch in einer überarbeiteten Version der 22. Auflage aus dem Jahr 2006, vgl.: Real Academia EspaÇola, Diccionario de la lengua espaÇola, Madrid 222006 (überarbeitete Auflage), 858. 211 Vgl.: Benarroch, Carta abierta a la Comisiûn de Diccionarios de la Real Academia EspaÇola, in: Races, 31/1977, 23. 212 Vgl.: Jim¦nez Lozano, Jos¦, Nosotros los judos, Madrid 1961. Die Broschüre wurde von Propaganda Popular Catûlica herausgegeben und war bereits nach einigen Monaten vergriffen. Vgl.: „Historia de la Amistad Judeo-Cristiana en EspaÇa“, in: AJC, 1/1963, 6. 213 Vgl.: Asociaciûn Hebrea de EspaÇa, La Situaciûn, 21. 11. 1974; CSIC-UTAD, Cj. 987.
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soluten Treue gegenüber dem Heimatland nicht entgegenstehe.214 Während hier in der Gesellschaft verankerte Vorurteile aufgegriffen werden, thematisiert die Frage 11 den Unterschied zwischen einem Israeli und einem Israeliten.215 Frage 9 widmet sich der Beziehung der Sepharden zu Spanien. Die entsprechende Antwort macht deutlich, dass auch philosephardische Klischees einer kritischen Überprüfung unterzogen wurden: Die Bewahrung von Sprache und Tradition wird hier nicht auf die Spanienliebe zurückgeführt, sondern auf „das Bewusstsein, ein kulturelles Erbe zu bewahren, das ein Teil von ihnen [den Sepharden, A. M.] war, da jedem der jüdische Beitrag in allen Lebensbereichen in Spanien bekannt ist, wo sie unter den ersten Siedlern und Bewohnern einen herausragenden Platz einnahmen“.216 Eine weitere Dimension im Kampf gegen Vorurteile bedeutete die Bereitstellung von Informationen über das gegenwärtige jüdische Leben in Spanien, über welches die Öffentlichkeit von der zensierten Presse kaum unterrichtet wurde. La Vanguardia verwies in einem Artikel über die AJC auf die in Spanien vorherrschende Unkenntnis über Juden: „Nie haben wir sonderlich viel über diese Gruppen gewusst, die einen Teil unserer Gesellschaft bildeten und mit uns dieselbe Heimat bewohnten.“217 Die AJC hingegen schuf durch ihre vielfältigen Tätigkeiten und Veranstaltungen, insbesondere aber durch ihr Informationsblatt ein Sprachrohr für die jüdischen Gemeinden in Madrid und später auch in Barcelona.218 Regelmäßig berichteten Gemeindemitglieder über aktuelle Entwicklungen, wie über die Einrichtung eines jüdischen Kindergartens,219 über die Eröffnung von Synagogen bzw. Gebetsräumen220 oder über das Gemeindeleben im Allgemeinen.221 Ebenso wurden Themen wie das Zweite Vatikanische Konzil oder Antisemitismus aus jüdischer Perspektive behandelt. Damit rückte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein in Spanien publiziertes Organ, welches auch eine christliche Leserschaft hatte, die gegenwärtige jüdische Gemeinschaft in den Mittelpunkt und bot dieser wiederum eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung. Gleichzeitig informierte die spanische Tagespresse des Öfteren über Veranstaltungen der christlich-
214 „trinomio Dios, Pueblo y Tierra Prometida“, 50 preguntas sobre judasmo, hg. v.: Amistad Judeo-Cristiana, Madrid 1970, 37, 36 ff. 215 Vgl.: Ebd., 14. 216 „la conciencia de mantener un acervo que les perteneca por derecho propio, ya que de todos es conocida la contribuciûn juda en todos los mbitos de la vida de EspaÇa, entre cuyos primeros pobladores y civilizadores ocupan un lugar preeminente“, 50 preguntas sobre judasmo, 11. 217 „Nunca hemos sabido demasiado de estos nfflcleos humanos que formaron parte de nuestra comunidad y convivieron en el mismo ser de una patria comffln.“, Mateo, Lope, Judos y cristianos, al habla, in: La Vanguardia, 31. 5. 1968, 11. 218 Aus den anderen jüdischen Gemeinden finden sich im Informationsblatt nur Kurzmeldungen. Vgl. auch: Ýlvarez Chillida, El antisemitismo en EspaÇa, 449. 219 Vgl.: Garzûn, Benito, Primera escuela hebrea en Madrid, in: AJC, 11/1966, 6. 220 Vgl.: „Shalom a la Comunidad Israelita de Madrid“, in: AJC, 23/1968, 6 – 7. 221 Vgl.: „Radio Vaticana se ocupa de la Amistad“, in: AJC, 22/1968, 2 – 3.
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Jüdische Gegenwart
jüdischen Freundschaftsvereinigung, wodurch der potenzielle Leserkreis erweitert wurde.222 Da die Anerkennung der Gegenwärtigkeit der jeweils anderen Gruppe eine Grundvoraussetzung für den Dialog ist, vollzog sich durch die AJC eine Abkehr von der Verortung der Juden in der Geschichte oder außerhalb der spanischen Gegenwart, wie sie bis dahin im öffentlichen Diskurs vorherrschend gewesen war. Durch die Veranstaltungen und Publikationen der AJC erschienen die Juden als eine Bevölkerungsgruppe der spanischen Gesellschaft. Die jüdischen Gemeinden traten zunehmend als Akteure in Erscheinung. Besonders in der Zeit vor der offiziellen Anerkennung der jüdischen Gemeinden sorgte die Verankerung der AJC in der katholischen Kirche für eine juristische und gesellschaftliche Legitimität und Legalität und verhalf den jüdischen Repräsentanten so zu einem Wirkungskreis und zu einer Infrastruktur, die sie ohne die Zusammenarbeit mit kirchlichen Autoritäten zu diesem Zeitpunkt nicht hätten erreichen können. Der tatsächliche Einfluss der AJC ist schwer zu bemessen. Lisbona geht so weit, die Gründung der AJC als eines der einflussreichsten Ereignisse für die spanische Gesellschaft während der 1960er Jahre zu bezeichnen.223 Ihre unmittelbare Relevanz für die Bevölkerungsmehrheit war aber wohl eher unbedeutend, es handelte sich um einen Minderheitendiskurs. In dieser Hinsicht ist Lisbonas These abzuschwächen. Langfristig trug die AJC jedoch zum Abbau antisemitischer Stereotype in den Wörterbüchern der Königlichen Akademie und – wie noch zu zeigen sein wird – in Schulbüchern bei. Pioniercharakter mit symbolischer Wirkkraft besaß sie für den christlich-jüdischen Dialog. Der Umstand, dass das Regime die AJC und ihre Tätigkeiten zumindest in der Anfangszeit ihres Bestehens überwachte, unterstreicht ihre Bedeutung. *** In der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zum Beginn der 1960er Jahre vollzog sich der offizielle Regierungsdiskurs in einem eng gefassten, wenig 222 Vgl. z. B.: „En pro de acercamiento entre judos y cristianos“, in: ABC, 7. 3. 1962, 25; „Coloquio pfflblico sobre los prejuicios antisemitas“, in: ABC, 27. 11. 1963, 69; „Existe en Madrid una asociaciûn de amistad judeo-cristiana“, in: Informaciones, 15. 8. 1966; AMAE, Leg. R 15123/8; „Jornada de acercamiento judeo-cristiano en Toledo“, in: ABC, 24. 10. 1967, 54; „Asamblea de la ,Amistad Judeo-Cristiana‘“, in: ABC, 29. 11. 1967, 72; „Asamblea General de ,Amistad JudeoCristiana‘ en Madrid“, in: La Vanguardia, 1. 12. 1967, 8; „Asamblea de ,Amistad Judeo-Cristiana‘“, in: La Vanguardia, 28. 11. 1967, 8; „Asamblea General de la ,Amistad Judeo-Cristiana‘“, in: La Vanguardia, 8. 11. 1968, 6; „X aniversario de la Amistad Judeo-Cristiana“, in: ABC, 5. 9. 1971, 35; „Reuniûn en Toledo del movimiento de Amistad Judeo-Cristiana“, in: ABC, 16. 11. 1971, 37; „Constituciûn de la ,Entesa Judeo-Cristiana de Catalunya‘“, in: La Vanguardia, 9. 3. 1980, 31. Auch Stellungnahmen der AJC wurden in La Vanguardia veröffentlicht, vgl. z. B.: „Amistad Judeo-cristiana condena el incidente del crucifijo“, in: La Vanguardia, 1. 2. 1968, 6. 223 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 249.
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Ambivalente „Judenbilder“ im Franquismus
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flexiblen Schema. Die herausgearbeiteten Topoi wirkten auch auf die persönlichen Kontakte, die franquistische Regierungsstellen mit einigen wenigen Vertretern jüdischer Gemeinden oder Organisationen unterhielten, strukturierend. Zugleich war der Zugang zu Franco stark begrenzt. Eventuell ist das unkritische und regimefreundliche Verhalten der jüdischen Repräsentanten somit als „Eintrittskarte“ zu verstehen, möglicherweise wurden aber auch hauptsächlich „genehme“ Personen in Führungspositionen gewählt, um die Beziehungen zu den staatlichen Autoritäten zu erleichtern.224 Die zwischen antisemitischen Bedrohungsszenarien und philosephardisch motivierten Vereinnahmungen schwankenden offiziellen „Judenbilder“ führten zu einer ambivalenten Haltung der Regierung, die sich je nach beteiligtem Ministerium oder involvierter Person unterschied. Dass die Quellen keinen Hinweis darauf geben, dass die Initiative zur Kontaktaufnahme von der Regierung ausging, deutet auch darauf hin, dass das Judentum in den Überlegungen der franquistischen Regierung keinen bedeutenden Platz einnahm. Erst die Entwicklungen in den 1960er Jahren, vor allem das Zweite Vatikanische Konzil und die zunehmende Öffnung des Regimes nach außen bei gleichzeitigem Anwachsen der Tourismusströme, führten mitunter zu einem flexibleren Umgang mit Fragen der jüdischen Gegenwart innerhalb und außerhalb Spaniens. Mit dem zunehmenden Einfluss der technokratischen Kräfte begann die ideologische Überfrachtung des Nationalismus-Diskurses nachzulassen und einem Pragmatismus zu weichen.225 Diese Veränderungen zeigten sich allerdings in erster Linie in der Religionspolitik, während die diskursiven Topoi fortlebten. Für die gesamte Phase des Franquismus lässt sich eine auf Klischees beruhende Unterscheidung zwischen Juden im Allgemeinen und Sepharden bzw. spanischen Juden im Besonderen ausmachen, wobei die Bewertung der jeweiligen Sachverhalte oftmals durch das „Problemfeld“ Israel bedingt war. Die Persistenz einiger in der Untersuchung des offiziellen Diskurses herausgearbeiteter Denkmuster, hierzu zählen insbesondere philosephardische Topoi, lässt sich sowohl für den offiziellen Umgang mit jüdischer Gegenwart als auch mit jüdischer Vergangenheit in Spanien feststellen. Der durch die AJC vorangetriebene katholisch-jüdische Dialog trug dazu bei, dass überkommene „Judenbilder“ infrage gestellt wurden. Die Existenz der AJC verdeutlicht, dass ein alternativer Diskurs, der tradierte Klischees kritisch hinterfragte, bereits Anfang der 1960er Jahre möglich war. Allerdings blieb in den Stellungnahmen der AJC öffentliche Kritik an der franquistischen Religi224 Letztlich entspricht das Verhalten dem von Yerushalmi als vertikales „Königsbündnis“ beschriebenen Verhältnis der jüdischen Gemeinden zu staatlichen Obrigkeiten, welches dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Nützlichkeitserwägungen ebenso wie der Erkenntnis der Abhängigkeit entspringe, vgl.: Yerushalmi, Yosef Hayim, „Diener von Königen und nicht Diener von Dienern“. Einige Aspekte der politischen Geschichte der Juden, Themen 58, München 1995. 225 Vgl.: Barrachina, Idea Nacional, in: GuereÇa/Morales MuÇoz (Hg.), Los Nacionalismos, 207, 222 ff.
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onspolitik eine Leerstelle. Bemerkenswert ist, dass der alternative Diskurs von Teilen der katholischen Kirche mitgetragen und dadurch erst führbar wurde. Darin ist zugleich ein wichtiger Grund für die weiteren religionspolitischen Entwicklungen zu sehen, die die schrittweise Anerkennung der jüdischen Gemeinden und der Rechte der nicht-katholischen Minderheiten ermöglichten. Weder im Regierungsdiskurs noch in den Publikationen der AJC bildete das Zusammendenken von spanisch-jüdischer Vergangenheit und Gegenwart eine zentrale Kategorie. Im Gegensatz zur AJC blendete das offizielle Gedächtnis alle negativen Erinnerungen aus oder nahm eine positive Umdeutung vor. Dem Versuch, eine historische Kontinuität zu schaffen, stand die Darstellung der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte als eine Aneinanderreihung weitgehend singulärer Ereignisse entgegen. Der franquistische Regierungsdiskurs auf der einen Seite und der jüdisch-katholische Diskurs der AJC auf der anderen Seite zeigen die beiden Pole auf, zwischen denen sich die Wahrnehmung des jüdischen Lebens in Spanien bis 1975 bewegte.
2. Legalisierung jüdischen Lebens im franquistischen Spanien Vom 15. bis ins 18. Jahrhundert war das Verhältnis des spanischen Staates zur Religion durch die staatliche Konfessionalität charakterisiert. Die religiöse Einheit wurde zur Grundbedingung der nationalen Einheit, die Religion zum politischen Instrument der Einigung.226 Im 19. Jahrhundert erwachte das Interesse einiger liberaler Intellektueller an der Frage der Religionsfreiheit und damit auch an der Positionierung gegenüber religiösen Minderheiten. Die Verfassung von 1856 schrieb fest, dass niemand aufgrund seines Glaubens verfolgt werden dürfe, solange er diesen im Privaten ausübe, die Verfassung von 1869 erhob den Schutz der Nicht-Katholiken zur Aufgabe des Staates und räumte erstmals die Möglichkeit einer Existenz nicht-katholischer Spanier ein.227 Der franquistische Staat knüpfte in seiner Religionsgesetzgebung an die Verfassung von 1876 an, die den Katholizismus erneut zur Staatsreligion ernannt hatte:228 Mit dem Fuero de los EspaÇoles (1945) wurde der Katholizis226 Vgl.: Cuervo-Arango, Fernando Am¦rigo, Breve apunte histûrico de la relaciûn estado-confesiones religiosas en EspaÇa, in: Abumalham, Montserrat (Hg.), Comunidades islmicas en Europa, Madrid 1995, 155 – 158. 227 Vgl.: P¦rez-Prendes MuÇoz-Arraco, El Nuevo Marco Legal, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/ Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 87 f. Vgl. auch: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, Jaime, La libertad religiosa en EspaÇa y el Vaticano II, Madrid 1974, 234 f. 228 Zum offiziellen Umgang mit Juden im 19. Jahrhundert bis zur Jahrhundertwende vgl.: Aronsfeld, Los espectros de 1492, in: Historia 16, 144/1988, 23 – 30. Wobei Aronsfeld die Verfassung von 1869 als eine erste wichtige Zäsur im Umgang mit nicht-katholischen Religionen ausmacht. Die das Verhältnis von Staat/Nation zur Konfession/Religion betreffende spanische Gesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert fasst Jaime P¦rez-Llantada y Guti¦rrez in drei Gruppen zusammen, denen er die Prinzipien „Konfessionalität – Intoleranz“, „Konfessiona-
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mus zur offiziellen Religion des Staates und mit dem Prinizp II der Principios del Movimiento Nacional von 1958 wurde er gar zur Quelle für die Gesetzgebung ernannt.229 Die letzten beiden unter Franco auf diesem Gebiet erlassenen Gesetze, die Ley Orgnica del Estado vom 1. Januar 1967 und die Ley de Libertad Religiosa vom 28. Juni 1967, zielten darauf ab, die staatliche Konfessionalität mit dem Recht auf Religionsfreiheit zu vereinbaren.230 Dieses Kapitel widmet sich im ersten Schritt der religionspolitischen Gesetzgebung, die zwei für die Untersuchung relevante Dimensionen aufweist: Zum einen bildet sie die Grundlage für den Umgang des Staates mit der jüdischen Minderheit, zum anderen handelt es sich um juristische Dokumente, die Aussagen über das Selbstverständnis des Staates/der Nation zulassen. In einem zweiten Schritt wird die franquistische Religionspolitik gegenüber der jüdischen Minderheit an konkreten Beispielen untersucht, wobei hier eine Beschränkung auf die jüdische Gemeinde in Madrid vorgenommen wird. Es soll so ein Schlaglicht auf das komplexe Beziehungsgeflecht von Staat, Religion und Gruppenzugehörigkeiten geworfen sowie zugleich danach gefragt werden, welchen Zusammenhang es zwischen dem Selbstverständnis der Nation und der Religionsgesetzgebung gab und ob diese Beziehungen durch historische Verbindungs- und Konfliktlinien geprägt wurden. Die im vorherigen Kapitel herausgearbeiteten Charakteristika des Regierungsdiskurses werden als Vergleichsfolie herangezogen. Es wird angenommen, dass die dem „Judenbild“ innewohnenden Ambivalenzen im religionspolitischen Diskurs weniger offen zutagetraten, da dieser durch die Selbstcharakterisierung Spaniens als katholischer Staat bedingt war.
lität – Toleranz“ und „Akonfessionalität – Religionsfreiheit“ zuordnet. Das erste Prinzip, basierend auf der Vorstellung einer unauflöslichen Verschränkung von nationaler und religiöser Einheit, schlug sich P¦rez-Llantada y Guti¦rrez zufolge in dem Statut von Bayonne (1808), in der Verfassung von Cdiz (1812) sowie in den monarchistischen Verfassungen von 1837 und 1845 nieder. In all diesen Gesetzestexten wurde die katholische Religion zur Grundlage der spanischen Nation und ihr Schutz zur Staatsaufgabe ernannt. Mit der Verfassung von 1876 und dem Fuero (1945) wurde hingegen das Prinzip der religiösen Toleranz verankert. Die dritte Gruppe umfasst die Verfassung von 1869 und die der Zweiten Republik. Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 225 – 237. 229 Marquina Barrio vertritt die Ansicht, dass der Artikel 6 des Fuero restriktiver ausfällt als der entsprechende Artikel 11 der Verfassung von 1876, vgl.: Marquina Barrio, Antonio, La confesionalidad del estado, in: Historia 16, 23/1978, 26. Die Ley de Principios del Movimiento bezeichnete die katholische Religion als „fflnica verdadera“ und „fe inseparable de la conciencia nacional“, Ley de Principio del Movimiento de 17 de mayo de 1958, abgedruckt in: La Constituciûn EspaÇola. Leyes fundamentales del estado, hg. v.: Servicio Informativo EspaÇol, Madrid 1971, 43. 230 Vgl.: Cuervo-Arango, Breve apunte histûrico, in: Abumalham (Hg.), Comunidades islmicas, 158 – 162.
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2.1 Fuero de los EspaÇoles. Selbstdefinition als katholische Nation Sechs Jahre nach dem Sieg der Franquisten im Spanischen Bürgerkrieg und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde mit dem Fuero de los EspaÇoles eine Art Grundgesetz231 des franquistischen Staates erlassen, welches gewissermaßen die juristische Grundlage für den Nationalkatholizismus bildete, der zu einem charakteristischen Merkmal des franquistischen Staates werden sollte und in den 1940er und 1950er Jahren seinen Höhepunkt erlebte.232 Die Grundannahme des Nationalkatholizismus ist die Vorstellung, dass das Fundament der spanischen Nation der katholische Glaube ist und Nation und Katholizismus eine Wesenseinheit bilden.233 Die ruhmreichsten Epochen 231 Abraham Barrero Ortega bezeichnet die leyes fundamentales des franquistischen Regimes in Anlehnung an Karl Loewenstein als semantische Verfassung, die sich dadurch auszeichne, dass Verfassungstheorie und -wirklichkeit nicht übereinstimmen, vgl.: Barrero Ortega, Abraham, La libertad religiosa en EspaÇa, Madrid 2006, 74 f. 232 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 385. Zur kirchlichen Hegemonie im frühen Franquismus vgl. auch: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 10 ff. Die Verschränkung von Religion und der politischen Rechten hatte sich während des Bürgerkrieges weiter verschärft. Vgl.: Vincent, Mary, The Spanish Civil War as a War of Religion, in: Baumeister, Martin/Schüler-Springorum, Stefanie (Hg.), „If You Tolerate This…“. The Spanish Civil War in the Age of Total War, Frankfurt a.M./New York 2008, 85 – 89. 233 Zur Kritik an dem Begriff „Nationalkatholizismus“ zur Beschreibung der Beziehung zwischen Staat und Kirche im Franquismus sowie zur Diskussion um seine etymologischen Ursprünge vgl.: Callahan, The Catholic Church, 382 f. Juan Gonzlez-Aleo fasst unter dem Oberbegriff verschiedene Denkansätze zusammen: die Vorstellung einer Einheit des Glaubens als Voraussetzung für die Einheit der Nation, die These der national-christlichen Moral als Grundlage der öffentlichen Ordnung, die z. B. von Kardinal Gom vertreten wurde, sowie die Charakterisierung Spaniens als Werkzeug Gottes und die Annahme einer christlichen Mission des spanischen Volkes, wie sie z. B. Men¦ndez Pelayo vertrat, vgl.: Gonzlez-Anleo, Juan, Catolicismo nacional: nostalgia y crisis, Madrid 1975, 129 – 146. Daz-Salazar beschreibt den Nationalkatholizismus als „asunciûn y plasmaciûn prctica, poltica y eclesial, que el r¦gimen franquista y la Iglesia espaÇola hacen de la ideologa construida por una serie de pensadores tradicionalistas (M. Men¦ndez Pelayo, R. de Maeztu y M. Garca Morente, principalmente), en referencia a la EspaÇa y al catolicismo del siglo XVI, y en contraposiciûn a las medidas de cambio y modernizaciûn que ciertos sectores de la sociedad espaÇola iniciaron en los primeros treinta aÇos del siglo y que, sobre todo, llegaron en parte a cuajar en la II Repfflblica“, DiazSalazar, Rafael, Iglesia, Dictadura y Democracia. Catolicismo y Sociedad en EspaÇa (1953 – 1979), Madrid 1981, 69. Ferner unterscheidet Daz-Salazar drei ideologische Gruppen innerhalb des franquistischen Nationalkatholizismus: die Konservativen, die durch die traditionalistische Denkweise Ende des 19. Jahrhunderts geprägt waren und sich um die Zeitschrift Acciûn EspaÇola versammelten, die Gruppe des politischen Katholizismus, die in erster Linie durch die ACNP repräsentiert wurde, und den religiösen Sektor der Falange, der versuchte Faschismus und Katholizismus zu vereinen, vgl.: Ebd., 78 f. Zu den verschiedenen Funktionen des Nationalkatholizismus als Ideologie, (Macht-)Politik sowie soziales und moralisches Ordnungssystem vgl.: Montero, Feliciano, Autocrticas del nacionalcatolicismo en los aÇos cincuenta, in: Boyd, Carolyn P. (Hg.), Religiûn y Poltica en la EspaÇa Contempornea, Madrid 2007, 142 f.
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Spaniens sind in dieser Lesart zugleich die der tiefsten Religiosität gewesen. Um einen neuen Aufstieg der spanischen Nation zu ermöglichen, war es daher in den Augen der nationalkatholischen Ideologen notwendig, die Religiosität des 15. und 16. Jahrhunderts wiederherzustellen. Auch die Vorstellung der religiösen Einheit als Vorbedingung für die nationale Einheit, wie sie den Katholischen Königen zugeschrieben wird, wurde von den Nationalkatholiken aufgegriffen. Das franquistische Regime wollte diese Einheit restaurieren.234 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diente das Bekenntnis zur katholischen Religion aber nicht nur der Legitimierung und Homogenisierung nach innen, sondern der bewussten Distanzierung von Faschismus und Nationalsozialismus nach außen.235 Die Vorstellung einer Einheit von Nation und Religion drückt sich in Artikel 33 des Fuero aus, in dem es heißt: „Mit der Ausübung der in diesem Fuero anerkannten Rechte darf nicht die spirituelle, nationale und soziale Einheit Spaniens verletzt werden“.236 In der Rede zur Eröffnung der zweiten Legislaturperiode gegenüber den Cortes betonte Franco ein Jahr später ebenfalls: „Für uns ist der perfekte Staat der katholische Staat“.237 Artikel 6 schrieb den Katholizismus als Staatsreligion fest und bestätigte die Kirche in ihrer Funktion als eine der tragenden Säulen des Regimes.238 234 Vgl.: Diaz-Salazar, Iglesia, Dictadura y Democracia, 70 – 76. Vgl. auch: Rubio y MuÇoz-Bocanegra (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Catûlico, insb. 23, 59, 139. 235 Vgl.: Discurso pronunciado en la sesiûn inaugural del da 14 de mayo de 1946, in: Discursos y mensajes. 1943 – 1961, 19 – 63. Vgl. dazu auch: Bernecker, Geschichte Spaniens, 219. 236 „El ejercicio de los derechos que se reconocen en este Fuero no podr atentar a la unidad espiritual, nacional y social de EspaÇa“, Ley de 17 de julio de 1945. Fuero de los EspaÇoles, Art. 6, BOE, 18. 7. 1945, abgedruckt in: Bernndez, Canton A., Legislaciûn eclesistica del estado (1938 – 1964), Madrid 1965, 82. 237 „El Estado perfecto para nosotros es el Estado catûlico“, Discurso pronunciado en la sesiûn inaugural del da 14 de mayo de 1946, in: Discursos y mensajes, 1943 – 1961, 30. 238 „La profesiûn y la prctica de la Religiûn Catûlica, que es la del Estado espaÇol, gozar de la protecciûn oficial“, Ley de 17 de julio de 1945. Fuero de los EspaÇoles, Art. 6, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 81. Übersetzung in: Bernecker, Geschichte Spaniens, 219. Trotz der exkludierenden Verschränkung der spanischen Nationalität mit dem katholischen Glauben in Artikel 6 ging die Betonung des Katholizismus einigen Abgeordneten nicht weit genug, sie forderten die explizite Anerkennung des Katholizismus als staatliche Religion. So plädierte Genaro Riestra nach der Veröffentlichung des Fuero im Boletn Oficial de las Cortes am 14. 5. 1945 dafür, stärker auf die historische Verbundenheit zwischen Nation und Katholizismus einzugehen. Pedro Nieto Antfflnez wollte Spanien als einen katholischen Staat definiert wissen. Eine Gruppe von Abgeordneten, angeführt vom Bischof von Vitoria, schlug vor, die katholische Religion als „einzige“ und „offizielle“ des Staates zu definieren. Vgl.: Marquina Barrio, La confesionalidad del estado, in: Historia 16, 23/1978, 26 ff. Zur engen Verflechtung von Staat, Nation und Kirche in der offiziellen Regimerhetorik vgl. z. B.: Mensaje a las Cortes del Reino del da 26 de octubre de 1953, in: Discursos y mensajes. 1943 – 1961, 233 – 252. Die enge Verflechtung von Staat und Kirche im Franquismus beschreibt Daz-Salazar als Zweckallianz. Während die Verbindung dem Regime zur Sicherung und Legitimierung der Macht diente, wurde der Kirche die Kontrolle weiter gesellschaftlicher und kultureller Bereiche ermöglicht, vgl.: Diaz-Salazar, Iglesia, Dictadura y Democracia, 87. Callahan beschreibt die katholische Kirche einerseits als „institutional bulwark“ des franquistischen Regimes, ande-
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Die Sakralisierung des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens im franquistischen Staat hatte bereits während des Bürgerkrieges begonnen: 1938 waren in der nationalen Zone das Gesetz zur zivilen Eheschließung239 und 1939 die Möglichkeit zur zivilen Scheidung de facto abgeschafft worden, beides wurde durch das neue Eherecht von 1947 bestätigt.240 Die Taufe war in den ersten Jahren des Franquismus Voraussetzung für die Einschreibung ins Personenstandsregister. 1946 wurde außerdem die staatliche Subventionierung der katholischen Kirche beschlossen.241 Seit 1950 verfügte die Kirche über eigene Gerichte und erhielt direktes Repräsentationsrecht in zentralen Staats- und Regierungsgremien, wie z. B. in den Cortes. Darüber hinaus gehörte zu ihren wichtigsten Rechten die weitgehende Kontrolle des Bildungssystems.242 Die Kirche band sich ihrerseits eng an das Regime, so schlug Franco gemäß einem Abkommen vom Juni 1951 dem Vatikan spanische Bischöfe zur Ernennung vor, seit 1953 leisteten die Bischöfe einen Treueeid auf das Franco-Regime und der Staatschef genoss die liturgisch-kanonischen Ehrenrechte, die zuvor den Königen vorbehalten waren.243 Das Konkordat mit dem Vatikan von 1953 bestätigte und erweiterte die bereits bestehenden Privilegien der katholischen Kirche, z. B. im Bereich der Finanzen, der Steuern und der Erziehung. Die Verflechtung von Staat und Kirche erreichte in dieser Zeit ihren Höhepunkt.244 Nicht-katholische Religionen wurden in diesem ideologischen Klima toleriert, aber weder als Religionsgemeinden anerkannt, noch durfte sich ihr Glaube in öffentlichen Manifestationen wie Beerdigungen und Hochzeiten oder
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rerseits sei sie nur eine unter verschiedenen, miteinander um politischen Einfluss konkurrierenden Interessengruppen gewesen, und die franquistische Regierung habe von ihr erwartet, sich weitgehend auf die religiöse Sphäre zu beschränken, vgl.: Callahan, The Catholic Church, 384 f. Vgl.: Ley de 12 de marzo de 1938, BOE, 21. 3. 1938. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 112. Vgl. auch: Bernecker, Religion in Spanien, 101 f. Vgl.: Benasuly, Alberto, Hitos histûricos y jurdicos en el retorno de los judos a EspaÇa, in: Macas Kapon, Uriel/Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), El judasmo, uno y diverso, Humanidades 78, Cuenca 2005, 206; Bernecker, Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, 70. Vgl.: Bernecker, Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, 69 f; Ders., Religion in Spanien, 101 – 104. Bernecker, Religion in Spanien, 101 f. Vgl. Ebd., 108 f. Das zwischen dem franquistischen Staat und dem Vatikan 1953 geschlossene Konkordat definierte in Artikel 1 die katholische Religion als einzige der spanischen Nation, vgl.: Concordato entre la Santa Sede y EspaÇa, de 27 de agosto de 1953, Art. 1, BOE, 19. 10. 1953, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 251 – 263. Aus historischer Perspektive wird dem Konkordat eher symbolische Bedeutung denn eine tatsächliche politische Wirkung beigemessen. Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 409; Marquina Barrio, La confesionalidad del estado, in: Historia 16, 23/1978, 31. Franco unterstrich die Bedeutung des Konkordats für Spanien in einer Rede vor den Cortes del Reino, vgl.: Mensaje a las Cortes del Reino del da 26 de octubre de 1953, in: Discursos y mensajes. 1943 – 1961, 233.
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in von außen erkennbaren Gotteshäusern ausdrücken.245 Juden wurden so weniger aufgrund ihres Jüdischseins, als vielmehr, wie auch Protestanten, als Angehörige einer nicht-katholischen religiösen Gemeinschaft diskriminiert. Der Fuero bedeutete für die in Spanien lebenden nicht-katholischen religiösen Minderheiten eine Verbesserung, indem er Rechtssicherheit schuf.246 Mit Artikel 6 wurde erstmals im franquistischen Spanien die private Ausübung nichtkatholischer Religionen toleriert: „Keiner wird aufgrund seines religiösen Glaubens benachteiligt oder in der privaten Ausübung seines Kultes beeinträchtigt werden.“247 Allerdings schloss sich daran das Verbot jeglicher religiöser Erkennungszeichen und Zeremonien in der Öffentlichkeit an.248 Das jüdische Leben in Spanien erhielt einen vorübergehenden Impuls: In Barcelona und Madrid konnten 1946 bzw. 1948/49 erstmals nach dem Ende des Bürgerkrieges Synagogen in Privatwohnungen eröffnet werden, und die jüdischen Gemeinden erhielten 1948 bzw. 1953 die Erlaubnis, das Rosh Hashana-Fest außerhalb der gemeindeeigenen Betstuben zu feiern.249 Die Comunidad Israelita 245 Zur Bedeutung des Fuero de los EspaÇoles für die jüdischen Gemeinden vgl. auch: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 54. 246 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 130; Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 237. Die Zugeständnisse des franquistischen Staates gegenüber den religiösen Minderheiten führt Rozenberg auf den US-amerikanischen Druck zurück, der nach Kriegsende zugenommen hatte, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 152. Lisbona wertet die Zugeständnisse an die nicht-katholischen Minderheiten in Spanien als einen Versuch des franquistischen Regimes, die öffentliche Meinung in den USA für sich zu gewinnen und so die Entsendung eines US-amerikanischen Botschafters nach Madrid zu erwirken, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 137 f. Dass entsprechende Überlegungen auch in den 1950er Jahren noch eine Rolle spielten, zeigt ein Schreiben des spanischen Botschafters in Washington, in dem dieser rät, einen möglichen Umzug der Synagoge in Madrid angesichts der öffentlichen Meinung in den USA zu erlauben, vgl.: Jos¦ Mara de Areilza an Alberto Martn Artajo, Außenminister, Washington D.C., 21. 12. 1954; AMAE, Leg. R 3599/43. Rozenberg verweist darauf, dass sich der Umgang mit religiösen Minderheiten im spanischen Protektorat in Marokko sowie in Ceuta und Melilla von dem auf dem Festland unterschied und die Frage der Religionsfreiheit dort liberaler geregelt wurde, vgl.: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 12. 247 „Nadie ser molestado por sus creencias religiosas ni el ejercicio privado de su culto.“, Ley de 17 de julio de 1945. Fuero de los EspaÇoles, Art. 6, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 81. 248 „No se permitarn otras ceremonias ni manifestaciones externas que las de la Religiûn Catûlica“, Ley de 17 de julio de 1945. Fuero de los EspaÇoles, Art. 6, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 81. Vgl. auch: Bernecker, Geschichte Spaniens, 219. Zur Tolerierung nicht-katholischer Religionen vgl. auch: Rubio y MuÇoz-Bocanegra (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Catûlico, 95, 113. 249 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 152 f; Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 41. Ausführlicher zu den Entwicklungen in den Gemeinden in Barcelona und Madrid vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 130 – 136. Lisbona berichtet, dass die Genehmigung einer Synagoge für die Gemeinde in Barcelona erst durch Intervention von Nicols Franco, dem Bruder Francisco Francos, erfolgte. (Ebd., 130 f.) Lisbona zufolge war die Gemeinde in Barcelona außerdem im April 1946 durch die dortige Stadtregierung anerkannt worden. (Ebd., 134.) Das Genehmigungsschreiben für die Eröffnung eines Tempels der Direcciûn General de
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de Barcelona erreichte außerdem 1949 eine Genehmigung durch die Provinzregierung (Gobierno Civil) auf Grundlage ihrer Statute aus dem Jahr 1922.250 Diese Fortschritte sollten aber nicht als staatliche Billigung der Existenz einer organisierten jüdischen Gemeinde missverstanden werden.251 Das mit dem Fuero etablierte System der „bloßen Toleranz“ („mera tolerancia“) gegenüber nicht-katholischen Minderheiten stand nicht im Widerspruch zu dem nationalkatholischen Selbstverständnis des franquistischen Regimes. Angesichts seiner international isolierten Lage und der Kritik an der franquistischen Diktatur betonte das Regime in öffentlichen Stellungnahmen die im Fuero verankerte religiöse Toleranz und ihre Einhaltung in der Praxis und versuchte dabei, Vorwürfe und Zweifel, die sich aus dem ungebrochenen Bekenntnis zum Katholizismus als Staatsreligion ergaben, zu entkräften.252 So unterstrich Franco in einer Rede gegenüber den Cortes del Reino: „Dieses Prinzip der religiösen Einheit lässt sich mit der privaten Ausübung des Kultes der wenigen Spanier oder in Spanien lebenden Ausländer, die nicht-katholischen Kirchen angehören, in Einklang bringen“.253 Er verwies damit nicht nur auf die Vereinbarkeit der katholischen Einheit mit der religiösen Toleranz, sondern zugleich auf die Möglichkeit einer Existenz nicht-katholischer Spanier. Trotz seiner nationalkatholischen Überprägung wurde mit dem Fuero so
250
251 252 253
Seguridad ist abgebildet in: Estanyol i Fuentes, M. Josep, Judaisme a Catalunya, avui, Barcelona 2002, Fotos zw. 96 – 97. Israel Garzûn führt die Genehmigung für die Synagoge in Madrid auf das Bestreben der franquistischen Regierung zurück, sich Israel anzunähern, um auf diese Weise das Stimmverhalten des neu gegründeten Staates in den Vereinten Nationen positiv zu beeinflussen, vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 65. Diesen Standpunkt vertritt auch Rein, In the Shadow, 16 f. Als im folgenden Jahr, 1954, die erneute Ausrichtung der Rosh Hashana-Feierlichkeiten in Madrid von der Jefatura Superior de Polica de Madrid verboten wurde, führte dies zu einer großen Protestwelle. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 160 ff. Zum Verbot vgl.: Schreiben von Juan de las Brcenas an Rafael Hierro, Director General de Seguridad, Madrid, 21. 8. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 169. Möglicherweise erfolgte die Genehmigung auf Anordnung des Innenministeriums. Dafür spricht ein Telegramm von Außenminister Artajo, in dem dieser eine entsprechende Anordnung des Innenministeriums für die Genehmigung jüdischer Friedhöfe durch die lokalen Behörden in Barcelona und Sevilla erwähnt, vgl.: Telegramm Nr. 632 (confidencial) von Martin Artajo an Encargado de Negocios en Washington D.C., 18. 12. 1949; AMAE, Leg. R 2019/8. Zur Situation der jüdischen Gemeinde in Barcelona im Jahr 1949 vgl. auch: Telegramm Nr. 634 (confidencial) von Martn Artajo an Encargado de Negocios de EspaÇa en Washington D.C., 20. 12. 1949; Telegramm Nr. 542 von Martn Artajo an Botschafter in Washington D.C., 7. 10. 1949; beide AMAE, Leg. R 2019/8. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 135. Vgl.: Discurso pronunciado en la sesiûn inaugural del da 18 de mayo de 1949, in: Discursos y mensajes. 1943 – 1961, 65 – 104. „Este principio de la unidad religiosa se conjuga debidamente con la prctica privada del culto para los contados espaÇoles o extranjeros residentes en EspaÇa que pertenecen a iglesias disidentes“, Mensaje a las Cortes del Reino del da 26 de octubre de 1953, in: Discursos y mensajes. 1943 – 1961, 241.
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die Realität nicht-katholischer Minderheiten akzeptiert, was allerdings nicht gleichbedeutend mit ihrer Respektierung war.
2.2 Ley de Libertad Religiosa. Eine erste religionspolitische Zäsur Der enorme wirtschaftliche Aufschwung sowie die wachsende gesellschaftliche Opposition und zunehmende Distanzierung der kirchlichen Hierarchie vom Regime zwangen die Regierung in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre dazu, das juristische Fundament den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.254 Neben der hier zu untersuchenden Ley de Libertad Religiosa trat Anfang des Jahres 1967 das Staatsorgangesetz (Ley Orgnica del Estado) in Kraft, mit welchem Franco das Fortbestehen des Regimes über seinen Tod hinaus sichern wollte. Das Gesetz sah neben der Trennung der Ämter des Staatsoberhauptes und des Ministerpräsidenten u. a. als erste Zusatzbestimmung die Garantierung der Religionsfreiheit und damit die Reformierung des Artikels 6 des Fuero vor, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil notwendig geworden war.255 Nachdem der frühe Franquismus durch eine enge institutionelle Verflechtung von Kirche und Staat gekennzeichnet war, stellte das Zweite Vatikanische Konzil eine Zäsur sowohl für die Entwicklung der spanischen Kirche als auch für ihre Beziehungen zum Staat dar. Die offiziellen Bekenntnisse zum Nationalkatholizismus nahmen in der Folgezeit ab.256 Mit der Verabschiedung der konziliaren Deklaration Dignitatis Humanae erlebte die Diskussion um Religionsfreiheit in Spanien einen Aufschwung. Im Zentrum der Debatte stand dabei die Frage nach der Vereinbarkeit mit der Konfessionalität des Staates, letztlich die Vereinbarkeit der Religionsfreiheit und der vom Konzil einge254 Weitere wichtige Faktoren für die veränderte Haltung der franquistischen Regierung gegenüber der jüdischen Bevölkerung und den anderen religiösen Minderheiten waren die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu den USA sowie der rasante Anstieg des Tourismus in den 1960er Jahren. Vgl.: Avni, Spain, 201. 255 Vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 81; Bernecker, Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, 181 ff. Bernecker wertet das Staatsorgangesetz als Versuch des Regimes, seine Strukturprinzipien zu bewahren und zugleich eine notwendige Öffnung zu vollziehen, vgl.: Ebd., 183; Ders., Geschichte Spaniens, 262. Die Reformierung des Fuero im Hinblick auf den Umgang mit nicht-katholischen Religionen wurde auch von der OID in einer Mitteilung über die Ley Orgnica del Estado als eine der wichtigsten Bestimmungen aufgezählt, vgl.: OID, Nota Informativa Confidencial 391/66, Madrid, 23. 11. 1966; OID-Archiv. Da die Frage der Religionsausübung im Fuero geregelt war und damit verfassungsrechtlichen Rang hatte, bedurfte die Änderung eines Referendums. Darüber hinaus war die Zustimmung des Vatikans notwendig, da Regelungen des 1953 ausgehandelten Konkordats betroffen waren. Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 240 ff. Vgl. auch: Proyecto de consulta a la Santa Sede, 3. 2. 1967; AGMJ, Cj. 8599 – 1. Das erfolgreiche Referendum wurde von Franco als eine plebiszitäre Legitimierung des Regimes dargestellt, vgl.: „Puntos fundamentales en el discurso de Franco“, in: ABC, 18. 11. 1967; OID-Archiv. 256 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 500 – 526.
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forderten Rechte für Nicht-Katholiken mit den nationalkatholischen Prinzipien und der religiösen Einheit.257 Zwar bekannten sich die spanischen Bischöfe bei ihrer Abreise aus Rom zur in der Deklaration Dignitatis Humanae festgeschriebenen Religionsfreiheit, wollten aber die Umsetzung dieses Rechts abhängig machen von den jeweils spezifischen gesellschaftlichen Bedingungen. In Spanien sei im Namen des „gesellschaftlichen Friedens“ eine unbegrenzte Religionsfreiheit nicht erstrebenswert.258 In der Folge kam es zu einer Aufspaltung der spanischen Kirche, die auf den Wandel nicht vorbereitet gewesen war.259 Auf der einen Seite stand eine Gruppe von jüngeren Priestern den Veränderungen innerhalb 257 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 501; „Va a regularse la situaciûn de los acatûlicos en EspaÇa“, in: Vida Nueva, 19. 9. 1964; RAH-FFMC, Archiv. 14, Cj. 3, 2531, 1964. Die Verbindung zum Zweiten Vatikanischen Konzil stellte auch Franco in seiner Rede vor den Cortes anlässlich der Reform des Fuero her : „Est prevista una eficaz tutela jurdica para este derecho civil…, adaptndose a las normas conciliares tanto en la extensiûn del derecho como en los lmites de orden pfflblico, dentro de los que, segffln el propio Concilio, debe discurrir su ejercicio“, zit.n.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 254. In der zeitgenössischen Rezeption und Bewertung des Gesetzesvorhabens spielte der Vergleich mit den konziliaren Normen eine bedeutende Rolle, vgl. z. B.: „El proyecto de Ley de Libertad Religiosa y el Concilio (Estudio comparado de textos)“, in: Ya, 22. 4. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Die aus diesem Vergleich gezogene Schlussfolgerung ist hier der Beweis der „seriedad con que EspaÇa quiere traducir en ley del Estado la inspiraciûn de la Iglesia“ (Ebd.). Die jesuitische Zeitschrift Razûn y Fe setzte sich in einem ausführlichen Artikel mit der Überarbeitung des Artikels 6 des Fuero auseinander, die sie im Einklang mit der Deklaration Dignitatis Humanae sah und daher positiv bewertete. Ähnlich wie bei der Diskussion um das Religionsgesetz wurde auch hier die Vereinbarkeit der Religionsfreiheit mit der Sonderstellung der katholischen Kirche behauptet und der Beginn einer „freieren“ und „perfekteren“ katholischen Einheit proklamiert, zu der die juristische Reform führe, vgl.: Lûpez de Prado, Joaqun, La libertad religiosa en el Fuero de los EspaÇoles, in: Razûn y Fe, 828/1967, 79 – 85, insb. 85. De Carli relativiert den Einfluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, sie führt die Liberalisierung der Religionsgesetzgebung in erster Linie auf Druck von außen und auf das Bestreben der Regierung zurück, Spanien in die westliche Staatengemeinschaft zu integrieren, vgl.: Carli, Romina de, El derecho a la libertad religiosa en la transiciûn democrtica de EspaÇa (1963 – 1978), Madrid 2009, 3, 7 f. 258 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 511 f. 259 In der Forschung wird die Wirkung des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Kirche in Spanien häufig als „Krise“, „Trauma“ oder „Schock“ beschrieben, da es letztlich die Neudefinition des kirchlichen Selbstverständnisses erforderte. Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 510. Enrique y Tarancûn kritisierte rückblickend die reaktionäre Haltung vieler spanischer Bischöfe: „La verdad es que entonces muchos de los obispos espaÇoles confundan el r¦gimen con EspaÇa y les pareca que defender el r¦gimen era defender a EspaÇa y criticarle era criticar a EspaÇa.“, Vicente Enrique y Tarancûn zit.n.: Madrigal, Santiago, Tarancûn, int¦rprete y valedor del Vaticano II, in: Razûn y Fe, 1305 – 1306/2007, 18. Zur Haltung der spanischen Kirche gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil vgl.: Iribarren, Jesffls, Papeles y memorias. Medio siglo de relaciones Iglesia-Estado en EspaÇa (1936 – 1986), Madrid 1992, 235, 253; Hermet, Guy, Les Catholiques dans l’Espagne Franquiste. Chronique d’une Dictature, Paris 1981, 287 – 297. Zur Aufspaltung der spanischen Kirche infolge des Konzils vgl.: Ruiz Rico, Juan Jos¦, El papel poltico de la iglesia catûlica en la EspaÇa de Franco (1936 – 1971), Madrid 1977, 139, 182 – 232, insb. 188 f. Zu den unterschiedlichen Strömungen: Hermet, Guy, Les Catholiques dans l’Espagne Franquiste. Les Acteurs du Jeu Politique, Paris 1980, 88 – 144.
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der Kirche aufgeschlossen und positiv gegenüber. Sie lehnte die nationalkatholische Ausrichtung der Kirche ab, trat für einen demokratischen Wandel ein und distanzierte sich zunehmend vom Regime.260 Eine zentrale Figur in diesem innerkirchlichen Wandlungsprozess war der spätere Vorsitzende der spanischen Bischofskonferenz Kardinal Vicente Enrique y Tarancûn.261 Auf der anderen Seite wollten die konservativen und fundamentalistischen Kräfte, die dem integrismo zugerechnet werden, ebendiesen Wandel verhindern und propagierten die Rückkehr zu traditionellen Werten.262 Insgesamt lässt sich festhalten, dass die kirchliche Hierarchie – abgesehen von der oben genannten Minderheit – dem Konzil skeptisch gegenüberstand.263 Dennoch scheint sich mittelfristig die Einschätzung durchgesetzt zu haben, dass Spanien als katholische Nation dem Zweiten Vatikanischen Konzil folgen müsse.264 In der spanischen Bevölkerung stieß das Konzil auf wenig Interesse. Im Frühjahr 1965 hatten nur 11 % der vom Instituto de la Opiniûn Pfflblica Befragten von der Deklaration gehört. Allerdings sprachen sich, unabhängig von dem je260 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 509 f. 261 Enrique y Tarancûn war seit 1956 Sekretär des spanischen Episkopats, 1964 wurde er zum Erzbischof von Oviedo ernannt, 1969 zum Erzbischof von Toledo und zum spanischen Primas (primado), 1972 löste er Casimiro Morcillo als Erzbischof von Madrid und Vorsitzender der Bischofskonferenz ab. Vgl.: Collado Seidel, Carlos, Spaniens tief greifender religiöser Identitätswandel, in: Bernecker, Walther L. (Hg.), Spanien heute. Politik – Wirtschaft – Kultur, Frankfurt a.M. 52008, 302. Vgl. auch: Botey Vall¦s, Jaume, Iglesia catûlica y nacionalismo espaÇol, in: Taibo Arias (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 240 f. 262 Vgl.: Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 394 – 404, 409. Als Reaktion auf das Konzil entfaltete sich Ýlvarez Chillida zufolge unter den integristischen Kräften eine antisemitische Kampagne. Eines der wichtigsten Organe war dabei die Zeitschrift ¿Qu¦ pasa?, vgl.: Ebd., 409 – 422. 263 Die katholische Presse in Spanien nahm eine überwiegend positive Haltung gegenüber dem Konzil und damit auch zum Gesetzesvorhaben ein: „Pero en la valoraciûn total del ,Proyecto de ley‘ no podemos olvidar el punto de partida. Por eso, no ya en una primera apreciaciûn global, sino despu¦s de una larga y detallada reflexiûn, nos unimos a Ecclesia para afirmar ,que esta ley constituye un paso notabilsimo sobre la situaciûn precendente y un esfuerzo meritorio por estar a tono con el Concilio‘“, Lûpez de Prado, Joaqun, El proyecto de ley sobre la libertad religiosa ante la declaraciûn „Dignitatis Humanae“, in: Razûn y Fe, 832/1967, 507. Auch in Arriba wurde die Debatte um das Gesetz über Religionsfreiheit medial begleitet, vgl. z. B.: MuÇoz-Alonso, Adolfo, Sin prejuzgar el anteproyecto de ley, in: Arriba, 10. 3. 1967; Campmany, Jaime, Libertad Religiosa, in: Ebd., 6. 5. 1967; Ders., La sombra de Torquemada, in: Ebd., 11. 5. 1967; alle AMAE, Leg. R 12034/6; Campmany, Jaime, Retornar a la Edad Media, in: Ebd., 22. 6. 1967; „Pleno de las Cortes“ in: Ebd., 22. 6. 1967, 4. 264 „EspaÇa aparece ante el mundo como naciûn histûrica y oficialmente catûlica: no afectada por la escisiûn protestante, dotada de una legislaciûn civil que profesa adhesiûn al pensamiento de la Iglesia, con religiûn nacional catûlica. Por lo mismo, EspaÇa es el pas donde cuanto la Iglesia catûlica inspira y prescribe puede, en principio, obtener su aceptaciûn total, al pie de la letra. Es un pueblo donde el Concilio Vaticano II, en su letra y en su espritu, pueden, y por tanto deben, alcanzar su mxima eficacia e influencia conformadora.“, „¿Crisis en la iglesia espaÇola?“, in: Razûn y Fe, 826/1966, 292. Eine ähnliche Haltung hatte bereits 1964 der Erzbischof von Zaragoza vertreten, vgl.: „El anteproyecto de Estatuto para los acatûlicos en EspaÇa es necesario y llena una laguna legislativa“. ABC, Arriba y Ya recogen declaraciones del Arzobispo de Zaragoza, 9. 10. 1964; RAH-FFMC, Archiv. 14, Cj. 3, 2543, 1964.
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weiligen Kenntnisstand, 48 % der Befragten dafür aus, dass Katholiken und Nicht-Katholiken in Spanien die gleichen Rechte haben sollten.265 Ihren Höhepunkt erreichte die Diskussion um die Umsetzung der Religionsfreiheit mit dem Entwurf zu einem neuen Religionsgesetz in den Jahren 1966/67.266 Das Religionsgesetz von 1967 bildete die entscheidende Zäsur im Umgang der franquistischen Diktatur mit den nicht-katholischen Minderheiten, die erstmals als religiöse Vereinigungen legale Anerkennung erfahren konnten.267 Die Bedeutung des Gesetzes zeigt sich auch an der medialen Aufmerksamkeit, die es bereits vor seiner Verabschiedung in der nationalen und internationalen Presse erfuhr.268 Das Interesse der USA und der europäischen Staaten war dabei in erster Linie auf die juristische Behandlung der protestantischen Minderheit in Spanien gerichtet, weshalb das Religionsgesetz auch als „Protestantenstatut“ bezeichnet wurde.269 Der Protestantismus 265 Vgl.: Hakesher, 5/1965, 4. 266 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 513 f. Für den fortschrittlicheren, den konziliaren Beschlüssen aufgeschlossen gegenüberstehenden Diskurs vgl.: Cuadernos para el dilogo. Zum Umgang mit nicht-katholischen Minderheiten z. B.: Dez Alegra, Jos¦ Mara, La confesionalidad del estado, in: Cuadernos para el dilogo, 25/1965, 25 – 26; „Editoriales: En torno al proyecto de ley sobre libertad religiosa“, in: Ebd., 42/1967, 3 – 4. Für die Haltung der spanischen Bischofskonferenz zur Neuregelung der Religionsfreiheit in Spanien vgl.: „Editoriales: Unidad catûlica y libertad religiosa“, in: Ecclesia, 1376, 3. 2. 1968, 3 – 5; „Escriben nuestros prelados. Exhortaciûn del episcopado espaÇol sobre la libertad religiosa“, in: Ebd., 11 – 18. Für die Haltung von Acciûn Catûlica vgl. die verschiedenen Artikel zu diesem Thema in Ecclesia, z. B.: „Documentaciûn Civil: Ley Reguladora del ejercicio del derecho civil a la libertad en materia religiosa. El ,Boletn Ofical del Estado‘, publica la Ley 44/1967, de 28 de junio, regulando el ejercicio del derecho civil a la libertad en materia religiosa, cuyo texto integro reproducimos“, in: Ecclesia, 1347, 8. 7. 1967, 21 – 25; „EnseÇanza y libertad religiosa“, in: Ebd., 1367, 25. 11. 1967, 4; Suarez Yufera, Francisco, La libertad religiosa aplicada a la enseÇanza, in: Ebd., 1368, 2. 12. 1967, 23 – 25. Ein Schwerpunkt lag auf der Neuregelung des Religionsunterrichts. 267 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 514; P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 461. P¦rez-Llantada y Guti¦rrez sieht das Religionsgesetz von 1967 z. T. in der Traditionslinie der Verfassung von 1869, der bourbonischen Restauration und der republikanischen Verfassung von 1931, welche neben der Religionsfreiheit den Laizismus festschrieb, vgl.: Ebd., 233 – 237. Bereits mit der 1964 im Zusammenhang mit den 25-Jahr-Feierlichkeiten des Regimes verabschiedeten Ley de Asociaciones waren den Vereinen, als welche nicht-katholische Gemeinschaften bis dahin galten, mehr Rechte zugestanden worden. Vgl.: Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 242. 268 Vgl. dazu verschiedene Presseberichte der OID sowie internationale Pressemitteilungen; Brief von William Wexler, Präsident von B’nai B’rith, an Fernando Castiella, Washington, D.C., 3. 3. 1967; beides AMAE, Leg. R 12034/6; Lisbona, Retorno a Sefarad, 221. Vgl. auch eine Sammlung verschiedener Presseberichte aus ausländischen Zeitungen in: RAH-FFMC, Archiv. 19, Cj. 4, 3347 – 11; „Noticias de Sefarad“, in: Hakesher, 16/1966, 9 – 10; „Spain may ,avert the evil decree‘“, in: JC, 4, 980, 2. 10. 1964, 23. Hakesher stellte als wichtige mit dem Gesetz zu erwartende Neuerungen das Recht auf Bildung, auf nicht-katholische Hochzeiten und auf die Befreiung der Rabbiner vom Militärdienst heraus, vgl.: „Noticias de Sefarad“, in: Hakesher, 16/1966, 9. 269 Vgl. z. B.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, Botschaft in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 7. 3. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6.
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hatte, u. a. bedingt durch die Tätigkeit ausländischer Missionare, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewonnen. Allerdings führten der Ausbruch des Bürgerkrieges und der Sieg der Franquisten zur Schließung der meisten Kirchen, und zahlreiche ausländische Missionare verließen das Land.270 Die Beziehungen zu ausländischen Kirchen spielten für die etwa 31.000 Protestanten unterschiedlichster Glaubensrichtungen, die Ende der 1960er Jahre in Spanien lebten, aber auch weiterhin eine wichtige Rolle, so erhielten sie auf diesem Wege finanzielle Unterstützung. Neben den Diskriminierungen, denen sie als nicht-katholische Glaubensgemeinschaften ausgesetzt waren, hatte der von den Vereinten Nationen 1946 beschlossene Abzug der Botschafter aus Spanien eine Verschlechterung ihrer Situation bedeutet. Die Einrichtung von US-amerikanischen Militärbasen auf Grundlage des 1953 geschlossenen Abkommens brachte hingegen neue Impulse, da sich das Regime gezwungen sah, den dort stationierten Soldaten die Ausübung der protestantischen Religion zu erlauben. 1956 gründete sich mit der Comisiûn de Defensa Evang¦lica EspaÇola ein erster Dachverband, der Informationen über die Situation der Protestanten an europäische Medien und Institutionen lancierte und so vermutlich zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Ausland beitrug.271 Die jüdischen Gemeinden blickten zunächst optimistisch und hoffnungsvoll auf das Gesetzesvorhaben, so hatte sich der Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, Max Mazin, bei einem Besuch in New York im Rahmen einer von dem American Jewish Committee veranstalteten Pressekonferenz positiv zu den Fortschritten auf dem Gebiet der Religionsfreiheit in Spanien geäußert: „We are confident that despite conservative opposition, the future legislation will take into account the interest of the Spanish Government in providing equal rights to non-Catholics.“272 Der Botschafter in Washington 270 Vgl.: Hernando de Larramendi, Miguel/Gonzlez Gonzlez, Irene, Segunda reforma y primeras iglesias evang¦licas en Castilla-La Mancha, in: Ders./Garca Ortiz (Hg.), Religion.es, 37 – 53. 271 Vgl.: Gûmez Bahillo, Carlos/Franco de Est¦s Mantecûn, Carlos, Comunidades Evang¦licas, in: Gûmez Bahillo, Carlos (Hg.), Construyendo redes. Minoras religiosas en Aragûn, Barcelona 2009, 149 – 157. Vgl. auch: Fitschen, Klaus, Protestantische Minderheitenkirchen in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen IV/4, Leipzig 2008, 83 f. Für zeitgenössische Angaben über Größe und Vereinigungen der protestantischen Minderheit vgl.: „El proyecto de libertad religiosa es un paso importante“, in: ABC, 28. 1. 1967, 47; „Los protestantes espaÇoles suman unos treinta mil“, in: La Vanguardia, 5. 1. 1967, 8; „Comenzaron las conversaciones entre delegados protestantes y la Comisiûn de Libertad Religiosa“, in: Ebd., 29. 11. 1967, 11. Die jüngere Geschichte der Protestanten in Spanien ist bislang kaum erforscht. 272 OID, Nota Informativa confidencial 393/66, Madrid, 26. 12. 1966, angehängt Pressemitteilung des American Jewish Committee; OID-Archiv ; AMAE, 8447/12. Zu den lobenden Äußerungen Mazins angesichts der Fortschritte auf dem Gebiet der Religionsfreiheit während seines NewYork-Besuches 1966 vgl. auch: Schreiben von Marqu¦s Merry del Val, spanischer Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 20. 12. 1966, sowie die daran angehängten Zeitungsartikel aus der US-amerikanischen Presse; AMAE, Leg. R 8447/12. Ähnlich positiv äußerte sich Mazin bereits zwei Jahre zuvor. Vgl.: OID, Nota Informativa confidencial, Madrid,
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leitete die Stellungnahme Mazins an das Außenministerium mit dem Vermerk weiter, dass diese auf großes Interesse gestoßen sei.273 Die Initiative für das 1967 verabschiedete Gesetz ging auf den Außenminister Fernando Mara Castiella zurück, der auch Franco von der Notwendigkeit einer Umsetzung der konziliaren Beschlüsse überzeugte.274 Franco griff in seiner Neujahrsrede anlässlich des Jahreswechsels 1965/66 das Motiv Spaniens als katholischer Vorbildnation auf, die nun auch bei der Umsetzung der konziliaren Prinzipien eine Vorreiterrolle einnehmen müsse.275 Zuvor hatte Castiella bereits als spanischer Botschafter im Vatikan an der Aushandlung des Konkordats von 1953 mitgewirkt, ebenso war er an der Re28. 9. 1964; AMAE, Leg. R 8447/12. Der spanische Botschafter informierte ebenfalls die jüdische Öffentlichkeit in den USA über das Religionsgesetz, vgl.: Schreiben von Marqu¦s Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 28. 2. 1967; AMAE, Leg. R 8447/12. In einem Artikel in Hakesher drückte Mazin 1964 seine Hoffnung auf eine Normalisierung des jüdischen Lebens in Spanien aus, vgl.: „Notas para mirar y oir“, in: Hakesher, 1/1964, 4, 6; Ders., En el umbral de una nueva era, in: Hakesher, 20/1967, 3 – 4. 273 Vgl.: Schreiben von Marqu¦s Merry del Val, spanischer Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 20. 12. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. 274 In der Presse wurde das Gesetz vielfach als „Ley Castiella“ betitelt und so auf die entscheidende Rolle des spanischen Außenministers bei dessen Entstehung verwiesen. Vgl. verschiedene Presseberichte der OID; AMAE, Leg. R 12034/6. Zur Rolle Castiellas vgl.: Blanco, Mara, La Primera Ley EspaÇola de Libertad Religiosa. G¦nesis de la Ley de 1967, BaraÇin 1999, 41 – 48. Vgl. auch: Hegstad, Roland R., The Spanish Religious Liberty Document, in: Liberty, 61/1966, 7 – 13, 15; Ders., New Deal for Spain’s Protestants, in: Liberty, 63/1968, 11 – 13, 31 – 33; beides AMAE, Leg. R 12034/6. Im Vorfeld der Veröffentlichung des erstgenannten Artikels schickte der Autor die Transkription des von ihm mit Castiella geführten Interviews an den Generaldirektor der OID mit der Bitte um Freigabe, vgl.: Brief von Roland R. Hegstad, Herausgeber der Zeitschrift Liberty, an Adolfo Martn Gamero, Director General de la OID, Washington D.C., 6. 6. 1966; AMAE, Leg. R 12034/6. Aus dem Artikel geht hervor, dass Castiella einer von mehreren europäischen Politikern war, die für einen Dokumentarfilm über Religionsfreiheit interviewt wurden. Zur persönlichen Motivation des Ministers heißt es, dass diese sich aus der „innate conviction of the rightness of religous freedom and the wrongness of the Spanish approach to religious dissent“ ergeben habe. Dabei habe der Minister eine sehr weitgefasste Definition von Religionsfreiheit vertreten, die über die vom Zweiten Vatikanischen Konzil hinausging. Vgl.: Hegstad, The Spanish Religious Liberty Document, in: Liberty, 61/1966, 9. Zur Rolle und Motivation des Außenministers Castiellas vgl. auch: Moro, Jos¦ Mara, La iniciativa de Castiella sobre la libertad religiosa, in: Oreja Aguirre/Snchez Mantero (Hg.), Entre la Historia y la Memoria, 401 – 410; Martnez de Codes, Rosa Mara, La libertad religiosa en la ¦poca de Castiella: Una visiûn pionera (1957 – 1969), in: Ebd., 411 – 447. 275 „Nuestro R¦gimen, que desde su origen se propuso ser modelo de lealtad a un concepto catûlico de la convivencia, insertando los principios de la doctrina catûlica en nuestras normas fundamentales, continuar en su futuro desarrollo manteniendo esta lealtad y aceptando plena y consecuentemente los principios doctrinales de nuestra Santa Madre Iglesia, tal como ella los predica y desea en nuestro tiempo.“, Mensaje de S.E. el Jefe del Estado a todos los espaÇoles ante el nuevo aÇo de 1966 (Dirigido desde el PALACIO DE EL PARDO el 20 de diciembre de 1965.), in: Discursos y mensajes del Jefe del Estado. 1964 – 1967, 178. Gleichzeitig verwies Franco in der Rede auf das jahrhundertelange friedvolle Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen auf der Iberischen Halbinsel, vgl.: Ebd; „Franco statement welcomed“, in: JC, 4, 994, 8. 1. 1965, 36.
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daktion des Fuero im Oktober 1943 beteiligt gewesen.276 In einem Artikel im Journal de GenÀve wird Castiella als Don Quijote im Kampf für den Fortschritt in einem reaktionären Land dargestellt: „Seit acht Jahren hat dieser liberale, den Erfordernissen einer modernen Gesellschaft gegenüber aufgeschlossene Geist dafür gekämpft, dass den religiösen Minderheiten die Rechte zuerkannt werden, die sie in allen anderen westlichen Regimes besitzen, die ihnen aber von den Führern eines Landes [gemeint ist Spanien, A. M. …] beharrlich verweigert werden. Seit dem 16. Jahrhundert hatte man sich auf der Iberischen Halbinsel daran gewöhnt, dass nur ein Katholik ein guter Spanier sein konnte.“277
Ein erster Entwurf für ein Religionsgesetz lag dem Ministerrat bereits 1964 vor.278 Er wurde allerdings von den Ereignissen des Zweiten Vatikanischen Konzils überholt, da die Deklaration Dignitatis Humanae eine über die reine Tolerierung religiöser Minderheiten hinausgehende Religionsfreiheit vorsah.279 Die mit der Ausarbeitung des ursprünglichen Statuts über die Nicht-Katholiken (Estatuto de los acatûlicos) beauftragte Kommission erarbeitete daraufhin einen neuen Gesetzentwurf im Einklang mit den in der Deklaration verankerten Prinzipien, auch das Justizministerium legte 1966 einen Gesetzentwurf vor.280 Im Juni 1966 wurde schließlich eine interministerielle Kommission aus dem Justiz- und dem Außenministerium (Comisiûn Interministerial de Justicia y Asuntos Exteriores) gegründet, die auf Grundlage der bereits vorhandenen Entwürfe einen Vorentwurf (Anteproyecto de Ley por el que se regula el ejercicio 276 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 409, 514; Marquina Barrio, La confesionalidad del estado, in: Historia 16, 23/1978, 25. 277 „Durante ocho aÇos este espritu liberal, abierto a las exigencias de una sociedad moderna ha luchado para conceder a las minoras religiosas los derechos que poseen en todos los regimenes occidentales, pero que les eran tenazmente negados por los dirigentes de un pas […]. Desde el siglo 16, se acostumbraba a decir en la pennsula ib¦rica que para ser buen espaÇol era preciso ser catûlico.“, OID-Pressedienst, Libertad religiosa. Crûnica semanal de su director Ren¦ Payot, emitida por radio y publicada en prensa: „EspaÇa se despierta“, in: Journal de GenÀve, 4. 3. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. 278 Dieser Entwurf war von einer im Außenministerium angesiedelten und von Castiella geleiteten Kommission ausgearbeitet worden. Vgl.: Brief und angehängter Artikelentwurf von Roland R. Hegstad, Herausgeber der Zeitschrift Liberty, an Adolfo Martn Gamero, Director General de la OID, Washington D.C., 6. 6. 1966; AMAE, Leg. R 12034/6. Im Außenministerium wurden außerdem Artikel aus der ausländischen Presse gesammelt, die sich mit dem Problem der Religionsfreiheit beschäftigten. Diese wurden den Mitgliedern der Cortes vorgelegt, um sie von der Notwendigkeit des Religionsgesetzes zu überzeugen. (Ebd.) Zum Scheitern des ersten Gesetzentwurfes vgl. auch: Sharrat, Tom, Religious tolerance a chink in Spain’s totalitarianism, in: The Guardian, 2. 6. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Für eine genaue Analyse des ersten Statuts und der weiteren Gesetzentwürfe vgl.: Blanco, La Primera Ley, 48 – 79. Lisbona verweist auf den großen Widerstand, der dem Entwurf vonseiten einiger Minister entgegenschlug, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 217 f. 279 Vgl.: Blanco, La Primera Ley, 18 f; P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 267. 280 Zum Gesetzentwurf des Justizministeriums vgl.: Blanco, La Primera Ley, 81 – 92.
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del derecho de libertad religiosa) ausarbeitete.281 Diese Gesetzesvorlage erhielt im Dezember 1966 die Zustimmung der spanischen Bischofskonferenz und im Januar 1967 die Zustimmung aus dem Vatikan.282 Am 10. bzw. 24. Februar wurde sie nach langen Diskussionen vom Ministerrat angenommen, und am 2. Mai 1967 begannen die Verhandlungen in den Cortes.283 Das außergewöhnlich große Interesse an diesem Gesetzestext und die langwierigen Debatten mit zahlreichen Änderungsanträgen können darauf zurückgeführt werden, dass die Regelung der Religionsfreiheit letztlich die Infragestellung der nationalkatholischen Einheit und damit eine mögliche Neudefinition des nationalen Selbstverständnisses bedeutete. Indem das Gesetz das Zusammenleben der katholisch geprägten Mehrheitsgesellschaft mit nicht-katholischen Minderheiten sowie insbesondere deren Rechte regelte, betraf es Katholiken wie Nicht-Katholiken.284 Besonders umstritten waren die ersten beiden Artikel und hier wiederum die Definition der Religionsfreiheit, das Konzept der Religiosität und die Frage, ob der Katholizismus als „einzig wahre“ Religion erwähnt werden sollte.285 Die Abgeordneten reichten insgesamt 251 Änderungsanträge ein, bei denen – ebenso wie in der gesamten Debatte um das Gesetz – zwei grundlegend verschiedene Positionen offenkundig wurden, die P¦rez-Llantada Guti¦rrez als traditionalistisch bzw. fortschrittlich bezeichnet. Während die Traditionalisten die Konfessionalität des Staates als Traditionslinie ausmachten und mit dem Verlust der religiösen Einheit die politische Einheit gefährdet sahen, wollten die Progressisten in der Konfessionalität des Staates keine Grundlage für die juristische Regelung des Umgangs mit anderen Religionen sehen, zumal für sie die konziliare Religionsfreiheit nicht im Widerspruch zur Konfessionalität des spanischen Staates stand. Sie forderten einen flexibleren Umgang mit der Religionsfreiheit.286 Einige sahen Spanien als katholische 281 Vgl.: Blanco, La Primera Ley, 94. Zur Zusammensetzung und Arbeit dieser Kommission vgl.: Ebd., 93 – 101. 282 Vgl.: Ebd., 133 – 138. Zu den Inhalten des Entwurfes vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 268 f. Zur offiziellen Position der katholischen Kirche in Spanien, die ihren Niederschlag in dem Vorentwurf fand, der den Cortes vorgelegt wurde, vgl.: Ebd., 275 – 278. 283 Vgl.: Blanco, La Primera Ley, 161ff, 177 – 180. Zur Parlamentsdebatte vgl. auch: Carli, El derecho a la libertad religiosa, 47 – 61. 284 Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa en EspaÇa, 319. Barrero Ortega ist der Ansicht, dass das Gesetz an die nicht-katholischen Minderheiten gerichtet war, vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 83. 285 „Tres nuevas leyes aprobadas por el pleno de las Cortes“, in: Arriba, 27. 6. 1967, 10. 286 Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa en EspaÇa, 271 – 275, 294 – 308; Blanco, La Primera Ley, 170 – 177. Zu den zahlreichen Änderungsanträgen im Gesetzgebungsverfahren vgl.: AGMJ, Cj. 8599 – 1; Cj. 8599 – 2. Zur Bedrohungsrhetorik der ultra-konservativen Opposition vgl.: OID, Reuter-Pressemitteilung, Madrid, 20. 4. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Der gleiche Text erwähnt die mehrheitlich positive Haltung der spanischen Presse gegenüber der Ley de Libertad Religiosa: „Periûdicos tan influyentes como el catûlico ,YA‘ y ,La Vanguardia‘, de Barcelona, han estado haciendo campaÇ (sic) a favor del proyecto de libertad religiosa. El ,Diario de Barcelona‘ atacû duramente a principios de esta semana a los enemigos del proyecto
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Nation verpflichtet, bei der Umsetzung der im Zweiten Vatikanischen Konzil festgehaltenen Normen eine Vorreiterrolle einzunehmen.287 Die Relevanz dieser Argumentationslinie wird daran deutlich, dass sowohl in den verschiedenen Gesetzesentwürfen als auch in Äußerungen von Kommissionsmitgliedern immer wieder auf die Normen des Zweiten Vatikanischen Konzils verwiesen und die Gewährung der Religionsfreiheit als ein spezifisches Merkmal der katholischen Konfessionalität des Staates verstanden wurde.288 Der schließlich zur Abstimmung vorgelegte Gesetzestext war aufgrund der langjährigen Debatten und der zahlreichen Kompromisse restriktiver im Hinblick auf die Auslegung der Religionsfreiheit und der Gewährung der Ausübung nicht-katholischer Religionen als die früheren Entwürfe.289 Wie schwer die Bedenken der Kritiker wogen, verdeutlichen auch die Reden vor der Abstimmung in den Cortes am 26. Juni 1967. Fernando Herrero Tejedor im Namen der Kommission und der Justizminister Antonio Mara Oriol y Urquijo verwiesen auf die besondere Verbundenheit Spaniens mit dem Katholizismus. Oriol y Urquijo unterstrich, dass das Gesetz die katholische Einheit nicht gefährde, sondern vielmehr den katholischen Charakter Spaniens beweise: „Und hier ist Spanien, welches mit diesem Gesetzesprojekt einmal mehr durch Taten seine Treue und seinen Gehorsam gegenüber der Kirche Jesuchristi unter Beweis stellt.“290 Das Gesetz sei die Verbindung der katho-
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y dijo que su actitud era ,increble‘. AÇadiû que algunos de los diputados interesados deberan dejar sus cargos ,por razones de salud pfflblica: incompatibilidad mental con la opiniûn pfflblica‘.“ (Ebd.) Zu den Gegnern des Gesetzes zählten Luis Carrero Blanco und Innenminister Camilio Alonso Vega. Manuel Fraga Iribarne hingegen war von Anfang an ein Verfechter des Gesetzes. Vgl.: Sharrat, Religious tolerance, in: The Guardian, 2. 6. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6; Marquina Barrio, La confesionalidad del estado, in: Historia 16, 23/1978, 32. Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa en EspaÇa, 297 ff. Das schließlich verabschiedete Gesetz stellt in seiner Präambel eine Verbindung zum Zweiten Vatikanischen Konzil her. Vgl.: Ley 44/1967, de 28 de junio regulando el ejercicio del derecho civil a la libertad en materia religiosa, abgedruckt in: Blanco, La Primera Ley, 333; El derecho civil a la libertad en materia religiosa II. El Proyecto de Ley, 25. 2. 1967; AGMJ., Cj. 8599 – 1. Vgl. z. B.: Proyecto de ley regulando del derecho civil a la libertad en materia religiosa. Enmiendas, AGMJ, Cj. 8599 – 1; Anteproyecto de ley por la que se regula el ejercicio del derecho de libertad religiosa, AGMJ, Cj. 10091. Dort heißt es: „EspaÇa, como primer pas catûlico del mundo, debe ser tambi¦n el primero en seguir sus consignas. Cierto que nuestra patria es un caso especial en materia religiosa, pero esta peculiaridad no es sûlo una realidad nacional. Tambi¦n es una posiciûn oficial.“ Zur zeitgenössischen Kritik an diesen Rückschritten vgl. z. B.: OID, Reuter-Pressemitteilung. Madrid, 4. 3. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Für einen detaillierten Vergleich der verschiedenen Entwürfe innerhalb des Entstehungsprozesses vgl.: Blanco, La Primera Ley. „Y aqu est EspaÇa, con este proyecto de ley, una vez ms, demostrando con hechos su fidelidad y su obediencia a la Iglesia de Jesucristo.“, Discurso del Ministro de Justicia, Antonio Mara de Oriol y Urquijo, en nombre del gobierno, abgedruckt in: Ley de Libertad Religiosa. Defensa del dictamen de la Comisiûn de Leyes Fundamentales y Presidencia del Gobierno, Madrid 1967, 24. Vgl. auch: „Las leyes de libertad religiosa, representaciûn familiar y del movimiento, aprobadas por las Cortes“, in: Ya, 27. 6. 1967, 5, 10. Auch bei anderer Gelegenheit betonte der Justizminister, dass das Gesetz keine Bedrohung für die politische Einheit darstelle.
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lischen Konfessionalität des Staates mit dem Recht auf Religionsfreiheit.291 Auch die spanischen Bischöfe vertraten in ihrer Stellungnahme anlässlich der Verabschiedung der Ley de Libertad Religiosa diese Ansicht und sahen in der religiösen Einheit ein wichtiges Gut.292 Das Gesetz wurde bei neun Gegenstimmen293 angenommen und zwei Tage später durch den Staatschef offiziell bestätigt.294 Aus Sicht des franquistischen Regimes diente es gleichermaßen als Nachweis seines „demokratischen“ und seines katholischen Charakters.295 Bereits im Februar 1967 hatte der spanische Botschafter in Washington das Gesetz gegenüber Vertretern der Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations als die legale Sanktionierung „einer Haltung, geprägt von Verständnis und Freundschaft der Regierung und des spanischen, mehrheitlich katholischen Volkes gegenüber den jüdischen Gemeinden“, bezeichnet und es als einen nachholenden Schritt zur Angleichung an die gesellschaftliche Realität charakterisiert.296 Die Ley de Libertad Religiosa schrieb in ihren ersten beiden Artikeln das
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Vgl.: OID, Meldung der Associated Press über Pressekonferenz des Justizministers, Antonio Mara Oriol, Madrid, 7. 3. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Vgl.: Discurso del Ministro de Justicia, Antonio Mara de Oriol y Urquijo, abgedruckt in: Ley de Libertad Religiosa, 25, 28. Dass die Betonung der katholischen Einheit auch weiterhin eine wichtige Rolle spielte, zeigte sich auch an der im April 1967 verabschiedeten Ley de Sucesiûn. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 218. Vgl. zu dieser Einschätzung auch: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 777. Eine ähnliche Argumentation findet sich in dem Falange-Organ Arriba, dort heißt es z. B.: „La unidad catûlica de la EspaÇa eterna no se quebranta ni altera en absoluto, sino que se fortalece a trav¦s de su generosidad en estos difciles momentos“, „Unidad y libertad religiosa“, in: Arriba, 28. 6. 1967, 4. Allerdings mahnten sie zugleich, dass die Religionsfreiheit nicht mit einer Indifferenz gegenüber Religion einhergehen dürfe: Dokument 8: Conferencia Episcopal, 22. 1. 1968, in: Iribarren (Hg.), Documentos de la Conferencia Episcopal EspaÇola. 1965 – 1983, 10. Vgl. auch: „Editoriales: Unidad catûlica y libertad religiosa“, in: Ecclesia, 1376, 3. 2. 1968, 3 – 5; „Escriben nuestros prelados. Exhortaciûn del episcopado espaÇol sobre la libertad religiosa“, in: Ebd., 11 – 18, 17. Der Erzbischof von Madrid-Alcal wollte das Religionsgesetz als einen stimulierenden Impuls für den katholischen Glauben verstanden wissen. Vgl.: „La libertad religiosa debe ser un estmulo para hacer ms operante nuestra fe“, in: Ya, 30. 6. 1967. Dagegen stimmten u. a. die Minister Luis Carrero Blanco, Federico Silva und Camilo Men¦ndez. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 221. Zum Abstimmungsverhalten vgl. auch: „Al espaÇol acatûlico se le ofrece una situaciûn de seguridad jurdico“, in: Ya, 27. 6. 1967, 10 – 11. Vgl.: Blanco, La Primera Ley, 187. Zu den Reaktionen in den USA vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 6. 3. 1967; AMAE, Leg. R 12034/6. Arriba feierte die Verabschiedung des Gesetzes als ein wichtiges Zeichen für die demokratische Öffnung Spaniens, vgl.: „Pleno de las Cortes“, in: Arriba, 22. 6. 1967, 4; Blanco Tobio, M., Las Cortes aprueban las leyes de libertad religiosa, representaciûn familiar y orgnica del movimiento y de su consejo nacional, in: Ebd., 27. 6. 1967; „Fueron aprobadas las leyes de libertad religiosa, representaciûn familiar y orgnica del movimiento“, in: Ebd., 27. 6. 1967, 1, 10. „una actitud de comprensiûn y de amistad del Gobierno y del pueblo espaÇol mayoritariamente catûlico hacia las comunidades judas“, Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 28. 2. 1967; AMAE, Leg. R 8447/12.
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Recht auf Religionsfreiheit und auf die private und öffentliche Ausübung aller Religionen fest. Das Recht auf Freiheit wurde nur durch den Respekt der Gesetze, von Moral und Frieden sowie der öffentlichen Ordnung eingeschränkt. Zugleich bezeichnete Kapitel 1, Artikel 2 die katholische Religion als die der spanischen Nation.297 In Kapitel 2 wurde unter den individuellen Rechten festgehalten, dass kein Spanier aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert werde, ebenso das Recht auf zivile Ehe, wenn keiner der Partner den katholischen Glauben ausübe, das Recht der Familie auf die freie Gestaltung des religiösen Lebens, das Recht auf Nicht-Teilnahme am katholischen Religionsunterricht und – mit einigen Ausnahmen – an religiösen Zeremonien in öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Gefängnissen, sowie das Recht auf Friedhöfe.298 Die gemeinschaftlichen Rechte umfassten die Möglichkeit zur Gründung konfessioneller Gemeinschaften als juristische Person sowie die Pflicht zur Erstellung eines Personenregisters und zur Buchführung. Außerdem wurden die Ausübung von Gottesdiensten und die Errichtung von Gebetsstätten und Gemeinderäumen sowie die Erteilung religiöser Erziehung erlaubt, allerdings nur mit vorheriger Genehmigung durch das Justizministerium.299 Das Religionsgesetz übertrug die Zuständigkeit innerhalb des Justizministeriums auf die Kommission für Religionsfreiheit (Comisiûn de Libertad Religiosa), die der Staatssekretärskanzlei (Subsecretara) unterstand und für die Einschreibung der Religionsgemeinschaften in die gleichfalls im Gesetz vorgesehenen Register zuständig war.300 Die Kommission bestand aus elf Mitgliedern, die sich aus Ministern sowie Repräsentanten staatlicher und halbstaatlicher Organe zusammensetzten. Den Vorsitz hatte der Staatssekretär (Subsecretario) des Justizministeriums.301 Trotz der – im Vergleich zur im Fuero festgeschriebenen Toleranz gegenüber nicht-katholischen Religionen – erzielten Fortschritte hielt der franquistische Staat auch mit diesem Gesetz an seiner Konfessionalität fest und setzte der 297 Vgl.: Ley 44/1967, de 28 de junio regulando el ejercicio del derecho civil a la libertad en materia religiosa, BOE 156, 1. 7. 1967, Kap. 1, 2, abgedruckt in: Blanco, La Primera Ley, 334. In einem in den Akten des Justizministeriums enthaltenen Text zum Religionsgesetz vom 25. 2. 1967 ist ein einleitender Abschnitt zum Katholizismus in Spanien abgedruckt, in dem die nationalkatholische Verschränkung noch deutlicher herausgestellt wird: „La inmensa mayora de los espaÇoles profesan el catolicismo y a ¦l debe nuestra patria buena parte de las peculiaridades patentes e innegables de su ser nacional.“, El derecho civil a la libertad en materia religiosa II. El Proyecto de Ley, 25. 2. 1967; AGMJ, Cj. 8599 – 1. 298 Ley 44/1967, BOE 156, 1. 7. 1967, Kap. 2, abgedruckt in: Blanco, La Primera Ley, 335 f. Von diesem Recht war auch das Militär betroffen, vgl.: AMAE, Leg. R 13555/7. 299 Vgl.: Ley 44/1967, BOE 156, 1. 7. 1967, Kap. 3, abgedruckt in: Blanco, La Primera Ley, 333 – 343. 300 Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 403 – 406. Daneben bestand im Justizministerium weiterhin die Direcciûn General de Asuntos Eclesisticos, die für die Einhaltung der die katholische Religion betreffenden Rechte zuständig war. 301 Vgl.: P¦rez-Llantada y Guti¦rrez, La libertad religiosa, 404 f. Der Staatssekretär des Justizministeriums war zugleich der Präsident der Permanenten Kommission (Comisiûn Permanente), die eines der beiden, die Kommission bildenden Organe darstellte. Das zweite Kommissionsorgan war das Plenum. Vgl.: Ebd., 405.
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Religionsfreiheit so entscheidende Grenzen. Es bedeutete keine Gleichstellung der religiösen Minderheiten mit dem Katholizismus. Dennoch begünstigte es eine weitere Aufweichung der Gleichsetzung von „katholisch“ und „spanisch“.302 Der Justizminister bezog sich in seiner Rede auf „nicht-katholische Spanier“ und räumte damit die Möglichkeit ein, dass auch Protestanten, Muslime, Juden oder Angehörige weiterer Religionen Spanier sein könnten.303 Auch erwähnte das Gesetz die Möglichkeit der Konfessionslosigkeit.304 In erster Linie ermöglichte es die Anerkennung der in Spanien zu diesem Zeitpunkt existierenden jüdischen Gemeinden als religiöse Vereinigungen, die sich bis 1969 alle in das Register der Comisiûn de Libertad Religiosa einschreiben ließen.305 Für Max Mazin stellte es den Beginn einer neuen „Ära des Zusammenlebens, der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts“ dar, die endgültig mit der überkommenen Religionsgesetzgebung des Fuero breche.306 Allerdings waren die jüdischen Gemeinden nicht in allen Punkten mit dem verabschiedeten Gesetz einverstanden, und so setzte nach dessen Verabschiedung und dem Bekanntwerden des endgültigen Textes eine Phase der internen Beratung und Auswertung ein, deren Ergebnisse dem Staatssekretär des Justizministeriums mitgeteilt wurden.307 Mit Verweis auf die Erfahrungen 302 Marquina und Ospina kommen zu einer kritischen Einschätzung des Gesetzes, welches ihrer Ansicht nach hinter den Prinzipien des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückblieb, vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 305. Eine kritische Bewertung findet sich auch in: „Religious freedom for Non-Catholics growing in Franco Spain“, in: NYT, 5. 1. 1968. Dieser Artikel, der auf einem Bericht der Appeal Conscience Foundation basierte, löste bei dieser Protest aus. Die Organisation war zuvor unter Leitung von Rabbiner Arthur Schneider in Spanien gewesen und hatte dort u. a. die jüdische Gemeinde in Madrid besucht, wo sie ein „ambiente de libertad“ festgestellt hatte. Seine Empörung brachte Schneider gegenüber dem spanischen Botschafter in Washington, Marqu¦s Merry del Val, zum Ausdruck. Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington, D.C., 15. 1. 1968; Brief von Rabbi Arthur Schneider, Appeal Conscience Foundation, an Merry del Val, New York, 11. 1. 1968; beide AMAE, Leg. R 12038/6. 303 „Al espaÇol acatûlico se le ofrece una situaciûn de seguridad jurdica para el ejercicio del derecho que, como ya hemos dicho, se considera como fundamental de la persona humana, de libertad en materia religiosa.“, Discurso del Ministro de Justicia, Antonio Mara de Oriol y Urquijo, abgedruckt in: Ley de Libertad Religiosa, 28. 304 Vgl.: Ley 44/1967, BOE 156, 1. 7. 1967, Kap. 4, Art. 32, 2, abgedruckt in: Blanco, La Primera Ley, 341. 305 Der Rat der jüdischen Gemeinden unterstrich in einer in Hakesher veröffentlichten Stellungnahme, dass das Religionsgesetz eine Änderung der Gemeindesatzungen notwendig mache, damit sich diese als religiöse Vereinigungen neu konstituieren könnten, vgl.: „El C. C. I. E. ante la ley de libertad religiosa“, in: Hakesher, 25/1967, 7. Vgl. auch: Lûpez Garca u. a., Arraigados, 67. Das Gleiche galt für die muslimische Minderheit. Allerdings schrieben sich bis 1975 nur vier islamische Vereinigungen in das Register ein. Vgl.: Corpas Aguirre, Mara de los Ýngeles, Las comunidades islmicas en la EspaÇa actual (1960 – 2008). G¦nesis e institucionalizaciûn de una minora de referencia, Madrid 2010, 58. 306 „era de convivencia, igualdad y respeto mutuo“, Mazin, Max, En el umbral de una nueva era, in: Hakesher, 20/1967, 3 – 4. 307 Vgl.: „A trav¦s de la Prensa“, in: Hakesher, 36/1968, 4; „Paso a paso“, in: Arriba, 10. 4. 1968, 2.
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der jüngsten Vergangenheit der nationalsozialistischen Judenverfolgung wurde die von staatlicher Seite erhobene Forderung nach einem Mitgliederregister abgelehnt. Den staatlichen Behörden sollten keinerlei Personendaten zur Verfügung gestellt werden. Ähnliche Einwände hatten die protestantischen Kirchen, sie befürchteten, dass der Eintrag ins Religionsregister zu einer Ausweitung der staatlichen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten führe. Auf jüdischer Seite wurden ebenfalls die Auflage an bestimmten katholischen Zeremonien in Haftanstalten und bei den Streitkräften teilzunehmen oder die Notwendigkeit, religiöse Versammlungen im öffentlichen Raum genehmigen zu lassen, kritisiert.308 Auch schlugen die Gemeinden aus Madrid und Barcelona die Berücksichtigung von Vertretern der nicht-katholischen Religionsgemeinschaften in der Kommission für Religionsfreiheit vor.309 Während die jüdische Gemeinde in Madrid in erster Linie an der Regelung der religiösen Alltagspraxis interessiert war, wie z. B. der Möglichkeit zur nicht-katholischen Hochzeit und Bestattung, der Befreiung vom katholischen Religionsunterricht, dem Recht auf religiöse Erziehung und der Einrichtung entsprechender Schulen oder der Einhaltung von rituellen Vorschriften und religiösen Feiertagen sowie des Schabbats, stand die Gemeinde in Barcelona dem Gesetz am kritischsten gegenüber. Sie fürchtete weiterhin um die freie Entfaltung ihrer Aktivitäten, insbesondere in der Betonung des ausschließlich religiösen Charakters der Gemeinden sah sie eine gefährliche Beschränkung.310 Ihre Forderungen hatten die Vertreter der jüdischen Gemeinden aus MaVgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 221 f. Zu der Skepsis der jüdischen Gemeinden gegenüber dem Gesetzestext vgl. auch: Avni, Spain, 201 f. 308 In dem Orden de 5 de abril de 1968, conteniendo normas complementarias para le ejecuciûn de la Ley de 44/1967, de 28 de junio, regulando el ejercicio del derecho civil a la libertad en materia religiosa, der das Religionsgesetz in einigen Bestimmungen ergänzte, ist die Pflicht zum Mitgliederregister leicht gelockert. Zwar wird es immer noch eingefordert, es wird aber betont: „La Autoridad gubernativa no podr examinarlos, obtener copias o tomar anotaciones sin el consentimiento de los ûrganos de gobierno de la Asociaciûn o el oportuno mandamiento judicial.“ (Ebd.) Für die Änderungsanträge der jüdischen Gemeinden vgl.: Observaciones formuladas por las Comunidades hebreas de Barcelona y Ceuta y por los miembros de la Comisiûn de Defensa Evang¦lica, para el desarrollo y aplicaciûn de la ley de libertad religiosa, sucintamente informadas por la secretara de la Comisiûn de Libertad Religiosa, 6. 12. 1967; AGMJ, Cj. 8602 – 49; Brief von Isaac Alfûn Benoliel an den Staatssekretär des Justizministeriums, Präsident der Comisiûn de Libertad Religiosa, Ceuta, 10. 11. 1967; Brief des Sekretärs der jüdischen Gemeinde aus Barcelona an den Staatssekretär des Justizministeriums, Präsident der Comisiûn de Libertad Religiosa, Barcelona, 25. 8. 1967; AGMJ, Cj. 8602 – 49; Brief von Max Mazin an den Staatssekretär des Justizministeriums, Präsident der Comisiûn de Libertad Religiosa, Madrid, 27. 7. 1967; AGMJ, Cj. 8602 – 49. Zur Kritik von protestantischer Seite vgl.: Hernando de Larramendi/Gonzlez Gonzlez, Segunda reforma y primeras iglesias evang¦licas, in: Ders./Garca Ortiz (Hg.), Religion.es, 78 f. 309 Vgl.: Brief des Sekretärs der jüdischen Gemeinde aus Barcelona an den Staatssekretär des Justizministeriums, Präsident der Comisiûn de Libertad Religiosa, Barcelona, 25. 8. 1967; AGMJ, Cj. 8602 – 49; Brief von Max Mazin an den Staatssekretär des Justizministeriums, Präsident der Comisiûn de Libertad Religiosa, Madrid, 27. 7. 1967; AGMJ, Cj. 8602 – 49. 310 Zur Haltung und Kritik der CIB vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 220 f, 234 f.
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drid, Barcelona, Ceuta und Melilla gegenüber dem Generaldirektor für kirchliche Angelegenheiten (Director General de Asuntos Eclesisticos), Rafael de Balbn Lucas, bereits bei einem Treffen im Juni 1966 vorgetragen.311 Vor der endgültigen Beschlussfassung wurden sie jedoch – entgegen der vom Justizministerium gemachten Zusage – nicht mehr konsultiert. Im Herbst hatten daraufhin die Gemeinden aus Madrid, Barcelona, Ceuta, Melilla und Mlaga innerhalb des 1964 gegründeten Rates der Israelitischen Gemeinden von Spanien (Consejo de las Comunidades Israelitas de EspaÇa) Samuel Toledano zum Verantwortlichen für die Beziehungen mit dem Justizministerium ernannt.312 Allerdings konnte auch dieser institutionalisierte Kontakt die fehlende staatliche Dialogbereitschaft nicht ausgleichen.
2.3 Religionspolitik in der Regierungspraxis In der wissenschaftlichen Literatur über spanisch-jüdische Geschichte wird das 20. Jahrhundert vielfach als „Rückkehr“ nach Sepharad bezeichnet. Diese Formulierung basiert auf zwei Annahmen: Erstens bedarf es, um zurückzukehren, einer der Rückkehr vorausgegangenen Abwesenheit sowie einer Möglichkeit des „Anknüpfens“ an eine vorherige Existenz, in diesem Fall an eine Phase jüdischer Geschichte, die an den geografischen Raum der Iberischen Halbinsel gebunden war. Zweitens setzt die oben erwähnte Formulierung voraus, dass es im 20. Jahrhundert ein Sepharad gibt. Diese Annahme ist unstrittig, wenn Sepharad als hebräische Bezeichnung für Spanien verwendet wird. Inwieweit es allerdings eine Kontinuität zwischen dem historischen Sepharad, d. h. der jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel bis 1492, und dem Spanien des 20. Jahrhunderts gibt, ist zu hinterfragen. Im Kontext der offiziellen Genehmigung der jüdischen Gemeinde in Madrid spielte das historische Gedächtnis mehrfach eine Rolle. Die Bemühungen der jüdischen Gemeinde in Madrid,313 eine offizielle Anerkennung zu erreichen, 311 Die Gemeinde aus Barcelona trat z. B. für die absolute Gleichstellung der nicht-katholischen mit den katholischen Bürgern sowie für eine vollständige Anerkennung der jüdischen Gemeinden als offizielle Repräsentationsorgane der jüdischen Bevölkerung in der jeweiligen Stadt ein. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 218 – 221. Bereits 1964 hatte der neu gegründete Consejo de las Comunidades Israelitas de EspaÇa Max Mazin damit beauftragt, mit Abgeordneten das Gespräch zu suchen, um die jüdische Position deutlich zu machen. Ebd., 218. Israel Garzûn vertritt die Ansicht, dass das Wirken der nicht-katholischen Gemeindeführer zu einer weitergefassten Freiheit im Religionsgesetz führte, vgl.: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 46. 312 Vgl.: „El C. C. I. E. ante la Ley de Libertad Religiosa“, in: Hakesher, 25/1967, 7. Zu den Kontakten zwischen den jüdischen Gemeinden und dem Justizministerium im Zusammenhang mit dem Religionsgesetz vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 219 – 223. 313 Während die Gemeinde in Barcelona bereits 1949 eine Genehmigung durch die Provinzregierung (Gobierno Civil) erhalten hatte, stellten die verschiedenen Vorstände aus Madrid bis 1965 mehrere Anträge an die dafür zuständigen Ministerien.
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umfassten den rhetorischen Versuch eines Anknüpfens an Sepharad, sie verweisen jedoch zugleich auf den engen Rahmen, der durch das nationalkatholische Selbstverständnis des spanischen Staates gesetzt wurde. Die historische Einordnung barg Konfliktpotenzial, da sich, wie am Beispiel der Eröffnung einer Synagoge in Madrid 1959 und der Diskussion um die Widerrufung des Vertreibungsediktes 1968 deutlich wird, unterschiedliche Lesarten gegenüberstanden. 2.3.1 Die „Sepharden-Karte“ und das Streben nach offizieller Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid Nachdem die Bemühungen des Gemeindepräsidenten Ignacio Bauer, zusammen mit der Genehmigung einer Synagoge in einer Wohnung in der Calle Cisneros314 auch die offizielle Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid als Vereinigung mit religiösen Zielen zu erreichen, 1950 gescheitert waren, reichte sein Nachfolger Baroukh am 25. Januar 1954 einen erneuten Antrag auf Anerkennung beim obersten Polizeichef der Hauptstadt Madrid ein.315 Baroukh setzte bei seinem Antrag auf die Zugkraft des positiv besetzten „Sepharden-Bildes“ und bat um Anerkennung einer sephardischen Gemeinde in Madrid, vermutlich in der Hoffnung, diese leichter zu erhalten als die Genehmigung für eine jüdische Gemeinde.316 Die Führungsgremien der zu 314 Damit befand sich die erste jüdische Gebetsstätte nach dem Zweiten Weltkrieg in Madrid in einer Straße, die nach dem Beichtvater der Katholischen Königin Isabel benannt war. Die dortigen Versammlungen waren zunächst illegal, weshalb es immer wieder zu Zwischenfällen kam, wenn Nachbarn die Polizei verständigten. Von diesen Zwischenfällen berichtete Alberto Benasuly im Gespräch mit der Verfasserin, Madrid, 4. 11. 2009. 315 Vgl.: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 43 f; Lisbona, Retorno a Sefarad, 157 ff. Der Ministerrat erlaubte lediglich die Ausübung von Gottesdiensten, schwieg aber zu der Frage der Anerkennung der Gemeinde. Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Interior del Ministerio de la Gobernaciûn an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 7. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4538/ 40. Lisbona zufolge suchte Bauer Hilfe bei einflussreichen Freunden in der Verwaltung, woraufhin die Direcciûn General de Seguridad „un amplio permiso para la celebraciûn del culto israelita en Madrid, considerando la Comunidad Israelita como una Asociaciûn“ erteilte. Es erfolgte aber keine offizielle Anerkennung durch das Innenministerium. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 157; Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para su Excelencia, Madrid, 17. 5. 1950; AMAE, Leg. R 4786/155. 316 Vgl.: Estatutos de la Comunidad Sefard de Madrid, Madrid, 21. 1. 1954; Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Jefe Superior de Polica de Madrid, 30. 1. 1954; beides AMAE, Leg. R 4538/ 40. In dem Schreiben vom 30. 1. 1954 erwähnt Baroukh einen von der jüdischen Gemeinde in Barcelona gestellten Antrag auf offizielle Anerkennung. Aus einer Korrespondenz zwischen dem Ministerio de la Gobernaciûn und der Generaldirektion für Außenpolitik (Direcciûn General de Poltica Exterior) vom 12. 3. 1954 geht ebenfalls hervor, dass Baroukh die Anerkennung der Madrider Gemeinde als Comunidad Sefard de Madrid anstrebte. Vgl.: Schreiben von Director General del Ministerio de la Gobernaciûn an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 12. 3. 1954 und 7. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Se-
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gründenden Gemeinde sollten laut Statut mindestens zur Hälfte aus Sepharden bestehen. Als Ziele wurden festgeschrieben, „den Sepharden im Besonderen und den Israeliten im Allgemeinen die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten gemäß des hebräischen Kultes zu erleichtern, die Forschung und das Studium der sephardischen Kultur und der hebräischen im Allgemeinen zu fördern, den Sephardischen Schulen in Spanisch-Marokko zu helfen sowie sich um die Israeliten im Allgemeinen und um die bedürftigen Sepharden in Spanien im Besonderen mildtätig zu kümmern“.317
Das Außenministerium prüfte das Gesuch Baroukhs und forderte vom Innenministerium Berichte über die im Antrag genannten Mitglieder des zukünftigen Führungsgremiums an.318 Die Berichte fielen allesamt positiv aus. Baroukh argumentierte in einem Brief vom März 1955 an Außenminister Alberto Martn Artajo ebenfalls mit seinem entschiedenen – bereits erwähnten – Eintreten für Spanien, mit dem er stets versucht habe, „die Spanien zugefügte Ungerechtigkeit“ zu korrigieren. Im Gegenzug erwarte er nun eine kleine Geste des Entgegenkommens.319 In einem Schreiben der Afrika-Abteilung des Außenministeriums vom Mai 1955 erachtete diese die offizielle Anerkennung der Gemeinde als politisch sinnvoll, „mit dem Ziel, die Aktivitäten der sephardischen madrilenischen Gemeinde zu lenken und zu überwachen, um so den Gefahren, die sich aus ihrem aktuellen, mehr oder weniger klanfarad, 157ff; Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 44. Bereits 1926 hatte es in Barcelona einen Versuch gegeben, eine sephardische Gemeinde zu gründen. Vgl.: Estruch u. a., Las otras religiones, 32. 317 „facilitar a los sefardes en particular e israelitas en general, el cumplimiento de sus deberes religiosos segffln el culto hebraico; promover la investigaciûn y estudio de la cultura sefard y hebraica en general; ayudar a las Escuelas Sefardes del Marruecos espaÇol, y atender con fines ben¦ficos a los israelitas en general y especialmente a los sefardes necesitados en EspaÇa“, Schreiben der Afrika-Abteilung des Außenministeriums [Empfänger unbekannt], Madrid, 24. 5. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. 318 Für die Berichte vgl.: Schreiben der Direcciûn General de Seguridad del Ministerio de la Gobernaciûn an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 2. 7. 1954; Schreiben des Director General del Ministerio de la Gobernaciûn an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 28. 7. 1954. Über die Anerkennung wurde zwischen dem Außenministerium und der Direcciûn General de Poltica Interior des Innenministeriums verhandelt, dabei spielte auch die Frage der Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsdauer der Mitglieder des zukünftigen Führungsgremiums eine Rolle. Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Ýfrica an Direcciûn General de Poltica Interior del Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 16. 3. 1954; Schreiben von Direcciûn General de Poltica Interior del Ministerio de la Gobernaciûn an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 12. 3. 1954; Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Mundo Ýrabe an Direcciûn General de Seguridad, Madrid, 12. 4. 1954; sowie weitere Korrespondenzen; alle AMAE, Leg. R 4538/40. 319 „la injusticia inferida a Espana [sic]“, Brief von Daniel FranÅois Baroukh an Alberto Martin Artajo, Manila, 9. 3. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. Vgl. auch: „President of Jewish Community says Spain is not anti-semitic“, Manila, 8. 2. 1955; Baroukh, Daniel FranÅois, Let a Sefard answer; beides AMAE, Leg. R 4538/40.
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destinen Handeln ergeben, zu begegnen“.320 Voraussetzung sei, dass es sich um eine sephardische und nicht um eine jüdische Gemeinde handele, weshalb das Außenministerium dafür plädierte, dass das zukünftige Führungsgremium ausschließlich aus Sepharden bestehen solle, von denen wiederum die Mehrheit die spanische Nationalität besitzen bzw. aus Spanisch-Marokko stammen sollte. Auf diese Weise könne eine mögliche politische Instrumentalisierung verhindert werden.321 Noch im September 1954 hatte das Außenministerium eine Anerkennung der sephardischen Gemeinde aufgrund der möglichen Auswirkungen auf die Beziehung zum Staat Israel als problematisch eingeschätzt.322 Nun sah es eine Gefahr nur noch von nicht-spanischen Sepharden ausgehen. In den folgenden Jahren geriet Baroukhs Antrag im Außen- und im Innenministerium jedoch in Vergessenheit. Für die Amtszeit von Louis Blitz, die durch die Suez-Krise und das Ende des spanischen Protektorats in Marokko geprägt war, ist über einen Antrag der Gemeinde in Madrid nichts bekannt.323 In Barcelona wurde 1954 ein erstes Gemeindezentrum mit zwei Synagogen, eine mit sephardischem und eine mit aschkenasischem Ritus, eingeweiht.324 In Madrid konnte ein ähnlicher Gebäudekomplex erst über zehn Jahre später im Jahr 1968 eröffnet werden.325 Auch hatte die Gemeinde in Barcelona bereits 1950 die Erlaubnis erhalten, an ausländischen Schulen anstelle des katholischen Unterrichts jüdischen Religionsunterricht zu erteilen. Diese Möglichkeit wurde am Liceo Franc¦s und später in der schweizerischen und englischen Schule genutzt.326 Dass sich jüdisches Gemeindeleben in Barcelona zunächst schneller etablieren konnte als in der Hauptstadt, führt Berthelot auf die 320 „con el fin de encauzar y vigilar debidamente las actividades de la Comunidad sefard madrileÇa, evitando los peligros de su actual actuaciûn ms o menos clandestina“, Schreiben der Afrika-Abteilung des Außenministeriums [Empfänger unbekannt], Madrid, 24. 5. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. 321 Vgl.: Schreiben der Afrika-Abteilung des Außenministeriums [Empfänger unbekannt], Madrid, 24. 5. 1955; AMAE, Leg. R 4538/40. Marquina und Ospina zufolge stand die heterogene Zusammensetzung des zukünftigen Führungsgremiums der Erteilung einer offiziellen Genehmigung entgegen, vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 253. 322 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Encargado de Negocios de EspaÇa in Washington, Madrid, 21. 9. 1954; AMAE, Leg. R 4538/40. 323 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 163; Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 45. Ein Antrag auf Genehmigung wurde lediglich für den neuen Gebetsraum in der Calle Pizarro gestellt, diese wurde mit der Auflage erteilt, nicht den Namen Comunidad Israelita de Madrid zu verwenden, da es sich nicht um eine legale Vereinigung handele. Vgl.: Ebd. 324 Vgl.: Central Pedagûgica y de Documentaciûn – CIB, La Comunidad Israelita de Barcelona entre 1954 y 1986, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos de CataluÇa, 61. Ein Zeitzeuge führt die Erteilung der Genehmigung für das Gemeindezentrum auf die Intervention des Jüdischen Weltkongresses zurück. Vgl.: Berthelot, Memorias judas, 606. 325 Vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 67. Zu der 1959 innerhalb eines Gemeindezentrums eröffneten und 1960 genehmigten Synagoge in Madrid vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 165. 326 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 167 ff.
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größere geografische Distanz zum Sitz der franquistischen Regierung zurück, Madrid unterstand einer direkteren Kontrolle. Den Ministerien in der Hauptstadt lagen über die Aktivitäten der jüdischen Gemeinde in Barcelona wenige Informationen vor, Kontakte ergaben sich nur sehr punktuell, z. B. im Zusammenhang mit an die zuständigen Ministerien herangetragenen Anträgen. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeindeführung sich bevorzugt an die regionalen und lokalen Behörden richtete, durch die sie bereits 1949 anerkannt worden war.327 Einen weiteren Grund sieht Berthelot in der pro-jüdischen und pro-zionistischen bzw. pro-israelischen Einstellung der katalanischen Bevölkerung seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zur offiziellen pro-arabischen Haltung des Regimes wurde Israel für den klandestinen Katalanismus in den 1950er und 1960er Jahren zu einem Vorbild und Modell für die Verwirklichung nationaler Bestrebungen. Früh reisten Vertreter des Katalanismus oder Exilpolitiker nach Israel. Gleichzeitig sieht Jaime Vndor in der israelischen Staatsgründung 1948 einen wichtigen Antrieb für die interne Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Barcelona.328 Über ähnliche Probleme wie in Madrid ist für Barcelona nichts bekannt. Dort setzte zwar Anfang der 1990er Jahre ebenfalls eine Diskussion über die Bezeichnung der jüdischen Gemeinde ein, diese war aber nicht von staatlichen Autoritäten erzwungen worden, es handelte sich vielmehr um einen Selbstverständigungsprozess.329 Die Stellung als wichtigste jüdische Gemeinde in Spanien verlor Barcelona allerdings in den 1960er Jahren an Madrid. Die dortige Gemeinde war durch die Immigration marokkanischer Sepharden nach dem Ende des spanischen Protektorats in Marokko 1956 stark angewachsen und wurde zur „offiziellen jüdischen Gemeinde in Spanien“.330 Aufgrund der ungeklärten Situation setzte sich in Madrid die Debatte über 327 Darauf deuten die konsultierten Quellen hin. In erster Linie die im Vergleich mit der CJM geringe Anzahl an überlieferten Korrespondenzen im AMAE. 328 Vgl.: Berthelot, Crûnica de la reimplantaciûn de los judos en CataluÇa, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos de CataluÇa, 59; Dies., Cien aÇos, 134 f; Culla i Clar, Joan B., Encuentros y desencuentros hispano-israeles: una perspectiva perif¦rica, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 100, 104 – 107; Vndor, Jaime, Orgenes, Desarrollo y Presente de la Comunidad de Barcelona, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 313. Lisbona beschreibt das Gemeindeleben in Barcelona ebenfalls als weniger konfliktreich und betont die guten Beziehungen zur Provinzregierung und zum Rathaus, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 167 – 174. In einem Bericht der Abteilung Naher Osten des Außenministeriums heißt es, dass man kaum Informationen über die Gemeinde in Barcelona besitze, vgl.: Direcciûn General de Prûximo Oriente, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 16. 3. 1965; AMAE, Leg. R 7632/35. Zum Katalanismus unter Franco vgl.: Bernecker, Walther L., Katalonien: von der Entstehung bis zum Ende des Franquismus, in: Ders./Esser, Torsten/Kraus, Peter A. (Hg.), Eine kleine Geschichte Kataloniens, Frankfurt a.M. 2007, 135 – 147. 329 Vgl. z. B.: Leserbriefe in Zafir, 6/1990; Brief von Carlos Benarroch in: Zafir, 7/1991, 2. 330 „comunidad juda oficial en EspaÇa“, Berthelot, Cien aÇos, 127. Zur marokkanischen Einwanderungswelle in Barcelona vgl.: Ebd., 129 ff. Zur sozialen Zusammensetzung der Gemeinde im Allgemeinen vgl.: Fernndez Martorell, Mercedes, Estudio Antropolûgico. Una comunidad juda, Barcelona 1984.
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eine Legalisierung der Gemeinde in den 1960er Jahren fort. Auf den Antrag des Gemeindepräsidenten auf Anerkennung der Comunidad Israelita de Madrid331 reagierte die Abteilung Naher und Mittlerer Osten des Außenministeriums im November 1964 mit einem Schreiben an den Staatssekretär des Innenministeriums: Die Überprüfung der Statute der Comunidad Israelita hätten zu dem Ergebnis geführt, dass die ersten drei Artikel überarbeitet und der Name in Comunidad Hebrea de Madrid geändert werden müssten, um jeder möglichen Verwechslung mit Israel vorzubeugen.332 Das Außenministerium scheint auch hier darauf bedacht gewesen zu sein, die Gruppenbezeichnung möglichst eng zu fassen. Erst nach der entsprechenden Namensänderung erhielt die Gemeinde am 27. Februar 1965 eine offizielle Anerkennung als private Vereinigung auf Grundlage des Vereinsgesetzes durch den Eintrag in das Vereinsregister des Innenministeriums. Sie besaß damit als erste nicht-katholische Vereinigung in Spanien einen staatlich sanktionierten legalen Status.333 Da die offizielle Annahme der Statute der Comunidad Hebrea de Madrid in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dem bereits erwähnten Treffen zwischen Franco und den Gemeindepräsidenten aus Madrid und Barcelona erfolgte, geht Lisbona davon aus, dass Mazin und Alberto Levy Franco während des Treffens am 20. Januar 1965 ein Schreiben mit der Bitte um offizielle Anerkennung überreicht hätten, woraufhin dieser interveniert habe, um den seit 1963 ins Stocken geratenen Anerkennungsprozess voranzubringen.334 Auch Israel Garzûn vertritt die Ansicht, dass „das Gespräch ohne Zweifel dazu diente, dass einen Monat später, am 27. Februar, die zuständigen Behörden die Statute der madrilenischen jüdischen Gemeinde billigten“.335 Dass der von Mazin gestellte Antrag bereits vor dem Treffen mit Franco im November und 331 Vgl.: Comunidad Israelita de Madrid, estatutos, wahrsch. vom 6. 11. 1964; AMAE, Leg. R 7632/ 35. Diese Satzung sah keine Sonderrechte mehr für Sepharden vor. 332 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente an Subsecretario del Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 28. 11. 1964; Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo Oriente, Nota para el seÇor Subsecretario, Madrid, 16. 3. 1965; beides AMAE, Leg. R 7632/35. Diese Einschätzung bestätigte das Außenministerium in einem weiteren Schreiben vom 9. 12. 1964. Zur Namensänderung vgl. auch: „Spanish Jews recognised“, in: JC, 5, 004, 19. 3. 1965, 1. 333 Vgl.: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 58; Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 47; Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 71; Lisbona, Retorno a Sefarad, 227. Dass die offizielle Anerkennung der Gemeinde auch im Ausland zur Kenntnis genommen wurde, zeigt ein entsprechendes Schreiben des spanischen Botschafters aus Addis Abeba, vgl.: Jos¦ Luis Florez an Direcciûn General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente, Addis Abeba, 15. 4. 1965; AMAE, Leg. R 7948/36. 334 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 226 f. 335 „[l]a entrevista sirvû sin duda para que un mes ms tarde, el 27 de febrero, las autoridades gubernamentales aprobaron los estatutos de la Comunidad juda madrileÇa“, Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 45.
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Dezember 1964 vom Außenministerium geprüft worden war, relativiert diese Interpretation. Auch wenn aufgrund der Quellenlage davon auszugehen ist, dass Mazin seinen Wunsch nach einer offiziellen Anerkennung der Gemeinde in Madrid gegenüber Franco ausdrückte, konnte der Staatschef im Januar 1965 höchstens auf die Entscheidung im Innenministerium, welches abschließend für die Genehmigung verantwortlich war, positiv eingewirkt haben. Ausschlaggebend scheinen demgegenüber zwei grundlegende Entwicklungen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Entscheidungen der Ministerien nachhaltig beeinflussten: Auf der einen Seite die im vorherigen Abschnitt beschriebene, vorsichtig einsetzende Umorientierung der katholischen Kirche, wobei Marquina und Ospina annehmen, dass sich die Annäherung des katholischen Klerus an das Judentum aufgrund von dessen „nicht-proselytische[r] Orientierung“ leichter vollzog als die an die Protestanten.336 Auf der anderen Seite hatte der sich im Rahmen der „25 Jahre Frieden“-Feierlichkeiten ändernde Regime-Diskurs zu einer Reihe prosephardischer Aktivitäten geführt.337 Mitte der 1960er Jahre war so auf beiden Seiten ein Streben nach Anerkennung vorhanden: Das Engagement der jüdischen Seite für eine Anerkennung als religiöse Minderheit in Spanien fiel zusammen mit der Suche des franquistischen Regimes nach neuen Legitimationsquellen zur Absicherung nach innen. Nach außen warb es um internationale Anerkennung und Aufnahme Spaniens in die Staatengemeinschaft. Diese Entwicklungen und Faktoren ermöglichten wenig später auch die offizielle Anerkennung der jüdischen Gemeinden als konfessionelle Vereinigungen auf Grundlage des Religionsgesetzes von 1967. Bereits einige Jahre vor der Verabschiedung des Gesetzes hatte sich am 30. Mai 1964 – zunächst ohne offizielle Anerkennung – der Rat der Israelitischen Gemeinden von Spanien (Consejo de las Comunidades Israelitas de EspaÇa) als erster Zusammenschluss der jüdischen Gemeinden gegründet.338 Dass die Präsidenten und Sekretäre der Gemeinden aus Madrid, Barcelona, Ceuta und Melilla in der spanischen Hauptstadt einen solchen Rat gründen 336 „orientaciûn no proselitista“, Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 304. Eine ähnliche Sichtweise vertritt Rehrmann, Das schwierige Erbe, 777. 337 Vgl. zu dieser Argumentation z. B.: Bel Bravo, Mara Antonia, Sefarad. Los judos de EspaÇa, Madrid 1997, 383. Zum sich wandelnden Regime-Diskurs vgl. Francos Rede anlässlich des Jahreswechsels 1964/65: Mensaje ante el aÇo 1965, dirigido por su Excelencia el Jefe del Estado a todos los espaÇoles (Dirigido desde el PALACIO DE EL PARDO el 30 de diciembre de 1964.), in: Discursos y mensajes del Jefe del Estado. 1964 – 1967, 119 – 135. Zum „25 Jahre Frieden“Diskurs vgl. auch: Bernecker, Walther L./Brinkmann, Sören, Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft. 1936 – 2006, Nettersheim 2006, 223 – 227. 338 Vgl.: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 58. Der Rat konnte sich erst nach der Verabschiedung des neuen Religionsgesetzes 1967 als konfessionelle Vereinigung mit nationalem Charakter umgründen, er stand seitdem in Kontakt mit der dem Justizministerium unterstehenden Kommission für Religionsfreiheit. Vgl.: „El C.C.I.E. ante la Ley de Libertad Religiosa“, in: Hakesher, 25/1967, 7. Ob die Namensgebung ein Hindernis bei der Genehmigung darstellte, geht aus den Quellen nicht hervor.
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konnten, war das Resultat der verbesserten Beziehungen zwischen den Gemeinden in Barcelona und Madrid.339 Ein gemeinsames Organ sollte die Position gegenüber der Regierung und ihren Ministerien stärken. Der Rat hatte drei Hauptziele: Auf der einen Seite sollten die Strukturen für das religiöse und kulturelle Gemeindeleben verbessert, eine landesweite religiöse Autorität geschaffen und zugleich die Gründung neuer Gemeinden gefördert werden.340 Im März 1966 beschloss der Rat eine gezielte Unterstützung für die nicht in Gemeinden organisierten Juden, da diese in Spanien entweder die Option der Isolierung oder die der Assimilation hätten, wobei keine dieser Möglichkeiten als positiv erachtet werden könne.341 Die erste mithilfe des Rates neu gegründete Gemeinde war 1965 die Comunidad Israelita de Mlaga, sie wurde am 21. Februar 1969 offiziell anerkannt.342 1967 gründete sich außerdem eine Gemeinde in Sevilla, die sich aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl allerdings nicht um eine offizielle Anerkennung bemühte.343 Auf der anderen Seite stand das Ziel, an die jüdisch-spanische Tradition anzuknüpfen. So forderte Haim Cohen Israel aus der Gemeinde in Ceuta: „Die Führer des Rates der Gemeinden von Spanien müssen in der Absicht handeln, jenes wieder aufleben zu lassen, was die ,Sephardim‘ verkörperten, da Gott ihnen das Glück beschert hat, in dem gleichen Sepharad zu agieren“.344 Darüber hinaus sollte der Rat als Repräsentationsorgan der in Spanien lebenden Juden gegenüber dem Staat sowie gegenüber internationalen jüdischen Organisationen dienen. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang war auch die Klärung der juristischen Rahmenbedingungen für die Existenz jüdischer Gemeinden.345 Während die einzelnen jüdischen Gemeinden in Spanien auch nach der Gründung des Rates gegenüber den spanischen Autoritäten weiterhin zersplittert und uneins auftraten, vertrat der Rat das spanische Judentum bei verschiedenen internationalen Kongressen und gegenüber internationalen Organisationen.346 Als eine der ersten Handlungen 339 340 341 342
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Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 237 f. Vgl.: „El Consejo de las Comunidades Israelitas de EspaÇa“, in: Hakesher, 1/1964, 5. Vgl.: „Editorial“, in: Hakesher, 7/1965, 3. Vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 70; „Un feliz despertar para la futura C. I. de Mlaga“, in: Hakesher, 2/1965, 10; „Community established in Malaga“, in: JC, 5, 032, 1. 10. 1965, 15; „Se formar una comunidad israelita en Marbella“, in: ABC, 24. 7. 1969, 36. Die Mehrheit der Mitglieder dieser Gemeinde stammte aus dem französischen Protektorat in Marokko. Vgl.: Tarr¦s, Sol, El judasmo en Andaluca, in: Briones (Hg.), ¿Y tffl (de) qui¦n eres?, 351. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 238 f. „Los dirigentes del Conseja [sic] de las Comunidades de EspaÇa, deben actuar con el pensamiento de revivir lo que han sido los ,sefardim‘, ya que Dios les ha deparado la suerte de actuar en el mismo Sefarad“, „Opiniones: La Vuelta a Sefarad“, in: Hakesher, 8/1965, 5. Vgl. auch: „Editorial“, in: Hakesher, 7/1965, 3. Vgl.: Direcciûn General de Seguridad. Servicio de Informaciûn, Samuel M. Toledano, El judasmo espaÇol en 1964, in: Information Juive, Dezember/Januar 1965; AGA, (3) 104.04, Cj. 573 (70663). Vgl.: „Editorial“, in: Hakesher, 7/1965, 3.
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wurde der Anschluss an den World Jewish Congress beschlossen, später außerdem an den Consejo Europeo de Servicios Comunitarios Judos.347 Parallel dazu konnten sich auch die jüdischen Gemeinden zunehmend in internationale Netzwerke integrieren, was ihnen Sicherheit und internationale Öffentlichkeit verlieh.348 Mit dem Informationsblatt Hakesher, welches seit der September/Oktober-Ausgabe 1964 nicht mehr das Publikationsorgan der CJM, sondern das des neu gegründeten jüdischen Rates war, wurde zugleich ein auf jüdische Interessen ausgerichtetes Informationsmedium geschaffen, welches sich zum Ziel setzte, alle in Spanien lebenden Juden zu erreichen.349 Insgesamt ermöglichten diese Entwicklungen, zusammen mit der Einwanderungswelle und dem damit verbundenen Anwachsen der Gemeinden, eine fortschreitende Institutionalisierung: Es konnten neue Synagogen eingeweiht werden, neben der in Madrid z. B. in Mlaga, und die Madrider Gemeinde verfügte erstmals über einen Rabbiner.350 Zusätzlich zu der in Melilla bereits bestehenden jüdischen Schule gründete sich in der Hauptstadt 1965 ein erster jüdischer Kindergarten, der 1967 zum Colegio Gabirol erweitert wurde, 347 Vgl.: „Spanish move“, in: JC, 4, 963, 5. 6. 1964, 40. 348 Die Gemeinde in Madrid arbeitete z. B. mit der Sephardischen Weltföderation (Federaciûn Sefard Mundial) und dem Jüdischen Weltkongress sowie im Bereich der Bildung mit der AIU zusammen. Samuel Toledano hatte 1964 erstmals stellvertretend für die spanischen Juden an einem Treffen des europäischen Zweiges des Jüdischen Weltkongresses in London teilgenommen, und im Dezember 1966 war Max Mazin zu einer Konferenz des United Jewish Appeal in New York eingeladen worden. Vgl: Lisbona, Retorno a Sefarad, 228 f; Mazin, Max, El guardan de su hermano, in: Hakesher, 19/1967, 3. Bereits 1950 hatte der damalige Präsident der jüdischen Gemeinde in Barcelona dem Congreso Sefard Mundial in London beigewohnt. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 169. 349 Vgl.: „Editorial“, in: Hakesher, 7/1965, 3. 1970 beschrieb Mazin die Aufgabe des Organs, welches als Bindeglied zwischen allen jüdischen Haushalten in Spanien dienen sollte, vgl.: „Conozca nuestras comunidades. En este nfflmero: Madrid“, in: Hakesher, 49/1970, 10. Hakesher wurde von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben, diese informierte auch die spanischen Regierungsbehörden und internationale jüdische Organisationen über antisemitische Vorfälle in Spanien und diente der Stärkung der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden. Die Dokumentierung antisemitischer Vorfälle wurde vom neu gegründeten jüdischen Rat als wichtig erachtet, da sich in Spanien in den 1960er Jahren, bedingt durch den Eichmann-Prozess, diese Vorfälle häuften. Vgl.: Direcciûn General de Seguridad. Servicio de Informaciûn, Samuel M. Toledano, El Judasmo EspaÇol en 1964, in: Information Juive, Dezember/Januar 1965; AGA (3) 104.04, Cj. 573 (70663); Ýlvarez Chillida, El Concilio Vaticano II, in: Joan i Tous/Nottebaum (Hg.), El olivo y la espada, 395. 1969 beantragte die CJM die Einschreibung von Hakesher in das offizielle Zeitungsregister (Registro de Empresas Periodsticas) und gab eine Auflage von 1500 Exemplaren an. Vgl.: „Solicitud para la publicaciûn de una revista israelita“, in: La Vanguardia, 16. 4. 1969, 11. 350 Zur Genehmigung der Synagoge in Mlaga vgl.: Rundschreiben des Außenministeriums an Botschafter in Bern, Bonn, Brüssel, Kopenhagen, Stockholm, Helsinki, Den Haag, London, Oslo, Ottawa, Paris, Rom, Vatikan und Washington, Madrid, 20. 3. 1965; AMAE, Leg. R 7797/51. Zum ersten Rabbiner der Gemeinde in Madrid vgl.: Schreiben von Joaqun Juste, Secretario General T¦cnico, Ministerio de Informaciûn y Turismo, an Ramûn Sedû, Subsecretario de Poltica Exterior, Madrid, 2. 12. 1968 mit angehängtem Transkript eines von TVE geführten Interviews; AMAE, Leg. R 15123/8. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 231.
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in Barcelona wurde 1969 das Colegio Sefard eröffnet, außerdem entstanden verschiedene Freizeiteinrichtungen und kulturelle Angebotsstrukturen.351
2.3.2 1492 als Nicht-Erinnerungsort und die Aktualität der Vergangenheit Die Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid als private Vereinigung 1965 war von ihrem Präsidenten Max Mazin im Organ des jüdischen Rates Hakesher als „ein denkwürdiges Datum in der Geschichte des spanischen Judentums“ beschrieben worden.352 Während Mazin sowohl an die jahrhundertealte Tradition als auch an die unmittelbare Vergangenheit erinnerte und so zumindest indirekt auf die der nun erfolgten Anerkennung vorausgegangenen, erfolglosen Bemühungen verwies, blendete eine spätere Ausgabe von Hakesher dieses historische Kurzzeitgedächtnis aus. Unter der Überschrift „Die Rückkehr nach Sepharad“ („La Vuelta a Sefarad“) wird der Bogen zur mittelalterlichen Vergangenheit geschlagen und gleichzeitig der Topos der sephardischen Verbundenheit mit Spanien bedient, wodurch die Anerkennung ausschließlich als Ereignis der spanisch-sephardischen Geschichte eingeordnet wird. „Eine neue Ära bricht in der sephardischen Welt an, da Spanien seine [überall, A. M.] verstreuten Söhne aufnimmt, diejenigen Söhne, die es schafften, die Sehnsucht an eine entfernte Heimat zu bewahren, deren Gebräuche und Sprache sie niemals verloren. Von diesen ,Spaniern ohne Heimat‘ werden viele an die Orte ihrer Vorfahren zurückkehren, wo die Regierung des Generalsimo Franco sich dazu entschied, die Gründung der Hebräischen Gemeinden von Spanien zu autorisieren. In dem Maße, in dem sich die besagten Gemeinden konstituieren, ist es an ihren Mitgliedern, an uns ,Sepharden‘, uns zu organisieren, mit dem Ziel, den Glanz und den Ruhm, den die Sepharden von einst der Welt verliehen, wieder aufleben zu lassen“.353 351 Vgl.: „Primera escuela hebrea en Madrid“, in: AJC, 11/1966, 6; AFP-Pressemitteilung, Madrid, 22. 12. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. Vgl. auch: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 46; Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 73; Lisbona, Retorno a Sefarad, 224 f. 352 „una fecha memorable en la historia del judasmo espaÇol“, Mazin, Max, Derecho de ciudadana, in: Hakesher, 4/1965, 3. Und weiter: „Despu¦s de casi 500 aÇos de interrupciûn y cerca de 50 de activa espera, las relaciones entre los judos y no judos en EspaÇa entran en la normalidad. Se abre una nueva era de fraternal y creadora convivencia“. 353 „Una nueva era despunta en el mundo sefard, al acoger EspaÇa a sus hijos dispersos, aquellos hijos que supieron mantener insecantemente en su corazûn la aÇoranza de una Patria alejada y de la que no perdieron jams sus costumbres y su lengua. De aquellos ,espaÇoles sin Patria‘ muchos van regresando a los lugares de sus antepasados, donde el Gobierno del generalsimo Franco tuvo a bien autorizar la constituciûn de las Comunidades Hebreas de EspaÇa. A medida que se van constituyendo dichas Comunidades, toca a sus miembros, a nosotros los ,sefaradim‘, organizarnos con vistas a hacer renacer el brillo y el renombre que los sefardes de antaÇo dieron al mundo.“, „Opiniones: La Vuelta a Sefarad“, in: Hakesher, 8/1965, 5.
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Der Verweis auf die sephardischen Mitglieder erweckt den Eindruck einer homogenen Gemeinschaft, die außerdem durch den Wunsch geeint ist – wie es der Autor andeutet – auf spanischem Boden eine neue Blütezeit zu erleben. Aus welchem Grund in einem ausschließlich an eine jüdische Leserschaft gerichteten Organ wie Hakesher eine derart starke Ausrichtung am philosephardischen Diskurs erfolgte, kann nur vermutet werden. Neben einer tatsächlich empfundenen Begeisterung des Schreibers könnte dabei auch der Versuch eine Rolle gespielt haben, eine weithin akzeptierbare Deutung der Ereignisse anzubieten. Die Betonung sephardischer Elemente hielt, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, Anknüpfungspunkte an den Regierungsdiskurs bereit. Am Beispiel der im Oktober 1959 in Madrid eröffneten Synagoge lässt sich demgegenüber zeigen, wie die franquistische Regierung auf von ihrer Lesart abweichende Beurteilungen zeithistorischer Ereignisse reagierte. Bei der Einweihungszeremonie der in einer Privatwohnung in der Calle Pizarro untergebrachten Synagoge in Madrid betonte der Gemeindepräsident Louis Blitz, dass diese einen Beweis für „die tolerante und wohlwollende Haltung der spanischen Regierung gegenüber der Ausübung unserer Religion“ darstelle.354 Bei der Zeremonie wurde Franco in die Gebete der Gemeinde mit eingeschlossen.355 Während die nationale Presse nicht über die Eröffnung der Synagoge berichtete, wurde in den ausländischen Pressereaktionen das Ereignis als positiver Schritt des Franco-Regimes zu mehr Toleranz gegenüber den nicht-katholischen Minderheiten gewertet. Häufig wurde ein Bogen in die mittelalterliche Vergangenheit geschlagen. So heißt es in der Chicago Tribune unter der Überschrift „Praise Benevolence of Franco-Regime“, dass die jüdische Gemeinde in Madrid „now has a regularly dedicated synagog [sic] for the first time since 1492 when Ferdinand and Isabella signed an edict at Granada expelling Jews from Spain“.356 354 „la actitud tolerante y ben¦vola del Gobierno espaÇol hacia la prctica de nuestra religiûn“, Direcciûn General Prûximo y Medio Oriente, La nueva sinagoga de Madrid, Madrid, 26. 9. 1960; AMAE, Leg. R 5949/80. Vgl. auch: „Los corresponsales extranjeras informan: Benevolencia del r¦gimen espaÇol hacia los judos“, noticia recogida por el corresponsal (Mr. Walser) de Relignews, 3. 10. 1959; RAH-FFMC, Archiv. 4, Cj. 1, 763/5, 1959; Lisbona, Retorno a Sefarad, 165 f. Durch die finanzielle Unterstützung des Joint und der Conference on Jewish Material Claims in Höhe von 20.000 US-Dollar sowie der Gemeindemitglieder konnte 1958 eine Wohnung in der Calle Pizarro erworben werden, in der die Synagoge eingerichtet wurde. Vgl.: OID, Relignews, Mr. Walser (confidencial), Madrid, 6. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4; „Conozca nuestras comunidades. En este nfflmero: Madrid“, in: Hakesher, 49/1970, 8; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 303. 355 Vgl.: Darran, David, Madrid Jews get Synagog, 1st since 1492, in: Chicago Tribune, 19. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4. 356 Darran, Madrid Jews get Synagog, in: Chicago Tribune, 19. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4. Zur ausländischen Berichterstattung vgl. auch: OID, Telegrama del consejero de informaciûn en Nueva York del 5-X-59; OID, Resfflmen de la prensa britnica correspondiente al da 2-10-59; OID, Resfflmen de la prensa britnica correspondiente al da 1-X-59; alle AMAE, Leg. R 8434/4; Telegramm des Consejero de Informaciûn in New York, 3. 1. 1960; RAH-FFMC, Archiv. 4, Cj. 3, 851/9, 1960. Auch die 1968 in Madrid eingeweihte Synagoge wurde im Ausland als die erste seit
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Die britische Times zitierte einen madrilenischen Juden mit den Worten: „We’ve waited 467 years for this day“.357 Demgegenüber betonte das spanische Außenministerium in einer internen Stellungnahme, dass es sich entgegen der in der internationalen Presse verbreiteten Informationen nicht um die erste Synagoge in Spanien seit 1492 handele, da bereits zuvor verschiedene jüdische Gebetsräume bestanden hätten.358 Es versuchte, das Ereignis in eine Tradition der Toleranz einzuordnen und die historische Zäsur des Jahres 1492 zu entschärfen. Die durch das Außenministerium vorgenommene Einschätzung dieses Ereignisses, von welchem es nach eigener Aussage erst aus der ausländischen Presse erfahren hatte,359 wich auch in anderer Hinsicht von der internationalen öffentlichen Meinung ab. Das Außenministerium sah in der Eröffnung der Synagoge einen Beweis für die „jüdische Taktik“, so werde „einerseits versucht, durch vollendete Tatsachen Terrain zu gewinnen und andererseits gegenüber der internationalen öffentlichen Meinung die erreichten Positionen zu übertreiben“.360 Die Eröffnung der Synagoge müsse als Teil eines umfassenden Planes zur Rehabilitation des spanischen Judentums verstanden werden, welcher seit einiger Zeit von der internationalen jüdischen Gemeinschaft betrieben werde. Trotz dieser außenpolitischen Dimension und der Annahme, dass die in Spanien lebenden Juden Israel sehr nahe stünden, stellte die Eröffnung der Synagoge für das Außenministeriums aber zunächst ein innenpolitisches Problem dar.361 Neben dieser
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1492 auf spanischem Boden erbaute gefeiert. Vgl. z. B.: „Madrid Community taking Shape“, in: JC, 5, 161, 22. 3. 1968, 16. „First in 467 Years“, in: Times, 19. 10. 1959, 73; AMAE, Leg. R 8434/4. Vgl. auch: OID, Relignews, Mr. Walser, Madrid, 6. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4. Die erste Synagoge seit 1492 in Spanien errichtet zu haben, beanspruchte ebenfalls die jüdische Gemeinde in Barcelona. Vgl.: „Spanish Community takes new hope“, in: JC, 5, 033, 8. 10. 1965, 18; „Ecos de las Comunidades“, in: Hakesher, 9/1963, 9 f. Vgl. auch: Central Pedagûgica y de Documentaciûn – CIB, La Comunidad Israelita de Barcelona, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos de CataluÇa, 61. Vgl.: Direcciûn General Prûximo y Medio Oriente, La nueva sinagoga de Madrid, Madrid, 26. 9. 1960; AMAE, Leg. R 5949/80. Am 1. 10. 1959 berichtete der spanische Generalkonsul in Jerusalem von dortigen Presseberichten über die Eröffnung einer Synagoge in Madrid, vgl.: Schreiben von Jos¦ A. Balenchana an Außenminister, Jerusalem, 1. 10. 1959; AMAE, Leg. R 5427/91. „que busca por una parte ir ganando terreno mediante hechos consumados y por otra trata de desorbitar ante la opiniûn pfflblica internacional la importancia de las posiciones conseguidas“, Direcciûn de Prûximo y Medio Oriente, Nota acerca de la inauguraciûn de la sinagoga de la calle de Pizarro, Madrid, 8. 10. 1959; AMAE, Leg. R 5427/91. Lisbona erwähnt zusätzlich einen Geheimbericht der Direcciûn General de Seguridad vom 6. 10. 1959 (AMAE, Leg. R 8434/4), vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 165 f. Vgl.: Direcciûn de Prûximo y Medio Oriente, Nota acerca de la inauguraciûn de la sinagoga de la calle de Pizarro, Madrid, 8. 10. 1959; AMAE, Leg. R 5427/91. Unklar ist, ob die Eröffnung der Synagoge Betziûn von einer staatlichen Regierungsstelle offiziell genehmigt wurde. Das Außenministerium ging in einer Mitteilung vom 8. 10. 1959 davon aus, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Damit übereinstimmend erklärte die für eine solche Genehmigung zuständige Generaldirektion für Sicherheit gegenüber der OID, die Eröffnung aufgrund formaler Fehler in dem Schreiben des jüdischen Gemeindepräsidenten Louis Blitz nicht autorisiert zu haben. Sie
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internen Diskussion fand sich in den Quellen ein Hinweis auf eine versuchte Einflussnahme auf die öffentliche Debatte über die Eröffnung der Synagoge: Die OID drängte angesichts eines im britischen Guardian veröffentlichten Artikels über die Eröffnung der Synagoge in Madrid darauf, ihre offizielle Lesart durchzusetzen. Der Autor des Artikels mit der Überschrift „Unholy Inquisition“ hatte zu bedenken gegeben, dass es sich zwar um eine erfreuliche Nachricht handele, dieses Ereignis jedoch nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass „the Spain of General Franco is still uncomfortably reminiscent of that of Ferdinand and Isabella – to say nothing of Torquemada and the Holy Inquisition“.362 Der Artikel widersprach damit der spanischen Selbstdarstellung als ein Land frei von Diskriminierungen, weshalb der spanische Botschafter aus London eine „Korrektur“ dieser negativen Berichterstattung mithilfe der Stellungnahme eines Juden aus Madrid vorschlug, der mit dem „notwendigen Material“ ausgestattet werden solle.363 Im Gegensatz zu den oben zitierten Pressereaktionen, die Spanien in ein positives Licht stellten – wenn sie auch eine andere Bewertung des Ereignisses vornahmen als die franquistische Regierung –, lag dem Guardian-Artikel eine deutliche Kritik zugrunde, die zudem die nationalen Heldenfiguren Fernando und Isabel sowie das Narrativ einer historisch gewachsenen Toleranz infrage stellte. Vermutlich witterte die OID daher eine Neuauflage der leyenda negra.364 Hatte das Jahr 1492 bei der Synagogeneröffnung 1959 vor allem als historischer Referenzpunkt zur Einordnung der zeitgenössichen Ereignisse und Entwicklungen gedient, während es im offiziellen Diskurs weitgehend ausgeblendet wurde, so stand knappe zehn Jahre später die historische Kontinuität des in diesem Jahr erlassenen Vertreibungsediktes im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung zwischen der jüdischen Gemeinde in Madrid und dem Justizministerium. 1968 bat die jüdische Gemeinde in Madrid beim Justizministerium um offizielle Zulassung als religiöse Vereinigung mit dem Namen Comunidad Israelita de Madrid auf Grundlage des Religionsgesetzes von 1967. besaß aber weitreichende Kenntnisse über die Ereignisse. Im April 1960 setzte der Generaldirektor für Innenpolitik (Director General de Poltica Interior) den Generaldirektor für Außenpolitik (Director General de Poltica Exterior) allerdings darüber in Kenntnis, dass seine Abteilung die Synagoge auf Grundlage des Artikels 6 des Fuero de los EspaÇoles erlaubt habe. Vgl.: Direcciûn de Prûximo y Medio Oriente, Nota acerca de la inauguraciûn de la sinagoga de la calle de Pizarro, Madrid, 8. 10. 1959; AMAE, Leg. R 5427/91; Comunidad Israelita de Madrid – Inauguraciûn de una sinagoga en la calle de Pizarro n8 19, de Madrid, Madrid, 6. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4; Schreiben von Director General de Poltica Interior an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 13. 4. 1960; AMAE, Leg. R 5949/80. Vgl. auch: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 41; Lisbona, Retorno a Sefarad, 166 f. 362 „Unholy Inquisition“, in: The Guardian, 5. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4. 363 Vgl.: OID, Nota para el Sr. Ministro, Madrid, 5. 10. 1959; AMAE, Leg. R 8434/4. Ob es zu einer solchen „Gegendarstellung“ kam, geht aus den Quellen nicht hervor. 364 Als „schwarze Legende“ wurde in konservativ-nationalistischen Kreisen jegliche Form der Kritik an Spaniens Vergangenheit diffamiert. Vgl.: Kamen, Imaging Spain, xiii.
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In diesem Zusammenhang äußerte die Gemeindeführung den Wunsch nach einer Aufhebung des historischen Vertreibungsediktes.365 Das Justizministerium erklärte sich im Dezember 1968 mit der Anerkennung einverstanden und verwies in seinem Schreiben auf die Ungültigkeit des Vertreibungsediktes:366 „sicher wissend, dass die Aufhebung des Königlichen Dekrets vom 31. März 1.492 durch die Verfassung vom 5. Juni 1.869 und die nachfolgende Gesetzgebung die Gründung hebräischer Gemeinden in Spanien ermöglichte, die de facto seit mehreren Generationen existieren“.367 Der im Zusammenhang mit der Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid erfolgte Verweis auf die Ungültigkeit des Vertreibungsediktes führte dazu, dass in ausländischen Medien die These kolportiert wurde, die spanische Regierung habe das von den Katholischen Königen 1492 erlassene Vertreibungsedikt aufgehoben.368 365 Vgl.: Interne Korrespondenz im Justizministerium, Madrid, 13. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15123/ 8. Lisbona berichtet von Auseinandersetzungen zwischen dem Justizministerium und Samuel Toledano unmittelbar vor der offiziellen Anerkennung der Gemeinde. Die staatliche Forderung nach einem Mitgliederregister – wie in dem Religionsgesetz von 1967 vorgesehen – sei erst fallen gelassen worden, nachdem Toledano mit öffentlicher Kritik gedroht habe. Es wurde ein Kompromiss gefunden, demzufolge lediglich die offiziellen Repräsentanten in das Register eingetragen werden. Den in der Anerkennung enthaltenen Verweis auf die Ungültigkeit des Vertreibungsdekrets führt Lisbona ebenfalls auf die Forderungen von Toledano und Mazin zurück, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 231 ff. 366 Vgl.: Interne Korrespondenz im Justizministerium, Madrid, 13. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15123/ 8; Schreiben des Jefe de la Secciûn. Registro de Asociaciones confesionales no catûlicas. Ministerio de Justicia an Max Mazin, Madrid, 14. 12. 1968, abgedruckt in: Lacave, Jos¦ Luis, Sefarad, Sefarad. La EspaÇa juda, Barcelona 1987, 202. Der Bürgermeister Carlos Arias gratulierte Max Mazin zur offiziellen Anerkennung der Comunidad Israelita de Madrid. Vgl.: „Noticias de Sefarad“, in: Hakesher, 6/1965, 10. Aronsfeld sieht in der offiziellen Anerkennung der Gemeinde und der Eröffnung der Synagoge die wichtigsten Ereignisse der modernen spanisch-jüdischen Geschichte, vgl.: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 59. Luis Surez Fernndez wertet das Schreiben als offizielle Aufhebung des Vertreibungsediktes, vgl. z. B.: Surez Fernndez, Los Reyes Catûlicos, 328. Avni vertritt die Ansicht, dass das Justizministerium anlässlich der Eröffnung der Synagoge das Vertreibungsedikt aufhob, vgl.: Avni, Spain, 202. 367 „siendo cierto que la derogaciûn de la Real C¦dula de 31 de marzo de 1.492 por la Constituciûn de 5 de junio de 1.869 y la legislaciûn posterior ha permitido el establecimiento en EspaÇa de comunidades hebreas, que de hecho existen desde hace varias generaciones“, Interne Korrespondenz im Justizministerium, Madrid, 13. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15123/8; Schreiben des Jefe de la Secciûn. Registro de Asociaciones confesionales no catûlicas. Ministerio de Justicia an Max Mazin, Madrid, 14. 12. 1968, abgedruckt in: Lacave, Sefarad, Sefarad, 202. 368 Vgl. z. B. eine Nachricht des spanischen Botschafters in Amman, der auf eine Sendung von Radio Israel sowie verschiedene Zeitungsberichte hinwies, in denen die Aufhebung des Vertreibungsediktes von 1492 behauptet wurde: Jos¦ Ramûn Sobredo an Außenminister, Amman, 16. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15122/39; verschiedene Briefe von jüdischen Gemeinden und Einrichtungen in den USA an den dortigen spanischen Botschafter von Ende 1968/Anfang 1969 mit freudigen Reaktionen auf die endgültige Aufhebung des Vertreibungsediktes und die Eröffnung der Synagoge in Madrid; AMAE, Leg. R 12047/6; Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 17. 12. 1968; AMAE, Leg. R 12047/6; Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 11. 2. 1969; AMAE, Leg. R 10659/56; Schreiben von Jaime Alba, Botschafter in Belgien, an Außenminister, Brüssel, 25. 2. 1969; AMAE, Leg. R 10659/56; Bericht der Botschaft in Den Haag, 8. 11. 1969; AMAE, Leg. R
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Einige jüdische Gemeinden im Ausland, wie z. B. die sephardische Gemeinde in Jerusalem, drückten daraufhin ihren Dank gegenüber Staatschef Franco aus.369 Der Stadtrat in der US-amerikanischen Stadt Philadelphia verabschiedete sogar eine Resolution, mit der der franquistischen Regierung für die Aufhebung des Vertreibungsediktes gedankt werden sollte.370 Aufgrund der Berichterstattung im Ausland sah sich das Außenministerium im Januar 1969 dazu veranlasst, an seine Botschafter in verschiedenen europäischen Ländern sowie an die Generalkonsulate in Jerusalem und New York eine Erklärung des Justizministeriums zu schicken, in der es klarstellt, dass „anlässlich der Anerkennung der Vereinigung ,Comunidad Israelita de Madrid‘ eindeutig dargelegt wird, dass das königliche Dekret vom 31. März 1492 über Juden aktuell nicht widerrufen wurde, wie einige Nachrichtenagenturen fälschlicherweise verbreiteten, sondern, dass dies bereits seit der Verfassung vom 5. Juni 1869 der Fall war“.371
Erstmals im franquistischen Spanien wurde damit die Frage nach der fortdauernden Gültigkeit des von den Katholischen Königen erlassenen Vertreibungsediktes virulent. Diese stellte sich vor allem aufgrund der Endgültigkeit der in dem Edikt enthaltenen Formulierungen, insbesondere der Festlegung,
15123/8. Vgl. auch den Artikel: Barriuso, Jos¦, La primera sinagoga en EspaÇa desde el s. XV, in: Terra Santa, 485 – 486/1969, 28 – 37; „Spain formally removes 467-year-old ban on Jews“, in: Washington Post, 17. 12. 1968; „Spanish lift 476-year-old ban on Jews“, in: The Sun, 17. 12. 1968; „1492 ban on Jews is voided by Spain“, in: NYT, 17. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15122/39. 369 Vgl.: Schreiben von Alberto Pascual Villar, spanischer Generalkonsul in Jerusalem, an Außenminister, Jerusalem, 30. 12. 1968; AMAE, Leg. R 11193/100; Brief von Elie Eliachar, Präsident des Council of the Sephardi Community, Jerusalem, an Alberto Pascual Villar, Jerusalem, 20. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15102/12. Für weitere Danksagungen von jüdischer Seite vgl.: Brief von Hyman Bookbinder, Vertreter des American Jewish Committee in Washington, an Marqu¦s de Merry del Val, spanischer Botschafter in Washington, Washington D.C., 3. 1. 1969; Brief von Emil Lehman, Direktor des Theodor Herzl Institutes, an Alfonso Merry del Val, New York, 3. 1. 1969; Manfried Mauskopf, Leiter der Religious School of Beth Emeth Congregation, an spanischen Botschafter in Washington, Philadelphia, 19. 12. 1968; alle AMAE, Leg. R 12047. 370 „Resolved, By the Council of the City of Philadelphia, That we hereby most graciously commend the Spanish Government for explicitly revoking the edict of 1492 in official recognition of the rights of the Jewish communities in Spain to practice their religious faith in public.“, Council of the City of Philadelphia. Office of the Chief Clerk, Resolution No. 99, 2. 1. 1969, die Resolution war einem Schreiben von Marqu¦s Merry del Val, spanischer Botschafter in Washington, an den Außenminister vom 16. 1. 1969 angehängt; AMAE, Leg. R 12034/6. 371 „con ocasiûn de plantearse el reconocimiento de la asociaciûn ,Comunidad Israelita de Madrid‘ se expone claramente que la real c¦dula de 31 de Marzo de 1492 sobre judos, no fu¦ derogada actualmente como ciertas agencias informativas han difundido errûneamente sino que lo estaba ya desde la Constituciûn de 5 de Junio de 1869“, Schreiben von Director General de Asuntos de Ýfrica y Prûximo Oriente an Botschafter in Washington D.C., Rom, Bern, Den Haag, Brüssel und Generalkonsuln in Jerusalem und New York, Madrid, 24. 1. 1969; AMAE, Leg. R 11193/100.
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Legalisierung jüdischen Lebens im franquistischen Spanien
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dass die Juden „niemals zurückkommen noch wiederkehren“372 dürften. Die Diskussion indessen war nicht neu, sondern reichte bis ins 19. Jahrhundert zurück. An besonders prominenter Stelle hatte sich in den 1850er Jahren der Rabbiner und Herausgeber der Allgemeinen Zeitung des Judentums, Ludwig Philippson aus Magdeburg, für eine offizielle Widerrufung des Ediktes durch die spanische Regierung eingesetzt.373 Die verschiedenen Verfassungen im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts nahmen sich der Frage indirekt an, indem sie Stellung zur Religionsfreiheit bezogen.374 Während der Diskussionen um die Verfassung von 1876 griffen jüdische Zeitungen das Thema der fortdauernden Gültigkeit des Vertreibungsediktes erneut auf, und ein jüdisches Komitee aus London wandte sich mit einem entsprechenden Gesuch an den spanischen König Alfonso XII.375 Im 20. Jahrhundert richtete sich nach Ausrufung der Zweiten Republik ein rumänischer Rabbiner mit gleichem Anliegen an die spanische Regierung, ohne von dieser eine Antwort zu erhalten.376 Die von der jüdischen Gemeinde in Madrid vorgetragene Forderung war insofern eine doppelte Neuerung: Sie war die erste gegenüber der franquistischen Regierung vorgebrachte und die erste von in Spanien lebenden Juden formulierte. Zwar war 1492 auch zuvor als „Ende der Geschichte“ erinnert worden, insgesamt hatte aber das versöhnliche Gedächtnis an das „goldene jüdische Zeitalter“ überwogen, und es hatte keine explizite Auseinandersetzung mit dem historischen Ereignis der Vertreibung gegeben. Dementsprechend rief die Diskussion in den ausländischen Medien ein großes Interesse hervor, die spanische Presse schenkte der Thematik hingegen keine Beachtung.377 Obwohl die Regierung das Vertreibungsedikt nicht offiziell widerrief, 372 „jamas tornen ni bueluan“, El edicto de expulsiûn, abgedruckt in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 127. 373 Vgl.: Avni, Spain, 8 ff. Rubio zufolge handelte es sich dabei um die erste offiziell vorgetragene Bitte um Aufhebung des Ediktes, vgl.: Rubio, Javier, La derogaciûn del edicto de expulsiûn de los judos de 1492, in: Sefarad, 1/1993, 146. Amador de los Ros zitiert die Forderung Philippsons, vgl.: Amador de los Ros, Historia social, poltica y religiosa. Tomo III, 560. Zu Philippson und der Rezeption des mittelalterlichen Sepharads in den deutsch-jüdischen Gemeinden des 19. Jahrhunderts vgl.: Brenner, Michael, The Renaissance of Jewish Culture in Weimar Germany, New Haven/London 1996, 16 f; Schapkow, Carsten, Vorbild und Gegenbild. Das iberische Judentum in der deutsch-jüdischen Erinnerungskultur 1779 – 1939, Köln/Weimar/Wien 2011, insb. 321 – 345. 374 P¦rez-Prendes MuÇoz-Arraco betont, dass das Vertreibungsedikt nur durch ein gleichwertiges Gesetz, welches ebenfalls durch den König oder den Staatschef erlassen würde, aufgehoben werden konnte, vgl.: P¦rez-Prendes MuÇoz-Arraco, Jos¦ Manuel, El Nuevo Marco Legal: De la Real C¦dula de 1802 a los Acuerdos de 1992, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 77 f. Rubio zufolge hoben die Verfassungen von 1869, 1876, 1931 und 1978 das Edikt indirekt auf. Gleiches gilt seiner Ansicht nach für das Religionsgesetz von 1967, vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 145 f. 375 Vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 148 f, 153 ff. Caro Baroja erwähnt eine entsprechende Bitte um Widerrufung des Vertreibungsediktes für das Jahr 1868, vgl.: Caro Baroja, Los judos, Bd. 3, 207. 376 Vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 149. 377 Zu diesem Ergebnis führte eine Durchsicht der Zeitungen ABC, Arriba und Ya. Ob dies auf die
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Jüdische Gegenwart
sondern lediglich in dem Anerkennungsschreiben an die jüdische Gemeinde in Madrid auf dessen Unwirksamkeit seit der Verfassung von 1869 verwies, konnte sie die Berichterstattung als einen Ansehensgewinn verbuchen.378 Wurde ihr doch der historische Schritt der endgültigen Aufhebung des Ediktes von 1492 zugeschrieben. Dass dennoch eine interne Klarstellung gegenüber den spanischen Botschaften und Konsulaten erfolgte, kann darauf zurückgeführt werden, dass das Außenministerium eine gewisse Eigendynamik der positiven Berichterstattung fürchtete und seine Diplomaten zur gewünschten Grundhaltung in dieser Frage verpflichten wollte. Eine öffentliche Klarstellung der Missverständnisse erfolgte, soweit den Quellen zu entnehmen ist, nicht. Im Gegensatz zu den diffusen und positiv konnotierten Erinnerungen, die sich mit dem historischen Sepharad verbanden und auf die kulturelle Blütezeit im iberischen Mittelalter rekurrierten, waren konkrete Erinnerungen an die Vertreibung, wie sie während der Diskussion um die Gültigkeit des Ediktes von 1492 aufkamen, unerwünscht. Ihre Aktualität und ihr Konfliktpotenzial, insbesondere aber die Möglichkeit, aus der Vergangenheit Forderungen für die Gegenwart abzuleiten, standen dem Ansinnen der Regierung entgegen. Um die Situation zu entschärfen und die eigene Deutungshoheit zu untermauern, relativierte das Regime den Neuigkeitswert der Ereignisse sowohl im Fall der Synagogeneröffnung als auch im Hinblick auf die Aufhebung des Vertreibungsediktes. Wenige Tage nach der offiziellen Anerkennung der Gemeinde in Madrid wurde in der Hauptstadt die Eröffnung der ersten offiziell erbauten Synagoge Beth Yaacov, die innerhalb des Gemeindezentrums errichtet worden war, gefeiert. Die Bedeutung dieses Ereignisses unterstrich Max Mazin in seiner Rede anlässlich der Einweihung der Synagoge: „Eine große Ungerechtigkeit, die gegenüber unserem Volk vor etwa fünfhundert Jahren begangen wurde, hat im Einklang mit der Zeit, in der wir leben, ihr juristisches Ende genommen.“379 Auch Pueblo, das Organ der franquistischen Syndikate, wertete die Eröffnung der Synagoge als ein bedeutendes Ereignis und stellte dieses in den Kontext der spanisch-jüdischen Geschichte:
Zensur oder auf mangelndes Interesse zurückzuführen ist, kann nicht abschließend geklärt werden. La Vanguardia bildet eine Ausnahme: In einer kurzen Meldung über die Einweihung der Synagoge in Madrid und die Anerkennung der Comunidad Israelita de Madrid wird auf die Ungültigkeit des Vertreibungsediktes verwiesen, vgl.: „Inauguraciûn de la primera sinagoga que se construye en Castilla desde el siglo XIV“, in: La Vanguardia, 17. 12. 1968, 9. Zur Einweihung der Synagoge findet sich eine weitere Meldung mit Foto, vgl.: „Inauguraciûn de la nueva sinagoga de Madrid“, in: La Vanguardia, 18. 12. 1968, 1. 378 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 233 f. 379 „Una grave injusticia cometida con nuestro pueblo hace cerca de quinientos aÇos acaba de tener su desenlace legal acorde con los nuevos tiempos que vivimos.“, „Shalom a la Comunidad Israelita de Madrid“, in: AJC, 23/1968, 7. Vgl. auch: „Conozca nuestras comunidades. En este nfflmero: Madrid. Entrevista con su Presidente, Don Max Mazin“, in: Hakesher, 49/1970, 9.
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Legalisierung jüdischen Lebens im franquistischen Spanien
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„Die spanischen Juden standen Ende des 15. Jahrhunderts vor der schrecklichen und erschütternden Alternative, sich zwischen ihrem Glauben und dem Verlassen ihrer Heimat entscheiden zu müssen, sie unterteilten sich damals in diejenigen, die ihren Glauben, und jene, die ihre Heimat wählten, wieder andere optierten für eine Zwischenlösung, die sie einige wenige Jahre durchhalten konnten. Die Tragödie dieser Spaltung werden sie immer in sich tragen, und die Zeit hat es nicht geschafft, sie [die Erinnerung an die Tragödie, A. M.] auszulöschen“.380
Damit unterstrich der Artikel die Aktualität der Erinnerung an Vertreibung und Inquisition. Die Anerkennung der Gemeinde in Madrid hatte ferner zu einem Konflikt mit der Gemeinde in Barcelona geführt, die aus Protest über den Alleingang der Hauptstadt-Gemeinde der Weihzeremonie in der Synagoge ferngeblieben war.381 Die Gemeinde in Barcelona hatte auf ein gemeinsames und aufeinander abgestimmtes Vorgehen gehofft. Aus Enttäuschung und aus Kritik an dem neuen Religionsgesetz beantragte sie als letzte der jüdischen Gemeinden die Einschreibung in das offizielle Register für nicht-katholische Religionsgemeinden.382 Dass es immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden Gemeinden kam, kann vermutlich auf unterschiedliche (Erwartungs-)Haltungen und Konkurrenzen um den Führungsanspruch zurückgeführt werden, wobei auch die geografische Verankerung in der Hauptstadt bzw. in Katalonien eine Rolle spielte.383 Bereits zuvor hatten sich die Gemeinden aus Ceuta, Mlaga und Melilla registrieren lassen, sodass bis 1969 alle zu diesem Zeitpunkt in Spanien existierenden Gemeinden im Register der Kommission für Religionsfreiheit (Comisiûn de Libertad Religiosa) eingeschrieben waren.384 In den Jahren da380 „a los judos espaÇoles se les planteû a finales del siglo XV la terrible y desgarradora alternativa de tener que elegir entre abandonar su fe o su tierra, dividi¦ndose entonces ellos, al eligir unos su fe y otros su tierra, optando otros por una soluciûn intermedia que pudieron sostener durante breves aÇos. La tragedia de esta escisiûn quedû siempre en ellos y el tiempo no ha podido borrarla“, Aradillas, Antonio, Una sinagoga espaÇola, in: Pueblo, 17. 12. 1968; ACEJC, „Sinagoga“. 381 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 230 f. Bei der Weihzeremonie waren der erste Stellvertreter des Bürgermeisters, der Generalsekretär des Ministeriums für Information und Tourismus und hohe Repräsentanten des Justiz- und Außenministeriums sowie verschiedene christliche und jüdische Religionsvertreter anwesend. 382 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 220 – 231, 234 f. Zum Statut der Comunidad Israelita de Barcelona, die sich als Gemeinschaft aller in Barcelona lebenden Juden definiert, vgl.: Estruch u. a., Las otras religiones, 32 f. 383 In den Quellen fanden sich keine konkreten Hinweise auf die Ursache der Konflikte, diese wurden aber an den teilweise konträren Standpunkten zu bestimmten Themen deutlich. 384 Bereits 1966/67 lagen den zuständigen Regierungsstellen Anträge auf Anerkennung aus den jüdischen Gemeinden in Madrid und Melilla vor. Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Interior, Ministerio de la Gobernaciûn, an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, 31. 10. 1967; Schreiben von Director General de Relaciones Culturales an Director General de Poltica Interior, Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 13. 11. 1967; beide AMAE, Leg. R 10971/17; Schreiben von Director General del Ministerio de Asuntos Exteriores an
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Jüdische Gegenwart
nach folgten weitere neu gegründete Gemeinden, so z. B. 1970 die jüdischen Gemeinden in Valencia und Teneriffa, 1971 die jüdische Gemeinde in Palma de Mallorca und 1972 die Gemeinde in Alicante.385 Bei diesen Gemeindegründungen lebte, soweit aus den Quellen hervorgeht, die Diskussion um die fortdauernde Gültigkeit des Vertreibungsediktes nicht wieder auf. *** Der Umgang mit religiösen Minderheiten war im franquistischen Spanien stark von der Selbstdefinition der spanischen Nation abhängig. In den unmittelbaren Nach-Bürgerkriegsjahren, als Franco gemäß der Kreuzzugs- und Siegesrhetorik durch den erfolgreichen Kampf gegen das sogenannte Antispanien als Retter der Nation und zugleich als Retter des katholischen Glaubens galt, stand die Resakralisierung des gesellschaftlichen Lebens im Mittelpunkt. Erst 1945 wurde mit dem Fuero die Existenz nicht-katholischer Bevölkerungsgruppen anerkannt und diesen eine eingeschränkte Toleranz gewährt. Eine Aufweichung der nationalkatholischen Überprägung der Religionsgesetzgebung setzte in den 1960er Jahren mit der zunehmenden Öffnung des Regimes nach außen, der wachsenden inneren Opposition und insbesondere mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein, das Spanien gerade aufgrund seiner Selbstdefinition als katholische Nation in die Pflicht nahm. Die langen Debatten und Verhandlungen um das Religionsgesetz von 1967 verdeutlichen, wie sehr die Grundsubstanz des nationalen Selbstverständnisses infrage gestellt war, und verweisen zugleich auf die wachsende Zersplitterung des Regimes in verschiedene, einander opponierende politische Gruppierungen, wie die Technokraten, die Falange oder die katholischen InDirector General de Poltica Interior, Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 2. 3. 1966; AMAE, Leg. R 10971/26. Zur Einschreibung in das Register für nicht-katholische Religionsgemeinschaften vgl.: Comisiûn de Libertad Religiosa, Resoluciones sobre reconocimiento legal de Asociaciones confesionales no catûlicas, dictadas hasta el da 10 de junio de 1973 y relaciûn de Secciones locales, lugares de culto y Centros de formaciûn de las mismas, Madrid: Ministerio de Justicia. Centro de Publicaciones 1973; AMAE, Leg. R 13729. In dem Register waren bis zum Jahr 1973 folgende jüdische Gemeinden eingetragen: Comunidad Israelita de Madrid (13. 12. 1968, Nr. 84), Comunidad Israelita de Ceuta (26. 12. 1968, Nr. 86), Comunidad Israelita de Mlaga (21. 2. 1969, Nr. 91), Comunidad Israelita de Melilla (26. 3. 1969, Nr. 99), Comunidad Israelita de Barcelona (29. 3. 1969, Nr. 100), Comunidad Israelita de Valencia (12. 3. 1970, Nr. 122), Comunidad Israelita de Tenerife (12. 3. 1970, Nr. 123), Comunidad Israelita de Palma de Mallorca (8. 7. 1971, Nr. 154) und Comunidad Israelita de Alicante (15. 6. 1972, Nr. 172). 385 Die Gründung der kleinen Gemeinde in Palma war zuvor nicht möglich gewesen, da die im Religionsgesetz geforderte Anzahl spanischer Mitglieder nicht vorgewiesen werden konnte. Die Mehrheit der Mitglieder stammte aus Großbritannien. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 270. ABC berichtete bereits im Juni 1969 in einer Meldung über die bevorstehende Gründung einer Gemeinde in Valencia, vgl.: „Constituciûn de una comunidad juda en Valencia“, in: ABC, 20. 6. 1969, 41.
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„Judenbilder“ seit der transiciûn
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tegralisten. Andererseits fügte sich die Gewährung von Religionsfreiheit in den seit Mitte der 1960er Jahre forcierten Versöhnungs- und Modernisierungsdiskurs, der die „militärische Ursprungslegitimität“ durch eine „funktionale Erfolgslegitimität“ ersetzen sollte.386 Obwohl das Gesetz von 1967 einen Einschnitt in die Religionsgesetzgebung darstellte, führte es nicht zu einer grundlegenden Verschiebung der Inklusions- und Exklusionsmechanismen. Zum einen wurde der Topos der Nicht-Diskriminierung, d. h. der Toleranz gegenüber Minderheiten und die Gewährung von Religionsfreiheit, in das katholische Selbstverständnis einverleibt, die Vorstellung einer homogenen spanischen Kultur wurde nicht aufgegeben. Zum anderen konnte von einer Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung trotz der Legalisierung der Gemeinden keine Rede sein. Das Verhalten der zuständigen spanischen Regierungsstellen, insbesondere die Nichteinbeziehung der religiösen Minderheiten in den Gesetzgebungsprozess, verdeutlicht, dass die Bereitschaft zu einer tatsächlichen Anerkennung dieser Minderheiten kaum vorhanden war. Einen Ansatzpunkt zum Aufbrechen der Nicht-Zugehörigkeit bot die „Sepharden-Karte“, d. h. die Selbstdarstellung als eine sephardische Gemeinde oder die Überbetonung sephardischer Elemente, Tradition etc. Die Diskussion um die Aufhebung des Vertreibungsediktes, die sich anlässlich der Anerkennung der Gemeinde in Madrid entzündete, zeigte die Grenzen dieser Möglichkeit auf. So war das Justizministerium zwar bereit, die Ungültigkeit des Ediktes anzuerkennen, wollte jedoch den Eindruck eines „aktiven Anküpfens“ an das historische Sepharad vermeiden. Zumal sich das Regime mit seiner Religionspolitik in die Tradition der Katholischen Könige stellte, die als Gründungseltern der spanischen Nation galten.
3. „Judenbilder“ seit der transiciûn. Brüche und Kontinuitäten im demokratischen Spanien Auch wenn der Tod Francos am 20. November 1975 nicht das automatische Ende des Franquismus bedeutete, bildete er doch eine historische Zäsur und war Impulsgeber für die folgenden Reform- und Transformationsprozesse. In der Forschung hat sich für den von den politisch Verantwortlichen gewählten Weg, der auf eine „abrupte Demontage“ des Franco-Regimes verzichtete und stattdessen auf einen langsamen und paktierten Wandel setzte, der Begriff der transiciûn durchgesetzt.387 Die Besonderheit dieses im Wesentlichen gewalt386 Bernecker, Geschichte Spaniens, 258, sowie 257 – 261. 387 Ebd., 269. Anfangs- und Endpunkt der transiciûn variieren je nachdem, welche Veränderungsprozesse betrachtet werden. Ihr Beginn wird mehrheitlich auf den Todestag Francos am 20. November 1975 datiert, ihr Ende reicht von 1978, der Verabschiedung der Verfassung, bis zur Unterzeichnung des Maastricht-Vertrages durch die spanische Regierung im Jahr 1993.
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freien Übergangs vom Franco-Regime zu einer liberal-parlamentarischen Monarchie bestand darin, dass er formal innerhalb der franquistischen Legalität vonstattenging.388 Die Dynamik des Transformationsprozesses führt Walther Bernecker auf das Zusammenwirken des politischen Reformwillens und des gesellschaftlichen Veränderungsdrucks zurück. So vollzog sich nach 1975 ein schneller Wandel von Moral- und Wertevorstellungen, im publizistischen und kulturellen Sektor setzte ein unaufhaltsamer Liberalisierungsprozess ein.389 Mit der Demokratisierung beschleunigte sich die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft, die Anzahl nicht-katholischer Religionsangehöriger in Spanien stieg an.390 Diese Entwicklung hin zu einem kulturellen und religiösen Pluralismus wurde durch die in den letzten beiden Jahrzehnten gestiegene Ein-
Hier wird ihr Ende auf die Wahlen im Oktober 1982 datiert, bei denen die amtierende Regierungspartei UCD dem sozialdemokratischen PSOE unterlag. Der Regierungswechsel bedeutete eine Konsolidierung des demokratischen Systems und einen entscheidenden Bruch mit der Kontinuität des franquistischen Systems. Vgl. zu dieser Periodisierung auch: Bernecker, Walther L./Collado Seidel, Carlos, Einleitung, in: Dies. (Hg.), Spanien nach Franco. Der Übergang von der Diktatur zur Demokratie 1975 – 1982, Schriftenreihe der VfZ 67, München 1993, 11; Tusell, Javier, La transiciûn a la democracia (EspaÇa, 1975 – 1982), Madrid 2007, 243. Zum Fortschritt des staatlichen Umgangs mit Religionen durch den Regierungswechsel 1982 vgl.: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 16. Die wissenschaftliche Literatur zur transiciûn ist sehr umfangreich, einige hilfreiche Abhandlungen sind z. B.: Tusell, La transiciûn; Resina, Joan Ramon (Hg.), Disremembering the Dictatorship. The Politics of Memory in the Spanish Transition to Democracy, Portada Hispnica 8, Amsterdam/Atlanta 2000; Bernecker/Collado Seidel (Hg.), Spanien nach Franco. 388 Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 269. 389 Vgl.: Ebd., 272. Das publizistische Sprachrohr der gesellschaftspolitischen Wende wurde die dem PSOE nahestehende Tageszeitung El Pas. P¦rez-Daz sieht einen weiteren Erfolgsfaktor der transiciûn in dem Entstehen einer neuen demokratischen Kultur, vgl.: P¦rez-Daz, Vctor M., The Return of Civil Society. The Emergence of Democratic Spain, Cambridge/London 1993. 390 Eine ausführliche Analyse des Säkularisierungsprozesses der spanischen Gesellschaft findet sich in: Mayoral Cort¦s, Victorino, Libertad religiosa y laicidad: los lmites del modelo, in: La nueva realidad religiosa espaÇola: 25 aÇos de la Ley Orgnica de Libertad Religiosa, hg. v.: Ministerio de Justicia, Madrid 2006, 249 ff. Vgl. auch: Ders., EspaÇa: de la intolerancia al laicismo, Madrid 2006, 95 – 106. Mayoral Cort¦s kritisiert zu Recht, dass sich die Säkularisierung in Spanien ausschließlich auf den Katholizismus bezieht. Während der transiciûn nahm die Zahl der praktizierenden Katholiken Collado Seidel zufolge rapide ab (die Bezugsgröße ist der sonntägliche Kirchgang), bis Mitte der 1990er Jahre blieb sie dann relativ stabil, um bis zum Jahr 1999 auf einen Anteil von nur noch 25 % der Bevölkerung zu sinken. Für die 2000er Jahre geht Collado Seidel von etwa 17 % praktizierenden Katholiken aus, vgl.: Collado Seidel, Carlos, Spaniens tiefgreifender religiöser Identitätswandel, in: Bernecker (Hg.), Spanien heute, 307. Eine vom Kulturministerium im Jahr 1982 durchgeführte Umfrage unter Jugendlichen ergab, dass sich 34 % als „praktizierende Katholiken“ und 45 % als „nichtpraktizierende Katholiken“ bezeichneten. 17 % gaben an, nicht gläubig zu sein. Vgl.: Martnez Cort¦s, Javier, Religiûn, cultura, sociedad, in: Diaz Mozaz, Jos¦ Mara (Hg.), Religiûn e iglesia en el cambio poltico en EspaÇa, in: Informe sociolûgico sobre el cambio social en EspaÇa 1975/1983. IV Informe FOESSA – Volumen II, hg. v.: Fundaciûn FOESSA, Madrid 1983, 626.
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„Judenbilder“ seit der transiciûn
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wanderung vor allem aus muslimisch geprägten Ländern verstärkt.391 Spanien ist gegenwärtig zwar auch weiterhin ein mehrheitlich katholisches Land, der Katholizismus wird dabei aber weniger als „Ausdruck tief empfundener Religiosität“ denn vielmehr als „Teil der kulturellen Identität“ verstanden.392 Auch die öffentliche Präsenz der religiösen Minderheiten hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. So erhielten z. B. die jüdischen Gemeinden eine Sendezeit innerhalb des Programms „Tiempo de creer, tiempo de renacer“, das vom staatlichen Fernsehsender TVE ausgestrahlt wird.393 Die mit der transiciûn einsetzende Demokratisierung ging mit der Suche nach einer neuen „Normalität“ einher, das nationale Selbstverständnis musste den veränderten Rahmenbedingungen angepasst und demokratisch legitimiert werden. Es setzte ein Prozess der Angleichung an den europäischen Kontext ein, der auch den Versuch einer Ankoppelung der spanischen an die europäische Geschichte umfasste. Spanien sollte aufhören, „anders“ zu sein.394 391 Vgl.: Mayoral Cort¦s, Libertad religiosa, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 248, 266. Razûn y Fe gab unter Verweis auf das Religionsregister für Ende der 1970er Jahre eine Zahl von 500.000 Nicht-Katholiken an, was etwa 1,5 % der Gesamtbevölkerung entsprach, davon waren etwa 200.000 Moslems, 120.000 Protestanten und nur 2000 Juden. Über die restliche Gruppe von etwa 180.000 Personen finden sich keine weiteren Angaben, vgl.: Lorente, Juan, Sin pena ni gloria. Ley de libertad religiosa, in: Razûn y Fe, 988/1980, 522. Zum Zusammenhang von kulturell-religiösem Pluralismus und Einwanderung vgl.: Martnez, Julio L., Inmigraciûn, convivencia y pluralismo religioso, in: Ebd., 1297/2006, 231 – 251. Ein von Antonio Izquierdo Escribano vorgelegter, auf offiziellen Daten basierender Bericht über Einwanderung stellte eine Verdoppelung der Immigration zwischen 1980 und 1990 fest. Vgl.: Iriart, Carlos, EspaÇa. Pas de inmigraciûn, in: Am¦rica 92, 8/1991, 29. 392 Bernecker, Geschichte Spaniens, 312. So gewinnen z. B. auch folkloristische Elemente an Bedeutung. Vgl.: Tornos, Andr¦s, La iglesia catûlica en la EspaÇa de hoy, sujeto de actividad social, in: Diaz Mozaz (Hg.), Religiûn e iglesia, in: Informe sociolûgico sobre el cambio social – Volumen II, 546. 393 Vgl.: „Tiempo de creer, tiempo de renacer“, in: Renacer. CIM/UJJM, 1/1984, 3 – 4. Im Jahr 1990 wurde die Regelmäßigkeit der Ausstrahlung des jüdischen Programms Shalom im Rahmen der Sendung „Tiempo de creer“ von einer Sendung alle vier Wochen (seit 1989) auf eine alle drei Wochen erhöht. Die FCJE gab eine Zuschauerzahl von mehr als 1,5 Millionen an, vgl.: Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, ConvenioEstado. Auch die Protestanten und die Muslime erhielten entsprechende Sendezeiten. Vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 81. 394 Vgl.: Collado Seidel, Carlos, Überlegungen zu Nation und Nationalbewußtsein in Spanien, in: Ders./König, Andreas (Hg.), Spanien: Mitten in Europa. Zum Verständnis der spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität, Sozialwissenschaftliche Beiträge zur europäischen Integration 5, Frankfurt a.M./London 2002, 73. „Die erhoffte EG-Mitgliedschaft wurde mit der Rückkehr zur ,Normalität‘ und in das ,gemeinsame Haus‘ Europa, mit marktwirtschaftlicher Modernisierung und Absicherung der demokratischen Entwicklung gleichgesetzt.“ (Bernecker, Geschichte Spaniens, 293.) Bernecker spricht für die Folgejahre von einer regelrechten „Europhilie“, vgl.: Ebd., 295. Zu den Hoffnungen, die sich mit Europa verbanden, vgl. auch: Wert, Jos¦ Ignacio, La opiniûn pfflblica en el decenio del cambio, in: Tusell, Javier/Sinova, Justino (Hg.), La d¦cada socialista. El ocaso de Felipe Gonzlez, Madrid 1992, 85 – 89. Zum spanischen Patriotismus/Nationalismus nach 1975 vgl. die verschiedenen Publikationen von NfflÇez Seixas, z. B.: Ders., Spanischer Nationalismus und Geschichtspolitik am Anfang des 21.
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Mit dem charakteristischen Slogan „Spanien ist anders“ hatte das franquistische Regime seit den 1960er Jahren einen Spagat zwischen der Förderung der Tourismusindustrie durch das Anpreisen der spanischen Exotik gegenüber dem Ausland und der Betonung der spanischen Andersartigkeit zur Legitimierung nach innen versucht.395 Die von liberalen Intellektuellen bereits 200 Jahre zuvor vertretene These, dass die Lösung für Spaniens Probleme in Europa liege, gewann so seit der transiciûn eine neue Aktualität.396 Die lange Regierungsphase des sozialdemokratischen PSOE von 1982 bis 1996 unter Ministerpräsident Felipe Gonzlez führte zu einer Einbindung Spaniens in die internationale Gemeinschaft, insbesondere durch den Beitritt zur Nato (1982) und zur Europäischen Gemeinschaft (1986). Höhepunkte der Europäisierung waren die Auszeichnung Madrids als Kulturhauptstadt im Jahr 1992 sowie der Vorsitz in der Europäischen Gemeinschaft, den Spanien in der zweiten Jahreshälfte 1995 innehatte.397 Eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, politische Skandale und Korruptionsaffären führten 1996 allerdings zu Neuwahlen, die die von Jos¦ Mara Aznar angeführte konservative Volkspartei Partido Popular (PP) gewann, die aus der von Manuel Fraga Iribarne gegründeten Falange-Nachfolgepartei Alianza Popular hervorgegangen war. Der geordnete Machtwechsel in der Regierung wurde in Spanien als Beweis der Demokratiefähigkeit aufgefasst.398 Zentral für die zweite Regierungsphase des PP ab 2000 war der Paradigmenwechsel in der Außenpolitik, der auf eine Protagonistenrolle Spaniens innerhalb des „neuen Europas“ zielte. Innenpolitisch gewann während der PP-Regierungszeit die Einwanderungsthematik an Bedeutung.399 Im medialen Fokus standen dabei vor allem muslimische
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Jahrhunderts: Neue oder alte Diskurse?, in: Menny/Voß (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 17 – 38. Unter Rafael Calleja wurde dieser Slogan zentral in der spanischen Tourismuswerbung. Vgl. dazu: Pack, Sasha D., Tourism and Dictatorship. Europe’s Peaceful Invasion of Franco’s Spain, New York/Hampshire 2006, 68 – 72. Der Slogan wurde im In- und Ausland schnell zur Kritik an Spanien umgedeutet, vgl.: Balfour/Quiroga, The Reinvention of Spain, 40. Die gesellschaftspolitischen Umbrüche brachten allerdings nicht nur Impulse für den demokratischen Toleranz-Diskurs, sondern führten Ende der 1970er Jahre auch zu einer erneuten Antisemitismuswelle in Spanien. Vgl.: P¦rez-Daz, The Return of Civil Society, 1. Eine solche Position vertrat auch Ortega y Gasset, der die viel zitierte Formel prägte „EspaÇa era el problema y Europa la soluciûn“, Ortega y Gasset, Jos¦, Ensayos sobre la „Generaciûn del 98“ y otros escritores espaÇoles contemporneos, Madrid 1981, 19. Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 299 – 302. Der Wunsch nach einer Integration Spaniens in die Europäische Gemeinschaft einte das gesamte Parteienspektrum, dabei blieb der EuropaBegriff unscharf, Europa wurde zum Symbol für Freiheit, Frieden und Modernisierung. Vgl.: Abelln, Joaqun, Der Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft in den 1980er Jahren, oder: Warum die Spanier für Europa votierten, in: Themenportal Europäische Geschichte (2006), http://www.europa.clio-online.de/2006/Article=81, 13. 7. 2011. Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 323. Für das Jahr 2004 gibt Bernecker eine Zahl von 2,5 Millionen Ausländern an, von denen etwa
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Einwanderer aus Nordafrika, die verbal zu einer Bedrohung für die spanische Nation stilisiert wurden.400 Nachdem die Wahl 2004 zu einem Sieg des PSOE unter Jos¦ Luis Rodrguez Zapatero geführt hatte, stellten die Sozialdemokraten das Konzept eines „pluralen Spaniens“ in den Mittelpunkt.401 Die Existenz einer pluralistischen Gesellschaft, in der verschiedene Religionen und Kulturen koexistieren, hatte seit Beginn der transiciûn zu einer Renaissance der Erinnerung an die mittelalterliche Toleranz zwischen den Drei Kulturen auf der Iberischen Halbinsel geführt, die sich in einer Vielzahl von Publikationen,402 Ausstellungen und Veranstaltungen ausdrückte.403 Das Wachrufen dieser trikulturellen Vergangenheit diente dabei oftmals der Konstruktion einer jahrhundertealten Tradition von Toleranz und demokratischen Werten.404 So stellte z. B. der erstmals im Oktober 1982 in Toledo veranstaltete internationale Kongress „Treffen der Drei Kulturen“ die Bedeutung des trikulturellen Erbes der Stadt heraus und forderte eine Neuauflage des „toledanischen Geistes“, verstanden als das respektvolle Zusammenleben von verschiedenen Kulturen, Religionen und Sprachen.405 Den Höhepunkt der Hinwendung zur jüdischen Vergangenheit
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853.000 illegal in Spanien lebten. Die Illegalisierung der Immigration wurde durch die Verschärfung des Ausländerrechtes ausgeweitet, vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 328. Vgl.: Voß, Die zweite Reconquista?, in: Menny/Dies. (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 58 f. Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 329; Blas Guerrero/Gonzlez Cuevas, El concepto de naciûn, in: Claves de Razûn Prctica, 136/2006, 15. Vgl. zum vom PSOE vertretenen Konzept eines pluralen Spanien auch das Wahlprogramm der Partei: Merecemos una EspaÇa mejor. Programa electoral. Elecciones Generales 2004, https://www.psoe.es/organizacion/docs/ 455008/page/programa-electoral-elecciones-generales–2004.html, 10. 6. 2011. Der überraschende Wahlsieg des PSOE muss auf das Verhalten der PP-Regierung nach dem am 11. 3. 2004 verübten Anschlag auf Madrider Vorortzüge zurückgeführt werden. Trotz Hinweisen auf eine Täterschaft islamistischer Terroristen beharrte sie auf ihrer These eines ETA-Anschlages. Das Konzept eines „pluralen Staates“ findet sich allerdings auch schon in einer Rede des vorherigen Ministerpräsidenten Aznar aus dem Jahr 2000, vgl.: Conferencia de Jos¦ Mara Aznar sobre „EspaÇa: libertad, pluralidad y constituciûn“, 8. 2. 2000, http://www.jmaznar.es/discursos/ pdfs/00900 A0900.pdf, 27. 7. 2011. Vgl. z. B.: Anes y Ýlvarez de Castrillûn (Hg.), Las tres Culturas; Vidal, C¦sar, EspaÇa frente a los judos: Sefarad. Del profeta Jons a la expulsiûn, Madrid 2006. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Gründung des Inquisitionstribunals veranstaltete z. B. die Universidad Autûnoma Madrid im September 1978 ein Symposium in Cuenca, auf dem der bisherige Kenntnisstand über die Inquisition erstmals systematisch zusammengetragen wurde. Vgl.: „La inquisiciûn, quinto aniversario“, in: Historia 16, 31/1978, 19. Zur Frage der Anwendbarkeit der historischen Toleranz in al-Andalus auf moderne Gesellschaften vgl.: Mrquez Villanueva, Francisco, La tolerancia medieval y la nuestra, in: Claves de Razûn Prctica, 183/2008, 4 – 6. Darin heißt es: „La respuesta no puede ser sino terminante: ninguna [utilidad, A. M.] en el sentido de recetas intercambiables por encima del tiempo y el espacio. Pero s un ejemplo aleccionador si se atiende a sus motivaciones de base humana, con las tres comunidades aunadas en una decisiûn pragmtica de ceder en terrenos que se dira irrenunciables, en aras a suicidas alternativas de caos y de exterminios.“ (Ebd., 6). „Pero precisamente por ello, el espritu toledano se hace affln ms necesario: es preciso establecer la concordia en la convivencia entre distintas culturas, religiones y lenguas; el respeto a
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bildete das Gedenkprogramm Sefarad 92 im Jahr 1992. Auch unterhalb der offiziell-öffentlichen Ebene nahm das Interesse an der jüdischen Vergangenheit des Landes zu.406 Es ist daher davon auszugehen, dass die Hinwendung zu den plurikulturellen Wurzeln des Staates auch als eine Reaktion auf das Ende der erzwungenen gesellschaftlichen Homogenität im Franquismus gelesen werden kann, woraus sich eine besondere (Eigen-)Dynamik ergab. Inwieweit ging einerseits mit der Aufweichung der nationalkatholischen Doktrin im offiziellen Selbstverständnis des Staates und andererseits mit dem gesellschaftlichen Säkularisierungsprozess eine gewandelte Haltung gegenüber Juden einher? Und inwieweit setzte sich das für den franquistischen Regierungsdiskurs charakteristische Denkschema, das zwischen philosephardischer Nostalgie und antisemitischen sowie antiisraelischen Bedrohungsängsten oszillierte, fort? Diese von der Forschung bislang vernachlässigten Aspekte werden an der Reaktion auf drei Ereignisse der spanisch-jüdischen Geschichte nach 1975 und deren Rezeption herausgearbeitet. Am Beispiel der Tagung des Jüdischen Weltkongresses 1976, der Anerkennung Israels 1986 und der Gründung der Casa Sefarad-Israel 2006/07 werden zugleich drei unterschiedliche Phasen beleuchtet: die transiciûn, die junge Demokratie und das aktuelle Spanien. Da Regierungsdokumente aus der Zeit nach 1975 noch weitgehend den Sperrfristen unterliegen, wird in diesem Kapitel verstärkt auf Presseartikel zurückgegriffen, die Hinweise auf den öffentlichen Diskurs geben können, aber vor allem dazu dienen, die Haltung des spanischen Staates zu rekonstruieren.
las Artes, a la Ciencia y la Investigaciûn, en todas sus facetas, como un patrimonio universal de la humanidad“, Sancho de San Romn, Rafael, Presentaciûn, in: Ayuntamiento de Toledo (Hg.), I Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“, 3 – 7 octubre 1982, Toledo 1983, 16. Während das Zitat auf die Gegenwart Bezug nimmt, konzentrierten sich die Beiträge im Rahmen der Internationalen Kongresse auf die mittelalterliche convivencia. Der Kongress wurde von der Stadt Toledo in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kultureinrichtungen und der Real Academia de Bellas Artes veranstaltet und fand in den Jahren 1982 bis 1985 statt. Warum die Tagung danach nicht fortgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Vgl.: Ayuntamiento de Toledo (Hg.), I Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“; Ders., Actas del II Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“, 3 – 6 octubre 1983, Madrid 1985; Carrete Parrondo, Carlos (Hg.), Actas del III Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“ (Toledo, 15 – 17 octubre 1984), Toledo 1988; Ders., Actos del IV Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“ (Toledo, 30 septiembre – 2 octubre 1985), Toledo 1988. 406 Zur individuellen Dimension der „Relektüre“ der Vergangenheit vgl.: Rozenberg, Die ,Rückkehr‘ der Juden, in: Tranvia, 53/1999, 12. Die Lücke zwischen dem neuen Interesse an sephardischen Themen und der großen Unkenntnis über das Judentum und die jüdische Geschichte bei großen Teilen der Bevölkerung beschreibt Daz-Mas, Los Sefardes, 239 – 242.
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3.1 Der Jüdische Weltkongress in Madrid. Eine Leerstelle im offiziellen Diskurs Wenn die transiciûn aus der Perspektive der spanisch-jüdischen Geschichte untersucht wird, dann stellt die Versammlung des Jüdischen Weltkongresses in Madrid ein zentrales Ereignis dar, das in der zeitgenössischen Wahrnehmung in den Kontext des politischen Transformationsprozesses gesetzt wurde. In König Juan Carlos, der 1969 von Franco zu seinem Nachfolger bestimmt worden war, setzten während der transiciûn viele Akteure große Hoffnungen: Die einen sahen in ihm einen Garanten für Kontinuität, die anderen eine Stütze des demokratischen Reformprozesses.407 Für die jüdischen Gemeinden bedeutete der Machtantritt des Königs die Möglichkeit für verbesserte Rahmenbedingungen ihrer Existenz. In den ersten Jahren der transiciûn erfüllte der spanische König diese Erwartungen: Bereits kurz nach seiner Inthronisierung und noch vor der Verabschiedung der neuen Verfassung hatte Juan Carlos eine Delegation der Sephardischen Weltföderation sowie die Präsidenten der jüdischen Gemeinden aus Madrid und Barcelona empfangen. Im Mai 1976 besuchte Königin Sofa im Rahmen eines von der madrilenischen Universidad Autûnoma angebotenen Seminars zum Judentum einen Schabbat-Gottesdienst in der Synagoge in Madrid.408 Obwohl die 407 Vgl.: Bernecker, Walther L., Die Rolle von König Juan Carlos, in: Ders./Collado Seidel (Hg.), Spanien nach Franco, 150 – 170. Bernecker sieht im König einen „Motor des Wandels“, Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 270 f. Die geschichtswissenschaftliche Forschung schrieb dem König lange Zeit eine herausragende Bedeutung für den Erfolg des Demokratisierungsprozesses zu. Erst in jüngerer Zeit wurde seine Rolle zugunsten der Betonung des Zusammenwirkens unterschiedlicher Faktoren relativiert. P¦rez-Daz betont z. B. die Rolle der Zivilgesellschaft und die bereits ab den 1950er Jahren einsetzenden Veränderungen innerhalb des franquistischen Staates für den Transformationsprozess, vgl.: P¦rez-Daz, The Return of Civil Society. 408 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 238 f; Lisbona, Retorno a Sefarad, 305 f; Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 257. Für die Pressereaktionen auf den Besuch der Königin in der Synagoge in Madrid vgl. z. B.: „La Reina visitar la sinagoga de Madrid“, in: La Vanguardia, 27. 5. 1976, 6; „La Reina visita hoy la sinagoga de Madrid“, in: El Pas, 28. 5. 1976; „La Reina, en la sinagoga de Madrid“, in: ABC, 29. 5. 1976, 1; „La Reina visitû ayer la sinagoga de Madrid“, in: ABC, 29. 5. 1976, 87; „La Reina, en la Sinagoga“, in: Arriba, 29. 5. 1976, 1; A., P., La Reina visitû la sinagoga, in: Arriba, 29. 5. 1976, 8 und auf der Titelseite: „La reina, en la sinagoga de Madrid“. Ya schrieb zu diesem Ereignis: „siendo la primera vez desde 1492, fecha en que los judos fueron expulsados de nuestro pas por los Reyes Catûlicos, que una persona relacionada con la Jefatura del Estado espaÇol est presente en una ceremonia religiosa de la comunidad israelita“ („La Reina, en la Sinagoga“, in: Ya, 29. 5. 1976, 6.). ABC betonte die positive Resonanz in der US-amerikanischen Presse auf den Besuch in der Synagoge, vgl.: „La prensa norteam¦ricana elogia la visita de la reina a la sinagoga de Madrid“, in: ABC, 30. 5. 1976, 80. Auch vor 1975 hatte es vereinzelte Kontakte zwischen dem zukünftigen spanischen König und Vertretern der jüdischen Gemeinden gegeben. Im Rahmen der USA-Reise im Juni 1976 kam es zu einem Treffen zwischen dem König, dem Außenminister Jos¦ Mara de Areilza und Vertretern des Jüdisch-Amerikanischen Komitees. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 303 – 308.
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Königin nicht in ihrer offiziellen Repräsentationsfunktion, sondern als Seminarteilnehmerin auftrat, wurde das Ereignis in der spanischen Presse breit rezipiert und der erste Besuch eines Mitgliedes des Königshauses in einer Synagoge in der jüngeren spanischen Geschichte als „historisches Datum“ gewertet.409 Informaciones schrieb: „Fast fünfhundert Jahre nachdem für die hispanischen Juden (,Sephardim‘) eine neue Diaspora begann, […] hat eine Königin von Spanien, doÇa Sofia, am Samstag Nachmittag (dem heiligen Tag im Judentum, dessen Ritual bereits am Freitag Nachmittag beginnt) einem festlichen Gebet in der modernen Synagoge von Madrid beigewohnt“.410
Im Dezember desselben Jahres fand die Versammlung des europäischen Zweiges des Jüdischen Weltkongresses erstmals in Spanien, in der Hauptstadt Madrid, statt. Auffällig ist zunächst die mediale Ankündigung des Ereignisses im Vorfeld sowie die verhältnismäßig umfangreiche Berichterstattung. Daraus lässt sich zum einen auf gelockerte Zensurbestimmungen und zum anderen auf ein neu erwachtes Interesse an jüdischen Themen schließen. Dieses zeigte sich kurze Zeit später erneut an der medialen Berichterstattung über die Grundsteinlegung für die jüdische Schule Ibn Gabirol in Madrid, die im Anschluss an den Kongress stattfand.411 Ebenso wie der Synagogenbesuch der Königin waren diese Ereignisse bereits für die Zeitgenossen Belege für den einsetzenden Demokratisierungsprozess und besaßen als solche Symbolkraft. Dass die Versammlung erlaubt und die offizielle Teilnahme eines Regierungsvertreters in Aussicht gestellt worden war, deutet auf einen Bruch in der offiziellen Haltung hin. Es ist zu vermuten, dass die spanische Regierung mit der Genehmigung des Kongresses, die in den 1960er Jahren noch entschieden zurückgewiesen worden war,412 ein symbolisches Zeichen für die neue ge409 „fecha histûrica“, „La reina visitû ayer la sinagoga de Madrid“, in: ABC, 29. 5. 1976, 87. 410 „Casi quinientos aÇos despu¦s de que para los judios hispnicos (,sefardim‘) comenzase una nueva dispora […] una Reina de EspaÇa, doÇa Sofia, ha asistido a la solemne oraciûn de la tarde de sbado (Da sagrado hebreo, que en su ritual comienza en lo que es viernes por la tarde civil) en la moderna sinagoga de Madrid“, „La Reina, en la sinagoga de Madrid“, in: Informaciones, Madrid, 29. 5. 1976; ACEJC, „Sinagoga“. 411 Vgl.: Bermejo, Jos¦ Mara, MaÇana se pondr la primera piedra del colegio judo de Madrid Ibn Gabirol, in: Ya, 5. 12. 1976, 18; „Primera piedra del colegio judo de Madrid“, in: El Pas, 7. 12. 1976; „Inauguraciûn de un colegio judo“, in: Arriba, 20. 12. 1977; Archivo Linz, R–4524. Lisbona zufolge war ursprünglich die Anwesenheit des Bildungsministers Aurelio Men¦ndez Men¦ndez bei der Grundsteinlegung geplant gewesen, aber aufgrund der arabischen Kritik an der Ausrichtung der Jahresversammlung des Jüdischen Weltkongresses abgesagt worden, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 311. 412 Zu den Gerüchten um die angebliche Veranstaltung einer Konferenz des Jüdischen Weltkongresses in Madrid vgl. z. B.: Schreiben von Subsecretario del Ministerio de Educaciûn y Ciencia an Subsecretario de Asuntos Exteriores, Madrid, 8. 10. 1966; AMAE, Leg. R 15123/10. Zur Klarstellung vgl.: Telegramm von Ministerio de Asuntos Exteriores, Ýfrica an alle Botschaften in arabischen Ländern, Madrid, 3. 9. 1966; AMAE, Leg. R 15123/10.
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sellschaftliche Form des Zusammenlebens setzen wollte.413 Auch die Presse versuchte die Genehmigung als Ausdruck des nunmehr demokratischen Charakters des spanischen Staates und als Neubeginn in den offiziellen Beziehungen zum Judentum erscheinen zu lassen. Um die historische Bedeutung dieses Ereignisses zu unterstreichen, scheuten die Verfasser in den untersuchten Artikeln – im Unterschied zur Phase des Franquismus – den Verweis auf das Jahr 1492 nicht. So schrieb La Vanguardia am 3. Dezember 1976: „Zum ersten Mal seit 1492, dem Datum, als die Juden aus politischen und religiösen Motiven aus Spanien vertrieben wurden, wird in Spanien ein jüdischer Kongress stattfinden.“414 Verschiedene Zeitungsartikel gaben außerdem die Einschätzung des Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses, Nahum Goldmann, wieder, demzufolge es sich bei dem Kongress um die Versöhnung zwischen Spanien und den Juden handele.415 Die Zeitung Diario 16 führte eine weitere Interpretationsmöglichkeit des Kongresses an, indem sie diesen als ein Zeichen der jüdischen Unterstützung für den politischen Wandel in Spanien gedeutet wissen wollte.416 Damit übereinstimmend, betonte der Vizepräsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, Bertram Schader, gegenüber der Tageszeitung Ya: „Als Juden – und allgemein marginalisierte Gemeinden – fühlen wir uns in einem demokratischen Ambiente mit Religions- und Meinungsfreiheit sicherer, gerade da wir im Laufe der Geschichte aus Intoleranz und Rassismus verfolgt wurden.“417 413 Einen Hinweis darauf gibt: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3. Zur Genehmigung und Motivation der Regierung fanden sich in den konsultierten Archiven keine Unterlagen. 414 „Por primera vez desde 1492, fecha en la que fueron expulsados de EspaÇa los judos por motivos polticos y religiosos, se va a celebrar en EspaÇa un Congreso Judo.“, Infiesta, Jesffls, Madrid: El sbado comienza el Congreso Judo, in: La Vanguardia, 3. 12. 1976, 25. Zur Berichterstattung im Vorfeld des Kongresses vgl. auch: Conte, Rafael, Congreso Judo europeo, en Madrid, in: Informaciones, 2. 12. 1976; Hieras, Jesffls de la, MaÇana comienza el Congreso Judo Europeo, en Madrid, in: El Pas, 3. 12. 1976; beides OID-Archiv ; „El Rey recibir a Nahum Goldmann“, in: Diario 16, 2. 12. 1976, 32; „Congreso Judo Mundial. La rama europea se reune hoy en Madrid“, in: Arriba, 4. 12. 1976, 14. Die Times kritisierte dennoch, dass über das Ereignis in der spanischen Presse kaum berichtet wurde, vgl.: Debelius, Harry, Jews gather in Spain after 500 years, in: The Times, 6. 12. 1976; OID-Archiv. 415 Vgl.: „Relaciones EspaÇa-Israel“, in: Arriba, 4. 12. 1976; OID-Archiv; Conte, Rafael, Congreso Judo Europeo en Madrid, in: Informaciones, 2. 12. 1976; AMAE, Leg. R 13868. Für den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Madrid, Philippe Halioua, stellte die Konferenz, wie La Vanguardia schrieb, das Interesse des internationalen Judentums an den in Spanien lebenden Glaubensgenossen unter Beweis, vgl.: „Comenzû en Madrid el congreso internacional judo“, in: La Vanguardia, 5. 12. 1976, 9. 416 Vgl.: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3. Diese Ansicht vertritt auch Israel Garzûn, vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 75. 417 „Los judos – y, en general, las comunidades marginadas – nos sentimos ms seguros en un ambiente democrtico de libertad de religiûn y de expresiûn, precisamente porque hemos sido perseguidos a lo largo de la historia por la intransigencia y por el racismo.“, zit.n.: Bermejo, Jos¦ Mara, MaÇana se pondr la primera piedra del Colegio Judo de Madrid Ibn Gabirol, in:
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Nahum Goldmann hatte hingegen einen Zusammenhang zwischen der Wahl des Ortes Madrid und dem Ende der Franco-Diktatur auf der Pressekonferenz im Rahmen der Tagung entschieden zurückgewiesen.418 In der Tageszeitung El Pas relativierte Goldmann die Bedeutung von Francos Tod als Wendepunkt: „auch wenn die Linken mich als Franquisten bezeichnen könnten, muss ich aus Gründen der Wahrheit sagen, dass der verstorbene General Franco sich gegenüber den Juden gut verhielt und sich zu keinem Zeitpunkt den nationalsozialistischen, antisemitischen Gesetzen von Nürnberg unterwarf.“419
Goldmann hob die Tradition der Juden in Spanien hervor und bemühte sich, die Tagung nicht als ein singuläres Ereignis ohne Vorgeschichte erscheinen zu lassen. Diese versöhnliche Haltung Goldmanns setzte ein Verhaltensmuster fort, wie es bereits für den Umgang mit der franquistischen Regierung bei einigen jüdischen Repräsentanten festgestellt wurde. Während jüdische Teilnehmer sich gegenüber der Presse äußerten, blieben öffentliche Stellungnahmen der Regierung aus. In ABC war daher die Rede von einer „merklichen Stille“ und einer „seltsamen Nervosität der spanischen Diplomatie“.420 Diario 16 registrierte einen „offiziellen Boykott“ der Versammlung des Jüdischen Weltkongresses.421 Daran wird deutlich, dass die Leerstelle in der Debatte, die durch das Fehlen einer offiziellen Reaktion entstanden war, von den Zeitgenossen wahrgenommen und als Unsicherheit gedeutet wurde. Erst nachdem einige Botschafter arabischer Länder Kritik geäußert und arabische Studenten während der Eröffnungsveranstaltung vor dem Tagungsort in Madrid gegen die „zionistische Politik“ Israels protestiert hatten, sah sich die OID dazu veranlasst, Stellung zu beziehen und die Versammlung zu einer Privatveranstaltung des Jüdischen Weltkongresses zu erklären, welche keinerlei Auswirkungen auf das freundschaftliche Verhältnis zu den ara-
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Ya, 5. 12. 1976, 18. In der Zeitschrift der Grupo Sionista Independiente Madrid wurde die Veranstaltung als wichtigstes Ereignis in der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte beschrieben, vgl.: „Del renacimiento del sefardismo“, in: Garin, 14/1979, 33 – 34. Vgl.: Ministerio de Informaciûn y Turismo. Gabinete de Enlace del Ministro, Nota Informativa, 3. 12. 1976; AGA, (3) 104.04, Cj. 573 (70663). „a pesar de que los izquierdistas pudieran motejarme de franquista, en honor a la verdad, debo decir que el fallecido general Franco se portû bien con los judos y en ningffln momento optû por las leyes nazis antisemitas de Nuremberg.“, zit.n.: „Nahum Goldman, ,Franco se portû bien con los judos‘“, in: El Pas, 4. 12. 1976. Vgl. auch: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3; Ministerio de Informaciûn y Turismo. Gabinete de Enlace del Ministro, Nota Informativa, 3. 12. 1976; AGA, (3) 104.04, Cj. 573 (70663). In der Presse wurde Goldmann allerdings auch mit der Aussage zitiert, dass er eine Einladung Francos einige Jahre zuvor abgelehnt habe. Vgl.: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3. „perceptible silencio“; „especial nerviosismo de los medios diplomticos espaÇoles“, „Un congreso sin toda la regla“, in: ABC, 11. 12. 1976, 42. „boicot oficial“, zit.n.: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Coordinaciûn, 6. 12. 1976; AGA, (3)104.04, Cj. 573(70663).
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bischen Staaten habe.422 Diese Einordnung hatte eine Absage der angekündigten Teilnahme von offiziellen Vertretern der Regierung zur Folge. Die ursprünglich geplante Eröffnungsrede des Staatssekretärs im Justizministerium, Rafael Mendizbal, der auch Vorsitzender der Interministeriellen Kommission für Religionsfreiheit (Comisiûn Interministerial de Libertad Religiosa) war, wurde in letzter Minute gestrichen.423 Auch eine geplante Audienz einiger Vertreter des Jüdischen Weltkongresses bei König Juan Carlos fand mit Rücksicht auf mögliche Komplikationen nicht statt.424 Damit hatte ein Umschwenken von einer religionspolitischen zu einer außenpolitischen Perzeption des Treffens innerhalb der Regierung stattgefunden. Der Jüdische Weltkongress, der vermutlich die Annäherung an die neuen spanischen Autoritäten nicht gefährden wollte, begründete die Rücknahme seines Ersuchens um eine Audienz beim König damit, dass dieser nicht in eine „persönlich schwierige Lage“ gebracht werden sollte.425 Erst in einer abschließenden 422 Zu Kritik und Protesten vgl.: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Coordinaciûn, 4. 12. 1976; AGA (3)104.04, Cj. 573(70663). Zur Berichterstattung über die Kritik an dem Kongress auf arabischer Seite vgl. z. B.: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3; „Comenzû en Madrid el Congreso internacional judo“, in: La Vanguardia, 4. 12. 1976, 9; Montesinos, Jesffls, Boicot oficial al Congreso Judo, in: Diario 16, 6. 12. 1976; beide OID-Archiv; „Manifestaciûn de estudiantes rabes“, in: Arriba, 5. 12. 1976, 16. Zur Reaktion der OID vgl.: Oficina de Informaciûn Diplomtica, Nota Informativa 1058/76, Madrid, 13. 12. 1976; OID-Archiv. Auch einige Zeitungsberichte relativierten unter Berufung auf „offizielle Quellen“ angesichts der Proteste die Bedeutung der Versammlung, vgl.: „Hoy se inicia en Madrid el Congreso Judo Mundial“, in: Ya, 4. 12. 1976, 57; „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 309 – 312. Israel Garzûn wertet auch den Anschlag auf die madrilenische Synagoge am 24. 12. 1976 als eine Reaktion auf die Ausrichtung des Kongresses in Spanien, vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos sobre los judos espaÇoles, in: Martn Snchez/Gonzlez Snchez (Hg.), Los judos en EspaÇa, 48. 423 Vgl.: „El Consejo Mundial Judo no mediar entre EspaÇa e Israel“, in: Diario 16, 4. 12. 1976, 3; „Comenzû en Madrid el Congreso internacional judo“, in: La Vanguardia, 4. 12. 1976, 9; OIDArchiv. Arriba berichtete allerdings, dass der Bürgermeister von Madrid bei der in den Räumen der jüdischen Gemeinde organisierten Abschlussveranstaltung anwesend gewesen sei, vgl.: „Clausura del Congreso Judo Mundial“, in: Arriba, 7. 12. 1976, 14. 424 Vgl.: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Coordinaciûn, 6. 12. 1976; AGA, (3) 104.04, Cj. 573(70663). Zur Absage der offiziellen Vertreter des spanischen Staates vgl. auch: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Coordinaciûn, 4. 12. 1976; AGA, (3)104.04, Cj. 573(70663); Lisbona, Retorno a Sefarad, 309. 425 „situaciûn personal difcil“, „Los judos no vern al Rey“, in: Diario 16, 7. 12. 1976; OID-Archiv. Die New York Times führte die Absage auf die CJM zurück und zitierte ein namentlich nicht benanntes Führungsmitglied der Gemeinde mit den Worten: „We are concerned with maintaining the excellent relations we have had – always – with King Juan Carlos.“ („Arab pressure on Spain is hinted as Jews cancel talks with King“, in: NYT, 7. 12. 1976; OID-Archiv.) Lisbona zufolge intervenierte das Außenministerium bei der jüdischen Gemeinde in Madrid, dass Goldmann die Bitte um eine Audienz zurückziehen möge, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 310. In einer Pressemitteilung fällt die Kritik Nahum Goldmanns schärfer aus, das spanische Verhalten komme einer Kränkung des Jüdischen Weltkongresses gleich, vgl.: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Direcciûn, 6. 12. 1976; AGA, (3) 104.04, Cj. 573 (70663).
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Stellungnahme kritisierte der Kongress die Politisierung der Versammlung in der Öffentlichkeit: „Der Kongress bedauert, dass die Ausrichtung einer internationalen Versammlung von Vorsitzenden jüdischer Gemeinden in Spanien nicht in eben diesem historischen Zusammenhang begriffen wurde, sondern vielmehr in Verbindung mit den spanischarabischen Beziehungen [gebracht wurde, A. M.]“.426
Durch die Proteste und die Kritik, aber vor allem durch das unentschlossene Verhalten der Regierung und des Königshauses war die Tagung des Jüdischen Weltkongresses von einem ursprünglich geplanten öffentlichen Bekenntnis zu einer plurikulturellen Gesellschaft, in der der Staat Beziehungen zu den religiösen Minderheiten unterhält, zu einem Zeichen der Unsicherheit geworden, welches das Fehlen einer klaren Position der Übergangsregierung offenlegte.427 Politik und Gesellschaft waren nach einer jahrzehntelangen Diktatur zu einer konsequenten Positionierung noch nicht bereit. Nach der Absage der Teilnahme von Regierungsvertretern blieb eine offizielle Botschaft an den Jüdischen Weltkongress und/oder an die Öffentlichkeit aus. Die Analyse der spanischen Tagespresse machte diese Leerstelle deutlich, weder Regierungsvertreter noch ein Sprecher des Königshauses wurden zitiert.428 Das erste wichtige Ereignis der spanisch-jüdischen Geschichte nach 1975 fand so keinen Niederschlag im öffentlich-offiziellen Diskurs.
426 „El Congreso lamenta que la celebraciûn en EspaÇa de una reuniûn internacional de dirigentes comunitarios judos no fue considerada en este contexto histûrico, sino ms bien en el contexto de las relaciones hispano-rabes“, zit.n.: „Se clausurû ayer el Congreso Mundial Judo“, in: Ya, 7. 12. 1976; OID-Archiv. Zur vom Jüdischen Weltkongress hevorgebrachten Kritik vgl. auch: Difusiûn informativa de la Direcciûn General de Coordinaciûn, 6. 12. 1976; AGA, (3)104.04, Cj. 573(70663). Der israelische Außenminister Jigal Allon kritisierte den Jüdischen Weltkongress angesichts der Vorfälle für seine Entscheidung, die Jahresversammlung in Madrid abzuhalten. Vgl.: Reuter-Pressemitteilung, 8. 12. 1976; OID-Archiv; Ducach, Teodoro, Crticas gubernamentales al Congreso Judo celebrado en Madrid, in: ABC, 9. 12. 1976, 7. Lisbona zufolge bedauerten auch viele jüdische Gemeinden und Organisationen im Ausland gegenüber den dortigen diplomatischen Vertretungen Spaniens die Vorfälle in Madrid und unterstrichen ihre Hoffnung auf eine baldige „echte“ Demokratie, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 311 f. Zur Reaktion der israelischen Regierung vgl.: Rein, In the Shadow, 212 f. 427 2007 kam es dann im Rahmen der Tagung des European Jewish Congress in Madrid und Marbella zu Treffen mit Ministerpräsident Zapatero sowie mit Vertretern verschiedener Ministerien. Vgl.: Benedetti, Claudia de, El Executive Meeting del European Jewish Congress en Madrid y en Marbella para el Da de la Memoria de 2007, in: Revista Focus, 55/2007, 6. 428 Auch in den konsultierten Archiven ergab sich diese Diskrepanz. So ist die mediale Berichterstattung über dieses Ereignis gut dokumentiert, interne Korrespondenzen oder Stellungnahmen fanden sich hingegen nicht.
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3.2 Die Anerkennung des Staates Israel als zentrales Ereignis der spanisch-jüdischen Geschichte Die Nicht-Existenz diplomatischer Beziehungen zwischen dem spanischen und dem israelischen Staat beeinflusste den Umgang der spanischen Regierung mit der jüdischen Gemeinschaft im In- und Ausland seit der Staatsgründung Israels 1948 bis zur gegenseitigen Anerkennung 1986 entscheidend. Häufig ergab sich eine Vermischung der Israelpolitik mit der Haltung gegenüber der eigenen jüdischen Bevölkerung. Die Furcht vor einer politischen Einflussnahme des israelischen Staates auf als spanisch erachtete Angelegenheiten führte zu einer zögerlichen und zurückhaltenden Position der Regierung und schränkte die Möglichkeiten zur Entfaltung eines religiösen Alltagslebens der jüdischen Bevölkerung ein. Für die jüdischen Gemeinden in Spanien war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem iberischen Land und Israel ein hochrangiges Ziel, dessen Verwirklichung mit der sich nach Francos Tod vollziehenden Demokratisierung umso dringlicher erschien. Der Dachverband der jüdischen Gemeinden Spaniens wertete das Jahr 1986 daher auf seiner Vollversammlung 1987 als eines der bedeutendsten für die Geschichte der spanischen Juden.429 Die spanische Position gegenüber Israel blieb auch nach 1975 durch die Gleichsetzung des Staates mit dem „jüdischen Volk“ bedingt – wenn auch unter veränderten und in den untersuchten Beispielen eher positiven Vorzeichen.430 Diese These wird anhand der unmittelbaren Reaktionen auf die am 17. Januar 1986 erfolgte Anerkennung Israels und anhand der (angestrebten) Rolle Spaniens als Vermittler im Nahost-Konflikt, welche durch die historischen Erfahrungen begründet wurde, überprüft. Nachdem sich die Politik der Nicht-Anerkennung bis mindestens 1975 fortgesetzt hatte und während der transiciûn die Möglichkeit einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen verpasst worden war, konnten erst mit dem Amtsantritt des Regierungspräsidenten Felipe Gonzlez 1982 die Weichen für
429 „El 17 de Enero de 1986, se establecieron las relaciones diplomticas entre EspaÇa e Israel, acontecimiento anhelado por todas nuestras Comunidades desde su reemplantaciûn en nuestro pas, y por cual hemos venido luchando con f¦ y esperanza“, Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn a la Asamblea General Ordinaria del 18 de junio de 1987; AFCJE. In den Folgejahren beobachtete die FCJE die spanisch-israelischen Beziehungen und kam auf ihrer Vollversammlung 1990 zu einer positiven Bewertung der Entwicklungen: „En los encuentros internacionales, y en particular en la fflltima reunion de ministros de AA.EE., el ministro espaÇol es hoy el mejor abogado de la causa de Israel.“, Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE. 430 Eine Verbindung zwischen der Geschichte der Juden in Spanien und der Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen dem iberischen Land und Israel stellt Rein in seiner Studie her, allerdings beschränkt er sich dabei weitgehend auf die Rolle einzelner Personen oder auf die Einordnung von Ereignissen in außenpolitische Überlegungen, vgl.: Rein, In the Shadow.
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eine offizielle Anerkennung gestellt werden. Von 1986 bis 1993 setzte eine Phase der Normalisierung in den diplomatischen Beziehungen ein.431 Allerdings hatten sich bereits in den Jahrzehnten zuvor sowohl einzelne Personen als auch Kultureinrichtungen für eine Annäherung zwischen den beiden Staaten eingesetzt. Ein besonderes Engagement zeigten einige Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Spanien. Für den ersten spanischen Vorstoß zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel Anfang des Jahres 1949 hatte sich das Regime Daniel FranÅois Baroukhs bedient, der später Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid wurde.432 Er sollte als Vermittlungsperson fungieren, da sein Cousin Eliahu Eliachar der israelischen Knesset angehörte.433 Weitere Annäherungsversuche waren über den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Barcelona, Enrique Benarroya, und dessen Kontakte in die Knesset oder über Ignacio Bauer erfolgt.434 Verschiedene Diplomaten würdigten rückblickend in einem Nachruf auf den zeitweiligen Vizepräsidenten der jüdischen Gemeinde in Madrid, Samuel Toledano, dessen Bedeutung für den Prozess der spanisch-israelischen Annäherung, so z. B. der erste israelische Botschafter in Spanien Samuel Hadas.435 Interessant ist die Argumentation, dass sich aus Toledanos jüdischer und spanischer Identität eine zweifache Verpflichtung gegenüber Israel ergeben habe: „Als guter Jude, der emotional mit Israel verbunden ist, gab er in seinen Anstrengungen nicht nach, als guter Spanier seine Mitbürger davon zu überzeugen, dass auf 431 Insbesondere die Amtszeit des Außenministers Castiella war durch das ständige Zurückweisen einer möglichen spanisch-israelischen Annäherung und durch die Betonung der Tradition der spanisch-arabischen Freundschaft gekennzeichnet. Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 97 – 121. Die Aufrechterhaltung der traditionellen „Politik der Freundschaft“ gegenüber den arabischen Ländern war auch unter Außenminister Gregorio Lûpez Bravo oberste Maxime, wie er in einer geheimen Sitzung der zuständigen Kommission der Cortes erklärte, vgl.: Rocamora, Pedro, Entrevista con el Ministro de Asuntos Exteriores, SeÇor Lûpez Bravo. Gibraltar es uno de los puntos cardinales de nuestra poltica exterior, pero no su polo magn¦tico, in: ABC, 19. 12. 1969; OID, Nota Informativa 493/69, Madrid, 19. 12. 1969; beides OID-Archiv. Zu der Periodisierung der spanisch-israelischen Beziehungen vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel. 432 Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 45 f; Rein, In the Shadow, 13 f. Die Bemühungen um eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel waren auch durch eine Konkurrenz zwischen der Regierung des franquistischen und der Exilregierung des republikanischen Spaniens gekennzeichnet. Vgl.: Ebd., 19 f. 433 Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 45 f. Dort ist ein entsprechendes Schreiben von Baroukh an seinen Cousin abgedruckt, unter Punkt 2 erwähnt Baroukh das spanische Interesse am Wohlergehen der Sepharden und an einer freundschaftlichen Beziehung mit ihnen, vgl.: Ebd., 45. Vgl. auch: Rein, In the Shadow, 13 f. 434 Vgl.: Schreiben von Duque Terranova, spanischer Generalkonsul in Jerusalem, an Außenminister, Jerusalem, 26.+27. 9. 1950; AMAE, Leg. R 4786/140. Zu Ignacio Bauers Israelreise, die 1949 im Dienste der franquistischen Regierung erfolgte, vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 61 f. Zu Enrique Benarroyas Engagement für eine spanisch-israelische Annäherung vgl.: Rein, In the Shadow, 48 f. 435 Vgl.: Moratinos, Miguel Angel/Dezcallar, Jorge/Zulueta, Eduardo, A Samuel Toledano, in: Kehil, 15/1996, 9. Hadas war 1980 von der israelischen Regierung als inoffizieller Repräsentant nach Spanien entsandt worden.
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der anderen Seite vom Mittelmeer ein Land mit einer bedeutenden gemeinsamen Vergangenheit existierte, dem man unerklärlicherweise den Rücken zuwandte. Samuel Toledano war einer derjenigen, die unermüdlich dafür kämpften, die Unstimmigkeiten zwischen Spanien und Israel zu beenden.“436
Neben persönlichen Kontakten existierten insbesondere im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit unterhalb der offiziellen Ebene Beziehungen zwischen Spanien und Israel.437 Auch hier engagierten sich oftmals führende Mitglieder der jüdischen Gemeinden und bekannte spanische Hebraisten. So unterhielten die Mitarbeiter des CSIC früh Kontakte zu israelischen Universitäten und nahmen dort an Kongressen und Konferenzen teil. Bereits 1950 war das Instituto Arias Montano von der Hebräischen Universität in Jerusalem zu den Feierlichkeiten anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens eingeladen worden.438 1962 wurde der in Israel lebende und lehrende Wissenschaftler Haim Beinart zum Ehrenmitglied des Instituto Arias Montano ernannt.439 Nach 1975 lässt sich ein kulturpolitisches Interesse an Israel in der Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen des Außenministeriums beobachten.440 Deshalb strebte die Abteilung eine Präsenz an der Hebräischen Universität in Jerusalem an und erachtete die Einrichtung einer Casa de EspaÇa sowie eine Zusammenarbeit des Instituto Arias Montano mit dem geplanten Centro de Estudios Sefardes als strategisch sinnvoll.441 Vor diesem Hinter436 „Como buen judo vinculado afectivamente a Israel, no cejû en sus esfuerzos, como buen espaÇol, de convencer a sus compatriotas que al otro lado del Mediterrneo haba un pas con un gran pasado comffln, al que se daba inexplicablemente las espaldas. Samuel Toledano fue uno de los que inquebrantablemente luchû para poner t¦rmino al desencuentro entre EspaÇa e Israel.“, Hadas, Samuel, Sam Toledano, EspaÇa, los Judos e Israel, in: Kehil, 15/1996, 10. 437 Zu spanisch-israelischen Kontakten vor 1986 vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 137 – 142. 1960/61 arbeitete Spanien mit dem israelischen Geheimdienst Mossad zusammen, um die heimliche Ausreise von in Marokko lebenden Juden über Ceuta und Melilla zu ermöglichen. Vgl.: Ebd., 104 – 107. 1964 berichtete der spanische Botschafter in Syrien von einer spanisch-israelischen Handelsvereinigung in Madrid, vgl.: Schreiben von Juan Jos¦ Rovira an Faustino Armijo, Director General de Relaciones Econûmicas, Damaskus, 14. 10. 1964; AMAE, Leg. R 7649/14. Zu wirtschaftlichen Kontakten zwischen Spanien und Israel vgl. z. B. auch: AMAE, Leg. R 15123/29; verschiedene Korrespondenzen; AMAE, Leg. R 7649/14. 438 Vgl. : „Noticias“, in : Sefarad, 2/1950, 500. Zu den Kontakten nach Israel vgl. z. B. auch : „Noticias : El profesor Baer, acad¦mico correspondiente de la Real de la Historia“, in : Sefarad, 1/1967, 210 ; „Noticias : V Congreso Mundial de Estudios Judos“, in : Sefarad, 1/1970, 145 – 158. 1967 war der CSIC mit einem eigenen Stand auf der Internationalen Buchmesse in Jerusalem vertreten. Vgl. : „Noticias“, in : Sefarad, 1/1967, 209. 439 Vgl.: Harmon, Daniel, In Memoriam: Haim Beinart (1917 – 2010), in: Sefarad, 1/2010, 259. 440 Zu Überlegungen für ein kulturpolitisches Engagement in Israel bzw. Kontakten im Kulturbereich vgl. z. B.: verschiedene Korrespondenzen zwischen Jos¦ Ramûn Remacha, Generalkonsul in Jerusalem, und Amaro Gonzalo de Mesa, Director General de Relaciones Culturales, 1977/78; AMAE, Leg. R 23635/58. 441 Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales, Informe para el Sr. Director General, Madrid, 10. 12. 1976; AMAE, Leg. R 21610/10. Zuvor war auch Olegario Gonzlez Cardedal, Profesor der Universidad Pontfica de Salamanca, gegenüber dem Außenminister Marcelino Aguirre Oreja entschieden für eine Ausweitung der kulturpolitischen
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grund wurde im Dezember 1979 die in Madrid erfolgte Gründung der Asociaciûn de Amistad EspaÇa-Israel von führenden spanischen Politikern mitgetragen.442 Zwischen 1982 und 1985 entstanden verschiedene regionale Ableger.443 Bereits ein Jahr vor der Vereinigung in Madrid hatte sich 1978 in Barcelona die Asociaciûn de Relaciones Culturales EspaÇa-Israel gegründet.444 Die Gründung der Kulturvereinigung, an der viele Mitglieder der Fakultät für Präsenz Spaniens in Israel eingetreten. Nach einer Israel-Reise kam er zu dem Ergebnis, dass die spanische Kultur dort bedroht sei: „No es un mero problema diplomtico lo que est en juego: es nuestra propia cultura, nuestra propia historia la que est en juego, porque esa cultura, para bien o para mal fu¦ protagonizada de manera decisiva por ese pueblo“ (Brief von Olegario Gonzlez Cardedal an Marcelino Oreja Aguirre, Salamanca, 25. 10. 1976; AMAE, Leg. R 21610/10.). Vgl. auch ein früheres Schreiben von Olegario Gonzlez Cardedal an Alfonso de la Serna, Director General de Relaciones Culturales, Salamanca, 20. 10. 1976; AMAE, Leg. R 21610/10. In Reaktion auf diesen Brief verwies der Generaldirektor für Kulturelle Angelegenheiten, Alfonso de la Serna, auf die Beschränkungen eines spanischen Engagements in Israel angesichts der nicht-existierenden diplomatischen Beziehungen, vgl.: Brief von Alfonso de la Serna an Olegario Gonzlez de Cardedal, Madrid, 17. 11. 1976; AMAE, Leg. R 21610/10. Ähnliche Vorschläge für eine spanische Kulturpolitik in Israel, die die Gründung eines spanischen Kulturzentrums, spanischer Schulen, sowie die Einrichtung eines Lehrstuhls an der Hebräischen Universität umfassten, äußerte der Professor Gregorio del Olmo Leto von der Universität in Barcelona, vgl.: Brief von Gregorio del Olmo Leto, Facultad de Filosofa, Universidad de Barcelona, an Alfonso de la Serna, Director General de Relaciones Culturales, Barcelona, 3. 12. 1976; AMAE, Leg. R 21610/10. 442 Dass das Gründungsdekret der Freundschaftsvereinigung am 25. 11. 1978 im Büro von Antonio Hernndez Gil unterzeichnet wurde, der zu dieser Zeit in seiner Funktion als Präsident der Cortes und des Königsrates eine der höchsten staatlichen Autoritäten war, verlieh dem Ereignis Lisbona zufolge besonderes Gewicht, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 331. Außerdem gehörten ihr die UCD-Politiker Miguel Herrero und Rodrguez de MiÇûn, der PSOE-Abgeordnete Enrique Mfflgica Herzog sowie Mauricio Hatchwell und Max Mazin an. Weitere Mitglieder waren: Antonio Lûpez Nieto, Jos¦ Mario Armero, Ricardo de la Cierva, Jos¦ Mara Martn Patino und Eduardo Navarro. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 319. Einige Jahre nach der Gründung wurden der Historiker Julio Caro Baroja und der Literaturnobelpreisträger Camilo Jos¦ Cela in den Vorstand aufgenommen. Das Außenministerium stand auch in diesem Fall der Gründung skeptisch gegenüber, da es eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zu den arabischen Staaten befürchtete. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 331 f. Ende der 1950er Jahre hatte das Außenministerium die Gründung des Instituto Ýngel Pulido de Amigos de Israel noch abgelehnt, vgl.: Schreiben von Director General de Exterior. Ýfrica y P. Oriente an Director General de Poltica Interior. Ministerio de la Gobernaciûn, Madrid, 11. 4. 1957; Schreiben von Juan de la Brcenas an Rafael Hierro, Director General de Seguridad, Madrid, 6. 5. 1957; Bericht der Abt. Poltica Exterior Ýfrica y P. Oriente, Instituto Sefardi „Angel Pulido“ – Amigos de Israel, Madrid, 7. 6. 1957; alle AMAE, Leg. R 4675/57. 443 So z. B. die Asociaciûn galega de Amizade con Israel (http://www.amizadeconisrael.org/, 25. 5. 2011), die Asociaciûn de Amistad Asturias-Israel (http://www.tarbutsefarad.com/index. php/es/tarbut-oviedo/276-la-comunidad-israelita-del-principado-de-asturias.html, 25.5.2011; Lisbona, Retorno a Sefarad, 335.) oder die Amistad Andaluca-Israel. Außerdem gibt es: Asociaciû Catalan d’Amics d’Israel, http://www.acai.cat/, 25. 5. 2011; die in Madrid ansässige Asociaciûn Solidaridad EspaÇa-Israel, http://www.aseiweb.net/quienessomos.html, 25. 5. 2011 und das Instituto de Relaciones Culturales Baleares – Israel, http://baleares-israel.blogspot. com/, 25. 5. 2011. 444 Vgl.: Acta Fundacional, Barcelona, 28. 11. 1978; ARCCI; Lisbona, Retorno a Sefarad, 332.
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hebräische Sprache und Literatur der Universität in Barcelona beteiligt waren, so z. B. Jaime Vndor, ging auf einen Vorschlag des damaligen Vorsitzenden des in Jerusalem ansässigen Instituto Central de Relaciones Culturales IsraelHispanoam¦rica, EspaÇa y Portugal, Jacob Tsur, zurück.445 Nach der Anerkennung Israels durch Spanien benannte sich die Vereinigung, die bereits zuvor sowohl durch ihre Mitgliederstruktur als auch durch ihre Aktivitäten in Katalonien – das als eher pro-israelisch galt – verankert gewesen war, in Asociaciûn de Relacions Culturals Catalunya-Israel (ARCCI) um.446 Neben den verschiedenen Einrichtungen gab und gibt es eine Reihe von Symposien mit dem Ziel, den Austausch zwischen spanischen und israelischen Wissenschaftlern zu fördern.447 1998 gründete das Außenministerium außerdem ein Instituto Cervantes in Tel Aviv, das Spanischkurse, aber auch Veranstaltungen in Ladino anbietet.448 445 Vgl.: Vndor, Jaime, ARCCI: Notas para una historia, in: Races, 82/2010, 76 – 78; Lascorz Arcas, F. Andreu, Los 30 aÇos de vida de la Asociaciûn de Relaciones Cultural CataluÇa-Israel, in: Ebd., 83/2010, 77 – 78. Der gegenwärtige Vorsitzende von ARCCI führt die Gründung u. a. auf die World Zionist Organization zurück, die damit das Ziel einer Annäherung zwischen dem spanischen und israelischen Staat verfolgte. Dass sich die Vereinigung in Barcelona gründete, erklärt Andreu Lascorz mit der pro-israelischen Haltung der katalanischen Regierung. (Gespräch der Verfasserin mit Andreu Lascorz, Barcelona, 24. 10. 2010.) Zum peripheren IsraelDiskurs im Kontext des politischen und kulturellen Katalanismus, der sich ab den 1950er/60er Jahren – auch in Abrenzung zu Madrid und aus einem oppositionellen Selbstverständnis heraus – durch eine eher pro-israelische Haltung auszeichnete, vgl.: Culla i Clar, Encuentros y desencuentros hispano-israeles, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 99 – 108. Die peripheren Nationalismen sehen in Israel ein Modell für eine erfolgreiche Staatsgründung. Vgl.: Lûpez Alonso, Carmen, La evoluciûn de la opiniûn espaÇola con relaciûn a Israel, el antisemitismo y el conflicto rabe-israelo-palestino, in: Ebd., 149. Pro-israelische und pro-jüdische Einstellungen führen einige Autoren auf ein Solidaritätsgefühl der „unterdückten Völker“ zurück, zu welchen sich die Katalanen zählen würden. Vgl.: Culla i Clar, Crûnica de un reencuentro, in: Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda, 227 f; Fernndez Martorell, Estudio antropolûgico, 183 ff. 446 Vgl.: Estatuts. Asociaciû de Relacions Catalunya – Israel, Barcelona, 21. 5. 1986; ARCCI. Seit 1986 und bis Anfang der 2000er Jahre erhielt ARCCI finanzielle Unterstützung durch die israelische Botschaft. Nachdem diese Finanzierung weggefallen war, kamen die Aktivitäten 2008 weitgehend zum Erliegen. (Gespräch der Verfasserin mit Andreu Lascorz, Barcelona, 24. 10. 2010). 447 Seit 1974 veranstalteten das CEJC und die Israel Interfaith Association spanisch-israelische Symposien. Vgl.: Schutz, Nahum, Impresiones de un israel en torno a un simposio, in: El Olivo, 5 – 6/1978, 108 – 114; Serrano, Vicente, VII Simposio hispano-israel, in: El Olivo, 19/1984, 63 – 70; verschiedene Korrespondenzen und Unterlagen; AMAE, Leg. R 18587/33. Vgl. auch: Lerner, Natn, La EspaÇa moderna y sus minoras de base religiosa. Observaciones comparativas, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 184. Die von Samuel Toledano zusammen mit der Führungsgruppe des CEJC im Dezember 1978 gegründete Vereinigung Yehuda Halevi. Asociaciûn EspaÇola para el Fomento de las Relaciones Culturales con Israel organisierte jedes Jahr ein Seminar über jüdische Studien abwechselnd in Israel und Spanien. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 332. 448 Vgl.: http://telaviv.cervantes.es/il/default.shtm, 22. 7. 2011. Zur Bedeutung des sephardischen Erbes in den spanisch-israelischen Beziehungen vgl.: Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 304, 2 de julio de 1998, 184/018166, 96 f.
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Dieser kurze Überblick deutet an, dass die verschiedenen Kulturvereine, die sich für eine Annäherung an Israel einsetzten, sowohl personell als auch inhaltlich häufig eng an die jüdischen Gemeinden angebunden waren. Die Einbettung der Anerkennung Israels in den Kontext der spanisch-jüdischen Geschichte hatte somit ihre Vorläufer in diesen Vereinigungen, die ebenfalls die Verschränkung der Themen „Israel“ und „Judentum“ in der öffentlichen Wahrnehmung begünstigten.
3.2.1 Der 17. Januar 1986 als historische Zäsur Berücksichtigt man die zentrale Bedeutung des Faktors „Israel“ für die offizielle Haltung gegenüber Fragen der jüdischen Gegenwart ebenso wie für das öffentliche „Judenbild“, so verwundert es nicht, wenn in den zeitgenössischen Reaktionen und Stellungnahmen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Januar 1986 in Den Haag nicht nur als bilateraler Akt zweier Staaten, sondern als Zäsur in der spanisch-jüdischen Geschichte gewertet wurde.449 In einer offiziellen, spanisch-israelischen Stellungnahme wurde die Bedeutung dieses Schrittes durch den Verweis auf die historischen Verbindungen beider Völker unterstrichen: „In Übereinstimmung mit dem Universalitätsprinzip diplomatischer Staatsbeziehungen und unter Berücksichtigung der historischen und tiefen Verbindung, die das spanische und das jüdische Volk eint, haben die beiden Regierungen beschlossen, von heute an diplomatische Beziehungen zwischen Spanien und Israel aufzunehmen.“450
Auch in der Erklärung der spanischen Regierung wurde der Aspekt des jüdischen Erbes als Fundament und Motor der gemeinsamen Beziehungen betont: 449 Die Unterzeichnung des Abkommens verkündete der spanische Außenminister auf einer Pressekonferenz in Madrid, die von den in Spanien akkreditierten arabischen Journalisten boykottiert wurde. Vgl.: Juregui, Fernando, Fernndez OrdûÇez cree que las relaciones Madrid-Tel Aviv darn a EspaÇa ms fuerza negociadora en Oriente Prûximo, in: El Pas, 18. 1. 1986; OID-Archiv. Zur gegenseitigen diplomatischen Anerkennung vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 344 f. 450 „De conformidad con el principio de universalidad de relaciones entre Estados, y teniendo presentes los antiguos y profundos vnculos que une al pueblo espaÇol y al pueblo judo, los dos Gobiernos han decidido establecer relaciones diplomticas entre EspaÇa e Israel a partir de esta fecha.“, Comunicado conjunto hispano-israel (17 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina Diplomtica, Madrid 1986, 488. Die Stellungnahmen der spanischen und israelischen Regierung sind aufgrund der Sperrfristen einige der wenigen verfügbaren offiziellen Dokumente. Auch der israelische Ministerpräsident Peres verwies bei verschiedenen Anlässen auf die historische Dimension der spanisch-israelischen Beziehungen. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 344. Zur Betonung der historischen Verbindung zwischen Spanien und den Sepharden vgl. auch: Redebeitrag von Fernndez-Escandûn Ýlvarez, in: Cortes Generales. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 62, 5 de octubre de 1983, 2908.
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„An diesem Tag hat die spanische Regierung beschlossen, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen, sie sah sich dazu aufgrund ihrer Politik der Universalität diplomatischer Beziehungen und ihrer freundschaftlichen Gefühle gegenüber dem jüdischen Volk veranlasst, dessen Vermächtnis Teil des historischen und kulturellen Erbes Spaniens ist. In Anbetracht dieses Schrittes möchte die spanische Regierung klarstellen, dass sie ihre traditionelle Politik der Freundschaft und Solidarität mit der Arabischen Welt, die aus Gründen der gemeinsamen Geschichte und Kultur eng an Spanien gebunden ist, aufrechterhalten wird.“451
Beide Zitate zeichnen sich durch eine Gleichsetzung des israelischen Staates mit seiner jüdischen Bevölkerung bzw. dem jüdischen Volk im Allgemeinen aus sowie durch die Betonung einer Kontinuität des spanischen Staates bzw. des spanischen Volkes seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart. Dadurch wird der Anschein erweckt, dass die Anerkennung des jüdischen Erbes als Teil des spanischen Kulturerbes eine Vorbedingung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen war. Die Stellungnahme der spanischen Regierung verweist ferner auf die sich nach 1975 fortsetzende „Politik der Freundschaft“ gegen451 „Con esta fecha, el Gobierno espaÇol, movido por su poltica de universalidad de las relaciones diplomticas y por sus amistosos sentimientos hacia el pueblo judo, cuyo legado forma parte del patrimonio histûrico y cultural de EspaÇa, ha decidido establecer relaciones diplomticas con Israel. Al actuar as, el Gobierno espaÇol desea dejar claro que mantendr su tradicional poltica de amistad y solidaridad con el Mundo Arabe, estrechamente vinculado a EspaÇa por razones de Historia y Cultura compartidas.“, Declaraciûn del gobierno de EspaÇa con motivo del establecimiento de relaciones con Israel (17 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 488. Zu den beiden offiziellen Stellungnahmen vgl. auch: Harel, Vctor, Dos d¦cadas de relaciones Israel-EspaÇa: Ms luces que sombras, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 37. Zum historischen Erbe als Grundlage der spanisch-israelischen Beziehungen vgl. auch: Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 304, 2 de Julio de 1998, 184/018166, 96. Ende der 1960er Jahre war ein solcher Zusammenhang zwischen der Anerkennung Israels und der Bedeutung der sephardischen Kultur für Spanien vom Außenministerium noch zurückgewiesen worden. So hatte der Generaldirektor für Afrika und die arabische Welt gegenüber dem spanischen Botschafter in Washington erklärt, „que el reconocimiento de Israel es asunto poltico de la exclusiva competencia del Estado espaÇol, que nada tiene que ver con nuestros lazos culturales e histûricos con el Mundo Sefard ni con el problema religioso, que ha sido solventado definitivamente, segffln la sana doctrina conciliar, con la Ley de Libertad Religiosa actualmente en las Cortes EspaÇolas“ (Schreiben von Director General de Asuntos de Ýfrica y Mundo Ýrabe, an Botschafter in Washington, Madrid, 15. 3. 1967; AMAE, Leg. R 15123/29.). Welche Relevanz das historische Sepharad und das jüdische Erbe Spaniens weiterhin in der offiziellen Darstellung der bilateralen Beziehungen haben, zeigte sich anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Februar 2011, vgl.: Discurso del Presidente del Estado de Israel, Shimûn Peres, ante el Congreso, Madrid, 22. 2. 2011, http://www.embajada-israel.es/docs/espana-israel/Espana-is rael_25aniv_discurso_shimon_peres_ante_congreso_diputados.pdf, 25. 5. 2011; Discurso de Su Excelencia el Presidente del Estado de Israel en el almuerzo ofrecido en su honor por Su Majestad el Rey de EspaÇa, Madrid, 22. 2. 2011, http://www.embajada-israel.es/docs/espanaisrael/Espana-israel_25aniv_discurso_shimon_peres_ante_Rey_palacioreal.pdf, 25. 5. 2011; Palabras de Su Majestad el Rey de EspaÇa en el almuerzo ofrecido en honor de Su Excelencia el Presidente del Estado de Israel, Madrid, 22. 2. 2011, http://www.casareal.es/noticias/news/ 20110222_palabras_rey_israel-ides-idweb.html, 25. 5. 2011.
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über den arabischen Staaten, die Annäherung an Israel musste mit diesen traditionell engen Beziehungen in Einklang gebracht werden. Als dominante Lesart setzte sich aber die Verortung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen als Ereignis der spanisch-jüdischen Geschichte durch. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn die zeitgenössischen Pressereaktionen unmittelbar nach dem 17. Januar 1986 betrachtet werden, die anders als die offiziellen Stellungnahmen, in denen ein eher sachlicher Ton herrschte, deutlich emotionaler ausfielen. Unter der Überschrift „Wiederbegegnung mit Sepharad“ („Reencuentro con Sefarad“) erklärte Ya: „Auf diese Weise wird der Fehler wiedergutgemacht, den die durch die Katholischen Könige veranlasste Vertreibung der Juden bedeutete. Damals verloren wir einen Teil unseres kulturellen Wissens, und der Niedergang Spaniens in der Welt setzte ein“.452
Der Ya-Überschrift liegt die ausschließliche Identifizierung des israelischen Staates mit dem jüdischen Volk und die gleichzeitige Vorstellung einer historischen Kontinuität des spanischen und jüdischen Volkes zugrunde, weshalb von einer „Wiederbegegnung“ die Rede ist. Die Bezeichnung Spaniens als „Sepharad“ verweist zusätzlich auf die Bedeutung des Landes für die jüdische Geschichte und Tradition. Ferner interpretierte der Artikel die Anerkennung Israels als eine Form der Vergangenheitsbewältigung und Begleichung einer historischen Schuld. Indem Israel mit dem jüdischen Volk und dieses wiederum mit der historischen jüdischen Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel gleichgesetzt wird, stellt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen eine doppelte Versöhnung dar : zum einen auf diplomatischer Ebene zwischen zwei Staaten, zum anderen in vergangenheitspolitischer Dimension zwischen zwei historischen Bevölkerungsgruppen.453 Darüber hinaus impliziert der Verweis auf den mit der Vertreibung der Juden einsetzenden Niedergang Spaniens, dass die spanisch-israelische „Aussöhnung“ auch zu einem neuen Aufschwung – in politischer und/oder ökonomischer Hinsicht – führen könnte. Ebenso wie der Ya-Artikel auf ein neues Selbstverständnis des spanischen Staates anspielte, wollte auch die spanische Regierung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Kontext des Demokratisierungs-, „Normalisierungs“454- und Europäisierungsprozesses – oder als dessen Höhe- und End452 „Se repara as la errûnea expulsiûn de los judos por los Reyes Catûlicos, momento en el que se perdiû una parte de nuestro bagaje cultural y comenzû la decadencia de EspaÇa en el mundo“, „Reencuentro con Sefarad“, in: Ya, 17. 1. 1986; OID-Archiv. Auch ABC betonte auf der Titelseite die historische Verbundenheit beider „Völker“, vgl.: „Hoy, relaciones plenas con Israel“, in: ABC, 17. 1. 1986, 1. 453 Diese Interpretation vertrat auch der israelische Premierminister: „Es un da histûrico porque se restablecieron las relaciones entre EspaÇa y nosotros, rotas hace 500 aÇos“, zit.n.: Cembrero, Ignacio, Simûn Peres califica la fecha histûrica porque se restablecen relaciones „rotas hace 500 aÇos“, in: El Pas, 18. 1. 1986; OID- Archiv. 454 Zum Aspekt der „Normalisierung“ vgl. auch: Lisbona, Las Relaciones Diplomticas, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 233.
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punkt – verortet wissen.455 Implizit konnte so auf die endgültige Überwindung der franquistischen Diktatur verwiesen werden. Außerdem nahm sie auf den Nahost-Konflikt Bezug, für dessen friedliche Lösung Ministerpräsident Gonzlez nun eine günstige Gelegenheit gekommen sah.456 Die Interpretation der Anerkennung Israels als Ende des Franquismus fand sich auch in der Presse, so feierte z. B. Diario 16, dass sich „[d]er letzte franquistische ,Tick‘ im Bereich der Außenpolitik“ verflüchtigt habe.457 Hatte die franquistische Regierung die Nicht-Anerkennung Israels ideologisch mit der Bedrohung durch eine jüdisch-freimaurerische Verschwörung bzw. mit der Gefahr einer Infiltrierung spanischer Politik begründet, entbehrte die Fortsetzung einer solchen Politik im demokratischen Spanien jeder Grundlage. El Pas wertete die Anerkennung daher nicht nur als die Erfüllung einer „Berufung“, die sich aus dem spanisch-jüdischen Erbe ableite,458 sondern auch als überfällige Beendigung der Sonderrolle Spaniens, welches als einziges westliches Land keine diplomatischen Beziehungen mit Israel unterhalten habe.459 Bereits bei seiner Inthronisierung 1975 hatte der spanische König Juan Carlos die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit allen demokratischen Staaten als Ziel vorgegeben.460 Neue Impulse erhielt der Prozess mit dem 455 Vgl.: Declaraciûn del gobierno de EspaÇa con motivo del establecimiento de relaciones con Israel (17 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 489; Texto de la carta del presidente del gobierno, Felipe Gonzlez, a los dirigentes rabes, con motivo del establecimiento de relaciones diplomticas con Israel (16 – 1–86), in: Ebd., 487. Der katalanische Regierungschef Jordi Pujol wertete den Eintritt Spaniens in die EWG als ein Nachhausekommen für Katalonien, vgl.: Pujol, Jordi, CataluÇa. EspaÇa, Madrid 1996, 94 ff. 456 Vgl.: Declaraciûn del gobierno de EspaÇa con motivo del establecimiento de relaciones con Israel (17 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 488 – 489; Comunicado conjunto hispano-israel (17 – 1–86), in: Ebd., 488; Texto de la carta del presidente del gobierno, Felipe Gonzlez, a los dirigentes rabes, con motivo del establecimiento de relaciones diplomticas con Israel (16 – 1–86), in: Ebd., 487. 457 „El ultimo ,tic‘ franquista en materia de poltica exterior se ha quebrado gozosamente“, „Israel, por fin“, in: Diario 16, 17. 1. 1986; OID-Archiv. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch in El Pas: „Hoy, al fin, el Gobierno espaÇol se ha decidido a dar este paso demasiadas veces aplazado y, con ello, a liquidar la fflltima r¦mora franquista de su poltica exterior.“, Culla, Joan B., 500 aÇos de desencuentros, in: El Pas, 17. 1. 1986. 458 „Pero, insistimos, recupera sobre todo una parte de su propio pasado, cerrilmente amputada de nuestra historia durante siglos tras la expulsiûn de los judos. EspaÇa puede enorgullecerse abiertamente de contar con un legado rabe y un legado judo propios, que supieron convivir en paz y armona durante mucho tiempo hasta que el fanatismo religioso de la ¦poca – representado entonces por el cristianismo de cruzada – acabû con ¦l.“, „Al fin, Israel“, in: El Pas, 17. 1. 1986; OID-Archiv. In einem anderen El Pas-Artikel wurde unter der Überschrift „Peder Al Andalus, ganar EspaÇa“ die Zäsur beschrieben, die die Anerkennung Israels in der arabischen Welt verursacht habe, vgl.: Men¦ndez del Valle, Emilio, Perder Al Andalus, ganar EspaÇa, in: El Pas, 2. 4. 1986. 459 „Al fin, Israel“, in: El Pas, 17. 1. 1986; OID-Archiv. 460 Vgl.: Lisbona, Las Relaciones Diplomticas, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 215 ff. Dass sich die spanische Außenpolitik aber auf einem immer schmaler werdenden Grat bewegte und versuchte verschiedene Erwartungen zu erfüllen, zeigte der offizielle Besuch von Yassir Arafat in Madrid im September 1979. Um die
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Amtsantritt des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzlez im Jahr 1982.461 Dieser forderte ein Ende der „unnormalen Situation“.462 Die äußeren Umstände waren dafür nach dem Wahlsieg des PSOE günstig: So trat die wichtigste Oppositionspartei Alianza Popular unter Manuel Fraga Iribarne ebenfalls für eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel ein, die Auswirkungen der Ölkrise, die eine Gefährdung der engen Beziehungen zu den arabischen Staaten unmöglich gemacht hatten, waren überwunden, zudem gab es verschiedene Friedensinitiativen für den Nahost-Konflikt.463 Im April 1983 traf sich Gonzlez mit dem israelischen Ministerpräsidenten Schimon Peres in Madrid, und die spanische Regierung verkündete eine Annäherung auf ökonomischem und kulturellem Gebiet, an deren Ende die diplomatische Anerkennung stehen sollte.464 Ebenfalls 1983 traf sich Gonzlez
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negativen Auswirkungen dieses Ereignisses auf die spanisch-israelischen Beziehungen einzugrenzen, erkannte Oreja kurz nach seinem Treffen mit Arafat gegenüber der UN-Generalversammlung ausdrücklich das Existenzrecht des Staates Israel an. Außerdem kam es zu einem geheimen Treffen zwischen Oreja und Peres in Madrid. Vgl.: Rein, In the Shadow, 213; Lisbona, Las Relaciones Diplomticas, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 221 f. Zum Arafat-Besuch und den Reaktionen darauf vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 317 ff. Zur Kritik des damaligen Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Madrid, Mauricio Hatchwell, vgl.: Protesta del presidente de la comunidad juda de Madrid, in: El Pas, 14. 9. 1979; Archivo Linz, R–8031. Der PSOE war seit Anfang der 1970er Jahre für eine Zwei-Staaten-Lösung eingetreten und sah in der Sicherheit Israels eine wichtige Grundlage für den Frieden in der Region. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 321. Zu den Kontakten zwischen PSOE und Arbeitspartei vgl.: Rein, In the Shadow, 217 ff. Zu den Spannungsfeldern, zwischen denen sich die spanische Israelpolitik nach 1975 bewegte, vgl.: Lisbona, Jos¦ Antonio, Presiones internas y externas a favor de las relaciones hispano-israeles durante la democracia (1976 – 1986), in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 123 – 136, insb. 124. Vgl.: Texto de la carta del presidente del gobierno, Felipe Gonzlez, a los dirigentes rabes, con motivo del establecimiento de relaciones diplomticas con Israel (16 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 487. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 322. Zugleich waren im Zusammenhang mit der Diskussion um die Sahara und die Kanarischen Inseln die spanisch-arabischen Beziehungen abgekühlt. Vgl.: Algora Weber, EspaÇa en el Mediterrneo, in: Revista CIDOB d’Afers Internacionals, 79 – 80/2007, 32. Die einzige Partei innerhalb Spaniens, die gegen die Anerkennung war, waren die Kommunisten. Vgl.: Ebd., 327. Zu den Stellungnahmen der verschiedenen Parteien anlässlich der Anerkennung Israels vgl.: „Satisfacciûn de los partidos polticos espaÇoles“, in: ABC, 18. 1. 1986, 17. Vgl.: Lisbona, Las Relaciones Diplomticas, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 226 f. Seit Mitte der 1980er Jahre kam die Frage der bevorstehenden Anerkennung Israels vermehrt in den Cortes auf, vgl. z. B.: Contestaciûn del gobierno a la pregunta del diputado don Eduardo Tarragona Corbella sobre relaciones de EspaÇa con Israel. (BOCG, 9 – 1–85), in: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina Diplomtica, Madrid 1985, 404; Contestaciûn del Gobierno a la pregunta del diputado don Eduardo Tarragona Corbella sobre manifestaciones del primer ministro de Israel sobre establecimiento de relaciones diplomticas entre Israel y EspaÇa. (BOCG, 25 – 5–85), in: Ebd., 473; Cortes Generales. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 62, 5 de octubre de 1983, 2908; Cortes Generales. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 101, 7 de marzo
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in New York sowie kurze Zeit später in Madrid mit dem Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman.465 Im Januar 1984 erklärte er gegenüber dem Europarat, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel nicht mehr die Lösung des Nahost-Konfliktes zur Vorbedingung habe.466 Ziel der spanischen Regierung war es nun, die Anerkennung Israels mit dem Beitritt Spaniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu verbinden.467 Damit konnten aus spanischer Sicht zwei wichtige Signale gesandt werden: an die Adresse Europas das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Position und an die Adresse der arabischen Staaten das Angebot einer Interessenvertretung und Vermittlerposition durch die neu erreichte Stellung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. „Es ist davon auszugehen, dass auf diese Weise die historische Anomalie überwunden wird, die das Nichtvorhandensein von institutionalisierten Beziehungen bedeutete, welche auf vielen anderen Gebieten mit dem Mittelmeer-Anrainer-Land bereits bestanden, das auf vielfache Art und Weise mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verbunden ist, der Spanien gerade beigetreten ist.“468
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de 1984, 4711. Bereits im Mai 1983 hatte Gonzlez in einem Zeitungsinterview Stellung zu der Frage einer möglichen Anerkennung Israels genommen, vgl.: Referencias a la poltica exterior en la entrevista concedida por el presidente del gobierno, don Felipe Gonzlez, a la revista „Tiempo“ (30 – 5–83), in: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina Diplomtica, Madrid 1983, 370. Bei dem Treffen in New York erachtete Gonzlez die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel erstmalig als einen historischen Akt, welcher die „Wiederbegegnung zweier Völker“ symbolisieren würde. Bei dem zweiten Treffen in Madrid waren die spanisch-israelischen Beziehungen das Hauptthema. Neben dem World Jewish Congress traten auch andere jüdische Organisationen in den USA für die Anerkennung Israels durch Spanien ein. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 338 – 343. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 325. Dies wurde mit der Ortswahl Den Haag besonders deutlich. Die Niederlande hatten zu dieser Zeit den Vorsitz in der Europäischen Gemeinschaft, im Januar 1986 tagte in der Stadt das politische Komitee der Europäischen Gemeinschaft. Vgl.: Juregui, Fernando, Fernndez OrdûÇez cree que las relaciones Madrid-Tel Aviv darn a EspaÇa ms fuerza negociadora en Oriente Prûximo, in: El Pas, 18. 1. 1986; OID-Archiv. Zur innerspanischen Diskussion, ob der EWG-Beitritt zur Anerkennung Israels führen werde, vgl.: Contestaciûn del gobierno a la pregunta del diputado don Eduardo Tarragona Corbella sobre relaciones de EspaÇa con Israel (BOCG, 9 – 1–85), in: Actividades, textos y documentos, 1985, 404; Contestaciûn del gobierno a la pregunta del diputado don Eduardo Tarragona Corbella sobre manifestaciones del primer ministro de Israel sobre establecimiento de relaciones diplomticas entre Israel y EspaÇa. (BOCG, 25 – 5–85), in: Ebd., 473. Zum Zusammenhang zwischen dem Beitritt zur EWG und der Anerkennung Israels, vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 317. „Considera que as se supera la anomala histûrica que supone la ausencia de una institucionalizaciûn de relaciones ya existentes en muchos otros campos con un pas tambi¦n ribereÇo del Mediterrneo y que est ligado por diversos vnculos con la Comunidad Econûmica Europea, a la que EspaÇa acaba de incorporarse.“, Texto de la carta del presidente del gobierno, Felipe Gonzlez, a los dirigentes rabes, con motivo del establecimiento de relaciones diplomticas con Israel (16 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 487. Auch der ABC-Artikel vom 17.1. greift den Aspekt der „Normalisierung“ und den der Europäisierung auf
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Im offiziellen Regierungsdiskurs fanden sich somit drei Interpretationslinien, die durch die mediale Berichterstattung gestützt wurden: erstens die Anerkennung Israels als ein Akt der historischen Versöhnung und ein Anknüpfen an vergangene Epochen, zweitens die Aufnahme diplomatischer Beziehungen als Bruch mit dem Franquismus sowie drittens als Teil des Europäisierungsprozesses.
3.2.2 Die iberische convivencia und Spanien als Vermittler im Nahost-Konflikt Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel bedeutete die Aufgabe einer ursprünglichen Forderung spanischer Politik, die die Lösung des Nahost-Konfliktes zur Vorbedingung gemacht hatte. Gerade das Jahr 1986 brachte, zusammen mit der neuen Rolle Spaniens innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, Impulse für den Friedensprozess, in dem das iberische Land nun eine Vermittlerposition einnehmen konnte. Eine Einschätzung, die die Regierung auch gegenüber den arabischen Staaten vertrat. Der neue Außenminister Francisco Fernndez OrdûÇez versuchte, den arabischen Regierungen das Vorhandensein diplomatischer Beziehungen mit beiden Konflikt-Parteien als Möglichkeit für eine neue Vermittlerrolle Spaniens im Nahost-Konflikt zu und wertet die Anerkennung Israels als einen alternativlosen Schritt: „Israel es un hecho histûrico que est ah y no existe una sola naciûn comunitaria que no mantenga con el Estado judo relaciones normales. Nuestra integraciûn en la CEE era incompatible con la subsistencia de tal anomala: este paso es uno ms en la normalizaciûn derivada de nuestra nueva poltica europea.“ („Relaciones con Israel“, in: ABC, 17. 1. 1986; OID-Archiv). Eine ähnliche Argumentation findet sich bereits in einem Artikel des Vorsitzenden der Nachrichtenagentur Europa Press nach einem Treffen mit dem israelischen Außenminister Abba Eban 1973: Armero, Jos¦ Mara, EspaÇa y sus relaciones con Israel, in: ABC, 1. 3. 1973, 13. Demgegenüber hatte Außenminister Castiella 1959 in einer von United Press publizierten Stellungnahme auf die Sonderrolle Spaniens in Europa hingewiesen, die als Indikator für die enge Beziehung zu den arabischen Staaten gewertet wurde. Auffälligerweise findet sich in dem Zitat ebenfalls ein Verweis darauf, dass die Nicht-Anerkennung Israels nicht auf antijüdische Ressentiments zurückzuführen sei: „Es muy grato igualmente para los rabes, como lo ha recordado estos das su prensa, con unanimidad y reiteraciûn, que EspaÇa sea con la Santa Sede el fflnico pas europeo que no ha reconocido a Israel. Esto, naturalmente, no quiere decir que los espaÇoles abriguen el menor prejuicio antijudo de signo racista. Recu¦rdese la generosa protecciûn que el Estado espaÇol brindû a las minoras sefarditas durante el pasado conflicto.“, Nota Informativa [Verf. unb.], Madrid, 13. 2. 1959; AMAE, Leg. R 5443/15+7649/14. Die der Pressemitteilung zugrunde liegende Äußerung Castiellas während seiner Damaskus-Reise hatte in der ausländischen Presse hohe Wellen geschlagen, da sich das Gerücht verbreitet hatte, Castiella habe gesagt, dass Spanien Israel nie anerkennen werde. Der Vorfall ist im AMAE dokumentiert, vgl. z. B.: Nota Informativa [Verf. unb.], Madrid, 13. 2. 1959; AMAE, Leg. R 5443/15. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion wird die Anerkennung Israels als Teil des Normalisierungs- und Europäisierungsprozesses der spanischen Außenpolitik nach 1975 gewertet, vgl.: ViÇas, Ýngel, El lastre del pasado y la poltica exterior en la transiciûn democrtica, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 109 – 122.
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präsentieren.469 Auch Ministerpräsident Felipe Gonzlez unterstrich in seiner Erklärung an die Vertreter der arabischen Regierungen am 16. Januar 1986 die Vorteile, die sich aus der mit der Anerkennung Israels erreichten Stellung Spaniens in Europa ergeben würden: Die fast zeitgleich erfolgte Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft bedeute wichtige Impulse für den euro-arabischen Dialog, da Spanien nun die mit den arabischen Staaten geteilte Position im Nahost-Konflikt gegenüber den europäischen Staaten vertreten und zu einer dauerhaften Konfliktlösung im Nahen Osten beitragen könne.470 Um die Gemeinsamkeiten zu unterstreichen, wurden die historischen Verbindungen zur arabischen Welt betont.471 Im Oktober 1991 fand ein Ereignis statt, das sowohl für die spanischisraelischen Beziehungen als auch für den Friedensprozess im Nahen Osten bedeutend war : die Friedenskonferenz in Madrid.472 Der Wunsch, dass Madrid der Ausrichtungsort einer solchen Konferenz sei, war in den Jahren zuvor sowohl von arabischer als auch von israelischer Seite an die spanische Regierung herangetragen worden.473 Ministerpräsident Felipe Gonzlez verwies 469 Er verfolgte klarer als sein Vorgänger Morn das Ziel der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 326 f. Vgl. auch: Lisbona, Las Relaciones Diplomticas, in: Macas Kapûn/Moreno Koch/Izquierdo Benito (Hg.), En la EspaÇa Contempornea, 231 f; Juregui, Fernndez OrdûÇez cree que las relaciones Madrid-Tel Aviv darn a EspaÇa ms fuerza negociadora en Oriente Prûximo, in: El Pas, 18. 1. 1986; OIDArchiv. 470 Texto de la carta del presidente del gobierno, Felipe Gonzlez, a los dirigentes rabes, con motivo del establecimiento de relaciones diplomticas con Israel (16 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 487 – 488. Vgl. auch: „Carta de Felipe Gonzlez a los dirigentes rabes“, in: El Pas, 17. 1. 1986; OID-Archiv. Bereits Anfang der 1970er Jahre hatte das spanische Außenministerium eine Vermittlerposition im Nahost-Konflikt für sich in Anspruch genommen: „El Gobierno espaÇol, que no se interfiere en los asuntos internos de Israel, se considera sin embargo con derecho a tomar partido y a actuar internacionalmente con respecto a las cuestiones conflictivas entre Israel y los pases vecinos, con respecto a los problemas que comprometen a la paz y a la seguridad y con respecto a los asuntos que afectan a los intereses espirituales de grandes religiones mundiales.“, Subdirecciûn General de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 3. 6. 1971; AMAE, Leg. R 15102/12. Spekulationen über eine mögliche Vermittlerrolle Spaniens im Nahost-Konflikt hatte es auch in den 1950er Jahren gegeben, vgl.: verschiedene Presseberichte; AMAE, Leg. R 3850/25. 471 Vgl.: Declaraciûn del gobierno de EspaÇa con motivo del establecimiento de relaciones con Israel (17 – 1–86), in: Actividades, textos y documentos, 1986, 488. 472 Auf der Konferenz waren der Präsident der USA George Bush (sen.), der russische Präsident Michail Gorbatschow, der israelische Ministerpräsident Isaac Shamir sowie verschiedene Repräsentanten arabischer Regierungen aus Syrien, Jordanien, Libanon und Ägypten anwesend. Nach der Eröffnungsrede des spanischen Ministerpräsidenten begann eine erste Verhandlungsrunde, an die sich eine Phase bilateraler Gespräche anschließen sollte. Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 367 f. 473 Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 365. Bereits 1955 hatte die jüdische Gemeinde in New York, wie der spanische Botschafter in den USA berichtete, aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen zu arabischen Königshäusern um eine Vermittlung Francos zwischen Ägypten und Israel gebeten, vgl.: Schreiben (reservada) von Jos¦ Mara de Areilza an Alberto Martn Artajo, Außenminister, Washington D.C., 17. 11. 1955; AMAE, Leg. R 3850/25.
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in seinem Willkommensgruß an die Konferenzteilnehmer auf die trikulturelle Vergangenheit. Dabei leitete er aus dem Umstand, dass im Nahen Osten die drei Kulturen vertreten seien, die im Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel zusammengelebt hätten, ein besonderes Interesse Spaniens an der Konfliktlösung ab.474 „Spanien lernte […] das schmerzliche Ergebnis der Konfrontation kennen und AlAndalus und Sepharad blieben als unauslöschliche Erinnerungen eines glücklichen Ortes für viele Generationen von Männern und Frauen [präsent, A. M.], die Sehnsucht [nach diesem Ort, A. M.] dauert bis in unsere heutigen Tage an. Da wir die Frucht der convivencia [Hervorhebung, A. M.] und den bitteren Geschmack der Konflikte kennengelernt haben, wie könnten wir dann jetzt nicht die Hoffnung verspüren, dass es auch in dieser Region der Welt einen Weg hin zum Frieden gibt?“475
Der spanische Ministerpräsident begründete die Rolle seines Landes als Vermittler im Nahost-Konflikt retrospektiv mit den historischen Erfahrungen der trikulturellen convivencia zwischen Christen, Mauren und Juden sowie mit ihrem Scheitern durch die Vertreibung der Juden 1492 und die der Morisken 1609. Zugleich verwies er in seiner Begrüßungsrede auf den zeitlichen Kontext der Friedenskonferenz, die kurz vor Beginn des Gedenkjahres 1992 stattfand. Aus der Aktualität der Erinnerung ergab sich nach Meinung Gonzlez’ ein besonderes Anliegen seiner Regierung, an einer Konfliktlösung mitzuwirken.476 Auch in anderer Hinsicht stellte die Konferenz einen Vorgriff auf das Gedenkjahr dar. So wurde das trikulturelle Erbe Spaniens genutzt, um sich internationale Anerkennung zu verschaffen. War das jüdische Erbe im Zusammenhang mit der Anerkennung Israels erinnert worden, führte der Eintritt in die EG und die beanspruchte Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt zu einer Erweiterung des Gedächtnisses um das muslimische Erbe. Die Politik, die auf eine Stärkung der spanischen Position in der interna474 „Gonzlez: ,Albergamos la esperanza‘“, in: La Vanguardia, 31. 10. 1991, 3. Auch Mauricio Hatchwell begründete die Eignung Madrids als Ort für eine Friedenskonferenz in einem Zeitungsartikel mit der mittelalterlichen Vergangenheit Spaniens, vgl.: Hatchwell Toledano, Mauricio, Madrid, capital de la concordia pasada y futura, in: ABC, 30. 10. 1991, 60. 475 „EspaÇa tambi¦n conociû el amargo resultado de la confrontaciûn y Al-Andalus y Sefarad quedaron como recuerdo imborrable de un lugar feliz para muchas generaciones de hombres y mujeres, la nostalgia ha perdurado hasta nuestros das. Si hemos conocido el fruto de la convivencia y el sabor amargo del desencuentro, ¿cûmo no sentir, ahora la esperanza de un camino abierto hacia la paz en ese lugar del mundo?“, Discurso del Presidente del Gobierno, don Felipe Gonzlez, en la sesiûn de apertura de la Conferencia de Paz para Oriente Medio en Madrid (30 – 10 – 91), in: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v. Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina Diplomtica, Madrid 1991, 178. 476 Vgl.: Discurso del Presidente del Gobierno, don Felipe Gonzlez, en la sesiûn de apertura de la Conferencia de Paz para Oriente Medio en Madrid (30 – 10 – 91), in: Actividades, textos y documentos, 1991, 179. Die PSOE-Politikerin und Europaparlament-Abgeordnete Elena Valenciano unterstrich nach der Nahost-Konferenz in Annapolis (Maryland) im November 2007, dass Spanien auch in Zukunft eine aktive Rolle im Nahost-Friedensprozess einnehmen werde, vgl.: „Hacer realidad lo posible“, in: lef, 4/2008, 11.
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tionalen Gemeinschaft zielte, setzte sich mit der Ausrichtung der Euro-Mittelmeer-Konferenz 1995 in Barcelona fort.477 Der Prozess, den das Treffen in Barcelona in Gang setzte und aus dem die Union for the Mediterranean mit Sitz in der katalanischen Stadt hervorging, strebt eine gemeinsame Position der EU-Staaten gegenüber den Mittelmeeranrainern an, d. h. gegenüber den arabischen Staaten und Israel. Spanien versteht sich selbst als einen Protagonisten in diesem Prozess. Auch hier leitet sich die Beanspruchung einer Sonderrolle aus der Lage Spaniens am „Rande von Europa“ sowie aus der iberischen Geschichte ab.478 Während der Regierungszeit des konservativen PP unter Ministerpräsident Jos¦ Mara Aznar blieb die von Spanien beanspruchte Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt ein zentrales Thema der Israelpolitik. Während Aznar in den entsprechenden Reden mehrfach auf den „Geist von Madrid“ verwies, blieben explizite Bezüge auf die historische convivencia zur Untermauerung der besonderen Eignung Spaniens allerdings aus.479 Erst sein sozialdemokratischer Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Jos¦ Luis Rodrguez Zapatero, rekurrierte wieder stärker auf den historischen Vorbildcharakter der trikulturellen convivencia. Auf einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Algier stellte Zapatero Spanien als einen „Treffpunkt verschiedener Kulturen, Traditionen und Religionen“ dar und verwies – auch mit Blick auf den NahostKonflikt – auf eine jahrhundertealte Tradition der Dialog- und Vermittlungsfähigkeit des Landes, die ihren Anfang mit der sogenannten Übersetzerschule in Toledo genommen habe.480 Die von Zapatero mit ins Leben gerufene Alliance of Civilizations stellt ein weiteres Beispiel dar.481 Auch wenn es sich bei der UN-Organisation nicht um ein explizites Instrument der Nahost477 Vgl.: Jim¦nez Redondo, Juan Carlos, De Surez a Rodrguez Zapatero: La poltica exterior de la EspaÇa democrtica, Paracuellos del Jarama (Madrid) 2006, 76. Vgl. zur Euro-MittelmeerKonferenz auch: Mirapeix Martnez, Edualdo, Factores que condicionan las relaciones hispano-israeles, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 33 f; Segura i Mas, Antoni, El proceso de Barcelona (1995 – 2005): Balance y perspectivas, in: Ebd., 171 – 181. 478 Vgl.: http://www.maec.es/es/MenuPpal/Paises/Mediterraneo/Paginas/partenariadomediterra neo2010.aspx#1.%20¿Cûmo%20nace%20el%20Partenariado%20 Euro-Mediterrneo?, 21. 11. 2011; http://www.ufmsecretariat.org/en/who-we-are/, 21. 11. 2011. 479 „Si en algffln momento Madrid es necesario que vuelva a ser seÇal de identidad y que en Madrid sople fuerte el viento de la paz, por supuesto que as ser.“, Discurso del presidente del gobierno, Jos¦ Mara Aznar, en la ceremonia de bienvenida a Israel, 28. 6. 1998, http:// www.jmaznar.es/discursos/pdfs/00499 A0499.pdf, 14. 11. 2011. Vgl. dort weitere Reden Aznars zum Thema Israel und Naher Osten. Zur Nahost-Politik der Aznar-Regierung vgl.: MuÇozAlonso, Alejandro, EspaÇa en primer plano. Ocho aÇos de poltica exterior 1996 – 2004, Madrid 2007, 379 – 390. Es wird vermutet, dass der konservative Aznar größere Schwierigkeiten hatte als sein sozialdemokratischer Vorgänger, das trikulturelle Erbe und insbesondere dessen Reaktivierung zu akzeptieren. 480 „lugar de encuentro de diversas culturas, tradiciones y religiones“, Discurso del Presidente del Gobierno en la Cumbre de la Liga de los Estados Ýrabes, Algier, 22. 3. 2005, http://www.lamon cloa.gob.es/Presidente/Intervenciones/Discursos/p2203050.htm, 15. 11. 2011. 481 Vgl.: http://www.unaoc.org/about/, 7. 11. 2011.
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Politik handelt, lässt sie sich in einem weiter gefassten Sinne in diesem Bereich verorten, da sie sich, wie Zapatero mehrfach hevorhob, dem Dialog zwischen Orient und Okzident verschrieben habe.482 Die Einsicht in die Notwendigkeit eines interkulturellen und interreligiösen Verständigungsprozesses begründete er mit den historischen Erfahrungen auf der Iberischen Halbinsel, wobei er Spanien als ein „Land des Friedens“ darstellte, „welches alle Völker respektiert, welches alle Religionen respektiert und schützt, welches aus der eigenen historischen Erfahrung gelernt hat, dass die Bereicherung zumeist eine Frucht der Vielfalt ist, und welches überzeugt ist, dass das 21. Jahrhundert, wenn wir an den Fortschritt der Menschheit glauben, durch gegenseitiges Verständnis, Zusammenleben, Frieden, die Reduzierung von Konflikten und von den in der Welt existierenden Ungleichheiten geprägt sein muss.“483
An diesen Beispielen wird deutlich, dass der spanische Staat – insbesondere in Phasen sozialdemokratischer Regierungen – auf die Wirkkraft des convivencia-Erinnerungsbildes setzte und setzt. Die aus der trikulturellen Vergangenheit scheinbar historisch ableitbaren Qualitäten sollten die außenpolitisch beanspruchte Vermittlerposition untermauern. Allerdings wirkte sich die Profilierung als „interkultureller Mediator“ widersprüchlich auf die spanischisraelischen Beziehungen aus. So kritisierte der israelische Botschafter Raphael Schutz anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomati482 Vgl. z. B.: Discurso del Presidente del Gobierno en la inauguraciûn del I Foro de la Alianza de Civilizaciones, Madrid, 15. 1. 2008, http://www.lamoncloa.gob.es/Presidente/Intervenciones/Dis cursos/prdi20080115.htm, 15. 11. 2011; Discurso del Presidente del Gobierno en la inauguraciûn del Foro de la Alianza de Civilizaciones, Istanbul, 6. 4. 2009, http://www.lamoncloa.gob.es/Presiden te/Intervenciones/Discursos/prdi20090406.htm, 15. 11. 2011. Konkret zu Israel und zum NahostKonflikt äußerte sich der spanische Ministerpräsident in zwei Reden im Jahr 2009. Im Oktober stattete er zugleich seinen einzigen offiziellen Israel-Besuch ab. Vgl.: Declaraciûn del Presidente del Gobierno despu¦s de su reuniûn con el Presidente de Israel, Jerusalem, 15. 10.2009, http://www.la moncloa.gob.es/Presidente/Intervenciones/Otros/prot20091015.htm, 15. 11. 2011; Declaraciûn del Presidente del Gobierno sobre Oriente Prûximo, Madrid, 5. 1. 2009, http://www.lamoncloa.gob.es/ Presidente/Intervenciones/Otros/prot20090105.htm, 15. 11. 2011. Zur von Spanien beanspruchten Vermittlerrolle vgl. auch: „La contribuciûn de la diplomacia pfflblica espaÇola a la paz en Oriente Medio“, in: lef, 28/2010, 2. 483 „pas de paz“, „que respeta todas las civilizaciones ; que respeta y ampara todas las religiones ; que sabe, por propia experiencia histûrica, que el enriquecimiento es normalmente el fruto de la diversidad y que est convencido de que el siglo XXI, si creemos en el progreso de la civilizaciûn humana, debe de estar presidido por el entendimiento, la convivencia, la paz, la reducciûn de los conflictos y la reducciûn de las desigualdades en el mundo.“, Discurso del Presidente del Gobierno en la inauguraciûn del I Foro de la Alianza de Civilizaciones, Madrid, 15. 1. 2008, http://www.lamoncloa.gob.es/Presidente/Intervenciones/ Discursos/prdi20080115.htm, 15. 11. 2011. Vgl. für ähnliche Verweise auf die historische convivencia z. B. auch: Conferencia de prensa del Presidente del Gobierno y del Primer Ministro de Turqua despu¦s de la primera reuniûn del Grupo de Alto Nivel de la Alianza de Civilizaciones, Palma de Mallorca, 27. 11. 2005, http ://www.lamoncloa.gob.es/Presidente/ Intervenciones/ConferenciasdePrensa/Rdez.+Zapatero-Erdogan+271105.htm, 15. 11. 2011.
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scher Beziehungen zwischen beiden Staaten im Jahr 2011 Spanien für seine eindimensionale Wahrnehmung Israels als bloße Konfliktpartei im Nahen Osten.484 Paradoxerweise erschwert hier die Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit von Christentum und Judentum die Entwicklung einer bilateralen Agenda in der Gegenwart.
3.3 Die Gründung der Casa Sefarad-Israel. Kontinuitätslinien bis in die Gegenwart Die im Dezember 2006 beschlossene Einrichtung einer dem Außenministerium unterstehenden Casa Sefarad-Israel bedeutete einen wichtigen Schritt in Richtung einer dauerhaften Etablierung der (außenpolitischen) Beziehungen des spanischen Staates zur sephardischen Welt und zu Israel.485 Institutionell fügte sich die Casa Sefarad-Israel in das Netzwerk diplomatischer Einrichtungen wie Casa Am¦rica, Casa Asia, Casa Ýrabe und Casa Ýfrica ein.486 Die anlässlich der Eröffnungszeremonie am 8. Februar 2007 im Santa Cruz-Palast gehaltenen Reden liefern eindrückliche Beispiele für philosephardische Kontinuitätslinien im offiziellen Diskurs über Juden, Sepharden und Israel bis in die jüngste Vergangenheit. In Analogie zu vorangegangenen Ereignissen, wie z. B. der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, charakterisierte Außenminister Miguel Ýngel Moratinos den Tag als eine historische Zäsur für Spanien, Israel und die jüdischen Gemeinden, zugleich sticht in seiner Rede das Motiv der Begleichung einer historischen Schuld hervor. So heißt es z. B.: 484 Vgl.: Schutz, Raphael, 25 aÇos atravesando el Puente: Seamos ms bilaterales, in: Puente, 12/2011, http://www.embajada-israel.es/docs/espana-israel/Espana-israel_25aniv_Editorial_ Embajador_25anos_atravesando_puente.pdf, 22. 11. 2011. Bei seinem Abschied als Botschafter entfachte Schutz eine Diskussion über den seiner Meinung nach weiterhin bestehenden Antisemitismus in der spanischen Gesellschaft, vgl.: Schutz, Raphael, Perspectiva y paciencia, in: El Pas, 2. 7. 2011 und als Reaktion darauf: Goytisolo, Juan, Los adioses del embajador de Israel, in: Ebd., 16. 7. 2011. 485 Der Außenminister Miguel Ýngel Moratinos verortete die Gründung der Casa Sefarad-Israel im Kontext des 20-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Spanien und Israel, vgl.: Discurso Ministro de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, http:// www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-moratinos.aspx, 22. 7. 2011. Bereits 2003 war im Congreso de los Diputados der Vorschlag aufgekommen, die Zusammenarbeit zwischen spanischen Institutionen und sephardischen Gemeinden zu stärken. Vgl.: Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 474, 27 de enero de 2003, 161/ 001883, 12; Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 507, 18 de marzo de 2003, 161/001883, 16. Im Juli 2006 war außerdem die Gründung einer Casa Ýrabe beschlossen worden. Obwohl auch hier die Beziehungen zur muslimischen Welt als Aufgabenbereich verankert wurden, fehlt ein entsprechender Hinweis auf das historische alAndalus im Namen, vgl.: http://www.casaarabe-ieam.es/p/que-es-casa-arabe, 18. 10. 2011. 486 Vgl.: http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/presentacion.aspx, 20. 4. 2011.
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„In ihrem Aufbau ist die Casa Sefarad-Israel ein einzigartiger Zusammenschluss, ihre Gründung gehorcht einer Schuld, die sich uns selbst gegenüber und aus dem historischen Zusammenhang ergibt, der unsere Verbindung mit Israel und den jüdischen Organisationen in aller Welt stärkt.“487
Um die spanisch-israelischen ebenso wie die spanisch-jüdischen Beziehungen zu vertiefen, solle die Casa Sefarad-Israel zu einem „Begegnungsort“ und zu einem „Grundstein des Sepharads des 21. Jahrhunderts“ werden.488 Eine ähnliche Verknüpfung der historischen Schuld gegenüber den Sepharden und der Hoffnung auf eine neue gemeinsame Zukunft drückt sich auch in der Rede der Präsidentin der Autonomen Gemeinde Madrid, Esperanza Aguirre, aus: „So müssen wir zu der Schuld, die aus der Ungerechtigkeit ihrer Vertreibung [der Juden, A. M.] erwuchs, heute die enorme moralische Verpflichtung addieren, die sich angesichts der Bewunderung und Dankbarkeit für die Bewahrung eines kulturellen Erbes, das auch unseres ist, ergibt.“489
Als Motivation wird die Bewahrung einer als eigen – d. h. als spanisch – verstandenen Kultur angeführt: Eine deutliche Parallele zum franquistischen Philosephardismus. Die designierte Leiterin Ana Salomûn gab die Erforschung des sephardischen Kulturerbes ebenso als Ziel der Casa Sefarad-Israel aus, wie die Vermittlung von Wissen über die jüdische Kultur und die Stärkung der Zusammenarbeit und Verbindung zwischen der spanischen und der israelischen Gesellschaft. Als Tätigkeitsfelder charakterisierte sie die Bereiche der Kultur, Kunst, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft.490 Auf dem Gebiet der Bildung und Forschung organisiert die Casa Sefarad-Israel Reisen und Austauschprogramme zwischen Spanien und Israel. Aufklärung versucht sie über verschiedene Veranstaltungen, Publikationen und die monatlich erscheinende Zeitschrift lef zu leisten. Die programmatische Ausrichtung deutet somit auf eine vorrangige Perzeption der Sepharden als Kultur- und Wissensträger hin. Die Beschäftigung mit dem Sephardentum als Religion tritt demgegenüber in den Hintergrund. Dass das Zentrum dieser neuen Beziehungen, das „neue Herz von Sepha487 „En esta estructura la Casa Sefarad-Israel es un consorcio singular, pues su creaciûn obedece a una deuda contrada con nosotros mismos y con la coherencia histûrica, que refuerza nuestros lazos con Israel y con las organizaciones judas del mundo.“, Discurso Ministro de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-morati nos.aspx, 22. 7. 2011. 488 „espacio de encuentro“, „piedra angular de la Sefarad del siglo XXI“, Discurso Ministro de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursosmoratinos.aspx, 22. 7. 2011. 489 „As, a la deuda por la injusticia cometida con su expulsiûn hoy tenemos que aÇadir la enorme deuda de admiraciûn y gratitud por haber conservado vivo un patrimonio cultural que nos es comffln.“, Discurso Presidenta de la Comunidad Autûnoma de Madrid, http://www.casasefaradisrael.es/es/nosotros/discursos-presidenta.aspx, 22. 7. 2011. 490 Vgl.: „EspaÇa quiere saldar su deuda juda con la Casa Sefarad“, in: ABC, 9. 2. 2007, 78.
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rad-Israel“, in Madrid ansässig ist, begründete der Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardûn mit dem toleranten Miteinander in der Hauptstadt.491 Damit deutete er ein lokales Selbstverständnis an, das in der Mehrkulturalität ein positives Element sieht: „Die sephardische und jüdische Gemeinde wird sich in dieser Stadt wohl mit uns fühlen, und von hier aus geben wir das Versprechen ab, daran zu arbeiten, sie mit allen und jeder einzelnen der Kulturen, die mit uns zusammenleben, zu verbinden, und daran, diese Casa Sefarad-Israel, soweit dies möglich ist, mit allen anderen Häusern [gemeint sind Casa Am¦rica, Casa Ýrabe etc., A. M.], Foren und internationalen Organismen, die in unserer Stadt ansässig sind, zu verknüpfen.“492
Die Inaussichtstellung eines harmonischen Zusammenlebens in der Zukunft suggeriert, dass es bislang keine jüdische Gemeinde in der Stadt gegeben habe und ignoriert damit eine der Bevölkerungsgruppen, die die zuvor gelobte Vielfalt der Stadt ausmachen. Damit ist bereits das größte Defizit der Casa Sefarad-Israel angesprochen: Als eine Institution, die dem Außenministerium untersteht, richtet sich ihre Aufmerksamkeit – wie im Namen angedeutet – in erster Linie auf die „sephardische Diaspora“ und auf Israel, wodurch eine Gleichsetzung von Juden/Sepharden und Israel begünstigt und die jüdische Realität in Spanien vernachlässigt wird. So bekannten sich zwar alle Redner zur wichtigen Bedeutung der sephardischen Kultur für die spanische Geschichte und zum gemeinsamen Erbe, es findet sich aber in keinem Beitrag ein Hinweis auf die gegenwärtige jüdische Kultur und die in Spanien existierenden Gemeinden.493 Diese Leerstelle sowie die außenpolitische Ausrichtung der Casa Sefarad-Israel deuten auf Kontinuitäten im Umgang mit dem Judentum über das Ende des franquistischen Regimes hinaus hin. Lediglich der Außenminister verwies in seiner Rede auf ein „multikulturelles Spanien“, welches auf „mystische Vorläufer, die in un491 „nuevo corazûn de Sefarad-Israel“, Discurso Alcalde del Ayuntamiento de Madrid, http:// www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-alcalde.aspx, 22. 7. 2011. 492 „La comunidad sefard y juda se sentir, pues, cûmoda con nosotros en esta ciudad, y desde aqu nos comprometemos a trabajar por enlazarla a todas y cada una de las culturas que conviven con nosotros y por enlazar, en la medida de lo posible, esta Casa Sefarad-Israel con todas aquellas casas, foros, u organismos internacionales que tienen sede en nuestra ciudad.“, Discurso Alcalde del Ayuntamiento de Madrid, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/ discursos-alcalde.aspx, 22. 7. 2011. 493 Vgl.: Discurso Alcalde del Ayuntamiento de Madrid, http://www.casasefarad-israel.es/es/noso tros/discursos-alcalde.aspx, 22. 7. 2011; Discurso Presidenta de la Comunidad Autûnoma de Madrid, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-presidenta.aspx, 22. 7. 2011; Discurso Ministro de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, http://www.casasefarad-israel.es/ es/nosotros/discursos-moratinos.aspx, 22. 7. 2011; Discurso Ministra de Asuntos Exteriores de Israel, Tzipi Livni, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-livni.aspx, 22. 7. 2011. Einige Vertreter jüdischer Gemeinden aus dem In- und Ausland waren allerdings bei der Veranstaltung anwesend. Vgl.: http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/inauguracion. aspx, 1. 8. 2011.
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serem eigentümlichen Charakter verankert sind“, zählen könne.494 Er schlug so einen Bogen von der trikulturellen Vergangenheit zur Aktualität des pluralen Spaniens, welches mit der Casa Sefarad-Israel sein sephardisches Erbe infrastrukturell verankerte. *** Die Untersuchung der offiziellen und öffentlichen Wahrnehmung des Judentums offenbarte, dass Francos Tod auch in der spanisch-jüdischen Geschichte keine tiefgreifende Zäsur bildete. Wie sehr die Haltung der Regierung in den Jahren der transiciûn durch Ambivalenzen gekennzeichnet war, zeigte die Tagung des Jüdischen Weltkongresses in Madrid. Während dieses Ereignis zunächst als ein Symbol für Demokratiefähigkeit und Toleranz begrüßt worden war, verdeutlichte das „Einknicken“ der Regierung angesichts der Proteste, dass die aus dem Franquismus stammenden Denk- und Verhaltensmuster 1975 ihre Wirkkraft nicht verloren hatten, sondern sich fortsetzten. Zehn Jahre später, als sich die Demokratie bereits gefestigt hatte, glückte zwar eine entsprechende Verortung der Anerkennung Israels als Schritt im spanischen Europäisierungsprozess. Die anlässlich der Eröffnung der Casa Sefarad-Israel gehaltenen Reden verweisen aber zugleich auf die anhaltende Wirkmächtigkeit tradierter philosephardischer Darstellungsmuster und relativieren so die Vorstellung einer mit der Demokratisierung vollzogenen Kehrtwende in der offiziellen Haltung gegenüber Juden. Obwohl sich im offiziellen Diskurs nach 1975 zunehmend Bekenntnisse zu einer historischen Verantwortung finden, setzten sich eine Verengung auf den Aspekt der spanisch-jüdischen Kultur und die mangelnde Auseinandersetzung mit dem jüdischen Gemeindeleben in Spanien fort. Auffällig ist weiterhin, dass die Betonung der jüdischen Vergangenheit bzw. der trikulturellen convivencia in der Tradition Am¦rico Castros zwar als ein spanischer „Sonderfall“ erscheint, dieser wird nun aber nicht mehr als ein exkludierendes Alleinstellungsmerkmal verstanden, das einer als europäisch verstandenen Identität entgegensteht, sondern als spezifische Eignung des iberischen Landes für eine europäische Gemeinschaft. Die Bezugnahme auf die mehrkulturellen Einflüsse dienen im offiziellen Diskurs als Nachweis einer Demokratie- und Dialogfähigkeit und letztlich der endgültigen Verortung Spaniens in (West-)Europa.
494 „antecendentes mticos incorporados a nuestra idiosincrasia“, Discurso Ministro de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/discursos-morati nos.aspx, 22. 7. 2011.
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Das nationale Selbstverständnis auf dem Prüfstand
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4. Das nationale Selbstverständnis auf dem Prüfstand. Neuregelung der juristischen Rahmenbedingungen Im November 1976 beschlossen die Cortes das Gesetz über die politische Reform, das bei einem Referendum im Dezember 1976 von 95 % der Bevölkerung bei einer Wahlbeteiligung von über 77 % angenommen wurde und die Ständekammer durch ein allgemein gewähltes Zweikammer-Parlament mit verfassungsgebenden Vollmachten ersetzte. Die Zulassung von Parteien und Gewerkschaften, die Parlamentswahlen 1977, die sozioökonomischen Moncloa-Pakte 1977 sowie die Verabschiedung der Verfassung 1978 stellten weitere wichtige Schritte im Prozess der transiciûn dar.495 Neben der Regelung der Staatsform und des Verhältnisses zwischen Zentralstaat und Regionen sah sich der spanische Staat vor die Frage gestellt, wie er seine zukünftigen Beziehungen zur katholischen Kirche bzw. zu Religionen im Allgemeinen regeln würde. Victorino Mayoral Cort¦s zufolge bewegten sich die Positionen zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite stand die Tradition des konfessionellen Staates, auf der anderen Seite die Forderung von progressiven und liberalen Kräften nach einem laizistischen Staat. In den ersten Jahren bis zur Verabschiedung der Verfassung habe der Versuch im Mittelpunkt gestanden, einen politischen Pluralismus zu organisieren und die katholische Kirche in dieses System einzubinden.496 Die religionspolitische Dimension der Demokratisierung Spaniens ist bislang von der insgesamt umfangreichen Forschung vor allem im Hinblick auf Wandlungsprozesse innerhalb der katholischen Kirche untersucht worden, ihre Relevanz für die spanisch-jüdische Geschichte blieb weitgehend unberücksichtigt.497 Inwieweit die gesellschaftlichen und politischen Veränderungsprozesse den Umgang mit der jüdischen Minderheit in Spanien beeinflusst haben, wird am Beispiel des legislativen Transformationsprozesses 495 Bernecker, Geschichte Spaniens, 271 – 274. Die ersten freien Parlamentswahlen im Juni 1977 gewann die Uniûn de Centro Democrtico (UCD) unter Führung von Adolfo Surez mit 34,6 % der Stimmen, ebenso wie die Parlamentswahlen im Frühjahr 1979 mit 35 % der Stimmen. 496 Vgl.: Mayoral Cort¦s, Libertad religiosa y laicidad, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 243 ff. Innerhalb der katholischen Kirche wurde in den Jahren nach 1975 ebenfalls über die veränderte Rolle in einer demokratischen Gesellschaft diskutiert, vgl. z. B.: „Iglesia: ¿con o sin el poder?“, in: Cuadernos para el dilogo, 147/1975, 8 – 9; Bordeje, Miguel, Constituciûn: La postura de la Jerarqua, contestada, in: Ecclesia, 1870, 21. 1. 1978, 29 – 30; „El catûlico ante la Ley de Divorcio“, in: Razûn y Fe, 984/1980, 12 – 15; Daz-Salazar, El factor catûlico, 195 – 203. Auch wurde die Gründung einer christlichen Partei zur Sicherung des politischen Einflusses diskutiert. Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 560 – 565. Nach der Verabschiedung der Verfassung avancierten die Regelung der Scheidung und des Abtreibungsrechtes sowie die Rolle im Bildungssystem zu viel diskutierten Themen innerhalb der Kirche. Vgl.: Miguel Lamet, Pedro, La iglesia de la transiciûn y la democracia, in: Historia 16, 241/1996, 151 f. 497 2010 erschien der von der FCJE publizierte Sammelband: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa.
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untersucht. Der Annahme folgend, dass die Positionierung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten eng mit dem offiziell sanktionierten Selbstbild zusammenhängt, werden die 1978 verabschiedete Verfassung, das Religionsgesetz von 1980, die Neuregelung der Staatsbürgerschaft für Sepharden aus dem Jahr 1982 und die 1992 verabschiedeten Kooperationsabkommen analysiert. Anhand der Debatten und des Inhaltes dieser Dokumente können Kontinuitäten und Brüche bei der Aushandlung der juristischen Rahmenbedingungen jüdischen Lebens nach 1975 herausgearbeitet werden. 4.1 Die Verfassung 1978. Das Ende staatlicher Konfessionalität Zu den wichtigsten Aufgaben innerhalb des politischen Reformprozesses nach 1975 gehörte die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung. Dabei wurde im Sinne des paktierten Wandels eine Konsensverfassung angestrebt.498 Die Verfassung, die den vorläufigen Höhepunkt des politischen Transformationsprozesses markierte, wurde Ende Oktober 1978 mit großer Mehrheit vom Parlament angenommen und in einem Referendum am 6. Dezember 1978 von der spanischen Bevölkerung mit 87,8 % der Stimmen gebilligt.499 Bei ihrer endgültigen Verabschiedung am 27. Dezember 1978 waren der Präsident der spanischen Bischofskonferenz, Vicente Enrique y Tarancûn, sowie Vertreter der jüdischen und evangelischen Religionen (David Bergel Sequerra500 und Jos¦ Cardona) anwesend.501 Es war das erste Mal, dass Vertreter nicht-ka498 Tusell sieht in dem konsensualen Charakter der Verfassung ihr wichtigstes Charaktermerkmal, vgl.: Tusell, La transiciûn, 156 f. Zur Ausarbeitung der Verfassung im Parlament vgl.: Ebd., 152 – 165. 499 Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 273. Zur Aushandlung des Verfassungsentwurfes in den Cortes und in der Verfassungskommission vgl.: Rubio Llorente, Francisco, Der verfassunggebende Prozeß, in: Bernecker/Collado Seidel (Hg.), Spanien nach Franco, 136 – 141. Tusell weist darauf hin, dass die Beteiligung an dem Referendum mit 69 % der Bevölkerung gering war, was er u. a. darauf zurückführt, dass es sich bereits um die dritte Abstimmung in dem Jahr handelte. Auch hatte in Teilen der Bevölkerung bereits ein Ernüchterungsprozess (desencanto) eingesetzt, vgl.: Tusell, La transiciûn, 158. 500 El Pas bezeichnete Bergel Sequerra als Vize-Präsident der CJM, vgl.: „La Oposiciûn destaca la importancia del desfile militar“, in: El Pas, 26. 12. 1978. 501 Vgl.: „El cardenal Tarancûn a la ceremonia de sanciûn de la Constituciûn“, in: El Pas, 23. 12. 1978; Ramrez, Pedro J., Histûrica Sesiûn en las Cortes, in: ABC, 28. 12. 1978, 4. Allerdings hatte es im Vorfeld Auseinandersetzungen um die Teilnahme gegeben, und Tarancûn war erst im letzten Moment vom Präsidenten der Cortes Antonio Hernndez Gil überzeugt worden. Kritik an der Anwesenheit von Religionsvertretern an einer rein staatspolitischen Zeremonie kam auch aus den Reihen der Kirche: „ya que la presencia en el acto solemne de la sanciûn de la Constituciûn es fatalmente interpretada a nivel popular de la siguiente forma: ,Si Dios no ha entrado en la Constituciûn por la puerta principal, las iglesias lo hacen de puntillas por la puerta falsa.‘“ (Gonzlez Ruiz, Jos¦ Mara, Tribuna: La Constituciûn: si no Dios, ¡al menos la Iglesia!, in: El Pas, 26. 12. 1978.) Der Repräsentant der jüdischen Gemeinden David Bergel Sequerra zeigte sich nach der Zeremonie sehr bewegt gegenüber der Presse, „because this was the first time since the edict of expulsion of the Jews from Spain in 1492 that Spanish Jews had
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tholischer Religionen einer staatlichen Zeremonie beiwohnten. Die Teilnahme dieser Persönlichkeiten sollte die neue Toleranz des Staates unterstreichen, führte aber in der Öffentlichkeit zu Kritik an der unzulässigen Vermischung von Politik und Religion. Mit der Verfassung wurde Spanien zur parlamentarischen Monarchie, zugleich definierte es sich als demokratischen und sozialen Rechtsstaat, der sich zu Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und politischem Pluralismus bekennt.502 Auf der einen Seite schuf die Verfassung mit den 17 Autonomen Gemeinschaften (Comunidades Autûnomas) eine regionale Entscheidungs- und Steuerungsebene neben dem Zentralstaat.503 Auf der anderen Seite betont sie in Artikel 2 die „unauflösliche Einheit der spanischen Nation“,504 womit eine partielle Kontinuität zum „Einheitsdiskurs“ der franquistischen Diktatur erkennbar wird. Dass die nationale Einheit auch nach Francos Tod von zentraler Bedeutung war, hatte der spanische König Juan Carlos bereits in der im Anschluss an seine Vereidigung durch die Cortes am 22. November 1975 gehaltenen Rede hervorgehoben: „Die Institution, die ich verkörpere, verbindet alle Spanier miteinander ; und heute, in dieser bedeutsamen Stunde, wende ich mich an Euch, da es die Pflicht aller ist, Spanien zu dienen. Laßt uns alle im Geist des Großmuts und der Würde begreifen, daß unsere Zukunft auf der wirklichen nationalen Einheit gründen wird.“505
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been officially represented at such an important occasion“, „Spanish Jews officially ,recognised‘“, in: JC, 5, 724, 5. 1. 1979, 1. Vgl.: Constituciûn EspaÇola 1978, Art. 1, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Enrique, Constituciûn EspaÇola Comentada, Madrid 232005, 256. Bernecker, Geschichte Spaniens, 282 f. Zur Regelung der Autonomiefrage in der Verfassung vgl.: Constituciûn EspaÇola 1978, Kap. 3, Art. 143 – 158, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 286 – 294. Das Verhältnis zwischen Zentralstaat und Regionen befindet sich seitdem in einem andauernden und häufig konfliktreichen Aushandlungsprozess. „indisoluble unidad de la Naciûn espaÇola“, Constituciûn EspaÇola 1978, Art. 2, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 256. Zum Konzept der Nation in der spanischen Verfassung vgl.: Solozbal, Juan Jos¦, Naciûn y Constituciûn, in: Quesada, Fernando (Hg.), Plurinacionalismo y ciudadana, Madrid 2003, 161 – 183. Zur Kontinuität des nationalen Identitätsdiskurses, vgl.: Taibo Arias, Sobre el nacionalismo espaÇol, in: Ders. (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 28 f. Zit. u. übers. n.: Bernecker, Die Rolle von König Juan Carlos, in: Ders./Collado Seidel (Hg.), Spanien nach Franco, 159. Die Formulierung „alle Spanier“ enthielt zugleich eine Versöhnungsbotschaft an die gespaltene Gesellschaft. Vgl.: Bernecker/Brinkmann, Kampf der Erinnerungen, 229. In dem nach dem Tod Francos von Ministerpräsident Arias verlesenen „politische[n] Testament“ hatte der ehemalige Staatschef ebenfalls mehrfach auf die „Einheit Spaniens“ angespielt. Auch in der Weihnachtsansprache des Königs 1976 kam die Vorstellung der Einheit zum Tragen: „La Monarqua, como la forma de Estado mas [sic] adecuada para EspaÇa, es capaz de asegurar la unidad de todos los espaÇoles, la libertad y el ejercicio de los derechos humanos en el orden y en la paz.“, „Mensaje del rey en nochebuena. ,La monarqua es capaz de asegurar la unidad, la libertad y los derechos humanos‘“, in: ABC, 26. 12. 1976; OIDArchiv.
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Mit der Wahrung der nationalen Einheit verband sich nach 1975 aber auch die Suche nach Formen des demokratischen Zusammenlebens.506 In diesem Kontext galt es, das Verhältnis von Staat und Kirche in Spanien neu zu regeln.507 Für die Bereitschaft des neuen Staates zur Garantierung einer umfassenden Religionsfreiheit war der Umgang mit den Minderheitenreligionen ein wichtiger Indikator. Israel Garzûn sieht darin eine Parallele zur Diskussion um die liberale Verfassung im 19. Jahrhundert, die jüdische Minderheit wurde ihm zufolge während der transiciûn erneut „ein sensibles Element, um die Entschlossenheit der neuen Autoritäten zu bewerten“.508 Die Verfassung schreibt in Artikel 14 die Gleichheit aller Spanier vor dem Gesetz sowie damit verbunden ein Diskriminierungsverbot aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Meinungen fest.509 Dem Umgang des spanischen Staates mit Religionsgemeinschaften sind das Prinzip der Religionsfreiheit, das Prinzip der Nicht-Konfessionalität des Staates und das Prinzip der Kooperation zugrunde gelegt.510 Artikel 16 garantiert Einzelpersonen und Gemeinschaften die ideologische und religiöse Freiheit, welche nur im Falle einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden kann. Der gleiche Artikel hält fest, dass keine Religion staatlichen Charakter besitzt. Allerdings heißt es weiter : „Die Behörden werden die in der spanischen Gesellschaft verbreiteten religiösen Glaubensrichtungen berücksichtigen und werden infolgedessen mit der katholischen Kirche und den weiteren Konfessionen kooperative Beziehungen unterhalten“.511 Der explizite Verweis auf die
506 Vgl. z. B.: „Una tierra de paz“, in: La Vanguardia, 25./26. 12. 1976; „Un deasafo para todos“, in: Informaciones, 27. 12. 1976; beides OID-Archiv. 507 Für eine ausführliche Diskussion zur Regelung der Religionsfreiheit in der Verfassung von 1978 vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, zweiter Teil, Kapitel 1 – 4. Tusell zufolge wurde der erste Teil der Verfassung, der die Menschenrechte und Freiheiten regelte, am meisten diskutiert, vgl.: Tusell, La transiciûn, 158 f. 508 „elemento sensible para valorar la determinaciûn de las nuevas autoridades“, Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 257. 509 Vgl.: Constituciûn EspaÇola 1978, Art. 14, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 258. 510 Vgl.: Benasuly, Alberto, La separaciûn de religiûn y estado en la constituciûn espaÇola, in: Races, 52 – 53/2002, 17 – 18. Cuervo-Arango zufolge handelt es sich um ein System der religiösen Neutralität, vgl.: Cuervo-Arango, Breve apunte histûrico, in: Abumalham (Hg.), Comunidades islmicas, 155. 511 „Los poderes pfflblicos tendrn en cuenta las creencias religiosas de la sociedad espaÇola y mantendrn las consiguientes relaciones de cooperaciûn con la Iglesia catûlica y las dems confesiones“, Constituciûn EspaÇola 1978, Art. 16, 3, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 259. Benasuly sieht in dem in der Verfassung verankerten Modell der Kooperation einen Mittelweg zwischen staatlicher Konfessionalität und Laizismus, vgl.: Benasuly, Alberto, La Constituciûn espaÇola de 1978 y las minoras religiosas, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 110. Zum Konzept der Kooperation in der Verfassung vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 301 – 351. Tusell zufolge war bereits 1973 die Mehrheit der Spanier für Religionsfreiheit gewesen, vgl.: Tusell, La transiciûn, 38 f. De Carli führt die explizite Erwähnung der katholischen Kirche darauf zurück, dass der Vatikan dies zur
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katholische Kirche wurde von verschiedenen Seiten als Sonderbehandlung kritisiert. Es wurde argumentiert, dass die in der Verfassung verankerte staatliche Nicht-Konfessionalität so faktisch wieder aufgehoben werde.512 Samuel Toledano, der die jüdischen Gemeinden repräsentierte, drückte im Rahmen eines von der falangistischen Zeitung Arriba veranstalteten runden Tisches zur Frage der Religionsfreiheit seine Befürchtung aus, dass die Verfassung zu einem „katholischen Projekt“ werde, welches die Rechte der Minderheiten aus den Augen verliere. Das wichtigste Kriterium, welches die Verfassung erfüllen müsse, sei die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz.513 Die bevorzugte Behandlung der katholischen Kirche im Vergleich zu den Minderheiten-Religionen zeigt sich ebenfalls daran, dass die Regierung kurze Zeit nach der Verabschiedung der Verfassung mehrere Abkommen mit dem Vatikan schloss, die der katholischen Kirche wichtige Privilegien sicherten.514 Trotz der Fortschreibung des religiösen Ungleichgewichts brachte die Verfassung wichtige Impulse für den Entstehungsprozess einer pluralistischen Gesellschaft.515 Aus Sicht der jüdischen Minderheit betont Alberto Benasuly, der als Rechtsanwalt für die FCJE tätig war und 2008 als jüdischer Vertreter in die Comisiûn Permanente de la Asociaciûn para la Defensa de la Libertad Religiosa gewählt wurde, den durch die Verfassung vollzogenen Bruch mit der staatlichen Konfessionalität und bezeichnet sie im Rückblick als „kopernikanische Wende“516 in der Religionspolitik. Der ehemalige Präsident der CJM
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Vorbedingung für seine Unterstützung der Legalisierung der Kommunistischen Partei (PCE) gemacht habe, vgl.: Carli, El derecho a la libertad religiosa, 6. Für eine zeitgenössische Kritik an der Verfassung aus religionspolitischer Sicht vgl. z. B.: Soriano, Ramûn, Del pluralismo confesional al pluralismo religioso ntegro: Los lmites al principio de igualdad religiosa, in: Revista de las Cortes Generales, 7/1986, 95 – 157. Vgl.: „Por vez primera, se sientan juntos a dialogar judos, catûlicos, musulmanes, protestantes y budistas espaÇoles“, in: Arriba, 6. 12. 1977; Archivo Linz, R–47076. Entgegen den zwischen Staat und Religionsgemeinden im Jahr 1992 geschlossenen Acuerdos handelte es sich um internationale Abkommen, die auch für zukünftige Regierungen bindend waren. Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 552 – 560; Olmos Ortega, Mara Elena, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: Bonet, Jaime u. a. (Hg.), Acuerdos del Estado EspaÇol con los Judos, Musulmanes y Protestantes, Bibliotheca Salmantivensis Estudios 162, Salamanca 1994, 105. Ausführlich zur rechtlichen Stellung der katholischen Kirche im demokratischen Spanien vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 421 f. Benasuly zufolge sicherte sich die Kirche mit dem Konkordat ihre gesellschaftliche Stellung, vgl.: Benasuly, La Constituciûn espaÇola de 1978, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 111. Zur Kritik an der fehlenden juristischen Gleichbehandlung auf jüdischer Seite vgl.: Benasuly, Alberto, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 122. „Se trata de un modelo que se instaura en nuestro pas tras un enfriamento de la tensiûn clericalismo-anticlericalismo. Supone un intento de superaciûn de la confesionalidad franquista y del laicismo agresivo de la II Repfflblica. En el que el pluralismo se convierte en valor sustantivo del ordenamiento jurdico, digno de especial protecciûn, al servicio del desarrollo integral de la persona“, Cuervo-Arango, Breve apunte histûrico, in: Abumalham (Hg.), Comunidades islmicas, 162. „giro copernicano“, Benasuly, La Constituciûn espaÇola de 1978, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 105. Der Sammelband wurde anlässlich des 30-jährigen
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und langjährige Vorsitzende der FCJE, Jacobo Israel Garzûn, unterstreicht diese Einschätzung. Ausgehend von der Verfassung 1978, seien die Juden zunehmend als „Mitbürger“ und nicht mehr wie zuvor als „Fremde[] außerhalb des nationalkatholischen Kontextes“ gesehen worden.517 Die Verfassung bildete den Anfangspunkt für weitere juristische Reformen, die den Umgang mit der jüdischen Minderheit betrafen. 4.2 Das Religionsgesetz von 1980. Bekenntnis zu „verwurzelten“ Religionen Nur zwei Jahre nach der Annahme der demokratischen Verfassung wurde diese im Hinblick auf die Religionsfreiheit durch die unter Ministerpräsident Adolfo Surez verabschiedete Ley Orgnica de Libertad Religiosa präzisiert. Das Gesetz, das am 24. Juni endgültig vom Abgeordnetenhaus (Congreso de los Diputados) verabschiedet wurde und im Juli 1980 in Kraft trat, ersetzte zugleich das unter Franco 1967 erlassene Religionsgesetz.518 Artikel 2 definiert die Religionsfreiheit als die Freiheit, einen Glauben zu wählen, zu wechseln oder abzulegen sowie die Freiheit zum Nicht-Glauben. Ferner umfasst sie das Recht, die eigene Religion in Form von Gottesdiensten, öffentlichen Versammlungen, Feiertagen oder Hochzeitszeremonien auszuüben sowie Unterricht in dieser Religion zu erteilen und zu empfangen. Auch wird den Religionsgemeinschaften das Recht auf die Einrichtung von Gotteshäusern sowie auf religiöse Betreuung in staatlichen Einrichtungen zugestanden.519 Die Einschränkung der Religionsfreiheit erlaubt das Gesetz leJubiläums der demokratischen Verfassung veröffentlicht. Vgl. zu dieser Einschätzung auch: Benasuly, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 118; Lisbona, Retorno a Sefarad, 292. Auffällig ist, dass sich Diskussionen um die Verfassung in den Gemeindepublikationen in Madrid im Gegensatz zu der Berichterstattung in Zusammenhang mit dem Religionsgesetz von 1967 kaum finden. 517 „ciudadano“, „extraÇo situado fuera del contexto nacional-catûlico“, Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 259. 518 Vgl.: Cortes Generales. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 102, 24 de junio de 1980, 6657 f, 6705 f. Zur Debatte in den Cortes Generales im Vorfeld der Verabschiedung vgl.: Cortes. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 75 – 77, 25 – 27 de marzo de 1980; Cortes. Diario de Sesiones del senado, sesiûn plenaria 59, 10 de junio de 1980, 2844 – 2869. Vgl. auch: „Aprobada la Ley Orgnica de Libertad Religiosa“, in: ABC, 28. 3. 1980, 80; „Entra en vigor la Ley de libertad religiosa“, in: La Vanguardia, 25. 7. 1980, 15. Anlässlich der Veröffentlichung des Religionsgesetzes im BOE und aufgrund seiner „besonderen“ Bedeutung druckte Ecclesia den vollständigen Gesetzestext ab, vgl.: Documentaciûn: Ley de Libertad Religiosa, in: Ecclesia, 1993, 9. 8. 1980, 16 – 17. Eine kurze Meldung zu dem Gesetz findet sich bereits in der vorherigen Ausgabe, vgl.: „En vigor, la nueva ley de Libertad Religiosa“, in: Ecclesia, 1992, 2. 8. 1980, 20. 519 Vgl.: Ley Orgnica 7/1980, de 5 de julio, de Libertad Religiosa, BOE 177, 24. 7. 1980, Art. 2. „Para la aplicaciûn real y efectiva de estos derechos, los poderes pfflblicos adoptarn las medidas necesarias para facilitar la asistencia religiosa en los establecimientos pfflblicos militares,
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diglich bei einer Gefährdung von Dritten, einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, der Gesundheit oder der öffentlichen Moral.520 Darüber hinaus wird in Artikel 5 und 6 – in Anlehnung an das Religionsgesetz aus dem Jahr 1967 – die Einrichtung eines Religionsregisters beschlossen.521 Der Eintrag in dieses Register, mit dem die juristische Anerkennung als Religionsgemeinde erfolgt, garantiert den Kirchen und Religionsgemeinden sowie ihren Verbänden den Status einer juristischen Person sowie vollständige Autonomie im Hinblick auf ihre interne Organisation.522 Gegenwärtig sind insgesamt zwanzig jüdische Gemeinden und Vereine in das Religionsregister eingetragen, von denen wiederum 14 in der FCJE zusammengeschlossen sind.523 Von besonderer Bedeutung für den offiziellen Umgang mit den jüdischen Gemeinden war die in Artikel 7 enthaltene Ankündigung, dass der Staat „unter Berücksichtigung der in der spanischen Gesellschaft vertretenen Glaubensrichtungen“ Übereinkommen mit Kirchen und religiösen Gemeinden, die in das Register eingeschrieben sind und die „aufgrund ihrer Reichweite und der Anzahl ihrer Glaubensangehörigen eine offenkundige Verwurzelung (notorio arraigo) in Spanien erreicht haben“, aushandeln werde.524 Verglichen mit dem
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hospilitarios, asistenciales, penitenciarios y otros bajo su dependencia, as como la formaciûn religiosa en centros docentes pfflblicos.“ Ebd., Art. 2, 3. Vgl.: Ley Orgnica 7/1980, BOE 177, 24. 7. 1980, Art. 3. Lûpez-Sidro Lûpez betont das Neue an dem Religionsregister gegenüber seinen Vorläufern, so habe es nicht die Einschränkung, sondern vielmehr den Schutz der Religionsfreiheit zum Ziel, vgl.: Lûpez-Sidro Lûpez, Ýngel, La protecciûn de la libertad religiosa a trav¦s de la inscripciûn en el Registro de Entidades Religiosas. Examen de la actividad registral de control y de la jurisprudencia, in: Hera, Alberto de la/Motilla, Agustn/Palomino, Rafael (Hg.), El ejercicio de la libertad religiosa en EspaÇa. Cuestiones disputadas, Madrid 2003, 94. Zur Kritik an dem Register vgl.: Ebd., 104. Ley Orgnica 7/1980, BOE 177, 24. 7. 1980, Art. 6. Mantecûn betont, dass in Spanien das Justizministerium für religiöse Angelegenheiten zuständig ist, und nicht, wie in vielen anderen Ländern, das Innenministerium, vgl.: Mantecûn, Confesiones minoritarias en EspaÇa, 14. Vgl. auch: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 424 f. Genauere Bestimmungen zu dem Registro de Entidades Religiosas (RER) wurden etwa ein halbes Jahr später verabschiedet, vgl.: Real Decreto 142/1981, de 9 de enero, sobre organizaciûn y funcionamiento del Registro de Entidades Religiosas, BOE 27, 31. 1. 1981. Die Zuständigkeit für das Register wurde damit innerhalb des Justizministeriums der Generaldirektion für religiöse Angelegenheiten (Direcciûn General de Asuntos Religiosos) zugesprochen. Vgl.: Lûpez-Sidro Lûpez, La protecciûn de la libertad religiosa, in: Hera/Motilla/Palomino (Hg.), El ejercicio de la libertad religiosa, 109. Ausführlich zu dem RER vgl.: Ebd., 93 – 176; Mantecûn, Confesiones minoritarias en EspaÇa, 13 – 17. Vgl.: http://dgraj.mju.es/EntidadesReligiosas/NCindex.htm, 8. 4. 2011. Zu den Einträgen im Religionsregister und den sich daraus ergebenden Informationen über religiöse Minderheiten in Spanien vgl. auch: Ministerio de Justicia. Direcciûn General de Asuntos Religiosos (Hg.), Gua de Entidades Religiosas de EspaÇa (Iglesias, confesiones y comunidades minoritarias), Madrid 1998, 21 – 61. „teniendo en cuenta las creencias religiosas existentes en la sociedad espaÇola“, „por su mbito y nfflmero de creyentes hayan alcanzado notorio arraigo en EspaÇa“, Ley Orgnica 7/1980, BOE 177, 24. 7. 1980, Art. 7. Der Eintrag in das RER wurde zur Vorbedingung für die Aushandlung von Verträgen mit dem Staat gemacht. Die Religionsgemeinschaften, die seit 1992 über ein
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Gesetz von 1967 und der Verfassung bedeutete der Artikel eine Neuerung, da hier auf die explizite Erwähnung der katholischen Kirche verzichtet wurde. Da sich aber weder die Anzahl der Gläubigen noch die Reichweite genau bestimmen ließen, lag die Definitionsmacht letztlich bei der zuständigen Kommission des Justizministeriums.525 Im Fall des Judentums ergab sich die Verwurzelung in der Gesellschaft nicht aus der zahlenmäßigen Präsenz in der Gegenwart, sondern aus der historischen Bedeutung.526 In der offiziellen Begründung verwies die zuständige Kommission auf die jahrtausendealte Tradition des Judentums auf der Iberischen Halbinsel und auf die daraus resultierende Verankerung in der spanischen Gesellschaft.527 In diesem Sinne kann der Artikel als eine Anerkennung des plurikulturellen Erbes Spaniens gelesen werden. Artikel 7 war zugleich derjenige, der im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes auf die meiste Kritik in den beiden Kammern der Cortes gestoßen war. Debattiert wurden ein expliziter Verweis auf die katholische Kirche, ihre Bevorzugung durch das 1979 mit dem Vatikan geschlossene Konkordat sowie das Kriterium der Verwurzelung. Die Abgeordneten rekurrierten in ihren Stellungnahmen häufig auf die spanische Geschichte, entweder um die Sonderstellung der katholischen Kirche historisch zu legitimieren oder um das Religionsgesetz als einen Schlussstrich in den jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Klerikalismus und Antiklerikalismus, als eine Überwindung religiöser Intoleranz sowie als Schritt in Richtung einer demokratischen convivencia erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die jüdische und muslimische Tradition Spaniens verwiesen.528 Aus Sicht der religiösen Minderheiten stellte das Religionsgesetz einen Einschnitt in die bisherige Rechtssprechung dar. Erstmals wurden Religionsgemeinschaften mit „offenkundiger Verwurzelung“ als Gesprächspartner des spanischen Staates anerkannt, zugleich wurde ihnen die Möglichkeit zur Beteiligung an der Aushandlung von Abkommen eingeräumt.529 Die von staatli-
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Kooperationsabkommen verfügen, sind in der Secciûn Especial, die anderen in der Secciûn General des RER eingetragen. Vgl.: Mantecûn, Confesiones minoritarias en EspaÇa, 15. Religionsgemeinschaften können nicht zum Erstellen von Mitgliederlisten verpflichtet werden, die Angaben über Mitgliederzahlen sind Schätzungen und stammen von den jeweiligen Dachverbänden. Vgl.: Mantecûn Sancho, Joaqun, Los acuerdos del Estado espaÇol con las confesiones acatûlicas: texto, comentarios y bibliografa, Ja¦n 1995, 18 f. „tradiciûn milenaria en nuestro pas“, zit.n.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 19. Comisiûn Asesora de Libertad Religiosa, sesiûn plenaria, 14. 12. 1984, zit. in: Contreras Mazaro, Jos¦ Mara, Las comunidades judas y Sefarad, in: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa, 64 f. Erst fünf Jahre später wurde dem Islam – wiederum unter Verweis auf die historische Präsenz – eine entsprechende Verwurzelung bescheinigt. Vgl.: Corpas Aguirre, Las comunidades islmicas, 87. Vgl.: Cortes. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 75, 25 de marzo de 1980, 5098 – 5124; Cortes. Diario de Sesiones del Senado, sesiûn plenaria 59, 10 de junio de 1980, 2844 – 2869. Vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 360 f; Motilla de la Calle, Agustn, Los acuerdos entre el estado y las confesiones religiosas en el Derecho espaÇol, Barcelona 1985, 300 f.
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cher Seite geforderte Verwurzelung wurde allerdings lediglich von drei Religionen – Islam, Judentum und Protestantismus – erfüllt.530 Auch die Aufnahme von Vertretern der Religionsgemeinschaften mit „Verwurzelung“ in die neu zu gründende Beratungskommission für Religionsfreiheit (Comisiûn Asesora de Libertad Religiosa) im Justizministerium entsprach dem veränderten staatlichen Umgang mit Minderheitenkonfessionen.531 Zusammen mit der ihr untergeordneten, paritätisch von Vertretern des Staates und den Religionsgemeinschaften besetzten Permanenten Kommission sollte sie in der Folgezeit eine wichtige Rolle bei der Aushandlung der Kooperationsverträge spielen und ist bis in die Gegenwart für die Verwaltung des Religionsregisters zuständig.532 Sie kann daher als neue religionspolitische Instanz verstanden werden, die Einfluss auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen gewinnen konnte. Erstmals hatten auch Vertreter der jüdischen Gemeinden so eine offizielle Stimme. Anzeichen für die neue Dialogbereitschaft der Regierung hatte es bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes gegeben: So fanden zwischen Januar und Mai 1978 drei Treffen zwischen dem Leiter der Generaldirektion für religiöse Angelegenheiten, Eduardo Zulueta, und Vertretern der verschiedenen Religionen statt,533 bei denen laut El Pas die Mehrheit der in Spanien existierenden und in das 1967 geschaffene Register eingetragenen etwa 260 Religionsgemeinschaften vertreten waren.534 Für die jüdischen Gemeinden nahm Samuel Toledano an diesen Gesprächen teil.535 Im Rahmen des dem Justizministerium unterste530 Olmos Ortega unterscheidet zwischen einer bilateralen Gesetzgebung für Religionen mit „notorio arraigo“ und einer unilateralen Gesetzgebung für die übrigen Konfessionen, vgl.: Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 97. Den Zeugen Jehovas, die mit über 150.000 Mitgliedern eine bedeutende religiöse Minderheit in Spanien darstellen, wurde der Status des „notorio arraigo“ zunächst nicht zuerkannt, in erster Linie aufgrund ihrer Ablehnung des Militärdienstes und der Teilnahme an Wahlen, die mit einem demokratischen Staat als nicht vereinbar erachtet wurden. Vgl.: „Testigos de Jehov, a la espera“, in: Ya, 30. 4. 1992, 3. 2006 erfolgte die Anerkennung. Vgl.: Gonzlez Snchez, Marcos, Confesiones religiosas: La Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa, in: Martn Snchez/ Ders. (Hg.), Los judos en EspaÇa, 94. 531 Vgl.: Ley Orgnica 7/1980, BOE 177, 24. 7. 1980, Art. 8. 532 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 295. Es gibt ein Abkommen vom September 2010, das die Aufnahme eines Vertreters der Generalitat in die Kommission vorsieht, vgl.: VCP/3571/2010, de 16 de novembre, Diari Oficial de la Generalitat de Catalunya, 5763, 25. 11. 2010, 86128 – 86131. Zu den Mitgliedern der Kommission vgl.: http://www.mjusticia.gob.es/cs/Satellite/es/ 1215197982464/Estructura_C/1215198060498/Detalle.html; 24. 7. 2011. 533 El Pas zufolge unterhielt Zulueta bereits Anfang des Jahres 1978 Kontakte zu Vertretern der evangelischen, mormonischen, buddhistischen, muslimischen und jüdischen Religion. Am 13. Januar fand ein erstes Treffen im Justizministerium statt, vgl.: C., B., Negociaciones sobre la Ley de Libertad Religiosa, in: El Pas, 4. 1. 1978; „En estudio una reforma de la ley de Libertad Religiosa“, in: Ebd., 14. 1. 1978. 534 Vgl.: „En estudio una reforma de la ley de Libertad Religiosa“, in: El Pas, 14. 1. 1978. 535 Vgl.: Lorente, Juan, Sin pena ni gloria. Ley de libertad religiosa, in: Razûn y Fe, 988/1980, 521 f; Bordeje, Constituciûn: La postura de la Jerarqua, contestada, in: Ecclesia, 1870, 21. 1. 1978, 30; Lisbona, Retorno a Sefarad, 293 f. Im Oktober 1979 lud der damalige Justizminister Çigo Cavero Samuel Toledano zu einem ersten Gespräch ein. Vgl.: Ebd., 293. Zu den von jüdischer
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henden Interkonfessionellen Komitees (Comit¦ Interconfesional) waren die Minderheitenkonfessionen außerdem an den Verhandlungen zur Ley Orgnica de Libertad Religiosa beteiligt worden und hatten einen Vorentwurf erarbeitet.536 Zwischen dem Justizminister Antonio Garrigues y Daz-CaÇabate und Vertretern der jüdischen Gemeinden aus Barcelona, Ceuta und Madrid hatten bereits 1976 verschiedene Gespräche stattgefunden, bei denen Eigentums- und Vermögensfragen der Gemeinden sowie die Möglichkeit zur Einbürgerung von Sepharden erörtert worden waren.537 Trotz des Versuches, die Religionsgesetzgebung zu vereinheitlichen und an dem Prinzip der Gleichheit auszurichten, bot sich aber auch nach 1980 ein heterogenes Bild hinsichtlich der rechtlichen Stellung der verschiedenen Konfessionen: Neben der katholischen Kirche, die weiterhin eine Sonderstellung innehatte, konnte zwischen Religionsgemeinden, die in das Register eingetragen und solchen, die nicht eingetragen waren, unterschieden werden. Eine weitere Gruppe mit Sonderrechten bildeten die drei Konfessionen mit „Verwurzelung“,538 zwischen denen der Staat kaum differenzierte, sodass hier mittels des neu geschaffenen und rechtlich umstrittenen Kriteriums der Verwurzelung eine Gemeinsamkeit konstruiert wurde.539 4.3 Neuregelung der Staatsbürgerschaft (1982). Sepharden als „Spanier ohne Heimatland“? Das offizielle Verhältnis des spanischen Staates zu Sepharden manifestierte sich in den letzten hundert Jahren immer wieder in der Frage der rechtlichen Zugehörigkeit dieser Gruppe zur spanischen Nation, so auch im Zuge des gesellschaftspolitischen Transformationsprozesses nach 1975. Virulent war die Regelung des juristischen Verhältnisses im 20. Jahrhundert erstmals mit dem Ende des Osmanischen Reiches geworden. Spanien, ebenso wie andere europäische Länder, hatte einer Reihe von Personen innerhalb dieses Vielvölkerstaates den Status von Schutzgenossen verliehen – darunter auch Sepharden. Infolge des griechisch-türkischen Krieges und mit
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Seite dort vorgetragenen Forderungen, die mehrheitlich Eingang in das Gesetz fanden, vgl.: Ebd., 293 f. Zu Toledanos Rolle im Verhandlungsprozess vgl.: Querub, Isaac, Samuel Toledano, in: Kehil, 15/1996, 6; Cardona Gregori, Jos¦, En la transiciûn religiosa de EspaÇa, in: Ebd., 11. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 293. Lisbona führt die veränderte Haltung des Justizministeriums gegenüber den Minderheitenkonfessionen in großen Teilen auf Eduardo Zulueta zurück. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 287 f. Israel Garzûn zufolge handelte es sich bei diesen Gesprächsthemen um die aus jüdischer Sicht drängendsten Probleme, vgl.: Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 257. Zur unterschiedlichen rechtlichen Situation der Religionsgemeinschaften vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 421 – 435. Zu den aus dem Konzept des „notorio arraigo“ resultierenden Problemen vgl.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 17 – 21.
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dem Friedensvertrag im Juli 1923 wurden die zuvor mit dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Europas bestehenden Verträge, sogenannte Kapitulationen, und damit auch die darin verankerten Privilegien der Schutzgenossen aufgehoben. Nur noch Griechenland und Ägypten erkannten den Status des „Schutzgenossen“ an.540 Die spanische Regierung unter Primo de Rivera räumte daraufhin 1924 in einem Königlichen Erlass „ehemaligen spanischen Schutzgenossen oder Nachkommen von diesen sowie im Allgemeinen Individuen, die Familien spanischen Ursprungs angehören, die zu irgendeinem Zeitpunkt in ein spanisches Register eingeschrieben waren“541 die Möglichkeit ein, in einem vereinfachten Verfahren in einem Zeitraum bis zum 31. Dezember 1930 unter bestimmten Voraussetzungen die spanische Staatsbürgerschaft zu beantragen.542 Entgegen häufigen Behauptungen werden in dem Gesetzestext weder Sepharden noch Juden im Allgemeinen erwähnt, und es wurde nur denjenigen die Einbürgerung gewährt, die zuvor spanische Schutzgenossen gewesen waren.543 Es ist aber davon auszugehen, dass in der Praxis vorrangig sephardische Juden von der Regelung profitieren konnten.544 Während die unmittelbare Tragweite dieses Erlasses eher gering war,545 gewann das Dekret während des Zweiten Weltkrieges besondere Bedeutung für die jüdische Bevölkerung, vor allem in Osteuropa, da es die 540 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 38 ff. 541 „antiguos protegidos espaÇoles o descendientes de ¦stos, y en general individuos pertenecientes a familias de origen espaÇol que en alguna ocasiûn han sido inscritos en Registros espaÇoles“, zit.n.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 37. Vgl. auch: Nota sobre concesiûn de nacionalidad espaÇola a los judos sefarditas, abgedruckt in: EspaÇa y los sefardes. Tirada aparte de Actas del Primer Simposio de Estudios Sefardes, hg. v.: Instituto Arias Montano (Secciûn de Estudios Sefardes), Madrid 1970, 1 f. 542 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 40 f. Bereits nach der griechischen Eroberung Salonikis 1912 hatte sich für Spanien die Frage gestellt, wie mit Einbürgerungsanträgen von Sepharden zu verfahren sei, die zuvor keine spanischen Schutzgenossen gewesen waren. Vgl.: Ebd., 38 f. Vgl. auch: Rozenberg, Die ,Rückkehr‘ der Juden, in: Tranvia, 53/1999, 8. Im Oktober 1931 wurde eine Verlängerung des Königlichen Dekrets beschlossen, die es den spanischen Konsulaten ermöglichte, auch weiterhin ehemaligen Schutzgenossen Pässe auszustellen. Mit weiteren Bestimmungen wurde die Frist insgesamt bis zum 1. 2. 1933 verlängert. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 87 f. Das Staatsbürgerschaftsdekret von 1924 wird in der Forschung vielfach als wichtigstes Resultat der Philosephardismuskampagne Ýngel Pulidos gewertet. Diese Einschätzung findet sich z. B. bei: Böcker, Antisemitismus ohne Juden, 77. 543 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 40 f. Aronsfeld betont die Bedeutung des Dekrets für Sepharden in Griechenland, die mit dem Krieg ihre Staatsbürgerschaft verloren hatten, vgl.: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 33. 544 Marquina und Ospina gehen davon aus, dass es sich bei den Sepharden um die Zielgruppe des Königlichen Erlasses handelte, vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 47. 545 Bossong zufolge beantragten in Saloniki lediglich 560 Personen, etwa 1 % der dortigen jüdischen Bevölkerung, einen spanischen Pass, vgl.: Bossong, Georg, Die Sepharden. Geschichte und Kultur der spanischen Juden, München 2008, 109. Vgl. zur unmittelbaren Reaktion und zu den ergänzenden Regelungen in den Folgejahren auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 47 f, 53 – 65, 69 – 75. Fragen ergaben sich in erster Linie hinsichtlich der Anerkennung als Staatsbürger, im Hinblick auf eine mögliche Niederlassung in Spanien sowie den Militärdienst. Marquina und Ospina beziehen sich dabei ausschließlich auf Sepharden.
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rechtliche Grundlage für die von einigen spanischen Diplomaten geleistete Hilfe für verfolgte Juden bildete.546 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde eine Neuregelung der Staatsbürgerschaft diskutiert, da durch die von spanischen Diplomaten auf Grundlage des Dekrets von 1924 ausgestellten Schutzpässe eine unklare rechtliche Situation entstanden war.547 Im Dezember 1948 verabschiedete die franquistische Regierung ein Gesetz, das im Unterschied zu dem Erlass von 1924 Sepharden explizit als Zielgruppe erwähnte und einigen ehemaligen Schutzbefohlenen Spaniens in Ägypten und Griechenland die Möglichkeit einräumte, unter bestimmten Auflagen und in einem vorgegebenen Zeitraum die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben.548 Im offiziellen Diskurs wurde 546 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 37. Vgl. auch einen Bericht der Europa-Abteilung des Außenministeriums zum Schutz von Sepharden auf Grundlage des Dekrets von 1924, vermutlich aus dem Jahr 1942: Ministerio de Asuntos Exteriores, Informe: Estado en que se encuentra el problema sefardita; AMAE, Leg. R 1716/1. 547 Vgl.: „Informe: Nacionalidad y protecciûn de los sefarditas“ [Verf. unb.], Madrid, 10. 7. 1946; AMAE, Leg. R 3115/3. 1945 und 1946 hatte das Außenministerium seinen Botschafter in Washington darauf hingewiesen, dass nur diejenigen berechtigt seien, die spanische Staatsbürgerschaft zu beantragen, die sich auf Grundlage des Dekrets von 1924 in das entsprechende Register eingetragen hätten, vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Judiciales an Botschafter in Washington: Circular 2088, Madrid, 10. 10. 1945; Ministerio de Asuntos Exteriores. Secciûn Asuntos administrativos an Botschafter in Washington, Madrid, 10. 9. 1946; AGA, AAEE (10) 26.1, 54/8901, 002(1). Zu der Diskussion um eine mögliche Neuregelung der Staatsbürgerschaft vgl. auch: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior Europa, Informe, Madrid, 28. 6. 1946; AMAE, Leg. R 3115/3; Ministerio de Asuntos Exteriores. Asesora Jurdica Internacional, Nacionalidad y protecciûn de los sefarditas, Madrid, 6. 7. 1946; AMAE, Leg. R 3115/3; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 233 – 237. Außerdem liefen die bisherigen Regelungen im Jahre 1949 aus. Vgl.: „Nota sobre los sefardes“ [Verf. unb.], Madrid, 11. 1. 1949; AMAE, Leg. R 2800/14. Eine erneute Diskussion um eine Neuregelung der Staatsbürgerschaft kam im Außenministerium in den 1950er Jahren im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels auf. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales, Anlisis crtico y refutaciûn de los argumentos aducidos en favor de la revisiûn del decreto de Primo de Rivera de 20 de diciembre de 1924, Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4665/49; Dies., Informe (reservado), Madrid, 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. 548 Decreto-Ley de 29 de diciembre de 1948 por el que se reconoce la condiciûn de sfflbditos en el extranjero a determinados sefardes, antiguos protegidos de EspaÇa, abgedruckt in: Sefarad, 1/1949, 260 f; Ministerio de Asuntos Exteriores. Secciûn de Asuntos administrativos, Circular 2217, Madrid 11. 2. 1949; AGA, AAEE (10) 26.1, 54/8901, 002 (1). Dabei wurde auf Listen zurückgegriffen, die im Zusammenhang mit 1935/36 geschlossenen Abkommen über die Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an einige der in den o.g. Ländern lebenden Sepharden erstellt worden waren, die jedoch aufgrund des Bürgerkrieges nicht in Kraft traten. Es handelte sich somit um den Vollzug eines Vorhabens der republikanischen Regierung. Vgl.: Rother, Bernd, Wiederentdeckung, Annäherung, Normalität? Die spanische Politik und die Sepharden im 20. Jahrhundert, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 102 f. Auch von anderen diplomatischen Vertretungen waren im Vorfeld der Verabschiedung des Dekrets 1948 Listen mit Namen sephardischer Familien erstellt worden, die von einer Neuregelung profitieren sollten, vgl. z. B.: Schreiben von Teodoro Ruiz de Cuevas, Encargado de Negocios, an Außenminister, Beirut, 26. 5. 1948; AMAE, Leg. R 2800/14; Teodoro Ruiz de Cuevas, Encargado de Negocios, an Außenminister, Beirut 17. 5. 1948; AMAE, Leg. R 2800/14;
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die Regelung als ein Beweis für die Toleranz und Großzügigkeit des spanischen Staates gefeiert.549 Ob der positive Nutzen für die Außendarstellung gegenüber der internationalen Öffentlichkeit die ursächliche Motivation für den Erlass von 1948 war, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Rother geht davon aus, dass dem Regime keine andere Möglichkeit geblieben sei, da ein Auslaufen des ehemaligen Schutzgenossenstatus bereits beschlossen worden war.550 Festzuhalten bleibt, dass die franquistische Propaganda in späteren Jahren zu verschiedenen Anlässen auf das Gesetz verwies. Für jüdische Gemeinden und Organisationen im In- und Ausland stellte es die Grundlage dar, um in der Folgezeit den spanischen Staat um Unterstützung für bedrohte Juden – in erster Linie Sepharden – zu bitten. Insbesondere in Zusammenhang mit den Konflikten im Nahen Osten berichteten Diplomaten des spanischen Außenministeriums über an sie herangetragene Hilfegesuche.551 Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 233 – 241. Das Wiener Library Bulletin berichtete von einem Memorandum, dass das spanische Außenministerium anlässlich der Veröffentlichung des Dekrets an seine Vertretungen im Ausland verschickte, vgl.: „El sefardismo“. A remarkable Spanish government memorandum, in: The Wiener Library Bulletin, III: 5 – 6/1949, 39. 549 Vgl. z. B.: „El Estado espaÇol y los sefardes“, in: Sefarad, 1/1949, 259. Die OID schrieb in der Broschüre EspaÇa y los Judos: „[l]a generosidad del r¦gimen espaÇol ha culminado finalmente en el Decreto-Ley“ (OID, EspaÇa y los judos, Madrid 1949, 34; AMAE, Leg. R 8447/12). 550 Vgl.: Rother, Wiederentdeckung, Annäherung, Normalität?, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 103. 551 Nach der Unabhängigkeit Marokkos stellte sich die Frage der Nationalität der in Ceuta und Melilla lebenden Sepharden. Vgl. z. B.: Schreiben von Director General de los Registros y del Notariado, Ministerio de Justicia, an Director General de Asuntos Consulares, Ministerio de Asuntos Exteriores, Madrid, 15. 6. 1963; Schreiben des Director General de Asuntos Consulares, Ministerio de Asuntos Exteriores, an Director General de Poltica Exterior, Madrid, 26. 6. 1963; beide AMAE, Leg. R 7330/123. Auch zwischen dem spanischen Kulturattach¦ und dort lebenden Sepharden wurde die Frage der spanischen Staatsbürgerschaft Ende der 1950er Jahre verhandelt, vgl.: AGA, (19) 097.000, Cj. 54/11443, 3320. Vgl. auch diverse Briefe mit Anfragen nach einem möglichen Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft auf Grundlage des Dekrets von 1948; AGA, AAEE (10) 26.1, 54/7516. Auch im Zuge der Suezkrise im Jahr 1956 und des Sechs-Tage-Krieges 1967 wurde das Thema virulent, vgl. z. B.: Ausführlicher Bericht von Jos¦ del CastaÇo, spanischer Botschafter in Ägypten, an Außenminister, Kairo, 10. 12. 1956; Schreiben (confidencial) von Miguel Primo de Rivera, spanische Botschaft in London, an Alberto Martn Artajo, London, 2. 1. 1957; Schreiben (reservada) von Jos¦ Mara Areilza, spanischer Botschafter in Washington, an Außenminister Alberto Martn Artajo, Washington D.C., 30. 1. 1957; alle AMAE, Leg. R 4667/18; Brief der Comunidad Israelita de Madrid an Francisco Franco, Madrid, 19. 12. 1956; AMAE, Leg. R 4665/49; OID, Nota Informativa, Madrid, 5. 9. 1968 und angehängter Artikel: Estabrook, Robert H., Spain Negotiates Freedom of Jewish Families in Egypt, in: International Herald Tribune, 31. 9. 1968; OID-Archiv. Zur Lage der Sepharden in Kairo im Jahr 1956 vgl. auch: verschiedene Schreiben des dortigen Botschafters im November 1956; AMAE, Leg. R 5571/46. Zur Situation in Ägypten während des Sechs-TageKrieges und Hilfegesuchen an Spanien vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 5. 9. 1967; AMAE, Leg. R 8447/12; verschiedene Danksagungen jüdischer Gemeinden und Organisationen für die von Spanien geleistete Hilfe für Juden im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere im Irak, aus dem Jahr 1969; AMAE, Leg. R 12047; Bericht der Direcciûn de Ýfrica y Mundo Ýrabe, Ministerio de Asuntos Exteriores, Madrid, 23. 11. 1967; AMAE, Leg. R 15123/8; Schreiben von Ministro de
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Während die Beziehung der franquistischen Regierung zu Sepharden im Ausland sich in erster Linie durch ein Schutzverhältnis auszeichnete, das nicht darauf ausgerichtet war, jüdische Immigration nach Spanien zu fördern, war die Staatsbürgerschaft der aus dem ehemaligen spanischen Protektorat in Marokko eingewanderten Sepharden ungeklärt geblieben.552 Erst die Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1982 räumte in Spanien lebenden Sepharden Erleichterungen beim Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft ein. Das Gesetz (51/1982) stellte Sepharden juristisch mit den Bewohnern Lateinamerikas, Andorras, der Philippinen, Äquatorialguineas und Portugals gleich.553 Die Begünstigung dieser Gruppen beim Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft, die anstatt nach zehn bereits nach zwei Jahren Aufenthaltsdauer möglich ist,554 ist auf die „Idee der historischen Gemeinschaft“555 zurückzuführen.556 Den Mo-
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Ej¦rcito an Fernando Mara Castiella, Madrid, 7. 6. 1967; RAH-FFMC, Archiv. 19, Cj. 3, 3320 – 3; verschiedene Briefe zwischen Marqu¦s de Merry del Val, Botschafter in Washington, und Sanford H. Bolz, American Jewish Committee, aus dem Jahr 1964; AGA, (10) 026.000, Cj. 54/12479. Aber auch die Situation der jüdischen Bevölkerung in anderen arabischen Ländern, wie dem Irak, Libyen oder Syrien beschäftigte das Außenministerium in den 1960er und 1970er Jahren, vgl.: verschiedene Korrespondenzen zwischen dem Außenministerium und seinen Botschaften im Jahr 1973; AMAE, Leg. R 12186/21. Vgl. auch: Lisbona, Retorno a Sefarad, 205 – 211. Vgl.: Israel Garzûn, Jacobo, Introducciûn, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa, 12. Vgl.: Rozenberg, Die ,Rückkehr‘ der Juden, in: Tranvia, 53/1999, 11. Für einen Überblick zur gesetzlichen Regelung des Erwerbs der spanischen Staatsbürgerschaft vgl.: Fernndez Rozas, Jos¦ Carlos/Alvarez Rodrguez, Aurelia, Le droit espagnol de la nationalit¦, in: Nascimbene, Bruno (Hg.), Nationality laws in the European Union. Le droit de la nationalit¦ dans l’union europ¦enne, Mailand 1996, 207 – 261. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass es sich bei der Neuregelung zunächst nicht um ein zentralstaatliches Projekt handelte, sondern diese auf eine Initiative des Grupo Parlamentario Socialista de Catalunya zurückging. Dieser Umstand ist insofern interessant, als dass – wie am Beispiel des Gedenkjahres 1992 gezeigt werden kann – die katalanische Regionalregierung das Thema „Juden“ zur Selbstprofilierung und Abgrenzung gegenüber dem Zentralstaat nutzte. Vgl.: Ley 51/1982, de 13 de julio, de modificaciûn de los artculos 17 al 26 del Cûdigo Civil, BOE 181, 30. 7. 1982, Art. 22, 20626. Diese Regelung wurde mit der erneuten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches 1990 beibehalten, vgl.: Ley 18/1990, de 17 de diciembre, sobre reforma del Cûdigo Civil en materia de nacionalidad, Art. 22, BOE 302, 18. 12. 1990, 37588. „idea de comunidad histûrica“, Fernndez Rozas, Jos¦ Carlos, Derecho espaÇol de la Nacionalidad, Madrid 1987, 194. Der Grupo Parlamentario Socialista de CataluÇa wollte das Gesetz als eine Art historische Wiedergutmachung verstanden wissen und setzte es in eine Kontinuität mit den Dekreten von 1924 und 1948. Vgl.: Cortes. Diario des Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 234, 27 de abril de 1982, 13663 f; Lisbona, Retorno a Sefarad, 289. Einen Überblick über die historische Entwicklung des spanischen Ausländerrechts gibt: Babiano, Jos¦, La construcciûn de una exclusiûn: extranjera, emigraciûn y ciudadana en la EspaÇa contempornea, in: P¦rez Ledesma, Manuel (Hg.), De sfflbditos a ciudadanos. Una historia de la ciudadana en EspaÇa, Madrid 2007, 695 – 721. Allerdings stellte auch nach dieser Regelung die Frage der Staatsbürgerschaft für in Spanien lebende Juden weiterhin ein Thema dar, mit dem sich die FCJE auseinandersetzte, vgl.: Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE; Carpeta: Actas Asambleas, Convenio-Estado.
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risken bzw. ihren Nachfahren erkennt die Regierung eine solche historische Verbindung nicht zu, da diese – so die Begründung – die spanische Sprache und Kultur nicht aufrechterhalten hätten.557 Allerdings ergab sich mit der Neuregelung ein Definitionsproblem, denn das Gesetz klärte nicht, wer als Sepharde zu gelten habe bzw. wie die sephardische Identität nachgewiesen werden sollte.558 Der geforderten Erbringung eines Nachweises der sephardischen Religionszugehörigkeit stand auch das in der Verfassung verankerte Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion entgegen. Die Anweisung (Instrucciûn) der Generaldirektion für Register und Notariatsangelegenheiten (Direcciûn General de los Registros y del Notariado) vom 16. Mai 1983 versuchte dieses Problem zu regeln: „Das Verfassungsprinzip […], das vorsieht, dass es keinerlei Diskriminierung aufgrund der Religion geben darf, verpflichtet dazu, dass alle Sepharden, unabhängig von ihrer Religion und davon, ob sie überhaupt eine haben – eine Angelegenheit, über die keiner Rechenschaft ablegen muss –, von der verkürzten Aufenthaltsdauer von zwei Jahren auf spanischem Territorium profitieren können, um die spanische Nationalität zu beantragen. Das Kriterium der sephardischen [Identität, A. M.] wird über den Nachnamen, den der Interessierte führt, über die Familiensprache oder mittels anderer Indizien, die die Zugehörigkeit zu dieser kulturellen Gemeinschaft belegen, nachgewiesen. Demzufolge ist der reine Nachweis der in Spanien anerkannten, israelitischen Gemeinde, der die Zugehörigkeit der Person zur jüdischsephardischen Religion belegt, nicht mehr als ein vorläufiger Nachweis, der erst zusammen mit anderen […] anerkannt wird. Ein ausreichender Nachweis der sephardischen [Identität, A. M.] ist in jedem Fall der Beweis des Antragstellers, dass er auf einer der Listen mit von Spanien beschützten sephardischen Familien verzeichnet ist, auf die, im Fall von Ägypten und Griechenland, die Gesetzesverordnung vom 29. Dezember 1948 Bezug nimmt, oder dass er seine direkte Abstammung von einer der Personen auf diesen Listen nachweisen kann.“559 557 Vgl.: Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 101, 29 de noviembre de 2000, 184/004957, 42; Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 125, 26 de enero de 2001, 184/004957, 327. 558 Vgl. zu dieser Problematik z. B.: Espinar Vicente, Jos¦ Mara, La nacionalidad y la extranjera en el sistema jurdico espaÇol, Madrid 1994, 119. Das Definitionsproblem hatte bereits zuvor bestanden, es ist zu vermuten, dass in den meisten Fällen die spanische Sprache als Nachweis der sephardischen Identität diente. 559 „El principio constitucional […] de que no puede prevalecer discriminaciûn alguna por razûn de religiûn obliga a entender que los sefardes, cualquiera que sea su religiûn o aunque no tenga ninguna – extremo sobre el que nadie puede ser obligado a declarar –, pueden beneficiarse del plazo abreviado de residencia de dos aÇos en territorio espaÇol para solicitar la nacionalidad espaÇola. Tal condiciûn de sefard habr de demostrarse por los apellidos que ostente el interesado, por el idioma familiar o por otros indicios que demuestren la tradiciûn de pertenencia a tal comunidad cultural. Por lo tanto, el mero certificado de la comunidad israelita reconocida en EspaÇa, que acredite la pertenencia de una persona a la religiûn juda sefardita, no ser ms que un principio de prueba que, como tal, deber ser apreciado en conjunciûn con otros medios probatorios. En todo caso, constituir medio de prueba suficiente de la condiciûn
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Das Zitat zeigt, dass es der Regierung weniger um einen Nachweis der religiösen sephardischen Identität ging als um einen Beleg der historischen Verbundenheit zu Spanien. Es lässt sich behaupten, dass diese Regelung Pulidos Annahme entsprach, die Sepharden seien „Spanier ohne Heimatland“.560 Trotz der Problematik der Nachweisbarkeit einer sephardischen Identität bedeutet das Gesetz von 1982 das offizielle Bekenntnis zu einer historischen Verbundenheit zwischen Spanien als Nachfolgestaat der mittelalterlichen iberischen Königreiche und den Sepharden sowie, in einem zweiten Schritt, die Anerkennung eines sich daraus ergebenden Anspruchs. Damit liegt dem Staatsbürgerschaftsgesetz ein ähnliches Konzept zugrunde wie dem Religionsgesetz von 1980, welches eine Hierarchisierung in Bezug auf die historisch, kulturell oder soziologisch begründete Verwurzelung vornimmt. Andererseits werden Sepharden weniger als Religions- denn als nationale Gemeinschaft wahrgenommen. 4.4 Die Institutionalisierung des Dialoges. Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit der FCJE Die Ende April 1992 offiziell unterzeichneten und im November desselben Jahres in Kraft getretenen Kooperationsverträge zwischen dem spanischen Staat und den drei Dachverbänden der Religionen mit Verwurzelung wurden in der zeitgenössischen Wahrnehmung als der Höhepunkt der demokratide sefard la justificaciûn por el peticionario de su inclusiûn, o descendencia directa de una persona incluida en las listas de familias sefardes protegidas por EspaÇa, a que, con relaciûn a Egipto y Grecia, hace referencia el Decreto-ley de 29 de diciembre de 1948.“, Instrucciûn de 16 de mayo de 1983, de la Direcciûn General de los Registros y del Notariado, sobre nacionalidad espaÇola, BOE 120, 20. 5. 1983, 14065. Vgl. auch: Fernndez Rozas, Derecho espaÇol de la Nacionalidad, 195, Anm. 115. Die Möglichkeit des erleichterten Erwerbs der spanischen Staatsbürgerschaft wird von Sepharden verstärkt seit 2006 genutzt. Seitdem haben 709 Personen die spanische Nationalität erhalten. Vgl.: Ýlvarez Rodrguez, Aurelia, Inmigrantes e hijos de inmigrantes nacidos en EspaÇa: vas de acceso a la nacionalidad espaÇola, in: Revista del Ministerio de Trabajo e Inmigraciûn. Migraciones Internacionales, 90/2010, 107. Eine 2008 im Abgeordnetenhaus formulierte Anfrage nach der Anzahl der Sepharden, die die spanische Staatsbürgerschaft erhalten hatten, bzw. auf Grundlage welcher Kriterien diese verliehen werde, blieb ohne Beantwortung durch die Regierung, da sie zurückgezogen wurde. Vgl.: Boletn Oficial de las Cortes Generales. Congreso de los Diputados, Serie D, Nfflm. 90, 23 de octubre de 2008, 184/034169, 163; Ebd., Nfflm. 125, 17 de diciembre de 2008, 184/034169, 77. 560 Dass diese Sichtweise immer noch aktuell ist, veranschaulichte die Mitteilung des Ministerrates zur Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft an Sepharden aus der Türkei im April 2010. So wurde dieser Schritt mit der Aufrechterhaltung der engen und historischen Bindungen zum spanischen Königreich sowie der Bewahrung der spanischen Tradition und Sprache begründet, vgl.: „Nacionalidad espaÇola a veinte miembros de la comunidad sefard“, Consejo de Ministros, 30. 4. 2010; http://www.lamoncloa.gob.es/consejodeministros/referen cias/_2010/refc20100430.htm#Nacionalidad, 26. 8. 2011. Für ähnliche Begründungen der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Sepharden vgl.: http://www.mjusticia.gob.es/cs/Satellite# bloqueBuscadorProcesos, 26. 8. 2011.
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schen Religionsfreiheit und zugleich als endgültige Besiegelung des Endes der Phase religiöser Intoleranz interpretiert. Diese Einschätzung setzt sich in der Forschungsliteratur fort. Rozenberg versteht die Abkommen als die offizielle Anerkennung des gesellschaftlichen und religiösen Pluralismus in Spanien und als Höhepunkt einer seit der Verabschiedung der Verfassung begonnenen Normalisierung der spanisch-jüdischen Beziehungen.561 Die Aushandlung der Verträge, die das Religionsgesetz von 1980 vorsah, hatte sich jedoch schwierig gestaltet und über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckt. Nachdem das Justizministerium im Dezember 1984 die jüdische und evangelische Religion als Konfessionen mit bedeutender Verwurzelung (notorio arraigo) anerkannt hatte (die Anerkennung für den Islam erfolgte erst 1989562), stellte die erste Hürde die von staatlicher Seite geforderte Gründung jeweils eines Dachverbandes dar. Als Repräsentant der jeweiligen Konfession sollte dieser alleiniger Gesprächspartner der Regierung sein.563 Im Gegensatz zu den Protestanten und Muslimen sahen sich die jüdischen Gemeinden mit weniger Problemen bei der Gründung einer solchen Institution konfrontiert, da bereits in den 1960er Jahren mit dem Rat der jüdischen Gemeinden ein Dachverband bestanden hatte.564 Jetzt, 1982, gründeten die jüdischen Gemeinden aus Barcelona, Ceuta, Madrid und Melilla die Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa (FCIE, später : Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa, FCJE).565 Bei der Hauptversammlung im August 1982 wurde Sa561 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 240, 246 f. 562 Vgl.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 2. 563 Für die Voraussetzungen, die die Religionsgemeinschaften erfüllen mussten um Kooperationsverträge mit dem Staat auszuhandeln, vgl.: Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 98 ff. 564 Zu den Konflikten im Fall der muslimischen Minderheit vgl. z. B.: Corpas Aguirre, Las comunidades islmicas, 87 – 100. 565 Das Statut der FCJE unterscheidet zwei Formen der Mitgliedschaft: Vollmitglieder und assoziierte Gemeinden. Die Mehrheit der in Spanien existierenden Gemeinden ist auf die eine oder andere Weise mit dem Dachverband verbunden. Die einzelnen Mitgliedsgemeinden können ihre internen Angelegenheiten unabhängig und selbstständig regeln. Vgl.: Redondo Andr¦s, Mara Jos¦/Ribes Suriol, Ana Isabel, El Judasmo, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 66 f; Estatutos de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, abgedruckt in: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 139 – 142. Neben ihrer Repräsentationsfunktion gegenüber dem Staat und gegenüber internationalen jüdischen Organisationen, erklärte die FCJE den Kampf gegen Antisemitismus (http://observatorioantisemitismo.fcje.org) und für gesellschaftliche Aufklärung zu ihren Aufgaben ebenso wie die Unterstützung bei Gemeindegründungen. Bedeutung erlangte der Dachverband auch als öffentliches Sprachrohr der jüdischen Gemeinden mittels Veranstaltungen, Publikationen, Internetauftritten sowie des 2004 ins Leben gerufenen Radiosenders Radio Sefarad. Rozenberg gibt eine Zahl von 10.000 regelmäßigen Hörern an, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 226. Außerdem wurde der FCJE die Zuständigkeit für den Consejo Superior Rabnico de EspaÇa (CSRE) und die Einhaltung der KashrutGesetze übertragen. Vgl.: Statut der FCJE, Barcelona, 10. 5. 1982; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado; Gonzlez Snchez, Confesiones religiosas, in: Martn Snchez/ Ders. (Hg.), Los judos en EspaÇa, 103 f; Ders., Un t¦rmino controvertido: Ministro de culto, in: Ebd., 127 f. Das Statut wurde von Aquiba Benarroch Benarroch, Moises Bendahan Israel,
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muel Toledano zum Generalsekretär ernannt, er sollte die FCJE und damit die jüdischen Gemeinden in Spanien gegenüber der Regierung repräsentieren und war im Rahmen der Beratungskommission für Religionsfreiheit des Justizministeriums an den Verhandlungen zu den Kooperationsabkommen beteiligt.566 Mit der Anerkennung der FCJE als Verhandlungspartner des Staates und seiner Institutionen verfügte die jüdische Bevölkerung aus Sicht der Regierung über eine „offiziell sanktionierte und legitimierte Gruppenidentität“.567 Zugleich hatte die FCJE den Anspruch, die religiösen, kulturellen und politischen Interessen der jüdischen Gemeinschaft zu vertreten. So begünstigte die staatliche Vorbedingung zur Gründung jeweils eines Dachverbandes eine Tendenz zur Homogenisierung der Religionsgemeinschaften, indem die dominante Gruppe den Zugang zum Dachverband und damit zum Staat kontrollieren konnte.568 Da der Kooperationsvertrag mit der FCJE geschlossen wurde, sind die einzelnen jüdischen Gemeinden nur über ihre Mitgliedschaft im Dachverband „Vertragspartner“ des Staates. Innerhalb der jüdischen Gemeinden hatte bereits kurz nach Inkrafttreten des neuen Religionsgesetzes 1980 – d. h. noch vor der Gründung der FCJE – ein Prozess des Nachdenkens und Verhandelns darüber begonnen, wie möglicherweise mit der Regierung auszuhandelnde Abkommen aussehen könnten.569 Als am 18. Mai 1985 ein erstes, vom Justizministerium einberufenes
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Menahem Gabizon Benhamu und Samuel Toledano Benzaquen aus den Gemeinden aus Madrid, Barcelona, Ceuta und Melilla am 16. 7. 1982 in Madrid unterzeichnet. Vgl.: Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; Informe moral presentado por el Secretario General a la Asamblea de la Federaciûn celebrada en Mijas el 7 de febrero de 1993; beides AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado. Die FCJE ist gegenwärtig Mitglied des Europäischen Jüdischen Kongresses und des Jüdischen Weltkongresses, mit weiteren Organisationen bestehen Abkommen. Vgl.: http://www.fcje.org/, 20. 4. 2011. Zur Öffentlichkeitsarbeit der FCJE vgl.: Israel Garzûn, Apuntes histûricos, in: Ders. (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 86 f. Zur bedeutenden Rolle Samuel Toledanos bei der Aushandlung der Kooperationsverträge vgl. die in der Gemeindezeitschrift der CJM veröffentlichten Nachrufe anlässlich seines Todes: Querub Caro, Isaac, Homenaje, in: Kehil, 15/1996, 6; Cardona Gregori, En la transiciûn religiosa de EspaÇa, in: Ebd., 11. Körber, Karen, Puschkin oder Thora? Der Wandel der jüdischen Gemeinden in Deutschland, in: Brunner, Jos¦ (Hg.), Juden und Muslime in Deutschland. Recht, Religion, Identität, Göttingen 2009, 240. Körber bezieht ihre Feststellung auf den Zentralrat der Juden in Deutschland. Vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 363ff; Benasuly, La Constituciûn espaÇola de 1978, in: Israel Garzûn (Hg.), Los judos en la EspaÇa contempornea, 116. Die Schwierigkeiten die sich daraus ergaben, betont rückblickend der Generaldirektor für religiöse Angelegenheiten Dionisos Llamazares, vgl.: „Un retraso justificado“, in: Ya, 30. 4. 1992, 3. Mayoral Cort¦s kritisiert darüber hinaus, dass die Aushandlung der Religionsfreiheit zwischen jeweils zwei Parteien den Charakter von mittelalterlichen Fueros (Sonderrechten) besäße, vgl.: Mayoral Cort¦s, Libertad religiosa y laicidad, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 246. Vgl.: Informe sobre convenio de cooperaciûn que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General ordinaria del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado. Im Mai 1981 wurde ein Entwurf dem Justizministerium vorgelegt. Vgl.: Lisbona, Jos¦ Antonio, Los judos espaÇoles y la libertad
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Treffen mit der FCJE und der Federaciûn de Entidades Evang¦licas (FEREDE), die etwa 260 Kirchen und Gemeinden repräsentierte, stattfand, konnte die FCJE bereits einen Entwurf vorlegen.570 Ihre Vorschläge bezogen sich in erster Linie auf die Garantierung der Religionsfreiheit, auf die Einhaltung der Schabbatruhe und religiöser Feiertage sowie auf die Möglichkeit zur jüdischen Eheschließung.571 Der eigentliche Verhandlungsprozess begann im Juli 1987 unter Leitung des Justizministers Fernando Ledesma und des Generaldirektors für religiöse Angelegenheiten (Director General de Asuntos Religiosos) Ricardo Zalacan.572 Aber erst nach den Wahlen 1988 und unter dem neuen Justizminister Enrique Mfflgica Herzog erhielten die Verhandlungen einen entscheidenden Impuls und gewannen an Ernsthaftigkeit.573 Der neue Generaldirektor für religiöse Angelegenheiten Luis Mara de Zavala trug dazu nach Meinung der FCJE entscheidend bei.574 Nichtsdestotrotz gestaltete sich der Verhandlungsprozess auch in den folgenden Jahren schwierig. Aus Sicht der FCJE standen die Gespräche mehrmals kurz vor dem Abbruch.575 Obwohl am 21. Februar 1990 das
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religiosa en democracia: El largo camino hacia el Acuerdo de Cooperaciûn del Estado y la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, in: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa, 79 – 82. Vgl.: Informe moral que presenta la Secretara General de la Federaciûn a la Asamblea General Ordinaria del 18 de junio de 1987; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado; Lisbona, Retorno a Sefarad, 295 f. Innerhalb des Justizministeriums war die Direcciûn General de Asuntos Religiosos mit ihren beiden Unterabteilungen, Subdirecciûn General de Asuntos Religiosos und Comisiûn Asesora de Libertad Religiosa, für die Ausarbeitung der Kooperationsverträge zuständig. Vgl.: Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FEREDE, FCI y CIE, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 98. Zur Vielzahl der von der FEREDE vertretenen Kirchen vgl. z. B.: Pascual Palanca, Jos¦ Miguel, El Protestantismo, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 42 – 46. Vgl.: Fernndez-Coronado Gonzlez, Ana, Estado y confesiones religiosas: un nuevo modelo de relaciûn (Los pactos con las confesiones: Leyes 24, 25 y 26 de 1992), Madrid 1995, 48. Vgl.: Intervenciûn de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa en el Acto celebrado el 18 de Mayo de 1987 en el Ministerio de Justicia bajo la presencia del Ministerio de Justicia; AFCJE, Carpeta: Entradas Ministerios (hasta 1999). Zu diesem Zeitpunkt bestand kein muslimischer Dachverband. Erst 1989 gründete sich die Federaciûn EspaÇola de Entidades Religiosas Islmicas und 1991 die Uniûn de Comunidades Islmicas de EspaÇa. Beide schlossen sich 1992 zur Comisiûn Islmica de EspaÇa zusammen. Vgl.: Corpas Aguirre, Las comunidades islmicas, 87 – 100. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 297 f. „El peso de una tradiciûn monoltica impuesta durante quinientos aÇos configura el pensamiento de tal forma que resulta dificil [sic] desprenderse de ideas recibidas y de hbitos anclados en la personalidad. Nos consta el meritorio esfuerzo que realizaron en tal sentido los negociadores por parte del Estado.“, Informe sobre convenio de cooperaciûn que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General ordinaria del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado. „En una ocasiûn llegamos a decir que habamos vivido sin convenio durente [sic] quinientos aÇos, y que podamos esperar el tiempo suficiente hasta que se nos reconozcan nuestras aspiraciones, pero que no estabamos dispuestos a renunciar nuestras justas peticiones.“, Informe sobre convenio de cooperaciûn que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General ordinaria del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE,
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Justizministerium Vorverträge mit dem jüdischen und dem evangelischen Dachverband unterzeichnete, vergingen bis zur endgültigen Annahme der Abkommen durch das spanische Parlament, die das Religionsgesetz von 1980 forderte, zwei weitere Jahre, da die Regierung alle drei Verträge zugleich verabschieden wollte.576 Die parlamentarische Bestätigung ebenso wie die offizielle Unterzeichnung der Kooperationsverträge erfolgten schließlich im Frühjahr 1992 und damit in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 500. Jahrestages des Erlasses des Vertreibungsediktes gegen die iberischen Juden am 31. März 1992. Der zeitliche Kontext des Jahres 1992 hatte auf jüdischer sowie auf protestantischer Seite zu der Forderung geführt, die Zeremonie vor den 31. März zu datieren, um so den symbolischen Gehalt der Verträge als Bruch mit der historischen Intoleranz und als demokratischen Neuanfang zu unterstreichen.577 Diese Gelegenheit wurde von der Regierung nicht genutzt.578 Obwohl sie ihrerseits die Abkommen als eine markante Zäsur verstand, so z. B. der Justizminister Toms de la Quadra anlässlich der Unterzeichnung am 28. April 1992: „[D]iese Abkommen beenden die vielen Phasen der Intoleranz, die in unserer Geschichte zu verzeichnen sind. Konfessionen, die zuvor lange Zeiten der friedvollen und fruchtbaren convivencia [Hervorhebung, A. M.] erlebt hatten, gewinnen einen Status der Freiheit und der Gleichheit zurück, den die Verfassung verankert. Spanien, das Boden und Wegbereiter für eine Vielzahl von Kulturen und Zivilisationen war, bekräftigt so seinen Willen, der Zukunft als eine Plattform für effektiven Pluralismus, Toleranz und Öffnung zu begegnen.“579
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Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado. Auf Kritik stieß insbesondere die von der Regierung vorgeschlagene „Religionssteuer“, da diese indirekt zu einer Erstellung von Mitgliederlisten geführt hätte, wogegen sich die FCJE entschieden wehrte. Vgl.: Trives, Manuel, La comunidad juda se opone a la existencia de listas de miembros de las distintas confesiones religiosas, in: El Pas, 27. 8. 1983; Lisbona, Retorno a Sefarad, 297. Zwischen dem Dachverband der Protestanten und dem der Juden hatte es Lisbona zufolge ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Aushandlung der Kooperationsverträge gegeben. Für beide stellte die Frage der zukünftigen Finanzierung ein Hauptanliegen dar, vgl.: Lisbona, Los judos espaÇoles y la libertad religiosa, in: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa, 84 – 90. Zum Abkommen und den Verhandlungen mit der CIE vgl.: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 17 f. Die FCJE hatte im Vorfeld den Text des Vertrages an ihre Mitgliedsgemeinden verschickt, um sich so deren Zustimmung zu sichern, vgl.: Informe sobre convenio de cooperaciûn que presenta la Secretara General de la Federaciûn de Comunidades a la Asamblea General ordinaria del 4 de marzo de 1.990 en Madrid; AFCJE, Carpeta: Actos Asambleas, Convenio-Estado. Vgl.: Rodrguez, Alex, El Estado reconoce derechos religiosos a otras confesiones sin equipararlas con la catûlica, in: El Pas, 30. 3. 1992. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 299. „estos acuerdos dan la vuelta a cuantas pginas de intolerancia se han registrado en nuestra Historia. Confesiones que haban disfrutado previamente de largos perodos de pacfica y fecunda convivencia, recuperan el status de libertad, de igualdad, que la Constituciûn
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Ferner betonte er die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit, welche auf dem „Prinzip der Gleichheit und der Nicht-Diskriminierung aus religiösen Gründen [basiere, A. M.], welche Gläubige und Nicht-Gläubige gleichstellt und keinen Gläubigen gegenüber einem anderen bevorzugt: für den Staat sind alle gleich und alle gleichermaßen frei“.580 Für die Regierung stellten die Abkommen einen Nachweis des demokratischen Charakters des Staates dar, der eine zusätzliche Legitimation durch die historische Erfahrung der convivencia erhielt. Die Vorstellung der Verträge als Symbol der Demokratie griff auch Samuel Toledano, der als Generalsekretär der FCJE die jüdischen Gemeinden bei der offiziellen Zeremonie repräsentierte, auf.581 Toledano und der evangelische Pastor Jos¦ Cardona betonten außerdem, dass Spanien mit diesen Verträgen erstmals seit dem trikulturellen Mittelalter den religiösen Pluralismus anerkenne.582 Auch die katholische Kirche bewertete die Kooperatipropugna. EspaÇa, que ha sido suelo y cauce de diversidad de culturas y de civilizaciones, reafirma as su voluntad de encarar el porvenir como plataforma de pluralismo efectivo, tolerancia y apertura.“, Rede des Justizministers Toms de la Quadra, abgedruckt in: Ministerio de Justicia (Hg.), Acuerdos de Cooperaciûn del Estado espaÇol con La Federaciûn de Entidades Religiosas Evang¦licas de EspaÇa, La Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa y La Comisiûn Islmica de EspaÇa, Madrid 1992, 7. Zur Rede des Justizministers vgl. auch: Infiesta, Jesffls, Firmados los acuerdos con protestantes, musulmanes y judos, in: Ecclesia, 2579, 9. 5. 1992, 6. Der Ya-Kommentator schrieb mit Blick auf das historische Jubiläum des Vertreibungsediktes von 1492: „Nada mejor que una conmemoraciûn que enmiende los yerros del pasado, en la medida en que lo fueran.“ (Ortega, Joaqun L., Judos y musulmanes, in: Ya, 1. 4. 1992, 21.) Eine ähnliche Bewertung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive findet sich bei: Aznar Gil, Federico R., Presentaciûn, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos. Dort heißt es: „Este singular acontecimiento supone un gran hito histûrico en nuestro pas en este campo, pudi¦ndose afirmar que hemos recuperado nuestra tradiciûn donde era posible que cristianos, musulmanes y judos convivieran, ms o menos, en paz.“ Ebd., 7. 580 „principio de igualdad y no discriminaciûn por razones religiosas, no valora ni mejor ni peor a los creyentes que a los no-creyentes, ni a unos creyentes mejor que a otros: para el Estado todos son iguales e igualmente libres.“, Rede des Justizministers Toms de la Quadra, abgedruckt in: Ministerio de Justicia (Hg.), Acuerdos de Cooperaciûn, 5. Auch das Abkommen selbst enthält einen Verweis auf die Realität eines demokratischen und pluralistischen Staates, die eine Neuregelung der Religionsfreiheit erfordere. Vgl.: Acuerdo de Cooperaciûn del Estado espaÇol con la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, BOE 272, 12. 11. 1992, 38212. 581 „La segunda dimensiûn es lo que representa este convenio en orden de la democratizaciûn y perfeccionamiento de nuestras estructuras. La no confesionalidad del Estado es un gran acierto de la Constituciûn de 1.978, pero ello no es ûbice para que el Estado reconozca a la religiûn como un factor positivo en la sociedad y se preocupe de negociar acuerdos de cooperaciûn“, Alocuciûn de D. Samuel Toledano en nombre de la FCI en el acto de la firma del proyecto de convenio de cooperaciûn con el estado espaÇol – 21 de febrero de 1990; AFCJE, Carpeta: Entradas Ministerios (hasta 1999). El Olivo druckte anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens den vollständigen Text mit einer kurzen Einleitung von Samuel Toledano ab, vgl.: Toledano, Samuel, Acuerdo de Cooperaciûn entre el estado y la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa und Acuerdo de Cooperaciûn del Estado espaÇol con la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, in: El Olivo, 31/1190, 99 – 115. 582 Vgl.: Lamet, Pedro Miguel, Los acuerdos con las confesiones no catûlicas acaban con 500 aÇos de intolerancia religiosa, in: Diario 16, 29. 4. 1992, 18.
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onsverträge positiv : Die Zeitschrift Ecclesia sah in den Abkommen ein „Zeichen der convivencia [Hervorhebung, A. M.], des Respekts gegenüber den Glaubensrichtungen, der Gleichbehandlung“, der Präsident der Bischofskommission für Interkonfessionelle Beziehungen (Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales) Torrella eine Gelegenheit, die „schmerzvolle“ Vergangenheit endgültig abzuschließen.583 In der spanischen Presse wurde die Unterzeichnung der Verträge als erstmalige Aufnahme institutionalisierter Beziehungen zu nicht-katholischen Religionsgemeinden gefeiert.584 Als am 17. September 1992 die Abkommen vom Abgeordnetenhaus endgültig angenommen wurden, fand sich auch bei den Abgeordneten die Meinung, dass es sich um einen historischen Schritt handele.585 Mehrfach wurden die Kooperationsverträge als Überwindung der religiösen Intoleranz und Korrektur eines historischen Fehlers gewertet, mitunter verwiesen die Abgeordneten direkt auf die Vertreibung der Juden 1492.586 Für den PSOE-Abgeordneten Cuesta Martnez bedeuteten die Abkommen sogar die Rückkehr zu den plurikulturellen Ursprüngen Spaniens.587 Im November 1992 traten die mit dem evangelischen, muslimischen und jüdischen Dachverband geschlossenen Verträge in Kraft.588 Zu diesem Zeitpunkt lebten etwa 15.000589 Juden verteilt auf zwölf Gemeinden in Spanien, von 583 „signo de convivencia, de respeto a las creencias, de igualdad de trato“, „dolorosa“, „Editorial: Notorio arraigo“, in: Ecclesia, 2579, 9. 5. 1992, 5. Vgl. auch: „Ramûn Torrella: ,Un paso importante‘“, in: Ya, 30. 4. 1992, 3; ZuÇeda, Emilio, Fin a cinco siglos de intolerancia, in: Ya, 29. 4. 1992, 26. 584 Vgl. z. B.: „Justicia firma acuerdos calificados de histûricos con las religiones no catûlicas“, in: El Pas, 29. 4. 1992; Jim¦nez, Ana Mara, Judos, protestantes y musulmanes firmaron los Acuerdos con el Estado, in: ABC, 29. 4. 1992, 58. In La Vanguardia wurde besonders hervorgehoben, dass es sich um das erste Mal handele, dass ein demokratischer Staat ein solches Kooperationsabkommen mit einer muslimischen Gemeinde abschließe, vgl.: Infiesta, Jesffls, Protestantes, musulmanes y judos espaÇoles, en igualdad con los catûlicos, in: La Vanguardia, 28. 4. 1992, 28. Ya vermeldete die offizielle Unterzeichnung der Acuerdos auf der Titelseite (vgl.: „Cristianos, musulmanes y judos“, in: Ya, 30. 4. 1992, 1.) und vertrat die These eines Wiederbelebens der historischen religiösen Toleranz: ZuÇeda, Emilio, La tolerancia vuelve a reinar, in: Ya, 29. 4. 1992, 2. Aus juristischer Sicht wird diese Bewertung geteilt. Vgl. z. B.: Olmos Ortega, Los Acuerdos con la FERDE, FCI y CIE, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 102. 585 Vgl.: Valdecantos, Camilo, El Congreso aprueba los convenios con las confesiones juda, islmica y evang¦lica, in: El Pas, 18. 9. 1992. 586 Vgl.: Cortes Generales. Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados, sesiûn plenaria 210, 17 de septiembre de 1992, 10274 – 10280. 587 „EspaÇa vuelve a ser desde el punto de vista jurdico lo que ya era desde su esencia y realidad fctica: cruce de culturas, sntesis de creencias, convivencia de ideas.“, Cuesta Martnez, in: Cortes. Diario de Sesiones del Congreso, sesiûn plenaria 210, 17 de septiembre de 1992, 10279. Vgl. auch: Snchez, Jos¦ Antonio, Aprobados los acuerdos de cooperaciûn con las comunidades protestante, juda y musulmana, in: ABC, 18. 9. 1992, 22. 588 Vgl.: Ley 25/1992, de 10 de noviembre, por la que se aprueba el Acuerdo de Cooperaciûn del Estado con la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, BOE 272, 12. 11. 1992, 38211 – 38214. 589 Vgl.: Infiesta, Protestantes, musulmanes y judos, in: La Vanguardia, 29. 4. 1992, 25; ZuÇeda, Fin a cinco siglos de intolerancia, in: Ya, 29. 4. 1992, 26.
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denen die Mehrheit die spanische Staatsbürgerschaft besaß.590 Demgegenüber waren die protestantische und die muslimische Minderheit seit den 1980er Jahren stärker angewachsen, wobei insbesondere die steigende Einwanderung Impulse für die verschiedenen Gemeinden brachte und weiterhin bringt. Für die Phase der Aushandlung der Abkommen kann von etwa 65.000 Protestanten und 200.000 – 250.000 Muslimen in Spanien ausgegangen werden.591 Das Abkommen zwischen Staat und FCJE bedeutete einen entscheidenden Fortschritt, da es die „Möglichkeit eines jüdischen Lebens“ garantierte.592 Es regelt in erster Linie Fragen des Alltagslebens und der Religionsausübung, wie z. B. die Anerkennung jüdischer Hochzeiten, das Recht auf Friedhöfe, die Unverletzbarkeit von Gotteshäusern, den Status der Rabbiner, die Versorgung mit und die Kontrolle von koscherem Essen und die Religionsausübung in öffentlichen Einrichtungen, wie Strafanstalten oder der Armee.593 Zudem garantiert es die Möglichkeit der Erteilung jüdischen Religionsunterrichtes in öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Schulen sowie die Einhaltung der jüdischen Feiertage.594 Verantwortung und Kosten für den Religionsunterricht tragen allerdings die Dachverbände und nicht, wie im Fall des katholischen Religionsunterrichtes, der Staat.595 Auch in Fragen der Finanzierung und der Besteuerung bleibt die katholische Kirche privilegiert.596 Ins590 Vgl.: Rozenberg, L’Êtat et les minorit¦s religieuses, in: Archives de sciences sociales des religions, 98/1997, 18. Die zwölf Gemeinden sind: Madrid, Barcelona, Melilla, Ceuta, Mlaga, Sevilla, Valencia, Marbella, Palma de Mallorca, Las Palmas (Gran Canaria), Teneriffa und Alicante. Davon gehörten neun Gemeinden (Madrid, Barcelona, Melilla, Ceuta, Mlaga, Valencia, Marbella, Palma de Mallorca und Teneriffa) der FCJE an. 591 Vgl.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 18. In einem Zeitungsartikel wird die Zahl der Protestanten mit 250.000 angegeben, möglicherweise erklärt sich die Abweichung damit, dass es sich bei den 65.000 nur um die durch die FEREDE repräsentierten Protestanten handelt. Vgl.: Reina, Vctor, El derecho de libertad religiosa, in: La Vanguardia, 26. 5. 1992, 21. Zur Entwicklung der evangelischen Kirchen vgl.: Garca Ortiz, Puerto/Hernando de Larramendi, Miguel, Desarrollo y perfil de las iglesias evang¦licas, in: Dies. (Hg.), Religion.es, 87 – 101. Zu den Impulsen durch die Einwanderungswellen insbesondere aus Lateinamerika und Rumänien vgl.: Garca Ortiz, Las iglesias evang¦licas y la inmigraciûn, in: Ebd., 159 – 188. 592 Eine solche Formulierung wählte Jacques Laredo, der zwischen 1987 und 1992 Präsident der CJM war, im Gespräch mit der Verfasserin. Zur Bedeutung des Kooperationsabkommens für die jüdischen Gemeinden vgl.: Israel Garzûn, Escrito en Sefarad, 265. 593 Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der Abkommen aus juristischer Sicht vgl.: Ramrez Navalûn, Rosa Mara, Los lugares de culto y los cementerios, in: Bonet u. a. (Hg.), Acuerdos, 119 – 134; Dies., Los ministros de culto: in: Ebd., 135 – 158; Musoles Cubedo, Mara Cruz, La educaciûn y la enseÇanza, in: Ebd., 209 – 229; Dies., El patrimonio histûrico, in: Ebd., 255 – 258. 594 Vgl.: Ley 25/1992, BOE 272, 12. 11. 1992, 38212 ff. In der Praxis wird diese Möglichkeit von jüdischen Schülern kaum in Anspruch genommen. Vgl.: P¦rez Ýlvarez, Salvador, Espejismos del pasado en el r¦gimen jurdico de la enseÇanza religiosa juda en la EspaÇa de hoy, in: Martn Snchez/Gonzlez Snchez (Hg.), Los judos en EspaÇa, 223. 595 Vgl.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 57 – 60. Anstatt jüdischen Religionsunterricht zu organisieren, haben die jüdischen Gemeinden in Barcelona, Madrid, Mlaga und Melilla jüdische Schulen eröffnet. 596 Vgl.: „Editorial: Notorio arraigo“, in: Ecclesia, 2579, 9. 5. 1992, 5. Die Frage der Finanzierung
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gesamt ähneln sich die drei Abkommen stark, einzige Ausnahme bilden die Regelungen zu religiösen Speisegesetzen und zum Schutz des „historischkünstlerisch-religiösen Erbes“, welche ausschließlich in den Verträgen mit dem jüdischen und dem muslimischen Dachverband enthalten sind.597 Zu diesem Zwecke ist die Möglichkeit der Gründung von Stiftungen und anderen Einrichtungen mit kulturellem Charakter vorgesehen.598 Der von staatlicher Seite geführte Dialog mit den jüdischen Gemeinden setzte sich sowohl auf zentralstaatlicher als auch auf regionaler Ebene in den Folgejahren fort.599 Auf Drängen einer von FCJE, B’nai B’rith und der Stiftung Baruch Spinoza im September 1994 gegründeten Ad-hoc-Kommission kam es im Mai und November 1995 zur Reformierung des Strafgesetzbuches.600 Die Ley Orgnica 4/1995 und 10/1995 stellten die Leugnung und Verharmlosung von Genoziden sowie rassistisch, fremdenfeindlich und antisemitisch moti-
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und Besteuerung der Religionsgemeinden war bereits bei der Vorstellung der Vorverträge in der Justizkommission im Mai 1990 ausführlich diskutiert worden. Vgl.: Comisiûn de Justicia. Sesiûn Informativa, 24. 5. 1990, in: Cortes Generales. Diario de Sesiones del Senado, 19/1990, 4 – 10. Die weiterhin bestehenden Sonderrechte der katholischen Kirche gegenüber den drei Religionen mit „bedeutender Verwurzelung“ wurden in der spanischen Tagespresse kommentiert, vgl. z. B.: Rodrguez, Alex, El Estado reconoce derechos religiosos a otras confesiones sin equipararlas con la catûlica, in: El Pas, 30. 3. 1992. Auch Benasuly betont, dass die Kooperationsverträge juristisch nicht gleichwertig wie die 1979 mit dem Vatikan geschlossenen Abkommen sind, vgl.: Benasuly, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 126. Dem spanischen Staat wird von Kritikern die Fortführung einer Politik der „monokulturellen Hegemonie“ vorgeworfen. Vgl.: Mayoral Cort¦s, Libertad religiosa y laicidad, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 266 f. Die andauernde finanzielle Ungleichbehandlung belegt Mayoral Cort¦s für das Jahr 2005 exemplarisch mit Zahlen: Die katholische Kirche habe 141.469.680 Euro, die Religionsgemeinschaften mit Kooperationsverträgen hätten aber jeweils nur 3.000.000 Euro erhalten. 2006 wurden die jüdischen Gemeinden mit jeweils etwa 20.000 Euro unterstützt. Vgl.: Ebd., 263 f; Ders., EspaÇa: de la intolerancia al laicismo, 155 – 167. Auch steuerrechtlich ist die katholische Kirche weiterhin begünstigt. Vgl.: Ders., Libertad religiosa y laicidad, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 265. Vgl.: Benasuly, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 125 f. In Artikel 13 heißt es: „El Estado y la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa colaborarn en la conservaciûn y fomento del patrimonio histûrico, artstico y cultural judo, que continuar al servicio de la sociedad, para su contemplaciûn y estudio.“ (Ley 25/ 1992, BOE 272, 12. 11. 1992, Art. 13, 38214.) Zur Kritik an der Ähnlichkeit der Abkommen vgl.: Mantecûn Sancho, Los acuerdos, 29 f. Vgl.: Ley 25/1992, BOE 272, 12. 11. 1992, Art. 13, 38214. Zu den verschiedenen Bereichen der Kooperation zwischen Staat und jüdischen Gemeinden vgl.: Benasuly, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa, 127 f. Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 235 f. Zur kritischen Diskussion um eine Reformierung des Strafgesetzbuches in den jüdischen Gemeinden vgl. z. B.: „Reforma del Cûdigo Penal. B’nai B’rith – EspaÇa“, in: Resfflmen mensual de prensa para la Comunidad Israelita de Madrid. Dor Hemshej Young Leadership. Secciûn de Prensa y Documentaciûn, 19/1993, 4 – 5; ACJM.
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vierte Handlungen und Äußerungen unter Strafe und entsprachen damit weitgehend den Forderungen der jüdischen Seite.601 1997 unterzeichnete die Kommune Madrid einen Vertrag mit der CJM, welcher als Ergänzung bzw. regionaler Niederschlag des Kooperationsabkommens von 1992 verstanden werden kann.602 Die Regionalregierung bekennt sich darin zu einer toleranten und solidarischen Gesellschaft und würdigt die kulturelle und historische Verwurzelung des Judentums in Madrid. Weiterhin wird die CJM als offizielle Repräsentantin der jüdischen Bevölkerung Madrids gegenüber der autonomen Regierung anerkannt. Konkret sieht das Abkommen die Institutionalisierung des Dialoges mittels einer dafür zu schaffenden Kommission vor, die sich aus einem Vertreter der Regionalregierung und einem Repräsentanten der CJM zusammensetzen und regelmäßig treffen soll. Außerdem wurde eine Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, hier insbesondere die Bewahrung und Förderung des historischen Erbes, der Bildung sowie die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse jüdischer Mitbürger in sozialen Einrichtungen vereinbart.603 Ein Jahr später folgte eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bildungsministerium und der CJM im Hinblick auf die jüdische Schule.604 Im April 2002 schloss die Generalitat ein Abkommen mit der CIB, welches dem zwischen der madrilenischen Regionalregierung und der CJM stark ähnelte. Es schreibt u. a. die Zusammenarbeit im kulturellen und sozialen Bereich und auf dem Gebiet der Bildung sowie die Einrichtung einer Kommission zur Förderung des Dialoges fest.605 Sieben Jahre später, im Juli 2009, 601 Zur Begründung heißt es in dem Gesetz von Mai 1995: „La proliferaciûn en distintos pases de Europa de episodios de violencia racista y antisemita que se perpetran bajo las banderas y smbolos de ideologa nazi obliga a los Estados democrticos a emprender una acciûn decidida para luchar contra ella.“, Ley Orgnica 4/1995, de 11 de mayo, de modificaciûn del Cûdigo Penal, mediante la que se tipifica la apologa de los delitos de genicidio, BOE 113, 12. 5. 1995, 13800. Vgl. auch die Reform des Strafgesetzbuches im November : Ley Orgnica 10/1995, 23 de noviembre, del Cûdigo Penal, BOE 281, 24. 11. 1995, 33987 – 34058. Zur Neuregelung der strafrechtlichen Verfolgung von Antisemitismus in Spanien durch die Gesetzesreform 1995 vgl.: Benasuly, Alberto, Anti-Semitism in the New Spanish Criminal Code, in: Justice, 6/1995, 38 – 40; Ders., Spanish Parliament revises the Criminal Code, in: Justice, 7/1995, 40. 602 Bereits im Februar 1977 war es zu einem Treffen zwischen dem Bürgermeister Madrids, Jos¦ Mara Alvarez del Manzano, und einer Delegation der CJM gekommen. Vgl.: „Audiencia del Alcalde a la Comunidad Israelita de Madrid“, in: Kehil, 17/1997, 21. Zum Verhältnis der katalanischen Regierung zu Religion und Laizismus vgl.: Kleiner-Liebau, D¦sir¦e, Migration and the Construction of National Identity in Spain, Madrid/Frankfurt a.M. 2009, 207 ff. 603 Vgl.: Convenio Marco de Colaboraciûn entre la Comunidad de Madrid y la Comunidad Israelita de Madrid, Madrid, 25. 11. 1997, abgedruckt in: Israel Garzûn/Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 119 f. 604 Vgl.: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapûn (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 53. 605 Vgl.: Conveni marc de col.laboraciû entre la Genrealitat de Catalunya, mitjanÅant el Departament de la PresidÀncia, i la Comunitat Israelita de Barcelona (CIB), 15. 4. 2002; AMAB, B 151/ 2: Ayuntament de Barcelona, Oficina de Arxiver en CAP, Correspondencia sobre la renovaciû
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verabschiedete das katalanische Parlament ein Gesetz über Gotteshäuser, mit dem der zunehmenden religiösen Realität Rechnung getragen werden sollte.606 Bereits 1999 hatte die Junta de Andaluca in Sevilla die Fundaciûn Tres Culturas gegründet, die sich für den Dialog im Mittelmeerraum einsetzt.607 Mit der 2004 vom Staat ins Leben gerufenen Stiftung Pluralismo y Convivencia, in der Vertreter der muslimischen, evangelischen, jüdischen und weiterer nichtkatholischer Religionsgemeinschaften repräsentiert sind, wurde auf die sich verändernde gesellschaftliche Realität reagiert.608 Zum einen wurde sie mit finanziellen Mitteln für die Unterstützung der evangelischen, muslimischen und jüdischen Dachverbände ausgestattet, wobei das Geld nur für kulturelle, gesellschaftliche oder bildungspolitische – und gerade nicht für religiöse – Aktivitäten verwendet werden darf.609 Zum anderen versteht sich die Stiftung als Anlaufstelle sowohl für Religionsgemeinden als auch für lokale Gemeindeverwaltungen und hat zu diesem Zweck zusammen mit dem Justizministerium und der Federaciûn EspaÇola de Municipios y Provincias (Spanische Föderation der Gemeinden und Provinzen, FEMP) eine Website (http:// www.observatorioreligion.es/) ins Leben gerufen. Ein Handbuch soll als Hilfestellung für die Gemeindeverwaltungen im Umgang mit der religiösen Diversität dienen. Im Rahmen eines groß angelegten Projektes zur Aufklärung, Wissensvermittlung und Sensibilisierung wurden außerdem verschiedene
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de barri jueu de Barcelona o Call, 2000 – 2004. Das Abkommen ist außerdem abgedruckt in: Martn Snchez/Gonzlez Snchez (Hg.), Los judos en EspaÇa, 307 – 309. Vgl.: Ley 16/2009, de 22 de julio, de los centros de culto, BOE 198, 17. 8. 2009, 70802 – 70808. An der Gründung waren auch das Königreich Marokko sowie die Stiftung Perez por la Paz beteiligt. Vgl.: http://www.tresculturas.org/contenidoGeneral.asp?f3cs=–16786691, 20. 4. 2011. Vgl.: Lûpez Rodrigo, Jos¦ Manuel, La Fundaciûn Pluralismo y Convivencia, in: Israel Garzûn/ Macas Kapûn (Hg.), La libertad religiosa en EspaÇa, 93 – 108. Zur offiziellen Begründung für die Einrichtung der Stiftung vgl.: Consejo de Ministros, Rueda de Prensa, 15 de octubre de 2004, http://www.lamoncloa.gob.es/ConsejodeMinistros/Ruedas/_2004/r1510040.htm, 6. 1. 2012. In dem Statut aus dem Jahr 2009 heißt es dazu: „La Fundaciûn tiene por objeto contribuir a la ejecuciûn de programas y proyectos de carcter cultural, educativo y de integraciûn social de las confesiones no catûlicas con Acuerdo de cooperaciûn con el Estado espaÇol o con ,notorio arraigo‘ en EspaÇa“, Estatutos Fundaciûn Pluralismo y Convivencia, 16. 12. 2009, http:// www.pluralismoyconvivencia.es/upload/69/87/Estatutos.pdf, 20. 4. 2011. Zur Finanzierung der FCJE und der jüdischen Gemeinden vgl.: Lûpez Rodrigo, Jos¦ Manuel, La normalizaciûn de la comunidad juda desde la perspectiva pfflblica: Financiaciûn y gestiûn local, in: Martn Snchez/Gonzlez Snchez (Hg.), Los judos en EspaÇa, 187 f. Daz-Mas zufolge finanzieren sich die Gemeinden über die Beiträge ihrer Mitglieder und über Spenden, vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 276. Zur Gründung der Fundaciûn Pluralismo y Convivencia vgl.: Benasuly, Los judos en la EspaÇa contempornea, in: La nueva realidad religiosa espaÇola, 128. Im Jahr 2010 wurde Juan Fernando Lûpez Aguilar für die Gründung dieser Stiftung mit dem Preis „Senador Ýngel Pulido“ von der FCJE ausgezeichnet. Der Preis wird seit 2005 an Personen oder Einrichtungen verliehen, die sich in besonderer Weise für die jüdische Gemeinde, die Religionsfreiheit oder den Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt haben. Bereits 2008 war Enrique Mfflgica Herzog geehrt worden. Vgl.: http://www.fcje.org/index.php/que-hacemos/premiopulido, 20. 4. 2011.
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Das nationale Selbstverständnis auf dem Prüfstand
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Studien über religiöse Minderheiten in den Autonomen Gemeinschaften in Auftrag gegeben.610 Dass es trotz der zahlreichen Abkommen und Initiativen aus Sicht der jüdischen Gemeinden weiterhin religionspolitischen Reformbedarf gab, darauf deutet ein 2004 von der FCJE verabschiedetes Dokument hin, das die Verwirklichung der religiösen Neutralität sowie die Beseitigung weiterhin bestehender Diskriminierungen einforderte.611 *** Die politischen Reformen während des Demokratisierungsprozesses beeinflussten auch die offizielle Haltung des Staates gegenüber der jüdischen Minderheit und ihren Rechten. Obwohl der pluralistischen Gesellschaft in Gesetzen und offiziellen Bekenntnissen zunehmend Rechnung getragen wurde, verfolgte die Regierung und hier insbesondere das für Religionspolitik zuständige Justizministerium eine Strategie der Exklusion und Homogenisierung. So wurde zwar eine Angleichung der Rechte der MinderheitenKonfessionen an die der katholischen Kirche vorgenommen, gleichzeitig schuf aber das Kriterium der „Verwurzelung“ eine neue Hierarchie unter den in Spanien existierenden Religionsgemeinden und Kirchen. Auch widersprach die für die aktive Mitgestaltung der juristischen Rahmenbedingungen zur Vorbedingung gemachte Gründung je eines Dachverbandes als Verhandlungspartner der Heterogenität der religiösen Landkarte und zeigte die begrenzte Bereitschaft auf, sich mit den internen Strukturen der jeweiligen Gemeinden auseinanderzusetzen. Einerseits setzte sich die Verschränkung von Nation und Konfession fort, da der Nachweis der historischen oder gesellschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Religion als Bewertungsgrundlage diente. Andererseits bedeutete die Anerkennung der Verwurzelung von Judentum und Islam in Spanien ein implizites Bekenntnis zum kulturellen Pluralismus und zur trikulturellen Vergangenheit, welches im Kontext der 1992 verabschiedeten Abkommen mit den drei nicht-katholischen Minderheiten auch öffentlich vorgetragen wurde. Entgegen der Vorstellung eines „Anknüpfens“ an die historische convivencia 610 Vgl.: Observatorio del pluralismo religioso en EspaÇa, Manual para la gestiûn municipal; Hernando de Larramendi/Garca Ortiz (Hg.), Religion.es; Gûmez Bahillo (Hg.), Construyendo redes; Briones (Hg.), ¿Y tffl (de) qui¦n eres?; Buades Fuster/Vidal Fernndez, Minoras de lo mayor ; Estruch u. a., Las otras religiones. Handlungsleitende Normen zur Wahrung der religiösen Neutralität in den Autonomen Gemeinschaften waren auch von der FCJE gefordert worden. Vgl.: Gonzlez Snchez, Confesiones religiosas, in: Martn Snchez/Ders. (Hg.), Los judos en EspaÇa, 107. 611 Vgl.: FCJE, Discriminaciûn religiosa en EspaÇa desde el punto de vista de las comunidades judas. Diez propuestas para el avance de la neutralidad religiosa del estado, Madrid 2004; AFCJE.
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Jüdische Gegenwart
ließ sich aus der mittelalterlichen Vergangenheit aber kein Vorbild für die rechtliche Regelung ableiten, da die verschiedenen Religionen in den iberischen Königreichen zu keiner Zeit juristisch gleichgestellt waren. Dieser Umstand wurde aber auch von Kritikern nicht thematisiert. Insgesamt hielten die Erinnerungen im Gegensatz zur jungen und konfliktbeladenen Vergangenheit des Bürgerkrieges sinnstiftendes Potenzial für den Transformationsprozess bereit.
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Jüdisches Erbe und das sich wandelnde Selbstverständnis des spanischen Staates. Sepharad in offiziellen Erinnerungsdiskursen Mitte der 1980er Jahre stellte der CSIC-Wissenschaftler Iacob Hassn fest, dass die Sepharden in Spanien nicht vergessen, sondern vielmehr „falsch erinnert“ werden.1 Wie diese „falsche“ Erinnerung an die Sepharden und an die spanisch-jüdische Vergangenheit charakterisiert werden kann, welche Ursachen sie hat und wie sie sich im Laufe der Jahrzehnte veränderte, wird im Folgenden diskutiert. Anhand als zentral erachteter Erinnerungsorte kann gezeigt werden, dass verschiedene Phasen oder Ereignisse der jüdischen Geschichte in bestimmten historischen Momenten Relevanz für das Selbstverständnis des spanischen Staates – sowohl im Franquismus als auch in der Demokratie – gewannen.2 Die offizielle Erinnerungspolitik wird auf verschiedenen Ebenen betrachtet: Zunächst werden mithilfe der Analyse spanischer Schulbücher Entwicklungslinien der Darstellungsmuster spanisch-jüdischer Vergangenheit herausgearbeitet, wobei auffällt, dass diese weitgehend auf das Jahr 1492 reduziert wird. Das zweite Kapitel zum „Rettermythos“ in der franquistischen Propaganda und seinen Nachwirkungen beleuchtet Kontrollversuche des offiziellen Gedächtnisses, während das dritte Kapitel die 1959 in Spanien realisierte Ausstellung zu sephardischer Kultur und das 1964 gegründete Museo Sefard als die beiden zentralen Erinnerungsorte franquistischer Gedächtnispolitik zu Sepharad in den Blick nimmt. Das vierte Kapitel nähert sich dem demokratischen Erinnerungsdiskurs und fragt nach einer möglichen Ausdifferenzierung der Gedächtnisinhalte nach 1975. Am Beispiel des Gedenkjahres 1992 und der Organisation Red de Juderas wird überprüft, inwieweit die spanische Erinnerungslandschaft im Sinne Ruth Ellen Grubers als eine „virtuelle jüdische Welt“ verstanden werden kann, die weitgehend unabhängig von der realen jüdischen Bevölkerung, aber auch von der historisch bezeugbaren Vergangenheit existiert.3
1 „los sefardes en EspaÇa no es que est¦n propiamente ,olvidados‘, sino ms bien que han sido ,mal recordados‘“, Hassn, Los Sefardes como tûpico, in: Races, 1/1986, 33. 2 Für eine pointierte Betrachtung philosephardischer Motive in der in den folgenden Kapiteln untersuchten franquistischen Erinnerungskultur vgl. auch: Menny, Anna, Zwischen Nationalkatholizismus und Philosefardismus. Der Umgang mit dem jüdischen Erbe im franquistischen Spanien, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 65 – 79. 3 Vgl.: Gruber, Ruth Ellen, Virtually Jewish. Reinventing Jewish Culture in Europe, Berkeley/ London 2002.
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Jüdisches Erbe
1. Zwischen Hispanidad und Trikulturalität. Darstellungsmuster spanisch-jüdischer Vergangenheit in Schulbüchern „History textbooks convey more than facts about the past; through value judgements, selection and omission of topics, emphasis, imagery, and format they suggest notions about national character and destiny, historical agency and motivation, and the relationship between past and present.“4
Schulbücher sind offizielle Gedächtnismedien, in denen sich Geschichtsbilder, kanonisierte Deutungsmuster und Meisternarrative spiegeln. Sie sind eine ergiebige Quelle für die Erinnerungskultur und historische Selbstvergewisserung von Nationen.5 Als Projektionsflächen für Grenzziehungen dienen sie der kollektiven Identitätsbestimmung. An Schulbüchern lässt sich somit ablesen, ob die Geschichte von Minoritäten, in diesem Fall der Juden, Aufnahme in das dominante Geschichtsbild findet.6 Dieses Kapitel fragt nach den transportierten „Judenbildern“ und nach den 4 Boyd, Carolyn P., Historia patria. Politics, history, and national identity in Spain, 1875 – 1975, Princeton 1997, xx. Zu der in diesem Kapitel untersuchten Darstellung der spanisch-jüdischen Vergangenheit in Schulbüchern vgl. auch: Menny, Anna, Sefarad im Licht des casticismo. Nationale Vergangenheitskonstruktionen in spanischen Schulbüchern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Dies./Voß (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 101 – 126. 5 Vgl.: Mätzing, Heike Christina, Schulbuchanalyse als Methode der Geschichtsdidaktik – Diktaturerfahrung und Erinnerung am Beispiel spanischer Geschichtsbücher, in: Handro, Saskia/ Schönemann, Bernd (Hg.), Methoden geschichtsdidaktischer Forschung, Zeitgeschichte – Zeitverständnis 10, Münster 2002, 189 f; Maestro Gonzlez, Pilar, El modelo de las historias generales y la enseÇanza de la historia: lmites y alternativas, in: Carreras Ares, Juan Jos¦/ Forcadell Ýlvarez, Carlos (Hg.), Usos pfflblicos de la historia. Ponencias del VI Congreso de la Asociaciûn de Historia Contempornea (Universidad de Zaragoza, 2002), Madrid 2003, 176, 201. Vgl. auch: Valls Mont¦s, Rafael, Historiografa escolar espaÇola: siglos XIX – XXI, Madrid 2007, 12; Stallaert, Christiane, Etnog¦nesis y etnicidad en EspaÇa: Una aproximaciûn histûrico-antropolûgica al casticismo, Barcelona 1998, 168. Zum Zusammenhang zwischen Geschichtsunterricht und dem historischen Bewusstsein der Schüler in Europa vgl. die Studie „Youth and History“, die im Jahr 1996 durchgeführt wurde: Angvik, Magne/Borries, Bodo von (Hg.), Youth and History. A Comparative European Survey on Historical Consciousness and Political Attitudes among Adolescents. Vol. A+Vol. B, Hamburg 1997. Auch in den von der Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales herausgegebenen Empfehlungen zur Umsetzung der Deklaration Nostra Aetate werden die Schule und insbesondere Geschichtsbücher als bedeutend im Kampf gegen Vorurteile dargestellt, vgl.: Orientaciones y sugerencias para la aplicaciûn de la declaraciûn conciliar „Nostra Aetate“ (N.8 4). Documento de la Comisiûn para las Relaciones con el Judasmo, 1. 12. 1974, in: Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales (Hg.), Cristianos y judos, 22. 6 Zur Methode der Schulbuchforschung vgl.: Mätzing, Schulbuchanalyse, in: Handro/Schönemann (Hg.), Methoden, 187 – 197. Vgl. außerdem die bis heute grundlegenden Aufsätze: Marienfeld, Wolfgang, Schulbuchanalyse und Schulbuchrevision: Zur Methodenproblematik, in: Internationales Jahrbuch für Geschichts- und Geographie-Unterricht, Bd. XVII, hg. v.: GeorgEckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Braunschweig 1976, 47 – 58; Kleßmann, Christoph, Zur Methodik vergleichender Schulbuchanalyse, in: Ebd., 59 – 68.
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Zwischen Hispanidad und Trikulturalität
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Leitmotiven der Selbst- und Fremddarstellung in franquistischen und demokratischen Schulbüchern. Im Mittelpunkt steht die Darstellung der Herrschaftszeit der sogenannten Katholischen Könige Isabel und Fernando und das von ihnen gegen die in ihrem Königreich lebenden Juden erlassene Vertreibungsedikt. Bei der gewählten historischen Epoche handelte es sich lange Zeit um einen Gründungsmythos der spanischen Nation.7 Als „normative[], zumeist von Kultusministerien genehmigte[] Texte“8 stellen Schulbücher einen „Indikator für allgemein anerkanntes […] Wissen“ und für dominante Geschichtsauffassungen dar.9 Diese Verankerung im staatlich kontrollierten Bildungssystem beschreibt Raimundo Cuesta Fernndez mit dem Ausdruck historia regulada, regulierte Geschichte. In Diktaturen ist das Kontrollsystem typischerweise besonders stark ausgeprägt, aber auch in demokratischen Staaten sind Lernmaterialien reglementiert und sanktioniert – vor allem durch offizielle Lehrpläne.10 Zudem führen die kommerziellen Interessen der großen Schulbuchverlage zu einer Ausrichtung der Lehrbuchinhalte an vorherrschenden Interpretationslinien.11 Der Quellenanalyse, die sich in Analogie zu Cuesta Fernndez Kategorie der „erzählten Geschichte“ widmet, wird daher ein kurzer Überblick über die bildungs- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen vorangestellt, der zeigt, welche Relevanz der Geschichte von offizieller Seite beigemessen wurde und wird. Zugleich wird so ein exemplarischer Einblick in die institutionelle Ebene offizieller Geschichtspolitik gegeben. Die Untersuchung von Rezeption und Verbreitung einzelner Schulbücher insbesondere seit 1970 stellt ebenso wie die systematische Schulbuchfor7 Vgl.: Lûpez Facal, Ramûn, La enseÇaza de la historia, ms all del nacionalismo, in: Carreras Ares/Forcadell Ýlvarez (Hg.), Usos pfflblicos de la historia, 239; Taibo Arias, Sobre el nacionalismo espaÇol, in: Ders. (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 23. 8 Mätzing, Schulbuchanalyse, in: Handro/Schönemann (Hg.), Methoden, 190. 9 Zit.n.: Ebd.,189 f. 10 Vgl.: Cuesta Fernndez, Raimundo, Clo en las aulas. La enseÇanza de la Historia en EspaÇa entre reformas, ilusiones y rutinas, Madrid 1998; Mätzing, Schulbuchanalyse, in: Handro/ Schönemann (Hg.), Methoden, 190. Fröhlich beschreibt den Geschichtsunterricht als Ort, „wo historisches Erzählen zum Zwecke der Kontinuierung einer demokratischen politischen Kultur absichtsvoll erlernt und eingeübt werden soll“, Fröhlich, Klaus, Narrativität im Geschichtsunterricht oder: Die Geschichtserzählung vom Kopf des Lehrers auf Schülerfüße stellen, in: Blanke, Horst Walter/Jaeger, Friedrich/Sandkühler, Thomas (Hg.), Dimensionen der Historik. Geschichtstheorie, Wissenschaftsgeschichte und Geschichtskultur heute. Jörn Rüsen zum 60. Geburtstag, Köln/Weimar/Wien, 172. 11 Dabei geht es weniger um die Kontextualisierung im Schulalltag (nach Cuesta Fernndez historia enseÇada, unterrichtete Geschichte), sondern um die Frage, inwieweit die in den untersuchten Schulbüchern vermittelten Inhalte Rückschlüsse auf dominante Geschichtsbilder zulassen. Dass die regulierte Geschichte nicht zwangsläufig mit der im Schulunterricht vermittelten und rezipierten Geschichtsdarstellung übereinstimmt, kann vernachlässigt werden, wenn Schulbücher als Quelle für das Selbstverständnis einer Nation und für die offizielle Vorstellung von Vergangenheit im Kontext von Erinnerungskulturen verstanden werden. Im Hinblick auf den realen Geschichtsunterricht interessiert dann nur die Bedeutung, die diesem beigemessen wird.
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schung im Allgemeinen für Spanien ein Desiderat dar.12 Die Auswahl der analysierten Schulbücher orientiert sich an den Verlagshäusern, die Anhaltspunkte für ihre Verbreitung bieten.13 Als Grundlage dienen dabei die wegweisenden Arbeiten von Rafael Valls Mont¦s.14 Für die erste Phase des Franquismus nennt er folgende wichtige Verlage: Hijos de Santiago Rodrguez, MiÇûn, Edelvives, Dalmau Carles, BruÇo, El Magisterio EspaÇol und S.M.15 BruÇo, Edelvives und S.M. sind kleine Verlage, die bereits aus dem späten 19. Jahrhundert stammten und eng mit den verschiedenen religiösen Orden verbunden waren.16 Gegen Ende der Franco-Diktatur kamen weitere Verlage hinzu, die ab 1970 die älteren Verlagshäuser sukzessive ablösten. Dabei handelt es sich um die bis heute bedeutenden spanischen Schulbuchverlage: Vicens Vives,17 Anaya, Santillana18 und ECIR sowie weiterhin S.M.19 12 Insbesondere das 1992 ins Leben gerufene Projekt Manuales Escolares (MANES) an der Universidad Nacional de Educaciûn a Distancia (UNED) in Madrid hat in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem Anstieg der Studien zu spanischen Schulbüchern beigetragen. Die Bibliografie des MANES-Forschungszentrums gibt einen guten Überblick zum Forschungsstand: http://www. uned.es/manesvirtual/ProyectoManes/Bibliografia/BiblioEspTodo.pdf, 17. 10. 2011. 13 Weder das Erziehungsministerium noch die Verlagshäuser verfügen Valls zufolge über verlässliche Daten. Auch die Listen offiziell empfohlener Schulbücher lassen keine direkten Rückschlüsse auf die tatsächlich benutzten Bücher zu, vgl.: Valls Mont¦s, Rafael, Recepciûn de los manuales de historia en los centros escolares espaÇoles (siglos XIX y XX): Estado de la cuestiûn, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 5 f. 14 Vgl. insbes. Kapitel IV seiner Studie Historiografa escolar, wobei der Schwerpunkt auf Valencia liegt. Vgl. auch: Ders., Recepciûn de los manuales, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 3 – 28. 15 Vgl.: Valls Mont¦s, Historiografa, 91, 114. Einige Schulbücher dieser Verlagshäuser wurden bereits 1939 für den Gebrauch in den Primarschulen freigegeben. Vgl.: Molero Pintado, Antonio, La Educaciûn durante la Segunda Repfflblica y la Guerra Civil (1931 – 1939), Madrid 1991, hg. v.: Ministerio de Educaciûn y Ciencia, 123, Anm. 117. 16 Vgl.: Valls Mont¦s, Recepciûn de los manuales de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 18. Zu Edelvives-Luis Vives vgl. auch: „Instituto de los Hermanos Maristas de la EnseÇanza. Asistencia de EspaÇa, 1944“; EspaÇa, ACMP: Jefatura del Estado, 1720. Luis Vives wurde mit den cuestionarios von 1938 als einer der traditionellen spanischen Pädagogen zum Vorbild für Lehrkräfte im franquistischen Bildungssystem erhoben. Vgl.: Boyd, Historia patria, 258. Für einige biografische Eckdaten des Humanisten Luis Vives vgl.: Jacobi, Juliane, Juan Luis Vives’ „De institutione feminae Christianae“. Eine humanistische Schrift zur Mädchenerziehung für Europa, in: Themenportal Europäische Geschichte (2011), http://www. europa.clio-online.de/2011/Article=495, 5. 5. 2011. 17 Der katalanische Mediävist Jaume Vicens i Vives, nach dem der Verlag benannt ist, prägte entscheidend die Entwicklung der Annales-Schule in Spanien mit. Ursprünglich aus der Mediävistik kommend, forschte er in den 1950er Jahren vor allem zur Neuzeit und gründete die Zeitschrift Estudios de Historia Moderna. Sein Ziel war die Erneuerung und Europäisierung der spanischen Geschichtswissenschaft. Vgl.: Garca Crcel, La leyenda negra, 210. 18 Santillana wurde 1960 gegründet und wird von Boyd zu den progressiven Verlagshäusern gerechnet, die früh mit Autorenkollektiven zu arbeiten begannen, vgl.: Boyd, Historia patria, 298 f. 19 Regionalstudien im privaten und öffentlichen Sekundarschulbereich in den 1980er und 1990er Jahren ergaben eine Marktführerschaft des Verlages Vicens Vives, der mit seinen Büchern über 50 % des Marktes abdeckte. Danach folgten Anaya mit etwas mehr als 10 %, Akal (etwa 6 %)
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Insgesamt stammt die Mehrzahl der etwa 10020 untersuchten Schulbücher aus den von Valls als jeweils führend erachteten Verlagshäusern,21 zum Vergleich wurden aber ebenfalls einzelne Bücher aus kleinen Verlagen, wie Textos Everest22 oder CompaÇa Bibliogrfica EspaÇola23 herangezogen. Berücksichtigung fanden Geschichtsbücher, Enzyklopädien und Lehrbücher zur „patriotischen Erziehung“, die mehrheitlich aus dem jeweiligen Pflichtschulbereich stammen und sowohl in staatlichen als auch privaten Schulen benutzt wurden.24 Neben ihrer Relevanz spielten für die Auswahl inhaltliche Aspekte eine Rolle, in erster Linie die Behandlung der relevanten Epoche, d. h. der Herrschaftszeit der Katholischen Könige Ende des 15. Jahrhunderts. Der lange Untersuchungszeitraum, der die gesamte Phase des Franquismus, der transiciûn sowie der Demokratie bis in die 2000er Jahre umfasst, ermöglicht es – bevor die folgenden Kapitel jeweils ein konkretes Beispiel in den Blick nehmen – Entwicklungen in der Darstellung des Judentums und der jüdischen Vergangenheit zu erkennen.25 Diese Veränderungen können wiederum Rückschlüsse auf ein sich wandelndes Selbstbild des franquistischen bzw. demokratischen Staates zulassen.
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sowie BruÇo und Santillana (je etwa 4 %). Vgl. Valls Mont¦s, Recepciûn de los manuales de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 20 f. Vgl. auch: Cuesta Fernndez, Clo en las aulas, 106. Die Direktorin des MANES-Forschungszentrums, Gabriela Ossenbach-Sauter, betonte gegenüber der Verfasserin, dass der Vicens Vives-Verlag für den Geschichtsbereich eine wesentlich bedeutendere Rolle spiele als für andere Unterrichtsfächer. Valls geht für den Zeitraum von 1939 bis 1970 von etwa 412 in Spanien veröffentlichten Geschichtsbüchern aus, vgl. Valls Mont¦s, Recepciûn de los manuales de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 10. Während der Verlag S.M. über den gesamten Zeitraum relativ gleichmäßig vertreten ist, lässt sich für Anaya ab 1970 und für Vicens Vives in den 1980er Jahren eine wachsende Bedeutung feststellen. Textos Everest ist ein kleiner Verlag aus den 1960er Jahren, der – wenn auch mit geringer Präsenz – bis heute existiert. Bei der CompaÇia Bibliogrfica EspaÇola handelte es sich Valls zufolge um einen sehr kleinen Verlag. Wobei in den konfessionellen Schulen, wie Valls in seinen Untersuchungen feststellt, insbesondere auf Bücher der katholischen Verlagshäuser wie S.M. oder BruÇo zurückgegriffen wurde. Vgl. dazu: Valls Mont¦s, Recepciûn de los manuales de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 3 – 28. Da neben der historischen Entwicklung des „Judenbildes“ auch die einzelnen Schulbücher miteinander verglichen werden, handelt es sich um eine Verschränkung der Längs- und Querschnittsanalyse. In Anlehnung an Marienfeld, der die Aussagemöglichkeiten der quantitativen Analyse als begrenzt erachtet, wird diese vernachlässigt. Vgl.: Weinbrenner, Peter, Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung, in: Fritzsche, Peter (Hg.), Schulbücher auf dem Prüfstand. Perspektiven der Schulbuchforschung und Schulbuchbeurteilung in Europa, Frankfurt a.M. 1992, 35; Marienfeld, Schulbuchanalyse und Schulbuchrevision, in: Internationales Jahrbuch für Geschichts- und Geographie-Unterricht, 52 ff. Zu den Analyseformen vgl. auch: Kleßmann, Zur Methodik vergleichender Schulbuchanalyse, in: Ebd., 60.
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1.1 Regulierte Geschichte – die bildungspolitischen Rahmenbedingungen des offiziellen Gedächtnisses Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte die 98er-Generation auf der Suche nach einem „neuen Spanien“ in der Schule einen Schlüssel zur nationalen „Regeneration“, insbesondere der Geschichtsunterricht sollte der Stärkung der nationalen Identität dienen.26 Auch in der Zweiten Republik war der Aufbau eines neuen Staates eng mit dem Umbau des Bildungssystems verbunden, wenn auch aufgrund der zahlreichen Regierungswechsel und des baldigen Ausbruchs des Bürgerkrieges keine großen Reformfortschritte auf diesem Gebiet realisiert werden konnten.27 Das Hauptziel der republikanischen Reformer war angesichts der hohen Analphabetenrate die Ausweitung des öffentlichen Bildungssektors bei gleichzeitiger Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses gewesen.
1.1.1 Im Franquismus Nach dem Bürgerkrieg rückte die Schule für den Aufbau des franquistischen „Neuen Staates“ erneut in den Mittelpunkt. Um die Deutungshoheit über die Vergangenheit im Bildungsbereich zu erlangen, mussten die siegreichen Franquisten die juristisch-administrativen Rahmenbedingungen verändern.28 Fernndez Soria zufolge wurde bereits einen Monat nach dem Putsch der Aufständischen, im August 1936, ein Erlass des Nationalen Verteidigungsrates (Junta Defensa Nacional) verabschiedet, der die Primarschule zum Grundstein des Staates ernannte.29 Ebenfalls noch während des Bürgerkrieges wurde im Jahr 1938 in der franquistischen Zone ein Gesetz zur Reform des Sekundarschulbereiches (Ley de Reforma de la Segunda EnseÇanza) erlassen. Die republikanischen Ansätze einer Liberalisierung des Schulsystems wurden beendet und die Schulerziehung bereits vor dem Erlass des Fuero de los EspaÇoles an der Vermittlung von Patriotismus und Katholizismus ausgerich26 Vgl.: Pozo Andr¦s, Mara del Mar del, Currculum e identidad nacional. Regeneracionismos, nacionalismos y escuela pfflblica (1890 – 1939), Madrid 2000, 58 f, 196 – 199. 27 Vgl.: Navarro Garca, Clotilde, La educaciûn y el nacional-catolicismo, Murcia 1993, 9 – 24. Zur Bildungspolitik in der republikanischen und sogenannten nationalen Zone während des Spanischen Bürgerkrieges vgl.: Fernndez Soria, Juan Manuel, Educaciûn y cultura en la guerra civil (EspaÇa 1936 – 39), Valencia 1984. 28 Vgl.: Boyd, Historia patria, 232 f. „Social harmony and national strength could not be recovered through persuasion or debate, but only through the reimposition of the eternal national values forged during Spain’s Golden Age“, Ebd., 237. 29 Vgl.: Fernndez Soria, Educaciûn y cultura, 184 f. Zu den ersten, während des Bürgerkrieges in der „nationalen“ Zone erfolgten Versuchen einer Reorganisation des Bildungssystems vgl.: Ebd., 187 – 194.
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tet.30 Der Geschichtsunterricht wurde in der Folge zum Bestandteil der nationalen Erziehung. In dem Lehrplan aus dem Jahr 1938 heißt es, „[d]er Katholizismus ist das Rückenmark der spanischen Geschichte“.31 Die „Reinheit der spanischen Nationalität“, der „imperiale Geist, die Hispanidad [Hervorhebung, A. M.] im Sinne des gelungenen Konzeptes von Ramiro de Maeztu“ müssten in der Schule zum Ausdruck gebracht werden.32 Der Schwerpunkt der Geschichtsbücher dieser Jahre lag entsprechend den Lehrplänen, die die Themen und deren Interpretation vorgaben, auf dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit und damit auf der Herrschaftsphase der Katholischen Könige, die als Heldenfiguren dienten, indem sie die historische Mission der spanischen Nation verkörperten.33 Die Aufsicht über die Verankerung und Durchsetzung der neuen Werte wurde innerhalb des Nationalen Bildungsministeriums (Ministerio de Educaciûn Nacional)34 ab 1940 dem Nationalen Bildungsrat (Consejo Nacional de Educaciûn)35 übertragen, welcher für die Autorisierung der Schulbücher zuständig war. Zunächst hatte es Überlegungen gegeben, einheitliche Schulbücher zu schaffen. Diese Idee wurde angesichts der mangelnden Umsetzbarkeit fallen gelassen und stattdessen ein Kontroll- und Zensursystem für Schulbücher geschaffen.36 Die Zensur führte in den ersten beiden Jahrzehnten des Franquismus zu einem vorübergehend starken Anstieg von Enzyklopädien, da viele Schulbücher aus der Vor-Franco-Zeit nicht mehr verwendet werden durften. Besonders weit verbreitet war die Enciclopedia Ýlvarez, sie deckte zeitweise bis zu 80 % des Schulbuchmarktes ab.37 30 Vgl.: Puelles Bentez, Manuel de, Educaciûn e ideologa en la EspaÇa contempornea, Colecciûn Labor 7, Barcelona 1991, 366 – 373; Ders., Modernidad, republicanismo y democracia: Una historia de la educaciûn en EspaÇa (1898 – 2008), Valencia 2009, 361 – 371. Zum Einfluss des Nationalkatholizismus auf das Bildungssystem im frühen Franquismus vgl.: Camara Villar, Gregorio, Nacional-Catolicismo y escuela. La socializaciûn poltica del franquismo (1936 – 1951), Ja¦n/Madrid 1984. 31 „El Catolicismo es la m¦dula de la Historia de EspaÇa“, Plan de Estudios de 20 de septiembre de 1938, in: Ministerio de Educaciûn Nacional, Legislaciûn de EnseÇanza Media. Vol. V: Planes de estudio (1787 – 1938), Madrid 1964, 444. Vgl. auch: Puelles Bentez, Educaciûn e ideologa, 371 f. 32 „la pureza de la nacionalidad espaÇola“, „de nuestro espritu imperial, de la hispanidad, segffln el concepto felicsimo de Ramiro de Maeztu“, zit.n.: Puelles Bentez, Educaciûn e ideologa, 372. 33 Vgl.: Barrachina, Propagande et culture, 149; Martnez Tûrtola, Esther, La enseÇanza de la historia en el primer bachillerato franquista (1939 – 1953), Madrid 1996, 42 – 52. 34 1965 wurde das Ministerium in Ministerio de Educaciûn y Ciencia umbenannt. 35 Zur Zusammensetzung und Tätigkeit vgl.: Snchez-Redondo Morcillo, Carlos, Leer en la escuela durante el franquismo, Cuenca 2004, 76 ff. 36 Vgl.: Tiana Ferrer, Alejandro, El currculo. Viejos y nuevos programas, in: Escolano Benito, Agustn (Hg.), Historia ilustrada de la escuela en EspaÇa. Dos siglos de perspectiva histûrica, Madrid 2006, 379. Bereits 1938 war eine Kommission für die Kontrolle der Geschichtsbücher des bachillerato eingerichtet worden, die 1941 im Nationalen Bildungsrat aufging. Die für den bachillerato genehmigten Schulbücher wurden im Boletn Oficial del Ministerio de Educaciûn Nacional (BOMEN) veröffentlicht. Vgl.: Martnez Tûrtola, La enseÇanza de la historia, 54 f. 37 Die Enzyklopädie, die in drei Ausgaben für verschiedene Klassenstufen erschien, erreichte zwischen 1954 und 1966 etwa acht Millionen Kinder. Vgl.: Valls Mont¦s, Recepciûn de los
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Das Bildungsgesetz für den Primarschulbereich (Ley de Educaciûn Primaria)38 aus dem Jahr 1945 erklärte erneut den katholischen Charakter der spanischen Schule und das Recht der Kirche auf Schulgründungen sowie auf Kontrolle und Zensur aller die christliche Doktrin betreffenden Inhalte.39 Die ersten bildungspolitischen Maßnahmen des franquistischen Regimes entschieden so den Konkurrenzkampf zwischen der Falange und der Kirche um die Kontrolle des Schulsektors eindeutig zugunsten letzterer.40 Der Einfluss der Falange beschränkte sich in der Folgezeit weitgehend auf die patriotische Erziehung (Formaciûn del Espritu Nacional) und den Bereich der Leibesertüchtigung (Educaciûn Fsica).41 Das Recht der Kirche, die Einhaltung von katholischer Orthodoxie und Moral in den Schulen und Schulbüchern zu überwachen, bestätigte das Konkordat von 1953.42 Eine weitere Bestätigung erfuhr die ideologische und konfessionelle Ausrichtung des Schulsystems durch das im selben Jahr unter Erziehungsminister Joaqun Ruiz-Gim¦nez verabschiedete Gesetz für die Mittelstufe (Ley de Ordenaciûn de la EnseÇanza
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manuales, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 18 f; Boyd, Historia patria, 269 f; Palomero Plaza, Santiago, Historia de la Sinagoga de Samuel Ha Lev y del Museo Sefard de Toledo, Toledo 2007, 135 f. Eine Untersuchung der Geschichtsdarstellungen in Enzyklopädien des Franquismus liefert Blazqu¦z, Adrian, L’histoire officielle dans les „Enciclopedias“ franquistes de l’enseignement primaire, in: Papy, Michel (Hg.), Les espagnoles et la guerre civile, Biarritz 1999, 49 – 80. Sein Befund: Die offizielle franquistische Schulgeschichtsschreibung war nationalistisch, katholisch und heroisch. Vgl.: Ebd., 52. Ley de 17 de julio de 1945 de Educaciûn Primaria, BOE, 18. 7. 1945, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 82 – 100. Die Aufsicht über Privatschulen wurde in dem Orden de 2 de febrero de 1948. Competencia de la Direcciûn General de EseÇanza Primaria sobre la enseÇanza privada (BOE, 3. 5. 1948) geregelt. Die Verordnung ist abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 156. Vgl. dazu: Ley de 17 de julio de 1945 de Educaciûn Primaria, Art. 3 – 5, 15. Die staatliche und kirchliche Kontrolle der Schulbücher für die Primarstufe wurde in Art. 48 geregelt. Vgl. auch: Puelles Bentez, Educaciûn e ideologa, 379ff; Snchez-Redondo Morcillo, Leer en la escuela, 55 f. Zur Ideologisierung des franquistischen Bildungssystems vgl.: Puelles Bentez, Modernidad, republicanismo y democracia, 364 – 367. Vgl. zur Ausrichtung der Schule auf patriotische Werte z. B. auch: Decreto de 7 de julio de 1950. Reglamento para las Escuelas del Magisterio, BOE, 7. 8. 1950, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 167 – 174. Dort heißt es: „Esta misiûn vital del Maestro, de servir al hombre, como obra divina, predilecta, perfeccionndolo con la educaciûn para acercarlo a Dios y hacerlo ffltil a su Patria, constituya a aqu¦l en nervio y eje de la nueva escuela espaÇola“, ebenso die in dem Orden de 24 de junio de 1955 festgelegten Zensurvorschriften für Kinder- und Jugendbücher (Ebd., 168, 330ff). Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 397 ff. Zu den sich ambivalent gestaltenden Beziehungen zwischen Kirche und Falange vgl.: Ebd., 392 – 399. Vgl.: Barrachina, Propagande et culture, 156 – 169. Vgl.: Concordato entre la Santa Sede y EspaÇa, de 27 de agosto de 1953, Art. XXVIf, BOE, 19. 10. 1953, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 251 – 263. Vgl. dazu auch eine Rede Francos vor den Cortes, in der er die Ausrichtung der Erziehung am christlichen Dogma betonte: Madrid, 26 de octubre de 1953. Mensaje a las Cortes sobre el Concordato con la Santa Sede, in: Rubio y MuÇoz-Bocanegra (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Catûlico, 166 f.
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Media).43 Zugleich bedeutete das Gesetz eine vorsichtige Liberalisierung, indem es die Ausweitung des staatlichen Bildungssektors vorsah.44 1953 wurden erstmals verbindliche Lehrpläne (cuestionarios nacionales) für die Primarschule veröffentlicht, welche in leicht veränderter Form bis 1970 Bestand hatten.45 Die Lernmaterialien kontrollierte auch weiterhin das Nationale Erziehungsministerium. Die Dekrete von 1955 und 1958 regelten die Genehmigungsverfahren für Schulbücher.46 Auch wenn der Stellenwert des Geschichtsunterrichts im Verlauf des Franquismus innerhalb der Lehrpläne an Bedeutung verlor,47 änderte sich seine inhaltliche Ausrichtung in den 1950er und 1960er Jahren kaum. Sowohl der Lehrplan von 1953 als auch der von 1965 schrieben die Ausrichtung der schulischen Erziehung an patriotischen Werten und „nationalen Heldenfiguren“ fort.48 Die wichtigste legislative Zäsur in bildungspolitischer Hinsicht stellte das 1970 verabschiedete Rahmengesetz zur Allgemeinen Grundbildung (Ley General de Educaciûn, LGE) dar.49 Es weitete die Schulpflicht aus, indem es die 43 Ley de 26 de febrero de 1953. Ordenaciûn de la EnseÇanza Media, BOE, 27. 2. 1953, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 214 – 221. Die cuestionarios nacionales waren für die staatlichen Schulen obligatorisch, für die Privatschulen hatten sie eine orientierende Funktion. Sie enthielten keine Vorgaben für den Religionsunterricht, dieser lag in der Zuständigkeit der Katholischen Kirche. Die Vorgaben zur „Ausbildung des nationalen Geistes“ stammten von der Frente de Juventudes. Vgl.: Snchez-Redondo Morcillo, Leer en la escuela, 60 – 70. 44 Vgl. Ley de 26 de febrero de 1953, BOE, 27. 2. 1953, Kap. IV, abgedruckt in: Bernndez, Legislaciûn eclesistica, 214 – 229. Vgl. auch: Puelles Bentez, Educaciûn e ideologa, 388 f. Zur 1953 einsetzenden Reform des Bildungswesens vgl.: Boyd, Historia patria, 273 – 280. Der staatliche Einfluss auf das Bildungssystem sollte u. a. durch das Recht auf staatliche Schulinspektionen gestärkt werden. Außerdem sollte der Zugang zum elitären bachillerato erleichtert werden. Vgl.: Egido, Immaculada, Transforming education: The Spanish experience, New York 2005, 5. 45 Vgl.: Direcciûn General de EnseÇanza Primaria, Cuestionarios Nacionales para la EnseÇanza Primaria 1953, Madrid 1955; Snchez-Redondo Morcillo, Leer en la escuela, 61 – 70; Boyd, Historia patria, insb. Kap. 8 und 9. 46 Die Regelung von 1955 wurde mit dem Dekret vom 21. 3. 1958 und dem Erlass vom 30. 6. 1958 bestätigt und auf alle Schulformen ausgeweitet. Vgl.: Orden de 30 de junio de 1958. Libros de texto en Escuelas de Magisterio y de EnseÇanza Primaria, BOE, 9. 8. 1958; Snchez-Redondo Morcillo, Leer en la escuela, 56 – 60. Seit 1958 war im Primarschulbereich auch der Centro de Documentaciûn y Orientaciûn Didctica de EnseÇanza Primaria (C.E.D.O.D.E.P.) für die Kontrolle der Schulbücher zuständig. 47 Vgl.: Boyd, Historia patria, 288, 304. 48 Vgl.: Direcciûn General de EnseÇanza Primaria, Cuestionarios Nacionales para la EnseÇanza Primaria 1953, 118 – 128; Ministerio de Educaciûn Nacional. Direcciûn General de EnseÇanza Primaria, Cuestionarios Nacionales para la EnseÇanza Primaria. Orden de 8 de julio de 1965, BOE, 24. 9. 1965, Madrid 1965, 24ff; Cuestionarios Nacionales de EnseÇanza Primaria, in: Folletos El Magisterio EspaÇol 1 – 3, Madrid 41968, 51, 65, 81. Valls fasst die Jahre zwischen 1939 und 1970 zu einer Phase zusammen, in der die Schulbücher durch einen katholisch-patriotisch überprägten cûdigo disciplinar gekennzeichnet gewesen seien, vgl.: Valls Mont¦s, Historiografa, 58 ff. 49 Ley 14/1970 de 4 de agosto, General de EnseÇanza y Financiamiento de la Reforma Educativa, BOE 187, 6. 8. 1970, 12525 – 12546. Zur LGE als Zäsur vgl.: Sanchidrin Blanco, Carmen, Qu¦ historia se enseÇaba en el bachiller elemental. Los manuales de Historia Universal y de EspaÇa, in: Gûmez Garca, Mara Nieves/Trigueros Gordillo, Guadalupe (Hg.), Los manuales de texto en
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Allgemeine Grundbildung (Educaciûn General Bsica, EGB) für alle Schüler von sechs bis 14 Jahren schuf.50 Dass es zu dieser Bildungsreform kam, muss auf den zunehmenden Einfluss der technokratischen Kräfte um die katholische Laienorganisation Opus Dei im Bildungsbereich zurückgeführt werden. Die Technokraten und der 1968 zum Bildungsminister ernannte Villar Palas orientierten sich an der realen Situation der Schulen in Spanien und bilanzierten mit dem 1969 veröffentlichten Weißbuch die bisherige Bildungspolitik des franquistischen Regimes.51 Den Missständen sollte die LGE mit qualitativen Verbesserungen durch die Berücksichtigung didaktischer, pädagogischer und inhaltlicher Neuerungen sowie mit einem quantitativen Ausbau des Schulsystems begegnen. Mit der Reform einher ging ein verändertes Verständnis des Geschichtsunterrichts: „In the 1970 cuestionarios, the past was no longer the source of national identity, but merely a distant set of ,structures‘ and ,civilizations‘ whose relevance to the present was not specified“.52 Das Aufkommen neuer Verlagshäuser und der zunehmende Einfluss der Sozialund Wirtschaftsgeschichte trugen zu einer Abnahme der „archaischen Mythen“ des franquistischen Nationalismus bei.53
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la enseÇanza secundaria (1812 – 1990), 365, 377; Valls Mont¦s, Rafael, Los estudios sobre los manuales escolares de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 15/2001, 30; Lûpez Facal, La enseÇaza, in: Carreras Ares/Forcadell Ýlvarez (Hg.), Usos pfflblicos, 239 – 245. Arndt sieht bis zur Verabschiedung der LGE 1970 das erste spanische Schulgesetz von 1857 – die Ley Moyano, benannt nach dem damaligen Erziehungsminister – fortwirken, vgl.: Arndt, Ottilie, Die spanische Schulreform von 1990. Untersuchung einer systemischen Reformkonzeption, Köln/Weimar/Wien 1999, 154. Vgl.: Ley 14/1970, BOE 187, 6. 8. 1970. Nach der Neuregelung der Sekundarstufe umfassten die EnseÇanzas Medias den BUP (Bachillerato Unificado Polivalente) und den COU (Curso de Orientaciûn Universitaria) zur Vorbereitung auf die Hochschule sowie einen Bildungszweig zur Berufsvorbereitung (Formaciûn Profesional). Vgl.: Arndt, Die spanische Schulreform von 1990, 107 f. In der neu eingeführten EGB wurde Geschichte zu einem Teil des Unterrichtfaches Ciencias Sociales und neue geschichtswissenschaftliche Ansätze, insbesondere die AnnalesSchule, gewannen gegenüber der früheren Vermittlung patriotischer und religiöser Werte im Sinne eines „spanisch, historisch-organischen Nationalismus“ an Bedeutung. Vgl.: Lûpez Facal, Ramûn, La historia enseÇada en EspaÇa, in: Taibo (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 338 f; Valls Mont¦s, Recepciûn de los manuales de historia, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 12/1998, 20 f. Die Erweiterung der Schulpflicht war auch aufgrund der hohen Analphabetenrate notwendig geworden. Diese lag noch 1960 bei 11 % der Gesamtbevölkerung. Vgl.: Puelles Bentez, Educaciûn e ideologa, 447. Die FOESSA-Studie ging für das exemplarisch herausgegriffene Schuljahr 1965/66 von einer Million Kindern aus, die nicht oder nicht regelmäßig am Primarschulunterricht teilnahmen, vgl.: Fundaciûn FOESSA, Informe sociolûgico sobre la situaciûn social de EspaÇa, Colecciûn FF 4, Madrid 1970, 851 – 857; 954. Vgl.: Puelles Bentez, Modernidad, republicanismo y democracia, 379 – 384. Zur Motivation der franquistischen Regierung vgl.: Arndt, Die spanische Schulreform von 1990, 157 f. Boyd, Historia patria, 297. Vgl.: Lûpez Facal, La naciûn ocultada, in: P¦rez Garzûn u. a. (Hg.), La gestiûn de la memoria, 114 – 120.
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1.1.2 Im demokratischen Spanien Die Regierungen im demokratischen Spanien sahen sich aufgrund veränderter gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen mit einem Reformbedarf des Schulsystems konfrontiert. Neben Strukturmängeln zeichnete sich als ein Problemfeld die Konfessionalität des Schulsystems ab.54 Die 1978 verabschiedete demokratische Verfassung betont in den Artikeln 27 und 149 die besondere Relevanz der Bildung, die als ein Grundrecht charakterisiert wird, dessen Gewährleistung eine staatliche Pflicht sei.55 Auch verankert die Verfassung die ideologische und religiöse Freiheit und hebt die obligatorische Teilnahme am Religionsunterricht auf. Zugleich schreibt sie aber in Artikel 27 das Recht der Eltern auf eine religiöse und moralische Erziehung ihrer Kinder fest und bestätigt die grundsätzliche Möglichkeit einer staatlichen Finanzierung von (konfessionellen) Privatschulen.56 Im Zuge der Umstrukturierung des spanischen Staatsgebietes wurden die Verwaltungsaufgaben im Bildungsbereich zwischen der Zentralregierung und den Autonomen Gemeinschaften aufgeteilt.57 Ein erstes demokratisches Bildungsgesetz wurde mit dem Rahmengesetz zum Recht auf Bildung (Ley Orgnica del Derecho a la Educaciûn, LODE) 1985 verabschiedet, das den Anspruch auf kostenlose Bildung festschrieb sowie die Mitwirkungs- und Mitsprachemöglichkeiten der Schulgemeinde bei der Leitung und Kontrolle der Schule regelte.58 Die unter dem sozialdemokratischen Erziehungsminister Jos¦ Mara Maravall eingeleitete Reform führte 1990 zum endgültigen Bruch mit dem franquistischen Bildungssystem. Es kam zu einer Umstrukturierung sämtlicher Schulstufen. Das Rahmengesetz zur allgemeinen Regelung des Bildungssystems (Ley Orgnica de Ordenaciûn General del Sistema Educativo, LOGSE) behielt den in dem Gesetz von 1970 festgelegten Gesamtschulcharakter bei. Die Schulpflicht wurde um zwei Jahre, bis zu einem
54 Vgl.: Callahan, The Catholic Church, 556. Trotz einer zunehmenden Ausweitung des öffentlichen Schulsystems stehen auch im demokratischen Spanien etwa 30 % der Bildungseinrichtungen unter privater Trägerschaft, wobei es sich meistens um konfessionelle Träger handelt. 55 Vgl.: Constituciûn EspaÇola, Art. 27, insb. 5, Art. 149, 30, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 261 f. 56 Vgl.: Ebd., Art. 27, 3, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 261 f. Vgl. auch: Callahan, The Catholic Church, 568. 57 Von den insgesamt 17 Autonomen Gemeinschaften verfügen sieben (Andalusien, Baskenland, die Kanarischen Inseln, Katalonien, Galizien, Navarra und Valencia) über die volle Zuständigkeit im Bildungsbereich. Die anderen Autonomen Gemeinschaften unterstehen der zentralstaatlichen Verwaltung. Vgl.: Constituciûn EspaÇola, Art. 27, Art. 148 – 149, abgedruckt in: Snchez Goyanes, Constituciûn EspaÇola, 261 f, 288 – 291. 58 Vgl.: Ley Orgnica 8/1985, de 3 de julio, reguladora del Derecho a la Educaciûn, BOE 159, 4. 7. 1985, 21015 – 21022.
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Alter von 16 Jahren erweitert.59 LOGSE übertrug die Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Mindestlehrpläne zu 55 % bzw. 65 % den autonomen Regionen, wobei denen mit eigener Sprache der größere Gestaltungsspielraum eingeräumt wurde.60 Die ebenfalls Anfang der 1990er Jahre verabschiedeten Mindestlehrinhalte waren offen gehalten und überließen den Lehrkräften großen Gestaltungsspielraum. Zugleich stärkten sie die kulturelle und regionale Vielfalt Spaniens und setzten auf die Einbeziehung der Schüler und ihres Lebenskontextes. Der Geschichtsunterricht wurde zu einem Pfeiler der demokratischen Erziehung.61 Das Real Decreto 388/1992 und der Orden de 2 de junio 1992 sahen vor, dass in den Schulen ausschließlich Unterrichtsmaterialien und Schulbücher verwendet werden durften, die zuvor vom Bildungsministerium genehmigt worden waren. Die entsprechenden Auflagen für die Verlagshäuser beinhalteten u. a. den Respekt gegenüber allen Kulturen.62 Im Hinblick auf den Umgang mit dem Judentum und anderen religiösen Minderheiten im spanischen Bildungssystem ist von Bedeutung, dass mit den 1992 geschlossenen Staatsverträgen den nicht katholischen Konfessionen das Recht auf Religionsunterricht in öffentlichen Schulen eingeräumt wurde.63 Bereits Mitte der 1990er Jahre wurden die bildungspolitischen Reformen allerdings wieder infrage gestellt, als sich während der Regierungszeit des konservativen Ministerpräsidenten Jos¦ Mara Aznar (PP) eine Debatte über die Gestaltung der Lehrpläne, insbesondere für das Fach Geschichte, entfachte.64 Ausgangspunkt war eine Äußerung der Erziehungsministerin Esperanza Aguirre im Oktober 1996. Sie plädierte für eine Reform des außeruniversitären Geschichtsunterrichtes, da dieser durch die vorherigen sozialde59 Die Primarschule umfasste die Altersstufen sechs bis zwölf Jahre, die Pflichtsekundarschule zwölf bis 16 Jahre und der bachillerato 16 bis 18 Jahre. 60 Ley Orgnica 1/1990, de 3 de octubre, de Ordenaciûn General del Sistema Educativo, BOE 238, 4. 10. 1990, 28927 – 28942. 61 Vgl.: Real Decreto 1006/1991, de 14 de junio, por el que se establecen las enseÇanzas mnimas correspondientes a la Educaciûn Primaria und Anexo 1; Real Decreto 1007/1991, de 14 de junio, por el que se establecen las enseÇanzas mnimas correspondientes a la Educaciûn Secundaria Obligatoria und Anexo 1, beides BOE 152, 26. 6. 1991, 21191 – 21195. 62 Vgl.: Real Decreto 388/1992, de 15 de abril, por el que se regula la supervisiûn de libros de texto y otros materiales curriculares para las enseÇanzas de r¦gimen general y su uso en los Centros docentes, BOE 98, 23. 4. 1992, 13726 – 13728, insb. Art. 4; Orden de 2 de junio de 1992 por la que se desarrolla el Real Decreto 388/1992, de 15 de abril, sobre supervisiûn de libros de texto y otros materiales curriculares para las enseÇanzas de r¦gimen general y su uso en los Centros docentes, BOE 140, 11. 6. 1992, 19802 – 19803. Vgl. auch: Arndt, Die spanische Schulreform von 1990, 198 f. 63 Vgl.: Ley 25/1992, BOE 272, 12. 11. 1992, Art. 10, 38213. Zur Entwicklung des Religionsunterrichtes im demokratischen Spanien vgl.: Barrero Ortega, La libertad religiosa, 376 – 383, 442 – 450; Kapitel 4.4 zum Kooperationsvertrag. 64 Zur Diskussion der Reform des Geschichtsunterrichtes in der Presse vgl. z. B.: „Tusell propone consensuar un libro blanco sobre la enseÇanza de la historia“, in: El Pas, 27. 10. 1997; Arroyo, Carlos, Todos los grupos, excepto el PP, rechazan el plan de humanidades de Esperanza Aguirre, in: Ebd., 12. 11. 1997; Ramoneda, Josep, Historia e ingenuidad, in: Ebd., 18. 12. 1998; „Los expertos piden que se enseÇe ,una Historia compartida‘“, in: Ebd., 4. 7. 1998.
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mokratischen Bildungsreformen in den Lehrplänen marginalisiert worden sei. Der Geschichtsunterricht müsse wieder der Vermittlung von Tradition und Kontinuität dienen, die Bürger bräuchten „historische Bezugspunkte“.65 Noch im selben Monat wurde eine aus Fachhistorikern bestehende Expertenkommission gebildet, die die Lehrpläne für die Pflichtsekundarschule überarbeiten sollte. Ein Jahr später, im Oktober 1997, wurde der neue Lehrplan veröffentlicht. Als Hauptziel des Geschichtsunterrichtes beschrieb er, „den einheitlichen Charakter der historischen Entwicklung Spaniens mit seiner sprachlich-kulturellen Vielfalt verstehen und werten“66 zu können. Erst nach einer kontrovers geführten und von den Medien aufmerksam verfolgten Debatte konnte 200267 ein neues Gesetz verabschiedet werden, welches im Jahr 2006 von der PSOE-Regierung ersetzt wurde.68 Die im Januar 2007 veröffentlichten Vorgaben für die Pflichtsekundarstufe verankern die Prinzipien der Toleranz und des Dialoges als Lernziele, die im Einklang mit den „gemeinschaftlichen Werten einer pluralen Gesellschaft“ und der „demokratischen Staatsbürgerschaft“ stehen. Dabei wird dem neuen Fach Ciencias sociales, geografa e historia Bedeutung für die Stärkung der demokratischen Basiskompetenzen beigemessen.69 Vor diesem Hintergrund avancierte die Phase des Zusammenlebens von Christen, Mauren und Juden auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter zum Gegenstand des Geschichtsunterrichtes.70 65 Zit.n.: Valls Mont¦s, Rafael, Die Funktionalisierung der Geschichte im Unterricht oder Was will die spanische Erziehungsministerin?, in: Radkan Garca, Verena/P¦rez Silver, Javier (Hg.), Identitäten – Mythen – Rituale. Beispiele zum Umgang mit der Nation aus Lateinamerika und Spanien, Hannover 1997, 135. Eine erneute Diskussion um den spanischen Geschichtsunterricht entfachte sich, nachdem die Real Academia de la Historia im Jahr 2000 die Ergebnisse einer von ihr vorgenommenen Untersuchung spanischer Schulbücher veröffentlichte. Diese, auch in der Presse ausgetragene Debatte verlief dabei in erster Linie entlang der Konfliktlinie Zentralismus/ Regionalismus. Vgl.: Collado Seidel, Carlos, Überlegungen zu Nation und Nationalbewußtsein in Spanien, in: Ders./König (Hg.), Spanien: Mitten in Europa, 74 f. 66 Zit.n.: Valls Mont¦s, Die Funktionalisierung der Geschichte, in: Radkan Garca/P¦rez Silver (Hg.), Identitäten – Mythen – Rituale, 138 f. 67 Vgl.: Ley Orgnica 10/2002, de 23 de diciembre, de Calidad de la Educaciûn, BOE 307, 24. 12. 2002, 45188 – 45220. 68 Vgl.: Ley Orgnica 2/2006, de 3 de mayo de Educaciûn, BOE 106, 4. 5. 2006, 17158 – 17207; Real Decreto 1631/2006, de 29 de diciembre, por el que se establecen las enseÇanzas mnimas correspondientes a la Educaciûn Secundaria Obligatoria, BOE 5, 5. 1. 2007, 706. Zur neueren Entwicklung im spanischen Bildungssystem vgl.: Puelles Bentez, Modernidad, republicanismo y democracia, 433 – 477. 69 „valores comunes de una sociedad plural“, „ciudadana democrtica“, Real Decreto 1631/2006, de 29 de diciembre, BOE 5, 5. 1. 2007, Art. 3, 679, 703. Die Katholischen Könige finden im Zusammenhang mit der Ausformung des modernen spanischen Staates weiterhin Erwähnung in dem Lehrplan für Ciencias sociales, gegografa e historia (Ebd., 707). 70 Vgl.: Orden ECI/2220/2007, de 12 de julio, por la que se establece el currculo y se regula la ordenaciûn de la Educaciûn secundaria obligatoria, BOE 174, 21. 7. 2007, 31714. Ein weiterer Erlass des Erziehungsministeriums aus dem Jahr 2007 betont die Bedeutung des katholischen Glaubens für das Verständnis der Geschichte und Kultur sowie für die Vermittlung von Werten. Vgl.: Orden ECI/1957/2007, de 6 de junio, por la que se establecen los currculos de las en-
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1.2 Geschichte im franquistischen Schulbuch: Juden als Nicht-Spanier und das Vertreibungsedikt als nationale Einigung Eine Konstante in den franquistischen Schulbüchern, die sich bis in die 1960er Jahre fand, war die dem Nationalkatholizismus innewohnende Gleichsetzung des Ethnischen mit dem Religiösen.71 Die spanisch-katholische Nation wurde durch ihre Größe, Einheit und durch gemeinsam geteilte Werte charakterisiert. Das Schicksal oder die historische Mission der Nation waren zentrale Motive.72 Der Libro de EspaÇa aus dem Jahr 1943 beschreibt diese Mission : „Jeder von uns hat ein Ziel, eine Bestimmung, Spanien als Nation hat ebenfalls eine Bestimmung. Was ist seine Mission? Hört: SPANIEN IST DIE NATION, DIE VON GOTT AUSERWÄHLT WURDE, UM DEN KATHOLISCHEN GLAUBEN ZU VERTEIDIGEN UND FORTZUFÜHREN UND SO DIE EUROPÄISCHE ZIVILISATION ZU RETTEN [Hervorhebung im Original]. […] Wenn Spanien diese Mission nicht erfüllen würde, müsste es sterben, wie ein Mensch ohne Seele.“73
Die spanische Nation wird in den Enzyklopädien und den Schulbüchern zur patriotischen Erziehung zur „Mutter“ stilisiert, die ein jeder lieben und der ein jeder dienen müsse.74 Diese „Mutternation“, die sich in ihrer Geschichte im
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seÇanzas de religiûn catûlica correspondientes a la educaciûn infantil, a la educaciûn primaria y a la educaciûn secundaria obligatoria, BOE 158, 3. 7. 2007, 28672 – 28685. Vgl. dazu: Diaz-Salazar, Iglesia, Dictadura y Democracia, 70 ff. Zum nationalkatholischen Weltbild in franquistischen Schulbüchern vgl.: Abûs Santabrbara, Ýngel Luis, La historia que nos enseÇaron (1937 – 1975), Madrid 2003. Abûs Santabrbara zufolge geht diese Vorstellung auf die Denker des 19. Jahrhunderts, insbesondere auf Men¦ndez y Pelayo, zurück, vgl.: Abûs Santabrbara, La historia que nos enseÇaron, 105 – 109. „Cada uno de nosotros tiene un destino, un fin, EspaÇa, como naciûn, tiene tambi¦n un fin providencial. ¿Cul es esa misiûn? Escuchad: ESPAÄA ES LA NACIN DESTINADA POR DIOS PARA DEFENDER Y PROROGAR LA RELIGIN CATLICA Y SALVAR AS LA CIVILIZACIN EUROPEA. […] Si EspaÇa no cumpliera su misiûn tendra que morir, como un hombre sin alma.“, Libro de EspaÇa, Madrid: Ediciones BruÇo 1943, 42 f. In einem anderen Schulbuch heißt es: „Que por EspaÇa la Europa de la Edad Media, fu¦ cristiana. Sin nuestro empuje, sin nuestro herosmo, sin nuestra sangre, las huestes del Islam hubieran pasado el Pirineo y no hubiera nacido el medievo cuajado de Catedrales y de escuelas universitarias. Pero piensa tambi¦n que Dios consintiû esta lucha, que la hizo larga y penosa, para que EspaÇa se formara como naciûn y fuera capaz de producir el ms grande de los Imperios del mundo, el que se cerniû sobre los mares y los continentes, con la idea fundamental de que todo el orbe fuera una gran unidad cristiana para la gloria de Dios.“, Oritz MuÇoz, Luis, Glorias Imperiales. Libro escolar de lecturas histûricas, Madrid: Editorial Magisterio EspaÇol 1940, 212 f. Vgl. auch: Fernndez Rodrguez, Antonio, Enciclopedia didctica. Periodo elemental, segundo ciclo (Escolares de 8 a 9 aÇos), Barcelona: Editorial Miguel A. Salvatella 41958, 60. Vgl. z. B. die verschiedenen Ausgaben von Fernndez Rodrguez, Antonio, Enciclopedia prctica. Grado elemental, Barcelona: Editorial Miguel A. Salvatella 1943, 32; Ders., Enciclopedia prctica. Grado elemental, Barcelona: Editorial Miguel A. Salvatella 131964, 32, 35. Zur Vorstellung der Hispanidad als Familie vgl. auch: Palu, Antonio, Mis primeros estudios. Historia sagrada e historia de EspaÇa, Madrid 1965. Das Motiv findet sich bereits in frühfranquistischen Schulbüchern, vgl. z. B.:
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heroischen Kampf gegen alle Feinde bewiesen habe, sei durch Franco gerettet worden, der sowohl die Hispanidad als auch den katholischen Glauben gegen das „Antispanien“ verteidigt habe.75 Das von Ezequiel Solana76 herausgegebene Primarschulbuch La patria espaÇola aus dem Jahr 1962 sieht in der Verteidigung der katholischen Einheit gegenüber allen Feinden die schicksalhafte Verpflichtung der spanischen Nation.77 Die Gleichsetzung Spaniens mit dem Christentum zeigt sich ebenfalls in der bis Mitte der 1960er Jahre in spanischen Primarschulen weit verbreiteten Enciclopedia Ýlvarez.78 Die Enciclopedia prctica von Antonio Fernndez Rodrguez (1964) rühmt den Katholizismus als die „einzig wahre“ Religion.79 Die Herausstellung des katholischen Charakters Spaniens entsprach den Vorgaben des Erziehungsministeriums.80
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„Oraciûn a la Madre EspaÇa“ und „Deberes para con la Patria“, in: Onieva, Antonio J., H¦roes. Libro escolar de lectura, Burgos: Hijos de Santiago Rodrguez 1938, 5ff, 8ff; ebenso das Kapitel „EspaÇa es nuestra madre“, in: Libro de EspaÇa, 1943, 17 –22. Die Vorstellung einer „Mutternation“ zeigt sich auch in offiziellen Stellungnahmen Francos, so z. B.: „Patria y justicia“, Valladolid, 2. 3. 1950, abgedruckt in: Centro de Estudios Sindicales (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Social. IV, 1001 f. Zu dieser Argumentation vgl. z. B.: Gim¦nez Caballero, EspaÇa nuestra. El libro de las juventudes espaÇolas, Madrid: Ediciones de la Vicesecretara de Educaciûn Popular 1942, 67, 208. Zur Verschränkung des Nationalen mit dem katholischen Glauben im offiziellen franquistischen Diskurs vgl. z. B.: Declaraciones a Henri Massis. „Candide“, 18 de agosto de 1938, abgedruckt in: Rubio y MuÇoz-Bocanegra (Hg.), Francisco Franco. Pensamiento Catûlico, 27 (Dort heißt es: „Nosotros somos catûlicos. ¡En EspaÇa se es catûlico o no se es nada!“); Madrid, 26 de octubre de 1953. Mensaje a las Cortes sobre el Concordato con la Santa Sede, abgedruckt in: Ebd., 153. Zu Solana und seiner Rezeption vgl.: Molero Pintado, La Educaciûn, 123 f, Pozo Andr¦s, Currculum e identidad nacional. In dem Verlag Editorial Escuela EspaÇola. Hijos de E. Solana erschien Yo soy espaÇol von Serrano de Haro. Vizcarra, Zacaras de, Misiûn de la Hispanidad, in: Solana, Ezequiel, La patria espaÇola: trozos escogidos acerca de la grandeza de nuestra patria, caractersticas de sus comarcas y vitalidad de su pueblo, dispuestos para servir de lectura en las Escuelas. Obra aprobada por la Autoridad Eclesistica y por el Consejo Nacional de Educaciûn, Madrid: Editorial Escuela EspaÇola 131955, 183. Ein kaum verändertes Kapitel findet sich auch in der 14. Auflage dieses Schulbuches aus dem Jahr 1962. Der Autor des entsprechenden Kapitels, Zacaras de Vizcarra, war katholischer Bischof und einer der ideologischen Verfechter des Hispanidad-Konzeptes. Vgl.: Vizcarra, Zacaras de, Origen del nombre, concepto y fiesta de la Hispanidad, in: El EspaÇol, 7. 10. 1944, 1, 13; Ders., Carcter y nombre de la fiesta nacional del 12 de octubre, Madrid, 4. 9. 1940; EspaÇa, ACMP: Jefatura del Estado, 1678/13. Vgl. auch: Historia de EspaÇa. Grado Elemental, Madrid: S.M. 1961, 9 f. Dort wird Spanien als „unermüdliche Verteidigerin“ des christlichen Glaubens charakterisiert. Vgl. z. B.: Ýlvarez P¦rez, Antonio, Enciclopedia intuitiva, sint¦tica y prctica. Tercer grado, Zamora 1954, 9; Ders., Enciclopedia intuitiva, sint¦tica y prctica. Iniciaciûn profesional, Valladolid: MiÇon 4 1959, 9 f, 1001; Ders., Enciclopedia intuitiva, sint¦tica y prctica. Tercer grado, Valladolid: MiÇon 27 1959, 9 f; Ders., Enciclopedia intuitiva, sint¦tica y prctica. Grado de iniciaciûn profesional, Valladolid 171965, 9 f. „la fflnica verdadera“, Fernndez Rodrguez, Enciclopedia prctica, 1943, 9. Der gleiche Eintrag findet sich auch noch in der 13. Auflage, vgl.: Ders., Enciclopedia prctica, 1964, 10. Zu der Identifizierung der spanischen Nation mit dem christlichen Glauben vgl. auch: Serrano de Haro, Agustn, Yo soy espaÇol, Madrid: Editorial Escuela EspaÇola 261966, 85. Vgl.: Direcciûn General de EnseÇanza Primaria, Cuestionarios Nacionales para la EnseÇanza Primaria 1953, 118.
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In dem Primarschulbuch Yo soy espaÇol des Autors Serrano de Haro ist die Größe Spaniens und die Verteidigung der Hispanidad gegenüber äußeren Feinden das Leitmotiv.81 Nationale Heldenfiguren sind in dieser Logik diejenigen, die die spanische Nation verteidigten oder ihr zu Ruhm und Glanz verhalfen. In einer grafisch illustrierten nationalen Genealogie wird Franco als Retter Spaniens in die Tradition von Cervantes, Kolumbus, den Katholischen Königen oder Cid gestellt.82 Die Schüler – deren katholischer Glaube vorausgesetzt wurde – werden gemäß der nationalkatholischen Erziehung zu einem Teil der unauflöslichen patriotischen Einheit.83 Die starke Orientierung an als „eigen“ erachteten Traditionen und Werten ging in den untersuchten Schulbüchern bis in die 1960er Jahre mit einer zweifachen Ablehnung der Juden einher : Zum einen als Feinde des Christentums und damit als Bedrohung des katholischen Glaubens und zum anderen – zusammen mit Kommunisten, Liberalen und Freimaurern – als Gefahr für die Einheit der spanischen Nation.84 Während die spanischen Helden positive Werte verkörperten, wiesen die nationalen Feinde ausschließlich negative Charaktereigenschaften (Christenhasser, Gottesmörder, Verräter) auf. In dem bereits erwähnten Primarschulbuch Yo soy espaÇol werden Juden mittels antisemitischer Stereotype als „fremd“ und „anders“ aus der historischen Meistererzählung ausgeschlossen.85 In der 18. Auflage aus dem Jahr 1957 wird unter der Überschrift „Los judos matan a un niÇo“ (Die Juden töten ein Kind) auf den Ritualmordvorwurf angespielt.86 Die von den Juden ausgehende Gefahr betont das Kapitel „Moros y cristianos“ (Mauren und 81 Serrano de Haro war bis in die 1960er Jahre einer der bedeutendsten Schulbuchautoren des Franquismus. Vgl.: Valls Mont¦s, Historiografa, 59. 1952 war Serrano de Haro Vorsitzender des Consejo Nacional de Educaciûn. Vgl.: Snchez-Redondo Morcillo, Leer en la escuela, 77. Zur Bedeutung Serrano de Haros als Primarschulinspektor und Schulbuchautor vgl.: Alfonso Snchez, Iglesia, poltica y educaciûn en EspaÇa, 36; Valls Mont¦s, Rafael, La exaltaciûn patriûtica como finalidad fundamental de la enseÇanza de la historia en la educaciûn obligatoria, in: Didctica de las ciencias experimentales y sociales, 5/1991, 42 f. 82 Vgl.: Serrano de Haro, Agustn, Yo soy espaÇol. Libro del primer grado de historia, La biblioteca del Parvulo III, Madrid: Editorial Escuela EspaÇola 251962, 25, 29ff, 57ff, 83ff, 91. Vgl. auch: Ders., Yo soy espaÇol, 1966, 84 ff. Zur engen Verflechtung von spanischer Nation und Katholizismus in Schulbüchern vgl. auch: Palu, Mis primeros estudios. Auch Franco selbst verstand sich in der Nachfolge der Katholischen Könige und des Nationalhelden Cid, wie Paul Preston betont, vgl.: Preston, Paul, El gran manipulador. La mentira cotidiana de Franco, Barcelona 2008, 200. Das Kennenlernen vorbildhafter Spanier forderte der Lehrplan, um auf diese Weise den Nationalstolz der Schüler zu wecken, vgl.: Cuestionarios Nacionales de EnseÇanza Primaria, in: Folletos El Magisterio EspaÇol 1 – 3, 51, 65. 83 „¡Yo soy una parte de EspaÇa!“, Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1966, 84 f. 84 Vgl.: Cmara Villar, Nacional-Catolicismo y escuela, 299. 85 Vgl.: Serrano de Haro, Agustn, Yo soy espaÇol. El Libro del primer grado de historia, Madrid 18 1957, 54ff; Ders., Yo soy espaÇol, 1962, 35 f. Zur Darstellung der Juden als Bedrohung für die spanische Nation in Schulbüchern vgl. auch: Camara Villar, Nacional-Catolicismo y escuela, 312 f; „La Historia que nos contaron“, in: Cuadernos para el Dilogo, 196/1977, 33. 86 Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1957, 54 ff. Der in dem Schulbuch geschilderte Fall spielt auf die angebliche Ermordung des kleinen Jungen Dominguito de Val 1250 in Aragonien an.
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Christen) in dem gleichen Buch aus dem Jahr 1962. Es führt die arabische Invasion der Iberischen Halbinsel auf eine jüdisch-maurische Verschwörung zurück. Denn erst durch die Hilfe der verräterischen Juden hätten die Mauren Spanien erobern können.87 Insgesamt blieb die Charakterisierung der Juden in den untersuchten Schulbüchern des Franquismus aber schwach ausgeprägt, in den meisten Fällen diente ihre Erwähnung der Konstruktion eines Feindbildes, von dem die Wir-Gruppe positiv abgegrenzt wurde. Die explizit antisemitische Darstellung stieß in den 1960er Jahren auf gesellschaftliche und kirchliche Kritik. Dabei wurden das Schulbuch Yo soy espaÇol und sein Autor Serrano de Haro bei den Kritikern zum Symbol für einen überkommenen Nationalkatholizismus.88 Ausgangspunkt der Debatte war ein Artikel von Jos¦ Mara P¦rez Lozano in der katholischen Zeitschrift Vida Nueva, in dem er unter der Überschrift „Un libro lamentable para los niÇos espaÇoles“ (Ein beklagenswertes Buch für die spanischen Kinder) die Verherrlichung der spanischen Nation und eine durch antijüdische Stereotype geprägte Geschichtsverfälschung kritisierte.89 Sogar die falangistische Zeitung Arriba bezeichnete das Primarschulbuch als „das Gegenteil von dem, was ein Spanier sein sollte“.90 Pax Christi forderte die Verbannung des Schulbuches aus den spanischen Klassenzimmern.91 Auf diese Kritik reagierte Serrano de Haro seinerseits mit einem Brief, der am 15. Dezember 1962 ebenfalls in der Zeitschrift Vida Nueva veröffentlicht wurde. Er wies den Vorwurf einer rassistischen und patriotischen Geschichtsschreibung zurück und betonte die Autorität seiner Quellen, zu denen er Men¦ndez y Pelayo zählte.92 Serrano de Haro verortete sich in der Tradition der intellektuellen Vordenker des Nationalkatholizismus. Für die 25. Auflage von Yo soy espaÇol aus dem Jahr 1962 war die Überschrift des kritisierten Kapitels dennoch in „Sangre inocente“ (Unschuldiges Blut)93 geändert wor87 Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1962, 35 f. Die Schüler werden aufgefordert, folgenden Satz auswendig zu lernen: „Los moros se apoderaron de EspaÇa porque les ayudaron los judos y los traidores“. 88 Das Schulbuch hatte sowohl die kirchliche Genehmigung als auch die Freigabe durch das Erziehungsministerium für die staatlichen und nationalen Schulen erhalten. Vgl.: P¦rez Lozano, Jos¦ Mara, Un libro lamentable para los niÇos espaÇoles: se titula „Yo soy espaÇol“ y est en las Escuelas, in: Vida Nueva, 24. 11. 1962. 89 Vgl.: P¦rez Lozano, Un libro lamentable, in: Vida Nueva, 24. 11. 1962. 90 „lo contrario de lo que debe ser un espaÇol“. Der Autor des Artikels sieht seine Kritik an dem Schulbuch durch die Forderung nach einem kritischen Patriotismus von Falange-Gründer Jos¦ Antonio Primo de Rivera gestützt, vgl.: „Yo soy espaÇol“, in: Arriba, 25. 11. 1962, 2. 91 Pax Christi. Secretariado Correspondencia Escolar, Boletn de Informaciûn, 1962/63; ACEJC, „Crimenes rituales“. 92 „El autor de ,Yo soy espaÇol‘ escribe a ,Vida Nueva‘“, in: Vida Nueva, 15. 12. 1962, 5. Die Gleichsetzung von Spanien und Katholizismus findet sich auch in Men¦ndez y Pelayos berühmtem Werk Historia de los heterodoxos espaÇoles, vgl.: Men¦ndez y Pelayo, Historia de los heterodoxos espaÇoles. 93 Im Inhaltsverzeichnis war das Kapitel fälschlicherweise weiterhin mit „Los judos matan a un niÇo“ betitelt, vgl.: Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1962.
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den, der Verweis auf den „ewigen Fluch“, der auf der „gottesmörderischen Rasse“94 liege, entfiel, und die Anspielung auf die „verräterischen“ Juden wurde 1966 durch die Formulierung „schlechte Spanier“ („malos espaÇoles“) ersetzt.95 In der 26. Auflage aus dem Jahr 1966 fehlt das Kapitel über den angeblichen Ritualmord.96 Ähnliche Vorwürfe, insbesondere die Verbreitung der KollektivschuldThese und die Beschuldigung der Juden als gottesmörderisches Volk, erhob die Amistad Judeo-Cristiana gegen eine Vielzahl von spanischen ReligionsSchulbüchern.97 Die jüdisch-christliche Freundschaftsvereinigung engagierte sich daher Ende der 1960er Jahre für die Revision spanischer Schulbücher und trug so im Bildungsbereich zur Überarbeitung stereotyper „Judenbilder“ bei.98 Inhaltlich orientierte sie sich an den Empfehlungen und Forderungen der UNESCO.99 Zwischen 1967 und 1969 sichtete und kommentierte die eigens zu diesem Zweck eingerichtete Kommission der AJC über 200 Schulbücher der Primar- und Sekundarstufe. Obwohl die AJC für die neueren Schulbücher Ende der 1960er Jahre bereits einen Rückgang antijüdischer Ressentiments verzeichnen konnte, insbesondere im Hinblick auf die kollektiven Schuldzuweisungen und die Gleichsetzung von Juden mit Gottesmördern, setzten sich ihrer Ansicht nach in vielen der untersuchten Schulbücher „Ausdrücke, die auf starke religiöse und gesellschaftliche Vorurteile verwiesen“, fort.100 Der erste Bericht über die Ergebnisse der Schulbuchkommission wurde im Juni 1967 vorgelegt und beanstandete 29 von 159 untersuchten Büchern aufgrund „verwerflicher Ausdrücke“.101 In dem zweiten Bericht zu Textbüchern der Mittelstufe vom Oktober 1968 bemängelte die AJC fast die Hälfte der 79 94 „la implacable maldiciûn“, „la raza deicida“, Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1957, 56. 95 Vgl.: Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1962, 35 f; Ders., Yo soy espaÇol, 1966, 32 f. Vgl. dazu auch: Abûs Santabrbara, La historia que nos enseÇaron, 122. 96 Vgl.: Serrano de Haro, Yo soy espaÇol, 1966. Eine spätere Ausgabe wurde nicht gefunden. 97 Vgl.: Sor Esperanza, La condenaciûn y la crucifixiûn en los libros escolares, in: AJC, 6/1965, 3 – 5. 98 Finanzielle Unterstüzung bei dieser Arbeit erhielt die AJC wie auch bei anderen ihrer Tätigkeiten vom American Jewish Committee. Vgl.: Pressemitteilung des American Jewish Committee, Dezember 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. 99 Vgl.: UNESCO, A handbook for the improvement of textbooks and teaching materials as aids to international understanding, Paris 1949. Zur Schulbuchrevision der AJC vgl. auch: BenDror, Graciela, Los cambios en la Iglesia catûlica en EspaÇa desde el Concilio Vaticano II, in: El Olivo, 61 – 62/2005, 48 ff. 100 „[E]xpresiones que denotaban fuertes prejuicios religiosos y sociolûgicos“, Rodrguez, Celestino, Informe del Cuerpo de la Amistad Judeo-Cristiana de Madrid iniciando la revisiûn de libros de texto de enseÇanza primaria, in: AJC, 13/1967, 12. 101 „expresiones recusables“, Amistad Judeo-Cristiana, Informe sobre Revisiûn de Libros de Texto de EnseÇanza Primaria, Madrid, 30. 6. 1967; CEJC, „Prejuicios“; Rodrguez, Informe, in: AJC, 13/1967, 12. Zur Überarbeitung der Schulbücher vgl. auch: „Better relations in Spain“, in: JC, 5, 147, 15. 12. 1967, 18. Der Bericht wurde in der Direcciûn General de EnseÇanza des Erziehungsministeriums vorgestellt, vgl.: Serrano, Vicente, El judasmo en los libros de enseÇanza religiosa, en EspaÇa, in: El Olivo, 7 – 8/1978, 7.
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Bücher (39) aufgrund diskriminierender Darstellungen oder antijüdischer Klischees. Allerdings hatte sie im Vorfeld des Berichtes die Verlage der beanstandeten Schulbücher angeschrieben und Vorschläge zu einer Überarbeitung der entsprechenden Textstellen unterbreitet. Nach eigenen Angaben waren die Reaktionen darauf mehrheitlich positiv. So reagierte das Verlagshaus BruÇo am 18. September 1968 auf die Kritik an vier seiner Schulbücher mit einem Dankesschreiben und der Ankündigung einer Überarbeitung der Textbücher für die folgende Auflage im Sinne der „postkonzilialen und ökumenischen Normen“. Auch das Verlagshaus Luis Vives reagierte mit „dankendem Interesse“ und einer in Aussicht gestellten Umsetzung der Vorschläge.102 Die entsprechenden Berichte der Schulbuchkommission wurden an das Schul- und Erziehungsministerium weitergeleitet, welches diese, nach Angaben der AJC, bei den Lehrbuch-Empfehlungen berücksichtigte.103 Allerdings stellte ein etwa 20 Jahre später in der vom CEJC herausgegebenen Zeitschrift El Olivo veröffentlichter Bericht des Consejo Internacional de Cristianos y Judos weiterhin Defizite in der Darstellung der jüdischen Geschichte fest, insbesondere die eindimensionale Darstellung des Judentums als ein homogenes Kollektiv und die Reduzierung auf die jüdische Opferrolle.104 Die von der AJC kritisierten Aspekte – vor allem die klischeehafte Stereotypisierung – finden sich in den Abschnitten zur Herrschaftsphase der Katholischen Könige wieder. Die franquistische Geschichtsschreibung stellte das Franco-Regime in die Tradition dieser historischen Persönlichkeiten, so z. B. Luis Surez Fernndez, und stilisierte Fernando und Isabel zu nationalen Heldenfiguren und historischen Vorbildern. Aber auch liberale Historiker, wie Rafael Altamira, sahen in den Katholischen Königen „Kristallisationspunkte der nationalen Idee“ und rechtfertigten die Vertreibung der Juden mit dem höheren Ziel der nationalen Einheit.105 Ihre zentrale Bedeutung für das 102 Vgl.: Amistad Judeo-Cristiana, Segundo Informe sobre Revisiûn de Libros de Texto, Madrid, 31. 10. 1968; ACEJC, „Prejuicios“. Allerdings gab es auch ablehnende Reaktionen auf die von der AJC unterbreiteten Vorschläge zur Überarbeitung der Schulbücher, so z. B. in einem Schreiben des Verlagshauses Hijos de Santiago Rodrguez aus Burgos vom 31. 8. 1968; ACEJC, „Prejuicios“. 103 Vgl.: Brief von Jos¦ Francisco Riaza Sacû, Generalsekretär der AJC, an Jos¦-Manuel Estepa, Secretariado Catequstico Nacional, 8. 3. 1969; ACEJC, „Prejuicios“. 104 Vgl.: „Directrices para la enseÇanza de la historia y en particular acerca del lugar que ocupa la historia juda en la enseÇanza de la historia en general“, in: El Olivo, 26/1987, 232 – 249. Zu einem ähnlich negativen Befund hatte zuvor auch eine stichprobenartige Untersuchung von Religionsschulbüchern im Jahr 1978 geführt. Vgl.: Serrano, El Judasmo en los libros de enseÇanza religiosa, in: El Olivo, 7 – 8/1978, 7 – 28. 105 Vgl.: Lûpez Facal, La historia enseÇada, 336; Val Valdivielso, Mara Isabel del, Isabel la Catûlica o el triunfo de la intriga, in: Historia 16, 40/1979, 47. Die positive Lesart der Katholischen Könige bildet für Kamen eine Ausnahme des „myth of the failed monarchy“, den er als nationalen Topos ausmacht, vgl.: Kamen, Imaging Spain, 38 – 48. Die Bedeutung, die die Katholischen Könige für das Selbstverständnis der frühfranquistischen Nation hatten, zeigt die Äußerung des Erziehungsministers Joaqun Ruiz-Gim¦nez im Jahr 1952, der erklärte, „it is
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Selbstverständnis des franquistischen Regimes zeigt sich exemplarisch an einer Rede Francos anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum des Hochzeitstages im Jahr 1969: „Heute feiern wir ein Ereignis von großer Bedeutung für das Leben dieser Nation: das fünfhundertste Jubiläum der Hochzeit der Katholischen Könige. Diese war Teil der Bemühungen um die Einheit Spaniens, ein wichtiger Meilenstein, der erst das spätere gesamte Einheitswerk der Katholischen Könige ermöglichte.“106
Auch in den Lehrplänen und in den untersuchten Schulbüchern schlug sich die positive Lesart der Katholischen Könige bis mindestens 1970 nieder.107 Eine ähnliche Wertung nahmen allerdings bereits die Schulbücher der Zweiten Republik vor, so dass hier von einem überzeitlichen, nicht unmittelbar an den Franquismus gebundenen Geschichtsnarrativ auszugehen ist.108 Das 1943 erschienene Buch Historia de EspaÇa schlägt einen Bogen von der dem Königspaar zugeschriebenen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Einigungspolitik zu dem „neuen“ franquistischen Spanien, das sich als „eins, groß und frei“ („una, grande y libre“) charakterisierte. Es unterstreicht die Traditionslinie durch den Verweis auf das Wappen (Joch und Pfeilbündel), welches das franquistische Regime bei den Katholischen Königen entlehnte.109 Ende der 1950er Jahre wurde in Historia de EspaÇa die Herrschaftszeit der Katholischen Könige als eine der „ruhmreichsten“ Epochen spanischer Ge-
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once again possible to produce the Spaniard that existed under Ferdinand and Isabella“ (zit.n.: Kamen, Imaging Spain, 47). „Hoy celebramos un acontecimiento trascendental en la vida de la naciûn: el V centenario del matrimonio de los Reyes Catûlicos. Aquello fue un esfuerzo de la unidad de EspaÇa, que forma un jalûn importantsimo, que nos ha dado luego toda la unidad de los Reyes Catûlicos.“, Palabras en los actos conmemorativos del quinto centenario de la boda de los Reyes Catûlicos (Pronunciados desde el balcûn principal del Ayuntamiento, de VALLADOLID, el 18 de octubre de 1969), abgedruckt in: Francisco Franco. Discursos y mensajes, 1970, 102. Zum Vorbildcharakter der Monarchie der Katholischen Könige für das franquistische Regime vgl. auch: Mensaje dirigido al pleno extraordinario de las Cortes EspaÇoles, con motivo de la proclamaciûn del Prncipe de EspaÇa (MADRID, 22 de julio de 1969), abgedruckt in: Discursos y mensajes, 1970, 96. Vgl.: Direcciûn General de EnseÇanza Primaria, Cuestionarios Nacionales para la EnseÇanza Primaria 1953, 120 – 128; Cuestionarios Nacionales de EnseÇanza Primaria, in: Folletos El Magisterio EspaÇol 1 – 3, 80; Textos E. P. Compendio de Historia Universal. Moderna y Contempornea. Cuarto Curso, Madrid, 1957, 16 [Die Jahreszahl ist dem Katalog der BNE entnommen, da sich in dem Exemplar des Georg-Eckert-Instituts keine Jahreszahl befand]. Zu diesem Ergebnis führte eine stichprobenartige Durchsicht spanischer Schulbücher aus den Jahren 1931 – 1936. Vgl. z. B.: Compendio de Historia de EspaÇa. Primer Grado, Madrid/ Barcelona: BruÇo 1933, 62; Solana, Ezequiel, Historia de EspaÇa. Curso completo de Primera EnseÇanza, Madrid: El Magisterio EspaÇol 1933, 38 ff. Besonders große Übereinstimmung mit den späteren franquistischen Schulbüchern weist folgendes auf: Historia Universal, Barcelona/ Madrid: Edelvives-Luis Vives 41936, 290, 305 ff. Vgl.: Bosch Cus, Juan, Historia de EspaÇa. Libro de Alumno. Grado Medio, Gerona/Madrid: Dalmau Carles 1943, 71ff, 122ff; Fernndez Rodrguez, Enciclopedia prctica, 1943, 193 f; Libro de EspaÇa, 1943, 102 f, 118. Vgl. auch: Martnez Tûrtola, La enseÇanza de la historia, 70.
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schichte bezeichnet.110 Zu Beginn der 1960er Jahre beschrieb Ezequiel Solana in La patria espaÇola die Katholischen Könige als „Eltern der spanischen Einheit“111 und verwies damit auf ihre zentrale Funktion für den nationalen Gründungsmythos.112 Die Zählebigkeit dieses nationalen Mythos zeigt sich auch daran, dass sich die Idealisierung der Hochzeit der Katholischen Könige, verstanden als nationale Einigung, zum Beginn der spanischen Moderne mitunter bis in die jüngste Vergangenheit fortsetzte.113 Die Vertreibung der Juden ebenso wie die Einrichtung des Inquisitionstribunals im Jahr 1478 werden in der von Antonio Fernndez Rodrguez herausgegebene Enzyklopädie mit dem Verhalten der jüdischen Bevölkerung begründet. Die Juden werden dort als die „wahre nationale Gram [, die sich zermürbend auswirke, A. M.]“, bezeichnet.114 Während die Enzyklopädie die Notwendigkeit der von den Katholischen Königen ergriffenen Maßnahmen betont, argumentiert der Libro de EspaÇa, dass die Inquisition den „nationalen Geist“ nicht beeinträchtigt, sondern ganz im Gegenteil das goldene Zeitalter der spanischen Philosophie, Literatur und Wissenschaft ermöglicht habe. Zugleich habe die Inquisition, indem sie die religiöse Einheit schuf, Spanien vor Religionskriegen bewahrt, die in anderen Teilen Europas ausbrachen.115 Die verschiedenen Ausgaben der Enciclopedia Ýlvarez rechtfertigen die Einrichtung des Inquisitionstribunals und weisen die Kritik als Verleumdung zurück: „Obwohl die Vorgehensweise sich vollkommen im Einklang mit der damaligen Zeit befand, ist im Ausland eine fürchterliche schwarze Legende über die spanische Inquisition entstanden, die ihr vorwirft, gewaltsam und blutrünstig gewesen zu sein. Derlei Anschuldigungen sind gänzlich ungerechtfertigt.“116 110 „los ms gloriosos [reinados]“, Historia de EspaÇa. Segundo Grado, Zaragoza: Luis Vives 1958, 120. 111 „padres de la unidad espaÇola“, Solana, La patria espaÇola, 1962, 197. 112 Die unhistorische Bezeichnung „spanische Nation“ für einen Zeitraum, in dem diese noch nicht existierte, ist auf die weit verbreitete Gleichsetzung des kastilischen Königreiches mit Spanien zurückzuführen, die auch in den untersuchten Schulbüchern vollzogen wird. Zur anachronistischen Verwendung der Bezeichnung „Spanien“ in spanischen Identitätsdiskursen vgl.: P¦rez Garzûn, EspaÇa, in: Taibo Arias (Hg.), Nacionalismo espaÇol, 51. 113 Vgl. z. B.: Casa Snchez, Jos¦ Luis u. a., Ciencias Sociales EGB 58, Madrid: Anaya 1990, 118. Der prekäre Zusammenhalt der beiden Königreiche wurde dabei von den Schulbüchern weitgehend ignoriert. Vgl.: Abûs Santabrbara, La historia que nos enseÇaron, 131; Martnez Tortola, La enseÇanza de la historia, 68 f. 114 „verdadera carcoma nacional“, Fernndez Rodrguez, Enciclopedia prctica, 1943, 193 f. Das Zitat findet sich bis in die 13. Auflage aus dem Jahr 1964 (264). 115 Vgl.: Libro de EspaÇa, 1943, 58 f. 116 „A pesar de sus procedimientos, muy de acuerdo con los de su ¦poca, en torno a la Inquisiciûn espaÇola se ha levantado en el extranjero una terrible leyenda negra, acusndola de cruel y sanguinaria. Tales acusaciones son completamente injustas“, Ýlvarez P¦rez, Enciclopedia intuitiva, 1954, 366. Vgl. dazu auch: Ders., Enciclopedia intuitiva, 1959, 457; Ders., Enciclopedia intuitiva, 1966, 446.
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Die Einordnung der Inquisition als ein zeitgenössisch übliches Instrument war eine weitere Rechtfertigungsstrategie in den Schulbüchern der 1960er und 1970er Jahre.117 Welche Bedrohung die Juden für den Glauben und die Sicherheit des Königreiches in dieser Lesart darstellten, verdeutlichen die verschiedenen Ausgaben von Historia Universal und der Compendio de Historia Universal. In beiden Büchern werden unter Rückgriff auf gängige Stereotype das „antichristliche“ Verhalten der Juden als Geldverleiher und Steuereintreiber und ihre durch Reichtum und Heirat erreichte gesellschaftliche Stellung als Grund für die Ausbreitung der Judenfeindschaft und für die Popularität der Inquisition unter den Zeitgenossen ausgemacht.118 Historia (1961) wertet das Inquisitionstribunal als ein Mittel zur Sicherung der „Reinheit des Glaubens“ und damit der Nation, die in den Augen der Autoren durch die Massenkonversionen infolge der antijüdischen Ausschreitungen des Jahres 1391 gefährdet war.119 In Historia Universal aus dem Jahr 1970 heißt es dazu: „Viele waren nur scheinbar konvertiert, um Posten und Reichtümer zu erreichen, während sie heimlich den jüdischen Glauben weiter praktizierten“.120 Der Compendio de Historia aus dem Jahr 1967 kontrastiert die Einrichtung der Inquisition mit der toleranten convivencia von Mauren, Juden und Christen auf der Iberischen Halbinsel, erklärt aber zugleich ihre Notwendigkeit: „neben den religiösen Gründen entstand sie mit einer politischen Zielsetzung. Spanien sah sich mit Problemen konfrontiert, die es in anderen Ländern Europas nicht gab. Die nationale Einheit, die mühevoll in der Herrschaftszeit von Fernando und Isabel erreicht worden war, stieß auf rassische, religiöse und wirtschaftliche Hindernisse. Es war geboten, die verschiedenen Teile des spanischen Volkes durch einen einzigen gemeinsamen Glauben zu vereinen. Die Mauren und die Juden stellten
117 Vgl. z. B.: Arenaza Lasagabaster, J. J./Gastaminza Ibarburu, F., Historia Universal y de EspaÇa. 48 curso de bachillerato, Madrid: S.M. 1965, 165; Gastaminza, Fermn/Arenaza, Ignacio, Historia de EspaÇa y Universal. Bachillerato Elemental, 4.8 Curso, Madrid: S.M. 1970, 32. Der Einschätzung widerspricht das neuere Schulbuch: Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos, Madrid: Anaya 1986, 162. 118 Vgl.: Arevalo Cardenas, Juan, Historia Universal y de EspaÇa, Madrid: CompaÇia Bibliogrfica EspaÇola 1962, 164 f; Arenaza Lasagabaster/Gastaminza Ibarburu, Historia Universal y de EspaÇa, 1965, 164 f; Textos E. P. Compendio de Historia Universal, 1957, 21 f. Vgl. auch: Historia de EspaÇa, 1958, 122; Rumeu de Armas, A., Historia universal y de EspaÇa. 48 curso, Salamanca: Anaya 1969, 170. 119 „pureza de la fe“, Grima Reig, Juan M., Historia. 48 Curso de Bachillerato, Valencia: E. Lûpez Mezquida (ECIR) 1961, 164 f; Guri Villar, Alberto, Historia Universal. Cuarto Curso de Bachillerato, Leûn: Textos Everest 1965, 144 f; Arenaza Lasagabaster/Gastaminza Ibarburu, Historia Universal y de EspaÇa, 1965, 162 f. Zu dieser Interpretation vgl. auch noch: Orcajo Pozo, Benedicto u. a., Ciencias Sociales 78 EGB, Zaragoza: Edelvives 1993, 96. Zu dem Schulbuchautor Juan Grima Reig vgl.: Valls Mont¦s, Historiografa, 95 f. 120 „Muchos se haban convertido falsamente por alcanzar cargos y riquezas, mientras en secreto seguan practicando los ritos judaicos“, Domnguez Ortiz, Antonio/Cort¦s PeÇa, Antonio Luis, Historia Universal y de EspaÇa, 4.8, Salamanca: Anaya 1970, 24.
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Fremdkörper dar, die notwendigerweise in den entstehenden Organismus des modernen Staates integriert werden mussten.“121
Die komplexen gesellschaftlichen Entwicklungen, die diesem historischen Ereignis vorausgingen, wurden in den Schulbüchern vor 1970 auf den Zeitraum unmittelbar vor dem Vertreibungsedikt reduziert und ließen dieses so als historische Notwendigkeit und unausweichliche Konsequenz der interreligiösen Beziehungen erscheinen.122 Es wurde ein kausaler Zusammenhang zwischen der Judenfeindschaft in der Bevölkerung und der Ausweisung der Juden hergestellt. Dass die untersuchten Schulbücher solche Erklärungs- und Rechtfertigungsstrategien enthielten, deutet darauf hin, dass sich die Autoren über die Umstrittenheit der von ihnen präsentierten Lesart bewusst waren. Insgesamt fügte sich die Darstellung der Inquisition und des Vertreibungsediktes in den untersuchten Schulbüchern in die Deutung des Jahres 1492 als Höhepunkt der Herrschaftszeit der Katholischen Könige ein. Beide Maßnahmen wurden als Schritte auf dem Weg zur religiösen und nationalen Einigung, zu der auch die Eroberung Granadas zählte, gewürdigt. Ihnen wurde eine zentrale Bedeutung für die Ausformung der spanischen Identität beigemessen. Vertreibung und Inquisition waren in den franquistischen Schulbüchern zweifach positiv besetzt: zum einen als angemessene Reaktion auf die Bedrohung der religiösen Einheit, zum anderen als Grundbedingung für den Aufstieg der spanischen Nation in der Folgezeit – in erster Linie die Eroberung Amerikas durch Kolumbus im selben Jahr.123 Die religiöse Einheit erschien dabei – in Übereinstimmung mit der nationalkatholischen Ideologie – als Vorbedingung der Nationswerdung.124
121 „adems de los motivos religiosos naciû con una finalidad de carcter poltico. EspaÇa tena problemas que no se manifestaban en otros pases de Europa. La unidad nacional, lograda trabajosamente en la ¦poca de Fernando e Isabel, tropezaba con grandes obstculos de raza, religiûn y de economa. Era preciso fundir los variados elementos que integraban el pueblo espaÇol en una comffln profesiûn de fe. Los moros y los judos constituan elementos extraÇos que era preciso incorporar al naciente organismo del Estado moderno.“, P¦rez Bustamante, C., Compendio de Historia de EspaÇa, Madrid: Lope de Vega 211967, 240 f. 122 Demgegenüber schlagen einige Schulbücher eine Brücke zur Gegenwart, indem sie auf die mit der Vertreibung von der Iberischen Halbinsel entstandene sephardische Diaspora verweisen, vgl. z. B.: Grima Reig, Historia, 1961, 164; Arevalo Cardenas, Historia Universal y de EspaÇa, 1962, 164 f; Geografa e Historia de EspaÇa y los pases hispnicos 38, Madrid: Anaya 1977, 155. 123 Vgl. z. B.: OtaÇo, Jos¦ L., Geografa e historia de EspaÇa. Curso de iniciaciûn. Apropiada para tercer grado (8 a 9 aÇos), Madrid 1961, 91; P¦rez Bustamante, Compendio de Historia de EspaÇa, 211967, 240. Gim¦nez Caballeros EspaÇa nuestra sieht in der Entdeckung Amerikas parallel zur religiösen und nationalen Einigung die „Vereinigung der Welt“, vgl.: Gim¦nez Caballero, EspaÇa nuestra, 58. 124 Vgl.: Ýlvarez P¦rez, Enciclopedia, 1962, 357; Ders., Enciclopedia, 1965, 751; Ders., Enciclopedia, 1966, 445 ff. Vgl. auch: Textos E. P. Compendio de Historia Universal, 1957, 21 f; Blanco Hernando, Quiliano, Faro. Enciclopedia Escolar. Periodo de Perfeccionamiento, Plasencia: Snchez Rodrgo 1963, 549.
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1.3 Geschichte im Schulbuch seit der transiciûn: Umdeutung der Katholischen Könige und die trikulturelle Vergangenheit Noch vor dem mit Francos Tod beginnenden politischen Transformationsprozess führte die Bildungsreform 1970 zu einer Überprüfung franquistischer Geschichtsbilder auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse und pädagogischer Neuerungen. Dies wirkte sich auch auf die Darstellung der Juden aus. Sie wurden von nationalen Feinden zu einer gesellschaftlichen Minderheit der mittelalterlichen convivencia-Gesellschaft.125 Parallel zu ihrem Bedeutungsverlust für die nationale Ideologie wurden Inquisition und Vertreibungsedikt zunehmend sachlicher dargestellt. Vorgeschichte sowie Aufbau und Funktion des Tribunals ebenso wie die (macht-)politische Dimension rückten seit den 1970er Jahren in den Fokus der Schulbücher.126 Die Deutung des Vertreibungsediktes als Ausdruck einer „Intoleranz der Mehrheit gegenüber der Existenz von Minderheiten“ und damit als ein allgemeines gesellschaftliches Problem in Historia. Ciencias Sociales, Geografa e Historia (1999) gibt die franquistische These eines spanischen Sonderweges zugunsten der Verortung der spanischen Geschichte innerhalb des europäischen Kontextes auf.127 Das gleiche Buch stellt die Vertreibung der Juden 1492 in einen größeren historischen Kontext, indem darauf verwiesen wird, dass Juden in zahlreichen historischen Epochen aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Gründen vertrieben wurden.128 Auch hier lässt sich das Streben nach einer Verortung innerhalb der europäischen Geschichte herauslesen, die der eigenen Entlastung dienen kann. Im Gegensatz zu früheren Schulbüchern aus den 1960er Jahren, in denen jegliche rassistische Motivation des Vertreibungsediktes zurückgewiesen wurde und so eine indirekte Distanzierung zur NS-Ideologie erfolgte, nimmt Historia direkt auf den Holocaust Bezug.129 Während die franquistischen Schulbuchautoren die Politik der Katholischen Könige kei125 Darauf deutete bereits die Kapitelüberschrift „La sociedad espaÇola: minoras ¦tnicas y alternaciones sociales“ in Historia de EspaÇa y Universal aus dem Jahr 1969 exemplarisch hin. Vgl.: Arenaza Lasagabaster, J. J./Gastaminza Ibarburu, F., Historia de EspaÇa y Universal. Bachillerato Elemental, 3.er Curso, Madrid: S.M. 1969, 227 – 228. Vgl. auch: Valdeûn Baruque, Julio u. a., Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos, 38, Madrid: Anaya 1977, 154 f. 126 Vgl.: Martnez Tûrtola, La enseÇanza de la historia, 75 f; Burgos, Manuel u. a., Ciencias Sociales: Geografa e Historia 18 Ciclo ESO. Andaluca, Madrid: Anaya 2000, 188. 127 „Es la intolerancia de muchos contra la existencia de minoras“, Gonzlez Gallego, I. u. a., Historia. Ciencias Sociales, Geografa e Historia. 1er Ciclo. Educaciûn Secundaria Obligatoria, Madrid: Anaya 1999, 210. Zum Topos des „spanischen Sonderweges“ vgl.: Bernecker, „Spanien ist anders“, in: Altrichter/Herbers/Neuhaus (Hg.), Mythen in der Geschichte, 460. 128 Vgl.: Gonzlez Gallego u. a., Historia, 1999, 210. 129 Vgl.: Ebd., 211; Grima Reig, Historia, 1961, 164. Die Unterscheidung zwischen rassistischem Antisemitismus und religiös-klerikalem Antijudaismus ist in Spanien bis heute relevant, wobei die Existenz von ersterem entschieden zurückgewiesen wird.
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nesfalls als Vorläufer der Judenverfolgung im 20. Jahrhundert verstanden wissen wollten, erscheint der Holocaust hier als Höhepunkt der antisemitischen Gewalt.130 Dennoch, die nationalsozialistische Judenverfolgung wurde in den untersuchten Schulbüchern sowohl vor als auch nach 1970 bzw. 1975 in den entsprechenden zeitgeschichtlichen Kapiteln über den Zweiten Weltkrieg nur am Rande behandelt und fiel gegenüber der Ereignisgeschichte des Krieges kaum ins Gewicht.131 Dieser Befund gilt nicht allein für Schulbücher, die späte Auseinandersetzung mit dem Holocaust stellt vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Problem dar, das eng mit der mangelnden Aufarbeitung des Franquismus zusammenhängt. Durch die Entmystifizierung und Entpersonalisierung der Geschichtsbücher verloren auch die Katholischen Könige ihre Funktion für den Gründungsmythos der Nation. Die durch ihre Hochzeit erreichte Vereinigung der Königreiche von Aragonien und Kastilien wurde immer seltener als nationale, denn als dynastische Einheit verstanden.132 Entgegen der zuvor in den Schulbüchern vertretenen These, derzufolge das Vertreibungsedikt ein notwendiges Mittel zur Schaffung der nationalen Einheit gewesen war, gilt die Vertreibung der Juden inzwischen als Abwehr der Modernität und als Ende der convivencia.133 Dabei verwiesen die Schulbuchautoren seit den 1980er Jahren auch auf die negativen wirtschaftlichen Folgen der Vertreibung der Juden. Allerdings wurde in einigen Fällen die ökonomische Bedeutung der jüdischen Bevölkerung überschätzt,134 sodass die Juden aufgrund ihrer Tätigkeiten im Finanz- und Verwaltungsbereich mitunter als Quelle allen 130 Vgl.: Gonzlez Gallego u. a., Historia, 1999, 211. 131 Vgl. für den Franquismus z. B.: Grima Reig, Historia, 1961, 288; Arenaza Lasagabaster/ Gastaminza Ibarburu, Historia Universal y de EspaÇa, 1965, 295. Vgl. für die Phase der Demokratie z. B.: Prats, Joaqun u. a., Historia, Bachillerato 18, Madrid: Anaya 1987, 262ff; Fernndez, A. u. a., Ciencias Sociales. Nuevo Pas 88, Barcelona: Vicens Vives 21986, 213. In folgenden Schulbüchern findet die nationalsozialistische Judenverfolgung keine Erwähnung: Arevalo Cardenas, Juan, Historia Universal y de EspaÇa. Cuarto Curso de Bachillerato, Madrid: CompaÇa Bibliogrfica EspaÇola 1965; Domnguez Ortiz/Cort¦s PeÇa, Historia Universal y de EspaÇa, 4.8, 1970. 132 Vgl.: Guti¦rrex J., Jos¦/Fats C., Guillermos/Borderas B., Antonio, Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos. BUP 3, Zaragoza: Luis Vives 1984, 132. Diese Sichtweise setzt sich bis in die Gegenwart fort, vgl. z. B.: Burgos, Manuel u. a., Ciencias Sociales. Historia 4 Educaciûn Secundaria, Madrid: Anaya 2006, 12. 133 Vgl. z. B. die Kapitelüberschrift „La ruptura de la convivencia cristiano-juda“, in: Gonzlez Gallego u. a., Historia 1999, 210. 134 Vgl. z. B.: Fernndez, Antonio u. a., Ciencias Sociales. Nuevo Pas – 7, Barcelona: Vicens-Vives 2 1985, 164 f. Zur Betonung der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen vgl.: Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos 38, 1977, 155; Prats u. a., Ciencias Sociales 78, 1981, 236 f; Guti¦rrez J./Fats C./Borderas B., Geografa e Historia, 1984, 130; Orcajo Pozo u. a., Ciencias Sociales, 1993, 92. Damit folgen die Schulbücher der in der spanischen Geschichtsschreibung mitunter bis in die Gegenwart geläufigen Gleichsetzung einer einflussreichen jüdischen Minderheit mit der Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung. Vgl.: Palomero Plaza, Santiago, El Museo Sefard como trasmisor del patrimonio hispanojudo, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Benito Ruano (Hg.), Juderas y sinagogas, 428.
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Jüdisches Erbe
Reichtums in Spanien erscheinen.135 Einschränkend fügt Geografa de EspaÇa hinzu, dass der Reichtum nicht immer mit „ehrbaren Mitteln“ erworben worden sei.136 Ein Indiz dafür, dass sich Klischees und Stereotype auch in den neueren Schulbüchern finden lassen. Durch die Hervorhebung der negativen Folgen der Ausweisung der Juden wurde diese rückblickend zum Beginn der „spanischen Dekadenz“ und damit gewissermaßen zum Urübel der Entwicklung des spanischen Staates stilisiert. Zugleich schrieb die (Über-)Betonung der wirtschaftlichen Bedeutung der jüdischen Bevölkerung in den Schulbüchern die These der franquistischen Historiografie fort, derzufolge die Juden danach strebten, die gesamte Wirtschaft zu kontrollieren.137 Dass der einschneidende Charakter der Bildungsreform nicht überschätzt werden sollte, zeigt sich auch daran, dass sich in einigen Schulbüchern die positive Darstellung der Katholischen Könige fortsetzte.138 Insbesondere ihre Bedeutung für den Aufbau eines modernen Staates und für den Aufstieg der spanischen Nation wurde weiterhin hervorgehoben.139 Einige Schulbücher aus den 1980er Jahren stellten die Katholischen Könige außerdem als Vollzieher eines in der Bevölkerung bereits vor135 Zu dieser These vgl.: Castro, EspaÇa en su historia, 489. 136 „por medios no siempre respetables“, Domnguez Ortiz, Antonio/Cort¦s PeÇa, Antonio Luis/ Martnez Carreras, Jos¦ U., Geografa de EspaÇa y de los pases hispnicos, Madrid: Anaya 1986, 162. 137 Vgl.: Kamen, Las expulsiones de los judos, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 428. Olalla Snchez kritisiert das Fortbestehen des Prototyps eines reichen und intelligenten Juden, der sich in der mittelalterlichen Gesellschaft im Geldverleih betätigt habe, vgl.: Olalla Snchez, Mûnica, El legado cultural de los judos en EspaÇa, in: Catal Rubio, Santiago/Mart, Jos¦ Mara/Garca Pardo, David (Hg.), Judasmo, Sefarad, Israel. Actas del II Encuentro sobre Minoras Religiosas, Cuenca 2002, 81 f. 138 Vgl. z. B.: Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos 38, 1977, 154; Rastrilla P¦rez, Juan/Arenaza, Juan Jos¦, Geografa e Historia: Area Social 68 E.G.B., Madrid: S.M. 1982, 261; Geografa e Historia de EspaÇa y de los pases hispnicos, 1986, 160. Die teilweise Kontinuität nationalkatholischer und patriotischer Narrative über 1975 hinaus lässt sich auf die von Abûs Santabrbara festgestellte Trägheit der Schulbuchentwicklung zurückführen, die umso mehr für weiter zurückliegende Epochen gilt, aus denen eine mystische Legitimation abgeleitet wird, vgl.: Abûs Santabrbara, La historia que nos enseÇaron, 375; Fritzsche, Peter, Schulbuchforschung und Schulbuchbeurteilung im Disput, in: Ders. (Hg.), Schulbücher auf dem Prüfstand, 18. 139 Vgl.: Orcajo Pozo u. a., Ciencias Sociales, 1993, 88. Die positive Beurteilung der „Außenpolitik“ der Katholischen Könige setzte sich in den Schulbüchern fort, als bei der Beurteilung der Politik auf der Iberischen Halbinsel bereits die negativen Aspekte überwogen. In mehreren Büchern findet die Vertreibung der Juden keine Erwähnung, vgl. z. B.: Consultor. Ciencias Sociales. Libro de consulta nivel 7, Educaciûn General Bsica, Segunda Etapa, Madrid: Santillana 1973; Rastrilla P¦rez/Arenaza, Geografa e Historia, 1982. In dem Kapitel 29 „La sociedad feudal“ wird unter dem Punkt „Reconquista“ in einem Satz erwähnt, dass viele Juden und Mauren auswandern mussten, vgl.: Rozas, Antûn/Seco, Eduardo M./Martnez, Hernando, Ciencias Sociales 68 E.G.B., Madrid: S.M. 1984, 244. Die konservative spanische Geschichtsschreibung sieht in der Vertreibung der Juden weiterhin ein Mittel zur Sicherung der religiösen Einheit, vgl.: Surez Fernndez, Luis, La situaciûn juridical de los judos espaÇoles, in: Anes y Ýlvarez de Castrillûn (Hg.), Las tres Culturas, 19.
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handenen Wunsches oder als Vollstrecker eines von „Experten“ wie Kardinal Francisco Jim¦nez de Cisneros geäußerten Rates dar und reduzierten so die Verantwortung der Monarchen für die Einrichtung des Inquisitionstribunals und die Vertreibung der Juden.140 Auf der nach 1975 einsetzenden Suche nach demokratischen Traditionen wie Pluralismus und Toleranz rückte in den Lehrplänen und damit auch in den Schulbüchern das Zusammenleben verschiedener Kulturen und ihr fruchtbarer Austausch untereinander stärker in den Blickpunkt.141 Außerdem wurde der Fokus in einigen Schulbüchern – wie z. B. in Geografa e Historia (1987) – erweitert, indem diese die spanisch-jüdische Geschichte nicht auf die Phase unmittelbar vor dem Vertreibungsedikt beschränkten und die lange jüdische Tradition auf der Iberischen Halbinsel ins Blickfeld rückten.142 Auffälligste Neuerung war die positive Bezugnahme auf das trikulturelle und jüdische Erbe. Geografia e Historia de EspaÇa (1977) verweist unter Rückgriff auf den philosephardischen Topos der Schlüssellegende, derzufolge die vertriebenen Juden die Schlüssel ihrer ehemaligen Häuser in Cûrdoba und Toledo über Generationen hinweg aufgehoben hätten, auf die angebliche Spanienliebe der Sepharden in aller Welt.143 Der Text deutet so eine positive Charakterisierung der spanisch-sephardischen Beziehungen in der Gegenwart an und zeigt, dass philosephardische Denkmuster auch in Schulbüchern ihren Niederschlag fanden – allerdings im Gegensatz zu anderen Erinnerungsdiskursen erst nach 1975. Ciencias Sociales (1982) betont die „tiefe[n] Spuren“, die die islamische, hebräische und christliche Kultur in „den fast 800 Jahren der convivencia“ 140 Vgl. z. B.: Prats, Joaqun u. a., Ciencias Sociales EGB 78, Madrid: Anaya 1981, 236; Guti¦rrez J./ Fats C./Borderas B., Geografa e Historia de EspaÇa, 1984, 133; Fernndez u. a., Ciencias Sociales. Nuevo Pas 7, 1985, 165. Die Feindseligkeit in der Bevölkerung betonen z. B.: Garmendia, Jos¦/Garca, Pedro, Geografa e Historia 38 bachillerato, Madrid: S.M. 1984, 126; Geografa e Historia de EspaÇa, 1986, 162: „Los judos atrajeron sobre s las persecuciones debido, tanto o ms que al fanatismo, al odio hacia una clase media urbana que gracias a su laboriosidad, a una estrecha solidaridad y a los servicios que prestaba a las clases superiores, disfrutaba de una situaciûn holgada“. Letztlich vertritt auch Am¦rico Castro die These, dass die Juden die Verantwortung für ihre Vertreibung selbst getragen hätten, vgl.: Castro, EspaÇa en su historia, z. B. 448 – 454, 518 – 521. 141 Zu den Anfang der 1990er Jahre verabschiedeten Mindestlehrplänen vgl.: Real Decreto 1006/ 1991, de 14 de junio, BOE 152, 26. 6. 1991, 21191 – 21193; Real Decreto 1007/1991, de 14 de junio, BOE 152, 26. 6. 1991, 21193 – 21195; Real Decreto, 1179/1992, de 2 de octubre, por el que se establece el currculo del Bachillerato, BOE 253, 21. 10. 1992, 35585 – 35588. Zu den Veränderungen in den Schulbüchern vgl.: Valls Mont¦s, Zur Narrativität in spanischen Geschichtsbüchern, in: Internationale Schulbuchforschung. International Textbook Research, 18:4/1996, 561 f; Ders., Historiografa, 61 – 64. Die Neubewertung der kulturellen und regionalen Vielfalt zeigt sich z. B. in: Casa Snchez, Jos¦ Luis u. a., Ciencias Sociales, 38 EGB, Madrid: Anaya 1990, 110 – 113. 142 Vgl. z. B.: Prats, Joaqun u. a., Geografa e Historia des EspaÇa. Bachillerato 3, Madrid: Anaya 1987, 102. 143 Geografa e Historia de EspaÇa y de los Pases Hispnicos 38, 1977, 155; Roig, J./Llorens, M./ Fernndez, A., Geografa e Historia. Orbe. Area Social. 78 curso de EGB, Barcelona: Vicens Vives 1973, 224.
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Jüdisches Erbe
hinterlassen hätten.144 Als ein Spezifikum der convivencia wird der rege Wissensaustausch ausgemacht, symbolisiert durch die in Toledo im 13. Jahrhundert von Alfonso X. geförderte Übersetzerschule.145 Historia aus dem Jahr 1997 sieht in der kulturellen Vielfalt sogar eine Besonderheit, mit der sich Spanien vom Rest des mittelalterlichen Europas entschieden abgehoben hätte.146 Ein Hinweis darauf, dass das trikulturelle Erbe für den demokratischen Staat identitätsrelevant ist. Ein weiteres Symbol der convivencia und der kulturellen Blütezeit ist in den untersuchten Schulbüchern die Stadt Toledo. Historia aus dem Jahr 1998 beschreibt die kastilische Stadt als „ein Beispiel für Toleranz und als eine Brücke […] zwischen den drei Kulturen“.147 Die Neubewertung der Vergangenheit in den Schulbüchern zeigt sich ebenfalls an einer differenzierteren Darstellung der jüdischen Bevölkerung. So verweist z. B. Ciencias Sociales aus dem Jahr 2000 darauf, dass die Mehrheit der Juden zu den Kleinhändlern, Handwerkern und Landarbeitern gehörte – und eben nicht zu einer Geldhandel treibenden reichen Oberschicht.148 Die positive Umdeutung der Vergangenheit wurde von einem interessierteren Umgang mit dem historischen Erbe begleitet, der als Spurensuche bezeichnet werden kann. War bis in die 1970er Jahre vereinzelt auf die im Ausland lebenden Sepharden als Nachfahren der ehemals vertriebenen Juden verwiesen worden, richtete sich der Blick in den jüngeren Schulbüchern nach innen, auf Spanien selbst. Dabei wurden als Spuren der Vergangenheit in erster Linie die ehemaligen jüdischen Wohnviertel in den Heimatstädten der Schüler ausgemacht.149 Einige Schulbücher der 1990er Jahre erwähnen zwei jüdische Erinnerungsorte, die sich in der Stadt Toledo befinden: die histori144 „profundas huellas“, „los casi 800 aÇos de convivencia“, Prats, Joaqun u. a., Ciencias Sociales 68, Madrid: Anaya 1982, 252. 145 Vgl.: Ardit, Manuel/Furiû, Antoni/GrenÅe, Teresa, Historia 1er ciclo, Madrid: Santillana 1998, 153; Prats u. a., Ciencias Sociales 68 1982, 252. Zu Toledo als Symbol der convivencia vgl. auch: Historia. Ýrea de Ciencias Sociales, Geografa e Historia. Primer Ciclo de Educaciûn Secundaria Obligatoria, Madison: ECIR 1997, 127ff; Santacana/Zaragoza, Ciencias Sociales, 2000, 196. Bei der Übersetzerschule handelte es sich um eine Gruppe von Personen, die wichtige antike Werke der Physik, Astronomie oder der Mathematik aus dem Arabischen ins Lateinische und vor allem ins Kastilische übersetzten. In den untersuchten Schulbüchern entsteht fälschlicherweise der Eindruck, bei der Übersetzerschule habe es sich um eine Institution gehandelt. Vgl. dazu z. B.: Abelln, Jos¦ Luis, Funciûn cultural de la presencia juda en EspaÇa antes y despu¦s de la expulsiûn, in: Alcal (Hg.), Judos. Sefarditas. Conversos, 397 – 400; Mrquez Villanueva, Francisco, El concepto cultural alfons, Madrid 21995, 171 – 182. 146 Historia, 1997, 118. Vgl. auch: Prats u. a., Ciencias Sociales 68, 1982, 252. 147 „un ejemplo de tolerancia y un puente de comunicaciûn entre las tres culturas“, Ardit/Furiû/ GrenÅe, Historia 1998, 153. Zur Mystifizierung als „Stadt der Toleranz“ und der Drei Kulturen vgl. auch: Burgos, Ciencias Sociales, 2000, 176. 148 Vgl.: Santacana, Juan/Zaragoza, Gonzalo, Ciencias Sociales. Historia, Madrid: S.M. 2000, 195. Vgl. zu dieser Darstellung auch: Ardit/Furiû/GrenÅe, Historia, 1998, 152; Guti¦rrez J./Fats C./ Borderas B., Geografa e Historia, 1984, 129. 149 Vgl.: Domnguez Ortiz, Antonio, Historia Universal y de EspaÇa, 38, Salamanca 31970, 186; Garca AlmiÇana, E., Historia. Ýrea de Ciencias Sociales. Geografa e Historia. 1er ciclo de ESO, Madrid: ECIR 1997, 127.
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schen Synagogen Santa Mara la Blanca und Samuel Ha-Levi (auch El Trnsito). Dabei handelt es sich um zwei von insgesamt drei der aus dem Mittelalter erhaltenen Synagogen.150 Erinnerungsorte der jüdischen Vergangenheit wurden auf diese Weise erstmals geografisch verankert und für die Schüler lokal erfahrbar. Diese Neuerung lässt sich in einem allgemeinen Trend der „Sichtbarmachung“ jüdischer Spuren verorten, zu dem das Angebot historischer Reiserouten ebenso gehört wie die Restaurierung jüdischer Viertel. Die „Vergegenwärtigung der Vergangenheit“ strebten die Schulbücher auch mit den in den jeweiligen Kapiteln enthaltenen Arbeitsanweisungen an. So z. B. durch die in Geografa e Historia de EspaÇa (1987) enthaltene Aufforderung, mit einem nachgespielten Treffen zwischen Christen, Juden und Mauren im Toledo des 13. Jahrhunderts die mittelalterliche convivencia aufleben zu lassen.151 Indem die Schüler in Historia (1998) motiviert werden, sich in die Lebenssituation der jüdischen Bevölkerung hineinzudenken, wurde die Vergangenheit erstmals aus jüdischer Perspektive beleuchtet.152 Die in Ciencias Sociales (2000) aufgeworfene Frage, ob es auch in der aktuellen Gesellschaft Minderheiten gebe, wie mit diesen umgegangen werde und wie sich die Beziehungen zwischen den drei Religionsgemeinschaften gestalteten, verknüpfte die historischen Erfahrungen mit dem Alltag der Schüler im gegenwärtigen Spanien.153 Allerdings fehlen in den meisten Kapiteln differenzierte Informationen über das Judentum, wodurch dieses als eine weitgehend homogene Gruppe erscheint. Jüdische Quellen werden nicht zur Darstellung der historischen Ereignisse herangezogen.154 Das Stereotyp des hinterhältigen und geizigen Juden wurde in einigen Texten durch die Figur des intelligenten, jüdischen Wissenschaftlers oder Philosophen ersetzt. Damit erfolgte aber nur vordergründig eine Aufwertung der spanisch-jüdischen Geschichte. Das genaue 150 Vgl.: Historia, 1997, 120; Ardit/Furiû/GrenÅe, Historia, 1998, 152 f; Gonzlez Gallego u. a., Historia, 1999, 210. Ein ähnlich symbolträchtiger Erinnerungsort für die spanisch-muslimische Geschichte in den Schulbüchern ist die Alhambra in Granada. 151 Prats u. a., Geografa e Historia de EspaÇa, 1987, 107. Ciencias Sociales aus dem Jahr 2000 widmet sich den Problemen dieser mehrkulturellen Gesellschaft: Die Schüler sollen sich in einen Juden hineinversetzen, der in den christlichen Städten zwar toleriert, aber doch als fremd und den Christen untergeordnet betrachtet werde, Santacana/Zaragoza, Ciencias Sociales, 2000, 202. 152 Vgl.: Ardit/Furiû/GrenÅe, Historia, 1998, 153. 153 Vgl.: Santacana/Zaragoza, Ciencias Sociales, 2000, 187. Vgl. auch: Garca AlmiÇana, Historia, 1997, 121. Die Darstellung jüdischer Gegenwart verschwimmt im aktuellen Bildungssystem mit dem Staat Israel, wie ein Vorfall zu Beginn des Jahres 2010 vor Augen führte, als die israelische Botschaft in Reaktion auf eine Protestbriefaktion gegen den Gaza-Krieg dem spanischen Staat vorwarf, dass im „öffentlichen spanischen Bildungssystem […] der Hass und der Antisemitismus eingeschrieben“ seien, vgl.: „Israel acusa a EspaÇa de instigar el antisemitismo en los colegios“, in: El Periûdico, 1. 3. 2010. 154 Somit zeigt sich die von Palomero Plaza für die spanische Geschichtswissenschaft festgestellte Problematik im Umgang mit dem jüdischen Erbe auch in den untersuchten Schulbüchern, vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga de Samuel Ha Lev, 136.
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Jüdisches Erbe
Bemessen des jüdischen Einflusses auf die Herausbildung der spanischen Nation, Kultur oder Identität führt hintergründig zu einer erneuten Abgrenzung von der christlichen Mehrheitsgesellschaft. Insgesamt entsprang (und entspringt) der Rückgriff auf die convivencia in den Schulbüchern nach 1975 in erster Linie den gegenwärtigen Bedürfnissen einer pluralistischen Gesellschaft und sollte der Konstituierung eines modernen und europäischen Spaniens dienen, welches sich bewusst vom traditionalistischen und isolierten Spanien des Franquismus abgrenzen wollte.155 *** Ausgehend von der Annahme, dass Schulbücher staatlich sanktionierte Vergangenheitsdeutungen transportieren, geben die herausgearbeiteten Schulbuchnarrative Aufschluss über die wechselseitige Beeinflussung der Interpretation der jüdischen Vergangenheit und der Selbstsicht auf die spanische Nation und ihre Geschichte. Während des langen Untersuchungszeitraumes von den Anfängen des Franquismus bis in die Gegenwart lässt sich ein Aufbrechen der großen heroischen Meistererzählung zugunsten eines pluraleren Geschichtsbildes beobachten. Einige der herausgearbeiteten Darstellungsmuster können dabei als überzeitliche erinnerungskulturelle Topoi gelten. Die nationalkatholisch überprägten franquistischen Schulbücher erklärten Juden per se zu Feinden und sahen in ihrer Vertreibung eine Grundbedingung für die Werdung des nationalen Selbst. Antisemitische Darstellungen konnten innerhalb der nationalkatholisch geprägten Schulgeschichtsschreibung Einfluss gewinnen. Die Darstellung des Vertreibungsediktes als eine zentrale Maßnahme der Katholischen Könige und seine Einordnung in der Nationalgeschichte widersprechen der von Reuben Holo aufgestellten These, dass dieses Ereignis für die franquistische Ideologie keine Rolle spielte.156 Zumindest in der Schulgeschichtsschreibung diente diese historische Phase der Vermittlung patriotischer Werte und Ideale im Sinne des Nationalkatholizismus. Spätestens mit der noch unter Franco eingeleiteten Bildungsreform 1970 begannen sich die Darstellungsmuster spanisch-jüdischer Geschichte auszudifferenzieren. Zwar finden sich auch in den Schulbüchern der Demokratie mitunter Rechtfertigungsstrategien für die Einrichtung der Inquisition und den Erlass des Vertreibungsediktes, insgesamt lässt sich aber eine Entwicklung zu einer positiveren Charakterisierung der jüdischen Bevölkerung erkennen, die nicht mehr außerhalb der spanischen Geschichte verortet wird.157 155 Vgl.: P¦rez-Daz, The Return of Civil Society, 20 f. 156 Vgl.: Reuben Holo, Selma, Beyond the Prado. Museums and Identity in Democratic Spain, London/Washington 1999, 58. 157 Den Rückgang antijüdischer Stereotype bei gleichzeitigem Fortleben einiger Klischees stellte auch die Pro-Deo-Studie fest, die Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre spanische Schul-
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Zwischen Hispanidad und Trikulturalität
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Der Rückbezug auf die spanisch-jüdische Vergangenheit ist nunmehr durch die Suche nach neuen Traditionen gekennzeichnet. Dabei wird nicht nur die mittelalterliche convivencia zum Legitimationsquell demokratischer Tugenden, durch die Überbetonung der kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Leistungen der mittelalterlichen Gesellschaft wird diese gleichsam zum neuen Gründungsmythos der spanischen Demokratie. Einige Schulbücher versuchen aus der mittelalterlichen Gesellschaft Anleitungen für ein tolerantes Miteinander in der Gegenwart herauszulesen. Allerdings geht die Konzentration auf die trikulturelle Gesellschaft nicht mit einer Zunahme der Auseinandersetzung mit der jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel einher, da sie – abgesehen von den mit ihr assoziierten kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen – kaum unmittelbar identitätsstiftendes Potenzial aufweist. Angesichts der aktuellen Einwanderungstendenzen zeichnet sich seit den 1990er Jahren eine neue Schwerpunktsetzung ab: die verstärkte Auseinandersetzung mit der muslimischen Vergangenheit.158 Die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel wird immer noch häufig auf einen kurzen Ausschnitt und auf eine durch soziale Spannungen und Konflikte geprägte Phase unmittelbar vor der Vertreibung reduziert.159 Viele Schulbücher vernachlässigen außerdem die Bedeutung dieses Ereignisses für die jüdische Bevölkerung und behandeln es ausschließlich aus christlich-spanischer Perspektive. Abgesehen von den Kapiteln über die weit zurückliegende Vergangenheit tauchen Juden in der Zeitgeschichte nur als Randfiguren und historische Opfer in der Schilderung des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust auf, die jüdische Gegenwart in Spanien oder in anderen Ländern wird nicht berücksichtigt. Die Abkoppelung der Vergangenheit von der Gegenwart – so die hier vertretene These – stellt ein charakteristisches Merkmal des offiziellen Gedächtnisses dar.
bücher im Hinblick auf ihren Umgang mit Juden und dem Judentum untersuchte, vgl.: Huchet Bishop, Claire, How Catholics look at Jews. Inquiries into Italian, Spanish and French Teaching Materials, New York 1974, 11 – 31. 158 Vgl. z. B. eine Neuerscheinung des Anaya-Verlages: Greus, Jesffls, As vivieron en al-Ýndalus: La historia ignorada, Madrid: Anaya 2009. 159 Zu einem ähnlichen Befund kam auch eine Studie im Auftrag der Herbert-Quandt-Stiftung, die Schulcurricula und -materialien in europäischen Ländern im Hinblick auf die Darstellung von Judentum, Christentum und Islam untersuchte, vgl.: Kaul-Seidmann, Lisa/Nielsen, Jochen S./ Vinzent, Markus, Europäische Identität und kultureller Pluralismus: Judentum, Christentum und Islam in europäischen Lehrplänen. Empfehlungen für die Praxis, Bad Homburg 2003, 11 f.
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Jüdisches Erbe
2. Legitimierende Erinnerung. „Rettermythos“ und Holocaust160 im offiziellen Gedächtnis Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gewann die Frage der spanischen Haltung gegenüber verfolgten Juden in der internationalen Politik an Bedeutung. In der Selbstdarstellung Spaniens, die zum großen Teil durch die dem Außenministerium unterstehende Dienststelle Oficina de Informaciûn Diplomtica geprägt war, sowie in einigen Fällen auch in der Außenwahrnehmung wurde ein Bogen von dem Verhalten im Zweiten Weltkrieg zur Vergangenheit von Sepharad geschlagen. Die Propagierung als „Retter“ verfolgter Juden entsprang nicht einem innerspanischen Bedürfnis nach Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit, sondern zielte auf die Überwindung der internationalen Isolation Spaniens als diktatorisches Regime und ehemals Verbündeter NS-Deutschlands. Während sich die Ende der 1940er Jahre im franquistischen Spanien dominante Lesart der Vertreibung der Juden als notwendige Voraussetzung für die Einigung der spanischen Nation international nicht als positives Gedächtnis inszenieren ließ, traf dies auf die zum „Rettermythos“ stilisierte Hilfe der spanischen Regierung für verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg zu. Die beiden gewählten Beispiele, die OID-Broschüre EspaÇa y los judos und die Spanien-Reise des amerikanischen Rabbiners Chaim U. Lipschitz, stehen exemplarisch für die propagandistische Instrumentalisierung der Vergangenheit bzw. für den Versuch, den Zugriff auf diese Vergangenheit und damit deren Interpretation zu kontrollieren. Konkreter Anlass für die Inszenierung als „judenfreundlicher“ Staat mit jahrhundertelanger Tradition war die Ende der 1940er Jahre geführte Debatte über die Aufhebung des diplomatischen Boykotts gegen Franco-Spanien in den Vereinten Nationen. In diesem Kontext wurde auf spanischer Seite eine apologetische Geschichtsschreibung vorangetrieben. Die OID gab im Jahr 1949 die Broschüre EspaÇa y los judos heraus, in der die spanischen Hilfsmaßnahmen für verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg glorifiziert werden.161 Diese unkritische Sichtweise setzte sich in den Folgejahren und mitunter bis in 160 Trotz seiner problematischen Herkunfts- und Rezeptionsgeschichte wird der Begriff in dieser Arbeit benutzt, da er sowohl das historische Ereignis selbst als auch dessen Rezeption und damit ein „Erinnerungskulturprodukt“ beschreibt, wie Katrin Pieper argumentiert. Zur Untersuchung des Umgangs mit der Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg scheint er auch deswegen geeignet, da er in der spanischen Debatte fast ausschließlich verwendet wird. Vgl.: Pieper, Katrin, Die Musealisierung des Holocaust. Das United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. und das Jüdische Museum Berlin, Köln/Weimar 2006, 1. Zur Begriffsgeschichte vgl.: Wyrwa, Ulrich, „Holocaust“. Notizen zur Begriffsgeschichte, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 8/1999, 300 – 311. Für Wyrwa verweist die Auseinandersetzung um den Begriff auf die sprachliche Hilflosigkeit angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen. 161 Oficina de Informaciûn Diplomtica [im Folgenden OID abgekürzt], EspaÇa y los Judos, Madrid 1949; AMAE, Leg. R 8447/12.
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Legitimierende Erinnerung
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die Gegenwart fort. In den 1970er Jahren wurde das Thema innerhalb der franquistischen Regierung virulent, als Lipschitz um Informationen für das von ihm geplante Buch Franco, Spain, the Jews, and the Holocaust bat. Der Rabbiner interessierte sich für die entsprechenden Quellen des spanischen Außenministeriums und reiste im Rahmen der Recherchen 1970/71 zweimal nach Spanien. Sein Anliegen war, die persönlichen Motive Francos und dessen Rolle als „Retter“ zahlreicher Juden herauszuarbeiten.162 Die franquistische Regierung wurde so von ihrer eigenen Nachkriegspropaganda eingeholt, die sich gewissermaßen zu einem „Rettermythos“ verselbstständigt hatte. Auch wenn sich die außenpolitische Gemengelage 1970 gegenüber den 1940er Jahren stark verändert hatte, wurde Lipschitz eine Audienz bei Franco gestattet. Ein Anzeichen dafür, dass seinem Vorhaben von der Regierung Bedeutung beigemessen wurde. Dennoch verhielt sich die franquistische Regierung passiv und skeptisch. Ihr war in erster Linie an einer Kontrolle des offiziellen Gedächtnisses gelegen. Das sich hier abzeichnende erinnerungspolitische Desinteresse hing mit der fortgeschrittenen Integration in die westliche Staatengemeinschaft zusammen. Erneute Impulse für die erinnerungspolitische Beschäftigung mit dem Holocaust brachte erst die Integration des demokratischen Spaniens in die Europäische Gemeinschaft, wofür die Einrichtung des 27. Januar zum Gedenktag ein Indiz ist.163 Eine endgültige Verankerung des Holocaust als europäischer Erinnerungsort im kollektiven Gedächtnis steht weiterhin aus. Der Umgang mit der kollektiven Erinnerung an die Rolle Spaniens im Holocaust kann in den größeren Kontext der Frage nach der Bedeutung der Vergangenheit für den offiziellen Umgang der Regierung mit jüdischer Gegenwart eingeordnet werden. Von Interesse ist in diesem Kapitel die Frage, wie das franquistische Regime mit einer nicht unmittelbar als „eigen“ zu erachtenden Vergangenheit umging und ob sich hier Unterschiede bzw. eine Verknüpfung zur offiziellen Erinnerung an das historische Sepharad ergaben.
162 Vgl.: Lipschitz, Franco. Zu seinen persönlichen Motiven: Ebd., 3 – 6; Rother, Spanien und der Holocaust, 6. Lipschitz problematisiert, dass er als amerikanischer Jude und Rabbiner das Franco-Regime durch die Veröffentlichung seiner Ergebnisse stärken und in ein positiveres Licht rücken könnte. Da es sich jedoch um ein aus jüdischer wie historischer Perspektive bedeutendes Thema handele, habe er sich für eine Veröffentlichung entschieden. Dabei bestärkte ihn auch die Haltung der jüdischen Gemeinde in Madrid, die Franco für die Rettung von fast 250.000 verfolgten Juden gedankt habe. (Lipschitz, Franco, 3 – 6.) Lipschitz wurde nach eigenen Angaben 1912 in Jerusalem geboren und war u. a. als orthodoxer Rabbiner, in zahlreichen jüdischen Organisationen, als Herausgeber und als Journalist tätig. Von 1951 bis 1964 stand er der Rabbinical Alliance of America vor. Vgl. einen Lebenslauf von Lipschitz, den Luis Lûpez-Ballesteros, Ministerio de Informaciûn y Turismo, an Jos¦ Cienfuegos, Direcciûn General de Asuntos Norteam¦rica, am 5. 1. 1970 weiterleitete; AMAE, Leg. R 12186/22. 163 Zur demokratischen Holocaust-Gedenkkultur vgl. die verschiedenen Studien von Alejandro Baer, z. B.: Ders., El testimonio audiovisual. Imagen y memoria del Holocausto, Madrid 2005; Ders., Holocausto.
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2.1 Mystifizierung der Vergangenheit. Spanische Selbstdarstellung in der Nachkriegszeit Umfang und Art der spanischen Hilfsmaßnahmen im Zweiten Weltkrieg sind in zahlreichen Studien mit sehr unterschiedlichem Charakter dokumentiert worden.164 1973 veröffentlichte der spanische Journalist Federico Ysart das Buch EspaÇa y los judos en la Segunda Guerra Mundial.165 In der Studie, die auf Dokumenten des Außenministeriums basiert, stellt Ysart Spanien als triumphierenden „Don Quijote“ im Kampf gegen die NS-Judenverfolgung dar.166 Entschiedeneres Eingreifen oder Hilfsmaßnahmen in größerem Umfang seien durch die mangelnde Unterstützung der Alliierten oder der internationalen Hilfsorganisationen verhindert worden. Ysarts Studie enthält ein Vorwort des langjährigen Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Madrid, Max Mazin, der zu dieser Zeit Präsident der Asociaciûn Hebrea de EspaÇa (Hebräische Vereinigung von Spanien) war. In seinem Vorwort bezeichnet Mazin Spanien als einen der wenigen „Lichtblicke“ in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus.167 Die lobende Hervorhebung dient hier als „Folie“ für die Kritik am Verhalten der Alliierten.168 Damit sind vermutlich zwei Aspekte angedeutet, die auf jüdischer Seite zu einer oftmals unkritischen Rezeption des Mythos von Franco als „Judenretter“ führten: die Enttäuschung über das Verhalten der Alliierten und, dem gegenüberstehend, die Verwunderung über die Hilfe, die aus einem NS-Deutschland nahestehenden Staat kam.169 Der 164 Zum Forschungsstand vgl. die detaillierte Beschreibung bei: Rother, Spanien und der Holocaust, 1 – 11. Zur Entwicklung der Forschung über die spanische Reaktion auf den Holocaust vgl. auch: Marquina, Antonio, EspaÇa y los judos en el siglo XX. Algunas cuestiones centrales a clarificar, in: Rein (Hg.), EspaÇa e Israel, 89 – 97. 165 Ysart, Federico, EspaÇa y los judos en la Segunda Guerra Mundial, Barcelona 1973. Rother zufolge gewann Ysart in der Spätphase des Franquismus für seine Studie einen spanischen Literaturpreis, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 5. Marquina und Ospina kritisieren Ysarts Studie scharf als „un libro falso“, Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 222. 166 Vgl.: Ysart, EspaÇa y los judos, 151. 167 Vgl.: Mazin, Max, Prûlogo, in: Ysart, EspaÇa y los judos, 10. Auch Isaac Molho sieht in den spanischen Hilfsmaßnahmen einen „Lichtblick in einer finsteren Zeit“, vgl.: Molho, Un hidalgo EspaÇol, in: Ders., Tesoro de los judos sefardes Vol. VII, 33. In anderen Staaten existieren ebenfalls „nationalpatriotische“ Erzählungen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, so z. B. in Dänemark der Mythos einer „Widerstandsnation“. Warring zeichnet für Dänemark eine ähnliche Entwicklung nach wie für den Erinnerungsdiskurs in Spanien, vgl.: Warring, Anette, Demokratische Erinnerungspolitik zwischen stabilen Werten und Reflexivität, in: Lenz, Claudia/Schmidt, Jens/Wrochem, Oliver von (Hg.), Erinnerungskulturen im Dialog. Europäische Perspektiven auf die NS-Vergangenheit, Hamburg/Münster 2002, 21 f. Corry Guttstadt stellt für die Türkei ebenfalls die Existenz eines „Rettermythos“ fest, vgl.: Guttstadt, Die Türkei, 8. 168 Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 146. 169 Auch Lipschitz nennt die Kritik am Verhalten der Alliierten durch die Kontrastierung mit den spanischen Hilfsmaßnahmen als ein Motiv für seine Publikation, vgl.: Lipschitz, Franco, 5. Avni sieht in dem Umstand, dass es im franquistischen Spanien keine antisemitische Ge-
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Verweis auf die Reaktion der Alliierten wertete die spanische Hilfe auf und ließ ihr tatsächliches Ausmaß in den Hintergrund treten, wie auch Mazin in seinem Vorwort betont: „Was bedeutet die Anzahl der durch Spanien geretteten Juden, wenn der Wert eines einzelnen Lebens unermesslich ist. Das was zählt, ist das edle und menschliche Verhalten gegenüber einigen Verfolgten, die von der sogenannten zivilisierten Welt im Stich gelassen und aufgegeben wurden und ihren Henkern ausgeliefert waren“.170
Es ist – vor allem aufgrund der zeitlichen Nähe – anzunehmen, dass es sich bei Ysarts vom Außenministerium unterstützter Darstellung um eine Reaktion auf Lipschitz’ Recherche handelte, die zugleich die Deutungshoheit der spanischen Regierung unterstreichen sollte. Auch die im Jahr 1997 von David Salinas verfasste und von der Universität Valladolid und dem spanischen Außenministerium herausgegebene Publikation EspaÇa, los Sefarditas y el Tercer Reich (1939 – 1945) über die spanische Haltung gegenüber den im deutschen Machtgebiet lebenden Juden begünstigt – vor allem aufgrund der zahlreich abgedruckten Korrespondenzen zwischen den verschiedenen Regierungsstellen und Botschaften – die Fortschreibung des „Rettermythos“.171 Parallel zu der Glorifizierung spanischer Hilfsmaßnahmen entwickelte sich seit den frühen 1970er Jahren eine kritische Geschichtsschreibung, zu deren Vertretern Haim Avni zählt.172 Avni vertritt die setzgebung gab einen weiteren wichtigen Grund für die Entstehung des „Rettermythos“, vgl.: Avni, Spain, 180. 170 „Qu¦ importa el nfflmero de judos salvados por EspaÇa cuando el precio de una sola vida es infinito. Lo que cuenta es el noble y humansimo proceder con unos perseguidos, desamparados y abandonados por el llamado mundo civilizado, a la merced de sus verdugos“, Mazin, Prûlogo, in: Ysart, EspaÇa y los judos, 9. 171 Vgl.: Salinas, David, EspaÇa, los Sefarditas y el Tercer Reich (1939 – 1945). La labor de diplomticos espaÇoles contra el genocidio nazi, Historia y Sociedad 59, Valladolid 1997. Rother kritisiert Salinas und wirft ihm Geschichtsverfälschung vor. Salinas berücksichtigt weder die Dokumente der deutschen Seite noch die im AGA archivierten Quellenbestände, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 7; Ders., Una crtica del libro de David Salinas, EspaÇa, los Sefarditas y el Tercer Reich (1939 – 1945), in: Sefarad, 2/1998, 412. Zu den nach Ansicht Rothers gröbsten Verfälschungen vgl.: Ebd., 413 – 425. Wie verbreitet der „Rettermythos“ bis in die Gegenwart ist, veranschaulicht das 2010 erschienene, populärwissenschaftliche und regimeapologetische Buch Franco y Sefarad, welches die glorifizierende Geschichtsschreibung der Diktatur und der Judenrettung fortschreibt, vgl.: Parra Galindo, Antonio, Franco y Sefarad. ¿Un amor secreto?, Madrid 2010. Die Relevanz des „Rettermythos“ für die propagandistische Erinnerungspflege der Franco-Diktatur zeigt sich auch an dem Verzeichnis von Quellen zur jüdischen Geschichte in Spanien, das der Verfasserin von der FNFF zur Verfügung gestellt wurde. Viele der aufgelisteten Dokumente betreffen Hilfsmaßnahmen für verfolgte oder bedrohte Juden. 172 Avni beteiligte sich bereits 1964 im Rahmen des Simposio de Estudios Sefardes mit einem Vortrag über spanische Hilfsmaßnahmen, der unkritischer als seine späteren Publikationen ausfiel. Das kann zum einen auf den Stand seiner Forschung zu diesem Zeitpunkt, zum anderen auf die Rahmenbedingungen des Vortrages zurückzuführen sein. Das Symposium wurde von dem offiziellen franquistischen Wissenschaftsrat CSIC veranstaltet. Vgl.: Avni, Haim, La sal-
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These, dass Spaniens Haltung gegenüber den verfolgten Juden im hohen Maße von den Alliierten abhing. Wäre mehr Druck auf Spanien ausgeübt worden, wäre der Umfang der Hilfsmaßnahmen vielleicht größer ausgefallen.173 Auch die Autoren der ersten in Spanien erschienenen politologischen Arbeit zu dieser Thematik, Antonio Marquina und Gloria In¦s Ospina Snchez, führen die ihrer Ansicht nach erst gegen Kriegsende umfassendere Hilfe auf realpolitische Überlegungen und den zunehmenden internationalen Druck zurück.174 In jüngerer Zeit hat sich Jacobo Israel Garzûn in verschiedenen Aufsätzen mit der spanischen Reaktion auf den Holocaust auseinandergesetzt. Er problematisiert die Gleichsetzung der Tätigkeit einiger spanischer Diplomaten mit der offiziellen Haltung des franquistischen Regimes, die er u. a. auf eine gezielte „Desinformationspolitik“ nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurückführt.175 Im deutschsprachigen Wissenschaftsraum haben Patrik von Zur Mühlen, der die Fluchtwege deutscher Emigranten durch Spanien und Portugal untersuchte, und Bernd Rother zur Erforschung und kritischen Einordnung der spanischen Reaktion auf den Holocaust beigetragen.176 Rothers fundierte und grundlegende Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die spanische Regierung wesentlich mehr Möglichkeiten zur Rettung von Juden gehabt hätte, die sie aber willentlich und in Kenntnis der realen Bedrohungslage nicht ausgeschöpft habe.177 Einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und Spaniens Rolle im Zweiten Weltkrieg stand bis 1975 das offizielle franquistische Gedächtnis entgegen, das seine Wirkkraft aus dem Sieg im Bürgerkrieg und durch das angeblich „geschickte Taktieren“ im Zweiten Weltkrieg bezog. Zu diesem Geschichtsbild gehörte die Selbstdarstellung des Regimes als „Retter“ verfolgter Juden. Bereits während des Zweiten Weltkrieges versuchte sich die
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vaciûn de judos por EspaÇa durante la segunda guerra mundial, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 81 – 89. Vgl.: Avni, Spain, 186. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos. Vgl. auch: Rother, Spanien und der Holocaust, 3 f. Rother kritisiert ferner, dass innerspanische Entwicklungen nur selten in Bezug zu den Entwicklungen auf europäischer Ebene gesetzt werden. Vgl. z. B.: Israel Garzûn, EspaÇa y los judos, in: Ders./Baer (Hg.), EspaÇa y el Holocausto, 37. Vgl.: Zur Mühlen, Patrik von, Fluchtweg Spanien-Portugal. Die deutsche Emigration und der Exodus aus Europa 1933 – 1945, Politik- und Gesellschaftsgeschichte 28, Bonn 1992; Ders., Die Sepharden, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 115 – 124. Die unterschiedlichen Darstellungen in der Forschungsliteratur lassen sich teilweise auf das zum jeweiligen Zeitpunkt zugängliche Quellenmaterial und die genutzten Archive zurückführen. Die Studien, die sich ebenfalls auf ausländische Archivbestände stützen, fallen kritischer aus. Vgl. dazu: Rother, Spanien und der Holocaust, 2 – 12. Zuletzt erschien außerdem: Collado Seidel, Carlos, Der Mythos ,Franco als Judenretter‘. Die ,Judenfrage‘ im Zeichen der spanischen Realpolitik während des Zweiten Weltkriegs, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 80 – 96. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, insb. das Resüme, 337 – 341.
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franquistische Regierung gegenüber den Alliierten und jüdischen Organisationen wie dem Jüdischen Weltkongress oder der amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee (JOINT) entsprechend zu präsentieren.178 Als der Jüdische Weltkongress auf seiner Versammlung in Atlantic City Ende November 1944 eine Resolution verabschiedete, mit der Spanien für seine Schutzmaßnahmen gedankt wurde, stellte dies einen wichtigen Erfolg für die Regimepropaganda dar, zu dem wohl auch das spanische Außenministerium beigetragen hatte.179 Im Vorfeld hatte das Ministerium für Maurice Perlzweig, den Vorsitzenden des Politischen Komitees des Jüdischen Weltkongresses, ein Memorandum über spanische Hilfsmaßnahmen erstellt.180 Dass es von jüdischer Seite überhaupt Danksagungen gab und eine weitgehend unkritische Haltung eingenommen wurde, erklärt Rother für die Phase des Zweiten Weltkrieges mit einer „partielle[n] Interessenkoinzidenz“: Während es den jüdischen Organisationen um die Rettung möglichst vieler verfolgter Juden ging, strebte das franquistische Spanien 178 Vgl. z. B. eine Korrespondenz zwischen dem spanischen Botschafter in Washington, Juan de Crdenas, und A. Leon Kubowitzki, Leiter des Rescue Department des World Jewish Congress in New York, vom 25. 10. 1944, in der Crdenas über die bevorstehende Rettung der Juden in Budapest informiert: „I take pleasure in informing you that I have just received a cable from our Minister of Foreign Affairs telling me that he has already directed the Spanish Minister in Budapest, to act in the quickest, most effective ways, for the protection of the persecuted Jewry, extending it primarily to the Spanish Sefardites, then to the Jews of Spanish ancestry, and finally to the greatest possible number of all other Israelites“, abgedruckt in: Molho, Un hidalgo EspaÇol, in: Ders., Tesoro de los judos sefardes Vol. VII, 40. Die erste aktive Einflussnahme des Außenministeriums auf die Darstellung der spanischen Politik in internationalen Medien war Rother zufolge ein Rundschreiben an die meisten spanischen Botschaften auf dem amerikanischen Kontinent, in dem diese über die Anfang Februar 1944 erfolgte Repatriierung der 365 in Bergen-Belsen internierten spanischen Juden aus Saloniki informiert wurden. Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 129. 179 Vgl.: Nota informativa [Verf. unb.], 18. 2. 1968; AMAE, Leg. R 15102/1. Vgl. auch einen Brief von Kurt R. Grossman vom World Jewish Congress an Juan F. de Crdenas, Botschafter in Washington D.C., New York, 13. 12. 1944; AMAE, Leg. R 4779/43. Mit diesem Brief leitete er die auf dem Kongress verabschiedete Resolution weiter und beteuerte: „I am convinced that your government will continue its laudable endeavors in giving protection and help towards rescuing the remnants of world Jewry“. Vgl. zu der Resolution auch: „Noticias: Reconocimiento a la poltica magnanima de EspaÇa para con los judos perseguidos. Copiamos de La Boz de Türkiye (1 marzo 1948)“, in: Sefarad, 1/1948, 240. Ausführlicher zu dem Ereignis vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 325 – 330. 180 Das Memorandum betont das große spanische Interesse an dem Schutz verfolgter Juden. Vgl.: Brief von Juan F. de Crdenas, Botschafter in Washington, an Maurice L. Perlzweig, Washington D.C., 21. 11. 1944; AGA, AAEE (19) 26.1, 54/8901 – 002(4). Inwieweit sich Perlzweig in seiner Rede daran orientierte, lässt sich allerdings nicht sagen, da ihr Wortlaut nicht überliefert ist. Am 28. 11. 1944 dankte Perlzweig aber Crdenas für das Papier und verwies auf die breite Resonanz, die seine Darstellung der spanischen Hilfsmaßnahmen bei den Kongressteilnehmern und den Journalisten gefunden habe. Vgl.: Brief von Maurice L. Perlzweig an Juan F. de Crdenas, New York, 28. 11. 1944; AGA, AAEE (19) 26.1, 54/8901 – 002(4). Zu den engen – von Rother als freundschaftlich bezeichneten – Kontakten zwischen Perlzweig und Botschafter Juan de Crdenas, vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 126 – 138.
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angesichts einer unausweichlich scheinenden Niederlage der Achsenmächte ein positives Bild bei den Alliierten an.181 Dabei übte es mitunter auch Druck aus. So erteilte das spanische Außenministerium im Dezember 1943 vor der Ausreise der ersten nach Spanien repatriierten Juden folgende Anweisung:182 „Wenn sich die Sepharden-Gruppe in Malaga […] einschifft sollte die Polizei ihnen deutlich machen, daß von ihrem Verhalten nach der Ausreise abhängt, ob die spanische Regierung mit den deutschen Behörden über die Freilassung weiterer in Konzentrationslagern internierter Sephardim verhandelt“.183
Nach Kriegsende gewannen die Hilfsmaßnahmen in der Selbstdarstellung Spaniens gegenüber den Alliierten und im Kampf gegen die internationale Ächtung an Bedeutung. Die Propagandaaktivitäten verfolgten zwei außenpolitische Ziele: den „Abbau antispanischer Positionen“ und die vorbeugende Entkräftung von Anschuldigungen durch Israel im Rahmen der Vereinten Nationen.184 Im Juli 1948 übersandte das Außenministerium den Vertretungen in Europa, in arabischen Ländern, in Jerusalem und in den USA einen internen Bericht über spanische Aktivitäten zum Schutz von Sepharden während des Zweiten Weltkrieges.185 Dieses von der Abteilung für Afrika und den Nahen Osten erstellte Dokument erwähnte die Hilfsmaßnahmen in Frankreich, 181 Rother, Spanien und der Holocaust, 323 f. Rother geht davon aus, dass die spanische Regierung als prinzipiell hilfsbereit eingeschätzt wurde., vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 128. Hinzu kam in der Phase des Kalten Krieges eine antikommunistisch motivierte Sympathie für das franquistische Spanien bei konservativen Juden. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 341. Zur außenpolitischen Konstellation seit 1943, die die Haltung Franco-Spaniens entscheidend beeinflusste, vgl.: Collado Seidel, Der Mythos ,Franco als Judenretter‘, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 88 – 95. 182 Die intensiven Bemühungen um ein positives Bild Ende 1943 erklärt Rother mit der Landung der Westalliierten in Süditalien, den militärischen Erfolgen der Roten Armee an der Ostfront und dem sich damit abzeichnenden Sieg der Alliierten, vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 128 f. Rein zufolge übte das spanische Außenministerium auch nach Kriegsende Druck auf sephardische Juden, z. B. in Tanger aus, damit diese sich positiv über die spanische Politik äußerten. Entsprechende Stellungnahmen seien dann an die ausländische Presse weitergeleitet worden, vgl.: Rein, In the Shadow, 15. 183 Zit.n.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 128. 184 Rother, Spanien und der Holocaust, 331. 185 Vgl.: „Protecciûn diplomtica de los hebreos“, angehängt an Schreiben von Director General de Poltica Exterior Ýfrica y Prûximo Oriente an Botschafter in Amman, Paris, Belgien, Athen, Tunis, Ankara, Bagdad, Washington, Beirut, London, Rabat, Algier, Jerusalem, Kairo, Kopenhagen, Stockholm, Holland, Oslo, Madrid, 26. 7. 1948; AMAE, Leg. R 4782/57. Rother erwähnt einen Bericht der Abteilung für Afrika und den Nahen Osten, „Amplsima labor protectorada realizada por EspaÇa en favor de los sefardes“, vom 26. 7. 1948, vermutlich handelt es sich um das identische Dokument. Dass die Urheberschaft bei dieser Abteilung des Außenministeriums lag, zeigt nach Ansicht Rothers, dass es sich bei dem Bericht um eine Reaktion auf die Gründung des israelischen Staates handelte, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 331, Anm. 34. Algora Weber zufolge erreichten zu Beginn des Jahres 1948 die spanischen Konsulate die ersten Hilfsgesuche von Sepharden aus Ägypten, vgl.: Algora Weber, Mara Dolores, Las relaciones hispano-rabes durante el r¦gimen de Franco. La ruptura del aislamiento internacional (1946 – 1950), Biblioteca Diplomtica EspaÇola 12, Madrid 1995, 133.
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Nordafrika und Rumänien, die OID erarbeitete ein umfangreicheres Papier mit dem Titel Daten über den Schutz sephardischer Juden.186 1949 publizierte die spanische Botschaft in Washington die mit dem OID-Dokument größtenteils übereinstimmende Broschüre Spain and the Sephardi Jews.187 Damit konzentrierten sich die ersten Propagandaanstrengungen auf die USA, in denen die jüdische Lobby als einflussreich eingeschätzt wurde, bzw. indirekt auf den israelischen Staat.188 Die Broschüre EspaÇa y los judos verfasste die OID als Reaktion auf die Ereignisse in der UN-Vollversammlung am 16. Mai 1949. An diesem Tag war 186 Vgl.: OID, Datos sobre protecciûn a los judos sefarditas, undatiert; AGA, AAEE (19) 26.1, 54/ 8901 – 002(4). Der Bericht weist große Übereinstimmung mit der späteren OID-Broschüre EspaÇa y los judos auf, aus dem Zusammenhang der Akte kann auf das Jahr 1948 als Entstehungszeitraum geschlossen werden. Vgl. zu der Datierung auch: Rother, Spanien und der Holocaust, 332. 187 Vgl. Spanish Embassy Washington D.C., Spain and The Sephardi Jews, Washington D.C. 1949; AMAE, Leg. R 2328/35 und AGA, (10) 26.1 AAEE 54/8901. Die Broschüre wurde vermutlich an weitere Vertretungen im Ausland geschickt, dafür sprechen verschiedene Korrespondenzen aus dem Jahr 1949: Vgl.: AGA, (10) 26.1 AAEE 54/8901. Als Vorläufer der Nachkriegspropaganda wertet Rother ein vom spanischen Außenministerium erstelltes Memorandum, welches Anweisungen für den Delegierten der jüdischen Gemeinde aus Tetun, Salomon A. Israel, enthielt, der vom Jüdischen Weltkongress zu dessen Tagung im Mai 1944 nach New York eingeladen worden war. Letztlich sagte Israel seine Teilnahme ab, sodass das Papier wirkungslos blieb. Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 129 f. Auch auf US-amerikanischer Seite gab es nach Kriegsende Bemühungen, die anti-spanische Haltung in der Bevölkerung abzubauen, die einer Annäherung an das Franco-Regime entgegenstanden. Der ehemalige amerikanische Botschafter in Spanien, Carlton J. H. Hayes, betonte in seinen Erinnerungen an die „Wartime Mission in Spain“ die spanische Neutralität und Zusammenarbeit mit den Alliierten während des Zweiten Weltkrieges und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Transitgewährung für zahlreiche Flüchtlinge, vgl.: Hayes, Carlton J. H., Wartime Mission in Spain. 1942 – 1945, New York 1946. Hayes galt als ein Befürworter der Normalisierung und Vertiefung der amerikanisch-spanischen Beziehungen in der Nachkriegszeit. Vgl.: Avni, Haim, Los judos y Franco en 1949: un desencuentro mistificado, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 397; Hayes, Carlton J. H., The United States and Spain. An Interpretation, New York 1951. Hayes Erinnerungen wurden vom Außenministerium für die Dokumentation „EspaÇa y el problema judo durante la segunda guerra mundial“ genutzt, die in weiten Teilen den von der OID und der Botschaft in Washington herausgegebenen Broschüren glich. Wann genau, warum und für wen dieser Bericht verfasst wurde, geht aus den Quellen nicht hervor. Vgl.: EspaÇa y el problema judo durante la segunda guerra mundial, vermutl. 1946 – 1948; AMAE, Leg. R 1454/2 – 1. 188 Zur spanischen Vorstellung der jüdischen Einflussnahme auf die US-Politik vgl. die Äußerung des Außenministers Artajo im November 1955 zit. in: Wolffsohn, Michael, Spanien, Deutschland und die „Jüdische Weltmacht“. Über Realpolitik und Vergangenheitsbewältigung, München 1991, 55. Zur Legende der „jüdischen Allmacht“ und der damit verbundenen Zentralität der „Judenpolitik“ als moralischer Maßstab, vgl.: Ebd., 49 – 56. Wolffsohn vertritt die Ansicht, dass Spanien „Judenpolitik“ nicht aktiv als Instrument seiner Westpolitik bzw. zur Annäherung an die USA nutzte, sondern die judenpolitische Propaganda auf Israel zielte. Eine außenpolitische Wirkung sei mit den OID-Publikationen durchaus intendiert gewesen, habe sich aber nicht eingestellt. Vgl.: Ebd., 151 – 169. Zur spanischen Palästina-Politik nach dem Zweiten Weltkrieg, die zwischen der Nähe zu den arabischen Staaten und dem Streben nach Aufnahme in die UN schwankte, vgl.: Algora Weber, Las relaciones hispano-rabes, 125 – 131.
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dort über den brasilianischen Vorschlag diskutiert worden, die 1946 verabschiedete UN-Resolution aufzuheben, die den diplomatischen Boykott von Spanien vorsah.189 Die OID verfolgte mit dieser Publikation, die in spanischer und französischer Sprache erschien, das Ziel einer Gegendarstellung zu der Rede des israelischen Delegierten vor der Vollversammlung der UN.190 „Die Haltung, die Spanien – das aktuelle Spanien – gegenüber den Juden eingenommen hat, ist in der Welt nicht angemessen bekannt, da Spanien nicht die Angewohnheit besitzt, seine eigenen Handlungen zu glorifizieren. Das geht so weit, dass, hätte es die Attacke des Delegierten von Israel in der UNO nicht gegeben, wir auch heute nicht an die Öffentlichkeit treten würden, um Zeugnis davon abzulegen.“191
Als „Attacke“ empfand die OID die Ausführungen des israelischen Delegierten Abba Eban, der in seiner Rede hervorgehoben hatte, dass Spanien ein Alli189 Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 49 – 52; Rein, In the Shadow, 19 – 47. Avni zufolge ist die französische Ausgabe weitgehend mit der spanischen Version identisch. Der Verfasserin war sie nicht zugänglich. Vgl.: Avni, Spain, 179. Ferner geht er davon aus, dass die englischsprachige Broschüre im Vergleich mit der spanischen und französischen Version am weitesten verbreitet war, vgl.: Avni, Los judos y Franco, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 402. Im Vergleich der drei wichtigsten spanischen Dokumente zu Hilfsmaßnahmen für verfolgte Juden, des internen OID-Papiers, der OID-Broschüre und der Publikation der Botschaft, finden sich laut Rother Abweichungen in den Zahlenangaben im Hinblick auf die „geretteten“ Juden, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 334; OID, EspaÇa y los Judos, 20; AMAE, Leg. R 8447/12. Nach Auskunft des Leiters des zuständigen Dokumentationszentrums im Außenministerium gegenüber der Verfasserin (September 2010) existieren keine Informationen zur Auflage und Verbreitung dieses OID-Dokumentes. Rein erwähnt, dass Exemplare der Broschüre auch an israelische Botschaften in Europa und Amerika geschickt wurden. Im Sommer 1950 sei die Broschüre erneut versandt worden – vermutlich auch nach Israel –, möglicherweise um Israels Unterstützung für die in den Vereinten Nationen bevorstehende Abstimmung zu Spanien zu gewinnen. Vgl.: Rein, In the Shadow, 44; sowie eine auf der Liste der FNFF (21128, Rollo 171) verzeichnete Nachricht des Generalkonsuls aus Jerusalem, 1950. In einem Schreiben des Außenministeriums aus dem Jahr 1954 wird auf die „weit verbreitete“ („ampliamente difundido“) Broschüre verwiesen. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General. Direcciûn de Relaciones Culturales, Informe (reservado), 3. 4. 1954; AMAE, Leg. R 4435/34. Bereits 1946 hatte das Außenministerium eine Protestnote als Reaktion auf das Verhalten des UN-Sicherheitsrates verfasst, in der es die unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten kritisierte und die spanische Neutralität im Zweiten Weltkrieg herausstellte. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota entregada a las representaciones diplomticas de las Naciones miembros del Consejo de Seguridad de la O.N.U. con quienes EspaÇa mantiene relaciones de amistad, Madrid, 5. 6. 1946; AMAE, Leg. R 1454/2 – 2. 190 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, findet sich auch in der von Franco unter dem Pseudonym Jakin Boor in Arriba veröffentlichten Artikelsammlung zu verschiedenen Anlässen Kritik an den Vereinten Nationen, die z. B. als Werkzeug des Freimaurertums dargestellt werden, vgl. z. B.: „¿Democracia?“, 5. 1. 1947, 24; „El gran secreto“, 4. 4. 1948, 37 – 44; „Alta masonera“, 9. 8. 1949, 73 – 78; alle in: Boor, Masonera. 191 „La actitud que EspaÇa – la EspaÇa actual – ha dispensado a los judos no es conocida en el mundo como fuera debido, porque EspaÇa no tiene por costumbre gloriarse de sus actos. Hasta el extremo que si no hubiera sido por el ataque del Delegado de Israel en la O.N.U. tampoco hoy saldramos a la plaza pfflblica a exhibir una conducta.“, OID, EspaÇa y los Judos, 6; AMAE, Leg. R 8447/12.
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ierter und Sympathisant des NS-Regimes gewesen war und „der einzige überlebende Ausdruck“ dieser Koalition sei. Auch wenn Spanien keinen direkten und aktiven Anteil am Holocaust gehabt habe, könne Israel nicht für das iberische Land stimmen.192 Die Äußerungen Ebans machten deutlich, dass für die israelische Position die kollektive Erinnerung an die Beziehung des franquistischen Spaniens zu NS-Deutschland zentral war.193 Israel war eine der insgesamt 14 Nationen, die gegen die Aufhebung der Resolution stimmten.194 Trotz der offiziellen Neutralität im Zweiten Weltkrieg wurde Spanien aufgrund seiner ideologischen Nähe zu NS-Deutschland moralisch verurteilt. In der OID-Broschüre werden diese Anschuldigungen zurückgewiesen. Man sei sich sicher, dass der israelische Delegierte nicht für die Gesamtheit der Juden gesprochen habe, sondern „die Überraschung und der Scham von Tausenden von Juden“ über die israelischen Äußerungen sogar noch größer als in Spanien selbst gewesen seien.195 Die These einer isolierten Position Israels angesichts der in der jüdischen Bevölkerung tief empfundenen Dankbarkeit wird in der Broschüre untermauert, indem auf verschiedene öffentliche Danksagungen verwiesen wird, wie z. B. auf die Resolution des Jüdischen Weltkongresses 1944.196 In einem zweiten Schritt widmet sich die Broschüre den Hilfsmaßnahmen der spanischen Regierung im Zweiten Weltkrieg für Juden in Frankreich, Rumänien, Griechenland und Französisch-Marokko und kontrastiert diese mit den Erinnerungen des israelischen Delegierten. Auffällig ist dabei, dass die Hilfsmaßnahmen direkt der Regierung zugeschrieben werden und die spanischen Diplomaten im Ausland als eifrige Vollstrecker der Anordnungen aus Madrid erscheinen.197 Darüber hinaus ist die begriffliche Ungenauigkeit bei 192 Vgl.: OID, EspaÇa y los Judos, 7 f; AMAE, Leg. R 8447/12. Rein betont die zentrale Bedeutung der Erinnerung an die ideologische Nähe Spaniens zu NS-Deutschland für das kollektive israelische Gedächtnis. Die Erinnerung an 1492 hatte demgegenüber keinen unmittelbaren Einfluss auf die antifranquistische Position Israels, vgl.: Rein, In the Shadow, 59 f, 68 f. Die Politologin Algora Weber geht davon aus, dass die spanische Regierung aufgrund ihres Verhaltens im Zweiten Weltkrieg über das israelische Verhalten in den Vereinten Nationen enttäuscht gewesen sei, vgl.: Algora Weber, Las relaciones hispano-rabes, 131 f. 193 Vgl.: Rein, In the Shadow, 59 ff. Avni führt das Abstimmungsverhalten Israels in den Vereinten Nationen auf die von ihm als „desencuentro“ charakterisierten Beziehungen zwischen dem franquistischen Spanien und den Juden zurück, vgl.: Avni, Los judos y Franco, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 401. 194 Vgl.: Avni, Spain, 1 f. 195 „la sorpresa y […] la verguenza [sic] de miles de hebreos“, OID, EspaÇa y los Judos, 9; AMAE, Leg. R 8447/12. 196 Der Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, Ignacio Bauer, distanzierte sich in einem Schreiben an den Leiter des Instituto de Cultura Hispnica von der israelischen Position und betonte die tiefe Verbundenheit mit Spanien. Rein nennt als ein mögliches Motiv die Angst vor Restriktionen gegenüber in Spanien lebenden Juden als Reaktion auf die Ereignisse in den UN. Vgl.: Rein, In the Shadow, 38; Brief von Ignacio Bauer an Alfredo Snchez Bella, Madrid, 15. 6. 1949; AMAE, Leg. R 2528/35. 197 Vgl. z. B.: „los representantes del Gobierno espaÇol se hicieron cargo de la defensa de los
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der Bezeichnung der „geretteten Juden“ charakteristisch. In dem OID-Text werden sie abwechselnd als „sephardische Juden“ und als „sephardische Juden mit spanischer Staatsangehörigkeit“ bezeichnet. Auch die Bedeutung des Begriffs „Sepharde“ bleibt sehr vage: „Sepharden sind also die Juden, die aus Spanien stammen, spanische Juden“.198 Während aber die Bezeichnung „Sepharde“ alle Nachfahren der von der Iberischen Halbinsel im 15. Jahrhundert vertriebenen Juden bezeichnet, besaßen nur sehr wenige Sepharden eine spanische Staatsbürgerschaft oder eine offizielle Anerkennung als spanische Schutzgenossen auf Grundlage des 1924 von Primo de Rivera erlassenen Dekrets.199 Die Gleichsetzung der verschiedenen Begrifflichkeiten lässt in der Broschüre den Eindruck entstehen, dass die spanische Repatriierung auch sephardische Juden ohne spanische Staatsangehörigkeit umfasste, bzw. die spanische Staatsangehörigkeit für den durch Spanien gewährten Schutz nicht ausschlaggebend war.200 Avni und Rother betonen demgegenüber, dass Spanien in den meisten Fällen die Staatsangehörigkeit sehr genau geprüft und sich in der ersten Kriegshälfte sogar oftmals nur zögerlich für die eigenen Staatsbürger eingesetzt habe.201 Die Darstellungen der spanischen Hilfsmaßnahmen, basierend auf Dokumenten des Außenministeriums, werden häufig durch jüdische Quellen ergänzt, die als Authentizitätsbeweis dienen sollen. Zur Repatriierung im Ausland lebender spanischer Juden heißt es im Hinblick auf den Vorfall in Saloniki: „Obwohl die Repräsentanten Spaniens sich keine Pause gönnten bei der Bearbeitung der täglichen Konflikte mit den Nazi-Behörden in Angelegenheiten, die die spanischen Juden betrafen, konnte nicht verhindert werden, dass einige Gruppen von ihnen in deutsche Konzentrationslager interniert wurden. Die spanische Regierung
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grupos semitas“, „los esfuerzos del Gobierno espaÇol“, „labor realizada por el Gobierno espaÇol“, OID, EspaÇa y los Judos, 18ff; AMAE, Leg. R 8447/12. Auch die englischsprachige, von der Botschaft in Washington herausgegebene, Broschüre vermittelt den Eindruck eines Aktionismus der spanischen Diplomaten und der Regierung: Spanish Embassy Washington D.C., Spain and The Sephardi Jews, Washington D.C. 1949; AMAE, Leg. R 2328/35. „Sefarditas son, pues, los judos procedentes de EspaÇa, judos espaÇoles“, OID, EspaÇa y los Judos, 16; AMAE, Leg. R 8447/12. Vgl.: Avni, Los judos y Franco, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 403. Eine ähnliche semantische Unklarheit stellt Avni für die von der Botschaft in Washington herausgegebene Broschüre fest, vgl.: Avni, Spain, 181. Demgegenüber heißt es in einer vertraulichen, etwa zehn Jahre später verfassten Stellungnahme der Europa-Abteilung des spanischen Außenministeriums im Hinblick auf die in Frankreich lebenden Juden, dass denjenigen Transit durch Spanien gewährt wurde, die ordnungsgemäße Papiere besaßen: Ministerio de Asuntos Exteriores. Europa, Nota Informativa (confidencial), 15. 9. 1961; AMAE, Leg. R 7330/122. Vgl.: Avni, Spain, 181 f; Rother, Spanien und der Holocaust, 332 f und in den jeweiligen Kapiteln zu den unterschiedlichen Schutzmaßnahmen.
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scheute keine Anstrengungen, um die Befreiung und die Repatriierung dieser unglücklichen Opfer zu erreichen“.202
Um an dieser Darstellung keine Zweifel aufkommen zu lassen, wird sie durch das Zitat einer Danksagung von David Blickenstaff203 von der American Relief Organisation ergänzt, in der dieser auf die Anstrengungen der spanischen Regierung verwies. Tatsächlich wurden am 2. August 1943 367 Juden aus Saloniki in das „Neutralenlager“ nach Bergen-Belsen deportiert.204 Erst nach der Zusage der Alliierten, in Nordafrika ein Auffanglager für Flüchtlinge einzurichten, war Spanien bereit, die Juden aus Saloniki einreisen zu lassen. Auch in Athen führte das Zögern der spanischen Regierung im März 1944 zur Deportation von 155 spanischen Juden nach Bergen-Belsen, die erst kurz vor Kriegsende von US-amerikanischen Truppen befreit wurden.205 Auffällig ist, dass die OID sich auf den Schutz sephardischer Juden in den besetzten Gebieten konzentrierte und demgegenüber die Funktion Spaniens als Transitland in ihrer Darstellung vernachlässigte. Die OID blendete somit den zahlenmäßig bedeutenderen Transit von etwa 20.000 bis 30.000 jüdischen Flüchtlingen aus, vermutlich da eine Selbstinszenierung als aktiver „Retter“ hier nicht möglich gewesen wäre.206 Vielleicht ergab sich für die OID das quantitative Ungleichgewicht aber auch nicht, da sie wesentlich höhere Zahlen „geretteter“ Juden annahm.207 Zugleich fügte sich der Schutz der Sepharden in philosephardische Denkmuster. So führte die OID die Haltung Spaniens gegenüber den sephardischen Juden auf die lange gemeinsame Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel zurück. Diese enge Verbundenheit der Sepharden 202 „A pesar de que los representantes de EspaÇa no se dieron punto de reposo atendiendo a los conflictos que diariamente les planteaban las autoridades nazis por asuntos relacionados con los judos espaÇoles, no se pudo evitar que algunos grupos de ellos fuesen internados en campos de concentraciûn alemanes. El Gobierno espaÇol no escatimû ningffln esfuerzo para conseguir el rescate y repatriaciûn de estas desgraciadas vctimas“, OID, EspaÇa y los Judos, 23; AMAE, Leg. R 8447/12. Eine kritischere Darstellung des Verhaltens des zuständigen spanischen Außenministeriums im Fall der aus Saloniki deportierten Juden findet sich in dem internen Dokument: Ministerio de Asuntos Exteriores. Europa, Nota Informativa, 15. 9. 1961; AMAE, Leg. R 7330/122. 203 David Blickenstaff war seit 1943 für die Betreuung der jüdischen Flüchtlinge während ihres Aufenthaltes in Spanien und vor allem für die Organisation ihrer Ausreise zuständig. Da jüdische Hilfsorganisationen in Spanien offiziell nicht tätig werden durften, bemühte sich USBotschafter Hayes um die Zulassung eines gemeinsamen Büros US-amerikanischer Hilfsorganisationen. Nachdem die spanische Regierung 1943 die Erlaubnis erteilt hatte, wurde Blickenstaff Leiter dieser Vertretung. Vgl.: Avni, Spain, 115. 204 Vgl. dazu die Kommunikation der NS-Sicherheitspolizei und der SS über die Deportation der in Griechenland lebenden Juden: AMAE, Leg. R 6592/37. 205 Vgl.: Rother, Spanien, in: Benz/Wentzel (Hg.), Solidarität und Hilfe. Regionalstudien 3, 147 – 153. 206 Vgl. zu diesem Befund auch: Avni, Los judos y Franco, in: Espadas Burgos/Ruiz Gûmez (Hg.), Encuentros en Sefarad, 414 f. 207 Zu den bewusst oder unbewusst übertriebenen Zahlenangaben für Frankreich vgl. z. B.: OID, EspaÇa y los Judos, 20; AMAE, Leg. R 8447/12.
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zu Spanien habe die franquistische Regierung auch gegenüber ihren Diplomaten im Ausland hervorgehoben.208 Das in der Broschüre erwähnte Vertreibungsedikt von 1492 stellte für die OID keinen Widerspruch zu der tiefen Verbundenheit dar. In ihren Worten handelte es sich um eine „Ausreise aus Spanien von Tausenden von Juden“, welche von den Gegnern Spaniens zu einer „schwarzen Legende“ stilisiert worden sei: „Über dieses Ereignis wurde auf verleumderische Weise berichtet und [die schwarze Legende, A. M.], die Spanien seit Jahrhunderten verfolgt, hat alle Arten von Lügen und Übertreibungen verbreitet. Das berühmte Dekret der Katholischen Könige, das viele Historiker empört hat, war weder eine gute noch eine schlechte Lösung, wie Men¦ndez Pelayo sagt, sondern die einzig mögliche für unsere Nation.“209
Übereinstimmend mit der Relativierung der historischen Zäsur von 1492 erklärt die Broschüre die spanische Haltung im Zweiten Weltkrieg mit der „Sympathie und Freundschaft“ die Spanien aufgrund der „traditionellen Bluts- und Kulturverwandtschaft“ empfinde.210 Um diese Tradition zu bewahren sei 1940 das Instituto Arias Montano gegründet worden, eben zu jenem Zeitpunkt, „als der deutsche Nazismus seine gewalttätigsten Verfolgungen gegen die Juden entfesselte“.211 Eine mögliche Parallele des historischen Vertreibungsediktes zur nationalsozialistischen Judenvernichtung wird zurückgewiesen, indem die OID betont, dass es in Spanien nie Pogrome gegeben habe und jegliche rassische bzw. rassistische Motivation auszuschließen sei.212 Zugleich verweist die Broschüre auf die Normalität jüdischen Lebens im gegenwärtigen Spanien, das frei von Diskriminierungen sei.213 Die OID schlägt so einen Bogen vom mittelalterlichen Zusammenleben über das 1924 von Primo de Rivera erlassene Staatsbürgerschaftsdekret und die Hilfe für sephardische Juden zur To208 Vgl.: OID, EspaÇa y los Judos, 9, 38; AMAE, Leg. R 8447/12. 209 „la salida de EspaÇa de millares de judos“, „Sobre este acontecimiento la calumnia que a lo largo de los siglos ha perseguido siempre a EspaÇa ha volcado toda clase de mentiras y exageraciones. El famoso Decreto de los Reyes Catûlicos, soluciûn ni buena ni mala, como dice Men¦ndez Pelayo, sino fflnica posible para nuestra nacionalidad, ha escandalizado a muchos historiadores“, OID, EspaÇa y los Judos, 15; AMAE, Leg. R 8447. 210 „simpata y amistad“, „vnculos tradicionales de sangre y de cultura“, Ebd., 9; AMAE, Leg. R 8447/12. In der englischsprachigen Broschüre wird eine Tradition der Hilfe konstruiert: Vgl.: Spanish Embassy Washington D.C., Spain and The Sephardi Jews; AMAE, Leg. R 2328/35. 211 „cuando el nazismo alemn desencadenaba su mas [sic] violenta persecuciûn contra los judos“, OID, EspaÇa y los Judos, 30; AMAE, Leg. R 8447/12. 212 Vgl.: OID, EspaÇa y los Judos, 13, 15; AMAE, Leg. R 8447/12. 213 Vgl.: Ebd., 27ff; AMAE, Leg. R 8447/12. In der englischsprachigen Broschüre wird das Verhalten außerdem auf christliche Ideale zurückgeführt: „Such diplomatic protection of defenseless persons is not only one of the highest missions of the diplomatic purpose but also that of Christian charity to a neighbor who had been caught up in the ruthless wheels of totalitarian materialism.“, Spanish Embassy Washington D.C., Spain and The Sephardi Jews; AMAE, Leg. R 2328/35. Vgl. zum Topos der „Nicht-Diskriminierung“ auch das Kapitel 1.1 zum Regierungsdiskurs.
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lerierung der jüdischen Religion in Spanien und im spanischen Protektorat in Marokko und schließlich zum Staatsbürgerschaftsdekret von 1948, in dem die spanische „Großzügigkeit“ kulminiert sei.214 In späteren Darstellungen wird diese philosephardische Traditionslinie um den spanischen Schutz verfolgter Juden in arabischen Ländern in den 1960er Jahren erweitert.215 Abschließend vertritt die OID die Ansicht, dass die entschiedene spanische Haltung im internationalen Vergleich eine Ausnahme darstelle und deshalb stärker gewürdigt werden müsse.216 Die beschönigende Darstellung der spanischen Haltung gegenüber verfolgten Juden in der OID-Publikation blendet alle historischen Ereignisse und Dokumente aus, die das Bild einer von oben angeordneten Hilfspolitik, die in eine spanisch-philosephardische Tradition gestellt wurde, konterkarierten. Auch wenn Rother davon ausgeht, dass es sich weniger um eine bewusst eingesetzte Propagandalüge, als vielmehr um den Ausdruck einer verzerrt wahrgenommenen Realität handelte, kann doch angenommen werden, dass zumindest in Teilen des spanischen Außenministeriums Kenntnisse über den ambivalenten Charakter der Hilfsmaßnahmen vorlagen.217 Dass eine differenziertere Darstellung, auch wenn diese möglich gewesen wäre, nicht im Interesse der OID lag, verdeutlicht die Schlussbemerkung in der Broschüre, mit der erneut der Bogen zum Anlass der Publikation geschlagen wird: „Im Verlauf des letzten Weltkrieges hat die spanische Regierung den Juden, wie der Leser gerade sehen konnte, zahlreich und großzügig Hilfe geleistet. Ohne Rücksicht auf Vorbehalte und ohne sich zu fragen, ob die Bedürftigen ihres Schutzes spanischer Herkunft waren oder nicht. Demjenigen der ängstlich und dringend an seine [Spaniens, A. M.] Tür klopfte, wurde geöffnet […]. Was hätte Spanien mehr für die Juden tun können? Ihnen die eigene Nationalität zu geben, sie zu Spaniern zu machen? Sogar dies hat man gemacht. Wer hat mit mehr Großzügigkeit gehandelt als Spanien? […] Aber, obwohl er sich sogar in seiner eigenen Rede widersprach, stimmte der Delegierte Israels gegen Spanien, gegen die Nation, die so viele Menschen seiner Rasse gerettet hatte.“218 214 „La generosidad del r¦gimen espaÇol ha culminado finalmente en el Decreto-Ley de 29 de diciembre de 1948“, OID, EspaÇa y los Judos, 38; AMAE, Leg. R 8447/12. Das Dekret ist in seiner vollen Länge abgedruckt: Ebd., 38 – 41. 215 Vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 104 – 107; Rein, In the Shadow, 200 f. 216 In den Abschnitten zu Frankreich und zu Französisch-Marokko ist der Versuch einer positiven Abgrenzung von Vichy-Frankreich herauszulesen. England wird sein restriktives Verhalten bei der Einwanderung nach Palästina vorgehalten. Vgl.: OID, EspaÇa y los Judos, 18ff; 22 f, 25 f; AMAE, Leg. R 8447/12. Auch Rother betont, dass die zögerliche Haltung der Alliierten und der neutralen Staaten bei den Zeitgenossen diesen Eindruck erwecken konnte, vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 330 – 335. Im Juni 1979 heißt es dazu in einem sonst eher kritischen Beitrag in El Pas: „EspaÇa, con todo, permitiendo el trnsito y la estancia durante muchos meses de miles de refugiados, hizo lo que ninguna naciûn aliada estaba dispuesta a realizar“, vgl.: „La odisea de los sefardes espaÇoles“, in: El Pas, 24. 6. 1979. 217 Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 335. 218 „Durante el transcurso de la Guerra mundial fflltima, el Gobierno espaÇol ha dispensado, como
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Die von der spanischen Regierung in Auftrag gegebenen oder erarbeiteten Darstellungen zu den Hilfsaktionen für verfolgte Juden während des Zweiten Weltkrieges zielten, wie dieses Zitat unterstreicht, auf die Überwindung der internationalen Ächtung des Franco-Regimes nach 1945 und auf die Vermittlung eines positiveren Spanien-Bildes in der internationalen Öffentlichkeit. Sie fügten sich damit in die Strategie der franquistischen Regierung, die sich Rein zufolge aus an den Westen gerichteten antikommunistischen und antifaschistischen Botschaften zusammensetzte.219 Auch wenn für die Aufnahme Spaniens in die internationale Gemeinschaft letztlich geostrategische Überlegungen im Kalten Krieg ausschlaggebend waren, prägte die OID mit ihrer Darstellung den Erinnerungsdiskurs und populäre Geschichtsbilder über das Ende der Diktatur hinaus.220
2.2 Kontrolle des Gedächtnisses. Nachwirkungen des „Rettermythos“ Die franquistische Propaganda trug dazu bei, dass der „Rettermythos“ zu einem spanisch-jüdischen Erinnerungsort wurde, der sich auch strukturierend auf die Kontakte der spanischen Regierung mit jüdischen Repräsentanten und Organisationen auswirkte, wie bereits gezeigt wurde. Die zentralen Aspekte dieses Erinnerungsortes sind: die Personifizierung allen Handelns mit Staatschef Franco, der so als der eigentliche „Retter“ erscheint, die dem Handeln zugrunde liegende Großzügigkeit und Entschlossenheit, eine zahlenmäßige Übertreibung der geretteten Juden, die positive Abgrenzung gegenüber dem zögerlichen Verhalten der anderen neutralen Staaten und der Alliierten sowie der Verweis auf die Tradition des spanischen Philosephardismus und die in der jüdischen Bevölkerung tief empfundene Dankbarkeit.221 Nachdem die franquistische Regierung in der unmittelbaren Nachkriegszeit dieses Kapitel der jüngsten Vergangenheit für außenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren versucht hatte, musste sie sich in der Folgezeit mit einem von außen an sie herangetragenen Interesse an dem Thema auseinandersetzen. Wie das Regime auf dieses Interesse bzw. auf den Wunsch nach einer Erforschung dieser Vergangenheit reagierte, kann exemplarisch an dem acaba de ver el lector, mfflltiple y generosa ayuda a los judos. No ha reparado en distingos, no se ha parado a preguntar si los necesitados de su protecciûn eran o no de origen espaÇol. A quien angustiosa y urgentemente llamaba a su puerta se le abra […]. ¿Qu¦ ms poda hacer EspaÇa en favor de los judos? ¿Darles su propia nacionalidad, hacerles espaÇoles? Pues hasta eso se ha hecho. ¿Qui¦n ha obrado con ms liberalidad que EspaÇa? […] Pero aun contradici¦ndose en su mismo discurso, el Delegado de Israel votû contra EspaÇa, contra la Naciûn que a tantos hombres de su raza haba salvado“, OID, EspaÇa y los Judos, 43; AMAE, Leg. R 8447/12. 219 Vgl.: Rein, In the Shadow, 28 f. 220 Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden?, in: ZfG, 45:2/1997, 122. 221 Zur Übertreibung der durch Spanien „geretteten“ Juden, insbesondere im medialen Diskurs, vgl.: Avni, Spain, 2 f.
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Umgang der spanischen Ministerien mit der Person Chaim U. Lipschitz verdeutlicht werden. Anhand der Reaktionen auf sein Forschungsanliegen lassen sich als symptomatisch zu erachtende Verhaltensweisen herauskristallisieren. Lipschitz genoss aufgrund seiner amerikanischen Herkunft und seiner öffentlichen Position als Herausgeber der Jewish Press und als Mitglied verschiedener amerikanisch-jüdischer Organisationen große Aufmerksamkeit im spanischen Außenministerium. Zusätzliche Öffentlichkeit wurde Lipschitz und seinem Forschungsprojekt dadurch zuteil, dass er bei seiner ersten Spanien-Reise 1970 von einem Team des US-amerikanischen Fernsehsenders CBS begleitet wurde, woraus die dreißigminütige Reportage The quiet Samaritan entstand, die am 17. März 1970 in den USA ausgestrahlt wurde.222 Lipschitz hatte sich Anfang 1969 an den spanischen Botschafter in Washington Merry del Val (1964 – 1970) gewandt und seinen Wunsch geäußert, zu Recherchezwecken für sein geplantes Buch über Franco und die Juden nach Spanien zu reisen.223 Das vorgetragene Anliegen Lipschitz’, der auch um eine Audienz bei Staatschef Franco ersuchte, führte in den Folgemonaten zu einer Debatte zwischen der Botschaft in Washington, dem Außenministerium und dem Ministerium für Information und Tourismus. Botschafter Merry del Val fungierte, wie zuvor bei anderen Besuchen, als Kontaktvermittler. Während er dem Anliegen von Lipschitz wohlgesonnen gegenüberstand, da es sich seiner Ansicht nach um eine in den USA einflussreiche Persönlichkeit handelte und die geplante Untersuchung zur spanischen Hilfe für verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg im spanischen Interesse liege, standen Teile des Außen222 Für die CBS-Reportage wurden u. a. Jaime de Ojeda als Vertreter des Außenministeriums sowie Samuel Toledano und Max Mazin, Vizepräsident und Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, sowie ehemalige jüdische Flüchtlinge interviewt. Vgl.: Schreiben von Jaime de Ojeda an Alberto Pascual, Generalkonsul in Jerusalem, Madrid, 2. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22; Nota informativa [Verf. unb.], Madrid, 23. 2. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25; „Unos cien mil judos fueron salvados, en los aÇos de la segunda guerra mundial por la intervenciûn personal del General Franco“, in: ABC, 17. 3. 1970, 26; „Extenso reportaje en la TV americana sobre la ayuda prestada por EspaÇa“, in: ABC Sevilla, 17. 3. 1970, 34. Vgl. auch: Rother, Spanien und der Holocaust, 6. Als ein weiteres Indiz für die Aufmerksamkeit und das Interesse, die Lipschitz zuteil wurden, kann die schnelle Verbreitung der von ihm aufgrund seiner Recherchen „errechneten“ Zahl von 60.000 durch Spanien geretteten Juden in der internationalen Presse gelten. Vgl.: Schreiben von Direcciûn General de Asuntos de Am¦rica an Subdirecciûn General Am¦rica del Norte, Madrid, 2. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22; Artikel aus Jeune Afrique über Lipschitz, von der Botschaft in Paris ans Außenministerium geschickt, 2. 8. 1970; AMAE, Leg. R 12186/23; „,Franco saved 60,000 Jews during World War‘“, in: Jerusalem Post, 18. 1. 1970; AMAE, Leg. R 15122/39; „Franco salvû a ms de 60.000 judos en la Segunda Guerra Mundial“, in: Arriba, 24. 2. 1970, 10; „Franco salvû ms de sesenta mil judos“, in: ABC Sevilla, 24. 2. 1970, 18; Montsant, Oriol de, EspaÇa y los judos, in: La Vanguardia, 25. 2. 1970, 18. 223 Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 12. 5. 1969; Brief von Chaim U. Lipschitz an Marqu¦s de Merry del Val, New York, 19. 11. 1969; AMAE, Leg. R 12186/22. In einigen Korrespondenzen wird erwähnt, dass Lipschitz im Auftrag der Rabbinischen Allianz von Amerika nach Spanien reiste, vgl. z. B.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an NuÇo Aguirre de Crcer, Director General de Am¦rica y Extremo Oriente, Washington D.C., 2. 12. 1969; AMAE, Leg. R 12186/22.
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ministeriums der Angelegenheit skeptisch gegenüber. Auf besondere Vorbehalte stieß die von Lipschitz gewünschte Audienz bei Franco sowie seine Begleitung durch ein Team des Fernsehsenders CBS.224 Merry del Val und die Abteilung des Außenministeriums für Nordamerika und den Fernen Osten konnten sich schließlich mit ihrer Einschätzung durchsetzen, dass die von Lipschitz geplante Veröffentlichung über spanische Hilfsmaßnahmen im Zweiten Weltkrieg positive Auswirkungen auf die öffentliche Meinung in den USA hätten.225 Das Interesse an der spanischen Haltung im Zweiten Weltkrieg war Ende der 1960er Jahre im Zusammenhang mit dem Sechs-Tage-Krieg, der die jüdische Bevölkerung in einigen arabischen Ländern bedrohte, neu erwacht.226 Das Außenministerium hatte im Februar 1968 eine Auflistung positiver und negativer Äußerungen von jüdischen Persönlichkeiten zum spanischen Verhalten im Zweiten Weltkrieg erstellt. Vermutlich handelte es sich dabei um eine Reaktion auf die Rede des israelischen Delegierten Arie Eilan vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1967 im Zusammenhang mit der Gibraltar-Frage.227 In seiner Rede hatte Eilan auf die Entsendung der Blauen Division im Zweiten Weltkrieg verwiesen und Spanien das moralische Recht abgesprochen, sich in Fragen der Freiheit und Demokratie zu äußern.228 Der Zwischenfall bedeutete einen (vorübergehenden) Rück224 Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an NuÇo Aguirre de Crcer, Director General de Am¦rica y Extremo Oriente, Washington D.C., 2. 12. 1969; AMAE, Leg. R 12186/22; Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 4. 2. 1970 [vermutlich ist das Datum falsch, da in der Mitteilung Bezug auf ein Schreiben der Subdirecciûn General de Am¦rica del Norte vom 2.3. genommen wird.]; AMAE, Leg. R 12186/22; Schreiben von Jaime Argüelles, Botschafter in Washington [Empfänger unbekannt], Washington D.C., 8. 5. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24; Schreiben von Subdirector de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente an Subdirector General de Norteam¦rica, 23. 5. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Zur Skepsis im Außenministerium vgl. auch AMAE, Leg. R 12186/25: Rabino Lipschitz, libro „Franco y los judos“, 1972. 225 Vgl. zu dieser Einschätzung z. B.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an NuÇo Aguirre de Crcer, Washington D.C., 2. 12. 1969; AMAE, Leg. R 12186/22; Subdirecciûn General de Am¦rica del Norte y Extremo Oriente, Nota para el Subsecretario, Madrid, 2. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 226 Zugleich wiederholten sich in diesem Zusammenhang Danksagungen jüdischer Organisationen und Einzelpersonen für die von der spanischen Regierung geleistete Hilfe bei der Evakuierung arabischer Juden aus ihren Heimatländern. Vgl. z. B.: Carpeta: Judos, intervenciûn espaÇola en favor de los judos en el Medio Oriente, y Prûximo Oriente, 1969 – 1970; AMAE, Leg. R 12047. 227 Die Rede wird in dem Dokument als ein negatives Beispiel aufgeführt. Über den genauen Grund dieser Auflistung ebenso wie über ein abschließendes Urteil gibt das Dokument keinen Aufschluss. Vgl.: Nota Informativa, 18. 2. 1968 [Datum handschriftl. ergänzt]; AMAE, Leg. R 15102/1. 228 Der Inhalt der Rede ist nach dem Dokument des spanischen Außenministeriums wiedergegeben, vgl.: Nota Informativa, 18. 2. 1968 [Datum handschriftl. ergänzt]; AMAE, Leg. R 15102/1. Zu den Auseinandersetzungen zwischen der spanischen und der israelischen Delegation in den Vereinten Nationen im Hinblick auf die Gibraltar-Frage vgl. auch: „Attack on Spain upsets Jews“, in:
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schritt in der spanisch-israelischen Annäherung, die unterhalb der offiziellen Ebene in den Jahren zuvor erreicht worden war. Aus spanischer Sicht bestand so weiterhin die Notwendigkeit, sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft von seiner Vergangenheit zu distanzieren. Lipschitz wurde im Januar 1970 vom Ministerium für Information und Tourismus offiziell eingeladen. Die fünftägige Spanien-Reise, vom 6. bis 11. Januar, umfasste Aufenthalte in Madrid, Toledo und Barcelona. Verantwortlich für die Organisation und Betreuung während der Reise war Luis Lûpez Ballesteros aus der Abteilung für Auslandsdienststellen (Servicios en el Exterior) des Ministeriums für Information und Tourismus.229 Lipschitz traf sich, soweit den Quellen zu entnehmen ist, mit Vertretern der jüdischen Gemeinde in Madrid sowie mit Jaime de Ojeda, Direktor für Allgemeine Angelegenheiten in der Amerika-Abteilung des Außenministeriums.230 Ojeda bedankte sich am 9. Januar 1970, einen Tag nach dem Gespräch, in einem Brief bei Lipschitz und sicherte ihm seine Unterstützung zu:231 „I repeat that I personally believe this request to be very reasonable and convenient both to you, as an [sic] historical researcher, and to the Spanish State, in order to
JC, 5, 148, 22. 12. 1967, 36. Der Präsident der CJM Max Mazin habe auf diesen Vorfall mit einem Telegramm an Abba Eban, der zu dem Zeitpunkt israelischer Außenminister war, reagiert. Auf besondere Verärgerung sei dabei der israelische Verweis auf die spanische Unterstützung NSDeutschlands im Zweiten Weltkrieg durch die Blaue Division gestoßen. Mazin unterstrich in seinem Telegramm die Hilfe für verfolgte Juden: „The Jews of Madrid wish to emphasise [sic] the traditional humanitarian attitude of the Spanish Government during the Nazi persecutions and on all occasions of danger for our brethren, safeguarding in many countries their liberties and lives“, zit.n.: Ebd. Zu diesem erneuten spanisch-israelischen Konflikt vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 119 f. 229 Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 12. 5. 1969; Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an NuÇo Aguirre de Crcer, Director General de Am¦rica y Extremo Oriente, Washington D.C., 2. 12. 1969; beide AMAE, Leg. R 12186/22. Da Lipschitz sowie sein Begleiter Golden Journalisten waren, wurde eine Betreuung durch das Ministerio de Informaciûn y Turismo für angemessen gehalten. Der dritte der Botschaft bekannte Begleiter, Socacheosky, sollte vom Außenministerium eingeladen werden. Vgl.: Ministerio de Informaciûn y Turismo, Nota sobre la proyectada visita a EspaÇa del Rabino Dr. Lipschitz, o. Datum; AMAE, Leg. R 12186/22. 230 Ojeda zufolge traf sich Lipschitz mit zwei weiteren Mitarbeitern des Außenministeriums, die wahrscheinlich für das Archiv zuständig waren. Von weiteren Kontakten mit Vertretern des Ministeriums für Information und Tourismus ist auszugehen, da dieses Ministerium für die Betreuung des Besuchers zuständig war. Ebenso von einem Treffen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde in Barcelona, wo sich Lipschitz ebenfalls aufhielt. Ob Lipschitz auch, wie von der Botschaft in Washington angeregt, das Instituto de Estudios Sefardes besuchte, geht aus den Quellen nicht hervor. Vgl.: Schreiben von Jaime de Ojeda an Felipe de la Morena, Botschaft in Washington, Madrid, 10. 1. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 231 Dass sich die Meinungen innerhalb des Außenministeriums unterschieden und z. B. Ojeda dem Vorhaben Lipschitz’ positiver gegenüberstand, kann auf die in den verschiedenen Abteilungen unterschiedlich eingeschätzte Bedeutung des Themas sowie auf persönliches Interesse zurückgeführt werden.
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bring out to light an aspect of Spanish history which speaks very highly of our neutrality and its meaning during that cruel world conflict“.232
Das Zitat zeigt, dass Ojeda weniger an der spanischen Haltung gegenüber verfolgten Juden als vielmehr an der Betonung der spanischen Neutralität im Zweiten Weltkrieg gelegen war. Die von Lipschitz erbetene Audienz bei Franco fand nicht statt.233 Die Diskussionen über die Gewährung eines solchen Treffens zu einem späteren Zeitpunkt hielten daher auch nach seiner Abreise an. Während innerhalb des Außenministeriums weiterhin Befürchtungen bestanden, Lipschitz könne ein solches Treffen zu politischen Zwecken missbrauchen, sprach sich die Abteilung Nordamerika im März 1970 dafür aus: „Aus dem gleichen Grund, wenn man die große Resonanz bedenkt, auf die die Äußerungen des Rabbiners bereits jetzt stoßen, erscheint es ratsam, ihm eine kurze Audienz vonseiten des Staatschefs zu gewähren, die positive Auswirkungen im Hinblick auf die öffentliche Meinung in Nordamerika hätte“.234
Am 11. März unterstrich die Nordamerika-Abteilung ihre Position, da in der Zwischenzeit ein Telegramm der spanischen Botschaft aus Washington eingetroffen war, in dem diese eine Audienz bei Franco ebenfalls befürwortete. An den verschiedenen Positionen zeigt sich die unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung dieses Themas. In Spanien selbst hatte es für die Legitimation des Regimes keine Relevanz, der Botschafter in Washington hingegen schätzte das Interesse und damit die potenziell positive Wirkung als hoch ein. Die Afrika-Abteilung des Außenministeriums scheint daraufhin in dieser Frage eingelenkt zu haben.235 Dennoch bestanden weiterhin Zweifel, und der ehemalige Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, Max Mazin, wurde vom Außenministerium über die geplante Audienz in Kenntnis gesetzt und um eine Stellungnahme gebeten.236 Dessen negative Einschätzung der Person Lipschitz
232 Brief von Jaime de Ojeda an Chaim U. Lipschitz, Madrid, 9. 1. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 233 Vgl.: Direcciûn General Asuntos de Am¦rica, Nota Informativa, Madrid, 9. 1. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 234 „Por la misma razûn, teniendo en cuenta la gran resonancia que estn alcanzando ya las declaraciones del Rabino, parece aconsejable concederle una breve audiencia por parte del Jefe del Estado, que tendra repercusiones favorables respecto a la opiniûn pfflblica norteamericana.“, Subdirecciûn General Am¦rica del Norte, Nota para el seÇor Subsecretario, Madrid, 2. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. Auch die Botschaft in Washington befürwortete eine Audienz: Vgl.: Subdirecciûn General Am¦rica del Norte, Nota para el seÇor Subsecretario, Madrid, 11. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Zu den Befürchtungen vgl. z. B.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para el Subsecretario, Madrid, 4. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 235 Vgl.: Schreiben von Subdirector General de Ýfrica, Prûximo y Medio Oriente an Subdirector General de Norteam¦rica, Madrid, 23. 5. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Allerdings betonte die Subdirektion für Afrika und den Nahen Osten, dass die Audienz streng nach Protokoll ablaufen müsse und weder den Charakter eines Arbeitstreffens noch eines Interviews annehmen dürfe. 236 Im April 1970 war in Madrid eine neue Gemeindeführung gewählt worden, der Max Mazin
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wurde anschließend auch in zwei Mitteilungen des Außenministeriums übernommen. Dort heißt es, dass Mazin sich überrascht gezeigt habe, da er Lipschitz für einen „geschwätzigen Intriganten“ halte, der weder für die USA noch für die jüdische Welt jemanden repräsentiere.237 Dieser Vorgang ist insofern bedeutend, als dass es sich hier um eine Ausnahme zu handeln scheint: Dass ein in Spanien lebender Jude vom Außenministerium um seine persönliche Einschätzung eines amerikanischen Juden gebeten und diese Einschätzung schließlich übernommen wurde, kann auf die früheren Kontakte des Ministeriums mit Mazin während dessen langer Zeit als Präsident der CJM zurückgeführt werden. Trotz der eher negativen Haltung des Außenministeriums fand am 8. Juli 1970 während der zweiten Spanien-Reise von Lipschitz ein Treffen mit Franco im Pardo-Palast statt. Daran wird deutlich, dass sich auch in dieser Angelegenheit die Botschaft und die Unterabteilung für Nordamerika mit ihrer Einschätzung durchsetzten, die sie durch ein in der US-amerikanischen Zeitschrift Newsweek Anfang März 1970 publiziertes Interview mit Lipschitz bestätigt sahen.238 In dem Interview hatte Lipschitz kurz nach seinem ersten Spanien-Aufenthalt seine Dankbarkeit gegenüber Franco und dessen Hilfe für verfolgte Juden ausgedrückt.239 So hatte die Nordamerika-Abteilung am 27. Mai 1970 geschrieben, „obwohl es sich bei dem Rabbiner Lipschitz um eine Person mit wenig Niveau handelt, ist die Situation die, dass er dabei ist ein Buch über ,Franco und die Juden‘ zu publizieren, welches zu einer einzigartigen Kampagne in der Öffentlichkeit geführt hat, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch im Rest der Welt, und in diesem Sinne hat er eine Arbeit verwirklicht, für die ihm in irgendeiner Form gedankt werden muss“.240
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nach internen Konflikten nicht mehr angehörte. Neuer Gemeindepräsident wurde für zwei Jahre Sam Roberto Bensadûn. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para el subsecretario, Madrid, 4. 2. 1970; Nota para el Subdirector General, Madrid, 26. 5. 1970; beides AMAE, Leg. R 12186/22. In einem späteren Schreiben der Amerika-Abteilung heißt es, dass sich Mazin in jeder Hinsicht einverstanden, mit dem Vorgehen des Außenministeriums gezeigt habe. Vgl.: Nota para el Subdirector General, Madrid, 27. 5. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Außer Lipschitz und Franco war während der Audienz nur Jaime de Ojeda anwesend, der als Dolmetscher fungierte. Der im Anschluss an das Treffen von der Nordamerika-Abteilung verfasste Bericht erwähnt, dass die OID vom Ministerium für Information und Tourismus die Bereitstellung eines Kameramannes erwirkt hatte, der Aufnahmen für das amerikanische Fernsehen machen sollte. Franco habe aber, trotz mehrfachen Bittens durch Lipschitz, jegliche Filmaufnahmen verweigert. Ob dies aus persönlichen Gründen oder aufgrund von Befürchtungen vor einem Kontrollverlust geschah, geht aus den Quellen nicht hervor. Vgl.: Lipschitz, Franco, 163; Subdirecciûn General de Asuntos de Am¦rica del Norte y Extremo Oriente, Nota Informativa, Madrid, 9. 7. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Vgl.: Direcciûn General de Asuntos de Am¦rica. Subdirecciûn General Am¦rica del Norte, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 2. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. „a pesar de que el Rabino Lipschitz es una persona de poca categoria [sic], el hecho es que est
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Da sich Lipschitz’ Vorhaben aus Sicht der Nordamerika-Abteilung in vollkommenem Einklang mit spanischen Interessen befand, befürwortete sie auch eine Audienz bei Franco. Nachdem diese stattgefunden hatte, nahm die Abteilung an, dass Lipschitz mit dem Verlauf des Gespräches sehr zufrieden gewesen sei, da es ihm Material für ein weiteres Kapitel seines Buches geliefert habe.241 Dieser Einschätzung steht Lipschitz’ eigenes Urteil in dem Schreiben an Außenminister Lûpez Bravo entgegen, in dem er seine Enttäuschung über das Gespräch betont: „At the interview, I was neither permitted to be accompanied by a stenographer, or was I permitted to bring a tape recorder; I had to rely on what sketchy notes I could take during the translations. Furthermore, and with all due respect, the Generalissimo neither offered any substantive comments to any of the topics I introduced, nor did he refer me to any other official for further enlightment“.242
Diese Kritik wiederholte Lipschitz unter der Überschrift „A Fruitless Interview with General Franco“ im 13. Kapitel seines Buches. Die Idee für ein Treffen mit Franco führt er in diesem Kapitel auf die spanische Botschaft in Washington zurück, die ihn darauf hingewiesen habe, dass eine entsprechende Anfrage positiv beantwortet werden würde.243 Über das Treffen selbst, welches Lipschitz zufolge eine halbe Stunde dauerte, schreibt er, dass Franco unvorbereitet und ohne die erwarteten Informationen und Materialien erschienen sei, sodass es weder Aufschluss über Francos Motive noch über neue Sachverhalte gebracht habe.244 Der Verlauf des Treffens, welches – entgegen
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publicando un libro sobre ,Franco y los judos‘ ha desplegado una singular campaÇa publicitaria no sûlo en los Estados Unidos sino en el resto del mundo y en este sentido ha llevado a cabo una labor que es necesario agradecer de algffln modo“, Subdirecciûn General de Am¦rica, Nota para el Subdirector General, Madrid, 27. 5. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Vgl.: Subdirecciûn General de Am¦rica del Norte y Extremo Oriente, Nota Informativa, Madrid, 9. 7. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. Brief von Chaim U. Lipschitz an Gregorio Lûpez Bravo, Außenminister, New York, 14. 2. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25. Inwieweit diese Darstellung zutreffend ist, bleibt offen. Den Quellen ist lediglich – wie im Text dargestellt – eine grundlegend positive Haltung der spanischen Botschaft hinsichtlich einer Audienz bei Franco zu entnehmen. Vgl.: Lipschitz, Franco, 163 – 167. Die Audienz bei Franco wurde in den entsprechenden Auflistungen in ABC und La Vanguardia aufgeführt. ABC hatte bereits während der ersten Spanien-Reise ein Treffen mit Franco angekündigt. Vgl.: „El gran rabino de Nueva York, que desde ayer se encuentra en la capital, visitû el ayuntamiento“, in: ABC, 10. 1. 1970, 45; „Audiencias civiles del Jefe del Estado“, in: Ebd., 9. 7. 1970, 25; „Audiencia civil del Jefe del Estado“, in: La Vanguardia, 9. 7. 1970, 7. Entgegen der Darstellung von Lipschitz ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Franco unvorbereitet erschien, da offizielle Audienzen mit dem Staatschef von langer Hand vorbereitet und geplant wurden. Im 14. Kapitel seines Buches erstellt Lipschitz eine Liste mit möglichen Motiven für Francos Engagement für verfolgte Juden. Daraus wird deutlich, dass Lipschitz – trotz seiner enttäuschenden Erfahrungen mit dem spanischen Außenministerium und dem Staatschef selbst – an seiner These festhielt, dass es sich um von Franco persönlich koordinierte Hilfsmaßnahmen gehandelt habe. Vgl.: Lipschitz, Franco, Kap. 14.
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Lipschitz’ Schilderung – vorbereitet worden war, wie sich verschiedenen Korrespondenzen zwischen den beteiligten Ministerien entnehmen lässt, deutet darauf hin, dass dem franquistischen Regime zwar an einer symbolischen Geste gelegen war, es aber keineswegs zu einer Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Rabbiner bereit war. Auffällig ist, dass Francos Äußerungen stark der Darstellung der Hilfsmaßnahmen in den von der OID veröffentlichten Broschüren ähnelten. So verwies er laut dem von Lipschitz verfassten Transkript sowohl auf ein Gefühl der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, das die Haltung der Regierung gegenüber den verfolgten Juden bestimmt habe, als auch auf die unterschiedslose Hilfe für alle verfolgten Juden.245 Dennoch war die Führungsspitze 1970 zu einer aktiven Unterstützung der (propagandistischen) Darstellung der spanischen Haltung im Zweiten Weltkrieg nicht bereit. In den meisten Fällen reagierten die zuständigen Stellen des franquistischen Regimes erst auf Drängen der Botschaft in Washington, so auch im Fall des von Lipschitz erbetenen Quellenmaterials. Die Frage nach der Bereitstellung von Dokumenten aus dem Archiv des Außenministeriums für das von Lipschitz geplante Buchprojekt hatte sich in der internen Debatte seit Lipschitz’ erster Kontaktaufnahme mit der spanischen Botschaft in Washington 1969 zum Hauptkonfliktpunkt zugespitzt. Die Freigabe der Akten wurde vor und während des ersten Besuches von den beteiligten Regierungsstellen in Madrid abgelehnt.246 In einem Gespräch mit Lipschitz Anfang Januar 1970 kündigte Jaime de Ojeda aber an, die Bitte nach Materialien an die Entscheidungsträger im Ministerium weiterzuleiten. Zugleich empfahl er Lipschitz, Kontakt zu spanischen Diplomaten aufzunehmen, die in den deutsch besetzten Gebieten tätig gewesen waren.247 Er verwies z. B. auf Ýngel Sanz Briz, ebenso wie auf Isaac Moshel,248 der Ojeda zufolge von 245 Vgl.: Lipschitz, Franco, 164 f; OID, EspaÇa y los Judos, 8 f; 43 f. 246 Nach seiner Abreise aus Spanien richtete sich Lipschitz daher in einem Brief erneut an Franco und drückte seine Hoffnung auf die Unterstützung seines Anliegens durch den Staatschef aus. Vgl.: Brief von Chaim U. Lipschitz an Generalssimo Francisco Franco, New York, 1. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 247 Vgl.: Brief von Jaime de Ojeda an Chaim U. Lipschitz, Madrid, 9. 1. 1970; AMAE, Leg. R 12186/ 22. 248 In dem oben erwähnten Brief verweist Ojeda auf Isaac Moshel. Allerdings erwähnt Lipschitz in einem Antwortschreiben an Ojeda vom 10. 2. 1970 ein Treffen mit Isaac Molho in Jerusalem. Möglicherweise lag eine Verwechslung vor und Ojeda meinte Molho. Isaac Molho stammte aus Thessaloniki und war 1961 in Spanien gewesen. Dort hatte er an einer von M¦nendez Pidal veranstalteten Konferenz teilgenommen, 1964 veröffentlichte er in der von ihm herausgegebenen Reihe Tesoro de los judos sefardes einen Artikel über den „spanischen Edelmann“ Sanz Briz. Vgl.: Molho, Un hidalgo EspaÇol, in: Ders., Tesoro de los judos sefardes Vol. VII, 32 – 40; Ders., SueÇo o Realidad? Contactos y descubrimientos. Notas y impresiones de viaje en EspaÇa en el 1961, in: Ders., Tesoro de los judos sefardes. Estudios sobre la historia de los judos sefardes y su cultura Vol. V, Jerusalem 1962, 5 – 32. Vgl. auch den Eintrag zu „Isaac R. Molho“ in: JBA I, 486, 45. In dem Artikel Barriuso, Jos¦, La primera sinagoga en EspaÇa desde el s. XV, in: Terra Santa, 485 – 486/1969, 28 – 37 werden auf Grundlage von Molhos Angaben die Hilfsmaßnahmen von Ýngel Sanz Briz dargestellt. Wie eng die Beziehungen zwischen Molho
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Sanz Briz in Ungarn vor der Verfolgung gerettet worden war und inzwischen in Israel lebte. Damit nannte Ojeda zwei Personen, die zu einer Glorifizierung der Hilfsmaßnahmen beitragen würden: einen der Hauptakteure und einen „Geretteten“.249 Lipschitz befolgte den Ratschlag und traf sich mit Sanz Briz am 15. Juni 1970 in Den Haag, wo dieser spanischer Botschafter war. Sanz Briz berichtete im Nachgang zu dem Gespräch an den spanischen Außenminister, dass Lipschitz ein Bewunderer Francos sei, der der Erinnerung an die Hilfsmaßnahmen ihren verdienten Platz in der öffentlichen Meinung zukommen lassen wolle.250 Innerhalb des Außenministeriums war es allerdings bereits zu Beginn des Jahres 1970 zu einer Entscheidung im Hinblick auf die von Lipschitz gewünschte Akteneinsicht gekommen: „Die Dokumentation über die Haltung Spaniens gegenüber den Juden während des Zweiten Weltkrieges, die in den Archiven des Ministeriums enthalten ist, ist eine sehr heikle Angelegenheit. Neben hervorstechenden und bemerkenswerten Aktionen für die Juden in verschiedenen Ländern Europas und in Spanien findet man tatsächlich auch zum Teil schwierig zu isolierende und zu trennende Meinungen und Anweisungen, die man sehr negativ bewerten könnte.“251
und dem franquistischen Regime waren, zeigt sich daran, dass er 1964 von Franco mit dem Zivilorden „Alfonso X el Sabio“ ausgezeichnet und 1969 in die Real Academia EspaÇola aufgenommen wurde. Vgl.: „Noticias“, in: Sefarad, 1/1965, 185; „Noticias“, in: Ebd., 1/1969, 183. Außenminister Castiella befürchtete hingegen, dass Molho israelische und jüdische Angelegenheiten vermischen könnte. Die entsprechende Äußerung stand in Zusammenhang mit einem Besuch Molhos in Madrid. Vgl.: Schreiben von Fernando Mara Castiella an Ýngel Sanz Briz, Madrid, 24. 12. 1968; AMAE, Leg. R 15102/12. Ýngel Sanz Briz trug durch seine Darstellungen entscheidend zu der Legende bei, dass die franquistische Regierung bzw. Franco persönlich die Rettung verfolgter Juden in Ungarn angeordnet habe. Vgl. z. B.: Brief von Ýngel Sanz Briz an Isaac R. Molho, New York, 15. 11. 1963; AMAE, Leg. R 7330/122. 249 Da sich zu der von Ojeda genannten Person keine Informationen finden ließen, ist unklar, ob sie existierte und falls ja, ob sie von den spanischen Hilfsmaßnahmen, wie von ihm behauptet, profitieren konnte. Wenn es sich um eine Verwechslung handelte und Isaac Molho gemeint war, so wäre der Hinweis, dass es sich um einen „Geretteten“ handelte, falsch. Molho lebte bereits seit 1919 in Jerusalem. 250 Schreiben von Ýngel Sanz Briz, Botschafter in Den Haag, an Außenminister, Den Haag, 15. 6. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. Im Vorfeld des Besuchs hatte das Außenministerium mit Sanz Briz Kontakt aufgenommen, vgl.: Schreiben von NuÇo Aguirre de Crcer, Direcciûn de Asuntos Exteriores de Am¦rica y Extremo Oriente, an Ýngel Sanz Briz, Botschafter in Den Haag, Madrid, 9. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 251 „La documentaciûn contenida en los archivos del Ministerio sobre la actitud de EspaÇa con los judos durante la segunda guerra mundial es de muy delicado manejo. Al lado de acciones muy destacadas y notables en favor de los judos en distintos pases de Europa y en EspaÇa se recoge en efecto tambi¦n, en forma a veces difcil de aislar y separar, criterios e instrucciones que podran llegar a considerarse realmente negativos“, Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 4. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. Vgl. auch: Direcciûn General Asuntos de Am¦rica, Nota Informativa, Madrid, 9. 1. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22.
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Diese Einschätzung führte zu dem Schluss, dass Lipschitz kein Zutritt zu dem Archiv gewährt, sondern lediglich eine Auswahl an Dokumenten bereitgestellt werden könne. Beeinflusst worden sein könnte diese Einschätzung durch einen von der Europa-Abteilung des Außenministeriums im September 1961 verfassten, vertraulichen Bericht, in dem die Haltung des Außenministeriums bei der Rettung verfolgter Juden als zögerlich und in einigen Fällen sogar als hinderlich beschrieben wurde. Entsprechend schlussfolgerte die Abteilung, dass durch ein entschiedeneres Handeln mehr Juden hätten gerettet werden können.252 Das Außenministerium war sich demnach durchaus über die Brisanz einiger Dokumente im Klaren und wollte deren Preisgabe verhindern. Die interne kritische Aufarbeitung des Themas war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Nachdem die Nordamerika-Abteilung erneut das Interesse an Lipschitz’ Vorhaben unterstrichen hatte, das sie als „vernünftig“ und „ratsam“ im Hinblick auf die öffentliche Meinung in den USA bezeichnete,253 schickte Jos¦ A. Lûpez de Letona aus der Botschaft in Washington im August 1970 eine Liste mit den ins Englische übersetzten Dokumenten aus dem Archiv des Außenministerium an den amerikanischen Rabbiner. Diese umfassten Akten und Korrespondenzen der spanischen Konsulate aus Paris, Berlin, Jerusalem, Nizza und Athen, der Botschafter aus Rumänien und London sowie Lageberichte zu der Situation der Juden in Ungarn, Holland, Nordafrika, Athen und Saloniki.254 Allerdings geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor, ob Lipschitz lediglich die wenige Zeilen umfassenden Zusammenfassungen oder die vollständigen Dokumente bereitgestellt wurden. In der Folgezeit bat Lipschitz in weiteren Schreiben an die Botschaft in Washington, so z. B. im August 1970 und im Februar 1971, gezielt um Dokumente des spanischen Außenministeriums, die er den Quellenangaben anderer Publikationen entnommen hatte.255 252 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Europa, Nota Informativa (confidencial), Madrid, 15. 9. 1961; AMAE, Leg. R 7330/122. Das Memorandum wurde im Kontext der Debatte um Entschädigungszahlungen für Opfer des Holocaust erstellt. Vgl. dazu auch zwei Briefe der Conference on Jewish Claims against Germany an das spanische Außenministerium, 18. 5. 1961, 6. 11. 1961; AMAE, Leg. R 6592/37; Collado Seidel, Der Mythos ,Franco als Judenretter‘, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 95, Anm. 54. Das Memorandum der Europa-Abteilung des Außenministeriums aus dem Jahr 1961 widerspricht der These Rothers, dass die Zuständigkeit bereits Ende der 1940er Jahre auf die Abteilung für Asien und Naher Osten übergegangen war. Vgl.: Rother, Spanien und der Holocaust, 331. 253 Vgl.: Direcciûn General de Asuntos de Am¦rica. Subdirecciûn General Am¦rica del Norte, Nota para el SeÇor Subsecretario, Madrid, 2. 3. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. 254 Vgl.: Brief von Jos¦ Lûpez de Letona, Consejero del Departamento, an Chaim U. Lipschitz, Washington D.C., 14. 8. 1970; AMAE, Leg. R 12186/25. Lipschitz selbst schrieb an Außenminister Lûpez Bravo, dass er lediglich eine dreiseitige Zusammenfassung verschiedener Dokumente des Außenministeriums erhalten habe. Vgl.: Brief von Chaim U. Lipschitz an Gregorio Lûpez Bravo, New York, 12. 4. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25. 255 Lipschitz bezieht sich auf eine von Nehemia Robinson verfasste Broschüre „Spain of Franco and its Policies“ und den Artikel von Haim Avni „Spanish Nationals in Greece and Their Fate During the Holocaust“, der 1971 in einem von Yad Vashem herausgegebenen Sammelband
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Im Februar 1972 beschwerte er sich in einem Brief an Lûpez Bravo über die mangelnde Unterstützung bei seinen Recherchen durch das Außenministerium. Zugleich offenbart die Korrespondenz zwischen Lipschitz und dem Außenminister die unterschiedlichen Erwartungshaltungen. Lipschitz kritisierte die Nicht-Einhaltung der auf spanischer Seite gemachten Zusage, insbesondere die nicht vorhandene Unterstützung seines Anliegens durch das Außenministerium.256 In seinem Antwortschreiben vom März 1972 führte Lûpez Bravo Lipschitz’ Enttäuschung auf grundlegende Missverständnisse zurück. Die Audienz bei Franco sei nicht als eine Bereitstellung von Material angelegt gewesen, sondern als Geste der Wertschätzung für das geplante Buch. Die gewünschten Dokumente seien Lipschitz zur Verfügung gestellt worden und weitere Anfragen lägen im Außenministerium nicht vor.257 Ein am 23. Februar 1972 kurz nach Lipschitz’ Beschwerdebrief im Auftrag der Afrika-Abteilung erstellter Bericht lässt vermuten, dass der Außenminister, bevor er seine Antwort an Lipschitz verfasste, Informationen über den Verlauf der Kontakte zwischen seinem Ministerium und dem amerikanischen Rabbiner einholte. Da eine Zusammenarbeit mit Lipschitz im Hinblick auf die öffentliche Meinung in den USA als sinnvoll eingeschätzt wurde, schließt der Bericht mit dem Vorschlag: „Auf jeden Fall könnte man mit dem Rabbiner, um die Gefahr, die aus dem Brief spricht, zu neutralisieren, als Bedingung für die Veröffentlichung von unseren Dokumenten in seinem Buch eine vertragliche Übereinkunft treffen, die es unserer Regierung erlauben würde, die Publikation des Buches zu stoppen, wenn der Text uns nicht angebracht erscheint“.258 erschien. Vgl.: Brief von Chaim U. Lipschitz an Spanische Botschaft in Washington, New York, 24. 9. 1970; Brief von Chaim U. Lipschitz an Fernando Rodrguez Ayuso, Spanische Botschaft Washington, New York, 16. 2. 1971; beide AMAE, Leg. R 12186/25. 256 „Needless to say, the absence of the type of information I had hoped to obtain from the aforementioned documents and from the interview with General Franco, not only weakens the case for my original thesis, (which was intended to establish conclusively that the Spanish government was directly responsible for saving hundreds, perhaps thousands of Jewish lives by its consistent intervention whenever and whereever possible during the Nazi Holocaust), but will compel me, in order to paint a clear and accurate picture, to describe my frustrating interview with the General, to outline my unsuccessful efforts to obtain any hard corroberation of the above thesis, and to explore the possible explanations for this confusing attitude on the part of your countrymen“, Brief von Chaim U. Lipschitz an Gregorio Lûpez Bravo, Außenminister, New York, 14. 2. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25. Trotz der enttäuschenden Erfahrungen, die Lipschitz während seines Spanien-Aufenthaltes machte, zeichnet er in seinem Buch ein sehr positives Bild der Haltung Spaniens gegenüber verfolgten Juden im Zweiten Weltkrieg. Franco schreibt er einen „remarkable record of rescue“ zu, den er mit der Haltung der Alliierten kontrastiert, in der er „one of the most shameful chapters in the history of the war“ sieht. Lipschitz, Franco, 84, 109. 257 Vgl.: Brief von Gregorio Lûpez Bravo, Außenminister, an Chaim U. Lipschitz, Madrid, 6. 3. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25. 258 „En todo caso, para neutralizar completamente las amenazas que la carta contiene se podra establecer con el Rabino, como condiciûn para la publicaciûn en su libro del texto de nuestros
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In diesem Zitat wird der Konflikt deutlich, in dem sich das Ministerium befand: Nachdem Lipschitz Material zur Verfügung gestellt und eine Audienz bei Franco gestattet worden war, musste verhindert werden, dass seine Publikation spanischen Interessen widersprach. Vermutlich sah sich das Außenministerium aus diesem Grund veranlasst, nun seinerseits eine Person mit den Recherchen zu beauftragen, wie es Lipschitz im März 1972 mitgeteilt hatte.259 In den Folgemonaten kam es weder zu der von spanischer Seite vorgeschlagenen vertraglichen Kooperation noch zu einer Einigung zwischen Lipschitz und dem Außenminister Lûpez Bravo.260 Die jeweils unterschiedlichen Einschätzungen der Bedeutung von Lipschitz’ Vorhaben verhinderten letztlich dessen konsequente Unterstützung durch die spanische Seite.261 Der Fall Lipschitz zeigt, dass das von der franquistischen Nachkriegspropaganda mystifizierte Bild von Spanien oder Franco als „Retter“ verfolgter Juden Anfang der 1970er Jahre für das offizielle Gedächtnis in Spanien eine untergeordnete Rolle spielte. Die Kontrolle der Gedächtnisinhalte – auch solcher ohne unmittelbare Relevanz für das Regime – war aber so zentral, dass das documentos, una relaciûn contractual en t¦rminos que permitan a nuestro Gobierno parar la publicaciûn del libro si su texto no nos conviene“, Nota Informativa [Verf. unb.], Madrid, 23. 2. 1972; AMAE, Leg. R 12186/25. Im Hinblick auf die Frage des Quellenmaterials heißt es in dem Bericht, dass Lipschitz während seines zweiten Aufenthaltes in Madrid eine Auswahl an Dokumenten überreicht wurde, die dieser aber in Ermangelung von Zeit und ausreichenden Sprachkenntnissen nicht einsehen wollte. Man kam deshalb überein, die entsprechenden Dokumente übersetzen zu lassen und in die Botschaft nach Washington zu schicken, wo sie Lipschitz bereitgestellt werden sollten. 259 Vgl.: Brief von Gregorio Lûpez Bravo, Außenminister, an Chaim U. Lipschitz, Madrid, 6. 3. 1972; Brief von Chaim U. Lipschitz an Gregorio Lûpez Bravo, New York, 12. 4. 1972; beide AMAE, Leg. R 12186/25. Es ist zu vermuten, dass diese Person der eingangs erwähnte Federico Ysart war. Ysart erwähnt in seinem Buch die Kooperation mit dem Außenministerium und der OID. Auch ist es die einzige der Verfasserin bekannte Studie zu dieser Thematik, die in Spanien in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Recherchen von Lipschitz erschien. 260 Allerdings fand vier Jahre später, während der ersten USA-Reise des neuen spanischen Königs Juan Carlos, ein kurzes Treffen zwischen dem Monarchen und Lipschitz in New York statt. Dieser Umstand zeigt zum einen, dass die von der franquistischen Regierung aufgebauten Kontakte zu jüdischen Persönlichkeiten und Organisationen auch über Francos Tod hinaus genutzt wurden, und zum anderen, dass es 1975 keine Zäsur im Umgang mit der jüdischen Vergangenheit in Spanien gab. Vgl.: „Rabbi in private audience with Spanish Monarchs“, ca. 1973; Chaim Lipschitz Nearprint Biographical File, American Jewish Archives, Cincinnati, Ohio, USA. 261 Die Diskrepanzen zwischen Ojeda und der Leitung des Außenministeriums zeigen sich deutlich in einem Brief, den Ojeda im Februar 1970 an den spanischen Generalkonsul in Jerusalem schrieb. Obwohl es ihm aufgrund der „temores que siempre ha tenido este Ministerio“ nicht gestattet sei, Pascual umfassend über den Lipschitz-Besuch zu unterrichten, wolle er dies dennoch tun, da Lipschitz plane, nach Jerusalem zu reisen. In demselben Schreiben kritisiert er die geringe Aufmerksamkeit, die das Außenministerium der Angelegenheit geschenkt habe. Vgl.: Brief von Jaime de Ojeda an Alberto Pascual, Madrid, 2. 2. 1970; AMAE, Leg. R 12186/22. Der Befund steht der Darstellung bei Rehrmann und Lisbona entgegen, die von einer aktiven und konfliktfreien Unterstützung des Anliegens von Lipschitz ausgehen, vgl.: Rehrmannn, Das schwierige Erbe, 773; Lisbona, Retorno a Sefarad, 120 f.
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Außenministerium und die Botschaft in Washington über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren mit dem Fall beschäftigt waren. Die spanische Diplomatie schätzte die Aufrechterhaltung dieses Bildes – trotz bereits vorhandener gegenteiliger Erkenntnisse – im Hinblick auf die Außendarstellung als lohnend ein. Der erhofften positiven Außenwirkung stand aber ein generelles Misstrauen sowie die Furcht vor einer kritischen Hinterfragung des eigenen Geschichtsbildes entgegen, zu der eine selbstständige Recherche Lipschitz’ hätte führen können.262 Insgesamt wurde versucht, den „Neuigkeitswert“ von Lipschitz’ Befunden zu relativieren und die Hilfsmaßnahmen als eine bekannte und scheinbar unumstrittene historische Begebenheit darzustellen.263 Die kontinuierliche Aufmerksamkeit, die Lipschitz und seinem Forschungsvorhaben – und damit letztlich auch einem Aspekt spanisch-jüdischer Geschichte – gewidmet wurde, stellte ferner eine Ausnahme zum sonstigen Desinteresse an jüdischen Themen in den spanischen Regierungsstellen dar.
2.3 Europäisierung des Gedächtnisses. Der Holocaust als Erinnerungsort nach 1975 Weder für die franquistische noch für die demokratische Regierung spielte und spielt das Gedenken an den Holocaust eine zentrale Rolle. Während im Franquismus, wie die ersten beiden Abschnitte zeigten, ein positives Gedächtnis an den Zweiten Weltkrieg dominierte, welches sich aus der Erinnerung an die spanische „Neutralität“ und die Vorstellung einer umfassenden Hilfe für verfolgte Juden speiste, wurde diese Erinnerung mit der Demokratisierung des Landes einer Überprüfung unterzogen.264 Zugleich gewann der Holocaust als Erinnerungsort mit europäischer Dimension für das offizielle 262 Ähnlich bewertete der spanische Botschafter in Washington auch den von Michael Kogan verfassten Artikel „The Jews and General Franco“, dessen Verbreitung er als sehr nützlich für die Kontakte der Botschaft mit jüdischen Organisationen und Einzelpersönlichkeiten bezeichnete. Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val an Außenminister, Washington D.C., 8. 5. 1969; AMAE, Leg. R 12047. Michael Kogan stellt in seinem Artikel die Zweite Republik als Gefahr für das Judentum und Franco als den „Retter“ und „Helfer“ dar. Er betont die guten Beziehungen zwischen Franco und der jüdischen Bevölkerung, die ihn finanziell bei seinem Militärputsch unterstützt habe. Auf der Suche nach Francos Motiven führt er die Möglichkeit an, dass Franco jüdischen Ursprungs sei, vgl: Kogan, Michael S., The Jews and General Franco, in: Ideas, 2/1969, 35 – 43, angehängt an Schreiben von Marqu¦s Merry del Val, Botschafter in Washington, an Außenminister, Washington D.C., 8. 5. 1969; AMAE, Leg. R 12047/6. 263 Vgl. z. B.: Subdirecciûn General de Am¦rica del Norte y Extremo Oriente, Nota Informativa, Madrid, 9. 7. 1970; AMAE, Leg. R 12186/24. 264 Für Brinkmann und Peralta Ruiz stellen die Mythen „Neutralität“ und „Judenrettung“ die zentralen Argumente der offiziellen, an die westliche Welt gerichteten Regimeapologie dar, vgl.: Brinkmann, Sören/Peralta Ruiz, Vctor, Spanien. Weder Täter noch Opfer?, in: Flacke, Monika (Hg.), Mythen der Nationen. 1945. Arena der Erinnerungen. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums. Begleitbände zur Ausstellung 2. Oktober 2004 bis 27. Februar 2005, Bd. II, Berlin 2004, 759.
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Gedächtnis an Bedeutung. Bislang gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zum erinnerungskulturellen Umgang mit dem Holocaust in Spanien. Dass in Spanien auch die Etablierung einer umfassenden Gedenkkultur noch aussteht, kann darauf zurückgeführt werden, dass es keine (signifikante) Beteiligung am Holocaust gab und er nicht als Teil der eigenen Geschichte begriffen wird.265 Der im vorherigen Abschnitt untersuchte Zugriff auf die Vergangenheit hatte die Vernichtungspolitik und die sechs Millionen Opfer des Holocaust vernachlässigt.266 Erinnert wurden die „Retter“ und die „Geretteten“, nicht aber „Täter“ und „Opfer“. Zwar war die Thematisierung als Menschheitsverbrechen im Franquismus begrenzt möglich, wie verschiedene Auflagen des Tagebuches der Anne Frank seit den 1960er Jahren zeigen, größtenteils wurde der Holocaust aber ausgeblendet. Bezüge zur eigenen Geschichte oder die Erinnerung an spanische Opfer verbot die Zensur.267 Eine neue Perspektive begann sich erst in den letzten Jahrzehnten – parallel zu dem weiterhin bestehenden „Retterdiskurs“ – zu etablieren.268 Dazu trugen u. a. Filme wie Claude Lanzmanns Shoah, Steven Spielbergs Schindlers Liste, Roberto Benignis Das Leben ist schön oder Roman Polanskis Der Pianist sowie Fernsehserien (z. B.: Holocaust und QB VII),269 Zeitzeugenberichte und Memoiren 265 Vgl.: Schnettler, Bernt/Baer, Alejandro/Zifonun, Darius, Transnationale Gedächtniskultur? Ansätze einer ländervergleichenden Performanzanalyse von Erinnerungsritualen am Beispiel des 27. Januars, in: Soeffner, Hans-Georg (Hg.), Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen. Verhandlungen des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena 2008, Wiesbaden 2010, 9 f [http://www.soz.uni-bayreuth.de/_pdfPub/Schnettler-Baer-Zifonun–2010.pdf, 28. 12. 2010]; Baer, The voids of Sepharad, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 95 – 120; Da Oficial de la Memoria del Holocausto y de Prevenciûn de los Crmenes contra la Humanidad, hg. v.: Casa Sefarad-Israel, o.O. 2007, 33 f. 266 Vgl. z. B. die verschiedenen Dokumente der OID oder die entsprechenden Texte in den Schulbüchern, die in den vorherigen Abschnitten untersucht wurden. Die spanische, allerdings auch ausführlichere Version der OID-Broschüre enthält mehr Hinweise auf die nationalsozialistische Vernichtungspolitik als das englischsprachige Dokument, so werden z. B. mehrmals Konzentrationslager erwähnt. Weitergehende Informationen fehlen allerdings. Vgl. z. B.: OID, EspaÇa y los Judos, 6, 11, 24. 267 Vgl.: Brinkmann/Peralta Ruiz, Spanien, in: Flacke (Hg.), Mythen der Nationen, 764. 268 Dass die Legenden um die spanische Haltung gegenüber verfolgten Juden in der jüdischen Bevölkerung Spaniens weiterleben, zeigt sich an dem von Berthelot realisierten Interviewprojekt in der CIB. Einige der Befragten verwiesen dabei auch auf das Buch von Lipschitz. Daneben finden sich aber auch kritische Stimmen. Vgl.: Berthelot, Memorias judas, 530 – 547. 269 Zur kritischen Rezeption der 1978 ausgestrahlten Serie QB VII vgl. z. B.: Guill¦n Alonso, Pilar, „QB VII“ y el sionismo, in: El Pas, 13. 12. 1978; Ruiz, Luis, Un antisionista, in: Ebd., 16. 12. 1978. Ein halbes Jahr später, am 22. Juni 1979, verband sich mit dem Beginn der Serie Holocaust in Spanien die Angst vor Ausschreitungen gegen jüdische Einrichtungen. Synagogen und andere mögliche Ziele wurden während der Sendezeit bewacht. Vgl.: Fuente, Inmaculada de la, Reportaje: La comunidad hebrea de Madrid. 1: La minora se siente espaÇola, in: El Pas, 22. 6. 1979. Die ultrarechte Gruppierung CEDADE wertete die Ausstrahlung der Holocaust-Serie als zionistische Propaganda und reagierte mit einer Holocaust-Leugnungs-Kampagne, deren Höhepunkte die Veröffentlichung des Buches El mito de los seis millones von J. Bochaca und eine Aktion in Barcelona darstellten, die darauf abzielte, Plakate mit Hakenkreuzen und der
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bei.270 Einen weiteren Grund für das neu erwachte Interesse sehen Antonio Gûmez Lûpez-QuiÇones und Susanne Zepp in der seit Beginn der 2000er Jahre aufgekommenen Diskussion über die Bürgerkriegsvergangenheit, die zusammen mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der franquistischen Diktatur eine Beschäftigung mit dem Holocaust erst möglich machte.271 Alejandro Baer zufolge ist die Bezugnahme auf den Holocaust in Spanien auch ein „politisches Vehikel im erinnerungspolitischen Streit über den Spanischen Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur“, was sich an der Verwendung des Begriffes für die Bewertung dieser historischen Phase zeigt.272 Das 2007 von der PSOE-Regierung unter Jos¦ Luis Rodrguez Zapatero verabschiedete Erinnerungsgesetz ermöglichte, dass erstmals die Geschichte der republikanischen Spanier, die nach dem Sieg der Franquisten nach Frankreich geflohen und von dort in die KZs Mauthausen und Buchenwald deportiert worden waren, offiziell erinnert wurde.273 Seit einigen Jahren or-
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Aufschrift „Holocausto: mentira“ anzubringen, vgl.: „Reto de CEDADE a la comunidad juda para un coloquio pfflblico“, in: El Pas, 29. 6. 1979. Vgl.: Gûmez Lûpez-QuiÇones/Zepp, Introduction, in: Dies. (Hg.), The Holocaust in Spanish Memory, 10; Torner, Carles, Una pedagoga de la memýria, Barcelona 2002. Torner zufolge wurde der Film Shoah in Spanien nicht im Kino gezeigt. In den letzten Jahren lässt sich in Spanien ein Trend zur Veröffentlichung von Memoiren über die Zeit des Zweiten Weltkrieges feststellen, darunter viele sephardische Autoren. Auch in dem von Baer und Israel Garzûn herausgegebenen Sammelband EspaÇa y el Holocausto sind Zeitzeugenberichte von Überlebenden enthalten, vgl. das Kapitel „Testimonios“, in: Israel Garzûn/Baer (Hg.), EspaÇa y el Holocausto. Vgl. z. B. auch: Mordoh, Samuel, El alba. De Salûnica a Sefarad, Barcelona 2003. Weitere Memoiren: Meyerstein, Heinz Jehuda, Gehetzt, gejagt und entkommen. Von Göttingen über München und das KZ Dachau nach Holland, Deutschland, Holland und durch Frankreich über die Pyrenäen in Spanien gerettet. Jüdische Schicksale 1938 – 1944, Konstanz 2008. Das Kapitel zur Ankunft in Spanien ist mit „Endlich in Spanien gerettet“ überschrieben (Ebd., 104). Vgl.: Gûmez Lûpez-QuiÇones/Zepp (Hg.), The Holocaust in Spanish Memory ; Baer, Spain’s Jewish problem, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 18/2009, 100 f. Während der Franco-Diktatur war die Erinnerung in ein offiziell „spanisches“ Gedächtnis und ein (republikanisches) Exil-Gedächtnis gespalten. Vgl.: Rozenberg, Danielle, EspaÇa, el Holocausto y Europa, in: Races, 83/2010, 57. Baer, Alejandro, Zwischen Europäisierung und Verdrängung. Holocaust-Erinnerung in Spanien, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 106 ff. Isabel Estrada untersucht das Übertragen von Begrifflichkeiten aus der Holocaust-Forschung auf den Spanischen Bürgerkrieg, vgl.: Estrada, Isabel, To Mauthausen and Back: The Holocaust as a Reference in Spanish Civil War Memory Studies, in: Gûmez Lûpez-QuiÇones/Zepp (Hg.), The Holocaust in Spanish Memory, 37 – 50. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist das 2011 erschienene Buch El holocausto espaÇol von Paul Preston. Vgl.: Ley 52/2007 de la memoria histûrica, http://leymemoria.mjusticia.es/paginas/es/ ley_memoria.html, 19. 8. 2011; Rozenberg, EspaÇa, in: Races, 83/2010, 59. Bereits 2003 war es auf Initiative des Überlebenden Haim Vidal Sephiha zur Errichtung einer Gedenktafel für die 120.000 – 160.000 sephardischen Opfer in Auschwitz-Birkenau gekommen. Vgl.: Ebd., 58. Der Zusammenhang zwischen der lange Zeit kaum vorhandenen offiziellen Holocaust-Gedenkkultur und der Unterdrückung des republikanischen Gedächtnisses ist von der Forschung bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden.
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ganisiert die in Barcelona ansässige Vereinigung ehemaliger KZ-Insassen und Holocaust-Überlebender Asociaciûn Amical Mauthausen y otros campos eine jährliche Bildungsreise für Schüler und Lehrer in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen.274 Durch ihre Aktivitäten trägt sie zur Ausbildung eines Opfergedächtnisses bei, das nicht mehr auf seine kommunikativen Träger beschränkt bleibt. Neben neueren geschichtswissenschaftlichen Studien zur Rolle Spaniens im Zweiten Weltkrieg, die auch die spanischen Opfer der Vernichtungspolitik in den Blick zu nehmen begannen,275 rückte im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der diktatorischen Regimes in Lateinamerika Spaniens Rolle als Zufluchts- und Aufenthaltsort ehemaliger Nationalsozialisten aus dem Dritten Reich in den Blickpunkt.276 Ende der 1990er Jahre sah sich die Regierung, wie die Regierungen anderer europäischer Länder auch, mit der Frage konfrontiert, ob und in welchem Umfang spanische Banken während des Zweiten Weltkrieges NS-Raubgold angekauft und davon profitiert hatten.277 Die Kommission zur Erforschung der Transaktionen von aus dem Dritten Reich stammenden Gold während des Zweiten Weltkrieges (Comisiûn de Investigaciûn de las Transacciones de Oro procedente del Tercer Reich durante la Segunda Guerra Mundial) untersuchte unter Leitung des staatlichen Ombudsmannes Enrique Mfflgica Herzog die ökonomischen Beziehungen zwischen NS-Deutschland und Spanien.278 Die sehr detailliert aufgelisteten Er274 Gespräch der Verfasserin mit Jaime Vndor, Barcelona, 25. 10. 2010. Amical wurde 1962 heimlich gegründet und erst 1978 offiziell anerkannt. Vgl.: Baer, The voids of Sepharad, in: Journal of Spanish Cultural Studies, 12:1/2011, 98. 275 Vgl.: Rother, Una crtica del libro de David Salinas, in: Sefarad, 2/1998, 411. Seit 1990 leitet der Philosoph Reyes Mate am CSIC ein Holocaust-Forschungsprojekt, vgl.: http://www.ifs.csic.es/ es/node/275519, 16. 5. 2011. Insgesamt ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Spanien noch ein Desiderat, vgl.: „Holocaust Education, Remembrance, and Research in Spain“, http://www.holocausttaskforce.org/membercountries/member-spain. html, 9. 12. 2011. 276 Vgl. dazu z. B.: Alvaro, Carlos, EspaÇa, „puerto de escape“ para nazis, in: El Mundo, 1. 3. 1992, 20; Collado Seidel, EspaÇa, refugio nazi. 277 Vgl.: Martn AceÇa, Pablo (Hg.), Los movimientos de oro en EspaÇa durante la Segunda Guerra Mundial (R. D. 1131/1997, de 11 de julio), Biblioteca Diplomtica EspaÇola 22, Madrid 2001. 278 Trotz einer minutiösen Untersuchung der An- und Verkäufe von Gold in den Jahren des Zweiten Weltkrieges liefert die Studie keine umfassende Antwort auf die Ausgangsfrage. Die Kommission schlug der Regierung vor, aus Solidarität zur internationalen Gemeinschaft 250 Millionen Peseten in den „Nazi Persecutee Relief Fund“ der Londoner Konferenz über Nazi-Raubgold einzuzahlen. Die Regierung stimmte zu, die Summe sollte für die sephardischen Gemeinden in Osteuropa verwendet werden, als Ausdruck der besonderen Verbindung Spaniens zu dieser Gruppe. Im Juli 1999 wurde das Geld an den Fonds der Federal Reserve Bank von New York überwiesen. Vgl.: Mfflgica Herzog, Enrique, Prûlogo, in: Martn AceÇa (Hg.), Los movimientos de oro, 12. Ein Schuldbekenntnis lehnte die Kommission ab. Bereits im Dezember 1997 hatte Kommissionspräsident Mfflgica die Position vertreten, dass sich aus der Studie von Martn AceÇa keine Verantwortung Spaniens im Zusammenhang mit Raubgold ergeben würde und das Land sich daher auch nicht an dem Fond für jüdische Opfer beteiligen brauche. Die im Mai 1998 vom Ministerrat beschlossene Zahlung von 250 Millionen Peseten sollte als Geste der
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gebnisse dieser Studie sind hier weniger von Interesse als vielmehr die Begründung für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Mfflgica Herzog führt diese im Vorwort der auf dem Kommissionsbericht basierenden Studie auf das Selbstverständnis des spanischen Staates zurück: „Spanien hat sich von Anfang an dieser historischen Aufarbeitung angeschlossen, nicht nur weil unser Land damals einer der herausragenden Protagonisten in den weltweiten Ereignissen war, indem es Nazi-Deutschland seine politische und ökonomische Unterstützung anbot, sondern auch aufgrund unserer heutigen Position, die sich durch eine aktive Präsenz in den wichtigsten Weltforen [auszeichnet, A. M.]. Das Spanien Francos befand sich vor 50 Jahren auf der Seite der totalitären Mächte, das Spanien von heute steht auf der Seite der freien und demokratischen Nationen, und zugleich steht es einem der ambitioniertesten Projekte, der Europäischen Union, vor, welche die Auseinandersetzungen, die das Leben auf diesem Kontinent über Jahrhunderte geprägt haben, endgültig beendet“.279
Mit dem Zitat sind weitere wichtige Faktoren für die Ausbildung eines Holocaust-Gedächtnisses angedeutet: der angestrebte Nachweis einer demokratischen und, damit verbunden, einer europäischen „Reife“ und damit letztlich die endgültige Bestätigung einer Zugehörigkeit zur westlichen Staatengemeinschaft. Eine ganz andere Motivation thematisiert der Philosoph Jos¦-Miguel Marinas. Er verweist auf die moralische Verantwortung Spaniens, die sich aus der Nicht-Erinnerung bzw. Nicht-Aufarbeitung der Vertreibung der Juden im 15. Jahrhundert ergebe. In dieser sieht er eine Urerfahrung des europäischen Antijudaismus, die auch in die nationalsozialistische Vernichtungspolitik eingeflossen sei. Die Erinnerung an die spanisch-jüdische Vergangenheit wird hier zur Voraussetzung eines Holocaust-Gedenkens.280 Dieser Zusammenhang wurde von Mfflgica Herzog nicht hergestellt. Ein weiterer Schritt vollzog sich einige Jahre nach Erscheinen der Studie mit Solidarität interpretiert werden. Vgl.: Irujo, Jos¦ Mara, EspaÇa se niega a contribuir al fondo para las vctimas del holocausto, in: El Pas. 5. 12. 1997; Ders., EspaÇa da 250 millones a los judos en seÇal de solidaridad, in: Ebd., 30. 5. 1998. Zur Arbeit und Kritik an der Kommission vgl. auch: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 247 – 250. 279 „EspaÇa se incorporû desde el primer momento a ese repaso histûrico, no sûlo porque nuestro pas tuvo entonces un protagonismo destacado en los acontecimientos mundiales, ofreciendo su apoyo poltico y econûmico a la Alemania nazi, sino tambi¦n por el papel que en la actualidad desempeÇamos, con una presencia activa en los principales foros mundiales. La EspaÇa de Franco estuvo del lado de las potencias totalitarias hace cincuenta aÇos y la EspaÇa de hoy est del lado de las naciones democrticas y libres, liderando adems uno de los proyectos ms ambiciosos, la Uniûn Europea, que cierra los enfrentamientos que durante siglos han caracterizado la vida de nuestro Continente“, Mfflgica Herzog, Prûlogo, in: Martn AceÇa (Hg.), Los movimientos de oro, 11. In seinem Vorwort verweist Mfflgica Herzog allerdings auch auf die von Spanien geleistete Hilfe und den Schutz für verfolgte Juden, wobei er die Erfahrungen seiner Familie als beispielhaft herausstellt, vgl.: Ebd. 280 Vgl.: Marinas, Jos¦-Miguel, Como cantar en tierra extraÇa. Para una memoria espaÇola del holocausto, in: Isegora, 23/2000, 141.
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der Erklärung des 27. Januars zum Holocaust-Gedenktag, der von dem Stockholmer International Forum on the Holocaust beschlossen und 2004 vom spanischen Ministerrat angenommen wurde.281 Für die Ausrichtung dieses offiziellen Gedenktages ist die Casa Sefarad-Israel zusammen mit einer interministeriellen Kommission, bestehend aus Vertretern des Außen-, Justiz-, Bildungs- und Kulturministeriums, verantwortlich.282 Ziel dieser Kommission ist die Intensivierung der Bildungs- und Erinnerungsarbeit im Zusammenhang mit der Vergangenheit des Holocaust.283 An der Ausgestaltung des Gedenkaktes, der im Auditorium der Complutense Universität in Madrid stattfindet, zeigt sich die Mehrperspektivität des Gedächtnisses, in dem transnationale und nationale ebenso wie partikulare und universelle Erinnerungen aufeinandertreffen.284 Zentrales Element ist das Anzünden von sechs Kerzen, von denen jede für eine Opfergruppe steht: für die sechs Millionen ermordeten Juden, für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder, für die in den KZs Mauthausen, Gusen, Buchenwald und BergenBelsen ermordeten Republikaner, für Sinti und Roma sowie andere vom Nazi281 Vgl.: Orden AEC/4150/2004, de 15 de diciembre, por la que se publica el Acuerdo del Consejo de Ministros de 10 de diciembre de 2004, por el que se establece el da 27 de enero como Da Oficial de la Memoria del Holocausto y la Prevenciûn de los Crmenes contra la Humanidad, BOE 305, 20. 12. 2004, 41356. Bereits vor seiner offiziellen Institutionalisierung war der Holocaust-Gedenktag von der CJM begangen worden, vgl.: Gemeindezeitschrift Arad, 13/1978. Das Stockholmer International Forum on the Holocaust wurde von der 1998 von den Regierungen Großbritanniens, der USA und Schwedens ins Leben gerufenen Task Force for International Cooperation on Holocaust Education Remembrance and Research (ITF) veranstaltet. Im November 2005 beschloss die 60. UN-Vollversammlung, den 27. Januar zum internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocaust zu erklären. Die Etablierung in den einzelnen Ländern erfolgte sehr unterschiedlich. Zum Holocaust-Gedenktag und seiner Umsetzung in Deutschland und Spanien vgl.: Schnettler/Baer/Zifonun, Transnationale Gedächtniskultur?, in: Soeffner (Hg.), Unsichere Zeiten, 7 f. Für Cornelißen zeigt sich an der Stockholmer Internationalen Holocaust Konferenz das Bemühen vieler Regierungen, den Völkermord an den Juden zum negativen Hauptbezugspunkt der europäischen Erinnerungskultur zu bestimmen, vgl.: Cornelißen, Die Nationalität von Erinnerungskulturen, in: GWU, 1 – 2/2011, 5 – 16, insb. 14. Seit Dezember 2008 ist Spanien Vollmitglied in der ITF, vgl.: http://www.casasefaradisrael.es/ES/nosotros/Espana–comprometida-con-el-recuerdo-de-la-Shoah.aspx, 28. 12. 2010. 282 Vgl.: Rozenberg, EspaÇa, in: Races, 83/2010, 59. Der Vorsitz lag bei Ana Slomon, die ihre Tätigkeit als Sonderbotschafterin für die Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden und Organisationen und Leiterin der Casa Sefarad-Israel im Februar 2011 beendete. Seit Juli 2011 ist Ýlvaro Albacete Perea neuer Sonderbotschafter. Vgl.: Real Decreto, 151/2011, de 4 de febrero, por el que se dispone el cese de doÇa Ana Mara Slomon P¦rez como Embajadora en Misiûn Especial para las Relaciones con la Comunidad y Organizaciones Judas, BOE 31, 5. 2. 2011, 12691; Real Decreto, 1048/2011, 15 de julio, por el que se designa Embajador en Misiûn Especial para las Relaciones con la Comunidad y Organizaciones Judas a don Ýlvaro Albacete Perea, BOE 172, 19. 7. 2011, 79958. 283 Vgl.: http://www.casasefarad-israel.es/es/holocausto.aspx, 11. 5. 2011. 284 Vgl.: Baer, Zwischen Europäisierung und Verdrängung, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 104 f. Die Problematik zeige sich bereits an der Wahl des Gedenktages, anstelle eines für die spanische Geschichte relevanten Tages wurde mit dem 27. Januar ein abstraktes, in erinnerungskultureller Sicht gehaltloses Datum gewählt.
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Regime verfolgte Gruppierungen, für die Gerechten unter den Nationen, die ihr Leben für die Rettung der Verfolgten riskiert haben, sowie für die Überlebenden, die in Israel eine Zufluchtsstätte fanden.285 Den sephardischen Juden, denen die franquistische Propaganda so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wird in der Gedenkzeremonie kein eigener Platz eingeräumt. Der franquistische Philosephardismus findet an dieser Stelle keine Fortsetzung. Allerdings wird im Rahmen des zentralen staatlichen Gedenkaktes am 27. Januar auf die „Gerechten unter den Nationen“ verwiesen und in diesem Zusammenhang an einige spanische Diplomaten erinnert, die durch ihren persönlichen Einsatz und das Ausnutzen von Spielräumen in von NSDeutschland besetzten Gebieten Juden vor der Verfolgung und Vernichtung retteten.286 Im Jahr 2008 wurde außerdem im Zusammenhang mit dem Gedenktag eine Ausstellung „Visados para la libertad: diplomticos espaÇoles ante el holocausto“ (Visa für die Freiheit: spanische Diplomaten und der Holocaust) eingeweiht, die diesen spanischen Diplomaten gewidmet war. Der traumatischen Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden sollte so, wie die von Casa Sefarad-Israel herausgegebene Zeitschrift lef betont, ein positives Gedächtnis entgegengesetzt werden.287 Auch der damalige Ministerpräsident Jos¦ Luis Rodrguez Zapatero verwies 2006 auf historische Vorbilder, wie Ýngel Sanz Briz, die durch ihr Verhalten Verfolgte geschützt hätten. Diese Beispiele zeigen, dass sich auch in dem Diskurs nach 1975 ein Fortwirken des „Rettergedenkens“ feststellen lässt. Zapatero unterstrich aber in seiner Rede ebenfalls die Notwendigkeit, neben den jüdischen Opfern den republikanischen Spaniern zu gedenken, die eine doppelte Verfolgung durch das franquistische Regime und die Nationalsozialisten erlitten hatten, und plädierte damit für eine Ausweitung des im Franquismus unterdrückten Opfergedächtnisses.288 Bei dieser Forderung handelte es sich, im Gegensatz zu den universellen Elementen des Gedenktages, um ein spezifisch spanisches Erinnerungsmoment. 285 Zu den verschiedenen Gruppen, derer gedacht wird: Discurso del Presidente del Gobierno en un acto conmemorativo del Da Oficial de la Memoria del Holocausto y la Prevenciûn de Crmenes contra la Humanidad, Madrid, 26. 1. 2006, http://www.lamoncloa.gob.es/Presidente/ Intervenciones/Discursos/Rdez.+Zapatero+D%C3 %ADa+Holocausto+260106.htm, 15. 11. 2011. Schnettler, Baer und Zifonun beschreiben dieses Vorgehen als Inklusion: mittels eines ursprünglich jüdischen Rituals – der Gedenkkerzen – werden verschiedene Opferkollektive in einen gemeinsamen Gedenkakt integriert, vgl.: Schnettler/Baer/Zifonun, Transnationale Gedächtniskultur?, in: Soeffner (Hg.), Unsichere Zeiten, 14. 286 In den 1980er Jahren ehrte Yad Vashem die Diplomaten Giorgio Perlasca und Ýngel Sanz Briz als „Gerechte unter den Völkern“, vgl.: OSCE-ODIHR, Education on the Holocaust and on Anti-Semitism: An Overview and Analysis of Educational Approaches, 2005 [Vorveröffentlichung], 128. 287 Vgl.: „Exposiciûn ,Visados para la libertad‘“, in: lef, 15/2009, 3 – 5. 288 Vgl.: Intervenciûn del Presidente del Gobierno, in: Conmemoraciûn del Da Oficial de la Memoria del Holocausto, 26 enero 2006, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores y de Cooperaciûn, o.O. 2006, 44 f.
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Aus den im Rahmen des Gedenktages gehaltenen Reden lässt sich die Tendenz herauslesen, das Gedenken als demokratische Pflicht einzuordnen und innerhalb der europäischen (Erinnerungs-)Gemeinschaft zu verorten.289 Auffällig ist, dass in drei Beispielen ein Bogen in die mittelalterliche Vergangenheit geschlagen wird, um eine spezifische Verantwortung Spaniens zu betonen. Der langjährige Präsident der FCJE, Jacobo Israel Garzûn, betonte in seiner Rede anlässlich des Gedenktages im Jahr 2006 die Wichtigkeit der Erinnerung und verwies dabei auf die konfliktreiche Vergangenheit der Juden in Spanien, die unter der Inquisition und der Vertreibung sowie zuletzt unter ihrer Illegalisierung im franquistischen Regime gelitten hätten. Dieses negative Gedächtnis konfrontierte er mit der Situation im demokratischen Spanien, die sich durch eine neue Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik auszeichne.290 Das Wachrufen der negativen Erinnerungen stellt eine Ausnahme gegenüber der meistens positiven Bezugnahme auf Sepharad dar.291 2010 deutete Israel Garzûn die Übernahme der europäischen Gedenkkultur in Spanien als einen Nachweis für die Verankerung Spaniens in Europa, dessen Geschichte und Selbstverständnis durch die Erfahrungen des Holocaust entscheidend geprägt seien. „Es ist nur angemessen, dass dieser Holocaust-Gedenkakt in einem demokratischen Spanien stattfindet, das sich vollständig in Europa eingefügt hat, denn die Erinnerung an die Tragödie des Holocaust ist essenziell für den Demokratisierungsprozess aller europäischer Staaten und auch für den kontinentalen Einigungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.“292
Der spanische König Juan Carlos leitete aus der historischen Verbundenheit Spaniens als Sepharad mit der jüdischen Bevölkerung eine besondere Pflicht zur Erinnerung ab.293 Diese Sichtweise vertrat er erneut, als er den Gedenkakt durch die spanisch-jüdische Vergangenheit geprägt sah: „Und wir tun es 289 2008 lag der Gedenkveranstaltung das Motto „Pensar Europa, es pensar la Shoah“ zugrunde, vgl.: „Da Oficial de la Memoria del Holocausto y de Prevenciûn de Crmenes contra la Humanidad“, in: lef, 4/2008, 7. 290 Vgl.: Discurso presidente de la Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa, Israel Garzûn Jacobo, in: Conmemoraciûn del Da Oficial de la Memoria del Holocausto, 26 enero 2006, 6 f. 291 In dieser einseitigen Erinnerung, die die Vertreibung der Juden, die Stigmatisierung der conversos und die Blutreinheitspolitik ausblendet, sieht Baer einen wichtigen Grund für die Distanz Spaniens zum Holocaust, vgl.: Baer, Zwischen Europäisierung und Verdrängung, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 100. 292 „Nada ms natural que este Acto de Memoria del Holocausto se realice en una EspaÇa democrtica, insertada plenamente en Europa, pues la memoria de la tragedia del Holocausto ha sido esencial para la democratizaciûn de todos los estados europeos y para el proceso de union continental seguido a partir de la II Guerra Mundial.“, Rede von Jacobo Israel Garzûn, Presidente de la Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa, in: Da Oficial de la Memoria del Holocausto y de Prevenciûn de los Crmenes contra la Humanidad. Paraninfo de la Universidad Complutense de Madrid. 12 de enero de 2010, hg. v.: Casa Sefarad-Israel, o.O. 2010, 4. 293 Intervenciûn de Su Majestad el Rey D. Juan Carlos, in: Conmemoraciûn del Da Oficial de la Memoria del Holocausto, 26 enero 2006, 52.
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[gedenken, A. M.] mit der Seele dieses Landes, welches die jüdische Tradition seit ihren entferntesten Ursprüngen mit Sepharad identifiziert hat. Ein Sepharad, das reich ist an Geschichte und gemeinsam geteilter Kultur.“294 Der Staatssekretär des Justizministeriums verortete in seiner Rede im Jahr 2010 das Gedenken an den Holocaust innerhalb der demokratischen und rechtsstaatlichen Kultur. Er sprach sich für die „Prävention und den Schutz vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vor Genoziden […] sowie generell [für den Schutz, A. M.] vor jeder Form der Entmenschlichung“295 aus. Dies kann als ein impliziter Hinweis auf den über dreißig Jahre nach Francos Tod erreichten Reifegrad Spaniens und auf die Anbindung des Gedächtnisses an universelle Deutungsmuster gelesen werden. Die Aufnahme des Holocaust als Pflichtthema in den Lehrplänen für Geschichte, Politik, Staatsbürgerkunde und Philosophie ab dem Schuljahr 2008/09 stellte einen weiteren Versuch dar, diese Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis zu verankern, wie die Erziehungsministerin Mercedes Cabrera betonte.296 Als eine auch materielle Verankerung im öffentlichen Raum kann das 2007 auf dem Campo de Naciones in Madrid eingerichtete Denkmal für die Opfer des Holocaust verstanden werden. Ebenfalls 2007 wurde die Gedenkstätte Yad Vashem mit dem vom spanischen Kronprinzen verliehenen Premio Prncipe de Asturias ausgezeichnet.297 Die hier knapp skizzierte demokratische Erinnerungspolitik, die zu einer Institutionalisierung und Formalisierung des Holocaust-Gedenkens geführt 294 „Y lo hacemos con el alma de esta tierra a la que la tradiciûn juda identificû, desde sus ms lejanas races, como Sefarad. Una Sefarad rica en historia y cultura compartidas.“, zit.n. „Da Oficial de la Memoria del Holocausto“, in: lef, 4/2008, 5 f. 295 „la prevenciûn y la protecciûn, en el marco del Estado de derecho, no sûlo contra la comisiûn de crmenes de lesa humanidad, y genocidios, sino, de manera ms general, contra todo aquello que suponga deshumanizaciûn“, Juan Carlos Campo, Secretario de Estado de Justicia, in: Da Oficial de la Memoria del Holocausto y de Prevenciûn de los Crmenes contra la Humanidad, 2010, 18. 296 Vgl.: Rede von Mercedes Cabrera, in: Da Oficial de la Memoria del Holocausto y de Prevenciûn de los Crmenes contra la Humanidad, 2007, 33ff; Rozenberg, EspaÇa, in: Races, 83/2010, 59; http://www.casasefarad-israel.es/ES/nosotros/Espana–comprometida-con-el-recuerdo-de-laShoah.aspx, 28. 12. 2010. Mara Rosario Arana P¦rez betont die Notwendigkeit – trotz der universellen Bedeutung des Holocaust –, bei der didaktischen und inhaltlichen Vermittlung länderspezifische Faktoren zu berücksichtigen. Zu denen zählt sie für Spanien die Abwesenheit von „Spuren“, d. h. von materiellen Erinnerungsorten oder Zeitzeugen, sowie die marginale Rolle, die die Erinnerung im öffentlichen Bewusstsein spiele, vgl.: Arana P¦rez, Mara Rosario, EspaÇa ante el reto de la enseÇanza del Holocausto, in: Races, 76/2008, 36 – 40. Die OSZE legte eine Studie über das Thema „Holocaust“ in europäischen Lehrplänen vor, die von der spanischen Regierung finanziell unterstützt wurde, vgl.: OSCE-ODIHR, Education on the Holocaust and on Anti-Semitism: An Overview and Analysis of Educational Approaches, Warschau 2006. Defizite wurden dabei insbesondere im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Zeit, die unzureichende Ausbildung der Lehrkräfte und das Fortbestehen von Stereotypen festgestellt, vgl.: Ebd., 41. 297 Vgl.: http://www.fpa.es/premios/2007/yad-vashem-museo-de-la-memoria-del-holocaustode-jerusalen/, 20. 7. 2011.
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hat, entspricht den europäischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Für diese stellt Dan Diner fest, dass der Holocaust als europäischer Erinnerungsort den im 20. Jahrhundert im europäischen (linken) Gedächtnis lange Zeit zentralen Spanischen Bürgerkrieg als „political icon of memory“ ablöste.298 Während die Internationalisierung und Transnationalisierung des Gedenkens in den meisten Fällen mit einem Kampf um die zu erinnernden Inhalte einhergeht und ein „Spannungsverhältnis zwischen Globalisierung/Transnationalität und Nationalisierung der Holocaust-Erinnerung“299 entsteht, scheint dieser Befund für den spanischen Fall eher fraglich. Trotz einiger spezifisch spanischer Merkmale, wie der positiven Bezugnahme auf Sepharad, ist die Gedenkkultur (bislang) größtenteils von einer Übernahme etablierter europäischer Erinnerungsmuster geprägt. *** Betrachtet man die Entwicklungen des offiziellen Gedächtnisses in Spanien seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Gegenwart lässt sich mit den Worten Katrin Piepers der Holocaust als ein „universaler Container der Erinnerungen“ beschreiben, der politisch relativ beliebig instrumentalisiert werden kann.300 Die offizielle Erinnerung an Judenverfolgung und -vernichtung kam dabei weder im Franquismus noch in der Demokratie innerspanischen Bedürfnissen entgegen, vielmehr reagierte sie auf außenpolitische Gemengelagen oder Erwartungen. So sollte die Mystifizierung Francos zum „Judenretter“ eine Art Vergangenheitsbewältigung darstellen, indem der (westlichen) Welt die grundlegenden Unterschiede zwischen Spanien und NSDeutschland vor Augen geführt wurden. Zugleich stellte sie einen Versuch dar, die internationale Isolation zu überwinden. Auch spätere Reaktivierungen dieses „Rettermythos“, die von der Regierung im Fall Lipschitz lediglich ge-
298 Präziser muss von einer Subsummierung des Bürgerkrieges unter die Holocaust-Erinnerung gesprochen werden. Vgl.: Diner, Dan, Icons of European Memory Juxtaposed: The Spanish Civil War and the Holocaust, in: Gûmez Lûpez-QuiÇones/Zepp (Hg.), The Holocaust in Spanish Memory, 33. 299 Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 2. Zur Angleichung verschiedener nationaler Gedächtnisse zu einem supranationalen Gedächtnis vgl. auch: Østergrd, Uffe, Der Holocaust und europäische Werte, http://www.bundestag.de/dasparlament/2008/01 – 02/Beilage/005. html, 28. 12. 2010. Die aktuelle Entwicklung des Holocaust-Gedenkens beschreibt Reichel als einen Übergang von der Amerikanisierung zur Globalisierung, vgl.: Reichel, Peter, Nach dem Verbrechen. Nationale Erinnerungen an Weltkrieg und Judenmord, in: Asmuss, Burkhard (Hg.), Holocaust. Der nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung, Berlin/Wolfratshausen 2002, 235. Zur Kosmopolitisierung und Universalisierung des Holocaust vgl. auch: Levy, Daniel/Sznaider, Natan, Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt a.M. 2007. 300 Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 4 f.
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billigt, nicht aber vorangetrieben wurden, richteten sich in ihrer erhofften Wirkung zuerst ans Ausland. Die franquistische Propaganda hatte nachhaltige Auswirkungen auf die spanische Gesellschaft und verhinderte lange Zeit eine kritische Auseinandersetzung sowohl mit der spanischen als auch mit der europäischen oder universellen Geschichte des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust. Einerseits blieben alternative Erinnerungen aus dem offiziellen Gedächtnis ausgeschlossen, andererseits fand der „Rettermythos“ durch Danksagungen oder unkritische Studien Bestätigung. Als entsprechende Debatten in den 1990er Jahren aufkamen, konnten sie in einem europäischen (Forschungs- und Erinnerungs-) Kontext verortet werden und so Bedeutung erlangen. Die sich daraus ergebenden Impulse und Erwartungen führten zur (nachholenden) Etablierung einer offiziellen Holocaust-Gedenkkultur in Spanien. Diese weist, wie die Beispiele des „27. Januars“, der Bildungspolitik und der Errichtung eines Mahnmals zeigen, viele europäische Charakteristika auf, dennoch lassen sich auch, insbesondere in der Erweiterung des Opfergedächtnisses, länderspezifische Besonderheiten ausmachen, die in erster Linie auf die nicht unmittelbare Betroffenheit Spaniens zurückzuführen sind.301 Die Nicht-Betroffenheit und die Nicht-Beteiligung haben zu einem distanzierten Umgang mit dieser Vergangenheit geführt, die der Vereinnahmung der Hilfsmaßnahmen als spezifisch spanische Leistung entgegensteht. Fügte sich der „Rettermythos“ in den philosephardischen Diskurs von der Toleranz der spanischen Nation, wird der Holocaust außerhalb der als eigen erachteten Geschichte verortet. Bezüge zwischen der Vertreibung der Juden 1492 und der Judenvernichtung im 20. Jahrhundert werden auf offizieller Seite bewusst vermieden. Das demokratische Gedächtnis zeichnet sich so zwar durch eine Pluralisierung der Erinnerungen und eine Verschiebung seiner Inhalte zugunsten des Opfergedenkens aus, die zögerliche kritische Auseinandersetzung mit der franquistischen Diktatur in Politik und Gesellschaft verhinderte aber bislang einen Bruch mit der franquistischen Erinnerungskultur. Der „Rettermythos“ wirkt bis in die Gegenwart nach.
301 Ein europäisches Charakteristikum förderte auch eine Umfrage der Anti-Defamation-League im Jahr 2004 zutage: So gaben in Spanien, Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils über 50 % der Befragten an, dass „Jews still talk too much about what happened to them in the Holocaust“, zit.n.: OSCE-ODIHR, Education on the Holocaust and on Anti-Semitism [Vorveröffentlichung], 17.
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3. Memorialisierung von Sepharad in der offiziellen Erinnerungspolitik des franquistischen Regimes Die Ausstellung zu sephardischer Literatur in Madrid (Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial) 1959 und die Gründung des Sephardischen Museums (Museo Sefard) in Toledo 1964 waren die ersten beiden in Spanien realisierten erinnerungspolitischen Initiativen des franquistischen Regimes, die die jüdische Vergangenheit im Mittelalter in den Blick nahmen. Museen – und Ausstellungen, die eine „Unterabteilung“ bilden – sind nach Katrin Pieper identitäts- und geschichtspolitische Orte, an denen Geschichtsbilder und -deutungen virulent und Identitätsrepräsentationen ausgehandelt werden. Als Erinnerungsorte besitzen sie zugleich Langzeitwirkung.302 Untersucht werden die Ausstellung und das Museum als „Indikatoren“ und „Generatoren“ von Erinnerungskultur.303 Dabei wird der Annahme gefolgt, dass ein Zusammenhang zwischen der Realisierung einer Ausstellung bzw. eines Museums und den politischen, kulturellen und historischen Rahmenbedingungen besteht.304 Während die klassische Museumsanalyse das Museum als Institution mit seinem Konzept und seinen Ausstellungsobjekten, d. h. die „Tradierung von
302 Vgl.: Pieper, Katrin, Resonanzräume. Das Museum im Forschungsfeld Erinnerungskultur, in: Baur, Joachim (Hg.), Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, Bielefeld 2010, 202 f. Pieper beschreibt Museen als „Darstellungen einer gegenwärtigen Beziehung zur Vergangenheit als politischer und kultureller Ausdruck der Interpretation dieser Vergangenheit“, Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 8. Als Quellen für Identitätspolitik haben Museen seit den 1980er Jahren (kritische) Aufmerksamkeit gefunden, vgl. z. B. den aus einer Konferenz des Washingtoner Smithsonian Institute hervorgegangenen Sammelband, in dem auch die Darstellung von Minderheiten-Kulturen im Museum thematisiert wird: Karp, Ivan/Lavine, Steven D., Exhibiting Cultures. The Poetics and Politics of Museum Display, Washington/London 1991. Mit der Inszenierung von Geschichte in Museen beschäftigt sich auch Aleida Assmann; sie unterscheidet drei Darstellungsverfahren: Erzählen (kausale Verknüpfung der Exponate), Ausstellen (Anordnung) und Inszenieren (Aufbereitung zum Zweck der Informationsvermittlung), vgl.: Assmann, Aleida, Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung, Krupp-Vorlesungen zu Politik und Geschichte am Kulturwissenschaftlichen Institut im Wissenschaftszentrum NordrheinWestfalen 6, München 2007, 150 – 153. Bernd Schönemann beschreibt Museen als Institutionen der Geschichtskultur und Agenturen des kulturellen Gedächtnisses, vgl.: Schönemann, Bernd, Museum als Institution der Geschichtskultur, in: Hartung, Olaf (Hg.), Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft, Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 52, Bielefeld 2006, 25 ff. 303 Mit den Begriffen „Indikator“ und „Generator“ bezieht sich Pieper auf die Doppelfunktion von Museen, die sowohl Produkte als auch impulsgebende Motoren von Erinnerungskulturen sind. Darüber hinaus verweist sie auf das Potenzial von Museumsanalysen, die Aufschluss über Selbst- und Geschichtsbilder einer Gesellschaft geben können, vgl.: Pieper, Resonanzräume, in: Baur (Hg.), Museumsanalyse, 200, 203. 304 Vgl.: Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 12.
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Geschichte“ mittels des Mediums „Museum“ in den Blick nimmt,305 liegt das Hauptinteresse hier auf der Vorgeschichte, d. h. wie es zur „Einrichtung“ dieser Erinnerungsorte kam.306 Gefragt wird nach den erinnerungskulturellen Debatten, den (geschichts-)politischen Aushandlungs- und Deutungskämpfen und den beteiligten Akteuren.307 Von wem und warum wurde mit der Ausstellung und der Museumsgründung in dieser Phase die iberisch-jüdische Vergangenheit thematisiert?308 Diese Herangehensweise erscheint umso ergiebiger, wenn Museen als Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse betrachtet werden, die diese zugleich produzieren und reproduzieren.309 Darüber hinaus wird nach der Funktion der Ausstellung und des Museums innerhalb der Erinnerungslandschaft gefragt. Dabei wird in Anlehnung an Pieper für die Charakterisierung des Museums auf die Kategorie des „Memory Museum“ zurückgegriffen. Als solche bezeichnet sie „museale Institutionen, die sowohl Gedenkstätten als auch Ausstellungsorte mit gesellschaftspolitischen Zukunftsentwürfen und Zielsetzungen sind“.310 Dass es Ende der 1950er und in den 1960er Jahren zu den ersten, von der franquistischen Regierung mitgetragenen bzw. initiierten erinnerungspolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der spanisch-jüdischen Vergangenheit kam, ist auf die Situation zurückzuführen, in der sich das Regime zu dieser Zeit befand: Nachdem während des ersten Jahrzehnts eine Konsolidierung nach innen erfolgt war, setzte in den 1950er Jahren eine langsame Annäherung an die internationale Staatengemeinschaft ein, die durch den sich verschärfenden Kalten Krieg und das daran gekoppelte strategische Interesse der USA an Spanien begünstigt wurde. Der Annäherung an den Westen stand das problematische Verhältnis zu Israel als auch die Nähe zu NS-Deutschland 305 Zum Quellenwert der Exponate vgl.: Thiemeyer, Thomas, Geschichtswissenschaft: Das Museum als Quelle, in: Baur (Hg.), Museumsanalyse, 74, 76 – 79. 306 Zu Erkenntniszielen und Vorgehensweise bei der klassischen Museumsanalyse vgl. z. B.: Thiemeyer, Geschichtswissenschaft, in: Baur (Hg.), Museumsanalyse, 73 – 94. Der geschichtskulturelle Ansatz von Jörn Rüsen nimmt an, dass Geschichte erst durch eine ästhetische Aufbereitung ins Bewusstsein vordringen kann, vgl.: Rüsen, Jörn, Was ist Geschichtskultur? Überlegungen zu einer neuen Art über Geschichte nachzudenken, in: Füßmann, Klaus/ Grütter, Heinrich Theodor/Ders. (Hg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Weimar/Köln/Wien 1994, 3 – 26. 307 Zum Museum als Ort für geschichtspolitische Deutungskämpfe vgl.: Baur, Joachim, Was ist ein Museum? Vier Umkreisungen eines widerspenstigen Gegenstands, in: Ders. (Hg.), Museumsanalyse, 39 f. 308 Für Lässig gehören zu den Faktoren, die die Entstehung, Gestaltung und den Stellenwert historischer Museen beeinflussen, politische Erwägungen, Legitimationsbedürfnisse und kulturelle Gegebenheiten, vgl.: Lässig, Simone, Vom historischen Fluchtpunkt zur transnationalen Metapher. Holocaust-Erinnerung in Museen zwischen Geschichte und Moral, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 184. 309 Vgl.: Baur, Was ist ein Museum?, in: Ders. (Hg.), Museumsanalyse, 38. 310 Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 23. Zum Konzept des „Memory Museum“ vgl.: Ebd., 22 – 28. „Memory Museums“ sind für Pieper Produkte geschichtspolitischer Aktivitäten und Indikatoren für dominante Geschichtsbilder. Ebd., 26.
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im Zweiten Weltkrieg entgegen. Ebenso wie mit der Glorifizierung spanischer Hilfsmaßnahmen für verfolgte Juden versuchte das Regime auch über philosephardische Bekenntnisse „in der westlichen Welt Respektabilität zu gewinnen“.311 Sowohl die Ausstellung in Madrid als auch die Gründung des Museums in Toledo können somit als Signal an die internationale Öffentlichkeit verstanden werden.
3.1 Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial (1959). Eine philosephardische Erinnerungsoffensive In der Tageszeitung ABC vom 26. November 1959 heißt es, dass die Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial „der Anfang eines intensiven kulturellen Engagements all derjenigen Spanier sein könne und müsse, die, verteilt in der Welt, den Stolz ihrer noblen Abstammung bewahren“.312 Die spanische Tageszeitung stand mit dieser Einschätzung nicht allein. Außenpolitische Überlegungen spielten im Vorfeld der Ausstellung auch auf offizieller Seite eine wichtige Rolle, wie aus den Akten des Außenministeriums sowie weiterer beteiligter Regierungsabteilungen hervorgeht. Im Vorfeld der Ausstellung berichtete der Generaldirektor für Außenpolitik (Director General de Poltca Exterior) über angebliche Versuche Israels, die öffentliche Meinung in Spanien für sich zu gewinnen, indem es sich als „Leuchtturm der Intellektualität“ darstelle, der innerhalb der internationalen Beziehungen nicht an den Rand gedrängt werden dürfe.313 Die ab 1957 einsetzenden israelischen Bemühungen um eine offizielle Anerkennung durch Spanien, die von der Sephardischen Weltföderation (World Sephardi Federation) unterstützt wurden, setzten das Franco-Regime unter Zugzwang: Das Umkippen in eine pro-israelische Stimmung in der eigenen Bevölkerung musste verhindert, die arabischen Bedenken gegenüber einer (vermeintlichen) Annäherung zwischen Spanien und Israel entkräftet und die interna311 Rother, Wiederentdeckung, Annäherung, Normalität?, in: Rehrmann/Koechert, Spanien und die Sepharden, 111. Zum staatlichen Philosephardismus im Zusammenhang mit der EBSM, dem Symposium und der Eröffnung des Museums vgl. auch den bereits erwähnten Aufsatz: Menny, Zwischen Nationalkatholizismus und Philosefardismus, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, 2/2011, 69 – 78. 312 „puede y debe ser el inicio de una acciûn cultural intensa de todos los espaÇoles que, dispersos por el mundo, conservan el orgullo de su noble ascendencia“, „Los sefarditas“, in: ABC, 26. 11. 1959, 40. Vgl. auch: „Los corresponsales extranjeras informan: Benevolencia del r¦gimen espaÇol hacia los judos“, Noticia recogida por el corresponsal (Mr. Walser) de Relignews, 3. 10. 1959; RAH-FFMC, Archiv. 4, Cj. 1, 763/5, 1959. 313 „faro de intelectualidad“, Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37. Vgl. auch: AMAE, Leg. R 6294/1 – 3. Zu israelischen Versuchen der Beeinflussung der öffentlichen Meinung vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 286.
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tionale (westliche) Staatengemeinschaft durfte nicht brüskiert werden.314 In dieser Situation konnte eine Ausstellung über die sephardische Kultur dem Franco-Regime als „propagandistische Ersatzleistung“ anstelle einer Annäherung an Israel dienen. Zugleich bot sich die Gelegenheit, das Spanienbild in der internationalen Öffentlichkeit aufzuwerten, indem das Land sich als „Kulturnation“ stilisierte und das Regime seine scheinbare Toleranz und Judenfreundlichkeit betonte.315 In einem vertraulichen Bericht des Außenministeriums vom Oktober 1959 anlässlich der bevorstehenden Ausstellung deutet sich eine weitere Motivation an: der Bedeutungsverlust der Sepharden innerhalb des internationalen Judentums, aber vor allem in Israel.316 Die Stärkung der politischen Stellung der Sepharden lag im Interesse des franquistischen Regimes, da man die Sepharden, wie es in einer Informationsnote (Nota Informativa) der Abteilung Naher und Mittlerer Osten aus dem Jahr 1960 heißt, für die Expansion der hispanischen Kultur glaubte nutzen zu können.317 Seit Ende der 1950er Jahre hatten sich außerdem die Beziehungen zu den USA verschlechtert: Die Truman-Regierung forderte entschiedener die Religionsfreiheit für Protestanten und Juden in Spanien.318 Vor diesem Hintergrund schätzte das Außenministerium unter Leitung von Fernando Mara Castiella die Sepharden als ein wichtiges, wenn auch gefährliches außenpolitisches Instrument ein. In diesem Sinne kann auch die Ende der 1950er Jahre einsetzende Zusammenarbeit mit der Sephardischen Weltföderation gedeutet werden.319 In dem vertraulichen Bericht des Außenministeriums vom Oktober 314 Zu den israelischen Bemühungen um diplomatische Beziehungen mit Spanien vgl.: Marquina/ Ospina, EspaÇa y los judos, 279 – 287. 315 Vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 156 f. Wie sehr die spanische Regierung um eine positive Außenwirkung bemüht war, zeigt auch ein Rundschreiben, das im Vorfeld der Ausstellung an die Botschaften in London und Washington sowie an den ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen und an den Konsul in Jerusalem geschickt und in dem die offizielle Lesart vorgegeben wurde. Darin heißt es z. B.: „EspaÇa mira con especial simpata y contribuye con su esfuerzo a que ese acervo cultural atesorado por sucesivas generaciones sea conocido y apreciado por los espaÇoles y por los extranjeros en todo su valor“, zit.n.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 292. Unter der angegebenen Signatur AMAE, Leg. R 5446/39 war das entsprechende Dokument nicht mehr auffindbar. Zur Kulturpolitik als Instrument der spanischen Außenpolitik vgl. auch: Ministerio de Asuntos Exteriores. Direcciûn General de Relaciones Culturales y Cientficas (Hg.), La Direcciûn General de Relaciones Culturales y Cientficas 1946 – 1996, Madrid 1996. 316 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (reservado), Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 317 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. Vgl. auch: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 771; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 292. 318 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 180 f; Resfflmen de la segunda conversaciûn sostenida entre el SeÇor Perlzweig, representante del Congreso Judo Mundial y el director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, SeÇor Los Arcos, el 27 de mayo de 1959, en el Ministerio de Asuntos Exteriores; AMAE, Leg. R 6530/38. 319 Die Sephardische Weltföderation wurde 1925 in Wien gegründet und verstand sich als Inter-
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1959 heißt es, dass die Sephardische Weltföderation zu diesem Zeitpunkt versuchte, ihre Position innerhalb des weltweiten Judentums zu stärken, dabei seien ihre Ziele „weniger egoistisch“ als die des restlichen Judentums, weshalb eine Kooperation nützlich sein könnte.320 Auf sephardischer Seite war seit Mitte der 1950er Jahre das Interesse an Spanien gestiegen. Zum einen durch die wachsende Anzahl der in Spanien lebenden Juden, zum anderen vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine offizielle Anerkennung Israels durch das franquistische Regime.321 Mit einer Ausstellung über die sephardische Kultur verband die Sephardische Weltföderation die Hoffnung auf eine Annäherung zwischen Spanien und den Sepharden einerseits sowie zwischen Spanien und Israel andererseits. Zugleich habe die Föderation in einer solchen Ausstellung die Möglichkeit der Stärkung der sephardischen Kultur und der Schaffung eines Gegengewichtes zur Hebräisierungs-Kampagne des Jüdischen Weltkongresses gesehen, mutmaßte das Außenministerium.322 1957 hatte die Föderation Yair Behar Passy zu ihrem Abgeordneten für Spanien und Portugal ernannt, 1960 nahm er in Spanien seine Arbeit auf.323 Behar Passy versuchte, um dem großen Misstrauen der spanischen Regierung gegenüber allem „Jüdischen“ entgegenzu-
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essenvertretung sephardischer Gemeinden in Nord- und Südamerika sowie in Europa gegenüber der World Zionist Organization und der Jewish Agency. Sie ist im World Jewish Congress vertreten. Vgl.: http://findingaids.cjh.org/wsf02.html, 27. 9. 2011. Guillermo Olagüe de Ros geht ebenfalls von einem Ende der 1950er Jahre gestiegenen Interesse an sephardischen Themen aus und nennt als Beispiel die Veröffentlichung des Bandes „Los Sefardes“ (1958) von Jesffls Cantera Ortiz de Urbina in der Reihe „Temas EspaÇoles“, vgl.: Ders., La Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial (1959) y el Primer Simposio Sefard (1964), in: Races, 93/2012 – 2013, 80. „Es evidente que la actitud de la Federaciûn sefardita no est exenta de una cierta simpata hacia EspaÇa, siendo sus fines menos egoistas que los que mueven el resto de la judera internacional en sus contactos con nuestro pas“, Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (reservado), Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. Allerdings ging das Außenministerium ebenfalls davon aus, dass die Sephardische Weltföderation eine Annäherung zwischen Spanien und Israel anstrebte. Zum sephardischen Interesse an Spanien vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 107 – 112. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (reservado), Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. Zu den Kontakten des Regimes mit dem Jüdischen Weltkongress im Jahr der Ausstellung vgl. Kapitel 1.1.2 im Abschnitt zu „Jüdischer Gegenwart“. Auf der IV. Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses in Stockholm wurde ebenfalls das drohende Verschwinden der jiddischen und judenspanischen Sprache und Kultur in Israel debattiert. Vgl.: Schreiben von Ernesto de Zulueta, spanischer Botschafter, an Außenminister, Stockholm, 13. 8. 1959; AMAE, Leg. R 6487/1. Vgl. auch: IV Asamblea del Congreso Judo Mundial celebrada en Estocolmo del 2 al 12 de agosto de 1959 [Verf. unb.], Madrid, 24. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6530/38. Der Direktor des Instituto de Cultura Hispnica, Blas PiÇar, wertete die Ausstellung im Nachhinein als Versuch der Sepharden, sich in das „Gerüst“ der Hispanidad einzuordnen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Vgl.: Hassn, El Simposio de Estudios Sefardes, in: Sefarad, 2/1964, 344. Lisbona geht davon aus, dass Behar Passy eigentlich Funktionär des israelischen Außenministeriums war, vgl.: Lisbona, EspaÇa – Israel, 108.
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wirken, Kontakte zum Erziehungsministerium und zum Instituto de Cultura Hispnica und dessen Direktor Blas PiÇar aufzubauen.324 Auch aufgrund dieser Kontakte trug er entscheidend zur Planung und Realisierung der EBSM bei. Seine Kontakte zu jüdischen Einrichtungen weltweit ermöglichten es ihm außerdem, zahlreiche Exponate für die Ausstellung einzuwerben.325 Zunächst hatte sich die Sephardische Weltföderation mit der Idee zu einer Ausstellung über sephardische Kultur an die spanische Botschaft in London gewandt.326 Diese leitete die Anfrage an das Außenministerium in Madrid weiter, welches die Angelegenheit überprüfte und zu dem Schluss kam, dass eine Unterstützung gewährt werden könne, „solange die Ausstellung einen strikt technischen Charakter habe und sich darauf beschränke, zu zeigen, wie viel Hispanisches es in der aktuellen sephardischen Kultur gebe, und es sorgfältigst meide, dass sich diese Lobpreisung einer Facette unserer eigenen Kultur in eine Glorifizierung derjenigen Aspekte des sephardischen Denkens verwandele, die im Widerspruch zum spirituellen Selbstverständnis des authentischen Spaniens stehen“.327
Der in diesem Zitat formulierte Grundgedanke, die Billigung des Andenkens an Sepharad solange dieses die negativen Elemente ebenso wie die charak324 Blas PiÇar, der Direktor der Nationalbibliothek Cesreo Goicoechea und Erziehungsminister Jesffls Rubio zählten von Beginn an zu den Unterstützern der geplanten Ausstellung. Vgl.: Brief von Blas PiÇar, Direktor des Instituto de Cultura Hispnica, an den Außenminister Fernando Mara Castiella, Madrid, 18. 4. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37; PiÇar Lûpez, Blas, Mi experiencia personal del mundo sefard, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 183 – 190. Sein Interesse an der sephardischen Kultur führt Blas PiÇar in dem Aufsatz auf seine Geburtsstadt Toledo zurück, vgl.: Ebd., 183. 325 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota Informativa, Madrid, 6. 4. 1959; Reuniûn de la Comisiûn Organizadora de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefardita, Madrid, 8. 10. 1959; beides AMAE, Leg. R 6592/37; Acta de la sesiûn de la Junta Ejecutiva espaÇola para la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, celebrada el da 14 de abril de 1959, a las 19.30 horas en el despacho del Ilmo. SeÇor Director de la Biblioteca Nacional de Madrid; CSICUTAD, Cj. 3388. Auch die Sephardische Weltföderation selbst, sowie ihr Vorsitzender Denzil Montefiore leisteten technische und ökonomische Hilfe. Vgl.: Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, 18 de noviembre a 19 de diciembre de 1959, hg. v.: Biblioteca Nacional de Madrid, Madrid 1959, Xf. In der Mitteilung der Abteilung für Kulturelle Beziehungen heißt es, dass die Initiative zur Ausstellung direkt von Behar Passy ausgegangen sei. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota Informativa, Madrid, 6. 4. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 326 Zu den Kontakten zwischen der spanischen Botschaft in London und der dort ansässigen Sephardischen Weltföderation vgl.: Exp.: Federaciûn Mundial Sefard; AGA, (10)26.1, AAEE 54/7516. 327 „siempre y cuando la exposiciûn tuviera un carcter estrictamente t¦cnico limitndose a construir una evocaciûn de cuanto hay de hispnico en la actual cultura sefard y evitando cuidadosamente que esta exaltaciûn de una faceta de nuestra propia cultura fuera de degenerar en glorificaciûn de aquellos aspectos del pensamiento sefard fundamentalmente antagûnicos con el concepto espiritual de la EspaÇa aut¦ntica“, Ministerio de Asuntos Exteriores [vermutlich Poltica Exterior], Nota Informativa (reservado), Madrid, 27. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37.
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teristisch sephardischen Elemente ausklammere, bestimmte das Verhalten der offiziellen Stellen während der gesamten Planungsphase. Allerdings stellte der Generaldirektor für Außenpolitik unter den sephardischen Intellektuellen eine Tendenz fest, ausgerechnet die Punkte, die Spanien und die Sepharden trennten, zu betonen. Zugleich spielte er mit der Behauptung, die Sepharden hätten auf der Iberischen Halbinsel sowie in der Diaspora subversive Kräfte in Spanien unterstützt, auf den Vorwurf an, dass die jüdische Bevölkerung im 8. Jahrhundert mit den arabischen Eroberern zusammengearbeitet habe.328 Man dürfe daher angesichts der geplanten Ausstellung, so resümierte er, nicht in Euphorie verfallen, sondern müsse vielmehr die Durchführung des Projektes streng überwachen, um zu verhindern, dass sich der kulturelle Charakter des Projektes in einen Politischen verwandele.329 Die Ausstellung sei nur dann im spanischen Interesse und stimme mit den außenpolitischen Zielen überein, wenn die sephardische Kultur als Teil der spanischen Kultur erscheine, die sich nur unter den spezifischen Bedingungen während des Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel so habe entwickeln können.330 Diese Überlegungen zeigen, dass das Außenministerium unter Druck geraten war. Da eine Zurückweisung der Idee angesichts der politischen Lage Spaniens offenbar nicht opportun war, die Ausstellung außerdem von einigen Regimevertretern und spanischen Intellektuellen befürwortet wurde und sich noch dazu die Möglichkeit bot, das Bild Spaniens in der Weltöffentlichkeit zu verbessern, war das Außenministerium bemüht, die Ausstellung in ein spanisches Projekt zu verwandeln.331 Die 328 „Existe una innegable tendencia entre los intelectuales sefarditas, a glorificar precisamente aquellos puntos que separaron de EspaÇa a los sefard [sic]. Los sefarditas sin renunciar a su parentesco espiritual con EspaÇa, tnto [sic] durante su permanencia en nuestra patria como en la dispora, han tenido tendencia a apoyar y a apoyarse en las fuerzas subversivas existentes en nuestro estado.“, Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37. Die „trennenden Punkte“ werden in dem Schreiben nicht weiter ausgeführt. Es ist aber davon auszugehen, dass in erster Linie auf die Darstellung der sephardischen Kultur als eigenständige Kultur angespielt wurde. So war das Außenministerium darauf bedacht, diese als einen Aspekt der spanischen Kultur erscheinen zu lassen. 329 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37. Die Befürchtungen einer politischen Instrumentalisierung der Ausstellung zeigen sich in verschiedenen Schreiben, vgl. z. B.: Director General de Relaciones Culturales an den Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, Madrid, 2. 4. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37; Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 25. 6. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. 330 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an den Director General de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum; AMAE, Leg. R 6592/37. 331 Sidney F. Wexler kritisierte die der spanischen Politik zugrunde liegende Motivation in einem Artikel im Jewish Heritage im Herbst 1965: „Franco and his realistic ministers are well aware that there are Jews important in politics, business, science and the general intellectual life of the enlightened nations of the world“, deshalb sei es klar, dass „Spain will look after the best interests of Spain, not those of any minority groups. And if the interests of the Jews are
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Verantwortung für die Ausstellung sollte auf keinen Fall aus der Hand der spanischen Regierung gegeben werden.332 Die mit der Vorbereitung und Durchführung beauftragte Kommission bestand daher überwiegend aus Vertretern spanischer Einrichtungen, wie dem Direktor der Nationalbibliothek Cesreo Goicoechea, einem Vertreter der dem Außenministerium unterstehenden Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen (Direcciûn General de Relaciones Culturales), einem Vertreter des Instituto de Cultura Hispnica, den Professoren Federico P¦rez Castro und Campera, zwei Archivaren, Behar Passy als Abgeordnetem der Sephardischen Weltföderation und Bertran, einem Spezialisten des British Museum.333 Lisbona geht davon aus, dass die Bedenken des Außenministeriums im Vorfeld der Ausstellung so groß waren, dass sie letztlich die Hoffnung auf einen außenpolitischen Nutzen überwogen. Erst die persönliche Genehmigung durch Franco habe die EBSM ermöglicht.334 In den Quellen konnte dafür kein Hinweis gefunden werden. Doch selbst wenn die Einschätzung zutreffend ist, kann angenommen werden, dass Franco seine Entscheidung auf Grundlage der vom Außenministerium bereitgestellten Informationen traf, daraus jedoch eine positivere Bewertung ableitete, die aber ebenfalls einer philosephardisch-hispanistischen Motivation entsprang. simultaneously served, it will be fortuitous coincidence“, Wexler, Sidney F., The Changing Status of Jews in Spain today, in: Jewish Heritage, Fall 1965, 57, 58; AMAE, Leg. R 8434/4. 332 Als abschreckendes Beispiel verwies das Außenministerium auf die Vorfälle auf dem Kongress der spanischen Sprache in Bogot, auf dem von jüdischer Seite die Streichung antisemitischer Klischees aus den Wörterbüchern der Real Academia gefordert worden war. Die spanische Botschaft in Bagdad wertete die Vorfälle als jüdischen Versuch, die diplomatische Anerkennung Israels durch Spanien zu forcieren. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8.9.1960; AMAE, Leg. R 6294/3; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 300 f. 333 Es ist davon auszugehen, dass das Instituto de Cultura Hispnica durch Jos¦ Antonio Bueno vertreten wurde. Die Vornamen von Bertran und Campera sind in den Quellen nicht enthalten. An anderer Stelle findet sich der Name Cantera, sodass es sich wahrscheinlich um Francisco Cantera Burgos handelte. Bei Bertran könnte es sich möglicherweise um Richard D. Barnett handeln. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota Informativa (reservado), Madrid, 27.10.1959; Reuniûn de la Comisiûn Organizadora de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefardita, Madrid, 18. 10.1959; beides AMAE, Leg. R 6592/37; Acta de la sesiûn de la Junta Ejecutiva espaÇola para la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, celebrada el da 14 de abril de 1959, a las 19.30 horas en el despacho del Ilmo. SeÇor Director de la Biblioteca Nacional de Madrid; CSIC-UTAD, Cj. 3388. 334 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 260. Allerdings wird keine Quelle angeführt. Wenn die Einschätzung Lisbonas zutrifft, dass Francos persönliches Engagement zur Genehmigung der Ausstellung führte, ist es verwunderlich, dass nicht er, sondern der Erziehungsminister Jesffls Rubio die Ausstellung einweihte. Insbesondere da auf Seiten der Veranstalter der Wunsch geäußert worden war, dass Franco die Ausstellung eröffne. Warum es nicht dazu kam, ist nicht bekannt. Vgl.: Reuniûn de la Comisiûn Organizadora de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefardita, Madrid, 18. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37; „Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: ABC, 19. 11. 1959, 46. In den Quellen konnte kein Hinweis auf eine persönliche Intervention Francos gefunden werden. Der Historiker Paul Preston vermutet außerdem, dass der spanische Diktator seit Ende der 1950er Jahre aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes immer seltener ins tagespolitische Geschehen eingriff, vgl.: Preston, El gran manipulador, 279.
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Die skeptische Haltung der für Außenpolitik zuständigen Abteilungen im Außenministerium zeigte sich erneut, als der von der Sephardischen Weltföderation im Anschluss an die EBSM unterbreitete Vorschlag einer Wanderausstellung abgelehnt wurde.335 Einerseits dürfe Spanien auf die Sepharden als politisches Instrument nicht verzichten, andererseits befürchtete die Abteilung Naher und Mittlerer Osten aufgrund der mangelnden Kontrollmöglichkeiten im Ausland eine ungewollte politische Instrumentalisierung einer solchen Ausstellung.336 Während die Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen die Beteiligung an der Wanderausstellung befürwortete, da die Möglichkeit zur positiven Selbstinszenierung größer als die politischen Gefahren eingeschätzt wurden, kam die Abteilung für den Nahen und Mittleren Osten zu dem Schluss, dass „die sephardische Waffe immer ein zweischneidiges Schwert sein [wird], die ausschließlich dann genutzt werden darf, wenn vollkommene Sicherheit besteht, dass sie nicht in fremde Hände fallen wird“.337 Da das aus Sicht dieser Abteilung bei der Wanderausstellung nicht gegeben war, lehnte sie eine aktive spanische Beteiligung ab.338 335 Zur Idee einer Wanderausstellung und einer möglichen spanischen Beteiligung vgl. Brief von Jos¦ Luis Los Arcos y Elo an Behar Passy, Madrid 17. 3. 1961; AMAE, Leg. R 6592/37; Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22. 7. 1960; Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960; beides AMAE, Leg. R 6294/3. 336 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22.7.1960; Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9.1960; beides AMAE, Leg. R 6294/3. B’nai B’rith war daran interessiert, einen Teil der Ausstellung in den USA zu zeigen, wie ihr Präsident Katz gegenüber Franco im Februar 1963 darlegte. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Norteam¦rica, Entrevista con S.E. el Jefe del Estado del Presidente y Secretario General de B’nai B’rith, Madrid, 13.2.1963; AMAE, Leg. R 12038/6. 337 „el arma sefard ser siempre una espada de dos filos que fflnicamente deber ser utilizada cuando exista la plena certeza de que no va a caer en manos extraÇas“, Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22.7.1960; AMAE, Leg. R 6294/3. In einem anderen Schreiben heißt es: „Este proyecto debe ser considerado de entrada como comprometido y peligroso. Cierto es que el factor sefard constituye un arma no despreciable de nuestra poltica exterior y nos permite eludir las acusaciones de antisemitismo que se lanzan contra EspaÇa por diversas razones de poltica interna y externa, pero no hay que olvidar que es un arma de dos filos y que dado que los judos tratan tambi¦n de manejarla con una indiscutible finalidad poltica que en nada coincide con la nuestra, solamente un control absoluto de la situaciûn puede garantizarnos el que la acciûn a la colaboramos no se vuelva finalmente contra nuestros intereses“, Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 4.7.1960; AMAE, Leg. R 6170/33. Zur Haltung der Abteilung Kulturelle Beziehungen vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota, Madrid, 12. 8.1960; AMAE, Leg. R 6170/33; Brief von Jos¦ Miguel Ruiz Morales, Director General de Relaciones Culturales, an Behar Passy, Madrid, 20. 10.1960; AMAE, Leg. R 8930/3. Zu den Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf eine Beteiligung an der Wanderausstellung vgl.: Prûximo y Medio Oriente, Nota para el Director General de Poltica Exterior, Madrid, 19. 8. 1960; Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Informe para el SeÇor Subsecretario de Asuntos Exteriores, Madrid, 18. 10. 1960; Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid 3. 9. 1960; alle AMAE, Leg. R 6170/33; Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. 338 Im Oktober 1960 teilte die Abteilung fü r Kulturelle Beziehungen Behar Passy allerdings
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Die Konzeption der 1959 in Madrid realisierten Ausstellung befand sich in großem Einklang mit den im Vorfeld vom Außenministerium in verschiedenen Korrespondenzen und Berichten formulierten Zielen. Sie konzentrierte sich auf die spanischen Aspekte der sephardischen Kultur und fügte sich in hispanische und philosephardische Denkmuster. Im Prolog des Ausstellungskataloges heißt es: „Die Manifestierung der sephardischen Kultur, von der diese Ausstellung zeugt, ist ein Abbild der Vitalität der hispanischen Kultur […] . Eintausendfünfhundert oder vielleicht mehr als zweitausend Jahre Aufenthalt auf iberischem Boden (Sepharad) formten in den hispanischen Hebräern einen Charakter, der dort so tief verwurzelt war, dass die Strapazen der Entfremdung, die Einflüsse neuer Leute, die politischen Wechselfälle und Erschütterungen der Länder, in denen sie sich niederließen, kaum Auswirkungen hatten […] . Es ist von größtem Interesse, zu unterstreichen, dass es die grundlegende Absicht dieser Ausstellung ist, neben der Bedeutung, die die sephardische Kultur selbst hat […] , die hispanische Bedeutung dieser Kultur herauszustellen. […] Dies ist ein Beweis dafür, dass die Entwicklung nicht im Vermögen der Rassen oder der ethnischen Gruppen liegt, sondern zu einem großen Teil den Bedingungen der Umwelt geschuldet ist. Der fruchtbare Boden der hispanischen Kultur, aus der die sephardische Persönlichkeit das Beste ihrer Lebenskraft bezog, ist der Gegenstand, den die Ausstellung demonstrieren möchte.“339 mit, dass das Ministerium eine Wanderausstellung unter bestimmten Voraussetzungen unterstützen würde, die Beteiligung dürfe jedoch nicht publik gemacht werden. Ein Hinweis auf die große Unsicherheit in dieser Frage und zugleich darauf, dass sich die Abteilung Kulturelle Beziehungen mit ihrer Sicht durchsetzen konnte. Vgl. : Brief von Jos¦ Miguel Ruiz Morales, Director General de Relaciones Culturales, an Behar Passy, Madrid, 20. 10. 1960 ; AMAE, Leg. R 8930/3. Die Diskussion riss aber auch in der Folgezeit nicht ab, ihr Ausgang geht aus den Quellen nicht hevor. Vgl. : Brief von Jos¦ Luis Los Arcos y Elo an Behar Passy, Madrid 17. 3. 1961; AMAE, Leg. R 6592/37. Zu den Verhandlungen zwischen Behar Passy und dem Außenministerium vgl. : Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 301 ff. Die ursprünglich geplante Wanderausstellung konnte laut Marquina und Ospina nicht realisiert werden. 339 „La manifestaciûn cultural sefard de que esta Exposiciûn es testimonio, constituye un reflejo de la vitalidad de la cultura hispnica […]. Mil quinientos o tal vez ms de dos mil aÇos de permanencia en suelo ib¦rico (Sefarad) forjaron en los hispano-hebreos un carcter tan fuertemente enraizado en aqu¦l, que las penalidades de un extraÇamiento, las influencias de nuevas gentes, las vicisitudes y conmociones polticas de los pases donde aqu¦llos se asentaron, no fueron bastantes […]. Es del mayor inter¦s de recalcar que el propûsito fundamental que dirige esta Exposiciûn es, adems de seÇalar la importancia que en s misma ofrece la cultura sefard […], la de revelar la significaciûn hispnica de esta misma cultura. […] Prueba esta de que el progreso no es patrimonio de las razas o de los grupos ¦tnicos, sino que se debe en gran parte a las circunstancias ambientales. El sedimento cultural hispnico de donde, en cualquier caso, ha tomado lo mejor de su savia la personalidad sefard, es ese elemento que quisiera esta Exposiciûn poner de manifiesto.“, Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, VIIf. Eine ähnliche Sichtweise auf die sephardische Kultur findet sich in: Cantera Burgos, Francisco, Los sefardes conservan el sello espaÇol, in: Ya, 19. 12. 1958; AMAE, Leg. R 6592/37. Zur
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Das Zitat verdeutlicht, wie selektiv die Auseinandersetzung mit der jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel im Rahmen der Ausstellung stattfand. Das sephardische Erbe wurde nur als Teil des spanischen oder hispanischen Kulturerbes zugelassen. Dabei wurde keineswegs von einer gegenseitigen Beeinflussung der beiden Kulturen während des jahrhundertelangen Zusammenlebens ausgegangen, vielmehr erschien die christlich-spanische als die dominante Kultur, die die Rahmenbedingungen für die kulturelle Blütezeit des Judentums auf der Iberischen Halbinsel schuf, womit letztlich dessen kulturelles und intellektuelles Schaffen „spanisch“ war. Auch bei der Eröffnungsfeier der Ausstellung am 18. November 1959 in der Nationalbibliothek in Madrid wurden philosephardische Motive aufgegriffen. Der Direktor der Bibliothek, Cesreo Goicoechea, betonte in seiner Rede, dass jedes der ausgestellten Objekte die spanische Bevölkerung mit einer Million spanischsprachiger Sepharden verbinde. Auf sephardischer Seite verwiesen der Großrabbiner des Commonwealth, Salomûn Gaon, und der Präsident der Sephardischen Weltföderation, Denzil Montefiore, auf die tiefe Verbundenheit der Sepharden mit Spanien.340 Behar Passy beschrieb Spanien in einem Interview mit der falangistischen Zeitung Arriba anlässlich der Ausstellungseröffnung im Dezember 1959 als „Mutter“ der Sepharden. Bei dem Vertreibungsdekret der Katholischen Könige habe es sich um einen „Unfall“ gehandelt, der jedoch nicht zwanzig Jahrhunderte Geschichte zerstören könne.341 Die in den Zitaten betonte enge Bindung zwischen Spanien und den Sepharden behauptet zum einen zwei in sich homogene und doch klar voneinander unterscheidbare Gruppen, zum anderen unterstreicht sie den Fokus des Interesses, der genau auf dieser Verbindung lag. Die Ausstellung selbst widmete sich in fünf Sälen verschiedenen, hauptsächlich schriftlichen Zeugnissen der sephardischen Kultur, insgesamt umfasste sie 855 Objekte, wobei das älteste Dokument aus dem 10. Jahrhundert stammte.342 Chronologisch war die Ausstellung in zwei große Bereiche unterteilt: die spanisch-sephardische Kultur auf der Iberischen Halbinsel bis Diskussion um die inhaltliche Ausrichtung der Ausstellung vgl.: Acta de la sesiûn de la Junta Ejecutiva espaÇola para la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, celebrada el da 21 de mayo de 1959, a las 19.30 horas en el despacho del Ilmo. SeÇor Director de la Biblioteca Nacional de Madrid; CSIC-UTAD, Cj. 3388. 340 Vgl.: „Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: ABC, 19. 11. 1959, 46; „El Ministro de Educaciûn Nacional inaugurû la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: Arriba, 19. 11. 1959, 23; „Exposiciûn bibliogrfica sefard con materiales de trece pases“, in: Ya, 18. 11. 1959, 10; „Los sefardes han sido fieles a su patria de origen“, in: Ya, 19. 11. 1959, 9. Für die bei der Eröffnungsfeier gehaltenen Reden vgl.: MuÇoz, Carmen, Exposiciûn Sefard Mundial, in: Sefarad, 1/1960, Beilage: Sefardismo, 137 – 141. 341 Vgl.: Chivelet, Mercedes, Yair Behar Passy, en EspaÇa, in: Arriba, 6. 12. 1959, 31. 342 Es wurden Fotografien, Manuskripte, Zeitschriften und Bücher ausgestellt. Zu der Anordnung der Ausstellungsobjekte in den fünf Sälen vgl.: MuÇoz, Exposiciûn Sefard Mundial, in: Sefarad, 1/1960, Beilage: Sefardismo, 141 – 145.
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Ende des 15. Jahrhunderts und die Kultur der emigrierten Sepharden in Afrika, Amerika, Asien und Europa. Den Bruch, den die Vertreibung 1492 für die sephardische Geschichte darstellte und der in der Chronologie der Ausstellung deutlich wird, thematisiert der Katalog allerdings nicht. Dort heißt es irreführenderweise „beim Verlassen Spaniens“.343 Damit suggeriert der Text, es habe sich um eine freiwillige Ausreise und nicht um ein offizielles Vertreibungsedikt gehandelt, welches die im kastilisch-aragonesischen Königreich lebenden Juden vor die „Wahl“ stellte, dieses zu verlassen oder zum Christentum zu konvertieren. In einem Sonderausstellungsbereich wurden die Publikationen der mitveranstaltenden Sephardischen Weltföderation und des Instituto Arias Montano sowie die Werke von Ýngel Pulido und des als „Sepharden-Freund“ titulierten Ramûn Men¦ndez Pidal ausgestellt.344 Ýngel Pulido wird in dem Ausstellungskatalog als „Senator von Spanien (1852 – 1932) […], der sich die Zuneigung und den Respekt der Sepharden aus aller Welt erwarb“, gewürdigt.345 Zwei Sektionen des Sonderausstellungsbereiches waren somit prominenten Vertretern des Philosephardismus gewidmet.346 Der Philologe Jesffls Cantera schlug in der vom Instituto Arias Montano herausgegebenen Zeitschrift Sefarad 1961 einen Bogen von der Philosephardismuskampagne Anfang des 20. Jahrhunderts zu der Ausstellung in Madrid. Letztere habe „die Flamme [wiederbelebt, A. M.], die Anfang des Jahrhunderts Dr. Pulido zu entzünden wusste“.347 Die im Sonderausstellungsbereich thematisierte spanische Beschäftigung mit sephardischer Kultur versuchte die 343 „Al salir de EspaÇa“, Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, 33. Vgl. auch: Ebd., VIII. Auch in einer internen Skizze der Ausstellungskonzeption fand die Vertreibung keine Erwähnung. Vgl.: Schreiben von Ministerio de Educaciûn Nacional an Director General de Relaciones Culturales, Madrid 12. 3. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 344 Vgl.: Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, 139. Men¦ndez Pidal beteiligte sich außerdem mit einem Vortrag über den „Romancero Sefard“ an einer Konferenz, die im Rahmen der Ausstellung in der Nationalbibliothek stattfand. Vgl.: „Clausura de la Exposiciûn Sefard Mundial“, in: La Vanguardia, 19. 12. 1959, 10. Dass es zu der Zusammenarbeit mit Men¦ndez Pidal gekommen war, muss auf das Engagement Behar Passys zurückgeführt werden. Vgl.: Acta de la sesiûn de la Junta Ejecutiva espaÇola para la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, celebrada el da 14 de abril de 1959, a las 19.30 horas en el despacho del Ilmo. SeÇor Director de la Biblioteca Nacional de Madrid; CSIC-UTAD, Cj. 3388. Bei der Auswahl der Redner, für die im Rahmen der Ausstellung stattfindenden Konferenzen, war das Außenministerium darum bemüht, nicht den Eindruck eines „Congreso de judasmo internacional y de sus simpatizantes“ entstehen zu lassen, sondern den einer „spanischen“ Veranstaltung. Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior an Director de Relaciones Culturales, Madrid, o. Datum, AMAE, Leg. R 6592/37. Zu den einzelnen Vorträgen vgl.: MuÇoz, Exposiciûn Sefard Mundial, in: Sefarad, 1/1960, Beilage: Sefardismo, 145 – 154. 345 „Senador de EspaÇa (1852 – 1932) […] le ha granjeado el cariÇo y respeto de los sefardes de todo el mundo“, Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, 136. 346 Vgl. dazu auch den Ausstellungskatalog, in dem es heißt, dass spanische Historiker immer wieder auf die Existenz der sephardischen Kultur verwiesen hätten, die ihren Platz in der Hispanidad einfordere: Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, VIII. 347 „la llama que supo encender a principios de siglo el Dr. Pulido“, Cantera, Jesffls, ReseÇa de libros y revistas: Los Sefardes, in: Sefarad, 1/1961, 152.
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positive Bezugnahme der Philosepharden zu einer allgemeinen Haltung der Regierung zu stilisieren. Insgesamt suggerierte die Ausstellung sowohl mittels der Auswahl der Exponate als auch mittels ihrer Anordnung eine Kontinuität hispanisch-sephardischer Kultur, deren geografisches Zentrum sich 1492 verschob. Die Lebensbedingungen der Trägergemeinschaft dieser Kultur wurden in der Ausstellung hingegen ebenso wenig in den Blick genommen wie der tatsächliche Umgang des spanischen Staates mit den Sepharden. Dennoch stellte die EBSM als erste Ausstellung über sephardische Kultur in Spanien einen Einschnitt im Hinblick auf den offiziellen Umgang mit der spanischjüdischen Vergangenheit dar, bedeutete sie doch ein offizielles Bekenntnis zum sephardischen Erbe. Dass dies bereits von den Zeitgenossen so wahrgenommen wurde, zeigen die zahlreichen (Presse-)Reaktionen im In- und Ausland.348 Laut New York Times besuchten mehr als 12.000 Menschen die Ausstellung, wobei ein Großteil der Besucher Schulklassen katholischer Schulen gewesen seien.349 Auf sephardischer Seite und bei ausländischen Beobachtern verband sich mit der EBSM die Hoffnung auf eine geänderte Politik des franquistischen Regimes gegenüber den Sepharden, und so wertete der gleiche Artikel in der New York Times die Ausstellung als „a siginificant development in state policy“,350 die fünf Jahre zuvor nach Meinung einiger führender jüdischer Persönlichkeiten noch nicht möglich gewesen wäre. Der britische Guardian sah in der Ausstellung eine „Willkommensgeste der Freundschaft“ gegenüber dem jüdischen Volk.351 Der spanische Botschafter in London betonte in einem Schreiben an das Außenministerium, dass es sich bei der positiven Berichterstattung im Guardian um eine Ausnahme handele, da dieser sonst sehr kritisch gegenüber Spanien eingestellt sei. Er verstand den positiven Bericht als eine Dankesgeste für die Realisierung der Ausstellung in Madrid.352 Die jüdische Gemeinde von Thessaloniki drückte in einem auf Judenspanisch verfassten Brief an den spanischen Botschafter in Athen ihre Freude darüber aus, dass nach viereinhalb Jahrhunderten der Sephardismus wieder mit Spanien in Kontakt trete.353 Im Januar 1960 prophezeite der New York Mirror 348 Die spanische Tageszeitung ABC berichtete z. B. am 25. 11. 1959 mit einer Foto-Sonderbeilage über die EBSM in Madrid, vgl.: „Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial“, in: ABC. Diario Ilustrado de Informaciûn General, 25. 11. 1959. 349 Vgl.: Welles, Benjamin, Madrid recalls Sephardic links, in: NYT, 28. 12. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 350 Welles, Madrid, in: NYT, 28. 12. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 351 „welcome gesture of friendship“, Barnett, R. D., Acknowledging the Sephardim, in: The Guardian, 31. 12. 1959; AMAE, Leg. R 5966/1. 352 Vgl.: Marqu¦s de Santa Cruz, spanischer Botschafter, an Direcciûn General de Poltica Exterior Prûximo y Medio Oriente (confidencial), London, 27. 1. 1960; AMAE, Leg. R 5966/1. 353 Vgl.: Brief von Mario Micha¦l und Leon Carasso (Comunidad Juda de Thessalonica) an spanischen Botschafter in Athen, Thessaloniki, 17. 12. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. Bereits im Jahr zuvor hatte eine Delegation der sephardischen Gemeinde in Athen – vermutlich gegenüber dem dortigen spanischen Botschafter – ihren Dank für die Unterstützung durch die
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eine neue Ära, die für die Sepharden in Spanien anbreche. Die neue Politik des Franco-Regimes „could lead to a revival of Sephardic prestige, religious freedom and opportunity in Iberia“.354 Ebenfalls im Januar 1960 informierte der Generalkonsul in New York, Antonio Mara Aguirre, den spanischen Außenminister über die offiziellen Reaktionen der Sephardischen Weltföderation in den USA. So habe deren Vizepräsident Simon S. Nessim seine Dankbarkeit und zugleich die Hoffnung ausgedrückt, dass die Ausstellung den Beginn einer engeren Beziehung zwischen den Sepharden in aller Welt und der spanischen Regierung markieren würde. Das offizielle Organ der amerikanischen Sektion der Sephardischen Weltföderation, World Sephardi, hob hervor, dass der spanische Erziehungsminister Jesffls Rubio in seiner Eröffnungsrede die Ausstellung als einen ersten Schritt in Richtung engerer Beziehungen gewertet habe.355 Eines Tages könne Spanien dann, wie Behar Passy sich wünschte, die Sepharden „im Schoß der hispanischen Kultur, im Schoß der hispanischen Welt“ willkommen heißen.356 Die bereits erwähnte Zeitschrift Sefarad stellte ein gutes Jahr nach der Ausstellung in Madrid einen Anstieg des Interesses an sephardischer Kultur in Spanien fest.357 Möglicherweise, das deuten die zeitgenössischen Reaktionen an, trug die Ausstellung dazu bei, Spanien in den Fokus der (jüdischen) internationalen Öffentlichkeit zu rücken und es so unter verstärkte Beobachtung zu stellen. Vor allem aber bescherte sie dem franquistischen Regime das erhoffte positive Echo in der internationalen Öffentlichkeit. Bei einem Treffen zwischen den Veranstaltern der Ausstellung und Staatschef
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spanische Regierung ausgedrückt, welche sich insbesondere während des Zweiten Weltkrieges gezeigt habe. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Europa, Entrevista con la colonia espaÇola, 30. 6. 1958; AMAE, Leg. R 6530/38. Auch im Ausstellungskatalog werden die positiven Reaktionen der sephardischen Gemeinden und Organisationen erwähnt, die zugleich mit der Bereitstellung wertvoller Ausstellungsstücke eine wichtige Unterstützung geleistet hätten, vgl.: Catlogo de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, IX. Für die positiven Reaktionen von jüdischen Gemeinden vgl. auch: Brief von Simon S. Nessim, Vizepräsident der World Sephardi Federation, an Antonio Mara Aguirre, spanischer Konsul in New York, New York, o. Datum, sowie den an den Brief angehängten Artikel: „Sephardi Exhibit held in Madrid“, in: World Sephardi, I:4/1959, 1 f; AMAE, Leg. R 6592/37. McBride, John R., Future looms bright for the Spanish Jews, in: New York Mirror, 3. 1. 1960; AMAE, Leg. R 6592/37. Vgl.: „Sephardi exhibit held in Madrid“, in: World Sephardi, I:4/1959, 1 – 2; AMAE, Leg. R 6592/37. „al seno de la cultura hispnica, al seno del mundo hispnico“, Chivelet, Yair Behar Passy, en EspaÇa, in: Arriba, 6. 12. 1959, 31. Auch Maurice L. Perlzweig drückte gegenüber dem spanischen Botschafter in Washington seinen Dank für die Veranstaltung aus: „These events have undoubtedly heightened the interest of the world Jewish community as a whole in Spain as a land which has a high and permanent place in the history of Jewish life and culture, and for my own part I should like to express the sincere hope that this interest will increasingly take a tangible form“, Brief von Maurice L. Perlzweig an Jos¦ M. de Areilza, Botschafter in Washington, New York, 14. 1. 1960; AMAE, Leg. R 6592/37. Vgl.: Cantera, ReseÇa de libros y revistas, in: Sefarad, 1/1961, 152.
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Franco im Juli 1960 verlieh Franco dem sephardischen Großrabbiner für das Commonwealth, Salomûn Gaûn, den Orden „Alfonso X der Weise“ und dem Präsidenten der Sephardischen Weltföderation, Montefiore, den Orden für zivile Leistungen (M¦rito Civil).358 Damit kam er vermutlich einem Vorschlag des Direktors der Nationalbibliothek Goicoechea nach, der im Vorfeld der EBSM angeregt hatte, diejenigen, die sich in besonderem Maße um die Realisierung der Ausstellung bemüht hätten, auszuzeichnen.359 Die Auszeichnung kann als ein Signal der franquistischen Regierung verstanden werden, dass sie das Engagement für sephardische Kultur in einem abgesteckten Rahmen tolerierte und unter bestimmten Voraussetzungen förderte. Das Herausstellen einzelner Persönlichkeiten, denen sozusagen eine Vorbildfunktion zugeschrieben wurde, setzte sich in der Folgezeit als generelle Linie franquistischer Politik fort, die Beziehungen zur sephardischen und jüdischen Welt blieben auf einzelne (herausragende) Persönlichkeiten beschränkt. Die Ausstellung fand jedoch nicht nur positive Resonanz, sondern stieß – insbesondere in den arabischen Staaten – auf Kritik.360 Das irakische Außenministerium schrieb im April 1960 an die spanische Botschaft in Bagdad, dass dort Erkenntnisse über israelische Aktivitäten mit zionistischem Charakter im Rahmen der EBSM vorlägen. Insbesondere sei man über das Hissen der israelischen Flagge irritiert und fürchte um die traditionell guten Beziehungen zu Spanien.361 Der spanische Botschafter Emilio Garca Gûmez leitete die irakischen Bedenken an Außenminister Castiella weiter. In einem Antwortschreiben Ende April drückte der Generaldirektor für den Nahen und Mittleren Osten seine Irritation über die irakische Reaktion aus, da man im Vorfeld der Ausstellung den arabischen Botschaftern das Anliegen genauestens erklärt habe.362 Der Geschäftsträger des Irak (Encargado de Negocios del Iraq) in Madrid sei erneut darüber informiert worden, dass Spanien zwischen dem israelischen Staat, dem Judentum und den sephardischen Minderheiten differenziere, wobei Letzteren besondere Beachtung geschenkt werde, um das vollständige Aufgehen im aschkenasischen Judentum zu verhindern. Alle Versuche zur politischen Instrumentalisierung seitens der Sepharden habe das Außenministerium unterbunden, so sei z. B. eine Broschüre mit politischen Inhalten, die auf der EBSM verteilt werden sollte, verboten worden. Am 358 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 262. Zu den unterschiedlichen Einschätzungen in der Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen und in den politischen Abteilungen im Außenministerium vgl. auch: Marquina/Ospina: EspaÇa y los judos, 299 – 303. 359 Vgl.: Reuniûn de la Comisiûn Organizadora de la Exposiciûn Bibliogrfica Sefardita, Madrid, 18. 10. 1959; AMAE, Leg. R 6592/37. 360 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 260 f; Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 292 – 295. 361 Vgl.: Schreiben von Ministerio de Asuntos Exteriores de la Repfflblica Iraqu an spanische Botschaft in Bagdad, Bagdad, 2. 4. 1960; AMAE, Leg. R 6592/37. 362 Vgl.: Schreiben von Emilio Garca Gûmez, Botschafter in Bagdad, an Außenminister, Bagdad, 12. 4. 1960; Antwortschreiben von Director General de Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Madrid, 28. 4. 1960; beide AMAE, Leg. R 6592/37.
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Eröffnungstag der Ausstellung seien alle Flaggen der Herkunftsländer der an der Organisation beteiligten sephardischen Gruppen gehisst worden. Die israelische Flagge habe somit ausschließlich die sephardische Gruppe aus Israel und keinesfalls den Staat Israel repräsentiert. Aufgrund der arabischen Bedenken sei aber ihre Entfernung angeordnet worden.363 Dieser Zwischenfall verdeutlicht den schmalen Grat, auf dem sich die spanische Außenpolitik bewegte, solange sie versuchte, weder die Interessen der arabischen Staaten noch die der westlichen Staatengemeinschaft offensichtlich zu verletzen. Auch unterstreicht er die vom Außenministerium vollzogene Unterscheidung zwischen einer kulturellen und politischen Annäherung an sephardische Einrichtungen. Die Konzentration auf kulturelle Aspekte ging mit der „Herauslösung“ der Sepharden – verstanden als Träger der hispanischen Kultur – aus dem allgemeinen Judentum einher. Nach dem Ende der Ausstellung scheinen sich allerdings die Befürchtungen einer ungewollten politischen Einflussnahme im Außenministerium verstärkt zu haben. Die zunehmend negative Einschätzung in der Abteilung Naher und Mittlerer Osten beruhte auf zwei Entwicklungen: Zum einen hatten sich die israelischen Bemühungen um eine Annäherung an Spanien 1960 verstärkt, und in den arabischen Staaten kursierte vehement das Gerücht, dass eine Anerkennung Israels unmittelbar bevorstehe.364 Zum anderen kam die Abteilung zu dem Schluss, dass die EBSM von der „jüdischen Propaganda“ ausgenutzt worden sei, um die spanische Position in der arabischen Welt zu schwächen.365 So findet sich in einem Schriftstück (Nota Informativa) der Abteilung Naher und Mittlerer Osten vom Juni 1960 scharfe Kritik an Behar Passy, der während der Ausstellung mehrfach versucht habe, diese für politische Zwecke zu missbrauchen, insbesondere um für eine Annäherung zwischen Spanien und Israel einzutreten. Nun würde er die Gründung einer Akademie der sephardischen Sprache vorbereiten und habe aus diesem Anlass um ein Treffen mit Franco gebeten.366 Es müsse befürchtet werden, dass auch 363 Vgl.: Schreiben von Director General de Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente an spanischen Botschafter in Bagdad, Madrid, 28. 4. 1960; AMAE, Leg. R 6592/37. Im Juni 1960 berichtete der Botschafter in einem weiteren Schreiben, dass der Staatssekretär des irakischen Außenministeriums, Baha Auni, sich für den Vorfall entschuldigt habe, dieser müsse auf die diplomatische Unerfahrenheit des irakischen Geschäftsträgers in Madrid zurückgeführt werden. Vgl.: Schreiben von Emilio Garca Gûmez, spanischer Botschafter, an Außenminister, Bagdad, 1. 6. 1960; AMAE, Leg. R 6592/37. 364 Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 294 – 303. 365 Vgl.: Ebd., 294 ff. Zur negativen Einschätzung der EBSM, die sich in Teilen des Außenministeriums im Nachhinein durchsetzte, vgl.: Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Informe para el SeÇor Subsecretario de Asuntos Exteriores, Madrid, 18. 10. 1960; AMAE, Leg. R 6170/33. 366 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 25. 6. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. Zur Diskussion um die Gründung einer solchen Akademie ebenso wie über die ebenfalls von Behar Passy vorgeschlagene Wanderausstellung zur sephardischen Literatur vgl. auch: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 297 – 303. Der bei dem Treffen ebenfalls anwesende Bildungsminister Jesffls Rubio Garca Mina betonte, dass es sich
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dieses Treffen im Sinne israelischer Interessen genutzt werde, warnte die Abteilung Naher und Mittlerer Osten und drückte damit ihre Skepsis gegenüber der Realisierung weiterer, ähnlich gelagerter Projekte aus.367 Da die EBSM aber durchaus als kurzfristiger Impulsgeber gewirkt hatte, sah sich das Regime in der Folgezeit mit verschiedenen Initiativen konfrontiert. Im Verlauf des bereits erwähnten Treffens zwischen den Veranstaltern der Ausstellung und Staatschef Franco im Juli 1960 wurde über die Einrichtung einer Akademie der sephardischen Sprache diskutiert.368 Dabei wurde die Idee, diese unter dem Dach der Real Academia zu gründen, verworfen.369 Die Abteilung für den Nahen und Mittleren Osten des Außenministeriums stand der Gründung eines solchen Instituts in Spanien ablehnend gegenüber, da sie befürchtete, es könne den sephardischen Organisationen als Ersatz für eine fehlende offizielle Vertretung des Staates Israel dienen. Dies zeige sich daran – so ihre Argumentation weiter –, dass die sephardischen Vertreter die Gründung einer solchen Akademie im Ausland, die die Real Academia anerkennen würde, abgelehnt hätten.370 Die Abteilung für Kulturelle Beziehungen wich von dieser Haltung ab, ein Verbot führe ihrer Ansicht nach zu einer Gründung der Akademie im Ausland, wo die Einrichtung der spanischen Kontrolle vollkommen entzogen wäre.371 Franco hatte sich ebenfalls positiv zu der Gründung eines Instituto de Cultura Juda unter dem Dach des CSIC und damit in Spanien geäußert, woraufhin 1961 in Kooperation mit der Sephardischen Weltföderation innerhalb des CSIC das Instituto de Estudios Sefardes geschaffen und
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um das erste Treffen eines spanischen Staatschefs mit offiziellen sephardischen Repräsentanten seit 500 Jahren gehandelt habe. Vgl.: Ebd., 297. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 25. 6. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. Auch hier, wie im Kontext der EBSM, nahm die Generaldirektion für Kulturelle Beziehungen eine abweichende Haltung ein und betonte die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Sephardischen Weltföderation. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota, Madrid, 12. 8. 1960; AMAE, Leg. R 6170/33. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22. 7. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3; Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota Informativa, Madrid, 7. 7. 1960; AMAE, Leg. R 8930/3. Vgl. auch: PiÇar Lûpez, Mi experiencia personal, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 185 f. Ya berichtete, dass Franco Mitglieder der „Academia Sefard“ zusammen mit dem Erziehungsminister in einer zivilen Audienz empfangen habe, vgl.: „Miembros de la Academia Sefard, recibidos por Franco“, in: Ya, 7. 7. 1960, 10, 16 – 17. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22. 7. 1960; AMAE, Leg. R 6294/3. Zu den Befürchtungen vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota, Madrid, 22. 7. 1960; Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960; beides AMAE, Leg. R. 6294/3. Zum Scheitern der Pläne für eine Sprachakademie vgl. auch: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 772. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Relaciones Culturales, Nota, Madrid, 12. 8. 1960; AMAE, Leg. R 6170/33.
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später dem Instituto Arias Montano untergeordnet wurde.372 Es ist zu vermuten, dass hier die trotz aller Bedenken auch von der Abteilung Naher und Mittlerer Osten erkannte politische „Zweckmäßigkeit“ zum Tragen kam: Eine Stärkung der sephardischen Kultur und Sprache konnte zur Ausbreitung der hispanischen Kultur beitragen.373 Zugleich sicherte die Gründung unter dem Dach des staatlichen CSIC die Einhaltung des offiziellen Diskurses.374 An der Diskussion um die Gründung der Sprachakademie zeigten sich erneut die abweichenden Positionen in der Abteilung Naher und Mittlerer Osten und der Abteilung für Kulturelle Beziehungen, die vermutlich in stärker außen- bzw. kulturpolitischen Überlegungen begründet waren. Die Debatte verdeutlichte aber ebenfalls, dass die spanische Politik darauf bedacht war, die Zusammenarbeit mit sephardischen Organisationen auf bestimmte, kontrollierbare Bereiche zu begrenzen. Bei dem 1964 veranstalteten ersten wissenschaftlichen Symposium zur sephardischen Kultur und Geschichte gab es eine solche Kooperation. Es wurde von dem neu gegründeten Instituto de Estudios Sefardes anlässlich des 25-jährigen Bestehens des CSIC zusammen mit der Sephardischen Weltföderation und dem Instituto de Cultura Hispnica organisiert.375 An
372 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 262 f. Lisbona geht davon aus, dass die Gründung des Instituts im Außenministerium auf Kritik stieß. Sowohl die politischen Abteilungen des Außenministeriums als auch die Generaldirektion für Kulturelle Beziehung hatten großen Wert darauf gelegt, dass der Name des neu zu gründenden Instituts nicht das Wort „Kultur“ beinhalte, um jede Verwechslung mit den dem Außenministerium unterstehenden Instituten, wie z. B. dem Instituto Hispano-Ýrabe oder dem Instituto Cultura Hispnica, zu vermeiden. Vgl.: Marquina/Ospina, EspaÇa y los judos, 299. Das Recht auf Gründung von Kulturinstituten stand nach der Auffassung des Ministeriums lediglich Nationen zu. Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960, Leg. R. 6294/3. 373 Vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 8. 9. 1960; AMAE, Leg. R. 6294/3. Eine Gründung des Instituts in Spanien erhöhte außerdem die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Regierung. Vgl.: Marquina/ Ospina, EspaÇa y los judos, 299. Die von der Gründungskommission des Instituts formulierten Ziele standen ganz im Einklag mit der Linie des Außenministeriums. So sollte das Instituto de Estudios Sefardes die Bindung zwischen Spanien und den sephardischen Gemeinden stärken und die sephardische Kultur als Teil der Hispanidad begreifen und fördern. Vgl.: Brief von Ramûn Men¦ndez Pidal, Präsident der Real Academia de la Lengua, J. Rubio y Gonzlez Mina, Erziehungsminister, u. a. an Präsident des III Congreso de Academias de la Lengua, Bogot, Kolumbien, Madrid, Juli 1960; AMAE, Leg. R 8930/3. Der Brief ist auch von Max Mazin stellvertretend für die jüdischen Gemeinden Spaniens unterzeichnet. 374 Vgl.: P¦rez Castro, Federico, Programtica, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 7. 375 Zu den auf dem Symposium gehaltenen Vorträgen und Reden sowie der Abschlusserklärung vgl.: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio. Auffallend ist die häufige Bezugnahme auf die EBSM. Vgl. auch: Rundschreiben des Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Asuntos Polticos de Ýfrica an Botschafter in Nuakchot, Rabat, Algier, Tripolis, Tunis, Kairo, Amman, Beirut, Damaskus, Bagdad und Dschidda, Madrid, 15. 6. 1964; AMAE, Leg. R 7647/48. Das Außenministerium betonte, dass das Thema Israel vollständig ausgeklammert worden sei und das Symposium keinerlei Auswirkungen auf die Außenpolitik habe. 1971/72 bereiteten das Instituto Arias Montano, das Instituto de EspaÇa in London und die Sephardische Welt-
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dem Symposium, das Haim Beinart, einer der Mitorganisatoren, als „the outstandig event in Jewish history since the expulsion of the Jews from Spain in 1492“376 beschrieb, nahmen über 60 Wissenschaftler und Interessierte aus zehn Ländern, darunter auch Israel, teil. Ähnlich wie zuvor die EBSM beschäftigte sich das Symposium mit der sephardischen Kultur als „einem wichtigen Aspekt im Gesamtgemälde der Hispanidad [Hervorhebung, A. M.]“, wie es der Direktor des Instituto de Cultura Hispnica Gregorio MaraÇûn ausdrückte.377 Alle Beiträge betonten die enge Verbindung zwischen der sephardischen und spanischen Kultur.378 Der Hebraist und Direktor des Instituto de Estudios Sefardes P¦rez Castro forderte in seinem Beitrag die Wiederanbindung der Sepharden an Spanien, um die Hispanität der sephardischen Welt zu bewahren.379 Die Vorschläge der Konferenzteilnehmer zielten in erster Linie auf die Bewahrung des „Judenspanischen“ als lebendiger Sprache, was von spanischen Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit in den 1960er Jahren zunehmend als Notwendigkeit betrachtet wurde.380 Auch das Außenministerium zeigte sich mit dem Symposium zufrieden, ausschlaggebend dafür war vermutlich die positive Resonanz im Ausland.381 Auch wenn die EBSM keinen Bruch mit der bisherigen franquistischen
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föderation ein zweites solches Symposium in der englischen Hauptstadt vor. Vgl. verschiedene Korrespondenzen; AMAE, Leg. R 15933/18. „Sephardi symposium in Spain“, in: JC, 4, 964, 12. 6. 1964, 24. Vgl. auch: „Madrid meeting on Sephardim“, in: JC, 4, 948, 21. 2. 1964, 44. Auch das Organ des jüdischen Rates berichtete über das Symposium, vgl.: „Simposio Sefard“, in: Hakesher, 1/1964, 13 – 14. „un importante aspecto del cuadro general de la Hispanidad“, Hassn, El Simposio de Estudios Sefardes, in: Sefarad, 2/1964, 328. Vgl. auch: Ebd., 329 f, 353 f. Vgl.: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio. Das Symposium befasste sich mit der Geschichte der Sepharden, mit der aktuellen demografischen Situation sowie mit sephardischer Sprache, Literatur und Folklore. Vgl.: P¦rez Castro, Programtica, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 3 – 19. Zu diesem Zweck schlug er die Gründung von spanischen Kulturinstituten im Ausland, die Einrichtung von Abteilungen für sephardische Studien an spanischen und ausländischen Universitäten sowie ein Stipendiennetzwerk für sephardische Studierende vor. Viele seiner Vorschläge wurden in der Abschlusserklärung aufgegriffen und unterstützt. Vgl.: Hassn, El Simposio de Estudios Sefardes, 329 f, 353 f. Vgl.: „Political Dilemma over Spain’s ,Yiddish‘“, in: JC, 5, 010, 30. 4. 1965, 22. Vgl.: „Spain rediscovers the Sephardim“, in: JC, 4, 967, 3. 7. 1964, 8. Die Sephardische Weltföderation sah in dem Symposium einen weiteren Beweis für das neue Interesse und die Sympathie, die Spanien den Sepharden entgegenbringe, vgl.: Brief von World Sephardi Federation an Fernando Mara Castiella, New York, 6. 12. 1964; AMAE, Leg. R 7649/14. Max Mazin bezeichnete während seiner Teilnahme an der Konferenz „United Jewish Appeal“ in New York die Gründung des Museums und die Veranstaltung des Symposiums als wichtige Fortschritte der spanischen Regierung im Umgang mit den Juden. Vgl.: Schreiben von Marqu¦s de Merry del Val, spanische Botschaft, an Außenminister, Washington D.C., 20. 12. 1966; AMAE, Leg. R 8447/12. Zur Reaktion des Außenministeriums vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Poltica Exterior. Asuntos Polticos, Nota, Madrid, 15. 6. 1964; AMAE, Leg. R 7647/48. Auch das Instituto de Cultura Hispnica zeigte sich zufrieden, vgl.: Brief von Enrique Surez de Puga an Ramûn Sedû Gûmez, Director General de Poltica Exterior, Madrid, 8. 6. 1964; AMAE, Leg. R 15123/10.
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Politik bedeutete, da es bereits zuvor einige politische Manifestationen des Philosephardismus gegeben hatte382 und sich die Einverleibung der sephardischen Kultur ins spanische Kulturerbe fortsetzte, muss die Ausstellung als das bis dahin deutlichste öffentliche und offizielle Zeichen philosephardischer Strömungen innerhalb der Regierung gewertet werden, das zu einer vorübergehenden Konjunktur des sephardischen Erbes in der offiziellen Erinnerungskultur führte. 3.2 Das Museo Sefard (1964) als dauerhafter Erinnerungsort „Das Interesse, das an der Geschichte der Juden in unserem Heimatland besteht, ist zweifach, auf der einen Seite ist ihr Studium aufgrund der hundertjährigen Präsenz des jüdischen Volkes in Spanien nützlich für eine bessere Kenntnis des Spanischen; für die kulturelle und historische Entität dieses Volkes ist aber auch die Assimilation an den hispanischen Charakter und Geist, die ein Teil ihrer Vorfahren [des jüdischen Volkes, A. M.] während einer langen convivencia [Hervorhebung, A. M.] vollzog, grundlegend. […] Im Wunsch, die enge Beziehung, die jahrhundertelang die Sepharden an Spanien gebunden hat, aufrechtzuerhalten und auszuweiten, erscheint die Gründung eines Museums, welches sich den Zeugnissen der hebräisch-spanischen Kultur widmet, ausgesprochen opportun, und dafür gibt es keinen angebrachteren Rahmen als das ehrwürdige Gelände der Synagoge von Samuel Lev, die heute unter dem Namen Sinagoga del Trnsito in Toledo bekannt ist, eine Stadt, die wie keine andere in Spanien durch hebräische Elemente geprägt ist“.383
In diesem Auszug aus dem Gründungsdekret des Museo Sefard 384 aus dem Jahr 1964 wird deutlich, dass die Museumsgründung, ähnlich wie zuvor die 382 Vgl.: Aronsfeld, The Ghosts of 1492, 52. 383 „El inter¦s que ofrece la Historia de los judos en nuestra Patria es doble, pues si, por una parte, su estudio es conveniente para un buen conocimiento de lo espaÇol, dada la presencia secular en EspaÇa del pueblo judo, tambi¦n es esencial a la entidad cultural e histûrica de este pueblo la asimilaciûn que una parte de sus linajes hizo del genio y la mente hispanos a trav¦s de una larga convivencia. […] En el deseo de mantener y estrechar los lazos que secularmente han vinculado a los sefardes a EspaÇa, parece singularmente oportuna la creaciûn de un Museo destinado a los testimonios de la cultura hebraico-espaÇola, y para ello no existe marco ms adecuado que el venerable recinto de la Sinagoga de Samuel Lev, hoy conocida con el nombre de Sinagoga del Trnsito, en Toledo, ciudad que como ninguna otra en EspaÇa se halla impregnada de elementos hebraicos.“, Decreto 874/1964, 18. 3. 1964, abgedruckt in: Sefarad, 1/1964, 232 – 233. 384 Die Selbstbenennung als Museo Sefard – und nicht etwa als Museum für sephardische Kultur oder Geschichte – wirft die Frage auf, wodurch sich ein sephardisches Museum auszeichnet, zumal es sich bei dem Museum um eine nicht-sephardische Einrichtung mit in der Mehrzahl nicht-sephardischen/nicht-jüdischen Besuchern handelt. In erster Linie bezieht sich das Adjektiv auf den im Museum präsentierten Inhalt, die Geschichte und Kultur der iberischen Sepharden. Daz-Mas hält dagegen, dass das Museum hauptsächlich die spanisch-jüdische
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EBSM, durch philosephardische und hispanistische Motive gespeist war.385 Vermutlich sogar in einem stärkeren Maße, da es die erste von staatlicher Seite ausgehende Initiative im Hinblick auf eine Aufwertung der spanisch-jüdischen Vergangenheit war.386 Es ist der These von Selma Reuben Holo zuzustimmen, dass es sich bei der Gründung des Museums nicht um ein lokales Projekt, sondern um ein Anliegen des franquistischen Staates handelte, dessen Ziel es gewesen sei, mit dem Museum ein Symbol für die neue Beziehung Spaniens zu seinem jüdischen Erbe zu schaffen.387 Die offizielle Museumsgründung kann so als ein Beitrag zur Selbstdarstellung des franquistischen Regimes gelesen werden. Dabei gilt in Teilen auch für Spanien, was Sabine Offe für die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland feststellt: Der Umgang mit der jüdischen Geschichte wurde zu einem „Gradmesser der erreichten Zivilisierung“ gegenüber dem Ausland.388 Innenpolitisch war das Jahr 1964 neben wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen durch die Feierlichkeiten der „25 Jahre Frieden“ geprägt, die eine Zäsur in der offiziellen Erinnerungspolitik bedeuteten.389 Die Museumsgründung entsprach dem Bestreben einer Erweiterung der bislang dominanten Siegesrhetorik um neue Identifikations- und Erinnerungsangebote. In diesem Kontext war die offizielle Seite (vorübergehend) bereit, neue Aspekte der spanischen Geschichte anzuerkennen und dem kollektiven Gedächtnis einzuverleiben. Dies bedeutete keinesfalls einen grundlegenden
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Geschichte und nicht die ihrer Ansicht nach erst mit der Diaspora beginnende sephardische Geschichte thematisiere, vgl.: Daz-Mas, Los Sefardes, 290. Zu der Diskussion um die Frage, wodurch ein jüdisches Museum charakterisiert sei, vgl.: Offe, Sabine, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen. Jüdische Museen in Deutschland und Österreich, Berlin 2000, 96 ff. Für Rehrmann greift das Gründungsdekret die zentralen Thesen Am¦rico Castros auf, allerdings würden diese als eine „kulturelle[] Einbahnstraße“ gedeutet. Philosephardismus und Franquismus würden zu einer Einheit verschwimmen, vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 772. Vgl.: Rother, Wiederentdeckung, Annäherung, Normalität?, in: Rehrmann/Koechert (Hg.), Spanien und die Sepharden, 112. Für Rother stellt die Gründung des Museums zugleich den Schlusspunkt der prosephardischen Aktivitäten des Regimes dar, vgl. Ebd. Vgl.: Reuben Holo, Beyond the Prado, 56. Dafür spricht auch, dass die OID einen Bericht über die Gründung des Museums vermutlich an die diplomatischen Vertretungen im Ausland verschickte, vgl.: OID, Nota Informativa 321/64, Madrid, 30. 4. 1964; AMAE, Leg. R 11166/26. Dennoch spielten auch lokale Erwägungen eine Rolle, so kann die Gründung des Museo Sefard im Kontext einer größer angelegten Tourismus-Kampagne gesehen werden, die die Vielfalt der toledanischen Geschichte und Kultur in den Mittelpunkt rücken und die Stadt so für einen längeren Aufenthalt attraktiv machen sollte. Vgl.: „Plan especial para completar y adaptar la riqueza histûrica y artstica de Toledo“, in: La Vanguardia, 26. 5. 1971, 12. Eine ähnliche Ansicht vertritt Rehrmann, Das schwierige Erbe, 772 f. Lisbona führt die Initiative auf den Erziehungsminister Manuel Lora Tamayo zurück, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 263. Der Jewish Chronicle wertete die Museumsgründung als Zeichen für das wachsende Bewusstsein, mit dem man in Spanien den Einflüssen der jüdischen Kultur begegne, „Centre of Sephardi culture in Spain“, in: JC, 4, 957, 24. 4. 1964, 22. Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 73 f. Vgl.: Bernecker, Geschichte Spaniens, 257 – 260.
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Wandel im nationalen Identitätsdiskurs, denn auch das Gründungsdekret begriff die jüdische Kultur als einen Teil der spanischen und räumte ihr keinen eigenen Stellenwert ein. Ein sephardisches Museum in Toledo bot sich als neu zu gründender Erinnerungsort an, da es an bereits vorhandene Erinnerungstraditionen anknüpfen konnte: erstens an die Vorstellung eines seit dem Mittelalter bestehenden hispanischen Kulturraumes und zweitens an die „Kastilianisierung“ der spanischen Nation und damit des offiziellen Gedächtnisses durch die Wahl des Ortes Toledo, der ehemaligen Hauptstadt des Westgotenreiches.390 Darüber hinaus verbanden sich mit Toledo positive Erinnerungen im Hinblick auf die jüdische Vergangenheit, wie z. B. das kulturelle und intellektuelle Schaffen der sogenannten Übersetzerschule. Die ersten vier Artikel des Dekrets benennen als Ziel, in dem neu zu gründenden Museum die Zeugnisse der spanisch-jüdischen Kultur zu vereinen, die sich in staatlichen Wissenschaftseinrichtungen befanden und zugleich ein Centro de Cultura Hebraico-EspaÇola mit einer eigenen Bibliothek zu schaffen.391 Die Schirmherrschaft für Museum und Kulturzentrum wurde laut Dekret neben dem Direktor der Schönen Künste und dem der Kulturellen Beziehungen auch einigen staatlichen Einrichtungen, wie dem Instituto de Cultura Hispnica, der Real Academia de la Historia und dem Instituto Arias Montano, sowie dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde von Madrid übertragen.392 Ebenso sah es die Beteiligung des Professors für sephardische Geschichte im Mittelalter von der Hebräischen Universität in Jerusalem und die Einbeziehung sephardischer Organisationen vor.393 Mit dem Dekret wurden so auch Beziehungen zum Judentum, d. h. zu ausgewählten Repräsentanten, etabliert. Die ersten Direktoren des Museo Sefard wurden nacheinander Francisco 390 Im 19. Jahrhundert war Toledo zum „Prototyp“ der romantischen Stadt geworden, welche sich in besonderer Weise durch orientalische Einflüsse auszeichnete. Vgl.: Palomero Plaza, Santiago, Apuntes historiogrficos sobre la Sinagoga del Trnsito. Toledo, in: Lûpez Ýlvarez/ Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 153. 391 Zum Begriff des Museums und den unterschiedlichen Varianten und Konzeptionen von Museen vgl.: Baur, Was ist ein Museum?, in: Ders. (Hg.), Museumsanalyse, 15 – 48. Vgl. auch die Definition des Internationalen Museumsbundes ICOM: http://icom.museum/who-we-are/ the-organisation/icom-statutes/3-definition-of-terms.html#sommairecontent, 6. 12. 2010. 392 Vgl.: Decreto 874/1964, 18. 3. 1964, abgedruckt in: Sefarad, 1/1964, 232 – 233. Zur Zusammensetzung des Patronato del Museo Sefard vgl. auch: Schreiben von Director General del Ministerio de Educaciûn y Ciencia an Comisario Nacional de Museos y Exposiciones, 9. 3. 1976; AGA, (3) 109.003, 12/26.207 – 26.407, Cj. 395. In dem gleichen Schreiben erkundigt sich der Bildungsminister nach der Möglichkeit, einen sephardischen Vertreter in das Patronat aufzunehmen. Eine Antwort ist in den Akten nicht enthalten. Lisbona sieht in der Aufnahme eines jüdischen Vertreters die erste Anerkennung, die der jüdischen Gemeinde in Madrid von offizieller Seite zuteil wurde, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 263. Diese Einschätzung findet sich bereits in einem Artikel im Jewish Chronicle aus dem Jahr 1964, vgl.: Easterman, Spanish Jewry’s Resurgence, in: JC, 4, 965, 19. 6. 1964, 9. 393 Vgl.: Avni, Spain, 209; Decreto 874/1964, 18. 3. 1964, abgedruckt in: Sefarad, 1/1964, 233.
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Cantera Burgos und Federico P¦rez Castro, die zuvor Direktoren des Instituto Arias Montano gewesen waren.394 Beide gehörten zu einer kleinen Gruppe von Hebraisten, die ihre Arbeit im Instituto Arias Montano unter Franco begannen und deren wissenschaftliche Biografien eng mit der Institutionalisierung der Erforschung von Sprache, Kultur und Geschichte des spanischen Judentums verknüpft sind.395 Nach der formalen Gründung des Museums 1964 wurde es 1969 als staatliches Nationalmuseum für Hispanisch-Jüdische Kunst (Museo Nacional de Arte Hispano-Judo) dem Kulturministerium unterstellt.396 Es kam jedoch zunächst weder zur Eröffnung des Museums noch zur Eröffnung eines spanisch-hebräischen Kulturzentrums.397 Neben zahlreichen Restaurationsarbeiten an der Synagoge stellte sich in der Anfangszeit vor allem das Problem des Erwerbs von Ausstellungsstücken. Der langjährigen Museumsdirektorin Ana Mara Lûpez Ýlvarez398 zufolge waren in Spanien kaum Quellen oder Überreste aus der Zeit vor 1492 erhalten, ein Hinweis auf die Inexistenz eines materiellen Gedächtnisses. Hinzu kamen die knappen finanziellen Mittel, die auf eine mangelnde Konsequenz hinsichtlich der Ausstattung und damit letztlich der Realisierung des Museums hindeuten. Unterstützung erhielt das Museum von der jüdischen Gemeinde in Madrid und von Einzelpersonen. Die Spende eines sephardischen Juden ermöglichte den Erwerb des laut Lûpez Ýlvarez wertvollsten Ausstellungsstückes, eines Beckens zur rituellen Waschung mit dreisprachigen Inschriften.399 Die bedeutendste und kontinuier394 Santiago Palomero Plaza zufolge war es ihr Ziel, in Toledo einen Ableger dieses Instituts zu gründen, vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 113. Santiago Palomero Plaza ist Vizedirektor und Kurator des Museo Sefard. 395 Zu den verschiedenen Generationen der spanischen Hebraisten vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 149; Ders., El Museo Sefard como trasmisor del patrimonio hispanojudo, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Benito Ruano (Hg.), Juderas y sinagogas, 451. 396 Vgl.: „La sinagoga del Trnsito, al Museo Sefard“, in: ABC, 6. 7. 1969, 49. 397 Die Gründung eines solchen Kulturzentrums im Museumsgebäude steht aus. Die dafür ursprünglich vorgesehenen Räume werden derzeit für die Museumsbibliothek und -verwaltung genutzt. Vgl.: Palomero Plaza, El Museo Sefard, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Benito Ruano (Hg.), Juderas y sinagogas, 451 f. 398 Im Gegensatz zu den beiden ersten Museumsdirektoren, bei denen es sich um bekannte CSICWissenschaftler gehandelt hatte, war Ana Mara Lûpez Ýlvarez zum Zeitpunkt ihrer Ernennung (1978) eine weitgehend unbekannte Person. Sie hatte zuvor als Konservatorin im Museum gearbeitet. Warum die Wahl auf sie fiel, lässt sich aus den Quellen nicht rekonstruieren. Vgl.: Palomero Plaza, El Museo Sefard, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Benito Ruano (Hg.), Juderas y sinagogas, 451; Ders., Despedida de la directora del Museo Sefard, in: Noticias, 28/2009 – 2010, 5 – 6. Aktueller Direktor ist Santiago Palomero Plaza. Noticias wird vom Museo Sefard herausgegeben und erscheint mit einer Auflage von etwa 600 Exemplaren (Information der Museumsmitarbeiter). 399 Vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara, Catlogo del Museo Sefard Toledo, Madrid 1986, 14, 46. Einem internen Schreiben des Außenministeriums zufolge wurde auch die Spende in Höhe von einer Million Peseten, die ein in Spanien lebender Sepharde der spanischen Regierung aus Dankbarkeit für die Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Madrid überwies, für das Museum verwendet. Vgl.: Undatiertes und unbetiteltes Dokument, vermutlich aus dem Jahr 1965;
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lichste Hilfe leisteten der madrilenische Sepharde Jacques Pinto Coriat und seine Familie. Neben der finanziellen Hilfe spendete die Familie Exponate und 1974 zwei Grundstücke an das Museum.400 1983 ehrte der damalige toledanische Bürgermeister und spätere Vorsitzende des Freundeskreises des Museo Sefard, Juan Ignacio de Mesa, den bereits verstorbenen Jacques Pinto Coriat mit einer Gedenktafel in der Bibliothek, die auf dem von ihm gestifteten Gelände errichtet worden war.401 Diese Begebenheit verdeutlicht, dass unter den spanischen Juden ein Interesse an der jüdischen Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel vorhanden war. Auch gab es die Bereitschaft, an ihrer Verankerung im öffentlichen Bewusstsein mitzuwirken. Dass Jacques Pinto Coriat in der Mehrzahl der Publikationen vom und über das Museum Erwähnung findet, kann wohl auch darauf zurückgeführt werden, dass seine Geschichte vordergründig das Klischee des „reichen und kulturell interessierten Sepharden“ bedient und sein Verhalten somit einer philosephardisch geprägten Erwartungshaltung entsprach. Ähnlich wie zuvor bei der EBSM lässt sich die Tendenz erkennen, „vorbildhafte“ Juden zu ehren. Zudem scheinen Pinto und sein Engagement auf die Akzeptanz des Museums in der jüdischen Bevölkerung zu verweisen, wodurch dieses eine höhere Legitimität und Authentizität erhalten sollte. Allerdings kann aus dem Verhalten einzelner Personen nicht auf eine grundsätzlich positive Haltung der jüdischen Gemeinden zum Museo Sefard geschlossen werden. Welche Bedeutung das Museum für die jüdische Bevölkerung hatte und hat, ist nicht bekannt.402 Nach dem Abschluss der Restaurationsarbeiten wurde das Museum am AMAE, Leg. R 11166/26. Vgl. auch: „Un sefard dona un millûn de pesetas al Gobierno espaÇol“, in: Ya, 26. 5. 1965; AMAE, Leg. R 8725/7. Bei dem Spender handelte es sich um den italienischen Sepharden C¦sar Kajon, der Lisbona zufolge der jüdischen Gemeinde in Madrid angehörte und Mitglied der Vereinigung Interdesarrollo war, die sich für den Aufbau von Handelsbeziehungen zwischen Spanien und Israel einsetzte. Vgl.: Korrespondenzen zwischen Fernando M. Castiella und C¦sar Kajon, April 1965; AMAE, Leg. R 8447/12+11166/26; Lisbona, Retorno a Sefarad, 227 f. In einem wahrscheinlich von Castiella verfassten Entwurf für ein Dankesschreiben heißt es u. a.: „Efectivamente, el pueblo sefard forma parte viva de nuestra historia y por ello, el Gobierno espaÇol defiende sus intereses, tanto morales como materiales, dentro y fuera del territorio nacional, con la misma firmeza que pone cuando se trata de otros espaÇoles“, Unbetiteltes und undatiertes Dokument; AMAE, Leg. R 8447/12. Weitere Unterstützung erhielt das Museum vom American Jewish Committee, vgl.: AJYB, 68/1967, 340. 400 Zur Unterstützung des Museums durch die sephardische Familie Pinto vgl.: Actas de las Sesiones celebradas por el Patronato del Museo Sefard de Toledo, 9. 6. 1965, 6; MS. Vgl. auch: AGA, (3) 109.003, 12/26.207 – 26.407, Cj. 408. 401 Vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara, El museo Sefard de Toledo, in: Races, 3+4/1987, 88. 1992 erhielt die Familie Pinto Coriat den Preis der Real Fundaciûn de Toledo. Vgl.: Noticias, 7/1992, 1, Noticias, 9/1993, 1. Vgl. auch: Reuben Holo, Beyond the Prado, 74. Der Preis wird an Personen oder Einrichtungen verliehen, die sich in besonderer Weise für die Erhaltung des städtischen Kulturerbes engagieren. 402 Allerdings erwähnt der Museumskatalog aus dem Jahr 1986 die Unterstützung durch die CJM, die einige Ausstellungsstücke gespendet habe, vgl.: Lûpez Ýlvarez, Catlogo del Museo Sefard, 14.
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17. Juni 1971 eröffnet, wenn auch mit eher provisorischem Charakter.403 Es umfasste zwei große Sammlungen: Exponate aus der Zeit vor 1492, das wichtigste Ausstellungsobjekt bildete dabei die Synagoge selbst, und Zeugnisse des sephardischen Lebens in Nordafrika und Europa nach 1492. Innerhalb der Ausstellung existierte allerdings weder eine chronologische noch eine thematische Ordnung, sodass die einzelnen Objekte als singuläre Artefakte einer vergangenen Zeit ausgestellt waren.404 Bei den anlässlich der Museumseröffnung gehaltenen Reden deutete sich insbesonders auf der Seite der Museumsvertreter und der sephardischen Repräsentanten neben dem Philosephardismus ein weiteres Motiv an: das Ziel, eine historische Phase dem Vergessen zu entreißen und in das kollektive Gedächtnis zu integrieren. Der Museumsdirektor P¦rez Castro betonte in seiner Rede den Stellenwert der iberisch-hebräischen Kultur, ohne die sich weder Spanien noch das Judentum vollständig begreifen lasse.405 Er nahm – im Unterschied zu der im Kontext der EBSM vertretenen Lesart – eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Kulturen an. Der sephardische Großrabbiner Salomûn Gaûn sah in seiner Eröffnungsrede die vergangene Zusammenarbeit von Juden, Mauren und Christen in Toledo als Vorbild für die Gegenwart, da eine solche Kooperation Frieden im Nahen Osten und in der Welt bringen würde.406 Auch in der 1972 veröffentlichten Museumsbroschüre heißt es: „Es kann daher gesagt werden, dass das Museo Sefard in Toledo existiert um Zeugnis von einer Realität abzulegen, die Spanien nicht vergessen sollte“.407 Diese Gegenwartsbezüge 403 Vgl.: Nota sobre el Museo Sefard de Toledo y su Centro de Cultura Hebraico-EspaÇola, Madrid, 17. 10. 1975; CSIC-UTAD, Cj. 1000, Carpeta: Museo Sefard. Zur Museumsdirektorin wurde Rosa Donoso Guerrero ernannt. Zu den ersten Restaurationsarbeiten nach der Museumsgründung vgl.: „Toledo. Restauraciûn de la Sinagoga del Trnsito“, in: ABC, 7. 9. 1967, 52. 404 Vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara/Palomero Plaza, Santiago/Men¦ndez Robledo, Mara Luisa, Gua del Museo Sefard, Madrid 2006, 26 ff. Die im Museum oftmals fehlende Einbeziehung geschichtsdidaktischer Gesichtspunkte beklagte Jörn Rüsen Ende der 1980er Jahre und forderte die Entwicklung einer museologischen Theorie, vgl.: Rüsen, Jörn, Für eine Didaktik historischer Museen, in: Ders./Ernst, Wolfgang/Grütter, Heinrich Theodor (Hg.), Geschichte sehen. Beiträge zur Ästhetik historischer Museen, Geschichtsdidaktik 1, Pfaffenweiler 1988, 9 – 20. 405 Vgl.: „Se inaugurû el Museo Sefard de Toledo“, in: ABC, 15. 6. 1971, 55 – 56. Die Regierung war ABC zufolge durch den Staatssekretär für Bildung Ricardo Daz Hochleitner und den Generaldirektor für Schöne Künste Florentino P¦rez Embid vertreten. 406 Vgl.: „Sephardi Museum opens in Spain“, in: JC, 5, 330, 18. 6. 1971, 4; CSIC-UTAD, Cj. 1000, Carpeta: Museo Sefard. Der ebenfalls anwesende Präsident der Sephardischen Weltföderation Alas Nahmas drückte seine Dankbarkeit aus, dass Franco die Gründung des Museums genehmigt habe. Vgl.: „Se inaugurû el Museo Sefard de Toledo“, in: ABC, 15. 6. 1971, 55. 407 „Cabe, por lo tanto, decir que el Museo Sefard de Toledo existe para dar testimonio a una realidad que EspaÇa no debe olvidar.“, Museo de la Sinagoga del Trnsito, Toledo 1972; AGA, (3) 109.003, 12/26.207 – 26.407, Cj. 395. In dem Katalog aus dem Jahr 1986 wird als Ziel des Museums genannt, der Kultur und Kunst des jüdischen Volkes historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: „Con la existencia del Museo Sefard se pretende hacer justicia a la cultura y al arte de un pueblo que ha sido tan duramente tratado en su pasado espaÇol, pero que tanto ha contribuido a la transmisiûn de la cultura clsica y a la creaciûn de la ciencia moderna.“,
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stellten ein neues Element in der Erinnerungspolitik dar und erwiesen sich als Vorgriff auf die Entwicklungen im demokratischen Spanien. Dass die Integration der Geschichte der Juden ins kollektive Gedächtnis und in die moderne spanische Identität aber nicht auf allen Seiten gewünscht war, zeigten antisemitische Übergriffe, denen sich das Museum Ende der 1970er Jahre ausgesetzt sah, ebenso wie einige Einträge in den Gästebüchern.408 Ein Gast äußerte in seinem Eintrag großes Unverständnis gegenüber dem Museumsprojekt und gegenüber dem an prominenter Stelle vorgetragenen Bekenntnis zur jüdischen Vergangenheit des Landes: „Ich verstehe es nicht, erst werfen wir sie raus, und dann widmen wir ihnen ein Museum. Wirklich, das verstehe ich nicht!“.409 1984 war das Museum, wie El Pas berichtete, aufgrund von Personalmangel vorübergehend ganz geschlossen worden, ein Umstand, der international und national, insbesondere bei sephardischen Organisationen auf große Proteste stieß.410 Seine eigentliche Arbeit nahm das Museum nach einer erneuten Phase von Restaurations- und Umbauarbeiten im Jahr 1994 wieder auf.411 Im Beisein verschiedener Regierungsvertreter, des israelischen Botschafters in Spanien, Yaacov Cohen, und König Juan Carlos’ wurde die offizielle Neueröffnung des
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Lûpez Ýlvarez, Catlogo del Museo Sefard, 13. Die Museumsdirektorin Ana Mara Lûpez Ýlvarez benannte 1978 als ihr Ziel, gegen das Vergessen der Geschichte anzugehen und zugleich den spanischen Juden ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln: „Pretendemos contar una parte olvidada de la historia de EspaÇa: la de unos espaÇoles (castellanos, granadinos, aragoneses, etc.) de religiûn juda. Sin conocer esta parte de la historia es imposible entender muchos de los hechos que luego acontecieron. Queremos por tanto darla a conocer y queremos que los judos espaÇoles se sientan en familia.“, zit.n.: Noticias, 1/1989, 2 f. In Schreiben an den Museumskommissar in Madrid und an den Provinzgouverneur in Toledo berichtete die Museumsdirektorin Ana Mara Lûpez Ýlvarez am 8. 4. 1977 von antisemitischen Schmierereien, die am Museo Sefard aufgetaucht waren, vgl.: Brief von Ana Mara Lûpez Ýlvarez an Comisario de Museos, Madrid, 8. 4. 1977, Briefe von Ana Mara Lûpez Ýlvarez an Gobernador Civil de Toledo, an Jefe de la Jefatura Superior de Polica de Toledo und an den Bürgermeister von Toledo, alle Toledo, 8. 4. 1977; (AGA, (3) 109.003, 12/26.207 – 26.407, Cj. 395. „¡No lo entiendo, primero los echamos y luego les hacemos un Museo. La verdad, no lo entiendo!“, zit.n.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 136. Es ist unklar, von wann der Eintrag stammt. Zu den Einträgen in den Gästebüchern vgl. auch: Reuben Holo, Beyond the Prado, 65 f. Vgl.: Castro, Eva, El museo sefard de Toledo cierra por falta de personal, in: El Pas, 13. 9. 1984. Vgl.: „El Nuevo Museo Sefard de Toledo, se prepara para abrir sus puertas“, in: Noticias, 10/1994, 1; „Inauguraciûn del Museo Sefard (Nacional de Arte Hispano Judo)“, in: Noticias, 11/1994, 6 – 8; Castro, Alfonso, El mundo sefard revive en Toledo, in: El Mundo, 2. 6. 1994, 87. Als staatliches Museum untersteht es – wie die Mehrheit der spanischen Museen nach 1975 – dem Kultur- und Bildungsministerium und ist Mitglied des Netzwerkes Staatlicher Museen. Die Wiedereröffnung des Sephardischen Museums fiel in eine Phase der beginnenden Museumseuphorie, die sich für Gottfried Korff zu einer „Total-Musealisierung“ steigerte, wobei er sich auf die Musealisierungsthese Hermann Lübbes stützt, vgl.: Korff, Gottfried, Musealisierung total? Notizen zu einem Trend, der die Institution, nach der er benannt ist, hinter sich gelassen hat, in: Füßmann/Grütter/Rüsen (Hg.), Historische Faszination, 131.
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Museums gefeiert.412 Die Anwesenheit des spanischen Königs bei diesem Anlass ist als eine Aufwertung des Museo Sefard im nationalen Bewusstsein zu verstehen.413 Allerdings muss beachtet werden, dass die iberisch-jüdische Geschichte durch das Gedenkprogramm Sefarad 92 zwei Jahre zuvor bereits eine entscheidende Aufwertung in der Öffentlichkeit erfahren hatte. Zudem hatte der spanische König in diesem Kontext eine viel beachtete Rede gehalten, in der er die spanischen Juden in ihrem „Zuhause“ willkommen hieß.414 Damit hatte er sich selbst unter Druck gesetzt, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Als eine solche kann seine Anwesenheit bei der Eröffnungsfeier verstanden werden, die in erster Linie eine Bestätigung des Sephardischen Museums als Erinnerungsort und ein öffentliches Bekenntnis zum jüdischen Erbe darstellte. Die Umwidmung von einem franquistischen zu einem demokratischen Erinnerungsort vollzog sich ohne einen tiefen Bruch.415 Dazu trug die späte Eröffnung des Museums ebenso wie die in der Ausstellung thematisierte weit zurückliegende Vergangenheit bei. Das 1994 wiedereröffnete Museum umfasst gegenwärtig fünf Ausstellungsräume. Die ersten drei Räume widmen sich den Ursprüngen der jüdischen Tradition im antiken Orient sowie der spanisch-jüdischen Geschichte von der Zeit der Westgoten bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Saal vier und fünf stellen den Lebenszyklus, die sephardische Kultur und Religion in den Mittelpunkt, wobei die Darstellung auf einer eher allgemeinen, informativen Ebene verharrt.416 Die chronologisch-thematische Gliederung der Ausstellung bietet dem Besucher eine sinnstiftende Geschichte mittels eines vorgegebenen 412 Vgl.: „Inauguraciûn del Museo Sefard (Nacional de Arte Hispano Judo)“, in: Noticias, 11/1994, 6 – 8. In derselben Ausgabe ist ein Pressespiegel zur Wiedereröffnung des Museums abgedruckt. Vgl. zur Eröffnungsfeier auch: Reuben Holo, Beyond the Prado, 67 f; Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 151; Bustos, Clara Isabel de, El Rey preside, en la sinagoga del Trnsito, le reaperatura del Museo Sefard, in: ABC, 2. 6. 1994, 67; Botn, Gonzalo, El rey Juan Carlos inaugura la reforma del Museo Sefard, que ha durado ocho aÇos, in: El Pas, 2. 6. 1994. Zu den Restaurationsarbeiten vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara, El Museo Sefard de Toledo (1964 – 1997), in: Dies./Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 393 – 398. 413 Vgl.: Reuben Holo, Beyond the Prado, 67 f. 414 Vgl. dazu das Kapitel zu Sefarad 92. 415 Nach 1975 nahm die Zahl archäologischer, ethnologischer und historischer Museen schnell zu, stagnierte dann aber in der Folgezeit. Im Widerspruch zur Konzeption des Museums als einem Begegnungsort steht die Definition in der noch gültigen Ley de Patrimonio 1985, derzufolge Museen Einrichtungen zur Bewahrung des Kulturerbes sind. Hier bleibt die zivilgesellschaftliche Funktion unberücksichtigt. Vgl.: Ley 16/1985, de 25 de junio, del Patrimonio Histûrico EspaÇol, zit. in: Azuar Ruiz, Rafael, Museos: del pfflblico al ciudadano, in: Arrieta Urtizberea, IÇaki (Hg.), Participaciûn ciudadana, patrimonio cultural y museos. Entre la teora y la praxis, AbadiÇo 2008, 28. 416 Vgl.: Lûpez Ýlvarez/Palomero Plaza/Men¦ndez Robledo, Gua del Museo Sefard, 33, sowie die Abschnitte zu den Ausstellungsräumen. Der Katalog aus dem Jahr 1986 zählt demgegenüber nur drei Ausstellungsräume auf: der erste Raum widmete sich Zeugnissen jüdischer Präsenz auf der Iberischen Halbinsel vor 1492, wie z. B. Inschriften auf Grabsteinen von ehemaligen jüdischen Friedhöfen, während die anderen beiden Räume die sephardische Liturgie und Feste in den Blickpunkt nahmen. Vgl.: Lûpez Ýlvarez, Catlogo del Museo Sefard, 46 ff.
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Jüdisches Erbe
Weges an. Darüber hinaus kommt einzelnen Ausstellungsstücken und ihrer Präsentation besondere Bedeutung zu. Die narrative Struktur wird so durch Elemente der dokumentierend-argumentierenden Ausstellung ergänzt.417 Auch wenn es sich bei der Gründung zunächst um einen symbolischen Akt offizieller Selbstinszenierung handelte, wurde das Museum der erste offizielle und öffentlich zugängliche Erinnerungs- und Lernort für die spanisch-jüdische Vergangenheit und existiert bis heute. Als ein solcher Erinnerungsort kann das Museum in dreifacher Hinsicht verstanden werden:418 Erstens wurde durch die Wahl der Stadt Toledo diese langfristig aus der franquistischen Ideologie, die in ihr das Zentrum eines kastilisch-katholischen Spaniens sah, herausgelöst.419 Obwohl zur etwa gleichen Zeit wie das Museo Sefard in Toledo auch das Museum der Westgoten (Museo de los Concilios y de la Cultura Visigoda) errichtet wurde, welches die historische Kontinuität der nationalen Einheit unterstrich, beleuchtete das Sephardische Museum einen anderen historischen Aspekt, der auf die kulturelle Vielfalt Toledos und der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel verwies.420 In der Museumsbroschüre aus dem Jahr 1972 wird Toledo als „Stadt, die wie keine andere in Spanien von dem hebräischen Wesen ihrer brillanten Vergangenheit geprägt ist“, bezeichnet.421 Damit trug das Museum zu einer Erweiterung des kollektiven Gedächtnisses bei. Durch die Thematisierung eines bis dahin weitgehend ausgeblendeten Teils der spanischen Geschichte ergänzte es das nationale Meisternarrativ von den Westgoten und den Katholischen Königen um einen weiteren Erzählstrang.422 An diesen konnte das demokratische Spanien anknüpfen. Toledo und das Sephardische Museum wurden so zu einem Symbol für die neue kulturelle Offenheit: „[T]he Sephardic Museum plays an especially instructive role as the metaphor chosen by the democratic 417 Zu musealen Darstellungsformen vgl.: Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 28 f. 418 Zum Denkmal-Charakter von Synagogen, die zu Museen umfunktioniert wurden, vgl.: Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 86. Auch wenn Offe sich auf Deutschland bezieht, sind ihre Erkenntnisse gewinnbringend. So müssen in Spanien ebenfalls verschiedene Bedeutungsebenen unterschieden werden: Synagogen sind materielle Zeugnisse der jüdischen Vergangenheit im Mittelalter, zugleich steht aber ihre Geschichte, ihre Umnutzung oder Zerstörung, exemplarisch für die offizielle Abwesenheit des Judentums nach 1492. Als offizielle Erinnerungsorte verweisen sie auf das Bekenntnis zum jüdischen Erbe Spaniens. 419 Toledo spielte auch aufgrund des Mythos um den Alczar von Toledo eine zentrale Rolle in der franquistischen Ideologie. Moreno bezeichnet Toledo als einen „nationalen Pilgerort“ des franquistischen Spaniens, vgl.: Moreno Garrido, Ana, Historia del turismo en EspaÇa en el siglo XX, Madrid 2007, 153. Ein Besuch in Toledo gehörte während des Franquismus zum Programm für ausländische Staatsgäste, vgl.: San Francisco, Poltica Internacional y Comunicaciûn, 315. 420 Vgl.: „Reuniûn de directores de Museos de Bellas Artes en Toledo“, in: ABC, 12. 6. 1971, 63. 421 „ciudad impregnada, como ninguna otra en EspaÇa, de las esencias hebraicas de su brillante pasado histûrico“, Museo de la Sinagoga del Trnsito, Toledo 1972; AGA, (3) 109.003, 12/26.207 – 26.407, Cj. 395. 422 Der Freundeskreis des Museo Sefard gab 1990 den ersten Reiseführer über das jüdische Toledo heraus, vgl.: „Primera gua sobre el Toledo judo“, in: Ya, 6. 11. 1990.
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state for the reopening of the country and its cultural renewal“.423 Der urspüngliche Mythos von einem „siegreichen, imperialen und christlichen“424 Toledo entwickelte sich zum Mythos von Toledo als Stadt der Drei Kulturen oder „Stadt der Toleranz“,425 der für das demokratische Spanien weiterhin eine wichtige Funktion im nationalen Identitätsdiskurs einnimmt. Die Hinwendung zur trikulturellen Vergangenheit wurde in den 1980er Jahren durch die in Toledo stattfindenden internationalen Kongresse „Treffen der drei Kulturen“ verstärkt.426 Das Museum selbst stellt gewissermaßen den Kristallisationspunkt dieses neu entdeckten convivencia-Erbes dar. „By dramatically reminding all visitors to Toledo that Spain, like other democratic nations, can confidently absorb the ,other‘ into its national identity, the state and its museum argue for the country once again becoming a place of convivencia – as it so proudly had been over five hundred years ago“.427
Im kollektiven jüdischen Gedächtnis hat die Stadt Toledo als Erinnerungsort der kulturellen Blütezeit des mittelalterlichen Sepharads ebenfalls einen be423 Reuben Holo, Beyond the Prado, 76. 424 „Triunfadora, Imperial y Cristiana“, Palomero Plaza, Santiago, El multiculturalismo. El mito de la convivencia en el Toledo de las Tres Culturas: El Museo Sefard como paradigma, http://www. educa.jccm.es/educa-jccm/cm/revistaIdea/tkContent ?pgseed=1207759670687&idCon tent=17571&locale=es_ES&textOnly=false, 26. 4. 2010. 425 „ciudad de la tolerancia“, P¦rez Monzûn, Olga/Rodrguez-Picavea, Enrique, Toledo y las tres Culturas, Madrid 32007, 45. Für eine kritische Sicht auf den „demokratischen Mythos“ von Toledo als trikulturelle Stadt, vgl.: Palomero Plaza, El multiculturalismo, http://www.educa. jccm.es/educa-jccm/cm/revistaIdea/tkContent?pgseed=1207759670687&idContent=17571& locale=es_ES&textOnly=false, 8. 12. 2010. „Toledo ha sido antes un mito de unidad (catûlica) que de pluralismo puesto que el modelo sociolûgico dominante fue el de una religiûn (y cultura) dominante (primero rabe y despu¦s cristiana) y dos minoras aceptadas o mejor affln ,toleradas‘ (la juda y la mozrabe, primero y la juda y la mud¦jar despu¦s). […] Por ello, las lecciones de presunta convivencia tienen muy reducida aplicaciûn en nuestros das, fuera del pomposo ttulo de Ciudad de las Tres Culturas que sûlo es utilizado por los polticos y operadores tursticos.“ (Ebd). 426 Vgl.: Ayuntamiento de Toledo (Hg.), Actas del I Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“; Ders. (Hg.), Actas del II Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“; Carrete Parrondo (Hg.), Actas del III Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“; Ders. (Hg.), Actos del IV Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“. Ricardo Izquierdo Benito betont die Bedeutung Toledos für die trikulturelle Geschichte Spaniens, vgl.: Izquierdo Benito, Ricardo, Toledo y las tres religiones durante la Edad Media, in: Ayuntamiento de Toledo (Hg.), Actas del I Congreso Internacional „Encuentro de las Tres Culturas“, 163 – 178. Der Topos von Toledo als Stadt der Drei Kulturen wird auch durch die Angebote des Museums selbst gestärkt, so z. B. durch die im Jahr 1996 realisierte Ausstellung zur Übersetzerschule oder durch Kurse zum historischen Zusammenleben der drei Kulturen. Vgl. z. B.: „Exposiciûn de la Escuela de Traductores“, in: Noticias, 15/1996 – 1997, 11; „Musulmanes, judos y cristianos“, in: Noticias, 16/1997 – 1998, 10. 427 Hervorhebung im Original, Reuben Holo, Beyond the Prado, 76. Dass das Museum auch von seinen Besuchern als Erinnerungsort für die trikulturelle convivencia wahrgenommen wird, belegen Einträge in den Gästebüchern, vgl.: „El Pfflblico, Servicios y Prestaciones: Museo Sefard de Toledo“, in: Noticias, 14/1996, 6 – 8.
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Jüdisches Erbe
sonderen Stellenwert. Ein Artikel im Informationsblatt der AJC aus dem Jahr 1972 greift die Bedeutung dieser als „Paris der spanischen Hebräer“ betitelten Stadt auf und bezeichnet sie als „die legendäre Hauptstadt der sentimentalsten und amorösesten Erinnerungen im Zusammenhang mit dem Leben unserer Vorfahren“.428 Der CSIC-Wissenschaftler Lacave beschreibt Toledo als ein Symbol für jüdisches Leben in Spanien. Viele Sepharden würden Toledo geradezu mit dem historischen Sepharad gleichsetzen.429 Das Museum leistet dieser Verschränkung Vorschub. Zweitens bildet die Synagoge Samuel Ha-Lev selbst einen Erinnerungsort. Als historisches Gebäude ist sie zugleich Teil der Ausstellung. Im Gründungsdekret wird die Auswahl des Ortes auf seine Bedeutung für die spanischjüdische Vergangenheit zurückgeführt.430 Bei der Synagoge Samuel Ha-Lev handelt es sich um eine von drei aus dem Mittelalter in ihrer ursprünglichen Form weitgehend erhaltenen Synagogen in Spanien und damit um eine materielle Spur, an der sich die Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel ablesen lässt.431 Die anderen beiden sind die Synagoge Santa Mara La Blanca, die sich in unmittelbarer Nähe zur Synagoge Samuel Ha-Lev in Toledo befindet, und die Synagoge im südspanischen Cûrdoba.432 Die Synagoge diente 428 „la capital legendaria de los recuerdos ms sentimentales y amorosos dentro del marco de la vida de nuestros antepasados“, Azerrat, Leûn, El Museo Sefard de Toledo, in: AJC, 39/1972, 4. Zur Bedeutung der Stadt Toledo als sephardischer Erinnerungsort vgl. auch: Santon, Henry J., Ghosts in Toledo, in: JC, 4, 947, 14. 2. 1964, viii. 429 Vgl.: Lacave, Jos¦ Luis, Juderas y sinagogas espaÇolas, Madrid 1992, 294. 430 Das Museo Sefard bildet damit keine Ausnahme, da Gruber zufolge viele jüdische Museen in Europa in ehemaligen Synagogen untergebracht sind, vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 158. 431 Die Synagoge ist nach dem jüdischen Finanzminister von Pedro I benannt, der sie erbauen ließ. Im 14. Jahrhundert gab es Lacave zufolge in Toledo insgesamt zehn Synagogen, von denen im Jahr 1492 noch fünf existierten, vgl.: Lacave, Juderas y sinagogas espaÇolas, 302. Nachdem die 1357 im Mudejar-Stil erbaute Synagoge 1494 von den Katholischen Königen an den CalatravaOrden übergeben worden war und als Lazarett gedient hatte, wurde sie ab dem 16. Jahrhundert als Kirche und ab dem 18. Jahrhundert als Kapelle genutzt. Aufgrund eines Altargemäldes ist sie unter dem Namen El Trnsito bekannt geworden. Vgl.: Ebd., 303. Bekanntheit hat die Synagoge vor allem aufgrund der Verzierungen und Inschriften in ihrem Inneren erlangt. Am 1. Mai 1877 wurde die ehemalige Synagoge zum Nationalmonument erklärt und 1911 der Stiftung Vega Incln zur Verwaltung übergeben, aus der sie erst 1969 herausgelöst wurde. Vgl.: Lûpez Ýlvarez, El museo Sefard de Toledo, 86 f; Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 111 f. Unter der Leitung von Vega Incln begannen ab 1911 die ersten Restaurierungsarbeiten an dem Gebäude. Zu Vega Incln und seiner Pionierleistung auf dem Gebiet der Restauration in Spanien vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 111 f. Durch diese Initiative stieg Palomero Plaza zufolge die Zahl der Touristen in Toledo von etwa 4000 Personen im Jahr 1911 auf etwa 12.000 im Jahr 1912, vgl.: Ebd., 112. 432 Vgl.: Lûpez Ýlvarez, El museo Sefard de Toledo, 87. Die Synagoge Santa Mara La Blanca wurde am 4. 7. 1930 zum Nationalmonument erklärt, aber laut Palomero Plaza vom franquistischen Regime aufgrund fehlender finanzieller Mittel 1939 an die katholische Kirche zur Instandhaltung abgetreten. Erst in den 1980er Jahren begann die Restaurierung des Gebäudes unter staatlicher Aufsicht. Vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 119. Das Regime gab 1965 eine Briefmarke heraus, die die Synagoge Santa Mara la Blanca zeigte und die mit großem publizistischen Aufwand in der Zeitung Hoja del Lunes als Symbol für eine neue Politik der
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Memorialisierung von Sepharad
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im späten Franquismus der Vergewisserung eines „goldenen Zeitalters“ in Sepharad, im demokratischen Spanien ist sie Kennzeichen der trikulturellen convivencia und kann so nach verschiedenen Seiten identitätsstiftend wirken. Auch wenn die Synagoge bis 1964 in der franquistischen Erinnerungspolitik keine Beachtung gefunden hatte, geht Reuben Holo von einer inoffiziellen Nutzung in der Zeit vor der Museumsgründung aus, insbesondere jüdische Pilger hätten den Ort aufgesucht.433 Lûpez Ýlvarez, Palomero Plaza und Ýlvarez Delgado vermuten, dass dort Veranstaltungen, Konzerte und Versammlungen stattfanden. Allerdings ist über die genaue Nutzung nichts bekannt.434 Lisbona datiert die erstmalige Nutzung der Synagoge als Veranstaltungsort auf den 16. Oktober 1966, als unter Anwesenheit des Gouverneurs von Toledo Enrique Thoms de Carranza und des Präsidenten des Rates des Jüdisch-Amerikanischen Komitees (Consejo del Comit¦ Judo Americano) Philip Hoffman sephardische Lieder rezitiert wurden.435 Für Arriba war es das erste öffentliche Treffen spanischer Juden in einer Synagoge seit der Zeit der Katholischen Könige.436 Somit besaß dieser Ort auch für den Neubeginn jüdischen Lebens in Spanien im 20. Jahrhundert bereits vor der Museumseröffnung einen Erinnerungswert. Die symbolträchtige Wirkung der historischen Synagoge unterstrich Max Mazin, als er 1965 auf einem Treffen der Schirmherren des Museums ihren Besuch als einen „Akt des Pilgerns“ für jüdische Touristen darstellte.437 Seit den 1990er Jahren gab es von jüdischer Seite Bemühungen, das historische Gebäude für die Gegenwart als Synagoge zu reaktivieren, diese wurden von staatlicher Seite allerdings zurückgewiesen,
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religiösen Toleranz beworben wurde. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 263 f; AJYB, 68/1967, 340. Vgl.: Reuben Holo, Beyond the Prado, 67 f. Vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara/Palomero Plaza, Santiago/Ýlvarez Delgado, Yasmina, Nuevos Datos sobre la historia de la Sinagoga del Trnsito, in: Sefarad, 2/1992, 499. Laut einem Bericht des Außenministeriums vom 17. 11. 1960 hatte ein jüdischer Kaufmann aus Jerusalem die Bereitschaft des israelischen Staates signalisiert, den Franziskanern das Coenaculum auf dem Berg Zion zu überlassen und im Gegenzug die Synagoge in Toledo zu erwerben, vgl.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Prûximo y Medio Oriente, Nota Informativa, Madrid, 17. 11. 1960; AMAE, Leg. R 6511/27. Vgl.: Schreiben von Enrique Thoms de Carranza, Gobernador Civil de Toledo, an Juan Armando Andrada-Vanderwilde, Director de Asuntos Polticos de Prûximo y Medio Oriente, Toledo, 26. 10. 1966; AMAE, Leg. R 15123/10; Lisbona, Retorno a Sefarad, 264. Das American Jewish Yearbook betont, dass es sich bei dieser Zeremonie um die erste Rückkehr von Juden in die Synagoge von Toledo nach fast fünfhundert Jahren gehandelt habe, vgl.: AJYB, 68/1967, 340. Ein in der FNFF (13024, Rollo 113) archivierter Brief von Nandor Goldstein an Franco vom 6. 9. 1965 deutet darauf hin, dass es auf jüdischer Seite Bestrebungen gab, die Synagoge für Gottesdienste zu nutzen. Vgl.: Pa¦z, Cristûbal, Los judos, in: Arriba, zit. in: Hakesher, 18/1966, 4. „acto de peregrinaciûn“, Museo Sefard; Actas de las Sesiones celebradas por el Patronato del Museo Sefard de Toledo, 9. 6. 1965, 5 f; MS. Vgl. auch: „Sephardi Museum opens in Spain“, in: JC, 5, 330, 18. 6. 1971, 4. Zur besonderen Bedeutung der Stadt Toledo im jüdischen Bewusstsein vgl. auch: Azerrat, El Museo Sefard de Toledo, in: AJC, 39/1972, 4; Stone, Peter, Toledo and Castile, in: JC, 4, 991, 18. 12. 1964, viiif.
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Jüdisches Erbe
da ein Königliches Dekret seit 1911 die religiöse Nutzung des Gebäudes verbietet.438 Als historisches Gebäude besitzt die Synagoge selbst Quellenwert. Die Geschichte ihrer Um- und Nichtnutzung nach 1492 verweist auf den offiziellen Umgang mit dem jüdischen Erbe. Allerdings können authentische Orte, indem sie historische Brüche verschleiern, bei den Besuchern ein Gefühl der Kontinuität hervorrufen, das nicht der historischen Realität entspricht. Offe problematisiert einen weiteren Aspekt der vermeintlichen Authentizität jüdischer Orte, die bei den Besuchern vorhandenen stereotypen Klassifizierungen Vorschub leisten würden. Als Museen tendieren Synagogen dazu, das Judentum ausschließlich als Religion zu charakterisieren.439 Eine solche Wahrnehmung begünstigt ebenfalls der Ausstellungsbereich zum sephardischen Lebenszyklus, indem in erster Linie auf Ritualgegenstände zurückgegriffen wird.440 Die Frage der jüdischen Identität wird auf die Religionszugehörigkeit verengt und blendet die Vielfalt und Ambivalenzen aus.441 Drittens ist das Museum ein Erinnerungsort und eine zentrale Anlaufstelle für Interessierte und Touristen, da es die Möglichkeit bietet, an einem konkreten Ort, die jüdische Vergangenheit des Landes und in einigen Fällen auch der eigenen Familie aufzuspüren.442 Es bietet dem Besucher Einblick in verschiedene Aspekte der iberisch-jüdischen Geschichte und macht durch deren Anordnung und Interpretation Leseangebote.443 Das Museo Sefard ist nicht nur das erste staatliche Museum gewesen, das sich diesem Aspekt der spanischen Geschichte widmete, sondern beinhaltet zugleich eine der wenigen Spezialbibliotheken zu diesem Themengebiet in Spanien. Die finanzielle und organisatorische Unterstützung durch den Ende der 1980er Jahre gegründeten 438 Vgl. z. B.: Botn, El rey Juan Carlos inaugura la reforma del Museo Sefard, que ha durado ocho aÇos, in.: El Pas, 2. 6. 1994; Fernndez-Santos, Ý., El rumor del trnsito, in: El Pas, 2. 6. 1994; Brief von Ana Mara Lûpez Ýlvarez an Jacobo Israel Garzûn, Toledo, 21. 5. 2004; AFCJE, „Actividades realizadas“. 439 Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 100 f. Eine solche Klassifizierung komme dem Wunsch des Besuchers nach Orientierung entgegen, da sie für Eindeutigkeit sorge: „Die Perspektive, die den Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden als einen zwischen Synagoge und Kirche, zwischen Juden und Christen sieht, dominiert bis heute Initiativen von Theologen für den christlich-jüdischen Dialog, Begegnungen zwischen Christen und Juden in evangelischen Akademien und auf Kirchentagen“ (Ebd., 101). 440 Vgl. dazu auch: Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 53. 441 Vgl.: Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 101 – 104. 442 Vgl.: „El Rey preside, en la sinagoga del Trnsito, la reaperatura del Museo Sefard“, in: ABC, 2. 6. 1994, 67. 443 Joachim Baur beschreibt Museen, die ihren Schwerpunkt auf die pädagogische Aufbereitung und expositorische Vermittlung andernorts entwickelter Wissensbestände legen als „Popularisierungsagenturen“, die zugleich eine gesellschaftliche Bildungs- und Erziehungsfunktion für die Bevölkerung übernehmen. Da die langjährigen Direktoren des Museo Sefard jedoch auch auf dem Gebiet der Wissenschaft tätig waren, stellt dieses Museum eine Hybridform aus Forschungs- und Unterhaltungseinrichtung dar. Vgl.: Baur, Was ist ein Museum?, in: Ders. (Hg.), Museumsanalyse, 18, 29.
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Freundeskreis Asociaciûn de Amigos del Museo Sefard ermöglichte die Erwerbung zahlreicher Ausstellungsstücke und ein umfassendes Begleitprogramm, welches Konzerte, Tagungen, Seminare, Angebote für Schulklassen und Lehrkräfte sowie Theateraufführungen umfasst.444 Seit 1991 finden zudem in Zusammenarbeit mit der Universität Castilla-La Mancha jährlich Sommerkurse zu spanisch-jüdischen Themen statt.445 Auf kulturellem Gebiet besteht seit Ende der 1980er Jahre eine Kooperation mit der israelischen Botschaft.446 Das Museum erfüllt so nicht nur eine Erinnerungsfunktion, sondern ist zugleich ein Lernort, der den Besuchern formelle und informelle Wissensaneignung ermöglicht.447 Es beeinflusst damit auf zentrale Weise das Geschichts- und Judenbild der Besucher.448 Gegenwärtig bietet das Museo Sefard mit einem Programm zur Ahnenforschung den Besuchern außerdem die Möglichkeit, in einer Datenbank mit etwa 30.000 Einträgen einen möglichen sephardischen Ursprung des Familiennamens zu erforschen.449 Damit reagiert das Museum auf ein in Spanien in den letzten Jahren erwachtes Interesse an der Suche nach jüdischen Wurzeln der eigenen Familie. Diese angestrebte stärkere Verankerung innerhalb der Gesellschaft kann auf die Umstrukturierung zu einem „demokratischen“ Erinnerungsort zurückgeführt werden. 444 Das Gründungsstatut wurde am 7. 10. 1988 unterschrieben, vgl.: Asociaciûn Amigos del Museo Sefard, Estatutos; MS. Der Freundeskreis des Museums unterhält persönliche Kontakte zu den jüdischen Gemeinden in Spanien, allerdings sind diese nicht formalisiert oder institutionalisiert. Ebenfalls bestehen Kontakte zu Wissenschaftlern, so waren z. B. Jos¦ Luis Lacave und Iacob Hassn bis zu ihrem Tod Mitglieder des Freundeskreises, dem gegenwärtig u. a. Elena Romero und Yolanda Moreno Koch angehören. Zum Freundeskreis vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 202 – 210; Mesa Ruiz, Juan Ignacio de, Relaciones entre la Asociaciûn de Amigos y el Museo Sefard, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 381 – 384. Zu den verschiedenen Programmen und Angeboten des Museums vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 179 – 190. 445 Bisherige Themen waren z. B. die mittelalterliche spanisch-jüdische Vergangenheit, die Vertreibung der Juden 1492, die Inquisition und das Phänomen der conversos, verschiedene Aspekte der Religion und Kultur des Judentums, die spanisch-jüdische Literatur, die nach der Vertreibung neu aufgebauten sephardischen Gemeinden in verschiedenen Teilen der Welt, Spuren der jüdisch-spanischen Vergangenheit in Spanien, Antijudaismus in Spanien und 1998 und 2009 das jüdische Leben im gegenwärtigen Spanien. Vgl.: Programme der Cursos de Verano. Universidad de Castilla-La Mancha; MS sowie die verschiedenen von Ana Mara Lûpez Ýlvarez mitherausgegebenen Sammelbände, die die im Rahmen der Kurse gehaltenen Vorträge enthalten. 446 Vgl.: Lûpez Ýlvarez, El museo Sefard de Toledo, in: Races, 3+4/1987, 88 f, 90 f. 447 Zum Museum als Lernort vgl.: Hasberg, Wolfgang, Erinnerungs- oder Geschichtskultur. Überlegungen zu zwei (un-)vereinbaren Konzeptionen zum Umgang mit Gedächtnis und Geschichte, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 59. 448 Vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 125 – 130. 449 Vgl.: Palomero Plaza, Historia de la Sinagoga, 188. Die bislang in der offiziellen Erinnerungskultur kaum thematisierte Blutreinheitspolitik, die bis ins 19. Jahrhundert Menschen aufgrund ihrer jüdischen Abstammung stigmatisierte und aus vielen gesellschaftlichen Bereichen ausschloss, scheint sich hier in ihr Gegenteil zu verkehren.
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Zugleich übernimmt es als „Memory Museum“ (Pieper) die Funktion einer Erinnerungs(auf)bewahrung und Vergegenwärtigung des historischen Sepharads und stellt ein staatliches Bekenntnis zur jüdischen Vergangenheit des Landes dar. Das Gedenken an die Vertreibung der Juden aus den iberischen Königreichen wird so, wenn es auch innerhalb der Ausstellung eine marginale Rolle einnimmt, mit dem Museum institutionalisiert. Indem es das Judentum zum zentralen Ausstellungsgegenstand macht, vollzieht das Museum einen Perspektivwechsel, welcher der jüdischen Geschichte und Kultur innerhalb eines begrenzten geografischen Gebietes und durch die Brille der spanischen Historiografie einen eigenen Stellenwert beimisst.450 Letztlich ist das Museum Ort der Aushandlung über die Bedeutung der jüdischen Kultur für das Selbstbild des spanischen Staates. Obwohl das Museo Sefard eines der jüngsten Museen in Spanien ist, hat es mit jährlich 250.000 – 300.000 Besuchern eine wichtige Position innerhalb der Museumslandschaft eingenommen.451 Indem es einen Teil der „nicht-katholischen Geschichte“ Spaniens wiederhergestellt hat,452 hat es einen bedeutenden Beitrag zur „Normalisierung“ im Umgang mit der spanisch-jüdischen Vergangenheit geleistet und zugleich zu deren Popularisierung beigetragen.453 Durch seine Ausstellungen und Aktivitäten konnte dieser Teil der spanischen 450 Vgl.: Backhaus, Fritz, Deutsch-jüdische Geschichte im Museum. Ein „geschichtspolitisches Happy-End“, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 177, 178 f. 451 Vgl.: Reuben Holo, Beyond the Prado, 64; Mesa Ruiz de, Relaciones, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 382. Allerdings fehlen bislang umfangreiche Besucherstatistiken. Für die Besucherzahlen seit 1998 vgl.: http://www.mcu.es/visi tantemuseo/buscarAnios.do;jsessionid=15904B25A152F395B80DED1A9E2EDA9B?action= busquedaInicial&museo=Museo%20Sefard%ED&prev_layout=visitantemuseo&layout=visi tantemuseo&clave=04_45&language=es, 8. 12. 2010. Für weitere Informationen über Museumsbesucher vgl.: http://www.calameo.com/read/00007533594b82fb4ba1b, 7. 11. 2011; http:// www.mcu.es/estadisticas/MC/EM/index.html, 18. 12. 2010; Azuar Ruiz, Museos, in: Arrieta Urtizberea (Hg.), Participaciûn ciudadana, patrimonio cultural y museos, 30 – 33. Juan Ignacio de Mesa Ruiz ging für das Jahr 1997 von etwa 1000 Besuchern pro Tag aus, vgl.: Mesa Ruiz, Juan Ignacio de, Relaciones entre la Asociaciûn de Amigos y el Museo Sefard, in: Lûpez Ýlvarez/ Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 382. In den letzten Jahren wurde das Museum außerdem mit einigen Preisen ausgezeichnet, vgl. dazu: Lûpez Ýlvarez, El Museo Sefard de Toledo, in: Dies./Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 397 f; „Premio al Museo Sefard de la Real Fundaciûn de Toledo“, in: Noticias, 13/1995, 1; „El Museo Sefard de Toledo (Ministerio de Educaciûn y Cultura), Nominado entre los Museos Europeos del AÇo 1996 por la organizaciûn European Museum of the Year Award“, in: Noticias, 14/1996, 1. Leonardo Paso gab im Jahr 1992 in der Zeitschrift Cambio 16 an, dass 80 % der Museumsbesucher aus Spanien stammten und es sich nur bei etwa 5 % um jüdische Touristen handelte, vgl.: Paso, Leonardo, Los judos no se fueron, in: Cambio 16, 1068/1992, 45. Für eine aktuellere Statistik zur Verteilung der Museumsbesucher auf die spanischen Regionen vgl.: Jim¦nez Morn, Carmen, Empezamos a conocer a nuestros visitantes, in: Noticias, 20/2001 – 2002, 10 – 12. 452 Reuben Holo, Beyond the Prado, 76. 453 Korff zufolge besteht eine wechselseitige Beeinflussung zwischen der Popularisierung des Musealen und der Musealisierung des Popularen, vgl.: Korff, Musealisierung total?, in: Füßmann/Grütter/Rüsen (Hg.), Historische Faszination, 132 f.
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Memorialisierung von Sepharad
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Geschichte in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der öffentlichen Debatte zunehmend verankert werden. Der Trend hat sich mit der Gründung des Museums zur Geschichte der Juden in Katalonien in Girona fortgesetzt. Weitere Museen befinden sich im Entstehungsprozess oder in der Planung.454 Einschränkend muss ergänzt werden, dass das Museum, indem es keinen ausreichenden Bogen zur jüdischen Gegenwart schlägt, gewissermaßen zu einem Ersatz für diese, zu einer „virtuellen jüdischen Welt“, wird.455 Zugleich ist es ein Ersatz für die umfassende Auseinandersetzung mit der spanischjüdischen Vergangenheit, die nur vereinzelt an prominenter Stelle – wie in dem Sephardischen Museum – stattfindet. *** Die in diesem Kapitel untersuchten Beispiele haben deutlich gemacht, dass der franquistischen Erinnerungspolitik nicht der Wunsch zugrunde lag, Funktionieren und Scheitern des christlich-jüdischen Zusammenlebens einer historischen Untersuchung und Aufarbeitung zu unterziehen. Sowohl die Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial als auch die Konzeption des Museo Sefard zeigen eine deutliche Ausrichtung auf die kulturellen Aspekte dieser Vergangenheit, und Lisbona ist zuzustimmen, wenn er feststellt, dass die Bereitschaft der franquistischen Regierung zur Unterstützung sephardischer Aktivitäten dort an ihre Grenzen stieß, wo diese – in den Augen des Staates – politischen Charakter annahmen.456 Im Fall der EBSM inszenierte sich das Außenministerium als Bewahrer spanischer Interessen und wollte so seinen Kontrollanspruch auch gegenüber kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen und Aktivitäten legitimieren. Sowohl die Ausstellung als auch die Museumsgründung dienten in erster Linie als Nachweis eines veränderten Umgangs des spanischen Staates mit Juden und jüdischer Geschichte – im Fall des Museums sogar in zwei unter-
454 Vgl.: Palomero Plaza, El Museo Sefard, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Benito Ruano (Hg.), Juderas y sinagogas, 454 f. 455 Offe bezeichnet die von ihr untersuchten jüdischen Museen daher als „Gedächtnisorte für Tote“, die nicht wie z. B. in den USA „Orte gegenwärtiger Debatten lebender Juden“ seien, vgl.: Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 97 f. Zu „virtuellen jüdischen Welten“ vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 50. Im letzten Ausstellungsraum wird auf wenigen Tafeln die Geschichte der Juden in Spanien im 20. Jahrhundert grob skizziert, dabei wird auch auf die Beschäftigung mit dem jüdischen Kulturerbe in Form von Ausstellungen und Kongressen verwiesen. Für die Darstellung der jüdischen Gegenwart in den Museumskatalogen vgl.: Lûpez Ýlvarez/Palomero Plaza/Men¦ndez Robledo, Gua del Museo Sefard, 133 – 137; Ministerio de Cultura (Hg.), Museo Sefard, Madrid 1995, 131 f. 456 Als Beispiel führt Lisbona das Verbot der Konferenz des Congreso Mundial de Sefardes im Oktober 1966 an, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 265.
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Jüdisches Erbe
schiedlichen historischen Phasen, im Franquismus und in der Demokratie.457 Dieser Nachweis wurde gegenüber der internationalen Öffentlichkeit erbracht, die in den 1960er Jahren durch den Eichmann-Prozess und die Bereitschaft einer neuen, nicht mehr direkt betroffenen Generation zur Aufarbeitung der Vergangenheit für die Thematik sensibilisiert war.458 Fraglich ist allerdings, ob im spanischen Fall die positiven Reaktionen im Ausland nicht zugleich dort Erwartungen und Hoffnungen auf eine Verbesserung der Bedingungen für jüdisches Leben weckten. Nach innen ließ sich das Bekenntnis zum sephardischen Kulturerbe in philosephardische und hispanische Denkmuster integrieren und führte dadurch nicht zu einem Bruch mit dem Selbstbild des franquistischen Regimes. Dennoch trug es, zusammengenommen mit den gesellschaftspolitischen Veränderungsprozessen der Zeit, zu einer langsamen Aufweichung der nationalkatholischen Exklusion von Judentum und Islam als „nicht-spanisch“ bei. Die beiden Initiativen waren der Beginn einer musealen Verortung der Erinnerung an Sepharad und dehnten die „Gedächtnisbeziehungen“459 zwischen Juden und Nichtjuden, die sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf den Aspekt des spanischen Umgangs mit verfolgten Juden während des Zweiten Weltkrieges beschränkt hatten, auf die weiter zurückliegende Vergangenheit im Mittelalter aus. Das demokratische Spanien konnte an die Erinnerungsorte zum hispanisch-sephardischen Kulturerbe anknüpfen und erweiterte diese zu einer Manifestation des trikulturellen Erbes. Die Nachwirkung der EBSM bis in die Gegenwart zeigte sich exemplarisch an der 50 Jahre später, 2009, am gleichen Ort realisierten Ausstellung SefaradPhoto. In der Bildunterschrift zu einem Foto der Abschlussveranstaltung der EBSM wurde diese zusammen mit dem 1964 veranstalteten Symposium als eine der „zwei bedeutendsten internationalen Kulturinitiativen über die sephardische Welt, die während der Diktatur organisiert wurden“, gewürdigt.460
457 Vgl.: Backhaus, Deutsch-jüdische Geschichte im Museum, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 179. 458 Vgl.: Lässig, Simone, Vom historischen Fluchtpunkt zur transnationalen Metapher. HolocaustErinnerung in Museen zwischen Geschichte und Moral, in: Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur, 186 f. 459 Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 42. 460 „las dos iniciativas culturales internacionales sobre el mundo sefard de mayor relevancia organizadas durante la dictatura“, gesehen von der Verfasserin beim Ausstellungsbesuch in Madrid, im Oktober/November 2009. Zu der Ausstellung vgl.: O’Kuinghttons, ¢rsula, La EspaÇa semita del fflltimo siglo en la Biblioteca Nacional, in: lef, 22/2009, 10 – 11.
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Popularisierung, Regionalisierung, Demokratisierung
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4. Popularisierung, Regionalisierung, Demokratisierung. Auf dem Weg zu einem pluralen Gedächtnis? Die im offiziellen Gedächtnis rudimentär verankerten Erinnerungen an Sepharad erlebten im demokratischen Spanien einen Aufschwung, wobei sich die Suche nach einem neuen Selbstbild und ein erwachendes Interesse an den „exotischen“ Aspekten spanischer Geschichte vermischten. Welche Möglichkeiten sich nach 1975 für die Vertiefung und Ausdifferenzierung des Gedächtnisses boten und inwieweit sich ein Einschnitt im Erinnerungsgeschehen erkennen lässt, wird am Beispiel der touristischen Aufbereitung des jüdischen Erbes sowie an der Organisation und Ausgestaltung des Gedenkprogramms Sefarad 92 gezeigt.
4.1 Heritage tourism. Die Wiederentdeckung des jüdischen Erbes als Standortvorteil „Recent marketing of Spain’s pre–1492 Jewish heritage seems at first sight to be intended just to attract foreign visitors in search of a cultural experience. In this way, it would participate in the historic tendency of official Spanish tourism initiatives to cater to the needs of foreigners. However, a closer reading of the way these new cultural attractions foreground ,convivencia‘ as a uniquely Spanish cultural tradition and shape it a marketable ideological product suggests that, together with catering to the needs of foreign tourists, the Spanish towns involved in the recovery of their Jewish heritage are also negotiating unresolved domestic issues of collective national, regional, and local identities“.461
Dieses aus dem Aufsatz Marketing Convivencia von Daniela Flesler und Adrin P¦rez Melgosa stammende Zitat verweist auf die zwei zentralen Charakteristika des hier zu untersuchenden Phänomens: die touristisch-folkloristische Vermarktung jüdischen Erbes – die als heritage tourism bezeichnet wird – und die in Spanien damit einhergehende Suche nach lokalen, regionalen oder nationalen Identitäten. Die katalanische Stadt Girona stellt mit ihrem Restaurierungsprojekt des historischen jüdischen Viertels keinen Sonderfall dar. Vielmehr lässt sich in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen europäischen Ländern eine Renaissance jüdischer Themen in der Öffentlichkeit und eine „Spurensuche“ nach jüdischer Kultur und Geschichte beobachten, die mitunter zu einer 461 Hervorhebung im Original, Flesler, Daniela/P¦rez Melgosa, Adrin, Marketing Convivencia: Contemporary Tourist Appropriations of Spain’s Jewish past, in: Afinogu¦nova, Eugenia/ Mart-Olivella, Jaume (Hg.), Spain Is (Still) Different. Tourism and Discourse in Spanish Identity, Plymouth 2008, 63.
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Jüdisches Erbe
„Konservierung und Ästhetisierung ganzer vergangener Lebenswelten“ führen kann.462 Die Besonderheiten des spanischen heritage tourism werden anhand der beiden auf diesem Gebiet tätigen und in Girona ansässigen Institutionen, des Patronats des Call von Girona (Patronato del Call de Girona) und des Netzes der jüdischen Viertel (Red de Juderas), sowie anhand von Reiseführern durch das „jüdische Spanien“ untersucht. Das Patronat des Call von Girona und das Netz der jüdischen Viertel sind nicht-jüdische Initiativen. Die von ihnen geschaffene Angebotsstruktur kann daher mit Gruber als eine „virtuelle jüdische Welt“ verstanden werden. In einer solchen existieren die Erinnerungserzeugnisse und Freizeitangebote weitgehend unabhängig von der realen und lebendigen jüdischen Welt und können die Beschäftigung mit dieser ersetzen. Sie gehorchen einer eigenen Dynamik.463 Während in einem ersten Schritt Gründe dafür gesucht werden, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob die neu geschaffenen „virtuellen Welten“ möglicherweise einen „Jewish space“ im Sinne von Diana Pinto anbieten, d. h. einen Treffpunkt von Juden und Nicht-Juden, der zugleich ein Begegnungspunkt mit jüdischen Themen ist?464 In Spanien war die Tourismusindustrie seit Beginn des 20. Jahrhunderts institutionell eng an den Staat gebunden.465 Spätestens die Einrichtung des Ministeriums für Information und Tourismus im Jahr 1951 zeigte, welches propagandistische Potenzial die franquistische Regierung im Tourismus sah.466 Mit dem Slogan „Spanien ist anders“467 versuchte das Ministerium in 462 Grütter, Heinrich Theodor, Zur Theorie historischer Museen und Ausstellungen, in: Blanke/ Jaeger/Sandkühler (Hg.), Dimensionen der Historik, 179 – 193, 184. Vgl. zu diesem Phänomen auch: Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 35. 463 Vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 50, 68. 464 Vgl.: Pinto, Diana, The third pillar? Toward a European Jewish Identity, in: Kovcs, Andrs/ Andor, Eszter (Hg.), Jewish Studies at the Central European University, Budapest 2000, 181 – 201. Zum Konzept des „Jewish space“ vgl. auch: Brauch, Julia/Lipphardt, Anna/Nocke, Alexandra, Exploring Jewish Space. An Approach, in: Dies. (Hg.), Jewish Topographies. Visions of Space, Traditions of Place, Hampshire/Burlington 2008, 1 – 23. „Jewish places are in our understanding, sites that are geographically located […]. Jewish spaces are understood as spatial environments in which Jewish things happen, where Jewish activities are performed, and which in turn are shaped and defined by those Jewish activities […]. Therefore, in our understanding Jewish place is defined by location, Jewish space by performance.“ (Ebd., 4). 465 1905 wurde in Spanien, als einem der ersten europäischen Länder, eine Comisiûn Nacional de Turismo gegründet, gefolgt von der Errichtung lokaler Gesellschaften für Tourismus-Entwicklung in verschiedenen spanischen Städten; 1928 wurde das Patronato Nacional de Turismo geschaffen. Im selben Jahr eröffneten im In- und Ausland zahlreiche spanische Fremdenverkehrsämter. Unter Franco war zunächst die Direcciûn General de Turismo (DGT) für den Tourismus zuständig, bevor 1951 das Ministerio de Informaciûn y Turismo gegründet wurde. Vgl. z. B.: Afinogu¦nova, Eugenia/Mart-Olivella, Jaume, Introduction. A Nation under Tourist’s Eyes: Tourism and Identity Discourses in Spain, in: Dies. (Hg.), Spain Is (Still) Different, xviii. Zur öffentlichen Verwaltung im Tourismussektor vgl.: Newton, M. T., Tourism and Public Administration in Spain, in: Barke, M./Towner, J./Ders. (Hg.), Tourism in Spain. Critical Issues, Wallingford 1996, 137 – 166. 466 „Tourism was used to project an image of Spain as politically stable, peaceful, and engaged in
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Popularisierung, Regionalisierung, Demokratisierung
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den 1960er Jahren Spanien als ein exotisch-romantisches Land zu präsentieren.468 Neben dem Versprechen der Exotik waren es in erster Linie die verhältnismäßig niedrigen Preise, die Spanien schnell zu einem der beliebtesten Reiseziele werden ließen und der spanischen Wirtschaft einen ungeahnten Aufschwung brachten.469 Nach einer ersten Krise des Tourismussektors in den 1970er und 1980er Jahren – vor allem aufgrund von Preissteigerungen – wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten nach Strategien gesucht, die dem neuen, europäischen
post-war reconstruction. It was hoped that foreign visitors would take away from their vacations in Spain a positive image, which would influence their government’s perceptions of the country. Tourism was organized as a form of propaganda that would lend legitimacy to the regime, viewed with great suspicion by its European neighbors.“, Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 65 f. Zur engen Verknüpfung von Tourismus und Propaganda im Ministerio de Informaciûn y Turismo vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 64 – 72, 137 – 153. Einen wichtigen Impuls erhielt der Tourismussektor durch die Ernennung Manuel Fraga Iribarnes zum Nachfolger des ersten Ministers Gabriel Arias Salgado im Juli 1962. Unter Fraga gründeten sich das Instituto de Estudios Tursticos als ein neuer staatlicher Think-Tank sowie die staatlich finanzierte Empresa Nacional de Turismo (ENTURSA). Vgl.: Ebd., 105 – 110, 116 f. 467 Auch wenn unklar ist, ob der DGT-Mitarbeiter Rafael Calleja den Slogan erfand, wurde unter seiner Federführung die Betonung der „Andersartigkeit“ Spaniens zu einem zentralen Moment, vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 68 f. 468 „By peddling Spain as ,different‘, the government locked the country into the identity of a historical theme park, an island of imaginary difference to which the alienated citizenry of the developed capitalist countries could direct their steps in search of a primitive authenticity.“, Afinogu¦nova/Mart-Olivella, Introduction, in: Dies. (Hg.), Spain Is (Still) Different, xii. Allerdings bedeutete der Slogan kein Bekenntnis zum „Anderssein“ im Allgemeinen, die inneren, regionalen, sprachlichen und kulturellen Unterschiede wurden damit keinesfalls beworben. Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Ebd., 66. Die vom Regime propagierte Andersartigkeit beinhaltete im Tourismusbereich auch die trikulturelle Vergangenheit, so finden sich in den entsprechenden Materialien Hinweise auf al-Andalus und Toledo. Vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 68 f. Zum Tourismus als politischem Instrument im Dienste des franquistischen Regimes vgl. auch: Esteve Secall, Rafael/Fuentes Garca, Rafael, Economa, historia e instituciones del turismo en EspaÇa, Madrid 2000, 102 – 106; Moreno Garrido, Historia del turismo, 189 – 192. 469 Zu den Auswirkungen des in den 1960er Jahren einsetzenden Massentourismus gibt es zahlreiche Untersuchungen. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass der Massentourismus und die mit ihm einsetzende Öffnung des Landes entscheidend zu einem gesellschaftlichen Wandel beitrugen, der letztlich auch die erfolgreiche transiciûn nach Francos Tod ermöglichte. Einen guten Überblick zur Rolle des Tourismus im Franco-Regime und seinen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Implikationen bietet: Pack, Tourism and Dictatorship. Zum Zusammenhang von Tourismus und spanischen Identitätsdiskursen vgl.: Afinogu¦nova/ Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different. Dabei verstehen die Autoren Tourismus und Identität als zwei sich wechselseitig beeinflussende Prozesse, die das Produkt „Spanien“ formen. (Ebd., xv.) Flesler und P¦rez Melgosa zufolge hängt die Beliebtheit Spaniens als Reiseziel bis heute mit dem Bild einer gewissen Exotik zusammen, vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 64. Zum schnellen Anstieg der Touristenzahlen vgl.: Bote Gûmez, V./Thea Sinclair, M., Tourism Demand and Supply in Spain, in: Barke/Towner/Newton (Hg.), Tourism in Spain, 66 f.
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Jüdisches Erbe
und multikulturellen Spanien-Image entsprechen sollten.470 Es vollzog sich eine leichte Abkehr von den massentouristischen (Billig-)Angeboten hin zu einem nachhaltigeren Tourismus, der auch neue Zielgruppen erschließen sollte. In diesem Kontext wurden der ländliche und der Kultur-Tourismus gestärkt, seit den 1990er Jahren zunehmend auch der städtische Tourismus, für den das Konzept der „historischen Stadt“ und die Schaffung kultureller Angebotsstrukturen eine wichtige Rolle spielten.471 Dieser Kulturtourismus bot den seit der Verfassung von 1978 stetig wachsenden Autonomiebestrebungen der Regionen die Gelegenheit zur Profilstärkung, indem sie sprachliche und kulturelle Besonderheiten betonen konnten, deren Ausübung und Bewahrung Franco unterdrückt hatte.472 Die Betonung der regionalen Identität führte zu einer Hinwendung zur lokalen Geschichte und der für viele Regionen und Städte wichtigen historischen Phase des Zusammenlebens von Christen, Mauren und Juden im Mittelalter. Die regionale oder lokale Beschäftigung mit der jüdisch-spanischen Vergangenheit kam dabei wiederum dem Bedürfnis nach Betonung der Alterität gegenüber dem Zentralstaat bzw. der weiterhin dominanten „kastilischen Kultur“ entgegen. Schließlich hatte der spanische Staat die Beschäftigung mit dem jüdischen Erbe im öffentlichen Raum lange Zeit nur sehr restriktiv und selektiv zugelassen bzw. vernachlässigt.473 Allerdings wird – im Fall der jüdischen Vergangenheit – die Aufmerksamkeit auf „negative Erinnerungen“, wie das Ende der christlich-jüdischen Koexistenz in der jeweiligen Region oder die Vertreibung der Juden, gelenkt. Um dieses nicht ausschließ470 Pack spricht von einer Diversifizierung der Tourismusindustrie nach Francos Tod, vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 188. Darüber hinaus wurden verschiedene Verordnungen erlassen, die den Charakter der Tourismusindustrie verändern sollten. Vgl.: Esteve Secall/Fuentes Garca, Economa, historia e instituciones del turismo, 184 f, Kap. 5 – 7. 471 Vgl. zu dieser Wende im Tourismussektor z. B.: Afinogu¦nova/Mart-Olivella, Introduction, in: Dies. (Hg.), Spain Is (Still) Different, xxiiff; Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Ebd., 66 f. Zeitgleich zur Krise erschien eine ganze Reihe von Publikationen, die sich kritisch mit dem spanischen Tourismus, seiner bisherigen Entwicklung und seiner Zukunftsperspektive auseinandersetzten. Vgl. z. B.: Barke/Towner/Newton (Hg.), Tourism in Spain. Ebenso erschienen einige Lokalstudien, vgl. hierzu z. B.: Waldren, Jacqueline, Insiders and Outsiders. Paradise and Reality in Mallorca, Providence 1996. Moreno sieht die Ursprünge des Kulturtourismus in den „excursiones artsticas“ Ende des 19. Jahrhunderts, vgl.: Moreno Garrido, Historia del turismo, 41. Zum historischen Stadtkern als touristische Attraktion vgl.: Barke, M./Towner, J., The Tourist-historic City in Spain, in: Dies./Newton (Hg.), Tourism in Spain, 167 – 185. Zum Tourismus in Katalonien vgl.: Pi-Sunyer, O., Tourism in Catalonia, in: Ebd., 231 – 264. 472 Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 67. Im gegenwärtigen Spanien sei der Tourismus selbst zu einem Teil des kulturellen Erbes geworden. Vgl.: Afinogu¦nova/Mart-Olivella, Introduction, in: Ebd., xiii. Moreno betont die hohe Bedeutung, die den Autonomen Gemeinschaften für den Tourismus im demokratischen Spanien beigmessen wird, vgl.: Moreno Garrido, Historia del turismo, 304. 473 Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 78.
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lich positive Gedächtnis für die Identitätsbestimmung fruchtbar zu machen, mussten Strategien entwickelt werden, die die Erinnerung „entschärfen“.474 Das touristische Interesse an der trikulturellen Vergangenheit des Landes ist indessen kein neues Phänomen, sondern geht auf das späte 18. und 19. Jahrhundert zurück, als ausländische Reisende wie Washington Irving das maurisch/muslimische Erbe in Spanien und insbesondere in Andalusien entdeckten und romantisierten: die Alhambra stand für sie exemplarisch für das historische al-Andalus, das zum Modell einer multikulturellen convivencia stilisiert wurde.475 Mit der touristischen Aneignung des jüdischen Erbes in den letzten Jahrzehnten reagierten die Anbieter gleichfalls auf den Anstieg jüdischer und israelischer Touristen und wollten diesen zugleich weiter forcieren.476 Die wachsende Zahl jüdischer Touristen in Spanien führte nicht nur zu einer Ausweitung entsprechender Angebote, sondern Avni zufolge auch zu einer Ausweitung jüdischen Lebens: Die Gemeinden in Sevilla, Valencia, Alicante, Marbella, Torremolinos, Palma de Mallorca und Teneriffa erhielten wichtige Impulse durch die dortigen Tourismusströme.477
4.1.1 Patronat des Call von Girona und Netz der jüdischen Viertel Das in Katalonien in der Nähe von Barcelona gelegene Girona war eine der ersten Städte Spaniens, in der es von offizieller Seite Bestrebungen gab, das jüdische Erbe in der Stadtgeschichte und im Stadtbild zu verankern. Girona ist neben Toledo, Cûrdoba und Sevilla, einer der wenigen Orte, in dem das ehe474 Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 69 475 Zur Entdeckung Spaniens als romantisch-exotisches Reiseziel Ende des 18. Jahrhunderts vgl.: Barke, M./Towner, J., Exploring the History of Leisure and Tourism in Spain, in: Dies./Newton (Hg.), Tourism in Spain, 6 ff. Vgl. dazu auch: Voß, Die zweite Reconquista?, in: Menny/Dies., Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 47 f. Von den Reisenden wurde im 19. Jahrhundert die mangelnde Pflege der historischen Monumente beklagt. Die nachlässige Haltung begann die spanische Regierung zu ändern, als sie die ökonomischen Vorteile erkannte, die dieses historische Erbe angesichts des unter ausländischen Reisenden bestehenden Interesses mit sich brachte. Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/MartOlivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 65. 476 Zwischen 1994 und 1998 wuchs die jährliche Zahl israelischer Touristen um 280 % auf etwa 105.000 Personen an. Vgl.: Dez de Miguel, Javier, Anlisis sectorial de los mercados judos: ventajas e inconvenientes, in: Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad (Hg.), Curso de formaciûn de la Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad 1999: La herencia juda en la Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad. Mercados emisores y especializaciûn del turismo urbano, Tortosa 2000, 223. Einen ersten Anstieg stellte der Jewish Chronicle bereits 1960 fest, vgl.: „Israeli Tourism: New drive“, in: JC, 4, 733, 8. 1. 1960, 17. Bereits 1968 berichtete der Jewish Chronicle über das erste spanische Hotel, das auf Mallorca koscheres Essen anbot, vgl.: „Kosher Cuisine in Majorca“, in: JC, 5, 178, 19. 7. 1968, 23. 477 Vgl.: Avni, Spain, 205.
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Jüdisches Erbe
malige jüdische Viertel – der sogenannte Call478 – noch heute in seinen Grundstrukturen erhalten ist.479 Der Call, in dem die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung lebte und ihren Geschäften nachging, existierte seit 1160.480 In dieser Zeit begann sich Girona zu einem Zentrum der kabbalistischen Lehre zu entwickeln; eine der wichtigsten Figuren war Moss¦ ben Nahmn, auch bekannt als Nachmanides oder Ramban.481 Den ersten Schritt zur „Wiedergewinnung“ des jüdischen Erbes machte Ende der 1970er Jahre eine private Initiative,482 die sich für die Restaurierung des jüdischen Viertels einsetzte, einige Gebäude erwarb und das Kulturzentrum Isaac el Cec483 (Isaac der Blinde) gründete, welches neben Ausstellungs478 Call ist der katalanische Ausdruck für jüdisches Viertel. Ursprünglich stammt er von dem lateinischen callis ab, auf Katalanisch carrer und auf Kastilisch-Spanisch calle (Straße), und bezeichnete die engen Straßen, in denen die jüdischen Familien lebten. Vgl.: „Girona. La recuperaciûn de un Call“, in: Races, 78/2009, 13. 479 Vgl.: Lacave, Juderas y sinagogas, 29; Alberch i Fugueras, Ramûn, Gua de la judera de Girona, Girona 2003, 31. Zur Aufwertung des jüdischen Erbes in Katalonien vgl. auch: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 273 – 277. 480 Für umfassende Studien zur jüdischen Geschichte in Girona vgl. z. B.: Romano, David, Per una historia de la Girona jueva, 2 Bd., Girona 1988. Für Katalonien vgl. z. B.: Planas i Macr¦, Slvia/ Forcano, Manuel, Historia de la CataluÇa juda. Vida y muerte de las comunidades judas de la CataluÇa medieval, Barcelona 2009; Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda. Für einen Überblick zur Geschichte der Juden in Girona und zur Geschichte des Call vgl. z. B.: Planas i Macr¦, Slvia, Girona: Un ejemplo de comunidad juda medieval, in: Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad (Hg.), Curso de formaciûn de la Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad 1999, 61 – 77. Lacave zufolge ist die mittelalterliche Geschichte der Juden in Katalonien im Vergleich zu der in den anderen Regionen der Iberischen Halbinsel am besten dokumentiert, vgl.: Lacave, Juderas y sinagogas, 19. Auf die Etablierung und Konsolidierung jüdischen Lebens im 12. Jahrhundert deutet das erste katalanische Gesetzeswerk Els Usatges de la Cort de Barcelona hin, in dem die Juden als gesellschaftliche Gruppe anerkannt wurden. Vgl.: Ebd. 481 Einigen Historikern zufolge trug er im Katalanischen den Namen Bonastruc Åa Porta, vgl.: „Girona. La recuperaciûn de un Call“, in: Races, 78/2009, 15. 482 Diese private Initiative wurde von dem katalanischen Künstler und Poeten Josep Tarr¦s und Jorge Puigs, über den sich in den Quellen keine weiteren Angaben finden ließen, ins Leben gerufen. Josep Tarr¦s (oder Torrs) wird in einem Diario 16-Artikel als ein Nachfahre einer converso-Familie bezeichnet, vgl.: Machover, Jacobo, Retorno a Sefarad, in: Diario 16, 30. 5. 1992, 28. 483 Die Namensgebung des Zentrums erklärten die Initiatoren des Projektes mit der Bedeutung der kabbalistischen Schule und insbesondere einiger ihrer Persönlichkeiten: „Dicha escuela, se iniciû con el Rabino Seguia Nahor, judio Provenzal, conocido vulgarmente como ,ISAAC EL CEC‘, conjuntamente con los rabinos de Gerona Nachmanides ,Bonastruch de Porta‘, Abraham den (sic) Meir ,Ibn Ezra‘, Ben Menahen Salomûn ,Azriel‘, son realmente los padres de la Cbala Especulativa, que por primera vez en la historia del judaismo se escribiû y sistematizû en Gerona“, Torres, Jos¦/Puig, Jorge, La cabala de los rabinos de Girona. Presencia histûrica de ,Isaac el Cec‘, Oktober 1978; AACG, 2617/1978, 1: Issac el Cec- Histýria. Zu Nachmanides als Denker des katalanischen Judentums vgl. z. B.: Assis, Yom Tov, Namnides y su concepciûn del judasmo, in: Boadas i Raset, Joan/Planas i Marc¦, Slvia (Hg.), Moss¦ ben Nahman i el seu temps. Simposi commemoratiu del vuitÀ centenari del seu naixement 1194 – 1994. Moss¦ ben Nahman y su tiempo. Simposio conmemorativo del octavo centenario de su nacimiento 1194 – 1994. The life and times of Moses ben Nahman. A symposium to commemorate the 800th
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und Veranstaltungsräumlichkeiten auch ein gastronomisches Angebot beinhaltete.484 Nachdem das Zentrum zunächst auf großes Interesse sowohl bei den jüdischen Gemeinden485 als auch bei der Bevölkerung Gironas gestoßen war und steigende Besucherzahlen verzeichnen konnte, traten drei Probleme auf, die sein Fortbestehen gefährdeten, wie eine Projektskizze des Rathauses aufzeigt: „Erstens weckte die Konzeption des Projektes selbst als Mischung aus lukrativen und mystisch-religiösen Elementen, ohne besondere historische Genauigkeit, das Misstrauen einer wachsenden Anzahl von Institutionen und Personen mit Verbindungen zur jüdischen Welt. Zweitens kam es zu einer Reihe von Konflikten mit verschiedenen Vereinigungen und Zusammenschlüssen, die daran interessiert waren, den CALL [Hervorhebung im Original, A. M.] von Girona weiter auszubauen. Drittens gefährdeten unlösbare ökonomische Probleme die Existenz des Komplexes als öffentliches Kulturerbe. Im Ergebnis führten die Probleme schließlich dazu, dass dieses private Projekt einen Verlust an Glaubwürdigkeit erlitt und daher die dringende Notwendigkeit einer öffentlichen Intervention bestand, um das Erbe zu retten und das Projekt neu auszurichten.“486
Das nachfolgende Eingreifen der Stadt zur Rettung des Zentrums kann mit dessen Beliebtheit in der Bevölkerung, insbesondere aber auch unter Touristen erklärt werden.487 Bereits in den 1980er Jahren kamen Reisegruppen aus
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anniversary of his birth 1194 – 1994, Girona 1994, 77 – 90; Dan, Joseph, Nahmanides and the development of the concept of the Evil in the kabbalah, in: Ebd., 159 – 182. In seinen Auseinandersetzungen mit der Kabbala und dem Buch Sohar erwähnt Gershom Scholem auch die kabbalistische Schule in Girona, vgl.: Scholem, Gershom, Die Geheimnisse der Schöpfung. Ein Kapitel aus dem kabbalistischen Buche Sohar, Frankfurt a.M. 1992. 1984 wurde dieses Projekt von Europa Nostra prämiert, vgl.: Premios Europa Nostra en EspaÇa 1978 – 1999, hg. v.: Hispania Nostra/Ayuntamiento de Madrid 2000, 49. Den Quellen lässt sich entnehmen, dass es Kontakte sowohl zu verschiedenen christlichjüdischen Vereinigungen im In- und Ausland als auch zur CIB und CJM gab: Vgl.: Torres, Jos¦/ Puig, Jorge, La cabala de los rabinos de Girona. Presencia histûrica de ,Isaac el Cec‘, Oktober 1978; AACG, 2617/1978, 1: Issac el Cec- Histýria; Brief von Gad Beck, Jüdische Volkshochschule Berlin, an Josep und Pia Tarres, Berlin, 14. 1. 1982; AACG, 2617/1978, 2: Isaac el Cec – Documents. „En primer lugar, la propia concepciûn del proyecto como mezcla de elementos lucrativos y mstico-religiosos, sin demasiado rigor histûrico, despertaron la desconfianza de un nfflmero creciente de instituciones y personalidades relacionadas con el mundo judo. En segundo lugar, se produjeron una serie de conflictos de todo orden entre diferentes asociaciones y colectivos interesados en potenciar el CALL de Girona. En tercer lugar dificultades insalvables de orden econûmico y patrimonial pusieron en peligro la subsistencia del conjunto como patrimonio pfflblico. El resultado final de estos problemas fue la p¦rdida de credibilidad del proyecto privado inicial y, en consecuencia, la urgente necesidad de la intervenciûn pfflblica para salvar el patrimonio y reorientar el proyecto.“, Projektskizze des Rathauses von Girona: „Call de Girona. Proyecto de Creaciûn del Centro Bonastruc Åa Porta. Proyecto Museo de Historia de los Judos. Proyecto Instituto de Estudios Nahmnides“, April 1991; AACG, 1991/497. Dass es sich bei der wechselseitigen Beeinflussung zwischen der touristischen Vermarktung und der Bewahrung und Pflege archäologischer Überreste nicht um ein spezifisch spanisches Phänomen handelt, zeigt Grubers Studie, vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 131 f. Zur touristi-
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Jüdisches Erbe
den USA oder der Bundesrepublik Deutschland nach Girona. In einem Bericht des Lehrstuhls für Hebräisch und Aramäisch der Philologischen Fakultät der Universität Barcelona wurde im April 1980 das „große archäologische und touristische Interesse“488 an dem Projekt betont. Trotz der in dem Zitat anklingenden Kritik wurde die Verschränkung von lokalhistorischen, touristischen und folkloristischen Elementen in dem städtischen Projekt fortgeführt. Die Restaurierung des ehemaligen jüdischen Viertels wurde zu einem Teil des Sonderplans (Plan Especial) zur Erhaltung und Aufwertung des historischen Stadtkerns Gironas, der bereits 1967 zum „Denkmalgebiet und historisch-künstlerischen Komplex“ ernannt worden war.489 Im September 1987 begann die Stadt die entsprechenden historischen Gebäude aufzukaufen und in öffentlichen Besitz zu überführen. Nachdem dieser Prozess im Juli 1990 abgeschlossen war, wurde 1991 die Verantwortung für das Projekt dem Patronat des Call von Girona übertragen, das als autonomes, der Stadt unterstehendes Organ von der lokalen Regierung sowie dem katalanischen Regionalparlament, der Generalitat, gegründet worden war.490 schen Anbindung Gironas trug auch der 1967 eröffnete internationale Flughafen der Stadt bei. Vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 134. 488 „gran inter¦s arqueolûgico y turstico“, Facultad Filologa. Departamento de Hebreo y Arameo, Universidad de Barcelona, Informe, April 1980; AACG, 2617/1978, 2: Isaac el Cec – Documents; Brief von Gad Beck, Jüdische Volkshochschule Berlin, an Josep und Pia Tarres, Berlin, 14. 1. 1982; AACG, 2617/1978, 2: Isaac el Cec – Documents. Zur (angenommenen) touristischen Bedeutung Gironas für das Judentum vgl.: „Influencia israelita en el desarrollo comercial y cultural de Girona“, in: La Vanguardia, 27. 5. 1981; AACG, 2617/1978,3: Isaac el Cec – Prensa. In dem Artikel wird Girona als ein „[l]ugar de peregrinaciûn“ bezeichnet. 489 „Ýrea Monumental y Conjunto Histûrico Artstico“, Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 127. Vgl. auch: Projektskizze des Rathauses von Girona: „Call de Girona. Proyecto de Creaciûn del Centro Bonastruc Åa Porta. Proyecto Museo de Historia de los Judos. Proyecto Instituto de Estudios Nahmnides“, April 1991; AACG, 1991/497. Mit der Restaurierung des historischen Stadtkerns und damit auch des jüdischen Viertels wurde die städtische Architektin Rosa M. Canovas i Goller beauftragt. Girona nahm mit dem Restaurierungsprojekt eine Vorreiterrolle in Spanien ein. Vgl.: „Modificaciû del Pla Especial del Barri Vell“, 1994; AACG, 1109/94; Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010. Zur Funktion der Kultur in der Stadt(planung) vgl.: Kirchberg, Volker, Das Museum als öffentlicher Raum in der Stadt, in: Baur (Hg.), Museumsanalyse, 233. 490 Die erste und konstituierende Sitzung des Patronats des Call von Girona fand am 22. 4. 1991 im Rathaus von Girona unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Joaquim Nadal i Farreras statt. Es wurde die Gründung des Zentrums Bonastruc Åa Porta und des Institutes Nahmnides beschlossen, vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 22. 4. 1991; CBCP. Am 15. 4. 1992 wurde Assumpciû Hosta i Reb¦s einstimmig zur Direktorin des zu gründenden Zentrums gewählt. Das Patronat besteht aus dem Präsidenten, einer Leitungskommission (Comisiû Directiva), in der die Stadtverwaltung repräsentiert ist, einem beratenden Organ (Consell Impulsor), das sich aus Vertretern akademischer und kultureller Institutionen des In- und Auslandes zusammensetzt, sowie einem wissenschaftlichen Komitee. 1992 wurden folgende Personen als Mitglieder des Consell Impulsor ernannt: Joaquim Nadal als Präsident, Josep Arnau, Vizepräsident, Samuel Toledano (FCJE), Prosper Pinto (Präsident der CIB), Francesc Vicens (Associaciû Amics del Call), Samuel Hadas (ehemaliger Botschafter Israels), Ren¦e
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Die zeitliche Nähe zum Gedenkjahr 1992, in dem sich der Erlass des Vertreibungsediktes gegen die Juden des kastilisch-aragonesischen Königreiches zum 500. Mal jährte, war dabei bewusst gewählt.491 Die Staatliche Gesellschaft für die Durchführung des Quinto Centenario unterstützte das Restaurierungsprojekt finanziell.492 So konnte in dem historischen Gemeindezentrum des Call, das im Mittelalter wahrscheinlich ein Krankenhaus und eine Schule für Frauen, ebenso wie die Mikwe und Synagoge beherbergt hatte, das Zentrum Bonastruc Åa Porta unter Leitung von Assumpciû Hosta gegründet werden. Unter dessen Dach bestehen das jüdische Museum und seit 1997 das Institut Nahmnides (Institut d’Estudis Nahmnides).493 Daran wird deutlich, Sivan (Museologe), David Romano, Eduard Feliu (Präsident der Associû d’Estudis del Judaisme Catal, ADESUC), Yom Tov Asis, Ramon Alberch (Archivar des Rathauses Barcelona), Josep Ma Nadal (Universität Girona), Xavier Soy (Generalsekretär der Presidencia de la Generalitat de Catalunya), Shlomo Ben Ami (ehemaliger israelischer Botschafter), Carles Paramo (Diputaciû Provincial de Girona) und Joan Surroca (Direktor de Kunstmuseums), vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 15. 4. 1992; CBCP. Im Dezember 1994 wurde der Ehrenkonsul Israels in Barcelona, David Melul, in den Rat aufgenommen, vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 19. 12. 1994; CBCP. Vgl. auch: Sandoval, Antoni F., El Call de Girona, 500 aÇos sin judos, in: La Vanguardia Magazine, 1. 12. 1991, 48. Seit 2003 gibt das Patronat ein Bulletin heraus, vgl. dazu: http://www.girona.cat/call/butlleti_v1/defaultes.php, 15. 11. 2010. 491 Durch die Verortung im Kontext des Quinto Centenario konnten, Assumpciû Hosta zufolge, staatliche Gelder leichter und in größerem Umfang verfügbar gemacht werden. (Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010). 492 Es gab zwei Abkommen (22. 9. 1992 und 23. 4. 1993) zur Zusammenarbeit zwischen dem Rathaus von Girona und der Staatlichen Gesellschaft für die Durchführung des Quinto Centenario zur Realisierung des Zentrums Bonastruc Åa Porta. Vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 1. 7. 1993; CBCP; Projektskizze des Rathauses von Girona: „Call de Girona. Proyecto de Creaciûn del Centro Bonastruc Åa Porta. Proyecto Museo de Historia de los Judos. Proyecto Instituto de Estudios Nahmnides“, April 1991; AACG, 1991/497; Convenios de Colaboraciûn entre Sociedad Estatal Quinto Centenario de una parte y el Excmo. Ayuntamiento de Gerona de otra, Madrid, 22. 9. 1992 und 23. 4. 1993; AACG, 93/94. Finanzielle Unterstützung für das Zentrum kommt auch von anderer Seite, in erster Linie von der US-amerikanischen Vereinigung Friends of Girona Museum and Institute, die es als ihre Aufgabe versteht, Girona und das dortige historische jüdische Viertel in den USA bekannt zu machen. Vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 27. 9. 1993; CBCP. Der Freundeskreis wurde von dem Patronat des Call gegründet und hat seinen Sitz in New York. Vgl.: Hosta, Assumpciû, Patronato Municipal Call de Girona: Un proyecto en desarrollo, in: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito (Hg.), El legado material hispanojudo, 391. Als weitere Sponsoren werden in den Akten die Stiftung der Caixa de Girona und die Rich Foundation genannt. In Toledo gab es im Zusammenhang mit Sefarad 92 ebenfalls ein Programm zur Restaurierung des historischen jüdischen Viertels, vgl.: Noticias, 0/1989, 7. 493 Vgl.: Projektskizze des Rathauses von Girona: „Call de Girona. Proyecto de Creaciûn del Centro Bonastruc Åa Porta. Proyecto Museo de Historia de los Judos. Proyecto Instituto de Estudios Nahmnides“, April 1991; AACG, 1991/497; Actes Reunions Commissiû Directiva,
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dass ebenso wie in Toledo auch in Girona die „Wiederentdeckung“ bzw. Wiederaneignung historischer jüdischer Orte mit der Neugründung jüdischer Museen an eben diesen Orten verbunden war. Während die kulturellen Aktivitäten und Bildungsangebote des Zentrums Bonastruc Åa Porta und die Ausstellungen des Museums an die interessierte Öffentlichkeit gerichtet sind, machte es sich das Institut Nahmnides zur Aufgabe, die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte der Juden im Gebiet der aragonesischen Krone zu fördern. Zu diesem Zweck wurde nicht nur eine Bibliothek gegründet, sondern gleichfalls ein Stipendium Moss¦ ben Nahman ausgeschrieben.494 Ebenfalls in den 1990er Jahren, am 21. Januar 1995, gründete sich – wiederum in Girona – das Netz jüdischer Viertel (Red de Juderas), welches als eine Art Dachverband verschiedene Städte und ihre lokalen Restaurierungsprojekte vereint.495 Zugleich stellt das Netzwerk den Versuch dar, das jüdische Erbe einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.496 Als sein Ziel beschreibt es, die „Bewahrung des städtischen, architektonischen und historischen Erbes der jüdischen Vergangenheit in Spanien“.497 Obwohl der Vorsitz
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1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 22. 12. 1997; CBCP. Zur offiziellen Annahme des Projektes durch die Stadt Girona vgl. auch: B.O.P. de Girona, n8 61, 14. 5. 1991; B.O.P. de Girona. n8 92, 20. 7. 1991. Alberch i Fugueras sieht in der Gründung des jüdischen Museums den Kulminationspunkt des Restaurierungsprojektes, vgl.: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 127. Vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 26. 4. 1999; CBCP. 2005 erschien mit Elka Kleins Documents hebraics de la Catalunya medieval. 1117 – 1316 das erste Buch der vom Institut herausgegebenen Reihe Girona Judaica, vgl.: „Presentaciûn de Girona Judaica 1“, in: Boletn Patronat Municipal Call de Girona, 5/2005, http://www.girona.cat/call/butlleti_v1/de faultes.php, 15. 11. 2010. Vgl.: Hosta i Reb¦s, Assumpciû, La Red de Juderas cumple 15 aÇos, in: Races, 83/2010, 75. Assumpciû Hosta führt die Gründung des Netzes jüdischer Viertel auf das Interesse der Stadt Hervs an dem Restaurierungsprojekt des jüdischen Viertels in Girona zurück. Während eines Besuches einer Delegation aus Hervs in Girona sei die Idee entstanden, sich gemeinsam für die Wiederherstellung des jüdischen Erbes einzusetzen. (Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010.) In einem zweiten Schritt wurde versucht, weitere interessierte Städte für das Projekt zu gewinnen. Vgl.: Vorwort von Anna Pagans Gruartmoner, in: Red de Juderas de EspaÇa. Caminos de Sefarad. 1995 – 2005, hg. v.: Red de Juderas. Caminos de Sefarad, Girona 2005, 5. Vgl.: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 129. „la defensa del patrimonio urbanstico, arquitectûnico e histûrico del legado judo en EspaÇa“, Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Memoria 09, o.O., 2010, 15. In dem gleichen Bericht werden vier Gebiete der Projektarbeit ausgemacht: Kultur (Ausstellungen, Konzerte, Kinound Musikfestivals, Kurse, Tagungen und Publikationen), Tourismus (Publikation von Reiseführern, Meetings in Sefarad, RASGO-Projekt), Öffentlichkeitsarbeit und Internationale Beziehungen (Europäischer Tag der jüdischen Kultur, Erensya-Projekt). Das Erensya-Projekt ist eine Initiative des Netzes jüdischer Viertel, zusammen mit Casa Sefarad-Israel und dem Instituto Cervantes, zur Etablierung von Kontakten der spanischen Gesellschaft mit Repräsentanten sephardischer Gemeinden im Ausland. Ein solches Treffen fand erstmals im Oktober 2009 in Toledo statt. Vgl.: Ebd., 41; http://casasefardi.com/ES/Agenda/I – Cumbre-Global-dela-Plataforma-Erensya_7ad5.aspx, 27. 9. 2011.
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turnusmäßig unter den Mitgliedsstädten wechselt, ist das Netzwerk personell und institutionell an Girona gebunden, wo es sein permanentes Büro hat und die Geschäftsführerin Assumpciû Hosta ansässig ist.498 Der Sitz des Netzwerkes in Girona ist auch auf die von der Stadt beanspruchte Vorreiterrolle im Hinblick auf die Rehabilitierung und Restaurierung jüdischen Erbes in Spanien zurückzuführen.499 Dieses Selbstverständnis der Stadt lässt sich z. B. aus dem von der damaligen Bürgermeisterin Anna Pagans i Gruartmoner verfassten Vorwort zum Gua de la judera de Girona ablesen: „Die Stadt Girona besitzt ein breit gefächertes historisch-künstlerisches Erbe, welches Frucht einer Entwicklung ist, die sich durch großen Reichtum und Dichte des historischen Geschehens auszeichnet. […] Die Stadt hat in den letzten Jahren damit begonnen, sich mit Einrichtungen und Kulturprodukten auszustatten, die es ermöglichen, dieses kulturelle Kapital den Bürgern Gironas und allen, die uns besuchen, näherzubringen“.500
Dem Netzwerk gehören 21 Städte501 an, zuletzt wurden Leûn (2002) und Barcelona (2003) aufgenommen.502 498 Die personelle und räumliche Überschneidung mit der Leitung des Patronats führt in der Praxis zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen diesen beiden Institutionen. Auf der Sitzung in Segovia am 28. 5. 1998 wurde Assumpciû Hosta zur Geschäftsführerin ernannt, vgl.: Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 7, Segovia, 28. 5. 1998; CBCP. Das Netz jüdischer Viertel unterhält enge Kontakte mit dem Außenministerium und ist Mitglied der Casa Sefarad-Israel. (Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010). 499 Ein Beispiel dafür, dass diese Selbstdarstellung Gironas akzeptiert wird, ist der dreisprachige Reiseführer von Martine Berthelot, in dem heißt es: „Girona knew how to safeguard the traces of its prestigious Hebrew past when it was rediscovered just over twenty years ago: now restored and carefully maintained by the council“, Berthelot, Martine, Narbonne – Girona. Ruta Jueva. Route Juive. Jewish Route, Perpignan 2002, 175. 500 „La ciudad de Girona cuenta con un patrimonio histûrico-artstico y diverso, fruto de una evoluciûn marcada por una gran riqueza y variedad de acontecimientos. […] La ciudad en los fflltimos aÇos se ha ido dotando de numerosos equipamientos y productos culturales que permiten acercar todo este capital cultural a los ciudadanos de Girona y a todos aquellos que nos visitan.“, Pagans i Gruartmoner, Anna, Prûlogo, in: Alberch i Fugueras, Gua de la judera de Girona, 9. 501 Ývila, Barcelona, Besalffl, Cceres, Calahorra, Cûrdoba, Estella-Lizarra, Girona, Hervs, Ja¦n, Leûn, Monforte de Lemos, Oviedo, Palma de Mallorca, Plasencia, Ribadavia, Segovia, Tarazona, Toledo, Tortosa und Tudela. Vgl.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad. 1995 – 2005, 46; http:// www.redjuderias.org/red/index.php, 16. 11. 2010. 502 Die Aufnahme Barcelonas erfolgte erst nach internen Diskussionen, da einige Mitglieder (Ribadavia, Toledo) der Meinung waren, der bisherige Aufnahmeprozess wäre zu schnell verlaufen. Vgl.: Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 15 – Acta n8 18; CBCP. Ein danach verhängtes Moratorium endete 2010. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sieht Assumpciû Hosta insbesondere für kleinere Städte in den finanziellen Mitteln und Strukturen, die das Netzwerk bereithält. Zugleich sichern in seinem Namen durchgeführte Veranstaltungen größere Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit und potenzieren so den Werbeeffekt für die Städte. (Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010).
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Dem Engagement für die Erhaltung und Nutzbarmachung jüdischer Viertel steht eine mangelnde Repräsentanz jüdischer Persönlichkeiten und Einrichtungen in den hier vorgestellten Organen gegenüber. Während die Europäische Vereinigung für die Bewahrung und Förderung der jüdischen Kultur und des jüdischen Erbes (European Association for the Preservation and Promotion of Jewish Culture and Heritage) ein gemeinsames Projekt des Netzes jüdischer Viertel und von B’nai B’rith Europa ist – und somit von einer jüdischen Organisation mitgetragen wird –, sind in dem spanischen Netz jüdischer Viertel lediglich die Mitgliedsstädte vertreten.503 In diesen existieren aber, abgesehen von Barcelona, keine bedeutenden jüdischen Gemeinden.504 Im Patronat des Call von Girona finden sich zwar einige jüdische Persönlichkeiten im Consell Impulsor.505 Insgesamt handelt es sich dennoch um eine mehrheitlich nicht-jüdische Initiative, die ein Angebot für eine interessierte Öffentlichkeit schaffen soll, von der wiederum angenommen wird, dass sie in erster Linie jüdisch ist. Dieses Ungleichgewicht ist ein grundsätzliches Problem des heritage tourism, welcher die Interessen der Touristen mit denen der „traditionellen Besitzer“ in Einklang bringen muss.506 Der spanische Fall wird von Flesler und P¦rez Melgosa als besonders kompliziert eingestuft, da dort diejenigen, die als „traditionelle Eigentümer“ betrachtet werden müssten, vor mehreren Jahrhunderten vertrieben wurden. Deren Nachfahren würden nun eingeladen, ihre „alte Heimat“ zu besuchen. Damit zielen die touristischen 503 Vgl.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad. 1995 – 2005, 48 – 52. Die 2001 gegründete europäische Vereinigung sieht im jüdischen Kulturerbe ein kreatives Potenzial, welches zugleich eine wichtige Rolle bei der Außendarstellung des Judentums spiele. Vgl.: Webber, Jonathan, Notes Toward the Definition of „Jewish Culture“ in Contemporary Europe, in: Gitelman, Zvi/ Kosmin, Barry/Kovcs, Andrs (Hg.), New Jewish Identities: Contemporary Europe and Beyond, Budapest/New York 2003, 318. Sie organisiert u. a. den Europäischen Tag der Jüdischen Kultur, vgl.: http://www.jewisheritage.org, 7. 9. 2011. 504 In Oviedo existiert mit der Comunidad Israelita del Principado de Asturias eine sehr junge und kleine Gemeinde, die assoziiertes Mitglied der FCJE ist. In der Selbstdarstellung erscheint sie jedoch in erster Linie als Kulturzentrum, vgl.: http://www.fcje.org/index.php/comunidades; http://www.sefarad-asturias.org/inicio.html, 22. 11. 2010. Für Barcelona lässt sich zeigen, dass das Rathaus bemüht war, die jüdischen Gemeinden CIB und ATID sowie einzelne Persönlichkeiten des katalanischen Judentums in die Planungsphase für die Restaurierung des ehemaligen jüdischen Viertels einzubeziehen. Darüber hinaus bestand ein Interesse an Kontakten zur jüdischen Gemeinde in den USA und zum Staat Israel, von denen sich die Stadt finanzielle Unterstützung erhoffte. Vgl.: Ramon Alberch i Fugueras: Proposta de recuperaciû del barri jueu de Barcelona, Barcelona, 20. 3. 2000; „Elements per la promociû del call jueu de Barcelona“; Informe sobre l’estat del projecte de creaciû del patronat call de Barcelona, Regidoria de Relacions Ciutadanes, juliol 2001; alle AMAB, B 151/2: Ayuntament de Barcelona, Oficina de Arxiver en CAP, Correspondencia sobre la renovaciû de barri jueu de Barcelona o Call, 2000 – 2004. 505 Während die Schirmherrschaft bei der Stadt Girona sowie bei der Generalitat liegt, fanden sich in den 1990er und 2000er Jahren im Consell Impulsor Vertreter der CIB und der FCJE, vgl.: Actes Reunions Comissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona; CBPC. 506 Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 67.
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Angebote auch auf die Gruppe der „traditionellen Besitzer“, z. B. auf die Nachfahren ehemaliger Bewohner der historischen jüdischen Viertel: Diese sollen als Gäste kommen und das historische Erbe bewundern, ohne dass die Rollenverschiebung innerhalb der Erinnerungsangebote thematisiert würde.507 Diese Lesart, die in den jüdischen Besuchern vornehmlich Gäste sieht, die ein für sie geschaffenes Angebot konsumieren, gesteht ihnen kein Mitspracherecht zu. So wird letztlich die Aushandlung eines verschiedene Perspektiven vereinenden Gedächtnisses, die auf der lokalen und regionalen Ebene eher möglich wäre, verhindert. Dem im Tourismusbereich fortwirkenden Klischee des „reichen, amerikanisch-jüdischen Touristen“, der nach Spanien reist, um auf den Spuren seiner Vorfahren zu wandeln,508 steht eine Besucherstatistik aus dem Jahr 1994 entgegen, die zeigt, dass die Mehrzahl der Museumsbesucher in Girona aus Katalonien und Spanien stammte.509 Eine qualitative Umfrage unter 290 Museumsbesuchern zwischen dem 28. Oktober und 31. Dezember 2000 ergab, dass die Mehrheit der Befragten das jüdische Museum aus touristischen Motiven aufsuchte, erst darauf folgte das Interesse an jüdischer Geschichte und Kultur als Grund für den Museumsbesuch.510 Die These des heritage tourism wird in dieser Hinsicht bekräftigt. Um der ausschließlich auf touristische Bedürfnisse ausgerichteten Aneignung der jüdischen Vergangenheit entgegenzuwirken, gibt es in Spanien seit einigen Jahren Initiativen auf jüdischer Seite, sich an der Deutung des (lokalen und regionalen) historischen Gedächtnisses aktiv zu beteiligen, z. B. durch Stadtrundgänge, wie sie Dominique Tomasov Blinder für Urban Cultours in Barcelona anbietet. In dem Bulletin der ATID-Gemeinde Barcelona erklärt sie unter der Überschrift „Wem gehört die jüdische Vergangenheit?“, dass es in der Verantwortung der jüdischen Bevölkerung liege, „unsere Vergangenheit als Teil unserer Identität zu rekonstruieren und aufzuwerten“.511 Auch die jüdische Gemeinde in Barcelona erkannte das Problem und bemühte sich während der Präsidentschaft von Dalia Levinsohn Anfang der 2000er Jahre um die verstärkte Einbindung in Projekte zur „Wiedergewinnung der jüdischen Ge507 Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 74. 508 Girona bemüht sich z. B. um eine spezielle Bekanntmachung und Bewerbung der touristischen Angebote im Zusammenhang mit dem jüdischen Viertel in den USA, vgl.: „Promociûn del Call en los Estados Unidos“, in: Boletn Patronat Call de Girona, 13/2010, http://www.girona.cat/ call/butlleti/index.php?idm=esp&edi=8®=36, 25. 11. 2010. 509 Control Estadstic de Visitants per Nationalitats, 1994; AACG, 93/94, Memoria de actividades. Die Bedeutung des nationalen Tourismus wird in vielen Studien unterschätzt. Vgl.: Bote Gûmez, V./Thea Sinclair, M., Tourism Demand and Supply in Spain, in: Barke/Towner/Newton (Hg.), Tourism in Spain, 73. 510 Patronat „Call de Girona“, Informe Gesto. Reuniû de la Commissiû Directiva, 12. 3. 2001; AACG. 511 „¿A quien [sic] pertenece el pasado judo?“, „reconstruir y revalorizar nuestro pasado como parte de nuestra identidad“, Tomasov Blinder, Dominique, ¿A quien pertenece el pasado judo?, in: Buletn de la Comunitat Jueva ATID, 01/2004.
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schichte“. Am 15. April 2002 schloss sie ein Abkommen mit der Generalitat, das die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen regelte, darunter auch die Bewahrung und Förderung des historischen und kulturellen Erbes der Juden in Katalonien.512 Kurze Zeit später, im Februar 2003, unterstützte die CIB, die sich selbst als „Erbin des Judentums mit tausendjähriger Tradition in Katalonien“ versteht, das Patronat des Call von Girona mit einer Spende in Höhe von 20.000 Euro.513 Solche Initiativen verweisen auf die Möglichkeit, auf lokaler und regionaler Ebene die Zusammenarbeit zwischen jüdischer und nicht-jüdischer Seite im Bereich der Erinnerungskultur zu verstärken, sodass touristische Angebote wie in Girona auch zu Begegnungsorten mit jüdischer Vergangenheit und Gegenwart werden könnten. 2006 wurde das Netz der jüdischen Viertel in Spanien für seine Verdienste um die Aufwertung des „sephardischen Erbes“ in Israel mit dem „Samuel Toledano“-Preis ausgezeichnet.514
4.1.2 Sepharad als Reiseroute Die im vorherigen Abschnitt skizzierte Zusammensetzung der Führungsgremien des Netzes jüdischer Viertel, in denen die Bürgermeister der Mitgliedsstädte und Vertreter aus lokalen Tourismusbehörden zusammengeschlossen sind, deutet auf seine strategische Ausrichtung hin.515 Diese zielt, neben der Förderung der Restaurierungsprojekte, auf die Entwicklung sogenannter „touristischer Pakete“. Sie sollen eine Angebotsstruktur rund um das 512 Das Abkommen enthält ebenfalls ein Bekenntnis der katalanischen Regionalregierung zum jüdischen Erbe: „La Generalitat de Catalunya reconeix la cultura i la histýria jueva i el fet sefardita com a part del patrimoni cultural integrat dins de Catalunya, motiu pel qual ambdues parts es comprometen a promoure actes culturals i a donar suport si es consider¦s pertinent, als actes que s’organitzin mitjanÅant la difusiû dels metixos i l’¾s de locals.“, Conveni marc de col.laboraciû entre la Generalitat de Catalunya, mitjanÅant el Departament de la PresidÀncia, i la Comunitat Israelita de Barcelona (CIB), 15. 4. 2002; AMAB, B 151/2: Ayuntament de Barcelona, Oficina de Arxiver en CAP, Correspondencia sobre la renovaciû de barri jueu de Barcelona o Call, 2000 – 2004. 513 „heredera del judasmo tradicional milenario en Catalunya“, Protocolo de Patrocinio Cultural entre el Patronato Municipal Call de Girona y la Comunidad Israelita de Barcelona, Girona, Febrero de 2003; AMAB, B 151/2 l, 2000 – 2004. Wahrscheinlich stammte die Spende von dem Ehrenpräsidenten der CIB David Melul. (Gespräch der Verfasserin mit Dalia Levinsohn, Barcelona, 20. 10. 2010). 514 „protecciûn y promociûn del patrimonio sefard“, Presentaciûn de la Presidencia, in: Red de Juderas – Caminos de Sefarad: Memoria 2006. Report 2006, o.O. 2007, 5. Der Preis wird an Wissenschaftler oder Schriftsteller aus Spanien und Israel verliehen, die sich um die Erforschung der Geschichte der Juden in Spanien, der sephardischen Diaspora oder der spanischisraelischen Beziehungen verdient gemacht haben. Vgl.: „Premio Samuel Toledano“, in: Ebd., 12 f; http://www.samueltoledanoprize.org.il/, 18. 7. 2011. 515 Vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 68 – 72.
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restaurierte Viertel schaffen, die aus jüdischen Musik- und Filmfestivals ebenso besteht wie aus Museen, Konferenzen, einer gastronomischen Infrastruktur und der Etablierung einer die einzelnen Städte verbindenden Reiseroute.516 Alle Mitgliedsstädte beteiligen sich außerdem an dem Europäischen Tag der Jüdischen Kultur, der jährlich im September stattfindet und verorten sich so zugleich in einem europäischen Kontext. Gegenwärtig stellt die Gastronomie einen Schwerpunkt in der Arbeit des Netzes jüdischer Viertel dar. Neben der Publikation von Kochbüchern organisiert das Netzwerk kulinarische Festivals, wie z. B. die Jornadas de Cocina Sefard in Plasencia oder das Festival-Cata de Vinos Kosher y gastronoma Sefard in Ribadavia.517 2008 wurde das RASGO-Projekt ins Leben gerufen, das Qualitätsstandards im Tourismussektor der Mitgliedsstädte hinsichtlich Restaurants, Unterkünften, Ausschilderungen, Führern und kulturellen Angeboten etablieren soll.518 Bereits auf dem ersten Treffen der Initiatoren in Hervs im Oktober 1994, welches die Gründung des Netzwerkes spanischer Städte mit historisch bedeutenden jüdischen Vierteln zum Ziel hatte, wurde die Zusammenarbeit auf 516 „Conscientes cûmo somos de la fragilidad del patrimonio cultural, hemos buscado mecanismos de gestiûn transversales que nos permitan establecer actuaciones y acuerdos entre las polticas tursticas y culturales tanto en Girona como en el resto del Estado. De esta voluntad surge, el aÇo 1995, la creaciûn de la red de ciudades con patrimonio judo del Estado espaÇol“, Hosta i Reb¦s, Assumpciû, Turismo cultural 2007, Boletn Patronat Municipal Call de Girona, 8/2006, http://www.girona.cat/call/butlleti_v1/defaultes.php, 15. 11. 2010. Bereits für das Patronat des Call von Girona lässt sich eine Ausrichtung auf den Tourismussektor nachweisen, so war es bereits kurz nach seiner Gründung im Jahr 1993 auf der Tourismusmesse in Barcelona vertreten. Vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 1. 7. 1993; CBCP. 1996 wurde außerdem ein Abkommen zur Zusammenarbeit zwischen dem Patronat des Call von Girona und dem Patronat für Tourismus in Besalffl geschlossen. Vgl.: Actes Reunions Commissiû Directiva, 1991 – 2001, Patronat Call de Girona, Centre Bonastruc Åa Porta, Instituto d’Estudis Nahmnides, 3. 6. 1996; CBCP. 517 Vgl.: Macas Kapûn, Uriel, La cocina juda. Leyes, costumbres, … y algunas recetas sefardes, Girona 2003; http://www.redjuderias.org/red/gastronomia.php?lang=1, 19. 11. 2010. Ein Abschnitt zur jüdischen Küche findet sich z. B. auch in: Martnez Llopis, Manuel, Historia de la gastronoma espaÇola, Huesca 1995. Auch in den Gemeindezeitschriften der letzten Jahre sind öfter Rezepte der jüdisch-sephardischen Küche abgedruckt, vgl. z. B. Revista Focus, 52/2005, 20, 53/2006, 33, 54/2006, 33, 55/2007, 34, 61/2009, 61, 62/2009, 66; Benarroch, Simy, La cocina sefard, in: Zafir, 3/1990, 4. Zu dem Gastronomie-Festival in Plasencia vgl.: http://www.redjude rias.org/red/novedades.php?lang=1#469, 5. 7. 2011. Das Weinfest in Ribadavia wird von der Casa Sefarad-Israel und von der Spanisch-Israelischen Handelskammer mitorganisiert, vgl.: http://www.redjuderias.org/red/novedades.php?lang=1#469, 5. 7. 2011. Zur Bedeutung des Essens für die jüdische Kultur und Identität vgl. z. B.: Jochnowitz, Eve, Foodscapes. The Culinary Landscapes of Russian-Jewish New York, in: Brauch/Lipphardt/Nocke (Hg.), Jewish Topographies, 296 – 307. 518 Vgl.: Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 26, Leûn, 24. 5. 2008; Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 27, Oviedo, 22. 11. 2008; beides CBCP; Red de Juderas – Caminos de Sefarad, RASGO. Restaurantes, alojamientos, seÇal¦tica, guas, oferta cultural. Gua 2001, http://www.redjude rias.org/red/upload/imagenes/rasgo2010.pdf, 16. 11. 2010.
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kulturellem und touristischem Gebiet ebenso wie im Bereich der Forschung und der Restaurierungsarbeiten in Aussicht gestellt.519 Es sollte ein „touristisches Produkt“ geschaffen werden, das sich nicht nur an die jüdische Welt, sondern an alle Interessierten richtete. Zu diesem Zweck wurde eine Teilnahme an der FITUR520-Messe und eine Zusammenarbeit mit TurespaÇa521 beschlossen.522 Ausdruck und erstes Ergebnis der Zusammenarbeit mit TurespaÇa ebenso wie mit dem Ministerium für Handel und Tourismus (Ministerio de Comercio y Turismo) war der 1995 herausgegebene Reiseführer Caminos de Sefarad.523 In der Einleitung des Handels- und Tourismusministers Javier Gûmez Navarro heißt es: „Der Tourismus in unserem Land ist durch das Bild von Sonne und Strand geprägt, deshalb müssen wir unsere Beteiligung auf dem Gebiet des kulturellen Tourismus verstärken. Mit diesem neuen Angebot von TurespaÇa und den Rathäusern soll ein tieferer Einblick in die historische Realität unseres Landes gegeben werden. Ich ermutige von hier aus die Institutionen und Unternehmen, exzellente touristische Produkte zu schaffen, die Besucher mit mehr Niveau anlocken, dabei können die neuen touristischen Routen mittels des Netzes der jüdischen Viertel in Spanien angeboten werden.“524
Caminos de Sefarad stellte den ersten publizistischen Versuch des Netzes jüdischer Viertel dar, die restaurierten Viertel in den verschiedenen Mitgliedsstädten zu einer „Route der Erinnerung“ zu verbinden, wobei Sepharad als 519 Als Aufnahmekriterien für zukünftige Mitglieder wurde festgehalten: eine historische Grundlage, das Vorhandensein materieller Spuren der jüdischen Vergangenheit und die Gegebenheit von organisatorischen Möglichkeiten in der jeweiligen Stadt. Vgl.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta, n8 2, Girona, 21. 1. 1995 und Acta, n8 8, Toledo, 4. 11. 1998; CBCP. 520 Die Internationale Tourismusmesse FITUR findet jährlich in Madrid statt. 521 Dabei handelt es sich um das staatliche Tourismusinstitut (Instituto de Turismo de EspaÇa), das für die Vermarktung Spaniens als Reiseziel zuständig ist. 522 „producto turstico“, Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 1, Hervas, 15. 10. 1994; CBCP. Ähnliche Ziele enthält das neue Statut, welches im November 1998 beschlossen wurde. Darin heißt es u. a.: „Planificar y desarrollar una poltica de producciûn y promociûn turstica y de difusiûn de imagen, que se corresponda con los intereses de los municipios miembros de la Red“, Red de Juderas de EspaÇa – Caminos de Sefarad, Actas Asambleas Generales, Acta n8 8, Toledo, 4. 11. 1998; CBCP. 523 Zum Quellenwert von Reiseführern vgl. z. B.: Schäfer, Benjamin, Die Präsentation von Erinnerungsorten im Reiseführer am Beispiel der Stadt Poznan (Posen) 1870 – 1939, in: HeinKircher, Heidi/Suchoples, Jaroslaw/Hahn, Hans Henning (Hg.), Erinnerungsorte, Mythen und Stereotypen in Europa. Miejsca pamieci, mity i stereotypy w Europie, Wroclaw 2008, 27 – 45. 524 „El turismo en nuestro pas est consolidado en la faceta de sol y playa, por lo que tenemos que conseguir aumentar nuestra participaciûn en el campo del turismo cultural. Con esta nueva oferta, conjunta de TurespaÇa y Ayuntamientos, se pretende dar a conocer una ms profunda dimensiûn de la realidad histûrica de nuestro pas. Animo desde aqu a las instituciones y empresarios a crear excelentes productos tursticos que atraigan a unos visitantes de mayor calidad, ofertando las nuevas rutas tursticas a trav¦s de esta red de juderas por EspaÇa.“, Gûmez Navarro, Javier, Por los Caminos de Sefarad, in: Caminos de Sefarad, hg. v.: Patronato para la Promociûn del Turismo y la Artesana de la Provincia de Cceres, Salamanca 1995, 6.
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historische Vergangenheit und Imagination sowohl in dieser als auch in den nachfolgenden Publikationen die übergeordnete Klammer bildete.525 Schon in den 1960er Jahren hatte das staatliche Studieninstitut für Tourismus (Instituto de Estudios de Turismo) vorgeschlagen, historische Routen entlang der Spuren berühmter spanischer Maler wie El Greco oder Goya einzurichten.526 Allerdings erfuhr die Idee erst in den letzten Jahren einen Aufschwung.527 Ausgehend von der Teilnahme am Ersten Internationalen Kongress zu kulturellen Reiserouten (Primer Congreso Internacional de Itinerarios Culturales), den das Kulturministerium in Santiago de Compostela im Jahr 2000 veranstaltete, verstärkte das Netz der jüdischen Viertel die Zusammenarbeit mit ähnlichen Vereinigungen, wie z. B. Legado Andalus.528 Es folgte ein erster Versuch der Europäisierung des Gedächtnisses an das jüdische Erbe durch die 2006 gegründete Europäische Vereinigung zur Bewahrung und Förderung der jüdischen Kultur und des jüdischen Erbes und das von ihr initiierte Projekt einer europaweiten Route entlang jüdischer Erinnerungsorte oder der Benjamin von Tudela-Route.529 Solche Routen können – in Analogie zum berühmten Jakobsweg – als eine moderne Form des Pilgerns verstanden werden.530 525 Vgl. z. B.: Vorwort von Anna Pagans i Gruartmoner in: Celdrn Gomriz, Pancracio, Red de Juderas de EspaÇa. Caminos de Sefarad – Spanish Network Routes of Sefarad, hg. v.: Red de Juderas de EspaÇa, Alpedrete (Madrid) 2005, 8; Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, Madrid 2008. Außerdem gibt das Netzwerk auch Kartenmaterial mit den Reiserouten heraus, vgl. z. B.: Caminos de Sefarad [Kartenmaterial], hg. v.: Red de Juderas, Girona wahrsch. 2002. Das publizistische Begleitmaterial wird zunehmend auf der Website veröffentlicht, dort finden sich zu jeder Mitgliedsstadt ausführliche Informationen, vgl.: http:// www.redjuderias.org/rasgo/es/, 7. 9. 2011. 526 Vgl.: Pack, Tourism and Dictatorship, 149. Ebenfalls in den 1960er Jahren erschienen im britischen Jewish Chronicle Reiseberichte über Spanien, in denen die Autoren von ihrer Suche nach ehemaligen jüdischen Orten berichteten, vgl.: Santon, Ghosts in Toledo, in: JC, 4, 947, 14. 2. 1964, viii; „Spain’s Jewish visitors“, in: JC, 5, 020, 9. 7. 1965, 29; „Jewish Spain. In search of the golden age“, in: JC, 5, 375, 28. 4. 1972, 48 – 50. Eine eher allgemein gehaltene Reiseempfehlung ist: Stone, Toledo and Castile, in: JC, 4, 991, 18. 12. 1964, viii – ix. Nach einer Abnahme des Spanien-Tourismus durch den Bürgerkrieg wurde das Land ab den 1950er Jahren in der Reiseliteratur wieder angepriesen. Vgl.: Barke/Towner, Exploring the History of Leisure and Tourism, in: Dies./Newton (Hg.), Tourism in Spain, 16 f. 527 Vgl.: Moreno Garrido, Historia del turismo, 316 ff. 528 Vgl.: Red de Juderas de EspaÇa. Caminos de Sefarad. 1995 – 2005, 25 f. Die Stiftung El Legado Andalus bietet Reiserouten entlang der Spuren des historischen al-Andalus an, so z. B. die Route der Almoraviden und der Almohaden oder die Route des Kalifats. Darüber hinaus gibt es eine Route auf den Spuren Washington Irvings, der das romantische Bild von al-Andalus entscheidend mitprägte. Vgl.: http://www. legadoandalusi.es/es/fundacion/principal/rutas, 25. 11. 2010. 529 Vgl.: Itinerarios Culturales Europeos. El Legado espiritual de Europa, 6: Cluny : la epopeya benedictina. La lengua castellana y los sefardes. El patrimonio judo, hg. v.: Council of Europe, Institut Europ¦en des Itineraires Culturels, Barcelona 2007. „El Itinerario Europeo del Patrimonio Judo tiene como objetivo preservar y difundir la riqueza de la contribuciûn juda en Europa. Sin reducir en absoluto la importancia de los horrores de la Shoah para esta comunidad, en la creaciûn del Itinerario subyace la idea de adoptar una aproximaciûn positiva a la historia de este pueblo y, en concreto, de los que vivan en Europa.“ (Ebd., 286.) Der Beginn
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Das Netz der jüdischen Viertel trägt mit seinen Publikationen zur sprachlichen Prägung, Wahrnehmung und (historischen) Kontextualisierung der Reiseziele bei.531 Die zwischen 1995 und 2008 erschienenen Reiseführer stellen eine weitere Quelle für die offizielle Erinnerungspolitik dar und werden deshalb daraufhin untersucht, welche Deutungs- und Identifikationsangebote sie für die Lesenden und Reisenden bereithalten.532 Zunächst ist dabei die Mehrsprachigkeit der Publikationen auffällig, die auf die Zielgruppe der (ausländischen) Touristen zurückzuführen ist. Ein dominanter Erzählstrang ist die Charakterisierung Spaniens als Sepharad und das Bekenntnis zum jüdischen bzw. trikulturellen Erbe. Diesen Aspekt der spanischen Geschichte im kollektiven Gedächtnis zu verankern, setzte sich das Netz jüdischer Viertel bereits in dem ersten Reiseführer zum Ziel.533 Der positive Bezug auf die jüdische Vergangenheit kann exemplarisch an dem 2005 erschienenen Caminos de Sefarad verdeutlicht werden: „In Spanien pflegten die Juden abseits von Macht und Kirche freundschaftliche Verbindungen mit den Christen einzugehen“, Spanien habe sich dabei positiv vom restlichen Europa unterschieden, denn auch nach dem Vierten Laterankonzil 1215 sei es ein Ort der Toleranz geblieben.534 Die Betonung einer Sonderrolle Spaniens verweist zugleich darauf, dass die Vor-
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dieses europäischen Projektes geht zurück auf die Conference on the Launching of the European Route of Jewish Heritage, 18 – 20 June 2004, Centre Culturel de Recontre Abbey de Neumünster, Luxembourg-City. Während in Spanien vornehmlich das sogenannte goldene Zeitalter des iberischen Judentums erinnert wird, ist in den meisten anderen europäischen Ländern der Holocaust der zentrale Gegenstand, was sich auch an den Reiseführern zu jüdischen Erinnerungsorten zeigt. Vgl. z. B.: Winstone, Martin, The Holocaust Sites of Europe. An Historical Guide, London/New York 2010; Gruber, Ruth Ellen, Jewish heritage travel. A guide to EastCentral Europe, Northvale/Jerusalem 1999. In den 1990er Jahren entspann sich beispielweise in der Bundesrepublik Deutschland angesichts des geplanten Holocaust-Mahnmals und der bevorstehenden Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin eine Diskussion um die „Vermarktung der Shoah“, vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 55. In einigen Reiseführern werden die Routen als (säkularisierte) Pilgerwege in die Vergangenheit dargestellt. Vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 133 f. Auch für die Europäisierung der „Erinnerungsrouten“ dient der Jakobsweg als Vorbild, er wurde 1987 vom Europarat als erster europäischer Wanderweg ausgezeichnet. Die Idee einer „Reise in die Vergangenheit“ liegt z. B. Tremlett, Giles, Ghosts of Spain. Travels through a country’s hidden past, London 2006 zugrunde. Die historischen „Wanderrouten“ der Sepharden zeichnet der Sammelband Itin¦raires s¦pharades nach, vgl.: Benbassa (Hg.), Itin¦raires S¦pharades. Vgl.: Schäfer, Die Präsentation von Erinnerungsorten im Reiseführer, in: Hein-Kircher/ Suchoples/Hahn (Hg.), Erinnerungsorte, Mythen und Stereotypen, 28. Neben allen verfügbaren, von der Red de Juderas publizierten Reiseführern wird ergänzend auf Reiseführer zu Girona sowie vereinzelt auf relevante, nicht von dem Netz jüdischer Viertel publizierte Reiseliteratur zurückgegriffen. Vgl. z. B.: Aradillas, Antonio/IÇigo, Jos¦ M., Viaje por la EspaÇa juda, Barcelona 2002, insb. 9 f; Lacave, Jos¦ Luis, Viaje por la EspaÇa juda, Madrid 1991. „Esta constataciûn y la voluntad integradora, universalizadora, globalizadora de muchas voluntades locales nos ha llevado a la convicciûn profunda de la necesidad de incorporar este trozo de nuestra historia pasada a nuestra historia total“, Caminos de Sefarad, 7. „En EspaÇa, los judos solan contraer lazos de amistad con los cristianos al margen del Poder y de la Iglesia“, Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 18
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stellung eines exotischen Landes für den spanischen Tourismus relevant bleibt. Auch die häufigen Verweise auf das „Geheimnisvolle“ und „Mystische“ bei der Beschreibung der einzelnen Städte und ihrer jüdischen Vergangenheit können in diesem Zusammenhang verortet werden.535 Um dem Bedürfnis des Reisenden nach einer sinnlichen Erfahrbarkeit der Vergangenheit nachzukommen, müssen die Spuren geographisch verankert und sichtbar gemacht werden. Die einzelnen Spuren sollen sich zu einem Erinnerungsbild an das historische Sepharad verbinden, wie es in der Einleitung des für TurespaÇa verfassten Reiseführers Viaje por la EspaÇa juda heißt.536 Die thematische oder geographische Route betont die gemeinsamen Elemente der zu bereisenden Orte und ihrer Geschichte, in erster Linie die mittels archäologischer und architektonischer Überreste, sogenannter „stone ghosts“,537 „bewiesene“ Zugehörigkeit zum historischen Sepharad.538 Die Texte über die einzelnen Stationen in den entsprechenden Reiseführern widmen sich hingegen den lokalen und regionalen Besonderheiten und sind bemüht, die jeweilige (herausragende) Bedeutung für die jüdische sowie für die allgemein-spanische Geschichte darzulegen. Es werden wahlweise historische Phasen, Persönlichkeiten oder lokale Charakteristika der Entwicklung jüdischen Lebens hervorgehoben.539 Cûrdoba steht als Geburtsstadt des Phi535 Vgl. z. B.: „La ciudadela secreta de los judos“, „espacio cargado de misterio“, Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 152, 192. Vgl. auch: Ebd., 32, 42, 62, 112, Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 154. 536 Vgl.: Lacave, Viaje por la EspaÇa juda, 1 f. 537 Gruber, Virtually Jewish, 86. 538 „The process, described by some as ,Jewish archaeology‘, represents for both individuals and institutions a physical as well as an intellectual and emotional confrontation with the past. Documenting, restoring, rebuilding, and reconstructing ruined cemeteries and synagogues, ritual baths, and entire ghetto quarters represent concrete, but at the same time highly symbolic, means of reversing oblivion, of ,setting things right‘. This physical reclamation forms part of the broader phenomenon of integration“, Gruber, Virtually Jewish, 75 f. 539 Für die Stärkung der lokalen Besonderheiten im Bereich des heritage tourism sprechen auch eine ganze Reihe von (populärwissenschaftlichen) Publikationen, die sich dem jüdischen Erbe in verschiedenen Regionen Spaniens zuwenden, vgl. z. B.: Garca Casar, Mara Fuencisla, El pasado judo de Zamora, Valladolid 1992; Hebraica Aragonalia. El legado judo en Aragûn. Del 4 de octubre al 8 de diciembre de 2002, hg. v.: Diputaciûn de Zaragoza; Ibercaja. Obra Social y Cultural, Zaragoza 2002; Porres Martn-Cleto, Julio u. a., Toledo. La ciudad y el territorio de las tres culturas, Barcelona/Madrid 2003; Gea Ortigas, Isabel/Castellanos OÇate, Jos¦ Manuel, Madrid musulmn, judo y cristiano. Las murallas medievales de Madrid, Madrid 2008. Stanley Waterman bezeichnet die Vermarktung von Orten und Kulturen als „place promotion“, vgl.: Waterman, Stanley, Cultural Politics and European Jewry, in: Policy Paper, 1/1999, 11, http:// www.jpr.org.uk/Reports/JC_Reports/PP_no_1_1999/index.htm, 23. 11. 2010. Zur „place promotion“ im städtischen Tourismus vgl.: Barke, M./Towner, J., Urban Tourism, in: Dies./ Newton (Hg.), Tourism in Spain, 349 f. Außerdem haben sich in einigen Städten Einrichtungen gegründet, wie z. B. die Asociaciûn Sevilla Sefarad/Fundaciûn Legado Sefard, die sich mit dem jüdischen Erbe der Stadt beschäftigen. In Aragonien hat die Provinzregierung von Zaragoza das Projekt Espacio Sefarad ins Leben gerufen, das sich sowohl der wissenschaftlichen als auch der kulturellen und touristischen Aufarbeitung der jüdischen Lokalgeschichte widmen soll. Vgl.: Hebraica Aragonalia, 13.
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losophen, Mathematikers und Arztes Maimonides exemplarisch für die kulturelle Blütezeit in al-Andalus.540 Es wird als Ort des goldenen Zeitalters des iberischen Judentums charakterisiert.541 Oviedo542 erscheint als eine Stadt des engen Zusammenlebens von Christen und Juden, ebenso wie Segovia als ein „Hort des Miteinanders“543 und der „friedlichen convivencia [Hervorhebung, A. M.]“.544 Cceres gilt als ein Ort der Zuflucht und Ruhe im 14. Jahrhundert, als „ein Symbol für den Schutz“, den die Sepharden suchten.545 Toledo als „Schmelztiegel der Kulturen“546 oder „Wiege des iberischen Judentums“547 und Girona als „Schlüssel zum Königreich“548 werden zu Zentren des intellektuellen und kulturellen Schaffens stilisiert. Die kastilische Stadt Toledo 540 Vgl. z. B.: Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, hg. v.: TurespaÇa, o.O. 2006, 10 f; Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 84 – 103. Dieses Bild Cûrdobas wird auch in anderen Reiseführern aufgegriffen, so z. B. in: Aradillas/IÇigo, Viaje por la EspaÇa juda, 20. Aufgrund seiner herausragenden architektonischen Struktur wurde das jüdische Viertel in Cûrdoba von der UNESCO 1994 zum Weltkulturerbe ernannt. Vgl.: „La judera de Cûrdoba, declarada Patrimonio de la Humanidad“, in: Noticias, 12/1995, 1. Bereits 1964 ehrte die Stadt Cûrdoba ihren „Sohn“ Maimonides mit einem Denkmal. Vgl.: Ap¦ndice 8: Cûrdoba: Homenaje a Maimûnides, in: Hassn (Hg.), Actas del Primer Simposio, 629 – 636. 541 Vgl.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 114; Routes of Sepharad, hg. v.: Patronato para la Promociûn del Turismo y la Artesana de la Provincia de Cceres, Salamanca 1995, 27. 542 Zugleich inszeniert sich Oviedo für die Gegenwart als Ort der jährlichen Preisverleihung der Stiftung des Prncipe des Asturias, vgl.: http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Oviedo.pdf, 5. 12. 2010. 543 Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 26 f. Vgl. auch: Caminos de Sefarad, 67. 544 „Convivencia pacfica“, Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 34. 545 „todo un smbolo del arrimo que buscaron siempre las aljamas sefarditas en las piedras protectoras de los reyes“, Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 122. Vgl. auch: http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Caceres.pdf, 5. 12. 2010. 546 „crisol de culturas“, http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Toledo.pdf, 16. 11. 2010. Vgl. zur Darstellung Toledos auch: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 264 – 283; Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 29. Bereits 1990 erschien für Toledo auf Initiative des dortigen Museo Sefard ein Führer durch das jüdische Toledo, vgl.: Lûpez Ýlvarez, Ana Mara/Izquierdo Benito, Ricardo/Palomero Plaza, Santiago, Gua del Toledo judo, Toledo 1990. Interessantes Merkmal dieses Reiseführers ist, dass er die historischen Orte oftmals unter Rückgriff auf historische Texte z. B. von Yehuda ha-Levi oder Salomon ibn Gabirol beschreibt. Lacave betont das historische und gegenwärtige Interesse an Toledo für das Judentum: „se [Toledo, A. M.] haya convertido en un smbolo de la vida de los judos en EspaÇa. Para muchos sefardes, por ejemplo, decir Toledo es decir Sefarad“, Lacave, Viaje por la EspaÇa juda, 43. In dem Reiseführer von Aradillas und IÇigo erscheint Toledo ebenfalls als Stadt der Drei Kulturen zugleich wird aber auf die antisemitische Legende um das Heilige Kind von La Guardia verwiesen, vgl.: Aradillas/IÇigo, Viaje por la EspaÇa juda, 81. 547 „la cuna del judasmo ib¦rico“, Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 266. Im Zusammenhang mit dieser Bezeichnung wird auf die Bedeutung der Stadt für die „sephardische Legende“ verwiesen. 548 „llave del Reino“, http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Girona.pdf, 16. 11. 2010. In einem anderen Reiseführer des Netzes jüdischer Viertel wird die Stadt aufgrund ihrer Bedeutung für die jüdische Kabbalistik als „Madre de Israel“ bezeichnet, vgl.: Caminos de Sefarad, 39.
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wird ferner als „Stadt der Drei Kulturen“ oder „Stadt der Toleranz“549 dargestellt.550 Als Frucht des christlich-maurisch-jüdischen Zusammenlebens gelten dabei die in Toledo angefertigten Übersetzungen wichtiger wissenschaftlicher Werke.551 Zeugnis des trikulturellen Erbes sind Bauwerke, in deren Architektur die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse verschwimmen oder sich überlagern.552 Im Falle von Toledo unterstreicht Caminos de Sefarad außerdem die symbolische Erinnerungskraft, so stehe die Stadt bis heute im jüdischen Bewusstsein für eine „glorreiche Vergangenheit“.553 Ja¦n wird in den Reiseführern zum Symbol für „das goldene Zeitalter der spanischen Juden“554 und Ývila zu einem Zentrum der Spiritualität,555 das als das „kastilische Jerusalem“ betitelt wird.556 Zugleich versuchen die Autoren der Reiseführer, die Anfänge jüdischen Lebens möglichst weit in die Vergangenheit zurückzudatieren, um so die Bedeutung des historischen Erinnerungsortes zu potenzieren. Der Gua de la judera de Girona verweist z. B. darauf, dass die jüdische Gemeinde in der katalanischen Stadt eine der bedeutendsten und prosperierendsten im aragonesischen Königreich gewesen sei.557 Außerdem fällt auf, dass fast jeder Stadt berühmte jüdische Persönlichkeiten zugeordnet werden, in denen sich scheinbar die lokale Geschichte der Juden personalisiert. An den in den Reiseführern gewählten Attributen wird deutlich, dass die einzelnen Städte sich als positive Erinnerungsorte inszenieren.558 Phasen der kulturellen und intellektuellen Blütezeiten und die Toleranz der (christlichen) 549 „Toledo, ciudad de la tolerancia“, „ciudad de tolerancia cultural y religiosa“, P¦rez Monzûn, Olga/Rodrguez-Picavea, Enrique, Toledo y las tres Culturas, Madrid 32007, 45. 550 „Si existe alguna ciudad en el mundo que refleje de manera ejemplar la confluencia de las tres culturas principales del mundo mediterrneo, ¦sta es sin duda Toledo.“, P¦rez Monzûn/Rodrguez-Picavea, Toledo y las tres Culturas, 4. Das historische Erbe der trikulturellen Vergangenheit spiegelt sich auch in der Architektur der Stadt, vgl.: Ebd., 32 – 44. 551 Vgl.: P¦rez Monzûn/Rodrguez-Picavea, Toledo y las tres Culturas, 19. 552 Vgl.: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito/Palomero Plaza, Gua del Toledo judo, 66, 66 – 91. 553 „pasado histûrico glorioso“, Caminos de Sefarad, 77. 554 Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 16 f. In der Beschreibung der andalusischen Stadt wird dieser außerdem ein „traditionelle[r] Sinn für Toleranz“ attestiert, Ebd., 16. Zu Ja¦n vgl. auch: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 144 – 163; http:// www.redjuderias.org/rasgo/es/destinos/jaen.html, 7. 9. 2011. 555 Vgl.: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 30. 556 Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 4 f. Vgl. auch die entsprechenden Einträge in: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 24 – 43; Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas; http://www.redjuderias.org/rasgo/es/destinos/ avila.html, 7. 9. 2011. 557 Vgl.: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 10. Weitere auffällige Beispiele sind Cûrdoba und Tarazona, vgl.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 114, 184. 558 Müllenmeister stellt für touristische Angebote wie Studienreisen oder Reiseführer eine generelle Tendenz zur Romantisierung, Ästhetisierung und Traditionalisierung fest. Eine Reise in die Vergangenheit sei immer auch eine Reise in die Nostalgie, vgl.: Müllenmeister, Horst Martin, Geschichte und Tourismus, in: Füßmann/Grütter/Rüsen (Hg.), Historische Faszination, 254 – 258. Korff betont den Zusammenhang von Folklorismus und Tourismus, vgl.: Korff, Musealisierung total?, in: Ebd., 136.
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Herrscher finden besondere Betonung, so z. B. in einem vom Netz jüdischer Viertel verfassten Text über Cûrdoba: „Nach der Eroberung sahen sich die Juden durch eine Politik der Toleranz begünstigt, wodurch ein Teil des Glanzes wiederhergestellt wurde, der unter der almoravidischen und almohadischen Herrschaft verloren gegangen war. Alfonso X. der Weise machte sich daran, das Schicksal der Juden zu verbessern, er gewährte ihnen Privilegien und Rechte in vielerlei Hinsicht“.559
Die plurikulturelle und tolerante Vergangenheit der Städte wird in die Gegenwart und in die Zukunft erweitert, so werden die Mitgliedsstädte des Netzes als Orte der Interaktion und des gegenseitigen Kennenlernens beschrieben.560 Demgegenüber spielt das Ende jüdischen Lebens eine untergeordnete Rolle.561 Eine Auseinandersetzung mit der historischen Verantwortung für die Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel findet in den Reiseführern nicht statt. Zwar werden Konflikte und Vertreibung in den Texten erwähnt, wobei die antijüdischen Ausschreitungen im Jahr 1391 eine wichtige Rolle einnehmen. Während aber im Hinblick auf die positiven Aspekte der jüdischen Geschichte die lokalen Spezifika betont werden, sind die negativen Momente eher in allgemeinen, das ganze Königreich betreffenden Tendenzen verortet. Die lokalen Ausprägungen der gewalttätigen Ausschreitungen erscheinen als dramatisch, werden aber „entschärft“, indem darauf verwiesen wird, dass an anderen Orten Ähnliches passierte oder die Entwicklungen gar von dort ihren Ausgang nahmen. In einigen Fällen berichten die Reiseführer auch von positiven Abweichungen: „Trotz des Tuches, auf dem die Namen aller bekehrten Tudelaner festgehalten wurden und das bis 1783 in der Kathedrale hing, widersetzte sich Navarra sechs Jahre lang dem Dekret der Katholischen Könige, und Tudela war seinerzeit dafür bekannt, den Mördern des Inquisitors von Saragossa Unterschlupf gewährt zu haben.“562 559 „Tras la conquista, los judos se vean favorecidos por una poltica de tolerancia, volviendo a recuperar parte del esplendor perdido durante la dominaciûn almorvide y almohade. Alfonso X el Sabio tratû de mejorar la suerte de los judos, otorgndoles privilegios y derechos de diverso orden“, http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Cordoba.pdf, 5. 12. 2010. Die intellektuelle Blütezeit findet in einem Text über Palma de Mallorca Erwähnung: „La astronoma, la astrologa, las matemticas, la medicina, la filosofa, la jurisprudencia y las ciencias en general eran atesoradas por los eruditos judos, quienes traducan los textos del rabe y los completaban con sus propios conocimientos, actuando as como intermediarios en la difusiûn del saber.“, http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Palma.pdf, 5. 12. 2010. 560 „espacios particularmente apropiados para la interacciûn, para el conocimiento recproco“, Mayor Zaragoza, Federico, Introducciûn, in: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 10. 561 Eine Ausnahme stellt folgender Reiseführer dar, in dem außerdem das Vertreibungsedikt abgedruckt ist: Aradillas/IÇigo, Viaje por la EspaÇa juda, 25, 351. 562 Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 33. Vgl. auch: Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 102; Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 34 – 40.
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Auch romantisierende Erinnerungen oder die scheinbare Kontinuität jüdischer Traditionen „entschärfen“ die historische Zäsur 1492.563 „Die Liebe der Jaener Juden für ihre Stadt führte dazu, dass viele von ihnen lieber nach außen hin konvertierten und ihre hebräischen Riten geheim beibehielten, um die Stadt nicht verlassen zu müssen“,564 argumentiert die vom Netz jüdischer Viertel herausgegebene Broschüre und variiert die für den Philosephardismus zentrale Vorstellung der „Spanienliebe“ zum Konversionsmotiv. Hieraus lassen sich Hinweise auf lokale Gedächtnisse ablesen. Im Hinblick auf die mögliche Konstruktion eines katalanischen Gedächtnisses fällt auf, dass das konfliktreiche Zusammenleben von Juden und Christen betont wird, dabei stehen die gewalttätigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung im Verlauf des Jahres 1391 im Zentrum der Betrachtung. Die Vertreibung 1492 bildet den Schlusspunkt einer langen Entwicklung, die in Girona erst ein Jahr später ihr Ende nahm.565 Caminos de Sefarad betont einen weiteren (lokal-)historischen Einschnitt und charakterisiert das Jahr 1348 als einen Höhepunkt gewalttätiger Ausschreitungen gegen das jüdische Viertel in Girona.566 Hier zeigt sich das Streben nach einer „eigenen“ Datierung der lokalen oder regionalen Geschichte, die abweichende Zäsuren in den Vordergrund rückt. Die Relevanz des historischen Jahres 1391 in Abgrenzung zum Jahr 1492 für das katalanische Gedächtnis zeigte sich auch im Rahmen des Gedenkprogramms Sefarad 92. Weitere Strategien zur Rückbindung der Geschichte an die lokale Ebene lassen sich am Beispiel Girona verdeutlichen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die damalige Bürgermeisterin Anna Pagans i Gruartmoner im Vorwort des Reiseführers über Girona die jüdische Geschichte eng an die als „eigen“ betrachtete Geschichte der Stadt knüpft und ihr damit Bedeutung für die Gruppenidentität einräumt.567 Bei der Darstellung der lokalen jüdischen Geschichte, die Caminos de Sefarad als eine Abfolge von Aufstieg und Niedergang schildert,568 fällt auf, dass die historische Rolle der Stadt als Zentrum der kabbalistischen Lehre betont wird.569 Die Rückkoppe563 Vgl. z. B. einen Text zu Ribadavia, in dem es heißt: „In der traditionellen Bäckerei ,A Tafona de Herminia‘ werden jeden Tag kleine Teigmassen aus Mohn, Kardamom oder Muskatnuss, Nelken und Zimt nach jüdischen Originalrezepten und teilweise direkt aus Israel eingeführten Zutaten zu kleinen Köstlichkeiten verarbeitet, die an die Zeiten erinnern, als diese [jüdische, A. M.] Gemeinde wesentlicher Bestandteil des Alltags von Ribadavia war“, Netz der Jüdischen Viertel in Spanien: Über die Pfade Sepharads, 25. 564 Ebd., 17. Eine ähnliche Erzählung findet sich auch für Ribadavia, vgl.: Routes of Sepharad, 67; Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 202. 565 Vgl.: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 47 – 53, 81 – 87, 103 ff. Als endgültigen Schlusspunkt der Geschichte der gironesischen Juden benennt der Reiseführer das Jahr 1493, als der katholische König Fernando die Juden aus ihrem vorübergehenden Exil in Perpignan vertrieb, vgl.: Ebd., 106. 566 Vgl.: Caminos de Sefarad, 39. 567 Vgl.: Pagans i Gruartmoner, Prûlogo, in: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 9. 568 Vgl.: Caminos de Sefarad, 37 ff. 569 Lacave merkt dazu an, dass zwar der Ursprung der mittelalterlichen Kabbalistik auf Isaac el
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lung an den lokalen Erfahrungshorizont erfolgt über die Hervorhebung der erhaltenen Spuren dieser Vergangenheit. Beide Motive finden sich z. B. in Rutas por las Juderas: „Girona, dessen mittelalterliches, labyrinthisches Erscheinungsbild eines der besten Beispiele für das Geheimnisvolle und die Schönheit der großen sephardischen jüdischen Viertel ist“, verweist zugleich auf die „Bedeutung der Kabbala für die Hebräer : und insbesondere des großen Meisters Nachmanides“.570 Auch der Gua de la judera de Girona lädt zu einem historischen Rundgang durch das „Labyrinth der engen und steilen Gassen“571 ein. Auf seinem Weg durch das restaurierte jüdische Viertel werde der Besucher einen ganz persönlichen Zugang zur Vergangenheit gewinnen und könne diesen abschließend durch einen Besuch im Centro Bonastruc Åa Porta und im Jüdischen Museum ergänzen, welche als unstrittige „Referenzpunkte“ charakterisiert werden.572 Neben dem Versuch der Sichtbarmachung der Vergangenheit – als dominante Strategie der Lokalisierung des Gedächtnisses – fällt bei der Beschreibung der Stadt auf, dass sich Informationen über die historischen Orte und Verweise auf den Umgang mit dem jüdischen Erbe, z. B. in Form von Museen, Festivals oder Instituten, mit allgemein touristischen Hinweisen zu Restaurants und Hotels vermischen. Darüber hinaus gibt es aber kaum Hinweise auf die Gegenwart.573 Insgesamt stehen einer Vertie-
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Ciego zurückgeführt werde und Azriel und seinem Schüler Nachmanides in Girona eine wichtige Bedeutung bei der Weiterentwicklung der mystischen Lehre zukomme, die eigentliche „Heimat“ aber Toledo bzw. Kastilien sei, wo sich die später weitgehend akzeptierte Version der Kabbala entwickelte, vgl.: Lacave, Jos¦ Luis, Sefarad. Culturas de convivencia, Barcelona/ Madrid 32002, 31. „Girona, cuyo trazado laberntico medieval es uno de los mejores ejemplos del misterio y la belleza de las grandes juderas sefardes“, „la importancia de la cbala entre los hebreos: adems del gran maestro Nahmnides“, Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las Juderas, 13. Vgl. auch: Celdrn Gomriz, Red de Juderas de EspaÇa, 104 – 123; Red de Juderas, El call de Girona, 2004; http://www.redjuderias.org/red/es/rv/pdf/Girona.pdf, 22. 11. 2010; Caminos de Sefarad, 36 – 47. Vgl. auch die nicht von der Red de Juderas publizierten Reiseführer: Frank, A travel guide to Jewish Europe, 216. Dort heißt es: „If ever there was a place where the footsteps of Jews still seem to echo in the streets, it is Gerona.“ Eine sehr ähnliche Beschreibung Gironas findet sich z. B. in: Lacave, Jos¦ Luis, Gua de la EspaÇa juda. Itinerarios de Sefarad, Cûrdoba 2000, 158 f. Ein weiteres Beispiel für die Betonung der herausragenden Bedeutung Gironas ist: Aradillas/IÇigo, Viaje por la EspaÇa juda, 195 – 198. „laberinto de calles estrecha y empinadas“, Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 10. Der gleiche Reiseführer erschien in identischer Aufmachung auf Katalanisch, vgl.: Alberch i Fugueras, Ramûn, Gua del call jueu de Girona, Girona 2003. Auch Lacave betont das touristische Interesse an dem außergewöhnlich gut erhaltenen jüdischen Viertel in Girona, vgl.: Lacave, Viaje por la EspaÇa juda, 35. Vgl.: Alberch i Fugueras, Gua de la judera, 10. In Caminos de Sefarad/Routes of Sepharad sowie Red de Juderas – Caminos de Sefarad: Rutas por las Juderas schließen sich an die Texte zur jüdischen Geschichte der Stadt jeweils kurze allgemein gehaltene touristische Informationen, z. B. zu Hotels, Gastronomie etc., an. Die Kombination aus Informationen über die jüdische Vergangenheit der Stadt und interessanten Sehenswürdigkeiten charakterisiert auch einen allgemeinen Reiseführer zu Girona, vgl.: Girona. Gua de la ciudad. Historia, puntos de inter¦s, tradiciones, itinerarios, gastronoma,
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fung der Ansätze zur Regionalisierung des Gedächtnisses in den Reiseführern allerdings die Vermarktung landesweiter Routen ebenso wie der nationale Tätigkeitsradius des Netzes der jüdischen Viertel entgegen. Die Verbindung der verschiedenen lokalen Erzählstränge zu einer Gesamtgeschichte von Sepharad, wie sie etwa in den Reiseführern oder mittels der vom Netz der jüdischen Viertel initiierten Ausstellungen und Veranstaltungen vorgenommen wird, hat ihre Vorläufer in der Wissenschaft. Spätestens seit den 1980er Jahren574 hatte sich im Kontext des CSIC und der Zeitschrift Sefarad eine Hinwendung zur Regional- und Lokalgeschichte vollzogen, die seit den 1990er Jahren durch das – insbesondere von Jos¦ Luis Lacave vorangetriebene – Bemühen einer Bestandsaufnahme der architektonischen und archäologischen Überreste jüdischen Lebens auf der Iberischen Halbinsel ergänzt wurde.575 Neben der Dokumentation dieser Spuren für wissenschaftliche Zwecke stellt Haim Beinart in der Einleitung zu dem Bildband compras…, Sant Llus 2003, 32 f, 61 f. In der TurespaÇa-Publikation Viaje por la EspaÇa juda ist die letzte Seite dem jüdischen Leben im gegenwärtigen Spanien gewidmet, vgl.: Lacave, Viaje por la EspaÇa juda, 64. 574 Die ersten Studien erschienen bereits in den 1950er Jahren im Instituto Arias Montano, so z. B.: Cantera Burgos, Francisco, Sinagogas espaÇolas, Madrid 1955; Ders./Mills Vallicrosa, Jos¦ Mara, Las inscripciones hebraicas de EspaÇa, Madrid 1956. 575 Im Kontext des Quinto Centenario erschienen: Lacave, Juderas y sinagogas und unterstützt von der Staatlichen Gesellschaft: Ders., Sefarad, Sefarad. La EspaÇa juda, Barcelona/Madrid 1987. Bei letzterer Publikation handelt es sich um einen Bildband mit Aufnahmen der ehemaligen jüdischen Viertel in Spanien. In einer Rezension zu Juderas y sinagogas wird dieses von den touristisch orientieren Publikationen abgegrenzt, vgl.: Romano, David, ReseÇa de libros: Lacave, Jos¦ Luis: Juderas y sinagogas espaÇolas. Madrid: Editorial Mapfre, Colecciûn Sefarad XVI/3, 448 pgs., in: Sefarad, 2/1993, 410. Vgl. außerdem einen bereits in der dritten Auflage erschienene Bildband zu Sepharad mit einer ausführlichen Einleitung zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel bis ins 15. Jahrhundert: Lacave, Sefarad. Culturas de convivencia. In Erinnerung an Lacave wählte auch der 11. Kurs zu sephardischer Kultur der Universidad de Castilla-La Mancha eine mikrohistorische Perspektive, vgl.: Lûpez Ýlvarez/Izquierdo Benito (Hg.), Juderas y sinagogas. In den letzten Jahren erschienen in der Zeitschrift Sefarad Beiträge zur Lokalgeschichte wie z. B.: Benedicto Garca, Eugenio, Los m¦dicos judos de Huesca, segffln los protocolos notarios del siglo XV, in: Sefarad, 1/2008, 55 – 87; Diago Hernando, Mximo, La comunidad juda de Calatayud durante el siglo XIV. Introducciûn al estudio de su estructura social, in: Ebd., 2/2007, 327 – 365; Passini, Jean, La sinagoga del Sofer en Toledo, in: Ebd., 1/2004, 141 – 157. Für weitere Lokalstudien vgl.: Piles Ros, Leopoldo, La Judera de Valencia (Estudio histûrico), Textos, Estudios y Manuales. Universidad de Barcelona 3, Barcelona 1991; Leûn Tello, Pilar, Judos de Toledo. Tomo I+II, CSIC. Instituto B. Arias Montano, Serie E 4, Madrid 1979. Auch in Girona selbst nahm die wissenschaftliche Beschäftigung mit der jüdischen Vergangenheit der Stadt zu, vgl. z. B.: Boadas i Raset/Planas i Marc¦ (Hg.), Moss¦ ben Nahman i el seu temps. Ein Hilfsmittel für die wissenschaftliche Spurensuche in Girona ist: Escrib i Bonastre, Gemma/Frago i P¦rez, Maria Pilar (Hg.), Documents dels Jueus de Girona (1124 – 1595). Arxiu Histýric de la Ciutat. Arxiu Dioces de Girona, Girona 1992. Eine ähnliche Entwicklung stellte das Toletum-Netzwerk auf einem Workshop in Hamburg im Oktober 2010 für die wissenschaftliche Beschäftigung mit antiken Hinterlassenschaften auf der Iberischen Halbinsel fest, die ebenfalls erst seit der transiciûn in den Blick gerieten, vgl.: http://www.toletum-network.com/, 26. 11. 2010.
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Sefarad. Culturas de convivencia die Frage, bis zu welchem Punkt „diese Monumente, diese Straßen und Viertel, wo Männer und Frauen geboren wurden, wo sie Freuden und Schmerzen kennenlernten und wo sie starben“, zum Sprechen gebracht werden könnten.576 Lacave selbst sah in der wissenschaftlichen Erforschung jüdischen Lebens und in der touristischen Aufbereitung dieser Vergangenheit zwei unterschiedliche Zugänge, die jedoch beide das Ziel verfolgten, das Interesse und das Wissen in der spanischen Bevölkerung zu vermehren. Der von ihm im Rahmen von Sefarad 92 geplante Reiseführer und die angestrebte Bestandsaufnahme archäologischer Überreste waren so zwei Pfeiler desselben Projektes.577 Während die jüdische Vergangenheit durch Restaurierungsprojekte und Reiserouten im öffentlichen Raum erinnert und visuell verankert wird, bleibt die jüdische Gegenwart unsichtbar. In den beiden „Hauptstädten“ des jüdischen heritage tourism, Girona und Toledo, gibt es trotz ihrer historischen Bedeutung für das iberische Judentum keine jüdischen Gemeinden. Die Präsenz des jüdischen Erbes in diesen Städten steht der Unsichtbarkeit aktuellen jüdischen Lebens gegenüber. Die vom Netz der jüdischen Viertel herausgegebenen Publikationen konzentrieren sich zudem auf die Darstellung der mittelalterlichen Vergangenheit, die wiederum auf einige Intellektuelle wie Maimonides, Yehuda ha-Levi oder Abraham ibn Ezra als Quasi-Personifizierungen der jüdischen Kultur sowie auf ehemalige Synagogen oder andere historische Orte reduziert wird.578 Die Analyse des Quellenmaterials ergab, dass die Vermarktung jüdischer Kulturprodukte mit einem Interesse für die exotischen Aspekte der jüdischen Tradition und einer Verdichtung des Judentums auf wenige kulturelle Aspekte sowie einem mangelnden Interesse am Fortleben dieser Kultur einhergeht.579 Dadurch wird die Vorstellung einer abgeschlossenen jüdischen Geschichte begünstigt.580 Solche „Paralleluniver576 „¿hasta qu¦ punto podemos hacer ,hablar‘ a estos monumentos, a estas calles y barrios donde vivieron hombres y mujeres que en ellos nacieron, conocieron la alegra y el dolor y murieron?“, Beinart, Haim, Introducciûn, in: Lacave, Sefarad. Culturas de convivencia, 11. 577 Vgl.: Lacave, Jos¦ Luis, Itinerarios Judos de EspaÇa. Programa de Sefarad 92 – Comisiûn V Centenario. Memoria, Madrid, febrero de 1989; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1978. Zu den Zielen des Reiseführers heißt es: „Este libro tiene por objeto fundamental ayudar al viajero interesado a descubrir y conocer los vestigios que han quedado en EspaÇa del judasmo y los judos medievales. A este fin, propone una serie de itinerarios a lo largo y a lo ancho del pas que tratan de constituir un recorrido por la huella material que los judos dejaron“, sowie an anderer Stelle: „Constituye, pues, en cierto modo, un intento de revivir una vida medieval.“, Lacave, Gua de la EspaÇa juda, 1, 31. Die Vermischung lokalhistorischer und touristischer Strategien zeigt sich z. B. auch an: Garca Casar, Mara Fuencisla, El pasado judo de Zamora, Valladolid 1992. 578 Vgl. z. B.: Red de Juderas – Caminos de Sefarad, Rutas por las juderas de EspaÇa, 10 – 19. 579 Webber, Notes Toward the Definition of „Jewish Culture“, in: Gitelman/Kosmin/Kovcs (Hg.), New Jewish Identities, 317 – 340. 580 „A Jewish visitor to these Juderas (or any other visitor) could very well wonder where, among all the celebratory messages of convivencia, is the other side of it, since most of these cities very visibly show an absolute Jewish absence. In fact, many of these sites act as a wishful fantasy,
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sen“ sind aber, wie Gruber zurecht einwendet, „in vielfacher Hinsicht aufgrund von Wünschen anstatt von Erinnerungen oder Traditionen erschaffen“.581 Es ist daher der Gemeinderätin der katalanisch-konservativen Partei ConvergÀncia i Uniý (CiU) im Rathaus von Girona zuzustimmen, die bezweifelt, dass die physische und architektonische Rehabilitierung des kulturellen Erbes in Girona zu einem Wiederaufleben der jüdischen Kultur oder einem Anstieg des Wissens beigetragen hat. Die Mehrheit derjenigen, die durch den Call laufe, sei sich der historischen Bedeutung nicht bewusst.582 Die von Haim Beinart aufgeworfene Frage, ob die materiellen Spuren der spanisch-jüdischen Vergangenheit zum Sprechen gebracht werden können, müsste dann negativ beantwortet werden.
4.2 Sefarad 92. Eine Gelegenheit zur Neujustierung des Gedächtnisses Jahrestage stellen „Denkmäler in der Zeit“ dar und dienen der Gesellschaft zur Vergewisserung ihrer kulturellen Identität.583 Eine öffentliche Erinnerungsund Festkultur ohne Jubiläen ist schwer vorstellbar : „Die Berufung auf eine 50-, 100- oder gar 1000-jährige Tradition, die jubiläumszyklische Erinnerung an Personen und Ereignisse der Vergangenheit gilt als legitisupposedly showcasing a Jewish quarter that is more virtual than real, since there is not a Jewish population inhabiting it, and most traces of its ,Jewishness‘ have been sistematically transformed or destroyed.“, Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/ Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 72. 581 „in many senses constructed from desire rather than from memory or inherited tradition“, Gruber, Virtually Jewish, 27. Zur Bewahrung des jüdischen Gedächtnisses in der Post-Holocaust-Ära vgl. auch: Polonovski, Max, The importance of the preservation of Jewish heritage, in: Dokumentation der Conference on the Launching of the European Route of Jewish Heritage, 18 – 20 June 2004, Centre Culturel de Recontre Abbey de Neumünster, Luxembourg-City, 25; http://www.jewisheritage.org/jh/upload/publications/JH_4.pdf, 17. 10. 2011. Ein besonders eindrückliches Beispiel, wozu mangelnde Kontakte mit der realen jüdischen Welt führen können, stellt Juan G. Atienzas Caminos de Sefarad dar. Atienza rühmt sich im Vorwort zu seinem Reiseführer, als nicht-jüdischer Autor größere Objektivität beanspruchen zu können, vgl.: Atienza, Juan G., Caminos de Sefarad. Gua Juda de EspaÇa, Barcelona 1994; Ders., Gua juda de EspaÇa, Madrid 1978. Für eine kritische Analyse dieses Reiseführer vgl. auch: Flesler/ P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 76 f; Lacave, Jos¦ Luis, Itinerarios Judos de EspaÇa. Programa de Sefarad 92 – Comisiûn V Centenario. Memoria, Madrid, febrero de 1989, 4; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1978; „Jewish guide to Spain“, in: JC, 5, 729, 9. 2. 1979, 2. 582 Vgl.: Riera i Ben, Zoila, Presentaciûn, in: Buletn Patronat Municipal Call de Girona, 8/2006, http://www.girona.cat/call/butlleti_v1/defaultes.php?BT=41, 19. 11. 2010. 583 Assmann, Aleida, Jahrestage – Denkmäler in der Zeit, in: Münch, Paul (Hg.), Jubiläum, Jubiläum… Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, 313 f. Sie unterscheidet drei Funktionen von Jahrestagen: „Wieder-Holung“, Inszenierung von (vorgestellten) Gemeinschaften, Reflexion. Ebd., 310 f.
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mierender Altersnachweis und als Ausdruck von Geschichtsbewusstsein, zumindest soll dessen Vorhandensein suggeriert werden.“584
Dieses Kapitel widmet sich dem Jubiläumsjahr 1992, in dem sich in Spanien das historische Datum 1492 mit seinen vier Ereignissen – die Eroberung des letzten maurischen Königreiches in Granada, die Vertreibung der Juden aus dem kastilisch-aragonesischen Königreich, die Entdeckung Amerikas und die Entstehung der ersten verbindlichen kastilischen Grammatik – zum 500. Mal jährte. Dieser Quinto Centenario fiel mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Barcelona und der Expo in Sevilla sowie mit der Auszeichnung Madrids als „Europäische Kulturhauptstadt“ zusammen.585 Das Jahr 1992 bot dem spanischen Staat daher vielfältige Möglichkeiten für die Inszenierung eines neuen, modernen und fortschrittlichen Spanienbildes und damit für die endgültige Selbstverortung in der Mitte Europas.586 In der spanischen Presse wurde bereits zu Beginn des Jahres vielfach das „lang ersehnte“ oder „gefürchtete“ 1992 angekündigt.587 584 Müller, Winfried, Das historische Jubiläum. Zur Geschichtlichkeit einer Zeitkonstruktion, in: Ders. (Hg.), Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004, 1, 2. Vgl. dort auch ausführlicher zum historischen Jubiläum. 585 Zur Expo vgl.: Sociedad Estatal de Gestiûn de Activos/Ministerio de la Presidencia (Hg.), Memoria General de la Exposiciûn Universal Sevilla 1992, Madrid 1993, insb. 9, 187, 317 – 320. Für eine kritische Sicht auf die Expo: El descubrimiento del 92. La otra cara del espectculo, Barcelona 1992. Auch in diesem Zusammenhang wurde versucht, Spanien als einen modernen Staat mit trikulturellen Wurzeln zu präsentieren. Zur Auseinandersetzung mit der trikulturellen Vergangenheit im Rahmen der Expo vgl.: Sociedad Estatal para la Exposiciûn Universal Sevilla 92/Rispa, Raffll/Ros, C¦sar Alonso de los/Aguaza, Mara Jos¦ (Hg.), Weltausstellung Sevilla 1992. Thematischer Pavillon: 15. Jahrhundert, Sevilla/Mailand 1992. 586 Vgl. dazu: Graham, Helen/Snchez, Antonio, The Politics of 1992, in: Graham/Labanyi, Jo (Hg.), Spanish Cultural Studies. An Introduction. The Struggle for Modernity, Oxford/New York 1995, 406. Bereits 1935 sollte die Gedenkfeier anlässlich des 800. Geburtstages von Maimonides der republikanischen Regierung zur Inszenierung eines demokratischen Charakters des Staates dienen. Vgl.: Gonzlez Garca, La celebraciûn del 800 aniversario de Maimûnides hace 50 aÇos (1935), in: El Olivo, 24/1986, 183 – 193. Auch die Verleihung des Premio de la Concordia an die sephardischen Gemeinden im Jahr 1990 kann als eine europäische Geste gelesen werden. Hans Dietrich Genscher unterstrich diese Sichtweise in seiner Rede: „La concesiûn del Premio a la Concordia es una decisiûn europea. Porque queremos una Europa de tolerancia, una Europa en la que todo el mundo pueda desenvolverse en libertad, en la que las minoras est¦n protegidas, una Europa fraterna“, zit.n.: „Palabras pronunciadas por Hans Dietrich Genscher“, in: Sepharad’92, 2/1990, 3. Demgegenüber war das 1969 begangene 500jährige Jubiläum der Hochzeit der Katholischen Könige noch ganz in der nationalkatholischen Lesart verankert. So hieß es in der Rede Francos: „Ese matrimonio celebrado aqu nos trajo los das de gloria de la naciûn: el Descubrimiento de Am¦rica, la transformaciûn de EspaÇa en una unidad y en una disciplina.“, „Palabras en los actos conmemorativos del Quinto Centenario de la Boda de los Reyes Catûlicos“, pronunciados desde el balcûn principal del Ayuntamiento de Valladolid, el 18 de octubre de 1969, abgedruckt in: Discursos y mensajes del Jefe del Estado. 1968 – 1970, hg. v.: Direcciûn General de Cultura Popular y Espectculos, 102. 587 Vgl. z. B.: „Editoriales: Ya estamos en el 92…“, in: Razûn y Fe, 1120/1192, 121 – 125; „Editorial: El aÇo 92“, in: Ecclesia, 2561 – 62, 4.–11. 1. 1992, 5. Zur Bedeutung von 1992 für Spanien, vgl.
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Da neben den staatlichen Organisatoren weitere Akteure an den Gedenkfeierlichkeiten beteiligt waren, stellt sich die Frage, ob das Jahr 1992 zugleich Anlass für die Neuaushandlung eines Gedächtnisses unter demokratischen Vorzeichen bot. Die exemplarische Analyse der organisatorischen und inhaltlichen Ebene des Programms Sefarad 92,588 welches sich der Erinnerung an die spanisch-jüdische Vergangenheit widmete, versucht darauf eine Antwort zu geben. Diese Herangehensweise bietet sich an, da bislang – trotz der großen medialen und öffentlichen zeitgenössischen Resonanz – keine umfassenden wissenschaftlichen Abhandlungen zu dem Gedenkprogramm vorliegen. Eine Presseanalyse589 steht ebenso aus wie exemplarische Untersuchungen einzelner Veranstaltungen oder Studien zur Rückkoppelung des inszenierten Gedenkens an die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Das folgende Kapitel stützt sich in weiten Teilen auf bislang unveröffentlichtes Quellenmaterial sowie auf von der Verfasserin geführte Gespräche mit den Organisatoren.590 In einem ersten Schritt werden die an der Planung und Durchführung des Gedenkprogramms Sefarad 92 beteiligten Akteure mit ihren Erwartungen und Zielen vorgestellt, um ihnen im Anschluss je eine Gedenkveranstaltung zuzuordnen. Da diese an drei unterschiedlichen Orten stattfanden, können sie eventuell Hinweise auf regionale Erinnerungskulturen geben.
auch: Beilage Jahresrückblick in: Panorama, 292, 28. 12. 1993; Machover, Retorno a Sefarad, in: Diario 16, 30. 5. 1992, 27 – 28. 588 Die Bezeichnungen Sefarad 92 und Quinto Centenario werden in ihrer spanischen Schreibweise als Eigennamen beibehalten. Bei den ins Deutsche übersetzten Eigennamen der verschiedenen Vorbereitungskommissionen wird die jeweilige – der Landessprache entsprechende – Schreibweise übernommen, so heißt es z. B. Internationales Vorbereitungskomitee Sepharad 92. 589 Für einen Überblick zur kontroversen Berichterstattung in der nationalen Presse, die kritische Auseinandersetzungen mit der spanisch-jüdischen Geschichte ebenso wie die Reproduktion althergebrachter Klischees wie die angebliche Spanienliebe aller Sepharden umfasste, vgl.: Rehrmann, Norbert, Das Andere und Eigene: Maurisches und jüdisches Spanien im Umkreis von ,Sefarad 92‘. Beispiele aus Literatur, Medien und Politik, in: Burmeister, Hans-Peter (Hg.), Spanien – die Entdeckung einer europäischen Kultur, Loccum 1998, 63 f; Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 254 f. 590 Bei den von der Verfasserin mit den ehemals Beteiligten geführten Gesprächen ist zu berücksichtigen, dass die Befragten keine zeitgenössische Sicht auf die Ereignisse wiedergeben, ihr heutiger Standpunkt vielmehr durch aktuelle Erfahrungen, Interessen und Konflikte geprägt ist. Dennoch bieten die Gespräche eine das übrige Quellenmaterial erweiternde, interessante persönliche Perspektive auf die Ausgestaltung des Gedenkprogramms. Zur Methode der Oral History vgl. z. B.: Abrams, Lynn, Oral History Theory, Abingdon/New York 2010, insb. 78 – 105; Jureit, Ulrike, Erinnerungsmuster: Zur Methodik lebensgeschichtlicher Interviews mit Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager, Forum Zeitgeschichte 8, Hamburg 1999, insb. 19 – 42.
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4.2.1 Die Erinnerungsakteure Die drei vorzustellenden Kommissionen repräsentieren den spanischen Staat, die unter dem Dach der Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa (FCJE) organisierten Juden sowie eine heterogene Gruppe internationaler jüdischer Organisationen und Persönlichkeiten. Die staatlichen Akteure: Comisiûn Nacional Quinto Centenario und Grupo de Trabajo Sefarad 92 An der Organisation und Vorbereitung der Feierlichkeiten zum Quinto Centenario waren auf staatlicher Seite das Hohe Patronat des Quinto Centenario (Alto Patronato del Quinto Centenario), die Nationale Kommission für die Kommemoration des Quinto Centenario (Comisiûn Nacional para la Conmemoraciûn del Quinto Centenario) und die Staatliche Gesellschaft (Sociedad Estatal) beteiligt.591 Das 1985 gegründete Hohe Patronat war das offizielle Organ des spanischen Staates. Der Ehrenvorsitz lag bei König Juan Carlos, den exekutiven Vorsitz hatten der Ministerpräsident und der Vizepräsident inne.592 In diesem Organ lief die Planung und Koordinierung aller mit dem Quinto Centenario in Zusammenhang stehender Programme zusammen. Die Nationale Kommission für die Kommemoration des Quinto Centenario war bereits 1981 ins Leben gerufen worden und diente als zentrale Koordinierungsstelle aller Feierlichkeiten des Gedenkjahres 1992. Zugleich war sie das am demokratischsten organisierte Planungsorgan, da dort Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Bereiche versammelt waren. Der Vorsitz dieser staatlichen Vorbereitungskommission lag nacheinander bei Manuel Prado y Colûn de Carvajal, Carlos Robles Piquer und Luis YÇez-Barnuevo.593 591 Vgl.: Sociedad Estatal para la Ejecuciûn de Programas del V. Centenario (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, Madrid 1992, 9 [im Folgenden als Sociedad Estatal abgekürzt]. 592 Außerdem waren im Hohen Patronat das Außenministerium, das Wirtschaftsministerium, das Kulturministerium, der Staatssekretär für die Parlamentarischen Beziehungen (Relaciones con las Cortes), der Präsident der Nationalen Kommission für die Gedenkfeier des Quinto Centenario, der Generalkommissar der Expo’92, die Präsidenten der am Quinto Centenario beteiligten autonomen Regionen sowie der Director del Gabinete de la Presidencia de Gobierno vertreten. Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 32 f. Seit Mitte der 1980er Jahre spielte der Quinto Centenario in den Reden des Königs anlässlich des Da de la Hispanidad eine Rolle, vgl. z. B.: Discurso de S.M. el Rey en el acto conmemorativo del da de la hispanidad. 13 – 10 – 87, in: Actividades, textos y documentos de la poltica exterior espaÇola, hg. v.: Ministerio de Asuntos Exteriores. Oficina Diplomtica, Madrid 1987, 87 – 89; Palabras de S.M. el Rey en el I. C. I. con motivo de la celebraciûn del da de la hispanidad (11 – 10 – 88), in: Actividades, textos y documentos, 1988, 87 – 88; Discurso de S.M. el Rey en la fiesta de la hispanidad (12 de octubre de 1990), in: Actividades, textos y documentos, 1990, 53 – 54. 593 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 33 f.
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Mit der Umsetzung der Programmpunkte wurde die Staatliche Gesellschaft für die Durchführung der Gedenkprogramme und -aktivitäten des Quinto Centenario der Entdeckung Amerikas (Sociedad Estatal para la ejecuciûn de programas y actuaciones conmemorativas del Quinto Centenario del Descubrimiento de Am¦rica), kurz Staatliche Gesellschaft Quinto Centenario, beauftragt, deren Vorsitz ebenfalls Luis YÇez-Barnuevo übernahm.594 Sie diente gleichzeitig als öffentliche Stimme und Multiplikator zur Einbindung einer möglichst breiten gesellschaftlichen Schicht in die Feierlichkeiten.595 Da die 500-Jahr-Feierlichkeiten über den iberoamerikanischen Raum hinaus auf internationales Interesse stießen, wurde 1989 die Internationale Konferenz der Kommissionen Quinto Centenario (Conferencia Internacional de Comisiones Quinto Centenario) gegründet, welche einmal im Jahr die Mitgliedsstaaten der Iberoamerikanischen Konferenz (Conferencia Iberoamericana) und weitere interessierte Staaten wie Australien, China, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien oder den USA versammelte. Daneben entstanden bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der UNESCO, der UNICEF, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (Banco Interamericano de Desarrollo) und der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (Organizaciûn Panamericana de la Salud) Ad-hoc-Kommissionen.596 Innerhalb Spaniens fand eine Zusammenarbeit mit der Verwaltung auf zentralstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene statt; eingebunden waren insbesondere die Ministerien für Kultur, Erziehung und Wissenschaft (Ministerio de Cultura, Educaciûn y Ciencias), das Ministerium für Industrie, Handel und Tourismus (Ministerio de Industria, Comercio y Turismo) und das Ministerium für Transport und Kommunikation (Ministerio de Obras Pfflblicas, Transporte y Comunicaciones). Darüber hinaus waren staatliche und private Firmen sowie verschiedene Medien, hier vor allem der staatliche Sender RTVE, an den Vorbereitungen beteiligt.597 Die autonomen Regionen organisierten mit unterschiedlicher Intensität eigene Veranstaltungen im Rahmen des Quinto Centenario. Größere regional
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Luis YaÇez-Barnuevo war seit 1977 Abgeordneter im spanischen Kongress für den PSOE und unter Felipe Gonzlez für die internationalen Beziehungen und die Beziehungen zu Iberoamerika zuständig. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre war er außerdem Vorsitzender des andalusischen PSOE. Von 1999 bis 2004 war er Abgeordneter im Europaparlament. Vgl.: http://www.europarl.eu ropa.eu/members/public/geoSearch/view.do ?country=ES&partNumber=2&id=28278& language=ES, 3. 1. 2011. Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 12. Vgl.: Ebd., 34 ff. Vgl.: Ebd., 32. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen wurde durch die Ley de Beneficios Fiscales para canalizar patrocinio hacia los proyectos del Quinto Centenario geregelt und erleichtert. Vgl.: Sociedad Estatal para la Ejecuciûn de Programas Conmemorativos del V. Centenario (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, Madrid 1992, 9 [im Folgenden als Sociedad Estatal abgekürzt]. Vgl. auch: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 36 f.
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eigenständige Programme gab es z. B. in Andalusien, Kastilien-Leon und Extremadura.598 Die Veranstaltungen im Rahmen von Sefarad 92 fanden ebenfalls an unterschiedlichen Orten statt, ein Schwerpunkt war Katalonien. Das Jahr 1992 bot so nicht nur Gelegenheit zur nationalen Neupositionierung, sondern zugleich zur regionalen Profilstärkung. Dabei sahen sich die einzelnen Städte als Ausrichtungsorte durchaus in Konkurrenz zueinander.599 Als Leitlinie des Quinto Centenario, in dessen Mittelpunkt die Erinnerung an die Entdeckung Amerikas und die Geschichte der spanisch-lateinamerikanischen Beziehungen standen, bezeichnete die Staatliche Gesellschaft in der offiziellen Programmbroschüre die „Wiedergewinnung des historischen, künstlerischen und kulturellen Erbes“600 und die Verbreitung des „Bildes des neuen Spaniens [Hervorhebung im Original] in Lateinamerika und der entwickelten Welt“.601 Neben dem Motiv der Wiedergewinnung des historischen Erbes waren die staatlichen Kommemorationsfeierlichkeiten von der Vorstellung einer „Wiederbegegnung“ durchzogen. An oberster Stelle stand dabei das „Wiedertreffen“ mit den spanischsprachigen Teilen Lateinamerikas, analog dazu wurde die Eroberung Amerikas als historisches „Treffen zweier Welten“ reinterpretiert. Da es sich bei dem Jahr 1492 um einen „Schlüsselmoment im Kollek598 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 8. Zu den Programmen der einzelnen Regionen vgl.: Ebd., 24 – 39; Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 179 – 184. Zur regionalen Struktur der Kommissionen vgl.: Comisiûn Quinto Centenario, Memoria. 500 aÇos, 500 programas II, Madrid 1987, 11. Zu dem Gedenkprogramm in Kastilien-Leon vgl.: V Centenario del Descubrimiento de Am¦rica, Al-Andalus y Sefarad ‘92, hg. v.: Junta de Castilla y Leûn. Consejera de Cultura y Bienestar Social, o. J.; Quinto Centenario en Castilla y Leûn. Descubrimiento de Am¦rica y Filipinas. Las culturas juda y musulmana. Mapas histûrico-didcticos, hg. v.: Junta de Castilla y Leûn. Consejera de Cultura y Bienestar Social, o.O. 1991. 599 Der sozialistische Bürgermeister Toledos Joaqun Snchez Garrido kritisierte z. B. die Auszeichnung Madrids als Kulturhauptstadt Europas, da diese Toledo als Hauptstadt von Sefarad 92 in den Schatten stelle. Vgl.: P., E., El alcalde de Toledo culpa a Madrid de eclipsar los actos de Sefarad 92, in: ABC, 4. 1. 1992, 54. El Mundo bezeichnete Sevilla als eine Gewinnerin von 1992, da die Stadt nach jahrelanger Vernachlässigung durch die Ausrichtung der Expo einen gewaltigen Aufschwung erfahren habe, vgl.: Tena, Pedro de, Expo 92, bienvenido mister PSOE, in: El Mundo, 2. 1. 1992, D6 – D7. 600 „recuperaciûn del Patrimonio histûrico, artistico y cultural“, Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 11. Vgl. dazu auch: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 96 ff. 601 „imagen de la nueva EspaÇa en Am¦rica Latina y el mundo desarrollado“, Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 3. Zu diesem Zweck wurde eine Bibliothek Quinto Centenario gegründet, die bis Ende 1992 etwa 1500 Werke umfassen und eigene Publikationen, wie z. B. Wörterbücher, Quellensammlungen, Geschichtsbücher, Tagungsbände oder Kinder- und Jugendbücher, herausgeben sollte. Daneben entstanden mit der interaktiven CD-ROM „500 Jahre danach“ („500 aÇos despu¦s“), verschiedenen Spielfilmen, Fernsehserien und Dokumentationen über 40 audiovisuelle Projekte sowie ein „Rucksack für Iberoamerika“ („mochila para Iberoam¦rica“), der Unterrichtsmaterialien für 12- bis 16-jährige Schüler enthielt. Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 13 ff.
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tivbewusstsein der Menschheit“602 handele, wie es König Juan Carlos in der offiziellen Programmbroschüre des Quinto Centenario formulierte, war es das Ziel der spanischen Regierung, die Erinnerungen an die historischen Ereignisse aus einer als spezifisch spanisch verstandenen Nationalgeschichte herauszulösen und im universellen kulturellen Gedächtnis zu verankern.603 Die Integration Spaniens in die Europäische Gemeinschaft sollte so erinnerungskulturell flankiert werden. Bereits im Vorfeld des Quinto Centenario hatte die Regierung ein Programm zur Stärkung und Ausbreitung der spanischen Sprache initiiert, welches 1991 in der Gründung des Kulturinstitutes Instituto Cervantes mündete.604 Der historischen Verengung des Jahres 1492 auf die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus wurden die „anderen“ Quinto Centenarios entgegengesetzt, zu denen Sefarad 92 gehörte. Die „anderen“ Erinnerungen werden in der offiziellen Programmbroschüre mit dem „Bruch der fruchtbaren convivencia [Hervorhebung, A. M.] der islamischen, jüdischen und christlichen Kultur im mittelalterlichen Spanien“605 zusammengefasst. Dabei stand weniger die historische Einordnung der Vertreibung der Juden im Mittelpunkt – Anfang der 1990er Jahre war es wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Konsens, dass es sich dabei um einen historischen Fehler mit langwierigen Folgen für die Entwicklung des spanischen Staates gehandelt hatte – als vielmehr die Ausweitung des populären Gedächtnisses auf die Phase vor 1492. Die Programme al-Andalus 92 und Sefarad 92 sollten einen Versuch darstellen, die „Tradition der Toleranz“ neu aufleben zu lassen.606 Der Staatssekretär im Außenministerium erklärte in Am¦rica 92,607 der von der Nationalen Vorbereitungskommission anlässlich des Quinto Centenario gegründeten Festzeitschrift, dass die Schatten der Vergangenheit überwunden würden und Spanien seiner jüdischen Vergangenheit mit Stolz begegnen solle.608 Dem vierten historischen Ereignis des Jahres 1492, der Veröffentlichung der ersten verbindlichen
602 „fecha clave para la conciencia colectiva de la humanidad“, Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 1. 603 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la programaciûn, 7. Vgl. z. B. auch: Barkai, Ron, Europa se adelantû y EspaÇa no fue la ms cruel, in: ABC, 31. 3. 1992, Beilage „Los Anlisis“, V. 604 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 19 f. 605 „la ruptura de la fecunda convivencia de las culturas islmica, juda y cristiana de la EspaÇa Medieval“, Ebd., 3. 606 „tradiciûn de tolerancia“, Ebd., 3. 607 Bei einer Durchsicht der verfügbaren Ausgaben dieser Zeitschrift fand sich lediglich ein längerer Bericht über Sefarad 92, dieser besteht aus einem Artikel von Samuel Toledano und einem Interview mit Yitzhak Navon, vgl.: Toledano, Samuel, El Quinto Centenario: un punto de vista judo, in: Am¦rica 92, 2/1989, 44 – 45; Mac Liman, Adrian, Isaac Navon „Para nosotros, 1992 ser el aÇo del reencuentro“, in: Ebd., 46 – 47. 608 Vgl.: Toledano, Sefarad 92, in: Am¦rica 92, 2/1989, 45. Zu Am¦rica 92 vgl.: Comisiûn Quinto Centenario del Descubrimiento de Am¦rica (Hg.), 500 aÇos, 500 programas, Madrid 1985, 45.
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Grammatik der kastilischen Sprache durch Antonio de Nebrija, wurde mit dem Programm Nebrija 92 gedacht.609 Die geringere Bedeutung, die den „anderen“ Quinto Centenarios beigemessen wurde, zeigt sich bereits an dem Umstand, dass zunächst keine Kommissionen für ihre Organisation und Umsetzung eingerichtet wurden. Erst Ende der 1980er Jahre wurde dieser Schritt nachgeholt. Inwieweit die Regierung damit auf den Wunsch jüdischer Organisationen und israelischer Regierungsvertreter sowie auf die Bestrebungen der jüdischen Gemeinden, unter dem Dach der FCJE eine jüdische Kommission zu realisieren, reagierte, lässt sich aus den Quellen nicht erschließen.610 Am 4. März 1987 gründete sich unter dem Dach der Nationalen Kommission Quinto Centenario die Arbeitsgruppe Sefarad 92: Die Wiederentdeckung des jüdischen Spaniens (Grupo de Trabajo Sefarad 92: El Redescubrimiento de la EspaÇa Juda). Als Koordinatorin dieser Gruppe wurde die Vizepräsidentin der Nationalen Kommission Pina Lûpez Gay und als Exekutivsekretär der spanische Diplomat Ion de la Riva Careaga benannt.611 Im Herbst 1991 übernahm Manuel Sassot die Leitung der Arbeitsgruppe, er war zuvor als Diplomat u. a. in den Niederlanden und in New York tätig gewesen.612 Der Name der Arbeitsgruppe verwies auf die von staatlicher Seite gewünschte Ausrichtung des Programms. Dieses sollte auf den beiden Pfeilern der Wiederentdeckung der spanisch-jüdischen Vergangenheit und der Wiederbegegnung in der Gegenwart beruhen.613 Im Vorfeld der Gründung hatte der Vorsitzende der nationalen Vorbereitungskommission Luis YÇez-Barnuevo Gespräche mit verschiedenen jüdischen Repräsentanten, vor allem aus den Vereinigten Staaten, geführt, da eine Unterstützung der amerikanisch-jüdischen Gemeinde von der spanischen Seite als unabdingbar angesehen wurde.614 Vor diesem Hintergrund rieten Luis 609 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 3. 610 Zur israelischen Position vgl. z. B.: Mac Liman, Isaac Navon, in: Am¦rica 92, 2/1989, 46. 611 Die Arbeitsgruppe war in der Generaldirektion für Kulturelle Angelegenheiten des Außenministeriums, der Miguel Arias vorstand, angesiedelt. Ihr gehörten u. a. Jos¦ Luis Lacave (Leiter des Instituto Arias Montano), Ignacio Vasallo (Generaldirektor des Instituto Nacional de Promociûn del Turismo), Elena Romero (CSIC), Iacob Hassn und ein Repräsentant der Abteilung Mittlerer Osten aus dem Außenministerium an. Zu den Mitgliedern vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 369, Anm. 1. 612 Zur Rolle von Manuel Sassot vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 360. Sassot war 1985 zum Generalkonsul in New York ernannt worden. Da er zuvor Generaldirektor für Afrika und den Mittleren Osten gewesen war, kannte er die Situation im Nahen Osten gut. Er wurde von der jüdischen Gemeinschaft in Spanien geschätzt. Vgl.: Ebd., 342 f. 613 Vgl.: Secretara de Estado para la Cooperaciûn Internacional y para Iberoam¦rica (Hg.), Sefarad 92, o.O., o. J., 7, ACNJS92, Cj. o. A. 614 Viele der Kontakte, z. B. zum Jüdischen Weltkongress oder zum Amerikanisch-Jüdischen Komitee (Comit¦ Judo Americano) kamen über den Generalkonsul Manuel Sassot zustande, solange dieser noch in New York war. Lisbona berichtet von einer englischsprachigen Broschüre, die für die diplomatischen Vertretungen in den USA vorbereitet worden sei, um über
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YÇez-Barnuevo und der kurz zuvor ernannte spanische Botschafter in Washington, Julin Santamara, dem spanischen Königshaus, eine Einladung der sephardischen Gemeinde in die Synagoge Tifereth in Los Angeles für den 1. Oktober 1987 anzunehmen. Dieser erste Besuch des spanischen Königs in einer Synagoge, die sich außerdem in den USA befand, erschien als ideale Gelegenheit, die Erinnerung an die Vertreibung der Juden mit dem Gedenken an die Entdeckung Amerikas zu verknüpfen und zugleich positiv auf die dortige öffentliche Meinung einzuwirken.615 Die inhaltliche Planung von Sefarad 92 sah eine thematische Aufbereitung auf unterschiedlichen Ebenen vor. Zu den zentralen Programmpunkten, die teilweise in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Kommission und der Internationalen Kommission erarbeitet wurden, zählten die im Museo Sefard in Toledo realisierte Ausstellung „Das jüdische Leben in Sepharad“ („La vida juda en Sefarad“), verschiedene Film- und Fernsehprojekte, die „Neugründung“ der Übersetzerschule von Toledo im Rahmen eines Forschungs- und Dokumentationszentrums der Drei Kulturen (Centro de Investigaciûn y Documentaciûn de las Tres Culturas), der offizielle Akt in der Synagoge von Toledo, die Faksimile-Edition der Ferrara-Bibel, die Planung von Reiserouten durch das jüdische Spanien, die Veranstaltung von Schülerwettbewerben zusammen mit dem Erziehungsministerium,616 die Veranstaltung von Kongressen und Tagungen, die Veröffentlichung von Büchern rund um das Thema Sepharad sowie eine Bestandsaufnahme von Überresten mittelalterlicher jüdischer Präsenz auf der Iberischen Halbinsel.617 Die jüdischen Akteure: Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 So wie der spanische Staat im Kontext der Aushandlung der Staatsverträge mit den nicht-katholischen Religionsgemeinschaften die Gründung jeweils eines Repräsentationsorgans der verschiedenen Konfessionen zur Bedingung gemacht hatte, wurde eine solche Forderung von der Nationalen Vorbereitungskommission des Quinto Centenario im Hinblick auf die Ausgestaltung des mögliche Projekte im Rahmen von Sefarad 92 zu informieren, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 352 f. 615 Vgl.: Ebd., 354 f. Zu den Kontakten mit amerikanisch-jüdischen Organisationen im Vorfeld des Quinto Centenario vgl.: Ebd., 354 – 357. 616 Im Schuljahr 1985/86 wurde in Zusammenarbeit mit B’nai B’rith und anlässlich des 850. Geburtstages von Maimonides ein Schülerwettbewerb zur Person des Philosophen durchgeführt, im Jahr 1989 ein Schülerwettbewerb über Juden in Spanien. Dessen Ergebnisse wurden unter dem Titel Presencia histûrica y cultural de los judos en EspaÇa veröffentlicht. Vgl.: Resoluciûn de 27 de diciembre de 1985, de la Direcciûn General de EnseÇanzas Medias, BOE 36, 11. 2. 1986, 5516 – 5517; Resoluciûn de 4 de abril de 1989, de la Secretara General T¦cnica, BOE 88, 13. 4. 1989, 10676 – 10677; Resoluciûn de 29 de diciembre de 1989, de la Secretara General T¦cnica, BOE 29, 2. 2. 1990, 3270. Im Archivo Central de Educaciûn befinden sich nach Auskunft des Leiters am 17. 1. 2011 keine Unterlagen zu diesen Wettbewerben. 617 Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Inventario de Programas, 24.
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Gedenkprogramms an die jüdisch-spanische Vergangenheit erhoben. Ebenfalls nach dem Vorbild des 1982 gegründeten jüdischen Dachverbandes formierte sich die Nationale Jüdische Kommission Sefarad 92 (Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92) mit dem Anspruch, alle jüdischen Gemeinden und Organisationen in Spanien zu vertreten.618 Dieser Alleinvertretungsanspruch führte in der Folgezeit mehrfach zu Konflikten, insbesondere mit dem Internationalen Jüdischen Komitee Sepharad 92 (International Jewish Committee Sepharad 92). Der Wunsch, an der Ausgestaltung des Gedenkprogramms teilzunehmen, hatte in den jüdischen Gemeinden in Spanien bereits seit Mitte der 1980er Jahre existiert.619 Die FCJE hatte im März 1986 eine achtköpfige Kommission eingerichtet, um mit verschiedenen jüdischen Organisationen im Ausland, u. a. mit dem Jüdischen Weltkongress, in Kontakt zu treten und sich über die verschiedenen, für 1992 geplanten Projekte zu informieren.620 Zugleich sollte die Kommission mit den staatlichen Gremien und dem Außenministerium zusammenarbeiten.621 Um die Zusammenarbeit zu verstärken, schlug die FCJE im März 1987 Luis YÇez-Barnuevo vor, ihren Generalsekretär Samuel Toledano in die Arbeitsgruppe Sefarad 92 aufzunehmen. Die FCJE versuchte sich so als gleichwertige Gesprächspartnerin und Repräsentantin der jüdischen Bevölkerung gegenüber dem Staat zu positionieren.622 Es ist davon auszugehen, dass sie ihre Position stärken konnte, als es gelang, für den 23. und 24. Februar 1988 – insbesondere dank des Engagements von Samuel Toledano – eine internationale jüdische Delegation nach Spanien einzuladen, der u. a. Edgar Bronfman, der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, angehörte.623 Die Delegation wurde in Madrid vom spanischen Königspaar, von Ministerpräsident Felipe Gonzlez sowie von Außenminister Francisco Fernndez OrdûÇez empfangen. Während eines Arbeitstreffens mit der Nationalen Kommission Quinto Centenario und der Arbeitsgruppe Sefarad 92 wurden mögliche Projekte, insbesondere die Restaurierung jüdischer Viertel, diskutiert. Allerdings kam es – abgesehen davon, dass die Teilnehmer 618 Vgl.: Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92. Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Programa, Noviembre 1991, 2; ACNJS92, Cj. 4; Rundschreiben der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 an die jüdischen Gemeinden in Spanien, 16. 4. 1991; ACNJS92, Cj. 6. Auf zwei Versammlungen der FCJE im Jahr 1990 wurde die Gründung einer Vorbereitungskommission unter dem Dach der FCJE beraten. Auch gab es bereits Kontakte zu anderen Organisatoren und zu Luis YÇez-Barnuevo. Vgl.: Acta de la Asamblea General de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Madrid – 4 de marzo de 1.990; Acta de reuniûn de la FCJE, Mlaga, 11. 11. 1990; beides AFCJE, Carpeta: Actas Asambleas, Covenio-Estado. 619 Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010. 620 Die Kommission der FCJE bestand aus Samuel Toledano, Mois¦s Bendahan, David Bergel, Morris Curiel, Simûn Hassan, David Melul, Issac Querub und Bertram Schader. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 369, Anm. 2. 621 Diese Kontakte liefen in erster Linie über Ion de la Riva und Samuel Toledano. 622 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 352 f. 623 Vgl.: Acta de la Asamblea General de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Madrid – 4 de marzo de 1.990; AFCJE, Carpeta: Actas Asambleas, Covenio-Estado.
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dieses Treffens sich auf die Gründung eines Internationalen Jüdischen Komitees zur Vorbereitung von Sefarad 92 einigten624 – zu keinem konkreten Ergebnis. Insbesondere blieb die von spanischer Seite erhoffte finanzielle Unterstützung durch die amerikanisch-jüdischen Organisationen aus.625 Aufgrund der unzureichenden finanziellen Ausstattung von Sefarad 92 kam die Tätigkeit der Arbeitsgruppe Sefarad 92 in der Folgezeit weitgehend zum Erliegen.626 Erst durch die Verleihung des Premio Prncipe de Asturias an die sephardischen Gemeinden im Oktober 1990 durch die Stiftung Prncipe de Asturias erhielt die Organisation von Sefarad 92 einen erneuten Impuls. Die Ehrung der Sepharden durch das Königshaus war ein wirkmächtiges Signal an die nationale und internationale Öffentlichkeit, das die Bereitschaft signalisierte, die gemeinsame spanisch-jüdische Vergangenheit zu erinnern.627 In der staatlichen Vorbereitungskommission hatte sich in der Zwischenzeit wohl außerdem die Einsicht durchgesetzt, dass eine offizielle jüdische Beteiligung an dem Gedenkprogramm wünschenswert wäre. Die Kontaktaufnahme mit der jüdischen Gemeinde erfolgte über Max Mazin,628 der ein erstes Treffen zwischen dem damaligen Präsidenten der CIB David Grebler, Isaac Querub, Carlos Schorr, dem Generalsekretär der FCJE Samuel Toledano und Vertretern der Regierung in Madrid organisierte.629 Am 2. Dezember 1990 trafen sich in Madrid die Mehrheit der Präsidenten 624 Aldina Quintana nimmt an, dass sich die Internationale Vorbereitungskommission 1989 in New York gründete, vgl.: Quintana, Sepharad ‘92, in: Tranvia, 22/1991, 6; sowie den Abschnitt zum Internationalen Jüdischen Komitee in diesem Kapitel. 625 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 355 f. 626 Vgl.: Ebd., 356 f. 627 „La concesiûn del Premio Prncipe de Asturias de la Concordia a estos hijos de David ha significado un perdûn histûrico tras medio milenio de disputas y rencores.“, Cal, Juan Carlos de la, Guardianes de su pasado, in: Panorama, 29. 10. 1990, 80. Die Auszeichnung wurde stellvertretend von zwölf Juden entgegengenommen, u. a. von Salomûn Gaon, Nessim Gaûn, Salomûn Garazi (Präsident der Federaciûn Sefard Latinoamericana), Leûn Levy (Präsident der Federaciûn Sefard Norteamericana) und Moshe Mani (Präsident der Universität Tel Aviv). Vgl.: Rubiera, Pilar, 700 sefardes celebrarn en Asturias el reencuentro, in: La nueva EspaÇa, 14. 10. 1990, 54; Dies., Los judos sefardes y la Alemania unida protagonizarn la ceremonia de este aÇo, in: La nueva EspaÇa, 14. 10. 1990, 53. 628 Max Mazin war langjähriger Präsident der CJM gewesen und zum Zeitpunkt des Quinto Centenario ihr Ehrenpräsident sowie der Vorsitzende von B’nai B’rith in Spanien. 629 Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010. Rehrmann berichtet von Bedenken der spanischen Regierung im Vorfeld der Gründung der Jüdischen Kommission. Diese wurden jedoch, insbesondere von den Vertretern der beiden größten jüdischen Gemeinden aus Madrid und Barcelona, schnell entkräftet, da sie weder eine Aufhebung des Vertreibungsediktes noch eine Wiedergutmachung von der Regierung forderten. Die Darstellung Rehrmanns könnte darauf schließen lassen, dass die Gründung der Jüdischen Kommission auf Betreiben der jüdischen Gemeinden und zunächst gegen den Willen der Regierung betrieben wurde. Da Rehrmann jedoch nicht näher darauf eingeht und auch keine Quellen für seine Vermutung angibt, wird der Darstellung der beiden Beteiligten David Grebler und Carlos Schorr gefolgt. Vgl.: Rehrmann, Das Andere und Eigene, in: Burmeister (Hg.), Spanien, 61.
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Jüdisches Erbe
der jüdischen Gemeinden sowie Repräsentanten weiterer nationaler jüdischer Organisationen, wie B’nai B’rith oder Women’s International Zionist Organization (WIZO).630 Sie gründeten die Nationale Jüdische Kommission Sefarad 92 als Ad-hoc-Kommission der FCJE und Repräsentationsorgan der spanischen Juden.631 Der Kommission gehörten David Grebler als Vorsitzender sowie die Präsidenten aller weiteren in der FCJE zusammengeschlossenen jüdischen Gemeinden in Spanien an. Das Exekutivkomitee bildeten neben Grebler, Mauricio Toledano,632 ehemaliger Präsident der jüdischen Gemeinde in Madrid, und Isaac Querub. Alle drei gehörten einer neuen, jungen Generation des spanischen Judentums an, die unter Franco keine Führungsposition eingenommen hatte.633 Die Aufgabe der Jüdischen Kommission war die Erarbeitung eines Programms im Rahmen von Sefarad 92. Von den staatlichen Organen gab es, wie David Grebler betont, die Auflage, dass von jüdischer Seite keine Forderungen oder Anschuldigungen erhoben werden dürften.634 Dahinter stand das offizielle Streben nach einem Erinnerungskonsens, der für die Zukunft festgeschrieben werden sollte und der gerade nicht in einer Gegenüberstellung von einem Opfer- und Tätergedächtnis bestehen konnte. Die Anerkennung der Jüdischen Kommission als Verhandlungspartner der Regierung beruhte daher auf dem Verzicht einer Thematisierung der Schuldfrage sowie auf materielle oder immaterielle Wiedergutmachung. Im Vorfeld von Sefarad 92 verhandelte die Jüdische Kommission mit den staatlichen Gremien.635 Diese Kontakte führten zu der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Nationalen Kommission Quinto Centenario, der Staatlichen Gesellschaft und der Jüdischen Kommission, das eine finanzielle Unterstützung in Höhe von zwölf Millionen Peseten durch die Staatliche Gesellschaft vorsah.636 630 Zu WIZO in Spanien bzw. Barcelona vgl.: Fernndez Martorell, Estudio antropûlogico, 106 – 109. 631 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 358 – 361. Zur Nationalen Jüdischen Kommission vgl. auch: Quintana, Sepharad ‘92, in: Tranvia, 22/1991, 6. 632 Mauricio Toledano verließ kurz vor dem 31. 3. 1992 die Kommission. 1984 war er zum Präsidenten der CJM gewählt worden. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 338, 358. 633 Vgl.: Israel Garzûn, Panormica de la comunidad juda, in: Ders./Macas Kapon (Hg.), La comunidad juda de Madrid, 51 – 54. 634 Gespräch der Verfasserin mit David Grebler, Barcelona, 21. 10. 2010. Grebler zufolge liefen die Programme der staatlichen und der jüdischen Kommission weitgehend parallel, es gab keine Zusammenarbeit, vgl.: Navarro, Nfflria, Los judos de EspaÇa conmemorarn el quinto centenario de su expulsiûn, in: El Periûdico de Catalunya, 29. 11. 1991, 33. 635 Zu ihren wichtigsten Gesprächspartnern gehörten Manuel Sassot, Luis YÇez-Barnuevo und Ion de la Riva Careaga. Dass von staatlicher Seite als Gesprächspartner zwei Diplomaten und ein erfahrener Politiker ausgewählt worden waren, ist wohl auf das ihnen zugeschriebene Verhandlungsgeschick zurückzuführen. 636 Marco de Colaboraciûn entre la Comisiûn Nacional Quinto Centenario y la Sociedad Estatal Quinto Centenario de una parte y la Comisiûn Nacional Juda Sefarad ’92 de otra, 22. 4. 1992; ACNJS92, Cj. 4. In einem anderen, undatierten Dokument heißt es, dass der Staat die Hälfte der Kosten für Sefarad 92 trug, indem für jede von der Jüdischen Kommission eingeworbene
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Auf jüdischer Seite führte die Kommission Gespräche mit Edgar Bronfman, dem Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses, Nessim (auch Nissim) Gaon als Vorsitzendem der Sephardischen Weltföderation, den jüdischen Gemeinden in Spanien sowie einzelnen Repräsentanten des spanischen Judentums, so z. B. Samuel Toledano, Max Mazin oder Aaron Azagury als Repräsentanten von B’nai B’rith.637 Das Programm der jüdischen Kommission, das sich in erster Linie auf die Städte mit den größten jüdischen Gemeinden – Madrid und Barcelona – konzentrierte, orientierte sich ihren eigenen Angaben zufolge an drei Zielen: der „Wiederentdeckung“ und zugleich Popularisierung der jüdischen Vergangenheit und ihrer Bedeutung für Spanien, der Vermittlung von Kenntnissen über die jüdische Gegenwart, und der zukünftigen Überwindung von Stereotypen und Vorurteilen.638 Während die Vergangenheit mittels Konferenzen und Ausstellungen ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden sollte, initiierte die in Barcelona neu gegründete Stiftung Baruch Spinoza (Fundaciûn Baruch Spinoza)639 ein Oral-History-Projekt, welches sich der Geschichte der ersten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Barcelona widmete und seine Ergebnisse in der Ausstellung „1914 – 1954: Jüdische Einwanderung nach Barcelona: Die ersten Migrationswellen“ („1914 – 1954: Inmigraciûn Juda a Barcelona. Las primeras olas migratorias“) präsentierte.640 Außerdem unterstützten die jüdische und die staatliche Kommission das Bibliografie-Projekt von Uriel Macas Kapûn zur jüdischen Geschichte und Kultur sowie die Publikation des Journalisten Jos¦ Antonio Lisbona, Retorno a Sefarad, zur spanisch-jüdischen Geschichte im 20. Jahrhundert.641 Als ein in
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Pesete eine staatliche Pesete gezahlt wurde, vgl.: Undatiertes und nicht betiteltes Dokument; ACNJS92, Cj. 10. Es ist unklar, wann das Abkommen unterzeichnet wurde, während das hier zitierte Dokument auf einen sehr späten Zeitpunkt, den 22. 4. 1992, datiert ist, nennt Lisbona den 12. 12. 1991 als Datum, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 360. Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009; Gespräch der Verfasserin mit David Grebler, Barcelona, 21. 10. 2010. Vgl.: Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92. Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Programa, Noviembre 1991, 2; ACNJS92, Cj. 4. Vgl. auch: „Sefarad – 92. Programa de la Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92“, in: ALEF, 3/1992, 12 – 15; Macas Kapûn, Uriel, Un judo espaÇol ante Sefarad 92, in: Ebd., 16 – 18. Die Stiftung Baruch Spinoza wurde von dem Vorsitzenden der Jüdischen Kommission David Grebler gegründet. Diese personelle Überschneidung wird in keinem Dokument erwähnt. Die kulturell ausgerichtete Stiftung, die sich auch gegen Antisemitismus und Rassismus engagiert, sieht in Baruch Spinoza einen bedeutenden jüdischen Denker und Wegbereiter späterer philosophisch-religiöser Strömungen im Judentum. Vgl.: Navarro, Los judos de EspaÇa conmemorarn el quinto centenario, in: El Periûdico de Catalunya, 29. 11. 1991, 33; Berthelot, Memorias judas. Vgl.: Macas Kapûn, Uriel, Gua espaÇola de bibliogrfica judaica, Barcelona 1992; Lisbona, Retorno a Sefarad. Das erste im Rahmen von Sefarad 92 veröffentlichte Buch war Jos¦ Luis Lacaves Sefarad, Sefarad. La EspaÇa juda (Madrid 1987), das zweite der Band Erase una vez… Maimûnides mit traditionellen Geschichten und Märchen von Elena Romero. Einen Überblick zu Tagungen und Kongressen, die im Kontext des Quinto Centenario in verschiedenen Ländern
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die Zukunft gerichtetes Projekt verstand die Jüdische Kommission die Forderung nach einer Überarbeitung spanischer Schulbücher. Denn, wie sie feststellte, seien zwar die negativen und vorurteilsbeladenen Darstellungen der Juden aus den Texten verschwunden, damit aber zugleich in vielen neueren Schulbüchern jeglicher Verweis auf die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel.642 Die Forderung nach Vermehrung des Wissens zum Abbau von Stereotypen und Vorurteilen wurde auch von vielen Wissenschaftlern im Umkreis von Sefarad 92 vertreten. Die CSIC-Wissenschaftlerin Paloma Daz-Mas beklagte z. B. in einem El Pas-Artikel, dass aufgrund der jahrhundertelangen Uniformität des Landes Desinformation und Vorurteile in der Bevölkerung und in den Medien weit verbreitet seien. Im Gegensatz zu den europäischen Nachbarländern, in denen die jüdische Bevölkerung als eine von vielen Minderheiten zum sozialen Gefüge gehöre, sei dies in Spanien nicht der Fall. Weniger als um die Inszenierung kurzfristigen Gedenkens müsse es daher um dessen Verankerung in Wissenschaft und Bildung gehen.643 Iacob M. Hassn sprach in diesem Zusammenhang von einer „Schuld der Desinformation“, die Spanien auf sich geladen habe.644 Am 6. November 1991645 erwirkte die Jüdische Kommission, dass das spanische Königspaar erstmals alle Gemeindepräsidenten sowie die Vorsitzenden der FCJE und von B’nai B’rith Spanien empfing.646 Während dieses Treffens lud David Grebler als Vorsitzender der Jüdischen Kommission das Königspaar ein, der Gedenkveranstaltung am 31. März in der Beth Yaacov-
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stattfanden, gibt: Benito Ruano, E., Quinto Centenario de la expulsiûn de los judos de EspaÇa, in: Cuadernos de Historia Moderna, 13/1992, 227 – 237. Zu den Filmprojekten vgl.: ACMC, Carpeta VI: Direcciûn General de Bellas Artes y Bienes Culturales. Centro Nacional de Exposiciones, Cj. 71.702, Cj. 74.388, Cj. 74.389, Cj. 84.760. Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92. Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Programa, Noviembre 1991, 12; ACNJS92, Cj. 4. Vgl. auch: „Sefarad – 92“, in: ALEF, 3/1992, 12 – 15. Vgl.: Daz-Mas, Paloma, De la incuria al infarto, in: El Pas, 31. 3. 1992. Eine ähnliche Position vertrat der Historiker Luis Surez Fernndez, der in El Olivo eine Reflexion über den Umgang mit dem jüdischen Erbe in Spanien einforderte, „no sûlo para reparar, en nuestra mente, pasadas injusticias debidas a la intolerancia, sino para encontrar los puntos de contacto entre ambas culturas, cristiana y juda, que convivieron en nuestro pas durante ms de quinientos aÇos“, Surez Fernndez, Luis, En torno a la recproca influencia entre judos y cristianos en EspaÇa, in: El Olivo, 27/1988, 61. Vgl. dazu auch: Quintana, Sepharad ‘92, in: Tranvia, 22/1991, 6; „Los judos espaÇoles conmemoran el V centenario de su expulsiûn“, in: El Sol, 28. 11. 1991, 59; ACMC, Cj. 75854. „deuda de desinformaciûn“, Hassn, Iacob M., Sefarad ’92: Hora de balances. III. Nuestro padre Jacob el patriarca, in: Races, 13/1992, 23. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 359; Fax von Sabino Fernndez Campo (Jefe Casa Real) an David Grebler, 31. 10. 1991, ACNJS92, Cj. 7. Vgl. zu dieser Forderung: Brief von Isaac Querub an Ion de la Riva Careaga y Guzmn de Frutos, Director del Gabinete del Secretario de Estado para la Cooperaciûn Internacional y para Iberoam¦ricana, Madrid, 18. 4. 1991, ACNJS92, Cj. 6.
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Synagoge in Madrid beizuwohnen.647 Zugleich stellte die Jüdische Kommission bei dieser Gelegenheit ihr geplantes Programm für Sefarad 92 vor. Grebler betonte die Notwendigkeit der Erinnerung sowohl für die jüdische als auch die spanische Seite: „Die Geschichte hat uns gezeigt, dass das Gedächtnis und die Erinnerung die beiden Säulen sind, die es den Juden ermöglicht haben, ihre Identität über die Jahrhunderte hinweg aufrechtzuerhalten, und diese Absicht spiegelt sich auch in dem Veranstaltungsprogramm wider, das wir uns vorzustellen erlauben: der spanischen und ausländischen Welt die Sternenmomente jüdisch-spanischer Kreativität in den Jahrhunderten der größten Blüte(zeit) bekanntzumachen“.648
Den Auftakt des von der Kommission entwickelten Programms bildete einen Monat später die Eröffnungszeremonie im Salûn del Tinell in Barcelona am 5. Dezember, der etwa 600 Personen beiwohnten.649
Die internationalen Akteure: International Jewish Committee Sepharad 92 Neben den in Spanien selbst eingerichteten Vorbereitungsorganen bestanden auch in anderen Ländern ähnliche Kommissionen. Das Internationale Jüdische Komitee Sepharad 92 (International Jewish Committee Sepharad 92) und die von ihm gegründete Stiftung Freunde von Sefarad (Fundaciûn Amigos de Sefarad) spielten für die Vorbereitung und Realisierung von Sefarad 92 in Spanien eine wichtige Rolle.650 647 Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009. Allerdings war die Veranstaltung in der Synagoge von der FCJE wohl schon 1990 geplant worden, und es scheint, als ob es bereits Gespräche mit dem König gegeben hatte. So wird in der Akte der Vollversammlung der FCJE vom 4. 3. 1990 in Aussicht gestellt, dass der König am 31. 3. 1992 eine Erklärung zum Vertreibungsedikt abgeben wird, vgl.: Acta de la Asamblea General de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Madrid – 4 de marzo de 1.990; AFCJE, Carpeta: Actas Asambleas, Covenio-Estado. 648 „La historia nos ha demostrado que la memoria y el recuerdo son los dos pilares que han permitido a los judos mantener su identidad a trav¦s de los siglos y ello hace que ese propûsito quede reflejado en el programa de actividades que nos permitimos presentaros: dar a conocer al mundo espaÇol y tambi¦n forneo, los momentos estelares de la creatividad judeo-espaÇola en los siglos de mximo auge“, zit.n.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 359. 649 Dass die Auftaktveranstaltung in Barcelona stattfand, ist darauf zurückzuführen, dass die Jüdische Kommission ihren Hauptsitz in der katalanischen Stadt hatte. Für die Durchführung ihrer dortigen Aktivitäten wurde mit Mýnica Suris eine nicht-jüdische Koordinatorin eingestellt. (Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010; Gespräch der Verfasserin mit Mýnica Suris, Barcelona, 26. 10. 2010). 650 Im Center for Jewish History der American Sephardi Federation in New York findet sich unter dem Titel „Guide to the Records of Sepharad 1992“ den Angaben auf der Website zufolge eine Sammlung mit Zeitungsartikeln, Korrespondenzen sowie weiteren Materialien in Zusammenhang mit der Planung und Organisation der Gedenkprogramme. Im Rahmen dieser Arbeit war eine Sichtung dieser Bestände nicht möglich.
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Jüdisches Erbe
Das Internationale Jüdische Komitee wurde 1988/89 auf Initiative der Sephardischen Weltföderation, der Nessim Gaon vorstand, in New York gegründet.651 Ihm gehörten der Jüdische Weltkongress sowie weitere jüdische Organisationen aus Israel, Europa und den USA an. Als Ehrenpräsidenten wurden der ehemalige israelische Präsident Yitzhak Navon und der Nobelpreisträger Elie Wiesel ernannt. Es bestanden nationale Komitees u. a. in den USA, Kanada, Israel, Zentral- und Südamerika, Marokko, Frankreich, der Türkei und Spanien.652 Unter dem Dach der jeweiligen nationalen Komitees existierten lokale Akademiker-Kommissionen, deren Aufgabe es war, Möglichkeiten für einen kulturellen und wissenschaftlichen Dialog mit christlichen und muslimischen Forschern auszuloten.653 Der Vorsitzende der spanischen Sektion der Sephardischen Weltföderation Mauricio Hatchwell Toledano654 repräsentierte auch das Internationale Jüdische Komitee in Spanien.655 Im März 1988 war Hatchwell Toledano in New York außerdem einstimmig zum Vorsitzenden des Internationalen Vorbereitungskomitees gewählt worden.656 Vermutlich aufgrund seiner Kontakte konnte am 25. April 1990 ein Treffen zwischen dem spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzlez, dem spanischen Königshaus und Vertretern des Internationalen Komitees realisiert werden, bei dem die spanische Seite ihre Unterstützung für die geplanten Aktivitäten signalisierte.657 Als sich Hatchwell Toledano am 27. Dezember 1991 überraschend von der Position als Vorsitzender des Internationalen Komitees zurückzog, lautete die offizielle Begründung, dass er seine Aufgabe als erfüllt ansehe. Diese bestand ABC zufolge in der „weltweiten Verbreitung der Bedeutung des sephardischen Kulturerbes, ebenso für Spanien wie im Hinblick auf seinen Beitrag zur westlichen Zivilisation, und seiner Botschaft der Toleranz und Eintracht zwischen den Völkern“.658 Diario 16 führte seinen Rücktritt allerdings auf zahlreiche 651 Das genaue Datum der Gründung ist unklar. In der Literatur finden sich Hinweise auf den Februar 1988 (Lisbona, Retorno a Sefarad, 355 f.) sowie auf das Jahr 1989 (Quintana, Sepharad ‘92, in: Tranvia, 22/1991, 6.). Das erste Datum ist wahrscheinlicher, da Mauricio Hatchwell Toledano bereits im März 1988 in New York zum Vorsitzenden gewählt wurde. Vgl.: C., S., Ben Ami sustituye a Hatchwell al frente del Comit¦ Sefarad’92, in: ABC, 24. 1. 1992, 45; Sassoon, Andr¦ G., Comunicado, in: ABC, 25. 1. 1992, 40. 652 Vgl.: Schriftliche Fassung des Vortrages von Mauricio Hatchwell Toledano an der SorbonneUniversität, Paris, 14. 5. 1990; ACNJS92, Cj. 2. 653 Vgl.: Hatchwell Toledano, Mauricio, Sefarad 92, in: ABC, 1. 4. 1992, 108. 654 Mauricio Hatchwell Toledano war von 1978 bis 1981 Präsident der CJM und außerdem Mitglied in der Amistad EspaÇa-Israel. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 332, 334. 655 Das spanische Komitee in Madrid gab seit September 1990 ein Informationsblatt Sepharad ’92 heraus. Allerdings ist unklar, wie viele Ausgaben dieses Informationsblattes erschienen. Der Verfasserin waren nur die ersten beiden Ausgaben zugänglich. 656 Vgl.: C., S., Ben Ami sustituye a Hatchwell, in: ABC, 24. 1. 1992, 45; Sassoon, Comunicado, in: ABC, 25. 1. 1992, 40. 657 Vgl.: Schriftliche Fassung der Rede von Mauricio Hatchwell Toledano vor der Vollversammlung des World Jewish Congress, Jerusalem, 7. 5. 1991; ACNJS92, Cj. 2. 658 „difusiûn mundial de la importancia de la herencia cultural sefard, tanto para EspaÇa como
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Konflikte, insbesondere mit Max Mazin und Yitzhak Navon, zurück.659 Zu seinem Nachfolger wurde Shlomo Ben Ami ernannt, der noch im Jahr 1991 israelischer Botschafter in Spanien gewesen war.660 Hatchwell Toledano blieb Vorsitzender der Stiftung Freunde von Sefarad, die vor allem für die Realisierung der im Internationalen Komitee entwickelten Projekte verantwortlich war.661 Die internen Korrespondenzen zwischen den verschiedenen jüdischen Vorbereitungskomitees legen die Vermutung nahe, dass Hatchwell Toledano mit seinem Rücktritt auf die wachsende Kritik an seiner Person reagierte. Nachdem es im Oktober 1991 ein Treffen zwischen David Grebler, Mauricio Hatchwell Toledano sowie weiteren Vertretern des Internationalen Jüdischen Komitees in New York gegeben hatte, um die Zusammenarbeit der beiden Kommissionen zu koordinieren, erhob die Nationale Jüdische Kommission in der Folgezeit schwere Vorwürfe: Hatchwell Toledano würde in Spanien ohne Absprache mit dem Internationalen Komitee agieren und dabei das mühsam erarbeitete gute Ansehen der Jüdischen Kommission und der jüdischen Gemeinde in Spanien beschädigen.662 In einem Brief an den Vizepräsidenten des Internationalen Komitees, Andr¦ G. Sassoon, heißt es dazu: „In a very cavalier fashion, you do not wish to enter into local Spanish problems, but if you stopped to reflect, and you made a minimal effort to check your facts, you would find out that Mr. Hatchwell, in the name of your Committee, has managed to alienate all Spanish authorities without exception, which must surely be a record. Our job has been to clean out the mess left by Mr. Hatchwell in the name of your Committee, so that it did not affect the image of Jewry in Spain. I am glad that at last you state that
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por su contribuciûn a la civilizaciûn occidental, y de su mensaje de tolerancia y concordia entre los pueblos“, C., S., Ben Ami sustituye a Hatchwell, in: ABC, 24. 1. 1992, 45. Zu den Zielen des Internationalen Komitees vgl. auch: Bustos, Clara Isabel de, Hatchwell Toledano: „Queremos volver a ser un foco cultural“, in: ABC, 7. 8. 1991, 49; „El Comit¦ Internacional Judo pide a EspaÇa que derogue el edicto de expulsiûn de 1492“, in: ABC, 10. 8. 1991, 40; „Jerusalem des Westens“, in: Der Spiegel, 39/1990, 207. Vgl.: „Dimite el presidente y fundador del Comit¦ Sefarad 92, Mauricio Hatchwell“, in: Diario 16, 26. 1. 1992, 47. Der gleiche Artikel stellt fest, dass sich zwei grundlegende Positionen gegenüberstanden, die eine betonte die Zäsur der Vertreibung, die andere die Botschaft der Toleranz. Vgl.: C., S., Ben Ami sustituye a Hatchwell, in: ABC, 24. 1. 1992, 45; Sassoon, Comunicado, in: ABC, 25. 1. 1992, 40. Shlomo Ben Ami war von 1987 bis Dezember 1991 Botschafter in Madrid. In der Stiftung Freunde von Sefarad waren in erster Linie nicht-jüdische Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen engagiert. Vgl.: Bustos, Hatchwell Toledano, in: ABC, 7. 8. 1991, 49. Vgl. auch: Schriftliche Fassung der Rede von Mauricio Hatchwell Toledano vor der Vollversammlung des World Jewish Congress, Jerusalem, 7. 5. 1991; ACNJS92, Cj. 2. Vgl.: Entwurf für ein Rundschreiben über die Probleme mit dem Internationalen Jüdischen Komitee von David Grebler, wahrscheinlich November 1991; ACNJS92, Cj. 10. Einem Papier des spanischen Außenministeriums ist zu entnehmen, dass es bereits 1980 einen Vorfall mit Mauricio Hatchwell gab, als sich dieser gegenüber der venezolanischen Regierung als Repräsentant des Staates Israel in Madrid ausgegeben habe. Vgl.: Direcciûn General de Poltica Exterior para Africa y Asia Continental del Ministerio de Asuntos Exteriores, Nota, Madrid, 24. 1. 1980; ACNJS92, Cj. 10.
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your Committee was not a personal and private initiative of Mr. Hatchwell. In Spain, at least, this was not the general impression, I assure you“.663
Außerdem betonte die Jüdische Kommission immer wieder ihren Alleinvertretungsanspruch der spanischen Juden gegenüber dem spanischen Staat. Ihre Teilnahme an der Auftaktveranstaltung des Sefarad 92-Programms in Israel machte sie von einer entsprechenden Programmänderung abhängig, da diese bis dahin auch die aktive Teilnahme weiterer Repräsentanten des spanischen Judentums, wie Mauricio Hatchwell Toledano, vorgesehen hatte.664 Das Verhalten Hatchwell Toledanos führte im Oktober 1991 zu einem Rückzug der israelischen Sektion aus dem Internationalen Komitee.665 Im Dezember erklärte Samuel Toledano ebenfalls seinen Rückzug aus dem Internationalen Komitee, da eine Zusammenarbeit mit Hatchwell Toledano nicht länger tragbar sei.666 Einen inhaltlichen Streitpunkt zwischen der Nationalen Jüdischen Kommission und dem Internationalen Komitee stellte das von dem baskischen Bildhauer Eduardo Chillida entworfene Toleranz-Denkmal in Sevilla dar, welches von der Stiftung Freunde von Sefarad finanziert wurde. Das Denkmal entsprach dem Ziel des Internationalen Komitees, neben der Vertreibung der Juden auch an das jahrhundertelange tolerante Zusammenleben der Drei Kulturen auf der Iberischen Halbinsel zu erinnern und daraus eine Botschaft für die Gegenwart abzuleiten.667 Diese Interpretation der Vergangenheit wurde 663 Entwurf eines Briefes an Andr¦ G. Sassoon, der einem Schreiben von Mauricio Toledano an David Grebler, 15. 1. 1992, angehängt ist. Eine Antwort von Andr¦ G. Sassoon an David Grebler vom 16. 12. 1991 lässt darauf schließen, dass ein Brief mit gleichem oder ähnlichem Inhalt verschickt wurde (ACNJS92, Cj. 6). 664 Brief von David Grebler an Yitzhak Navon, 29. 1. 1991; ACNJS92, Cj. 10. Die Konkurrenz zwischen den beiden jüdischen Organisationen stellt auch Rozenberg fest, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 259. 665 Kritisiert wurden Hatchwell Toledanos Alleingänge, da sich dieser trotz mehrfacher Ermahnung durch das Präsidium der Sephardischen Weltföderation nicht an Absprachen halte und Gelder eigenständig eingeworben und ausgegeben habe. Vgl.: Brief der World Sephardi Federation. Israel Executive (unterzeichnet von Aharon Uzan (Präsident), Aharon Machmas (Chairman of Marrocan Immigrant’s Alliance), Yechezkel Zakai, (Director General)) an Nessim Gaon, Präsident der World Sephardi Federation, 9. 10. 1991; ACNJS92, Cj. 6. 666 Vgl.: Brief von Samuel Toledano an Yitzhak Navon, Madrid, 12. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 6. Bereits zuvor hatte Samuel Toledano das Ersuchen, der spanische Vorsitzende von By my spirit zu werden, mit der Begründung abgelehnt, dass es eine zu enge Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee gebe, vgl.: Brief von Samuel Toledano an David Silver und Michele Bokobza (By my Spirit), 21. 7. 1991; ACNJS92, Cj. 6. 667 Vgl.: Schriftliche Fassung des Vortrages von Mauricio Hatchwell Toledano an der SorbonneUniversität, Paris, 14. 5. 1990; ACNJS92, Cj. 2; Schriftliche Fassung der Rede von Mauricio Hatchwell Toledano vor der Vollversammlung des World Jewish Congress, Jerusalem, 7. 5. 1991; ACNJS92, Cj. 2. Aldina Quintana beschreibt in ihrem Aufsatz zu den Gedenkfeierlichkeiten das Selbstverständnis des Internationalen Komitees als durch die Werte von Versöhnung und Toleranz geprägt. Der „Geist der Toleranz von Toledo“ habe als historisches Vorbild gedient. Als zentrales Anliegen sieht sie die Rettung und Verbreitung der sephardischen Kultur, vgl.: Quintana, Sepharad ‘92, in: Tranvia, 22/1991, 6. Laut einem Diario 16-Artikel wurde das
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von der Nationalen Jüdischen Kommission zurückgewiesen. David Grebler begründete seine Ablehnung einer jüdischen Beteiligung an dem geplanten Denkmal in Sevilla in einem Brief an Mauricio Hatchwell Toledano am 31. Juli 1991, indem er darauf hinwies, dass es „Spanien war, welches die Juden auswies, und nicht andersherum. Eine solche Initiative müsse daher von der spanischen Regierung ausgehen, auf deren Lippen das Wort ,Toleranz‘ durchaus Sinn machen würde“.668 Da die historische Verantwortung beim spanischen Staat liege, dürfe ein solches Denkmal von den spanischen Juden weder errichtet, noch unterstützt oder gar finanziert werden. „Als Nationale Kommission vertreten wir die Ansicht, dass dieses Denkmal, da es nicht die Unterstützung der spanischen Juden hat, sich aber auf ihrem Territorium befindet, nicht in der zuvor beschriebenen Form errichtet werden sollte“.669 Diese Kritik äußerte David Grebler auch gegenüber dem israelischen Botschafter in Madrid Jacob Cohen.670 Eine ähnlich deutliche Formulierung der historischen Schuld Spaniens findet sich in den Korrespondenzen der Jüdischen mit der Staatlichen Kommission nicht. Trotz der Kritik wurde das Denkmal am 1. April 1992 in Anwesenheit des israelischen Präsidenten Chaim Herzog eingeweiht.671 Weitere von dem Internationalen Jüdischen Komitee in Spanien realisierte Aktivitäten waren z. B. die Herausgabe einer Faksimile-Edition der Alba-Bibel oder die Veranstaltung eines Seminars über das spanische Erbe in der sephardischen Kultur an der Internationalen Universität Men¦ndez Pelayo in Santander. Auch an der Organisation eines Treffens in Toledo unter dem Motto By my spirit war das Komitee beteiligt.672 Es konnte so, trotz der Konflikte mit
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Denkmal bereits 1980 von der Stadt Sevilla in Auftrag gegeben und sollte an das erste „auto de fe“ auf spanischem Boden erinnern, vgl.: Snchez, Silvia, El escultor Eduardo Chillida inaugura hoy en Sevilla su Monumento a la Tolerancia, in: Diario 16, 1. 4. 1992, 40. „porque fue EspaÇa quien expulsû a los judos y no lo contrario. Una iniciativa de este orden, debera surgir por parte del Gobierno espaÇol, en cuyos labios la palabra ,Tolerancia‘, s estara cargada de sentido.“, Brief von David Grebler an Mauricio Hatchwell Toledano, Barcelona, 31. 7. 1991; ACNJS92, Cj. 1. Vgl. auch: „Sefarad, la melancûlica memoria de un ,oc¦ano de lgrimas‘“, in: El Mundo, 31. 3. 1992, 43. „Como Comisiûn Nacional consideramos que este monumento, al no contar con la opiniûn de los judos espaÇoles y, adems, yaciendo en su territorio, no debe ser erigido en la forma que anteriormente se menciona“, Brief von David Grebler an Mauricio Hatchwell Toledano, Barcelona, 31. 7. 1991; ACNJS92, Cj. 1. Vgl.: Brief von David Grebler an Jacob Cohen, israelischer Botschafter in Madrid, Barcelona, 6. 3. 1992; ACNJS92, Cj. 6. Zur Einweihung des Denkmals in Sevilla vgl.: Salvador, Isabel/Molina, Margot, Herzog reencuentro en Toledo „las seÇas de identidad“ del pueblo judo, in: El Pas, 2. 4. 1992; „Chillida inaugura su Monumento a la Tolerancia“, in: El Mundo, 1. 4. 1992, 50; Snchez, El escultor Eduardo Chillida inaugura hoy en Sevilla su Monumento, in: Diario 16, 1. 4. 1992, 40. Vgl.: Bustos, Hatchwell Toledano, in: ABC, 7. 8. 1991, 49; „El Comit¦ Internacional Judo pide a EspaÇa que derogue el edicto de expulsiûn de 1492“, in: ABC, 10. 8. 1991, 40; C., S., Convenio entre el V Centenario y la Fundaciûn Amigos de Sefarad, in: ABC, 19. 3. 1992, 48. Vgl. auch: Schriftliche Fassung des Vortrages von Mauricio Hatchwell Toledano an der Sorbonne-Uni-
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Jüdisches Erbe
der Jüdischen Kommission, entscheidenden Einfluss auf die Gedenkfeierlichkeiten im Rahmen von Sefarad 92 in Spanien gewinnen. Dazu trugen auch die beiden Abkommen über die gemeinsame Durchführung von Gedenkveranstaltungen bei, die am 20. Januar 1992 zwischen Yitzhak Navon und Luis YÇez-Barnuevo sowie zwei Monate später, am 17. März 1992, zwischen der Nationalen Kommission Quinto Centenario, der Staatlichen Gesellschaft und der Stiftung Freunde von Sefarad geschlossen wurden.673 4.2.2 Das offizielle Erinnerungsprogramm. Ein ausgehandeltes Gedächtnis? Das Gedenkprogramm Sefarad 92 begann bereits im Jahr 1991: Nicht nur die Ausstellung „Das jüdische Leben in Sepharad“ („La vida juda en Sefarad“) im Museo Sefard in Toledo wurde eingeweiht, auch widmeten sich verschiedene Kongresse, Tagungen und Seminare der spanisch-jüdischen Vergangenheit.674 Im Oktober des Jahres 1991 war König Juan Carlos in New York von der ElieWiesel-Stiftung675 für seine Verdienste bei der Verteidigung der Menschenrechte und der demokratischen Freiheiten ausgezeichnet worden.676 Elie
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versität, Paris, 14. 5. 1990; ACNJS92, Cj. 2; Schriftliche Fassung der Rede von Mauricio Hatchwell Toledano vor der Vollversammlung des World Jewish Congress, Jerusalem, 7. 5. 1991; ACNJS92, Cj. 2. Vgl.: Bustos, Clara Isabel de, Los Reyes y el presidente israel presidirn la conmemoraciûn de la expulsiûn de los judos, in: ABC, 21. 1. 1992, 47; C., S., Convenio entre el V Centenario y la Fundaciûn Amigos de Sefarad, in: ABC, 19. 3. 1992, 48. Das Internationale Komitee nahm für sich in Anspruch, das Interesse der spanischen Regierung an gemeinsam veranstalteten Gedenkprogrammen geweckt zu haben. Vgl.: Hatchwell Toledano, Mauricio, Mensaje de „Sefarad ‘92“, in: M¦choulan, Henry, Los judos de EspaÇa. Historia de una dispora, 1492 – 1992, Madrid 1993, 22. Im April 1991 trafen sich 150 Historiker aus spanischen und ausländischen Universitäten in Valladolid zu einem von der kastilisch-leonesischen Regierung organisierten Kongress über die „anderen“ historischen Ereignisse des Jahres 1492 und nahmen die historische convivencia, die Vertreibung der Juden sowie die Frage nach dem Zusammenhang mit der anschließenden Eroberung Amerikas in den Blick. Vgl.: Forjas, Francisco, Un congreso analiza el quinto centenario de la expulsiûn de los judos, in: El Pas, 18. 4. 1991; Jaramillo, Luis, Ciento cincuenta historiadores analizan en Valladolid la EspaÇa de las tres culturas, in: ABC, 17. 4. 1991, 47. Im Mai fand in Zaragoza eine Woche zu sephardischer Kultur, Musik und Tradition statt, bei der unter anderem der Großrabbiner der Sephardischen Weltföderation, Salomon Gaûn, anwesend war. Vgl.: Ortega, Javier, Salomon Gaûn. Gran rabino de la Federaciûn Sefard Mundial, in: El Pas, 15. 5. 1991. Im baskischen Vitoria-Gasteiz veranstaltete im Juni die Real Sociedad Bascondaga de los Amigos del Pas Vasco eine Konferenz mit dem Titel El otro V. Centenario. La expulsiûn de los judos. Vgl.: Gonzlez Mnguez, Cesar, El otro V. Centenario: La expulsiûn de los judos (1492 – 1992). Conferencia pronunciada por don C¦sar Gonzlez Mnguez, el da 9 de junio de 1992 en Vitoria-Gasteiz. Organizû la Comisiûn de Ýlava de la RSBAP, Ýlava 1997. Die Elie Wiesel Foundation for Humanity wurde von dem Nobelpreisträger Elie Wiesel und seiner Frau in New York gegründet. Ihr Ziel ist der Kampf gegen Ungerechtigkeit und Intoleranz. Den persönlichen Einsatz für diese Ziele ehrt die Stiftung mit dem Humanitarian Award, vgl.: http://www.eliewieselfoundation.org/aboutus.aspx, 3. 1. 2011. Vgl.: Wiesel, Elie, Testament of a Jew from Saragossa, o.O. 1991 [Neuauflage anlässlich der
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Wiesel sah durch die Person Juan Carlos’ und seine Ankündigung, dem Gedenkakt in der Madrider Synagoge beizuwohnen, die jahrhundertelange „öffentliche Demütigung“ der Juden in Spanien und damit die intolerante Vergangenheit überwunden.677 Die drei hier exemplarisch herausgegriffenen Veranstaltungen lassen sich jeweils unterschiedlichen Erinnerungsakteuren zuordnen und können als Vorschläge für eine Einschreibung der jüdischen Vergangenheit in das kollektive Gedächtnis verstanden werden. Untersucht werden die Charakteristika des inszenierten Gedenkens: Dabei sind zum einen der Hauptakteur des Erinnerns sowie der Erinnerungsanlass, zum anderen die Rahmenbedingungen des Erinnerns zu klären – in diesem Fall eine mögliche Aushandlung der Inhalte zwischen den Beteiligten und die geografische Verortung der Gedächtnisinszenierung (Toledo, Barcelona und Madrid), die wiederum mit unterschiedlichen Identitäten (regional vs. zentralstaatlich) verknüpft ist. Toledo wurde von der staatlichen und der internationalen Kommission als Erinnerungs„hauptstadt“ gewählt. In Barcelona als Sitz der Jüdischen Kommission wurde ein regional, katalanisches Gedenkprogramm inszeniert und in Madrid ein offizieller Akt des spanischen Staates und der Jüdischen Kommssion unter Beteiligung des israelischen Präsidenten. Toledo als Hauptstadt von Sefarad 92 Am 25. Juni 1987 wurde Toledo zur „Hauptstadt“ des staatlichen Sefarad 92Programms erklärt, die feierliche Ernennung fand im Fuensalida-Palast unter Anwesenheit des Regierungschefs von Castilla-La Mancha und des Bürgermeisters von Toledo statt, die sich beide für die Ernennung eingesetzt hatten. Luis YÇez-Barnuevo als Staatssekretär für internationale Kooperation und Iberoamerika sowie Vorsitzender der Vorbereitungskommission betonte in seiner Rede, dass es ihm von Beginn an ein großes Anliegen gewesen sei, „die historische Gelegenheit des Jahres 1992 nicht verstreichen zu lassen, ohne auf die jüdischen Gemeinden anzustoßen, die durch ihr Blut und ihr Herz Spanien, Sepharad, verbunden sind“.678 Weiter beschrieb er den Wunsch der Verleihung des Humanitarian Award of the Elie Wiesel Foundation for Humanity an König Juan Carlos, 7. 10. 1991]. 677 „humillaciûn pfflblica“, „La humillaciûn de los judos en EspaÇa ha sido superada gracias al Rey, segffln Wiesel“, in: El Pas, 9. 10. 1991. Der entsprechende ABC-Artikel berichtet lediglich von einem Gala-Dinner, das die Elie-Wiesel-Stiftung zu Ehren des spanischen Königspaares veranstaltete: Bustos, Clara Isabel de, El Rey : „Somos herederos de una riqusima variedad de culturas“, in: ABC, 9. 10. 1991, 22. Eine ausführliche Begründung für die Auszeichnung des Königs lag der Verfasserin nicht vor. Es kann davon ausgegangen werden, dass der König als einer der zentralen Akteure im demokratischen Spanien, das den religiösen Minderheiten weitgehende Gleichberechtigung zugestand, geehrt wurde. 678 „de no dejar pasar la ocasiûn histûrica de 1992 sin brindar a las Comunidades judas, vinculadas por sangre y por corazûn a EspaÇa, a Sefarad“, Discurso del Secretario de Estado en el
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Nationalen Kommission Quinto Centenario, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden und zeichnete ein Spanien, welches, „stolz auf seine jüdische Vergangenheit“ sei und Sefarad 92 als eine „Ehrung“ begreife, „die Spanien sich selbst erweist, dafür, dass das Jüdische einen ebenso unauslöschlichen Teil unserer Identitätsmerkmale bildet wie das Christliche und das Islamische“.679 Auch verwies er in seiner Rede auf den bedeutenden Platz, den Toledo als „Hauptstadt“ des historischen Sepharads im kollektiven Gedächtnis der Juden einnehme. Mit zwei von insgesamt drei aus dem Mittelalter stammenden, weitgehend erhaltenen Synagogen bewahre es einen bedeutenden Teil jüdischen Erbes.680 Als Hauptstadt von Sefarad 92 könne Toledo eine historische Schuld begleichen und eine „permanente Begegnungsstätte Spaniens mit seiner Vergangenheit“ werden.681 Das Motiv des Treffens oder der Wiederbegegnung war – wie hier deutlich wird – zentral für den offiziellen Erinnerungsdiskurs.682 Bereits im April des Jahres 1987 hatte in Toledo ein Symposium über das jüdische Spanien stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit hatte der Vorsitzende der Nationalen Kommission Luis YÇez-Barnuevo den Wunsch ausgedrückt, dass Sefarad 92 in erster Linie in Toledo begangen werde. Die Gedenkfeierlichkeiten dürften sich nicht auf die Erinnerung an die Entdeckung Amerikas beschränken, sondern müssten auch die jahrhundertelange jüdische Geschichte in den Blick nehmen und auf die Bedeutung der jüdischen Kultur für Spanien und Europa verweisen. Die Bedeutung des „spanischen Judentums“ zeigte sich für YÇez-Barnuevo an der herausragenden Stellung einiger Persönlichkeiten in Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst zu einer Zeit, als Juden in anderen Teilen Europas „nicht einmal von etwas Ähnlichem träumen konnten“.683 Die von ihm unterstellte Verbundenheit der Sepharden zu spanischer Sprache und Kultur kontrastiere in Spanien selbst mit einer großen Wis-
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Palacio de Fuensalida de Toledo con motivo de la declaraciûn solemne de otorgamiento de capitalidad para la conmemoraciûn Sefarad 92, 25. 6. 1987; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987. „orgullosa de su pasado judo“, „homenaje que EspaÇa se rinde a s misma, en cuanto que lo judo forma tan indeleblemente parte de nuestras seÇas de identidad como lo cristiano o lo musulmn“, Discurso del Secretario de Estado en el Palacio de Fuensalida de Toledo, 25. 6. 1987; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987. Ebd.; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987. Auf die Bedeutung Toledos sowohl für das historische Sepharad als auch für die Gedenkfeierlichkeiten im Jahr 1992 wird auch in folgendem Artikel verwiesen: „Un rey catûlico, en la sinagoga“, in: El Mundo, 31. 3. 1992, 43. „encuentro permanente de EspaÇa con su pasado judo“, Discurso del Secretario de Estado en el Palacio de Fuensalida de Toledo, 25. 6. 1987; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987. In seinem Vorwort zu Sefarad, Sefarad. La EspaÇa Juda schreibt der Präsident der nationalen Kommission Luis YÇez-Barnuevo: „Sefarad quiere decir en hebreo ,EspaÇa‘, pero esta palabra de cara al 92 debe significar ,Reencuentro‘.“, YÇez-Barnuevo, Luis, Prefacio, in: Lacave, Sefarad, Sefarad, 5. „no podan ni soÇar con algo parecido“, Palabras del Presidente de la Comisiûn Nacional V Centenario en la clausura del Simposio sobre la EspaÇa Juda en Toledo – 10 abril 1.987; CSICUTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987.
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senslücke: Zwar sei im 20. Jahrhundert das Wissen über das spanische Judentum angestiegen, was vor allem den Hebraisten zu verdanken sei, es handele sich aber in weiten Teilen um einen rein wissenschaftlichen Diskurs, von dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleibe. Sefarad 92 müsste daher einen Versuch darstellen, dieses Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.684 Um Toledo als Hauptstadt von Sefarad 92 zu inszenieren, bedurfte es einer Wiederbelebung und Rückkoppelung an die jüdische bzw. trikulturelle Vergangenheit der Stadt. Dabei wurde insbesondere auf solche Aspekte der Vergangenheit zurückgegriffen, die Anfang der 1990er Jahre bereits zu symbolträchtigen Erinnerungsfiguren geworden waren und als solche (Wunsch-) Bilder der Vergangenheit transportierten. Die ehemalige Übersetzerschule von Toledo war ein solcher Erinnerungstopos, der auf die mittelalterliche Toleranz,685 die trikulturelle convivencia, eine intellektuelle wie kulturelle Blütezeit und nicht zuletzt auf die herausragende Stellung Toledos verwies. Das Projekt der „Neugründung“ einer solchen Übersetzerschule als Forschungs- und Dokumentationszentrum der Drei Kulturen unter dem Dach der Universität Castilla-La Mancha, welches die Arbeitsgruppe Sefarad 92 zusammen mit der Gruppe al-Andalus 92 realisieren wollte, ist in diesem Kontext anzusiedeln.686 Im Rahmen der am 4. Mai 1992 vom Internationalen Jüdischen Komitee organisierten By my spirit-Versammlung für „Toleranz, Frieden und Har684 Vgl.: Palabras del Presidente de la Comisiûn Nacional V Centenario en la clausura del Simposio sobre la EspaÇa Juda en Toledo – 10 abril 1.987; CSIC-UTAD, Cj. 1072, Carpeta 1987. Ein Absatz über Spanien und verfolgte Juden im Zweiten Weltkrieg ist in seinem Redemanuskript durchgestrichen. Aus welchen Gründen er sich entschied, diesen Absatz zu streichen, ist nicht ersichtlich. 685 Eine Neuauflage der christlich-jüdischen Toleranz wurde in der historischen Synagoge Santa Mara la Blanca in Toledo inszeniert, wo sich am 26. 3. 1992 der Präsident der Bischofskonferenz für interkonfessionelle Beziehungen (Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales), Ramûn Torrella Cascante, der Präsident der Zentralkonferenz amerikanischer Rabbiner (Central Conference of American Rabbis), Dr. Joshua Haberman, und der toledanische Kardenal Marcelo Gonzlez Martn versammelten. Joshua Haberman versicherte bei dieser Gelegenheit: „Nosotros recordamos no solamente la trgica suerte de nuestro pueblo, que tuvo que elegir entre el amor hacia esta tierra y la fidelidad a la fe de sus padres […]. La nuestra es algo ms que una Misiûn rememorable. Quinientos aÇos de dolor y aflicciûn han sido suficientes. Bajo la luz del Vaticano II, es tiempo de comenzar una nueva etapa de reconciliaciûn y mutuo respeto dentro de las relaciones judeo-catûlicas“, Saludos del Dr. Joshua O. Haberman, abgedruckt in: Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales (Hg.), Cristianos y judos por los caminos del dilogo, 99 – 100. Vgl. dazu auch: Daz-Bernardo, Juan, Judos y cristianos, llamados a trabajar juntos, in: Ecclesia, 2576, 18. 4. 1992, 8. 686 Vgl.: Grupo de Trabajo. Sefarad 92, El redescubrimiento de la EspaÇa juda. Vgl. dazu auch: Illn, Mar G., Acuerdan crear la Escuela de Traductores de Toledo tras varios intentos frustrados, in: ABC, 20. 11. 1991, 61. Die Escuela de Traductores de Toledo besteht, gefördert durch die European Cultural Foundation, seit 1994 als Institut der Universität Castilla-La Mancha und hat ihren Sitz im Palacio del Rey don Pedro. Sie bildet Übersetzer für die arabische und die hebräische Sprache aus. Vgl.: http://www.uclm.es/escueladetraductores/, 12. 10. 2010.
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monie“687 überreichte der toledanische Bürgermeister Joaqun Snchez Garrido etwa 20 Personen mit dem Nachnamen Toledano einen Schlüssel der Stadt.688 Die öffentlich inszenierte Schlüsselübergabe basierte auf der Annahme, dass der Nachname Toledano auf eine Herkunft aus der Stadt Toledo verweise, und bezog sich zugleich auf die weit verbreitete Schlüssellegende, die besagt, dass die im 15. Jahrhundert von der Iberischen Halbinsel vertriebenen Juden die (goldenen) Schlüssel ihrer Häuser mitgenommen hatten und seitdem von Generation zu Generation weitergaben.689 Einen weiteren Zugriff auf die Vergangenheit bildete die Ausstellung „Das jüdische Leben in Sepharad“ („La vida juda en Sefarad“), die seit Mitte der 1980er Jahre unter der Schirmherrschaft der Nationalen Kommission Quinto Centenario und ihrer Arbeitsgruppe Sefarad 92 geplant wurde. Verantwortlich für die Organisation zeichnete das Nationale Zentrum für Ausstellungen (Centro Nacional de Exposiciones) des Spanischen Kulturministeriums und in erster Linie Elena Romero (CSIC), die als Leiterin und Koordinatorin fun687 „tolerancia, paz y armona“, Rubio, Jos¦ Luis, Zubin Mehta: „EspaÇa es el pas que ms ha hecho para recobrar la amistad con los judos“, in: ABC, 3. 5. 1992, 94. Zu By my spirit vgl.: Astorga, Antonio, Toledo sera la sede del primer congreso mundial judos que se celebra en EspaÇa, in: ABC (Toledo), 29. 11. 1990; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Unter dem Motto „By my spirit“ sollte der sephardischen Diaspora gedacht und diese zugleich zu einer spirituellen Zusammenkunft versammelt werden. Das vom Internationalen Jüdischen Komitee initiierte Programm war von den Städten Jerusalem, New York, Paris und Toledo gemeinsam entwickelt und von zahlreichen Institutionen, wie z. B. der Sephardischen Weltföderation, unterstützt worden. Einen Höhepunkt bildete das Gedenkkonzert mit dem israelischen PhilharmonieOrchester, dem spanischen Tenor Plcido Domingo und der israelischen Mezzo-Sopranistin Esther Keinam am 4. 5. 1992. Dem Konzert wohnte zusammen mit etwa 3000 Zuhörern auch die spanische Königin bei. Vgl.: Sociedad Estatal (Hg.), Descubre el Quinto Centenario. Gua de la Programaciûn, 168; QuiÇonero, Juan Pedro, Pars se une a los actos de conmemoraciûn de la dispora sefard, in: ABC, 16. 1. 1992, 49; Bustos, Clara Isabel de, DoÇa Sofa presidiû el estreno mundial de la ,Pasiûn sefard‘ de Noam Sheriff, in: ABC, 5. 5. 1992, 107; „El Comit¦ Internacional Judo y el V Centenario firman un convenio“, in: El Pas, 22. 1. 1992; Fernndez, Jos¦ Luis, Sefarad 92 reunir en Toledo a Plcido Domingo, Zubin Mehta e Isaac Stern, in: El Pas, 1. 3. 1992; „Toledo ser la Jerusalem de Sefarad“, in: El Da, 30. 11. 1990; ACMC, Cj. 75.852. Auch Haim Vidal Sephipha war an dem By my spirit-Programm beteiligt, vgl.: Ders., By my spirit – Jumelage de TolÀde et de J¦rusalem (1492 – 1991), in: Programme de By my spirit, 1992. 688 Bei den „geehrten“ Toledanos handelte es sich hauptsächlich um in der Öffentlichkeit stehende Personen wie Rabbiner, Gemeindepräsidenten oder Universitätsprofessoren. Der Generalsekretär der FCJE Samuel Toledano sah in der Veranstaltung „un hito dentro de la etapa de nuevas relaciones entre EspaÇa e Israel que se ha iniciado con Sefarad 92“, Illn, Mar G., Toledo entrega las llaves de la ciudad a los descendientes sefarditas de la familia Toledano, in: ABC, 4. 5. 1992, 41. 689 „Los sefardes que visitaron Toledo caminaban absortos por sus calles y plazas, contemplando los muros de sus casas como herencia familiar, y se les humedecan los ojos, cargada su memoria de aÇoranzas sentidas y jams olvidadas. Los espaÇoles tambi¦n sintieron emociûn al ver que el tiempo nos distanciû y el tiempo nos ha vuelto a unir la familia. El tiempo que conjuga noches y das y ha querido despertarnos en el Sefarad 92.“, Llidû, Ramûn, Sefarad 92, in: ABC, 15. 8. 1992, 16. Zur Reaktivierung der Schlüssellegende vgl. auch: Sorela, Pedro, El aÇo que viene en Sefarad, in: El Pas, 30. 12. 1991.
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gierte.690 Im Ausstellungskatalog benennt Elena Romero als Ziel der Ausstellung, dem spanischen Publikum einen Teil seiner Geschichte zugänglich machen zu wollen.691 Dieses Angebot hielten die Organisatoren vor allem angesichts des großen Unwissens in der Bevölkerung über die jüdische Vergangenheit auf der Iberischen Halbinsel für notwendig. Ein interner Bericht nennt als Zielgruppe ein breites Publikum ohne Vorkenntnisse, dem das „Ausmaß und die Bedeutung der jüdischen Präsenz in Spanien“692 vor Augen geführt werden solle. In der Vermittlung grundlegender Kenntnisse über Juden und Judentum im Allgemeinen, über die Rolle der jüdischen Bevölkerung und jüdischen Kultur innerhalb der spanischen Geschichte und für die Herausbildung der spanischen Nation sowie über die Bedeutung der spanischjüdischen Geschichte für die Weltgeschichte sah Elena Romero einen wichtigen Beitrag für gegenseitiges Verständnis und gegenseitigen Respekt. Dies sei zugleich die einzige Möglichkeit, das „schlechte Ende“ der jüdischen Geschichte in Spanien zu korrigieren.693 Allerdings schätzte das Kulturministerium die Möglichkeiten der Wissensvermittlung durch die Ausstellung skeptisch ein, diese könne lediglich einen kleinen Beitrag leisten.694 Eine längerfristige Wirkung sollten der Ausstellungskatalog und verschiedene Broschüren garantieren. Darüber hinaus müsse ein Umdenken im Bildungsministerium einsetzen, da die Lehrpläne die jüdische Geschichte auch weiterhin marginalisierten.695
690 Im wissenschaftlichen Beirat saßen die Direktorin des Museo Sefard Ana Mara Lûpez Ýlvarez, der Hebraist Jos¦ Luis Lacave vom CSIC und David Romano von der Universität in Barcelona. Vgl.: Schreiben von Luis YÇez-Barnuevo an Miguel Satrfflstegui, Subsecretario del Ministerio de Cultura, Madrid, 15. 3. 1989; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852; Romero, Elena, Palabras introductorias, in: Ministerio de Cultura. Direcciûn General de Bellas Artes y Archivos. Centro Nacional de Exposiciones (Hg.), La Vida Juda en Sefarad. Sinagoga del Trnsito Toledo, Noviembre 1991-Enero 1992, Madrid 1991, 11. Zur Beteiligung des Museo Sefard an der Organisation der Ausstellung vgl.: Museo Sefard, Noticias, 2/1990, 7. 691 Vgl.: Romero, Palabras introductorias, in: Ministerio de Cultura (Hg.), La Vida Juda en Sefarad, 11. 692 „magnitud e importancia de la presencia juda en EspaÇa“, Informe Exposiciûn, undatiert; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Vgl. auch: Illn, Mar G., Toledo rescata en una exposiciûn sin precedentes la memoria histûrica de Sefarad, in: ABC, 25. 11. 1991, 53. 693 „mal final“, Romero, Palabras introductorias, in: Ministerio de Cultura (Hg.), La Vida Juda en Sefarad, 11 f. „El objetivo buscado desde un principio ha sido el de hacer llegar al pfflblico espaÇol, de forma visual, una parte de su propio pasado: la del judasmo medieval“, Ebd., 11. 694 „Otra cosa es querer que el visitante espaÇol conozca a los judos como los conocen franceses, italianos, norteamericanos o argentinos. Eso no ser tarea menor o rpida, eso requerira un esfuerzo superior al de la propia y total acciûn SEFARAD 92. La exposiciûn podr ser un granito de arena, sobre todo en cuanto a la apreciaciûn histûrica, lo que ciertamente y pese a todo, no es de despreciar, ya que con ello al menos, el visitante se pondr en actitud de aceptar que parte de sus raices, de su conformaciûn como pueblo, de su historia, es juda y, eso esperamos, lo acepte y se interese por un mayor conocimiento y aprecio de los judo.“, Ministerio de Cultura, Sefarad 92, undatiert; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.853. 695 Vgl.: Ebd.; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.853; Anteproyecto de exposiciûn sobre la vida juda en la
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Als Ausstellungsort war zunächst das Museo Santa Cruz in Toledo anvisiert worden, nach Abschluss der Restaurationsarbeiten in der Synagoge Samuel Ha-Lev favorisierten die Organisatoren das dort untergebrachte Museo Sefard. Die historische Synagoge wurde so zugleich in die Ausstellung integriert, Bedeutung kam ihr vor allem innerhalb des ersten von insgesamt fünf thematischen Bereichen zu, der das religiöse Leben dokumentierte.696 Die anderen Sektionen widmeten sich den rechtlichen Rahmenbedingungen der jüdischen Gemeinden in den verschiedenen iberischen Königreichen im Verlauf der Jahrhunderte bis 1492 sowie dem gesellschaftlichen Leben in Form von persönlichen Gebrauchsgegenständen, Heiratsurkunden und Dokumenten zur gemeindeinternen Verwaltung und Organisation. Zudem gab es Sektionen zum intellektuellen Schaffen – innerhalb dessen die Aktivitäten der von Alfonso X. geförderten, sogenannten Übersetzerschule in Toledo einen Schwerpunkt bildeten – und zur religiösen Verfolgung bis zur Vertreibung der iberischen Juden.697 Das von den Katholischen Königen am 31. März 1492 erlassene Ausweisungsedikt stellte den Schlusspunkt der Ausstellung dar.698 Um diese verschiedenen Facetten jüdischen Lebens auf der Iberischen Halbinsel dokumentieren zu können, bedurfte es entsprechender Exponate.699 Diese befanden sich zum Großteil außerhalb Spaniens, sodass die Organisatoren auf die Zusammenarbeit mit zahlreichen Bibliotheken und Museen aus z. B. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Russland oder den USA angewiesen waren.700 Indem sie Erkenntnisse über die Existenz und die Aufbewahrungsorte der Exponate brachte und viele von ihnen erstmals in Spanien zeigte, diente die Ausstellung auch dem gleichfalls von der Arbeitsgruppe Sefarad 92 formulierten Ziel, Überreste und Zeugnisse der jüdischen Vergangenheit zu katalogisieren.701 Auf der Eröffnungsfeier am 25. November 1991, an der neben Vertretern
696 697 698 699
700 701
EspaÇa medieval, Madrid 1985; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852; „Sefarad’92 pide que se modifique la historia juda en los libros de texto“, in: ABC, 26. 11. 1991, 59. Brief von Mara Rosa Garca Brage, Leiterin des Nationalen Zentrums für Ausstellungen, an den Direktor der Österreichischen Nationalbibliothek, Madrid, 15. 3. 1991; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Vgl.: Ministerio de Cultura (Hg.), La Vida Juda en Sefarad, 249 – 308; Informe Exposiciûn, 13 – 17; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Vgl.: Ebd., 17; ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Als Grundlage bei der Suche nach den Exponaten diente neben verschiedenen anderen Ausstellungskatalogen der Katalog der EBSM. Vgl.: Brief von Elena Romero an den Direktor der Hispanic Society of America, Madrid, 30. 8. 1990; Brief von Elena Romero an Direktor des Museo de Mlaga, Madrid, 27. 8. 1990; Korrespondenz zwischen Elena Romero und dem Direktor des Museo de Arte de CataluÇa, Madrid, 27. 8. 1990 und Barcelona, 25. 10. 1990; alle ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.852. Vgl.: Fernndez, Jos¦ Luis, Toledo refflne las mejores obras de la presencia juda en EspaÇa, in: El Pas, 24. 11. 1991, 21; Grupo de Trabajo Sefarad 92, El redescubrimiento de la EspaÇa juda, Madrid o. J. [Die Broschüre enthält keine Seitenzahlen]. Vgl.: Grupo de Trabajo Sefarad 92, El redescubrimiento de la EspaÇa juda.
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des spanischen Staates und der Regionalregierung unter anderem auch Luis YÇez-Barnuevo und der damalige israelische Botschafter Shlomo Ben Ami teilnahmen, erklärte der Kulturminister Jordi Sol¦ Tura: „Wir beginnen gerade damit, das Beste unserer Geschichte zurückzuerlangen“.702 Dem von der staatlichen Vorbereitungskommission und ihrer Arbeitsgruppe formulierten Ziel der „Wiederentdeckung“ der jüdischen Vergangenheit konnte die Ausstellung gerecht werden, indem sie das bestehende Wissen für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitete.703 Im Vergleich zur etwa dreißig Jahre zuvor organisierten Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial, die das sephardische Judentum auf seine kulturschaffende Funktion reduziert hatte, bedeutete die Ausstellung eine entscheidende Perspektivenerweiterung, da z. B. auch das Alltagsleben oder die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Blick genommen wurden. Dem entgegen steht ein Schwachpunkt der Ausstellung: Die sephardischjüdische Geschichte nach 1492 blieb ebenso unbeleuchtet wie die Neuanfänge jüdischen Lebens in Spanien seit dem späten 19. Jahrhundert.704 Vor allem der ausbleibende Rekurs auf die Gegenwart des Museumsbesuchers erscheint problematisch, da er die Verortung des in der Ausstellung Gezeigten und Thematisierten als ein Phänomen der Vergangenheit begünstigt und eine Auseinandersetzung mit dem interreligiösen und interkulturellen Zusammenleben im demokratischen Spanien erschwert. Dem erfolgreichen „Wiederentdecken“ steht daher die fehlende „Wiederbegegnung“ gegenüber. Insgesamt kann die Ausstellung als ein von offizieller Seite sanktioniertes Angebot für die Schaffung eines Erinnerungsortes „Sepharad“ verstanden werden, der mit der Wahl von Toledo zur „Hauptstadt von Sepharad“ zugleich 702 „Estamos empezando a recuperar lo mejor de nuestra historia“, zit.n.: Sesma, Carlos, Toledo recupera parte de su pasado con una exposiciûn sobre Sefarad, in: El Sol, 26. 11. 1991, 57; ACMC, Cj. 75854. Vgl. auch: Noticias, 6/1992, 1 f. Zu den zeitgenössischen Reaktionen auf die Ausstellung in der nationalen Presse vgl. z. B.: Snchez, Valle, Sefarad 92, una cultura de quince siglos, in: La Voz, 25. 11. 1991; Garca Arribas, C., Toledo, de nuevo capital de Sefarad, in: Ya, 25. 11. 1991; beides ACMC, Carpeta VI, Cj. 75.854; Fernndez, Toledo refflne las mejores obras de la presencia juda en EspaÇa, in: El Pas, 24. 11. 1991; Ders., La cultura hebrea vuelve a Toledo con una exposiciûn en la sinagoga, in: Ebd., 26. 11. 1991. 703 Über die Besucherzahlen liegen keine Informationen vor. Die mediale Resonanz im In- und Ausland auf die Ausstellung lassen aber eine hohe Besucherzahl vermuten. E. Benito Ruano geht von einem großen Publikumserfolg der Ausstellung aus, vgl.: Benito Ruano, Quinto Centenario, in: Cuadernos de Historia Moderna, 13/1992, 231. 704 Eine von der Arbeitsgruppe Sefarad 92 herausgegebene Broschüre widmet sich knapp der jüngeren spanisch-jüdischen Geschichte. Ausgehend von der literarischen Beschäftigung mit dem historischen Sepharad bei Autoren wie Vicente Blasco IbÇez, Julio Caro Baroja oder Benito P¦rez Galdûs versucht die Broschüre ein besonderes Verhältnis des spanischen Staates zur jüdischen Bevölkerung herauszuarbeiten. Dazu wird ebenso auf die „protecciûn de las embajadas y consulados de EspaÇa y la concesiûn de asilo de nuestro pas“ im Zweiten Weltkrieg verwiesen wie auf eine angebliche Widerrufung des 1492 erlassenen Vertreibungsediktes im Zuge des Religionsgesetzes von 1967. Vgl.: Grupo de Trabajo Sefarad 92, El redescubrimiento de la EspaÇa juda.
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geografisch verankert wurde.705 Weiter angereichert wurde dieser Erinnerungsort durch die Aktivitäten und Veranstaltungen des Internationalen Komitees, die Toledo als Ort der Toleranz und convivencia darstellten. Auf dem Weg zu einem katalanisch-jüdischen Gedächtnis? Die Eröffnungsveranstaltung in Barcelona Barcelona wurde von der Nationalen Jüdischen Kommission als Ausrichtungsort für die Eröffnungsveranstaltung ihres Programms im Rahmen von Sefarad 92 gewählt. Für diese Wahl lassen sich zwei Gründe anführen: Zum einen war ihr Vorsitzender David Grebler zugleich Präsident der CIB, und die Kommission hatte ihren Hauptsitz in der katalanischen Stadt. Zum anderen kann das Programm in Katalonien als ein Versuch verstanden werden, ein katalanisches Gedächtnis in Abgrenzung zum zentralstaatlich-spanischen Gedächtnis zu etablieren.706 Neben der Eröffnungsveranstaltung umfasste es ein Gedenkkonzert im Palau de la Mfflsica, die Wanderausstellung „Exilierte, emigrierte Marranen. Die Vertreibung aus Spanien und ihre Folgen“ („Exiliados, marranos emigrados. La expulsiûn de EspaÇa y sus consecuencias“) des Beth Hatefutsoth-Museums der jüdischen Diaspora in Tel Aviv sowie Tagungen und Konferenzen, z. B. von der Vereinigung der Wissenschaftler des katalanischen Judentums (Associaciû d’Estudiosos del Judaisme Catal, ADEJUC).707 Neben ihrer Funktion als gesamtspanische Repräsentantin der jüdischen Gemeinden trat die Jüdische Kommission auch als regionale Akteurin in Erscheinung. Eine Analyse der von den offiziellen Repräsentanten gehaltenen Reden bei diesem Anlass zeigt, wie der Versuch unternommen wurde, die „katalanischen Besonderheiten“ der jüdischen Vergangenheit zu 705 Die geografische Verankerung der Spuren des historischen Sepharads wurde auch durch den Bildband Sefarad, Sefarad gestärkt, vgl.: Lacave, Sefarad, Sefarad. 706 Die Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkjahres 1992 fügten sich in die Strategie der katalanischen Regierung, die regionale Identität Kataloniens nach außen darzustellen und sich so auch international von Spanien abzugrenzen. Vgl.: Kleiner-Liebau, Migration and the Construction of National Identity, 77 f. 707 Zum katalanischen Sefarad 92-Programm vgl. z. B.: Mazano, Emilio, Simone Weil. Maragall y Pujol abren Sefarad’92, in: La Vanguardia, 6. 12. 1991; Bosco, Roberta, El programa Sefarad 92 comienza su anadura en Barcelona, in: El Observador, 6. 12. 1991; beides ACNJS92, Cj. 3; Sefarad 92. Acto conmemorativo de los 500 aÇos de la expulsiûn de los judos de EspaÇa – Acte commemoratiu dels 500 anys de l’expulsiû dels jueus d’Espanya, Programmbroschüre für das Konzert am 1. 4. 1992 im Palau de la Mfflsica Catalana, Barcelona; Comisiûn Nacional Juda Sefarad’92, Programa, Barcelona, julio 1991; ACNJS92, Cj. 1; „Sefarad – 92“, in: ALEF, 3/1992, 12 – 15; verschiedene Unterlagen zum Acte Commemoratiu 500 anys de l’Expulsiû dels Jueus d’Espanya „Sefarad 92“, 1. 4. 1992; AMAB, B 108, Exp. 338/92. Zur Erinnerungspolitik der von 1980 bis 2003 in Katalonien regierenden CiU sowie zum Versuch einer „Re-Katalanisierung“ des historischen Erbes vgl.: Crameri, Catalonia, 3 f, 133 – 137, 143 – 163. Bernecker und Brinkmann beschreiben den Vergangenheitsdiskurs der CiU als nationalistisch geprägt, vgl.: Bernecker/Brinkmann, Kampf der Erinnerungen, 334.
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betonen. Die Abgrenzung zur restlichen Iberischen Halbinsel wird dabei auf die Formel gebracht: Katalonien ist nicht Sepharad.708 Ähnlich wie die spätere Rede des Königs Juan Carlos am 31. März 1992 in Madrid Angebote für die Selbstdeutung und -verortung der spanischen Nation bereithalten sollte, kann aus der Eröffnungsveranstaltung am 5. Dezember 1991 ein solches Alternativangebot herausgelesen werden, bei dem die Erinnerung an das jüdische Erbe der Betonung der Differenz und der Singularität Kataloniens diente. Erinnerungskonkurrenzen verschwimmen hier mit Identitätskonkurrenzen. Angesichts des fragilen Verhältnisses zwischen dem Zentralstaat und den autonomen Regionen, das sich seit der Verfassung 1978 in einem ständigen Aushandlungsprozess befand, hatte die Gedächtnisinszenierung von Sepharad in Katalonien wesentlich stärkere politische Implikationen.709 Sowohl die Wahl des Zeitpunktes als auch die des Ortes der Eröffnungsveranstaltung sollten aus Sicht der Jüdischen Kommission der Engführung der Gedächtnisinhalte entgegenwirken.710 Denn während sich der Großteil des Gedenkprogramms auf die Phase der Koexistenz bis 1492 konzentrierte und die Vertreibung selbst so zu einem singulären und isolierten Ereignis werden ließ, verwies das katalanische Programm auf ein weiteres historisches Jubiläum: 1991 jährten sich zum 600. Mal die gewaltsamen Ausschreitungen und Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung und ihre Wohnviertel, die sich 1391, ausgehend von Sevilla, auf der Iberischen Halbinsel ausgebreitet hatten. Das heutige Katalonien war eines der Zentren dieser Gewaltausbrüche, in deren Folge das jüdische Leben in Girona und Barcelona weitgehend zum Erliegen kam. Während das gesamtspanische Programm auf eine kastilische Perspektive beschränkt war, die die zentrale Zäsur der spanisch-jüdischen Geschichte im Jahr 1492 sah, bot diese Veranstaltung ein Korrektiv. Es kontextualisierte das Vertreibungsedikt und relativierte seinen einschneidenden Charakter, indem es die Vorgeschichte beleuchtete.711 Das Bild der friedvollen convivencia wurde so um die Erinnerung an das seit dem 14. Jahrhundert zunehmend konfliktive Zusammenleben kritisch ergänzt. Die Inszenierung 708 Für eine ähnliche Formulierung vgl. auch die Überschrift des Beitrages von Eduard Feliu „CataluÇa no era Sefarad. Precisiones metodolûgicas“, in: Museu d’Histýria de Catalunya (Hg.), La CataluÇa Juda, 24 – 35. 709 Zu den sich in ständiger Aushandlung befindenden Beziehungen zwischen den autonomen Regionen und dem Zentralstaat vgl. z. B.: Martino, Antonio, Spanien zwischen Regionalismus und Föderalismus. Entstehung und Entwicklung des Staates der Autonomien (Estado de las Autonomas) als historischer Prozeß, Frankfurt a.M. 2004. Zur Diskussion um die katalanische Verfassung vgl. die ausführliche Berichterstattung in La Vanguardia, z. B.: Brunet, Jos¦ Mara, Una sentencia para salvar los muebles, in: La Vanguardia, 29. 6. 2010, 12 – 13; Ders., Un fallo lleno de prejuicios y castillos en el aire, in: Ebd., 10. 7. 2010, 16 – 17. 710 Vgl.: Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92. Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Programa, Noviembre 1991, 3; ACNJS92, Cj. 4. 711 Valdeûn Baruque sieht in dem Jahr 1391 eine irreversible Zäsur in der Geschichte der iberischen Juden, vgl.: Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 91, 97 f.
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dieser ergänzenden Erinnerung zeigte einerseits den historischen Kontext auf, wodurch die These des Vertreibungsediktes als einmaliger „Unfall in der Geschichte“ ohne Vorläufer an Wirkmächtigkeit verlor. Andererseits trug sie zur Konstruktion eines eigenen katalanisch-jüdischen Gedächtnisses bei, das 1391 in Konkurrenz zu 1492 als Erinnerungsort etablierte.712 Aber auch das katalanische Gedächtnis konstituierte sich nicht ausschließlich durch negative Erinnerungen, sondern nutzte gleichfalls die Bruchstelle des Jahres 1391 als Abgrenzung gegenüber einer zuvor blühenden jüdischen und jüdischchristlichen Kulturlandschaft: „Die Juden lebten mit den Christen auf beiden Seiten der Pyrenäen zusammen und trugen in bedeutender Weise zur Ausformung der Kultur im katalanischen Territorium bei.“713 Der katalanische Gehalt der Eröffnungsveranstaltung wurde ebenfalls auf der Repräsentationsebene unterstrichen, so war nicht nur der Bürgermeister Barcelonas Pasqual Maragall, sondern auch der Präsident der Generalitat Jordi Pujol anwesend.714 Jordi Pujol stellte in seiner Rede seine persönliche Verbindung zum Judentum dar und bezeichnete sich als „Freund und Bewunderer“ des jüdischen Volkes.715 Als einen Grund für diese Verbundenheit führte er die jüdische Vergangenheit in Katalonien an und betonte zugleich deren charakteristische Besonderheiten: „Vielleicht ist es ein bisschen untergegangen, was die katalanischen Juden innerhalb der spanischen Juden waren, obwohl es in dieser Epoche wahrhaftig eine sehr klare Unterscheidung gab zwischen denen, die Juden aus Sepharad waren, spanische Juden, und denen aus Katalonien.“716 712 „El hecho de centrarlo en la perspectiva de Catalunya, supone la conmemoraciûn de dos verdaderos hitos en la historia medieval: por un lado, el sexto centenario de los albortos que marcaron el inicio de la progresiva desapariciûn de las juderas catalanas y por otro lado, el quinto centenario del Decreto de Expulsiûn de los judos de EspaÇa.“, Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92, Programa, Noviembre 1991, 4; ACNJS92, Cj. 1. Die Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1391 im Rahmen des Quinto Centenario wurde auch von Rica Amrn Coh¦n in der Gemeindezeitschrift der CIB eingefordert, vgl.: Amrn Coh¦n, Rica, 1991: Un aÇo para rememorar, in: Zafir, 6/1990, 4. Ende 1991 findet sich in Zafir anlässlich des 600. Jahrestages der gewalttätigen Übergriffe auf das jüdische Viertel in Barcelona und die dort lebende jüdische Bevölkerung im August 1391, die das jüdische Leben im folgenden Jahr vollständig zum Erliegen brachten, ein ganzseitiger Artikel, der die entsprechende Passage über die historischen Ereignisse aus dem Buch Historia de los judos en la EspaÇa cristiana von Yitzhak Baer wiedergibt, vgl.: Massons, Maria Teresa, 15 de agosto de 1991: Sexto centenario de la destrucciûn del call de Barcelona, in: Zafir, 12/1991, 5. 713 „Los judos convivieron con los cristianos en ambos lados del Pirineo y contribuyeron de manera importantsima a la creaciûn de cultura en territorio cataln.“, Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92, Programa, Noviembre 1991, 4; ACNJS92, Cj. 1. Zur Inszenierung eines positiven katalanischen Gedächtnisses im Zusammenhang mit der jüdischen Vergangenheit vgl. auch: Elements per a la promociû del call jueu de Barcelona; AMAB, B 151/2, 2000 – 2004. 714 Der Veranstaltung wohnten auch der israelische Botschafter in Spanien Shlomo Ben Ami sowie die verschiedenen Organisatoren des Quinto Centenario bei. 715 „amigo y admirador“, Discurso del Sr. Jordi Pujol, 5. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 10. 716 „Quizs ha quedado un poco diluido lo que eran los judos catalanes dentro de los judos
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Als einen solchen „katalanischen Juden“ führte er Nachmanides ins Feld, der in Girona gelebt und gearbeitet hatte und dessen Sprache das Katalanische gewesen war.717 Für El Observador war „ein deutlicher Wille“ zur „Zusammenarbeit und zum (gegenseitigen) Verständnis“ im Hinblick auf die Ausgestaltung der „zukünftigen Beziehungen zwischen der spanischen und jüdischen Gemeinde“ die Quintessenz der Rede des katalanischen Präsidenten.718 Der zweite Redner auf der Eröffnungsveranstaltung, der Präsident der Jüdischen Kommission David Grebler, betonte ebenfalls den katalanischen Gehalt der Erinnerung an das Jahr 1391, schlug dabei aber zugleich einen Bogen in die Gegenwart: „Die neuerliche Präsenz einer organisierten jüdischen Gemeinde in dieser Stadt beendet einen Zyklus der Geschichte und öffnet eine neue und vielversprechende Zukunft.“719 Diesen Bezug zur Gegenwart suchte auch der Bürgermeister, der Barcelona als Mittelmeer-Metropole und Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahr 1992 als eine offene und tolerante Stadt zelebrierte.720 Die Reden der ehemaligen Präsidentin des Europäischen Parlaments Simone Veil und des Präsidenten der staatlichen Kommission Quinto Centenario Luis YÇez-Barnuevo wiesen keinen entsprechenden Katalonien-Bezug auf. Hervorzuheben ist aber, dass Luis YÇez-Barnuevo die Frage der Gültigkeit des Vertreibungsediktes thematisierte und damit eines der aus Sicht der spanischen Regierung heikelsten Themen aufgriff.721 Da in den anderen, in diesem Rahmen untersuchten Reden offizieller Repräsentanten des Staates ähnliche Verweise ausblieben, kann vermutet werden, dass die Dezentralisierung der Gedenkveranstaltung, die sich in gewisser Weise außerhalb des
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espaÇoles, cuando en realidad en aquella ¦poca haba una distinciûn muy clara entre lo que eran los judos de Sefarad, judos espaÇoles, y los de CataluÇa.“, Discurso del Sr. Jordi Pujol, 5. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 10. Discurso del Sr. Jordi Pujol, 5. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 10. Zum Katalanismus von Pujol vgl.: Pujol, CataluÇa. EspaÇa, 19 – 63. Zu den unterschiedlichen historischen Ursprüngen von Katalonien und Spanien vgl.: Ebd., 96 – 99. Zum katalanischen Regionalismus vgl.: Balfour/ Quiroga, The Reinvention of Spain, 133 – 138, 143 – 160. „una clara voluntad de que la colaboraciûn y la comprensiûn caractericen las relaciones futuras entre las comunidades espaÇola y juda“, Morales, Rafael, Pujol: „Algunos de mis mejores amigos son judos“, in: El Observador, 6. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 3. „La renovada presencia en esta ciudad de una comunidad juda organizada, cierra un ciclo de la historia y abre un nuevo y prometedor futuro.“, Discurso del Sr. David Grebler, 5. 12. 1991, ACNJS92, Cj. 10. „Barcelona se propone ser fiel a su trayectoria de ciudad abierta y de ciudad que cuenta en el Mediterrneo, para ofrecerse en la reconstrucciûn de las bases de un dilogo en todas direcciones, en este mar que era el centro del mundo y de ah le viene su nombre.“, Discurso del Sr. Pasqual Maragall, 5. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 10. „Pero, ni el decreto de concesiûn de la ciudadana espaÇola a los judos de origen sefard, de Primo de Rivera, ni esta presencia real de ciudadanos judos en EspaÇa hubieran zanjado la cuestiûn si no mediaran la Constituciûn de 1869, que supuso la derogaciûn de la Real Cedula de Expulsiûn, y posteriormente la Ley de Derecho Civil a la Libertad en Materia Religiosa en 1967.“, Discurso de Luis YÇez-Barnuevo, 5. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 10.
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Gebietes befand, für welches der Zentralstaat uneingeschränkte Deutungshoheit beanspruchte, größere Freiheiten im Hinblick auf die Inhalte des Gesagten und damit des Erinnerten erlaubte. Auf die Inszenierung einer katalanischen Sonder-, und in diesem Fall vor allem einer Vorreiterrolle zielte vermutlich auch die Erklärung des katalanischen Parlaments am 10. Juni 1992, in der die historische Ausweisung der iberischen Juden verurteilt wurde.722 Der Versuch des Abgeordneten der Esquerra Republicana Josep Llus Carod-Rovira, die Inquisition als ein ausschließlich kastilisches Organ von der katalanischen Geschichte abzukoppeln, fand allerdings, wie El Pas berichtete, bei der Mehrheit der Abgeordneten keine Unterstützung. Von Vertretern der ConvergÀncia i Uniû und des Partit dels Socialistes wurde vielmehr eine kritische Sicht auch auf die eigene Geschichte gefordert.723 Der Erklärung war ein offener Brief an das katalanische Parlament, unterzeichnet von der CIB, der Vereinigung von Wissenschaftlern des katalanischen Judaismus und der Entesa Judeo-Cristiana de Catalunya, vorausgegangen, den die Gemeindezeitschrift der CIB, ALEF, im Oktober 1990 veröffentlichte. Darin heißt es: „Es wäre wünschenswert, dass das Parlament, im Namen des katalanischen Volkes und als moralische wie symbolische Wiedergutmachung, die Verfolgungen und die Vertreibung, die die Juden in Katalonien erleiden mussten, verurteilen und sich den Forderungen an die Staatsregierung nach einem Dekret, das die Gesetze der Ausweisung der Juden aus den spanischen Staaten und der Verhinderung ihrer Rückkehr, für
722 Vgl.: „El Parlament condena la expulsiûn de los judos de EspaÇa en 1492“, in: El Pas, 11. 6. 1992. Zu einem ähnlichen Befund kommen Bernecker und Brinkmann im Hinblick auf die Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Franquismus, sie bezeichnen die Generalitat als einen „institutionellen Vorreiter“, vgl.: Bernecker/Brinkmann, Kampf der Erinnerungen, 335. Die Vorreiterrolle Kataloniens wurde ebenfalls im Hinblick auf die Beziehungen zum Staat Israel betont. So verwies z. B. ein Artikel in El Observador kurz nach der Gedenkzeremonie am 31. März in Madrid, an der unter anderem der israelische Präsident Chaim Herzog teilgenommen hatte, darauf, dass Jordi Pujol einer der ersten spanischen Politiker gewesen sei, die Israel offiziell besuchten. Vgl.: Ýlvarez-Sols, Carlos, Catalunya y los judos, in: El Observador, 3. 4. 1992; ACNJS92, Cj. 3. In der Gemeindezeitschrift der CIB schrieb Carlos Benarroch: „El Parlament de Catalunya, en su sesiûn de 10-VI–92, acordû por unanimidad unas mod¦licas declaraciones projudas, entre las que se destacan que calificû nuestra expulsiûn de 1492 de exponente de la intolerancia religiosa y de la injusticia civil, y proclamû que forma parte de la cultura catalana la importante obra cultural escrita en hebreo por los judos catalanes. Desde aquel memorable da, esperar¦ inffltilmente que otras Autonomas imitarn a la catalana, que tambi¦n tuvo eco en las Cortes EspaÇolas“, Benarroch, Carlos, Antisemitismo, in: Zafir, 20/1992, 2. Die lokale Geschichte nahm auch die 2002 realisierte Ausstellung La CataluÇa Juda in den Blick. In dem Katalog werden der katalanische Philosemitismus und die pro-israelische Haltung der katalanischen Regierung betont, vgl.: Museu d’Histýria de Catalunya, La CataluÇa Juda, 227 – 230. 723 Vgl.: „El Parlament condena la expulsiûn de los judos de EspaÇa en 1492“, in: El Pas, 11. 6. 1992.
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ungültig erklärt, anschließen würde. Der König Juan Carlos hat kürzlich versprochen, dass er das Dekret aus dem Jahr 1492 am 31. März 1992 aufhebt.“724
Neben dem Wunsch nach einer symbolischen Geste der Wiedergutmachung lassen sich aus dieser Passage zwei weitere Motive herauslesen, die sich beide auf das Selbstverständnis der katalanischen Juden zurückführen lassen, für welches die traditionell guten Beziehungen zu den regionalen Autoritäten eine wichtige Rolle spielen.725 Die erhoffte Erklärung des katalanischen Parlamentes sollte diese guten Beziehungen bestätigen und zugleich nach außen hin sichtbar machen. Dies schien umso nötiger, da die Unterzeichner eine ähnliche Geste des spanischen Königs erwarteten. Das zweite Motiv scheint daher auch eine Art Konkurrenzgefühl gegenüber dem Zentralstaat sowie möglicherweise gegenüber der jüdischen Hauptstadtgemeinde gewesen zu sein.726 Dass es den Wunsch nach einer Katalanisierung des Gedenkens zumindest aufseiten der katalanischen Regierung gab, belegt ein Brief von David Grebler an Mauricio Hachuel, in dem er diesen über ein kurzfristig einberufenes Treffen mit Jordi Puyol informiert: „Dieses Ereignis zwang uns dazu einen sehr katalanistischen Ton anzuschlagen, und der scheinbare Antagonismus gegenüber Madrid, den du betont hast, ist nicht unsere Kreation. Ich möchte dich auch darauf hinweisen, dass die Position von D. Jordi Pujol immer die sein wird, an Katalonien zu denken. Ihn interessiert es mehr, etwas zu finanzieren, von dem Katalonien profitiert“.727 724 „Seria de desitjar que en nom del poble catal, i com a reparaciû moral i simbýlica, el Parlament condemn¦s les persecucions i l’expulsiû que els jueus van patir a Catalunya i s’uns a les veus que demamnen del govern de l’Estat un decret d’aboliciû de les lleis que imposaren l’extrapatriaciû dels jueus dels estats hispnics i n’impediren el retorn. El rei Joan Carles ha promÀs recentement que abrogaria el decret de 1492 el 31 de marÅ de 1992.“, „Sefarad’92 retrovament a Catalunya“, in: ALEF, 1/1990, 10. In einem in den Akten der Jüdischen Kommission enthaltenen Entwurf für die Deklaration des katalanischen Parlaments ist eine Aufforderung an die spanische Zentralregierung enthalten, ihrerseits das Vertreibungsedikt offiziell aufzuheben, vgl.: ACNJS92, Cj. 6. 725 Von diesem Selbstverständnis zeugen auch Korrespondenzen mit den katalanischen Autoritäten im Zusammenhang mit der Organisation des Sefarad 92-Programms. So betonen z. B. David Grebler und der Präsident von ARCCI, Jaime Vndor, in einem Brief an Jordi Puyol dessen mehrfach bewiesenes Interesse an der jüdischen Kultur, vgl.: Brief von David Grebler und Jaime Vndor an Jordi Puyol, Barcelona, 17. 2. 1992; ACNJS92, Cj. 7. 726 In einem in der Gemeindezeitschrift ALEF veröffentlichten Programmentwurf für Sefarad 92 wird die positive Reaktion der im katalanischen Parlament vertretenen politischen Parteien auf den Entwurf für eine Erklärung des Parlamentes betont. In einem zweiten Schritt sollten die anderen Autonomen Gemeinden durch die dortigen jüdischen Gemeinden zu einer ähnlichen Erklärung aufgefordert werden. Vgl.: „Sefarad – 92“, in: ALEF, 3/1992, 15. 727 „Este hecho nos obligû a dar un tono muy catalanista y el aparante [sic] antagonismo que me has subrayado frente a Madrid, no es creaciûn nuestra. Quisiera tambi¦n indicarte que la postura de D. Jordi Pujol ser siempre la de pensar en CataluÇa. Le interesa ms financiar algo que pueda beneficiar a CataluÇa“, Brief von David Grebler an Mauricio Hachuel, Barcelona, 2. 6. 1990; ACNJS92, Cj. 1.
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Insgesamt deutet das Beispiel des katalanischen Programms an, dass der dortige Erinnerungsdiskurs offener geführt wurde. So konnte insbesondere die Frage der historischen Verantwortung für die Vertreibung der Juden thematisiert werden. Möglicherweise ergab sich die größere Offenheit aus Sicht der regionalen Akteure daraus, dass das Gedenkprogramm eine Gelegenheit bot, die Inszenierung der historisch-kulturellen katalanischen Identität mit Forderungen an die Zentralregierung zu verbinden und sich von dieser zugleich auch erinnerungspolitisch abzugrenzen. Eine regionale Ausdifferenzierung des Gedächtnisses zeichnet sich so – in Analogie zu den Befunden von Sören Brinkmann für die Phase von Bürgerkrieg und Franquismus – auch für diesen Aspekt spanischer Geschichte ab.728 31. März 1992. Gedenken an die Vertreibung Die Gedenkzeremonie am 31. März 1992 zur Erinnerung an das an diesem Tag vor 500 Jahren von den Katholischen Königen gegen die in ihrem Königreich lebenden Juden erlassene Vertreibungsedikt wurde schnell zum international viel beachteten „Prüfstein“ im Hinblick auf den Umgang des spanischen Staates mit seiner jüdischen Vergangenheit.729 Die Initiative für diese Zeremonie ging von der Nationalen Jüdischen Kommission aus, die die Rolle der Veranstalterin übernahm. Durch die Beteiligung des Königs und einiger Minister erhielt die Veranstaltung den Charakter eines offiziellen Erinnerungsaktes und bot zugleich Gelegenheit zur symbolischen Inszenierung einer „Wiederbegegnung“ zwischen den bei diesem Anlass vertretenen Repräsentantengruppen. Um herauszufinden, inwieweit dieser Programmteil durch die Aushandlung eines gemeinsamen Gedächtnisses begleitet wurde, werden die Erinnerungsakteure und -inhalte sowie deren Bedeutung für die jeweiligen kollektiven Gedächtnisse und Gruppenidentitäten in den Blick genommen. Die Symbolik dieses Aktes wurde in der jüdischen Öffentlichkeit auf zwei Ebenen rezipiert: als retrospektive Anerkennung der jüdischen Präsenz auf der Iberischen Halbinsel bis ins 15. Jahrhundert und ihres gewaltsamen Endes sowie als prospektive Anerkennung des jüdischen Lebens in der Gegenwart und Zukunft. In diesem Sinne stellte der Besuch des spanischen Königs in der Synagoge einen Fortschritt in den Beziehungen der Krone zur jüdischen Bevölkerung dar. War es doch für den König, im Gegensatz zu seiner Frau Sofa, 728 Sören Brinkmann argumentiert, dass das Streben nach regionaler Autonomie und ihrer historischen Legitimierung mitunter Impulse für die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit von Bürgerkrieg und Franquismus liefert. So habe sich in Katalonien ein Opfergedächtnis schneller entwickeln können als auf gesamtspanischer Ebene, und vereinzelt gebe es Versuche, die Zentralregierung durch Initiativen oder Forderungen zur Aufarbeitung der Vergangenheit unter Druck zu setzen, vgl.: Brinkmann, Katalonien und der Spanische Bürgerkrieg, 110 – 153. 729 Vgl. zu dieser Einschätzung auch: Rehrmann, Das schwierige Erbe, 781.
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der erste Besuch in einer spanischen Synagoge.730 Aufgrund der besonderen Bedeutung, die dieses Ereignis für die jüdische Gemeinschaft sowohl in Spanien als auch im Ausland hatte, war die Jüdische Kommission darauf bedacht, die inhaltliche und symbolische Ausgestaltung weitgehend vorzugeben. Sie verstand sich dabei als Erinnerungsträger und Gastgeber. In beiden Funktionen beanspruchte sie das Recht auf Mitgestaltung, sowohl für den konkreten Gedenkanlass als auch für das allgemeine Gedenken an das historische Ereignis. Das spanische Königspaar und die spanischen und israelischen Regierungsvertreter sah sie demgegenüber in der Rolle der Gäste, die eingeladen waren, an einer jüdischen Zeremonie teilzunehmen.731 Es ergaben sich zwei Problemfelder in Zusammenhang mit der Inszenierung dieser öffentlichen Gedenkzeremonie. Im Hinblick auf die Auswahl der Akteure stellten sich Fragen der Repräsentation sowie der Form und des Inhaltes: Wer durfte sich wie und in wessen Namen an der Veranstaltung beteiligen und konnte so zur Konstruktion eines möglichen neuen Gedächtnisses beitragen? Zu einem zentralen Konfliktpunkt wurde die Teilnahme des israelischen Präsidenten Chaim Herzog. Isaac Querub zufolge war die Anwesenheit des israelischen Präsidenten bei der Erinnerungszeremonie als Repräsentant des jüdischen Volkes von der Jüdischen Kommission gewünscht, wurde aber zunächst von der spanischen Regierung abgelehnt – vor allem aufgrund der Angst vor einer politischen Aufladung der Gedenkfeierlichkeiten durch die Thematik des Nahost-Konfliktes.732 Dieser Darstellung widerspricht Jacques Laredo, ein weiteres Mitglied der Jüdischen Kommission und damaliger Präsident der CJM. Er führt die Teilnahme des israelischen Präsidenten auf die 730 Die Ankündigung des spanischen Königs, der Gedenkzeremonie in der Madrider Synagoge beizuwohnen, sorgte für ein großes mediales Echo und war ein Grund für seine Auszeichnung mit dem Preis der Elie-Wiesel-Stiftung im Vorfeld des Quinto Centenario. Vgl.: Cembrero, I., La humillaciûn de los judos en EspaÇa ha sido superada gracias al Rey, segffln Wiesel, in: El Pas, 9. 10. 1991. 731 Lisbona berichtet von Konflikten im Hinblick auf die Einladung der Gäste, da sowohl die Jüdische Kommission als auch das spanische Königshaus für sich in Anspruch nahmen, die Einladungen aussprechen zu dürfen, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 363 ff. Zur problematischen Rollenverteilung „Gast – Gastgeber“ zwischen dem spanischen Staat und den sephardischen Gemeinden, die sich als Nachfahren der 1492 von der Iberischen Halbinsel vertriebenen Juden begreifen, vgl.: Flesler/P¦rez Melgosa, Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 73 – 76. Allgemeiner zum Konzept der Gastlichkeit und der Rollenverteilung Gast – Gastgeber vgl.: Derrida, Jacques, Adieu. Nachruf auf Emmanuel L¦vinas, München/Wien 1999 [Paris 1997]. Derrida spricht von der Macht des Gastgebers, die er allerdings wieder einschränkt, wenn er erklärt, dass der Gastgeber selbst in seinem eigenen Haus Gast sei. (Ebd., 33 – 66, insb. 62 f.) Luis Surez Fernndez verwendet den Begriff „Gast“ auch zur Charakterisierung des Status der Juden in der christlichen Gesellschaft des Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel, in der ihnen gewisse Rechte gewährt wurden, vgl.: Surez Fernndez, Luis, Puntualizaciones en la trayectoria del antijudasmo hispano, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 150. 732 Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009, Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010.
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Initiative des spanischen Staates zurück. Die Anwesenheit israelischer Vertreter habe verhindern sollen, dass der Eindruck eines spanisch-jüdischen Versöhnungsaktes entstünde. Im Gegensatz zu Querub ist Laredo der Meinung, dass die Jüdische Kommission sich zunächst gegen eine Beteiligung Israels gewandt habe, da es sich in ihren Augen um ein rein spanischsephardisches Ereignis handelte.733 Diese Sichtweise wird von einem Artikel in der Tageszeitung El Pas gestützt, in dem am 30. März 1992 über Spannungen zwischen Israel und den jüdischen Gemeinden im Hinblick auf die Organisation der Gedenkveranstaltung in der Synagoge berichtet wird: „Die Rednerliste verärgerte den Kabinettschef von Herzog, der, als er nach Madrid kam, um dessen Reise vorzubereiten, damit drohte, diese wieder abzusagen, wenn das Protokoll nicht geändert würde. Für die israelische Regierung repräsentiert ihr Präsident alle Juden, daraus ergibt sich die Konsequenz, dass alle anderen Beiträge überflüssig waren, während die sephardischen Repräsentanten in dem Akt eine Wiederaufnahme des Dialoges mit der Krone sahen, der Herzog (lediglich) als Zeuge beiwohnt“.734
Die spanische und die israelische Regierung einigten sich schließlich auf eine Teilnahme Herzogs an den Gedenkfeierlichkeiten.735 Neben der Frage der Anwesenheit des israelischen Präsidenten wurde auch die der jüdischen Repräsentanten kontrovers diskutiert. Die Jüdische Kommission, die die Feierlichkeiten im Rahmen des Quinto Centenario als eine „Wiedervereinigung“ zwischen Spanien und den aus Spanien vertriebenen Juden bzw. ihren Nachkommen verstand, legte sich zunächst auf ausschließlich sephardische Repräsentanten bzw. in Spanien lebende Juden fest und wies mit dieser Begründung eine entsprechende Anfrage des damaligen Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman zurück.736 Es liegt allerdings die Ver733 Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009. 734 „La retahla de oradores indispuso al jefe de gabinete de Herzog que, cuando vino a Madrid para preparar el viaje, amenazû con cancelarlo si no se modificaba el protocolo. Para el Gobierno de Israel su presidente representa a todos los judos y, en consecuencia, sobraban todas aquellas intervenciones mientras los representantes sefardes vean en el acto el restablecimiento de un dilogo con la Corona al que Herzog asiste como mero testigo“, Cembrero, Ignacio, El Rey propondr a los sefardes en la sinagoga de Madrid reencontrarse con la Corona de EspaÇa, in: El Pas, 30. 3. 1992. 735 Lisbona geht davon aus, dass die Teilnahme Herzogs im Oktober 1991 zwischen dem israelischen Botschafter Shlomo Ben Ami und dem spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzlez besprochen wurde, als sich diese zur Vorbereitung der in Madrid stattfindenden NahostFriedenskonferenz trafen. Die israelische Regierung habe ursprünglich das spanische Königspaar nach Israel einladen wollen, da dies aber vom spanischen Außenministerium ebenso wie von der Regierung abgelehnt worden sei, habe die Spanien-Reise Herzogs eine Kompromisslösung dargestellt. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 362. Bereits ein Jahr zuvor war es zu einer Annäherung gekommen, vgl.: Fuente, Ismael, Felipe Gonzlez acepta la invitaciûn de Shamir para visitar oficialmente Israel, in: Diario 16, 24. 1. 1990, 9. 736 Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009. Lisbona führt die Absage auf ein Intervenieren der israelischen Regierung zurück, die keinen nicht-sephardischen
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mutung nahe, dass bei der Auswahl der Redner nicht ihre (sephardische) Identität, sondern vielmehr ihre Repräsentationsfunktion für die in Spanien lebenden Juden den Ausschlag gab. Es wurde – dann unabhängig von der jeweiligen Herkunft – eine Kontinuität und Nachfahrenschaft zu den von der Iberischen Halbinsel Vertriebenen konstruiert.737 Da die Jüdische Kommission für sich in Anspruch nahm, die alleinige Repräsentantin der spanischen Juden zu sein, oblag es ihr in dieser Lesart, über die Angemessenheit weiterer Repräsentanten des spanischen Judentums zu entscheiden.738 In diesem Sinne wurde auf einer Versammlung der Jüdischen Kommission am 23. Februar 1992 in Marbella, bei der die Mehrzahl der jüdischen Gemeinden in Spanien vertreten war, beschlossen, dass das spanische Judentum durch vier Redner repräsentiert werden sollte: durch Samuel Toledano in seiner Funktion als Generalsekretär der FCJE, durch Jacques Laredo als Präsident der gastgebenden Gemeinde in Madrid, durch David Grebler als Vorsitzender der Kommission sowie durch Max Mazin, Ehrenpräsident der jüdischen Gemeinde in Madrid und Präsident von B’nai B’rith Spanien.739 Innerhalb der jüdischen Gemeinde wurde die Beschränkung auf wenige jüdische Redner, die in erster Linie dem Protokoll der Veranstaltung geschuldet war, ebenso wie die Auswahl der genannten Repräsentanten nicht von allen mitgetragen. So findet sich in den Unterlagen der Jüdischen Kommission ein Brief von Samuel Toledano, in dem er sich darüber beschwert, dass sich die Kommission über zuvor getroffene Absprachen hinweggesetzt habe.740 In einem Antwortschreiben von David Grebler wirft dieser Toledano hingegen vor, dass er der einzige jüdische Redner habe sein wollen, wodurch Irritationen in der jüdi-
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Vertreter neben Herzog akzeptiert hätte. Erst nach schwierigen Verhandlungen zwischen dem Protokollchef (Jefe de protocolo) der israelischen Regierung, Nissam Limor, dem Generaldirektor für Afrika und den Mittleren Osten des spanischen Außenministeriums Jorge Dezcallar sowie den Organisatoren habe der Kompromiss schließlich darin bestanden, dass neben Herzog kein weiterer nicht-spanischer oder nicht-sephardischer Jude als Redner zugelassen wurde. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 363 ff. Während sich die spanischen Juden hier selbst als Nachfahren der Vertriebenen gerierten, stellt Pieper für die bundesdeutsche Gesellschaft einen „Labeling-Prozeß“ fest, der die Juden zu Repräsentanten der sechs Millionen jüdischen Opfer der NS-Zeit stempele, vgl.: Pieper, Die Musealisierung des Holocaust, 43. Ob die Jüdische Kommission diesem von ihr behaupteten Alleinvertretungsanspruch in den Augen der jüdischen Bevölkerung in Spanien gerecht wurde, kann an dieser Stelle aufgrund des mangelnden Quellenmaterials nicht beantwortet werden. Zumindest über einige von der Kommission getroffene Entscheidungen wurde aber kontrovers diskutiert. Vgl.: Brief von David Grebler an Samuel Toledano, Barcelona, 27. 2. 1992; ACNJS92, Cj. o. A.; Brief von Samuel Toledano an David Grebler, 25. 2. 1992; ACNJS92, Cj. 2; Akte der Versammlung der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 in Marbella, 23. 2. 1992; ACNJS92, Cj. 7. Diese Entscheidung wurde, zusammen mit dem Programmentwurf, an den Leiter der Arbeitsgruppe Sefarad 92 Manuel Sassot übermittelt und von der staatlichen Kommission akzeptiert. Vgl.: Brief von Samuel Toledano an David Grebler, 25. 2. 1992; ACNJS92, Cj. 2.
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schen Gemeinde entstanden seien.741 Infolge dieser Auseinandersetzungen zwischen Samuel Toledano und der Jüdischen Kommission zog sich Mauricio Toledano aus Solidarität zu seinem Vater aus der Kommission zurück.742 Die Konflikte können in Teilen als Folge einer Zäsur in der internen Entwicklung der jüdischen Gemeinden verstanden werden, in denen seit den 1990er Jahren die alte Führungsschicht sukzessive durch eine jüngere Generation, wie sie David Grebler verkörperte, abgelöst wurde. Die in diesem Zusammenhang entfachten Diskussionen verweisen auf einen Selbstverständigungsprozess innerhalb der jüdischen Gemeinde, der die Art und Weise der Inszenierung jüdischer Öffentlichkeit in Spanien betraf. Wer sollte die jüdische Gemeinde öffentlich repräsentieren und wie sollte dies geschehen? Im Falle der Repräsentanz des spanischen Staates stellte sich weniger die Frage des „wer“ als des „wie“. König Juan Carlos verkörperte sowohl das spanische Staatsoberhaupt als auch den Nachfahren der Katholischen Könige. Allerdings schien das Königshaus zunächst unsicher, in welcher Funktion der König der Zeremonie beiwohnen sollte. Nachdem die jüdische Seite Offenheit in der Kleidungsfrage signalisiert hatte, schlug das Königshaus vor, dass der König in seinem militärischen Aufzug bei der Zeremonie erscheine. Dieser Vorschlag stieß auf Widerstand der Jüdischen Kommission, die eine militärische Selbstinszenierung des Königs angesichts des Gedenkanlasses für unangemessen hielt. Schließlich trug der König zivile Kleidung und eine Kippa und erfüllte damit auf symbolischer Ebene alle Erwartungen der jüdischen Gemeinde.743 Was die Inhalte der Reden betraf, so wurde hier ein Thema virulent, das während der gesamten Vorbereitungsphase von Sefarad 92 latent mitschwang und innerhalb der jüdischen Gemeinde kontrovers diskutiert wurde: die Frage der andauernden Gültigkeit des Vertreibungsdekrets von 1492.744 Die Brisanz 741 Vgl.: Antwortschreiben von David Grebler an Samuel Toledano, Barcelona, 27. 2. 1992; ACNJS92, Cj. o. A. 742 Gespräch der Verfasserin mit David Grebler, Barcelona, 21. 10. 2010. Der Psychoanalytiker und Schriftsteller Arnoldo Liberman kritisierte in der Zeitschrift Races die Zerstrittenheit innerhalb des Organisationskomitees und der jüdischen Gemeinde, die eine angemessene Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit des Gedenkens verhindert hätten, vgl.: „Sefarad ’92: Hora de balances. II. Preguntas, respuestas“, in: Races, 13/1992, 19. 743 Jacques Laredo erinnert sich, dass es im Vorfeld Stimmen innerhalb der jüdischen Gemeinde gegeben habe, die es zur Bedingung gemacht hätten, dass der König eine Kopfbedeckung trage. (Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009.) Vgl. auch: „Entrevista. David Grebler“, in: Zafir, 17/1992, 7. 744 Javier Rubio nahm die im Kontext des historischen Jubiläums auf jüdischer Seite an die spanische Regierung gestellten Forderungen, das Vertreibungsedikt von 1492 aufzuheben, zum Anlass, sich in einem Artikel der Geschichte dieser seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zwischen jüdischen Repräsentanten und dem spanischen Staat verhandelten Frage zu nähern, vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 143 – 156. Auch in der spanischen Öffentlichkeit ließ sich im Kontext des historischen Jubiläums ein gesteigertes Interesse an der Geschichte der Vertreibung der Juden erkennen, der sich sogar eine Fernsehsendung widmete, vgl.: „La verdad sobre la expulsiûn de los judos. Federico Jim¦nez Losantos presenta un programa especial en Antena 3 TV“, in: Ya, 31. 3. 1992, 55.
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dieses Themas, die daraus resultierte, dass sich hier ein Opfer- und ein Tätergedächtnis gegenüberstanden, zeigte sich daran, dass beide Seiten im Vorfeld die Redemanuskripte der jeweils anderen Seite überprüften.745 Einige jüdische Organisationen und Persönlichkeiten, an prominenter Stelle Mauricio Hatchwell Toledano während seiner Zeit als Vorsitzender des Internationalen Jüdischen Komitees oder der Nobelpreisträger Elie Wiesel, hatten im Vorfeld die offizielle Aufhebung des Ediktes durch den spanischen König gefordert.746 Die Nationale Jüdische Kommission versuchte diesen Konflikt zugunsten einer konsensualen Erinnerung zu lösen und legte sich nach internen Diskussionen darauf fest, dass der König klarstellen sollte, dass es sich um einen historischen Erlass ohne Wirkung für die Gegenwart handele.747 In einem Programmentwurf vom Juli 1991 heißt es, dass der König das Edikt nicht widerrufen, aber bedauern sollte.748 Eine in La Vanguardia veröffentlichte Umfrage zu diesem Thema zeigte, dass die Mehrheit der Befragten von der aktuellen Regierung keine Entschuldigung, aber einen angemessenen Umgang mit der Geschichte erwartete.749 Diese Debatte verdeutlicht, dass sich zwar von staatlicher Seite das im Rahmen der Veranstaltung inszenierte offizielle Gedächtnis regulieren und bis zu einem gewissen Grad kontrollieren ließ, die öffentliche Rezeption und Diskussion aber kaum. Während sich die direkt Beteiligten der spanisch745 Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010. Lisbona zufolge mussten die jüdischen Redner ihre Manuskripte durch das Außenministerium überprüfen lassen, da dieses verhindern wollte, dass Forderungen nach Aufhebung des Ediktes oder Reparation erhoben würden, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 365. 746 Vgl. z. B.: C. I. B., El Comit¦ Internacional Judo pide a EspaÇa que derogue el edicto de expulsiûn de 1492, in: ABC, 10. 8. 1991, 40. Lisbona berichtet, dass infolge dieser Petitionen im Herbst 1991 in zwei Ministerien Material über das Vertreibungsedikt und sein Fortwirken in der neueren Gesetzgebung erstellt wurden. Als Ergebnis dieser Überprüfung sei festgestellt worden, dass eine Aufhebung des Ediktes nicht notwendig sei. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 361. Rubio zufolge traten der Rabbiner der CJM Benito Garzûn und Uriel Macas Kapûn bereits 1990 mit der gleichen Forderung an die Öffentlichkeit, vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 144. Zu den Forderungen von Macas Kapûn vgl.: Ders., EspaÇa y los sefardes, in: El Pas, 19. 10. 1990. Zur Diskussion um die Gültigkeit vgl. auch einen Leserbrief von Carlos Benarroch, Vizepräsident der Entesa Judeo-Cristiana de Catalunya: „Edicto de Expulsiûn“, in: ABC, 18. 3. 1992, 16. Auch der zweite Sommerkurs zur hispanojüdischen und sephardischen Kultur in Toledo widmete sich im Jahr 1992 der Vertreibung der Juden, vgl.: Izquierdo Benito, Ricardo (Hg.), La expulsiûn de los judos de EspaÇa. Conferencias pronunciadas en el II Curso de Cultura Hispano-juda y Sefard de la Universidad de Castilla-La Mancha, celebrado en Toledo del 16 al 19 de septiembre de 1992, Toledo 1993. Zu Elie Wiesels Engagement in der internationalen Vorbereitungskommission vgl.: Graca, Fernando, Elie Wiesel, Nobel de la Paz: „Israel sufre al hacer sufrir“, in: Diario 16, 24. 4. 1990, 29. 747 Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009. 748 Vgl.: Comisiûn Nacional Juda Sefarad ’92, Programa, Juli 1991, 14; ACNJS92, Cj. 1. 749 Vgl.: „Encuesta. ¿Debe EspaÇa pedir perdûn por la expulsiûn de los judos en 1492?“, in: La Vanguardia, 14. 12. 1991; ACNJS92, Cj. 3. Auch Rubio verweist auf das mediale Interesse an der Frage der Gültigkeit des Vertreibungsediktes im Zusammenhang mit Sefarad 92, vgl.: Rubio, La derogaciûn del edicto, in: Sefarad, 1/1993, 143 ff.
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jüdischen Kommission auf einen gemeinsamen Erinnerungskonsens verpflichten ließen, traf dies auf andere Personen und Gruppen nicht zu. Dass sich die Jüdische Kommission trotz der hier skizzierten Reibungspunkte weitgehend in den von staatlicher Seite vorgegebenen Rahmen fügte, kann auch darauf zurückgeführt werden, dass in ihr eine bestimmte Führungselite organisiert war, die teilweise zur gleichen Zeit an Verhandlungen mit dem spanischen Staat über einen Staatsvertrag beteiligt war. Im Nachbarland Portugal hatte sich der Staatspräsident bereits 1989 anlässlich eines Synagogen-Besuchs offiziell „für die Verbrechen, die ,im Namen Portugals‘ an den Juden begangen wurden“, entschuldigt. Sieben Jahre später hob das portugiesische Parlament das 1496 dort gegen die Juden erlassene Vertreibungsedikt auf.750 Die von der Jüdischen Kommission ebenfalls für das Jahr 1992 gewünschte symbolische Versöhnung mit der katholischen Kirche blieb aus, da Querub zufolge weder aufseiten der spanischen Bischofskonferenz noch aufseiten der Regierung der Wille oder das Interesse vorhanden waren.751 Für die Kirche stand 1992 das Gedenken an die Evangelisierung Amerikas im Mittelpunkt.752 Zudem wurde eine Aussöhnung durch das Betreiben einiger konservativkatholischer Kreise, die Seligsprechung der Königin Isabel ausgerechnet im Jahr 1992 zu erreichen, infrage gestellt.753 Zumal als Grund für ihre von der internationalen Kommission um den Erzbischof von Puerto Rico Luis Aponte 750 Zit.n.: Studemund-Hal¦vy, Michael, Zwischen Rückkehr und Neuanfang: Juden in Portugal, in: Briesemeister, Dietrich/Schönberger, Axel (Hg.), Portugal heute. Politik Wirtschaft Kultur, Bibliotheca Ibero-Americana 64, Frankfurt a.M. 1997, 306. Vgl. auch: Martins, Jorge, Portugal e os Judeus. Volume III: Judasmo e Anti-Semitismo no S¦culo XX, Lissabon 2006, 28. 751 Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009. 752 Vgl.: Berdasco, Somoano, Homila en la misa de Acciûn de Gracias del V Centenario del Descubrimiento y Evangelizaciûn de Am¦rica. Catedral de Oviedo, 12 de octubre de 1992, Oviedo 1992; ebenso wie die verschiedenen Beiträge in Ecclesia im Jahr 1992. Genauere Informationen zu der angestrebten Versöhnung mit der katholischen Kirche ließen sich aus den Quellen nicht entnehmen. 753 Eine durch den König Juan Carlos an die Kirche überreichte Petition der Jüdischen Kommission blieb ohne Antwort. Mit der Petition wollte die Jüdische Kommission die „Rückgabe“ der ehemaligen Synagoge Santa Mara la Blanca in Toledo erreichen. (Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009.) Zum Projekt der Seligsprechung Isabels vgl. z. B.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 261. Joan i Tous und Nottebaum zufolge unternahm die spanische Kirche Anfang der 2000er Jahre einen erneuten Vorstoß, um die Selig- und Heiligsprechung Isabels zu erreichen. Außerdem verweisen sie auf den weiterhin bestehenden Orden „Isabel la Catûlica“, der dem spanischen Außenministerium untersteht. Vgl.: Joan i Tous/Nottebaum, El olivo y la espada, in: Dies. (Hg.), El olivo y la espada, XXII; Real Decreto 2395/1998, de 6 de noviembre, por el que se aprueba el Reglamento de la Orden de Isabel la Catûlica, BOE 279, 21. 11. 1998, 38362 – 38371. Zur zeitgenössischen Wahrnehmung vgl. z. B.: Mates, Reyes, Isabel la Catûlica y la expulsiûn de los judos, in: El Pas, 29. 3. 1991; Valls, Francecs, Isabel la Catûlica actuû contra la doctrina de la Iglesia, segffln el cardenal Lustiger, in: Ebd., 6. 7. 1991; Rosa, Jos¦ Luis, Isabel la Catûlica, la mitad de la mitad, in: Ebd., 19. 7. 1991; Moreno, Marif¦, El comit¦ pro canonizaciûn de Isabel la Catûlica culpa al Papa de paralizar el proceso, in: Ebd., 28. 6. 1992. *
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angestrebte Selig- und spätere Heiligsprechung u. a. ihre Verdienste um die Schaffung der katholischen Einheit Spaniens angeführt wurde.754 Das zweite Problemfeld ergab sich im Zusammenhang mit der Wahl des Ortes, da dieser selbst bereits Aussagekraft besaß. Die staatlichen Akteure bevorzugten einen historischen Ort, d. h. einen Ort, an den bereits Erinnerungen gekoppelt waren. Durch eine solche Ortswahl könne zum einen die Symbolik der Veranstaltung gestärkt, zum anderen deren Charakter als Gedenkzeremonie unterstrichen werden. Die Regierung schlug daher die historische Synagoge Santa Mara la Blanca in Toledo vor, wobei Toledo ihr als Symbol für das mittelalterliche Zusammenleben der Drei Kulturen galt, was sie mit ihrem Gedenkprogramm zu Sefarad 92 unterstrich.755 Die Jüdische Kommission wandte sich aus drei Gründen entschieden dagegen: Erstens handelte es sich bei Santa Mara la Blanca um keine aktive Synagoge, jahrhundertelang war sie außerdem als Kirche genutzt worden. Zweitens sollte die Veranstaltung ihrer Ansicht nach in der Hauptstadt Madrid stattfinden und drittens war die Zeremonie nicht den Drei Kulturen sondern der Beziehung zwischen Spanien und den Juden gewidmet. Die Jüdische Kommission und die FCJE hielten die Beth Yaacov-Synagoge der CJM für einen angemessenen Veranstaltungsort und konnten sich mit dieser Wahl durchsetzen.756 Der Gedenkzeremonie am 31. März 1992 in der Madrider Synagoge wohnten neben dem spanischen König der israelische Präsident, Mitglieder der spanischen Regierung, Repräsentanten jüdischer Organisationen, u. a. Yitzhak Navon als Vorsitzender des Internationalen Jüdischen Komitees, die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden aus Spanien757 und der FCJE sowie die Organisatoren bei.758 Als weitere jüdische Gäste waren u. a. der sephardische 754 Ein radikaler Verfechter der Seligsprechung, der jegliche Kritik an dieser als jüdische (Welt-) Verschwörung zurückweist, ist: Fuente de la Ojeda, A. G., V Centenario. Fiesta de la Hispanidad, Barcelona 1991, 89 – 111. Zum Bemühen, den vom Vatikan gestoppten Seligsprechungsprozess wieder aufzunehmen, vgl. auch: Carta a su Santidad el Papa Juan Pablo II; Quince intelectuales a favor de la beatificaciûn de Isabel la Catûlica, beides abgedruckt in: Ebd., 155 – 156, 157 – 160. Zu der vom Autor behaupteten antijüdischen Verschwörung in Zusammenhang mit dem Quinto Centenario vgl.: Ebd., 161 – 164. 755 Lisbona vermutet dahinter das Bestreben nach einer Dezentralisierung des Gedenkprogramms, vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 361. 756 Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009; Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009. Aus der Akte einer Vollversammlung der FCJE geht hervor, dass die Organisation eine Umbenennung der historischen Synagogen in Toledo anstrebte, die bis dahin katholische Namen trugen. Weshalb dieses Projekt nicht weiter verfolgt wurde, ist unklar, vgl.: Acta de la Asamblea General de la Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa, Madrid – 4 de marzo de 1.990; AFCJE, Carpeta: Actas Asambleas, Covenio-Estado. 757 Die Namen der Vorsitzenden finden sich bei: Lisbona, Retorno a Sefarad, 366. 758 Der Außenminister Francisco Fernndez OrdûÇez und der Justizminister Toms de la Quadra repräsentierten die spanische Regierung, weiterhin waren vertreten der Präsident der Autonomen Gemeinde Madrid Joaqun Leguina, der Bürgermeister der Hauptstadt Jos¦ Mara Ýlvarez del Manzano, der Präsident des Staatsrates Fernando Ledesma, verschiedene Staatssekretäre, Jorge Dezcallar und der Generaldirektor für Religiöse Angelegenheiten Dionisio
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Großrabbiner Salomûn Gaûn, der Präsident der jüdischen Gemeinde aus Saloniki, Leûn Benmayor, Vertreter der sephardischen Gemeinden aus Marokko, Casablanca, der Türkei und Sarajevo anwesend.759 Nachdem sich das spanische Königspaar im Goldenen Buch der jüdischen Gemeinde von Madrid verewigt hatte, richtete deren aktueller Präsident Jacques Laredo ein Grußwort an die Anwesenden. Es folgten weitere Reden von Samuel Toledano, vom Co-Präsidenten des Internationalen Jüdischen Komitees, Edmond Safra, sowie von Max Mazin. Anschließend betete der Rabbiner Yudah Benasuly für den spanischen König und den israelischen Präsidenten. Salomûn Gaûn segnete die beiden Staatsoberhäupter auf Ladino.760 Chaim Herzog nahm in seiner Rede für sich in Anspruch, als Oberhaupt des Staates Israel und als Repräsentant des jüdischen Volkes zu sprechen. Als israelisches Staatsoberhaupt verstand er seinen Besuch in Spanien als Überwindung der historischen Wunden und als Beitrag zur Versöhnung zwischen beiden Völkern und Regierungen.761 Als Vertreter des jüdischen Volkes verwies er auf die zentrale Bedeutung des Jahres 1492 für das jüdische kollektive Gedächtnis, versicherte aber zugleich: „in unserem kollektiven Gedächtnis erinnern wir nicht nur das Spanien der Inquisition, sondern auch das Spanien, in dem für hunderte Jahre eine großartige jüdische Kultur geblüht hat, die grundlegende Werke im Bereich der Theologie, der Philosophie und der Literatur schuf, dies alles wohnt unserer Kultur bis zum heutigen Tage inne“.762
759 760 761
762
Llamazares. Die Nationale Kommission Quinto Centenario und die Staatliche Gesellschaft waren repräsentiert durch: Luis YÇez-Barnuevo, Pina Lûpez Gay, Ýngel Serrano und Manuel Sassot. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 366. Vgl.: Ebd., 366 f, weitere Gäste: 370, Anm. 6. Vgl.: „Visita de Sus Majestades los Reyes y del Presidente del Estado de Israel a la Sinagoga ,Beth Yaacov‘ de Madrid. 31 de marzo 1992 – 26 de adar 28 de 5752“, ACJM, 323.15(460)ESPdis. Die von Herzog mehrfach hervorgehobene Versöhnung zwischen dem israelischen und dem spanischen Volk wurde von El Pas am Folgetag als eine Formulierung charakterisiert, die der spanischen Regierung missfalle, vgl.: C., I., El Rey celebra en la sinagoga de Madrid „el encuentro con los judos espaÇoles“, in: El Pas, 1. 4. 1992. Ohne dass dieses Missfallen näher erklärt wurde, ist zu vermuten, dass die politische Aufladung der Gedenkveranstaltung, die nach Ansicht der spanischen Seite einen rein zeremoniellen und symbolischen Charakter aufweisen sollte, nicht gewünscht war. Die spanische Regierung war darauf bedacht, die Zeremonie nicht als einen bilateralen, spanisch-israelischen Akt erscheinen zu lassen. Es wurden weder die entsprechenden Flaggen gehisst noch die Nationalhymnen gespielt. Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 362, 365. „en nuestra memoria colectiva recordamos no solamente la EspaÇa de la Inquisiciûn sino la EspaÇa en la cul, por cientos de aÇos, floreciû una magnfica cultura juda, creando una obra fundamental importante en teologa, filosofa, literatura; siendo todo esto inherente a nuestra cultura, hasta nuestros das“, Discurso de S.E. Chaim Herzog, Presidente del Estado de Israel pronunciado en la sinagoga de Madrid en conmemoraciûn del quiniento aniversario de la expulsiûn de los judos de EspaÇa con la asistencia de Sus Majestades el Rey Juan Carlos de EspaÇa y la Reina Sofia. 31 de marzo, ACJM 323.15(460)“1992”(042)ISRdis.
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Weiterhin erwähnte er die Hilfe, die das franquistische Regime den verfolgten Juden während des Zweiten Weltkrieges geleistet habe, indem es etwa jüdischen Flüchtlingen aus Frankreich und den Niederlanden Unterkunft gewährt und Juden mit spanischen Wurzeln aus Konzentrationslagern befreit habe.763 Der israelische Präsident signalisierte dem spanischen Staat eine versöhnliche Haltung und die Bereitschaft, durch positive Erinnerungen eine Basis für eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Zugleich betonte er als Vertreter der israelischen Juden gegenüber der jüdischen Diaspora die zentrale Bedeutung von Sepharad für das kollektive jüdische Gedächtnis.764 Im Gegensatz zu seinem Vorredner bezog sich der spanische König nicht auf die spanisch-israelischen Beziehungen.765 Für ihn stellte die Zeremonie, wie er einleitend feststellte, ein „Treffen der spanischen Juden oder der in Spanien lebenden [Juden, A. M.] mit ihren Königen“ dar.766 Dass sich dieses Treffen ausgerechnet im Kontext einer Gedenkzeremonie an eine historische „Entzweiung“767 vollziehe sei paradox, verweise aber zugleich auf die jeder Geschichte innewohnenden Schatten- und Lichtseiten. Im Folgenden konzentrierte sich der „König der spanischen Juden“ auf die Lichtblicke der spanisch-jüdischen Vergangenheit, zu denen für ihn das friedliche Zusammenleben, die wissenschaftliche und künstlerische Produktivität sowie die Bewahrung dieser Kultur durch die spanischen Sepharden gehörten. Diese Sichtweise, die die Sepharden auf ihre Funktion als Träger hispanischer Kultur reduziert, schwächte aus spanischer Perspektive die Bedeutung des Ausweisungsediktes als Zäsur ab. Zwar endete die sephardisch-hispanische Kultur 1492 auf der Iberischen Halbinsel, sie setzte sich aber an geografisch anderen Orten, wie auf dem Balkan oder in Nordafrika, fort.
763 Ob es sich dabei um historische Unkenntnis oder eine bewusste „Schönfärberei“ der historischen Tatsachen im Sinne aktueller Bedürfnisse – hier der angestrebten Versöhnung – handelte, bleibt offen. 764 Vgl.: Discurso de S.E. Chaim Herzog, 31 de marzo, ACJM 323.15(460)“1992”(042)ISRdis. 765 Am Vorabend der Veranstaltung in der Synagoge hatte das spanische Königspaar den israelischen Präsidenten und die Mitglieder der Jüdischen Kommission bereits zu einem Galadinner in den Königspalast geladen. Die bei dieser Gelegenheit von Juan Carlos gehaltene Rede betont ebenfalls das Motiv der „Wiederbegegnung“, weist aber zugleich einen starken IsraelBezug auf. So heißt es gleich zu Beginn: „Cerramos entonces una pgina del pasado y abrimos plenamente las puertas a un renovado espritu de los antiguos lazos entre Sefarad y el pueblo judo y a los de la EspaÇa actual con Israel.“, Palabras de Su Majestad el Rey en la cena de gala ofrecida en honor del Presidente de Israel, Sr. Haim Herzog, Palacio Real de Madrid, 30 de marzo de 1992, http://www.casareal.es/noticias/news/2099-ides-idweb.html, 8. 10. 2010. 766 „encuentro de los judos espaÇoles, o residentes, con sus Reyes“, Discurso de S.M. el Rey en la Sinagoga de Madrid, 31 de marzo de 1992, ACJM, 232.15(460)“1992”(042)ESPdis. Bei anderer Gelegenheit bezeichnete der König die Veranstaltung in der Synagoge als eine „cita con nosotros mismos y nuestra historia“, Palabras de Su Majestad el Rey en la cena de gala, 30 de marzo de 1992, http://www.casareal.es/noticias/news/2099-ides-idweb.html, 8. 10. 2010. 767 „desencuentro“, Discurso de S.M. el Rey, 31 de marzo de 1992, ACJM, 232.15(460)“1992”(042) ESPdis.
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„Und hier müssen wir dankend die Gastfreundschaft der Länder zur Kenntnis nehmen, die die aus ihrer Heimat vertriebenen Spanier aufnahmen und erlaubten, dass auf ihrem Boden jahrhundertelang hispanische Kulturzentren florierten.“768
Das demokratische Spanien mit seinem Bekenntnis zu Diversität und Pluralismus bot dem König zufolge den geeigneten Rahmen für eine „Rückkehr nach Sepharad“ und ein Anknüpfen an die mittelalterliche Blütezeit.769 „Sepharad ist keine Sehnsucht mehr, sondern ein Ort, an dem man den Juden nicht zu sagen braucht, sie sollen sich wie zuhause fühlen, denn die spanischen Juden sind zuhause, in dem Zuhause aller Spanier gleich welchen Glaubens und welcher Religion“.770 Diese als Beweis für die spanisch-jüdische Versöhnung viel zitierte Formulierung des spanischen Königs erscheint bei genauerer Betrachtung vor allem als eine Feststellung gesellschaftlicher Realitäten. Zum einen handelte es sich in erster Linie um eine Botschaft an die spanischen bzw. Spanisch sprechenden Juden. Ihnen wurde signalisiert, dass sie als Bewahrer spanischer Kultur als zu Spanien zugehörig angesehen wurden. Weniger hingegen handelte es sich um eine Botschaft an die gesamtspanische, mehrheitlich nicht-jüdische, Gesellschaft, z. B. in Form eines Aufrufes zu mehr Toleranz oder zu einem jüdisch-christlichen Dialog zum Abbau von Vorurteilen und Antisemitismus. Der Topos der convivencia diente im offiziellen Diskurs ohnehin in erster Linie als Verweis auf die in der Vergan768 „Y aqu debemos valorar y agradecer la hospitalidad de los pases que acogieron a aquellos espaÇoles expulsados de su Patria que permitieron que durante siglos florecieran focos de cultura hispnica en su seno.“, Discurso de S.M. el Rey, 31 de marzo de 1992, ACJM, 232.15 (460)“1992”(042)ESPdis. Eine ähnliche Deutung findet sich in der Begründung der Jury anlässlich der Verleihung des Premio Prncipe Asturias de la Concordia an die sephardischen Gemeinden im Jahr 1990. Darin heißt es, dass die von der Iberischen Halbinsel vertriebenen Sepharden zu einem „Wander-Spanien“ („EspaÇa itinerante“) geworden seien, welches das kulturelle und sprachliche Erbe seiner Vorfahren über Jahrhunderte bewahrt habe. Mit der Auszeichnung sollten die sephardischen Gemeinden dazu eingeladen werden, ihre Wurzeln „wiederzutreffen“, zugleich symbolisierte sie die dauerhafte Öffnung der Türen zu ihrer alten Heimat: http://www.fpa.es/premios/1990/comunidades-sefardies/, 8. 10. 2010. Zu der Interpretation der Preisverleihung als einer Rückkehr der Sepharden und einer Wiederbegegnung mit Spanien vgl. auch die Ausgabe 2/1990 der vom Internationalen Jüdischen Komitee herausgegebenen Zeitschrift Sepharad’92, 1ff, 6. Während der offiziell-spanische Erinnerungsdiskurs immer wieder auf die Verbundenheit der Sepharden zu ihrer ehemaligen Heimat rekurriert, betont Webber, dass das traditionelle jüdische Diaspora-Gedächtnis gerade nicht auf Gefühle des „Zuhauseseins“ aufbaue, vgl.: Webber, Notes Toward the Definition of „Jewish Culture“, in: Gitelman/Kosmin/Kovcs (Hg.), New Jewish Identities, 322. 769 „retorno a Sefarad“, Discurso de S.M. el Rey, 31 de marzo de 1992, ACJM, 232.15 (460)“1992”(042)ESPdis. Auch im Kontext des Gedenkprogramms al-Andalus ’92 hielt der König eine Rede, in der er ein „neues al-Andalus“, verstanden als Phase „gelebter Toleranz“, in Aussicht stellte: Voß, Die zweite Reconquista?, in: Menny/Dies. (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 64. 770 „Sefarad no es ya una nostalgia sino un hogar en el que no debe decirse que los judos se sienten como en su propia casa, porque los hispano-judos estn en su propia casa, en la casa de todos los espaÇoles con independencia de cual sea su credo o religiûn“, Discurso de S.M. el Rey, 31 de marzo de 1992, ACJM, 232.15(460)“1992”(042)ESPdis.
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genheit ausreichend bewiesene Toleranz.771 Zum anderen existierten 1992 zwölf anerkannte jüdische Gemeinden, und die FCJE hatte mit der Regierung einen Staatsvertrag ausgehandelt, der kurz vor der Verabschiedung stand. Zu dem Verhältnis zu den als nicht-spanisch erachteten Juden war damit nichts gesagt, sodass nur von einer selektiven Integration gesprochen werden kann, die nicht auf der Akzeptanz der Sepharden als Juden, sondern vielmehr als Spanier basierte.772 Allerdings ließ der König offen, wer die „spanischen Juden“ waren. Dass diese Formulierung sich auf die Sepharden bezog, zumindest auf die in Spanien lebenden, davon ist angesichts des historischen Jubiläums auszugehen. Ob darüber hinaus auch die aus Lateinamerika eingewanderten Spanisch sprechenden Aschkenasen gemeint waren, bleibt offen. Zugleich widersetzte sich der König mit seiner Rede der von der Jüdischen Kommission vorgegebenen Rollenverteilung, indem er als Gastgeber den spanischen Juden ein „Wohnrecht“ zusprach. Während Prinz Felipe zwei Jahre zuvor, anlässlich der Verleihung des Premio Prncipe Asturias de la Concordia gegenüber den im asturischen Oviedo versammelten Sepharden versichert hatte: „Im Geiste der Eintracht im heutigen Spanien und als Nachfolger derjenigen, die vor 500 Jahren das Vertreibungsedikt erließen, empfange ich sie [die Sepharden, A. M.] tief bewegt und mit offenen Armen“,773 unterließ der König einen Verweis auf die Herrschaftsgenealogie in seiner Rede ebenso wie eine Entschuldigung oder eine explizite Verortung des Ediktes in der Geschichte, die von den jüdischen Organisatoren gewünscht worden war. In der spanischen Presse wurden die Äußerungen des Königs vielfach zitiert und als Versöhnung mit den Sepharden gefeiert. In ABC vom 1. April 1992 heißt es: „Gestern hat der Festakt, der in der Synagoge von Madrid begangen wurde, das vor fünfhundert Jahren abgerissene Band in einer Feier der Wiederbegegnung wieder aufgenommen [und] in einer historischen Versöhnung, die Verbannung – nicht von einem Volk, sondern von einem religiösen Bekenntnis – überwunden.“774 771 Zu einem ähnlichen Befund kommt Britta Voß für den Umgang mit dem arabisch-maurischen Erbe, vgl.: Voß, Die zweite Reconquista?, in: Menny/Dies. (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 64. 772 In diesem Zusammenhang verweisen Daniela Flesler und Adrin P¦rez Melgosa auf die fruchtlosen Bemühungen sephardischer Organisationen, den Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft für im Ausland lebende Sepharden zu ermöglichen, vgl.: Dies., Marketing Convivencia, in: Afinogu¦nova/Mart-Olivella (Hg.), Spain Is (Still) Different, 76. 773 „Desde el espritu de Concordia de la EspaÇa de hoy, y como heredor de quienes hace quinientos aÇos firmaron el Decreto de Expulsiûn, yo los recibo con los brazos abiertos y con una gran emociûn“, Discurso del Prncipe, abgedruckt in: Sepharad’92, 2/1990, 3. 774 „Ayer, el acto celebrado en la sinagoga de Madrid, volva a unir los lazos rotos hace quinientos aÇos en una celebraciûn del reencuentro, en una reconciliaciûn histûrica que borraba el destierro, no de una raza, sino de un credo religioso.“, Bustos, Clara Isabel de, Los Reyes proclaman que „Sefarad ya no es una nostalgia sino un hogar“ para todos los sefardes, in: ABC, 1. 4. 1992, 61. In der gleichen Ausgabe war die vollständige Rede des Königs abgedruckt:
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Der gleiche Artikel lobt weiter, dass alle Redner ohne Nostalgie oder Groll an die Vergangenheit erinnert und diese zugleich als überwunden dargestellt hätten.775 In El Pas wurde der Versöhnungsgedanke ebenfalls aufgegriffen. Das gegenwärtige Spanien könne für die Brutalität der Vergangenheit nicht verantwortlich gemacht werden, strecke aber seine Hände in Richtung der sephardischen Gemeinschaft aus.776 Die Rede des spanischen Königs ist in ihrer offiziell-symbolischen Wirkmächtigkeit für die spanische Mehrheitsgesellschaft daher kaum zu unterschätzen, diente das Bekenntnis des Staatsoberhauptes zu Diversität und Pluralität doch der Rückversicherung und zugleich Legitimierung des demokratischen Spaniens.777 Mit dem in seiner Rede gewählten Bild von Spanien als einem Zuhause für alle Spanier reagierte er auf das Bedürfnis nach einer Antwort auf die Frage der Selbstbestimmung der Nation angesichts der demografischen und gesellschaftlichen Umbrüche. Der König erklärte – um im Bild zu bleiben – die Stabilität des Hauses „Spanien“, in dem verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen zusammenwohnen könnten. Als Bindeglied dieser heterogenen Wohngemeinschaft machte er das Spanischsein der Bewohner aus. Welchen Platz die verschiedenen Bewohner in dem Gebäude einnehmen sollten – ob im Souterrain oder in der Beletage – erwähnte der König hingegen nicht.778 Dieses Auslassen kann als ein offenes Deutungsangebot an die Gesellschaft verstanden werden, wodurch die Identifikation mit dem Inhalt der Botschaft erhöht werden sollte. Für die spanisch-jüdische Öffentlichkeit hielt die Rede des Königs eine weitere Botschaft bereit: die Bestätigung ihrer Zugehörigkeit zur Nation, die
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„El Rey : ,Que nunca ms odio e intolerancia‘“, in: Ebd., 52. Vgl. z. B. auch: „Editoriales: Encuentro en Sefarad“, in: Ecclesia, 2576, 18. 4. 1992, 5. Dort heißt es: „Creemos sinceramente que los actos celebrados en las sinagogas de Toledo y de Madrid son una digna manera de reparaciûn.“ Auch in den Zeitungen Diario 16 und El Mundo wurde die Zeremonie in der Synagoge als Akt der Versöhnung, als Schließen einer historischen Wunde und als Neubeginn gewertet. Der König erscheint dabei als Hauptakteur, vgl.: „Un rey catûlico, en la sinagoga de Sefarad 500 aÇos ms tarde“, in: El Mundo, 31. 3. 1992, 3; „Un rey catûlico, en la sinagoga“, in: Ebd., 31. 3. 1992, 43; „EspaÇa y el pueblo judo“, in: Ebd., 1. 4. 1992, 3; Vera, Juana, Reconciliaciûn del Rey con el pueblo judo, a los 500 aÇos de la expulsiûn, in: Ebd., 1. 4. 1992, 50; „Quinientos aÇos despu¦s“, in: Diario 16, 1. 4. 1992, 3. Vgl.: Bustos, Los Reyes proclaman que „Sefarad ya no es una nostalgia sino un hogar“ para todos los sefardes, in: ABC, 1. 4. 1992, 61. Vgl.: „Editorial: Sefarad“, in: El Pas, 31. 3. 1992. „El aÇo 1992, en el que se conmemoraba el quinto centenario de la amarga expulsiûn, sirviû, no obstante, para hacer las paces. En el solemne acto oficial de reconciliaciûn que se celebrû en Madrid, Juan Carlos I, rey de EspaÇa, reconociû los graves errores del pasado, pero al mismo tiempo afirmû su plena convicciûn de que nunca ms volveran a florecer en la piel de toro actitudes de odio y de intolerancia.“, Valdeûn Baruque, Judos y conversos, 12. Rozenberg zufolge protestierten rechte und antisemitische Gruppierungen gegen die Veranstaltung am 31. März, vgl.: Rozenberg, L’Espagne contemporaine et la question juive, 262. Zur Haus-Metapher für die Charakterisierung der spanischen Gesellschaft vgl.: Rehrmann, Das schwierige Erbe von Sefarad, 11.
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sich ebenso in der Anerkennung der jüdischen Vergangenheit wie der jüdischen Gegenwart ausdrückte. Neben der sprachlichen Ebene griff der König auf die Ebene der Selbstinszenierung zurück und wählte das Symbol der Kippa als Verweis auf die Anerkennung der religiösen Pluralität. Auf jüdischer Seite wurde diese Geste als eine Art „visueller Kniefall“ gewertet, eine Geste des Respekts, bei der auch das unausgesprochene Eingeständnis der historischen – wenn nicht Schuld, so doch – Verantwortung mitschwang.779 Das Bekenntnis kam daher sowohl dem jüdischen Bedürfnis nach Teilhabe am kollektiven Gedächtnis als auch nach Teilhabe an der Gesellschaft entgegen. Für den Mitorganisator Isaac Querub waren auf der symbolischen Ebene alle Erwartungen der Jüdischen Kommission erfüllt worden, und auch Laredo sieht in der offiziellen Zeremonie rückblickend ein sehr bedeutendes Ereignis für die jüdische Gemeinde in Spanien.780 Gegenüber der Zeitschrift Cambio 16 erklärte der Madrider Rabbiner Mois¦s Ben Dahan noch im selben Jahr, dass das Programm rund um Sefarad 92 in der jüdischen Gemeinde weniger als Gedenken denn vielmehr als „eine wahre Wiederbegegnung“ aufgenommen worden sei.781 Eine vorläufige Bewertung von Sefarad 92 in der jüdischen Zeitschrift Races im Herbst 1992 zeigte allerdings, dass sowohl von den Herausgebern als auch von den Befragten eine Umsetzung der symbolischen Bekenntnisse in konkrete Ergebnisse vermisst wurde. Im Mittelpunkt der Kritik stand der lediglich temporäre Charakter der Beschäftigung mit der spanisch-jüdischen Vergangenheit.782 Die Reden der jüdischen Repräsentanten am 31. März 1992 fügten sich in den Versöhnungsdiskurs des spanischen Königs ein, sie fokussierten auf die 779 Zum Kniefall als politische Geste vgl.: Hille, Nicola, Willy Brandts Kniefall: Die politische Bedeutung, emotionale Wirkung und mediale Rezeption einer symbolischen Geste, in: HeinKircher/Suchoples/Henning Hahn (Hg.), Erinnerungsorte, Mythen und Stereotypen, 163 – 185. 780 Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009; Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009. Auch Julin Garca Hernando, Vorsitzender der Bischofskonferenz für interkonfessionelle Beziehungen, sah in der Veranstaltung am 31. März eines der herausragenden Ereignisse des Jahres 1992, vgl.: Garca Hernando, Julin, Acto histûrico en la sinagoga de Toledo, Madrid, 30. 03. 1992, in: Comisiûn Episcopal de Relaciones Interconfesionales (Hg.), Cristianos y judos, 89. In dem „Informe moral presentado por el Secretario General a la Asamblea de la Federaciûn, celebrada en Mijas el 7 de febrero de 1993“ heißt es: „La enorme publicidad que los medios de comunicaciûn dieron al acto contribuir sin duda a mejorar la imagen del judasmo espaÇol aqu y en el resto del mundo.“ (AFCJE, Carpeta: Actas Asambleas, Covenio-Estado). 781 „un verdadero reencuentro“, zit.n.: Paso, Leonardo, Los judos no se fueron, in: Cambio 16, 1068/1992, 42. Eine in dem gleichen Artikel zitierte Sephardin beschreibt die Rede des spanischen Königs in der Madrider Synagoge als eines der schönsten Erlebnisse ihres Lebens, vergleichbar mit der Geburt eines Kindes: „Sientes que te quieren dar algo que tffl todava no te atrevas a considerar como tuyo“, zit.n.: Ebd., 43. 782 Vgl.: „Sefarad ’92: Hora de balances. I. A modo de editorial“, in: Races, 13/1992, 17; „Sefarad ’92: Hora de balances. II. Preguntas, respuestas“, in: Ebd., 18ff; Hassn, Sefarad ’92: Hora de balances. III, in: Ebd., 22.
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convivencia.783 Samuel Toledano sprach angesichts der verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Verfassung, das Religionsgesetz von 1980 und den Staatsvertrag, der noch im gleichen Jahr verabschiedet werden sollte, von einer „erneuerten Phase der convivencia [Hervorhebung, A. M.]“.784 Max Mazin erinnerte an Ýngel Pulido und dessen philosephardische Kampagne zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie an die spanischen Diplomaten Ýngel Sanz Briz und Ýngel Sagaz, die während des Zweiten Weltkrieges verfolgten Juden spanische Schutzpässe ausstellten.785 Auch David Grebler verwies in seiner Rede auf das spanische Verhalten im Zweiten Weltkrieg und erklärte zugleich 500 Jahre der „Trennung“ für überwunden: „Heute, fünfhundert Jahre danach, machen Eure Majestäten und wir als historische Erben der damaligen Ereignisse, versammelt in dieser Synagoge, es möglich, dass dieser Gedenkakt sowohl ein Akt der Wiederbegegnung als auch der vollständigen und endgültigen Versöhnung ist, und so werden für immer fünf Jahrhunderte der Entfremdung, der Sehnsucht nach einem verlorenen Zuhause, der Bitterkeit der Erinnerung beendet“.786
Ausgehend von diesem ersten „Wiedertreffen“, das einen Impuls für eine neue Phase gegenseitigen Kennenlernens und Respektierens gebe, könne sich eine „neue, reiche und fruchtbare Verbindung zwischen dem Judentum und der Hispanität“787 entfalten. Ebenso wie die Reden der beiden Staatsoberhäupter enthalten die Botschaften der jüdischen Repräsentanten vor allem positive Erinnerungen an die spanisch-jüdische Vergangenheit. Demgegenüber verzichten sie auf die Nennung spezifischer jüdischer oder sephardischer Erinnerungsorte und somit auf die Möglichkeit einer – zumindest punktuell oder vorübergehenden – Erweiterung des kollektiven, durch eine nicht-jüdische Perspektive geprägten Gedächtnisses. Es ist daher Rehrmann zuzustimmen, der die offizielle Zeremonie in der Synagoge wie auch das Galadinner im Königspalast pointiert als vom 783 Benito Ruano stellt eine Engführung des öffentlich-offiziellen Erinnerungsdiskurses im Umfeld des Quinto Centenario auf einige Topoi fest, wie z. B. die Stilisierung des Zusammenlebens der Drei Kulturen zu einer friedvollen convivencia. Demgegenüber hätten die zahlreichen Tagungen und Konferenzen zu einer Vermehrung des Wissens über die historische Phase des Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel beigetragen, vgl.: Benito Ruano, Quinto Centenario, in: Cuadernos de Historia Moderna, 13/1992, 227 – 237. 784 „renovada etapa de convivencia“, zit.n.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 367. In einem Interview mit der Zeitung Ya ließ er sich mit den Worten zitieren: „Ahora ya se puede ser judo y espaÇol“, vgl.: Aganzo, Carlos, Samuel Toledano. „Ya se puede ser judo y espaÇol“, in: Ya, 31. 3. 1992, 60. 785 Vgl.: Lisbona, Retorno a Sefarad, 367. 786 „Hoy, quinientos aÇos despu¦s, vuestras Majestades y nosotros, herederos histûricos de aquellos sucesos, reunidos en esta Sinagoga, hacemos posible que este acto conmemorativo sea a la vez un acto de reencuentro y de reconciliaciûn total y definitivo, cerrando as, para siempre, cinco siglos de desencuentros, de nostalgia por el hogar perdido, de amargura del recuerdo“, Rede von David Grebler, abgedruckt in: Zafir, 17/1992, 2. 787 „nueva relaciûn, rica y fructfera entre el judasmo y la hispanidad“, Ebd., 2.
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„Geist historischer ,Versöhnung‘ und enger ,Verwandtschaft‘ in Sprache und Kultur“788 durchweht beschreibt. Obwohl die Jüdische Kommission die Hauptverantwortung für die Gedenkzeremonie trug, handelte es sich in der öffentlichen Wahrnehmung in erster Linie um einen offiziellen Akt des spanischen Staates, verkörpert durch den König. Davon zeugt auch die nationale und internationale Berichterstattung in der Presse, die die Reden der jüdischen Repräsentanten kaum thematisierte. Als gesamtspanischer Erinnerungsort konnte sich der 31. März in der Folgezeit jedoch nicht als Gedenktag etablieren, ihm fehlt die Sinnzuschreibung für die Gegenwart, da er weder auf ein traumatisches Opfergedächtnis – wie es für die jüdische Gemeinschaft der Fall ist – noch auf eine legitimierende Erinnerung verweist.789 Es blieb bei einer einmaligen Inszenierung. *** Das offizielle Gedächtnis an die spanisch-jüdische Vergangenheit hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Das Netz jüdischer Viertel, das Patronat des Call von Girona und die Reiseführer sind Ausdruck einer Popularisierung und damit zusammenhängend einer zunehmenden Kommerzialisierung des jüdischen Erbes. Die Restaurierung jüdischer Viertel und die Sichtbarmachung von Spuren der jüdischen Vergangenheit führten einerseits zu einer Verankerung im lokalen Erfahrungshorizont, andererseits aber nicht zu einer Annäherung an die Gegenwart, da in den meisten Städten die Präsenz des historischen Erbes mit der Abwesenheit gegenwärtigen jüdischen Lebens kontrastiert – die „Jewish spaces“ (Pinto) demnach nicht zu Begegnungsorten mit Juden oder jüdischem Leben werden. Das Bekenntnis zu diesem Erbe sagt so oftmals wenig über das Verhältnis des Erinnernden zur jüdischen Minderheit in der Gegenwart aus. Einer ernsthaften und problemorientierten Auseinandersetzung stehen auch die Zielgruppe der Touristen und ihr vermeintliches Streben nach Erholung und Alltagsflucht entgegen, dem sich die Angebote nicht zu sehr widersetzen wollen. Die untersuchten Reiseführer verweisen auf lokale Aneignungstendenzen der jüdischen Vergangenheit und liefern so Anhaltspunkte für die Regionalisierung dieses Gedächtnisses. Mehrheitlich handelt es sich dabei um einen positiven Konkurrenzkampf, d. h. um den Versuch des Überbietens anderer Städte durch die Herausstellung der „Einzigartigkeit“. Einen Kampf um das 788 Rehrmann, Das Andere und Eigene, in: Burmeister (Hg.), Spanien, 61. Zum Versöhnungsdiskurs beim Galadinner vgl. auch: Pelln, Almudena G., Reencuentro entre la Corona y los judos, in: Ya, 31. 3. 1992, 9. 789 Sabine Offe charakterisiert negative Erinnerungen, wie sie das historische Datum 1492 beinhaltet, als „Schulderbe“ und grenzt diesen Begriff von der amerikanischen Bezeichnung „heritage“ (im Spanischen „herencia“) ab, die sich auf ein positiv konnotiertes Erbe bezieht, vgl.: Offe, Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen, 27.
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Jüdisches Erbe
Gedächtnis verhindert die weitgehende Definitionsmacht des Netzwerkes jüdischer Viertel auf dem Gebiet der touristischen Vermarktung von Sepharad. Im Hinblick auf die Herausbildung eines katalanischen Gedächtnisses zeichnet sich allerdings die Zäsur des Jahres 1391 als zentraler Erinnerungsort ab. Dieser Eindruck wurde durch die Gedenkfeierlichkeiten in Barcelona im Jahr 1992 verstärkt. Der zweite Teil des Kapitels verwies auf Erinnerungskonkurrenzen im Zusammenhang mit der Deutung der spanisch-jüdischen Geschichte. Dass diese im Kontext von Sefarad 92 auftraten, ist darauf zurückzuführen, dass hier verschiedene gesellschaftliche Gruppen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Ansprüchen aufeinandertrafen. Die staatliche Vorbereitungskommission konnte sich mit ihren Vorstellungen im Hinblick auf das Gedenken an Sepharad weitgehend durchsetzen. Unterstützt vom Internationalen Jüdischen Komitee, inszenierte sie Toledo als einen Erinnerungsort für die mittelalterliche convivencia und für eine christlich-jüdische Blütezeit der Kultur und Wissenschaft. Eine Lesart, die in der Folgezeit einen enormen Aufschwung erfuhr und zu einer Mystifizierung und Romantisierung der Vergangenheit beitrug, indem sie „diskriminierende, restriktive und gewalttätige Momente“ ausblendete.790 Der Stilisierung des jüdischen Erbes als Teil des trikulturellen Erbes Spaniens steht jedoch das Ausblenden der maurisch/ arabisch-jüdischen Beziehungen auf der mittelalterlichen Iberischen Halbinsel in erinnerungskulturellen und wissenschaftlichen Diskursen bis in die Gegenwart entgegen.791 Die staatliche Kommission war ebenfalls darauf bedacht, die Vergangenheit als abgeschlossen darzustellen, wodurch sich die Notwendigkeit einer Diskussion um die historische Schuld nicht ergab. Vor diesem Hintergrund ließ sich der 31. März als explizit auf das Vertreibungsedikt verweisender Erinnerungsort nicht etablieren. Die Thematisierung der Schuldfrage erwies sich für die jüdische Gemeinschaft lediglich im Rahmen des regionalen Gedenkprogramms in Katalonien als möglich, das in dieser Hinsicht offener gehalten war und Alternativen zum zentralstaatlichen Gedächtnis beinhaltete. Dass sich die Jüdische Kommission mit ihrer Forderung nach einer Positionierung des Königshauses gegenüber dem historischen Vertreibungsedikt nicht durchsetzen konnte, lässt sich auch auf die inneren Konflikte und Konkurrenzen zurückführen, die eine klare Linie verhinderten. Letztlich standen sich
790 Zur Kritik an dem convivencia-Mythos vgl.: Blasco Martnez, Los judos de la EspaÇa Medieval, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 95 – 101. Blasco Martnez bezeichnet darin das christlich-jüdische Zusammenleben als „Vernunftehe“ (conveniencia). 791 Einige der vereinzelt dazu erschienenen Studien sind: Nirenberg, David, Muslim-Jewish Relations in the Fourteenth Century Crown of Aragon, in: Viator, 24/1993, 249 – 268; Lourie, E., Crusade and Colonisation. Muslims, Christians and Jews in medieval Aragon, Aldershot 1990. Vgl. auch: Blasco Martnez, Los judos de la EspaÇa Medieval, in: Valdeûn Baruque (Hg.), Cristianos, Musulmanes y Judos, 86 – 95.
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innerhalb der jüdischen Gemeinschaft eine kritische und eine versöhnliche Position gegenüber. Insgesamt trug Sefarad 92 zu dem von der staatlichen Kommission formulierten Ziel bei, die jüdische Geschichte in der „eigenen Geschichte“ zu verankern. Auch wenn das jüdische Leben nicht in seiner Heterogenität und Ambivalenz widergespiegelt, philosephardische Topoi fortgeschrieben und nur selektive Bestandteile der Vergangenheit – hier insbesondere die Erinnerung an Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft mit über das Judentum hinausreichender Bedeutung – integriert wurden, bedeutete das Jahr 1992 die vorübergehende Institutionalisierung eines offiziellen, spanischjüdischen Gedächtnisses und dessen Festschreibung in der Folgezeit. Sefarad 92 trug so zugleich zu einer Erweiterung des Gedächtnisses durch die Einbeziehung verschiedener Erinnerungsdiskurse bei als eben auch zu einer Verengung auf einige wenige Erinnerungstopoi. Die Verankerung von Sepharad im offiziellen Erinnerungsdiskurs vollzog sich dabei parallel zur endgültigen Institutionalisierung jüdischen Lebens mit den im April 1992 unterzeichneten Acuerdos de Cooperaciûn.792 Zugleich kann die Wiederentdeckung der jüdischen Vergangenheit und ihre staatlich geförderte Inszenierung in Form von Reiserouten, Ausstellungen oder Gedenkfeiern in einem europaweiten Trend verortet werden: Auf der Suche nach einer europäischen Geschichte, Kultur und Identität hat das jüdische Erbe seit 1989 stetig an Bedeutung gewonnen.793
792 Rozenberg spricht von einer dreifachen Normalisierung im Jahr 1992: der Normalisierung der Beziehungen zur jüdischen Welt, der Normalisierung der Beziehungen zur sephardischen Welt und der Normalisierung der Beziehungen zum Staat Israel, vgl.: Rozenberg, Danielle, Les liens renou¦s par l’Espagne avec le monde s¦pharade, in: Benbassa (Hg.), Itin¦raires S¦pharades, 101 f. 793 Vgl.: Brauch/Lipphardt/Nocke, Exploring Jewish Space, in: Dies. (Hg.), Jewish Topographies, 14 f; Gruber, Virtually Jewish, 5 – 20, 76 f.
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Resümee Das von König Juan Carlos in der Gedenkzeremonie in der madrilenischen Synagoge vorgetragene Bekenntnis, Spanien sei das Zuhause aller Spanier, wird durch das offizielle Gedächtnis im demokratischen Spanien gestützt und durch die Betonung des trikulturellen Erbes in die Vergangenheit hinein ausgeweitet. Mit der Unterzeichnung der Kooperationsabkommen zwischen dem Staat und den drei Dachverbänden der „verwurzelten“ Religionen kurze Zeit nach den Feierlichkeiten in der Synagoge wurde es auf formal-juristischer Ebene weitgehend realisiert. Allerdings hat sich das Spanien, von dem der König im März 1992 sprach, in den letzten Jahren – insbesondere durch die zunehmende Einwanderung – weiter verändert. Ähnlich wie andere europäische Staaten sieht sich das Land vor die Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft gestellt und damit auch vor die Frage nach einer „gemeinsamen“ Geschichte.1 Folgt man der Annahme, dass Erinnerungen an historische Epochen eine einende Funktion in heterogenen Gemeinschaften erfüllen können, so würde die plurikulturelle Vergangenheit des Landes einen reichhaltigen Fundus für gegenwärtige Integrationsprozesse bieten. Tatsächlich aber scheint es sich beim Wachrufen der convivencia-Erinnerung eher um ein Legitimationsbedürfnis des Staates mittels des Nachweises einer historisch erbrachten Leistung zu handeln. Zu diesem Zweck wird die Komplexität des historischen Zusammenlebens der Drei Kulturen auf eine Phase der Toleranz verdichtet. Dass die Immigration auch ein wachsendes Konfliktpotenzial der Erinnerungen mit sich bringt, zeigt sich in erster Linie im Umgang mit dem muslimischen Erbe. So wird die muslimisch geprägte Einwanderung in rechten Kreisen zu einer erneuten „Conquista“ stilisiert und damit auf historische Feindbilder zurückgegriffen.2 Das problematische Verhältnis zum muslimi1 Ein Beispiel ist die populärwissenschaftliche Publikation von C¦sar Vidal und Federico Jim¦nez Losantos, in der es heißt: „En una d¦cada, EspaÇa ha pasado de 30,5 millones de habitantes a 45 millones, entre un 15 o 20 por ciento ms. Y no por aumento de la base demogrfica tradicional, blanca y catûlica, sino por la llegada masiva de gente de muy distinta raz geogrfica, racial, religiosa y cultural. Son africanos negros y moros, asiticos chinos e hinffles, iberoamericanos blancos o mestizos, eslavos y europeos del Este que han cambiado de raz el paisaje humano de nuestras calles, empezando por las grandes ciudades y sus barriadas, pero llegando en poco tiempo hasta el fflltimo rincûn de la pennsula Ib¦rica y de sus archipi¦lagos. Y como casi todas estas personas y sus descendientes han llegado para quedarse, es preciso explicarles qu¦ ha sido, qu¦ es y qu¦ puede ser esta patria comffln, esta tarea a la que llamamos ,EspaÇa‘.“, Jim¦nez Losantos, Federico, Cundo, cûmo y por qu¦ viene al mundo este librito, in: Vidal, C¦sar/Ders., Historia de EspaÇa, Barcelona 2009, 16. 2 Zur Aktualisierung historischer Feindbilder angesichts der Einwanderung vgl.: Voß, Die zweite Reconquista?, in: Menny/Dies. (Hg.), Die Drei Kulturen und spanische Identitäten, 56 – 64.
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Resümee
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schen Erbe wurde auch deutlich, als 2010 die von einer Gruppe Intellektueller vorgeschlagene Verleihung des Premio Prncipe Asturias de la Concordia an die Morisken – analog zu der Verleihung des Preises an die Sepharden im Jahr 1990 – abgelehnt wurde.3 Die jüdische Einwanderung birgt hingegen weniger Konfliktpotenzial. Dies kann sowohl auf die soziale Struktur als auch die geringe Anzahl der Immigranten sowie der jüdischen Bevölkerung insgesamt zurückgeführt werden. Eher wurde und wird die Wiederansiedlung von Juden in Spanien seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu einer „Rückkehr nach Sepharad“ verklärt. Obwohl sich aber die Erinnerung an Sepharad und Bekenntnisse zum jüdischen Erbe in das nationale Selbstverständnis integrieren lassen, setzen sich eine weit verbreitete Unkenntnis und Ressentiments gegenüber dem Judentum fort, die sich in antisemitischen Klischees und Einstellungen ausdrücken. So verweisen Untersuchungen aus den letzten beiden Jahrzehnten auf einen in der Bevölkerung weit verbreiteten latenten Antisemitismus. Eine von Toms Calvo Buezas unter Studierenden an Madrider Universitäten im Jahr 1999 und unter Schülern im Jahr 1998 durchgeführte Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel der befragten Schüler und 16 % der Studierenden keinen Juden/keine Jüdin heiraten würde. Bei der Frage, wen man aus dem Land ausweisen würde, rangierten Juden trotz ihrer kaum wahrnehmbaren Präsenz auf Platz sechs und damit immer noch im oberen Mittelfeld.4 Juan Goytisolo machte nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in El Ejido im Jahr 2000 auf eine Umfrage zur Immigration in Spanien aufmerksam, bei der die Juden den dritten Platz der am schlechtesten angesehenen Migranten belegten.5 Jüngst veröffentlichte Studien der Casa Sefarad-Israel und der AntiDefamation League zeigen, dass etwa ein Drittel der spanischen Bevölkerung negativ gegenüber Juden eingestellt ist. Dabei dominieren ein moderner Antisemitismus, der sich aus dem angenommenen übermäßigen Einfluss von Juden auf Wirtschaft und Politik speist, sowie die Wahrnehmung der Juden als Konfliktpartei im Nahen Osten und ihre Gleichsetzung mit Immigranten und damit mit „Nicht-Spaniern“.6 Obwohl Juden in den Debatten über Einwan3 Vgl.: Albert, Manuel J., Concordia cuatro siglos despu¦s, in: El Pas, 9. 4. 2010. Für eine Reaktion auf die Entscheidung vgl. z. B.: „Los moriscos andaluses creen que su candidatura era ,demasiado valiente‘“, 15. 9. 2010, http://www.diariocordoba.com/noticias/cordobalocal/los-moris cos-andalusies-creen-que-su-candidatura-era-demasiado-valiente-_584593.html, 29. 9. 2011. 4 Vgl.: Calvo Buezas, Toms, Inmigraciûn y Universidad. Prejuicios racistas y valores solidarios, Madrid 2001, 15, 20. Vgl. auch: Ders., Racismo y solidaridad de espaÇoles, portugueses y latinoam¦ricanos. Los jûvenes ante otros pueblos y culturas, Madrid 1997, 105, 189, 270. 5 Vgl.: Armada, Alfonso, Juan Goytisolo: „La Mirada del que se sitffla a las afueras es ms interesante que la del que est en el centro“, in: ABC Cultural, 21. 4. 2000, 23. 6 Vgl.: Casa Sefarad-Israel, Estudio sobre antisemitismo en EspaÇa. Informe de resultados, Juli 2010, 5, 8 f, 10 – 16, 59, 67, 74. Allerdings überwogen bei der Frage nach Gründen für die Antipathie gegenüber Juden die religiösen Motive (29,6 %) die politischen Motive (27,8 %), zu denen auch das Verhalten im Nahostkonflikt zählte (17,5 %). Insgesamt verwies die Studie auf einen Anstieg der Islamophobie gegenüber dem Antisemitismus. Vgl.: Casa Sefarad, Encuesta sobre Antisemitismo e
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Resümee
derung keine Rolle spielen, wird ihre Wahrnehmung durch das Bild des Immigranten geprägt, wobei „Immigrant“ als Synonym für „Fremder“ erscheint. Die Vorstellung vom Juden als Fremden oder Anderen findet sich auch – wie in dieser Untersuchung gezeigt werden konnte – in der Erinnerungskultur. Die Reduzierung der Juden/Sepharden auf ihre Bedeutung als historische Bewohner der Iberischen Halbinsel ist dafür ebenso ein Beispiel wie die implizite oder explizite Ausrichtung des Erinnerungstourismus auf jüdische Touristen und damit ebenfalls auf nicht-spanische Juden. Verstärkt wird dieses Bild durch die aktuelle Tendenz der Verlagerung der Beschäftigung mit jüdischer Kultur und Geschichte in den Freizeitbereich und die wachsende Bedeutung des „Entertainmentfaktors“. Solche neuen, der Unterhaltung dienenden Erinnerungsangebote sind neben den untersuchten Reiserouten z. B. Kochbücher, die eine kulinarische Annäherung an das historische Sepharad versprechen, oder eine zunehmende Anzahl „jüdischer“ Kulturfestivals, die jüdische Musik- und Filmfestivals ebenso umfassen wie Mittelalterfeste in Ribadavia oder Hervs.7 In beiden Städten wird mittels Musik, Verkleidung oder mittels des Nachspielens einer sephardischen Hochzeit eine lokale jüdische Vergangenheit re-inszeniert, die jedoch weniger auf einer historischen Realität als vielmehr auf Klischees und populären Geschichtsbildern basiert.8 Wenn eine Beschäftigung mit jüdischer Geschichte und Kultur lediglich im Urlaub oder im Rahmen von Festivals stattfindet – und damit in Momenten, in denen der Wunsch nach einer „Flucht“ aus dem Alltag dominant ist –, führt dies zu einer Folklorisierung und Exotisierung des Betrachtungsobjektes, nicht aber zu einer Wahrnehmung des Judentums als Bestandteil der eigenen alltäglichen Erfahrungswelt. Zur Entkoppelung der Erinnerungskultur von Islamofobia en EspaÇa, in: Cuadernos de Anlisis, 39/10, 9 f. Für eine offizielle Stellungnahme des Außenministeriums anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse vgl.: Intervenciûn del Ministro en la presentaciûn de la encuesta sobre antisemitismo en EspaÇa de Casa Sefarad-Israel, 8.9. 2010, http://www.maec.es/es/MenuPpal/Actualidad/Declaracionesydiscursos/Paginas/discursomini stro20100908_2.aspx, 22. 7. 2011. Vgl. auch: Anti-Defamation League, Attitudes Toward Jews in Seven European Countries, 5 – 16, 23. Die ADL-Umfrage verwies auf die Dominanz einer ökonomisch begründeten Ablehnung von Juden gegenüber einer traditionell-religiösen Begründung. Die älteren Ergebnisse des Pew Global Attitudes Project vom Frühjahr 2008 (http://pewglobal.org/2008/ 09/17/unfavorable-views-of-jews-and-muslims-on-the-increase-in-europe/, 21. 9. 2010) verweisen für Spanien auf eine Verdoppelung der negativen Einstellung gegenüber Juden in den Jahren 2005 (21 %) bis 2008 (46 %). Die Vereinigung Movimiento contra la intolerancia stellt einen europaweiten Anstieg des Antisemitismus fest, vgl.: http://www.movimientocontralaintolerancia.com/ html/denuncias2BL/antisemitismo/antisemitismo4.asp, 28. 6. 2011. 7 Vgl. zu den verschiedenen Festivals z. B.: http://www.redjuderias.org/red/upload/imagenes/progra ma_festival_sefardi_2011.pdf, 5. 7.2011; P¦rez Polti, Ernesto, El Festival de Cine Judo de Girona, in: Races, 37/1998, 5 – 6; http://www.redjuderias.org/red/novedades.php?lang=1#469, 5.7. 2011; http://www.casasefarad-israel.es/es/virtual/FESTIVAL-DE-CINE-JUDIO-%5Bde-Barcelona%5DEN-MADRID.aspx, 6. 7. 2011; http://www.redjuderias.org/red/novedades.php?lang=1#469, 5. 7. 2011; F., P., El festival Tres Culturas inunda Frigilina de mfflsica y tapas, in: El Pas, 28. 8. 2009. 8 Vgl.: Cohen, Judith R., Music and the Re-creation of Identity in Imagined Iberian Jewish Communities, in: Revista de Dialectologa y Tradiciones Populares, 1/1999, 143.
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der jüdischen Gegenwart trägt auch bei, dass sich ausgerechnet jene Städte zu Zentren des offiziellen Gedächtnisses an Sepharad entwickeln oder sich als solche inszenieren, in denen keine jüdischen Gemeinden existieren. Die beiden Untersuchungsebenen dieser Arbeit wiesen ähnliche zeitliche Entwicklungslinien auf, ohne dass diese zwangsläufig aufeinander bezogen waren. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem offiziellen Umgang mit jüdischer Gegenwart einerseits und jüdischer Vergangenheit andererseits konnte insofern festgestellt werden, als dass die schrittweise Akzeptanz der Juden in weiten Teilen auf der Annahme historisch erbrachter Leistungen basierte bzw. auf der Vorstellung einer über Jahrhunderte aufrechterhaltenen Verbundenheit gegenüber dem historischen Heimatland und damit auf der Erinnerung an Sepharad. Mit dieser Vorstellung ging eine Hierarchisierung und zugleich eine Kulturalisierung der Sepharden einher, wie sie dem Philosephardismus zugrunde liegt. Der Philosephardismus ebenso wie der Antisemitismus wurden als zwei mögliche Wahrnehmungskonzepte des Judentums vorgestellt, die auf die Ambivalenzen im staatlichen Umgang mit den Juden verwiesen. Trotz der Relevanz beider Konzepte machte die Untersuchung aber deutlich, dass für den Ausschluss der Juden aus der (vorgestellten) spanischen Gemeinschaft der Nationalkatholizismus ausschlaggebend war. Der Nationalkatholizismus erwies sich als eine flexible Ideologie, die bis zu einem gewissen Grad sowohl antisemitische als auch philosephardische Argumentationsmuster integrieren konnte. Entscheidend war dabei, dass das katholische Fundament und die historische Größe und Bedeutung der spanischen Nation nicht infrage gestellt wurden. Aus der zentralen Funktion des Nationalkatholizismus für das offizielle Selbstverständnis des franquistischen Staates resultierte die Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden als NichtKatholiken. Neben der spezifischen Ablehnung als Juden, die sich aus antisemitischen Motiven speiste, aber im offiziellen Diskurs im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung verlor, wirkte die unspezifischere Ablehnung als „Andersgläubige“ und damit als „Fremde“ länger nach. Die Koppelung der nationalen an die religiöse Einheit sowie die Sonderrechte der katholischen Kirche standen einer Gleichbehandlung des Judentums entgegen. In diesem Klima konnte das Judentum als eine Minderheitenreligion lediglich toleriert werden, bis 1967 nur im privaten, danach unter bestimmten Voraussetzungen auch im öffentlichen Bereich. Das Aufweichen des nationalkatholischen Selbstverständnisses war die Grundvoraussetzung für die schrittweise Akzeptanz der jüdischen Minderheit. Dieser Prozess wurde durch das Zweite Vatikanische Konzil begünstigt, das Spanien als katholische „Vorbildnation“ in die Pflicht nahm und eine Reformierung der Religionsgesetzgebung notwendig machte. Impulse ergaben sich ferner durch die wachsende internationale Anbindung des Regimes und seine Öffnung nach außen. Die franquistische Außenpolitik stand allerdings oftmals auch einer „Normalisierung“ jüdischen Lebens entgegen. Aus der traditionellen Nähe zu den arabischen Staaten sowie der Politik der Nicht-Anerkennung Israels resultierten eine
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permanente Skepsis und ein diffuses Bedrohungsgefühl gegenüber allem Jüdischen. Die außenpolitischen Überlegungen, die für den offiziellen Umgang mit Juden eine wichtige Rolle spielten, verwiesen so auf eine weitere Dimension der Ablehnung der Juden, in diesem Fall als „Agenten“ des israelischen Staates, die spanische Interessen bedrohten. Die enge Verflechtung von Staat und Kirche im Franquismus ließen Religionspolitik im demokratischen Spanien zu einer Form der Vergangenheitsbewältigung werden – allerdings ohne dass damit eine Aufarbeitung der religiösen Intoleranz im Franquismus einherging, sodass es sich vielmehr um eine „Vergangenheitsüberwindung“ handelte. Da eine politische Auseinandersetzung mit der franquistischen Diktatur aufgrund des mangelnden gesellschaftlichen Konsenses nicht stattfand, wurde diese in andere Bereiche verlagert. So konnte auch der Umgang mit den religiösen Minderheiten, wie dem hier untersuchten Judentum, zu einem Gradmesser für die erlangte Demokratiefähigkeit des spanischen Staates und der Gesellschaft werden. Seit der transiciûn verwiesen Repräsentanten des Staates in Zusammenhang mit neuen Religionsgesetzen immer wieder auf die Überwindung der religiösen Intoleranz, das Ende der religiösen Grabenkämpfe und der gesellschaftlichen Spaltung in der Vergangenheit des iberischen Landes. Die Reformierung der Religionsgesetzgebung und ihre Anpassung an die demokratischen Rahmenbedingungen wollten sie als Ende der Verschränkung von Staat und Kirche und damit als Ende des Franquismus verstanden wissen. Die Auseinandersetzungen bezogen sich so auch nach 1975 weniger auf das Judentum und die im Land lebenden Juden, sondern vielmehr auf die Begründbarkeit einer Ausnahmestellung der katholischen Kirche bzw. ihre Vereinbarkeit mit der staatlichen Akonfessionalität. Letztlich steht bei den Debatten um weiterhin bestehende Privilegien der katholischen Kirche noch immer die Definition der spanischen Nation zur Diskussion, womit sich die Vehemenz, mit der solche Auseinandersetzungen – wie zuletzt um den Papstbesuch in Madrid im Sommer 2011 – geführt werden, erklären lässt. Das Jahr 1975 brachte für die spanisch-jüdische Geschichte keine einschneidende Zäsur. Vielmehr begünstigte die Nicht-Aufarbeitung des Franquismus eine Kontinuität im offiziellen Umgang mit dem Judentum. Die Quellen verweisen auf ein Nachwirken sowohl der nationalkatholisch überprägten Religionspolitik als auch philosephardischer und antisemitischer Stereotype im Umgang mit dem Judentum. Für die „Normalisierung“ der Beziehungen zum Judentum und der Rahmenbedingungen jüdischen Lebens waren andere Ereignisse entscheidender als der Tod Francos, insbesondere außen- und religionspolitische Entwicklungen. Kontinuitäten ließen sich auch in der offiziellen Wahrnehmung des gegenwärtigen Judentums erkennen. Einige Topoi fanden sich sowohl in der franquistischen Diktatur als auch im demokratischen Spanien wieder. Bereits das franquistische Regime wollte den Umgang mit religiösen Minderheiten zur Außendarstellung und zur Legitimierung gegenüber der westlichen Staatenwelt nutzen, der Verweis gegenüber
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dem Ausland auf die Abwesenheit jeglicher Form von Antisemitismus und Diskriminierung sollte als Bescheinigung staatlicher Toleranz dienen. Insbesondere während des Kalten Krieges zielte eine solche Argumentation darauf ab, Spaniens internationale Position aufzuwerten.9 In den letzten Jahrzehnten ist das Bekenntnis zum trikulturellen Erbe Spaniens gleichsam zu einem Synonym für Demokratiefähigkeit geworden und dient dem Nachweis einer „europäischen Reife“. Die Anerkennung des Judentums als Religion mit bedeutender „Verwurzelung“ und die Reformierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes aufgrund der historischen Verbundenheit mit den Sepharden waren erste Anzeichen für eine (formale) Integration des Judentums als historischer Teil der spanischen Nation in die Gesellschaft. Seinen juristischen Höhepunkt erreichte die Angleichung der Stellung des Judentums an die Position der katholischen Kirche mit den 1992 verabschiedeten Kooperationsverträgen. Die dafür notwendige Bestätigung einer „Verwurzelung“ des Judentums in Spanien, die Mitte der 1980er Jahre erfolgt war, muss als wichtige Neuerung gewürdigt werden, da sie die den Sepharden zuerkannte historische Verbundenheit mit Spanien auf die Gesamtheit der spanischen Juden übertrug und damit nicht zwischen Sepharden und Nicht-Sepharden unterschied. Allerdings war der Staat, der sich mit den Kooperationsabkommen zu einer plurireligiösen Gesellschaft und in diversen Gedenkprogrammen im selben Jahr zu seinem trikulturellen Erbe bekannte, zu einem offiziellen Schuldeingeständnis angesichts der Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel nicht bereit. Eine vergangenheitspolitische Geste, die über die erinnerungskulturelle Inszenierung hinausging, war nicht gewünscht. Die Verbesserung der juristischen Rahmenbedingungen begünstigte einen Institutionalisierungsprozess sowohl innerhalb der jüdischen Gemeinschaft als auch im Bereich der Religionspolitik. Einrichtungen wie die Fundaciûn Pluralismo y Convivencia verweisen auf eine neue Bereitschaft des Staates, sich einer veränderten gesellschaftlichen Realität zu stellen. Inwieweit sie tatsächlich zur Integration und Aufklärung beitragen kann oder aber sich zu einem inhaltsarmen Vorzeigeprojekt entwickelt, wird sich zeigen müssen. Auch im Hinblick auf die offizielle Erinnerungskultur lässt sich ein Institutionalisierungsprozess beobachten. Dafür sprechen die Einrichtung von jüdischen Museen wie z. B. in Girona, die Einführung von Gedenktagen, die regelmäßige Veranstaltung von Symposien oder die Gründung von Institutionen wie dem Netz jüdischer Viertel. Ein weiterer, bereits für den franquistischen Diskurs zentraler Topos ist das problematische Verhältnis zu Israel, das die offizielle Haltung gegenüber dem Judentum prägte. Auch nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten im Januar 1986 setzte sich die Verschränkung von „Judentum“ und „Israel“ in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter fort. 9 Vgl.: Rother, Franco als Retter der Juden, in: ZfG, 45:2/1997, 122.
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Offensichtlich wurde dies bei der Einordnung der offiziellen Anerkennung Israels als Ereignis der spanisch-jüdischen Geschichte in Politik und Medien ebenso wie an der Gründung der Casa Sefarad-Israel, die die Beziehungen zur sephardischen Welt mit denen zu Israel institutionell vereint. Der Name dieser Einrichtung verweist zugleich auf die sich an dieser Stelle fortsetzende Unterscheidung zwischen Juden im Allgemeinen und Sepharden im Besonderen, denen als „spanische Juden“ im offiziellen und öffentlichen Bewusstsein weiterhin eine Sonderstellung zukommt. Eine Kontinuität stellt ebenfalls die Ansiedlung der Casa Sefarad-Israel im Außenministerium dar. Zwar unterhält der demokratische Staat mit der Stiftung Pluralismo y Convivencia und verschiedenen religionspolitischen Kommissionen auch Einrichtungen, die das Judentum in Spanien im Blick haben, an prominenter Stelle wird aber die Vorstellung begünstigt, es handele sich um rein außenpolitische Beziehungen. Inwieweit sich im Regierungsdiskurs nach 1975 in seinen nicht-öffentlichen Ausprägungen, d. h. in internen Korrespondenzen und Schriftstücken, weitere Topoi herauskristallisieren, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen. Die vorliegende Arbeit konnte hier aufgrund der Quellenlage nur erste Ansatzpunkte bieten. Für die Zeit nach 1975 lieferte sie vor allem Befunde für den öffentlich-offiziellen Diskurs. Während für die Akzeptanz der jüdischen Gegenwart, d. h. der Zugehörigkeit der Juden zur als spanisch erachteten nationalen Gemeinschaft, der Nationalkatholizismus ausschlaggebend war, konnte für die Erinnerungspolitik sowohl vor als auch nach 1975 der Philosephardismus als dominantes Motiv ausgemacht werden. Die Verengung auf die Sepharden erleichterte die Integration, insbesondere, wenn es sich um die historischen Sepharden und damit um Erinnerungsfiguren handelte. Im Gegensatz zu den Juden im Allgemeinen wurden sie als Spanier angesehen und in die nationale Meistererzählung eingeschlossen. Bekenntnisse zum sephardischen Erbe ließen sich so bereits in einer Zeit finden, da die jüdischen Gemeinden in Spanien keine offizielle Anerkennung besaßen. Das offizielle Gedächtnis an Sepharad stand nicht im Widerspruch zum nationalkatholischen Selbstverständnis des franquistischen Staates, es erweiterte die Familie der Hispanidad vielmehr um ein neues Mitglied. In der Demokratie ließ sich dieses positive Gedächtnis leicht den geänderten Rahmenbedingungen anpassen, indem die Betonung des ausschließlich Spanischen der sephardischen Kultur dem Verweis auf die trikulturellen Einflüsse in der iberischen Geschichte wich. Damit verschob sich die Perspektive, das Erinnerungsobjekt blieb aber das historische Sepharad. Sepharad erwies sich so als ein flexibler Erinnerungsort, der ein positives Gedächtnis an eine historische Blütezeit bereithielt und in die Gegenwart hinein sinnstiftend wirken konnte. Das Erinnern der jüdischen Vergangenheit an sich sagt aber – dies machte die Arbeit deutlich – nichts über die ihr zugestandene Relevanz für die als spanisch erachtete Identität aus. Mitunter löst sich der Erinnerungsort „Sepharad“ auch von der historisch bezeugbaren Vergangenheit und entwickelt ein erinnerungskulturelles Eigenleben.
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Im Franquismus war die Erinnerungspolitik größtenteils dem philosephardischen Gedankengut, wie es Ýngel Pulido zu Beginn des 20. Jahrhunderts vertreten hatte, verhaftet. Sowohl die Glorifizierung der spanischen Hilfsmaßnahmen für verfolgte Juden während des Zweiten Weltkrieges zum sogenannten „Rettermythos“ als auch die Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial und das Gründungsdekret des Museo Sefard verwiesen auf die Überprägung des offiziellen Gedächtnisses mit philosephardischen Topoi. Diese Beispiele zeigten, dass die sephardische Kultur, die Bewahrung der spanischen Sprache und die den Sepharden unterstellte Liebe zu ihrem ehemaligen „Heimatland“ der Betonung der Größe Spaniens dienten. Sepharad wurde als „Projektionsfläche eigener Interessen“10 vereinnahmt. Zielten die Ausstellung und die Gründung des Museums auf die Darstellung der hispanischen Kultur und ihrer Blütezeit im iberischen Mittelalter, sollte die Propagierung der spanischen Hilfe für verfolgte Juden die humanitäre Großzügigkeit des franquistischen Regimes beweisen und dieses in den Augen der westlichen Staatengemeinschaft rehabilitieren. Gerade die Untersuchung des „Rettermythos“ verwies auch auf die Dominanz und die Kontrolle des offiziellen Gedächtnisses in einem diktatorischen Staat, in dem alternatives Erinnern in der Öffentlichkeit nur in einem begrenzten Rahmen möglich war. Zugleich zeigte das Beispiel des „Rettermythos“, wie sich Erinnerungen von ihrem ursprünglichen politischen Entstehungskontext ablösen und verselbstständigen können. Einen Erklärungsansatz für den starken Niederschlag des philosephardischen Gedankenguts in der franquistischen Erinnerungspolitik stellt deren außenpolitische Ausrichtung dar. Die Beschäftigung mit der spanisch-jüdischen Geschichte folgte selten innerspanischen Bedürfnissen nach einer Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Vielmehr erhoffte sich das Regime eine positive Wirkung in der Gegenwart, wobei der Blick besonders auf die USA gerichtet war. „Sepharad“ war somit eine weitere Botschaft, die an die internationale Staatengemeinschaft zur positiven Selbstinszenierung gesendet werden konnte. Von dieser vornehmlich auf die Außendarstellung zielenden Erinnerung unterscheiden sich die franquistischen Schulbücher, was insgesamt auf die Ambivalenz offizieller Deutungen verweist. In ihnen fand sich eine nationale Meistererzählung, die sich durch die Dichotomie Helden und Feinde, „Wir“ und die „Anderen“ auszeichnete. Hier waren die Juden als Feinde des Christentums, als gesellschaftliche Bedrohung und/oder als Verschwörer gegen die Nation negativ besetzt, und ihre Vertreibung sowie die Einrichtung der Inquisition wurden als Bestandteile des national-religiösen Abwehrkampfes gewertet. Die 10 Loewy, Hanno, Der Tanz ums „goldene Kalb“. Einleitung, in: Ders. (Hg.), Gerüchte über die Juden, 13. Interessant ist, dass sich ähnliche Topoi bereits in der Rezeption von Sepharad in der deutsch-jüdischen Gemeinschaft im 19. Jahrhundert fanden. Vgl.: Schapkow, Vorbild und Gegenbild.
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in den Schulbüchern stärker hervortretenden antisemitischen Tendenzen sind darauf zurückzuführen, dass sich diese an eine spanische Schülerschaft und damit an die spanische Gesellschaft richteten. Die Außenwirkung konnte gegenüber der intendierten Binnenwirkung – in erster Linie die Erziehung im Sinne patriotischer und nationalkatholischer Werte – vernachlässigt werden, zumindest bis die Schulbücher zunehmender, sich auch öffentlich manifestierender Kritik ausgesetzt waren. Diese Vermutung wird durch die internen Korrespondenzen in Zusammenhang mit dem Lipschitz-Besuch und der Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial bekräftigt. Entgegen den in der Öffentlichkeit vorgetragenen philosephardischen Bekenntnissen waren die internen Diskussionen zwischen den beteiligten Ministerien durch Ressentiments und das ständige Beschwören einer vermeintlichen Bedrohung geprägt. Zugleich manifestierte sich in ihnen die außenpolitische Komponente der Erinnerung an Sepharad, die sich im Spannungsfeld der Nicht-Anerkennung Israels, der traditionellen Nähe zu den arabischen Staaten und der Annäherung an die westliche Staatengemeinschaft bewegte. Das nach dem Ende der Franco-Diktatur einsetzende Streben nach einer Integration in die europäische Gemeinschaft und damit nach einer Angleichung an Europa führte zu einem Bedeutungsgewinn der trikulturellen und dadurch auch der jüdischen Vergangenheit Spaniens. Mit dieser historischen Phase ließ sich das Bild des „pluralen“ Spaniens untermauern, zugleich boten sich Bezüge zur europäischen Geschichte an. Während die Entstehung einer HolocaustGedenkkultur in engem Zusammenhang mit einer erwünschten Verortung innerhalb eines größeren europäischen Gedächtniskontextes zu sehen ist, die parallel zur Integration des Landes in die Europäische Gemeinschaft verläuft, ließ sich im Kontext des Gedenkjahres 1992 das Bedürfnis nach einem vergangenheitspolitischen Schlussstrich erkennen: Phasen der religiösen Intoleranz und der gesellschaftlichen Uniformität sollten für beendet erklärt und die Vergangenheit positiv umgedeutet werden. Im Rahmen des Gedenkprogramms Sefarad 92 zeigte sich, dass das Bekenntnis zum jüdischen Erbe auch im Kontext der Suche nach einem neuen nationalen Selbstverständnis und nach demokratischen Traditionen und Legitimationsgrundlagen verortet werden muss. Zugleich wurde deutlich, dass sich der staatliche Philosephardismus fortsetzte. Ein Beispiel dafür war die eingangs erwähnte Rede des Königs Juan Carlos anlässlich der Zeremonie in der madrilenischen Synagoge am 31. März 1992, mit der das Klischee einer „Rückkehr“ der „spanischen Juden“ nach Sepharad bedient wurde. Auch das Museo Sefard in Toledo konnte als Wahrzeichen des historischen Sepharads in die demokratische Erinnerungskultur integriert werden und sich zum Symbol für das „Toledo der Drei Kulturen“ entwickeln. Die relativ konfliktfreie Aneignung des vom franquistischen Regime gegründeten Museums unter demokratischen Vorzeichen hat zwei weitere Gründe: Zum einen war die Synagoge Samuel Ha-Lev bereits vor der Umnutzung als Museum ein Erinnerungsort der jüdischen Vergangenheit in Toledo und als solcher mit Bedeutung aufgeladen. Zum anderen thematisiert das Museum eine
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weit zurückliegende Geschichte, im Gegensatz zur rezenten Vergangenheit des Landes standen sich hier nicht lebendige Erinnerungen eines Täter- und Opfergedächtnisses gegenüber. Auch darin liegt vermutlich ein Grund für den erinnerungskulturellen Aufschwung, den diese historische Phase erlebte. Der Erinnerungsort „Sepharad“ weist – abgesehen von Ausnahmefällen wie bei der Debatte um die andauernde Gültigkeit des Vertreibungsediktes im Jahr 1992 – keine politischen Implikationen auf, die einer Einschreibung ins kollektive Gedächtnis entgegenstehen. Sepharad ist spätestens seit dem Gedenkjahr 1992 im offiziellen Gedächtnis verankert und hat sich – auch durch den Anstieg populärwissenschaftlicher Untersuchungen – parallel zu al-Andalus als ein idealisierter und nostalgischer Erinnerungsort etabliert, der für das christlichjüdische Zusammenleben im kastilisch-aragonesischen Königreich und vor allem in Toledo steht. Dahinter treten die Zäsur der Vertreibung und der exkludierende Charakter der Ereignisse des Jahres 1492 zurück. Auch wenn es sich nicht um ein spezifisch demokratisches Gedächtnis handelt, dient das jüdische Erbe als ein Symbol für den kulturellen Reichtum Spaniens gegenwärtigen Inszenierungsbedürfnissen. Insgesamt weist der Bezug auf Sepharad große Übereinstimmungen mit allgemeinen Erkenntnissen zur demokratischen Erinnerungskultur auf. So wird im offiziellen Diskurs das Wachrufen von politischen Erinnerungen, wie z. B. an die Verfassung von Cdiz oder an die Zweite Republik, zugunsten einer Kulturalisierung des Gedächtnisses vermieden. Die erinnerungskulturellen Kontinuitäten über 1975 hinaus lassen die These zu, dass es sich bei der philosephardischen Verklärung von Sepharad um eine historische Meistererzählung handelt, die ausgehend von der Philosephardismus-Kampagne und unter sehr unterschiedlichen politischen Vorzeichen auch schon in den 1920er und 1930er Jahren ihre Relevanz hatte, sich im Franquismus und in der Demokratie fortsetzte und sich wohl auch in Zukunft kulturell manifestieren wird. Ein Spezifikum des demokratischen Philosephardismus ist seine Verortung innerhalb der Erinnerung an die trikulturelle Gesellschaft im iberischen Mittelalter, die sich gewissermaßen zu einem convivencia-Mythos verselbstständigte. Dieser hat in der (Jugend-)Bildung sogar eine „Pädagogik der Drei Kulturen“ hervorgebracht. Darauf deutet z. B. das vom Kulturministerium mitgetragene Projekt Viaje de la Concordia hin, das im Bereich der interreligiösen Verständigung anzusiedeln ist. An der jährlich stattfindenden Reise, die von den Dachverbänden der Muslime, Protestanten und Juden organisiert und von der Fundaciûn Pluralismo y Convivencia finanziell unterstützt wird, nehmen etwa 150 muslimische, christliche und jüdische Jugendliche zwischen elf und 14 Jahren teil. Während einer Woche wandern die Jugendlichen auf den Spuren des historischen Spanien der Drei Kulturen und besichtigen Städte wie Toledo, Cûrdoba, Sevilla oder Granada.11 Auch die Arbeitsanweisungen in 11 Vgl.: „Viaje de las tres culturas“, in: Kehil, 11/1995, 24; „El tren de las Tres Culturas“, in: Zafir, 36/1995, 11.
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neueren Schulbüchern oder das Begleitmaterial zum Garten der Drei Kulturen in Madrid sind Beispiele für eine solche „Pädagogik der Drei Kulturen“. So soll der Besuch des Gartens, der sich innerhalb des Parks Juan Carlos I. befindet, die Auseinandersetzung mit verschiedenen Religionen, Kulturen und Traditionen anregen.12 Zumindest im Bereich der Pädagogik wird die Erinnerung an die Vergangenheit, wie diese Beispiele zeigen, mitunter doch als Impulsgeber für die Auseinandersetzung mit der Gegenwart verstanden. Dass die Erinnerung an das jüdische Erbe „in“ ist, zeigt seine zunehmende Kommerzialisierung vor allem im Tourismussektor, mit der auch eine Neugewichtung einhergeht. Wurde im Franquismus alles Sephardische als ursprünglich spanisch vereinnahmt, wird Spanien nun in einigen Erinnerungserzeugnissen wie den untersuchten Reiseführern „jüdisch“. Das Netz jüdischer Viertel preist das iberische Land in seinen Publikationen als Sepharad an und die einzelnen Mitgliedsstädte versuchen sich mit einer möglichst langen oder nachhaltigen jüdischen Vergangenheit zu zieren. Die „Hispanisierung“ der Sepharden, die dem Philosephardismus zugrunde liegt, wird so um eine zumindest vordergründige „Sephardisierung“ Spaniens ergänzt, wobei letztere bislang vor allem ökonomischen Interessen gehorcht und ohne Auswirkungen auf das nationale Selbstverständnis bleibt. Ein weiteres Kennzeichen des Erinnerungsbooms, der sich seit 1992 von der zentralstaatlichen zunehmend auf die regionale und lokale Ebene verlagert, ist die mangelnde Beteiligung jüdischer Akteure, wobei Gruber den großen Einfluss nicht-jüdischer Akteure auf die Wahrnehmung des (historischen) Judentums als ein europäisches Charakteristikum beschreibt.13 Auf diese Weise setzt sich in Spanien ein nicht-jüdisches, katholisch geprägtes Gedächtnis an Sepharad und eine „virtuelle jüdische Welt“ fort, die zwar durch eine „Markierung“ der jüdischen Spuren zunehmend geografisch verortet und erfahrbar wird, aber dennoch oftmals unabhängig von der jüdischen Alltagsrealität existieren kann. Ob sich in Zukunft verstärkt ein jüdisches Gedächtnis an Sepharad in der Öffentlichkeit etablieren kann und ob dieses alternative Erinnerungen bereithält, muss sich zeigen. Die Vorbereitungen zu dem Gedenkprogramm Sefarad 92 haben zwar deutlich gemacht, dass es innerhalb der jüdischen Gemeinden durchaus kritische Stimmen gibt, die eine vergangenheitspolitische Aufarbeitung der Vertreibung fordern, diese sind jedoch bislang nicht mehrheitsfähig. Insgesamt entschärft und entpolitisiert die Abwesenheit lebendiger Erinnerungen und unmittelbar Betroffener die Auseinandersetzung um das kollektive Gedächtnis. Als zentrale Gemeinsamkeit der Religions- und Erinnerungspolitik kann 12 Vgl.: Senda del jardn de las tres culturas. Cuaderno de trabajo para 28 y 3er ciclo de Primaria, hg. v.: Ayuntamiento de Madrid, Madrid 2005, 2 – 10. Zum Garten der Drei Kulturen vgl.: Silber Brodsky, Myriam, Jardn de las tres culturas, in: Esteban Penelas, Jos¦ Luis/Esteras Martn, Emilio (Hg.), Parque de Juan Carlos I, Madrid 2001, 107. Vgl. dort auch zur Architektur und Symbolik der einzelnen Gärten. 13 Vgl.: Gruber, Virtually Jewish, 27.
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die enge Verschränkung mit dem offiziellen Selbstverständnis ausgemacht werden: Sowohl bei der Auseinandersetzung mit der jüdischen Gegenwart als auch mit der jüdischen Vergangenheit stand die Frage der Integrierbarkeit in die als eigen erachtete Gruppenidentität bzw. in das als eigen erachtete kollektive Gedächtnis im Mittelpunkt. Das historische und gegenwärtige Judentum konnte nur in dem Umfang, wie es als „spanisch“ erachtet wurde, akzeptiert werden. Daran zeigt sich der nachhaltige Einfluss des von Ýngel Pulido geprägten Sepharden-Bildes. Das manifestierte sich in der philosephardisch motivierten Erinnerungspolitik ebenso wie nach 1975 in dem mit dem Religionsgesetz 1980 geschaffenen Kriterium des notorio arraigo oder den Voraussetzungen für den erleichterten Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft für Sepharden 1982, die die Bewahrung spanischer Tradition und Sprache zur Bedingung machen. Eine Gefahr dieser Engführung ist, dass die Akzeptanz der Sepharden bzw. Juden letztlich auf der Erwartung einer Gegenleistung, in diesem Fall des Nachweises ihres „Spaniertums“, beruht. Trotz aller rechtlichen Verbesserungen der Rahmenbedingungen jüdischen Lebens basiert die Integration der Juden in die „nationale Gemeinschaft“ bis heute in weiten Teilen auf ihrer angenommenen historischen und kulturellen Bedeutung für die Entwicklung Spaniens. Damit, so lässt sich argumentieren, ist der Philosephardismus – sowohl in seiner franquistischen als auch in seiner demokratischen Ausprägung – eine Strategie der Selbstvergewisserung, die auf die Bestätigung der als spanisch erachteten Identität zielt. Als eine weitere über 1975 hinausreichende Gemeinsamkeit lässt sich festhalten, dass weder die jüdische Gegenwart noch die jüdische Vergangenheit im offiziellen Diskurs eine zentrale Stellung einnahmen bzw. einnehmen. Das Thema „Juden“ konnte zwar zu bestimmten Momenten (identitäts-)relevant werden, insgesamt trat es aber nur sehr punktuell ins offizielle und öffentliche Bewusstsein. Werden die Ergebnisse dieser Untersuchung in einem breiteren Forschungskontext verortet, ist zunächst auffällig, dass die hier betrachtete Phase spanisch-jüdischer Geschichte sich nicht signifikant von den Entwicklungen und Tendenzen der allgemeinen spanischen Geschichte unterscheidet. Bisherige Befunde werden somit untermauert: Auch für die spanisch-jüdische Geschichte stellte das Jahr 1975 keinen Bruch dar, relevante Zäsuren waren hier vielmehr die Religionsgesetze von 1967 und 1980 sowie die Verabschiedung der Kooperationsabkommen 1992 und in erinnerungspolitischer Hinsicht die Ausstellung zu sephardischer Literatur 1959, die Gründung des Museo Sefard 1964 und das Gedenkprogramm Sefarad 92, wobei diese Ereignisse auch für die Mehrheitsgesellschaft von Bedeutung waren. Der Anerkennungsprozess der jüdischen Minderheit und der trikulturellen Vergangenheit lässt sich in dem nach 1975 einsetzenden Demokratisierungs- und Europäisierungsprozess verorten, der sich mitunter in einer Angleichung der Religionsgesetzgebung und der Gedächtnisinhalte an das europäische Umfeld ausdrückte. Die transiciûn bedeutete auch im Hinblick auf die Religionspolitik eine Phase der Aushandlung und Auslotung von Kompromissen, und die
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Diskussionen um das Religionsgesetz von 1980 verwiesen auf das fragile Gleichgewicht der politischen Kräfte. Ferner wurde die übliche Periodisierung des Franquismus durch die Untersuchung der Religionspolitik bestätigt: Nach dem Regierungsumbau 1957, mit dem wachsenden Einfluss der technokratischen Kräfte und während der zunehmenden Öffnung des Regimes nach außen konnten die größten Fortschritte im Hinblick auf die juristischen Rahmenbedingungen erzielt werden. Die Betonung der Religionsfreiheit und das Bekenntnis zum spanisch-jüdischen Erbe gewannen in der offiziellen (Außen-)Darstellung vorübergehend an Bedeutung. Für die letzten Krisenjahre der Diktatur, in denen sich die Repressionen und innenpolitischen Auseinandersetzungen noch einmal verschärften, ließen sich ähnliche Entwicklungen hingegen nicht feststellen. Die Untersuchung bestätigte ebenfalls die zentrale Rolle des Nationalkatholizismus für den Franquismus und zeigte dabei eine weitere Facette seiner Ausprägung in der politischen Praxis auf. Zugleich wurde deutlich, wie sehr die Selbstbestimmung als katholische Nation nach dem Tod Francos nachwirkte und bis in die Gegenwart gesellschaftliches Konfliktpotenzial birgt. Es bestätigte sich aber auch die Bedeutung der seit den 1960er Jahren einsetzenden gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungsprozesse. Das Zweite Vatikanische Konzil und die wachsende Distanz zwischen katholischer Kirche und Regime führten langfristig zu entscheidenden Verbesserungen für die jüdische Minderheit in Spanien. Ein zentrales Beispiel für den Bewusstseinswandel in Teilen der Kirche war die Amistad Judeo-Cristiana, die sich seit Anfang der 1960er Jahre für den christlich-jüdischen Dialog engagierte. Im Hinblick auf die Neudefinition von Spanien als demokratischer Staat kristallisierte sich heraus, dass der nationale Identitätsdiskurs in den letzten Jahrzehnten um einen weiteren Strang ergänzt wurde. Der Verweis auf das trikulturelle Erbe entwickelt sich, darauf deuten die Befunde dieser Untersuchung hin, zu einem neuen Paradigma, vergleichbar mit dem im Franquismus geprägten Slogan „Spanien ist anders“. Das Wachrufen der Erinnerung an die convivencia-Vergangenheit dient der Suche nach Legitimation und dem Nachweis demokratischer Reife. Die Erweiterung des nationalen Meisternarrativs reagiert auch auf die zunehmende gesellschaftliche Pluralität und auf die Transformation Spaniens zum Einwanderungsland. Zugleich ergibt sich daraus eine neue (geschichts-)politische Sprengkraft, indem sich z. B. unterschiedliche Gedächtnisse gegenüberstehen oder historische Feindbilder reaktiviert werden. Untersuchungen zum Einfluss der Einwanderung auf die Aus- und Umformung des offiziellen Gedächtnisses in Spanien könnten hier ansetzen. Die Erinnerungen an die jüdische Vergangenheit stehen bislang nicht im Zentrum solcher Erinnerungskonflikte. Inwiefern sich dies angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen und vor allem finanzpolitischen Herausforderungen ändert, mit denen sich der spanische Staat konfrontiert sieht und die auch zu einem Anstieg von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus führen könnten, wird die Zukunft zeigen.
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Einige Entwicklungen, insbesondere die jüngeren Tendenzen der Erinnerungskultur, lassen sich im europäischen Kontext verorten. Dieser Befund trifft in erster Linie auf die Einrichtung des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar und die Ausrichtung des Europäischen Tages der Jüdischen Kultur zu. Aber auch die festgestellte Popularisierung und Kommerzialisierung des Gedächtnisses in Form von Reiserouten, Kochbüchern etc. sind keine spezifisch spanischen Phänomene. Darüber hinaus weisen einige Entwicklungen in den jüdischen Gemeinden, insbesondere aber ihr Charakter als Einwanderungsgemeinden und die daraus resultierenden Probleme und Konflikte, Parallelen zu anderen europäischen Ländern auf. Vergleichende Studien, die ebenfalls die in dieser Arbeit untersuchten juristischen und politischen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen, könnten hier neue Erkenntnisse liefern und zur Einordnung des „spanischen Falls“ beitragen. Ergiebig könnte weiterhin eine stärkere Gewichtung der Innenperspektive der jüdischen Gemeinden sein, sofern sich dafür neue Quellengruppen erschließen lassen. Der hier gewählte Fokus auf den offiziellen Diskurs und das offizielle Gedächtnis würde so ergänzt. In Zukunft wird sich auch zeigen, ob sich Sepharad weiter zu einem erinnerungskulturellen „Aushängeschild“ verselbstständigt, das weitgehend unabhängig von geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen und losgelöst von der spanisch-jüdischen Gegenwart fortexistiert, oder ob es gelingt, den Erinnerungsort „Sepharad“ als einen festen Bestandteil im offiziellen Gedächtnis zu verankern und ihn zugleich aus seiner „mythischen Verklärung“ zu befreien.
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Abkürzungsverzeichnis AACG ACEJC ACIB ACJM ACMC ACMP ACNJS92 AFCJE AGA AGMJ AIU AJC AJYB AMAB AMAE APuZ ARCCI ATID BNE BOCG BOE CBCP CEDADE CEJC CIB CIE Cj. CJM CSIC DGT EBSM EGB FCI(E) FCJE FEREDE FITUR FNFF
Arxiu Administratiu de la Ciutat de Girona Archiv des Centro de Estudios Judeo-Cristianos Archiv der Comunidad Israelita de Barcelona Bibliothek und Archiv der Comunidad Juda de Madrid Archivo Central del Ministerio de Cultura Archivo Central Ministerio de la Presidencia Archiv der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 Archiv der Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa Archivo General de la Administraciûn Archivo General del Ministerio de Justicia Alliance Isra¦lite Universelle Amistad Judeo-Cristiana, Boletn Informativo „Amistad Judeo-Cristiana“ American Jewish Yearbook Arxiu Municipal de Administratiu de Barcelona Archivo General del Ministerio de Asuntos Exteriores Aus Politik und Zeitgeschichte Asociaciûn de Relacions Culturals Catalunya-Israel Comunitat Jueva Atid de Catalunya Biblioteca Nacional de EspaÇa Boletn Oficial de las Cortes Generales Boletn Oficial del Estado Centro Bonastruc Åa Porta Crculo EspaÇol de Amigos de Europa Centro de Estudios Judeo-Cristianos Comunidad Israelita de Barcelona Comisiûn Islmica de EspaÇa Caja Comunidad Juda de Madrid Consejo Superior de Investigaciones Cientficas Direcciûn General de Turismo Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial Educaciûn General Bsica Federaciûn de Comunidades Israelitas de EspaÇa Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa Federaciûn de Entidades Evang¦licas Feria Internacional de Turismo Fundaciûn Nacional Francisco Franco
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Abkürzungsverzeichnis
GWU ITF
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Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Task Force for International Cooperation on Holocaust Education Remembrance and Research JBA Jüdisches Biographisches Archiv JC Jewish Chronicle JOINT American Jewish Joint Distribution Committee LGE Ley General de Educaciûn LODE Ley Orgnica del Derecho a la Educaciûn LOGSE Ley Orgnica de Ordenaciûn General del Sistema Educativo MANES Centro de Investigaciûn Manuales Escolares MS Museo Sefard NYT New York Times OID Oficina de Informaciûn Diplomtica ORCE Oficina de Relaciones Culturales EspaÇolas PP Partido Popular PSOE Partido Socialista Obrero EspaÇol RAH-FFMC Real Academia de la Historia – Fondo Fernando Mara Castiella RER Registro de Entidades Religiosas RTVE Radio y Televisiûn EspaÇola UCD Uniûn de Centro Democrtico UNED Universidad Nacional de Educaciûn a Distancia UTAD Unidad de Tratamiento Archivstico y Documentaciûn TURESPAÄA Instituto de Turismo de EspaÇa TVE Televisiûn EspaÇola Verf. unb. Verfasser unbekannt VfZ Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte WIZO Women’s International Zionist Organization ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
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Literatur Öffentliche Archive/Einrichtungen American Jewish Archives, Cincinnati, Ohio, USA Chaim Lipschitz Nearprint Biographical File Archivo Central del Ministerio de Cultura (ACMC), Madrid Fondo del Ministerio de Cultura, 1977Archivo Central Ministerio de la Presidencia (ACMP), Madrid Fondo Secretara Ministro Subsecretario Fondo Jefatura del Estado Archivo General de la Administraciûn (AGA), Alcal de Henares Fondo del Ministerio de Asuntos Exteriores Fondo del Ministerio de Cultura Fondo del Ministerio de Informaciûn y Turismo Fondo del Ministerio del Interior Fondo del Ministerio de Justicia Fondo de la Presidencia del Gobierno Archivo General del Ministerio de Asuntos Exteriores (AMAE), Madrid Archivo Renovado Archivo Personal Archivo General del Ministerio de Justicia (AGMJ), Madrid Arxiu Administratiu de la Ciutat de Girona (AACG), Girona Centro Bonastruc Åa Porta Isaac el Cec Patronat „Call de Girona“ Pla Especial del Barri vell Arxiu Municipal de Administratiu de Barcelona (AMAB), Barcelona Gabinet TÀcnic de Relacions Pfflbliques i Protocol Oficina de Arxiver en CAP Centro Bonastruc Åa Porta (CBCP), Girona Patronat Call de Girona Red de Juderas Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig Schulbuchsammlung, Spanien Museo Sefard (MS), Toledo Oficina de Informaciûn Diplomtica (OID), Madrid Notas Informativas Real Academia de la Historia (RAH), Madrid Fondo Fernando Mara Castiella
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Archive und Quellen
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UNED-MANES, Madrid Unidad de Tratamiento Archivstico y Documentaciûn (CSIC-UTAD), Madrid Archivo Textual Amistad Judeo-Cristiana Centro de Estudios Judeo-Cristianos Exposiciûn Bibliogrfica Sefard Mundial Instituto de Estudios Sefardes Sefarad 92 Simposio Sefard
Online-Archive/online verfügbare Bestände Archivo Linz, http://www.march.es/ceacs/biblioteca/proyectos/Linz/index.asp Boletn des Patronat de Call de Girona, http://www.girona.cat/call/butlleti_v1/defaul tes.php Boletn Oficial del Estado (BOE), http://www.boe.es (seit 1960) Bullet Oficial de la Provincia de Girona (B.O.P.), http://www.ddgi.cat/bopH/ Casa Sefarad-Israel, http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/presentacion.aspx, 20. 4. 2011. http://www.casasefarad-israel.es/es/nosotros/inauguracion.aspx, 1. 8. 2011. http://www.casasefarad-israel.es/es/holocausto.aspx, 11. 5. 2011. http://www.casasefarad-israel.es/es/virtual/FESTIVAL-DE-CINE-JUDIO-%5BdeBarcelona%5D-EN-MADRID.aspx, 6. 7. 2011. http ://www.casasefarad-israel.es/ES/nosotros/Espana–comprometida-con-elrecuerdo-de-la-Shoah.aspx, 28. 12. 2010. Consejo de Ministros, http://www.lamoncloa.gob.es/ConsejodeMinistros/index.htm Referencias Rueda de Prensas Cortes Generales. Congreso de los Diputados, http ://www.congreso.es/portal/page/portal/Congreso/Congreso/Sdocum Boletn Oficial Diario de Sesiones Cortes Generales. Senado, http://www.senado.es/public/bocg.html Diario de Sesiones Diari Oficial de la Generalitat de Catalunya, http://www.gencat.cat/dogc FCJE, http://www.fcje.org/ http://observatorioantisemitismo.fcje.org, 20. 4. 2011. http://www.fcje.org/index.php/comunidades, 20. 4. 2011. Ministerio de Cultura, Estadstica de Museos y Colecciones Museogrficas 2008, http://www.calameo.com/read/00007533594b82fb4ba1b, 7. 11. 2011. http://www.mcu.es/estadisticas/MC/EM/index.html, 18. 12. 2010. http ://www.mcu.es/visitantemuseo/buscarAnios.do ;jsessionid=15904
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Literatur
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Private Archive/Sammlungen Archiv der Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 (ACNJS92), Barcelona Archiv der Comunidad Israelita de Barcelona (ACIB), Barcelona Archiv der Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa (AFCJE), Madrid Archiv des Centro de Estudios Judeo-Cristianos (ACEJC), Madrid Asociaciûn de Relacions Culturals Catalunya-Israel (ARCCI), Reus (Tarragona) Bibliothek und Archiv der Comunidad Juda de Madrid (ACJM), Madrid Fundaciûn Nacional Francisco Franco (FNFF), Madrid
Interviews Gespräch der Verfasserin mit Alberto Benasuly, Madrid, 4. 11. 2009. Gespräch der Verfasserin mit Andreu Lascorz, Barcelona, 24. 10. 2010. Gespräch der Verfasserin mit Assumpciû Hosta, Girona, 19. 10. 2010. Gespräch der Verfasserin mit Dalia Levinsohn, Barcelona, 20. 10. 2010. Gespräch der Verfasserin mit David Grebler und Carlos Schorr, Barcelona, 21. 10. 2010. Gespräch der Verfasserin mit Isaac Querub, Madrid, 6. 11. 2009. Gespräch der Verfasserin mit Jacques Laredo, Madrid, 30. 10. 2009. Gespräch der Verfasserin mit Jaime Vndor, Barcelona, 25. 10. 2010. Gespräch der Verfasserin mit Mýnica Suris, Barcelona, 26. 10. 2010.
Reden (online veröffentlicht) Conferencia de Jos¦ Mara Aznar sobre „EspaÇa: libertad, pluralidad y constituciûn“, 8. 2. 2000, http://www.jmaznar.es/discursos/pdfs/00900A0900.pdf, 27. 7. 2011.
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Periodika (punktuell) ABC (Madrid), seit 19422 Am¦rica 92, 1989 – 1991 1 In einigen Fällen waren die Seitenzahlen nicht recherchierbar. Soweit bekannt, werden sie angegeben. 2 Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum, für den die jeweilige Publikation im Hinblick auf die Berichterstattung über zentrale Ereignisse gesichtet wurde. Die Sichtung der spanischen Tageszeitungen beginnt – sofern möglich – mit dem 31. 3. 1942, dem 450. Jahrestag der Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel, die Sichtung aller anderen Presseerzeugnisse mit dem Beginn des Untersuchungszeitraumes im Jahr 1945 bzw. mit dem jeweiligen Erscheinungsbeginn.
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Archive und Quellen
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Register Namensregister1 Unter den spanischen Eigennamen wurden jeweils auch die deutschen Übersetzungen berücksichtigt. Aguirre, Antonio Mara 316 Aguirre, Esperanza 204, 246 Alcal Zamora, Niceto 77 Alfonso X. 262, 317, 360, 390 Alfonso XII. 43, 171 Alfonso XIII. 76 Alto Patronato del Quinto Centenario 368 Amador de los Ros, Jos¦ 42 American Jewish Committee 106, 120, 147 Amistad Judeo-Cristiana (AJC) 20f., 82, 106, 113, 116–136, 252f., 332, 428 Azagury, Aaron 377 Aznar, Jos¦ Mara 178, 201, 246 Balbn Lucas, Rafael de 156 Baroukh, Daniel FranÅois 99–103, 105, 157–159, 188 Bauer, Ignacio 157, 188 Behar Passy, Yair 307, 310, 313, 316, 318 Beinart, Haim 189, 321, 363, 365 Ben Ami, Shlomo 381, 391 Benarroch, Carlos 123, 128, 131f. Benarroya, Enrique 188 Benasuly, Alberto 122, 124, 211 Benasuly, Yudah 406 Benmayor, Leûn 406 Bergel Sequerra, David 208 Blickenstaff, David 277
Blitz, Louis 159, 166 B’nai B’rith 105, 109, 112f., 115f., 230, 350, 376–378, 401 Boor, Jakin (s. Francisco Franco) Bronfman, Edgar 197, 374, 377, 400 Burgos Segu, Carmen de 76 Cabrera, Mercedes 300 Cansinos-Assens, Rafael 77 Cantera Burgos, Francisco 121, 324f. Cardona, Jos¦ 208, 227 Carlavilla, Julin Mauricio 66 Carod-Rovira, Josep Llus 396 Carranza, Enrique Thoms de 333 Casa Sefarad-Israel 12, 180, 203–206, 297f., 417, 422 Castelar, Emilio 74 Castiella, Fernando Mara 19, 86f., 97, 148f., 306, 317 Castro, Am¦rico 22, 41, 46f., 55, 78, 206 Centro Bonastruc Åa Porta 19, 347f., 362 Centro de Estudios Judeo-Cristianos (CEJC) 20f., 120f., 125, 253 Chillida, Eduardo 382 Cohen, Yaacov (Jacob) 328, 383 Cohen Israel, Haim 163 Comisiûn Nacional Juda Sefarad 92 20f., 23, 373f., 376, 378, 381–384, 392f., 395, 398–405, 409, 411, 413f.
1 Neben den im Text erwähnten Personen werden zusätzlich für die Untersuchung zentrale Einrichtungen und Vereinigungen aufgelistet.
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Namensregister Comisiûn Nacional para la Conmemoraciûn del Quinto Centenario 23, 368, 372–377, 383–386, 388, 391, 395, 414f. Comunidad Hebrea de Madrid (s. Comunidad Juda de Madrid) Comunidad Israelita de Barcelona (CIB) 17, 20, 54, 58, 84–86, 97, 105–107, 112, 141f., 155f., 159f., 162, 173, 181, 188, 216, 231, 351f., 375, 377, 392, 396 Comunidad Israelita de Madrid (s. Comunidad Juda de Madrid) Comunidad Juda de Madrid (CJM) 17, 20, 58, 70, 85, 99, 102, 105, 112, 114, 117–119, 124f., 133, 137, 155–157, 161f., 164–166, 168–173, 175, 181, 183, 188, 211, 216, 231, 268, 284f., 324f., 376f., 397, 399, 401, 405f. Consejo de las Comunidades Israelitas de EspaÇa 156, 162–165, 223 Eban, Abba 274f. Eilan, Arie 282 Eliachar, Eliahu 188 Enrique y Tarancûn, Vicente 125, 145, 208 Federaciûn de Comunidades Judas de EspaÇa (FCJE) 9, 12, 20, 24, 61, 187, 211–213, 222–225, 227–230, 233, 299, 368, 372, 374–376, 378, 401, 405, 409 Felipe de Borbûn y Grecia (Kronprinz) 300, 409 Fernndez OrdûÇez, Francisco 198, 374 Fraga Iribarne, Manuel 86, 97, 120, 178, 196 Franco, Francisco 15f., 18f., 28, 55f., 68, 70, 83–86, 91, 93, 96, 99, 103f., 106–108, 115f., 135, 137, 139f., 142f., 148, 161f., 165f., 168, 170, 174–176, 181, 184, 187, 206, 209, 212, 238, 241, 249f., 253f., 258, 264, 266–268, 280–282, 284–288, 290f., 294, 296,
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300f., 305f., 310, 316–319, 325, 342, 376, 420, 424, 428 Fundaciûn Pluralismo y Convivencia 232, 421f., 425 Gaon, Nessim (Nissim) 377, 380 Gaûn, Salomûn 313, 317, 327, 406 Garca Gûmez, Emilio 317 Garca Lahiguera, Jos¦ Mara 118 Garrigues y Daz-CaÇabate, Antonio 216 Gibert, Antonio Mara de 123 Gim¦nez Caballero, Ernesto 78f. Goicoechea, Cesreo 310, 313, 317 Goldmann, Nahum 183f. Gûmez Jordana, Francisco 77 Gûmez Navarro, Javier 354 Gonzlez, Felipe 178, 187, 195f., 199, 374, 380 Gonzlez Hontoria, Manuel 78 Grebler, David 375f., 378f., 381, 383, 392, 395, 397, 401f., 412 Grupo de Trabajo Sefarad 92 368, 372, 374f., 387f., 391 Hadas, Samuel 188 Hassn, Iacob 80, 235, 378 Hatchwell Toledano, Mauricio 380–383, 403 Herrero Tejedor, Fernando 151 Herzog, Chaim 383, 399f., 406 Hoffman, Philip 333 Instituto Arias Montano 19, 21f., 89, 102, 189, 278, 314, 320, 324f. Instituto de Cultura Hispnica 90, 122, 308, 310, 320f., 324 Instituto de Estudios Sefardes 319–321 International Jewish Committee Sepharad 92 374, 379–383, 387, 392, 403, 405f., 414 Isabel I. und Fernando II. („Katholische Könige“) 15, 42, 47, 50, 69, 103f., 139, 166, 168–170, 175, 194, 237, 239,
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Register
241, 250, 253–260, 264, 278, 313, 330, 333, 360, 390, 398, 402, 404 Israel Garzûn, Jacobo 24, 119, 161, 210, 212, 270, 299 Javierre, Jos¦ Mara 121, 129 Jim¦nez de Cisneros, Francisco 261 Jim¦nez Lozano, Jos¦ 132 Joftes, Saul 113–115 Juan Carlos I. (König) 181, 185, 195, 209, 299, 328f., 368, 371, 384f., 393, 397f., 402f., 405–411, 413, 416, 424, 426 Jüdischer Weltkongress 84, 98, 103, 109, 111, 180–186, 197, 206, 271, 307, 374, 377, 380, 400 Katz, Label 115 Laredo, Jacques 399–401, 406, 411 Ledesma, Fernando 225 Levinsohn, Dalia 351 Levy, Alberto 103, 105, 161 Lipschitz, Chaim U. 266f., 269, 281–292, 301, 424 Lûpez Ýlvarez, Ana Mara 325, 333 Lûpez Ballesteros, Luis 283 Lûpez Bravo, Gregorio 286, 290f. Lûpez de Letona, Jos¦ A. 289 Lûpez Gay, Pina 372 Los Arcos, Jos¦ Luis 110 Maeztu, Ramiro de 44f., 241 Maragall, Pasqual 394 MaraÇûn, Gregorio 321 Maravall, Jos¦ Mara 245 Marina Vega, Jos¦ 77 Marqu¦s de Merry del Val 109, 112, 281f. Martn Artajo, Alberto 102, 158 Mazin, Max 70, 103–106, 108, 118f., 124, 126, 147f., 154, 161f., 165, 172, 268f., 284f., 333, 375, 377, 381, 401, 406, 412
Mendizbal, Rafael 185 Men¦ndez Pidal, Ramûn 46, 314 Men¦ndez y Pelayo, Marcelino 44, 251, 278, 383 Mesa, Juan Ignacio de 326 Mills Vallicrosa, Jos¦ Mara 121 Montefiore, Denzil 313, 317 Moratinos, Miguel Ýngel 203 Mfflgica Herzog, Enrique 225, 295f. Museo Sefard 21, 24, 28, 40, 104, 235, 303, 305, 322–337, 373, 384, 423f., 427 Navon, Yitzhak 380f., 384, 405 Nessim, Simon S. 316 Oficina de Informaciûn Diplomtica (OID) 19, 21, 104, 168, 184, 266, 273–280, 287 Ojeda, Jaime de 283f., 287f. Olivi¦, Fernando 113 Oriol y Urquijo, Antonio Mara 151 Ortega, Manuel 77 Pagans i Gruartmoner, Anna 349, 361 Papst Sixtus IV. 47 Pastor, Rafael 113 Patronato Call de Girona 19, 340, 343, 346, 350, 352, 413 Peral, Antonio 118 Peres, Schimon 196 P¦rez Castro, Federico 102, 310, 321, 325, 327 P¦rez Lozano, Jos¦ Mara 251 Perlzweig, Maurice 109–111, 271 Philippson, Ludwig 171 PiÇar, Blas 79, 90, 121, 308 Pinto Coriat, Jacques 326 Prado y Colûn de Carvajal, Manuel 368 Pujol, Jordi 394, 397 Pulido Fernndez, Ýngel 73–77, 80, 102f., 314, 412, 423, 427 Quadra-Salcedo, Toms de la 226 Querub, Isaac 375f., 399f., 404, 411
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Namensregister Red de Juderas 12, 19, 28, 235, 340, 343, 348–350, 352–356, 360f., 363f., 413f., 421, 426 Riva Careaga, Ion de la 372 Robles Piquer, Carlos 368 Rodrguez Zapatero, Jos¦ Luis 179, 201, 294, 298 Romero, Elena 388f. Rubio, Jesffls 316 Ruiz-Gallardûn, Alberto 205 Ruiz-Gim¦nez, Joaqun 242 Safra, Edmond 406 Sagaz, Ýngel 113, 412 Salomûn, Ana 204 Snchez-Albornoz, Claudio 22, 46f., 55 Snchez Garrido, Joaqun 388 Santamara, Julin 373 Sanz Briz, Ýngel 57, 287f., 298, 412 Sassoon, Andr¦ G. 381 Sassot, Manuel 372 Schader, Bertram 183 Schorr, Carlos 375 Schutz, Raphael 202 Sephardische Weltföderation 109, 181, 305–308, 310, 313f., 316f., 319, 377, 380 Serrano, Vicente 119, 124
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Serrano de Haro, Agustn 250f. Sociedad Estatal Quinto Centenario 347, 368–370, 376, 384 Sofa de Grecia (Königin) 181f., 398 Sol¦ Tura, Jordi 391 Surez, Adolfo 212 Toledano, Mauricio 376, 402 Toledano, Samuel 122, 129, 156, 188f., 211, 215, 223f., 227, 352, 374f., 377, 382, 401f., 406, 412 Tsur, Jacob 191 Vndor, Jaime 160, 191 Veil, Simone 395 Ventura, David 107 Villar Palas, Jos¦ Luis 244 Wexler, William A. 115 Wiesel, Elie 380, 384f., 403 Yahuda, Abraham Shalom 78 YÇez-Barnuevo, Luis 368f., 372–374, 384–386, 391, 395 Zalacan, Ricardo 225 Zavala, Luis Mara de 225 Zulueta, Eduardo 215
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Register
Ortsregister Ägypten 217f., 221 Algier 201 Alicante 61, 174, 343 Andalusien 47, 49, 343, 370 Athen 277, 289, 315 Australien 369 Ývila 359
Gibraltar 53, 282 Girona 19, 28, 337, 339f., 343–346, 348–352, 358f., 361f., 364f., 393, 395, 413, 421 Granada 166, 257, 366, 425 Griechenland 56f., 217f., 221, 275 Großbritannien 390
Bagdad 317 Balearen 61 Balkan 76, 407 Barcelona 17, 19f., 23, 54, 57, 59–62, 69f., 84–86, 94, 97, 103, 105–107, 112–114, 116, 120, 123, 128, 131, 133, 141f., 155f., 159–163, 165, 173, 181, 188, 190f., 201, 216, 223, 283, 295, 343, 346, 349–351, 366, 377, 379, 385, 392–395, 414 Benidorm 61 Bergen-Belsen 56, 277, 297 Budapest 57
Hervs 123, 128, 353, 418
Cceres 358 Casablanca 406 Ceuta 17, 58, 61, 88, 156, 162f., 173, 216, 223 China 369 Cûrdoba 123, 261, 332, 343, 357, 360, 425 Den Haag 192, 288 Deutschland 27, 54f., 66, 68f., 91, 96, 99, 110, 266, 268, 275, 295f., 298, 301, 304, 323, 346, 369, 390 England 101, 110 Frankreich 35, 56f., 64, 76, 272, 275, 294, 369, 380, 390, 407
Iberoamerika (s. Lateinamerika) Irak 317 Israel 70f., 82–86, 96–99, 105, 112, 115, 120f., 132, 135, 159–161, 167, 180, 184, 187–201, 203–206, 272–275, 279, 288, 298, 304–307, 317–319, 321, 352, 369, 380, 382, 390, 406, 419, 421f., 424 Italien 55, 369, 390 Ja¦n 359 Jerusalem 78, 94, 96, 100f., 170, 189, 191, 272, 289, 324 Kanada 380 Kanarische Inseln 61 Katalonien 16f., 173, 191, 337, 343, 351f., 370, 392–397, 414 Lateinamerika 95, 220, 295, 370, 385, 409 Leûn 349 Libanon 71 London 168, 171, 289, 308, 315 Los Angeles 105, 373 Madrid 17, 19f., 23, 28, 53f., 58–61, 68,
Gaza 71
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Ortsregister 70, 77f., 85, 94, 99f., 102f., 105, 110, 112–114, 116–119, 121, 124f., 127, 133, 137, 141, 147, 155–157, 159–166, 168–173, 175, 178, 181–184, 188, 190, 196f., 199, 201, 204–206, 216, 223, 231, 268, 275, 283f., 287, 297, 300, 303, 305, 308, 312–317, 324f., 366, 374–377, 379, 383, 385, 393, 397, 400f., 405f., 409, 420, 426 Mlaga 17, 61, 156, 163f., 173, 272 Manila 103 Marbella 61, 343, 401 Marokko 42, 53, 58, 77, 83, 88, 94, 114, 158–160, 220, 275, 279, 380, 406 Melilla 17, 58, 61, 88, 100, 156, 162, 164, 173, 223 New York 104, 106, 120, 147, 170, 197, 316, 372, 380f., 384 Niederlande 372, 407 Nordafrika 42, 53, 68, 179, 273, 277, 289, 327, 407 Oviedo 358, 409 Palästina 97 Palma de Mallorca 61, 174, 343 Philadelphia 170 Plasencia 353 Portugal 26, 45, 49, 55f., 220, 270, 307, 404 Ribadavia 353, 418
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Rom 144 Rumänien 56, 273, 275, 289 Russland 390 Saloniki 56, 276f., 289, 315, 406 Sarajevo 406 Segovia 358 Sevilla 17, 47, 54, 61, 123, 163, 232, 343, 366, 382f., 393, 425 Stockholm 84, 95, 110f., 297 Tanger 58 Tel Aviv 191, 392 Teneriffa 174, 343 Tetun 58 Toledo 21, 28, 104, 127f., 130, 179, 201, 261–263, 283, 303, 305, 322, 324, 327, 330–333, 343, 348, 358f., 364, 373, 383–388, 390–392, 405, 414, 424f. Torremolinos 61, 343 Türkei 26, 380, 406 USA 55, 83, 94, 101, 106, 108–112, 114, 116, 146, 272f., 281f., 285, 290, 304, 306, 316, 346, 369, 373, 380, 390, 423 Valencia 61f., 174, 343 Vitoria 123 Washington D.C. 109, 147, 152, 273, 281, 284, 286f., 289, 292 Zaragoza 129f.
© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525570302 — ISBN E-Book: 9783647570303
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Jüdische Religion, Geschichte und Kultur (JRGK) Band 19: Tobias Grill Der Westen im Osten
Deutsches Judentum und jüdische Bildungsreform in Osteuropa (1783-1939) 2013. 389 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-57029-6 E-Book ISBN 978-3-647-57029-7 Tobias Grill stellt dar, inwiefern deutsche Rabbiner und deutsch-jüdische Pädagogen innerhalb der jüdischen Bildungsreform versuchten, Aspekte des Bildungswesens aus ihrer Herkunftskultur in das osteuropäische Judentum zu transferieren.
Band 18: Julia Haarmann Hüter der Tradition
Erinnerung und Identität im Selbstzeugnis des Pinchas Katzenellenbogen (1691–1767) 2013. 290 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-57023-4 E-Book ISBN 978-3-647-57023-5 Die erstmalige und umfassende Erschließung des hebräischen Selbstzeugnisses Yesh Manchilin von Rabbiner Pinchas Katzenellenbogen (1691–1767) zeichnet ein facettenreiches Bild jüdischen Lebens im Aschkenas des 18. Jahrhunderts.
Band 17: Ivonne Meybohm David Wolffsohn. Aufsteiger, Grenzgänger, Mediator Eine biographische Annäherung an die Geschichte der frühen Zionistischen Organisation (1897–1914) 2013. 384 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-57028-9 E-Book ISBN 978-3-647-57028-0 Anhand der Biographie David Wolffsohns (1850er Jahre–1914), des zweiten Präsidenten der Zionistischen Organisation und Nachfolgers Theodor Herzls, analysiert Ivonne Meybohm die Geschichte der frühen Zionistischen Organisation.
Band 14: Na`ama Sheffi Vom Deutschen ins Hebräische Übersetzungen aus dem Deutschen im jüdischen Palästina 1882-1948
Übersetzt von Liliane Meilinger. Mit einem Vorwort von Shulamit Volkov. 2011. 219 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-56938-2 E-Book ISBN 978-3-647-56938-3 Sheffi beschäftigt sich mit der Übersetzung deutschsprachiger Werke ins Hebräische im jüdischen Palästina vor 1948 und der unmittelbaren Wirkung deutscher Vorbilder auf die Schaffung eines modernhebräischen Literaturkorpus.
© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525570302 — ISBN E-Book: 9783647570303
Jüdische Religion, Geschichte und Kultur (JRGK) Band 13: Stefan Siebers Der Irak in Israel
Vom zionistischen Staat zur transkulturellen Gesellschaft 2010. 120 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-56937-5 E-Book ISBN 978-3-647-56937-6 Stefan Siebers untersucht die politischen, sozialen und kulturellen Annäherungen, die mit dem irakischen »Exodus« zusammenhängen.
Band 12: Thekla Keuck Hofjuden und Kulturbürger
Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin 2011. 552 Seiten, mit 18 s/w und 2 Farbabb. sowie zwei Stammbäumen, gebunden ISBN 978-3-525-56974-0 Die Geschichte der Familie Itzig vermittelt einen kaleidoskopischen Blick auf die preußische Gesellschaft um 1800.
Band 11: Rebekka Voß Umstrittene Erlöser
Politik, Ideologie und jüdisch-christlicher Messianismus in Deutschland, 1500-1600 2011. 272 Seiten, mit 14 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-56900-9 Die Reformationszeit war für ihre Endzeitstimmung bekannt. Rebekka Voß zeigt die enge Verflechtung jüdischen und christlichen apokalyptischen Denkens und Aktivität in dieser Epoche.
Band 10: Sylvie Anne Goldberg Zeit und Zeitlichkeit im Judentum Aus dem Französischen von Marianne Mühlenberg. 2009. 630 Seiten mit 14 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-54000-8 Das Judentum folgte im Verlauf seiner Geschichte verschiedenen Arten der Zeitbestimmung. Goldberg zeichnet die Entwicklung nach und stellt sich den Fragen nach der Bedeutung von von Gesetz und Auslegung.
Band 9: Tamar Lewinsky Displaced Poets
Jiddische Schriftsteller im Nachkriegsdeutschland, 1945–1951 2008. 288 Seiten, mit 5 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-56997-9 Lewinsky verfolgt die Spur der Schriftsteller und Journalisten, die in jiddischer Sprache das gesellschaftliche Leben der jüdischen Displaced Persons nicht nur beschrieben, sondern auch maßgeblich prägten.
Band 8: Barbara Rösch Der Judenweg
Jüdische Geschichte und Kulturgeschichte aus Sicht der Flurnamenforschung 2009. 491 S. mit 9 Abb., 9 Karten u. 2 Tab., geb. ISBN 978-3-525-56998-6 E-Book ISBN 978-3-647-56998-7 Judenwege gehören zu den vergessenen Kapiteln deutsch-jüdischer Geschichte. Das bislang von der Forschung übersehene Toponym Judenweg und seine sinnverwandten Formen kommt hier zur Sprache.
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