Soziale Marktwirtschaft: Ein Modell für Europa. Festschrift für Gernot Gutmann zum 65. Geburtstag [1 ed.] 9783428482368, 9783428082360

Die sich in den letzten Jahren vollziehenden Umbrüche der Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme in Ost- und Südosteuropa

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German Pages 322 Year 1994

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Soziale Marktwirtschaft: Ein Modell für Europa. Festschrift für Gernot Gutmann zum 65. Geburtstag [1 ed.]
 9783428482368, 9783428082360

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Soziale Marktwirtschaft - Ein Modell für Europa Festschrift für Gernot Gutmann zum 65. Geburtstag

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t

Heft 441

Soziale Marktwirtschaft Ein Modell für Europa Festschrift für Gernot Gutmann zum 65. Geburtstag

lIerausgegeben von

Werner Klein Spiridon Paraskewopoulos Helmut Winter

DUßcker & Humblot · Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Soziale Marktwirtschaft : ein Modell für Europa ; Festschrift für Gemot Gutmann zum 65. Geburtstag I hrsg. von Wemer Klein ... - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Volkswirtschaftliche Schriften ; H. 441) ISBN 3-428-08236-2 NE: Klein, Wemer [Hrsg.]; Gutmann, Gemot: Festschrift; GT

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08236-2 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANS I-Norm für Bibliotheken

Vorwort Von ihren ideengeschichtlichen Anfängen gerechnet, kann die Ordnungskonzeption der Sozialen Marktwirtschaft auf eine über fünfzigjährige Geschichte zurückblicken. Die wirtschaftspolitische Durchsetzung und Entwicklung dieser Konzeption wurden zum Synonym für das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland als dem der Sozialen Marktwirtschaft. Dieser Abschnitt der jüngeren Geschichte, in die das Werden und die Entwicklung dieser Ordnungskonzeption fallen, ist geprägt durch die politische und wirtschaftliche Spaltung Europas, die nirgends deutlicher zutage trat als im Deutschland dieser Jahre. Die Soziale Marktwirtschaft hatte sich in dem Land ihres Ursprungs, insbesondere in den Zeiten ihrer politischen Durchsetzung, den Jahren der als Folge des Krieges darniederliegenden Wirtschaft sowie in den dem Wiederaufbau auch folgenden Rezessionen zu bewähren. In dieser Zeit fanden sich die generell marktwirtschaftlichen Ordnungen westlicher Prägung darüber hinaus in einer ideengeschichtlichen und realwirtschaftlichen Auseinandersetzung mit jenen marxistisch-leninistisch und von daher ihre Legitimation ableitenden Wirtschaftsordnungen zentraler Planung, Lenkung und Kontrolle nach sowjetischem Muster. Wie sonst kaum anderswo, ist das Deutschland der Nachkriegszeit in den staatlichen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und denen der DDR andererseits, erstere basierend auf den Prinzipien des freiheitlich-sozialen Rechtsstaats, letztere beruhend auf der Ideologie des Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung, ein Beispiel für das Ringen um die Verwirklichung einer menschengerechten Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Heute sehen sich Wissenschaft und Politik mit den Problemen konfrontiert, die der Zusammenbruch der marxistisch-leninistisch geprägten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen in Zentral-, Ost- und Südosteuropa mit sich gebracht haben. Die Ordnungskonzeption der Sozialen Marktwirtschaft ist damit wiederum und erneut insbesondere mit Blick auf das geeinte Deutschland einer Bewährungsprobe ausgesetzt. Aber auch der europäische Einigungsprozeß stellt eine neue Herausforderung für die Ordnungsidee der Sozialen Marktwirtschaft dar, sei es im Sinne eines Wettbewerbs um die beste Ordnungskonzeption der Staaten des sich einigenden Europas untereinander, sei es, daß sich die europäische politische und wirtschaftliche Integration auf der Grundlage zu etablierender supranationaler Ordnungsstrukturen ergibt. Gernot Gutmann, dem dieser Band aus Anlaß seines 65. Geburtstags gewidmet ist, hat die Problemsicht, die sich aus den geschilderten geschichtlichen Um-

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Vorwort

ständen ergaben, zuerst als Student der Wirtschaftswissenschaften an einer der geistigen Wiegen der Sozialen Marktwirtschaft, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, lernend erfahren. Als Forscher und akademischer Lehrer an der Philipps-Universität Marburg sowie der Universität zu Köln begleitete er in einer großen Zahl von Veröffentlichungen und in der Lehre das Werden dieser Ordnungskonzeption und die wissenschaftliche Auseinandersetzung sowohl mit dem marxistisch-leninistisch begründeten Ordnungstypus der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs als auch mit alternativen Konzepten sogenannter "Dritter Wege". Der Leitgedanke der Schriften von Gernot Gutmann ist die ethisch verantwortete freiheitliche Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Das so verstandene Prinzip der Freiheit auch und insbesondere von Forschung, Lehre und Lernen zu wahren und zu fördern, gilt ihm als unabdingbare Voraussetzung für wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt. Dieser Grundhaltung folgend hat Gernot Gutmann seine ganze Kraft auch der Wahrnehmung von zahlreichen Ämtern der akademischen Selbstverwaltung und in anderen wissenschaftlichen Institutionen gewidmet. Die Herausgeber danken allen, die zum Gelingen dieser Festgabe beigetragen haben. Dieser Dank gilt zuerst den Verfassern der Beiträge, die in herzlicher Verbundenheit mit Gernot Gutmann die Gestaltung dieses Bandes ermöglicht haben. Ein ganz besonderer Dank gebührt aber Frau Irmgard Fichtner, seiner langjährigen Sekretärin, die in alleiniger Verantwortung, mit großem Geschick und der ihr eigenen Gewissenhaftigkeit die redaktionelle Aufbereitung der Beiträge geleistet und somit den Band in der vorliegenden Form gestaltet hat. Köln, Leipzig und Ravensburg im Oktober 1994

Wemer Klein Spiridon Paraskewopoulos Helmut Winter

InhaitsvelZeichnis Erster Teil Konzeptionelle Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft

Christian Watrin Ordnungs- und wirtschaftspolitische Grundlagen Sozialer Marktwirtschaft Hans-Günter Krüsselberg Humanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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Helmut Winter Die Unternehmensverfassung in der Sozialen Marktwirtschaft . . . . . . . .. 57 Helmut Gröner / Andreas Knorr Außenhandelsordnung und Soziale Marktwirtschaft ................ 91 Hannelore Hamel Soziale Marktwirtschaft: Anspruch und Realität eines ordnungspolitischen Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

109

Wemer Klein Zur Genese von Wirtschaftsordnungen

133

Zweiter Teil Stabilisierungs- und verteilungspolitische Flankierungen in der Sozialen Marktwirtschaft

H. Jörg Thieme Geld- und Kreditpolitik: Entwicklungsstand und Perspektiven

157

8

Inhaltsverzeichnis

Spiridon Paraskewopoulos Sozialpolitik in der Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ...........................................

187

Dritter Teil Soziale Marldwirtschaft in der Bewährung

A lfred SchülIer Systemwechsel und Systemwandel in Deutschland - Die Soziale Marktwirtschaft an der Wende zu einer grundlegenden Veränderung? -

207

Hans-Heribert Derix Soziale Marktwirtschaft und westeuropäischer Integrationsprozeß - Zum ordnungspolitischen Leitbild der Europäischen Union -

233

Dieter Cassel / Paul J. J. Welfens Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell für Transformationsländer in Mittel- und Osteuropa?

269

Carsten Herrmann-Pillath Elemente der Sozialen Marktwirtschaft 1m Transformationsprozeß Chinas?

289

Schriftenverzeichnis von Gemot Gutmann

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Verzeichnis der Mitarbeiter

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Onlnungs- und wirtschaftspolitische Grundlagen Sozialer Marldwirtschaft Christian Watrin' "Die soziale Marktwirtschaft ist gemäß ihrer Konzeption keinfertiges System, kein Rezept, das einmal gegeben, für alle Zeiten im gleichen Sinne angewendet werden kann. Sie ist eine evolutive Ordnung, in der es neben dem festen Grundprinzip, daß sich alles im Rahmen einerfreien Ordnung zu vollziehen hat, immerwiedernötig ist, Akzente neu zu setzen gemäß den Anforderungen einer sich wandelnden Zeit." A lfred Müller-Armack (/974), S.JO.

A. Einleitung: Marktwirtschaft - Ubiquität? Seit dem Zusammenbruch des Sozialismus in den ehemaligen Ostblockstaaten hat es den Anschein, daß die Marktwirtschaft - im Gegensatz zu früheren Beurteilungen - eine ebensowenig umstrittene Ordnung ist wie die Demokratie. Auf sie berufen sich überraschenderweise nicht nur Gruppierungen der politischen Mitte, sondern mittlerweile auch die aus kommunistischen Organisationen hervorgegangenen Parteien. Außerdem treten die noch existenten Einparteiendiktaturen in China und in Indochina für die Marktwirtschaft ein. Vergessen scheint die bis auf das kommunistische Manifest von 1848 zurückgehende "Kapitalismus"kritik und der politisch-militärisch-ideologische Kampf für eine "klassenlose Gesellschaft" und die "Überflußgesellschaft" kollektivistischer Prägung. Die Gründe für diesen abrupten Wandel liegen auf der Hand: der anstehende volkswirtschaftliche Bankrott der sozialistischen Systeme - hierfür ist gegenwärtig Kuba ein zutreffendes, wenngleich bedrückendes Beispiel - und die vergleichsweise hohe Leistungsfähigkeit und Dynamik von Ländern, die unter

, Beitrag zum Expertengespräch vom 23. - 25. September 1994 in Prag über das Thema "Die Länder Mittel- und Osteuropas auf dem Weg in die Marktwirtschaft", veranstaltet von der KonradAdenauer-Stiftung e. V., St. Augustin, dem Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, und der Christlichen Akademie. Prag.

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den Regeln einer marktwirtschaftlichen Ordnung leben. Vor allem aber unterscheiden sich Staaten, die den bürokratischen Sozialismus adoptierten, von marktwirtschaftlich-demokratischen Ländern durch ein geringes Maß an individueller Freiheit, sei es die Freiheit der Konsum-, der Berufs- oder der Wohnortwahl und die Reisefreiheit, die länderübergreifende Freizügigkeit oder die unternehmerische Freiheit. Vom sozialistischen Standpunkt konsequent gedacht waren diese wirtschaftlichen Freiheitsrechte ebenso wie die politischen auf Nischen im allgemeinen Kontrollsystem beschränkt. Die zahlreichen Freiheitsverweigerungen aber erzeugten das triste Einerlei des sozialistischen Alltags, das im krassen Gegensatz zu den politischen Verheißungen stand. In den letzten beiden Jahren klingt allerdings in den Reformländern - trotz aller sichtbaren wirtschaftlichen Erfolge - die erste Begeisterung für die marktwirtschaftliche Ordnung und - wie zu befürchten ist - auch für demokratische Herrschaftsformen sichtbar ab. In den Stunden der Euphorie hielten viele die "Marktwirtschaft" für ein Zaubermittel, das die Probleme der Vergangenheit schnell beseitigen würde. Übersehen wurde, daß ein marktwirtschaftliches Regelsystem weder automatisch fehlende Ressourcen zur Verfügung stellt noch wie die Fee im Märchen die Armen reich macht. Auch handelt es sich bei der Marktwirtschaft nicht um ein handelndes Subjekt, wie es die kollektivistische Sicht der Welt suggeriert, in der Klassen, Nationen, Gruppen und alle anderen Arten von Kollektiven agierende Einheiten sind. Im Gegensatz dazu ist unter "Marktwirtschaft" vielmehr ein System von Regeln zu verstehen, das - soweit diese Regeln eingehalten werden - jeden Akteur zwingt, sparsam mit knappen Mitteln umzugehen, Verschwendung zu vermeiden und wohlüberlegt zu handeln. Gleichzeitig umfaßt der Sammelbegriff "Marktwirtschaft", wie die Wirtschaftsgeschichte zeigt, eine große Zahl von Ausgestaltungsmöglichkeiten. Der steinzeitliche Bernsteinhandel lief nach anderen Regeln ab als die spätmittelalterliche Hauswirtschaft. In der Gegenwart wird grob unterschieden zwischen "laissez-faireMarktwirtschaft", der "sozialistischen Marktwirtschaft" in China und im ehemaligen Jugoslawien, den Entwürfen zu einer sogenannten "adjektivlosen Marktwirtschaft" und dem zuerst in Westdeutschland entwickelten Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft". Vom deutschen Entwurf einer "sozial gesteuerten Marktwirtschaft" (Müller-Armack) setzen sich das skandinavische und das britische Modell des Wohlfahrtsstaates ebenso ab wie die französische Planification der fünfziger und sechziger Jahre. Im ersten Fall glaubte man die marktwirtschaftlichen Regeln durch einen gemäßigten Sozialismus ersetzen zu sollen; im zweiten Fall sollten durch die staatliche Steuerung der leichten Hand und die Verstaatlichung des Bank- und Kreditwesens die Wirtschaftsprozesse gesteuert werden. Regelsysteme, seien sie bürokratisch-zentralistisch oder marktlich-dezentral, unterliegen in einer immer mehr zusammenwachsenden Welt der Bewährung in der Praxis. Der Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme ist Aus-

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druck des Versagens im "Wettbewerb der Systeme". Daraus folgt nicht der "Sieg" der Marktwirtschaft, sondern nur die stets vorläufige Bewährung einiger in der Vergangenheit erprobter Ausprägungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Gegenwärtig stehen besonders die Wohlfahrtsstaaten, die sich in ihrer Praxis erheblich den marktwirtschaftlichen Systemen angenähert haben, in einer Überlebens- und Bewährungsprobe. Und es sind im skandinavischen Fall überraschenderweise jene Parteien, die sich rühmten, Architekten eines neuen Wirtschaftsmodells zu sein, die jetzt die Redressierung und den Umbau des Wohlfahrtsstaates in die Wege leiten. Vor diesem Hintergrund ist die Soziale Marktwirtschaft ein Entwurf, von dem mehr in der internationalen als in der innerdeutschen Diskussion gesagt wird, daß er sich bewährt habe. Allerdings ist zu beachten, daß sich durch die Auseinandersetzungen um die Regeln, die der Wirtschafts- und Sozialordnung zugrunde liegen sollen, und durch die Dynamik der Regeländerungen, die von den gesetzgebenden Körperschaften ausgeht, das reale Erscheinungsbild der sozialmarktwirtschaftlichen Ordnung in Deutschland im Laufe der letzten vier Jahrzehnte erheblich verändert hat. Phasen des Aufbaus und der Verbreitung der Sozialen Marktwirtschaft wie in den vierziger und fünfziger Jahren wurden durch Phasen der Zurückdrängung marktwirtschaftlicher Regeln abgelöst. 2 Gleichwohl ist es trotz aller Deformationen des Leitbildes im deutschen Fall weiterhin zulässig, den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" zu verwenden. 3

B. Soziale Marldwirtschaft als Onlnungsidee L Zur Entstehungsgeschichte des Prognunm'l der Sozialen Martdwirtschaft

Müller-Armack\ einer der geistigen Architekten der Sozialen Marktwirtschaft, formuliert den zentralen Gedanken des Programms zurückhaltend und vorsichtig als ordnungspolitischen Versuch, eine "Synthese zu finden zwischen freiheitlich-unternehmerisch-marktwirtschaftlicher Organisation auf der einen Seite und den sozialen Notwendigkeiten der industriellen Massengesellschaft von heute" auf der anderen. An anderer Stelle spricht er kürzer davon, daß es Sinn

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Lenel (1991), S. 203: Weede (1991), S. 15. Siehe hierzu z.B. Willgerodt (1989), S. 31 - 60 und die dort angegebene Literatur. Müller-Armack (1971), S. 51.

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der Sozialen Marktwirtschaft sei, das "Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem Prinzip des sozialen Ausgleichs zu verbinden"5. Verständlich werden diese Formulierungen vor dem Hintergrund der großen gesellschaftspolitischen und sozialphilosophischen Debatten im deutschen Sprachraum. Auf der einen Seite waren z.B. im 19. Jahrhundert die wohlstandsmehrenden Folgen des sogenannten Kapitalismus nicht übersehbar. Die Menschen hatten zu Beginn dieses Jahrhunderts einen wesentlich niedrigeren Lebensstandard als ihre Urenkel am Jahrhundertende, und das trotz eines starken Bevölkerungswachstums. Gleichzeitig entstandenjedoch unter den neuen Bedingungen einer dynamischen Marktwirtschaft, die zur Landflucht im großen Maßstab führte, in den Städten erhebliche soziale Probleme. Das Zerbrechen traditioneller gesellschaftlicher Ordnungen, so die Auflösung der Großfamilie und der Zerfall zahlreicher sozialer Einrichtungen, der Zünfte, Kirchen und Gemeinden bedeutete gleichzeitig, daß der soziale Schutz wegfiel, den die alte ständische Gesellschaft vermittelte. Es entstand, was im Deutschen die "soziale Frage" oder "die Arbeiterfrage" genannt wurde, die sichtbare Verelendung von Bevölkerungsschichten in konjunkturellen Abschwüngen. Teils waren diese Erscheinungen Spätfolgen der vorangegangenen Zunftwirtschaft, die vielen Arbeitswilligen den Zugang zum Arbeitsmarkt versperrte. 6 Trotz der wirtschaftlichen Dynamik, die sich unter den Regeln des liberalen marktwirtschaftlichen Systems entwickelte und der durch sie in Gang gesetzten Verbreitung des Wohlstands weit über die früher privilegierten Bevölkerungsschichten hinaus, hatten nach dem Urteil vieler Zeitgenossen die Armuts- und Verelendungserscheinungen ein so großes Gewicht, daß Anhängern der liberalen Wirtschaftskonzeption bis heute der Vorwurf gemacht wird, sie seien blind gegenüber sozialen Nöten. In Deutschland waren es vor allem die "Kathedersozialisten" , die sich 1870 - 72 im Verein für Socialpolitik zusammenschlossen und für soziale Reformen durch staatliches Tätigwerden eintraten. Sie mußten sich gleichzeitig mit sozialistischen Strömungen auseinandersetzen, denen vor allem Marx und Engels mit flammenden Protesten gegen den "Kapitalismus" und mit der Verkündung einer Endzeitgesellschaft entgegentraten, in der soziale Harmonie und Kooperation herrschen werde. Sie lieferten damit genau jene Leitbilder, die auf große Teile der Industriearbeiterschaft motivierend und attrahierend wirkten. Daß die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert, zwei Inflationen und die Weltwirtschaftskrise die Zahl jener drastisch erhöhte, die ihr Lebensschicksal nicht mehr durch eine ausreichende Teilnahme am marktwirtschaftlichen Tausch-

, Müller-Arrnack (1956), S. 390. So waren zum Ausgang der napoleonischen Kriege bis zur Hälfte der Bewohner großer Städte ins Arrnenregister eingetragen. 6

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prozeß meistern konnten, bedarf keiner detaillierten Begründung. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar danach stellte sich daher im kriegszerstörten Deutschland die Frage, wie dem Elend, der Verarmung, der Unterversorgung und der Deplazierung von Millionen Menschen Rechnung getragen werden könnte. Die von den Ordo-Liberalen und den Vertretern der Sozialen Marktwirtschafe gegebene Antwort lief darauf hinaus, daß - ganz im Gegensatz zur Tagesmeinung - erstens die schnelle Abschaffung der Regeln der staatlichen Bewirtschaftung und ihre Ersetzung durch die Rückkehr zu einer - allerdings reformierten - Marktwirtschaft notwendig sei, und daß zweitens angesichts der Sozialkritik früherer Zeiten und der großen sozialen Nöte nach dem Kriegsende gesellschaftliche Sicherungseinrichtungen zu schaffen wären, um ein Absinken breiter Bevölkerungsschichten in Hunger und Elend zu verhindern8 . Da jede Sozialpolitik Güter beansprucht, galt es - so wurde gesagt - das produktivste Wirtschaftssystem einzuführen, um so ausreichend Mittel für die Umverteilung an die Armen, Kriegsversehrten, Waisen und Depossedierten bereitstellen zu können. Oder stark vereinfacht ausgedrückt: Das Armutsproblem in einer kriegszerstörten Wirtschaft sei durch die Schaffung jener Voraussetzungen zu lösen, die schnelles wirtschaftliches Wachstum ermöglichen. Es wurde erwartet, daß die Nutzung der wohlstandsschaffenden Kräfte des Marktes somit einen doppelten Effekt haben werden: die Verbesserung des Wohlstandes der Bevölkerung, vor allem die Eingliederung der Arbeitslosen im Zuge der wirtschaftlichen Expansion, und die Überwindung der Kriegsfolgen einschließlich des Aufbaus eines gut ausgestatteten sozialen Sicherungssystems.

n. Die Bedeutung von Regeln für den wirtschaftlichen Wohlstand Es hat in den frühen Phasen der Diskussion über das Programm der Sozialen Marktwirtschaft und dann auch in der späteren Politik Ludwig Erhards, die sich auf die Leitideen der Sozialen Marktwirtschaft stützte, Verwunderung, aber auch Ablehnung und Kritik hervorgerufen, daß seine Verfechter unerbittlich die Meinung vertraten, der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft sei in erster Linie ein ordnungspolitisches Problem, und zwar die Ersetzung des überkommenen

7 Im folgenden wird zwischen Ordo-Liberalismus und Sozialer Marktwirtschaft keine scharfe Grenze gezogen, und zwar einmal, weil viele Ordo-Liberale (z.B. Röpke und Rüstow) eine große Sensibilität im Hinblick auf soziale Fragen entwickehen, und zum anderen, weil beide Richtungen im Bereich der Wettbewerbsgestaltung weitgehend übereinstimmen. Zu beachten ist außerdem, daß die Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft und des Ordo-Liberalismus nur lockere Gruppierungen bilden und nicht organisiert sind. Folglich gibt es auch keine verbindlichen Texte wie in totalitären Gesellschaften. Die Diskussion ist offen. und es werden keine Endzustände beschworen oder idealisiert. • Müller-Arrnack (1974), S. 25.

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kriegswirtschaftlichen Regelsystems durch eine marktwirtschaftliche Ordnung. Diese Auffassung stand im Gegensatz zu herrschenden Strömungen in der Nationalökonomie, die teils von den Ideen JM. Keynes' zur Steuerung der Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft, teils von einem Festhalten an den Vorstellungen der staatlichen Lenkung beherrscht waren. 9 Unter "Ordnungspolitik", dem in andere Sprachen so schlecht übersetzbaren Begriff, verstanden die Proponenten der Marktwirtschaft allerdings mehr als die Rückkehr zur Vorkriegswirtschaft, wie sie sich beispielsweise 1947 in Belgien und in der Schweiz vollzogen hatte. Es ging ihnen um die Schaffung eines neuen Systems von Regeln, das sich über den gesamten wirtschaftlichen Bereich erstreckte. Aus der Grundentscheidung für die Marktwirtschaft wurde gefolgert, daß auch das Handels-, das Gewerbe-, das Konkurs-, das Arbeits-, das Außenhandels-, das Miet-, das Steuer- und das Subventionsrecht sowie viele andere Rechtsmaterien eine innere Einheit bildeten; diese "Interdependenz der Ordnungen"IO mache eine Orientierung aller Teilordnungen an den Leitideen der Marktwirtschaft erforderlich. Mit anderen Worten, die Marktwirtschaft habe - wie übrigens auch eine bürokratisch gesteuerte Wirtschaft - eine innere Logik, die auf allen Ebenen zu beachten sei. 1I Damit wurde ein Gedanke vorweggenommen, der erst heute zaghaft durch die neue Verfassungsökonomik (constitutional economics)12 Einzug in das ökonomische Denken hält. Die neueren Ansätze betonen den gesellschaftlichen Nutzen von Regeln (in der älteren Terminologie von "Ordnungen") für die menschliche Gesellschaft, gleichgültig, ob sie sich auf die Familie, die kleineren Gruppen, die Gemeinden, das Land oder die Welt beziehen. Erst Regeln machen es in der alltäglichen Interaktion möglich, das Verhalten des Gegenübers einzuschätzen, längerfristig zu disponieren, Verträge aller Art zu schließen und das wechselseitige Verhalten zu koordinieren. Selbst Verbrecherbanden und Diktaturen bedürfen ihrer, wenn Chaos und Zerfall in der jeweiligen Organisation vermieden werden sollen. Deswegen empfiehlt es sich, Regeln verläßlich zu gestalten, Regeländerungen vorhersehbar zu machen und nicht abrupt einzuführen, und für Sanktionen einzutreten, die im Falle der Verletzung geltender Regeln durch Beteiligte greifen. 13 Aus dem Meer von denkbaren und in der Menschheitsgeschichte praktizierten Regeln aber gilt es, jene herauszufiltern, die den Kriterien von Effizienz und Gerechtigkeit (im Sinne von Fairneß) genügen. Was die Effizienz, das heißt die Leistungsfähigkeit eines marktwirtschaftlichen Regelsystems, angeht, so waren

• Siehe hierzu jüngst Nicholls (1994), S. 185 - 205. 10 Eucken (1952). 11 Gutmann (1986). 12 Als Begründer dieser Richtung sind zu nennen James M. Buchanan und Gordon Tullock. 13 BrennanlBuchanan (1993).

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sich die Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft einig, daß sie trotz aller Propaganda für die Überlegenheit des sozialistischen WirtschaftsmodelIs historisch gesehen den überzeugenden Nachweis für die Vorzugswürdigkeit der von ihnen präferierten Ordnung führen konnten. In Hinsicht auf die Fairneß einer marktlichen Ordnung vertraten sie die Auffassung, daß nicht jede Ausprägung der Marktwirtschaft gleich zu gewichten sei. So verwarfen sie zum Beispiel die Wirtschaftsordnung, die sich in der Weimarer Republik herausgebildet hatte, als interventionistisch, widersprüchlich und unfair, weil die Wirtschaftspolitik der damaligen Zeit es stark organisierten Interessengruppen ermöglicht hatte, sich gegen den Wettbewerb abzuschirmen und Kartelle zu bilden, die die Konsumenten durch überhöhte Preise und damit verminderte Realeinkommen nachhaltig schädigten. Ein durchgehender, bis heute diskutierter Gedanke ist daher, ob und inwieweit das Regelsystem des Wettbewerbs gelten soll. Wettbewerb ist eine universelle Erscheinung des sozialen Lebens. Er entspringt der Tatsache, daß die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung knapp sind. Die Nutzung einer Ressourcenmenge durch Person A schließt alle übrigen von der Nutzung der gleichen Ressourcenmenge aus. Der hier angelegte Konflikt ist durch Regeln zu schlichten, die eine friedliche Beilegung ermöglichen und die die Kooperation der Beteiligten sichern. Wettbewerb kann viele Formen annehmen, vom räuberischen Kampf und regellosen Konflikt bis hin zu streng regelgebundenen Wettkämpfen. Die von den deutschen Marktwirtschaftlern vertretene Konzeption bewegt sich entlang den domestizierten Formen des Wettbewerbs, des ILeistungswettbewerbs" 14 , wie der zentrale terminus technicus heißt. Danach sind Gewinne am Markt ethisch nur dann gerechtfertigt und damit fair, wenn sie Ausfluß spezifischer Marktleistungen des einzelnen Wettbewerbers sind, also besseren Leistungen für den Kunden oder Verfahrensinnovationen und Produktverbesserungen entspringen. Unfair sind Gewinne hingegen, wenn sie die Folge von Marktschließungen, von Privilegien oder von betrügerischen Methoden sind. Dem Wettbewerb aber muß sich jeder Teilnehmer am Markt stellen, die Anbieter und die Nachfrager, die Bezieher von Kontrakteinkommen und von Residualeinkommen. Es liegt auf der Hand, daß sich die Vorstellungen darüber, welche Mittel im Wettbewerb zulässig und welche unzulässig sind, dann ändern, wenn Erkenntnisfortschritte über die Wirkungsweise marktwirtschaftlicher Koordinationsmechanismen erzielt werden. Wichtiger als die theoretische Auseinandersetzung aber ist die Grundregel der universellen Gültigkeit des Wettbewerbsprinzips. Daß dies keine leicht durchzusetzende und einzuhaltende Forderung ist, ist unbestritten.

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Vanberg (1994), S. 13.

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llL Die Bedeutung von Regeln für den sozialen Ausgleich Bedingt durch die Geschichte eines Landes leben in jeder staatlichen Gemeinschaft Menschen mit unterschiedlichem Herkommen sowie mit verschiedenen Lebenschancen und -aussichten zusammen. Sie alle müssen, wenn ihre wechselseitigen Beziehungen wohlstandsmehrend sein sollen, miteinander kooperieren. Das wiederum setzt Konsens darüber voraus, wie die geltende Ordnung, also das Regelsystem, beschaffen sein soll. Dabei kann Konsens nicht durch die Majoritätsregel ersetzt werden, denn mittels ihrer befindet die jeweils herrschende Mehrheit über die Minderheit. Was aber heißt "sozialer Ausgleich"? Inhaltlich ist dieser Begriff offen und bedarf der Interpretation. Eine streng egalitaristische Auslegung im Sinne eines Ergebnisausgleichs (etwa gleicher monetärer Einkommen) ist mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht kompatibel, da deren mächtiger Wettbewerbsund Wohlstandsmotor gerade auf dem Erzielen von temporären Vorsprungsgewinnen beruht. Ergebnisgleichheit widerspricht mithin der Logik der Marktwirtschaft. Wollte man sie dennoch mittels staatlicher Zwangsgewalt durchsetzen, so geriete man schnell in ein gesellschaftliches Dilemma. Jeder hätte einen Anreiz, seinen individuellen Anteil am gemeinsamen Ergebnis klein zu halten und seinen Freizeitkonsum zu mehren, um so für sich selbst eine möglichst günstige Kosten-Nutzen-Bilanz zu erzielen. Eine solche Gesellschaft von Drükkebergern aber wäre auf Dauer nicht existenzfähig, geschweige denn wohlhabend. Eine andere Sicht des "sozialen Ausgleichs" betont, daß die in einern staatlichen Verband lebenden Menschen, wenn sie sich für eine wettbewerbliche Marktwirtschaft entscheiden, Regeln wählen, die für den einzelnen hohe Risiken mit sich bringen. Der dynamische Wettbewerb führt zur "schöpferischen Zerstörung" 1\ das heißt Produktionsverfahren, Produkte, Absatzwege und überkommene Marktbeziehungen sind ständig der Gefahr ausgesetzt, durch Innovationen obsolet oder - in Schumpeter'scher Sicht - zerstört zu werden, mit oft schwerwiegenden Konsequenzen für die unmittelbar Betroffenen. Sie können zeitweise oder sogar dauerhaft Arbeit und Brot verlieren und zur Umstellung auf neue Tätigkeiten gezwungen sein, ohne dazu die notwendigen Mittel zu besitzen. Faßt man in diesem Zusammenhang ein Staatsvolk als eine Gefahrengemeinschaft auf, so kann diese untereinander einen Gefahrenausgleich für diejenigen ihrer Mit-

I' Diesen Ausdruck hat Joseph A. Schumpeter geprägt, um damit - im Gegensatz zu den traditionellen Lehrbüchern der Nationalökonomie - eine realistische Beschreibung und Analyse des marktwirtschaftlichen Prozesses zu liefern. Seine Theorie wird heute vor allem in der Evolutionsökonomik weiterentwickelt.

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glieder vereinbaren, die durch die zerstörerischen Kräfte des Wettbewerbs besonders hart getroffen werden. Die Denkfigur des Gesellschaftsvertrages hilft in diesem Zusammenhang, das Gemeinte zu verdeutlichen. Allerdings ist die Begründung einer solchen Gefahrengemeinschaft nicht ohne Risiko, da sie, wie jede Versicherung auf Gegenseitigkeit, Strategien begünstigt, mittels derer die Gemeinschaft durch Gestaltung der näheren Umstände ausgebeutet wird. Es bedarf daher strenger Regeln, um den vielfältigen moralischen Gefährdungen (moral hazard) zu begegnen. Ein Problem des sozialen Ausgleichs entsteht aber auch bei der Primärallokation von Ressourcen. Das aktuelle Beispiel ist die Zuordnung von Eigentumsrechten am Produktionsvermögen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus. In den Transformationsländern Ost- und Mitteleuropas hat sich in den letzten Jahren eine intensive Diskussion darüber abgespielt. In der Sache geht es um die Verteilung von Startpositionen unter den neuen Regeln der Marktwirtschaft, allerdings gleichzeitig auch um die Sanierung eines stark erneuerungsbedürftigen volkswirtschaftlichen Kapitalbestandes. Ein analoges Problem wirft der Eintritt jedes Menschen in das Leben auf. Sofern es zutrifft, daß wohlhabende Eltern ihren Nachkommen bessere Chancen vermitteln können, ergibt sich die Frage, wie für die schlechter Ausgestatteten gleiche Wettbewerbschancen geschaffen werden können. Vom Standpunkt der Sozialen Marktwirtschaft aus gesehen scheiden Verfahren wie Verstaatlichung der Kindererziehung ebenso aus wie eine konfiskatorische Erbschaftssteuer. Vielmehr ist nach Lösungen zu suchen, die jedermann die gleichen Ausbildungschancen geWähren, ohne die Freiheitsrechte der Beteiligten und den Familienverband über die Generationen hinweg zu zerstören. Eine vieldiskutierte Maßnahme, die sowohl marktwirtschaftlichen als auch sozialausgleichenden Gesichtspunkten weitgehend entspricht, sind über allgemeine Steuern finanzierte Schulgutscheine. Jedes Kind - vertreten durch seine Eltern - wird mit den finanziellen Mitteln ausgestattet, die für seine schulische Erziehung notwendig sind. Die Schulgutscheine selbst aber werden von den Erziehungsberechtigten bei den Schulen eingereicht, die sie für die am besten geeigneten halten. Das zwingt die Schulen in einen Wettbewerb um Qualität und Kunden. 16 Mit diesen wenigen Hinweisen soll gezeigt werden, daß quasi vor Beginn des Marktprozesses wichtige Probleme des sozialen Ausgleichs auftreten. Es geht gewissermaßen um die ex ante-Verteilung von Chancen, Rechten und Startpositionen, mit denen künftige Bürger in den Wettbewerbsprozeß eintreten. Patentlösungen gibt es nicht. Je nach historischer Situation sind Antworten zu suchen, die auf breite Zustimmung stoßen. Die im einzelnen als akzeptabel angesehenen Antworten können von Land zu Land stark divergieren. Wenn es gelingt, einen

'6 Zur detaillierten Ausarbeitung eines solchen "voucher"-Systems siehe van Lith (1985). 2 FS Guunann

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Konsens zu finden, der die Bürger ihr Land als das ihre anerkennen läßt, ist wichtigen Erfordernissen des sozialen Ausgleichs Genüge getan.

C. Wirtschaftspolitik in der Sozialen Marldwirtschaft L Staatsaufgaben in der Sozialen Marktwirtschaft

Eine freiheitliche Ordnung bedarf des Staates als freiheitssichernde und -schützende Institution. 17 Allerdings gehört es zu den Grundlagen freiheitlicher Überzeugungen, daß die Staatsmacht begrenzt werden muß, da von ihr - auch unter demokratischen Verhältnissen - Bedrohungen der individuellen Freiheit ausgehen. Im wirtschaftlichen Bereich ist dies besonders erkennbar an den zahllosen Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch den demokratischen Prozeß. Sie betreffen nicht nur das wenig bestrittene Verbot des freiwilligen Verkaufs in die Sklaverei oder das Dingen von Mördern - beides existiert in unserer Welt. Von Gewicht sind vielmehr die zahlreichen Unterbindungen der Freiheit konsentierender Parteien auf Märkten, die sehr wohl auf der Basis der Vertragsfreiheit funktionieren könnten, wie Wohnungs-, Arbeits- oder Devisenmärkte. Auch wenn es Situationen gibt, die Freiheitseinschränkungen mit Hilfe der Staatsmacht rechtfertigen, so folgt daraus doch gleichzeitig die Frage, ob es sich in den meisten der heute existierenden Fälle um einen legitimen Gebrauch staatlicher Zwangsmittel handelt oder um die Begünstigungen einzelner Gruppen aus politischen Erwägungen. Das freiheitliche Leitbild ist die Begrenzung der Staatsmacht auf ihren legitimen Gebrauch - auch in der Demokratie. Diese Überzeugung schlägt sich einmal in der Entwicklung des Rechtsstaates nieder, der seinen Bürgern die Möglichkeit einräumt, staatliche Entscheidungen vor den Gerichten auszufechten, und zum anderen in der nationalen und internationalen Kodifizierung von Freiheits- und Menschenrechten. Zwar ist einzuräumen, daß bedenkenlose Regierungen auch in der Demokratie diese Rechte schnell entwerten können. Solange jedoch die Möglichkeit der Abwahl besteht und der politische Wettbewerb der Parteien nicht abgeschafft ist, bestehen wirksame Vorkehrungen gegen staatlichen Machtmißbrauch und die Errichtung von Scheindemokratien. Vor diesem Hintergrund mag es Befremden auslösen, daß die meisten Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft, besonders die ordoliberale Gruppe, für einen

17 Die immer ins Feld geführte Anarchievariante übersieht das Problem der Einigung auf gemeinsame Regeln des Zusammenlebens und das damit verbundene Problem der Rechtsdurchsetzung.

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starken Staat eintreten. Damit meinen sie jedoch nicht die diktatorielle Spielart oder die totalitäre Demokratie, sondern in der Tradition der deutschen idealistischen Staatsphilosophie einen Staat, der über den in Verbänden organisierten Interessen steht - seien es Brancheninteressen, pressure groups aller Art oder auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkartelle. Staatliche Aufgabe ist es, den Partialinteressen wirkungsvoll entgegenzutreten und die allen gemeinsamen Interessen (wie das Interesse an Geldwertstabilität, an sparsamer Verausgabung von Steuern, an offenen Märkten) durchzusetzen. Die adäquate institutionelle Ausgestaltung des Staates in diesem Sinne ist eine der schwierigen und noch nicht befriedigend gelösten Fragen unserer Zeit. Eher fatalistische Analysen kommen zu dem Ergebnis, daß es auch in modernen Demokratien nicht gelungen sei, "Leviathan" zu fesseln, das heißt der Regierungsgewalt wirksame Handlungsschranken aufzuerlegen und den Umfang der staatlichen Zuständigkeiten klar zu begrenzen. 18 Mehr optimistische Richtungen setzen auf offene Grenzen, Abwanderungsmöglichkeiten der Bürger und wettbewerblichen Föderalismus, das heißt die Durchsetzung einer strengen Version des Subsidiaritätsprinzips im innerstaatlichen Aufbau. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß in den letzten Jahrzehnten in fast allen Demokratien die staatliche Tätigkeit (gemessen an den üblichen Indikatoren wie Staatsquote, Zahl der Marktregulierungen) trotz aller politischen Forderungen und Beteuerungen nach Rückzug des Staates auf seine eigentlichen Aufgaben eher zu- als abgenommen hat. Als eine der wichtigsten Kräfte in Richtung auf die Ausdehnung staatlicher Tätigkeiten wird immer wieder der Bereich des Sozialen angeklagt. Zu fragen ist deswegen aus der Sicht des Programms der Sozialen Marktwirtschaft nach den Grenzen und nach den legitimen Aufgaben des Staates. Dabei ist zu beachten, daß die wirtschaftspolitische Diskussion weit über ihre Anfänge in der unmittelbaren Nachkriegszeit hinaus gelangt ist. Die Erörterungen vollziehen sich oft ohne Rückgriff auf das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Sie lassen sich jedoch in vielen Fällen mit ihm in Verbindung bringen.

n. Wettbewemssicherung in der Sozialen Marktwirtschaft Wenn der Wettbewerb ein zentrales Organisationsinstrurnent im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ist, dann stellt sich automatisch die Frage, wie er denn zu sichern sei. Der Wettbewerb kann nur dann als ein faires Regelsystem gelten, wenn er ausnahmslos für alle gilt, das heißt wenn es im Wirtschaftsleben nicht

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2*

Oe Jasay (1991).

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einzelne Sektoren, Branchen oder Unternehmen gibt, die vom Wettbewerb ausgenommen sind. Anders ausgedrückt, es geht um das Druchsetzen von Wettbewerb,19 nicht um den Schutz einzelner oder einer ganzen Wirtschaft vor Wettbewerb .. Besonders die Ordo-Liberalen betonen diesen Gesichtspunkt in ihrer treffenden Kritik an Kartellen, an Wettbewerbsbeschränkungen und an sogenannten und wettbewerblichen Ausnahmebereichen. Letztere existieren vor allem für große öffentliche Unternehmen (u.a. Post und Bahn). Das Durchsetzen des Wettbewerbs ist zunächst ein rechtliches Problem. Es durchzieht jedoch alle Bereiche der Gesellschaft, so die Wissenschaft, die Politik, die Kultur und die öffentliche Meinung. Der Zusammenhang dieser verschiedenen Lebensbereiche wird erst in jüngster Zeit deutlich wahrgenommen. Für die ältere Diskussion ist die Wendung gegen die laissez-faire-Versionen charakteristisch. Letztere vertraten die Ansicht, daß schon mit der bloßen Anerkennung der Grundsätze des Privateigentums und der Vertragsfreiheit alle Voraussetzungen für eine gut funktionierende Marktwirtschaft gegeben seien. Dabei wurde jedoch übersehen, daß z.B. in der deutschen Rechtsauslegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Vertragsfreiheit so ausgelegt wurde, daß sie den Abschluß von Kartellverträgen als zulässig und rechtlich schützenswert einschloß mit der Folge, daß Deutschland das Land der Kartelle wurde. 20 Die so entstandene Privilegierung weniger zu Lasten aller übrigen war mit ein entscheidender Faktor für den starken wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands während der Weltwirtschaftskrise. Wettbewerbspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft zielt auf eine Gestaltung der Rechtsordnung in der Weise ab, daß sie das Zustandekommen von Wettbewerb begünstigt. Die Erfahrung zeigt, daß dies ein komplexes Problem ist angesichts der Neigung jedes einzelnen Wirtschaftssubjektes auf den Märkten, wo es selbst Produzent ist, monopolistische Marktbeschränkungen in vielfältiger Form durchzusetzen. An dieser Stelle zeigt sich wieder die Gefährdung des demokratischen Gemeinwesens durch gut organisierte Interessenverbände. Rechtsprechung und Politik haben in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik, statt den Wettbewerb zu sichern, erhebliche Monopolisierungen, Marktschließungen und Wettbewerbsbeschränkungen gebilligt. Dies geht so weit, daß sich demgegenüber - wie Willgerode 1 resümierend bemerkt - durch private Marktrnacht zustande gekommene Wettbewerbsbeschränkungen relativ harmlos ausnehmen. Der Wäch-

'9 Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete "Wettbewerbsschutz" ist mißverständlich, da er gleichzeitig bedeuten kann, daß der Wettbewerb gegen Kartellisierung, Marktbeschränkungen und andere Arten von Wettbewerbsbeschränkungen in Schutz zu nehmen ist bzw. daß Wettbewerbsteilnehmer gegen Konkurrenz zu schützen sind. Im vorliegenden Zusammenhang geht es inuner um die erste Bedeutung, wenn man so will das Durchsetzen (enforcement) der Regeln des Wettbewerbs. 20 Böhm (1948), S. 197. 21 Willgerodt (1989), S. 46.

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ter des Wettbewerbs, der Staat, kann also sehr wohl zum Komplizen bei Verstößen gegen das Wettbewerbsprinzip werden.

m. Die soziale Dimension Zu den traditionellen Kritikpunkten am Programm der Sozialen Marktwirtschaft gehört der Einwand, daß es eine Verfälschung der Prinzipien des klassischen Liberalismus darstelle; denn diese ließen nur eine "adjektivlose Marktwirtschaft" zu (Vaclav Klaus). Oder anders gewendet, eine "Soziale Marktwirtschaft" versuche, Unvereinbares zu verbinden, nämlich mit staatlicher Zwangsgewalt betriebene Umverteilungspolitik und mit gleichzeitiger marktlicher Einkommensbildung zu vereinigen. Markteinkommen aber divergierten ihrer Natur nach. Zwangsweise Umverteilung zerstöre daher notwendig individuelle Leistungsanreize. Deren Existenz aber sei die Voraussetzung für die Entfaltung der wohlstandsschaffenden Kräfte des Marktes. Kurz: Marktwirtschaft und Sozial- (oder Wohlfahrts-)staat seien nicht miteinander vereinbar. So sehr jedoch die heutigen Wohlfahrtsstaaten Behinderer oder Störer des marktlichen Regelwerkes sein mögen, so wenig ist diesen pauschalen Anschuldigungen bei genauerem Hinsehen zu folgen. Das Akzeptieren eines marktlichen Regelsystems bedeutet für jeden einzelnen, der - etwa im Rahmen eines (fiktiven) Gesellschaftsvertrages oder aus freien Stücken - sich dieser Ordnung unterwirft, daß er spezifische Risiken eingeht. Sie liegen einmal darin begründet, daß unter den Regeln einer Marktwirtschaft nur derjenige ein Einkommen bezieht, der tauschbare Dienste und Leistungen am Markt anbieten kann. Zum anderen aber bedeutet die Teilnahme am Spiel des Marktes, daß infolge abrupter Nachfrage- oder Angebotsänderungen die Lose sehr ungleich auf die einzelnen Teilnehmer verteilt sein können. Im Prozeß der "schöpferischen Zerstörung" divergieren die Anpassungslasten erheblich. Ganze Branchen und Märkte können wegbrechen, es können neue Märkte entstehen mit Anforderungsprofilen, denen die freigesetzten Menschen nicht entsprechen. Einkommensverluste aus selbständiger und unselbständiger Arbeit können in günstigen Fällen zwar aus Kapitaleinkünften kompensiert werden. Gesamtwirtschaftlich spielen Kapitaleinkommen jedoch nur eine bescheidene Rolle, so daß der Frage nicht ausgewichen werden kann, wie die Betroffenen gestellt werden sollen. Versicherungslösungen scheiden in den hier skizzierten Fällen aus, da weder das Arbeitslosigkeitsrisiko bei abhängig Beschäftigten noch das Risiko des wirtschaftlichen Mißerfolges bei Selbständigen versicherbar ist. 22 Im

" Vgl. zu Einzelheiten Blattner (1990), S. 69.

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Fall der unversicherbaren Risiken spricht daher vieles für die eingangs skizzierte Sicht des Staates als einer Gefahrengemeinschaft, in der sich - vertragstheoretisch gesehen - die Bürger auf eine Regel einigen, nach der in Not geratenen Mitgliedern Hilfe zuteil wird. Solche Hilfe kann entweder auf freiwilliger Basis durch philanthropische Einrichtungen oder durch staatliche Maßnahmen bereitgestellt werden. Ist man der Auffassung, daß freiwillige Leistungen in schweren Krisen nicht ausreichen, dann ist die Finanzierung durch zwangsweise erhobene Steuern nicht vermeidbar. Ist solcher Zwang illegitim? Er ist es nicht, wenn zwischen den Gesellschaftsmitgliedern in der Sache Konsens besteht, Konsens verstanden im Sinne einer breiten Zustimmung, nicht einer einfachen Mehrheit. Staatlicher Zwang ist dann sogar das legitime Mittel, um gleichzeitig die Drükkebergerei (das free riding) jener zu vermeiden, die zwar für die kollektive Hilfe eintreten, die sich aber nicht an ihrer Finanzierung beteiligen, um so den vereinbarten Schutz zu genießen, ohne für seine Kosten aufzukommen. Es bleibt noch die zweite Gruppe - normalerweise die Mehrheit einer Bevölkerung - die aus verschiedensten Gründen (Kindheit, Ausbildung, Krankheit, dauernde Erwerbsunfähigkeit, Alter) nicht am Marktprozeß teilnehmen oder teilnehmen können. Teils werden diese Probleme durch Familien oder private Wohltätigkeit aufgefangen. Was aber geschieht mit den übrigen? Wie Robbins 23 hierzu feststellt, war schon die überwiegende Mehrheit der klassischen Ökonomen der Auffassung, daß für die Blinden, die chronisch Invaliden, die Geisteskranken und die Krüppel staatliche Fürsorge notwendig und legitim sei, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß private Hilfen ausreichten. Ähnlich tritt Hayek 24 , der fälschlicherweise als Apostel des laissez-faire-Liberalismus ausgegeben wird, dafür ein, daß der Staat allen, die sich nicht selbst erhalten können, ein einheitliches Mindesteinkommen gewährt. Für eine wohlhabende Gesellschaft aber stellt sich die Frage, ob - jenseits der Absicherung gegen Hunger und Obdachlosigkeit - nicht auch Hilfen zur Selbsthilfe gegeben werden sollen, die dort, wo es möglich ist, eine Wiedereingliederung in den Produktionsprozeß ermöglichen. Für sie spricht schon das ökonomische Argument, daß so wertvolles menschliches Potential wiedergewonnen werden kann. In einer Gesellschaft freier Menschen kommt hinzu, daß gegenseitige Hilfe - auch für den Unbekannten - von Wert ist. Daß hier Gefahren des Mißbrauchs drohen, zeigt nicht nur das Samariter-Dilemma, sondern auch die Praxis der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Anders als bei unversicherbaren Risiken bedarf es bei versicherbaren Risiken keines fiktiven Gesellschaftsvertrages bzw. der Interpretation des Staates als Gefahrengemeinschaft, um die anstehenden Probleme zu meistem. Hier stellen

2J Robbins (1976), S. 128. ,. Von Hayek (1971), S. 381 f..

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die spontanen Kräfte des Marktes - etwa im Krankheitsfall oder im Alter Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die durch die Bismarck'sche Politik 1878 eingeleitete Entwicklung hat jedoch zur weitgehenden Verstaatlichung von privaten und genossenschaftlichen Sicherungseinrichtungen geführt. Im Laufe der Entwicklung wurde die damals mit Bedacht gewählte Form der staatsfreien Selbstverwaltung durch die Versicherten allmählich ausgehöhlt. Heute sind zwar Kranken- und Altersversicherung formal noch selbstverwaltete Institutionen. Faktisch wurden sie aber durch den immer größeren Einfluß, den die GesetzgeberIPolitiker auf die Leistungsseite ausüben, immer mehr zu Instrumenten der politischen Auseinandersetzung. In der Sozialversicherung paaren sich daher heute Sicherungsaufgaben, die sich für jeden stellen, mit einer umfangreichen, nicht mehr durchschaubaren Umverteilungspolitik. Hier ist die liberale Kritik am Sozialstaat und an der Verstaatlichung des Sozialen angebracht. Für die hier nur summarisch aufgezeigten Probleme sind in den langen Diskussionen über die Krise des Sozialstaates zahlreiche Lösungen entwickelt worden. Vom Standpunkt der Sozialen Marktwirtschaft gesehen geht es um die Reform des Sozialstaates in Richtung der Beschränkung auf die unverzichtbaren Staatsaufgaben. Die von Ultra-Liberalen geforderte Abschaffung des Sozialstaates steht nicht zur Diskussion.

IV. Die Sicherung der Geldwertstabilität und das Problem der Vollbeschäftigung

In einem Land, das in der ersten Jahrhunderthälfte eine offene und eine zurückgestaute Inflation einschließlich der damit einhergehenden Staatskonkurse durchstehen mußte, erfreut sich die Geldwertstabilität verständlicherweise auch in späteren Generationen einer hohen Wertschätzung. Große Inflationen zerstören nicht nur Geldvermögen, sondern sie stürzen auch zahllose Menschen ins Elend. Dies allein wäre jedoch noch kein ausreichender Grund, der Geldwertstabilität - wie Eucken 25 fordert - den Primat einzuräumen und sie anderen Zielen wie etwa der Vermeidung von Arbeitslosigkeit vorzuordnen. Dennoch deutet man die Väter der Sozialen Marktwirtschaft wohl kaum falsch, wenn man sie als konsequente Verfechter eines stabilen Geldes bezeichnet. Zwei Überlegungen waren für sie maßgebend: die Bedeutung eines verläßlichen wertstabilen Geldes für die wohlstandsschaffenden Wirkungen der Marktwirtschaft und die Überzeugung, daß ohne einen stabilen Geldwert der rasche Wiederaufbau der kriegszerstörten

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Eucken (1952).

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deutschen Wirtschaft nicht möglich sei. Im nachhinein läßt sich sagen, daß der Verlauf des Wiederaufbauprozesses ihnen Recht gegeben hat. Obwohl die deutsche Währung bis in die Gegenwart im internationalen Vergleich als die relativ wertstabilste gut abschneidet, ist sie dennoch nicht gegen die in allen modemen Staaten beobachtbare schleichende Geldentwertung immun. 26 Darunter sind Inflationsraten zwischen zwei und fünf Prozent zu verstehen, die das Gefüge einer modemen Marktwirtschaft empfindlich stören. Im Gegensatz zu Währungsverfassungen, die - wie in mehreren Ländern während des 19. Jahrhunderts - lange Perioden der Preisstabilität aufweisen 27 , ist vergleichbares in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr gelungen. Vor allem freiheitlich orientierte Ökonomen führen das auf den Übergang von Metallwährungen zu Papierwährungen zurück, wobei sie nicht im Austausch des Geldmediums, sondern im Einfluß, den Politiker und Notenbankgouverneure auf die Geldpolitik gewannen, die entscheidende und verhängnisvoll sich auswirkende Regeländerung sehen. Bernholz 28 , der die neuere Geldgeschichte sorgfältig erforscht hat, schreibt:" In der Geschichte hat niemals eine frei manipulierbare Währung langfristig Stabilität beibehalten." Aus dieser Sicht ergibt sich die Forderung, den Zugriff von Regierungen auf die "Geldmaschine" zu unterbinden und den Zentralbankgouverneuren die Hände zu binden. Die Zahl der Vorschläge, die in den intensiven Diskussionen der letzten Jahrzehnte gemacht wurden, um diesem Anspruch zu genügen, füllt Bibliotheken. Sie haben besonders in der westeuropäischen Diskussion um eine Europäische Zentralbank ihren Niederschlag gefunden. Es hat den Anschein, daß in vielen Ländern die Einsicht in die volkswirtschaftlichen Nachteile auch mäßiger Inflationen wächst und daß Regierungen unterschiedlicher Couleur eine gewisse Bereitschaft zeigen, ihren Notenbanken durch das Einräumen der Unabhängigkeit von politischen Weisungen jenen Spielraum zu gewähren, der eine notwendige, jedoch noch lange nicht eine hinreichende Bedingung für die Orientierung der Notenbankpolitik an der Geldwertstabilität ist. Von einer praktisch befriedigenden Lösung des Problems der Geldwertsicherung durch die Unabhängigkeitsklausel kann jedoch nur begrenzt die Rede sein. Das Ziel der Geldwertstabilität wird in der öffentlichen Diskussion oft im Zusammenhang mit dem Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes gesehen. Maßgebend hierfür ist die auf Keynes zurückgehende Meinung, daß durch eine Politik des billigen Geldes jene Nachfrage geschaffen werden könne, die die Wirtschaft zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht führe. In einer teils heftig geführten Dis-

26 Die Deutsche Mark hat in den vergangenen vier.lig Jahren etwa zwei Drittel ihres Wertes verloren. Bei allen anderen wichtigen Währungen waren die Einbußen viel höher. 27 Bernholz (\991), S. 157. 2S Ehenda.

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kussion hat sich heute weitgehend die Auffassung durchgesetzt, daß schon eine leichte Teuerung in unkontrollierte Inflationsprozesse führt, die nur mit hohen volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten wieder unter Kontrolle gebracht werden können. 29 Das enthebt nicht der Pflicht, das Problem der Arbeitslosigkeit mit geeigneten Mitteln anzugehen. Auch das Auftreten von moral-hazard-Problemen, das heißt der absichtsvollen Herbeiführung von Arbeitslosigkeit durch den einzelnen, um so in den Genuß der Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu kommen, reicht nicht aus, um staatliche Nichteinmischung zu fordern. Zu fragen ist allerdings, welche Richtung zweckdienliche Maßnahmen einschlagen sollen. Kündigungsschutzrechte, hohe Abfindungszahlungen an die zu Entlassenden und alle Arten von Marktaustrittshemmnissen sind kontraproduktiv, da sie allenfalls einigen nützen, für die übrigen aber den erneuten Markteintritt erschweren. Es sind also jene Interventionen, die als marktkonform zu bezeichnen sind, angezeigt, das sind Maßnahmen, die die Flexibilität der Märkte fördern und ihre Koordinierungsleistung verbessern.

D. Zur Übertragbmkeit der Sozialen Marldwirtschaft auf RefonnläDder Dieser kurze Überblick über das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft und die Schwierigkeiten, denen es in der praktischen Umsetzung begegnet, sollte sichtbar machen, daß das eigentliche Problem im politischen Bereich liegt. Unter der Annahme, daß die jeweilige Regierung Hüterin des Gemeinwohls sei, lassen sich relativ leicht die notwendigen Schritte angeben, die für eine Politik der Sozialen Marktwirtschaft erforderlich sind. Je nach historischer Ausgangssituation, vorhandenen Ressourcen, Rechtsrahmen, aber auch Präferenzen der Bevölkerung, unterscheiden sich diese im Detail. Es macht nicht viel Sinn, in anderen Ländern bestehende Institutionen in der Hoffnung zu imitieren, daß sie in einem Reformland die gleiche Wirkung entfalten. Jedes Land muß vielmehr, ausgehend von den vorhandenen Möglichkeiten, seinen Weg selbst suchen. Für die Fortschreibung und Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft ist der öffentliche und der wissenschaftliche Diskurs von großer Bedeutung. Im Wege des Verfahrens von Versuch und Irrtum sind jene Regeln auszusieben, die sich als unzureichend erweisen. Die Umsetzung der für richtig erachteten Regeln in Recht aber ist in hohem Maß Aufgabe der gesetzgebenden Organe der Demokratie. Das demokratische Verfahren aber ist - im Gegensatz zur optimistischen Annahme, es sei, da vom Volke ausgehend, quasi automatisch auf die Durch-

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So schon früh Meyer (1948), S. 9l.

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setzung der im gemeinsamen Interesse liegenden Regeln ausgerichtet - der Gefahr ausgesetzt, in den Dienst von Partial interessen zu geraten. Die hier wirksamen Mechanismen hat in jüngerer Zeit besonders die public-choice-Schule aufgearbeitet. Ihre wichtigste Botschaft lautet, daß es bisher noch nicht gelungen ist, die Repräsentanten des Volkes so zu binden, daß sie im Dienst der allen gemeinsamen Interessen tätig werden. Allzu oft gewinnen aus naheliegenden Wahlinteressen die Wünsche und Forderungen der jeweiligen Klienteie die Oberhand. Auch wenn diese Sorge berechtigt ist, sollte sie jedoch nicht den Blick dafür verstellen, daß Welten zwischen der Diktatur, der einzig realistischen Alternative zum demokratischen Verfahren, und der Demokratie liegen. Das gilt auch für die jungen Demokratien in den Reformländern. Unter diktatorischen Bedingungen ist nach allen Erfahrungen die Rechtssicherheit, besonders in Form der verfassungsmäßigen Eigentumsgarantie, nicht gewährleistet. Die Basis der Marktwirtschaft kann daher schnell erodieren. Die internationale Glaubwürdigkeit eines Landes, das den autoritär-diktatorischen Weg geht, steht auf schwachen Füßen. Die Wahrscheinlichkeit ist überdies gering, daß sich die Inhaber diktatorieller Staatsgewalt an die Grundregeln einer sozialorientierten Marktwirtschaft halten, wenn ihre Herrschaft - etwa durch soziale Unruhen - bedroht ist. Die unvollständige Demokratie, so wie sie in westlichen Ländern zur Zeit besteht, veranlaßt manche, an der Transformationsaufgabe zu verzweifeln. Der demokratische Weg mag im Vergleich zur vermeintlich autoritär-demokratischen "Abkürzung" auf den ersten Blick länger, steiniger und entbehrungsreicher erscheinen. Seine Vorteile liegen jedoch in der öffentlichen Diskussion, die er verbürgt. Die Abwägung von Vor- und Nachteilen der eingeschlagenen Politik, das Aufzeigen unerwarteter Nebenwirkungen, die Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zu erörtern und schließlich die Kontrollmöglichkeit, die der BürgerSouverän über seine Repräsentanten (die periodisch gewählten Politiker) hat, sind wirkungsvolle Mittel, um echte Verbesserungen zu erzielen. Selbst die geheime Korruption der Mächtigen kann in einem solchen System nicht auf Dauer verborgen bleiben. Die Nutzung des Monopols der Zwangsgewalt zur eigenen Bereicherung hat schon im Spätsozialismus nicht mehr funktioniert. Um wieviel besser sind dann die Chancen in einer offenen Gesellschaft30, die anstehenden Ordnungsaufgaben zu beWältigen. Die Frage, ob eine demokratisch verfaßte Gesellschaft, besonders eine solche, die sich im mühsamen Übergang zur Demokratie befindet, in der Lage ist, ihre eigene Entwicklung in Richtung auf eine allgemeine Verbesserung zu steuern, kann zwar nicht endgültig beantwortet werden. Aber es spricht vieles gegen die Meinung, daß die Demokratie nur eine zufällige Begleiterscheinung des wach-

'0 Popper (1992).

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senden Wohlstands der westlichen Welt sei. Die Geschichte der westlichen Zivilisation in den letzten zweihundert Jahren läßt sich eher als Gegenbeweis lesen. So haben trotz aller Schwächen, politischer Fehler und Unvollkommenheiten die westlichen Demokratien zweimal in diesem Jahrhundert einer äußerst gefährlichen totalitären Bedrohung standgehalten. Das stärkt die Hoffnung, daß gerade in den Reformländern die politischen Institutionen einer offenen Gesellschaft künftig mehr der Verbesserung des allgemeinen Wohlstands als dem Schmieden von wohlfahrtsschädigender Verteilungskoalition dienen.

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Humanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft Hans-Günter Krüsselberg

A. Vorllemetkung Grundthese dieses Beitrags ist die Aussage, daß sich erst dann, wenn das Konzept des Humanvermögens in das Zentrum wissenschaftlichen Denkens gerückt wird, die Intentionen theoretisch konsistent zuordnen lassen, die die geistigen Väter der Idee der Sozialen Marktwirtschaft in die politische Diskussion einzubringen bemüht waren. Nur auf diesem Wege - so meine ich - kann das Prinzip von der "Einheit des Menschen" (Erhard, Müller-Arrnack) mit dem Konzept der "Einheit der Ordnungen" (Eucken) in einer geschlossenen Argumentation verknüpft werden. Um dies darlegen zu können, wird im folgenden zunächst der Begriff des Humanvermögens in seiner Bedeutung zu klären sein. Dabei geht es vor allem darum, deutlich zu machen, welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen thematisiert werden (sollen), wenn von Humanvermögen die Rede ist. Bislang scheint zumindest die Volkswirtschaftslehre ziemlich unbedacht mit diesem Begriff umgegangen zu sein (siehe dazu Abschnitt B). Daß er geeignet sein muß, die Stellung des Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschreiben, legt die der Wirtschaftswissenschaft (weitgehend) zugrunde liegende Annahme vom aktiv agierenden Individuum nahe. Nahezu selbstverständlich haben Erhard, Eucken, Müller-Arrnack und Röpke - so mutet die Analyse ihrer Schriften an - ihre Wissenschaft nicht nur als Lehre von den Handlungsmöglichkeiten des Menschen verstanden (siehe dazu Abschnitt C), sondern stets auch als Lehre von den Chancen, menschenwürdige Institutionen zu schaffen (siehe Abschnitt D).

Wir folgern daraus, daß der Humanvermögensbegriff als Ordnungsbegriff (siehe dazu Abschnitt E) zu interpretieren ist. Zudem kommen wir zu dem Ergebnis, daß wichtige Schulen der Nationalökonomie diesen Begriff implizit und explizit bereits in diesem Sinne verstanden haben. Allerdings wurden unseres Erachtens nicht alle Komponenten dieses Ansatzes in die Theoriebildung einbezogen. Dieses theoretische Defizit kann jedoch durch die Entfaltung einer

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Hans-Günter Krüsselberg

Theorie der Bildung und Erhaltung von Humanvermögen beseitigt werden. Wir sind ferner der Ansicht, daß das damit angebotene theoretische Fundament eine Chance eröffnet, jene Diskussion in einem für Konsensbildung weit offenen Raum wiederzubeleben, die Alfred Müller-Armack unter dem programmatischen Titel "Zweite Phase der Sozialen Marktwirtschaft" einzuleiten bemüht war (siehe Abschnitt F).

B. Eine sprachliche Verinung: Humanvennögen ist nicht Humankapital Humanvermögen ist ein Begriff, dessen Bedeutung Politik und Öffentlichkeit meines Erachtens noch zu entdecken haben, obwohl er bereits im Werk von Adam Smith eine zentrale Position einnahm I Über "Humanvermögen" nachzudenken und zu schreiben, stellt somit eine besondere Herausforderung dar. Diese beginnt bereits im sprachlichen Bereich: Ohne Zweifel darf die Wissenschaftssprache nicht beliebig definieren. Das registrierte bereits Malthus, der großen Wert darauf legte, daß wissenschaftliche Begriffe der Alltagssprache möglichst nahe bleiben sollten. Machlup,2 dem es zu verdanken ist, daß explizit über "ökonomische Semantik" geredet wird, beklagte zudem in Übereinstimmung mit vielen anderen prominenten Autoren, daß viel zu oft terminologische "ambiguities are perpetually overlooked". Exakt diese Mehrdeutigkeit ist infolge einer simplen Gleichsetzung von Vermögen und Kapital bis in die unmittelbare Gegenwart hinein zu beklagen: die Terminologie ist nicht eindeutig, die Begriffe schillern - nicht zuletzt angesichts der nach wie vor weit verbreiteten Neigung zur bewußt auf negative Wortbedeutungen abzielenden Verwendung von" .. .ismen". Was alles kann oder soll z.B. "Kapitalismus" heißen?3 "Die Freiheit der Begriffsbildung ... behindert die Verständigung".4 Zu fordern ist deshalb, daß stets geklärt wird, in welchem Zusammenhang Begriffe gebraucht werden sollen. Verzichtet man darauf, ergeben sich Inkonsistenzen in der Terminologie. Dieser Tatbestand trifft weitgehend auf den Umgang mit dem Begriff "Vermögen" zu. So interessierten sich bis zum 19. Jahrhundert die führenden Ökonomen (der Physiokratie und der Klassik) vor allem für die Funktionsweise realwirtschaftlicher Prozesse. Ihnen erschienen die Existenz, das

Siehe dazu Krüsselberg (l984a), S. 205 ff.. Machlup (1991), S. 3 ff.. , Siehe zum Thema der wertenden Begrimichkeit beim Umgang mit dem Terminus "Kapitalismus" den umfassenden Beitrag von Bog (1978), S. 418 - 432. 4 Preiser (l963a), S. 99. 1

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Humanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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heißt das bloße Vorhandensein von Menschen, die wirtschaftlich nützliche Tätigkeiten ausüben konnten, und die Existenz von Geld und von "Subsistenzmitteln" für produktive Arbeit, also Vermögensbestände, die sie "wealth", "stocks" oder "funds" nannten, als grundlegende Voraussetzung für jegliche wirtschaftliche Aktivität. Sie fragten nach den Ursachen für deren Vermehrung als Ausgangspunkt für eine Politik der Wohlfahrtsförderung. 5 Vom Kapitalbegriff machte man erst später zunehmend Gebrauch, als sich eine die Wirtschaftsordnung neu strukturierende Geld- und Kreditwirtschaft entwickelte. Kapital hieß hier sowohl "Kredit" als auch "Geld für Investitionszwecke" oder gar "Besitz von Produktionsmitteln". Hier begann die bis heute nicht (völlig) überwundene Gleichsetzung der Begriffe von Kapital und Vermögen. Führende Geld- und Kapitaltheoretiker wie z.B. Irving Fisher beklagten heftig die daraus resultierende Konfusion von Begriffen. 6 Dieser "Begriffswirrwarr"7 spiegelt sich international nicht zuletzt im Tatbestand der ziemlich unreflektierten Eindeutschung des angelsächsischen "human capital" als "Humankapital" . Die Sprache ist ein Instrument der Kommunikation. Wörter hängen von Konzeptionen ab, die in logische Konstruktionen eingebettet sind. Diese beinhalten Aussagen über deren Elemente und deren relationale Zuordnung - nicht zuletzt, um zu verdeutlichen, auf welche Ebene der Betrachtung eine Aussage zielt. 8 In diesem Kontext ist festzustellen, daß sich die angelSächsischen Ökonomen bis (fast) zur Gegenwart nicht auf einen Begriff zu einigen vermochten, der dem deutschen Wort "Vermögen" gleichkommt. "Vermögen" bedeutet explizit die Gesamtheit der Aktiva, die eine Handlungseinheit "besitzt", und über die sie als Besitzer verfügen kann. Der meines Wissens einzige amerikanische Wissenschaftler, der wörtlich den Begriff "Vermögen" verwendete, war John R. Commons. 9 Aber ich bin sicher, daß zumindest Irving Fisher und Frank Knight wußten, was jenes Konzept aussagen sollte. In der deutschen ökonomischen Tradition gibt es hingegen eine theoretische Linie, die spätestens mit Joseph Schumpeter beginnt und mit Erich Preiser endet, welche konsequent zwischen Kapital als Geld für Investitionszwecke und Vermögen als Bestand an wirtschaftlich bedeutsamen produktiven Einsatzfaktoren unterscheidet. Offensichtlich ist aber - bedauerlicherweise - in der deutschspra-

, So entwickelte z.B. Johann Heinrich Jung-Stilling seine Lehre von der Finanzwissenschaft ausgehend vom Begriff des "Landesvennögens", das er nach seiner Ertragskraft zu bewerten versuchte; Jung-Stilling (1978), 29 ff.. • Siehe dazu Krüsselberg (1984c), S. 38 ff., 41 ff.. 7 Siehe dazu auch Amdt (1979), S. 199 ff.. I Siehe dazu Ostrom (1987), S. 225. 9 Commons (1968), S. 165. 3 FS Gutmann

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chi gen Ökonomik die Preiser'sche Studie über ökonomische Semantik mit dem Titel: "Der Kapitalbegriff und die neuere Theorie" inzwischen wohl wieder in Vergessenheit geraten. Dort bemängelte Preiser, daß die Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre anscheinend "einen verschiedenen Kapitalbegriff' haben, obwohl sie über einen gemeinsamen verfügen sollten. Die Begriffsverwirrung lastet er der Volkswirtschaftslehre an. Der Sprachgebrauch der Betriebswirtschaftslehre sei in diesem Fall der angemessene, er stimme zudem trotz der "Unbestimmtheit der Alltagssprache" mit dem der Praxis überein. 10 Hier werde nämlich der Vermögensbegriff in der Sprache der Buchhaltungslehre unmißverständlich abgegrenzt. Rekurriert wird auf die Konzeption und die logische Konstruktion der Bilanz. Die Bilanzkonzeption bezieht sich auf die Idee von der Notwendigkeit, den Vermögensbestand einer Handlungseinheit in seinem Wert zu erhalten. Deren Elemente ordnen sich nach der Regel der fundamentalen Identität, die jede Bilanz kennzeichnet. Sie drückt sich in dem Satz aus, daß der Wert der Aktiva dem Wert der Passiva bzw. dem der Verbindlichkeiten plus dem Wert des Eigenkapitals gleich sein muß. Weiterhin zeigt die Bilanz als Gegenüberstellung von "Vermögen" als Aktiva (eng!. "assets") und "Kapital" als Passiva (eng!. "liabilities") eines Betriebes die Verhältnisse an, die zwischen dem Betrieb und den für ihn wichtigen potentiellen Entscheidungsträgern bestehen. Über die Zuordnung von Aktiva und Passiva zu drei potentiellen Akteuren: dem Unternehmen selbst, den Eigentümern sowie den Gläubigern, wird klargestellt, daß die Unternehmung als "Besitzer" der Aktiva darüber unbeschränkt - nur den geltenden Gesetzen verpflichtet - verfügen kann. Mit der Aufgliederung der Passiva wird "lediglich" vermerkt, wer die Aktiva finanziert hat und wer deshalb (Eigentümer-)Ansprüche auf die Beteiligung am Unternehmenserfolg und etwaige Rückgabe des Kapitals anzumelden hat. Diese unmißverständliche Trennung zwischen den wirtschaftlich relevanten Einsatz- und Kontrollfunktionen macht einen wichtigen institutionellen Tatbestand sichtbar. Autonome "unternehmerische" Entscheidungen über die gezielte Nutzung gegebener Aktiva in einem laufenden Prozeß sollen die "Transformation" gegebener Aktiva in wertvollere bewirken. Diese Dynamik unternehmerischen Handeins ist definitiv das, was Commons bereits in den dreißiger Jahren so intensiv wie möglich hervorzuheben beabsichtigte: Der Einsatz von Vermögen ("assets") im Marktprozeß "ist mehr als ein passives Aus- und Einströmen. Er ist eine aktive willensbezogene Akquisition von Einkommen, ... ein Transaktionsprozeß, der zusätzliche Kaufkraft schafft". 11

10 11

Preiser (1963a), S. 99 ff.. Commons (1968), S. 165.

Hurnanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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Mit ähnlicher Begründung lehnt - meines Erachtens zu Recht - Theodore W. Schultz die Verwendung des Begriffs "human resources" ab: Natürliche und andere materielle Ressourcen sind passive ökonomische Faktoren; sie sind auch frei von Präferenzen. Menschliche Handlungseinheiten sind aktiv - nicht zuletzt in der Entwicklung von Fähigkeiten (einschließlich Geschick und Wissen) und Präferenzen. "Humanvermögen" umfaßt "alle Attribute eines Menschen - die physischen, biologischen, psychologischen und kulturellen -, die sowohl die sozialen Werte", zu denen er sich bekennt, "als auch die ökonomischen Werte", die er schafft, zu begründen und zu erklären helfen. 12 All das ist "'Vermögen' im Sinne von Können, von Fertigkeiten und von Wissen".\3 Für mich ist es nicht überraschend, daß inzwischen auch die angelsächsische Terminologie stärker um begriffliche Klarheit bemüht ist. "Vermögen" heißt wieder (wie früher) "wealth"; alle seine Elemente sind "assets": "human assets" und "real assets" .14 Anlaß zu dieser sprachlichen Revision gaben offensichtlich sowohl die Privatisierungsstrategien der Gegenwart als auch - danach - der osteuropäische Transformationsprozeß, also ordnungspolitische Herausforderungen. Auf den Tatbestand, daß die Begriffe der Wirtschaftswissenschaft institutionen- und somit auch ordnungsabhängig zu definieren sind, war allerdings deutlich früher schon verwiesen worden. 15 In der wirtschaftlichen Praxis ist es sprachlich ganz eindeutig: Vermögen sind Wertobjekte, die auf der Aktivseite einer Bilanz erscheinen; sie werden zur Durchführung wirtschaftlicher Aktivitäten benötigt. Sie stellen das wirtschaftliche Handlungspotential einer Aktionseinheit - generell: deren Verfügungsrnacht über einen Bestand an Gütern und Dienstleistungen - dar. Die Passivseite der Bilanz umfaßt Kapitalpositionen: die Auflistung aller Verpflichtungen gegenüber den Finanziers der Vermögensbestände, unterschieden zwischen Eigenkapital als den Anteilen, die die kapitalmäßig an den Wirtschaftseinheiten unmittelbar Beteiligten (meist Eigentümer genannt, zu ihnen können auch Firmen gehören) beisteuern, und Fremdkapital, das externe Gläubiger zur Verfügung stellen. Sozialökonomisch sind hier zwei Tatbestände voneinander zu unterscheiden. Es gibt einmal den Anleger von Geld, den Finanzier, und zum anderen denjenigen, der dieses Geld zum Erwerb von Produktionsmitteln nutzt, den Investor. Der Anleger erwirbt gegen Hingabe von Geld ein Recht, das eine potentielle "Rentenquelle" darstellt. Er erhält einen Rechtstitel vom Typ einer Forderung (auf Rückerstattung der eingebrachten Geldsumme), der in seiner Bilanz als

Schultz (1972), S. 9. Boettcher (1986), S. IX. 14 Economic Commission for Europe (1992), etwa S. 205. " Boulding (1962); Krüsselberg (1984b), S. 5 ff., 9 ff.; Derselbe (l984c), 37 ff.; Derselbe (1986), S. 370 ff., 378 ff.. 12

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3"

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Vermögenselement, als Aktivum, erscheint. Realvermögen schafft (durch seine Investition) der Investor - gleichfalls mit der Absicht, eine Renten-, eine Einkommensquelle zu erschließen. "Da der Korrelatsbegriff zum Einkommen 'Vermögen' heißt, ist für die ökonomische Problematik der entscheidende Begriff nicht das Eigentum, sondern ... das Vermögen." "Eigentum" grenzt den Güterbesitz der Wirtschaftssubjekte gegenüber dem anderer Wirtschaftssubjekte ab. Eigentum - so wird in Übereinstimmung mit Eucken betont - ist "ein Rechtsbegriff, kein Begriff der Nationalökonomie" .16 Oft wird zudem übersehen, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß marktwirtschaftlieher Systeme die Kreditschöpfung für die Finanzierung von Nettoinvestitionen und damit die Dynamik des Prozesses die systembezogen entscheidende Voraussetzung ist (bzw. sein sollte). Schon seit geraumer Zeit gilt die Existenz von Vermögensmärkten - "assets markets" - (natürlich einschließlich der sogenannten "Kapitalmärkte") als exklusives Merkmal von Marktwirtschaften. 17 Schumpeter 18 und Preiser sind sich - wie viele andere mit ihnen - darin völlig sicher: Ein Wachstum der volkswirtschaftlichen Produktion im "kapitalistischen System" wäre "überhaupt nicht möglich, wenn das Bankensystem keine Investitionskredite gäbe" .19 Erst derjenige, der die Konsolidierung der Finanzierung von Investitionen durch die Ablösung des ursprünglichen Kapitalgebers (Bankensystem) vollzieht, erwirbt das Eigentum an dem Realvermögen. Unter den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, die Privateigentum auch an Produktionsmitteln duldet, kann dies durch Unternehmer oder Sparer oder auch durch beide erfolgen. So werden sie zu Eigentümern an den Produktionsmitteln. Im Grundsatz sind sich die Ökonomen einig: Vom Standpunkt der Theorie wirtschaftlichen Fortschritts ist" security in the adm inistration ofproperty" bedeutsamer als die "security of ownership".20 Das ist sicherlich kein Tatbestand, der für Humanvermögen ebenfalls gilt. Schließlich ist die Freiheit des Menschen historisch damit durchgesetzt worden, daß Leibeigenschaft und Sklaverei abgeschafft wurden. Seit Adam Smiths eindeutiger Festlegung hätte sich die Wirtschaftswissenschaft an der These orientieren können, daß das "Vermögen, das jeder Mensch durch seine Fähigkeit zu eigener Arbeit besitzt, ... das heiligste und unverletzlichste" zu sein habe. Deshalb ist das Recht, nach eigenem Ermessen über den Einsatz von Humanvermögen entscheiden zu können, das wichtigste Individualrecht. Gleichwohl ist nach Smith ein Mensch "wirtschaftlich erst dann wirklich frei, wenn er fähig ist,

16 17 18 19 20

Preiser (1967), S. 161 tf.. Siehe dazu Krilsselberg (1984c), S. 57 f.. Schurnpeter (1961). Preiser (1967), S. 162 f.. Boulding (1963), S. 32; Hervo~. H.G.K ..

Humanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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in einem doppelten Sinn Vermögen zu erwerben: einmal an der eigenen Person, zum anderen - zumindest anteilig - an jenen Gütern, die er über seinen Lebensunterhalt hinaus produziert"?l

Was mag als Grund dafür angesehen werden, daß dennoch die Wirtschaftswissenschaften der Betrachtung des Realvermögens sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben als der Bestimmung der Rolle des Humanvermögens im wirtschaftlichen Prozeß? Prüfen wollen wir insbesondere, ob dieses wissenschaftstheoretische Defizit auch jenen Teilen der Wirtschaftswissenschaft anzulasten ist, die sich am Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" orientieren. Die "sachliche Frage '122, die hinter der Erörterung der Bedeutung von Humanvermögen für die Wirtschaftsordnung steht, ist nämlich keine andere als die der Bestimmung der Stellung des Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft. Das war bereits Adam Smith wohl bewußt.

C. Die Stellung des Menschen in der modemen Gesellschaft: Du Grundthema der Konzeption ~~Soziale Marldwirtschaft« "In meinem Weltbild und auch in meiner wirtschaftspolitischen Vorstellung [steht] der Mensch im Mittelpunkt allen Geschehens!" Dieses Bekenntnis legte Ludwig Erhard - so betonte er nachdrücklich - allen seinen wirtschaftspolitischen und politischen Äußerungen sowie allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die er ergriff, zugrunde. 23 Seine Vorstellung vom Menschen - das zeigt die Analyse seiner Schriften - ist bestimmt durch seine Wahrnehmung der "Einheit des Menschen". Historisch sieht er zunächst die Notwendigkeit, Aufbauarbeit zu leisten. Deren Erfolg schreibt er dem Fleiß und der Hingabe der "wirtschaftenden Menschen selbst" zu, ihrer "ehrlichen und rechtschaffenen Arbeit". Zugleich vertraut er auf "die seelischen Kräfte im Menschen, die ihn dazu bewegen, im materiellen Wohlergehen und in der persönlichen Freiheit eine sittliche Verpflichtung und nicht ein letztes Ziel zu sehen" .24 Erhards Perspektive von der Wirtschaft und Gesellschaft im Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" ist geprägt durch die Auffassung, "daß die Armut das sicherste Mittel" ist, um den Menschen "in den kleinen materiellen Sorgen des

Zl

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Smith (1981) , S. 138, 389; siehe dazu ausfilhrlich Krüsselberg (1984a), S. 206 ff., 210 ff.. Preiser (1963a), S. 99. Erhard (1963), S. 97 f.. Ebenda (1988), S. 374,429.

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Alltags verkümmern zu lassen". Sowohl für das Individuum als auch für ein Volk als Ganzes müsse eine funktionsfähige Wirtschaft "die Grundlage für jedes höhere Streben und die Erfüllung geistig-seelischer Anliegen" sicherstellen. "Erst wenn die materielle Basis der Menschen geordnet ist, werden diese selbst frei und reif für ein höheres Tun. ,,25 Der ökonomische Sinn und soziale Inhalt einer Politik der Sozialen Marktwirtschaft entfalte sich in der "Eröffnung einer immer besseren und freieren Lebensführnng für das gesamte Volk". Der menschliche Fleiß, das Schaffen aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten dienten "in letzter Konsequenz der Bereicherung des menschlichen Seins aller im Bereich der Sozialen Marktwirtschaft lebenden und schaffenden Menschen". Erhard betont dabei die Notwendigkeit, "die Frucht des wirtschaftlichen Fortschritts immer breiteren und am Ende möglichst allen Schichten des Volkes zugute" kommen zu lassen. 26 Erhard wird nie müde zu betonen, die Wirtschaft habe kein Eigenleben "im Sinne eines seelenlosen Automatismus". Sie werde "von Menschen getragen und von Menschen geformt" 27 Deshalb seien "Kraft, Leistung, Initiative" und weitere menschliche Werte gefordert: "Gesinnung und Verantwortung", die sittliche Bindung von Freiheit und das Bewußtsein der menschlichen Verantwortung "vor Gott und den Menschen" - sie seien die Voraussetzung für eine "auf der Initiative der Persönlichkeit begründeten 'Sozialen Marktwirtschaft'" und damit "die unantastbaren Grundlagen einer Politik für eine solche Ordnung". 28 Mit Erhard war sich Alfred Müller-Armack einig, stets auf die Voraussetzungen verweisen zu müssen, die letztendlich den Erfolg eines Systems der Sozialen Marktwirtschaft zu begründen vermögen. "Soziale Sicherheit" sei überall dort zu erwarten, wo man sich zum einen den Kräften des Marktes anvertraut und zum anderen alle vom Staat und von den sozialen Gruppen anzustrebenden Ziele der Bindung an Ordnungen unterwirft. Nur damit schaffe man die Bedingungen für die Verwirklichung einer freien politischen und wirtschaftlichen Ordnung sowie einer sozial gerechten und gesellschaftlich humanen Lebensordnung. Im Zentrum dieser Gesamtordnung und aller ihrer Teilordnungen - insistiert Alfred Müller-Armack - steht der Mensch in seiner Personalität, in seiner Würde und seiner Einzigartigkeit. Auf einen funktionsfähigen Ausgleich zwischen allen Teilordnungen zum Zweck der Wahrung des Prinzips "Humanität" hinzuwirken, begründe für Wissenschaft und Politik eine permanente und sich im Detail stets erneuernde Aufgabe!29

" Erhard (1963), S. 137. 2. Ebenda, S. 132 f .. 27 Ebenda, S. 141. 2S 29

Ebenda, S. 148, 192 f.. Siehe dazu etwa Müller-Annack (1974), S. 212 - 214; ferner Gutmann (1990), S. 182.

Humanvennögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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Humanität im gemeinten Sinne ist für diese Autoren nicht nur ein Ziel an sich, sondern stets auch Grundlage einer humanen Gesellschaft marktwirtschaftlicher Prägung. So ist die Marktwirtschaft z.B. nach Röpkes Überzeugung niemals überlebensfähig, ohne in ein "Außenfeld" eingerahmt zu sein, "in dem die Menschen nicht Konkurrenten, Produzenten, Konsumenten" sind. Dieses Außenfeld nennt er den "anthropologisch-soziologischen Rahmen" .30 Mit der Formel "Marktwirtschaft ist nicht alles" warnt Röpke vor einer drohenden Entartung des Wettbewerbs, sofern man diesen Rahmen vernachlässige. 31 Marktwirtschaft kann nach Röpke nur auf einer ethisch-moralischen Basis existieren, die der Markt selbst benötigt und nutzt, ohne sie selbst "erzeugen" zu können. Sie müsse in Lebensfeldern "jenseits des Marktes" geschaffen werden/ 2 in Lebensfeldern, die nicht den Regeln des Marktes, den Regeln von Angebot und Nachfrage, folgen (siehe dazu vertiefend Abschnitt F). In seinem Hinweis auf einen marktwirtschaftlichen Bedarf an "sittlichen Reserven" wird Röpkes Anliegen noch deutlicher. Er hebt hervor, daß der Produktionsprozeß, aus dem die Güter und die Einkommen fließen, die über den Markt realisiert werden, menschliche Qualitäten verlangt wie "Selbstdisziplin, Ehrlichkeit, Fairneß, Maßhalten" . Solche Kompetenzen werden in den Familien und anderen Gemeinschaften erworben und stabilisiert. 33 Ist - aus welchen Gründen auch immer - diese Reserve einmal nicht vorhanden oder wird sie aufgezehrt, verblassen die Potentiale des Marktes. Röpke fürchtet, jenes sittliche Potential werde durch die "Monstrosität unserer Verhältnisse - der Großstadt, der Riesenbetriebe, der Wurzellosigkeit, der Eigentumslosigkeit, der Entpersönlichung, der Devitalisierung, der Naturentfremdung" bedroht. Er will "daraus immer und überall ebenso rücksichtslose Konsequenzen" für die Gestaltung der Gesellschaftsordnung ziehen. 34 Bei allen Entscheidungen in der Gesellschaft und in den Betrieben sei es unerläßlich, "die soziologisch-anthropologischen Faktoren genau so wie die physikalisch-chemischen im Auge zu behalten" und immer "den menschlichen Faktor - sozusagen den Koeffizienten 6 (anthropos) -", "den menschlich-sozialen" Koeffizienten "einzukalkulieren" .35 Betrachten wir diese Positionen in ihrer Gesamtheit, kann kein Zweifel darüber aufkommen, daß der aktive, der sein Leben selbst gestaltende Mensch eine Schlüsselrolle im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft einnimmt. Hand-

Röpke (1979), S. 82 f .. Ebenda (1965), S. 136. 32 Ebenda, S. 148. J3 Ebenda. 34 Ebenda (1979), S. 275. " Ebenda, S. 305, 311. 30

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lungsvennögen des Menschen in diesem weitgefaßten Sinne, erfaßt die moderne Theorie - wie wir bereits sahen - im Begriff des Humanvennögens.

D. Die Erlrenntnis der Daseinsfonn des Menschen: Geistiger Ausgangspunkt einer Verfassung für »Soziale Marldwirtschaft~~ Noch grundlegender als Röpke äußerte sich Alfred Müller-Ännack zur Stellung des Menschen in einer Sozialen Marktwirtschaft, so z.B. im Jahre 1973 unter dem Titel "Der humane Gehalt der Sozialen Marktwirtschaft".36 Durchgängig betonte er, sein zentrales Anliegen beruhe auf einer geistigen Werthaltung, "der Idee einer humanen Ordnung für die Wirtschaftsgesellschaft".37 Nach Müller-Annack muß "Soziale Marktwirtschaft" stets mehr als eine "Sozialtechnik" sein. Ausdrücklich legt Müller-Ännack dar, warum er sich für "eine besondere Fonn der Wirtschaftstheorie" entscheidet, die sich signifikant von den "mathematischen Modellapparaten" unterscheidet, welche durchgängig als "die moderne Wirtschaftstheorie bezeichnet" würden. Zu erkennen und theoretisch zu erfassen sei der Tatbestand, daß die Soziale Marktwirtschaft speziell von ihrem geistigen Fundament her ihre Wirkung entfalte. 38 Zunächst seien somit die Werte zu bestimmen, zu denen sich diese Ordnung bekennt; zugleich aber stelle sich die "Frage ihrer Realisierung". Sozialgestaltung bedeute aber "realisierendes Auswählen", die Entwicklung "einer der menschlichen Existenz angemessenen Sozialfonn" .39 Darin sind sich die Theoretiker der Sozialen Marktwirtschaft einig: Gesucht wird - und zu schaffen ist - eine für den Menschen und die industriell-technische Welt "zureichende - einheitliche - Verfassung".4o Damit konstatiert die Wirtschaftstheorie ihre Zuständigkeit für eine Beteiligung an der Debatte über menschengerechte Verfassungen. Um solche Verfassungen begründen zu können, ist zunächst oberhalb des Handlungssystems, das heißt unabhängig von aktuellen Bedürfnissen oder Erfordernissen und von aktuellen materiellen Interessen, eine Werteordnung zu konstituieren. Aus dieser Grundlage erwächst dann der Entwurf

J6 J7 J8 J9

Müller-Annack (1973), S. 15 • 26. Dazu Tuchtfeldt (l973a), S. 7 ff.. Müller-Annack (1974), S. 164. Ebenda, S. 177 f..

Eucken (1968), S. 11, 15,48 f., 327 f.; siehe hierzu zudem Krüsse1berg, (1989), insbesondere S. 232 - 238. 40

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einer Verfassung als Muster von Verhaltensregeln und einer Mindestzahl ethischer Normen, auf die sich eine Gemeinschaft zukunftsorientiert einigt, und an die sie sich bindet. 41 In seiner Begründung für die Wahl dem Menschen angemessener Ordnungen hebt Müller-Armack vor allem auf die geistigen Komponenten seines Verfassungskonzepts ab. Insbesondere geht es um die Abgrenzung der von ihm gewünschten Ordnung von marxistisch-sozialistischen Ordnungen - "nicht nur im Ökonomischen, sondern auch in den tieferen geistigen Schichten". Diese Abgrenzung ermöglichten Müller-Armack - wie er berichtet - zwei persönliche Wissenschaftserfahrungen: die Entwicklung der philosophischen Anthropologie und die mit Max Weber einsetzende geistesgeschichtliche Soziologie, die ihn (Müller-Armack) besonders zur Religions- und Kultursoziologie führte. 42 Von hier aus findet er den Zugang zu einem Menschenbild, das sein Konzept "Sozialer Marktwirtschaft" fundiert. Dessen Grundlegung soll über die Suche nach einer geistigen Perspektive erfolgen, die die Stellung des Menschen in dieser unserer Welt bestimmt. Allein von dort her könne - so meint er - über die humanen Möglichkeiten der Gesellschaftsgestaltung nachgedacht werden. 43 Die Auffassung vom Menschen, zu der sich Müller-Armack44 bekennt, und das damit von ihm herausgestellte sozialphilosophische Element der Sozialen Marktwirtschaft, ist durch die Ablehnung eines Wissenschaftsverständnisses, das den Menschen einer "rein naturwissenschaftlich" ausgerichteten Betrachtungsweise unterwarf, vorgeprägt. Die These der Trennung der Natur des Menschen und seiner Welt von dessen geistigem Sein sei unannehmbar. Müller-Armack

Ausfilhrlich dazu Krüsselberg (1976), S. 185 - 192. MOller-Annack (1973), S. 16 ff.. ., Siehe hierzu zudem Gutmann (1990), S. 178 ff.. 41

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.. Unter wissenschaftstheoretischen Aspekten sei venner1ct, daß MOller-Annack das Ideal werturteilsfreier Erkenntnis insofern als berechtigt ansieht, als es die Forderung enthält, im Erkennen selbst nur der Sache zu folgen. Er betont jedoch, daß dann, wenn das Erkennen einen konkreten Lebenssinn behahen solle, dies nicht bedeuten könne, das Ergebnis sachgerechter Erkenntnis nicht im Dienste des Lebens einsetzen zu dürfen und "gar von der Wissenschaft her jegliche Antwort auf dringende Lebensfragen zu verweigern"; MOller-Annack (1968), S. 13. Keineswwegs soll dies ein Argument gegen die Realität in der ordnungspolitischen Debatte sein. Die bewußte Stellungnahme zu einem an sich offenen Problem bedeutet nicht, daß Vertreter anderer Auffassungen keine Gelegenheit haben sollten, ihre Ansichten gleichfalls ungehindert auszuarbeiten und zur Geltung zu bringen, "soweit nicht die Freiheit anderer dadurch beeinträchtigt wird". Am ehesten werde - so lautet die These A1berts - durch "kulturelle, soziale und politische Vielfalt und damit freie Entfaltung aller Individuen" gewährleistet, daß "rationales Problemlösungsverhalten in allen Bereichen annähernd erreicht" wird; Albert (1977), S. 198. In jedem Fall sollten die Grundpositionen so eindeutig fonnuliert werden, daß sie entscheidungstahig sind. Menschen mOssen in der Lage sein, gedanklich nachzuvollziehen, was andere ihnen zur Begründung der jeweiligen Position vortragen. Das gilt nicht zuletzt für die Aussagen zum jeweiligen Menschenbild.

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betont, die "natürlich-geistige Einheit des Menschenwesens"45 müsse als unantastbarer Ausgangspunkt sozialwissenschaftlichen Denkens angesehen werden. Der Mensch sei "ein auf die Erfahrung einer Transzendenz, eines höchsten göttlichen Seins gerichtetes Wesen. Seine geistigen und seelischen Intentionen befähigen ihn, über die ihn umgebende endliche Welt sich an eine göttliche Person zu wenden und ihr Dasein oder ihren Anruf in der Offenbarung Gottes zu vernehmen" .46 Gemeint ist damit, daß der Mensch aus seiner Natur heraus die Fähigkeit besitzt, über diese seine endliche Welt hinauszuschauen, obwohl er dazu nicht gezwungen ist: Er ist nicht gezwungen, an Gott zu glauben. Er kann sich durchaus auf seine irdische Welt zurückziehen und ohne Transzendenz leben. Gleichwohl könne er "seine Intention auf ein letztlich geltendes höchstes Sein auch in seiner irdischen Welt vor sich selbst nicht unterschlagen".47 Daß diese Erkenntnis auch die Wissenschaft leite, zeige sich in deren vielfältig zu beobachtenden Versuchen, innerhalb der säkularisierten Kultur, im Gewissen oder im Sittengesetz "Quellen persönlicher oder weltlicher Ethik zu erschließen".48 Jede oberflächliche Deutung dieses Tatbestandes versperre den Zugang zu einer entscheidenden Einsicht der Sozialwissenschaften: "Indem der Mensch seine geistig-vitale Welt als bedingte, endliche erkennt und schon damit seiner Freiheit zu einem Unbedingten inne wird, vermag er nie in seiner Umwelt aufzugehen wie das Tier". Nicht um psychologische Erfahrungen gehe es hier, auch sei der Mensch weder Engel noch Teufel. Zu erkennen ist "ein strenges Gesetz seiner Wesens- und Weltstruktur, das den Menschen zwingt, zur Transzendenz, sei es gläubig, sei es zweifelnd, Stellung zu beziehen" .... "Der Mensch ist seinem Wesen nach derart auf die Erfahrung einer religiösen Transzendenz angelegt, daß er zwar zum Glaubensabfall innerlich befähigt ist, nicht aber dazu, in seiner immanenten Welt den Akt des Transzendenten auszuschalten." In einer säkularisierten Welt wie der unsrigen verlagere sich "in der Glaubensabwendung der religiöse Akt in eine ihm nicht adäquate Sphäre". MüllerArmack konstatiert damit eine sich zu seiner Zeit verstärkende historische Tendenz, weltliche Werte kultisch zu verabsolutieren: z.B. in der Idee des Staates, der Nation, der Rasse, der Vernunft, der Klasse und des Sozialen. Deren Huldigung als "höchste, ... jeder Hingabe würdige Realität" macht "Massen" von Menschen "bereit ... , ihr Daseinsopfer für solche irdischen Ziele nicht für zu groß zu halten". Statt "im Irdischen irdisch" leben zu wollen, werden von Menschen je nach persönlichem Gutdünken solche Wertsetzungen irdischer Prägung

., Müller-Annack (1968), S. 480 . •• Ebenda, S. 404 f .. 47 Ebenda, S. 405 . •• Ebenda, S. 411.

Humanvermögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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mit der "ganzen Würde des Absoluten, ... des Ewigen" umkleidet. So können sich politische Strömungen über ganze Völker hinweg nationalistisch, sozialistisch, faschistisch oder auch nationalsozialistisch entfalten, - nicht zuletzt mit dem j eweiligen Anspruch auf" geschichtliche (oder ökonomische) Notwendigkeit ... , aus der es kein Entrinnen gibt" .49 Gegen diese (wie er sagt - ideologisierenden) Perspektiven setzt MüllerArrnack seine These von der Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen für seine Entscheidungen in der Geschichte. Er fragt nach der Möglichkeit für die Bindung des Menschen an eine als sinnvoll geltende Wertstruktur durch eine Verfassung. Müller-Armack erscheint der Mensch als ein Wesen, das zwar wie das Tier an eine biologische Umwelt gebunden ist. Obwohl er somit unwiderruflich in seine Welt an einer bestimmten historischen Stelle hineingeboren werde, besitze er gleichwohl die Befähigung, diese Immanenz einer bestimmten Zeitstelle durch sein eigenes sittliches Handeln zu verändern. Das heißt, der Mensch ist fähig, die Gesellschaft zu gestalten. Konsequent argumentiert MüllerArrnack gegen eine "passive Ergebenheit gegenüber den politischen Gewalten", gegen eine "gleichgültige Preisgabe geistiger Werte" .50 Was mit dieser Analyse bewirkt werden sollte, war zunächst die entschiedene Widerlegung aller Geschichtsdeterminismen - nicht allein marxistischer Prägung. Damit verknüpft war für Müller-Arrnack eine tiefgreifende Einsicht in die Bedeutung der geistigen, wissenschaftlichen und religiösen Faktoren für die Gestaltung der Lebensbedingungen in der Neuzeit und in die Aufgabe, sie in eine Ordnung einzubinden, die der Würde des Menschen entspricht. Mit der Annahme, Menschen seien fähig, ihr Leben zu ordnen, werden ihre Wünsche wichtig, werden ihre Planungen, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sinnvoll. - Menschen sind heterogen in ihren Begabungen, Neigungen und Handlungspotentialen. Heterogenität bedeutet Vielfalt an Denkanstößen und an Wahlmöglichkeiten zwischen Alternativen. Solche Vielfalt in Freiheit zu ordnen, vermag allein ein Marktsystem, das dem Prinzip der Wettbewerblichkeit unterworfen ist, und ein Gesellschaftssystem, das die Klassenbindung des Menschen aufuebt. Wandel der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen ist die notwendige Folge eines derart geschichtsoffenen Prozesses. Wettbewerb zerstört veraltete Strukturen und schafft Ungewißheiten, deren Chancen allein durch konkretes Handeln auszuloten sind. Wettbewerb bietet Chancen für unternehmerisches Handeln und zu unternehmerischem Handeln. 51 In einer Welt der (zumindest begrenzten) Ungewißheit bleiben zentrale Bereiche des Handeins der Intuition, dem Wagnis und zugleich der Bereitschaft zur

.9 Müller-Annack (1968), S. 405 f., 409 f., 453, 474. '0 Ebenda, S. 465, 505, 429, 486 f., 507. " Siehe dazu KTÜsselberg (1969), S. 13 ff., 21 ff., 68 f.; ferner Müller-Annack (1974), S. 246 ff..

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Verantwortung verhaftet. Diese Welt ist eine Welt existierender Handlungsspielräume. Es ist eine Welt des handelnden, des sein Leben selbst prägenden Menschen. Müller-Armack folgert: Die "Dialektik einer vorfindlichen historischen Welt und ihrer begrenzten historischen Variierbarkeit ist die Grundforrnel für die Existenzweise des Menschen. Würde das Machbare, das Variierbare Ausschließlichkeit gewinnen, wäre der Schritt in die Utopie getan" .~2 Meines Erachtens ist bis heute kaum zureichend erkannt und anerkannt worden, welche Variante von Wirtschaftstheorie Müller-Armack damit schuf: eine theoretische Ordnungskonzeption, deren Mehrdimensionalität der Mehrdimensionalität des Menschen entspricht und sich deshalb explizit auf Bemühungen um eine Synthese verpflichtet. Gesucht und angeboten wird eine Integrationsforrnel, eine irenische Lösung, die geeignet ist, "Heterogenes zu kombinieren", "sich Widerstrebendes zu verbinden", "eine Ordnung, die Werte empfängt, aber nicht selbst setzt", diese Werte jedoch miteinander zu versöhnen, zu einer "echte[n] Kooperation" zu führen bemüht ist. 53 Grundsätzlich geht es um die Theorie der Verfassung der Sozialen Marktwirtschaft, das heißt um eine Theorie der institutionellen Sicherung von menschlicher Freiheit in einer demokratischen Gesellschaftsordnung und einer Wirtschaftsordnung, die "den Bestand [und] die Steigerung des Gesamtpotentials unseres Lebens" wahren hilft. "Die künftige Verfassung unserer freiheitlichen und sozialen Ordnung muß das Ganze unter ein Recht und die Anerkennung von Prinzipien stellen, die auch die produktiven Minoritäten vor Willkür schützen. ,,54

E. Humanvennögen als Onlnungsbegriff Ohne Zweifel sind die Äußerungen der von uns ausgeWählten Theoretiker der Sozialen Marktwirtschaft, über die in den Abschnitten Bund C dieses Beitrags berichtet wurde, für die marktwirtschaftliche Theoriebildung zentral. Meines Erachtens sind dabei alle Elemente benannt worden, denen in der modernen Theorie des Humanverrnögens Bedeutsarnkeit zugesprochen wird. Was mag der Grund dafür sein, daß die deutschsprachige Theorie in der Nachfolge zu Erhard,

,. Müller-Annack (1973), S. 19. Siehe hierzu auch Hans Albert (1977), S. 187, der sich kritisch einmal - wie Müller-Annack (1974), S. 165 - gegen "die Neigung zur Dogmatisierung bisheriger Problemlösungen" wendet und zum anderen gegen "einen utopischen Radikalismus, der auf der Suche nach radikalen Lösungen bereit ist, zunächst ein soziales Vakuum zu schaffen, aus dem sich dann ein vollkommener Neuaufbau ergeben soll, ohne daß eine konkrete Alternative angeboten werden könnte, die sich hinsichtlich ihrer Leistung mit der bisher praktizierten Lösung vergleichen ließe". " Müller-Annack (1966), S. 299 ff.; Derselbe (1974), S. 163 ff., 176 ff., 200 ff.. 54 Ebenda, S. 170.

Humanvermögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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Eucken, Müller-Arrnack und Röpke bislang die Chance nicht genutzt hat, das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft humanvennögenstheoretisch zu fundieren? Ist man auch hier der verkürzten Perspektive von Neoklassik und Postkeynesianismus verfallen, Wirtschaft und Beschäftigung allein aus der Sicht der Erwerbswirtschaft zu behandeln sowie die Möglichkeit der Entstehung von Einkommen als im Prinzip dauerhaft gewährleistet zu unterstellen?55 Manches Lehrbuch und manche wirtschaftspolitische Empfehlung scheinen diese Einschätzung zu belegen. Kenneth E. Boulding war - so meine ich - der erste, der die politischen Probleme registrierte, die mit solchen Auffassungen verbunden sind. Wer wirtschaftliche Erfolge allein an Einkommenszuwächsen mißt, neigt dazu, die Vermögensbildung und -erhaltung für selbstverständlich zu erachten, obwohl gerade sie die unabdingbare Voraussetzung für die Erzielung von Einkommen ist. Der kritische Punkt ist der, daß Gegenwartskonsum für eine zum Teil recht lange Zeit durch Aufzehrung von Vennögen gewährleistet oder gar im Niveau gesteigert werden kann. Daran scheiterten bekanntlich die Systeme des realen Sozialismus. Wegen der systemunabhängigen Bedeutung dieses Problems schlug Boulding schon während der fünfziger Jahre eine "Rekonstruktion der Wirtschaftswissenschaften" vor. Seine Ideen wurden damals nicht sehr beachtet und er beklagte, daß nur die Institutionalisten seine Botschaft verstanden haben mochten. Boulding selbst dachte, seine "prinzipielle Häresie" bestünde darin zu fordern, daß die Wohlfahrtsposition einer Person nicht keynesianisch durch deren Einkommens- oder Konsumpotential als Stromgröße erfaßt werden sollte. Die Wohlfahrtsposition einer Person sei sehr viel sinnvoller durch eine Aussage über den Gesamtwert ihres Vennögens zu bestimmen, durch eine Aussage über den Wert aller relevanten Human- und Realaktiva. 56 Wie Boulding hatten schon die klassischen Ökonomen Wohlstandssteigerung auf die Akkumulation von menschlichem und nichtmenschlichem Vennögen, das heißt aufInvestitionen in Human- und Realvennögen zurückgeführt. Sie wußten, daß jeder Prozeß der Akkumulation unter Berücksichtigung der historischen Zeitkomponente zu analysieren ist und mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit mit ungewissen Folgen bezüglich des wirtschaftlichen und sozialen Wandels behaftet ist. Deshalb billigten sie insbesondere jene Veränderungen, die zum Aufbau von Institutionen führten, die die Menschen zur Akkumulation ennutigten und gleichzeitig jene Prozesse unterstützten, welche die Erhaltung des Wertes gegebener Ressourcen im evolutionären Prozeß zu gewährleisten schienen. 57

" Siehe dazu Krüsselberg (1988), S. 105 ff.. '6 Boulding (1971), S. IX. n Krüsselberg (1983), S. 73 ff..

Hans-Günter Krüsselberg

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Das Interesse des Postkeynesianismus wandte sich eher jenen Institutionen zu, die die Sicherheit von Einkommen zur Gewährleistung des Lebensunterhalts zu garantieren schienen. Das Vollbeschäftigungsziel stellte voll auf den Einkommenskreislauf ab, wobei allein die Erwerbsarbeit von Belang war. Als volkswirtschaftlich relevante Produktion galt allein die der gewerblichen Wirtschaft. Dazu vermerkt etwa Galbraith äußerst kritisch: Keynesianer meinen, sie könnten die wirtschaftlichen Prozesse sicher planen. Mit vollkommener Gewißheit wollten sie die Leistungsströme kontrollieren - nicht zuletzt, weil der Staat hier die Planung übernehmen und durchführen könne. 58 Im Gegensatz dazu hatten Soziale Marktwirtschaftler wie z.B. Walter Eucken und Fritz W. Meyer59 nachdrücklich die Ansicht vertreten, in den Familienhaushalten laufe ein wichtiger Teil des gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozesses ab. Sie rügten damit die idealtypische Verkürzung des Konzepts Haushalt auf eine "ausschließliche Konsumgemeinschaft" . Meyer sah darin die Ursache für "bedenklichste Schwächen" der Wirtschaftswissenschaft, die - so fürchtete er - zu erheblichen "Verirrungen in der ordnungspolitischen Urteilsfähigkeit" führen könnten. Seine Botschaft lautete: "Hochentwickelte Haushalte ... , die mit ihren Leistungen bis in den Bereich der Erwerbswirtschaft hineinreichen", registrieren äußerst sensibel in den Märkten auftretende Störungen. Sie reagieren auf solche Störungen durch die Verlagerung produktiver Funktionen. Sie vollziehen eine Umverteilung ihrer Ressourcen sowohl im Bereich der Erwerbswirtschaft als auch in dem der Haushaltungen. Das Ziel ihres HandeIns ist die Stabilisierung des Wohlstandsniveaus ihrer Mitglieder. 60 Die These von der "Einheit des Menschen" verlangt - so läßt sich folgern stets eine umfassende Sicht menschlichen HandeIns. Humanvermögen geht nicht

Galbraith (1987), S. 252, 263. ,. Vor mehr als 25 Jahren veröffentlichte Fritz W. Meyer(1967) einen Beitrag mit dem Titel "Die Haushaltung in der Nationalökonomie". Hier kritisierte er die vorwiegend in den Lehrbüchern dargebotene Auffassung von Wirtschaft mit den Worten, ihr Bereich sei an der Schwelle der Haushalte zu Ende. Er zeigte auf, daß gerade die Hausha1tungen wichtige Ausgleichsfunktionen fiir die Volkswirtschaften übernehmen - und zwar immer dann, wenn die "offIZielle" Wirtschaft Desorganisationserscheinungen zeigt. 60 Wichtig ist die Erkenntnis, daß "immer dann ... , wenn eine nach Art und Umfang zureichende Bedarfsdeckung am Markt oder im Rahmen eines Bewirtschaftungssystems subjektiv oder objektiv schwierig ist, ... in den Haushaltungen eine kompensatorische Produktion vOr(dringt), durch die im Rahmen des Möglichen der Mangel abgewendet werden soll". Unter diesem Aspekt ist selbst das sogenannte "Wirtschaftswunder" in der Bundesrepublik. Deutschland "zu einem nicht geringen Teil ... der Wirtschaftsstatistik (zu verdanken)". Sie hat nur den Marktteil und damit lediglich einen Bruchteil der wirtschaftlichen Aktivität erfaßt und ausgewiesen. Die Basis des Vergleichs der Produktionsgroßen vor und nach der Währungsreform wurde "wesentlich zu niedrig angesetzt, woraus sich ein erheblich übertriebenes Bild des Produktionsanstiegs" ergab. Ähnliche Fehlaussagen liefere der unreflektierte Vergleich zwischen Sozialproduktgrößen industrialisierter und weniger industrialisierter Volkswirtschaften; Meyer (1967), S. 295, 297. 51

Humanvermögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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allein in die Erwerbstätigkeit ein. Humanvennögen ist ganzheitlich allen Lebensbereichen als Handlungspotential zuzuordnen. Hier scheint allerdings die Theorie der Sozialen Marktwirtschaft zumindest in die Politik hinein gewirkt zu haben. Die politische Verfassung garantiert ebenso die Grundrechte 61 wie die soziale Verfassung die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit. Das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland will (und soll) den Menschen Lebensbedingungen bieten, die dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen. Jeder Mensch hat zur Entfaltung seiner Persönlichkeit ein Recht auf Erziehung, ein Recht auf eine Ausbildung, die seiner Neigung, Eignung und Leistung entspricht, ein Recht auf Hilfe zur Erlangung und Erhaltung eines angemessenen Arbeitsplatzes, auf wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit und bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sowie ein Recht auf Zugang zur Sozialversicherung (siehe dazu §§ I bis 10 des Sozialgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland). In bislang kaum zureichend gewürdigter Weise thematisiert das Sozialgesetzbuch mit seiner Charta der sozialen Rechte jenen als Einheit zu sehenden gesellschaftlichen Kontext, auf den dieser Beitrag in seiner Gesamtsystematik abstellt: die gesellschaftlich zwingende Verknüpfung von Humanvermögen mit Arbeit im Lebenszusammenhang aller letztlich in Familien lebenden Menschen. Es ist durchgängig zu betonen, daß die Schicksale des einzelnen immer auch familiale Bezüge aufweisen. Zudem wird darauf insistiert, daß der Weg des Aufbaus von menschlichem Handlungspotential, von Humanvennögen, in der Familie beginnt. Dort nämlich wird die Befähigung junger Menschen zur Bewältigung des Alltagslebens vennittelt: Das setzt den Aufbau von sozialer Daseinskompetenz (Vitalvennögen) und von Fachkompetenz (Arbeitsvennögen) als Grundkomponenten des Humanvennögens voraus. Erst auf dieser Basis kann sich im gesellschaftlichen Raum Arbeit entfalten - als Nutzung des in entscheidender Weise im Kontext von Familien entstandenen Humanvennögens. Daraus leiten sich folgende drei Thesen ab, die die Bedeutung des Humanvennögensbegriffs als Ordnungsbegriff erhellen:

6. Eucken (1968), S. 48.

48

Hans-Günter Krüsselberg

1. Jede Variante von Arbeit verlangt den Einsatz von Hwnanvermögen. 2. Jede Gesellschaft ist verpflichtet, mit dem maßgeblich in den Familien und

durch die Familien geschaffenen und finanzierten Hwnanvermögen verantwortlich wnzugehen, es eher in seinem Bestand zu mehren als es durch Nichtverwendung brachliegen zu lassen und gar zu dezimieren.

3. Jede Gesellschaft muß daran interessiert sein, sich dieses Handlungspotentials zu bedienen, denn: Die gesellschaftlich sinnvolle Nutzung von Hwnanvermögen ist die Grundlage jeglicher Variante gesellschaftlichen Wohlstandes. FOr die Arbeit im Haus trifft in dieser Perspektive der zentrale Tatbestand des Wirtschaftens ebenso eindeutig zu wie für Arbeitnehmer und Unternehmer jeglicher Art. Der jeweilige Erfolg wird bestimmt durch die Fähigkeit der tätig werdenden Personen, Handlungspotentiale wahrzunehmen, ihre Elemente korrekt zu erfassen und die vorhandenen Ressourcen trotz permanenter Veränderung der Rahmenbedingungen so einzusetzen, daß die angestrebte Lebenslage nicht nur erreicht, sondern möglichst in ihrer Qualität und in ihrem Niveau verbessert wird. Handlungspotentiale dieser Art wnfassen die Fähigkeiten zu lernen, sinnvolle Arbeit zu leisten, etwas zu schaffen und mit Ungleichgewichtslagen fertig zu werden. Exakt diese Auffächerung der Grundmerkmale dispositiven, also unternehmerischen Handeins im Familienhaushalt hat Theodore W. Schultz vorgenommen: Dort entsteht "die essentiell menschliche Eigenschaft des Unternehmertums".62 Wie oft zuvor wurde damit - wie wir gerade sahen - nur eine alte deutschsprachige Tradition belebt, die zwischenzeitlich durch die F ormalisierung der Lehrinhalte unseres Faches an den Rand der Beachtung gedrängt worden war. Um so wichtiger ist es zu betonen: Eine tragfähige Ökonomik des Hwnanvermögens bedarf der Fundierung durch eine Ökonomik der Familie bzw. des Familienhaushalts im Sinne der These von der Einheit des Menschen und seiner Institutionen.

02 Schultz (1975), S. 827 - 846; Derselbe (1981), S. 4 f., 7 11'.. Angesichts dessen, daß nach dieser Auffassung RealiW nicht an sich gegeben ist, sondemjeweils zu schaffen sei, enthAlt menschliches Handeln in signifikanter AusprAgungjeweils ein unternehmerisches Element. Ganz nachdrücklich äußerte sich Ludwig von Mises zu dieser Position: Wenn die Nationalökonomen von Unternehmern sprAchen, meinten sie nicht Personen oder bestinunte Gruppen und Klassen von Menschen. Sie bezögen sich darauf, daß jede Handlung notwendigerweise immer einen zukOnftigen Zustand zu beeinflussen (selbst wenn es oft nur um die unmittelbare Zukunft des nAchsten Augenblicks ginge) beabsichtigt. Da aber zu untersteHen sei, daß in einer konkreten RealiW von vielen Menschen permanent gehandelt werde, müsse jeder Akteur davon ausgehen, daß sich die Dinge, so wie sie sich ihm gegenwArtig darstellten, schon geAndert haben könnten. "Damit ist das Ergebnis des Handelns immer ungewiß. Eine Handlung ist immer spekulativ.... In jeder realen und lebendigen Wirtschaft ist jeder Akteur stets ein Unternehmer und Spekulant." Diese Funktion sei jeder Handlung inhärent und werde von jedem Akteur wahrzunehmen sein; Mises (1949), S. 253; siehe dazu auch Kirzner (1982a), S. 3 f.; Derselbe (1982b), S. 139; Krüsselberg, Utz (1993), S. 13811'..

Humanvermögen in der Sozialen Marktwirtschaft

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Der kritische Faktor im Wohlstandssystem ist schließlich der "human agent", der handelnde Mensch, dessen "Qualität", ich würde sagen: dessen Leistungsund Belastungsfähigkeit, bestimmt wird durch Investitionen wie die "Sorge für Kinder, der Erwerb von Erfahrungen im Familienhaushalt und während der Erwerbstätigkeit, die Aneignung von Informationen und Geschicklichkeiten im Schul- und Ausbildungssystem sowie die Aufwendungen für Gesundheit und Bildung" .63

F. Humanvenn6gen in Familie, Wirtschaf~ Staat und Gesellschaff4 oder. Die unvollendete zweite Phase der Sozialen Marldwirtschaft: Gesellschaftspolitik als Vitalpolitik Unser Versuch, unter Berücksichtigung der in Abis D genannten Denkansätze zu einem theoretischen Basiskonzept für eine Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu gelangen, die sich den Prinzipien der "Einheit des Menschen" und der "Einheit der Ordnungen" verpflichtet weiß, beginnt also mit der dezidierten Feststellung: Die Familie ist die Institution, in der die Bildung und Erhaltung von Humanvermögen erfolgt. Zweifellos übernimmt die Familie in vielfältigen Formen zentrale Aufgaben der privaten und gesellschaftlichen Daseinsfürsorge. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, daß sich die besondere Bedeutung dieser Institution für die Stabilität gesellschaftlicher Prozesse aus ihrem überragenden Beitrag zur Reproduktion des gesellschaftlich unverzichtbaren Humanvermögens ableitet. Sowohl in der individuellen als auch in der gesamtwirtschaftlichen Sicht rückt dabei die Bereitschaft zur Elternschaft und zur Übernahme von Familienpflichten, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für die Sicherung der Versorgung, der Pflege, Erziehung und Ausbildung von Menschen, die in einem Familien- und Haushaltsverbund leben, ins Zentrum auch der volkswirtschaftlichen Bewertung ihrer Leistungen. Die Anforderungen, die die modeme Gesellschaft an das Wissen, an die Verläßlichkeit, an die Effizienz und Kreativität des Handeins ihrer Menschen stellt, sind in erster Linie Ansprüche an die Qualität der Bildung des Humanvermögens in den Familien. Zum Schlüsselbegriff moderner familienwissenschaftlicher und familienpolitischer Diskussion avanciert damit der Begriff des Humanvermögens - und zwar in seiner vollen Breite: Die Bildung von Humanvermögen umfaßt die Vermittlung von Befähigungen zur Bewältigung des All-

., Siehe dazu Schultz (1981), insbesondere S. 3 - 17. .. Die folgenden Passagen stützen sich wesentlich auf meine Ausfi1hrungen in der Veröffentlichung: KrüsselbergiSträtling (1993), S. 397 - 443. 4 FS Gutmann

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Hans-Günter KJ'ÜSselberg

tagslebens, das heißt: den Aufbau von Handlungsorientierungen und Werthaltungen in der Welt zwischenmenschlicher Beziehungen. Gefordert ist sowohl der Aufbau sozialer Daseinskompetenz (Vitalvermögen) als auch die Vermittlung von Befähigungen zur Lösung qualifizierter gesellschaftlicher Aufgaben in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaft, der Aufbau von Fachkompetenz (Arbeitsvermögen im weiten Sinne). Wie wesentlich hier die Bereitstellungsleistungen der Familien sind, wird in der Debatte über die Reichweite von Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik vielfach übersehen. Im Kooperationsfeld der Familie baut das Individuum Verhaltenssicherheit durch den Erwerb von Werthaltungen, Handlungsorientierungen und von seelischer sowie physischer Gesundheit auf und begründet damit seine je spezifische Persönlichkeit. Im "inneren Milieu" ihrer Familie suchen und finden Kranke und Behinderte ebenso wie die gesunden Mitglieder vielfältig jenen Schutz, jene Hilfe und Geborgenheit, die aus Wertstrukturen erwachsen, die im Zeichen der Humanität, der Verantwortlichkeit für andere, der Elternliebe, der wechselseitigen Achtung und zwischenmenschlichen Solidarität stehen. Erst allmählich tritt die Erkenntnis wiederum ins Bewußtsein der Öffentlichkeit, daß in den Familienhaushalten jene werteschaffenden Leistungen erbracht werden, die nicht nur den privaten Lebensbereich des Menschen mit Inhalten erfüllen und dessen Lebensqualität und Sinngehalt bewirken, sondern zugleich das Fundament schaffen, auf das sich alle anderen Lebensbereiche der Gesellschaft gründen. In der Alltagserfahrung erlebt jeder Mensch Familie vor jeder anderen Lebensform. Ohne die Phase des Aufbaus der sozial-kulturellen Person in der Familie gibt es für ihn keine Grundlage zum Eintritt in weitere Prozesse der gesellschaftlichen Sozialisation. Der Erwerb der Befähigung zu gesellschaftlich relevanter Arbeit (in Form etwa der Arbeit in der Familie, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kunst und der Politik) setzt voraus, daß in Familien junge Menschen ihre Kreativität, Lernfähigkeit und Sittlichkeit erworben haben. Im Zeichen der Dominanz erwerbswirtschaftlichen Denkens in Industriegesellschaften ist es deshalb notwendig, ständig an eine grundlegende Tatsache zu erinnern. Im Lebenszyklus geht die familiale und schulische Sozialisation stets der Erwerbstätigkeit voraus. Nur mit dem Sozialisationserfolg von Familie und Schule wird effiziente Wirtschaft möglich. Eine intakte Welt der Familien ist als unverziehtbare Voraussetzung für die Schaffung einer effizienten Arbeitswelt anzusehen. Ohne einen tragfähigen Unterbau an humanem und geistigem Vermögen wird nicht nur die Hoffnung auf Wohlstandssteigerungen, sondern selbst die auf Wohlstandsbewahrung durch ein effizientes Wirtschaftssystem zu einer Illusion; ohne diese Basis an Humanvermögen unterbleibt zudem jegliche Übertragung kultureller und moralischer Werte. Wie umfassend die hier skizzierten Zusammenhänge und Wechselbeziehungen sind, kann in diesem Kontext nur angedeutet werden. Dazu soll die folgende Abbildung dienen.

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Folz (1994), S. 61 f .. ebenda, S. 62 . BletschacherlKlodt (1991), S. 3 . Busch (1992), S. 13.

Soziale Marktwirtschaft und westeuropäischer Integrationsprozeß

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strie, allerdings bei einer Interpretation von "Industrie" als "industry" nicht nur für die Industrie und ist somit auf die gesamte Wirtschaft anwendbar. 88 Ob Art. 130 EGV zum Einfallstor interventionistischer Strukturpolitik wird, hängt ab von der praktisch-politischen Umsetzung dieser Kompetenz durch die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten, da hier sowohl eine wettbewerbskonforme als auch eine interventionistische Auslegung durch den Gesetzeswortlaut gedeckt ist. Stellt man ab auf das von der EG-Kommission 1991 vorgelegte Konzept zur Industriepolitik für die neunziger Jahre 89, gewinnt man die Überzeugung, daß die Industriepolitik der Gemeinschaft sich primär an Wettbewerb und offenen Märkten orientiert, wenn hier festgestellt wird, daß in einer funktionierenden Marktwirtschaft Initiative und Verantwortung für die strukturelle Anpassung in erster Linie bei den wirtschaftlichen Akteuren liege, Risiko und Ertrag untrennbar miteinander verbunden seien und die unternehmerischen Entscheidungen nicht durch die öffentliche Hand ersetzt werden könnten. 90 Hinzuweisen ist hierzu auch auf das ausdrückliche Bekenntnis der Kommission zu den Grundsätzen des Freihandels, der Wettbewerbsfähigkeit der Märkte und zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Unternehmen91 und auf die Kritik der Kommission an Konzeptionen sektoraler Industriepolitik. 92 Dementsprechend wird dieses Dokument mitunter als Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Glaubensbekenntnisses bezeichnet. 93 Übersehen wird in dieser euphorischen Bewertung, daß Branchen mit sogenannten Hochtechnologien als "Zukunftsindustrien" durch Aktionsprogramme für einzelne Industriezweige gezielt gefördert werden sollen. 94 Hingewiesen wird auch auf die der marktwirtschaftlichen Funktionsteilung zwischen Staat und Wirtschaft folgenden Entschließungen des Ministerrates vom 17. Juni 1992 zur europäischen Automobilindustrie und zur Textil- und Bekleidungsindustrie .95 Kritische Einschätzungen der industriepolitischen Orientierung auf der Grundlage des Art. 130 EGV verweisen hingegen unter anderem auf den Wortlaut dieser Ermächtigungsnorm, etwa auf die "Förderung eines für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen günstigen Umfelds", die zu Wettbewerbsbeschrän-

.. Vgl. u.a. Busch (1992), S. 13 . .. Vgl. EG-Kommission (1990) bzw. (1991). 90 Vgl. ebenda (1991), S. 10. n Vgl. ebenda, S. 24. 9' Vgl. ebenda, S. 10. 93 Vgl. U.a. Franzmeyer (1991), S. 152 . .. Vgl. u.a. KlodtlStehn u.a. (1992), S. 155 - 158. ., Vgl. Busch (1992), S. 18.

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kungen führende Unternehmenszusammenschlüsse und die Bildung strategischer Allianzen nicht ausschließt, auf die trotz der Binnenmarktzielsetzung in Art. 115 EGV weiterhin enthaltene Ermächtigung zu "notwendigen Schutzmaßnahmen" von Mitgliedstaaten im Bereich der Handelspolitik, auf Dokumente der EGKommission zur sektoralen Industriepolitik, beispielsweise auf die die künftige Industriestruktur "regelrecht generalstabsmäßig" planende Kommissionsvorlage zur Wettbewerbsfähigkeit der Textil- und Bekleidungsindustrie96 , auf den Zusammenhang der Industriepolitik mit der Wettbewerbs- und der Forschungs- und Technologiepolitik der EG sowie auf traditionell interventionistische Politikorientierungen einzelner Mitgliedstaaten. Vor allem auf zwei grundsätzlich bedeutsame Orientierungen der neuen Industriepolitik ist hinzuweisen. Zum einen wird mit der Festlegung der Industriepolitik als staatlich-hoheitliche Aufgabe die dem ordnungspolitischen Leitbild einer marktwirtschaftlichen Ordung konstitutiv zugrunde liegende Funktionenteilung zwischen Staat und Unternehmen aufgehoben. Nicht mehr die Unternehmen sind innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Rahmenordnung für ihre Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich, sondern die sie "betreuende" staatliche bzw. gemeinschaftliche sektorale Strukturpolitik. Für die Politik der Umsetzung des Art. 130 EGV durch die Gemeinschaftsorgane von entscheidender Bedeutung ist auch die bereits erwähnte Prioritätskompetenz der Gemeinschaftsorgane aufgrund ihrer Verpflichtung zu "praktischer Konkordanz" im Falle von Zielkonflikten. Dieser Zielkonflikt betrifft hier insbesondere Entscheidungen über Maßnahmen, die unter wettbewerbspolitischem Aspekt anders als aus industriepolitischer Sicht zu beurteilen sind, beispielsweise Fusionsvorhaben von Unternehmen, etwa als Maßnahmen zur "Förderung eines für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen günstigen Umfelds". Da der Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen und die Stärkung der Wettbewerbspolitik der Industrie der Gemeinschaft nach Art. 3g und I EGV gleichrangige Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft sind, kommt wettbewerbspolitischen Argumenten keine Priorität im Falle von Zielkonflikten ZU. 97 Hinzu kommt schließlich, daß die industriepolitischen Ermächtigungen des EGV so formuliert sind, daß der Auslegung im Einzelfall auch hinreichend Spielraum für die Legitimierung marktstrukturgestaltender Maßnahmen verbleibt, eine Tendenz, die noch durch begriffliche "Freiheiten" der mitgliedstaatlichen Textfassungen verstärkt wird98 .

Vgl. Steindorff (1992), S. 36, hier zitiert nach Busch (1992), S. 19 . Vgl. auch Monopolkommission (1992), Textziffer 26. ,. Vgl. hierzu u.a. Busch (1992), S. 20. K

•7

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Für die ordnungspolitische Orientierung der Gemeinschaft entscheidend dürfte damit die industriepolitische Konzeption der zuständigen Gemeinschaftsorgane sein, die die industriepolitischen Ermächtigungsgrundlagen des EGV in praktische Politik umzusetzen haben. Hierzu kann insbesondere auf das von der EG-Kommission formulierte und vom Rat gebilligte Grundsatzprogramm "Industriepolitik in einem offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld"99 zurückgegriffen werden. Daraus kann dann auch entnommen werden, was die Entscheidungsträger der EG unter "offen" und "wettbewerbsorientiert" verstehen, wenn man nicht sogleich unterstellt, daß sich diese beiden Attribute nur auf das "Umfeld" und nicht auf die Industriepolitik beziehen sollen. In Übereinstimmung mit Art. 3 Buchst. I EGV sieht die EG-Kommission hier in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft das oberste Ziel der EG-Industriepolitik. lOo Vor dem Hintergrund eines für die europäische Industrie zunehmend schwieriger werdenden Umfelds, gekennzeichnet durch globalen und unerbittlichen Wettbewerb, immer größeren Kapitaleinsatz, weltweiten Standortwettbewerb um Unternehmen und Arbeitsplätze, die Notwendigkeit der Beherrschung von "Schlüsseltechnologien" und makroökonomisch bedingte große Unsicherheiten, bedürfe es einer umfassenden, konsistenten und langfristig angelegten Politik zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis der EG. 'o, Anders als die traditionelle sektorale Strukturpolitik mit ihrer gezielten Unterstützung ausgewählter Wirtschaftszweige, die interventionistisch sei, erhebliche finanzielle Mittel binde, wettbewerbsverzerrend und strukturkonservierend wirke und aufgrund der bisherigen Erfahrungen ein zur Förderung des Strukturwandels und zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unwirksames Instrument sei 102, sollen alle Gemeinschaftspolitiken, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beeinflussen können, in den Dienst der Industriepolitik gestellt und aufeinander abgestimmt werden ,03 • Dieser sogenannte horizontale Ansatz der Industriepolitik scheint mit einer sektoralen Strukturpolitik nichts gemein zu haben, betont die Kommission doch die gesamtwirtschaftlichen Funktionen des Wettbewerbs. Strukturwandel müsse sich über Marktsignale vollziehen; Initiative und Verantwortung müßten primär bei den einzelwirtschaftlichen Entscheidungsträgern liegen. Die Herstellung stabiler und langfristiger Rahmenbedingungen für ein wirksames Funktionieren marktwirtschaftlicher Prinzipien sei Aufgabe der Industriepolitik. Innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemeinschaft bedürfe es zur Nutzung der Vorteile

,. Vgl. EG-Kommission (1990). 100 Vgl. ebenda, S. 1 f. und S. 4. 101 Vg1. ebenda, S. 1 f. und S. 3 f.. 102 Vgl. ebenda, S. 21. 10' Vgl. ebenda, S. 23.

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des Wettbewerbs und der Spezialisierung offener Märkte. Zur Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie auf dem Gemeinschafts- wie auf dem Weltmarkt bedürfe es der Erhaltung eines wettbewerbsorientierten Umfelds. 104 Die Kommission beschränkt sich jedoch nicht auf marktwirtschaftlich orientierte Feststellungen zur Kennzeichnung ihrer ordnungspolitischen Option. Sie will insbesondere im Bereich der technologiepolitisch orientierten Industriepolitik strukturelle Anpassungsprozesse aktiv fördern. Nach Auffassung der Kommission reicht die Fähigkeit der Unternehmen zur gewinnbringenden Umsetzung wissenschaftlicher und technischer Erfolge nicht aus. I05 Es bedürfe daher der Förderung der Entwicklung, Verbreitung und des gemeinschaftsweiten Einsatzes grundlegender Technologien, insbesondere der strategisch bedeutsamen Hochtechnologien. So will die Kommission den Unternehmen die Technologien bereitstellen, die sie zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit benötigen. 106 Als technologiepolitische Maßnahmen nennt die Kommission insbesondere die Initiierung und Subventionierung kooperativer Forschung, die Förderung des Erkenntnistransfers von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Auswertung, die Gestaltung technischer Normen und den gezielten Einsatz des öffentlichen Auftragswesens zwecks Förderung der Verbreitung modernster Technologien, die Förderung der Zusammenarbeit kleiner und mittlerer Unternehmen im Bereich von Forschung und Entwicklung sowie die Verbesserung ihres Zugangs zu neuen Technologien. lo7 Diese Maßnahmen sollen sich, wie die Kommission in späteren Verlautbarungen betonte, auf den "vorwettbewerblichen Bereich" beschränken und daher wettbewerbsneutral sein. 108 Die hier skizzierte technologiepolitische Konzeption der EG-Kommission würde den Anforderungen an eine marktwirtschaftliche Technologiepolitik entsprechen, wenn sie sich weitestgehend beschränken würde auf Ausgestaltung und Sicherung der längerfristigen Rahmenbedingungen. Wettbewerb als offener Prozeß im Sinne eines dezentralen Entdeckungsverfahrens und die künftigen Nachfrager würden darüber entscheiden, welche Technologien in welchen Produktionsverfahren und für welche Produkte wirtschaftlich erfolgreich eingesetzt werden. Wenn die Kommission de facto jedoch eine gezielte Förderung zukunftsträchtiger Schlüsseltechnologien beabsichtigt, setzt dies voraus, daß die Kommission aufgrund überlegenen Wissens solche Technologien tatsächlich identifizieren kann. Doch verfügt sie ebensowenig wie die Unternehmen und die Wissenschaft-

107

VgJ. VgJ. VgJ. VgJ.

108

VgJ. ebenda (1992a), S. 18; ebenda (1992b), S. 4.

104 10' 106

EG-Kommission (1990), S. 5 ff.. ebenda (1992b), S. 2. ebenda (1990), S. 18 ff.. ebenda.

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ler über Kenntnisse darüber, welche möglicherweise zur Zeit noch nicht erfundenen Technologien künftig bedeutsam sein werden, in welchen Produktionsprozessen und Produkten diese in Zukunft einsetz bar sind, wie sich künftig die Bedingungen für den wirtschaftlichen Einsatz bestimmter Technologien entwickeln werden, welche Länder in der Zukunft die günstigsten Bedingungen für die Entwicklung und Anwendung bestimmter Technologien aufweisen etc .. Es handelt sich also bei der behaupteten Lösung der Prognoseprobleme aufgrund überlegenen Zukunftswissens um eine hoheitliche Anmaßung von Wissen. Hinzu kommt, daß die Gemeinschaftsorgane bei einer gezielten Förderung ausgewählter Technologien vor dem Hintergrund des für sie politisch rationalen Kalküls spektakuläre Technologien und besonders prestigeträchtige Forschungsprojekte fördern, ohne für mögliche Fehlinvestitionen haften zu müssen und daher nicht gezwungen sind, Kosten und künftige Erträge sorgfältig gegeneinander abzuwägen lO9 , nicht zuletzt deshalb, weil es ihnen gelingen dürfte, negativen Sanktionen des politischen Wettbewerbs zu entgehen. Mit einer auf Leistungswettbewerb beruhenden Marktwirtschaft nicht kompatibel ist aber auch der Verstoß gegen das Prinzip der Marktgleichheit, da jede gezielte Förderung hoheitlich ausgewählter Technologien diskriminierend und daher wettbewerbsverzerrend wirkt. So dürfte die Auswahl der Förderungsprojekte weniger von deren wirtschaftlicher Bedeutung als von deren politischer und lobbyistischer Bedeutung abhängen. Insbesondere kleine Unternehmen dürften bereits an der Hürde des bürokratischen Antragsverfahrens auch wegen fehlender informeller Kontakte zu den Entscheidungsträgern scheitern. Die Kosten der Technologieförderungspolitik würden als Steuerzahler auch von Unternehmen getragen, die nicht gefördert werden. 110 Nicht übersehen werden dürfen auch die wettbewerbsrelevanten Konsequenzen einzelner Instrumente der gemeinschaftlichen Technologiepolitik. So schränkt die Förderung von Forschungskooperationen die Breite des wettbewerblichen Suchprozesses im Bereich von Forschung und Entwicklung ein und vermindert tendenziell die Wettbewerbsintensität. 111 Die Förderung auch der industriellen Verwertung der Grundlagenforschung wie auch die Förderung anwendungsorientierter Projekte (Entwicklung technischer Werkstoffe, elektronischer Halbleiter ll2 und computerintegrierter Fertigungssysteme)ll3 ist entgegen den Beteuerungen der EG-Kommission nicht

109 110 111 112

113

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

u.a. Feldmann (1993), S. 148. dazu u.a. ebenda. u.a. ebenda, S. 149 f.. ausführlich dazu ebenda, S. 160 ff.. dazu EG-Kommission (I992b) u. EG-Rat (1990).

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vorwettbewerblich und wird daher tendenziell den Wettbewerb verfälschen und die Nachfrager als Entscheidungsträger tendenziell entmündigen. 1l4 Ingesamt beschränkt sich also die industriepolitisch orientierte gemeinschaftliche Technologiepolitik entsprechend der technologiepolitischen Konzeption der Gemeinschaftsorgane nicht auf Gestaltung und Sicherung der Rahmenbedingungen wettbewerblicher Prozesse, sondern zielt darauf ab, den dezentralen Prozeß der Entdeckung neuen technischen Wissens und rentabler Investitionen aufgrund vermeintlichen Wissens um Zukunftsentwicklungen korrigierend betreuend zu lenken. Mit dem von der EG-Kommission bereits 1993 11S gewiesenen Weg zu einer sogenannten strategischen Wettbewerbspolitik der Förderung von Zusammenarbeit und vor allem grenzüberschreitender Kooperationen zwischen Unternehmen auf der Grundlage des Art. 130 EGV, mit der gegenseitigen Abstimmung mitgliedstaatlicher Interventionen und Finanzhilfen und den Bestrebungen zur Schaffung einer europäischen Unternehmensstruktur zeichnet sich eine dem Ordnungsprinzip "freier Wettbewerb" nicht entsprechende und damit mit einer Marktwirtschaft als Wettbewerbswirtschaft unvereinbare Orientierung der Industriepolitik der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ab. Die Vielzahl der hier möglichen und nach den Bestimmungen des EGV auch zulässigen, gezielten Einzelinterventionen in Marktprozesse und die damit regelmäßig verbundene koordinierende Kooperation zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaat, Unternehmen und Verbänden ist mit einer durch Spontaneität einzelwirtschaftlicher Interaktionen gekennzeichneten Wettbewerbsordnung nicht vereinbar. 1l6 Zwar enthält die industriepolitische Konzeption der EG-Kommission sowohl marktwirtschaftliche als auch sektoralinterventionistische Optionen. Die politische Umsetzung dieser Konzeption 117 hingegen zeigt eine eindeutige Priorität zugunsten einer interventionistischen und selektiven Strukturpolitik.

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Der gemeinschaftspolitisch instnnnentaIisierte Wettbewem

Die oben skizzierte Konzeption der Kommission zur Industriepolitik, insbesondere auch zu deren technologiepolitischen Optionen, ordnet der Wettbewerbspolitik eine aktive, gestaltende Funktion zu. Die Wettbewerbspolitik soll

Vgl. Vgl. 116 Vgl. 117 Vgl. 114

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auch Feldmann (1993), S. 150. EG-Kommission (1993). auch Groner (1993), S. 12 f .. hierzu u.a. die Fallbeispiele bei Feldmann (1993), S. 155 - 162.

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in der internationalen Konkurrenz sich bewährende, starke Wettbewerber als "global player" hervorbringen und daher auch für Unternehmen mit entsprechend global betriebsoptimalen Größen sorgen. Entsprechend werden seit Inkrafttreten der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen europäisch bedeutsame große Fusionen und Übernahmen durch die EG-Kommission überprüft, die bei ihren Entscheidungen auch industriepolitische Argumente berücksichtigen kann. Dies hat dazu geführt, daß seitdem fast sämtliche überprüften Fusionsvorhaben von der Kommission genehmigt wurden. 1I8 Wenn - so die EG-Kommission - nur entsprechend große Unternehmen aufgrund von steigenden statischen bzw. dynamischen Skalenerträgen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sind ll9 und die selektive Förderung von Forschung und Entwicklung, insbesondere der als strategisch bedeutsam angesehenen Industrien Ziel der Forschungs- und Technologiepolitik ist, darf man Marktprozesse nicht allein der Spontaneität des Wettbewerbsgeschehens überlassen. Zwar enthält Art. 85 Abs. I EGV wie bisher ein allgemeines Kartellverbot. Nach Abs. 3 EGV ist dieses Kartellverbot nicht anwendbar im Falle der "Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts" . Dem entspricht auch die bisherige Auslegungspraxis des Art. 85 Abs. I EWGV, die zwar grundsätzlich auf die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Marktparteien abstellt, gleichzeitig aber aufgrund von marktergebnisorientierten Opportunitätserwägungen von Wettbewerbsvor- und -nachteilen großzügig von der Freistellungsmöglichkeit Gebrauch macht 120 und damit einen insbesondere industriepolitischen Einzelfallinterventionismus praktiziert. Durch die Erweiterung der Vertragsziele in Art. 2 EGV, insbesondere der Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaftsorgane in Art. 3 EGV wird die zielbündelorientierte Instrumentalisierung des Wettbewerbs noch verstärkt werden. 121 Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang, daß die Ziele bzw. Tätigkeitsbereiche "Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen" und "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie" in Art. 3g bzw. I EGV gleichrangig nebeneinander stehen und Art 130 EGV die Voraussetzungen zur Erreichung der Aufgabenstellung des Art. 3 I EVG festlegt. Ob die in Art. 3a Abs. I EGV enthaltene Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane auf den "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" auch zu einer entsprechenden Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs führt, ist derzeit zwar noch offen, doch eher zu bezweifeln. Bisher nämlich hat der Europäische Gerichtshof es stets vermieden, sich auf eine Wirtschaftsord-

"8 Vgl. u.a. Feldmann (1993), S. 143. ". Zur Option der EG-Komrnission zugunsten einer Politik der Konzentrationsförderung vgl. U.a. Mes1mäcker (1988), S. 353 ff. mit Hinweisen auf einschlägige Dokumente der EG-Komrnission. 120 Vgl. u.a. Kerber (1993), S. 306. 111 Vgl. dazu u.a. ebenda, S. 308; Mestmäcker (1992), S. 15; Möschel (1992). 17*

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nung festzulegen, vielmehr dies der politischen Verantwortung der politischen Gemeinschaftsorgane überlassen. 122 Auch für die Wahrnehmung der industriepolitischen Kompetenzen des EGV durch die Gemeinschaftsorgane dürfte die Feststellung J. Delors gelten, die neuen Vertragsbestimmungen "umfassend (zu) nutzen; die Möglichkeiten der neuen Kompetenzen ... voll auszuschöpfen" 123. Zwar sollen nach Art. 3b Abs. 2 EGV, der die Überschrift "Subsidiaritätsprinzip" trägt, die Maßnahmen der Gemeinschaft nicht über das für die Erreichung der Ziele des Vertrags erforderliche Maß hinausgehen. Doch auch hier stellt sich wiederum die Frage nach dem Interpretationsspielraum der Gemeinschaftsorgane und der daraus dann abgeleiteten politischen Praxis. Hierzu scheint ein Blick auf die Auslegung des Begriffs "Subsidiarität" hilfreich. Nach Auffassung der EG-Kommission darf die EG dort tätig werden, wo ihr Einsatz den größten Nutzen bringe 24 bzw. kommt es nur (!) darauf an, ob die Mitgliedstaaten die Aufgaben zufriedenstellend wahrnehmen können und nicht darauf, ob sie auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden können. 125 Dieser Verkehrung des Subsidiaritätsprinzips in sein Gegenteil entspricht die Feststellung des einstimmigen Beschlusses des Europäischen Rates, in der es heißt: "Die Subsidiarität ist ein dynamischer Grundsatz, der im Lichte der Vertragsziele angewendet werden sollte. Sie gestattet eine Ausweitung der Tätigkeit der Gemeinschaft, wenn die Umstände es verlangen." 126 Es ist nicht auszuschließen, daß eine ähnliche Verwechslung von Auslegung einer Vertragsbestimmung und Unterlegung eigener Auffassungen auch im Bereich der Wettbewerbs- und Industriepolitik praktiziert werden wird. Derartige Pervertierungen der Vertragsbestimmungen könnten zwar durch den Europäischen Gerichtshof verhindert werden. Doch stellt sich hier zum einen die Frage, welches Gemeinschaftsorgan oder welcher Mitgliedstaat ein Interesse daran haben kann, eine solche Entscheidung herbeizuführen. Zum anderen ist auf die bisherige Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs zur Wettbewerbspolitik zu verweisen. Bislang ist der Europäische Gerichtshof nicht bereit gewesen, sich auf eine wettbewerbspolitische Konzeption, etwa der der Wettbewerbsfreiheit, festzulegen, sondern ist stets "pragmatisch" vorgegangen. 127

Vgl. dazu u.a. Everling (1982), S. 311 ff.; Kerber (1993), S. 308. De10rs (1992), S. 16 f .. 1:14 Vgl. EG-Kornmission (1992c), S. 33. m Vgl. ebenda (l992d), S. 120. 12. Ebenda (l992e), S. 14. 127 Vgl. dazu u.a. Everling (1990), S. 1008. 122 123

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Nicht die Festlegung allgemeiner Wettbewerbsregeln und deren Sicherung, sondern die Orientierung an bestimmten Marktergebnissen und deren aktive Förderung durch die insoweit nicht mehr neutralen hoheitlichen Entscheidungsorgane der Gemeinschaft und damit die industriepolitische Instrumentalisierung von Wettbewerbspolitik wird hier zum wettbewerbspolitischen Leitbild. Entsprechend der Ausgangsfeststellung der industriepolitischen Strategie der EGKommission vom immer globaleren und unerbittlicheren Wettbewerb auf dem Weltmarkt 128 wird für die Kommission der Weltmarkt zum neuen relevanten Markt. 129 Da die EG-Kommission nach dem EGV nicht daran gehindert ist, im Rahmen ihrer wettbewerbspolitischen Entscheidungen auch industriepolitische Zielsetzungen zu verfolgen, entscheidet sie entsprechend ihrer Verpflichtung zur "praktischen Konkordanz" aus Art. 2 und 3 EGV bei Zielkonflikten selbst darüber, welchem der Ziele sie Prioriät eimäumen will. l3O Somit beschränkt sich die Industriepolitik der Gemeinschaft im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des EGV nicht auf die regelorientierte Schaffung und Sicherung stabiler und langfristiger Rahmenbedingungen der Wettbewerbsprozesse, sondern führt gezielt zu lenkenden und korrigierenden Eingriffen in Wettbewerbsprozesse, deren Spontaneität sich nur in den Grenzen marktergebnisorientierter industriepolitischer Zielsetzungen der Gemeinschaft bewegen darf. l31

c. Marktwirtschaftliche Option zwischen onlnungspolitischer Grundentscheidung und gemeinschaftspolitischer Priorität

Bereits die exemplarische Analyse industriepolitischer Kompetenzen, Konzeptionen und Strategien der Gemeinschaftsorgane zeigt, daß die hier gegebenen Interventionsmöglichkeiten mit der Verpflichtung zu einem Handeln nach dem "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" gemäß Art. 3a Abs. I EGV nicht vereinbar sind. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn die bereits mehrfach erwähnte Gleichrangigkeit der Vertragsziele in Art. 2 EGV und die daraus folgende Prioritätskompetenz der Gemeinschaftsorgane im Falle von Zielkonflikten beachtet wird. Hinzufügen ließe sich, daß auch die Formulierung "Grundsatz einer Marktwirtschaft mit freiem Wett-

Vgl. EG-Kommission (1990), S. 3 f.. Vgl. u.a. auch Feldmann (1993), S. 152. uo Zum rationalen Entscheidungskalkül der EG-Kommission als "Anbieter industriepolitischer Maßnahmen" vgl. u.a. Freytag (1993), S. 296 - 301. 13l Vgl. u.a. auch auch Feldmann (1993), S. 154 f.. 12. 129

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bewerb" die Frage der Zulässigkeit von Ausnahmen von diesem Grundsatz offenläßt, insofern also ein Interpretationsspielraum besteht. Auch dem EGV ist nicht zu entnehmen, daß nichtwettbewerbskonforme Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane schlechthin gemeinschaftsrechtswidrig sind. Insgesamt ergibt sich als zusammenfassendes Ergebnis unserer systematischteleologisch orientierten Analyse des EGV zur vertragsgemäßen Wirtschaftsordnung der Europäischen Union, daß bei Einzelentscheidungen der Gemeinschaftsorgane das Prinzip "freier Wettbewerb" kasuistisch nur als "second best"-Orientierung gewertet und daher "korrigiert" werden kann, wenn im Einzelfall andere vertragliche, insbesondere industriepolitische Zielsetzungen als vorrangig erscheinen. Nun ließe sich jedoch einwenden, die Wirtschaftsordnung des EGV sei zwar partiell inkompatibel in bezug auf ein ordoliberales Leitbild von Marktwirtschaft und eine Orientierung an der wettbewerbspolitischen Konzeption der Wettbewerbsfreiheit. Doch seien dies "reine Lehren". Vielmehr sei bezüglich der Ordnungskompatibilität abzustellen auf die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft als versöhnender, pragmatischer "Dritter Weg". Die von "fremder Seite" gezeichneten "Portraits der Sozialen Marktwirtschaft" sind nun aber, wie es A. Müller-Armack einmal formuliert hat, oftmals von bemerkenswerter Naivität und Oberflächlichkeit\32. Für die hier zu beantwortende Frage nach der Vereinbarkeit des Prinzips "freier Wettbewerb" mit der interventionsoffenen Prioritätskompetenz der Gemeinschaftsorgane sollen daher die hierzu relevanten "Essentialia" der marktwirtschaftlichen Ordnung im folgenden der originären Konzeption entnommen werden und damit nicht der Auslegung Sozialer Marktwirtschaft durch Entscheidungsträger und Einflußträger staatlicher Wirtschaftspolitik oder der realen Ausprägung in der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Zur Vereinbarkeit der vertragsgemäßen Wirtschaftsordnung der EG bzw. der Europäischen Union ließe sich nun möglicherweise auf die Feststellung MüllerArmacks verweisen, das System der Sozialen Marktwirtschaft sei kein fertiges Rezept. Es bedürfe vielmehr ständiger Überprüfung im Licht der Erfahrungen. 133 Wenn aber die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft ein neuen Ideen und Erkenntnissen gegenüber offenes System ist, das dementsprechend auch verbessert werden kann 134, könnte die industriepolitische Antwort des EGV auf die wettbewerbspolitische Herausforderung der Globalisierung der Märkte und damit die aktive, selektive Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Indu-

Vgl. Müller-Annack (1972), S. 23. Vgl. ebenda, S. 19 . ... Vgl. u.a. Watrin (1972), S. 18. 132

133

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strie eine solche "Verbesserung" des Systems der Sozialen Marktwirtschaft sein. Nicht zuletzt wird die Stärke der Sozialen Marktwirtschaft gerade in ihrer Offenheit gesehen, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren und dabei die Soziale Marktwirtschaft ständig weiterzuentwickeln. m Hinweisen ließe sich in diesem Zusammenhang auch auf die Kennzeichnung der Sozialen Marktwirtschaft als ein der Ausfüllung harrender progessiver Stilgedanke. Auch ließe sich auf die Kennzeichnung der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft als "irenische Formel" verweisen. In der Prioritätskompetenz der Gemeinschaftsorgane würde sich entsprechend die Versöhnung vordem widerstreitender Ideen bzw. Prinzipien aktualisieren, nämlich die versöhnende Verbindung von Wettbewerbsfreiheit und erwünschte Wettbewerbsergebnisse förderndem Interventionismus. Dies, so ließe sich hieran anknüpfend argumentieren, entspreche auch der stärkeren pragmatischen Orientierung der Wirtschaftspolitik in einer Sozialen Marktwirtschaft. Zudem sei Marktwirtschaft nur ein Instrument, ein der Bedienung und Steuerung bedürftiger Halbautomat. 136 Wenngleich eine solche, hier hypothetisch unterstellte Argumentation zur Sozialen Marktwirtschaft als aliud vordergründig plausibel erscheint, handelt es sich doch nur um eine ekklektische Immunisierungsstrategie. Aus dem konzeptionellen Kontext isolierte, auslegungsbedürftige Einzelaussagen werden dabei einer radikal anderen Konzeption unterlegt. So ist Soziale Marktwirtschaft konzeptionell zwar ein offenes, ständig im Licht der Erfahrungen verbesserungsfähiges System, dessen ungeachtet aber eine "freie Marktwirtschaft, die mit marktwirtschaftskonformer sozialer Sicherung umgeben ist"137. Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft sind die Wettbewerbswirtschaft, die freie Entschlußkraft des einzelnen in einem frei gewählten Betätigungsfeld und die marktwirtschaftliche Leistung. 138 Irenik meint in der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft nicht etwa auch die Versöhnung von Wettbewerbsfreiheit und hoheitlicher Intervention, sondern als "irenische Formel" oder als "soziale Irenik" nach Müller-Armack eine Konflikte auflösende und sozialen Frieden anstrebende Formel, in der sich das Prinzip der Freiheit vereinigt mit dem des sozialen Ausgleichs innerhalb einer staatlich gegebenen und gesicherten Rahmenordnung. 139 Das klare Fundament historischen Handeins liegt, um noch einmal Müller-Armack zu zitieren, in den Markt-

Vgl. U.a. Tietmeyer (1992), S. 9. Vgl. u.a. Müller-Armack (1947), S. 28. m Ebenda, S. 30. U>

U6

UI 139

Vgl. EmardIMüller-Armack (1972), S. 43. Vgl. ebenda, S. 42 f..

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kräften als solchen, denen eine Ordung zu geben ist, innerhalb deren eine bestimmte gesamtwirtschaftlich zu erstrebende Richtung erreicht wird. 140 Die Bezugnahme auf die Kennzeichnung der Sozialen Marktwirtschaft wie auch des Wettbewerbs als Instrument und der Sozialen Marktwirtschaft als ein der Bedienung und Steuerung bedürftiger Halbautomat meint ausdrücklich Marktwirtschaft als Instrument rechenhaften Wirtschaftens und den Wettbewerb als stimulierende Kraft und als Instrument zur Vollbringung außergewöhnlicher Leistungen. 141 Der Sozialen Marktwirtschaft liegt demnach keineswegs die Vorstellung zugrunde, daß diese Marktwirtschaft ein sorgfältig zu planender, zielbewußt und effizient zu lenkender Mechanismus ist. Marktwirtschaft wird hier vielmehr verstanden als eine spontane Ordnung und nicht als Instrument zur gemeinsamen gleichgerichteten Verfolgung kollektiver Ziele. Soziale Marktwirtschaft ist somit weder eine "Auch Marktwirtschaft" oder eine "Wettbewerbsordnung auf Abruf', sondern eine Wirtschaftsordnung auf der Grundlage der Wettbewerbsfreiheit im Rahmen einer spontanen Ordnung. Die vertragsgemäße Wirtschaftsordnung der EG bzw. der Europäischen Union als grundsätzlich wettbewerbsorientierte, aber für an Gemeinschaftszielen ausgerichtete interventionistische Verfälschungen des Leistungswettbewerbs offene Ordnung ist somit auch nicht identisch mit einer Marktwirtschaft in ihrer Ausprägung als Soziale Marktwirtschaft. Nun ließe sich dieser Auffassung entgegenhalten, daß hier nur eine mögliche Auslegung des EGV durch die Gemeinschaftsorgane unterstellt werde, der EGV aber auch zu einer ausschließlich am Prinzip der "offenen Marktwirtschaft mit freiern Wettbewerb" gemäß Art. 3a EGV orientierten Gemeinschaftspolitik führen könne. Auch wenn die Frage ausgeklammert wird, ob die Gemeinschaftsorgane im Falle von Zielkonflikten zu einer Politik praktischer Konkordanz verpflichtet oder nur berechtigt sind, bleiben Zweifel an einer auf die Sicherung wettbewerbsgerechter Marktstrukturen ausgerichteten Politik der EG-Kommisslon. Da die personelle Besetzung der Kommission eine vorn jeweiligen "Entsendestaat" politisierte Entscheidung ist und zudem die Mitgliedstaaten in ihren ordnungspolitischen Grundauffassungen aufgrund unterschiedlicher nationaler "Denktraditionen" nur in Formelkompromissen übereinstimmen und zudem der Einflußrnacht der jeweiligen nationalen Interessengruppen ausgesetzt sind und überdies dem aus der Ökonomischen Theorie der Bürokratie bekannten rationa-

.40

Vgl. Müller-Armack (1973), S. 20. 113 und S. 118.

'4' Vgl. ebenda (1966), S.

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len Entscheidungskalkül\42 folgen dürften, liegt die Annahme nahe, daß die Kommission ihre erweiterten gemeinschaftspolitischen Kompetenzen eher zu ergebnisorientierten Interventionen als zur Stärkung der wettbewerbspolitischen Rahmenbedingungen einsetzen wird l43 . Auch die Hoffnung, daß der Europäische Gerichtshof in Wahrnehmung seiner Aufgabe zur Wahrung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 164 EGV interventionistischen Tendenzen der Gemeinschaftspolitik entgegenwirken werde 144, erweist sich angesichts der bisherigen Spruchpraxis des Gerichtshofs als kaum berechtigt. Nachbesserungen im Rahmen der gemeinschaftlichen Überprüfung des Maastrichter Vertragswerks dürften schon wegen des hier geltenden Einstimmigkeitsprinzips kaum zu erwarten sein. Die Chance einer auf marktwirtschaftliche Auslegung des EG V drängenden künftigen deutschen Europapolitik 145 würde eine entsprechende ordnungspolitische Option der Bundesregierung voraussetzen. Auch insoweit bestehen Zweifel, nachdem die derzeit größte Regierungspartei auf ihrem letzten Parteitag beschlossen hat, den Leitbegriff "Soziale Marktwirtschaft" durch den der "Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft". zu ersetzen und die Mehrzahl der Parteitagsdelegierten trotz Warnungen vor dem Verzicht auf das Markenzeichen "Soziale Marktwirtschaft" der Auffassung war, daß man inzwischen ein neues Verständnis von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik habe, wozu auch die detaillierte Lenkung der Wirtschaft durch den Staat gehöre. 146 Ludwig Erhards Feststellung in einer Kabinettsvorlage an den damaligen Bundeskanzler vor dem Hintergrund dirigistischer Vorstellungen der französischen Verhandlungspartner bei den Römischen Verträgen, daß das volkswirtschaftliche Wissen und Gewissen nicht automatisch taktischer Rücksichtnahme geopfert werden dürfe l47 , scheint vergessen. Dies gilt auch für seine Mahnung, nicht alles "Europäische" dürfe gutgeheißen werden, sondern es komme darauf an, die richtigen Funktionen durchzusetzen. 148 Bei realistischer ordnungspolitischer Einschätzung auch der künftigen Gemeinschaftspolitik ist daher eher Skepsis als das Vertrauen auf das Prinzip Hoffnung angebracht.

Vgl. Vgl. 1... Vgl. 14' Vgl. 146 Vgl. 147 Vgl. 1.. Vgl. 142 141

hierzu u.a. Freytag (1993), S. 297 - 301. u.a. auch Krüger (1994), S. 379. u.a. Folz (1994), S. 62. u.a. Harnm (1993), S. 12. Wünsche (1994), S. 15. Erhard (1956), S. 3. ebenda, S. 15.

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Die Soziale Marldwil1schaft als Ordnungs modell mr Transfonnationsländer in Mittel- und Osteuropa? Dieter Cassel / Paul J. J. Welfens

A. Systemtransfonnation als wirtschaftspolitische Herausfonlerung Mit der Transformation der ehemals sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas vollzieht sich ein umfassender Wandel ihrer Wirtschaftsordnungen und wirtschaftspolitischen Konzeptionen. Für die Staaten des ehemaligen Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) stellt sich die Frage, wie rasch und auf welche Weise sie den Weg zu welcher Art von Marktwirtschaft einschlagen wollen. Hierbei sind einerseits vielfältige realwirtschaftliche und monetäre Anpassungsprobleme zu lösen sowie andererseits grundlegende institutionelle Änderungen vorzunehmen. 1 Makroökonomische Anpassungserfordernisse wie etwa der Abbau des Geldüberhangs und der Übergang zu einer stabilitätsorientierten Geld- und Fiskalpolitik sind bei gleichzeitiger Preisliberalisierung und außenwirtschaftlicher Öffnung zu bewältigen. Mit der Abschaffung der zentralen Planung und Lenkung und dem Übergang zur Marktkoordination muß der Staat seine Rolle neu definieren - verbunden mit einschneidenden Kürzungen der Staatsausgaben und Änderungen der Staatsausgabenstruktur - und vor allem die ordnungspolitisch so wichtige Privatisierung von Staatsbetrieben vorantreiben. 2 Die institutionellen Änderungen sollen insbesondere einen glaubwürdigen effizienz fördernden Ordnungsrahmen für einzelwirtschaftliches Handeln und unternehmerische Freiheit schaffen. Kurzfristig ist zunächst wesentlich, daß jeder Transformationsschritt zur Marktwirtschaft eine Annäherung an wettbewerbliche Güter- und Faktorallokation bringt - nach Möglichkeit bei rasch sinkendem Staatsanteil. Langfristig - wenn das gedachte marktwirtschaftliche Ordnungsmodell erreicht ist - kommt es dann auf einen verläßlichen marktwirtschaftskonformen Ordnungsrahmen und transparente Regeln für unter Umständen erforderliche Änderungen dieses Rahmens an. Derartige Regeln wären sinnvollerweise

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Dieter Cassel / Paul J. J. Welfens

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schon rechtzeitig vor Beginn des Transfonnationsprozesses in der Verfassung festzulegen.) Angesichts des ungewissen Ausgangs der Systemtransfonnation - insbesondere hinsichtlich der künftigen Verteilungspositionen - sind die Aussichten für konsensfähige Verfassungsregeln nämlich noch recht günstig. Dagegen bergen wirtschaftliche Positionsverluste politisch einflußreicher Gruppen im Verlauf der Transfonnation die Gefahr, daß Verteilungskonflikte den Konsens über Verfassungsregeln und wachstumspolitisch notwendige institutionelle Anpassungen verzögern oder verhindern. Verteilungspolitische Auseinandersetzungen drohen beim Übergang zur Marktwirtschaft vor allem aus drei Gründen: Die notwendige außenwirtschaftliche Öffnung zum Weltmarkt hin bringt beträchtliche Anderungen der relativen Preise mit sich, so daß sich auch die sektoralen Lohndifferenzen deutlich verschieben - für einige schrumpfende Sektoren mit beträchtlichen Positionseinbußen. In der frühen Transfonnationsphase sind einige Sektoren noch durch staatliche bzw. privatisierte Monopolstrukturen und entsprechend überhöhte Lohnund Einkommenspositionen gekennzeichnet; hier drohen bei internem und externem Wettbewerb sinkende Grenzwertprodukte und daher sinkende Reallohnsätze bei gleichzeitigen Beschäftigungsverlusten. Parallel dazu entstehen für die Minderheit besonders erfolgreicher unternehmerischer Talente erhe bliche Einkommenszuwächse, so daß die relativen Einkommensunterschiede zunehmen. Schließlich bestand in den ehemaligen RG W-Staaten eine ideologisch bedingt hohe Sensibilität für Fragen der Einkommensverteilung. Distributive Auseinandersetzungen drohen von daher schon zu Beginn der Transfonnation die zur Verbesserung der allokativen Effizienz unbedingt notwendigen Refonnmaßnahmen und Strukturwandlungen zu blockieren. Deshalb sind soziale Abfederungsmaßnahmen für die transfonnationspolitischen Härtefälle unumgänglich, speziell für diejenigen Arbeitnehmer, die Arbeitsplatzverluste im Zuge unvenneidlicher Privatisierungs- und Liberalisierungsmaßnahmen erleiden. Dadurch entsteht allerdings das bekannte Problem, daß die für kurzfristige Anpassungsschocks gedachten vorübergehenden Abfederungsmaßnahmen zu ökonomisch unvertretbaren und unzweckmäßigen Dauerlösungen werden. Abzufedern sind schließlich auch die Inflationsschocks, die meist mit der Preisliberalisierung einhergehen: Insbesondere hinsichtlich der Rentner und Pensionäre stellt sich die Frage, inwieweit der Staat Renten- und Pensionszahlungen an die mitunter exorbitant steigenden Verbraucherpreise anpassen muß. Angesichts der politischen Sensibilität für Verteilungsprobleme und der ökonomischen Schlüsselrolle einer verbesserten allokativen Effizienz kommt dem

3

Apolte (1992).

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

271

ordnungspolitischen Leitbild eine entscheidende Rolle für die Erwartungshaltungen der Wirtschaftssubjekte wie für die Entwicklung wirtschaftspolitischer Konzeptionen in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu. Wie stark man die distributiven zu Lasten der allokativen Aspekte betont und wie sich im Verlauf des Transformationsprozesses die Akzente verschieben, ist entscheidend für die Frage, ob im ehemaligen RGW-Raum die Systemtransformation gelingt und dynamische Marktwirtschaften entstehen können. Die Gefahr ist groß, daß man die bekannten Fehler lateinamerikanischer Schwellenländer (Brasilien, Mexiko, Argentinien) wiederholt, nämlich die Verteilungsaspekte zu Lasten der wirtschaftlichen Effizienz und der Einbindung in die internationale Arbeitsteilung überzubetonen und dabei durch eine ausgebaute Staatswirtschaft (Staatsunternehmen, Regulierungsbehörden, Militär) die Entwicklung des privaten Sektors zu behindern. Die ordnungspolitisch herzustellende Balance zwischen Effizienzbetonung einerseits und Berücksichtigung sozialer Aspekte andererseits ist somit der Drehund Angelpunkt für eine erfolgreiche marktwirtschaftliche Transformation. Dabei scheint es theoretisch gesehen notwendig zu sein, zunächst die Effizienzgewinne und damit die Wettbewerbsaspekte der Ordnungspolitik für die Transformationsländer zu betonen. Denn eine wettbewerblich geordnete Marktwirtschaft an sich ist sozial, indem sie erstens effizienter ist als eine Zentralverwaltungswirtschaft und damit ein vergleichsweise sehr viel höheres verteilbares Einkommen erwirtschaftet, weil sie zweitens Einkommensdifferenzen und temporäre Monopolrenten im Wettbewerbsprozeß abschmilzt und weil sie drittens durch Preiswettbewerb dafür sorgt, daß auch den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten ein preiswertes Güterangebot zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zur Verfügung steht. 4 Dennoch läßt sich aus Gründen der Gerechtigkeit eine gewisse sozialpolitische Flankierung der Marktwirtschaft theoretisch rechtfertigen und politisch kaum umgehen. Es ist deshalb nur zu verständlich, wenn im weiteren Verlauf der Transformation sozialpolitische Forderungen immer dringlicher erhoben werden. Unabwendbar ist das jedoch nicht, wie das Beispiel der südostasiatischen Schwellenländer zeigt: Sie haben ihre ordnungspolitische Orientierung eindeutig auf Wachstum einerseits und privatwirtschaftliche Vorsorge andererseits ausgerichtet, was staatliche Anreize zum privaten Vorsorge- und Versicherungssparen nicht ausschließt. Für die relativ armen Länder Mittel- und Osteuropas kann es bei der Transformation ihrer zentral-administrativen Wirtschaftssysteme zunächst nur darum gehen, möglichst rasch den wirtschaftlichen und technologischen Anschluß an die westeuropäischen Staaten zu erreichen. Der Erwartungsdruck auf die Transformationspolitik seitens der Bevölkerung ist dort zwar offenkundig geringer als

• Gutmann (1989); Leipold (1989); Radnitzky (1991); Homann (1994).

272

Dieter Cassell Paul J. J. Welfens

in den neuen Bundesländern, doch erwartet man überall, daß nach einem vorübergehenden Produktionseinbruch hohe Wachstumsraten zustande kommen. Diese Erwartungshaltung wird durch die in Handel, Tourismus und Kommunikation verstärkte Westeuropa-Orientierung sowie die neue Parteienkonkurrenz in den zunehmend pluralistischeren Politiksystemen begünstigt. Hohes Wachstum ist notwendig, um den Einkommenserwartungen gerecht zu werden und insbesondere die Transformationsverlierer als potentielle Reformgegner für Positionsverluste zu entschädigen. Hohe Realeinkommenszuwächse sind aber auch notwendig, um die realwirtschaftlichen Anpassungs- und Umbaukosten der Transformation ohne nachhaltige Verminderung des Konsumniveaus der Bevölkerung zu erreichen. Insgesamt stellt sich also im Transformationsprozeß der Länder Mittel- und Osteuropas die soziale Frage auf neue Weise, nämlich inwieweit man die Beseitigung der sozialistischen Altlasten und die Strukturbrüche des Transformationsschocks wirtschafts- und sozialpolitisch abfedern kann und welche sozialpolitischen Weichenstellungen für die neu entstehenden Marktwirtschaften erforderlich sind.

B. Ordnungspolitiscb relevante Probleme im Ausgangszustand der mittel- und osteuropliscben TransfonnationsUinder Von jeder Art Marktwirtschaft waren die sozialistischen Länder zu Beginn der Transformation Ende der achtziger Jahre denkbar weit entfernt. Es fehlten das Privateigentum an den Produktionsmitteln, die freie Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten, marktwirtschaftskonforme Institutionen jeglicher Art sowie die außenwirtschaftliehe Einbindung in die Weltwirtschaft, wobei die Wirtschaft im wesentlichen durch staatliche Monopole auf der Angebotsseite und Geldüberhänge auf der Nachfrageseite geprägt war. Im Bereich der Sozialpolitik bestanden staatlich monopolisierte Leistungsangebote in Form von Renten-, Unfall- und Krankenversicherungen sowie ein staatlich dominiertes Wohnungs- und Gesundheitssystem. Planerische Inkonsistenzen und mikroökonomische Ineffizienzen der Staatsbetriebe führten bei Expansion der sozialistischen Schattenwirtschaft zu anhaltender Stagnation und letztlich zu einer politisch-ökonomischen Krise. 5 Mit der beabsichtigten Transformation zur Marktwirtschaft sind die sozialistischen Institutionen und Strukturen abzubauen und wettbewerbsbezogene dezentrale Koordinationsmechanismen einzuführen. Erfolgversprechend sind dabei allerdings nur solche Transformationsschritte, die möglichst von Anfang an hohes

, Gey u.a. (1987); Cassel u.a. (1989); Cassel (1990); Csaba (1990); HartwiglThieme (1991).

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

273

Wirtschaftswachstum und dauerhafte Prosperität versprechen. Bei der Wahl des ordnungspolitischen Leitbildes sind deshalb die Wachstumserfordernisse mit zu berücksichtigen: Gesucht wird eine marktwirtschaftliche Ordnung, die ökonomische Aufhol- und Lernprozesse begünstigt sowie statische und dynamische Allokationseffizienz gewährleistet. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung zeigte sich Mitte der achtziger Jahre bereits deutlich, daß halbherzige ordnungspolitische Reformschritte keine erfolgversprechende Transformation ermöglichen und auch nicht ansatzweise die so dringend notwendige Sanierung der Betriebe und Modernisierung der Volkswirtschaft bewirken: Rußland und die Ukraine sind Fallbeispiele für "Transformationsversagen" . Hingegen haben die ehemalige CSSR, Polen und Ungarn eindeutig und entschieden den ordnungspolitischen Kurswechsel zur Marktwirtschaft vollzogen, wozu in Polen noch eine stabilitätspolitische Schocktherapie im Rahmen des Balcerowicz-Programms kam. 6 Versuchen, Reste der sozialistischen Wirtschaftsweise mit einer marktwirtschaftlichen Grundordnung zu verbinden - wie dies etwa im Konzept des Dritten Weges in den sechziger Jahren vorgeschlagen worden war7 -, erteilte der tschechische Premier Klaus die deutlichste Absage: Der Dritte Weg sei der schnellste Weg in die Dritte Welt. 8 Bei aller grundsätzlichen Entschiedenheit zugunsten einer marktwirtschaftlichen Ordnung stellt sich allerdings die Frage, welche der möglichen marktwirtschaftlichen Ordnungen man realisieren will. In der Realität reicht das Spektrum von der freien Marktwirtschaft der USA über das westdeutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft bis hin zum schwedischen oder britischen Wohlfahrtsstaat. 9 Von daher erscheint die Frage von besonderem Interesse, welche Impulse das deutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft für die Transformation der mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften geben könnte. Dabei sind die besonderen länderspezifischen politischen und ökonomischen Entwicklungen vor dem Umbruch ebenso zu berücksichtigen wie die mit dem Transformationsprozeß zwangsläufig entstehenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme: lO In den RGW-Staaten galt die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik", was sich unter anderem darin niederschlug, daß soziale Einrichtungen - bis hin zur Kinderbetreuung - meist betriebsgebunden waren und von den staatlichen Planungsinstanzen im Rahmen des Anweisungs- und Zuteilungssystems mit finanziellen und materiellen Ressourcen ausgestattet wurden. Mit dem im Transformationsprozeß unvermeidlichen Zusammenbruch vieler Betriebe geht

6 7

Apolte/Cassel (1991); Lösch (1993), S. 111 ff.; Winiecki (1993).

Sik (1972).

• Hamel/Knauff(1991). • Cassel (1984). 10 Gutmann (1978); GutmannlKlein (1984); Peterhoff (1990); Krüsselberg (1991). 18 FS Gulmann

274

Dieter Cassel / Paul 1. 1. Welfens

für einen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der betriebsgebundene Zugriff auf Sozialleistungen verloren. Somit stellt sich generell das Problem der Entkoppelung von Produktions- und Sozialsphäre im Transformationsprozeß, denn viele soziale Dienste können von spezialisierten privaten oder kommunalen Anbietern ohne weiteres und häufig effizienter geleistet werden als auf Betriebsebene. In den sozialistischen Ländern gab es ein explizites Recht auf Arbeit bei gleichzeitiger Konkursunfähigkeit von Betrieben und einem systembedingten Nachfrageüberhang auf den Arbeitsmärkten; dies führte zu hohen Erwerbsquoten und in vielen Betrieben und Behörden zu einer relativ geringen Arbeitsmoral. Im Zuge wachsender Gütermarktrationierung während der achtziger Jahre - die effektiv eine Reallohnsenkung bedeutete - nahm die Leistungszurückhaltung sogar noch zu, was die Versorgungsengpässe weiter verschärfte und somit einen "sozialistischen circulus vitiosus" von Leistungsverweigerung und Versorgungsmängeln zur Folge hatte. Gleichzeitig herrschte wegen der Tendenz zur "Hortung" von Arbeitskräften und des leichten Zugriffs auf Staatskredite (soft budget constraints) eine hohe verdeckte Arbeitslosigkeit. Mit dem Übergang zur Marktwirtschaft bzw. zum Wettbewerb zwischen privatisierten Unternehmen sind hohe Produktivitätsgewinne zu erwarten, aber auch ein anhaltender Zwang zur Kostensenkung und mithin die Umwandlung verdeckter in offene Arbeitslosigkeit. Hier entstehen erhebliche soziale Probleme, da eine Arbeitslosenversicherung in den sozialistischenStaaten nicht bestand. Der sozialistische Staat versucht, der Bevölkerung eine Mindestversorgung durch Preissubventionen für Grundnahrungsmittel und Wohnungen zu geWährleisten, während in Marktwirtschaften Sozialtransfers als marktkonformes Mittel zur Lebensstandardabsicherung sozial Bedürftiger gelten. Zudem wurden die Preissubventionen im Sozialismus in der Regel weitgehend durch Preisaufschläge bei "Luxusgütern" finanziert. Preise haben aber Signalfunktion in einer Marktwirtschaft, so daß staatliche Preisverzerrungen riach oben wie nach unten zu beseitigen sind. Über staatliche Sozialhilfe, Wohngeldzahlungen oder Ausbildungsförderung sowie adäquate Steuerfreibeträge kann die Kaufkraft ärmerer Schichten grundsätzlich angehoben werden, ohne daß der marktliche Wettbewerbsprozeß beeinträchtigt wird. In den RGW-Ländern war die fiskalische Last aus der direkten staatlichen Subventionierung von Betrieben sowie der Preissubventionierung Anfang der achtziger Jahre mit Quoten von 9% bis 29% ziemlich hoch (Tabelle 1), was sich angesichts der Konsolidierungserfordernisse im Kontext einer stabilitätsgerechten Fiskal- und Geldpolitik als besonders problematisch erweisen muß. Zwar konnten die Subventionsquoten im Verlauf der ersten Reform- und Transformationsschritte zurückgeführt werden, doch wurde Anfang der neunziger Jahre mit etwa 7% immer noch eine etwa doppelt so hohe Subventionsquote wie in den

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

275

EG-Ländern realisiert. Die für den Übergang zur Konvertibilität erforderlichen Kreditzusagen von IMF und EBRD sind in der Regel an eine Vermin derung der Neuverschuldungsquote gebunden, so daß eine weitere Rückführung der Subventionen auch aus diesem Grunde erforderlich ist. Dies gilt nicht zuletzt auch unter Effizienzgesichtspunkten; denn Subventionen wurden in den RGW-Ländern gerade an jene Industrien gewährt, die nunmehr im Zeichen der marktwirtschaftlichen Transformations- und Öffnungspolitik als wenig wettbewerbsfähig anzusehen sind: kapital- und energieintensive Industrien mit qualitativ wenig anspruchsvollen Produktionssortimenten. Insgesamt war die Ausgangssituation bei der Transformation durch eine starke Anreizverzerrung zu Lasten von Produktion und Innovation geprägt. Zentralstaatliche Planung und zentralistische Wirtschaftspolitik - letztere im Sinne geringer Kompetenzen von Bezirken und Kommunen - führten zu wirtschaftlicher Stagnation, makroökonomischen Instabilitäten, strukturellen Verwerfungen, fiskalischer Insuffizienz, sozialer Ungerechtigkeit und politischen Krisen. Mit der Hinwendung zur Marktwirtschaft ist nicht nur die Verankerung einer aktiven Wettbewerbspolitik neue und vorrangige Aufgabe einer Ordnungspolitik, die dezentralisiertes wirtschaftliches Handeln sich frei entfaltender Wirtschaftssubjekte ermöglichen soll. Vielmehr ist auch im Bereich der Staatsordnungspolitik eine Dezentralisierung und Demokratisierung erforderlich, die im wesentlichen den Prinzipien der Subsidiarität und des politischen Wettbewerbs folgen müßte. II Wenn Wettbewerb und Haftungsregeln einzelwirtschaftliche Effizienz und Verantwortung im wirtschaftlichen Bereich sichern sollen, so müßte parallel dazu die politische Effizienz und Verantwortung durch die Verlagerung von Staatsaufgaben auf möglichst niedrige Stufen der staatlichen Administration und die Einführung demokratischer Willensbildung gestärkt bzw. verbessert werden. Eine Reihe von Aufgaben wäre dabei insgesamt auch auf die Wirtschaft zu übertragen. "Lean Governrnent" wäre daher ein wichtiges Prinzip einer marktkonformen Wirtschafts- und Transformationspolitik.

11

18*

Cassel (1988a); Poznanski (1992).

276

Dieter Cassel I Paul 1. 1. Welfens

Tabelle 1: Subventionen in Ex-RGW-Ländem, 1980 - 1990 (in % des Bmttoinlandspmdukts) Jahr

1980

1985

1988

1989

1990*

Bulgarien

BIf BelY BEN BFN

13,3

11,9

19,1

17,8

23,7

CSSR

BIf BeN BEN BFIY

8,7

11,8

13,0 5,8 7,2 2,5

16,1

12.1

Ungarn

BIf BeN BEN BFN

19,8

17.1

14,0 5,7 8,2 5,6

12,6

9,8

Polen

BIf BeN BEN BFN

28.7

16,5 7,3 9,2 3,6

17,0 9,0 7,9 2,2

17,1

9,8

UdSSR

BIf

1,4

1,8

9,3

9,9

>10

19,5

14.3

15,8

15,9

13,9

RGW-Länder**

BIf

1,2 12.1 4,2 2,3 6,3 2,2

9,0 9,7 5,0

9,8 18,9 6,7

1,4 10,5 5,3 5,5 6,3 1,9

7,1 9,9 5,4

1,6 17,5 8,3

1,6 16,2 3,0 7,7 8,3 1,8

7,2 5,4 4,0

7,4 9,8 1,2

4,2 19,5 2,5 4,9 7,2 1,0

5,7 4,1 3,3

3,4 6,5 1,0

BIY = Subventionen insgesamt; BCIY = Subventionen der Konsumenten; BEIY = Subventionen der Untenehrnen; BFIY = Subventionen des Außenhandels; *geschätzt; **im Durchschnitt. Quelle: Welfens (1992), S. 61.

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

277

C. Die Soziale Marldwirtschaft als Transfonnationsziel? Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland geht davon aus, daß über Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten sowie Freihandel und freien Kapitalverkehr ökonomische Effizienz und letztlich ein hohes, dauerhaft steigendes Sozialprodukt erreicht werden kann. Zugleich sollen durch eine steuerliche Korrektur der primären Einkommensverteilung eine Umverteilung zugunsten der relativ armen Bevölkerungsschichten sowie durch ein staatlich organisiertes Sozialversicherungssystem und bestimmte öffentliche Güter eine soziale Absicherung insbesondere von einkommensschwachen Gruppen und bei Einkommensausfällen (Unfall, Krankheit, Invalidität) erfolgen. Schließlich ist es erklärtes Ziel der Sozialen Marktwirtschaft, auch die nicht bzw. weniger Leistungsfähigen durch staatliche Sozialleistungen und Einkommenstransfers am wachsenden Wohlstand teilhaben zu lassen. 12 Nach Abschluß der ersten Wiederautbauphase in der Bundesrepublik Deutschland in den fünfziger Jahren expandierte der Sozialstaat in den sechziger und siebziger Jahren immer stärker, so daß die Steuer- und Sozialabgabenquote von 30% (1950) auf 42,5% (1980) deutlich anstieg; die Sozialausgaben machten in den siebziger Jahren immerhin ein Drittel des Bruttosozialprodukts aus. Vor diesem Hintergrund kann man gegen die Soziale Marktwirtschaft entweder immanente Kritik vorbringen, die das Konzept als solches bejaht, aber einzelne wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen für Fehlentwicklungen verantwortlich macht; oder man kann dieses Leitbild wegen seiner Anfälligkeit für einen "konstruktivistischen" bzw. "redistributionspolitischen" Interventionismus ablehnen und statt dessen der Tendenz nach für einen "sozialen Minimalstaat" plädieren. 13 Bei Walter Eucken, dem einflußreichsten theoretischen Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft, kommt der Sozialpolitik eine die Wettbewerbspolitik absichernde Rolle zu, allerdings nur insoweit, wie dadurch die Investitionsdynamik nicht gefährdet wird. 14 Die Position von Eucken läuft auf die Kernthese hinaus, daß Wettbewerbspolitik und eine marktkonforme sozialpolitische Ordnungskomponente sich keineswegs gegenseitig ausschließen. Dies um so mehr, als die Rolle der Sozialpolitik - und damit das Ausmaß der staatlich verfügten kollektiven Daseinsvorsorge - in Gesellschaften mit hohem Pro-KopfEinkommen allmählich zugunsten von mehr individualisierter privater Vorsorge reduziert werden kann. Die praktischen Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland weisen jedoch in die entgegengesetzte Richtung - wie der Fall der

12

13 14

Gutmann (1972); Harnel (1977); Thieme (1990); Fasbender/HolthuslThiel (1991). Hoppmann (1973), (1993); GutowskilMerklein (1985); Kirsch (1988); Zohlnhöfer (1992). Volkert (1991).

278

Dieter Cassel / Paul 1. 1. Welfens

1993 beschlossenen, nach den teilweise überholten Konstruktionsprinzipien der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgestalteten Pflegeversicherung einmal mehr zeigt. In Deutschland ist der Sozialstaat über fast hundert Jahre durch staatliche Initiative von oben entstanden. 15 In der parlamentarischen Demokratie besteht ein Anreiz, durch betonte Umverteilung Stimmen im politischen Wettbewerb zu gewinnen. Umverteilungselemente wurden auf diese Weise nach 1948 über Jahrzehnte hinweg immer stärker in die gesetzliche Sozialversicherung hineingetragen. Sozialpolitik und Umverteilungspolitik sind deshalb inzwischen in hohem Maße vermengt und hinsichtlich ihrer Wirkungen kaum mehr transparent. Zudem wurden in Boom- und Wachstumsphasen die sozialen Ansprüche immer höher geschraubt, ohne zu bedenken, daß die Finanzierungslasten in den sich regelmäßig anschließenden Rezessions- und Stagnationsperioden doppelt schwer wiegen und schließlich in Form steigender Lohnnebenkosten zu einem systematischen Beschäftigungshemrnnis werden. Mit steigenden Steuer- und Sozialabgabenlasten aber wurden die Leistungsanreize in der offiziellen Wirtschaft geschwächt und zugleich die Expansion der Schattenwirtschaft begünstigt. Die Soziale Marktwirtschaft, wie sie sich in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 allmählich entwickelt hat, ist Ausdruck einer insgesamt amorphen wirtschaftspolitischen Konzeption, die als Kriterium für die "Ordnungskonformität wirtschaftspolitischen Handelns"16 weitgehend versagt hat. Zwar ist nicht zu übersehen, daß sie zum sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hat, aber ebenso sichtbar sind durch sie wachsende soziale Ansprüche geweckt und ordnungspolitische Fehlentscheidungen begünstigt worden. Wachsende soziale Ansprüche führen jedoch in einer Bevölkerung, von der 90% Mitglieder der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sind, vor allem in Zeiten rückläufigen Wachstums und ungünstiger demographischer Entwicklungen zu Finanzierungsproblemen und politischen Konflikten. In der Bundesrepublik Deutschland wurden diese Konflikte meist pragmatisch durch Lastenverschiebungen innerhalb des Sozialhaushaltes und - insbesondere in der GKV - durch interventionistische Kostendämpfungsmaßnahmen vorübergehend gelöst. Das insgesamt den Sozialhaushalten innewohnende Umverteilungselement führte zudem zu politischen Widerständen gegen eine stärker marktorientierte wettbewerbliche Leistungserstellung, wie sie etwa in der GKV durchaus möglich und unter Effizienzgesichtspunkten wünschenswert wäre. 17 Da der Staat in diesem mit einem Ausgabenvolumen von über 210 Mrd. DM (1993) nicht ganz unbedeutenden Sektor bisher Markt und Wettbewerb zwischen den Krankenkassen

l' Vaubel (1991); Habermann (1994). 16 Gutmann (1980). 17 Cassel (1987), (1993).

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

279

wie den Leistungserbringern weitgehend ausgeschlossen und nahezu alles reglementiert hat, kommen auch vor- und nachgelagerte Bereiche der Gesundheitsindustrie unter den Einfluß interventionistischer Staatseingriffe. Diese sind in der Regel wenig effIzienzfördernd und beeinträchtigen zudem in nicht unerheblichem Maße die internationale Wettbewerbsfähigkeit von High-tech-Branchen wie die medizinisch-technische und pharmazeutische Industrie. 18 Hieran zeigt sich exemplarisch, daß sozialpolitisch dominierte Gestaltungsbereiche in der Sozialen Marktwirtschaft die Tendenz haben, in Konflikt mit industriepolitischen Erfordernissen zu geraten, die auf wettbewerbs- und innovationsfördernde Rahmenbedingungen zielen und zur Sicherung der materiellen Basis jeglicher Art von Sozialpolitik unabdingbar sind. Die Arbeitslosenversicherung, die mit einheitlichen Beitragssätzen arbeitet, hat ein stabilitätsgerechtes Verhalten der Arbeitgeberorganisationen wie der Gewerkschaften und des Staates keineswegs begoostigt. Aus theoretischer Sicht gilt, daß regional und branchenmäßig differenzierte Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung - mit Beitragsrückerstattung in Vollbeschäftigungsregionen und -branchen - anreizkompatibel und mit wirklichen Versicherungsprinzipien konsistent wären l9 , so daß sich auf diese Weise die Arbeitslosigkeit deutlich verringern ließe. Politisch durchsetzbar wäre eine solche Lösung allerdings nur, wenn zunächst Vollbeschäftigung erreicht und die Unterbeschäftigung auf ihr "natürliches", das heißt struktur- und friktionsbedingtes Maß gedrückt worden ist. Das staatliche Arbeitsvermittlungsmonopol wurde über Jahrzehnte hinweg mit wenig überzeugenden Ergebnissen aufrechterhalten. Die gewerkschaftlich gut organisierten und international operierenden Großbetriebe haben in Deutschland typischerweise eine Lohnverhandlungsführerschaft ausgeübt, die bei florierendem Exportgeschäft hohe Lohnzugeständnisse zur Folge hatte. Für kleine und mittlere Unternehmen, die vergleichsweise geringere Exportanteile und -optionen haben, verstärkte sich dadurch der Lohn-, Rationalisierungs- und Konzentrationsdruck. So ist es kein Wunder, daß die Zahl der klein- und mittelständischen Betriebe ständig abnahm, Unternehmensneugründungen erschwert wurden sowie Arbeitsund Ausbildungsplätze unwiederbringlich verlorengingen. In den mittel- und osteuropäischen Staaten ist die Dominanz von Großbetrieben sogar noch weit höher, die ökonomische und politische Notwendigkeit zur Entwicklung eines leistungsfähigen Mittelstandes also noch weit stärker als in den etablierten Marktwirtschaften; denn ökonomisch bedeuten mittelständische Unternehmen einerseits eine vielfache Chance zu freier wirtschaftlicher Betätigung "Schumpeter'scher Talente", andererseits ist der Mittelstand erfahrungsgemäß überproportional bei der Ausbildung und Beschäftigung von Arbeitnehmern sowie beim strukturellen Wandel engagiert. Zudem sind kleine und mittlere Unternehmen als

18 19

Cassel (1988b); Boroch (1994). Welfens (1985), (1994b).

280

Dieter Cassel/ Paul 1. 1. Welfens

ein Pool von anpassungsfähigen Unternehmen anzusehen, durch den sich die Großunternehmen im Wege von "Mergers & Acquisitions" verjüngen und modernisieren können. In den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas ist dieser Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft noch kaum gesehen und folglich die Förderung von Unternehmensneugründungen noch nicht als wirtschaftspolitische Aufgabe verstanden worden. In der ersten Transformationsphase steigt erfahrungsgemäß die Arbeitslosigkeit stark an, denn die Schließung unrentabler Altbetriebe, die Gesundschrumpfung obsoleter Industrien und die Aufdeckung versteckter Arbeitslosigkeit führen zu Arbeitsplatzverlusten, die die von Infrastrukturprojekten, Unternehmensneugründungen und expansiven Branchen ausgehenden Arbeitsplatzgewinne übersteigen (Tabelle 2). Zudem können die Beschäftigungschancen im Dienstleistungssektor erst allmählich entwickelt werden, weil sie häufig an ein prosperierendes verarbeitendes Gewerbe gebunden sind. Deshalb ist in fast allen mittelund osteuropäischen Transformationsländern auf absehbare Zeit mit Arbeitslosenquoten von weit über 10% zu rechnen. Angesichts der im Vergleich zu Westeuropa sehr hohen Erwerbsquoten kann ein Teil davon als Reflex einer Verminderung bzw. Normalisierung der Erwerbsquote angesehen werden. Dies ändert aber nichts am Grundproblem der marktwirtschaftlichen Transformation, daß nämlich in einer zweiten Phase - nach weitgehender Privatisierung und Liberalisierung - mit hohen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität gerechnet werden muß. Bei zweistelligen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität, wie sie 1993 in Polen, Ungarn und der ehemaligen DDR zu beobachten waren, ist aber ein Anstieg der Arbeitslosigkeit praktisch unvermeidbar. Denn solange die Arbeitsproduktivität stärker wächst als das Sozialprodukt, ist kein Beschäftigungsplus zu erwarten. Dies aber unterstreicht die Forderung nach dem Primat der Wachstumspolitik zumindest in der ersten Transformationsphase, das heißt einer Politik, die gezielt Wachstumshemmnisse beseitigt und Engpässe der Wirtschaftsexpansion abbaut. Aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland schlagen sich hierin die bitteren Erfahrungen mit dem "Fading Miracle"20 nieder, mit dem unweigerlich permanente wirtschaftspolitische Verstöße gegen das Effizienzpostulat bestraft werden. Wirtschaftliche "Miracles" oder gar "Sustaining Miracles" treten eben nur dann ein, wenn die Rahmenbedingungen einer Sozialen Marktwirtschaft auf ökonomische Effizienz, Innovationsdynamik und Strukturwandel getrimmt sind. Darüber hinaus aber bedarf es aus neoklassisch-evolutorischer Sicht keiner aktiven Wachstumspolitik; denn Wachstum ergibt sich allemal als gesamtwirtschaftliche Resultante einzelwirtschaftlicher Entscheidungskalküle .

'0 GierschlPaque/Schrnieding (1992); Dornbusch (1993).

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

281

Tabelle 2: Arbeitslosenquoten in ausgewählten TransformationsläDdem, 1991 - 94*

Tschechische Republik Ungarn Polen Slowakische Republik Bulgarien Rumänien Rußland Ukraine

1991 4,1 7,5 11,8 11,8 11,1 3,0 0,1

-

1992 2,6 12,3 13,6 10,4 16,4 8,4 0,8 0,3

1993 3,2 12,9 15,4 13,7 17,0 9,0 1,0

-

1994** 7 13 16 18 18 12 2 3

*Dezemberwerte; **Prognosewerte. Quelle: Hunya u.a. (1994), S. 19.

Mit dem wlVerrneidlichen Problem temporärer Transforrnationsarbeitslosigkeit konfrontiert, stehen die ehemals sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas zudem vor der Notwendigkeit, die wirtschaftlichen Grenzen insbesondere gegenüber den westeuropäischen Staaten zu öffnen und sich zunehmend in die Weltwirtschaft zu integrieren. Hierdurch nimmt der Wettbewerbsdruck auf die heimische Wirtschaft zu, werden international nicht mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze gefährdet und wirken sich verstärkt internationale Konjunktur- und Inflationszusammenhänge aus. Eine auf freie Konvertibilität und flexible Wechselkurse zielende Währungspolitik, verbunden mit einer glaubwürdigen geld- und fiskalpolitischen Verstetigungsstrategie dürften die besten Garanten dafür sein, daß internationale monetäre und reale Schocks weitgehend absorbiert und insoweit zusätzliche Anpassungslasten von der heimischen Wirtschaft ferngehalten werden. 21 Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß zur Transforrnationsarbeitslosigkeit auch noch konjunkturelle Arbeitslosigkeit hinzutritt, die sich im Zuge wiederholter Schocks verfestigen und in einer von Zyklus zu Zyklus steigenden "Sockelarbeitslosigkeit" niederschlagen kann. Dies würde letztlich die politische Akzeptanz der Marktwirtschaft schwächen und zunehmende staatliche Interventionen mit einer wachsenden Abkehr von Wettbewerb und Freihandel zur Folge haben.

21

GrönerlSmeels (1991).

282

Dieter Cassel f Paul 1. 1. Welfens

Soziale Marktwirtschaft als eine auf die Synthese von wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Gerechtigkeit gerichtete Verbindung von Wettbewerb, Umverteilung und sozialer Sicherung erscheint somit als Transformationsziel nur dann geeignet, wenn man sich auf ihre Grundprinzipien zurückbesinnt, ihre Fehlentwicklungen nicht als inhärent ansieht und ihre Anpassungs- und Reformfähigkeit in Rechnung stellt 22 So gebührt kurz- und mittelfristig der Schaffung einer Wettbewerbsordnung mit ihren innovations- und wachstumsbegünstigenden Rahmenbedingungen eindeutig Priorität. Dies schließt keineswegs aus, daß durch die Einführung einer Arbeitslosenversicherung, von einkommensabhängigen Zuschüssen für Umschulung und Weiterqualifikation sowie von Sozialhilfeeinrichtungen ein staatlicher Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit einerseits und eine Unterstützung für produktivitätssteigernde Humankapitalbildung andererseits organisiert wird. Insgesamt aber ist gerade die Systemtransformation eine besondere Chance, Markt- bzw. Wettbewerbselemente in den Bereich der sozialen Sicherung einzuführen, wo sie in Westeuropa zum Nachteil der Bürger häufig fehlen: bei der Krankenversicherung, bei der Rentenversicherung und bei der weiterführenden Schul- bzw. Hochschulbildung. Staatlich vorgeschriebene Versicherungspflicht und Wettbewerbsprinzip lassen sich durchaus sinnvoll kombinieren. Zudem ist zu bedenken, daß bei einer staatlichen Rentenversicherung mit Umlagefinanzierung die Sparquote der privaten Haushalte wesentlich niedriger ausfällt als wenn privates Vorsorge sparen gefördert oder der Aufbau eines Kapitaldeckungsstocks in der Rentenversicherung vorgeschrieben wird. Den Transformationsländern wäre demnach zu empfehlen, den Akzent weniger auf Umverteilungs- und Sozialpolitik als vielmehr auf Vermögensbildungspolitik zu setzen: etwa durch steuerliche Sparanreize für junge Familien oder durch Zuschüsse für Aus- und Fortbildung (Aufbau von Humankapital) sowie insbesondere durch Förderung von Investivlohnmodellen, bei denen Arbeitnehmer über den Erwerb von Unternehmensanteilen auch zu Kapitaleinkommensbeziehern werden. Angesichts der notwendigen Privatisierung in den ehemals sozialistischen Ländern scheint hierin eine interessante Option der Wirtschaftspolitik zu liegen, weil hierdurch zugleich die Entstehung breiterer Mittelschichten gefördert wird, die erfahrungsgemäß politisch wichtige Stützen für eine liberale marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik sind. Hinsichtlich der Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft wird zunehmend ein betont ökologischer Ausbau gefordert und das Leitbild einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft propagiert - ein Gedanke, der auch bei rein ökonomischer Betrachtung erwägenswert erscheint. 23 Denn immerhin belaufen sich die geschätzten Umweltschäden in (West-)Deutschland auf etwa 6% des Bruttoinlandsprodukts. Da die Umweltschäden in Mittel- und Oste uropa wesent-

2Z 2J

Gu1mann (1990); Schlecht (1990); Fasbender (1991). König u.a. (1993); Bonus u.a. (1994).

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

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lich größer sind als in Westeuropa und der Faktor Natur ein mittelfristig für das Wirtschaftswachstum gravierender Engpaßfaktor werden könnte, wäre im ExRGW-Raum besonders dringlich, die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft um eine ökologische Komponente zu ergänzen. 24 Ökologische Sanierung, ökologische Vorsorge und eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien aufbauende Umweltschutzpolitik (z.B. via Lizenzhandel mit Emissionszertifikaten) sind denkbare Kernelemente einer zukunftsorientierten Marktwirtschaftskonzeption. Eigenverantwortung und Eigenvorsorge als individuell sinnvolle und gesellschaftlich nützliche Prinzipien werden bisher weder in der Sozialpolitik noch in der Umweltpolitik der Bundesrepublik Deutschland genügend in den Dienst marktwirtschaftskonformer Problemlösungen gestellt. Die Transformationsländer könnten diesbezüglich sogar eine Vorreiterrolle übernehmen, wenn sie aus den wohlfahrtsstaatlichen Erfahrungen etablierter Marktwirtschaften lernen und dabei auch die ökologischen Herausforderungen annehmen.

D. Eßt produzieren, dann verteilen: Prioritiit der Wettbewemsonlnung beim Aufbau einer "sozialen" Marldwirtscbaft Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft kann durchaus Impulse für die ordnungspolitische Ausgestaltung der ehemals sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas geben: Wesentlich ist in einer ersten Phase der Transformation die eindeutige Priorität für Wettbewerb und Privatisierung zur möglichst raschen Etablierung einer Wettbewerbswirtschaft. Sozialpolitische Konzeptionen lassen sich sinnvoll überhaupt erst nach dem ersten Transformationsschock diskutieren, während seine unmittelbaren Folgen durch temporäre Maßnahmen mit dem Ziel einer Mindestsicherung abgefedert werden sollten. Es ist zwar eine Erblast der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft, daß Verteilungsaspekte in den ehemals sozialistischen Ländern einen hohen politischen Stellenwert haben; dennoch sind alle überkommenen sozialen Leistungen und Sicherungssysteme im Interesse von mehr Wachstum und der Verminderung des West-Ost-EinkommensgefäHes in Europa unbedingt auf ihre Marktkonformität und ihre negativen Anreizwirkungen hin zu überprüfen und gegebenenfalls abzuschaffen. Marktnahe Lösungen sind dabei staatlichen Monopollösungen in der Regel vorzuziehen. Während sich die Bundesrepublik Deutschland aus einzelnen sozialpolitischen Fäden über Jahrzehnte hinweg bei anhaltendem Wirtschaftswachstum ein ausgebautes Sicherungssystem geknüpft hat, das immer häufiger als "soziale Hängematte" mißbraucht wird und auch insoweit kontraproduktiv wirkt, könnte für

24

Welfens, M. J. (1993).

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Dieter Cassell Paul J. J. Welfens

Mittel- und Osteuropa eine am westeuropäischen Anspruchsniveau ausgerichtete Sozialpolitik leicht zu einem Netz werden, in dem sich die potentiellen Leistungsträger und möglichen Expansionsbranchen verfangen. Wohlstand für alle, wußte schon Ludwig Erhard, kann selbst in der Sozialen Marktwirtschaft nicht sofort für alle realisiert werden, sondern ist nur langfristig und bei Offenhaltung dynamischer Wettbewerbsprozesse möglich. In den verkrusteten, sozialistisch verformten und von Markteintrittsschranken geprägten Transformationsländern ist die Schaffung einer auf Privateigentum und freier unternehmerischer Entfaltung basierenden Wettbewerbswirtschaft auf Jahre hinaus die Hauptaufgabe, ohne deren Lösung die sozialen Verheißungen der Sozialen Marktwirtschaft ein unerfüllbarer Traum bleiben wird.

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsmodell

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Elemente der Sozialen Marktwinschaft im TransfomtationsprozeB Chinas? Carsten Hemnann-Pillath 1

A. Deutsch-chinesischer Wissenstransfer und die Stellung der Wirtschaftswissenschaft in der chinesischen Transfonnationspolitik 1 Rezeptionsmechanismen deutscher Ordnungspolitik in China

Eines der bemerkenswerten Merkmale des chinesischen Transformationsprozesses besteht ohne Zweifel darin, daß er von Anbeginn mit einem intensiven Informationsfluß zwischen den entwickelten Marktwirtschaften auf der einen Seite und Forschungseinrichtungen, Regierungsstellen oder Unternehmen in China auf der anderen Seite einherging. Schon unmittelbar nach der Öffnung des Landes im Jahre 1978 setzte ein Strom von chinesischen Delegationen, Gastwissenschaftlern, Auslandsstudenten und anderen Reisenden in Sachen Wissenstransfer ein, der sich auch nach Deutschland richtete. Wer in führenden Positionen der deutschen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik befindlich ist, kann innerhalb dieses Zeitraumes sicherlich nicht nur auf einen, sondern mehrere, ja regelmäßige Kontakte mit solchen Besuchern zurückblicken. In Deutschland galten diese Kontakte häufig einem bestimmten Thema: Was ist die berühmte "Soziale Marktwirtschaft", welche Institutionen sind für sie charakteristisch und welche Teilbereiche verdienen besondere Aufmerksamkeit? Was hat das "deutsche Wirtschaftswunder" der Nachkriegszeit verursacht? Über Jahre hinweg haben deutsche Stellen der Forschungsförderung entsprechend allgemein formulierte Forschungsvorhaben finanziert, und bis heute werden

1 Die vorliegende Arbeit enthäh bislang unpublizierte Forschungsergebnisse des "Europäischen Projektes zur Modemisierung in China", das in Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Bochum (Professor H. Martin) und Duisburg (Professor C. Herrmann-Pillath) durchgefilhrt und von der Volkswagen-Stiftung fmanziert wird. Es handeh sich insbesondere um die Projektarbeiten von Herrn Wang Hao und Herrn Li Fengjiang zum Einfluß der chinesischen Wirtschaftswissenschaft auf die Politik.

19 FS Gutmann

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Carsten Hemnann-Pillath

einschlägige Anträge und Anliegen von chinesischen Wissenschaftlern und Regierungsvertretern vorgelegt. Es gibt inzwischen eine Fülle von Diplomarbeiten und Dissertationen chinesischer Auslandsstudenten in Deutschland, die den einen oder anderen Aspekt der Problematik bearbeitet haben. 2 Auch der mit der vorliegenden Festschrift Gewürdigte war selbstverständlich an diesem Wissenstransfer und an der Betreuung einschlägiger Arbeiten beteiligt. So mag die Frage auch von persönlichem Interesse sein, ob solche Aktivitäten Wirkungen gezeitigt haben. Die gewonnenen Informationen werden in Form von kurzen Zeitschriftenund Zeitungsbeiträgen, Dossiers, Studien- und Reiseberichten oder auch internen Gutachten in die chinesische Sprache umgesetzt. Hinzu kommt aber auch die Arbeit deutscher Stiftungen: Ein herausragendes Beispiel ist sicherlich der Band zur Sozialen Marktwirtschaft, den der Bochumer Professor emeritus für Entwicklungsländerforschung und China-Experte Willy Kraus für die Ludwig-ErhardStiftung verfaßt hat. Er wurde in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in das Chinesische übertragen und ist inzwischen in sicherlich tausenden von Exemplaren (wenn Raubkopien mit berücksichtigt werden) überall in China verbreitet. 3 Da solche Informationen auf Konferenzen und Seminaren weitergegeben werden, die landesweit Teilnehmer zusammenführen, sind sie keinesfalls nur in den Zentren des Landes wie Beijing oder Shanghai vorhanden, sondern auch in den Provinzen und gar auch auf lokaler Ebene. Stiftungsbüros wie das Pekinger Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung haben im Verlauf der achtziger Jahre auch im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zunehmend Schwerpunkte bei der ordnungspolitischen Beratung gesetzt. Ähnliches gilt in Teilbereichen für die Arbeit der GTZ in China. Wer diese Situation mit der heutigen in Rußland und der GUS vergleicht, stellt auch ohne detaillierte Prüfung sogleich fest, daß zum einen der deutschrussische Informationsstrom erst nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion allmählich intensiviert wurde, und daß zum anderen bis heute große Lücken im Informationsstand und konkret etwa bei der Übersetzungstätigkeit vorliegen. 4 Während in China umfassende Darstellungen ordoliberalen Gedankengutes schon vergleichsweise früh publiziert wurden s, setzte dieser Prozeß aktiver Rezeption in Rußland erst zu Beginn der neunziger Jahre ein6 . Erst gegenwärtig findet die aktive Reflektion etwa darüber statt, wie Übersetzungen des spezifischen Gedan-

% Z.B. Wang (1990), Yue (1991). ] Kraus (1989).

• Peterboff (1994). , Z.B. Zuo (1988). • Z.B. Gutnik (1991).

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

291

kengutes der Sozialen Marktwirtschaft systematisch aufgearbeitet werden können. 7 Von außen betrachtet, scheint China also einen zeitlichen Vorlauf von rund zehn Jahren aufzuweisen, was den aktiven und intensiven ordnungstheoretischen und -politischen Wissenstransfer betrifft. In der Tat gibt es einige Beispiele, bei denen mehr oder weniger eindeutig ein deutscher Einfluß auf wirtschaftspolitische Maßnahmen in der VR China vermutet werden kann. Schon in der frühen Phase der Reformen dürfte etwa der Vorschlag des verstorbenen Hamburger Ökonomieprofessors Armin Gutowski, ein zweistufiges Bankensystem in China einzurichten, die entsprechenden gesetzlichen und organisatorischen Änderungen im Jahre 1983/84 mit angeregt haben; eindeutig stark ist der deutsche Einfluß jedoch etwa bei der Formulierung des chinesischen Patentrechtes gewesen, bei der das deutsche Patentamt direkt beteiligt war, aber in den letzten Jahren auch bei der Gestaltung und Vorbereitung eines umfassenden wettbewerbsrechtlichen Rahmens für die Wirtschaftsreform (vor allem über das Hamburger Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Privatrecht, unter maßgeblicher Beteiligung des Juristen und Sinologen Frank Münzei). Es ließen sich noch viele ähnliche Beispiele nennen. Vor allem im Bereich des Wirtschaftsrechts wirken auch historische Faktoren begünstigend für einen starken deutschen Einfluß, denn über die Vermittlung Japans hatte die nationalchinesische Regierung Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre richtungweisende gesetzgeberische Anregungen durch deutsche Rechtsquellen erfahren. Zum Teil wurde in der VR China auf diese Tradition zurückgegriffen, um Reformgesetze nicht völlig aus dem Nichts schaffen zu müssen, zum Teil wirkt diese Tradition aber auch über die Vermittlung heutiger taiwanesischer Rechtsquellen fort. Ist Chinas heutige "sozialistische Marktwirtschaft" also auf dem Wege, eine "soziale Marktwirtschaft" deutscher Provenienz zu werden? Nicht ohne List wird von vielen chinesischen Ökonomen die seit dem 14. Parteitag politisch sanktionierte und heute auch verfassungsmäßig garantierte "sozialistische Marktwirtschaft" ("shehui zhuyi shichangjingji") zur "Sozialen Marktwirtschaft" ("shehui shichangjingji") verkürzt und die entstehende semantische Unschärfe ausgenutzt: Auf der anderen Seite dient jedoch gerade der Begriff der" sozialistischen Marktwirtschaft" aus der Sicht der kommunistischen Führung dazu, eine klare Abgrenzung und Distanz zu anderen Formen der Marktwirtschaft zu schaffen, also auch der "Sozialen".

7

19*

Z.B. Herrmann-Pillath u.a. (1994).

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Carsten Hemnann-Pillath

Welchen tatsächlichen Einfluß hatten also die deutsch-chinesischen Begegnungen, Kontakte und Wissenstransfusionen auf die chinesische Wirtschaftspolitik? Diese Frage läßt sich auf verschiedene Weise beantworten: Es gälte, tatsächliche Einflußkanäle auf die praktische Wirtschaftspolitik nachzuzeichnen und zu beweisen, daß die eigentlichen Entscheidungsträger bestimmte Konzepte der Sozialen Marktwirtschaft bewußt aufgegriffen haben, und zwar unabhängig vom späteren tatsächlichen Erfolg bei der Implementation. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, den ordnungspolitischen Zustand Chinas selbst darautbin zu befragen, ob Elemente der Sozialen Marktwirtschaft realisiert sind, und dann darauf zuruckzuschließen, daß es sich hier nicht um zufällige Koinzidenzen handelt, sondern um Ergebnisse des Wissenstransfers. Schließlich wäre natürlich auch zu fragen, ob dieser Wissenstransfer überhaupt ein geschlossenes Bild der "Sozialen Marktwirtschaft" erzeugt haben kann, sind doch etwa die verschiedenen politischen Stiftungen mit recht unterschiedlichen Interpretationen des Konzeptes in China aktiv. Entsprechend muß mit Unschärfen bei der Interpretation ordnungspolitischer Daten in China gerechnet werden. Daraus leitet sich aber als weitere Fragestellung ab, ob unabhängig von der tatsächlichen Wirkung des Wissenstransfers die "Soziale Marktwirtschaft" als analytisches Konstrukt geeignet ist, um Elemente im ordnungspolitischen Wandel Chinas positiv zu identifizieren und normativ zu bewerten. Hier kann nämlich entweder die Soziale Marktwirtschaft als Realtypus den Referenzpunkt darstellen oder als Idealtypus, wobei letzterer wieder unterschiedlichen Interpretationen gegenüber offen ist. In beiden Fällen taucht aber die Problematik auf, welchen realen Gehalt" Soziale Marktwirtschaft" in China überhaupt haben kann, wo doch die Rahmenbedingungen der Wirtschaftsordnung völlig andere sind als in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: So befand sich Deutschland damals auf einem wesentlich höheren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau, oder ist der zum Teil explizite Bezug von Normen der Sozialen Marktwirtschaft auf christliche Geistestraditionen für China nicht möglich und nicht sinnvoll. Insofern müßte die Suche nach Elementen der Sozialen Marktwirtschaft in China in der Tat nach der "Sozialen Marktwirtschaft chinesischer Prägung" fragen: Dies ist sicherlich ganz im Sinne bedeutender geistiger Väter der Sozialen Marktwirtschaft, die, wie Eucken und Müller-Armack, stets die historische Eigentümlichkeit und Situationsbezogenheit von realtypischen Wirtschaftsordnungen betont haben.

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

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Versuchen wir also, die unterschiedlichen Zugangswege zum Thema kurz und eilig zu beschreiten. Dabei geht es in diesem Abschnitt zunächst um den möglichen Stellenwert des deutsch-chinesischen Wissenstransfers im wirtschaftspolitischen Beratungsprozeß der VR China.

IL Der Einßuß der chinesischen Wirtschaftswissenschaft auf die Politik: Impulsgeber für die Soziale Marldwirtschaft?

Der wirtschaftspolitische Beratungsprozeß in China erlaubt durchaus einen Einfluß der Wissenschaft auf die Politik, sein tatsächlicher Umfang ist jedoch schwer nachvollziehbar. Dies hängt damit zusammen, daß es zwar einerseits institutionalisierte Formen der Beratung gibt - etwa in Gestalt interner Gutachten für die Reformkommission des Staatsrates -, daß aber andererseits der unmittelbare persönliche Einfluß auf politische Machtträger eigentlich ausschlaggebend ist, um wirtschaftswissenschaftliche Konzepte tatsächlich wirksam werden zu lassen. Persönliche Netzwerke zwischen Politik und Wissenschaft determinieren auch den Ideenfluß, und außerdem ist natürlich das Vorwissen der Mächtigen von Bedeutung, um überhaupt eine sinnvolle Kommunikation von Ideen zu ermöglichen. Beide Aspekte wirken zusammen und trugen zu einem wesentlichen Merkmal chinesischer wirtschaftswissenschaftlicher Beratung bis zu Beginn der neunziger Jahre bei8 : Erstens, für die Spannweite und Stoßrichtung der wirtschaftspolitischen Beratung war die politisch definierte, allgemeine "Linie" der Wirtschaftspolitik verbindlich, die durch den Verlauf des internen Konfliktes in der Führung der KP determiniert ist, und zweitens, bei der Konzeption von "Politiken", die eine solche "Linie" umsetzen, bewegt sich der wirtschaftswissenschaftliche Diskurs regelmäßig in Wellen und Moden vorwärts, ohne eigentlich tiefgreifende Spezialisierung und dauerhafte Themen aufzuweisen. Dabei können einzelne Persönlichkeiten unabhängig von ihrer Position und ihrem Alter durchaus Einfluß auf die Entscheidungen höchster Entscheidungsträger gewinnen, doch schwindet dieser Einfluß gegebenenfalls ebenso rasch wie er entstanden ist. Wird vor diesem Hintergrund versucht, Wirkungslinien wirtschaftspolitischer Ideen in China nachzuzeichnen, dann erscheint ein nachhaltiger Einfluß der "Sozialen Marktwirtschaft" eher unwahrscheinlich. Solche Ideen standen und stehen in intensiver geistiger Konkurrenz mit ordnungspolitischen Vorstellungen aus dem englischsprachigen Raum, seit einigen Jahren jedoch vor allem auch aus dem chinesischen, und zwar aus Singapur oder Taiwan.

8

Hsu (1988).

294

Carsten Henmann-Pillath

Ideen hatten in verschiedenen Phasen der Refonn ohne Zweifel starken Einfluß auf die Politik, doch handelte es sich dann regelmäßig nicht um solche aus dem deutschsprachigen Raum. Dies läßt sich im einzelnen belegen: Etwa hinsichtlich der herausragenden Bedeutung des "Economic System Refonn Institute of China" bis zum Sturz des Parteisekretärs Zhao Ziyang nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens. Seine Mitarbeiter hatten zum Teil unmittelbaren persönlichen Einfluß auf die Reformkonzeption der damaligen chinesischen Führung, waren jedoch ihrerseits durch amerikanisches Gedankengut geprägt - nicht zuletzt ein Ergebnis der Tatsache, daß dieses Institut teilweise durch die New Yorker Soros-Foundation finanziert worden ist. Die große Bedeutung angloamerikanischen Gedankengutes für die praktische Refonnpolitik fand dann etwa in der Rolle Ausdruck, die dem Kapitalmarkt und der Aktiengesellschaft bei der Transfonnation zugeschrieben wurde. 9 Umgekehrt blieben kleinere und mittlere Unternehmen, die Ende der achtziger Jahre gerade im ländlichen Raum die eigentlichen Träger der chinesischen Wirtschaftsdynamik wurden, eher im Abseits aktiver wirtschaftspolitischer Gestaltung. Die Betonung ihrer Rolle in der Wirtschaft gehörte aber von Anbeginn zu den Prinzipien der deutschen Sozialen Marktwirtschaft, deren geistige Tradition deutliche Vorbehalte gegenüber der anonymen Kapitalgesellschaft vennittelt und stattdessen die zentrale Rolle persönlicher Haftung und des Eigentümer-Unternehmers in der Wirtschaftsordnung sieht. Insofern scheint außerhalb der Rechtsgestaltung und Rechtswissenschaft der deutsche Einfluß eher gering. Erschwerend kommt hinzu, daß die politische Führung der VR China bis heute durch Personen dominiert wird, die ihre Ausbildung entweder in der Sowjetunion der fünfziger Jahre erhalten haben oder eher ingenieurwissenschaftlich orientiert sind. Die älteste Führungsgeneration wiederum betrachtete ökonomische Fragen stets unter politischen Vorzeichen, insbesondere im Sinne des Imperatives einer raschen Modernisierung und Industrialisierung. lo Die nachrückenden technokratischen Eliten in den Vierzigern stehen in der Regel unter dem Eindruck amerikanischen Gedankengutes, wie überhaupt für die jüngere Generation in China eine starke Orientierung zur USamerikanischen Gesellschaft und ihrem Lebensstil zu verzeichnen ist. Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß, abgesehen von der ungleich intensiveren politisch gewollten Förderung des Wissenstransfers zwischen den USA und China - die durch den starken amerikanischen Einfluß in internationalen Institutionen wie der Weltbank unterstützt wird -, auch die chinakundliche Infrastruktur der USA wesentlich weiter entwickelt ist als in Deutschland. Amerikanisches Ordnungsverständnis gewinnt also auch über die vielfältigen Kontakte zwischen amerikanischen Chinakundlern (im weiten Sinne) und Chinesen an Wirkung. Im

9 10

Vgl. Henmann-Pillath (1989a). Naughton (1993).

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

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Vergleich hierzu muß der deutsche Einfluß schwach bleiben, denn die deutsche Chinakunde nimmt kaum auf allgemeine wirtschafts- und sozial wissenschaftliche Zusammenhänge Bezug. Abgesehen von diesen unterschiedlichen Gradienten geistiger Wirkung muß natürlich gefragt werden, wie stark eigentlich der tatsächliche Einfluß von Wirtschaftswissenschaft im allgemeinen auf die chinesische Politik ist - wobei eine Bewertung berücksichtigen sollte, daß dieser Einfluß auoh in der westlichen Welt zum Teil ambivalent, manchmal eindeutig, aber häufig auch gar nicht vorhanden ist, wie nicht zuletzt die Geschichte der deutschen Wiedervereinigung zeigte. Der Verfasser dieser Zeilen hatte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre dieser Frage bereits zwei ausführliche Studien gewidmet und war zu dem Schluß gekommen, daß ein solcher Einfluß eindeutig besteht. lI Zum Teil kann er sogar ausgeprägter sein als in anderen Ländern, gerade weil persönliche Kontakte zwischen Wissenschaftlern und Politik ausschlaggebend für seine Intensität sind. Das heißt, wenn die Meinungen selbst jüngerer Wissenschaftler auf irgendeinem Wege in das Ohr der politisch Mächtigen gelangen und auf Akzeptanz stoßen, dann können sie starke und unmittelbare Wirkung erhalten, weil sie in der personalisierten und autokratischen Herrschaftsstruktur leicht umgesetzt werden. Die Geschichte des chinesischen "Doppelgleispreissystems" und der von Deng Xiaoping im Frühsommer 1988 plötzlich befürworteten Preisliberalisierung ist sicherlich ebenso eines der interessanteren Beispiele für diesen Wirkungsmechanismus wie die "Theorie der großen internationalen Zirkulation", die für die Fortentwicklung der Öffnungspolitik unter der Ägide Zhao Ziyangs ausschlaggebend war. 12 Nicht außer acht lassen darf man in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß im Verlauf der achtziger Jahre in China auch eine wirtschaftspolitische Öffentlichkeit entstanden ist. 13 Es läßt sich an Detailuntersuchungen der chinesischen Tageszeitungen durchaus belegen, daß die tatsächliche chinesische Wirtschaftspolitik mit einer gewissen Zeitverzögerung den Themenschwerpunkten der öffentlichen Diskussion folgte und dabei durchaus auch kontroverse Positionen im Sinne eines Kompromisses widerspiegelt. Vor allem läßt sich auch ein Vorlauf progressiverer Periodika gegenüber den parteioffiziellen Organen erkennen und mithin ein Prozeß der schrittweisen Akzeptanz bestimmter Reformideen. Derartige Periodika gehören zur alltäglichen Lektüre gerade der Technokraten und Administratoren der jüngeren Generation und dürften daher zu einem indirekten Einfluß der Wirtschaftswissenschaft auf die Politik führen, da Wissen-

11

Herrmann-Pi11ath (1987), (1989a).

u FewsmithlZou (199111992); Li Fengjiang (1992). 13 Wang Hao (1992).

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Carsten Herrrnann-Pillath

schaftler in China wesentlich häufiger als etwa in Deutschland auch in Tageszeitungen publizieren. 14 Insofern darf vennutet werden, daß die Unterschiede im intellektuellen Stellenwert ordnungspolitischer Konzeptionen durchaus auch Unterschiede im tatsächlichen politischen Einfluß abbilden. Die deutsche Soziale Marktwirtschaft besitzt zwar eine bestimmte geistige Lobby in Gestalt deutschsprachiger Ökonomen in China, die mit der Verbreitung entsprechender Ideen auch im eigenen Interesse den akademischen Markt differenzieren, und es gab lange Zeit insbesondere deshalb auch ein vages allgemeines Interesse, weil hinter dem Epitheton "Sozial" eine Art "dritter Weg" vennutet wurde: Doch reichten diese spezifischen Erkenntnisinteressen kaum aus, um authentische Konzepte und Elemente der Sozialen Marktwirtschaft nach China zu übertragen.

B. Anspruch und Realitit der chinesischen Transfonnation: Marldwirtschaft mit oder ohne Attribut? L Die "soziale" Komponente im chinesischen TransfonnationsprozeB

Die These, daß Konzepte der Sozialen Marktwirtschaft ungeachtet vielfältiger Bemühungen beim deutsch-chinesischen Wissenstransfer ohne größere wirtschaftspolitische Wirkung geblieben sind, läßt sich umgekehrt auch am tatsächlichen Zustand der Ordnungspolitik in China verifizieren. Auch diesbezüglich hatte der Verfasser bereits Ende der achtziger Jahre eine relevante Studie vorgelegt und gefragt, ob die ordnungspolitische Realität Chinas den nonnativen Vorstellungen der Sozialen Marktwirtschaft gerecht wird. 15 Die Antwort war im wesentlichen negativ, hängt freilich stark davon ab, was eigentlich als nonnativer Kern der Sozialen Marktwirtschaft betrachtet wird. Diesem zweiten Gesichtspunkt wenden wir uns im nächsten Abschnitt zu. Wenn einmal auf vergleichsweise unstrittige Aspekte Bezug genommen wird, erlauben folgende Beobachtungen einfache und eindeutige Schlußfolgerungen. 1. Ein wesentlicher Aspekt der deutschen Sozialen Marktwirtschaft als Ordnung im Werden bestand darin, ein möglichst ungehindert funktionierendes Preissystem möglichst rasch zu etablieren, wobei die schrittweise Rücknahme staatlicher Interventionen in der Nachkriegszeit vor allem am Ziel der Maximie-

.4 Cheng/White (1991). " Herrrnann-Pillath (1990).

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

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rung sozialer Akzeptanz orientiert war, mit wenigen Ausnahmen also im Bereich der Produktionsmittel zügig voranschritt, im Bereich individuelllebensnotwendiger und zentraler Güter aber teilweise langsamer, wie etwa in der Wohnungswirtschaft. Das bedeutete, daß der Markt als Allokations-, aber vor allem auch als Sanktionsmechanismus für die Unternehmen und Unternehmer rasch verhaltensrelevant wurde. Unternehmerischer Lobbyismus nahm zwar unter anderem auf die Gestaltung des Wettbewerbsrechtes im Laufe der fünfziger Jahre nachteilig Einfluß, doch wurde im großen und ganzen dem Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft Rechnung gezollt, daß nur der staatlich geschützte Wettbewerb gegebenenfalls negative Auswirkungen der Laissez-faire-Wirtschaft ausschließen kann. Die chinesische Transformation ist in weitaus geringerem Maße durch diese Philosophie der Machtbeschränkung durch Wettbewerb getragen, sondern weist unter anderem das Phänomen starken Produzentenschutzes durch staatliche Interventionen auf. Die Phasenverschiebung der Preisliberalisierung ist genau umgekehrt wie im Falle der Sozialen Marktwirtschaft: Vor allem die ländliche Bevölkerungsmehrheit wurde rasch mit freien Marktpreisen im Konsumbereich konfrontiert, während besonders Großunternehmen und die Schwerindustrie durch Preiskontrollen etwa im Energiesektor geschützt blieben. Bis heute werden weitergehende Schritte etwa der Ölpreisliberalisierung nur zögerlich realisiert, weil negative Auswirkungen auf starke Interessengruppen entstehen. Diese Politik hängt freilich auch damit zusammen, daß die Kontrolle der Produzentenpreise indirekt ein Instrument der Finanzierung versteckter Arbeitslosigkeit in Staatsunternehmen ist. Insofern mag auch hier der Aspekt sozialer Akzeptanz bestimmend für die konkrete Strategie der Preisfreigabe gewesen sein, doch ist dieses Verfahren sozialer Abfederung nicht wettbewerbskonform im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, müßte doch unmittelbar auf die Lage der Betroffenen Bezug genommen werden, wenn Schutzmaßnahmen politisch gewollt sind. Insgesamt zeigte die chinesische Preisreform kein systematisches Verständnis für das Konzept einer übergreifenden Wettbewerbsordnung. Chinesische Ökonomen haben sehr früh - auch im marxistischen Kontext - das Erfordernis gesehen, die Güterallokation durch Marktpreise zu regulieren. 16 In den achtziger Jahren wurden die progressiveren Reformkonzeptionen allerdings stark durch die Frage beherrscht, welche Übergangsstrategie vom administrierten zum marktregulierten Preissystem angewendet werden sollte. Dabei spielte das Konzept des sogenannten "Doppelgleispreissystems" eine zentrale Rolle, das über einen längeren Zeitraum für gleiche Güter unterschiedliche Preise zuließ, und zwar unter einem Regime administrativer Marktspaltung. Dieses Konzept verletzt eindeutig das

" Vgl. Hsu (1991), S. 39 ff., S. 156 ff..

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Carsten Hemnann-Pillath

Prinzip der Wettbewerbskonformität und hatte entsprechend nachteilige Folgen für den Wettbewerbsprozeß, etwa in Gestalt endemischer Korruption. 17 Es war unter anderem von jüngeren Ökonomen vertreten worden, die das Problem der Preisliberalisierung zunächst auf den Allokationsaspekt verkürzten, und erst nach den gewonnenen negativen Erfahrungen die Interdependenz einzelner Transformationsschritte in Wirtschaft und Gesellschaft betonten. 18 2. Das Doppelgleispreissystem ist nur ein Aspekt der nachhaltigen sozialen Diskriminierungen, die mit der chinesischen Transformation einhergehen und einhergingen. Es ist sicherlich strittig, in welchem Umfang "soziale Sicherung" im Sinne staatlich organisierter oder gar finanzierter Vorsorge und Fürsorge ein notwendiges Element Sozialer Marktwirtschaft ist. Unstrittig ist aber, daß das Sicherungsniveau, das jeweils als ordnungskonstitutiv angesehen wird, ohne Diskriminierung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppenjedermann bereitgestellt werden muß. In China ist jedoch die ländliche Bevölkerung systematisch gegenüber der städtischen diskriminiert: Beispielsweise bewegt sie sich innerhalb eines Arbeitsmarktsegmentes, das nahezu vollständig liberalisiert und frei von staatlichen Regulierungen, aber auch von gesetzlicher Gestaltung ist, und das entsprechend "frühkapitalistische" Verhältnisse aufweist. Die städtische Bevölkerung dagegen monopolisiert ein Arbeitsmarktsegment mit sozialpolitischen Privilegien, Beschäftigungsgarantien und hohen Markteintrittsbarrieren etwa für Ortsfremde. 19 Die Diskriminierung der ländlichen Bevölkerung ist also eng mit staatlichen Interventionen in den Wettbewerb verbunden, wobei gerade die diffusen und oft willkürlichen Eingriffe in den Preismechanismus zu einer einseitigen Verschiebung der Lasten der Transformation auf die Bauern führen. Chinas Politik wiederholt hier im wesentlichen die Diskriminierung ländlicher Räume durch urbane Eliten, die für viele Länder der Dritten Welt typisch ist. Während der Ära Mao stellte die Kollektivierung und Planung der Landwirtschaft den Rahmen für die Umverteilung zwischen Land und Stadt, während der Ära Deng die differentielle Inflationssteuer. 20 3. Ordnungskonstitutiv für die Soziale Marktwirtschaft ist auch die klare Trennung zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht, und zwar zunächst einmal unabhängig von der Frage nach der Demokratie: Im engeren Sinne geht es also darum, Dysfunktionen des Wettbewerbs auszuschließen, die durch die Vermachtung von Märkten entstehen und die besonders virulent sind, wenn sich wirtschaftliche in politische Macht und umgekehrt transformiert. Der chinesische

Vgl. Ishihara (1993), S. 113 - 120. Hemnann-Pillath (1991), S. 187 - 205. 19 Siehe z.B. Christiansen (1992). zo Hemnann-Pillath (1991), S. 657 - 675.

17 11

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

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Systemwandel kennt derartige Schutzmechanismen nicht, ja im Gegenteil scheint es, daß die Aufhebung der klaren Trennung politischer und wirtschaftlicher Positionen zu den Strategien des Wandels selbst gehört: Funktionäre werden zu Unternehmern, indem sie ihre bestehenden Kompetenzen in bare Münze umsetzen und etwa öffentliche Büros in Unternehmen umwidmen, Unternehmer werden lokal und national durch die Partei kooptiert und gewinnen so Zugang zu politischen Privilegien. Wenn auch die chinesische Regierung immer wieder gegen diese mangelnde institutionelle Differenzierung zwischen Wirtschaft und Politik vorgegangen ist, wurde nie eine ordnungspolitische Grundsatzentscheidung gefällt. Hier spielten auch Sachzwänge eine Rolle, denn beispielsweise konnte die unternehmerische Metamorphose des Funktionärs durchaus zur Lösung des Problems beitragen, daß die öffentliche Verwaltung große Personalüberhänge kennt und sich staatlicherseits kaum Beschäftigungsalternativen fanden. Doch wurde der Prozeß nie durchgreifend gesetzlich reguliert, etwa hinsichtlich der endgültigen Aufhebung des Funktionärsstatus für solche Personen, die eindeutig vornehmlich unternehmerische Funktionen ausüben. Die Verschmelzung politischer mit wirtschaftlicher Macht wird bislang nicht als grundlegendes Problem der Etablierung einer Wettbewerbsordnung gesehen: Das künftig vielleicht folgenreichste Beispiel ist die wechselseitige Kooptation wirtschaftlicher Eliten Hong Kongs und politischer Eliten der VR China, die längst zu einer Symbiose von Großkapital und kommunistischer Partei geführt hat: Hong Kongs Wirtschaft wird immer undurchsichtiger beherrscht von Netzwerken zwischen dem "zhong zi", dem "festländischen Kapital" und den örtlichen Tycoons, die nicht zuletzt auch dem weiterreichenden Demokratisierungsverlangen liberaler Kräfte in Hong Kong kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. 4. Die mangelnde Separierung der Wirtschaft von der Politik hängt auch mit der bislang unzureichenden ordnungspolitischen Gestaltung des Staates als Fiskus zusammen. Damit war und ist eine der wichtigsten Ordnungsbedingungen der Sozialen Marktwirtschaft in China nicht erfüllt, nämlich die Berechenbarkeit, Verläßlichkeit und Billigkeit des Staatshandeins. Auch hier scheinen vor allem die Verhältnisse auf dem Lande zum Teil chaotisch, zum Teil aber auch von Machtmißbrauch und staatlichem Zerfall geprägt. Aber auch andere Bereiche fiskalischen Handeins, wie etwa hinsichtlich der Beziehungen der Gebietskörperschaften untereinander, lassen bislang klare Linien vermissen. Diese Verhältnisse scheinen vor allem damit zusammenzuhängen, daß die Gestaltung des Staates als Steuerstaat nicht als ordnungspolitisches Problem betrachtet wurde und damit als eine verfassungsrechtliche Aufgabe ersten Ranges, sondern mehr oder weniger als praktisches Detailproblem der Politik, das entsprechend in der Realität durch kurzfristiges Reagieren auf akute fiskalische Notlagen und vor allem administrative Verteilungskonflikte geprägt war. Im

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Zusammenhang mit den Irrungen und Wirrungen der Preisreform und den entsprechend hohen Subventionslasten nahm daher die Fähigkeit des Staates zunehmend ab, Staatsaufgaben angemessen zu realisieren. Ungeachtet der sicherlich strittigen Definition solcher Aufgaben im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft - also insbesondere hinsichtlich des gebotenen Grades der Umverteilung - muß die Erosion der Staatsfinanzen während der Transformation als grundsätzlicher Gestaltungsfehler betrachtet werden. So hat etwa die mangelnde Einsicht in das Erfordernis, funktionsfähige finanzföderalistische Regeln einzurichten, die auch einen stabilen Rahmen für die Umverteilung von Finanzmitteln zwischen den Provinzen bieten, zur Folge gehabt, daß letzten Endes das Umverteilungspotential selbst immer geringer geworden ist. 21 Erst mit der Steuerreform des Jahres 1994 tritt der deutliche Wille der Politik hervor, in diesem Bereich klare ordnungspolitische Schritte zu tun. 5. Die ordnungspolitische Vernachlässigung der Finanzpolitik trug wesentlich zum Dauerzustand fiskalischer Instabilität, mithin aber auch monetärer Instabilität während der Transformation bei. Die Sicherung des Geldwertes gehört ohne Zweifel zu den Wesenselementen der Sozialen Marktwirtschaft, da nur ein stabiler Geldwert etwa die wirksame Realisation des Subsidiaritätsprinzips erlaubt: Vor- und Fürsorge in privater Eigeninitiative ist nur dann planungssicher möglich, wenn Vertrauen in den zukünftigen Wert des Geldes besteht. In Chinas Transformation sind jedoch inflationäre Zyklen und Kontrolldefizite der monetären Steuerung nicht nur endemisch, sondern scheinen teilweise sogar eine strategische Rolle zu besitzen: Zwischen 1992 und 1994 hat ein inflationärer Boom den Systemwandel vorwärtsgetrieben, obgleich die Gefahren den Verantwortlichen durchaus bewußt waren. Zudem waren Chinas inflationäre Zyklen immer auch mit ordnungspolitischen Kurswechseln verbunden, da bis heute administrative Interventionen in Kreditapparat, Geldmarkt und den Außenwirtschaftsverkehr zu den wirksamsten Mitteln monetärer Steuerung gehören. In der Vergangenheit wurde die Anwendung solcher Instrumente immer auch durch Machtverschiebungen zwischen "progressiven Reformern" und "konservativen Planem" abgestützt, so daß ambivalente Signale selbst für Bereiche der Wirtschaft entstanden, die eigentlich nicht betroffen waren. Andererseits waren inflationäre Schübe immer auch mit Reformbewegungen, geradezu Kampagnen, verbunden, die "ratchet-Effekte" erzeugten und die Reform schrittweise in Richtung Marktwirtschaft vorwärtstrieben, wie etwa der Schub seit Deng Xiaopings "Reise nach Süden" im Frühjahr 1992 zeigte, als unter anderem rasche, teilweise staatlich unregulierte Liberalisierungsmaßnahmen im Bereich des Kapitalmarktes landesweit erfolgten, gleichzeitig aber die Geldpolitik in die Rolle des passiven Anpassers gedrängt wurde.

Zl

Kojima (1992).

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

30 I

Allein die hier genannten Punkte zeigen, daß Chinas Transfonnation weder real- noch idealtypisch wesentliche Elemente der Sozialen Marktwirtschaft aufweist. Die Beispiele wurden bewußt in einer Weise ausgewählt, daß die in Deutschland hitzig diskutierten Fragen zum Stellenwert der Sozialpolitik für die Soziale Marktwirtschaft irrelevant bleiben. Konzepte wie der staatliche Schutz der Wettbewerbsordnung, die Trennung zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht oder die Konstanz der Wirtschaftspolitik auch im Bereich des fiskalischen Handeins sind einerseits bestimmend für die deutsche Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft in der Nachkriegszeit gewesen und sind andererseits von politisch konkurrierenden Interpretationen dieser Idee kaum in Zweifel gezogen worden. Insofern dürfte die Annahme in der Tat bestätigt werden, daß ungeachtet aller Aktivitäten zum deutsch-chinesischen Wissenstransfer der tatsächliche wirtschaftspolitische Wirkungsgrad gering blieb. Beispiele wie der starke deutsche Einfluß auf das chinesische Patentrecht liegen zumeist außerhalb der Kernbereiche Sozialer Marktwirtschaft, soweit diese sich von anderen Fonnen marktwirtschaftlicher Ordnung unterscheidet. Genau dieses Problem mag aber auch aufgeworfen werden, wenn die bislang betrachteten Aspekte der chinesischen Transfonnation dahingehend hinterfragt werden, ob sie in hinreichender Weise spezifisch für die Soziale Marktwirtschaft in Abgrenzung zu anderen Fonnen marktwirtschaftlicher Ordnung sind. Wer in der Tat die aktive Sozialpolitik als wesentliches Abgrenzungskriterium betrachtet, muß dies eher verneinen. Um diesen Punkt abzuklären, muß die Fragestellung nochmals in anderem Lichte betrachtet werden.

IL Soziale Maddwirtschaft als Instrument zur Venvirldichung und zum Schutz der Marldwirtschaft: Chinas Transformation als strategisches Problem

Für viele deutsche Ökonomen ist die Soziale Marktwirtschaft inzwischen ein Pleonasmus, der eigentlich nur dazu dient, überufernde staatliche Interventionen im weiteren Bereich der Sozialpolitik zu rechtfertigen. 22 Die Stoßrichtung der Überlegungen wird dann oft radikal umgekehrt, indem "Marktwirtschaft" an sich als "sozial" bezeichnet wird, freilich unter der Bedingung etwa eines aktiven staatlichen Schutzes der Wettbewerbsordnung, so daß "Marktwirtschaft" durchaus nicht einfach mit "Laissez-faire-Wirtschaft" gleichgesetzt wird. Diese Auseinandersetzung wirft nun für unser Thema beträchtliche Schwierigkeiten auf, denn erstens ist es durchaus ausschlaggebend für die Analyse, ob eine umfang-

22

Zum folgenden vor allem Wünsche (1994).

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Carsten Herrmann-Pillath

reiche sozialpolitische Aktivität das distinktive Merkmal der Marktwirtschaft als "Soziale" ist oder nicht, und zweitens muß nun auch berücksichtigt werden, daß eine "Soziale Marktwirtschaft" gleich welcher Prägung nicht ohne konkreten Bezug auf historische Entwicklungsbedingungen der Wirtschaft mit Inhalt gefüllt sein kann. Auch wer etwa umfangreiche staatliche Sozialpolitik als der Sozialen Marktwirtschaft wesentlich erachtet, wird bei der konkreten Beurteilung der chinesischen Verhältnisse sicherlich ein anderes Maß an staatlicher Sicherung für "sozial" halten als im Falle der Bundesrepublik Deutschland. Aus der Sicht der Sozialen Marktwirtschaft als Legitimationsmodell unter bestimmten historischen Bedingungen kommt dann die zusätzliche Unwägbarkeit hinzu, daß die praktische Schaffung gesellschaftlicher Akzeptanz in verschiedenen Weltregionen und historischen Zusammenhängen jeweils andere staatliche Maßnahmen erfordern mag, bis hin zu massiven Umverteilungsprogrammen. Wie läßt sich dann aber die Grenze zwischen Sozialpolitik als "Strategie zur Einführung der Marktwirtschaft" und der Sozialpolitik als Ordnungsprinzip eindeutig ziehen? Beide genannten Punkte verkomplizieren die Analyse des chinesischen Falls beträchtlich: Zunächst ist also nach dem Stellenwert sozialpolitischen Handeins während der Transformation und für den Endzustand der Transformation zu fragen, und dann ist der strategische Gehalt der chinesischen Wirtschaftspolitik aufzudecken. In beiden Fällen geht es nun aber nicht mehr darum, mögliche tatsächliche Wirkungen des Konzeptes der "Sozialen Marktwirtschaft" in China nachzuweisen, sondern die chinesischen Erfahrungen vor dem Hintergrund des allgemeinen Ordnungskonzeptes zu bewerten. Wenden wir uns zunächst der chinesischen Sozialpolitik zu, mit der sich der Verfasser wiederholt befaßt hat, dann ist zunächst erneut auf den Tatbestand ausgeprägter Diskriminierung zwischen städtischen und ländlichen Räumen hinzuweisen. Innerhalb des herkömmlichen Wirtschaftssystems diente Sozialpolitik vor allem der Privilegierung der Stadtbewohner, freilich mit dem Ziel, Akzeptanz des sozialistischen Systems zu sichern, und nicht zuletzt auch als Herrschaftsinstrument, und zwar in Gestalt der Monopolisierung von Sicherungsleistungen in den Händen der Partei. Dieses System wirkt bis heute fort, allerdings zunehmend auch differenziert zwischen verschiedenen Schichten der städtischen Bevölkerung (etwa zwischen staatseigener und sogenannter "kollektiver" Industrie). Wachsende Einkommensdisparitäten und die sichtbare Verarmung bestimmter Teile der Bevölkerung sind von Beobachtern häufig kritisch verzeichnet worden. Hier soll jedoch diese anscheinend zweifelhafte Performanz der chinesischen Sozialpolitik nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Vielmehr ist die fast ebenso selbstverständliche Einsicht zu würdigen, daß die Ausgangsbedingungen der chinesischen Transformation kaum den Aufbau umfassender sozialer Sicherungssysteme ermöglicht hätten. Weder war zu Beginn der achtziger Jahre

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

303

das ordnungspolitische Know-how vorhanden, um etwa die Umstellung der betriebsgebundenen Sicherungssysteme auf entweder Umlage- oder Kapitaldekkungsverfahren in der Altersversorgung möglichst reibungsfrei und vor allem langfristig volkswirtschaftlich effizient bewerkstelligen zu können, noch waren in den meisten Teilen des Landes entsprechende Umverteilungs- und Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden, sieht man von der bestehenden, allerdings kaum pekuniär greifbaren Diskriminierung der Landwirtschaft ab. Vor diesem Hintergrund läßt der Tatbestand jene chinesische Erfahrung in positiverem Lichte erscheinen, daß viele Einzelrnaßnahmen auf lokaler und regionaler Ebene, die gerade nicht in die klare Form einer "staatlichen Sozialpolitik" gegossen worden sind, durchaus dem Gedanken der Subsidiarität in der Sozialen Marktwirtschaft gerecht werden. 23 Häufig steht das Ziel im Vordergrund, durch gezielte Förderung die Hilfe zur Selbsthilfe zu aktivieren, also etwa regionale Einkornrnensdisparitäten nicht nur durch Transfers abzumildern, für die ohnehin keine ausreichenden Mittel vorhanden sind, sondern vor allem durch die Einräumung von Steuerbefreiungen oder Sonderbedingungen für Unternehmen aus den ärmeren Gebieten. Solche Bemühungen gibt es auch auf der Ebene von Provinzen, ohne daß gleichzeitig eine systematische Umverteilung von reichen zu armen Provinzen stattfände. 24 Insgesamt scheint durchaus das Subsidiaritätsprinzip ein Leitmotiv der Wirtschaftspolitik zu sein, ohne natürlich in die spezifische deutsche Terminologie gegossen zu werden. Innerhalb der chinesischen Kulturtradition gibt es Wurzeln für ein entsprechendes Ordnungsverständnis: Die traditionelle Gesellschaftsordnung des Kaiserreiches kannte eine politisch und weltanschaulich bewußt formulierte Tradition der Förderung individueller Selbsthilfe im Kontext von Familie und Gemeinschaft; zudem hat sich der chinesische Staat bereits in einer frühen Phase der Transformation auf Verfassungsebene einer absoluten sozialstaatlichen Verpflichtung entledigt. Inzwischen scheint selbst der städtische Raum vermehrt von der Eigeninitiative der Individuen geprägt zu sein, denn es findet eine Abwanderung aus der staatlichen Wirtschaft in die Privatwirtschaft statt, indern Staatsangestellte zweite und dritte Tätigkeiten aufnehmen. Noch stellt die staatli che Anstellung eine Art sozialer Grundsicherung dar, aber letzten Endes könnte ein sozial vergleichsweise reibungsarmer Wandel der Beschäftigungsstruktur das Ergebnis sein. 2S Freilich liegt dies noch in der Zukunft, wie etwa die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Reform des betriebsgebundenen Wohnungsbaus zeigen.

23

Vgl. Lyons (1992).

2'

Yukawa (1992).

23

V gl. Davis (1992).

Carsten Henmann-Pillath

304

Dieses Beispiel zeigt andererseits, daß die chinesische Transformation in hohem Maße durch strategische Fragen geprägt ist, also die Wirtschaftspolitik letzten Endes an zwei Zielen orientiert ist, nämlich wie wirtschaftliches Wachstum durch Systemwandel zu möglichst geringen Kosten erreicht werden kann und wie auf diesem Wege auch die Position der derzeitigen politischen Eliten bewahrt bleibt. 26 Strategische Überlegungen beziehen sich also zum einen auf die Minimierung der Transformationskosten im individuellen Kalkül der Machthaber als solcher, da aber diese Kosten zum Teil durch die Reaktionen aller Bevölkerungsteile auf die Wirtschaftspolitik bestimmt werden, werden auch die Kostenkalküle anderer Betroffener berücksichtigt. So bleiben etwa die urbanen Privilegien länger erhalten, weil die Anpassungslasten für die Stadtbewohner eindeutig subjektiv höher ausfallen, und weil eine politische Artikulation des Mißfallens leichter fällt, während im ländlichen Raum hauptsächlich Diskriminierungen abzubauen sind (also keine direkten Transformationskosten auftreten), andererseits aber politische Artikulationskanäle dünn gesät und weniger effektiv sind. Insofern mag zunächst ein generelles Defizit an ordnungspolitischer Orientierung auch bezüglich des "Sozialen" verzeichnet werden. Wer jedoch Soziale Marktwirtschaft seinerseits als Strategie zur Einführung und zum Schutz der Marktwirtschaft versteht, wird dies vielleicht nicht als Prinzipienlosigkeit empfinden. In der Transformationsdiskussion spielen strategische Fragen hauptsächlich im Kontext der Alternativen "Schocktherapie" und "Gradualismus" sowie des "Sequencing" eine Rolle. In beiden Fällen blieb die Auseinandersetzung mit dem Akzeptanzproblem auch im Kontext der Sozialpolitik eher peripher. China wird gewöhnlich als ein Erfolgsbeispiel des Gradualismus betrachtet, freilich unter den gegebenen besonderen Ausgangsbedingungen. Tatsächlich mögen viele Betrachter versucht sein, die chinesische Transformation als ausgeklügelte Strategie zur Einführung der Marktwirtschaft darzustellen, die gerade wegen des Verzichtes auf Transformationsprogramme und entsprechende Ankündigungen von Transformationslasten (etwa Arbeitslosigkeit als notwendige Folge von Privatisierungen) eine hohe soziale Akzeptanz der Veränderungen erreicht hat. Hier unterscheidet sich China deutlich von der schockhaften Einführung der Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland, während andererseits die herausragende Rolle politischer Führung in beiden Fällen offensichtlich ist, wobei im chinesischen Fall selbst das Bild vom "wohlwollenden Diktator" sicherlich angesichts des Jahres 1989 überstrapaziert würde, obgleich die gegenwärtige weltpolitische - auch deutsche - Anerkennung der damals Verantwortlichen genau dies vollzieht.

Z6

Vgl. Krug (1993), S. 79 - 138.

Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im Transformationsprozeß Chinas?

305

In jedem Fall erklären strategisches Handeln und politische Führung viele Aspekte des offensichtlichen chinesischen Erfolges etwa im Bereich der Außenwirtschaftspolitik. 27 Problematisch ist nur, daß beides sich mit Sicherheit nicht auf die Zielsetzung bezog, eine Marktwirtschaft sei es mit, sei es ohne Attribut einzuführen. Während die deutsche Soziale Marktwirtschaft historisch gerade durch den Willen der Verantwortlichen getragen wurde, auch gegen anders gerichtete starke politische Strömungen, eine Marktwirtschaft im strengen Sinne einzurichten, ist dies nachweislich in China nur für einen kleineren Teil der Verantwortlichen seit Ende der achtziger Jahre der Fall. Dies erklärt auch, warum viele ordnungspolitische Entscheidungen in Richtung Marktwirtschaft erst ex post factum gefällt wurden, also im Grunde Reaktionen auf Fehlentwicklungen sind: So beispielsweise die Abschaffung des gespaltenen Wechselkurssystems und der Übergang zum "Managed floating" zu Beginn des Jahres 1994. Zwar ließe sich nachträglich die Sequenz der Reformschritte unter Umständen als "gradualistischer Master-Plan" rekonstruieren, doch würde hier, wenn überhaupt, die List der Geschichte nachgebildet, nicht aber der Verstand der Entscheidungsträger. Insofern bleibt auch vom Argument nicht viel Substanz, Chinas Transformation als Fall der strategischen "Sozialen Marktwirtschaft" zu werten. Nun könnte freilich der Spieß auch umgedreht werden: Chinas bisheriger Erfolg mag nahelegen, daß gerade diejenigen Aspekte der Sozialen Marktwirtschaft, die hier als wesentliches distinktives Merkmal gewertet wurden, gar nicht essentiell für eine wirkungsvolle Einführung der Marktwirtschaft sind. Dann würde allerdings das "Soziale" der Sozialen Marktwirtschaft jeglicher konkreter Inhalte beraubt. Es stellt sich die Frage, ob marktwirtschaftliche Dynamik gerade in Phasen weitreichender gesellschaftlicher Umbrüche vielleicht notwendig mit vielen Erscheinungen einhergeht, die aus der Perspektive gereifter Marktwirtschaften problematisch erscheinen, wie der "Manchester-Kapitalismus" oder die "Räuberbarone" Amerikas. Soziale Marktwirtschaft wäre dann ein superiores öffentliches Gut, das in solchen Frühphasen der Entwicklung gar nicht in dem Umfang produziert werden kann und produziert werden sollte. Diese Frage kann hier jedoch nur aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden.

27

Vgl. Song (1994).

20 FS Gutmann

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Carsten Hemnann-Pillath

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Schriftenverzeichnis von Gemot Gutmann

10. Grundfragen der Wirtschaft und Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft, in: Mück, J., Hg., Die Wirtschaftsgesellschaft, Bad Wildunger Beiträge zur Gemeinschaftskunde, Band 1, Wiesbaden 1969, S. 31 - 38. 11. Wissenschaftstheoretische Kritik der Zwangsläufigkeitsthese nach K. R. Popper, in: Blaich, F./Bog, I./Gutmann, G.lHensel, K. P., Wirtschaftssysteme zwischen Zwangsläufigkeit und Entscheidung, Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen, hg. von K. P. Hensel und K. Pleyer, Band 18, Stuttgart 1971, S. 63 - 76. 12. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Internationale Wirtschaftsbeziehungen und wirtschaftliche Integration als ökonomische Probleme, in: Mück, J., Hg., Die Wirtschaftsgesellschaft, Bad Wildunger Beiträge zur Gemeinschaftskunde, Band 4, Wiesbaden 1970, S. 181 - 216. 13. Individuelle Freiheit, Macht und Wirtschaftslenkung. Zur neoliberalen Konzeption einer marktwirtschaftlichen Ordnung, in: Cassel, D./Gutmann, G./ Thieme, H. J., Hg., 25 Jahre Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Konzeption und Wirklichkeit, Stuttgart 1972, S. 3 - 17. 14. Formen der betrieblichen Ergebnisrechnung und ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen, in: WiSt, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 2, Februar 1973, S. 58 - 64 und S. 99. 15. Die Steuerungsfunktion freier Märkte, in: Marktwirtschaft von A - Z, Das wirtschaftspolitische Nachschlagewerk, Teil 6, Synopsis: Was ist ein Markt?, München 1973, S. 14 - 20. 16. Kritik an grundlegenden Positionen der Politischen Ökonomie von Karl Marx, in: Mück, J., Hg., Politische Ökonomie, FrankfurtlNew York 1977, S. 216 - 242 und S. 252 - 254. 17. Investitionskontrollen? Volkswirtschaftliche undgesellschaftspolitische Konsequenzen, in: Harbusch, P./Wiek, D., Hg., Marktwirtschaft, Stuttgart 1975, S. 79 - 93. 18. /Klein, W./Paraskewopoulos, Sp./Winter, H., Die Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart, New York 1976, 2. Auflage, Stuttgart, New York 1979.

19. Ordnungspolitische Aspekte überbetrieblicher Investitionsplanung - Vereinbarkeit mit der Marktwirtschaft?, in: Besters, H.lFreudenfeld, B./Gutmann, G.lHenschel, R./Meißner, W.rrross, W./Vogel, 0., Investitionslenkung - Bedrohung der Marktwirtschaft?, hg. vom Institut der deutschen Wirtschaft,' Köln 1975, S. 71 - 101. 20. Marktwirtschaft und freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung, in: Zeitschrift für Politik, Heft 4/1975, S. 338 - 354.

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21. Das Beschäftigungsoptimum für den Produktionsfaktor Arbeit in der marktsozialistischen Unternehmung - Eine modelltheoretische Betrachtung -, in: Watrin, eh., Hg., Studien zum Marktsozialismus, Schriften des Vereins für Socia1po1itik, N.F., Band 86, Berlin 1976, S. 9 - 34. 22. Funktionsprobleme der sowjetischen Zentralverwaltungswirtschaft, in: ORDO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 28, Stuttgart, New York 1977, S. 78 - 107. 23. Zur wirtschaftlichen Konzeption des demokratischen Sozialismus - Kritische Anmerkungen aus ordnungspolitischer Sicht -, in: Politische Studien, Zur Auseinandersetzung mit dem Sozialismus, 26. Jg., Heft 228/1976, S. 345 354. 24. Markt und Partizipation, in: Engels, W., Hg., Neue Wege in der Arbeitswelt, Horst Knapp zum 60. Geburtstag, Frankfurt/New York 1976, S. 198 - 208. 25. Produktionswirtschaft und Wirtschaftssysteme, in: Kern, W., Hg., Handwörterbuch der Produktionswirtschaft (HwProd), Stuttgart 1979, Sp. 1670 1678. 26 Volkswirtschaftslehre. Eine ordnungstheoretische Einführung, Stuttgart 1981, 2. Aufl. 1987,3. Auflage 1990,4. Auflage 1991,5. Auflage 1993. 27. Beziehung zwischen staatlicher Planung und der Allokation über den Markt Zum Problem der Wettbewerbskonformität von Wirtschaftspolitik -, in: Duwendag, D./Siebert, H., Hg., Politik und Markt. Wirtschaftspolitische Probleme der 80er Jahre. Hans Karl Schneider zum 60. Geburtstag, Stuttgart, New York 1980, S. 252 - 257. 28. Das Beschäftigungsproblem in kollektivistischen Wirtschaftsordnungen, in: Gemper, B. B., Hg., Stabilität im Wandel. Wirtschaft und Politik unter dem evo1utorischen Diktat, Festschrift für Bruno Gleitze zum 75. Geburtstag, Berlin, München 1978, S. 77 - 92. 29. Marktwirtschaft, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Band 5, Stuttgart, New York 1980, S. 140 - 153. 30. Wirtschaft der DDR, Die, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Band 8, Stuttgart, New York 1980, S. 735 - 762. 31. Zentralgeleitete Wirtschaft, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Band 9, Stuttgart, New York 1982, S. 599 - 616. 32. Kriterien des Vergleichs von Wirtschaftssystemen, in: Wöhlke, W., Hg., Probleme des Wirtschaftssystems, der Integration und der Industrieentwicklung in Polen und der Tschechoslowakei, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Ostmitteleuropa-Studien, Heft 1, MarburglLahn 1980, S. 9 - 20.

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33. Zum Problem der Ordnungskonformität wirtschaftspolitischen Handeins, in: wisu, das wirtschaftsstudium, Teil 1: 9. Jg., Nr. 3, März 1980, S. 137 - 142, Teil 2: 9. Jg., Nr. 4, April 1980, S. 190 - 193 und S. 204. 34. Volkswirtschaftslehre, Wolfenbüttel 1980, 2. Auflage 1990, unter Mitarbeit von: Beier, J./Derix, H.-H./Klein, W./Paraskewopoulos, Sp .. 35. Die Rolle des Unternehmers bei den sich ständig wandelnden Daten der Wirtschaftspolitik, in: Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e.V., Hg., ASM Bulletin, Nr. I, Heidelberg 1978. 36. Investitionen und Wirtschaftsordnung, in: Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen, Hg., FS-Analysen, Nr. 611978, S. 7 - 27. 37. Beschäftigungsprobleme im Sozialismus, in: Wirtschaftsdienst, Wirtschaftspolitische Monatsschrift, 59. Jg., Nr. 311979, S. 135 - 140. 38. Employment Problems under Socialism, in: Intereconomics, March/April 1979, S. 96 - 100. 39. Stichworte: Wirtschaftsordnung, Wirtschaftssystem, in: Sellin, R./Sellin, H., Hg., Gablers Wirtschaftslexikon (Teil L - Z), Wiesbaden 1979, Sp. 2230 2236 und Sp. 2263 - 2264. 40. Die Argumente vom Wandel durch Handel, in: Schüller, A./Wagner, U. Hg., Außenwirtschaftspolitik und Stabilisierung von Wirtschaftssystemen, Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen, Band 28, Stuttgart, New York 1980, S. 51 - 64. 41. Stichwort: Ordnungspolitik, in: Kaiser, F.-J./Kaminski, H., Hg., Wirtschaft, Handwörterbuch zur Arbeits- und Wirtschaftslehre, Bad Heilbrunn/Obb. 1981, S. 216 - 218. 42. Wirtschaftsordnung und Wirtschaftssystem. Die Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland und die Zentralverwaltungswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik im Vergleich, in: Politik und Kultur, 8. Jg., Heft 111981, S. 46 - 57 und Heft 211981, S. 39 - 46. 43. Die DDR-Wirtschaft am Beginn der 80er Jahre: Fortschritt durch Intensivierung?, in: Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen, Hg., FS-Analysen, Nr. 811981, S. 7 - 37. 44. Die europäischen COMECON-Staaten zwischen Wirtschaftskrise und Reformzwang, in: Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., Hg., Orientierungen 1111982, S.II-19.

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45. Intensiviertes Wachstum - Strategie der DDR für die achtziger Jahre, in: Institut der deutschen Wirtschaft, Hg., Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Heft 10011982. 46. Germany as a testing ground, in: Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, Hg., Tagungsband (nur den Tagungsmitgliedern zugänglich) The Pelerin Society, General Meeting 5th - 10th September, Berlin 1982. 47. Theoriedefizite der Wirtschaftspolitik in West und Ost, in: Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen, Hg., FS-Analysen Nr. 511983, S. 7 - 22. 48. Die Wirtschaftsordnung der DDR im Reformexperiment - Bemerkungen aus theoretischer Sicht, in: Derselbe, Hg., Das Wirtschaftssystem der DDR. Wirtschaftspolitische Gestaltungsprobleme, Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen, Band 30, Stuttgart, New York 1983, S. 3 - 19. 49. Prinzipios basicos de diferentes sistemas conelregimen de economia de mercado, in: Instituto de Solidaridad International, Fundacion Konrad Adenauer, Hg., Caracteristicas deI Sistema de la Economia Social de Mercado, Montevideo 1983, S. 7 - 14. 50. Wirtschaftliche Aktivitätsschwankungen in der Zentralverwaltungswirtschaft - Ansätze zur Erklärung eines wenig beachteten Phänomens, in: Enke, H./ Köhler, W./Schulz, W., Hg., Struktur und Dynamik der Wirtschaft, Festschrift zum 60.Geburtstag von Karl Brandt, FreiburglBr. 1983, S. 339 - 357. 51. Probleme des Vergleichs alternativer Wirtschaftssysteme. Dargestellt am Beispiel Bundesrepublik DeutschlandlDDR, in: Zieger, G., Hg., Recht, Wirtschaft, Politik im geteilten Deutschland, Festschrift für Siegfried Mampel zum 70. Geburtstag am 13. September 1983, Köln, Berlin, Bonn, München 1983, S. 271 - 295. 52. Zur Ordnungskonformität von Wirtschaftspolitik in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs, Rektoratsrede anläßlich der Übernahme des Rektoramtes der Universität zu Köln, in: Kölner Universitätsreden, Nr. 60, Köln 1983, S. 5 - 30. 53. /K le in, W., Wirtschaftspolitische Konzeptionen sozialistischer Planwirtschaf-

ten, in: Cassel, D., Hg., Wirtschaftspolitik im Systemvergleich. Konzeption und Praxis der Wirtschaftspolitik in kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftssystemen, München 1984, S. 93 - 116.

54. Effizienz steigern - aber wie? Bemerkungen aus der Sicht der Hochschule, in: Institut der deutschen Wirtschaft, Hg., Streitsache: Effizienz der Hochschule, Köln 1984, S. 98 - 124.

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55. Defizite der theoretischen Grundlagen für ordnungspolitische Reformen in der DDR, in: Göttinger Arbeitskreis, Hg., Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftspolitik der DDR, Studien zur Deutschlandfrage, Bd. 8, Berlin 1984, S. 27 - 42. 56. Diskussionsbeitrag, in: Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., Hg., Symposion XII: Eigentum als Grundrecht und Element der ordnungspolitik, mit Beiträgen von Ernst Benda, Helmut Leipold u.a., Stuttgart-New York 1984, S. 42 f.. 57. Konkurrenz der Systeme. Die Wirtschaft der DDR und der Bundesrepublik Deutschland - Ein Vergleich, in: Akademie für Erwachsenenbildung, Hg., Ausgewählte Vorträge, Köln 1984 (als Manuskript gedruckt). 58. Marktwirtschaft und Wettbewerb in Industriegesellschaften, in: Heck, B., Hg., Arbeit - ihr Wert ihre Ordnung, Mainz 1984, S. 111 - 125. 59. Professor Dr. Karl C. Thalheim zum 85. Geburtstag, in: Deutschland Archiv, Zeitschrift für Fragen der DDR und der Deutschlandpolitik, 18. Jg., Heft 5, Köln 1985, S. 487 - 489. 60. Arbeiterselbstverwaltung im Unternehmen. Zur ökonomischen Problematik eines humanitären Prinzips, in: Rauscher, A., Hg., Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft, Berlin 1985, S. 37 - 119. 61. Reactivaci6n: entre liberales y estatistas, in: Lideazgo. En 1a conduccionLatinamericana, ano 1, No. 3, Septembre 1985, p. 14 - 17. 62. Ordnungskonformität von Wirtschaftspolitik in Marktwirtschaften und Zentralverwaltungswirtschaften, in: Gutowski, A.lMolitor, B., Hg., Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 31. Jahr, Tübingen 1986, S. 49 - 62. 63. Acerca de la cuesti6n de la transferibilidad de la Economia Social de Mercado a los paises de America Latina, in: CIEDLA, Hg., Contribuciones. Estudios Interdisciplinarios sobre Desarrollo y Cooperaci6n Internacional. Dossier' 86, Buenos Aires 1986, S. 43 - 46. 64. Geld und Währung im Wirtschaftssystem der DDR. Aufgaben, Planungund Funktionsprobleme, in: Politik und Kultur, 13. Jg., Heft 6/1986, S. 51 - 78. 65. Systemvergleich als Forschungsfeld der Wirtschaftswissenschaft - Definitionen, Kriterien und wissenschaftstheoretische Fundierung: Ein Überblick über offene Probleme, in: Derselbe, Hg., Methoden und Kriterien des Vergleichs von Wirtschaftssystemen, Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Bd. 18, Berlin 1987, S. 11 - 52.

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66. "Ökonomische Hebel" in Zentralverwaltungswirtschaften - Ersatz für Marktpreisbildung? In: Borchert, M./Fehl, U./Oberender, P., Hg., Markt und Wettbewerb, Festschrift für Ernst Heuß zum 65. Geburtstag, Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Bd. 47, Bern und Stuttgart 1987, S. 569 - 580.

67. ISchüller, A., Grundsachverhalte und Grundfragen des Wirtschaftens in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hg., Materialien zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland 1987, Bonn 1987, S. 1 - 10. 68. Die Planung und Lenkung der Wirtschaftsprozesse in der DDR - Effizienz- und Stabilitätsprobleme, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hg., Materialien zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland 1987, Bonn 1987, S. 152 - 156. 69. Märkte, Informationen und Flexibilität, in: Cassel, D.lRamb, B.-Th.!Thieme, H. 1., Hg., Ordnungspolitik, München 1988, S. 207 - 229.

70. IBehrendt, W., Stichwort: Betriebsplanung in planwirtschaftlichen Systemen, in: Szyperski, N., Hg., Handwörterbuch der Planung (HWPlan), Stuttgart 1988, Sp. 134 - 143. 71. Vergleich der Systeme, in: Das Parlament, 36. Jg., Nr. 21 - 22, Bonn 20./27. Mai 1988, S. 11. 72. Die Reformierung der Planwirtschaft. Maßnahmen und Probleme, in:' Kappeier, A., Hg., Umbau des Sowjetsystems. Sieben Aspekte eines Experiments, Stuttgart-Bonn 1989, S. 56 - 79. 73. Euckens Ansätze zur Theorie der Zentralverwaltungswirtschaft und die Weiterentwicklung durch Hensel, in: OROO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 40, Stuttgart, New York 1989, S. 55 - 69. 74. Zur Funktion des Unternehmergewinns in der Marktwirtschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, B 52-53, 22. Dezember 1989, S. 31 - 38. 75. Ethische Grundlagen und Implikationen der ordnungspolitischen Konzeption "Soziale Marktwirtschaft", in: Gutmann, G./Schüller, A., Hg., Ethik und Ordnungs fragen der Wirtschaft, Monographien der List Gesellschaft e.V., N.F., Bd. 12, Baden-Baden 1989, S. 323 - 355. 76. The lntellectual Basis and Historical Development of Social Market Economy, in: Jung, W., ed., Social Market Economy. An Economic System for developing Countries, hg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 1990, S. 5 - 29.

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77. /Klein, W., Skizzen zu Refonnen des Wirtschaftssystems in der DDR. Konsequenzen für die Deutschlandpolitik, in: Entwicklung in Deutschland, Manuskripte zur Umgestaltung in der DDR, hg. von der Jakob-Kaiser-Stiftung e.V., Königswinter Januar 1990. .

78. Planversagen in der Wirtschaft der DDR - Bemerkungen aus ordnungstheoretischer Sicht -, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Themenheft: Soziale Marktwirtschaft in der DDR, 39. Jg., Heft 1/1990, S. 93 - 102. 79. Die Wirtschaft der DDR: Situationsdiagnose, Dürr, E./Jürgensen, H.lLeisner, H., Hg., Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf-Weber-Stiftung, 29. Jg., Nr. 3/1990. 80. Aufgaben und Probleme einer Wirtschaftsrefonn in der DDR: I. Das Transfonnationsgebot, in: Deutsche Studien, Vierteljahreshefte, XXVIII. Jg., März 1990, S. 13 - 23. 81. Economic Refonns in Eastern Europe - Causes and Problems, in: Gennan Comments, Review of Politics and Culture, Nr. 18, April 1990, S. 68 77.

82. Wirtschaftssysteme in West- und Ostmitteleuropa, in: Zeitschrift für Ostforschung, 39. Jg., Heft 2/1990, S. 197 - 212. 83. Produktivität und Wirtschaftsordnung. Die Wirtschaft der DDR im Wandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 33/90, 10. August 1990, S. 17 - 26. 84. Euckens konstituierende Prinzipien der Wirtschaftspolitik und der ordnungspolitische Wandel in den Ländern Osteuropas, in: Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme, Hg., Zur Transfonnation von Wirtschaftssystemen: Von der Sozialistischen Planwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft, Hannelore Hamel zum 60. Geburtstag (Arbeitsberichte zum Systemvergleich Nr. 15), Marburg Juli 1990, S. 61 - 69. 85. Ende der Planwirtschaft in der DDR?, in: Spectrum, Monatsschrift derAkademie der Wissenschaften der DDR, Heft 8/1990, S. 26 - 28. 86. Soziale Marktwirtschaft als Gesellschaftsidee. Zur anthropologischen und ethischen Grundlegung einer ordnungspolitischen Konzeption, in: Gauger, J-D./Weigelt, K., Hg., Soziales Denken in Deutschland zwischen Tradition und Innovation, Bonn 1990, S. 171 - 191. 87. Das Ende der Planwirtschaft in der DDR, Walter-Eucken-Institut, Hg., Vorträge und Aufsätze, Nr. 130, Tübingen 1990. 88. Probleme der Preis- und Währungsrefonnen in den Ländern Osteuropas, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 39. Jg., Heft 3/1990, S. 331 - 338.

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89. Soziale Marktwirtschaft - ordnungspolitische Konzeption, in: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Hg., Deutschland in Gegenwart und Zukunft. Der demokratische und soziale Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland, Bonn November 1990, S. 111 - 124. 90. The Intellectual and Historical Development of Social Market Economy, in: Jung, W., ed., Social Market Economy. An Economic System for developing Countries, 1. Aufl., Sankt Augustin 1990, S. 5 - 29, 2. Aufl. Sankt Augustin 1991, S. 13 - 32. 91. Ende der Planwirtschaft in der DDR?, in: Mampel, S./Uschakow, A., Hg., Die Reformen in Polen und die revolutionären Erneuerungen in der DDR, Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Bd. 31, Jahrbuch 1990, Berlin 1991, S. 53 - 66. 92. Zur theoretischen Grundlegung von Transformationen, in: Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen, Hg., Gesamtdeutsche Eröffnungsbilanz, Teil I, FS-Analysen Nr. 2/1991, Berlin 1991, S. 29 - 49. 93. Der beschwerliche Weg zur inneren Einheit, in: Arbeitgeber, 44. Jg., Heft 18 vom 25. September 1992, S. 656 - 660. 94. Die Entwicklung der Wirtschaftssysteme in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Kantzenbach, E., Hg., Die wirtschaftliche Neuordnung Europas - Erfahrungen und Perspektiven -, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F., Bd. 218, Berlin 1992, S. 15 - 35. 95. 30 Jahre Forschungsstelle und die unvollendete Transformation der ostdeutschen Wirtschaft, in: Forschungsstelle für deutsche und gesamteuropäische Integrationspolitik, Hg., Unvollendete Transformation im Osten Probleme und Chancen, Teil I, 18. Symposion der Forschungsstelle am 19. und 20. November 1992 in Berlin, S. 5 - 18; Vorabdruck des Referates in: Deutschland Archiv, 25. Jg., 12/1992, S. 1298 - 1305. 96. Buchbesprechung: Janos Kornai, Th Road to a Free Economy. Shifting from a Socialist System: The Example of Hungary, New YorkILondon 1990, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 113. Jg., Heft 3/1993, S. 464 - 466. 97. Gustav Schmoller und der Verein für Socialpolitik, in: Backbaus, 1. G., Hg., Gustav von Schmoller und die Probleme von heute, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 430, Berlin 1993, S. 105 - 109. 98. Instrumentalisierung der Volkswirtschaft in der DDR, Anhörung der Enquete-Kommission, in: Deutschland Archiv, 26. Jg., Nr. 4 April 1993, S. 496 - 503.

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Schriftenverzeichnis von Gemot Gutmann

99. Erhaltung industrieller Kerne in Ostdeutschland und das Problem der Ordnungskonfonnität von Wirtschaftspolitik, in: Hasse, R. E.lMolsberger, J/Watrin, eh., Hg., Ordnung in Freiheit, Festgabe für Hans Willgerodt zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1994, S. 28 - 39. 100. Die wirtschaftliche Integration Deutschlands, in: Zeitschrift des Sozialinstituts Kommende, Dortmund, XXXIV 1994, S. 4 -11.

Verzeichnis der Mitarbeiter Prof. Dr. Dieter Cassel, Gerhard-Mercator-Universität Duishurg, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Lotharstr. 65, 47048 Duishurg Prof. Dr. Hans-Heribert Derix, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (FH), Postfach 66, 04251 Leipzig Prof. Dr. Helmut Gröner, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Kanalstr. 3, 95444 Bayreuth Dr. Hannelare Hamel, Philipps-Universität Marhurg, Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme, Barfüßertor 2, 35037 Marhurg Prof. Dr. Carsten Herrmann-Pillath, Gerhard-Mercator-Universität Duishurg, Ostasienwirtschaft/China, Mülheimer Str. 212, 47057 Duishurg Dr. Werner Klein, Universität zu Köln, Staatswissenschaftliches (Volkswirtschaftliches) Seminar, Alhertus-Magnus-Platz, 50923 Köln Dr. Andreas Knarr, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Kanalstr. 3, 95444 Bayreuth Prof. Dr. Hans-Günter Krüsselberg, Philipps-Universität Marhurg, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Am Plan I, 35085 Marburg Prof. Dr. Spiridan Paraskewapaulas, Universität Leipzig, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Marschnerstr. 31, 04109 Leipzig Prof. Dr. Alfred Schülier, Philipps-Universität Marburg, Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme, Barfüßertor 2, 35037 Marburg Prof. Dr. H. Jörg Thieme, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Universitätsstraße I, 40225 Düsseldorf Prof. Dr. Christian Watrin, Universität zu Köln, Institut für Wirtschaftspolitik, Albertus-Magnus-Platz,50923 Köln Prof. Dr. Paul J. J. Welfens, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Fachbereich 4, Universitätsstraße 14 - 16, 48143 Münster Prof. Dr. Helmut Winter, Berufsakademie Ravensburg, Marienplatz 2, 88212 Ravensburg