Sämtliche Werke: Abteilung I/Band 3 Romane in 8 Bänden. Geschichte Peter Clausens [Photomechan. Nachdr. der Erstausg. Reprint 2015 ed.] 9783110968828, 9783598228735


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German Pages 785 [796] Year 1992

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Table of contents :
Vorbericht
Inhalt des ersten Theils
Erstes Capittel. Peters Herkunft und erste Erziehung
Zweytes Capittel. Er wird Bedienter bey einer adelichen Dame. Wad er dort erlebt, und warum er diesen Dienst verlassen muß
Drittes Capittel. Das Peter Clausen in der *** Garnison begegnet; wen er dort antrifft, und wie er lebt
Viertes Capittel. Bild des französischen Commissairs, mit welchem der Herr von Redmer in Srreit geräth. Peter desertirt nebst zwey Cameraden
Fünftes Capittel. Peter Claus und seine Schülsen mandern nach Braunschweig. Wie sie sich unterwegens und dort auf eine ehrliche Art durchhelfen
Sechstes Capittel. Schleunige Abwechselung von Peters Glücksume ständen. Haudrißens Schicksal
Siebentes Capittel. Peter wird Bedienter bey verschiedenen Herrschäften
Achtes Capittel. Peter wird in höherer Weisheit eingeweyhet, und bekömmt einen andern Führer
Neuntes Capittel. Die Welt weiß ihre Philosophen und Propheten nicht zu schätzen
Zehntes Capittel. Peter und sein Freund suchen Civil- oder Militairdienste / mussen aber einen andern Glücksweg einschlagen
Eilftes Capittel. Peter wird Schriftsteller
Zwölftes Capittel. Wie es Petern unterwegens bis Hamburg geht, und welche alte Bekannten er antrifft
Dreyzehntes Capittel. Wie es in Hamburg mit der Ausgabe der Operum omnium geht
Vierzehntes Capittel. Beschreibung des edlen Schauspielerlebens
Fünfzehntes Capittel. Auf welche Art Peter wieder erlöset wird
An die Leser
Inhalt des zweyten Theils
Erstes Capittel. Woher die Irrung entstanden ist, welche dem armen Peter das neue Abentheuer zugezogen hat
Zweytes Capittel. Peter Clous hat das unerwartete Glück in den Stand der heiligen Ehe zu gerathen
Drittes Capittel. Seereise. Er erinnert sich seines Manuscripts, findet es in der Tasche, erbricht es , und säugt an zu lesen
Viertes Capittel. Anfang des Manuskripts. Sturm auf der See. Sie werden nach Dännemark verschlagen
Fünftes Capittel. Erneuerte alte Bekanntschaft. Entdeckung dadurch. Fortsetzung des Manuskripts. Abreise nach Holland
Sechstes Capittel. Peter schreibt an Reyerberg. Ein kleines Abentheuer. Abreise nach Holland
Siebentes Capittel. Stils der Reise wird das Manuskript wieder her vorgesucht
Achtes Capittel. Fortsetzung des Manuskript. Ankunft in Holland
Neuntes Capittel. Aufenthalt in Amsterdam. Unerwartete Zusammenkunft. Bekanntschaften im Gasthofe
Zehntes Capittel. Abreise von Amsterdam. Rest des Manuskript. Rückkunst nach Hamburg
Eilftes Capittel. Was unterdessen dem armen Ludwig von Reyerberg wiederfahren ist. Signor Clozetti läßt (ich in einigen Städten Deutschlands hörren. Was ihm dort begegnet, bis er Secretair wird
Zwölftes Capittel. Clozetti reifet mit seinem H errn Gesandten, sieht die deutschen Höfe, und kömmt an einem derselben zu hohen Ehren
Dreyzehntes Capittel. Signor Clozetti macht herrliche Fortschritte im burgerlichen Leben, wird mit einem Adelbrief versehen, und dirigirt die Finanzen
Vorrede
Nachricht an das Publicum
Inhalt des dritten Theils
Erstes Capittel. Etwas von Heprathsangelegenheiten
Zweytes Capittel. Herr Claus von Clausbach holt seine Frau Gemahlinn aus Riga ab. Unvermuthete Zusammenkunst auf der Reist
Drittes Capittel. Wie sie bey ihrer Rückkunst von Hof- und Stadtleuten empfangen werden. Reyerberg kömmt in den Dienst. Politische Lage des Herrn Cammerdirektors. Sein Glanz
Viertes Capittel. Fortsetzung. Der Fürst hat gute Entschlüsse. Des Herrn Ministers von Clausbach Excellenz bekommen einen Orden, und gehn mit Serenissimo auf Reisen
Fünftes Capittel. Bemerkungen und Begebenheiten auf der Reise
Sechstes Capittel. Fortsetzung. Allerlev Abentheuer
Siebentes Capittel. Zurückkunst von der Reise. Boichalen. Gespräch darüber
Achtes Capittel. Das Ding fangt an schief auszusetzen
Neuntes Capittel. Unfers Herrn Ministers Actien fallen merklich. Wie man gegen ihn müßt
Zehntes Capittel. Des Fräuleins von Mehlfeld Concerte thun sonderbare Würzung
Eilftes Capittel. Clausbach trägt nicht wenig dazu bey, seinen Kurz zu beschleunigen
Zwölftes Capittel. Er verreiset, um eine reiche Erbschaft in Bezug zu nehmen, besteht unterwegens ein Landgut den Ursstädt, weiselbst er sich ankauft. Beschreibung desselben, und der Leute bis dort leben
Dreyzehntes Capittel. Das Ungewitter bricht los , und das Fraulein von Mehlfeld erscheint in einer neuen Rolle
Vierzehntes Capittel. Gin sonderbaren Casus, wie zuweilen alte Bekannte zu ungelegener Zeit auftreten können
Fünfzehntes Capittel. Des Herrn von Clausbach Excellenz kommen noch mit halbem Ihre davon, und halten ihren Einzug in Ruhethal
Sechzehntes Capittel. Ein Brief an den Fürsten Schluß
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Sämtliche Werke: Abteilung I/Band 3 Romane in 8 Bänden. Geschichte Peter Clausens [Photomechan. Nachdr. der Erstausg. Reprint 2015 ed.]
 9783110968828, 9783598228735

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ADOLPH F R E I H E R R K N I G G E SÄMTLICHE WERKE BAND 3

Adolph Freiherr Knigge Sämtliche Werke In Zusammenarbeit mit Ernst-Otto Fehn, Manfred Grätz, Gisela von Hanstein und Claus Ritterhoff herausgegeben von Paul Raabe

BAND 3 Abteilung i Romane in 8 Bänden

Adolph Freiherr Knigge

Geschichte Peter Clausens

K G - Säur München • London - New York - Paris 1992

Photomechanischer Nachdruck der Erstausgabe nach den Exemplaren der Universit&ts- und Stadtbibliothek Köln, Sign.: SD 22 3880, und der Landesbibliothek Coburg. Sign.: D I I 10/23

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Knigge, Adolph Frhr. von: Sämtliche Werke / Adolph Freiherr Knigge. In Zusammenarbeit mit Ernst-Otto Fehn ... hrsg. von Paul Baabe. Photomechanischer Nachdr. der Erstausg. - München ; London ; New York; Paris : Säur. ISBN 3-598-22870-8 NE: Baabe, Paul [Hrsg.]; Knigge, Adolph Frhr. von: [Sammlung] Photomechanischer Nachdr. der Erstausg. Bd. 3 : Abt. 1, Bomane : in 8 Bänden. Geschichte Peter Clausens. -1992 ISBN 3-598-22873-2

Printed on acid-free paper / Gedruckt auf säurefreiem Papier Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved K. G. Säur Verlag GmbH & Co. KG, München 1992 A Beed Reference Publishing Company Printed in the Federal Republic of Gennany Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig Druck/Printed by Strauss Offsetdruck, Hirschberg Binden/Bound by Buchbinderei Schaumann, Darmstadt ISBN 3-598-22870-8

Ge s c h i c h t e

Peter Clausens v o n dem

Verfasser des Romans meines Lebens

Erst er

T h e i l

mir Kurf ür st ! . Sachs, gnädi gst er F r e i h e i t

Frankfurt am M a i n >m Andr eLi schen V e r l a g e 1783

Vorbericht.

^ ) i e s e r ziemlich leichtfertige Rom an ist eine meiner Jugendarbeiten.

Ic h fand

ihn beynahe fertig unter meinen Papieren liegen, las ihn durch, und dachte, verdiene nicht ganz unterdrückt zu werden. E r ist m it einiger Laune geschrieben, und da man jeßi im Geschmack von Romanen is t;

so w ird auch diesen da» Publicum

vielleicht

nicht ohne Vergnügen

lesen.

V iel Zeit an die Ausfeilung zu wenden, dazu habe ich weder M uße noch Lust gehabt.

B ey Schriften von der Art,

die flüchtig gelesen und leicht vergessen werden, erwartet man auch das nicht; Genug wenn das Ganze nicht ganz leer von

Interesse,

wenn die Schreibart nicht

schlecht, die Ausführung nicht langweilig ist, und wenn man hier getreue B ilder aus dem gemeinen Leben findet.

K »Ji|n. "I'e ’M'C '■Hl

In h a lt des ersten Theils.

CrsteS Capittel.

Peters H erkunft

Erziehung

Zweytes Capittel.

und erste S eite r

Er

w ird

Bedienter bey

einer adelichen Dame, W as er do rt erlebt, und warum er diesen Dienst verlassen muß 9

D ritte s Capittel. W as Peter Clausen in der * * * Garnison begegnet» wen er dort an­ t r if f t , und wie er lebt

24

Dierkes Capittel. B ild des französischen Comm iffa irs , m it welchem der H e rr von Redmer

in S tr e it gcräth. Peter descrtirt nebst zwey Eomeraden

32

Fünftes Capittel. Peter Claus und feine Ge­ hülfen wandern nach Braunschweig.

W ie

sie sich unterwegcns und do rt auf eine ehrliche A r t durchhelfcn

43

Sechstes Capittel. Schleunige Abwechselung vyn Peters Glücksumstünden. HaudriyenS Schicksal

8r

Siebentes Capittel. Peter w ird Bedienter bey verschiedenen Herrschaften

95

Achtes Capittel. Peter wird in höherer Weis­

heit cingewcyher, und bekömmt einen andern Führer 130 Neuntes Capittel. Die W elt weiß ihre Philo­ sophen und Propheten nicht tu schätzen 143 Zehntes Capittel. Peter und sein Freund suche« Civil- oder Militairdienste, müssen aber eine« andern Glück-weg einschlagen i?9 Eilftes Capittel. Peter wird Schriftsteller 169 Zwölftes Capittel. Wie e- Petern unrerweqenS bis Hamburg gehr, und welche alt« Bekann­ ten er antrifft «90 Oreyiehntes Capittel. Wie tt in Hamburg mit der Ausgabe der Operum omnium geht m D ierjeh n tes C apittel. Beschreibung des edlen Schauspielerlebens » ir 8 «n ft« hn tes C apittel. Auf welche Art Peter «jeder erlöst» wird »44

Erstes Capittel. PeterS Herkunft und erste Erziehung.

W

~ V a t e r

hieß Joachim C laus,

und w ar ein ehrlicher Schuster in Eldagsen, S tä d tg e n ,

einem kleinen

ohnweit Hannover.

C r w ar

durch seine H eyrath m it meiner M u tte r, Lconoren D rom eyer, den vornehmsten Famt« licn in Eldagsen verwandt geworden; denn mein O heim , der H err Apotheker und B ür« germeister Johann V a le n tin D rom eyer, trug des S o n n ta g s , und wenn er nach Hannover reifete,

eine große

runde Perüke,

einen

braunen Rock m it gelben Knöpfen, und eine -rothe plüschene Weste.

Auch würde dieser

* M agnate schwerlich seine Schwester se einem Schuster gegeben haben, wen» nicht gewisse Umstände vorhergegangen w ären,

bis m ir

hernach das Vergnügen verschafften, meiner E ltern Hochzeit m it beyzuwohnen. K aum w ar dies Hoch-eitsfest vorbey, a u f welchem die Aermstrn von meiner M u tte r Verwandten Ehren halber erschienen,

der

Oncle V a le n tin aber sich m it einer leichten Unpäßlichkeit entschuldigte,

a ls unsre vor­

nehme» Verwandte sich fernerhin nicht mehr um

uns bekümmerten,

ihre Schuhe bey

einem andern Meister machen liessen, und dem lieben G o tt, der so manchen Taugenichts |u ernähren h a t, anheimstellten, weiter fü r uns zu sorgen. Ic h w ar sechs J a h r a lt, a ls meine M ut« ler im Kindbette, zugleich m it einem kleine» M adgen, das sic zur W e lt brachte, starb, und so w ar ich nun fernerhin der Obhut mei­ nes V aters überlassen, der nicht wieder heyrathen w o llte , w eil er ausser m ir keine K in -

b tt hatte, folglich seinem Hauswesen leicht ohne W eib vorstehen konnte, schon,

übrigens auch

in den fünfzig J a h re n ,

die er a lt

geworden, ziemlich von seiner Neigung zum schönen Geschlechte zurückgekommen w a r. E r theilte also seine Sorgen unter der Betreibung seines Handwerks und der Abrichtung einiger B lu tfinken , die er das Trompererstückgen und:

Nun

ruhen

alle W ä ld e r

leh rte, um sie sodann zu verkaufen.

pfeifen D en

kleinen H au sh alt führte sein« alte Schwester, und ich wurde in die Schule geschickt, wo» selbst der Cantor Klingenheim tig te ,

sich beschäf­

einem H auftn Knaben allerley nütz»

liehe Kenntnisse einzuprügeln.

Ic h

bekam

meinen Antheil an Unterricht und Schlägen täglich zugemessen,

aber ich bekenne gern»

daß es m ir immer mehr von letzteren a ls ersterem tru g ,

und dies um so mehr,

da

meines V ate rs Vermögensumständ« ihn aus» ser S ta n d fetzten, dem H errn Cantor durch feine Geschenke eine andre unschuldige Ge» müthsergötzung a u f unsre Kosten zu ver» schaffe«.

( s wohnte in Eldagsen ein verabschiedeter Hauptm ann von Reyerberg, der zwey S öh n e Hatte, die er in eben dieselbe Schule schickte, w eil er nicht reich genug w ar, einen HauS» lehrer zu besolden, oder vielm ehr, weil ec lieber für das G eld, so er diesem hatte geben müssen, zwey Reitpferde hielt, die er auch zuweilen an einen kleinen ofnen W agen spannte, wenn er nach Hannover fuhr, um seine Pension selbst abzuholen, und einen Theil davon in dem W irthshause zu den drey Cronen, in der Beckerstraße zu verzehren. D er älteste Reyerberg hieß D a v id , der jüngste Ludwig. D avid war sehr sittsam, führte sich immer still und anständig auf, schmeichelte dem Herrn Cantor, hielt sich gern zu alten Leuten, ermahnte oft seinen B ru d er, wenn dieser ungezogen w ar: doch seines S ta n d es nicht zu vergessen, lernte a lles wohl ausw endig, w a s ihm aufgegeben w urde, und war also bey jedermann beliebt. D abey wußte er sich durch Klatschereyen bey dem Herrn V ater in G unst, und de» armen

Ludwig herabzusetzen. Uebrigens war er sehr reinlich in Kleidung, und da er gar kein Geschick zu Leibesübungen hatte; so gab er sich auch damit nicht ab, fiel also nie, und zerriß selten etwas. Ludwig hingegen war voll FeuerS, balgte sich immer mit andern Jungen herum, lachte über alles, was ihm lächerlich vorkam, sagte immer was er dachte, spielte seinem Lehrer und allen ernsthaften Personen, die ihm un# erträglich waren, unzählige böse Streiche, wollte nichts lernen, sprach über alles was ihm vorkam mit W ij und grader gesunder Vernunft. Nichts war ihm unangenehmer, als geputzt zu seyn. Seine Kleider waren mehrentheils übel zugerichtet, denn er wollte jeden Sprung, jede körperliche Uebung, die er sahe, nachmachen, war auch sehr leicht und geschwind, fiel aber doch oft jämmerlich, und ward vom Hauptmanne und allen seine» Freunden für einen Jungen gehalten, aus dem nichts werden würde, als ein liederlt» cher Fähndrich.

im

WaS mich b e trifft; so liebte ich den jung« sten B ruder mehr a ls den hochgepriesene>r D a v id .

Indessen kann ich doch nicht sagen,

daß ich ganz so w ild gewesen w äre, Ludwig. m uth

a ls

M e in geringerer S ta n d , die A r­

und Unterdrückung meines V a te rs ,

welches alles a u f mich, bey der Begegnung die ich vou Andern e rfu h r, w ürkte ,

gab

meinem Geiste nicht so viel Schwung und Unabhängigkeit. B is in mein vierzehntes J a h r wiederfuhr M ir eben nichts Ausserordentliches.

M e in

T a te r hatte sein mäßiges Auskommen, w a r aber, wie es o ft geschieht, m it seinem S ta n d e ,

so unzufrieden

daß er fluchte und

schwor, ich solle ein ganz andrer K e rl wer« den als er. M u s ik ,

3 » diesem Endzwecke mußte ich

Rechnen,

Schreiben,

Lateinisch,

M b noch -derdieS ein wenig Geschichte und Erdbeschreibung lernen, w ofür eine adeliche D am e in der Nachbarschaft, fü r welche mein B g te r arbeitete, und die sich M einer annahm, besonders bezahlte.

M eines T a te rs Planes

giengen auch so hoch mit mir hinaus, daß et einen braven Schulmeister aus mir ju ziehe» dachte. Aber der gute Mann erlebte es nicht, mich in einer so glanzenden Laufbahn |u sehen, denn er starb als ich eben das fünf# zehnte Jahr erreicht hatte; Seine Schwester war ihm kurz vorher vorausgegangen. E s war an einem schwülen Sommertage, als er aus Calenberg, wohin er Schuhe ge# bracht halte, erhitzt nach Hause kam, zu vor# eilig kalt trank, und augenblicklich krank wurde. Er lag nur neun Tage, wahrend welcher Zeit ich einstmals Arbeit zu der gnadi# gen Frau, welche für mich einen Theil deSchulgeldes bezahlte, tragen mußte. S ie erkundigte sich nach meinem Vater, und alS ich ihr die mislichen Umstände meldete, in welchen er w ar, versprach sie mir, sich Mei# ner anzunehmen, im Fall mein Vater etwa sterben sollte. Sobald dieser nun tod war, ließ mein Herr Vetter Valentin, von Magistrats wegen alles im Hause versiegeln. Er tun# digte mir dabey in harten Ausdrücken an.

s Laß die Umstände so w ären, baß die Schul­ den für geliefertes Leder und dergleichen, den Werth der Derlassenschaft weit überschritten. «N un Peter!" rief er trotzig a u s, «Siehe «zu, wie D u durch die Welt kommest! Der «hochlöblichc Magistrat wird D ir einen Vor«mund setzen; Aber wo nichts ist, da hat «gleichsam der Kaiser sein Recht verlohren, «Und wenn die Büchsen leer sind; so kann «ich nichts herausnehmen. Hätte Dein « V ater, Gott habe ihn selig! nicht einen «dummen Hochmuth im Kopfe gehabt, und «hätte Dich ein ehrliche- Handwerk lernen «lassen» so wüßtest D u wo aus oder ein, «statt, daß D u jetzt dem ©tobtiAerario » |u r Last fallen mußt." Ich stellte dem Herrn Bürgermeister vor, daß ich schon selbst für mich sorgen würde, indem die Frau von Lathausen sich Meiner anjunthmen versprochen hätte — Und dar­ auf ließ ich meine Verlassenschaft im Stiche, und gieng gradeswegs zu meiner Göa» nttinit.

*

Zweytes Capittel. E r w ird Bedienter bey einer adelichen Dame. Waö er dort erlebt/ und warum er diesen Dienst verlassen muß. S t e i n e ganze Habseligkeit bestand, ausser der K leid u n g,

welche ich am Leibe,

und einigem kleinen H a u s ra th e , den ich in der Tasche hatte,

in

einem Bündelchen,

darinn ich zwey Hemder führte, nebst m i m P a a r schwarzen wollenen S trü m p fe n , zwey K äm m en, und einem V ie rte l-L o tte rie ,Loose, das mein V a te r kurz vor seinem Tode an sich gekauft, und der hochlöbliche M agistrat nicht m it in Arrest genommen hatte.

Ic h nahm

Abschied von dem Herrn Bürgermeister,

der

m ir drey Mariengroschen und «ine Verm ah, nung, welche ohngefehr eben so viel werth seyn wogte, au f den W eg gab, und gieng m it diesem Reichthum« sorglos zu der F ra u von Lathausen.

Diese nahm mich,

ihrem

Versprechen gemäß, sehr gütig a u f, ließ m ir wenige Tage nachher aus einem alten Ueber,

rocke eine neue Livree machen; mußte mich unterrichten,

D e r Jager

wie ich mich bey

der Aufwartung $u verhalten hatte,

wie ich

die gnädige F rau und alle übrigen Leute im Hause nennen m üßte,

und so wurde ich

denn ein Stück von einem Bedienten.

D ie Schöpferinn meines Glücks w a r eine D am e von etwa vierzig Jahren, sehr tugend» haft —

ob aus M an g el an Temperament

und Gelegenheit, aus Furcht, oder weil sie nie sehr schön gewesen w a r , immer a u f dem Lande gelebt,

und w eil kein Verführer ihr

die Ehre erwiesen hatte. machen —

Plane a u f sic jn

W e r kann von allen unsern T u ­

genden die Quelle entdecken? —

Genug sie

w a r eine sehr tugendhafte W itw e , viel von Zucht und S itt e n ,

sprach

w a r äusserst

strenge in ihren Urtheilen über Andre, und konnte besonders nicht leiden,

wenn unter

ihrem Hausgesinde kleine Liebschaften vorfie­ len.

Doch gab es zwey Leute, denen sie alle

Schwachheiten nachsah, und diese zwey Leute w aren: ein junger hübscher V e tte r, ein H e rr

[ifil

»tm Rebm er, und ihr Kammermadgen die Jungfer Nagelborn. D e r H e rr von Redmer w ar Lieutenant in *

# *

Diensten.

E s hatte vielleicht ein

guterMensch aus ihm werden können, wenn ei »lcht in der Jugend von seinen E ltern, Und nachher,

seiner schönen F ig u r wegen,

von Frauenzimmern zu sehr Ware verzogen Worden. nach,

M a n sagt es den armen Weibern

daß sie viel dazu beytragen sollen,

hübsche Jüngling« machen,

eitel

und thöricht

welche denn hernach,

Frühlingsjahre

vorbey

sind,

zu

wann die langweilige

kraftlose M än n er, und zuletzt kindische lächer­ liche Greis« werden.

Ic h habe in der Folge

der Zeit würklich oft Gelegenheit gehabt zu bemerke«, daß dieser V o rw u rf einigen G rund haben könnte. Auch kluge Frauen, bey denen der Körper mitspricht, sind sehr geneigt einen jungen Lasten, und wäre er ein noch so leerer K o p f,

um »in P a a r rother Wangen

und

runder Waden w ille n , recht artig zu finden. I h r erster kobspruch a u f «inen Menschen, der

ihnen g efällt, lautet gewöhnlich: » D a s ist »ein hübscher M a n n / ' indeß w ir M ä n n e r, auch d a, wo uns weibliche Schönheit rührt, unser U rth e il, aus einer A rt Schamhaftig­ keit damit zu rechtfertigen pflegen, daß w ir hinjusetzen:

» D ie F ra u scheint viel Güte,.

»Verstand oder dgl. ju haben." gehört nicht hierher —

Doch das

Genug der H err

von Redmer w a r ausnehmend zufrieden m it feiner Person,

äusserst v o rla u t,

von der

hohen W ürde seiner innern und äusser» V o r ­ züge überzeugt, von der Wichtigkeit seines Officierstandes eingenommen,

und so ge­

schwätzig, daß er das Wasser seiner Bered» samkrit nicht halten konnte, dazu gepfiffen w urde,

wenn irgend

obgleich er mrhren-

theils die schalste» D inge sägte.

D a er «in

wenig in einer Postkutsche herumgereist w a r, folglich viel Postmeister hatte kennen gelernt; so bildete er fich e in , er habe die W e lt gese­ hen und beobachtet, und weil er einige Höfe besucht hatte;

so meinte e r,

schenkenntniß, feine W e lt , bensart.

D a S machte ih n ,

[18j

er habe M e n ­ franjöfische Le­ wenigstens in

solchen Gesellschaften, wo man aufCharacter, Bescheidenheit, Talente und Kenntnisse sah, unerträglich.

Aber wer das nicht merkte,

das w a r mein H err von Redmcr. Eigenliebe ließ das nicht zu.

Seine

V o ll Selbste

genügsamkeit schob er seine lange F ig u r aller O rten hervor, mischte sich in a lle s, übersähe

in

seinem S in n e

und

alle Leute —

K u rz ! er w ar so, wie ich nachher manche junge Officiere gesehen habe. sprach er Zweydeutigkeiten,

N icht selten die seine g n «

dige F ra u Baase, bey welcher er juw cilcn, und grade dam als,

alS ich in ihren Dienst

tr a t, feinen Urlaub a ush ie lt, gewiß von

Ui*

nrm Andern ohne Entsetzen würde angehört haben.

Aber was soll man machen? E ie

mußte w ohl wissen, daß er eS so böse dam it nicht meinte, und so pflegte sie denn gewöhn« lich nichts weiter ju sagen,

a ls : » P fu y !

»böser M ensch!" oder so etwas. Jungfer Nagclborn w a r ein volljähriges Frauenjim m er,

etwas la n g ,

mager und

bräunlich, übrigens nicht übel gewachsen.

E in halbe- Dutzend Zähne wogten thr Wohl an derjenigen Anzahl fehlen, welche in deS R itte rs Line Systeme stehen, allein da sie den M un d sehr behutsam vfnrte u nd , wenn sic lachte, die Hand vo rh ie lt;

so fiel die-

nicht besonders in die Augen.

Ad vocem

Augen dient zur Nachricht, daß die ihrige« ohngcfthr

wie

geschmolzenes

Calphonium

aussahen, und viel zu fordern schienen; I h r H aar aber w ar pechrabenschwarz —

(So

viel von ihrer Person! Dieses züchtige Frauenzimmer hatte viel G ew alt über ihre gnädige F ra u , welche sich so sehr an dieselbe gewöhnt hatte, daß sie kein Geheimniß vor ihr verbarg. H au sh a lt,

w ar

E ie führte den

zugleich Kammermadgcn,

und alles was sie that w ar wohlgethan. Auch w ar sie von gar guter, plauderhafter G em üthsart, lobte immer den Herrn Lieute, nant vo» Redmer, wußte alle kleine Geschichte gen aus der Nachbarschaft zu erzählen, und schimpfte tapfer auf alle M ädgen, die so dumm gewesen waren, Kinder zu bekommen.

Jungfer Nagelborn hatte übrigens ein zärtliches H e r;, und, ich kann cs ihr nicht anders nachsage», sie nahm sich vom ersten Augenblicke meines E in tritts in das Hans, sehr gütig Meiner an.

S ie sprach freundlich

m it m ir, nannte mich: »mein lieber P eter!" steckte mir zuweilen einen bessern Bissen vom herrschaftlichen Tische z», und kniff mich wohl gar dabey in den Arm oder in die Backe. Zuweilen rief sie mich des Morgens m it einer A rt von Heimlichkeit in ihr Zimmer, um m ir ein Schälchen Caffee zu geben, und wenn dann bas Halstuch, das ihre platte Brust deckte, von ohnqrfehr aus s.incr Rich­ tung gekommen w a r, und ich dies in meiner U m iu ilb nicht demerkte; so schob sie es doch, bey dem geringsten Geräusche,

das etwa

draussen entstand, zurecht, und sagte wohl dabey:

»Ey D u Him m el!

»wie es seyn sollte.

Das ist nicht,

Wenn mich jemand s»

»bey einem hübschen jungen Putschen sitzen »sähe;

so sollte er wohl etwas Böses davon

„denken"



Unglücklicherweise war

ich

noch so neu in der W e lt, daß Caffee, Paste-

i6 tc n , W e in ,

NuditZten und schöne W orte

vergebens an m ir verschwendet wurden. Aber meine Blödigkeit dauerte nicht lange. An einem M orgen kam der Jude aus Eldagsen eilig geritten, und verkündigte m ir, das Lot» terieloos, wovon ich den vierten Theil besaß, habe jweyhundert Thaler gewonnen.

W er

w ar froher als ich! Ic h fand es b illig , dem Juden ein Geschenk $ti geben, allein w eil ich kein baares Geld hatte; zusammen ab, Reisekosten,

so rechneten wie

und nach Vergütungseiner

einem Geschenk fü r ih n , und

den kleinen höchst billigen Proeenten, zu Be» sireitung der Unkosten an die landesväterliche kotteriedircction;

(die

überhaupt nur fü r

das Beste der Menschheit arbeiten, u n d , wie die B ilanz am Ende der gedruckten Plane bezeugen, gar keinen V o rthe il fü r sich ver» langen) Nach Abzug alles dessen bekam ich noch sieben und zwanzig T h a le r, lackirtes Zahnstocher t E t u i,

ein grüne-

eine schwarze

Schnupftobacksdose und eine Halsbinden» schnalle von GlaSsteinen heraus.

D e r Jude

bath mich, ich weiß nicht warum, die Sache ft» verschweigen, welches ich auch that- und das Geld in der S tille behielt. Aber ich glaube, der Teufel, falva venia! fahrt in uns wenn w ir reich weiden. Sslfc Nigstens hat mau alsvann gleich eine solche Zuversicht zu seiner werthe» Person, daß uns kein Rock mehr wett genug ist; Es geht alles oben hinaus. Doch daran sind oft andre Leute Schuld, Und ich habe, wie ich Nachher in der Fremde herumgetoinmen bitt, die elendesten, an reib und Seele hospital­ fähigen Menschen angetroffen, die, wenn sie Nur viel Geld hatten, und tag >ich v u i t c füt­ tern tonnten, von einem Haufen Schmaro­ tzern fo geschmeichelt wurden, daß sie sich für gar ausserordentliche Leute hielten. Es gab zwar unter diesem Haufen auch Personen, welche solchen Mäcenatcn nur aus Spott also begegneten, sie genug fühle» liessen, daß sie mehr der guten Gesellschaft wegen, die sie bey ihnen antrafen, als um des W irth Willen dahin kämen, und solche Häuser wls B

einen Gasthof betrachteten; Aber glückliche« weise merken das solche Menschen nicht, und man befindet sich indessen recht w ohl bey ihnen, scherzt, schmauset, lacht auf ihre Unkosten, und sie sind Könige in ihrer Einbildung. M e in Reichthum w ar freylich nicht ganz ausserordentlich;

Unterdessen schienen m ir

dreyssig Thaler immer eben so v ie l, als einem B anquier seine tausende, und da ich hie und da nicht unterlassen konnte, meine blanken Thaler vorzuzeigen;

so fand ich auch (ich

kann es ohne mich zu rühmen sagen) viel Freunde im D orfe. finden,

D ie Leute ficngen an zu

daß ich ein hübscher artiger Junge

w äre; E in B a rb ie r, der auch zugleich Musik trie b , und neben derKliesticrsprntze noch tu t andres In stru m e n t, hatte,

auch

die V io lin e c u ltiv irt

bey allen Kirchenmusiken au

hohen Festtagen gebraucht wurde,

da er

dann zugleich geigte, und sehr fistulös sang, machte sich bekannt m it m ir. ich Genie zu allem hatte,

E r fand, daß wie eS der F a ll

bey allen Leuten ist, die Geld haben,

und

i9 bath mich um E o ttesw illen doch ja die Musik nichr liegen ju lassen. W ir übten u n s also fieissig m iteinander, und die Ju n g fe r N a« gelborn fand ein nicht geringes V ergnügen a n unsern Bogenstrichen. Dabei) nahm sie o ft mein grüneS E tu i in die H a n d , bemmv bette e s , und in einem Anfalle von Freyge« bigkeit (w ie denn überhaupt die M usik sehe weich m acht) schenkte ich ihr dasselbe. Hier» durch und durch meine im m erw ährende Auf« merksamkeit für sie wurde sie m ir täglich mehr zugethan. D ie alten Ju n g fe rn nehmen sich g ern , wie m an sa g t, b e r tinaben, die mann» b ar werden a n , um sie vor V erführungen z» w arnen. Indessen lockte mich, ihrer Auf« sicht ohngcachtet, H err H ab er, der B arb ier, zuweilen m it sich in d as W irth sh a u s. E s fugte sich dann gew öhnlich, daß er grade kein G eld de» sich h a tte , also bezahlte ich fü r « n s beyde, und wenn ich nach H ause kam , w aren meine bebeiisgeister so herrlich in Bew egung gesetzt, daß Ju n g fe r N agel« born keinen B e ru f fa n d , mich von der Ge« fcllfchaft dieses mnsicalischen W undarztes

abzuhalten.

W e il sie aber nichts dagegen

hatte, daß ich in das W irth sh a u s gieng; so erfuhr es auch die gnädige F rau nicht,

bey

welcher sie mich überhaupt sehe in Gunst fetzte. D ie vielen leichtfertigen Rede«, welch« ich im W irthshaus« hörte, und von der „ I s i s

m öglich?"

schrie e r, „d a s ist gezogen worden, „h a t

und E r

nur drey Thaler dabey gewonnen?

„A rm e r M a n n ! „dieselben

Komme E r her! Ic h habe

N um m ern;

„einige tausend ein.

S ie

bringen

m ir

F ü r Seine gute Nach«

„ ric h t soll E r zwey Pistolen geschenkt haben; „ D a r a u f habe ich mich verheißen.'

Und so

zog er mich in den Laden, verkündigte dem ganzen Hause seine Freude, druckte m ir das Geld in die H and,

Ic h bedankte mich, lie f

fo r t , und nicht Eine seiner Zahlen w ar her­ ausgekommen. Haudritz

und Rcyerberg hatten F uh r­

m annskittel angezogen,

und einen falschen

Frachtbrief geschrieben» alS wenn sie einem S peditionshändlcr sechs große Fässer vo ll Caffee brachten, m it der B itte , diese W aare b is zur Abforderung bey sich sichen zu lassen. „ I c h kann Euch die Last nicht vor das H aus „b rin g e n "

sagte Haudritz „u n d muß auch

„noch heute wieder fort. „d ie F racht!

Bezahlet m ir nur

M e in Knecht soll hier bleiben.

6o -.und m it Ellch in die Herberge gehn, wo - . I h r die Fässer nach Gefallen abholen lassen «könnt; D ie Abgaben sind berichtigt." K aufm ann bezahlte die,

D er

lau t Frachtjettul,

accordirten zwanzig T h a le r, fo r t, und Reycrberg blieb.

Handritz gieng D e r K aufm ann

gieng indessen in sein Hinterstübchen, um sich anzukleiden, Laden stehen,

und Reyerberg blieb im

gieng von Zeit zu Zeit an die

H a u s th ü r, wischte endlich, da die Leute im

Gomtoir

zu beschäftigt w a re n , um genau a u f

ihn Acht zu geben,

hinaus au f die Gasse,

sodann um die Ecke herum, zog geschwind fein Fuhrmannshemd über den K o p f her, aus , w a rf es von sich und gieng,

a ls wenn

Ihn nichts anfechten könnte, langsam weiter. Ehe Lern» in und vor dem Hause über seine Derschwinvung entstand, w a r nirgends kein Fuhrm ann mehr zu sehen.

Vielleicht würde

dieser Schelmstreich nicht so gut gerathen se»)n. wenn meine Gefährten nicht gewußt hatten, daß der M a n n , thun hatten,

m it dem sie es zn

schon früh M orgens sich in

Lrandtew cin zu betrinken pflegte, wodurch

[GGJ

6t nicht nur et

zu vorsichtiger Behandlung

seif

ner Geschäfte untüchtig wurde, sond.ru auch unter seinen Handlungöbedienten eine unter» zeyhlichc Sorglosigkeit herrschte.

Zu einiger Entschuldigung der Lebensart, welche w ir itzt führten, muß ich sagen, daß w ir ( wenigstens Reyerberg und ich ) anfien» gen uns für Werkzeuge der Vorsehung anzu» sehn, um die Thorheiten und Betrügereycn der Menschen zu bestrafen, daß w ir desfalls keinen M a n n krankten, von dem der R u f uns sagte, er sey redlich und weise. fertigt freylich

DieS recht,

unsre Liebstale n-cht,

ich

führe es aber nur a n , um dem Leser zu zei, gen, wie die Menschen so leicht für jedes ihrer Verbrechen eine Beruhigung zu finden wissen.

Unsre Capitalien waren durch diese und unzählige andre dergleichen Cameralopera, tionen bis a u f neunzig Thaler angewachsen. Dabey waren w ir ziemlich gut in Kleidung und Wäsche,

und zehrten mehrentheils ohn»

entgeltlich,

denn

wenn junge unerfahrne

Leute a u f Angotts Keller oder sonst in die W irthshäuser kamen; so liessen w ir uns m it denselben in ein Gespräch ein,

schmeichelten

ihre E ite lkeit, lobten ihre Feinheit in B i l ­ lard- und Kartenspielen,

gewannen ihnen

dann bas Geld ab- oder liehen uns wenige siciiü von ihnen srey halten.

Endlich bclae

men w ir einmal Lust a u f die Mascaradc jN gehen, um an der Pharaobank unser Glück zu versuche»; und wie das leichtfertige Glück inehrenkheils solche Menschen sucht,

welche

keine daurrhasrere Freuden verdienen, hin­ gegen diejenigen durch WiederwartigkeiteN W arnet,

welche in der Rechtschaffenheit sich

ohne den Besitz eitler Schatze entschädigen to nnen; so gewannen w ir . im Müssiggange tuiö in Schelmcrey versunkene Jü ng lin ge , iii kurzer Zeit beynahe achthundert ThalerS o lange w ir wenig gehabt hatten, was Einer von uns tageweise abwechselnd Schatz­ meister gewesen.

J e tzt, da w ir viel besas­

sen, fiengen w ir an gegen einander iiii&

IliU ,

6z Iranisch zu werden. Wik theilten

daher un­

fern M am m o n, und jeder sollte m it seinem A ntheil wuchern, so gut er könnte —

Wik

w ollten auch Menschen, die andre Leute be­ trüg en , unter sich ein dauerhaflies, a u f ge« genseitiges -Vertrauen

gestütztes B ü nd n jß

errichten können? Indessen hakten w ir uns im goldenen Engel zwey Zim nm r gemiethet Und,

wie es sich versteht, andre Nahmen

angenommen. Ic h spielte tä glich, und fast immer mik G lü ck, hatte dabey die E ite lk e it, m ir aller­ ley R ing e, Federhüte. Spitzeniiianschcttcn« seidene Westen, S trü m p fe , Schnalleu und dergleichen zu k a u fn , und in den Gesellschaf­ ten andrer müfsigen Leute fü r einen jungen Edelmann zu gelten.

Zuweilen machten w ir

Lustreisen a u f das Land. und da trieben w ie den» allerley M u th w ille n « neckten die Leute, Und prahlten entsetzlich. Unter andern waren w ir einmal m it einet lustigen Gesellschaft nach einem benachbarten

Stadtgen grfahren. Hofe,

D e r W ir th Im G ast/

wo m it den Nachmittag zubrachten,

w a r ein langweiliger Schwätzer,

der sein

H a u s , m it allem was darinn w a r ,

erhob

und em pfahl: Vorgestern hatten zwey G r a fen bey ihm logiert; I n

jenem Bette hatte

noch diese Nacht ein Geheimerrath geschlafe n ;

S e in W e in w a r , wie er sagte,

als der,

besser

welchen nian am Hofe in B ra u n ­

schweig turnst.

Haudritz nahm sich vor,

den M a n n zum Besten zu haben.

Nachdem

w ir nun eine unbescheiden große Zeche bezahlt hatten, und bald wieder fort w ollten, fragte ich, ob man bey ihm auch B raten portions­ weise haben könne? » E y ! freylich" antwor­ tete

der W ir th

» Ic h

schneide Ih n e n rin

»S tü ck a b , so groß S ie Appetit dazu haben, »sogar für einen Groschen."

Nach einigen

Augenblicken lobte Haudritz «inen Canarienvogcl, der in der S tube im B auer unaufhör­ lich pfiff, und uns bey unserm Kartenspiele die Ohren betäubte.

»E inen solchen Vogel

»mögte ich gebraten essen!" fügte er hinzu, »n u r aus N citgier,

ob daS Fleisch sehr zart

6S «schmeckte." «Ey potz S te rn !" erwiedert« der W irth, «das mögt« ein kostspieliges Ge» «richt werden. Ew. Gnaden mögen eS mir „nun glauben oder nicht, der Vogel kostet «mich an die vier Reichstyaler" — « D a «kann wohl seyn" sagte Haudriy «Indessen «habe ich Appetit datu, er sey auch noch so «theuer" — Der W irth lächelte boShaft — «und wenn S ie ihn braten wollen ; so were «den w ir, so theuer auch der Vogel ist, doch «für unser Geld unsre Neugier befriedigen"— « J e nun warum nicht? AlleS in meinen» «Haufe ist Ew. Gnaden feil. Aber, wie «gesagt, er kostet vier Thaler, der kleine «Vogel, aus Freundschaft für S ie , mag es «denn herhalten" — Und damit wurde der arme Vogel geschlachtet, in Butter gebraten, und hereingetragen. «N un, meine Herrn! «da ist der theure B raten!" — «Wohlan «Herr W irth!" rief Haudritz «Jetzt schnei, «den S ie jedem von unS für einen guten «Groschen ab!" D er W irth sahe, daß er betrogen w ar; E rb o th , streubtesich, wollt« grob werden» Nichts half! Doll Aergrr

E

W a rf er bett ganzen B raten zum Fenster h in , auS ,

und w ir fu hren ,

gerächt wegen der

theuren Zehrung, wieder nach Braunschweig. waare! eben so liederlich zerronnen, a ls „ f i t erworben w ar —

Geh h in !"

rie f er

a u s , fluchte ein w en ig, und kehrte zu un
r

unterbrach hier mein Selbstgespräch; Ic h w arf mich vcrzweiflungsvoll auf den Boden n ieder, und lag d a , dis nach und nach mein Schm er; der Ucdrrlegung R aum machte, daß ich mich doch zu etw as entschlossen müsse; da ich dann aufstand, und m it gesenktem H aupte zurück nach dem W eghause ;u gieng, ungewiß welchen P la n ich nun ferner ein­ schlagen sollte. Ic h fand in meinen schwär, zen Beinkleidern, welche mir d«e Schelme nicht ausgezogen, noch etw as kleine M ünze, die ich neben dem Geldbeutel (welchen il Lernte di T o n d in i, verfluchten Andenkens, nicht verschont) besonders gesteckt h atte, um dam it das Wegegeld zu bestreiten. H iervor dachte ich ein Nachtlager zu bekommen, um welches ich den W irth dieses Hauses anzu, sprechen mir vornahm ; Aber das Schicksal w ollte, daß ich noch in dieser Nacht freyes Logis erhielt. D enn, a ls ich in der Gast, stube an einem Tische saß; bemerkte ich, daß ein dicker M a n n , dem die Justitz au s de>» Augen blickte, inich sehr aufmerksam betrachtete; E r zog sodann ein Z eitungsblatt

a u s der Tasche, und fieng an m it einem an» been H e rrn , mezza voce, ein treues B ild m einer K leidung herznlesen. D a w a r : „b>t «lebrrfarbene Rock, m it kleinen gelben Knv» «pfen und steifen S ch öß en, d«e grüne W este, « vo n wollenem D am aste, m it S ch nü ren, « der kleine spitze H u t m it der ausgezackten «goldenen Tresse" — K urz! der ganze lächerliche Aufzug beschriebe», w om it mich die italienische B ande aussiaficrt hakte, und welcher verm uthlich die G arderobe eines M a n n e s gewesen w a r , dem sie, so wie m ir, die V erw altu n g seiner zeitlichen G ü ter abge» noinm en halten. D ie ehrw ürdigen G erichtspcrsonen hatten kaum gefunden, daß dies B ild a u f meinen Anzug p a ß te , a ls E iner von ihnen aufstand, dem Andern einen W ink g a b , und sodann rin p a a r Caremonienmeistcr der Gerechtigkeit hereinkommen lie ß , die m ich, alles F lehens und S trä u b e n s ohngeachtet, noch in dieser N acht nach W olfenbüttel fü h rte n , woselbst ich eingekerkert, und des folgenden T a g s vor dem Residenzamte verhört w urde.

E s fand sich nun zwar in den ersten b im zehn Tagen der Unkersuchung ( wahrend roct# cher m an auf die gewissenhafteste Art für meine Gesundheit sorgte, und mich die strengste D iä t halten ließ) E s fand sich, daß meine F igur und die A ussagen, welche ich zu Protocoll gab, gar nicht zu dem S ilb e paßten, baä man von dem Menschen, den m an suchte in den Steckbrief gesetzt h atte; W eil sich aber doch in der Erzählung meiner Geschichte manche Lücke d arth at; so würde ich schwerlich so früh losgekommen seyn, wenn nicht die Gerichte aller Orten viel M ite leid m»t armen Leuten h atten , und deswegen die kostbaren Jnqnisitionsprocesse, wo es irgend möglich ist, abkürzen. Ic h entwischte also mit der geringen S tr a f e , a u s d e rC ta d t verwiesen zu w erden, mußte meine Kleider, a ls das corpus delicti, im Stiche lassen, und eilte in einem alten grauen Ueberrocke, den mir ein E ecretair schenkte, zum Thor« hinaus.

Siebentes Capittel. Peter wird Bedienter bey verschiedenen Herr« schäften. E s w ar ein kühler Hcrbsimorgen; die Luft schnitt Ilvckgen;

gewaltig

durch

mein dünne-

M e in Körper w ar von Hunger

und den bösen Dünsten des Kerkers angegrifF fe a ,

mein Gemüth durch die Vorstellung

meiues

Schicksals

niedergeschlagen;

So

wankte ich a u f der Landstraße immer fo rt, ohne zu wissen, wohin ich meinen Weg len, ken sollte.

Nach ein paar Stunden kam ich

endlich nach S tckterburg, F rä u le instift

ist;

Ic h

wo ein adelichehosste nicht

ohne

G rund hier das weibliche M itle id der guten D am en fü r mich zu gewinnen, und es ge, h ing m ir.

Ic h erzählte meine Geschichte,

aber freylich nicht eben m it aller historischen Gewissenhaftigkeit —

G enug, ich erzählte

eine Geschichte, w orinn R äuber, Kerker, H u n g e r, A rm uth u. d. g l. jum öftern vore

[uni

kamen,

und erweichte dadurch die Herjen

deü ganzen S t if ts dergestalt,

daß eine jede

von den geistlichen Seelen etwas ju meiner Erquickung

beytragen wollte.

D ie

Eine

kaufte dem S tiftsd ie n e r ein dickes Nachtca» misol ab; die'A ndre ließ m ir eine wollene Mütze reichen; Auch S trü m p fe , ein Hemd, und etwas an Gelde wurde fü r mich herbey geschafft,

und die Kammerjungfern bewir­

theten mich m it Caffee, Zwieback und W urst. N un!

der H im m el segne sie d a fü r!

und

wenn noch Eine von ihnen dort lebt, und dies irrst; so lasse sie eS sich nicht reuen, einen dankbaren Menschen haben!

im Elende gelabt zu

D a s eine F raulein gab nur zugleich

einen B r ie f an einen drey M eilen von da wohnenden Beamten zu bestellen, w orinn sie mich demselben bestens empfahl.

D a m it

machte ich mich denn a u f den W eg,

kam

auch glücklich a n , und übergab meinBeglau« bigungS schreiben. D e r H err Am tm ann w a r einer von den wohlhabenden M ä n n e rn , die |u Hause a l-

Prinzen leben, und wenn sie vor dem herr­ schaftlichen Cammercollegio erscheinen müf# sen, vor dem Thore der Residenz zwey von Ihren Pferden ausspannen, ganz demüthig m it einem grünen Rocke angefahren kommen, und gewaltig über böft Zeiten, M iswachS und wohlfeile Fruchtpreife klagen. E s gieng sehr groß bey diesem Dierfürstea her; D ie g ra u Amtmannin war mit Juw elen behängt; W enn sie Gastereyen gaben; so pflegte man vier Stunden am Tische z« sitzen, arger a lbey weyland E ardanapals Hofe ;u schmau­ sen, und der Inform ator und die Schreiber m ußten, wenn der Braten kam, aufstehen. Ob di« Bauern sich eben so wohl befanden, weiß ich Nicht» Ich glaube auch nicht, dag jemand darnach fragte; wenigstens pflegt es in manchen Landern so zu gehen, wo die CammerrätheNepoten der Minister sind, die bas Land nicht kennen, und überhaupt von ihrem Fache nichts verstehen) kaum ihre Nahmen schreiben können, die Subalternen aber von den Beamten bestochen und geschnieft chelt werden.

A ls ich mich dieser Herrschaft vorgestellt, und

meinen

Em pfehlungsbrief

übergeben

hatte, wurden m ir zuerst einige Fragen über mein voriges Leben gethan.

Ic h h a lf m ir

so gut ich konnte heraus, fand Glauben und B e y fa ll, man

und es kam nur darauf a n , wozu

mich würbe

brauchen können.

Der

H e rr Am tm aun suchte einen Bedienten, an die S telle eines kürzlich ausser Dienst gegan, genen, und a ls ich versicherte, ich könne schreiben und friesicren, verstünde auch Musik, wurde ich sogleich angenommen, bekam die graue Livree m it grünen Aufschlagen, welche der vorige Laquaie, der freylich um einige Zolle kleiner als ich gewesen w a r, getragen hatte, und tra t meinen Dienst an. E s gieng m ir ganz gut in diesem Haufe. E s ist w an r, bas} ich vielerlei) Arbeit versah, bald

des Herrn Amtmanns apocryphische

Perüke in Ordnung bringen, bald der F rau A m tm ännin die schwar;c H aartour aufseyen, bald den Söhnen a u f der V io lin e Unterricht geben, bald Obstbäume pflanzen helfen, bald

11041

99 B erichte an die Cam m er abschreiben m u ß te; doch ließ sich d as alles bey guter Kost e rtra ­ g e n , und ich fieng an m it meinem Schicksal zufrieden $u werden. A llein , w ie kein Glück in dieser W elt von D au er ist, wie R o llm schreibt; ( oder w enn er cs. nicht g e th a n , doch leicht hatte schreiben können, w eil er viel sehr gemeine D in g e s a g t) so blieb ich auch hier nicht lange, sonst w ürde ich wahrscheinlich einm al eine gute B edienung e rh alten , mich verheyrathet, K in der gezeugt, und meine Leser w ürden nicht die überschwengliche Freude haben, noch so viel B ände von m einer lehrreichen Geschichte zu lesen, q ls ich (w en n nicht die K unst P a p ie r zu m achen, wie die G la sin a , lercy in diesen Zeiten verlohren g e h t) noch zu liefern gedenke. D ie F rau A m tm annin h atte einen kleinen schädigten M o p s , der m it allen Ge! rechlich, keilen des hohen A lters und einer vornehm en E rtirh u n g käm pfte. A u s den Fleischtöpfen

der immer rauchenden Küche hatte er das G ift geschöpft, das itzt seinem Körper so übel mitspielte, und die Leckerbissen der herrlichen Tafel hatten ihn mehr $u einem lehrreichen Beyspiel für alte Hofleute, als ju einem angenehmen Gegenstände des geselligen Um# gangs gemacht. Dennoch w ar die Zärtlich­ keit der dicken Dame, für dieses halb lebendige A as so groß, daß sie mir zumuthete, das Thier zu warten und ju pflegen, ja mit ihm ju wachen, wenn der arme Hund des Nachts vor Schmerj und Husten keine Ruhe hatte. N u n fügte es sich, daß nachdem ich schon lange dieser Arbeit und Unruhe überdrüssig w a r, meine Gcbictherina mich rufen ließ, um den M o p s, der ihr ein paar Stunden Gesellschaft geleistet hatte, aus dem Zimmer zu tragen, damit er die Verdauung der ge# «offenen Zuckerbretzel gehörig abwarten wogte. A ls ich ihn nun auf den Arm nehmen wollte, schien die Bestie noch nicht geneigt dag Zim­ mer zu verlassen, sondern biß mich, zur Dankbarkeit für meine S o rg fa lt, in den Finger. Eine Aufwallung von Schmerz und 11061

IOI

zugleich von Verdruß über dieses Thier bewog mich, ihm einen derben Schlag zu geben, und da ich nnglücklicherwrife ein sehr empfind, liches Flcckgen am Kopfe treffen mogte, fiel der arme Hund tob zur Erde. D a hatte ich Mich nun gern hundert Meilen weit von dort weggewünscht; Denn nicht arger klagte Niobe um ihre erschlagenen Kinder; nicke kläglicher jammerte Jacob um seinen Sohn Joseph; nicht fürchterlicher brüllte dir Löwinn, der man ihre Jungen geraubt — Doch was hel, fen die poetischen Ausrufungen? Die Frau Amtmannin klagte nicht, jammerte nicht, brüllte nicht, sie fuhr mir vielmehr mit zehn tienilich geschmeidigen Fingern inS Gesicht und in die Haare, kratzte, ohrfeigte, riß, und schimpfte dabey wie ein Dragoner — E s war eine gräßlich erschütternde Scene!— Nachdem dirs sanfte weibliche Geschöpf also eine Zeitlang die pii manes des nun im Tode schlummernden Mopses versöhnt hatte, lief sie voll Raserey zu ihrem Ehegatten, und »erlangte, ich solle von Stunde an aus dem Hause gejagt werden. Ich muß dem Herrn

Am tm ann die Gerechtigkeit wiederfahren las» fcn , zu f» g m , daß er nichts unversucht ließ, den Zorn '.feiner geliebten Mcdea zu besänfti­ gen; Aber cs w ar alles umsonst,

und er,

der von ih r an Schweigen und Dulden ge­ w öhnt w a r, mußte endlich nachgeben; doch beschenkte er mich noch reichlich,

und gab

m ir einen ehrenvollen Abschied, w o ra u f ich das H aus und

viel Leute,

die m ir wohl­

w o llte n , verließ. Ic h hatte in diesem Hause zuweilen einen H errn wohnte. in

gesehen, der in

der Nachbarschaft

E r hieß M a rc c liu s , hatte ehemals

einem herzoglichsachstschen Orchester die

Bratsche gespielt,

da aber die linke Hand

durch einen Schlagfluß gelahmt worden; so wurde er vom Herzog als R ath in das Cammercollegium gesetzt.

Ob er auch in diesem

Fache D irtuoso w a r, weiß ich nicht, aber imm er schien es eine gute Versorgung, auch wußte er das Finanzsysiem so obligat zu be­ handeln, daß er fast alles S o lo in seinen Deutel spielte.

A ls aber rin andrer Herzog

}u r Regierung kam, der zugleich gerecht und g ütig w a r ; so gab man dem H errn Cammer­ rath zu verstehen: auswandern.

er mögte baldmöglichst

D ie s that er denn auch, for»

drrte seinen Abschied,

und kaufte sich ein

G u t in dieser Gegend, wo er nun von seinen Renten lebte.

Zu diesem M a n n e , der noch

immer M usik liebte,

beschloß ich zu gehn,

«nd ihm meine Dienste anzubiethen. Ic h fand ihn in seinem G a rte n , da er beschäftigt w ar allerley Veränderungen vor­ nehmen zu lassen, erzählte ihm mein Schick­ s a l, trug ihm mein Anliegen v o r , und er w a r sogleich geneigt m ir zu w illfahren. » D a ß „ E r M usik versteht" sagte er „m e in Freund! „d a s n im t mich sehr fü r I h n ein. E in guter « M usicus ist zu allem zu brauchen.

Ic h

„b e d a rf eines G ä rtn e rs ; H ätte E r w ohl Lust „z u dieser S te lle ? E r braucht nicht eben ein „gelernter G ärtner zu seyn; Ic h verstehe daS „a lle s selbst, und werde I h m schon Anwei„sung geben, wenn E r nur folgsam ist. E in „musikalischer

Kopf kann

alles

lernen." Es

io4

Ist leicht zu denken» daß ich diesem Antrage willig Gehör gab» also waren w ir bald über die Bedingungen einig, es wurde mir mein W ürkungscreis angewiesen, und mir der G arten gezeigt. Nicht leicht habe ich eine geschmacklosere Anlage gesehen, als diesen quasi G arten. D er Besitzer schien recht darauf studiert zu haben, allcS Wiedersinnige und Unnatürliche hier zu vereinigen. Die holländische M anier, nach welcher der G rundriß des Ganzen eine gerichtet w a r, trug das Ih rig e dazu bey, die N atur in der steifsten, lächerlichsten M aske darzustellen. Die Blumenbekten w aren, statt der B lum en, mit Porcelaine schcrben und Glasstückcn von allerley Farben ausgelegt, und zwar in Gestalt von geschlun­ genen N ahm en; Für Schatten w ar gar nicht gesorgt; vier ins Creutz gegen einanderüber in die Erde gesteckte oben zusammenschliessend« Wallfischribben stellten eine Laube vor. D ie Stäm m e der Obstbäume waren weiß ange­ m alt; Eine Meng« Taxuspyramiden, die in [HO]

der F orm von K egel, S c e p te r. ©Susen m it P ferd etö p fen , und dcrgletchci» geschnitten w a re n , begränjtcn zn beyden S eiten die G änge. D azu w aren viel S ta tu e n , m it Fleischfarbe angepinselt, da $u sehen. w or­ u n ter sich unter andern ein H ercules m it einem S tutzb arte auszeichnete. Eine G ro tte la g ,m it der ofnen S e ite der M ittag sso nn e grade gegenüber, und in dieser G ro tte w aren th eils E rjsiu fen , theils gemeine S te in e ein« g e m a u e rt, die in der F orm von Krebsen, K atzen, gebratenen und gespickten H aasen, S k o rp io n en , gekochten Schinken und andern S eltenh eiten gehauen, und alle m it notarli* chen F arben bem alt w aren. An der band« straß e, die neben dem G arten vorbeygicng. W ar eine Einsiedeley angebracht» das H a u s davon lag h a rt am W eg e , und inw endig faß ein hölzerner bem alter und angekleideter S o c ra te s , der ein Schachspiel und eine P ore tio n Caffee vor sich a u f dem Tische stehen h a tte , und a u s dessen M un de ein Z ettul h ien g , w o rau f geschrieben w a r : » S a lv e „m o n spricht: eS ist alles eitel." Ueber

[in]

io 6 der Thür sas man: „Dies ist des weisen »Eocrates R elirade-" Eben so abgeschmackt w ar das H aus des H errn Cammerraths m cublirt. E r hatte von einem herumziehenden

Gipsfignrenhändler

allerley nach alten Mustern abgegossene Eta« tuen gekauft, dieselben aber theils m it leb« haften Farben anstreichen, theils die Halse in Gelenken von D ra t henken lassen, so daß B - a u f dem Ofen im Wohnzimmer eine Menus von M cd icis stand, die beständig, wenn man hart a u f den Boden t r a t , dem Kopfe wackelte.

Im

m it

Besuchjimmcr,

wo der Fußboden grün gefärbt w a r,

befand

stch an der T hür ein Zug angebracht, der, wenn ein Fremder hereintrat,

ihm

einen

großen Fuchsschwanz entgegenfahren machte. D ie

elendesten Kupferstiche hiengen aller

Orten in blaue» Rahmen umher, der K ö nig von Preussen und Heinrich der V ie rte , Vol« faire und Rousseau, Eartouschc und Was« h in gton , die Gegend von Basel und die Ba« tadle bey E o llin ;

Siuf dem A btritte aber 11121

io? stand feine kleine Bücherfamrnlnng —

So

w ar des Mannes. Geschmack beschaffen,

des,

feit Kunstgärtner ich jetzt wurde.

D a s erste J a h r hindurch waren w ir die besten Freunde. meine S o rg fa lt schreiblich;

M einem neuen Herr» gefiel fü r feinen Garten

unbe­

D a ich nun bald gewahr wurde,

m it welchem M anne ich es zu thun hatte; so schmeichelte

ich

feinem

Geschmacke

zum

Abentheuerlichen, und machte solche Verbes­ serungen in seinen Anlagen,

daß würklich

kein Mensch im Tollhause contrastierendere Gegenstände hätte verbinden können, W ir da hinpflanzten.

In

als

den Erhvlungs-

stunden machten w ir M u sik,

und da H err

M arceliu s eine H aushälterinn hatte,

die

noch vor zehn Jahren Chorsängerin» in der französischen Oper gewesen w a r ,

auch trotz

E iner in P a ris schrie, mein H err selbst aber, ohngeachtet der Lähmung,

noch aus der

Bratsche herum arbeiten.konnte, und über dieselbe her zugleich einen Tenor sang;

so waren w ir ,

etwas fettigen m it H ülfe des

io8 Schulmeisters und einem Paar D ierfidlkrN im S kandc,

ganze Oratorien aufzuführen.

A u f diese A rt beschimpfte» w ir des Stabat mater von Peraolesc und andre Meisterstücke der besten Lonkünstler. W a s nun die H aushälterinn b e trifft; so hatte sich, dieselbe der besondern Vertrauliche keit des H errn Canimcrraths zu erfreuen; S ie waren alte Velannte.

E s schien aber,

a ls wenn seine Beständigkeit nach und nach auficngr sie zu ermüden, ja , als wenn sie sich noch werth fühlte, einen jüngern Licbha, der zu fesseln.

Ic h w ar unglücklich genug

ih r zu gefallen;

sie machte also P la n a u f

m ich, und da sic sich gleich anfangs erbothen hatte,

mich in der französischen Sprache zu

unterricht«»,

danut ich im

Stande

seyn

wogte in den Chören aus les talens lyriques und andern herrlichen

Opern

dieser A rt,

w oraus man zuweilen Stücke sang, m it zu tr ille rn ; so hatten diese Untcrwcisungsstunden uns öfters die Gelegenheit verschafft, wtteinandcr allein zu seyn,

welche Gelegen-

Tot; heit sie denn nützte, die entscheidendsten An­ griffe a u f meine geringe Person zu machen. E s wurde hier nichts unversucht gelassen, Schminke,

Reste

von

Theatcrgarderobe,

Pantom im e, und sogar sehr unzweydentige wörtliche und thätige Anträge.

Aber waren

«s die traurigen Erfahrungen, welche ich in der Liebe gemacht hatte, oder mein freundfchaftlicher Umgang m it einer jungen Küchen­ magd, oder das abgeschliffene Gepräge von A lte rth u m ,

so die französischen Reize der

Dam e Gangrelle (da s w ar ih r N ahm en) trugen — M it Einem W orte! Lugend w ar es nicht, was mich bewog, allen ihren Nach­ stellungen auszuweichen, und gewiß,

wenn

P otiphars W eib nicht hübscher gewesen ist, a ls diese ve-jährte H aushälterinn;

so wun­

dert es mich gar nicht, daß Joseph feinen M a n te l bey ihr im Stiche gelassen haben soll. D enn abgerechnet, daß sie hohle eingefallene Augen, «in etwas a u f die Seite gezogenes M a u l unter der in die Höhe'stehenden Nase, fü n f falsche Zähne, dürre dissonierend klap­ pernde Knochen, und eine gelbe runzliche

HO H a u t hatte;

so w ar auch ih r Othem, ohn,

geachtet der bon bons, welche sie unaufhörlich im Munde führte, nicht so lieblich, a ls der,

wovon im hohen Liede C alom ons eine

so poetische Beschreibung sieht.

Zu meinem

größte» Elende aber hielt die gute Person meinen Wiedersiand fü r

eine A r t seltener

B lö d ig ke it, und das reizte sie um dcsionichc das Aeu,ferste ji» wagen,

sich genauer zu

überzeugen, ob diese Blodigkeit aus physi­ schen oder moralischen Gründen herrührte. D a s Küchcnmadgen,

von welcher ich

vorher Erwehiluug gethan habe, schlief in einem Hämmerchen a lle in ,

und ich hatte

unter

der Treppe gleichfalls ein einzelnes

Bette.

D er Mensch ist aber zur Geselligkeit

geschaffen, wie man zu sagen pflegt, und es ist etwas fürchterliches so ganz einsam die lange :^acht hinzubringen.

Deswegen hat­

te» w ir die freundschaftliche Abrede genom­ men, uns zuweilen in unser» Zellen zu besu­ chen, ohne daß weiter im Hause etwas davon erfahren würde.

E s fügte sich aber, daß m

einer W internacht, nachdem die Herrschaft und das übrige Gesinde zur Ruhe gebracht w a r , Charlotte,

nach vollendeter Lüchcnar-

b e it, um nicht ein Stockwerk höher steigen tu dürfen, sich in mein Treppcnstnbchen vcr» fügt hatte.

Ic h w ar indeß etwas später als

gewöhnlich ans den H o f gegangen,

wo ich

im S ta lle mit dem Lnechte, der erst eben ans der S ta d t nach Hause gekommen w ar, etwas zu reden hatte.

D a s Madgen wußte

dies, und erwartete mich in meinem Rette. Mademoiselle Gangrelle ließ sich von dieser Einrichtung nichts träum en, schlossen h a lte ,

und da sie be­

die Dunkelheit der Nacht

(d a s Einzige. wöbe» sie freylich hatte etwas gewinnen können) zu ihrer Vertraueren ju machen) so kam sie aus ihrem Läm m erlein nach der Treppe zu geschlichen,

öfncte sanft

meine T h ü r , und rief mich zärtlich bey mei­ nem

N ahm en.

Charlotte fuhr zusammen,

als sie diese S tim m e hörte, hielt sich aber so ruhig als möglich, um nicht erkannt zu wer» den.

Jetzt glaubte die mciischenfreundliche

Französinn,

ich

schliefe so h a rt,

11171

und

um

näher m it m ir reden zn können, legte sie sich leist neben die Person, welche sie im Bette fand.

Allein bald kam es zn der Entdeckung

ihres J rrtd n in s ,

w om it sich zugleich die

ganze Geschichte a u f eine höchst tragi-eomisch« A rt

entwickelte.

In

dem interessantesten

Augenblicke kam ich dazu, hörte einen ge# spcnsterahnlichen Lern» in meinem Schlaf# cabinette, und a ls ich hineinblickte (ich hatte eine Laterne in der H and) sah ich, wie die beyden Vestalen, unter denen es indessen zu einem sehr gewürzten Wortwechsel gekommen w a r , sich itzt einander bey den Haaren ergrif# fen hatten, und dabey gewaltig schrien und schimpften.

Diesem Greuel nun wehren zn

w ollen , würde verlohrneMühe gewesen seyn, und vielleicht wären dann beyde Theile über mich hergeiallen. Also dachte ich mich eilend wieder davonzumachen;

Aber zum Unglück

kam m ir H err M areelius m it einem Lichte in der Hand in den W u rf.

I h n hatte das Pol#

tern und Toben aus seinen Fevern gejagt; E r glaubte es seyen Diebe im Hause, und da er nun zu seiner treuen Dame Gangrelle

feine Zuflucht nehmen w o llte , und quer über den Dorsal gieng,

durchcreutzte er meinen

W eg — Ic h bemerkte ihn in der E il nicht, rennte ihn um , daS Licht gieng a u s , und er lag a u f den Boden hingestreckt.

E r mogte

w ohl hart gefallen seyn, denn er klagte und fluchte entsetzlich — N u n , glaubte ich, sey fü r mich keine Zeit zu verliehren.

W enn

auch der H err Eammcrrath nicht etwa ein paar Rippen zerbrochen haben konnte;

so

mußte doch die Sache a u f alle Weise einen schlimmen Ausgang fü r mich nehmen. Daher nützte ich den Augenblick der V e rw irru n g , gieng in das Bedilntenztm m er, packte meine besten Sachen, mein G e ld , und so viel ich tragen konnte auf, ( doch nahm ich kein frem« deS Eigenthum m it ) floh aus dem Hause, aus dem D o rfe , und w a r, ehe eS Tag wurde, über die Grenze. « S o hat doch der böse Feind sein S p ie l „ m it den H au sh ä lte rin n e n !" rie f ich a u s ; „ich mag es gut oder übel m it ihnen meinen» »so jagen fie mich fo rt.

W o h l m ir indessen-

H

ii4 ^daß ich so glücklich davongekommen - i n !"W ü rklich w ar ich des Herrn Cammerraths H auses, seiner babylomschcn G ärten und picrischen einen,

Concerte

nach meiner

so überdrüssig,

hatte

gegenwärtigen

Lage,

ziemlich bespickten Geldbeutel,

dabey guten

M u t h , Lust wieder in Bewegung und W ürksamkeit zu kommen, a u f das Schicksal,

und festes Vertrauen das mich nun schon so

o ft in bessere Umstände versetzt hatte. fie l m ir e in ,

Es

so viel Gutes von F rankfurt

am M a y n und der umliegenden Gegend ge­ h ö rt zu haben,

also bcschlost ich dahin zn

gehn, um in dieser grostcn S ta d t irgend eine Gelegenheit zu fernerm Fortkommen zu suchen. D e r Weg w ar w e it, allein ich verließ mich a u f die G u tw illig ke it der deutschen Postknechte, welche, gegen ein geringes Trink» gelb, trotz aller Postordnungen, so viel blinde Passagiers aufzunehmen pflegen, daß dicjcni» gen, welche ihre Plätze bezahlt haben, von dem Gcprcsse, Gestaute, von der Unreinlichft'it und dem Ungeziefer dieser unbefugten Gaste, fo wie von dem unerhörten Gepäcke,

das für Frachtkarrn,

nicht fü r Postwagen

bestimmt scheinen wogte,

so viel Ungemach

leiden wüsten, daß, wenn sie irgend hinrei­ chendes Geld auftreiben tonnen, Extrapost nehinen,

sie lieber

und wenn sie nicht in

solchen Umständen fin d ,

entweder zu Fuß

gehn, oder gleichfalls blind fahren,

w eil

doch einmal ein solcher Reisender dieselbe Bequemlichkeit, um weniger G e ld , als ein rechtmäßiger h a t, man zu Fuße aber geschwin­ der fortkom m t, welches freylich ein unerhör­ tes D in g ist. Ic h trog mich nicht in meiner Hofnung. D urchs Hannoverische, Hessische, und durch die Wetterai« kam ich tun einige Gulden glücklich nach F rankfurt.

Labey hatte ich

noch die Freude, von den Postillons besser

als

die würkllchen Passagiers behandelt

werden;

des

zu

denn da diese schon die Ausgabe

Postgeldeü hatte», ich aber vor wenig

Groschen dieselben Vortheile genoß; so w a r ich m it H ülfe der übrigen blinden Gäste im

S tande, etwas mehr an die Zehrung deck

n6 Schwagers zu wenden,

welches

mich zu

einer der wichtigsten Personen im Wagen machte,

und m ir die Freyheit gab,

die

übrige Gesellschaft» so sehr sie auch dagegen klagte, von einem M orgen zum andern m it meiner

Tobakspfeife

nach Gefallen einzu-

räuchern. N u n saß in der Ecke ein Mensch, in einer A r t von französischer U niform , m a l,

wenn w ir

der jedes­

durch eine S ta d t fuhren,

vo r dem Thore ausstieg,

m it einem W orte,

der sich zu schämen schien, m it dem gewöhn» UchenPostwagen zu reisen. E r sprach w enig; wenn er aber redete; scheidendem Tone.

so w ar es in sehr ent­

W ir Alle hielten ihn fü r

einen sehr vornehmen M a n n , der incognito reifete, und w eil der Mensch in dieser W e lt gewöhnlich das g ilt,

wozu er sich selbst

m acht; so bewiesen w ir diesem H errn eine A r t von Ehrerbiethung,

reichten ihm die

H a n d , so o ft er heraussteigen w o llte , und man hatte glauben sollen,

«ns sämtlich; Das

that

er bezahlte fü r

er aber nicht; Im

Gegentheil!

so bald w ir irgendwo ein paar

Stunden liegen blieben;

so pflegte er den

obersten Platz am Tische, Lager,

das bequemste

den weichsten Sessel, das wärmste

Eckgcn hinter dem Ofen fü r sich zu wählen, und wenn vom Bezahlen die Rede w a r; so giengen w ir Alle zu gleichen Theilen.

W e il

nun aber dies die gewöhnliche Weise vorneh­ mer Leute ist;

so hielte ich ihn doch fü r eine

Person von W ichtigkeit, und suchte m ir, in den Umstanden darinn ich w a r, seine Zuneie gung zu erwerben.

Ic h nahm Gelegenheit

ihm einen T heil meiner Geschichte zu erzäh­ len ,

zu sagen daß ich Dienste suchte, und

mich seinem Schutze zu empfehlen. E r nahm diesen Antrag W ürde a n ,

m it derjenigen M iene von die Leuten von Gewicht eigen

ist, und versprach m ir,

noch ehe w ir unS

trennen w ürden, Vorschläge zu einer künfti­ gen Lebensart zu thun.

A ls w ir nun nach

Frirdberg kamen, sagteer: .M e in Freund! «hier nehm« ich Extrapost. « m ir kommen w i ll ;

Wenn E r m it

so kann ich ihn nicht

« n u r m it nach F rankfurt nehmen, sonden,

n8 „auch eine Z eitlang a ls B edienten bey m ir „b eh a lte n , b is er sonst irgendw o unterköm m t. „ I c h bedarf zw ar jetzt würklich keines „L aq u ate n , kann I h n auch nicht so reichlich „besolden, a ls ich wohl u nter andern Um» „standen und vielleicht in d e rF o lg e thun „ m o g le , aber E r gefällt m ir. Lasse C r sich „ also im m er diesen P la n vorerst gefallen! ° M it Freuden nahm ich das Anerbiethe» a n , und fuhr m it nach F ra n k fu rt, w o w ir im goldenen Löwen ab traten. D a m it die Leser indessen m it meiner neuen H errschaft etw aü genauer bekannt werden m ö gen; so w ill ich hier kur; sagen, w er und w ie der M a n » w a r , und welche Aussichten ich m ir durch ihn versprechen durfte. H e rr von kippeville ( so hies dieS S u b , ject) w a r etw a fü n f tind vierzig J a h r a lt. S e in V a te r , ein P redig er im Hessischen, h atte kippstadt geheissen. N icht w eit von ihnen wohnte ein E delm ann der H au p tm an n u n ter den franjösischen H usaren w ar. D ieser |12-l|

ii9

«ahm den jungen Lippstabt als Knaben m it sich, kleidete und erzog ihn zum Laquaien. D er Zunge wuchs heran, gieng mit inS F eld, kam unter mancherley Leute, und nahm französische S itte n an. Nach einigen Jah ren wurde er bey dem dänischen Gesandt tea in P a ris Kammerdiener, und sodann Cecretair bey einem P rälaten , der selbst nicht schreiben konnte, wie man deren zuweit len antrifft. D a schmeichelte er sich bey best fen V etter ein, der ihn als Gesellschafter m it sich auf Reisen nahm , und ihm einen Titel als Capitain kaufte. Als aber derselbe in Aachen an dem mal de Naple starb, blieb H err Lippstadt, der sich unterdessen M on­ sieur de Lippevillc getauft hatte, sich selbst überlassen. Doch hatte er sich ein bisgen Geld erworben, das er in Leibrcnthen vcrt w andelte, welche zu einem Theil seiner B et dürfnisse hinreichten. D en Rest bestritt er von einem noch sicherern C apital, nemlich von der Schmeicheley. E r reifete (und wie w ir gehört haben mit großer Sparsam keit) von einem kleinen Hofe zum andern, wo

solche Männerchen eine wichtige Rolle spie» le n , und von einer Reichsstadt |u r andern. W en n es ihm nun leider! w o llte ,

nicht gelingen

irgendwo in Dienste ju kommen,

oder eine reiche F ra n zu nehmen; er um ein paar anhielt,

( obgleich

die rin Auge zn

w enig, und dreyssig F a h r zu viel hatten) so zehrte er doch aller Orten frey.

E r wußte

sich in eines jeden Laune« zu schicken, jedem zu sagen, was er gern hörte, sich selbst aber ein Anseha von Wichtigkeit zu geben. abwesenden Fürsten sprach e r.

Von

als wenn sie

seine vertrauctesten Freunde w aren ;

M an

hielt es fü r ein Glück m it einem solchen M a n n e in Verbindung zu sichen.

C r that

sehr geheimnißvoll, lebte sehr mäßig und züchtig, sagte nie über etwas gradezu seine M e in u n g , und

verdarb es also m it

niemand,

erregte aller Menschen unbedeutende

Aufmerksamkeit.

In

Damengesellschaften

w a r er ein willkommner G ast;

E r wußte

vierhundert fü n f und siebenzig Histörchen zn erzählen,

unzählige Räthsel aus dem M e r.

eure de F ran ce,

Laschenststelerkünste,

Ane

vecdoten von Personen, die man nicht kannte li. d. gl. klammerte sich immer an diejeni» gen Leute a n , welche am mchrstcn du bon ton w aren, und »bürde also täglich zu Gaste geladen, um R ath gefragt, wenn parties de plaifir vorgeschlagen wurden, und wo kein Andrer Z utritt hatte, da vertrauere man chm Weiber und Töchter a n , denn er galt für «inen Komme l'ans confcquence. Zu Hause behalf er sich kläglich, und da er den ganzen Tag nicht zu Hause w a r; so ließ er fast nie sein Zimmer heitzea. Frankfurt scheint ein O rt zu seyn, wo solche müssige Menschen, wie Fische im Was» ftr leben; Auch ziehen sie wie Häringe dahin. Allein ich kann nicht sagen, daß die Bedien» ten dieser Herrn ein eben so beneidenSwürdi» geS Leben führen. Monsieur de Lippeville gab mir wenig G eld, und ich fieng a n , mich nach einem andern H errn umzusehen, a ls eines Abends, da ich eben in der Thür deS Gasthofs stand, ein kleiner französischer D esobligeant, mit zwey Pferden bespannt,

rmi

im goldenen Löwen ankam . E s w a r kein B edienter v o ra u sg e rittc n , und w eil grade keiner von den K ellern bey der H and w a r, a ls der dariiin filzende H err aussiieg; so reichte ich dicsein den A rm , und sah einen m agern langen M a n n , in einer G ensd'arm es« uniform m it viel Anstande und ausländischer A rtigkeit hervortreten. E r redete französisch, und cs schien ihn zu freu e» , daß ich ihm in eben der S p rach e an tw orten konnte. N ach/ dem ich ihn nun a u f sein Zim m er begleitet h alte (M e in H err w ar zu einer Jndigestions-p arthie in den römischen K aiser g eladen) sagte er m ir, daß er einen B edienten suchte. I c h both ihm meine D ienste a n ; w ir w urden u nsers H an d els ein ig , und den folgenden M o rg en sagte ich dem H errn von Lippstadt a u f , der m ir auch erlaubte sogleich fortzugehn. Also hatte ich nun einen andern H errn , von dem ich freylich nicht w u ß te, w er er w a r, aber doch dachte, er mögt« leicht m ehr seyn und besser bezahlen, a ls ber Sicuv Lippeville. Auch hielt ich es langer bey ihm a u s , und blieb zwey volle J a h r e l» seinem Dienste. ir.üil

E s ist Z eit, daß ich meine Leser nun auch m it diesem Geschöpfe näher bekannt mache. Er nannte sich den Chevalier de Ventaulair, und gab sich, bey seinen beständigen Reisen» das Ansehn von geheimen großen Aufträgen, ohne sich näher über die N atur derselben zu erklären. Aber wenn er irgendwo ankam; so kramte er einen Theil seines Koffers aus, stellte und legte gewöhnlich vor die Fenster hin allerley Gläser mit Essenzen, Flaschen m it S p ir itu s , P u lv er, und mystische B ü ­ cher, in welchen die Operationen der schaf­ fenden N a tu r, die bis itzt den größten P h i­ losophen so ehrwürdig dunkel und unbegreiflich geschienen haben, durch allerley lächerlich scheinende, aber ihrem S in n nach höchst wichtige F iguren, zu Papier gebracht waren, also daß jeder auch noch so einfältige Mensch e s fassen konnte, und wann er es nicht ver­ stand, es dem M angel eines innern Lichts zuschreiben mußte. Auch habe ich in der Folge wahrgenomm en, daß dies innere Licht rnehrenthcils in den allcrdümnisten Leuten w ohn te, und daß selten rin M a n n , der s»

frech war seine gesunde Vernunft gebrauchen tu w ollen, diese Bücher für etw as anders h ielt, a ls für erborgten Unsinn theils au s gewissen allen philosophischen S ch u len , deren falsche Theorien langst der W elt entwickelt, und durch neuere Erfahrungen wiederlegt sind, theils aus den Schriften schwärmeri­ scher, unwissender Thoren in barbarischen Zeitaltern. Allein mein Chevalier war listig genug wissen, w ie leicht man die M en­ schen durch das Wunderbare fesseln kann, dasi sich sogar unter ihnen eine falsche Schaam einführen la ß t, so baß niemand dem Andern bekennen m a g , er verstehe eine Sache nicht, dam it er nicht für unempfänglich gehalten werde, und daß also ein solcher B etrug schwer aufzudecken ist. W a s mich betrifft, dpr ich nur ein gemeiner Mensch bin; so habe ich,nicht nöthig zu leugnen, daß ich nie etw as von diesem Zeuge habe begreifen, noch davon den würksamen Nutzen für die W elt entdecken können. Auch machte, a ls ich erst m eineneuen Herrn Zutrauen erworben hatte, dies str mir kein Geheimniß d arau s, daß bas

1*5 alles block eine Finanzoperation gewisser Leute sey, und er mich in den S tan d setzen wolle, in der Felge an den herrlichen Früchten Theil zu nehmen, welches er auch treulich hielt, w ie man zu seiner Zeit sehen w ird . Ic h muß dein R itte r die Gerechtigkeit Wiederfahren lassen, daß er die Kunst von den Narrheiten der Menschen V orthe.l zu ziehen, meisterhaft studiert hatte.

C r wußt«

zu rechter Zeit ein W o rt hinzuwerfen, oder etwas als wie von ohngefehr zu zeigen, das die Neugier der heute auf ihn zog, und dann ließ er sich bitten , und so viel abfragen, a ls er nöthig fand herzugeben. H ie rm it verband er zugleich eine gewisse A r t Freymaurerey, behauptete das P rivile giu m aus Frankreich zu haben,

fi*c Geld fü n f und vierzig Grade

in Deutschland austheilen zu dürfen.

Cs

w a r lustig anzusehen, wie stark der Menschen Glauben an so etw as, und wie leicht es ist, die Leute zu überzeugen, daß man W ahrheit verkaufen, und ei» M onopolium dieses Hane dels von unbekannten Weltweisen bekommen könne.

Unsre Erndte in dortigen Gegenden war. a u f d«ese A rt herrlich. I c h spielte auch meine Leolle dabey, m ußte einen Theil des weit« läuftigen Briefw echsels übernehm en, und w urde zuweilen an einen in der N ahe von M an h eim wohnenden Exjcsuitcn abgeschickt, der wie cs schien die S ch ritte des H errn von V cntaulair d irig ierte, und ihm die nö­ thigen V erhaltungsbefehle gab. Um zu zeigen, welche unerhörte Frechheit m ein H err h a tte ; w ill ich doch eine kleine Llnnecdotc von ihm erzählen. E r w urde m it einem Arzte bekannt, d er, verm uthlich um ihn auszuforschen, seinen U m gang suchte, und ihn einltm als des Abends nach Tische, da sie allein w a re n , bath ihm die Geschichte seines Lebens, und wo er zu diesen him m li­ schen Kenntnissen gekommen sey, zu erzählen. M e in A brntheurer, der seinen M a n n nicht fü r vollwichtig a n sah , g la u b te , er könne ihm schon etw as v o rlü g en , und fieng daher, nach einigem W iederstande, folgender­ m aßen a n :

i« 7 „ I c h w ill Ih n e n , mein Freund? nichts „v e rh c le n , und E ie von meinen Schicksalen „unterrichten.

Ic h di» aus M a d rid ,

„d ie s ist meine Abkunft.

und

E in Osjicier der

„deutschen G arde, der Baron von Eteinbach ,»genannt, w urde, a ls er einst des Abend„z u Hanse kam ,

am Fuß der Treppe ein

„P äcklein gewahr" — „ E tw a in weißes Leinwand gewickelt?" fiel ihm hier der D oclor in die Rede — „ E y ! D u Erzlügner! das ist ja eine @ t; ..schichte aus dem (Sil BlaS de S a n tilla n a ! " M e in Chevalier wollte das W o rt nehmen,

aber der Arzt überschrie ih n , goß ihm eine so heisse Lauge von Spottreden und S chim pf, W örtern über den K o p f,

stehen blich.

daß ihm der Odem

„U n d D u elender L an dläu fe r!"

sagte er „ w ills t hier ehrliche Leute anführen,

„allgemeine Arzeneyen und den S te in der „W eisen bereiten lehren? Erfahre, schandlie „cher B etrüger, daß ich D ich längst beob»achtet und entlarvt habe. -Wenn es btt#

i*8 »gleichen Kenntnisse

giebt,

»deren D u Dich rühm st; »nicht in

a ls die sind,

so find sie gewiß

den Händen solcher verworfner

»W indbeutel und Geldschneider, »wenigen

Menschen,

welche

und die

sie besitzen,

»pralen nicht n ur nicht d a m it, werben keine »Proseliten,

geben nicht Unterricht in D ine

»gen. die nicht aus Menschenhänden empfane »gen

werden können;

sondern halten eS

.-sogar fü r P flich t das Publicum von solchen » Id e e n abzulenken,

ihm solche als Specu-

»lationcn und Hirngespiüste abzuschildern, » da m it keiner, m it vergeblichen E rw a rtn « , »gen von G ü te rn ,

die er nicht erreichen

»kann, getäuscht, ein müssiger W eltbürger »werde, indem er Gegenständen nachsagt, »die fü r ihn Träume bleiben. »aber,

D ie Wenigen

die von der weisen Vorsehung zu

»gewissen Dingen bestimmt sind, erhalten » w a s sie haben sollen, zu seiner Z e it, ohne »solche

Werbungsanstalten.

H üt«

D ich

»aber, noch E in W o rt von der A rt hier fa l, »len zu lassen,

packe Deine Essenzen ein,

»reise fo r t, und erspare D i r den Schim pf,

»bett

wenn D u

ich D i r tubereiten w i l l ,

^ meiner W arnung nicht folgst." H ie ra u f nahm der Docker seinen H u t und S to c k , w a rf noch einen verächtlichen Blick a u f meinen H e rrn , und girng fort. D e r Chevalier de Ventaulair saß eine Zeitlang wie versteinert da, den Zahnen —

knirrfchte m it

„Que la peste t’ctouffe!“

rie f er darauf „Pierre! nous partonsdemain

„pour Ratisbonne."

D a m it

gieng er tu

B e tte , ohne weiter etwas ju sagen, und den folgenden M orgen machten w ir uns auf den

Weg nach Regeusburg.

Achtes Capittel. Peter w ird in höherer Weisheit ringeweyhct, und bekömmt einen andern Führer.

^ n te rw e g e n s

w ar unser Philosoph

übler Laune. aufzuheitern,

sehr

Indessen suchte ich ihn

und ihm die Verlegenheit zu

benehmen, in welcher er gegen mich zu seyn schien, w eil ich das Gespräch zwischen ihm tm b dem ungläubigen Arzt initangehört hatte. „ N ic h t w a h r,

gnädiger H e r r !" sagte ich

daher, a ls w ir den ersten Tag M itta g hiellen „d ie Menschen sind es nicht w erth , daß „m a n fü r sie sorgt?

E s ist uns nicht gut in

„F ra n k fu rt gegangen. Aber was schadet es? „V e rlic h rc n S ie den M u th

nicht!

Unsre

„Theorien sind g u t, wenn sie auch nicht aller „O rte n anwendbar sind; die hochwürdigen „O b e rn werden uns schon schützen. „ w a r , meiner Seele! ein grober K e r l, „ D o c to r ! "

D as der

„ S e y nur ru h ig , mein lieber

„ P e te r !" rie f m ir hier der redliche Chevalier

rzr m it getroster Miene entgegen » E r wird sei« „ner S tra fe nicht entgehn. Ehe die nächste „Messe herankömmt, muß Einer unsrer „Leute eine solche Schandschrift gegen ihn „drucken lassen, ihn dem Publicum so Der« „dachtig machen, (und das alles von hinten« »her) daß er nicht wissen soll, an wen er sich „zu halten habe, und daß Andre ein Bey« »spiel an ihm nehmen können. Zugleich »wollen w ir aller Orten schimpfliche Gerüchte „von ihm ausstreuen — E s soll ihn schon »reuen, daß er uns das Handwerk hat legen „wollen. Und wenn nichts helfen will — „Tithymalmn, Ancoram, & aquam tofanam „1’cmper xltima, nam fedant fitiin persecu„ tonnn veritatis ( vide reflcctionem primär „noctis) — Kurz! es soll ihn schon reuen!

„ S e y nur indessen treu und verschwiegen! » D a s wird Dein Schaden nicht seyn, und „ich will Dich in RegcnSburg mit M ännern „bekannt machen, die weiter für Dich sorgen „w erden." S o fuhren w ir denn getrost Tag «nd Nacht fort, und kamen des Nachm ittags in dieser S ta d t a n , w orauf sich mein Herr

IZ 2 sogleich umkleidete, 1Mb seine Bundesgenofe ftn aufsuchte, mir denen er vierzehn Tage hindurch viel geheime Conferenzen hatte. Ich muß es offenherzig gestehen, daß die Lehrer dieser höhern Weisheit, die ich dort und andrer Orten kennen lernte, in der That von Seiten ihrer Sittlichkeit nicht eben in einem sehr apostolischen Rufe standen. Lee Eine hatte seiner Magd ein Kind angemcs« feit, der Andre war nach Tische nie nüchtern, der D ritte unterhielt vor aller Welt Augen, neben seiner gesunden Ehefrau, noch eine Commödiantinn als Mattrehe. Dies mögte wücklich manchem Schwachen Miötrauen gegen eine Philosophie eiufiösteu, welche ihre Bekenner nicht zu bessern Menschnr inacht, aber das war auch eigentlich das Fach der hochwürdigen Obern nicht. M an stoße sich auch nicht an die Erbärmlichkeit des S t y ls , der in den Cchrlfke» herrscht, welche sie damals Herausgaben. Es war theils nicht möglich, auch ibrem Interesse flar nicht gemäß, viel vernünftige, grad«

denkende M ä n n e r,

die sie als Schriftsteller

hätten gebrauchen können, in ihre G ew alt |tt bekommen, theils ist es eine feine P o litik , einen solchen barbarischen S t y l ju schreiben, um zu zeigen, wie sehr man über alles Hins aus ist, was die leichtfertige W e lt verstäns d ig , fein und w izig nennt. Unter allen dortigen Freunden meines H errn zeichnete sich vorzüglich eia Apotheker a u s , der kürzlich aus Rußland gekommeu, und eben derselbe w a r, zu welchem, a ls er «och in Petersburg wohnte, ein M a n n t t it sete, um m it ihm den B etrug zu verabreden, durch den sie sich hernach fü r gewisse geistliche Personen ausgaben. hierher.

Doch das gehört nicht

Peter C laus mag niemand offen t#

kich beschämen, obgleich ihm manches 8 iu necdötgen von der A r t bekannt is t,

w o m it

«ian Menschen entzaubern könnte.

Genug

dieser Neun und N eu nzig er.w ar ein durchIriebener Schalk, bey den Jesuiten erzogen, von ihnen geleitet, w ürdiger Lehrer.

ein w ürdiger Schüler

D a itzt m ein H err ernstlich d aran dachte, m ir eine bessere V ersorgung ju verschaffen, u nd sich zugleich, w eil er im B eg riff w ar «ine größere Reise zu m achen, eine Z eitlang ohne B edienten zu beheifcn; so empfohl er mich diesem berühm ten A potheker, der grade eines G ehülfen bedurfte. D a s w ar für mich «in sehr glücklicher U m stand, denn es gieng herrlich in dieses -M annes H ause h er, und da ich nun m it den feinsten G rundsätzen ihrer mystiscven Wissenschaft bekannt werden sollte; so konnte ich m ir auch b tt sichern Früchte «iner so einträglichen K unst versprechen. I c h tr a t also m it V ergnügen mein Aem tgen a n , arbeitete m it in der O fficin, und brachte eS in kurzer Z e it, durch m eines P a tro n s steißigen U nterricht und seine H ülfe d ah in , daß ich fü r seinen P ro v iso r gelten konnte. I n den N ebenstunden machten w ir P ro b en von allgem einen A rzeneyen, a u s R ecepten und rhymischen Processen, die w ir hie und d a anftrieben. W en n n un eine solche P an acae fertig w a r; so theilten w ir davon eine M enge unter unsre Schüler a u s , welche d am it d ir fMOl

rZ5 Probe an kranken Profanen machen,

und

uns berichten m ußten, wie viele den Versuch überlebt hatten.

A u f diese W eife jagten w ir

manche gute Seele aus ihrer irdischen H ü lle , doch schoben w ir alsdann immer die Schuld a u f den M an g el an G lauben, und Vorsichtigkeit derer, übernommen hatten.

Reinigkeit

welche die C u r

M i t dem allen aber

fanden sich sogar Aerzte, welche schwankend genug in ihrer Kunst w aren, die W ürkung unsrer Arzeneyen an ihren Patienten zu ver­ suchen.

Ueberhaupt

hatte

ich in meiner

itzigen Laufbahn Gelegenheit, die traurigsten Erfahrungen

von

der Unwissenheit

dieser

S öhne Aesculaps zu machen. Ic h sah, daß die M o d e , au f Unkosten der armen Kranken, auch in dieser Wissenschaft daS Menschen­ geschlecht tyrannisiert. W a s in diesem J a h re in einer Krankheit a ls höchst gefährlich a n ­ erkannt w urde, das verschrieb man im fol­ genden J a h r e , unter eben den Umständen, a ls das einzige sichre H ü lfs m itte l dagegen. W en n ein englischer oder französischer A rzt «In Buch in die W e lt schickte,

worinn

er

lZ6 irgend einen neuen auffallenden S a h 6t# hauptete; so machte» unsre jungen deutschen Doctorn sogleich den Versuch damit an ihren Leidenden. O ie M edicin, welche die Quack# falber auf M arkten durch gedruckte Zettul ausbiethen, $. B> die Alliudschen Pulver «. d. gl. wurde von der Facullat zwar laut verschrien, weil sie selbst nicht w ußte, wor# a u s sie zusammengesetzt w ar, aber dennoch heimlich aufgekauft, und den Kranken gegc# den. K urz! ich überzeugte mich täglich mehr, daß Mäßigkeit und Ordnung im Moralischen und Physischen die einzige sichre Universal# arzeney ist, und daß man dem Grabe um eine S tu fe näher tr itt, sobald man anfängt die N a tu r in die Hände der Aerzte zn liefern (einige wenige Fälle ausgenommen, wo unschädliche M ittel derselben zu Hülfe kom# men können.) Um meinen Lesern einen Begriff von der A rt des Unterrichts zu machen, den m ir mein Apotheker ertheilte; so will ich Ih n e n Nur noch zuletzt Rechenschaft von einem G e-

rZ7 spräche geben, das er einst m it m ir über diese Gegenstände hielt. Ic h hatte ihm meine Verwunderung be« zeigt, wie man es doch anfangen wogte, manche vernünftige M än ne r so lange bey der Nase herumzuführen, werden.

ohne je entdeckt zu

Ecine A n tw o rt hierauf w ar fol«

gende: »Ohne mich darauf einzulassen, welche „ M i t t e l w ir wählen, jedem etwas zu geben, „d a s ihm g e fä llt;

wie w ir aller Orten die

„seltensten Kenntnisse aufspüren, und einem „U ngläubigen einen solchen Brocken vorwcr„ fe n ;

wie w ir durch unsre Spione alles

„e rfa h re n , w as andrer Orten vorgeht, und „dadurch uns in eine A r t von Allwisscnhcits« ».ruf fetzen; wie w ir Lenke, welche es wagen „gegen uns zu reden oder zu schreiben, An« „d e rn zum B eyspiel, tödlich verfolgen; wie „ w i r geistlich schwache aber sonst mächtige „Menschen an uns ziehen; wie w ir unS in so „manches K leid zu werfen verstehen, und „ d a , wo unser Betrug entdeckt w ird , selbst «gegen unsre Leute zu Felde zieh»,

also

igS „im m er im Hinterhalte bleiben; wie w ie „aller Orten mehrere Parchien erwecken, „w ovon die eine auf uns schimpfen muß, „dadurch wir denn nicht nur alles erfahren, „ w a s gegen uns unternommen w ird , so», „d em auch die ganze W elt in Rotten theilen, „welche alle heimlich von uns zu unsern „Zwecken geleitet werden; wie w ir alle F eh, „ le r , welche vorgehn, auf die Schuld der „M ittelobern schieben; wie w ir von gew is, „sen allgemeinen Volkssagen Nutzen zu zie, „hen wissen — D o n dem Allen w ill ich itzt „schweigen, und ich vcrsichrc S i e , cs braucht „wahrlich nicht so künstlicher Anstalten, uro „ a u s der W elt zu machen, w a s man w ill. „ E s giebt zwey D in g e , die für jedermann „höchst wichtig seyn müssen, und diese sind „V ernunft und R eligion. W enn beyde ge, „hörig verbunden würden; so würden die „Menschen an moralischer Glückseligkeit u n , „endlich gewinnen ( w a s man auch dagegen „einwenden m ag) W enn w ir m it den Augen „der V ernunft, die uns der Schöpfer zur „Leiterinn gegeben h a t, den ganzen W ü r,

«kungScreiS, «überschauen,

der

uns

dies

hier angewiesen ist,

Leben m it M äß igkeit

«geniesten, unsre Pflichten gegen das höchste «Wesen, gegen unsre Mitmenschen und gegen «uns

selbst

gehörig überdenken,

und die

„W in k e nützen w ollten, welche uns die geof« «fenbarte W eisheit dazu gegeben h a t;

so

«w ürde jeder einzelne Mensch seinen Platz in «der großen Kette a usfü lle n,

und keines

«w eitern Schutzes a ls seiner Rechtschaffen« «heit bedürfen, würde frey und ruhig seyn, «und sich also ju jener Z uku nft,

durch Ver«

«edlung seiner Selbst vorbereiten. Aber dabey «würden sich diejenigen Menschen sehr übel «befinden, die a u f Unkosten Andrer sich mäch« « tig , reich und w ichtig machen wollen. (Sol* «cher Menschen aber giebt es im m e r, w e il «nicht jeder das einzige wahre Interesse, seine «Wünsche zweckmäßig zu dirigieren versteht, «sondern von Leidenschaften irregeführt w ird . « D a es also stets eine unterdrückende Herr« «schende, und eine leidende Parthie in der « W e lt giebt; so befindet man sich am besten »dabey, wenn man sich a u f jene nicht diese

«S eite schlagt. Hierzu ist also nöthig, die «feinsten M ittel ju studieren, wie man auf «die beyden großen Ressorts, auf V ernunft «und Religion also würken könne, daß man «die Freyheit und daö Gewissen der Leute in «seiner Hand habe. D ann sind sie unser, «w ir theilen uns ir. ihre vergänglichen G üter, «und nützen sie, wozu w ir wollen. D er «erste S chritt dazu ist, daß man die Aufkläe «rung so viel möglich hindere, damit die «Leute nie lernen, wie man es anzufangen «habe, frey und unabhängig zu werden, «welches nur allein das Eigenthum desW ei, «seu ist. M an umwölke also ihren Kopf, «erfülle denselben mit Schw ärm ereyen, m it «T räum en, erschwere ihnen die M ittel, den «G rund der Dinge zu untersuchen, und «w enn man es dahin gebracht h a t; dann «kenn man sich durch Gaukeleyen ( die jeder «verschrobene Kopf gern glaubt, ja sich vor «dem Andern schämen w ürde, nicht daran «zu glauben) in den R u f setzen, allein in „dem Besitze gewisser Geheimnisse zu seyn, «weiche alle diese, von uns selbst erregte»

I4 i »Zw eifel heben.

D ie - giebt uns ein solches

..überirdisches G ew icht, daß es uns leicht « w ird die Menschen glauben zu machen, w ir „stünden m it hohem Wesen in unm ittelbarer „V e rb in d u n g , welches dann der erste S c h ritt „ is t , auch die R eligion des S'olks in unsre „G e w a lt }U bekommen. „gebracht;

H a t man es dahin

so w ird es nicht viel Schwierig«

„k e il haben,

die S ittlich ke it nach unsern

„Zwecken zu lenken, und die W e lt durch ein „süßes Band an uns zu knüpfen.

nur

„d e r weise M a n n der müßige und redliche „ M a n n seyn, und m ir dieser R uhe,

Feie«

„den und Freyheit »n der Welk finden kann, „ w i r aber die Menschen nicht frey wissen „w o lle n ; so müssen w ir , nachdem w ir die „A u fklä ru n g

verhindert

„ M o r a lit ä t zerstören,

haben,

„ M it t e l ausfindig machen, „d e r henke,

auch die

und in der R eligion das Gewissen

das innere Gefühl der Richtig«

„k e it zu übertäuben,' folglich Schlupfwinkel „a u s fin d ig machen, wo m an, unter unserm „S c h u h e ,

seine Leidenschaften befriedigen,

„u n d sich dabey beruhigen kann. W er wollte

„d a n n nicht in unsre Arme eilen? —

Und

„ w e r m it lebhaftererm V ergnügen, a ls die ..Großen der Erde? Diese lenken w ir , wenn „ w i r Meister über K o p f und Herz sind, nach „unsern Zwecken, und wer wiedersteht uns „d a n n ?

Auch ist diese Practik nicht neu;

„(E tc ist so a lt a ls die W e lt, und stets von „F ü rs te n , P faffen , Gesetzgebern und Philo« „sophen,

mehr

oder

weniger

ausgeübt

..w o rd e n ." E s ist eine leichte Sache, ein solches S y« stem teufelisch boshaft ju finden, wenn unS kein Interesse daran knüpft,

aber nicht so

leich t, wenn w ir dabey zu gewinnen glauben. Dennoch bekenne ich, daß ich nicht verderbt genug w a r, diese vermaladcycten Grundsätze ohne Schauer aujuhörcn —

W a s fü r eine

unerhörte Verblendung! bey so feinen Kennt« Nissen ein studierter Bösewicht seyn ju kön« neu! — Aber ich wurde wieder eingeschläfert, durch Geschenke, Versprechungen, Schmeü chclcyen gefesselt — K u rz! ich überließ mich vo r wie nach meinem edlen Führer.

N e u n t e s Capittel. D ie W clt M iß ihre Philosophen und Propheten nicht zu schätzen. E « n halbes J a h r hindurch genoß ich noch diesen herrlichen U nterricht. Unterdessen w a r der Chevalier de Vciitaulair w eiter a u f W erbung gegangen, nachdem ihm vorher m ein Apotheker tausendfältig dafür dankte, daß er mich 511 ihm geführt h atte. M ein P a tro n und ich, w ir w aren itzt ein Herz und ein« S e e le , und die P ractik gieng vortreflich von statten. Auch seine T erm inologie h atte ich m eisterhaft in n e , und konnte stundenlang m it der heiligsten D a rm e von D ingen reden, wöbe») ich weder etw as dachte noch fühlte, und die ich so untereinander zu werfen ver­ stan d , daß meine Zuhörer nicht d as Leere und W iedersprechcnde in meinem S ystem e fü h len , ja ! nicht ein m al, bey so viel W inde, w enn ich alle S eeg el sp ann te, m ir in mei­ nem Gedankenfluge folgen konnten. Auch

schien ich nun bestimmt das Handwerk bald ohne Führer treiben ;u sollen; D e n n , alS in Negensburg ein ansteckendes Fieber reu* thete, und w ir manchen davon befallene« Kranken, durch unsre chymifchen M it t e l, von diesen und allen übrigen Leiden der W e lt be* freyet hatten, befiel solches endlich auch meine« H errn Apotheker, und ohngcachtet w ir sieben verschiedene Universalm ittel bey ihm versuch* te n ; so starb doch der gute M a n n den drey* jehnten Tag seiner K rankheit, unter heftige« Zuckungen.

Ec schien noch viel a u f dem

schweren Herren ju haben, das er m ir gern gesagt hatte, und das ihn sehr drücken wogte, aber er verlohr die Sprache,

und hinterließ

unS Alle neugierig, verwaiset und tra u rig . H err N oldm ann (ich hätte schon längst den Nahmen dieses Propheten nennen sollen) hatte keine K in d e r, aber doch eine kleine dicke F ra u ,

von etwa vierzig J a h re n , die sich

n ur in so w eit um den heiligen B e ru f ih re Mannes, bekümmerte, als ih r derselbe Geld einbrachte.

S ie lebte gern gut und bequem.

doch wendete sie wenig an K leidung,

und

a u f ihre (Sitten w ar nichts zu sagen. Häßlich w a r sie eben nicht, m ir hatte sie etwas Com« merflecke und kleine

schmaragdcnc Augen.

D ie arme Frau schien nun verlegen zu seyn, w ie sie es künftighin m it der Apotheke halten sollte»

da sie aber viel Zutrauen zu ihren»

unwürdigen Provisor bezeugte;

so w ar sie

auch nicht abgeneigt, das Werk unter mei« «er Anleitung fortzuführen, die Hände both.

wozu ich gern

D ies brachte eine A rt von

Vertraulichkeit unter u n s ,

die sich dam it

endigte, daß nach und nach von beyden Thei, Im entfernterwcise Heyrathsantragc a u f die B ahn kamen, die beim auch nicht w eit weg, geworfen wurden.

Endlich reifte dieser P la n

zu einer förmlichen E rklä ru n g , und w ir ver» sprachen uns in der S t ille ;

die Hochzeit

sollte , sobald das Trauerjahr zu Ende seyn w ürde, vor sich gehn. E s fügte sich aber zum Unglück, daß in Regensburg eine Gesellschaft menscheulieben« der edler M änner w a r, die sich m it dem

K

achten reinen S tu d iu m der N a tu r beschäftig« te il, und sichs angelegen seyn liessen, jeden B etrug zu entlarven, Handwerk ju legen,

den Quacksalbern das und

unter höheren»

Schutze einen sicherern, einfachen Weg der Erkenntniß zu cröfiien. Diese M änner waren seit langer Zeit aufmerksam a u f die S chritte der Afterphilosophcn gewesen,

und hatten

n ur die Gelegenheit abgewartet, uns unser betrüg!ichcs Handwerk zu legen.

C o lang«

mein Apotheker lebte w ar dies nicht so leicht zu bewerkstelligen gewesen.

E r hatte viel

Anhang unter großen und kleinen Leuten, und die verschiedenen S ch rifte n ,

in welchen

man das Publicum aufmerksam a u f unsern Schleichhandel gemacht hatte,

halfen nur

dazu den Verfassern Verfolgung zuzuziehen, und die guten Menschen, die es redlich m it ihren M itb ü rg e rn m einten, a ls Verläum der zu brandmarken. Aber jetzt w ar der Z eitpunct, wo man kräftiger würken konnte, und leider.' mußte die ganze Schande a u f mich fallen.

Ic h fuhr

fo rt rill m odum N o ldm ann i Kranke zu heilen, und d as m üßte ein schlechter S ch üler seyn, der es nicht w eiter a ls sein M eister brachte; M ein R u f fi nq an groß zu w erden, doch E in e unglückliche C » r. die ich au einem arm en Tagelöhner vornahm , der von der rothen R u h r befallen w a r , und leichr h atte geheilt werden können, wenn ec nickt in meine alckymischen H ände gerathen w äre, machte allem ein E nd e, und gab meinen Feinden d as Zeichen zum Angriffe. M a n sprach lau t d a v o n , daß ick den M an n umge­ bracht h a tte , und baß es der M ühe w erth sey , den M a g is tra t, ja! den ganzen R eichs, tag aufmerksam a u f eine R o tte von G iftm i­ schern und Beutelschneidern z» machen, ( S te lle n S ie S ich vor! so w agte m an eS, u n s zu n en n en !) weiche so lange rhr H an d ­ werk ungestraft fortgeführt hätten. Ic k ver­ suchte nebst meinen treuen Gehülfen alle .jesuitischen M itte l, dieses drohende Unge­ w itter zu zertheilen — Aber vergebens! Z um Glück erfuhr ich früh genug, daß inan «nS sämtlich in V erh aft nehm en, und unsre U53]

Papiere untersuchen würde.

W e il ich es nun

nicht rathfam fand, «ine solche Eatastrophe abzuwarten;

packte ich mein baarcSGeld,

etwa fünfhundert T h a le r, und mein« besten Sachen in der E il zusammen, schlich mich dam it aus dem Thore,

sah zuweilen hinter

mich zurück, und verließ B r a u t, Ehre, jDffw ( in , Philosophie und P ra xis, N u n w ar ich dann dem Staupbesen glück« lich entwischt, und kaum über die Grenze; so setzte ich mich a u f die P o st,

und fu h r.

Tag und Nacht durch nach S lra ß d u rg zu, woselbst ich meinen ehemaligen H e rrn ,

den

R itte r V c n ta u la ir zu finden, und ihm mein Schicksal klage» zu können hoffte. ich verfehlte dieses Zwecks,

A lle in

und a ls ich,

nach achttägigen verlohnten Nachforschun« gen,

schon entschlossen w a r , nach P a ris ,

dem Tummelplätze aller W indbeutel Euro« p cn s, zu reifen; so gieng ich noch den letzten A b en d , nachdem ich den ganze» Tag umher« gelaufen w a r ,

die herrlichen Seltenheiten

von S traß burg in Augenschein zu nehmen.

tn bad französische Schauspiel, um mit Leib und Seele zu ruhen, und mich abzukühlen. E s w ar kaum der erste Aufzug eines Trauerspiels, voll schöner Sentim ents über« standen, so daß ich nunmehro an den Fin­ gern erzählen konnte, w as folgen würde, a ls auf einmal «in M ann von meinen J a h ­ ren ( I m Dorbeygehn gesagt! ich w ar deren jetzt ein und dreyssig a lt) sich durch den H au­ fen der Zuschauer drängte, und m ir, m it allen Zeichen der lebhaftesten Freude, um den H als fiel. Ich erschrack — A ber, wie groß war meine Ueberraschung, als ich ge­ w ahr wurde, daß mein Jugendfreund, Lud­ wig von Rcyerberg, mich in seinen Armen hielt! N un liessen w ir die Commödie Commödie seyn, giengen hinaus, und gradeswegs in den Raben, wo Reyerberg abgetreten w ar, da ich dann kaum erwarte» konnte, daß w ir uns allein befanden, um mir seine Geschichte, von der Zeit a n , da er mit seinem Engländer

Braunschweig ve rlie ß , E r w ar bereit dazu,

erzählen zu lassen. und befriedigte, bey

einer Flasche rlsaffer W ein und einem leich­ ten fröhligcn Abendessen,

folgendermaßen

meine N eugier: „ D u w eiß t, mein lieber C la u s ! daß die „Absicht meines Engländers w a r, zuerst die „deutschen Höfe in ihrem armseligen Glanze „z u sehn, dann eine C u rje it in S p aa hinzu» „b rin g e n ,

und vott da durch Holland und

„Frankreich »ach Ita lie n zu gehn.

O er erste

„T h e il dieses P la n s wurde ins Werk gesetzt, „u n d w eil ich vermuthete, daß ich irgendwo „m einen altern Bruder D a v id , oder einen „andern Bekannten antreffen w ürde; so fand „ich es nöthig meinen Nahme» zu verändern, „u n d Reycrberg in Falkenthal umzutaufen. « A n den Gesichtszüge« w ar ich gewiß von „meinem Bruder nicht erkannt werden zu „können

Ic h w ill D ich, mein lieber Peter;

„n ic h t m it der Beschreibung der H öfe, die „ w ir

besuchten,

ermüden.

N ur

so viel

„d a v o n ! W er einen gesehn h a t. der kennt

I$1 ..sie,

im

„B ettelet)

Grösser» im

oder K le in e rn ,

Oeconomischen

alle.

und I n t e l,

„lectuellen, m it der Maske einer armseligen ..Pracht bedeckt, N e id , B o s h e it, Unwisscn, „ h e it ,

Selbstgenügsamkeit bey der entschie,

„dcnsien D u m m h e it, Langeweile, Schmei, „chelcy, Ranke, C chla ffigke it, Derderbniß „d e r

S itt e n ,

F riv o litä t,

Jnconftquenz,

„K ra n kh e it der Seele und des Leibes, V o r , „u rth e ile aller A rt in

dem Gewände der

„A u fk lä ru n g , empörender D espotism us — „ K u r j!

hospitalsmäßige Herabwürdigung

«des Menschengeschlechts — weiter habe ich „ a n ihnen nichts wahrgenommen ( ich nehme „e in paar Höfe aus).

Auch waren w ir so

„erm üdet von diesem a lle n,

daß w ir ,

da

„ohnehin die Brunncnzeit hcrannahcte, uns „ a u f den Weg nach S p a a begaben.

W as

„m im noch vorzüglich wünschen machte, bald „a n s diesen Hofverbindungca zu kommen, „ tv a r , daß ich in *

wo w ir aber nur

„de >) Tage verweilten, meinen altern 3?n t, „d e r antraf.

D » kannst es nicht glauben,

„welchen Eindruck diese unvermulhete Zu,

[1571

I5i „fammenkunft a u f mich machte. Er kannte „mich nicht, und ich sahe ihn also ganz in „seiner eigenen Brühe. D o rt ist er Hofrath „und Cammerjunker, und sein unglücklicher „ H a n g , zur Schm etcheley, zur Verstellung „und zu kleinen kriechenden M itteln seine „Zuflucht zu nehm en, hat sich leider! immer „deutlicher entwickelt, und w eil er damit „die äusserste Vorsichtigkeit im Umgänge v m „b in d et, den Großen und deren Creaturcn „W eyrauch streuet, auch äusserst fleissig in „seinem Dienste ist; so wird er cö gewiß „ w eit bringen. Dabey steht er in dem G e, „ruche von H eiligkeit, w eil er mit verstellter „G ottesfurcht fieissig die Kirche besucht, a u f „seinem Schreibtische B ib eln , Gesang» und „Gebethbücher liegen h at, indeß ich, ohn, „geachtet ich mir wahrlich M ühe darum ge« „geben, doch auch nicht einen einzigen edlen „Z ug aus seinem Privatleben erfahren, und „nicht Linen Menschen gefunden habe, der „sein warmer Freund oder Feind gewesen „w äre. W ie gern hätte ich mich ihm ent# ,checkt! Aber sein Charakter stieß mich zurück. [1581

„ I c h erfuhr von ohngcfchr durch ihn den „ T o d m eines alten V a te rs , der mich einige „kindliche T hränen gekostet hat. M ein B ru , „ d e r trau erte noch um ih n , und alS er m ir „d a S erzählte, fugte er hin zu : W ir sind „A lle in G o ttes H a n d e n ; der alte Daker „ w a r ein guter from m er M a n n . V erm ögen „ h a t er nicht hinterlassen, aber m ir, dem „H im m el sey L a n k ! eine ehristliche Erzier „ h u n g gegeben. Ic h bin sein einziger S o h n , „ u n d m uß m ir meinen U nterhalt durch d a s « W en ige w a s ich gelernt habe, und w o rau s „d ie Leute mehr W erks m achen, a ls ich »er« „ d ie n e , erwerben. — D e r S chalk! W ir „w o llen nicht w eiter an ihn denken; Auch „ w a r ich fr o h , daß w ir nicht langer an dem „ O rte blieben; G egen A nfang des J u u iu s „kam en w ir nach E p a a ." „ C s w a r eine ungeheure M enge von „F rem den a n s allen N atio nen daselbst »er* „sam m let. E s schien eben nicht, a ls wenn „sie Hingereiset w a re n , um Gesundheit zu „ h o le n , den» ausser daß sie sich N acht und

J54 ..Tag in Ausschweifungen «herumtnmmelten,

und Wollüsten

so war auch keine Leie

«dcnschaft zu erdenken, welche hier nicht ge­ kreißt wurde, wo«u Trunk, S piel und Weie «der Gelegenheit gaben.

Cs befanden sich

„v ie l Engländer daselbst, und soviel deutsche «Prinzen, baß cs erbärmlich anzusehn war. «Diese letzrern affectirtcn dann den großen «Ton der pariser und londoner W e lt, der «sie freylich sehr schlecht kleidete, welches sie «aber,

wie sichs versteht,

nicht merkten,

«sondern immer sortwärschelten, den reichen «und feinen Hremden zum Gespülte dienten, «und mchrentheils nach vier Woche», m it «leeren deuteln und noch m it Schulden oben-» «drei,«, abzogen.

Es wurde stark gespielt,

«Southcrland nahn« sich aber sehr in Acht. »Indessen gerierh cr ctnsi in eine Gesellschaft, „ in welcher tu« Franzose, Monsieur de Sain„totiehe,

eine Quinze - Partie

vorschlug,

«welche mein freund annahm.

Ic h w ar

«eben damals unväßlich. und also zu Hause «geblieben. M ein Engländer halte den «^rauzosen gleich anfangs nicht leiden kvn-

|KiO|

„ n e tt, und da dies S p ie l ohnehin leicht zu „ S t r e it Anlaß giebt, „p a a rm a l fluchte,

und Eaintonche cm

wenn Couthcrlanb ihn

„ m it e ilf Augen gegen dreyjehn nach Hause --jagte;

so wurde unser Freund hitzig, und

„ge rie th m it jenem in so heftigen Wortwech, „s e l, daß sie sich endlich a u f Pistolen heraus„forderten.

D ie Sache wurde so ernstlich

„getrieben, daß man von beyden Seiten sich „den Tod schwur, und alle Vorkehrungen „ j u r Sicherheit des übrigbleibenden Theils „machte.

Soulherland vertrauere m ir seine

„B ö rs e , Wechsel und Schriften a n , m it der „ B it t e sein Sccundant ju seyn und, wenn „ e r umkommen sollte, nach seinem Tode das „G e ld ju behalten und ju seinem Bruder „nach England ju reisen, der weiter fü r mich „sorgen würde.

W ir ritten den folgenden

„M o rg e n h in a u s; D er Engländer w ar sehr „h itz ig , der Franzose hingegen sah heimtü„ckisch und pralerisch aus. „einen A venturier,

E r hatte noch

einen Ita lie n e r bey sich.

„ D e r K a m pf fieng a n ;

sic schossen beyde

„zweym al vorbey, ausser daß mein Freund

i;6 „ m it einer K ugel seines G eg ners linken „ A rm streifte. N unm ehr griffen sie zu den „D e g en . S ainto uch e focht meisterhaft gut, „obgleich m it allen feiner N a tio n eigenen „W ru d b eu teley en , machte G ebehrden, a ls „w e n n er Zuckungen bekäm e, und schrie a ls „w e n n er rasend w äre. S o u th erlan d aber „stach b lin dling s au s ihn zu . sah im Affect « nich t die B lößen die er g a b , und rennte «sich selbst den D egen durch das H e rz , wo„durch mein F reund und W o h lth äter äugen„blicklich tod zur E rde gestreckt w urde. N u n „blieb m ir nichts ü b rig , a ls mich eilig über „d ie Grenze zu m achen, und die trau rig e „N achricht nach E ng land zu bringen. Ic h „reifete m it schwerem Herzen a b ; d as B ild „ d e s sterbenden E o u th e rla n d s , der so manche „ e d le , schätzbare S e ite h a tte , der mein R et„ te r gewesen, zu einer Z e it, wo ich arm , „verlassen, und a u f sehr schlüpfrigen W egen « w a r — L ie s B ild folgte m ir ü b erall." « Ic h fan d , a ls ich nach E ng land kam, „d en B ru d er m eines F reundes au f seinem

«Landgute. C r w a r ein stolzer M a n n , «em pfieug mich äusserst f ä lt, hörte die Nach» « richt von dem unglücklichen V orfalle ziem» «lich gleichgültig a n , oder w enn er einige « E m pfind un g dabey äusserte; so w a r eö « m ehr Unw illen a ls B etrü b n iß , und erschien «selbst m ir V o rw ürfe darüber machen zn « w o llen , daß ich den Zweykampf. nicht ver» « h in d ert hatte. Unterdessen bat,, er niich «doch, einige Zeit bey «hm zu bleiben, w urde «nach und nach vertraulicher gegen m ich, ich «schien ihm zu gefallen, und endlich both er « m ir sogar a n , mich a ls Gesellschafter bey « s i c h iu behalten. 'Allein nicht n u r m isfiel « m ir der stolze M a n n sehr, so daß ich weder « W o h lth a te n von ihm annehm en, noch in «einem dauerhaften Bündnisse m it ihm stehen «zu fönnen g lau b te, sondern ich erfuhr auch « b a ld , daß e r, wieder die G ew ohnheit seiner « N a tio n , so eifersüchtig gegen seine F ra » « w ä r e , daß ich fürchten m u ßte, er mSgtc «einst auch m ir von dieser S e ite nickt trau en. «A lso beschloß ich wieder nach Deutschland «zurückzukehren, und nahm Abschied. D em

„Engländer war dies wurklich empfindlich, „aber er wollte es nicht merken lassen, folge „lich enipfohl er sich m ir höstich, und drang „ m ir noch Geschenke auf, m it denen ich dann „nach Cala-s. und von da durch Frankreich „hierher reifete. Jetzt, mein Bester! befried „dige aber auch das Verlangen so ich habe, „D eine mritern Begebenheiten z» Horen!" Ic h hatte meinem Freunde m it inniger Theilnehmnng zugehört,

und da jetzt die

Reihe an mich kam. von meinen Schicksalen Rechenschaft zu geb>n; so erzählte ich kur; alles, was die Leser schon wissen, und so brachten w ir denn den Rest des Abends bis Mitternacht im Genuß der Freundschaft und in Fröhligkeit hin.

IHM]

Zehntes Capittel. Peter und sein Freund such:» Civil- ober M ilitqirbiniilf / liiuiTiii aber tim» ander» Glücksweg ciiischlagen. S t e i n e Leser sehen mich nunmehro wieder an der Seite meines Jugendfreundes. Nach ein paar Tagen, Etrasiburg m it

die w ir noch in

einander verlebten,

und

wahrend welcher so manche H unt ümiecdvte aus unsrer h. de»ögeschichte nachzuholen war, (ien.itn w ir jedoch endlich an ernjiiich darauf zu denke», was w ir »unwohl >» herZuiunft treibe» wollten.

Gs muhte doch ein Plan

darüber gemacht werden

und dcSfalis wurde

zuerst der Zustand uiisaiS üeconomicums tut# tersucht.

W ir wareii beyde lureit den gan#

zen Bettel von Baarschaft zusainiiienzuwer#

ff»,

und als das geschehen w ar, schritten

Wir jum Werke, zahlten, und siehe da! es fand sich, auiser einigen Ringen,

Tadattie#

ren und andern Kostbarkeiten, eine Stimme von zweytausend Gulden,

an klingender

i6 o M ünze. Hie m it nun beschlossen w ir zusam­ men eine R u se zu m ach en . w-lehe zugleich G elegenheit zn künftigem Unterkommen geben sollte. W ir liessen u n s eine A rt von O ffv ciersnniform m achen. »ahm en einen Sxbtcn* ten a n , und dachten u n s in diesem Aufzuge einem F ürste» D eutschlands a ls Cavaliere zu verkaufe», die w ohlhabend w ä re n , und welche m an in den D ienst zu ziehen suchen m üßte- Unsre F iguren w aren (oh ne u n s zn rü h m e n ) nicht unangenehm ; An W elt fehlte es u n s auch so w enig a ls an einem in Deutschs land so sehr geliebten ausländischen T o n ; und so zweifelten wie denn n icht, irgendw o zu H auptleuten bey der G arde oder dcrgleis chcn angestellt zu w erden. W ir reiseten also von E tra ß b u rg a b , w irthschafteten m it dem G elde so sparsam a ls es steh unter Leuten von S ta n d e thun ließ, und besuchten zuerst, u n ter den N ahm en des £;nron C lausfeld und H errn von F alkenthals die benachbarten deutschen H öfe. UnterwegcnS gab m ir Lud­ w ig Unterricht im Englischen , und der F leiß dieses F reun des ließ mich in kurzer Zeit viel

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größere Fortschritte d arin » m achen, a ls ich je bey einem Eprachm eister w urde gethan haben. Indessen w urde unsre E rw artu n g nicht so bald e rfü llt, a ls w ir gehofft hatten. Lag es an den schwachen Einsichten der P rin je n , die unsre Verdienste nicht nach W ürden ju schätzen verstanden, oder gaben w ir u n s nicht M ühe g enu g, solange unsre Lassen g u t standen — G enug! wie reisetcn durch d a s W adensche, D arm stadtische, die P fa lz , die W etterau und F u ld a nach S ach sen , ohne e tw a s an d ers zu erlan g en , a ls das; unser Geldkasten täglich leichter w urde, so daß u n s , a ls w ir «acd Leipzig kam en, n u r »och hundert P istolert.n übrigblieben. Z um Unglück w ar auch hier die Zeit der Messe n ah e, folglich vielfache Gelegenheit sich zu v ergn üg e», und G eld auszugehen. W ir geriethen in die Bekanntschaft eines M a n n e s , der sich für einen M a jo r au sgab, und den R u f haben w o llte, bey viel H öfen

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i6z in großem Ansehn zu stehen, vermuthlich o b e r , nicht weniger a ls w i r , a u f gutes Glück lauerte. W i r vertrau, ten u n s ihm» (d o ch , wie sichs v a | i , b t , mir d ahin , daß w ir a l s fremde Cavaliere Dienste suchten) und er versprach, sich für u n s zu verwenden. Doch darüber gteng eine Woche nach der andern h in , ohne daß A n tw ort kam , und unser Schatz wurde sichtbar kleiner. Um d a s M a a ß nnedriger Vorfalle voll zu machen, befiel mich ein hitziges Fieder, d a s Mich nicht n ur drey Wochen lang im B ette gefes­ selt hielt sondern auch den Gelddeutel gänz­ lich ausleerte. M ein guter Reyerberg wich nicht von meiner S e i t e , pflegte M einer, verlauste seine kleinen Kostbar eiten, dam it m ir nichts abgehn mögt« und d as bei tim; merke wich denn am «nehrste», daß ment Freund sich von dein Einzigen, w a s ihm übrigblieb, entblößte. um m ir zu helfen, indeß er alle Gelegenheit, sonst irgendwo fein Glück -tt machen, versäumte. A ls ich nun ohngefehr so weit wieder her­ gestellt w a r , daß ich im Zimmer auf- und |ltiU|

abgehn konnte, fiengen w ir an wieder von künftigen P lan e n zu reden. Osficicrsicllcn zu erh alten , daran w ar theils nicht zu den­ ken, theils w ürden w ir von dem geringen G ehalte eines F ahndrichs nicht haben leben können. I n dieser S ftt aber hatte tu d w ig m it einigen von den in jeder Messe nach Leipzig kommenden fünfhundert B uchhänd­ lern U m gang bckvnimcn, und sich den R u f erw orben, daß eS ihm nicht an T alenten, an S p rach - und Sachkenntniß fehlte.