Sämtliche Werke. Abteilung I/Band 1 Romane in 8 Bänden. Der Roman meines Lebens: In Briefen herausgegeben. Teil 1/2 [Photomeckanischer Nachdr. der Ersteausg 1781. Reprint 2015 ed.] 9783110970944, 9783598228711


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German Pages 524 [532] Year 1992

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Table of contents :
.... gebohrner .... Hochgebiethender Herr Groß-Vezir!
An einige Leser
Inhalt des ersten Theils
Erster Brief. An den Herrn Meyer, Hofmeister des Herrn von Hohenau, in Göttingen
Zweyter Brief. An den Freyherrn von Leibthal, in Ursstadt
Dritter Brief. An den Freyherrn von Leidthal, in Ursstadt
Vierter Brief. An den Freyherrn von Leidthal, in Ursstadt
Fünfter Brief. Au die ehr-und tugendsame Jungfer, Anna Maria Sievers, Haushälterinn in Diensten von Jhro Gnaden, den Herrn Baron von Leidthal, in Ursstädt
Sechster Brief. An den Herrn von Hohenau, in Göttingen
Siebenter Brief. An den Herrn Commerzienrath Rath Müller, in Cassell
Achter Brief. (in dem vorhergehenden eingeschlossen.)
Neunter Brief. An Madam Müller, gebohrne van Blüm in Amsterdam
Zehnter Brief. An den Herrn von der Horde, berühmten Banquier in Amsterdam
Eilfter Brief. An den Freyherrn von Leidthal, in Ursstadt
Zwölfter Brief. An den Herrn von Hohenau, in Göttingen
Dreyzehnter Brief. An den Herrn Commerzienrath Müller, in Cassell
Vierzehnter Brief. Dieser Brief gelange an den Mosje Christoph Birnbaum, in Diensten bey dem jungen gnädigen Herrn, in Göttingen
Fünfzehnter Brief. An den Herrn Hauptmann von Weckel
Sechzehnter Brief. An den Herrn Meyer, in Göttingen
Siebenzehnter Brief. An den Freyherrn von Leidthal, in Ursstadt
Achtzehnter Brief. An Madam Müller, gebohrne van Blum, i n Amsterdam
Neunzehnter Brief. An den Herrn von Hohenau, in Göttingen
Zwanzigster Brief. An den Herrn Meyer, in Göttingen
Ein und zwanzigster Brief. An den Herrn Commerzienrath Müller, in Ursstadt
Zwey und zwanzigster Brief. An den Freyherrn von Leidthal, in Ursstädt
Nacherinnerung an die Leser
Frontmatter 2
An die Leser
Inhalt des zweyten Theils
Erster Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Zweyter Brief. An den Herrn Hauptmann von Weckel
Dritter Brief. An den Herrn Hofmeister Meyer in Göttingen
Vierter Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstädt
Fünfter Brief. An den Herrn Commerzienrath Müller in Ursstädt
Sechster Brief. ( in dem vorhergehenden eingeschlossen ) An den jungem Herrn Bröck in Amsterdam
Siebenter Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstädt
Achter Brief. An den Herrn Baron von Leidthal in Ursstädt
Neunter Brief. An den Herrn Bröck in Amsterdam
Zehnter Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Eilfter Brief. An den Freyherrn von in Ursstadt
Zwölfter Brief. An den Herrn Commerzienrath Müller in Weßlar
Dreyzehnter Brief. (in dem vorigen eingeschlossen-) An des Herrn Commerzienraths Müller Hochedelgebohren
Vierzehnter Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstädt
Fünfzehnter Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Sechzehnter Brief. An den Herrn Meyer in Göttingen
Siebenzehnter Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstädt
Achtzehnter Brief. An des Herrn Commerzienraths Müller Hechedelgebohren
Neunzehnter Brief. An den Herrn Baron von Leidthal in Ursstadt
Zwanzigster Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Ein und zwanzigster Brief. An den Herrn Hauptmann von Weckel
Zwey und zwanzigster Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstadt
Drey und zwanzigster Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Vier und zwanzigster Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstädt
Fünf und zwanzigster Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Sechs und zwanzigster Brief. An den Herrn Conimerzienrach Müller in Ursstadt
Sieben und zwanzigster Brief. An den Herrn Friedrich Müller, Kaufmann in Amsterdam
Acht und zwanzigster Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen
Neun und zwanzigster Brief. An den Herrn Hofmeister Meyer in Göttingen
Dreyßigster Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Ursstadt
Ein und dreyßigster Brief. An des Herrn von Hohenau Hochwohlgebohren, gehorsamst, in Göttingen
Zwey und dreyßigster Brief. An den Herrn Meyer
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Sämtliche Werke. Abteilung I/Band 1 Romane in 8 Bänden. Der Roman meines Lebens: In Briefen herausgegeben. Teil 1/2 [Photomeckanischer Nachdr. der Ersteausg 1781. Reprint 2015 ed.]
 9783110970944, 9783598228711

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ADOLPH FREIHERR KNIGGE S Ä MT L I C H E W E R K E BAND i

Adolph Freiherr Knigge

Sämtliche Werke In Zusammenarbeit mit Emst-Otto Fehn, Manfred Grätz, Gisela von Hanstein und Claus Ritterhoff herausgegeben von Paul Raabe

BAND i

Abteilung i Romane in 8 Bänden

Adolph Freiherr Knigge

Der Roman meines Lebens In Briefen herausgegeben Teil i bis i

K • G • Säur München • London - New York - Paris 1992

Photomechanischer Nachdruck der Erstausgabe nach dem Exemplar der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Dannstadt. Sign.: G ü 4135

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Knigge, Adolph Frhr. von: Sämtliche Werke / Adolph Freiherr Knigge. In Zusammenarbeit mit Emst-Otto Fehn ... hrsg. von Paul Raabe. Photomechanischer Nachdr. der Erstausg. - München ; London ; New York ; Paris : Säur. ISBN 3-598-22870-8 NE: Raabe, Paul [Hrsg.]; Knigge, Adolph Frhr. von: [Sammlung] Photomechanischer Nachdr. der Erstausg. Bd. 1 : Abt. 1, Romane : in 8 Bänden. Der Roman meines Lebens : in Briefen herausgegeben. - Teil 1/2. - 1992 ISBN 3-598-22871-6

Printed on acid-free paper / Gedruckt auf säurefreiem Papier Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved K. G. Säur Verlag GmbH & Co. KG, München 1992 A Reed Reference Publishing Company Printed in the Federal Republic of Germany Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig Druck/Printed by Strauss Offsetdruck, Hirschberg Binden/Bound by Buchbinderei Schaumann, Darmstadt ISBN 3-598-22870-8

D er

Roman m-ines Lebens in Br i ef en herausgegeben.

R : n a

i - 8 l.

D e m ...........gebohrnen, Allcrweisesten und allerhuldreichsien Herrn,

Herrn J h ro

♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦

Türkisch - Kaiserlichen

M ajestadt

und der hohen Ottomanischcn Pforte wohlbestallten Groß-Miie,

mei nem gnädigsten H e r r n ,

widmet dieses Büchlein in tiefster Uincrlhüiiigkcik,

der

Verfasser.

.... gcbohrner

♦♦♦♦♦♦♦

Hochgebiethmder Herr Groß-Vezir!

l y r o . Excellenz werden in hohen Gnaden verzcyhcn, daß ein armer christlicher S chriftsteller es w a g t, diese wenigen B o ­ zen zu E w . Excellenz Füssen zu legen. W e r, im ganzen türkischen Reiche, w agt es (seitdem E w . Excellenz zu der hohen W ü rd e

eines G ro ß -V e z irs sind erhoben

w orden), zu leugnen, daß Höchstdicsilbcn ein feiner B e u rth e ile r der schönen K ü n ste , und der in - und ausländischen l i t c m t r ,

ein B e fö rd ere r aller Wissenschaften und Kenntnisse, feiner Menschenkenner, großer G e ne ra l, S ta a ts m a n n , Gelehrter —

m it

E inem W o rte , Alles sind, was m itH öcbstdero hohen. W ü rd e immer verknüpft ist, und S i c , zu I h r e r und Ih r e s großmächtigsien H e rrn (dem G o tt ein langes ruhiges Leben, sanften S c h la f und viel Freude in seinem S e r a il vcrleyhen wolle) Ehre nö­ thig haben? S o llte n es E w . Ereellenz daher un­ gnädig aufnehmen können, wenn ein frem­ der Schriftsteller

bemüht w ä re ,

diesen

R u h n . Höchstdery erhabenen Talente, auch ausw ärts auszubreiten,

indem er Ih n e n

ein geringes Zeichen seiner tiefen E h re r­ biethung dadurch zu geben sucht,

daß er

E w . Excellenz ein W e rk zueignet, welches ihm manche saure S tu n d e gekostet h at, als er es schrieb, und noch m e h r, als er die M a te ria lie n dazu in dem Laufe feines unruhigen Lebens fam lete?

E w . Excellenz sind zwar sehe über alles to b erhaben, und aus der kleine» einsamen H ü tte , in welcher ich lebe, Ih r e n R u h m erschallen zu hören, w ird Ih n e n freylich eine Sache von sehr geringer W ichtigkeit seyn.

A lle in , vielleicht um desto unpar-

theyischer muß Ih n e n dies Lob vorkommen. E w . Excellenz haben nach I h r e r W e ish e it gewiß bemerkt, wie wenig man oft Ursache h at,

a u f die

P o s i.m w u des Gerüchts ;rr

rechnen, welche sich ein M in is te r unter dem H aufen derer, die ihn furchten, feine H ü lfe hoffen, erkauft.

oder a u f

I c h , der ich

nicht erkauft b in , keinen M in is te r fürchte, und a u f nichts hoffe, ich kann also um desto aufrichtiger diese Zneignungsfchrift meinem W erke Vorsitzen. Z u m ehi^rer S icherheit aber habe ich R a u m fü r Hvchstdcro hohen Nahm en ge­ lassen, dam it, wenn indessen ein Unglückliches S tric k S ie ans Ende I h r e r ehren­ vollen Laufbahn führen sollte, dieser B r ie f [7]

sich auch fü r E w . Excellenz N achfolger paßte.

Auch ist kein J a h r noch T a g ange­

zeigt w orden, so daß meine ZncignnngSschrift sich fü r jeden G r o ß - V c z ir schickt, dessen Bescheidenheit ihn überzeugt,

daß

er das Lob verdient, welches ich E w . E x ­ cellenz zolle. In

E rw a rtu n g

einer gnädigen 2(uf>

nähme meiner Freyheit, ersterbe ich in tie f­ ster E hrerbiethung,

Ew. Excellenz, Meines gnädigsten Herrn,

unterthänigster Knecht, D . B . A. R . V . S .

An einige Leser.

^Vürchten S ie n ic h ts , meine Herrn »nd ^

Dam en!

Ic h werde S ie hier nicht in

einer Gestalt auftreten lassen, der man enb gegen rufen könnte: „ D as sind ste! “

Haben

E ie m ir gleich manche trübe Stunde gemacht; hat Ih re Bosheit gleich mannigfaltigen Derdrust über mein H aupt ge;ozen; hätten mich Einige von Ihnen gleich gern m uthrvillig ver­ kannt, gedrückt, v e rfo lg t;— den Menschen verfolgt, der nicht Einen feiner Brüder m it Vorsatz je gekrankt hat, der, bey tausendfäl­ tigen Schwachheiten und Fehlern, gewiß ein liebe- und friedenvolles H er; in seinem Busen trägt, der Ih ne n nie hinderlich in Ih re n E nt­ würfen w a r, dessen Weg ja ganz int stillen, A 5

einsa-

«infamen Thale fortgeht, ohne irgend jemandes S tra a ß e zu durchschneiden! — so bin ich doch der M a n n n icht, welcher sich rache», und S ie öffentlich preis geben könnte. Auch würde mir das nicht gelingen. W a s eigent­ lich S p o t t und Hohn heißt, dazu ist mein Witz so wenig abgerichtet, daß ich gern gegen jeden, der mich au f diese Art herausforderte, die Segel streichen würde. Ic h überlaffe der Zeit und dem Schicksale, welches früh oder spat (das ist heilig g ew iß!) jeden Bösewicht entlarvt, »nd jedem Redli­ chen Gerechtigkeit verschafft, I h n e n den Lohn I h r e r Handlungen zu geben. M ein Glück ist in meinem Herzen. I n häuslichem Frieden lebe ich still, ruhig, heiter, arbeite an m ir selbst, tim klüger und besser zu werden, und geniesse das Glück der Freundschaft und Ach­ tung derer, die mich nicht miskcunen, und mich, mit allen meinen Schwachheiten, er­ tragen. B ie Arbeit, dieses Buch zu schreiben, soll mir meine Erhotungsstunden versüßen, und diese [io]

diese w ü r d e ich sehr schlecht angew end et g l a u ­ ben, w e n n ich sie m i t V e r f e r t i g u n g elender P a s q u i l l e n verschwendete. E inige Blicke a u f meine vergangene T a g e zurück, iu welchen ich vieles e r l e b t , vieles g eseh en, viel gelitte»: h a b e , manches durch die B o s h e i t A n d e r e r , ma nch es durch eigene Uuvorsichtlgkeit, w e r ­ den mich zwar in den S t a n d setzen, I h n e n hie u n d da cjctraic B i l d e r von nicht ganz u n i n ­ teressanten S c e n e n vor t i l g e n zu legen, also werde »ch nicht nöthig h a b e n , Begebenheite»: zu er d i cht en ; aber w o ich es nöthig finde, werde ich doch, u m sie müeni.tlich zu machen, entweder mehrere zusammenschmelzen, oder den Schaup l at z verrücken. Und so sollen auch die S c h il d e r u n g e n von Höfen und P er so n en nicht v on einzelnen O r i g i n a l e n c o p i c r t , son­ dern bald hier bald dort ein S t ü c k abgezeich­ net w e r d e n , wie es sich gerade an die S t e l l e va.sscn w i r d , d e n n , wie ich schon gesagt habe, obgleich »ch von keinem Hose roch G ö n n e r ab ­ häng e ; so beleidige ich doch nicht gen» je, m a n d . E s ist daher meine S c h u l d nicht, wenn

w enn einer sein oder eines Andern D ild hier zu finden glaubt.

Ic h verachte vornehme

und geringe Schurken, aber ich entsage allen Ansprüchen, a u f den P la n sie ;u bessern. W ahre Begebenheiten a ls o , th e ils selbst erlebt,

welche ich

theils in der Nahe oder

von W eitem beobachtet habe, Character-Züge von verschiedenen G attungen Menschen, und hie und da eigene Gedanken über allerleiwichtige und unwichtige D in g e , ssollen hier in einer A r t von Verbindung erscheinen.

D as

E a n ;e kann man hernach etwa einen R om an nennen — oder wie S ie w o lle n !

W enn nur

etw as darinn steht, das dem bessern Theile des P ublicum s ge fä llt, bey dessen Lesung ein guter Mensch sich eine heitere S tu n d e machen, und w oraus irgend jem and,

in seiner Lage,

einen praktischen V o rth e il jiehcn kann.

I n h a lt

Inhalt des ersten Theils. Erster B r ie f , von dem Fronherrn von iicifctlul tn Uvfftübt an den Herrn N le y e r, Hofmeister eines jungen Herrn von /^obenan, den er an Kindes S ta tt angenommen hat, in Gvttingen. Mißvergnügen über ihre Trennung. Anmerkun­ gen über die verschiedenen Arten, wie die M en­ schen periodenweise diese W elt ansehen. D er Hauptmann von wecket hat i(>n besucht. Vol> dieses muntern Mannes. Nachricht von Herrn und Madam Lecker, die kürzlich in die Stadt gezogen sind, und die niemand kennt. Ueber die Neugierde in kleinen Ctadren. Er bittet Herrn Meyer um Mittheilung seiner Lebenögeschichte. Z w e y te r B r ie f. Antwort des Herrn Meyek. Nachricht von ihrer zurückgelegten Reise und Einrichtung in Gvttingen. Geschichte des un­ glücklichen Commerzienraths UTiiKev, den sie unterwegens angetroffen und mit nach Gvttingen genommen haben. Ueber die A rt, wie vornehme Veute reisen. S ie wollen, weil dieCollegia nom nicht angehen, nach Cassell, woselbst Müllen Dienste suchtD ritte r

D r i t t e r B r ie f / von dem jungen Hohenau an Leidthal. Beschreibung von Cassell. Ivb der S ta d t, der Gegenden und des Fürsten. Ueber die Lage von M ünden. Ueber falsche Iierath e und ver­ dorbenen Geschmack. V ie rte r. B r ie f , von M eyer. Ueber den ausländi­ schen Ton in Deutschland. Ueber Religions-G e­ spräche. E r empfiehlt den armen M üller zu Leidthals Hülfe. Verspricht seine Lebensbeschreibung. F ü n f te r B r ie f , von Hohenaus Bedienten Christoph B irn b au m an die H aushälterinn A nna S ie v e rs in Urfstadt. Beschreibung von Cassell und G üt­ tingen. Versicherungen treuer Liebe und B estän­ digkeit. Hohenau hat Bekanntschaft m it dem jungen H errn von H undefeld gem acht, dessen B edienter H aber heißt. S e ch ster B r ie f , von Leidthal. Ueber Vorsichtig­ keit an fremden Oerrern. Ueber den Handel in M ünden. Ueber Fürsten. Charaetere und Erzie­ hung. Ueber den vrtul unsres Jahrhunderts. Ueber M üllers Charaeter. E r will ihn zu sich nehmen. V on der W ohlthätigkeit. E r ver­ spricht

spricht auch

seine Lebensgeschichte aufzusetzen.

Ueber das Studieren auf Universitäten.

Don

der Freymaurerey etwas.

S ie b e n te r T r i e f , von Madam n r ü lle r , gebohrne von B lü m , an ihren M ann. ren Kindern.

Nachricht von ih ­

S o p h ie , welche tU a ^ a m B o v is

Kinder erzieht, hat einen B r ie f verlohren, der vermuthlich ein an sie gerichteter Liebesbrief ist. F ritz

wird

ein

guter Kaufmann.

L u d w in

scheint zu Ausschweifungen geneigt, lernt aber fleißig.

D ie

derden

jüngsten sind gesund.

Klagen über ihre S itu a tio n .

A c h te r B r ie f .

Liebesbrief des jungen von H örde

an S ophien, aus Hamburg.

N e u n te r B r ie f . Trost.

M ülle rs A ntw ort an seine Trau.

Nachricht von Leidthals Anerbiethen.

E r ist im B e g riff, hinzureisen.

Z e h n te r B r i e f ,

von M ü lle r an den B a n q u ie r

v o n der H örde.

Nachricht von dem geheimen

Verständnisse ihrer Kinder.

E r überläßt das

Uebrige seinem Wohlgefallen.

Eilüer

Eilfter Brief, von M eyer an keidthal. M üller nim t den B rie f m it. D ie Gesä-ichre seines Le­ bens, bis zu dem Z eitpunct, als ihnLeidtbal zu sich nahm. Einige kleine Umstande von G öttin­ gen. C ie wollen W einachten zu H undeselds V a te r auf das Land. Z w ö lfte r B r ie f , von W eckelan Hohenau. M untre Beschreibung von kleinen H öfen, die nicht ge­ nannt sind, und welcheWeckel bey seinem letzten Urlaub gesehen hat. E r wird bald an den Rhein hinauf reisen, und alsdann über Göttingen gehen. O re y z e h n te r B r ie f. D on der Hörde antw ortet M üllern in stolzem T o n e, und ohne Gefühl. V ie rz e h n te r B r ie f , von der zärtlichen Jungfer Anna S ievers an ihren Geliebten. E nth alt auch einige Aneedoren aus der Nachbarschaft und von H errn und M adam Becker. F ü n fz e h n te r B r i e f , von Hohenau an Weckel. Ueber göttingische Bekanntschaften. E tudentenCharaeterö. E r reiset in wenig Tagen auf Hun­ defelds

deselds Gut, der auch eine hübsche Schwester haben soll. Sechzehnter B rief. Leidthal meldet Müllers Ankunft, und dankt Meyer» für seine Lebensge­ schichte, ci'$Ql)lt dafür eine» Theil seines Lebens, und verspricht die Fortsetzung. Diese» Brief überbringt Merkel. Sicbenzehnter B rief. Hohenau ist durch Meckels Anwesenheit abgehalten worden, eher ju schrei­ ben. Errählung von seinem Aufenthalte bey Hundefelds Verwandten. Gemälde von Landjunkers. Wecke! ist itzt nach Hanau, und kömmt erst im April! wieder. Achtzehnter B rie f. Müllers Nacl-richt an seine Frau, von seiner Ankunft, Aufnahme und Zu­ friedenheit in Urfstadt. Etwas von Evphie»Liebe. Neunzehnter B r ie f, von Meckel an Hohenau. Beschreibung von Hanau, Darmstadt, M an­ heim, Carlsruhe, Straßburg. B

Zw ans

S iv a n v ^ w r 3 n ic r , m \ ietblbal. Ferrsetzung sei­ ner Lebensbeschreibung. E in und zwanzigster B r ie f, von Madam Mülle» an ihren M a n n , in großer Bestürzung. Nach, richt von Sophiens Flucht. Z w ey und zwanzigster B r ie f , von Mener an Leidrhal. Sie wollen Ostern aufs ( ü i d ) v f c l t '. Geschichte eines gefangenen Mönchs. Es scheint, als wenn Hohenau verliebt ist, weil er wirrerstreiche machen will. Vermuthlich ist HundefeldS Schwester der Gegenstand. D re y und zwanzigster B r ie f, von keidthal an Meyer. Geschicl'te von Hodenans V arer. Diel-leicht ist der derselbe gefangene Mönch.

X )= c x

Erster

Erster Brief. A» den H errn M e n e r,

Hofmeister des

H e rrn von Hohenau,

in

Götkingen.

Uvfitiibr de» 2ton IVtobst 1769.

M e i n l i ebet ' 2 r r u n d ! < '* 7 t

to

J

© h u b e n C ie m ir au f mein W o rt, daß

es

meiner

Philosophie

herzlieh schwer w irb , m ir unsre Trennung a ls ein nothwendiges Uebel vor; zustellen.

Ih r

anaenehmer, fremidschastli;

cher Umgang w ar meinem Herzen so theuer geworden,

ich w ar so sehr daran gewöhnt,

jeden Gedanken,

jede Empfindung meiner D 2

Seele,

S e e le , m it Ih n e n zu theilen, endlich hatte ich m ir auch die Sorge fü r die B ild u n g mei­ nes Pflegesohns zu einem so fußen Geschäfte gemacht,

daß ich es Ih n e n gern bekenne,

wie hart es m ir vorköm m t, a u f einmal mich aller dieser Glückseligkeiten beraubt zu sehen. Liber es hat so seyn Müssen.

D a s ist eine

von den leidigen Tröstungen,

die a u f jede

unangenehme Begebenheit in diesem heben passen, und im Grunde doch keiner einzigen die B itte rk e it benehmen!

D a sitze ich nun

hier einsam a u f dem Lande, nicht ohne Ge­ schäfte, das ist w ahr (denn wenn mich diese nicht gefesselt h a tte n ,

S ie und mein C arl

chatten gewiß nicht allein reisen sollen), aber doch vo ll zärtlicher S S » sucht nach Ih n e n beyden, und voll B e fo rg n iß , wie es Ih n e n in der neuen W e lt ,

in welche C ie Ih re n

Z ögling führen, gehen mögte. D a s weiß G o t t , daß ich nicht einen A u­ genblick darüber »nr-ahig b in , ob er in Ih r e n Handen

Händen gut aufgehoben seyn mögte. M ann,

Den

dem ich meinen Carl anvertrauet

habe, kenne ich zu g u t, um nicht die feste Zu« verficht ;u haben, daß er, wie ein V a te r, fü r fein Glück sorgen, und ihn zu allem Guten leiten w ird .

Aber auch ohne Betracht a u f

das, w as ich durch Ih r e Abwesenheit leide, drangen sich viel ernsthafte Vorstellungen, über den ersten S c h ritt, den mein Pflegesohn in die größere W e lt th u t, in meine Seele. M ic h dünkt, es giebt drey wichtige H aupt­ perioden im Leben, durch welche der w ohl­ erzogene, feine, denkende und fühlende M a n n w a n d ert, und nach welchen sich das Interesse bestim m t, welches er an demjenigen, w a ihm in diesem Lebe» begegnet, und au den Menschen, m it denen er in Verbindung kömmt, nehmen muß.

O der, um deutlicher zu reden,

fast jeder S terblicher, dem M adam F o rtu na nicht schon in der Wiege einen falschen S treich spielt (denn wenn das «st; so fa llt freylich die erste Periode beynahe ganz w e g ), V 3

fast jeder

jeder S terblich er, sage ich, sieht nach imi> nach a lle s , was ihn in dieser W e lt umgiebt, aus drey verschiedenen Gesichtspunkten an. A ls ein blühender J ü n g lin g t r it t er in die W e lt.

Gesundheit, Vorzüge der Gestalt,

die durch Jugend erhöhet werden, ein frohes weiches Herz, gute banne, Befreyung von N ahrungs - »nd andern häuslichen Sorgen, Geschmack an schönen Künsten, unverdorbe­ nes Gefühl fü r die Schake der N a tu r, N eu­ heit aller Gegenstände, die sich seinen Augen darstellen; von der andern S eite aber, Un­ wichtigkeit seiner Person, welche alsdann sel­ ten irgend einem crnsthafkcu Herrn im Wege steht, Nachsicht weiser Leute gegen seine ju ­ gendliche Schwachheiten, der A n th e il, den das schöne Geschlecht an ihm n im t, seine Ge­ fälligkeit gegen jedermann, und fein M angel an B obachtnngsgeist,

der ihn verhindert,

die Verderbnisse wahrzunehmen;

das alles,

oder ein großer Theil dieser herrlichen Dinge» spricht fü r ihn, und schwellt sein unerfahrnes Hcrz

H er; auf.

Alles lächelt ihn an.

D ie W e lt

ist so schön; E r findet so viel gute Menschen, welche ihm Liebe und Freundschaft beweisen; E r kann nicht begreift», wie mürrische G rauköpfe so klagen können. —

Schade, daß

diese Bezauberung nicht ewig d a u e rt! Aber er w ird ä lte r, kömmt bald in aller­ ley große und kleine V erbindungen;

H ie r

vertrauet er sich unwürdigen Freunden, und w ird oft und m annigfaltig betrogen,

dort

untergräbt unglückliche Liebe die Ruhe seiner S e e le ;

Oder er ist in andre üble Hände ge­

rathen ,

der M isbrauch seiner cörperlichen

K rä fte , scincrFreyhcit und seiner Thätigkeit, hat seine Gesundheit geschwächt, welk gemacht.

und ihn

D ie s erweckt böse Launen;

mm trä g t er nicht mehr so viel zu den A n nchmlichkeiten des Umgangs bey;

Oder ce

hat übel m it seinem Vermögen gewirthschafte t, Nahrungssorgcn drücken ih n , seine K in ­ der machen ihm V e rd ru ß ; Oder er ist klüger, angesehener,

reicher, a ls andre Menschen, B 4

und

und muß durch deren Neid viel leiden, verkannt, gedrückt, v e rfo lg t;

w ird

Oder er ist in

irgend ein sclavisches D ienst-Joch gespannt, hat nickt Z eit noch Gelegenheit, sein Gemüth durch de» Umgang m it den Musen zu erhei­ tern ;

Oder er hat so viel Schönes gesehen,

daß sein Geschmack eckcl geworden is t;

Er

hat aller O rten Id e a le von Vollkommenheit gesucht, und fit nirgends gefunden. —

D ie

Empfindungen welche durch solche Schicksale, deren jeder in der W e lt lebende Mensch einige zu ertragen hak, erregt werben, machen ihn, mehr oder weniger, unzufrieden, feindselig, mistrauisch gegen a lle s , was ihn um giebt, und daö ist die zweyte Periode.

W ohl dem,

der nicht darinn stehen b le ib t, der nicht m it G if t gegen das gute Menschengeschlecht, m it W icderw ille» gegen die schöne W e lt, seine Laufbahn e n d ig t! D e r gutgeartete Mensch kömmt aber von diesem Grolle bald zurück. und nach kühler w ird ,

S o , wie er nach

komme» ihm die wic^

driaeg

drigen V o rfä lle , welche ihm aufstoßen, nicht mehr so entschlich vor. E r fü h lt sogar, wenn gleich er cs nicht immer bekennt, daß er sich das Ungemach mchrentheils selbst, durch U it; Vorsichtigkeit in seiner A uffü h ru n g , zugezogen hat.

D ie Menschen betrachtet er nun auch

nüher, und findet, daß ihre Handlungen von Lcidenschaftc» regiert werden, die schwacher, eben so heftig, oder heftiger, als die fälligen sind;

E r merkt, daß es dem Eine» an E r­

ziehung, dem Andern an Gesundheit, dem D ritte n an zufälligen G ü te rn , dem V ierten an Gelegenheit fehlt, um edel zu handeln; daß dieser ein Echueke geworden ist,

blos

w eil man ihn so lange gekniffen, gedrückt, betrogen,

bis man ihn feindselig gemacht,

und dahin gebracht h a t, das Rauhe auswen­ dig zu kehren. —

K u r ;! er fangt a n , m it

der ganzen W e lt Frieden zu schlicssen, faßt den V orsah, so viel Gutes zu th u n , als er kann,

a u f keine W under zu rechnen,

son­

dern alles von der Hand des Schicksals so anzunehmen, wie es die Rcyhc der Begebe», B 5

heften

heiten m it sich b rin g t, und so die letzte Pe­ riode seines Lebens in Liede und Ruhe tu beschließen.

S ie sehen also, mein lieber Freund! daß, nach nun >en Grundsätzen, unsre Kunst darauf beruht, die erste Periode zu verlängern, und die zweyte abzukürzen, und das ist cs, wor# nach w ir Beyde itzt unsre Bemühunge» einrichten müssen, um meinem C a rl, bey seinem E in tritte in die W e lt, den W e g , den er, wie jeder Andre,

wandern muß,

möglich zu machen.

so sanft als

I m übrigen müssen w ir

es dem Schicksale überlassen,

die feinern

Nuancen in seine Begebenheiten zu weben. Einen ganz gemeinen Gang w ird er schwer­ lich gehen, denn seine Composiriou ist feiner, als m ir oft lieb gewesen ist.

Doch S ic , mein

Freund! haben Gelegenheit und K lugheit ge# iiu g , seiner Thätigkeit unvermerkt die Rich­ tung zu geben, die sie haben soll, und die Gegenstände zu entfernen, welche WildesFeuer in ihm

an; •./,

'! schnitten.

A u f S ie baue ich

fvfi,

fest, und wenn ich fiter nichts versprechen. „ E s sey ihre A rt n ic h t, mehr Hosnung zu „m achen, a ls sic erfüllen könnten; L a s P u , „ l'lic u m glaube w o h l, daß sie viel btt) dem „ H errn auszurichten vcrm ögtcn,

aber der

„F ü rs t sey seit einiger Zeit so gesinnt, daß „ e r niemand mehr um R a th fra g te , sonst „kö n n e er fest a u f ihre Freundschaft rechnen, „ und wenn sich »i der Folge eine Gclcgen„ h c i t zeigte; so wolle man ihm gewiß so„ gleich eine» W in k geben.

Doch dies alles

„ sey im V ertrauen gesprochen.^

Uebrigens

gab man ihm E m psehlungö-Briefe an ctitm E 5

bcnach,

benachbarten H o f m it,

schrieb aber einen

Postkag vo ra u s , um den dortigen M in is te r tu warnen, a u f seiner H n t zu sey».

An ei­

nem andern Hofe dachte er gewiß durchzu­ dringen, wenn er ciu Lotto daselbst zu ctab lir n t sich erböthe.

D o rt waren aber zwey

F a v o rite n , die sich beständig entgegen arbei­ teten.

E r wendete sich an beyde, und rich­

tete daher nichts aus. Unterdessen schmolz sein kleiner G e ld -V o r­ ra t!), die F a m ilie wurde vo ll Kum m er nie­ dergedrückt, und wenn hin und w ieder, in ­ dem eine neue Unterhandlung im Werke w a r, ei» schwacher H o fn n n g s - S tr a h l

sie erhei­

terte; so w a r das n u r, um nachher, wenn auch

dies m is lu n g ,

sie desto

tiefer

zu

beugen. In

diesem traurigen Zustande ist mein

Freund »och im m e r, und ittt w a r er im B e­ g riff, zu Fast nachEasscll zu gehen, und dort sein Glück zu versuchen. S c in

S e in Character hat m m , durch diese v ie l­ fältigen Zwängungcn, eine große Biegsam­ keit erhol en.

Jahre und Schicksale haben

seine Lebhaftigkeit sehr hcrabgestimmt.

An

der Unsicherheit seiner Plane gew ohnt, hat er gelernt, nicht mehr von jeder fchlgeschlagcncn H o fn n n ) gänzlich zu Boden geworfen zu werden, und die natürliche T h ä tig k e it, die ih n , in minder unglücklichen Umständen, oft zu gefährlichen S ch ritte n

verleitete,

giebt

ihm jetzt eine unüberwindliche Beständigkeit, s till M itt e l

unversucht,

sich

durch

keine

Schwierigkeiten hindern zu lassen, alles in Bewegung 51t setzen, tim sich eine Aussicht zu eröfnen, sich und den Seinigen cin E tü ckge» B ro d zu erringen. geworden,

E r ist so nachgebend

daß er stundenlang

Gewäsche eines

das

hirnlosen H ostuanns,

leere die

wichtige M iene erncs M äc- iiateu, die S elbst­ genügsamkeit eines gereiseken H e rrn , vorneh­ men und reichen U nsinn, M in is te r - Blicke, K e n n e r-S p rü c h e , F ü rste n -P la ttitü d e n , und alle A rten von Persiflage anhören kan», ohne

sich

sich zu rühren —

W o man nicht bessern

könnte, m eint e r, da müsse man schweigen und dulden, besonders wenn man durch ein freyes W o rk sein und seiner F a m ilie Glück töbtete — D abey hat er bemerkt, daß man nie in dieser W e lt klagen d a rf. wenn man Freunde haben w ill, und daß uns jeder sticht, sobald er Kum m er a u f unserer S tirn e lie st; der eine T h e il der Menschen aus V e rzä rtlu n g und Schwäche, um sich gegen die bcunruhigendcn Eindrücke des sanften M itlc id c n s zu wafnen» der andere aus Geld - und Mensch­ lich ke its-G e iz , zu werden.

um nicht zu H ü lfe gerufen

Deswegen weiß er stets den

Ja m m e r seines Herzens hinter einer heiteren M iene zu verstecken, und h ö rt nicht a u f, ein angenehmer Gesellschafter zu seyn —

W ie

manche Thräne mag indessen sein einsames Lager benetzen! —

E r reiset, w ie er sagt,

n u r deswegen zu Fuße, w e il ihm das mehr V ergnügen macht,

und w ir hatten in der

T h a t M ühe, ih n z» bewegen, einen Platz in unsrem Wagen anzunehmen.

Mit

M i t ihm sind w ir n u n hier in G üttingen angekom m en, w o ich nebst dem H errn von H ohenau gleich eine gute W o h n u n g fand, in welcher w ir u n s auch, wie d as bey S tu d e n ­ ten -H a u s h a ltu n g e n nicht sckwcr fa llt, in wenig S tu n d e n eingerichtet haben. D iefen B rie f schrieb ich stückweise unterw e g e n s , deswegen ist er so verw irrt und unordentlich gerathen.

(Böttingen den ;tc» Oktober.

9 ? u n haben w ir einige Besuche abgestattet, und alles in O rd n u n g gebracht, w a s dazu g e h ö rt, gelehrte Leute zu w erden. Indessen gehen die Collegia noch in vierzehn Tagen nicht an. W erden C ie cs u n s verzeyhcn, m ein theuerster H e rr! daß w ir u n s daher ge­ schwind entschlossen h a b e n , den H errn M ü l ­ ler nach Cassell zu begleiten? W e il

W eil w ir doch hier nichts versäumen, und ich aus viel Ursachen nicht eben wünschte, daß der Herr von Hohenau, che er in Tha« tigkcit kommt, viel Bekanntschaften von tuv dren jungen heuten machte; so habe ich dies für den bequemsten 3»ispuact gehalten, ihm, Ihrem Befehl gemäß,

eine der schönsten

Städte von Deutschland zu zeigen.

Nach-

m it age 4 U hr.

Eben bekomme ich Ihren

gnädigen Brief.

£>. mein bester Wohlthä­

ter ! wie llnug hat mich dies neue Zeichen Ih re r Güte erfreuet!



worte ich nicht darauf.

Ich w ill das Paquct

üllktii itzt ant­

schliesscn; Die Einlage* ist von dem lieben Pflege-Sohne.

Morgen

* Diese und noch ein Paar Briese, die Herr Meoer schrieb, sind weggeblieben, so wie man überhaupt eine große Anradl uiibedcureuder Priese zurückgenommen hat.

M o rg en reisen w ir f o r t , und von Cassell a u s werde ich die Ehre haben, m einem g n ä­ digen H errn die V ersicherungen der treueste» E h rerbiethung zu w iederholen, m it welcher ich stets seyn werde.

2 h r

unterthäniger Diener,

M e i) e r.

D ritte r

Dritter Brief. An dcn Freyherrn von Lcidthal, in

Urffidbt.

Lassell de» iotcii ©«ober 176).

T h e u e r s t e r , bester P f l e g e v a t e r ! schreibe Ihnen diese feilen ans einer ^

S ta d t,

ach! ans einer Stac-t, die so

schön ist, dast ich wohl schwer! ch utc! («nett würde, wenn ich, statt in V örtGgen &u stu­ dieren , unter der Menge von Zerstreuungen, hier arbeiten seilte. Alles athmet nur Freude hier.

Herrliche Gebäude, Palläste, bezau­

bernde Gärten, Music, Malerey, Schau­ spielkunst, das alles scheint h i e r H a u s e ju seyn. Und Soldaten, die wie .stjuser Einer schönenFamillt aussehen, und bereu aujstres Ansehn das Gepräge von Wohlstand, Zucht und Fröhligkeir hat — Lachen

Lachen C ie nicht, theuerster V ater! weil ich arm er J u n g e , der noch wenig gesehen h a t, alles hier so schon finde! Aber ich denke doch auch, Cassell hat würklich viel auf;»« weisen, welches m an in wenig S tä d te n D eutschlands vereinigt an trift. W ir haben, so viel es die Zeit verstattete, alles M erkw ürdige gesehen, aber m an wird g ar nicht fertig dam it. D en sechsten früh rriftten w ir au s Töt< ting en, und hielten u n s , au f des H errn M ü llers A n rathcn , m M ünden ein P a a r S tu n d e» a u f, weil in der T hat dieses C täd tgen eine so allerliebste romantische Lage hat, daß ich mich w undern m uß, w arum so we« nig freye Menschen au s Liebhaberei) dahin ziehen. D a , wo sich die F ulda und W erra vereinigen, der kleine Hafen voll Fahrzeuge; einzelne G artenhäuser, die hie und da jtc# streuet liege»; und dann zu beyden S eiten die majestadtischen Berge und W ä ld e r; die D große

große S t r a ß e , welche mitten durch die S ta d l la u f t; Diese truirtiiai großen Gegenstände müssen nothwendig au f ein malerisches Auge (ich sollte wohl sagen auf ein romantisches H erz, welches S ie mir zuweilen Schuld ge­ ben) würken. Allein es scheint nicht, als wenn die Einwohner sich hierum bekümmern. M a n wird aber gewöhnlich undankbar gegen eine schone Gegend, wenn man sie täglich sicht, obgleich ich das nicht lobe» kann, doch mag davon unser beständiger Hang »ach N eu ­ heit der G ru nd seyn. K u r;! ich mögtc in M ünden wohnen — Aber noch nicht, son­ dern erst d an n , wenn mich einst, wie S i e mir das immer vorher prophezeyct haben, einmal ein unruhiges leidendes Herz au s der großen W elt heraustreiben w i r d , zur Ab­ kühlung, zur Versöhnung mit der wohlthä­ tigen N a tu r — Doch mögte cs wohl noch etwas Weile bis dahin haben — E tw a s weniger lebhaft a ls gewöhnlich fanden w ir Castell, weil der H o f, eine kleine S tu n d e

S tu n d e vo» d a, a u f dem Lusischlosse Weift ftiiftcin w ar. A ls wir hörten, daß dort Commödic seyn w ürde; so fuhren wir gleich hin. W ir kamen noch zu rechter Zeit an, mit ein französisches Lustspiel und eine Oper rette zu sehen. Beydes wurde, so viel ich davon verstehe, gut gegeben. I n den Messen und zur Zeit des C arnavals hat man auch in Cassel große italienische und französische Oper, große heroische nnd andre B alle:e, Masea» radcn — mit einem W orte a lle s , w as nur Vergnügen erwecken kann. W i r blieben die Nacht in dem Easihofe au f dem Weissensteiu, und erst legen dann früh M orgens den prächtigen Carlsberg, ein Werk, welches, in dem größte» S t y l gcbauet, das Ansehen h a t, als wenn Reefen diese künstlich aufeinander gekitteten Felfcnstücke aufgethürmt hatten. C s w ar ein Schweizer mit uns in Gesellschaft, der, um etw as zu sagen, das schweizerisch klingen sollte, aus» rief: „ M e in G o tt! wozu nützt das alles? D a .-,Es

„ Es ist doch nur eine Wasserkunst zum Der„g n n g e n , und kostet so ungeheure Summen. „W a h rlic h ! die unten gelegenen schmutzige» „B aucrhütten

sind

m ir

zehnmal

lieber."

D a s D in g kann etwas wahres enthalten, aber nach dieser Lehre wäre ein N achttopf viel besser als ein Punschnapf.

Und wie viel

-Menschen haben nicht bey dieser herkulischen Arbeit ihren Unterhalt gefunden! Doch was bedarf ich Ih n e n zu beschreu bcn, was S ie schon oft ehemals gesehen (hu den?

Alle Anlagen

res Landgrafen Carls

scheinen m ir groß und edel, noch nicht vollendet.

aber sie sind

D a indessen der jetzige

H err Geschmack und Kenntnisse h a t,

und

m it Nutzen gcrcisct ist; so darf man hoffen, daß bey der

weiteren Ausführung

dieser

Plane nichts Spielendes, Unwürdiges oder Kleinliches m it unterlaufen w ird , sonst das Gefühl dieser Dinge

welches schwachen

könnte. D er

D er Landgraf ist von feinen U ntertanen geliebt. Bey allen äuffcel^chen Vorzügen, Kenntnissen aller Art, Geschmack an schönen Künsten und feinem W itze, der jede S eite eines D inges schnell und richtig zu fassen w eiß , besitzt er ein gefühlvolles Herz. Ec läßt auch den ärgsten Verbrecher keine harte, und überhaupt selten jemand irgend eine To­ desart leiden. Er verzeyhet gern, wenn ec beleidigt ist, und rächt sich nicht. Er hat eine Seele für die Freundschaft, und läßt sich von seinen Freunden leiten. Er liebt d en S old atem S ta n d , aber weit entfernt, die kleinen D eta ils desselben a ls eine hauptsäch­ liche, eines Fürsten würdige Beschäftigung anzusehen , ist er nur in sofern S o ld a t, a ls er cs dem Genie seines Landes angemessen findet, und hat die Wissenschaften vollkom­ men in n e, welche zum Großen des Dienstes gehören. D a s ist das Urtheil, welches uns jemand, der sehr unparrheyisch ist, und doch den bandgrafen gewiß kennt, von ihm fällte. V iel Menschen werden wohl anders von ihm D z urlhcu

S4 urth e ile n , denn wenn ein großer H e rr nicht jeden befriedigen ka n n ; so giebt mancher Un­ zufriedener die unachteste» Farben zu seinem Gemälde her, und also mag w ohl nichts un­ sicherer als der R u f eines Fürsten seyn, so daß man n u r gar zn o ft,

wenn mau den

M a n n in der Nahe beobachtet, sein U rth eil w ird zurücknehmen müssen.

Schwachheiten

mag er verm uthlich auch haben, w eil er ein Mensch ist.

W ie könnte sich aber Hessen je

einen besseren H e rrn wünschen, wenn er alle diese guten Eigenschaften besitzt? E s w ird beständig in Cassell viel gebauct, um die S ta d t zu verschönern, und bey dem allen ist doch das Schloß nichts weniger a ls hübsch.

M a n muß sogar eine kleine W m d e l-

treppe hinaustriechcn,

um in

die Zim m er

des Fürsten zu kommen, welches, int V o r ­ beygehen zu sage», bey Hofe eine gefährliche Sache ist.

D enn da man schon behauptet,

daß die W ände der V orzim m er Ohren haben, wie vorsichtig muß da nicht ein H ofm ann m it

seinen

5S feinen In trig u e n zu Werke gehen, wenn auch die Treppen wie ein O hr gebauet sind, wo m an ganz unten hören k ann , w as unter dem Dache leise gesprochen wird ? Uebrigens macht es dem F ürsten, denke ich, E hre, daß er früher an Verschönerung der S t a d t , zum V ergnügen andrer M enschen, a ls an sein eignes H au s gedacht hat. H ier in Castell ist alles nach französischem S ch nitte. D ie Hülste der Einw ohner ist auch wohl von dieser N a tio n , und der T on in allen Gesellschaften und am Hofe also ge­ stimmt. D er H of ist glanzend und zahlreich, und wer daran d ient, wird g u t, und M ancher sehr reichlich bezahlt. D a s O rangerie-Schlost und der große P a ri sind ein herrliches W erk; doppelt schön, weil m an immer M enschen, zu F u ß e, zu P ferde, und in Kutschen daselbst sieht. D en n D 4 w as

w a s ist ein T a rte n , der nicht jedem offen steht, und kann w ohl ein angenehmerer An« blick fü r einen Menschen seyn, a ls der A n ­ blick von Menschen?

W ilh e lm s rh a l, ein Lustschloß nicht w e it von hier» welches des jetzigen Landgrafen H e rr V a te r gcbauct h a t, so prächtig und a r­ tig cs auch gcbauct und verziert ist, gefällt m i r , seiner Lage nach, und überhaupt gar nicht.

H ie r haben w ir aber ferner B ibliothek, C a b in ct,

B ild e rz a llc rie und so viel D in g e

gesehen, daß ich lange darüber reden könnte, wenn ich Ih n e n eine Reisebeschreibung liefern w o llte , und wenn S ie nich t, mein theuerster P flegevater! in Ih re m Leben so viel Schönes gesehen hätten,

daß Ih n e n dergleichen gar

nicht fremd seyn kann.

W e il S ie m ir erlaubt haben, über alles, w as ich sehen w ü rd e , mein J ü n g lin g s - U r­ th e il

theil geradezu zu fällen; so muß ich noch et­ w a s von den inwendigen Verzierungen des Schlosses sagen. E s hat mich ncnrlich gcfreu et, w ahrzunehm en, daß in allen M eublcs desselben ein edler, einfacher Geschmack herrscht. Dabey fiel m ir denn e in , daß ich mich immer ärgere, wenn ich sehe, daß w ir in unserm Zeitalter so viel Verzierungen ha« d en , die gar nichts bedeuten. I s t nicht schon alles, w as den Nahm en Cartoufchen fü h rt, ein U nding? In d em ich nun dies schreibe, sebc ich im Zimmer dieses Gasthofs umher. D a finde ich denn eine papierne T a­ p ete, wo Ranken von B lu m en , die nie in der N a tu r gewesen sind, sich m it einem S tre ife von Gittcrwerke durchkrcutzcn, zwi­ schendurch in den viereckten Feldern aber ist im m er ein Stück von einem verfallenen G e­ bäude, ruhend au f einer M uschel, und ein P ap ag ei), der eben so groß als das Gebäude ist. N un spotte m an einmal über chinesische M alereycn! D ie S tü h le stehen, ohne allen N utzen, au f krnmmen B ein en , welches eine D 5 3»ee

I d » von Kriippelcy giebt. Auf dem Tische liegt ein hessischer Addrcß-Ealender, an mU chem der Rücken des französischen B andes auch eine Menge vergoldeter, nichts vorfiele lender Schnörkel enthält. E s ist w a h r, dast man anfängt die go­ thischen Verzierungen abzuschaffen, aber m an tr if t, dünkt mich, noch immer nicht den geraden Weg der N a tu r und Schönheit. D a ß m a n , zum B eyspiel, etw a s, das den K opf eines großen N agels vorstellen soll, mit einer Rose verziert, lasse ich gelten, daß man aber hin und wieder Widdcrköpfr, die man in den Metopen der dorischen Friese an den alten Tempeln und an Opfergefäßcn und Sarkophagen sehr schicklich angebracht gefun­ den h at, jetzt an Consol-Tischen und Thee­ maschinen schnitzt, das ist lächerlich und ekel­ haft. Unterdessen scheint mir diese Sache nicht so unwichtig zu seyn, als man sie ge­ wöhnlich ansieht, und ich bin überzeugt, dost jemand, der von Ju gend au f nichts als rich­ tige.

t i g e , bedeutende, zweckmäßige, w a h r h a f te Gegenstände u m ftd) her steht, auch richtiger, treffender und g e n a u e r denke»! lernt. Unsre Kleidertracht ist, leider! auch eins Von den t r a u r i g e n S t ü c k e n , die unsre B a r s barey a u f die N a c h w e l t verewigen werden. L - i e sehr konnte m a n sich aber i r r e n , w e n n m a n in einigen J a h r h u n d e r t e n , nach unsren M u n d e n und Kunstwerken unsre K l eidungen beurtheilen wollte! E i n flechsiger Eonrector mögte a l s d a n n über eine braunschweigische Pistvlette ein schönes Werk von den P a n z e r n des achtzehnten J a h r h u n d e r t s schreiben. D a s G e m ä l d e eines geharnischten Landjunkers und eines G e l e h r t e n , der einen M a n t e l , den er nie t r a g t , u m seinen B a u c h geschlagen h a t ; des Landgrafen C a r l s B i l d s ä u l e , welche die französischen Colonisten demselben haben m richten lassen, und a n welcher über ein grie­ chisches G e w a n d her der danchcheElephantenO r d e n h a n g t ; d a s alles beleidigt Augen, welche den S i n n für W a h r h e i t und achte N a t u r haben.

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D och, kenne ich S ie denn nicht, E

vereh-

verehrung-w ürdiger H err? W ie sollte ich mich scheuen, Ih n e n eine Aussicht zu zeigen, den W ürkungskreis I h r e r großm üthigen S eele zu erw eitern? M ein P ap ier geht zu E n d e, in ei» P a a r S tu n d e n wollen w ir fo rt, und gegen Abend sind w ir in G ö ttin gcn , denn die W ege sind ziemlich, und werden bald vortrcflich werden. Auch durch Hessen w ird , wie ich höre, der L andgraf, der so viel für das gemeine Beste th u t, alle Landstraßen bauen lassen, welchesehr nöthig seyn m ag. Habe ich doch kaum noch so viel Platz, den N ahm en zu schreiben,

Ihres umerthanig treuen Diener-, M e y e r. N. S.

N. S . Ich habe würklich schon angefangen, ei^ nige Hauptscenen aus meinem Leben auf;«jeichnen.

Wenn das Ganze fertig ist. werde

ich so frey seyn. cs Ihnen $u schicken. — Aber Toleranz! Toleranz!

X )= (K

E 2

Fünfter

fr »»»»» [-»»»-f»+4-f»4*4-»»»-i-»»+ }-»»»4-»»»-f»»»-f-»»»iM»MH^

Fünfter Brief. Au die ehr--und

tngcndsamc Jungfer, ?lnna

M a r ia SicverS, Haushälterinn in Diensten von J h ro G naden, den H errn B a ro n von Leidthal,

in U r W d t .

GSttingcn den loten Dekoder i* 6%

Meine hertzlich liebe und werthe Jungs r ! * c n der Hofnung, daß diese wenigen Eie ^

werden in guten Gesundheitsr Umstan­

den antreffen, kann ich nicht unterlassen, an S ie zu schreiben, wie ich versprochen habe, wiewohl dieses spat, welches zu cxculim t bitte, Ursach dessen, weil w ir in Cassell ge­ west seyn. Ach! meine liebe Jungfer! was ist daS vor eine charmante «Stnbt, und für ein ex­ cellent Leben in dem Cassell! Und alles ist so lustig

lustig da.

W a s müssen die H errn nicht alle

v o r Geld haben! Auch seyn sehr artige und freundliche Frauenspersonen da , und wenn einer des Abends spazieren g e h t;

so sicht

man D a m e n s, die so hübsch angezogen seyn, a!s die F ra u P fa rre n in U rfstä d t, und noch hübscher,

die einen doch grüßen, und gar

nicht stolz seyn, aber das habe ich nun er, fahren, daß eine gar böse conduite gefunden werden soll in dem Casscll, doch ist keine so hübsch, a ls meine liebe

H e rz e n s -Iu n g fe c

S ie v c rs .

Und wann mir auch mein Herze bricht, Vergeße ich dach Ih re r, meine allerliebste Jung, fer Sievers! nicht. Ic h habe auch ein P a a r Kummedicn gesehen, aber das hat m i r , die W a h rh e it zu sagen, nicht gefallen w ollen.

D a w a r E in e , die

sollte ganz unschuldig th u n , und liebäugelte doch immer nach einem O ffic ic r, von den großen schönen O fc ie rs , g ra f sich h ä lt.

die der H e rr Land,

W a s sie sagten, das verstand

ich eigentlich nich t, obgleich ich ein bisgen E z

statu

französch kann.

C ie plappern das gar zu

geschwind Weg, weil sie cs auswendig w is­ sen . und gern bald fertig seyn wollen.

Aber

alle Augenblick fieng einer mitten int S pre­ chen a n ;u singen, das tonnte ich auch nicht begreife» warum. Göttingen ist gar nicht schön, aber die H errn Putsche seyn doch sehr lustig.

Spazie­

ren gehen kan» man gar nicht, denn es ist hier kein Garten.

Wenn mein Herr sich int

Somme.- w ird wollen eine Verlustirung ma­ chen ; so w ird er müssen anSreiten a u f ein D o r f, und da ist auch kein gut plaisir.

D ie

H err» Professors sollen Nicht sehr lustig in Gesell'chaft seyn,

und haben alte Frauen.

E s ist gewaltig theuer hier, und die Juden w iro man gar nicht los.

S ie betrügen die

Herrn Studenten gar abschculig, aber das darf jedermann hier thun, besonders der eine Gumprecht das ist ein rechter Schelm. M e in H err und H err Meyer die gehen nicht viel a u s, ausser m die C ollegi, und dann, sa wohnt

7i

w ohnt in unserm Hause ein junger H err von H undefeld, m it dem gehen sie viel u m , und sein B edienter, der M usjö H aber, der ist mein sehr guter Freund. A dje, weine herzliebe J u n g fe r! Ic h schreibe heute keinen w eitläuftigeu B rief, weil ich meines H errn seine neue S tiefel in G lanzW achs setzen m u ß ; so kaun ich I h r heute feinen längeren zufügen. Doch verbleibe ich stets im Herzen, 3m Glück und Unglück, Noth und Schmerzen,

M einer allerliebsten Ju n g fer S ieverS

Ih r treu ergebenster Freund Christoph B i r n b a u m .

E4

Sechster

Sechster Brief. An den H errn von H o h en a u , in G öttinzen. Urfstädl den 8ten CTovtmbcr 1769.

M e in lie b e r H o h e n a u ! D »

wirst ein P a a r Zeilen von m ir bey D einer Zurückkuiist in G öttingen ge­ funden haben, und eben erhalte ich auch des H errn M eyers kleinen B rie f, * darinn er m ir den Anfang E ures F leißes meldet. Ich habe aber nicht ehr a ls itzt M uße gehabt, au f je­ den P u n ct in D einem und D eines lieben M en to rs Briefen $tt antw orten. W ir wollen nun einen V ertrag zusammen m achen: I h r sollt m ir immer nur gemeinschaftlich E inen B rie f schreiben, und so will auch ich, wenn ich *

Diese Stücke sind nicht in der Sammlung.

ich zuviel Geschäfte habe, Deinen Freund, den H auptm ann von Wecket, fü r mich m it/ toortvtt lassen. Ic h wundre mich gar nicht, Casscll so sehr gefallen hat.

daß D ir

Ic h habe dort

auch manche sröhlige S tunde gehabt,

und

kenne den Landgrafen, denn ich habe viel an seinem Hofe und sonst m it ihm in H am burg und Braunschweig gelebt. E inige D einer Anmerkungen

über diese

S ta d t haben m ir sehr gefallen; laß mich n u r «me kleine E rinnerung dabey machen,

die

D i r indessen nicht neu seyn w ird . H üte D ich nemlich, an einem fremden Orte gar zu genau nach Ueincn Umstände» zu kundschaften, welche die R cg rcru n g sa rt, H o ft und S ta d t Annec/ boten u. d. gl. angehen.

M a n kann dadurch

o ft in große Verlegenheit kommen.

Ueber/

Haupt rede d a v o n , von K rie g und Frieden, vom W etter, vonVerwandtschastcn, von V o r / zügcn Deines Vaterlandes u. s. f. so w enig, E 5

alS

als möglich.

M a n erfahrt von diesen D in ­

ge», wenn man auf die rechte A rt reiset, und sich unter allerley Gattungen von Menschen mischt, doch immer genug, und oft am mehrsien, wenn man am wenigsten das Ansehn h a t, etwas davon wissen zu wollen. Es giebt ja der müssigcn Geschöpfe so v ie l, die ein le­ bendiges Register solcher Nachrichten sind, und nur gar zu gern einen Reisenden davon unterhalten. Es würde dem Landgrafen von Hessen ein großer Schatz seyn, wenn Dein romantisches Münden ihm zugchörte, weil dadurch seine S chiffahrt uneingeschränkter würde.

V ie l­

leicht könnte Hannover sich auch wohl dabey befinden, wenn cs einen Tausch gegen das schöne Schaumburgische zu Stande brächte. Doch gäbe es wohl M itte l,

wodurch der

Landgraf die Handlung der Mündcnschen Schiffer und Kaufleute ziemlich lahm legen könnte.

D a ich aber nicht davor bezahlt

werde, denen deutschen Fürsten Projecte zu machen.

machen, unb D n i(?t den M üücr »ach Cassell gebracht hast; so über­ lasse ich diesem die Ehre, einen solchen Plan anzugeben. Des Landgrafen Character mußt D n aus dem Munde eines Mannes haben schildern gehört, der ihn gewiß nicht niiskannt hat. Uebrigcns, mein liebes K in d ! wünsche ich, daß D u Dich me von denen mögest hinrcissen las­ sen, die» wie es jetzt sehr Mode ist, so gern Fürsten lästern. D u weißt nicht, mein Sohn, wie verkehrt diese A rt Menschenkinder erzo­ gen wird , und wie billig es also ist, Geduld mit ihnen zu haben. Die offenbaren Schmeichelcycn sind eben nicht das, wassieammehrsien verderbt,

denn gegen die Würtungcn,

welche dadurch verursacht werden, kann r;it kluger Hofmeister noch einen jungen Prinzen m it edlem Stolze und Grundsätzen wafnen. Allein die kleinen unmcrkiichen Eindrücke, welche sein Character dnrch den stillschwei­ genden Beyfall bekömmt, welchen, dem An­ schein

schein noch, niemand seinen H andlungen vcrsag t, diese machen ihn von Ju g en d a u f unempfindlich gegen das muthmaßliche Ur# theil derer, m it denen er lebt. W enn ein gewöhnlicher M ensch, w äre er auch noch so reich, auffallende Fehler des V erstandes oder H erzens von sich blicken lä ß t; so merkt er, trotz aller Eigenliebe, b ald, daß er, in bet m it Verhältnissen, w orinn er köm m t, schäd­ liche Folgen davon ertrage» niuß. M a n flieht ih n , oder weicht ihm wenigstens a u s, wenn er stolz, u nverträglich, lan gw eilig, ei­ gensinnig, oder sonst nicht zur Gesellschaft gemacht ist. E in M an n ab er, der einst Län­ der und Völker regieren soll, kömmt selten, von seiner Kindheit a n , in einen Circul von Leuten, die g ar nie abhängig von ihm w er­ den. D iejen ige, die um ihn versamm let sind, ertragen ih n , um sich den heranwach­ senden P otentaten nicht früh zum Feinde zu machen. D ie jüngeren B rü d e r, bey denen dies weniger der F all is t. sind deshalb ge­ wöhnlich erträglicher, a ls die regierenden H errn.

H e rrn .

W enn ich m ir nun überhaupt v o r­

stelle, wie sehr unser Eharacter durch das Schicksal um geform t werden m u ß ; wie w ir Andre durch die mancherley eigene E rfa h ru n ­ gen , wiedrige Begebenheiten und Bekannt­ schaft m it dem verschiedenen menschlichen Elende, nach und nach besser werden; wie we­ nig von diesem allen ein Fürst e rle b t; w ie schwer cs also ist, einen Prinzen

m it der

Menschheit bekannt zu machen; wie sehr fer­ ner die W a h l ihrer Hofmeister Händen der Cabalc ist —

o ft in den

kurz, wie schlecht

mehrenthcils die Großen der Erde erzogen w erden; so muß man sich b illig wunder», daß es noch leidliche Geschöpfe unter ihnen g ie b t, und doch habe ich in der T h a t in fü n fjig Jahren zwey oder drey angetroffen, welche verdient hätten — keine Prinzen zu seyn — Ic h sage: verdient hätten, keine Prinzen seyn;

denn welcher unter allen

zu

S tänden

scheint w ohl weniger bestimmt, das fuße Gluck des Lebens zu schmecken? M a n sagt: „ F ü r „sten können V ie le n helfen.

V ie le glücklich ,, machen.

„ machen."

A lle in ,

dagegen macht auch

jedermann Ansprüche a u f ihre W oblthaten, und doch können sie nicht jeden befriedigen, müssen so Manchen ohne Trost von sich lassen. D as Glück der Freundschaft und die häus­ lichen und geselligen Freuden schmecken sie auch nur selten, unvollkommen oder gar nicht. W e il sich aber jedermann ihnen von der be­ sten Seite zeigt, und weil sie immer nur in großen Circnln leben, wo äusserlich sich alle Menschen gleich sehen; so werden sie weder m it den feinen Nuancen dcr Characterc, noch m it den kleinen interessanten Degebeuheiten, welche die guten lieben Menschen aneinan­ der ketten, recht bekannt.

Deswegen sind

sic auch gewöhnlich, aus M angel an wahr­ hafter Seclcn-Kenntniß, zu leichtgläubig oder zu mistranisch.

V on allen Wissenschaften

w ird ihnen eine kleine Idee beygebracht, aber von keiner können sie mehr als die Oberfläche berühren, weil man ihnen z» vielerlei) ein­ trichtern w ill, und weil Mangel an Zeit und häufige Zerstreuungen sie verhindern, sich ans etwas

ttWai Einzelnes m it Ernst zu legen, deswe­ gen wissen sie auch hernach schwerlich ge­ schickte und fähige Leute zu beurtheilen, und der glänzendeste Gelehrte ist ihnen der gründ­ lichste.

Von der andren Seite denke D ir

einmal ein armes gutes Fürsten -M ädgen! wie elend ist nicht deren Schicksal! I m Zwange des Ceremoniels erzogen, bewacht, m it Lan­ gerweile unterhalten, für alle Eindrücke der Lieb« bewahrt, w ird sie hernach m it einem Menschen gepaart, den sie zuweilen nie in ihrem Leben gesehen hat, der, nebst seinen Fa­ voriten und einem alten Drachen von F räu­ lein Obcrhofmeistcrinn, eine Sclavinn aus ihr macht; der, wenn er ein Paar Kinder m it ihr gezeugt hat, sie verachtet, sich einer fei­ len D irne in die Arme w ir ft, und nach sei­ nem Tode die arme Fürstinn der kalten, oft unedlen Begegnung des Tronssolgcrs aus­ setzt, dessen Herz dann gewöhnlich gerade so­ viel von kindlicher Liebe fü h lt, als der äussere Anstand erfordert. Du

8o D u sichst also, mein F re u n d ! wie sehr dieser S ta n d M itle id e n und Nachsicht verd ie n t, und wie dankbar mau dem Schicksale seyn m uß, wen» eS uns gute Fürsten giebt, und deren giebt cs doch noch in unsrem lie­ ben D aterlandc.

E s ist sehr w a h r, w as S ie , mein lieber M e y e r! über den verschiedenen T o n , über die verschiedenen Grade der C u ltu r, und über die verschiedenen S itte n V olker sagen.

der kleinen

deutschen

Einem Fremden muß das be­

sonders sehr auffallen.

Ader dies w ird w o h l

im m er ein p iu in dctiderium bleiben, solange unsre Rcgierungsform en so m a n n ig fa ltig , und unsre Verhältnisse m it a usw ärtigen Höfen so ungleich bleiben. I m G runde denke ich doch, auch der Deutsche hat im m er so etwas Characteristischcs, selbst wenn er nachahmt, das den Geschmack des Bodens behalt.

Und g lau­

ben S ie ja n ic h t, dasi w ir die einzigen Affen andrer N ationen sind, und dasi n u r in unsrem D aterlande keine E in h e it von N a tio n alg cist herrscht!

herrscht! Franzosen und Engländer, welche einander beständig hassen, ahmen sich unauf­ hörlich nach, und in beyden Reichen haben die Einwohner mancher Provinzen oft m it ih­ ren nächsten Nachbarn beynahe nichlS Aehnlichcs, als die Sprache. Kunstwerken herrscht,

Daß aber in unsren

nicht derselbe

einzige

S ty l

ist eben daher leicht zu begreifen.

A lle in , oft ist in der That der Eontrast über alle Maße groß. W er sollte, z. B . , glauben, daß Halladat und Musarion in Einem Zeit« alter geschrieben rome?

Ein B uch, welches

das Gepräge der einfachsten, unbefiecktesicn S itte n trä g t, und eins, das die feinste Cor« ruption vorausseht! E in Bürgerhaus »>Nürn« berg und eins in Potsdam , wie abstechend! N un

etwas von dem

armen M ü lle r!

Seine Geschichte hat mich gleich anfangs in* tcrcssirt, wie ich Ih n e n

das schon gesagt

habe, und sein durch traurige Erfahrungen geformter Eharacter, wie S ie ihn da beschrci, ben, hat etwas Herzergreifendes für mich. F

Frey«

Freylich ist es nicht gut, über sein Ungemach la u t zu klagen,

aber nicht n u r, w e il man

alsdann selten Freunde h a t,

sondern über­

haupt um sein Selbst w ille n .

E s ist n öthig,

sich daran zu gewöhnen, a lle s, w as uns tu dieser W e lt begegnen kann, M u th e zu ertragen.

M a n w ird nicht zwey

Tage a u f dieser E rd e , V o rfa lle ,

m it fröhligem

hinbringen

ohne unangenehme können, und das ist

auch n a tü rlic h , denn diese Abwechselung hat ihren G rund in der Kette der menschlichen H a ndlungen , welche von Wünschen und Lei­ denschaften regiert werden.

W enn man nun

sehr empfindlich ist, wie etwa D u , mein lie ­ ber Hohenau! so sieht man denn gern die ge­ ringsten Ungemächlichkeitcn, wenn nicht alles nach unsrem Kopfe geht, als ein großes Un­ glück an.

Hast D u Dich aber einmal daran

gew öhnt, dem Schicksale M a ch t über D ic h zu geben;

so hast D u

zuletzt keine heitre

S tu n d e m ehr, und w irst leicht dahin kom­ men, auch die, welche m it D ir leben, D e in M iövergnüg cn fühlen

zu

lassen,

welches doch

doch höchst unbillig ist.

Ueberhaupt ist we­

nig Unglück in der l 'j d t ,

für welches w ir

nicht aus uns selbst die Arzeney schöpfen könnten.

E in gewisser lVvrab vo» Leiden ist

auch g u t, um die gesunden Zwischenstunden desto seliger zu fühlen — Aber alles Unge­ mach des Lebens ist leicht fü r einen Weisen, und »och leichter für einen Narre».

D as ist

indessen auch richtig» ba|; es w ring Menschen giebt, die nicht, ans irg nd eine seine oder grobe A r t, einen S c h ritt zurücktrat«», wenn sie uns in Bedrängnis' seyen.

Vielleicht

wirst D u in Deinem Leben nicht einen E in ­ zigen antreffen, dem D u sicher D ein ganzes Herz cröfncn dürftest. Auch die Beständigkeit in Ueberwindung der Hindernisse ist m ir ein schöner Zug in M ü l­ lers Character.

Ohne diesen edlen Eigensinn

bringt man es überhaupt nie zu elwasGroßen. Ic h konnte D ir böse darüber seyn, mein lieber S ohn! daß D u nicht das Zutrauen zu F 2

nur

m ir hast,

mich um Hülfe für den armen

M a n n anzusprechen.

E o lange man selbst

helfen kann, muß man freylich keine Anweisungcn auf andrer Leute W ohlthätigkeit geben. Aber wenn bad w egfällt, warum w ill man dann einem Menschen, der dienen kann und m ag, die Freude misgönnen, dem N othlcidcnden die Hand zu reichen? D a ich nicht gern eine Gelegenheit vorbcylasse. D ir die süße Pflicht der W ohlthä­ tigkeit zu empfehlen; so laß mich hier noch ein Paar W orte darüber sagen! Gieb jedem Armen ohne Unterschied. Also schlage keinem, der Dich tun etwas anspricht, eine kleine Gabe ab, so lange D u etwas hast. Bestelle auch nie bey Deinen Bedienten, daß sie sagen sollen, D u seyest nicht zu Hause. D a s thun nur hartherzige und falsche M en­ sche». Deine T hür sey jedem offen. Kom mt ein zudringlicher, langweiliger Mensch; so giebt es schon M it te l, seiner bald los zu wer­ den.

dm ,

imb am Ende ist das Unglück nicht

groß.

M a n kann aus jcbcin Gespräche lev#

neu, und bey dem tümmsten Vorkrage gute Gedanken haben.

D a s ist aber nicht w a h r,

daß einer so viel Geschäfte hatte,

daß er

nicht ein P a a r M in u te n abbrechen könnte, um das Anliegen eines Menschen zu Horen. K ö m m t nun a u f diese A rt ein B ittender zu D i r , der um ein P a a r Gulden flehet, oder um eine andre W o h lth a t, und D u kannst sie ihm nicht geben, ohne einen W ü rdigern zu kranken, oder D u hast selbst nicht soviel ;» entbehren; so laß Dich doch nicht durch fa l­ sche Schaam bewegen, eine leere Ausflucht zu suchen. Sage geradezu: „ I c h kann nicht, „a b e r drey Groschen kann ich geben; hier „s in d sic, m it gutem Herzen! “

und glaube

m ir , die Redlichkeit Deines Verfahrens w ird ihn rü h re n , und sich selbst belohnen. jedem, wo D u kannst.

D iene

W ird es m it Un­

dank, m it S p o tt , belohnt;

desto uneigen­

nütziger, desto edler, ist die H andlung. D enn wenn man D ank rin e rn d te t; so hat unsre F 3,

Eitel«

E itelkeit schon den Lohn d a h in , und da kann ja jeder hingebe», wo cs mächte b rin g t. I s t der M a n n

ein B ösewicht; desto schlimmer

fü r ih n , er ist um desto unglücklicher, um desto mehr ein Gegenstand

des M itle id s ,

v e rg iß n ie , dast es besser ist, hundertmal be# trogen werden, a ls einmal da den Arme» im Elende seufzen lassen, wo mau Trost in ein gekränktes H .rz giessen könnte.

N u n ! und

kann man endlich gar nicht helfen,

mein

E o h » ! o! so weine eine Thräne des Jam# mers m it dem Unglücklichen, und oft w ird ihm diese brüderliche Gabe, mehr a ls Sacke G oldes, werth seyn.

Auch ist >s zuweilen

mehr Verdienst, dem Freunde sein m itleidiges H e r), a ls seinen Geldbeutel, zu öfnen.

Nach dieser kleinen Ausschweifung w ill ich mich erklären, w as ich, in meinen Um# standen, fü r den H errn M ü lle r thun kann. W enn einer von seinen Söhnen über vierzehn J a h r a lt ist, so mag er m ir denselben schicken; ich w ill fü r seinen Unterricht und dafür sor­ gen.

flcn , ih n , nach feiner N e ig u n g , irgend eine Lebensart ergreifen zu lassen.

S o llte aber

M ü lle r mehr fü r feine eigene Person verlegen seyn, wie ich das verm uthe, wenn er etwa in Eassell nichts ausrichtete, w eil er alsdann gar nichts vor sieh sahe, und hingegen fü r feine F am ilie noch w ohl in Amsterdam Un­ terstützung hoffen d ü rfte ; kommen!

so mag er selbst

D a wollen w ir dann sehen, w ie

w ir einig werden, dam it er m ir nicht zuviel Verbindlichkeit habe, und ich nicht ganz ohne Eigennutz handle. nicht thun.

M e h r kann ich aber itzt

Also n u r E ine Person, verste­

hen C ie m ich! entweder den V a te r oder ei­ nen C o h n .

D a rü b e r erwarte ich nun A n t­

w o r t, um eine E inrichtung zu machen, da­ m it er auch nicht nöthig habe, zu Fuße zu kommen. Ic h

sehe m it Ungeduld Ih r e r Lebensbe­

schreibung entgegen,

mein lieber M e y e r!

und um Ih n e n zu zeigen, wie dankbar ich fü r dies Geschenk seyn w erde; so w i:! ich

F 4

Ih n e n auch die Hauptbegebenheiten aus m ti, nein unruhigen Leben aufschreiben, und stücke weise schicken.

S ie mögen dann den schwäre

mcrischcn jungen Menschen, den S ie bey S ich haben, soviel davon lesen lassen, a ls zu sei, nem Frieden und Nutzen dient, und das Ucbrige in einem feinen guten herzen bewahren. Langst schon habe ich diese A rbeit unterneh, men w ollen, n u r hat es m ir an A ufm unte­ rung gefehlt.

Ic h werde gewiß keinen V o r­

hang vor irgend eine Scene ziehen.

AndcrS

handelt man im zwanzigsten, anders tm fünf# tigsten J a h re , und wer sich schämt, zu beten-' neu, daß er o ft Unrecht gehabt h a t, ist noch w e it von der Besserung entfernt. E rw a rte n

S ie

keine A n tw o rt a u f die

Nachricht von der E inrichtung Ih r e r © tu , dien. S ic wissen meinen ganzen Erziehuugsplan fü r den jungen Hohenau.

Gelehrt w ird

man nie a u f U niversitäten; E r soll dort n u r M etode lern e n , selbst arbeiten und einsamm, len zu können; E r soll aus den Beyspielen der

der M e n g e junger Leute von verschiedenen N a tio n e n , Erziehungen, A nlagen, Nichtung en , Tem peram enten u .s .f . lernen Aufmerke samkeit a u f sich seil st haben; E r soll lernen m it F re y h e it, G eld und Zeit w irthschaften; E r soll lauter, steh unter Leitten Achtung ver« dienen, die m it ihin in keiner andern Verbi»« düng stehen, und daher keine Ursache haben, ihm zu schmeicheln. D a ich ferner w e iß , daß in E ö ttin g e n eine sehr g u te , ächte F re y m a n n r.' Loge ist; so ersuche ich E ie , E ich bey derselben in mel­ den , um beyderseits ausgenommen zu w er­ den. C ie w e rd en , hoffe ich, dagegen nichts «inzuwendcn h a b e n ; S i e sind ein zu ge scheu« ter M a n n , um gegen eine Sache eingenom­ men zu seyn, welche S i e nicht kennen, und w om it sich so viel kluge und gute M ä n n e r be­ schäftigen. M eine Ursachen ab e r, w a ru m ich wünsche, daß C ie und unser Pflegcsohn aufgenommen werden m ögen, kann ich I h ­ nen ißt nicht sagen. C ie werden sie einst, L 5 wenn

trenn sie erst längere Zeit m it der Frcym anrcrey bekannt seyn w erden, selbst m it inniger Freude fühlen, und dann kann ich Ih n e n vielleicht Aussichten ervfnen, wovon I h r Herz itzt nicht einm al die Ahndung hat. V o r der H and thun S ie nur diesen ersten S c h ritt a u f mein W ort. S ie werden keine abschlä­ gige A ntw ort bekommen, ich habe S ie schon schriftlich empfohlen. E s versteht sich, daß ich die kleinen A usgaben, die in allen ächten l'oßcn dieselben sind, für E ie Beyde entrich­ ten werde. N u n wist ich diesen langen B rief schliesscn. bebt recht w ohl, I h r guten Leute! und vergcßt nicht

Euren treuen Freund Leidthal. Sieben-

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L-.'V zU

S ie b e n te r B r i e f . An den Herrn Csmmcrzicnrath Ikath Müller, in CaH!'. Amsterdam den iotcn November 1769^ tc h bekam gestern, mein lieber M a n n ! Ocinen T rie f und die Nachricht von Deiner weiteren Reifst

D u kannst leicht denken,

wie sehr mich jede Erzählung von einem neuen tnislungcnen Plane beunruhigt,

da unsre

und der armen Kinder Hofnung Tag und Nacht auf Deine Ausrichtungen ruht.

G o tt

gebe D ir gute Aussichten in Cassell.

Ic h

denke, wenn D u cs nur recht ansangst; so müßte es doch irgendwo gelingen.' N u r kann ich nicht begreifen, wie D u es noch m it den Reisekosten und der Zehrung machst.

D ie

Ringe und die goldene Uhr werden nun auch wohl fort sei)», die ich D ir in den guten Zcir tcn schenkte, wie ich noch für nichts zu sor*

gen

gen hatte, und fröhligeTagc erlebte. I « ' die Zeiten sind a u s , und ich schäme mich, vor die T h ü r $11 gehen, daß die Leute, die mich im W ohlstände gesehen haben, nicht meiner spott te». Doch, ich will von diesen verdrießlichen D ingen schweigen, und D ir von unsren K iitt dern Nachricht geben. D er Aelteste w ird D ir wohl geschrieben haben. S e in P a tro n ist sehr von ihm zufrieden. Ach ja ! Fritz soll sich wohl durchhclfen, wenn er einm al nur auch, wie sein V ater, eine F rau m it etw as Gelde Heyrathen konnte, und die ein eigenes großes H a u s h ä tte ! E r würde ja alsdann wohl au s unsrem Beyspiele lernen, besser R ath halten m it dem S einig cn. E s liegt alles daran, daß man den H andel versteht, sonst muß es freylich schiefgehen, doch, den lernt er ja, wo er jetzt ist. An Ludwig werden w ir wohl nicht fo viel Freude erleben, der läuft den gan;cn T ag herum , und geht in alle Commödicn. W o der Ju n g e das Geld herkriegt, das weiß der Him m el. M ein B ruder lobt ihn indessen doch, und sagt, daß seine Lehrer von

von ihm zufrieden w ä re n , w as nehmlich das S tudieren befrist,

denn um seine A ufführ

rung kann sich mein Bruder nicht bekümmern, aber er fä h rt fo rt, alles fü r ihn zu bezahlen, obgleich meine S chwägerinn ihm im m erV or# w ürfe darüber macht. Sophie kömmt turnet# le n , wenn sie abkommen kann, zu m ir. S ie klagt über n ich ts, und ihre Herrschaft hat ja auch allgemeines l'ob, aber sie ist seit einiger Z eit so niedergeschlagen und tra u rig , daß ich gar nicht w eiß , w as dem albernen M adgen fehlt.

Gestern hat sie aus Versehen einen

B r ie f hier verlohren, den ich D ir schicke, w eil ich gar nicht daraus klug werden kann. G o tt verzeyhe m ir

meine S ü n d e !

das ist ein

B rie f, den ein Mensch geschrieben haben muß, der to ll ist.

Ic h hoffe doch nimmermehr, daß

sich schon jemand in das K in d verliebt hat. I h r w ill ich noch nichts darüber sagen, b is D u m ir Deine M e in u n g geschrieben hast. D ie beyden Jüngsten wachsen heran,

und m ir

w ird angst ums H e rz, wenn ich sie ansehe. D on den Freym aurer-kogen und von dem H e rrn

H errn G rafen von H axstädt bekomme ich noch imm er das Geld richtig geschiel t. D u großer G o tt! wovon wollte ich auch sonst m it den arm en K indern leben? D a s fühlst D u so nicht, weil D u immer herumreisest, aber ich empfinde es genug. E s kömmt auch kein Mensch mehr zu m ir. D a s ist m ir nun recht lieb, ich mag mich vor niemand mehr sehen lassen. Ich werde wohl aufhören müssen; Angenehmes kann ich ohnehin nichts schrei­ ben. D er liebe G o tt gebe u n s bald besseres G lück! Ich bin ewig

Dei ne

treue ftrau, Ch r i s t i n e M ü lle r.

Achter

9S

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Achter Brief. (in dem vorhergehenden eingeschlossen.)

Hamburg den isten November >76?. Abend» ii Uhr. M eine ewig theure S o phie ! ^ j^ a r u m

kann ich nicht m it diesem B rie fe

zu D ir hinfliegen. D ich an mein treues Herz drücken, und D ir sagen, wie viel dies arme Herz seit unserer Trennung leider! Ach S o p h ie ! E s ist ersiannlich h a rt, von dem be­ sten M ädgcn getrennt zu werden — wenn werde ich D ich wiedersehen?

Und M e in

Oncle rechnet d a ra u f, mich wenigstens ein P a a r Jahre bey sich zu haben — Aber, S o tt w eiß , ich kann das nicht.

W enn ich so ein­

sam a u f meinem Zimmerchen sitze, und nach Deinem B ild e , das immer vor meinen A u­ gen schwebt, vo ll süßer S chw ärm erei), die Arme ausstrecken w il l,

und dann der Ge­ danke,

danke , daß die Freundinn meiner Seele fern von m ir ist, m it seiner ganzen Last a u f mich zurückfällt; o! dann bin ich oft im B e g riff, fortzulaufen, m it dem ersten Schiffe zurück nach Amsterdam zu fahren,

mich meinem

Water zu Füßen zu werfen , und ihn um seine E in w illigu ng zu bitten. S ophie! leben.

S ophie! himlifche

ich kann nicht langer ohne Dich Meine unschuldige, treue, heilige

Liebe zu D ir ist ein Theil meines Wesens ge­ worden.

W o D u nicht bist, da ist m ir alles

geschmacklos nnd leer.

M ein Oncle bemüht

sich vergebens, mich aufzumuntern. Hamburg könnte m ir gefallen, aber ohne Dich ist m ir's eine Einöde.

M ein erster Gedanke in einem

fremden Hause ist, zu wissen, nach welcher Gegend hin Amsterdam liegt, nnd wenn ich ein Madgcn sehe; so frage ich mich selbst, ob sie nicht Einen Zug, nicht einen einzigen lie­ ben Z u g , von D ir hat. Der M ond scheint so schön durch mein Fenster. Ic h w ill es öfnen — Ach! vielleicht stehst

stehst D u iftf auch d a , und siehst dem trösten» den Freunde aller B edrängten in sein liebe» v olles, sanftes Gesicht — In d e m ich vom S tu h l aufgestanden w ar, und meine nassen Blicke au f den kleinen G a r­ ten heftete, der unter meinem Fenster liegt (denn ich wohne im H in terh au ses sahe ich quer über ein Kätzgcn zu ihrem Zreunde schlei­ c h e n — Glückliches K ä y g e n !— S o p h ie ! lache nicht über mich! Liebe, Liebe schallt unaufhörlich in jeder meiner Nerven Alles, w as ich sehe, giebt dieser schonen Leidenschaft N ah run g. G ute N acht! Den ahnt November M orgens 7 Uhr.

Ic h stehe eben auf, uud mein erster Gedanke ist, m it meiner Freundinn zu plaudern. Noch immer habe ich Nacht und T ag den Kern von der eingemachten Kirsche im M unde den D » m ir a u s S cher; gabst, a ls ich. zwey Tage vor meiner Abreise, bey D einen H auSleutcn fpeifete.

G

ES

E s ist innige W o n n e für mein H e r ; , daß n u r G o tt allein dasG ehcim niß unserer schuld/ losen I n k weiß — Erinnerst D u Dich noch, meine S o p h ie ! wo w ir u n s zum erstenmal sahen? A ls D u m it D einer M u tte r in M astricht w a rs t, da besuchte ich Euch im Gasthofe. I c h w a r erst vierzehn J a h r a l t , und bey dem S ecretaic Agtstädt in Pension — E s sind nun acht J a h r e — W e iß t D u cs noch? W i r w a ren in einer grünen Eckstube. D eine M u tte r verließ u n s a u f kurze Z eit, um m it einem Geschäftsm anne zu reden; ich blieb allein bey D ir . A ch! bestes M ad g e n ! V o n dem Augenblicke a n pochte mein Herz lauter. W e n n D u D eine lieben sanfte» Angen a u f mich heftetest; so konnte ich nicht E in zusam­ m enhängendes W o r t hervorbringen — O S o p h i e ! D u m ußt mein w e rd en , D u bist ew ig mein. D e r H im m el schuf u n s für e in ­ ander. W ie oft h at u n s , bey den kleinsten B egebenheiten,dieAchnlichkeit unserer Gefühle über/

überrascht! Welche unerklärbare S ym p a th ie w a r stets in unsren Temperamenten, in un­ serm ganzen W esen! N u r , wie a u f feinem Papiere jede Zeichnung weicher, Heller, reiner aussieht, a ls a u f gröberem: so herrscht auch in Deinem feineren Gewebe mehr M ild e , a ls in meinem männlichen Character.

Aber seit­

dem ich D ich liebe, hat ewiger Friede m it alle m , waS mich um giebt, in niemer Seele Platz genommen; Ic h todte keinen W u rm , keine Fliege. D e r Gedanke, daß eine Creatuc über mich seufzen könnte. kann m ir Thränen auspressen.

Auch dünkt m ich, a ls betrach­

teten die guten Geschöpfe mich a ls

ihren

F re u n d ; Ic h kann m itten unter sie treten, keine Taube, kein Vögelchen fliegt vor m ir w eg,, und wenn ein armer H und seinen H e rrn sucht;

so bin ich der Erste, an den er sich

wendet.

N ie habe ich so den hohen W e rth der M usik gefühlt, a ls itzt.

W enn mein schweres

H e rz, in trüben Augenblicken, sich nach D ir G 2

sehnt,

sehnt, und rund umher einen Freund sucht, m it dem ich wenigstem) von meiner Sophie reden könnte, und den nicht findet, in dessen Schoos ich meine Klagen ausschütten dürfte; dann ist das treue Clavier mein süßestes Labsal. A ls ich Abschied von D ir nahm , da senk­ test D u Dein liebes Hanpt au f meine Schulter. E s w ar Puder aus Deinen H aaren auf mein braunes Kleid gekommen. Gestern nun hat mein unempfindlicher Kerl von Bedienten all den lieben Puder abgebürstet; Ich hatte vergehen m ögen, als ich sah, daß es gesche­ hen w ar. Ich muß schliessen. M ein Oncle laßt mich rufen, und in ein P a a r Stunden geht die Post ab. Vielleicht bekomme ich morgen ein Briefgen von D ir. D u weißt doch noch, wohin D u die Briefe addressiren sollst, und ».war mußt D u dabey setzen: „A m Ju n g frrn „ Stiege bey dem Herrn Prinzhausen abzu,, geben,

lo r „ g eb e n , und daselbst bis jur Abholung lie, „ gen zu lassen." W as für Nachricht hast D u von Deinem unglücklichen V a te r? Ich armer Ju n g e ! daß ich nicht Herr über mein elendes Vermögen bin! — Doch, w as hilft das Schwatzen? — Lebe w ohl, mein E ngel! meine süße theure S o p h ie! Ic h bin ewig Dei n

treu e ster G u s ta v .

G 3

Neunter

N e u n t e r B r ief . An Madam Müller, gebohrne van Blüm in Amsterdam. Lassell den afiten November 1769.

M e i n e liebe F r a u ! thu t m ir in der S eele leid, daß D ir das Fehlschlagen meiner P lan e so viel K um m er macht. 31» M ühe laß ich es w ahrhastig nicht m angeln, und glaube auch, cs nicht unrecht anjugrcifen. D abey lasse ich mich durch keine Schwierigkeiten abschrecken, reise fast immer zu F u ß , spare, wo ich kann, und leide, w o ich m uß. 3!ber das Glück btt günstigt meine Unternehmungen nicht. G o tt weiß am besten, in welchem G em üthsjustande ich oft bin, und freylich träg t ein solcher B rief, wie D u m ir ihn geschrieben hast, nicht dazu bey« mich ruhiger zu machen. Unter-

Unterbc|fen h at c b m , a ls ich schon wies herum v o ra u s sahe, daß ich hicr feinen Un­ terh alt finden w urde , d a s Schicksal m it et» u m W o h lth äter zugeführt. >r gehorsamst verbundener Diener,

Meyer.

K

Z w ölf,

14tt an dem (John von dem Herrn N e itm a a , der die Liesebetl) hat siyeu lassen, und mm soll er in die weite W elt nach Jrankfuct und Paris gegangen seyn, und sich zu den Jreymaurt'rn halten. D a ist denn aud; in der (rfabt ent Pär­ chen angekommen.

Er schreibt steh .geer

Vecker, und die er bey fid; hat, ist ein hüb-

Iches

sches Mensch, aber ich glaube nimmermehr, daß es seine Frau ist.

Eie soll auch immer

weinen, wenn sie allein ist, und hat doch gewiß schöne Kleider und Sachen. N u n ! was ich noch sagen w o llte , mein herzallerliebster Schatz! denn das Schreiben wird mir etwas sauer, behalte Er mich lieb, und Hute Er sich vor bösen Wegen.

Wenn

E r nur erst wieder hierher kömmt! D as sollte rin Leben werden, die ich allstets bin

Seine

bi# in den Tod getreue

Anna

S i e v e r S.

Funsr

i7 ! *= f*HMH*

ii— »f— Ii HHHI (— *f— i

Funfzehnter Brief. An den H errn Hauptmann von Weckel.

(BiSttingrii den i^teii December

1769 *

E m p fa n g e n S ie , theuerster F reund! mei« nen aufrichtigen D ank fü r Ih r e n allere liebsten, m untern B r ie f, und fü r die Erzäh­ lung I h r e r Reise-Begebenheiten.

W ir ha­

ben Beyde, H e rr M eyer und ich, gar herz­ lich bey Lesung derselben gelacht.

E s ist

w a h r , daß S ic eine ganz eigene A rt haben, die Sachen in ein comischcs Licht j» sehen, und ich leugne n ich t,

daß ich es fü r m t

großes Unglück h a lte . Ih n e n den geringsten A nlaß zu geben, etwas von der A rt an einem zu bemerken.

Dennoch stab S ie ein gütiger,

nachsichtsvoller Freund, und ich bin doppelt stolz a n f I h r c Freundschaft, wenn ich bedenke, wie fein S ic jede 'Thorheit, jedes Gebrechen fühlen. M

Könnte

K önnte ich Ih n e n n ur auch etwas In te re s ­ santes schreiben! Vielleicht habe ich indessen bald Gelegenheit dazu, denn w ir reisen m or­ gen m it dem jungen Hundefeld zu seinen E l­ tern a u f das Land.

D o rt konnte ich w ohl

M a te ria lie n zu einem Pendant gegen ih rH o fGem alde, in der Nachbarschaft, bey Landjunkern, Beamten und P re d ig ern , aufsamm« le n , wenn ich n ur die Geschicklichkeit hatte, es hernach so g u t, wie S ie , zu P apier zu bringen! Doch, das werde ich ja nicht nöthig haben, denn ich kann es Ih n e n bald mündlich er­ zählen, und die angenehme H o fn u n g , welche E ie m ir machen, in einigen Wochen zu uns nach G üttingen zu kommen,erfüllt mich m it der lebhaftesten Freude. W ie kurz werden die P a a r Tage unter den angenehmsten Gesprächen h in ­ fliehen ! W ir erwarten S ie m it ofnen Armen. Hundefeld verspricht m ir viel ländliches Vergnügen.

S e in V a te r soll ein braver M ann

M an n seyn, und seine Schwester, wie matt sagt, ein aller liebstes junges Mädgcn. selbst, der B ruder,

Ec

ist ein sanfter Junge,

voll Adel, Güte und Talent. E r liebt Musik, so sehr als ich, und spielt das Clavier recht hübsch.

E r ist fast mein einziger Umgang,

und wohnt m it uns in demselben Hause. Unterdessen lernt man doch auch auf einet Universität eine gar große Verschiedenheit von Characteren kennen.

Zwar sind da noch

Niehrentheils nur halb gebildete Menschen, aber die verschiedenen Anlagen und Neigun­ gen, die sich hier ganz zwanglos entwickeln, geben doch zu mancher lehrreichen Bemerkung Anlaß. Gegen uns über wohnt unter andern ein junger H err von Reyhcrberg, der, nebst ei* ncr kleinen munteren Gesellschaft, seine ganze Beschäftigung daraus macht, lustige, dock im Grunde eben nicht schädliche Streiche auszu­ führen, Philister und Juden jum Besten ztt M 3

haben,

Ig o haben, und überhaupt witzige Späße zu er­ sinnen.

N u n ist es w a h r, daß man sich nicht

genug über den Reichthum ihrer Id e e n ver­ wundern kann.

W a s könnten diese M e n ­

schen nicht, m it ihrer T hätigkeit und E rfin ­ d u n g skra ft,

die itzt eine gänzlich zwecklose

R ichtung bekommen, in der W e lt ausrichten?

Gestern waren ihrer sechs oder acht m it Extrapost zu einem Beamten gefahren, der ein erztummer K e rl und so ehrgeizig ist, gern vornehme Gäste zu bewirthen.

E in e r von

ihnen gab sich also fü r einen fremden Prinzen aus,

und die Andern hatten, in geborgten

K leidern und Livreen, die R ollen von den P e r­ sonen seiner S u ite zu spielen.

S ie hatten

ihre Commödie so vortreflich studiert, daß der Beamte gar keinen Verdacht bekam, sondern sie a u f's Prächtigste tra ctirte .

E in andermal lernten sie ein Chor aus­ w endig, welches die S chüler des M o rg e n s a u f der S traß e zu singen pflegen.

S ie fm v gen

X180]

i8i gen dies m itten in der Nacht vor den H a u , ser» ab, wodurch die Leute, vo ll Schrecken, aufgeweckt w urden,

und den M orgen vcr,

schlafen zu haben glaubten. E iner von ihnen hat eine kleine Handbuch, druckercy.

Da

Nachrichten,

drucken sie denn allerley

und locken dadurch oft eine

M enge Menschen in ei» entlegenes W ir th s , Haus,

um

entweder

einen angekündigten

Z w itte r, einen weissen B ä re n , oder so et, w as zu sehen. W enn ein Fremder in einem Gasthofc ein, kehrt; so schleichen sie sich, indeß er etwa unten am W irthstische speiset, oder sonst, a u f sein Zimmer, und nähen ihm sein Nachtkamisol um eine H andbreit e in , da dann der Fremde, wenn er es aniichen w ill, m it Schrecken w a h r, zunehmen glaubt,daß sein ganzer Leib geschwol,

I ch sey, und dergleichen Scherze mehr, die o ft m it einem Witze ersonnen sind, der zu bessern V o rw ü rfe n genützt werden könnte. M 3

s iß ij

H e rr

H e rr M eyer ru ft mich ab.

Auch w ill ich

S ie nicht länger m it Schilderungen aus dem S tu d e n te n -lieben aufhalten, die S ie sehr wee y ig interessiren werden. Leben S ie herzlich wohl« lieber F re u n d ! tittb vergessen S ic nicht

Ihren

treu gehorsamsten Diener C arl

von

Hohenau.

Seche

i 83 '

s

:-,w-t-/W-hW-i-,W-f.W V

Sechzehnter B r i e f . ?l» den H e rrn M e y e r, in G ö tlin g c n .

Urfstädl den 4tcn Januar 1770.

Mein lieber Freund! ( ^ jie

werden,

wenn E ie diesen B r ie f er«

halten , von Ih r e r kleinen Reise zurück« gekommen, und wieder in G öttingen seyn. D e r H e rr von Wecket ist der Uebcrbringec desselben; ich hoffe, daß er E ie gesund und zufrieden antreffen w ird . E s würde m ir lieb seyn, wenn mein C arl die Erzählung von dem, w as ihm a u f dem Landgute des H errn von Hundcfcld merkwür« big vorgekommen ist, welche er seinem Freunde versprochen h a t, auch m ir m ittheilte.

Ic h

mag gern sehen, a u f welche A rt der junge M 4

Mensch

i8 4

------

M ensch beobachtet, und w as vorzüglich seine Aufmerksamkeit gewinnt. F ü r I h r e Lebensgeschichte, mein redlicher, aufrichtiger F reun d ! welche m ir unser guter M ü ller übcrbracht h a t, bin ich Ih n e n sehr verbunden. W enn das Schicksal nicht au f gan; ausserordentliche A rt meine P lan e verei­ te lt; so sollen S ie nicht Gelegenheit finden, von der andern H alste I h r e r Laufbahn ein solches Gemälde zu machen. Arm er M a n n ! w a s haben S ie bis itzt gelitten! Und das in so wenig Ja h re n ! W ir wollen u n s nie tren­ n en , sondern künftighin H and in H and die kleinen unvermeidlichen Abwechselungen, die u n s , bey der kurze» Reise durch.dies Leben, aufstoßen w erden, m it heiteren S tirn e n ru­ hig erw arten, und sie vorüber gehen lassen. W eil ich Ih n e n nun auch den R om an meines Lebens versprochen habe; so will ich Ih n e n denselben stückweise zuschicken. Hiev haben S ie die erste H älfte davon! S ie wer­ den

den fin d e n , daß ich meine jugendlichen D e rir« rungen sehr ungeschminkt I h n e n v o r Augen le ge ,

welches I h n e n ,

w ie ich hoffe,

eine

P robe des uneingeschränkten Z u tra u e n s , und der

unbegrenzten Hochachtung

geben w ir d ,

m it welcher ich stets seyn werde,

I

h r

Ihnen ganr ergebener

L e i d t h a I.

*

*

M e in V a te r versäumte nichts bey meiner ersten Erziehung.

E r selbst w a r ein sehr gu


eint

«ine Chronik und die B ib e l gelesen h a t; so ist es nun so leer in seinem Kopfe, daß er » u r alte Histörchen aus seinen J u g e n d -J a h re n zu erzählen weiß.

Diese wiederholt er 6c#

ständig, ohne cs zu merken, biethet sie jedem Fremden,

fä n g t, wenn er fertig is t,

von

forn wieder a n , schimpft zuweilen a u f die Landesregierung, und lobt die vergangenen Zeiten. gute,

D ie M u tte r ist eine kleine, hagere, redliche Landfrau»

H aushaltung

fleissig

die sich selbst der

a n n im t,

jeden M o r#

gen und Abend in geistlichen Büchern die S e ite liest, bey welcher sie gestern stchcnge# blieben ist, und sich übrigens wenig um die W e lt und deren Lüste bekümmert.

Beyde

alten Leute sind sehr gastfrey, geben geraden A rm en, und wenn sie Besuch von Freunden haben, weinen sie jedesmal, bey der A nkunft und Abreise.

Im m e r dünkt es mich indessen

rin W u n d e r, wie meines Freundes Schwester sich so ganz selbst an diesem Orte hat bilden könncn, denn sie ist würklich ein sehr feines Frauenzimmer. W ir

2H

W ir speiscten den Abend im G arten. D en folgenden T a g , a ls den ersten des J a h rs , giengcn w ir früh in die K irche» nachdem w ir um M itternacht von den D ier-F id!ern des D o rfs durch die jämmerlichste M usik, von welcher man hätte die S tran g u rie bekommen m ögen, waren aufgeweckt worden. Doch, das muß ich sagen, daß ich alles M ittelm ase sige hasse, und wenn ich keine gute Musik hören kann; so spiele man m ir lieber nur recht elend, dam it von keiner Vergleichung die Rede seyn könne. M eine schwachen Nerven leiden nicht so gewaltig bey solchen D orf-M usicanten, als wenn v ierD ilettanti nach ihrer A rt m ir ein herrliches Q uadro verhudeln. D er Prediger des O rts ist ein wohlzes mästcter D iener der Kirche, der bey einer Flasche guten W eins die zehn Gebothe alle und die H austafel gern au s dem GedachtNisse vcrliehrt. E r spricht mit Entzücken von den lateinischen A utoribus, unter denen er den Terentium vorzüglich auszeichnet, in

O a

welchem

welchem ihm unter andern die muntern Scherz­ reden des D a v u s sehr gefallen. uns m it einer langen,

Nachdem er

sehr extemporirten

N e u ja h rs -P re d ig t Langeweile gemacht hatte, wiederholte e r, bey einem M itta g s-B e su ch e , seine 'treugenuinten Wünsche fü r die bestän­ dige P ro sp e ritä t des hochadelichen Hauses, und blieb zum Essen, wobey er nicht fa u l w a r, auch o ft m it zwey Fingern das W e in ­ glas in die Höhe hob,

indem er a u s rie f:

„ E y ! I h r o Gnaden, H e rr H a u p tm a n n ! das „ is t ein deliciöser W e in ! D a s ist ein rechtes

„Vinum

fü r

meine

siomachalifchen Um-

„ stände! “ E s kamen auch den Tag noch andre B e­ suche.

D e r A m tm a n n , welcher sehr durch

die Nase redete, steckte v o ll geheimer Nach­ richten, die Regierung betreffend,

die ihm

sein Freund, der Cammcrsecretair, im V er­ trauen geschrieben harte.

O ie F ra u A m t­

m annin w ar ein kleiner K n irp s vom Weibe, M it hellen schwarzen A ugen, behängen m it einer

einer Menge altm odig gefaßter Granaten und anderer falschen Steine. hatte einen

langen

D ie Frau P fa rre rn

zimtfarbcnen

seidenen

Echlafrock m it großen bunten B lum en an, und verneigte sich bey jedem W orte nach der linken S eite h in ,

nahm auch nichts von

Speise und T ra n k ;u sich, ohne gewaltig dazu genöthigt zu werden.

E s kam auch der Chi-

rurgus aus der benachbarten S ta d t, einer blauen manschcsicrnen Weste, nur

ein K n o p f zugeknöpft w a r,

S trü m p fe n

und grauem Rocke.

m it

w oran WickelE r roch

gräßlich nach Pflaster, und schimpfte unauf­ hörlich a u f den D octor Frischm uth, der nicht leiden w olle, daß er practisicre.

W ie viel

mag nicht das arme F rä u le in von H undeftld leiden, wenn sie m it diesen Menschen täglich umgehen m u ß ! M i r machten diese C arrica, turen unterdessen einige lustige Augenblicke. Den 2tcn J a n u a r besuchten w ir ,

eine

M e ile von da, einen A m tshauptm ann, der, w e il er im Kriege als Geissel m it

P

3

nach S tra ß , bürg

bürg war geschleppt w orden, nichts a ls französisch sprechen zu müssen glaubte. S e in E astm al war auch ganz ausländisch einge­ richtet, und nach Tische wurde Likcur herge­ geben , der aber freylich nur au s einem gu­ ten doppelten Kümmel bestand. D en zten brachten w ir auch a u sw ä rts ju ; die alten Leute blieben zu H ause; nur die Ge­ schwister Hundefeld, Herr M eyer und ich machten u n s auf den W eg. W ir speisetcn bey einem Forstmeister, der eine vortrefliche F rau h at, die einzige beste Freundinn des F räu lein s von Hundefcld. Er selbst ver­ dient nicht, eine so gute kluge Frau z» be­ sitzen, denn er ist nur ein mächtiger Jäger vor dem H errn, und sonst nichts. S o einen m ittelmäßigen K opf er aber auch h at; so hält er sich doch für einen sehr feinen M an n , der sogar den ganzen H of zu übersehen glaubt, w eil er einst J a g t-P a g e gewesen ist. Er ist geizig, m istrauisch, pfiegmatisch, und hat nicht die geringste Gefälligkeit für sein arm es W eib,

1 I?

=

W cib , verzicht feine K inder, vereitelt alle M ühe feiner G attinn , diese jungen Geschöpft zu bessern Menschen zu bilden, und weil ec selbst weder Gefühl noch Cultur h a t; so lei# bet er nicht gern, daß seine F ra» ihrem Her# zen folgt, und ihren Verstaub durch Lectur nährt. D ie folgenden Tage bliebe» wir zu Hause, bekamen zuweilen Besuche au s der Nachbar# schaft, giengen des A bends, bey freundli# chem Mondenscheine, in Pelze gehüllt, in dem kunstlosen G arten au f und ab. und fuh# ren de» 7ten zu einem Landjunker an der Grenze des Eichsfelües. D er M ann ist ein V erw andter meines F reundes, aber ein höchst unerträglicher M ensch, der von nichts a ls J a g t und H aushaltung redet, bis in sein dreyssigstes J a h r a ls Zahndrich in Hannöve# rischen Diensten gestanden, sich dann der ed# len Langeweile gänzlich gewidmet, und sich au f sem G uthingepfianzthat.w oernichts mehr w ü rk t,alsw as jederLauer besserwürken kann.

O4

Ich

2l6

------

Ic h schätze gewiß den S ta n d eines red« lichcn, fleißigen, wohlthätigen Landm anns sehr hoch. E r iß vielleicht der zweckmäßigste und glücklichste au f der W elt, vielleicht auch derjenige, der die feinsten Kenntnisse erfordcrt. Aber man m u ß , w as man ist, ganz seyn, und ein M a n n , dem das Schicksal einen höheren S t a n d , mehr Vermögen und mehr Gelegenheit gegeben h a t, sich aufzukla­ ren , soll sich nicht d arauf einschränken, me­ chanisch, wie ein T aglöhner, sein Feld zu bauen, sein Land zu düngen, ohne zu wissen, woher es kömm t, daß der M ist d üngt, nicht immer nach großväterlichem Brauch so fortarbeiten, noch den M ond angaffen, ohne zu über­ legen w as für ein D ing das etwa seyn m ögte— N e in ! ein solches Geschöpf ist m ir jum Eckel — D er M a n n , von dem ich rede, hat aber eine stille, wackre F rau . S ie h atte , scheint e s , nichts im V erm ögen, und mußte sich desfalls entschliessen, m it diesem Halbbauer ihr Liben hinzubringen.

M an

M a n erzählte uns hier eine traurige Ge­ schichte von einem gefangenen Mönch a u f dem Eichsfelde, die ich seit dieser Zeit nicht aus dem Gedächtnisse habe drängen können. H e rr M eyer w ird Ih n e n , bester V a te r! mehr davon sagen, "' denn ich eile jum Schlüsse, w e il ich itzt sehr beschäftigt bin, das Versäumte in meinen Collegien nachzuholen. W ir reifsten den roten wieder ab, und, ich d a rf es bekennen, nicht ohne W ehmuth von meiner S eite.

Ic h muß sagen, daß ich

die A b e n d -und Morgenstunden, wenn w ir allein m it meinem Freunde und feiner Schwe­ ster w aren, so angenehm hingebracht habe, daß ich mich nie erinnere so innigst heiter, und wenn ich auch zuweilen durch M usik (denn w ir spielten täglich ein w enig, und das F räule in singt allerliebst) oder durch E r­ zählung irgend einer rührenden Scene der A rm uth oder andres Leidens tra u rig gewor0 5 * Man sehe den zwey und rwaniigstcn Brief.

den

den w a r, daß m ir doch je in meinem Leben mehr w o h l, oder daß ich je gefühlvoller und besser gewesen wäre. D a S ie m ir erlaubt und selbst befohlen haben, Ih n e n offenherzig den Zustand mei­ nes Herzens zu entdecken; so werden S ic m ir diese kleine Ausschweifung leicht verzeyhen. E s ist doch w ahrhaftig eine selige W onne, m it Menschen von sympathetischem Gefühle zu le­ ben , m it denen man die Freuden eines wei­ chen Herzens theilen d a rf und kann. Ic h küsse Ih n e n , bester, würdigster P fle­ gevater! tausendmal m it kindlicher Ehrer­ biethung die Hände, als

3 h r

Unterthanlg gehorsamer Carl

von Hohenau. Acht-

♦ ft# -* * # >

►;>

Achtzehnter B r i e f . 7ln Madam Vtüllcr, gebohrne van Blum, i n ?lmsterdam.

Ursstadr den 4tcn Februar 1770. M eine

liebe F r a u !

e mi t Vorsatz so lange gewartet. uno nicht eher an Dich geschrieben, bis ich D ir zugleich genauere Nachricht von m;ten J a n u a r 1770

,

M itta g s i 3 Uhr.

w ill Ih n e n , mein lieber Freund! aus ^

jedem O rte ,

wo

ich

mich aufhalten

werde, ein P aar Zeilen schreiben.

C o bin

ich denn hier angekommen, aber w ie , das wissen die G ö tte r, denn man hat mich a u f den schönen Wegen in meiner Kutsche so zer« stoßen, baß man meine R ip p e n , ohne sie zu klopfen, a ls Cortelettcn um S p in a t legen könnte — Aber ich werde zu Tisch gerufen — Um i Uhr.

^ c h habe in Gesellschaft einiger hannöverü scheu Officiere gespeiset. Diesen Leuten blickt Wohlstand und

gute Bezahlung

aus den Augen,

A ugen, auch sind sie Alle, schon vom Falnir brich a n , dick und fett. . M ein W agen steht angespannt vor der T h ü r; beben E ic w ohl! lassell, Abends io Uhr. Ic h werde mich diesm al hier gar nicht aus­ h a lte n , vielleicht aber au f meiner Rückreise. D iesen N achm ittag, als ich ankam , schickte ich zu meinen alten F reund, den 3iitm ru stet von C . . E r hat mich besucht, und geht eben itzt fort. M orgen früh reise ich weiter. wabern den i 4ten. Ic h kann Ih n e n itzt w ahrhaftig nichts N eues sagen, a ls daß hier ein sehr kleines Lustschloß des Landgrafen und eine Falkcns J a g t ist, und daß mich in diesem raue» Lande entsetzlich friert. P

Jesberg

Jesberg — Holzdorf — lITaiburg, 2lbcnb$ ii Uhr.

Endlich bin ich so weit, und mich verlangt nach Ruhe. M an träg t m ir eine kleine Abend« malzeit auf. W ollen S ie mein Gast seyn? A uf der Gasse ist noch alles lustig, und die wenigen S tu d en ten , die hier sind, machen Lern, genug für ihr Geld. W are es möglich, M a rb u rg , R inteln und Giessen in E in s zu schmelzen, w as könnte daraus nicht w erden? W ahrhaftig eine närrische S ta d t ist diese! E s giebt hier S tra ß e n , in welche m an m it geraden S ch ritten au s den Boden «Fenstern treten kann. Dennoch w ird hier viel in S ch litten gefahren — K link! klink! da ist schon wieder einer! — D och, ich bin schläft r ig ; gute N acht! Giessen den i;ten , mittag».. Schon wieder eine hessische U niversität! und wieder ein ganz anderer S ch n itt von S tu « denten! Nauheim,

Nauheim, Nachmittags.

A h ! N un fangt schon eine heitrere Gegend ein. Dieser O rt gefallt m ir sehr, und matt findet hier eines von den beträchtlichste» Salz* werken in D eutschland, von der Anlage des würdigen M inisters W aitz in Castell. O hnftrn N auheim liegt das kleine (Stabt* gen F ried b erg , eine kleine H auptstadt eincS kleinen freyen deutschen ritterschaftlichen S ta a ts . Hanau, int (Safthofe zum Riesen, Veit i-tcn Januar 1770.

D a bin ich seit einigen Tagen in diesen» w ahrhaftig niedlichen S täd tg en ! Ich bin den tüten tum erstenmal an den H o f gegangen, und wenn ich je einen H of gesehen habe, wo m ir alles so wohl gefallen h a t, so w ar eS dieser. S o viel ungezwungene Höflichkeit gegen Frem de; so ein guter nicht geschraubter T o n ; so eine g u te, gnädige Herrschaft; so P 2 viel

vie l Häuslichkeit und E in ig k e it! M a n glaubt «in

wohlgeordnetes

P riv a th a u s

zu

sehen,

ttitb doch fehlt es gewiß in keinem Stücke am Anständigen.

D ie F ra u Landgräfinn M u tte r

hat einen eigenen H ofstaat, und an diesem ist jeder verständige gute M a n n willkomm en. S ie kennt ihre Menschen, und weiß dieje­ nigen auszuzeichnen, die wahre Vorzüge des Verstandes und Herzens haben. S ie finden in

H anau

eine S eltenheit,

nemlich eine K irche, in welcher in holländi­ scher Sprache gepredigt w ird .

Nebenan ist

eine französische K irc h e , und die Halste

der

S ta d t ist von fremden Eolonistcn bewohnt, die sehr beträchtliche Fabriken und M a n u facturen angelegt haben.

E s ist unglaublich,

welcher ausgebreitete Handel aus dieser klei­ nen S ta d t sich in ganz Europa verbreitet. W o lle n -M a n u fa c tu rc n , G old - Arbeiten sind

seidene Zeuge und

die H a u p ta rtike l des­

selben.

D ie

D ie Gegend um H anau ist allerliebst. P hilippsruhc am M ay» hat eine romantische Lage. R und um die (Stabt her sind schöne Alleen gepflanjt — Kurz! ich bliebe wohl vier Wochen hier, wenn ich nicht ander« P lane hatte. S o aber werde ich nicht eher a ls au f dem Rückwege zu meinen Oheim gehen, und nur gcradcsweges in b as Elsaß rennen. M orgen beurlaube ich mich hier. Darmstadt den rrcen.

Ic h wünschte, daß der H err Landgraf der Echaarwache verböthe, nicht immer um M it, ternacht ju trom meln und zu pfeifen, dam it nicht ein arm er unschuldigerFrem dcrausdem besten Schlafe m it Schrecken aufgeweckt würde. W üst und todt ist diese S t a d t ; W ollen S ie aber darinn eine S eltenheit sehen; so lassen S ie S ich das E xercier, H a u s ;eig>n P 3 welches

ago

-------

welches freylich, in künstlicher B a u a rt, viel­ leicht das Einzige in seiner A rt ist. Einen Schatz hat D arm stadt, und der ist seine F ü rstin n , eine der vortreflichsten und klügsten F rauen ihres S ta n d e s. D er Landgraf ist selten da. D er fürst­ lichen F am ilie habe ich meine Cour gemacht, nun reise ich w eiter. Denken S ie an ! A ls ich vorgestern in F ra n k f u r t einen Augenblick mich im rothen H ause au fh ielt, tra f ich den niederträchtigen italienischen G rafen B . . . an. E r träg t itzt weltliche K leider, und sucht einen Hof, wo er ein wenig Uneinigkeit und Teufelei) stiften könnte. E r spielt noch immer m it seinen zwey großen R ingen und S ch nu pfta­ baks-D osen, und ist kürzlich wieder irgendwo fortgejagt w orden, a ls seine Geschichte m it der V ergiftung ruchtbar wurde. Man-

den rzlen. Ein kluger H err, ein glänzende, H o f, und «ine prächtige heitre S ta d t, in welcher schöne Künste und alle Arten von Wissenschaften blühen! S ic sehen, mein Lieber! daß ich Ih n e n nur sehr kur; und abgebrochen schreibe.

5211#

le in , da ich mich an jedem Orte nur wenig Tage aufhalte, und doch gern alle Selten­ heiten und Merkwürdigkeiten sehen mag; so bleibt m ir nicht viel Zeit jum Schreiben übrig. Unterdessen zeichne ich m ir alles pnnctweise in der Kürze a u f. und einst sollen S ic eine weitlauftige Beschreibung davon lesen, wenn S ic wollen.

Glauben S ie ja n u r, daß nur

auch auf dieser Reise manches lächerliche O r i­ ginal aufstößt, und daß ich gewiß schon so viel B ilder gesammlet habe, wom it ich bis zu einer andern Reise mein Gedächtniß ta­ pezieren kann. petto.

Aber ich behalte alles in

P4

Carl»:

2Z2

Larlsruhe den »7sten.

Eine S ta b t, in der Form wie ein R ad gebauet, ist eine ganz artige Sache für den kuriosen Liebhaber. A us dem Schloßthurm e sieht man in alle Q uerstraßen der S t a d t , und von der andern S e ite in mehr a ls dreyssig Alleen. S ch ad e, daß m an wenig Menschen sieht! Ic h bin auch hier am Hofe gewesen, der a u s Leuten besteht, deren A usw ahl einem der weisesten Fürsten D eutschlands Ehre macht. A ber, wie gesagt, die S ta d t ist m ir ju öde. Rastatt, um i Uhr Nachmittag.

Aber dies ist w ahrhaftig ein heiterer schöi «er O rt, und es ist m ir unbegreiflich, w arum der M arkg raf sich nicht hier aufhält. Straßburg den zten Februar.

A ls ich im R aben a b tra t, tra f ich einen F reu n d , den H errn von Z . . . a n , der im B egriff

Begriff war, nach Paris zn reisen.

Ich tut#

schloß mich kurz, ihn bis Llttncp (oder, wie das (jicsuie Zwitter - Geschlecht von Halbdeutschen sagt: Ranzig) zu begleiten, woher ich eben zurückkomme. Lüncville und Nancp sind schöne Stabte, aber seit des Königs Stanislaus Tode äus­ serst leer. Hier habe ich zwey Schauspiele besucht, die gleich schlecht waren. Uebermorgen reise ich zurück, und zwar durch die herrliche Bergstraße über Hcidelberg. Schade, daß die Jahrszcit eine Decke über so viel mannigfaltige Schönheiten der Natur gebreitet hat! Sobald ich bey meinem Oncle in Ruhe bin, w ill ich Ihnen w'itla>>ftiger schrei­ ben, und Ihnen sagen, wie oft ich mir Ih re angenehme Gesellschaft gewünscht habe, P s und

und wie sehr ich mich darauf freue, Jh< nen in sechs Wochen mündlich wiederholen |u können, daß ich stets seyn werde

Ih r

treuester Freund, v o n W eckel.

Zwan-

Zwanzigster Brief. An den Herrn M eyer, in Göttingen. Urfstädrden rite»Februar 1770.

Q u e r s t , lieber M e y e r! bitte ich E ie « tin# ferm C arl in m einem N ahm e» fü r sei# Nen angenehm en B rie f herzlich ju danken, und es bey ihm zu entschuldigen, daß ich noch nicht d a ra u f an tw o rte. E s soll nächstens ge­ schehen ; Und nu n eile ich , Ih n e n den andern T h eil m einer Lebensgefthichte m itzutheilen. *

*

»

Ic h habe neulich b eh au p tet, * daß m an n u r einm al in seinem Leben m it g a n z e r S e e le lieben könne, so wie m an n u r einm al in sei­ nem Leben einen gastz m it uns harm onieren­ * Im sechrehnten Briese.

den

dcn Freund finden w ü rd e , aber ich habe nicht gesagt, daß man überhaupt nur e in m a l lieben könne— das süße,

D a s wäre sehr unglücklich! N e in ! sympathetische Gefühl verschwi-

sterter S eelen, die einzige reine W onne des Lebens, kettet so manchesmal, m it dcn sanft lesten Danden, die besseren Menschen zusamm en, wenn auch o ft nachher, erst dann be­ merkte, oft gar nie deutlich entwickelte, kleine Verschiedenheiten in der Form und Compositio n die Herzen hindern, sich in a lle n P u n c te n zu berühren —

E s giebt keine Sprache fü r

gewisse D in g e ,

aber wer sie fühlen kann,

verficht sie ungesagt •— Ost kann in einer großen Gesellschaft ein einziger,

kleiner,

unbedeutend

scheinender

Zug eines Menschen die tiefsien Eindrücke a u f mich mache».

Ohne die Person naher

zu kennen, interessiere ich mich nun fü r alles, w as sie sagt und thut.

W ir sprechen wenig,

vielleicht gar nichts zusammen,

aber uns

Leyden würde es nicht einfallen, miteinander von

= von gewöhnlichen

2Z7

D ingen zu

reden;

müßte eine Unterredung seyn,

Es

wobey das

Herz w arm w ir d , und w ir wissen voraus, daß w ir uns verstehen w ürden;

Und doch

würden w ir von zwanzig Personen, die um uns hcrumgchcu, nicht m it einem Einzigen dies Gespräch anfangen wollen. den w ir fremd auseinander.

N u n schei­

W ir sehen uns

von ohngcfehr einige Tage hernach in einem d ritte n Hause —

M eine Augen suchen die

bewußte Person, sic ist da,

aber zerstreuet

oder nicht aufgeräum t, und macht m ir eine etwaS kalte Verbeugung —

Ic h ,

der ich

nicht in der geringsten äusseren Verbindung m it ih r stand, sie am wenigsten von allen Anwesenden kenne, fühle mich beleidigt, w e il sie mich nicht unter dem S chw arm ausgezeich, net hat.

D arüber werde ich m isvergnügt —

S ie empfindet augenblicklich, w as die Ursache davon ist, und glaubt die Sache verbessern zu müssen. — macht,

D ie Versöhnung ist bald ge­

nur W orte

können darüber unter

uns nicht gewechselt werden;

W ir kennen ausser»

2Z8

-------

äusserlich uns zu wenig dazu, aber unsre See­ len haben m it einer F re y m ü th g k e it, m it ei-> nein Zutrauen geredet, dazu jahrelange B e­ kanntschaften nicht hinreichen, und gewisse Delicatessen es nicht erlauben w ürden, das la u t zu sagen.

Diese kleinen Bindungen in dem Gewebe unserer feinen Empfindungen sind in weiblichen Character knüpft,

vorzüglich

dem

schön gc#

und ich kann cs bekennen,

daß ich

meine seligsten Freuden in dem Umgänge m it diesem Geschlechte genossen h a b e --------Hohn sey dem, der darüber lachen könnte, daß ich fünfzigjähriger M a n n noch ein so warm es H er; und einen so leicht in Bewegung zu fetzenden Nervcnbau habe! —

Auch b in

ich ziemlich kühl geworden, und mein Herz geht nicht mehr so o ft m it meinem Verstände davon.

A be r, ach G o tt! a ls ich ein J ü n g ­

lin g w a r,

da brannte dies Herz so heiß!

W ie manche Q u a l, wie manche süße Freude habe ich da in dem Gedränge meiner Gefühle gefun-

gefunden! Ost sehnte sich meine Seele ft;m* pathetisch nach einer verschwisierten C rcalur, ließ sich dann so gern durch eine kleine Har« monie verleite», glaubte gefunden zu haben— ■ und wurde getauscht — A llein, cs reuet mich nicht — Auch in der Liebe w a r ich also ost unglücklich, und liebte immer w ieder— Doch, w ohin gcrathc ich? Geschwind zu meiner Ge­ schichte! A n dem H o fe , wohin ich a ls Gesandter geschickt w urde,

w a r eine Prinzessinn, ein

so liebes, gutes Geschöpf, daß cs fast hart vom Schicksal gewesen w a r, sie in dem un­ glücklichsten aller S tände gcbohren werden zu lassen. A ls ich meine erste Audienz bey Hofe hatte, und jedermann m ir einige leere W orte sagte, wobey man nichts denken koniitc, fragte mich die Prinzessinn

um

persönliche Um­

stände, z .B . »ob ich verheyrathet sey, K in d e r v habe," u. d. g l.

D ie s lenkte das Gespräch auf

2.0

=

a u f häusliche Freuden, und jedes W o rt, das sie darüber sagte, bezauberte mich. M einem Range gemäß faß ich fast täglich an der Tafel und beym S p ie le neben ih r. W ir sprachen o ft von Liebe und Freundschaft, und ich merkte b a ld , wie sehr ih r H e r; zu beyden geschaffen w a r, fühlte b a ld , wie stark das meinigc zu ih r hingezogen wurde. S ie w a r, gegen ihre N e ig u n g , m it dem Prinzen von . . . verlobt worden —

Ic h

konnte den Gedanken nicht ertragen — B a ld , wenn nur der Nahme dieses Hofes genannt w urde, umwölkte sich meine S t ir n —

S ie

merkte das, und suchte jedesmal ein anderes Gespräch einzulenken.

Es

w ar

vom M in ia tu r / M a h le n

die

Rede, und daß noch niemand sie recht ge/ troffen habe —

Ic h erboth m ich, den D e r/

such zu machen —

M a n ließ

stundenlang bey ih r allein —

mich daher Ic h

merkte, daß

daß ich m it jedem Tage mehr von meiner R uhe verlohr. A ls das B ild fertig w ar, sollte sie es ihrem B räu tig am schicken — S ie wiedcrsetzte sich, und verlangte cs zu be­ halten — Ic h w ar im Himm el — W ir fühlten B eyde, daß unsre Seelen ein festes B and geknüpft h a tte n , und w ir wichen Beyde der Gelegenheit a u s , unserm Verstände Rechenschaft davon zu geben. Endlich gicng ich einst über eine G allerte, die nach dem S ch lo ß -G a rte n führte — S ie begegnete m ir bey dem A usgange, und hielt ein Buch in der H and — Vermuthlich hatte sie eine rührende S telle gelesen, denn durch die D äm m erung sah ich in ihren Augen T h rä ­ nen blinken — E s w ar des Abends zwi­ schen sechs und sieben U hr, kur; vor der Ap­ p artem en ts-Z eit — D ie Gallerte fieng an schon halb dunkel zu w erden, denn es w ar ein T ag im S eptem ber, und noch w ar keine Laterne im Schlosse angesteckt — S ie fragte Q mich

mich freundlich : „w ohin ich wollte? "

und

sah sich um. als ob sic sehen mögte, ob uns auch niemand hörte — D as Herz stetig an m ir heftig zu pochen — ich antwortete ganz verkehrt: „c s sey meine Absicht, in das Vor„jim m er zu gehen." — „ ja ganz unrecht,

„D a n n sind Sie

mein lieber Lcidthal! “

sagte sie, „ Sie haben gewiß an etwas an„ders gedacht, weil Sie Sich in dem alte» „traurigen Schlosse haben verirren können." Dabey legte sie ihre kleine weisse Hand auf den Aufschlag meines Rocks, und wollte mich zurechtweisen — Ich stotterte noch ein Paar Worte —

Endlich, Gott weiß, woher ich

den M u th nahm,

ergriff ich ihre Hand,

und küßte dieselbe m it einer Empfindung, die sie nur zu sehr verstand — „ G o t t ! " sagte sie, „ w ir machen uns unglücklich" — Meine Lebensgeister waren labcr zu heftig in Bewegung gesetzt — Ich konnte mich nicht bemeistern, w arf mich auf die Knie vor ihr h in ,

und wagte das Gcstandniß meiner

Liebe —

Schon las ich in ihren Blicken meine

M in e A n tw o rt —

reden konnte sie nicht,

aber ihre Hand zog sie nicht weg, die ich fest an meine Lippen drückte, a ls aus einer an­ grenzenden Garderobe ein Cammermadgen, quer über die G allerte, gegangen kam , und bey dem Anblicke dieser Scene einen lauten Schrey aussiicß — Ic h sprang a u f —

W ir

flohen Beyde, m der größten V e rw irru n g aus­ einander —> aber, w as w ar nun zu thun? D a s Natürlichste

schien,

die Cammer­

fra u gewinnen zu müssen, dann konnte der Z u fa ll eher gute a ls schlimme Folgen fü r unsere Liebe haben —

Aber w as fü r ein«

Liebe? Und w as fü r Folgen konnten w ir da­ von erwarten? — Doch, wer philosophierte je, wenn er verliebt w a r? D ie Cammerfrau wurde m it einiger M ü h : gewonnen, erkauft, und ich durfte nun unge­ straft meine Prinzessinn lieben, und es ih r unbehorcht sagen.

A lle in , die Sache nahm eine

andre W endung.

Q 2 f243]

Man

M a n redet in allem Betracht w ahr, wenn man behauptet, daß diese mächtige Leiden­ schaft blind macht.

W enn man m it dem ge­

liebten Gegenstände einig

ist;

so beschäf­

tigen uns die kleinen süßen G efälligkeiten der Zärtlichkeit so sehr, anders aber

ist es

daß man (ganz

bey einem a u f Laster

und Ausschweifungen gegründeten geheimen Verständnisse), daß m an, sage ich, gewöhn­ lich sehr wenig Achtsamkeit a u f sich h a t, sich durch jeden B lic k v e rrä th , und doch glaubt, die Sache äusserst heimlich anzufangen, da indessen keine M iene dem schlauen Forscher den Zustand unserer Seele unaufgedeckt lä ß t. W e r m it der Liebe bekannt ist, dem w ird es nie entwischen, wenn ein zärtliches P aar in einer Gesellschaft sich m it den Augen aller O rten sucht, und doch so gern gleichgültig und

kalt

gegen einander scheinen

E r w ird bald bemerken, ringsten D in g e n ,

mögte.

daß bey den ge­

die Beziehung a u f Liebe

und H ofnung haben können, zugleich zwey fliegende Blicke sich begegnen, u n d ,

schnell wieder

wieder aufgefangen, vor dem V crrälhcr fliehen. N un w ar der Obermarfchall des H ofs ein feiner K opf, der das menfchliche H er; kannte, und den langjährige E rfah ru n g , und Be« kanntschast m it den großen und kleinen Trieb« rädern der lcidcnfchaftlichen Maschine gelehrt h atten , tiefe Blicke in die S eele zu thun. D iefer entdeckte bald unseren Gcmülhszu« stand. Z w ar w ar er zu k lug, sich etw amerken zn lassen; er w ußte, daß dies d as Uebel arger machen w ü rde; aber jeder seiner S ch ritte tra t dem Fortgange unsres V er, standnisscs in den W eg. D ie vcrtranete Cam m erfrau w ar langst m it dem Durggra« ftii eines fürstlichen Lustschlosses versprochen gewesen. Occonomische Hindernisse hatten die Vollziehung der H eyrath aufgehalten. A uf einmal bekam dieser M an n einen bes­ seren D ienst, und holte seine B ra u t ab. D er Prinzessinn wurde eine alte D am e zur Gefell« schaft, alöOberhofm eistcrinn gegeben, welche Ü 3 die«

dieselbe nicht einen Augenblick allein liest, M a n fand auch die Z im m e r, welche sic be­ w ohnte,

zu feucht,

und sie bezog andre,

die leichter konnten beobachtet werden. M e in e Prinzessinn aber merkte bald die Absicht bey diesen V eränderungen,

und es gelung ih r

zuw eilen, beym S p ie le m ir

ein Zcttclchcn

zuzustecken, in welchem sie m ir Nachricht da­ von gab. W e r ein bisgen m it der Liebe bekannt ist. w e iß ,

daß Schwierigkeiten daS Feuer der

Leidenschaft im m er starker anfachen.

H ie r

wischte sich vielleicht noch die kleine E itelkeit m it h in e in ,

einen

si> feinen und strengen

Aufseher täuschen zu können — w ar kühner a ls je m a ls , d a ra n ,

meine Geliebte

K u rz ! ich

und wagte alles zuweilen

sprechen

oder ih r schreiben zu können.

Unzählige M itt e l wendete Zwecke an.

meinen

Platz

In

ich

zu diesem

der K irche, z. B . , hatte ich

neben den

Herrschaften.

N un

sung

sung ich,

wenn die Prinzessinn zu meiner

S e ite stand,

statt des vorgeschriebenen Lie­

des , alles w as ich ih r Zu sagen h a tte . mezza voce, nach der M elodie des Liedes ab.

B ey

der Tafel heftete ich m it einer Stecknadel ein B ille t an meine S e rvie tte —

D ie P r in ­

zessinn maßte die ihrige fallen lassen —

Ic h

bückte mich chrcebiethig, dieselbe aufzuneh­ men —

D arüber fiel auch meine S erviette

unter den Tisch;

N u n tauschte ich sie um,

und der B r ie f w a r in ihren Händen.

H a tte

ich Gelegenheit, ih r einen Augenblick etwas heimlich zu sagen;

so machte ich, um nicht

beobachtet zu werden, stets eine falsche P a n ­ tomime dazu, ;. B - , a ls wenn ich von M a ­ lerei) u. d. g l. spräche, fu h r m it den Handen herum , bald hoch, bald n ie d rig ,

und sagte

hin und wieder ein W o rt la u t, das gar nicht zur Sache gehörte. S o gieng das noch einige M onathe fo rt, a ls ich endlich aus dem Schlum m er erwachte, und anficng über die R o lle , welche ich spielte, Q 4

meinem

meinem Verstände Rechenschaft zu geben. Eine Liebe ohne H o snu ng , ohne Zweck, die, wenn sic unterhalten, nur noch mehr dazu beytragen w ü rd e, der armen Prinzessinn ihr künftiges reden freudenleer und traurig zn machen, schie» mir n u n , bey etw as kühlerer Uebcrlcgung, nicht mehr M einer würdig — „ Ic h will mich losreißen, auf einmal los« „ re is te n " sagte ich, „ u n d das einzige M ittel „dazu ist die Entfernung " — Also schrieb ich an meinen H o f, und bath, m an wogte mich zurückrufen. D er M inister, welcher mich ausdrücklich entfernt hatte, um allein ;u herrschen, wollte meinem Gesuche keinen Vorschub geben. Er« müdet endlich, mich ron der B osheit der Men« schen und meinen eigenen Leidenschaften im« mer in einem Wirbel umhertreiben zu lassen, beschloß ich, ganz ausser Dienste zu gehen. I c h erlangte mit M üh e meine Entlassung — M a n both mir eine Pension a n , welche ich ausschlug, und schenkte m ir ein Ordensband, welches

welches ich selten trage.

Ic h verließ . . .

und bald darauf auch . .

a u f immer —

Ic h sage Ih n e n nichts vom letzte» Abschiede — Solche Scenen beschreibt man nicht —

M e in erster Gedanke w a r , G ü te r zu gehen,

a u f meine

und ich folgte demselben.

D a athmete ich die heitre Landluft ein, forschte d e r? 'a t» r nach, und fü h lte , wie m it jedem Tage mehr Ruhe sich in mein keankes Herz senkte. Aber das schien m ir nicht hinreichend. Ic h w ollte auch versuchen, m ir fü r den Rest meines Lebens eine stille, häusliche Glück­ seligkeit zu bereiten.

M e in Herz w a r durch

so manche Empfindniise verw öhnt worden, aber doch noch fü r das Glück der Freund­ schaft, fü r eheliche Treue, und fü r die Ge­ fühle eines Vaterhcrzens sehr w arm . „W e n n „ic h doch." seufzte ich oft, „ i n der Ehe das „G lü c k finden könnte, wonach ich so lange „ r in g e ! "

Auch habe ick es immer fü r bnrÄ 5

gcr-

gcrliche Pflicht gehalten, daß ein M a n n , der V erm ögen , Redlichkeit und Kenntnisse gc< nug besitzt, um ein guter H ausvater zu seyn, sich diesem S ta n d e nicht entziehe, son­ dern alles dazu beytrage, sein B and m it an d as große R ad der Geselligkeit zu knüpfen, und einst dem S ta a te wieder gute Menschen zu liefern ; Also sah ich mich nach einer Zrau um . Aber ich fühlte w o h l, daß ich kein Herz mehr ganz zu verschenken hatte, und daß ich a lso , bey der W ahl einer F ran , eine Person suchen m üßte, die zwar ein gutes Herz hätte, aber nicht so fein , so lebhaft fühlte, daß sie sich unglücklich schätzte, wenn ich sie nicht m it derjenigen W arm e lieben w ürde, welche mein arm es Herz bis itzt so sehr zernagt und erschöpft hatte — J a , a ls hierüber erst ein S ystem bey mir fcstgeworden w a r; so setzte ich mir sogar in den K op f, es sey vielleicht in der Ehe besser, weniger heftig zu lieben, und dagegen sich ein dauerhaftes Glück au f ruhige.

ruhige, gegenseitige Hochachtung und Freund­ schaft zu baue». Ic h w a rf meine Augen auf das Fräulein von B crghciin, hielt um ihre Hand an, und verhcyrathete mich m it ihr. Ih n e n , als einem Freunde, darf ich cs bekennen, daß die immer gleiche Kalte, welche durch das ganze Wesen dieser Frau gegossen w a r,

gegen das gewaltige Feuer meines

Temperaments einen solchen Contrast machte, und mich so niederbeugte, daß ich in der er­ sten Zeit wenig frohe Stunden hatte, und daß mich meine unglückliche Lebhaftigkeit, in unruhigen Augenblicken, zuweilen mislcitcte, ihrem sonst wahrhaftig reinen und guten Charakter nicht die Gerechtigkeit wiederfah­ ren zu lassen, die er verdiente —

Wenn sie

so in jede Flamme Wasser goß;

so zerriß

das meine ganze Seele — Und doch war cs sehr gut, daß ich auf diese A rt herabgcstimmt wurde.

Auch sah ich dies in ruhigen S tu n ­ den

2,2 den ein, und w ir lebten in der stillsten E in tracht, die m it jedem Jahre würde zugenom­ men haben, wenn m ir sie der Tod nicht ent­ rissen hätte.

S ie starb ohne m ir K inder zu

hinterlassen —

und seit dieser Zeit lebe ich,

und werde den Rest meiner Tage so verleben, w ie S ie mich in Urfstadt gefunden haben. E n tfe rn t von allem , w as meine heitere S eelen-R uhe stören könnte, ist es m ir end­ lich gelungen, den Frieden zu finden, der a l­ lein uns den Uebcrgang in jene knmmerfrcye E w igkeit leicht machen kann. D a s Ziel meiner Arbeiten ist, d re W o h lfa rth meiner B rü d e r zu befördern, mich selbst und die N a tu r kennen zu lernen, und mich dem Schöpfer zu naher». Habe ich dasGlück, in dicserDefchäftigung fo r t­ zurücken, mich der Vollkommenheit zu nähern, das G efühl der W ürde der Menschheit in m ir im m er lebhafter zu machen, kann ich dadurch endlich die V erirrungen meiner Jugend auslö­ schen ; so soll cs mich nicht reuen, in der W e lt vie l traurige Erfahrungen gemacht zu haben. Nun,

2S3 N u n , mein Freund! wissen S ic den größ­ ten Theil meiner Schicksale.

Kleinere U m ­

stande w ill ich Ih n e n ein andermal erzählen. Heute kaun ich nichts mehr schreiben. W enn S ie

nur dies Geschmiere lesen können! — ■

Leben C ie indessen w o h l! —

Leidthal.

Ein

2 54 ~U H W f M H H J-KK-i'*W f-ii HhH

I- i-

Ein und zwanzigster B rief. An den Herrn Commcrzicnrath M üller, in Urfsiadt. Amsterdam den itcit N7er.; 1770.

der größten Angst nnd Unruhe m eines ^ Herzens schreibe ich D i r , mein lieber M a n n , um D ir eine traurige Nachricht von uuserer ungccathcnen Tochter zu geben. — S ie ist fo rt, m it ihrem Bösewicht von V erführer au f und davon gegangen, und macht m ir in meinem Unglücke noch das H er­ zeleid, daß ich mich vor jedermann schämen m u ß , eilt solches liederliches Geschöpf a u f die W elt gesetzt zu haben — Aber nun siehst D u , w as D eine Nachsicht und Gelindigkeit für Früchte bringt. A ls ich merkte.

merkte,

daß die guten W orte

und Deine

B riefe bey ih r nicht helfen w o llte » , und der alte Hörde (d e r stolze, schlechte K e r l!) m ir einm al über das

andre sagen liest:

„s e in

„ S o h n sey wie to ll »ach dem M ädgen, ich „s o llte machen, daß sic von ihm abliesse," da liest ich Sophien kommen, und redete ih r hart zu.

N u n gab es ein Gewinselt und

Geheule:

„J a ,

sic könne nicht d a fü r, sie

„se y selbst unglücklich genug dadurch" u .s .f. „ N u n , wenn du nicht dafür kannst, verliebte „ N ä r r i n ! " sagte ich, „s o schreibe m ir gleich „h ie r a u f der S te lle an den K e rl, dast er sich „n ic h t unterstehen solle, d ir wieder m it feie „ n e n B riefe n vor die Augen zu kommen, da„ m i t deine E lte rn

nicht ferner um dciiiet-

„ w ille n sich müssen beschimpfen lassen." S te lle D ir v o r! das M ädgen w ollte den B r ie f nicht schreiben.

„ D a s wäre zn h a rt," sagte sic.

D a ra u f lie f ich denn zu M adam B o v i, und sagte ih r von allem Bescheid.

N u n scheint

es haben sie dem M ädgen scharf zugesetzt, und sic mag wohl an den Taugenichts geschrieben, und

und sich beklagt haben —

D a kömmt der

Putsche vor einigen Tagen hierher, w irft sich dem Vater zu Füßen, wie ein Commödiant, droht endlich gar fortzugehen, als sich der Alte nicht w ill erweichen lassen, und gestern Nach« mittag bittet Sophie Madam Bovi um Er« laubniß, zu mir zu gehen.

S ta rt dessen aber

packt sie sich mit ihrem Kerl in ein Schiff, und geht fort, wie D u aus beyliegendem Briefe * sehen wirst, den sie zurückgelassen hat. Nun sitze ich da, und muß mich in der Seele schämen vor allen Menschen —

Ich

bitte Dich um Golteswillen, mein lieber M a n n ! rathe m ir, thun sollen.

sage nur, was w ir

Ich bin ganz von Sinnen, und

warte m it Schmerzen auf Deine Antwort.

Christine M ü lle r .

Zwey * Dieser findet sich nicht.

Zwey und zwanzigster Brief. An den Freyherrn von Leidthal, inUrfstädt. G illin gen den ;ken M er; 177°*

^ tc h kann Ih n e n , mein gnädiger Herr.' nicht rv7 lebhaft genug die Empfindungen der Dankbarkeit ausdrücken, die I h r gütiges 3u* tra u e n , bey Lesung der so offenherzigen (Er* jahlung Ih r e r Lebensunistande, in m ir er* regt hat. W enn ein M a n n , wie S ie sind» der in so manchem B etracht daS beste Schick* sal verdient, so viel hat leiden müssen, wie d a rf denn ich mich beklagen d R u he, Freude, Glück und Gesundheit mache indessen den langen Rest I h r e s w ohlthätigen LebenS sanft und heiter, und dann müsse die E rinnerung überstandencr Leiden Ih n e n wie ein »er* scheuchter T raum vorkommen — O lim meminijse iuuabit —

R

Wir

W ir haben u n d , Ih re m Befehle zu gehorchen, bey der hiesigen F reym anrcr-Loge gemeldet, und man hat uns baldige A n tw o rt versprochen. Ic h versichrc S ie ,

daß ich immer eine

hohe M einun g von dieser Gesellschaft gehabt habe, und daß die M e in u n g weder durch die Menge der unnützen S c h rifte n , noch durch die schlechte W a h l

ihrer M irg lic d e r,

noch

durch die unedlen S p a ltu n g e n unter ihnen, w oran man freylich w »igstcns das P ublicum nicht sollte T h e il nehmen lassen,

w eil eine

solche V erfo lg u n g doch unter B rü d e rn (und das sind ja alle M a n rc r) unanständig ist, daß, sage ich, meine gute M e in u n g von dem In n e re n des Ordens dennoch dadurch nicht ist geschwächt worden.

D ie darüber geschrie­

benen Bücher sehe ich ncmlich a ls das Werk junger, forschender A nfä n g e r,

oder lügen­

hafter B etrüger a n , die gern m it Kenntnissen prangen m vgten, die sie nicht haben.

E in

kluger Freym aurer sollte, denke ich, nie über den

bett Orden schreiben.

O ie Werke und W äre

klingen desselben mußten sich im S tille n , ohne W o rte , ohne Posaune, ausbreiten.

Zudem

ist wohl die Erkenntniß und der Besitz der größten maurerischen Schätze Handen einiger W enigen.

nur in

den

Diese können ver,

m nthllch Menschen aller A rt zu verschiedenen Triebfedern in der großen Maschine brauchen. C ie lassen wahrscheinlichcrweise die Sekten sich untereinander über D inge zanken,

die

gar nicht wesentlich sind, so wie man den K indern den schlechten H a u sra th in den V o r , hos hinausreicht, und sie dam it spielen läßt, w eil sic das G u te , w o m it sie nicht umzuge, hcn wissen, n ur verderben würden. nun

diese Unwissenden

Grade sich viel

auf

zu gut th u n ,

In d e ß

ihre höheren G rade, die

kaum einen Schalten von versteckter W a h r, heit enthalten mögen; so leben vielleicht die weisen,

u n d rk a n n te n

O d e rn

unbemerkt,

nicht einm al unter dem Nahmen von M a u ­ rern versteckt, in stiller R uhe, und sehen in dem großen S p ie g e l,

wie w e it das W erk

R 3

vor,

26 o vorrückt/ und Warum es in diesem ober je­ nem Z eitalter

nicht weiter

hat fortrücken

können — D a s sind Gedanken eines kayen.

U rthei­

len S ie aber n u n , bester H e rr, ob ich gern den S c h ritt thue, zu welchem S ie m ir die M itt e l erleichtert haben! Ostern rückt heran, und da S ie , theuer­ ster W o h lth ä te r! uns erlaubt haben, in je­ den Ferien eine kleine Reise zu macken; so Werden w ir diesmal das Eichöfeld besuchen. M a n hat uns a u f einige Merkwürdigkeiten, die w ir daselbst sehen w ürden, neugierig ge­ macht. Eine Geschichte,

die man uns erzählte,

hat uns auch vorzüglich iiiteressirt.

E s soll

nemlich in einem Kloster a u f dem Eichsfelde ein armer Mönch schon seit mehr a ls zehn Jahren gefangen sitzen,

dessen Verbrechen

niemand w eiß , jder aber ausserordentliche T a ­ lente

lenke haben soll, aber so enge eingesperrt ist, daß alle M ühe, ihn zu spred)cn, vergebens seyn w ürde. E r fiht in einem hohen T h u rm , und h at schon oft Fremden Zeichen gegeben, a ls wenn er ihr M itleid und ihre H ülfe anrufen wollte. D en H errn von Hohenau hat diese Erzäh­ lung so in Bewegung gesetzt, daß ich ihm anmerke, wie sehr ihn der Gedanke bc>eyäft tig t, diesen Unglücklichen, wenn cs möglich w äre , zu erretten. Ic h habe dabey aber eine Bemerkung über unsern jungen M ann gemacht. E s kömmt m ir ncmlich v o r, a ls wenn er seit unserer letzten Reise viel heftiger, empfindsamer, leichter zu erschüttern, und zu großen H an d , langen und Ritterdiensten aufgelegter gewor­ den ist. E r hat nicht mehr die immer gleiche unbefangene gute Laune, die den inneren Frieden verkündigt. Kurz', ich glaube, daß er verliebt ist, und das F räulein von HundeR 3 ftld

fcld w ird w ohl der glückliche Gegenstand seyn. I s t es g u t,

oder schlimm,

daß dies neue

R effort bey ihm in Bewegung gekommen ist? D arüber d a rf ich m ir unterthänig Ih r e M ei« nung und zugleich Vcrhaltungsbefehle ausb itte n ,

wie ich mich dabey aufführen soll.

Ic h w ollte nicht gern fü r mich allem etwas versäumen.

W ir erwarten den H errn von Wecket a u f seiner Rückreise; doch w ill ich diesen B r ie f nicht bis zu seiner A nkunft liegen lassen, sonr dern ihn m it der Post fortschicken. Ic h habe nichts hinzuzufügen,

a ls daß

ich ehrerbiethigst verharre, Meines

theuren

Herrn

gehorsamst ergebener Diener, M

e y e r. D re y

D rey und zwanzigster B rief. An den Herrn Meyer.

llrfllat't den zoten '.TTer; 1770. f f iy 'im

C arl verliebt ist; so ist das ein

Schicksal, welches ihn doch, früh oder spat, »lüste betroffen haben — Ic h würde meine Hand von ihm abziehen, wenn er nie verliebt werden könnte —

Hoffentlich w ird

Ih n e n das auch die M ühe bey der B ild u n g feines weiche» Herzens sehr erleichtern; das B ild eines tugendhaften M äügcns w ird über feine Unschuld wachen;

die edelste der Leis

dcnschaftcn w ird feine Seele allen sanften Eindrücken öftren —

Und fü r die Folgen

seyen S ie unbesorgt! D a fü r w ird der H im ­ mel sorgen, der nie, ohne unsere eigene S chuld, durch gute Gefühle unser Unglück bauet —

R 4

Ich

Ic h antworte Ihnen nichts auf den Punct der Frcymaurerey.

Sehen S ie selbst zu, ob

Ih re vorgefaßten Begriffe etwa, nach Ih re r Aufnahme, auf das passen, was S ic rotr# den erfahren haben. Aber nun von einer m ir äusserst am Her­ zen liegenden Sache!

Ih re Erzählung von

dem Mönch hat bey m ir die Erinnerung er­ neuert, daß ich Ih ne n noch die Geschichte von Hohenaus Vater schuldig bin — Mögtc meine Ahndung eintreffen! — Hören S ie n u r! A ls Carls Vater Officicr in . . .

. war,

wurde er in dem Hause eines Edelmanns be­ kannt, der eine schöne Tochter hatte, welche aber, aus eigennützigen Bewcgungsgründen der F am ilie, für das Kloster-Leben bestimmt wurde.

Hohenau liebte das Madgen, und

sie ih n , a lle in , da er keinen Reichthum zu ihrer Eltern Fuße legen konnte; so war alle seine Mühe. ihre Einkleidung zu hintertreiben,

vergebens.

Cie

weyhcte also

ihrem

G o tt

ein

ein Herz vo ll irdischer Liebe, und alle Stell, g io n s -Uebungen waren k ra ftlo s , diese un­ glückliche Leidenschaft auszulöschen. E n d lich , nachdem sie lange geheime 3«* sammenkünfte

m it

meinem Freunde unter,

halten hatte, wurden sie e in ig , miteinander }u entfliehen.

E r entführte sie aus dem K lo ­

ster, ließ sich m it ih r trauen, nahm seinen Abschied, und lebte unerkannt, klein und ein, gezogen, aber in häuslichem Frieden glück, lic h , in einer Dauerhütte m it ih r —

Ic h

allein wußte den O rt seines Aufenthalts — Nach Ja h re s F rist brachte sie meinen C arl zur W e lt, aber seine Geburth kostete sie das Leben — W ir vertraueren darauf den liebe» Knaben einer ehrlichen F rau in U> fstadt an, und ich bewog meinen armen Freund, m it m ir a u f Steifen zu gehen, wie ich Ih n e n erzählt habe. Hohenau glaubte itzt vor jeder Nachstel­ lung der Geistlichkeit sicher zu seyn, R 5

indeß dies«

diese alle seine Schritte genau beobachten liest. A ls w ir ttutt den 22m l Februar 1744 nahe bey Florenz, des Abends durch ein Waldgen fuhren, wurde unsre Kutsche von einem Hau­ fen vermummter M änner, die w ir für B a n ­ diten hielten,

angegriffen.

W ir

u n s, so viel w ir konnten — Einem , der auch hinstürzte — wurden w ir übermannt;

wehrten

Ic h schoß nach Endlich aber

die Leute banden

m ir , meinem Bedienten und dem Kutscher Hände und Füsse. nahmen uns nichts, rissen aber meinen Freund im t Gewalt fo rt,

hef­

teten ihn auf ein Pferd, und jagten m it ihm davon, nachdem sie vier theilsTodte,theils Ver­ wundete (unter den Todten war auch mein an­ derer Bedienter) aufdie Seite geschafft, und unreinen B rie fin dieTasche gesteckt hatten — S o lag ich denn wehrlos, die ganze Nacht durch,bis gcgenMorgen andre Reifende mich in dem Zustande antrafen, und mich nebst meinen Gefährten befreyeten. D a ra u f erbrach ich den Brief, mib fand ohngefehrfolgenden In h a lt: „ M e in

„ M e in H e r r ! „Ih r

Freund hat tu Deutschland ein K in d

„d e rK irc h e geraubt und verführt.

Unt dies

„ Verbrechen zu bestrafen, hat man ihn ansge„ sucht, »nb endlich entdeckt, daß er m it Ih e „n e u in diesen bändern reiset.

I t z t ist er in

„ d e r G ew alt seiner Racher, u n d S ic werden „ i h n nie wiedersehen.

W enn C ie n u n , wie

„m a n das von Ih r e r K lu g h e it erwarten kann, „r u h ig sind und schweigen;

so dürfen S ie

„ f ü r Ih r e Person fernerhin unbesorgt seyn. „R e ise n C ie glücklich, und hüten E ich fünf# „ t ig

vor der Gemeinschaft m it Menschen,

„ a u f welchen der Fluch der Kirche ru h t! "

S ie können S ich leicht vorstellen, wie sehe dieser B r ie f mich erschreckte, doch hielt er mich nicht a b , in s Geheim die mühsamsten Nachforschungen anzustellen —

Alles w ar

aber vergebens, nur erfuhr ich durch einen gewissen Gesandten, dast man meinen Freund nach Deutschland geführt habe.

A lle in auch

hier spurte ich umsonst, und bekam keine nähere Nach-

Nachricht,

ausser daß man

wahrscheinlich

vermuthete, er sey nach M a y » ; abgeliefert worben. V o r ohngefchr sechs Ja hren

bekam ich

wiederum einen B r ie f von unbekannter H and, d a rin n schrieb man m ir : „ M a n hat Ih r e n „ F re u n d , m it dem S ic einst in It a lie n ge„ reiset sind, während seiner zwanzigjährigen „ Gefangenschaft, sehr viel gelinder behandelt, „ a l s er, vermöge seines Verbrechens, verdient „h ä tte .

S eine wiederholten Versuche aber,

„ d e r heiligen Gerechtigkeit zu entwischen, ha„b c n uns endlich gezwungen, ihn in engere „V e rw a h ru n g zu bringen.

M a n w arnet

„ S i c nochmals, w eil einiger Verdacht da „ i s t , daß S ic m it demselben einen geheimen „B riefw echsel unterhatten haben, S ie mögen „ j a überlege», w as S ie thun. Es kann S ie „ I h r e S icherheit,

und Ih r e n Freund das

„Leben kosten"— D ie s e rB rie f kam auch aus der Gegend von M aynz —

Nun

N un urtheilen S ic selbst, ob dieGeschichte eines gefangenen M önchs (es ist doch nicht ge« w iß , daß er gerade ein Mönch :st),der in einem, unter maynzischer H oheit stehenden Kloster sitzt, nicht einen Scharten von H ofnung, daß ich Hohenaus unglücklichen A ufenthalt entdeckt hatte, in m ir rege machen muß — G o t t ! wenn er es w äre! — W ie wäre aber dann das D in g anzufangen? —

Doch, ich w ill nicht vor der

Z eit mich m it Planen täuschen— Wenden S ie n u r alles an, mein Lieber! um genauer von den Umständen unterrichtet zu werden— Aber frey« lic h m itL o rs ic h tig k e it-U n d n ic h tE in W o rt von der Sache gegen meinen C a rl! das versteht sich.

Leben S ie w ohl, mein F reund! Ic h bin ewig der Ihrige,

Leidthal. Ende des ersten T he ils. Nach«

Nacherinnerung an

f flj^ c m

d i e

cs

bey

L e s e r .

einem

R om an

blos

auf

gehäufte Begebenheiten ankom m t, dem w ir d der erste T h e il dieses Büehelchens nicht gcnuggethan muffen

m it

haben.

Ic h

denjenigen

habe

S ic

Personen bekannt

machen,

denen der junge H o h e n a u ,

S c h ritte

ich

k ü n ftig h in

erst

verfolgen

dessen werde, seine

[270 J

seine B ild u n g und R ichtung $u danken hak/ ehe ich weiter fortrücken konnte.

Geschichte

gen tu ersinnen, ist auch übrigens eine sehr kleine K unst, ober ich denke:

es ist einem

forschenden M anne angenehmer zu beobach­ ten, w arum der Mensch so und nicht an­ ders gewandelt ist, a ls blos hinter ihn her, eilig durch die ganze W e lt ;n la u fe n , ohne zurückzusehen.

Roch belieben E ie

zu be­

denken, daß a lle s, w as ich Ih n e n hier er­ zählt habe, wahre Begebenheiten sind.

Also

bin ich ausser S c h u ld , wenn das Schicksal dieselben hat —

nicht

interessant

erzählen müssen — Ih n e n , gen:

genug

verwebt

Freylich hätte »ch sie alsdenn nicht

mein H e rr!

Doch davon w ill ich auch den G rund sa­

Ic h denke ncmlich,

eine wahre Ge­

schichte sey immer mehr w erth a ls eine er­ dichtete, und da die mchrsten unserer deut­ schen Romane uns B ild e r lie fe rn ,

welche

nur fü r eine gewisse Classe von Menschen interessant sind, als fü r Gelehrte, empfind­ same M ä d g c n , Studenten u. s. f. Scenen aus

aus der

großen W e lt hingegen uns sehr

d a rin n m angeln;

so w ollte ich deren hier

einige ausstellen. S in d dieselben aber schlecht gem alt; so nehmen E w . Excellenz und G n a ­ den doch vorerst dam it v o rlie b , bis S ie bes­ sere, von grösseren K ü n stle rn , erhalten.

D cr

Roman

Lebens

meines

in B r i e fe n herausgegeben.

Z w e y t e r

Ri ga

T h e i l .

i

7

8

t.

An die Leser.

^ ^ ic

Zufriedenheit

m it

welcher

der

billigdenkcnde, ich d a rf w ohl jagen der größte T h e il des Pnblicum s den ersten T h e il dieses B u c h s , vielfältigen

Fehler,

ohngeachtet feiner anfgenommen

ermunterte mich, sogleich H and Fortsetzung zu legen,

hak,

an die

welche ich Ih n e n

hier zu überreichen die Ehre habe.

Unterdessen d a rf ich nicht verschweigen, daß einige kleine Menfchenkindcrchen K V * 2

misch

misch genug, die O riginale ;u denen darinn geschilderten Charactern unter ihren B e ­ kannten , ja sogar in ihre»« eigenen werthen Personen zu finden, und unklug genug gewesen sind, dies laut zu sagen.

I c h mag nicht untersuchen,

ob blos

T ü rke , um dem vermeintlichen Verfasser Feinde zu erwecken,

ob das Bewußtseyn

eine solche Rache von S e ite n dieses V e r ­ fassers verdient zu haben, oder endlich ob n ur die innere Selbsterkenntniß sie hierbey leitete

recht a u s gegen­ seitiger N ei g u n g g ew äh lt haben, sich mehrentheils gleich sehen, oder m i t der Zeit noch Aehnllchkett bekommen? — Abcrfrenlich n u r eine feine, dem geübten Beobachter merkliche Aehnllchkeit — H a b e n S i e nie von der all­ gemeinen Phisionomie einer Religionssecte, eines O r d e n s reden g e h ö r t ? M a n sieht aber auch gern sein B i l d m der leblosen N a t u r , u n d schaudert zurück vor G e g e n s t ä n d e n , die m i t u n s contrastiren; denn da unsre Vorstel­ l ungen durch die S i n n e k o m m e n ; so treffen alle unsre Gedanken a u f gewiss cinfact>c B e ­ griffe zusammen. D e r Sprachgebrauch, und btc WM

die A rt w ie w ir uns ausdrücken, wenn w ir fü r etwas keine W orte finden fu n tu n , bestätig t dies.

„ D a s D in g ist m ir ;u r u n b “

sagt m an,

wenn man einen Gedanken bey

keinem Ende zu fassen weiß.

„ D i e flache

„J u g e n d z e it" nennt »in D ichter eine unbe­ deutende Periode seines Lebens. M a n gewöhne sich die Charactere der leb­ lo s scheinenden D inge m it forschenden Augen anzusehen, und man w ird finden,

wie so

alles das Zeichen seines In n e rn an seiner S tirn e tr a g t, wie sehr diese S ig n a tu re n bey allem Geschafnen dieselben sind, und wie gern sich gleich und gleich in der N a tu r zusammen gesellt.

Unter zehn Aepfeln E in e r G a ttu n g

sind vielleicht nicht zwey, die einerley P h idas

Zeichen desselben Tempera­

m ents, hätten.

sionomie,

Denken S ie noch an das

F rä u le in in E hrcnburg,

welches die M e n ­

schen m it B lum en verglich, und a ls jemand, dessen W itz oft la ngw eilig und beleidigend w a r , sie bath, ihn doch auch m it einer B lum e



ju vergleichen, ihm sagte: er sey, wie eine Tuberose, von deren kräftigem Gerüche m an iuletzt Kopfwehe bekäme! Ich gebe diese hingeworfenen Gedanken für nichts anders, a ls für Auszüge aus mei» ncs Freundes Systeme a u s , und wie alle neue Ideen gefallen; so bekenne ich gern, dast icb sehr viel Vergnügen in der Verfolgung dieser Winke gefunden habe. Ueberbauvt ist dieser M an n ein sehr ge» nauer Beobachter des M enfchen, glaubt, baß keine Handlung bestechen gleiebgültig sey, und d aß, wenn man sich nur gewöhnte, auch in die geringsten dieser H andlungen Absicht und Ordnung zu legen, diese Rechtlichkeit zu» letzt zu einer solche» Gewohnb.cik werden w u rde, daß sie auf unsre größten und wich» tigsten S ch ritte Einfluß haben müßte. E s ist unbeschreiblich, sagt er, wie gern sich S eele und Cörper an eine einm al angenommene O rdnung binden. M an ist mehrentheils nur Roman ll. II). C pac

par

habituik* ju m

ordentlichen Menschen,

zum M ü ß ig g ä n g e r, ober zum Bösewicht gcr rooiben, uub sogar zur Rechtschaffenheit kam» sich der Mensch durch Uebung in der Tugend bringen.

E s mischt sich dann in das V e r­

gnügen , das die E rfü llu n g unserer Pflichten uns gew ährt, im m er gleich

ein

gewisser Eigensinn sich

bleiben zu w ollen, und die

kleinste Uebertretnng b rin g t das Gewissen in A u fru h r, wenn es nicht daran gewöhnt ist, oft m it seinem Rathe verabsäumt zu werden. E r hat eine Menge Aphorism en zu klei­ nen und

großen Lebensregeln gesammlet,

wovon ich Ih n e n doch einige abschreiben w i l l : „W e n n D u etwas fallen lässest; so hebe es augenblicklich wieder auf. „ n ic h t; „D e in e n

Verschiebe es

so w irst D u auch einst,

wenn D u

Freund aus dem Unglücke retten

„ w ills t , nicht aus F aulheit oder Unentschlos„senheit den günstigen Augenblick versirei„chen lassen." „W e n n

„ W e n n D u in Gesellschaften von einem „Mensche» reden willst, der einen N atu r„ fehler h a t; so siche Dich zuvor noch einmal „ u m , ob nicht ein ähnlicher dabey ist. E s „ist besser viel Dinge ungesagt lassen, als „ein m al einen Menschen, der es nicht ver« d ie n t, beleidigen.^ „ F ra g e »re in Gesellschaften wie viel Uhr » es ist. “ „M ache Dich von gleichgültigen Gewöhn„heilen los. Thue nickts mechanisch. E s „giebt Leute, die alle Thüren hinter sich zu„ziehen , die offenbleiben sollen, und andre, „die alle Thüren offen lassen, die man vere „schlossen halten niögtc." „K neipeniem and; Zerre keinen mit einer „u nw ahren Nachricht; Erschrecke niemand; „Verstecke nie H üte, Handschuhe, oder der„ gleichen. Nöthige niemand zum Essen und „Trinken. “ C 2

„Rede

„ R ed e keinen Bekannten a n , der D ir im „D u n k eln auf der S tra ß e begegnet. E r „könnte nicht gekannt seyn w ollen ." „ W en n D u spatzieren gehest oder sonst, „ und gan; ohne wichtige Gedanken bist; so „frage Dich um jedes Object: W arum ist es „ so und nicht anders? W arum ist dieser Eck„stein rund behauen? W arum spuckt der „ B a u e r dort bey seiner Arbeit in die H ände? „ W ie und w o wird dies S tü c k , dieses J n „ strument gemacht? S o llte es w ohl weh „ thun, wenn mir ein S ch a a f oder ein S ch ö p s „ a u f den Fuß trä te? * — Glaube nur, solche „ p la tt scheinende Fragen klären unbeschrrib„lich auf. “ „ Vertraue D ich dem M anne nicht, der „jederm anns allgemeiner Freund ist. E rw irb „ nicht * D ie- ist nicht im figürlichen S inn genommen, und ich hade würklich einen Schäfer gesehen, der davon lahm -eivordeii war. A. d. H.

„ nicht leicht irgend jemands besondrer Freund „s e y n ; Und unlgekehrt: man ist gewöhnlich „ n u r alsdann allgemein g eliebt, wenn uns „ niemand insbesondre liebt. “

„T ra u e dem M anne nich t, der veracht„ lic h vom weiblichen Charakter denkt. ,c „T ra u e dem M anne nich t, der keine K in „ v e r lie b t , und den die K inder nicht leiden „ können." „ W a s lange dauert, w ird schlecht. Thue „ a l l e s , w as du thust, schnell.

Eine T hor-

„ h e i t , ausUcbcreilung gethan, stiftet meh, „re n th e ils weniger Schaden, „ H a n d lu n g , „ lassen.

a ls eine gute

aus zuviel Ueberlegung unter-

D a ra u s fo lg t n ic h t, daß man im -

„ mer unbedachtsam handeln soll. M a n kann „w ü rk lic h seinen K o p f so gewöhnen, daß er, „ a u f di« erste A n forderung, „ g ie b t, w as er hat.

das beste Ijer*

D ie kalten Pedanten,

„d ie jeden Gedanken zehnmal im Kopfe hcrC 3

„umdre-,

„ umdrehen, „W e n n

habe ich

nie

leiden können.

cs einmal au f eine augenblickliche

„ Entschliessung anköm m t; so sitzen sie fest."

„B e h a u p te nie heftig einen theoretischen „ S a tz in Gesellschaften. W e r eigensinnig ist, „ro ivi) sich doch nicht überzeugen. Und w arum „ soll den» auch eben jeder so denken wie D u ?“ „ H üte Dich vor dem M a n n e ,

der m it

„ kaltem B lu te , unnöthigcrwcife Thiere erwur-l „g e n und martern kann, der sich seines Vic« „ hes nicht erbarmt.

D a s Seufzen der Crea-

„ tu r d rin g t auch bis zu den Thron D eines „ Schöpfers. “ „In

jeder Sache sey der Erste oder der

„Letzte, wenn D u ein großer M a n n werden „ w illst. “ „ W enn

Du

bey

einem

eigenßnnigen

„ M a n n e eine Sache durchsetzen m u ß t;

so

-,hüte Dich m it ihm über Kleinigkeiten zu „ zanken-

sanken.

Gieb ihm darin» immer nach, bis

„ D u an die Hauptsache kommst, und dann „ sey unbeweglich.

I s t es irgend möglich ihn

„ zum Nachgeben zu b rin g e n ; so w ird es ge« „schehen, wenn er a u f einmal diese an D ir „n ic h t gewöhnte Festigkeit w a h rn im t.

W er

„ immer zankt, erhalt nie recht." „dem oralisiere die Leute nicht! „re fo rm ie re nicht, „d a z u hast. „s o

Bessere,

wenn D u keinen B e ru f

G e fa llt D ir der M a n n n ich t;

gehe fürbaß,

und

suche D ir

einen

„A n d e rn ." „ W e r zu empfindlich ist,

w ird

immer

„b e le id ig t, und zwar nicht n u r, w eil er alles „ übel n im m t,

fondern auch, w eil sich jeder

„a lle s gegen ihn erlaubt, und sich immer „d a m it entschuldigt: der M a n n n im t alles „ ü b e l. " „E rtra g e

jeden Schwachen,

„jedem sein Steckenpferd. E 4

und

laß

D ie s Leben ist so „ kurz

„kurz — Traume und Wiederholungen von „T ra um en sind es, die uns hier Glück »er# „ schaffen können.

Wehe dem M anne, der

„ u n s immer bey ofnen Augen erhalten w ill! --Ic h ehre die Steckenpferde, und rette gern „ m i t meiner Rosinante nebenher, mögtegern „ jeden Biedermann beritten sehen, und vers „achte den M a n n ,

der immer in fremder

„Equipage reifet. “ „ M a n schlaft noch einmal so ruhig, wenn „m a n Frieden m it seinen Brüdern h a t." — Doch genug, mein bester Freund!

Ic h

hoffe diese kleinen Auszüge sollen Ihnen keine Langeweile gemacht haben.

Bessers weiß ich

Ih n e n nichts zu schreiben.

W ir hoffen m it

Verlangen auf das Vergnügen S ie hier zu umarmen.

H err Meyer empfiehlt sich Ih ne n

bestens, und ich bin ewig der Ihrige C arl von Hohenau. D ritte r

4i

Dritter Brief. An den Herrn Hofmeister M eyer in Göttingen. U rfstadt den zofte» N ,erz 1770.

E s liegt m ir sehr am H erzen, mein lieber Freund! daß S ie doch ja nicht versäu­ men mögen, sich so genau als nur irgend möglich ist, nach den Umständen des G efan­ genen im Kloster zu erkundigen, und ich schreibe Ih n e n deswegen diesen B rief, den S ie , wie ich hoffe, noch vor Ih re r 'Abreise auf das Eichsfeld bekommen sollen, um S ie nochmals zu bitten, die äusserste S o rg falt in Ih re n Nachforschungen darüber anzuwenden. E s würde über den Rest meines Lebens R uhe und Freude verbreiten, wenn ich mei» nen alten Freund wiederfinden, ihn aus sei« fttrn Unglücke erlösen, und meinem Carl stiC 5 m it

4i ncn V a te r wiederschenken könnte.

E r w ar

ein gar lieber, herrlicher Mensch,

obgleich

seine übertriebene Lebhaftigkeit ihn zu man­ chen F e h ltritt verleitete, der die ernsthaften H errn wieder ihn empörte, und ih m , w ah, m it) der Z eit, da er i n .............. diente, manchen Feind a u f den H a ls Schicksale,

die mein

zog.

armer Freund

D ie lit t ,

könnten S to f f ju einem ganzen Rom an her­ geben.

N ich t leicht ist jemand so sehr ver­

kannt w orden, als dieser edle junge M a n n . Jedermann erlaubte sich über seine H a n d lu n ­ gen zu raisoniercn, und darunter waren oft Leute,

die ihn gewiß nicht im Geringsten

übersehen konnten. M a n sollte nie über kluger Leute H and­ lungen urrh ile n , beim das heißt ja offenbar gesagt, daß man sich noch klüger als sic dünkt. W e r kann dem Menschen ins H e r; sehe»? W e r w eiß,

m it welchen stürmischen Leidcnschaf-

'

Man sehe de» ulten B rief im ersten Theile, Seite i>r-

schäften (die immer bey lebhaften Geistern stärker sind) er zu streiten, m it was für geist­ lichen Feinden er zu kämpfen h a t,

welche

freylich ans einem Tummen an allen Ecken fcte jlo p fc herausstecken, die der weisere M a n n aber sorgfältig ve rb irg t, der S tille leidet und rin g t.

rndeni er lieber in W a s man einenr

klugen Manne über Bezwingung dieser Lei­ denschaften sagen kann, har er gewiß langst eingesehen, fü h lt bester als ein Linderer, wie tie f ihn

seine Schwachheiten

erniedrigen.

Und dann, wie oft hat man nicht aus dem M anne selbst, durch schlechte Behandlung, gemacht, w as er ohne das me seyn wurde. „ S a g t Euch ins O h r, oder la u t : Behandelt „ den M a n n so, und I h r werdet erstaunen, „w a s

noch aus ihm werden rann und —

„ w ir d . E r ist nicht so schlimm als er scheint. „ S e in Gesicht ist besser als

seine Thaten.

„ Z w a r auch seine Thaten sind lesbar in sei„n e m Gesichte —

aber noch mehr als die,

„deutlicher noch, die große jd ra ft, die E m ­ p fin d s a m k e it, die Lenksamkeit des nie recht „gelenk-

„ gelenkten Herzens — Dieselbe K r a ft, die „d ie s Laster hervorgebracht — gebt ih r eine „a n d re R ic h tu n g ;

gebt ih r andre Gegen»

„stände, und sie w ird W undcrtugenden ver, „ric h te n . “ * — Ic h muß bekennen, daß ich noch immer gefunden habe, daß der kluge M a n n der bessere M a n n ist, und daß Tugend und W eisheit unzertrennlich sind.

D e r Ein»

faltige kann kein feines G efühl haben, und ohne Dclicatcffe ist alle Tugend keine Tugend. W enn m ir von einem Menschen sagen: er ist k lu g ; schade, daß er seinen Verstand schlecht anwendet! so ist das nicht w ahr. D e rM a n n kann listig gewesen seyn,

aber klug w a r er

n ich t, oder er w a r kein Büsewicht, sonder» ein Irre n d e r,

a u f einem W ege,

den jener

vielleicht nicht einmal den M u th hat zu 6e* treten.

S o glaubt ein dicker, pflegmatischer Hollan«

* LavatcrS phystonomische Fragmente Hier Theil, viertes Fragment. Zwar konnte diese Stelle im Jahr 1770 nicht angeführt werden. Ts stand aber eine ähnliche da, wogegen man diese eine gerückt hat.

Holländer Recht zu haben auf Alexandern zu schimpfen, weil er nach der Oberherrschaft der W elt strebte. D er K luge, wenn er in eine» Fehler fällt, hilft sich bald heraus, den» er fühlt, daß er sich in seinen eigenen und andrer Rechtschaffenen Augen herabsetzt — W enigstens fühlt er das in gewissen Augenblicken, die dann mehr werth sind, a ls das ganze Leben eines T ölpels. O er Sum m e fühlt nichts, und fällt ohne R ettung. Aber man wird finden, daß der Werfe sehr v ie l, der Thor aber selten Feinde h at, und das ist na­ türlich. N e id ! N eid ist hier der unvcrsönliche Ankläger. S o gieng es denn auch dem armen Ho­ henau. Vielleicht' haben wenig Menschen, vom Frühling ihres Lebens a n , ein so hartes Schicksal gelitten, a ls er O ! wenn es mir doch g elä n g e, nach langjährigem Jam m er, ihm noch zuletzt einige glückliche Jahre zu verschaffen, und an der Serke dieses ersten Freundes m einer Jugend m ein Leben zu be, schlieft

schliesset!! —

A lle in , wie schwach ist nicht

dieser S tra h l von H o fn u n g !

K ann cs nicht

ohnzahlige andre Gefangne in Klöstern geben ? N un muß ich Ih n e n von einem sehr ernst­ haften Handel Nachricht geben, der m ir , die W ahrheit zu gestehen, einige Unruhe macht; doch hoffe ich,

es soll nichts zu bedeuten

haben. Urfstadt nebst den dazu gehörigen D ö rfe rn hatte ehemals der F a m ilie v o n r v a llitz ge­ h ö rt, und w a r durch Tausch in meiner V o r ­ eltern Besch gekommen.

Es

scheint man

hatte nicht die Vorsicht gebraucht, genau nach­ zuforschen, ob noch jemand von dem Stam m e sonst irgendwo vorhanden w ä re ,

der diesen

E vntract nichtig machen, und an den G ü te rn etwas zu fordern haben könnte. aber still davon.

A lles w a r

M eine Verwandten nah­

men daher die G üter in Best:'., jene bekamen theils G e ld , theils an andern Oertern gele­ gene Grundstücke, und die Lehnsherrn w illig ­

ten |:w h |

tcn ein.

D ie F a m ilie von W a llih verkaufte

sodann

m it landesherrschafrlichcr E in w illi­

gung ihre eingetauschten Grundstücke wieder, darum sich d ie M cin ig cn weiter nicht bckümmerke», und w ir blieben im ruhigen Besitze ihrer G üter.

Endlich waren sogar die W a l-

litze, unsre r M einung nach, gänzlich ausgcstorben, als plötzlich,

noch vor A b la u f der

in den Rechten bestimmten Z e it,

im J a h r

1700 ein junger M a n u von dieser F am ilie aus Ostindien ankam,

seine Ansprüche a u f

diese ohne seine Bcystimmung verkauften G ü ­ ter gelten machen w o llte , und deswegen mei­ nen B arer belangte.

Unterdessen dauerte cs,

wie gcwöunlech lange, ehe die Cache in s K lare gebracht wurde.

Z w ar legitim irte sich

der junge Mensch halb und halb als den näch­ sten E rben, und hätte mein V a te r einen V e r­ gleich m it ihm geschlossen; so wäre ich wohl itzt aller W c itlä u ftig k c it überhoben.

A llein

eben die baiigsamkcit der Gerichte, nnd die geringen

Vcruivgensnuistande

des

jungen

W a llltz bewogen vermuthlich schlechte Rat>>-

geber

geber, meinen Vater davon abzuhalten. Dee Gegner, der Lfsicier w a r, konnte das Ende des Rechtshandels nicht abwarten, er reifete also zuriick nach Ostindien, und ließ die Sache in beit Handen eines Sachwalters, der sie nicht betrieb, und also blieb alles in Wetzlar liegen, niemand dachte weiter daran,

und

ich selbst hatte kaum im Vorbeygehen davon reden gehört. 9luf einmal kömmt vor wenig Wochen bet Sohn dieses W a llitz,

ein M ann von etwa

Lo Jahren, m it einem sehr großen Venn, gen aus dem andern Welttheile zurück, erneuert seine Ansprüche > und hat nichts g ring e rs im S in n e ,

als mich um den größten Theil deS

Meinigen zu bringen. Sobald ich hiervon Nachricht bekam, fuhr ich zu ihm in die S tad t.

Ich sagte ihm über

diesen Gegenstand, was ein redlicher M ann, der kein fremdes G ut besitzen, aber auch aus einer gerecht, für baares Geld erkauften Ber sitzung

sitzung sich nicht mag verdrängen lassen, sagen kann, fand ihn aber von so rauen S itte n , und so überm üthig, daß ich gänzlich u n N fri« digt nach Hause kehrte. D er M ann ist reich, und hat keine Rinder W ie seine Beweise beschaffen sind > weiß ich m cht. aber immer kann es ein weilläuftiger Handel werden, und ich dachte, ein M ann der so lange um# hergckreutzt ist, und so manche G efahr zu Wasser und zu Lande ausg> standen hat, sollte sich nach Ruhe sehnen, und nickt einen unschuldigen, friedfertigen, zum Vergleich geneigten M enschen'plagen. S e in hiesiger Advocat ist, ein böser arglistiger M a n n , der C uratvr über verschiedene in Concurs gerat thene G üter ist, und die Sachen in einer sol# chen V erw irrung erh alt, daß nie H ofnung zu Befreyung derselben erscheint. Auf diesen G ü tern spielt er den H errn, und zieht d as beste d arau s, indeß den armen ssesipern kaum der nothdnrftige Unterhalt gereicht wird. E s ist grausam h a r t . daß in unsern Gegenden die Gerichte nicht wachsamer au f solche him# Roman 11 Th. D mabe. Er kann mit Wecket. wenn dieser durch (»ioltiiigei kommt, reisen, und sich nacl-ser mit seiner treuen Jungfer Sievers vermahlen. Sie werden leicht einen andecn Waffenträger finden.

D2

Die

D ie Nachricht, daß S ie und mein lieber Carl Freym äurer geworden sind, freuet mich unendlich. N un muß ich Ih n e n freundschaft« lich rath en, den gerade» W e g ;u gehen, der S ie gewiß einst ju einem Ziele führen w ird, wovon S ie itzt schwerlich die S p u ren errathen. Lesen E ie zwar alles, w as über den Orden gedruckt worden ist, aber glauben S ie niem als etw as davon. W er über den Zweck desselben Bücher schreibt; kennt gewiß den Zweck nicht, sondcru mügte nur gern ent mystisches Schild aushenken, das die Leute anstaunen sollen, worüber aber der kluge Profane n u r, und das m it Recht, spottet, w oraus der unterrichtete M aurer nichts ler­ nen kann, und wodurch der unwissende nicht klüger wird. Zudem beweißt es nichts, wenn man etw as Artiges darüber sagt, und ein Id e a l darstellt, dessen Würklichkeit nie­ mand untersuchen kann. W a s ich hier red« gilt auch von den allervernünftigsten Frey, m aurerschriften, denn vor dem p la tten , »ar» rischen, unverständlichen U nsinn, der in man-

manchen derselben herrscht, wird schon I h r e eigene V ernunft S ic zurückfchcuchcn. D ie siille, weise W ahrheit redet durch Thaten, nicht durch W orte, w as aber der gesunden V ernunft wiederspricht, kann nie «twaS G roßes seyn. Also gehen E ie den geraden G ang! E ie werden S ich schon einst selbst ein Licht aufstecken können, und dann bald genug einen M ann finden, der es I h n e n , wenn er m erkt, daß es fest und grade steckt, anzün­ den wird. Ich brauche S ie aber nicht für falsche Propheten zu warnen. S ie find zu gescheut, um diesen in die Hände zu fallen. M it einem hellen Kopfe und reinem Herzen ist man sehr sicher gegen dieselben, an solche Leute wagen sie sich auch nie. N u n , das w ar einmal wieder ein langer B rief. Ich erwarte mit Ungeduld einen von I h n e n , und die Nachricht von Ih re n V er­ richtungen au f dem Eichsfclde, umarme un­ sern Pfiegesohn in Gedanken, und bleibe Ih r treuer L e i d t h a l. D 3 Vier-

Vierter Brief. An den Freyherrn von Leidthal in Urfstadt. Göttingen den 4tcn Aprill 1770.

0 (^ u r einige Zellen, mein theuerster H err; ju r A ntw ort au f I h r gnädiges Schrei­ ben, das ich so eben erhalte, indem Wik im Begriff sind aufs Lichsfeld ;u gehen. D ie Nachricht von dem verdrießlichen Processe beunruhigt uns sehr. D er Himmel wolle diesen S tu rm von unserm beiten W ohl­ thäter abwenden! —D er H err von Hohenair wird selbst einen kleinen B rief hier einlegen — Ic h will keine M ühe sparen des Gefan­ genen Schicksal tn 's Klare zu bringen — B irn-

B irn b a u m fußt Ih n e n ehrerbiethigst die Hände

fü r

seine Versorgung.

und springt aus Freude H e rr!



Er

hupst

Ach,

bester

wie sehr stnd S ie ju beneiden, der

S ic

so gern alle Menschen glücklich mach,

ten!

und welch ein M a n n muß der seyn,

der einen solchen Menschenfreund verfolgen w ill! — Ih re m väterlichen Rathe in Ansehung der Freymaurerey w ill ich gewiß treulich folgen. M i r hat es immer übel gefallen,

daß über

diesen Gegenstand seit einiger Zeit so viel geredet und geschrieben w ird . giebt es stlten Menschen, schwelgen können. nige gefunden,

Ucberhaupt

die w ahrhaftig

Ic h habe deren sehr n a

und mich dünkt,

man vcr-

säum t, bey der Erziehung der K inder, das Einprägen und Erproben dieser, in der bür­ gerlichen Gesellschaft gänzlich.

so nöthigen Tugend

Ic h müßte mich sehr irre n , oder

die Verschwiegenheit ist seit dreyßig Jahren w eit ra re r,

obgleich die Aufrichtigkeit und D 4

Offen-

Offenherjiglrit nicht allgemeiner geworden sind — Unsre Pferde stehen vor der Thür — Ich schliesst mit den Empfindungen der Hochachtungsvollsten, unveränderlichsten Treue.

M eyer.

Fünft

f ü n f t e r Brief. An de» Herrn Commerzicnrath Müller in Urfitdbt. Amsterdam den -üsten N7er; 1770. E w . Hochedclgebohren habe ich die Ehre einliegenden B rie f meines Freundes, des jungen von der H ö rd e , an mich zu Überrest chen, einen B r ie f, der gewiß I h r D atcrherj m it M itleid e n gegen den unglücklichen Zustand Ih r e r armen F rau Tochter, und ihres guten, von allen seinen Freunden und Verwandten verlassenen G a tte n , erfüllen w ird .

W enn

S ie helfen können, redlicher M a n n , Ach! so thun S ie es doch ja ! Tochter, haben.

E s ist Ih r e einzige

welche S ie immer so sehr geliebt Ic h weiß w o h l, daß E w . Hochedel,

gebohren itzige kag« E ie ausser S ta n d setzt das Schicksal dieser Flüchtlinge unm ittelbar

|u erleichtern.

Aber S ie haben ja einen groß,

D 5

mäch,,

wüthigen Freund an dem H errn Grafen von H a xh ä dt, der gewiß keine M uhe sparen w ird , die Hördische F a m ilie , aufgebracht

und

welche itzt äusserst

unpersönlich

scheint,

zu

besänftigen.

E s thut m ir le id , bey

dieser

daß ich Denensclben

Gelegenheit nicht verschweigen

d a rf, daß Ih r e F ra u Gem ahlinn sich nicht die mindeste M ühe geben w ill, die Sache ins Gleiche zu bringen, daß sic nicht nur a u f ihre Tochter in den härtesten Ausdrücken schmält, sondern auch in ihren Reden die von der Horde gar nicht schont,

welches denn natürlicher«

weise die Gemüther immer mehr erbittert, und den Handel schlimmer macht. In

der H o fn u n g ,

daß S ic diese meine

B itte und aufrichtige Aeusserung nicht ungütig aufnehmen werden,

habe ich die Ehre

E ie zu versichern, daß ich mich blos deswe­ gen geradezu an S ie wende, um Ih n e n zu zeigen, wie groß mein Zutrauen zu Ih re m menschen«

menschenfreundlichen Ebaracter^ und wie un­ geschminkt tue Hochachtung ist,

mit welcher

ich stets verhalten werde, E w. H o c h e d e l g e b o h r e n

ergebenster Diener I.

Nachschrift.

J u liu s

25 r 6 cf.

Noch halte ick cs für meine

Pflicht Ih n e n , wenn Cie nicht kürzlich Nach­ richt von Ihrem Herrn Cohn Ludwig haben, gehorsamst zu rathen, Sich ein wenig genau nach ihm zu erkundige».

Er ist im Begriff,

ohne Ih re r Frau Gemahlinn W iffen, eine Lebensart zu ergreifen, von welcher ich nicht gewiß weiß, ob Sie den Schritt dazu b illi­ gen würden. Sechster

6o

Sechster Brief. ( in dem vorhergehenden eingeschlossen )

An den jungem Herrn Brück in Amsterdam. Ivalldorf den ioten Merz 1770.

^ ^ i s t du noch der Freund eines Unglückli­ chen, oder verlassest auch D u den, der vom Schicksal und allen Menschen verlassen ist? — Ach! wenn D u das könntest, wie würde es mich reuen. D ir den T rium pf zu geben, gegen Dich Nagen zu müssen — W enn D u fähig w ärst, m it kaltem B lute diesen B rie f wieder zusammen zu legen, und au s­ zurufen: „ C o geht es. wenn man guten „ R a th verachtet» und ein aufbrausender „ J ü n g lin g seinem Kopfe fo lg t" — Doch nein! Theuerster, ewig Geliebter! Verjeyhe m ir, mein Elend machte mich einen Augen­ blick ungerecht. D u bist noch der einzige gut«

gute M ensch, den ich in dieser verdorbenen, grausamen, gefühllosen W elt angetroffen habe. D u wirst mir auch eine süße Thräne des M itleid s nicht versagen — (Sott! d as ist ja a lles, warum ich Dich bitte, denn an Versöhnung mit meinem harten V ater darf ich nun nicht denken — s S o höre denn w ie , von dem Augenblicke meiner Flucht a n , Jam m er auf Jam m er ge, häuft. Deinem arm en, armen Freunde das hartnäckigste Schicksal au f jedem Fußtritte gefolgt ist — O ! wie gern wollte ich leiden, H unger, D u rst, Armuth und Verachtung leiden! Ader der Anblick meiner himmlischen S o p h ie , ihre duldende S au stm u th , der G e, danke, daß ich vielleicht auf den Rest ihres Lebens M angel und Elend bereitet habe, er, stickt mein Herz — W ie lange werde ich diese Last, die schwer auf meiner S eele liegt, ertragen können! —

Ich

6r I c h dachte: „ I n dieser W e lt , wo so „m ancher Unterdrückter, Verwahrlofete sein „ B rod im Schweiße seines Angesichts erw irbt, „ werde ja auch ich ein Winkelchen finden, wo „ ic h , fern von d enen, die mich nicht glück„lich sehen w ollen, a n der S e ite eines lie„ d e n W e ib e s, R u h e , stille F reu de, und „ m äß ig en Unterhalt finde. Ic h bin nicht „ ungeschickt, und wenn meine Talente m ir „k ein B rod gewinnen können; so habe ich „doch ein P a a r gesunde Arme zur Arbeit. „ S o p h i e wird Wciberputz machen, w ir roer# „ den leicht so viel verdienen, a ls die M ä ß ig „kett verlangt, und so unter einem S tr o h „ dache bcncivenSwüroig glücklich seyn." Ic h wagte e s , versuchte es vorher »och einmal meinen V a te r l»n einer auf den Fuß!

g i, jener Ecke verlast rt man feinen

F rund; H ier ;>el>t man il>n in ein Gespräch, w orou er gar »ichtö dören mag — E r sehnt stct> nianche lauge Stunde durch nach dem Augenblick.-, da er um E ren fortgehen rann; Und doch jißt dort ein.r im W inkel, mir dem er gern noch ein W ortgen geredet hatte — Aber wie kan» er durch den Laufen? — E r schleicht sich endlich fort ■ — Noch ein freund­ licher Blick »ach dem liebe» Gä nschen im W in ke l,

und dann w ird die

Tbür zuge­

macht — D o rt tragen sie ihn hi» — W ir wollen

ihn

gehn lassen



Es ist doch

schade, daß ich ihn schon fortgeschickt habe, ich hatte noch viel schöne Sachen über ihn S't



ii9

zu sagen — D a s ist aber noch lange D e in F a ll nicht. G a n z glücklich, nach unserm I d e a l glücklich, in dieser W e lt zu seyn daran ist n u n einm al nicht zu denken. M a n lebt so in einem T raum e fo rt; Eigener K um m er und fremdes Elend nagen unaufbörlich an unserer R u h e. Aber es giebt doch M itte l sick still, ruhig und heiter durch dies Leben zu arbeiten. S e li g ist, wer d as m it kacheln kann — N icht der, dessen g u t;feien so h art sind, daß er keine S te i n e mehr fü h lt, aber d e r , der d arü b er leicht hinw eghüpt. D a z u gehört aber Fertigkeit und froher S i n n , und d a s h a t nicht jeder. D urch Uebung bringt m an e s dahin — Freylich trenn der S te in e zu viel komme», und böse Menschen im m ernoch m ehr in den W eg w e rfe n , dann w ird der G a n g beschwerlich — M a n fühlt zuletzt jedes Eanokörnchen — Aber dahin soll c s , wie ich fest hoffe, m it D i r nie kommen.

H4

Sage

Sage m ir, junger Mensch! Was in aller W elt ist D ir denn schon mislungcn? — Wache nur über Dich, mein S o h n ! Glaube M ir es (und ich kann aus Erfahrung reden) man taun viel lU'tr ftch erhalten, wenn matt es nur ernstlich damit meint.

N icht, daß

man den ganzen brenn.nden Schornstein m it moralischem Mist zuwürfe, und den Bettel inwendig ruhig brennen liesse, nein! sondern indem man andre edle reld.nschaflen gegen die L>ebe zu Hülfe r u f t . und das Feuer nicht durch Müßlgaang >i''d Schwärmerei) ui.trr< h ä lt;

keine Bücher li st, die uns Weiten

»erm attn, die w ir nie zu VHfidjt bekommen werden; noch läppische Gedichte auf ein Blümchen und ein Bändgen, wo.mech alle unsre männlichen Gefühle, jufammcnkochcn.

Hüte

wie Miichbrey

Dich auch,

selbst

Verse zu machen, denn dadurch wird nur die Phantasie erhlüt.

Ic h weiß zwar wohl, daß

das gerade der Zeitpunct ist, wo sic am besten gerathen.

I » der Jugend, wo die E in ril-

dungskraft feurig, und das Her; warm ist, da

da ist die Zeit zu dichten, zu componieren — fü r den, der T alent dazu hat.

Im

m änn­

lichen A lle r muß man W erke schreiden — ■ wenn man im F rü h lin g e gut ge sammlet hat. Im

Alker aber muß man sich M uße nehmen,

a u f die lange Reihe verlebter Tage m it P rü ­ fung zurück zu sehn.

O rfre aber lieber D e i­

ner Ruhe die Ehre a u f, a ls D ichter gelabt i u werden.

Verzcyhe m ir , mein kiebcr! diese Offen­ herzigkeit.

Ic h inögtc Dich so gern glücklich

w iß e n , und noch ist es Z e it, die G rundlage dazu zu legen. M ü lle r ist nach W etzlar abgereist, wo er meine

Proceßsachen besorgen w ill.

beyden jüngste» Söhne

lasse

Seine

ich itzt her,

komm en ; sie sind schon unterwegens,

und

w ir w olle» sie dem Gymnasium i n .............. anvertrauen;

da hat sie der V a te r in der

N ähe.

H 5

Nu»

N u n lebe Wohl, mein guter C a r l ! D ein Freund wird bald wieder zu Dir zurückkeh­ ren — Verabsäume seinen R a th nicht; E r ist ein kluger M a n n , und liebt Dich beynahe so sehr, a ls

De i n

treuer Freund k e i d t h a l.

Eilfter

Eilfter Brief. 2(n den Freyherr» von

in Urfsiadt.

Wollen* den 4ren Imiiuv >770.

0 ^ ic f? t Iv iri't, man gnK tger .i'-crr!

(atm

jetnanb auf vttnv so tauen Rase so sotu derbare Begebenhaten erleben, der m annen hier

als m ir auf

r bauaiKf fttib —

jc(>

habe fjst)ci) veil meinen Xmbvvii gesprochen, imb a u f eine so vtn'vmavtvfc Cirt wtedergefunden, daß ich nicht recht wüste, ob m att väterliches H a > fu(> me!>r über btefe 3 ufant; ntatsitu ft freuen, ober über bat Zustand die­ ser Flüchtlinge betrüben sollte. E ie wissen den S c h ritt, den meine arme Sophie gethan hat.

E ie war m it ihrem

Geliebten hetmltch fortgegangen, seine Frau geworden, und seit der Zeit hatte das Schick­ sal an diesen jungen Leuten den Kummer, den

sie

sie ihren Eltern durch ihre Flucht machten, durch so manche W iederwärtigkett gerächt, baß die genaue Erzählung davon meinen Zorn gänzlich in M itleiden verwandeln mußte. D o n einem Drrc zum andern ziehend, und nirgends Ruhe findend, hatten sie sich mb* lieh entschlossen, in Frankfurt bessres Glück aufzusuchen. M ein S o h n Ludwig w ar in genaue Be* kanntschaft m it Schauspielern gerathen, bte ihm einen solchen E nthu siasm u s für ihre Kunst eingeflößt harten, daß er sich (b ey der Ueberzeugung, daß seine Armuth ihm in jeder andern Lebensart die H ofnung zu guten Aus* sichten versperren w ü rd e) entschloß, seine T a len te, die in der T hat nicht gering sind, der B ühne zu w idm en. Er w ollte indessen doch nicht gern in seiner Vaterstadt (d e s V orurrhcils w egen , das nun einm al gegen diesen S ta n d herrscht) a u f dem Theater er* scheinen. D esw egen reifete er a n s H olland über Eöln und F rankfurt, um nach S ach sen

zu gehen,

wo einem K ünstler Achtung und

Versorgung gewidmet werden, und w o llte daselbst eine S te lle bey einem deutschen Thea, ter suchen. A u f dieser Reise tr a f er Abends spat m it der Post in Gelnhausen e in ,

a ls eben die

arme S ophie m it ihrem M a n n e , da sie von iSulb« gekommen w a re n ,

im Posthause in

der T h ü r standen — D ie M a g d kam m ir der Lampe heraus,

um den Fremden zu leucht

tcn — D e r Wagenmeister setzte das Leitern chen a n , und Ludw ig stieg unter den Reisen­ den zuletzt herab — S o p h ie halte n ur unauf­ merksame Blicke a u f die Ankömmlinge gewor­ fe n ,

a ls plötzlich der Eindruck einer ihrem

liebste» B ru d e r ähnlichen P hysionom ie,

ih r

ganzes B lu t nach dem Herzen jagte —

N u r der, dem die N a tu r so viel menschen­ freundliches

G e fü h l,

a ls

Ih n e n ,

mein

theuerster H e rr! gegeben h a t, kann sich eine V orstellung von den Em pfindungen machen, welche

welche die drey jungen Leute durchsirohmten, als sie sich nun erkannten,

u u m n n tn i,

und

die Erzählungen ihrer Schicksale gegen einan­ der auswechselten. Es w ar nicht mehr die Rede davon, sich zu trennen, sonder» man machte neue Plane. Endlich

vermogte

Ludwigs

Beredsamkeit

meine Tochter und ihren M a n n , alle Be­ denklichkeiten aufzugeben, und auch den E n t­ schluß zu fassen, auf dem Theater ihr Glück zu versuchen.

S o wurden diese drey roman­

haften Köpfe a u f einmal von Einem Avantunergeist belebt, vergaßen alle vernünftigen Bedenklichkeiten, vergaßen Kum m er, Sorge fü r die spate Z ukunft, vergaßen E lte rn , V a ­ terland — K u rz ! vergaßen alles, und fuh­ ren nach einer fröhligen M ahlzeit und durchplauderten N acht, auch nach Uebcrrechnung ihrer Baarschaften, die sie itzt mehr als hin­ reichend fanden,

zusammen der sächsischen

Grenze zu.

Ich

I c h kam den rysten vorigen M o n a t s nach Eisenach, hatte ein kleines M i tta g s m a h l für mich bestellt, wollte nach Tische weiter reisen, und gieiig unterdessen a u f dem aroßcn hüb­ sche» P la tze, vor dem Gchlosse und de, H a u p tlieche a n s und a b , a l s ich vor m ir h i n , ein Frauenzim m er m it zwey J ü n g l i n g e n , unter fröhligen Gesprächen, spatziere» sah — D ie S ti m m e n kamen m ir bekannt v o r, und ich blieb auch nicht lange im r.rocifd; D e n n kaum hatten sie mich in die Augen gefaßt, alS die drey R om anhclden anfiengc» da a u f der S t r a ß e eine S cen e und ein Lheatergcm alde anzulegen, welches lustiger itzt a u s ­ siebt, da ich cs erzähle, a ls d a m a ls , da mein V aterherz a u f diese A rt bestürmt w urde — M eine Rolle w a r auch bald entschieden; ich machte a u s vollem Herzen de», zärtlichen V a te r. W a s w a r an d e rs ü b rig ? und w a s »st denn am Ende mehr dabey, dachte ich, habe ich sie doch wieder! G o tt w ird schon w eiter

»ctfcr sorgen — J a ! ich gestehe es, in b k ; sin» Gemüthszustande w ar ich so zufrieden von allem , daß ich beynahe als der vierte N a rr m it ihnen gereist wäre mich hier tadelt,



Und wer

mich zu leichtsinnig findet,

der ist nie in einer solchen Lage gewesen, der W vifin i'.tt, wie eigene Schicksale und erprobte Weianderlichkeit

des eigensinnigen Glücks

den Menschen tolerant machen können — kudwig mag denn Schauspieler werden! E r versuche es, ob dieser S tand in b tr Nähe so viel Freuden gewährt, als er in der Ferne verspricht, und glückt es nicht; so ist noch immer Zeit weiter zu sorgen.

E r ist flüchtig,

aber seine S itte n sind g u t, und sein Herz edel —

Am Ende muß man aus der N oth

eine Tugend machen; Ic h weiß ihm nicht j>r helfen.

Allein

meine Tochter

und

mein

Schwiegersohn sollen diese Lebensart nicht ergreifen.

Der G ra f von Haxstädt, mein

großmüthiger Freund, bemüht sich kräftigst dcn alten von

der Hörde zu versöhnen,

und

fein

feilt letzter B r ie f gab m ir H ofn u n g chem E rfolge.

zu glücklu

A ch! wenn das der H im m e l

w ollte — Und ich d a rf m it Zuversicht hoffen, das; es gelingen w ir d ,

sobald her V a te r ntte

e rfa h rt, daß man f-:in n es oi;,it wiedergefunden bat

Unterdessen habe ich ihnen ein paar

Zimmerchen in Eistnach gemiethet,

wo

sie

toorerlt bleiben tonnen. C ie hatten noch G eld, und Ih r e G roß m ut!),

mein gnädiger H e r r !

setzte mich m b e iu rta n h etwas hinzuzufügen. Diese m ir so wichtigen Geschäfte haben meine Reise m it antet (halb Tage verzögert, so daß ich erst eben ankomme, wegen ro,lebet V ersänm niß ich unterthänig nnt Verzeyhung bitten m u ß , w eil ich dadurch abgehalten w o r­ den b in , bis itzt in Ih r e n Geschäften th ä tig

zu seyn.

D on morgen an bin

ich ganz Ih r e n

A ufträgen gewidmet^ D e r ich ehrerbiethigst verharre, - M e in e s

beste n H e v r tt treuer Diener

Müller» Pomaii II. TI).

I

Z w o lü

Zwölfter Brief. A n den H errn Commerzicnrath M ü lle r in W c h la r. Urfstädt den isten Julius 177s. ^ h r e beyden Briefe * , mein guter Freund! ^

habe ich richtig erhalten.

D ie E r;ah-

lung von der Zusammenkunft m it Ih re n älte­ sten Kindern hat mich lebhaft gerührt. M ög len S ie Alle recht glücklich werden! Und das hoffe ich gewiß; denn wie ich höre so scheint auch alles sich zu einer Aussöhnung m it denen von der Hörde anzulassen. Diese Nach­ richt haben m ir Ih r e beyden jungem aller­ liebsten Knaben, nebst beyliegendem Briefe * *

mitge* Der eine derselben findet sich nicht. Die» ist der folgende dreytehnte B rief, von eben dem Freunde geschrieben, dessen int ersten Theile, Seite 10$ am Ende Erwähnung geschieht.

* *

Mitgebracht.

S ie sind gestern angekommen

Und machen m ir so viel Freude, öati ict, f it b is ;n

I h r e r Rückkunft bey m rr behalten

werde. W enn S ie Geld bedürfen;

so sagen S i t

es a u fric h tig !

Ih r e erste N achricht wegen des Processes * verspricht freylich nicht viel G utes.

V ie lr

leicht klä rt sich aber alles besser aus

S p a re n

S ie keine M ü h e !

sehr viel

Ei* hangt v ie l,

von diesem Processe a b ;

Ic h werde Ih n e n ,

so lange ich lebe, dankbar d a fü r seyn.

Leibthal.

Ä2 * I n dem fehlenden Miefe.

DkW

iyi rsüsrsnSSsrrsssSsr'SirsrrsösnS^rsr

Dreyzehnter Brief. ( in dem vorigen eingeschlossen-)

An

des H e rrn Commerzienraths M ü lle r Hochedelgebohren.

Amsterdam den irten Innius 1770. Werthgeschätzter

Freund!

Q pro. Hochedelgebohren können fest versichert seyn, daß Dcnensclben ich stets m it glei­ cher Hochachtung und Freundschaft zugethan seyn w erde, und daß m ir also jede Versiche­ rung von D ero fortdauernden Gewogenheit so viel P rrg n ü g e n ge w a hrt, a ls ich gestern bey E rh a ltu n g D e ro verehrlichtcn Zuschrift empfunden habe.

Denenselben habe

heute gute

Nachrichten m itzutheilen.

und böse

D e ro F ra u Liebste

befinden sich w ürklich unpaß, und müssen daS

ST'tttr

IZZ B itte hüten,

wie solches Ew . Hochcdclger

bohre» ältester H err Eohn

m it mchrercm

melden w ird. Dieser wackere junge M an n w ird

nun

gewiß seine Fortune machen, maaßcn sein P a tro n , welcher gute Geschäfte macht, ihn» sehr w o h lw ill, und, wie cs heißt, ihm bald seine einzige Jungfer Tochter überlassen w ird , welches eine sehr vortheilhaftc Partie ist. Dero Herr Schwager V a n B lü m stehen noch so ziemlich unter dem Pantosscl, und dürfen sich also der Cache m it der von der Hördischcn Fam i'ie nicht, so wie sie wollen, annehmen.

Allein man spricht doch davon,

daß der alte Vater schon anfange, andre C e l­ ten aufzuspannen, welches von ganzem Her­ zen wünscht, und in aufrichtiger Freundschaft erstirbt, Ew. Hochcdelgebohren ergebenster tieiistirilliger J a c o b H e i n r i c h L e s c o w.

I3

V ic r-

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Vierzehnter Brief. A n den F rey h errn von Leidthal in U rfstadt.

Mayn; den :6sten Iullus 1770,

^ l l e s geht gut h ier, mein bester H e rr! M eine A usrichtungen scheinen gcschwins her eine glückliche W cnduna zu nehm en, a ls sch v orau s verm uthen dinste, und obgleich m ir zuerst manche reute viel in den Weg leg« le n ; so hoffe ich doch in wenig Tagen schon den churfü snichen Befehl zu E rlösung unsres lieben befangenen in die H ände zu bekom­ m en; E her habe ich nicht schreiben w ollen. G o ttlo b ! daß der beste F ü rst, der niem and gern in seinem kande gekränkt sicht, derglei­ chen M ißbräuche der G ew alt nicht billigt,

Durch [4261

Durch bis bcyliegcndcn Abschriften mci« „e r bcsfalls gehabten Verhandlungen * wer­ den S ie ,

mein theuerster H e rr!

am besten

von allem unterrichtet werden können —> K u r ;!

der gute arme Herr hat seine Frey­

h eit, sobald erwiesen werden w ird , daß die von m ir angeführten Umstande wahr sind, und die Untersuchung w ird dem Geheimenrath v o n ............. aufgetragen werden — Wenn nur nicht der Tod sich vorher ins M it ­ tel schlagt! — M ein Herz ist getheilt unter Freude und Unruhe.

Allerley Nachrichten, die ich von

Güttingen bekommen, haben mich heftig er­ schreckt.

Dem jungen H errn von Hohenau

hat die Liebe den K o p f mehr als jemals um« gelehrt.

E in B rie f,

den m ir derselbe ge­

schrieben, sagt m ir das schon deutlich genug, denn er klagt darinn über unempfindliche kalte Menschen» findet die ganze W e lt verdorben,

2 4 * Kiese finden sich nicht.

cnt«

rz6

------

entfernt vom geraden W ege der N a tu r ; findet es abscheulich, daß ein Mensch dem andern, des leidigen G ew instes w egen, dienen solle. W aru m kann m an nicht, an bei S eite eines treuen W eibes, im ersten patriarchalischen Zustande, sein Feld bauen, sich der wonne­ vollen N a tu r freu en . und fern von S tä d te n so in Unschuld und R uhe dahinw andcln? — S o ist sein ganzer ir n c f , und zugleich habe ich durch einen Freund erfah ren , daß er zwey T age von G öttingen abwesend gewesen ist, die er vermuthlich aus Hundefelbs G u t zugebracht, oder nur a ls ein Nagender S chäfer, in dcn F luhrcn um herirrend, nach dem Kirchthurn« hin geseufzt h a t, der oic Ehre genießt, täglich von seiner Schonen angcfthn zu werde» — Ic h weiß m ir nun wahrlich nicht zu hel­ fen. S o ll ich ihm itzt seinen V ater entde­ cken; so fürchte ich, daß so viel starke G e­ fühle seine Seele überspannen und seinen K opf verwirren. R athen S ie m ir, gnadi, ger

gcr H e rr! Ic h reise den 'seit ‘Vuijuff gewiß Von hier ah, und hoffe fei-ntief it in v U tlin ; gen einen Deief m it Beifal>ii»i6hefehlen }it finden,

dee ich m it treuer Eigedenheit

bin,

I

h r

untcrtbdniger Diener M e y c r.

2 5 [429]

F ün f,

i;8

c oooocc>oooooooooc>c eo

Fünfzehnter Brief. An den Herrn von Hohenau in Göttingen.

........... den >strn August 1770. dien E ie Eich gefaßt,

mein lieber

^ m m b ! einmal wieder einen langen B rie f voll Reise, Aniiecdoten ;u lesen!

Ic h

streife wieder liebst meinem Oheim, der mich, wie E ie wisse», theils einer gewisse» D e« Handlung wegen,

theils um mich abjuholt»,

hier besucht hat, auch schon zweymal in Urs# st.idt gewest» ist, im Lande umher,

besuche

Höfe, Elädke, D örfer, sammeln Portraitke. und denke einst ein llciiies Werk über diese Reise 1» einigen Qnarlbanden auf Pränume# raiion herausjugebe»» ein Werk, das gewiß sogleid) werden.

aller

Orten

w ird

nachgedruckt

3n

In

meinem lefifen ST-riefe vom vorige»»

Monathe

sagte iei) jl'iie u ,

bo|j w ir in

häuslichen Geschäften nebst .nernr und Frau von M . . . . n a c h .............reifen wurden. D as thaten w ir denn auch/ und holten bic* selben auf ihrem Gute ob' Der M ajor von M . . . .

ist ein guter

M a n n , nur ein bisgen weibisch, weiiläuftig, »mb unaufhörlich besorgt ftir feine Werthe Gesundheit, ohngeachtet er ^ n>ie der blaffe (iominevhere V . . . zu saaen pflegt) recht eclelhastgesundaussieht. Die Frau v o n M ... hingegen bat gerade die Eigenschaften,

die

ihrem Manne fehle«, aber iiielitb von derje, Nigen Eanskniukh.

die billig die (Grundlage

tzes weiblichen Eharaclerü seyn sollEs sollte diese i?anflniutb bey Frauen« zimniern nie, auch nicht durch ihre lebhafte, (teil 'Aufwallungen, verdrängt werden, denn sie ist das fe|te|ic Band häuslicher Gluckse« ligkeit. * «Dtt «brr nicht in dieser Eamiiiluiig ist. [ 431]

ligkeit.

Ueberhanpt w ird das schöne Ge-

schlecht mehr durch die gefälligen Tugenden, als durch die hohen, geziert.

D a s ist die

Bestimmung desseiden, und den weisen Absichte» des Schöpfers gemalt. Gefühl

und

ein

feiner

V ie l sanftes

Verstand

passen

dess r in ein so schönes, weiches und zierli­ ch ü Gebäude,

als ein Herz,

das durch

nichts erschauert werden kann, ein tie f nach« grübelnder, philosophischer, moralisch-systenie.tischer Geist.

Besser übertriebene Lebhaf­

tigkeit (n u r muß dieselbe das Gewand der Amnnth haben) als eine immer gleiche Gefehtheit und Ueberlegung bey allen V orfallen des Lebens.

Wenn man die Bestimmung

des weiblichen Geschlechts bedenkt; so findet man Ursache genug ihm häusliche Tugenden vor allen andern zu empfehlen.

Ic h freue

mich allemal, wenn ich eine Frau sehe, die beständig unter ihren Kindern leben,

und

jedes Ja h r noch ein neueö gebühren mögte. D ie N a tu r hat es so gewollt, daß dies Ge­ schlecht, um m it Freuden seine Bestimmung

tu

-----

Hi

zu erfülln«, so viel Glück und R u h m in seiner Fruchtbarkeit sucht, keine Schm erzen furch« t e t , und m it starken B a n d e n an feine S p ro ß « luvte geknüpft ist. N ichts ist unangenehm er, a l s die W a rtu n g eines K indes im ersten J a h r e . Ic h habe »nich dennoch oft vcrwun« d e r t, wie lebhafte F ra u e n sich ganze T age d am it beschäftigen, und so ein kleines unappc« titliches Geschöpf tragen und pflegen können. D le F r a u von M • . . bat aber keine K in d er; Vielleicht tra g t auch d a s v«el zu der R auhig« keic ihres C haracters bey. W i r kamen des Äbends a n , und w urden nach einer artigen M ahlzeit in zwey große altfrankfche Zim m er geführt. E s tr a f mich die Reihe in e nem B ette zu schlafen, w o rin n der G r a f von Gleichen m it seinen beyden F ra u e n und einigen K indern würde Platz ge« habt haben. Nachdem ich verm ögt eines ho« Heu S t u h l s in dasselbe hinaufgestiegen, und nunm chro von weiche» Federn bis z um Ersti« ckcn umgebe» w a r ; konnte ich sogleich nicht eiuschla«

142 einschlafen;

Ich hakte aber ein Nachtlicht

brennen laue», und brschaurke so rund unthte die Auszierungen des Zimmers.

Die Bett-

vorhänge waren m it Holzschnitten gedruckt, und zu Ehren des Kaisers beopold, hochseli» gen Andenkens,

häufig m it seinem B ruß-

bilde versehen, neben welchem die Fama ihre Posaune hören ließ,

und die heiligen Engel

so viel lkoorbcerdlätlek ausbreiteten, man unzählige beut's

daß

la mode damit hatte

schmackhaft machen können. I m Zimmer hiengtn auf einer Wachstuche nett Tapete, auf welche Papagaycn, W ein­ trauben und Klapproseit. eines um das andre gemalt waren,

die B ilder der hohe» V o r­

fahren der M . . . . scheu Familie.

Darüber

machte ich denn meine Anmerkungen. Solche tzamilicnßsicke »emlich haben gewöhnlich ein trauriges Schicksal.

T er Herr Gemahl last

seine Frau im Brautschmncke malen,

und

hangt bild B ild im vergoldet' » ?ial>inen über seinen Schreibtisch.

Wenn sie einige V'I're vtihti-F

verheyrathetsind, w ird das P o rtra it zu einem Z ierra th des Besuchzimmers, mehr des Rah­ mens

als des

Gemäldes wegen gemacht.

D e r E o h n , der das Etück erbt, h ält es in E hren, und henkt es, nachdem er vorher den goldenen Rahmen um sei» eigenes B ild gelegt h a t, schwarz eingefaßt, über das Caniin der Eßßube.

I n der folgenden Generation wan­

dert das B ild unter die übrigen Fam iliengcniäldc, und nach fünfzig Jahren muß cs sehr glüctlich zugchn,

wenn nicht aus dem

Hausrathsboden der kleine Junker nach dem wohlgeräuchcrtcn P o rtra ilte m it dem Blasetohre schießt. Ueber diese Betrachtungen schlief ich allm ählig ein, nachdem m ir vorher die liii l m manches lange Lüllische Opern - Chor vor« geheult hatten. Den folgenden ?ag blieben w ir noch dort, und bekamen Besuch von Herrn und F rau von kylienseld, einem jungen kürzlich vcrheyrotheten Paare.

Di«

D ie Frau von Lylienfeld ist die Tochtev eines redlichen GeheimenralhS, von bürge» lrckein S tande, der aus zureichenden G rü n ­ den, die sich auf die allgemeine Verdcrbniß der Jugend in . . .

. gründen, seine jtm *

der etwas strenger als andre V ater in der Zucht und Vermahnung zum Herrn gehalten hat.

Daher zeichneten sich dieselben auch vor

andern ihres

gleichen aus.

Jüngste unter ihnen,

S ie

ist die

und hat die längste

Zeit unter der besondern vat rlichen G ew alt gestanden.

Diese und alle Ungemächlichkei«

te n , welche die ununterbrochene Gesellschaft eines alten V atcrö einem M adgen, die, in der Blüthe ihrer Ja hre, auch zuweilen nach anderm Umgänge seufzt, zu geben pflegt, hat sie auf eine A rt ertragen, die ihrem Herzen und Verstände Ehre macht.

E o waren ihre

ersten Frühlingstage

verstrichen —

nicht ganz ungenützt.

D ie Liebe hatte auch

Doch

die T hür von des Geheimenraths Bibliothek zu finden gewußt.

O ft wenn unsere Dem oi-

ftUe dem alten Vater eine Abhandlung über die

——

i45

die Vergänglichkeit der menschlichen Dinge, über die Bekämpfung der drey geistliche« Feinde, odereine Deduction des Königs vo« Prenffen über seine Rechte ans Schlesien vor­ la s ;

fast der schelmische Cupido auf der

NachtnillNe des A l t » .

und schoß seine«

schärfsten Pfeil in des jungen Mädgens H erj. I h r iOlger M a n n , der Hauptmann und tirt redlicher wackrer Mensch i|t, heit gefunden,

hatte Gelegen­

sie zu sprechen,

;u liv' cn,

von ihr geliebt zu werden, und den Barer zu gewinnen, welcher der Heyrath me ha! tu t Hinderniß tu den Weg legen wollen.

Aber

ein grauer, mürrischer Oncle dcö Liebhabers, der bey alle taus.nd S c h w e r» ...! und schwor, hrnrathen,

fluchte

sein Neffe solle eine Adeliche har des jungen M annes W ün­

schen stets seinen Eigensinn eucaegen gestellt. Endlich hat eine gew iff Erbschaft den ->perc von Lylienfeld in den Stand g.seyt

sich der

Tyrannei) seines Oncles zu entziehen. hat die Demoiselle gehcyrathet.

dem Oncle nicht vor Augen kommen, Noma» ii. o '.

K

Ec

darf zwar lebt aber

aber sehr vergnügt, und w ird vom Schwie­ gervater unterstützt. Tages darauf reiseten w ir zusammen ab, und obgleich ich gesagt habe, daß die F rau von M -

nicht viel weibliches hat;

so

zeigte sic doch hier, daß sie nicht ganz ans der A rt geschlagen w a r,

denn ohngeachtet

w ir früh um sechs Uhr reisen w ollte n; w ar sie doch erst um halb nenn bereit.

so D er

H err von M . . . w ar schon den Tag vorher fo rtg e rilte ii, die Camincrjungfcr nahm also den vierten Platz im Wagen e in . und als w ir einstiegen fand sichs, daß man so viel Schachteln und Käsigen hineingestellt hatte, daß w>r (die w ir unsre Beine nicht wohl ab­ schrauben und in die Tasche stecken konnten) fü r unsre Markknochen herzlich wenig Platz hatten.

Ic h

nahm

m ir deswegen,

weil

ohnehin die Wege so schlecht sind, daß man nicht geschwind fahren kann, die Freyheit, zu Fuß voraus zu wandern.

Klio-

K lippen!

nichts als

Klippen,

hohle

Wege, Abgründe, so gieng cs bis spat auf den Abuid.

Als »un bald der Weg a n fin g

gut zu werden, ich müde vom Gehe» war, und w ir itzt hätten anfangen können, schwinder zu fahre», brach ein Rad.

ge­ W ir

banden, so gnt w ir tonnt, n, einen Baum unter die Kutsche, und hoffte» ans diese A rt, nachdem w ir Alle ansgestiegen waren, und den Wagen nachschleifen liegen, die ndd |te (Stattoit zu erreichen; Allein es wollte nicht gehn, und war kein andres M itte l, als auszuspannen, und den Wagen liegen zu lagen, bis man vom nächsten Dorfe cm Rad würde geholt haben. Der Postillon r itt also fort ; Ein Bedienter blieb mit der Eainmerjungsec beym Wagen; der andre sollte voraus auf der folgenden (Station Pferde bestellen, und w ir folgten ihm lndestcn nach; Weil aber die Fran von M . . .

einen naher» Fußweg

durch ein kleines Wäldchen zu wiffen glaubte; so stenerten w ir dahin.

K2

Es

E s w ar ein trüber A bend, tttib w ir furchteten R eg en , deswegen eilten w ir die S t a ­ tion zu erreichen, verfehlten aber im Holze den W eg , und geriethen dadurch in keine geringe V erleg en heit, denn es tröpfelte schon. In d e m w ir nun immer gefchwinder gicngen, stiessen w ir plötzlich au f fü n f M ä n ­ n e r, die w ir für nichts g crin g ers, a ls für eine Diebesbande hielten — E ie wogten in­ dessen von u n s wohl keine größere Id e e ha­ ben — E s kam zu gegenseitigen E rklärun­ gen , und m an erkannte sich für ehrliche Leute. Allein die M än n er versicherten u n s , w ir w ären um anderthalb S tu n d en au s der Rich­ tung gegangen; E iner von ihnen w ies u n s a u f den rechten W eg. S o kamen w ir endlich a n ; naß bis a u f die H a u t, und sehr erm üdet. Nach und nach folgten denn auch Kutsche, B edienten, frische P ferd e, und alles — „A b er seht m ir an, „ I h r loses V olk! D a ist meine H anben„ schachte! durch d as S ch ütteln unter b as

,,?Ipo-

„Apothckerkästgen gekommen, und in @ iw „ mu|tudxit gebrochen. „nichts Acht.

I h r gebt doch auf

Seht einmal reit die Haube

„ nun aussieht! " — „ Desto besser" dachte ich „ Jetzt habe ich wenigstens für Ein Bein „P la tz " M an stieg ein, und die Reise gicng dis zum Morgen glücklich fort. In

H ...

frühstückten reif.

Hier ist

eine schöne Gegend, Ebene, Wasser — Ic h athmete freyer — „H e rr Postmeister!

um

„Vergebung, wer ist denn die hübsche junge „ F ra u , da gegen uns über, im Fenster?" — „E in e junge Prediger, W ittw e " — Ic h glaubte sie liebäugelte m it m ir, aber, »H im in c l! cs galt einem andern Glücklichern, der in der Thür des Nachbarhauses stand — mich sah sie gar nicht.

„Verzweifelt: Ic h

„ w i l l mich henken lassen, Herr W irth ! wenn

„sichdie beyden Leute nicht lieben" —

„ S ie

„müssen Sich wohl darauf verstehen, mein „H e rr! Freylich, man spricht so davon — „Aber in allen Ehren." K Z

W eiter!

W e ite r ! I n F . . . aßen w ir ju M itta g . D ie Treppenstufen waren so hoch und schmal — man mußte sieb an die Schien­ beine stoßen — Ein gebackenes Eyerr CataP lasm a eine Fußba. suppe. und dazu B ier, m it Ofenruß braun gemacht? „ N e in das 1(1 „ elend! W a s Hilst nun die Hausapotheke, „g> adige F ra u ! das Käsigen. das mir die „Knöchel wund geschabt hat ? W aru m nicht „lieber einen Flasch.nkeller m itgenom m en?" N u r fort! D a sind w ir im ritkerschaftlichenGebiethe! Ah! la bellechose, q u e d ’etre Chevalier! —

„ U m Vergebung, mein H err! wer sind „ S i e ? " — „ I c h bin der R e ic h s -P o s t„ R e u t e r ! " — „ S o ? G u t , fahrt n ur „ $ u !" S o kamen w ir denn endlich an O rt und S te lle , und fanden den H errn von M . . . schon da — I c h ließ jeden seine Geschäfte machen.

machen, und suchte mich indessen, so g u t ich tonnte, zu unteehallen.

D ie

beyden

habe ich besucht. der

C our,

benachbarten kleinen Hose In

. . . .

w a r, wahrend

Toueert.

Der

erste V io lin is t

spielte wahrlich recht b ra v , gebchrdctc sich aber so abscheulich dabey, daß es m ir M it« leiden erweckte. sein T a le n t,

Ic h g,e»g zu ih m ,

und bedauerte n u r,

das so sehr ermüdete.

lobte

daß ihn

E r versicherte mich

ganz ernstlich, daß kein In s tru m e n t arger die B ru s ta n g re ife , a ls die V io lin e .

B ey T a fe l

sahe ich denselben M a n n den Nachtisch auf« tragen,

und erfuhr b a ld ,

E onditor wäre.

daß er zugleich

M eine N achbarinn an der

Tafel sagte m ir, es sey sehr bequem fü r die Durchlauchtige H errschaft, daß dieser Cam« merdleiier (den»

diese Bedienung versah er

auel>) zugleich T o n d ito r, Concertmeister und Eanzellisi sey — I n

W a h rh e it, m i rechtes

E aineleou! Unterdessen kaun daraus manches w ir bey ihm waren, kam er mir äusserst medcrM 2

geschliv

geschlagen v o r , da ich doch sonst eine im m ci flie ß e Gemüthsruhe an ihm gewöhnt bin. W ir gicngen Alle in die Kirche, und höre ten von Ih re m redlichen, guten Pfarrer eine wahrhafte Herzcnspredigt —

D a s ist et«

M a n n , wie ich ihn gern habe — D a w ar feine künstliche Beredsamkeit,

voll Blum en

und poetischer B ild e r, wie ste meine Phan­ tasie ju Hause m ir besser erfinden wü de; D a w ar keine gelehrte dogmatische Abhand­ lung , aus den Werken sophistischer D um m ­ köpfe zusammen geschmiert, welche die heilige R e lig io n , die ganz für das Her; gemacht ist, a u f kalte Vernunftschlüsse zurückführen, und m ir in verwickelten Beweisen darlhun wollen, w as ich als Knabe schon fühlte, wenn ich mich der schönen W e lt freuete, die gan; von I h m voll ist, dessen Liebe alle Crcatur um­ fa ß t; D a w ar kein In fo rm a to r-T o n , kein Schreyen über Aerderbntß der W e lt, im m er,

die

so wie sie itzt gewesen ist, bleiben

w ird ; jl'em Schimpfen a u f Laster, die nur durch

-------

i

$i

Lurch S a n ftm u th , Geduld und Beyspiel ge­ m indert werden — N e in ! es w ar eine ein­ fache, san fte, gefühlvolle, ungekünstelte Beredsamkeit des H erzens, voll Liebe und W a rm e , ohne O eclam ation, Ereiferung, P rahlerey und Uebermuth — Ic h hätte den M a n n an meine B rust drücken m ögen, der ganz in dem Geiste der Apostel die Lehre ver­ kündigte, die nicht Menschen gegen M en­ schen erbittert noch em pö rt, sondern die G u ­ ten naher an einander kettet, daß sie sehen und fühlen, wie freundlich der H err ist, der seine S o n n e aufgchn läßt über Böse und G u te — W ir speisetcn des M itta g s iu großer G e­ sellschaft bey Ih re m Pflegevater — O er H eu, kcr w eiß, wo er alle die A m tm änn er, S ta d tphystci und Com m ißionsräthe anfgctricbcn h a tte ! E s w ar ei» ganzes M agazin von P e­ rücken in allerley F orm en , w ir sic nach und nach in Frankreich M ode geworden w aren, von deS M inisters Colbert Knotcnpcrückr an , M 3 b is

b is a u f eine Atze! von E isendrat, wie sie etwa ein Commis der Regie trägt. I c h saß zwischen einer wohl gemästeten C om m ißionsräthinn uno einer kleinen zusam­ mengeschrumpften O o c to r s - F r a u , m it einer niedrigen, sck Warzen, wollenen H a a rto u r, D ie Eine redete immer vom W etter, und die Andre fragte mich, ob ich die Anatomie in Königsberg gesehn h ätte? D e s H errn EomMi lonsrath L o h n , der Fähndrich, w ar auch mitgekommen — ein ungeschickter Lüm­ mel der, wie es schien, den W e rth e in e s Officiers darum setzte, unverschämt, u n ­ wissend, und v.rwitzi.) zu seyn, iiud alle übrigen S ta n d e für klein zu halten. D o n zwey bessern Gasten verspüre ich mir das V ergnügen, nachher» zu reden. Nach Tische überraschte u n s au f eine an ­ genehme Art der allerliebste Eammeriunker von Morgenschütz. E r tra t mit seiner ge­ wöhnlichen Selbstgenügsamkeit herein; sprach

ein

=

i 83

ein W o rt um das andre französisch und deutsch; bath uns Sille, 511 th u n , als wenn er nicht zugegen w äre; begegnete niemand m it eint#

ger Achtung als den W irth vom Hause; sprach beständig vo» wichtigen D in g e n , die keinen von uns interessierten;

wußte uner#

hört viel Annecdoten von Personen, die w ir nicht kannten — „ D ie s hatte ihm der Fürst „gesagt,

jenes der M inister cn confiance

„vertrauet — Gestern als er m it der Fürstinn „ allein indem Echloßgarten spatzieren gieng, „begegnete ihm der —

Ueber ein gewisses

„ Pvojvt dürfe er sich noch nicht erklären —■ „ D er Canzler sey ein frommer M a n n , voll „ l-'vL'juges,

wie et» Dorfprediger — I n

„ B e r lin sey jetzt eine herumzieht nde Bande, „ ttn spcctacle allemand, c’cft tont stire — „ M i t dieser Cache würde es gewiß gut ge# „gangen seyn, wenn der Fürst seinen Rath „b e fo lg t hatte —

E r leiste gewiß keinem

„Menschen des ninuvais officcs“ — Doch w ir wollen beit Narren laufen lasten



Und

C ic kennen ja alle diese Originale — Di 4

UM

Um vier U hr gieng denn die Caremonie v o r sich.

D ie J u n g fe r B r a u l hatte einen

gelben damastenen Schlenker von der seligen Daronesse von Leidthal a n . und dabey rosen­ farbene Bandschlcifen.

D e r Perückenmachec

H aberkorn, der die ganze Nachbarschaft m it seinen Kunstwerken versieht,

hatte sie, in

halb Menschen- halb Pferdchaaren aufgesetzt, und wacker

eingepudert.

Christoph

B ir n ­

baum w a r von feinem guten H e rrn m it einem Scharlachklcldc nebst grüner Weste beschenkt worden.

A u f dem Rocke w a r der Platz, w o

die Cainmerhcrrnknöpfc und der S te rn geses­ sen hatten, noch deutlich zu sehn. Nach der T ra u u n g , während welcher die theure T r a u t, wie ein S chloß hund, heulte, vcrsamnilete sich m des V e rw a lte rs W ohnung die ganze Gesellschaft, und eine artige C olla-

tion erwartete sie daselbst.

U nter den hohen

Anwesenden waren S chreiber, Schulmeister

Mit ihren W e ib e rn , und a n d re ; Lauter artige Lenke,

welche zuletzt recht la u t und frö h lig w urden.

------wurden.

W ir

i*5

gicngcn ab und zu,

und

mischten uns von Zeit zu Zeit unter sie. Ic h bemerkte gern, wie das junge Paar sich m it derjenigen W ürde zu betragen wußte, die ihm

seine EtandcSerhöhung

und

des

H errn Daraus Schutz einflößte. D er Eckulmcisicr aus Urfstadt machte allerley lustige Schwanke,

zu Ehren der Jungfer B ra u t,

unter andern schnitt er aus einer Pflaume ein Wickeltindchen.

Auch trank et allerley

witzige Gesundheiten, a ls : „ W a s den M u th „ stärkt, und zum Herzen geht" „ J a h r um diese Z e it" „ N a c h t" u. d gl.

„Ueber ein

„ A u f eine unruhige

Ferner hatte er den ge­

schlungenen Namen von B ra u t und B rä u ti­ gam m it Kohlen auf seine Hand gemalt, und drückte das seinem V e tte r,

dem Cammer-

fcribentcn, vor die S tir n . Gegen sieben Uhr ficng man an zu tanzen, und zwar nicht blos landmaßig,

auch

englische Tanze.

sondern

In

der Zwischenzeit

M 5

speiset

i86 fprtscfcn w ir Alle an einer .«roßen T a fe l, und dann vubijtv sich um M itternacht das Fest in Ordnung und Fröhligkeit. Jetzt w ill ich Ih n e n sagen, wer die bey, den ©o|le waren, redete.

von denen ich vorhin

H err und M adam Becker waren es,

welche auch eingeladen und erschienen w aren .* Glaube» S ie m ir, niich ungemein.

diese Leute intereßiercn

Von ihrer Geschichte weiß

ich w enig, aber das Wenige ist sonderbar genug. Madam Becker hatte in ihrer Jugend einen Menschen geliebt» der m it ihr aufge­ wachsen w ar.

D ie Eltern aber hatten,

wie es scheint, in diese Heyrath nicht w illi­ gen wollen,

sondern die Tochter gezwungen

einen Andern (ih ren jetzigen M a n n ) zu heyr rathcn,

* Man sehe im ersten Theile den ersten Brief, Seile 27 unten. Waö gilt e, das ist die Wilhelmiiie, von roel# eher im ersten Theile im eilften Briefe, S- 122, Meyer Erw ihnuin, thut? Wie doch in den R»r Manen die Leute rusammenkommen!

= rathen,

i8T

fü r den sie keine N eigung

D aher lebten sic v e rn m tb lu t

hatte.

in den ersten

Jahren nicht sehr vergnügt von beyden T hei­ len , und das M lö tra u e n des H e rrn Beckers, a ls wenn seiner Frauen Herz noch von der ersten kiebe vo ll seyn, und sie vielleicht gar ein geheimes V erständnis m it bem Freunde ihrer Jugend unterhalten w ogte, bewog rhu, in eine ferne Gegend zu ziehn.

E r nahm

sogar einen fremden Nam en a n , rifr sich von allen

lo s ,

und

nachdem er so von seinem V erm ögen,

bisherigen

Verbindungen

das

hinreichend seyn soll ihn zu unterhalten, verschiedenen C ta d tc n gelebt hatte,

in

zog er

endlich m it s ilie r F ra u in diese Gegend. D ie G ew ohnheit m it einander umzugehu, ' nach­ gebende G efälligkeit der F ra u , und die Uebere in fu n ft ihrer D e n ku ng sa rt, durch HerabstiMMilNg

welche zuletzt

von beyden s e lte n ,

jtnb Abschleifen der rauhen Ecken ihrer Ehaxactere

entstanden

tji,

hat

ui

ihre

Ehe

Nach ulid nach eine conventrouelle Glückse­ ligkeit gebracht, und ich bemerkte nicht, daß unzur

m unzufriedene Blicke unter ihnen gewechselt Wurden. Ueberhanpt glaube ich, daß es mehr glück« liche Ehen giebt, als man gewöhnlich m eint. Eine gewisse idealische Glückseligkeit,

a uf

welche man überhaupt in dies e W e lt V e r­ zicht thun muß, erwarten.

kann man auch hier nicht

D a s erste Feuer der Liebe, daS

durch Schwierigkeit, Ungewißheit, Neuheit, feinen Reiz bekömmt, fa llt wohl unter Ehe­ leuten nach und nach weg; aber es t r it t an dessen Stelle eine ruhige W ärm e, die durch gegenseitige Gefälligkeit, Treue, verbundenes Interesse,

Gewohnheit,

Gemeinschaft

Guten und Bösen, unterhalten w ird ;

int und

da w ird manche sonst unangenehme Sorge zu einem neuen Baude.

Selbst die Eifersucht

ist dann oft ein Glied in der Kette händlicher Glückseligkeit, freylich nicht die grobe, un­ vernünftige A rt Eifersucht,

sondern die zu

rechter Zeit in Bewegung gesetzte zärtliche Besorgniß: man konnte ein Herz vcrliehren, das

das unS so theuer, so nothwendig geworden ist.

J a ! ich bin überzeugt, daß Personen

von ganz entgegengesetzten Temperamenten sehr zufrieden, vielleicht zufriedener als solche, die Sym pathie vereint hat, wenigstens nach ein paar Jahren Z eit, können.

m it einander leben

Wenn sie vernünftig sind, so wer­

den sie bald einer des andern Schwachheiten ertragen könne».

D ie lieincn scharfen Ecken

stoßen zuerst hie und da einmal zusammen, aber sie reiben sich bald ab, wenn sie irgend biegsam sind, Stellen da;

nnd sind ja einige zu harte

fo weiß man sie so zu drehen,

daß der Freund nicht dawieder rennt. — Ic h glaube. mein junger H e rr! daß S ie gern etwas von häuslicher Glückseligkeit hö­ ren, deswegen schreibe ich dies. ich aber aufhören.

N un w ill

Leben C ie w oh l,

und

lieben ferner Ihren

ergebensten Diener v. Wc c k e l .

Ein

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Ein und zwanzigster Brief. A n den H errn Hauptmann von Weckel.

Urfstädt den 2iflcn August 1770, E s hat m ir weh gethan, mein lieber Freund! daß S ie gestern nicht zu m ir kommen konnten;

Ic h

chen! —

Wenn man etwas auf dem Herzen

h a t;

hätte S ie

so gern gespro­

so ist kein süßerer Trost,

Freunde sein Leiden zu klagen.

als einem Ic h habe

recht viel a u f dem meimgen, und bin jetzt ganz allein.

Dazu weiß ich, wie lebhaften,

herzlichen Antheil S ie an allem nehmen, w as m ir begegnet,

und wie

gütig S ic meine

Freunde als die Ih rig e n betrachten.

So

w ill ich Ih n e n denn wenigstens schriftlich erzählen, w ollte,

was ich Ih ne n niündlich klagen wovon mich aber Ih re und meine

Unpäßlichkeit abhält

I c h

Ic h

erhielt

M e y e r, *

gestern

einen

B r ie f

von

a u f dem CickSfelde geschrieben,

m it der traurigen Freundes Tode.

Nachricht

von

meines

Eben in dem 2lug. u m eh*,

da ich diese» ersten Gespiele» meiner Jugend, nach langjährigem Trübsal in meine e.rmc zu fehliessen,

und noch ein paar glückliche

J a h re m it ihm zu verleben hoffte, w ird er m ir , fü r diese W e lt, entrisse».

M eyer kam m it meinem C arl den iz te n AbendS a u f daS C ichsfeld,

und ihre erste

(Sorge w a r, wie man denken kann, sich nach dem armen Gefangenen zu eriunoigen. erfuhren,

er sey sehr schmack),

C ie

und werde

schwerlich noch ein paar Tage leben.

Nun

zeigte M eyer den Befehl de6 (ib ttrfü rirrii, den Leidenden, bis zu vollbrachter Untersuchung, in eine bequeme W ohnung zu führen.

D ie s

schien einigen H e rrn nickt zu g e fa llen , und sie brauchten allerley V o rw a n d die Fremden abzuhalten, de» Unglücklichen zu sehn, obgleich ft«

* welcher aber nicht eingerückt ist.

sie sich äusserlich ganz gleichgültig bey dem H andel und der bevorstehenden Untersuchung stellten. D en >4ten führte m an endlich meine bet)* den Abgeordneten in den K erker, und da gab es c n o t im r tn tt, den der geschickteste M aler n u r schwach darstellen w ürde. M eyer fand es n ö th ig , den jungen H oi Henau vorzubereiten, seinen sterbenden V ater in dem G efangenen ju u m arm en, aber der Jü n g lin g geriech darüber m einen G em üthszustand, der alle Anwesenden in Furcht und Schrecken sehte. E r stürzte sinnlos in d as G efängniß und '— noch e in m a l! w a s für eine S cene da v orgieng, b is zu dem Augen­ blicke, da der V ater verschied, daran ver­ m ag ein zärtliches Herz nicht ohne W ehm uth zu denken. C arl hatte n ie , auch nur eine dunkle Ahnbnng gchabt, daß sein V ater noch lebe —

Ihn

m I h n h ie r, in dem Zustande, m it gebrochenen Llugen wiederzufinden —

und dabei) das

H e r; durch die heftigste Leidenschaft der riebe in A u fru h r gebracht —

Zum erstenmal tu

seinem Leben den Urheber seines D aseyns in diesen Umständen an seine B ru s t drücken — den ersten väterlichen Segen von sterbenden Lippen auffangen;» müssen — A c h ! nicht B e ­ ster! denken S ie , wie tra u rig das w a r —

M e in alter Freund starb, w ie er gelebt h a tte ,

m it einem liebevollen B lic k in

W e lt zurück,

die

in der er doch viel Tage des

T rü b s a ls , und so wenig W onne erlebt hatte — E r zog seinen von Schm er; erstarrten S o h n , m it schwacher H and zu sich her



S eine

verlöschenden Augen glanzte» noch einm al von stummer Freude — E r hob sie m m H im ­ m el em por,

und es w a r,

a ls wenn seine

kippen sich bewegen w o llte n — Aber sie ver­ sagte» ihm den letzten D ienst —

S e in h e ili­

ges Gebeth sollte durch keine irdischen Töne mehr entw eiht werden Roma» li. Th.



I n der Sprache fl?

der

der Verklärten brachte es der Zeuge des H e rrn , sein Engel, vor den Thron des A ll­ mächtigen,

vor dem er itzt sieht —

D o rt

wo kein K um m er, kein Geschrey mehr ist — V o n geprüften Freunden umgeben, lobt sein von den groben Banden erlöster Geist den V a t> r ,

der ihn in seinem Prüfungsstande

den einzigen Weg gehn ließ, der ihn zu dieser höheren Vollkommenheit führen konnte — M e in Her; ist zerrissen,

von sehr viel

traurigen Vorstellungen zerrissen —

W as

mache ich m it meinen C a r l? D as beste w ird doch seyn, ihn bald zu m ir kommen, und ih n , nach einem kurzen Aufenthalte, wenn der erste Schmerz überwunden seyn w ird , eine Reise thun zu lassen. M e in sterbender Freund h a t,

während

seiner Gefangenschaft, die Erzählung seiner letzten Leiden stückweise aufgeschrieben.

Das

M anuskript fand m an ; E r zeigte ncmlich a u f den O r t, wo es verborgen la g , und M eyer bemäch,

bemächtigte sich desselben,

alles Wicderstre-

bcns der Anwesenden ohngeachtet.

Noch ist

es nicht in meinen Händen, aber mich ve» langt sehnlichst darnach. * Könnten S ie n ich t, mein lieber Freund! in diesen Tagen zu m ir kommen? Ic h hoffe doch nicht, daß Ih re Unpäßlichkeit von Be­ deutung ist, und ich habe Ih n e n sehr viel D inge zu sagen, deren M itth e ilu n g mein H er; erleichtern w ird . Empfehlen S ie unterdessen dem würdigen H errn Oncle bestens,

Ihren treuen Freund L e l d t h a l. N 2 * Diese

H andschrift, welche eine gewisse innere

Einrichtung schilderte, T heile

Zwey

vorkommen

P la n war.

wird

nicht im d ritte n

obgleich dies anfangs der

D e r Herausgeber befürchtet,

ein

S ta n d , fü r den er die aufrichtigste Verehrung h a t , mögte durch das B ild glieder,

einiger feiner M i t ­

deren es doch in allen Ständen gute

und schlechte giebt, beleidigt werden.

[4871

Zwey nnd zwanzigster B rief. A n den Freyherr» von Leidthal in Urfstadt. Völtiiigc» den iftcn September 1770. O u I h n e n , m ein ewig geliebter, theurer ^ W o h lth äter! fliehe ich, um R uhe fü r d as kummervollste, tief gekränkte Herz ;u suchen. W er w ürde sich auch meiner antut)# n u n , wenn E ie cs nicht th a te n ? — Jethabe ja keinen V ater mehr. G o tt ließ n u r nur seine liebevolle G estalt einen Augenblick erscheinen, und entriß ihn m ir dann wie­ der — W ollen S ie denn nun ferner m ein V ater seyn? W ollen S ie I h r e n C arl nicht verstoßen? W ollen S ie aber auch Nachsicht m it ihm haben? — Ach! ich bin nicht mehr, wie ich einst w a r, h eiter, frey , fröhlig in der W elt. N ie gekannte G efühle, trau rig e A hndungen, unbezwingliche Leidenschaft be# stürmen

J97

=

stürmen meine arme Seele — B a ld mögte ich fliehen, w eit h in , von der Erde weg, fiie« he», meinem unglücklichen Vater nach, den kein Kummer mehr nagt — Und dann wie« der,

wenn ich bedenke,

wie wenig man

braucht, um in einem unbekannten Winkel« chen der W elt glücklich zu leben; so wogte ich in einen solchen Winkel hinflüchten, wo niemand

nichts

weiter

von

m ir

hören

sollte — Ic h weist es w ohl, dieser Ton w ird I h ­ nen missallen — ders



aber ich kann nicht an­

Vielleicht klage ich nicht lange

mehr — O ! verlassen S ie mich incht; haben S ie M itleiden m it m ir Vcrwaiseten,

den

S ie m it liebreicher Hand erzogen, und zur Tugend geleitet haben! — Haben S ie ferner Geduld m it u m ! Ic h w ill ja gern an m ir a rreite n,

und meinen

Kummer geduldig

ertrag n lernen — Glücklich werde ich doch wohl me seyn — W ie kann ich es seyn, in einer W e lt, wo Lieben ein Verbrechen ist, N 3

wo

w o m an sich nicht chr nach einer G ehülfin« umsehn soll, bis die schönsten Jahre vorüber s i n d . und das Her; hart, kalt, und gefühlt l o s geworden ist? W en n C ie nur den Engel kennten, dessen B ild unauslöschlich in meine S e ele gedrückt ist — C ie selbst würden sic lieben — Auch kann ich sie nicht vergessen, werde sie nie vergessen. A b er, bester Pflegevater! fiehendlichst bitte lid) C i e , lassen C ie mich eine andre Lebensart ergreifen! Lassen S i c nicht mehr meinen K opf in der unbedeutenden, trocknen Jurisprudenz grübeln, die den Menschen weder gerechter, weiser, noch besser macht — W a s sind alle Wissenschaften, die nur die kläglichen Verderbnisse des M enschen, N eid , H a d er, Eitelkeit, H ochmuth, Geiz und B o s ­ heit erfunden haben? Lieber will ich B rod und klares Wasser geniesten, a ls durch diese W ege mein Glück machen — Auch glückt es

mir

m ir nicht.

G o tt w eiß, woher es kömmt,

aber m it aller Anstrengung lerne ich doch in dem Fache nichts — Und was ist denn auch der elende Ballast von Gelehrsamkeit dieser W e lt werth?

Lindert er wohl auch nur int

mindesten die Schmerzen eines verwundeten Herzens ? K la rt er uns im mindesten über unsre künftige Bestimmung ans? — £)! zür* nen S ie nicht,

aber ich rede, wie ich cs

fühle — Ic h w ill ja keine glanzende Rolle in der W e lt spielen —

Lassen S«e mich I h r

rcn V crw alier seyn; ich w ill Ihnen treu und freudig dienen,

und geben E ie m ir dann die

Freundinn meines Herzens;

so w ill ich S ie

ew ig, wie meinen eigenen Vater lieben und verehren — Und thue ich das nicht schon? Habe ich Ih n e n nicht alles zu danke»? Kann ich je aufhören, im beben und im Tode zu seyn, Meines W ohlthäters

gehersaiiister Sohn» Carl.

N 4

Drey

D rey und zwanzigster B rie f. An den H errn von Hohenau in Göttingcn.

llrfstädk den >6ten September 1770.

E s wundert mich nickt, mein lieber Sohn! oaß Du »tzt in einem so verwirrten und beklommnen ©111 ihszustande bist, und ich wünschte nur. Du mögtest von mir versichert seyn, bfii; ich n.ich ganz in Deine Lage zu setzen, und um ^ i r -u suhlen weiß, was D u leidest. Vergebens würde ich D ir vorstellen, wie viel tausend Menschen unglnäücher als On sind — Das ist wohl immer ein schwacher Trost für jemand der Ji ummer hat, wenn man ihn noch mit der Erinnerung an fm nt den Jammer peinigt. Aber doch ist etwas bat um, das uns beruhigen kann, und dies

Etwas

E tw a s ist die Ueberlcgung,

dafi wenn die

Vorsehung auch bessere Menschen p ru s t, w ir in einer künftigen W e lt G ü te r zu erwarten haben mnsien,

die hier so sparsam ausge­

th e ilt sind — Und wer sagt, das s,e so ganz sparsam ausgetheilt und? nicht gesehn, Verschulden,

Jioch

das ein Mensch,

habe ich ohne sein

n n a u f ö rl eh sein Leben hin­

durch w ah rh a ftig unglücklich gewesen wäre, und im m er habe ich gefunden, tra u rig e folgen.

Periode

glück liehe

daß a u f eine Begebenheiten

Baue fest a u f die V orsehung, und

verzage nich t, wenn D ir cm M a n n und ein (ih n s t seyn w ills t. Und wenn ich D ir nun gar beweisen w o llte , daß D u w ürklich nicht Unglück! -h w a rs t; w a s würde es helfe»?

Neck, ist Deine V e r­

n u n ft nicht unbefangen genug, um dies unparthcyisch abzuwägen.

K om m also, sobald D u kannst, m itD e iiieilt Fr.uude zu m ir ; D a s i>i a lle s, w arum

N 5

ich

id) Dich heute H tfcit kann.

Hier w ill ich

£ v l m .u m s Iv uiivun giesse», so viel ich vermag.

W ir wollen anch ruhig zusammen

überlegen, thun ist.

was ttt der Folge für Dich zu Findest D u cs dann nach einigen

Wochen noch immer rühmlicher, die Talciike, die D ir .Deut Schöpse zum Dienste Deiner Ncheilmcnschen gegeben hat, m einen engeren € ist ul zu vergraben;

Fahrst D u fort zu

glauben, das; D u nicht anders glücklich seyn könnest, als wenn D u schon als Jüngling die Bestimmung eines Mannes erfüllest — Ey m m ! so wollen w ir sehn, was sich thun laßt.

An meiner Liebe soll es D ir wahrlich

nie mangeln, und das Schicksal, was m ir der Himmel bcschehrt. w ill ich als ein treuer V ater mit D ir theilen. Ic h erwarte, so bald als möglich. Dich in meinen Armen zu sehn. Lei dthal. V ier

20 Z UHiHH! H N H JH C -W -

Vier und zwanzigster Brief. An den Freyherrn von Lcidthal in Urfstadt.

Wetzlar den 14WN September 1770. j S c r j l t d ) wünschte ich. Ih n e n bester H e rr! ^

gute Nachrichten nutbringen zu können,

aber — ich habe deren nicht.

Ih r e Sache

W ird in acht Tagen entschieden seyn, (d a s weist ich aus sicherer H a n d ) und leider.' Ih r e m

Nachtheil

müßten denn,

entschieden

seyn;

zu S ie

ehe die Nachricht davon an

I h r e Gegenpartei) kö m m t, durch einen V e r­ gleich vorzubauen suchen.

Deswegen schreibe ich e ilig diese Zeilen. Ic h werde auch den 2ostcn von hier zu I h ­ nen zurückreisen,

und

mein ganzes

Herz b lu tet.

Mutet, wenn ich überlege, wie wenig ich Ihnen hier Hude nützlich seyn kennen. Ich sage Ihnen diese Nachricht so gerade, weg,

i) ne Umschweife.

Ein M ann von

Ihrem (Seilte läset sich durch teilt Schicksal niederschlagen, m it wer w eiß, ob nicht noch durch den Vergleich ein Theil zu retten ist — G ott gebe eö! — Ich leide gewiß unaus­ sprechlich, so oft ich daran denke, daß S ie den Circul der guten Menschen in Urfstadt verlassen sollten, die noch um S ie her, sich Ih re r Wohlthaten freuen, und nun — ihren Schutzengel aus ihren Sinnen gerissen sehn müßten — N e in ! das kaun nicht geschehen, muß nicht geschehen. Der Gedanke an I h r Schicksal, gnädiger Herr!

mein

macht mich gegen meine

eigenen häuslichen Begebenheiten sühllos — Meine Tochter ist wieder in Amsterdam — Meine -,srau ist schwerlich krank



M ein

ältester Sohn im Vegrsss \u Heyrathen — Ader

-----Aber

ich

kann

2c 5

fast n u r an

S ie

denken;

M e in e W ü n sch e , G elübde und P la n e n u r dem edlen M a n n e g e w id m e t,

sind

fü r b a t

m e in H erz e w ig v o n der reinsten E hre rbie­ th u n g v o ll seyn w i r d ,

m it welcher ich ver­

h a rre ,

Ih'

treu ergebenster Diener M ü lle r .

Fünf

io 6

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Fünf und zwanzigster Brief. An den Herrn von Hohenau in Güttingen»

Urfstüdt den 6ten Dekoder 177». vierzehn Tagen bin ich hier bey Ih re m lieben Pflegevater,

und

auf

seinen

Befehl schreibe ich Ih n e n eilig diese Zeilen, um S ie zu bitten, nun nicht nach Urfstadt zu kommen, bis S ie oder der H err Meyer anderweitige Briefe vpn hieraus bekommen werden. D ie

Umstande hier haben sich verän­

dert — Unterdessen kann ich Ih n e n darüber noch nichts gewisses sagen, als daß S ie S ich gefaßt machen mögen, sehr wichtige Nach­ richten zu vernehmen.

Berei-

Bereiten S ie Sich also v o r, diese Nachrichten, die nicht die angenehmsten sind, m it M » th zu ertragen — diger Leidthal,

Gesund ist unser rvuv


W a fn e n 'S ie Sich auch damit — E s wäre zu viel ve rlan g t, wenn man in dieser W e lt immer seine eitlen Wunsche wollte befriedigt sehen.

Wenn man aber nur stets

a ls ein M a n u , und als cm redlicher M a n n handelt; so ist alles übrige leicht zu ertragen. Auch wendet sich früh oder spät das Glück wieder a u f unsre Sette. S ie sind noch ju n g , haben Talente, und einen guten K opf.

S o llte S ie alles verlas­

sen; so werden S ie dam it gewiß m der W e lt Ih re n Weg machen. M eh r (4991

2O8

M ehr kann ich Ihnen heute nicht sagen; der Baron Leidthal ist in der S ta d t — Seyen S ic ruhig; E s wird vielleicht alles noch besser gehn, als cs itzt scheint. Ich bin mit wahrer Freundschaft I h r

ergebenster v . W e ck e l.

Sechs

Sechs und zwanzigster Brief. An den H errn Conimerzienrach M ü lle r in Urfftadk.

A m sterdam den rissen Dekoder 1770.

§ ^ i t kindlich gerührtem Herzen melde ich Ihnen, man liebster,

bester Vater!

daß Gott meine gute M utter gestern zu sich aufgenommen hat. D e n ü tcn w a r, wie S ic wissen, meines ältesten lieben Bruders Hochzeit; Da befand sic sich, obgleich sie »icht dabey gegenwärtig seyn konnte leidlich wohl, so daß w ir an# fieng n neue Hofnung zu schöpfe». Allein vom loten an wurde es täglich schlimmer m it ihr. Tloman ii. Th.

0

W ir

aio W i r w urden gestern spät des A bends tu ih r gerufen. S i e w a r sehr schwach, doch völlig bey V e rstän d e, und bethete m it dem g u ten D o m in e S te in b a c h in w a h rer christli» cher Andacht und Heiterkeit. D e r D o c to r n a h m unterdessen w a h r , daß die V orbothcn des T odes nahe w a r e n , und bereitete u n s daher v o r , sic bald a u s unsern A rm en g eris­ sen zu sehn. I c h ergriff ihre H a n d , die schon kalt w a r , und drückte sie a n meine Lippen — S i e merkte w o h l, daß es bald a u s seyn w ü rd e , und segnete u n s in abgebrochenen W o r te n , schien auch noch manches a u f dem Herzen zu h ab e n , d a s sie nickt mehr her­ vorbringen konnte. S o lange sie ver­ ständlich redete, hatte sie oft sehnlichst ge­ w ü n sch t, S i e . m ein theuerster V a te r ! vor ihrem E nde noch zu u m arm e n —

Cnbitch

Endlich vcrlohr sie gänzlich die S prache, und bekam zuletzt im Todeskampfe Zuckunr gen, wovon sie aber wahrscheinlicherweise nichts mehr empfunden hat. M ein redlicher Schw iegervater w ar nicht gegenw ärtig; v> tarnt niemand sterben sehn, und fürchtet selbst den Tod sehr. W ie sehr dieser V erlust unser häusliches Glück v erb ittert, werden S ie leicht giern* ben — D ie gute M u tter — S ie hat wenig Freuden in dieser W elt erlebt. Jetzt erst w aren w ir im S ta n d e gewesen ihr kindlich beyzustehn — T och schien es ihr ein kräftiger Trost zu seyn, ihre ältesten jftn# d er, vor ihrem Abschiede noch, versorgt zu sehn. Ucbermorgcn w ird der entseelte K örper tu der S tille beygesetzt werden —

0 1

Wik

W ir sind All« vo ll V e rw irru ng und trü b n iß ; eilig



deswegen schreibe ich schlecht und G ott erholte uns unsern besieu

V ater gesund und glücklich — Ih n e n

fS a

ehrerbiethigst

und

W ir küssen

tärllichsi

die

Hände.

S o p h i e von der H ö r d e .

Sieben

Sieben und zwanzigster B rief. A n den H e rr» Friedrich M ü lle r, K aufm ann in ?lmsterdam.

llrsstädr den toten Viovvmbcr 1770. M e in

lie b e r S o h n !

^ ^ i e f e n B r ie f w ird D ir Deine Schwester geben,

an welche ich w c itla u ftig ge­

schrieben habe —

I h r habt nun keine M u t ­

ter , ich keine G a ttin n mehr —

Dieser V e r­

lu s t/ der meinem Herzen sehr wehethut, b in ­ det uns nm desto fester zusammen,

indem

der Circul immer enger w ir d , jemchr Glieder aus W er

demselben herausgerissen weiß

wie lange

werden



ich noch bey Luch

b in ? —

O 3

Liebt

Liebt Tuch immer D u,

untereinander!

den itzt das Glück anlächelt,

Dich Deiner jungem Geschwister,

Und nim m

als ein

zweyter Vater a n , wenn ich nicht mehr seyn werde. M e in armer B aron Leidthal,

der in seit

ncn guten Tagen so großmüthig an m ir ge­ handelt h at, ist durch einen unglücklichen Proceß um den größten Theil seines Vermö­ gens gekommen, so daß er seine Güter m it dem Rücken ansehn muß.

E r hinterlaßt a u f

denselben eine Menge Menschen,

die ihm

ihre ganze W ohlfarth zu danken haben, und itzt ihrem W ohlthäter blutige Thränen nach­ weinen — Ic h werde ihn in diesen Umständen nicht »erlassen, und wenn ich sein Glück m it ihn getheilt habe, auch nun in seiner gegenwär­ tigen Lage M itte l erfinden, bey ihm zu blei­ ben, ohne ihm beschwerlich z» werden. Durch meine A rb e it, durch Ueberfttzen und derglei­ chen,

chen, w ill ich m ir schon Unterhalt schassen, ohne Dein Anerbicthen, bad ich indessen m it treuem Danke erkenne, $u nützen;

imb so

werde ich doch die Beruhigung haben, bey

seinem

wiedrigen

Geschicke

ihn

aufzu­

muntern. N un ist aber der Plan vereitelt, den ich m it meinen beyden jüngsten Söhnen vor­ hatte, und wozu mich die freygebigen Änfordernngen meines theuren Baron Leidthals vermögt hatten.

D u weisit, daß beyde Kna­

ben studieren sollten;

das geht nun nicht

an — Und was kömmt auch am Ende dabey heraus?

D er Gelehrte, dem es an Gelde

und Vorsprache fehlt,

kann heut zu Tage

lange Jahre hindurch sich plage», und zum Krüppel und Bettler arbeiten,

ehe er es

dahin b ring t, ein mäßiges Auslommen zu gewinnen.

Haben die Kinder T alent; so

w ird es ihnen in jedem Stande zu statten kommen.

C ie mögen also eine Lebensart

ergreifen,

die der bürgerlichen Gesellschaft O 4

eben

ganz v e rw irrt.

D e r Kum m er w ü rk t sehr a u f meine Gesund, h e it,

die anfängt schwankend zu werden.

G o tt stehe D ir und D einer lieben F ra u in Eurem neue» S tande bey.

Nächstens ein

M c h rc re s ! V ergiß nicht

Deinen

Dich ewig liebenden Vater H. M ü lle r .

O 5

Acht

r.8

Acht und zwanzigster B r ie f. An den Herrn von Hohenau in G öttingen.

...........den zosten Ncwember 1770.

^ c h schreibe I h n e n , mein gelicbtestcc ^ F re u n d ! diese Zeilen in der größten Un­ ruhe meines Herzens — M a n will u n s tren­ nen — M eine Eltern haben einen B rief auf­ gefangen, den E ie mir geschrieben hatten, und mir über unsere unschuldige, heilige V erbindung, und unsern Briefwechsel die bittersten Vorwürfe gemacht. W i r waren vorigen Kirche, a ls I h r letztes ankam. Catharine w a r auch nicht jn H au fe, und

S o n n ta g in der liebes Schreiben unglücklicherweise mein V ater gicng dein

dem Postbothen seil st entgegen, um ihm die Bestellungen abzufordern. einen B rie f zurückbehielt, V a te r zu wissen, w äre,

A ls derselbe nun verlangte mein

an wen derselbe gerichtet

und da die Aufschrift an mich von

meines Bruders Hand w a r,

brach er ihn

aus, und fand die Einlage, die er durchlas. A ls w ir aus der Kirche kamen,

merkte

ich w ohl, daß mein Vater böse über etwas w a r, allein er sagte m ir nichts.

Gestern

aber kamen meine Eltern beyde auf meine S tu b e , limb überhäuften Ih re arme Charlotte m it grausamen Verweisen, schimpften a u f S ie und meinen lieben B ruder, und drohctcn einen S c h ritt zu thun, welchen ich nicht erwarten,

und der unserm geheimen

Liebesverstandniffe (so nannten sie es) bald ein Ende machen sollte. Ic h bath, weinte und flehete, aber! alles umsonst.

Selbst meine M u tte r, so gütig sie

sonst ist, war gewaltig böse: „W e iß t D u „ denn [5111

„b c n it auch"

sagte sie „d a fi dieser junge

„Mensch keine E lte rn , kein G u t, und nichts „ h a t?

W er weiß wo der zu Hause ist? D er

„ H e r r von Leidthal hat ihn als einen Find-„ lin g

aufgenommen.

M it

der

Fam ilie

„m a g es wohl nicht gar richtig seyn. „V erm ögen hat er nichts.

Im

Und noch kann

„ic h D ir zur Nachricht sagen, daß sich Leid„ th a t auch nicht mehr Seiner w ird annch-„m e n können, „Proceß

alle

denn der hat durch einen seine G üter verlohreu" —

M i t Einem W o rte ! meine Eltern verbothen m ir aufs strengste, jemals wieder au S ic zu denken, viel weniger zu schreiben,

und es

hat m ir M ühe gekostet, den Schulmeister Klingenberg,

der mich a u f dem Clavicre

unterweiset, zubewegen, noch diesen B rie f, unter einem Umschlage an meine» Bruder, anzunehmen. W a s meine Eltern m it m ir vorhaben, weiß ich nicht, aber sie schreiben immer und flüstern zusammen



Äch! mein liebster E a rl!

Carl! was wird aus uns werden? Gehen Eie doch mit meinem Bruder zu Rache, was ju machen ist. Ich weiß mir nicht zu helfen. Allein es komme auch wie es wolle; so bleibe ich doch ewig,

Ihre

getreue Charlotte.

Neun

Neun und zwanzigster Brief. An

den H e rrn

Hofmeister M e ye r

in

G öttingen.

Urfstädt den ;ostcn tlovcmber 1770. ^ )a s

Schicksal, mein lieber F re u n d ! das

m ir drohete, ist nun entschieden, und m it seiner ganzen Last a u f mich gefallen, in ­ dem das U rth e il des Reichsgerichts meinen G egner, bis zu gänzlich ausgemachter Cache, in den Besitz meiner G ü te r setzt —

D a s ist ein unerw arteter harter S chlag fü r m ich,

zumal ich mich wegen meines

Schadens an niemand erholen kann,

und

mein harter Gegner m ir dem strengen Rechte, keiner

B illig le ir

G ehör

g ie b t,

auch alle

Dergleichvorschläge verworfen hat.

Ich

I c h habe gelernt Unglück m it S ta n d h a f­ tigkeit e rtra g e n , auch bleibt m ir so viel ü b rig , fü r m eine P e rso n , in Gesellschaft eines F re u n d e s , eingeschränkt, aber doch nicht unglücklich leben zu können. N u r zer­ reiß t es m ein H e rz , w enn ich m ir einbilde, w ie w enig ich von n u n an d a s süße D e rg n ü , gen w ohlzuthun werde schmecken können. D a w ir u n s indessen nicht gegen die V o r­ sehung auflehnen d ü rfe n ; so w ill ich nicht k lagen, sondern den P la n zu m einem künfti­ gen Leben I h n e n vorlegen. D a s Schicksal m eines lieben C a r ls , bey seiner itzlgcn G e m ü th s -V erfassu n g , geht m it am m ehrsten zu H erzen. I c h kann n u n nicht m ehr seine W ünsche so befriedigen, w ie ich herzlich gern w o llte ; E r m uß sich also her­ abstim m en, seine ganze S e e le zu m ännlicher F assung an stren g en , und w egen der F o lg en a u f d en b au e n , der u n s m it W e ish e it und väterlicher G ü te le ite t, re g ie rt, p r ü f t, aber nie

nie vergißt, und auch die Haare auf unserm Haupte zählt. Ic h beschwöre S i e , mein Freund! alles anzuwenden, den arm en jungen Menschen nach und nach zu dieser S tark e des Geistes zu erheben, und ihn von seiner jetzigen Lage m it Vorsichtigkeit j» unterrichten. H ier schicke ich I h n e n 120 Louisd'or, a ls den Theil einer S u m m e , die ich lauge schon zu einer Nothhülfe bey S eite gelegt hatte, nebst Empfehlungsschreiben n a c h ---- und ......... Reisen c i f augenblicklich mir I h ­ rem Zöglinge dahin! Ic h zweiste nicht, daß an einem von diesen Oerrern sowohl S ie a ls mein Carl unter vortheilhaften Bedingungen Dienste finden werden — Reise» S>e getrost! E s wird gewiß gelingen, und beyliegendr Instruction * wird C ie »merrichren, wie S i e es am besten anzufangen haben. V o r, gcbauct * welche man nicht hat mit abdrucken lasse»,

gebauet ist schon, und eher (;aOv ich Ihncn nicht schreiben wollen. Was mich betrift; so werde ich nebst un­ serm Freunde Müller imb einem Bedienten nach Hambttrg Zlel-en, und daselbst so eingeschratilt trab ullbekannt als möglich leben, bis dte Vorsehung inicf; attders führt. Ich bin gefast, ruhig, und murre nicht. Ein Blick zurück auf dte 'blaue, welche ich zum Besten vieler guten Menschen entworfen hatte, tst das CniZlge, was mir meine Lage zuweilen hart machen wird — Doch der Himmel wird auch für diese sorgen Leben Eie wohl, incut treuer Freund! Sobald Eie an Ort und Stelle seyn werden, schrelben Sie nur ja gleich, wte Ih re Ver­ handlungen laufen, damtt ich für das W ei­ tere sorgen könne. Wenn denn alles richtig seyn wird; so w ill ich Ete wieder mit noch etwas Gelde versthen, tmb bald hoffe ich Ete 'Roman II yslv

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in bcu Umstanden ja wissen, daß Sie meiner Hülfe nicht mehr bedürfen.

Carl wird frey»

lich mir mäßigen Gehalt zum Anfang betont* men, allein wenn er thätig und ordentlich ist; so wird er bald mehr erhalten, und bis dahin reicht noch nteine ersparte kleine Summe zu, ihm beyzustehn. Ic h bin unterdessen ohnveränderlich,

I h r

treuer Freund k e i d t h a l.

Dreyßig,'

*** hU ++-H

Dreyßigster Brief. A n den Freyherrn von Leidthal in U rfsiadt. Göktnige» den i^ten December 1770.

^ c h mein bester H err! W a s fangen w ir a n ? — D err H err von Hohenau ist fort, G o tt weiß wohin — Lesen S ie nur selbst die einliegenden B riefe, die ich au f seinem Zimmer gefunden habe! * — Ic h eile ihm nachzuspüren — Rechnen S ie aus meinen unerm üdcten Eifer — Ic h kann itzt nicht mehr schreiben —I n größter E il.

Meyer. P 2 * Die felgenden beyden.

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