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German Pages 214 [216] Year 1859
PAUL MORPHY.
SKIZZE
AUS DER SCHACHWELT.
LEIPZIG, VE KLAG
VON
VEIT
1859.
&
COMP.
HERRN
DANIEL WILLARD JFISKE
IN FREUNDSCHAFTLICHER GESINNUNG
DER VERFASSER.
I N H A L T .
Seite
Vorbemerkungen E r s t e s K a p i t e l . Einleitung Glossarium Zweites Kapitel. Glossarium
Paolo Boi und Paul Morphy
VII 3 7 13 22
D r i t t e s K a p i t e l . Partien aus der ersten Jugendzeit 1. Partie. Gegen E u g e n e R o u s s e a u 2. Partie. Gegen J. L ö w e n t h a l 3. Partie. Gegen M a c C o n n e l 4—5. Partie. Gegen J u d g e A. B. M e e k 6. Partie. Gegen E r n e s t M o r p h y
28 28 29 31 32 33
V i e r t e s K a p i t e l . Der Schachcongress zu New-York 1857 . . . 7—8. Partie. Gegen L. P a u l s e n 9—11. Partie. Gegen Th. L i c h t e n b e i n 12—13. Partie. Gegen J. T h o m p s o n Glossarium
35 45 49 52 54
F ü n f t e s K a p i t e l . Paul Morphy's Siege in New-York 14—15. Partie. Gegen H. S t a n l e y 16—19. Partie. Gegen W. S c h u l t e n 20. Partie. Gegen F. P e r r i n 21. Partie. Gegen N. M a r a c h e 22. Partie. Gegen D. J u l i e n 23—25. Partie. Vorgabespiele im Club zu New-York 26. Partie. Gegen G. H a m m o n d aus Boston 27. Partie. Gegen L. E l k i n aus Philadelphia 28 Partie. Gegen H. K e n n i e o t t aus Illinois 29. Partie. Gegen F i s k e u n d C o n s Glossarium
70 72 74 78 79 80 80 83 84 85 86 87
VI
Inhalt. Seite
S e c h s t e s K a p i t e l . Paul Morphy 30—34. Partie. Vorgabespiele 35 39.' Partie. Blindlingsspiele Glossarium S i e b e n t e s K a p i t e l . Schachfahrt 40—41. Partie. Partei M o r p h y 4 2 - 4 3 . Partie. Partei M o r p h y Glossarium
in New-Orleans
und Ankunft in England . . . gegen Partei L ö w e n t h a l . . gegen Partei S t a u n t o n . . . .
91 99 102 108 113 116 118 121
A c h t e s K a p i t e l . Siege in England 4 4 - 4 8 . Partie. Gegen B a r n e s 49 — 52. Partie. Gegen B o d e n 53—55. Partie. Gegen B i r d 56. Partie. Gegen O w e n 57. Partie. Gegen H a m p t o n 58. Partie. Gegen M e d l e y 59—60. Partie. Gegen K i p p i n g Glossarium
130 132 140 145 148 149 150 151 153
Neuntes Kapitel. 61 — 72. Partie. Glossarium
162 164 182
Wettkampf mit Löwenthal Erstes bis zwölftes Spiel
Z e h n t e s K a p i t e l . Schachcongress zu Birmingham 73—76. Partie. Blindlingsspiele Glossarium Schlnssbemerkungeu
1S7 189 192 199
VORBEMERKUNGEN.
NOTATION. Zum
Verständniss
der
Notation
oder
Zeichensprache,
welche
für
die Darstellung der in vorliegender Schrift sich findenden Schachpartien in Anwendung gebracht ist, diene folgende Erklärung.
Voin
Stand-
punkte des weissen Lagers aus denke man sich die von unten nach oben laufenden Felderlinien in der Ordnung von links nach rechts unten mit den Buchstaben
a bis h unterzeichnet, die von links nach rechts
gehenden Felderreihen dagegen von unten nach oben durch die Ziffern 1 bis 8 angedeutet.
Auf jedem Felde trifft nun ein Buchstabe und
eine Ziffer zusammen, deren Vereinigung den Namen des Feldes bestimmt, während durcli Zusammenstellung des früheren wie des neugewählten Feldes für eine gezogene Figur dieser Zug angegeben wird. Bei Bewegung von Offizieren ist deren Anfangsbuchstabe indem K König, D Dame oder Königin etc. bedeutet.
vorgesetzt,
Ein Kolon : am
Schlüsse eines Zuges zeigt an, dass eine feindliche Figur
geschlagen,
und ein Kreuz f , dass Schach geboten wird, das Symbol t Vereinigung beider Fälle.
Durch
aber die
0 — 0 wird die Rochade nach der
Königsseite, durch 0 — 0 — 0 die nach der Damenseite
ausgedrückt,
durch das Parallelzeichen 3 : endlich der Mattzug hervorgehoben. BERICHTIGUNGEN. Auf S. 9. Z. 5. lese man P r o b i t a t e s statt Pobitates und Z. 16. u n t o h i m statt uinto him.
S. 11. Z. 24. ist se in s o zu wandeln
VIII
Vorbemerkungen.
und S. 13. Z. 7. Cyäne in C i a n e zu verbessern.
S. 31. Z. 2. v. u.
muss es B e s t ä t i g u n g statt Widerlegung, S. 155. letzte Zeile v i e r statt eine heissen und S. 36. Z. 3. von unten ist das g zu streichen, wie S. 95 Z. 17 das überflüssige n.
In Partie 13 (S. 54) corrigire man
14. L e 4 — d 3 in 14. Lc4—d3, und in Partie 24 (S. 81) 16. Se8—d6: in 16. S d 8 — e6. In einigen Abzügen des letzten Bogens, S. 206. Z. 4., ist der Druckfehler „nach langer Zeite in" stehen geblieben und in „ n o c h l a n g e Z e i t e i n " zu verbessern.
Für diese wie noch wenige
andere leicht zu tilgende Buchstabenfehler möge der Inhalt der Mittheilung entschuldigen, dass das ganze Buch in den Mussestunden während der kurzen Frist von kaum einem Monate geschrieben und in derselben Zeit gesetzt, c o r r i g i r t und gedruckt worden ist.
P A U L
MORPHY,
DER TRANSATLANTISCHE SCHACHMEISTER.
Paul
Morphy.
1
Erstes Kapitel. Einleitung.
- E i n e des königlichen Spieles würdige Anschauung hat es vor anderen geadelt und schon frühe einen Geist der Ritterlichkeit in ihm erkannt. 1) Geschaffen nach der Sage zum Frommen eines gekrönten Hauptes fand es in fürstlichen Händen erste Uebung und weitere Verbreitung durch ritterliche sieggewohnte Saracenenschaaren. E s ward in Mitteleuropa
durch Kämpfer des heiligen
Kreuzes heimisch und das Lieblingsgut bevorzugter Stände. Der Cleriker
sah
in ihm Analogieen mit dem Leben und
würdigte es zur Quelle erbaulicher Reden.
Der Edelmann
liebte es vor dem Würfel und zählte es unter den sieben ritterlichen Tugenden. 2) In sich selbst aber barg das edle Spiel seit seiner frühesten Entwicklung zahlreiche noble Pointen, deren Ausdruck in einzelnen Bräuchen noch bis zur Gegenwart sich erhalten hat.
Wir gedenken nur der ehrerbietigen Ansage eines An-
griffes gegen den König wie seine erlauchte Gefährtin, der 1*
1. Kapitel.
4
Einleitung.
möglichsten Enthaltung vom Tauschhandel mit den Steinen, der Erschwerung
der Standschaft für den bis zur letzten
Schranke vorgedrungenen bäurischen Emporkömmling,
end-
lich der Unverletzlichkeit wie gegenseitigen Unnahbarkeit der gekrönten Figuren. Einzelne dieser und ähnliche Bestimmungen sind zwar Wie manche andere Annahmen seit der nüchternen materiellen Anschauung moderner Zeiten der strengeren Entwicklung und gleichmässigen Handhabung von Gesetz und Regel gewichen.
Auch haben theoretischer Eifer und literarische Stu-
dien der Fortbildung des Spieles ernsteren Charakter verliehen, sie haben die Frische der lebenden Partie zu Zeiten in den Hintergrund gedrängt und den kühnen Chancen praktischer Wagniss
wie der persönlichen
Freiheit in
brillanter
Spielführung engere Grenzen gezogen. Aber fremd den gewöhnlichen Interessen der Gesellschaft, erhaben über alltäglicher Meinungsverschiedenheit und Parteigeist, hoch über nationaler Neigung und Eigenschaft hat die Beschäftigung mit dem edlen Spiele noch immer einen romantischen Anstrich behalten und mitten unter den materiellen Interessen
der Gegenwart
Anhängern gelassen.
idealen
Aufschwung seinen
Denn als Kampf lebender Kräfte mit
geistigen Waffen auf freigewähltem Terrain bietet es einen Tummelplatz für Thätigkeiten der Erkenntniss wie des Willens, und Unabhängigkeit von gewöhnlichen Lebensverhältnissen giebt ihm ideellen Charakter von wohlthätigster Rückwirkung auf unverdorbene Verehrer. 3) In diesem Sinne hat das edle Spiel noch zu allen Zeiten besonders hervorragende Geister gefesselt, die es in seiner ganzen
Glorie repräsentirten
und durch
aussergewöhnliche
Thaten im Bereiche der kleinen für sich geschlossenen Welt seiner Verherrlichung selbst in entfernteren Kreisen Wieder-
Ritterliche Natur des Schachspiels. hall weckten.
5
Mit opferfreudigster Begeisterung haben sie
ihre zeitlichen Interessen auf den Altar der Brahmaentsprossenen Erfindung niedergelegt und durch Versenken ihrer Seele in eine vom täglichen Bedürfnisse ungetrübte Sphäre die Integrität ihrer Person erhalten,
die Charakterbildung veredelt
und geweiht durch den reinen Hauch eines ideelleren Strebens sich bis zu wahrhaft ritterlicher Denkungsart erhoben. Von so begeisterten Verehrern im Orient besungen führte das edle Spiel im Occident seinen treuen fahrenden Ritter aus Syrakus zu nie endenden Triumphzügen,
verklärte die
ruhmreiche Charakterreinheit eines P h i l i d o r , L e w i s , bourdonnais,
erweckte im deutschen
Geiste das
LaGenie
eines A n d e r s s e n wie die opferfreudig fruchtbare Thätigkeit eines H e y d e b r a n d t v. d. L a s a und fand im fernen Westen seine glorreichste Verklärung in jenem weithin strahlenden Sterne,
der jetzt am transatlantischen Schachfirmament auf-
gegangen.
Am Ziele seiner Wanderung um die Welt hat es
in dieser glänzenden Erscheinung den Höhepunkt seiner Verherrlichung gewonnen,
und sollten alle gerühmten Vorzüge
zu einem einzigen Ganzen harmonisch verwebt werden, würde dieses ein vollendetes Bild
des
ritterlichen
so
jungen
Schachhelden der neuen Welt darstellen. Es
ist nicht allein umfassende theoretische Kenntniss
oder der sichere analytische Blick,
nicht das kühne Ueber-
raschen des sonst auf Alles gefassten Gegners durch Blitze, welche über alle Grenzen hinausgehen; hige Haltung
es ist nicht die ru-
und graciöse Steinführung oder
das liebens-
würdige und von berechtigtem^ Selbstvertrauen begleitete persönliche Auftreten, — nicht diese einzelnen Eigenschaften für sich allein sind es, welche den hohen Werth des neu erstandenen Meisters vergegenwärtigen.
E s ist vielmehr seine
ganze durch und durch noble Persönlichkeit in ihrem schwung-
6
1. Kapitel.
Einleitung.
haft harmonischen Gesammtwirken, welche ihren Träger zum wahren Ritter des königlichen Spieles und zum vollkommenen Gebieter seines weiten Reiches erhebt.
In ihm hat die
ritterliche Natur des Spieles ihren vollkommenen persönlichen Ausdruck gefunden, und je stärker gerade sie in objectivem Sinne dem gewöhnlichen Drängen und Treiben der Tageswelt gegenüber betont
werden darf, desto gerechtere
Be-
wunderung und Anerkennung gebührt in subjectiver Beziehung ihrem noblen jugendlichen Vertreter. 4) "Wohl wissen wir, dass man häufig den Werth des Schach überschätzt hat, dass ihm nicht selten Verstandesschärfung nachgerühmt und es selbst zur Wissenschaft declarirt worden ist: stets haben wir mit entschiedener Strenge dergleichen grundlose Versuche zurückgewiesen. 5) Dagegen mag die wirklich rühmenswerthe Natur
seines Einflusses auf Gesinnung
und Denkart nicht hoch genug angeschlagen werden.
Denn
das, was es eben zum Spiele macht, die Unabhängigkeit seines frei gewählten Objectes von den Interessen der menschlichen Gesellschaft giebt ihm ideellen Charakter und übt wohlthätige Rückwirkung auf unverfälschte Gemüther. 6) Wird es in solchem Sinne getrieben mit Mass und Bewusstsein, nach dem weisen Spruche K o h e l e t s : „ E s giebt eine Zeit zum Spielen, eine Zeit zum Steine-Auflesen, aber auch eine Zeit zum Steine-Wegwerfen",
so wird es mitten
im wogenden Meere der materiellen Lebensinteressen ein grünendes Eiland voll frischer labender Quellen für die im täglichen Kampfe des Lebens ermüdende Seele. Zeit der Ideenerschlaffung verdient
Und in einer
diese höhere Seite des
Spieles um so gerechtere Würdigung,
je reiner sie gerade
durch eine concrete Persönlichkeit in ihrer ganzen ideellen ritterlichen Natur vollendet repräsentirt wird.
Ritterliche Natur des Schachspiels.
7
Wir sehen die ruhmvollen Kämpfe, die glorreichen Triumphzüge einer früheren für das königliche Spiel so ehrenvollen Periode,
da P a o l o B o i und seine Gefährten die Welt mit
ihrem ritterlichen Rufe erfüllten, in unseren Tagen verjüngt wiedererstehen, und freudige Begeisterung erwacht um so natürlicher, je ferner die materielle Gegenwart der ideelleren Anschauung jener Zeiten entfremdet und je hoffnungsreicher der Glaube an die gerühmten Vorzüge des edlen Spieles zurückgekehrt ist. Glück
und
Gruss
sei
deshalb
dem wackeren
jungen
Schachhelden dargebracht, der gleich seinem ruhmreichen namensverwandten Vorgänger die gesammte Meisterschaft aller Nationen in die Schranken rief und unter lauter Bewunderung von allen Kennern als wahrer Ritter des ritterlichen Spieles, als vollendeter „ C h r i c h t o n "
der Tafelrunde Caissa's
gepriesen wird. 7)
G l o s s a r i u m , i. Der Ausdruck
des
„ritterlichen Spieles"
ist schon bei Autoren
des Mittelalters die gewöhnliche Bezeichnung für das Schach, so namentlich bei J a c o b u s d e C e s s o l i s
( 1 2 9 0 ) und bei J a c o b
n e l , welcher den Titel seines Schachzabels damit beginnt.
Men
Aus die-
sem W e r k e selbst sei/hier folgende Stelle angeführt: „Und solt wissen, das nit grössers in diesem
ritterlichen
spil ist, denn das du die Augen nit in seckel legest." Im Einklang mit dieser feinen W e n d u n g steht folgende von dius Albertinus
Aegi-
in seinem Buche „der Zeitkürzer" von 1 6 0 3 ge-
gebene ironische Anspielung:
8
1. Kapitel.
Einleitung.
„Vor Zeiten pflegt man nur diejenigen zu Rittern zu schlagen und zu adeln, welche die tapferste und tugendsamste Thaten begingen und nicht die das meiste Geld haben, wie anjetzo geschieht." Unter neueren Schriftstellern heben
wir nur W a l k e r
hervor >
welcher in der Vorrede zu seinem „Treatise" sagt: „ Chess a sport without some knowledge of which no man dared
call himself of „gentle blood"
in those chivalrous
ages, when the bold knight left the battlefield but for the tournay and the chesse, when princes looked over the board and queens were proud to grace the victor." 2.
In W i t s Theatre heisst es: „The chesse-play was invented to warne a tyrant to avoide his tirany and by his play to let him unterstand how dangerous the estate of a prince is that dooth not vse his subjects well." J a c o b u s d e C e s s o l i s in seinem „liber de moribus hominum et officiis nobilium super ludo scaccorum"
und J a c o b M e n n e l
in
seinem Schachzabelbuch knüpfen moralische Vorschriften an das Spiel auf Grundlage der Analogie seines Materiales mit Verhältnissen Lebens.
des
Meister In g o l d , ein Priester des Predigerordens, empfiehlt
in seiner Abhandlung „dz guldin Spil" das Schach als Mittel gegen eine der sieben Hauptsünden, die Hoffart. J a c o b d e C e s s o l i s aber hat das Schach geradezu zum Stoff seiner Predigten gewählt und war durch die Bitten vieler Brüder und Weltleute bewogen worden, das, was er von dem solatii ludus auseinandergesetzt, Gedanken, machen.
für Jedermann niederzuschreiben,
die er hineingelegt,
offenbar, um die
zum Freiheitsbrief für dasselbe zu
Die Anzahl der Abschriften und Bearbeitungen,
die es er-
fahren (39 Mss. in" der lateinischen Urschrift, 7 in deutscher,
1 in
holländischer, 17 in französischer, 10 in italienischer Sprache, wozu an 18 Incunabeln aus allen diesen Sprachen), zeigen am deutlichsten
Glossarium. die L i e b e ,
die der Inhalt erfahren hat."
9 ( Schachzeitung von 1847,
S. 307.) Die sieben ritterlichen Künste werden in P e t r i A l f o n s i diseiplina clericalis folgendermassen aufgezählt: „Pobitates hae sunt, equitare, natare, sagittare, cestibus oertare, aucupari, s c a c i s l u d e r e ,
versifieari."
In ähnlichem Sinne sagt K o n r a d v o n
Würzburg:
„Birsen, beizen unde jagen Kunde er wol und treip sin vil. S c h a c h z a b e l unde Seitenspil Daz was sin kurze wile," Ueber König Arthur, da er als Knabe von 9 Jahren seinem Erzieher übergeben wurde, heisst es mit Beziehung auf diesen: „—
who
amonge
other
thynges
dydde
teach
this
noble
chylde A r t h u r the playe of the c h e s s e (Schachzabel) and tables (Wurfzabel),
so yt now was in coninge lyk
umto
bin." Hugo
von T r i m b e r g
in
seinem Spruchgedichte der Renner
sagt: „Nu ist ein ander spil des h e r r e n pflegen, von dem doch vil snnden unde schaden komet gerne, Schachzabel ich ju das spil nenne." und als Pendant dazu sei noch folgende Stelle im Sivqila von 1580 erwähnt: „Our rulers, lordes, k n i g h t s and gentlemen doe use divers times to playe et chesse which whettes their wishes, recreates their minde and hurtes nobody." 3. Das Schach steht über nationaler Neigung und Eigenschaft.
„Es
ist den welthistorischen Gang gegangen, der die neue Menschheit aus dem Innern Asiens mit ihrer Sprache über die E r d e f ü h r t e ;
es ist,
bevor die Wissenschaft aus dem versohütteten Alterthum aufgegraben
i. Kapitel.
10
Einleitung.
war, von den denkenden Köpfen Europa's ergriffen worden, vor der Buchdruckerkunst, und mit dem Aufblühen griechischer Gedanken ergoss es über sich ein Schriftenthum. senschaftlichen Schriften; strie,
Lebens,
beschrieb
Italien, und
die Gärtnerin des wis-
besang
es
in mehr
als
60
England hinderte nicht der Maschinendampf seiner Indu-
diesem
uneigennützigen
Schriften zu widmen;
Gedanken
mindestens
eben
so viele
Frankreich hat seinen Philidor und Deutsch-
land, die zweite Heimath des Gedankens und der Gelehrsamkeit, hat auch hier seinen Ruhm nicht verleugnet.
Portugal hat seinen
Da-
m i a n o , Spanien zählt unter 10 Autoren einen L o p e z ; Holland und die Slaven,
Skandinavien und die Magyaren
finden sich auf diesem
grossen Platze gedankenvollen Lebens mindestens durch Einen repräsentirt." (Schachzeitung von 1 8 4 7 , S. Auf den ideellen Werth
306.)
des Schach anderen
Spielen
gegenüber
spielt schon eine alte Sentenz a n : „Ludus Scaccorum in I n g e n i o consistit nec committitur viribus Fortunae." Massmann
in seiner
Geschichte
des Schachspiels
ertheilt
fol-
gendes L o b : „Schachspiel stellt Mann an Mann, l e n , schärft Geist an Geist, kampfe, gleiche S o n n e ,
bringt Willen an W i l -
vertheilt, wie im alten Ritter-
W i n d , Waffen und Boden getheilt
wurden." In ähnlichem Sinne erwähnt schoa das Nibelungenlied der „ g e teilten spile." 4. W a l k e r in Bell's Life s a g t : „ W e candidly own we consider Mr. M o r p h y
a phenome-
non and are delighted to hail in him certainly the finest player since Mc. Donnel and Labourdonnais." F a l k b e e r in den Sunday Times spricht sich folgendermassen aus: „This is indeed Philidor
a chessplayer
and L a b o u r d o n n a i s
similar apparition."
from head to foot. we
do
Since
not remember
a
11
Glossarium. 5.
Man vergleiche zur Würdignng der unrichtigen und übertriebenen Ansichten über intellectuellen Werth des Schach vorzüglich „Lehrbuch des Sehachspiels" §. 4 3 1 — 4 3 2 , sowie die Abhandlungen in der Schachzeitung von 1S53, S. 9 ff., 1855 S. 41 ff., 1858 S. 8 8 , endlich Vorrede zur „Kritik der Eröffnungen" S. VI. 6.
Eine Erörterung dieser Ansicht findet man in der Abhandlung über Tendenzschach, Schachzeitung, Juni 1858, S. 224 ff.
Der Ver-
fasser der 95 Sätze gegen das Schachspiel (Herr Magister P o r t i u s ) sagt im letzten S a t z e : „Das Schachspiel giebt weit mehr Gelegenheit,
den Men-
schen in seiner Würde als Unwiirde zu erkennen,
indem
Schachspieler, in der Regel, gediegene und gewichtige Männer sind.
Das ist eine alte W a h r h e i t , durch alle Schach-
spielgesellschaften bestätigt.
Durchwandle dieselben und du
wirst in allen oder doch in den meisten eine Gesellschaft antreffen, die dir hohe Achtung einflösst." Von vielen anderen Schriftstellern, welche das Lob des Schachspiels in der gedachten Reziehung gesungen haben,
wollen wir nur
an Walker erinnern und folgende Stelle aus seinem erwähnten Werke hier anfügen: „To praise chess is to paint the lily and to gild the red, red rose.
Even as the sordid and mean of soul shrink
earthwards on being touched by the s u n - l i k e spear of Ithuriel, s e d o e s C h e s p u r i f y f r o m g r o s s e r e s s e n c e t h a t social circle which it p e r m e a t e s : to a game,
Honour all honour
embodying so many high and noble qualities.
Honour to chess!" 7. B o d e n im Family Herald bemerkt: „ W e heartily congratulate our chess brethren in America upon the skill and chivalry of their y o u n g
champion.
1. Kapitel.
Einleitung.
Glossarium.
L o e w e n t h a l in „the E r a " giebt folgende Anerkennung: „'There is something exceedingly r o m a n t i c
and
chival-
r o u s about this young man's coming over to E u r o p e and throwing down the gauntlet to all our veterans.
He is cer-
tainly a very Admirable C h r i c h t o n of Chess, and like the accomplished Scot he is as courteous aod generous as he is brave and skilful.
Zweites Kapitel. Paolo
Boi
Y o r dreihundert Jahren
und
Paul
lebte im
Morphy.
Val di Noto ein Mann
aus dem edlen Geschlecht der B o i di N o t o , strenger und frommer Herr. Fernando
de A n d r a d a ,
ein tapferer,
Schon bei Seminara,
unter
hatte er seine Sporen verdient
und dann an der Seite des grossen G o n s a l v o bei Garigliano gefochten.
Später zog er sich, nach Verlust eines Armes,
zurück auf sein Gut am Bächlein Cyäne, jetzt la Pisma genannt, wo er P a o l o ,
seinen einzigen Sohn, in der Furcht
Gottes erzog. 1) Von diesem Knaben hatte eine Zigana geweissagt,
er
werde mit Königen kämpfen und über Könige siegen, ja über den Teufel.
Nicht die Erfüllung, nur ihre Möglichkeit
wurde erwogen, und in dem Glauben, P a o l o müsse Pabst und Heiliger werden, ward er für's Kloster bestimmt.
Paolo
selbst machte ganz andere Pläne. Ein starker Knabe von lebhaftem Wesen mit wunderbarem Gedächtniss und reger Phantasie, konnte er Ruhe
finden
nirgends
und liess die Gedanken weit umherschweifen,
über das heilige Buch und das ßebengeländer hinab in das reiche Thal der la Pisma bis zu ihrer Mündung in den Anapus und noch weiter bis hin zum Meere, ja über das Meer in alle Länder der Welt.
14
2. Kap.
Paolo Boi und Paul Morphy.
Bald lag er grübelnd im Dickicht der hohen Papyrusstauden und träumte von den Pyramiden am Nil; er verfolgte im Geiste dessen Quellen bis zum Mohrenland, hoffend, dort den zu besiegenden wenn auch schwarzen König zu finden, und von da bis zur Hölle wäre gewiss nur ein Schritt.
Bald
stand er in der Stadt Siragosa, wo der Vater ein Haus hatte, auf der meerumschlossenen Ortygia, am süssen Quell Alpheus, den sie nun Occhio della Zillica nennen, und es schien ihm die Flucht aus jedem Kloster ein Spiel, denn dies Wasser führte ihn ja unter dem Meere bis nach Griechenland hin.
So reifte P a o l o zum Jüngling heran. „Wenn der Junge nur still sässe", dachte der Vater und
glaubte endlich im Schach, welches damals, besonders in Sicilien, in hohen Ehren stand. das rechte Mittel gefunden zu haben.
P a o l o sass nun stunden-, ja tagelang still, und der
Vater glaubte am Ziele zu sein.
E r war auch am Ziele, aber
an dem des menschlichen Lebens, und bald nach dem ersten Schmerze über den Verlust des Vaters prüfte der junge Adler die Schwingen. In Siragosa und ganz Sicilien fand er keinen würdigen Gegner mehr,
obwohl in Palermo zwei treffliche Spieler,
A r i m i n i und B r a n c i , lebten, auch D o n M a t t e o Ii G e n c h i aus Termino Weltruf hatte. E r richtete daher seine Blicke nach Spanien,
wo R u i
L o p e z bei Philipp in hohen Ehren stand, suchte jedoch zunächst in Italien den Sieger jenes Meisters, L e o n a r d o Cutri,
il P u t t i n o
gleich stark.
genannt,
und fand ihn damals
da
noch
Beide wurden von da ab das Licht und der
Glanz des edlen Spieles genannt. 2) P a o l o aber zog in ferne Länder und wurde bis Ungarn und zu den Türken verschlagen, mit denen er reitend aus dem Gedächtniss spielte.
Denn die Türken, damals mobiler
Paolo Boi's Jugend und Reisen.
15
als jetzt, waren gleich den Arabern grosse Meister im Schach, und es gab manchen Pascha, der sein goldenes Reisebrett mit eingeschobenen Diamantsteinen am Sattelknopf führte. Unter ihnen nahm es unser Syrakusaner zu gleicher Zeit mit mehreren Gegnern auf; er war der erste, welcher ohne Ansicht des Brettes drei Spiele leitete und zugleich mit Anderen das Gespräch über die verschiedensten Gegenstände geistvoll unterhielt. In Frankreich wurde er von Catharina von Medicis, welche auch im Schachspiele Meisterin war, mit Gnadenbeweisen überhäuft, und in Portugal ward ihm die Gegnerschaft des jungen Königs D o n S e b a s t i a n zu Theil, welcher bald darauf in Afrika mit seinem ganzen Heere den Tod fand. Von Lisboa ging P a o l o nach Madrid, schlug den Z e r o n e wie den L o p e z , und obschon die Spanier, welche vorzüglich Zerone's Schachwerk rühmten, keinen Unterschied machen wollten, so gab doch König Philipp selbst den Ausschlag. Er räumte dem Syrakusaner nicht nur vor jenen Meistern, sondern auch vor vielen stolzen Rittern des spanischen Hofes den Rang ein. In Portugal hatte P a o l o an einem Tage 8000 Scudi gewonnen; trotzdem spielte er nie aus Interesse am Gewinn, er war von Hause aus reich, ein steter Wanderer, und so lehnte er auch in Madrid ein ihm angetragenes Amt ab. 3) Aber ein Ehrenamt hätte er vom mächtigsten Herrscher der Erde, in dessen Staaten die Sonne nie unterging, wohl annehmen können, und auf ein solches deutet der eigenhändige Brief hin, den der sonst so stolze Philipp im Jahre 1575 dem Syrakusaner an Don Juan d'Austria gab. 4) Gleichwohl lieferte P a o l o dieses Schreiben nicht ab, ging vielmehr nach Sicilien zurück und wanderte dort von Stadt zu Stadt von Villa zu Villa, theils zu eigenem Ver-
2. Kap.
16 gnügen,
Paolo Boi und Paul Morphy.
theils dem Schach zu Gefallen.
suchte er nach ebenbürtigen Gegnern.
Vergebens aber
Am nächsten stand
ihm H o r a t i o P a t e r n o , Baron del Biscari, Anderen inusste er vorgeben, wie Don B l a s c o I s f a r , Baron di Siculiana, ferner A n t o n i o L u p a r e l l o von Caltagirone, und Giovanni Philipp di Augusta.
Ausser diesen werden noch viele tüch-
tige Meister aus jener Zeit namhaft gemacht, die aber alle dem Syrakusaner nicht gewachsen waren. Eines Abends erschien bei P a o l o ein Fremder, forderte zum Spiele auf und schlug ihn, wie später P a o l o bei wiederholter Durchsicht der Partie deutlich erkannte, nur durch Anwendung geheimer Künste.
Schnell entschlossen brach er
sofort auf, dem Fremden nach, bis Venedig, wo er Stadt und Senat in Alarm fand, da jener Fremde als Don Sebastian, der von Afrika zurückgekehrt sei, sich ausgegeben hatte, und der Krieg an Parma wie an das Haus Braganza erklärt war. Auch auf des Syrakusaners Recognition hatte sich der Abenteurer berufen; dieser aber, eine gewisse Aehnlichkeit zugebend, verlangte zuvor eine Partie Schach, und gerüstet durch einen geweihten Rosenkranz, gestärkt durch die heiligen Sacramente, stürzte er sich in die Schlacht, die diesmal keinen Augenblick zweifelhaft blieb.
Wüthend sprang der falsche
Sebastian auf, stürzte fort, denn die Künste des Teufels waren paralysirt, der Betrüger aber entlarvt und die Verheissung der Zigeunerin in Erfüllung gegangen. P a o l o B o i erreichte ein hohes glückliches Alter.
Er
trieb nicht nur den P u t t i n o zu Paaren, sondern fand auch so lang er noch lebte, in allen Ländern der Welt keinen Stärkern mehr,
er führte ausschliesslich das Scepter des
Schachreichs. Schon war sein Haar ganz weiss, aber sein Körper und sein Geist blieben stark und kräftig; auch kleidete er sich
Paolo BoPs letzte
Lebenszeit.
17
noch immer höchst modern wie ein junger Mann und hatte manche E i g e n t ü m l i c h k e i t e n , vor Allem aber viele noble Eigenschaften.
Bescheiden, freigebig, wohnte er täglich der
Messe bei, nahm häufig das Abendmahl und gab jederzeit den Priestern.
Seine Figur war gut proportionirt, sein Aus-
sehen schön und lebendig, in der Unterhaltung war er lebhaft, anregend und gegen Jedermann heiter und gesprächig. 5) Seine Wanderlust blieb ungesättigt und ward auch gewissermassen Veranlassung des Todes.
Die Prinzessin
Stigliano
und deren Vater, welche ihn Beide sehr schätzten, hatten ihn nach Neapel eingeladen.
Dort
erkältete
J a g d und starb im siebcnzigsten Jahre.
er sich auf
einer
Sein Körper wurde
feierlich in der Kirche des heiligen F r a n c e s c o d i P a o l a beigesetzt, der Prinz von S t i g l i a n o
und viele vornehme
Neapolitaner folgten der Leiche. — So lebte und starb Paolo Boi der Syrakusaner, der E u ropäische liitter des edlen Spieles.
Weniger bewegt und romantisch, aber durchaus nicht minder thatenreicli und ritterlich Lebenswandel
erscheint der bisherige kurze
des modernen P a o l o ,
Ritters unseres edlen Spieles,
des
transatlantischen
P a u l Morphy.
Zwar hat er
noch nicht allen bedeutenden Meistern von Weltruf sich stellen können, aber ihre Anzahl hat sich in unseren Tagen unverhältnissmässig erweitert; auch war sein Vorgänger nur an eine Hemisphäre gewiesen,
er aber hat den Ocean durch-
kreuzt, um die Matadore einer anderen herauszufordern, und obschon ihm, den Zeitverhältnissen zufolge, fürstliche Gegnerschaft versagt bleiben sollte, so hat er doch, was in diesem Jahrhundert weit mehr sagen will, kaum an der Grenze 2
2. Kap.
18
Paolo Boi und Paul
Morphy.
der Grossjährigkeit, bereits alt erprobte, ruhmgekrönte Magnaten geschlagen. Mit kühnem aber gerechtem Selbstvertrauen konnte er in Frage stellen, ob die alte oder neue Welt im ritterlichen Spiele voranstehe,
und nicht beirrt durch ungewohnte Ein-
drücke fremder Nationen und Sitten hat er rüstig zur praktischen Lösung den Weg angetreten. ner sollte er keinen Stärkeren
finden,
Gleich dem Syrakusader wirklich ebenbür-
tigen Gegner nur wenige, gleich P a o l o B o i wird er fortan in
der weiteren Heimath
das
unbestrittene
Schachscepter
dauernd fortführen. 6) Erscheint seine Lebensgeschichte einfacher und nüchterner, so ist nicht Person, sondern Zeit und Sache Quelle des Grundes.
Denn die schwunghafte Beweglichkeit und heitere
Liebenswürdigkeit jener stellt ihn an Ritterlichkeit zum Mindesten dem Vorgänger gleich, und der bedeutende Fortschritt unserer Zeit in Theorie wie Praxis, welcher vor Allem eifriges Studium der ßeception gebietet, erhebt ihn um so höher, je staunenswerther
für das jugendliche Alter
die genaue
Kenntniss des gesammten theoretischen Apparates, des unermesslichen Schatzes von Erfahrungen mehrerer Jahrhunderte dem Eingeweihten sich darstellt. Natürliches
Talent und
angebornes
Genie,
begünstigt
durch glückliche Nebenumstände, haben auch ihn wie den Syrakusaner zuerst geleitet, und gleich seinem Vorgänger erhielt er aus wohlmeinendsten Händen, vom eignen Vater, die erste Unterweisung, gleich P a o l o B o i wurde ihm der erste Fortschritt so leicht,
dass bald die tüchtigeren Gegner der
engeren Heimath nicht mehr Stand hielten. Wie frohe glückliche Träume mögen den zwölfjährigen Knaben, da er den ersten Unterricht in der Jetferson-Akademie zu New Orleans erhielt, mitten unter den Schulstudien
Paul Morphy^s erste Jugendzeit. überrascht haben,
19
wenn er den bekannten Meister Eugene
Rousseau am Tage zuvor geschlagen oder gegen den Oheim Mr. Ernest Morphy siegreich gewesen war.
Und wie
ah-
nungsvolle Gedanken künftiger Triumphe mochten ihn beseelen,
als er den grossen Löwenthal bei dessen Durchreise
durch seine Vaterstadt im Frühling des Jahres 1850 wiederholt überwunden hatte! Dann aber folgt eine Zeit eifriger Studien, rastloser Aneignung aller vorhandenen analytischen Untersuchungen, während er das St. J o s e p h s - C o lieg seit dem Anfang des Jahres 1851 besuchte, bis er endlich im vorigen Jahre auf dem grossen Congress zu New York jene Anstrengungen vor einem grösseren Kreise praktisch verwerthen und dadurch den Grund seines hohen Rufes legen sollte. Wir werden seine Siegeslaufbahn von dieser Zeit an in den folgenden Schilderungen speciell verfolgen,
von
seinen
Thaten in New York und in New Orleans berichten und ihn auf seiner grossen Schachfahrt über den Ocean und durch das britische Inselreich bis zum Continente begleiten.
Zum
Schluss wollen wir dann eine ausführliche Darstellung seiner eigenthümlichen Spielweise so wie ihres Einflusses auf theoretische Fortbildung früheren
des Spieles anfügen und sie wie die
Schilderungen
durch
fortlaufende Begleitung
von
wirklichen Partien des Meisters beleuchten. I n persönlicher Beziehung bietet die kaum begonnene Lebensbahn
des jungen Mannes nur dürftige Notizen:
selbst hat von sich geäussert,
er
dass zum Gegenstande einer
Biographie sein bisheriges Leben zu kurz sei, ja in dem einen Satze sich zusammenfassen lasse: „Schach erlernt im Alter von zehn und auf dem Turnier gespielt im Alter von zwanzig J a h r e n . " 7) 2 *
2. Kap. Paolo Boi und Paul
20
Morphy.
Geboren am 22. J u n i 1837 in Louisiana stammt er von Seiten des Vaters aus einer spanischen und mütterlicherseits aus einer ursprünglich
französischen Familie.
Nicht
ohne
Sinn liesse sich hieraus die seltene Vereinigung von französischer Lebhaftigkeit und spanischer Grazie in seinem Wesen erklären.
W e r wollte die höchste Lebendigkeit
Spiele selbst verkennen,
in
seinem
und andererseits loben alle Augen-
zeugen nicht nur elegante persönliche Haltung und gracieuse Steinführung, sondern auch stete Selbstbeherrschung wie Ruhe in schwierigsten Lagen und bei überraschendsten Wendungen. Nach erstrittenem Siege aber belebt sich plötzlich seine ganze Erscheinung,
und während
die blitzenden Augen auf dem
Brette umherschweifen, deckt die gemachten Fehler ein rascher Redefluss auf, begleitet
von rapider Bewegung
der
Stücke zur Herstellung der gerügten Positionen. 8) Klein und unscheinbar von Statur,
sowie von dunklem
Teint, verräth er ein uussergewöhnliches Wesen nur dem Tieferblickenden durch das leuchtende Auge, die freie Stirn und persönlich liebenswürdige Haltung.
Von Charakter durchaus
harmlos, auch von wahrhaft nobler und im klassischem Sinne des Wortes
durchweg liberaler Denkungsart besitzt er zu-
gleich jenen echten ritterlichen Stolz, welcher in sittlichem Selbstbewusstsein .wurzelnd der eigenen Würde und Selbstachtung nichts vergibt, dabei aber als gerades Gegentheil hoffärtiger Gesinnung mit grösster Bescheidenheit vollkommen harmonirt.
Wohl mag diese reine und schöne persönliche
Integrität durch die Liebe zum ritterlichen Spiele nicht nur erhalten,
sondern zu noch immer höherer Vollendung geför-
dert sein. Den ersten Schachunterricht erhielt er im Alter von zehn Jahren durch den Vater, und nach anderthalb Jahren schlug er diesen nicht nur,
sondern auch den stärkeren Bruder,des
Paul Morphy's erste Schachleistwigen. Vaters, Mr. Ernest Morphy, vollkommen.
21
Auch von den mit
Eugene Rosseali in den Jahren 1849 und 1850 gespielten vielen Partien gewann er die weit überwiegende Mehrzahl, und von drei Spielen mit L ö w e n t h a l eines remis halten.
konnte dieser nur
Während seines Aufenthaltes in Spring
Hill bei Mobile in Alabama, wo er das St. Josephs-Colleg bis- zum Jahre 1854 besuchte, hat er auch gegen die starken Spieler James Mc. C o n n e l und den Richter des Ortes (Judge) A. Vi. M e e k kämpft.
mit bedeutend überwiegendem
Vortheil ge-
Später widmete er sich dem Studium der Rechts-
wissenschaft und während dieser Vorbereitung zum künftigen praktischen Berufe eines Rechtsanwalts wurde er durch das Ausschreiben des grossen Congresses im vorigen Herbste zum Turnier nach New York gerufen und dort von seinem Genie bis zum höchsten Siegespreise geleitet. 9) Mit diesem Triumphe scheint ihm das volle Bewusstsein der eigenen Stärke gekommen zu sein und der Wunsch nach gleichen Erfolgen wie gleichem Rufe in der alten Welt.
Un-
bekümmert um Entfernung und fremde Sitten, ist er kühn die Meere durchzogen, voll gerechten Selbstvertrauens in unbekannte Schachgenossenschaften getreten und hat mit ritterlichem Sinne auf ritterliche Begegnung bauend, gleich seinem Vorgänger Paolo, durch siegreiche Kämpfe mit gefürchteten Matadoren den Weltruf sicher gegründet. 10) So schmückt denn ihn wie keinen Andern die ritterliche Tugend des italienischen Meisters, und wir dürfen der Wahrheit zur Ehre die folgende Parallele ohne Zögern anerkennen : The two Pauls. The first Paid took his course, tliree hundred years agone, Across tlxe sea to meet tlie sturdy Knights of Spain;
2. Kap.
22
Paolo
Boi
und
Paul
Morphj.
In m e n t a l arms a r r a y e d , with true c h e s s armor on, A s c o r e o f h a u g h t y f o e m e n b y his b r a v e hand w e r e slain.
T h e s e c o n d P a u l o'er o c e a n ' s t h o u s a n d l e a g u e s has sailed T o j o u s t with t h e c h i e f t a i n s of all t h e E a s t e r n w o r l d ; H i s t o r y shall tell w h a t b o l d f o e s b e f o r e h i m p a l e d A n d h o w f r o m l o f t y t h r o n e s the K i n g s o f C h e s s be hurled.
Glossarium. 1. Die folgende Skizze über Paolo Boi ist nacli einer Abhandlung,
grösseren
welche Herr v. Oppen in der Schachzeitung von 1848,
S. 433 ff. mitgctlieilt hat,
zusammengestellt;
die Belege
sind
aus
P i e t r o C a r r e r a ' s Lehrbuch entnommen. 2. L e o n a r d o da Cutri,
welcher (gleich Paul Morphy) schon in
frühem Alter als kleiner Knabe im Schachspiel sich auszeichnete, erhielt daher den Beinamen il Puttino,
d. i. der Kleine.
Später nach
seinem Siege über Lopez vor dem Könige Philipp wurde er von diesem il Cavaliere errante genannt. Ueber die ehrenvollen Prädikate Licht und Glanz
( L i g h t and
Lustre im Englischen und lumi e splendori im Italienischen),
welche
von S a l v i o herrühren sollen, berichtet P i e t r o C a r r e r a (in seinem il giouco degli Scacchi zu Militello 1617, S. 99) folgendermassen : „Pria che andasse in Jspagna trascorse tutta Italia in centrandosi co' maggiori professori del giuoco fra quali vienne à zuffa col Puttino gambi si conoblero chiamati dal Saluio sione degli Scacchi."
lumi
pari
e splendori
perciò
son
della profes-
Glossarium.
23
3. W i r berufen nns aaoh liier auf Pietro C a r r e r a , welcher folgende Schilderung giobt: „Paolo Boi Siciliano, della citte di Siracusa detto il Siracusano,
nacque in Siracusa di h o n o r a t i s si ni a f a m i g l i a e
ricca. —
Fu caro k molli Principi Italiani e specialmente
al Duca di Urbino ad alcuni Cardinali anzi al Pontefice istesso P i o V. il qualo gli haurebbe dato un grosso beneficio purché egli si fosse vestito da Chierico; k
gusto
de
suoi
humori
non
e i per
volle
vivere
ubligarsi
a
questo. " 4. Der hier gedachte Brief von Philipp II. lautet wörtlich im Originale: „Illustrissimo D o n J u a n d e A u s t r i a
mi muy caro y tny
amado hermano, nuestro Capitan General de la M a r , de la persona y servicios de P a b l o B o i Siracusano que esta os dara,
se me ha hecho muy buena relation y que agora va
con desseo de continuarlos cerca de vuestra persona, y assi os he querido escr.ivir y rogaros, y encargaros mucho, como lo hago,
le tengáis por muy encomendado para favregerle
y emplearle en las occasioncs, que se offreijieren de mi servigio, que en ello recibire de vos particular contentamiento, y sea Illustrissimo D o n J u a n
mi muy caro y mui amado
hermano nuestro Capitan General de la Mar nuestro Señor en vuestra continua guurda. De Madrid a X X I I de Agosto
1575.
Vuestro buen hermano JO
EL
REY, Ant. Perez.
5. Pietro Carrera ginalschilderung :
im il gioco degli scacchi giebt folgende Ori-
24
2. Kap.
Paolo Boi unci Paul
Morphy.
„ J o nella mia giouentù r i t r o u a n d o r n i nella Città di P a l e r m o nell' anno 1597, conobbi lui t u t t o imbianchito, ma (li gagliarda complessione,
e di più
gagliardo coruello,
percioché
vestina da giouane molto attillatamente e haveva capricci d a giouane; cioché
non dimeno egli fù o r n a t o di ottime q u a l i t à , p e r -
fu
castissimo,
m o g l i e , fu s p l e n d i d o ,
e modestissimo,
no volle mai
e m a g n i f i c o oltre m o d o ,
faceua
spesse, e l a r g h e limosine, vedeua Messa ogni giorno di continouo d a n d o s e m p r e la limosina al S a c e r d o t e ,
che h a u e u a
celebrato, chiunque egli si fosse;
si confessane, e communi-
caua allo s p e s s o ,
d e ' Religiosi;
che
fù amantissimo
non soffri,
nessun p i t t o r e il ritrahesse e alcuni ritratti di l u i ,
che
hoggidi vi s o n o ,
f u r fatti alla sfuggita senza ch'egli il sa-
pesse.
di
Kgli
fu
proportionata,
statura
più
che
di b e l l a f a c c i a ,
do nel v a g i o n a r e ,
allegro,
commune,
ma
e v i v a c e fù f a c o n -
e a f f a b i l e con
ciasche-
duno. "
6.
Man
vergleiche
folgende
Darstellung
im
Septeinberstùck
der
A m erik an i sch e n M o n a t s s c h r i f t : „When P a o l o Italy
to
B o i in t h e sixteenth century w a n d e r e d from
e n c o u n t e r R u y Lope/,
und X e r o n e
in the
grand
T o u r n a m e n t at Madrid, he was merely obliged to pass over a small portion sailed across
of an inland sea.
an ocean
in search
But P a u l M o r p h y of
uncoriquered
has
foemen.
W h e n t h e eyes of t h e c h e s s - w o r l d w e r e t u r n e d to the m a t ches between L a b o u r d o n n a i s
and Mac Donnei and
between
Staunton and St. Amant, t h e contest was only between two nations.
Now
the
b a t t l e is between
two continents.
The
question is w e t h e r t h e old world shall yield the s c e p t r e to t h e n e w , whether the t h r o n e of t h a t royal game which originated in t h e
extremest
in t h e e x t r e m e s t Occident.
orient shall now be The
established
youthful y e a r s and little
25
Glossarium. previous practice of the American champion,
the ripe age
and large experience of his competitors, the high cultivation to which chess lias attained everywhere in E u r o p e the last few y e a r s ,
during
and the general enthusiasm which has
been so lately aroused in this c o u n t r y : all conspire to give additional brilliancy to the transatlantic tour of Paul Morphy.
While we confess that our sympathies,
are with our countryman, sentiments of pleasure
we
cannot avoid
and words of praise
as is natural, noticing with the
generous
courtesy and gentlemanly kindness which he has thus far inet at the hands of o u r European
brethren.
7. In Frank Leslie's News P a p e r vom 31. O k t o b e r v. J . heisst e s : „Mr. M o r p h y
states that he is too young a man to have
any history and t h a t his Chess career may be fully desribed as follows: L e a r n e d Chess at t e n , played in the Tournament at twenty.
His father taught hiin the moves of the
game at ten years of age and within eighteen months the boy could beat him as also his u n d e , the well-known amateur
Ernest
thal
came to New Orleans in 1850;
Morphy.
The
celebrated
Herr
Loewen-
Paul then only thir-
teen played three games with him winning two and drawing a third.
Mr. R o u s s e a u
the opponent of Mr. C. H. S t a n -
l e y , also succumbed to his prowess and we can safely say that Paul Morphy has never yet did not
appear
met any
man whom
he
to have a perfect facility in checkmating.
H e is considered by the leading players in the Congress to be the most brilliant and successful amateur living and as he proposes shortly to visit E u r o p e we fully expect to hear of his beating all the great Chess magnates there as he has done those of the New W o r l d . "
2. Kap.
Paolo Boi mid Paul
Morphy.
8. „Mr. Morphy is a most fascinating player for those looking on and there is always a crowd around his hoard whenever he is en lutte with an opponent.
His attention is not by
any means riveted on the game and he makes his moves with a speed approaching rapidity.
Knights are thrown away
and bishops sacrificed apparently in oversight, rooks are exchanged against pawns, queens left carelessly en prise, but the young general has certain victory in his eye; and when his
antagonist
perchance
thinks, he can
at
last win
one
game from this redoutable young genius of the South, Morphy quietly suggests that mate may be given in five, six or seven
moves.
Then begins an analysis of the game,
loser explaining to the b y s t a n d e r ,
the
why it was he failed to
come off a winner, invariably appealing to Mr. Morphy for endorsement who as invariably coincides with his questioner It has now come to this: nearly every member of the congress endeavours to make the game a d r a w , satisfied at
such
being
more
a result with this young hero than with
winning from others. 9. Mr. S a m u e l W a r r e n ,
in
his
„Introduction
to
the
S t u d y o f t h e L a w " strongly recommends chess as a most desirable recrcation for those who are training for legal honours.
Ho regards it as involving much wholesome mental
discipline, temper, vigilance, rapid and l o n g - s i g h t e d combi nations,
all being in requisition.
Indeed, it is difficult to
conceive a game more commendable on these grounds. — (Vgl. Schachzeitung von 1849, S. 347.) 10. So sagt Loewenthal in the E r a : „ W e have great pleasure in announcing that Mr. M o r p h y has arrived in London and has met with a most enthusia-
Glossarium.
27
stic reception from the members of the S t . George's club, where he paid a visit last Wednesday and played excellent games. England betokens Europe
an
several
T h e prompt visit of this great player to his great anxiety
opportunity
of
to give the players of
encountering
him.
His powers
:ts a chess player have not at any degree been exaggerated. The quickness with which he forms and carries out his combinations is truely surprising. important quality, sion. "
that
He possesses
also an other
of perfect coolness and selfposses-
Drittes Kapitel. Partien aus der ersten Jugendzeit des Meisters.
1. Partie.
Gegen Mr. Eugene Rousseau. Gespielt
zu N e w O r l e a n s , 7. M a i
1850.
(Gegengambit im Königsspringerspiel.) P . M. Weiss.
1. e2 — e.4 2. S gl - HS 3. L n. — c4
Mr. E. R. Schwarz.
e7 — o5 S b8 — cG
f 7 — fr»
D i e Theorie erachtet dies Gegeng a m b i t für gefährlich und empfiehlt s t a t t dessen die Entwicklung des Künigslatifers L f 8 — c5 Der positive Grund j e n e s U n h e i l s liegt in v o r e i liger Oeltnung des Königflügels, deren nachtheilige Folge sieh bald in I-Iemmung der Rochade herausstellt.
4.
d'2 — d3
0—0
6. S f 3 — g 5 7. e4 — d5: 8. S b l - c3 9. D dl — f 3
I
S g8 — f6
Auch der Doppelschritt dieses B a u e r n bietet eine günstige Fortsetzung und wird von der Theorie dem hier gewählten E i n s c h r i t t noch vorgezogen.
5.
nem d r i t t e n Zuge in der Entwicklung der Königsseite zurückgeblieben ist und dem Gegner die A u s f ü h r u n g des nun folgenden entscheidenden Angriffes gestatten muss.
d7 — d6
Man sieht, wie Schwarz nach sei-
SL
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n t f&m
d6 SiT» Sc6 o7
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d5 d5: e7 c6
I
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2. Partie.
P. Morphy gegen Loewenthal. Weiss.
In
dieser
Position
bietet
sich
Weiss eine schöne Combination
dar,
welche
von
aber zur Ueberzeugung
ihrer Solidität auf
eine weite
Rechnung
viele Züge voraussetzt
her vom chen
tiefen Blick
Meisters
und
da-
des jugendli-
deutliches
Zeuguiss
giebt.
10. Sc3 — e4
f 5 — e4 :
D i e B e g r ü n d u n g d i e s e s O p f e r s erfordert nicht
allein Voraussicht
nach fünf Zügen
sich
der
einstellenden
M ö g l i c h k e i t , d e n K ö n i g s t h u r a . zu e r obern,
s o n d e r n auch d e u t l i c h e V o r -
s t e l l u n g von d e r d a n n e i n g e t r e t e n e n , lïir S c h w a r z tion,
Df'7 — e6f : 13. De6 — e5 i 14. De5 — d6 f 15. Sg5 - f 7 f 16. S f 7 — h8 : 17. c2 — d3: 18. b2 - b4 19. T f l — el 2 0 . L e i — b2f 21. Tel — e 5 f 12.
so n a c h t h e i l i g e n
dass der Springer
halten werden
kann
und
E n t s c h e i d u n g des S p i e l e s
auf
Posih8 ge-
sogar
zur
wesentlich
beiträgt.
U . Df'3— f'7f
Kc8 — (17
29 Schwarz.
Kd7 — c7 Dd8 — d6 Kc7 — ü6 : Kd6 — e6 e4 — d3 : Ke6 — f 6 L c 8 — eb Le6 - g 8 Kf6 - g 5 Kg5 — h 6
Man sieht, dass beim Z w i s c h e n setzen
des
T a l — el
Springers
Weiss
entscheidendes
übergewicht
durch
Positions-
erhält.
'22. Lb2 — e l f g7 — g5 "23. Te5 — g5: und Weiss gewinnt.
2. Partie. Gegen J. Loewenthal. G e s p i e l t zu N e w O r l e a n s , 25. Mai 1850. (Siciiianisehe Eröffnung.) P. M. Weiss.
J . Loewenthal. Schwarz.
c7 — c5 1. e2 — ei f4 e 7 — eG 2. f 2 f3 d7 — d5 3. S g l d5 : e6 — d5 : 4. e4 Lc8 — g4 5. d"2 — d4 I n die9em Z u g e von S c h w a r z liegt d e r e r s t e Iveim zu d e n s p ä t e r e n B e -
d r ä n g n i s s e n s e i n e r S t e l l u n g . E r bef ö r d e r t die E n t w i c k l u n g der f e i n d lichen Königsseite und giebt durch den nachfolgenden Abtausch dem KörigslaTifer d e r w e i s s e n P a r t e i e i n e beclrohlicheRichtung gegen die schwachen P u n k t e dö u n d b7.
6. L f l - e2 7. Le2 — f 3 : 8.
0 —
0
Lg4 — f 3 : Sg8 — fß L f 8 — e7
2. Partie.
30
P. Morphy gegen
Loewenthal.
Man bemerke das Streben nach angriffe durch vorrückende Bauern rapider Entwicklung, welches bereits besteht. S c h w a r z büsst d u r c h s e i n e n D a in d i e s e n wie in d e n n ä c h s t f o l g e n den
Zügen
der
anziehenden
Partei
menziig ein w e s e n t l i c h e s T e m p o ein,
des welcher Verlust von seinem genialen Behand- Gegner mit höchster Consequenz aus-
h e r v o r t r i t t u n d von d e m T a l e n t e jungen Genies für richtige
Beweis gebeutet wird. Man vergleiche S c h l u s s d e r N o t e zum 8. Z u g e .
lung des Spieles lebendigen
den
liefert. Wohlweislich wird der Bauer
d4 n i c h t d u r c h c2 — e3 g e d e c k t , s o n dern
jene
wicklung
consequente
Figurenent-
vorgezogen.
F ü r S c h w a r z w ä r e a b e r d i e Spielw e i s e 8. c5 — d 4 : n e b s t 9. S b 8 — c 6 auf 9 D d l — d 4 :
empfelilenswerther,
und man sieht offenbar, Kraft
seines
w i e er die
jugendlichen
Gegners
unterschätzt. Vorzüglich beweist dies d e r 25. Zug von S c h w a r z , s o w i e die
18. g2 19. f 5 20. f6 21. L f 3 22. D d l 23. Le4
— — — — — —
g3 Dh4 - g5 f6 Sc6 — e5 g7: T f 8 — d8 e4 Dg5 — g7: h5 Td8 — d6 U 7 | Kg8 — f8
E i n e t r e f f l i c h e C o m b i n a t i o n , wel-
alle noch so schwiev o r e i l i g e A t t a k e im 17. und 38. Z u g e . r i g e n V e r w i c k l u n g e n s i c h e r h i n d u r c h -
9. L e i — e3 10. Le3 —• d4: 11. Sbl — c3 12. Ld4 — f6:
c5 — (14: 0 —
0
Sb8 — c6 Le7 — f 6:
che den d u r c h
leitenden Positionsblick
vollkommen
bestätigt.
24. Lh7 — e4 25. Dli5 - f 5
Td6 — h6 Dg7 — g3:
D a d u r c h w i r d den w e i s s e n T h ü r m e n eine e n t s c h e i d e n d e A n g r i f f s l i n i e sante Verwicklung, welche schliess geöffnet. Man vergleiche hier w i e lieh W e i s s zu der im 17. Z u g e be der die B e m e r k u n g zum 8. Z n g e von g i n n e n d e n A n g r i f f s c o m b i n a t i o n Ge- S c h w a r z . J e t z t e n t s p i n n t sich e i n e
interes
l e g e n h e i t u n d a b e r m a l s von d e m w e i ten P o s i t i o n s b l i c k e d e s j u g e n d l i c h e n M e i s t e r s d e u t l i c h e s Z e u g n i s s giebt.
13. Sc3 — d5: 14. Tal — bl
Lf6 — b2 : Lb2 — d4f
15. Kgl - hl 16. c2 — c3 17. f4 — f5
Ta8 — b8 Ld4 — c5 Dd8 — h4
D a s V o r d r i n g e n d i e s e s B a u e r n ist charakteristisch
für
die
Spielweise
des M e i s t e r s , d e s s e n v o r z ü g l i c h e K u n s t
26. Tbl — b2 27. Sd5 — f6 28. Tb2 — g2
Tb8 — e8 Te8 — e6 Dg3 —g2 +
Schwarz hat keine andere
Wahl,
u m d e m m i t 29. T g 2 — g8
drohenden
R u i n zu e n t g e h e n ,
der Fehler
und
im 25. Z u g e r ä c h t sich j e t z t
uner-
bittlich.
29. Le4 — g2: 30. Df'5 — f6:
Th6 — f"6: Te6 — f 6 :
Diese unaufhaltsame kräftige Ent-
in e l e g a n t e r E i n l e i t u n g d e r O f f i c i e r - s c h e i d u n g b i e t e t n e b s t dem n u n con-
3. Partie. sequent
P. Mor-phy yegen Mc. Connel.
herbeigeführten Schluss
ein
g l ä n z e n d e s Beispiel e r e r g i s c h e r Verf o l g u n g des g e w o n n e n e n
Vortheils.
Weiss.
Schwarz.
31.
T f l — f 6 :
32.
Tf6 — fó
33.
Se5
— g 4
b7 —
L g 2 — d5
Sg4
b6
— h 6
34.
T f 5 — f6
Kf8 —
g7
35.
T f 6 — cG
a7 —
a5
36.
Tc6 —c7
Kg7
37. K h l — g - 2
Sh6
— f 5
KgG —
4 0 . L c4 — f 5 :
Kirö —
r2 -
41.
li4
g5
4.3. K f 3 -
g3
f 6 —
f5
44.
f6
f 5 —
f4f
Tc6 —
45. K g 3 —
f4:
46. K f 4 —
e4
47.
f5f
Tf6 —
4i). K e 4 —
ii>:
Kf'5 -
Schwarz. c6
K g 6
— h 5
L e o — f'2 Lf-2 —
c5
Kh5 —
li4
b6 — c5 :
Die g e r ü h m t e E n e r g i e e r r e i c h t h i e r ihren H ö h e p u n k t und lässt das ber e i t s in j e n e r f r ü h e n E n t w i c k l u n g s periode des Meisters seiner vollendeten A u s b i l d u n g z u s t r e b e n d e T a l e n t erkenneu.
— g 6
39. L d a - c 4
Weiss. 4-2. T c 7 —
48. T f 5 — c5 :
f 7 — f'6
38. Kg-2 — f 3
31
d5
und
Weiss
«o-
O
winnt.
gG
Partie.
Gegen
Mc. 0 o n n e 1.
(Französische P. M.
Mc. C o n n e l .
Schwarz,
Weiss. 1.
o-2 -
bereits
Meister
auf
im f r ü h e s t e n A l t e r dem
Gebiete
dos
t h e o r e t i s c h e n W i s s e n s sich zeigt u n d
e7 —
e6
wie v o l l e n d e t e r d e s s e n
di
d5
zur p r a k t i s c h e n V e r w e r t h u n g zu b r i n -
c7 —
c5
d-2 —
c4 — e5
3. e4 — d 5 : e m p f i e h l t , ü b e r d a s f r ü h zeitige V o r r ü c k e n
des
Königsbauers
Eröffnung streng findet
in d i e s e m
begrünSpiele
conséquente praktische Widerlegung. erkennt hieraus deutlich,
wie
Grundsätze
gen v e r s t e h t . 4.
D e r von der T h e o r i e , w e l c h e liier
Man
der
d7 -
3.
dete T a d e l
heimisch
e4
2.
in d i e s e r
Eröffnung.)
c2 —
c3
S b8 —
c6
f'2 —
f4
D d8 —
b6
—
f3
Lc8 —
d7
7.
a2 —
a3
Sg8 —
h6
8.
b2 —
b4
5. 6.
9.
Sgl
c3 — d4 :
c5 — d4 : Ta8 —
c8
32
4. Partie.
P. Mor pity gegen Judge A. B. Schwarz.
Weiss.
Weiss.
Schwarz.
1 0 . L c l — b'2
Sll6 —
f5
13. D d 3 -
d2
11. D d l —
L f 8
b4f
14. D d 2 —
dl
1-2.
u3
—
Sc6 -
a3 — b4 :
b4:
4.
Meek.
Tc8 —
Sf'5 — c3
giebt die Partie
Weiss
c2
auf.
Partie.
Gegen Judge A. B. Meek. (Schottisches A.
B.
Meek.
P.
Weiss. 1. 2.
e5
Weiss hätte jetzt rochiren und d a n n m i t L c l — g 5 n e b s t S b l — d2 seinerseits den Angriff aufnehmen sollen.
c6
1 1 . D b ö — b3f
d4:
12.
c5
13. D b 3 — d 3
M.
Schwarz.
e2 — e4 S g l —
e7 —
f3
Sb8
-
Gambit.)
3.
d2 — d t
e5 —
4.
L f 1 — c4
Lf'8 —
5.
Sf'3 — g 5
S g 8 — hG
14.
f 3 — e4 :
S h G — f'7 :
15.
g2 — g3
Ke8 — f 7 :
16. K e l — f 2
f». S g 5 —
f7:
7. L c4 — f 7 + 8. D d l — h ö f
g7 —
!). D h 5 — c u :
d7
g6
— d 6
D i e T h e o r i e z i e h t g e g e n w ä r t i g den D o p p e l s c h r i t t d7 - (15,
w e l c h e r Zug
aber damals noch nicht b e k a n n t war, vor. 10. D c 5 — b 5 Dieser
und
Th8 — der
e8
nächstfolgende
f2 — f 3
17. S b l —
d2
dG
— d 5
ScG
— a 5
d5 Dd8
— e 4 : — h l |
T e 8 — e 4 t Dh4 —
e7
Te4 —
e3
D i e nun f o l g e n d e h a r t n ä c k i g e V e r folgung der D a m e , um ihre W i r k s a m k e i t auf den P u n k t e2 a b z u l e n k e n , zeigt d i e g e r ü h m t e C o n g e q u e n z in h e l l s t e m L i c h t e . 18. D d 3 19. D b 5
bö — f l
c7 — Lc8
c6
— h 3
s c h w a c h e Zug d e r w e i s s e n P a r t e i wird 2 0 . D f l Ta8 — f8 dl von i h r e r G e g e n p a r t e i in e b e n s o e n e r Kf7 e8 21. S d 2 f3 gischem wie brillantem Stile conseW e i s s giebt die Partie auf. (juent a u s g e b e u t e t .
ô. Partie.
33
P. Morph-y gegen A. B. Meek.
5. Partie. Gegen Judge A. B. M e e k . (Gewöhnliches Springergambit.) A. B. Meek.
P.M.
Schwarz.
Weiss.
1.
e'2 — e4
2.
f2 — f4
e7 — e5 e5 — f4:
3. S g l — f 3 4. L f l — c4 5. h2 — h4
g7 - g5 L f 8 — g7 g5 — g 4
Weiss durch L f 6 — h4f den Angriff verliert, dessen stete Behauptung die Seele der genialen Spielweise unsers Meisters bildet. Weiss.
Schwarz.
11. h4 — g5: 12. Lc4 — f 7 f 13. Dd2 — f 4 f
Sh6 — f7 Ke8 — f 7 : K f 7 — g8
Es ist deutlich, dass die Dame Dieses fehlerhafte Vorgehen des Bauern, stattdessen h7 — h6 gesche- das Schach wegen 14. g5 — g6t nicht hen musstc, giebt dem Meister zur decken darf. Man merke nun auf die folgende Durchführung eines schnellen Gambitangriffes in seinem gewohnten [ höchst conséquente Ausbeutung des gewonnenen Positionsvortheils. glänzenden Stile Gelegenheit,
6. S f 3 — g 5 7. d2 — d4 8. L c l ~ f 4 : 9. L f 4 — gö: 10. Ddl - d2
Sg8 —h6 f 7 — f6 f6-g5: Lg7 - f6 L f ß — g5:
— e7 S b l — c3 c7 — c6 Tal—el d7 — d6 Sc3 — • nge mit vollkommener Sicherheit in seinem gewohnten genialen Stile durch.
92
6. Kap.
Paul Morphy
in New
Orleans.
Bald ging er weiter und spielte vier, sodann fünf, endlich sechs Partien, sämmtlich in unglaublich kurzer Zeit mit derselben Stärke und Eleganz wie am Brette und ohne jede Ermüdung nach beendeter Production. Von den vier, am 10. März, während dreier Stunden vollendeten Spielen gewann er drei und schloss das letzte mit Remis; in den anderen Fällen blieb er sogar über sämmtliche Gegner, welche aus den besten Spielern des Club gewählt waren, siegreich. 2) Ausser solchen Triumphen im Schoosse der Schachgesellschaft hielt er ihre Fahne als unüberwindlicher Vorkämpfer mit kräftiger Hand gegen durchreisende Gäste von hohem Rufe aufrecht, und hierbei gewährte er selbst anerkannten Meistern der Vereinigten Staaten mit Glück bedeutende Vorgaben. Mr. W. W . M o n t g o m c r y aus Georgia und Mr. W o r r a l l aus Mexiko (ein früherer Gegner S t a u n t o n ' s ) sollten beide die hohe Ueberlegenheit des jungen Meisters erfahren. Gegen ersteren verlor dieser nur eine von fünfzehn Partien und darunter war in neun der Springer gegeben; gegen letzteren erstritt er von fünfzehn Spielen mit gleicher Vorgabe die Mehrzahl. 3) Dennoch bedurfte es aller dieser Siege nicht mehr, um die Begeisterung für das Genie bis zum höchsten Stolzgefühl, bis zum lautesten Ausdruck jenes immer drängenderen Wunsches zu steigern, den jungen Helden im Kampfe mit fremdländischen Meistern neue Lorbeeren erringen und das Maass der Triumphe vollenden zu sehen. Noch immer genoss in der öffentlichen Meinung weiterer Schachkreise jenseits des Oceans der Englische Altmeister H o w a r d S t a u n t o n vor anderen Europäischen Spielern eines vorzugsweise hohen und verbreiteten Rufes. Mit besonderer Vorliebe war sein dem deutschen Werke nachgebildetes Handbuch in der neuen Welt aufgenommen, und seine persönliche
Herausforderung Verherrlichung
an Staunton.
93
durch die britischen Landsleute hatte
schon
frühe in Amerikanischen Schachkroisen lauten Wiederhall gefunden.
So galt denn die nächste Fehde dem Englischen Ve-
teranen. da seine Niederlage in der Meinung der neuen Welt der erste entscheidende Triumph über die alte sein musste. Familienverhältnisse
hielten
damals den jungen
Meister
von Ausführung des Planes zurück und legten einer Reise nach Europa noch Schwierigkeiten in den Weg.
Aber die allge-
meine Begeisterung für den geschilderten Wunsch war so mächtig,
dass man blind gegen offenbare Bedenken dem fremden
Altmeister das Ansinnen zur F a h r t über den Ocean
stellte,
dass man einem alten Magnaten, dem jungerstandenen Meister entgegenzukommen, proponirte.
Eine
so harte
Zumuthung
mochte immerhin durch andere noch so günstige und humane Bedingungen gemildert werden, dennoch konnten sie wohl nicht den mangelnden Tact des unpassenden Verlangens
ersetzen.
Auch verdient die Ueberzeugung Ausdruck, dass vor dem ritterlichen Sinn des jungen Meisters selbst der Vorschlag seiner Gesellschaft eine nüchterne Prüfung wohl kaum bestanden haben mag. Der Club zu New Orleans war aber zu begeistert,
als
dass er einer ruhigen und langsamen Entwicklung der Verhältnisse gewichen wäre.
Der lebhaft gehegte Wunsch sollte
ohne Zögern verwirklicht, die alte Welt im Sturme genommen werden.
E i n deutliches Zeugniss giebt das an den Englischen
Meister gerichtete Schreiben, welches noch immer als geklärter, gesetzter Ausdruck der allgemeinen Stimmung aufgefasst werden muss. N e w - O r l e a n s , im F e b r u a r
An H o w a r d S t a u n t o n , Werthgeschätzter zu New-Orleans
Herr!
1858.
Esqu.
Im Namen
und Auftrag des Schachclub
haben wir, das unterzeichnete Comité, die E h r e , Sie
94
6. Kap.
Paul Morphy in New Orleans.
zu einem Besuche in unsere Stadt sowie zu einem Schachkampfe hierselbst mit Herrn F a u l M o r p h y einzuladen. Bei Erfüllung dieses Auftrages sei die Bemerkung gestattet, dass uns ebenso der Wunsch beseelt, einen Meister, den wir schon geraume Zeit hindurch bewundert haben, persönlich kennen zu lernen, wie uns das höchst natürliche Verlangen treibt, die Stärke unserer Amerikanischen Spieler an dem entscheidenden Massstabe praktischer Wettkämpfe zu erproben. Es ist uns kein stichhaltiger Grund bekannt, weshalb eine so geistige und edle Beschäftigung wie da§ Schach von jenem noblen Wetteifer zwischen alter und neuer Welt auf allen Gebieten wissenschaftlicher und industrieller Thätigkeit ausgeschlossen bleiben, sollte.
Wenn
der Geist dieser Concurrenz anjetzt noch nicht unser ritterliches Spiel erfasst hatte, so lag wohl der Grund in einer noch unbekannten gegenseitigen Abschätzung der vereinzelten,. seit füufzehn Jahren so bedeutend angewachsenen, Schachkräfte der Vereinigten Staaten sowie in dein daraus folgenden Mangel der unbestrittenen Anerkennung einer vorherrschend ersten Grösse. Dieser Mangel ist jetzt durcli den neulich abgehaltenen Scliacheongress gehoben und hiermit das Verlangen um so mächtiger geworden, durch praktische Kämpfe mit den Schachmatadoren Europa's den Rang der Amerikanischen Spieler im Schachreiche zu ermitteln. Zu diesem Zwecke war der Plan gefasst, dass Mr. M o r p h y , der Sieger im Congress und gegenwärtige Scbaehheld Amerika's, den Ocean durchkreuzen
und
die hervorragenden
Schachwelt herausfordern. sollte.
Magnaten
der
Europäischen
Es tritt jedoch leider der unglück-
liche Umstand dazwischen, dass wichtige Familienbedenken Mr. M o r p h y zur Zeit noch von der gedachten Reise nach Europa zurückhalten. Wir sehen uns desshalb veranlasst, auf irgend einem anderen Wege ein Zusammentreffen zwischen ihm und dem anerkannten Vorkämpfer Europa's zu arrangiren; in Betracht dieses letzteren aber haben wir weder Wahl noch Zögerung nöthig.
Die allgemeine Stimme ruft uns
Ihren Namen entgegen und wir wünschen uns Glück, das transatlantische Sehachscepter in den Händen eines Mannes zu sehen, welcher
Herausforderungsschreiben
95
an Staunton.
in Rücksicht auf gegenseitige Beziehungen zwischen den beiden Ländern,
sowie aus noch anderen Gründen
Eigenschaften
für unsere Einladung
in seiner Person so günstige
wie kein
anderer
Europäischer
Spieler vereinigt. Wir nehmen uns die Freiheit, einen Entwurf von Kampfbedingungen anzufügen und erklären dabei ausdrücklich, dass sie nur zu dem Zwecke
einer
Förderung
der
betreffenden
Correspondenz
vorgelegt
werden.
Unser Streben ging dahin, den Inhalt dieser Vorlage so billig
als möglich zu fassen und von vornherein alle etwa möglichen Streitpunkte zu berücksichtigen. W i r sprechen die ergebene Bitte aus, j e d e Aenderung die Sie für rathsam erachten, vorbringen zu wollen, und zwar sowohl in Betreff der unbedeutenderen P u n k t e , wie in Ansehung der Einsatzsumme, des Anfangstermines u. s. w.
Auch erkennen wir bereitwillig den von Ihnen
in> Turnierbuche gemachten Vorschlag' an, bei Wettkfimpfen die Hälfte der Partien oder selbst alle im Voraus als offene Spiele zu bedingen, und wir ersuchen Sie, nach Gutdünkeu eine solchen Clausel in den Entwurf einschalten zu wollen. Zum Schluss wollen
Sie, geschätzter H e r r ,
die Versicherung ge
nehmigen, dass es uns ein ausserordentliches Vergnügen gewähren würde, einen Mann unter uns zu bewillkommnen, dessen Spielstärke ebenso sehr bewundert wird, wie seine werthvollen Leistungen in der Schachliteratur hohe Anerkennung gefunden haben. In der Hoffnung auf baldgeneigten
günstigen Beseheid verbleiben
wir mit ausgezeichneter Hochachtung Ihre ganz ergebenen E . W . Halsey, Francis Michinard, G. Pandely, P. E. Bonford, Ch. A. Maurian,
Jr.
Der diesem Schreiben angefügte Entwurf von Kampfbedingungen enthält folgende Propositionen:
96
6. Kap.
Paul Morphy in Neu Orleans.
1) Der Einsatz soll von jeder Seite 5000 Dollars betragen und der Gewinn von elf Spielen entscheiden. 2) Die Wettpartien sollen in New Orleans gespielt werden. 3) Im Falle des Verlustes soll der Englische Meister aus den Einsätzen 5000 Dollars als Vergütung für die Reisekosten erhalten. 4) Als Gesetze sollen die in S t a u n t o n ' s Handbuch niedergelegten Vorschriften maassgebend sein. 5) E s soll mit Staunton chess men von gewöhnlicher Grösse auf einem entsprechenden wohlproportionirten Brette gespielt werden. (Herr S t a u n t o n wird hier zugleich ersucht, ein Spiel solcher Art mitzubringen.) 6) Der Wettkampf soll am 1. Mai oder zu irgend einer anderen Herrn S t a u n t o n
im Laufe dieses J a h r e s ge-
nehmen Zeit begonnen und wöchentlich in nicht weniger als vier Sitzungen fortgesetzt werden. Zur Abkürzung seines Aufenthaltes soll der sche Meister berechtigt sein,
engli-
die Spielstunden auf die
Zeit von 10 bis 2 Uhr Vormittags und 6 bis 10 Uhr Nachmittags auszudehnen. 8) Die Bedenkfrist für den einzelnen Zug darf nie eine halbe Stunde überschreiten. 9) Die Verfügung über
das Pnblicationsrecht
in
Betreff
der gespielten Partien bleibt gemeinsamer Uebereinkunft der beiden Spielenden vorbehalten. 10) Vor Beginn des Wettkampfes werden die Einsätze deponirt
und zwar
der
des Herrn
Staunton
in
die
H ä n d e von — , und der für Mr. Morphy bei Mr. E u g e n e R o u s s e a u , Rendant an der Bank von Louisiana.
Stauntorfs
Antwort
auf die
Herausforderung.
97
Abgesehen von dem zweiten Satze, welcher dem freiwillig Herausgeforderten nicht einmal Betreff des Ortes gestattet,
eine b e s c h r ä n k t e "Wahl in
lässt sich keinesweges ein durch-
gehends nobler Charakter in den proponirten Bedingungen verkennen. 4) Wundersam erscheint es aber, wie das jungaufstrebende Amerika bei einem Kampfe, der ihm erst allgemeine Anerkennung bringen sollte, von vornherein ein Entgegenkommen der alten Meisterschaft erwarten und dabei zugleich den ebenfalls ins Spiel kommenden Nationalstolz ausser Acht lassen konnte. Die
naheliegende Erklärung
eines berechneten Angriffes auf
Europäische Gutmüthigkeit wollen wir indess nicht vertreten, vielmehr uns mit der oben geschilderten hohen Begeisterung als ausschliesslicher Quelle für die erfolgte Herausforderung begnügen.
Die ablehnende Antwort des Englischen Meisters
lautete folgen dermassen: London, 3. April 1858. Meine H e r r e n .
Auf I h r e f ü r mich so schmeichelhafte E i n l a d u n g
zu einer Reise nach N e w - O r l e a n s ,
um mit H e r r n P a u l
Morph j
in
einem S c h a c h k a m p f e zusammenzutreffen, wollen Sie die E r k l ä r u n g entgegennehmen, dass schon seit m e h r e r e n J a h r e n Berufspflichten mir den R ü c k t r i t t von der ernsteren S c h a c h p r a x i s a u f e r l e g t haben u n d dass sie gerade j e t z t
so d r i n g e n d sind, dass ich mit g r o s s e r A n s t r e n g u n g von
acht T a g e n kaum einen z u r E r h o l u n g e r ü b r i g e n k a n n . Unter
solchen U m s t ä n d e n
w e r d e n u3ie
ohne W e i t e r e s
begreiflich
linden, wie ein langer und zäher W e t t k a m p f selbst hier in L o n d o n ein zu b e d e u t e n d e s U n t e r n e h m e n sein würde, als dass ich ohne hinreichende Gelegenheit zum W i e d e r g e w i n n meiner f r ü h e r e n S t ä r k e u n d ohne solche Anordnungen, welche einer A u f o p f e r u n g meiner Berufsgeschäfte vorbeugen würden, mich darauf einlassen k ö n n t e . fremden, m e h r e r e t a u s e n d Meilen
J e n e n Kampf a b e r in einem
entfernten Lande
zu
unternehmen,
könnte mir höchstens im T r a u m e möglich erscheinen. Mit freundlichem
Grusse
an den mir
gestellten
Genie u n d L i e b e z u m Spiel N i e m a n d b e s s e r Paul Morphy.
Geguer,
dessen
zu schätzen vermag u n d 7
6. Kap.
98
Paul Morphy in New
unter Anerkennung der mir erwiesenen Elire,
Orleans. einem
solchen
Helden
mich zum Partner auszuwählen, unterzeichne ich als Ihr ganz ergebenster H.
Staunton.
An die Herren Halsey, Maurian, Michinard,
Bonford,
Pandely, zu New-Orleans.
So war denn der junge Meister abermals und nicht mit Unrecht darauf gewiesen, die Bestätigung seiner Meisterschaft durch die alte Welt in dieser selbst zu erstreiten. giebt die Antwort des Engländers
Zugleich
einem Bekenntnisse. Aus-
druck, welches für die zu suchende Anerkennung nur günstig erscheinen konnte. und
Denn der hervorgehobene Mangel an Praxis
früherer Spielstärke
steht im Einklang mit
lust des Europäischen Schachscepters überhaupt,
dem Verauf dessen
ausschliessliche Herrschaft der Englische Meister wohl nie mit Recht hatte Anspruch erheben können.
W a r ihm auch einst
der Sieg über S t . A m a n t gelungen, so bot doch dieser äussere Erfolg bei mancherlei Nebenumständen noch keinen entscheidenden Maassstab;
auch hatte bereits zu jener Zeit die
Berliner Schule zum Mindesten ebenbürtige K r ä f t e hervorgebracht, und der Ausgang des grossen Europäischen Turnieres im Jahre 1851 zu London sollte noch durch ganz andere Resultate überraschen. 5) Der Sieg über den Englischen Altmeister allein, so hohe Befriedigung er vielleicht den Amerikanischen Landsleuten geboten hätte, würde also dem jungen Meister in den Augen der alten Welt noch nicht den höchsten Triumph gesichert haben. Insofern kann die ablehnende Antwort, da sie den jungen Helden zur eigenen F a h r t über
den Ocean
wenigstens
indirect
provocirte und hierdurch die Möglichkeit zu Kämpfen mit al-
30.
Partie.
99
len angesehenen Meistern der alten W e l t näher führte, nur als günstige; Wendling für das ruhmlustige Genie in gleichem Grade gelten,
wie
sie nach L a g e
der Sache an sich begründet er-
scheinen muss.
I.
Vorgabepartien. 30. Partie.
(Vorgabe des Damenthurms.) Ch. A . Maurian.
P. M.
Schwarz.
Weiss.
Weiss.
Schwarz.
1.
e'2 -
e4
e7 — e5
16. D d 5 - a 8 :
S b8 — c6
2.
f2 -
f'4
e5 — f 4 :
17.
D eG — d5
L f l — c4
I ) J8 — h4f
4.
K e l
—
b7 — b5
f l
5. L c4 — b3
S g8 —
G.
D h4 — h6
f
6
c4 — b5:
18. D a 8 — c 6 | 19.
Dd5—c6:
bö — c6:
K c7 — cG :
20. L c l — f'4 :
T h8 — d8
21. K f l — f 2
L c 8 — eG
Sgl
f3
7. S f 3 —
e.r>
d7 — d5
22. T hl — e l f
KcG —bG
8. S b l — cii
I , f\S — d6
23. L f 4 — e3f
K b6 — aG
9.
S
d-J — d4
f
E s entsteht eine interessante V e r wicklung
im Centrum,
deren
zum V o r t h e i l e des w e i t e r Spielers
Lösung
rechnenden
LdG-e5:
11. L b 3 — d 5 :
c7 — c6
d4 — e5:
c6-d5:
13. S e 4 — d 6 f
Ke8 —d7
14. D dl — d5:
K d7 — c7
15.
m
endet.
10. S c3 — e4 : 12.
• •
6 — e4 :
c2 — c4
Dh6—e6
E i n wiederholtes Beispiel der A n griffssicherung Bauerziige.
durch
vorhergehende
yt
•
Schw.
*
• • / M
• • M ippp
u i » ü i
Hpp^ ¡ 3
t •
Ù J
W.
W e i s s g i e b t in drei Z ü g e n
Matt.
24. T c l — c 6 t
K a6 — a5
25. L e3 — d 2 t
I i a5 -
26.
T c6 — a6:fc.
a4
6. Kap.
100
Paul Morphy in New Orleans. 31. Partie.
(Vorgabe von Damenspringer und Anzug.) P . M.
Ch. A. Maurian.
Weiss.
Schwarz.
Weiss.
Schwarz.
1.
e2 — e4
e7 — eö
17. K d3 — c4
0—0- 0
2.
f2 —
e5 — f 4 :
18. D el — a5
a7 — a6
3. S g l — f 3
g? —
19. S b l — c3
L f 5 — c2 :
4.
g5 — g4
20. T f 4 — f 7 :
L f 8 — d6
f4
h2 — h4
5. S f 3 — e5
g5
S g8 -
f6
Zur E r l a n g u n g des Gegenangriffs scheint d7 — d6 noch stärker.
6. L f l — c4 7. L c4 — d5: 8.
e4 — d ö :
9.
0—0
10.
d2 — d4
d7 — d5
21. S c3 — b5
a6 — b5+
22. K c 4 — b 5 :
K c8 — 1.8
23. L cl — g5
L d6 -
e5:
S f6 — d5 :
W e i s s l ä s s t hier den Angriff 28. S e5 — c 6 f b7 - c6:
f4 — f 3
24. K b5 — c 6 : L c2 — d3 25. T f 7 — c 7 : etc.
D d8 — h4 :
ausser Acht, wobei freilich 24. D h 3
f 3 — f 2f
— c8 möglich wäre.
11. T f 1 — f 2 :
g4 - g 3
24. L g 5
12. T f-2 — f 4 13. K g l — f l
D h4 — h2 f
14. K f 1 — e2
d8:
Th8 —d8:
25. D a5 — c3
T d8 — d5f
D h2 — h l f
26. K b5 — c4
T d5 — d4f
D h l - g2+
27. D c 3 - d 4 :
D h3 — e 6f
15. K e2 — d3
D g2 — h3
28. D d 4 — d ö
Lc2-d3t
16. D d l — el
L c8 — f 5 t
und Schwarz gewinnt.
32. Partie. (Vorgabe des Damenthurms.) P. M. Weiss.
1. e2 — e4 2. L f l — c4 3.
d2 — d4
—x. Schwarz
e5 — d 4 : nun 4. L c4 — f 7 f
e7 — e5 L f 8 — c5 e5 — d4:
B e s s e r wäre L c5 — d 4 : ,
da
auf
möglich
wäre.
D e r vorgebende Spieler ver-
meidet
aber zur Verhütung des Ab-
t a u s c h e s diese Combination. Weiss.
4. S g l — f 3
Schwarz.
b7 —1)5
31. —33. Weiss. L
c4 —
b3
6.
S
f'3 —
g5
0 —
S