Sinnlichkeit und Verstand: Zur transzendentallogischen Entfaltung des Gegenstandsbezugs bei Kant 9783110290455, 9783110286908

For Kant, sensibility and reason are the two cornerstones for all knowledge that is possible for us. The question of the

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German Pages 318 [320] Year 2012

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Table of contents :
Einleitung
I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien
1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion
2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion
2.1. Zur Unterscheidung von subjektiver und objektiver Deduktion
2.2. B-Deduktion: die verschiedenen Aspekte einer transzendentalen Deduktion
2.3. Bestandsaufnahme über die Beweisabsichten der verschiedenen „Deduktionen“ und Zusammenfassung
3. Das Argument der metaphysischen Deduktion
3.1. „Von dem logischen Verstandesgebrauche überhaupt“
3.2. Der Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien
II. Die Grundsätze des reinen Verstandes
1. Zum inneren Zusammenhang der Kategoriendeduktion mit dem Grundsatzkapitel
2. Die Qualitätskategorien: Der Bezug des urteilenden Verstandes auf die Materie der Sinnlichkeit
2.1. Empfindung und das Reale am Gegenstand
2.2. Das Reale am Gegenstand und die Materie der Sinnlichkeit
2.3. Realität und Bestimmbarkeit
2.4. „Vom transzendentalen Ideal“ – die Idee der durchgängigen Bestimmung des Gegenstandes
2.5. Die Beziehung des Denkens auf die Materie der Sinnlichkeit
2.6. Ausblick: Das Problem mit dem Ding-an-sich
3. Die Relationskategorien: Beziehung des Denkens auf die Formen der Sinnlichkeit
3.1. Die „Erste Analogie“: Von der Beharrlichkeit der Substanz
3.1.1. Der Beweis in der B-Auflage
3.1.2. Der A-Beweis und die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens
3.1.3. Relative oder absolute Beharrlichkeit? Kategorisches Urteil und Substanzbegriff
3.1.4. Der primäre und der derrivative Substanzbegriff
3.2. Die „Zweite Analogie“: Objektive Zeitfolge und Gegenstandsbezug
3.2.1. Objektbezug und die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes
3.2.2. Die zwei Bedeutungen des transzendentalen Gegenstandes
3.2.3. Die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes
3.2.4. Der Unterschied des Subjektiven und des Objektiven: Eine reale Differenz?
3.2.5. Das Verhältnis von Wahrnehmung und Gegenstand: Strawsons Einwand
3.3. Die „Dritte Analogie“: Von der Gemeinschaft der Dinge
3.3.1. Der analytische Beweis der „Dritten Analogie“
3.3.2. Die Kategorie der Wechselwirkung im Kontext von Kausalität und Beharrlichkeit
3.3.3. Konstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens für die „Dritte Analogie“
3.3.3.1. Zum Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft
3.3.3.2. Die logischen Voraussetzungen des disjunktiven Urteils
3.3.3.3. Die transzendentalen Voraussetzungen des Begriffsystems und der Begriff des „Dings“
3.3.3.4. Die transzendentalen Voraussetzungen in der Sinnlichkeit – Gemeinschaft der Dinge
III. Resümee und Ausblick
Literaturverzeichnis
Personenregister
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Sinnlichkeit und Verstand: Zur transzendentallogischen Entfaltung des Gegenstandsbezugs bei Kant
 9783110290455, 9783110286908

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Konrad Vorderobermeier Sinnlichkeit und Verstand

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jens Halfwassen, Dominik Perler, Michael Quante

Band 110

De Gruyter

Sinnlichkeit und Verstand Zur transzendentallogischen Entfaltung des Gegenstandsbezugs bei Kant

von

Konrad Vorderobermeier

De Gruyter

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort.

ISBN 978-3-11-028690-8 e-ISBN 978-3-11-029045-5 ISSN 0344-8142 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Fr meine Mutter

Vorwort Bei der vorliegenden Untersuchung zu Sinnlichkeit und Verstand in Kants Kritik der reinen Vernunft handelt es sich um die berarbeitete Fassung meiner an der Humboldt-Universitt zu Berlin eingereichten Dissertationsschrift. Zahlreiche Personen sind mir bei deren Entstehung zur Seite gestanden, denen ich an dieser Stelle herzlich danken mçchte. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Betreuer Prof. Dr. Rolf-Peter Horstmann, der mich whrend der Arbeit an dieser Untersuchung in vielfltiger Weise untersttzt hat, sowie Herrn Dr. Bernhard Thçle. Den fachlichen Anregungen von Herrn Horstmann und Herrn Thçle und ihrer stets konstruktiven Kritik ist es zu verdanken, dass diese Studie zu ihrer gegenwrtigen Form gefunden hat. Danken mçchte ich auch den TeilnehmerInnen am Forschungskolloquium von Herrn Horstmann fr die Gelegenheit, weite Teile der Arbeit in einer sehr hilfreichen und gewinnbringenden Weise diskutieren zu kçnnen. Viele Anregungen, die in diese Untersuchung eingeflossen sind, verdanke ich außerdem den Gesprchen mit Kai-Uwe Hoffmann, Brendan Theunissen und ganz besonders auch mit Michael Kfer, dem ich hier auch fr seine moralische und freundschaftliche Untersttzung danken mçchte. Fr wertvolle Hinweise bei der berarbeitung des Buches bedanke ich mich außerdem ganz herzlich bei Prof. Dr. Tobias Rosefeldt. Ganz besonders mçchte ich an dieser Stelle auch Herrn Prof. Dr. Kurt-Walter Zeidler von der Universitt Wien danken, der mein Interesse fr Fragen der Kantischen Philosophie immer wieder ganz entscheidend gefçrdert hat. Die Korrekturen der Dissertationsschrift haben meine Schwester Gisella M. Vorderobermeier und Kai-Uwe Hoffmann besorgt. Fr ihre Sorgfalt dabei und ihre kritischen Anmerkungen mçchte ich auch ihnen ganz herzlich danken. Vor allem mçchte ich meiner Familie und meinen Freunden fr ihre emotionale Untersttzung, nicht nur whrend der Arbeit an diesem Buch, danken. Ein ganz besonderer Dank geht hier an meine Schwester Gisella. Und an allererster Stelle gilt mein Dank meiner Mutter, die immer mit dabei und fr mich da war. Ohne sie wre diese Arbeit nicht mçglich gewesen.

VIII

Vorwort

Fr die Finanzierung weiter Teile dieser Arbeit durch ein Promotionsstipendium bin ich außerdem dem Land Berlin zu Dank verpflichtet, fr die Untersttzung whrend der Verçffentlichung danke ich Herrn Prof. Dominik Perler und den Herausgebern dieser Reihe, sowie den MitarbeiterInnen des De Gruyter Verlags. Graz, im Januar 2012

Konrad Vorderobermeier

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion . . . . . . . . . . . . . . 2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion . . . . 2.1. Zur Unterscheidung von subjektiver und objektiver Deduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. B-Deduktion: die verschiedenen Aspekte einer transzendentalen Deduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Bestandsaufnahme ber die Beweisabsichten der verschiedenen „Deduktionen“ und Zusammenfassung . . 3. Das Argument der metaphysischen Deduktion . . . . . . . . . . . . . 3.1. „Von dem logischen Verstandesgebrauche berhaupt“ . . . 3.2. Der Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Zum inneren Zusammenhang der Kategoriendeduktion mit dem Grundsatzkapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Qualittskategorien: Der Bezug des urteilenden Verstandes auf die Materie der Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Empfindung und das Reale am Gegenstand . . . . . . . . . . 2.2. Das Reale am Gegenstand und die Materie der Sinnlichkeit 2.3. Realitt und Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. „Vom transzendentalen Ideal“ – die Idee der durchgngigen Bestimmung des Gegenstandes . . . . . . . . 2.5. Die Beziehung des Denkens auf die Materie der Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Ausblick: Das Problem mit dem Ding-an-sich . . . . . . . . 3. Die Relationskategorien: Beziehung des Denkens auf die Formen der Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.1. Die „Erste Analogie“: Von der Beharrlichkeit der Substanz 3.1.1. Der Beweis in der B-Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Der A-Beweis und die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Relative oder absolute Beharrlichkeit? Kategorisches Urteil und Substanzbegriff . . . . . . . 3.1.4. Der primre und der derrivative Substanzbegriff 3.2. Die „Zweite Analogie“: Objektive Zeitfolge und Gegenstandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Objektbezug und die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Die zwei Bedeutungen des transzendentalen Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. Die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4. Der Unterschied des Subjektiven und des Objektiven: Eine reale Differenz? . . . . . . . . . . . . . 3.2.5. Das Verhltnis von Wahrnehmung und Gegenstand: Strawsons Einwand . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die „Dritte Analogie“: Von der Gemeinschaft der Dinge 3.3.1. Der analytische Beweis der „Dritten Analogie“ . . . 3.3.2. Die Kategorie der Wechselwirkung im Kontext von Kausalitt und Beharrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. Konstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens fr die „Dritte Analogie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.1. Zum Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft 3.3.3.2. Die logischen Voraussetzungen des disjunktiven Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.3. Die transzendentalen Voraussetzungen des Begriffsystems und der Begriff des „Dings“ 3.3.3.4. Die transzendentalen Voraussetzungen in der Sinnlichkeit – Gemeinschaft der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Resmee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Einleitung Kant beginnt seine Einleitung zur Kritik der reinen Vernunft mit folgenden Worten: Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermçgen sonst zur Ausbung erweckt werden, geschhe es nicht durch Gegenstnde, die unsere Sinne rhren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandesttigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrcke zu einer Erkenntnis der Gegenstnde zu verarbeiten, die Erfahrung heißt? (…) Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es kçnnte wohl sein, daß selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrcke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermçgen (durch sinnliche Eindrcke bloß veranlaßt) aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange bung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt gemacht hat. (B1 f.)

Diese Charakterisierung ist Ausdruck eines Programms, das Kant dazu gefhrt hat, nach den Quellen einer von aller Erfahrung „und selbst von allen Eindrcken der Sinne“ (ebd.) unabhngigen Erkenntnis zu suchen und das in der berzeugung gipfelt, dass es eine solche erfahrungsunabhngige Erkenntnis geben muss, gerade um Erfahrung berhaupt mçglich zu machen. Denn, um es mit jener Paraphrasierung zu verdeutlichen, die als Kants „Kopernikanische Wende“ in die Literatur eingegangen ist: Die Vernunftkritik wird zeigen, dass sich unsere Erkenntnis nicht so sehr nach den Gegenstnden, sondern vielmehr die Gegenstnde nach unserer Erkenntnis richten mssen (vgl. B XVI). Gleichwohl gilt, dass jene von der Erfahrung unabhngigen und dieselbe ermçglichenden Erkenntnisse, mit den obigen Worten, nur ein „Zusatz“ sind und nur in Zusammensetzung mit dem, „was wir durch Eindrcke empfangen“ eine eigentliche Erfahrungserkenntnis ausmachen. Diese Konstellation drfte nun Kant neben der damit verbundenen Unterscheidung von „empirischen“ und „apriorischen“, aber gleichwohl erfahrungsermçglichenden Erkenntnissen, zu einer weiteren folgenschweren, und vor dem Hintergrund der vorkantischen Philosophie keineswegs selbstverstndlichen, Unterscheidung ge-

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Einleitung

fhrt haben: derjenigen zwischen Sinnlichkeit und Verstand als zwei voneinander prinzipiell verschiedenen Erkenntnisvermçgen. Denn dasjenige, was unser Erkenntnisvermçgen berhaupt zu seiner Ausbung „veranlasst“, den „rohen Stoff sinnlicher Eindrcke“ wird man, ohne zu zçgern, der Sinnlichkeit zuordnen, whrend man den Sitz dessen, was Kant „apriorische“ Erkenntnisse nennt, traditionellerweise eher dem Verstand zuordnen wird. Nun gilt fr Kant zwar im Ergebnis, dass auch die Sinnlichkeit, namentlich in den Formen der Anschauung Raum und Zeit, apriorische Elemente enthlt und dass auf der anderen Seite diejenigen apriorischen Elemente, die fr den Verstand auszuweisen sind, die Kategorien, nur in Anwendung auf mçgliche Anschauungen bedeutungsvoll sind, so dass eigentliche apriorische Erkenntnisse im Sinne von synthetischen Urteilen a priori nur in der Vermittlung von Sinnlichkeit und Verstand mçglich sind. Gleichwohl steht der Umstand, dass Kant Sinnlichkeit und Verstand zu jeweils eigenstndigen und voneinander unterschiedenen Erkenntnisvermçgen erhebt, in engem Zusammenhang mit seiner Unterscheidung von empirischen und apriorischen, aber erfahrungsermçglichenden, Erkenntnissen. Dies kann durch einen kurzen Rekurs auf die Auffassung verdeutlicht werden, die Kant in seiner Inauguraldissertation von 1770 vertreten hat (vgl. AA. II, S. 385 – 419). Dort unterscheidet Kant die Sinnlichkeit als „Empfnglichkeit eines Subjekts“, durch Gegenstnde affiziert zu werden, von dem Verstand, der die Dinge nicht so vorstellt, wie sie der Sinnlichkeit „erscheinen“, sondern „wie sie sind“ (§3 – 4). Dabei lsst sich von einem solchen „realen Gebrauch“ des Verstandes, der sich auf die „intelligible Welt“ richtet, sein „logischer Gebrauch“ unterscheiden. Letzterer findet im Gegensatz zu Ersterem Anwendung auf die Sinnlichkeit, indem er fr die „Vergleichung“ und Ordnung der sinnlichen Erkenntnisse verantwortlich gemacht werden kann, und so aus der bloßen Erscheinung „Erfahrung“ macht, welche aber nichtsdestotrotz ganz der Sinnlichkeit zugeordnet bleibt (§5). Was aber im Gegensatz dazu den „realen Gebrauch“ des Verstandes betrifft, so enthlt dieser weder sinnliche Erkenntnis, noch abstrahiert er etwas von sinnlichen Erkenntnissen (§6). Dies betrifft auch Begriffe wie „Mçglichkeit“, „Dasein“, „Notwendigkeit“, „Substanz“ und „Ursache“. Auch von diesen Begriffen, also von den reinen Verstandesbegriffen der spteren Kritik gilt, dass sie „niemals als Bestandteile in irgendeine Sinnesvorstellung eingehen“, und somit auch nicht von einer solchen abstrahiert worden sein kçnnen (§8). Von Bedeutung fr unsere Frage ist nun, dass sich schon 1770 sowohl fr die Sinnlichkeit als auch fr den Verstand Erkenntniselemente aus-

Einleitung

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findig machen lassen, die man rckwirkend als „a priori“ im Sinne der Vernunftkritik bezeichnen muss. Denn die Erkenntnis des Verstandes, der sich unabhngig von aller Sinnlichkeit auf Dinge bezieht, „wie sie sind“, wird man schwerlich anders denn als apriorische Erkenntnis bezeichnen kçnnen. Aber auch die Sinnlichkeit charakterisiert Kant – in einer die Erçrterungen der Kritik der reinen Vernunft bereits vorwegnehmenden Weise – dergestalt, dass Raum und Zeit als reine Anschauungsformen die Bedingungen dafr sind, dass „etwas Gegenstand unserer Sinne sein kann“ (§10, vgl. auch §14 – 15). Auch bei Raum und Zeit handelt es sich also um etwas, was man als „apriorische“ Erkenntniselemente bezeichnen muss. Entscheidend ist nun, dass, im Gegensatz zu den Formen der Anschauung Raum und Zeit, den Begriffen des Verstandes im realen Gebrauch, und dazu gehçren diejenigen Begriffe, die Kant spter in seiner Kategorientafel auffhren wird, keinerlei erfahrungsermçglichende Bedeutung zukommt. Denn „Erfahrung“ spielt sich fr Kant 1770 offensichtlich noch ganz im Bereich des Sinnlichen ab, wenn diese auch einen – allerdings nur logischen – Verstandesgebrauch miteinbeschließen soll. Als ganz entscheidende Neuerung gegenber seiner Position von 1770 muss demnach Kants Entdeckung gelten, dass auch der Verstand mit seinen apriorischen Begriffen einen erfahrungsermçglichenden Sinn hat, und dies drfte er denn auch im Blick gehabt haben, wenn er seine Entdeckung mit der von Kopernikus vergleicht. Betrachtet man die Radikalitt dieses neuen Gedankens, so liegt es aber durchaus nahe, die Divergenz zwischen den materialen Aspekten der Erfahrung, welche uns durch sinnliche Eindrcke einen „Anlass“ fr unsere Erkenntnisttigkeit zu liefern hat und den formalen Aspekten jener Erkenntnisttigkeit selbst, welche in umgekehrter Bewegungsrichtung die Gegenstnde unserer Erfahrung allererst zu ermçglichen hat, primr, wenn auch nicht ausschließlich, als eine Differenz von rezeptiver Sinnlichkeit und spontanem Verstand zu lesen. Vor diesem Hintergrund, vor dem Kant wiederholt eine Mittelposition zwischen „Empirismus“ und „Rationalismus“ zugewiesen worden ist, ist es kaum berraschend, dass Kant seine auch 1770 schon zum Ausdruck kommende Auffassung, wonach es sich bei Sinnlichkeit und Verstand um zwei voneinander vçllig verschiedene Erkenntnisvermçgen handelt, in der Kritik der reinen Vernunft weder hinterfragt, noch einer eigenstndigen Begrndung unterzogen hat.1 1

Auf die entwicklungsgeschichtlichen Aspekte der Kritik der reinen Vernunft kann im Rahmen dieser Arbeit nicht nher eingegangen werden. Vgl. dazu v. a. Fçrster 2011 und – insbesondere zur Entstehungsgeschichte der Kategoriendeduktion –

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Einleitung

Es waren aber nicht zuletzt die Probleme, die mit Kants These, dass es sich bei Sinnlichkeit und Verstand um zwei verschiedene Vermçgen unserer Erkenntnis handelt, verbunden sind, die im Zusammenhang mit anderen Theoriestcken schon bald nach Erscheinen der Kritik einige der schwerwiegendsten Einwnde gegen dieselbe provoziert hat. Im Folgenden soll auf drei der wichtigsten davon kurz eingegangen werden.2 Eines der Probleme, die zwar nicht das Verhltnis von Sinnlichkeit und Verstand als solches betreffen, aber eine unmittelbare Konsequenz daraus darstellen, betrifft den Begriff des „Dinges-an-sich“, den Jacobi 1787 in seiner Untersuchung David Hume ber den Glauben, oder Idealismus und Rationalismus einer Kritik unterzogen hat, die bis heute nichts an Aktualitt eingebßt hat. Der Zusammenhang dieses Problems mit dem Verhltnis von Sinnlichkeit und Verstand lsst sich gut veranschaulichen, wenn man auf die diesbezglich vernderte Konstellation der Kritik gegenber Kants Auffassungen von 1770 Bezug nimmt. Hatte Kant dort noch einen „logischen“ von einem „realen“ Verstandesgebrauch unterschieden, welch letzterer bezogen war auf Dinge „wie sie sind“, whrend ersterer darin aufging, auf der Ebene der Sinnlichkeit selbst fr eine Vergleichung und Ordnung von Erscheinungen zu sorgen, so hat der „erfahrungsermçglichende“ Verstand in der Kritik die viel weitgehendere Aufgabe zu bewltigen, das Mannigfaltige der Erscheinungen allererst auf ein Objekt zu beziehen. Darin liegt aber auch, wie Kant in der transzendentalen Deduktion ausfhrlich zeigt, dass die Regeln des reinen Verstandes, welche diese Aufgabe zu bernehmen haben, objektive Gltigkeit, und das heißt Bedeutung, nur in Bezug auf Gegenstnde einer mçglichen Erfahrung haben. Auf der anderen Seite aber soll die rezeptive Sinnlichkeit das sinnliche Material fr jene spontanen Synthesisleistungen liefern. Nun

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Carl 1989. Ebenso wenig kann an dieser Stelle auf die Frage eingegangen werden, ob es Kant darum geht, so etwas wie eine „Metaphysik der Erfahrung“ (Paton) oder etwas schlichter eine Erfahrungstheorie zu begrnden, oder ob die erfahrungstheoretischen Elemente der Kritik der reinen Vernunft vielmehr nur ein Nebenprodukt einer als Vernunftkritik durchgefhrten Kritik aller bisherigen und knftigen Metaphysik sind, eine Frage, die letztlich davon abhngt, welchen Sinn man mit Kants ganz verschiedenen Gebrauchsweisen des Begriffs „Metaphysik“ verbindet. Zu einem kurzen berblick ber dieses Thema, unter Bercksichtigung der Frage, welche Rolle Kants Metaphysikverstndnis und dessen Kritik durch seine Nachfolger fr die nachkantische Philosophie gespielt hat: vgl. Ameriks 2006. Vgl. dazu insb. Horstmann 2010 und Fçrster 2011. Zu einer Darstellung der unmittelbaren Rezeptionsgeschichte der Kritik der reinen Vernunft: vgl. Kuehn 2006.

Einleitung

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scheint dies aber zu implizieren, dass es etwas geben muss, was uns affiziert, – ein Umstand, den Kant durch die Unterscheidung von in Raum und Zeit gegebenen Erscheinungen einerseits und Dingen-an-sich andererseits einzufangen sucht, wobei letzteren nur die Rolle zukommen kann, als selbst nicht mehr erkennbarer Grund fr die Affektion zu fungieren. Denn der Verstand ist in seinem Gebrauch allein auf Erscheinungen beschrnkt. Wie Jacobi mit Recht bemerkt hat, ist es aber mehr als problematisch, die Dinge-an-sich als unerkennbar bezeichnen zu mssen, und gleichzeitig von ihnen zu behaupten, dass sie der Grund fr unsere Affektion sind, mssten die Dinge-an-sich doch, um letztere Behauptung begrnden zu kçnnen, in irgendeiner Weise Gegenstand fr unsere Erkenntnis sein. Whrend in der Konzeption von 1770 die Dinge „wie sie sind“, zumindest ein Gegenstand des Verstandes in seinem „realen Gebrauch“ waren, entfllt demgegenber fr den Verstand in der Konzeption der Kritik jede Mçglichkeit, sich in einer relevanten Weise auf Dinge-an-sich zu beziehen, so dass wir streng genommen von den Dingen-an-sich nicht einmal sagen drfen, dass sie der Grund fr unsere Affektion sind. Ein weiteres Problem, das mit der Zweiteilung unserer Erkenntnisstmme zu tun hat, gleichzeitig aber weit darber hinaus geht, liegt in dem von Reinhold (1789) geußerten Verdacht, Kant habe zwar eine an sich richtige Theorie ber unser Erkenntnisvermçgen geliefert, habe es aber versumt, die Prmissen, die fr diese Theorie zu veranschlagen seien, zu explizieren. Reinhold kann sich dabei auf Kants eigene ußerungen zum systematischen Status der Philosophie berufen, welcher derselben nur zukomme, wenn ihre verschiedenen Elemente aus einem gemeinsamen und obersten Prinzip gewonnen werden.3 Ein solches oberstes Prinzip, welches demjenigen, das Kant selbst als „oberstes Prinzip alles Verstandesgebrauchs“ bezeichnet – dem Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption (B136) nmlich – noch bergeordnet ist, meint Reinhold in seinem „Satz des Bewußtseins“ ausfindig gemacht zu haben. Diesem liegt die berzeugung zugrunde, dass die Tatsache des Bewusstseins die hçchste Tatsache berhaupt sei. Der Satz lautet in einer spteren Formulierungen von 1794: „Im Bewußtsein wird die Vorstellung durch das Subject vom 3

Zur Frage, ob eine solche Kritik Kant gerecht wird: vgl. Fçrster 2011, Kap. 7. Hier ist vor allen Dingen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Kant seine Forderung nach einem obersten Prinzip hauptschlich auf die Entwicklung eines metaphysischen „Systems“ bezieht, whrend fr die Vernunftkritik selbst gilt, dass in ihr durchaus verschiedene Prinzipien fr die Bereiche Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft angesetzt werden kçnnen.

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Einleitung

Subject und Object unterschieden und auf beyde bezogen.“ (Reinhold 1794) Mit dem Vorstellungsbegriff meint Reinhold nun, den hçchsten Begriff benannt zu haben, der demjenigen der Erkenntnis noch vorgelagert ist, und der es erlaubt, hinter Kants Untersuchung unserer „Erkenntnisvermçgen“, welche durch die Divergenz von Sinnlichkeit und Verstand gekennzeichnet sind, noch zurckzugehen und diese zu fundieren durch eine Theorie des „Vorstellungsvermçgens“ selbst. Auf die Einzelheiten der Reinhold’schen Theorie braucht hier nicht eingegangen zu werden. So ist denn auch sein „Satz des Bewußtseins“ schon bald der massivsten Kritik unterzogen worden. Dennoch waren es nicht zuletzt berlegungen wie die von Reinhold, welche namentlich Fichte maßgeblich bei seinem Projekt beeinflusst haben, einen „ersten Grundsatz“ aller Erkenntnis ausfindig zu machen, bei dem es sich freilich in der Fichte’schen Version nicht mehr um eine „Tatsache“ des Bewusstseins handeln kann, sondern der eine „Tathandlung“ des Ich zum Ausdruck bringen soll, welches nicht nur sich selbst, sondern auch den Unterschied des Subjektiven und des Objektiven allererst setzt. Dies betrifft aber auch die Differenz von Sinnlichkeit und Verstand, welche letzten Endes ebenfalls in der ursprnglichen Handlung des Ich und dem damit verbundenen Konzept der „intellektuellen Anschauung“ ihren letzten Ursprung haben muss.4 Whrend uns die von Jacobi vertretene Kritik am „Ding-an-sich“ im Laufe dieser Untersuchung noch beschftigen wird, kann den von Reinhold und Fichte aufgeworfenen Fragestellungen und den damit verbundenen Forderungen nach einem obersten „Prinzip“ oder „Grundsatz“ zur Fundierung aller unserer Erkenntnisleistungen an dieser Stelle nicht nher nachgegangen werden, da dies unmittelbar in die Debatte um den nachkantischen Idealismus fhren wrde.5 Fr jede Interpretation zum Ver4 5

Zur Kritik Fichtes an Kant und Reinhold vgl. insb. seine Schriften Recension des Aenesidemus (1792), und ber den Begriff der Wissenschaftslehre (1794 und 21798). Ein klassischer und von den Theorieanstzen des nachkantischen Idealismus zumindest oberflchlich unabhngiger Versuch der Vereinigung von Sinnlichkeit und Verstand findet sich bei Heidegger (1988), der die reine Einbildungskraft als gemeinsame Wurzel von Sinnlichkeit und Verstand nachzuweisen sucht. Heidegger unternimmt es dabei, Kant als Vorlufer seiner eigenen Transzendenzphilosophie auszuweisen, was ihn ganz konkret zur Theorie einer von ihm so genannten „ontologischen Synthesis“ fhrt, die in einer ursprnglichen Vermittlung von reinem Denken und reinem Anschauen den in sich einigen transzendentalen Horizont fr die „Begegnung von Seiendem“ bilde. Heideggers Untersuchung zeichnet sich denn auch eher durch eine neuartige und interessante Perspektive auf die Kantische Philosophie aus der Sichtweise seines eigenen Transzendenzdenkens aus; als Interpretation Kants ist sie dagegen wenig berzeugend. Zur Kritik an

Einleitung

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hltnis von Sinnlichkeit und Verstand bei Kant von betrchtlichem unmittelbarem Gewinn ist aber die in dieser Hinsicht sehr vielschichtige Kritik von Maimon, zu der Kant ußerte, „daß nicht allein niemand von meinen Gegnern mich und die Hauptfrage so wohl verstanden, sondern nur wenige zu dergleichen tiefen Untersuchungen soviel Scharfsinn besitzen mçchten, als Hr. Maymon“ (Brief an Markus Herz vom 26. Mai 1789, AA. XI, S. 49). Maimons Kritik in seinem Versuch ber die Transzendentalphilosophie (1790) bezieht sich nicht so sehr auf die der Kantischen Philosophie vermeintlich noch fehlenden Prmissen, welche auch das Verhltnis von Sinnlichkeit und Verstand betreffen wrden, sondern, unter vielem anderen, auf die Probleme, die die Vermittlung der beiden Erkenntnisvermçgen betreffen. Eines der Probleme, welche die Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und Verstand betreffen, folgt unmittelbar aus der im oben zitierten Einleitungsabschnitt zum Ausdruck kommenden Grundberzeugung, nach der unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes sein soll aus dem, „was wir durch Eindrcke empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermçgen (durch sinnliche Eindrcke bloß veranlaßt) aus sich selbst hergibt“ (B1 f.). Das Problem, das Maimon diesbezglich benennt, lsst sich als das der Vermittelbarkeit des Besonderen und des Allgemeinen charakterisieren und ergibt sich daraus, dass wir es hierbei mit zwei ganz verschiedenen Klassen von Vorstellungen zu tun haben:

Heideggers Kantauffassung: vgl. insb. Levy 1932, Cassirer 1933 und Henrich 1955. Einen vielversprechenderen und sehr viel nher an Kant ausgerichteten Versuch, die Differenz von Verstandesspontaneitt und rezeptiver Sinnlichkeit in „ursprnglichen Weisen der Synthesis“ zu fundieren, hat in neuerer Zeit Kurt Walter Zeidler (1992) vorgelegt. Ansatzpunkt seiner Untersuchung ist der prinzipientheoretische Versuch, die bei Kant anlsslich der sukzessiven Bewltigung der Fragen nach Ursprung, Gltigkeit und Anwendung der Kategorien immer wieder aufbrechenden „begrndungstheoretischen Zirkel“ zurckzufhren auf eine mit der Reflexivitt philosophischer Prinzipienbegrndungen verbundene, unabdingbare Zirkularitt, die gerade die „Prinzipialitt eines Prinzips“ ausmache. Da sich die transzendentale Logik in der Nachzeichnung Zeidlers ganz explizit als eine spekulative Logik versteht, kann auf die systematischen Aspekte seiner Untersuchung ohne eine Miteinbeziehung der nachkantischen Idealismen nicht eingegangen werden. Diese liegen aber außerhalb des Zuschnitts dieser Arbeit. Vielmehr ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, sowohl in Bezug auf die Vermittlung von Sinnlichkeit und Verstand, als auch in Bezug auf die damit verbundenen beweisstrategischen Fragestellungen Ressourcen freizulegen, die der Kantischen Theorie auf ihrem eigenen Boden zur Verfgung stehen.

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Einleitung

1) Die Formen, d. h. die Vorstellung von den allgemeinen Arten unserer Operationen, die in uns a priori sein mssen. 2) die Materie, oder die uns a posteriori gegebene Vorstellung von besondern Objekten, die in Verbindung mit den erstern das Bewußtsein besonderer Objekte liefern. (Maimon 1790, S. 62 f.)

Damit stellt sich aber, so Maimon, die Frage, wie es begreiflich ist, „daß Formen a priori mit gegebenen Dingen a posteriori bereinstimmen sollen“ (S. 63). Und weiter heißt es: „Kçnnte unser Verstand aus sich selbst, ohne daß ihm von irgend anders woher etwas gegeben zu werden brauchte, nach den von ihm selbst vorgeschriebenen Regeln oder Bedingungen Objekte hervorbringen, so fnde diese Frage nicht statt.“ (ebd.) Da dem aber nicht so ist, ergibt sich die folgende Schwierigkeit: Wie kann nmlich der Verstand etwas was nicht in seiner Macht ist (die gegebenen Objekte) dennoch seiner Macht (den Regeln) unterwerfen? Nach dem Kantischen System, daß nmlich Sinnlichkeit und Verstand zwei ganz verschiedene Quellen unserer Erkenntnis sind, ist (…) diese Frage unauflçslich. (ebd.)

Dabei ntze es auch nichts, so Maimon, dass Kant nicht nur die reinen Verstandesbegriffe, sondern auch Raum und Zeit selbst als Vorstellungen a priori ausweist, so dass die apriorischen Regeln des Verstandes mit Recht auf sie angewendet werden kçnnen (vgl. S. 64). Denn dies ndert nichts daran, dass die gegebenen Anschauungen, mçgen sie auch in apriorischen Formen gegeben sein, mit den Verstandesbegriffen vollstndig heterogen sind. Die Frage nach der Vermittelbarkeit von Besonderem und Allgemeinem, die sich Kant selbst interessanterweise etwa zur selben Zeit im Rahmen seiner Kritik der Urteilskraft gestellt hat (vgl. dazu die Einleitung der ersten Auflage von 1790), steht in engem Zusammenhang mit einem zweiten schwerwiegenden und einflussreichen Kritikpunkt Maimons, den er aber nicht klar von dem ersten unterscheidet. Dieser zweite Kritikpunkt lsst sich vor dem Hintergrund des ersten Einwandes auf folgende Weise generieren: Solange sich kein Grund dafr ausfindig machen lsst, warum die gnzlich heterogenen Vorstellungsarten von besonderen Anschauungen und reinen Verstandesbegriffen vereinbar sein sollen, bleibt uns nur, zu postulieren, dass das sinnliche Material, auf das die Kategorien Anwendung finden sollen, diesen in irgendeiner Weise gemß ist. Mit anderen Worten: Wir mssen voraussetzen, dass das sinnliche Material, auf welches allgemeine Regeln angewendet werden sollen, diesen Regeln gemß ist. Die Regelmßigkeit von sinnlichen Wahrnehmungen ist es aber gerade, welche von Seiten eines Skeptikers bezweifelt werden kçnnte. Dieser Zweifel er-

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streckt sich dann aber letztlich auch auf die Rechtmßigkeit des Gebrauchs der Kategorien. Denn diese ihre Rechtmßigkeit oder objektive Gltigkeit soll laut Kant durch den Nachweis demonstriert werden, dass sie Bedingungen fr die Mçglichkeit von Erfahrung sind. Ihre objektive Gltigkeit folgt also daraus, dass ohne ihre Anwendung Erfahrung nicht mçglich wre. Wenn aber gilt, dass die gegebenen Anschauungen, welche in jene Erfahrung einzugehen haben, etwas sind, was fr sich genommen dem Verstand unzugnglich ist, dann kçnnte es auch sein, dass unsere wirkliche Erfahrung den Bedingungen fr jede mçgliche Erfahrung gar nicht gemß ist. Denn der Skeptiker kçnnte mit Recht darauf hinweisen, dass unsere wirkliche sinnliche Erfahrung auch von einer Art sein kçnnte, dass die Anwendung von allgemeinen Regeln auf sie nicht mçglich bzw. eine bloße Fiktion ist. Kant bliebe dann aber nur noch der Hinweis darauf, dass es sich bei einer solchen Erfahrung nicht um eine Erfahrung im objektiven Sinn handeln wrde. In diesem Fall wrde aber der Nachweis der objektiven Gltigkeit der Kategorien darauf beruhen, dass sie sich als notwendige Bedingungen fr eine bereits vorausgesetzte objektive Erfahrung erweisen. Oder mit den Worten Maimons: Hr. Kant setzt das Faktum als unbezweifelt voraus, daß wir nmlich Erfahrungsstze (die Notwendigkeit ausdrcken) haben, und beweiset hernach ihre objektive Gltigkeit daraus, daß er zeigt, daß ohne dieselbe Erfahrung unmçglich wre; nun ist aber Erfahrung mçglich, weil sie nach seiner Voraussetzung wirklich ist, folglich haben diese Begriffe objektive Realitt. (S. 186)

Wir htten es demnach bei der transzendentalen Deduktion, welche die objektive Gltigkeit der Kategorien nachweisen soll, mit einer zirkulren Argumentation zu tun, die ausgeht von einem Faktum der Erfahrung und die objektive Gltigkeit der reinen Verstandesbegriffe dadurch darlegt, dass sie diese als Mçglichkeitsbedingungen fr jene objektive Erfahrung erweist.6 Mit anderen Worten: Die Frage der Rechtmßigkeit (quid iuris) 6

Eine positive Wendung erhlt die Begrndung der Philosophie in einem Faktum der Erfahrung (im Sinne von wissenschaftlicher Erfahrung) bekanntlich im Neukantianismus, namentlich bei Cohen. Maimon dagegen zieht die umgekehrte Konsequenz und sucht, die Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und Denken, welche an der Wurzel aller von ihm genannten Probleme liegt, dadurch zu gewhrleisten, dass er diese zwar als verschiedene Vermçgen ausweist, die aber in einem unendlich denkenden Wesen als ein- und dieselbe Kraft gedacht werden mssen. Sinnlichkeit, so Maimon, sei bei uns der unvollstndige Verstand (vgl. S. 183). Die Wirkungen der Sinnlichkeit seien in Wahrheit Wirkungen „des Verstandes und der Vernunft, obgleich mit minderer Vollstndigkeit“ (S. 348). Im Zusammenhang damit steht seine Theorie der Differentiale, welche fr die besondere Qualitt eines sinnlichen

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lge letztlich in einer Faktizitt begrndet. Dann gengt es aber, jene Faktizitt selbst zu bezweifeln, um das ganze Programm einer transzendentalen Deduktion zu Fall zu bringen. Nun ist es ußerst unwahrscheinlich, dass sich Kant mit einer solch skepsisanflligen Variante einer transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe zufrieden geben wrde. So besteht denn, auch wenn die Ansichten ber Voraussetzungen, Struktur und Ergebnisse der transzendentalen Deduktion weit auseinander gehen, gerade in der neueren Kantforschung in großen Teilen Einigkeit darber, dass Kant zumindest den Anspruch erhebt, mit seiner Kategoriendeduktion auch eine Antwort auf skeptische Positionen insbesondere des Hume’schen Typs zur Verfgung zu haben.7 Die Schwierigkeiten der Durchfhrung einer skepsisimmunen Kategoriendeduktion sind aber betrchtlich genug, dass es naheliegend ist, auch eine minimalistischere Interpretation der Kategoriendeduktion in Betracht zu ziehen. Nach einer klassischen Unterscheidung von Ameriks (1978) lsst sich vor diesem Hintergrund eine „regressive“ von einer „progressiven“ Lesart der transzendentalen Deduktion unterscheiden. Nach der ersten, von Ameriks selbst vertretenen, Lesart muss sich die transzendentale Deduktion damit begngen, unter der expliziten Voraussetzung, dass wir tatschlich objektive Erfahrung, und dies meint empirische Erkenntnis von Gegenstnden im vollen Sinn, haben, die Kategorien als deren Mçglichkeitsbedingungen ausfindig zu machen. Nach der „progressiven“ und skepsisimmunen Lesart aber, die mit unterschiedlichen Ergebnissen u.v.a. in den einflussreichen Untersuchungen von Allison (2004), Baum (1986), Bennett (1966), Guyer (1987), Henrich (1976) und Strawson (1975) einer Behandlung unterzogen wird, hat die transzendentale Deduktion die sehr viel anspruchsvollere Aufgabe zu bewltigen, nicht nur nachzuweisen, dass die Kategorien die Mçglichkeitsbedingungen

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Objektes verantwortlich zu machen sind, selbst aber als „Noumena“ oder „Vernunftideen“ betrachtet werden mssen (vgl. S. 31 ff.). Auch diese Theorie ist nicht ohne Wirkung geblieben und hat Cohen maßgeblich bei seiner Interpretation der „intensiven Grçßen“ bei Kant unter der Perspektive des Begriffs des „Infinitesimalen“ beeinflusst (vgl. Cohen 1883). Vgl. bspw. Henrich 1989 und Guyer (2001a und 2001b). Zur Frage, ob es Kants Ziel in der transzendentalen Deduktion ist, einen Skeptizismus des Hume’schen Typs zu widerlegen: vgl. insb. Thçle 1991, S. 20 ff. Zu einer Literaturbersicht ber Positionen, die sich explizit gegen die These wenden, es gehe Kant in der transzendentalen Deduktion um die Widerlegung eines Hume’sche Skeptizismus: vgl. Hatfield 2003.

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von Erfahrung und das heißt auch von empirischen Erkenntnissen sind, sondern dass wir tatschlich solche empirischen Erkenntnisse haben. In der hier vorgelegten Untersuchung soll die Auffassung vertreten werden, dass die Frage, ob ein solch anspruchvolleres Beweisprogramm fr die transzendentale Deduktion von Kant tatschlich eingelçst worden ist, durch eine isolierte Betrachtung der transzendentalen Deduktion selbst letztlich nicht entschieden werden kann. Denn selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Rekonstruktion der transzendentalen Deduktion nach einer starken Lesart mçglich ist, dann msste ihr Argument ungefhr auf der folgenden berlegung beruhen: Das Mannigfaltige sinnlicher Erscheinungen kann uns nur dann bewusst werden, wenn wir es nach allgemeinen Regeln verbinden und so zur Einheit des Selbstbewusstseins bringen, dessen Korrelat als die daraus resultierende Einheit eines Gegenstandes aufzufassen ist. Wir kçnnen uns des Sinnlichen dann also nur in Form einer nach allgemeinen Regeln bewirkten objektiven Erfahrung berhaupt bewusst werden. Dieses Argument ist aber nach zwei Seiten hin noch offen. Zum einen ist noch nicht klar, welche Regeln diese gegenstandskonstitutive Rolle zu bernehmen haben, und warum es sich dabei um begriffliche Regeln handeln muss. Und zum anderen ist in engem Zusammenhang damit noch unklar, ob jene allgemeinen begrifflichen Regeln, wenn es sich um solche handelt, berhaupt auf die Sinnlichkeit anwendbar sind. An dieser Stelle ist es ntzlich, noch einmal kurz auf die Konstellation zurckzukommen, welche die Skepsis bezglich der Beweiskraft der transzendentalen Deduktion bei Maimon provoziert hat. Diese Konstellation bestand darin, dass es sich bei den besonderen Anschauungen und den allgemeinen Verstandesbegriffen, welche auf jene angewandt werden sollen, um sie zur Einheit des Selbstbewusstseins zu bringen, um gnzlich heterogene Vorstellungsarten handelt, so dass nicht klar ist, ob das besondere Sinnliche den allgemeinen Regeln, die auf dieses angewendet werden sollen, berhaupt gemß ist. Selbst dann aber, wenn als gesichert gelten kann, dass es sich bei den allgemeinen Regeln, welche fr die Gegenstandskonstitution verantwortlich zu machen sind, um reine Verstandesbegriffe handelt, – zur Entscheidung dieser Frage wird man sich an Kants Erçrterung derselben in der „metaphysischen Deduktion“ zu wenden haben – und selbst dann, wenn die „transzendentale Deduktion“ zeigt, dass Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen, um fr uns berhaupt als solche bewusst zu werden, so ist aufgrund der Ungleichartigkeit von besonderer Sinnlichkeit und allgemeiner Begrifflichkeit noch keineswegs sicher, ob es berhaupt mçglich ist, dass sich Kategorien auf Anschauungen beziehen. Eine negative Beantwortung dieser Frage wrde

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aber auch die transzendentale Deduktion in ihrer starken Lesart außer Kraft setzen. Die Frage nach der Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und Verstand, welche fr Maimon an prominentester Stelle der Kritik, nmlich in der transzendentalen Deduktion aufbrach und ihn veranlasste, dieselbe in Zweifel zu ziehen, kann, so die methodische Einschtzung, die dieser Studie zugrunde liegt, nur unter genauer Bercksichtigung des gesamten Beweisganges der transzendentalen Analytik zureichend beantwortet werden, indem man die transzendentallogische Entfaltung des Gegenstandsbezugs, die Kant hier vornimmt, sukzessive nachzeichnet und stufenweise mit den sinnlichen Bedingungen unserer Erkenntnis vermittelt. Dabei ist es von grçßtem Nutzen, von den sinnlichen Bedingungen unserer Erfahrung zunchst einmal vollstndig zu abstrahieren, und fr die Frage, ob reine Verstandesbegriffe auf unsere Sinnlichkeit sinnvoll angewendet werden kçnnen, zu allererst dem Ursprung jener Begriffe im Verstand nachzugehen. Den Ursprung der reinen Verstandesbegriffe erçrtert Kant bekanntlich in der metaphysischen Deduktion. Als Prinzip fr den Aufweis und die Einteilung der zwçlf Kategorien dient ihm dabei, wie man wohl in erster Annherung sagen darf, das „Vermçgen zu urteilen“ (106/ A80 f.). So ist es denn auch eine Analyse des Urteils, die Kant dazu fhrt, die „Funktionen der Einheit in den Urteilen“ ausfindig zu machen, und diese nutzbar zu machen, um ihnen korrespondierend reine Verstandesbegriffe oder Kategorien aufzuweisen, welche das „Denken“ von Gegenstnden ermçglichen sollen. Dabei besteht natrlich, wenn man die Herkunft jener reinen Verstandesbegriffe aus dem urteilenden Verstand betrachtet, der innigste Zusammenhang zwischen dem „Denken von Gegenstnden“, welches dieselben zu ermçglichen haben, und der Mçglichkeit, Urteile ber Gegenstnde zu fllen. Eine erste kursorische Hypothese ber das Beweisziel der metaphysischen Deduktion kçnnte vor diesem Hintergrund besagen: Die reinen Verstandesbegriffe sind notwendig, um das Denken von Gegenstnden zu ermçglichen, und das heißt, um Gegenstnde so vorzustellen, dass wir Urteile ber sie fllen kçnnen. Nun besteht jede Erkenntnis fr Kant bekanntlich aus zwei Komponenten: aus Begriff und Anschauung, so dass wir von der Erkenntnis eines Gegenstandes nur dann sprechen kçnnen, wenn dabei ein anschaulicher Gegenstand gemeint ist. Die reinen Verstandesbegriffe, soll es sich dabei um erkenntnisrelevante Bedingungen handeln, werden also letztlich dafr verantwortlich gemacht werden mssen, dass anschauliche Gegenstnde so strukturiert sind, dass wir Urteile ber sie fllen kçnnen. Unter einer

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solchen Perspektive kçnnte zumindest ein vorlufiger Sinn mit dem folgenden berhmten Satz Kants verbunden werden: Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedruckt, der reine Verstandesbegriff heißt. (B104 f./A79)

Ist dem so, dann erhebt sich aber sofort ein unmittelbares Bedenken: Warum sollten diejenigen Funktionen des Verstandes, welche in einem Urteil Einheit zustande bringen, auch eine Rolle dabei spielen, wenn es darum geht, Anschauungen – in welcher Weise auch immer – zu einer Einheit zu bringen? Denn ganz egal, wie man das Verhltnis von Urteilsfunktionen und Kategorien genau interpretiert, es scheinen doch zwei vçllig verschiedene Dinge zu sein, einerseits Begriffe in einem Urteil nach bestimmten Einheitsfunktionen miteinander zu verbinden, und andererseits Anschauungen einer nach Regeln geleiteten Synthesis zu unterziehen. Tatschlich gehçrt das Verhltnis von Urteilsfunktionen und Kategorien zu den dunkelsten und bisher am wenigsten verstandenen Theoriestcken Kants. Hier ist es nun ganz entscheidend, innerhalb der metaphysischen Deduktion von den konkreten sinnlichen Bedingungen unserer Erkenntnis noch gnzlich abstrahieren zu kçnnen. Denn, wenn die hier vertretene und im Einzelnen freilich erst zu begrndende Interpretation der metaphysischen Deduktion richtig ist, dann besagt dieselbe: Anschauungen, ganz egal welcher Art sie auch sein mçgen, mssen unter den Kategorien stehen, weil wir sonst keine Urteile ber sie bzw. ber anschauliche Gegenstnde fllen kçnnten. Dies bedeutet natrlich noch keineswegs, dass auch unsere sinnlichen Anschauungen unter den Kategorien stehen, was wiederum zur Folge hat, dass ebenfalls noch nicht feststeht, ob die Kategorien berhaupt objektive Gltigkeit haben.8 Dies hat vielmehr die transzendentale Deduktion, zu8

In diesem Falle htten wir dann aber auch keine Erkenntnisse von Gegenstnden, denn: Sind unsere Anschauungen unseren Kategorien nicht gemß, so kçnnen wir nach der metaphysischen Deduktion keine Urteile ber dieselben fllen. Umgekehrt heißt dies aber: Setzt man voraus, dass wir tatschlich objektiver Erkenntnisse fhig sind, dann bençtigen wir nicht viel mehr als die metaphysische Deduktion selbst, um zu zeigen, dass die reinen Verstandesbegriffe Bedingungen der Mçglichkeit solcher Erkenntnisse sind. Das Einzige, was wir dazu nmlich noch bençtigen, ist die Annahme, dass jede Erkenntnis sowohl eine begriffliche, wie eine anschauliche Komponente haben muss. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als unwahrscheinlich, dass Kant einer „regressiven“ Lesart seiner transzendentalen Deduktion zustimmen wrde, denn eine transzendentale Deduktion im eigent-

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mindest nach der auch hier vertretenen „progressiven“ Lesart zu leisten. Denn diese soll nach dem oben bereits skizzierten Vorverstndnis zeigen, dass unsere Anschauungen tatschlich unter den Kategorien stehen mssen, nicht etwa deswegen, um so etwas wie objektive Erkenntnisse abzugeben, was nach der hier vertretenen Auffassung die metaphysische Deduktion bereits gezeigt hat, sondern um berhaupt zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden zu kçnnen. Wenn es aber wahr ist, dass wir nach der metaphysischen Deduktion bereits wissen, dass die Kategorien notwendig und geeignet sind, um objektive Erkenntnisse zu erzeugen, dann beinhaltet das Argument der transzendentalen Deduktion, dass Erfahrung berhaupt nur in Form von objektiver Erfahrung mçglich ist. Oder kurz: Ohne die objektivierende Leistung der Kategorien wrden wir uns unserer sinnlichen Vorstellungen nicht einmal bewusst werden kçnnen. Dieses Ergebnis ist aber insofern noch problematisch, als nun die in der metaphysischen Deduktion durch die Abstraktion von unserer sinnlichen Anschauung noch unterdrckte Frage wieder aufbricht: Warum sollten die mittels einer Reflexion auf den urteilenden Verstand gewonnenen reinen Verstandesbegriffe, die im engen Zusammenhang mit den Funktionen der Einheit in den Urteilen stehen, wenn sie nicht gar mit diesen identisch sind, geeignet sein, der Sphre des rein Logischen enthoben auf den gnzlich andersartigen Erkenntnisbereich unserer sinnlichen Anschauung Anwendung zu finden? Durch die mit dem Argument der transzendentalen Deduktion, dass unsere Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen, verbundene Normativitt, drfte ein Skeptiker in Bezug auf die Vermittelbarkeit des sinnlich Gegebenen mit allgemeinen Regeln kaum beruhigt werden, bezweifelt er doch, dass diese verschiedenen Erkenntnisbereiche berhaupt vermittelbar sind. Was diesem entgegengehalten werden muss, ist demnach der Nachweis, dass es mindestens mçglich ist, dass sich Anschauungen und reine Begriffe vermitteln lassen. Dafr reichen aber die Ressourcen von metaphysischer und transzendentaler Deduktion in keiner Weise aus. Wir mssen uns jenem Theoriestck zuwenden, in dem Kant die Anwendung der einzelnen Kategorien auf unsere Sinnlichkeit in concreto vorfhrt, um erçrtern zu kçnnen, ob die Anwendung der Kategorien auf den gnzlich andersartigen Bereich des Sinnlichen berhaupt zu dem gewnschten Ergebnis fhren kann. Gemeint sind damit natrlich die „Grundstze des reinen Verstandes“. Fr die Interpretation dieses Teilstckes der Kritik ist es nun von Bedeulichen und vollstndigen Sinne wre dann gar nicht mehr nçtig (zur Bedeutung der sogenannten „objektiven Deduktion“ vor diesem Hintergrund: vgl. Kap. I.2.1.).

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tung, nicht der Versuchung zu unterliegen, wie Kant dies leider fast durchgngig tut, die Anwendung der einzelnen Kategorien auf das Sinnliche an einem Vorverstndnis von derjenigen objektiven Erfahrung, die konstituiert werden soll, anzulehnen. Denn durch einen solchen Rekurs auf ein Vorverstndnis faktischer Erfahrung wird nicht nur der in der transzendentalen Deduktion eingeschlagene progressive Beweisgang der transzendentalen Logik gefhrdet, sondern es wird auch jede Mçglichkeit verdeckt, einzusehen, warum es tatschlich die in der metaphysischen Deduktion aus ihrem Ursprung im urteilenden Verstand aufgewiesenen und in der transzendentalen Deduktion einem Geltungsbeweis unterzogenen Kategorien sind, die eine notwendige Anwendung auf unsere sinnlichen Anschauungen finden mssen, um eine objektive Erfahrungswelt zu konstituieren. Dabei ist vor allen Dingen der Rekurs auf die Thesen der metaphysischen Deduktion unerlsslich. Denn nur wenn wir die Kategorien von ihrem Ursprung aus dem urteilenden Verstand her verstehen, haben wir zum einen Kriterien an der Hand, auszumachen, worin eigentlich die zu konstituierende objektive Erfahrung im Gegensatz zu ihren rein subjektiven sinnlichen Voraussetzungen bestehen soll. Es wird sich dabei nmlich um eine Erfahrung handeln mssen, die zu Recht als Grundlage von objektiven Erkenntnissen in dem Sinne betrachtet werden kann, als sie es zulsst, dass wir objektiv-gltige Urteile ber sie fllen kçnnen. Und zum anderen und in engem Zusammenhang damit haben wir in der Frage, ob die Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit in einer Weise verstanden werden kann, dass dadurch urteilsfhige Gegenstnde konstituiert werden, ein zuverlssiges Indiz zur Verfgung, um entscheiden zu kçnnen, ob die aus dem Bereich des Logischen stammenden und diesem zugleich enthobenen reinen Verstandesbegriffe berhaupt in sinnvoller Weise auf das Sinnliche angewendet werden kçnnen bzw. ob ihre Anwendung zu dem gewnschten Ergebnis fhrt. Unsere Frage nach der Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und Verstand hat sich nunmehr also in der Frage zugespitzt, wie genau das Verhltnis von Urteilsfunktionen und Kategorien zu verstehen ist. Dabei handelt es sich um eine Problematik, die zwar oft thematisiert, auf die aber selten eine befriedigende Antwort gegeben worden ist. Betrachtet man die Tatsache, dass nahezu alle systematischen Untersuchungen der Kritik der reinen Vernunft auf die transzendentale Deduktion als dem zugegebenermaßen wohl spektakulrsten Teil derselben fokussiert sind und demgegenber die metaphysische Deduktion als eigenstndiger Beweisgang kaum Beachtung findet, ist dies auch nicht verwunderlich. Eine wegweisende Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang die Untersuchung, die Longuenesse in

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Kant and the Capacity to Judge (1998, im franzçsischen Original erschienen 1993) vorgelegt hat. Hervorzuheben ist dabei vor allen Dingen ihre Interpretation der Grundstze unter der Leitidee, dass die sinnlichen Synthesen, welche zur Konstitution einer gegenstndlichen Erfahrungswelt fhren sollen, als Wirkungen des urteilenden Verstandes aufgefasst werden mssen. In diesem und vielen anderen Punkten haben die Ausfhrungen von Longuenesse die eher beweistheoretisch ausgelegten berlegungen dieser Studie in wichtigen sachlichen Fragen maßgeblich beeinflusst. Dass die in den Grundstzen ausgefhrten Beobachtungen ber die Anwendung der Kategorien sinnvoll nur im Rekurs auf den urteilenden Verstand aus der metaphysischen Deduktion – welche im ersten Teil dieser Arbeit einer eingehenden Untersuchung unterzogen wird – verstanden werden kçnnen, ist eine These, welche dem zweiten, den Grundstzen des reinen Verstandes, gewidmeten Teil dieser Arbeit durchwegs zugrunde liegt. Denn wenn die bisher vorgetragenen und eher kursorischen berlegungen richtig sind, dann ist ein genaues Verstndnis von Urteilsfunktionen und Kategorien, wie es nur die metaphysische Deduktion vermitteln kann, nicht nur von Bedeutung, um die transzendentale Deduktion besser verstehen zu kçnnen, sondern geradezu unerlsslich, um die Grundstze des reinen Verstandes so interpretieren zu kçnnen, dass damit der progressive Beweisgang der Kritik der reinen Vernunft untermauert und gleichzeitig die Anwendbarkeit der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit berprft werden kann. Um eine Prfungsinstanz handelt es sich dabei dann, wenn gezeigt werden kann, dass die Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit in concreto zu dem gewnschten Ergebnis einer objektiven Erfahrung in Form von objektiv beurteilbaren Gegenstnden fhrt, und zwar in der Weise, dass die bestimmten Gegenstandsaspekte, welche die einzelnen Kategorien konstituieren sollen, so verstanden werden kçnnen, dass darin ihr Zusammenhang mit den ihnen jeweils entsprechenden Urteilsformen ersichtlich wird. Im Zusammenhang mit der normativen Aussage der transzendentalen Deduktion liegt darin aber, dass die vom Skeptiker bezweifelte Vermittlung von reiner Begrifflichkeit und besonderer Anschauung nicht nur notwendig, sondern auch in einer ganz konkret nachzuvollziehenden Weise mçglich ist.

I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien Die „metaphysische Deduktion der Kategorien“ gehçrt, sehr zum Schaden des Verstndnisses der Kritik der reinen Vernunft zu den weniger beachteten Theoriestcken der Kantischen Philosophie. Lange Zeit wurde sie, sofern sie berhaupt Beachtung fand, nicht nur fast einstimmig negativ bewertet, sondern oft geradezu als berflssig deklariert. Man meinte, sich vor allem mit der sehr viel spektakulreren transzendentalen Deduktion auseinandersetzen zu mssen und dies auch tun zu kçnnen, ohne auf die Frage der metaphysischen Deduktion berhaupt Bezug zu nehmen. Weit mehr Interesse zog, vor allen Dingen seit der Aufsehen erregenden Arbeit von Reich, die Frage nach der Vollstndigkeit der Kantischen Urteilstafel (1932) auf sich. Doch auch diese Frage wurde weitestgehend unter Abstraktion dessen erçrtert, was eigentlich die metaphysische Deduktion als solche zu leisten habe. Erst in neuerer Zeit erfhrt die metaphysische Deduktion die verdiente Aufmerksamkeit. Zu nennen sind hier neben einigen Anstzen, in denen bereits die Bedeutung der metaphysischen Deduktion fr das Verstndnis der Kategoriendeduktion hervorgehoben wird, wie dem von Dryer (1966), vor allen Dingen die Arbeiten von Longuenesse (1998a, 1998b und 2006), Horstmann (1997b), im Anschluss an Longuenesse Allison (2004), und Haag (2007). Fr den gegenwrtigen Diskussionsstand kçnnen dabei grob drei Fragen unterschieden werden, die an die metaphysische Deduktion zu stellen sind: 1.) Die erste Frage betrifft den nach wie vor viel diskutierten Problemkreis um die Vollstndigkeit der Kantischen Urteilstafel. Dabei spielen nicht nur die zwei klassischen Versuche eines Vollstndigkeitsbeweises von Reich (1932) und Wolff (1995) eine Rolle, sondern, etwas bescheidener, auch die Frage, ob Kant die Vollstndigkeit seiner Urteilstafel berhaupt beweisen wollte (Krger 1986). 2.) Die zweite Frage betrifft die methodische Einordnung der metaphysischen Deduktion innerhalb des Gesamtprogramms der Kritik. Dabei geht es nicht nur darum, was als Beweisziel der metaphysischen Deduktion anzusehen ist, sondern im Zusammenhang damit auch um die grundlegendere Frage, wo dieselbe im Textkorpus eigentlich zu verorten ist (vgl. dazu insb. Horstmann 1997b und Guyer 2001a).

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

3.) Das dritte Problem schließlich ist inhaltlicher Natur, und betrifft die nach wie vor unzureichend beantwortete Frage, was eigentlich das Argument der metaphysischen Deduktion ist, eine Frage, die sich schlussendlich darin spezifiziert, worin genau der Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien bestehen soll (vgl. dazu besonders die o.g. Arbeiten von Longuenesse).

Fr die vorliegende Untersuchung sind nur die zweite und die dritte Frage von Belang, also die Frage nach Beweisziel und Argument der metaphysischen Deduktion.1 Dass zwischen diesen Fragen die innigsten Berhrungspunkte bestehen, versteht sich von selbst. So kann die inhaltliche Frage nach dem „Argument“ der metaphysischen Deduktion schwerlich befriedigend beantwortet werden, wenn man sich nicht ber ihr Beweisziel im Klaren ist. Und es ist kaum erstaunlich, dass einige der negativen Einschtzungen des inhaltlichen Ertrags der metaphysischen Deduktion gerade dadurch zustande gekommen sind, dass Kant ein Beweisziel unterstellt wurde, das er, wenn man den Kontext nher betrachtet, an dieser Stelle gar nicht sinnvoll vertreten kann. Dies gilt namentlich fr Strawson (1975), der der metaphysischen Deduktion Beweisabsichten unterstellt, die erst in der transzendentalen Deduktion eine Rolle spielen (objektive Realitt der Kategorien) und Bennett (1966), bei dem allerdings relativ unklar ist, was er berhaupt als Beweisziel der metaphysischen Deduktion ansieht (vgl. dazu auch Horstmann 1997b, S. 60). Vor diesem Hintergrund ist es angeraten, sich vor der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten der metaphysischen Deduktion erst einmal eindeutig ber deren Beweisziel zu verstndigen. Dies soll im ersten Abschnitt dieses Kapitels in Anlehnung an die Unterscheidung einer metaphysischen und einer transzendentalen „Erçrterung“, wie sie Kant in der transzendentalen sthetik vornimmt, sowie in einer ersten Abgrenzung vom Aufgabenbereich der transzendentalen Deduktion erfolgen. Im zweiten Abschnitt soll dann eine etwas eingehendere Betrachtung des Verhltnisses von metaphysischer und transzendentaler Deduktion vorgenommen werden, nicht nur, um das Beweisziel der metaphysischen in eindeutiger Abgrenzung von der transzendentalen Deduktion besser verstehen zu kçnnen, sondern auch, um eine zumindest kursorische Interpretation der transzendentalen Deduktion selbst zur Verfgung haben, soweit diese fr den Fortgang der Untersuchung von Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund kann dann im dritten Abschnitt dieses Kapitels der Frage nachgegangen werden, wie das aus methodischen berlegungen 1

Zu den Grnden fr die Vernachlssigung der ersten Frage siehe Kap. I.3.1., Anm. 38.

1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion

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rekonstruierte Beweisziel der metaphysischen Deduktion eingelçst werden kann, und worin genau das Argument der metaphysischen Deduktion besteht.

1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion lsst sich, folgt man den verschiedenen direkten und indirekten Hinweisen Kants, zunchst einmal relativ gut eingrenzen. Diese Hinweise betreffen neben Kants einziger expliziten Erçrterung des Begriffs einer metaphysischen Deduktion in §26 der transzendentalen Deduktion der B-Auflage, die gut in Beziehung zu setzen ist mit verschiedenen Bestimmungen dessen, was eine transzendentale Deduktion zu leisten hat, so dass wir von einer Seite zu einer Bestimmung der Aufgabe der metaphysischen Deduktion durch ihre Abgrenzung zur transzendentalen Deduktion gelangen kçnnen, vor allen Dingen auch Hinweise, die wir der transzendentalen sthetik und ihrer analogen Unterscheidung einer metaphysischen und transzendentalen Erçrterung entnehmen kçnnen, eine Unterscheidung die nicht zuletzt deswegen fr unsere Zwecke fçrderlich ist, weil sie Kant in der zweiten Auflage der Kritik zusammen mit der Unterscheidung bezglich der Deduktion eingefhrt hat, so dass anzunehmen ist, dass Kant hier tatschlich eine mehr oder weniger eindeutige Analogie gesehen hat. Nun ist der Versuch, anhand der Analogie dieser Verhltnisse zu einer Bestimmung des Beweiszieles der metaphysischen Deduktion zu gelangen, dies machen die berlegungen Horstmanns deutlich, der in seinem Aufsatz „Die Funktion der metaphysischen Deduktion in Kants Kritik der reinen Vernunft“ einen solchen Rekonstruktionsversuch unternimmt, zunchst einmal mit zwei grundstzlichen Schwierigkeiten verbunden. Zum einen ist es einigermaßen merkwrdig, dass Kant berhaupt von einer „metaphysischen“ Deduktion spricht (vgl. 1997b, S. 63), behauptet er doch andernorts, dass eine Deduktion apriorischer Begriffe „jederzeit transzendental sein“ msse (B118/A86). Und zum anderen handelt es sich bei „Erçrterung“ und „Deduktion“, selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass der Begriff einer metaphysischen Deduktion Sinn macht, um grundstzlich verschiedene Untersuchungsarten. Unter einer „Erçrterung“ versteht Kant „die deutliche (wenn gleich nicht ausfhrliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe gehçrt; metaphysisch aber ist die Erçrterung, wenn sie dasjenige enthlt, was den Begriff, als a priori gegeben, darstellt“ (B38). Wendet man diese Definition auf die metaphysische Erçrterung der

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

Begriffe Raum und Zeit an, dann muss es also darum gehen, anhand einer Erçrterung dieser Begriffe nachzuweisen, dass es sich dabei um Begriffe a priori handeln muss. Nun wrde es offensichtlich keinen Sinn machen, ein analoges Beweisziel der metaphysischen Deduktion zu unterstellen. Denn im Gegensatz zu den Vorstellungen von Raum und Zeit, kann sich bei den Kategorien, zumindest fr Kant, gar nicht erst der Verdacht regen, dass es sich bei ihnen nicht um apriorische Vorstellungen handeln kçnnte (vgl. Horstmann 1997b, S. 64). Es kann also keine Gemeinsamkeit zwischen metaphysischer Erçrterung und Deduktion dergestalt geben, dass es beiden um den Nachweis des apriorischen Status gegebener Begriffe geht. Dennoch, so Horstmanns Interpretationsthese, ist es mçglich, eine Analogie in dem jeweiligen Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung bzw. Deduktion zu rekonstruieren. Dazu muss zunchst einmal der metaphysischen Erçrterung eines Begriffs dessen transzendentale Erçrterung gegenbergestellt werden. Unter einer solchen versteht Kant „die Erklrung eines Begriffes als eines Prinzips, woraus die Mçglichkeit anderer synthetischer Erkenntnisse a priori eingesehen werden kann“, wozu unter anderem erforderlich ist, „daß diese Erkenntnisse nur unter der Voraussetzung einer gegebenen Erklrungsart dieses Begriffs mçglich sind“ (B40). Im Klartext bedeutet dies, so Horstmann, „daß eine transzendentale Exposition einer Vorstellung nur dann in Angriff genommen werden kann, wenn – unabhngig von dem Rekurs auf irgendwelche synthetische Erkenntnis a priori, die durch sie erst ermçglicht werden soll –, in einer metaphysischen Exposition nachgewiesen worden ist, daß es sich bei der Vorstellung, die transzendental exponiert werden soll, um eine apriorische Vorstellung handelt“ (vgl. 1997b, S. 65). Nun haben wir eben bereits festgestellt, dass es in einer metaphysischen Deduktion nicht um den Nachweis des apriorischen Status von Vorstellungen handeln kann, dennoch lsst sich, so die Idee Horstmanns, auf funktionaler Ebene ein analoges Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Deduktion rekonstruieren, wenn man einerseits das Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung nur im Sinne eines Abhngigkeitsverhltnisses interpretiert, und andererseits auf eine bestimmte Definition von transzendentaler Deduktion Bezug nimmt. Nach derjenigen Charakterisierung einer transzendentalen Deduktion, die Horstmann hier aufnimmt, ist dieselbe zu verstehen als „die Erklrung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstnde beziehen kçnnen“ (B117). Die Frage, die sich in Analogie zum Abhngigkeitsverhltnis von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung stellt, ist nun, was geklrt werden muss, ehe eine solche tran-

1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion

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szendentale Deduktion in Angriff genommen werden kann (vgl. ebd., S. 66). Und die Antwort darauf ist „relativ offensichtlich die folgende: Will man erklren kçnnen, wie sich Begriffe auf Gegenstnde beziehen, setzt man voraus, daß sie sich in irgendeiner Art auf Gegenstnde beziehen kçnnen.“ (ebd., S. 67). Nun ist die Unterscheidung einer dass- und einer wie-Frage zunchst einmal gut geeignet, um den Unterschied einer metaphysischen und einer transzendentalen Deduktion vor Augen zu fhren, wenn man annimmt, dass die transzendentale Deduktion in Bezug auf die Deduktion der Kategorien etwas bereits Geleistetes voraussetzt, und sie gleichzeitig, wie Kant dies auch an mehreren Stellen tut, unter der Fragestellung betrachtet, wie sich apriorische Erkenntnisse auf Gegenstnde beziehen. Ein Problem besteht nun aber darin, dass an eben jenen Stellen nicht ganz klar ist, ob die Charakterisierung einer transzendentalen Deduktion unter der wie-Frage die transzendentale Deduktion im Ganzen oder aber nur ihren „subjektiven Teil“ betrifft (vgl. dazu unten Abs. 2.1.). Wie spter gezeigt werden soll, kann eine „vollstndige“ transzendentale Deduktion nur dann als die Beantwortung der wie-Frage verstanden werden, wenn anhand der Beantwortung der Frage, wie sich Kategorien auf unsere sinnliche Anschauung beziehen, auch nachgewiesen wird, dass sie sich tatschlich auf unsere sinnliche Anschauung beziehen (vgl. auch Guyer 2001a, S. 318). Im Rahmen der hier vorgestellten Interpretation soll daher die Unterscheidung einer dass- und einer wie-Frage fr den Themenkreis der transzendentalen Deduktion reserviert werden. Wie verhlt es sich aber auf der anderen Seite mit der Aussage, dass die metaphysische Deduktion als Voraussetzung dieses Sachverhaltes (also des Sachverhaltes einer transzendentalen Deduktion) zu zeigen hat, dass es mçglich ist, dass sich apriorische Begriffe auf Gegenstnde beziehen lassen? Betrachten wir, worauf Horstmann mit Blick auf den inhaltlichen Ertrag der metaphysischen Deduktion diese Mçglichkeit zunchst einmal zurckfhrt: Der Bezug von apriorischen Begriffen auf Gegenstnde soll deswegen mçglich sein, weil „ohne bestimmte apriorische Begriffe nicht einmal der Gedanke von einem Gegenstand mçglich wre, wenn also diese Begriffe notwendige Bedingungen fr so etwas wie die Mçglichkeit der Vorstellung von Gegenstndlichkeit fr uns sind, dann muß es wenigstens mçglich sein, dass diese Begriffe sich auf Gegenstnde beziehen“ (1997b, S. 71). Worauf Horstmann hier rekurriert, ist also, dass die metaphysische Deduktion mindestens zeigen soll, dass apriorische Begriffe die Bedingungen des Denkens von Gegenstnden und als solche notwendig sind. Was heißt es aber, wenn wir auf Grund dieses Sachverhaltes die Annahme machen, dass es deswegen mçglich ist, dass sich

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apriorische Begriffe auf Gegenstnde beziehen lassen?2 Entgegen der Absicht Horstmanns ergibt sich hier unmittelbar der Verdacht, dass damit schon auf das Beweisziel der transzendentalen Deduktion Bezug genommen wird: Denn wenn apriorische Begriffe notwendig fr das Denken von Gegenstnden sind, so kçnnte man argumentieren, dann ist damit noch nicht gezeigt, ob diese Notwendigkeit berhaupt erfllt werden kann, – die transzendentale Deduktion htte demnach zu zeigen, dass diese notwendigen Bedingungen faktisch erfllt werden kçnnen, in dem sie zeigt, dass und wie Kategorien Anwendung auf die Gegenstnde unserer sinnlichen Anschauung finden (vgl. dazu auch Guyer 2001a, S. 318). Dies lsst sich aber durchaus auch so formulieren, und derartige Formulierungen finden sich tatschlich bei Kant (vgl. bspw. B159), dass die transzendentale Deduktion zu zeigen hat, dass es mçglich ist (oder wie es mçglich ist), dass sich Kategorien auf Gegenstnde beziehen (wenn man unter Mçglichkeit die faktische Erfllbarkeit einer Notwendigkeit versteht). Die Aussage, dass es in der metaphysischen Deduktion um die Mçglichkeit des Bezugs von apriorischen Begriffen auf Gegenstnde geht, ist also zumindest in terminologischer Hinsicht nicht ganz unproblematisch. Wir mssen noch einmal einen Schritt zurckgehen, um zu sehen, ob es nicht eine unverfnglichere Formulierung fr das Beweisziel der metaphysischen Deduktion in ihrem Verhltnis zur transzendentalen Deduktion gibt. Dass dies unter Wahrung der Intention, nach der in Analogie zur transzendentalen sthetik ein Abhngigkeitsverhltnis von metaphysischer und transzendentaler Deduktion angenommen werden darf, mçglich ist, sollen die folgenden Ausfhrungen zeigen. Nun war ein Hauptmotiv fr die eben skizzierte Argumentation Horstmanns in Bezug auf das Beweisziel der metaphysischen Deduktion, dass es wenig sinnvoll erscheint, zu unterstellen, der metaphysischen Deduktion ginge es in Analogie zur meta2

Dass apriorische Begriffe die notwendigen Bedingungen fr das Denken von Gegenstnden sind, zeigt nach Horstmann genau genommen noch nicht, dass es mçglich ist, dass apriorische Begriffe sich auf Gegenstnde beziehen, sondern nur, „was der Fall sein muss, wenn es mçglich sein soll, daß apriorische Begriffe sich auf Gegenstnde beziehen“ (S. 72). Dass das, was die Mçglichkeit des Gegenstandsbezugs von apriorischen Begriffen sichert, auch tatschlich der Fall ist, versuche Kant durch die Behauptung zu sichern, dass es Leistungen des Verstandes gibt, „die in Bezug auf gnzlich verschiedene Sachverhalte dieselbe Funktion haben, nmlich Einheit zu produzieren“ (S. 72). Demnach wissen wir dadurch, dass dieselben Funktionen, welche die Einheit eines Urteils herstellen, auch die Einheit einer Anschauung herstellen (und dadurch, dass es nur eine Art solcher Funktionen gibt), dass es mçglich ist, dass sich Kategorien auf Gegenstnde beziehen.

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physischen Erçrterung um den Nachweis, dass es sich bei den Kategorien um Begriffe mit apriorischem Status handelt. Wenn wir aber annehmen, dass Kategorien per se schon ein apriorischer Status zukommt, kçnnen wir dann nicht einfach annehmen, der metaphysischen Deduktion ginge es darum, zu zeigen, dass es solche Kategorien gibt? Doch auch diese Fragestellung ist hçchst problematisch. Denn: Was heißt es, zu unterstellen, dass es mçglicherweise gar keine Kategorien geben kçnnte? Kategorien als Begriffe gibt es offensichtlich genauso, wie es die Begriffe von Raum und Zeit gibt. Zu fragen, ob es Kategorien berhaupt gibt, scheint dann aber letztlich auf die Frage hinauszulaufen, ob der Begriff der Kategorie, so wie wir ihn kennen, mit einer Bedeutung verbunden ist, und diese Frage fhrt im Kantischen Fokus auf die Frage der Rechtmßigkeit des Gebrauchs dieses Begriffs, – womit wir uns mitten im Thema der transzendentalen Deduktion befinden wrden. Es kann also weder darum gehen, den Kategorien apriorischen Status zuzusprechen, den sie (zumindest dann, wenn man darunter diejenigen reinen Begriffe versteht, die Kant in der Kategorientafel tatschlich auffhrt) per se schon haben, noch darum, zu fragen, ob es Kategorien gibt, was letztlich bedeuten wrde, aufgrund ihres apriorischen Status ihre Sinnhaftigkeit anzuzweifeln und zu fragen, ob sie rechtmßig gebraucht werden kçnnen. Einen ebenso einfachen wie entscheidenden Hinweis zur Lçsung unseres Problems finden wir aber in der berschrift des Textabschnittes, den wir hier in einem Vorgriff als „metaphysische Deduktion im weiteren Sinn“ betrachten wollen: „Von dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe“. Auffllig ist zum einen, dass hier nicht von Kategorien, sondern von reinen Verstandesbegriffen die Rede ist; und entsprechendes gilt auch fr die Einleitung zur transzendentalen Logik und fr die metaphysische Deduktion selbst, wo der Begriff der Kategorie, und zwar nicht zufllig, erst kurz vor der Aufstellung der Kategorientafel, in explizitem Bezug auf die Tradition dieses Begriffs, eingefhrt wird, – was die Vermutung nahe legt, dass wir ausgehend von der Frage nach dem „reinen Verstandesbegriff“ erst einmal zu einer Identifizierung von „reinem Verstandesbegriff“ und „Kategorie“ gelangen mssen.3 Zum anderen, und 3

Die Frage nach „reinen Verstandesbegriffen“ hat gegenber der Frage nach „Kategorien“ nicht zuletzt den Vorteil, dass wir damit noch nicht auf ein bestimmtes Vorverstndnis von Kategorien festgelegt sind, nmlich auf diejenigen reinen Begriffe, die in der Kategorientafel tatschlich aufgefhrt werden und von denen es, wie wir gesehen haben, nicht nur sinnlos wre, zu fragen, ob es diese Kategorien gibt, sondern auch ußerst problematisch, zu behaupten, dass es in Bezug auf sie

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in Zusammenhang damit, fllt auf, dass die reinen Verstandesbegriffe offensichtlich erst „entdeckt“ werden mssen. Wir wissen demnach noch gar nicht, um welche Begriffe es sich handeln kçnnte. Was uns Kant an die Hand gibt, ist lediglich ein „Leitfaden“ zu ihrer Entdeckung. Worin dieser Leitfaden ganz genau besteht, ist im Moment noch irrelevant, er hat jedenfalls damit zu tun, die gefragten Begriffe „nach einem Prinzip aufzusuchen“ (B92/A67), einem Prinzip, das spter mit dem „Vermçgen zu urteilen“ (B106/A81) identifiziert wird. In diesem vagen Sinn, der mit der Entdeckung „nach einem Prinzip“ zu tun hat, handelt es sich dann auch um eine „Deduktion“ jener Begriffe (was konkretisiert werden kann dadurch, dass es sich dabei um eine Ableitung der Kategorien aus den Urteilsfunktionen handeln muss). Was wir ebenfalls schon wissen, ist, da wir uns genau wie in der transzendentalen sthetik innerhalb einer isolierten Betrachtung eines der beiden Stmme unserer Erkenntnis befinden, und wir es also nur mit dem Verstand zu tun haben, bei dem es im Gegensatz zur Sinnlichkeit um das Denken von Gegenstnden geht, dass es sich bei den aufzusuchenden reinen Verstandesbegriffen um die reinen Begriffe eines Gegenstandes berhaupt handeln muss. Dies ist zumindest der Plan, der unter dem Titel „Idee einer transzendentalen Logik“ in der Einleitung zur transzendentalen Logik charakterisiert wird. Wie auch in der entsprechenden Einleitung zur transzendentalen sthetik geht Kant von einer kurzen Charakterisierung der Lehre der zwei Erkenntnisstmme aus („Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus“, B74) um dann unter dem Vorzeichen, dass durch die Sinnlichkeit Gegenstnde gegeben, durch den Verstand aber Gegenstnde gedacht werden, fr beide Elemente eine reine Art von Vorstellungen von einer empirischen zu unterscheiden: „Daher enthlt reine Anschauung lediglich die Form, unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes berhaupt“ (B74 f./A51). Es ist wohlgemerkt noch nicht gesagt, ob es solche reinen Begriffe berhaupt gibt, noch kçnnen wir ahnen, welche es sein werden, falls es sie gibt. Wir kçnnen aber vermuten, dass es sie geben kçnnte. Und zwar deswegen, weil eine solche Auszeichnung reiner und formaler Elemente der Erkenntnis im Falle der Sinnlichkeit bereits erfolgreich war: um den Nachweis ihres apriorischen Status geht. Fragen wir aber danach, ob es „reine Verstandesbegriffe“ gibt, dann kann diese Fragestellung in relativ unproblematischer Weise auch so verstanden werden, dass danach gefragt wird, ob es in Bezug auf Begriffe Vorstellungen mit apriorischem Status gibt.

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Weil es nun aber sowohl reine, als empirische Anschauungen gibt (wie die transzendentale sthetik dartut), so kçnnte auch wohl ein Unterschied zwischen reinem und empirischem Denken der Gegenstnde angetroffen werden. In diesem Falle wrde es eine Logik geben, in der man nicht von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahierte; denn diejenige, welche bloß die Regeln des reinen Denkens eines Gegenstandes enthielte, wrde alle diejenigen Erkenntnisse ausschließen, welche von empirischem Inhalte wren. Sie wrde auch auf den Ursprung unserer Erkenntnisse von Gegenstnden gehen, so fern er nicht den Gegenstnden zugeschrieben werden kann (B79 f./A55 f.).

Abstrahieren wir im Moment von der Abgrenzung zur allgemeinen Logik, die in diesem Satz liegt, und konzentrieren uns nur auf die Analogie zur Situation in der transzendentalen sthetik, die hier aufgespannt wird, und darauf, was wir dieser zur vorlufigen Charakterisierung dessen, was ein reiner Verstandesbegriff berhaupt zu leisten htte, entnehmen kçnnen. Dort wurde nicht nur ein Unterschied von reiner und empirischer Anschauung etabliert, in dem der apriorische Status der Vorstellungen von Raum und Zeit herausgestellt wurde, sondern dieser apriorische Status hat sich deswegen ergeben, weil sich erwies, dass Raum und Zeit die „Bedingungen der Mçglichkeit“ von sinnlichen (rumlichen und zeitlichen) Erscheinungen sind, und zwar als reine Anschauung, oder wie es in der bereits zitieren Formulierung innerhalb der Einleitung zur transzendentalen Logik heißt: als „Form, unter welcher etwas angeschaut wird“. Analog wird es sich nun mit der „Form des Denkens eines Gegenstandes berhaupt“ verhalten. Das heißt, die Frage ist: Gibt es, so wie es in der sthetik formale Bedingungen gab, unter denen ein Gegenstand nur angeschaut werden kann, ebensolche formale Bedingungen, unter denen ein Gegenstand nur gedacht werden kann? Die gesuchten reinen Verstandesbegriffe mssten also – ebenso wie die reinen Formen der Anschauung in Bezug auf die Anschauung von Gegenstnden – in Bezug auf ihren Bereich (das Denken von Gegenstnden) einen wie auch immer genau zu spezifizierenden erkenntnisermçglichenden Sinn haben. Damit relativieren sich aber – unter einer gewissen nachher zu benennenden Voraussetzung – unsere anfnglichen methodischen Schwierigkeiten, eine Analogie zwischen Erçrterung und Deduktion zu sehen. Diese ergaben sich dadurch, dass in der metaphysischen Erçrterung ein gegebener Begriff zur Disposition stand, dessen apriorischer Status durch seine Erçrterung dargestellt wurde, whrend im Falle der reinen Verstandesbegriffe bzw. Kategorien schlicht nichts zur Erçrterung steht, sondern es vielmehr darum gehen muss, etwas, das apriorischen Status hat, allererst zu „entdecken“. Betrachten wir aber das sachliche Ergebnis der

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metaphysischen Erçrterung, dann lsst sich dieses, auch wenn es unter dem Stichwort einer „Erçrterung“ so aussieht, als ginge es nur darum, den apriorischen Status von gegebenen Begriffen (Raum und Zeit) darzustellen, im Blick auf den inhaltlichen Ertrag durchaus auch so umreißen, dass die Aufgabe darin liegt, in Bezug auf unsere Sinnlichkeit, die Notwendigkeit bestimmter apriorischer Vorstellungen nachzuweisen, bzw. darzustellen, dass es fr den sinnlichen Anteil unserer Erkenntnis apriorische Vorstellungen gibt und geben muss. Ein ganz analoges Beweisziel ließe sich aber nach dem bisher Gesagten, in Bezug auf eine „metaphysische“ Untersuchung des Verstandes, dem Programm einer „Entdeckung“ der reinen Verstandesbegriffe unterstellen. Die Voraussetzung, die wir eben implizit gemacht haben, um jene Analogie herzustellen, ist natrlich, dass es tatschlich das Beweisziel der metaphysischen Erçrterung ist, die Notwendigkeit formaler Bedingungen unserer Anschauung von Gegenstnden nachzuweisen, bzw. dass dieses Ziel durch die metaphysische Erçrterung allein erreicht werden kann. Ein erster Hinweis auf die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich aus der Art, in der Kant in der transzendentalen sthetik nachtrglich die Unterscheidung von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung einfhrt. Denn im Gegensatz zur transzendentalen Logik, wo zwar die metaphysische Deduktion ebenfalls erst in der zweiten Auflage als solche benannt und damit von der transzendentalen Deduktion explizit unterschieden wird, der Sache nach aber sehr wohl durch eindeutige Hinweise von der transzendentalen Deduktion systematisch unterscheidbar ist,4 fehlt in der ersten Auflage der sthetik jede systematische Unterscheidung zwischen einer nachtrglich so genannten metaphysischen und einer transzendentalen Erçrterung. Vielmehr stehen die Argumente der spter so genannten transzendentalen Erçrterung des Raumes und der Zeit in einer Reihe mit den brigen „Raum- und Zeitargumenten“. Dem kçnnen wir mindestens entnehmen, dass fr Kant zur Zeit der Abfassung der ersten Auflage jene Argumente noch keine methodisch eigenstndige Rolle gespielt haben. Die Frage ist nun, ob sie sachlich notwendig sind, um das Beweisziel der transzendentalen sthetik abzusichern. Hierzu ist zu bemerken, – um uns auf die „Betrachtung des Raumes“, wie die Untersuchung in der A-Auflage 4

Vgl. die Unterscheidungen von „Ursprung“ und „objektiver Gltigkeit“ (A57), oder etwa von „Geburtsort“ und „Gebrauch“ (A66), die sich eindeutig auf die Textstellen der spter so identifizierten metaphysischen bzw. transzendentalen Deduktion beziehen lassen und in bereinstimmung stehen mit der nachtrglichen Begriffsbestimmung der metaphysischen Deduktion (B159).

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noch genannt ist, zu beschrnken – dass durch das dort dritte Raumargument die apodiktische Gewissheit der geometrischen Stze durch die zuvor schon – im zweiten Raumargument – erwiesene Notwendigkeit und Aprioritt begrndet werden soll, und nicht etwa umgekehrt. Weiter beruht auch keines der Raumargumente bis auf das fnfte, welches den Raum als unendliche Grçße qualifiziert, auf irgendwelchen Stzen ber die Geometrie (vgl. dazu Horstmann 1997a, S. 22ff ). Dieses spielt aber keine Rolle dabei, wenn Kant letztlich in seinen Folgerungen den Raum als „die Form aller Erscheinungen ußerer Sinne“ charakterisiert (vgl. dazu unten, insb. Anm. 5). Das heißt aber letztlich, dass die synthetischen Stze der Geometrie zwar durch die gegebene Raumtheorie ermçglicht werden sollen, umgekehrt aber nicht notwendigerweise als „transzendentale“ Rechtfertigung fr die Gltigkeit der Raumtheorie selbst herangezogen werden mssen. Was auch immer also die Funktion der transzendentalen Erçrterung ist, sie ist jedenfalls nicht notwendig, um das Beweisziel, das wir bisher der metaphysischen Erçrterung unterstellt haben, zu rechtfertigen, nmlich dann, wenn wir davon ausgehen, dass die entsprechenden Argumente in der ersten Auflage zu diesem Zweck noch gar keine Rolle gespielt haben, und wir Kant nicht unterstellen wollen, dass sich bezglich einer derart elementaren Frage in der zweiten Auflage etwas Entscheidendes gendert hat. Die These, die im Folgenden aufgestellt werden soll, ist, dass die nachtrgliche Einfhrung der Unterscheidung von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung fr die transzendentale sthetik selbst eigentlich von relativ geringer Bedeutung, fr die transzendentale Logik dagegen von einigem Wert ist. Ersteres bedarf der sofortigen Plausibilisierung. Denn man kçnnte der sicherlich nicht unbegrndeten Auffassung sein, die Einfhrung der Unterscheidung in die transzendentale sthetik habe zu tun mit dem erhçhten Stellenwert, den der faktische Ausdruck der Objektivitt unserer Erkenntnis (in Mathematik und Naturwissenschaft) in einem analytisch orientierten Argument genießt, wie es in den Prolegomena ausgefhrt wird, und sei einem auch andernorts (transzendentale Deduktion, Grundstze) sprbaren Reimport dieser vernderten Begrndungsrichtung in die zweite Auflage der Kritik verschuldet. Dennoch ndert dies nichts an dem grundstzlich synthetisch ausgerichteten Beweisgang auch noch der zweiten Auflage. Denn will man die Objektivitt unserer Erkenntnis bzw. Erfahrung allererst synthetisch begrnden, dann ist es zwar eine wnschenswerte Koinzidenz, wenn das Ergebnis den Grundlagen entspricht, die man meint, Mathematik und Naturwissenschaft unterstellen zu mssen. Aber notwendig ist diese Koinzidenz nicht.

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Vielmehr leistet vor diesem Hintergrund die Einfhrung einer eigenen transzendentalen Erçrterung dem Einwand Vorschub, „Kant habe sich nur etwas zurechtgelegt, was seine Auffassungen ber Geometrie und Arithmetik rechtfertigen konnte“ (Horstmann 1997a, S. 56). Kurz: Fr die transzendentale sthetik ist es zwar eine scheinbar wnschenswerte Besttigung, dass die Aprioritt und der reine Anschauungscharakter der Raumvorstellung, und nach Kants Meinung nur diese, als Bedingung der Mçglichkeit „anderer synthetischer Erkenntnisse a priori“, nmlich der synthetisch-apriorischen Erkenntnisse der Geometrie, verfgbar gemacht werden kçnnen. Der Nachweis der Aprioritt und des Anschauungscharakters der reinen Raumvorstellung bedarf dieser Rechtfertigung aber keineswegs. Sachlich geht die transzendentale Erçrterung, deren methodisch eigenstndigen Status erst die B-Auflage hervorhebt, ber das in der A-Auflage Gesagte nicht hinaus: Die Mçglichkeit, die synthetisch-apriorischen Stze der Geometrie aus der Aprioritt und Notwendigkeit der Raumvorstellung einzusehen, ist ein Indiz fr die Richtigkeit dessen, was dann in der B-Auflage metaphysische Erçrterung genannt wird, mehr nicht. Wenn man also den juridischen Metaphern Kants noch eine weitere hinzufgen will, dann handelt es sich bei der transzendentalen Erçrterung um einen Indizienbeweis. Diese fr die transzendentale sthetik selbst eher mageren Ergebnisse, die im Folgenden noch nher konkretisiert und begrndet werden sollen, sind aber in zweifacher Weise fr die Frage nach einer metaphysischen Deduktion relevant: Zum einen bekrftigen sie unsere bisherige Vermutung, dass sich das soweit gekennzeichnete Beweisziel (Nachweis, dass es apriorische Vorstellungen gibt und geben muss), auf die metaphysische Erçrterung beschrnken lsst, und zwar dadurch, dass ihr ein anderes und von ersterem abhngiges Beweisziel (dasjenige der transzendentalen Erçrterung) entgegengesetzt wird, was wiederum unsere Vermutung bestrkt, es werde sich auch in der transzendentalen Logik so verhalten. Und zweitens lsst sich die Charakterisierung dieses anderen Beweiszieles ohne Mhe in Beziehung setzen zu demjenigen der transzendentalen Deduktion, so dass wir auch von dort her zu einer Eingrenzung der Aufgabenstellung der metaphysischen Deduktion gelangen kçnnen. Nun wissen wir ber das Beweisziel der transzendentalen Deduktion relativ gut Bescheid. Es geht dabei in jedem Fall um die Rechtmßigkeit des Kategoriengebrauchs bzw. deren objektive Gltigkeit. Um Rechtmßigkeit geht es auch in der transzendentalen Erçrterung, allerdings, wie wir gesehen haben, in eigenartiger Weise. Denn streng genommen bedrfen wir fr das Beweisziel,

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das wir der metaphysischen Erçrterung zugeschrieben haben, einer solchen „zustzlichen“ Berechtigung gar nicht. Gerade dieser Unterschied kann aber dazu dienen, unsere Frage nach der Bestimmung des Beweiszieles der metaphysischen Deduktion in ihrer Abgrenzung zur transzendentalen Deduktion und im Verhltnis zu den Unterscheidungen der transzendentalen sthetik um einen entscheidenden Schritt vorwrtszutreiben. Kant nimmt auf diesen Unterschied explizit Bezug, wenn er seine „Prinzipien einer transzendentalen Deduktion“ darstellt. Denn dort bezieht er die Frage, was unter einer transzendentalen Deduktion zu verstehen sei, zurck auf die Ergebnisse der transzendentalen sthetik. berraschend dabei ist zunchst einmal, dass er in Bezug auf die transzendentale sthetik explizit von einer dort angeblich erfolgten „transzendentalen Deduktion“ spricht. Was hier nun vor allen Dingen beachtet werden muss, ist, dass die Erçrterung dieser Frage unter dem Vorzeichen einer anderen Frage steht: nmlich, ob eine transzendentale Deduktion eigentlich „unumgnglich notwendig sei“. So schreibt Kant: Wir haben oben die Begriffe des Raumes und der Zeit, vermittelst einer transzendentalen Deduktion zu ihren Quellen verfolgt, und ihre objektive Gltigkeit a priori erklrt und bestimmt. Gleichwohl geht die Geometrie ihren sichern Schritt durch lauter Erkenntnisse a priori, ohne daß sie sich, wegen der reinen und gesetzmßigen Abkunft ihres Grundbegriffs vom Raume, von der Philosophie einen Beglaubigungsschein erbitten darf. (B119 f./A87)

Dem kçnnen wir zunchst entnehmen, dass eine solche „transzendentale Deduktion“ fr die Geometrie selbst nicht „unumgnglich notwendig“ ist. Die Frage ist also: Spielt die Mçglichkeit der synthetisch-apriorischen Erkenntnisse der Geometrie umgekehrt eine Rolle fr die Rechtmßigkeit, Raum und Zeit als apriorische Vorstellungen zu betrachten? Und dies ist gleichbedeutend mit der Frage: Bedarf die metaphysische Erçrterung von Raum und Zeit einer transzendentalen Rechtfertigung, sei es in Form einer „transzendentalen Erçrterung“, oder, falls diese mit dem, was Kant hier „transzendentale Deduktion“ nennt, gleichzusetzen wre, einer solchen? Zu letzterer Frage ist zu bemerken, dass Kant hier bereits in der AAuflage von einer transzendentalen Deduktion in Bezug auf die sthetik spricht, also noch bevor er die Unterscheidung einer transzendentalen und metaphysischen Erçrterung eingefhrt hat, und dass er diese Sprachweise in der B-Auflage nicht gendert hat. Es ist also keineswegs klar, dass Kant mit einer transzendentalen Deduktion die transzendentale Erçrterung meint. Vielmehr spricht Einiges dagegen, vor allem natrlich die Aufgabe, die er hier der bereits geleisteten „transzendentalen Deduktion“ unterstellt, nmlich dass die Begriffe von Raum und Zeit zu ihren Quellen verfolgt

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wurden und ihre objektive Gltigkeit a priori erklrt und bestimmt wurde. Zumindest Ersteres war eindeutig Aufgabe der metaphysischen Erçrterung. Doch auch die Frage der „Erklrung und Bestimmung der objektiven Gltigkeit“ der Begriffe Raum und Zeit ist nicht so ohne weiteres der transzendentalen Erçrterung zuzurechnen. Betrachten wir den fraglichen Punkt erst der Sache nach. Mit der Frage nach der objektiven Gltigkeit von apriorischen Vorstellungen meint Kant ganz generell die Frage, ob sie sich rechtmßig auf Gegenstnde beziehen lassen. Die Frage ist nun: Trgt die transzendentale Erçrterung in irgendeiner Weise zur Beantwortung dieser Frage bei? Wir erinnern uns, eine solche Erçrterung wurde vorgestellt als „die Erklrung eines Begriffs, als eines Prinzips, woraus die Mçglichkeit anderer synthetischer Erkenntnisse a priori eingesehen werden kann“, was unter anderem zur Bedingung hatte, „daß diese Erkenntnisse nur unter der Voraussetzung einer gegebenen Erklrungsart dieses Begriffs mçglich sind“, wobei mit jener Erklrungsart die in der metaphysischen Erçrterung Gegebene gemeint war (apriorischer Status von Raum und Zeit). Wird nun dadurch, dass aus dem apriorischen Status des Raumes die Mçglichkeit der synthetisch-apriorischen Erkenntnisse der Geometrie eingesehen werden kann, etwas darber gesagt, ob dieser Begriff (bzw. seine Vorstellung) rechtmßig auf Gegenstnde bezogen werden kann? Fragen wir andersherum: Was wrde eigentlich gewonnen, wenn der apriorische Status von Raum und Zeit durch die Mçglichkeit, dadurch die synthetischen Erkenntnisse der Geometrie zu erklren, eine Rechtfertigung erfhre? Erstens wrde die Rechtmßigkeit des Gebrauchs des apriorischen Begriffes des Raumes natrlich davon abhngen, dass es tatschlich synthetisch-apriorische Erkenntnisse in der Geometrie gibt. Und zweitens wrde damit noch gar nichts Wesentliches ber die Art derjenigen apriorischen Raumanschauung, die hier eine Rechtfertigung erfhrt, gesagt. Denn es wre durchaus vorstellbar, dass wir zwar, um die Mçglichkeit der Geometrie zu erklren, so etwas wie eine reine Anschauung vom Raum haben mssen, dass diese aber schlicht nichts damit zu tun hat, dass uns Gegenstnde im Raum gegeben sind. Dass der Raum auch die Form unserer Anschauung von ußeren Gegenstnden (Erscheinungen) ist, muss vorher bereits feststehen.5 Dieses Charakteristikum wird durch die tran5

Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, die Subjektivitt unserer Anschauungsformen, also ihr Status, subjektive Formen der Anschauung zu sein, folge aus deren objektiven Gltigkeit, welche nur durch die Mçglichkeit, synthetische Urteile a priori zu fllen, also im Rekurs auf die Argumente der transzendentalen

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szendentale Erçrterung schlicht nicht erreicht. Das heißt, wir gelangen zwar auf diese Weise zu einer Rechtfertigung dafr, dass es sich beim „Raum“ um eine reine, apriorische Anschauung handeln muss; diese Rechtfertigung berhrt aber nicht die Tatsache, wenn es eine ist, dass es sich beim Raum um eine Form unserer Anschauung, in der ußere Erfahrung nur mçglich ist, handelt. Wir sehen also, dass die transzendentale Erçrterung aus der sthetik zur Frage der objektiven Gltigkeit von Raum und Zeit als Anschauungsformen „unseres Gemts“, also als subjektiven Formen der Anschauung, unmittelbar gar nichts beitrgt; vielmehr scheint der Bezug auf die synthetischen Erkenntnisse der Geometrie nur zu verdeutlichen, was ohnehin schon feststeht: Denn wenn Raum und Zeit die Formen unserer Anschauung sind, dann kçnnen Erscheinungen fr uns nur mittels dieser Formen auftreten, so dass sich die Frage des rechtmßigen Bezuges auf Gegenstnde und damit die nach der objektiven Gltigkeit jener Formen, praktisch von selbst erledigt. Erweisen sich Raum und Zeit aber solcherart als reine Anschauungen, dann ist auch die Mçglichkeit einer synthetischen, erfahrungsunabhngigen Erkenntnis derselben (welche nach Kants Meinung in den Stzen der Geometrie dann tatschlich ihren Ausdruck findet) im Grunde eine Selbstverstndlichkeit. So ist auch, betrachtet man die Frage der objektiven Gltigkeit von Raum und Zeit, die transzendentale Erçrterung nicht mehr als das, was wir einen „Indizienbeweis“ genannt haben. Auffllig am behandelten Textabschnitt ist dann auch, dass Kant hier zwar die Frage nach den synthetischen Erkenntnissen der Geometrie und die des rechtmßigen Gegenstandsbezugs der reinen Anschauungen Raum und Zeit stets miteinander verquickt, aber so, dass der Fokus des Arguments darauf liegt, dass die objektive Gltigkeit ein im Grunde trivialer Sachverhalt ist, der sich daraus ergibt, dass die Formen der Anschauung Erçrterung, gesichert werde (bzw. in einer etwas anderen Wendung: die synthetischen Stze der Geometrie seien nur mçglich, wenn der Raum eine subjektive Anschauungsform ist). Gegen eine solche Auffassung spricht zum einen, dass entsprechende Hinweise in der A-Auflage noch fehlen. Zum anderen muss hier dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Mçglichkeit, synthetische Urteile a priori zu fllen, in Bezug auf die reine Raum- und Zeitanschauung zwar geeignet ist, deren objektive Gltigkeit zu sichern, aber gerade nicht in dem Sinne, dass es sich dabei zwangsweise um subjektive Formen der Anschauung handeln muss. Schließlich sollen letztere nicht lediglich so etwas wie eine Anschauungsform fr mathematische Gegenstnde, sondern vor allem anderen die Form des Gegebenseins von Gegenstnden sein.

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Bedingung der Mçglichkeit der Gegenstnde als Erscheinungen sind. So schreibt Kant: Wir haben oben an den Begriffen des Raumes und der Zeit mit leichter Mhe begreiflich machen kçnnen, wie diese als Erkenntnisse a priori sich gleichwohl auf Gegenstnde notwendig beziehen mssen, und eine synthetische Erkenntnis derselben, unabhngig von aller Erfahrung, mçglich macheten. Denn da nur vermittelst solcher reinen Formen der Sinnlichkeit uns ein Gegenstand erscheinen, d.i. ein Objekt der empirischen Anschauung sein kann, so sind Raum und Zeit reine Anschauungen, welche die Bedingung der Mçglichkeit der Gegenstnde als Erscheinungen a priori enthalten, und die Synthesis in denselben hat objektive Gltigkeit (B121 f./A89).

Und wenig spter: Denn daß Gegenstnde der sinnlichen Anschauung denen im Gemt a priori liegenden formalen Bedingungen der Sinnlichkeit gemß sein mssen, ist daraus klar, weil sie sonst nicht Gegenstnde fr uns sein wrden. (B122 f./ A90)

Was bringt uns dies alles fr die Frage ein, was Kant hier im Bezug auf die transzendentale sthetik in Retrospektive als transzendentale Deduktion bezeichnet? Wir erinnern uns, die Aufgabe jener Deduktion sah Kant darin, dass „die Begriffe des Raumes und der Zeit (…) zu ihren Quellen verfolgt, und ihre objektive Gltigkeit a priori erklrt und bestimmt“ wurde. Dies alles wurde aber sachlich bereits in der metaphysischen Erçrterung, bzw. unter Einbeziehung auch der transzendentalen Erçrterung, allerdings ohne dass diese dabei eigenstndiges methodisches Gewicht htte, erreicht (also im Grunde die Situation der A-Auflage). Fr die Frage, ob die sthetik dann so etwas wie eine transzendentale Deduktion beinhalten muss, ist zu beachten, dass Kant dies zwar zu bejahen scheint, aber wie schon gesehen, unter dem Vorzeichen der Frage, ob eine transzendentale Deduktion eigentlich „unumgnglich notwendig“ sei. Weiter ist dazu zu bemerken, dass er wenig spter davon spricht, dass eine transzendentale Deduktion nicht etwa fr den Themenkreis der sthetik selbst, sondern im Zusammenhang mit einer transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, notwendig gewesen sei (vgl. B121). Warum dies so ist, braucht uns an dieser Stelle nicht zu interessieren. Wichtig ist nur, dass eine transzendentale Deduktion fr die Frage der sthetik selbst, so die Tendenz des Textes, eigentlich nicht notwendig gewesen wre, bzw. dass sie, wenn man unter ihr den Nachweis der objektiven Gltigkeit oder des rechtmßigen Gegenstandsbezugs versteht, sich im Falle der reinen Anschauungen von Raum und Zeit eigentlich von selbst erledigte.

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Interessant ist fr uns nur, dass im Gegensatz zu den reinen Anschauungsformen, denen objektive Gltigkeit einfach deswegen zukommt, weil sie die Bedingung der Mçglichkeit von Gegenstnden (als Erscheinungen) sind, eine transzendentale Deduktion der Kategorien tatschlich unumgnglich notwendig ist. Denn: Die Kategorien des Verstandes dagegen stellen uns gar nicht die Bedingungen vor, unter denen Gegenstnde in der Anschauung gegeben werden, mithin kçnnen uns allerdings Gegenstnde erscheinen, ohne daß sie sich notwendig auf Funktionen des Verstandes beziehen mssen, und dieser also die Bedingungen derselben a priori enthielte. Daher zeigt sich hier eine Schwierigkeit, die wir im Felde der Sinnlichkeit nicht antrafen, wie nmlich subjektive Bedingungen des Denkens sollten objektive Gltigkeit haben, d.i. Bedingungen der Mçglichkeit aller Erkenntnis der Gegenstnde abgeben: denn ohne Funktionen des Verstandes kçnnen allerdings Erscheinungen in der Anschauung gegeben werden. (B122/A89 f.)

Wir kçnnen dem Satz entnehmen: Der Status objektiver Gltigkeit (d. h. des rechtmßigen Gegenstandsbezugs, durch den einer apriorischen Vorstellung erst Bedeutung verliehen wird) wird, wie fr die transzendentale sthetik, daran gebunden, dass das, was diesen Status besitzt, in sehr allgemeiner Hinsicht als Bedingung der Mçglichkeit der Erkenntnis von Gegenstnden ausgewiesen werden kçnnen muss. Dies war im Falle der sthetik einfach. Denn dort gengte es, die subjektiven Bedingungen auszumachen, unter denen uns Gegenstnde (als Erscheinungen) berhaupt gegeben sein kçnnen; diese subjektiven Bedingungen waren, da wir es mit dem unmittelbaren Gegebensein von Erscheinungen zu tun hatten, automatisch solche, denen auch objektive Bedeutung zuzusprechen waren. Ganz anders liegen die Dinge im Falle des Verstandes. Unterstellen wir einmal, dass unsere bisherige These in Bezug auf das Beweisziel der metaphysischen Deduktion richtig war, dann sollte dieselbe zeigen, dass es reine Verstandesbegriffe gibt, und dass diese reinen Verstandesbegriffe das Denken von Gegenstnden ermçglichen sollen. Diese lassen sich aber mhelos mit den hier genannten „subjektiven Bedingungen des Denkens“ identifizieren. Nun wurden diese subjektiven Bedingungen – genau wie in der sthetik – anhand einer isolierten Betrachtung des betreffenden Erkenntnisvermçgens (des Verstandes) ausfindig gemacht. Da nun der Verstand im Gegensatz zur rezeptiven Sinnlichkeit nicht unmittelbar auf Gegenstnde bezogen ist, fragt sich, ob diesen subjektiven Bedingungen des Denkens von Gegenstnden berhaupt objektive Bedeutung zukommt, d. h., ob jene Bedingungen berhaupt auf anschauliche Gegenstnde bezogen werden kçnnen. Denn selbst wenn es notwendig ist,

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

dass ein gedachter Gegenstand (aus welchen Grnden auch immer) den Funktionen des Denkens gemß ist, dann heißt das noch nicht, dass dies auch fr einen angeschauten Gegenstand gilt: „denn ohne Funktionen des Verstandes kçnnen allerdings Erscheinungen in der Anschauung gegeben werden“ (B122/A90). Wir haben unsere Interpretationsthese ber das Beweisziel der metaphysischen Deduktion eingefgt, um zu verstehen, was Kant mit „subjektiven Bedingungen des Denkens“ meint. Umgekehrt lsst sich damit auch jene Interpretationsthese besttigen und erweitern. Denn wenn Kant hier von den Prinzipien einer transzendentalen Deduktion spricht, die im Gegensatz zur transzendentalen sthetik unumgnglich notwendig sei, und sich dabei auf die reinen Verstandesbegriffe, um deren objektive Gltigkeit es in einer solchen transzendentalen Deduktion gehen muss, in analoger Weise beruft, wie auf die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit, dann kçnnen wir davon ausgehen, dass fr Kant an dieser Stelle schon klar ist, dass es solche reinen Verstandesbegriffe, und zwar eben als subjektive Bedingungen des Denkens von Gegenstnden, genau wie die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit (bei denen sich die hier gestellte Frage nach der objektiven Bedeutung allerdings von selbst beantwortet) tatschlich geben muss. Mit anderen Worten: Wir kçnnen der Charakterisierung der Aufgabenstellung der transzendentalen Deduktion entnehmen, was diese voraussetzt, und ihr bereits als gesichert gilt. Denn eine Untersuchung der objektiven Gltigkeit apriorischer Begriffe im Sinne der Rechtmßigkeit ihres Gebrauchs setzt natrlich voraus, dass es solche Begriffe gibt. Was in Frage steht, ist lediglich, ob sie auch auf Gegenstnde angewandt werden kçnnen, und insofern, ob sie berhaupt (objektive) Bedeutung haben. In dieser Konstellation liegt nun eine Quelle fr mçgliche Missverstndnisse. Denn wenn man die genannte Voraussetzung einfach so liest, „dass es Kategorien gibt“, ergibt sich der Verdacht einer willkrlichen Annahme oder einer „empirischen Deduktion“ der Kategorien aus der Erfahrung („quid facti“).6 Dieser Verdacht kann nur durch eine Aufgabenbeschreibung der metaphysischen Deduktion ausgerumt werden, 6

Wre dies so, dann wrde sich aber die Beweislast der transzendentalen Deduktion erheblich erweitern, denn wissen wir nicht aus von der transzendentalen Deduktion unabhngigen Grnden in einer fundierten Weise, dass es reine Verstandesbegriffe tatschlich gibt bzw. geben muss, dann erwarten wir von dieser unwillkrlich, dass sie nicht nur die Rechtmßigkeit des Gebrauchs dieser Begriffe darlegt, sondern auch erklrt, warum es diese berhaupt geben muss und um welche es sich handelt.

1. Das Beweisziel der metaphysischen Deduktion

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welche diese der Sache nach streng von einer empirischen Deduktion – also dem, was Kant die „Erklrung des Besitzes einer reinen Erkenntnis“ nennt (B119/A87) –, abgrenzt. Wir haben schon gesehen, dass die Bestimmung der Aufgabe der metaphysischen Deduktion durch die Frage, ob es Kategorien gibt, eine nicht sehr glckliche ist. Dies liegt einfach daran, dass wir die Kategorien als Begriffe aus der Tradition bereits kennen, und die Frage so allzu schnell auf die gnzlich andere Frage verweist, ob diese Begriffe, welche bei Kant per definitionem durch apriorischen Status gekennzeichnet sind, denn eigentlich eine Bedeutung haben, was, wie wir eben noch einmal deutlich gesehen haben, die Fragestellung der transzendentalen Deduktion ist. Wesentlich sinnvoller schien die Frage, die sich aus der Analogie zur inhaltlichen Aufgabenstellung der metaphysischen Erçrterung von Raum und Zeit ergab: Gibt es reine Verstandesbegriffe, als Begriffe die das Denken eines Gegenstandes ermçglichen? Diese Frage hat den entscheidenden Vorzug, voraussetzungslos zu sein, denn sie ist nicht kontaminiert damit, diese Verstandesbegriffe vorschnell mit den aus der Tradition bekannten Kategorien zu identifizieren. Vielmehr gilt es, jene Verstandesbegriffe allererst zu „entdecken“. Gelingt dieser Versuch, dann kçnnen wir als Ergebnis festhalten, dass es reine Verstandesbegriffe gibt, und zwar deswegen, weil es sie – aus Grnden, die mit den subjektiven Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes zu tun haben – geben muss. Entscheidend ist also, dass die Feststellung, dass es reine Verstandesbegriffe gibt, einen normativen Charakter hat (der allerdings von dem der transzendentalen Deduktion streng zu unterscheiden ist). Wenn wir also als Beweisziel die Aussage formulieren wollen: „dass es reine Verstandesbegriffe gibt, und geben muss“, so liegt die Betonung auf dem „mssen“.7 Und wie verhlt es sich nun mit dem Begriff der „Kategorie“? Dass es sich bei den gesuchten reinen Verstandesbegriffen um die Kategorien handelt, ist in einem gewissen, nmlich beweisstrategischem Sinn vollstndig 7

Wrde das Beweisziel der metaphysischen Deduktion lediglich darin bestehen, nachzuweisen, dass es reine Versandesbegriffe gibt, dann wre damit noch nicht gesagt, ob sie auch auf jeden Gegenstand des Denkens Anwendung finden mssen; es kçnnte in manchen Fllen auch gengen, dass wir uns durch empirische Begriffe auf Gegenstnde beziehen. Die Frage kçnnte dann auch sein, ob es mçglich ist, dass wir uns apriori auf Gegenstnde beziehen (vgl. dazu die obigen Ausfhrungen zum Beweisziel der metaphysischen Deduktion bei Horstmann). Dies wrde noch nicht bedeuten, dass jeder Gegenstandsbezug nur durch solche Begriffe mçglich ist. Umgekehrt bedeutet aber die Aussage, dass es reine Verstandesbegriffe geben muss, dass diese notwendig sind, um einen Gegenstand (jeden Gegenstand) berhaupt denken zu kçnnen.

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

kontingent, d. h. es ist kontingent, dass wir bei der Suche nach den Verstandesbegriffen etwas entdeckt haben, das wir aus der Tradition bereits kennen.8 Wir haben nun also durch den Bezug auf das Beweisziel der transzendentalen Deduktion, das Kant anhand der Analogie und des Unterschiedes von transzendentaler sthetik und transzendentaler Logik erçrtert, das gesuchte Beweisziel der metaphysischen Deduktion dahingehend konkretisiert, dass es sich bei den in derselben zu entdeckenden reinen Verstandesbegriffe um die subjektiv notwendigen Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes handeln muss (deren objektive Gltigkeit dann in der darauffolgenden transzendentalen Deduktion zu beweisen ist). Blicken wir auf das erreichte Ergebnis zurck, dann hat sich uns anhand der Analogie zur transzendentalen sthetik (bzw. der dortigen Unterscheidung von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung), sowie durch die Abgrenzung zur transzendentalen Deduktion, das Beweisziel der metaphysischen Deduktion so spezifiziert: Es muss dort darum gehen, zu zeigen, dass es reine Verstandesbegriffe gibt und geben muss, und zwar muss dieser Nachweis durch eine „Deduktion“ aus einem Prinzip (dem Vermçgen, zu urteilen) erfolgen, und diese reinen Verstandesbegriffe, die im Ergebnis mit den Kategorien zu identifizieren sind, mssen die subjektiv notwendigen Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes sein. Diese Bestimmungen sind nun in zweifacher Hinsicht noch problematisch: Zum einen durch den normativen Charakter, der sich fr eine solche metaphysische Deduktion der Kategorien erwiesen hat, und der den Verdacht erregen kçnnte, damit wrde dieselbe gefhrlich nahe an den Rechtfertigungscharakter der transzendentalen Deduktion anknpfen. Und zum anderen durch die dabei verwendete Definition des „reinen 8

Vom Ergebnis her kann man dies natrlich auch umgekehrt betrachten und sagen: Es ging von vornherein darum, etwas bezglich der Kategorien zu entdecken. Diese Entdeckung wrde dann heißen, die Kategorien, von denen wir uns bereits einen Vorbegriff gemacht haben, zu ihrem Ursprung zu verfolgen. Dies geschieht dadurch, dass sie aus einem Prinzip (dem Vermçgen zu urteilen) „deduziert“ werden, und sich kraft dieser Deduktion als notwendige Begriffe erweisen. Das heißt, aus dieser Perspektive stnden uns die Kategorien ganz hnlich zur Disposition wie die Begriffe Raum und Zeit. Doch whrend letztere schlicht „erçrtert“ werden konnten, um ihren apriorischen und erfahrungsbedingenden Status zu erweisen, mssen die Kategorien erst zu ihrem Ursprung verfolgt und aus einem Prinzip „deduziert“ werden, um sicherzustellen, dass es sich dabei nicht nur um „apriorische Vorstellungen“ (was sie per definitionem sind) handelt, sondern dass diese auch notwendig fr uns sind, nmlich als (subjektive) Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes.

2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion

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Verstandesbegriffes“, bzw. der „Kategorie“. Bezglich letzterer haben wir im Grunde diejenige Bestimmung der Kategorie bzw. des reinen Verstandesbegriffes verwendet, welche Kant in der Einleitung zur transzendentalen Logik vornimmt, und welche unter einem reinen Verstandesbegriff schlicht die Form des Denkens eines Gegenstandes berhaupt versteht. Die Analogie zur Situation in der transzendentalen sthetik hat uns dabei berechtigt, diese Definition auf die metaphysische, und nicht etwa auf die transzendentale Deduktion zu beziehen. Dies deswegen, weil es im Rahmen dieser Definition offensichtlich um den logischen Ursprung des Denkens von Gegenstnden, in Isolation von unserer sinnlichen Anschauung geht.9 Doch schon ein flchtiger Blick auf den §10 der transzendentalen Logik, also das, was man wohl die „metaphysische Deduktion im engeren Sinne“ nennen muss, lehrt, dass hier der Begriff der Anschauung eine ganz entscheidende Rolle spielt, wenn auch in sehr undurchsichtiger Art und Weise. Nun ist es, um klren zu kçnnen, welche Rolle die Anschauung in der metaphysischen Deduktion genau spielt, von großem Wert, wenn man weiß, welche Rolle die Anschauung dort nicht spielen kann. Dazu bietet es sich an, zunchst einmal zu klren, welche Rolle die Anschauung genau in der transzendentalen Deduktion spielt.

2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion Rekapitulieren wir kurz, was wir zum Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Deduktion bereits wissen: Nehmen wir an (um nur auf das Beweisziel zu referieren, ohne uns auf inhaltliche Aussagen einzulassen), die metaphysische Deduktion hat anhand einer isolierten Untersuchung des Verstandes erwiesen, dass es reine Verstandesbegriffe geben muss, als subjektive Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes. Wir haben gesehen, dass diese subjektiven Bedingungen im Gegensatz zu den 9

Ein in unserem Zusammenhang allerdings ußerlicher Grund, den Verstandesbegriff so zu definieren, wre, dass die Fragestellung der transzendentalen Dialektik an eigenstndigem Gewicht verlçre, wenn von vornherein schon durch eine Untersuchung des Ursprungs der Kategorien klar wre, dass es sich um anschauungsbezogene Begriffe handelt. Denn das Motiv, sie ber allen Erfahrungsgebrauch zu verwenden, wrde dann schlicht wegfallen. Und man darf vermuten, dass Kant nicht zuletzt in Erkenntnis dessen, dass eine allzu enge Bindung des Begriffs der Kategorie an die Anschauung das Programm der transzendentalen Dialektik, wenn nicht berflssig, so zumindest uninteressant macht, dazu gefhrt hat, dass in der B-Auflage diese Bindung abgeschwcht wird.

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

subjektiven Anschauungsformen, die anhand einer analogen isolierten Betrachtung der Sinnlichkeit aufgefunden wurden, noch keine objektive Gltigkeit haben. Dies deswegen, weil uns zwar Anschauungen nicht anders gegeben sein kçnnen, als in den Formen von Raum und Zeit, aber sehr wohl, ohne dass sie den formalen Bedingungen des Verstandes gemß sind. Nun enthlt die Erkenntnis eines Gegenstandes fr Kant beides: Anschauung und Begriff. Konzentrieren wir uns nur auf Letzteres: Gesetzt weiter, es gibt reine Begriffe, ohne die alle begriffliche Erkenntnis (und das heißt hier nichts weiter als das Denken von Gegenstnden) nicht mçglich wre, so sind diese zwar subjektiv notwendige Bedingungen fr ein solches Denken von Gegenstnden, doch es kçnnte sich herausstellen, dass diese Bedingungen gar nicht erfllt werden kçnnen, und zwar wenn sich zeigen sollte, dass die Anschauungen, die uns – unabhngig vom Denken – gegeben werden, jenen Bedingungen nicht gemß sind. Nun kçnnte man ganz einfach behaupten: Da auf der anderen Seite auch Anschauungen ohne Begriffe keine Erkenntnis abgeben, und wir bereits herausgefunden haben, dass es notwendige Bedingungen fr die begriffliche Erkenntnis von Gegenstnden gibt, so mssen auch die Anschauungen diesen Bedingungen gemß sein: denn anders wrde es sich bei Anschauungen nicht um einen Fall oder Teil von Erkenntnissen handeln. Ein solcher einfacher Schluss spielt, wie wir gleich sehen werden, fr die sogenannte „objektive Deduktion“, zumindest in einer ihrer Lesarten eine Rolle: Wenn wir voraussetzen, dass es tatschlich so etwas wie objektive Erkenntnis gibt, dann haben automatisch auch die Bedingungen der Mçglichkeit der objektiven Erkenntnis objektive Gltigkeit. Wenn aber die reinen Verstandesbegriffe die subjektiven Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes sind, dann mssen die Anschauungen diesen Bedingungen gemß sein. Wir kçnnen darauf schließen, dass unsere Anschauungen so etwas wie reinen Gegenstandsstrukturen (und nichts anderes sind die Kategorien) gemß sein mssen, weil sie sonst schlicht nicht in Form von objektiven Erkenntnissen auftreten kçnnten. Setzt man aber nicht voraus, dass es objektive Erkenntnis gibt, dann kçnnten wir vor jener Situation stehen, die Kant sehr plastisch so schildert: …es kçnnten wohl allenfalls Erscheinungen so beschaffen sein, daß der Verstand sie den Bedingungen seiner Einheit gar nicht gemß fnde, und alles so in Verwirrung lge, daß z. B. in der Reihenfolge der Erscheinungen sich nichts darbçte, was eine Regel der Synthesis an die Hand gbe, und also dem Begriffe der Ursache und Wirkung entsprche, so daß dieser Begriff also ganz leer, nichtig und ohne Bedeutung wre. Erscheinungen wrden nichts de-

2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion

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stoweniger unserer Anschauung Gegenstnde darbieten, denn die Anschauung bedarf der Funktionen des Denkens auf keine Weise. (B123/A90 f.)

Nun besteht die Aufgabe der transzendentalen Deduktion aus der gegenwrtigen Perspektive ganz grob darin, zu zeigen, dass diese Besorgnis unbegrndet ist, – dass vielmehr die Anschauungen notwendigerweise den Funktionen des Denkens gemß sein mssen. Und zwar nicht einfach deswegen, weil es sich bei denselben sonst nicht um objektive Erkenntnisse handeln wrde, sondern aus einem gnzlich anderen Grund. Aus der metaphysischen Deduktion erfahren wir nur, dass Anschauungen „unter den Kategorien stehen mssen“ (was auch immer dies bedeutet), um den Bedingungen des Denkens von Gegenstnden seitens des urteilenden Verstandes gemß zu sein, so dass jenen Verstandesfunktionen subjektive Notwendigkeit zukommt und zwar bezglich eines Aspektes, den man die Beurteilbarkeit oder Urteilsfhigkeit eines Gegenstandes nennen kçnnte, was nichts anderes heißen soll, als dass ein zu erkennender Gegenstand dem urteilenden Verstand in irgendeiner Weise zugnglich sein muss. Der Clou der transzendentalen Deduktion besteht nun darin, zu zeigen, dass diese subjektiv notwendigen Bedingungen tatschlich erfllt werden kçnnen, mithin die Kategorien ber ihre subjektive Notwendigkeit hinaus objektive Gltigkeit besitzen, und zwar aus einem Grund, der nichts mit der Urteilsfhigkeit von Gegenstnden zu tun hat, sondern mit der Selbstzuschreibbarkeit oder Bewusstseinsfhigkeit von Gegenstnden oder Anschauungen. Zu sehen, dass es sich dabei um ganz verschiedene Aspekte von Gegenstndlichkeit handelt, ist entscheidend sowohl fr das Verstndnis der transzendentalen als auch der metaphysischen Deduktion, sowie fr die Probleme, die sich aus ihrem Verhltnis ergeben.10 10 Eine ganz hnliche Interpretation dieses Zusammenhangs vertritt Dryer (1966). Auch er geht davon aus, dass die metaphysische Deduktion bereits gezeigt hat, dass die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien (die er „connective concepts“ nennt) Bedingungen fr die Erkenntnis von Gegenstnden sind. Dass es sich dabei nur um subjektiv notwendige Bedingungen des Denkens von Gegenstnden handelt, deren objektive Gltigkeit noch nicht erwiesen ist, fngt Dryer dadurch ein, dass er die Bedingungen der Erkenntnis von Gegenstnden, wie sie sich aus Grnden ergeben, die mit der Erkennbarkeit von Gegenstnden in Urteilen ber sie zu tun haben, unterscheidet von Strukturmerkmalen, welche den erkannten Objekten selbst zukommen. Denn bei den in der metaphysischen Deduktion aufgewiesenen reinen Begriffen handelt es sich nicht notwendigerweise um Begriffe, die von jedem Gegenstand berhaupt gelten. Dazu muss vielmehr gezeigt werden, dass die Kategorien (oder „connective concepts“) nicht nur notwendig sind, um Urteile ber Gegenstnde fllen zu kçnnen, sondern dass die Gegenstnde selbst ohne ihre Anwendung gar nicht wahrnehmbar sind. Die transzendentale Deduktion hat

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Auf die Details der transzendentalen Deduktion in ihren verschiedenen Varianten kommt es hier nicht an, jedenfalls lsst sich als deren gemeinsamer Nenner in vorlufiger Annherung festhalten, dass Erscheinungen unter den Kategorien stehen mssen, nicht nur um den Bedingungen des urteilenden Verstandes gemß zu sein, sondern um berhaupt zu Bewusstsein, genauer zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden zu kçnnen. Mit anderen Worten, der Aspekt der „Urteilsfhigkeit“ von Gegenstnden spielt zunchst einmal gar keine direkte Rolle fr die Argumentation der transzendentalen Deduktion. Vielmehr geht es um etwas Weiterfhrendes, bzw. wenn man so will etwas Grundlegenderes: Wie ist es berhaupt mçglich, dass wir uns unserer (sinnlichen) Vorstellungen als der unseren bewusst werden? Kants Antwort ist hinlnglich bekannt: Wir kçnnen uns unserer Vorstellungen nur als der unseren, und wir kçnnen uns unser selbst angesichts der Verschiedenheit unserer Vorstellungen nur bewusst werden, wenn wir diese durch einen spontanen Verstandesakt selbst miteinander verbunden haben, und so in den Inhalt unserer Vorstellungen eine synthetische Einheit gebracht haben, die im Grunde nichts anderes ist als ein Korrelat der Einheit unseres Selbstbewusstseins. Die allgemeinen Regeln aber, welche diese synthetische Einheit zu konstituieren haben, und hier knpft die transzendentale an die metaphysische Deduktion an, sind mit den Kategorien zu identifizieren. Warum dies so ist, ist eine Frage von betrchtlichem Gewicht. Denn es ist keineswegs selbstverstndlich, dass diejenigen Regeln, die verantwortlich dafr zu machen sind, dass etwas berhaupt als Gegenstand unseres Bewusstseins auftreten kann (und dafr, dass wir uns angesichts des Mannigfaltigen unserer Vorstellungen der Identitt unserer selbst bewusst werden kçnnen), zu identifizieren sind mit denjenigen Regeln, welcher der urteilende Verstand bedarf, um einen Gegenstand denken, und das heißt hier schlicht: sich in einer beurteilbaren Weise auf ihn beziehen zu kçnnen. Dieses Problem wird uns noch explizit beschftigen. Fr jetzt interessiert uns aber nur der angezeigte beweisstrategische Punkt: Die transzendentale Deduktion soll garantieren, dass den aus der metaphysischen Deduktion schon bekannten Kategorien, welchen dort subjektive Notwendigkeit seitens des Verstandes zukam, objektive Gltigkeit zukommt, dadurch dass gezeigt wird, dass die Kategorien notwendig dafr sind, dass Vorstellungen (und das meint zunchst Anschauungen bzw. Erscheinungen, generell aber alle Vorstellungen) demnach in einem zweiten Schritt zu zeigen, dass die reinen Verstandesbegriffe Eigenschaften reprsentieren, die jedem Objekt zukommen, dessen wir uns berhaupt bewusst werden kçnnen. (Vgl. Dryer 1966, S. 114 ff.)

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berhaupt als Vorstellungen in einem einheitlichen Bewusstsein, mithin als „unsere“ Vorstellungen auftreten kçnnen. Damit wird der Golf zwischen den subjektiven Erfordernissen des Verstandes und der Sinnlichkeit, die zunchst ein bloßes Gegebensein von Vorstellungen bezeichnet, berbrckt und gezeigt: Auch die Sinnlichkeit bedarf der Funktionen des Denkens. Um dies zu zeigen, bieten sich nun zwei ganz verschiedene Strategien an. Man kann sich entweder gleich auf das, was wir bereits ber unsere Art, Anschauungen zu empfangen, wissen, mithin auf die Lehre der transzendentalen sthetik, zurckbeziehen, oder man kann in Fortfhrung der isolationistischen Tendenz der metaphysischen Deduktion zunchst einmal untersuchen, welchen Anforderungen eine Anschauung, welcher Art sie auch sein mçge, seitens des Verstandes gengen muss, um der Einheit unseres Selbstbewusstseins gemß zu sein. Mit anderen Worten, man kann sich in puncto Anwendung der Kategorien auf Gegenstnde, welche diesen apriorischen Begriffen allein eine objektive Bedeutung sichern kann, entweder unmittelbar auf „unsere sinnliche Anschauung“, oder zunchst auf „Anschauung berhaupt“ beziehen. Letzteres ist bekanntlich die Strategie der B-Deduktion, welche die Vermittlung mit „unserer“ Anschauung erst in einem zweiten Schritt leistet, whrend die A-Deduktion dadurch gekennzeichnet ist, dass sie diesen Unterschied berhaupt nicht thematisiert, sondern (aus der Perspektive der B-Deduktion) ganz ergebnisorientiert unmittelbar mit einer Vermittlung des Verstandesdenkens mit der in der transzendentalen sthetik vorgestellten Art und Weise unserer Sinnlichkeit einsetzt. Da das Ergebnis in beiden Fllen, so darf man zumindest vermuten, dasselbe sein soll, stellt sich die Frage, welchen Vorzug die in der zweiten Auflage verfolgte Strategie bietet. Im Folgenden soll dafr argumentiert werden, dass zumindest ein entscheidender Vorzug darin besteht, dass in der zweiten Auflage jener Aspekt, der das Thema der transzendentalen Deduktion am eindeutigsten und prgnantesten vom Thema der metaphysischen Deduktion unterscheidet, und den wir die „Bewusstseinsfhigkeit von Gegenstnden“ genannt haben, sehr viel klarer als in der ersten Auflage gefasst wird, indem er nicht wie in jener mit anderen Themen der transzendentalen Deduktion vermengt, sondern in strikter Isolation betrachtet wird. Doch bevor wir uns der internen Beweisstruktur der jeweiligen Varianten zuwenden, mssen wir fragen, welche unterschiedlichen Bewegungsrichtungen sich berhaupt durch die verschiedenen Arten des Anschauungsbezugs fr den Argumentationsgang in A und B ergeben und wie sich vor diesem Hintergrund auf Ebene der Oberflchenstruktur der

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transzendentalen Deduktionen die Beziehungen zu dem, was wir schon von der metaphysischen Deduktion wissen, gestalten. Einen nicht ganz offensichtlichen, aber umso wertvolleren Einstieg in die Erçrterung dieser Frage bildet die Unterscheidung, die Kant in der Vorrede zur ersten Auflage zwischen einer „subjektiven“ und einer „objektiven“ Deduktion der Kategorien einfhrt. 2.1. Zur Unterscheidung von subjektiver und objektiver Deduktion Nun sind die Charakterisierungen, die Kant dort zu dieser Unterscheidung liefert, derart vage, dass bis heute – trotz Kants eindeutiger Seitenangaben – nicht einmal Einigkeit darber besteht, wo die objektive Deduktion eigentlich zu lokalisieren sei. Unter einer objektiven Deduktion scheint er jedenfalls diejenige „Seite“ einer (transzendentalen) Deduktion zu verstehen, die sich „auf die Gegenstnde des reinen Verstandes“ bezieht und die „objektive Gltigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen“ soll. Die subjektive Deduktion dagegen geht nach dieser Unterscheidung „darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Mçglichkeit und den Erkenntniskrften, auf denen er selbst beruht, mithin ihn in subjektiver Beziehung zu betrachten.“ (A XVI f.) Und weiter heißt es zu derselben: „obgleich diese Erçrterung in Ansehung meines Hauptzwecks von großer Wichtigkeit ist, so gehçret sie doch nicht wesentlich zu demselben“. Und in fr Kants Verhltnisse eher ungewçhnlicher Zurckhaltung kommt er dem Leser mit der Erinnerung zuvor: „daß im Fall meine subjektive Deduktion nicht die ganze berzeugung, die ich erwarte, bei ihm gewirkt htte, doch die objektive, um die es mir hier vornehmlich zu tun ist, ihre ganze Strke bekomme, wozu allenfalls dasjenige, was Seite 92 bis 93 gesagt wird, allein hinreichend sein kann.“ (A XVII) Die ganze Schwierigkeit besteht nun darin, dass sich genannte Passage gar nicht auf die eigentliche (transzendentale) Deduktion, sondern auf den Abschnitt „bergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien“ (§14 der Akad.-Ausgabe) bezieht, den wir oben schon herangezogen haben, um den bergang von der Aufgabenstellung der metaphysischen zu derjenigen der transzendentalen Deduktion zu klren. Der Abschnitt ist gekennzeichnet dadurch, dass er die bisherigen Ergebnisse in Bezug auf die Bedingungen der Erkenntnis von Gegenstnden (nmlich diejenigen aus transzendentaler sthetik und metaphysischer Deduktion) im Lichte seiner Lehre der zwei Erkenntnisstmme aneinander hlt und zusammenfhrt: „Es sind aber zwei Bedingungen, unter denen allein die Erkenntnis eines Gegenstandes mçglich

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ist, erstlich Anschauung, dadurch derselbe, aber nur als Erscheinung, gegeben wird; zweitens Begriff, dadurch ein Gegenstand gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht“ (B125/A92 f.). Die erste Bedingung bezieht sich auf die formalen Bedingungen der Sinnlichkeit (transzendentale sthetik), die zweite Bedingung ist in Form einer Frage formuliert: Nun frgt es sich, ob nicht auch Begriffe a priori vorausgehen, unter denen allein etwas, wenn gleich nicht angeschauet, dennoch als Gegenstand berhaupt gedacht wird, denn alsdenn ist alle empirische Erkenntnis der Gegenstnde solchen Begriffen notwendiger Weise gemß, weil, ohne deren Voraussetzung, nichts als Objekt der Erfahrung mçglich ist. (B125 f./A93)

Diese Bedingung scheint zunchst einmal so formuliert zu sein, dass sie ber die Fassung des Begriffs der Kategorie aus der metaphysischen Deduktion nicht hinausreicht, geht es doch wçrtlich um das Denken, nicht aber die Anschauung eines Gegenstandes. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn bei genauerem Hinsehen handelt es sich hier schon um eine Vermittlung der Bedingungen des Denkens und der Anschauung von Gegenstnden, die sich erstens darin ausdrckt, dass von einem „Etwas“ ausgegangen wird, und unter der Voraussetzung, dass dieses Etwas natrlich auch angeschaut wird, gefragt wird, was die Bedingungen dafr sind, dass es darber hinaus auch gedacht werden kann, und die zweitens danach geht, zu fragen, wie ein „Objekt der Erfahrung“ mçglich ist. Dass ein solches Anschauung und Begriff enthalten muss, macht auch noch einmal der nchste Satz klar: Nun enthlt aber alle Erfahrung außer der Anschauung der Sinne, wodurch etwas gegeben wird, noch einen Begriff von einem Gegenstande, der in der Anschauung gegeben wird, oder erscheint (…): folglich wird die objektive Gltigkeit der Kategorien, als Begriffe a priori, darauf beruhen, daß durch sie allein Erfahrung (der Form des Denkens nach) mçglich sei. Denn alsdenn beziehen sie sich notwendiger Weise und a priori auf Gegenstnde der Erfahrung, weil nur vermittelst ihrer berhaupt irgend ein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann. (B126/A93)

Hier haben wir es mit einer klassischen Formulierung des Ergebnisses einer transzendentalen Deduktion der Kategorien zu tun, die deren objektive Gltigkeit durch den Nachweis erbringt, dass die Kategorien Bedingungen der Mçglichkeit von Gegenstnden der Erfahrung sind. Nun spricht praktisch alles dafr, in dieser Formulierung eine Art von Programmhinweis fr eine zu verfolgende transzendentale Deduktion zu sehen, – nicht zuletzt auch die Tatsache, dass im folgenden Satz das eben Gesagte als ein Principium gewertet wird, auf das die „ganze Nachforschung“ zum Zweck einer „transzendentalen Deduktion aller Begriffe a priori“ gerichtet werden msse (ebd.).

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Doch wie ist dann Kants Hinweis auf eine „objektive Deduktion“ als (dem wichtigeren) Teil einer transzendentalen Deduktion in der behandelten Textpassage zu verstehen? Nun sagt Kant nicht wçrtlich, dass eine objektive Deduktion in A92/93 tatschlich erfolgt sei. Man kçnnte ihn auch so verstehen, dass das dort Gesagte hinreichend sei, um zu sehen, dass eine objektive Deduktion notfalls allein, ohne ihr subjektives Komplement ausreichend wre, um seinen Hauptzweck („was und wieviel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen?“) zu erreichen. Wir mssten dann aus dem behandelten Text erschließen kçnnen, wodurch sich eine solche, in den spteren Abschnitten zu identifizierende, objektive Deduktion gegenber einer subjektiven auszeichnet. Zahlreiche Interpreten haben sich dieser Aufgabe gestellt (fr eine bersicht einiger wichtiger lterer Versuche in dieser Richtung: siehe Carl 1992, S. 48 ff.). Die Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass der Versuch einer Identifizierung von „objektiven“ gegenber „subjektiven“ Elementen im Haupttext der transzendentalen Deduktion fast unmçglich erscheint. Erinnern wir uns: die objektive Deduktion soll die „objektive Gltigkeit seiner Begriffe a priori [der Begriffe des Verstandes] dartun und begreiflich machen“. Es gibt aber im Text der transzendentalen Deduktion, und dies gilt fr beide Auflagen, nicht die Spur eines Argumentes, welches den Objektivittsnachweis der Kategorien selbstndig erledigen wrde, ohne dabei auf die transzendentale Einheit der Apperzeption Bezug zu nehmen. Diese scheint man aber doch, will man berhaupt einen Sinn mit dem Stichwort „subjektive Deduktion“ verbinden, zumindest unter irgendeinem Aspekt Letzterer beiordnen zu mssen. Wie auch immer es sich damit verhlt, die Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens sind betrchtlich genug, um nach Alternativen Ausschau zu halten. Nun ist es, wenn man die Gesamtstruktur des Textes betrachtet, nicht bestreitbar, dass es sich bei dem zuletzt zitierten Absatz tatschlich um eine Art von Programmhinweis fr eine transzendentale Deduktion handelt. Dies ist aber nur eine Perspektive. Denn ebenso unbestreitbar ist, dass mit dem Satz „Nun enthlt…“ eine faktische Aussage eingefhrt wird, die geeignet ist, die Frage, mit welcher der vorausgehende Absatz einsetzte, nmlich die Frage, ob es apriorische Begriffe als Bedingungen der Mçglichkeit eines Objektes der Erfahrung geben msse, bereits einer positiven Lçsung zufhrt. Diese faktische Aussage lautet ganz schlicht: Erfahrung enthlt außer sinnlicher Anschauung auch einen Begriff von einem Gegenstande. Dass wir es beim gegenwrtigen Abschnitt formal mit einer Aneinanderfhrung der zwei Stmme unserer Erkenntnis zu tun haben, wurde bereits erwhnt. Im Rckblick auf bereits erledigte Themen kçnnen

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wir sagen: Die Bedingungen des Anschauens von Gegenstnden sind die reinen Formen der Anschauung Raum und Zeit, die Bedingung des Denkens von Gegenstnden sind die Kategorien. Wenn wir nun aber, wie Kant das an dieser Stelle tut, die inhaltliche Voraussetzung einfhren, dass jede Erfahrung neben einer anschaulichen auch eine begriffliche Komponente enthlt, dann muss jede solche Erfahrung auch den formalen Bedingungen gemß sein, ohne welche das begriffliche Denken von Gegenstnden berhaupt nicht mçglich ist. Dann sind aber die Kategorien die Bedingungen der Mçglichkeit von Erfahrung, mithin kommt ihnen objektive Gltigkeit zu. Dieser erstaunlich einfache Schluss bedarf einiger Erluterung, besonders wenn man die Komplexitt der „eigentlichen“ transzendentalen Deduktion im Auge hat. Wir sind es von dorther gewohnt, eine Antwort auf die Frage, was die Bedingungen eines Objektes der Erfahrung sind, nur unter Bezug auf die transzendentale Einheit der Apperzeption erhalten zu kçnnen, und zwar anhand der Frage, wie ein solches Erfahrungsobjekt berhaupt mçglich ist. In diesem „wie“ liegt aber schon der Schlssel zur Behebung der Irritation. Denn das „wie“ ist fr Kant im gegenwrtigen Kontext vçllig irrelevant. Er fragt hier nicht danach, wie ein Objekt der Erfahrung mçglich sei, sondern setzt ganz einfach voraus, dass es solche Erfahrungsobjekte, bzw. besser, dass es objektive Erfahrung tatschlich gibt. Wenn wir aber diese Voraussetzung machen, dann gengt es, die Erkenntnisbedingungen eines Gegenstandes, die wir in einer isolierten Betrachtung der beiden Stmme unserer Erkenntnis ausfindig gemacht haben, zusammenzufhren und festzustellen: Jeder Gegenstand objektiver Erkenntnis, bzw. jeder Erfahrungsgegenstand muss diesen Bedingungen gemß sein, sonst wre er schlicht kein Gegenstand unserer Erkenntnis. Mit anderen Worten: Der einfache Schluss, mit dem wir es hier zu tun haben, ist ein Zirkelschluss, der von der Objektivitt der Erfahrung auf die objektive Gltigkeit der Bedingungen jener objektiven Erfahrung schließt (vgl. dazu Carl 1992, S.54, zur Kritik an Carl: Klemme 1994).11 Bevor man nun die allzu verdchtige Schlichtheit dieses Schlusses moniert, sollte man bercksichtigen, wie arm sein Ergebnis auch ist, ganz abgesehen davon, dass wir es mit einem skepsisanflligen Argument zu tun haben, das die Objektivitt von Erfahrung einfach voraussetzt. Denn im Grunde erfahren wir hier nicht mehr, als wir ohnehin schon wissen: Ein Gegenstand der Erfahrung muss, wenn er erkennbar sein soll, den Be11 Zur formalen Zirkelstruktur einer objektiven Deduktion: vgl. auch Zeidler 1992, S. 15 ff. und 2002, S. 5 f.

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dingungen einerseits unseres Denkens und andererseits unserer Anschauung gemß sein. Das heißt, er muss in Raum und Zeit gegeben sein, und den Kategorien unterliegen. (Die zustzliche Information, die der Schluss bereithlt, beruht im Grunde lediglich darauf, diese Erkenntnisse im Zeichen der Lehre der zwei Erkenntnisstmme zusammenzufhren.) Wir wissen aber nicht, wie dies zugeht, und warum dies so sein muss. Wir wissen insbesondere nicht, wie und warum ein Objekt der Erfahrung unter den Kategorien stehen muss, wir wissen nur, dass es so sein muss. Wir wissen damit auch nichts ber die interne Konstitution eines Erfahrungsgegenstandes, sondern nur, dass, was auch immer ein Gegenstand unserer Erfahrung sein soll, in irgendeiner Weise den Kategorien gemß sein muss. Dies andererseits wissen wir mit Sicherheit (dann nmlich, wenn wir voraussetzen, dass wir objektiver Erkenntnisse berhaupt fhig sind und Kants Lehre der zwei Erkenntnisstmme unterschreiben). Das heißt, wenn wir auch so gut wie nichts ber die interne Struktur unserer Erkenntnisgegenstnde und das wie und warum des Zusammenwirkens unserer Erkenntniskrfte, das fr sie verantwortlich zu machen ist, in Erkenntnis bringen, so erfahren wir doch, dass die Kategorien dafr notwendig, mithin in Bezug auf mçgliche Gegenstnde der Erfahrung objektiv gltig sind. Darin liegt aber auch, dass sie nur in Bezug auf mçgliche Erfahrung objektiv gltig sind (und zwar ganz einfach deswegen, weil die Kategorien hier, wenn auch auf recht oberflchliche Weise im Zeichen der Erkenntnisstammlehre, unmittelbar mit unserer sinnlichen Anschauung vermittelt werden und festgestellt wurde, dass sie nur in Bezug auf diese objektive Gltigkeit haben).12 Und dies wiederum ist ausreichend fr das Hauptanliegen des Kantischen Programms, wie er es in der AVorrede formuliert, nmlich fr die Beantwortung der Frage: „was und wieviel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen?“ Eine solche Unterscheidung einer dass- und einer wie-Frage in Bezug auf die objektive Gltigkeit der Kategorien und den Hauptzweck der Kritik 12 Die Frage nach der Grenzbestimmung der Vernunft wrde dann allerdings nur negativ beantwortet: Wir wissen, dass Kategorien objektive Gltigkeit in Bezug auf die Gegenstnde unserer Erfahrung haben. Das heißt nicht, dass wir positiv wissen, dass es einen ber unsere Erfahrung hinausgehenden Gebrauch der Kategorien nicht geben kann, sondern nur, dass wir ber einen solchen erfahrungsbersteigenden Gebrauch soweit nichts wissen kçnnen. Im Blick auf den Gesamtkontext der Kritik wrde dies gewichtige nderungen nach sich ziehen, denn wssten wir bereits positiv zu sagen, dass ein Gebrauch der Kategorien ber unsere Erfahrung hinaus nicht mçglich ist, so wre die transzendentale Dialektik im Grunde berflssig.

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der reinen Vernunft findet sich nun explizit auch in einer ausfhrlichen Anmerkung in der Vorrede zu den „Metaphysischen Anfangsgrnden der Naturwissenschaft“, in der Kant auf Verstndnisschwierigkeiten betreffend der ersten Auflage der Kategoriendeduktion reagiert. Kant schreibt dort in wnschenswerter Klarheit bezglich unserer Frage, …daß fr denjenigen, der meine Stze von der Sinnlichkeit aller unserer Anschauung und der Zulnglichkeit der Tafel der Kategorien, als von den logischen Funktionen in Urteilen berhaupt entlehnter Bestimmungen unseres Bewußtseins, unterschreibt (…), das System der Kritik apodiktische Gewißheit bei sich fhren msse, weil dieses auf dem Satze erbauet ist: daß der ganze spekulative Gebrauch unserer Vernunft niemals weiter als auf Gegenstnde mçglicher Erfahrung reiche. Denn, wenn bewiesen werden kann: daß die Kategorien, deren sich die Vernunft in allem ihrem Erkenntnis bedienen muß, gar keinen anderen Gebrauch, als bloß in Beziehung auf Gegenstnde der Erfahrung haben kçnnen (dadurch daß sie in dieser bloß die Form des Denkens mçglich machen), so ist die Beantwortung der Frage, wie sie solche mçglich machen, zwar wichtig genug, um diese Deduktion, wo mçglich, zu vollenden, aber in Beziehung auf den Hauptzweck des Systems, nmlich die Grenzbestimmung der reinen Vernunft, keineswegs notwendig, sondern bloß verdienstlich. Denn in dieser Absicht ist die Deduktion schon alsdenn weit genug gefhrt, wenn sie zeigt, daß gedachte Kategorien nichts anders als bloße Formen der Urteile sind, so fern sie auf Anschauungen (die bei uns immer nur sinnlich sind) angewandt werden, dadurch aber allererst Objekte bekommen und Erkenntnisse werden. (Anm. A XVI)

Was hier unter einer dass- und einer wie-Frage verstanden wird, lsst sich relativ problemlos auf das bertragen, was wir als entsprechende Fragen in Bezug auf den behandelten bergangsabschnitt unterschieden haben. Weiter entspricht die Art, wie Kant hier so etwas wie eine anfngliche, aber fr den Hauptzweck der Kritik (Grenzbestimmung der Vernunft) ausreichende, von einer vollstndigen, aber nicht notwendigen Deduktion unterscheidet, genau der Unterscheidung von objektiver und subjektiver Deduktion in der A-Vorrede. Wir kçnnen also nach allem Gesagten vermuten, dass Kant in A92/93 eine objektive Deduktion tatschlich als ausgefhrt betrachtet.13 13 Die Auffassung, dass die objektive Deduktion tatschlich hier zu lokalisieren ist, vertreten neben Carl auch Van Cleve (1999, S. 76 ff.), Haag (2007, S. 187 ff.) und Fçrster (2011, Kap. 2). Haag vertritt darber hinaus die Meinung, dass die subjektive Deduktion das Ergebnis der objektiven Deduktion ganz explizit voraussetzt. Dieser These kann hier, wie im Folgenden deutlich werden wird, nicht ohne Einschrnkung zugestimmt werden, da nicht nur die objektive, sondern prinzipiell auch die subjektive Deduktion als eigenstndiges Argument aufgefasst werden kann (Zur Frage, ob sie eine solche Anforderung auch erfllt: vgl. Abs. 2.3.). Was

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Dieses Ergebnis ist berraschend, denn wenn Kant auch durch den Hinweis auf eine objektive Deduktion die Schwierigkeiten, die mit dem Verstndnis seiner „vollstndigen“ Deduktion verbunden sind, fr den nicht geneigten Leser ausrumen wollte, so ist es doch einigermaßen merkwrdig, wenn eine „transzendentale“ Deduktion derart einfach zu haben ist. Wir mssen noch einmal genauer nachfragen, ob sich diese Sicht der Dinge, die sich ausschließlich durch seine Anmerkungen in der AVorrede, sowie der Vorrede zu den Metaphysischen Anfangsgrnden der Naturwissenschaft ergibt, mit anderen Stellen vereinbaren lsst, an denen Kant das, was er transzendentale Deduktion nennt, charakterisiert. Nun versteht Kant eine transzendentale Erkenntnis generell als eine Erkenntnis a priori, „dadurch wir erkennen, daß und wie gewisse Vorstellungen (Anschauungen oder Begriffe) lediglich a priori angewandt werden, oder mçglich sind“ (B80/A56). Diese Unterscheidung eines „dass“ und eines „wie“ der Anwendung und Mçglichkeit apriorischer Vorstellungen, lsst sich mhelos auf die „beiden Seiten“ einer Deduktion beziehen, von denen wir bisher unter den durch Kant nahe gelegten Stichworten „objektive“ und „subjektive“ Deduktion ausgegangen sind. Weiter kçnnen wir vermuten, dass aus dieser Perspektive fr eine „eigentliche“ transzendentale Deduktion beide Seiten erforderlich sind. Dieser Eindruck, dass die „wie“-Seite nicht zu vernachlssigen ist, verstrkt sich, wenn man sich auf den Abschnitt „Prinzipien einer transzendentalen Deduktion“ bezieht. Dort fokussiert Kant sogar ausschließlich auf den „wie“-Aspekt. So msse man, heißt es dort, um die Rechtmßigkeit des Gebrauchs apriorischer Begriffe auszumachen, wissen, „wie diese Begriffe sich auf Objekte beziehen kçnnen“. Und weiter: „Ich nenne daher die Erklrung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstnde beziehen kçnnen, die transzendentale Deduktion derselben“. (B117/A85) Zu beachten ist, dass es Kant, darauf haben wir schon ganz zu Anfang Bezug genommen, in diesem Abschnitt um die explizit eingerumte Mçglichkeit geht, dass unsere Anschauungen den Bedingungen unseres Denkens nicht gemß sein kçnnten. Wir erinnern uns: Whrend Anschauungen ihren formalen Bedingungen automatisch gemß sein mssen, allerdings sowohl subjektive als auch objektive Deduktion ganz explizit voraussetzen, und darin besteht bereinstimmung mit der Interpretation Haags, ist die erfolgreiche Erledigung der metaphysischen Deduktion. Zuzustimmen ist auch der generellen These, dass unter deren Voraussetzung „fr das Beweisziel der objektiven Deduktion (…) fast nicht mehr argumentiert werden muss“ (Haag 2007, S. 190).

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kçnnte es doch sein, dass sie zwar auch den Bedingungen des Denkens gemß sein mssten, um auch gedacht werden zu kçnnen (metaphysische Deduktion), dass dies aber schlicht nicht der Fall ist. Dies heißt aber im Kantischen Kontext einzurumen, dass wir von Anschaulichem auch gar keine objektive Erkenntnis haben kçnnten, dass vielmehr fr unsere Erkenntnis alles in „Verwirrung“ liegen kçnnte. Entscheidend ist nun, dass aus dieser Perspektive die Beantwortung der wie-Frage unumgnglich ist, und dass sich aus dieser Sicht auch die dass-Frage nur unter der Voraussetzung der wie-Frage beantworten lsst. Denn nur die Beantwortung der wie-Frage, dies zeigen die Ausfhrungen der, wenn man so will, „eigentlichen“ transzendentalen Deduktion, also die Beantwortung der Frage: wie ist es eigentlich mçglich, dass sich apriorische Begriffe auf Gegenstnde beziehen?, rumt, indem sie auf die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins Bezug nimmt, die Mçglichkeit aus, dass Anschauungen den Bedingungen unseres Denkens nicht gemß sind, indem sie – grob gesagt – zeigt, dass Anschauungen aus einem ganz autonomen Grund, nmlich um berhaupt zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden zu kçnnen, unter der Einheit des Verstandes, mithin auch unter den Kategorien stehen mssen.14 Mit einem Wort: Die Beantwortung der Frage, wie ein Gegenstand der Erkenntnis mçglich ist, zeigt erst, dass es tatschlich objektive Erkenntnis gibt, und dies ist, wie wir gesehen haben, die Voraussetzung dafr, dass auch gezeigt werden kann, dass die Bedingungen von Erkenntnisgegenstnden, die Kategorien, objektive Gltigkeit besitzen.15 14 Demnach haben wir bei der „wie-Frage“ zwei verschiedene Aspekte zu unterscheiden: (1) Unter Voraussetzung der Mçglichkeit einer objektiven Deduktion, handelt es sich lediglich um eine vertiefende Untersuchung der subjektiven Quellen unserer Erkenntnis, die aber nicht notwendig ist, um zu zeigen, dass den Kategorien objektive Gltigkeit zukommt. (2) Gestehen wir dagegen die Mçglichkeit einer objektiven Deduktion nicht zu, dann erfhrt die Frage, wie es mçglich ist, dass sich Kategorien auf Gegenstnde beziehen, ein ganz neues Gewicht. Denn dann muss die Beantwortung dieser Frage allererst zeigen, dass es berhaupt mçglich ist, dass sich Kategorien auf Gegenstnde beziehen. 15 Um diese Erçrterung von subjektiver und objektiver Deduktion auf die von Ameriks (1978) eingefhrte Unterscheidung einer „progressiven“ und einer „regressiven“ Lesart der transzendentalen Deduktion zu beziehen (vgl. dazu in einem hnlichen Zusammenhang: Thçle 1991, S. 22 ff.): Eine „eigentliche“ transzendentale Deduktion htte nach dem bisher Gesagten ein skepsisimmunes Argument zu liefern, das die Objektivitt unserer Erfahrung selbst begrndet. Wenn man dagegen die transzendentale Deduktion von vornherein „regressiv“ liest, also als ein Argument, in welches das, was Thçle als ,Objektivittsthese‘ (objektive Erfahrungserkenntnis ist mçglich) bezeichnet, als unbegrndete Voraussetzung eingeht (ebd., S. 23), dann wre nach dem oben Gesagten eine objektive Deduktion im

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Nach diesen Erçrterungen zum Thema „subjektive und objektive Deduktion“, die nebenbei noch einmal die enorme Bedeutung unterstreichen, die der metaphysischen Deduktion angesichts der Tatsache zukommt, dass aus dieser mittels eines ganz einfachen Schlusses unter den genannten Voraussetzungen und Einschrnkungen eine objektive Deduktion der Kategorien erfolgen kann, kçnnen wir uns wieder der Frage nach der Oberflchenstruktur der jeweiligen transzendentalen Deduktionen in Bezug auf die metaphysische Deduktion vor dem Hintergrund des jeweiligen Anschauungsbezugs zuwenden. Nun ist die Unterscheidung einer subjektiven von einer objektiven Deduktion, da sie sich bezglich letzterer auf einen in A und B identischen Textabschnitt bezieht, zwar keine, die ausschließlich fr die A-Auflage zu reservieren wre. Sie dient aber in besonderem Maße dazu, die Frage des Anschauungsbezugs in Bezug auf Letztere zu klren. Denn die A-Auflage stellt in mehrfacher Hinsicht eine nahtlose Anknpfung an die Argumente des behandelten „bergangsabschnittes“ dar, whrend sich die B-Auflage von diesem durch einen deutlichen Bruch absetzt. Zunchst einmal besteht diese Kontinuitt natrlich in der Tatsache, dass im Gegensatz zu Letzterer, die Deduktion der A-Auflage eine Unterscheidung von „Anschauung berhaupt“ und „unserer sinnlichen Anschauung“ nicht kennt. Vielmehr setzt die A-Auflage unmittelbar bei einer Vermittlung der Kategorien mit unseren sinnlichen Anschauungen an. Betrachtet man diese Tatsache im Lichte der Unterscheidung von subjektiver und objektiver Deduktion, dann zeigt sich, dass dies auch sachlich der naheliegendste Weg ist. Denn wenn die objektive Deduktion bereits gezeigt hat, dass die Kategorien die notwendigen Bedingungen eines Objektes der Erfahrung sind, dann nmlich wenn wir aufgrund der Lehre der zwei Erkenntnisstmme einfach voraussetzen, dass jedes Erfahrungsobjekt eine anschauliche wie eine begriffliche Komponente enthalten muss, und solcherart eine – zwar ganz oberflchliche – Vermittlung von unserer Anschauung und unserem Denken schon in Anspruch genommen haben, dann rckt die Frage, ob die Kategorien aus ihrem Ursprung auch so konzipiert sein kçnnten, dass sie zunchst nur in Bezug auf Anschauung „berhaupt“ gedacht werden kçnnten, gar nicht ins Blickfeld. Vielmehr ist es aus dieser Perspektive selbstverstndlich, dass Kategorien auf unsere Anschauung angewendet Grunde vçllig ausreichend und eine subjektive Deduktion tatschlich nur eine „verdienstliche“ Zutat. Im Folgenden soll dafr argumentiert werden, dass sich ein antiskeptisches Argument tatschlich in der B-Deduktion, nicht aber in der ADeduktion findet (vgl. Abs. 2.2. und 2.3.).

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werden, sofern sie berhaupt Anwendung finden. Das Thema einer „vollstndigen“ Deduktion wird es in dieser Bewegungsrichtung dann auch nicht sein, die Vermittlung unseres reinen Denkens mit unserer reinen Anschauung noch einmal in einem gesonderten Schritt zu zeigen, sondern unmittelbar der Frage nachzugehen, wie denn jene Anwendung reiner Verstandesbegriffe auf unsere Anschauungen eigentlich mçglich sei.16 Genau diese Frage aber greift Kant in der Einleitung zur A-Deduktion auf und bezieht sie damit explizit – darin besteht der zweite Anknpfungspunkt – auf das im bergangsabschnitt Dargelegte. Kant schreibt hier: „Will man daher wissen, wie reine Verstandesbegriffe mçglich sind, so muß man untersuchen, welches die Bedingungen a priori sind, worauf die Mçglichkeit der Erfahrung ankommt…“ Und weiter: Diese Begriffe nun, welche a priori das reine Denken bei jeder Erfahrung enthalten, finden wir an den Kategorien, und es ist schon eine hinreichende Deduktion derselben, und Rechtfertigung ihrer objektiven Gltigkeit, wenn wir beweisen kçnnen: daß vermittelst ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kann. Weil aber in einem solchen Gedanken mehr als das einzige Vermçgen zu denken, nmlich der Verstand beschftiget ist, und dieser selbst, als ein Erkenntnisvermçgen, das sich auf Objekte beziehen soll, eben so wohl einer Erluterung, wegen der Mçglichkeit dieser Beziehung, bedarf: so mssen wir die subjektive Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Mçglichkeit der Erfahrung ausmachen, nicht nach ihrer empirischen, sondern transzendentalen Beschaffenheit zuvor erwgen. (A96 f.)

Man darf vermuten, dass Kant hier mit einer „hinreichenden Deduktion“ das meint, was wir im bergangsabschnitt als objektive Deduktion identifiziert haben.17 Interessant ist, dass in der weiterfhrenden Unter16 Die Beantwortung dieser Frage ist, wie wir gesehen hatten, einerseits deswegen angezeigt, weil wir, nachdem durch die objektive Deduktion lediglich geklrt wurde, dass Gegenstnde der Erfahrung nur mittels Kategorien mçglich sind, noch nicht wissen, wie und warum dies so ist, – es liegt also sozusagen schlicht in unserem Erkenntnisinteresse, diese Frage zu klren. Zum anderen, und dies ist der dringlichere Grund, ist die objektive Deduktion zu der Annahme verpflichtet, dass wir tatschlich so etwas wie objektive Erfahrungsgegenstnde haben. Wenn wir aber zu einem skepsisimmunen Argument gelangen wollen, dann mssen wir auch zeigen kçnnen, dass wir zu dieser Annahme tatschlich berechtigt sind, und dies kçnnen wir nur dann zeigen, wenn wir nachweisen kçnnen, dass unsere Anschauungen, schon um berhaupt als Anschauungen auftreten zu kçnnen, unter den Kategorien stehen mssen, mit einem Wort: dass Anschauungen nur in Form objektiver Erkenntnisse berhaupt fr uns auftreten kçnnen. 17 Eine Irritation stellt die Tatsache dar, dass Kant hier zwar unter dem Stichwort einer „hinreichenden“ Deduktion auf faktisch bereits erledigte Themen zu rekurrieren scheint, dass aber andererseits die „subjektiven Quellen“, welche die Mçglichkeit

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suchung, die hier angezeigt wird, und von der wir analogerweise vermuten drfen, dass es sich dabei um die subjektive Deduktion handeln muss, sowohl das Vermçgen zu denken selbst, seiner Mçglichkeit nach, einer weiteren Erluterung unterzogen, wie auch die Beziehung desselben auf andere Erkenntnisvermçgen (womit vor allen Dingen das Vermçgen der Sinnlichkeit gemeint ist) noch weiter geklrt werden soll. Was hier nicht weiter eruiert werden soll, ist die Tatsache, dass sich die Erkenntnisvermçgen, die in die Erkenntnis eines Gegenstandes involviert sind, tatschlich aufeinander beziehen lassen mssen, sondern lediglich, wie die Art jener Beziehung zu denken ist. Nach allem Gesagten muss der Eindruck entstehen, es handle sich bei der gesamten A-Deduktion um eine subjektive Deduktion, die zwar allenfalls verdienstlich, – indem sie die subjektiven Quellen der Mçglichkeit der Erfahrung erçrtert –, aber keineswegs notwendig ist, um den Hauptzweck der Kritik durch den allenfalls auch schon durch eine objektive Deduktion zu erledigenden Nachweis zu fçrdern, dass die Kategorien notwendige Bedingungen des Denkens von Gegenstnden sind. Dieser Eindruck ist, wenn man nur die Oberflchenstruktur des Argumentationsgangs im Lichte der Unterscheidung subjektive / objektive Deduktion betrachtet, auch durchaus richtig. Auf der anderen Seite haben wir aber schon gesehen, dass dieser Eindruck dadurch konterkariert werden kçnnte, dass die wie-Frage eine ganz entscheidende Rolle dann spielt, wenn man danach fragt, ob es berhaupt einen Grund gebe, dass unsere Anschauungen dem Denken von Gegenstnden gemß sein mssen, also wenn man ber die Einschrnkungen einer objektiven Deduktion hinausgeht und nicht einfach voraussetzt, dass wir tatschlich objektive Erkenntnisse in Bezug auf sinnliche Erfahrung haben, sondern den Fall einrumt, dass unsere Anschauungen (mit ihren formalen Bedingungen) und unser Denken von Gegenstnden (mit seinen formalen Bedingungen) radikal divergieren, so dass zwar auch Anschauungen jenen Denkbedingungen der Erfahrung ausmachen sollen, „zuvor“ erwogen werden sollen. Dies kçnnte man so lesen, dass eine in §14 bereits kursorisch ausgefhrte objektive Deduktion durch eine subjektive fundiert und dann noch einmal eigens ausgefhrt und vertieft werden soll, wobei das fr Erstere maßgebliche Diktum, dass Erkenntnis Anschauung und Begriff erfordert, durch die vorherige Fundierung in einer subjektiven Deduktion einer weitergehenden Begrndung zugefhrt wrde. Da aber eine genaue Lokalisierung von subjektiver und objektiver Deduktion nach diesen Maßgaben sich einigermaßen schwierig gestalten drfte, soll dieser alternativen Interpretationsmçglichkeit hier nicht weiter nachgegangen werden.

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gemß sein mssten, sollten sie in objektive Erkenntnisse eingehen, dass sie dies aber faktisch nicht sind. Wir haben außerdem schon gesehen, dass die Beantwortung dieser Frage den eigentlichen Kern einer transzendentalen Deduktion darstellen muss, dann nmlich, wenn man von den Ergebnissen der transzendentalen sthetik und der metaphysischen Deduktion ausgeht, und wie Kant dies im „Prinzipienabschnitt“ tut, danach fragt, warum vor diesem Hintergrund eigentlich noch eine transzendentale Deduktion notwendig sei. Was wir ebenfalls schon angedeutet haben, ist, wie sich dieser Kern am prgnantesten ausspezifizieren lsst. Was die transzendentale Deduktion in ihrem sachlichen Gehalt am weitestgehenden von der metaphysischen Deduktion unterscheidet, hatten wir gesagt, ist, dass es dort nicht um die Bedingungen des Denkens von Gegenstnden unter dem Aspekt ihrer Urteilsfhigkeit geht, sondern um die Bedingungen dafr, dass uns Anschauungen berhaupt zu Bewusstsein kommen kçnnen, also um die Bewusstseinsfhigkeit von Gegenstnden oder Anschauungen. Denn, gesetzt, es handelt sich dabei um identische Bedingungen, dann rumt nur die Beantwortung dieser Frage den Zweifel aus, dass unsere Anschauungen so beschaffen sein kçnnten, dass sie den Bedingungen des Denkens von Gegenstnden, und damit den Bedingungen objektiver Erkenntnis gar nicht gemß sein kçnnten. Da nun jener Aspekt, den eine eigentliche transzendentale Deduktion beantworten muss, in der A-Auflage nicht nur durch die strukturellen Grnde, die mit der Unterscheidung einer subjektiven und objektiven Deduktion zu tun haben, verdeckt ist, sondern darber hinaus auch dadurch, dass das Thema der Bewusstseinsfhigkeit dort – dies wird offensichtlich, wenn man den Text von der zweiten Auflage her betrachtet – eng verwoben ist mit ganz anderen Themen, die eine Kategoriendeduktion zu beantworten hat, ist es sinnvoll, sich zur Beantwortung der Frage, ob Kant eine solche eigentliche transzendentale Deduktion geliefert hat, zunchst einmal auf die B-Auflage der transzendentalen Deduktion zu beziehen – denn dort erfhrt das Thema der Bewusstseinsfhigkeit eine vollstndig isolierte Untersuchung. 2.2. B-Deduktion: die verschiedenen Aspekte einer transzendentalen Deduktion Whrend die transzendentale Deduktion in der A-Auflage unmittelbar der Frage nachgeht, wie ein Gegenstand der Erfahrung mçglich ist, und zwar

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unter Bezugnahme der Kategorien auf unsere sinnliche Anschauung, stellt Kant im ersten Beweisschritt der B-Auflage zunchst einmal die viel grundlegendere Frage, was eigentlich die Bedingungen dafr sind, dass etwas berhaupt ein Gegenstand fr uns ist. Entscheidend dabei ist, dass diese Frage unabhngig von den Bedingungen, unter denen uns Gegenstnde gegeben werden, – also unabhngig von den sinnlichen Bedingungen unserer Anschauung – erçrtert werden kann. Wir haben es also in einer gewissen Weise mit einer Fortfhrung der isolationistischen Untersuchung der metaphysischen Deduktion zu tun. Whrend Letztere nach den Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes fragte, – also nach den Bedingungen, derer wir seitens des Verstandes bedrfen, um einen Gegenstand erkennen zu kçnnen –, haben wir es im ersten Beweisschritt der transzendentalen Deduktion mit der Frage zu tun: Was sind die Bedingungen dafr, dass uns gegebene Anschauungen (welcher Art sie auch sein mçgen) berhaupt zu Bewusstsein kommen kçnnen? Die Antwort, die Kant in den Paragraphen 16 – 18 gibt, lautet ganz grob, aber fr unsere Zwecke hinreichend: Ich kann mir meiner Vorstellungen als der meinigen nur bewusst werden, wenn ich sie zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht, mithin selbst verbunden habe. Nur dadurch ist es mçglich, „daß ich mir die Identitt des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle“ (B133). Folglich muss auch alles Mannigfaltige einer Anschauung berhaupt (und dies meint: irgendeiner gegebenen Anschauung) unter der synthetischen Einheit der Apperzeption stehen, um berhaupt zu Bewusstsein gelangen zu kçnnen. Dadurch, dass jenes Mannigfaltige zur synthetischen Einheit der Apperzeption gebracht wird, wird erst die Beziehung auf ein Objekt hergestellt. Denn Objekt ist das, „in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist“ (B137). Daher kann die synthetische Einheit der Apperzeption, welche diese Beziehung auf ein Objekt erst herstellt, auch objektive Einheit der Apperzeption genannt werden. Sie ist „objektive Bedingung aller Erkenntnis, nicht deren ich bloß selbst bedarf, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muss, um fr mich Objekt zu werden, weil auf andere Art, und ohne diese Synthesis, das Mannigfaltige sich nicht in einem Bewußtsein vereinigen wrde“ (B138). Die Frage, was ein Gegenstand ist, und wie ein Gegenstand mçglich ist, steht also bisher ganz im Zeichen der Frage, was ein Gegenstand des Bewusstseins ist.18 Nun erfahren wir in dem eben skizzierten Argument noch 18 Erinnern wir uns zum Kontrast noch einmal kurz an die Situation, wie sie sich uns fr die metaphysische Deduktion dargestellt hatte: Dort ging es beim Denken

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gar nichts ber die Kategorien. Wir erfahren lediglich, dass ein gegebenes Mannigfaltiges nur dann zu einem Objekt fr uns werden, bzw. in ein solches eingehen kann, wenn wir es selbst, qua Einheit unseres Selbstbewusstseins verbunden haben. Whrend in der A-Deduktion auf dieser Stufe des Arguments schon lngst bekannt ist, dass es begrifflicher Regeln bedarf, um die synthetische Einheit eines Objektes herzustellen, bleiben solche etwaigen Regeln in der Exposition zum Bewusstseinsthema der BDeduktion noch vçllig anonym. Diese Anonymitt ist aber weit davon entfernt, einen Nachteil gegenber der A-Deduktion darzustellen. Vielmehr gilt das Gegenteil: Indem die A-Deduktion die Bedingungen des begrifflichen Denkens von Gegenstnden (Kategorien) ohne weiteres mit den Bedingungen identifiziert, durch die ein gegebenes Mannigfaltiges zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht wird, wird jede Mçglichkeit verdeckt, einzusehen, warum diese Identifikation eigentlich notwendig oder berhaupt mçglich ist, werden hier doch gnzlich verschiedene Themen miteinander vermischt. Denn dass wir begrifflicher Regeln bedrfen, um einen Gegenstand denken zu kçnnen, erfahren wir bereits in der metaphysischen Deduktion, und zwar dergestalt, dass Anschauungen seitens des Verstandes unter Kategorien stehen mssen, um so etwas wie urteilsfhige Gegenstnde abzugeben. Es geht dort also, in einem vagen Sinne, um die (logischen) Bedingungen eines Gegenstandes der Erkenntnis. Was wir aber von der transzendentalen Deduktion erwarten, ist eine Antwort auf die Frage, ob es auch seitens der Anschauungen eine Notwendigkeit dafr gibt, dass diese unter den Kategorien stehen mssen, und somit den Bedingungen des Denkens gemß sind. Dieser Nachweis soll dadurch erfolgen, dass gezeigt wird, dass die Kategorien darber hinaus Bedingungen eines Gegenstandes des Bewusstseins sind. Nun ist es aber keineswegs selbstverstndlich, dass diese Bewusstseinsbedingungen mit den Erkenntnisbeeines Gegenstandes um die subjektiv notwendigen Bedingungen der Urteilfhigkeit von Gegenstnden. Wie wir noch im Detail sehen werden, setzt Kant in der metaphysischen Deduktion schlicht voraus, dass unsere Vorstellungen sich auf Gegenstnde beziehen lassen und fragt ausschließlich danach, wie diese Gegenstnde organisiert sein mssen, damit sie dem urteilenden Verstand zugnglich sind. Die Frage dort ist auch gar nicht, wie solche Gegenstnde berhaupt mçglich sind, sondern es soll nur gezeigt werden, wie sie (laut subjektiver Notwendigkeit) strukturiert sein mssen, um seitens des Verstandes als Erkenntnisse betrachtet werden zu kçnnen. Nennen wir diesen Aspekt kurz das „Erkenntnisthema“ in Bezug auf Gegenstnde, um zum Ausdruck zu bringen, dass es dabei nicht – in welcher Weise auch immer – um den Gegenstand des Bewusstseins, sondern um den Gegenstand der Erkenntnis geht.

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dingungen des urteilenden Verstandes identisch sind. Vielmehr ist gerade die A-Deduktion geeignet, demgegenber grçßte Skepsis zu provozieren, und zwar dadurch, dass sie die Frage, ob es sich um identische Bedingungen handelt, zwanghaft unterdrckt. Demgegenber hat die B-Deduktion den entscheidenden Vorteil, dass sie die Frage, ob es sich bei den Bewusstseinsbedingungen eines Gegenstandes um die bereits bekannten Kategorien handelt, ganz klar vor Augen stellt, indem sie nmlich das „Bewusstseinsthema“ und das „Erkenntnisthema“ explizit in einem eigenstndigen Schritt (§19) miteinander in Beziehung setzt. Hier wird das neu aufgeschlagene Kapitel der Bewusstseinsfhigkeit explizit zurckbezogen auf das in der metaphysischen Deduktion bereits verfolgte Erkenntnisthema. Wir begegnen einem alten Bekannten: dem urteilenden Verstand mit seinen logischen Formen bzw. Funktionen. Der Clou der nun folgenden Argumentation besteht darin, dass Kant das Vermçgen zu urteilen nach den nun erreichten Maßgaben noch einmal einer erneuten – und der metaphysischen Deduktion gegenber vertiefenden – Untersuchung unterzieht, und so nachweisen will, dass der Verstand selbst als Vermçgen zu urteilen inklusive seiner verschiedenen Handlungen nur durch die synthetische Einheit der Apperzeption ermçglicht wird.19 Dass es die Einheit der Apperzeption ist, welche „den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen, mithin der Mçglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche, enthlt“ (B131) wird bereits in §15 angedeutet. Die Erfllbarkeit dieses Sachverhaltes ergibt sich mit Blick auf die Argumente von §16 – 18, zumindest auf einer oberflchlichen Ebene, eigentlich schon von selbst. Denn wenn wir uns unserer Vorstellungen nur als der unseren bewusst werden kçnnen, wenn wir sie in einem einigen Selbstbewusstsein miteinander verbunden haben, dann muss dies natrlich nicht nur von Anschauungen, sondern auch von verschiedenen Begriffen gelten, die in einem Urteil zu einer (Erkenntnis-)Einheit zusammenbefasst werden. Mit einem Wort: Die Einheit in den Urteilen ist nur durch die Einheit des Selbstbewusstseins mçglich. Nun interessiert uns aber im Rahmen einer Urteilstheorie, die fr eine transzendentale Logik in Anspruch genommen werden soll, nicht so sehr die Tatsache, dass in Urteilen verschiedene 19 Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass damit Erkenntnis- und Bewusstseinsthema auf hçchster Instanz vermittelt werden, und nicht etwa eine nachtrgliche und oberflchliche Identifizierung der bewusstseinsermçglichenden Synthesisregeln mit den erkenntnisermçglichenden Kategorien vorgenommen werden muss.

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Begriffe miteinander in Beziehung gesetzt werden, sondern, dass sich Urteile (und damit die Inbezugnahme der in ihnen verbundenen Begriffe) auf Gegenstnde beziehen. Auf diesen Aspekt aber zielt Kant in §19 ganz ausdrcklich unter dem Stichwort der „objektiven Gltigkeit“ von Urteilen. Ein Urteil – genauer: die Beziehung gegebener Erkenntnisse in einem Urteil – soll nach der „genaueren Untersuchung“, die Kant hier anstrebt, die in ihm gegebenen Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption bringen: „Darauf zielt das Verhltniswçrtchen ist in denselben, um die objektive Einheit gegebener Vorstellungen von der subjektiven zu unterscheiden“ (B142). Es geht also darum, dass sich die Vorstellungen, die in einem Urteil miteinander in Beziehung gesetzt werden, objektiv aufeinander beziehen mssen. Dadurch, so Kant weiter „wird aus diesem Verhltnisse ein Urteil, d.i. ein Verhltnis, das objektiv gltig ist, und sich von dem Verhltnisse eben derselben Vorstellungen, worin bloß subjektive Gltigkeit wre, z. B. nach Gesetzen der Assoziation, hinreichend unterscheidet“ (B142). Was dies bedeutet, erfahren wir anhand eines Beispiels: „Nach letzteren wrde ich nur sagen kçnnen: Wenn ich einen Kçrper trage, so fhle ich einen Druck der Schwere; aber nicht: er, der Kçrper, ist schwer; welches so viel sagen will, als, diese beide Vorstellungen sind im Objekt, d.i. ohne Unterschied des Zustandes des Subjekts, verbunden, und nicht bloß in der Wahrnehmung (so oft sie auch wiederholt sein mag) beisammen“ (B142, kursiv v. Verf.).

Einfacher ausgedrckt: Damit ein Urteil eine Aussage ber objektive Verhltnisse der Vorstellungen, die in ihm miteinander in Beziehung gesetzt werden, darstellt, muss das Urteil auf einen Gegenstand bezogen sein, und zwar solcherart, dass wir die Einheit dieses Gegenstandes durch eine Synthesis der in ihn eingehenden Vorstellungen, qua objektiver Einheit der Apperzeption, selbst bewirkt haben. Wir haben es hier im Grunde mit einer Anwendung der ganz allgemeinen Frage, wie ein „Gegenstand fr uns“ konstituiert sein muss, auf den Fall des Urteilens ber Gegenstnde zu tun. Dabei sollten wir ein wenig verweilen: Die Zusammenfhrung von Erkenntnisthema und Bewusstseinsthema im Zusammenhang mit dem urteilenden Bezug auf Gegenstnde hat zum Ergebnis, dass objektiv fr uns, d. h. dass etwas ein objektiver, durch ein „ist“ ausdrckbarer Sachverhalt, nur dasjenige ist, was wir selbst unter die synthetische und notwendige Einheit unserer Apperzeption gebracht haben. Kant bringt dies klar zum Ausdruck: Das „ist“, das gegebene Vorstellungen in einem Urteil zur Einheit bringt, bezeichne

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die Beziehung derselben auf die ursprngliche Apperzeption und die notwendige Einheit derselben, wenn gleich das Urteil selbst empirisch, mithin zufllig ist, z. B. die Kçrper sind schwer. Damit ich zwar nicht sagen will, diese Vorstellungen gehçren in der empirischen Anschauung notwendig zu einander, sondern sie gehçren vermçge der notwendigen Einheit der Apperzeption in der Synthesis der Anschauungen zu einander, d.i. nach Prinzipien der objektiven Bestimmung aller Vorstellungen, so fern daraus Erkenntnis werden kann, welche Prinzipien alle aus dem Grundsatze der transzendentalen Einheit der Apperzeption abgeleitet sind (B142).

Wichtig ist, dass es hier um die Anschauungen geht, auf die sich ein Urteil bezieht: Das „ist“, das eine Erkenntnis ausdrckt, bezieht sich auf die „Synthesis von Anschauungen“, welche zur objektiven Einheit der Apperzeption gebracht wird (und nicht etwa nur auf die Begriffe, die in einem Urteil miteinander verbunden werden20). Damit sind aber, und zwar ganz egal, wie man das Verhltnis von Urteilsfunktionen und Kategorien interpretiert, die Kategorien mit involviert. Denn Kategorien sind, wie Kant mehrfach betont, „nichts anderes, als eben diese Funktionen zu urteilen, so fern das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in Ansehung ihrer bestimmt ist“ (B143, vgl. auch B104 f./A79). Was haben wir damit erreicht? Nach allem Gesagten wissen wir zwar noch nicht unbedingt, welches die Regeln sind, welche jeden (anschaulichen) Gegenstandsbezug berhaupt leiten mssen – wir hatten ja danach gefragt, welchen Regeln Anschauungen unterliegen mssen, um zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden zu kçnnen – wir kennen aber bereits einen besonderen Fall dessen, wie Vorstellungen zur Einheit der Apperzeption gebracht werden. Wir wissen, nach einer vertiefenden Analyse des Bezugs von Urteilen auf Gegenstnde, welche diesen Bezug im Kontext des Komplexes Selbst- und Gegenstandsbewusstsein erçrtert hat, dass diese Art des Gegenstandsbezugs zumindest eine Instanz dessen darstellt, was wir als die Bedingung jeden Gegenstandsbezugs kennengelernt haben. Fr diese Instanz kennen wir aber bereits die Regeln, welche jene synthetische Einheit eines Gegenstandes zu gewhrleisten haben. Diese Regeln bestehen zunchst einmal in den Urteilsfunktionen; da es hier aber um den Bezug der Urteile auf Gegenstnde und damit letztlich auf Anschauungen geht, kçnnen wir 20 Denn wrde man nur Letzteres, also die Verbindung von Begriffen in einem Urteil auf die transzendentale Einheit der Apperzeption beziehen, dann wrde man lediglich erklren, dass auch der logische Gebrauch der Urteile den Bedingungen der transzendentalen Apperzeption unterliegen muss, ein Sachverhalt, der im Grunde trivial ist, wenn man davon ausgeht, dass wir Urteile bewusst vollziehen kçnnen mssen.

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sagen, dass in diesem Fall die Kategorien jene Funktion zu bernehmen haben. Dabei handelt es sich um Erkenntnisregeln, d. h. um Regeln, die nach der metaphysischen Deduktion notwendig sind, um einen Gegenstand berhaupt denken zu kçnnen, und zwar denken zu kçnnen im Sinne der Urteilsfhigkeit eines solchen Gegenstandes. Durch die nun erfolgte vertiefende Analyse des urteilenden Verstands in Zusammenhang mit den Bedingungen unseres Bewusstseins wissen wir aber nun auch, dass diese Regeln geeignet sind, Einheit des Selbstbewusstseins herzustellen. Das heißt, wir kennen nun schon eine Klasse von Regeln, die in Bezug auf Anschauungen zugleich eine erkenntnisbedingende wie eine bewusstseinsbedingende Funktion haben. Heißt dies aber schon, dass alle Anschauungen, derer wir uns bewusst werden kçnnen sollen, unter den Kategorien stehen mssen? Nicht unbedingt. Denn zunchst einmal wissen wir nur, dass Kategorien Anschauungen zur Einheit des Selbstbewusstseins bringen kçnnen, und dass sie dies notwendigerweise dann auch tun mssen, wenn wir Urteile ber Gegenstnde fllen kçnnen sollen. Es kçnnte aber noch andere bewusstseinsermçglichende Regeln geben, die mit den Einheitsfunktionen unseres Verstandes nichts zu tun haben.21 Nun soll aber die synthetische Einheit der Apperzeption gerade das oberste Prinzip allen Verstandesgebrauches sein (vgl. Anm. B134). Das heißt, es steht fr Kant außer Zweifel, dass bewusstseinsermçglichende Synthesisregeln als Regeln des spontanen Verstandesvermçgens aufgefasst werden mssen. Dann hngt aber alles davon ab, dass durch die angegebenen Regeln der Verstand selbst bereits hinreichend ausgemessen und bestimmt ist. Auch dies steht fr Kant außer Zweifel (vgl. seine Anmerkungen zur Vollstndigkeit in der metaphysischen Deduktion), wenn auch nicht leicht zu sehen ist, worauf er diese Auffassung grndet. Teilen wir aber diese beiden Voraussetzungen, dann und nur dann ist auch erwiesen, dass es keine anderen Regeln der Synthesis geben kann, die anschaulich Mannigfaltiges zur Einheit des Selbstbewusstseins bringen, als die Urteil21 Dies wre immerhin schon ein entscheidender Fortschritt gegenber der metaphysischen Deduktion. Wussten wir bisher nur, dass Kategorien subjektiv notwendig sind, um ber Gegenstnde urteilen zu kçnnen, und dass es andererseits Regeln geben muss, die Anschauungen zur Einheit des Selbstbewusstseins bringen, so wissen wir nun, dass diejenigen Regeln, welche notwendig fr das Denken von Gegenstnden sind, darber hinaus ausreichend sind, um Anschauungen zu Bewusstsein zu bringen. Es kçnnte zwar sein, dass es auch andere Regeln in Bezug auf Anschauungen gibt, welche diese nicht in Beziehung zum Verstand setzen, wir wissen aber bereits, dass es tatschlich Regeln in Bezug auf die Anschauung gibt, welche diese zu Bewusstsein bringen, und mit dem Verstand in Beziehung stehen.

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funktionen bzw. Kategorien. Oder von der anderen Seite: Das, was wir als die oberste Bedingung dafr annehmen mssen, dass uns berhaupt irgend etwas zu Bewusstsein kommt, die synthetische Einheit der Apperzeption, ist ausdifferenzierbar in die verschiedenen Handlungen, die wir anhand einer Analyse des urteilenden Verstandes bereits ausfindig gemacht haben. Unter diesen Voraussetzungen sind Kants Folgerungen in §20 dann auch durchaus richtig und verstndlich, fr die hier nur die in der berschrift komprimierte Zusammenfassung herangezogen werden soll: Alle sinnliche Anschauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewußtsein zusammenkommen kann.

Wir erinnern uns: In der metaphysischen Deduktion ging es nach unserem kurzen Vorgriff um die Gegenstandsstruktur, welcher Anschauungen gemß sein mssen, damit ber sie geurteilt werden kann. In der transzendentalen Deduktion geht es soweit um die Bedingungen dafr, dass uns Anschauungen berhaupt zu Bewusstsein kommen kçnnen. Und der Clou des Arguments besteht darin, dass es sich dabei um identische Bedingungen handeln muss: dass die Regeln, die verantwortlich dafr zu machen sind, dass wir es mit urteilsfhigen Gegenstnden zu tun haben, auch diejenigen Regeln sind, die dafr verantwortlich sind, dass wir es mit bewusstseinsfhigen Gegenstnden zu tun haben. Damit wird aber gezeigt, dass Kategorien nicht nur notwendig sind, damit wir in Bezug auf Anschauungen von objektiven Erkenntnissen sprechen kçnnen, sondern auch dafr, dass uns berhaupt irgend etwas als Gegenstand zu Bewusstsein kommt. Und damit, das ist das Wesentliche, stellt sich heraus, dass ein Gegenstand des Bewusstseins nur als Gegenstand der Erkenntnis auftreten kann. Mit anderen Worten: Die Befrchtung, die das Motiv fr eine eigentliche transzendentale Deduktion war, dass unsere Anschauungen den subjektiven Bedingungen des Denkens von Gegenstnden nicht gemß sein kçnnten, wird dadurch ausgerumt, dass gezeigt wird, dass alles, was ein Gegenstand des Bewusstseins sein kçnnen soll, nur in der Art und Weise eines Gegenstands der Erkenntnis auftreten kann, nmlich dadurch, dass es den erkenntnisermçglichenden Verstandesbedingungen unterliegt. Darin liegt der tiefste Sinn der berfhrung des Erkenntnisthemas in das Bewusstseinsthema. Indem gezeigt wird, dass jede Art der Erkenntnis in einem Akt des Selbstbewusstseins gegrndet ist, und letztlich der Verstand selbst im (transzendentalen) Selbstbewusstsein wurzelt, wird gezeigt, dass auch umgekehrt alles, was uns bewusst wird, nur dadurch bewusst werden kann, dass es den Bedingungen unserer Erkenntnis gemß ist. Damit kommt aber den logischen Bedin-

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gungen unserer Erkenntnis von Gegenstnden Notwendigkeit fr jede Anschauung berhaupt zu.22 Warum ist vor diesem Hintergrund noch ein zweiter Beweisschritt nçtig, der diese Ergebnisse mit unserer sinnlichen Anschauung vermittelt? Diese Frage ist deswegen irritierend, weil man der nicht ganz abwegigen Meinung sein kçnnte, dass im ersten Schritt der wichtigste Teil einer transzendentalen Deduktion bereits geleistet ist. Man kçnnte nmlich die Auffassung vertreten, dass schon im ersten Beweisschritt in gewisser Hinsicht gezeigt wird, dass die Kategorien objektive Gltigkeit haben. Denn wenn es stimmt, dass alle sinnlichen Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen, um den Bedingungen unseres Selbstbewusstseins gemß zu sein, dann muss in jedem Fall fr diejenigen Anschauungen, derer wir uns bewusst werden kçnnen, gelten, dass sie unter den Kategorien stehen. Dies msste aber doch gengen, um zu sagen, dass die Kategorien in Bezug auf alles, was unter der Einheit unseres Selbstbewusstseins zu stehen kommt, objektive Gltigkeit haben. Eine derartige Intuition scheint der Interpretation Henrichs zu unterliegen. Die objektive Gltigkeit der Kategorien ist nach einer solchen Perspektive dann zumindest schon fr „diejenigen Anschauungen, die bereits Einheit enthalten“ (1973, S. 93) gezeigt.23 Natrlich ist dann die objektive Gltigkeit der Kategorien in Bezug auf jene Anschauungen, die bereits Einheit enthalten, beschrnkt, und der Sinn des zweiten Beweisschrittes kann dann ganz folgerichtig in der Aufhebung dieser Einschrnkung gesehen werden. Denn der erste Beweisschritt ließe die „Mçglichkeit einer nur partialen Fhigkeit des Ver22 Dass es der Verstand selbst ist, der hier unter seinem hçchsten Prinzip, der synthetischen Einheit der Apperzeption, verhandelt wurde, und dass die Anwendung der Kategorien nicht unmittelbar, sondern ber den Zwischenschritt des (objektivgltigen) Urteilens ber Gegenstnde erçrtert wurde, sollte darauf aufmerksam machen, dass wir es immer noch mit einer reinen Analyse des Verstandes zu tun haben, und nicht etwa mit einer Vermittlung des Verstandesdenkens mit unserer Art der Anschauung. Kant macht dies auch ganz klar, wenn er rckblickend die bisher behandelte Synthesis des Verstandes, die „in Ansehung des Mannigfaltigen einer Anschauung berhaupt in der bloßen Kategorie gedacht“ wird, als „Verstandesverbindung (synthesis intellectualis)“ bezeichnet, und die Kategorien, die sich „durch den bloßen Verstand auf Gegenstnde der Anschauung berhaupt, unbestimmt ob sie die unsrige oder irgend eine andere, doch sinnliche sei“ beziehen, als „bloße Gedankenformen“ charakterisiert (B 150 f.). 23 Hier sollte davon ausgegangen werden, dass die Einheit einer Anschauung natrlich von vornherein als eine durch den Verstand bewirkte Einheit verstanden werden muss. Vgl. dazu Henrichs Klarstellung in 1984. Vgl. dazu auch Evans 1990. Zur Kritik an Henrichs Ansatz: vgl. Wagner 1980.

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standes, Einheit in den sinnlichen Vorstellungen herzustellen“ offen (ebd., S. 95). Es kçnnte also sein, dass wir nur ausschnittsweise in Bezug auf unsere sinnlichen Anschauungen bewusste und objektive Erkenntnisse hervorbringen. Dies wrde aber bedeuten, dass unsere Anschauungen selbst gar nicht untereinander in Beziehung stehen wrden, was wiederum heißen wrde, dass wir es mçglicherweise nicht mit einer einheitlichen sinnlichen Erfahrung zu tun htten, sondern, wenn man so will, mit einer bruchstckhaften Objektivierung eines ansonsten ordnungslos gegebenen Sinnlichen. Der zweite Beweisschritt htte demnach diese Mçglichkeit auszuschließen, indem er zeigt, dass alle unsere Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen. Diese Interpretation hat in einer eher ußerlichen und ergebnisorientierten Hinsicht sicherlich einen wahren Kern. Sie verkennt aber, dass im ersten Beweisschritt der Bezug zu unserer Sinnlichkeit noch keinerlei Rolle spielt und es von daher hçchst problematisch ist, schon von einer ausschnittsweisen objektiven Gltigkeit der Kategorien auszugehen. Es ging ja lediglich darum, seitens des Verstandes die Bedingungen anzugeben, denen Anschauungen, welcher Art sie auch sein mçgen, gemß sein mssen, um als Gegenstand unseres Bewusstseins auftreten zu kçnnen. Demgemß haben wir es im ersten Beweisschritt gegenber dem zweiten Beweisschritt keinesfalls mit einer „Restriktion“, sondern mit einer allgemeineren Perspektive zu tun, die dann dadurch konkretisiert wird, dass die verstandesmßigen Bedingungen, die fr jede Anschauung berhaupt zu gelten haben, mit unserer sinnlichen Art der Anschauung vermittelt werden.24 Und nur wenn in diesem zweiten Schritt gezeigt werden kann, dass die Kategorien tatschlich Anwendung auf unsere Anschauungen finden kçnnen, kommt ihnen auch so etwas wie objektive Realitt zu. Denn „unsere sinnliche und empirische Anschauung kann ihnen allein Sinn und Bedeutung verschaffen“ (B149). Diesen neuen Schritt umreißt Kant folgendermaßen: Jetzt soll die Mçglichkeit, durch Kategorien die Gegenstnde, die nur immer unseren Sinnen vorkommen mçgen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung nach, a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie so gar mçglich zu machen, 24 Vgl. dazu auch Zeidler, der gegenber Henrichs These von der Aufhebung einer „Restriktion“ im zweiten Beweisschritt moniert, dass mit dem ersten Schritt „noch nicht einmal die Gltigkeit der Kategorien fr ein einziges ,Objekt unserer Sinne‘ erwiesen wurde“, da wir es in demselben lediglich mit der „Verstandesverbindung (synthesis intellectualis)“ in Bezug auf die Einheit der Apperzeption zu tun hatten (Zeidler 1992, S. 50).

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erklrt werden. Denn ohne diese ihre Tauglichkeit wrde nicht erhellen, wie alles, was unseren Sinnen nur vorkommen mag, unter den Gesetzen stehen msse, die a priori aus dem Verstande allein entspringen. (B159 f.)

Dass erst dadurch die transzendentale Deduktion der Kategorien in ihr Ziel gelangt, kommt mit Henrichs Interpretation durchaus berein: Wrden unsere sinnlichen Anschauungen nur „ausschnittsweise“ durch kategoriale Synthesis zu Erkenntnissen objektiviert, so htten unsere Anschauungen selbst keinen unmittelbaren Zusammenhang miteinander. Das heißt, wir htten es – auf der Ebene der Sinnlichkeit – nicht mit einer einheitlichen Erfahrung zu tun. Es muss also gezeigt werden, dass die sinnliche Ebene unserer Erfahrung selbst und im Ganzen unter der einheitsstiftenden Leistung des Verstandes steht.25 Dass dies tatschlich der Fall sein muss, zeigt Kant bekanntlich dadurch, dass er nachweist, dass Raum und Zeit nicht nur die Formen unserer Anschauung, sondern selbst Anschauungen sind, und als solche – nmlich als formale Anschauungen – unter den einheitsstiftenden Funktionen des Verstandes stehen, so dass automatisch auch alles in Raum und Zeit Gegebene unter der Einheit des Verstandes, mithin unter den Kategorien steht. Dieser Schachzug ermçglicht die weitreichende Folgerung, dass unsere gesamte sinnliche Erfahrung schon als solche durch die Verstandeskategorien bestimmt ist: 25 Gegen die These von der „ausschnittsweisen“ Objektivierung von Anschauungen kçnnte eingewendet werden, dass der erste Beweisschritt bereits beinhalten muss, dass alles, was bewusst werden kçnnen soll, den Bedingungen unseres Selbstbewusstseins und damit den Kategorien gemß sein muss. Unter der Voraussetzung, dass wir es mit einem einheitlichen und durchgngigen Selbstbewusstsein zu tun haben, und dass es sich bei den Kategorien um Synthesisregeln handelt, scheint dann aber alles anschaulich Gegebene nicht nur mit dem Selbstbewusstsein, sondern auch schon untereinander verbunden zu sein. Denn es scheint schwer vorstellbar, dass eine Synthesis von Anschauungen, welche etwas Gegebenes zur Einheit des Selbstbewusstseins bringt, nur die Einheit der Anschauungen als solcher, und nicht schon die Verbindung aller Anschauungen untereinander, so fern sie in einem einigen und durchgngigen Selbstbewusstsein zur Einheit gebracht werden sollen, beinhaltet. Doch auch dabei wrde es sich um eine „ausschnittsweise“ Objektivierung handeln. Denn unter der Voraussetzung von Kants Lehre der zwei Erkenntnisstmme kçnnte es durchaus sein, dass wir Anschauungen haben, deren wir uns nicht bewusst werden, – ohne dass wir ihnen, da wir sie nun einmal haben, jeden relevanten Sinn fr unsere Erkenntnis absprechen wollen. Erst dadurch, dass gezeigt wird, dass Raum und Zeit selbst unter der Einheit des Verstandes stehen und zu formalen Anschauungen objektiviert werden mssen, wird der Gesamtskopus aller mçglichen Erfahrung erreicht, indem automatisch alle unsere in Raum und Zeit gegebenen Anschauungen unter die Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden.

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Also ist selbst schon Einheit der Synthesis des Mannigfaltigen, außer oder in uns, mithin auch eine Verbindung, der alles, was im Raume oder der Zeit bestimmt vorgestellt werden soll, gemß sein muß, a priori als Bedingung der Synthesis aller Apprehension schon mit (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben. (…) Folglich steht alle Synthesis, wodurch selbst Wahrnehmung mçglich wird, unter den Kategorien, und, da Erfahrung Erkenntnis durch verknpfte Wahrnehmungen ist, so sind die Kategorien Bedingungen der Mçglichkeit der Erfahrung, und gelten also a priori auch von allen Gegenstnden der Erfahrung (B160 f.).

Hier taucht erstmals in der B-Deduktion in systematischer Bedeutung der zentrale Begriff des Gegenstands der Erfahrung auf. Erst dadurch aber, dass die Kategorien als Bedingungen der Mçglichkeit der Erfahrung bzw. der Gegenstnde der Erfahrung ausgewiesen werden, steht ihre objektive Gltigkeit fest. Der schwerwiegendste Fehler an Henrichs Interpretation besteht demnach darin, dass er die objektive Gltigkeit der Kategorien zu frh ansetzt. Denn selbst dann, wenn man den ersten Beweisschritt der Deduktion als eine Restriktion liest, dann folgt daraus nur, dass Kategorien notwendig waren, um eine gegebene Anschauung zu Bewusstsein zu bringen.26 Die Einheit einer solchen einzelnen Anschauung gengt aber in keinster Weise, um die Auffassung zu rechtfertigen, dass es sich dabei schon um so etwas wie einen Gegenstand der Erfahrung handelt. Denn, Erfahrung ist, wie wir eben gelesen haben, „Erkenntnis durch verknpfte Wahrnehmungen“. Um von einem Gegenstand der Erfahrung zu sprechen, ist also mindestens erforderlich, dass er in geregelten Zusammenhngen mit anderen Gegenstnden derselben Erfahrung steht. Erfahrung besteht im Kantischen Kontext nicht aus einzelnen Wahrnehmungsinstanzen, sondern aus gesetzmßigen Zusammenhngen von solchen Instanzen. Dieses Charakteristikum wird aber erst erreicht, wenn die Formen unserer 26 Im Zusammenhang mit Henrichs berlegungen (insb. in 1984) kçnnte die Wendung „um eine gegebene Anschauung zu Bewusstsein zu bringen“ so verstanden werden, dass es dabei um einen einzelnen Bewusstseinsfall geht, whrend es im zweiten Beweisschritt mit der Objektivierung von Raum und Zeit zu formalen Anschauungen um den Gegenstand einer einheitlichen Erfahrung geht. Dies darf dann aber keinesfalls so verstanden werden, dass es sich beim „Gegenstand des Bewusstseins“ oder einem „einzelnen Bewusstseinsfall“ bereits um ein konkretes „Einzelding“ handelt. Denn von einem solchen kçnnen wir erst sprechen, wenn wir wissen, wie ein solches innerhalb einer einheitlichen Erfahrung situiert ist, wenn wir also den Gegenstand des Bewusstseins bereits als Gegenstand der Erfahrung qualifiziert haben (In Kap. II.3. wird sich zeigen, dass es uns erst die Anwendung der Relationskategorien erlaubt, von einer Mehrzahl von „Einzeldingen“ innerhalb unserer Erfahrung auszugehen.).

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sinnlichen Anschauung, und mit ihnen alles in ihnen Gegebene, als solche unter der Einheit des Verstandes stehen. Wenn aber aus dem ersten Beweisschritt noch gar nichts in Bezug auf den Gegenstand der Erfahrung folgt, dann macht es auch keinen Sinn, in ihm schon einen, – wenngleich eingeschrnkten – Nachweis fr die objektive Gltigkeit der Kategorien zu erblicken.27 Der eigentliche Wert des ersten Beweisschrittes besteht vielmehr, wie wir gesehen haben, gerade darin, von der Frage nach dem Gegenstand der Erfahrung gnzlich zu abstrahieren, und die ganz andere Frage zu stellen, wie ein Gegenstand des Bewusstseins mçglich ist. Denn bei dieser Frage kann von der Art und Weise unserer sinnlichen Anschauung abstrahiert werden, und, wie bereits deutlich wurde, ist diese Abstraktion unerlsslich, um das aus der metaphysischen Deduktion bekannte Erkenntnisthema mit dem „neuen“ Bewusstseinsthema derart zu vermitteln, dass sich als Ergebnis herausstellt: Die Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes (Kategorien) sind zugleich die Bedingungen dafr, dass das Mannigfaltige einer Anschauung berhaupt zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden kann. Nur dadurch aber wird gezeigt, dass die Kategorien tatschlich notwendig fr jede Anschauung berhaupt sind. Dies bedeutet aber, dass nach der relativ problemlos zu erreichenden Vermittlung dieses Ergebnisses mit unserer sinnlichen Anschauung, die objektive Gltigkeit der Kategorien feststeht. Und zwar in einer Weise, die den Forderungen gerecht wird, die wir im vorangegangenen Abschnitt an eine „eigentliche“ transzendentale Deduktion gestellt hatten. Eine solche sollte nmlich nachweisen, dass Anschauungen den subjektiven Bedingungen des Denkens von Gegenstnden tatschlich gemß sein mssen (vgl. B122). In Bezug auf die Unterscheidung einer dass- und einer wie-Frage, wie sie durch die Unterscheidung einer objektiven und einer subjektiven Deduktion nahe gelegt wird, haben wir diesen eigentlichen Zweck einer transzendentalen Deduktion daran festgemacht, dass sie auf jeden Fall auch die dass-Frage mitzubeantworten hat. Denn, um zu zeigen, dass Anschauungen den 27 Henrich hat also Recht damit, dass das Ziel der transzendentalen Deduktion erst mit dem zweiten Beweisschritt erreicht wird. Dies heißt aber nicht, dass damit die unbeschrnkte Gltigkeit der Kategorien gezeigt wird (vgl. 1974, S. 94), und zwar ganz einfach deswegen, weil die objektive Gltigkeit der Kategorien erst im zweiten Beweisschritt berhaupt gezeigt wird. Denn Kategorien haben fr Kant Bedeutung nur in Bezug auf die Gegenstnde unserer sinnlichen Erfahrung. Zu einem solchen Gegenstand gehçrt aber, dass er als Teil einer einheitlichen und zusammenhngenden sinnlichen Erfahrung aufgefasst werden kann, und dieses Charakteristikum wird nach der Anlage der B-Deduktion erst im zweiten Beweisschritt erreicht.

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Bedingungen des Denkens gemß sein mssen, gengt es natrlich nicht, auf den im Grunde genommen trivialen Schluss einer objektiven Deduktion zu bauen, der von der Objektivitt der Erfahrung auf die Bedingungen der Mçglichkeit dieser Erfahrung schließt, und dann nur noch die Frage zu erçrtern, wie der Bezug apriorischer Begriffe auf Gegenstnde mçglich ist. Das heißt aber letztlich, dass die in der B-Auflage ausgefhrte transzendentale Deduktion hinter die Unterscheidung einer objektiven von einer subjektiven Deduktion zurckgeht, und die Fragestellung einer transzendentalen Deduktion, ob man sie nun durch eine (die dass-Frage mitbeihaltende) wie-Frage charakterisiert oder nicht, ein ganz neues Gewicht erhlt. Dies kommt zumindest ansatzweise auch in der bereits zitierten Anmerkung aus der Vorrede der Metaphysischen Anfangsgrnde der Naturwissenschaft zum Ausdruck, wo Kant zwar eine Antwort auf die Frage, wie Erfahrung durch Kategorien mçglich sei, als nicht unbedingt notwendig erachtet, aber gleichzeitig betont, dass ihr „große Wichtigkeit“ zukomme und ankndigt, dass er „die nchste Gelegenheit ergreifen werde“, um zu demonstrieren, dass die Erledigung dieser Aufgabe auch gar nicht so schwer sei, da sie beinahe durch einen einzigen Schluß aus der genau bestimmten Definition eines Urteils berhaupt (einer Handlung, durch die gegebene Vorstellungen zuerst Erkenntnisse eines Objekts werden) verrichtet werden kann. (A XIIIf.)

Dass er diese Gelegenheit in der B-Deduktion, genauer im Paragraph 19 ergriffen hat, ist mehr als offensichtlich. 2.3. Bestandsaufnahme ber die Beweisabsichten der verschiedenen „Deduktionen“ und Zusammenfassung Wir haben eben in der B-Deduktion einen Kandidaten fr ein Argument ausfindig gemacht, wie wir es von einer eigentlichen transzendentalen Deduktion erwarten. Wie verhlt es sich dagegen mit der A-Deduktion? Eine eigenstndige Interpretation derselben kann im Rahmen dieses kurzen berblickes nicht geleistet werden. Es soll aber zumindest kurz angezeigt werden, dass einiges dafr spricht, dass die Deduktion in der AAuflage nicht das leistet, was wir von einer transzendentalen Deduktion nach den bisherigen Maßgaben erwarten wrden. Dies kann daran festgemacht werden, dass Kant dort an keiner Stelle begrndet, dass es die

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Kategorien sind, welche die synthetische Einheit eines Mannigfaltigen bewirken. Wofr er anhand seiner Theorie der dreifachen Synthesis und der darauffolgenden Benennung des Prinzips der transzendentalen Einheit der Apperzeption, die als „transzendentale Bedingung“ fr die mittels begrifflicher Regeln zu leistende Synthesis eines Mannigfaltigen zu fungieren hat, der Sache nach nur argumentiert, ist, dass es reiner und notwendiger Regeln bedarf, welche jene Synthesis eines Mannigfaltigen zu leiten haben, um sie den Bedingungen unseres Selbstbewusstseins gemß zu machen. Die Identifizierung dieser notwendigen Regeln mit den bereits bekannten Kategorien erfolgt aber ganz ausdrcklich in Form einer Behauptung (vgl. A111). Was also in der A-Deduktion fehlt, ist ein expliziter Schritt, in dem die notwendigen bewusstseinsermçglichenden Regeln mit den bereits bekannten Erkenntnisregeln des urteilenden Verstandes identifiziert werden. Von daher drngt sich der Verdacht auf, dass die A-Deduktion nicht nur in methodischer Hinsicht als subjektive Deduktion verstanden werden muss (vgl. Abs. 2.1.), sondern auch sachlich ber eine solche nicht hinausgeht. Denn die Behauptung, dass es die Kategorien sind, welche mit den notwendigen bewusstseinsermçglichenden Regeln identisch sind, ist letztlich nur dann begrndet, wenn bereits zuvor feststeht, dass die Kategorien objektive Gltigkeit in Bezug auf die Gegenstnde unserer Anschauung haben. Dann kann das Argument der A-Deduktion nmlich als eines verstanden werden, das ausgehend davon, dass wir tatschlich Erkenntnisse von Gegenstnden haben, die nur durch Kategorien mçglich sind, danach fragt, wie diese Erkenntnisse mçglich sind, indem die subjektiven Bedingungen dieses Gegenstandsbezugs erçrtert werden. Es ist also zumindest nicht ohne weiteres zu sehen, ob die A-Deduktion sachlich ein Argument liefert, das geeignet ist, ber eine bloß subjektive Deduktion hinauszugehen. Entscheidend fr unseren Zusammenhang ist aber nur, dass die Interpretation der A-Deduktion als einer subjektiven Deduktion aus den oben bereits genannten Grnden mindestens in systematischer Hinsicht nahe liegt, und dass die B-Deduktion ganz klar zu favorisieren ist, wenn man zu einer gehaltvollen transzendentalen Deduktion gelangen will, die nicht nur die wie-Frage, sondern ausdrcklich auch die dass-Frage in puncto Bezug apriorischer Begriffe auf Gegenstnde beantwortet. Fassen wir die bisher gewonnenen Ergebnisse in Bezug auf die Beweisabsichten der verschiedenen „Deduktionen“ zusammen: (1) Die metaphysische Deduktion hat zu zeigen, dass es reine Verstandesbegriffe gibt und geben muss, indem sie diese als die subjektiv notwendigen Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes ausweist.

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Darauf aufbauend soll die transzendentale Deduktion die objektive Gltigkeit dieser Bedingungen nachweisen. Dafr kommen zwei alternative Strategien in Frage: (2a) Unter der Voraussetzung, dass alle Erkenntnis einer begrifflichen, wie einer anschaulichen Komponente bedarf und dass wir objektiver Erkenntnisse tatschlich fhig sind, kann eine objektive Deduktion mittels eines einfachen Schlusses aus der metaphysischen Deduktion zeigen, dass die Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes auch die Bedingungen der Erkenntnis eines Gegenstandes sind. Darauf aufbauend hat eine subjektive Deduktion nur noch zu untersuchen, wie sich apriorische Verstandesbegriffe auf die Gegenstnde unserer sinnlichen Anschauung beziehen, indem sie die subjektiven Bedingungen dieses Objektbezugs erçrtert. (Zumindest in formaler Hinsicht ist dies die Situation in der A-Auflage.) (2b) Gestehen wir die Mçglichkeit eines solchen skepsisanflligen Arguments nicht zu, dann hat eine transzendentale Deduktion im eigentlichen Sinn in einem ersten Schritt zu zeigen, dass Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen, nicht nur, um als Gegenstand gedacht, sondern auch, um als Gegenstand zu Bewusstsein gebracht werden zu kçnnen. Damit kommt den Kategorien Notwendigkeit fr jede „Anschauung berhaupt“ zu. In einem zweiten Schritt muss dann gezeigt werden, dass unsere sinnlichen Anschauungen diesen Bedingungen gemß sind, indem gezeigt wird, dass die Formen unserer sinnlichen Anschauung (Raum und Zeit) selbst unter diesen Bedingungen stehen, und sie daher geeignet sind, den gesamten Bereich unserer Gegenstnde sinnlicher Erfahrung abzudecken. (Dies ist die Situation in der B-Auflage.) Was haben wir mit diesen Ergebnissen, neben der Klrung einiger wichtiger beweisstrategischer Fragen, die im Laufe dieser Untersuchung noch von Belang sein werden, fr die Interpretation der metaphysischen Deduktion gewonnen? Zum einen bekrftigen sie die herausragende Bedeutung, die derselben angesichts der Tatsache zukommt, dass einerseits aus der metaphysischen Deduktion schon mittels eines ganz einfachen Schlusses, wenn auch nur unter den genannten Einschrnkungen, eine objektive Deduktion der Kategorien geleistet werden kann, und dass andererseits auch der erste Beweisschritt der B-Deduktion davon abhngt, dass die metaphysische Deduktion der Kategorien bereits geleistet ist. Zum anderen erlauben es diese Ergebnisse, unsere positive Bestimmung des Beweisziels der metaphysischen Deduktion, die wir durch die Analogie zur

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transzendentalen sthetik und eine erste pauschale Abgrenzung von der transzendentalen Deduktion gewonnen haben (Abs. 1), durch einige wichtige negative Bestimmungen weiter einzugrenzen. Zur Erinnerung: Den ußerlichen Anlass zur genaueren Untersuchung des Verhltnisses von metaphysischer und transzendentaler Deduktion, bildeten die Fragen, in welcher Weise der Anschauungsbezug der Kategorien eine Rolle bereits in der metaphysischen Deduktion spielt und, inwiefern der normative Charakter der metaphysischen Deduktion in einer Weise verstanden werden kann, dass damit nicht der Unterschied von metaphysischer und transzendentaler Deduktion verwischt wird. Was die Frage des Anschauungsbezugs der Kategorien anbelangt, so haben die bisherigen berlegungen gezeigt, dass sich die metaphysische Deduktion der Kategorien nur auf „Anschauung berhaupt“ beziehen kann, allein schon deswegen, weil sonst die Strategie der B-Deduktion nicht mçglich wre. Wengleich dieses Ergebnis wenig berraschend ist, da man von einer „isolierten Betrachtung des Verstandesvermçgens“ etwas anderes ohnehin nicht erwarten wrde, ist es doch von erheblicher Bedeutung fr eine Interpretation der metaphysischen Deduktion. Denn da zur Zeit deren Abfassung die Unterscheidung von „Anschauung berhaupt“ und „unserer sinnlichen Anschauung“ noch keine systematische Rolle spielte, und sich im Text nicht wenige Verweise auf die Ergebnisse der transzendentalen sthetik finden (vgl. insb. B102 f.), kann die Frage, ob der Bezug auf spezifische Thesen ber die Art unserer Sinnlichkeit dort eine Rolle spielt, nicht so ohne weiteres vernachlssigt werden. Es ist daher von einigem Wert zu sehen, dass man aus der Art und Weise, wie die Unterscheidung in der transzendentalen Deduktion der zweiten Auflage systematisch eingefhrt wird, folgern kann, dass die metaphysische Deduktion ihrerseits eindeutig darauf verpflichtet ist, sich in diesem Punkt auf den Bezug zur „Anschauung berhaupt“ zu beschrnken. Das heißt, die isolierte Untersuchung des Verstandes, die Kant hier unternimmt, muss sich, was unsere Sinnlichkeit anbelangt, auf die Aussage beschrnken, dass wir berhaupt Anschauungen haben, mit anderen Worten, dass wir neben dem spontanen Verstandesvermçgen, ein rezeptives Vermçgen, Anschauungen zu empfangen, annehmen mssen, – welcher Art diese auch immer sein mçgen.28 28 Diese Einschrnkung ist aber ganz entscheidend bei der Erçrterung dessen, was Kant in der metaphysischen Deduktion unter einer „Synthesis von Vorstellungen“ versteht. Denn versteht man unter einer solchen von vornherein die Synthesis eines raumzeitlich gegebenen Mannigfaltigen – was Kant leider selbst nahelegt – und

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Wie verhlt es sich aber mit der zweiten oben gestellten Frage, die mit dem normativen Charakter der metaphysischen Deduktion, so wie wir sie von ihrem Beweisziel her interpretiert haben, zu tun hat? Sind die obigen berlegungen richtig, dann hat der Nachweis, dass es reine Verstandesbegriffe geben muss, wenngleich dies eine normative Aussage ist, nichts mit dem rechtmßigen Gebrauch oder der „objektiven Gltigkeit“ jener Begriffe zu tun. Entscheidend ist, dass es sich bei der Frage, ob es reine Verstandesbegriffe gibt und der Frage nach der objektiven Gltigkeit dieser reinen Verstandesbegriffe um zwei vçllig verschiedene Problemstellungen handelt. Whrend es in der metaphysischen Deduktion um die ,Urteilsfhigkeit‘ von Gegenstnden geht, handelt die transzendentale Deduktion von der ,Bewusstseinsfhigkeit‘ unserer Gegenstnde: Nachdem die metaphysische Deduktion gezeigt hat, was die Bedingungen fr das Denken eines (beurteilbaren) Gegenstandes sind, hat die transzendentale Deduktion zu zeigen, dass dies darber hinaus auch diejenigen Bedingungen sind, derer wir bedrfen, um einen Gegenstand berhaupt zu Bewusstsein zu bringen. Anhand einer Interpretation des ersten Beweisschritts der BDeduktion haben wir gesehen, dass dieses Ergebnis erreicht wird, indem das Erkenntnisthema der metaphysischen Deduktion im Bewusstseinsgeht man unter diesem Blickwinkel an die Interpretation des Satzes: „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit“, dann ist es sehr schwer, diesem Satz einigen Sinn abzugewinnen. Denn wie auch immer man diese Aussage interpretiert, es ist nicht leicht einzusehen, was logische Verknpfungsregeln mit sinnlichen Ordnungsleistungen zu tun haben kçnnten. Hier ist es von ganz entscheidendem Vorteil, sich von den Vormeinungen, die man sich mçglicherweise in der transzendentalen sthetik ber das in Raum und Zeit gegebene Mannigfaltige gemacht hat, zu befreien, und sich nicht zu fragen, wie ein raumzeitlich gegebenes Mannigfaltiges durch Regeln, die irgend etwas mit den Funktionen in den Urteilen zu tun haben, verbunden werden kçnnte, sondern umgekehrt: Wie muss etwas sinnlich Gegebenes, welcher Art es auch sein mag, organisiert sein, um den Funktionen des Verstandes gemß zu sein, welche dieser bedarf, um etwas als Gegenstand denken zu kçnnen? Diese Fragerichtung hat den Vorteil, sich nicht mit mçglicherweise problematischen Vormeinungen ber unsere Sinnlichkeit herumschlagen zu mssen, sondern der generellen Untersuchungsart der metaphysischen Deduktion gemß, die Bedingungen ausfindig zu machen, denen Anschauungen seitens des Verstandes gemß sein mssen. Ob diese Bedingungen auch seitens unserer Sinnlichkeit erfllt werden kçnnen, ist eine Frage, die, so die hier vorgeschlagene Interpretation, letztlich erst im Grundsatzkapitel erçrtert werden kann. Erst dort kann im Detail nachgewiesen werden, dass diese Bedingungen auf unsere Art der Anschauung anwendbar sind (Vgl. Kap. II. Einleitung).

2. Metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion

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thema der transzendentalen Deduktion fundiert wird. Dieser Umstand sollte nun allerdings nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass jene vertiefende Analyse des Verstandes, wie wir sie in §19 beobachtet haben, fr die metaphysische Deduktion selbst in Anspruch genommen werden muss. Denn wenn auch das Thema der Erkenntnis von Gegenstnden aus der metaphysischen Deduktion hier durch das Bewusstseinsthema und den Bezug auf die transzendentale Einheit der Apperzeption vertieft wird, so haben wir es dennoch mit zwei verschiedenen Aspekten des Gegenstandes zu tun. Zwar muss die transzendentale Einheit der Apperzeption der letzte Grund und das Prinzip auch des urteilenden Verstandes sein, so dass auch die Formen der Urteile, bzw. die Funktionen, auf denen jene beruhen, letztlich in der transzendentalen Einheit der Apperzeption zu verankern sind, und es ist von daher auch ganz gerechtfertigt, wenn man etwa einen Vollstndigkeitsbeweis fr die Funktionen der Urteile leisten will, sich, wie Reich, auf das Thema der transzendentalen Apperzeption zu beziehen. Ob ein solches Vorgehen erfolgversprechend ist, sei hier dahingestellt. Wichtig ist aber zu sehen, dass eine solche vertiefende Fundierung des urteilenden Verstandes – in seinem letzten Prinzip – nichts zum Verstndnis des Hauptpunktes der metaphysischen Deduktion, nmlich der Ableitung der Kategorien aus den Urteilsfunktionen, beitrgt. Schließlich handelt es sich dabei um eine der Untersuchung der transzendentalen Deduktion vorgeordnete und zunchst einmal davon unabhngige Frage.29 Wir haben also anlsslich der Untersuchungen zum Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Deduktion das Beweisziel der metaphysischen Deduktion noch zustzlich durch zwei negative Bestimmungen eingegrenzt: Es darf in derselben nicht Bezug auf unsere sinnliche Art der Anschauung genommen werden, und es sollte dabei auch der Bezug auf die transzendentale Einheit der Apperzeption keine Rolle spielen, um die jeweiligen Beweisziele von 29 Das Thema der transzendentalen Deduktion, also im weitesten Sinne die Mçglichkeit des Gegenstandsbezugs berhaupt, spielt in der metaphysischen Deduktion noch keine Rolle. Vielmehr geht diese schlicht davon aus, dass wir uns auf Gegenstnde beziehen und muss als eine erste Stufe der Frage, welchen Bedingungen Gegenstnde gemß sein mssen, um erkannt werden zu kçnnen, verstanden werden, und zwar nicht, indem nach dem Gegenstandsbezug als solchem gefragt wird, welcher nur in Rekurs auf die transzendentale Einheit der Apperzeption angegangen werden kann, sondern, indem nach der Struktur und internen Verfasstheit gefragt wird, welche erkenntnis- und das heißt hier urteilsfhige Gegenstnde aufweisen mssen, um den Bedingungen des urteilenden Verstandes gemß zu sein. Kurz: Es geht hier nicht um die Art des Gegenstandsbezugs, sondern um die Struktur, die der beurteilbare Gegenstand als solcher aufweisen muss.

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metaphysischer und transzendentaler Deduktion nicht unnçtig zu verwischen. Fassen wir vor diesem Hintergrund noch einmal den Gesamtgang der bisherigen Argumentation, soweit sie nur die Bestimmungen betreffen, die mit der metaphysischen Deduktion zu tun haben, zusammen: Wir haben das Beweisziel der metaphysischen Deduktion in Analogie zur transzendentalen sthetik (und ihrem analogen Verhltnis von metaphysischer und transzendentaler Erçrterung) abgesteckt, und festgestellt, dass es, und zwar ganz hnlich wie im Falle Letzterer, in isolierter Betrachtung des Verstandes, um die Entdeckung reiner Verstandesbegriffe, die das Denken von Gegenstnden ermçglichen sollen, gehen muss. Wir haben weiter gesehen, dass es sich dabei um subjektiv notwendige Bedingungen des Denkens handeln muss. Dies in Abgrenzung zur transzendentalen Deduktion der Kategorien, die es mit der objektiven Gltigkeit dieser subjektiven Bedingungen zu tun hat, und zwar, indem sie diese bezieht auf das Gegebensein von sinnlichen Anschauungen, ohne welche eine Erkenntnis von Gegenstnden letztlich nicht mçglich wre. Dabei musste dieses Gegebensein von Anschauungen, um zu einer gehaltvollen transzendentalen Deduktion zu kommen, in einem ersten Schritt auf den Sachverhalt einer bloßen „Anschauung berhaupt“ beschrnkt werden. Letzteres ist ein Rckverweis darauf, dass wir in der metaphysischen Deduktion keine Aussagen ber die Art unserer sinnlichen Anschauung machen sollten, also uns auf keine Details aus der transzendentalen sthetik einlassen drfen. Ebenso wenig, dies hat die Konfrontation der metaphysischen mit der transzendentalen Deduktion gezeigt, drfen wir uns auf Ergebnisse der Letzteren beziehen, um den Aufweis der Kategorien aus ihrem Ursprung im urteilenden Verstand nicht vorschnell zu infiltrieren mit dem Thema der objektiven Gltigkeit (das von jeher geeignet war, zu zahlreichen Missverstndnissen ber Ziel und Argument der metaphysischen Deduktion zu veranlassen, vgl. Einleitung). Das heißt konkret: Wir sollten auf das Thema der transzendentalen Einheit der Apperzeption nicht in einem argumentatorisch relevanten Sinn Bezug nehmen. Nun sind diese Anforderungen an eine isolationistische Betrachtung der metaphysischen Deduktion, sieht man auf den inhaltlich ausgefhrten Argumentationsgang, hoch gesteckt. Es finden sich zahlreiche Bezge nicht nur auf Themen der transzendentalen Deduktion, sondern auch auf solche der transzendentalen sthetik. Doch nicht nur die methodische Ein- und Abgrenzung des Beweisziels derselben, sondern auch die Betrachtung der Art, wie in der folgenden transzendentalen Deduktion auf ihre Ergebnisse Bezug genommen wird (dies betrifft vor

3. Das Argument der metaphysischen Deduktion

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allem die Handhabung von „Anschauung berhaupt“ und das Thema der objektiven Gltigkeit) zeigen, dass es unerlsslich ist, zumindest den Versuch zu unternehmen, von jenen Themen zu abstrahieren. Die folgenden Untersuchungen sollen zeigen, dass dies auch tatschlich mçglich ist, denn zahlreiche der Bezge, die Kant hier zum Umfeld der metaphysischen Deduktion aufstellt, erfolgen in Art von Analogien oder haben lediglich illustrierenden, erklrenden oder vertiefenden Charakter, sind aber nicht notwendig, um das Argument der metaphysischen Deduktion in seiner Kernform nachzuvollziehen. Um die Rekonstruktion dieses Kernarguments geht es im nun folgenden dritten Abschnitt des Kapitels. Dabei wird sich zeigen, dass jene problematischen Bezge etwa auf die reinen Anschauungsformen und die Theorie der Synthesis der Einbildungskraft auf eine Stufe zu stellen sind mit Textstellen, in denen Kant mit der ihm eigentmlichen Unbekmmertheit Bezug nimmt auf Theorieelemente, die streng genommen innerhalb eines bestimmten Argumentes nicht verwendet werden drfen, die aber durchaus zum Verstndnis und zur illustrativen Einbettung eines Argumentes beitragen, solange sie nicht in die Begrndungsleistung eben jenes Arguments eingehen. Außerdem wird sich zeigen, dass andererseits gerade unter Abstraktion dieser illustrierenden Bezge, das Argument der metaphysischen Deduktion zu einer Form findet, das zahlreiche Missverstndnisse von vornherein ausschließt, indem es das Ergebnis in einer durchaus nicht unvorteilhaften Weise bezglich einiger ansonsten sehr problematischen Aspekte noch offen lsst. Dass diese Offenheit des Ergebnisses ein erheblicher Vorteil ist, werden die brigen Kapitel dieser Studie zeigen. Doch zunchst mssen wir versuchen, das inhaltliche Argument, unter den nun abgesteckten Vorgaben bezglich des Beweisziels der metaphysischen Deduktion, zu rekonstruieren.

3. Das Argument der metaphysischen Deduktion Nach den bisherigen methodischen Festlegungen muss es in der metaphysischen Deduktion in jedem Fall darum gehen, reine Verstandesbegriffe ausfindig zu machen, die das Denken von Gegenstnden ermçglichen sollen. Hinsichtlich dieser Zielsetzung besteht, wie wir gesehen haben, eine Analogie zur metaphysischen Erçrterung in der transzendentalen sthetik. Hatte Letztere den Nachweis von formalen Bedingungen unserer Anschauungen von Gegenstnden zum Ziel, so muss es nach allem bisher Gesagten, in der metaphysischen Deduktion ihrerseits um den Nachweis von formalen Bedingungen des Denkens von Gegenstnden gehen. Dabei

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I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien

haben uns schon die unterschiedlichen Untersuchungsarten, die mit den Begriffen einer „Erçrterung“ und einer „Deduktion“ verbunden sind, darauf aufmerksam gemacht, dass wir es trotz der gemeinsamen Zielsetzung bei den jeweiligen Untersuchungen mit einer gnzlich verschiedenen Argumentationsbasis zu tun haben. Whrend sich die transzendentale sthetik auf das Gegebensein von rumlichen und zeitlichen Vorstellungen berufen konnte, so dass der apriorische Status der Raum- und Zeitvorstellung in Bezug auf dieses Gegebensein durch eine relativ einfache Erçrterung der Begriffe von Raum und Zeit nachgewiesen werden konnte, steht eine derartige Basis in der metaphysischen Deduktion nicht zur Verfgung. Vielmehr mssen, wie schon mehrfach betont, die reinen Verstandesbegriffe im Gegensatz zu den Vorstellungen von Raum und Zeit, bei denen es nur um den Nachweis ging, dass es sich dabei um apriorische Vorstellungen handelt, allererst „entdeckt“ werden. Alles, was uns bei diesem Unternehmen zur Verfgung steht, ist die Annahme, dass das Denken von Gegenstnden durch Begriffe erfolgt, und daher das ,Vermçgen zu denken‘ als ein ,Vermçgen der Begriffe‘ qualifiziert werden kann. Mit anderen Worten: Das Denken von Gegenstnden, das fr Kant, wie wir wissen, eine erforderliche Komponente fr einen jeden Erkenntnisfall ist, kann nur durch begriffliche Bezugnahme auf Gegenstnde erfolgen. Nun bringt uns diese Festlegung als solche noch gar nichts fr die Frage ein, ob es mçglicherweise auch apriorische Begriffe geben kçnnte; vielmehr spricht zunchst alles dafr, dass es sich bei den Begriffen, durch die wir uns auf Gegenstnde beziehen, um empirische, aus der Erfahrung gewonnene, Begriffe handelt. Whrend unsere Sinnlichkeit einen quasi natrlichen Ansatzpunkt bietet, um ihre formalen Bedingungen ausfindig zu machen, in dem alle unsere sinnlichen Vorstellungen durch Rumlichkeit oder Zeitlichkeit ausgezeichnet sind, muss die Diversitt empirischer Begriffe allererst auf gemeinsame Konstanten zurckgefhrt werden, um zu einer Basis zu gelangen, auf der nach den formalen und apriorischen Bedingungen unseres Denkens, und das heißt unseres begrifflichen Bezugs auf Gegenstnde gesucht werden kann. Unsere Frage muss dann konsequenterweise lauten: Worauf beruhen eigentlich der Gebrauch und die Bildung empirischer Begriffe aus der Erfahrung? Genau diese Frage ist es, die sich Kant im ersten Abschnitt des Leitfadenkapitels vornimmt, indem er das Verstandesvermçgen, das zunchst als ein ,Vermçgen der Begriffe‘ ausgezeichnet war, einer logischen Analyse unterzieht und nachweist, dass es sich dabei letztlich und in Wahrheit um ein ,Vermçgen zu urteilen‘ handelt (B94/A69). Durch eine logische Analyse des Gebrauchs und zumindest ansatzweise auch der Bil-

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dung von empirischen Begriffen, welche deren Mçglichkeit auf ein bestimmtes Set von logischen Grundhandlungen zurckfhrt, wird erst die Grundlage fr die Frage nach apriorischen Verstandesbegriffen geschaffen, indem logische Grundkonstanten in unserem begrifflichen Bezug auf Gegenstnde herausgestellt werden, die geeignet sind, in einem zweiten Schritt zu der eigentlich transzendentallogischen Fragestellung berzuleiten, welches die reinen Begriffe des Denkens eines Gegenstandes sind. In diesem Sinn handelt es sich erst im dritten Abschnitt des Leitfadenkapitels um die eigentliche metaphysische Deduktion der Kategorien, whrend der erste und ansatzweise auch der zweite Abschnitt, welche durch eine logische Analyse des Verstandesvermçgens die Basis fr jene Kategoriendeduktion zu liefern haben, als Teile der metaphysischen Deduktion im weiteren Sinn verstanden werden kçnnen. 3.1. „Von dem logischen Verstandesgebrauche berhaupt“ Dass das Denken von Gegenstnden nur durch Begriffe erfolgen kann, steht fr Kant, wenn er sich an den ersten Leitfadenabschnitt macht, wie gesagt bereits fest, so dass man ihm die etwas umstndliche Art, in der er diesen Sachverhalt zu Beginn der Untersuchung noch einmal im Abgrenzung zur Sinnlichkeit herausstreicht, verzeihen mag. Interessanter als die bloße Definition der Verstandeserkenntnis als begriffliche Erkenntnis ist denn auch die Art, in der er sie von einer anschaulichen „Erkenntnis“ abgrenzt und zugleich mit ihr in Beziehung setzt: „Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe also auf Funktionen“ (B93/ A68). Lassen wir einmal außer Betracht, dass das „also“ hier mehr als irritierend ist, taucht doch der Begriff der Funktion an dieser Stelle zum ersten Mal auf, und betrachten wir nur das Abhngigkeitsverhltnis, das hier in Analogie zum Fall der Sinnlichkeit zum Ausdruck kommt: So wie Anschauungen auf Affektionen beruhen, also keineswegs mit ihnen identisch sind, sollen Begriffe ihrerseits auf Funktionen beruhen. Wenn Kant dann im folgenden Satz den Begriff der Funktion als „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ (ebd.) definiert, dann kann dies zunchst einmal nicht heißen, dass Begriffe mit solchen Funktionen zu identifizieren sind, sondern nur, dass sie – in welcher Art auch immer – von solchen Funktionen abhngen.30 30 Vgl. auch den folgenden Satz: „Begriffe grnden sich also auf die Spontaneitt des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivitt der Eindrcke“ (ebd.,

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Nun kann man die Aussage, dass Begriffe in dem genannten Sinne auf Funktionen beruhen, auf zwei ganz unterschiedliche Weisen verstehen: 1) Die Funktionsbeschreibung als „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlich zu ordnen“ kçnnte man, wenn man dabei eine Art Reflexion auf die Diversitt verschiedener sinnlicher Vorstellungen im Blick hat, auf die Kantische Theorie der empirischen Begriffsbildung durch die logischen Akte Komparation, Reflexion und Abstraktion beziehen. 2) Mit Blick auf die im Text folgenden Funktionsdefinitionen liegt es dagegen nahe, hier schon eine Vorwegnahme der Beschreibung der Urteilshandlungen als „Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen“ zu vermuten. In diesem Sinne wrden Begriffe nicht ihrer Entstehung, sondern ihrem Gebrauch nach auf Funktionen beruhen. Kompliziert wird die Lage noch dadurch, dass man im Hinblick auf das Beweisziel der metaphysischen Deduktion der Auffassung sein kçnnte, dass es sich hier um eine Definition des Funktionsbegriffs handelt, die bereits darauf ausgerichtet ist, die reinen Verstandesbegriffe ausfindig zu machen, dergestalt, dass diese wie alle Begriffe auf bestimmen logischen Funktionen oder Handlungen zu beruhen haben. Das Problem mit dieser Auffassung besteht darin, dass sie weder mit der ersten, noch mit der zweiten Interpretation, welche eindeutig im Zentrum des Textes stehen, in unmittelbarem Zusammenhang steht, so dass man gut daran tut, bei der vorbereitenden logischen Analyse unseres Verstandesvermçgens die Frage nach den reinen Verstandesbegriffen noch auszuklammern. Wichtiger ist die Frage, ob es bei der hier vorgestellten Funktionsdefinition um eine Theorie ber den Begriffsgebrauch (in Urteilen) oder die Begriffsbildung handeln soll. Unter Vorausblick auf den dritten Abschnitt des Leitfadenkapitels, in dem das Thema der empirischen Begriffsbildung eine zentrale, wenngleich mçglicherweise nur einfhrende Rolle spielt, muss man wohl sagen, dass Kant beide Themen im Auge hat. Und wenn uns Kant auch hierber nicht explizit belehrt, so ist zu vermuten, dass er der Meinung ist, dass die logischen Operationen, die mit der Bildung empirischer Begriffe zu tun kursiv v. Verf.). Entscheidend ist, dass zwar, und dies ist insbesondere fr die Kategorien von Bedeutung, Begriffe als Regeln, mithin in einem gewissen Sinne als Funktionen aufgefasst werden kçnnen; dabei handelt es sich aber um schematische Synthesisregeln, whrend es sich sowohl bei der hier gegebenen Funktionsbeschreibung als auch bei den im Zusammenhang damit stehenden Begriffen eindeutig um diskursive Regeln handeln soll (vgl. zu diesem Unterschied: Longuenesse 1998a, S. 47 und Allison 2004, S. 79 f.).

3. Das Argument der metaphysischen Deduktion

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haben, in engstem Zusammenhang stehen mit den logischen Funktionen in den Urteilen.31 Da aber der Aspekt des Begriffsgebrauchs wiederum eindeutig den Fokus der Untersuchung bildet – und zwar, wie wir sehen werden, aus gutem Grund –, soll vor allen Dingen diese Argumentationslinie verfolgt werden. Die erste gehaltvolle These in dieser Richtung besagt nun, dass der Verstand von Begriffen keinen anderen Gebrauch machen kçnne, „als daß er dadurch urteilt“ (B93/A68). Dies deswegen, weil nach Kants Auffassung Begriffe sich nicht unmittelbar auf einen Gegenstand, sondern nur „auf irgend eine andre Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff )“ beziehen kçnnen (ebd.). Ein Begriff kann sich daher nur ber einen anderen Begriff, oder ber eine Anschauung auf einen Gegenstand beziehen. Eine solche Bezugnahme von Begriffen auf andere Begriffe, oder auf Anschauungen, erfolgt aber im Urteil. So kann denn auch das Urteil als „die mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes“ (ebd.) betrachtet werden. Diese Auffassung ist nicht unproblematisch. Denn wenn wir fragen, warum sich eigentlich Begriffe nicht unmittelbar auf einen Gegenstand beziehen kçnnen, dann erhalten wir die Antwort, dass sich nur Anschauungen unmittelbar auf einen Gegenstand beziehen kçnnen (ebd.). Demnach kçnnte aber nur die Bezugnahme eines Begriffes auf eine Anschauung in einem Urteil den Begriff bzw. das Urteil auf den Gegenstand beziehen, – was die einigermaßen merkwrdige Auffassung nahe legt, Anschauungen kçnnten in irgendeiner Weise – etwa an Subjektstelle – in einem Urteil selbst auftreten, und nur solche „Urteile“ wren gegenstandsbezogen. Dieser Auffassung widerspricht aber schon die Tatsache, dass sich nach dem Obigen zumindest auch solche Urteile, in denen ein Begriff auf einen anderen Begriff bezogen wird, auf Gegenstnde beziehen kçnnen sollen. Eine wnschenswerte Klrung des Sachverhaltes liefert dann auch Kants Beispiel eines solchen Urteils: In jedem Urteil ist ein Begriff, der fr viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche letztere denn auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird. So bezieht sich z. B. in dem Urteile: alle Kçrper sind teilbar, der Begriff des Teilbaren auf verschiedene andere Begriffe; unter diesen aber wird er hier besonders auf den Begriff des Kçrpers bezogen; dieser aber 31 Zu einer Interpretation, welche diesen Zusammenhang, im Rckgriff auf Kants Lehre der Reflexionsbegriffe, ganz explizit macht: vgl. Longuenesse 1998a, S. 131 ff. Das Problem der empirischen Begriffsbildung wird uns an mehreren Stellen sowohl in diesem Kapitel als auch insbesondere im Rahmen der Qualittsproblematik und im Zusammenhang mit dem disjunktiven Urteil noch eigens zu beschftigen haben (vgl. Kap. II.2.2. und II.2.3.).

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auf gewisse uns vorkommende Erscheinungen. Also werden diese Gegenstnde durch den Begriff der Teilbarkeit mittelbar vorgestellt. (B93 f./A68 f.)

Von Bedeutung ist hier zunchst einmal, dass sich der Subjektbegriff in einem Urteil (hier der Begriff des ,Kçrpers‘), durchaus – und zwar unmittelbar – auf Gegenstnde beziehen kann. Widerspricht dies der zuvor gemachten Aussage, dass sich nur Anschauungen, nicht aber Begriffe unmittelbar auf Gegenstnde beziehen kçnnen? Nur oberflchlich. Denn, worauf Kant hier abzielt, ist, dass sich der Subjektbegriff eines Urteils auf einen Gegenstand als Erscheinung, bzw. auf „gewisse uns vorkommende Erscheinungen“ bezieht. Was er dagegen mit seinem Diktum, nach dem sich nur Anschauungen auf Gegenstnde unmittelbar beziehen kçnnen, im Auge hat, ist, dass uns nur durch Anschauungen Gegenstnde gegeben werden. Man kçnnte die hier vertretene Auffassung, wenn man den Unterschied von ,Erscheinung‘ und ,Anschauung‘ nicht berstrapaziert, also durchaus auch so formulieren, dass sich der Subjektbegriff eines Urteiles letztlich auf Anschauungen (durch die uns Gegenstnde gegeben werden) zu beziehen hat. Denn Anschauungen sind nach der transzendentalen sthetik dasjenige, „worauf alles Denken als Mittel abzweckt“ (B33/A19). Entscheidend ist also, dass der Bezug von Begriffen auf Anschauungen nicht, wie man anfnglich vermuten kçnnte, so verstanden werden muss, dass das Urteil einen Begriff auf eine Anschauung bezieht, sondern dass das Urteil als solches – mittels des Subjektbegriffs – auf Anschauungen bezogen werden kçnnen muss. Dies kommt im Beispiel klar zum Ausdruck. Kant unterscheidet hier deutlich zwischen der Funktion des Subjektbegriffs und der des Prdikatbegriffs. „In jedem Urteil“, schreibt er, „ist ein Begriff, der fr viele gilt“. Mit diesen Vielen, das macht die Diskussion des Satzes „Alle Kçrper sind teilbar“ deutlich, sind andere Begriffe gemeint, – so bezieht sich „der Begriff des Teilbaren auf verschiedene andere Begriffe“. Worauf sich Kant hier beruft ist also, dass jeder Begriff einen Umfang haben muss, was zumindest in einer der bei Kant mçglichen Bedeutungen von „Begriffsumfang“ heißt, dass jeder Begriff als Allgemeinbegriff immer noch andere Begriffe unter sich enthalten muss (siehe unten). Diese Funktion bernimmt im Beispiel der Prdikatbegriff des Urteils. Im Urteil wird nun dieser Prdikatbegriff auf einen von vielen mçglichen anderen Begriffen, den Subjektbegriff, bezogen. Dieser wiederum ist „auf den Gegenstand unmittelbar“ bzw. auf „gewisse uns vorkommende Erscheinungen“ bezogen. Auffllig ist, dass sich die Funktion des Subjektbegriffs soweit darauf beschrnkt, als Referent fr einen Gegenstand zu fungieren. Vorgestellt

3. Das Argument der metaphysischen Deduktion

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werden soll der Gegenstand aber nicht durch den Subjektbegriff, dem hier eine bloß vermittelnde Funktion zukommt, sondern durch den Prdikatbegriff: „Also werden diese Gegenstnde durch den Begriff der Teilbarkeit mittelbar vorgestellt“. Was Kant hier also im Auge hat, ist eine Art des urteilenden Gegenstandsbezugs, die als prdikative Erkenntnis von Gegenstnden aufgefasst werden muss. Nun kçnnen wir zumindest schon ansatzweise verstehen, warum Kant der Meinung ist, dass wir uns nicht durch Begriffe allein, sondern nur mittels Urteilen auf Gegenstnde beziehen kçnnen. Denn nur im Urteil fllen wir eine Aussage ber den Gegenstand, die darin zum Ausdruck kommt, dass wir einem unter einem bestimmten Subjektbegriff „festgehaltenen“ oder bezeichneten Gegenstand durch ein Prdikat eine bestimmte, allgemeine Eigenschaft zusprechen.32 In diesem Sinn kçnnte auch davon gesprochen werden, dass wir es beim Urteil mit einer Verallgemeinerung oder Hierarchisierung in Bezug auf einen Gegenstand zu tun haben. Und zwar solcherart, dass „statt einer unmittelbaren Vorstellung eine hçhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht, und viel mçgliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden.“ (B94/A96) Begriffe kçnnen also nach alldem in einem Urteil auf zwei verschiedene Weisen gebraucht werden, die sich nach einer Unterscheidung von Wolff als prdikativer und nicht-prdikativer (unmittelbar gegenstandsbezogener) Gebrauch von Begriffen in Urteilen kontrastieren lassen: „Dadurch, daß nicht-prdikativ gebrauchte Begriffe im Urteil unmittelbar auf Gegenstnde bezogen werden, vermitteln sie die Beziehung der Urteilsprdikate auf Gegenstnde“ (1995, S. 83). Die Annahme von unmittelbar gegenstandsbezogenen Begriffen an Subjektstelle eines Urteiles ist dabei notwendig, um erklren zu kçnnen, dass sich Urteile auf Gegenstnde beziehen, wenn man die paradoxe Auffassung vermeiden will, dass an Subjektstelle eines Urteiles Anschauungen auftreten. Dennoch ist diese Sichtweise, im Rahmen der Kantischen Begriffstheorie, ihrerseits nicht unproblematisch. Denn ,Begriff‘ ist fr Kant nur der ,allgemeine Begriff‘ (conceptus communis) – die Form des Begriffes ist die Allgemeinheit (vgl. §2 der Jsche-Logik, AA. IX). Im Gegensatz zur traditionellen Logik seiner Zeit, kennt Kant denn auch in seinem logischen Vokabular keinen ,singulren Begriff‘ (conceptus singularis). Diese Auffassung hat damit zu tun, 32 Die bezeichnende Funktion des Subjektbegriffes selbst wird im Rahmen der Substanzproblematik noch eine wichtige Rolle spielen (vgl. Kap. II.3.1.) Im Zusammenhang mit der metaphysischen Deduktion aber ist vor allen Dingen der prdikative Gebrauch von Begriffen von Bedeutung.

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dass nach Kant jeder Begriff einen Umfang haben muss, und zwar in dem Sinn, dass – wie oben beim Begriff der Teilbarkeit – jeder Begriff noch andere Begriffe unter sich enthalten kçnnen muss (vgl. Logik Busolt, AA. XXIV, S. 665). Nur wenn ein Begriff einen solchen logischen Umfang hat, kann er in Subordinationsverhltnissen mit anderen Begriffen stehen (vgl. Logik Pçlitz, AA. XXIV, S. 569). Singulre Begriffe haben aber keinen Umfang in diesem Sinne. Dies alles ist nun deswegen problematisch, weil es nach der oben skizzierten Urteilskonzeption unter der Voraussetzung, dass an Subjektstelle nur „Allgemeinbegriffe“ auftreten drfen, so aussieht, als wre sie nur fr allgemeine und partikulare Urteile, nicht aber fr singulre Urteile anwendbar. Wir scheinen dazu gezwungen zu werden, durch die Hintertr doch wieder den unmittelbaren Bezug eines (Prdikat-)Begriffs auf eine Anschauung einfhren zu mssen, um zu erklren, wie sich ein Urteil auf etwas Einzelnes beziehen kann. Denn die Vorstellung eines Einzelnen kann fr Kant nur Anschauung heißen (vgl. Stuhlmann-Laeisz 1976, S. 77). Doch ganz so dramatisch ist die Lage nicht. Denn obgleich Kant keine Unterscheidung von allgemeinen und singulren Begriffen kennt, so ermçglicht es doch seine Urteilstheorie, den entsprechenden Unterschied durch den verschiedenen Gebrauch eines Begriffes zu erklren. In der Wiener Logik wird dies anhand des allgemeinen Begriffes ,Haus‘ deutlich gemacht. Dieser Begriff kann je nach Urteilsart in einem allgemeinen, besonderen oder einzelnen Urteil gebraucht werden. Fllt man etwa ein Urteil wie „alle Huser mssen ein Dach haben“, dann gebraucht man den Begriff des Hauses „universalis“, fllt man dagegen das Urteil: „dieses Haus ist so oder so abgeputzt“, dann wird der Begriff „singularis“ gebraucht. Kant folgert: „Wir theilen also nicht die conceptus in universales, particulares und singulares ein, sondern die Urtheile“ (AA. XXIV, S. 909, vgl. dazu auch Stuhlmann-Laeisz, ebd.). Die oben aufgestellte Urteilskonzeption ist also problemlos auch auf solche singulre Urteile anwendbar, in denen allgemeine Begriffe dazu dienen, nur einen einzelnen Gegenstand zu bezeichnen. Wie verhlt es sich aber mit Urteilen, in denen indexikalische Ausdrcke oder Eigennamen an Subjektstelle stehen? Dabei handelt es sich klarerweise um Ausdrcke, die in der Kantischen Konzeption keine Begriffe sein kçnnen, denn von ihnen gilt, dass sie (im Gegensatz etwa zu singulr gebrauchten Allgemeinbegriffen) keinen logischen Umfang haben.33 Im Ergebnis wird man sagen mssen, dass es sich dabei im Kanti33 Vgl. zu diesem Problem Wolff (1995), der davon ausgeht, dass die Urteilskonzeption im Leitfadenkapitel nur eine spezielle Klasse von Urteilen, unter Ausschluss

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schen Rahmen weder um Begriffe, noch um Anschauungen handelt, sondern um reine Referenzausdrcke (die, im Gegensatz zu Begriffen im eigentlichen Sinn, nur an Subjektstelle eines Urteils auftreten kçnnen). Indem diese Ausdrcke einen Gegenstand bezeichnen, stehen sie aber durchaus auf einer Stufe mit den nicht-prdikativ gebrauchten und unmittelbar-gegenstandsbezogenen Begriffen, von denen wir gesagt haben, dass sie in einem Urteil die Beziehung eines Prdikatbegriffs auf einen Gegenstand zu vermitteln haben. – Was uns wiederum darauf aufmerksam machen sollte, dass auch der Gebrauch dieser Begriffe im Beispiel darauf beschrnkt war, einen Gegenstand zu bezeichnen. Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass diese Begriffe im Gegensatz zu bloßen Referenzausdrcken nicht in dieser ihrer bezeichnenden Funktion (die ihnen nur durch ihren Gebrauch an Subjektstelle eines Urteils zukommt) aufgehen. Als „allgemeine Begriffe“ haben sie nmlich, wie alle Begriffe, selbst wiederum einen – wie auch immer genau zu spezifizierenden – Umfang. Kant macht dies ganz deutlich in seinem zweiten Beispiel, das er durch die Bemerkung einleitet, dass Begriffe als „Prdikate mçglicher Urteile“ aufgefasst werden kçnnen mssen. In diesem Beispiel stellt Kant klar, dass auch der Subjektbegriff eines Urteils (dem im ersten Beispiel eine bloß vermittelnde Funktion in Bezug auf den Gegenstand zukam, Begriff des ,Kçrpers‘) selbst wiederum als Prdikat aufgefasst werden kçnnen muss, – als Prdikat eines mçglichen Urteils: So bedeutet der Begriff des Kçrpers etwas, z. B. Metall, was durch jenen Begriff erkannt werden kann. Er ist also nur dadurch Begriff, daß unter ihm andere Vorstellungen enthalten sind, vermittelst deren er sich auf Gegenstnde beziehen kann. Er ist also das Prdikat zu einem mçglichen Urteile, z. B. ein jedes Metall ist ein Kçrper. (B94/A69)

Was versteht nun Kant hier unter der „Bedeutung“ eines Begriffes? Zu beachten ist erstens, dass er hier den Subjektbegriff des vorigen Urteils im Auge hat (,Kçrper‘) und zweitens, dass er diesen Subjektbegriff nicht in der Perspektive betrachtet, in der dieser im ersten Urteil unmittelbar auf Gegenstnde oder „gewisse uns vorkommende Erscheinungen“ bezogen war. Es geht also nicht um den Anschauungsbezug eines Begriffs qua Subjektbegriff eines Urteils. Um auch hier wieder die oben schon herangezogene Unterscheidungsart Wolffs in Bezug auf den unterschiedlichen Gebrauch von Begriffen in Urteilen zu bemhen: Unter der gegenwrtigen Perspektive muss es in einer noch genauer zu spezifizierenden Weise um etwa von Urteilen, die Eigenamen oder indexikalische Ausdrcke enthalten, oder von Identittsurteilen, behandelt (vgl. S. 84 ff.).

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den nicht-prdikativen, aber nur mittelbar gegenstandsbezogenen Gebrauch eines Begriffs gehen (vgl. 1995, S. 96 ff.). Nun wre zunchst einmal zu vermuten, dass es sich bei den „anderen Vorstellungen“, die unter dem Begriff „Kçrper“ enthalten sind, um den logischen Umfang des Begriffs handelt (genau in jenem Sinne, indem auch der Begriff der „Teilbarkeit“ im ersten Beispiel durch seinen logischen Umfang, die Menge der unter ihm enthaltenen Begriffe, ausgezeichnet war). Was hieße es dann aber, dass er sich vermittelst dieser anderen Vorstellungen (=Begriffe) auf Gegenstnde beziehen kann? Im Grunde genommen htten wir es hier mit derselben Beschreibungsebene wie der des ersten Beispiels zu tun: Prdikatbegriffe beziehen sich in Urteilen ber Subjektbegriffe auf Gegenstnde. Was wir nun aber erklrt haben wollen, ist nicht, wie der Prdikatbegriff in einem „wirklichen“ Urteil gebraucht werden kann, sondern in welcher Weise der Subjektbegriff eines wirklichen Urteils darber hinaus als Prdikat, – als Prdikat eines nur mçglichen Urteils – verstanden werden kann. Nun ist der Subjektbegriff eines Urteils, – wie jeder Begriff – in einer bestimmten Hinsicht, wenn man nur auf seinen logischen Umfang Bezug nimmt, trivialerweise Prdikat eines mçglichen Urteils. Denn es liegt im Wesen des Begriffs als Allgemeinbegriff, dass das, was in ihm und unter ihm gedacht wird, in Form eines (analytischen) Urteils expliziert werden kann (vgl. dazu Refl. 3045, AA. XVI, 630). Hier bewegen wir uns aber auf einer rein intensionalen Ebene des Begriffsgebrauchs. So kann ich den Begriff des Kçrpers hinsichtlich seines Inhaltes etwa durch das Urteil: „alle Kçrper sind teilbar“ explizieren, hinsichtlich seines logischen Umfanges durch das Urteil: „jedes Metall ist ein Kçrper“ (unter der Voraussetzung, dass der Begriff „Metall“ analytisch unter dem Begriff des „Kçrpers“ enthalten ist, bzw. dass „Kçrper“ ein analytisches Merkmal von „Metall“ ist). Was aber fr die gegenwrtige Zwecke allein von Interesse ist, ist der Gegenstandsbezug von Begriffen in Urteilen. Nun lsst sich bei Kant neben der bisher verwendeten Definition des (logischen) Begriffsumfangs eine alternative Perspektive nachweisen, die unter dem Umfang eines Begriffes nicht die unter ihm enthaltenen Begriffe, sondern die „Menge der Dinge“ versteht, die unter dem Begriff enthalten sind (vgl. Wiener Logik, AA. XXIV, S. 911). Nennen wir diese Konzeption im Gegensatz zu der des logischen Umfangs, die des extensionalen Umfangs von Begriffen. Genau diese Extension eines Begriffs scheint Kant aber im Auge zu haben, wenn er sagt, dass ein Begriff etwas bedeutet: z. B. Metall. Hier scheint nmlich tatschlich der Gegenstand Metall gemeint zu sein. Dass der Begriff des ,Kçrpers‘ etwas „bedeutet“, hieße dann, in einem ganz modernen Sinn von

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Bedeutung, dass er sich auf Gegenstnde bezieht, unter anderem auf solche Gegenstnde, die als ,Metall‘ bestimmt sind.34 Was heißt es in diesem Zusammenhang dann, dass der Begriff des Kçrpers in Bezug auf jene Gegenstnde als Prdikat gebraucht wird, – als Prdikat, durch welches 34 Die Unterscheidung von „Inhalt“, „logischem Umfang“ und „extensionalem Umfang“ wird sich noch an mehreren Stellen, insbesondere im Rahmen der Substanzproblematik und im Zusammenhang mit dem „disjunktiven Urteil“, als ntzlich erweisen. Der Unterscheidung von „Inhalt“ und „extensionalem Umfang“, wie sie hier verstanden werden, entsprechen dabei ganz grob die Unterscheidung von „Sinn“ und „Bedeutung“ bei Frege (1892) und die Unterscheidung von „Intension“ und „Extension“ bei Carnap (auf die Unterschiede beider Konzeptionen und Carnaps Kritik an Frege kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu Carnap 1956). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Begriffe bei Kant auch so etwas wie einen reprsentativen Gehalt haben (vgl. dazu auch Aquila 1974). Insbesondere fragt es sich, ob sich Begriffe oder Urteile auch unabhngig von ihrem Anschauungsbezug in gehaltvoller Weise auf nur gedachte Gegenstnde oder Sachverhalte beziehen kçnnen. Zu denken wre hier vor allen Dingen an eine Konzeption, wie sie Frege (1918) vertritt, wenn er das Konzept des „Sinns“ in Zusammenhang stellt mit dem Konzept des „Gedankens“. Der Gedanke, wie ihn Frege hier versteht, ist als der Sinn eines Satzes aufzufassen und ist als solcher weder eine Vorstellung, noch ein Ding in der Außenwelt. Vielmehr ist der Gedanke eine intersubjektiv zugngliche („fassbare“) abstrakte Entitt, die sich, wenn sie wahr ist, als „Tatsache“ prsentiert. Nun scheint eine solche Position der Kantischen zunchst vçllig fremd zu sein, und es ist zweifellos eine bersteigerung, das Konzept des „Begriffsinhalts“ ber das Konzept des „Sinns“ zum Begriff des „Gedankens“ zuzuspitzen. Dennoch kann und muss, wie sich im Laufe unserer Untersuchungen noch zeigen wird, das Diktum, nachdem sich Begriffe und Urteile in einer bedeutungsvollen Weise ausschließlich auf sinnliche Anschauungen beziehen lassen, letztlich aufgebrochen werden. Dies erçffnet sich schon im analytischen Urteil, das fr Kant zwar gegenstandsbezogen ist, das aber, auch ohne auf einen sinnlichen Gegenstand Bezug zu nehmen, allein ber den „Inhalt“ eines Begriffs, also auf rein intensionaler Ebene gefllt werden kann. Wie wir spter noch sehen werden, gibt es aber auch nicht-analytische Urteile, welche gehaltvolle Aussagen ber die Wirklichkeit zulassen, ohne auf konkrete Wahrnehmungsgegenstnde bezogen zu sein. Und dies wird so zu deuten sein, dass sich diese Urteile auf eine „Welt von Sachverhalten“ beziehen, die ihrer Form nach als ein „System aller empirischen Begriffe“ auszuweisen ist. Diese Konstellation wird sich allerdings erst mit dem disjunktiven Urteil und dem Versuch, dessen Zusammenhang mit der Kategorie der Gemeinschaft herzustellen, erçffnen (vgl. Kap. II.3.3.). Wichtig ist an dieser Stelle nur, dass die Aussage, nach der Begriffe und Urteile nur im Bezug auf Anschauungen bedeutungsvoll sind, letztlich nicht aufrechterhalten werden kann. Dies gefhrdet aber nicht die im gegenwrtigen Kontext allein relevante These, dass Begriffe nur im Urteil auf Gegenstnde bezogen werden kçnnen. Denn womit wir es bisher zu tun haben, ist die Frage, wie Begriffe in synthetischen Urteilen auf anschauliche Gegenstnde bezogen werden kçnnen.

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jene Gegenstnde erkannt werden? Hier ist es ganz entscheidend, eine Bestimmung mit hinzuzunehmen, die Kant in der Einfhrung seines Beispiels vornimmt: Begriffe beziehen sich „als Prdikate mçglicher Urteile, auf irgend eine Vorstellung von einem noch unbestimmten Gegenstande“ (B94/A69, kursiv v. Verf.). Das heißt, das, was durch den Begriff ,Kçrper‘ erkannt werden soll, ist in einem gewissen Sinne noch unbestimmt. Das, was hinsichtlich des Prdikates ,Kçrper‘ noch unbestimmt ist, kann in einem „mçglichen Urteil“ als der Gegenstand, oder die Menge von Gegenstnden gedacht werden, die beispielsweise durch den Begriff ,Metall‘ bezeichnet werden. Wobei der Begriff ,Metall‘ als Subjektbegriff eines solchen mçglichen Urteils nur dazu dienen soll, auf diese – noch zu bestimmenden – Gegenstnde zu referieren. Bestimmt werden sollen jene Gegenstnde aber durch den Prdikatbegriff eines solchen Urteils. Entscheidend ist dabei natrlich, dass es sich nur um ein mçgliches Urteil handelt, eines, das dem Subjektbegriff bereits inhrent ist. Worum es Kant dabei letztlich geht, ist, dass auch der Subjektbegriff eines Urteils als Bestimmung eines Gegenstandes, beispielsweise von Metall aufgefasst werden kann; als Bestimmung ist er aber Prdikat eines in dieser Hinsicht noch unbestimmten Gegenstandes. Genau dies kommt in der Form eines mçglichen Urteils zum Ausdruck, eines Urteils, in dem ein anderer Begriff als bezeichnender Subjektbegriff fungiert, der unmittelbar auf den noch unbestimmten Gegenstand verweist, und in dem der ursprngliche Subjektbegriff (,Kçrper‘) seinerseits als Prdikatbegriff fungiert. Der Subjektbegriff eines – wirklichen – Urteils bezieht sich also nicht einfach nur unmittelbar auf gewisse Erscheinungen oder Anschauungen, sondern solcherart, dass er selbst als Prdikat der Gegenstnde, auf die er sich bezieht, angesehen werden kann. Damit sind wir bei einer Urteilskonzeption angelangt, die sich an zahlreichen Stellen des Kantischen Gesamtkorpus, insbesondere in mehreren wichtigen Nachlassreflexionen nachweisen lsst, und deren gemeinsamer Nenner darin besteht, dass alle Begriffe in einem Urteil als Prdikate von einem noch unbestimmten Gegenstand aufgefasst werden mssen (vgl. dazu Wolff 1995 und Longuenesse 1998a, S. 86 ff.). So heißt es etwa in Reflexion 4634, in Bezug auf genau dasjenige Beispiel, das Kant spter zur Verdeutlichung des Begriffsgebrauchs in Urteilen im Leitfadenkapitel gewhlt hat: Wir kennen einen jeden Gegenstand nur durch prdikate, die wir von ihm sagen oder gedenken. Vorher ist das, was von Vorstellungen in uns angetroffen wird, nur zu Materialien, aber nicht zum Erkenntnis zu zhlen. Daher ist ein Gegenstand nur ein Etwas berhaupt, was wir durch gewisse prdikate, die

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seinen Begriff ausmachen, uns gedenken. In jedem Urtheile sind demnach zwey Praedicate, die wir mit einander vergleichen. Davon das eine, welches die gegebene Erkenntnis des Gegenstands ausmacht, das logische subject, das zweyte, welches damit verglichen wird, das logische praedicat heißt. Wenn ich sage: ein Kçrper ist theilbar, so bedeutet es so viel: Etwas [welches] x, welches ich unter den Praedicaten kenne, die zusammen einen Begrif vom Kçrper ausmachen, denke ich auch durch das praedicat der Theilbarkeit. (AA. XVII, 616.20 – 617.2, zitiert nach Wolff 1995, S. 100)35

Nun ist das Beispiel „alle Kçrper sind teilbar“, und dies gilt insbesondere fr seine Verwendung fr die Zwecke des Leitfadenkapitels, denkbar schlecht gewhlt, um den Gegenstandsbezug von Begriffen zu klren, handelt es sich dabei doch um ein analytisches Urteil. Zwar beziehen sich nach Kant auch analytische Urteile auf Gegenstnde (vgl. Jsche-Logik, AA. IX, §36); dass – im Beispiel – der Begriff des Kçrpers unter den Begriff der Teilbarkeit fllt, liegt aber schon im Begriff des Kçrpers, so dass um dieses Urteil fllen zu kçnnen, der Bezug auf etwaige zugrunde liegende Gegenstnde unwesentlich ist. So wird denn auch nach obiger Definition der Gegenstand = x durch eines der Prdikate gedacht, die zusammen schon den „Begriff des Kçrpers ausmachen“. Entscheidend ist aber nur, und in dieser Hinsicht sind synthetische und analytische Urteile wesensgleich, dass Kant das Urteil als eine „Vergleichung“ zweier Prdikate versteht, die zusammen auf einen Gegenstand = x bezogen werden, wodurch dieser Gegenstand bestimmt wird. Im Falle eines synthetischen Urteiles hieße dies, dass wir ein x, das wir unter dem Begriff A denken, außerdem unter dem Begriff B denken, wobei beide Begriffe als prdikative Bestimmungen eines noch unbestimmten Gegenstandes fungieren. Auf dieser Grundlage kçnnen wir dann auch im vollen Sinne verstehen, warum Kant denkt, dass sich Begriffe nicht als solche, sondern nur in Urteilen auf Gegenstnde beziehen. Ansatzweise hatten wir diese Annahme oben schon dadurch erklrt, dass ein Urteil eine Aussage ber einen Gegenstand sein soll, die im Prdikatbegriff eines Urteils ihren Ausdruck findet. Dabei musste der Subjektbegriff eines Urteils zunchst noch als bloßer Referent auf einen Gegenstand aufgefasst werden, der den Bezug des Prdikatbegriffs auf den Gegenstand vermittelt. Durch eine Untersuchung der Funktion des Subjektbegriffs eines Urteils haben wir dann gesehen, dass dieser nicht darin aufgeht, als unmittelbar gegenstandsbezogener Begriff zu fungieren, sondern dass er selbst als „Prdikat eines mçglichen Urteils“ 35 Zu hnlichen Konzeptionen vgl. auch: Refl. 3042 (AA. XVI, 629), Refl. 3095 und 3096 (AA. XVI, 656), Logik Busolt, S. 662 f. (AA. XXIV).

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aufgefasst werden muss. Und dies hat uns schließlich zu der Auffassung gefhrt, dass alle Begriffe in einem Urteil, insofern dieses Urteil auf einen Gegenstand bezogen ist, als Prdikate (als Bestimmungen) jenes Gegenstandes aufgefasst werden mssen. Wenn aber alle Begriffe als Prdikatbegriffe aufgefasst werden kçnnen mssen, dann bedeutet dies, dass wir uns mit Begriffen allein nicht auf Gegenstnde oder Anschauungen beziehen kçnnen. Vielmehr kann letztlich nur das Urteil als solches auf Anschauungen bezogen sein.36 Diese Einsicht ist nun ganz wesentlich, wenn man aufgrund von begriffs- und urteilslogischen berlegungen zu einem Fundament fr eine gegenstandslogische Untersuchung gelangen will, welche die verstandesmßigen Bedingungen des Denkens von Gegenstnden erçrtern soll. Die Untersuchung hat sich dabei bisher an folgendem Gedankengang orientiert: Der Verstand ist ein „Vermçgen zu denken“. Denken aber ist eine Erkenntnis durch Begriffe, so dass der Verstand auch als ein „Vermçgen der Begriffe“ aufgefasst werden kann. Nun hat sich gezeigt, dass Begriffe nicht anders gebraucht werden kçnnen als in Urteilen. Genauer heißt dies, dass sie als „Prdikate mçglicher Urteile“ begriffen werden kçnnen mssen. Wenn aber der Gebrauch der Begriffe auf dem Urteilen beruht, dann kann der Verstand genauer als „Vermçgen zu urteilen“ aufgefasst werden (vgl. die Stufenfolge, die Kant in B94/A69 aufstellt). Wenn aber gilt, dass sich Begriffe nur durch ihren Gebrauch in Urteilen, dass sich also letztlich die Urteile selbst auf Gegenstnde beziehen, dann kçnnen wir aus der genaueren Bestimmung der Funktion eines Urteils Entscheidendes fr die Frage gewinnen, welchen Bedingungen diese Gegenstnde ihrerseits gemß 36 Dass alle Begriffe als Prdikate mçglicher Urteile und in diesem Sinne als gleichrangige Bestimmungen des Gegenstandes aufgefasst werden kçnnen mssen, bedeutet nicht, dass der Subjektterm eines Urteils nicht nach wie vor dadurch ausgezeichnet wre, dass ihm eine bezeichnende Funktion in Bezug auf den Gegenstand des Urteils zukommt. Dies wird noch von einiger Bedeutung sein, wenn es um den Zusammenhang von kategorischem Urteil und Substanzkategorie geht (vgl. dazu Kap. II.3.2.). Wie sich allerdings auch anhand dieser Thematik zeigen wird, kommt in dieser bezeichnenden Funktion lediglich der Gegenstandsbezug des Urteils selbst zum Ausdruck, und nicht der von etwaigen dafr besonders geeigneten Begriffen. Entscheidend ist nach allem bisher Gesagten, dass alle Begriffe als allgemeine Eigenschaften der beurteilten Gegenstnde aufgefasst werden mssen und insofern gleichrangig sind, als sie als Prdikate „mçglicher“ Urteile betrachtet werden kçnnen mssen, was allerdings nichts daran ndert, dass im „wirklichen“ Urteil dem Subjektterm darber hinaus eine bezeichnende Funktion zukommt, bzw. dass dieser den Gegenstandsbezug des Urteils vermittelt.

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sein mssen, damit wir uns berhaupt durch Urteile und den Gebrauch von Begriffen auf sie beziehen kçnnen. Nun mssen nach der bisher herangezogenen Bestimmung Urteile als „Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen“ verstanden werden, und zwar solcherart, dass „statt einer unmittelbaren Vorstellung eine hçhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht, und viel mçgliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden.“ (B94/A69) Wie verhlt sich diese Funktionsdefinition zu derjenigen, die wir ganz zu Anfang bereits kennen gelernt haben und welche „Funktion“ als die „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ bestimmte? Zunchst einmal ist zu bemerken, dass Kant in obiger Definition Urteile selbst als Funktionen auffasst, so dass man, wenn man beide Definitionen zusammennimmt, zu der Ansicht gelangen muss, dass Urteile als Handlungen aufgefasst werden mssen, deren Zweck darin besteht, Einheit unter unseren Vorstellungen hervorzubringen. Weiter stimmen beide Definitionen darin berein, dass es dabei um Subordinationshandlungen geht. Wichtig ist nun, dass sich solche Subordinationshandlungen offensichtlich nicht darauf beschrnken sollen, verschiedene Begriffe in einem Urteil untereinander zu subsumieren, sondern dass sich die Inbezugnahme der Begriffe in einem Urteil auf die unter ihnen gedachten Vorstellungen erstreckt: Die Vorstellungen (Gegenstnde), auf die sich der Subjektbegriff bezieht, werden, wie wir gesehen haben, durch die Subsumtion des Subjektbegriffs unter den Prdikatbegriff durch Letzteren mittelbar vorgestellt. Dadurch wird, wie eben noch einmal rezipiert, statt einer unmittelbaren (sinnlich gegebenen) Vorstellung eine hçhere gebraucht und „viel mçgliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen“. Das heißt zunchst, dass wir durch ein Urteil einen Gegenstand durch ein Prdikat in allgemeiner (begrifflicher) Hinsicht betrachten und ihn so der Subsumtionsordnung unseres begrifflichen Denkens zugnglich machen.37 37 Damit wird aber durch den Bezug von Urteilen auf sinnliche Gegenstnde, die Ebene des Sinnlichen und Unmittelbaren selbst bereits radikal durchbrochen, und zwar dadurch, dass die Ebene der bloßen Koordination, durch welche die Sinnlichkeit zunchst gekennzeichnet werden muss, in Bezug gesetzt wird zur Ebene der Subordination, welche die Verbindungen von allgemeinen Begriffen miteinander zum Ausdruck bringt (vgl. dazu Longuenesse 1998a, S. 89). Dadurch nmlich, dass ein (sinnlicher) Gegenstand im Allgemeinen vorgestellt wird, wird er in einer Perspektive betrachtet, die ihn hinsichtlich einer seiner Eigenschaften in Verbindung setzt zu andern Gegenstnden, welchen diese Eigenschaft zukommt, und dadurch kann der solcherart begrifflich und allgemein gefasste Gegenstand in der

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Aber nicht nur der Prdikatbegriff eines Urteils, sondern auch sein Subjektbegriff muss als Prdikat eines Gegenstandes aufgefasst werden kçnnen. Dies kam in der oben aufgefhrten Refl. 4634 darin zum Ausdruck, dass das Urteil als eine „Vergleichung“ von Prdikaten in Bezug auf einen Gegenstand aufgefasst werden musste (den wir durch diese Prdikate erkennen). Dies deutet auf eine Konzeption, die nicht so sehr darauf hinzielt, dass der Prdikatbegriff eines Urteils eine begriffliche Verallgemeinerung oder Hierarchisierung in Bezug auf einen Gegenstand ausdrckt, sondern dass das Urteil als solches eine Einheit darstellt bzw. herstellt, indem bestimmte Vorstellungen durch die Urteilshandlung miteinander in Beziehung gesetzt und als Einheit begriffen werden. Es ist fr die Frage danach, was die „Einheit eines Urteils“ sei, nicht ganz unntz, sich zunchst einmal zu vergegenwrtigen, dass Kant in den bisher herangezogenen Funktionsdefinitionen nicht nur das Urteil selbst, also jedes Urteil fr sich genommen als eine Funktion betrachtete, die Einheit unter unseren Vorstellungen bewirkt, sondern dass er zur Veranschaulichung dafr, im Rekurs auf das Thema der Subsumtion, im Grunde genommen schon auf die Funktion des kategorischen Urteils Bezug genommen hat. Diese Festlegung wird erst aufgebrochen, wenn er kurz vor der Aufstellung seiner „Urteilstafel“ bzw. „Funktionentafel“ ankndigt, dass die Funktionen des Verstandes insgesamt gefunden werden kçnnen, „wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollstndig darstellen kann“ (B94/ A69).38 Es ist aber offensichtlich etwas anderes, die „Funktionen der Subsumtionsordnung unseres begrifflichen Denkens ber Gegenstnde fungieren. Darin drfte zumindest ein mçglicher Sinn dessen liegen, wie durch ein Urteil „viele mçgliche Erkenntnisse in einer zusammengezogen“ werden. 38 Es ist nicht klar, ob Kant meint, fr die Vollstndigkeit der Urteilstafel oder Funktionentafel einen Beweis in Anschlag bringen zu kçnnen, oder ob er sie lediglich beansprucht und mçglicherweise sogar fr unbeweisbar hlt (vgl. dazu Krger 1968). Allen bisher vorgetragenen Versuchen, einen Vollstndigkeitsbeweis zu konstruieren, ist gemein, dass sie auf Thesen rekurrieren und rekurrieren mssen, die Kant selbst nicht oder wenigstens nicht am gegebenen Ort aufstellt. Dabei lassen sich zwei Typen von Beweisrekonstruktionen unterscheiden: Der erste Typ bemht sich um eine Vertiefung der Kantischen Urteilstheorie und beschftigt sich ganz grob mit einer Analyse des Wesens des Urteils, bleibt also im Rahmen dessen, was Kant als allgemeine Logik versteht, auch wenn jene Analysen in unterschiedlicher Weise und in verschiedenem Maße ber das, was Kant vertritt, hinausgehen (Brçcker 1970, Wagner 1987, Wolff 1995). Diese Anstze zeitigen zwar, namentlich gilt dies fr Wolff, wertvolle Erkenntnisse, die auch fr die Untersuchung der metaphysischen Deduktion fruchtbar gemacht werden kçnnen, sind aber abgesehen davon, dass die in ihnen vertretenen Deutungen am Kantischen Text meist nicht hinreichend belegbar sind, gerade was die Frage der Voll-

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Einheit in den Urteilen“ zu erçrtern, und das Urteil als solches als Funktion zu beschreiben. Um hier eine terminologische Fixierung zu gewinnen, soll das Urteil selbst als Einheitshandlung betrachtet werden, whrend der Funktionsbegriff reserviert werden soll fr diejenigen Funktionen (von denen die Funktion des kategorischen Urteils nur ein mçglicher Kandidat ist), die in verschiedenen Urteilen jeweils in gleicher Art und Weise die „Einheit eines Urteils“ zustande bringen, wobei unter Einheit eines Urteils die Einheit der in einem Urteil nach einer solchen Funktion miteinander verknpften Vorstellungen verstanden werden soll. Auf diese Weise kçnnen Urteile als Einheitshandlungen verstanden werden, die je nach Art der in ihnen ausgebten Funktionen klassifiziert werden kçnnen, so dass wir damit gleichzeitig auch zu einer Klassifizierung der „Funktionen des Denkens“ in den Urteilen gelangen.39 stndigkeit anbelangt, wenig berzeugend (zur Kritik an Brçcker und Wagner: vgl. Brandt 1991). Vielversprechender scheinen zunchst die Anstze des zweiten Typs, welche, wie Reich (1948), das enge Gebiet der allgemeinen Urteilstheorie verlassen, um den Versuch einer vollstndigen Ableitung der Urteilsfunktionen an den hçchsten Punkt zu knpfen, an dem man laut Kant „allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik“ heften muss (B134). Der Vorteil eines solchen Lçsungsansatzes, der allerdings in puncto sachlicher wie interpretatorischer Ausfhrung denselben Mngeln unterliegt, wie die Versionen des ersten Typs, ist der, dass hier in der transzendentalen Einheit der Apperzeption ein bergeordnetes Prinzip zur Verfgung steht, an das Kant die Mçglichkeit des Urteilens auch tatschlich heftet. Der entscheidende Nachteil dabei ist aber, dass damit in ungnstiger Weise auf Themen Bezug genommen wird, die außerhalb der metaphysischen Deduktion liegen. Nun sollen in der metaphysischen Deduktion anhand einer Analyse des Urteils und der damit gewonnenen Funktionen der Einheit im Urteilen die reinen Verstandesbegriffe, die das Denken von Gegenstnden ermçglichen, entdeckt werden. Dies bedeutet formal, dass damit ein bergang von der allgemeinen zur transzendentalen Logik hier allererst herzustellen ist. Konstruiert oder rekonstruiert man aber durch den Verweis auf die Einheit der Apperzeption eine transzendentallogisch begrndete Urteilstheorie und importiert diese in die metaphysische Deduktion selbst, so setzt man das ganze Verfahren der Kategorienableitung der Zirkelhaftigkeit aus (vgl. dazu auch Brandt 1991, S. 17). 39 Der Frage, wie genau Kant zur Systematik seiner „Urteilstafel“ bzw. „Funktionentafel“ gekommen ist, und ob er der Meinung ist, deren Vollstndigkeit gezeigt zu haben, kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl. oben Anm. 38). Am plausibelsten scheint die Auffassung, dass er sich an den bekannten Einteilungen der allgemeinen Logik orientiert, und die verschiedenen logischen Formen, durch welche sich Urteile charakterisieren lassen, zumindest insoweit systematisiert (und verndert) hat, als es der zugrundeliegende Funktionsbegriff erlaubt, hinter die bloße Auflistung von logischen Formen zurckzugehen und verschiedene Grundtypen von Einheitshandlungen zu unterscheiden, welche unter die vier Titel der Quantitt, Qualitt, Relation und Modalitt gebracht und durch jeweils drei

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Nun ist der Rekurs auf die durch bestimmte Funktionen bewirkte „Einheit eines Urteils“ ganz entscheidend, um in Zusammenfhrung der bisherigen Ergebnisse zu einem Fundament fr die gegenstandslogischen berlegungen zu gelangen, die Kant im dritten und wichtigsten Abschnitt des Leitfadenkapitels ausfhrt. Dort heißt es an prominentester Stelle: Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche allgemein ausgedrckt, der reine Verstandesbegriff heißt (B105/A79).

Nach den bisherigen berlegungen kçnnen wir uns schon einen Vorbegriff dessen machen, worauf Kant hier abzweckt. Das Kernargument war dabei, dass wir von Begriffen keinen anderen Gebrauch machen kçnnen, als dass wir dadurch urteilen. Dies fhrte zu einer Konzeption, nach der letztlich nur Urteile als solche gegenstandsbezogen sind. Außerdem haben wir erfahren, dass es bestimmte logische Funktionen gibt, welche die Einheit eines Urteils, also die Einheit der in einem Urteil zusammenbefassten Vorstellungen bewirkt. Diese Vorstellungen sind zunchst als Begriffe aufzufassen. Da aber das Urteil als solches gegenstandsbezogen sein soll, muss sich die Inbezugnahme von Begriffen in einem Urteil auf die unter ihnen gedachten Gegenstnde erstrecken. Dann muss aber zumindest im Falle von synthetischen Urteilen gelten, dass diese Gegenstnde ihrerseits dem urteilenden Bezug auf sie in irgendeiner Weise adquat sind. Wenn aber die urteilende Bezugnahme auf Gegenstnde in Form von bestimmten logischen Funktionen vonstatten geht, dann kçnnen wir bereits erahnen, dass diese Funktionen auch eine Rolle bei der Konstitution von – urteilsfhigen – Gegenstnden spielen werden. Wohlgemerkt ist dies nach dem bisherigen Rahmen eine reine Vermutung, da wir es soweit nur mit einer logischen Analyse des Verstandes zu tun hatten, in welcher zwar der Bezug von Begriffen und Urteilen auf Gegenstnde nicht ausgeklammert wird, welche aber dennoch vom Gegenstandsbezug insoweit abstrahiert, als nicht nach dessen Mçglichkeitsbedingungen gefragt wird. Vielmehr diente der „Gegenstand“ soweit als Momente weiter spezifiziert werden kçnnen; so dass die Systematik der verschiedenen Funktionen, die in Urteilen ausgebt werden, sich widerspiegelt in einer entsprechend angeordneten Tafel von daraus resultierenden logischen Formen von Urteilen (zum Unterschied von logischen Formen und Funktionen: vgl. Wolff 1995, S. 19 ff.). Zu einer sehr interessanten neueren Abhandlung, welche die Vollstndigkeitsfrage anhand einer genauen Analyse des Funktionsbegriffs zu lçsen versucht: siehe Hoeppner 2011.

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bloßer Platzhalter fr Etwas, auf das sich Begriffe und Urteile beziehen mssen. Die bisher geleistete logische Analyse des Verstandes kann dabei als eine Voruntersuchung verstanden werden, die gerade diese Frage nach dem Gegenstandsbezug vorbereitet, indem sie ein logisches Instrumentarium zur Verfgung stellt, das die Komplexitt unserer begrifflichen Bezugnahmen auf „Gegenstnde“ aufbricht, und indem sie das „Vermçgen der Begriffe“ im „Vermçgen zu urteilen“ wurzeln lsst, die logischen Handlungen des Verstandes, die fr allen Begriffsgebrauch verantwortlich gemacht werden mssen, auf ein Set von logischen Funktionen zurckfhrt, das dann wiederum nutzbar gemacht werden kann, um die Frage stellen zu kçnnen, was die reinen Bedingungen unseres Denkens von Gegenstnden sind. 3.2. Der Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien Der dritte Abschnitt des Leitfadenkapitels, in dem sich Kant diese Frage vornimmt, wird dann auch eingeleitet durch eine erneute Abgrenzung von allgemeiner und transzendentaler Logik, dergestalt, dass Letztere nicht, wie die allgemeine Logik, von „allem Inhalt der Erkenntnis“ abstrahieren soll. Allerdings demonstriert Kant hier den Unterschied von allgemeiner und transzendentaler Logik in einer Weise, die in mehrfacher Hinsicht als unglcklich bezeichnet werden muss; und zwar zunchst einmal dadurch, dass er auf Thesen aus der transzendentalen sthetik Bezug nimmt. Die transzendentale Logik, schreibt er, habe ein Mannigfaltiges der Sinnlichkeit a priori vor sich liegen, welches die transzendentale sthetik ihr darbietet, um zu den reinen Verstandesbegriffen einen Stoff zu geben, ohne den sie ohne allen Inhalt, mithin vçllig leer sein wrde. (B102/A76 f.)

Problematisch ist dieser Bezug deswegen, weil nach den methodischen Festlegungen, die wir fr die metaphysische Deduktion kennen gelernt haben (vgl. Abs. 1), dieselbe als eine isolierte Untersuchung des urteilenden Verstandes angesehen werden muss, so dass der Bezug auf die spezifische Art unserer sinnlichen Anschauung, wie sie in der transzendentalen sthetik festgelegt wird, keine Rolle spielen sollte. Vielmehr sollte sich die metaphysische Deduktion in Anlehnung an die sptere Unterscheidung in der B-Deduktion mit dem Bezug auf „Anschauung berhaupt“ begngen, um in systematischer Hinsicht eine korrekte Untersuchung abzugeben. Da der Terminus der „Anschauung

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berhaupt“ im Kernargument der eigentlichen metaphysischen Deduktion wenigstens tatschlich auftritt, sollte dieses Problem aber zumindest keine allzu große Rolle spielen. Gravierender ist die Tatsache, dass Kant in den Einleitungspassagen des §10 nicht nur auf die transzendentale sthetik, sondern – und zwar in Verbindung damit – auch auf Thesen Bezug nimmt, die erst in der transzendentalen Deduktion ausfhrlich behandelt werden. Im Rckgriff auf das Gegebensein eines Mannigfaltigen erklrt Kant: Allein die Spontaneitt unseres Denkens erfordert es, daß dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen, und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthesis. Ich verstehe aber unter Synthesis in der allgemeinsten Bedeutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zu einander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen. (B102 f./A77)

Die Aussage, dass es zur Erkenntnis erforderlich sei, dass ein Mannigfaltiges „durchgegangen, aufgenommen und verbunden werde“ kann als eine zumindest schemenhafte Vorwegnahme der „dreifachen Synthesis“ im „zweiten Abschnitt“ der A-Deduktion verstanden werden. Und auch die B-Deduktion setzt in §15 mit einer Erçrterung des Synthesisbegriffs ein, welche im engen Zusammenhang mit der hier gegebenen Erklrung steht. Auch dort argumentiert Kant, dass es eine Leistung der Spontaneitt des Verstandes sei, Verbindung im Mannigfaltigen der Anschauung hervorzubringen. Ergnzt wird die These dort durch die Aussage, „daß wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen kçnnen, ohne es vorher selbst verbunden zu haben“ (B130) und durch die auch fr die metaphysische Deduktion mehr als bedeutsame Folgerung, dass die Handlung der Synthesis „fr alle Verbindung gleichgeltend sein msse, und daß die Auflçsung, Analysis, die ihr Gegenteil zu sein scheint, sie doch jederzeit voraussetze ; denn wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflçsen, weil es nur durch ihn als verbunden der Vorstellungskraft hat gegeben werden kçnnen“ (ebd.). Darber, dass hier eine Vorwegnahme von Thesen aus der transzendentalen Deduktion zu sehen ist, besteht weitgehend Einigkeit. Weniger Einigkeit besteht dagegen bezglich der Frage, wie gravierend diese Vorwegnahme ist, insbesondere, ob sie in ein Zirkelproblem fhrt, nmlich dadurch, dass nicht nur die transzendentale Deduktion die metaphysische Deduktion vorauszusetzen scheint, sondern umgekehrt auch die metaphysische die transzendentale Deduktion. Die Antworten reichen dabei von dem Versuch, die (zugestandene) Zirkelstruktur der Argumentation als

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unproblematisch zu erweisen (vgl. Longuenesse 1998a, S. 28 f., Allison 2004, S. 152) bis hin zu der Auffassung, die ersten fnf Paragraphen des dritten Abschnitts, in welchem Bezge zur transzendentalen Deduktion nachweisbar sind, seien als eine sptere Einfgung Kants zu verstehen (Adickes 1889, S. 119 f.), oder der Ansicht, man solle fr die Interpretation der metaphysischen Deduktion direkt zum sechsten Paragraphen bergehen, in dem die „Dieselbigkeit“ der Funktion, welche die Einheit eines Urteils wie einer Anschauung bewirkt, behauptet wird (DeVleeschauer 1934 – 37, S. 70 f.). Letzteres Vorgehen hat nun aber den ganz entscheidenden Nachteil, dass man – dies wird spter deutlich werden – ohne die ersten fnf Paragraphen des Textes, in denen sich Kants Exposition zum Thema „Analysis und Synthesis“ findet, kaum in die Lage gesetzt wird, den Satz des sechsten Paragraphen zu verstehen. Demgegenber soll hier die Auffassung vertreten werden, dass ein eigentliches Zirkelproblem in den Einleitungspassagen des §10 gar nicht besteht, und zwar dann, wenn diejenigen Thesen, welche auch in der transzendentalen Deduktion als Argumentationsbasis dienen, streng ausgesondert werden von denjenigen Thesen, welche eine Rolle fr die spezifische Begrndungsleistung der transzendentalen Deduktion spielen. Entscheidend ist dabei zu sehen, dass metaphysische Deduktion und transzendentale Deduktion gnzlich verschiedene und wohldefinierte Aufgaben zu bewltigen haben. Im ersten und zweiten Abschnitt dieses Kapitels wurde dies zum einen daran festgemacht, dass es in methodischer Hinsicht in der metaphysischen Deduktion darum gehen muss, nachzuweisen, dass es reine Verstandesbegriffe gibt, die das Denken von Gegenstnden ermçglichen, whrend die transzendentale Deduktion die objektive Gltigkeit dieser reinen Verstandesbegriffe nachweisen soll. Zum anderen wurde dies in einem sachlichen Vorgriff dahingehend verdeutlicht, dass es der metaphysischen Deduktion beim Nachweis der reinen Verstandesbegriffe um das, was wir die „Urteilsfhigkeit“ von Gegenstnden genannt haben, zu tun ist, whrend die transzendentale Deduktion deren objektive Gltigkeit dadurch nachweisen soll, dass die reinen Verstandesbegriffe nicht nur notwendig sind, um einen Gegenstand gemß den Maßgaben des urteilenden Verstandes denken zu kçnnen, sondern dass sie darber hinaus auch notwendig sind, um uns eines Gegenstandes berhaupt bewusst werden zu kçnnen. Denn es kçnnte sein, dass die Kategorien zwar subjektiv notwendig sind, um in Bezug auf welche Anschauungen auch immer so etwas wie „urteilsfhige“ Gegenstnde zu konstituieren, dass diese Forderung aber deswegen nicht erfllbar ist, weil unsere Sinnlichkeit

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diesen Bedingungen des Denkens nicht gemß ist.40 Diese Mçglichkeit, so hatten wir festgestellt, kann nur dadurch ausgerumt werden, dass in einem zweiten Schritt gezeigt wird, dass Anschauungen auch noch aus einem ganz anderen Grund unter den Kategorien stehen mssen, nmlich damit wir uns ihrer berhaupt bewusst werden. Jenen Aspekt der Gegenstandskonstitution durch Kategorien hatten wir den der „Bewusstseinsfhigkeit“ von Gegenstnden genannt. Entscheidend ist nun, dass die zentrale Begrndungsfigur der transzendentalen Deduktion, nmlich die transzendentale Einheit der Apperzeption, nur fr diesen zweiten Aspekt, der mit der Bewusstseinsfhigkeit von Gegenstnden zu tun hat, verantwortlich gemacht werden muss, und dass dadurch gezeigt werden soll, dass Kategorien objektive Realitt haben. Was im Rekurs auf die transzendentale Einheit der Apperzeption nicht gezeigt werden soll, ist dass es berhaupt Kategorien, oder besser reine Verstandesbegriffe gibt. Vielmehr muss diese Aufgabe schon durch die metaphysische Deduktion allein bewltigt worden sein. Der Rekurs auf die Thesen aus der transzendentalen Deduktion, welche in den Einleitungspassagen zur metaphysischen Deduktion nachzuweisen ist, wre demnach nur dann problematisch, wenn er uns schon dazu verpflichten wrde, auf die Theorie ber die transzendentale Einheit der Apperzeption Bezug zu nehmen. Dies ist aber nicht der Fall. Denn was wir dort ber die Spontaneitt des Verstandes und die Notwendigkeit einer Synthesis eines Mannigfaltigen erfahren, dient auch in der transzendentalen Deduktion zunchst einmal als Basis fr die Entfaltung eines Argumentes, welches dann in der Benennung der synthetischen Einheit der Apperzeption, als oberstem Prinzip allen Verstandesgebrauches wurzelt. Zweifellos werden dadurch jene Anfangsbestimmungen ber Spontaneitt und Synthesis in ihrem hçchsten Grund fundiert. Das bedeutet aber nicht, dass wir im Rahmen der metaphysischen Deduktion auf diese Fundierung schon Bezug nehmen mssten. 40 Wenn es sich bei den reinen Verstandesbegriffen um subjektiv notwendige Bedingungen von Gegenstnden handelt, stellt sich die Frage, ob sie darber hinaus auch schon hinreichend fr das Denken von Gegenstnden sind. Dazu ist zunchst zu sagen, dass sie natrlich nicht hinreichend fr die Erkenntnis von Gegenstnden sind, denn Erkenntnis erfordert nach Kant neben einer begrifflichen eine anschauliche Komponente. Fr das Denken von Gegenstnden allein wren sie aber nach den bisherigen Maßgaben sowohl notwendig als auch hinreichend. Insofern kçnnen auch Gegenstnde der Metaphysik (Gott, Welt, Seele) durch die Kategorien gedacht, wenn auch nicht erkannt werden.

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Demgegenber kçnnte der Einwand erhoben werden, dass sich jene „Fundierung“ durch die transzendentale Einheit der Apperzeption, zumal in §19 der B-Deduktion, bis hinein in den logischen Verstandesgebrauch erstreckt. Und zwar dergestalt, dass hier das Urteil selbst aufgefasst wird, „als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen“ (B141). Wenn aber sogar fr den logischen Verstandesgebrauch und die Mçglichkeit des Urteilens gilt, dass ihr letzter Grund die objektive Einheit der Apperzeption ist, wie kann man dann noch die Auffassung vertreten, dass der Rekurs auf die Einheit des Selbstbewusstseins fr die metaphysische Deduktion, die, wie wir schon hinlnglich gesehen haben, die Frage nach dem Gegenstandsbezug anhand von urteilslogischen berlegungen entfaltet, keine Rolle spielen braucht, – und nicht einmal darf ? Doch auch hier muss wiederum beachtet werden, dass die Verankerung auch der allgemeinen Logik im Prinzip der transzendentalen Einheit der Apperzeption aus einem bestimmten Zweck erfolgt: nmlich um zu einem Nachweis fr die objektive Gltigkeit der Kategorien zu gelangen, indem gezeigt wird, dass die Funktionen des urteilenden Verstandes als ein Set von Regeln aufgefasst werden kçnnen, die nicht nur, wie aus der metaphysischen Deduktion schon ersichtlich sein msste, notwendig sind, um beurteilbare Gegenstnde zu denken, sondern die darber hinaus geeignet und notwendig sind, objektive Einheit der Apperzeption hervorzubringen, – mithin uns etwas als Gegenstand zu Bewusstsein zu bringen (vgl. Abs. 2.2.). Nach allem Gesagten sollte, wenn man die unterschiedlichen Themenstellungen von metaphysischer und transzendentaler Deduktion bercksichtigt, die transzendentale Einheit der Apperzeption fr die metaphysische Deduktion keine Rolle spielen. Vielmehr muss dieselbe als die erste Stufe in der Entfaltung der Frage nach dem reinen Gegenstandsbezug verstanden werden, die zwar in einer zweiten Stufe durch den Rekurs auf die Einheit unseres Selbstbewusstseins fundiert wird, aber anlsslich einer Problemstellung (objektive Gltigkeit der Kategorien), die fr die Frage danach, ob es berhaupt reine Verstandesbegriffe gibt, noch keine Rolle spielt. Wenn dem so ist, dann gilt auch fr die begriffs- und urteilstheoretischen berlegungen, die wir im ersten Abschnitt kennen gelernt haben, dass sie als das angesehen werden kçnnen, was sie sind: allgemein-logische Untersuchungen. Es wre zwar anlsslich der in §19 der B-Deduktion gegebenen Bestimmungen mçglich, auch schon die allgemein-logischen Bestimmungen des ersten Leitfadenabschnittes in einer transzendentallogischen Perspektive zu reinterpretieren, ein Versuch, der am prominentesten von Reich ausgefhrt wurde, und auch in modernen Interpreta-

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tionen der metaphysischen Deduktion, wie etwa bei Longuenesse eine Rolle spielt. Eine solche Rekonstruktion ist aber nicht nur nicht notwendig, sondern sogar einigermaßen gefhrlich, handelt man sich doch dadurch unwillkrlich das Thema der „objektiven Gltigkeit“ in all seinen Varianten ein, das von jeher geeignet war, gravierende Missverstndnisse bezglich der eigenstndigen Leistung der metaphysischen Deduktion zu provozieren.41 Wovon wir ebenfalls abstrahieren mssen, ist, wie bereits ganz zu Anfang gesagt, die Art unserer sinnlichen Anschauung, wie sie in der transzendentalen sthetik charakterisiert wurde. Denn auch die Vermittlung unseres Denkens mit unserer Sinnlichkeit gehçrt (wie in Abs. 2 dieses Kapitels deutlich gemacht wurde) in den Umkreis der Aufgabenstellung der transzendentalen Deduktion. Wovon natrlich nicht abstrahiert werden darf, ist die Tatsache (im Kantischen Rahmen), dass wir berhaupt Anschauungen haben, durch die wir uns auf Gegenstnde beziehen. Die Rezeptivitt der Anschauung einerseits und die Spontaneitt des Verstandes andererseits bilden dann auch das Spannungsfeld, in dem die Argumentation der metaphysischen Deduktion steht. Was dafr an gehaltvollen Thesen vorausgesetzt werden muss – und darin ist ein gemeinsamer Grundbestand fr die unterschiedlichen Argumententwicklungen in der metaphysischen und der transzendentalen Deduktion zu sehen – ist, dass Anschauungen selbst noch keine einheitlichen Erkenntnisse liefern, dass es vielmehr des spontanen Verstandes bedarf, um die Diversitt verschiedener Anschauungen (wie auch immer diese selbst charakterisiert sein mçgen), zu 41 Nach einer Unterscheidung von Allison (2004) lsst sich in Bezug auf die Bestimmungen der allgemeinen Logik eine formallogische von einer transzendentallogischen Interpretation unterscheiden. Nach der ersteren, welche in §8 ausgefhrt ist, spielt zwar der Bezug auf Gegenstnde eine Rolle, nicht aber in Form der normativen Frage nach der objektiven Gltigkeit von Erkenntnissen und ihrem transzendentalen Grund. Nach Letzterer, welche nicht nur in §19, sondern etwa auch in Bestimmungen der Wiener Logik ausgefhrt ist, spielt die objektive Gltigkeit von Urteilen im Sinne ihrer Wahrheitsfhigkeit eine Rolle (vgl. S. 83 ff.). Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafr, dass die Wahrheitsfhigkeit von Urteilen schon in der metaphysischen Deduktion, wenn auch nur implizit, eine Rolle spielen wrde, und zwar, wie sich im Verlaufe der Arbeit noch im Detail herausstellen wird, aus gutem Grund. Denn um die Wahrheitsfhigkeit eines Urteils erklren zu kçnnen, gengt es nicht, auf den einzelnen Gegenstand eines Urteils Bezug zu nehmen, sondern auf den Gegenstand in einer einheitlichen und gesetzmßig verbundenen Erfahrung. Diese Gegenstandsebene wird aber erst in der transzendentalen Deduktion, und zwar in der B-Deduktion im zweiten Beweisschritt zugnglich (vgl. dazu auch Abs. 2.2.).

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einer einheitlichen Erkenntnis zu verbinden. Dabei braucht der dafr zugrundezulegende Begriff der „Synthesis“ noch gar nicht, wie Kant nahelegt, im Sinne der Synthesis der Einbildungskraft verstanden werden, sondern, wie auch in der bereits herangezogenen Passage aus dem §15 der transzendentalen Deduktion, im Sinne eines Actus der Verstandesttigkeit, und als Gegenbegriff zu „Analysis“. Dass die Analysis jederzeit eine Synthesis voraussetze, („wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflçsen“), ist eine These, die auch fr die metaphysische Deduktion von grçßtem Gewicht ist. Entscheidend ist nun, dass Kant den Gegensatz von Analysis und Synthesis benutzt, um nach der vorbereitenden Untersuchung des ersten Leitfadenabschnittes, den bergang von einer allgemeinen Logik zu einer transzendentalen Logik zu kreieren. Man erinnere sich: Die allgemeine Logik hat nach Kant nur die Form unseres Denkens zum Gegenstand, whrend die transzendentale Logik nicht, wie jene, von allem Inhalt der Erkenntnis abstrahiert, sondern die Regeln des reinen Denkens eines Gegenstandes behandelt, so dass sie sich auf „den Ursprung unserer Erkenntnisse von Gegenstnden [bezieht], so fern er nicht den Gegenstnden zugeschrieben werden kann; da hingegen die allgemeine Logik mit diesem Ursprunge der Erkenntnis nichts zu tun hat“ (B80/A55 f.). Die Strategie Kants besteht nun darin, die Ttigkeiten des Verstandes, insofern sie mit den bloßen Formen des Denkens zu tun haben, unter dem Stichwort „Analysis“ zu spezifizieren, whrend diejenigen Verstandesttigkeiten, welche das reine Denken eines Gegenstandes, welche es mithin in einer nher zu charakterisierenden Weise mit dem Inhalt unserer Erkenntnis zu tun haben, als solche der „Synthesis“ spezifiziert werden sollen. Letztlich wird diese Auffassung darin gipfeln, dass die Kategorien, als reine Begriffe von einem Gegenstand oder Regeln der Synthesis einen „transzendentalen Inhalt“ in unsere Vorstellungen zu bringen haben. Kant exemplifiziert diesen Zusammenhang von Analysis und Synthesis – zumindest ist diese Auslegung naheliegend, und darin wrde eine gewisse Parallele zum Anfang des ersten Abschnittes bestehen – anhand des Themas der empirischen Begriffsbildung: Die allgemeine Logik abstrahiert, wie mehrmalen schon gesagt worden, von allem Inhalt der Erkenntnis, und erwartet, daß ihr anderwrts, woher es auch sei, Vorstellungen gegeben werden, um diese zuerst in Begriffe zu verwandeln, welches analytisch zugehet. (B102/A76)

Und nachdem er die in groben Zgen bereits rezipierten Bestimmungen zum Begriff der Synthesis geliefert hat, heißt es:

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Vor aller Analysis unserer Vorstellungen mssen diese zuvor gegeben sein, und es kçnnen keine Begriffe dem Inhalte nach analytisch entspringen. Die Synthesis eines Mannigfaltigen aber (es sei empirisch oder a priori gegeben) bringt zuerst eine Erkenntnis hervor, die zwar anfnglich noch roh und verworren sein kann, und also der Analysis bedarf; allein die Synthesis ist doch dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammlet, und zu einem gewissen Inhalte vereinigt; sie ist also das erste, worauf wir Acht zu geben haben, wenn wir ber den ersten Ursprung unserer Erkenntnis urteilen wollen. (B103/ A77 f.)

Die zugrunde liegende Idee scheint dabei die Folgende zu sein: Unter der Perspektive der allgemeinen Logik, die unter anderem die Frage behandelt, wie wir Begriffe bilden, muss vorausgesetzt werden, dass uns Vorstellungen gegeben werden. Allein von Interesse ist fr die allgemeine Logik – hier die Theorie empirischer Begriffsbildung –, wie diese Vorstellungen in Begriffe „verwandelt“ werden, ein Vorgang, der „analytisch zugeht“, oder wenn man den Anfang des nchsten hier zitierten Absatzes mit hinzunimmt, als „Analysis“ verstanden werden muss. Dem entspricht, dass nach der Kantischen Theorie die Form eines Begriffes jederzeit gemacht ist und auf den Akten der Komparation, Reflexion, und Abstraktion beruht (vgl. JscheLogik §4 – 6). Die Verstandeshandlungen, welche fr die Bildung von Begriffen verantwortlich sind, setzten also bei gegebenen Vorstellungen an, gleichgltig, woher diese Vorstellungen stammen. Dabei findet eine Vergleichung der verschiedenen Vorstellungen unter Reflexion auf eine Vorstellung, die in den verschiedenen gegebenen Vorstellungen als immer dieselbe Teilvorstellung enthalten ist, und unter Abstraktion von dem, was an diesen Vorstellungen verschieden ist, statt. Das Ergebnis dieser Analysis von Vorstellungen ist die analytische Einheit eines Begriffs, als Identitt einer gemeinsamen Teilvorstellung in verschiedenen Vorstellungen, etwas, das seiner Form nach als allgemeiner Begriff verstanden werden kann (vgl. Stuhlmann-Laeisz 1976, S. 83). Wonach Kant nun fragt, ist, was auf Seiten der gegebenen Vorstellungen, die zu Zwecken der Begriffsbildung analysiert werden sollen, vorausgesetzt werden muss, damit diese Analysis berhaupt mçglich ist. Und die Idee ist: Damit Vorstellungen analysierbar sind, muss zunchst einmal eine Synthesis stattgefunden haben, welche „die Elemente zu Erkenntnissen sammlet, und zu einem gewissen Inhalte vereinigt“. Mit anderen Worten: Das sinnlich Mannigfaltige, das zunchst in einer bloßen Gegebenheit von Vorstellungen besteht, muss durch eine Synthesis so zusammengestellt worden sein, dass es analysierbar, und das heißt hier begrifflich reflektierbar, ist. Konkret heißt das, dass die Vorstellungen bzw. Merkmale,

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welche durch die empirische Begriffsbildung aus verschiedenen Vorstellungen als gemeinsame Teilvorstellung herausgelçst werden sollen, zunchst einmal als mit anderen Vorstellungen verbunden gedacht werden kçnnen mssen (vgl. Anm. B134). Dann setzt aber die Analysis, welche die Form von Begriffen zustande bringt, auf der Ebene der zugrunde liegenden sinnlichen Vorstellungen eine Synthesis voraus, welche allererst so etwas wie einen analysierbaren Inhalt bereitstellt (vgl. dazu Longuenesse 1998a, S. 64). Wir wissen nun also, dass die formale Bildung empirischer Begriffe eine „inhaltliche“ Synthesis von sinnlichen Vorstellungen voraussetzt. Was wir nicht erfahren, ist, wie genau jene Synthesis zu verstehen ist. Dass sich Kant nicht nher darber auslsst, wie die Synthesis, welche fr die empirische Begriffsbildung vorausgesetzt werden muss, zu verstehen ist, hat aber einen guten Grund. Denn die sinnlichen Synthesen, welche fr die Mçglichkeit der Bildung von empirischen Begriffen verantwortlich gemacht werden mssen, werden im gleichen Maße als „empirisch“ zu bezeichnen sein, wie die daraus resultierenden Begriffe. Was wir suchen, wenn wir nach den reinen Bedingungen des Denkens von Gegenstnden fragen, ist etwas anderes. Was gesucht ist, ist eine Form von Synthesis, die geeignet ist, ein sinnlich Mannigfaltiges allererst „auf Begriffe“ zu bringen. Und zwar auf Begriffe, welche das reine Denken eines Gegenstandes bezeichnen: also eine Form von reiner Synthesis, welche sinnliche Vorstellungen allererst, wenn man so will, auf die Ebene der „Begrifflichkeit“ hebt, wobei dafr die Diversitt empirischer Begriffe noch keine Rolle spielen darf. Und hier kommen die urteilslogischen berlegungen des ersten Abschnittes wieder ins Spiel. Denn alle Begrifflichkeit beruht, wie wir dort gesehen haben, letztlich auf den Funktionen des urteilenden Verstandes. 42 Die Idee dabei war, dass wir von Begriffen keinen anderen Gebrauch machen kçnnen, als dass wir dadurch urteilen, und dass daher letztlich das Urteil selbst als gegenstands- oder anschauungsbezogen verstanden werden muss. Außerdem wurde gesagt, dass es ein bestimmtes Set von Funktionen gibt, welche in unseren verschiedenen Urteilshandlungen die „Einheit von Vorstellungen“ bewirken, eine Einheit von Vorstellungen, die als eine, aus 42 Die zwei verschiedenen Perspektiven der Begriffsbildung und des Begriffsgebrauchs, die hier ineinander gefhrt werden, lassen sich an der ,Allgemeinheit‘ als Form des Begriffs festmachen: Diese Form ist einerseits Resultat der Begriffsbildung, andererseits aber lsst sich die Allgemeinheit des Begriffs auf seiner funktionalen Ebene auch dadurch erklren, dass er nur in Urteilen gebraucht werden kann (vgl. Abs. 3.1.).

100 I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien nach bestimmten Funktionen ausgebten Urteilshandlungen resultierende, „Einheit eines Urteils“ verstanden werden kann. Wenn man nun diese Thesen anreichert durch den eben anhand der Bildung von Begriffen verdeutlichten Zusammenhang von Analysis und Synthesis, und denselben per Analogie bertrgt auf den Gebrauch von Begriffen in Urteilen, dann ist es auch nicht mehr schwer, das Kernargument der metaphysischen Deduktion zu verstehen. Wenden wir uns dazu wieder dem Text zu (B104 f./ A78): Analytisch werden verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff gebracht (ein Geschfte, wovon die allgemeine Logik handelt)…

In diesem Satz geht es ganz deutlich nicht mehr um die Bildung, sondern um den Gebrauch von Begriffen im Urteil. Denn von der Subsumtion von Vorstellungen unter einen Begriff kann nur gesprochen werden, wenn es bereits einen Begriff gibt, unter den subsumiert werden kann. Wie ist nun zu verstehen, dass dieses „Geschft“ analytisch vor sich geht? Nehmen wir noch den folgenden Teilsatz hinzu (B105/A79): Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zu Stande brachte,… (kursiv v. Verf.)

Nach einer gngigen Lesart, die auf Reich zurckgeht, lsst sich diese eher kryptische Formulierung so verstehen, dass sich „analytische Einheit“ auf die Begriffe bezieht, die in einem Urteil vorkommen, – was schon allein deswegen naheliegend ist, da dies kompatibel wre mit der Theorie von der empirischen Begriffsbildung (vgl. oben). Keinesfalls, dies hat Reich klargemacht, darf „analytische Einheit“ so verstanden werden, dass die logische Form eines Urteils als analytische Einheit aufzufassen wre. Denn dann wren alle Urteile analytisch, bzw. die Unterscheidbarkeit von synthetischen und analytischen Urteilen wre nicht mehr gewhrleistet (vgl. 1948, S. 14 ff.). Gerade fr die Zwecke der metaphysischen Deduktion ist es aber entscheidend, eine Urteilskonzeption zur Verfgung zu haben, die sich auf synthetische Urteile beziehen lsst. Was bedeutet es dann aber, dass wir die logische Form eines Urteils mittels der analytischen Einheit (die sich auf die Begriffe bezieht) hervorbringen? Unter der Voraussetzung, dass alle Urteile (analytische wie synthetische) Verbindungsleistungen sind, und dass wir es dabei mit einem Subsumtionsverhltnis von Begriffen zu tun haben, heißt dies: Die Einheit eines Urteils kommt dadurch zustande, dass uns in einem Urteil bereits Begriffe zur Verfgung stehen, die wir miteinander in Beziehung setzen

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kçnnen. Dabei handelt es sich bei diesen Begriffen, wie gesehen, um „analytische Einheiten“, – was, wenn man so will, ihre logische Form (Allgemeinheit) im Sinne ihrer Bildungsgeschichte ausdrckt. Dass uns bereits Begriffe zur Verfgung stehen, heißt demnach zum einen, dass wir diese Begriffe bereits aus der Erfahrung gebildet haben mssen. Dies ist aber hier nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist vielmehr der Folgende: In einem Urteil haben wir Begriffe zur Verfgung, die wir per Subordination miteinander in Beziehung setzen (das „unterBegriffe-bringen“). Und mittels dieser Begriffe, die wir in unserem begrifflichen Vokabular bereits kennen, kçnnen wir uns auf einen Gegenstand beziehen und eine Aussage ber den Gegenstand ttigen (vgl. Abs. 3.1.). Nun mssen wir nur noch einen zustzlichen Schritt machen, den Kant zwar nicht explizit vollzieht, der sich aber im Rckgriff auf seine urteilslogischen Bestimmungen des ersten Abschnittes einerseits, und durch die Analogie zur Beschreibung der empirischen Begriffsbildung als „Analysis“ anderseits, praktisch von selbst aufdrngt: nmlich die Feststellung, dass auch die Urteilshandlung eine Form von Analysis darstellt. Im Falle eines analytischen Urteiles ist dies offensichtlich, denn in einem solchen analysieren wir den Subjektbegriff hinsichtlich der in ihm gedachten Merkmale und explizieren eines davon als Prdikat eines Urteiles. Anders im Falle synthetischer Urteile: Hier dient, wie in Abs. 3.1. dargelegt, der Subjektbegriff zunchst lediglich dazu, einen Gegenstand zu bezeichnen und der Prdikatbegriff ist keine Explikation des Subjektbegriffs, sondern bezieht sich auf den Gegenstand, auf den sich auch der Subjektbegriff bezieht, – so dass letztlich beide Begriffe als Prdikate des Gegenstandes verstanden werden kçnnen, welche im Urteil ber ihn miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dann kann aber das Urteil als Analysis des Gegenstandes verstanden werden. Nun erfolgt diese Analysis nach bestimmten Regeln, nmlich nach Regeln der Begriffsverknpfungen, die in verschiedenen Urteilsarten mçglich sind. Wir mssten dann aber aus den verschiedenen Arten von Begriffsverknpfungen in Urteilen, unter der Voraussetzung, dass Urteile gegenstandsbezogene Analysen darstellen, erschließen kçnnen, welchen Voraussetzungen diese Gegenstnde gemß sein mssen, damit solche Analysen mçglich sind. Und hier kommt der Gegenbegriff zu „Analysis“, der Begriff der „Synthesis“ ins Spiel. Alle Analysis, so wurde schon des fteren betont, setzt fr Kant eine Synthesis voraus. Wir erinnern uns:

102 I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien Die Synthesis eines Mannigfaltigen aber (es sei empirisch oder a priori gegeben) bringt zuerst eine Erkenntnis hervor, die zwar anfnglich noch roh und verworren sein kann, und also der Analysis bedarf; allein die Synthesis ist doch dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammlet, und zu einem gewissen Inhalte vereinigt. (B103/A77 f.)

Bringt man diese Beschreibung in Zusammenhang mit der hier explizierten These, dass nicht nur die Begriffsbildung, sondern dass auch Urteile eine Form von Analysis in Bezug auf Gegenstnde sind, dann wird man zu der Auffassung gelangen, dass diejenigen sinnlichen Vorstellungen, welche in beurteilbare bzw. analysierbare Gegenstnde eingehen sollen, zuvor durch eine Synthesis zusammengebracht und als – wenngleich mçglicherweise noch rohe und verworrene – „Erkenntnisse“ begriffen worden sein mssen. Vervollstndigen wir nun die oben aufgefhrten Stze, in denen wir nur auf die eine Seite dieses Zusammenhanges – die Analysis – Bezug genommen hatten: Analytisch werden verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff gebracht (ein Geschfte, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber nicht die Vorstellungen, sondern die reine Synthesis der Vorstellungen auf Begriffe zu bringen, lehrt die transz. Logik. (B104/A78)

Interpretiert man den Zusammenhang von Analysis und Synthesis wie vorgeschlagen als Abhngigkeitsverhltnis, dann lsst sich dem Satz entnehmen: Damit wir in einem Urteil Vorstellungen (also diejenigen Vorstellungen, auf die sich das Urteil bezieht) „unter“ einen Begriff bringen kçnnen, mssen wir zuvor die Vorstellungen, welche wir in diesem Urteil begrifflich reflektieren, in Form einer reinen Synthesis „auf“ Begriffe gebracht haben. Das heißt wir mssen durch eine Synthesis so etwas wie einen rein-begrifflichen Gehalt oder Inhalt in diese Vorstellungen gebracht haben, einen Inhalt, der sie in Form eines Urteiles analysierbar und in diesem Sinne auch begrifflich reflektierbar macht. Nehmen wir, um zu sehen, was dies genau bedeutet, noch den Absatz hinzu, aus dem der oben zitierte zweite Teilsatz stammte: Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedruckt, der reine Verstandesbegriff heißt. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zu Stande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung berhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt, weswegen sie reine Verstandesbegriffe heißen, die a priori auf Objekte gehen, welches die allgemeine Logik nicht leisten kann. (B104 f./A79)

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Bisher hatten wir nur ganz generell ein Abhngigkeitsverhltnis von Analysis und Synthesis in unserem urteilenden Bezug auf Gegenstnde konstatiert. Weiter hatten wir ganz allgemein angedeutet, dass sich nach diesem Zusammenhang aus der Tatsache, dass Urteile nach bestimmten logischen Regeln der Begriffsverknpfung klassifiziert werden kçnnen, etwas Entscheidendes ber die Organisation der zugrunde liegenden und beurteilbaren Gegenstnde ergeben msste. Diese Regeln sind nun nach dem ersten Abschnitt die „Funktionen in den Urteilen“, also diejenigen Funktionen, welche in Urteilshandlungen die Einheit des Urteils zum Resultat haben, verstanden als die „Einheit von verschiedenen Vorstellungen“. Wenn aber das Urteil so etwas wie ein Abbild des zugrunde liegenden anschaulichen Gegenstandes (bzw. eine analysierende Bezugnahme auf denselben) sein soll, dann muss von diesem Gegenstand gelten, dass er nach denselben Regeln organisiert ist, welche auch in dem Urteil ber ihn eine Rolle spielen. Nun sind bloße Anschauungen (im Plural verstanden, als Diversitt sinnlicher Vorstellungen) diesen Regeln noch nicht gemß. Das heißt der Verstand muss diese erst – nach ebendenselben Regeln, die fr die Einheit des Urteils verantwortlich sind – verbinden und durch eine Synthesis von sinnlichen Vorstellungen, die Einheit einer Anschauung zustande bringen. Die einzige Schwierigkeit besteht nun nur noch darin, genau zu verstehen, warum es dieselben Regeln oder Funktionen sein sollen, die zum einen in Form einer Analysis, zum anderen in Form einer Synthesis wirksam sind. Dazu ist zunchst zu bemerken, dass es, wenn man den Unterschied von Analysis und Synthesis bercksichtigt, keinen Sinn machen wrde, zu sagen, dass dieselben Funktionen auch in denselben Akten ausgefhrt werden. Kant scheint dies aber im zweiten Satz leider nahe zu legen: Es sollen „dieselben Handlungen“ sein, durch die der Verstand zum einen die logische Form von Urteilen und zum anderen – durch die synthetische Einheit des Mannigfaltigen in einer Anschauung berhaupt – einen transzendentalen Inhalt in seine Vorstellungen bringt. Nun haben wir aber schon gesehen, dass Kant, und dies scheint auch im eben zitierten Absatz der Fall zu sein, die Termini „Funktion“ und „Handlung“ des fteren synonym gebraucht. Wenn aber „Handlung“ dasselbe meint wie „Funktion“ im ersten Satz, dann heißt dies lediglich, dass dieselben Funktionen, welche in Urteilen Einheit herstellen, auch verantwortlich gemacht werden kçnnen fr das Zustandekommen einer synthetischen Einheit in Anschauungen. Dabei muss es sich aber durchaus nicht um dieselben Handlungen in dem Sinne handeln, in dem wir von „Urteilshandlungen“ gesprochen haben (vgl. zu dieser Terminologie oben 3.1.).

104 I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien Dies spricht gegen eine Konzeption, nach der die Anwendung der Kategorien auf sinnliche Vorstellungen sich in Form von impliziten oder expliziten Urteilen vollzieht. Es muss sich also nach allem Gesagten um Funktionen handeln, die in verschiedenen Akten zu verschiedenen Resultaten fhren, und zwar in dem Sinn, dass deren Wirksamkeit in der einen Sorte von Handlungen, welche als Resultat die Einheit einer Anschauung haben, Voraussetzung dafr ist, dass auch die andere Sorte von Handlungen (Urteile ber solche Anschauungen) mçglich ist.43 43 Eine ntzliche Systematisierung zu der Frage, wie sich die Anwendung der Kategorien zum Fllen von Urteilen verhlt, findet sich bei Grne (2009), welche bei ihrer Charakterisierung der verschiedenen Interpretationsanstze zu diesem Thema die Frage mitbercksichtigt, welche Rolle dabei nicht nur den Kategorien, sondern auch den empirischen Begriffen zukommt. Dabei lassen sich nach Grne drei Positionen unterscheiden (vgl. S. 18 ff.): Die Urteilstheoretiker gehen davon aus, dass Begriffe ausschließlich in Urteilen verwendet werden und dass es sich bei der begriffsgeleiteten Synthesis sinnlicher Vorstellungen entweder um eine bestimmte Art des Urteilens handelt, oder dass diese Synthesis zumindest das Fllen eines Urteils enthlt. Begriffe spielen dabei deswegen eine Rolle, weil sie laut Kant Bestandteile von Urteilen sind. (Vertreter dieser Position sind u. a.: Strawson 1982, Allison 1983, Carl 1992, Ginsborg 1997 u. 2006, Van Cleve 1999) Die Anhnger der zweiten Position, welche Grne als Nonkonzeptualisten bezeichnet, gehen ebenfalls davon aus, dass Begriffe nur in Urteilen verwendet werden kçnnen, vertreten vor diesem Hintergrund aber die These, dass das Anschauen eines Gegenstandes nicht das Fllen eines Urteils ber ihn impliziert, so dass das Vorliegen von Anschauungen auch nicht das Verfgen ber Begriffe voraussetzt (Diese Position wird vertreten u. a. von Allais, Hanna, Rohs und Waxmann, zur Kritik an diesen Positionen, vgl. Grne 2009, S. 144 ff.). Die Konzeptualisten hingegen vertreten zwar wie die Urteilstheoretiker die Auffassung, dass das Vorliegen von Anschauungen das Verfgen ber Begriffe voraussetzt, zugleich aber, dass das Anschauen eines Gegenstandes nicht das Fllen eines Urteils impliziert. Begriffe kçnnen in einer solchen Position zum einen als Bestandteile von Urteilen, zum andern aber als Regeln sinnlicher Synthesis verstanden werden. Dabei wird blicherweise die Position vertreten, dass das Vorliegen einer Anschauung voraussetzt, dass die Kategorien, nicht aber empirische Begriffe als Regeln sinnlicher Synthesis verstanden werden (Haag 2007 und Longuenesse 1998a). Eine Ausnahme bildet Sellars (1978), der die Auffassung vertritt, dass sowohl Kategorien als auch empirische Begriffe als Synthesisregeln fungieren mssen, um empirische Anschauungen zu bilden. In der hier vorliegenden Untersuchung wird nach diesen Kriterien eine konzeptualistische Lesart vertreten. Denn nach allem bisher Gesagten ist die kategoriale Synthesis als Voraussetzung fr das Fllen von Urteilen ber Gegenstnde zu verstehen, und nicht etwa identisch mit diesem. Dabei haben zunchst einmal die Kategorien als Regeln sinnlicher Synthesis zu fungieren. Spter wird sich allerdings zeigen, dass dabei auch den empirischen Begriffen eine ganz entscheidende Rolle zukommen wird; genauer wird sich zeigen, dass der Bezug auf sie – und zwar in Form eines Systems empirischer Begriffe – unerlsslich ist, nicht nur, um zu einem

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Es sind also die Funktionen, welche in Urteilen eine einheitsstiftende Funktion bernehmen, welche auch in Bezug auf Anschauungen eine solche Rolle bernehmen (vgl. auch B143).44 Warum aber nennt Kant diese Funktionen reine Verstandesbegriffe? Es handelt sich doch dabei keinesfalls – wenn Kant auch die Meinung vertritt, dass Kategorien erworbene Begriffe in dem Sinne sind, dass wir uns ihrer nur anlsslich ihrer Wirksamkeit in der Erfahrung anhand derselben bewusst werden kçnnen – um gewçhnliche Begriffe im Sinne von aus der Erfahrung abstrahierten Allgemeinbegriffen. Fr diese Frage muss man sich nur daran erinnern, was in methodischer Hinsicht das Beweisziel der metaphysischen Deduktion, und was die Strategie zur Erreichung dieses Zieles war: Es ging dabei darum, die reinen Begriffe eines Gegenstandes ausfindig zu machen, und zwar unter dem Vorzeichen, dass wir Gegenstnde durch Begriffe erkennen. Dabei konnten wir zunchst nur sagen, dass wir Gegenstnde durch empirische Begriffe erkennen. Durch die Analyse des urteilenden Verstandes stellte sich dann heraus, dass der Gebrauch solcher Begriffe vom Urteilen abhngt, und die Analyse des Urteiles hatte – in den „Funktionen in den Urteilen“ – die Rckfhrung auf ein Set fundierten Verstndnis der kategorialen Synthesis selbst, sondern auch zu einem genaueren Verstndnis des Zusammenhangs von Urteilsfunktionen und Kategorien zu gelangen (vgl. Kap. II.2. und II.3.3.). 44 Dennoch ist es noch einigermaßen schwer nachvollziehbar, warum dieselben Funktionen derart verschiedene Aufgaben, nmlich zum einen in Analysisakten und zum anderen in Synthesisakten zu fungieren, bernehmen kçnnen sollen. Im Zusammenhang damit stellt sich außerdem die Frage, ob Urteilshandlungen berhaupt pauschal als Analysishandlungen verstanden werden kçnnen, scheinen doch gerade synthetische Urteile verbindende Leistungen par excellence zu sein. Hierzu ist anzumerken, dass in einem gegenstandsbezogenen Sinn tatschlich jedes Urteil einen Akt der Analysis darstellt. Denn das, was – auch und gerade – im synthetischen Urteil begrifflich verbunden wird, muss im Gegenstand selbst schon als zusammengesetzt gedacht werden, um ein Wahrheitskriterium fr das betreffende Urteil bilden zu kçnnen. In diesem Sinn also sind alle Urteile Analysishandlungen. In einem nicht-gegenstandsbezogenen, sondern formal-strukturellen Sinn aber – und hier liegt eine mçgliche Antwort auf den ersten Teil der Frage – sind sowohl analytische, als auch synthetische Urteile als Verbindungsleistungen (in Bezug auf Begriffe) zu betrachten, – ein Aspekt, in dem sie mit der synthetischen Leistung der Kategorienanwendung berein kommen. Insofern sollte das Abhngigkeitsverhltnis von Analysis und Synthesis, das wir veranschlagt hatten, um den Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien erklren zu kçnnen, nicht dazu fhren, der Aussage, dass beiden Handlungsarten dieselben – nmlich einheitsstiftenden – Funktionen zu Grunde liegen, – bei aller mçglicherweise noch bestehenden Problematik – jede Berechtigung abzustreiten.

106 I. Die metaphysische Deduktion: Vom logischen Ursprung der Kategorien von logischen Grundoperationen zum Ergebnis, die fr alle begrifflichurteilenden Bezugnahmen auf Gegenstnde eine Rolle spielen mssen. Durch den Zusammenhang und das Abhngigkeitsverhltnis von Analysis und Synthesis ergab sich dann, dass diese Regeln auch dafr verantwortlich gemacht werden mssen, dass als Voraussetzung fr diese Bezugnahmen unsere sinnlichen Vorstellungen durch eine reine Synthesis auf eine Ebene gehoben werden, auf der sie begrifflich reflektierbar und beurteilbar sind. In diesem Sinne bringen die Kategorien das Sinnliche „auf Begriffe“, indem sie einen „transzendentalen Inhalt“ in unsere Vorstellungen bringen. Dass dieselben reine Begriffe vom Gegenstand sind, bedeutet demnach, dass sie als Bedingungen dafr veranschlagt werden mssen, dass unsere sinnlichen Vorstellungen in einer Weise organisiert sind, nach der sie als Gegenstnde gedacht werden kçnnen, auf die der begriffliche und urteilende Bezug, von dem wir ausgegangen sind, mçglich ist. Zum Schluss sollte noch auf einen naheliegenden Einwand eingegangen werden: Auch wenn gilt, dass die Gegenstnde der sinnlichen Anschauung den Regeln des urteilenden Verstandes zugnglich und in einem gewissen Sinne gemß sein mssen, damit wir berhaupt Urteile ber Gegenstnde fllen kçnnen, ist es nicht eine bertriebene Forderung, dass der Verstand diese Zugnglichkeit, und zwar durch Funktionen, die zunchst einmal nichts als logische Regeln sind, selbst bewirkt? Immerhin haben wir es doch beim „Logischen“ und „Sinnlichen“ mit zwei vçllig verschiedenen Ebenen zu tun, die miteinander in Verbindung gesetzt werden mssen. Hier ist es ganz entscheidend, wie dies in der hier vorgeschlagenen Interpretation schon allein aus methodischen Grnden geschehen ist, von der spezifischen Art unserer Sinnlichkeit abstrahiert zu haben. Denn von der transzendentalen sthetik herkommend kçnnte man, was die Verbindungsleistungen in Bezug auf ein sinnlich Mannigfaltiges anbelangt, zu der Auffassung gelangen, dass so etwas wie in raumzeitlicher Form gegebene Empfindungsdaten miteinander und untereinander verknpft werden sollen, was die Frage provozieren wrde: Warum sollten Funktionen, die ihrem Wesen nach zuallererst logische Verbindungsregeln sind, dazu geeignet sein, ein solches sinnliches Empfindungsmaterial miteinander zu verknpfen? Wenn man aber von einem solchen Vorverstndnis ber unsere Sinnlichkeit abstrahiert, dann kann man die metaphysische Deduktion als das lesen, was sie in systematischer Hinsicht ist: eine isolierte Untersuchung unseres Verstandesvermçgens, das gerade in Abstraktion von unserer Sinnlichkeit die Bedingungen eines Gegenstandes erçrtert, denen eine Anschauung, welcher Art sie auch sein mag, gemß sein muss.

3. Das Argument der metaphysischen Deduktion

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Dieser prskriptive Charakter ist fr die metaphysische Deduktion genauso wesentlich wie fr die transzendentale Deduktion. Letztere soll dann zwar zeigen, dass nicht nur die „Anschauung berhaupt“, sondern dass „unsere sinnlichen Anschauungen“ den Kategorien unterliegen mssen, da wir sonst kein einheitliches Bewusstsein von unseren sinnlichen Vorstellungen htten. Aber auch dies ist letztlich eine Forderung unseres Verstandesdenkens. Denn dass unsere Anschauungen unter den Kategorien stehen mssen, um die Einheit unseres Selbstbewusstseins zu gewhrleisten, garantiert noch nicht, dass sie dies auch tatschlich tun. Es kçnnte nmlich sein, dass das gesamte Deduktionsargument, selbst dann, wenn es in systematischer Hinsicht als fehlerfrei erscheinen mag, durch den einfachen Hinweis falsifiziert wird, dass unsere sinnlichen Anschauungen von einer Art sind, dass sie gar nicht unter den Kategorien stehen kçnnen. Was also noch gezeigt werden muss, ist die Anwendbarkeit der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit, wobei es nicht gengt, wie im Deduktionsargument in abstracto die Forderung zu formulieren, dass Anschauungen der Einheit unseres Verstandes gemß sein mssen, sondern wozu in concreto anhand der einzelnen Kategorien gezeigt werden muss, dass ihre Anwendung auf unsere Sinnlichkeit zu dem gewnschten Ergebnis, nmlich zu urteils- und bewusstseinsfhigen Anschauungen bzw. Gegenstnden fhrt. Dies alles kçnnte nun wie eine argumentationstheoretische Spitzfindigkeit erscheinen, wrde nicht, wie gerade angedeutet, die transzendentale sthetik tatschlich zu solchen Zweifeln in Bezug auf die Anwendbarkeit der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit, Anlass geben. Das nun folgende zweite Kapitel dieser Untersuchung, in dem eine Interpretation der „Grundstze“ unter dem Fokus auf die Anwendbarkeit der Kategorien geleistet werden soll, soll dann auch darstellen, dass durch die dort geleistete Vermittlung unseres Verstandes mit unserer Sinnlichkeit, Letztere gegenber den Ausfhrungen in der transzendentalen sthetik eine ganz entscheidende Modifikation erfhrt, die es allein erlaubt, den eben genannten Zweifel auszurumen und eine Variante von „kategorialer Synthesis“ vorzustellen, welche den Ursprung der Kategorien im urteilenden Verstand, so wie er in der metaphysischen Deduktion nachgewiesen werden sollte, ersichtlich macht.

II. Die Grundstze des reinen Verstandes 1. Zum inneren Zusammenhang der Kategoriendeduktion mit dem Grundsatzkapitel Haben sich uns die Kategorien bisher als subjektiv notwendige Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes erwiesen, die in Anwendung auf unsere sinnliche Anschauung, und nur in dieser objektive Gltigkeit besitzen, so stellt sich nun die Frage nach dem wie dieser Anwendung. Eine Frage, der sich Kant im Schematismus und im Grundsatzkapitel zuwendet. Im „Schematismus der reinen Verstandesbegriffe“ wird der Gebrauch der Kategorien unter sinnlichen Bedingungen behandelt, whrend auf dieser Grundlage in den „Grundstzen des reinen Verstandes“ die synthetischen Urteile formuliert werden, „welche aus reinen Verstandesbegriffen unter diesen Bedingungen a priori herfließen“ (B175/A136). Dass Kant die „Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf mçgliche Erfahrung“ durch synthetisch-apriorische Grundstze formuliert, darf dabei nicht darber hinwegtuschen, dass es in dieser Anwendung um den „Gebrauch ihrer Synthesis“ geht (B199/A160). Fr die Frage also, ob es die synthetischen Urteile a priori sind, die die Subsumtion von Erfahrungsinstanzen unter allgemeine Regeln erlauben, oder ob wir uns die Mçglichkeit der Erfahrung, wie es der Schematismus vorschlgt als durch eine kategorial-schematische Synthesis bedingt vorstellen mssen, ist hier zu sagen: Die beiden Sichtweisen sind durchaus kompatibel. Whrend die kategoriale Synthesis die eigentlich funktionale Erklrung der Mçglichkeit von Erfahrung gibt, werten die synthetischen Urteile a priori dieses Ergebnis auf deskriptiver Ebene dahingehend aus, dass jetzt im Vordergrund steht, wie wir uns durch diese Mçglichkeit bedingt, die – theoretische – Subsumierbarkeit verschiedener Erfahrungsinstanzen, oder der mçglichen Erfahrung berhaupt, unter ihre Bedingungen vorzustellen haben.1

1

Dasselbe Verhltnis von Synthesis und Subsumtion spannt sich auch innerhalb des Schematismus auf. Vgl. dazu auch die sehr anschaulichen Ausfhrungen Kroners (1961) zu diesem Problem, S. 89 ff. Die Frage, ob es sich beim Schematismus um einen Subsumtions- oder einen Synthesisschematismus handelt, wird auch in dem klassischen und immer noch sehr lesenswerten Aufsatz von Curtius 1914 disku-

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Im Folgenden kçnnen wir aber diesen Ebenenunterschied vernachlssigen, da sich unsere Frage nach dem „wie“ der Anwendung von Kategorien auf die Sinnlichkeit, und dies betrifft, wie wir sehen werden, auch den inhaltlichen Ertrag des Grundsatzkapitels, ohnehin vorwiegend auf der beschriebenen funktionalen Ebene abspielt. Von den zahlreichen Implikationen, die sich aus diesem neuen Lehrstck ergeben, ist fr unseren gegenwrtigen Argumentationszusammenhang nun vor allem ein Aspekt von Interesse: Da die objektive Gltigkeit der Kategorien gerade in ihrer Anwendung auf die reine sinnliche Anschauung bewiesen wurde, kçnnte es so scheinen, als wre das genaue „wie“ dieser Anwendung gleichgltig gegenber dem Beweis selbst. Denn da die Anwendung als Geltungsfaktum bereits feststeht, sieht es so aus, als wrde vor dem Hintergrund des bereits vollendeten transzendentalen Geltungsbeweises das „wie“ der Anwendung von Kategorien auf die Sinnlichkeit nur eine nachtrgliche Ausgestaltung darstellen, die inhaltlich an bereits Vorgetragenes, nmlich die Theorie der produktiven Einbildungskraft in der transzendentalen Deduktion, anknpft, aber keinen eigenstndigen Beitrag zum bereits erledigten Beweis selbst leistet. Demgegenber soll hier dafr argumentiert werden, dass besonders das Grundsatzkapitel mindestens eine entscheidende Prfungsinstanz fr den transzendentallogisch erfolgten Beweis als Ganzem darstellt. Denn genau besehen, hat dieser das Problem der Anwendung der Kategorien in einem ganz entscheidenden Aspekt, der in der Frage nach dem „wie“ aufbricht, zugleich aber ber diese hinausgeht, noch gar nicht beantwortet. Dieser Beweis beruhte, um dies kurz zu rekapitulieren, darauf, dass nicht nur Anschauung berhaupt – in abstracto – den Kategorien unterworfen sein muss, damit wir unter sinnlichen Bedingungen urteilsfhige Gegenstnde denken kçnnen (metaphysische Deduktion), sondern dass darber hinaus diese subjektive Notwendigkeit des Denkens ihre Erfllung darin finden muss, dass unsere sinnlichen Anschauungen tatschlich den Kategorien unterworfen sein mssen, damit sinnlich Gegebenes berhaupt zur Einheit des Selbstbewusstseins gelangt (transzendentale Deduktion). Letzteres ist aber selbst wiederum eine subjektive Notwendigkeit des Denkens, denn dass unsere sinnlichen Anschauungen den Kategorien unterworfen sein mssen, um den Erfordernissen des Urteilens ber Gegenstnde und schließlich des Selbstbewusstseins zu gengen, bedeutet noch nicht, dass sie dies tatschlich sind, bzw. dass die Kategorien auf Anschauungen tiert. Zu einem neueren Problem- und Literaturberblick zum Schematismus: vgl. Seel 1998.

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

applikabel sind, – und zwar deswegen, weil hier auf sinnliche Bedingungen Bezug genommen wird, die innerhalb des Beweisganges bloß vorausgesetzt werden. Wir wissen nmlich noch nicht, ob die sinnlichen Bedingungen, wie sie in einem eigenstndigen Beweisgang begrndet wurden (transzendentale sthetik), berhaupt mit den Bedingungen des Denkens eines Gegenstandes der Anschauung berhaupt, bzw. unserer sinnlichen reinen Anschauung, wie sie gedacht werden muss, in Einklang zu bringen sind. Wir haben es also mit einem Folgeproblem der Lehre von den zwei Erkenntnisstmmen zu tun, das hier im Grundsatzkapitel, genauer: in der Frage nach dem „wie“ der Anwendung, aufbricht. Und die Frage, die sich nun stellt, ist, ob unter eigenstndiger Voraussetzung unserer sinnlichen Bedingungen, die Anwendung der Kategorien auf sie berhaupt zu dem gewnschten Ergebnis fhrt, d. h. zu einer urteilsfhigen Gegenstndlichkeit in der sinnlichen Anschauung. Denn es kçnnte sein, dass die Kategorien zwar notwendige Bedingungen des Denkens von Gegenstnden sind, unsere sinnliche Anschauung auch diesen gemß sein muss, um berhaupt zur Einheit des Selbstbewusstseins in Beziehung gesetzt werden zu kçnnen, dass aber die sinnlichen Bedingungen, so wie sie als bloße Sinnlichkeit vorausgesetzt werden, derart disparat zu diesen notwendigen Bedingungen sind, dass die Anwendung der Kategorien auf sie nicht zu dem erstrebten Ergebnis fhrt. Mit anderen Worten: Der bisher durchgefhrte geltungstheoretische Beweisgang, der nur die Notwendigkeit der Anwendung der Kategorien auf die sinnliche Anschauung zeigte, muss noch dadurch ergnzt werden, dass die Mçglichkeit ihrer Anwendung auf unsere Sinnlichkeit gezeigt wird. Nun handelt es sich bei dieser Forderung zugegebenermaßen um eine kontraintuitive berlegung. Wenn auch das explanatorische Verdienst des Grundsatzkapitels fr zahlreiche der Kantischen Theoriestcke kaum in Frage gestellt werden drfte, so ist es doch in beweisstrategischer Hinsicht, selbst unter Bercksichtigung der Tatsache, dass wir es hier um die Zusammenfhrung der Untersuchungen ber verschiedene Erkenntnisstmme zu tun haben, einigermaßen unklar, was es heißen soll, die Mçglichkeit von etwas, dessen Notwendigkeit bereits festzustehen scheint, zu demonstrieren. Hier mag ein kurzer Rekurs auf einen Argumentationstypus, den Cassam neuerdings in die Diskussion um „transzendentale Argumente“ eingeworfen hat, von einigem Wert sein. In der Abgrenzung zu transzendentalen Argumenten des klassischen Kantischen Typs entwickelt Cassam ein ußerst interessantes argumentatives Instrumentarium, das zur Einschtzung der Leistung, Notwendigkeit und Reichweite von wie-Fragen fr

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das hier verhandelte Problem von nicht unerheblichem Nutzen ist.2 Fr unsere Zwecke von Interesse ist dabei vor allen Dingen eine bestimmte zu Beginn seiner Untersuchung angedeutete Grundintuition, die mit „wie?“Fragen bzw. „wie ist es mçglich?“-Fragen einhergehen kann. Desçfteren scheint nmlich die Frage „Wie ist es mçglich?“ – die auch fr unser Problem der Anwendbarkeit der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit von entscheidender Bedeutung ist – auch dann und gerade dann sinnvoll zu sein, wenn bereits festzustehen scheint, dass das, nach dessen Mçglichkeit gefragt wird, tatschlich mçglich oder der Fall ist. Dann nmlich, wenn einer Tatsache oder einer bereits geformten berzeugung bestimmte Hindernisse im Wege stehen, die uns (wenn sie uns nicht gar die Tatsache bezweifeln, oder unsere geformte berzeugung berdenken lassen) mindestens in Erstaunen versetzen. In diesem Sinn sind „wie ist es mçglich?“Fragen eng verwandt mit einfachen „wie?“-Fragen. Doch im Gegensatz zu letzteren, welche gegebenenfalls auch lediglich durch „respectful curiosity“ ausgelçst werden mçgen (S.5), ist mit „wie ist es mçglich?“-Fragen mindestens das Gefhl eines ernsthaften Hindernisses verbunden. Solche – eigentlich interessanten – Fragen mssen daher in der Terminologie Cassams als „obstacle dependent“ verstanden werden (S. 2). Sie sind darauf ausgerichtet, mçgliche Hindernisse aus dem Weg zu rumen. Des Weiteren kçnnen „wie ist es mçglich?“-Fragen natrlich auch „explanation seeking“ sein (S. 16), – was allerdings nach Cassams Verstndnis zwar eine mçgliche und durchaus auch gerechtfertigte, keineswegs aber eine notwendige Funktion solcher Fragen ist.3 2 3

Diesen Hinweis verdanke ich Tobias Rosefeldt. Nach Cassams so genanntem „multi-level“-Ansatz spielt sich die Beantwortung von „wie ist es mçglich?“-Fragen genauer auf drei Ebenen ab: Auf einer ersten Ebene, die mçglicherweise auch noch bei einer einfachen, durch Neugier ausgelçsten „wie?“-Frage ihren Ausgang nimmt, haben wir die Mittel und Wege („means“) dafr anzugeben, wie etwas tatschlich der Fall sein kann. Auf einer zweiten Ebene haben wir die Hindernisse auszurumen, die einer Verwirklichung dieser Mittel mçglicherweise entgegen stehen kçnnten („obstacle-dependent“). Auf der dritten Ebene schließlich werden die Ermçglichungsbedingungen („enabling conditions“) dafr angegeben, dass wir durch die angegebenen Mittel eine Tatsache oder eine Erkenntnisart erklren kçnnen (vgl. S. 9 f.). Auf dieser letzten Ebene ist unsere Frage nicht mehr als „obstacle-dependent“, sondern als „explantation-seeking“ zu bezeichnen (S. 16). Denn hier geht es nicht mehr darum, konkrete Hindernisse fr das Wissen um etwas aus dem Weg zu rumen, sondern zu einer positiven Erklrung der Mçglichkeit dieses Wissens zu gelangen. Nach einer „minimalistischen“ Lesart ist diese letzte Ebene nicht notwendig, um zu einer Beantwortung der „wie ist es mçglich?“-Frage zu gelangen, nach der schwachen

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Gerade die Verbindung beider Funktionen, nmlich als „obstacle dependent“ und als „explanation seeking“ zu fungieren, also im Versuch der Erklrung eines Sachverhaltes mçgliche Hindernisse aus dem Weg zu rumen, ist dabei aber besonders interessant, dann nmlich, wenn es sich um eine „wie ist es mçglich?“-Frage handelt, die sich auf ein Explanandum bezieht, das durch ein „dass“ bereits als Faktum vorausgesetzt werden zu mssen scheint. Genau um einen solchen Fragentyp handelt es sich aber bei unserer Frage nach dem wie der Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit, welche die Mçglichkeit dieser ihrer Anwendung demonstrieren soll. Ausgehend von einer gewissen intellektuellen Neugier, wie denn die Kategorien genau auf die Sinnlichkeit angewendet werden sollen, ist diese Frage nmlich geeignet, darber hinaus ein gutes Maß an Skepsis bezglich dieser Mçglichkeit zu transportieren. Denn dass die vçllig verschiedenartigen Erkenntnisstmme Sinnlichkeit und Verstand berhaupt vermittelbar sind, ist prima facie nicht gerade leicht einzusehen. Wonach wir suchen, ist eine Antwort, die geeignet ist, unsere Zweifel darber zu zerstreuen, – und zwar idealerweise, indem sie die Mçglichkeit der Vermittlung in einer positiven Erklrung aufzeigt. Um diese Skepsis und den Erklrungsstatus diesbezglicher Fragen und Antworten besser fassen zu kçnnen, ist es ntzlich, den Fall vergleichend einer anderen „dass“ – „wie“- Dichotomie gegenber zu stellen, der wir schon begegnet sind. Anlsslich der Behandlung von Themen der transzendentalen Deduktion hatten wir gesehen, dass im Rckgriff auf die Thesen der metaphysischen Deduktion die so genannte „objektive Deduktion“ der Kategorien relativ schnell und einfach darlegen kann, „dass“ Erfahrungsgegenstnde unter den Kategorien stehen mssen, letzteren mithin objektive Gltigkeit zukommt, – unter der Voraussetzung nmlich, dass wir tatschlich objektive Erkenntnisse von Gegenstnden haben. Was die objektive Deduktion nicht beantworten konnte, war das genaue „wie und warum“. Diese Frage, so hatten wir festgestellt, kann nur die – nach Kants etwas fragwrdiger Einschtzung nicht unbedingt notwendige – subjektive Deduktion leisten. Wesentlich dabei war, dass durch die Beantwortung der „wie?“-Frage, nmlich der Frage, wie sich reine Verstandesbegriff auf Objekte beziehen kçnnen, auch das bereits festzustehen scheinende „dass“, nmlich, dass unsere Erfahrungsgegenstnde unter den Kategorien stehen mssen, eine neue Untermauerung erfuhr. Die Rckbindung der Bedingungen unserer objektiven Gegenstanderkenntnis an die minimalistischen Lesart, die Cassam favorisiert, ist sie aber durchaus gerechtfertigt (vgl. S. 19).

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Bedingungen und Mçglichkeiten unseres Selbstbewusstseins, die anhand der „wie?“-Frage erfolgte, befreite nmlich den Geltungsbeweis von der in der objektiven Deduktion noch vorhandenen Einschrnkung, nach der diese nur unter der Voraussetzung, dass wir tatschlich objektive Erfahrungserkenntnisse haben, sinnvoll und mçglich war. Erst in der subjektiven Deduktion hatten wir es mit einem skepsisimmunen Beweis der objektiven Gltigkeit der Kategorien zu tun. In einer ganz hnlichen Lage befinden wir uns m. E. bei unserem gegenwrtigen Problem. Auch hier haben wir es mit einer „wie?“-Frage zu tun, die im strikten Sinne nicht notwendig zu sein scheint, da wir ber den betreffenden Sachverhalt durch ein „dass“ bereits hinreichend informiert zu sein scheinen. Und auch hier wird die „wie?“-Frage dadurch motiviert, dass noch einige Zweifel bezglich der Mçglichkeit dieses „dass“ bestehen. Doch whrend es im Falle der transzendentalen Deduktion sehr einfach war, diese Zweifel dingfest zu machen, da die objektive Deduktion ganz explizit von der Einschrnkung abhing, dass wir tatschlich objektiver Erkenntnisse von Erfahrungsgegenstnden fhig sind, ist es einigermaßen schwierig, die skeptische Intention der gegenwrtigen Frage exakt zu bestimmen. Es scheint sich zunchst eher um eine Verwunderung, als um einen handfesten Zweifel zu handeln, – um eine Verwunderung darber, dass es mçglich sein soll, dass sich Begriffe in der beschriebenen Weise auf Anschauungen beziehen kçnnen lassen sollen. Diese Schwierigkeit einer genauen Fixierung des skeptischen Gehalts unserer Frage liegt aber letztlich daran, dass sie auf ein Problem rekurriert, welches innerhalb des transzendentallogischen Geltungsbeweises gar nicht eigens thematisiert wird. Die Frage, die in der Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und reinen Verstandesbegriffen und ihrem genauen „wie und warum?“ aufbricht, ist nmlich eine, die gar nicht die Richtigkeit des transzendentallogisch geleisteten Geltungsbeweises selbst, sondern eine der Prmissen, die fr diesen Beweis in Anschlag genommen werden mssen, betrifft. Es handelt sich um eine Prmisse, welche Kant nie ernsthaft begrndet oder hinterfragt hat, nmlich, dass unsere Erkenntnis (zumindest derjenigen Art, die fr eine Kritik der reinen Vernunft von Belang ist) aus Begriff und Anschauung besteht. Diese Prmisse gewinnt aber eine ganz eigentmliche Brisanz durch die geradezu erstaunliche Intensitt, in der die ungleichartigen Erkenntniselemente im Durchgang durch die einzelnen Schritte des transzendentallogischen Beweisganges aneinander gebunden werden mssen. Ohne das genaue „wie und warum?“ der Vermittlung von Begrifflichkeit und Sinnlichkeit zu erfahren, wird auch ein Leser, der die Richtigkeit des transzendentallogischen Beweisgangs selbst anerkennt,

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

mçglicherweise geneigt sein, den betreffenden Kantischen Erkenntnisbegriff, welcher eine der Prmissen dieses Beweises darstellt, anzuzweifeln. Zwar wird nun umgekehrt eine Demonstration der Mçglichkeit der Vermittlung von Kategorien und Sinnlichkeit nicht automatisch die Richtigkeit des zugrunde liegenden Erkenntnisbegriffs nach sich ziehen, dieser kann aber doch ganz erheblich plausibilisiert werden, in dem gezeigt wird, dass es zumindest mçglich ist, dass sich Begriffe und Anschauungen in der durch die eigentliche transzendentallogische Untersuchung vorgegeben Art und Weise aufeinander beziehen. Da nun Kant die Richtigkeit seines Erkenntnisbegriffes, dem zufolge jede Erkenntnis, welche auch nur in irgendeiner Weise als objektiv ausgewiesen werden kçnnen soll, sowohl aus Anschauungen als auch aus Begriffen bestehen muss, ebenso wie die Mçglichkeit, dass die heterogenen Theoriestcke der transzendentalen sthetik und der Analytik der Begriffe prinzipiell in Beziehung zu setzen sind, niemals ernsthaft in Zweifel gezogen hat, konnte unsere Frage der Anwendbarkeit bei ihm auch nicht den Status einer eigenen systematischen Frage erlangen. Gleichwohl stehen wir auch unter der restringierten Frage nach der Anwendbarkeit, die unter Voraussetzung des Geltungsfaktums der Anwendung nur ihr genaues „wie?“ erforscht, also durch die Inbezugnahme von Sinnlichkeit und Verstand im Schematismus bzw. im Grundsatzkapitel, vor einer wahren Fundgrube von Detaillçsungen, die nicht nur das Verstndnis der Beziehung von Anschauung und Denken und die Bestimmungen des Sinnlichen selbst gegenber den vorhergehenden Untersuchungen maßgeblich verndern, sondern die auch Rckschlsse auf zahlreiche Probleme zulassen, die im Laufe der bisherigen transzendentallogischen Erçrterung das Verstndnis erschwert haben kçnnten. Diese betreffen vor allen Dingen Verstndnisschwierigkeiten mit der transzendentalen Deduktion, ihrem Verhltnis zur metaphysischen Deduktion und schließlich und vor allem, mit der metaphysischen Deduktion selbst. Was die transzendentale Deduktion anbelangt, kçnnte sich der berechtigte Einwand erheben, dass wir zwar, um uns die Mçglichkeit des Selbst- und Gegenstandsbewusstseins zu erklren, zu der Annahme von kategorialen Synthesisregeln verpflichtet sind, dass es aber gnzlich unverstndlich ist, warum diese kategorialen Regeln sinnlicher Synthesen mit den Urteilsfunktionen bereinkommen sollten. Diesem Einwand kann nun mit der ebenso berechtigten Feststellung begegnet werden, dass es sich bei den Kategorien um quivalente zu den Urteilsfunktionen handeln muss, da sonst durch die kategoriale Synthesis nicht das Denken von Gegenstnden erklrt werden kçnnte, ber die geurteilt werden kann. Dies

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besagt aber lediglich, dass das Kantische Beweisprogramm auf die strukturelle Identifizierung von Urteilsfunktionen und Kategorien angewiesen ist, und der ursprngliche Einwand ließe sich dahingehend reformulieren, dass aus der Untersuchung der transzendentalen Deduktion gar nicht abzusehen ist, ob eine sinnliche Synthesis unter den solcherart zugrunde gelegten Kategorien, in Bezug auf die vorauszusetzende reine Anschauung berhaupt erfolgreich gedacht werden kann. Mit anderen Worten: Die transzendentale Deduktion verlangt nach einer Ergnzung, die ber den Objektivittsnachweis hinaus erklrt, wie die Bezugnahme der Kategorien auf die Sinnlichkeit so gedacht werden kann, dass die Kategorien als strukturell identisch mit den Urteilsfunktionen aufgefasst werden kçnnen. Diese Frage betrifft dann aber auch schon das Verhltnis von transzendentaler Deduktion und metaphysischer Deduktion. Denn das Problem ließe sich auch dahingehend reformulieren, dass zunchst nicht recht verstndlich ist, warum es die aus der metaphysischen Deduktion bekannten Kategorien sind, deren objektive Gltigkeit in der transzendentalen Deduktion erwiesen wird, indem sie ihre Anwendung auf die Sinnlichkeit erfahren. Schließlich betrifft die Frage die metaphysische Deduktion selbst, denn letztlich betrifft sie den Ursprung der Kategorien im urteilenden Verstand und ihre damit zusammenhngende inhaltliche Bestimmung. Denn der Satz „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrckt, der reine Verstandesbegriff heißt“ (B104 f./A79), enthlt schon das Problem in sich, wie die Kategorie aus ihrem logischen Ursprung heraus tatschlich Anwendung auf die Sinnlichkeit finden kann (Frage der Anwendbarkeit). Was sich also im Grundsatzkapitel als Prfungsinstanz fr die Anwendbarkeit der Kategorien auf die reine Sinnlichkeit ausweisen lassen muss, ist, dass die Kategorien, so wie sie uns in der metaphysischen Deduktion aus ihrem Ursprung im urteilenden Verstand bekannt gemacht wurden, tatschlich Anwendung auf die reine Sinnlichkeit finden kçnnen. Oder von der anderen Seite betrachtet: dass diejenigen Kategorien, die wir als erforderlich fr die Gegenstandskonstitution unter sinnlichen Bedingungen halten, tatschlich zurckgefhrt werden kçnnen auf die jeweiligen Urteilsfunktionen. Fr diese Untersuchung bietet das Grundsatzkapitel die besten Voraussetzungen: denn indem hier die Anwendung der jeweiligen Kategorien auf die Sinnlichkeit in concreto vorgefhrt wird, lsst sich 1) ihre jeweilige Rolle fr die Gegenstandskonstitution unter unseren sinnlichen Bedingungen selbst berprfen, d. h. es lsst sich nachprfen, ob die

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Kategorienanwendung unter diesen Bedingungen berhaupt zum gewnschten Ergebnis einer Gegenstandskonstitution fhrt und 2) ob dieses jeweilige Ergebnis, d. h. das unter sinnlichen Bedingungen zustande gekommene Denken eines Gegenstandes berhaupt, korreliert mit den Erfordernissen der korrespondierenden Urteilsfunktionen: ob wir also mittels der Kategorien tatschlich jene Aspekte der Gegenstandkonstitution gewinnen, welche fr das Urteilen ber diese Gegenstnde in den jeweils zugeordneten Urteilsfunktionen notwendig sind. Diese Fragen sind nicht zuletzt auch deswegen wichtig, weil man, wenn man das Grundsatzkapitel als eigenstndige Grçße und in einem eher losen Zusammenhang mit den ihm vorausgehenden Theoriestcken betrachtet, auch zu einer vçllig anderen und im Hinblick auf Kants konkrete Ausfhrungen in den Grundstzen nicht ganz unverstndlichen Auffassung ber den Gesamtbeweisgang der transzendentalen Analytik gelangen kçnnte. Man kçnnte nmlich der Meinung sein, und eine solche Meinung hat im Neukantianismus, namentlich bei Cohen eine entscheidende Rolle gespielt, Kant gehe es in den Grundstzen um die Etablierung von Grundstzen fr die Naturwissenschaft. Diese Auffassung entbehrt sicherlich nicht jeder Grundlage, darf aber nicht dazu fhren, unter dem Fokus auf die Grundstze des reinen Verstandes den Gesamtbeweisgang der Analytik umzukehren. Einen Anlass zu einem mçglichen Umstrukturierungsversuch bietet Kant unglcklicherweise selbst. Denn da er in der transzendentalen Deduktion streng genommen – zumindest, wenn man den Bezug zur metaphysischen Deduktion außer Acht lsst – nur zeigt, dass es irgendwelche Regeln zur Gegenstandskonstitution geben muss und zwar ohne Hinweis darauf, warum die einzelnen Kategorien fr das Denken oder die Erkenntnis von Gegenstnden erforderlich sind, sind wir zur Ergrndung der Frage, welche Kategorien welche Aspekte von Gegenstndlichkeit zu garantieren haben, auf das Grundsatzkapitel verwiesen. Vor dessen Hintergrund kçnnte man aber tatschlich zu der Auffassung gelangen, dass die Rolle der Kategorien darin besteht, bestimmte vorausgesetzte Aspekte von Gegenstndlichkeit zu etablieren, Aspekte von Gegenstndlichkeit, die wir mit dem Faktum der Erfahrung oder der naturwissenschaftlichen Erkenntnis verbinden. Eine solche Auffassung wrde aber letztlich das ganze Projekt der Kategoriendeduktion unterminieren. Wie Strawson zu Recht bemerkt hat, wrde das Verhaften an den in den Grundstzen tatschlich zum Ausdruck kommenden naturwissenschaftlichen Ansichten zu Kants Zeit zur berfhrung des Kantischen Projekts in eine Art von „historischer Metaphysik“ fhren (vgl. 1975, S. 120). Es ist demnach von grçßter Wichtigkeit, bei der Betrachtung der Grundstze

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mindestens die transzendentale Deduktion stets im Auge zu behalten, und das Grundsatzkapitel umgekehrt nutzbar zu machen, um den bereits erreichten Beweisstand zu vertiefen.4 Nun hat eine vollstndige und gehaltvolle transzendentale Deduktion, wie wir schon oftmals betont haben, nicht nur zu zeigen, dass die Kategorien Bedeutung als Bedingungen einer bereits vorausgesetzten objektiven Erfahrung haben, sondern sie muss sich in ihrem Gltigkeitsbeweis auch der viel anspruchsvolleren Aufgabe stellen, zu zeigen, dass wir tatschlich objektive Erfahrung haben. Dann darf aber, um das Beweisziel der transzendentalen Deduktion nicht rckwirkend zu gefhrden, im Grundsatzkapitel keinerlei Bezug auf etwaige Vorstellungen ber die Art unserer objektiven Erfahrung gemacht werden, welche als bloße Voraussetzung in 4

Die Auffassung, dass das Grundsatzkapitel die geeignete Stelle ist, um zentrale in der transzendentalen Deduktion ausgefhrte Thesen zu fundieren, vertreten u. a. auch Guyer, Watkins und Thçle. Insbesondere geht es dabei um die Tatsache, dass Kant in der transzendentalen Deduktion nur zeigt, dass die Kategorien en bloc Anwendung auf sinnliche Anschauungen finden mssen. Nach Guyer (2001a) muss aber mindestens auch gezeigt werden, dass jede einzelne Kategorie zumindest auf einige Gegenstnde sinnlicher Anschauung angewendet werden muss, und gerade, wenn der Skeptizismus Hume’s widerlegt werden soll, dass mindestens die Kategorie der Kausalitt auf alle Gegenstnde sinnlicher Anschauung Anwendung finden muss (vgl. S. 315 f. Zum Zusammenhang von transzendentaler Deduktion und Grundsatzkapitel im Allgemeinen: vgl. auch Guyer 1987, S. 208 ff.). Die grçßere Spezifitt des Grundsatzkapitels, die darin zum Ausdruck kommt, dass nur hier die notwendigen Bedingungen fr bestimmte Aspekte der Erfahrung ergrndet werden kçnnen, betont auch Watkins (2005), der allerdings gleichzeitig darauf hinweist, dass dabei stets im Blick behalten werden muss, das die normative Rechtfertigung der Anwendung der Kategorien auch in spezifischen Erfahrungskontexten bereits durch die transzendentale Deduktion abgesichert sein muss (S. 187 f.). Der Zusammenhang von transzendentaler Deduktion und Grundsatzkapitel spielt in einem hnlichen Zusammenhang auch bei Thçle (1991) eine große Rolle, der diesbezglich folgendes Dilemma sieht: Soll es sich bei dem Kantischen Gesamtbeweis um ein gehaltvolles Argument handeln, welches die Gesetzmßigkeit unserer Erscheinungen begrndet und nicht schon voraussetzt, so gert man, je nachdem, ob man dafr primr bei der transzendentalen Deduktion oder beim Grundsatzkapitel ansetzt, in unterschiedliche Problemlagen. Setzt man bei der transzendentalen Deduktion an, so kann diese lediglich zeigen, „daß unsere Vorstellungen gewissen Regeln unterworfen sein mssen, ohne nhere Auskunft darber zu geben, um welche Regeln es sich dabei handelt“ (S. 121). Setzt man andererseits beim Grundsatzkapitel an, so kann dadurch zwar die Geltung von speziellen Gesetzesthesen gezeigt werden, allerdings nur unter Voraussetzung eines sehr starken Objektivittsbegriffs, so dass sich die unmittelbare Gefahr ergibt, der Versuchung zu erliegen, „bereits alles, was gezeigt werden soll, in den Objektbegriff hereinzustecken“ (S. 122).

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

das Argument einginge. An dieser Stelle ist es von entscheidender Bedeutung, bei der Erçrterung des Grundsatzkapitels nicht nur den Geltungsbeweis der transzendentalen Deduktion im Auge zu haben, sondern sich explizit vor allen Dingen auch auf die metaphysische Deduktion zurckbeziehen zu kçnnen. Denn damit haben wir im Rahmen des Gesamtbeweisgangs voraussetzungslose Kriterien an der Hand, was als Gegenstand einer objektiven Erfahrung, bzw. als objektive Erkenntnis zu verstehen ist. Mit dem Gegenstand einer objektiven Erkenntnis wird aus dieser Perspektive nmlich der Gegenstand gemeint sein, ber den wir objektiv-gltige Urteile fllen kçnnen. Wenn wir also danach fragen, welche Aspekte von Gegenstndlichkeit durch die einzelnen Kategorien generiert werden sollen, dann wird es sich dabei genau um diejenigen Aspekte handeln, die in einem entsprechenden Bezug auf den Gegenstand in einem Urteil eine Rolle spielen. Entscheidend ist es also, die Anwendung der Kategorien auf Sinnliches so zu verstehen, dass der Ursprung der Kategorien aus dem urteilenden Verstand und das heißt konkret ihre jeweilige Korrespondenz mit der entsprechenden Urteilsfunktion ersichtlich wird. Leider lsst uns Kant gerade im Grundsatzkapitel ber den Zusammenhang der Kategorien mit den jeweiligen Urteilsformen bzw. -funktionen fast vollstndig im Dunkeln. Stattdessen orientiert er sich, wie eben bereits ausgefhrt, an einem Verstndnis von objektiver Erfahrung, das man schwerlich anders denn als faktische Voraussetzung ber die Art unserer Alltagserfahrung oder von wissenschaftlicher Erfahrung bezeichnen kann. Um diesem Umstand bei der Interpretation der jeweiligen Theoriestcke, und dies gilt namentlich fr die Analogien der Erfahrung, bercksichtigen zu kçnnen, ist es beraus ntzlich, sich an eine Unterscheidung anzulehnen, die Kant in den Prolegomena zur Charakterisierung verschiedener Beweismethoden verwendet. Dort unterscheidet Kant ein analytisches Beweisverfahren, das im Wesentlichen darauf beruht, von gegebenen und gewissen Erkenntnissen ausgehend zu erçrtern, wie diese mçglich sind, von einem synthetischen Verfahren, welches die Mçglichkeit jener Erkenntnisse selbst zu begrnden sucht.5 Diese Unterscheidung 5

Gemeint sind damit in den Prolegomena synthetische Urteile a priori. Whrend das synthetische Verfahren die reine Vernunft selbst erforscht „und in dieser Quelle selbst die Elemente sowohl, als auch die Gesetze ihres reinen Gebrauchs nach Prinzipien zu bestimmen such[t]“ sttzt sich das analytische Verfahren auf etwas, „was man schon als zuverlssig kennt, von da man mit Zutrauen ausgehen, und zu den Quellen aufsteigen kann, die man noch nicht kennt“ (AA. IV, S. 274 f.) Erstere Methode sei die Methode der Kritik der reinen Vernunft, whrend die Prolegomena

1. Zum inneren Zusammenhang

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zweier Beweisverfahren lsst sich gewinnbringend nicht nur fr die transzendentale Deduktion, sondern auch fr die jeweiligen Beweisgnge der Grundstze nutzbar machen.6 Kant verwendet dort nmlich fast durchgngig ein analytisches Beweisverfahren, was in augenflligem Kontrast damit steht, dass das Projekt der Kritik der reinen Vernunft nach seinen eigenen Worten nach einem synthetischen Verfahren verfasst ist, und wodurch die transzendentale Deduktion in bereits besprochener Weise Gefahr luft, unterminiert zu werden. In Bezug auf die Analogien der Erfahrung lsst sich dies daran festmachen, dass die Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit vor dem Hintergrund der Frage diskutiert wird, wie es mçglich ist, dass wir uns auf in einem beharrlichen Zeitrahmen gegebene Gegenstnde beziehen, welche in objektiven Beziehungen des Zugleich- und Nacheinanderseins stehen. Ein solcher Vorgriff auf faktische Aussagen ber das, was objektive Erfahrung heißt, gefhrdet aber nicht nur den transzendentallogischen Gesamtbeweis, sondern dadurch, dass die bereits erfolgte Kategoriendeduktion, welche die These beinhalten sollte, dass es objektive Erfahrung aus Grnden, die mit der Einheit des Selbstbewusstseins zu tun haben, fr uns tatschlich geben muss, kurzgeschlossen wird mit einem vorausgesetzten Faktum der Erfahrung, ergibt sich zustzlich folgendes Problem: Es kann nicht mehr ersichtlich gemacht werden, ob diejenige objektive Erfahrung, welche die Kategorien nach der transzendentalen Deduktion erzeugen mssen und kçnnen, deckungsgleich ist mit dem, was wir nach unserem Alltagsverstndnis als objektive Erfahrung verstehen und voraussetzen. Zur Vermeidung dieser Probleme ist es ratsam, die analytischen Beweisgnge in den Grundstzen nach Mçglichkeit durch ein synthetisches Beweisverfahren zu ergnzen. Die Ressourcen dafr bietet, wie schon angezeigt, der

6

nach der einfacheren analytischen Methode verfasst seien, im Vertrauen darauf, „daß gewisse reine synthetische Erkenntnis a priori wirklich und gegeben sein, nmlich reine Mathematik und reine Naturwissenschaft“, so dass von diesem Standpunkt aus, im Gegensatz zur anspruchsvolleren synthetischen Methode, die Frage nicht ist, ob diese Erkenntnisse, sondern wie sie mçglich sind, „um aus dem Prinzip der Mçglichkeit der gegebenen auch die Mçglichkeit aller brigen ableiten zu kçnnen“ (ebd., S. 275). Die Untersuchung der Mçglichkeit spezieller synthetischer Urteile a priori (reine Mathematik und Naturwissenschaft) dient also dazu, ein Prinzip ausfindig zu machen, nach dem die Mçglichkeit von synthetischen Urteilen a priori, welche die Leitfrage fr das Problem der Mçglichkeit von Metaphysik darstellt, im Allgemeinen eingesehen werden kann. In Bezug auf die transzendentale Deduktion entspricht der Unterschied der in der Kantinterpretation blich gewordenen Unterscheidung eines regressiven von einem progressiven Beweisverfahren (siehe Einleitung).

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Rekurs auf die metaphysische Deduktion.7 Denn, indem fr die Frage der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit der Bezug zum Verstand mit seinen Urteilsfunktionen hergestellt wird, gelangen wir zu einer Basis dafr, zu zeigen, dass die jeweiligen Kategorien tatschlich auf die Sinnlichkeit angewendet werden mssen, nicht um ein bestimmtes vorausgesetztes Faktum der Erfahrung zu erklren, sondern um den Urteilsbezug des Verstandes auf Gegenstnde zu gewhrleisten.8 Ergibt sich aber auf diesem Wege eine bereinstimmung mit unserer Alltagsauffassung von objektiver Erfahrung, kommen also analytisches und synthetisches Verfahren zu demselben Ergebnis, dann ist dies eine wnschenswerte Koinzidenz. Nach diesen methodischen Vorberlegungen kçnnen wir uns der Untersuchung der Grundstze des reinen Verstandes widmen. Um dieselbe nicht unnçtig zu verkomplizieren, sollen dabei zwei Teilstcke ausgewhlt 7

8

Ein synthetisches Verfahren ließe sich, alternativ zu der hier verfolgten Herangehensweise auch in Anknpfung an das Schematismuskapitel rekonstruieren. Immerhin werden dort die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit, die regelmßige Sukzession und das Zugleichsein der Bestimmungen (als Akzidenzien an Substanzen) – ohne zustzliche Vorgriffe auf irgendwelche Fakten unserer Erfahrung – als die Schemata der Kategorien Substanz, Kausalitt und Gemeinschaft ausgewiesen. Und im Falle der Relationskategorien befinden wir uns sogar, anders als etwa im Falle der Quantitts- und Qualittskategorien, in der glcklichen Lage, von dem Missstand befreit zu sein, dass die Zuordnung der Kategorien zu den entsprechenden Schemata nicht immer ganz einfach ist. Ein solches Vorgehen htte allerdings den entscheidenden Nachteil, dass durch den fehlenden Rckbezug auf die metaphysische Deduktion – welcher sich anhand einer „synthetischen“ Rekonstruktion der Grundstze des reinen Verstandes von selbst anbietet – nicht einsichtig gemacht werden kann, wie und warum die Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit zu bestimmten Aspekten objektiver Gegenstndlichkeit fhrt, und ob der Ursprung der Kategorien im logischen Verstand in jener Gegenstandskonstitution noch ersichtlich ist. Wie wir oben gesehen hatten, verlangt mindestens die transzendentale Deduktion nach einer Ergnzung, die ber den Objektivittsnachweis hinaus erklrt, wie die Bezugnahme der Kategorien auf die Sinnlichkeit so gedacht werden kann, dass die Kategorien als strukturell identisch mit den Urteilsfunktionen aufgefasst werden kçnnen. Was dabei das erste im Folgenden zu behandelnde Teilstck, die „Antizipationen der Wahrnehmung“ anbelangt, so muss in diesem Zusammenhang gleich eine wichtige Einschrnkung gemacht werden. Kant selbst liefert nmlich dort nicht nur keinen Ansatzpunkt fr die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens, sondern es ist dort nicht einmal ganz klar, was den Ansatzpunkt fr ein analytisches Beweisverfahren bilden kçnnte. Unsere Aufgabe muss es diesbezglich also sein, zunchst einmal berhaupt einen Beweis fr die Antizipationen zu rekonstruieren, und dafr bietet es sich an, sogleich ein synthetisches Verfahren einzuschlagen, also unmittelbar der Frage nach dem Zusammenhang von qualitativen Urteilsfunktionen und Qualittskategorien nachzugehen.

2. Die Qualittskategorien

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werden, die hinreichend sind, um die Frage nach der Anwendbarkeit der Kategorien auf unsere sinnliche Anschauung unter Maßgabe der bisher getroffenen berlegungen beantworten zu kçnnen. Es handelt sich dabei um die bisher nur wenig bercksichtigten „Antizipationen der Wahrnehmung“ und um die, gerade im Hinblick auf die Frage, ob Kant in seinen erfahrungstheoretischen berlegungen ein skepsisimmunes Argument vorlegt, beraus interessanten und vieldiskutierten „Analogien der Erfahrung“. Der Grund fr die Auswahl gerade dieser Teilstcke liegt darin, dass vor dem Hintergrund der Kantischen Unterscheidung von Form und Materie der Sinnlichkeit, die Frage der Vermittelbarkeit von Sinnlichkeit und Verstand, welche den Gesamtfokus dieser Arbeit bildet, nur dann zureichend beantwortet werden kann, wenn man sowohl den Beziehungen des Verstandes auf die Materie, als auch auf die Formen der Sinnlichkeit nachgeht. Die Untersuchung dieser beiden Teilstcke wird es mit sich bringen, dass entscheidende Modifikationen gegenber der Theorie der Sinnlichkeit, wie sie Kant in der transzendentalen sthetik vertritt, vorzunehmen sind, – Modifikationen, die nicht nur unerlsslich sind, um die Frage nach dem Zusammenhang von Urteilsfunktionen und Kategorien, welche den engeren Fokus dieser Arbeit bildet, zu sichern und besser zu verstehen, sondern auch um letztendlich zu einer befriedigenden Antwort auf die Frage zu gelangen, ob die „zwei Stmme unserer Erkenntnis“ vermittelbar sind. Wir kçnnen nun unsere Untersuchung mit den „Antizipationen der Wahrnehmung“ beginnen, wo Kant – unter dem Stichwort der Qualitt – die Beziehung des Verstandes auf die Materie der Sinnlichkeit erçrtert.

2. Die Qualittskategorien: Der Bezug des urteilenden Verstandes auf die Materie der Sinnlichkeit Im Falle der „Qualitt“ scheint das Problem der Beziehung der Urteilsfunktionen zu den Kategorien zunchst einmal besonders unklar zu sein. So kann man zwar ein intuitives Verstndnis damit verbinden, dass der bejahenden, verneinenden und unendlichen Urteilsfunktion auf der Ebene des Denkens eines Gegenstandes die Kategorien der Realitt, Negation und Limitation entsprechen sollen, und auch dafr kann man in diesem Zusammenhang Verstndnis aufbringen, dass, wie Kant im Schematismus schreibt, der Begriff der Realitt „ein Sein (in der Zeit)“, der Begriff der Negation dagegen „ein Nichtsein (in der Zeit)“ anzeige (B182/A143).

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Denn dass etwas als ein Sein in der Zeit, bzw. ein Nicht-Sein in der Zeit gesetzt wird, scheint genau die Voraussetzung fr eine bejahende bzw. verneinende Prdizierung ber dieses Etwas im Urteil zu sein. Um so berraschender ist es dann jedoch, dass es nur ein Schema der Realitt zu geben scheint, und zwar eines, das Realitt und Negation in sich vereinigt, indem es den „bergang von Realitt zur Negation, welcher jede Realitt als ein Quantum vorstellig macht“ darstellt und als Schema, „die kontinuierliche und gleichfçrmige Erzeugung“ dieses Quantums in der Zeit ist (B183/A143). Problematisch ist hier nicht nur der Grund, der Kant zu diesem bergang von den Begriffen der Realitt bzw. Negation (als Vorstellung eines Seins bzw. Nichtseins) zum Schema der Realitt (als Erzeugung eines Realitts-Quantums) veranlasst, und der in der ebenso erstaunlichen, wie unbegrndeten Behauptung liegt, dass jede Empfindung einen Grad oder eine Grçße habe. Ein Problem stellt vor allen Dingen auch die Frage dar, was die Tatsache, wenn es eine ist, dass etwas als ein Realittsquantum vorgestellt wird, also als etwas, das in sich selbst einen kontinuierlichen bergang von Sein zu Nichtsein trgt, zu tun haben soll mit der Mçglichkeit, qualitative Urteile ber Gegenstnde zu fllen. Denn, so kçnnte man etwas salopp formulieren, fr den Zusammenhang mit den qualitativen Urteilsfunktionen ist von Interesse, ob etwas so-und-so ist oder nicht ist, und nicht, ob eine bestimmte Beschaffenheit (Empfindung, bzw. das Reale der Empfindung) an sich selbst einen Grad, oder eine intensive Grçße hat. So stellt dann auch die Formulierung des Grundsatzes der „Antizipationen der Wahrnehmung“ zunchst eine erhebliche Irritation dar: In allen Erscheinungen hat die Empfindung, und das Reale, welches ihr an dem Gegenstande entspricht (realitas phaenomenon), eine intensive Grçße, d.i. einen Grad. (A166)

Hier ist nicht nur vçllig dunkel, was die intensive Grçße der Empfindung bzw. des ihr entsprechenden Realen am Gegenstand mit den qualitativen Urteilsfunktionen zu tun haben kçnnte, sondern auch, gerade weil der Zusammenhang mit den Urteilsfunktionen nicht ersichtlich ist, was Kant berhaupt dazu veranlasst und berechtigt, Empfindungen bzw. das ihnen korrespondierende Reale am Gegenstand, als intensive Grçßen zu verstehen.

2. Die Qualittskategorien

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2.1. Empfindung und das Reale am Gegenstand Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden, mssen wir uns aber darber verstndigen, was eigentlich unter der Entsprechung der Empfindung mit dem Realen am Gegenstande, von der in diesem Satz die Rede ist, zu verstehen ist. Im Zusammenhang damit ist, noch unangesehen der Frage, was es mit den intensiven Grçßen auf sich hat, zu erçrtern, warum Kant berhaupt meint, in Bezug auf die Empfindung ein apriorisches Element – wenn auch nur als Antizipation – im Verstande ausfindig machen zu kçnnen und zu mssen. Dazu beginnen wir am besten mit einem mçglichen Missverstndnis. Es kçnnte nmlich der Eindruck entstehen, als wrde durch die Realittskategorie die Empfindung selbst „realisiert“, was den Einwand nach sich ziehen wrde, dass die Empfindung als Gegebenes ohnehin schon vorhanden ist, es also ganz sinnlos (und, da wir es hier mit dem Empirischen schlechthin zu tun haben, auch gar nicht mçglich) ist, sie darber hinaus noch, in welchem Sinne auch immer, zu apriorisieren und als real zu bestimmen. Einen Hinweis zur Lçsung des Problems finden wir darin, dass Kant die zitierte Definition des Grundsatzes der Antizipationen aus der A-Auflage in der B-Auflage durch folgende Bestimmung ersetzt: In allen Erscheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive Grçße, d.i. einen Grad. (B207).

Wenngleich Kant auch in der Textergnzung der B-Auflage von der intensiven Grçße sowohl der Empfindung als auch des Realen der Empfindung spricht, so werden wir durch die vernderte berschrift doch dahingehend sensibilisiert, dass es bei der Realittskategorie, um dies hier noch ganz grob zu formulieren, primr nicht um die Empfindung selbst, sondern um das Reale am Gegenstand geht, das der Empfindung korrespondiert.9 Daraus lsst sich aber, folgt man den Interpretationen von Cohen und Longuenesse, eine Erklrung ableiten, warum in Bezug auf das Gegebensein von Empfindungen – in der Realittskategorie – berhaupt eine Bestimmung des Verstandes notwendig ist. Wenden wir uns zunchst an Cohens Prinzip der Infinitesimal-Methode: „Realitt“, so Cohen, „liegt nicht in dem Rohen der sinnlichen Empfindung und auch nicht in dem Reinen der sinnlichen Anschauung, 9

blicherweise wird die genannte Textnderung dahingehend interpretiert, dass primr das Reale am Gegenstand, nicht die Empfindung als ,intensive Grçße‘ gesetzt werden muss. Vgl. Cohen 1883, S. 106 und S. 109 f., Cohen 1918, S. 552 ff., Heidegger 1987, S. 170, Bçhme 1974, S. 243 ff. Vgl. dazu auch Longuenesse 1998a, S. 299.

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

sondern muss als eine besondere Voraussetzung des Denkens geltend gemacht werden“ (1968, S. 14). Die Setzung der Realitt, so kçnnten wir auch sagen, ist eine besondere Leistung des Denkens, denn: in reiner Anschauung haben wir es nur mit extensiven Grçßen, mit Grçßenverhltnissen, also dem mathematischen Gegenstand zu tun, wir finden noch nichts Reales in Raum und Zeit; in der Empfindung aber haben wir vorerst nur das rohe, noch subjektiv Gegebene, etwas, das noch nicht objektiv als real aufgefasst werden kann. Stellen wir an dieser Stelle die Frage zurck, auf welche Art Cohen die Denkbestimmung der Realitt mit der „intensiven Grçße“ bzw. mit dem Begriff des Infinitesimalen verbindet, und konzentrieren uns darauf, wie unter der Hintergrundannahme, dass in Bezug auf das Gegebensein von Empfindungen berhaupt die Setzung von Realitt seitens des Verstandes notwendig ist, die Wendung des „der Empfindung korrespondierenden Realen am Gegenstande“ zu verstehen ist.10 Dazu gewinnen wir einen wertvollen Hinweis in der Interpretation von Longuenesse, und zwar gerade deshalb, weil diese von der Grundidee getragen ist, dass diejenigen schematischen Funktionen, die wir als Kategorien reflektieren, als Wirkungen des urteilenden Verstandes auf die Sinnlichkeit aufzufassen sind. Um das oben genannte Missverstndnis noch einmal zu bemhen: Es ist nicht die Empfindung selbst, die, mit den Worten Longuenesses „als Realitt reflektiert wird“, sondern das in der Erscheinung, was der Empfindung korrespondiert (1998a, S. 299). 10 Da sowohl Kants Argument fr die intensiven Grçßen, wie auch Cohens Behandlung weitgehend negativ zu bewerten sind, kann die Frage fr den Zusammenhang, der in diesem Kapitel von Interesse ist, vernachlssigt werden. Denn es lsst sich zeigen, dass die Generierung intensiver Grçßen durch das Schema der Realitt erstens keinen erkennbaren Zusammenhang mit den qualitativen Urteilsfunktionen hat, so dass das Argument transzendentallogisch nicht fundiert ist, und zweitens lsst sich dafr argumentieren, dass das Motiv fr die intensiven Grçßen ein empirisches ist (Annahme einer Intensitt der Empfindung, bzw. eines Grades des Realen, bei Cohen: „mechanisches Motiv“) und darber hinaus sogar als ein empirisches sehr zweifelhaft. Vgl. dazu die Feststellung Bçhmes, dass es sich hier um das „Paradox einer empirischen Begrndung transzendentaler Wahrheiten“ handelt. Die Auflçsung dieses Paradoxons, die Bçhme darin sieht, „daß Kant das Faktum der Erfahrung fr ihre transzendentale Begrndung voraussetzt“, wir aus dieser Erfahrung aber wssten, „daß wir nicht nur berhaupt, sondern daß wir mehr oder weniger affiziert werden“, ist aber doch mehr als problematisch. Denn wie Bçhme selbst zugesteht, ist diese Erfahrung nicht die, „fr die Kant die transzendentale Begrndung leistet“ (1974, S. 245). Zum Problem der Quantifizierung im Zusammenhang mit „intensiven Grçßen“ vgl. auch Bçhme 1979, S. 8 ff.

2. Die Qualittskategorien

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Dass nicht die Empfindung selbst, sondern das, was der Empfindung am Gegenstand korrespondiert, als real aufgefasst werden muss, ist aber letzten Endes eine Forderung des urteilenden Verstandes. Denn Empfindungen als bloß subjektive Gegebenheiten sind nicht urteilsfhig in dem Sinn, um den es Kant geht, nmlich hinsichtlich der Mçglichkeit objektivgltiger Urteile. Nur dadurch, dass ein der Empfindung Korrespondierendes am Gegenstand selbst als real aufgefasst wird, wird die subjektive Beschaffenheit der Empfindung zu einer realen, objektiven Bestimmung des Gegenstandes. Auf diese Weise erhalten wir erst eine Realittsauffassung, die den Erfordernissen objektiver Erkenntnis gengt. Denn um ber qualitative Eigenschafen urteilen zu kçnnen, gengt es nicht, dass wir Bezug auf subjektive Empfindungen nehmen, sondern diese qualitativen Eigenschaften mssen beziehbar sein auf ein Objekt, als dessen Eigenschaften wir sie ansehen. Wre dies nicht der Fall, so kçnnten wir immer nur sagen, dass wir diese und jene Empfindungen, subjektive Zustnde von qualitativen Beschaffenheiten haben. Dadurch aber, dass die Realittskategorie diese Qualitten als real im Objekt setzt, kçnnen wir dann letztlich auch ber diese Objekte mit ihren Eigenschaften urteilen. Wir kçnnen sagen: dieses und jenes ist so und so, nicht nur: ich habe diese und jene Empfindung. Die Realittskategorie (als eine der Formen des Denkens eines Gegenstandes berhaupt) hat also nicht weniger zu leisten, als allererst die Beziehung der subjektiven Empfindung auf die qualitative Bestimmtheit des Objektes herzustellen, so dass wir ber diese Bestimmtheit des Gegenstandes objektive Urteile fllen kçnnen. Nun kçnnte gegenber dieser Interpretation der berechtigte Einwand erhoben werden, dass wir hier die Leistung der Realittskategorie fr einen Sachverhalt in Anspruch genommen haben, den Kant einfach vorauszusetzen scheint, whrend fr ihn die eigentmliche Leistung des Schemas der Realitt darin zu liegen scheint, dass in Bezug auf diesen vorausgesetzten Sachverhalt – der Entsprechung der Empfindung mit dem Realen am Gegenstand – beide als intensive Grçßen gesetzt werden. Dass aber schon fr diesen Sachverhalt eine implizite Anwendung der Realittskategorie in Anspruch genommen werden muss, lsst sich aus der bereits zitierten Bestimmung ber die Begriffe der Realitt und Negation, sowie aus den wenigen Hinweisen, die Kant zur Entsprechung der Empfindung und des Realen am Gegenstande, insbesondere in der vernderten, zweiten Auflage der Antizipationen gibt, entnehmen. Im Schematismuskapitel heißt es:

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Realitt ist im reinen Verstandesbegriffe das, was einer Empfindung berhaupt korrespondiert; dasjenige also, dessen Begriff an sich selbst ein Sein (in der Zeit) anzeigt. Negation, dessen Begriff ein Nichtsein (in der Zeit) vorstellt. (B182/A143)

Dieser Bestimmung kçnnen wir entnehmen, dass vor der Verstandesbestimmung der Realittskategorie die Empfindung selbst noch kein Sein oder Nichtsein in der Zeit hat, ein Umstand, den wir auch aus Kants Anmerkung schließen kçnnen, dass die „Empfindung an sich gar keine objektive Vorstellung ist, und in ihr weder die Anschauung vom Raum, noch von der Zeit, angetroffen wird“ (B208). Streng genommen hat also die Empfindung als solche noch gar keinen Bezug zu Raum und Zeit, sie ist noch nicht raumzeitlich situiert. Dieser Bezug, das kçnnen wir obigem Satz ebenfalls entnehmen, muss erst durch den Verstand hergestellt werden, und zwar indem, der Empfindung korrespondierend, etwas als real in der Zeit gesetzt wird, so dass etwas den Empfindungen Korrespondierendes als Sein in der Zeit aufgefasst werden kann.11 Nun kçnnte es als irritierend empfunden werden, dass Empfindungen als solche noch nichts sein sollen, was in der Zeit ist. Diese Irritation schwindet aber, wenn wir uns vergegenwrtigen, dass wir es hier nicht mehr mit der bestimmungslosen Form unserer subjektiven, sinnlichen Anschauung, dem Inneren Sinn, wie er aus der transzendentalen sthetik bekannt ist, zu tun haben, sondern bereits mit jener Zeit, um deren Objektivierung durch Verstandesbestimmungen es Kant im Schematismus und im Grundsatzkapitel durchwegs zu tun ist. Und der erste Schritt zu dieser Objektivierung, so kçnnten wir sagen, ist der von einem subjektiven Zeitvollzug von Empfindungen zu einer Zeit, in der wir etwas als real und objektiv seiend, als ein Sein in der Zeit auffassen, – oder der von einer subjektiven Erlebniszeit zu einer objektiven Ereigniszeit, in der wir uns etwas als zeitlich seiend vorstellen. Dies lsst sich auch durch einen kurzen Vorgriff auf die Leistung der Relationskategorien plausibilisieren, welche die in dieser Hinsicht noch unbestimmten Erscheinungen in einer objektiven Zeitordnung (des Nacheinander- und Zugleichseins) vorstellen. Um eine solche objektive Ereignisfolge vorzustellen, bedarf es aber mehr als des Gegebenseins subjektiver Empfindungen; diesen muss hier vielmehr 11 Da die Empfindung nach Kant „nur einen Augenblick“ erfllt, kann auch das ihr korrespondierende Reale, wird es in der Zeit gesetzt, nichts sein, dem eine extensive Grçße zukommt (vgl. B209/A168 f.). Nimmt man also an, dass dem Gegebensein eines (der Empfindung korrespondierenden) Realen in der Zeit eine Grçße zukommen muss, dann kann es sich dabei nur um eine intensive Grçße handeln.

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schon ein reales Sein in der Zeit korrespondieren, d. h. wir mssen etwas schon als objektiv real vorstellen, um es in objektiven Zeitrelationen vorzustellen (vgl. Cohen 1968, S. 25 f.). Wir haben es hier also mit der Zeit zu tun, insofern sie unter Zeitbestimmungen objektiviert wird. Der Akt dieser schematischen Zeitbestimmung aber kann in der transzendentalen Einbildungskraft, der „synthesis speciosa“ verortet werden, so dass wir den Sachverhalt mit Longuenesse auch so beschreiben kçnnen, dass durch die Synthesisleistung, die der Kategorie der Realitt entspricht, das, was der Empfindung korrespondiert, berhaupt erst in der Zeit vorgestellt, oder gesetzt wird, bzw. die Empfindung selbst erst mit der Zeit synthetisiert wird (vgl. 1998a, S. 298). Das heißt noch einmal, dass erst dadurch, dass das subjektive Gegebensein der Empfindung objektiviert wird dadurch, dass ein ihm korrespondierendes Reales in der Zeit gesetzt wird, wir es mit einem realen Sein in der Zeit zu tun haben, – so dass wir schließlich ber dieses der Empfindung korrespondierende Reale in der Zeit auch objektive Urteile fllen kçnnen, bzw. in Urteilen dieses Reale unter Begriffen reflektieren kçnnen, die als Eigenschaften von Dingen, welche unter die Kategorie der Realitt subsumiert werden kçnnen, angesehen werden kçnnen (vgl. ebd., S. 299). 2.2. Das Reale am Gegenstand und die Materie der Sinnlichkeit Ist diese Interpretation richtig, so ergeben sich daraus entscheidende Rckwirkungen auf die transzendentale sthetik (vgl. auch Longuenesse 1998a, S. 299 f.). Denn, was wir dort als die Materie des Gegenstandes bezeichnet finden, kann sinnvollerweise nichts anderes sein als das, was wir in den Antizipationen kennenlernen als das Reale, das der Empfindung am Gegenstand korrespondiert. Dies bedeutet dann aber, dass nicht nur die Formen der Sinnlichkeit erst durch ihre kategoriale Bestimmung (Formen der Anschauung vs. formale Anschauung) ihre strukturelle Bestimmtheit erfahren (Zeitordnung), sondern dass auch die Materie der Sinnlichkeit – in der Realittskategorie – ihre Bestimmtheit erst durch das Denken erfhrt. Denn die Materie ist dann nichts, wie die Empfindung, schlicht Gegebenes, sondern das, was diesem Gegebenen korrespondierend als real am Gegenstand gedacht wird. Die volle Tragweite dieser Beziehung des Denkens auf die Materie der Sinnlichkeit wird uns erst unter Einbeziehung der Kategorien der Negation und Limitation offenbar werden. Doch bleiben wir zunchst bei unserer isolierten Betrachtung der Realittskate-

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gorie und beziehen wir das bisher Gesagte auf die Bestimmungen des §1 der transzendentalen sthetik. Dort heißt es: Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfhigkeit, so fern wir von demselben affiziert werden, ist Empfindung. Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt empirisch. Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt Erscheinung. In der Erscheinung nenne ich das, was der Empfindung korrespondiert, die Materie derselben, dasjenige aber, welches macht, daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhltnissen geordnet werden kann, nenne ich die Form der Erscheinung. (B34/A19 f., kursiv v. Verf.)

Nun scheint Kant zwar gleich in der nchsten Zeile die Empfindungen mit der „Materie aller Erscheinungen“ gleichzusetzen, indem er weiter von der Form, in der Empfindungen allein geordnet sein kçnnen, spricht. Gegen diese Gleichsetzung kçnnte aber der sachliche Einwand erhoben werden, dass es hier um die Formen von Zeit und Raum geht, es aber schlicht keinen Sinn macht, Empfindungen im ußeren Sinn des Raumes zu verorten. Denn Empfindung bezeichnet unser Bezogensein auf Etwas, oder unser Affiziertwerden von Etwas, – in obigem Zitat: die Wirkung eines Gegenstandes. Diese Wirkung eines Gegenstandes kann aber sinnvollerweise selbst nicht im Raum sein, vielmehr muss es der Gegenstand, auf den wir durch Empfindung bezogen sind, sein, der rumlich gedacht wird. Tatschlich sind es dann auch in der „metaphysischen Erçrterung des Raumes“ Gegenstnde, bzw. Erscheinungen, die wir uns mittels des ußeren Sinnes als „außer uns“ vorstellen, und die einzige Stelle (im ersten Raumargument), an der Kant von Empfindungen spricht, handelt davon, dass „gewisse Empfindungen“ mittels der Vorstellung des Raumes auf etwas außer uns bezogen werden kçnnen mssen, was keineswegs bedeutet, dass diese gewissen Empfindungen selbst im Raum sind. Dann sollte uns aber auch nichts daran hindern, obiges Zitat beim Wort zu nehmen, und davon auszugehen, dass Empfindungen nicht identisch sind mit der Materie der Erscheinungen. Sind aber Empfindungen nicht identisch mit der Materie der Erscheinungen, sondern deren Wirkungen, so scheint diese Konzeption auf eine fr Kants Zielsetzungen gefhrlich realistische Gegenstandskonzeption hinauszulaufen. Denn solange man davon ausgeht, dass Empfindung und Materie der Sinnlichkeit identisch sind, kann man mçglicherweise noch einigen Sinn damit verbinden, dass beides eine Wirkung des Dings an sich auf unser rezeptives Vorstellungsvermçgen darstellt. Fasst man aber, wie das obige Zitat nahelegt, die Empfindung als eine Wirkung des unbestimmten Gegenstandes, der Materie der Erscheinung,

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auf, so scheint das, was uns in der Empfindung affiziert, nicht das Dingan-sich, sondern der empirische Gegenstand zu sein. Mit anderen Worten, was die Korrespondenz von Materie der Erscheinung und Empfindung anbelangt, scheinen wir es mit einer empirischen Affektion durch („unbestimmte“) Gegenstnde, zumindest durch etwas in irgendeiner Weise schon als Gegenstndlich gedachtes, zu tun zu haben. Ziel dieses Abschnittes ist es, zu zeigen, dass dies hier tatschlich der Fall ist, dass aber diese „Gegenstnde“ nicht als realistische Voraussetzungen fungieren, die Kants Grundtendenzen unterlaufen wrden, sondern dass wir es hier, in der transzendentalen sthetik, mit einem Vorgriff auf einen Gegenstandsbegriff zu tun haben, der in der Analytik tatschlich transzendentallogisch fundiert wird. Betrachten wir den Sachverhalt etwas genauer: Wenn die Empfindung als eine Wirkung der Materie der Erscheinung gedacht wird, und somit der Bezug zum Ding-an-sich vorerst abgeschnitten ist, so fragt sich, woher wir diese Materie selbst kennen. Nun muss die Erscheinung, um deren Materie es uns geht, wie wir gesehen haben, selbst schon als etwas Gegenstndliches gedacht werden, wenn wir erklren wollen, wie wir durch sie in der Empfindung affiziert werden sollen. Andererseits kçnnen wir an dieser Stelle nicht einfach das Gegebensein realistischer Gegenstnde annehmen, sofern wir Kant nicht einen radikalen Begrndungsfehler unterstellen wollen. Mit anderen Worten, wir mssen erklren kçnnen, wie die Erscheinung, bzw. deren Materie schon an dieser Stelle in legitimer Weise als etwas Gegenstndliches (als unbestimmter Gegenstand, der uns [empirisch] affiziert), gedacht werden kann. Nun haben wir die dafr erforderlichen Bedingungen schon in der Behandlung der Realittskategorie kennengelernt. Denn so wie in der „transzendentalen sthetik“ die Empfindung der Materie der Erscheinung korrespondiert, so korrespondiert in den „Antizipationen der Wahrnehmung“ die Empfindung dem Realen der Erscheinung. Das bedeutet aber, wenn wir das dort Festgestellte auf den gegenwrtigen Zusammenhang applizieren, dass die der Empfindung korrespondierende Materie der Erscheinung allererst durch das Denken als real gesetzt wird. Wie wir gesehen haben, bedeutet diese Realittssetzung aber auch schon die Herstellung einer Beziehung auf einen Gegenstand. Denn dadurch, dass ein der Empfindung korrespondierendes Reales gesetzt wird, denken wir eine reale Sachheit am Gegenstande, auf die wir uns in der Empfindung beziehen; wobei Herstellung einer Beziehung auf einen Gegenstand natrlich nicht bedeuten kann, dass Beziehung auf einen vorausgesetzten Gegenstand genommen wrde, sondern, dass wir es mit

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einem unter den Momenten zu tun haben (den Kategorien), die zusammen in der Herstellung der Beziehung auf einen Gegenstand, den Gegenstand selbst erst konstituieren (Denken des Gegenstandes unter sinnlichen Bedingungen). Dies bedeutet aber wiederum, dass wir als Bedingung fr die empirische Affektion durch die Materie der Erscheinung (in der Empfindung), einen umgekehrten transzendentallogischen Sachverhalt annehmen mssen, nmlich dass der Empfindung korrespondierend berhaupt – durch das Denken – etwas Reales am Gegenstand, oder der Gegenstand selbst hinsichtlich seiner Materie, gesetzt wird. Die oben aufgeworfene Frage nach der Materie lsst sich also dadurch lçsen, dass diese selbst als das der Empfindung korrespondierende Reale berhaupt erst durch das Denken gesetzt ist. So wird die Materie der Erscheinung zwar in empirischer Hinsicht vorausgesetzt. Gleichzeitig ist sie in transzendentallogischer Hinsicht das Ergebnis einer kategorialen Syntheseleistung, die darin besteht, dass der Empfindung korrespondierend ein Sein in der Zeit gesetzt, oder um noch einmal die Metapher Longuenesses aufzugreifen, die Empfindung mit der Zeit synthetisiert wird, so dass wir von der subjektiven Empfindung zu einem objektiv realen Sein in der Zeit gelangen. Ist aber das, was wir in empirischer Hinsicht als die Bedingung der Empfindung auffassen, die Materie der Erscheinung, in transzendentallogischer Sicht umgekehrt eine der Empfindung korrespondierende Setzung des Denkens, als Sachheit des Gegenstandes, so lsst sich auch die Irritation beheben, die durch die Trennung von Empfindung und Materie der Erscheinung in Bezug auf die Frage nach dem Ding-an-sich entstanden ist. Denn das Ding-an-sich muss und kann dann sinnvollerweise gar nicht mehr so verstanden werden, dass es die Materie der Erscheinungen „liefern“ wrde, involviert diese doch eine Bestimmung des Verstandes. Sondern die Materie der Sinnlichkeit unterliegt dann schon einer Vergegenstndlichung und denkenden Realisierung der Empfindung. Es ist dann aber diese allein, die sich als Empfindung berhaupt, auf das Ding-an-sich, auf die Wirklichkeit bezieht. Dies bedeutet, dass wir es in der Empfindung mit einem doppelten Bezug zu tun haben: einmal mit der Beziehung der Empfindung auf das Ding-ansich, zum anderen auf die durch den Verstand erst als real gesetzte Materie der Erscheinung (was – wie wir im nchsten Abschnitt sehen werden – fr die Realittsauffassung, die mit der Empfindung verbunden ist, bedeutet, dass diese sich zwar auf die „Wirklichkeit an sich“ bezieht, dieser Bezug

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aber immer schon vermittelt ist, dadurch dass das, was als „real“ gilt, zugleich einer Bestimmung des Verstands unterliegt). Auf diese Weise lsst sich dann auch ein Interpretationshindernis beheben, das sich dadurch auftut, dass Kant die Realitt, die der Empfindung korrespondiert, einerseits – im Schematismuskapitel – als transzendentale Materie (Ding-an-sich), andererseits – in den Antizipationen – als Reales am Gegenstand fasst. So heißt es im „Schematismus“: Da die Zeit nur die Form der Anschauung, mithin der Gegenstnde, als Erscheinungen, ist, so ist das, was an diesen der Empfindung entspricht, die transzendentale Materie aller Gegenstnde, als Dinge an sich (die Sachheit, Realitt). (B182/A143)

In den „Antizipationen der Wahrnehmung“ hingegen geht es bei dem, was den Empfindungen an den Erscheinungen (Gegenstnden) entspricht, zweifelsfrei nicht um die Dinge-an-sich, sondern um das Reale am Gegenstand, welches in der transzendentalen sthetik als Materie der Erscheinungen bezeichnet wird. Denn wenn es dort darum geht, sowohl die Empfindungen als auch das ihnen korrespondierende Reale am Gegenstand als intensive Grçßen zu antizipieren, so wrde es jeden Sinnes entbehren, wenn hier das Reale, das der Empfindung korrespondiert, als Ding-an-sich aufzufassen wre. Zudem – und dies kçnnte als zustzlicher Beleg fr die spezifische Art unserer Gleichsetzung des Realen der Erscheinung (Antizipationen) mit der Materie der Erscheinung (sthetik) herangezogen werden – geht es bei der Beziehung des Realen des Gegenstandes (ist dieses einmal gesetzt) zur Empfindung in den Antizipationen ganz deutlich um eine empirische Affektion.12 Nun kçnnte dafr argumentiert werden, dass es sich auch in der Passage aus dem Schematismus beim „Ding-an-sich“ in Wahrheit um die empirische Materie des Gegenstandes, an sich, als Sachheit betrachtet, gehe. Der bisherigen Interpretation folgend, kçnnen wir aber Kant hier 12 Genauer geht es um ein sinnesphysiologisches Verhltnis. Wie wir schon gesehen haben, durchbricht Kant die einfache Zuordnung, nach der einer Empfindung in der Erscheinung Realitt, dem Mangel einer Empfindung dagegen Negation entspricht, dahingehend, dass jede Realitt in der Erscheinung als eine intensive Grçße, als ein Grad mit kontinuierlichem bergang von Realitt zu Negation zu fassen ist, deswegen, weil er annimmt, dass Empfindungen selbst graduelle Grçßen sind. Umgekehrt gilt aber auch, dass Kant das Reale an Gegenstnden als Ursache von Empfindungen annimmt (vgl. B210/A169). Diese Verursachung von Empfindungen durch etwas Reales, bzw. ein „Moment“ des Realen kann aber sinnvollerweise nur sinnesphysiologisch erklrt werden. Vgl. Cohens Interpretation des Verhltnisses als eines von Reiz und Empfindung (vgl. 1883, S. 154).

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durchaus beim Wort nehmen, und einen Bezug der Empfindung auf die transzendentale Materie als Ding-an-sich in der herkçmmlichen Bedeutung annehmen. Denn wenn der Bezug der Empfindung auf die (empirische) Materie an der Erscheinung durch eine Vermittlung und Objektivierung des Verstandes zustande kommt, dann muss fr die Empfindung selbst noch ein unmittelbarer Wirklichkeitsbezug – auf die transzendentale Materie – angenommen werden. Oder anders gesagt: Die Empfindung muss sich einerseits beziehen lassen auf das, was wir als real an sich denken, andererseits auf das, was wir als real fr uns auffassen. Doch bevor wir uns diesem doppelten Realittsbezug explizit zuwenden, mssen wir zu einer genaueren Bestimmung dessen gelangen, was Letzteres, also die Realittssetzung fr uns, genauer bedeutet. 2.3. Realitt und Bestimmbarkeit Bisher haben wir die Funktion der Realittskategorie dahingehend interpretiert, dass durch sie erstens ein der Empfindung korrespondierendes Reales am Gegenstand gesetzt wird, so dass wir es erst mit qualitativen Beschaffenheiten von Gegenstnden zu tun haben, ber die wir Urteile fllen kçnnen. Und zweitens haben wir diese Realittssetzung solcherart aufgefasst, dass durch sie die bloß subjektive Empfindung dahingehend objektiviert wird, dass ein ihr korrespondierendes reales Sein in der Zeit gesetzt wird. Das heißt aber, indem wir bisher nur dargelegt haben, dass der Empfindung ein Reales am Gegenstand korrespondieren muss, haben wir so getan, als wrde es ausschließlich an der besonderen Art der Empfindung selbst liegen, was fr ein Reales am Gegenstande gesetzt wird. Wre dies so, dann hieße das aber, dass jeder einzelnen spezifischen Empfindung eine jeweils besondere qualitative Beschaffenheit des korrespondierenden Gegenstandes entsprechen wrde. Dann htten wir aber so viele qualitative Eigenschaften von Objekten, wie wir Empfindungen haben, d. h. wir htten eine unabsehbare Menge besonderer, qualitativer Eigenschaften, die nicht miteinander in Beziehung zu setzen wren. Wir wrden als real schlicht das auffassen, was wir in seiner Besonderheit wahrnehmen. Was wir bençtigen, um die Mçglichkeit von (qualitativen) Urteilen ber Gegenstnde zu erklren, ist aber eine vçllig andere Realittsauffassung als eine solche sinnliche Verlaufsrealitt. Denn wenn wir Urteile ber qualitative Bestimmungen von Gegenstnden fllen kçnnen sollen, mssen diese qualitativen Bestimmungen erstens begrifflich identifizierbar, mit

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andern Worten, sie mssen allgemein sein.13 Und zweitens mssen diese qualitativen Bestimmungen miteinander in Beziehung gesetzt werden 13 Das, was wir der Empfindung korrespondierend als real reflektieren, muss als ein Bestimmtes reflektierbar sein. Diese Bestimmtheit kann sich aber nicht ausschließlich aus dem besonderen Sosein der Empfindung selbst ergeben. Denn erstens ist uns dieses Sosein der Empfindung im bloßen Empfinden noch gar nicht bekannt, sondern bedarf eines Aktes der Reflexion auf das Empfundene, und zweitens kann diese Reflexion auf das Empfundene nur solcherart stattfinden, dass das Besondere der Empfindung hinsichtlich einer bestimmten Art, hinsichtlich eines Allgemeinen reflektiert wird. Denn als bloße Empfindung ist sie schlichter, unmittelbarer Bezug auf ein Empfundenes, sie ist blind gegenber ihrem Sosein. Dieses Sosein ist erst der Reflexion auf das Empfundene, indem etwas als etwas reflektiert wird, zugnglich. Die Reflexion auf das Empfundene kann aber nur solcherart stattfinden, dass das Besondere der Empfindung hinsichtlich einer bestimmten Art, hinsichtlich eines Allgemeinen reflektiert wird. Nur indem wir etwas als etwas reflektieren, bestimmen wir dieses Etwas, wir bestimmen es dann aber notwendig im Allgemeinen. Um das besondere Sosein der Empfindung zu bestimmen, muss dieses Sosein also als eine Instanz einer allgemeinen qualitativen Beschaffenheit reflektiert werden. Dies ist aber genau das, was die Kategorie der Realitt in dem Aspekt, den wir bisher vernachlssigt haben und um den es uns nun zu tun ist, leistet, – ein Aspekt, den wir die apriorische Qualifizierbarkeit nennen kçnnten, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Realittskategorie es erst erlaubt, etwas nicht nur als real zu setzen, sondern in einem damit, es ermçglicht, dass in dieser Realisierung etwas zugleich auch qualifiziert und bestimmt wird. Indem wir die Empfindung auf ein Reales am Gegenstand beziehen, beziehen wir sie auf ein Reales allgemeiner Art, auf eine Eigenschaft. Mit Setzung des Realen am Gegenstand muss also eine Verallgemeinerung in Bezug auf die Empfindung stattfinden. Der Gegenstand und seine Eigenschaften kçnnen nur als allgemeine gedacht werden, soll ber den Gegenstand begrifflich geurteilt werden kçnnen. Das bedeutet nicht, dass der Gegenstand nur Allgemeines wre, es bedeutet auch nicht, dass der Empfindung ihr einzigartiges Sosein abgesprochen wrde. Es bedeutet lediglich, dass das Einmalige der Empfindung, das, was nicht im Allgemeinen begrifflich reflektiert wird, tautologischerweise auch nicht begrifflich, „objektiv fassbar“, sondern nur subjektiv erlebbar ist. Und fr das Besondere des Gegenstandes heißt das, dass das, was ber seine allgemein fassbare Struktur hinausgeht, nur in diesem einzigartigen Sosein der Empfindung erlebbar ist. Umgekehrt: Das besondere Erlebbare kann begrifflich ausspezifiziert werden, indem es reflektiert wird, dann wird es aber automatisch schon in den Bereich des Allgemeinen erhoben. In dem das Besondere bestimmt wird, wird es schon zum Status des Allgemeinen, weiterhin Identifizierbaren erhoben. Nach dieser Interpretation ist Empfindung nicht selbst schon ein (besonders) Bestimmtes, sondern liefert die Veranlassung zu einer allgemeinen Bestimmung, die dann auch begrifflich gefasst werden kann. Wrden wir Empfindungen selbst schon als qualitativ bestimmt ansetzen, so kçnnten wir erstens zu keiner Erklrung gelangen, wie die vçllig ungleichartigen sinnlichen, besonderen Qualitten, zu den allgemeinen, begrifflichen Qualitten in Beziehung gesetzt werden kçnnen. Und zweitens kçnnten wir

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kçnnen, d. h. das, was wir jeweils als real auffassen, muss in Zusammenhngen gedacht werden kçnnen. Letzteres erschließt sich am besten, wenn wir unsere isolierte Betrachtung der Realittskategorie aufgeben, und die anderen Qualittskategorien, Negation und Limitation, miteinbeziehen. Schon die Mçglichkeit der Negation (als reinem Begriff des Denkens eines Gegenstandes) durchbricht die naive Realittsauffassung, nachdem real das ist, was wir nacheinander als real wahrnehmen, oder nachdem wir es bei dem, was wir als real auffassen, mit einer Reihe von Empfundenem zu tun htten, das dann noch in irgendeiner Weise berformt wird. Negation setzt den Begriff von etwas voraus, was gegeben sein kçnnte, aber nicht gegeben ist („Nichtsein in der Zeit“, bzw. „unerfllte Zeit“). Es handelt sich dabei um den Begriff von Nichts, der in Kants „Tafel des Nichts“ am Ende des Amphiboliekapitels als nihil privativum, als „leerer Gegenstand eines Begriffs“ bezeichnet wird (B349/A292, vgl. Longuenesse 1998a, S.303). Das „Nichts“ bedeutet also zunchst nicht, dass wir etwas Gegebenes als „nichtig“ betrachten (eine Richtung, die eingeschlagen werden kçnnte, wollte man die Mçglichkeit von Sinnestuschungen erklren), sondern umgekehrt, dass etwas begrifflich gegeben sein kçnnte, was nicht gegeben ist („leerer Gegenstand eines Begriffs“). Um sagen zu kçnnen (in einem negativen Urteil), dass ein Gegenstand, oder eine qualitative Beschaffenheit eines Gegenstandes nicht gegeben ist, muss also das, was tatschlich gegeben ist, erst verglichen werden kçnnen, mit dem was gegeben sein kçnnte. Oder einfacher ausgedrckt: Da wir es in der transzendentalen Synthesis immer mit einem Gegebenen, niemals mit einem Nichtgegebenen zu tun haben, kommt das Nichtgegebensein erst dadurch ins Spiel, dass das, was gegeben ist, reflektiert und verglichen wird mit allen begrifflichen Realitten, die in Bezug auf dieses Gegebene erfllt sein kçnnten. Das bedeutet aber: Wenn wir eine Empfindung als real reflektieren, bestimmen wir sie nicht einfach als das was sie ist, sondern wir mssen sie – und dies ist die Bedeutung der transzendentalen Negation – immer auch in Zusammenhang mit dem bestimmen, was sie nicht ist, um nicht plausibel begrnden, wie wir berhaupt zu der Annahme von Empfindungen als solchen sinnlich bestimmten Voraussetzungen gelangen sollten. Vgl. dazu Sellars Kritik am „Mythos des Gegebenen“, die zumindest im ersten Teil von Empiricism and the Philosophy of Mind (1956) implizit auch auf Kant bezogen ist, und McDowell, der in Mind and World (1996) im Anschluss an Sellars dafr argumentiert, dass die Sinnlichkeit durch und durch begrifflich organisiert sein muss, da nicht-begriffliche Anteile der Sinnlichkeit fr unsere Erkenntnis irrelevant wren. Zur Frage, ob diese beiden Positionen eine adquate Wiedergabe des Problembestands bei Kant darstellen: Vgl. Watkins 2008.

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letztlich ber das Reale an einem Gegenstand auch negative Urteile fllen zu kçnnen. Damit wird aber der Empfindungsablauf des bloß Gegebenen durchbrochen, wir fassen nicht mehr nur das jeweils nacheinander Empfundene als real auf, sondern wir beziehen das, was wir als real auffassen, auf das, was mçglicherweise (begrifflich) real sein kçnnte und grenzen darin das Reale von dem ab, was nicht real ist. Damit besteht aber nicht nur der innigste Zusammenhang zwischen Realitts- und Negationskategorie, sondern wir gelangen auch schon zur Kategorie der Limitation, die eine Verbindung von Realitt und Negation darstellt (vgl. Kants Anmerkung in B111). Doch wird hier nicht nur das Reale hinsichtlich dessen, was mçglicherweise real sein kçnnte, von dem abgegrenzt, was nicht real ist. Sondern in der Kategorie der Limitation wird das, was real ist, hinsichtlich all dessen, was mçglicherweise real sein kçnnte, bestimmt durch das, was es nicht ist. Zur genaueren Bestimmung der Limitation mssen wir zunchst ihren Bezug zum unendlichen Urteil klren. In der allgemeinen Logik, so Kants bekannte ußerung, werden unendliche Urteile mit Recht den bejahenden zugerechnet, da diese vom Inhalt des Prdikats („ob gleich es verneinend ist“), welches dem Subjekt beigelegt wird, abstrahieren. Die transzendentale Logik dagegen betrachte das Urteil auch „nach dem Werte oder Inhalt dieser logischen Bejahung vermittelst eines bloß verneinenden Prdikats“ (B97/A72). Dadurch, dass in transzendentallogischer Sicht im unendlichen Urteil auf den Inhalt des Prdikats Bezug genommen wird, gelangen wir nun von einer formallogischen Inbeziehungsetzung von bloßen Begriffen mit ihrem nur implizit gedachten Begriffsumfang zu einer Inbeziehungsetzung von Begriffen zum „logischen Umfang“ aller mçglichen Dinge berhaupt. Betrachten wir dazu kurz Kants Beispiel von der Unsterblichkeit der Seele: Der Satz „Die Seele ist nichtsterblich“ wre in formallogischer Hinsicht eine Bejahung. Anscheinend bedeutet die logische Form der Bejahung fr Kant jedoch nicht, dass dabei kein Bezug auf den Umfang der jeweiligen Begriffe genommen wird. Denn ich bejahe hier etwas, so Kant, „indem ich die Seele in den unbeschrnkten Umfang der nichtsterbenden Wesen setzte“ (B97/A72). Der Unterschied der bejahenden zu den unendlichen Urteilen ergibt sich also nicht, wie man zunchst vermuten kçnnte, dadurch, dass letztere im Gegensatz zu ersteren auf den Begriffsumfang, die unter einem Begriff gedachte Menge von Gegenstnden, Bezug nehmen wrden, denn dieser – implizite – Bezug ist zunchst fr bejahende und unendliche Urteile derselbe (bejahende und unendliche Urteile sind daher logisch identisch). In Hinsicht auf die logische Form, auf seine Verwen-

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dung in einem Urteil, ist das „negative“ Prdikat „nichtsterblich“ genau wie ein „positives“ Prdikat auf die Menge von Gegenstnden bezogen, die unter ihm gedacht sind. Der transzendentallogische Aspekt, der fr das unendliche Urteil charakteristisch ist, ist ein ganz anderer. Er ergibt sich aus dem „Inhalt des (verneinenden) Prdikats“ selbst. Denn der verneinende Begriff „nichtsterblich“ ist nicht nur wie ein „bejahender“ Begriff (etwa „sterblich“), auf die unter ihm gedachte Menge von Gegenstnden bezogen, sondern er ist auf diese Menge von Gegenstnden als eine Einschrnkung der Menge aller mçglichen Gegenstnde, oder der „unendlichen Menge Dinge“ (ebd.) bezogen. Whrend der „bejahende“ Begriff (wie auch der „verneinende“ Begriff in bejahender, logischer Verwendungsweise) also auf die diskrete Menge von Gegenstnden bezogen ist, die unter ihm gedacht sind, bezieht sich der „verneinende“ Begriff auf eine Einschrnkung der unendlichen Menge aller mçglichen Gegenstnde, und zwar auf eine Einschrnkung, die selbst unendlich ist, – oder auf diejenige Menge, die brig bleibt, wenn eine bestimmte Untermenge (im Beispiel: die unter dem Begriff „sterblich“ gedachte) ausgeschlossen wird. Dies bedeutet fr das unendliche Urteil, dass wir in ihm nicht Bezug nehmen auf den diskreten Umfang eines Begriffs (des Prdikatbegriffs), sondern auf den Umfang aller mçglichen Dinge, insofern dieser durch einen Begriff, den Prdikatbegriff, eingeschrnkt ist.14 Das heißt aber, dass im unendlichen Urteil das, was etwas ist, bestimmt wird durch das, was es, vor dem Hintergrund der „unendliche[n] Sphre alles Mçglichen“ (ebd.) nicht ist. Die Einschrnkung der Sphre alles Mçglichen zur Bestimmung eines Gegenstandes ist aber etwas, das zwar im unendlichen Urteil, bzw. in der Mçglichkeit, dieses berhaupt von einem bejahenden zu unterscheiden, zum Ausdruck kommt, das aber nicht durch das unendliche Urteil (insofern es ja immer ein formallogisches ist) erklrt werden kçnnte, sondern als ein transzendentaler Sachverhalt vorausgesetzt werden muss, der zur Unterscheidbarkeit der unendlichen Urteile von bejahenden anzusetzen ist, und der mit der Kategorie der Limitation zu identifizieren ist. Wir kçnnen dann die Limitation vorlufig als die (transzendentale) Einschrnkung in Bezug auf den logischen Raum alles Mçglichen charakterisieren, die notwendig ist, um die Mçglichkeit unendlicher Urteile zu erklren (vgl. hnlich: Longuenesse 1998a, S. 296 f.). 14 Whrend also im bejahenden Urteil der Subjektbegriff in den unbeschrnkten, aber endlichen Umfang des Prdikatbegriffs gesetzt wird, wird im unendlichen Urteil der Subjektbegriff in den durch den Prdikatbegriff eingeschrnkten, aber unendlichen Umfang aller mçglichen Dinge gesetzt.

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Nun findet sich eine nhere Bestimmung der Kategorie der Limitation weder in den Anmerkungen zur Kategorientafel, noch innerhalb des Schematismus- oder Grundsatzkapitels. Nach dem bisher entwickelten Argument lsst sich aber, um die Kategorien der Realitt und Negation wieder einzubeziehen und unter Bercksichtigung der Interpretation des unendlichen Urteils Folgendes als erste Gesamtinterpretation der Qualittskategorien, hinsichtlich des Aspektes der Bestimmbarkeit des Realen, der in diesem Abschnitt von Interesse ist, vorschlagen: Schon in Bezug auf die Realittskategorie hat sich die intuitive Forderung ergeben, dass wir als real nicht nur das nacheinander Wahrgenommene auffassen, sondern dass wir etwas als real in Zusammenhang mit anderem Realem betrachten. Dabei konnte aber noch nicht genau angegeben werden, worin dieser Realittszusammenhang, der ein anderer als der der bloßen Wahrnehmung ist, bestehen soll. Ein erster Hinweis ergab sich aber schon unter Einbeziehung der Kategorie der Negation. Denn diese machte es notwendig, dass das, was tatschlich gegeben ist, verglichen werden kann, mit dem, was gegeben sein kçnnte, dass wir also mindestens das, was wir als real auffassen, in Zusammenhang damit denken kçnnen mssen, was nicht real ist. Dies impliziert aber den Begriff der Mçglichkeit eines Realen, von der aus in Bezug auf ein Sinnliches festgestellt werden kann, ob diese Mçglichkeit an ihm erfllt ist oder nicht. Denn im negativen Urteil mssen wir, da wir das Nicht-Sein einer Eigenschaft nicht aus einem sinnlichen Vorkommnis ablesen kçnnen, den Gegenstand, den wir reflektieren, vergleichen kçnnen zumindest mit einigen Eigenschaften, die denkbar, oder als Reales mçglich wren, aber am Gegenstand nicht realisiert sind. Diese Forderung der Denkmçglichkeit von realen Bestimmungen, die erfllt oder nicht erfllt sein kçnnen, erweitert sich nun in Bezug auf das unendliche Urteil bzw. dessen Mçglichkeitsbedingung, die Limitation, zur Denkbarkeit eines logischen Raumes aller mçglichen Bestimmungen. Denn nur vor einem solchen Hintergrund ist ein Gegenstand bestimmbar nicht nur in Bezug auf einige Eigenschaften, die mçglich sind, ihm aber nicht zukommen, was allenfalls fr das negative Urteil ausreichen wrde, sondern bestimmbar in Bezug auf alle Eigenschaften, die ihm nicht zukommen. Umgekehrt erçffnet dies die Mçglichkeit, dass die positive Bestimmtheit des Gegenstandes, das, was er ist, gefasst werden kann, als Einschrnkung in Bezug auf all das, was er in der „unendlichen Sphre alles Mçglichen“ nicht ist. Das heißt, der Gegenstand in seiner Bestimmtheit kann (zumindest in einer gewissen Hinsicht, die noch zu charakterisieren ist) selbst als Einschrnkung der unendlichen Sphre alles Mçglichen

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verstanden werden. Durch diesen Bezug auf die Totalitt all dessen, was mçglich ist, ist der Gegenstand aber eindeutig und vollstndig bestimmbar. 15 Die Bestimmtheit des Gegenstandes muss also in Beziehung stehen zur Gesamtheit aller mçglichen Bestimmungen. Wenn wir folglich eine reale Beschaffenheit an einem Gegenstand setzen, ber die wir urteilen kçnnen, so ist diese immer derart auf den Raum alles Mçglichen bezogen, dass sie eine Einschrnkung in ihm darstellt, so dass das, was wir am Gegenstand als real auffassen, bestimmt ist durch das, was an ihm – im Raum alles Mçglichen – nicht real ist. Die Bestimmtheit des Realen am Gegenstand ist also nichts Fr-sich-Seiendes, sondern etwas, das durch seine Stellung im Raum aller mçglichen Bestimmungen definiert ist, damit ist aber der Gegenstand qua realer Bestimmung an ihm auf diesen Raum aller mçglichen Bestimmungen bezogen als Hintergrund seiner Bestimmbarkeit. Vergegenwrtigen wir uns dies an einem Beispiel: Wenn wir das Urteil fllen: „dieses Blatt ist grn“, dann sprechen wir dem betrachteten Gegenstand das Prdikat „grn“ nicht in Isolation zu, sondern in dem wir ihn als „grn“ prdizieren, stellen wir seine Bestimmung in den Zusammenhang mit allen anderen Bestimmungen, die mit dem Begriff „grn“ im logischen Raum verbunden sind, oder: wir stellen die Bestimmung des Gegenstandes in Bezug zu der Position, die der Begriff „grn“ im logischen Raum einnimmt. Fr unseren Zusammenhang (in dem es um eine einfache Qualitt geht, die nur durch ihre Relation zu anderen Qualitten gleicher Art (Farbe) bestimmt ist) bedeutet das, dass der Begriff, durch den wir den Gegenstand bestimmen, selbst in seiner Abgrenzung von dem bestimmt ist, was er nicht ist, also etwa „rot“, oder „braun“. Das heißt, indem wir den Gegenstand bestimmten, bestimmen wir ihn zugleich als das, was er nicht ist, oder umgekehrt ist das, was er ist, letztlich nur bestimmbar durch das, was er nicht ist, durch seine Einschrnkung im logischen Raum (um hier einen gleich zu erçrternden Kantischen Terminus einzufhren) aller „mçglichen Prdikate“. Dass die Bestimmung eines Gegenstandes nicht isoliert, sondern in Bezug auf die Position der Bestimmung im logischen Raum erfolgen muss, lsst sich daran ablesen, dass wir, ohne uns noch einmal auf die Wahrnehmungssituation beziehen zu mssen, aus der heraus unser indexikalisches Urteil gefllt wurde, beispielsweise das negative Urteil „dieses Blatt ist nicht rot“ fllen kçnnen. Das heißt, wir kçnnen aus dem einmal gefllten Urteil zahlreiche Implikationen gewinnen, die sich rein 15 Wobei Bestimmbarkeit natrlich nicht impliziert, dass der Gegenstand auch tatschlich vollstndig bestimmt wird. Wir mssen die vollstndige Bestimmbarkeit nur denken, um den Gegenstand berhaupt bestimmen zu kçnnen.

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logisch aus dem Prdikat des Urteils ergeben, und gleichwohl den konkreten Gegenstand, ber den wir urteilen, betreffen. Dies ist nur mçglich, weil wir durch die begriffliche Bestimmung des Gegenstandes diesen hinsichtlich dieser Bestimmung vom bloß Sinnlichen auf die Ebene des Logischen gehoben haben und auf dieser logischen Ebene die Bestimmung in eindeutigem Zusammenhang mit allen anderen Bestimmungen des logischen Raums steht. Das heißt, wiederum, dass sich das, was wir an einem Gegenstand als real oder nicht real auffassen, nicht auf sinnlicher, sondern nur im Bezug des Sinnlichen auf die logische Ebene verorten lsst. Oder anders gesagt: Die Sphre alles real Mçglichen ist der notwendige Hintergrund fr das Denken eines Gegenstandes berhaupt, hinsichtlich seiner realen Bestimmtheit. Die Qualittskategorien zusammen setzen also nicht nur ein Reales am Gegenstand, sondern in einem damit bestimmen sie dieses Reale vor dem Hintergrund der Totalitt dessen, was mçglicherweise real sein kçnnte. 2.4. „Vom transzendentalen Ideal“ – die Idee der durchgngigen Bestimmung des Gegenstandes Um diese Funktion der Qualittskategorien, die wir bisher nur in Zusammenhang mit dem, was sich ber die Einschrnkung der „unendlichen Sphre alles Mçglichen“ aus Kants Behandlung des unendlichen Urteils erschließen lsst, charakterisiert haben, konkreter zu bestimmen, ist es notwendig, das bisher Gesagte mit jenem Textabschnitt in Beziehung zu setzen, in dem Kant die kennengelernten Gedankengnge – allerdings in anderem Zusammenhang – wieder aufgreift: dem Kapitel „Von dem transzendentalen Ideal“ (vgl. dazu auch Longuenesse 1998a, S. 307 ff.). Nun geht es in diesem Abschnitt vornehmlich darum, die Kritik der Gottesbeweise durch die Erklrung vorzubereiten, wie wir von einer notwendigen Vernunftidee zur Hypostasierung dieser Idee als transzendentalem Ideal gelangen. Gerade dabei erfahren wir aber Entscheidendes ber die Notwendigkeit der (nicht hypostasierten) Vernunftidee fr die Mçglichkeit aller Erfahrung selbst. Dabei kommt, wie wir im vorausgehenden Abschnitt „Von dem Ideal berhaupt“ erfahren, generell die Hypostase in Bezug auf eine Vernunftidee dadurch zustande, dass die Idee, die „eine gewisse Vollstndigkeit“ enthlt, „zu welcher keine mçgliche empirische Erkenntnis zulangt“, die also auch nicht in concreto darstellbar ist, wider alle Vernunft dennoch nicht nur in concreto, sondern auch in individuo vorgestellt wird: als „einzelnes, durch

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die Idee allein bestimmbares, oder gar bestimmtes Ding“ (B596/A568). Diese Vergegenstndlichung der Idee zum in sich vollstndig bestimmten Ding kçnnte nun zur Klrung einiger aus der Perspektive der vorgetragenen Interpretation interessanten Missverstndnisse, die sich in Bezug auf das Ding-an-sich einstellen kçnnten, dienen. An dieser Stelle wollen wir jene Hypostasierung aber auf sich beruhen lassen, und uns der zugrunde liegenden Vernunftidee selbst zuwenden. Denn deren Charakterisierung steht in engstem Zusammenhang mit den bereits anhand der Erçrterung von unendlichem Urteil und Limitation kennengelernten Bestimmungen. Dort hatten wir es mit einer Einschrnkung der unendlichen Sphre alles Mçglichen zu tun, die dadurch zustande kommt, dass etwas in dieser Sphre bestimmt wird durch das, was es nicht ist. Da unter Zugrundelegung einer solchen unendlichen Mçglichkeitssphre die Bestimmtheit des Gegenstandes auch gefasst werden kann durch alles das, was ihm in dieser Sphre nicht zukommt, haben wir schon dort auf die vollstndige Bestimmbarkeit des Gegenstandes in der unendlichen Sphre alles Mçglichen, wenn auch nur via negationis, geschlossen. Das heißt, wir haben, dort vielleicht noch nicht ganz gerechtfertigt, vorgegriffen auf eine Idee, die bei Kant erst in dem Textabschnitt behandelt wird, mit dem wir es nun zu tun haben: die Idee der vollstndigen Bestimmbarkeit, oder Bestimmung eines Gegenstandes. So schreibt Kant zur Abgrenzung der Bestimmung des Dinges von der bloß logischen Bestimmbarkeit des Begriffs (die allein auf dem Satz des Widerspruchs beruht): Ein jedes Ding aber, seiner Mçglichkeit nach, steht noch unter dem Grundsatze der durchgngigen Bestimmung, nach welchem ihm von allen mçglichen Prdikaten der Dinge, so fern sie mit ihren Gegenteilen verglichen werden, eines zukommen muß. Dieses beruht nicht bloß auf dem Satze des Widerspruchs; denn es betrachtet, außer dem Verhltnis zweier einander widerstreitenden Prdikate, jedes Ding noch im Verhltnis auf die gesamte Mçglichkeit, als den Inbegriff aller Prdikate der Dinge berhaupt, und, indem es solche als Bedingung a priori voraussetzt, so stellt es ein jedes Ding so vor, wie es von dem Anteil, den es an jener gesamten Mçglichkeit hat, seine eigene Mçglichkeit ableite. (B599 f./A571 f.)

Im Gegensatz zum logischen Prinzip der Bestimmbarkeit, geht es hier also nicht um das Verhltnis entgegengesetzter Prdikate, die einem Begriff nur zukommen kçnnen (oder nicht), sondern darum, dass ein Ding bestimmt werden muss hinsichtlich aller Prdikate, die ihm zukommen mssen (oder nicht). Daher muss der bestimmte Gegenstand in eindeutige Beziehung zum „Inbegriff aller Prdikate der Dinge berhaupt“ gebracht werden

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kçnnen, so dass das Ding selbst hinsichtlich der gesamten Mçglichkeit aller Bestimmungen, vollstndig bestimmt ist, und als eine Einschrnkung dieser Mçglichkeit verstanden werden kann. Nun scheint es sich bei dieser Einschrnkung auf den ersten Blick um dieselbe zu handeln, wie bei der Einschrnkung der unendlichen Sphre alles Mçglichen, die als Limitation gefasst wurde. Doch whrend wir es bei Letzterer zunchst einmal mit der Bestimmung eines Gegenstandes durch das, was er nicht ist, zu tun hatten, haben wir es nun mit einer durchgngig positiven Bestimmung des Gegenstandes hinsichtlich des Inbegriffs aller Prdikate der Dinge berhaupt zu tun. Unterstellen wir einmal, dass es sich bei der „unendlichen Sphre alles Mçglichen“ und dem „Inbegriff aller Prdikate“ um denselben Sachverhalt handelt, dann lsst sich der Unterschied folgendermaßen verdeutlichen: Im Falle der Limitation wurde ein Ding dadurch bestimmt, was es im Raum des Mçglichen nicht ist. Dabei wurde es aber genau genommen nur hinsichtlich einer spezifischen Bestimmung an ihm in Bezug gesetzt zu diesem logischen Raum und es ist diese Bestimmtheit selbst, welche bestimmt wird durch das, was sie im Zusammenhang aller mçglichen Bestimmungen nicht ist. Oder kurz: Das Ding wurde ber den Begriff, unter dem es gefasst wird, in Beziehung zum logischen Raum, in dem dieser Begriff verortet ist, gesetzt. Nun lsst sich dieses „negative“ Modell dahingehend erweitern, dass auch die positiven Beziehungen des betreffenden Begriffs im logischen Raum aller mçglichen Bestimmungen nachgezeichnet werden, also all die Bestimmungen, die mit dem betreffenden Begriff analytisch verbunden sind.16 Damit gelangen wir nun zwar zu einer vollstndigen Bestimmung des Gegenstandes, aber nur vermittels des Begriffs, unter dem er gefasst wird, d. h., wir gelangen zur vollstndigen Beschreibung des Gegenstandes im Allgemeinen, oder des Begriffs, ber den der Gegenstand reflektiert wird. Im nun vorliegenden Fall geht es aber um die vollstndige Bestimmung des konkreten Gegenstandes selbst, in dem jedem Ding von allen mçglichen Prdikaten der Dinge (so fern sie mit ihren Gegenteilen verglichen werden) jeweils eines zukommen muss. Das heißt zunchst, es geht hier nicht um den Zusammenhang mçglicher Bestimmungen untereinander, so dass, wie bei der Limitation, der logische Raum selbst eingeschrnkt wrde (etwa: das Nichtsterbliche stellt eine Einschrnkung des logischen Raums dar, indem das Sterbliche ausgenommen wurde), und der Gegenstand in seinem Be16 Worunter schlicht die Merkmale verstanden werden sollen, die zur Definition des Begriffs gehçren, was nicht bedeutet, dass der Begriffsinhalt nicht synthetisch aus der Erfahrung (in empirischer Begriffsbildung) zustande gekommen wre.

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griff auf diese Einschrnkung bezogen wird, sondern um die Zuordnung aller jeweils mçglichen Bestimmungen zum einzelnen Gegenstand, so dass die Gesamtheit aller mçglicher Prdikate als Hintergrund fr die Mçglichkeit der Bestimmung des Dinges gedacht werden kann, oder das Ding selbst mit dem Inbegriff aller mçglichen Prdikate transzendental verglichen wird (vgl. B601/A573). Whrend im ersten Fall die logische Beziehungsstruktur des Raumes alles Mçglichen von Interesse ist, wird dieser im zweiten Fall einfach als Gesamtmenge aller mçglichen Prdikate betrachtet, mit denen der einzelne Gegenstand „verglichen“ wird. Der Hauptunterschied ist also, dass (im ersten Fall) der Gegenstand im Allgemeinen ber seinen Begriff selbst im logischen Raum verortet ist, die Bestimmbarkeit des konkreten Gegenstandes aber (im zweiten Fall) diesen nur in Beziehung setzt zum logischen Raum aller mçglichen Prdikate, indem ihm von allen kontradiktorisch-entgegengesetzten Prdikaten jeweils eines zugesprochen werden kçnnen muss. Nun sind die beiden Modelle, wenn sie auch verschiedene Perspektiven auf den Raum alles Mçglichen einnehmen, keineswegs inkompatibel. Denn das erste Modell (der Limitation des logischen Raums) kçnnte durch die Forderung erweitert werden, dass der Gegenstand nicht nur ber einen oder einige Begriffe in Bezug zum logischen Raum gebracht werden, sondern hinsichtlich aller mçglichen Begriffe reflektiert werden kçnnen muss, so dass sich eine vollstndige Bestimmung des Gegenstandes hinsichtlich all seiner mçglichen Prdikate, und dies bedeutet hinsichtlich all seiner allgemeinen Eigenschaften, ergibt. In dieser Hinsicht (d. h. unangesehen dessen, dass diese mçglichen Prdikate im ersten Modell auch untereinander in Beziehung stehen) wrde das erste Modell mit dem zweiten konvergieren. Allerdings nur dann, wenn das zweite Modell derart gefasst wird, dass es sich bei der vollstndigen Bestimmbarkeit des Gegenstandes darum handelt, ihn hinsichtlich aller mçglichen, allgemeinen Eigenschaften zu spezifizieren, die ihm zukommen, oder nicht. Mehr scheint Kant zunchst auch nicht im Blick zu haben, wenn er die Bestimmung des Dinges hinsichtlich des Inbegriffs aller mçglichen Prdikate fordert. Doch genau besehen ist diese Einschrnkung eine ganz massive. Denn wovon hier abstrahiert wird, ist erstens die raumzeitliche Position des Gegenstandes und seine raumzeitlichen Beziehungen zu anderen Gegenstnden, und zweitens werden seine qualitativen Eigenschaften so betrachtet, als kmen sie dem einzelnen Gegenstand in Isolation zu, unangesehen seiner Beziehungen zu anderen Gegenstnden. Dann fragt sich aber, wie hier berhaupt noch von einer vollstndigen Bestimmung des einzelnen, sinnlichen Gegenstandes gesprochen werden kann.

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Umgekehrt bedeutet aber die Aufhebung dieser Einschrnkung, dass wir zu einem vçllig anderen Begriff von Totalitt gelangen, als dem des logischen Raumes aller mçglichen Prdikate: zu einem Begriff der Totalitt, der alle sinnlichen Beziehungen, welche der Gegenstand zu anderen Gegenstnden in Raum und Zeit einnehmen kann, miteinbeschließt, der den Gegenstand in seiner Bestimmtheit fasst durch das, was er in der Totalitt der gesamten denkbaren sinnlichen Wirklichkeit ist. Um den bergang zu einem solchen anderen Modell drehen sich nun die Bemhungen der Interpretation von Longuenesse, die wir an dieser Stelle wieder aufzugreifen haben. Sie unterscheidet dabei eine diskursive Limitation, die wenn auch nicht identisch, so doch (zumindest in den jetzt interessierenden Aspekten) deckungsgleich ist mit unserem erweiterten ersten Modell, von einer intuitiven Limitation (S. 306 ff.). Die Grundidee dabei ist, dass in diesem letzteren Modell der „intuitiven Limitation“ der sinnliche Einzelgegenstand selbst als Einschrnkung eines Realittsganzen verstanden werden kann, wobei dieses Realittsganze, das zur vollstndigen Bestimmtheit des Einzelgegenstandes in sinnlicher Limitation dienen soll, nichts Logisches mehr sein kann. Denn wenn wir die vollstndige Bestimmung des konkreten, sinnlichen Gegenstandes verlangen, dann gengt es nicht, ihn ber seine allgemein reflektierbaren Eigenschaften dem logischen Raum zuzuordnen, sondern wir verlangen, dass er auch in seinen kontingenten Eigenschaften, d. h. jenen Eigenschaften, die sich aus seinen sinnlichen Beziehungen ergeben, vollstndig bestimmt ist. Bei dem Realittsganzen, durch dessen sinnliche Einschrnkung die qualitative Bestimmtheit des Einzelgegenstandes zustande kommen soll, kann es sich dann aber nur um die Materie der Sinnlichkeit berhaupt handeln. Tatschlich, und darauf bezieht sich die Interpretation von Longuenesse, finden wir bei Kant am Ende des besprochenen Textabschnittes einen solchen bergang von einem logischen Raum des Mçglichen zu einer davon verschiedenen Vorstellung eines Realittsganzen, die sich auf die Materie der Sinnlichkeit selbst bezieht. Wenn er dort schreibt, dass der Gegenstand den „Inbegriff aller empirischen Realitt als Bedingung seiner Mçglichkeit voraussetzt“, dann ist dies deshalb der Fall, weil „die Materie zur Mçglichkeit aller Gegenstnde der Sinne, als in einem Inbegriffe gegeben, vorausgesetzt werden [muß], auf dessen Einschrnkung allein alle Mçglichkeit empirischer Gegenstnde, ihr Unterschied von einander und ihre durchgngige Bestimmung, beruhen kann“ (B610/A582). In unserem ersten Modell, das wir im Folgenden mit Longuenesse kurz als das der „diskursiven Limitation“ bezeichnen wollen, ging es darum, dass der Gegenstand im Allgemeinen, ber seinen Begriff im logischen Raum

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alles Mçglichen verortet wurde, und so mittelbar als Einschrnkung dieses logischen Raumes verstanden werden konnte. Womit wir es nun zu tun haben, ist, dass der sinnliche Einzelgegenstand selbst hinsichtlich seiner durchgngigen Bestimmtheit als Einschrnkung eines Realittsganzen zu verstehen ist. Damit gelangen wir von der Vorstellung einer logischen Totalitt, zu der einer sinnlichen Totalitt. Die These Longuenesses ist nun, dass die „intuitive Limitation“, die Einschrnkung des Inbegriffs der Realitt, oder der Materie der Sinnlichkeit, als transzendentale Voraussetzung fr die „diskursive Limitation“ zu betrachten sei. Und zwar soll es sich dabei um eine Einschrnkung all dessen, was in Raum und Zeit gegeben ist, handeln, so dass das Eingeschrnkte, der Gegenstand als Erscheinung, in Beziehung steht mit allen anderen Erscheinungen in Raum und Zeit und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer raumzeitlichen Position (dies wre genauer eine Leistung der Relationskategorien), sondern ihrer qualitativen Bestimmtheit (vgl. S. 306). In Reflexion auf diese sinnliche Bestimmungsordnung, so kçnnten wir hinzufgen, wrde sich die logische Ordnung, die durch diskursive Limitation gedacht wird, abbilden, so dass die logischen Beziehungen von allgemeinen Bestimmungen letztlich eine Reflexion auf die Beziehungen der Erscheinungen selbst wren, die wiederum durch unmittelbare Anwendung der Qualittskategorien auf die sinnliche Materie zustande kmen. Das Hauptproblem dieser Interpretation liegt gerade in ihrer Eigenart, dass wir hier das „Ganze des in Raum und Zeit Gegebenen“ als Realittsganzes, als Totalitt denken mssen, wenn wir die Bestimmung des einzelnen Gegenstandes in diesem Ganzen durch Limitation erklren wollen. Denn dieses Realittsganze ist wesentlich voraussetzungsreicher, als es vielleicht zunchst scheinen mag. Es kann sich bei dem Gegebenen hier nicht einfach um das aus der transzendentalen sthetik bekannte Mannigfaltige in den Formen Raum und Zeit handeln, das wir nacheinander zu synthetischer Einheit eines Gegenstandes bringen. Auf dieser Grundlage wren in kategorialer Synthesis nur sukzessive Bestimmungen in Bezug auf dieses Gegebene mçglich. Das Gegebene als Realittsganzes muss aber von der Art sein, dass es als Totalitt bereits vorausgesetzt werden kann, damit eine Bestimmung in ihm durch Einschrnkung erfolgen kann. Nun soll aber die intuitive Limitation gleichwohl eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit durch die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein. Was die Wirkung der transzendentalen Synthesis auf die Sinnlichkeit anbelangt, ist diese aber geradezu durch Sukzessivitt definiert, ist doch generell jede kategoriale Synthesis auf sukzessive Gegebenes angewiesen. Das heißt, um es salopp zu formulieren, die kategoriale Synthesis ist in ihrer

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Reichweite beschrnkt, und so ist es unverstndlich, wie sich die Limitation durch Synthesis der Einbildungskraft, auf alles sinnlich Gegebene „auf einmal“ beziehen sollte. Genau dieser Bezug ist aber fr die Limitation essentiell. Es scheint also, dass sich der Gedanke der Einschrnkung eines Realittsganzen nicht mit dem Gedanken einer sinnlichen Synthesis als Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit durch die transzendentale Einbildungskraft in Einklang bringen lsst. Nun kçnnte dafr argumentiert werden, dass diese „Reichweitenbeschrnkung“ aufgehoben wird, indem die Formen der reinen Anschauung zur Einheit formaler Anschauungen objektiviert werden. Damit handeln wir uns aber schon das nchste Problem ein. Denn Raum und Zeit mssten dann als Formen angesetzt werden, in denen bereits alles, (wenn auch nicht begrifflich bestimmt, sondern bestimmbar), gegeben ist, was (fr uns) je war, ist, oder sein wird, damit das in ihnen Gegebene als ein Realittsganzes gefasst werden kçnnte, das die vollstndige Bestimmung eines Gegenstandes, der in ihm durch Limitation zustande kommen soll, zulassen wrde. Wir htten es mit einer Position zu tun, die die Materie der Sinnlichkeit als Totalitt aller sinnlichen Wirklichkeit voraussetzen wrde, um zu erklren, wie in ihr durch Einschrnkung seitens des Denkens (Kategorie der Limitation) die Bestimmungen des einzelnen Gegenstandes zustande kommen sollen. Abgesehen davon, dass wir hier zur Erklrung, wie wir zur Einheit formaler Anschauung kommen, die hier mindestens vorausgesetzt werden muss, schon Bezug auf die Relationskategorien nehmen mssten, scheint die Forderung einer solchen Totalitt aller sinnlichen Wirklichkeit an dieser Stelle doch etwas zu anspruchsvoll zu sein. Wichtiger ist aber vielleicht noch, dass die Voraussetzung einer solchen sinnlichen Totalitt hier auch gar nicht nçtig ist; – dann nmlich, wenn wir unserer Interpretationshypothese gemß (welche auch die von Longuenesse ist) zur Klrung der Qualittskategorien anhand ihres Zusammenhangs mit den qualitativen Urteilsfunktionen kommen wollen. Die vollstndige Bestimmung des Gegenstandes als Einschrnkung der Totalitt alles Gegebenen wrde es zwar mit sich bringen, dass die Eigenschaften des Gegenstandes durch seine sinnlichen Beziehungen definiert sind. Wir haben es aber bei den Beziehungen zwischen Gegenstnden erstens mit etwas zu tun, das erst durch die Funktion der Kategorie der Wechselwirkung erklrt werden soll. Und zweitens sind die Beziehungen zwischen Gegenstnden mit ihren Eigenschaften fr die qualitativen Urteile schlicht bedeutungslos. Fr das qualitative Urteil ist es auch irrelevant, ob der Gegenstand hinsichtlich all seiner kontingenten Eigenschaften, die sich zugegebenermaßen nur aus seinen sinnlichen Beziehungen erschließen lassen, bestimmbar ist.

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Denn im qualitativen Urteil geht es nicht darum, dass wir eine qualitative Eigenschaft eines Gegenstandes in ihrem Verhltnis zu allen anderen Eigenschaften des Gegenstandes erkennen, sondern, dass wir die reflektierte Eigenschaft in Beziehung setzen kçnnen zu anderen mçglichen Eigenschaften, die der Gegenstand aufweisen kçnnte, dass wir den Gegenstand, so wie wir ihn begrifflich reflektiert haben, einordnen kçnnen in die Welt der Sachverhalte, in den Zusammenhang der Beziehungen, die wir normalerweise zwischen Sachverhalten annehmen. Denn nur in Beziehung auf diese Mçglichkeitssphre kçnnen wir uns erklren, wie wir etwa negative oder unendliche Urteile ber Gegenstnde fllen kçnnen, wie wir das, was gegeben ist, vergleichen kçnnen mit dem, was mçglicherweise der Fall sein kçnnte. Es geht also bei den qualitativen Urteilen um die Verhltnisse von Bestimmungen im logischen Raum alles Mçglichen untereinander, welche gerade fr das erste besprochene Modell charakteristisch waren. Wir verlangen, dass die reflektierte Bestimmung als Sachverhalt in Zusammenhang mit anderen Sachverhalten aufgefasst werden kann, nicht nur als eine zeitlich auftretende und wieder verschwindende reale Beschaffenheit des Gegenstandes. 2.5. Die Beziehung des Denkens auf die Materie der Sinnlichkeit Im Gegensatz zu einer Interpretation, nach der die Limitation eine Einschrnkung in Bezug auf eine vorausgesetzte Totalitt sinnlicher Materie darstellt, kommt in der hier vorgeschlagenen Deutung die mit der Limitation notwendig verbundene Totalittsvorstellung in einer vçllig anderen Weise ins Spiel, in einer Weise, die mit dem Grundgedanken der kategorialen Synthesis vertrglich ist, weil sie auf Totalitt nicht als etwas Sinnliches Bezug nehmen muss, sondern als eine Bestimmung, die in der Bezugnahme des Denkens auf die Sinnlichkeit, in jenem Denken selbst verankert ist. Dabei wird das Erfordernis, Bestimmungen in Bestimmungszusammenhngen innerhalb einer Totalitt mçglicher Bestimmbarkeit zu denken, durch das Denken in die Materie der Sinnlichkeit projiziert, indem das Denken, wie wir gesehen haben, erst ein der Empfindung korrespondierendes Reales, und damit die Materie des Gegenstandes setzt, so dass die Materie selbst immer schon – durch das Zusammenspiel der Qualittskategorien in Beziehung auf Sinnliches (Empfindung) – in Beziehung zum logischen Raum aller Bestimmungen steht. Indem also das Denken Anteil an der Materie der Sinnlichkeit nimmt, fassen wir jene Materie selbst immer schon so auf, dass das in ihr

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Gegebene in mçglichen Bestimmungszusammenhngen steht, die begrifflich und in Zusammenhang miteinander reflektiert werden kçnnen. Einfacher formuliert: Indem wir einer Empfindung korrespondierend etwas Reales an einem Gegenstand setzen, und damit seine Materie erst konstituieren, steht das, was wir als real setzen, immer schon in Beziehungszusammenhngen mit der Gesamtheit der unendlichen Sphre alles Mçglichen, in welcher es eine Einschrnkung darstellt, so dass das, was wir als real auffassen, mittelbar immer in Beziehung zu jener Mçglichkeitssphre steht. Durch die Qualittskategorien, so die hier vorgetragene Interpretation, findet also keine Synthesis von sinnlich Mannigfaltigem, und auch nicht, wie in der Interpretation von Longuenesse, eine Synthesis in Bezug auf eine sinnliche Totalitt, (die durch Limitation eingeschrnkt wrde) statt, sondern Sinnliches (Empfindung) wird hier in seiner Realisierung in Bezug zum logischen Raum der Sachverhalte gesetzt, und durch diesen Bezug bestimmt und qualifiziert als real in Zusammenhang mit anderem mçglich Realem. Ist dies richtig, so steht die Materie der Sinnlichkeit immer schon in logisch-begrifflichfassbaren Realittszusammenhngen. Das heißt fr die Wahrnehmung, dass wir immer schon auf eine in begrifflichen Ordnungen denkbare sinnliche Materie bezogen sind. Denn indem ein der Empfindung korrespondierendes Reales und (diskursiv) Bestimmbares am Gegenstand gesetzt wird, wird die Materie der Sinnlichkeit unmittelbar in Beziehung gesetzt mit dem Denken. Die Materie der Erscheinung wird also nicht nachtrglich durch das Denken begrifflich bestimmt, sondern enthlt die Beziehung auf begriffliche Bestimmtheit schon wesentlich in sich, ist Materie, ist Reales der Erscheinung nur insofern eine Bezugnahme auf die Sinnlichkeit durch das Denken schon stattgefunden hat.17 Die so gedachte Materie der Sinnlichkeit enthlt also durch ihren Bezug auf das Denken (und in diesem Denken den logischen Raum alles Mçglichen) schon ein formales Element, – im Gegensatz zur herkçmmlichen Deutung, nach der die Materie der Sinnlichkeit gegeben und dann auf einer zweiten Stufe berformt wird, um sie auf Begriffe zu bringen, wobei das eklatante Problem auftaucht, wie es zu erklren ist, dass die vçllig ungleichartigen Elemente: gegebene Materie der Sinnlichkeit und begriffliche Form, berhaupt in Beziehung gebracht werden kçnnen. Denn 17 In diesem Punkt steht diese Interpretation in bereinstimmung mit McDowells berechtigter Forderung, dass die Ausbung unserer konzeptuellen Aktivitten in der Sinnlichkeit selbst verortet werden muss, und nicht nachtrglich auf sinnlich Gegebenes angewendet wird (vgl. McDowell 1996). Vgl. dazu auch oben Anm. 13.

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die Materie der Sinnlichkeit muss in diesem Modell zwangslufig als etwas selbst schon qualitativ Bestimmtes gefasst werden, das aber als solches nicht zugnglich ist, gleichwohl durch eine begriffliche Bestimmung adquat aufgegriffen werden muss. Dieses Problem besteht in der vorgetragenen Interpretation deswegen nicht, weil wir die Empfindung als solche unqualifiziert gelassen und die Qualifizierung der Empfindung von vornherein als eine Leistung des Denkens interpretiert haben. Denn qualifiziert wird etwas der Empfindung Entsprechendes in diesem Modell erst mittels der Qualittskategorien, die dieses Etwas als Materie eines Gegenstandes, in Bezug zum logischen Raum aller Bestimmbarkeit setzten. D.h., dass wir keine sinnlichen Bestimmtheiten voraussetzen mssen, sondern dass alle Bestimmtheit eine Leistung des Denkens ist. Oder anders gesagt: Wir mssen nur voraussetzen, dass es Empfindung berhaupt gibt. Die Qualifizierung des Empfundenen obliegt aber ganz der Interpretation durch den Verstand, der alles Empfundene immer schon vor dem Hintergrund mçglicher Bestimmungszusammenhnge aufgreift, so dass wir die Empfindung letztlich als Anstoß fr die Bestimmungsttigkeit des Denkens interpretieren kçnnen, ohne ihr eine vorbegriffliche, eigenstndig qualitative Bestimmtheit zuschreiben zu mssen. Wir sehen hier auch, wie das Zusammenspiel der Qualittskategorien rechtmßig als eine unter den Funktionen betrachtet werden kann, die Sinnlichmannigfaltiges „auf Begriffe bringt“, – sofern man darunter nicht einfach eine Beschreibung der kategorialen Synthesis selbst durch die Wendung „Subsumtion von Erscheinung unter reine Verstandesbegriffe“ verstehen, oder von vornherein auf die empirische Begriffsbildung rekurrieren will. Fr die Mçglichkeit empirischer Begriffsbildung muss aber wiederum der empirische Gegenstand schon begrifflich fassbar sein, d. h., wir mssen es mit einem Gegenstand zu tun haben, dessen „intuitive Merkmale“ begrifflich reflektierbar sind, einem Gegenstand, in dem synthetisch schon verbunden ist, was in Reflexion analysiert werden soll.18 18 Dieser Punkt betrifft die in Anschluss an Sellars und McDowell vieldiskutierte Frage nach dem begrifflichen Gehalt von Wahrnehmungen, die mit Bezug auf Kant vor allen Dingen die Fragestellung aufwirft, ob, und wenn ja, welche Rolle empirische Begriffe neben den Kategorien bei der Objektivierung von Wahrnehmungsgehalten spielen, und ob im Falle einer positiven Antwort ein Widerspruch zu Kants Theorie der empirischen Begriffsbildung besteht (vgl. dazu insb. Grne 2009). Ist die hier vorgetragene Interpretation richtig, dann gibt es eine komplexe Wechselbeziehung zwischen der begrifflichen Qualifizierung von sinnlichen Dingen einerseits und der empirischen Begriffsbildung in der Reflexion auf diese Dinge andererseits. Denn die kategoriale Synthesis muss dann ber ihren Bezug auf einen logischen Raum aller

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Die Realittskategorie, in ihrem Zusammenspiel mit Negation und Limitation, ist aber eine von den Funktionen, die eine solche Struktur hervorbringt, indem sie das Reale an der Erscheinung als eine der besonderen Empfindung korrespondierende allgemeine Eigenschaft am Ding setzt, die als Eigenschaft unmittelbar in Beziehungen zu anderen, denkbaren begrifflichen Eigenschaften steht. Damit wird die Sinnlichkeit aber schon in ihrer Materie (im Denken ihrer Materie) auf eine begriffliche Ebene gehoben. Die Synthesis durch die Qualittskategorien setzt also nicht nur ein der Empfindung Korrespondierendes als real, sondern leistet durch diese Setzung zugleich die Beziehung auf die Ebene der Begrifflichkeit – so dass wir letztlich sagen kçnnen, dass wir in der Wahrnehmung (sofern sie diese synthetische Leistung beinhaltet) immer schon auf sinnliches Material bezogen sind, das begrifflich fassbar und reflektierbar ist, auf allgemeine Eigenschaften von Dingen.

mçglichen begrifflichen Bestimmungen dafr verantwortlich gemacht werden, dass den durch sie bestimmten Wahrnehmungsgegenstnden derjenige begriffliche Gehalt – im Sinne von intuitiven Merkmalen – zukommt, der in empirischer Begriffsbildung reflektiert wird. Nun wre es ein offensichtlicher Widerspruch, zu sagen, dass empirische Begriffe einerseits bei der kategorialen Synthesis bereits vorausgesetzt werden mssen, und andererseits erst durch empirische Begriffsbildung entstehen. Dazu ist zu sagen, dass es erstens nicht notwendig bestimmte oder bereits bekannte empirische Begriffe sein mssen, die in kategorialer Synthesis zur Bestimmung des Gegenstandes dienen, sondern der logische Raum aller mçglichen begrifflichen Bestimmungen als solcher. Und zweitens brauchen wir uns der Rolle von empirischen Begriffen bei der kategorialen Synthesis nicht bewusst zu sein. Denn fr die „begriffliche“ Qualifizierung von Wahrnehmungsgegenstnden gengt es, dass wir etwas als etwas wahrnehmen, ohne dieses etwas notwendigerweise explizit benennen zu kçnnen. Dies ist vielmehr etwas, was erst im Urteil ber den betreffenden Gegenstand stattfindet, welches wiederum tatschlich voraussetzt, dass wir die Begriffe, die wir im Urteil verwenden, explizit kennen, also in empirischer Begriffsbildung erworben haben. Umgekehrt aber ist die Festlegung eines impliziten begrifflichen Gehalts von Wahrnehmungen die Voraussetzung sowohl von Urteilen als auch der empirischen Begriffsbildung. (Zur Unterscheidung einer impliziten und einer expliziten Anwendung von Begriffen: vgl. auch Ginsborg 2006). Dass die These, dass empirische Begriffe zusammen mit den Kategorien eine Rolle bei der „begrifflichen“ Synthesis spielen, keinen Widerspruch zur Theorie der empirischen Begriffsbildung darstellt, kann mit Grne (2009) auch anhand von Kants Unterscheidung von „dunklen“ und „klaren“ Begriffen deutlich gemacht werden. Grne hat berzeugend dargelegt, dass nicht nur die Kategorien, sondern auch empirische Begriffe, insofern sie als Synthesisregeln verstanden werden, als dunkle Begriffe aufgefasst werden kçnnen, die erst durch empirische Begriffsbildung zu klaren Begriffen werden (vgl. insb. S. 191 ff.).

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

2.6. Ausblick: Das Problem mit dem Ding-an-sich Zum Schluss ist es vielleicht nicht ganz unntz, noch kurz auf die notorische „Ding-an-sich“-Problematik einzugehen, wie sie sich aus der Perspektive der hier vorgetragenen Interpretation darstellt. Dabei lassen sich drei klassisch gewordene Auslegungen unterscheiden: die bereits seit Jacobi kritisierte Zwei-Welten-Theorie, die vor allem von Prauss (1974) und Allison (2004) explizit gegen diese Auffassung vertretene Zwei-AspekteTheorie, und die mit Adickes (1929) berhmt gewordene Theorie der doppelten Affektion. 19 Zumindest fr die ersten beiden Interpretationen gilt, dass sie jeweils durch die in dieser Hinsicht sehr heterogenen ußerungen Kants zu seinem Verstndnis des Dings an sich belegt werden kçnnen. Wichtiger als die Frage nach der exegetischen Korrektheit der Interpretationen ist denn auch ihre sachliche Haltbarkeit. Folgt man nun der Zwei-Welten-Theorie, so wird man den Dingen-ansich einen ontologisch distinkten Status einrumen mssen, und die unmittelbar darauf folgende und seit Jacobi gestellte Frage ist, wie wir zu einem Wissen ber diesen nicht-erkennbaren Seinsbereich gelangen kçnnen, und mehr noch, wie die Aussage sinnvoll aufgefasst werden kann, dass wir durch jene Dinge-an-sich affiziert werden, ist doch die hier angewandte Kausalittskategorie in ihrem Gebrauch bei Kant allein auf die Erscheinungswelt beschrnkt.20 19 Diese Theorie vertritt Adickes in Kants Lehre von der doppelten Affektion unseres Ich als Schlssel zu seiner Erkenntnistheorie (1929), whrend er in Kant und das Ding an sich (1924) noch eine These vertritt, die in gewisser Weise als Vorlufer der „ZweiAspekte-Theorie“ aufgefasst werden kann und die durch die Auffassung gekennzeichnet ist, dass der Begriff des Dinges-an-sich bereits im Erscheinungsbegriff liegt, und dass es sich bei Ding-an-sich und Erscheinung um ein- und dasselbe handelt, das uns einerseits in unseren Anschauungsformen gegeben ist, und dem andererseits davon unabhngig ein Dasein an und fr sich selbst zukommt. 20 Ein Rehabilitierungsversuch in Bezug auf den letzten Punkt findet sich bei Baumanns 1997. Baumanns vertritt die (allerdings schwer verstndliche) Auffassung, das Ding-an-sich wre nichts weniger als ein „fragwrdiger Gegenstand des Kausaldenkens“, sondern umgekehrt habe vielmehr „alles Kausaldenken das Dingan-sich als Ursache unserer elementaren materialen Vorstellungen in concreto zum Gegenstand.“ (vgl. 1997, S. 185). blicherweise aber vertreten Interpreten, welche der Zwei-Welten-Sicht nahestehen, die These, dass die originre Affektion durch Dinge-an-sich nicht im Sinne eines Kausalverhltnisses, sondern als Verhltnis von Grund und Folge interpretiert werden muss, das wir denken kçnnen, aber nicht, wie es der Bezug auf die Kausalittskategorie implizieren wrde, auch erkennen kçnnen mssen. Vgl. dazu auch Haag (2007), der mit Recht darauf hinweist, dass ein solcher Entschrfungsversuch im Zeichen des Unterschieds von

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Zur Vermeidung dieser Problematik ist man laut den Vertretern der Zwei-Aspekte-Theorie gut beraten, mit der zweiten Alternative eine epistemologische statt einer ontologischen Sichtweise auf das Ding-ansich einzunehmen. Danach handelt es sich bei Ding-an-sich und Erscheinung nicht um verschiedene Entitten, sondern der Unterschied liegt in den verschiedenen epistemischen Beziehungen, die wir auf einund dieselbe Entitt einnehmen kçnnen: Das, was uns in Beziehung auf die Bedingungen unserer sinnlichen Anschauung erscheint, mssen wir unter Abstraktion von ebenjenen Bedingungen als etwas betrachten, das in sich selbst etwas anderes ist, als das, als was es uns erscheint (vgl. Allison 2004, S. 56). Die „Zwei-Aspekte“-Theorie setzt also keine unhaltbaren ontologischen Annahmen ber den Status der Dinge-an-sich voraus, sondern die „Betrachtung der Dinge, wie sie an sich selbst sind“ ergibt sich epistemologisch als ein unmittelbares Ergebnis der transzendentalen sthetik. Dieses zunchst plausible Ergebnis erweist sich jedoch als ußerst problematisch, betrachtet man die Art, wie hier die Identitt von Ding-an-sich und Erscheinung hergestellt wird. Denn handelt es sich bei „Ding-an-sich“ und „Erscheinung“ um das Ergebnis verschiedener Betrachtungsweisen, dann mssen diese sich auf ein gemeinsames Objekt beziehen. Dieses kann aber letztlich nur das empirische Objekt unter transzendentaler Betrachtung, also in Bezug auf seine Erkenntnisbedingungen, sein (ebd., S. 62). Das empirische Objekt aber ist Objekt nur durch die Einheits- und Konstitutionsleistung des Verstandes. Wird es unter Abstraktion von seinen Erkenntnisbedingungen genommen, so fllt gerade das weg, was es zunchst als gemeinsamen Grund vorzuschlagen scheint: seine dingliche Identitt.21 Nun kçnnte man geneigt Denken und Erkennen nicht gengt, um die mit dem Verstndnis des Dings an sich verbundenen Probleme aufzulçsen (S. 92 ff.). 21 Ein ußerst interessanter Versuch, die notorischen Schwierigkeiten der Zwei-Aspekte-Theorie zu umgehen und gleichzeitig berechtigte Intuitionen der ZweiWelten-Theorie aufzunehmen findet sich bei Rosefeldt (2007). Im Gegensatz zu der hier rezipierten und v. a. von Prauss und Allison vertretenen „methodologischen“ Zwei-Aspekte-Theorie zeichnet sich die von Rosefeldt in Anlehnung insb. an Collins (1999) und Allais (2004) vertretene „ontologische“ Zwei-AspekteTheorie nicht zuletzt dadurch aus, dass sie die Frage nach der dinglichen Identitt beim Bezug von Ding-an-sich und Erscheinung (bzw. empirischem Gegenstand) zunchst einmal offen lassen kann. Vielmehr geht dieser Ansatz davon aus, dass es zwei verschiedene Klassen von Eigenschaften gibt, die einem (seiner Existenz nach von uns unabhngigen) Gegenstand zukommen kçnnen: zum einen „Eigenschaften, die außergeistige Gegenstnde nur in Relation zu Erkenntnissubjekten mit unseren epistemischen Vermçgen (…) haben“ – von Rosefeldt auch „Dis-

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sein, zur Vermeidung dieses Problems das empirische Objekt nur unter Abstraktion seiner sinnlichen Erkenntnisbedingungen zu betrachten. Ein solches Unternehmen wrde, wre es statthaft, zum Denken eines Dinges berhaupt fhren. Dieses reine Denken einer Dinglichkeit kçnnte man weiter versucht sein, mit dem Ding-an-sich zu identifizieren. In der Bezugnahme auf das empirische Objekt, so ließe sich die Intuition formulieren, wrden wir, wenn wir davon abstrahieren, wie es uns erscheint, das Ding-an-sich selbst denken. Dieses Missverstndnis mag der Dingan-sich-Problematik inhrent sein, da man in erster Annherung tatschlich geneigt wre, das Verstndnis von Ding-an-sich und Erscheinung an den sinnlichen Alltagsgegenstnden zu orientieren. In der Gegenstndlichkeit des empirischen Objekts aber korreliert nichts mit einer Gegenstndlichkeit, die sinnvoll unter dem Begriff Ding-an-sich aufgenommen werden kçnnte. Denn das empirische Objekt ist Objekt allein qua kategorialsynthetischer Konstitutionsleistung des Subjekts selbst. Was wir also in der vorgeschlagenen Abstraktionsperspektive zu fassen bekommen, ist nicht das empirische Objekt, insofern es uns nicht erscheint (also eine Gegenstndlichkeit, die als Ding-an-sich aufzufassen wre), sondern nur die dieses Objekt konstituierende Gegenstndlichkeit ber-

positionen“ genannt – und zum anderen Eigenschaften „die ein Gegenstand auch unabhngig von seiner Relation zu solchen Subjekten hat“ (S. 172). Wesentlich dabei ist, dass wir „von den außergeistigen Gegenstnden, mit denen wir es zu tun haben, nur wissen, daß sie irgendwie so beschaffen sind, daß sie eine bestimmte Wirkung auf unseren Geist haben. Die einzigen fr uns erkennbaren Eigenschaften ontologisch von uns unabhngiger Gegenstnde sind dessen Dispositionen, in uns bestimmte Vorstellungen zu verursachen.“ (S. 194) Der Vorteil dieser Konzeption liegt u. a. darin, dass wir hier im Gegensatz zur methodologischen Zwei-AspekteLehre, zumindest nach einer der Richtungen, die Rosefeldt verfolgt, zu keinen Aussagen ber eine Identitt von Erscheinungen/empirischen Objekten und Dingen-an-sich verpflichtet sind. Denn wenn auch gelten muss, dass jede subjektabhngige Eigenschaft zu einem Trger gehçrt, der auch subjektunabhngige Eigenschaften hat, gilt nicht zwangslufig, dass jeder Trger von subjektabhngigen Eigenschaften identisch ist mit einem Trger von subjektunabhngigen Eigenschaften. Konkret heißt dies, dass empirische Objekte beispielsweise auch Konstruktionen aus subjektabhngigen Eigenschaften (von subjektunabhngigen Gegenstnden) sein kçnnten, so dass wir im Gegensatz zur methodologischen Interpretation zumindest nicht gezwungen sind, eine Isomorphie zwischen Dingen-an-sich und empirischen Objekten/Erscheinungen bezglich ihrer Anzahl und ihrer Identittsbedingungen anzunehmen. (Vgl. zu den letztgenannten Punkten Rosefeldts Vortrag vom 04. 06. 2011 anlsslich der Tagung „Metaphysik bei Kant und Hegel“ an der Humboldt-Universitt zu Berlin).

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haupt, mit anderen Worten: den transzendentalen Gegenstand als Korrelat der Einheit der Apperzeption (A255).22 Im Gegensatz zur Zwei-Aspekte-Theorie ist die Theorie der doppelten Affektion nicht auf solch einen problematischen Rckbezug auf das empirische Objekt angewiesen, um Ding-an-sich und Erscheinung in Beziehung setzen zu kçnnen.23 Denn im Gegensatz zu ersterer trgt diese dem Umstand Rechnung, dass die empirischen Objekte ein Konstitutionsprodukt des Verstandes sind. Dabei werden zwei verschiedene Weisen der Affektion unterschieden: Auf der ersten Stufe wird das von Adickes so genannte Ich-an-sich von den Dingen-an-sich affiziert, welches gemß der „Andeutungen“ der Dinge-an-sich die Erfahrungswelt konstituiert, die als physikalische Welt verstanden wird und sowohl empirische Gegenstnde als auch das empirische Ich beinhaltet. Innerhalb dieser physikalischen Erfahrungswelt aber wird, auf der zweiten Stufe, das empirische Ich durch die physikalischen Gegenstnde affiziert. Diese Interpretation hat nun den Nachteil, dass sie nicht nur auf den im Kantischen Rahmen mehr als problematischen Begriff eines „Ich-an-sich“ angewiesen ist, sondern darber hinaus in Bezug auf die Affektion auf erster Stufe denselben Ein22 Eine Verwechslung von Ding-an-sich und transzendentalem Objekt wird gerade an dieser Stelle nahegelegt dadurch, dass Kant an mehreren Stellen den Begriff „transzendentaler Gegenstand“ gleichbedeutend mit dem Terminus Ding-an-sich zur Bezeichnung des gedachten Grundes der Erscheinungen whlt. Eine Redewendung, die ihren Sinn darin hat, vom empirischen Gegenstand, der in einem empirischen Sinne außer uns ist, das Ding-an-sich selbst betrachtet dadurch zu unterscheiden, dass Letzteres als in einem „transzendentalen Sinne“ außer uns seiend charakterisiert werden kann (A374). 23 Einer aspektbezogenen Interpretation bliebe noch der Ausweg, die Erscheinung selbst mit dem Ding-an-sich zu identifizieren. Eine Operation, die in massive Probleme fhren wrde, soll vor diesem Hintergrund dem Gedanken der sinnlichen Affektion noch Rechnung getragen werden. Denn betrachten wir die Erscheinung als identisch mit dem Ding-an-sich, so kçnnen wir entweder nicht mehr sagen, dass wir durch Dinge-an-sich affiziert werden, da diese ja nur eine andere Betrachtungsart der Erscheinungen selbst sind, oder wir mssten annehmen, dass wir durch diese Erscheinungen selbst affiziert werden. Wir wren also entweder zu der sinnlosen Aussage gefhrt, dass wir durch unsere eigenen Erscheinungen affiziert werden, oder der Gedanke der sinnlichen Affektion wrde schlicht eliminiert. Umgekehrt war es gerade das Verdienst der Einfhrung des empirischen Objektes, dass der Gedanke der sinnlichen Affektion in diesem Modell – wenn auch nicht ganz unproblematisch – aufrechterhalten werden kann. Denn da wir durch empirische Objekte in einem empirischen Sinn affiziert werden, bertrgt sich der Gedanke der Affektion qua epistemologisch hergestellter Identitt auf das Ding-an-sich, ohne dass diesem ein distinkter ontologischer Status eingerumt werden muss.

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wnden ausgesetzt ist, wie die Zwei-Welten-Theorie. Denn die These, dass wir durch unbekannte und unerkennbare Dinge-an-sich affiziert werden, wird um nichts verstndlicher oder unproblematischer, wenn man ihr die These zur Seite stellt, dass wir auf einer zweiten Stufe auch, in realistischer Manier, durch empirische Dinge affiziert werden. Der Theorie der doppelten Affektion kommt denn auch, eher als dass sie eine Lçsung fr das Ding-an-sich-Problem bereitstellen wrde, der Verdienst zu, einen Beitrag zur Klrung des Verhltnisses von transzendentalem Idealismus und empirischem Realismus zu leisten. Was in ihr darber hinaus zum Ausdruck kommt, ist, dass das Modell der Affektion durch Dinge-an-sich, und dies wird von Adickes sowohl in seiner Fassung von 1924 als auch von 1929 ausdrcklich unterstrichen, ein stark realistisch geprgtes Verstndnis aufweist. Sind die hier vorgetragenen berlegungen zur Qualittsproblematik bei Kant richtig, dann darf das Ding-an-sich weder als eine uns affizierende dingliche Entitt verstanden werden, noch ist es das Ergebnis eines Abstraktionsprozesses auf die uns empirisch affizierenden Gegenstnde sinnlicher Erfahrung. Vielmehr blieb die „Affektion“ in der hier vorgestellten Interpretation allein der – nach empirisch-realistischem Verstndnis gedachten – Affektion durch empirische Gegenstnde vorbehalten. Jene empirischen Gegenstnde aber sind ganz und gar ein Interpretationsprodukt des Verstandes, und zwar nicht nur, was ihr formales Dasein in Raum und Zeit angeht (Relation), sondern gerade auch, was die Materie der gegenstndlich gedachten Erscheinung anbelangt (Qualitt). Denn wenn unsere berlegungen richtig sind, dann wird auch die Materie der Erscheinungen, was ihre Qualifizierung und ihr Realsein anbelangt, erst durch den Verstand gesetzt. Was uns den Anlass fr jene Qualifizierung und Realisierung bietet, ist allein die Empfindung mit dem ihr inhrenten Wirklichkeitsbezug selbst. Jener Wirklichkeitsbezug aber darf nicht so gedeutet werden, als gbe es an-sich-seiende dingliche Entitten, welche unsere Empfindungen kausal hervorrufen wrden. Vielmehr ist der Wirklichkeitsbezug der Empfindung als solcher gnzlich unqualifizierbar und somit unhintergehbar. Wird er qualifiziert, befinden wir uns schon auf der Ebene der Interpretationsleistungen unseres Verstandes: Wollen wir den Grund fr unsere Empfindungen in einem Empfundenen dingfest machen, so gelangen wir unwillkrlich entweder beim uns affizierenden empirischen Gegenstand an, oder bei der fr dessen Konstitution mitverantwortlich zu machenden Idee des vollstndig bestimmten Gegenstandes, welche, wie wir gesehen haben als Hintergrund fr die Qualifizierung und Realisierung der Materie der Sinnlichkeit zu fungieren hat.

3. Die Relationskategorien

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Verbindet man aber in unzulssiger Weise den Affektionsgedanken des Ersteren mit dem Gedanken der vollstndigen Bestimmtheit des Letzteren, so gelangt man zu jener Hypostase, die unter der Idee von außer uns existierenden und uns affizierenden Dingen-an-sich begriffen wird.

3. Die Relationskategorien: Beziehung des Denkens auf die Formen der Sinnlichkeit Haben wir in der bisherigen Untersuchung der Beziehung des urteilenden Verstandes auf die Materie der Sinnlichkeit dargelegt, auf welche Weise subjektive Empfindungen objektiviert werden zu einem Realen am Gegenstande, so hat sich dabei gezeigt, dass das, was wir als objektiv real auffassen, in Beziehungen stehen muss zu anderem mçglicherweise Realem; diese Beziehungen wurden aber ausschließlich in einem logischen Raum mçglicher Bestimmungen, Kants „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“ verortet. Wovon wir bisher abstrahiert haben, ist, dass die realen Qualitten eines Gegenstandes nicht nur im Denken, sondern auch in der sinnlichen Erfahrung auf irgendeine Weise miteinander in Beziehung gebracht werden mssen. Schließlich wollen wir nicht nur wissen, wie die Eigenschaft eines Dinges durch ihren „logischen Eigenschaftsraum“ definiert ist, denn auf diese Weise erhalten wir, wie sich gezeigt hat, lediglich eine Beschreibung des „Gegenstands im Allgemeinen“. Was sich im Zusammenhang des vorigen Kapitels als weiterfhrende Aufgabe herausgestellt hat, war, zu einer Bestimmung auch des einzelnen, konkreten Erfahrungsgegenstandes in der sinnlichen Wahrnehmung zu gelangen. Fr die Bestimmbarkeit des konkreten Einzelgegenstandes der Erfahrung aber ist vor allen Dingen seinen kontingenten raumzeitlichen Eigenschaften Rechnung zu tragen, also jenen Eigenschaften, die sich nur aus der raumzeitlichen Position eines Gegenstandes in Beziehung zu anderen raumzeitlichen Gegenstnden erschließen lassen. Dazu, so scheint es, mssen wir einfach erklren kçnnen, wie einzelne Dinge in sinnlicher Anschauung miteinander in Beziehung stehen. Daraus mssten wir doch dann, so die Intuition, auch zu einer Beschreibung der kontingenten raumzeitlichen Eigenschaften des einzelnen Gegenstandes gelangen. Doch ganz so einfach liegen die Verhltnisse nicht: Denn um die Beziehungen zwischen Dingen mit ihren Eigenschaften zu erklren, mssen wir zunchst einmal wissen, was ein Ding ist, und in welcher Weise Eigenschaften berhaupt an einem einzelnen Ding individuiert werden.

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Und auch diese Frage ist noch nicht geklrt. Was wir bisher stillschweigend vorausgesetzt haben, wenn wir von der Objektivierung einer subjektiven Empfindung zu einem Realem am Gegenstande sprachen, war, dass es berhaupt einen Gegenstand gibt, an welchem diese Objektivierung vorgenommen werden kann. Doch was wir genau genommen bisher lediglich erreicht haben ist, dass es subjektiven Empfindungen entsprechend eine diffuse Masse von Realitten, oder realen Qualitten geben muss, die auf irgendeine Weise ein objektives Sein in der Zeit reprsentieren. Die Frage ist nun, woran diese Objektivitt verankert ist, fehlt doch bisher schlicht das entsprechende Objekt. Wir haben also zwei Sachverhalte zu klren, wenn wir zu einer Bestimmung des konkreten Einzelgegenstandes gelangen wollen: 1) Wie konstituiert sich berhaupt ein Objekt, und in welcher Weise kçnnen ihm Eigenschaften zugeordnet werden, und 2) wie stehen verschiedene Objekte mit ihren Eigenschaften zueinander in Beziehung. Nun kçnnte man versucht sein, diese Aufgabenstellung sukzessive zu bewltigen, d. h. man kçnnte geneigt sein, zuerst zu erklren, was die notwendigen Bedingungen sind, einen einzelnen Gegenstand mit seinen Eigenschaften zu denken, und dann versuchen, die Beziehungen von solchen bereits vorliegenden Gegenstnden zueinander zu erçrtern. Die „Analogien der Erfahrung“ bieten nun eine reiche Fundgrube fr solche Erklrungsversuche. Denn was die erste Frage anbelangt, so ist zumindest eine der Bedeutungen, die sich in der Ersten Analogie mit der Substanzkategorie und ihrem Schema der Beharrlichkeit in Verbindung bringen lsst, die eines Dinges als „Trger von Eigenschaften“. Ließe sich durch die Substanzkategorie also die Frage erledigen, wie wir ein einzelnes Ding zu denken haben, so kçnnte man relativ unbekmmert damit fortfahren, in den beiden anderen Analogien, ausgestattet mit einem Bestand von Einzeldingen, der Frage nach den Beziehungen zwischen diesen Dingen nachzugehen. Spricht denn Kant in Letzteren nicht selbst von Substanzen, deren Eigenschaften sich kausal oder wechselseitig bestimmen? Was lge nher, als diese Substanzen mit einzelnen Gegenstnden zu identifizieren? Doch ganz so einfach liegen die Dinge natrlich auch hier wieder nicht. Kritisch sollte uns auch der Tatbestand stimmen, dass wir eben unwillkrlich vom einzelnen Gegenstand, den uns die Substanzkategorie vermeintlich gesichert hatte, zu einer Mehrzahl solcher Gegenstnde berzugehen hatten: Doch gesetzt den Fall, wir wissen, wie ein einzelner Gegenstand zu denken ist, wissen wir damit auch schon, wie wir eine Mehrzahl von Gegenstnden zu denken haben? Die folgenden Untersuchungen werden zeigen, dass ein sukzessives Modell von den Analogien, nach dem jede Relationskategorie einen ei-

3. Die Relationskategorien

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genstndigen Aufgabenbereich htte, auf den die jeweils folgende zurckgreifen kçnnte, vçllig unhaltbar ist. Dass die Funktionen der jeweiligen Kategorien in Isolation nicht sinnvoll gefasst werden kçnnen, kann als Gemeinplatz der Kantinterpretation gelten. Erstaunlich wenig Einigkeit besteht dagegen darber, worin genau jene zugestandene Interdependenz der Kategorien in ihrer Anwendung besteht. Sie soll hier an ihrem Anwendungsbereich festgemacht werden. Was die Kategorie der Substanz anbelangt, so ist die Einschrnkung ihrer Anwendung auf den einzelnen Gegenstand, das gewçhnliche Ding der Erfahrung, weder in Kants Sinne noch sachlich haltbar. Vielmehr bedarf auch die Denkbarkeit einer Beziehung zwischen den einzelnen Gegenstnden, dies wird sich im Laufe der Untersuchung im Detail zeigen, die Anwendung der Substanzkategorie. Und umgekehrt gilt, dass die Kategorien der Kausalitt und Wechselwirkung sich nicht lediglich, wie man vielleicht vermuten kçnnte, auf die Herstellung von Beziehungen zwischen einzelnen Gegenstnden beziehen, sondern in die interne Konstitution auch und gerade des einzelnen Gegenstandes eingreifen. Damit haben sich schon zwei Anwendungsbereiche herausgestellt: die des Einzelgegenstandes, und die der Beziehungen zwischen einzelnen Gegenstnden. Allen Kategorien gemein ist darber hinaus, dass sie die Einheit und Objektivitt der reinen Anschauungsformen Raum und Zeit zu gewhrleisten haben, – so dass wir als die drei Anwendungsbereiche, auf welche sich alle drei Relationskategorien gemeinsam und in wechselseitiger Abhngigkeit beziehen lassen mssen, festhalten kçnnen: i) den einzelnen sinnlichen Gegenstand ii) die Beziehungen zwischen Gegenstnden iii) die objektiven Raum- und Zeitbestimmungen Diese Interdependenz der Kategorien in Bezug auf den Bereich ihrer Anwendung ist aber weit davon entfernt, sich fr ihre Erklrungskraft nachteilig auszuwirken. Im Gegenteil drckt sich darin eine Eigentmlichkeit aus, die gerade einen entscheidenden Vorzug der Kantischen Strategie abgibt (und, gegeben seinen Voraussetzungen, die einzige Lçsungsmçglichkeit fr die Erklrung der Objektivitt unserer Erfahrung ist), nmlich die Tatsache, dass Kant die Frage nach den internen Relationen von einzelnen Gegenstnden und die nach den Beziehungen zwischen Gegenstnden auf einen Schlag beantworten kann. Diese Gleichfçrmigkeit in der Konstitution von Gegenstandsstruktur und Struktur der Beziehungen von Gegenstnden, die sich auch fr die mathematischen Kate-

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

gorien nachweisen ließe,24 uns hier aber nur fr den Fall der dynamischen (Gegenstands-)Kategorien zu interessieren hat, beruht letztlich natrlich darauf, dass wir es nur mit einer Art von Material zu tun haben, das in die Synthese einer „gegenstndlichen Welt“, auf die wir uns beziehen, eingeht, und dass es nur eine Art von Einheitsregeln gibt, welche die apriorischen Strukturen dieser gegenstndlichen Welt sicherzustellen haben. Von der anderen Seite aus betrachtet: Die Sinnlichkeit prsentiert sich uns mit einer Materie, die nicht schon nach Einheitskriterien geordnet ist, so dass es allein dem Verstand obliegt, die Grenzen dessen zu ziehen, was wir als einheitlich im Gegensatz zu Anderem auffassen. Dies bedeutet, dass diese Grenzziehung zunchst willkrlich ist, d. h., dass es zunchst willkrlich ist, ob wir etwas als ein selbstndiges Ding, oder als Teil eines anderen Dinges, oder gar am Ende alle Dinge als Teile eines Weltganzen, bzw. etwas schlichter: einer einheitlichen raumzeitlichen Erfahrung betrachten. Diese Stufung von Einheitsgesichtspunkten drckt sich darin aus, dass Kant dort, wo er die Mçglichkeit der Objektivitt der Erfahrung durch ihre apriorischen Bedingungen nur im Prinzip beweisen will, nmlich in der Deduktion der Kategorien, schlicht vom „Gegenstand berhaupt“ spricht, der diejenigen Einheitsregeln auf sich vereinigt, welche fr alle diese Stufen von einheitlicher „Gegenstndlichkeit“ notwendig sind. Am anderen Ende der Skala, in den Analogien der Erfahrung, schließlich findet diese Fokussierung auf eine einheitliche Gegenstndlichkeit berhaupt, welche alle genannten Einheitsgesichtspunkte in sich zu vereinigen hat, ihren Ausdruck darin, dass Kant sich hier von vornherein auf diejenige Stufe konzentriert, die alle brigen, und zwar unter sinnlichen Bedingungen, in sich enthlt. So wie er in eher logischer Absicht in der transzendentalen Deduktion vom „Gegenstand berhaupt“ spricht, steht in den Analogien, wenn es um die Verwirklichung dieses logischen Aspekts unter sinnlichen Bedingungen geht, 24 Unter den mathematischen Kategorien im eigentlichen Sinn sollen in dieser Interpretation nur diejenigen verstanden werden, die sich unter den Titel der ,Quantitt‘ subsumieren lassen. Die Qualittskategorien sind genaugenommen Mischformen. Im Gegensatz zu den Quantittskategorien beziehen sie sich nicht auf die Formen der Anschauung, sondern wie die dynamischen Kategorien (allerdings in anderer Bedeutung als diese) auf das in Raum und Zeit Gegebene. Mathematische Bedeutung erlangen sie lediglich dadurch, dass sie das qualitativ Gegebene zustzlich auch quantifizieren (als intensive Grçßen). Fr die Qualittskategorien gilt genannte Interdependenz in Bezug auf ihren Anwendungsbereich nicht, da sie es noch nicht mit Gegenstnden im eigentlichen Sinn zu tun haben, wohl aber in Bezug auf ihre jeweiligen Funktionen, wie in Kap. II. 2. gezeigt wurde.

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die Einheit und Objektivitt von Raum und Zeit selbst im Vordergrund, als Bedingung dafr, dass alle Gegenstnde, die auch immer in Raum und Zeit vorkommen mçgen, unter notwendigen Einheitsregeln zu stehen haben. Hier haben wir es also mit der obersten Stufe der Generierung einer Gegenstndlichkeit berhaupt unter sinnlichen Bedingungen, und damit auch mit der obersten Stufe der oben genannten drei Anwendungsbereiche der Relationskategorien zu tun. Doch auch wenn der anerkannte Zweck der Analogien die ziemlich abstrakte Erklrung ist, wie wir zu objektiven Zeitbestimmungen ber eine Objektivierung der Zeit selbst gelangen, darf darber nicht vergessen werden, dass diese oberste Stufe die beiden unteren Stufen in sich beinhalten muss. Mit anderen Worten, die Frage, mit der wir unsere Einleitung begonnen haben, wie wir uns berhaupt die Konstitution des einzelnen Gegenstands sowie der Beziehungen zwischen Gegenstnden vorzustellen haben, muss innerhalb des Arguments fr die Objektivitt der Zeit selbst ihren Platz finden. Schließlich geht es bei dieser Frage ja letztlich darum, wie wir einen subjektiven Wahrnehmungsverlauf unterscheiden kçnnen von einer Erkenntnis, „die durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt“ (B219, kursiv v. Verf.). Diese Forderung beinhaltet, so Kant, dass „das Verhltnis im Dasein des Mannigfaltigen, nicht wie es in der Zeit zusammengestellt wird, sondern wie es objektiv in der Zeit ist, in ihr vorgestellt werden soll“ (ebd., kursiv v. Verf.). Wie genau sich nun die Erkenntnis von raumzeitlichen Objekten durch Wahrnehmungen und die Herstellung von objektiven Verhltnissen des Daseins von Mannigfaltigem in der Zeit aufeinander beziehen, diese Frage muss der eigentlichen Untersuchung vorbehalten werden. Doch bevor wir damit beginnen, ist es vielleicht nicht ganz unntz, die Problemlage mit der wir diese Einleitung begonnen hatten, nmlich diejenige, die durch die isolierte Betrachtung der Leistung der Qualittskategorien in Bezug auf die Materie der Sinnlichkeit, entstanden ist, noch einmal aufzugreifen und sie, um einen Einstieg in die Diskussion der Analogien zu gewinnen, auf diejenige Objektivittsstufe zu beziehen, die sich als deren Fokus ausweisen ließ: die Herstellung von objektiven Zeitbeziehungen durch eine Objektivierung der Zeit selbst. Stellte sich oben die Frage, wie eigentlich das einer subjektiven Empfindung korrespondierende Reale, das durch die Objektivierung des Verstandes zustande kam, auf einen Gegenstand bezogen, und somit rechtmßig als ein Reales am Gegenstande betrachtet werden kann, so stellt sich unter dem jetzigen Gesichtspunkt die Frage, wie dieses Reale eigentlich als ein Sein in der Zeit verstanden werden kann. Denn als solches mussten wir es verstehen, um

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auszudrcken, dass es sich dabei nicht um ein bloßes subjektives Vorkommnis handelte, sondern um etwas, das in der Zeit real ist. Was wir aber hier wiederum stillschweigend vorausgesetzt hatten, war, dass es berhaupt einen adquaten Ort fr jenes Realsein in der Zeit gibt. Der Zugriff des Denkens erfolgte bisher, um es bildlich auszudrcken, auf die einzelne subjektive Empfindung, so dass durch deren Objektivierung mittels des Verstandes ein Reales Sein „in“ der Zeit gesetzt wurde. Dieses „in“ ist nun aber erst die halbe Wahrheit, denn es ist damit bisher nur gesagt, dass etwas, was einen bloß subjektiven Status hatte (die Empfindung) einen objektiven Status, ein Sein in der Zeit erlangt, wobei die Betonung nicht so sehr auf dem „in“ als auf dem „Sein“ liegt. Damit wir diesem Realen aber im vollem Sinne ein Sein in der Zeit zusprechen kçnnen, muss jene Zeit, in der das objektivierte Reale verortet wird, selbst als objektiv aufgefasst werden kçnnen. Das heißt, wir mssen schon den bergang von einem subjektivem Zeiterleben, das allenfalls fr das Anund Abheben von Empfindungen ausreichen wrde, zu einer objektiven Zeit gewonnen haben, in dem das, was wir als real auffassen, einen bestimmten Ort innerhalb einer Zeitordnung einnimmt. Mit anderen Worten: das, was wir bisher nur als „real in der Zeit“ ausgewiesen haben, muss allererst noch als ein „Dasein in der Zeit“ bestimmt werden. Dabei haben wir es aber mit einer anderen Objektivierungsleistung des Verstandes zu tun. Betraf Erstere die Objektivierung von subjektiven Gehalten, welche dadurch ein reales Sein in einer objektiv zu denkenden Zeit erlangten, geht es nun darum, wie genau jene Objektivitt ihrer Form nach berhaupt zustande kommt. Macht doch die Objektivierung eines realen Gehaltes nur Sinn, wenn dieser einen Ort in einer objektiven Zeitordnung zugewiesen bekommt, im Unterschied zu dem bloßen An- und Abheben subjektiver Vorstellungen. Bei beiden Verstandesleistungen haben wir es mit einer Objektivierung eines bloß Subjektiven zu tun. Im ersten Fall geht es um die Objektivierung von Empfindungen, die dadurch Realitt erfahren, im zweiten Fall darum, wie jene Realitten in geordnete objektive Zeitverhltnisse gebracht werden und damit ein Dasein in einer objektiven Zeit erhalten. Dafr, so die These, die, wie wir sehen werden in unterschiedlichen Gestalten daherkommt, muss ein subjektiver zeitlicher Wahrnehmungsverlauf bezogen werden kçnnen auf eine objektive – gegenstndliche – Zeitordnung. Ersterer kann, zumindest in einer der mçglichen Argumentgestalten verstanden werden als ein „Nacheinander subjektiver Vorstellungen“. Von diesem bloß subjektiven Nacheinander mssen wir auf der herzustellenden Objektebene eine objektive zeitliche Ordnung unterscheiden kçnnen, die

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durch die drei Modi der Zeit: Beharrlichkeit, Folge und Zugleichsein (B220/A177) charakterisiert werden kann, denen eindeutig die Anwendung der Kategorien der Substanz, Kausalitt und Wechselwirkung entspricht. Dabei ist zu beachten, dass im strengen Sinne nur Folge und Zugleichsein als Zeitverhltnisse zu betrachten sind, die Beharrlichkeit dagegen, so Kant, sei „mehr die Bedingung derselben, als dass sie selbst ein Verhltnis enthielte“ (B230/A187). Fr die Zeitverhltnisse im engeren Sinn gilt, dass Folge und Zugleichsein natrlich als objektive Folge und objektives Zugleichsein zu verstehen und zusammen als Gegenbegriff zum subjektiven Nacheinander zu sehen sind. Denn die bloß subjektive Zeit, die als Voraussetzung in das Argument eingeht, kennt kein Zugleichsein, das in irgendeiner Weise einem objektiven Zugleichsein gegenbergestellt werden kçnnte, sondern ist ausschließlich durch subjektives Nacheinandersein zu charakterisieren. Aus dieser Charakterisierung subjektiver Zeitlichkeit als einem bloß subjektiven Nacheinander ließe sich dann unter der Forderung nach einer objektiven Zeitordnung, die Kant in der schon zitierten Textstelle so formuliert, dass „das Verhltnis im Dasein des Mannigfaltigen, nicht wie es in der Zeit zusammengestellt wird, sondern wie es objektiv in der Zeit ist, in ihr vorgestellt werden soll“, folgern, dass „die Bestimmung der Existenz der Objekte in der Zeit nur durch ihre Verbindung in der Zeit berhaupt, mithin nur durch a priori verknpfende Begriffe, geschehen“ kann (B219). Denn diese Folgerung, so mçchte es scheinen, folgt unmittelbar aus der Annahme eines subjektiven Nacheinanders bei gleichzeitiger Forderung nach objektiven Zeitverhltnissen. Doch warum fgt Kant als Zwischenschritt die These ein, dass „die Zeit selbst aber nicht wahrgenommen werden kann“ (ebd.)? Wie wir sehen werden, haben wir es hier mit zwei verschiedenen, wenn auch komplementren, Prmissen zu tun, die sich als a) die These vom „Nacheinander subjektiver Zeitlichkeit“ und b) die These von der „Nichtwahrnehmbarkeit der Zeit“ beschreiben lassen, und deren Annahme jeweils zu unterschiedlichen Argumenten fhrt. Kants Vermischung beider Prmissen und der korrespondierenden Argumente hat zu einigen unnçtigen Unklarheiten bezglich aller drei Analogien gefhrt, die uns im Weiteren noch beschftigen werden. Mit diesen Problembeschreibungen und Ankndigungen sind nun die nçtigen Voraussetzungen getroffen, um die Relationskategorien im Einzelnen untersuchen zu kçnnen (Abschnitte 3.1. bis 3.3.).

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3.1. Die „Erste Analogie“: Von der Beharrlichkeit der Substanz Beginnen wir mit dem schon eingangs gestreiften Missverstndnis, es kçnnte sich bei der Substanzkategorie um eine Funktion handeln, die in Bezug auf die Sinnlichkeit nichts zu tun habe, als die Beharrlichkeit eines einzelnen Gegenstandes herzustellen, aufgrund derer wir ein Ding mit seinen Eigenschaften zu denken vermçgen. Einer solchen restriktiven Auffassung widerstreitet, wie wir ebenfalls schon gesehen haben, dass alle Relationskategorien vor allen Dingen eines zu leisten haben: die Herstellung der Einheit und Objektivitt von Raum und Zeit selbst. Dies gilt fr die Substanzkategorie sogar in besonderem Maße. So ist ihr Schema, die Beharrlichkeit, wie schon angemerkt wurde, zwar einer von den drei Modi der Zeit. Sie gehçrt aber genau genommen, auch wenn Kant sich hier gelegentlich ungenau ußert, nicht zu den eigentlichen Zeitverhltnissen, jedenfalls nicht zu den Verhltnissen in der Zeit. Vielmehr ist Beharrlichkeit, dies wurde ebenfalls schon aufgenommen, „mehr die Bedingung derselben, als daß sie selbst ein Verhltnis enthielte“ (B230/A187). Beharrlichkeit, so die Idee, ist die Grundlage, vor der die Zeitverhltnisse (objektive) Folge und Zugleichsein nur mçglich sind, also muss sie der Zeit selbst als Form der inneren Anschauung zukommen. Da die Zeit selbst aber nicht wahrnehmbar ist, muss ein beharrliches Substrat in den Gegenstnden der Erscheinung anzutreffen sein, welches die Beharrlichkeit der Zeit allererst vorstellt. Was auch immer von diesem Argument zu halten ist, klar ist jedenfalls, dass die Beharrlichkeit mehr zu leisten hat, als nur das beharrliche Ding mit seinen wechselnden Eigenschaften zu reprsentieren. Sie muss zumindest auch in irgendeiner Weise als Bezugsrahmen fr Zeitverhltnisse dienen kçnnen und als Voraussetzung fr die Anwendbarkeit der anderen beiden Relationskategorien Kausalitt und Wechselwirkung, welche diese Zeitverhltnisse leiten, in Anspruch genommen werden kçnnen. Doch auch wenn die Auffassung, die Substanzkategorie habe es nur mit der Beharrlichkeit des einzelnen Dinges mit seinen Eigenschaften zu tun, offensichtlich falsch ist, so verbirgt sich dahinter doch die mehr als plausible Annahme, die Substanzkategorie msse dieses zumindest auch leisten. Doch genau hier beginnen die Probleme. Denn bei dem, womit wir es beim Ding mit seinen Eigenschaften zu tun haben, handelt es sich, so scheint es, um relative Beharrlichkeit: das Ding muss als relativ beharrlich gegenber seinen Eigenschaften aufgefasst werden. Auf diese Weise wrde sich das Substanz-Akzidenz-Verhltnis, nach dem die Substanz logisch unabhngig von ihren Akzidenzien ist, aber nicht umgekehrt, unter sinnlichen Be-

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dingungen hinreichend ausdrcken lassen. Denn unter zeitlichen Bedingungen gengt es zunchst einmal, die Unabhngigkeit des Dinges gegenber seinen Eigenschaften durch eine relative Beharrlichkeit ihnen gegenber zu verankern. Genau genommen ist diese Beschreibung des klassischen Substanz-Akzidenz-Verhltnisses unter den Kantischen Bedingungen hçchst problematisch, aber sie mag an dieser Stelle gengen, um den charakterisierten Fall der relativen Beharrlichkeit, welche nach dem Muster des Dinges als „Trger von Eigenschaften“ gestrickt ist, abzugrenzen von einer anderen Substanzvorstellung, die sich durch absolute Beharrlichkeit charakterisieren lsst. Auch hier ist es nicht unproblematisch, in den Kantischen Kontext klassische Substanzvorstellungen zu tragen, aber zumindest muss es sich bei dieser Art von Substanz um etwas handeln, das nicht nur relativ zu etwas anderem (der wechselnden Eigenschaft eines Dinges), sondern relativ zu allem anderen (jedem Wechsel berhaupt) beharrt und dasselbe bleibt.25 Am sinnvollsten ist es, Kants Fassung des logischen Substanz-Akzidenzverhltnisses und seiner Verwirklichung unter sinnlichen Bedingungen an dieser Stelle noch offen zu halten, und mit dem relativ unverfnglichen Begriffspaar der absoluten und relativen Beharrlichkeit zu arbeiten. Das angekndigte Problem ergibt sich nun daraus, dass wir vor die Wahl gestellt zu sein scheinen, die Anwendung der Substanzkategorie entweder im Sinne der relativen, oder im Sinne der absoluten Beharrlichkeit verstehen zu mssen. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass diese Alternative eine falsche ist, und dass relative und absolute Beharrlichkeit durchaus miteinander vereinbar sind, wobei sich im Laufe der Untersuchungen zeigen wird, dass der Begriff der relativen Beharrlichkeit bei genauerer Betrachtung in ein als primr anzusetzendes Konzept der absoluten Beharrlichkeit bergeht, ohne jedoch dadurch seine Bedeutung zu verlieren. Dennoch sind Kants implizite Bedeutungsverschiebungen im Gebrauch der Begriffe von Substanz und Beharrlichkeit erheblich genug, dass sich die Alternative in der Kantliteratur immer wieder gestellt hat.26 25 Ein oft rezipierter Versuch, zwei verschiedene klassische Substanzbegriffe bei Kant nachzuweisen (unter den Titeln substance1 und substance2), findet sich bei Bennett (1966): „A substance1 is a thing which has qualities. A substance2 is something which can be neither originated nor annihilated by any natural process, i. e. which is, barring miracles, sempiternal“ (S. 182). Ob Kant tatschlich auf diese an klassischen Vorbildern orientierten Substanzkonzepte zurckgreift und dies darber hinaus in fehlerhafter Identifizierung beider miteinander, wie Bennett unterstellt, darauf wird gegen Ende des Kapitels noch eingegangen. 26 Dabei wird von einem Lager die Auffassung vertreten, dass Kant entweder a) ausgehend von einem Begriff der relativen Beharrlichkeit, der fr das Gelingen des

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Dabei wird gelegentlich die Auffassung vertreten, der Begriff eines relativ Beharrlichen sei fr die Zielsetzung des Kantischen Arguments im Grunde ausreichend. Eine solche Interpretation muss dann allerdings plausibel nachweisen kçnnen, welche Bedeutung die Substanzkategorie auf dieser Basis noch fr die Objektivierung der Zeit als notwendigem Bezugsrahmen fr objektive Vorstellungen spielen kann, handelt es sich hierbei doch offensichtlich um Kants Hauptaugenmerk innerhalb der Analogien. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Interpretation Strawsons, denn im Gegensatz etwa zu Bennett, hlt er, obwohl er wie dieser den Schwerpunkt auf den Begriff des relativ Beharrlichen setzt, die Annahme eines (absolut-)beharrlichen raumzeitlichen Bezugsrahmens durchaus fr notwendig und sinnvoll. Entscheidend ist nun, dass er den Begriff der absoluten Beharrlichkeit allein an jenem Bezugsrahmen selbst verankert. Woran sich Strawson stçßt, ist, dass Kant – so zumindest die Unterstellung – den Begriff der absoluten Beharrlichkeit an einzelnen, dinghaften Entitten (particular objects) festmache, eine Annahme, die Strawson daraus erschließt, dass Kant an mehreren zentralen Stellen von einer Mehrzahl von Substanzen spricht (vgl. Strawson 1975, S. 129). Die Annahme einer Pluralitt solcher absolut-beharrlichen Entitten ist aber nach Strawson nicht nur nicht notwendig, um zu einem raumzeitlichen Rahmen, in dem die Dinge ihren Ort und ihre Zeit haben, zu gelangen (vgl. ebd., S. 130), sondern darber hinaus schlicht widersprchlich. Worauf Kant implizit mit seiner Mehrzahl von Substanzen rekurrieren will, ist nach Strawson die Tatsache, dass wir auch einzelne Objekte der Arguments, wenn auch in abgenderter Form, vollkommen ausreichend wre, ungerechtfertigter Weise zum Begriff einer absolut beharrlichen Substanz (oder Substanzen) bergehe, der eine berlastung des Arguments und auch nicht notwendig sei (vgl. Bennett 1996, mit Einschrnkungen Strawson 1975), oder umgekehrt dass b) Kant ausgehend von der notwendigen Annahme eines absolut Beharrlichen, heimlich einen Substanzbegriff, der mit der relativen Beharrlichkeit verbunden ist (Trgermodell vom Ding mit Eigenschaften) einfhre, um durch bloße quivokation zum gewnschten Ergebnis zu gelangen, damit aber sein Beweisziel gefhrde (vgl. Guyer 1987). Auf der anderen Seite hingegen wird vorgebracht, der Begriff eines absolut Beharrlichen sei fr das Kantische Argument unverzichtbar (Allison 2004, Longuenesse 1998a). Was den berhmtberchtigten Satz von der Erhaltung der Quantitt der Substanzen in der Natur anbelangt, so besteht weitgehende Einigkeit darber (auch im Lager derer, die am Begriff des absolut Beharrlichen festhalten), dass dieser Satz weder haltbar noch notwendig ist. Eine Ausnahme bildet Allison (2004), der hier ber eine subtile Unterscheidung bezglich des Beweisprogramms der Metaphysischen Anfangsgrnde arbeitet (vgl. S. 244 f.).

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Wahrnehmung als relativ-beharrlich auffassen und nicht nur, aus welchen Grnden auch immer, den raumzeitlichen Rahmen, in dem sie auftreten, als absolut-beharrlich denken. Deshalb wre es auch gerechtfertigt, den Begriff Substanz in einem bertragenen Sinn auf jene einzelnen relativbeharrlichen Objekte anzuwenden (vgl. ebd, S. 130 f.). Dieser Einschtzung ist soweit zuzustimmen. Das ganze Problem besteht aber in der Frage, wie man in umgekehrter Weise, und dies ist schlussendlich Strawsons eigene Strategie, vom Konzept des relativ beharrlichen Gegenstandes zum Konzept des absolut beharrlichen Bezugsrahmens von Gegenstnden gelangt, eine Frage, die durch die Feststellung, dass die relativ beharrlichen Objekte unserer Erfahrung in ihren Beziehungen zueinander jenen einigen Bezugsrahmen zustande bringen (vgl. ebd.), nur sehr unzureichend beantwortet ist. Geht man aber auf der anderen Seite zur Vermeidung der Schwierigkeiten, die mit einer solchen Strategie verbunden sind, und die uns der Sache nach noch nher zu beschftigen haben, von vornherein von der Annahme eines absolut beharrlichen Substrates aus, das einen beharrlichen zeitlichen Ordnungsrahmen zu reprsentieren hat, dann stellt sich die Frage, ob in dieser Sicht der Dinge der Tatsache Rechnung getragen werden kann, dass wir offensichtlich auch unsere gewçhnlichen Alltagsgegenstnde als substantiell im Sinne von relativ beharrlich auffassen, eine Annahme, die, wie wir sehen werden, auch Kant selbst teilen muss. Weiter stellt sich die Frage, wie die Idee eines absolut Beharrlichen eigentlich verstndlich gemacht werden kann, wenn man nicht auf ein Substanzverhltnis rekurriert, das am „Trgermodell“ des Dinges mit seinen (wechselnden) Eigenschaften orientiert ist. Wie wir sehen werden, macht sich Kant nmlich genau einen solchen Rekurs zunutze, und letztlich beruhen fast alle Interpretationsprobleme der Ersten Analogie darauf, dass Kant beide Substanzmodelle an zentralen Beweisstellen schlicht miteinander identifiziert, ohne sich darber im Klaren zu sein, dass er damit nicht nur sein Argument extrem unplausibel macht, sondern dass dieses auf eine solche ungltige Identifizierung berhaupt nicht angewiesen ist. Unglcklicherweise beziehen sich die meisten Interpreten auf den schlichteren und prgnanteren Beweis in der B-Auflage, an dem vor allen Dingen die fehlerhafte Identifizierung der beiden Substanzvorstellungen auffllt, whrend es der eher verworrene A-Beweis ist, der die Ressourcen bietet, diesen Fehler zu korrigieren.

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3.1.1. Der Beweis in der B-Auflage Beginnen wir mit einer groben Rekapitulierung des Beweises in der stringenteren B-Auflage: Dass die „Beharrlichkeit“ nicht selbst als ein Zeitverhltnis, sondern als die Bedingung fr Zeitverhltnisse anzusehen ist, hatten wir bereits mehrfach erwhnt. Beharrlichkeit, so die Idee, ist die Grundlage dafr, dass so etwas wie (objektives) Nacheinandersein oder Zugleichsein berhaupt gedacht werden kann. Denn weder kçnnten wir uns vorstellen, dass Zustnde einander objektiv folgen, noch dass sie zugleich auftreten, gbe es nicht ein Beharrliches, auf das wir diese Zustnde beziehen kçnnten. Entscheidend ist nun, dass Kant all diese Bestimmungen an der Zeit selbst, als Form der inneren Anschauung verankert. Das heißt: objektives Nacheinander- bzw. Zugleichsein sind Verhltnisse in der Zeit, welche nur dadurch mçglich sind, dass die Zeit selbst „bleibt und nicht wechselt“. So kann Kant sagen: i)

„Alle Erscheinungen sind in der Zeit, in welcher, als Substrat (als beharrlicher Form der inneren Anschauung), das Zugleichsein sowohl als die Folge allein vorgestellt werden kann. Die Zeit also, in der aller Wechsel der Erscheinungen gedacht werden soll, bleibt und wechselt nicht; weil sie dasjenige ist, in welchem das Nacheinander- oder Zugleichsein nur als Bestimmungen derselben vorgestellt werden kçnnen.“ (B224 f.)

An dieser Prmisse des Arguments sind zwei Dinge hervorzuheben: Erstens handelt es sich hier um eine Charakterisierung der Zeit als Form innerer Anschauung, die durch das „Enthaltensein von Vorstellungen in der Zeit“ gekennzeichnet werden kçnnte. Das heißt, es geht hier nicht um einen sukzessiven Vorstellungsverlauf, ein An- und Abheben subjektiver Vorstellungen, sondern um eine Zeit, die man etwas salopp als Gesamtform aller mçglichen Vorstellungen bezeichnen kçnnte. Und zweitens wird diese Gesamtform als eine charakterisiert, in der es objektive Zeitverhltnisse gibt, d. h., wir haben es mit der Form der Anschauung zu tun, die schon unter der Einheit des Verstandes steht. Insbesondere bedeutet dies, dass wir es mit der Zeit zu tun haben, die die Anwendung aller drei Relationskategorien bereits erfahren hat. Das bedeutet wiederum: Wonach im Folgenden gefragt wird, ist, welchen Anteil die Substanzkategorie – unter Voraussetzung der Gltigkeit der Anwendung der anderen beiden Kategorien – an der Herstellung der Einheit der so charakterisierten Zeit nimmt. Mit anderen Worten, wir haben es mit der Prmisse fr ein analytisches Beweisverfahren zu tun, das die Objektivitt der Erfahrung (hier: die Einheit und Objektivitt der Zeit) voraussetzt, um nach deren Mçglichkeitsbedingungen zu fragen. Nur daraus erklrt sich der nchste Schritt des Arguments:

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ii) „Nun kann die Zeit fr sich nicht wahrgenommen werden.“ (B225)

Dies kann zunchst so verstanden werden, dass die Eigenschaft der Zeit, um die es hier geht, – Beharrlichkeit – keine ist, die durch die Wahrnehmung der Zeit selbst zugnglich wird, da die Zeit kein Gegenstand der Wahrnehmung ist, so dass wir andernorts nach den Bedingungen ihrer Mçglichkeit zu fragen haben. iii) „Folglich muß in den Gegenstnden der Wahrnehmung, d.i. den Erscheinungen, das Substrat anzutreffen sein, welches die Zeit berhaupt vorstellt, und an dem aller Wechsel oder Zugleichsein durch das Verhltnis der Erscheinungen zu demselben in der Apprehension wahrgenommen werden kann.“ (ebd.)

Zu beachten ist, dass noch ganz unspezifiziert ist, was hier unter dem sehr allgemeinen Begriff „Substrat“ zu verstehen ist. Es muss sich jedenfalls um irgendein Beharrliches handeln, an dem Wechsel und Zugleichsein gemessen werden kçnnen, und das mittelbar die Beharrlichkeit der Zeit selbst als Bezugsrahmen fr Wechsel und Zugleichsein vorstellt. Und auch bei „Wechsel und Zugleichsein“ handelt es sich zunchst um Begriffe, die nur relativ zu diesem allgemeinen Substrat zu verstehen sind. Es handelt sich also ganz allgemein um den Wechsel und das Zugleichsein von Erscheinungen in der Zeit. Zugestanden, dass das beharrliche Substrat an den Gegenstnden „anzutreffen sein“ muss, bedeutet dies aber noch nicht, dass es sich dabei um die einzelnen Gegenstnde handelt, und dass es sich bei Wechsel und Zugleichsein um etwas handelt, das am einzelnen Gegenstand mit seinen (wechselnden und zugleichseienden) Eigenschaften festgemacht werden kçnnte. Es ist also mehr als problematisch, schon an dieser Stelle des Arguments einen Begriff von „relativer Beharrlichkeit“ zu vermuten, wie Allison dies tut (vgl. Allison 2004, S. 239). Vielmehr scheinen wir es beim „Substrat“ an dieser Stelle tatschlich mit einem Begriff von absoluter Beharrlichkeit zu tun zu haben, was deswegen notwendig ist, weil das Substrat hier ja die „Zeit berhaupt“ vorstellen soll, welche wiederum in der Prmisse als immergleichbleibend eingefhrt wurde. Der bergang zur relativen Beharrlichkeit findet sich dagegen erst im nchsten Schritt: iv) „Es ist aber das Substrat alles Realen, d.i. zur Existenz der Dinge Gehçrigen, die Substanz, an welcher alles, was zum Dasein gehçrt, nur als Bestimmung kann gedacht werden.“ (ebd.)

Whrend im vorhergehenden Satz nur allgemein von Wechsel und Zugleichsein relativ zu einem beharrlichen Substrat die Rede war, ist jetzt von der Substanz mit ihren Bestimmungen die Rede. Diese Bestimmungen sollen als Existenzweisen der Substanz fungieren. Zu beachten ist, dass jetzt eine intimere Verbindung besteht zwischen Wechsel und Zugleichsein und dem

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Substrat als zuvor, indem diese als Bestimmungen an der Substanz selbst verankert werden, als Bestimmungen der Substanz. 27 Was Kant hier vor Augen zu haben scheint, ist der Begriff des Dinges als eines Trgers von Eigenschaften. Ist dies so, dann stellt sich aber unmittelbar die Frage, warum dieser Substanz absolute Beharrlichkeit zugesprochen werden sollte, wie dies Kant im nchsten Satz tut: v) „Folglich ist das Beharrliche, womit im Verhltnis alle Zeitverhltnisse der Erscheinungen allein bestimmt werden kçnnen, die Substanz in der Erscheinung, d.i. das Reale derselben, was als Substrat alles Wechsels immer dasselbe bleibt.“ (ebd.)

Denn, einmal unterstellt, es handelt sich hier tatschlich um den Begriff des Dinges mit seinen Eigenschaften, und um diesen muss es sich fr Kant zumindest auch handeln, dann spricht innerhalb der Kantischen Konzeption nichts dafr, das Ding hier als immerwhrende Substanz zu betrachten. Zunchst einmal mssen wir uns verdeutlichen, dass in dieser Bedeutungsrichtung das Verhltnis von Substanz und Akzidenz ein logisches ist, was lediglich bedeuten soll, dass die Akzidenzien logisch abhngig vom Begriff der Substanz sind, nicht aber umgekehrt, so dass die Substanz logisch unabhngig zumindest von einzelnen ihrer Akzidenzien gedacht werden kann. Wahr ist auch, dass dieses Verhltnis auf sinnliche Bedingungen appliziert zur Folge hat, dass das unter dem Substanzbegriff Gedachte beharrlich sein muss relativ zu dem, was unter den Begriffen ihrer Eigenschaften gedacht wird. Dies heißt aber zunchst nichts weiter, als dass der Substanz unter sinnlichen Bedingungen relative Beharrlichkeit zukommen muss. Mit anderen Worten: Die logische Unabhngigkeit der Substanz impliziert zunchst einmal keine absolute Beharrlichkeit unter sinnlichen Bedingungen.28 27 Allison (2004) gesteht zu, dass es keine Rechtfertigung gibt, diesen Substanzbegriff schon im Sinne einer absoluten Beharrlichkeit zu interpretieren (vgl. S. 239). Dagegen wird hier vorgeschlagen, dass erst hier von einer relativ beharrlichen Substanz gesprochen werden kann. 28 Was nun die eher strategischen Probleme des Arguments anbelangt, so kann sich Allison (2004) darauf berufen, dass in Satz v) ein an dieser Stelle nicht zu rechtfertigender bergang zum Begriff einer absolut beharrlichen Substanz erfolgt. Denn das Argument bis zu diesem Punkt gebe keine Garantie, dass es sich dabei um immerwhrende, ontologische Substanzen handeln msse. Allison geht aber davon aus, dass es schon in den Argumentationsschritten davor um die eher unproblematische Vorstellung einer relativ beharrlichen Substanz gehe (vgl. S. 239). Dies ist, wie wir gesehen haben, nicht ganz richtig. Vielmehr beginnt das Argument, wie auch Guyer (1987) gegen Allison, und auch explizit gegen Bennett betont, mit der Vorstellung von einem absolut Beharrlichen; erst im iv) Schritt wird rekurriert auf

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3.1.2. Der A-Beweis und die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens Zur Korrektur dieses Problems bietet nun der Beweisgang in der Ersten Auflage reichlich Material. Da es sich dabei um einen anerkanntermaßen recht verworrenen Beweis handelt, soll hier aber gar nicht der Versuch unternommen werden, das Argument in seiner ursprnglichen Form zu rekonstruieren. Ntzlicher ist es, einzelne Schritte daraus hervorzuheben, um dann zu einem mçglicherweise kohrenteren Gesamtargument zu gelangen. Nun beginnt scheinbar auch der A-Beweis mit einer Prmisse zu einem Beweisverfahren nach analytischer Methode. Kant schreibt: Alle Erscheinungen sind in der Zeit. Diese kann auf zweifache Weise das Verhltnis im Dasein derselben bestimmen, entweder so fern sie nach einander oder zugleich sind. (A182)

Wie in der B-Fassung geht Kant also auch hier von etwas aus, dessen Mçglichkeitsbedingungen zu klren sind: der Objektivitt der Zeitverhltnisse. Entscheidend ist jedoch, dass – im Gegensatz zum B-Beweis – in dieser Prmisse die „Beharrlichkeit“ selbst nicht vorkommt. Gesetzt nun den Fall, die Objektivitt von Nacheinander- und Zugleichsein kann durch die Kategorien der Kausalitt und Wechselwirkung bewiesen werden, dann htten wir einen Rahmen fr ein synthetisches Beweisverfahren fr die Begrndung der Beharrlichkeit selbst. Denn das Argument fr die „Beharrlichkeit der Substanz“ wrde dann nicht, wie in B, schon mit der Voraussetzung einsetzen, dass wir es bei der Zeit mit einer beharrlichen Form innerer Anschauung zu tun haben mssen, deren Mçglichkeitsbeein Trgermodell vom Ding mit seinen Eigenschaften, das wohl durch relative Beharrlichkeit zu kennzeichnen ist (vgl. S. 220 f.). Nach unserer Rekonstruktion ist außerdem hinzuzufgen, dass die absolute Beharrlichkeit schon als Prmisse des analytischen Arguments fungiert, so dass es das ganze Argument mit absoluter Beharrlichkeit zu tun haben muss. Lediglich Schritt iv) scheint sich auf relativ beharrliche Substanzen zu beziehen. Dieser Schritt ist es also vor allen Dingen, der zu klren ist. Denn ein Substrat im Sinne von beharrlicher Substanz, das objektiven Zeitbestimmungen zugrunde liegen soll, impliziert natrlich nicht ein Substrat im Sinne von (einer) Substanz als Trger von Eigenschaften (vgl. Thçle 1998, S. 278). Anhand der Rekonstruktion des A-Beweises soll dargelegt werden, dass es Kant grundstzlich um den Nachweis einer absolut-beharrlichen Substanz, die fr die Erklrbarkeit eines zeitlichen Bezugsrahmens heranzuziehen ist, geht, dass er dabei aber tatschlich, wie auch im iv) Schritt des B-Beweises, auf das Substanzmodell „Ding als Trger von Eigenschaften“ zurckgreift. Nur wird sich schlussendlich zeigen, dass dieses Substanzkonzept gar nicht, wie bis jetzt unterstellt, im Sinne einer relativen Beharrlichkeit verstanden werden muss.

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dingungen zu klren sind, sondern es wrde relativ unproblematisch damit einsetzen, dass wir die Mçglichkeitsbedingungen von objektivem Nacheinander- und Zugleichsein zu beweisen haben. Die Beharrlichkeit der Zeit selbst aber kçnnte sich unter dieser Zielsetzung als Ergebnis eines zumindest in Anstzen synthetischen Beweisverfahrens herausstellen, ein Ergebnis, das sich ergibt, wenn man bestimmte Prmissen trifft, die innerhalb des Rahmens der Analogien selbst voraussetzungslos sind. Mit einer solchen Prmisse, die tauglich wre, ein synthetisches Beweisverfahren in die Wege zu leiten, haben wir es dann auch tatschlich im nchsten Satz zu tun: Unsere Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv, und ist also immer wechselnd. (B225/A182)

Whrend der B-Beweis von der Einheit und Objektivitt der Zeit und dem „Enthaltensein“ von Vorstellungen in den bereits objektiv gedachten Formen der Anschauung ausging, um nach deren Mçglichkeitsbedingungen zu fragen, so dass das Argument mit der These der „Nichtwahrnehmbarkeit der Zeit“ in Gang gebracht werden musste, haben wir es hier mit der ganz anderen These von dem subjektiven Wahrnehmungsverlauf, oder dem „reinen Nacheinander subjektiver Zeitlichkeit“ zu tun. Damit werden Argumente aufgenommen, die uns schon in der transzendentalen Deduktion, insbesondere in der Lehre der dreifachen Synthesis der AAuflage, begegneten: Da die Zusammennahme des Mannigfaltigen der Erscheinungen immer sukzessiv in einem subjektiven Sinn erfolgt, bleibt es vçllig unbestimmt, ob das Wahrgenommene selbst in irgendwelchen Zeitverhltnissen zueinander steht: Wir kçnnen also dadurch allein niemals bestimmen, ob dieses Mannigfaltige, als Gegenstand der Erfahrung, zugleich sei, oder nach einander folge… (ebd.).

Delegiert man also die Frage nach der Rechtmßigkeit der objektiven Zeitbestimmungen Zugleichsein und Nacheinandersein an die Zweite und Dritte Analogie, so lsst sich die Frage der Ersten Analogie so formulieren: Angenommen, die Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv, wie ist es dann mçglich, dass wir dieses Mannigfaltige, als Gegenstand der Erfahrung, gleichwohl als objektiv nacheinander- oder zugleichseiend wahrnehmen?29 Fr letzteres, so die intuitive Idee, ist die 29 Wohlgemerkt geht es dabei nicht um die Unterscheidbarkeit beider Zeitverhltnisse voneinander, sondern nur darum, dass beide zusammen von einem bloß subjektiven Nacheinandersein unterscheidbar sind. Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu diesem Kapitel (Abs. 3.).

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Vorstellung eines Beharrlichen notwendig. Nun ist die anzunehmende Beharrlichkeit der subjektiven Zeitlichkeit zunchst vçllig fremd, sie wird also als Bedingung objektiver Zeitverhltnisse, selbst ein Objektives sein mssen. Die Beziehung auf ein Objekt (oder Objektivitt berhaupt) aber kommt, laut transzendentaler Deduktion, durch die Anwendung a priori verknpfender Regeln zustande. Nun kann „Beharrlichkeit“ relativ plausibel als das Schema der Substanzkategorie ausgewiesen werden. Unglcklicherweise fhrt Kant aber nun in seiner Fixierung auf die generelle Erklrbarkeit der Zeitverhltnisse Zugleich- und Nacheinandersein fort, auch hier wieder die Beharrlichkeit als Bedingung dieser Zeitverhltnisse an der Zeit als Form innerer Anschauung selbst festzumachen. So endet der zuletzt zitierte Teilsatz: …wo an ihr nicht etwas zum Grunde liegt, was jederzeit ist, d.i. etwas Bleibendes und Beharrliches, von welchem aller Wechsel und Zugleichsein nichts, als so viel Arten (Modi der Zeit) sind, wie das Beharrliche existiert (B225 f./ A182).

Und weiter heißt es: (…) das Beharrliche ist das Substratum der empirischen Vorstellung der Zeit selbst, an welchem alle Zeitbestimmung allein mçglich ist. (B226/A183, kursiv v. Verf.)

Auch die Erste Fassung also provoziert zunchst die bereits hinlnglich bekannten Schwierigkeiten der vorschnellen Identifizierung eines absolutbeharrlichen Zeitrahmens zur Verortung eines Wechsels berhaupt mit dem Wechsel von Bestimmungen an (vermutlich relativ beharrlichen) Substanzen. Unbefriedigend ist aber darber hinaus, dass die Einfhrung des Begriffs der Beharrlichkeit an dieser Stelle zwar plausibel ist, wenn man die Objektivitt der Zeitverhltnisse Nacheinandersein und Zugleichsein erklren will. Wenn man aber allein von der Prmisse ausgeht, dass subjektive Zeitlichkeit als bloße Sukzession zu charakterisieren ist, dann ist es keineswegs zwingend, dass es Beharrliches berhaupt gebe. Das heißt, indem hier die Beharrlichkeit als eine objektive Bestimmung eingefhrt wird, die ausschließlich zugunsten anderer objektiver Bestimmungen (der Zeitverhltnisse im engeren Sinn) angenommen werden muss, wird jede Mçglichkeit verdeckt, auszumachen, ob nicht vielleicht die „Beharrlichkeit“ selbst schon unter den gemachten Voraussetzungen (subjektive Zeitlichkeit) Bedingung des Denkens von Gegenstnden sei.30 30 Im Ergebnis muss man festhalten, dass auch die A-Auflage in einem analytischen Beweisverfahren behaftet bleibt. Zwar ergeben sich Anstze zu einem Beweis nach

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Dass sie dies tatschlich ist, wird deutlich, wenn man nicht wie Kant in der Erklrung der Objektivierungsleistungen des Verstandes in Bezug auf die Sinnlichkeit an oberster Ebene, nmlich in Bezug auf die formalen Anschauungen Raum und Zeit ansetzt, sondern auf der untersten Ebene, in Bezug auf das Denken eines Gegenstandes unter sinnlichen Bedingungen. Einen Ansatz dazu bietet die Erste Analogie selbst, denn kurz nach dem zuletzt zitierten Satz heißt es: Also ist in allen Erscheinungen das Beharrliche der Gegenstand selbst, d.i. die Substanz (phaenomenon), alles aber, was wechselt, oder wechseln kann, gehçrt nur zu der Art, wie diese Substanz oder Substanzen existieren, mithin zu ihren Bestimmungen. (B227/A183 f.)

Dass der Gegenstand selbst als beharrliche Substanz aufgefasst werden msse, ist eine These, die sich unter der gewhlten Prmisse von der subjektiven Zeitlichkeit allein unter Rekurs auf die Leistungen des urteilenden Verstandes gewinnen lsst. An dieser Stelle ist es vielleicht hilfreich, noch einmal kurz auf die Ergebnisse des vorigen Kapitels zurckzukommen: Auch dort ging es um die Objektivierungsleistung des Verstandes in Bezug auf Subjektives, in jenem Fall die subjektiven Empfindungen. Und die These war, dass der urteilende Verstand jene Empfindungen zu objektivieren hat zu einem Realen am Gegenstande, um solcherart ein objektives Sein jenes Realen in synthetischer Methode dadurch, dass, wie zu sehen war, Kant in der ersten Auflage das Argument mit der „Sukzessivittsthese“ anhebt und im Fokus auf die Erklrbarkeit der Zeitverhltnisse Nacheinandersein und objektives Zugleichsein sich die Vorstellung eines Beharrlichen als notwendig erweisen kçnnte, um vor dem Hintergrund eines subjektiv-sukzessiven Vorstellungsverlaufs einen Rahmen fr die Erklrung der Zeitverhltnisse im engeren Sinne gewinnen zu kçnnen. Genau in diesem Fokus auf die Zeitverhltnisse verschließt sich aber gleichzeitig die Mçglichkeit fr ein synthetisches Beweisverfahren schon wieder. Denn dieser Fokus fhrt Kant dazu, die Beharrlichkeit von vornherein als einen (zugunsten der anderen Zeitverhltnisse) zu bestimmenden Modus der Zeit selbst zu betrachten. Dies ist aber deswegen ungnstig, weil damit die Mçglichkeit verdeckt wird, zu sehen, ob nicht vielleicht unter der Prmisse von der subjektiven Zeitlichkeit unserer Wahrnehmungen die Beharrlichkeit per se schon eine notwendige Bedingung fr das Denken von Gegenstnden ist. Dies erschließt sich aber, wie die nun folgenden berlegungen zeigen werden, nur dann, wenn man zur Begrndung des Konzepts eines Beharrlichen nicht bei den Formen der Anschauung, sondern beim Denken des einzelnen Gegenstandes ansetzt, und die gewonnen Ergebnisse – ber eine sukzessive Ausweitung ber die drei Objektivierungsebenen des Verstandes – erst in einem zweiten Schritt auch auf den Bezug zu den Formen der Anschauung appliziert.

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der Zeit vorzustellen, ber das wir objektiv gltige Urteile fllen kçnnen. Diese These warf die Frage auf, was eigentlich unter jenem Gegenstand zu verstehen sei, an dem wir jene realen Bestimmungen verorten. Dass wir reale Qualitten, die als Objektivierungen von subjektiven Empfindungen zu verstehen sind, an einem Gegenstand – als dessen Eigenschaften – verorten kçnnen bzw. auf einen Gegenstand beziehen kçnnen mssen, ist aber eine Forderung, die im kategorischen Urteil zum Ausdruck kommt. Denn das kategorische Urteil impliziert, dass wir Eigenschaften, die wir als Prdikate fassen, auf einen Gegenstand beziehen kçnnen, den wir als das Subjekt jener Prdikate auffassen. Nun bedeutet die Aussage „S ist P“ formallogisch zunchst einmal nichts anderes, als dass der Begriff S unter den Begriff P subsumiert wird. Gehen wir ber dieses formallogische Verhltnis hinaus und bercksichtigen wir die jeweiligen Begriffsinhalte, so ist diese Subsumtionsmçglichkeit zunchst einmal nur im Falle analytischer Urteile gewhrleistet, und zwar deswegen, weil hier der Begriff P, unter den der Begriff S subsumiert wird, in S bereits analytisch enthalten ist.31 Anders im Fall synthetischer Urteile: Wenn der Begriff P nicht schon in S enthalten ist, kommen wir mit einem bloßen Rekurs auf Begriffsinhalte nicht weiter, sondern wir mssen, um zu entscheiden, ob P auf S zutrifft, auf den Gegenstand des Urteils selbst referieren. Dies bedeutet wohlgemerkt nicht, dass wir hier S unter P subsumieren wrden, sondern, dass wir im oder am Gegenstand selbst S als P bestimmen. Solche synthetisch-kategorischen Urteile sind im Folgenden allein von Interesse. Denn da fr sie im Gegensatz zu analytischen Urteilen der Bezug auf einen Gegenstand essentiell ist, kann nur an ihnen der bergang von einer reinen Urteilslogik zu einer Gegenstandlogik vollzogen werden. Kurz gesagt impliziert die Mçglichkeit, ein solches Urteil zu fllen, eine bestimmte Gegenstandskonzeption: Sie impliziert, dass ein urteilsfhiger Gegenstand so organisiert ist, dass wir an ihm Etwas unterscheiden kçnnen, das bestimmt und im Urteil ber ihn unter dem Subjektbegriff gefasst wird von einer Bestimmung, die wir als sein Prdikat ansehen. Oder anders: dass das, was wir im Urteil als Subjekt-Prdikat-Verhltnis fassen, im Gegenstand, auf den sich dieses Urteil bezieht, selbst verwirklicht sein muss: als Substanz-Akzidenz-Verhltnis. Denn ein Etwas, das nur als Subjekt, nicht aber als Prdikat gedacht werden kann, gilt klassischerweise als Substanz, whrend diejenigen Eigenschaften, die als Prdikate gedacht werden, als Akzidenzien einer Substanz aufgefasst werden. Was genau dies 31 Unter dem ,Inhalt‘ eines Begriffes wird hier durchgehend die „Summe seiner diskursiven Merkmale“ verstanden.

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unter den Kantischen Voraussetzungen bedeutet, muss an dieser Stelle noch offen gehalten werden. Wichtig ist hier zunchst nur, was wir unter dieser noch ganz allgemeinen Substanzkonzeption aus ihrem Gebrauch unter sinnlichen Bedingungen erschließen kçnnen. Unter zeitlichen Bedingungen, die wir als reines Nacheinandersein charakterisiert haben, kann nmlich die Substantialitt eines Gegenstandes nur als Beharrlichkeit, oder Dauerhaftigkeit verwirklicht sein, – als Beharrlichkeit gegenber jenen Eigenschaften, die dem Gegenstand nur akzidentiell zukommen, und die unter zeitlichen Bedingungen einem Wechsel unterliegen kçnnen. Da wir es hier klarerweise mit einer Beharrlichkeit zu tun haben, die relativ zu einem mçglichen Wechsel am Gegenstand verstanden wird, scheint es hier zunchst einmal um jenen Substanzbegriff zu gehen, den wir unter dem Stichwort der „relativen Beharrlichkeit“ aufgegriffen haben: mit der relativen Beharrlichkeit des Gegenstandes gegenber seinen Eigenschaften. Dafr spricht scheinbar auch, dass im zitierten Satz davon die Rede ist, dass es mçglicherweise mehrere Substanzen geben kçnnte (was nicht zuletzt auch notwendig fr die Anwendung der Kategorie der Wechselwirkung ist). Wir haben es bei diesem Substanzbegriff also zunchst mit dem Modell des Dinges als Trger von Eigenschaften zu tun, – wovon es mehrere geben kann. Diese Bestimmungen sind aber nun wiederum hçchst problematisch. Denn, wre dies alles, so gelnge uns der bergang zur Vorstellung einer beharrlichen Zeit nicht mehr, wofr nur ein Substrat gedacht werden kann, an dem aller Wechsel und alles Zugleichsein vollzogen werden kann. Mehr noch: Die einzelnen beharrlichen Dinge stnden so noch nicht in Beziehung zueinander. Wir htten es mit relativ beharrlichen Komplexen von Eigenschaften zu tun, die voneinander unabhngig zu bestimmen wren, eine Voraussetzung, die kaum geeignet sein drfte, so etwas wie „Einheit der Erfahrung“ zu gewhrleisten. Und schließlich: Kann die Substanz, die unter sinnlichen Bedingungen als ein Beharrliches vorgestellt wird, wirklich unabhngig von ihren Bestimmungen gedacht werden, wie wir vorausgesetzt hatten? 3.1.3. Relative oder absolute Beharrlichkeit? Kategorisches Urteil und Substanzbegriff Was wir bisher in Rekurs auf die unterste Objektivierungsebene des urteilenden Verstandes in Bezug auf den einzelnen Gegenstand unter sinnlichen Bedingungen gewonnen haben, so scheint es, ist eine Substanzvorstellung, die nicht geeignet ist, auch auf die anderen beiden

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Objektivierungsebenen, die der Beziehungen zwischen den Gegenstnden, und die der Formen der Anschauung als solchen, Anwendung zu finden. Dass die Bindung der Substanzvorstellung an das einzelne, relativ-beharrliche Ding nicht das letzte Wort sein kann, kann schon durch eine phnomenologische Betrachtung der „mittleren Ebene“, derjenigen, die die Beziehungen von Gegenstnden erklren soll, gezeigt werden. Die transzendentallogische Erçrterung dieser phnomenologischen Betrachtung wird uns dann in einem zweiten Schritt dazu fhren, das bisher Gesagte in puncto relative Beharrlichkeit auch schon fr die unterste Objektivierungsebene in Bezug auf einzelne Gegenstnde zu korrigieren, um schließlich zu einer Konzeption zu finden, die auf alle drei Objektivittsebenen applizierbar ist. Doch wenden wir uns zunchst der phnomenologischen Betrachtung zu: Tatschlich betrachten wir einzelne Erfahrungsgegenstnde als substantiell, in dem Sinne, dass ihnen erstens Eigenschaften zukommen, die den Gegenstnden „inhrieren“, und zweitens, dass wir diese Gegenstnde selbst, nicht aber notwendigerweise auch ihre Eigenschaften, als beharrlich auffassen. Die Eigenschaften mçgen wechseln, doch der Gegenstand bleibt bestehen. Dies betrifft allerdings nur kontingente Eigenschaften. Was ist mit Eigenschaften, die wesentlich zum Gegenstand gehçren? Wenn diese Eigenschaften wechseln, betrachten wir den Gegenstand nicht mehr als das, als was wir ihn zuvor betrachtet haben. Kants Beispiel vom verbrennenden Holz (vgl. B228/A185) mçge hierfr gengen. Wir wren in diesem Fall geneigt zu sagen, dass der Gegenstand, so wie wir ihn gekannt haben, aufgehçrt habe, zu existieren. Gleichzeitig neigen wir zu der Auffassung, dass Etwas am Gegenstand erhalten blieb. Es scheint, wir nehmen zwei verschiedene Perspektiven auf das Ding ein: Unter der ersten Perspektive kommt dem Ding Identitt und Dauer nur solange zu, wie wir es unter bestimmten Eigenschaften betrachten kçnnen, die analytisch oder zumindest wesentlich mit dem Begriff des Dinges verbunden sind. Unter der zweiten Perspektive betrachten wir ein Ding, oder ein Dinghaftes als etwas, das unabhngig von all seinen Eigenschaften erhalten bleibt. Verbindet man diese beiden Perspektiven mit der Substanzvorstellung, so spielt es im ersten Fall eine Rolle, was wir als Substanz auffassen, im zweiten Fall dagegen, geht es nur darum, dass wir etwas als Substanz auffassen mssen. Dieser Unterschied ist nun deshalb von Bedeutung, weil er dadurch, dass Kant beide Perspektiven miteinander vermischt, zu erheblichen Verstndnisschwierigkeiten gefhrt hat. Wir werden noch ausfhrlich darauf zurckzukommen haben. Wichtig ist aber, dass schon unter einer

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phnomenologischen Perspektive gezeigt werden kann, dass sich die beiden Perspektiven durchaus nicht unvertrglich gegenber stehen. Beginnen wir dazu bei einem Gegenstand, den wir als mit sich identisch und relativ beharrlich gegenber seinen kontingenten Eigenschaften auffassen. Wir fassen dann seine Substantialitt im Sinne seiner relativen Beharrlichkeit unter einer wesentlichen Eigenschaft, die ihm zukommt, etwa unter dem Begriff ,Holz‘. Wir kçnnen dann sagen, dass der Begriff ,Holz‘ die Substantialitt dieses Gegenstandes bezeichnet. Nun tritt eine Vernderung ein, die so radikal ist, dass wir dazu geneigt sind zu sagen, der so bezeichnete Gegenstand habe aufgehçrt zu existieren. Das Holz verbrennt. Es entsteht Rauch. Nun neigen wir aber nicht zu der Auffassung, das Holz sei in Nichts bergegangen, und aus dem Nichts sei Rauch entstanden. Sondern wir denken, es sei Dasselbe, das wir vor der Vernderung als Holz bezeichneten, und das wir nun als Rauch bezeichnen. Diese eigentlich triviale Anmerkung impliziert aber, dass wir den bergang von einem Ding zum anderen nur solcherart denken kçnnen, dass beiden etwas Gemeinsames und Gleichbleibendes zugrunde liegt. Mit anderen Worten: So wie der Wechsel von kontingenten Eigenschaften an Gegenstnden die relative Beharrlichkeit dieser Gegenstnde selbst implizierte, impliziert die Mçglichkeit des bergangs dieser relativ beharrlichen Dinge selbst in andere relativ beharrliche Dinge den Begriff eines zugrunde liegenden absolut Beharrlichen. Bei dem bergang von einem Ding zum anderen haben wir es mit einer Beziehung von Gegenstnden in einer besonderen Art zu tun. Wir haben es dabei generell mit der zeitlichen Erstreckung von Gegenstnden zu tun. Dass Dinge, die ber eine gewisse Zeitdauer existieren, nicht einfach in Nichts, sondern in andere Dinge bergehen, erfordert, dass ihnen etwas Gleichbleibendes zugrunde liegt. Dann ist aber der Begriff eines absolut Beharrlichen essentiell, um die Mçglichkeit der Einheit der Erfahrung zu gewhrleisten, die doch mindestens beinhalten muss, dass die Gegenstnde unserer Erkenntnis miteinander in Beziehung zu stehen haben. Ihre eigentliche Begrndung kçnnen diese berlegungen natrlich erst durch ihre transzendentallogische Untermauerung erfahren, der wir uns im nchsten Abschnitt zuzuwenden haben. Schon jetzt aber kçnnen wir vermuten, wie die Antwort auf die drei Interpretationsfragen ausfallen wird, die sich an die Erste Analogie bisher gestellt haben: 1) Wie verhlt sich die Substanzkategorie zu Kants Urteilslogik? 2) Gibt es eine oder mehrere Substanzen? 3) Geht es um die Substantialitt unserer Erfahrungsgegenstnde oder um die Beharrlichkeit eines Zeitrahmens?

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Fr alle drei Fragen ist der Unterschied von relativer und absoluter Beharrlichkeit maßgebend. Nach der Einschtzung von Bennett begeht Kant diesbezglich gleich zwei Fehler: Er schließe aus seinen urteilslogischen berlegungen in der metaphysischen Deduktion auf den Begriff einer relativ beharrlichen Substanz (Ding als Trger von Eigenschaften), und mache aus dieser relativen Substanz in der Ersten Analogie eine nach klassischem, ontologischen Vorbild gestrickte absolute Substanz. Beide bergnge seien fehlerhaft.32 Was den ersten bergang betrifft, so kann sich Bennett darauf berufen, dass Kant gegenber der formallogischen Umformbarkeit eines kategorischen Urteils festhlt, dass durch den Substanzbegriff festgelegt sei, welche empirischen Begriffe unter ihn fallen (in seinem Beispiel der Begriff ,Kçrper‘). Wie die obigen berlegungen zeigen, kann eine solche Substanzkonzeption, in der festgelegt ist, was als Substanz zu gelten hat, nur fr relativ beharrliche Einzelgegegenstnde geltend gemacht werden. Nun kann eine solche Substanzauffassung sich klarerweise nicht aus gegenstandlogischen berlegungen in Bezug auf das kategorische Urteil gewinnen lassen. Wie wir aber ebenfalls schon gesehen haben, wird diese Restriktion dadurch aufgehoben, dass man auf die bergnge solcher Art gedachter relativ beharrlicher Einzelgegenstnde rekurriert. Im Folgenden werden wir sehen, dass die Substanzkonzeption, die damit verbunden ist, und die lediglich besagt, dass wir etwas als beharrliche Substanz aufzufassen haben, die grundlegendere ist, und vor allen Dingen, dass es von vornherein diese Substanzkonzeption ist, die durch die urteilslogischen berlegungen ihre Begrndung erfhrt und auch erfahren kann (womit der Einwand Bennetts bezglich des ersten, wie des zweiten berganges entkrftet wre). Mit anderen Worten: Wir werden sehen, dass schon das Modell vom „Ding als Trger von Eigenschaften“ im Kontext Kants an den Begriff einer absolut beharrlichen Substanz gebunden ist. Der Begriff von relativ beharrlichen Substanzen, der die Substantialitt unserer Alltagsgegenstnde abdecken soll, ist demgegenber derrivativ. Damit ist aber auch schon die Antwort auf die beiden anderen Fragen vorgezeichnet. Denn eine Mehrzahl von Substanzen wird es nur in der Perspektive dieses derrivativ gebrauchten Substanzbegriffs in Bezug auf einzelne sinnliche Erfahrungsgegenstnde geben, whrend der eigentliche Substanzbegriff, der ein absolut beharrliches Substrat bezeichnet, nur in der Einzahl gebraucht 32 Bennett schreibt: „We have here a quintessentially Kantian situation. Substance2 is supposed to be derived by schematism from substance1 which is supposed to be derived in its turn from the table of judgments; and both derivations are faulty“ (1966, S184). Zu den Begrifflichkeiten vgl. Anm. 25.

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werden kann, und so auch in der Lage ist, um es in einer von Kants vorsichtigeren Fassungen des Gedankens zu formulieren, als Substrat fr „empirische Zeitbestimmungen“ zu dienen, und damit letztlich einen beharrlichen zeitlichen Bezugsrahmen zu garantieren. Der Schlssel zum Verstndnis von Kants Substanzbegriff liegt in der Beantwortung der ersten Frage: Wie lsst sich die Substanzkategorie aus den urteilslogischen berlegungen der metaphysischen Deduktion gewinnen? Diese Frage hat in den obigen berlegungen erst eine sehr allgemeine und vorlufige Antwort erhalten. Wir hatten noch relativ vage festgestellt, dass das Subjekt-Prdikat-Verhltnis im Falle eines synthetischkategorischen Urteils im Gegenstand selbst als Substanz-Akzidenz-Verhltnis verwirklicht sein muss. Dabei wurde noch offen gehalten, was dabei genau unter Substanz oder Akzidenz zu verstehen sei. Es konnte dabei der Eindruck entstehen, dass eine Symmetrie zwischen Subjekt-PrdikatVerhltnis und Substanz-Akzidenz-Verhltnis bestehe, solcherart, dass das, was wir in einem Urteil ber einen Gegenstand als Subjekt begreifen, als Substanz aufzufassen wre. Durch die nachfolgenden phnomenologischen berlegungen wurden wir aber dahingehend sensibilisiert, dass bezglich der Frage nach der Substanz ein Unterschied bezglich dessen besteht, dass wir etwas als Substanz auffassen, und was wir als Substanz auffassen. Dieser Unterschied spielt eine entscheidende Rolle, wenn wir uns nun – um unsere phnomenologischen Betrachtungen durch eine eigentlich transzendentallogische Untersuchung zu untermauern – einer genaueren Analyse des kategorischen Urteils in seinem Zusammenhang mit dem Substanzbegriff zuwenden, und dabei vor allem zu bercksichtigen haben, dass Subjekt- und Prdikatstelle in einem kategorischen Urteil logisch vertauschbar sind. Dazu ist es sinnvoll, grob drei verschiedene Typen von kategorischen Urteilen zu untersuchen. So kann ich, um zum ersten Fall zu kommen, der Kant selbst als Beispiel dient, statt „alle Kçrper sind teilbar“ auch sagen „einiges Teilbare ist ein Kçrper“. Es ist also zunchst einmal gleichgltig, welcher Begriff in einem kategorischen Urteil an Subjektstelle vorkommt, und damit als derjenige festgesetzt wird, ber den prdiziert wird. Notwendig ist aber in beiden Fllen, dass wir einen der beiden Begriffe als Subjekt auffassen, ber das wir prdizieren kçnnen. Dies bedeutet letztlich, dass wir uns in einem kategorischen Urteil auf einen Gegenstand beziehen mssen, den wir unter dem Subjektbegriff fassen, egal ob es sich dabei um „das Teilbare“, oder „die Kçrper“ handelt, und dem wir ein bestimmtes Prdikat zuordnen. Die Vertauschbarkeit von Subjekt und Prdikat liegt daran, dass wir uns im kategorischen Urteil nur auf einen Gegenstand (oder eine Klasse

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von Gegenstnden) beziehen. Ob wir diesen als „teilbaren Kçrper“, oder als „kçrperliche Teilbarkeit“ auffassen, ist gleichgltig. Nun ist dieses Ergebnis kontraintuitiv, da wir gewçhnlich ,Teilbarkeit‘ als eine Eigenschaft von ,Kçrperlichkeit‘ betrachten, da aber ,Teilbarkeit‘ ein analytisches Merkmal des Begriffs ,Kçrper‘ ist, gibt es keinen Grund, warum wir uns auf die in Frage kommenden Gegenstnde nicht auch unter dem Begriff der ,Teilbarkeit‘ beziehen sollten. Dieser hat zwar einen grçßeren logischen Umfang, umfasst aber auf jeden Fall auch diejenigen Gegenstnde, auf die wir uns hier beziehen. Vielleicht liegen die Dinge anders, wenn wir uns auf „synthetische“ Merkmale konzentrieren? So scheint denn auch die logische Unabhngigkeit des Subjektbegriffs gegenber dem Prdikatbegriff erst im Falle synthetischer Urteile richtig zum Tragen zu kommen: Wenn ich sage „einige Kçrper sind schwer“, so kann ich zwar wieder das Urteil umformen in: „einiges Schwere ist ein Kçrper“. Aber in diesem Fall, so scheint es, kçnnen wir doch die Schwere als eine Eigenschaft der in Frage stehenden Kçrper ansehen, – whrend es umgekehrt merkwrdig erscheint, das ,Schwere‘ als logisch unabhngig von ,Kçrper‘ anzusehen. Doch auch hier ist die Intuition trgerisch. Denn bei der ,Schwere‘ haben wir es hier mit einer Eigenschaft zu tun, die dem Kçrper entweder zukommt, oder nicht, und zwar so lange, wie wir ihn als Kçrper auffassen (wenn man unter ,Schwere‘ ,hat Gewicht‘ versteht.). Es handelt sich dabei also zwar nicht wie bei ,Teilbarkeit‘ um eine analytische Eigenschaft des Begriffs Kçrpers, aber doch um eine wesentliche Eigenschaft derjenigen Klasse von Gegenstnden, ber die hier geurteilt wird. Und so gilt auch hier, dass der Gegenstandsbereich, auf den sich das Urteil hier bezieht (schwere Kçrper), sowohl unter dem Begriff des Kçrpers als auch unter dem Begriff der Schwere sinnvoll gefasst werden kann. Wie steht es nun, wenn wir statt analytischen oder wesentlichen Merkmalen, nur noch solche Eigenschaften an der Prdikatstelle unseres kategorischen Urteils zulassen, die gegenber dem Subjektbegriff vollstndig kontingent sind? Charakteristischerweise kommen dafr nur indexikalische Urteile in Frage.33 In ihnen kçnnen wir uns auf unwesentliche 33 Nur in indexikalischen Urteilen beziehen wir uns auf die kontingenten Eigenschaften eines Gegenstandes in sinnlicher Erfahrung, also auf Eigenschaften, die nicht per Analytizitt schon im Begriff des Gegenstandes liegen, und die aber auch nicht wesentlich mit dem Gegenstand verbunden sind, derart, dass wir ein Urteil wie „Einige Kçrper sind schwer“ auch ohne Bezug auf konkrete sinnliche Erfahrung fllen kçnnen, weil wir etwa das Konzept des „schweren Kçrpers“, das eine Unterklasse

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Eigenschaften von Gegenstnden beziehen, z. B. „Dieser Kçrper ist rot“. Nun werden wir hier nicht behaupten wollen, dass der Begriff ,rot‘, als Eigenschaftsbegriff par excellence, in gleichem Maße geeignet ist, den Gegenstand des Urteils zu bezeichnen, wie der Begriff ,Kçrper‘. Doch auch hier trgt der Schein. Denn aus der Umformung des Urteils erhalten wir: „dieses Rote ist ein Kçrper“, das in gleichem Maße auf den betreffenden Gegenstand (roter Kçrper) referiert, wie das Urteil, von dem wir ausgegangen sind. Wir sehen also, dass die Stellung von Subjekt- und Prdikatbegriff und ihre Vertauschbarkeit nichts damit zu tun hat, ob wir von analytischen, wesentlichen, oder unwesentlichen Eigenschaften eines Gegenstandes sprechen.34 Was allerdings beim indexikalischen Urteil ins Auge fllt, ist, dass bei der logischen Umformung das ,Dieses‘ identisch bleibt. Whrend es des Begriffs ,Kçrper‘ reprsentiert, bereits in der Vergangenheit gebildet haben. Wenn wir uns aber nur in idexikalischen Urteilen derart auf Gegenstnde beziehen, dass fr den informativen Gehalt des Urteile keinerlei Bezug auf eine vorausgesetzte Begrifflichkeit eine Rolle spielt, dann sieht es so aus, als wren nur indexikalische Urteile synthetische Urteile im genuinen Sinn. In gewisser Weise ist dieser Eindruck auch durchaus richtig, denn nur in einem solchen Urteil beziehen wir uns auf einen konkret gegebenen anschaulichen Gegenstand (bzw. nur in solchen Urteilen ist dieser Bezug essentiell), whrend dies schon beim „besonderen Urteil“, wie das Beispiel von den „schweren Kçrpern“ nahelegt, nicht mehr eindeutig der Fall ist. Von dieser Warte aus scheint das partikulare Urteil eher das Ergebnis eines induktiven Verallgemeinerungsprozesses auf der Basis von indexikalischen Urteilen zu sein. Auf die Frage nach dem Status von nicht-indexikalischen Urteilen in Bezug auf Kants analytisch-synthetisch-Unterscheidung kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Das Problem wird uns gegen Ende dieser Untersuchung im Zusammenhang mit der Frage nach „Begriff und Begriffsystem“ noch begegnen (vgl. Kap. II.3.3.3.2.). An dieser Stelle ist lediglich von Bedeutung, dass das indexikalische Urteil gewissermaßen die letzte Instanz fr die Frage nach dem Gegenstandsbezug zu sein scheint, dann nmlich, wenn unserer Fragestellung diesbezglich lautet: Was sind die gegenstndlichen Voraussetzungen in der Sinnlichkeit fr unsere Urteile ber Gegenstnde? 34 Um dieses von Kants eigenem Gebrauch etwas abweichende Vokabular nochmals zusammenfassend zu konkretisieren: Analytische Merkmale sind solche, welche einem Gegenstand alleine schon durch den Begriff, durch den wir ihn bezeichnen zukommen (Bsp: Alle Kçrper sind ,teilbar‘). Wesentliche Merkmale sind solche, die einer bestimmten Klasse von Gegenstnden zukommen, und diese Klasse definieren (Bsp.: ,schwere‘ oder ,materielle‘ Kçrper als Unterklasse von ,Kçrper‘). Unwesentliche Merkmale dagegen sind Merkmale eines konkreten sinnlichen Gegenstandes, die ihm ungeachtet dessen zukommen, unter welchem Begriff wir den Gegenstand fassen (analytische Merkmale), oder zu welcher Klasse von Gegenstnden der Gegenstand gehçrt (wesentliche Merkmale), also kontingente Eigenschaften seines sinnlichen Gegebenseins (Bsp.: Die Farbe eines Gegenstandes).

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gleichgltig ist, welche Begriffe in einem kategorischen Urteil an Subjektoder an Objektstelle gebraucht werden, ist doch dem indexikalischen Ausdruck die Subjektstelle vorbehalten. Dies wird natrlich besonders augenfllig, wenn wir ein rein indexikalisches Urteil whlen, wie etwa „Dies ist rot“. Denn hier erhalten wir ein Urteil, das nicht mehr umformbar ist, und das klar zum Ausdruck bringt, dass es die Subjektstelle selbst ist, die hier durch den indexikalischen Ausdruck reprsentiert wird, welche sich auf den Gegenstand bezieht. Dabei ist es gleichgltig, durch welchen Begriff die Subjektstelle charakterisiert wird. Die Subjektstelle, dies kçnnen wir dem indexikalischen Urteil entnehmen, dient dazu, den Gegenstand selbst zu bezeichnen. 35 Nun kçnnen wir einen Gegenstand unmittelbar durch einen indexikalischen Ausdruck bezeichnen, oder durch eine seiner Eigenschaften, durch eine Bestimmung, die selbst lediglich ein Prdikat des Gegenstandes ist. Auf diese Weise beziehen wir uns ber eine allgemeine Eigenschaft auf den Gegenstand selbst, dies heißt aber noch lange nicht, dass diese Eigenschaft in irgendeiner Weise substantieller wre, als die Eigenschaft, die an der Prdikatstelle des Urteils auftritt. Dass es darber hinaus noch einen Grund geben mag, der uns veranlasst, manche Begriffe als Bezeichnung von Substanzen (in einem derrivativen Sinn), andere als die Bezeichnung von Eigenschaften zu betrachten, sei keineswegs abgestritten. Aber an der Stelle, an der Kant diese Unterscheidung einfhrt, nmlich gerade nachdem er die formallogische Umformbarkeit der kategorischen Urteile festschreibt, ist sie mehr als ungnstig angebracht. Was wir diesen berlegungen entnehmen kçnnen ist, dass es mçglich sein muss, dass wir uns in einem kategorischen Urteil mittels dessen Subjektstelle auf einen Gegenstand beziehen, dass dabei aber der Ausdruck, der an der Subjektstelle steht, nur dazu dient, den Gegenstand selbst, oder die Substanz, zu bezeichnen. 36 Mit anderen Worten: Das kategorische Urteil impliziert lediglich, dass es Substanz geben msse, lsst aber keine 35 Dass der Subjektstelle des Urteils eine bezeichnende Funktion zukommt, heißt konkret, dass der Gegenstandsbezug des Urteils am eindeutigsten an dessen Subjektstelle (dies fllt natrlich insbesondere beim indexikalischen Urteil ins Auge) zum Ausdruck kommt. ,Bezeichnung‘ meint hier also die mit dem Urteil verbundene (unmittelbare) Beziehung auf einen sinnlich gegebenen Gegenstand, und nicht einen etwaigen Gegenstandsbezug von Begriffen, welchen Kant (zumindest wenn damit sinnlich gegebene Gegenstnde gemeint sind) ausschließt. 36 Wobei natrlich dem Ausdruck als solchem – unabhngig von seinem Vorkommen an Subjektstelle eines Urteils – keinerlei Gegenstandsbezug zukommt. Gegenstandsbezug kommt ihm ausschließlich durch sein Vorkommen an Subjektstelle eines Urteils zu. Vgl. Anm. 35.

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Rckschlsse darber zu, was wir als Substanz auffassen. Es impliziert, dass es etwas geben msse, was unabhngig von seinen Eigenschaften gedacht, und unter sinnlichen Bedingungen als beharrlich vorgestellt werden kann, sagt uns aber nichts darber, was dieses Beharrliche ist. Vielmehr ist es geradezu essentiell, dass jene beharrliche Substanz als solche unbestimmt bleibt. So fhrt Kant, nachdem er das besondere Dasein des Realen an der Substanz, das er als Inhrenz bezeichnet, unterschieden hat von der Subsistenz, dem Dasein der Substanz selbst, zur Vermeidung daraus eventuell entspringender Missdeutungen fort: „es ist genauer und richtiger geredt, wenn man das Akzidens nur durch die Art, wie das Dasein einer Substanz positiv bestimmt ist, bezeichnet“ (B230/A187).37 Eine Redeweise, die zumindest nahelegt, dass der Substanz selbst und als solcher keine positive Bestimmung zukommt, und die auch an anderen Stellen insbesondere im Nachlass klar wird, wo Kant deutlich macht, dass die Bestimmung der Substanz immer nur durch ihre Akzidenzien erfolgt, und sie nur durch diese erkennbar ist, etwa in folgender Reflexion 5297 (wo Kant das Substanz-Akzidenz-Verhltnis etwas uneindeutig schon als Subjekt-PrdikatVerhltnis reflektiert): „Das Subiekt ist selbst Prdicat (denn man kann alles nur durch praedicate denken, ausgenommen Ich.), aber es heißt darum nur ein subiect, was weiter kein Prdicat ist: 1, weil kein subiect dazu gedacht wird; 2. weil es die Voraussetzung und substratum der andern ist“ (AA. XVIII, 2, S. 146, vgl. zu diesem und dem folgenden Zusammenhang auch Longuenesse 1998a, S. 326 ff.). Dieser Auffassung des Substanzbegriffs entspricht auf der anderen Seite, dass Kant das kategorische Urteil, und das Urteil im Allgemeinen, sich dergestalt gedacht zu haben scheint, dass sich das Urteil als Ganzes auf einen Gegenstand bezieht, der als x bezeichnet wird, so dass, im Falle des kategorischen Urteils, gesagt werden kann: Allem x, das unter S gefasst wird, kommt auch P zu.38 37 Unmittelbar davor heißt es: „Die Bestimmungen einer Substanz, die nichts andres sind als besondere Arten derselben zu existieren, heißen Akzidenzen. Sie sind jederzeit real, weil sie das Dasein der Substanz betreffen“ (B229/A186). 38 Dies ist eine freie Reformulierung aus dem §36 der Jsche-Logik, in dem diese Urteilsdefinition interessanterweise herangezogen wird, um den Unterschied von analytischen und synthetischen Urteilen zu erklren. Im Falle Ersterer heißt es wçrtlich: „Alles x, welchem der Begriff des Kçrpers (a+b) zukommt, dem kommt auch die Ausdehnung (b) zu“ (AA. IX, S. 111). Vgl. dazu Longuenesse (1998a), bei der diese Urteilsdefinition bereits eine wesentliche Rolle bei der Klrung der Probleme der metaphysischen Deduktion spielt (S. 86 f.), und die ihr dann auch fr die Klrung des Verhltnisses von kategorischem Urteil und Substanzkategorie

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Diese Urteilsdefinition macht klar, dass S nicht mit dem Gegenstand x zu identifizieren ist, – so wird auch nicht S als P bestimmt, sondern der Gegenstand, den S bezeichnet, wird außerdem noch durch P bestimmt. Die Bestimmung S dient also lediglich dazu, auf den Gegenstand unter einer bestimmten Perspektive zu referieren, ist aber keineswegs selbst in irgendeinem Sinne substantiell. Beide Bestimmungen (S und P) mssen am Gegenstand angetroffen werden kçnnen, und beide Bestimmungen mssen Bestimmungen am Gegenstand, an einer Substanz sein. Alles, was das kategorische Urteil impliziert. ist also, dass an dem Gegenstand, auf den das Urteil bezogen ist, eine Substanz unterschieden werden muss von ihren Akzidenzien. Nun sehen wir, dass diese Substanz nichts anderes ist, als das x selbst, auf das sich das Urteil im Ganzen, vermittelt ber seinen Subjektbegriff bezieht. Wir sehen außerdem, dass offen ist, welchen Gegenstand oder Gegenstandsbereich x symbolisiert. Whrend der Urteilsbezug auf einen Gegenstand durch den Subjektbegriff festgelegt ist, solcherart, dass das, was unter diesem Begriff als der beurteilte Gegenstand gilt, restringiert ist auf ein einzelnes Ding, gilt dies fr das durch x Symbolisierte selbst nicht: das x mag sich auch unter anderen Perspektiven (begrifflichen Bestimmungen) erhalten. Da wir es bei dem x lediglich mit dem unbestimmten Gegenstand zu tun haben, als ein Etwas, auf das wir uns beziehen, durchbricht dieses Etwas die relative Dauer eines einzelnen Dinges. Um dies an unserem Rauchbeispiel festzumachen: Es ist dasselbe x, das wir einmal als Holz, das andere Mal, nach der Verbrennung des Holzes, als Rauch auffassen. So kann das x als das Zugrundeliegende auch eines solch radikalen Zustandswechsels wie dem eines bergangs von einem Ding in ein anderes verstanden werden. Eine adquate Beschreibung fr eine solche Vernderung kann natrlich erst die Kausalittskategorie liefern, – was die Substanzkategorie aber zu leisten hat, ist, ein solcher Vernderung Zugrundeliegendes bereitzustellen, indem eine Substanz berhaupt, bzw. unter sinnlichen Bedingungen deren Schema Beharrlichkeit vorgestellt wird. Dabei ist von die entscheidende Rolle zuweist (S. 326). In diesem Punkt befindet sich das hier Vorgestellte ebenso im Einklang mit Longuenesse wie in der vorhergehenden Charakterisierung der Substanz, welche nur durch ihre Akzidenzien erkennbar ist, eine Vorstellung, die dann naheliegend ist, wenn man den Ursprung der Kategorien im urteilenden Verstand nachzeichnen und so den Zusammenhang von kategorischem Urteil und Substanzkategorie wahren will. Hier bezieht sich Longuenesse v. a. auf AA. XXVIII-2 (1), S. 562. Vgl. auch den §29 der Jsche-Logik: „In kategorischen Urteilen ist x, was unter b enthalten ist, auch unter a [enthalten]“ (AA. IX, S. 108).

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diesem Standpunkt aus die Frage, ob es sich dabei um relative oder absolute Beharrlichkeit handle, eigentlich eine knstliche, – die aber, ist sie einmal gestellt, so beantwortet werden muss, dass das Konzept eines relativ-Beharrlichen zwar einen adquaten Ausgangspunkt fr die Frage nach dem Gegenstandsbezug bildet, aber letztlich in einem Konzept des absolutBeharrlichen aufgehen muss. Denn was der Substanzbegriff als solcher zu leisten hat, ist allererst eine Beziehung auf ein Objekt, bzw. Objektivitt herzustellen. 39 Von diesem rein transzendentallogischen Standpunkt aus ist es aber kontingent, ob wir beispielsweise etwas als ein einzelnes Ding mit wechselnden Eigenschaften, oder als einen Wechsel von Dingen auffassen. Maßgeblich ist von diesem Standpunkt aus allein, dass wir Etwas als einem Wechsel Zugrundeliegendes auffassen. Dieses Etwas erstreckt sich von dem, was wir gewçhnlich als Erfahrungsgegenstand auffassen, ber Beziehungen solcher Gegenstnde (bergang von einem Ding zum anderen) bis hin zu dem Punkt, an dem wir dieses beharrliche „Substrat“ an dem Zeitrahmen zur Verortung von Gegenstnden selbst festmachen. Es erstreckt sich damit ber alle drei Ebenen, die wir fr die Objektivierungsleistung des Verstandes in Bezug auf Sinnliches unterschieden haben.40 39 Wir haben unsere Untersuchung, um einen Ansatzpunkt fr die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen kategorischem Urteil und Substanzkategorie zu finden, am einzelnen Erfahrungsgegenstand begonnen, fr den es zunchst den Anschein hatte, als wrde das logische Substanzkonzept unter sinnlichen Bedingungen durch relative Beharrlichkeit ausgezeichnet, sind dann aber durch unsere phnomenologische Betrachtung darauf gestoßen, dass (um den bergang von einem Ding ins andere zu gewhrleisten) das Konzept der relativen Beharrlichkeit zurckbezogen werden muss auf ein Konzept der absoluten Beharrlichkeit. Die eigentlich transzendentallogische Untersuchung des dafr zugrundezulegenden Gegenstandsbezugs hat dann gezeigt, dass von vornherein der Begriff eines „Beharrlichen berhaupt“, der unter sinnlichen Bedingungen die Vorstellung eines absolut Beharrlichen impliziert, der Grundlegendere ist. 40 An dieser Stelle ist es sinnvoll, noch einmal die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu der Interpretation von Longuenesse zu benennen (vgl. Anm. 38). Die Gemeinsamkeiten beruhen wie schon gesagt darin, den Substanzbegriff so zu fassen, dass er im Zusammenhang mit den Erfordernissen des urteilenden Verstandes steht, so dass sich als Ergebnis zwangslufig ergibt, dass der Substanzbegriff zunchst einmal inhaltlich nicht bestimmt werden kann, besteht die Implikation des urteilenden Verstandes doch lediglich darin, dass es eine beharrliche Substanz geben msse, und zwar letztlich – hier besteht ebenfalls bereinstimmung – eine absolut-beharrliche Substanz. Bei diesem Ergebnis bleibt Longuenesse nun aber nicht stehen. Interessant sind vor allen Dingen die Motive fr diese Entscheidung. Das erste Motiv besteht darin, dass es unter diesem Gesichtspunkt keinen Grund gbe, einen Begriff in einem gegebenen Urteil entweder als Subjekt oder aber als Prdikat aufzufassen. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es tatschlich einen

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3.1.4. Der primre und der derrivative Substanzbegriff Was ist vor diesem Hintergrund zu der scheinbar fehlerhaften Identifizierung zweier Substanzbegriffe, die in der Literatur immer wieder geltend gemacht wird, und die sowohl fr die erste, wie fr die zweite Auflage vermutet werden kann, zu sagen? Sind die vorangegangenen berlegungen richtig, so liegt diese Vermutung nicht so sehr an einem eigentlichen Fehler, sondern an Missverstndnissen, die Kant dadurch provoziert, dass er nicht klar zwischen verschiedenen Objektivierungsstufen unterscheidet, fr welche ein- und dieselbe Kategorie verantwortlich zu machen ist; – bzw. dadurch, dass fr Kant von vornherein die Erklrung objektiver Zeitverhltnisse, also die Objektivierung der Formen der Anschauung zu formalen Anschauungen von Interesse ist, whrend er die eigentliche Anwendung der Substanzkategorie nur fr das Einzelding mit seinen Eigenschaften plausibilisieren kann, ohne den Bezug beider Konzeptionen herzustellen. Dadurch entsteht der Eindruck, es handle sich das eine Mal um den Begriff eines (in nicht einsichtiger Weise begrndeten) absolut Beharrlichen, das solchen Grund geben mag, dass dieser aber ein empirischer ist, und dass der dabei zugrundezulegende Substanzbegriff ein derrivativer ist. Das zweite Motiv beruht darauf, dass in der vorgeschlagenen Perspektive Kants Beispiel vom Kçrper als Substanz (B128) jede Signifikanz verlieren wrde. Was diesen Punkt anbelangt, soll im Folgenden dafr argumentiert werden, dass jenes Beispiel, wenn es so verstanden wird, als wrde durch die Anwendung der Substanzkategorie auf die Sinnlichkeit festgelegt, welche sinnlichen Anschauungen als substantiell zu werten sind, es sich auch hier um einen derrivativen Substanzbegriff handelt, der keiner transzendentallogischen Begrndung zugnglich ist. Am Ende des Abschnittes soll dann noch eine alternative, und positivere, Interpretation jenes ominçsen Beispieles vorgeschlagen werden, nach der dessen sachlicher Gehalt aber mit der Frage der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit berhaupt nichts zu tun hat, sondern sich hier die Frage danach, welche Begriffe wir auf „Substanzen“ in einem derrivativen Sinn beziehen, auf der Ebene empirisch-logischer Reflexionen abspielt. Der Haupteinwand gegenber Longuenesse besteht demnach darin, dass sie, um unseren Intuitionen ber beharrliche Gegenstnde und Kants in diesem Zusammenhang sehr vagen Aussagen gerecht zu werden, eine zweite Bedeutung des Substanzbegriffs einfhrt, und auch diesen zweiten Begriff von Substanz, der hier als „derrivativ“ bezeichnet wird, als transzendentallogisch fundiert ansieht (vgl. S. 330). Damit gefhrdet sie aber die Grundaussage ihrer Interpretation, nach der dasjenige, was wir als Kategorien reflektieren, als Wirkung des urteilenden Verstandes auf die Sinnlichkeit aufgefasst werden muss. Denn die Kategorien wrden auf diese Weise eine ber ihren Zusammenhang mit dem urteilenden Verstand hinausgehende Bedeutung erhalten, die, wenn sie als in einem transzendentallogischen Sinne relevant aufgefasst wrde, letztlich Kants Beweisprogramm sprengen wrde.

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einen beharrlichen Zeitrahmen vorstelle, das andere Mal um den ganz anderen Begriff des relativ beharrlichen einzelnen Erfahrungsgegenstandes mit seinen wechselnden Eigenschaften. Wie die hier vorgestellten berlegungen zeigen sollten, handelt es sich aber in beiden Fllen um ein- und denselben Substanzbegriff. Dies konnte dadurch nachgewiesen werden, dass der in der metaphysischen Deduktion begrndete Bezug auf den urteilenden Verstand auch fr die Anwendung der einzelnen Kategorie auf die Sinnlichkeit in Anspruch genommen wurde, und unter diesem Rekurs anhand einer Analyse des kategorischen Urteils gezeigt wurde, dass dieses von vornherein einen Substanzbegriff impliziert, der nicht limitiert ist auf die Generierung einzelner Erfahrungsgegenstnde, sondern geeignet, alle drei Objektivierungsstufen des urteilenden Verstandes in Bezug auf die Sinnlichkeit abzudecken. Denn wie wir gesehen haben, bedingt das kategorische Urteil lediglich, dass wir Etwas als beharrliche Substanz unterscheiden von daran wechselnden Eigenschaften, es legt aber keineswegs fest, was wir als beharrliche Substanz auffassen. Dabei ist dieses vorzustellende beharrliche Etwas zunchst gleichgltig gegenber einer Einteilung in einzelne Gegenstnde. Vielmehr ist es der Begriff eines Objekts berhaupt, oder von Objektivitt berhaupt, der unter sinnlichen Bedingungen der Vorstellung eines beharrlichen Etwas bedarf. Aus phnomenologischer Perspektive geht das relativ beharrliche Einzelding ber in einen Wechsel solcher Dinge, der wiederum eines gemeinsamen Substrats bedarf. Aus transzendentallogischer Perspektive ist das zugrunde liegende Substrat von vornherein jenes „x“, das als Substanz den Gegenstand selbst als beharrlich reprsentiert, wobei Gegenstand hier nicht den relativ beharrlichen Erfahrungsgegenstand, sondern den auch diesem noch zugrunde liegenden Gedanken vom Gegenstand berhaupt meint, jenes x also geeignet ist, alle genannten Objektivittsbereiche abzudecken. So kommt in diesen berlegungen zu kategorischem Urteil und Substanzkategorie auch ein Sachverhalt zum Ausdruck, der in den einleitenden Bemerkungen schon gestreift wurde, und der darin besteht, dass Kant die bei ihm zu unterscheidenden Objektivierungsebenen (einzelner Gegenstand, Beziehungen von Gegenstnden, formale Anschauung) zusammen befasst unter der Frage: Wie kommt Beziehung auf einen Gegenstand berhaupt zustande? Und vielleicht erklrt Kant die Aufgabe der Kategorien in ihrem Zusammenhang mit den Urteilfunktionen nicht ganz zufllig anhand der Substanzkategorie, in welcher jener Zusammenhang am deutlichsten vor Augen tritt: als „Begriffe von einem Gegenstande berhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der logischen

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Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird“ (B128, kursiv v. Verf.). Diese Wendung der Dinge sollte Misstrauen erregen gegenber der Forderung, dass durch den Substanzbegriff festgelegt wre, was wir als Substanz auffassen. Denn wenn die eigentliche Aufgabe der Substanzkategorie in jenem Anteil liegt, den sie zu der Konstitution des „Gegenstands berhaupt“ beitrgt, also zur Herstellung der Beziehung auf Objektives, sollte offensichtlich sein, dass sie nicht tauglich ist, zur Beantwortung der ganz anderen Frage beizutragen, was wir als Gegenstand im engeren Sinn, nmlich als einzelnen Erfahrungsgegenstand von kontingenter Dauer und Identitt, betrachten. Wer dies unplausibel findet, sei daran erinnert, dass wir auch von der Kausalittskategorie nicht sinnvoll erwarten kçnnen, dass sie festlege, was wir als empirische Kausalgesetze aufzufassen haben, sondern lediglich, dass es eine kausale Beziehung berhaupt gebe. Warum aber scheint dann Kant selbst der Auffassung zu sein, dass durch den Substanzbegriff festgelegt wre, was wir als Substanz aufzufassen haben, wenn er etwa im bergangsabschnitt der Deduktion schreibt: Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Kçrpers darunter bringe, wird es bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prdikat betrachtet werden msse; und so in allen brigen Kategorien. (B129)

Und warum spricht Kant in den Analogien immer wieder von „mehreren“ Substanzen, und was meint er damit? Dazu ist zunchst zu bemerken, dass seine Rede von „mehreren Substanzen“ extrem unentschieden wirkt. So spricht Kant an einigen Stellen von Substanz in der Einzahl, an anderen in der Mehrzahl und an wieder anderen Stellen lapidar von „Substanz oder Substanzen“ (vgl. B228). Kompliziert wird die Frage noch dadurch, dass Kant zwei ganz verschiedene Strategien zur inhaltlichen Bestimmung von „Substanz oder Substanzen“ heranzieht. Beide haben mit empirischen Begriffen zu tun. In dem obigen Zitat aus dem Umfeld der metaphysischen Deduktion scheint Kant bei der Frage, was als Substanz zu zhlen ist, verschiedene Substanzen im Auge zu haben, die unter empirische Begriffe wie ,Kçrper‘ reflektierbar sind, – eine Konzeption, die in die Richtung des substantiell gedachten Einzelgegenstands verweist. In eine ganz andere Richtung verweist eine Bestimmung aus der Ersten Analogie selbst, welche nahelegt, dass es sich, wenn von Substanzen im Plural die Rede ist, tatschlich um absolut-beharrliche Substrate handelt: Substanzen (in der Erscheinung) sind die Substrate aller Zeitbestimmungen. Das Entstehen einiger, und das Vergehen anderer derselben, wrde selbst die einzige Bedingung der empirischen Einheit der Zeit aufheben, und die Er-

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scheinungen wrden sich alsdenn auf zweierlei Zeiten beziehen, in denen neben einander das Dasein verflçsse, welches ungereimt ist. (B231 f./A188)

Ungereimt ist nun allerdings auch, wie mehrere absolut beharrliche Substanzen berhaupt vorzustellen sind. Einen Fingerzeig zur Lçsung des Problems erhalten wir aber dadurch, wie sich Kant die Substanz oder Substanzen im Rahmen der Analogien als inhaltlich bestimmt denkt: nmlich durch den (empirischen) Begriff der Materie (vgl. B229/A185). Dies verweist auf eine Konzeption, in der zwar eine Mehrzahl von Substanzen zugelassen ist, diese sich aber in ihrer Bestimmtheit nicht voneinander unterscheiden, d. h. wir haben es zwar mit numerisch verschiedenen Substanzen, aber nicht mit inhaltlich verschiedenen Substanzen zu tun. Die Substanzen – als absolut beharrliche Substrate – werden hier also offensichtlich nicht als verschieden voneinander im Sinne dessen betrachtet, was als Substanz gilt. Bezglich ihrer Bestimmtheit sind die Substanzen reduzierbar auf die Eine Substanz. Wir haben es hier also nicht mit der Frage zu tun, was als substantieller Einzelgegenstand zu gelten hat, sondern mit der ganz anderen Frage, wie jene Substanz inhaltlich zu bestimmen ist, von der wir bisher lediglich gefordert haben, dass sie gedacht werden msse, um ein beharrliches Etwas berhaupt vorzustellen. Nun ist diese Bestimmung ihrerseits hçchst problematisch, da sie es beim Begriff der Materie mit einem empirischen Begriff zu tun hat, die Untersuchung hier also genau genommen aus dem transzendentallogischen Rahmen fllt. Sie ist aber insofern interessant, als Kant offensichtlich seine im bergangsabschnitt der Deduktion formulierte Meinung hier – in den Analogien – zugunsten einer ganz anderen Auffassung zur Bestimmung der Substanzen modifiziert. Whrend dort der Gebrauch der Substanzkategorie geeignet sein sollte, uns zu sagen, was – im Sinne eines einzelnen Erfahrungsgegenstandes – als inhaltlich bestimmte Substanz aufzufassen ist, geht es nun eindeutig um ein absolut beharrliches Substrat (oder Substrate), das aller gegenstndlichen Erfahrung zugrunde zu liegen hat, – und das, wenn berhaupt, nur durch Eine Bestimmung all seiner Instantiierungen zu charakterisieren ist. Kants Versuche zur inhaltlichen Bestimmung der Substanz in den Analogien belegen also, auch wenn sie an sich mehr als problematisch sind, einmal mehr, dass der Substanzbegriff primr die Vorstellung eines Gegenstandes berhaupt, welche unter sinnlichen Bedingungen die Vorstellung eines beharrlichen Etwas impliziert, zu ermçglichen hat, und zunchst einmal nichts damit zu tun hat, was wir als einzelnen, „substantiell“ gedachten und unter zeitlichen Bedingungen nur relativ beharrlichen Er-

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fahrungsgegenstand auffassen. Gleichwohl scheint Kant seine Forderung, dass durch den Substanzbegriff festgelegt sei, was wir als substantiell in einem solchen Sinn auffassen, nicht aufgegeben zu haben. Im Folgenden soll noch kurz der Frage nachgegangen werden, ob und wie die berlegungen zu kategorischem Urteil und Substanzbegriff tatschlich zu einer solchen Auffassung fhren kçnnten, wobei es sich aber nicht um den primren Substanzbegriff, sondern um einen diesem gegenber derrivativen Begriff von Substanz handeln wrde, der durch die eigentlich transzendentallogische Fragestellung ebenso wenig abgedeckt ist, wie die inhaltliche Bestimmung des primren Substanzbegriffs selbst durch den empirischen Begriff der Materie. Letztere implizierte die Frage nach dem „was“ dessen, von dem nur festgestellt wurde, dass es als Substanz gedacht werden msse. War dies schon problematisch, so gilt dies in noch grçßerem Maße fr die jetzige Frage. Impliziert diese doch, dass es nicht nur eine Pluralitt von Substanzen gebe, die zumindest bezglich ihrer Bestimmtheit auf die Eine Substanz reduzierbar sind, sondern dass es darber hinaus tatschlich qualitativ verschiedene Substanzen gebe, oder dass die spezifische qualitative Bestimmtheit von Etwas eine Rolle dabei spielt, ob wir dieses Etwas als Substanz auffassen. Dabei ist es alles andere als einfach, festzumachen, worin dieser Grund dafr, dass wir etwas Bestimmtes als Substanz auffassen, genau bestehen soll. Wie Kant selbst betont, spielt es von der urteilslogischen Warte aus keine Rolle, ob wir etwas als Subjekt oder Prdikat eines Urteils auffassen. Aber auch die Anwendung der Substanzkategorie als solcher lsst keine Schlsse darber zu, was als Substanz zu zhlen hat. Wie wir gesehen haben, kann ihre Funktion nur darin bestehen, dass berhaupt etwas als Substanz gedacht werden muss. Einen Hinweis erhalten wir durch etwas anderes: nmlich die bezeichnende Funktion des Subjektterms eines kategorischen Urteils. Nun kann, wie wir gesehen hatten, diese Funktion im Grunde durch jeden Begriff erfllt werden, der sich auf den Gegenstand beziehen lsst. Da nun der Subjektterm eines kategorischen Urteils den Gegenstand selbst zu bezeichnen hat, wird aber nicht jeder Begriff dazu im gleichen Maße geeignet sein. Die Frage allerdings, welche Begriffe dazu in besonderem Maße tauglich sein kçnnten, ist eine eher pragmatische, welche in Richtung der Praxis unseres Begriffsgebrauchs zu verweisen scheint.41 Je41 Dass es sich im Zusammenhang mit dem, was wir als „Substanz“ in einem derrivativen Sinn auffassen, um nach- oder bergeordnete logische Reflexionsprozesse handeln muss, kann auch von einer anderen Warte aus gesehen werden, nmlich wenn man Kants Satz aus B129 auf eine ganz andere Weise versteht. Wir hatten

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denfalls handelt es sich dabei um eine der transzendentallogischen Fragestellung, welcher es um die Etablierung des Substanzbegriffs zu tun ist, nicht zugngliche Frage.42 Nach allem Gesagten scheint es also so, dass die Frage danach, was wir als Substanz auffassen mssen, im Rahmen der Ersten Analogie in einem fr die transzendentallogische Fragestellung relevanten Sinn nicht zu beantworten ist. Denn abgesehen von der in dieser Hinsicht eher fragwrdigen Bestimmung der „absoluten“ Substanz durch den empirischen Beunterstellt, dass Kant sich in seiner Behauptung ber die Restriktion dessen, was als Substanz zu gelten hat, auf die Frage bezieht, was als relativ-beharrlicher Erfahrungsgegenstand zu gelten hat. Wenn man den Satz wçrtlich nimmt, kann man aber auch zu einer ganz anderen Interpretation gelangen: „Durch die Kategorie der Substanz aber, wenn ich den Begriff eines Kçrpers darunter bringe, wird es bestimmt: dass seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prdikat betrachtet werden msse, und so in allen brigen Kategorien.“ (B129) Nimmt man diese Aussage beim Wort, dann bedeutet sie nicht, dass durch die Anwendung der Kategorie der Substanz auf die sinnliche Erscheinung festgelegt wre, welche sinnlichen Erfahrungsinstanzen als „substantiell“ zu werten sind, – eine Aussage, die nach den bisherigen berlegungen schlicht falsch wre. Sondern Kant sagt hier: Wenn wir einen empirischen Begriff unter die Kategorie der Substanz subsumieren, dann sind auch die empirischen Anschauungen, die wir mit diesem Begriff verbinden, in jedem Fall als „Substanz“ zu interpretieren. Dies setzt voraus, dass wir uns auf einer Ebene befinden, auf der wir reine Verstandesbegriffe mit empirisch gewonnenen Begriffen miteinander in Beziehung setzen kçnnen. Worin genau diese logische Ebene besteht, kann an dieser Stelle nicht ausgemacht werden. Wichtig ist hier nur, dass die Wendung „wenn wir einen empirischen Begriff unter die Kategorie der Substanz subsumieren“ eine solche Ebene voraussetzt, und die (frei reformulierte) Schlussfolgerung „dann sind auch die empirischen Anschauungen, die wir mit diesem Begriff verbinden, in jedem Fall als Substanz zu interpretieren“ impliziert, dass es sich um eine Ebene handelt, wo reine Verstandesbegriffe und empirische Begriffe zusammen eine Rolle dabei spielen, wie wir die Sinnlichkeit interpretieren. Wie auch immer es sich damit genau verhlt, von Bedeutung ist an dieser Stelle nur, dass auch unter dieser Perspektive der Substanzbegriff ein derrivativer wre. Denn die Entscheidung darber, ,was‘ als „Substanz“ zu werten ist, spielt sich auch in diesem Fall auf einer begrifflich-logischen Reflexionsebene selbst ab, und nicht, wie komplex diese auch immer sein mag, durch die Bezugnahme welcher Begriffe auch immer auf die Sinnlichkeit. 42 In Kap. II.3.3.3.3. werden wir anlsslich der Untersuchung der Dritten Analogie sehen, dass wir der Beantwortung der Frage danach, was wir als relativ-beharrliches Einzelding auffassen, zumindest etwas nherkommen, wenn wir diese Frage vor dem Hintergrund eines Begriffsystems betrachten, welches nach Gattungen und Arten organisiert ist, und das eine Nhe der Frage nach der Bestimmtheit des Einzeldings zum Begriff der „natrlichen Arten“ impliziert (vgl. dort Anm. 74).

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griff der Materie, fr welche es gleichgltig ist, ob wir von „Substanz“ im Singular oder Plural sprechen, scheint es nur relevant zu sein, dass es Substanz gibt. Und in dieser Hinsicht ist der Begriff der „absolut-beharrlichen“ Substanz gegenber einer Mehrzahl von „relativ-beharrlichen“ Substanzen primr. Denn wie wir gesehen haben, hat die Substanzkategorie vor allen Dingen den Bezug auf einen einheitlichen und beharrlichen Zeitrahmen zu gewhrleisten. Aber auch die Konstitution des Dings mit seinen Eigenschaften verwies letztlich, wenn man auch provisorisch vom relativ-beharrlichen Einzelding ausgehen konnte, auf eine Konzeption, fr welche der Bezug auf ein allem Wechsel am Ding zugrunde liegendes x von Bedeutung war, das man unter sinnlichen Bedingungen in einer etwas freien Formulierung auch als ein „Beharrliches berhaupt“ bezeichnen kçnnte. Der Begriff einer „absolut-beharrlichen“ Substanz war dabei deswegen vorzuziehen, weil der Fokus auf der Erklrung des Zustandekommens von Gegenstndlichkeit berhaupt lag, und es zunchst einmal willkrlich war, was vor diesem Hintergrund berhaupt als ein Einzelding zu werten wre. Der Begriff eines absolut Beharrlichen schloss zwar den eines relativ Beharrlichen nicht aus (vielmehr gelangten wir von Letzterem zu Ersterem). Um den Begriff der relativen Beharrlichkeit aber als eigenstndige Grçße erhalten und begrnden zu kçnnen, so schien es, wre es notwendig, zu wissen, was als relativ beharrlich aufzufassen ist, also letztlich: was als konkretes Einzelding von einer bestimmten Dauer aufzufassen ist. Einer Mçglichkeit zur Erhaltung und Begrndung des Konzepts der relativen Beharrlichkeit sind wir allerdings noch nicht nachgegangen. Wir sind bisher stets davon ausgegangen, dass eine Pluralitt von „relativ-beharrlichen“ Substanzen nur dann begrndet werden kann, wenn man weiß, was als Substanz zu zhlen ist. Mit anderen Worten: Wir haben die inhaltliche Qualifizierung der Substanz als Kriterium fr die Frage herangezogen, ob es mçglicherweise auch mehrere qualitativ voneinander unterschiedene Substanzen geben kçnnte, denen in der Zeit nur relative Beharrlichkeit zukommt.43 Man kçnnte aber zu einer gnzlich anderen Begrndung fr den Begriff von mehreren relativ-beharrlichen Substanzen kommen, wenn man die Frage nach diesen von der Frage nach der Qualifizierung der Substanz(en) – also von der „was“-Frage und der damit verbundenen Frage, was als Einzelgegenstand zu betrachten ist – abkoppelt. 43 Im Gegensatz zu Kants problematischem Begriff von mehreren absolut-beharrlichen Substanzen, welche alle durch dieselbe Bestimmung, den empirischen Begriff der Materie, qualifiziert werden (vgl. oben).

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Diese andere Mçglichkeit, die fr den Gesamtzusammenhang der Analogien von großer Bedeutung sein wird, sei zum Schluss noch kurz angerissen. Im Rahmen der Substanzproblematik war es willkrlich, was wir letztlich als Einzelgegenstand auffassen. Egal auf welcher Ebene wir ansetzten: dem einzelnen „Ding“, dem bergang von einem „Ding“ in ein anderes oder der Form der Anschauung selbst, stets war in puncto Substantialitt lediglich der Bezug auf ein x, auf etwas Beharrliches berhaupt erforderlich. Letztendlich mssen wir aber zu Aussagen darber gelangen, was tatschlich ein Einzelgegenstand ist, und wie sich ein solcher zu einer Pluralitt von Einzelgegenstnden verhlt. Sptestens in der Dritten Analogie wird diese Frage virulent, denn dort fhrt Kant explizit eine „Mehrzahl von Substanzen“ ein, und zwar handelt es sich dabei ausdrcklich um eine Mehrzahl von Dingen, die miteinander in durchgngiger Wechselwirkung stehen sollen, so dass es mehr als naheliegend ist, dass damit „Einzeldinge“ im gewçhnlichen Alltagssinn gemeint sind, also – was ihre Zeitlichkeit anbelangt – Dinge von einer bestimmten empirischen Dauer, oder zurckbezogen auf die Terminologie der Ersten Analogie: relativ-beharrliche Substanzen. Nun wird diese Annahme zwar in der Dritten Analogie von Kant ebenso wenig begrndet wie in der Ersten Analogie. Wie wir sehen werden, bringt es aber die Konstruktion eines Beweisverfahrens fr die Dritte Analogie, welche den Zusammenhang von Urteil und Kategorie, also hier den Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft bercksichtigt, mit sich, dass wir uns der Frage nach einer Pluralitt von Dingen ganz explizit zuzuwenden haben. Weiter werden wir sehen, dass es aus begrifflichen Grnden, die mit dem disjunktiven Urteil zu tun haben, tatschlich notwendig ist, eine Pluralitt von Dingen in der Sinnlichkeit anzunehmen. Mit anderen Worten: Es wird sich anlsslich der Dritten Analogie zeigen, dass unser Alltagsverstndnis von Einzeldingen tatschlich eine transzendentallogische Untermauerung erfahren kann und zwar dergestalt, dass es sich als notwendig erweisen wird, dass es eine Pluralitt von Dingen im Sinne von relativ-beharrlichen Substanzen gibt. Rckbezogen auf die Erste Analogie bedeutet das aber: Wenn es sich aus noch zu benennenden Grnden, die mit der Dritten Analogie zu tun haben, als notwendig erweisen wird, dass es tatschlich eine Mehrzahl von relativ-beharrlichen Substanzen gibt, dann kçnnen wir unsere Suche nach ebensolchen anhand der bisher verfolgten „was“-Frage an dieser Stelle abbrechen. Problematisch wre das Offenlassen der Frage nach einer Rechtfertigung fr relativ-beharrliche Substanzen nur dann, wenn sich gezeigt htte,

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dass die Konzepte von relativer Beharrlichkeit und absoluter Beharrlichkeit unvereinbar sind. Dies ist aber nicht der Fall. Alles, was die bisherigen Untersuchungen dazu gezeigt haben, war nmlich, dass der Substanzbegriff, der mit absoluter Beharrlichkeit verbunden ist, als primr zu bevorzugen ist, und dass letztlich relativ-beharrliche Substanzen, sollte es solche geben, auf eine absolut-beharrliche Substanz zurckbezogen werden mssen, so dass schlussendlich der Begriff von relativ-beharrlichen Substanzen dem primren Substanzbegriff gegenber nicht nur als derrivativ, sondern auch als redundant erscheinen musste. Umgekehrt heißt dies aber natrlich nicht, dass es keine relativ-beharrlichen Substanzen geben kçnnte. Uns fehlt bisher lediglich ein guter Grund fr deren Annahme. Sollte sich allerdings noch ein solcher Grund ergeben, und dies ist anhand der Dritten Analogie aufzuzeigen, so besteht keinerlei Unvereinbarkeit dieses derrivativen mit dem primren Substanzbegriff. Doch bevor wir uns der Dritten Analogie zuwenden, mssen wir in unserer Untersuchung der Grundstze mit der Zweiten Analogie fortfahren, die in puncto Gegenstandsterminologie, wie wir sehen werden, ebenfalls noch mit einem sehr vagen Verstndnis dessen, was als einzelner Gegenstand bzw. eine Mehrzahl solcher Gegenstnde zu verstehen ist, auszukommen hat. 3.2. Die „Zweite Analogie“: Objektive Zeitfolge und Gegenstandsbezug Die Beweisstruktur der Zweiten Analogie ist anerkanntermaßen ußerst komplex. Doch wichtiger als die Identifizierung verschiedener mçglicher Beweise ist zunchst einmal die Feststellung, dass das Beweisverfahren, und dies gilt fr beide Auflagen, ein analytisches ist.44 Damit finden wir uns methodisch grundstzlich in derselben Situation, wie bei der Ersten 44 Vgl. Thçle (1991), der aber den Unterschied von analytischem und synthetischem Argument innerhalb der Zweiten Analogie selbst verortet, und zwar in Bezug nicht auf die metaphysische, sondern auf die transzendentale Deduktion (vgl. S. 129), so dass die Unterscheidung bei ihm in einem anderen Zusammenhang steht. Was die Identifizierung verschiedener Beweise anbelangt, so geht die folgende Interpretation davon aus, dass es sich in der A-Auflage (bis A202) um aufeinander aufbauende Stufen eines einheitlichen Gesamtbeweises handelt (Zu einer Skizze des Beweisganges vgl. Anm. 53). Dass Kant nur einen Beweisgang ausfhrt, wird (gegenber Adickes, Kemp-Smith und Paton) auch von Allison (2004), S. 250 und Guyer (1987), S. 241 f. vertreten. Watkins (2005) unterscheidet nach A- und BAuflage zwei verschiedene Argumentationstypen, die beide in der hier verwendeten Terminologie letztlich der analytischen Methode zuzuordnen sind (vgl. dazu auch Anm. 45).

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Analogie. Ausgehend von der These der subjektiven Sukzessivitt unserer sinnlichen Vorstellungen, sollen die Bedingungen fr objektive Zeitverhltnisse ausfindig gemacht werden. Eine mittelbare Bedingung fr die Denkbarkeit objektiver Zeitverhltnisse, das hat die Erste Analogie erwiesen, ist die Beharrlichkeit der Substanz. Nun geht es um die Frage, welches auf der Grundlage dieses Zwischenergebnisses die unmittelbaren Bedingungen jener Zeitverhltnisse selbst, und dies bedeutet zunchst, fr die Denkbarkeit bzw. Wahrnehmbarkeit objektiver Zeitfolgen, sind. Dass es jene objektiven Zeitverhltnisse gebe, wird hier genauso vorausgesetzt, wie in der Ersten Analogie. Doch da es dort nur um eine mittelbare Bedingung fr diese Annahme ging, war es mçglich, zumindest einen quasisynthetischen Beweis zu rekonstruieren. Die Beharrlichkeit der Substanz musste angenommen werden, um zu einer Begrndung fr die Mçglichkeit objektiver Zeitverhltnisse zu gelangen, stand damit aber selbst nicht schon als analytisches Beweisziel fest. Ganz anders in der zweiten Analogie, wo es um den unmittelbaren Nachweis der Mçglichkeit eben jener objektiven Zeitfolgen geht. Nun war es in der ersten Analogie schon mçglich, im Rckgriff auf Themen der metaphysischen Deduktion auch einen genuin synthetischen Beweis zu konstruieren, welcher zu einer Begrndung fr die Beharrlichkeit der Substanz nicht um der Denkbarkeit objektiver Zeitverhltnisse willen (eine Annahme, die als analytischer Einschub des Arguments zu werten war) kam, sondern, im Rekurs auf die Erfordernisse des urteilenden Verstandes, das Denken der beharrlichen Substanz als Bedingung des Denkens eines Gegenstandes berhaupt erwies. Die Mçglichkeit eines solchen Verfahrens ist auch jetzt von Bedeutung, wo wir es mit der unmittelbaren Begrndung, oder besser Erklrung, jener objektiven Zeitverhltnisse zu tun haben, also dem analytischen Einschub des vorangegangenen Arguments selbst. Dass es objektive Zeitfolge und objektives Zugleichsein gebe, sind Annahmen, die Kant fr selbstverstndlich genug hlt, um sie keiner weiteren Untersuchung zu unterziehen. Es handelt sich damit um einen analytischen Beweis in seiner Reinform, der von der Objektivitt der Erfahrung ausgeht, um ihre Mçglichkeitsbedingungen zu klren. Dies ist deswegen ungnstig, weil damit innerhalb der Analogien keine Ressourcen bereitstehen, einem Skeptizismus bezglich objektiver Erkenntnis zu begegnen, der ja traditionellerweise gerade am Kausalittsproblem festgemacht wird.45 Diese negative Einschtzung der Beweislage innerhalb der 45 An der Frage, ob Kant in der Zweiten Analogie den Skeptiker widerlegen will, scheiden sich die Geister (vgl. dazu die generelle Frage, ob es sich schon bei der

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Analogien bedarf jedoch einer sofortigen Einschrnkung: In der zweiten Analogie findet sich zumindest ein entscheidender Hinweis zur Rekonstruktion eines hnlichen synthetischen Beweises, wie er im vorigen Kapitel fr die Substanzkategorie durchgefhrt wurde. In Abschnitt 13, der mit „Der Beweisgrund“ anhebt, heißt es gegen Ende: Also ist das Verhltnis der Erscheinungen (als mçglicher Wahrnehmungen), nach welchem das Nachfolgende (was geschieht) durch etwas Vorhergehendes seinem Dasein nach notwendig, und nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhltnis der Ursache zur Wirkung die Bedingung der objektiven Gltigkeit unserer empirischen Urteile, in Ansehung der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empirischen Wahrheit derselben, und also der Erfahrung (B247/A202, kursiv v. Verf.).

Hier findet sich in wnschenswerter Klarheit ein Punkt formuliert, der das Verhltnis von Urteilen und Kategorienanwendung, wenn auch nur im Allgemeinen, betrifft: Die Anwendung einer apriorischen Regel auf Erscheinungen ist die Bedingung dafr, ber diese Erscheinungen objektivgltige Urteile fllen zu kçnnen. Diese Klarheit sollte auch nicht dadurch getrbt werden, dass im Folgenden von der „empirischen Wahrheit“ derselben die Rede ist. Insbesondere sollte man sich dadurch nicht verleiten lassen, den Terminus „objektiv-gltiges Urteil“ im Sinne von „wahres Urteil“ zu interpretieren. Denn alsdann wrde man schnell auf eine recht absurde Theorie insbesondere der Anwendung der Kausalittskategorie kommen: Die apriorischen Regeln htten dann unmittelbar „empirische Wahrheit“ zu konstituieren. Damit htte es die Kategorienanwendung mit dem Unterschied von Wahrheit oder Falschheit von empirischen Urteilen zu tun. Fr die Kausalittskategorie hieße dies, dass sie heranzuziehen wre transzendentalen Deduktion um ein regressives oder ein progressives Argument handelt, siehe Einleitung und Kap. II.1.) Nach einer „starken“ Interpretation (vertreten u. a. von Henrich, Strawson, Allison und Guyer), unternimmt es Kant tatschlich, ein skepsisimmunes Argument zu entwickeln, wobei in unterschiedlichem Maße auch auf die Ressourcen der transzendentalen Deduktion oder, am prominentesten bei Guyer, auf die „Widerlegung des Idealismus“ Bezug genommen wird. Nach einer „schwachen“ Interpretation (vertreten u. a. von Ameriks, Kuehn, und mit Einschrnkungen Watkins) geht Kant vom Tatbestand einer (objektiven) Erfahrung aus, und begngt sich damit, deren Mçglichkeitsbedingungen nachzuweisen. Konkret bedeutet dies fr die Zweite Analogie, dass nach dieser (nicht skepsisimmunen) Lesart der Skeptiker bestreiten kçnnte, dass es objektivzeitliche Ereignisse im Gegensatz zu subjektivzeitlichen Vorstellungen gibt. Damit wre auch der Nachweis der Mçglichkeitsbedingung fr solche objektive Ereignisse, nmlich die Annahme eines durchgngigen Kausalprinzips blockiert. Vgl. zu diesen verschiedenen Lesarten Watkins 2005, S. 206 f.

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fr den Unterschied von objektiven Ereignissen und Fllen von Illusionen solcher Ereignisse. Dies ist aber nicht nur nicht das Thema der zweiten Analogie, sondern – dieser Interpretation nach – gar nicht mçglich, denn da die Anwendung der Kategorien universal und durchgngig sein soll, htte dies zur Folge, dass es falsche Urteile ber gegenstndliche Erfahrung, die beispielsweise auf Illusionen zurckzufhren wren, gar nicht geben kçnnte. Wir wrden in einer Welt durchgngig wahrer Erkenntnis leben. Demgegenber muss festgehalten werden, dass die Anwendung der Kategorien nichts mit der tatschlichen Wahrheit oder Falschheit von empirischen Urteilen zu tun hat, sondern lediglich garantieren soll, dass wir berhaupt wahre, – aber auch falsche – Urteile fllen kçnnen, genauer: dass wir in der Lage sind, wahrheitsfhige Urteile zu fllen (vgl. auch Thçle 1991, S. 71 und Allison 2004, S. 249). Und dies bedeutet letztlich ganz schlicht, dass wir uns berhaupt auf Objekte beziehen, im Gegensatz zu bloß subjektiven Vorstellungen. Das Zustandekommen dieses Objektbezugs ist das Thema der Kategorienanwendung, und so haben wir es bei obiger Passage mit einer der raren Stellen zu tun, an denen das Thema des Grundsatzkapitels auf das Thema der metaphysischen Deduktion zurckbezogen wird. Whrend die metaphysische Deduktion ganz allgemein zeigte, dass Kategorien die notwendigen Bedingungen fr das Denken von Gegenstnden sind, ber die wir objektiv-gltige Urteile fllen kçnnen, wird dieser Prinzipienzusammenhang hier fr einen bestimmten Anwendungsfall konkretisiert. Die Anwendung der Kausalittsregel, so Kant, sei „Bedingung der objektiven Gltigkeit unserer empirischen Urteile, in Ansehung der Reihe der Wahrnehmungen“ (B247/A202, kursiv v. Verf.). Dass es nun eine solche objektiv-bestimmte Reihe unserer Wahrnehmungen tatschlich gebe, bleibt aber auch hier wiederum ein kontingentes Faktum. Das heißt, Kant gibt zwar im Rekurs auf die metaphysische Deduktion eine Antwort auf die Frage, warum es berhaupt notwendig sei, Kategorien auf die Sinnlichkeit anzuwenden, – um nmlich die Mçglichkeit objektiv-gltiger Urteile ber Erfahrungsinstanzen zu gewhrleisten. Dass aber im konkreten Fall die Kausalittskategorie notwendige Anwendung finden muss, um objektiv-gltige Urteile zu ermçglichen, hngt natrlich davon ab, ob die Erfahrungsinstanzen, um die es hier geht (objektive Zeitfolgen) tatschlich rechtmßig angenommen werden kçnnen und als solche, die nur durch die Kausalregel bewirkt sein kçnnen, verstanden werden mssen. Indem sich Kant solcherart auf das zu bewirkende Ergebnis, auf einen vorausgesetzten Tatbestand objektiver Erkenntnisse, verlsst, gefhrdet er aber die Plausibilitt des Gesamtbeweises.

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Um zu einem eigentlich synthetischen Beweis fr die Anwendung der Kausalittskategorie zu gelangen, wre also nicht nur der prinzipielle Zusammenhang mit der metaphysischen Deduktion herauszustreichen, sondern es msste auf den analytischen Einschub ber die Realitt objektiver Zeitverhltnisse verzichtet werden. Diese mssten vielmehr als synthetisch zu erreichendes Ergebnis prsentiert werden, was nur mçglich ist, indem nicht nur pauschal auf den Ursprung der Kategorien im urteilenden Verstand verwiesen, sondern die Notwendigkeit der einzelnen Kategorien dafr nachgewiesen wird, bestimmte Urteilsarten ber Gegenstnde, und damit bestimmte Aspekte von Gegenstndlichkeit, wie sie fr die Mçglichkeit solcher Urteilsarten vorauszusetzen sind, zu gewhrleisten. Kurz: Es msste gezeigt werden, dass es ein Erfordernis des urteilenden Verstandes in seinen bestimmten Urteilsarten ist, unter sinnlichen Bedingungen (die durchgngig als ein bloß subjektives Nacheinander von Vorstellungen zu charakterisieren sind), auf bestimmte Aspekte von Gegenstndlichkeit zurckgreifen zu kçnnen, welche durch bloße Sinnlichkeit allein nicht gewhrleistet sind, und die daher der Verstand selbst zu konstituieren hat.46 Ein solches Programm wurde bereits fr die Anwendung der Qualittskategorien, sowie im vorigen Kapitel fr die Substanzkategorie ausgefhrt. Wie bei Letzterer eine Analyse des kategorischen Urteils in seiner synthetischen Instantiierung maßgebend war, so wre fr den Anwendungsfall der Kausalittskategorie das synthetisch-hypothetische Urteil heranzuziehen. Um die Untersuchung nicht unnçtig in die Lnge zu ziehen, soll dies an dieser Stelle aber unterbleiben und statt dessen hier nur kurz angezeigt werden, wie sich eine solche Vorgehensweise von der analytischen Argumentstruktur Kants unterscheiden wrde: Ausgehend von der These der bloß subjektiven Sukzessivitt sinnlicher Wahrnehmung sucht Kant in seinem Fundus bereitliegender Kategorien nach einer geeigneten Regel, um das Zustandekommen objektiver Zeitfolgen und damit die Mçglichkeit wahrheitsfhiger Urteile ber objektiv-bestimmte Wahrnehmungsreihen zu erklren. Das synthetische Argument wrde ebenfalls bei der Sinnlichkeitsthese einsetzen, dann aber nicht unmittelbar nach der Mçglichkeit objektiver Zeitverhltnisse fragen, sondern nach den Bedin46 Um ein vollgltiges Argument zu gewinnen, msste diese verkrzte Darstellung natrlich durch berlegungen aus der transzendentalen Deduktion ergnzt werden. Zum Gesamtzusammenhang der Beweisstruktur von metaphysischer Deduktion, transzendentaler Deduktion und Grundsatzkapitel: siehe Kap. I.2. und II.1.

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gungen der Mçglichkeit von Gegenstnden, die wir als Gegenstnde in einer Welt von Sachverhalten betrachten kçnnen, solcherart, dass diese Gegenstnde in bestimmten Beziehungen zueinander stehen, die in Urteilen ber sie reflektierbar sind. Fr den vorliegenden Fall ginge es um die Frage, wie „wenn-dann“-Aussagen ber Gegenstnde berhaupt denkbar sind, also z. B. Aussagen wie „wenn es regnet, wird die Straße nass“. Fr solche Aussagen, in denen wir uns auf Sachverhalte ber die Welt im Sinne bestimmter Wahrnehmungsregularitten beziehen, kçnnen wir uns nicht auf rein logische Implikationen verlassen, da wir es bei solchen Faktenaussagen nicht mit analytischen Urteilen ber Begriffe und Begriffsinhalte zu tun haben. Wir mssen uns also letztlich auf Erfahrung beziehen kçnnen. Dabei kçnnen wir uns aber ebenfalls nicht auf bloße Sinnlichkeit verlassen, die in der Kantischen Konstruktion als subjektive Sukzession von Wahrnehmungen solche Zusammenhnge berhaupt nicht kennt. Wenn wir also zu einer Erklrung darber kommen wollen, wie solche synthetisch zustande kommenden „wenn-dann“-Aussagen mçglich sind, in denen wir uns auf Erfahrung beziehen, so mssen wir annehmen, dass diese Erfahrung selbst nach entsprechenden Strukturen synthetisch organisiert ist. Sinnliche Erfahrung darf sich nicht auf ein Nacheinander von Eindrcken beschrnken, sondern sie muss interpretierbar sein als eine Welt, in der bestimmte Regularitten vorkommen, und dies heißt hier als eine Welt von objektiven – nach Regeln aufeinanderfolgenden – Geschehnissen. Denn dass wir etwas als objektives Geschehen auffassen, ist das gegenstndliche Korrelat dessen, dass wir etwas im Urteil als „wenn-dann“ Beziehung reflektieren, – oder die Bedingung dafr, dass wir aufgrund von sinnlicher Erfahrung dazu kommen, dieses Etwas in Form von synthetisch-hypothetischen Urteilen zu reflektieren.47 Nach einer solchen Interpretation wre der Tatbestand objektiver Ereignisse nicht als Anleihe an eine mehr oder weniger natrliche (oder naturwissenschaftliche) Ansicht ber ein Faktum der Erfahrung zu verstehen, sondern als Ergebnis, das wir aus einer Analyse des urteilenden Verstandes unter der Prmisse gewinnen, dass dieser Anwendung auf eine 47 Der Reflexionsprozess, der uns zur Generalisierung solcher Sachverhalte aufgrund sinnlicher Erfahrung fhrt, ist natrlich sehr viel komplexer, als hier angerissen, und beinhaltet mindestens empirische Begriffsbildung und eine ganze Reihe von Induktionsprozessen. Hier geht es nur darum, dass wir berhaupt objektive Geschehnisse annehmen mssen, um schließlich zu solchen generellen Aussagen ber Sachverhalte zu kommen, die sich niemals unmittelbar auf einzelne, sinnliche Erfahrungen beziehen, sondern immer schon eine ganze Geschichte solcher Erfahrungen in ihrem Hintergrund haben.

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Sinnlichkeit finden muss, die fr sich genommen nichts als ein Nacheinander subjektiver Empfindungen liefert. Eine solche Vorgehensweise entkrftet aber nicht nur das Skeptizismusproblem, da die Realitt objektiver Zeitverhltnisse nicht eigens vorausgesetzt werden muss, sondern sie nimmt auch einiges von der berspannung, die oft in der notwendigen und durchgngigen Anwendung der Kausalittskategorie gesehen wird, welche in der Konsequenz zum Postulat eines kausalen Determinismus allen Naturgeschehens fhrt (vgl. bspw. Bennett 1966, S. 219 f.). Denn sie macht klar, dass es weder Kants vorrangiges Ziel ist, einen solchen Determinismus zu begrnden, noch dass er ihn schon voraussetzen muss. Vielmehr ergibt sich dieser gewissermaßen als Nebenprodukt einer anderen berlegung: Wie ist es mçglich, dass sich der urteilende Verstand berhaupt auf etwas Sinnliches beziehen kann, das in objektiv-gltigen Urteilen reflektierbar ist? Hier ist die Kausalittskategorie lediglich Mittel zum Zweck, und der Clou des Arguments ist nicht so sehr die Aussage, dass alles, was geschieht, eine Ursache haben msse, sondern dass wir uns ohne dieses (zugegeben starke) Kausalprinzip berhaupt nicht auf sinnliche Ereignisse beziehen kçnnten, in einer Weise, dass wir diese nicht nur als bloße, willkrliche Vorkommnisse, sondern als objektive Sachverhalte interpretieren, ber die wir wahrheitsfhige Urteile fllen kçnnen. Was hier nicht bersehen werden darf, ist, dass die Kausalittskategorie dazu beizutragen hat, allererst den Bezug auf (urteilsfhige) Gegenstnde herzustellen, so dass die Frage, ob es auch Ereignisse geben kçnnte, die eine objektive Zeitstelle einnehmen, aber nicht dem Kausalprinzip unterworfen wren, vor dem Hintergrund der Kantischen Strategie eine mßige ist: denn solche „Ereignisse“ wren in der Kantischen Theorie keine Ereignisse. Oder anders: Die notwendige und durchgngige Anwendung der Kausalittskategorie ist innerhalb dieser Theorie die einzige Mçglichkeit, den Dingen berhaupt ihren Platz in der Zeit „zuzuweisen“. 3.2.1. Objektbezug und die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes Welchen Anteil die Kausalittskategorie daran nimmt, einen Bezug auf (urteilsfhige) Gegenstnde herzustellen, ist die Frage, der wir uns nun zuzuwenden haben. Die relativ ausfhrliche Beantwortung, die diese Frage in der zweiten Analogie erfhrt, ermçglicht nicht nur die Lçsung einiger wichtiger Interpretationsprobleme speziell in Bezug auf die Problematik der Zweiten Analogie, sondern sie besttigt auch das Konzept von Gegenstandsbezug, das in der bisherigen Untersuchung fr die Realitts- und

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die Substanzproblematik in Anspruch genommen wurde. Dort hatten wir vorausgesetzt, dass die Anwendung der Kategorien herangezogen werden muss, um vor allen Dingen eines zu erklren: Wie ist es mçglich, dass wir subjektive Vorstellungen beziehen auf ein von ihnen zu unterscheidendes Objekt? Wie ist es also etwa mçglich, dass wir subjektive Empfindungen unterscheiden von einem realen Sein an Objekten, auf das wir uns in jenen Empfindungen beziehen, und ber das allein (nicht ber die Empfindung selbst) wir objektiv-gltige Urteile zu fllen in der Lage sind? Die Antwort war, dass jener Bezug auf Objekte nur durch die Anwendung apriorischer Regeln zustande kommen kann, welche den Formen bzw. Funktionen in jenen objektiv-gltigen Urteilen korrespondieren. Was nun dabei nicht bersehen werden darf, ist, dass jene Korrespondenz von Urteilsfunktionen und Kategorien, die das Denken und den Bezug auf urteilsfhige Gegenstnde ermçglichen sollen, nur dann sinnvoll ist, wenn wir unterstellen, dass es fr ein epistemisches Subjekt auch Vorkommnisse gibt, die nicht urteilsfhig sind. Denn nur dann taucht die Forderung nach Regeln, welche urteilsfhige Gegenstndlichkeit zu garantieren haben, indem sie diese unterscheidbar von „bloß Subjektivem“ machen, berhaupt erst auf. Entscheidend dabei ist, dass der Unterschied von subjektiv und objektiv nicht etwa nur ein epistemologischer sein darf, in der Weise, dass wir subjektive Zustnde eines epistemischen Subjekts zwar postulieren mssen, um erklren zu kçnnen, wie jenes Subjekt diese Zustnde zu einem objektiv Realen vergegenstndlicht, dass dabei aber aufgrund der Universalitt der Objektivierungsregeln angenommen wird, dass es im Ergebnis nur noch Objektives gibt. Sondern, dies machen die gegenstandslogischen berlegungen der zweiten Analogie deutlich, bei dem Unterschied von Subjektivem und Objektivem muss es sich um eine reale Differenz handeln. Das heißt, bei der Anwendung der Kategorien darf es sich nicht um eine universale „berformung“ von Subjektivem handeln, welches schlussendlich im Objektiven vçllig aufgeht. Denn der Unterschied von Subjektivem und Objektivem ist nicht nur methodisch notwendig, um die Frage nach dem Gegenstandsbezug berhaupt erst aufzuspannen, er ist auch notwendig, um diesen aufrechtzuerhalten. Schließlich geht es doch darum, zu erklren, wie wir uns in subjektiven Vorstellungen auf davon unterschiedene Objekte beziehen. Es ist beraus ertragreich, Kants berlegungen zu diesem Punkt genau nachzuvollziehen, nicht zuletzt, um einige gravierende Missverstndnisse auszuschließen, die sich bezglich der Kausalittsproblematik ergeben kçnnten. Wie die Realittsproblematik von dem Unterschied zwischen subjektiver Empfindung und Realem am Gegenstand lebte, so lebt die Kausa-

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littsproblematik vom Unterschied subjektiver und objektiver Zeitfolgen. „Die Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung“, so Kant, „ist jederzeit sukzessiv. Die Vorstellungen der Teile folgen auf einander. Ob sie auch im Gegenstande folgen, ist ein zweiter Punkt der Reflexion, der in dem ersteren nicht enthalten ist“ (B234/A189). Wie kommen wir nun vor dem Hintergrund, dass jede Wahrnehmung von Gegenstnden gleichermaßen sukzessiv ist, zu einer Aussage darber, was als Zeitfolge „im Gegenstande“ selbst anzusehen ist? Klarerweise kçnnen wir uns dabei nicht auf Dinge-an-sich beziehen. Wie Kant sofort betont, gengt es aber auch nicht, schlicht unsere Vorstellungen selbst als Objekte anzusehen. Denn, so schreibt Kant: Nun kann man zwar alles, und sogar jede Vorstellung, so fern man sich ihrer bewußt ist, Objekt nennen; allein was dieses Wort bei Erscheinungen zu bedeuten habe, nicht, in so fern sie (als Vorstellungen) Objekte sind, sondern nur ein Objekt bezeichnen, ist von tieferer Untersuchung. So fern sie, nur als Vorstellungen zugleich Gegenstnde des Bewußtseins sind, so sind sie von der Apprehension, d.i. der Aufnahme in die Synthesis der Einbildungskraft, gar nicht unterschieden, und man muß also sagen: das Mannigfaltige der Erscheinungen wird im Gemt jederzeit sukzessiv erzeugt (B234 f./A189 f.).

Das Problem besteht hier darin, dass der Bezug auf Erscheinungen allein nicht ausreicht, um zu einer Erklrung des Gegenstandsbezugs zu gelangen. Denn diese sind zunchst einmal selbst subjektiv, und insofern selbst Vorstellungen. Wie Kant klar macht, ntzt es auch nichts, sie einfach als Objekte des Bewusstseins zu betrachten. Was gesucht ist, ist etwas vçllig anderes, nmlich wie Erscheinungen als „echte“ Gegenstnde unserer Vorstellungen betrachtet werden kçnnen: als Gegenstnde, die von unseren Vorstellungen unterschieden sind. Und die ganze Schwierigkeit besteht darin, dass wir gleichwohl letztlich nur solche subjektiven Vorstellungen zur Verfgung haben, um zu einer Erklrung des Gegenstandsbezugs zu kommen, denn es gibt nichts außer diesen Vorstellungen, das in irgendeiner Weise als Gegenstand der Erfahrung fungieren kçnnte. Was verstehe ich also unter der Frage: wie das Mannigfaltige in der Erscheinung selbst (die doch nichts an sich selbst ist) verbunden sein mçge? Hier wird das, was in der sukzessiven Apprehension liegt, als Vorstellung, die Erscheinung aber, die mir gegeben ist, ohnerachtet sie nichts weiter als ein Inbegriff dieser Vorstellungen ist, als der Gegenstand derselben betrachtet, mit welchem mein Begriff, den ich aus den Vorstellungen der Apprehension ziehe, zusammenstimmen soll. (B236/A191, kursiv v. Verf.)

Hier wird nicht nur ganz klar unterschieden zwischen der Vorstellung eines Gegenstandes (sukzessive Apprehension) von der Erscheinung, welche der

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Gegenstand der Vorstellung ist, sondern es wird auch deutlich gemacht, dass die Erscheinung als Gegenstand, obwohl sie von ihrer Vorstellung unterschieden sein muss, „nichts weiter als ein Inbegriff dieser Vorstellungen ist“. Dass dies nicht so paradox ist, wie es zunchst scheint, zeigt der Fortgang der Ausfhrungen, der schon den ersten Schritt zur Lçsung des Problems bereithlt: Man siehet bald, daß, weil bereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt Wahrheit ist, hier nur nach den formalen Bedingungen der empirischen Wahrheit gefragt werden kann, und Erscheinung, im Gegenverhltnis mit den Vorstellungen der Apprehension, nur dadurch als das davon unterschiedene Objekt derselben kçnne vorgestellt werden, wenn sie unter einer Regel steht, welche sie von jeder andern Apprehension unterscheidet, und eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen notwendig macht. Dasjenige an der Erscheinung, was die Bedingung dieser notwendigen Regel der Apprehension enthlt, ist das Objekt. (ebd., kursiv v. Verf.)

Mehrere Punkte sind hier zu beachten, um wrdigen zu kçnnen, dass es sich bei diesen ußerungen um eine echte, und im Kantischen Rahmen auch die einzige mçgliche, Lçsung des Problems handelt. Dass es sich um die einzige Lçsungsmçglichkeit handelt, liegt wie schon erwhnt daran, dass uns als Material zur Konstitution eines Gegenstandsbezugs nichts weiter zur Verfgung steht, als subjektive Vorstellungen. Damit steht und fllt die Plausibilitt der Theorie mit der Frage, ob gezeigt werden kann, dass Erfahrungsgegenstnde nichtsdestotrotz auf irgend eine Weise von ihren subjektiven Vorstellungen unterschieden sind. Was Kant unter allen Umstnden wahren will, ist eine korrespondenztheoretische Erkenntniskonzeption, nach der Wahrheit in der „bereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt“ besteht. Zu beachten ist hier erstens, dass dabei nach einem Kriterium fr die formalen Bedingungen empirischer Wahrheit gesucht wird, also um die Bedingungen des reinen Denkens von (empirischen) Gegenstnden. Auch hier sollte der Terminus „empirische Wahrheit“ nicht zu der Auffassung verleiten, es ginge um Wahrheit oder Falschheit von empirischen Erkenntnissen, denn diese betrfen die „Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach“, wovon natrlich keine allgemeinen Bedingungen anzugeben sind. Sondern es geht um die Bedingungen, ohne die empirische Erkenntnis, und das meint hier schlicht Erkenntnis von Gegenstnden, berhaupt nicht mçglich wre. Spezifischer heißt dies: Es geht um die formalen Bedingungen dafr, dass es berhaupt „bereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt“ geben kann. Wie kann also Erscheinung als das von den Vorstellungen der Apprehension unterschiedene Objekt derselben verstanden werden? Da kein

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„natrlicher“ Ebenenunterschied zwischen Vorstellung und Objekt, zwischen Erscheinung und ihrer Apprehension besteht, kann ein solcher Ebenenunterschied nur „knstlich“ erzeugt werden: durch die Anwendung einer formalen Regel. Die Erscheinung wird von ihrer Vorstellung als das von ihr unterschiedene Objekt vorgestellt, dadurch dass sie unter einer Regel steht. Was bedeutet es aber, dass eine Erscheinung unter einer Regel steht? Da Erscheinung „vor“ der Regelanwendung nichts anderes ist als subjektive Vorstellung, oder besser: eine Reihe subjektiver Vorstellungen, ist sie zunchst einmal identisch mit der Apprehension eines Mannigfaltigen. Was einer Regel unterworfen ist, ist nicht irgend ein materialer Aspekt von Erscheinung, sondern ihre Apprehension, oder die Ordnung ihrer Apprehension selbst, – also die Art der Verbindung des Mannigfaltigen, insofern dieses apprehendiert wird. Indem die Ordnung einer Apprehension einer Regel unterworfen wird, kann sie von „jeder anderen Apprehension“ unterschieden werden. Der Unterschied von objektiv bestimmter Erscheinung und subjektiver Vorstellung betrifft also nicht den Unterschied verschiedener Entitten, sondern die Unterscheidbarkeit von subjektiver Vorstellung und Objekt derselben ist zurckfhrbar auf einen anderen Unterschied: den verschiedener Weisen der Apprehension eines Mannigfaltigen nach formalen Regeln. Dies ist ein anderer Unterschied, da er zunchst einmal nichts mit der Differenz von Vorstellung und vorgestelltem Objekt zu tun hat, sondern sich auf verschiedene Arten der Objektkonstitution bezieht. Was Kant hier aber im Auge hat, ist nicht so sehr diese Verschiedenheit in der Art der Regelanwendung, sondern dass berhaupt Regeln angewendet werden, und so – als sekundrer Unterschied – eine regelgeleitete von einer bloßen Apprehension unterschieden werden kann.48 48 Hier handelt es sich im Grunde um zwei verschiedene Strategien. Im Fokus der Zeitproblematik lassen sich diese wie folgt darstellen: Geht man davon aus, dass eine objektive Folge von Ereignissen unterscheidbar sein muss von der subjektiven Folge ihrer Wahrnehmungen, wird man darauf rekurrieren, dass eine regelgeleitete Synthesis der Apprehension unterschieden werden kçnnen muss von der bloßen Synthesis der Apprehension als solcher, die jederzeit gleichermaßen sukzessiv ist. Geht man andererseits davon aus, dass eine objektive Folge von Ereignissen unterscheidbar sein muss von einer objektiven Gleichzeitigkeit an Gegenstnden, so wird man unter der Voraussetzung, dass die Synthesis der Apprehension jederzeit sukzessiv ist, rekurrieren mssen auf die Anwendung verschiedener Regeln auf jene Synthesis, solche, die objektive Folgen, und solche, die objektives Zugleichsein garantieren. Im ersten Fall geht es darum, wie wir uns objektive Zeitverhltnisse berhaupt vorstellen kçnnen, im zweiten Fall darum, wie verschiedene Zeitverhltnisse voneinander unterscheidbar sind. Nach der zweiten Strategie impliziert

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Nun ist es durchaus plausibel anzunehmen, dass der Ebenenunterschied von Vorstellung und Objekt, wenn es sich bei beiden letztlich um dieselben Entitten handelt, nur durch Regelanwendung zustande kommen kann, und dadurch eine bloße Apprehension zumindest interpretatorisch unterschieden werden kann von einer objektiv bestimmten Apprehension nach einer Regel. Doch kçnnen wir auch sagen, dass beide derart voneinander unterschieden sind, dass sie real aufeinander bezogen werden kçnnen? Oder geht nicht vielmehr die subjektive Folge der Apprehension restlos in ihrer Objektivierung auf ? Handelt es sich hier, wie wir unterstellt und gefordert hatten, tatschlich um eine reale Differenz von Vorstellung und vorgestelltem Gegenstand? Zur Beantwortung dieser Frage ist es sinnvoll, der oben zitierten Passage zum Gegenstandsbezug folgende berlegungen zur Seite zu stellen, die Kant nur wenig spter zum selben Zusammenhang ausformuliert: Wir haben Vorstellungen in uns, deren wir uns auch bewußt werden kçnnen. Dieses Bewußtsein aber mag so weit erstreckt, und so genau oder pnktlich sein, als man wolle, so bleiben es doch nur immer Vorstellungen, d.i. innre Bestimmungen unseres Gemts in diesem oder jenem Zeitverhltnisse. Wie kommen wir nun dazu, daß wir diesen Vorstellungen ein Objekt setzen, oder ber ihre subjektive Realitt, als Modifikationen, ihnen noch, ich weiß nicht, was fr eine, objektive beilegen? (B242/A197)

Hier ist noch einmal die Ausgangslage klar zusammengefasst: Wir haben es, wenn wir nach der Genese objektiver Erkenntnis fragen, als „Material“, auf das wir uns beziehen kçnnen, ausschließlich mit subjektiven Vorstellungen zu tun, und die Frage ist, wie dieses Material so modifiziert werden kann, dass das, was nur subjektive Realitt hat, objektive Realitt gewinnt. Wie Kant im folgenden Abschnitt noch einmal wiederholt, ntzt es dabei auch nichts, Vorstellungen aufeinander zu beziehen: Objektive Bedeutung kann nicht in der Beziehung auf eine andre Vorstellung (von dem, was man vom Gegenstande nennen wollte) bestehen, denn sonst erneuret sich die Frage: wie geht diese Vorstellung wiederum aus sich selbst heraus, und bekommt objektive Bedeutung noch ber die subjektive, welche ihr, als Bestimmung des Gemtszustandes, eigen ist? (ebd., kursiv v. Verf.) die Verschiedenheit der Regelanwendung, dass wir berhaupt Regeln anwenden: Wrde es nicht verschiedene Zeitverhltnisse geben, so wrden wir gar nicht nach ihren Regeln fragen. Subjektive Wahrnehmung und objektive Zeitlichkeit wren identisch. Gbe es nicht Flle, in denen wir Dinge zugleich wahrnehmen, so kmen wir gar nicht auf die Idee, dass es zunchst nur unsere Wahrnehmung ist, die sukzessiv ist.

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Wie kommt also die „objektive Bedeutung“ von Vorstellungen zustande? Sie kann nur dadurch zustande kommen, dass unsere Vorstellungen auf einen Gegenstand bezogen werden. Und worin besteht dieser Bezug auf einen Gegenstand? Wenn wir untersuchen, was denn die Beziehung auf einen Gegenstand unseren Vorstellungen fr eine neue Beschaffenheit gebe, und welches die Dignitt sei, die sie dadurch erhalten, so finden wir, daß sie nichts weiter tue, als die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen; daß umgekehrt nur dadurch, daß eine gewisse Ordnung in dem Zeitverhltnisse unserer Vorstellungen notwendig ist, ihnen objektive Bedeutung erteilet wird. (ebd.)

Interessant ist hier zunchst, dass die „Beziehung auf einen Gegenstand“ als eine Modifikation unserer Vorstellungen eingefhrt wird, die ihnen eine neue Beschaffenheit bzw. Dignitt gibt. Diese Dignitt ist ihre objektive Bedeutung. Das heißt nun ganz klar, dass unsere subjektiven Vorstellungen als solche erhalten bleiben, sie erhalten lediglich eine neue Beschaffenheit, indem sie auf einen Gegenstand bezogen werden. Diese Gegenstandsbeziehung beruht, wie oben, darauf, „die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen“. Entscheidend aber ist, dass sich hier die Strategie geringfgig, doch in einem wesentlichen Aspekt, gendert hat. Oben sah es so aus, als wrde durch die Regelanwendung zwar ein Unterschied von Vorstellung und Gegenstand erzeugt, aber kein Unterschied, der auch einen realen Bezug der Vorstellung auf ihren Gegenstand gestatten wrde. Nun sehen die Dinge schon positiver aus: denn nimmt man obiges Zitat beim Wort, dann wird – umgekehrt – der Unterschied von Subjektivem und Objektivem allererst durch einen Bezug erzeugt. 3.2.2. Die zwei Bedeutungen des transzendentalen Gegenstandes Alles kommt demnach darauf an, zu sehen, dass die Anwendung apriorischer Regeln tatschlich so verstanden werden kann, dass sie eine Beziehung auf einen Gegenstand herstellt, – und nicht etwa subjektives sinnliches Material unmittelbar in einen Gegenstand „verwandelt“. Dabei hngt natrlich wiederum alles davon ab, was in diesem Zusammenhang unter dem Begriff „Gegenstand“ zu verstehen ist. Zwei Bedeutungen scheiden nach dem Gesagten von vornherein aus: Ding-an-sich und Vorstellung als Bewusstseinsinhalt. Da die Herstellung der Beziehung auf einen Gegenstand hier als die Anwendung von Regeln definiert ist, tun wir gut daran, uns zu erinnern, warum Kant die Anwendung solcher Regeln – unabhngig

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von den spezifischen Problemen, mit denen wir es hier zu tun haben – berhaupt fr notwendig hlt. Denn damit erhalten wir schon die erste – auch fr den jetzigen Zusammenhang maßgebliche – Bedeutung des Begriffs „Gegenstand“. Diese erste Bedeutung hat mit den Bedingungen dafr zu tun, dass etwas berhaupt als Gegenstand unseres Bewusstseins, und zwar im Zusammenhang mit der Einheit unseres Selbstbewusstseins, auftreten kann.49 Diese Bedingungen bestanden laut transzendentaler Deduktion ganz grob darin, dass etwas (gegebenes Mannigfaltiges) nur dann zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden kann, wenn es nach apriorischen Regeln verbunden (und so zur synthetischen Einheit gebracht) wird. Dabei war Selbstbewusstsein als mçgliches Gegenstandsbewusstsein konzipiert: Wir kçnnen uns unserer Gegenstnde der Erfahrung als solcher nur bewusst werden, wenn wir das, was in sie eingeht, selbst nach apriorischen Regeln verbunden haben. Dadurch, dass wir sinnlich Mannigfaltiges bestimmten Regeln unterwerfen, beziehen wir dieses Sinnliche auf ein gedachtes Objekt. Das gedachte Objekt ist dabei zunchst einmal nichts anderes als ein Korrelat der Einheit des Selbstbewusstsein selbst: der transzendentale Gegenstand, der, wenn man so will, den Schnittpunkt aller apriorischen Regeln bezeichnet, die notwendig sind, um ein gegebenes Mannigfaltiges zu objektiver Einheit zu verbinden und damit dem Selbstbewusstsein zugnglich zu machen. In gewisser Weise beziehen wir also ein Mannigfaltiges von Vorstellungen, in dem wir es jenen apriorischen Regeln unterwerfen, auf uns selbst, bzw. die Einheit unseres Bewusstseins (vgl. A110). Dass wir Sinnliches auf ein Objekt beziehen, bedeutet also zunchst einmal, dass wir es den Bedingungen unseres Selbstbewusstseins gemß machen. Damit wird schlicht ermçglicht, dass es zum Gegenstand unseres Bewusstseins wird, wobei Gegenstand des Bewusstseins meint, dass wir uns 49 Wobei das, was hier mit „Gegenstand des Bewusstseins“ gemeint ist, nicht zu verwechseln ist mit jenen Wendungen aus den eben behandelten Passagen, wo es um Vorstellungen als Bewusstseinsinhalte ging. Denn dort ging es Kant lediglich um Vorstellungen, insofern sie durch andere Vorstellungen zum Gegenstand gemacht werden. Es ging also um Beziehungen von Vorstellungen untereinander, ein Thema, das fr Kant (im Gegensatz etwa zu zeitgençssischen Theorien der „second-order-representation“) weder zur Beantwortung der Frage nach dem Selbstbewusstsein noch dem Gegenstandsbewusstsein im Geringsten beitrgt. Im Gegensatz zu solchen Fragen des empirischen Bewusstseins oder Selbstbewusstseins, haben wir es hier mit dem Thema des reinen Selbst- und Gegenstandsbewusstseins zu tun.

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sinnlicher Vorstellungen als der unseren bewusst werden kçnnen. Dies ist nun allerdings erst die halbe Wahrheit, wir haben es nur mit einem Aspekt des Komplexes Selbst-und Gegenstandsbewusstsein zu tun, den man als den der „Selbstzuschreibung“ von Vorstellungen bezeichnen kçnnte. Was beachtet werden muss, ist, dass die apriorischen Regeln nicht nur notwendig sind, um je und je etwas zur Einheit des Selbstbewusstseins zu bringen, sondern dass alles, was wir uns selbst als Gegenstand unserer Vorstellung zuschreiben kçnnen sollen (um uns in diesem Sinn berhaupt erst bewusst zu werden), auch untereinander nach diesen Regeln verbunden sein muss, um eine einheitliche Erfahrung zu generieren, die wir als die unsrige betrachten kçnnen. Erst dadurch kommt die eigentliche Bedeutung der Kategorien als Synthesisregeln zum Tragen. Die Kategorien sind nicht nur dafr verantwortlich, etwas – fr sich – mit dem Selbstbewusstsein in Beziehung zu setzen, sondern auch alle Instanzen, die mit ihm in Beziehung gesetzt werden, untereinander in Verbindung zu bringen, und dadurch allererst Einheit der Erfahrung zu gewhrleisten. Erst dadurch wird ein Objekt von einem bloßen Objekt des Bewusstseins (ein Objekt, dessen Vorstellung wir uns selbst zuschreiben kçnnen), zu einem Objekt, das in geregelten Zusammenhngen mit anderen Objekten in einer einheitlichen – objektiven – Erfahrung steht.50 50 Die zwei Bedeutungsweisen ließen sich auf die zwei Beweisschritte der B-Deduktion beziehen, so fern man den Zweiten Beweisschritt, wie Henrich, als die Aufhebung einer Restriktion liest, solcherart, dass durch den ersten Schritt nur gezeigt wrde, dass alles den Kategorien unterliegt, was und insofern es zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht wird, in dem zweiten Schritt diese Einschrnkung aber aufgehoben wrde, dadurch dass gezeigt wird, dass alle unserer sinnlichen Anschauungen qua Formen der Anschauung durch deren Objektivierung zu formalen Anschauungen der objektiven Einheit der Apperzeption unterworfen werden. Unter dieser Perspektive sollte beachtet werden, dass der erste Beweisschritt dann streng genommen nur mit den Bedingungen zu tun hat, unter denen etwas Gegenstand des Bewusstseins ist und erst der zweite Beweisschritt die Bedingungen dafr klrt, dass etwas auch Gegenstand der Erfahrung ist. Denn ein solcher kann er nur sein, wenn er im Zusammenhang mit anderen mçglichen Objekten in der formalen Anschauung bestimmt werden kann. Nur nach dem ersten Beweisschritt wrden wir uns einen objektiven Ausschnitt aus unserer sinnlichen Vorstellungen herausbilden, es kçnnte auch sinnliche Vorstellungen geben, die unseren Verstandesbedingungen nicht gemß sind. Dann wre aber unsere Objektivierung des Sinnlichen vollstndig willkrlich. Von der Textlage her wre eine solche Interpretation mçglich. Nach dem Ersten Beweisschritt, der zeigt, dass das „mannigfaltige in einer sinnlichen Anschauung Gegebene“ notwendig unter die synthetische Einheit der Apperzeption gehçrt und damit endet, dass „alles Mannigfaltige, so fern es in Einer empirischen Anschauung gegeben ist, in An-

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Dass wir ein Objekt denken, bedeutet also bisher zweierlei: dass wir Sinnliches berhaupt durch Anwendung von Regeln zur Einheit des Selbstbewusstseins bringen, und dass wir dies nicht in Isolation tun, sondern solcherart, dass alle sinnlichen Vorkommnisse untereinander nach eben jenen Regeln miteinander verbunden werden, so dass alles, was wir als Objekt denken, in notwendigem Zusammenhang mit anderen Objekten innerhalb einer objektiven Erfahrung steht. Wie haben wir nun vor diesem Hintergrund unsere Frage zu verstehen, wie Sinnliches durch Regelanwendung auf ein Objekt bezogen wird? Wichtig ist hier, zu sehen, dass der genannte zweite Aspekt fr die Beantwortung unserer Frage der ausschlaggebende ist. Denn wrde die Synthesis nach kategorialen Regeln nur darin bestehen, jeweils ein Mannigfaltiges von Vorstellungen zur objektiven Einheit des Selbstbewusstseins zu bringen, um es zum Gegenstand unseres Bewusstseins zu machen, dann wre nicht recht einzusehen, inwiefern diese Regelanwendung plausibel als die Herstellung der Beziehung auf einen Gegenstand gedeutet werden soll. Denn erstens wrde dieser Gegenstandsbezug lediglich darin bestehen, dass wir etwas mit der Einheit unseres Bewusstseins selbst in Beziehung setzen und zweitens, und hier besteht das eigentliche Problem, gengt es unter diesem Selbstzuschreibungsaspekt, auf die Synthesis nach Regeln als einem aktualen und begrenzten Prozess zu rekurrieren: Unter diesem Aspekt ist nmlich lediglich von Belang, dass sinnlich Mannigfaltiges jeweils fr sich genommen unter der objektiven Einheit der Apperzeption zu stehen kommt. Es wrde sich dabei aber um einen Prozess handeln, der nur damit zu tun hat, Mannigfaltiges zu objektiver Einheit zu bringen, aber vçllig unbercksichtigt lsst, dass die Regelanwendung sich natrlich nicht auf das jeweils Verbundene beschrnkt und mit der Herstellung jeweils eines synthetischen Produktes gesttigt wre, sondern dass die Regelanwendung wesentlich weiter ausgreift. Schließlich hat die Regelanwendung nicht einzelne Objekte zu konstituieren, die nichts miteinander gemein htten, sondern Objekte, die miteinander in Beziehungen einer objektiven Ersehung einer der logischen Funktionen zu urteilen bestimmt [ist], durch die es nmlich zu einem Bewusstsein berhaupt gebracht wird“ (§20, kursiv v. Verf.), steht im Zweiten Beweisschritt die Mçglichkeit zu erklren, „durch Kategorien die Gegenstnde, die nur immer unseren Sinnen vorkommen mçgen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung nach, a priori zu erkennen, also der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben und sie so gar mçglich zu machen. Denn ohne diese ihre Tauglichkeit wrde nicht erhellen, wie alles, was unseren Sinnen nur vorkommen mag, unter den Gesetzen stehen msse, die a priori aus dem Verstande allein entspringen“ (§26, kursiv v. Verf.).

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fahrung stehen. Dies erst macht sie von Bewusstseinsgegenstnden zu Erfahrungsgegenstnden. 3.2.3. Die drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes Um diesen Punkt zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, die Unterscheidung der drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes, wie sie fr die Substanzproblematik ausgefhrt wurde, auch auf die jetzige Problemstellung zu applizieren. Dies ist deswegen ntzlich, weil nach dem genannten ersten Aspekt der Eindruck entstehen kçnnte, als handelte es sich bei der Herstellung des Gegenstandsbezugs um die Herstellung des Bezugs auf jeweils einen einzelnen Gegenstand (als einzelner Gegenstand des Bewusstseins). Zur Korrektur dieses Missverstndnisses muss man sich, wie anhand des Substanzproblems deutlich wurde, daran erinnern, dass die Kategorien zunchst einmal nicht das Denken des einzelnen Gegenstandes, sondern das Denken von Gegenstndlichkeit berhaupt zu ermçglichen haben. Um das Ganze nun nicht wieder kurzzuschließen mit dem ersten Aspekt des Gegenstandsbezugs, der nur in der mçglichen Selbstzuschreibung unserer Vorstellungen lag, ist es sinnvoll, die Bedeutung des „transzendentalen Gegenstandes“, in seiner sinnlichen Realisierung (also in der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit) auseinanderzudifferenzieren in die drei Ebenen der Objektivierung, die wir eingefhrt hatten (einzelner Gegenstand, Beziehungen von Gegenstnden und formale Anschauung), und die nur zusammen bei der Anwendung auf die Sinnlichkeit die volle und eigentliche Bedeutung von „Objektivitt“ garantieren kçnnen, welche unter dem Begriff „transzendentaler Gegenstand“ nur sehr abstrakt zum Ausdruck gebracht ist. Ein solches Programm msste sich anhand der Problematik der Zweiten Analogie sogar besonders gut veranschaulichen lassen, weil es hier nicht, wie in der Ersten Analogie, um eine bloße Bedingung von Zeitverhltnissen geht, sondern um jene Zeitverhltnisse selbst. Damit geht es aber um Aspekte von Gegenstndlichkeit, die von vornherein nicht nur einen einzelnen Gegenstand oder aber nur die Beziehungen von Gegenstnden untereinander betreffen kçnnen. Denn im Ergebnis werden wir, unter den Voraussetzungen, die Kant trifft, sagen mssen, dass eine objektiv-zeitliche Beziehung zwischen Gegenstnden nur durch die Anwendung der Kausalittskategorie zustande kommen kann (wie stark vermittelt diese Beziehung auch sein mag), und dass andererseits auch der einzelne Gegenstand, was sein Dasein in der Zeit anbelangt, schon fr sich genommen als zeitliches Ereignis anzusehen ist, – das ein solches aber wie-

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derum nur dadurch ist, dass es eine Position in der Zeit einnimmt, und damit notwendigerweise in Beziehungen zu anderen Ereignissen in derselben Zeit steht. Genau genommen ist auch hier die Frage, was wir als einen einzelnen, hier zeitlichen, Gegenstand betrachten, eine fr die transzendentallogische Problemlage kontingente. Dies findet seinen Ausdruck darin, dass Kant in der Zweiten Analogie von Gegenstandsbezug nur in der oben charakterisierten Weise (von der Herstellung der Beziehung auf einen Gegenstand berhaupt und der objektiven Bedeutung, die unsere Vorstellungen dadurch erhalten) spricht. Wenn es aber um konkrete zeitliche Ereignisse geht, vermeidet er es bis auf wenige Ausnahmen, von (einzelnen) zeitlichen Gegenstnden oder Beziehungen solcher Gegenstnde zu sprechen, und whlt statt dessen solch scheinbar unverfngliche Formulierungen wie „objektive Folge der Erscheinungen“, oder „Zustand der Dinge“, oder schlicht „Geschehen“ oder „Begebenheit“. Dabei ist gerade die sehr vage Formulierung „Zustand der Dinge“, die aus dem B-Zusatz stammt, geeignet, klar zu machen, worum es Kant hier geht bzw. nicht geht. Sie erinnert an die Unverfnglichkeit, mit der Kant in der Ersten Analogie von „Substanz oder Substanzen“ sprach, und findet sich vielleicht nicht ganz zufllig unmittelbar nach einer erinnernden Zusammenfassung der Ergebnisse derselben: Daß alle Erscheinungen der Zeitfolge insgesamt nur Vernderungen, d.i. ein sukzessives Sein und Nichtsein der Bestimmungen der Substanz seien, die da beharret, folglich das Sein der Substanz selbst, welches aufs Nichtsein derselben folgt, oder das Nichtsein derselben, welches aufs Dasein folgt, mit anderen Worten, daß das Entstehen oder Vergehen der Substanz selbst nicht stattfinde, hat der vorige Grundsatz dargetan. (B232 f.)

Ein zeitliches Geschehnis ist also zunchst einmal eine Vernderung an einer Substanz. Nun fragt sich, ob damit die Eine Substanz gemeint ist, oder eine Substanz, von der es eine Pluralitt geben kçnnte. Im Gegensatz zu dieser Stelle, bei der man zumindest vermuten kann, dass Kant sich auf die Eine Substanz bezieht, scheint er am Ende der A-Auflage von Substanzen in der Mehrzahl auszugehen, denn dort beschreibt er die Zustandsvernderung einer Substanz als die eines Dinges (vgl. B253). Wie wir aber im letzten Kapitel gesehen hatten, muss das Konzept von mehreren Substanzen zurckfhrbar sein auf das Konzept der Einen Substanz. Denn auch wenn wir eine Mehrzahl von (relativ-beharrlichen) Substanzen im Sinne von „Dingen“ zulassen, dann mssen diese letztlich, um als Gegenstnde in einer einheitlichen Erfahrung fungieren zu kçnnen, bezogen werden kçnnen auf eine (absolut beharrliche) Substanz.

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Aus dieser Perspektive ist es willkrlich, an welcher Entitt wir eine objektive Vernderung festmachen, oder was in der Folge objektiver Ereignisse als einzelner Gegenstand anzusehen ist. Sinnvoller als von zeitlichen Gegenstnden auszugehen, ist es von daher, wie Kant, vom Dasein der Erscheinungen in der Zeit zu sprechen. Unter dieser Formulierung tritt auch gleich die volle Bedeutung der dritten Objektivierungsebene (und zwar als einer, die die anderen beiden Ebenen in sich beinhaltet) zu Tage. Denn dass wir einer Erscheinung ein bestimmtes Dasein in der Zeit zuschreiben, setzt voraus, dass wir diese Erscheinung nicht nur fr sich und im Verhltnis zu anderen Erscheinungen bestimmen, sondern mit der Zeit selbst, als Form der Anschauung, in Beziehung setzen und sie darin positionieren. Oder kurz: Der gegenstndliche Aspekt, um den es hier geht, die objektive zeitliche Bestimmung der Erscheinung, ergibt sich nur im Rekurs auf die Form der Anschauung selbst. Auch wenn nun fr Kant im Rahmen der Zweiten Analogie das „Dasein der Erscheinungen in der Zeit“ und somit die dritte Objektivierungsebene im Vordergrund steht, und klar ist, dass jene Ebene die anderen beiden Objektivierungsebenen in sich enthalten muss, so ist (aufgrund der eben genannten Vagheit in Bezug auf die Festsetzung dessen, was als eine sinnlich gegebene Entitt anzusehen ist) weniger klar, wie die erste und zweite Ebene untereinander in Beziehung stehen, bzw. welche Rolle die zweite Ebene berhaupt spielt. Es kçnnte der Eindruck entstehen, als ginge es Kant ausschließlich um die zeitliche „Verortung“ jeweils eines einzelnen Ereignisses in der Zeit selbst (also um die Vermittlung der ersten und dritten Ebene unter Vernachlssigung der zweiten Ebene). Dem entspricht, wie wir eben gesehen haben, dass Kant die Frage nach einer oder mehreren Substanzen, an welchen sich eine Vernderung vollzieht, im Rahmen der Zweiten Analogie bewusst ausklammert. Alles in allem sieht es also so aus, als wrde es Kant nur darum gehen, zu erklren, wie ein einzelnes sinnliches Ereignis im Verhltnis zur Zeit bestimmt werden kann. Wie verhlt es sich dann aber mit Beziehungen zwischen verschiedenen Ereignissen in ein- und derselben Zeit? Nun ist relativ klar, dass auch verschiedene Ereignisse letztlich in zeitlichen Beziehungen miteinander stehen mssen. Je nachdem, ob man bei der Erklrung eines einzelnen Ereignisses oder der Beziehung zwischen Ereignissen ansetzt, ergeben sich aber ganz verschiedene Konsequenzen fr das Verstndnis des fr jene Erklrungen zu veranschlagenden Kausalprinzips. Idealtypisch lassen sich dabei zwei verschiedene Modelle unterscheiden, die beide im Kantischen Text fundiert sind. Nach dem ersten Modell, das unter dem Stichwort „event-event-causality“ diskutiert wird, geht es

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darum, das objektive Aufeinanderfolgen zweier Ereignisse a und b durch Anwendung der Kausalittskategorie zu erklren. Nach dem zweiten Modell, das wir als „single-event“-Modell bezeichnen wollen, geht es hingegen darum, das objektive Aufeinanderfolgen zweier Zustnde A und B in einem Ereignis durch das Kausalprinzip zu begrnden. Diese verschiedenen Modelle ergeben nun zwei vçllig unterschiedliche Interpretationen des „Ursache-Wirkungs-Verhltnisses“: Nach dem ersten Modell muss ein Ereignis a als die Ursache von Ereignis b angesehen werden. Nach dem zweiten Modell hingegen geht es darum, ein bestimmtes einzelnes objektives Ereignis (die Vernderung von A zu B beispielsweise an a) als eine nach dem Kausalprinzip bestimmte zu interpretieren, so dass das Ereignis selbst (Geschehen, Begebenheit) als durch eine – soweit noch anonyme – Ursache bewirkt aufgefasst werden kann (vgl. Allison 2004, S. 248, Guyer 1987, S. 240). Der Nachteil des ersten („event-event“) Modells liegt auf der Hand: Nehmen wir zwei Ereignisse nacheinander wahr, so wre es absurd zu sagen, dass das erste Ereignis notwendigerweise die Ursache des zweiten Ereignisses ist, wie das erste Modell zu implizieren scheint (vgl. dazu schon Schopenhauer 1847, §23). Dieses Problem besteht im zweiten („single event“) Modell nicht. Denn die objektive Folge der Zustnde A und B als eine kausal bewirkte zu interpretieren bedeutet nicht, dass Zustand A die Ursache von Zustand B ist. Wie Watkins dargelegt hat, sind fr Kant, im Gegensatz etwa zu Hume, Ereignisse niemals Zustnde (an Substanzen) zu einer bestimmten Zeit, sondern immer Vernderungen von einem Zustand in einen anderen (vgl. 2005, S. 236). Das bedeutet letztlich, dass wir ein Ereignis oder eine Zustandsvernderung (und nicht etwa einen Zustand) selbst als Wirkung einer (bisher unbekannten) Ursache interpretieren mssen. Das heißt, es muss letztlich irgendeine Ursache fr das Ereignis (Zustandsvernderung von A zu B) geben, ohne dass wir diese Ursache selbst wahrnehmen mssten, um das objektive Ereignis wahrnehmen, bzw. als kausalbestimmt interpretieren zu kçnnen. (vgl. auch Guyer 1987, S. 240, Allison 2004, S. 248 u. 254). Nach allem scheint es, dass das zweite Modell klar zu favorisieren wre. Es vermeidet die Problematik des ersten Modells und wird der Intuition gerecht, dass wir Ursachen nicht unbedingt vor (oder zugleich mit) ihren Wirkungen wahrnehmen mssen, und umgekehrt, dass nicht alles, was wir frher als etwas anderes wahrnehmen, dessen Ursache sein muss. Außerdem wre es aus transzendentallogischer Perspektive zunchst einmal durchaus hinreichend, wenn wir lediglich postulieren mssen, dass es fr jedes Ereignis eine Ursache geben muss, ohne dass wir uns deswegen dazu verpflichten mssen, zu wissen, was dessen Ursache ist. Doch sind der

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Erklrungskraft des zweiten Modells enge Grenzen gesetzt. Denn genau genommen erstreckt sich diese lediglich auf das, was sich als die erste Objektivierungsebene in Bezug auf Sinnliches ausgezeichnet hat: den einzelnen Gegenstand qua sinnliches Ereignis (bzw. einem Ereignis an einem einzelnen Gegenstand). Bei aller Problematik des „event-event“Modells mssen wir aber doch zumindest in der Lage sein, das Kausalprinzip auch in irgendeiner Weise heranzuziehen, um zu erklren, wie zeitliche Ereignisse objektiv auf die ihnen vorhergehenden Ereignisse bezogen sind, auch wenn nicht in jedem Fall die Wahrnehmung eines vorhergehenden Ereignisses notwendig ist, oder ein wahrgenommenes, vorhergehendes Ereignis selbst die Ursache des ihm folgenden zu sein braucht. Wir mssen zumindest diejenigen Flle erklren kçnnen, wo ein bestimmtes Ereignis tatschlich die Ursache des ihm folgenden ist (ohne behaupten zu mssen, dass dies fr alle Flle so ist). Wir mssen also Flle wie diesen erklren kçnnen: die Bewegung einer Billardkugel a (Zustandsvernderung von A nach B) ist die Ursache der Bewegung einer von ihr angestoßenen Billardkugel b (mit einer analogen Zustandsvernderung). Fassen wir unser bisheriges Vokabular zusammen: i) Ereignisse (Zustandsvernderungen von A zu B an einem Gegenstand) mssen fr sich genommen als Wirkungen aufgefasst und als nach dem Kausalprinzip verursacht interpretiert werden kçnnen. ii) Ereignis a (Zustandsvernderung von A zu B an einem Gegenstand) muss als Ursache fr Ereignis b (Zustandsvernderung von C zu D an einem anderen Gegenstand) interpretiert werden kçnnen. Die Formulierung (ii) muss so verstanden werden kçnnen, dass Ereignis a nicht notwendigerweise wahrgenommen wird und dass es auch ein Ereignis a’ geben kçnnte, das dem Ereignis b vorhergeht, ohne dessen Ursache zu sein. Darin liegt der Vorzug des „single-event“-Modells: Es muss ausreichen, Ereignis b wahrzunehmen, um sagen zu kçnnen, dass dieses nach dem Kausalprinzip verursacht worden sein muss. Die berechtigte Forderung des „event-event“-Modells formuliert sich dagegen dahingehend, dass es zumindest mçglich sein muss, ein ihm vorhergehende Ereignis a (und nicht etwa a’) als dessen Ursache zu interpretieren.51 51 Woher wissen wir aber, dass a und nicht a’ die Ursache von b ist? Dies wissen wir nur, wenn wir entweder ein bestimmtes Kausalgesetz kennen, nach dem Typen von Ereignissen, zu denen a gehçrt, jederzeit Typen von Ereignissen, zu denen b gehçrt, verursachen, oder wenn wir ohne ein solches Kausalgesetz explizit zu kennen, hinreichend oft wahrgenommen haben, dass b-Ereignisse nach a-Ereignissen folgen. In beiden Fllen handelt es sich um eine induktive Verallgemeinerung, die

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Nach all dem ist es im Rahmen der Zweiten Analogie naheliegend, wenn auch nicht zwingend, unter den eben gemachten Einschrnkungen davon auszugehen, dass die Ursachen fr Ereignisse nichts Anonymes, sondern etwas selbst in der Sinnlichkeit Verortetes sind: dass nmlich Ereignisse als die Ursachen von anderen Ereignissen aufzufassen sind. Und nicht nur die Zweite, sondern auch die Dritte Analogie, darauf werden wir in Kap. II.3.3. ausfhrlich einzugehen haben, legt es nahe, dass Ereignisse nicht lediglich fr sich genommen als durch das Kausalprinzip verursacht gedacht werden drfen, sondern dass die Ursachen fr sie tatschlich in der Sinnlichkeit ausgemacht werden mssen. Denn das Prinzip der Wechselwirkung, das Kant dort fr den Modus des Zugleichseins verantwortlich macht, wird es unter der Voraussetzung, dass es „Substanzen“ sind, deren Zugleichsein in der Zeit erklrt werden soll, mit sich bringen, dass diese Substanzen solcherart in Beziehung miteinander stehen, dass eine Substanz die Ursache fr Vernderungen an der anderen Substanz und umgekehrt, enthlt. Unglcklicherweise geraten wir aber gerade durch die Heranziehung der Dritten Analogie, die bei oberflchlicher Betrachtung die Favorisierung eines „event-event“-Modells gegenber einem „single-event“Modell deswegen untersttzen wrde, weil Ersteres eine auch fr die Dritte Analogie wesentliche Verortung von Ursachen in der Sinnlichkeit zulsst, in ein schwerwiegendes Problem. entweder in der Formulierung von empirischen Kausalgesetzen gipfelt, oder zumindest den Ansatz dazu bildet. Klarerweise gilt jedoch fr Kant, dass ein solches implizites oder explizites Wissen um empirische Kausalgesetze nicht vorausgesetzt werden darf, um eine objektive Vernderung von einer bloß subjektiven zu unterscheiden, und so ein Ereignis (oder die Beziehungen von Ereignissen) als objektiv wahrzunehmen oder zu interpretieren (Dies spricht gegen das sogenannte „same event same cause-principle“, und fr die Vereinbarkeit des „event-event“Modells mit dem“ every event some cause principle“, vgl. dazu Guyer 1987, S. 240 und Allison 2004, S. 246 ff.). Die Implementierung der berechtigten Forderungen des ersten Modells in das zweite Modell hat demnach lediglich zur Folge, dass wir – so scheint es – gezwungen sind, zu sagen, dass wir zu jedem Ereignis b, das wir als Wirkung tatschlich wahrnehmen, ein anderes Ereignis a als dessen Ursache annehmen mssen. Weder mssen wir Ereignis a wahrnehmen, noch mssen wir wissen, dass und warum a-Ereignisse b-Ereignisse verursachen. Denn unsere Kenntnis von bestimmten Ursache-Wirkungsbeziehungen ist eine rein empirische Angelegenheit der induktiven Verallgemeinerung. Dass wir a-Ereignisse nicht wahrnehmen mssen, heißt also, dass wir lediglich denken mssen, dass es ein entsprechendes Ereignis gibt, bzw. gegeben hat, wenn wir ein Ereignis b wahrnehmen. Zur Diskussion ber die Bedeutung von empirischen Kausalgesetzen fr die Zweite Analogie: Vgl. Guyer 1987, insb. S. 252 ff. und Allison 2004, S. 256 ff.

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Bei genauerer Betrachtung nmlich, dies hat Watkins eingehend dargelegt, ist das „event-event“-Modell unvereinbar mit der in der Dritten Analogie ausgefhrten Auffassung einer Wechselwirkung von Substanzen (vgl. 2005, S. 231 u. 237). Denn die Vereinigung beider htte zur Folge, dass wir das an einer Substanz, was als Ursache fr Vernderungen an einer anderen Substanz anzusehen ist, als Ereignis betrachten mssen. Da sich aber Substanzen gegenseitig nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung beeinflussen sollen, in dem jede die Ursache fr Vernderungen in der anderen enthlt, mssten wir davon ausgehen, dass es eine zweiseitige Kausalbeziehung zwischen Ereignissen gibt. Ein Ereignis a (Zustandsvernderung von A zu B an der ersten Substanz) muss Ereignis b (Zustandsvernderung von C zu D an der zweiten Substanz) verursachen, und umgekehrt muss Ereignis b Ereignis a verursachen. Dies ist aber, wenn man davon ausgeht, dass eine Wirkung spter als ihre Ursache sein muss, ein offensichtlicher Widerspruch, denn dann msste ein Ereignis gleichzeitig frher und spter als das andere Ereignis sein (vgl. Watkins 2005, S. 238 f.). Eine detailliertere Untersuchung des „event-event“-Modells im Zusammenhang mit der Dritten Analogie sei dem damit befassten folgenden Kapitel vorbehalten. Fr jetzt kommt es lediglich darauf an, festzuhalten, dass das Modell, nach dem Ereignisse als die Ursachen von anderen Ereignissen aufzufassen sind, zwar aus einer eher phnomenologischen Perspektive fr die Zweite Analogie einiges an Plausibilitt besitzt, aber unvereinbar ist mit der Kausalittsauffassung, die Kant in der Dritten Analogie im Hinblick auf die Wechselwirkung von Substanzen entwickelt. Von daher sind wir gut damit beraten, uns auch in der Zweiten Analogie zunchst einmal mit dem Bestand des „single-event“-Modells zu begngen, also mit einer Konstellation, nach der jedes zeitliche Ereignis fr sich genommen als eine nach dem Kausalprinzip verursachte Zustandsvernderung aufgefasst werden muss, ungeachtet der Frage, wie und wo genau die dafr verantwortlich zu machende Ursache verortet werden kann. Was bedeutet dies aber fr unsere Frage nach den Beziehungen zwischen verschiedenen zeitlichen Ereignissen? Wie wir bei der genaueren Betrachtung der Dritten Analogie ebenfalls noch sehen werden, fhrt Kant erst dort eine Dingterminologie ein, welche es erlaubt, in sinnvoller Weise von einer Pluralitt von miteinander in Beziehung stehenden Gegenstnden in der Sinnlichkeit zu sprechen. Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht nur verstndlich, sondern auch gar nicht so unvorteilhaft, dass Kant in der Zweiten Analogie eine genaue Charakterisierung der zeitlich gegebenen Entitten, um die es ihm geht, vermeidet. Wie oben aufgefhrt, spricht Kant in einer Weise, welche die Festlegung auf einen oder mehrere

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sinnliche Gegenstnde vermeidet, in Bezug auf das, was wir als „Ereignisse“ betrachtet haben, von der „objektiven Folge der Erscheinungen“, dem „Zustand der Dinge“, oder schlicht von „Geschehen“ oder „Begebenheit“. Ganz explizit konnten wir dabei das Kausalprinzip nur fr die Erklrung des einzelnen sinnlichen Ereignisses heranziehen. Dass nun die Kategorie der Kausalitt letztlich auf alle sinnlichen Ereignisse, und zwar in einer Weise, welche diese miteinander in Beziehung setzt, Anwendung finden muss, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass Kant, wie oben ebenfalls bereits ausgefhrt, die Anwendung des Kausalprinzips stets so verstanden wissen will, dass dadurch die Zeit selbst als Form der Anschauung bestimmt wird, damit aber automatisch alles zeitlich Gegebene unter den dadurch zustande kommenden objektiven Zeitbestimmungen miteinbegriffen wird. Wir wissen lediglich noch nicht, wie genau verschiedene Ereignisse untereinander in Beziehung stehen mssen, und zwar letztlich deswegen, weil wir noch keine Gegenstandsterminologie zur Verfgung haben, welche genau festlegen wrde, wie wir „Ereignisse“ auf „Gegenstnde“ zu beziehen haben, und was unter den zeitlichen Bedingungen, um die es in der Zweiten Analogie geht, berhaupt als ein einzelner „Gegenstand“ in einer Pluralitt von „Gegenstnden“ anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund mssen wir uns mit Kants vagen Aussagen in Bezug auf das, was wir die zweite Objektivierungsebene genannt haben, begngen, und unter der Annahme, dass diese dadurch miteinbeschlossen ist, uns auf das Verhltnis der ersten und dritten Objektivierungsebene beschrnken. Wir mssen davon ausgehen, dass durch die Positionierung des einzelnen objektiven Ereignisses relativ zur Zeit selbst, dieses automatisch auch in Beziehung mit allen anderen zeitlichen Ereignissen gebracht wird. Dieser Umstand lsst sich am prgnantesten durch eine oben schon bevorzugte Formulierung einfangen: Die volle Bedeutung der dritten Objektivierungsebene in ihrer Beziehung zur ersten Objektivierungsebene, so hatten wir festgestellt, kommt am besten dadurch zum Ausdruck, dass man, statt von einem oder mehreren Ereignissen zu sprechen, mit Kant vom „Dasein der Erscheinungen in der Zeit“ ausgeht. Bringt diese Formulierung doch nicht nur zum Ausdruck, dass jede Erscheinung in Relation zur Zeit selbst gebracht werden muss, indem ihr ein eindeutiges Dasein in dieser zugewiesen wird. Sondern die vage Bezeichnung der sinnlichen Entitten, um die es geht, als „Erscheinungen“ fngt auch in relativ unverfnglicher Weise den Umstand auf, dass sowohl das einzelne „Ereignis“ als auch alle Ereignisse untereinander in Beziehung zur Zeit gebracht werden mssen, ohne dass wir uns damit schon auf eine bestimmte Aussage verpflichten mssten, wo die Demarkationslinie zwischen

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dem, was wir schlussendlich als einzelnen Gegenstand und dem, was wir als verschiedene Gegenstnde auffassen, verluft.52 Dass erst durch die Verbindung aller drei Objektivierungsebenen unter eindeutigem Fokus auf die dritte Ebene (nmlich die Zeit selbst), Objektivitt im eigentlichen Sinne hergestellt wird, macht Kant in folgender berlegung deutlich: Zu aller Erfahrung und deren Mçglichkeit gehçrt Verstand, und das erste, was er dazu tut, ist nicht: daß er die Vorstellung der Gegenstnde deutlich macht, sondern daß er die Vorstellung eines Gegenstandes berhaupt mçglich macht. Dieses geschiehet nun dadurch, daß er die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Dasein bertrgt, indem er jeder derselben als Folge eine, in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen a priori ihre Stelle bestimmt, bereinkommen wrde. (B244 f./A199 f., kursiv v. Verf.)

Eindeutig positioniert ist das Dasein der Erscheinungen also nur in Beziehung zur Zeit selbst. Da wir es aber nicht mit einer absoluten Zeit zu tun haben, relativ zu der das Dasein der Erscheinungen bestimmt werden kçnnte, muss – umgekehrt – die Zeitordnung durch das Verhltnis der Erscheinungen selbst konstituiert werden: Diese Bestimmung der Stelle kann nun nicht von dem Verhltnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt werden (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung), sondern umgekehrt, die Erscheinungen mssen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen, und dieselbe in der Zeitordnung notwendig machen, d.i. dasjenige, was da folgt, oder geschieht, muß nach einer allgemeinen Regel auf das, was im vorigen Zustande enthalten war, folgen, woraus eine Reihe der Erscheinungen wird, die vermittelst des Verstandes eben dieselbige Ordnung und stetigen Zusammenhang in der Reihe mçglicher Wahrnehmungen hervorbringt, und notwendig macht, als sie in der Form der innern Anschauung (der Zeit), darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben mßten, a priori angetroffen wird. (B245/A200) 52 Der Erscheinungsbegriff kann im Hinblick auf die folgenden Charakterisierungen Kants so verstanden werden, dass er – im Plural gebraucht – sowohl das einzelne sinnliche Ereignis (nmlich unter dem Gesichtpunkt, dass es sich dabei um eine Zustandsvernderung handelt) als auch mehrere aufeinander folgende Ereignisse abdeckt, wobei es wiederum irrelevant ist, ob diese aufeinander folgenden Ereignisse an einem oder an verschiedenen Gegenstnden verortet werden. Mit anderen Worten: Der Erscheinungsbegriff gestattet es uns, die Tatsache abzudecken, dass alle sinnlichen Ereignisse miteinander in Beziehung stehen sollen, ohne uns schon auf bestimmte Aussagen bezglich einer dafr zu veranschlagenden – und noch nicht verfgbaren Dingontologie – zu verpflichten.

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Es geht hier also darum, dass durch die Anwendung einer Regel auf Erscheinungen eine Reihe gebildet wird, in der jede einzelne Erscheinung durch die ihr vorhergehende in ihrer zeitlichen Position bestimmt ist. Dadurch erlangen sie aber nicht nur ein objektives Verhltnis zueinander, sondern auch zu der Zeitordnung, die mit dieser Regelanwendung selbst erst konstituiert wird. Dies klingt soweit noch etwas dunkel. Klar ist aber, dass dadurch jener „stetige Zusammenhang in der Reihe mçglicher Wahrnehmungen“ zustande gebracht werden soll, den wir fr die Form innerer Anschauung „darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben mßten“ auch ohne diese Erklrung, wenn auch unbegrndeter Weise, schon vermuten wrden. Dieser „Zusammenhang“ wird im nchsten Satz aufgegriffen und nher erlutert: Daß also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer mçglichen Erfahrung gehçret, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung, ihrer Stelle nach, in der Zeit, als bestimmt, mithin als ein Objekt ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann. Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d.i. notwendiger Weise) folgt. (B245 f./A200, kursiv v. Verf.)

Wichtig ist hier vor allen Dingen, dass etwas ein Objekt, mit einem bestimmten Dasein an einer Stelle in der Zeit, nur dadurch wird, dass es nach einer Regel im Zusammenhang aller mçglichen Wahrnehmungen (wenn man die Formulierung des vorausgehenden Satzes hineinliest) aufgefasst werden kann, wobei mit mçglichen Wahrnehmungen hier offensichtlich andere mçgliche objektive Geschehnisse gemeint sind. Interessant ist auch der Gegensatz von mçglicher und wirklicher Erfahrung, den Kant hier aufspannt und von dem zunchst einmal nicht so klar ist, was damit gemeint ist. Eine mçgliche Erklrung, von deren interpretatorischer Richtigkeit aber nicht allzu viel abhngt, und die nur dazu dienen soll, den bisherigen Faden der Untersuchung wieder aufzunehmen, ist die Folgende: Mit mçglicher Erfahrung scheint Kant, wie sonst auch, mçgliche objektive Erfahrung zu meinen. Was bedeutet es aber, dass mçgliche Erfahrung wirklich wird? Wirklich wird sie, so Kant, wenn ich das Dasein der Erscheinung als Objekt bestimme, und zwar im Zusammenhang mit anderen mçglichen Wahrnehmungen. Auffllig ist, dass Kant hier im Gegensatz zu den vorangegangenen Passagen, den Terminus „Objekt“ wieder einfhrt, und da es hier um wirkliche Erfahrung im Gegensatz zu mçglicher geht, liegt es nahe, dass damit nicht der transzendentale Gegenstand,

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sondern der sinnliche Gegenstand gemeint ist, auf den wir uns ganz konkret in der Erfahrung beziehen. Dies legt wiederum nahe, dass wir ein Objekt als ein wirkliches – in konkreter Erfahrung – nur ansehen kçnnen, wenn wir es im geregelten Zusammenhang aller mçglichen Wahrnehmungen betrachten. Das heißt, wenn wir etwas wahrnehmen, das wir als ein wirkliches, objektives Geschehnis interpretieren, dann kçnnen wir dies nur, wenn wir es im Zusammenhang mit den mçglichen Wahrnehmungen, die damit nach einer Regel zu verbinden sind, auffassen. Ob Kant genau dies an jener Stelle zum Ausdruck bringen wollte, sei dahin gestellt. Es wre jedenfalls kompatibel mit seiner Grundauffassung, die er auch an anderen Stellen, insbesondere in den Postulaten des empirischen Denkens, zum Ausdruck bringt, nach der real fr uns nicht nur das unmittelbar Wahrgenommene, sondern auch und gerade dasjenige ist, was mit irgendeiner Wahrnehmung in einem „Zusammenhang nach Gesetzen“ steht (vgl. B272/A225). Wenn man nun vor diesem Hintergrund den vorigen Abschnitt in der vorgeschlagenen Interpretation mit hinzunimmt, dann enthlt unsere Erfahrung des Wirklichen zwei Realittskomponenten: Zum einen mssen wir uns auf sinnlich Gegebenes beziehen, ohne welches unsere Erkenntnis ohne allen Inhalt, mithin leer wre, der sinnliche Bezug auf dieses subjektiv Gegebene macht dieses aber noch keineswegs zu etwas Realem, sondern erst dadurch, dass das Sinnliche objektiviert wird und in dieser Objektivierung in einen gesetzmßigen Zusammenhang mit anderem mçglichem Objektiven gesetzt wird, fassen wir es als „real“ auf. Damit wird aber die Ebene des bloß Sinnlichen, das muss hier in aller Deutlichkeit gesehen werden, entschieden durchbrochen. Sie wird dadurch durchbrochen, dass das Sinnliche durch das Denken auf ein Objekt bezogen wird. Die Radikalitt, die damit verbunden ist, sieht man aber nur, wenn man sich vergegenwrtigt, dass dadurch nicht etwa nur ein einzelnes sinnliches Vorkommnis bzw. ein Sinnlichmannigfaltiges zu objektiver Einheit gebracht wird und wir damit bereits ein dem sinnlichen Ausgangsmaterial korrespondierendes „fertig konstituiertes“ Objekt vorliegen htten. Sondern was Kant sagt, ist viel weitreichender, und dies genau nachzuvollziehen, ist die Bedingung fr die Beantwortung unserer Ausgangsfrage nach dem zunchst so einfach scheinenden Verhltnis von Subjektivem und Objektivem.53 53 Die Thesen dieses Abschnittes sollen hier noch ganz kurz durch die Skizze einer mçglichen Textinterpretation der Struktur des A-Beweises der Zweiten Analogie ergnzt werden. Nach dieser Interpretation lsst sich der Beweis in vier Schritte untergliedern, die zusammen einen sukzessiven und einheitlichen Gesamtbeweis

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3.2.4. Der Unterschied des Subjektiven und des Objektiven: Eine reale Differenz? Zur Rekapitulation des bisherigen Argumentes: Wir hatten, ausgehend vom Unterschied des Subjektiven und des Objektiven, danach gefragt, wie eine Beziehung auf einen Gegenstand zustande kommen kann, solcherart, dass „das Subjektive“ nicht lediglich im „Objektivierten“ aufgeht, sondern so, dass eine reale Differenz zwischen Vorstellung und Gegenstand bestehen bleibt. Diese Frage spezifizierte sich darin, wie durch Regelanwendung auf Sinnliches der Bezug auf ein Objekt hergestellt wird. Anhand der Unterscheidung zweier Bedeutungsweisen des „transzendentalen Gegenstandes“ hatten wir gesehen, dass die Regelanwendung auf Sinnliches mehr zu leisten hat, als je und je sinnlich Mannigfaltiges zur Einheit des Selbstbewusstseins zu bringen, und so lediglich einen „Gegenstand fr unser Bewusstsein“ zu konstituieren. Die eigentliche Bedeutung der kaergeben. Der letzte Beweisschritt (Abs. 13 in Kants Gliederung), der mit „der Beweisgrund“ anhebt, rekurriert auf die Mçglichkeit objektiv-gltiger Urteile ber unsere zeitliche Erfahrung (vgl. Einleitung). Die ersten drei Beweisschritte (Abs. 1 – 7, Abs. 8 – 10, Abs. 11 – 12) dagegen lassen sich unter der Perspektive der drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes lesen. Alle drei Schritte beginnen mit einer Exposition ber das Thema „Beziehung auf einen Gegenstand berhaupt“, so dass das Gesamtargument als eines gelesen werden kann, in dem die Bedeutung des transzendentalen Gegenstandes stufenweise ausdifferenziert wird in die Fragen, wie unter sinnlichen Bedingungen 1) ein einzelnes, sinnliches Objekt, 2) die Beziehungen solcher Objekte und 3) die Zeitordnung selbst gedacht werden kann. Im ersten Beweisschritt (Abs. 1 – 7) fragt Kant nach den Bedingungen fr die empirische Wahrnehmung eines Geschehens, wobei die Wahrnehmung eines Geschehens eine sein soll, in welcher der dem Geschehen (oder der Begebenheit) vorausgehende Zustand offenbar mit wahrgenommen werden soll. Diese Ansicht generalisiert Kant ab Abs. 3 glcklicherweise dahingehend, dass es, um etwas als Geschehen zu „erfahren“, lediglich notwendig sei, dass wir „irgend etwas berhaupt“ als Bedingung jenes Geschehens „voraussetzen“. Im zweiten Beweisschritt (Abs. 8 – 10) kann Kant aufgrund dieser Generalisierung, die fr jedes Geschehen berhaupt, unabhngig davon, ob wir es auch als Geschehen wahrnehmen, zu gelten hat, die Bedingungen dafr formulieren, dass wir einem Gegenstand eine bestimmte Zeitstelle zuweisen. Entscheidend ist, dass diese Positionierung einer Erscheinung in der Zeit, also dessen, was wir als „Gegenstand“, oder „Begebenheit“ auffassen, nur dadurch mçglich ist, dass sie in regelgeleiteten und notwendigen Beziehungen zu anderen Erscheinungen steht. Im dritten Beweisschritt (Abs. 11 – 12) schließlich geht es darum, dass Erscheinungen durch Regeln nicht nur notwendig mit den ihnen vorhergehenden verbunden, sondern mit der Zeit selbst in Beziehung gesetzt werden, und dadurch erst eine eindeutige Position in der „einigen“ Zeit erhalten – und gleichzeitig damit eine Zeitordnung durch den Verstand allererst generiert wird.

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tegorialen Synthesisregeln, so hatten wir festgestellt, kommt erst zum Tragen, wenn man darauf rekurriert, dass diese Regeln das sinnlich Mannigfaltige untereinander in objektive Beziehungen zu setzen haben, so dass damit alles, was zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden kann, auch untereinander nach notwendigen Regeln verbunden ist, und wir die solcherart gedachten Gegenstnde nicht nur als Gegenstnde des Bewusstseins, sondern als „Gegenstnde einer einheitlichen Erfahrung“ betrachten kçnnen. Dies hat uns dazu veranlasst, die Ansicht zu verwerfen, dass es bei der kategorialen Synthesis um die Konstitution von etwas gehen kçnnte, das schon fr sich genommen als einzelner „objektiver“ Gegenstand aufgefasst werden kçnnte. Fr die Zweite Analogie konnte das daran festgemacht werden, dass es sich hier um Aspekte von Gegenstndlichkeit handelt, die ausschließlich mit deren zeitlicher Ordnung zu tun haben, sich also allein durch das „Dasein der Erscheinungen in der Zeit“ ergeben, so dass man im Ergebnis sagen muss, dass das, was wir als „einzelnen“ sinnlichen Gegenstand bzw. als objektives Ereignis auffassen, erst durch seine Position in der „einigen“ Zeit und den Verhltnissen, die es darin zu anderen mçglichen Ereignissen einnimmt, definiert ist. Nachdem wir die einschlgigen Passagen bei Kant bercksichtigt haben, kçnnen wir aber auch sagen, wie dieses Ergebnis zustande kommt. Denn dass wir etwas als Objekt ansehen, das macht insbesondere der zuletzt zitierte Textabschnitt klar, ist nur dadurch mçglich, dass wir die Wahrnehmung, die wir hier als objektiv betrachten, als zu einem notwendigen, nach allgemeinen Regeln geleiteten Zusammenhang mit anderen mçglichen Wahrnehmungen gehçrend interpretieren. Hierin liegt aber auch schon die ganze Radikalitt dessen, wie hier die Ebene des bloß Sinnlichen durchbrochen wird. Denn die Regeln, durch die wir ein Wahrgenommenes in einen notwendigen Zusammenhang mit anderen mçglichen Wahrnehmungen setzen, sind natrlich die Regeln des Denkens. Entscheidend ist nun, dass diese Regeln des Denkens bzw. des Verstandes nicht schon dadurch gesttigt sind, dass sie jeweils in einem aktualen Prozess der Vergegenstndlichung sinnliches Material zu objektiver Einheit bringen, sondern dass damit das Sinnliche in Beziehung gesetzt wird mit allen mçglichen Objekten der Erfahrung. Dadurch wird ein sinnliches Ereignis in Beziehung gesetzt zu einer vçllig anderen Ordnung der Dinge, als die der bloßen Sinnlichkeit, die als ein reines Nacheinander- und Außereinandersein von subjektiven Vorkommnissen charakterisiert werden kann. Es wird in Beziehung gesetzt zu einer Ordnung, die durch die Gesetze des Verstandes strukturiert ist, eine Ordnung, in der, was den hier verhandelten Aspekt anbelangt, alles, was geschieht, eine Ursache hat.

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Es geht also nicht darum, dass, unseren Wahrnehmungen korrespondierend und diese objektivierend, nacheinander eine Reihe wirklicher Ereignisse zustande gebracht wrde, so dass die Position eines Ereignisses durch das ihm tatschlich vorausgegangene und auch wahrgenommene bestimmt wrde. Auf diese Weise wrden wir zu einer ganz merkwrdigen Wirklichkeitsauffassung gelangen, nach der nur diejenigen Wahrnehmungen real sind, die wir in der Vergangenheit wahrgenommen und miteinander verbunden haben. Sondern, um es bildlich zu formulieren: Es muss ausgehend von einem sinnlichen Ereignis, das wir als objektiv interpretieren, alternative Routen durch die Zeit geben. Wir mssen es auch mit anderen objektiven Ereignissen in Verbindung setzen kçnnen, die wir berhaupt nicht sinnlich wahrgenommen haben, die wir aber kausal voraussetzen mssen, um uns das Ereignis erklren zu kçnnen. Man darf nicht vergessen, dass wir uns in der Kantischen Erkenntnissituation zunchst nicht auf so etwas wie in einer sinnlichen Welt objektiv erfolgte Ereignisse beziehen kçnnen, also auf Ereignisse, von denen wir einfach annehmen, dass sie stattgefunden haben, auch wenn wir sie nicht wahrgenommen haben. Denn, was wir zuerst einmal haben, ist schlicht die Wahrnehmung selbst. Was, insofern wir dieser Wahrnehmung korrespondierend ein objektives Geschehnis annehmen, diesem Geschehnis vorausgegangen sein muss, ist etwas, was wir als diesem vorausgehend denken, und damit nicht etwas, was wir tatschlich wahrgenommen haben mssen, sondern etwas, von dem wir denken, dass wir es htten wahrnehmen kçnnen mssen: eine mçgliche Wahrnehmung oder ein mçgliches Ereignis. Dass ein wahrgenommenes Ereignis in einem notwendigen Zusammenhang mit anderen mçglichen Wahrnehmungen stehen muss, heißt also weder, dass es mit vergangenen wirklichen Wahrnehmungsereignissen in Bezug stehen muss, noch, dass es mit objektiven Ereignissen in Bezug stehen muss, die wir in realistischer Weise, etwa in Art eines „Behltermodells“ schon voraussetzen wrden, und die deswegen Gegenstand mçglicher Wahrnehmungen wren. Sondern Kants Modell ist ganz entschieden aus der Gegenwartsperspektive aufgebaut. Wir beziehen uns in subjektiver Zeitlichkeit unmittelbar auf eine sinnliche Vorstellung und interpretieren diese als zu einer objektiven Welt gehçrig. Wobei diese objektive Welt weder als ein „Behlter“ von Ereignissen und Dingen vorausgesetzt werden muss, noch als eine Objektivierung bereits vergangener subjektiver Wahrnehmungen zustande kommt, sozusagen als „Ablagerung“ einer unermdlich ausgefhrten Synthesisttigkeit. Sondern, indem wir eine subjektive Vorstellung als objektiv interpretieren, beziehen wir sie auf eine gedachte objektive Ordnung der Wirklichkeit, eine Ordnung, in der

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alles, was uns auch immer in der Sinnlichkeit vorkommen mag (alle mçglichen Wahrnehmungen), in notwendigen Beziehungen zueinander und zu jener Ordnung selbst stehen muss. 3.2.5. Das Verhltnis von Wahrnehmung und Gegenstand: Strawsons Einwand Wie genau das Verhltnis von objektivem Gegenstand und subjektiver Wahrnehmung des Gegenstandes zu denken sei, ist eine Frage, die vor allen Dingen unter der Perspektive eines Einwandes, der besonders in Strawsons Formulierung sehr einflussreich geworden ist, diskutiert wird (vgl. Strawson 1975).54 Strawson macht die Frage nach diesem Verhltnis fest an dem seiner Meinung nach fr das Kantische Argument essentiellen bergang von einer Aussage ber eine – notwendig – bestimmte Wahrnehmungsfolge zu der Aussage ber die – notwendige – Gesetzmßigkeit in den wahrgenommenen Gegenstnden (bzw. im objektiven Ereignis) selbst. Sein Einwand bezieht sich darauf, dass fr Kant die Annahme einer notwendigen und bestimmten Folge der Wahrnehmungen von A und B quivalent sei mit der Annahme, dass der Wechsel von A und B selbst notwendig sei, und zwar im Sinne einer kausalen Bestimmtheit: Briefly, any succession of perceptions is a perception of objective change only if the order of those perceptions is necessary; but the order of the percep54 Die Frage nach dem Verhltnis von objektivem Gegenstand und subjektiver Wahrnehmung wird im Kontext der Zweiten Analogie blicherweise an der „Unumkehrbarkeit“ der Wahrnehmungen und deren Konsequenzen fr einen dafr anzunehmenden objektiven Zustand der Dinge verortet. Die Frage dabei ist, ob und wie wir aus der Unumkehrbarkeit unserer Wahrnehmungen a und b auf eine Regularitt der wahrgenommenen Zustnde A und B schließen kçnnen. Diese Frage hngt natrlich davon ab, wie man generell den Zusammenhang von a und b einerseits und A und B andererseits interpretiert. Hier lassen sich nach Van Cleve idealtypisch drei verschiedene Positionen unterscheiden: Nach einer Ansicht, die Van Cleve Subjektivismus nennt, und nach welcher Gegenstnde schlicht Bndel von gegebenen Vorstellungen sind, sind A und B einerseits und a und b andererseits identisch. Nach der Position hingegen, die er als Phnomenalismus bezeichnet, sind A und B Komplexe von gegebenen und mçglichen Vorstellungen, wobei a und b Teilmengen solcher Komplexe sind. Der Realismus schließlich geht davon aus, dass A und B Entitten sind, welche in ihrer Art von a und b verschieden sind (vgl. Van Cleve 1973, S. 75). Strawson lsst sich nach dieser Charakterisierung eindeutig als Vertreter einer realistischen Position ausweisen. Die hier vertretene Auffassung, die sich explizit gegen einen solchen Realismus wendet, unterscheidet sich gleichwohl von den Positionen, welche Van Cleve Subjektivismus bzw. Phnomenalismus nennt. Vgl. dazu Anm. 56.

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tions can be necessary only if the change is necessary, i. e. causally determined. Any objective change which is an object of possible experience for us, i. e. an object of possible perception, is causally determined (S. 138).

Hier, so Strawson, verwechsle Kant zwei verschiedene Bedeutungen von Notwendigkeit: It is conceptually necessary, given that what is observed is in fact a change from A to B, (…) that the observer’s perceptions should have the order: perception of A, perception of B – and not the reverse order. But the necessity invoked in the conclusion of the argument is not a conceptual necessity at all; it is the causal necessity of the change occuring, given some antecedent state of affairs. It is a very curious contortion indeed whereby a conceptual necessity based on the fact of a change is equated with the causal necessity of that very change (ebd.).

Was auch immer von dieser angeblichen Bedeutungsverschiebung im Gebrauch des Begriffs der Notwendigkeit zu halten ist (vgl. dazu Bennett 1968, S. 346, Van Cleve 1973, S. 81 f. und Thçle 1991, S. 160 f.), entscheidend ist, dass Kant die Aussage, die mit der ersten Bedeutungsweise verbunden wre, gar nicht macht. Was Strawson Kant hier unterstellt, ist seine eigene Annahme, dass die Wahrnehmungsfolge durch die Folge im wahrgenommenen Wechsel bestimmt sei, bzw. dass Wahrnehmungen dann notwendig aufeinander folgen, wenn wir es tatschlich mit einem objektiven Wechsel im Wahrgenommenen zu tun haben. Und zwar, dies ist entscheidend, kommt diese Notwendigkeit fr Strawson dadurch zustande, dass die Wahrnehmungen von den wahrgenommenen Gegenstnden verursacht werden. Unter dieser Perspektive kann Strawson sagen: That an effect cannot preceed its cause in time Kant would perhaps acknowledge as a conceptual truth requiring no special mode of proof. That any experience conceived of as a perception of some objecitve item is thereby conceived of as causally dependent upon (an effect of ) the existence of that item is a truth contained in the very concept of sense-perception of objects whose existence is independent of our awareness of them. (S. 136)

Dieser Begriff von Sinneswahrnehmung ist nun sicherlich nicht der Begriff Kants, jedenfalls nicht ohne Einschrnkungen. Wie Allison gegenber Strawson betont, behandelt dessen Einwand Kants Argument von einem transzendental-realisitischen Standpunkt: „it treats Kant as if he were an empirical idealist, concerned to ground a conclusion regarding the causal relations of ontologically distinct things and events on a feature of our perceptions“ (Allison 2004, S. 255). Der Einwand Strawsons htte nur dann Gltigkeit, wenn Kant tatschlich annehmen wrde 1) dass die Gegenstnde unserer Wahrneh-

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mungen unabhngig von ihren Vorstellungen existieren, und 2) dass diese Gegenstnde die Wahrnehmungen von ihnen verursachen. Wenn man, wie Allison, auf die Grundthesen des transzendentalen Idealismus verweist, sind beide Annahmen fr Kant zunchst einmal zu verneinen. Wie Thçle (1991) ausgefhrt hat, gengt aber ein solch pauschaler Verweis auf den transzendentalen Idealismus noch nicht, um Strawsons Einwand endgltig zu entkrften. Denn beide Aussagen sind solche, die Kant nicht in eindeutiger Weise verneint bzw. verneinen kann. In gewisser Weise muss er sie auch bejahen. Was den ersten Punkt anbelangt, so ist nach Thçle, hier bezieht er sich insbesondere auf Paton, der Verweis darauf, dass die Gegenstnde der Erfahrung „bloße Erscheinungen und nicht unabhngig von unseren Wahrnehmungen existierende Dinge an sich sind“ und daher die Vorstellungen identisch mit den vorgestellten Objekten seien, vçllig unbrauchbar, um das von Strawson aufgeworfene Problem zu lçsen. Denn was die Zeitproblematik anbelangt, wre man dann zu der Aussage verpflichtet, dass die Ereignisse A und B, die nur Erscheinungen fr uns sind, mit deren Wahrnehmungen a und b identisch sind. Wenn aber a mit A und b mit B identisch ist, so Thçle, dann „muß auch das Zeitverhltnis zwischen a und b mit dem zwischen A und B bereinstimmen“ (Thçle 1991, S. 166). Und was den zweiten Punkt anbelangt, so bezieht sich Thçle darauf, dass Kant explizit einrume, „daß die Vorstellungen (als mentale Ereignisse) von den Erscheinungen (als empirischen Objekten) verursacht werden.“ (S. 167) Das Vorliegen einer solchen Kausalbeziehung sei aber alles, was Strawson bei seiner Kritik voraussetze. Dies impliziert aber, so Thçle, dass „die wahrgenommenen Gegenstnde numerisch verschieden von den Wahrnehmungen sind, ja daß letztere existentiell von den Gegenstnden abhngig sind, whrend das Umgekehrte natrlich nicht gilt. Wenn das der Fall ist, dann ist nicht zu sehen, wie man unmittelbar von Aussagen ber Wahrnehmungen auf Aussagen ber wahrgenommene Gegenstnde schließen kann“ (ebd., S. 186 f.). Nun ist es zwar sicher richtig, dass Kant der Meinung ist, dass unsere Vorstellungen von den Erscheinungen als empirischen Objekten verursacht werden. Gleichzeitig ist Kant aber auch, wie Thçle zugesteht, der Meinung, dass Erscheinungen selbst als „bloße Vorstellungen“ aufzufassen sind. Die Frage, wie beide Meinungen miteinander vereinbar sind, ist nun eine, welche das Verhltnis von transzendendentalem Idealismus und empirischem Realismus betrifft, auf welches an dieser Stelle nicht nher eingegangen werden kann. Hier muss der Hinweis darauf gengen, dass es zumindest in einer Lesart dieses Verhltnisses mçglich ist, beide Auffas-

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sungen Kants miteinander zu vereinen. Dann nmlich, wenn man annimmt, dass Erscheinung ein empirisches Objekt nur dadurch ist, dass es den Regeln des Verstandes unterworfen und so allererst zur objektiven Einheit gebracht wird. Die Frage, wie (zunchst subjektive) Erscheinungen durch die Anwendung apriorischer Regeln auf ein Objekt bezogen werden, ist aber genau die Frage, die sich Kant in den Analogien stellt. Das heißt, es geht hier darum, wie Erscheinungen allererst als Objekte aufgefasst werden kçnnen, und nicht darum, was wir ber vorauszusetzende und unabhngig von unseren Vorstellungen existierende Objekte aussagen kçnnen. Was hier beachtet werden muss, ist demnach, dass der Unterschied von bloß subjektiver Erscheinung und Erscheinung als Objekt durch das Denken zustande kommt, und es nicht etwa darum geht, uns auf etwas zu beziehen, das außerhalb von uns existiert. Denn schlussendlich geht es in den Analogien um die transzendentallogischen Bedingungen des Denkens derjenigen Gegenstnde, von denen wir vom – in dieser Hinsicht nachgeordneten – Standpunkt des empirischen Realismus aus meinen, dass sie uns kausal affizieren.55 Doch auch wenn man daran festhlt, dass, was die bloße Erscheinung anbelangt, die Vorstellung mit ihrem Gegenstand zunchst tatschlich identisch ist, und so der Einwand Strawsons entkrftet wre, so stellt doch die genannte Konsequenz einer solchen Perspektive, nmlich die damit verbundene Ununterscheidbarkeit der Zeitverhltnisse, ein erhebliches Problem dar. Schließlich geht es Kant ja gerade darum, eine subjektive Folge von Vorstellungen von einer objektiven Ereignisfolge unterscheiden zu kçnnen. Wenn aber Gegenstand und Vorstellung identisch sind, wie kann dann eine subjektive von einer objektiven Folge unterschieden werden? Auch hier liegt der Schlssel zur Lçsung des Problems darin, dass der Unterschied von Subjektivem und Objektivem nicht ein Unterschied verschiedener Entitten ist, sondern einer, der durch das Denken zustande kommt. Denn, wenn die Ausfhrungen des vorangegangenen Abschnittes richtig sind, dann besteht, was die bloß sinnliche Folge selbst anbelangt, tatschlich kein Unterschied zwischen subjektiver und objektiv-bestimmter Folge. Sondern allein dadurch, dass eine subjektive Folge von Vorstellungen auf einen gedachten Gegenstand bezogen wird, wird sie auch als objektiv bestimmt gedacht. Es ist allein das Denken, das eine sinnlichzeitliche Folge als objektiv bestimmt, fr den sinnlichen Gehalt selbst 55 Vgl. dazu die fr das Verstndnis von Kants empirischem Realismus wichtige Unterscheidung zweier Bedeutungen von Affektion, die in Kap. II.2. auch im Zusammenhang der Qualittsproblematik getroffen werden musste.

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ndert sich dabei nichts. Damit ist aber auch die Unumkehrbarkeit, die fr eine objektive, im Gegensatz zu einer subjektiven Folge, in Anschlag gebracht werden muss, nicht etwas, was der bloßen sinnlichen Wahrnehmung als solcher schon zugnglich wre, so dass, wie Allison schreibt, auch nicht durch Introspektion bestimmt werden kann, dass eine Wahrnehmungsfolge unumkehrbar ist oder nicht, sondern die Unumkehrbarkeit ist eine Frage der „Interpretation“ (vgl. 2004, S. 251). Genauer fhrt Allison dies in einer Argumentation, die er leider nicht explizit auf Strawsons Einwand bezieht, so aus: How, then, are we to understand this irreversibility? The short answer is that it characterizes the way in which we connect perceptions in thought (the objective unity of apperception), insofar as we represent through them an objective sucession. In other words, irreversibility does not refer to a given perceptual order, which we can inspect and then infer that it is somehow determined by the object; it refers rather to the conceptual ordering of the understanding through which it determines the thought of an object (in this case objective sucession). Prior to the conceptual determination there is no thought of an object at all and, a fortiori, no experience. (ebd.)

Entscheidend fr die Frage der Beziehung von Subjektivem und Objektivem ist also, dies machen auch die Ausfhrungen Allisons deutlich, dass diese Differenz nicht innerhalb des Bereichs des Sinnlichen selbst hergestellt werden muss, sondern dass eine andere, natrliche Differenz relativ unproblematisch dazu herangezogen werden kann, den Gegensatz aufzuspannen, nmlich die zwischen Sinnlichkeit und Verstand. Zwar soll letztlich eine Wahrnehmung objektiver Geschehnisse ermçglicht werden, ohne dass dafr eigens in Form von Urteilen auf diese Geschehnisse reflektiert werden msste, so dass wir uns letztlich in der sinnlichen Wahrnehmung „direkt“ auf Objekte beziehen kçnnen. Wichtig dabei ist aber, dass ein solches Konzept von Wahrnehmung eine komplexe Vermittlung mit dem urteilenden Verstand schon hinter sich hat. Was aber die Ausgangsvoraussetzungen dieser Vermittlung anbelangt, so ist die Wahrnehmung zunchst einmal nicht von ihrem „Gegenstand“ verschieden. Dies kann man sich anhand des Problems der Zeitverhltnisse besonders gut verdeutlichen. Denn, was zum Beispiel die sukzessive Wahrnehmung der Teile eines Hauses und die Wahrnehmung eines stromabwrtstreibenden Schiffes anbelangt, so besteht hier fr die sinnliche Wahrnehmung allein nicht der geringste Unterschied. In beiden Fllen handelt es sich gleichermaßen um eine Sukzession von Vorstellungen. Wichtig dabei ist, dass dieser sinnliche Anteil der Erkenntnis fr sich genommen auch durch seine Objektivierung keine Vernderung erfhrt. Das sinnliche Erlebnis bleibt

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dasselbe, ob es sich um eine bloß willkrliche Wahrnehmung, oder um eine Wahrnehmung von objektiven Geschehnissen handelt. Das Objekt ist demnach nichts Sinnliches, und auch nichts Sinnliches, das denkend berformt wird und dann als solches bereitsteht, um in einem zweiten Schritt wahrgenommen zu werden. Sondern der Objektbezug kommt dadurch zustande, dass wir Sinnliches auf ein Objekt beziehen, und zwar auf ein Objekt, das wir denken.56 Eine sinnliche Vorstellung wird also dadurch objektiviert, dass wir ihr korrespondierend einen Gegenstand denken, und zwar im Zusammenhang mit allen anderen mçglichen Gegenstnden der Erfahrung, die mit ihm nach allgemeinen Regeln verbunden sind. Dieser Zusammenhang muss immer als Hintergrund der kategorialen Synthesis mit prsent sein, denn der aktuale Erkenntnisprozess selbst vollzieht sich synthetisch und sukzessiv, und wrde fr sich genommen nur zu einer berformung von sinnlich Gegebenem fhren. Nur wenn die Gesamtheit mçglicher Objektivitt als Hintergrund der aktualen Erkenntnis mitgedacht wird, ist es mçglich, dass in gegenstndlicher Erfahrung aktuelle Geschehnisse eingeordnet werden in eine Welt von objektiven Ereignissen. Und nur so ist das, was wir uns jeweils vorstellen, mehr als diese Vorstellung selbst oder ein im Grunde willkrlich berformter Gegenstand des Vorgestellten, nmlich wenn es eingebunden ist in einen Gesamtzusammenhang geregelter Erfahrung. Anders wre es letztlich unverstndlich, warum eine aktuale Regelanwendung einen Gegenstand von seiner Vorstellung unterscheiden sollte. Denn schlussendlich sind wir uns der Anwendung unserer aprio56 Entscheidend hierbei ist, dass, auch wenn wir davon ausgegangen sind, dass in sinnlicher Hinsicht tatschlich kein Unterschied zwischen Vorstellung und Gegenstand besteht, ein Unterschied zwischen Subjektivem und Objektivem durch den Verstand tatschlich generiert wird. Darin unterscheidet sich die hier vertretene Position von einem bei der „Identitt“ von Vorstellung und Gegenstand stehen bleibendem „Subjektivismus“ (vgl. Anm. 54). Aber auch von einem „Phnomenalismus“ hebt sich die hier vertretene Auffassung maßgeblich ab. Zwar spielt auch bei uns – wie oben ausgefhrt (vgl. II.3.2.4.) – der Bezug auf mçgliche Wahrnehmungen eine wesentliche Rolle. Aber wiederum ist der Bezug auf mçgliche Wahrnehmungen fr das Denken eines Gegenstandes von Bedeutung, dergestalt, dass nur der Bezug auf den regelgeleiteten Gesamtzusammenhang aller mçglichen Erfahrung diejenige Objektivitt sichert, die den Bezug einer subjektiven Vorstellung auf ein Objekt herzustellen vermag. Dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass – wie in der Charakterisierung Van Cleves – ein empirisches Objekt als solches als „Komplex“ von mçglichen und gegebenen Wahrnehmungen aufgefasst werden drfte. Vielmehr ist Objekt stets das Gedachte, auf das wir unsere tatschlich gegebenen Wahrnehmungen beziehen.

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rischen Regeln in der Erfahrung nicht bewusst. Was bewusst werden kann, ist der Hintergrund objektiver Erfahrung, der das aktuale Ereignis durch allgemeine Regeln mit der objektiv-mçglichen Erfahrung verbindet, und damit das bloß sinnlich-subjektive Vorkommnis in einen Zusammenhang von realen Sachverhalten hebt. So ist denn auch zu verstehen, wie die bloße Synthesis der Apprehension, die als subjektive „Vorstellungen der Apprehension“ charakterisiert wurde, nur durch die Anwendung apriorischer Regeln auf sie unterscheidbar wird von ihrem Objekt. Was sich hier nicht ndert, ist die Apprehension bzw. ihr sinnlicher Gehalt selbst. Der ganze Unterschied kommt vielmehr dadurch zustande, dass wir unsere subjektiven Vorstellungen der Apprehension in der Regelanwendung durch das Denken auf einen Gegenstand beziehen, solcherart, dass das, was wir hier als Gegenstand auffassen, im Zusammenhang nach Regeln mit allen mçglichen Wahrnehmungen einer objektiven Erfahrung steht. Nun kçnnen wir auch den letzten Satz des ganz zu Anfang zum Gegenstandsbezug zitierten Paragraphen verstehen, dessen Interpretation dort aber noch stillschweigend bergangen wurde: Man siehet bald, daß, weil bereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt Wahrheit ist, hier nur nach den formalen Bedingungen der empirischen Wahrheit gefragt werden kann, und Erscheinung, im Gegenverhltnis mit den Vorstellungen der Apprehension, nur dadurch als das davon unterschiedene Objekt derselben kçnne vorgestellt werden, wenn sie unter einer Regel steht, welche sie von jeder andern Apprehension unterscheidet, und eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen notwendig macht. Dasjenige an der Erscheinung, was die Bedingung dieser notwendigen Regel der Apprehension enthlt, ist das Objekt. (B236/A191, kursiv v. Verf.)

Der letzte Satz ist deswegen problematisch, weil man durch das ihm Vorhergehende erwarten wrde, dass ein Objekt durch die Regelanwendung auf die Synthesis der Apprehension allererst konstituiert wird. Wie kann dann aber das Objekt selbst die „Bedingung dieser notwendigen Regel der Apprehension“ enthalten? Dieser scheinbare Widerspruch hebt sich auf, wenn man bercksichtigt, dass das, was hier als das Objekt „an der Erscheinung“ bezeichnet wird, nicht ein Produkt sinnlich-kategorialer Synthesis, sondern etwas Gedachtes ist. Ein Gedachtes, auf das sinnliche Vorstellungen und ihre Apprehension bezogen werden. Nur wenn man das Objekt als einen solchen gedachten Bezugspunkt und nicht etwa als ein Produkt interpretiert, ist zu verstehen, dass jenes Objekt selbst die Bedingung fr eine Regel der Apprehension enthlt. Ein Gedachtes ist es aber weiter nach allem bisher Gesagten dadurch, dass es in notwendigen Zu-

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sammenhngen mit anderem Gedachtem, mit anderen mçglichen Objekten der Erfahrung steht. Nur wenn man diesen notwendigen Hintergrund mitbercksichtigt, macht Kants Feststellung, dass das Objekt hier nicht als Folge einer Regelanwendung, sondern als die Bedingung einer notwendigen Regel der Apprehension anzusehen ist, einen Sinn. Seine Redeweise steht damit in Zusammenhang mit einem Sachverhalt, den er des fteren so ausdrckt, dass das Objekt dasjenige ist, was „dawider ist“, dass unsere Erkenntnis von Gegenstnden bloß zufllig und letztlich ein Produkt unserer Einbildungskraft sei. Diese Rolle kann aber nicht ein einzelnes Objekt spielen, das selbst nur als Ergebnis einer Regelanwendung zu werten wre, sondern nur der Gesamtzusammenhang mçglicher objektiver Erfahrung selbst, der als Hintergrund fr jede (einzelne) Regelanwendung zu fungieren hat, und damit das, was wir als einzelnes Objekt auffassen, einordnet in den Gesamtzusammenhang mçglicher Erfahrung.57 3.3. Die „Dritte Analogie“: Von der Gemeinschaft der Dinge Was Zielsetzung und Beweisfhrung der Dritten Analogie anbelangt, so finden wir uns hier in einer ganz hnlichen Lage wie bei der Zweiten Analogie. Nachdem letztere dargelegt hat, welches die verstandesmßigen Mçglichkeitsbedingungen fr ein objektives Nacheinander von Erscheinungen sind, hat die Dritte Analogie zu klren, welches die Grnde dafr 57 Pauschal gesagt: Wir mssen annehmen, dass – was einen mçglichen Erfahrungsgegenstand anbelangt – alles mit allem in zeitlichen (und rumlichen) Beziehungen steht, um berhaupt ein Objekt von dessen Vorstellung fr uns unterscheiden zu kçnnen. Damit wird aber gegenber den Ausgangsvoraussetzungen der Kantischen Raumzeittheorie, wie sie durchgngig fr die Interpretation der Analogien in Anspruch genommen wurde (subjektives Nacheinandersein der Zeit) eine vçllig neuartige Zeitordnung konstituiert. Der Unterscheidung von subjektiver und objektiver Zeit (vgl. zu dieser Begrifflichkeit insb. Dsing 1980), die sich dadurch ergibt, ließe sich in einer fr Kant unproblematischen Weise die Unterscheidung einer A-Series und einer B-Series von McTaggart zuordnen, wenn man die subjektive Zeitlichkeit als einen aus der Gegenwartsperspektive betrachteten „Zeitfluss“ versteht und die objektive Zeit daran festmacht, dass sie darauf aufbauend eine frher-spter-Relation festlegt (vgl. dazu auch Melnick 2006, S. 228). In dem Sinne, in dem eine subjektive Zeitordnung von Kant zugrunde gelegt wird, um, durch die Anwendung des Kausalprinzips, zum Begriff einer objektiven Zeit zu gelangen, handelt es sich bei der in der zweiten Analogie entwickelten Argumentation bezglich der Zeitbestimmung um eine „partial causal theory“ im Sinne Melnicks (vgl. 2006, S. 210 ff.).

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sind, dass wir im Gegensatz und in Ergnzung dazu auch ein objektives Zugleichsein von Erscheinungen in unserer Erfahrung rechtmßig annehmen drfen. Und beide Nachweise erfolgen – wie auch schon im Falle der Ersten Analogie – zunchst einmal nach einem Verfahren, das wir als rein analytisch bezeichnet haben. Sie gehen von der Objektivitt unserer Erfahrung aus, die sich, was den gegenwrtigen Gegenstandsbereich angeht, als objektives Nacheinander- und Zugleichsein von Erscheinungen bzw. Erfahrungsgegenstnden spezifiziert, um deren Mçglichkeitsbedingungen in einer kategorialen Basis zu verankern. Doch whrend sich bei der Ersten und Zweiten Analogie zumindest Anstze fr die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens ausfindig machen ließen (vgl. Kap. II.3.1. und II.3.2.), bzw. sich ein solches Verfahren durch die Nutzbarmachung des Zusammenhanges von Urteilsfunktionen und Kategorien relativ mhelos rekonstruieren ließ, ist die Lage bei der Dritten Analogie wesentlich schwieriger. Denn das Verhltnis von disjunktivem Urteil und Kategorie der Wechselwirkung gilt, trotz einiger Andeutungen Kants, die zumindest auf eine gewisse Strukturisomorphie in ihren Wirkungsweisen hindeuten (vgl. B111 f.), mit Recht als ußerst dunkel. Abgesehen von einigen lteren Deutungsversuchen in Bezug auf diesen Zusammenhang, die sich im wesentlichen darauf beschrnken, auf jene von Kant selbst angedeutete Strukturisomorphie hinzuweisen, ohne einen nennenswerten interpretatorischen Gewinn aus ihr ziehen zu kçnnen (vgl. insb. Cohen 1918, S. 594 ff.), ist erst in neuester Zeit der Versuch gemacht worden, den Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Wechselwirkung in einer Weise zu klren, die zu erhellenden Ergebnissen in Bezug auf die Dritte Analogie fhrt (vgl. insb. Longuenesse 1998a und Allison 2004). Die Mehrzahl der Kommentatoren und Interpreten aber hat seit jeher diesen dunklen Sachverhalt außer Acht gelassen, – sehr zum Schaden des Verstndnisses der Dritten Analogie. Denn, wie dieses Kapitel zeigen soll, ist die Argumentation der Dritten Analogie, lsst man diesen Zusammenhang unbercksichtigt, praktisch unverstndlich. In diesem Punkt unterscheidet sich die Dritte Analogie tatschlich maßgeblich von den ihr vorausgehenden. Las man diese im Sinne von analytischen Beweisverfahren, so gelangte man zu Argumenten, die zumindest zeigten, dass es bestimmte Kategorien geben msse, um die Objektivitt unserer Zeitwahrnehmung in puncto Beharrlichkeit und objektiver Zeitfolge sichern und erklren zu kçnnen. Und die Kategorien der Substanz und der Kausalitt waren quasi natrliche Kandidaten, um diese Stelle auszufllen, wenn es auch wnschenswert war, mittels eines synthetischen Beweisverfahrens zu zeigen, nicht nur dass es genau jene Kategorien sind, welche diese

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Aufgabe zu bernehmen haben, sondern auch in eins damit, dass es jene Zeitmodi tatschlich geben muss. Ganz anders bei der Dritten Analogie. Nimmt man einmal an, dass es ein Zugleichsein der Dinge im Sinne eines objektiven Zeitverhltnisses tatschlich gibt, so liegt es durchaus nicht auf der Hand, jenes Zeitverhltnis durch die Zuhilfenahme der Kategorie der Wechselwirkung zu erklren. Den Problemen bei dieser Erklrung werden wir gleich begegnen. Vorweg lsst sich aber schon sagen, dass ihr schlicht die intuitive Plausibilitt fehlt, die im Falle von Substantialitt und Kausalitt gewhrleistet war – eine fehlende Plausibilitt, die zu einer ganzen Reihe von Reduktionsversuchen in Bezug auf die Dritte Analogie gefhrt hat, sofern dieselbe in den klassischen Interpretationen berhaupt Beachtung findet.58 Sie reichen von dem Versuch, den Zeitmodus des Zugleichseins im Rahmen einer der beiden anderen Analogien zu sichern – also durch Rekurs auf „Beharrlichkeit“ oder „Kausalitt“ – bis hin zu der gelegentlich vertretenen Auffassung, das Zugleichsein bedrfe berhaupt keiner kategorialen Basis.59 Whrend sich letzterer Versuch, das Zugleichsein der Dinge zu einem quasinatrlichen Tatbestand unserer sinnlichen Wahrnehmung zu machen, im Kantischen Rahmen von selbst verbietet, sind die Reduktionsversuche des ersten Typs nicht ohne Interesse. Zwar muss im Ergebnis gelten, dass der angesichts des unklaren Zusammenhangs von Gleichzei58 Eine prinzipiell ablehnende Haltung gegenber der Dritten Analogie nehmen Strawson (1964) und Bennett (1966, S. 181) ein. Beide unterziehen die Dritte Analogie keiner eigenstndigen Untersuchung. 59 Zur Frage, ob das Zugleichsein der Dinge auf Beharrlichkeit zurckzufhren ist: Vgl. Paton 1936, Bd. 2, S. 298, Thçle 1998, S. 291, Allison 2004, S. 262, Watkins 2005, S. 221 f. Interpretationen, die das Zugleichsein mittels Kausalitt zu erklren versuchen, finden sich bei Melnick 1973, S. 96 ff. und Guyer 1987, S. 270 ff. Gegen derartige Reduktionsversuche wenden sich Allison 2004, S. 268 ff. und Longuenesse 1998a, S. 390. Zu der Meinung, das Zugleichsein der Dinge bedrfe keiner kategorialen Basis, kçnnte man angesichts der Zweiten Analogie deswegen gelangen, weil Kant dort das Nacheinandersein von objektiven Zustnden durch das Kausalprinzip im Sinne der Unumkehrbarkeit ihrer Vorstellungen etabliert. Warum sollte also nicht einfach die Abwesenheit des Kausalprinzips gengen, um die Umkehrbarkeit unserer Vorstellungen und damit das Zugleichsein der vorgestellten Zustnde zu erklren? Gegen eine solche Auffassung spricht erstens, dass die Anwendung des Kausalprinzips universal ist: Es gibt keine Ereignisse, die nicht unter dem Kausalprinzip stehen wrden, ob wir nun dafr im konkreten Fall ein spezifisches Kausalgesetz kennen oder nicht. Und zweitens ist diese Auffassung durch das Kantische Diktum ausgeschlossen, dass alle unsere Vorstellungen zunchst einmal sukzessiv sind (vgl. dazu auch Guyer 1987, S. 269 ff.).

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tigkeit und Wechselwirkung freilich verstndliche Versuch, nach anderen Verstandesregeln Ausschau zu halten, welche die geforderte Aufgabe bernehmen kçnnten, nicht zu den gewnschten Resultaten fhrt, dass vielmehr die Begrndung fr das Zugleichsein der Dinge einer ganz eigenstndigen Regel bedarf. Der Versuch sensibilisiert aber mindestens dafr, dass es eben – im Rahmen eines analytischen Verfahrens – keineswegs selbstverstndlich ist, welches diese Regel sein kçnnte. Vor allem aber macht die Inbeziehungsetzung des Themas „Zugleichsein“ mit den ersten beiden Analogien, wie wir gleich sehen werden, eines deutlich: Es besteht nicht nur, wie wir von Anfang an betont hatten, der innigste Zusammenhang zwischen den drei Analogien; sondern der Versuch, den dritten Zeitmodus des Zugleichseins im Rahmen der Themen „Beharrlichkeit“ und „Kausalitt“ zu erklren, macht darber hinaus deutlich, dass fr die ersten beiden Analogien selbst noch erheblicher Klrungsbedarf besteht. Weit davon entfernt, dass diese fr sich genommen schon dazu herangezogen werden kçnnten, das Thema der Dritten Analogie abzudecken, wird sich zeigen, dass vielmehr umgekehrt die ersten beiden Analogien Probleme aufwerfen, welche erst in der Dritten Analogie mit voller Strke ins Licht treten, und die auch nur mithilfe der Dritten Analogie selbst gelçst werden kçnnen. Namentlich handelt es sich dabei um die in der Ersten Analogie noch unzureichend beantwortete Frage nach einer „Mehrzahl von Substanzen“ (vgl. II.3.1.) und das mit der Zweiten Analogie verbundene Problem der „Ereigniskausalitt“ (vgl. II.3.2), fr das Watkins ausfhrlich und berzeugend gezeigt hat, dass es nur in engem Zusammenhang mit der Dritten Analogie gelçst werden kann (vgl. dazu auch Kap. II.3.2.3.). Mit diesen aus den ersten beiden Analogien ererbten offenen Sachverhalten erweitert sich das Problemspektrum der Dritten Analogie erheblich, aber durchaus nicht in ungnstiger Weise. Denn wie sich zeigen wird, sind es genau die Probleme, welche die Dritte Analogie mit den anderen beiden Analogien verbinden, die einen natrlichen Ansatzpunkt bilden, um fr die Zielsetzung der Dritten Analogie ein synthetisches Beweisverfahren zu rekonstruieren und damit das Problem des Zusammenhanges von Kategorie der Wechselwirkung und disjunktivem Urteil zu lçsen. Genauer wird sich zeigen, dass die Dritte Analogie nicht nur zu klren hat, was die verstandesmßigen Bedingungen fr ein Zugleichsein der Dinge in unserer sinnlichen Wahrnehmung sind, sondern dass sie, um dies tun zu kçnnen, auch Voraussetzungen zu klren hat, die in den anderen beiden Analogien bereits implizit in Anspruch genommen wurden. Diese erweiterte Problemlage, die nur mit einem genuin synthetischen Beweis-

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verfahren angegangen werden kann, anhand einer Interpretation des Kantischen Textes herauszustellen, ist das Ziel der ersten beiden Abschnitte dieses Kapitels. 3.3.1. Der analytische Beweis der „Dritten Analogie“ Beginnen wir mit einer knappen Rekapitulation anhand der Beweisskizze, die Kant der zweiten Auflage vorangestellt hat: Zugleich sind Dinge, wenn in der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des anderen wechselseitig folgen kann (welches in der Zeitfolge der Erscheinungen, wie beim zweiten Grundsatze gezeigt worden, nicht geschehen kann). (B256 f.)

Wie auch das folgende Beispiel nahe legt, scheint Kant sagen zu wollen, dass sich aus der Mçglichkeit der wechselseitigen Folge von Wahrnehmungen die gleichzeitige Existenz der wahrgenommenen Gegenstnde folgern lsst: So kann ich meine Wahrnehmung zuerst am Monde, und nachher an der Erde, oder auch umgekehrt zuerst an der Erde und dann am Monde anstellen, und darum, weil die Wahrnehmungen dieser Gegenstnde einander wechselseitig folgen kçnnen, sage ich, sie existieren zugleich. (B257)

Hier ist grçßte Vorsicht geboten. Denn auch wenn sich Kant gelegentlich dahingehend ußert, dass wir das Zugleichsein der Dinge durch die Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen von ihnen erkennen kçnnen (vgl. v. a. auch B258/A211), so darf dies doch auf keinen Fall so verstanden werden, dass die Wahrnehmung selbst qua Wahrnehmung schon ein Kriterium an die Hand geben wrde, nach dem in einer konkreten Wahrnehmungssituation zu entscheiden wre, ob die wahrgenommenen Gegenstnde zugleich sind oder nicht. Wre dies so, dann wre das „Argument“ an dieser Stelle schon beendet und den mannigfachsten Einwnden ausgesetzt.60 Schließlich lsst sich einem bestimmten Wahrnehmungsverlauf gar nicht entnehmen, ob die Folge der Wahrnehmungen auch htte anders sein kçnnen. Faktisch nehme ich entweder 60 Vgl. Strawsons Einwand in Bezug auf die Zweite Analogie, siehe Kap. II.3.2. Vgl. dazu auch Watkins 2005, S. 204 f. So wie im Falle der Zweiten Analogie nicht unmittelbar aus der Unumkehrbarkeit von Wahrnehmungen auf ein objektives Nacheinandersein nach einer notwendigen Regel geschlossen werden darf, ist auch der unmittelbare Schluss von der Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen auf einen entsprechenden objektiven Zustand der Dinge (Zugleichsein) in keiner Weise gerechtfertigt (vgl. auch Guyer 1987, S. 270 f. und Allison 2004, S. 264).

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zuerst den Mond und dann die Erde, oder erst die Erde und dann den Mond wahr, d. h. faktisch folgen meine Vorstellungen von Gegenstnden stets nacheinander. Was die bloße Wahrnehmung von Gegenstnden in einem konkreten Fall anbelangt, besteht daher zunchst einmal auch nicht der geringste Unterschied zwischen einer Wahrnehmung von nacheinander- und einer von zugleichseienden Gegenstnden. In beiden Fllen haben wir es auf der bloßen Wahrnehmungsebene mit einer subjektiven Sukzession von Vorstellungen zu tun (vgl. Kants „Sukzessivittsthese“, Kap. II.3.). Wenn aber gilt, dass die Wahrnehmung als solche keine Schlsse ber ein etwaiges Zugleichsein der wahrgenommenen Dinge zulsst, wie ist dann das Abhngigkeitsverhltnis von umkehrbarer Wahrnehmungsfolge und Zugleichsein der Dinge, das Kant aufstellt, zu verstehen? Und wie kann man nach allem Gesagten noch einen Sinn damit verbinden, dass wir das Zugleichsein der Dinge aus der Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen „folgern“, bzw. durch sie „erkennen“ kçnnen? Nun lsst sich unter einer bestimmten Voraussetzung aus der Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen tatschlich das Zugleichsein der wahrgenommenen Dinge folgern: dann nmlich, wenn wir annehmen, dass die Umkehrbarkeit von Wahrnehmungen eine Konsequenz aus dem Zugleichsein der Dinge ist (vgl. auch Guyer 1987, S. 271). Dass wir letzteres an ersterer „erkennen“ kçnnen, bedeutet dann lediglich, dass, wann immer wir es mit einer umkehrbaren Folge von Wahrnehmungen zu tun haben, wir es auch mit einem Zugleichsein der wahrgenommenen Dinge zu tun haben. Es bedeutet nach Obigem aber natrlich nicht, dass wir die „Umkehrbarkeit“ und als Folge davon das „Zugleichsein“ aus der Wahrnehmung selbst erschließen kçnnten. Vielmehr haben wir es bei beiden Sachverhalten, was ihre Erkennbarkeit, bzw. ihren epistemischen Status anbelangt, mit gleichrangigen Phnomenen zu tun (die beide einer gemeinsamen Erklrung bedrfen). Dies kommt denn auch im nchsten Argumentationsschritt Kants klar zum Ausdruck: Nun ist das Zugleichsein die Existenz des Mannigfaltigen in derselben Zeit. Man kann aber die Zeit selbst nicht wahrnehmen, um daraus, daß Dinge in derselben Zeit gesetzt sind, abzunehmen, daß die Wahrnehmungen derselben einander wechselseitig folgen kçnnen. Die Synthesis der Einbildungskraft in der Apprehension wrde also nur eine jede dieser Wahrnehmungen als eine solche angeben, die im Subjekte da ist, wenn die andere nicht ist, und wechselweise, nicht aber daß die Objekte zugleich sind, d.i., wenn das eine ist, das andere auch in derselben Zeit sei, und daß dieses notwendig sei, damit die Wahrnehmungen wechselseitig auf einander folgen kçnnen. (B257)

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Hier begegnen wir zwei alten Bekannten: der These von der „Nichtwahrnehmbarkeit der Zeit“, und der oben schon angefhrten „Sukzessivittsthese“. Erstere These dient dazu, zu verdeutlichen, dass das Zugleichsein der Dinge als ein objektives Verhltnis in der Zeit nichts ist, was wir der Zeit selbst entnehmen kçnnten. Mit anderen Worten: Wir kçnnen das Zugleichsein der Dinge nicht in realistischer Manier als unmittelbar gegebenen Sachverhalt erkennen, und daraus erschließen, dass die Wahrnehmungen der Dinge wechselseitig aufeinander folgen kçnnen. Umgekehrt kçnnen wir aber auch nicht, wie oben schon verdeutlicht, das Zugleichsein der Dinge aus ihrer Wahrnehmung erschließen. Denn was die Synthesis der Apprehension anbelangt, so lsst, wie schon mehrfach betont, die subjektive Folge der Wahrnehmungen keine Rckschlsse ber die Zeitlichkeit der Objekte zu. Interessanterweise gilt dies, wie hier illustriert, sogar fr den Fall, dass eine wechselweise Wahrnehmungsfolge in die Wahrnehmung selbst implementiert ist. Um dies an obigem Beispiel zu verankern: Nehme ich etwa zuerst den Mond, dann die Erde und dann wieder den Mond wahr, so gilt auch hier, dass es sich dabei um eine sukzessive Vorstellungsfolge handelt, die nichts ber die Zeitlichkeit der wahrgenommenen Objekte aussagt (vgl. Guyer 1987, S. 271). Auffllig ist hier, dass die Umkehrbarkeit unserer Wahrnehmungen gewissermaßen das Erklrungsziel bildet. Sah es zu Anfang noch fast so aus, als kçnnten wir aus dieser das Zugleichsein der Dinge erschließen, stehen die Dinge nun unter umgekehrtem Vorzeichen: Um uns erklren zu kçnnen, warum unsere Wahrnehmungen wechselweise aufeinander folgen kçnnen, bedrfen wir irgendeiner Begrndung dafr, warum wir von den wahrgenommenen Objekten rechtmßig annehmen drfen, dass sie zugleich existieren. Um diese beiden Bewegungsrichtungen in ein gemeinsames Bild zu bringen: Wir kçnnen das Zugleichsein der Dinge tatschlich an der Umkehrbarkeit unserer Wahrnehmungen erkennen (da Letztere fr uns der Ausdruck von Ersterem ist) nicht aber durch dieselbe begrnden. Was einer Begrndung bedarf, ist vielmehr das Zugleichsein der Dinge selbst. Und das Thema der Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen spielt dabei lediglich die Rolle, klarzumachen, dass vor dem transzendentallogischen Hintergrund der objektive Zustand der Dinge (ihr Zugleichsein) nichts der bloßen Wahrnehmung (nmlich als unmittelbar gegebene Umkehrbarkeit der Wahrnehmungen) Zugngliches ist, – denn diese ist bekanntlich als ein subjektives, und was ihre Zeitlichkeit anbelangt, stets sukzessives Vorstellen zu charakterisieren. Mit anderen Worten: Wenn wir uns erklren wollen, warum unsere Wahrnehmungen wechselweise aufeinander folgen kçnnen, – und darin

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drckt sich fr uns das Zugleichsein der Dinge aus – dann mssen wir eine Begrndung dafr finden, warum wir von Objekten rechtmßig annehmen drfen, dass sie zugleich sind. Und eine Begrndung dafr drfte nach altbewhrtem Muster in einem reinen Verstandesbegriff zu suchen sein: Folglich wird ein Verstandesbegriff von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen dieser außer einander zugleich existierenden Dinge erfordert, um zu sagen, daß die wechselseitige Folge der Wahrnehmungen im Objekte gegrndet sei, und das Zugleichsein dadurch als objektiv vorzustellen. (B257)

Auffllig ist hier wiederum zweierlei: Der Erklrungsfokus liegt einmal mehr auf der Umkehrbarkeit bzw. der wechselseitigen Folge unserer Wahrnehmungen. Um eine Begrndung fr diesen Sachverhalt zu erlangen, mssen wir aber begrnden kçnnen, warum diese „im Objekte gegrndet sei“, d. h. wir mssen eine Begrndung dafr finden, dass es sich beim Zugleichsein, dessen Ausdruck die Umkehrbarkeit unserer Wahrnehmungen ist, um einen objektiven Zustand der Dinge handelt. Dass aber eine Begrndung fr das Zugleichsein der Dinge gleichzeitig eine Begrndung fr dessen Konsequenz, die Umkehrbarkeit unserer Wahrnehmungen, abgibt, drfte Kant dazu verfhrt haben, beide Sachverhalte ber die Maßen als austauschbar zu veranschlagen. Zwar soll der gesuchte reine Verstandesbegriff dadurch, dass er eine Begrndung fr das Zugleichsein der Dinge liefert, erklren, warum wir die Dinge wechselweise wahrnehmen kçnnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass dasjenige Strukturmerkmal, das wir in unseren solcherart fundierten Wahrnehmungen beobachten kçnnen, nmlich die „Wechselseitigkeit“ (als Umkehrbarkeit oder wechselseitige Folge der Wahrnehmungen) auch eine Rolle in dem zu fundierenden objektiven Zustand der Dinge spielt. Schließlich suchen wir nach einer Verstandesregel, welche es erlaubt, unsere Vorstellungen oder Wahrnehmungen auf ein Objekt zu beziehen, und nicht etwa nach einer Regel, welche unsere Wahrnehmungen – als subjektive Gemtszustnde – untereinander verknpft. Zwar gilt vor dem Hintergrund des transzendentalidealistischen Gegenstandsmodells, dass wir zur Begrndung des Objektbezugs in ontologischer Hinsicht nichts anderes zur Verfgung haben, als unsere Vorstellungen, so dass der Gegenstandsbezug durch die Anwendung von Verstandesregeln auf diese zustande kommen muss. Wie wir anlsslich der Zweiten Analogie im Detail gesehen haben, bedeutet das aber nicht, dass jene Regelanwendung darin aufgeht, unsere Vorstellungen untereinander zu verknpfen, sondern die Anwendung von Verstandesregeln hat zu garantieren, dass wir unsere

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Vorstellungen auf Objekte beziehen und von diesen auch unterscheiden kçnnen (vgl. Kap. II.3.2.). Das bedeutet aber, dass es keineswegs selbstverstndlich ist, dass sich die Regularitt unserer Wahrnehmungen, die wir uns erklren wollen und die sich als Wechselseitigkeit spezifizieren lsst, in strukturell identischer Weise in der „Objektivitt“, durch die wir uns diese erklren wollen, widerspiegelt. Genau dies scheint Kant aber zu unterstellen, wenn er schreibt, dass ein Verstandesbegriff „von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen dieser außer einander zugleich existierenden Dinge“ (kursiv v. Verf.) notwendig ist. Nun ist es zwar sicherlich mçglich, das Zugleichsein der Dinge durch die Wechselseitigkeit ihrer Bestimmungen zu erklren, und wie genau dies vor sich gehen soll, werden wir noch ausfhrlicher zu betrachten haben. Notwendig ist dies aber keineswegs. Denn auch wenn es eine Konsequenz aus dem Zugleichsein der Dinge ist, dass wir diese in wechselseitiger Folge wahrnehmen kçnnen, so heißt dies noch lange nicht, dass die wahrgenommenen Dinge selbst sich wechselseitig bestimmen mssen. Was nach dem bisher gesteckten Rahmen sicherlich richtig ist, ist, dass die Mçglichkeit der wechselseitigen Folge unserer Wahrnehmungen, in der sich fr uns das Zugleichsein der Dinge ausdrckt, in irgendeiner Weise im „Objekt begrndet“ werden muss, und zwar durch die Anwendung eines reinen Verstandesbegriffs, der das Zugleichsein der Dinge generiert und so die Mçglichkeit, unsere Vorstellungen in der charakterisierten Weise auf Objekte zu beziehen, erklrt. Dass die Art und Weise der Regularitt unserer Wahrnehmungen sich aber in exakter Weise in der zu veranschlagenden Objektivitt der Dinge widerspiegelt, mssen wir nach allem bisher Gesagten als eine Erschleichung von Tatsachen betrachten. Wir sind gezwungen, an anderer Stelle danach zu suchen, ob Kant Argumente dafr hat, dass das Zugleichsein der Dinge in irgendeiner Art und Weise durch „Wechselseitigkeit“ erklrt werden muss. Einen – allerdings eher drftig ausfallenden – Hinweis erhalten wir in den Schlussfolgerungen des soweit herangezogenen B-Textes: Nun ist aber das Verhltnis der Substanzen, in welchem die eine Bestimmungen enthlt, wovon der Grund in der anderen enthalten ist, das Verhltnis des Einflusses, und, wenn wechselseitig dieses den Grund der Bestimmungen in dem anderen enthlt, das Verhltnis der Gemeinschaft oder Wechselwirkung. Also kann das Zugleichsein der Substanzen im Raume nicht anders in der Erfahrung erkannt werden, als unter Voraussetzung einer Wechselwirkung derselben untereinander; dieses ist also auch die Bedingung der Mçglichkeit der Dinge selbst als Gegenstnde der Erfahrung. (B 257 f.)

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Nun gehen diese Folgerungen insofern nicht ber das bereits Bekannte hinaus, als auch hier vorausgesetzt wird, dass Zugleichsein durch Wechselseitigkeit erklrt werden muss. Immerhin bemhen sie sich aber um eine Erklrung dessen, wie Wechselseitigkeit auf der Objektebene zu dem gewnschten Ergebnis fhren soll, statt sich auf die bloß vermutete Isomorphie in deren Verhltnissen auf Wahrnehmungsebene (wechselseitige Folge der Wahrnehmungen) und Objektebene (wechselseitige Bestimmung der Dinge) zu verlassen. Und wie wir gleich sehen werden, bietet dieses Vorgehen zumindest die Mçglichkeit, auch unabhngig von jener Isomorphie zu einer Begrndung dafr zu gelangen, dass das Zugleichsein der Dinge nur durch Wechselwirkung erklrt werden kann. Darin knpfen die Schlussfolgerungen der B-Skizze an berlegungen an, die eindeutig den Fokus der A-Auflage bilden. Kant beginnt seine Argumentation dort mit der zunchst einfachen Feststellung: Dinge sind zugleich, so fern sie in einer und derselben Zeit existieren. (B258/ A211)

Nun hebt Kant seine Untersuchung zwar auch hier damit an, den uns schon bekannten epistemischen Zusammenhang von Wahrnehmungsebene und Objektebene aufzugreifen, mit der Fragestellung nmlich, woran das Zugleichsein der Dinge „erkennbar“ sei. Im Gegensatz zur B-Auflage aber dient dieser Zusammenhang hier nicht dazu, ber deren – vermuteten – gemeinsamen Nenner, die Wechselseitigkeit, eine vorschnelle Begrndung dafr zu liefern, dass das Zugleichsein der Dinge nur durch Wechselwirkung erklrt werden kçnne. Vielmehr zentrieren sich die berlegungen der A-Auflage darauf, eine ganz autonome Begrndung dafr auf der Objektebene selbst zu finden. Dies kann daran festgemacht werden, dass Kant hier gleich zu Anfang sucht, zu begrnden, wie das Zugleichsein der Substanzen erklrt werden kçnne, und die Wahrnehmungsebene spielt dabei lediglich die Rolle, klarzumachen, dass diese Frage vor dem transzendentalidealistischen Hintergrund im Rahmen der grçßeren Fragestellung steht, wie jenes Zugleichsein der Substanzen unter den hinlnglich bekannten Bedingungen („Nichtwahrnehmbarkeit der Zeit“) ein „Gegenstand mçglicher Wahrnehmung“ sein kann. Wie auch die schon genannten Schlussbestimmungen des B-Textes geht die Argumentation der A-Auflage davon aus, dass das Zugleichsein der Dinge, an einem Zugleichsein von Substanzen festgemacht werden muss, wobei darunter eindeutig „phnomenale“ Substanzen gemeint sind, also im Sinne der Ersten Analogie relativ-beharrliche Substanzen, wovon wir eine Mehrzahl zulassen mssen. Kants Argument hebt nun damit an, dass eine

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solche Pluralitt von zugleich existierenden Substanzen nicht mçglich, bzw., was im transzendentallogischen Rahmen dasselbe ist, kein Gegenstand mçglicher Wahrnehmung wre, wenn diese Substanzen voneinander „vçllig isoliert“ wren (B259/A212). Denn, wie auch schon die ersten beiden Analogien klargemacht hatten, gengt der bloß subjektive Wahrnehmungsverlauf von den Dingen nicht, deren objektives Dasein in der Zeit zu bestimmen; vielmehr bedarf es etwas anderem, das – auf der Objektebene selbst – die Zeitstelle der wahrgenommenen Dinge bzw. (phnomenalen) Substanzen bestimmt. Es muss also, so drfen wir vermuten, irgendeine Art von Beziehung zwischen den Substanzen selbst geben, welche ihr objektives Dasein in der Zeit bestimmt. Nimmt man diesen Gedanken einmal an, so liegt es im Blick auf das zu erklrende Phnomen des Zugleichseins durchaus nahe, dass diese Beziehung von der Art sein muss, dass sich die Substanzen gegenseitig bestimmen mssen. So schreibt Kant: Es muß also noch außer dem bloßen Dasein etwas sein, wodurch A dem B seine Stelle in der Zeit bestimmt, und umgekehrt auch wiederum B dem A, weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen, als zugleich existierend, empirisch vorgestellt werden kçnnen. (B259/A212)

Und weiter heißt es: Nun bestimmt nur dasjenige dem andern seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von ihm oder seinen Bestimmungen ist. Also muß jede Substanz (da sie nur in Ansehung ihrer Bestimmungen Folge sein kann) die Kausalitt gewisser Bestimmungen in der andern, und zugleich die Wirkungen von der Kausalitt der andern in sich enthalten, d.i. sie mssen in dynamischer Gemeinschaft (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgendeiner mçglichen Erfahrung erkannt werden soll. (B259/A212 f.)

Dass das Verhltnis von Ursache und Wirkung geeignet ist, die Zeitstelle von Erscheinungen bzw. deren Dasein in der Zeit zu bestimmen, darf nach der Zweiten Analogie als bekannt betrachtet werden. Dort hatten wir es allerdings, wie wir gesehen haben, primr mit der Erklrung von etwas, was wir „Ereigniskausalitt“ genannt hatten, zu tun: Es ging darum, die Zustandsvernderung an einem Ding, ein objektiv-zeitliches Ereignis, durch Anwendung der Kausalittsregel zu erklren. Hier haben wir es dagegen mit einer ganz neuen Konstellation zu tun. Ging es in der Zweiten Analogie noch primr um Wirkungen, nmlich um (nach einem so weit noch anonymen Kausalprinzip zu erklrende) zeitliche Ereignisse oder Zustandsvernderungen, so spielen nun die Ursachen dieser Wirkungen eine sehr viel grçßere Rolle, und zwar dergestalt, dass es nicht mehr gengt, sich mit

3. Die Relationskategorien

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einem anonymen Kausalprinzip zufrieden zu geben, sondern dass die urschliche Kraft fr Vernderungen in die Objektebene selbst inkorporiert wird: Die Substanzen selbst sollen hier die Kausalitt fr Vernderungen in anderen Substanzen enthalten. Nun kann man in diesem Vorgehen eine wnschenswerte und notwendige Modifizierung und Klarifizierung des Kausalittsmodells der Zweiten Analogie sehen (vgl. Watkins 2005, S. 231 ff.), zunchst einmal werden dadurch aber nicht unerhebliche Fragen aufgeworfen. Denn, gesteht man auch zu, dass das zu erklrende Phnomen des Zugleichseins von (phnomenalen) Substanzen nach dem Muster der brigen Analogien durch die Anwendung einer Verstandesregel geklrt werden muss, und zwar derart, dass diese Regel eine bestimmte Art von Beziehung zwischen diesen Substanzen fundiert, so ist es doch keineswegs so selbstverstndlich wie Kant hier suggeriert, dass diese Verstandesregel etwas mit dem Kausalprinzip zu tun haben muss. Zwar wre das Kausalprinzip, welches in der Zweiten Analogie nutzbar gemacht wurde, um das Dasein von Erscheinungen in der Zeit zu bestimmen, dafr ein geeigneter, nicht aber zwingend der einzig mçgliche Kandidat. Mehr noch: Die Heranziehung des Kausalprinzips wirft die Frage auf, wie sich die Kategorie der Wechselwirkung eigentlich genau davon unterscheiden soll. 3.3.2. Die Kategorie der Wechselwirkung im Kontext von Kausalitt und Beharrlichkeit Diese Frage hat wiederholt zu der Auffassung gefhrt, das Kausalprinzip der Zweiten Analogie wre im Grunde genommen schon ausreichend, um das Zugleichsein der Dinge zu erklren. Guyer etwa, der zwar in systematischer Hinsicht die Bedeutung der Dritten Analogie anerkennt, bestreitet, dass es notwendigerweise ein Prinzip der wechselseitigen Kausalitt sein muss, welches das Zugleichsein der Dinge zu erklren hat. Unter dem epistemischen Fokus seiner Rekonstruktion geht es Guyer bei der Dritten Analogie um die Frage nach den Rechtfertigungsbedingungen fr die Annahme von zugleichexistierenden Substanzen bzw. Gegenstnden. Und dafr scheint die Annahme ausreichend zu sein, dass es eine notwendige Beziehung zwischen Substanzen gibt, die erfllt ist, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Objekt entweder vom Zustand eines anderen Objekts abhngt oder diesen hervorbringt (vgl. 1987, S. 272). Dann wre aber das unidirektionale Kausalprinzip aus der Zweiten Analogie ausreichend, jedenfalls unter Bercksichtigung der Tatsache, dass Kant dort explizit das Phnomen der „gleichzeitigen Verursachung“ zulsst. Das

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Problem mit dieser Auffassung ist kurz gesagt, dass sie das, was erklrt werden soll, nmlich das Zugleichsein von Objekten oder (phnomenalen) Substanzen, bereits voraussetzt. Denn da klarerweise nicht alle Ursachen gleichzeitig mit ihren Wirkungen sein kçnnen, ist die einzige Mçglichkeit, die Gleichzeitigkeit der Gegenstnde zu sichern, vorauszusetzen (was Guyer explizit tut), dass Ursache und Wirkung zum gleichen Zeitpunkt stattfinden (vgl. Allison 2004, S. 271 und Watkins 1997, S. 431 f.). Doch auch wenn Reduktionsversuche wie der von Guyer letztlich als gescheitert betrachtet werden mssen,61 so machen sie doch noch einmal auf mehrerlei aufmerksam: (1) Es ist von der systematischen Anlage des analytischen Beweisganges der Dritten Analogie her zunchst vçllig offen, welches die gesuchte Verstandesregel sein kçnnte, die das Zugleichsein der Substanzen zu generieren hat. (2) Es ist zwar verstndlich, dass Kant das Kausalittsprinzip heranzieht, um zu erklren, wie sich Substanzen gegenseitig bestimmen, es ist aber durchaus offen, wie sich das neue Prinzip der Wechselwirkung vom Kausalprinzip unterscheiden soll. (3) Gesetzt den Fall, es gibt eine Begrndung fr jenes eigenstndige neue Prinzip, dann steht immer noch die Frage aus, wie sich die damit verbundene Kausalittsvorstellung mit dem Kausalprinzip aus der Zweiten Analogie vereinigen lsst. Wie schon angedeutet, haben wir es bei der Zweiten Analogie primr mit einem Modell der „Ereigniskausalitt“ zu tun. Weiter hatten wir bei der Untersuchung derselben das so genannte „single-event“-Modell gegenber dem „event-event“-Modell favorisiert. Denn die Wirkungsweise des Kausalprinzips, so hatten wir festgestellt, ließ sich am sinnvollsten spezifizieren, wenn man von einem Ereignis ausging, und die Zustandsvernderung an einem Gegenstand (=Ereignis) als Wirkung einer anonymen Ursache auffasste (vgl. Kap. II.3.2.3.). Zwar hatten wir ebenfalls festgestellt, dass, um den systematischen Zusammenhngen, die in der Zweiten Analogie entfaltet werden („Einheit der Erfahrung“) gerecht zu werden, letztlich alle Ereignisse in objektiv-zeitlichen, d. h. dem Kausalprinzip unterliegenden, Verhltnissen stehen mssen, so dass es nicht mehr gengte, Ereignisse als bloße Wirkungen anonymer Ursachen aufzufassen, sondern die Beziehungen zwischen Ereignissen nur als eine angesehen werden konnte, welche ebenfalls dem Kausalprinzip unterliegt. Wie diese Beziehung aber aussehen kçnnte, musste im Rahmen der Zweiten Analogie noch offen bleiben. 61 hnliches kann fr Melnicks Interpretation geltend gemacht werden. Vgl. dazu Allison 2004, S. 268 f.

3. Die Relationskategorien

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Die Art dieser Beziehung wird nun, wie wir schon gesehen hatten, besonders problematisch, wenn man sie unter den Gesichtpunkten der Dritten Analogie betrachtet (vgl. Kap. II.3.2.3.). Wie Watkins dargelegt hat, fhrt das „event-event“-Modell, wenn dadurch das Problem der Wechselwirkung aus der Dritten Analogie erklrt werden soll, zu einem eklatanten Widerspruch (vgl. 2005, S. 238 ff.). Denn wenn Ereignisse sowohl Ursachen als auch Wirkungen sind, in der Weise, dass sich beide Ereignisse gegenseitig verursachen, dann wren wir zu der Aussage gezwungen, dass ein Ereignis ein zweites Ereignis verursacht, welches umgekehrt wiederum das erste Ereignis verursacht. Dies fhrt aber zu einem Widerspruch bezglich der Zeitlichkeit beider Ereignisse. Wie auch schon Schopenhauer bemerkte, msste dann nmlich ein Ereignis gleichzeitig frher und spter als ein anderes Ereignis ein. Nun kçnnte dieser Widerspruch vermieden werden, indem man abstreitet, – was im Rahmen der Dritten Analogie ja auch durchaus nahe liegt – dass Kausalitt notwendigerweise eine temporal asymmetrische Relation zu sein hat. Dann ist es aber schwierig, zu sehen, wie die Gleichzeitigkeit der Verursachung in einer Weise zustande kommen soll, die das Phnomen der Gleichzeitigkeit nicht einfach schon voraussetzt. Zumindest stellt sich wieder einmal die Frage, warum das Verhltnis von Ursache und Wirkung einmal eine temporal asymmetrische und einmal eine temporal symmetrische Relation zeitigen soll. Mit anderen Worten: Es stellt sich einmal mehr die Frage, wie sich das Prinzip der Wechselwirkung vom Kausalprinzip unterscheiden soll, welches in Ersteres inkorporiert wird, um dessen Wirkungsweise zu erklren. Damit gewinnt aber auch die ohnehin – schon aus beweisstrategischen Grnden – offene Frage, wo wir nach einer geeigneten Verstandesregel zur Erklrung von Gleichzeitigkeit zu suchen haben, neue Brisanz. Die Vernderungen der Dritten gegenber der Zweiten Analogie machen darber hinaus darauf aufmerksam, dass wir es hier mit einer gnzlich anderen Konstellation zu tun haben: In der Zweiten Analogie ging es primr um die Erklrung der Zustandsvernderung an einem Ereignis, whrend wir es in der Dritten Analogie von vornherein mit der Gleichzeitigkeit von mehreren Dingen, und zwar im Sinne von (phnomenalen) Substanzen zu tun haben. Die Unbekmmertheit, mit der Kant hier die Rede von mehreren Substanzen=Dingen einfhrt, kçnnte nun in Bezug auf den ersten Punkt zu einer ganz neuen Vermutung Anlass geben: Gesetzt den Fall, es gibt tatschlich mehrere Substanzen, und diese sind nach Erster Analogie als beharrlich anzusehen, sind diese dann nicht per se schon „zugleichseiend“? Denn angenommen, Kant hat in der Ersten Analogie tatschlich gezeigt,

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

dass alle Substanzen beharrlich sind, dann, so kçnnte man argumentieren und so ist argumentiert worden, ergibt sich ihre Gleichzeitigkeit ganz einfach schon aus ihrer Beharrlichkeit. Hier ist es von grçßter Wichtigkeit, sich an den Unterschied von relativer und absoluter Beharrlichkeit zu erinnern, der fr die Interpretation der Ersten Analogie in Anspruch genommen werden musste. Ein Zugleichsein der Substanzen ergbe sich nur dann, wenn wir annehmen wrden, dass es eine Vielzahl von Substanzen gibt, welche alle als absolut beharrlich anzusehen sind. Als absolut beharrlich, so hatten wir festgestellt, kann aber nur die Eine Substanz, als Substrat aller zeitlichen Vernderung gelten. Fr eine Mehrzahl von Substanzen dagegen galt, dass sie lediglich als relativ-beharrlich aufgefasst werden durften und letztlich auf die Eine absolut-beharrliche Substanz zurckbezogen werden mussten. Was Kant bei einer relativ-beharrlichen Substanz im Auge hatte, war das einer Vernderung unterliegende Einzelding von einer bestimmten empirischen Dauer. Nun gilt fr solche relativ-beharrlichen Substanzen oder Einzeldinge ganz klar, dass eine Mehrzahl von ihnen nicht notwendigerweise gleichzeitig existiert. Zwar hatten wir festgestellt, dass um eine kohrente Verwirklichung des Substanzprinzips zu gewinnen, relativ-beharrliche (phnomenale) Substanzen letztlich auf die eine absolut-beharrliche Substanz zurckbezogen werden mssen. Dies bedeutete aber lediglich den Rckbezug auf den Gedanken eines Gegenstandes berhaupt, auf ein unter sinnlichen Bedingungen absolut beharrliches Substrat, das in allem Wechsel dasselbe bleibt. Keineswegs bedeutet dieser Rckbezug auf ein gemeinsames Substrat, dass dadurch so etwas wie Gleichzeitigkeit ins Spiel kommt. Im Gegenteil erwies sich in einer phnomenologischen Betrachtungsart dieser Rckbezug von relativ-beharrlichen Substanzen oder Gegenstnden auf ein absolutes Substrat als ein bergang von einem Ding ins andere. Konkret hieß dies: Ein Gegenstand, den wir unter einer bestimmten wesentlichen Eigenschaft kennen, verliert, wenn diese Eigenschaft wegfllt, seine bestimmte Dinghaftigkeit und wird zu einem anderen Gegenstand, zu einem Ding mit einer anderen wesentlichen Eigenschaft, wobei beide Dinge auf ein Bleibendes zurckbezogen werden mssen, das aber lediglich im Gedanken von einem Gegenstand berhaupt, oder unter sinnlichen Bedingungen einem absoluten Substrat, besteht.62 62 Zu einem anderen Argument dafr, dass die Beharrlichkeit der Substanzen nicht ausreicht, um ihr Zugleichsein zu sichern, vgl. Watkins 2005, S. 221 ff. Watkins setzt bei seiner Argumentation daran an, dass eine Substanz nicht ohne ihre Be-

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Worauf es also ankam, war, dass es berhaupt ein Beharrliches, und zwar in einem absoluten Sinne gab. Der Bezug auf relativ-beharrliche Substanzen oder Einzeldinge war demgegenber vom systematischen Standpunkt aus als derrivativ zu betrachten. Wir mussten uns damit begngen, nach pragmatischen berlegungen fr die Annahme von solchen beharrlichen Einzeldingen, wie wir sie aus der Alltagserfahrung kennen, Ausschau zu halten. Eine eigentlich transzendentallogische Begrndung fr relativ-beharrliche Substanzen oder Einzeldinge von bestimmter und beschrnkter Dauer konnten wir im Rahmen der Ersten Analogie aber nicht ausfindig machen. In einer ganz hnlichen Lage in Bezug auf die gegenwrtige Thematik befinden wir uns mit der Zweiten Analogie. Auch dort stand im Zentrum der berlegungen der Gedanke vom Gegenstand berhaupt. Dies wurde daran deutlich, dass zwar sowohl der einzelne zeitliche Gegenstand als auch die Beziehungen von Gegenstnden eine Rolle spielen mussten, wenn es um die Erklrung der Zeitverhltnisse ging, dass aber durchwegs unbestimmt blieb, worin insbesondere eine solche Beziehung zwischen einzelnen Gegenstnden bestehen kçnnte. Worauf Kant fokussierte, war, wie oben noch einmal erwhnt, das zeitliche Ereignis als solches, gleichgltig, ob sich dies als Geschehen an einem Gegenstand, oder als ein Geschehen spezifizieren lassen wrde, das sich ber mehrere Gegenstnde erstreckt. Was unsere gegenwrtige Thematik anbelangt, so bleibt es von der Zweiten Analogie her vçllig unbestimmt, wie die zeitliche Beziehung zwischen mehreren Dingen aussehen kçnnte. Die Ausfhrungen der Zweiten Analogie waren, wie wir gesehen hatten, gnzlich in einer Terminologie gehalten, welche die Spezifizierung dessen, was als einzelnes Ding, oder was als Mehrzahl von Dingen, anzusehen war, vermied. Es war dort durchwegs von „Geschehen“, „Begebenheit oder „objektiver Folge der Erscheinungen“ die Rede (vgl. II.3.2.3.). Die Frage, wie sich ein solches Geschehen zum Begriff eines Dings, oder gar einer Mehrzahl von Dingen verhlt, blieb dabei vçllig unberhrt. Wir verlassen also die Erste und Zweite Analogie mit einem recht merkwrdigen Tatbestand: Wir wissen noch gar nicht, was aus transzendentallogischer Sicht als ein „einzelnes Ding“ oder eine „Mehrzahl von stimmungen (Akzidenzien) existieren kann, und dass wir Substanzen nur ber diese ihre Bestimmungen oder Zustnde kennen. Dann gilt aber, dass fr die zeitliche Bestimmung einer Substanz die zeitliche Bestimmung ihrer Zustnde wesentlich ist und dass es unmçglich fr uns ist, uns die zeitliche Koexistenz zweier Substanzen ohne ihre zeitlich bestimmten Zustnde vorzustellen, dass wir also folglich auch nicht aus der bloßen Tatsache, dass wir es mir mehreren Substanzen zu tun haben, – ohne ihre zeitlichen Zustnde zu kennen – auf ihre Gleichzeitigkeit schließen kçnnen.

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Dingen“ zu gelten hat. Whrend der systematisch relevante Beweis der Ersten Analogie nur darlegte, dass es Eine absolut-beharrliche Substanz geben msse, begngte sich die Zweite Analogie mit der Erçrterung dessen, was als ein zeitliches Ereignis zu gelten hat. Zwar lag es nahe, ein solches Ereignis als eine Zustandsvernderung an einem Ding zu werten. Dies ist aber soweit eine recht metaphorische Beschreibung, wissen wir doch noch gar nicht, was genau ein solches „Ding“ berhaupt sein soll. Denn was wir noch nicht wissen ist, wie sich diejenige Entitt, die tatschlich einigermaßen ausfhrlich erklrt wurde, nmlich ein Ereignis, auf ein Ding, geschweige denn auf eine Mehrzahl von Dingen bezieht. Was die Zweite Analogie anbelangt, so kçnnte es vor dem Hintergrund der Ersten Analogie auch nur ein „Ding“ im Sinne der absolut-beharrlichen Substanz geben, an der sich eine permanente Zustandsvernderung vollzieht. Zwar htten wir dann nicht die Gegenstandswelt, die wir haben, und Kant nimmt natrlich auch in den ersten beiden Analogien an, dass wir es tatschlich mit einer Mehrzahl von Einzeldingen zu tun haben. Eine transzendentallogisch relevante Begrndung fr diesen Tatbestand gibt es aber bisher nicht. Hier ist es an der Zeit, auf das Modell der „drei Objektivierungsebenen“ des Verstandes zurckzukommen, mit dem wir unsere Untersuchungen ber die Analogien eingeleitet hatten. Die drei Analogien, so hatten wir festgestellt, drfen nicht so verstanden werden, dass wir es mit einem sukzessive aufeinander aufbauenden Modell ber die Gegenstandskonstitution zu tun htten, wo jede Analogie auf einen bereits erledigten Aspekt der Gegenstandskonstitution zurckgreifen kçnnte, beispielsweise in der Art, dass es bei der Ersten Analogie um die Konstitution des einzelnen sinnlichen Gegenstandes, und dann in den beiden anderen Analogien um die Beziehungen zwischen solchen Dingen ginge. Vielmehr, so hatten wir festgestellt, haben alle drei Analogien Anteil an allen Aspekten der Gegenstandskonstitution. Dies hatten wir daran festgemacht, dass alle drei in den Analogien verhandelten Relationskategorien einen gemeinsamen Anwendungsbereich haben, auf den sie sich in wechselseitiger Abhngigkeit beziehen, und der sich ausspezifizieren lsst als: i) der einzelne sinnliche Gegenstand (Einheit des Gegenstands) ii) die Beziehungen zwischen Gegenstnden (Einheit der Gegenstandsrelation) iii) die objektiven Raum- und Zeitbestimmungen (Einheit von Raum und Zeit) Den Fokus aller drei Analogien bildete dabei, als die oberste Stufe der Generierung von Gegenstndlichkeit berhaupt unter sinnlichen Bedin-

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gungen, die Konstitution von objektiven Raum- und Zeitbestimmungen (Einheit von Raum und Zeit). Dabei mussten aber, wie wir gesehen haben, die beiden unteren Gegenstandsebenen (einzelner Gegenstand und Beziehungen zwischen Gegenstnden) miteinbeschlossen werden (vgl. II.3.1.). Nun haben wir gesehen, dass Kant diese Ebenen in den ersten beiden Analogien zwar heranzieht, aber nur im Sinne einer natrlichen Weltanschauung, die von einer Mehrzahl von Einzelgegenstnden geprgt ist und die im transzendentallogischen Rahmen der Untersuchung nur als ein provisorischer Dingbegriff angesehen werden kann. Zwar werden in den ersten beiden Analogien Aspekte von Gegenstndlichkeit erklrt, die jedes „Ding“, was auch immer genau damit gemeint ist, erfllen muss, aber weder in der Ersten noch in der Zweiten Analogie findet sich eine Erklrung dafr, warum es berhaupt Einzeldinge im empirischen Sinn und eine Mehrzahl solcher Einzeldinge geben muss. Nun findet sich zwar eine transzendentallogische Begrndung fr eine solche Pluralitt von Einzeldingen ebenso wenig in der Dritten Analogie. Im Gegensatz zu den ersten beiden Analogien aber kann das Problem, was genau unter einem Einzelding zu verstehen ist – wovon es mehrere zu geben hat –, dort nicht einfach ignoriert werden, setzt der Beweisgang der Dritten Analogie doch mit der ganz expliziten Annahme ein, dass es tatschlich mehrere Einzeldinge und zwar im Sinne von Substanzen gibt. Wrden die Argumente der ersten beiden Analogien notfalls auch mit der Annahme nur Einer (absolut-beharrlichen) Substanz funktionieren, so bedrfen wir doch sptestens mit der Dritten Analogie einer zufrieden stellenden Begrndung dafr, dass es aus Grnden, die mit der Mçglichkeit der Erfahrung zu tun haben, nicht nur Einer, sondern mehrerer (relativ-beharrlicher) Substanzen bedarf. Die eher pragmatischen berlegungen, die wir im Rahmen der Ersten Analogie anhand eines derrivativen Substanzbegriffes rekonstruiert hatten, reichen dabei, wie schon dort klargemacht wurde, in keiner Weise aus. 3.3.3. Konstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens fr die „Dritte Analogie“ Wir befinden uns nach allem Gesagten mit dem analytischen Beweisverfahren, das Kant auch fr die Dritte Analogie eingeschlagen hat, in einer doppelten Problemlage: Zum einen konnte nicht klargemacht werden, warum es gerade der Kategorie der Wechselwirkung bedarf, um das Zugleichsein der Dinge zu erklren, ein Defizit, das vor allen Dingen dadurch zu erklren ist, dass hier im Gegensatz zu den anderen Kategorien zunchst

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einmal jeder Hinweis darauf zu fehlen scheint, was die hier verhandelte Kategorie mit der entsprechenden Urteilsfunktion (des disjunktiven Urteils) zu tun haben soll. Zum anderen verwiesen die vor diesem Hintergrund nur allzu verstndlichen Reduktionsversuche, das Problem der Gleichzeitigkeit innerhalb der ersten beiden Analogien abzuhandeln, darauf, dass wir es auch dort noch mit einem Defizit zu tun haben, welches allerdings erst in der Dritten Analogie voll zu Tage tritt: nmlich mit der Frage, ob es eine transzendentallogische Rechtfertigung fr die Annahme von mehreren Substanzen gibt. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass dieses scheinbare Defizit, nmlich die unerledigte Frage nach einer Pluralitt von Einzelgegenstnden, einen ganz entscheidenden Beitrag zu leisten vermag, wenn wir versuchen, anhand der Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens, den ersten Problembestand zu klren, nmlich die Frage, warum fr das Zugleichsein der Dinge die Kategorie der Wechselwirkung zu veranschlagen ist, und zwar in einer Weise, dass der Ursprung dieser Kategorie im urteilenden Verstand nachvollziehbar ist. Entsprechend dem Verfahren, das wir auch bei den anderen beiden Analogien angewandt haben, muss unsere Frage nun lauten: Gibt es einen Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Wechselwirkung, solcherart, dass sich die Kategorie der Wechselwirkung als notwendig erweist, um disjunktive Urteile fllen zu kçnnen? Und welche Rolle spielt dabei die noch offene Frage nach einer Pluralitt von Einzelgegenstnden? 3.3.3.1. Zum Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft Dass der Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Wechselwirkung bzw. Gemeinschaft alles andere als einsichtig ist, scheint Kant voll bewusst gewesen zu sein. In den Anmerkungen zur Kategorientafel gesteht er: Von einer einzigen Kategorie, nmlich der der Gemeinschaft, die unter dem dritten Titel befindlich ist, ist die bereinstimmung mit der in der Tafel der logischen Funktionen ihm korrespondierenden Form eines disjunktiven Urteils nicht so in die Augen fallend, als bei den brigen. (B111 f.)

Um diesen Zusammenhang dennoch vor Augen zu fhren, beruft sich Kant auf eine gewisse Strukturisomorphie in der Wirkungsweise von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft, welche im Rahmen der Analytik den einzigen Fingerzeig darauf bildet, wie man sich das Verhltnis von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft vorzustellen hat:

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Um sich dieser bereinstimmung zu versichern, muß man bemerken: daß in allen disjunktiven Urteilen die Sphre (die Menge alles dessen, was unter ihm enthalten ist) als ein Ganzes in Teile (die untergeordneten Begriffe) geteilt vorgestellt wird, und, weil einer nicht unter dem andern enthalten sein kann, sie als einander koordiniert, nicht subordiniert, so daß sie einander nicht einseitig, wie in einer Reihe, sondern wechselseitig, als in einem Aggregat, bestimmen (wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, alle brige ausgeschlossen werden, und so umgekehrt), gedacht werden. (B112)

Weiter heißt es: Nun wird eine hnliche Verknpfung in einem Ganzen der Dinge gedacht, da nicht eines, als Wirkung, dem andern, als Ursache seines Daseins, untergeordnet, sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in Ansehung der Bestimmung der andern beigeordnet wird (z. B. in einem Kçrper, dessen Teile einander wechselseitig ziehen, und auch widerstehen), welches eine ganz andere Art der Verknpfung ist, als die, so im bloßen Verhltnis der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt, und darum mit diesem (wie der Weltschçpfer mit der Welt) nicht ein Ganzes ausmacht. (B112)

Als Schlussfolgerung wird festgehalten: Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich die Sphre eines eingeteilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und, wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphre verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) jedem auch ausschließlich von den brigen zukommt, doch als in einem Ganzen verbunden vor. (B112 f.)

Die angezeigte Strukturisomorphie besteht demnach darin, dass es in beiden Fllen, wenn auch die Gegenstandsbereiche von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft unterschiedliche sind (im einen Fall geht es um Begriffe, im anderen Fall um Dinge), um die Vorstellung einer ,Teil-Ganzes’-Beziehung und um die Koordination der ,Teile‘ innerhalb eines ,Ganzen‘ geht. Weiter wird jene Koordination so vorgestellt, dass sich die ,Teile‘ oder ,Glieder‘ innerhalb eines ,Ganzen‘ wechselseitig bestimmen. Was nun das disjunktive Urteil angeht, so steht diese Charakterisierung in engem Zusammenhang mit anderen Textstellen innerhalb der Kritik, sowie den Aufzeichnungen zur Logik im Kantischen Textkorpus. So heißt es etwa in den Erluterungen zur Urteilstafel: Endlich enthlt das disjunktive Urteil ein Verhltnis zweener, oder mehrerer Stze gegen einander, aber nicht der Abfolge, sondern der logischen Entgegensetzung, so fern die Sphre des einen die des andern ausschließt, aber doch zugleich der Gemeinschaft, in so fern sie zusammen die Sphre der eigentlichen Erkenntnis ausfllen, also ein Verhltnis der Teile der Sphre eines Er-

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kenntnisses, da die Sphre eines jeden Teils ein Ergnzungsstck der Sphre des andern zu dem ganzen Inbegriff der eingeteilten Erkenntnis ist. (….) Es ist also in einem disjunktiven Urteile eine gewisse Gemeinschaft der Erkenntnisse, die darin besteht, daß sie sich wechselseitig einander ausschließen, aber dadurch doch im Ganzen die wahre Erkenntnis bestimmen, indem sie zusammengenommen den ganzen Inhalt einer einzigen gegebenen Erkenntnis ausmachen. (B98 f./A73 f.)

Interessant ist, dass, wenngleich die Strukturbeschreibung identisch mit der vorhin herangezogenen aus den Anmerkungen zur Kategorientafel ist (,Teil-Ganzes‘-Beziehung und wechselseitige Bestimmung), die Schwerpunkte in den beiden Charakterisierungen verschiedene sind. Whrend in den Anmerkungen zur Urteilstafel von einem Verhltnis von Stzen bzw. Urteilen die Rede ist, die sich gegenseitig ausschließen und zusammen die Sphre der ganzen Erkenntnis ausmachen, sind in den – erst in der zweiten Auflage der Kritik beigefgten – Anmerkungen zur Kategorientafel die Teile eines Ganzen nicht Urteile, sondern die Begriffe, welche zusammengenommen die Sphre eines bergeordneten Begriffes bilden.63 Diese Vernderungen sind vermutlich keineswegs zufllig, bercksichtigt man, dass Kant in den Erluterungen zur Kategorientafel einen Zusammenhang des disjunktiven Urteils mit der Kategorie der Gemeinschaft herstellen will. Denn was Letztere leisten soll, ist ja, eine Ganzheit von Dingen zu reprsentieren. So gesehen liegt es aber wesentlich nher, das disjunktive Urteil als eines vorzustellen, das es mit der Koordination von Begriffen, die zusammengenommen einen bergeordneten Begriff ausmachen, zu tun hat, als eines, das sich auf Urteile ber sich ausschließende abstrakte Sachverhalte ber die Welt bezieht (Kants Beispiel ist: „Die Welt ist entweder durch einen blinden Zufall da, oder durch innre Notwendigkeit, oder durch eine ußere Ursache“, B99/A74). Denn womit wir es bei Ersterem zu tun haben, ist der Umfang eines Begriffes, also etwa die Einteilung eines bergeordneten Begriffes wie ,Baum‘ in untergeordnete Begriffe wie ,Fichte‘, ,Buche‘ ,Eiche‘, etc., die sich gegenseitig ausschließen und doch zusammengenommen die ganze Sphre des bergeordneten Begriffs ausmachen.64 Dies kann aber zumindest in einer der mçglichen 63 Bemerkenswert neben diesen Vernderungen in Bezug auf die Materie des disjunktiven Urteils ist außerdem, dass im Zusammenhang der Urteilstafel die Ausschließlichkeit eines Urteils gegenber einem anderen betont wird, whrend im Zusammenhang der Kategorientafel die Koordination der Begriffe, die unter einem anderen Begriff enthalten sind, hervorgehoben wird. 64 Im Folgenden soll, wenn dieses Beispiel zur Verdeutlichung der fr das disjunktive Urteil relevanten Begriffsverhltnisse herangezogen wird, der Einfachheit halber der

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Bedeutungen von Begriffsumfang, die wir kennen gelernt haben, so verstanden werden, dass es dabei um die Menge von Dingen geht, die unter die entsprechenden Begriffe fallen, also im konkreten Fall: die Menge von Bumen, die entweder als Fichten oder Buchen oder Eichen etc. zu spezifizieren sind (vgl. dazu Kap. I.3.1 und II.3.1.). Eine solche Interpretation des disjunktiven Urteils im Sinne einer extensionalen Logik wird noch gestrkt, nimmt man die entsprechenden Bestimmungen aus der Jsche-Logik hinzu (vgl. dazu Longuenesse 1998a, S. 378 ff.). In der aus der Jsche-Logik schon bekannten Art und Weise wird hier der Gegenstandsbezug des Urteils durch die Referenz auf ein anonymes x gesichert, welches durch den Subjektbegriff des Urteils bezeichnet wird (vgl. AA. IX, S. 107 f.). Demnach ließe sich das Urteil: „a ist entweder b oder c oder d oder e“ auch so fassen: Diejenigen x, welche unter dem Begriff a gedacht werden, sind so zu unterteilen, dass sie entweder durch den Unterbegriff b oder c oder d oder e reprsentiert werden. Die Unterbegriffe b, c, d und e machen dabei den ganzen Umfang des Begriffs a aus, und zwar so, dass sie sich gegenseitig ausschließen.

Die eigentmliche Struktur des disjunktiven Urteils wird in der JscheLogik im Kontrast zum kategorischen Urteil anhand folgender Abbildung illustriert (vgl. AA. IX, S. 108, vgl. hierzu auch Longuenesse, ebd.):

Begriff ,Baum‘ als Gattungsbegriff und die untergeordneten Begriffe wie ,Fichte‘, ,Tanne‘ etc. als Artbegriffe behandelt werden, ohne Bercksichtigung etwaiger Zwischenunterscheidungen wie beispielsweise einer Einteilung in „Nadelhçlzer“ oder „Laubhçlzer“, und – da hier allein logische Gesichtpunkte von Interesse sind – unter Vernachlssigung der andersgearteten Einteilung von Gattungen und Arten nach der auf Linn zurckgehenden blichen biologischen Systematik. Weiter soll fr unser fiktives Beispiel angenommen werden, dass es sich bei den unterteilten Arten ,Fichte‘, ,Buche‘, etc. um die gesamte Menge der unter den Begriff ,Baum‘ fallenden Gegenstnde handelt.

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In unserem Beispiel wrde das disjunktive Urteil in der vorgeschlagenen Formalisierung bedeuten: Diejenigen x, die unter dem Begriff ,Baum‘ gedacht werden (die Menge der Bume) sind entweder als ,Tannen‘, ,Fichten‘, ,Buchen‘ oder ,Eichen‘ zu spezifizieren. Das heißt aber wiederum, dass auch die unter den im Urteil eingeteilten Unterbegriffen (,Tanne‘, ,Fichte‘, ,Buche‘, ,Eiche‘) gedachten Gegenstnde, als Teilmengen der ursprnglichen Menge der Bume reprsentiert werden kçnnen (Tannen, Fichten, Buchen, Eichen), welche zusammengenommen die ganze Menge der Bume ausmachen. Was folgt nun aus dem Gegenstandsbezug des disjunktiven Urteils fr unsere Frage nach dem Zusammenhang desselben mit der Kategorie der Gemeinschaft, abgesehen von der simplen Feststellung, dass wir es in beiden einerseits mit Mengen, andererseits mit Ganzheiten von Dingen zu tun haben? Oder anders gefragt: Gengt dieser Zusammenhang, der ber die bloße Strukturisomorphie von disjunktivem Urteil und Gemeinschaft insofern hinausgeht, als es zumindest in einer sehr vagen Weise auch um einen gemeinsamen Gegenstandsbereich geht, um das Verhltnis von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft in einer Weise zu bestimmen, dass die Kategorie der Gemeinschaft aus dem disjunktiven Urteil ihre Rechtfertigung erfhrt? Nach dem bisher beobachteten Verfahren msste sich in diesem Fall die Anwendung der Kategorie der Gemeinschaft auf die Sinnlichkeit als notwendig erweisen, damit wir disjunktive Urteile ber die Welt der Erscheinungen fllen kçnnen. Doch hier gelangt die Analogie von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft in Bezug auf Wirkungsweise und Gegenstandsbereich schnell an ihre Grenzen. Denn auch wenn sich ein disjunktives Urteil – wie jedes andere Urteil auch – auf Gegenstnde bezieht, so lsst sich doch aus ihm zunchst einmal gar nicht ablesen, wie diese Gegenstnde organisiert sein mssen, damit wir dieses Urteil fllen kçnnen. Dies tritt deutlich vor Augen, wenn man das disjunktive mit dem kategorischen Urteil vergleicht, das in oben aufgefhrter Darstellung aus der Jsche-Logik zum Vergleich herangezogen wird. Entsprechend den dort verwendeten Formalisierungen bedeutet ein kategorisches Urteil „b ist a“ (wobei in Umkehrung der blichen Symbolverwendung a der allgemeinere Prdikatbegriff ist): x, das unter b enthalten ist, ist außerdem unter a enthalten.

Nun haben wir in Kap. II.3.1. gesehen, dass sich aus dem kategorischen Urteil relativ leicht auf die zugrunde liegende Substanzkategorie folgern lsst. Wann immer der Gegenstandsbezug eines kategorischen Urteiles

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relevant ist (d. h. mindestens bei synthetisch-kategorischen Urteilen), muss sich das Urteil ber seinen Subjektbegriff (hier b) auf einen Gegenstand beziehen, und zwar so, dass der Gegenstand x durch den Subjektbegriff b bezeichnet wird, und durch den Prdikatbegriff a seine Bestimmung erfhrt. Nur in diesem Fall kçnnen wir von einer Bestimmung am Gegenstand sprechen. Dies lsst aber unmittelbar auf eine Gegenstandskonzeption schließen, nach der Gegenstnde als „Trger von Eigenschaften“, und das heißt letztlich nach dem Substanz-Akzidenz-Schema strukturiert, aufzufassen sind. Im Falle des disjunktiven Urteils aber ist ein hnlich einfacher Schluss nicht mçglich. Whrend sich die Struktur des kategorischen Urteils relativ einfach auf die Struktur des ihm zugrunde liegenden Gegenstandes abbilden ließ, scheint dies beim disjunktiven Urteil nicht der Fall zu sein. Ein an sich zwar belangloses, aber um so aufflligeres Indiz dafr, dass beim disjunktiven Urteil eine grçßere Distanz zwischen Urteilstruktur und Gegenstandsbereich besteht als beim kategorischen Urteil, ist, dass in der entsprechenden Abbildung aus der Jsche-Logik die Kennzeichnung fr den Gegenstandsbereich = x fehlt (vgl. Abb. 2). Zu beachten ist hier zunchst einmal, dass wir es beim disjunktiven Urteil, im Gegensatz etwa zum kategorischen Urteil, von vornherein und ausschließlich mit Mengen von Gegenstnden zu tun haben. Nun muss der Gegenstandsbereich eines Urteiles, wenn wir aus dem Urteil auf die entsprechende Kategorie schließen wollen, einer sein, der im Bereich des Sinnlichen durch die Anwendung jener Kategorie generiert wird. Gegenstandsmengen aber, wie sie im disjunktiven Urteil gedacht werden, sind etwas, was in der sinnlichen Erfahrung gar nicht reprsentiert werden kann. So ist etwa die Menge der Bume, die sich einteilen lsst in die Untermengen von Tannen, Fichten, Eichen und Buchen nichts, was wir je in der sinnlichen Erfahrung in ihrer Ganzheit (und dies ist entscheidend) antreffen wrden. Was wir wahrnehmen, sind stets einzelne Bume, einzelne Fichten, Tannen, etc., oder auch eine Mehrzahl von ihnen, aber niemals die Menge einer bestimmten Art in ihrer Gesamtheit. Mehr noch: Wir brauchen, um ein solches Urteil fllen zu kçnnen, auf die Sinnlichkeit gar nicht Bezug zu nehmen. Denn dass Fichten, Tannen etc. Arten von Bumen sind, wissen wir schon aus begrifflichen Grnden. Sind demnach alle derartigen Urteile, also Urteile, deren Materie Begriffe sind, analytische Urteile? Eine solche Schlussfolgerung erscheint wenig plausibel. Zwar liegt es etwa im Begriff der ,Fichte‘, dass sie ein Baum ist (da die ,Baumartigkeit‘, wenn man so will, ein analytisches Merkmal des Begriffs ,Fichte‘ ist). Umgekehrt gilt aber nicht, dass die Menge von Bumen hinsichtlich ihrer Arten konstant bleibt. Verschiedene Arten

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

kçnnten aus dieser Menge herausfallen oder es kçnnen neue hinzutreten, was darauf hindeutet, dass wir der Erfahrung bedrfen, um das Konzept einer Menge von Bumen mit all ihren Arten zu bilden. Doch auch wenn dieses Konzept variabel ist, ndert das nichts daran, dass wir zu dem Zeitpunkt, in dem wir ein disjunktives Urteil ber jene Menge fllen, keinen Bezug zur Sinnlichkeit bençtigen. Denn das Wissen darum, welches die Arten von Bumen sind, ist zu diesem Zeitpunkt, auch wenn es in der Vergangenheit durch den Bezug auf sinnliche Erfahrung generiert wurde, gegeben. Die genauere Erçrterung jenes erfahrungs- aber nicht unmittelbar sinnlichkeitsabhngigen Wissens mssen wir noch etwas aufschieben. Fr den Moment kommt es nur darauf an, dass dem disjunktiven Urteil, zumindest in der bisher herangezogenen Form, ein recht eigentmlicher Status zuzuschreiben ist: Um ein solches Urteil fllen zu kçnnen, scheint kein unmittelbarer Bezug auf die sinnliche Erfahrung von Nçten zu sein, gleichzeitig handelt es sich dabei doch auch nicht um erfahrungsunabhngige Urteile im Sinne von analytischen Urteilen. Mçglicherweise gelangen wir zu einem nheren Zusammenhang von disjunktivem Urteil und sinnlicher Erfahrung, wenn wir disjunktive Urteile eines anderen Quantifizierungstyps mitbercksichtigen, – lag die Ferne des eben herangezogenen Urteiles doch schon darin, dass wir es mit einem Urteil allgemeiner Form zu tun hatten, das sich auf die gesamte Menge aller Bume, ob in der Sinnlichkeit gegeben oder nicht, bezog. Vielleicht lsst sich ein disjunktives Urteil generieren, welches sich auf eine begrenzte Menge beschrnkt, die tatschlich als in der Sinnlichkeit gegeben vorgestellt werden kann, und vielleicht kann so die Distanz des disjunktiven Urteils zum sinnlichen Gegenstandsbereich berbrckt und ein Zusammenhang zu einem dafr notwendig zu machenden Gegenstandsbegriff in der Sinnlichkeit hergestellt werden. Wie wrde es sich also verhalten, wenn wir ein besonderes oder ein einzelnes disjunktives Urteil generierten? Beginnen wir mit einem partikularen Urteil etwa der Form: Einige Bume sind entweder Fichten oder Tannen oder Eichen oder Buchen.

Was hier sofort ins Auge fllt, ist, dass ein solches Urteil den allgemeinen Anforderungen eines disjunktiven Urteiles gar nicht gengen wrde. Denn wir haben es hier nicht mit einer wohldefinierten Menge von Gegenstnden zu tun, die in irgendeiner Weise als Ganzheit betrachtet werden kçnnte, also als die gesamte Sphre einer Erkenntnis, oder als der Umfang eines Begriffes, der im Urteil ber sie oder ihn eingeteilt werden kçnnte. Bestenfalls ist die Einschrnkung auf einen unspezifischen Gegenstands-

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bereich irrelevant: Von „einigen Bumen“ gilt dann eben, was von „allen Bumen“ gilt, nmlich dass es sich dabei entweder um Fichten oder Tannen etc. handelt. Auf diese Weise erreichen wir also keine grçßere Nhe zum gesuchten sinnlichen Gegenstandsbereich. Wie verhlt es sich aber, wenn wir diesen Gegenstandsbereich von vornherein als einen konkret in der Sinnlichkeit gegebenen veranschlagen, als eine wohldefinierte Menge, die in unmittelbarer sinnlicher Erfahrung gegeben ist, und daher auch der Anforderung gengen wrde, dass es sich dabei – zumindest in der konkreten Erfahrungssituation – um eine Gesamtheit handelt? Dafr kme nun nur ein indexikalisches Urteil in Frage, das sich entweder auf einen Gegenstand oder auf eine bestimmte Menge von Gegenstnden bezieht, etwa der Art: Diese Bume sind entweder Fichten oder Tannen oder Eichen oder Buchen.

Nun sehen wir auch hier recht schnell, dass sich nichts Grundstzliches gendert hat. Auch wenn wir hier auf eine konkrete Menge von Bumen (oder auf einen Baum) Bezug nehmen, erfahren wir ber Bume doch nicht mehr und auch nicht weniger als in dem allgemeinen Urteil ber Bume, mit dem wir begonnen hatten. Dass wir auf eine konkrete Menge von Exemplaren Bezug nehmen, ndert nichts daran, wie wir im Allgemeinen den Oberbegriff ,Baum‘, unter den diese Exemplare fallen, in seine verschiedene Unterbegriffe unterteilen. Denn dass es sich bei einem oder mehreren Bumen entweder um eine Fichte oder eine Tanne etc. handelt, mssen wir auch in diesem Fall als Wissenskontext, den wir in der Erfahrungssituation voraussetzen, mitbringen. Es sieht also nach alledem so aus, als wre in Urteilen der untersuchten Art (in denen wir es mit der Einteilung von Begriffsumfngen zu tun haben) der Gegenstandsbezug des jeweiligen Urteils tatschlich irrelevant. Dies lsst sich auch daran festmachen, dass es nicht mçglich scheint, in einem disjunktiven Urteil, selbst im Falle eines indexikalischen Urteils (fr das wir etwa im Falle des kategorischen Urteiles die Bedeutung des Gegenstandsbezug am eindeutigsten bestimmen konnten), neue Erkenntnisse zu gewinnen oder zu formulieren. Es hat also ganz den Anschein, als wrde es synthetisch-disjunktive Urteile im genuinen Sinn, also Urteile, fr die der Bezug auf Gegenstnde der sinnlichen Erfahrung wesentlich (und nicht nur schlicht gegeben) ist, gar nicht geben, – was uns wie gesagt nicht zu der grobschlchtigen Auffassung, dass alle disjunktiven Urteile analytisch sind, verleiten, sondern eher dazu veranlassen sollte, den Status der disjunktiven Urteile, der sich zwischen Synthetizitt und Analytizitt zu bewegen scheint, noch nher zu erçrtern. Doch bevor wir uns mit dieser Aufgabe beschftigen, sollten wir erst noch einmal festhalten, was aus der bisherigen

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Untersuchung in puncto Gegenstandsbezug der disjunktiven Urteile gewonnen werden kann. Wir haben gesehen, dass die verschiedenen Quantifizierungen von disjunktiven Urteilen (falls diese berhaupt sinnvoll sind) fr ihren Gegenstandsbezug nicht von Bedeutung sind. Selbst beim indexikalischen Urteil, fr das man den strksten Gegenstandsbezug vermuten sollte, war allein die – in der Wahrnehmungssituation als bekannt vorauszusetzende – begriffliche Einteilung eines bergeordneten Begriffs in seine untergeordneten Begriffe relevant. Bemerkenswert ist, dass dies der einzige Fall war, in dem wir es mit einer wohldefinierten Menge von Gegenstnden, welche tatschlich in der Sinnlichkeit gegeben war, zu tun hatten. Egal, ob wir es mit einem oder mehreren Gegenstnden zu tun haben, auf die ein indexikalisches Urteil verweist, beide gengen zumindest der Anforderung, dass es sich dabei um etwas handelt, das auf gegenstndlicher Ebene als Ganzheit verstanden werden kann. Entscheidend ist aber, dass diese „Ganzheit“ fr das entsprechende Urteil keine Rolle spielt. So stellt etwa die Menge von wahrgenommenen Bumen lediglich eine Anzahl von einzelnen Exemplaren der Gattung Baum dar. Es gibt aber innerhalb dieser Menge keinerlei Beziehungen zwischen den Exemplaren, die fr das disjunktive Urteil in irgendeiner Weise von Belang wren. Dies ist nun von entscheidender Bedeutung fr unsere Frage, ob es einen mçglichen Zusammenhang zwischen disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft geben kçnnte, und zwar dergestalt, dass die Anwendung der Letzteren auf die Sinnlichkeit die Voraussetzung dafr sein kçnnte, dass wir disjunktive Urteile fllen kçnnen. Denn auch wenn wir zugestehen, dass beide (Urteil und Kategorie) es mit der internen Organisation von Ganzheiten zu tun haben – darin besteht die Strukturisomorphie, die wir zugestanden hatten – so sehen wir doch nun, dass ganz egal, was das Ergebnis der Anwendung der Kategorie der Gemeinschaft auf die Sinnlichkeit sein mag, dies keinen unmittelbaren Einfluss darauf hat, wie wir uns in disjunktiven Urteilen auf die Sinnlichkeit beziehen. Und zwar schlicht und einfach deswegen, weil der Bezug auf die Sinnlichkeit fr das disjunktive Urteil keine unmittelbare Bedeutung hat. Betrachten wir den Zusammenhang von der anderen Seite: Dass wir es in der Sinnlichkeit mit Dingen zu tun haben, die sich in wechselseitiger Bestimmung zu einer Ganzheit formen, oder dass wir ein Ding mit seinen Teilen als eine organisierte Ganzheit auffassen, wie es die Kategorie der Gemeinschaft fordert, hat mit dem disjunktiven Urteil zunchst einmal nicht das geringste zu tun. Im einen Fall (Urteil) haben wir es mit der begrifflichen Klassifizierung von Mengen von Gegenstnden zu tun, fr die es vçllig

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irrelevant ist, ob sie in der konkreten sinnlichen Erfahrung zumindest teilweise anhand einiger Exemplare davon gegeben sind oder nicht. Im anderen Fall haben wir es mit den Relationen von einzelnen Gegenstnden in der Sinnlichkeit zu tun, die zusammen eine Gemeinschaft bilden sollen, welche zunchst einmal keine erkennbare Relevanz dafr haben, dass und wie wir uns in disjunktiven Urteilen auf sie beziehen. Dass der Zusammenhang, den Kant zwischen disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft aufstellt, ein berraschender ist, ist auch der Ausgangspunkt der Interpretation von Longuenesse, die wir in Bezug auf den Zusammenhang von Kategorien und Urteilsfunktionen schon des fteren gewinnbringend herangezogen haben. So heißt es bei ihr: Equating in this way the relation between extensions or spheres of concepts, on the one hand, and the relation of whole to parts in things, on the other hand, is a surprising move (…) For regardless of how one interprets logical disjunction (from an extensional or from an intensional standpoint), identifying it with the ‘division of a thing into its parts’ or with the “division of a whole made up of things” seems tantamount to identifying the relation of things with a relation of concepts. (S. 381)

Nichtsdestotrotz ist Longuenesse der Meinung, dass unter einer Interpretation im Zeichen einer extensionalen Logik, der auch wir soweit gefolgt sind, eine Lçsung des Problems mçglich ist. Interessanterweise beruht ihr Einwand gegen Kants Analogiebildung vor allen Dingen darauf, dass wir es nach Kant bei Begriffsordnungen und bei der Ordnung von Gegenstnden sinnlicher Anschauung mit ganz verschiedenen Strukturtypen zu tun haben: Begriffe enthalten Vorstellungen unter sich, whrend Anschauungen Vorstellungen in sich enthalten. Und whrend wir es bei der logischen Disjunktion mit dem ersten Typ von Ordnung zu tun haben, kann es sich bei einem Ganzen der Dinge oder einem Ding mit seinen Teilen, da sie in sinnlicher Anschauung vorgestellt werden, nur um eine Ordnung des zweiten Typs handeln (vgl. 1998a, S. 381). Dieses Problem kann nun im Rahmen einer extensionalen Logik relativ einfach behoben werden. Denn nehmen wir auf die Mengen von Gegenstnden Bezug, die unter den jeweiligen Begriffen eines disjunktiven Urteils gedacht werden, dann kçnnen diese Mengen selbst sehr wohl so gedacht werden, dass sie in sich die einzelnen Dinge enthalten, welche die Menge konstituieren (vgl. ebd. S. 382). Doch selbst wenn dieses Problem ausgerumt ist, wie kçnnen die oben aufgefhrten Einwnde entkrftet werden, die sich gegen einen unmittelbaren Zusammenhang von Kategorie und Urteil gestellt hatten, und die im Grunde genommen alle darauf beruhten, dass die Mengen von Gegen-

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stnden, auf die sich ein disjunktives Urteil bezieht, in unmittelbarer sinnlicher Erfahrung nicht darstellbar sind? Vielleicht haben wir unser Konzept von „sinnlicher Erfahrung“ zu eng gefasst. Wir sind davon ausgegangen, dass wir die in einem disjunktiven Urteil gedachte Menge angleichen mssen an eine in einer konkreten Erfahrungssituation gegebene Menge, um zu einer mçglichen Antwort darauf zu gelangen, was die gegenstndlichen Voraussetzungen fr ein disjunktives Urteil ber eine solche Menge sind. Dieses anhand des indexikalischen Urteils beobachtete Verfahren scheiterte daran, dass die sinnliche Darstellung einer bestimmten Anzahl von Exemplaren einer Menge fr die Unterteilung dieser Menge in ihre Unterarten irrelevant war. Denn auch wenn wir uns solcherart auf einen tatschlich gegebenen sinnlichen Gegenstandsbereich beschrnken, bezieht sich die Einteilung der Untermengen doch immer rein begrifflich auf die gesamte Menge aller unter dem Oberbegriff gedachten Gegenstnde, also einer sinnlich niemals darstellbaren gedachten Menge von Gegenstnden. Vielleicht mssen wir eine andere Richtung einschlagen und unser Konzept von sinnlicher Erfahrung im Gegenteil erweitern. Vielleicht sollten wir, statt uns auf eine wirklich gegebene sinnliche Erfahrung einzuschrnken, unser Konzept sinnlicher Erfahrung ausweiten auf alle mçgliche sinnliche Erfahrung, um in diesem weiteren Rahmen zu einer Antwort darauf zu gelangen, wie die Kategorie der Gemeinschaft dazu beitragen kçnnte, dass wir in disjunktiven Urteilen Mengen von Gegenstnden, die, wie wir gesehen haben, immer als die gesamten Mengen der unter einem Begriff gedachten Gegenstnde zu interpretieren sind, in ihre Untermengen einteilen und diese aufeinander beziehen kçnnen. Auf einer solchen Strategie beruhen nun die berlegungen von Longuenesse, die im Rahmen des eben angefhrten Konzeptes einer extensionalen Logik angesiedelt sind. Die Kategorie der Gemeinschaft soll es in ihren berlegungen mit der intuitiven Darstellung von Mengen (bzw. Vielheiten) zu tun haben, welche der diskursive Verstand unter entsprechenden Begriffen im disjunktiven Urteil verbinden kann (vgl. 1998a, S. 382). Entscheidend dabei ist, dass die dafr durch sinnliche Synthesis darzustellende „Extension“ (welche dann die Extension des disjunktiven Urteils bilden kann) durch qualitativ bestimmte Einzeldinge konstituiert werden soll. Denn nur so kann die Verbindung zur Kategorie der Gemeinschaft hergestellt werden, die es mit dem Ganzen von Dingen, oder dem Ding mit seinen Teilen zu tun hat (vgl. ebd. S. 383). Nun bestand unser Hauptproblem bezglich des Zusammenhangs von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft darin, dass die Mengen von Gegenstnden, auf die sich ein disjunktives Urteil bezieht, in

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der Sinnlichkeit gar nicht darstellbar zu sein schienen. Und zwar deswegen, weil sich das disjunktive Urteil stets auf die gesamten Mengen der unter einen Begriff fallenden Gegenstnde zu beziehen hatte, die in sinnlicher Erfahrung niemals (und wenn dann nur in kontingenter und fr das entsprechende Urteil irrelevanter Weise) gegeben sein konnten, so dass es sinnlos erschien, die Kategorie der Gemeinschaft fr die Konstitution solcher Mengen in der Sinnlichkeit heranzuziehen. Dieses Problem wird in der Interpretation von Longuenesse dadurch umgangen, dass es bei der heranzuziehenden sinnlichen Konstitution von vornherein nicht um eine gegebene sinnliche Erfahrung, sondern um alle mçgliche sinnliche Erfahrung, und zwar in Form eines Ganzen der Realitt (totum realitatis) geht. Die Idee ist, so schreibt Longuenesse, that the sensible presentation of a totum realitatis, a whole of reality made up of heterogeneous elements multiply and reciprocally correlated to each other, depends on a synthesis speciosa, a ,determination of inner sense by the understanding’, by means of which a sensible multiplicity is exhibited in such a way that it can be reflected in accordance with the logical form of disjunctive judgment. (S. 383)

Legt man eine solche Auffassung eines Realittsganzen zugrunde, das durch sinnliche Synthesis zustande kommen soll, drfte es nun kein Problem mehr in Bezug auf die „Reichweite“ des Mengenbegriffs geben, welcher fr den Gegenstandsbezug des dadurch zu ermçglichenden disjunktiven Urteils veranschlagt werden muss. Denn die Menge der Gegenstnde, die hier konstituiert wird, ist nichts weniger als die gesamte Menge aller mçglichen sinnlichen Gegenstnde. Und tatschlich scheint eine solche sinnliche Synthesis die Voraussetzung fr ein disjunktives Urteil wie folgendes zu sein: This disjunctive judgment might be something like: ‘The elements of the totum realitatis T are either A, or B, or C…’ and so on. In other words, through such a synthesis, a multiplicity of heterogeneous elements, correlated into a whole, is presented in experience. This whole is none other than the complete extension of the concept, ‘element of the totum realitatis T’ (S. 383 f.).

Hier scheinen wir es nun endlich mit einem disjunktiven Urteil zu tun zu haben, das tatschlich die Anwendung der Kategorie der Gemeinschaft auf die Sinnlichkeit voraussetzt.65 Denn die Korrelation verschiedener hete65 Was in der Sichtweise von Longuenesse genau genommen so ausgedrckt werden msste, dass in der Kategorie der Gemeinschaft eine bestimmte sinnliche Synthesis reflektiert wird, die ihrerseits als eine mit der Funktion des disjunktiven Urteils

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rogener Elemente (Gegenstnde) in einem Ganzen (durch wechselseitige Beziehungen) scheint genau deren Aufgabe zu sein. Doch bei genauerer Betrachtung sehen wir, dass hier im Gegensatz zu unseren vorherigen Versuchen der fr das disjunktive Urteil zu veranschlagende Mengenbegriff zu weit gefasst ist: Genau genommen lsst sich unter diesen Voraussetzungen nur ein disjunktives Urteil fllen. Denn da wir es hier auf der einen Seite mit der Gesamtmenge aller mçglichen sinnlichen Gegenstnde, und auf der anderen Seite mit allen einzelnen Gegenstnden dieser Menge zu tun haben, ist diese Konstellation ungeeignet fr „gewçhnliche“ disjunktive Urteile, handelt ein solches doch immer von bestimmten Mengen und deren Unterteilung in Untermengen. Dafr hilft es aber nicht weiter, wenn wir wissen, dass die Realitt ein Ganzes von miteinander in Beziehung stehenden Elementen ist. Denn diese Teil-Ganzes-Beziehung ist fr ein herkçmmliches disjunktives Urteil nicht von Interesse. Wir haben es dort stets mit einer – unter einem bestimmten Begriff stehenden – diskreten Menge zu tun und die im Urteil erfolgende Unterteilung ist genau auf jene Menge bezogen. Dabei handelt es sich aber um eine rein logisch-begriffliche Zuordnung. Dass die Gegenstnde, auf welche sich die im disjunktiven Urteil verwendeten Begriffe beziehen, darber hinaus auch untereinander in (sinnlichen) Beziehungen stehen, welche sie zu Elementen eines Realittsganzen aller mçglichen Gegenstnde macht, ist fr das entsprechende Urteil ohne Belang. 3.3.3.2. Die logischen Voraussetzungen des disjunktiven Urteils Wir haben ausgehend von der Vorstellung, dass, wenn man das disjunktive Urteil im Rahmen einer extensionalen Logik interpretiert, dessen Gegenstandsbezug einen Zusammenhang mit der Kategorie der Gemeinschaft herstellen kçnnte, verschiedene Mçglichkeiten durchgespielt, was die sinnlichen Voraussetzungen fr ein disjunktives Urteil sein kçnnten. Im Ergebnis erhrtete sich aber nur unser Anfangsverdacht: nmlich dass der Gegenstandsbezug fr das disjunktive Urteil irrelevant ist. In allen behandelten Fllen handelte es sich beim disjunktiven Urteil um ein rein logisches In-Beziehung-Setzen von Begriffen. Zwar erstreckten sich diese Begriffe, und damit auch das Urteil auf Mengen von Gegenstnden (Extension). Die im Urteil getroffenen Aussagen wurden aber unabhngig von verbundene Wirkung des urteilenden Verstandes auf die Sinnlichkeit verstanden werden muss. Zum Unterschied dieser Herangehensweise zu der hier vertretenen Auffassung bezglich der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit: vgl. auch Kap. II.2.

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diesem Gegenstandsbezug aus rein begrifflichen Grnden getroffen. Damit scheint fr das disjunktive Urteil das Bild, das wir vom Urteil, zumindest in seiner synthetischen Variante haben, umgekehrt: Whrend wir im gewçhnlichen Fall annehmen, dass die gegenstndliche Welt ein bestimmtes Urteil, und das heißt eine bestimmte Inbezugnahme von Begriffen veranlasst, scheinen wir beim disjunktiven Urteil Aussagen ber die gegenstndliche Welt zu treffen, die schon in den Begriffen liegen, die im Urteil miteinander in Bezug gesetzt werden. Diese Distanz zur Gegenstndlichkeit lsst sich auch an einer Unterscheidung bezglich des Umfangs von Begriffen festmachen, die wir bereits frher getroffen hatten. Im Rahmen der Interpretation der Metaphysischen Deduktion und der Ersten Analogie hatten wir festgestellt, dass sich bei Kant zwei Konzepte von Begriffsumfang unterscheiden lassen: Zum einen kçnnen unter dem Umfang von Begriffen die unter ihn fallenden Gegenstnde verstanden werden (extensionaler Umfang), zum anderen kçnnen darunter andere Begriffe verstanden werden, die unter einen bestimmten Begriff fallen (logischer Umfang). Nach allem bisher Gesagten aber ist klar, dass – im Gegensatz etwa zum kategorischen Urteil – fr das disjunktive Urteil der logische Umfang eines Begriffes ausschlaggebend ist. Denn fr die Einteilung der Sphre eines Begriffes in seine untergeordneten Begriffe war der Bezug auf die unter die Begriffe fallenden Gegenstnde unwesentlich. Vielmehr lag es beispielsweise im Begriff des Baumes, dass er in die untergeordneten Begriffe ,Fichte‘, ,Tanne‘, etc. eingeteilt werden konnte. Dann scheint es sich aber beim disjunktiven Urteil nicht so sehr um ein gegenstandsbezogenes Urteil, sondern vielmehr um die logische Ausdifferenzierung eines Begriffs zu handeln.66 Wie schon angedeutet, finden wir uns damit aber in einer einigermaßen prekren Lage. Denn wenn es „im Begriff“ liegt, dass er in diejenigen untergeordneten Begriffe ausdifferenziert werden kann, die seinen logischen Umfang bilden, dann scheinen doch nur analytische Urteile mçglich zu sein. Gerade mit Blick auf unser Beispiel ist dies aber unwahrscheinlich, wollen wir doch nicht behaupten, dass es (wie es fr ein analytisches Urteil erforderlich wre) eine wesentliche Eigenschaft des Begriffes ,Baum‘ ist, dass es sich dabei entweder um ,Fichten‘ oder ,Tannen‘

66 Die Nhe von Begriff und disjunktivem Urteil wurde oft beobachtet. Vgl. etwa Cohen (1918), der das disjunktive Urteil geradezu als den „logischen Ort des Begriffs“ bezeichnet (S. 595).

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etc. handelt.67 Nun nutzt es auch nicht viel, von der anderen Seite, nmlich von den „eingeteilten“ Begriffen“ auszugehen. Denn dass es sich bei Fichten, Tannen etc. um Bume handelt, gehçrt zwar zu den wesentlichen Eigenschaften der entsprechenden Begriffe. Was das disjunktive Urteil fordert, ist aber mehr: Wir mssen von vornherein alle Begriffe kennen, zu deren wesentlichen Eigenschaften es gehçrt, unter den Begriff ,Baum‘ zu fallen. Nur so kann die Sphre des Begriffes ,Baum‘ vollstndig eingeteilt werden. Das heißt aber, dass wir auch wissen mssen, dass es außer den aufgezhlten Begriffen (,Fichte‘, ,Tanne‘, etc.) keine weiteren gibt, die unter den Oberbegriff ,Baum‘ fallen. Was wir bençtigen, ist also ein Wissen ber begriffliche Zusammenhnge, das ber die bloße Analytizitt der im Urteil verwendeten Begriffe hinausgeht. Es gengt nicht, sich nur auf die einzelnen verwendeten Begriffe und deren Merkmale zu beziehen, sondern wir mssen diese Begriffe als Teile einer bestimmten Begriffsordnung verstehen kçnnen. Nun haben wir auch nicht lange zu suchen, um jene Begriffsordnung ausfindig zu machen, wird das disjunktive Urteil doch von jeher mit Art-Gattungsverhltnissen in Verbindung gebracht. Im Wissen um Art-Gattungsverhltnisse drckt sich genau das fr die disjunktiven Urteile vom behandelten Typus (nicht-analytische Begriffsurteile) erforderliche Wissen aus. Denn einen Oberbegriff kçnnen wir genau dann in die verschiedenen Teilbegriffe, die seine Sphre bilden, einteilen, wenn wir ihn als einen Gattungsbegriff (bzw. Artbegriff ) auffassen, der in seine Artbegriffe (bzw. Begriffe von Unterarten) eingeteilt wird. Dabei bildet die Ordnung von Gattungs- und Artbegriffen eine begriffliche Ordnung, die insofern ber die Analytizit von Begriffen (die Ausbuchstabierung ihrer analytischen Merkmale) hinausgeht, als es ein aus der Erfahrung gebildetes kontingentes Faktum bildet, welche Begriffe wir in Zusammenhngen von Gattungen und Arten denken. Nichtsdestotrotz bençtigt das disjunktive Urteil keinerlei unmittelbaren Bezug auf sinnliche Erfahrung. Denn einmal gebildet, stellen die Verhltnisse von Arten und Gattungen in unserem begrifflichen Denken einen festen, wenn auch vernderbaren Wissensbestand dar. Was also den Gegenstandsbezug des disjunktiven Urteils anbelangt, so kçnnte man die Art-Gattungsverhltnisse, die seine Voraussetzung bilden, als eine logische „Welt von Sachverhalten“ deuten, die zwar 67 Denn was die Mçglichkeit von analytischen Urteilen anbelangt, so sind wir bei ihnen auf die wesentlichen Merkmale angewiesen, die den Inhalt eines Begriffes bilden. Was aber den Umfang eines Begriffes anbelangt, so liegt dieser, auch wenn es sich dabei nicht um seinen extensionalen, sondern um seinen logischen Umfang handelt, außerhalb der Reichweite eines analytischen Urteils.

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sinnliche Erfahrung zu ihrer Voraussetzung hat, aber nur insofern, als die Begriffe, die in jener logischen Ordnung stehen, irgendwann in sinnlicher Erfahrung gebildet worden sein mssen.68 68 Statt von synthetischen Urteilen zu sprechen, wre es beim disjunktiven Urteil vor diesem Hintergrund sinnvoller, von quasi-analytischen Urteilen zu sprechen, um zum Ausdruck zu bringen, dass fr diesen Urteilstyp ein unmittelbarer Bezug auf die Sinnlichkeit nicht relevant ist, die Mçglichkeit eines solchen Urteils vielmehr in der Begrifflichkeit liegt. Die Bezeichnung als quasi-analytisches Urteil soll verdeutlichen, dass es sich dabei gleichwohl nicht um analytische Urteile in dem Sinne handelt, dass in ihnen nur auf die wesentlichen Eigenschaften des Inhaltes der entsprechenden Begriffe Bezug genommen wrde, sondern dass hier auf eine komplexe und gehaltvolle Begriffsordnung Bezug genommen wird, welche in ihrer Genese sehr wohl einen Bezug auf sinnliche Erfahrung bençtigt. In einer vergegenstndlichenden Perspektive lsst sich eine solche Begriffsordnung als eine logische Welt von Sachverhalten deuten, welche den Gegenstandsbereich von quasianalytischen disjunktiven Urteilen bildet. Dies betrifft aber letztlich nicht nur disjunktive Urteile, sondern, wie wir im Laufe unserer Untersuchungen schon des fteren beobachtet haben, gilt generell nicht fr alle „synthetischen“ Urteile, dass sie auf unmittelbare sinnliche Erfahrungssituationen bezogen sind. Vielmehr ist dies im Gegenteil die Ausnahme. So gilt auch fr hypothetische Urteile, dass in ihnen zwar auf Wahrnehmungsregularitten Bezug genommen wird, diese Wahrnehmungsregularitten brauchen aber in keiner Weise prsent zu sein, um ein entsprechendes Urteil zu fllen. Und auch bei kategorischen Urteilen haben wir beobachtet, dass im Grunde nur fr das indexikalisch-synthetische Urteil der unmittelbare Bezug auf sinnliche Erfahrung wesentlich ist (vgl. Kap. II.3.1.3). In allen anderen Fllen nehmen wir auf Fakten ber die sinnliche Wirklichkeit Bezug, welche wir zwar aus der sinnlichen Erfahrung in einem komplexen Reflexionsprozess erschlossen haben, welche aber nicht als unmittelbar sinnlich prsent vorgestellt werden mssen, um entsprechende Urteile ber sie zu fllen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine interessante Perspektive auf die von Quine (1980) in „Two Dogmas of Empiricism“ vorgetragene Hinterfragung der „analytisch-synthetisch“-Unterscheidung im Zusammenhang mit der Auffassung, dass unser System von berzeugungen als Ganzes dem Tribunal der Erfahrung ausgesetzt ist. Denn wenn die hier vorgetragenen Thesen richtig sind, dann bildet unser System empirischer Begriffe, das sich in gegenstndlicher Perspektive als eine Welt von Sachverhalten prsentiert, tatschlich eine „holistische“ Ganzheit, welche als solche und als Ganze in einer komplexen Wechselbeziehung mit der Sinnlichkeit steht, so dass alle unsere berzeugungen ber die Wirklichkeit in Beziehung zu allen anderen berzeugungen ber die Wirklichkeit stehen und der bestndigen Revidierung durch sinnliche Erfahrung ausgesetzt sind. Auf die Frage, ob die von Kant vertretene „analytisch-synthetisch“-Unterscheidung ber die hier vorgenommene Modifizierung durch die Einfhrung von „quasi-analytischen“ Urteilen hinaus einer Revidierung unterzogen werden muss, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Zur Kritik an dieser Unterscheidung vgl. auch Bennett 1966, S. 4 ff.

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Ist dem so, dann hat sich aber unsere Ausgangsfrage nach dem Zusammenhang von Urteil und Kategorie entscheidend verndert. Wie auch in den brigen Fllen sind wir davon ausgegangen, dass sich jener Zusammenhang ber den Gegenstandsbezug eines synthetischen Urteiles und dessen Voraussetzungen beantworten lassen msste. Im Falle des disjunktiven Urteiles bestand die ganze Schwierigkeit aber darin, dass der Gegenstandsbezug fr diesen Urteilstyp irrelevant schien. Vielmehr schien das disjunktive Urteil bereits „im Begriff“ verborgen zu sein. Bei etwas nherer Betrachtung zeigte sich nun aber, dass jene Begrifflichkeit nicht so verstanden werden darf, als sei das disjunktive Urteil generell eine rein „analytische“ Angelegenheit. Vielmehr bedarf es, um disjunktive Urteile des behandelten Typs fllen zu kçnnen, des Bezugs auf eine gehaltvollere Begriffsordnung, als sie unter dem Stichwort der Analytizitt zu fassen wre. Eine Begriffsordnung nmlich, die als eine von Arten und Gattungen spezifiziert werden kann, und die ihrerseits sehr wohl den Bezug auf sinnliche Erfahrung bençtigt, wenngleich dieser Bezug, ist diese Ordnung einmal gebildet, fr ein bestimmtes Urteil darber keine unmittelbare Rolle mehr spielt.69 69 In diesem Zusammenhang sollte kurz auf die generelle Frage eingegangen werden, ob und wie auch apriorische Erkenntnisse – wie etwa analytische Urteile – auf sinnliche Erfahrung angewiesen sein kçnnten. Denn nicht nur Urteile vom „quasianalytischen“ Typ, sondern auch klassische analytische Urteile scheinen in den meisten Fllen, dann nmlich, wenn es sich um die Explikation eines empirischen Allgemeinbegriffs handelt, nicht ohne Bezug auf sinnliche Erfahrung denkbar zu sein, muss doch – auch wenn dies fr die logische Wahrheit des Urteils als solchem keine Rolle spielt – der entsprechende Begriff zuvor anhand sinnlicher Erfahrung empirisch gebildet worden sein. Ein sinnvoller Vorschlag zur Einordnung der Problematik lsst sich im Anschluss an Cramer aus einigen Anmerkungen Kants in der zweiten Auflage seiner Einleitung zur Kritik bezglich der Unterscheidung von reinen und nicht-reinen Erkenntnissen a priori entnehmen. Als „rein“ bezeichnet Kant dort nmlich nur diejenigen Erkenntnisse a priori, denen „gar nichts empirisches beigemischt ist“ (B3), whrend alle anderen solchen Erkenntnisse als „nicht-rein“ zu qualifizieren sind. Wie Cramer plausibel ausfhrt, sind analytische Urteile mindestens dann, wenn es sich bei den Subjektbegriffen um empirische Begriffe handelt, also um Begriffe, die nur aus der Erfahrung gezogen werden kçnnen, nach Kants Erluterungen in B3 als „nicht-reine“ Erkenntnisse zu bezeichnen (vgl. Cramer 1985, S. 48). Eine sehr viel schwerer zu beantwortende Frage, und um diese drehen sich die eigentlichen Bemhungen Cramers, ist, ob es auch im Falle synthetischer Urteile a priori Erkenntnisse vom „nicht-reinen“ Typ gibt. Ausgangspunkt seiner berlegungen ist der problematische Status des Begriffs der „Vernderung“, der Kant im eben aufgenommenen Zusammenhang dazu fhrt, aufgrund des darin enthalten Erfahrungsbezugs den Satz „Jede Vernderung hat ihre Ursache“ als nicht-reine Erkenntnis zu charakterisieren. Ob dies hinrei-

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Unsere Frage muss demnach nicht lauten „Was sind die sinnlichen Voraussetzungen eines synthetisch-disjunktiven Urteils?“, sondern „Was sind die sinnlichen Voraussetzung fr eine nach dem Art-Gattungsschema gedachte Begriffsordnung, welche im Hintergrund jedes nicht-analytischen disjunktiven Urteils steht?“ Nun haben wir bei den sinnlichen Voraussetzungen fr jenes Begriffsschema ganz deutlich einen materialen von einem formalen Aspekt zu unterscheiden. Insofern die nach Arten und Gattungen gegliederte Begriffsordnung gehaltvolle Aussagen ber die Wirklichkeit zulsst, muss sie als eine vorgestellt werden, die durch empirische Reflexion auf die sinnliche Erfahrung zustande gekommen ist, und als solche auch jederzeit variabel ist. Um dies an unserem Baum-Beispiel festzumachen: Dass Fichten, Tannen, Buchen und Eichen bestimmte Arten von Bumen sind, wissen wir, weil wir in einem komplexen und intersubjektiven Erfahrungsprozess die entsprechenden Gegenstnde unter jenen Begriffen – und zwar in eben jenen Zusammenhngen – reflektiert haben. Das heißt konkret, dass wir an bestimmten Gegenstnden gemeinsame Eigenschaften ausgemacht haben, die sie alle zusammen als Baum qualifizieren, whrend ihnen doch auch bestimmte andere Eigenschaften zukommen, die sie als ganz verschiedene Arten von Bumen qualifizieren. Es handelt sich bei jenem Erfahrungschend ist, um das Kausalprinzip als ein nicht-reines synthetisches Urteil a priori zu werten, mag aufgrund der widersprchlichen Angaben Kants (nur wenige Seiten spter wird das Kausalprinzip explizit als reine Erkenntnis a priori bezeichnet, vgl. B5) bezweifelt werden. Gewichtiger sind Cramers systematische Punkte. Aus seinen ebenso interessanten wie komplexen berlegungen kann hier schlaglichtartig nur ein Sachverhalt herausgegriffen werden, der den Status der Analogien der Erfahrung als solcher im Zusammenhang mit der Vermittlung von reinem Verstand und empirisch Gegebenem der Anschauung betrifft: Die notorischen Schwierigkeiten in Bezug auf den Status der Subjektbegriffe synthetischer Urteile a priori lassen sich nmlich auch derart reformulieren, dass es in solchen Urteilen um den Bezug eines apriorischen Prdikatbegriffs (dem reinen Verstandesbegriff, der bei Cramer zumindest seinem logischen Inhalt nach und in Bezug auf „Anschauung berhaupt“ als „rein“ bezeichnet werden kann, vgl. S. 255 ff. u. S. 274 f.) auf etwas geht, das seiner Natur nach nur empirisch gegeben sein kann. Denn, wie Cramer ganz richtig ausfhrt, ist fr die Analogien (und nach der hier vorgestellten Interpretation gilt dies gleichermaßen auch fr die Antizipationen der Wahrnehmung) nicht so sehr der Bezug des reinen Verstandes auf das „reine Mannigfaltige“ von Raum und Zeit, sondern auf das in den Anschauungsformen empirisch gegebene Material von Interesse. (vgl. z. B. S. 102 u. S. 215). Ob, ausgehend von solchen berlegungen, letztlich eine Revidierung der Kantischen Terminologie in Bezug auf den Reinheitsgehalt synthetischer Stze a priori notwendig ist, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden.

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prozess also um einen fortgesetzten Prozess der empirischen Begriffsbildung, der ein ganz bestimmtes nach Arten und Gattungen gegliedertes Begriffschema zum Ergebnis hat. Welche Begriffe wir bilden, und in welche Ordnungen wir sie stellen, d. h. die innere Organisation jenes Begriffschemas, das jederzeit durch weitere sinnliche Erfahrungen variiert und revidiert werden kann, hngt dabei natrlich von vollstndig kontingenten, und das heißt materialen Aspekten der sinnlichen Erfahrung ab. Nun stellt sich die Frage, ob es darber hinaus auch bestimmte formale Aspekte der sinnlichen Erfahrung geben muss, durch welche der beschriebene Reflexionsprozess, welcher ein Art-Gattungsbegriffschema zum Ergebnis hat, berhaupt erst ermçglicht wird. Das heißt aber in Kants Terminologie: Gibt es einen transzendentalen Grund fr die Reflektierbarkeit der sinnlichen Erfahrung nach Begriffen von Art und Gattung? Diese Frage nun hat gegenber unseren bisherigen Bemhungen zum disjunktiven Urteil, dessen Problematik jene Frage provoziert hat, den Vorteil, von Kant tatschlich beantwortet worden zu sein.70 Im Anhang zur transzendentalen Dialektik, wo Kant den „regulativen Gebrauch“ der Vernunftideen erçrtert, der darin bestehen soll, dass dieselben grçßtmçgliche systematische Einheit unter unseren Verstandeserkenntnissen hervorbringen sollen, drehen sich alle Bemhungen um die Frage, ob diese systematische Einheit der Verstandeserkenntnisse, die zunchst nur als ein „logisches Prinzip“ verstanden werden darf, ein „transzendentales Prinzip“ voraussetzt, „durch welches eine solche systematische Einheit, als den Objekten selbst anhngend, a priori als notwendig angenommen wird“ (B679/A651). Denn andernfalls wrde die Vernunft „gerade wider ihre Bestimmung verfahren, indem sie sich eine Idee zum Ziele setzte, die der Natureinrichtung ganz widersprche“ (ebd.). Dieses Problem, das in beweistheoretischer Absicht unter der Fragestellung steht, ob den Ideen eine, wenngleich vielleicht nur unbestimmte, „objektive Gltigkeit“ zukommt, dann nmlich, wenn sich herausstellen sollte, dass sie eine wie auch immer geartete Rolle fr die Mçglichkeit von Erfahrung spielen kçnnten, sucht Kant nun ausschnittsweise anhand eines ganz be70 Man beachte, dass wir es hier mit einem bestimmten Aspekt der empirischen Begriffsbildung zu tun haben, und zwar mit demjenigen Aspekt, der empirische Begriffe von vornherein hinsichtlich ihres Umfangs als in Beziehung mit anderen Begriffen – und zwar innerhalb einer bestimmten Begriffsordnung – stehend, auffasst. Mit einem anderen Aspekt empirischer Begriffsbildung, welcher diese vorrangig im Hinblick auf ihren Inhalt betrachtet, hatten wir es bereits im Rahmen der Qualittsproblematik zu tun. Vgl. dazu unten: Anm. 71.

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stimmten logischen Prinzips zu erçrtern, das fr unsere Untersuchung von grçßtem Interesse ist: Daß alle Mannigfaltigkeiten einzelner Dinge die Identitt der Art nicht ausschließen; daß die mancherlei Arten nur als verschiedentliche Bestimmungen von wenigen Gattungen, diese aber von noch hçheren Geschlechtern etc. behandelt werden mssen; daß also eine gewisse systematische Einheit aller mçglichen empirischen Begriffe, so fern sie von hçheren und allgemeineren abgeleitet werden kçnnen, gesucht werden msse: ist eine Schulregel oder logisches Prinzip, ohne welches kein Gebrauch der Vernunft stattfnde, weil wir nur so fern vom Allgemeinen aufs Besondere schließen kçnnen, als allgemeine Eigenschaften der Dinge zum Grunde gelegt werden, unter denen die besonderen stehen. (B679 f./A651 f.)

Betrachten wir zunchst dieses „logische Prinzip“ etwas nher, bevor wir uns fragen, welche transzendentalen Voraussetzungen jenes Prinzip implizieren kçnnte. Auffllig ist hier zunchst einmal, dass es Kant aus Vernunftgrnden fr notwendig erachtet, dass es eine „systematische Einheit aller mçglichen empirischen Begriffe“ geben msse. Was Kant hier zunchsteinmal offensichtlich im Auge hat, ist die aus der aristotelischen Tradition berlieferte und letztlich in Platos „Diaihresis“ wurzelnde Vorstellung einer nach Gattungen und Arten gegliederten „Begriffspyramide“. Was die Kantische Verwendung anbelangt, handelt es sich dabei um eine Charakterisierung von Begrifflichkeit, die als Ausdifferenzierung der formalen Struktur des Begriffs verstanden werden kann, welche Kant durchgngig solcherart auffasst, dass jeder Begriff einen „Umfang“ und einen „Inhalt“ hat. Unter dem Inhalt eines Begriffes versteht Kant bekanntlich all diejenigen Vorstellungen, die im Begriff selbst enthalten sind, whrend unter seinem Umfang die Vorstellungen zu verstehen sind, die unter dem Begriff enthalten sind. Dabei sind die Vorstellungen, die den Inhalt eines Begriffes bilden, stets selbst Begriffe (seine „Teilbegriffe“ bzw. „Merkmale“), whrend zum Umfang des Begriffes entweder Begriffe oder Anschauungen zhlen kçnnen. Klarerweise kommen dabei fr den jetzt verhandelten Sachverhalt nur Begriffe in Frage, es handelt sich also um das, was wir den „logischen Umfang“ des Begriffs genannt haben. Diejenigen Begriffe, die zum Umfang eines hçheren Begriffes gehçren, mssen letzteren dann aber (als ihren Inhalt) selbst enthalten.71 Folgt man diesen 71 Dies ist zumindest eine der mçglichen Charakterisierungen des Verhltnisses von Inhalt und Umfang. Da aber unter dem Inhalt eines Begriffes die Summe seiner (aus der Erfahrung reflektieren) Merkmale zu verstehen ist und jene Merkmale auch und gerade Eigenschaftsbegriffe wie ,rot‘, ,schwer‘, ,ausgedehnt‘ etc. sind, welche sich kaum sinnvoll im Zusammenhang mit der Einteilung von Gattungen

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berlegungen, dann gelangt man relativ schnell zu der berzeugung, dass alle Begriffe in „hçhere“ und „niedere“ eingeteilt werden kçnnen, welche in durchgngigen Verhltnissen der Subordination stehen. Und auch Kants Spezifizierung dieser Verhltnisse als solche von Gattungen und Arten ist nicht neu und findet sich in mehreren Textstellen der Logischen Schriften Kants (vgl. Jsche-Logik, AA. IX, S. 96 f., Logik Pçlitz, AA. XXIV, S. 569, Wiener Logik, AA. XXIV, S. 911, Logik Busolt, AA. XXIV, S. 655). Neu dagegen ist die Erhebung dieser Spezifizierungen zu einem eigenstndigen logischen Prinzip und die Verbindung zu der Natur der „Dinge“, die Kant herstellt. Die These, die Kant hier aufstellen will, besagt, dass die Natur der Dinge von einer gewissen Art sein muss, damit sie in der spezifizierten Weise, nmlich hinsichtlich einer nach Gattungen und Arten beschreibbaren einheitlichen und systematischen Begriffsordnung reflektiert werden kann. Und damit kommen wir zu einer zweiten Aufflligkeit: Die Gesetze ber die Natur der Dinge, die Kant aus dem aufgestellten logischen Prinzip ableiten will, sollen die Bedingung dafr sein, dass wir berhaupt Begriffe haben, ja sogar, dass wir berhaupt einen Verstand besitzen (vgl. B 682/A654). Lassen wir die Gesetze, um die es Kant hier zu tun ist, noch fr einen Moment außer Acht, so liegt in dieser Behauptung ber die Mçglichkeit von Begriffen bzw. des Verstandes eine interessante und beachtenswerte Aussage ber den „Begriff“ selbst verborgen. Begriffe, so scheint Kant sagen zu wollen, sind nur mçglich, wenn sie in einem nach den genannten Kriterien zu spezifizierenden System von empirischen Begriffen stehen. Diese Aussage ist aber deswegen alles andere als trivial, weil sie wichtige Auswirkungen auf die Theorie empirischer Begriffsbildung hat. Betrachtet man den Begriff nmlich nur genetisch als eine durch Reflexion, Komparation und Abstraktion zustande kommende Allgemeinvorstellung, so ist noch gar nicht ersichtlich, dass der so gebildete Begriff als Teil einer und Arten verstehen lassen, wre es vielleicht sinnvoller, den Inhalt eines Begriffes als eigenstndige Grçße zu betrachten. Der Umfang wre dann eine zweiseitige Relation, welche einerseits die Begriffe umfassen wrde, die unter einem Begriff enthalten sind, und andererseits das Enthaltensein des Begriffs selbst unter anderen Begriffen abbilden wrde (vgl. dazu Logik Busolt, AA. XXIV, S. 655). Diese letztere Bedeutung wird im Folgenden auch dann zugrunde gelegt, wenn der Redeweise entsprochen wird, dass die hçheren Begriffe, unter denen ein bestimmter Begriff steht, zu seinem „Inhalt“ gehçren. Dass auch der Inhalt in einem von diesen Umfangsbeziehungen von Begriffen abgegrenzten Sinn (nmlich als Summe der Merkmale eines Begriffes) den Bezug auf ein Begriffsystem bençtigt, wurde bereits anhand der Qualittsproblematik gezeigt (siehe dort insb. Kap. II.2.4 u. II.2.5.).

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umfassenderen Begriffsordnung aufgefasst werden muss. Denn was die empirische Begriffsbildung zu leisten hat, ist die Reflexion auf gemeinsame (intuitive) Merkmale einer bestimmten Art von Gegenstnden, welche sodann (als diskursive Merkmale) in den Inhalt des Begriffs eingehen (vgl. dazu Kap. II.2.). Nun wre es durchaus denkbar, dass jeder Begriffsbildungsakt zu einem eigenstndigen Merkmalsgebilde fhrt, und die gebildeten Begriffe solcherart miteinander gar nichts zu tun htten. Gehen wir aber umgekehrt, wie Kant dies tut, davon aus, dass die Bildung empirischer Begriffe nur dann Sinn macht, wenn diese von vornherein darauf gerichtet ist, die gebildeten Begriffe in Beziehung zu einem nach Subordinationsgesichtpunkten gegliederten System empirischer Begriffe zu setzen, dann hat das entscheidende Auswirkungen nicht nur auf die Begriffsbildung selbst, sondern verstrkt auch noch einmal die Bedeutung, welche jenem empirischen Begriffsystem und den noch ausfindig zu machenden transzendentalen Voraussetzungen desselben, zukommt. Dass es ein solches System empirischer Begriffe geben muss, ist dann nmlich nicht nur eine Forderung der Vernunft, wie Kant im oben zitierten Absatz schreibt, sondern darber hinaus auch eine Forderung des Verstandes, ist doch ohne ein solches Prinzip nicht einmal die Bildung von empirischen Begriffen verstndlich. Wir haben es also hier mit einer derjenigen Stellen bei Kant zu tun, wo Vernunftprinzipien die Mçglichkeit auch des Verstandes betreffen.72 Unsere Frage muss nach allem Gesagten also lauten: Was sind die transzendentalen Voraussetzungen dafr, dass wir aus der Sinnlichkeit empirische Begriffe in einer Weise bilden, dass damit ein nach Gattungen und Arten eingeteiltes Begriffsystem generiert wird? Hçren wir dazu Kant selbst: Wre unter den Erscheinungen, die sich uns darbieten, eine so große Verschiedenheit, ich will nicht sagen der Form (denn darin mçgen sie einander hnlich sein), sondern dem Inhalte, d.i. der Mannigfaltigkeit existierender Wesen nach, daß auch der allerschrfste menschliche Verstand durch Vergleichung der einen mit der anderen nicht die mindeste hnlichkeit ausfindig machen kçnnte (ein Fall, der sich wohl denken lßt), so wrde das logische 72 Und zwar nicht nur aus bergeordneten Interessen der Vereinheitlichung von bereits gewonnenen Verstandeserkenntnissen, sondern die Vernunftprinzipien greifen hier in die vom Verstand zu konstituierende Gegenstndlichkeit selbst ein. Dies hat wichtige Auswirkungen auf die Frage nach dem „regulativen“ oder „konstitutiven“ Gebrauch der Ideen bzw. fr die Frage, ob und inwiefern eine transzendentale Deduktion der Ideen mçglich ist. Vgl. dazu die Ausfhrungen zur Rolle der Vernunft im Rahmen der Qualittsproblematik (Kap. II.2.). Siehe auch unten: Anm. 76.

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Gesetz der Gattungen ganz und gar nicht stattfinden, und es wrde selbst kein Begriff von Gattung, oder irgend ein allgemeiner Begriff, ja sogar kein Verstand stattfinden, als der es lediglich mit solchen zu tun hat. Das logische Prinzip der Gattungen setzt also ein transzendentales voraus, wenn es auf Natur (darunter ich hier nur Gegenstnde, die uns gegeben werden, verstehe) angewandt werden soll. Nach demselben wird in dem Mannigfaltigen einer mçglichen Erfahrung notwendig Gleichartigkeit vorausgesetzt (ob wir gleich ihren Grad a priori nicht bestimmen kçnnen), weil ohne dieselbe keine empirische Begriffe, mithin keine Erfahrung mçglich wre. (B681 f./A653 f.)

Fassen wir zusammen: Das erste logische Teilprinzip, das Kant hier als „Gesetz der Gattungen“ aufgreift, fordert, dass die bloße Mannigfaltigkeit sinnlicher Erfahrung nach Gesichtpunkten der Gleichartigkeit betrachtet werden kann. Denn andernfalls kçnnte der Verstand an jener Mannigfaltigkeit keine Gemeinsamkeiten identifizieren, die allein es erlauben, dass empirische Begriffe gebildet werden – Gemeinsamkeiten, die sich innerhalb der gebildeten Ordnung der Begriffe daran festmachen lassen, dass jeder Begriff ein Allgemeines reprsentiert, das mehreren besonderen Instanzen zukommen kann. Nun wrde dies keinen Sinn machen, gbe es nicht auch Besonderes. So heißt es weiter: Dem logischen Prinzip der Gattungen, welches Identitt postuliert, steht ein anderes, nmlich das der Arten entgegen, welches Mannigfaltigkeit und Verschiedenheiten der Dinge, unerachtet ihrer bereinstimmung unter derselben Gattung, bedarf, und es dem Verstande zur Vorschrift macht, auf diese nicht weniger als auf jene aufmerksam zu sein. Dieser Grundsatz (der Scharfsinnigkeit, oder des Unterscheidungsvermçgens) schrnkt den Leichtsinn des ersteren (des Witzes) sehr ein, und die Vernunft zeigt hier ein doppeltes einander widerstreitendes Interesse, einerseits das Interesse des Umfanges (der Allgemeinheit) in Ansehung der Gattungen, andererseits des Inhalts (der Bestimmtheit) in Absicht auf die Mannigfaltigkeit der Arten, weil der Verstand im ersteren Falle zwar viel unter seinen Begriffen, im zweiten aber desto mehr in denselben denkt. (B682/A654)

Im Gegensatz zum ersten Teilprinzip, welches Gleichartigkeit und Allgemeinheit forderte, fordert das zweite Teilprinzip also eine Verschiedenheit der Dinge, welche ihre Bestimmtheit (im Gegensatz zu Dingen anderer Arten) ausmacht. Auch dies, so darf man ergnzen, gehçrt zur Mçglichkeit von empirischen Begriffen. Gbe es nicht eine Verschiedenheit unter den Gegenstnden, auf die reflektiert wird, so wrde es auch keinen Sinn machen, auf das ihnen Gemeinsame zurckzugreifen. Und fr das zu bildenden System empirischer Begriffe bedeutet dies: Die Einteilung in Gattungen ist nur mçglich, wenn jede Gattung in Arten unterschieden werden kann, denen neben der allgemeinen Bestimmtheit, die sie zur Art der Gattung macht, auch eine

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besondere Bestimmtheit zukommt, die sie als besondere Instanz jener Gattung hervorhebt und von anderen Arten derselben Gattung unterscheidet. Zusammengefasst lassen sich die Forderungen der beiden Prinzipien so formulieren: Die Natur der Dinge muss so gedacht werden kçnnen, dass sie sowohl in bestimmten Hinsichten als verschieden voneinander, als auch in Hinsicht auf andere Charakteristika als gleichartig betrachtet werden kçnnen. Nun wrde es per se wenig Sinn machen, zu unterstellen, dass alle Dinge in irgendeiner Hinsicht gleichartig sind, wre dies nicht aus Grnden notwendig, die mit einer weiteren Strukturbesonderheit des Art-Gattungsschemas zu tun hat. In einem dritten Teilprinzip, welches die „systematische Vollstndigkeit aller Erkenntnisse zur Absicht hat“ (B683/A655) fordert Kant nmlich, dass es einen kontinuierlichen bergang ausgehend von der Gattung ber deren verschiedene Arten bis zu ihren Unterarten gibt, und zwar solcherart, dass jede Unterart prinzipiell immer in weitere Unterarten geteilt werden kann. Denn die Vernunft verlangt „in ihrer ganzen Erweiterung, dass keine Art als die unterste an sich selbst angesehen werde, weil, da sie doch immer ein Begriff ist, der nur das, was verschiedenen Dingen gemein ist, in sich enthlt, dieser nicht durchgngig bestimmt, mithin auch nicht zunchst auf ein Individuum bezogen sein kçnne, folglich jederzeit andere Begriffe, d. Unterarten, unter sich enthalten msse“ (B683 f./A655 f.).73 Dies bedeutet aber fr Kant auch, dass wir in umgekehrter Bewegungsrichtung, von den niederen Arten ausgehend, letztlich zu einer hçchsten Gattung gelangen mssen, d. h. es muss einen „hçchsten Begriff“ geben, der „alle Mannigfaltigkeit, als Gattungen, Arten und Unterarten, unter sich befaßt“ (B687/A659). 3.3.3.3. Die transzendentalen Voraussetzungen des Begriffsystems und der Begriff des „Dings“ Was bedeuten diese drei Prinzipien, welche Kant als die Prinzipien der „Homogenitt, der Spezifikation und der Kontinuitt“ bezeichnet (B686/ A658), nun fr die dafr zugrundezulegende „Natur der Dinge“? Bereits die ersten beiden Prinzipien machten es notwendig, dass wir die Dinge unter den Gesichtspunkten der Verschiedenheit und Gleichartigkeit betrachten kçnnen mssen. Die „systematische Vollstndigkeit“ des nach Arten und Gattungen zu spezifizierenden Begriffsschemas, welche aus dem 73 In diesem Prinzip, welches fordert, dass jeder Begriff einen Umfang in einer unendlich spezifizierbaren Subsumtionsordnung von Begriffen haben muss, und somit kein Begriff auf einen einzelnen Gegenstand bezogen ist, kçnnte man, wie Stuhlmann-Laeisz (1976), eine Begrndung dafr sehen, dass Kant in seiner Begriffstheorie keinen „conceptus singularis“ kennt (vgl. S. 78).

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dritten Prinzip folgt, macht es aber notwendig, dass jene Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten nicht quasi lose ber die Dinge verstreut sind, so dass die Dinge mit manchen gleichartig, mit anderen dagegen verschieden sind. Sondern jedes Ding muss mit jedem anderen Ding zumindest in einer Hinsicht gleichartig sein, whrend es, je spezifischer wir es begrifflich fassen, in um so grçßeren Unterschieden mit allen anderen Dingen steht. Was bedeutet dies genau fr das Konzept des Einzeldings? Nach der traditionellen, auch hier zu veranschlagenden, Auffassung, welche das Ding als einen Trger von Eigenschaften begreift (vgl. dazu die Substanzthematik in Kap. II.3.1.), muss dies bedeuten, dass jedem Einzelding allgemeine Eigenschaften zukommen, welche es in begrifflicher Reflexion hinsichtlich unseres (Art-Gattungs-) Begriffsystems in Beziehung setzt zu anderen in diesem System begrifflich reflektierten Dingen. Dabei sind die gemeinsamen Merkmale ebenso wichtig, wie diejenigen, die es von anderen Dingen unterscheiden. Darin liegt aber, dass der Begriff des Einzeldings als Trger von allgemeinen Eigenschaften (sollen diese Eigenschaften in der spezifizierten Art und Weise eine Rolle in bergeordneten begrifflichen Beziehungen spielen, welche das Einzelding begrifflich mit anderen Dingen in Beziehung setzt), nur Sinn macht, wenn das Einzelding von vornherein als eines in einer Pluralitt von Einzeldingen begriffen wird. Wir mssen es also mit einer Mehrzahl von Einzeldingen zu tun haben, denen jeweils allgemeine Eigenschaften zukommen, welche sie auf alle anderen Dinge derart beziehen, dass sie zum einen in Beziehungen der Gleichartigkeit, gleichzeitig aber auch in Beziehungen der Verschiedenheit zu diesen stehen. Dabei spielt aber gerade die Verschiedenheit eine hervorgehobene Rolle, ist es doch diese, welche das Einzelding erst zum Einzelding macht. In einer ersten Annherung kann das, was die Identitt eines Einzeldinges im Unterschied und Gegensatz zu anderen Einzeldingen ausmacht, anhand der „spezifischen Differenz“ dargestellt werden, welche die verschiedenen Arten einer Gattung voneinander unterscheidet. So wie den Arten einer Gattung neben einem allgemeinen Merkmal, welche sie zu Arten derselben Gattung macht, jeweils verschiedene Eigenschaften zukommen mssen, welche sie voneinander abheben und unterscheiden, so muss auch das Einzelding – neben all den Eigenschaften, welche es begrifflich mit anderen Dingen gleichartig machen – ganz spezifisch von allen anderen Einzeldingen unterscheidbar sein.74 74 Man kçnnte vor diesem Hintergrund einen Zusammenhang des Dingbegriffs mit dem Begriff „natrlicher Arten“ herstellen. Wie wir anhand der Substanzproblematik gesehen hatten, ist es nach den Maßgaben der Ersten Analogie vçllig unklar,

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Nun gengt es allerdings nicht, um den Begriff des Einzeldinges zu fixieren, beim Begriff der Art, welche durch spezifische Differenz von anderen Arten derselben Gattung unterschieden ist, Halt zu machen. Denn abgesehen von der Tatsache, dass jede Art immer eine Menge von (gleichartigen) Dingen unter sich enthlt, ist sie darber hinaus nach Kants Gesetz der „Spezifikation“ prinzipiell immer noch in weitere Unterarten unterteilbar. Genau darin liegt aber schon der Schlssel zur Lçsung des Problems des Einzeldings: Je spezifischer wir unsere begrifflichen Differenzierungen gestalten, desto mehr nhern wir uns der konkreten Bestimmtheit des einzelnen Dings. Denn von der Warte der begrifflichen Reflexion aus (hinsichtlich eines Systems empirischer Begriffe), erscheint das Einzelding als das unendlich spezifizierbare Ding. Damit gelangen wir aber zu einer Bestimmung des Dinges, die uns bereits bei der Behandlung der Qualittsproblematik unter dem Stichwort „vollstndig bestimmter Gegenstand“ begegnet ist. Wir hatten dort gesehen, dass die begriffliche Bestimmung und Qualifizierung eines Dinges als so-und-so seiend, also als ein Ding mit einer bestimmten allgemeinen Eigenschaft, vor dem Hintergrund der von Kant geforderten vollstndigen Bestimmbarkeit eines Dinges hinsichtlich eines als „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“ bestimmten logischen Raumes, nur so vorgestellt werden kann, dass diejenige allgemeine Eigenschaft, die dem Ding zugesprochen wird, als eine Einschrnkung innerhalb jenes logischen Raumes aller mçglichen Bestimmungen verstanden wird. Dann ist aber die Bestimmung eines Dinges nichts, was an diesem in Isolation vorgenommen wrde, sondern sie steht immer im Zusammenhang mit der Ganzheit aller mçglichen Bestimmungen. Kurz: Fr die Bestimmung des Dinges hinsichtlich seiner allgemeinen Eigenschaften ist es genauso wesentlich, zu wissen, was es nicht ist, wie zu wissen was es ist; denn das was es ist, ist vorzustellen als eine Einschrnkung all dessen, was es sein kçnnte. Was nun fr eine Eigenschaft des Dinges gilt, muss fr alle seine Eigenschaften gelten, d. h. fr alle allgemeinen Eigenschaften des was Kant berechtigt, neben dem Begriff einer absolut-beharrlichen Substanz auch den Begriff von (mehreren) relativ-beharrlichen Substanzen einzufhren. Letzterer schien, wie wir gesehen hatten, zu erfordern, dass wir wissen, „was“ als solche Substanz zu gelten hat (siehe Kap. II.3.1.3 u. II.3.1.4.). Eine Antwort auf diese Frage kçnnte, wenn man unter einer relativ-beharrlichen Substanz, welche Kant in der Dritten Analogie als „phnomenale Substanz“ fhrt, naheliegender Weise ein „Einzelding“ versteht, im Begriff der „natrlichen Arten“ gefunden werden. Demnach wrden wir als Dinge, bzw. „phnomenale Substanzen“ solche Gebilde verstehen, die unter Begriffen von „natrlichen Arten“ reflektiert werden kçnnen.

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Dinges gilt, dass sie nur vor dem Hintergrund eines logischen Raumes aller mçglichen Bestimmungen qualifiziert werden kçnnen. Nun hatten wir in provisorischer Perspektive nur eine Beziehung zwischen dem einzelnen Ding mit seinen allgemeinen Eigenschaften und dem logischen Raum mçglicher Bestimmungen hergestellt, und das Ding musste uns hinsichtlich dieses logischen Raumes als bestimmbar gelten. Was wir noch nicht ausmachen konnten, war, wie seine Bestimmungen tatschlich zustande kommen. Einen ersten Schritt in diese Richtung gelangen wir, wenn wir die Qualittsthematik mit den eben vorgenommenen Erçrterungen zu einem empirischen System von Gattungs- und Artbegriffen zusammenschließen. Das, was uns von der Qualittsproblematik her als das „vollstndig bestimmbare“ Ding erschien, erscheint uns nun als das „unendlich spezifizierbare“ Ding. Und zwar, und das ist fr unsere berlegungen entscheidend, setzt die unendliche Spezifizierbarkeit das einzelne Ding – ber den begrifflichen Raum von Gattungen und Arten – in den Kontext mit anderen Dingen. Denn nun geht es nicht mehr bloß um die allgemeinen Eigenschaften, die dem Ding in – knstlicher – Isolation zugeschrieben werden kçnnen, sondern um die Bestimmbarkeit und Spezifizierbarkeit des Dings hinsichtlich von Eigenschaften, die auch anderen Dingen ber ihre begriffliche Reflexion im logischen Raum zukommen, hinsichtlich von Eigenschaften, die seine Gleichartigkeit und ganz konkrete Verschiedenheit in Bezug auf alle anderen Dinge ausmachen.75 75 Sowohl bei der Qualittsproblematik als auch bei der Relationsproblematik ist der Bezug auf einen als Hintergrund fr die Bestimmbarkeit der Dinge gedachten „logischen Raum“ wesentlich. Whrend es sich dabei im Rahmen der Qualittsproblematik um einen Raum von allgemeinen Eigenschaften, oder in Kants Worten um den „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“ handelte, der als Hintergrund fr die Qualifizierung der allgemeinen Eigenschaften von Dingen angenommen werden musste, handelt es sich bei dem jetzt in Anschlag gebrachten System von Gattungen und Arten um ein sehr viel komplexeres System empirischer Begriffe, welches es notwendig macht, dass wir eine Pluralitt von miteinander in Beziehung stehenden Dingen annehmen. Die Differenz beider begrifflicher Systeme kann auch daran festgemacht werden, dass es in Ersterem – hier kurz logischer Raum1 genannt – um allgemeine Eigenschaften von Dingen geht, die in der begrifflichen Reflexion des Dings vornehmlich in den Inhalt des Begriffs eingehen: Denn es handelt sich hierbei um allgemeine Merkmale, von denen wir annehmen mssen, dass sie in den begrifflich zu reflektierenden Gegenstnden anschaulich dargestellt sind. Demgegenber geht es in dem komplexeren Begriffsystem, das wir hier kurz als logischen Raum2 bezeichnen wollen, vornehmlich um den Umfang von Begriffen. Denn dabei geht es um Aspekte der Dinglichkeit, die es uns erlauben, eine Stufenordnung derselben nach Arten und Gattungen zu generieren, welche auf begrifflicher Ebene ihren Ausdruck darin findet, dass jeder Begriff einen

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3.3.3.4. Die transzendentalen Voraussetzungen in der Sinnlichkeit – Gemeinschaft der Dinge Was ntzen uns nun diese neuen Erkenntnisse, die wir unter Zuhilfenahme von Vernunftbegriffen zum Dingbegriff gewonnen haben fr unsere Ausgangsfrage nach dem Zusammenhang von disjunktivem Urteil und Kategorie der Wechselwirkung? Wir haben gesehen, dass es zwischen beiden keinen unmittelbaren Zusammenhang geben kann, da das disjunktive Urteil nicht in einer fr unsere Frage interessanten Weise auf sinnliche Gegenstnde, sondern stets auf so etwas wie eine logische Welt von Sachverhalten bezogen ist. Eine Welt von Sachverhalten, die in logischbegrifflicher Hinsicht als ein empirisches Begriffsystem verstanden werden kann, das nach dem Schema von Arten und Gattungen organisiert ist. Anhand von Kants Anmerkungen im „Anhang zur Dialektik“ konnten wir dann feststellen, dass ein solches vollstndiges System empirischer Begriffe seinerseits gewisse transzendentale Voraussetzungen hat, nmlich, dass wir in der Natur der Dinge Verschiedenheit und Gleichartigkeit annehmen mssen, was uns schließlich zu einem bestimmten in der Sinnlichkeit zu verwirklichenden Dingbegriff fhrte: Es muss eine Pluralitt von Einzeldingen geben, und zwar so, dass jedes Einzelding ber seine begriffliche Reflexion im empirischen System der Begriffe mit jedem anderen Ding in Beziehungen der Gleichartigkeit und Verschiedenheit steht. Die Identitt des Einzeldings kam dabei durch seine eindeutige Abgrenzung von allen anderen Dingen dadurch zustande, dass wir es als das unendlich spezifizierbare konkrete Ding auffassten. Darin bestand eine Kontinuitt zu der aus der Qualittsproblematik bereits bekannten Qualifizierung des Dings als vollstndig bestimmtem bzw. bestimmbarem Gegenstand. Neu dagegen war die Erkenntnis, dass wir es aus Grnden, die mit unserem BegriffUmfang hat und selbst zum Umfang eines bergeordneten Begriffes gehçrt (Zum Unterschied von ,Umfang‘ und ,Inhalt‘ vgl. Anm. 71). In den beiden logischen Rumen geht es also um verschiedene Aspekte von Begrifflichkeit. Dabei kann der komplexere logische Raum2 als Ausdifferenzierung des logischen Raumes1 verstanden werden, insbesondere dann, wenn man den Inhalt eines Begriffes so deutet, dass darber der Begriff als zum Umfang eines bergeordneten Begriffes gehçrig betrachtet wird. Whrend der logische Raum1 Voraussetzung fr die Qualifizierung von Gegenstnden in Bezug auf die Materie der Sinnlichkeit ist, hat der logische Raum2 umgekehrt gewisse Voraussetzungen in den formalen Aspekten der Sinnlichkeit: Wir mssen eine Pluralitt von miteinander in Beziehung stehenden Dingen, welche letztlich einen Begriff der Gemeinschaft der Dinge implizieren wird, annehmen, als Voraussetzung fr die Reflektierbarkeit der Dinge hinsichtlich eines empirischen Systems von Art- und Gattungsbegriffen.

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system, wird dieses als Art-Gattungsschema qualifiziert, zu tun haben, stets mit einer Pluralitt solcher vollstndig bestimmbarer Einzeldinge zu tun haben mssen. Nun handelt es sich bei jener „Pluralitt von Einzeldingen“ um eine Forderung, die sich aus mit unserer Begrifflichkeit und der Mçglichkeit empirischer Begriffsbildung verbundenen Vernunftgrnden ergab. Es ist aber zum einen noch nicht klar, wie diese Forderung in der Sinnlichkeit tatschlich umgesetzt werden kann, und zum anderen ist nicht klar, wie sich daraus ein Zusammenhang mit der Kategorie der Gemeinschaft bzw. Wechselwirkung herstellen lsst, um den sich schließlich unsere ganzen Bemhungen drehen. Denn von jenen Einzeldingen gilt zwar, dass sie ber ihre begriffliche Reflexion in einem System in Beziehungen der Verschiedenheit und Gleichartigkeit mit allen anderen (begrifflich reflektierten) Einzeldingen stehen mssen, es gibt aber soweit noch keine unmittelbaren sinnlichen Beziehungen zwischen den Dingen. Trotz dieser noch offenen Frage sind wir aber schon einen bedeutenden Schritt weiter gekommen. Denn eine ganz entscheidende Zwischenfrage, die sich bei der Behandlung der Problematik der Wechselwirkung ergab, war es, mit welcher Berechtigung wir berhaupt eine „Mehrzahl von Dingen“ annehmen drfen. Diese Frage war deswegen nicht trivial, weil Kant das Ding, von dem es mehrere geben kann, in der Dritten Analogie als (phnomenale) Substanz betrachtet, es im Hinblick auf die Substanzproblematik aus der Ersten Analogie aber keineswegs klar war, ob es berhaupt gute Grnde fr die Annahme gibt, dass wir es mit mehreren Substanzen zu tun haben. Und auch die Zweite Analogie belehrte uns in keiner Weise darber, wie man sich eine Vielzahl von Dingen unter dem Gesichtspunkt der Objektkonstitution vorstellen kçnnte, vermied Kant doch dort sorgfltig jede Terminologie, die zu einer bestimmten Dingauffassung verpflichten kçnnte. So war denn auch das Kausalittsmodell, das Kant dort entwickelte, ganz an die Kausalitt von Ereignissen geknpft. Was also die ersten beiden Analogien anbelangt, so wre es, wie oben bereits festgestellt, durchaus denkbar, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass wir es in puncto Gegenstndlichkeit nur mit Einer Substanz zu tun haben, an der sich eine kontinuierliche durch Kausalitt zu erklrende Zustandsvernderung vollzieht. Umgekehrt bedeutet aber die Einfhrung einer „Mehrzahl von Dingen“ in unsere Gegenstandsterminologie, wie sie aus Vernunftgrnden nahe gelegt wird76, entscheidende Modifizierungen 76 Man beachte, dass den Vernunftprinzipien hier nicht ein dem Verstand gegenber bergeordnetes Interesse zukommt, so dass bereits vorliegende Verstandeser-

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nicht nur fr die Erste Analogie (es gibt gute Grnde fr die Annahme von mehreren Substanzen, wenn darunter „Dinge“ verstanden werden), sondern auch fr die Zweite Analogie. Denn das Modell der Ereigniskausalitt bedarf, wie schon einleitend festgestellt, entscheidender Revisionen, sollte das Kausalprinzip auch eine Rolle bei der Thematik der Dritten Analogie spielen. Denn dann muss Kausalitt so verstanden werden kçnnen, dass sie nicht nur als Ursache einer Zustandsvernderung, die als Ereignis aufgefasst wird, verstanden werden darf, sondern auch eine Rolle dabei spielen muss, wie sich verschiedene Gegenstnde zeitlich aufeinander beziehen. Fhrt man aber die zeitlichen Beziehungen einer Mehrzahl von Gegenstnden in die durch Kategorien zu erklrende Problematik objektiver Zeitbestimmungen ein, dann wird schnell klar, dass das zeitliche Nacheinandersein, welches durch ein unrevidiertes Kausalprinzip erklrt werden kçnnte, nicht ausreicht, um die Beziehung von mehreren Gegenstnden zu erklren. Denn gbe es nur eine zeitliche Dimension (des Nacheinanderseins), dann wre es gleichgltig, ob wir das, was nacheinander ist, als verschiedene Gegenstnde, oder vielmehr nur als Zustandsvernderung an einem Gegenstand betrachten wrden. Denn auch wenn wir davon ausgehen wrden, dass es nacheinander verschiedene „Gegenstnde“ gibt, dann wrde jeder vorhergehende Gegenstand mit dem ihm folgenden verschwinden. Dies ist aber im Wesentlichen kein anderes Szenario, als von vornherein anzunehmen, dass es nur Einen Gegenstand im Sinne von „absoluter Substanz“ gibt, an dem sich eine kontinuierliche Zustandsvernderung vollzieht. Es scheint also, dass die aus Vernunftgrnden geforderte Pluralitt von Dingen unter sinnlichen Bedingungen nur dann verwirklicht werden kann, wenn sie in einer zeitlichen Dimension stehen, welche die Dinge in ihrer Identitt und Selbstndigkeit bewahrt. Dafr kommt aber nur der Modus des Zugleichseins in Frage. Denn nur im Zugleichsein erçffnet sich – nmlich im Raum – eine weitere Dimension, in der Dinge als außer- und nebeneinander gedacht werden kçnnen, und so deren Selbstndigkeit erhalten bleibt. Um dies am Substanzmodell zu verankern: Wenn wir unter einem Ding, wie Kant dies in den Analogien tut, eine Substanz verstehen wollen, dann mssen wir, wenn wir eine kenntnisse nach Einheits- und Vollstndigkeitsgesichtspunkten katalogisiert wrden und daraus Forderungen hinsichtlich einer abstrakten „Natur der Dinge“ gezogen wrden, welche neben, unter, oder ber der Konstitution von Erfahrung durch den Verstand angesiedelt wre. Vielmehr greifen die Vernunftprinzipien, so wie hier und auch im Rahmen der Qualittsproblematik dargestellt, in die Erfahrungskonstitution des Verstandes selbst ein. Zur Bedeutung dieses Sachverhaltes fr eine „transzendentale Deduktion der Ideen“: siehe Schlusskapitel.

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Mehrzahl von Dingen zulassen wollen, diese als eine Mehrzahl von relativbeharrlichen Substanzen auffassen. Bei diesen kann es sich nur um Dinge von einer bestimmten Dauer handeln. Gleichwohl darf dies nicht so verstanden werden, dass jene Dinge von gewisser Dauer oder relativ-beharrliche Substanzen lediglich nacheinander existieren, und vor dem Hintergrund des Denkens einer absolut-beharrlichen Substanz ineinander bergehen – und solcherart den bergang von einem Ding ins andere vorstellen. Sondern eine Pluralitt von relativ-beharrlichen Substanzen anzunehmen, macht nur dann Sinn, wenn diese Pluralitt die Identitt und Selbstndigkeit der Dinge oder Substanzen erhlt. Dies ist aber unter sinnlichen Bedingungen nur dann mçglich, wenn wir uns diese Dinge als außer- und nebeneinander und zugleich existierend vorstellen. Doch auch wenn wir durch den Import einer Mehrzahl von Dingen in die Sinnlichkeit, welche nur im Modus des Zugleichseins mçglich ist, einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind, steht immer noch die Frage zu beantworten, warum das Zugleichsein der Dinge im Raum durch die Kategorie der Wechselwirkung zustande kommen soll, und wenn dem so ist, wie sie sich zum Kausalprinzip verhlt. Hier finden wir einmal mehr einen entscheidenden Hinweis in der Interpretation von Longuenesse. Wie oben dargestellt, sucht Longuenesse die Kategorie der Gemeinschaft in unmittelbarem Zusammenhang mit dem disjunktiven Urteil zu erklren, dergestalt, dass wir es in der Sinnlichkeit mit der Darstellung eines Realittsganzen zu tun haben, dessen Elemente in vielfltigen wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen, welche der logischen Form des disjunktiven Urteils entsprechend reflektiert werden kçnnen. Nun haben wir bereits gesehen, dass ein solch unmittelbarer Bezug von Kategorie und Urteil im Grunde genommen nicht mçglich ist und dass wir vielmehr danach fragen mssen, welches die sinnlichen Bedingungen fr die in einem empirischen Begriffsystem gedachten Art-Gattungsverhltnisse sind (welche ihrerseits das disjunktive Urteil ermçglichen). Dies hat uns weiter zu einem bestimmten Dingbegriff gefhrt. Das Einzelding, so haben wir gesehen, kann einerseits dadurch bestimmt werden, dass es ber seine begriffliche Reflexion in Beziehungen der Verschiedenheit und Gleichartigkeit mit anderen Dingen stehen muss, was fr die Sinnlichkeit notwendigerweise eine Pluralitt solcher Dinge implizierte. Andererseits musste das Einzelding, und darin lag eine Verbindung zur Qualittsproblematik, als unendlich bestimmbar und spezifizierbar gelten. Diese Bestimmbarkeit des Einzeldings spielt nun auch in der Interpretation von Longuenesse die grçßte Rolle. Denn zu den Bestimmungen des Dings gehçren alle seine wesentlichen wie unwesentlichen Eigen-

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schaften. Das bedeutet aber, wie auch immer man die Grenzziehung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften vornimmt, dass das Ding nur dann vollstndig bestimmt werden kann, wenn man Bezug nimmt auch auf diejenigen Bestimmungen, die als relationale Eigenschaften verstanden werden mssen. Das heißt aber fr sinnlich gegebene Dinge, dass sie nur dann vollstndig bestimmbar sind, wenn man auf all ihre sinnlichen Beziehungen zu anderen Dingen Bezug nimmt, oder wie Longuenesse schreibt, wenn man auf die Dinge „within the context of their universal interaction“ Bezug nimmt (1998a, S. 384). Dass die Bestimmbarkeit des konkreten Einzeldings, da diese sich auch auf dessen kontingente Eigenschaften beziehen muss, es notwendig macht, dass wir auf alle raumzeitlichen Beziehungen des Dings zu anderen Dingen einzugehen haben, war eine Forderung, die sich bereits innerhalb der Qualittsproblematik gestellt hatte (vgl. II.2.). Erst jetzt allerdings haben wir die Mittel an der Hand, dieses Problem zu lçsen, denn erst jetzt wissen wir in einer fundierten Weise, was im transzendentallogischen Rahmen berhaupt unter einem Einzelding und einer Mehrzahl solcher Dinge, welche in Beziehungen miteinander zu stehen haben, zu verstehen ist. Nun ist laut Kant eine Bestimmung im Kontext der Sinnlichkeit, und das heißt vorrangig in einem zeitlichen Kontext, nur nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung vorstellbar (vgl. B259/A212). Wir mssen also in unsere Erklrung auf jeden Fall das Kausalprinzip inkorporieren. Bereits bei der Abhandlung der Zweiten Analogie hatten wir gesehen, dass das Kausalprinzip, um die „Einheit der Erfahrung“ zu gewhrleisten, durchgngige Anwendung auf alles sinnlich Gegebene finden muss (vgl. Kap. II.3.2.). Da uns dort allerdings noch keine brauchbare Dingterminologie zu Gebote stand, konnte die Frage nach der genauen Art der kausalen Beziehungen alles sinnlich Gegebenen noch nicht angegangen werden. Umgekehrt hat die Einfhrung unserer spezifischen Dingterminologie in die Sinnlichkeit ein ganz bestimmtes und verndertes Verstndnis der Kausalbeziehungen zur Folge. Was wir nun erklren mssen, ist, wie die Beziehungen zwischen Dingen in der Sinnlichkeit zustande kommen. Denn, wie bereits mehrfach betont, erfordert es die Bestimmbarkeit des Einzeldings, dass es in Beziehung mit allen anderen Dingen in der Sinnlichkeit stehen muss. Dies impliziert nun zunchst einmal einen Begriff von „Gemeinschaft“ (der, wenn man von der Bestimmbarkeit des Einzeldings ausgeht, Vorrang gegenber dem spezifischeren Begriff der „Wechselwirkung“ hat). Dass nun alle Dinge – sofern wir darunter eine Pluralitt von Dingen im Raum verstehen –, in Gemeinschaft stehen mssen, ergibt sich, wie Kant klar macht, bereits aus Grnden, die mit der Einheit und Ob-

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jektivitt der Erfahrung zu tun haben: „Ohne Gemeinschaft ist jede Wahrnehmung (der Erscheinung im Raume) von der andern abgebrochen, und die Kette empirischer Vorstellungen, d.i. Erfahrung, wrde bei einem neuen Objekt ganz von vorne anfangen, ohne daß die vorige damit im geringsten zusammenhngen, oder im Zeitverhltnisse stehen kçnnte“ (B260 f./A213 f.). Dies heißt aber noch nicht zwangslufig, dass jene Gemeinschaft durch Wechselwirkung zustande kommen muss. Was wir allerdings bereits wissen, ist, dass die Gemeinschaft der Dinge dadurch zustande kommen muss, dass sich alle Dinge aufeinander beziehen und solcherart das konkrete Einzelding seine Bestimmtheit erfhrt. Weiter wissen wir, dass die Bestimmung, durch welche das Ding in einem sinnlichen Kontext seine Bestimmtheit erfhrt, nur nach dem Kausalprinzip mçglich ist. Nun wissen wir außerdem aber noch, dass eine Pluralitt von Einzeldingen nur im Modus des Zugleichseins mçglich ist. Dann bençtigen wir aber eine Erklrung dafr, wie das Zugleichsein der Dinge in der Sinnlichkeit berhaupt verwirklicht werden kann, und zwar in einer Weise, die der Notwendigkeit der Bestimmung der Dinge durcheinander Rechnung trgt. An dieser Stelle gelangen wir zu einer Konstellation, in der Kants Argument fr die wechselseitige Bestimmung der Substanzen sinnvoll eingesetzt werden kann, von dem wir oben behauptet hatten, dass es nur dann Sinn macht, wenn die Begrndung fr eine das Zugleichsein ermçglichende Verstandesregel auf der Objektebene angesiedelt ist (und sich nicht etwa damit begngt, die wechselseitige Folge von Wahrnehmungen, welche mit dem Zugleichsein der Dinge in Verbindung gebracht werden muss, dazu zu nutzen, eine entsprechende Wechselseitigkeit auch auf Ebene der wahrgenommenen Objekte zu postulieren, vgl. oben II.3.3.1.). So schreibt Kant: Es muß also noch außer dem bloßem Dasein etwas sein, wodurch A dem B seine Stelle in der Zeit bestimmt, und umgekehrt auch wiederum B dem A, weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen, als zugleich existierend, empirisch vorgestellt werden kçnnen. Nun bestimmt nur dasjenige dem andern seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von ihm oder seinen Bestimmungen ist. Also muß jede Substanz (da sie nur in Ansehung ihrer Bestimmungen Folge sein kann) die Kausalitt gewisser Bestimmungen in der andern, und zugleich die Wirkungen von der Kausalitt der andern in sich enthalten, d.i. sie mssen in dynamischer Gemeinschaft (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgendeiner mçglichen Erfahrung erkannt werden soll. (B259/A212 f.)

Das Zugleichsein der Dinge, welche Kant hier als Substanzen betrachtet, ist also nur mçglich, wenn wir annehmen, dass diese sich gegenseitig nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung bestimmen.

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Fassen wir unser Argument noch einmal kurz zusammen: 1) Wir haben gesehen, dass es a) aus begrifflichen Grnden notwendig ist, dass wir es in der Sinnlichkeit einerseits mit einer Mehrzahl von Dingen zu tun haben, und dass andererseits b) die Bestimmbarkeit eines jeden Einzeldings nur dadurch gewhrleistet werden kann, dass es in Beziehungen mit allen anderen Dingen in der Sinnlichkeit steht. Denn nur durch jene sinnlichen und kontingenten Beziehungen erfhrt das Ding seine konkrete Bestimmtheit. 2) Wir haben weiter gesehen, dass die Bestimmung eines jeden Einzeldinges in einem sinnlichen Kontext nur nach dem Kausalprinzip gedacht werden kann. 3) Außerdem haben wir gesehen, dass die Pluralitt von Dingen unter sinnlichen Bedingungen nur im Modus ihres Zugleichseins vorgestellt werden kann. 4) Die gesuchten Beziehungen zwischen den Dingen (1), durch welche diese ihre Bestimmtheit erlangen (2), kann also nicht nach einem einseitigen Kausalprinzip verstanden werden, denn dies wrde nicht ausreichen, um das Zugleichsein der Dinge zu erklren (3). 5) Folglich bedrfen wir eines Prinzips der „wechselseitigen Kausalitt“. Denn nur wenn sich die Dinge wechselseitig bestimmen, kçnnen wir uns erklren, warum die Beziehungen zwischen den Dingen solcherart aufgefasst werden kçnnen, dass die Dinge miteinander zugleich sind, was wiederum notwendig zum Begriff einer Pluralitt von Dingen unter sinnlichen Bedingungen gehçrte. Die entscheidenden Voraussetzungen dieser Argumentation waren dabei, dass die Bestimmbarkeit des Einzeldings nur durch die Beziehungen mit allen anderen sinnlichen Dingen gewhrleistet werden kann, und dass wir gleichzeitig eine Pluralitt von solchen in Beziehung stehenden Einzeldingen unter sinnlichen Bedingungen nur im Modus des Zugleichseins sinnvoll denken kçnnen – so dass die Beziehungen der Einzeldinge, sollen diese durcheinander ihre Bestimmtheit erlangen, nur so verstanden werden kçnnen, dass sie sich wechselseitig bestimmen. 77 77 Von dieser Warte aus kçnnte man das Zugleichsein der Dinge auch als Nebenprodukt der Erfllung der Forderung nach der Bestimmbarkeit des Einzeldings im Zusammenhang mit anderen Einzeldingen betrachten. Dann nmlich, wenn man von vornherein voraussetzt, dass die Beziehung eines Dinges zu allen anderen sinnlichen Dingen per se schon einen Begriff von wechselseitiger Bestimmung aller Dinge impliziert. Eine solche Auffassung scheint der Interpretation Longuenesses zugrunde zu liegen. Diejenige Aktivitt des Verstandes, so Longuenesse, welche dafr verant-

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Sind diese Ausfhrungen richtig, dann handelt es sich bei der Einfhrung der Kategorie der Wechselwirkung in die Gruppe der Verstandesregeln, welche die Objektivitt der Erfahrung zu gewhrleisten haben, nicht um eine Ad-hoc-Entscheidung, wie man nach dem bei Kant ausgefhrten analytischen Beweisverfahren vermuten kçnnte. Eines der Probleme mit diesem Verfahren war, wie wir gesehen hatten, dass es so schien, als wrde Kant in relativ willkrlicher Weise nach einer Regel Ausschau halten, welche geeignet ist, das – seinerseits als analytisches Beweisziel vorausgesetzte – Zugleichsein der Dinge zu erklren, und dass in keiner Weise klar war, ob und warum jene Regel etwas mit dem Kausalittsprinzip zu tun haben kçnnte. Weiter war nicht klar, wie sich jene neue Regel zum bereits feststehenden Kausalprinzip der Ersten Analogie verhlt (vgl. Abs. 3.3.1.). Durch die Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens ergab sich nun zweierlei: Zum einen ist das bei Kant vorausgesetzte „Zugleichsein der Dinge“ seinerseits begrndet in einer bestimmten Dingauffassung, welcher in nicht-trivialer Weise, nmlich im Rekurs auf Vernunftprinzipien, die berzeugung zugrunde liegt, dass wir es in unserer Erfahrung mit einer Pluralitt von Dingen zu tun haben mssen, welche unter sinnlichen Bedingungen nur im zeitlichen Modus des Zugleichseins mçglich ist. Zum anderen ist es nicht willkrlich, dass wir gerade ein Prinzip der „Wechselwirkung“ bençtigen, um dieses Zugleichsein der Dinge zu erklren, und dass dabei das Kausalprinzip eine Rolle spielen muss. Denn die Einfhrung der Dingontologie, die wir aus berlegungen zu den logischen Prinzipien, welche eine Rolle bei der Organisation unseres Begriffsystems nach Gattungen und Arten spielen, gewonnen haben (Verschiedenheit und Gleichartigkeit), und welche dazu fhrte, dass wir das Einzelding als bestimmbar im Kontext mit allen anderen Einzeldingen auffassen mussten, wortlich gemacht werden muss, dass die Erkenntnis von Einzeldingen im Zusammenhang mit ihrer Bestimmbarkeit in einem Kontext universeller Interaktion gewhrleistet wird, sei zugleich die Bedingung fr unsere Vorstellung ihrer gleichzeitigen Existenz in einem sinnlichen Raum (vgl. S. 384). In der hier vertretenen Interpretation wurde die Forderung nach einem Zugleichsein der Dinge als gesonderter Schritt eingefhrt, um klar zu machen, dass die Beziehungen aller sinnlichen Dinge zueinander durch keine andere als die vorgetragene Weise verwirklicht werden kçnnen, also insbesondere nicht dadurch, dass man ein einseitiges Kausalittsprinzip annimmt. Denn dies wrde nur ein Nacheinander von „Dingen“ implizieren, welches, wie gesehen, nicht ausreichen wrde, um berhaupt eine Pluralitt von Einzeldingen zu denken, die in ihrer Selbstndigkeit erhalten werden, welche wiederum notwendig angenommen werden muss, um berhaupt sinnvoll davon sprechen zu kçnnen, dass es Beziehungen zwischen solchen Dingen gibt.

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machte es notwendig, unter sinnlichen Bedingungen eine durchgngige Wechselwirkung und Gemeinschaft aller sinnlich gegebenen Dinge zu postulieren. Der Rekurs auf ein einfaches Kausalprinzip zur Generierung dieser sinnlichen Gemeinschaft schloss sich dabei von vornherein aus. Vielmehr war es notwendig, das am „Ereignismodell“ orientierte Kausalprinzip der Zweiten Analogie – um der Einfhrung eines fundierten Dingmodells in die Sinnlichkeit gerecht zu werden – entscheidend zu modifizieren. Denn um nicht nur ein sinnliches Ereignis als solches durch die Postulierung eines anonymen Kausalprinzips zu erklren, wie dies in der Ersten Analogie der Fall war, sondern um das Kausalprinzip an der Dinglichkeit zu verankern, in dem die sinnlichen Beziehungen verschiedener eigenstndiger Dinge erklrt werden mussten, war es notwendig, ein Prinzip von „wechselseitiger Kausalitt“ einzufhren. Umgekehrt zieht dies wichtige Rckbezge auch fr die „Ereigniskausalit“ der Zweiten Analogie nach sich. Denn, wenn es auch so aussieht, als wre das Konzept der „wechselseitigen Kausalitt“ nur eine Erweiterung des „normalen“, unidirektionalen Kausalprinzips, so muss doch die in der „Wechselwirkung“ bzw. „Gemeinschaft“ zu veranschlagende Kausalbeziehung in puncto Gegenstandsbezug als primr angesehen werden. Denn nimmt man die zweite und dritte Analogie zusammen, dann muss ein Ereignis als eine Zustandsvernderung an einer Substanz aufgefasst werden, und zwar so, dass es nicht mehr gengt, eine anonyme Ursache fr jene Zustandsvernderung in einem ebenso anonymen Kausalprinzip zu benennen, sondern solcherart, dass jene Ursache selbst in einer (anderen) Substanz liegen muss. Dann ist aber die kausale Beziehung zwischen Substanzen, die immer eine wechselseitige sein muss, die Basis auch fr die Erklrung eines einzelnen Ereignisses.78 Mit anderen Worten: Wir mssen die Gemeinschaft durchgngig interagierender Substanzen als primr ansetzen, um vor diesem Hintergrund die Kausalitt eines einzelnen Ereignisses dingfest machen zu kçnnen. Dann ist aber die mit der Kategorie der Gemeinschaft verbundene „wechselseitige Kausalitt“ (und ein damit verbundenes Konzept von „gleichzeitiger Verursachung“) die gegenstndliche Basis auch fr die Anwendung des „einseitigen“ Kausalprinzips.79 78 Vgl. dazu auch Schelling (1800), der, allerdings in einem andersgearteten theoretischen Rahmen, die These vertritt, dass die Substanzen durch Wechselwirkung gegeneinander fixiert werden mssen, als Bedingung dafr, dass auf dieser Grundlage ein einseitiges Kausalverhltnis berhaupt gedacht werden kann (S. 142 ff.). 79 Vgl. auch Longuenesse 1998a: „I suggest that in the sensible or phenomenal world, all causality is (…) reciprocal causality – that is, the succession of effects (succession

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Entscheidend fr die gelungene Rekonstruktion eines synthetischen Beweisverfahrens, und darin besteht die grçßte Nhe zur Qualittsproblematik, war die Inkorporation von Vernunftprinzipien in den Bestand kategorialer Erklrungen zur Gegenstndlichkeit der Erfahrung. So wie es in Bezug auf die Materie der Sinnlichkeit notwendig war, im Rekurs auf eine Vernunftidee (die Idee des „vollstndig bestimmten Gegenstandes“) einen als Ganzheit anzusehenden „logischen Raum“ (Kants „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“) als Hintergrund der qualitativen Bestimmbarkeit eines Gegenstandes anzusetzen, so erwies sich ein solcher aus Vernunftberlegungen gewonnener „logischer Raum“ auch in Bezug auf die Form der Sinnlichkeit als essentiell. Wenn auch die ersten beiden Relationskategorien, welche fr die Bestimmung von objektiven Zeitverhltnissen verantwortlich zu machen sind, jeweils fr sich genommen aus rein verstandesmßigen berlegungen zum Zusammenhang von Urteil und Kategorie gewonnen werden konnten, so machte es doch die dritte Relationskategorie, welche die Bestimmungen zu den Formen der Sinnlichkeit zu vervollstndigen hatte, notwendig, ber den begrenzten Radius des einfachen Verhltnisses von Sinnlichkeit und Verstand hinauszugehen. Dies kann man daran verdeutlichen, dass die Bestimmung der Formen der Sinnlichkeit durch den Verstand nur die oberste Ebene dessen, was wir die „drei Objektivierungsebenen des urteilenden Verstandes“ genannt haben, darstellt. Die drei Analogien haben aber, wie wir gefordert haben, nicht nur die formalen Bedingungen unserer Anschauungen von Gegenstnden in den drei Zeitmodi Beharrlichkeit, Nacheinandersein und Zuof objective states of substances) is causally determined only in the context provided by the simultaneous existence of substances themselves, as well as the simultaneity of cause and the initial production of its effect“ (S. 385). Vor diesem Hintergrund erledigen sich auch die mit dem „event-event“-Modell verbundenen Probleme hinsichtlich der Dritten Analogie. Denn was hier angesetzt werden muss, ist nicht eine wechselseitige Beziehung von Ereignissen, welche die oben genannten Probleme provozieren wrde, sondern eine wechselseitige Beziehung von Dingen. Die Frage, was genau an einer Substanz als die Ursache fr Vernderungen an anderen Substanzen angesehen werden muss, kann hier nicht beantwortet werden. Entscheidend ist hier lediglich, dass es weder Zustnde, noch Ereignisse sind, welche andere Zustnde oder Ereignisse in wechselseitiger Manier verursachen sollen. In eher naturphilosophischer Hinsicht macht es vor dem Kantischen Hintergrund durchaus Sinn, wie Watkins davon auszugehen, dass, wenn man den Grund fr kausale Vernderungen (unter dem Stichpunkt „causality of the cause“) an der Substanz verortet, man letztlich beim Begriff der „Kraft“ anlangt, welche den urschlichen Grund an einer Substanz fr Vernderungen an anderen Substanzen bildet (vgl. 2005, S. 243 ff.).

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gleichsein zu bestimmen, sondern gleichzeitig haben sie den Bezug auf den einzelnen Gegenstand, sowie die Beziehungen von Gegenstnden in der Sinnlichkeit so zu erklren, dass der urteilende Bezug auf eine sinnliche Welt von Gegenstnden ermçglicht wird. Letzteres, nmlich die Erklrung des Einzeldings, wie auch der Beziehungen solcher Einzeldinge ist aber, wenn wir auch in den ersten beiden Analogien – namentlich im fr jeden Dingbegriff wesentlichen Substanz-Akzidenz-Verhltnis, wie auch im fr jede Vernderung bzw. Bestimmung von Gegenstnden wesentlichen Kausalverhltnis – wichtige erste Schritte zur Klrung dieser Frage gewonnen haben, letztlich nur anhand der Dingterminologie mçglich, die wir aufgrund von berlegungen zu Begrifflichkeit und Vernunft anlsslich der Dritten Analogie eingefhrt haben. Und zwar wurde der Rekurs auf Vernuftprinzipien gerade notwendig, um auch im Falle der Kategorie der Wechselwirkung bzw. Gemeinschaft den Zusammenhang von Urteil und Kategorie gewhrleisten zu kçnnen. Denn wie wir gesehen hatten, war fr das disjunktive Urteil der unmittelbare Bezug auf die Sinnlichkeit irrelevant. Vielmehr beziehen wir uns im disjunktiven Urteil, zumindest in der fr unsere berlegungen relevanten nicht-analytischen Variante, auf die in einem Begriffssystem gedachten Relationen von Gattungen und Arten, die aus gegenstndlicher Perspektive auch als eine „Welt von Sachverhalten“ gedeutet werden konnten, – nicht zuletzt um zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei den in einem solchen System gedachten Begriffsbeziehungen, welche gehaltvolle Aussagen ber die Wirklichkeit zulassen, um solche handeln musste, welche einen empirischen Grund in der Erfahrung haben mssen. Ein solches System empirischer Begriffe war aber seinerseits nicht ohne transzendentale Voraussetzungen mit Bezug auf die Sinnlichkeit, welche in fortgesetzter empirischer Reflexion den Anlass fr die Generierung eines solchen Systems bieten muss. Wir haben gesehen, dass die logischen Prinzipien der Gleichartigkeit, Variett und Affinitt (bzw. der Homogenitt, Spezifikation und Kontinuitt), welche dabei in Anschlag gebracht werden mssen, eine bestimmte Dingontologie notwendig machten: Wir mussten eine Pluralitt von miteinander in durchgngigen Beziehungen stehenden Einzeldingen annehmen, als Basis dafr, dass auf begrifflicher Ebene – und das heißt auf der Ebene des zu generierenden Begriffsystems – die Dinge als in Beziehungen von Gattungen und Arten stehend gedacht werden kçnnen. Denn ein unendlich zu spezifizierendes System von Gattungs- und Artverhltnissen erforderte, dass alle Dinge mindestens in einer Hinsicht als gleichartig angesehen werden kçnnen mussten, whrend jedes Ding zu jedem anderen Ding gleichzeitig auch in stufenartig zu spezifizierenden

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II. Die Grundstze des reinen Verstandes

Verhltnissen der Verschiedenheit stehen muss. Dies bedeutete aber, dass die Dinge auch in der Sinnlichkeit nicht in Isolation voneinander gedacht werden drfen, sondern ihre Bestimmbarkeit, welche sie in Beziehung setzt zum logischen Raum von Gattungen und Arten, wo sie begrifflich mit allen anderen Dingen in Beziehung zu stehen haben, erforderte, dass die Dinge auch in der Sinnlichkeit in solchen Beziehungen miteinander stehen, dass sie sich gegenseitig bestimmen, – denn wie wir gesehen haben, ist die vollstndige Bestimmung des sinnlichen Einzeldings nur in einer Gemeinschaft mit allen anderen sinnlichen Einzeldingen zu verwirklichen, und zwar solcherart, dass alle Dinge miteinander in durchgngiger Wechselwirkung stehen.80

80 Zu bemerken wre noch, dass wir damit bei einer Konstellation angelangt sind, welche die Strukturisomorphie von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft, mit der wir unsere berlegungen zum Zusammenhang von Kategorie und Urteil begonnen hatten, in befriedigender Weise zu erklren vermag. War diese Isomorphie kein ausreichender Anlass dafr, anzunehmen, dass es tatschlich einen unmittelbaren Zusammenhang von Kategorie und Urteil gibt, so sehen wir nun, dass sie vielmehr das Ergebnis eines wirklich vorhandenen mittelbaren Zusammenhangs von disjunktivem Urteil und Kategorie der Gemeinschaft ist. Im disjunktiven Urteil erçffnet sich eine bestimmte Begriffsordnung, welche in Perspektive der Vernunft als eine systematisch gegliederte Ganzheit angesehen werden muss, und die in der ausschnittweisen Annherung durch ein disjunktives Urteil so vorgestellt werden kann, dass eine jede Gattung als das Ganze einer Erkenntnis vollstndig eingeteilt werden kann in ihre Arten, die sich wechselseitig ausschließen und doch zu einem Ganzen bestimmen. Die Strukturmerkmale jener Ordnung – Teil-Ganzes-Beziehung, Koordination, wechselseitige Bestimmung und Ausschließlichkeit – sind aber auch in der durch den Verstand bestimmten Sinnlichkeit zu beobachten, wenn wir es dabei auch mit einem vollstndig anderen Gegenstandsbereich zu tun haben. Whrend es bei der im disjunktiven Urteil offenbarten Ordnung um eine Ordnung von Begriffen geht, haben wir es in der Sinnlichkeit mit einer Ordnung von einzelnen Gegenstnden zu tun. Auch diese aber kçnnen als Teile eines Ganzen (nmlich der Ganzheit der Sinnlichkeit), aufgefasst werden, welche in Koordination zueinander stehen (Zugleichsein im Raum), und zwar so, dass sie sich gegenseitig (durch Wechselwirkung) bestimmen und ausschließen. Dabei gehçrt gerade auch die Ausschließlichkeit wesentlich zur Ordnung sinnlicher Dinge, erhlt doch das Einzelding seine spezifische Bestimmtheit gerade durch die Abgrenzung von allen anderen Dingen.

III. Resmee und Ausblick Wir haben im ersten Teil dieser Untersuchung gesehen, dass die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien die subjektiv notwendigen Bedingungen des Denkens von Gegenstnden und damit mittelbar auch jeder Erkenntnis von Gegenstnden sind. Objektive Gltigkeit kam denselben allerdings nur dann zu, wenn gezeigt werden konnte, dass unsere sinnlichen Anschauungen, welche fr eine solche Erkenntnis von Gegenstnden ebenfalls zu veranschlagen sind, unter den Kategorien stehen mssen, nicht nur um ein Gegenstand der Erkenntnis, sondern um fr uns berhaupt ein Gegenstand des Bewusstseins zu sein. Die weiterfhrende Frage, die sich dabei fr den zweiten Teil dieser Untersuchung gestellt hat, war: Sind die Kategorien, die in der transzendentalen Deduktion einem Geltungsbeweis unterzogen worden sind, und deren Ursprung nach der metaphysischen Deduktion im urteilenden Verstand zu verorten ist, berhaupt in einer Weise auf unsere sinnlichen Anschauungen anwendbar, dass damit einem Skeptiker bezglich der Vermittelbarkeit von Sinnlichem und Begrifflichem, und insbesondere von reinen Verstandesbegriffen und besonderen Anschauungen, begegnet werden kann? Dabei hat sich als Prfungsinstanz fr diese Frage das Grundsatzkapitel angeboten. Indem dort die Anwendung der einzelnen Kategorien auf die Sinnlichkeit demonstriert und ihre Notwendigkeit fr bestimmte Aspekte der zu konstituierenden Gegenstndlichkeit von Erfahrung ausgewiesen werden kann, msste sich, so die Idee, eine Antwort auf zwei noch offene und miteinander verbundene Probleme finden lassen: Zum einen ging es darum, zu zeigen, dass die Anwendung der jeweiligen Kategorien auf die Sinnlichkeit zu Aspekten einer objektiven Erfahrung fhrt, die nicht schon als faktisches Verstndnis von jener objektiven Erfahrung vorausgesetzt werden drfen, und zum anderen schien es aufgrund des begrifflichen Status der Kategorien und ihrer Herkunft aus dem Logischen dringend erforderlich, zu plausibilisieren, dass jene Kategorien tatschlich auf den gnzlich andersartigen Vorstellungsbereich des Sinnlichen anwendbar sind. Fr beide Problemlagen war es erforderlich, die Anwendung der einzelnen Kategorien auf unsere Sinnlichkeit nicht wie Kant unter Vernachlssigung ihrer Herkunft und unter einem Vorverstndnis dessen, was eine objektive Erfahrung fr uns ausmacht, sondern von vornherein vor dem

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III. Resmee und Ausblick

Hintergrund der logischen Herkunft der Kategorien zu diskutieren. Denn die Interpretation der Anwendung der einzelnen Kategorien unter Bercksichtigung ihres Ursprungs im urteilenden Verstand und ihres Zusammenhanges mit den entsprechenden Urteilsfunktionen sollte zum einen Aufschluss darber gehen, worin eigentlich die zu konstituierenden Gegenstandsaspekte zu bestehen haben. Dabei musste es sich nmlich letztlich um Aspekte von Gegenstndlichkeit handeln, die es erlauben, Urteile eines bestimmten Typs ber sinnliche Gegenstnde zu fllen. Und zum anderen konnte durch den erfolgreichen Nachweis, dass die Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit, wenn man ihren Zusammenhang mit den jeweiligen Urteilsfunktionen bercksichtigt, tatschlich zur Konstitution von urteilsfhigen, und damit objektiven, Gegenstnden fhrt, gezeigt werden, dass die Kategorien nicht nur, wie schon die metaphysische Deduktion gezeigt hatte, auf Anschauungen angewendet werden sollen und nach der transzendentalen Deduktion auch mssen, sondern dass ihre Anwendung auch mçglich ist und zu dem gewnschten Ergebnis fhrt. Dabei war es allerdings von entscheidender Bedeutung, sich von allzu eng gefassten Vormeinungen ber das sinnliche Material, welches in dieser Anwendung eine Rolle zu spielen hat und ber die darauf auszubende „kategoriale Synthesis“ zu befreien. Bereits unsere berlegungen zur metaphysischen Deduktion haben gezeigt, dass man die kategoriale Synthesis keinesfalls als eine Art von implizitem oder explizitem Urteilen verstehen darf. Im Hinblick auf die Vermittlungsproblematik ist dies nicht zuletzt auch deswegen nçtig, weil man in diesem Fall unwillkrlich dazu gezwungen wre, Anschauungen, die in einer als Urteil verstandenen Kategorienanwendung auftreten, als strukturell gleichartig mit Begriffen aufzufassen, – wodurch die Frage ihrer Vermittelbarkeit lediglich zwanghaft unterdrckt wird. Andererseits darf die kategoriale Synthesis im Rckblick aber auch nicht als eine Art von berformung von bereits vorliegendem, und – mçglicherweise vçllig andersartig – vororganisiertem sinnlichem Material verstanden werden. Wenn die hier vorgetragene Interpretation der Grundstze des reinen Verstandes richtig ist, dann gibt es eine weit innigere Beziehung zwischen Sinnlichkeit und Denken, als eine solche berformungsthese vermuten lassen wrde. Die methodischen Festlegungen, die wir anhand der metaphysischen und transzendentalen Deduktion getroffen hatten, implizierten nmlich ein bestimmtes Verstndnis der Kategorienanwendung, das im Wesentlichen darauf beruhte, den Ursprung der Kategorien im logischen Verstand und damit die Korrespondenz der jeweiligen Kategorien mit den

III. Resmee und Ausblick

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entsprechenden Urteilsformen ersichtlich zu machen. Um jenen Zusammenhang verstehen zu kçnnen, waren aber ganz entscheidende Ergnzungen vorzunehmen, welche die logischen Voraussetzungen betreffen, die fr die Anwendung der Kategorien anzusetzen sind, und die letztlich auch das Verstndnis des Sinnlichen betreffen, – und zwar galt dies sowohl fr die materialen als auch fr die formalen Aspekte der Sinnlichkeit. Jene notwendigen Ergnzungen lassen sich zunchst einmal daran festmachen, dass fr ein kohrentes Verstndnis der kategorialen Synthesis im Zusammenhang mit der Mçglichkeit, Urteile ber sinnliche Gegenstnde fllen zu kçnnen, sowohl fr die Materie, als auch fr die Formen der Sinnlichkeit nicht nur die Kategorien selbst in ihrem Zusammenhang mit den entsprechenden Urteilsformen, sondern auch empirische Begriffe eine maßgebliche Rolle spielten. Was nmlich fr beide Aspekte unserer Sinnlichkeit anzusetzen war, war ein Begriffssystem oder System empirischer Begriffe, das als notwendiger Hintergrund fr jede kategoriale Synthesis zu fungieren hatte. Im Falle der Materie der Sinnlichkeit ließ sich dies daran festmachen, dass die Qualittskategorien, sollte ein Zusammenhang mit den entsprechenden qualitativen Urteilsfunktionen hergestellt werden, so verstanden werden mussten, dass sie in Bezug auf unsere bloß subjektiven Empfindungen – in der Materie der Sinnlichkeit – allererst etwas Reales und qualitativ Bestimmbares setzen. Nur so war es verstndlich, dass wir es bei den materialen Gehalten unserer Vorstellungen mit etwas zu tun haben, ber das wir qualitative und objektiv-gltige Urteile fllen kçnnen. Als Hintergrund fr diese Realisierungs- und Qualifizierungsleistung des Verstandes mussten wir jenen „logischen Raum“ ansetzen, den Kant im Zusammenhang mit der „Idee des vollstndig bestimmten Gegenstandes“ als den „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“ bezeichnet. Die These dabei war, dass die qualitative Bestimmung bzw. Bestimmbarkeit eines Gegenstandes hinsichtlich seiner allgemeinen Eigenschaften als eine Einschrnkung vor diesem Hintergrund aller mçglichen Bestimmungen verstanden werden muss. Auf diese Weise war der Gegenstand mit seinen Eigenschaften bereits in der Sinnlichkeit derart mit dem Logischen vermittelt, dass wir davon ausgehen konnten, dass unsere sinnlichen Wahrnehmungen immer schon einen begrifflichen Gehalt haben, wenn dies auch nicht notwendigerweise bedeuten musste, dass wir in konkreten Wahrnehmungsfllen irgendwelche empirischen Begriffe explizit kennen mssen. Vielmehr war die Qualifizierungsleistung des Verstandes, welche vor dem Hintergrund eines logischen Raumes aller mçglichen Bestimmungen fr den – wenn man so will impliziten – begrifflichen Gehalt von Wahrneh-

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mungen verantwortlich zu machen war, die Voraussetzung nicht nur fr die Mçglichkeit von qualitativen Urteilen ber sinnliche Gegenstnde, sondern auch fr die Mçglichkeit der Bildung von – expliziten – empirischen Begriffen. Wir hatten es also mit einem Import des Logischen ins Sinnliche zu tun, der sich darin ausdrckt, dass wir es in der Sinnlichkeit mit objektiven und beurteilbaren materialen Aspekten zu tun haben, – mit Aspekten, die sich als Voraussetzung sowohl fr die Mçglichkeit von Urteilen, als auch fr die empirische Begriffsbildung erwiesen haben. Das Begriffssystem, das als Hintergrund fr Qualifizierung und Realisierung von materialen Gehalten angesetzt werden musste, hatte aber andererseits auch bestimmte Voraussetzungen in den Formen der Sinnlichkeit. Die Notwendigkeit fr ergnzende Bestimmungen zum bisher veranschlagten Begriffssystem ergab sich zunchst einmal im Hinblick auf das folgende Problem: Was die Qualittsproblematik anbelangte, so ging es hier lediglich um die begriffliche Qualifizierung der allgemeinen Eigenschaften eines Gegenstandes, also des Gegenstandes im Allgemeinen unangesehen seiner Beziehungen zu anderen Gegenstnden, und bei dem logischen Raum, der als Hintergrund fr jene Qualifizierung zu fungieren hatte, handelte es sich dementsprechend um so etwas wie einen „logischen Eigenschaftsraum“. Um den Gegenstand vollstndig bestimmen zu kçnnen, war aber vor allen Dingen auch seinen raumzeitlichen Beziehungen zu anderen Gegenstnden Rechnung zu tragen. Um jenen Beziehungen nachzugehen, boten die „Analogien der Erfahrung“ reichlich Material. Dabei lieferte die Erste Analogie das fr jeden Gegenstandsbezug maßgebliche und auch schon im Rahmen der Qualittsproblematik implizit zu veranschlagende Modell vom Ding als Trger von Eigenschaften, welches unter sinnlichen Bedingungen den Bezug auf ein Beharrliches bençtigt. Was die Zweite Analogie anbelangte, so hatte diese die ebenso wesentliche These zum Ergebnis, dass alle zeitlichen Vernderungen, sofern sie als objektiv betrachtet werden kçnnen sollen, nach dem Kausalprinzip erfolgen mssen, und dass im Zusammenhang damit die (objektiv-) zeitlichen Bestimmungen an Gegenstnden als kausal bewirkt vorgestellt werden mssen. Was allerdings die ersten beiden Analogien noch offen ließen war die ganz wesentliche Frage, wie wir uns berhaupt eine Mehrzahl von sinnlichen Einzeldingen vorzustellen haben. Die Beantwortung dieser Frage erwies sich aber als unerlsslich im Rahmen der Dritten Analogie. Denn das Konzept einer Pluralitt von Einzeldingen erwies sich als ganz entscheidend, wenn es darum ging, einen Zusammenhang der Kategorie der Wechselwirkung mit dem disjunktiven Urteil herzustellen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Analogien war

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nmlich kein unmittelbar einsichtiger Zusammenhang von Kategorie und Urteilsfunktionen erkennbar. Vielmehr schien sich das disjunktive Urteil zunchst einmal gar nicht auf den Bereich des Sinnlichen zu beziehen, so dass die kategorialen Bedingungen eines Sinnlichkeitsbezugs ausgemacht htten werden kçnnen. Sondern das disjunktive Urteil war unmittelbar auf den Bereich des Logischen bezogen. Und zwar solcherart, dass als logische Voraussetzung fr die Mçglichkeit von disjunktiven Urteilen eine nach Gattungen und Arten gegliederte Begriffsordnung anzusetzen war. Jene fr die Mçglichkeit des disjunktiven Urteils zu veranschlagende komplexe Begriffsordnung, die mit einer Bezeichnung Kants auch als „vollstndiges System empirischer Begriffe“ aufgegriffen wurde, hatte aber wiederum ganz bestimmte Voraussetzungen in der Sinnlichkeit selbst. Wir haben gesehen, dass das Denken einer solchen Begriffsordnung, welche mit den logischen Prinzipien der Homogenitt, Spezifikation und Kontinuitt verbunden ist, eine bestimmte, in der Sinnlichkeit zu verwirklichende Dingontologie notwendig machte. Im Ergebnis mussten wir eine Pluralitt von miteinander in durchgngigen Beziehungen stehenden Einzeldingen annehmen, als Basis dafr, dass auf begrifflicher Ebene – d. h. auf der Ebene des zu generierenden Begriffsystems – die Dinge als in Beziehungen von Gattungen und Arten stehend gedacht werden kçnnen. Denn ein unendlich zu spezifizierendes System von Gattungs- und Artverhltnissen erforderte, dass alle Dinge mindestens in einer Hinsicht als gleichartig angesehen werden kçnnen mussten, whrend jedes Ding zu jedem anderen Ding gleichzeitig auch in stufenartig zu spezifizierenden Verhltnissen der Verschiedenheit stehen muss. Dies bedeutete aber, dass die Dinge auch in der Sinnlichkeit nicht in Isolation voneinander gedacht werden durften, sondern ihre Bestimmbarkeit, welche sie in Beziehung setzt zum logischen Raum von Gattungen und Arten, wo sie begrifflich mit allen anderen Dingen in Beziehung zu stehen haben, erforderte, dass die Dinge auch in der Sinnlichkeit in solchen Beziehungen miteinander stehen, dass sie sich gegenseitig bestimmen. Die vollstndige Bestimmung des sinnlichen Einzeldings war demgemß nur in einer Gemeinschaft mit allen anderen sinnlichen Einzeldingen, und zwar im Modus einer durchgngigen Wechselwirkung aller Dinge untereinander, zu verwirklichen. Sowohl fr die Materie, als auch fr die Formen der Sinnlichkeit war also fr das Verstndnis der Kategorienanwendung auf die Sinnlichkeit, und das heißt fr die Objektivierung von Sinnlichem durch das Denken, der Bezug auf ein in unterschiedlichen Gestalten daherkommendes und nach verschiedenen Prinzipien organisiertes System empirischer Begriffe ausschlaggebend. Whrend fr das Denken von materialen sinnlichen

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Gehalten der Bezug auf eine als „logischer Eigenschaftsraum“ spezifizierte Begriffsordnung vorauszusetzen war, ergab sich in Bezug auf die formalen Aspekte der Sinnlichkeit ein in gewisser Weise umgekehrter Sachverhalt. Dort diente der Bezug auf ein – gegenber dem Ersten komplexeres – Begriffssystem nicht eigentlich als Voraussetzung und Hintergrund fr die Anwendung von Kategorien, sondern fr die Mçglichkeit, bestimmte Urteile ber Gegenstnde fllen zu kçnnen, und zwar solche Urteile, welche sich nicht unmittelbar auf sinnlich Gegebenes, sondern auf begrifflich Gedachtes beziehen, – allerdings in einer Art, dass fr jene begrifflich gedachten und gehaltvollen Ordnungen, namentlich fr bestimmte Art- und Gattungsverhltnisse, eine Basis in der Sinnlichkeit auszuweisen sein musste. Diese Basis aber ließ sich in einer wechselseitigen und durchgngigen Bestimmung von Einzeldingen in einer Gemeinschaft von Dingen verankern. Whrend also fr die materialen Aspekte der Sinnlichkeit ein Begriffsystem vorauszusetzen war, hat – unter der Annahme, dass es sich dabei um ein- und dasselbe begriffliche System handelt – jenes Begriffsystem selbst gewisse Voraussetzungen im Hinblick auf die durch den Verstand zu bewirkenden formalen Aspekte der Sinnlichkeit, – wobei wir es in dieser zweiten Betrachtungsweise mit einer wesentlich komplexeren begrifflichen Ordnung zu tun haben. Whrend es bei dem fr die Materie der Sinnlichkeit zu veranschlagenden Begriffsystem um einen relativ einfach gedachten logischen Eigenschaftsraum ging, handelt es sich nun um eine differenziertere logische Ordnung, welche durch das ArtGattungsschema gekennzeichnet und mit der Forderung eines kontinuierlichen bergangs zwischen den Arten und einer unendlich fortzusetzenden Spezifizierung verbunden ist. Dabei kann jene gehaltvollere und komplexere Ordnung als Ausdifferenzierung des bereits fr die Materie der Sinnlichkeit zu veranschlagenden Systems empirischer Begriffe verstanden werden. Sind diese berlegungen richtig, dann haben wir es bei dem Verhltnis von Sinnlichkeit und Verstand mit einer komplexen Wechselbeziehung zu tun, welche sich gut anhand der Rolle veranschaulichen lsst, welche ein gehaltvolles System empirischer Begriffe – ber logische bzw. transzendentallogische Konstanten nicht-empirischer Art hinaus – bei der Objektivierung des Sinnlichen durch den Verstand spielt. Unser Begriffsystem ist nmlich nach allem Gesagten einerseits dafr verantwortlich zu machen, dass wir es in der Sinnlichkeit mit materialen und implizit-begrifflichen Gehalten zu tun haben, welche berhaupt in der Form expliziter Begriffe reflektierbar sind, – welche wiederum in die konkrete Ausgestaltung jenes Begriffsystems selbst eingehen. Andererseits hat unser Begriffsystem in

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seiner konkreten Organisation eine durch Kategorien bewirkte Form von Gegenstndlichkeit zur Voraussetzung, welche als eine durchgngige Gemeinschaft von interagierenden Einzeldingen auszuweisen war. Denn erst dieser sinnlich-gegenstndliche Zusammenhang gestattet die Ausdifferenzierung des Begriffsystems zu einer gehaltvollen Ordnung, welche geeignet ist, die sinnlichen Beziehungen von Dingen abzubilden durch konkrete logische Beziehungen, in welchen unsere Begriffe von Dingen stehen. Die Notwendigkeit einer solchen konkreten Ausgestaltung begrifflicher Ordnungen zu etwas, was wir in vergegenstndlichter Form eine „Welt von Sachverhalten“ genannt haben, erwies sich aber als unabdingbar, um Urteile eines bestimmten Typs erklren zu kçnnen, welche Kant selbst leider durchwegs vernachlssigt. Es handelt sich dabei um Urteile, die im Kantischen Sinne weder als synthetisch noch als analytisch auszuweisen sind. Um Urteile nmlich, die sich zwar nicht auf konkrete sinnliche Wahrnehmungen beziehen, die sich aber auch nicht durch eine rein logische Begriffsanalyse generieren lassen. Die Notwendigkeit, solche nichtanalytischen, aber auch nicht erfahrungsunabhngigen Urteile als eigenen Typus zu erklren, ergab sich sptestens mit dem disjunktiven Urteil und der dafr zu veranschlagenden begrifflichen Ordnung von Arten und Gattungen, welche ihrerseits nicht ohne entsprechende transzendentale Voraussetzungen war. In der Gesamtschau lsst sich die Bedeutung unseres Begriffsystems darin zum Ausdruck bringen, dass dieses, – wenn man so will in Form einer „logischen Welt von Sachverhalten“ – stets im Hintergrund der Interpretation des Sinnlichen durch das Denken steht, so dass wir es mit einem Import des Logischen ins Sinnliche zu tun haben, der weit ber den Kernzusammenhang der transzendentalen Logik hinaus geht, welcher nach der hier verfolgten Interpretation darin besteht, dass sich die zu gewhrleistende Urteils- und Bewusstseinsfhigkeit von Gegenstnden in einer durchgngigen kategorialen Verfasstheit unserer Erscheinungswelt auszudrcken hat. Wir haben es demnach mit einer ber jene formale Strukturgebung hinausgehenden durchgngig logischen Interpretation des Sinnlichen zu tun, die sich wie schon mehrfach betont, letztlich auch auf die materialen Gehalte unserer Wahrnehmungen erstreckt. Damit sind wir bei einer Konstellation angelangt, die fr Kant desçfteren eingefordert wird, und sich beispielsweise bei McDowell in dem Diktum ausdrckt, dass das Sinnliche immer schon durchgngig begrifflich-logisch organisiert sein msse, um berhaupt in einer erkenntnisrelevanten Weise fr uns zugnglich zu sein. Im Gegensatz etwa zu McDowell konnten aber fr die Einlçsung jener Intuition Ressourcen nutzbar gemacht werden, die Kant

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auch tatschlich zur Verfgung stellt, wenn er sie leider auch nicht selbst auf die dafr einschlgigen Zusammenhnge der Kategorienthematik bezieht. Was wir nmlich im Zusammenhang mit der Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit sowohl fr die Beziehung des Denkens auf die Materie als auch auf die Formen der Sinnlichkeit veranschlagt hatten, war der notwendige Bezug auf ein empirisches Begriffsystem, fr dessen unterschiedliche Ordnungsaspekte letztlich ganz bestimmte Vernunftprinzipien verantwortlich zu machen waren. Namentlich handelte es sich dabei um die mit dem „Inbegriff aller mçglichen Prdikate“ verbundene Idee der vollstndigen Bestimmung des Gegenstandes einerseits, und andererseits um die fr das Denken von Gattungen und Arten und deren kontinuierlichen bergang verantwortlich zu machenden logischen Prinzipien der Homogenitt, Spezifikation und Kontinuitt. Vor diesem Hintergrund sollte noch kurz in Form eines Ausblickes auf die Frage nach der objektiven Bedeutung der Vernunftprinzipien eingegangen werden, wie sie sich fr Kant im „Anhang zur transzendentalen Dialektik“ stellt (vgl. dazu insb. Caimi 1995, Horstmann 1997c, Schiemann 1992 und Zocher 1958). Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob es sich bei den Begriffen oder Ideen der Vernunft in ihrer positiven Bedeutung um bloß logische Prinzipien handelt, deren Aufgabe darin besteht, so weit wie mçglich systematische Einheit der Verstandeserkenntnisse hervorzubringen, oder ob diese logischen Prinzipien darber hinaus eine transzendentale Bedeutung haben, bzw. ein transzendentales Prinzip zur Voraussetzung haben, „durch welches eine solche systematische Einheit, als den Objekten selbst anhngend, a priori als notwendig angenommen wird“ (B679/A651). Sind die hier vertretenen Auffassungen korrekt, dann ist letztere Frage eindeutig zu bejahen. Denn nicht nur fr die Prinzipien der Homogenitt, Spezifikation und Kontinuitt, fr die Kant im „Anhang“ explizit einrumt, dass ihnen eine transzendentale Bedeutung, und damit auch eine objektive, wenn auch „unbestimmte Gltigkeit“ eingerumt werden msse (vgl. B691/A663), sondern auch fr die Idee der vollstndigen Bestimmung des Gegenstandes aus dem „transzendentalen Ideal“ gilt, dass ihnen eine ganz maßgebliche Rolle zukommt, wenn es darum geht, die Objektivitt unserer Erfahrungswelt zu erklren und zu sichern. Wie wir im Detail gesehen haben, ist nmlich der Bezug auf jene Vernunftprinzipien unerlsslich, um die Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit in einer Weise erklren zu kçnnen, dass letztere fr die Konstitution einer einheitlichen und beurteilbaren objektiven Erfahrung in Anspruch genommen werden kçnnen. Es handelt sich bei jenen Prinzipien demnach um solche, deren Aufgabe nicht etwa darin aufgeht, le-

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diglich eine – der Konstitution von objektiven Erfahrungsgegenstnden durch den Verstand – bergeordnete Systematisierung von Verstandeserkenntnissen zu leisten, oder aber andererseits eine außerhalb jener Konstitutionsgeschichte liegende Natur der Dinge zu postulieren. Sondern wir haben es dabei mit Prinzipien zu tun, die in innigster Weise in die Konstitution von Erfahrungsgegenstnden durch den Verstand eingreifen.1 Vor diesem Hintergrund, nach dem den Vernunftprinzipien in jedem Falle eine wie auch immer genau zu bezeichnende objektive Bedeutung zukommen muss, ist es aber mehr als gerechtfertigt, nach der Mçglichkeit und Notwendigkeit einer transzendentalen Deduktion derselben zu fragen. Den Interpretationsvorschlgen von Zocher (1958) und Caimi (1995) folgend, ergibt sich hier in Bezug auf die Vernunft eine interessante Ergnzung zu den Beweiszusammenhngen, wie sie in dieser Untersuchung fr den Verstand geltend gemacht wurden. Eine bemerkenswerte Parallele tut sich diesbezglich auf, wenn man nicht nur danach fragt, was eine transzendentale Deduktion von Vernunftprinzipien oder Ideen eigentlich leisten kçnnte und wo genau im Text sie zu lokalisieren wre, sondern auch danach, was wir fr eine solche Deduktion bereits voraussetzen mssen. Wie Zocher bemerkt hat, gibt es zwei bedeutende Ansatzpunkte, welche es nahelegen, in Bezug auf die Vernunftbegriffe, ganz hnlich wie im Falle der Verstandesbegriffe, eine metaphysisch zu nennende von einer transzendentalen Deduktion zu unterscheiden. Zum einen kçnnte eine solche „metaphysische“ (und der „transzendentalen“ vorgelagerte) Deduktion bereits im ersten Buch der transzen1

Die Tatsache, dass Kant die konkrete Bedeutung mindestens der hier behandelten Vernunftprinzipien bei der Genese einer objektiven Erfahrungswelt bersehen und nicht auf die dafr relevanten systematischen Orte innerhalb der Kategorienthematik bezogen hat, drfte nicht nur dazu gefhrt haben, dass er bei dem eher losen Zusammenhang von Vernunftprinzipien und Objektivitt der Erfahrung, wie er im Anhang unter dem Stichwort der „unbestimmten objektiven Gltigkeit“ der Vernunftideen seinen Ausdruck findet, stehen geblieben ist. Sondern dieser Umstand drfte auch mit dafr verantwortlich gemacht werden, dass Kant spter die in diesem Zusammenhang relevante Frage nach einer systematischen Einheit unserer Erkenntnisse nicht mehr im Rekurs auf die Vernunft, sondern auf die Urteilskraft untersucht. Gerade dann nmlich, wenn man davon ausgeht, dass es sich dabei um eine in gewissem Sinne projektierte und außerhalb der Konstitutionsgeschichte des Verstandes anzusetzende Einheit handelt, ist es durchaus naheliegend, der Natur der Dinge eine nicht mehr weiter erklrbare Eigengesetzlichkeit einzurumen, welche dann in der Kritik der Urteilskraft die Notwendigkeit nach sich zieht, die Zweckmßigkeit der Natur fr unser Erkenntnisvermçgen zu postulieren.

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dentalen Dialektik ausgemacht werden, nimmt Kant doch im dritten und letzten Abschnitt desselben in Anspruch, dass, obwohl eine eigentliche „objektive Deduktion“ der Ideen nicht mçglich sei, immerhin eine „subjektive Ableitung derselben aus der Natur unserer Vernunft“ bereits geleistet sei. Im Hinblick auf die Thematik des ersten Buches kçnnte diese „subjektive Ableitung“ auf die „Darlegungen des ersten Buches ber Wesen und System der Ideen“, und zwar insbesondere im Ausgang des zweiten Abschnittes „von den Formen der Schlsse der allgemeinen Logik“ bezogen werden (Zocher, S. 45). In diesem Falle bestnde ein augenflliger Zusammenhang mit der Ableitung der Kategorien aus den Formen der Urteile in der metaphysischen Deduktion in der transzendentalen Analytik. Eine zweite Mçglichkeit zur Lokalisierung einer „metaphysischen Deduktion“ der Ideen bietet nach Zocher der Abschnitt „Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft“. Zocher beruft sich dabei darauf, dass eine eigentliche transzendentale Deduktion erst in dem darauf folgenden Abschnitt „Von der Endabsicht der natrlichen Dialektik der menschlichen Vernunft“ ausgefhrt wird. Die Aufgabe des ersten Abschnittes des Anhanges kçnnte dementsprechend darin gesehen werden, die „aufgestellten drei Systematisierungsformen“ (gemeint sind die uns bereits bekannten Prinzipien der Homogenitt, Kontinuitt und Spezifikation) von „logischen Formen“ abzuleiten, wobei damit andere logische Formen als die Schlsse gemeint sind, welche nach der ersten Perspektive fr die metaphysische Deduktion der Ideen von Bedeutung sind (vgl. ebd. S. 56 f.).2 Wo auch immer man nun eine „metaphysische Deduktion“ der Ideen genau in Kants Text lokalisieren will, entscheidend ist an dieser Stelle nur, dass es gute systematische Grnde gibt, berhaupt eine metaphysische von einer transzendentalen Deduktion der Vernunftbegriffe zu unterscheiden. 2

Whrend sich nach Zocher die Ableitung aus Schlssen auf die „Ideen als dialektische Begriffe“ bezieht, bezieht sich die im ersten Anhangsabschnitt geleistete Ableitung aus „anderen“ logischen Formen auf die „Ideen als Systematisierungsprinzipien“ (vgl. S. 56 f.). Diese Unterscheidung zweier „verschiedener“ metaphysischer Deduktionen mit unterschiedlichem Gegenstandsbereich ist insofern nicht uninteressant, als es tatschlich eine Frage von erheblichen Gewicht ist, ob und inwiefern die von Kant in Anspruch genommene transzendentale Deduktion von Vernunftideen berhaupt die „klassischen“ Ideen der transzendentalen Dialektik tangiert, oder ob es sich bei den „Systematisierungsprinzipien“, welche tatschlich einer positiven Behandlung im Sinne der Frage nach ihrer objektiven Gltigkeit unterzogen werden, nicht um etwas vollstndig anderes handelt als um die Ideen als dialektische Begriffe (siehe dazu auch unten).

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Fr die Notwendigkeit dieser Unterscheidung spricht aber vor allen Dingen auch ein sachlicher Punkt, der gut anhand der verschiedenen Aspekte klargemacht werden kann, welche bei Caimi fr eine Ideendeduktion unterschieden werden, und der sich sehr anschaulich auf die Unterscheidung einer metaphysischen von einer transzendentalen Deduktion der Verstandesbegriffe beziehen lsst, wie sie in dieser Untersuchung vorgenommen wurde. Fr Caimi steht in puncto Notwendigkeit einer transzendentalen Ideendeduktion die „transzendentale Berechtigung des logischen Gebrauchs des Prinzips der systematischen Einheit“ im Mittelpunkt (S. 311). Ohne eine solche transzendentale Berechtigung nmlich htten wir es nur mit einem subjektiven logischen Interesse der Vernunft zu tun, den Erkenntnissen eine systematische Form zu geben. Was eine transzendentale Deduktion demnach vor allen Dingen zu leisten hat, ist zu zeigen, dass auch ohne Rcksicht auf dieses subjektive Vernunftinteresse die Voraussetzung der transzendentalen Gltigkeit des Prinzips der systematischen Einheit eine objektiv notwendige Voraussetzung ist. Ganz konkret msse, so Caimi (vgl. S. 312), gezeigt werden, dass diese Voraussetzung notwendig ist, weil sie „nichts weiter enthlt, als was zur synthetischen Einheit der Erfahrung berhaupt notwendig ist“ (B196/ A197). Um die hier genannten Aspekte klar auseinanderzuhalten: Es besteht zum einen ein subjektives Interesse der Vernunft, eine systematische Einheit von Erkenntnissen hervorzubringen. Konkret bedeutet dies beispielsweise fr die logischen Prinzipien der Gleichartigkeit, Verschiedenheit und Kontinuitt, dass diese subjektiv notwendig sind, um Begriffe in einer nach Gattungen und Arten gegliederten systematischen Einheit denken zu kçnnen. Dies garantiert allerdings noch nicht, dass die Natur der Dinge jener subjektiven Notwendigkeit der Vernunft gemß ist. Was darber hinaus gezeigt werden muss ist, dass die Vernunftprinzipien in irgendeiner Weise notwendig fr die Mçglichkeit von Erfahrung sind. Dann und nur dann kann auch gezeigt werden, dass das subjektive Interesse der Vernunft, systematische Einheit zu erzeugen, in gehaltvoller Weise erfllt werden kann und nicht etwa ins Leere greift. Nach der hier vertretenen Interpretation hat sich diese Notwendigkeit aber dadurch erwiesen, dass sich die Vernunftprinzipien als unerlsslich herausgestellt haben, wenn es darum ging, die Genese einer einheitlichen und objektiven Erfahrung im Rahmen der Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit zu erklren. Ist dem so, dann besteht aber eine bemerkenswerte Analogie in dem Verhltnis einer „metaphysisch“ und einer „transzendental“ zu benennenden Deduktion der Vernunftbegriffe zu dem einer metaphysischen und

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transzendentalen Deduktion der Verstandesbegriffe. Wie wir gesehen haben, sind die Kategorien die subjektiv notwendigen Bedingungen des Denkens von Gegenstnden, deren objektive Gltigkeit darin besteht, dass sie darber hinaus notwendig sind, um etwas als Gegenstand einer bewussten und objektiven Erfahrung vorzustellen. Ganz hnlich lassen sich die Vernunftbegriffe als subjektiv notwendig fr das begriffliche Denken generell ausweisen. Objektiv gltig sind sie aber dann, wenn gezeigt werden kann, dass ihre Leistung in Bezug auf begriffliches Denken explizit in Anspruch genommen werden muss, um die anlsslich der Kategorienthematik aufgerissene Erklrung einer einheitlichen und objektiven Erfahrung vervollstndigen und abschließen zu kçnnen. Der Aufgabenbereich einer „metaphysischen“ Deduktion der Vernunftbegriffe wrde demnach in Analogie zur entsprechenden Kategoriendeduktion darin liegen, bestimmte (Vernunft-) Begriffe ausfindig zu machen, ohne welche unser begriffliches Denken, und damit das Denken von Gegenstnden nicht mçglich ist. Eine darauf aufbauende transzendentale Deduktion htte dann nachzuweisen, dass jene Vernunftbegriffe – zusammen mit den erforderlichen Verstandesbegriffen als reinen Gegenstandsbegriffen – als Ordnungsprinzipien der zu konstituierenden objektiven Erfahrung notwendig veranschlagt werden mssen,3 – eine Leistung, die sich nach der syste3

Caimi postuliert in Bezug auf die Vernunftbegriffe einen gegenber der Ordnung von metaphysischer und transzendentaler Kategoriendeduktion umgekehrten Zusammenhang. Die logische Einheit, welche im subjektiven Interesse der Vernunft liegt, sei nur dann mçglich, wenn eine entsprechende transzendentale Einheit vorausgesetzt wird. Diese aber ist in der Rekonstruktion Caimis deswegen notwendig, weil es – nach Kants eigenen Worten – ohne Zusammenfassung von Vorstellungen in Arten und Gattungen berhaupt keine empirischen Begriffe und damit auch keine Verstandeserkenntnis und keine Erfahrung gbe (vgl. S. 313 f.). Diese Rekonstruktion ist zwar an Kant belegbar, greift aber im Hinblick auf die Charakterisierung verschiedener Aufgabenbereiche von metaphysischer und transzendentaler Deduktion zu kurz. Denn dass ohne eine systematische Einheit in transzendentaler Bedeutung keine empirischen Begriffe mçglich sind, bedeutet lediglich, dass damit keine Erfahrung in einem objektiven Sinn mçglich wre. Es handelt sich dabei also um einen Zusammenhang, der nach den hier getroffenen Maßgaben dem Bereich einer metaphysischen Deduktion zuzuordnen ist. Erst wenn gezeigt wird, dass empirische Begriffe in einer Weise, wie sie nur unter Zugrundelegung von vernnftigen Ordnungsprinzipien gedacht und hierarchisiert werden kçnnen, nicht nur pauschal fr das Vorliegen einer Erfahrung im objektiven Sinn zu veranschlagen, sondern ganz konkret notwendig sind, um diejenige objektive Erfahrung zu erzeugen, die bereits innerhalb der Kategoriendeduktion einem transzendentalen Geltungsbeweis unterzogen wurde, kann fr die entsprechenden Ordnungsprinzipien gelten, dass sie notwendig und objektiv gltig sind.

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Abb. 3: Beweiszusammmenhnge der transzendentalen Logik im berblick

matischen Analage der Kritik der reinen Vernunft allerdings nur erschließt, wenn man der Bedeutung der Vernunftprinzipien bei der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit, wie sie im Grundsatzkapitel demonstriert wird, nachgeht. Damit ergeben sich im Gesamtberblick die in Abb. 3 dargestellten Beweiszusammenhnge fr die Rekonstruktion der transzendentalen Logik.4 4

Der hier unter die Thematik der Grundstze subsumierte „Gegenstand der Erfahrung“ steht natrlich genaugenommen schon in der transzendentalen Deduktion zur Debatte (siehe dazu Kap. I.2.). Eine besondere Nhe zur Anwendungsproblematik in den Grundstzen besteht aber deswegen, weil erst hier die Konkreta des Zustandekommens von Erfahrungsgegenstnden durch die genaue Angabe der dafr jeweils relevanten Gegenstandsaspekte ersichtlich werden. Fr die hier aufgestellten Beweiszusammenhnge ist dabei allein relevant, dass der Gegenstand der Erfahrung, wie er in den Grundstzen thematisiert wird, auf die Notwendigkeit der Anwendung bestimmter Vernunftprinzipien ber die bloße kategoriale Synthesis hinaus verweist, und zwar in einer Art, welche aufgrund deren objektiver Bedeutung im Hinblick auf mçgliche Erfahrungsgegenstnde gleichzeitig fr die Mçglichkeit und Notwendigkeit einer transzendentalen Deduktion von Vernunftprinzipien spricht.

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Die berlegungen, welche die „Grundstze des reinen Verstandes“ anlsslich der Vermittlung von Sinnlichkeit und Verstand veranlassen, sind also nach allem Gesagten nicht nur fr ein besseres Verstndnis und eine Plausibilisierung bezglich der Frage nach der Anwendung der Kategorien auf unsere Sinnlichkeit von grçßtem Wert, sondern sie erçffnen auch eine ganz neue Perspektive auf das von Kant selbst nur in marginaler Weise abgehandelte Problem der Bedeutung von Vernunftprinzipien fr unsere Erfahrung. Eine eigenstndige Behandlung kann dieses Thema im Rahmen dieser Untersuchung nicht mehr erfahren. Zu bercksichtigen wren in diesem Zusammenhang vor allen Dingen zwei nicht ganz unerhebliche Schwierigkeiten. Zum Einen ist es alles andere als klar, wie sich die im Anhang abgehandelten Vernunftprinzipien, deren positive Bedeutung fr unsere Erfahrungserkenntnis Kant eruiert, zu den drei „dialektischen“ Ideen verhalten bzw. wie generell die Tatsache zu bewerten ist, dass sich hier eine positive Bedeutung von Vernunftprinzipien nur „nebenher“ und als Anhang in einem dialektischen Verfahren mit gnzlich anderem Erkenntnisinteresse zeigt. Zum anderen msste sich eine Rekonstruktion von Vernunftprinzipien in positiver Bedeutung explizit mit der Frage auseinandersetzen, warum Kant es fr sinnvoll erachtet, die Frage nach der systematischen Einheit unserer Erkenntnis in der Kritik der Urteilskraft im Rahmen des Problems der Zweckmßigkeit zu erçrtern. Grçßte Vorsicht ist dabei deswegen geboten, weil die sich dort erçffnende Perspektive gleichzeitig weit ber die auch schon im Anhang auftauchende Thematik hinausgeht, insofern, als das Problem der Zweckmßigkeit die Frage nach gegenber der Vernunftkritik gnzlich neuen Gegenstandsarten bzw. Betrachtungsarten von Gegenstnden erçffnet. Namentlich handelt es sich dabei um das Problem des sthetischen und der zweckmßigen Organisation von Gegenstnden der Natur.5 Ein Rckbezug in der zentralen Frage nach der Einheit unserer Erkenntnisse auf die in der ersten Kritik angesprochenen Ordnungsprinzipien der Vernunft sollte vor diesem Hintergrund nicht dazu fhren, das in der Kritik der Urteilskraft erweiterte Spektrum hinsichtlich der Betrachtung verschiedener Gegenstandsarten wieder zu verengen.

5

Zu einer Diskussion der Frage, welche Rolle das in der Kritik der Urteilskraft neu auftretende Problem der „Zweckmßigkeit“ in Kants erkenntnistheoretischem Rahmen spielt: vgl. Horstmann (unverçffentl. Manuskript).

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Personenregister Adickes, Erich 93, 150, 153f., 193 Allais, Lucy 104, 151 Allison, Henry 10, 17, 76, 93, 96, 104, 150f., 164, 167f., 193, 195f., 212, 214, 224f., 227, 231f., 234, 242 Ameriks, Karl 4, 10, 49, 195 Aquila, Richard 83 Baum, Manfred 10 Baumanns, Peter 150 Bennett, Jonathan 10, 18, 163f., 168, 177, 199, 224, 232, 263 Bçhme, Gernot 123f. Brandt, Reinhard 89 Brçcker, Walter 88f. Caimi, Mario 294f., 297f. Carl, Wolfgang 4, 44f., 47, 104 Carnap, Rudolf 83 Cassam, Quassim 110–112 Cassirer, Ernst 7 Cohen, Hermann 9f., 116, 123f., 127, 131, 231, 261 Cramer, Konrad 264f. Curtius, Robert 108 DeVleeschauer, Herman J. Dryer, Douglas 17, 39f. Dsing, Klaus 230 Evans, Claude

Guyer, Paul 10, 17, 21f., 117, 164, 168, 193, 195, 212, 214, 232, 234–236, 241f. Haag, Johannes 17, 47f., 104, 150 Hatfield, Gary 10 Heidegger, Martin 6f., 123 Henrich, Dieter 7, 10, 61, 65, 195, 207 Hoeppner, Till 90 Horstmann, Rolf-Peter 4, 17f., 20–22, 27f., 35, 294, 300 Jacobi, Friedrich H.

4–6, 150

Kemp-Smith, Norman 193 Klemme, Heiner F. 45 Kroner, Richard 108 Krger, Lorenz 17, 88 Kuehn, Manfred 4, 195 Levy, Heinrich 7 Longuenesse, Beatrice 15–17, 76f., 84, 87, 93, 96, 99, 104, 123f., 127, 134, 136, 139, 143–147, 164, 182–185, 231f., 251, 257–259, 278f., 281, 283

93

61

Fichte, Johann G. 6 Fçrster, Eckart 3–5, 47 Frege, Gottlob 83

Maimon, Salomon 7–9, 11f. McDowell, John 134, 147f., 293 McTaggart, John M. E. 230 Melnick, Arthur 230, 232 Paton, Herbert J. 4, 193, 225, 232 Prauss, Gerold 150f. Quine, Willard v. O.

Ginsborg, Hannah 104, 149 Grne, Stefanie 104, 148f.

Reich, Klaus

263

17, 71, 89, 95, 100

308

Personenregister

Reinhold, Karl 5f. Rosefeldt, Tobias 111, 151f. Schelling, Friedrich W.J. 283 Schiemann, Gregor 294 Schopenhauer, Arthur 212, 243 Seel, Gerhard 109 Sellars, Wilfrid 104, 134, 148 Strawson, Peter F. 10, 18, 104, 116, 164f., 195, 223–226, 232 Stuhlmann-Laeisz, Rainer 80, 98, 271

Thçle, Bernhard 10, 49, 117, 169, 193, 196, 224f., 232 Van Cleve, James

47, 104, 223, 228

Wagner, Hans 61, 88f. Watkins, Eric 117, 134, 193, 195, 212, 215, 232–234, 241–244, 284 Wolff, Michael 17, 79–81, 84f., 88, 90 Zeidler, Kurt W. 7, 45, 62 Zocher, Rudolf 294–296