Sichtbare Frauen – unsichtbare Vergangenheiten: Zur Problematik von Straßen(um)benennungen im Kontext von österreichischen Wissenschaftspionierinnen [1 ed.] 9783737012850, 9783847112853


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Sichtbare Frauen – unsichtbare Vergangenheiten: Zur Problematik von Straßen(um)benennungen im Kontext von österreichischen Wissenschaftspionierinnen [1 ed.]
 9783737012850, 9783847112853

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ZEITGESCHICHTE

Ehrenpräsidentin: em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl († 2014) Herausgeber: Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb Redaktion: em. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Ardelt (Linz), ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ingrid Bauer (Salzburg/ Wien), SSc Mag.a Dr.in Ingrid Böhler (Innsbruck), Dr.in Lucile Dreidemy (Wien), Dr.in Linda Erker (Wien), Prof. Dr. Michael Gehler (Hildesheim), ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Robert Hoffmann (Salzburg), ao. Univ.-Prof. Dr. Michael John / Koordination (Linz), Assoz. Prof.in Dr.in Birgit Kirchmayr (Linz), Dr. Oliver Kühschelm (Wien), Univ.-Prof. Dr. Ernst Langthaler (Linz), Dr.in Ina Markova (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Mueller (Wien), Univ.-Prof. Dr. Bertrand Perz (Wien), Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl (Klagenfurt), Univ.-Prof.in Dr.in Margit Reiter (Salzburg), Dr.in Lisa Rettl (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow (Innsbruck), Mag.a Adina Seeger (Wien), Ass.-Prof. Mag. Dr. Valentin Sima (Klagenfurt), Prof.in Dr.in Sybille Steinbacher (Frankfurt am Main), Dr. Christian H. Stifter / Rezensionsteil (Wien), Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Heidemarie Uhl (Wien), Gastprof. (FH) Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Weber, MA, MAS (Vorarlberg), Mag. Dr. Florian Wenninger (Wien), Assoz.-Prof.in Mag.a Dr.in Heidrun Zettelbauer (Graz). Peer-Review Committee (2021–2023): Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Tina Bahovec (Institut für Geschichte, Universität Klagenfurt), Prof. Dr. Arnd Bauerkämper (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin), Günter Bischof, Ph.D. (Center Austria, University of New Orleans), Dr.in Regina Fritz (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien/Historisches Institut, Universität Bern), ao. Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Johanna Gehmacher (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien), Univ.-Prof. i. R. Dr. Hanns Haas (Universität Salzburg), Univ.-Prof. i. R. Dr. Ernst Hanisch (Salzburg), Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Gabriella Hauch (Institut für Geschichte, Universität Wien), Univ.-Doz. Dr. Hans Heiss (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Robert G. Knight, Ph.D. (Department of Politics, History and International Relations, Loughborough University), Dr.in Jill Lewis (University of Wales, Swansea), Prof. Dr. Oto Luthar (Slowenische Akademie der Wissenschaften, Ljubljana), Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien), Mag. Dr. Peter Pirker (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Prof. Dr. Markus Reisenleitner (Department of Humanities, York University, Toronto), Dr.in Elisabeth Röhrlich (Institut für Geschichte, Universität Wien), ao. Univ.-Prof.in Dr.in Karin M. Schmidlechner-Lienhart (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Friedrich Stadler (Wien), Prof. Dr. Gerald J. Steinacher (University of Nebraska-Lincoln), Assoz.-Prof. DDr. Werner Suppanz (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. Dr. Philipp Ther, MA (Institut für Osteuropäische Geschichte, Universität Wien), Prof. Dr. Stefan Troebst (Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa, Universität Leipzig), Prof. Dr. Michael Wildt (Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin).

zeitgeschichte 48. Jg., Heft 3 (2021)

Sichtbare Frauen – unsichtbare Vergangenheiten. Zur Problematik von Straßen(um)benennungen im Kontext von österreichischen Wissenschaftspionierinnen Herausgegeben von Lisa Rettl und Linda Erker

V&R unipress Vienna University Press

Inhalt

Lisa Rettl / Linda Erker Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Artikel Heidrun Zettelbauer / Lisbeth Matzer Changierende Namensgebungen und präfigurierte Lesarten. Mathilde Uhlirz’ Biografie als Irritation städtischer Gedächtnispolitiken . . . . . . 307 Lisa Rettl Von halben Sachen und Wahrheiten. Die Botanikerin Lore Kutschera, der Nationalsozialismus und der große blinde Fleck . . . . . . . . . . . . 335 Birgit Peter „… wurde ich bestärkt und bestimmt durch die Mitarbeit in der Hitlerjugend.“ Annäherung an die NS-Vergangenheit der Theaterwissenschafterin Margret Dietrich . . . . . . . . . . . . . . . . 361

zeitgeschichte extra Sarah Knoll Calling for Support: International Aid for Refugees in Austria during the Cold War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

Rezensionen Ingrid Bauer Gabriella Hauch/Karl Fallend (Hg.), „Aus der Sintflut einige Tauben“. Zu Leben und Werk von Elisabeth Schilder . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

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Inhalt

Agnes Meisinger Helge Faller/Matthias Marschik, Eine Klasse für sich. Als Wiener Fußballerinnen einzig in der Welt waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Roman Pfefferle Margit Reiter, Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Autor/inn/en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Lisa Rettl / Linda Erker

Editorial

Spätestens seit den 2000er-Jahren ist in Österreich eine wachsende Sensibilität gegenüber Würdigungen von Personen im öffentlichen Raum zu beobachten, die dem NS-Regime nahestanden. Das zeigt sich unter anderem an der vermehrten Einsetzung lokaler Historikerkommissionen mit dem Ziel, sich aus der Perspektive von ExpertInnen inhaltlich mit den aus demokratiepolitischer Sicht problematischen Geehrten auseinanderzusetzen. Die Konsequenzen sehen wir beispielsweise am lebhaft geführten Diskurs zur Umbenennungspraxis von Straßennamen und Verkehrsflächen,1 wobei auch die mangelnde Repräsentation von Frauen im öffentlichen Raum zunehmend als inakzeptabel empfunden wird. Dieser Umstand führte dazu, dass in der jüngeren Vergangenheit – auch als Folge geschichtspolitischer Debatten und Ausverhandlungsprozesse – verstärkt Frauen als Namensgeberinnen für Verkehrsflächen, Wege und Straßen herangezogen werden. Ähnlich wie bei Männern gehorchen allerdings auch die nach Frauen vorgenommenen Straßenbenennungen mehrheitlich dem Kriterium einer vollbrachten „(Pionier-)Leistung“,2 weshalb sich diese Maßnahmen vielfach als untaugliches Rezept gegen fragwürdige Erinnerungstraditionen erweisen: Nicht wenige Forscherinnen, die heute als akademische Pionierinnen und Wegbereiterinnen ihres Faches mit Straßennamen gewürdigt werden, waren politisch aktive Nationalsozialistinnen, deren NS-Vergangenheit jedoch ausgeblendet und unsichtbar bleibt. An dieser anachronistisch und paradox anmutenden Praxis öffentlicher Gedächtnispolitiken setzt das vorliegende Heft an, indem es im Kontext des Nationalsozialismus die Perspektiven der Frauen- und Geschlechtergeschichte mit der Biografie- und Wissenschaftsforschung kreuzt und drei prominente Wissenschafterinnen unterschiedlicher Disziplinen und Generationen vorstellt: die 1 Vgl. Florian Wenninger, Widmung und Umwidmung öffentlicher Räume. Eine Analyse des Spektrums der Debatten in österreichischen Gemeinden, in: zeitgeschichte 46 (2019) 1, 111– 139, 111. 2 Vgl. Karl A. Kubinzky/Astrid M. Wentner, Grazer Straßennamen. Herkunft und Bedeutung, Graz 1996, 411.

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Historikerin Mathilde Uhlirz (1881–1966), die Theaterwissenschafterin Margret Dietrich (1920–2004) und die Botanikerin und Agrarwissenschafterin Lore Kutschera (1917–2008). Gemeinsam ist den Frauen, dass sie in ihren jeweiligen Disziplinen bemerkenswerte akademische Kriegs- und zum Teil auch Nachkriegskarrieren machten und wir ihnen in der bislang erschienenen Forschungsliteratur durchwegs als Vorzeige- und Paradewissenschafterinnen begegnen. Gemeinsam ist diesen Forscherinnen auch ihre ideologische Nähe zum NS-Regime sowie ihr aktives Eintreten für nationalsozialistische Zielsetzungen. Mit allen drei Frauen sind heute auch Straßenbenennungen verbunden: In Klagenfurt gibt es seit 2014 eine Dr.-Lore-Kutschera-Straße, in Wien seit 2018 einen Lore-Kutschera-Weg – just nach vorangegangen Projekten, in denen Straßennamen auf ihre politische Tauglichkeit kritisch überprüft worden waren.3 Ähnliches gilt für Mathilde Uhlirz, die in den aktuellen Grazer Straßennamendebatten zwar als „problematisch“ eingestuft wurde, ohne jedoch eine ausführlichere öffentliche Diskussion über ihre NS-Vergangenheit oder die politische Färbung ihrer Arbeiten anzuregen.4 Margret Dietrich wiederum wurde 2007 in Wien (Floridsdorf) eine Straße gewidmet – sie ist bislang die einzige der hier behandelten Forscherinnen, in deren Fall es angesichts der Thematisierung ihrer NSDAP-Mitgliedschaft bereits im darauffolgenden Jahr wieder zu einer Umbenennung der Straße kam. Hier vertrat die Stadt Wien den Standpunkt, dass auf Basis der neuen Erkenntnisse eine Benennung nach ihr abzulehnen sei. Damit galt die Angelegenheit allerdings als erledigt – eine intensivere Auseinandersetzung mit Dietrichs NS-Vergangenheit blieb, wie bei Mathilde Uhlirz in Graz, bis auf Weiteres aus. Vor dem Hintergrund dieser in politischen Prozessen tendenziell unkritischen topografischen Namensgebungen erschien es den Autorinnen dieses Schwerpunkthefts anlässlich der laufenden Debatten zielführend, die Bedeutung der NS-Herrschaft für die wissenschaftlichen Karrieren der drei Forscherinnen unter Miteinbeziehung der Kategorie Geschlecht herauszuarbeiten. Wie wurden die Frauen politisch sozialisiert und wie kamen sie zum Nationalsozialismus? Inwieweit erwies sich das NS-Regime für sie als Karriere-Booster, und inwieweit spielten ideologische Aspekte in den Arbeiten dieser Wissenschafterinnen inhaltlich eine Rolle? Wie entfalteten sich ihre akademischen Lebensläufe vor und nach dem „Anschluss“ bzw. wie sah es 1945 für nationalsozialistisch belastete 3 Vgl. Oliver Rathkolb/Florian Wenninger/Birgit Nemec/Peter Autengruber, Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch, Wien 2014; Birgit Nemec/Florian Wenninger, Editorial. Geschichtspolitik im öffentlichen Raum. Zur Benennung und Umbenennung von Straßen im internationalen Vergleich, in: zeitgeschichte 46 (2019) 1, 7–12. 4 Vgl. Stadtvermessungsamt der Stadt Graz, Bedenkliche Straßennamen, URL: https://www. graz.at/cms/dokumente/10327035_7773129/b356dad3/Bedenkliche_Stra%C3%9Fennamen_ NEU.PDF (abgerufen 21. 4. 2021).

Editorial

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Forscherinnen in Österreich aus? Mit Blick auf Kontinuitäten oder Brüche5 im Jahr 1945 wird – soweit quellentechnisch nachvollziehbar – auch diskutiert, ob sich geschlechtsspezifische Besonderheiten im Rahmen der Entnazifizierung bzw. im Verlauf der Nachkriegskarrieren erkennen lassen. Desgleichen wird systemübergreifend in allen drei Beiträgen auch nach der Rolle von Mentoren gefragt. Welche Handlungsspielräume hatten diese Frauen in einem zutiefst männlich geprägten Feld der Wissenschaft? Wie agierten sie? Welche Chancen nützten sie, wer oder was behinderte sie? An welche Grenzen stießen sie? Überdauerten ihre Karrieren das NS-Regime, und wenn ja, wie? Tatsächlich ergaben sich anhand der letztgenannten Fragestellung die vielleicht größten Differenzen: Während die 64-jährige Mathilde Uhlirz 1945 auch aus Altersgründen auf das Ende ihres Berufsweges zusteuerte, so zeigten die Karrieren von Lore Kutschera und Margret Dietrich völlig unterschiedliche Verläufe. Letztere erlebte als Duo mit ihrem gewichtigen Mentor, dem exponierten Nationalsozialisten und systemübergreifend einflussreichen Universitätsprofessor Heinz Kindermann nach 1945 einen Höhenflug mit beachtlicher Universitätskarriere als Ordinaria. Kutscheras Werdegang wiederum steuerte aufgrund eines Zerwürfnisses mit ihrem nicht minder mächtigen und nationalsozialistisch ebenso stark belasteten Förderer, dem BOKU-Universitätsprofessor Erwin Aichinger, nach 1945 fast auf ein vorzeitiges Ende zu, sodass sie erst verhältnismäßig spät, 1962, auf akademischer Ebene wieder Fuß fassen konnte. Heidrun Zettelbauer und Lisbeth Matzer eröffnen ihren Beitrag zu Mathilde Uhlirz mit einem detaillierten Einblick in die vergeschlechtlichten Debatten, Politiken und kulturellen Praktiken der (Um-)Benennung von Straßen, die seit den 1990er-Jahren von einer feministischen Erinnerungspolitik stark hinterfragt werden. Die Auseinandersetzung mit Uhlirz als Forscherin macht deutlich, wie ihr deutschnationaler und nationalsozialistischer Hintergrund ihre Handlungsfähigkeit über Jahrzehnte beschränkte, aber trotz erlebter misogyner Anfeindungen und Übergriffe auch förderte: 1939 erreichte sie mit ihrer Ernennung zum „außerplanmäßigen Professor“ am Grazer Historischen Seminar den Höhepunkt ihrer Karriere. Zwischen akademischer Inklusion und Exklusion changiert auch die Geschichte von Lore Kutschera, deren politische Aktivitäten für den Nationalsozialismus am Villacher Peraugymnasium begannen und sich an der Wiener 5 Johanna Gehmacher und Maria Mesner betonen, dass die dominierenden Zäsursetzungen der institutionalisierten Zeitgeschichte gerade auch im Kontext der Geschichte der Geschlechterordnungen nicht den umfassend suggerierten Bruch herbeiführten. Vielmehr transformierten sich Geschlechterverhältnisse oft diskontinuierlich zur gängigen Einteilung der Zeit. Vgl. Johanna Gehmacher/Maria Mesner, Dis/Kontinuitäten. Geschlechterordnungen und Periodisierungen im langen 20. Jahrhundert, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 25 (2014) 2, 87–101.

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Hochschule für Bodenkultur als Führerin der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) mit beträchtlichem Einfluss fortsetzten. Lisa Rettls Beitrag lässt anhand der Biografie Kutscheras die vergeschlechtlichten Hierarchien des österreichischen Universitätsbetriebs besonders deutlich hervortreten: Nicht Entnazifizierungsnahmen, sondern der Konflikt mit ihrem ehemaligen Förderer Aichinger ließ Kutscheras Karriere bis in die frühen 1960erJahre fast vollständig stagnieren. Margret Dietrich war, gemessen an ihren akademischen Funktionen, nach 1945 wohl die erfolgreichste der drei hier näher untersuchten Wissenschafterinnen. Im Gefolge ihres Mentors, dem Nationalsozialisten Heinz Kindermann, war Dietrich 1943 von Münster nach Wien gekommen, wo sie mit ihm gemeinsam das Zentralinstitut für Theaterwissenschat aufbaute. Wie Birgit Peter herausarbeitet, litt Dietrichs wissenschaftliche Reputation unter ihrem frühen Engagement in der Hitlerjugend in Deutschland und ihrer ideologischen Positionierung kaum. Vielmehr profitierte sie nach 1945 abseits kleiner Rückschläge von den weit in die Zweite Republik hineinwirkenden, schwarz-braunen Netzwerken, insbesondere an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien. So wurde sie an der ÖAW als eine der ersten Frauen 1964 zum außerordentlichen und 1981 zum wirklichen Akademiemitglied gewählt, wobei Protektion und Beziehungen aus den Jahren des NS-Regimes eine wichtige Rolle spielten. Desgleichen fungierte sie am heutigen Institut für Theater-, Filmund Medienwissenschaft von 1966 bis 1984 als Ordinaria und Institutsvorständin. Ohne Zweifel waren Uhlirz, Kutschera und Dietrich Wissenschafterinnen, die sich zwischen ambivalenten Polen bewegten: als Pionierinnen ihres Fachs, aber auch als politische Akteurinnen eines verbrecherischen Regimes. Ihre Biografien verdeutlichen, dass gerade auch in erinnerungspolitischen Debatten diese prinzipielle Ambivalenz, die sowohl den Lebensgeschichten als auch den Selbsterzählungen der Frauen eingeschrieben ist, nicht einfach ausgeblendet werden oder in besänftigenden Geschichtsklitterungen enden darf. Vielmehr gilt es, neue diskursive Modelle und Möglichkeiten zu entwickeln, die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit von im Stadtraum präsenten Biografien zu verdeutlichen, ohne dabei auf vereinfachende biografische Einordnungen zurückzugreifen. Der von Sarah Knoll verfasste Beitrag führt die LeserInnen in einem Extra noch in einen ganz anderen historischen Kontext – in die Zeit des Kalten Krieges. Knoll beleuchtet die Arbeit internationaler Organisationen für Flüchtlinge in Österreich und konzentriert sich insbesondere auf die Arbeit des UNHCR bei fünf großen Flüchtlingsbewegungen nach Österreich: Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1981, DDR 1989 und Rumänien 1989/90. Wie der Beitrag zeigt, nutzte die österreichische Regierung ihre Hilfe für die Flüchtenden einerseits als Teil ihrer außenpolitischen Agenda, forcierte aber mit dem Ruf nach

Editorial

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internationaler Unterstützung ihr vorrangiges Ziel, die Flüchtlinge in anderen Ländern unterzubringen.

Artikel

Heidrun Zettelbauer / Lisbeth Matzer*

Changierende Namensgebungen und präfigurierte Lesarten. Mathilde Uhlirz’ Biografie als Irritation städtischer Gedächtnispolitiken

I.

Vorbemerkungen

1971 wurde eine kleine, mit Reihenhäusern dicht gesäumte Gasse in GrazAndritz auf Entschließungsantrag des Grazer Gemeinderats mit dem Namen Uhlirzgasse bedacht. Die Straßenbenennung bezog sich auf einen der „großen Söhne“ der Stadt – den Historiker Karl Uhlirz (1854–1914), der 1903 als Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an die Universität Graz berufen worden war.1 Ein Vierteljahrhundert später schien Karl Uhlirz als Namensgeber des Gässchens weitgehend vergessen, dahingegen firmierte im öffentlichen Gedächtnis seine Tochter Mathilde Uhlirz (1881–1966) als mit der Straßenbenennung verknüpfte Person. Sie hatte an der Grazer Universität ein Lehramtsstudium in Geschichte und Geografie abgeschlossen, 1913 in Mittelalterlicher Geschichte promoviert und unterrichtete zunächst am Grazer Mädchenlyzeum, bevor sie 1916 an der Universität Graz als erste Historikerin in der Habsburgermonarchie einen Antrag auf Habilitation stellte. Trotz durchgängig positiver Gutachten wurde diesem erst im vierten Anlauf 1932 stattgegeben. Uhlirz erlangte die venia docendi für Österreichische Geschichte bzw. 1936 auch für Mittelalterliche Geschichte. 1939 wurde sie zur außerplanmäßigen Professorin am Grazer Historischen Seminar berufen.2 * Die im folgenden Beitrag diskutierten Biografien von Mathilde und Karl Uhlirz beruhen auf einem Kapitel der Habilitationsschrift von Heidrun Zettelbauer (siehe Fußnote 2). Die Abschnitte zu den aktuellen Debatten um Grazer Straßennamen beruhen auf den Arbeiten von Lisbeth Matzer, die von Herbst 2014 bis Anfang 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der „ExpertInnenkommission für Straßennamen Graz“ die quellentechnischen Grundlagen der Kommissionsarbeit aufbereitete. 1 Vgl. Johannes Holeschofsky, Karl (1854–1914) und Mathilde Uhlirz (1884–1966), in: Zeitschrift des Historischen Vereines fu¨ r Steiermark 104 (2013), 297–310, 298–300. 2 Zur Biografie sowie zur autobiografischen Selbsterzählung von Mathilde Uhlirz vgl. Heidrun Zettelbauer, Sich der Nation ver|schreiben. Politiken von Geschlecht und nationaler Zugehörigkeit in autobiographischen Selbsterzählungen von Akteurinnen des völkischen Milieus. Unveröff. Habilitationsschrift, Graz 2016, 378–415.

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Die in den 1990er-Jahren implizit erfolgte Verknüpfung der topografischen Bezeichnung Uhlirzgasse mit der Person von Mathilde Uhlirz wurde in der ersten Ausgabe des Standardwerks zu den „Grazer Straßennamen“ von Karl A. Kubinzky und Astrid M. Wentner festgeschrieben, indem nun nur mehr Mathilde Uhlirz als Namensgeberin erwähnt, die ihr zugedachte Ehrung aber zugleich mit der von ihr angeblich verfolgten „Fortsetzung des wissenschaftlichen Werkes ihres Vaters“3 begründet wurde. Damit wurde ein – wie zu zeigen sein wird – persistentes Muster in der biografischen Annäherung an Mathilde Uhlirz fortgeschrieben. An der Würdigung von Mathilde anstelle von Karl Uhlirz wurde von Seiten der Grazer Stadtverwaltung auch noch in den 2000er-Jahren festgehalten.4 Mit der Einrichtung der von 2014 bis 2017 tagenden „ExpertInnenkommission für Straßennamen Graz“5 (kurz EKSN), deren Ziel die Untersuchung von Grazer Straßenbenennungen nach „historisch (höchst) bedenklichen“ Personen war,6 geriet auch die Uhlirzgasse in den Fokus. Wenngleich der Endbericht der EKSN dabei zwar auf beide für diesen Straßenzug namensgebende „Historiker“ verweist, bezieht sich die der Straßenbenennung dabei attestierte Kategorie „problematisch“7 nur auf Mathilde Uhlirz: „[L]aut offiziellem Benennungsakt der Stadt Graz bezieht sich diese Benennung nur auf Karl Uhlirz. In dessen Vita konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Im Straßenverzeichnis des SVA [Stadtvermessungsamt, Anm. d. Verf.] wird fälschlicherweise ein Bezug zu Mathilde Uhlirz hergestellt. Hier hat eine Richtigstellung von Seiten der Stadt Graz zu erfolgen. Mathilde Uhlirz war ab 1938 Mitglied der NSDAP und soll ‚Nationalsozialistin bis zum Lebensende‘ gewesen sein.“8

Wann und warum die implizite Verschiebung vom Vater auf die Tochter im (kollektiven) Gedächtnis überhaupt erfolgt war, stellte die EKSN nicht fest. 2017 lautete ihr Befund lediglich, dass im Fall der Uhlirzgasse „fälschlicherweise“ ein Bezug zu Mathilde Uhlirz hergestellt worden war. Unter Verweis auf deren

3 Karl A. Kubinzky/Astrid M. Wentner, Grazer Straßennamen. Herkunft und Bedeutung, Graz 1996, 411. 4 Vgl. Endbericht der ExpertInnenkommission für Straßennamen Graz, Auszug, 24. 11. 2017, 12, 182, URL: https://www.graz.at/cms/beitrag/10327035/7773129/Strassennamen_Massnahmen katalog.html (abgerufen 16. 10. 2020). In weiterer Folge zitiert als Endbericht EKSN. 5 Zur EKSN siehe auch: Karl A. Kubinzky/Astrid M. Wentner, Grazer Straßennamen. Herkunft und Bedeutung, 4. überarb. Auflage, Graz 2018, 13–15. In weiterer Folge bezieht sich das Kurzzitat ausschließlich auf diese Auflage. 6 Straßennahmen – Maßnahmenkatalog, Stadt Graz, URL: https://www.graz.at/cms/beitrag/10 327035/7773129/Strassennamen_Massnahmenkatalog.html (abgerufen 6. 1. 2020). 7 Vgl. Stadtvermessungsamt der Stadt Graz, Bedenkliche Straßennamen, URL: https://www.gra z.at/cms/dokumente/10327035_7773129/b356dad3/Bedenkliche_Stra%C3%9Fennamen_NE U.PDF (abgerufen 11. 11. 2020). Darin wird die Uhlirzgasse als „problematisch“ (in Abgrenzung zur zweiten ausgewiesenen Kategorie „sehr problematisch“) eingestuft. 8 Endbericht EKSN, 12, 182.

Heidrun Zettelbauer / Lisbeth Matzer, Mathilde Uhlirz’ Biografie als Irritation

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NSDAP-Mitgliedschaft schloss sich daran zugleich die Empfehlung an die Stadt Graz, eine „Richtigstellung“ vorzunehmen und die ursprünglich intendierte Würdigung von Karl Uhlirz öffentlich klar zu stellen.9 Dies sollte – so die Kommission über den nächsten Schritt – zeitnah durch Anbringung einer Zusatztafel umgesetzt werden.10 Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Empfehlung als kaum weniger problematisch: Auch wenn Karl Uhlirz bereits 1914 verstarb, war er nicht nur bereits seit seiner Studienzeit in deutschnational-völkischen Kreisen aktiv (etwa im deutschnational-völkischen „Leseverein deutscher Studenten“, der 1880 wegen „staatsfeindlicher Aktivitäten“ verboten wurde11), sondern stand auch noch nach seiner Berufung nach Graz in engem Kontakt zu exponiert antisemitischen und rassenkundlich orientierten Fachkollegen wie etwa dem überzeugten Schönerer-Anhänger und Antisemiten Ludwig Bittner, den Karl Uhlirz in den 1910er-Jahren erfolglos noch dabei unterstützt hatte, an der Grazer Universität Fuß zu fassen. Bittner trat 1933 der NSDAP bei.12 Auch Karl Uhlirz war (wie auch die EKSN feststellte13) – wie die meisten universitär angebundenen Historiker in dieser Zeit – zweifellos selbst fest in antisemitischen und deutschnational-völkischen Milieus verankert, auch wenn er aufgrund seines frühen Todes nicht in Berührung mit dem Nationalsozialismus kam. Ungeachtet der vorgeschlagenen und durchaus problematischen Wiederbenennung der Straße nach ihrem „ursprünglichen“ Namensgeber, bleiben die angesprochenen, in den letzten dreißig Jahren erfolgten Verschiebungen im öffentlich-räumlichen Stadtgedächtnis vom Vater auf die Tochter und wieder zurück erklärungsbedürftig. Warum tauchte Mathilde Uhlirz anstelle ihres Vaters Karl in den Grazer erinnerungspolitischen Debatten in den 1990er-Jahren als 9 Vgl. ebd., 12. 10 Vgl. Grazer Straßennamen – Umsetzung eines Maßnahmenkataloges. Antrag und Bericht an den Grazer Gemeinderat vom 4. 7. 2019, URL: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&e src=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwjbsbCKttfsAhVTBGMBHauFAFQQFjAAegQIBxA C&url=https%3A%2F%2Fwww.graz.at%2Fcms%2Fdokumente%2F10334589_7768145%2Fc 960dd00%2FTo7-A10-6-016709-2019-Grazer%2520Stra%25C3%259Fennamen.pdf&usg=AO vVaw3MyZWbPZUoK87t4t9Rr1tQ (abgerufen 13. 11. 2020). Texte und Strategien für derartige Zusatztafeln soll eine weitere Kommission bis 2028 erarbeiten, vgl. Wolfgang Maget, Wenn der Straßenname ein Gesicht bekommt, 21. 6. 2019, URL: https://www.graz.at/cms/bei trag/10334307/8106610/Wenn_der_Strassenname_ein_Gesicht_bekommt.html (abgerufen 16. 10. 2020); Michael Saria, Straßentafeln erhalten Zusatzschilder, Kleine Zeitung, 14. 1. 2020, URL: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5751690/Debatte-um-Namen_800-Graz er-Strassentafeln-erhalten-nun-Zusatzschilder (abgerufen 16. 10. 2020). 11 Vgl. Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 298–303. 12 Vgl. Thomas Just, Ludwig Bittner (1877–1945). Ein politischer Archivar, in: Karl Hruza (Hg.), Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftlichen Porträts, Wien/Köln/Weimar 2009, 283–305, 291. 13 Vgl. Endbericht EKSN, 182.

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Namensgeberin auf ? Wieso changieren die biografischen Annäherungen in sehr unterschiedlichen politischen wie wissenschaft(sgeschicht)lichen Zusammenhängen gerade im vorliegenden Fall beständig zwischen einer Betrachtung der Person von Mathilde Uhlirz und der ihres Vaters? Wie lassen sich die offenkundigen Unschärfen in der retrospektiven politischen Einordnung sowohl von Mathilde als auch von Karl Uhlirz interpretieren, wenn etwa die EKSN den Antisemitismus und völkischen Deutschnationalismus eines Karl Uhlirz ausblendet oder nur sehr vage davon spricht, dass Mathilde Uhlirz „‚Nationalsozialistin bis zum Lebensende‘ gewesen sein“14 soll? Die Benennungen in Zusammenhang mit der Grazer Uhlirzgasse verweisen beispielhaft auf die in der jüngsten Forschung diskutierten Um/Benennungspraktiken von Straßen als zentralem Aspekt von Geschichtspolitiken im öffentlichen Raum.15 Dabei steht nicht nur die soziokulturelle Orientierungsfunktion von Straßenbenennungen im Blickpunkt, sondern auch die Frage, auf welche Weise diese Praktiken politische Dominanzverhältnisse oder Hegemonien abbilden und geteilte oder umstrittene gesellschaftliche Werte sowie kulturelle Leitsysteme sichtbar machen. Zudem können daraus Rückschlüsse auf das affektive Potential öffentlicher Geschichtspolitiken gezogen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei gerade auf den spezifischen Motiven und konkreten Aushandlungsprozessen im Hinblick auf Umbenennungen – wie dies Birgit Nemec16 oder Florian Wenninger17 kürzlich erhellend dargestellt haben. Insbesondere die gegenwärtige Umbenennungspraxis in verschiedenen österreichischen Städten seit den 2000er-Jahren sowie die vermehrte Einsetzung lokaler Historikerkommissionen dokumentieren, dass Würdigungen von Personen, deren Nähe zum Nationalsozialismus lange Zeit mehr oder weniger stillschweigend übergangen wurde, im öffentlich-politischen Diskurs zunehmend als problematisch eingestuft werden.18 Die im Folgenden in den Blick genommene ungewöhnliche, weil durchaus uneindeutige Straßenbenennung verweist vor diesem Hintergrund auf mehrere Aspekte. Zunächst stellt sich die Frage nach den theoretischen Grundprämissen biografischer Forschung angesichts einer (häufig noch immer) auf Identifika14 Endbericht EKSN, 12. Hervorhebung durch die Verfasserinnen. 15 Vgl. hierzu Birgit Nemec/Florian Wenninger (Hg.), Geschichtspolitik im öffentlichen Raum. Zur Benennung und Umbenennung von Straßen im internationalen Vergleich. Editorial, in: zeitgeschichte 46 (2019) 1, 7–12. 16 Birgit Nemec, Das Um-Schreiben urbaner Topographien – Gedächtnispolitik durch Straßenumbenennungen. Wien, 1910–2010, in: Linda Erker/Alexander Salzmann/Lucile Dreidemy/Klaudija Sabo (Hg.): Update! Perspektiven der Zeitgeschichte, Wien 2012, 672–680, 674. 17 Vgl. Florian Wenninger, Widmung und Umwidmung öffentlicher Räume. Eine Analyse des Spektrums der Debatten in österreichischen Gemeinden, in: zeitgeschichte 46 (2019) 1, 111– 139, 111. 18 Vgl. Wenninger, Widmung, 118–125.

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tion abzielenden Auseinandersetzung mit lebensgeschichtlichen Entwürfen, welche in der einen oder anderen Form immer auch Straßenbenennungen zugrunde liegen19 – insbesondere auch in Zusammenhang mit den analytischen Kategorien Geschlecht und Raum.20Als geschlechtertheoretisch relevant erweist sich, dass Straßenbenennungen nicht nur symbolische kulturelle Ordnungen dauerhaft in ein materielles Gedächtnis der Stadt überführen, sondern dass in diesem Prozess zugleich Machtverhältnisse (gerade auch entlang der Kategorie Geschlecht) reproduziert und hegemoniale Geschlechterordnungen somit sichtbar werden.21 Dabei führt – so eine den folgenden Ausführungen zugrunde liegende These – die gedächtnispolitische Funktionalisierung von vermeintlich „eindeutigen“ und „kohärenten“ Biografien im Kontext politischer Debatten im öffentlichen Raum zu einer Homogenisierung von Lebensgeschichten sowie zu einer tendenziellen Ausblendung ambivalenter biografischer wie autobiografischer Positionierungen. Der hier diskutierte und von der Grazer EKSN wenig präzise argumentierte Fall einer topografischen (Rück-)Benennung wirft somit grundsätzlich die Frage nach dem Un/Vermögen gedächtnispolitischer Debatten auf, mit im öffentlichen Stadtraum präsenten historischen Figuren umzugehen, die sich einer vorschnell auf Identifikation respektive Ablehnung abzielenden Einordnung entziehen. Dies wird gerade im Fall von Mathilde Uhlirz, die einerseits als Opfer eines offen frauenfeindlichen Wissenschaftsbetriebs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anzusehen ist und andererseits als überzeugte deutschnational-völkische und früh nationalsozialistische Historikerin zweifellos von der Machtübernahme der NationalsozialistInnen profitierte, mehr als deutlich.22 Der vorliegende Beitrag intendiert somit eine präzise Einordnung der Person Mathilde Uhlirz auf Basis einer adäquaten Rekonstruktion biografischer Spuren, die in Uhlirz’ Fall – im Vergleich zu anderen Wissenschafterinnen dieser Zeit – quellentechnisch sogar erstaunlich umfangreich ausfallen. Unter Rekurs auf Ansätze einer aktuellen geschlechtersensiblen Auto/Biografieforschung muss es dabei auch um eine Thematisierung des stets präsenten Spannungsfeldes von „erleb-

19 Vgl. Nemec, Um-Schreiben, 673. 20 Vgl. Bettina Dausien, Frauengeschichte(n). Perspektiven der Biographieforschung in der Frauen- und Geschlechterforschung, in: Elisabeth Lebensaft (Hg.), Desiderate der österreichischen Frauenbiographieforschung (Österreichisches Biographisches Lexikon – Schriftenreihe 7), 12–26, 15–16; Ruth Becker, Geschlecht und Raum: Feministische Forschung und Praxis in der Raumplanung, in: Angelika Cottmann/Beate Kortendiek/Ulrike Schildmann (Hg.), Das undisziplinierte Geschlecht. Frauen- und Geschlechterforschung. Ausblick und Einblick (Geschlecht und Gesellschaft 25), Opladen 2000, 89–106. 21 Vgl. Nemec, Um-Schreiben, 673. 22 Vgl. Zettelbauer, Nation, 378–415.

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tem“ und „erzähltem“ Leben gehen,23 müssen biografische und autobiografische Narrative in ihren jeweiligen Wechselwirkungen zueinander untersucht werden. Denn die gerade im „Fall Uhlirz“ erkennbare (geschlechterspezifische) Ambivalenz öffentlich-politischer Gedächtnisdiskurse verweist in vielerlei Hinsicht auf das grundlegend komplexe Verhältnis von biografischer Re/Konstruktion und autobiografischer Selbsterzählung sowohl in der (zeit-)historischen biografischen Analyse als auch in öffentlichen Aneignungsprozessen. Dabei betrachten wir Raum im Folgenden grundsätzlich als soziokulturelle, vergeschlechtlichte Praxis und schließen auf diese Weise die im folgenden Abschnitt thematisierten frauenbewegten Aneignungsprozesse in und von öffentlich-städtischen Räumen im Rahmen gedächtnispolitischer Aktivitäten als relevante kulturelle Raumpraxis mit ein.24 Stadträumliche Benennungen, die von Stadt- oder Gemeinderatsgremien ausgehen, sollen im Folgenden somit als gleichrangig mit partizipativen oder informellen Um/Benennungspraktiken (etwa durch AnrainerInnen, zivilgesellschaftliche oder weltanschaulich motivierte Vereine oder Gruppen) in den Blick genommen werden.25 Zugleich gehen wir davon aus, dass eine aktuelle kulturtheoretische Perspektivierung von Raum nicht nur auf kulturelle Repräsentationen von physischen Räumen verweist (representations of space), sondern auch auf eine Rekonstruktion der vielfältigen Bedeutungsproduktionen abzielt, die in gesellschaftlichen Räumen stattfinden (representational spaces). Raum stellt zugleich auch eine soziale Praxis dar (spatial practice).26 Zwar unterscheiden sich informelle Benennungen von topografischen Stadträumen von offiziellen, also von Seiten der Stadtverwaltung vorgenommenen Repräsentationen im Hinblick auf gesellschaftlich jeweils verfügbare (respektive verwehrte) Ressourcen – sie markieren somit soziokulturelle Machtverhältnisse und in diesem Fall auch soziokulturelle Geschlechterord-

23 Vgl. Bettina Dausien, Repräsentation und Konstruktion. Lebensgeschichte und Biographie in der empirischen Geschlechterforschung, in: Sabine Brombach/Bettina Wahrig (Hg.), LebensBilder. Leben und Subjektivität in neueren Ansätzen der Gender Studies, Bielefeld 2006, 179–211, 181. 24 Auf den partizipativen Aspekt von Gedächtnispolitik in Zusammenhang mit Straßenbenennungen verweist auch Nemec. Vgl. Nemec, Um-Schreiben, 673. 25 Vgl. Wenninger, Umwidmung, 120–121. 26 Dies wird etwa im raumsoziologischen Konzept von Henri Lefèbvre thematisiert, vgl. Ulla Terlinden, Soziologie und Räumliche Planung. Zur Notwendigkeit des Wissens über die gesellschaftliche Raumproduktion und Geschlechterkonstruktion, in: Annette Harth/Gitta Scheller (Hg.), Soziologie in der Stadt- und Freiraumplanung. Analyse, Bedeutung und Perspektiven, Wiesbaden 2010, 69–85; Sarah Lintschnig, Über die (Un-)Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum – Topografische Bezeichnungen in Graz, unveröff. Masterarbeit, Graz 2012, 11–12.

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nungen – sind aber ebenso wie erstere als wirkmächtige kulturelle Raumpraktiken anzusehen.27

II.

Gedächtnisverschiebungen. Frauengeschichtliche Markierungen im Stadtraum

Zweifellos steht die skizzierte und implizit erfolgte gedächtnispolitische Verschiebung vom Vater auf die Tochter Uhlirz in direktem Zusammenhang mit der spätestens seit den 1990er-Jahren in Graz greifbaren Debatte, Frauen im öffentlichen Raum stärker sichtbar zu machen.28 Diese wiederum belegt den Konnex zur Zweiten Frauenbewegung, in deren Rahmen sich seit den 1970erJahren Widerstand gegen die Unsichtbarkeit und Ausblendung weiblicher Akteurinnen in öffentlich-städtischen Räumen formiert hatte29 – wenngleich diese Auseinandersetzungen in Graz mit deutlicher Zeitverzögerung stattfanden. Hier wurde die Sichtbarkeit historischer Akteurinnen seit Anfang der 1990er-Jahre in mehreren Publikationen30 und Projekten eingefordert: etwa durch Herausgabe eines Frauenstadtplans31 im Rahmen der „Grazer FrauenstadtSpaziergänge“, die seit 1991 vom „Grazer Frauenservice“ angeboten wurden,32 groß angelegte Projekte wie „WOMENT!“, welches im Rahmen von Graz als Europäische Kulturhauptstadt (2003) realisiert wurde33 oder durch die Einrichtung einer „Pionierinnen Galerie“ im Grazer Rathaus.34 All diese Projekte übten Kritik an der deutlich geringeren Repräsentation von Frauen im kollektiven Gedächtnis der Stadt, forderten eine geschlechtergerechte Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes und kritisierten insbesondere die einseitige Erinnerungs- und Denkmalkultur. Der öffentliche Stadtraum wurde dabei nicht nur als Abbild gesellschaftlicher Machtverhältnisse, sondern auch als konstitutiv für die Hervor27 Zum vielschichtigen, widersprüchlichen und mit Brüchen behafteten komplexen Gedächtnisdiskurs im Hinblick auf Straßenbenennungen vgl. Nemec, Um-Schreiben, 673. 28 Vgl. Kubinzky/Wentner, Straßennamen, 11. 29 Für Österreich vgl. Johanna Gehmacher/Maria Mesner, Land der Söhne. Geschlechterverhältnisse in der Zweiten Republik (Österreich – Zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive Bd. 17), Innsbruck/Wien/Bozen 2007, 19–35. 30 Vgl. Carmen Unterholzer/Ilse Wieser (Hg.), Über den Dächern von Graz ist die Liesl wahrhaftig: eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen, Wien 1996. 31 Vgl. Ilse Wieser, Grazer Frauenstadtplan. Historische, aktuelle und utopische Orte aus Frauengeschichte, Frauenkultur und Frauenbewegung, Graz 1996. 32 Vgl. Frauenstadtspaziergänge, Verein Frauenservice Graz, URL: https://www.frauenservice. at/bildung/frauenstadtspaziergaenge (abgerufen 6. 11. 2020). 33 Vgl. Projekthomepage WOMENT!, URL: https://woment.mur.at/index_WOMENT.html (abgerufen 6.11. 2020). 34 Vgl. Pionierinnengalerie, Stadt Graz, URL: https://www.pionierinnengalerie-graz.at/pionie rinnen (abgerufen 6. 11. 2020).

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bringung und Aufrechterhaltung asymmetrischer Machtverhältnisse im Rahmen kultureller Geschlechterordnungen begriffen. Ziel war somit nicht nur die Sichtbarmachung bedeutender Protagonistinnen der Grazer Stadtgeschichte, sondern auch eine kritische Reflexion von vergeschlechtlichten Erinnerungspolitiken selbst.35 In Kritik geriet dabei insbesondere der Umstand, dass Straßennamen in städtischen Räumen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert häufig an „große“ historische Taten und Ereignisse, politische und militärische „Helden“ der (National-)Geschichte oder (nationalistisch vereinnahmte) Forscher und Künstler erinnerten.36 Der Bezug auf männliche Leistungen galt dabei als ungeschriebene Regel. Frauen konnten meist nur dann zu einer vergleichbaren öffentlichen Würdigung gelangen, wenn sie dem Hochadel entstammten, im Bereich der Künste Berühmtheit erlangt hatten oder in Zusammenhang mit einer religiös und/oder mythologisch begründeten Erinnerungskultur standen. Verfolgt man die entsprechende Praxis in Graz in einer zeitlichen Abfolge, so zeigt sich, dass die Benennung von Straßennamen nach Frauen vor allem in fünf Phasen erfolgte: Die Namensgeberinnen der zwischen 1846 und 1899 benannten Plätze oder Straßen entstammten nahezu ausschließlich dem habsburgischen Hochadel bzw. der kaiserlichen Familie (Elisabethstraße, Annenstraße, MariaTheresia-Allee). Selbst in der zweiten identifizierbaren Phase von 1917 bis 1928 setzte sich dieser Trend fort. In einer dritten Welle zwischen 1948 und 1955 wurden topografische Benennungen v. a. nach Autorinnen, Dichterinnen, Schauspielerinnen oder bildenden Künstlerinnen vorgenommen. Einzig die Sozialdemokratin Johanna Kollegger (Straßenbenennung 1928) und die Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner (Benennungen öffentlicher Flächen 1949, 1986) fallen aus diesem Raster.37 Zahlenmäßig ins Gewicht fällt die Benennungspraxis nach weiblichen Personen überhaupt erst im Kontext der genannten Einforderung einer geschlechtergerechten Teilhabe von Frauen im öffentlichen Raum seit 1991, indem sich die Anzahl weiblicher topografischer Bezüge mehr als verdoppelte.38 Dabei spiegeln die für eine Straßenbenennung ausgewählten weiblichen Biografien unmittelbar die zeitgenössische frauengeschichtliche und -bewegte Forschungspraxis wider, wenn etwa der Malerin und Grafikerin Norbertine

35 Vgl. Lintschnig, (Un-)Sichtbarkeit, 1–3. 36 Vgl. Nemec, Um-Schreiben, 673. 37 Vgl. Kubinzky/Wentner, Straßennamen. Zu den einzelnen Benennungsjahren siehe die alphabetisch geordnete Bearbeitung der Grazer Straßennamen bei: ebd. 38 Vgl. ebd.; Stadt Graz, Stadtvermessungsamt, Verzeichnis gültiger Grazer Straßennamen, 23. 8. 2013, URL: https://data.graz.gv.at/katalog/geographie%20und%20planung/Strassenverzeich nis.txt (abgerufen 14. 11. 2020).

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Bresslern-Roth39 (1995) und der ersten ordentlichen Hörerin an der Universität Graz, Seraphine Puchleitner40 (1996), zwei Wege in der Grazer Peripherie (Gösting bzw. Andritz) oder der ersten promovierten Ärztin Oktavia Aigner-Rollett eine Allee (1997) am Grazer Rosenberg gewidmet wurden.41 Dabei zeigt sich zugleich, dass die regionalspezifischen Bezüge der Namensgeberinnen seit den 1980er-Jahren sukzessive bedeutsamer wurden – dies belegen etwa Benennungen nach der Grazer Fotografin Inge Morath (2003), der ersten steirischen Landtagsabgeordneten, Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Martha Tausk (2004), der Radpionierin Elise Steininger (2006), der Archäologin Erna Diez (2007), der christlich-sozialen Politikerin Olga Rudel-Zeynek (2011), der Architektin Herta Frauneder-Rottleuthner (2013) oder der Schriftstellerin und Schauspielerin Mela Spira (2014). Häufig ging diesen Benennungen eine biografische Aufarbeitung im Rahmen historisch-künstlerischer Ausstellungs- oder Erinnerungsprojekte voraus. Alle genannten Frauen waren auch im Projekt „WOMENT!“ (2003) vertreten, in dessen Rahmen allein mehr als 23 Würdigungstafeln an öffentlichen Grazer Orten angebracht wurden.42 Die meisten nach Frauen vorgenommenen Benennungen gehorchen – wie auch bei männlichen Namensgebern – dem Kriterium einer vollbrachten „(Pionier-)Leistung“ in wissenschaftlichen, politischen oder künstlerischen 39 Vgl. Gertrude Celedin, Indianer. Kunst der Zwischenkriegszeit in Graz, Ausstellungskatalog, Grazer Stadtmuseum, Graz 1988. 40 Vgl. Elke Schuster, „Bitte um gefällige Antwort, ob der Besuch der Universität zu Graz Frauen erlaubt ist“: die Anfänge des Frauenstudiums in Graz, in: Carmen Unterholzer/Ilse Wieser (Hg.), Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig: eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen, Wien 1996, 85–100. 41 Vgl. Gertrud Simon, „Durch eisernen Fleiß und rastloses, aufreibendes Studium“: die Anfänge des Frauenstudiums in Österreich. Pionierinnen an den Universitäten Wien und Graz, in: Ilse Bremer (Hg.), Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung in Österreich: ein Überblick, Graz 1997, 205–219. Vgl. auch die familiäre Aufarbeitung ihrer Biografie: Reinhold Aigner, Dr. Oktavia Aigner-Rollett, die erste Ärztin in Graz: Biographie einer österreichischen Früh-Ärztin, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz (1969) 2, 141–157; Reinhold Aigner, Kleine Erinnerungen an die erste Grazer Ärztin Oktavia Aigner-Rollett, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz 1997, 243–252. 42 Die meisten hier angeführten Akteurinnen wurden tatsächlich erst durch das Projekt „WOMENT!“ (2003) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, vgl. Projekthomepage WOMENT!, URL: https://woment.mur.at/index_WOMENT.html (abgerufen 6. 11. 2020). Das Projekt wurde finanziert aus Geldern, die im Rahmen der Förderung von Graz als Kulturhauptstadt 2003 bereitgestellt wurden. Entsprechend widmete WOMENT! „20+03“ Akteurinnen der Grazer Stadtgeschichte eine eigene Würdigungstafel. Im Fall anderer für die Stadtgeschichte zentraler Frauen, v. a. Künstlerinnen, waren Kunst- oder kulturhistorische Ausstellungen Ausgangspunkt für nachfolgende topografische Benennungen, so etwa bei Norbertine Bresslern-Roth, Inge Morath oder Mela Spira. Vgl. Günter Eisenhut (Hg.), Moderne in dunkler Zeit: Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933–1945, Graz 2001; Regina Strassegger (Hg.), Inge Morath: Grenz.Räume – Last Journey, München 2002.

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Kontexten.43 Gerade die stark von politischen Machtverhältnissen beeinflusste Geschichte der österreichischen Hochschulen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweist sich in Zusammenhang mit dieser Benennungspraxis als problematisch, zumal unter den „PionierInnen“ im Wissenschaftsbetrieb häufig auch Personen mit einer mehr oder weniger expliziten nationalsozialistischen Vergangenheit gewürdigt wurden. In Graz betrifft dies neben Wenzeslaus Gleispach, Hans Riehl, Franz Nabl, Gustav Hofer, Leo Scheu, Friedrich Reinitzer, Rudolf List, Walter Schauenstein und Walter Semetkowski44 eben auch Mathilde Uhlirz45. Seit mehreren Jahren gilt dabei auch in der Stadt Graz der Grundsatz, dass eine Anerkennung in Form von Straßenbenennungen nur verstorbenen Personen zuteilwerden sollte.46 Doch auch dieser Grundsatz löst keineswegs die fundamentale Problematik, wonach gerade Gedächtnis- und Erinnerungspolitiken im öffentlichen Raum auf einer auf Identifikation abzielenden biografischen Forschung basieren. Widersprüchliche oder ambivalente biografische Positionierungen werden gerade in jener Verdichtung, die in Prozessen öffentlicher Aneignungen erfolgt, kaum adäquat abgebildet. Auf die problematische Verbindung von Biografieforschung und identitätspolitischen Interessen wurde in der jüngeren geschlechtersensiblen Auto/Biografieforschung nicht zuletzt im Rahmen der Debatten um Reifikation hingewiesen und gezeigt, dass die frühe frauengeschichtliche Forschung in ihrer auf Identitätsstiftung abzielenden Suche nach vorbildhaften Heroinen letztlich selbst punktuell Geschlechterstereotypen reproduziert hat.47 In der aktuellen Forschung sind solche Ansätze einem Bewusstsein für die Ambivalenzen, Widersprüche und Brüchigkeit auto/ biografischer Narrative gewichen und haben zu einer komplexen Debatte darüber geführt, auf welche Weise Geschlecht in auto/biografischen Narrativen funktioniert, nämlich einerseits als „modus operatum“, indem auto/biografische Narrative präfiguriert werden und andererseits als „modus operandi“, indem die Geschlechterdifferenz im Akt des Biografierens selbst performativ reproduziert wird.48 Letzteres verweist auf das von Pierre Bourdieu früh diskutierte komplexe Verhältnis von Subjekt und Objekt im Kontext biografischer Analysen und auf das grundsätzlich gegebene gemeinsame Interesse von BiografInnen und Au-

43 44 45 46

Vgl. Kubinzky/Wentner, Straßennamen, 11. Vgl. Endbericht EKSN, 6–7, 79–81, 88–90, 92–95, 98–103, 126–128, 162–163, 171–174, 190–194. Vgl. Endbericht EKSN, 183–184. Vgl. Wenninger, Widmung, 113; Grundsätzliche Richtlinien für Straßenbenennungen, in: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 7, 30. 5. 2018, 41–43. Diese Regelung soll verhindern, dass sich eine gewürdigte Person durch (spätere) politisch oder moralisch verwerfliche Handlungen einer derartigen Ehrung nachträglich als unwürdig erweist. Zur Entwicklung der Richtlinien zur Straßenbenennung in Graz vgl. Lintschnig, (Un-)Sichtbarkeit, 70–73. 47 Vgl. Dausien, Repräsentation, 185. 48 Vgl. Zettelbauer, Nation, 413.

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tobiografInnen, die Sinnhaftigkeit und Kohärenz der biografierten Existenz zu belegen.49

III.

Biografische Re/Konstruktionen. Der Fall Mathilde Uhlirz

Anders als zu anderen weiblichen Wissenschafterinnen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen zu Mathilde Uhlirz vergleichsweise umfassende biografische Kontextualisierungen vor, wenngleich diese sehr unterschiedliche Gewichtungen haben und Ausdeutungen vornehmen.50 Das liegt zweifellos vor allem daran, dass sie als erste Frau in der Habsburgermonarchie bereits im Ersten Weltkrieg eine Habilitation anstrebte. Anne-Katrin Kunde legte 2009 ein ausführliches biografisches Porträt der Historikerin vor, indem sie den Lebenslauf von Uhlirz sorgfältig rekonstruierte und diesen in Bezug zu Uhlirz’ autobiografischer Selbsterzählung von 1951 setzte.51 Zu Uhlirz’ Person liegen darüber hinaus Beiträge vor, die sich explizit mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus befassen.52 Andere Studien rücken stärker Uhlirz’ wissenschaftliche Karriere an der Universität Graz in den Blickpunkt oder befassen sich mit ihrer Person als Wissenschafterin in einem männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb.53 In älteren Beiträgen wird Uhlirz zudem im

49 Vgl. Pierre Bourdieu, Die biographische Illusion, in: Erika M. Hoerning (Hg.), Biographische Sozialisation, Stuttgart 2000 (Der Mensch als soziales und personales Wesen 17), 51–60; Zettelbauer, Nation, 378–379. 50 Zum Forschungsstand vgl. ebd., 381–382; Anne-Katrin Kunde, Mathilde Uhlirz (1881–1966). Jenseits der Zunft. Prozesse der Selbstbehauptung in Leben und Wissenschaft, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftlichen Porträts, Wien/Köln/Weimar 2009, 461–491. 51 Vgl. Kunde, Uhlirz, 461–491. 52 Vgl. Peter Teibenbacher, Mathilde Uhlirz – ein Fall, in: Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik (Hg.), Grenzfeste Deutscher Wissenschaft. Über Faschismus und Vergangenheitsbewältigung an der Universität Graz, Graz 1985, 88–93; Elisabeth Perchinig, Zur Situation weiblicher Intellektueller der bürgerlichen Schicht in der Zwischenkriegszeit und im Dritten Reich – ein Versuch über die Funktionalisierung eines marginalen Sozialtypus, in: zeitgeschichte 19 (1992) 7/8, 215–223. 53 Vgl. Walter Höflechner, Mathilde Uhlirz, in: Alois Kernbauer/Karin M. Schmidlechner (Hg.), Frauenstudium und Frauenkarrieren an der Universität Graz (Publikationen aus dem Universitätsarchiv 33), Graz 1996, 196–209; Brigitta Mazohl-Wallnig, Mathilde Uhlirz, in: Brigitta Keintzel/Ilse Korotin (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, Wien/Köln/Weimar 2002, 763–767; Brigitta Mazohl-Wallnig, „Männlicher Geist in weiblicher Gestalt“: Frauen und Geschichtswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (MIÖG) 110 (2002), 150–181; Kunde, Uhlirz, 462.

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Kontext der Grazer Geschichtswissenschaft behandelt.54 Vor einigen Jahren ist darüber hinaus eine regionalhistorisch ausgerichtete Studie über die wissenschaftsgeschichtliche Positionierung von Karl und Mathilde Uhlirz in den geschichtstheoretischen Debatten der Zwischenkriegszeit erschienen.55 Kürzlich wurden die biografischen Forschungen zu Uhlirz wiederum unter dem Aspekt der spezifischen Standortgebundenheit der biografierenden HistorikerInnen sowie der Präfiguration von biografischen Lesarten im Kontext autobiografischer Schriften behandelt bzw. die bisherige Aufarbeitung von Uhlirz’ Entnazifizierungsprozess durch Grazer Archivbestände ergänzt.56 Neben dieser Vielzahl an wissenschaftlichen Arbeiten über Mathilde Uhlirz sind auch die Archivbestände zu ihrer Person vergleichsweise umfangreich. Es liegen Quellen im Grazer Universitätsarchiv (UAG), im Steiermärkischen Landesarchiv (StLA), im Grazer Stadtarchiv (GStA), in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dem Archiv der Republik (AdR) sowie im Deutschen Bundesarchiv (BArch), insbesondere in den Beständen des ehemaligen BDC (Berlin Document Center) vor.57 Autobiografische Narrative lassen sich in Form ihrer genannten „wissenschaftlichen Selbstdarstellung“ (1951), in einigen Passagen einer Publikation von 1916 sowie in einem programmatischen Text zur „neuen Geschichtswissenschaft“ im Nationalsozialismus rekonstruieren.58

1.)

Eine wissenschaftliche Karriere wider institutionelle und soziokulturelle Begrenzungen (1909–1936)

1881 geboren, ist Mathilde Uhlirz’ schulische Ausbildung paradigmatisch für jene erste Generation von Mädchen, die bereits in den Genuss von Bildungsmöglichkeiten kamen, welche die bürgerliche Frauenbewegung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erkämpft hatte. Gleichzeitig verdeutlicht ihre Bildungs54 Vgl. Fritz Fellner, Geschichtsschreibung und nationale Identität. Probleme und Leistungen der österreichischen Geschichtswissenschaft, Wien/Köln/Weimar 2002, 92–129; Peter Teibenbacher, Das Historische Seminar und das Jahr 1938, in: Christian Brünner/Helmut Konrad (Hg.), Die Universität und 1938 (Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek 11), Wien/ Köln 1989, 95–104. 55 Vgl. Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 297–310. 56 Vgl. Zettelbauer, Nation, 377–414. 57 Für eine gesammelte Auflistung der einzelnen Bestände siehe: Zettelbauer, Nation, 383. 58 Vgl. Mathilde Uhlirz, [Selbstdarstellung], in: Nikolaus Grass (Hg.), Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Innsbruck 1951, 233–242; Mathilde Uhlirz, Schloss Plankenwarth und seine Besitzer. Ein Beitrag zur Geschichte steirischer Adelsgeschlechter, vornehmlich der Familien Plankenwarth, Prankh, Dümmersdorf, Ungnad und Stürgkh, Graz 1916; Mathilde Uhlirz, Der Reichsgedanke in der Steiermark, in: Das Joanneum 6 (1943), 113–122.

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karriere auch, wie langwierig und schwierig sich der Weg von Mädchen und jungen Frauen an die Hochschulen und Universitäten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gestaltete. Uhlirz hatte zunächst die Volks- und Bürgerschule in Wien absolviert (1887– 1895), bevor sie drei Jahre die „Öffentliche Höhere Töchterschule des Schulvereins für Beamtentöchter“ im 8. Wiener Gemeindebezirk besuchte (1895–1898). Nach dem Umzug der Familie nach Graz – Vater Uhlirz war 1903 auf den Lehrstuhl für Österreichische Geschichte berufen worden, ihre Mutter übte keine außerhäusliche Erwerbstätigkeit aus – absolvierte sie ein Jahr am „Grazer Mädchenlyzeum“, das sie mit Auszeichnung abschloss. Mit der Lyzeal-Matura in der Tasche konnte sie zwar kein Regelstudium beginnen, aber ein Studium für Lyzeal-Lehrkräfte aufnehmen oder die Lehrerinnen-Bildungsanstalt besuchen. In der Folge inskribierte Uhlirz zunächst ein außerordentliches Studium an der Grazer Universität, konkret das Lehramtsstudium für Mädchenlyzeen in den Fächern Geschichte, Geografie, Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie. Dieses schloss sie 1909 ab und begann – zunächst als Probekandidatin – an ihrer ehemaligen Schule in der Grazer Sackstraße, zu unterrichten. Parallel dazu eignete sie sich im Privatstudium Latein und Griechisch an und legte zwei Jahre später erfolgreich die externe Reifeprüfung am 1. Staatsgymnasium ab. Jetzt stand ihr auch ein reguläres Studium der Geschichte offen, das sie zwei Jahre später mit einer Promotion in Mittelalterlicher Geschichte bei Johann Loserth abschloss. In ihrer Dissertation „Die Genesis der vier Prager Artikel“ positionierte sie sich im Forschungsfeld ihres Doktorvaters59 und legte dabei eine klar antitschechische Haltung60 an den Tag. Fast zeitgleich mit dem Rigorosum absolvierte sie die Ergänzungsprüfung aus Geschichte und Geografie für das Lehramt an Mittelschulen und konnte ab nun eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen.61 Mathilde Uhlirz reichte ihre Dissertation bei der ÖAW zur Drucklegung ein, wo diese 1914 tatsächlich veröffentlicht wurde. Erst jetzt – so ihre retrospektive Selbsterzählung von 1951 – erlangte sie die fachliche Anerkennung ihres Vaters, womit auch für sie eine wissenschaftliche Karriere in die Nähe der Realisierbarkeit rückte.62 Tatsächlich scheint Uhlirz ihrem Vater bereits früher bei seinen Forschungsarbeiten zur Hand gegangen zu sein und war auf diese Weise mit der Praxis historisch-wissenschaftlichen Arbeitens vertraut geworden.63 In den letzten Monaten vor seinem Tod 1914 scheint Karl Uhlirz seine Tochter aktiv hinischtlich ihrer beruflichen Ambitionen unterstützt zu haben. Testamentarisch 59 60 61 62 63

Vgl. Kunde, Uhlirz, 468. Vgl. Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 303. Vgl. Zettelbauer, Nation, 386–387; Kunde, Uhlirz, 465–468. Vgl. Kunde, Uhlirz, 468. Vgl. ebd.

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äußerte er jedenfalls den Wunsch, ihr nach seinem Tod die Weiterbearbeitung der „Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Kaiser Otto III.“ zu übertragen. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften kam seinem Wunsch nach und beauftragte Mathilde Uhlirz nach Vorlage einer Probearbeit mit der Bearbeitung dieses für die Mediävistik bedeutenden Quellenbestandes.64 Schon 1915/16 legte sie zahlreiche Publikationen vor, die zwar teils auf Skizzen ihres Vaters zurückgingen, von der Arbeitsleistung her jedoch – so Anne-Katrin Kunde – eindeutig Mathilde Uhlirz selbst zuzurechnen sind.65 Ab nun verfolgte sie ihren wissenschaftlichen Weg konsequent und nachhaltig. 1916 legte sie als erste Frau Österreich-Ungarns einen Antrag auf Erteilung der Lehrbefugnis im Fach Geschichte an der Grazer Universität vor, der allerdings trotz positiver Gutachten aufgrund der prinzipiellen Missbilligung einer Habilitation von Frauen von Seiten des Grazer Professorenkollegiums abgelehnt wurde.66 Diese Ablehnung bildete den Auftakt zu einem langwierigen, sich 16 Jahre hinziehenden Prozess ihrer Habilitation, der einen entwürdigenden und misogynen Umgang mit Uhlirz von Seiten der Grazer Universität und ihrer Fachkollegen offenlegt.67 So war etwa die seit 1920 prinzipiell geschlechtsneutral formulierte österreichische Habilitationsordnung durch das Grazer Professorenkollegium vorauseilend unterlaufen worden, indem ein Jahr zuvor eine eigene Habilitationsordnung erlassen wurde, welche an Frauen explizit „höhere Anforderungen“ als an Männer stellte. Uhlirz’ zweiter Habilitationsantrag von 1920 wurde deshalb erneut trotz eindeutig positiver Gutachten abschlägig entschieden. Als Uhlirz’ zentraler Gegner kristallisierte sich vor allem der Volkskundler, Historiker und Ordinarius für Österreichische Geschichte, Raimund Friedrich Kaindl, heraus, der auch ihren dritten Antrag von Februar 1930 – wiederum trotz positiver Gutachten – vereitelte. Erst als Kaindl starb, wurde Uhlirz’ vierter Habilitationsantrag 1932 positiv entschieden. Ihre zunächst erworbene venia docendi für das Fach Österreichische Geschichte wurde 1936 für das Fach Geschichte des Mittelalters erweitert.68 Mit ihrer Habilitation war für Uhlirz – anders als bei männlichen Fachkollegen – jedoch kein regulärer Lehrauftrag und somit keine ökonomische Abgeltung verbunden. Dies war – wie entsprechende Briefwechsel belegen – durchaus eine bewusste Strategie ihrer männlichen Kollegenschaft, um ihre berufliche Integration in das Institut bzw. die Fakultät zu verhindern.69

64 65 66 67 68

Vgl. ebd., 468–469. Vgl. ebd., 469–470. Vgl. ebd., 470. Vgl. Zettelbauer, Nation, 389–391; Kunde, Uhlirz, 470–474. Vgl. Zettelbauer, Nation, 388–390. Zum Prozess ihrer Habilitation vgl. Höflechner, Mathilde Uhlirz, 197–200. 69 Vgl. Kunde, Uhlirz, 476; Zettelbauer, Nation, 391.

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Erstaunlich erscheint aus heutiger Perspektive die Beharrlichkeit, mit der Uhlirz trotz der ihr entgegenschlagenden Ablehnung unbeirrt an ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit festhielt. Als paradigmatisch für weibliche Wissenschaftskarrieren dieser Zeit scheint sich zudem zu erweisen, dass sie auf die erfahrenen Zurückweisungen offenkundig immer wieder mit einer Steigerung ihres Arbeitspensums und wissenschaftlichen Outputs reagierte. So unterrichtete sie seit 1911 als Supplentin am Grazer Mädchenlyzeum, seit 1922 mit einer vollen Dienststelle. Von 1916 bis 1918 absolvierte sie darüber hinaus als weiteres ordentliches Studium Klassische Philologie, welches sie 1918 mit einer Lehramtsprüfung abschloss.70 Zudem publizierte sie laufend Bände des Handbuchs „Österreichische Geschichte“ (ab 1920) sowie des „Handbuchs der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn“ (ab 1927) – bezeichnenderweise unter dem Namen ihres zu diesem Zeitpunkt bereits lang verstorbenen Vaters.71 Dieser Umstand verweist auf Uhlirz’ Selbstverständnis als wissenschaftliche Autorin und belegt eine „extrem defensive Strategie der Bescheidenheit“ in ihrer autobiografischen Erzählung. Sie selbst affirmierte – und darauf soll zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zurückgekommen werden – „ihre Unsichtbarkeit als Wissenschaftlerin“72, was wiederum paradigmatisch für ihre Selbstpositionierung im männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb erscheint.73

2.)

Geschichtsforschung im Dienst für „Volk und Vaterland“ (1936–1945)

Mathilde Uhlirz kam nicht nur aus einem national-konservativen Elternhaus,74 sondern sie exponierte sich bereits seit der Zwischenkriegszeit im deutschnational-völkischen Vereins- und Parteienspektrum. Sie trat 1930 der Großdeutschen Volkspartei (GDVP) bei, welche sich im Mai 1933 faktisch mit der NSDAP zusammenschloss,75 war Mitglied im Allgemeinen Deutschen Turnverein, im Deutsch-Österreichischen Alpenverein und im Deutschen Schulverein Südmark. Es kann als gesichert gelten, dass diese Verbände etwa in Wien oder der Steiermark im Dollfuß-Schuschnigg-Regime häufig als Deckorganisationen für illegale 70 71 72 73 74

Vgl. Zettelbauer, Nation, 391. Zur Publikationstätigkeit im Detail siehe: Kunde, Uhlirz, 473–474; Zettelbauer, Nation, 391. Zettelbauer, Nation, 391. Vgl. ebd. Zur politischen Orientierung der Familie vgl. Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 299; Zettelbauer, Nation, 392. 75 Zum „Kampfbündnis“ von GDVP und NSDAP vgl. Johanna Gehmacher, Völkische Frauenbewegung. Deutschnationale und nationalsozialistische Geschlechterpolitik in Österreich, Wien 1998, 175–221.

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NS-Aktivitäten dienten. Zugleich war gerade die Lehrerschaft in dieser Phase maßgeblich an der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts beteiligt und trug trotz Parteiverbots zwischen 1933 und 1938 dazu bei, eine Massenbasis für die NSDAP zu sichern.76 Insbesondere das Mädchenlyzeum (von 1934 bis 1938 „Franz-Ferdinand-Oberlyzeum“) bildete einen Hort illegaler NS-Aktivitäten an Grazer Mädchenschulen.77 Uhlirz’ frühe Überzeugung vom Nationalsozialismus kann als gesichert angenommen werden. Spätestens mit 1936 wird ihre Hinwendung zum Nationalsozialismus auch institutionell greifbar, als sie im Februar 1936 in den zu diesem Zeitpunkt gerade noch illegalen Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) in der „Fachschaft Mittelschulen“ eintrat.78 Unmittelbar nach dem „Anschluss“ beantragte sie am 1. April 1938 die Aufnahme in die NS-Frauenschaft (Mitgliedsnr. 2.756.802), am 1. Mai die Mitgliedschaft in der NSDAP (Mitgliedsnr. 6.289.046), welche mit Ende Juni 1938 rechtskräftig wurde. Ab Juni scheint sie als Mitglied des NS-Dozentenbundes (Mitgliedsnr. 4980) sowie der „Hochschulgemeinde Deutscher Frauen“ auf.79 Dieses parteipolitische Engagement korreliert weitestgehend mit ihrer fachlich-geschichtswissenschaftlichen Positionierung. Ihre Forschung stellte sie schon lange vor dem „Anschluss“ in den „Dienst der deutschen Nation“. Schon 1927 schrieb sie im ersten Band des von ihr verfassten „Handbuchs der Geschichte Österreich-Ungarn“, dass sie ihre „Liebe zur deutschen Heimat, zu [ihrem] Volke“80 niemals habe unterdrücken können. Ihre deutschnationalvölkische Haltung wird auch sichtbar in den antisemitisch und rassentheoretisch fundierten Themen, die sie im Rahmen ihrer zunehmend auch zeitgeschichtlich ausgerichteten Lehrtätigkeit ab 1932 anbot.81 Auch die laufende Publikation des „Handbuchs des Österreichischen Geschichte“ ermöglichte ihr – beispielsweise 76 Zu illegalen NS-Tätigkeiten und dem Engagement von Frauen im deutschnationalen Vereinsspektrum vgl. Gehmacher, Völkische Frauenbewegung, 181–189; Heidrun Zettelbauer, Antisemitismus und Deutschnationalismus: Von Prozessen der Ausdifferenzierung zu Strategien der Homogenisierung am Beispiel deutschnational-völkischer Frauenvereine, in: Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht/Ursula Mindler (Hg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Wien 2012, 63–86. 77 Vgl. Zettelbauer, Nation, 392; Kunde, Uhlirz, 477–478. 78 Vgl. NSLB-Mitgliedskarte von Mathilde Uhlirz, BArch, NS 12/1762. Wenngleich das Eintrittsdatum in den NSLB auf 1. 7. 1938 datiert, wurde auf der Mitgliedskarte vermerkt, dass sie illegal seit 1. 2. 1936 Mitglied war. 79 Vgl. Schreiben des Landesschulrat Steiermark an Mathilde Uhlirz über ihre Einstufung auf Liste „C“, 9. 12. 1946, und das Schreiben des Landesschulrat Steiermark an die NS-Registrierungsbehörde des Magistrats Graz, 17. 12. 1947, StLA, LSR, Personalakt Mathilde Uhlirz, GZ III Ui 1, zit. n. Zettelbauer, Nation, 393; Kunde, Uhlirz, 479. 80 Mathilde Uhlirz, Vorwort, in: Karl Uhlirz, Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn 1, hg. und bearb. von Mathilde Uhlirz, Graz/Wien/ Leipzig 1927, 8, zit. n. Kunde, Uhlirz, 477. Vgl. hierzu auch Höflechner, Mathilde Uhlirz, 203; Zettelbauer, Nation, 392. 81 Vgl. Zettelbauer, Nation, 397; Kunde, Uhlirz, 480.

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im 1941 erschienenen Band – eine antisemitische und rassentheoretische Ausdeutung der politischen Geschichte Österreichs im 19. Jahrhundert – was von regimetreuen Rezensenten wie Ludwig Bittner entsprechend gewürdigt wurde.82 In der Publikation „Der Reichsgedanke in der Steiermark“ (1943) kommt Uhlirz’ geschichtspolitische Haltung zudem in Form eines programmatischen Manifests einer neuen, „nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft“ zum Ausdruck, wenn sie festhält, dass „der Nationalsozialismus fordert, daß der Gelehrte und vor allem der Historiker in seinem ganzen Sein und Wirken seinem Volke verpflichtet sei und alle anderen Interessen als Triebfedern seines Handelns auszuschalten habe.“83 In diesem Beitrag deklarierte Uhlirz sich nicht nur öffentlich als Anhängerin des Nationalsozialismus, sondern plädierte explizit für eine „politische Geschichtswissenschaft“, in deren Rahmen sie der Historikerzunft eine staatstragende Rolle zuschrieb. Die in ihrer Forschung und Lehre greifbare Überzeugung vom Nationalsozialismus verweist auf eine langjährige und überzeugte deutschnational-völkische, antisemitische und mit dem Nationalsozialismus höchst kompatible, ideologische Grundhaltung. Zweifellos beschleunigte die parteimäßig und fachlich abgesicherte „politische Zuverlässigkeit“ wie auch bei anderen ForscherInnen Uhlirz’ Aufstieg als Wissenschafterin an der neuen „politischen Hochschule“ nach 1938.84 Zwar wurden entsprechend der NS-Geschlechterpolitik punktuell immer noch Widerstände gegen sie im Universitätsbetrieb greifbar – insbesondere von Seiten des NSDozentenbundführers Alfred Pongratz85 –, aber die universitätsinternen Debatten um die Nachfolge der Professur für Mittelalterliche Geschichte verdeutlichen, dass sich gegenüber Uhlirz am Historischen Seminar eine positive Stimmung abzeichnete.86 Trotzdem bedurfte es noch der grundlegenden nationalsozialistischen Neuordnung des Hochschulwesens 1939, in deren Rahmen ehemalige PrivatdozentInnen in den Status von „habilitierten Doktoren“ überführt wurden, bevor Uhlirz auf Antrag des Prodekans der Philosophischen Fakultät im Oktober 1939 schließlich zum „außerplanmäßigen Professor“ ernannt wurde.87 Damit war Mathilde Uhlirz nicht nur am Ziel ihres beharrlichen Strebens nach einer festen Verankerung im Universitätsbetrieb, sondern auch am Zenit ihrer wissenschaftlichen Karriere angelangt.88 82 Vgl. Teibenbacher, Mathilde Uhlirz, 89; Kunde, Uhlirz, 481; Zettelbauer, Nation, 379–381. 83 Uhlirz, Reichsgedanke, 113. 84 Vgl. hierzu Brigitte Lichtenberger-Fenz, „Es läuft alles in geordneten Bahnen“. Österreichs Hochschulen und Universitäten und das NS-Regime, in: Emmerich Tálos/Ernst Hanisch/ Wolfgang Neugebauer/Reinhard Sieder (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, Wien 2000, 549–569. 85 Vgl. Zettelbauer, Nation, 393. 86 Vgl. Höflechner, Mathilde Uhlirz, 201. 87 Vgl. Kunde, Uhlirz, 480; Zettelbauer, Nation, 394. 88 Vgl. Zettelbauer, Nation, 394.

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Dank der damit verbundenen finanziellen Absicherung konnte sie ihre volle Lehrverpflichtung am Mädchenlyzeum, die sie all die Jahre neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ausgeübt hatte, auf wenige Wochenstunden reduzieren und sich – erstmals in den 23 Jahren, die seit ihrem ersten Habilitationsgesuch vergangen waren – vorrangig der universitären Arbeit widmen. Betrachtet man vergleichbare männliche Karrieren an der Universität Graz, so fällt an dieser Stelle die gravierende Ungleichbehandlung qua Geschlecht ins Auge. Ihr Fachkollege Hans Pirchegger, der im selben Jahr wie Uhlirz erstmals einen Habilitationsantrag stellte, hatte sich 1916 tatsächlich habilitieren können und wurde 1923 bereits zum „tit. a.o. Prof.“ ernannt, womit auch eine ökonomische Absicherung seiner Universitätskarriere verbunden war. Bereits 1937 erfolgte Pircheggers Ernennung zum „tit. o. Prof.“, bevor er, wie Uhlirz 1939, schließlich auch zum außerplanmäßigen Professor berufen wurde.89 Darin zeigt sich deutlich, dass Uhlirz trotz ihres „politischen Wohlverhaltens“ strukturell weitgehend von den männlichen Privilegien des Wissenschaftsbetriebs ausgeschlossen war.90 Zudem währte der neue Freiraum für ihre wissenschaftliche Arbeit nicht besonders lange. Die Kriegsereignisse verunmöglichten ab 1943 sukzessive die Aufrechterhaltung eines regulären Universitätsbetriebs. Bibliotheken, selbst ganze Institute wurden schrittweise aus Graz evakuiert und Uhlirz musste ihre Forschungsarbeiten weitgehend einstellen. Mit Jahresende 1944 wurde zudem nicht nur der Schulbetrieb im Lyzeum, sondern auch der Lehrbetrieb an der Universität gänzlich geschlossen.91 In den letzten Monaten des NS-Regimes engagierte Uhlirz sich verstärkt im Bereich der NS-Agitation und Propaganda. Sie hielt Vorträge vor Soldaten an der Front, sprach bei Veranstaltungen der Hitlerjugend oder vor deutschen Kriegsflüchtlingen, die aus von der Roten Armee eingenommenen Gebieten evakuiert worden waren. Von der Politik und der „rechtmäßigen“ Kriegsführung des NSRegimes sowie vom „Unrecht“ der deutschen Kriegsgegner war sie bis zum Zusammenbruch des Regimes überzeugt.92 Nach dem Krieg spielte – um an dieser Stelle vorzugreifen – das Amt von Uhlirz als „Gaurednerin“93 im Prozess ihrer Entnazifizierung eine wichtige Rolle. Zu „Gaurednern“ oder auch „Gauparteirednern“ gibt es bis heute praktisch keine tiefergehende Forschung, insbesondere nicht zu Frauen in dieser Funktion. Die Position wurde offenkundig vorrangig von Männern ausgeübt, die vom jeweiligen Gaupropagandaamt aufgrund ihrer Expertise in verschiedenen Fachdisziplinen und Wissenschaftsgebieten als 89 90 91 92 93

Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Kunde, Uhlirz, 480. Vgl. ebd., 483. Handschriftlicher Amtsvermerk ohne Datum, GStA, Reg. III/998, zit. n. Zettelbauer, Nation, 396.

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im Sinne der NS-Propaganda geeignet ausgewählt worden waren. Als Personalpool für Propagandazwecke in Form von Personen-Karteien oder -listen in Evidenz gehalten, wurde diese Gruppe von ExpertInnen auf Ortsgruppen-, Kreisoder Gauebene für Vorträge und bei Veranstaltungen von NS-Partei-Gliederungen und -Verbänden herangezogen.94 Mathilde Uhlirz’ breite Vortragstätigkeit für Parteizwecke entsprach dem Profil von GaurednerInnen auch schon deutlich vor dem von ihr im NS-Registrierungsakt nach Kriegsende angegebenen Beginn ihrer Propagandatätigkeit, den sie auf das Jahr 1944 datierte. So lässt sich belegen, dass sie schon im März 1942 vor Vertreterinnen der NS-Frauenschaft sprach,95 bei Veranstaltungen und Schulungen des Bundes Deutscher Mädel (BDM) auftrat96 oder vor der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) vortrug.97 Auch im Rahmen von Fortbildungskursen für steirische LehrerInnen hielt sie antisemitische, rassistische und das NS-Regime historisch legitimierende Vorträge.98

3.)

Blindstellen auto/biografischer Rekonstruktionen und deren Überbrückung (1945–1966)

In den letzten Monaten des Krieges arbeitete Uhlirz als Rot-Kreuz-Schwester im Einsatz für die Wehrmacht, wurde in dieser Funktion zu Kriegsende verhaftet und nach Salzburg in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager überstellt, aus dem sie im Sommer 1945 wieder entlassen wurde. Ihre Hoffnung auf eine baldige Rückkehr an das Mädchenlyzeum erfüllte sich nicht, mit Kriegsende war auch ihre universitäre Karriere zu Ende. Die Universität aberkannte ihr die venia legendi und strich in der Folge alle finanziellen Bezüge.99 Uhlirz war zu diesem Zeitpunkt 64 Jahre alt, politisch wie wissenschaftlich degradiert, obdachlos100 94 Vgl. Reichsorganisationsleiter der NSDAP (Hg.), Organisationsbuch der NSDAP, 7. Auflage, München 1943, 299–300. Zur Funktion eines „Gauredners“ in der Frühphase der NSDAP in der Steiermark siehe: Georg Gänser, NS-Propaganda in der Formierungsphase der steirischen NSDAP, unveröff. Diplomarbeit, Universität Graz 2011, 13, 19–20. Für eine exemplarisch überlieferte Sammlung einer derartigen Kartei von auch in der Hitlerjugend aktiven Vortragenden im Gau Kärnten siehe: Rednerfragebögen der NSDAP Gau Kärnten (1943). Arhiv Republike Slovenije (SI AS) 1611, K. 15, Umschlag IV. 95 Vgl. Steirisches Kreisfrauenschaftsleiterinnen-Treffen, Völkischer Beobachter, 29. 3. 1942, 7. 96 Vgl. Fast 600 neue Helferinnen in der Steiermark, Völkischer Beobachter, 3. 10. 1941, 4. 97 Vgl. Studentinnen-Tagung, Tagespost, 12. 5. 1943, 3. 98 Vgl. Karl Hermann, Bericht über den zweiten fachlichen Fortbildungskurs für Lehrer an Höheren Schulen in St. Lambrecht, in: Schule und Gemeinschaft (1943) 9, 287–297, 288–289. 99 Vgl. Höflechner, Mathilde Uhlirz, 203; Zettelbauer, Nation, 396. 100 Uhlirz berichtete im Herbst 1945 an die ÖAW, dass sie „obdachlos“ sei, da eine „polnische Familie“ ihr den Zutritt zu ihrer Bibliothek „mit Gewalt“ verwehre. Vgl. ÖAW, Korr. O. III., fol. 20v, zit. n. Kunde, Uhlirz, 485.

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und wirtschaftlich zunächst ohne Absicherung. Mitte September 1945 stellte sie beim Steiermärkischen Landesschulrat den Antrag, aufgrund ihres Dienstalters und geschwächten Gesundheitszustandes in den dauernden Ruhestand versetzt zu werden. Der zuständige Beamte notierte auf ihrem Antrag „Entlassung“ und vermerkte, dass Uhlirz „Gaurednerin“ und eine „fanatische Nationalsozialistin“ gewesen sei.101 Mit ihrem Gesuch kam Uhlirz ihrer vorläufigen Enthebung aus dem Schuldienst zuvor, diese wurde per Bescheid am 25. September 1945 ausgesprochen.102 Im Zuge der geltenden Registrierungspflicht meldet sie zwar korrekt ihre gültige NSDAP-Mitgliedschaft und ihre Funktion als „Gaurednerin“, schränkte letztere jedoch entgegen der tatsächlich zeitlich deutlich länger bestehenden Propagandatätigkeit für die Partei auf die letzten beiden Kriegsjahre und eine angeblich ausschließliche Verwendung in der NS-Frauenschaft ein.103 Unter Unterschlagung ihrer illegalen Tätigkeit im NSLB ersuchte sie zudem um „Löschung aus dem NS-Register“104 mit der Begründung, dass sie erst nach dem „Anschluss“ eine NSDAP-Mitgliedschaft beantragt, niemals einen Vorteil aus ihrer Parteimitgliedschaft erfahren habe und lediglich einige wenige Male zu Vorträgen herangezogen worden sei. Als Nachweis ihrer österreich-patriotischen Haltung führte sie ihre langjährigen Forschungen zur Österreichischen Geschichte an.105 Mit Jahresende 1945 wurde Uhlirz definitiv aus dem Mittelschuldienst entlassen, wobei sich in der Folge eine Debatte darüber entspann, ob sie zu den „Minderbelasteten“ zu zählen sei bzw. ob ihre vom Sichtungsausschuss des Landesschulrates angeordnete Entlassung überhaupt rechtmäßig erfolgt war – und nicht nur provisorisch ausgesprochen hätte werden dürfen, weil in Uhlirz’ Fall keine illegale Betätigung erwiesen war. Der Landesschulrat drängte in der Folge mehrfach auf eine staatspolizeiliche Untersuchung. Schlussendlich wurde ihre Entlassung aufgrund mangelnder Hinweise auf Illegalität106 Anfang November 1946 als rechtswidrig aufgehoben und ihr Fall neu aufgerollt. Im März 1948 wurde sie unter Anrechnung ihrer Dienstzeiten von 1938 bis 1945 endgültig in den Ruhestand versetzt.107

101 Handschriftlicher Amtsvermerk am Brief von Mathilde Uhlirz an den steiermärkischen Landesschulrat, 13. 9. 1945, StLA, LSR, Personalakt Mathilde Uhlirz, GZ III Ui 1, zit. n. Zettelbauer, Nation, 396. 102 Vgl. Zettelbauer, Nation, 395–397. 103 Vgl. ebd., 395. 104 Mathilde Uhlirz, Gesuch um Löschung von der Liste der registrierten NationalsozialistInnen, 20. 10. 1945, GStA, Reg. III/998, zit. n. Zettelbauer, Nation, 395. 105 Vgl. ebd. 106 Amtsvermerk vom 4. 11. 1946, StLA, LSR, Personalakt Mathilde Uhlirz, GZ III Ui 1, zit. n. Zettelbauer, Nation, 396. 107 Vgl. ebd.

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In dieser für sie vor allem auch wirtschaftlich prekären Zeit bis 1948 bot ihr die wissenschaftliche Betätigung – offenkundig auch finanziell – erneut Rückhalt. Es gelang Uhlirz, einen Teil ihrer persönlichen Habe zurück zu bekommen und sie nahm auch die 1942 begonnene und ihr nach Kriegsende teilweise wieder übertragene Editionstätigkeit für die ÖAW auf. 1951 versuchten die Ordinarien Karl Eder (Neuzeit), Heinrich Appelt (Mittelalterliche Geschichte und Hilfswissenschaften) sowie Hermann Wiesflecker (Österreichische Geschichte) am Grazer Historischen Seminar die Wiederverleihung der venia docendi für Uhlirz zu erreichen und setzten sich für ihre Ernennung zur Honorarprofessorin ein. Dies scheiterte am Alter der inzwischen 70-Jährigen sowie an ihrem eigenen Verzicht – wohl wissend, dass aufgrund ihrer NS-Vergangenheit keine einstimmige Befürwortung des Antrags zu erwarten gewesen wäre. Uhlirz publizierte ungebrochen bis zwei Jahre vor ihrem Tod, wobei diese späten Arbeiten – etwa die „Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto III.“ (erschienen 1954), die „Regesten des Deutschen Reiches“ ebenfalls zu Otto III. sowie die Neuauflage des „Handbuchs der Geschichte Österreich-Ungarns“ bis 1526 (publiziert 1963) – bis heute anerkennend als Quintessenz ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit betrachtet und als nach wie vor gültige Grundlagen der Ottonenforschung anerkannt werden.108 Darin – wie auch in ihren anderen zeitlebens publizierten Schriften – positionierte Uhlirz sich klar in der Tradition des Historismus und folgte dem Primat der Politikgeschichte.109 Ihre nach 1945 wieder ausschließlich auf das Mittelalter konzentrierte Forschung lässt sich als Rückkehr in eine weitgehend „entpolitisierte“ Geschichtsforschung lesen. Dies dokumentieren auch die ihr nach 1945 zuerkannten zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen.110 Uhlirz starb am 20. April 1966 und wurde im niederösterreichischen Melk begraben.

IV.

Verflochtene Biografien und präfigurierte Lesarten. Anmerkungen zum wissenschaftlichen wie erinnerungspolitischen Diskurs im Fall Mathilde Uhlirz

Die auf den ersten Blick irritierende Verflechtung ihrer Biografie mit jener ihres Vaters, die sich in zahlreichen öffentlich-politischen wie wissenschaftlich-biografischen Annäherungen an Mathilde Uhlirz findet,111 kann letztlich als Produkt 108 Vgl. Kunde, Uhlirz, 482, 486–487. Zum vollständigen Publikationsverzeichnis vgl. ebd., 487– 488. 109 Vgl. Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 306; Zettelbauer, Nation, 397. 110 Vgl. Zettelbauer, Nation, 397; Höflechner, Mathilde Uhlirz, 204. 111 Darauf, dass die im Fall von Uhlirz von der EKSN vorgeschlagene Rückbenennung auf Vater Karl kein Einzelfall ist, lässt sich mit Blick auf Florian Wenningers systematische Analyse des österreichischen Umgangs mit nationalsozialistisch belasteten Figuren im öffentlichen

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von Uhlirz’ eigenem autobiografischem Narrativ angesehen werden.112 Dabei zeigt sich, dass besonders die auf Anfrage in einem Sammelband mit Porträts österreichischer HistorikerInnen von Mathilde Uhlirz verfasste und 1951 erschienene wissenschaftliche „Selbstdarstellung“ viele spätere biografische Annäherungen an ihre Person präfiguriert. Diese Selbsterzählung ist nicht nur über weite Strecken von der Erinnerung an ihren Vater dominiert, sondern spiegelt, ganz im Gegensatz zu den im Band vertretenen männlichen Fachkollegen, auch eine höchst defensive Schilderung ihrer eigenen wissenschaftlichen Laufbahn wider. Dies mag ein Ergebnis ihres politischen Geschlechterbildes sein, verweist aber wohl auch auf eine Strategie, jedweder Kritik gegen sie als Wissenschafterin vorauseilend den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bei näherer Betrachtung lässt sich die in ihrer autobiografischen Darstellung praktizierte, defensive, vorrangig auf die Biografie ihres Vaters konzentrierte Erzählung auch als narrative Strategie der Selbstbehauptung deuten. Uhlirz erzeugte darin jedenfalls die Idee eines familiären Raumes, in dem sie ganz selbstverständlich in einem hochkarätigen wissenschaftlichen Umfeld aufwachsen konnte. Über den Umweg ihres Elternhauses konnte sie auf diese Weise eine „natürliche“ Teilhabe am symbolischen Kapital der Historikerzunft behaupten und zugleich eine ganz in Einklang mit gängigen Geschlechterrepräsentationen als „natürlich gewachsen“ interpretierte „gelehrte Tätigkeit als Inhalt [ihres] Lebens“113 offen beanspruchen.114 Gerade diese Selbststilisierung als „Hüterin des väterlichen Erbes“115 verweist zugleich auf ein Spannungsfeld zwischen völkischer Geschlechterideologie und Uhlirz’ Versuchen, in diesem Kontext Raum für einen eigenen intellektuellen Lebensentwurf zu finden: „Weibliche Intellektualität und weibliches Forschungsinteresse, die sichtbare Präsenz von Frauen im Wissenschaftsbetrieb, der sich als gesellschaftliche Elite inszenierte, hatten in der völkischen (Geschlechter-)Ideologie nicht nur keinen Platz, sondern erscheinen der [späteren] NS-Ideologie zufolge geradezu als unangebrachte ‚tragische Gabe des Schicksals‘.“116

Die von Uhlirz an den Tag gelegte defensive Haltung geht maßgeblich auch auf die von ihr affirmierte völkisch-nationale respektive nationalsozialistische Geschlechterordnung zurück.

112 113 114 115 116

Gedächtnis belegen. So scheinen halbherzige und unpräzise Umbenennungen durch Weglassen von Vornamen und damit Strategien der Entpersonalisierung an der Tagesordnung zu sein. Vgl. Wenninger, Widmung, 124–127. Vgl. Zettelbauer, Nation, 397–412. Uhlirz, [Selbstdarstellung], 238. Vgl. Zettelbauer, Nation, 399–401. Ebd., 391. Ebd.

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Ohne an dieser Stelle weiter auf Uhlirz’ Selbsterzählungsstrategien einzugehen – dies erfolgte bereits an anderer Stelle117 – erscheint für den hier diskutierten Zusammenhang vor allem die retrospektive Ausblendung bestimmter lebensgeschichtlicher Aspekte aus ihrer autobiografischen Schilderung von besonderem Interesse: diese betreffen erstens die Nicht-Thematisierung der hegemonialen Geschlechterordnung und die damit verbundenen kulturell wie strukturell bedingten notwendigen „Umwege“ ihrer Karriere als Frau im akademischen Feld. Zweitens beziehen sich diese Lücken auf die ihre Berufslaufbahn zwanzig Jahre lang prägende Lehrtätigkeit in der Schule, womit Uhlirz wohl auch eine Höherbewertung ihres Gelehrtendaseins zum Ausdruck brachte. Drittens bildet ihre gesamte Lehr- und Forschungstätigkeit während der NS-Zeit eine Leerstelle – diese wird in ihrem Selbstnarrativ von 1951 bis auf einen einzigen Hinweis auf das Jahr 1939 mit ihrer Ernennung zur außerplanmäßigen Professorin stillschweigend übergangen. Die dagegen umfangreiche Darstellung der Biografie ihres Vaters dient einerseits der Zurückweisung eines weiblichen Opferstatus im Wissenschaftsbetrieb, betont andererseits aber ihre Selbstdefinition als Wissenschafterin – und eben nicht als Lehrerin. Zudem verfolgte sie damit zweifellos den Zweck, eine in der Nachkriegszeit unliebsame NS-Vergangenheit autobiografisch zu überblenden.118 Mathilde Uhlirz’ Selbsterzählungsstrategien wurden in der Mitte der 1980erJahre einsetzenden biografischen Forschung zu ihrer Person nur bedingt berücksichtigt und überhaupt nur in den einschlägigen geschlechterhistorischen Untersuchungen zur Sprache gebracht.119 Die der Empfehlung der EKSN zum Umgang mit der Grazer Uhlirzgasse zugrunde gelegte biografische Aufarbeitung beruht dagegen vorrangig auf der wissenschaftshistorischen Abhandlung von Johannes Holeschofsky. Dieser dekonstruiert die oben skizzierten Funktionen in Mathilde Uhlirz’ „Selbstdarstellung“ von 1951 nicht und affirmiert vielmehr die von Uhlirz durchaus strategisch eingesetzten Geschlechterstereotypen. Auf diese Weise reproduziert Holeschofsky – möglicherweise ungewollt – ein stereotypes bürgerliches Geschlechtermodell, in welchem dem männlichen Part des Vaters die Rolle des kreativen, genialen und intellektuellen Wissenschafters zufällt, wohingegen dem weiblichen Part der Tochter die Rolle der „Zuarbeiterin“, „Hilfskraft“ und „Sammlerin“ bleibt, welche nach dem Tod des Vaters als Verwalterin des väterlichen Erbes fungiert und dessen Lebenswerk fortschreibt.120 Mit erstaunlicher Beharrlichkeit negiert Holeschofsky jede Form von Agency im autobiografischen Schreiben von Mathilde Uhlirz und übernimmt die von ihr 117 118 119 120

Vgl. Fußnote 2. Vgl. Zettelbauer, Nation, 402. Vgl. Perchinig, Situation; Mazohl-Wallnig, Uhlirz; Kunde, Uhlirz; Zettelbauer, Nation. Vgl. Zettelbauer, Nation, 402–406.

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präfigurierten Deutungen weitgehend unreflektiert. Handlungsfähigkeit scheint lediglich in ihrem politischen Engagement für das NS-Regime aufzukommen, wenn Holeschofsky sie unter Berufung auf Erika Weinzierl – ob er Letztere als Zeitzeugin oder Zeithistorikerin an dieser Stelle zitiert, bleibt offen – als „Nationalsozialistin bis zum Lebensende“121 bezeichnet.122

V.

Resümee

Die aktuelle geschlechtersensible Auto/Biografieforschung plädiert, wie eingangs angesprochen, vor allem dafür, Diskrepanzen und Irritationen zwischen archivalisch fassbaren Spuren einerseits und auto/biografischen Narrativen andererseits gerade nicht zu überbrücken, sondern produktiv in den Analyseprozess miteinzubeziehen.123 Aus einer solchen Perspektive verweisen die großen Leerstellen von Uhlirz’ Selbstdarstellung nach 1945 politisch gesehen vor allem auf ihre lange und nachhaltige Verankerung im völkischen respektive nationalsozialistischen Milieu. Uhlirz unterstützte offensiv antidemokratische, antifeministische und anti-intellektuelle Haltungen. Während sie als Wissenschafterin in der Zwischenkriegszeit und im NS-Regime in hohem Maß mit einer Beschränkung ihrer Handlungsradien konfrontiert war, sicherte ihr ihre völkisch-national(sozial)istische Haltung gleichzeitig ein Stück weit die Teilhabe an der Macht, die Anerkennung eines Teils ihrer Kollegenschaft, ermöglichte ihr 121 Holeschofsky, Karl und Mathilde Uhlirz, 307. 122 Vgl. dazu auch die Besprechung der biografischen Aufarbeitung von Karl und Mathilde Uhlirz als „Doppelbiografie“ bei Zettelbauer, Nation, 402–414. 123 Vgl. Dausien, Repräsentation, 179–211. Neuere Studien tragen dem äußerst produktiv Rechnung, vgl. Johanna Gehmacher/Elisa Heinrich/Corinna Oesch, Käthe Schirmacher: Agitation und autobiografische Praxis zwischen radikaler Frauenbewegung und völkischer Politik, Wien/Köln/Weimar 2018; Annika Spilker, Geschlecht, Religion und völkischer Nationalismus. Die Ärztin und Antisemitin Mathilde von Kemnitz-Ludendorff (1877–1966) (Geschichte und Geschlechter 64), Frankfurt/New York 2013; Heidrun Zettelbauer, Unwanted Desire and Processes of Self-Discipine. Autobiographical Representations of the Reichsarbeitsdienst Camps in the Diary of a Young Female National Socialist, in: zeitgeschichte 45 (2018) 4, 537–574; Dies., Das nationale Erweckungserlebnis Ida Maria Deschmanns, geschildert im Jahre 1919. Oder: Vom Ein/Schreiben lebensgeschichtlicher Ereignisse in einen nationalen Bezugsrahmen, in: Margit Franz/Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht/Karin M. Schmidlechner/Eduard G. Staudinger/Monika Stromberger/Andrea Strutz/Werner Suppanz/Heidrun Zettelbauer (Hg.), Mapping Contemporary History – Zeitgeschichten im Diskurs, Wien/Köln/Weimar 2008, 203–242. Dies., Landkarten der Radikalisierung und völkische Geschlechteridentitäten. Selbsterzählungen von Edith Gräfin Salburg (1868–1942), in: Daniel Schmidt/Michael Sturm/Massimiliano Livi (Hg.), Wegbereiter des Nationalsozialismus. Personen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten zwischen 1918 und 1933 (Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte 19), Essen 2015, 195–220.

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den langersehnten karrierebezogenen Aufstieg und erlaubte ihr eine Abgrenzung und Ausschaltung von unliebsamer Konkurrenz.124 In einer Zeit, in der die Figur der Wissenschafterin kaum vorgesehen war,125 verweist Uhlirz’ Biografie somit auf den äußerst fragilen Status weiblicher Subjekthaftigkeit im männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb – in einem kulturellen Feld mit quasi zölibatären Strukturen, in dem zwar wissenschaftliche „Ziehsöhne“, aber offenkundig keine „Ziehtöchter“ vorgesehen waren. Wiederholt wurde ihr qua Geschlecht die Anerkennung entzogen, was v. a. auf die misogynen strukturellen Gegebenheiten des Universitätsbetriebs verweist. Uhlirz lediglich als „Opfer“ universitärer Strukturen zu begreifen, greift dennoch zu kurz: Immerhin changierte ihr Status zwischen einer überzeugten Unterstützerin und einer Profiteurin des NS-Regimes. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten als Frau profitierte sie persönlich von den neuen Machtverhältnissen an der Universität, welche ihr den angesprochenen Karriereschub ermöglichten.126 Es gilt – gerade auch in der aktuellen erinnerungspolitischen Debatte – diese prinzipielle Ambivalenz, die sowohl ihrer Lebensgeschichte als auch Selbsterzählung eingeschrieben ist, nicht einfach auszublenden oder durch einen besänftigenden Umgang zu kompensieren. Mit Blick auf die erfreulicherweise seit gut sechs Jahren in Gang gesetzte konstruktive Auseinandersetzung mit zeithistorisch „bedenklichen“ topografischen Bezügen im Grazer Stadtraum erscheint die Distanzierung von Mathilde Uhlirz als einer in hohem Maß in den Nationalsozialismus verstrickten Figur durchaus gerechtfertigt. Allerdings stellt sich die Frage, ob im Rahmen einer gegenwärtigen Benennungspraxis eine Brechung alter androzentrischer Muster gelingen kann, ohne reflexartig in eine „Rückbesinnung“ auf einen „ursprünglichen“ männlichen Namensgeber zu verfallen und im konkreten Fall Mathilde Uhlirz’ „Übervater“ Karl wieder ins Spiel zu bringen, der selbst in deutschnational-völkische und antisemitische Kreise involviert war und dessen spezifische Rolle in Mathilde Uhlirz’ Selbstnarrativ von der geschlechterhistorischen Forschung inzwischen eindeutig dekonstruiert wurde.127 Auf welche Weise wäre es möglich, dem in den 1990er-Jahren sichtbar gewordenen Bedürfnis nach einer 124 Vgl. Zettelbauer, Nation, 412–413. 125 Vgl. Heidrun Zettelbauer, Nationalsozialistische Studentinnen unter besonderer Berücksichtigung der Universität Graz. Versuch einer Bestandsaufnahme und bestehende Forschungsdesiderata, in: Georg Kastner/Ursula Mindler-Steiner/Helmut Wohnout (Hg.), Auf der Suche nach Identität. Festschrift für Dieter Anton Binder (Austria: Forschung und Wissenschaft. Geschichte 13), Wien 2015, 151–175. 126 Vgl. Zettelbauer, Nation, 413. 127 Wie Florian Wenninger zeigt, gehört auch ein „besänftigender“ Umgang zum Usus im Rahmen von Umbenennungen, indem einerseits zwar die Problematik einer Auseinandersetzung mit historisch bedenklichen Figuren in öffentlichen Diskursen anerkannt, andererseits aber eine tatsächlich konsequente Auseinandersetzung mit der Thematik oder Umbenennung vermieden wird. Vgl. Wenninger, Widmung, 124–127.

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geschlechtergerechten Benennungspraxis Rechnung zu tragen, ohne die Ambivalenz auto/biografischer Narrative auszublenden oder einen traditionellen, unreflektierten Rekurs auf PionierInnen fortzuschreiben? Das Fallbeispiel Mathilde Uhlirz belegt zweifellos ein breit geteiltes Bedürfnis nach möglichst homogenen, kohärenten biografischen Erzählungen als Grundlage geschichtsund gedächtnispolitischer (Interventions-)Praktiken – sowohl auf Ebene offiziell-kommunaler wie auf jener zivilgesellschaftlicher AkteurInnen. In Bezug auf Letztere belegt die in den 1990er-Jahren erfolgte biografische Neukodierung der Grazer Uhlirzgasse jedenfalls hinlänglich, dass beispielsweise feministisch-motivierte, partizipative Raumpraktiken Verschiebungen in der städtischen Erinnerungspolitik initiieren können – wenn auch zum Preis einer Affirmation hegemonialer Erinnerungspolitiken. Sowohl (feministisch-)künstlerische Praktiken128 als auch kultur-, gedächtnisund geschlechtertheoretische Analysen der letzten Jahrzehnte haben dahingegen gerade auf die häufig konflikthafte Aushandlungspraxis respektive permanente Überschreibung von Bedeutungen sowie auf hinter öffentlichen Erinnerungspraktiken liegende kulturelle Hegemonien129 verwiesen. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob und wenn ja, in welcher Form Straßenbenennungen gerade die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit von im Stadtraum präsenten Biografien von „Söhnen und Töchtern“ verdeutlichen und gleichzeitig vereinfachende biografische Einordnungen vermeiden können. Wie kann die Komplexität des „negativen Erbes“ in der städtischen Erinnerungskultur sichtbar und zugleich die virulente Frage thematisiert werden, was Straßenbenennungen mit der Gegenwart der BewohnerInnen der Stadt zu tun haben? Diese Aspekte werden – wenn auch nicht immer explizit – in den Positionierungen handelnder ProtagonistInnen sowohl auf Ebene der Politik und Zivilgesellschaft als auch auf Ebene der Wissenschaft im Kontext gegenwärtiger Debatten um Straßennamen immer mitverhandelt. Die Zunft der (Zeit-)HistorikerInnen – so hat es Rosemarie Beier-de-Haan gefasst – ist in der Spätmoderne dabei lediglich eine von vielen Instanzen im Feld der Public History.130 Es könnte produktiv sein, den in 128 So setzt sich etwa Sigrid Sigurdsson in ihrem Kunstprojekt Offene Archive explizit mit gedächtnistheoretischen Fragen auseinander, URL: https://sigrid-sigurdsson.de/archive (abgerufen 8. 4. 2021). Vgl. Hanna Hohl, Ein Lebensraum im Museum, in: Michael Fehr/ Stefan Grohé (Hg.), Geschichte-Bild-Museum. Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989, 212–218. 129 Vgl. Heidemarie Uhl, Kultur, Politik, Palimpsest. Thesen zu Gedächtnis und Gesellschaft, in: Johannes Feichtinger/Elisabeth Großegger/Gertraud Marinelli-König/Peter Stachel/Heidemarie Uhl (Hg.), Schauplatz Kultur – Zentraleuropa. Transdisziplinäre Annäherungen (Gedächtnis – Erinnerung – Identität 7), Innsbruck/Wien/Bozen 2006, 25–35. 130 Vgl. Rosmarie Beier-de Haan, Erinnerte Geschichte – Inszenierte Geschichte. Ausstellungen und Museen in der Zweiten Moderne (Edition Zweite Moderne), Frankfurt am Main 2005, 38–47.

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geschichtswissenschaftlichen sowie kunst- und kulturtheoretischen Diskursen präsenten Anspruch einer kritischen Reflexion der je eigenen Bedingungen der Wissensproduktion auch in öffentlichen gedächtnispolitischen Debatten als Metaebene offensiv zu thematisieren. Zugleich gilt zu berücksichtigen, dass HistorikerInnen mit ihren spezifisch verobjektivierenden und häufig auf Deutungshoheit abzielenden Beiträgen im Rahmen öffentlicher historischer Wissensproduktion auch selbst immer intervenierende AkteurInnen sind.

Lisa Rettl*

Von halben Sachen und Wahrheiten. Die Botanikerin Lore Kutschera, der Nationalsozialismus und der große blinde Fleck

I.

Vorbemerkungen

„Ich will nichts Halbes in meinem Leben haben und tun. Wir wollen doch alle nichts Halbes sein. Also müssen wir uns als Botaniker mit dem Ganzen befassen.“1 Kaum ein Zitat wurde in der Forschungsliteratur häufiger bemüht als dieses, um die am 16. August 2008 verstorbene Kärntner Botanikerin, Pflanzensoziologin und Agrarwissenschafterin Lore Kutschera zu porträtieren. Es erscheint daher als besondere Ironie, dass bisherige Darstellungen zu ihrem Leben gänzlich ohne politische Kontextualisierung auskamen. Ohne an dieser Stelle einen detaillierten Überblick über die Forschungsliteratur geben zu können, lässt sich feststellen, dass die akademische Tradierung von Lore Kutscheras Geschichte maßgeblich von einer tendenziell unkritischen Kärntner Landesgeschichtsschreibung geprägt wurde. Ein Großteil der bisher erschienenen Texte stammt aus der Feder von ehemaligen KollegInnen und MitarbeiterInnen im Rahmen von Festschriften oder Nachrufen.2 Andere biografische Texte wiederum wurden für frauengeschichtliche Überblickswerke verfasst, wo Kutschera (manchmal fälschlicherweise als Kutschera-Mitter3) vor* Dieser Text entstand im Rahmen eines Arbeitsstipendiums für freischaffende WissenschafterInnen des Landes Kärnten (2020). Eine kürzere Textversion erschien im Februar 2021: Lisa Rettl, Vom Freilegen der Wurzeln. Zur politischen Geschichte der Kärntner Botanikerin, Pflanzensoziologin und Wurzelforscherin Lore Kutschera, in: Alexandra Schmidt (Hg.), Klagenfurterinne(R)n. Eine frauengeschichtliche Spurensuche, Klagenfurt 2021, 299–311. 1 Wolfgang Böhm, Lore Kutschera. Ein Leben für die Wurzelforschung, Göttingen 2010. 2 Exemplarisch: Monika Sobotik/Roland Albert, Eleonore Kutschera (1917–2008). Ein Leben für die Pflanzenwurzeln. Ein Nachruf in: Schriften d. Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse 142 (2008), 107–111; Andreas Kleewein, Landschaft und Landwirtschaft in Keutschach am See um 1950. Ein bildlicher Einblick der Botanikerin Lore Kutschera (= Ausstellungsdokumentation im Rahmen der gleichnamigen Sonderausstellung), Keutschach am See 2019. 3 Franz Speta, Kutschera-Mitter Eleonore, in: Brigitta Keintzel/IlseKorotin (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich, Wien/Köln/Weimar 2002, 432–436. Bei dem angegebenen Doppelnamen handelt es sich um eine fehlerhafte Angabe, da Kutschera nach ihrer 1942

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wiegend als Pionierin einer frühen weiblichen Naturwissenschaftskarriere vorgestellt wird.4 Erstaunlich ist dabei, wie beharrlich sich die historiografische Lücke um Kutscheras politische Vergangenheit als Nationalsozialistin bis zur unmittelbaren Gegenwart fortschrieb. Rezente Straßenbenennungen belegen dies: Obwohl diesbezüglich mittlerweile ein gesteigertes Problembewusstsein zu konstatieren ist, wurden sowohl in Klagenfurt (2014) als auch in Wien (2018) Straßen nach Lore Kutschera benannt – kurioserweise just nach vorangegangen Forschungsprojekten, die kritische Straßennamen auf ihre Demokratietauglichkeit und allfällige NS-Verbindungen hin überprüft hatten.5 Ob es im Zuge der 2014 erfolgten Klagenfurter Straßenbenennung jemals zu einer zeitgeschichtlichen Überprüfung kam, ließ sich nicht eruieren.6 Fakt ist, dass schon die Eckdaten von Kutscheras Lebens zu einer intensiveren Auseinandersetzung hätten Anlass geben können. Summa summarum wird jedenfalls deutlich, dass sich der Wunsch nach mehr Gendergerechtigkeit7 mitunter als problematische Sackgasse erweist: Nämlich dann, wenn Frauen in der Geschichte nicht als eigenständige politische Akteurinnen wahrgenommen werden oder empfohlene historische Vorprüfungen8 lediglich an der Oberfläche kratzen.

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erfolgten Eheschließung kein weiteres Mal heiratete. Bestätigt im Telefoninterview von Lisa Rettl mit Lore Kutscheras Nichte, Christa Molderings, Klagenfurt, 23. 3. 2020. Gesprächsprotokoll im Besitz der Verf. Karen Jürgens/Mathilde Schmitt, Lore Kutschera. Wurzelforscherin und Pflanzensoziologin, in: Heide Inhetveen (Hg.), Pionierinnen des Landbaus, Uetersen 2000, 111–115; Ilse Korotin (Hg.), biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Bd. 2 (I–O), Wien/Köln/Weimar 2016, 1876– 1877. Auf Kutscheras NS-Vergangenheit gibt es im Kontext der Klagenfurter Dr. Lore-KutscheraStraße bis dato noch keinen öffentlich sichtbaren Verweis. In Wien wird im Kontext des in Meidling gelegenen Lore-Kutschera-Weges auf die aktuellen Forschungsergebnisse im Rahmen reagiert, indem ihre Kurzbiografie in das in Arbeit befindliche Ergänzungsheft zu umstrittenen Straßennamen aufgenommen wird: Oliver Rathkolb/Peter Autengruber/Birgit Nemec/Florian Wenninger (Hg.), Umstrittene Wiener Straßennamen. Ergänzungsheft, Wien 2021 (Arbeitstitel). In Klagenfurt fand ein derartiges Überprüfungsprojekt 2005 statt, allerdings wurde der Abschlussbericht nie veröffentlicht. Vgl. Wilhelm Deuer, Die „Fachkommission fu¨ r die Klagenfurter Straßen- und Pla¨ tzenamen“. Ein Erfahrungsbericht eines Mitglieds mit Politik und Presse, in: Barbara Felsner/Christine Tropper/Thomas Zeloth (Hg.), Archivwissen schafft Geschichte. Festschrift für Wilhelm Wadl zum 60. Geburtstag, Klagenfurt 2014, 801–818. Vgl. dazu News Fakultät WiWi/Institut für Geographie und Raumforschung, Projekt zu Straßenbenennungen – Spiegel lokaler Gendersensibilität, Klagenfurt, 6. 8. 2015: In diesem Bericht wurde eine Straßenbenennung nach Kutschera dezidiert empfohlen. Vgl. https://www. aau.at/blog/uninews_44079 (abgerufen 26. 2. 2020). Im Historikerbericht über Wiens Straßennamen heißt es dazu: „Insbesondere bei personenbezogenen Straßennamen sollen objektivierbare Verdienste vorliegen, historische Vorabprüfungen durchgeführt sowie die migrantische Diversität und Gendergerechtigkeit berücksichtigt werden.“ Ausführlicher siehe URL: https://www.wien.gv.at/kultur/strassennamen/stra ssennamenpruefung.html (abgerufen 10. 3. 2020).

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Nicht einmal die Universität für Bodenkultur Wien, wo es Kutschera 1978 immerhin zur Ernennung einer außerordentlichen Professorin9 gebracht hatte, bildet hier eine Ausnahme: 2019 verzichtete die Universität im Rahmen der Feierlichkeiten „100 Jahre Frauenstudium“ in der online gestellten Jubiläumszeittafel nicht nur auf eine namentliche Erwähnung der BOKU-Pionierinnen, sondern setzte sicherheitshalber auch auf die Auslassung dreier Jahrzehnte: Demnach waren die Jahre 1936 bis 1965 mit drei politischen Systemen scheinbar folgenlos auf die Entwicklung weiblicher Wissenschaftskarrieren geblieben.10 Ähnlich kritiklos blieb eine im Juli 2020 auf Ö1 ausgestrahlte Radiosendung11, in der Kutscheras botanische Pionierleistungen gewürdigt wurden, ohne jedoch die dargebotenen Narrative und Erzählungen einer Überprüfung zu unterziehen. Im Folgenden wird es daher vorwiegend um die große biografische Lücke gehen, die die Geschichtsschreibung rund um Lore Kutschera bis heute prägt: ihre Jugend- und Studienjahre, ihre politische Arbeit für die NSDAP sowie Kutscheras spezifische Situation in der österreichischen Nachkriegszeit, die wiederum maßgeblich durch ihr Zerwürfnis mit ihrem einstigen Chef, dem Botaniker Erwin Aichinger, geprägt wurde. Wie zu sehen sein wird, begleiteten spezifisch weibliche Beschränkungen, aber auch Möglichkeiten ihren Weg.

II.

Kindheit und Jugend

Lore Kutschera wurde als Eleonore Anna Belani am 14. September 1917 in Villach geboren und wuchs in deutschnational geprägten Familienverhältnissen auf.12 Politik spielte am Familientisch sicherlich eine Rolle: Beide Elternteile stammten aus Böhmen, das politisch durch die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen tschechischer und deutschsprachiger Bevölkerung im Zuge des „Böhmischen Sprachenkonflikts“ geprägt war. Lore Kutscheras Vater, der 1879 in Prag geborene und in der Industrievorstadt Smíchov aufgewachsene Eduard Belani –

9 Exemplarisch siehe Website der Stadt Wien, URL: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lo re_Kutschera (abgerufen 10. 3. 2020). 10 Vgl. Eintrag Frauenstudium auf der Website der Universität für Bodenkultur Wien, URL: https://boku.ac.at/jubilaeum-100-jahre-frauenstudium/zeittafel (abgerufen 1. 2. 2020). Die Lücke erstaunt insbesondere angesichts der von Paulus Ebner begonnenen Aufarbeitungsarbeit, zumal sich in seiner Dissertation wichtige Hinweise zum Thema Frauenstudium in der NSZeit finden. Vgl. Paulus Ebner, Die Hochschule für Bodenkultur in Wien als Ort der Politik zwischen 1914 und 1955. Ein Beitrag zur österreichischen Universitätsgeschichte, phil. Diss., Universität Wien 2001, 76–77. 11 Die Wurzeln des Lebens. Pionier/innen der Botanik (= Radiokolleg), gestaltet von Ulrike Schmitzer. Gesendet am 20. 7. 2020 auf Ö1. 12 Ausführlicher vgl. Rettl, Freilegen, 276–278.

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später ebenfalls ein Parteigänger der NSDAP13 – hatte bei seiner Ankunft in Kärnten bereits einen sozialen Aufstieg erlebt: Als Sohn eines Eisengießermeisters hatte er es als „Deutscher“ bis zum Hochbauingenieur bei den k.k. österreichischen Staatsbahnen gebracht,14 wobei seine Eheschließung mit der 1881 in Deutsch-Gabel geborenen Fabrikantentochter Eleonore Anna Bitterlich wohl einen weiteren gesellschaftlichen Aufstieg markierte. Ein berufsbedingter Ortswechsel als Bahnbeamter hatte den Ausschlag dafür gegeben, dass das Ehepaar Belani in Kärnten gelandet war.15 Die familiären Verbindungen zur alten Heimat blieben jedoch trotz geografischer Distanz aufrecht, worauf Lore Kutschera (damals noch Belani) in ihrem 1942 handschriftlich verfassten Lebenslauf deutlich Bezug nahm: „Die großen Ferien verbrachte ich fast ausschließlich in Budweis und Nordböhmen, wo ich sehr früh den Kampf gegen die Tschechen kennenlernte.“16 In ihrer Kärntner Heimat kam Lore Belani zunächst mit der „Deutschen Freischar, Bund der Wandervögel und Pfadfinder“ in Kontakt – eine Organisation, die in Deutschland 1933 mit der Etablierung der NS-Herrschaft zwar verboten, von Lore Belani jedoch als wichtiges Element ihrer politischen Sozialisierung beschrieben wurde: Keineswegs hätte man bei der Deutschen Freischar „einen weltfernen Idealismus“ gepflegt, vielmehr habe sie hier – soweit nicht ohnehin „von den Eltern mitgegeben“ – „unser deutsches Volk in seinen Leistungen und Kulturgüter[n] verehren“ gelernt, zumal es bereits zuvor Gelegenheiten gegeben habe, die „völkische Kraft unserer Lieder und Spiele gegenüber den Einflüssen des Slovenentums“17 zu erproben.

13 Dies berichtet die Kärntner Volkszeitung. Kärntner Grenzlandblatt, 26. 7. 1939, 3. Oliver Rathkolb danke ich für den Hinweis, dass Eduard Belani nicht nur als Hochbauingenieur wirkte: So fungierte er auch als Fachschriftsteller in zahlreichen deutschnational und völkisch orientierten Zeitungen wie z. B. den „Freien Stimmen“ (Ausgaben vom 18. 8. 1933, 3; 22. 9. 1933, 3; 22. 8. 1937, 6), der „Kärntner Volkszeitung“ oder auch dem „Völkischen Beobachter“ (28. 1. 1944, 8; 31. 7. 1944, 6). Aufgrund der ihm bzw. seiner Frau gehörenden Fabriksanteile wurden die Texte üblicherweise gezeichnet als „Ing. E. Belani, Fabriksbesitzer“. Politisch aussagekräftig erscheint dabei vor allem ein Artikel in der „Volkszeitung“, worin berichtet wird, dass Belani nach dreijähriger wissenschaftlicher Arbeit ein Verfahren entdeckt habe, welches sich auch günstig auf die U-Bootwaffe auswirke. Lt. Bericht wurde sein Verfahren in Berlin „mit großem Interesse von der deutschen Kriegsmarine geprüft“, da im Fall einer positiven Auswertung „die deutschen U-Boote den anderen überlegen“ wären. Vgl. Volkszeitung. Kärntner Heimatblatt, 10. 7. 1937, 3. 14 Vgl. Almanach der k.k. österreichischen Staatsbahnen, Wien 1915, 30. 15 Ebd. 16 Lore Belani, handschriftlicher Lebenslauf, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III112411. 17 Ebd.

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Im Alter von zwölf Jahren profitierte Belani, die zunächst die Hauptschule besucht hatte, davon,18 dass im Schuljahr 1929 im Peraugymnasium die erste reguläre Mädchenklasse eingerichtet wurde,19 die wiederum von der Turnlehreˇ ebul als Klassenlehrerin geleitet wurde.20 Seit rin und Germanistin Katharina C ˇ ebul – besser bekannt in deutscher Namensschreiihrer Studienzeit verstand C bung als Käthe Tschebull – Turnen als völkische Aufgabe im Dienst des deutschen Volkskörpers, wobei sie den Turnunterricht nicht nur in praktischer, sondern im NS-Lehrerbund auch in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht über viele Jahre hinweg politisch prägte.21 Für Lore Belani kann Tschebull als eine der zentralen schulischen Bezugspersonen gelten: Es findet sich zwar in ihrem Lebenslauf aus dem Bestand des Bundesarchiv Berlins keine namentliche Erwähnung ihrer Turnlehrerin, wohl aber Erläuterungen zur besonderen Bedeutung des mit ihr erlebten Turnunterrichtes: „Seit 1932 arbeitete ich für die Bewegung und trat im März 1933 offiziell dem BDM bei. Ich baute mit einer Kameradin den jetzigen Untergau Villach und führte am Gymnasium die Auswahlmannschaft in Turnen, die der Kern für unsere BDM Arbeit wurde,“22 berichtete Lore Belani im März 1942 an das Rasseund Siedlungshauptamt der SS in Berlin. Damit lässt sich festhalten, dass Lore Belani im Alter von 15 Jahren aktiv für die „Bewegung“ zu arbeiten begann und ab März 1933 dem Bund Deutscher Mädel (BDM) auch offiziell angehörte.

III.

Lore Belani an der Wiener Hochschule für Bodenkultur (BOKU)

Erst durch den Kampf der Frauenbewegungen um Zugang zu höherer Bildung öffneten sich in Österreich ab 1897 die Türen zu Hochschulen und Universitäten und einzelnen Fakultäten. Die Möglichkeit zu studieren war der erste wichtige 18 Angaben zur Schullaufbahn in dem von Belani ausgefüllten Erbgesundheitsbogen an das Rasse- und Siedlungshauptamt SS, 30. 3. 1942. BArch Berlin/R 9361-III-112411. 19 Zur Geschichte der allgemeinen Mädchenbildung in Kärnten vgl. Alexandra Schmidt, „Die Welt steht aber nimmer lang, wenn die Weiber an die Schul’ kommen… “. Facetten der Frauen- und Mädchenbildung in Villach von der Frühen Neuzeit bis zum beginnenden 20. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Drautöchter. Villacher Frauengeschichte(n), Klagenfurt/ Celovec 2013, 40–64. 20 Slowenische Namensschreibung lt. Geburtsbuch, vgl. Matricula Online/Diözese Gurk/St. Jakob im Rosental (2. 1. 1885–13. 9. 1903). Die deutsche Namensschreibung hatte sie spätestens mit Studienbeginn 1923 in Wien angenommen. Vgl. dazu Archiv der Universität Wien, Nationale Katharina Tschebull, Wintersemester 1923. 21 Zu Tschebull vgl. Rettl, Freilegen, 301–302. 22 Handschriftlicher Lebenslauf von Lore Belani, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361III-112411.

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Schritt in Richtung Forschungskarriere, wenngleich sich Frauen ihren Platz in den Wissenschaften erst gegen viele weitere Hürden erkämpfen mussten. Zentral war die durch die Romanistin Elise Richter 1905 erfolgte erste Habilitation einer Frau an der Universität Wien,23 wo sich bis zum Jahr 1938 in mehr als drei Jahrzehnten nur zwölf weitere Frauen habilitierten. An der BOKU, wo Lore Belani im Wintersemester 1935/36 nach ihrer Matura zu studieren begann, war die Situation noch einmal anders: Wie an der Wiener Tierärztlichen Hochschule (TiHo) waren Frauen hier erst seit 1919 offiziell zum Studium zugelassen,24 sodass es bis 1944 dauerte, dass einer Frau die erste venia docendi verliehen wurde.25 Es war dies die 1913 in Klagenfurt geborene Else Jahn, deren Habilitation ihr jedoch 1945 auf Basis der geltenden Entnazifizierungsgesetze aberkannt wurde.26 Generell kam es in Hinblick auf die wissenschaftliche Entwicklung von Frauen durch den im März 1938 erfolgten „Anschluss“ – analog zur Vertreibung der jüdischen Studierenden und Lehrenden – zu einer tiefgehenden Zäsur: Mehr als die Hälfte der bis dahin habilitierten Frauen aller Fakultäten der Universität Wien musste 1938 flüchten. Gleichzeitig ergaben sich für jene Frauen, die nicht der Verfolgung ausgesetzt waren, durch die rassistischen Maßnahmen des NSRegimes sowie durch den Kriegseinsatz der Männer völlig neue Chancen und Karrieremöglichkeiten, die sie auch zu nutzen wussten: Teils als glühende Nationalsozialistinnen, teils als mehr oder weniger überzeugte Parteigängerinnen, denen auch nach 1945 mitunter beachtliche Karrieren gelangen.27 Lore Belani gehört zur Gruppe der Erstgenannten, die mit Studienbeginn an der BOKU auf ein ideologisch einschlägig vorgeprägtes Umfeld traf. Seit den frühen 1920ern war die österreichische Hochschulpolitik im Allgemeinen und die der BOKU im Besonderen durch einen offenen und gewalttätigen Antisemitismus geprägt. Im 23 Vgl. Elise Richter, Kurzporträt auf der Jubiläumswebsite der Stadt Wien: 650 plus Geschichte der Universität Wien, URL: https://geschichte.univie.ac.at/de/elise-richter (abgerufen 20. 2. 2020). 24 Zum Frauenstudium an der BOKU vgl. Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 74–76. 25 Vgl. 100 Jahre Hochschule für Bodenkultur in Wien 1872–1972, Bd. 1: 100-Jahr-Bericht, Wien 1972, 94. Für die Zusendung danke ich Peter Wiltsche. 26 Die 1913 in Klagenfurt geborene Else Jahn studierte Zoologie an der Universität Wien, wo sie 1939 promovierte. Der Wehrmachtseinsatz der Männer begünstigte auch ihre Karriere: Von der Universität Wien kam sie als wissenschaftliche Hilfskraft an die BOKU, wo sie sich als erste Frau mit einer forstwirtschaftlichen Arbeit 1944 an der Lehrkanzel fu¨ r Forstschutz und Forstentomologie habilitierte. Untersuchungen zu ihrer NS-Vergangenheit stehen noch aus. Die 1945 aberkannte Habilitation wurde ihr 1950 von der Universität Innsbruck neuerlich zuerkannt. Vgl. dazu Thomas L. Cech, Zum 90. Geburtstag von Prof. Else Jahn, in: Forstwirtschaft Aktuell 29 (2003), 40; Herbert Killian, Jahn Else, in: Keintzel/Korotin (Hg.), Wissenschafterinnen, 327–328. 27 Vgl. Lisa Rettl, Frauenwissenschaft (= Texttafel in der Dauerausstellung „Drautöchtergalerie“ im Villacher Rathaus, kuratiert von Alexandra Schmidt), Villach 2021.

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März 1933, zwei Monate vor dem Verbot der NSDAP durch das Dollfuß-Regime, war es an der BOKU angesichts der deutschen Reichstagswahl mit dem Sieg der Nationalsozialisten zu einer großen antiösterreichischen Kundgebung für den „Anschluss“ gekommen. Rund 80 Prozent der hier Studierenden sympathisierten mit der NSDAP, viele traten bereits in Parteiuniformen auf.28 Der Frauenanteil der Studierenden an der BOKU war zunächst gering: Er bewegte sich in der Ersten Republik stets unter fünf Prozent.29 Im Wintersemester 1935/36, als Lore Belani ihr Studium begann, waren insgesamt 360 HörerInnen inskribiert, davon 23 Frauen. Diese studierten durchwegs an der Abteilung für Landwirtschaft, wohingegen die Studienrichtungen Forstwirtschaft und Kulturtechnik auch weiterhin rein männliche Domänen blieben.30 Das heißt, die 23 Studentinnen an der Abteilung für Landwirtschaft entsprachen an der BOKU einem Frauenanteil von 6,4 Prozent. Ein Jahr später, im Wintersemester 1936/37, stieg der Frauenanteil auf 7,2 Prozent (26 Studentinnen von 360 HörerInnen),31 und – im Sommersemester 1939, als Lore Belani am 20. Juli ihr Studium mit dem Titel eines „Diplomingenieurs“ abschloss, belief sich der Anteil wieder in leicht abnehmender Tendenz auf 6,2 Prozent (19 Studentinnen von 307 HörerInnen).32 Erst mit Kriegsbeginn sollte es zu einer signifikanten Steigerung des Frauenanteils kommen, der an der BOKU 1944 auf nahezu 50 Prozent anwuchs33 – eine Zahl, die nicht zuletzt belegt, wie stark viele Frauen gerade am Bildungssektor von Nationalsozialismus und Krieg profitierten: SS- oder Wehrmachtseinsatz der Männer führte nicht nur an der BOKU und der TiHo Wien dazu, dass erstmals weibliche Absolventinnen in den wissenschaftlichen Personalstand aufgenommen wurden.34 Für Lore Belani, die zwischen 1935 und 1939 gemeinsam mit rund zwei Dutzend anderen Frauen an der BOKU studierte, ist festzuhalten, dass sie zu Recht noch zu den Vorreiterinnen des naturwissenschaftlichen Frauenstudiums gezählt werden darf: Zwar gehörte sie nicht zu den Pionierinnen, wohl aber zu den Vorkämpferinnen, die den steinigen Weg des Frauenstudiums für nachfolgende Generationen an der Hochschule ebneten.

28 Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 90. ¨ sterreichische Hochschulstatistik 1829 bis 1979, in: Geschichte und 29 Vgl. Judith Vo¨ llmecke, O ¨ sterreich 1829–1979, Bd. 2, Wien 1979, 89. Ergebnisse der zentralen amtlichen Statistik in O 30 Zahlen entnommen dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien, Bd. 1937, Wien 1938, 204. 31 Ebd. 32 Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien, Bd. 1939, Wien 1940, 378. 33 Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 162. 34 Zum Frauenstudium vgl. Lisa Rettl, Die Wiener Tierärztliche Hochschule und der Nationalsozialismus. Eine Universitätsgeschichte zwischen dynamischer Antizipation und willfähriger Anpassung, Göttingen 2019, 266–270.

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Eine 1927 durchgeführte Umfrage unter den BOKU-Lehrenden gibt einen Eindruck der männlich-professoralen Haltung gegenüber weiblichen Studierenden, die sie im Wesentlichen für nur „receptiv begabt“ hielten: Die Mehrheit war der Ansicht, dass Frauen keine besonderen Begabungen aufzuweisen hätten, weshalb sie lediglich als wissenschaftliche Hilfskräfte für den „Bürodienst“ brauchbar wären.35 Dieser Topos sollte Lore Belani nicht nur in ihrem Studium, sondern auch in ihrem späteren Berufsleben begleiten.

IV.

Lore Belani und ihre studentenpolitische Bilanz

1926 war in Wien der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) gegru¨ ndet worden, der binnen kurzer Zeit zur sta¨ rksten politischen Kraft innerhalb der Deutschen Studentenschaft (DSt) avancierte.36 Tatsächlich nahmen in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich antisemitische, antirepublikanische und o¨ sterreichfeindliche Tendenzen extremere Formen an als auf dem Boden der Hochschulen,37 wo o¨ sterreichische Studierende als politische Wegbereiter des Nationalsozialismus eine herausragende Rolle spielten. Die Studentenwahlen des Jahres 1931, in denen der NSDStB an allen o¨ sterreichischen Hochschulen und Universita¨ten die Mehrheit erreichte, lassen also eine bemer¨ sterreichs Studierende gehörten zu den kenswerte Tatsache zu Tage treten: O ersten gesellschaftlichen Gruppen, in denen „der Nationalsozialismus auf demokratischem Weg politische Hegemonie“38 erreichte. Wie das Leben der männlichen Komilitonen war auch weibliches Studienleben stark durch politische Aktivitäten und die vorherrschenden Rahmenbedingungen geprägt. Belanis Studienbeginn im Austrofaschismus fiel in eine Phase, die nationalsozialistische Studierende vorwiegend als „Repression“ erlebten: Nach den an allen Hochschulen stattfindenden antisemitischen Ausschreitungen der Jahre 1930 bis 1934, wo nationalsozialistische Studierende das Hochschulleben mit Terroranschlägen phasenweise völlig lahmgelegt hatten, führten die Maßnahmen des autoritären Dollfuß/Schuschnigg-Regimes ebenso wie die Ernüchterung über den missglückten nationalsozialistischen Putschversuch zunächst zu einer Beruhigung der Hochschulsituation, wenngleich nur an der Oberfläche: Die 35 Vgl. Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 75–76. 36 Rettl, Tierärztliche Hochschule, 60. 37 Elisabeth Klamper, Die Studenten und der „Anschluss“, in: Wien 1938, hg. v. Museum der Stadt Wien, Wien 1988, 179–185, 180. 38 Herbert Posch/Doris Ingrisch/Gert Dressel, „Anschluß“ und Ausschluss 1938. Vertriebene und verbliebene Studierende der Universita¨ t Wien (= Emigration – Exil – Kontinuita¨t. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung, Bd. 8), Mu¨ nster/ Wien/Berlin 2008, 94. Siehe auch Rettl, Tierärztliche Hochschule, 39–43.

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nationalsozialistischen Studierenden blieben auch in der Illegalität weiterhin aktiv.39 Dies gilt auch für die Nationalsozialistin Lore Belani, die auf hochschulpolitischer Ebene der BOKU eine führende Rolle zu spielen begann, auch wenn sich im Hochschularchiv dazu keinerlei Hinweise – nicht einmal Verwarnungen – finden: In den wenigen, hier erhaltenen Akten begegnet sie uns durchwegs als Musterstudentin, die sämtliche Staatsprüfungen mit „sehr gut befähigt“ abschloss.40 Auf ihre studentenpolitische Führungsrolle verweist hingegen ihr eigener Lebenslauf, wo sie kurz und bündig vermerkte: „Dort [an der BOKU, Anm. d. Verf.] übernahm ich im 2. Jahr die ANSt und arbeitete gleichzeitig im Wiener BDM.“41 Wann genau die Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt) an der BOKU politisch aktiv wurde, ist nicht eindeutig belegt. In Deutschland war die ANSt auf Veranlassung von Reichsstudentenbundführer Baldur von Schirach 1930 als Unterorganisation des NSDStB gegründet worden, wobei die nationalsozialistischen Studentinnen Deutschlands diese Organisationsform zunächst nur widerwillig akzeptierten, da diese „de facto den Ausschluss der Frauen aus dem NSDStB bedeutete mit dem Ziel, den weiblichen Einfluss auf Hochschulpolitik einzudämmen.“42 1938 charakterisierte Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel die ANSt als „Erziehungsgemeinschaft“, um die „Studenten so in die Arbeit der Hochschule einzugliedern, wie es ihrer Art als Frau entspricht.“43 Wie sich Belanis illegale politische Arbeit als ANSt-Führerin an der BOKU gestaltete, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur über Parallelquellen aus dem Umfeld der Wiener Tierärztlichen Hochschule erschließen. Demnach dürfte sie vor allem mit der Organisation von regelmäßigen Kameradschafts- und Liederabenden beschäftigt gewesen sein, ferner mit der Planung von Ausflügen und der Durchführung von Sommerlagern. Hermine Allgayer,44 Studentin an der 39 Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 108. 40 Anfragebeantwortung von BOKU-Archiv (Peter Wiltsche) an die Verfasserin, 9. 9. 2019. Im Besitz der Verf. 41 Handschriftlicher Lebenslauf von Lore Belani, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361III-112411. 42 Karin Fontaine, Nationalsozialistische Aktivistinnen (1933–1945). Hausfrauen, Mütter, Berufstätige, Akademikerinnen, Würzburg 2003, 95–96. 43 Gustav Adolf Scheel, Die Reichsstudentenführung. Arbeit und Organisation des deutschen Studententurns, Berlin 1938, 28, zit. n. Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 161. 44 Hermine Allgayer (1917–1952) gehörte 1939 als „jüdischer Mischling zweiten Grades“ zu den vertriebenen Studierenden der Tierärztlichen Hochschule. Lisa Rettl, „Es wäre mein sehnlichster Wunsch, mein Studium vollenden und meinen Beruf als Tierarzt ausüben zu können.“ „Jüdische Mischlinge“ an der Tierärztlichen Hochschule am Beispiel von Hermine Allgayer, in: Dies., Jüdische Studierende und Absolventen der Wiener Tierärztlichen Hochschule. 1930–1947. Wege – Spuren – Schicksale, Göttingen 2018, 121–153.

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TiHo, die mit den Kolleginnen an der BOKU eng kooperierte, berichtete dazu: „Es wurde besonders auf politische und weltanschauliche Schulung in den Kameradschaftsabenden geschaut. Im Lager auf Pflege der Gemeinschaft und der körperlichen Ertüchtigung. In den lustigen Abenden noch Unterhaltung.“45 Diese Beschreibung der ANSt-Tätigkeiten aus dem Wiener Hochschulalltag entspricht im Wesentlichen auch den theoretischen und praktischen Leitlinien, die Reichsreferentin Liselotte Machwirth für die ANSt im Jahr 1935 ausgegeben hatte: „Die junge Studentin kommt heute aus dem BDM und dem Arbeitsdienst aus allen Schichten des Volkes zu uns auf die Hochschule. Das bedeutet, sie hat Volksgemeinschaft, hat Nationalsozialismus erlebt. Nur auf dieser Grundlage kann unsere Schulungsarbeit erfolgreich aufbauen. Zu dem Erlebnis Nationalsozialismus bringt unsere weltanschauliche Schulung das Wissen um seine geistigen Grundlagen, immer in Verbindung mit praktischem Einsatz: Volkstumsarbeit (Grenzlanddienst), Frauendienst, NSV-Arbeit, Wanderungen, Sport. Denn nur so kann man der Gefahr des Zerredens wirksam begegnen.“46

Was Machwirth mit der „Gefahr des Zerredens“ andeutete, begegnet uns bei Kutschera im Bild des „weltfernen Idealismus“ – durchwegs begriffliche Gegenstücke zu einer „jüdisch“ gedachten Intellektualität, die wiederum die bestimmende Kontrastfolie zum nationalsozialistischen „Tatmenschen“ bildete. Als BDM- und ANSt-Führerin repräsentierte Belani dieses Selbstverständnis nachgerade idealtypisch: Mit großem Einsatz wirkte sie an der weltanschaulichen Erziehungsarbeit mit und sorgte für das „nationalsozialistische Erleben“ jüngerer Frauen und Mädchen. Ihr späterer Chef, SS-Obersturmbannführer Erwin Aichinger, fasste Kutscheras politische Bedeutung zwischen 1933 und 1938 in einem Gutachten für das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS 1942 prägnant zusammen und unterstrich damit auch ihre politische Relevanz: „Frl. Belani hat in der Kampfzeit den Landdienst der Hitler-Jugend für die gesamte Ostmark geführt.“47 Kutschera selbst beschrieb ihre Tätigkeiten in ihrem Lebenslauf etwas näher, womit sich auch eine deutlichere Vorstellung zum Ausmaß der gemeinhin als eher unbedeutend eingeschätzten weiblichen Beteiligung an der Etablierung der der NS-Herrschaft herausarbeiten lässt:

45 Ebd., 152. 46 Liselotte Machwirth, Aufgaben und Ziele der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt), in: NS-Frauenwarte 21 (1934/35), 650, zit. n. Haide Manns, Frauen für den Nationalsozialismus. Nationalsozialistische Studentinnen und Akademikerinnen in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Opladen 1997, 212. 47 R. u. S.-Fragebogen und Beurteilung von Lore Belani durch Erwin Aichinger, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III-112411.

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„Seit 1937 baute ich in der Ostmark im Rahmen des Grenzlanddienstes der studentischen Jugend und der HJ die Kindergärten auf und führte die kulturelle Schulung durch. Nach dem Umbruch wurde ich als Mädel-Ringführerin bestätigt und führte im Hort der RJF [Reichsjugendführung, Anm. d. Verf.] in der Befehlsstelle SO [Südost, Anm. d. Verf.] den Ostmarklanddienst und den ganzjährigen Landdienst. Nach Abschluss des Ostmarklanddienstes, in dem ich im Sommer 1938 5.500 Mädchen zum Einsatz brachte, widmete ich mich vollkommen dem Aufbau des ganzjährigen Landdienstes. Bis zum Frühjahr 1939 hatte ich über 700 Mädchen in Gruppen zusammengeführt, die ich mit Unterstützung der Gauleiter der Ostmark vorwiegend in den wirtschaftlich schwachen aber völkisch guten Gebieten einsetzen konnte. Am 15. Juni 1939 konnte ich meine Arbeit an die Obergaue übergeben und nahm wieder mein Studium auf. Am 21. Juli 1939 beendete ich mit der 3. Staatsprüfung die Hochschule für Bodenkultur.“48

Belanis politisches Wirkungsfeld war u. a. der nach dem „Anschluss“ kurzfristig eingerichtete Hort der Reichsjugendführung der Befehlsstelle Südost in Wien, wo der BDM im Rahmen der Hitlerjugend an den bereits laufenden Kriegsvorbereitungen mitwirkte.49 Zu Belanis weiterer Entwicklung in der NSDAP lässt sich keine nähere Aussage treffen. Zwar geht aus dem bereits mehrfach zitierten Bestand des Rasse- und Siedlungshauptamtes (RuSHA) hervor, dass sie auch Parteimitglied war (NSDAP Mitgliedsnummer 7.515732),50 allerdings lassen sich angesichts fehlender Bestände in der Zentral- bzw. Ortskartei der NSDAP im Bundesarchiv Berlin zeitliche Aspekte und die Umstände ihres Beitritts mit der relativ hohen Mitgliedsnummer nicht im Detail rekonstruieren.

V.

SS-Sippennummer 312375: Fräulein Belani und Herr Kutschera

Der für diesen Text herangezogene Quellenbestand mit Lore Belanis ausführlichem Lebenslauf entstand im März des Jahres 1942 im Rahmen detaillierter Vorgaben des in Berlin situierten Rasse- und Siedlungshauptamtes – und zwar im Kontext einer sogenannten Heiratsgenehmigung angesichts der beabsichtigten Eheschließung von Lore Belani mit dem SS-Mann Fritz (Friedrich) Wilhelm Kutschera.51 Rechtliche Grundlage für dieses im März 1942 eingereichte Hei48 Handschriftlicher Lebenslauf von Lore Belani, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361III-112411. Tatsächlich beendete Lore Belani ihr Studium nicht am 21. 7. 1939, sondern am 20. 7. 1939. Es war ihr Ehemann Fritz Kutschera, der sein Studium am 21. 7. 1939 beendete. 49 Zum Aufbau der RJF in der Ostmark vgl. Michael Buddrus, Totale Erziehung für den Totalen Krieg. Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik (Teil I), München 2003, 755. 50 R. u. S.-Fragebogen Lore Belani, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III-112411. 51 Fritz Kutschera war nach derzeitigem Kenntnisstand nicht verwandt mit dem Kärntner Gauleiter Franz Kutschera.

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ratsgesuch des Paares Belani/Kutschera war der von Heinrich Himmler 1931 ausgegebene „Verlobungs- und Heiratsbefehl“, der von grundlegender Bedeutung für die Vorstellung von der SS als nationalsozialistischer Eliteorden war.52 Konkret bedeutete der Befehl für alle heiratswilligen SS-Paare, dass alle männlichen SS-Angehörigen ab Jänner 1932 an das zuständige RuSHA ein Heiratsgesuch zu richten hatten, wobei die anschließend erteilte oder auch nicht erteilte Genehmigung „einzig und allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten“ entschieden wurde – und zwar mit dem erstrebten Ziel einer „wertvolle[n] Sippe deutscher Nordisch-bestimmter Art.“53 Sich zu verlieben, verloben und zu heiraten war also mitnichten noch eine Privatangelegenheit, sondern ein höchst politischer Akt, in der „vor allem die deutsche Frau als Hüterin der Art eine hervorragende Stellung einnimmt.“54 Seitens der betroffenen Paare bedeutete die Einreichung eines Heiratsgesuchs ein hohes Maß an Bereitschaft, sich einem zeitraubenden Verfahren mit intimsten Fragestellungen zu unterziehen: Ein Fragebogen musste ausgefüllt und ein Arzt aufgesucht werden, der bei Frauen die „Empfängnis- und Gebärfähigkeit“, bei Männern die „Zeugungsfähigkeit“ zu überprüfen hatte; der „Ahnennachweis“ musste mit einer Unzahl an Urkunden dokumentiert und dabei der Nachweis erbracht werden, dass es keinerlei jüdische Vorfahren gab. Neben diesen Angaben hatte die Braut auch Leumundszeugnisse vorzulegen, wozu auch ein vorgefertigtes Formular mit absurd anmutenden Fragen gehörte: Ist die Braut zuverlässig oder unzuverlässig? Kinderlieb oder nicht? Kameradschaftlich oder herrschsüchtig? Sparsam oder verschwenderisch? Häuslich, flatterhaft oder gar putzsüchtig? Sind Geisteskrankheiten oder Nervenleiden in der Familie bekannt, und ist die Braut eine zuverlässige Verteidigerin der nationalsozialistischen Weltanschauung55 – allesamt Fragen, die in Kutscheras Fall von ihrem Chef Aichinger beantwortet wurden. Den am 23. März 1916 in Innsbruck geborenen Fritz Kutschera, dessen mährische Vorfahren sich im 18. Jahrhundert noch gänzlich ungermanisch auf Tschechisch Kucˇera geschrieben hatten,56 lernte Lore Belani an der Hochschule kennen. Wie sie selbst, blickte auch ihr Verlobter auf langjährige Aktivitäten in

52 Verlobungs- und Heiratsbefehl von Heinrich Himmler, 31. 12. 1931, zit. n. Gudrun Schwarz, Eine Frau an seiner Seite. Ehefrauen in der „SS-Sippengemeinschaft“, Berlin 1997, 24. 53 Verlobungs- und Heiratsbefehl von Heinrich Himmler, 31. 12. 1931. zit. n. Schwarz, Frau an seiner Seite, 24. 54 Gottlob Berger, Die rassische und Erbbiologische Bedeutung des SS-Verlobungsbefehls der SS, in: NS Frauen-Warthe. Die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift (1937) 37, 854–866, zit. n. Schwarz, Frau an seiner Seite, 26. 55 Exemplarisch: Formblatt für Eleonore Anna Kutschera. BArch Berlin/R 9361-III-112411. Vgl. auch Schwarz, Frau an seiner Seite, 27. 56 SS-Ahnentafel Fritz Kutschera. BArch Berlin/R 9361-III-112411.

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verschiedenen Parteiorganisationen der NSDAP zurück – beginnend im Alter von 16 Jahren, als er in Innsbruck im Oktober 1932 der HJ beigetreten war.57 An der BOKU, wo er als „Fachgruppenleiter des N.S.D. Studentenbunds“58 fungierte, wurde er zumindest einmal aktenkundig, nämlich im Kontext einer Ruhestörung anlässlich des beabsichtigten Hochschülerstreiks vom 23. November 1937, wofür er seitens der Disziplinarkommission eine Verwarnung erhielt.59 Am 1. Februar 1938 trat er in die SS-Einheit 6/11 ein (SS-Nr. 297.420),60 am 21. Juli 1939, einen Tag nach Lore Belanis Studienende am 20. Juli, beendete auch Fritz Kutschera sein forstwirtschaftliches Studium und rückte unmittelbar danach als Freiwilliger in die Wehrmacht ein. Er absolvierte eine Fallschirmspringerausbildung, war am „Norwegenfeldzug“ beteiligt, erhielt jedoch im Zuge dessen lediglich das Eiserne Kreuz zweiter Klasse.61 Zum Zeitpunkt des Ansuchens um Ehegenehmigung besuchte er gerade die Offiziersanwärterschule in Wiener Neustadt, wo er dem Gebirgsjägerregiment 136 angehörte.62 In der Literatur über Lore Kutschera wird in Bezug auf ihren Mann üblicherweise von einem Soldaten gesprochen, der „Ende 1945“63 für vermisst erklärt wurde. Lore Kutschera wusste es freilich genauer: „Mein Mann gilt als Soldat seit 20. April 1945 als verschollen“64, hielt sie unter Bezugnahme auf das symbolträchtige Datum von Hitlers Geburtstag im Rahmen eines Lebenslaufes vom 14. Jänner 1961 fest, was unter den „Ehemaligen“65 als Botschaft wohl verstanden wurde: Nämlich dass es sich bei diesem Todesfall mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Suizid angesichts des bevorstehenden „Zusammenbruchs“ gehandelt hatte.66 Ziemlich genau 20 Jahre vor Abfassung dieses Lebenslaufes im Rahmen ihres bevorstehenden Rigorosums, im Frühjahr 1942, war Lore Belani noch mit der 57 Vgl. dazu R. u. S-Fragebogen Fritz Kutschera, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III112411. 58 Ebd. 59 Sitzung der Disziplinarkommission am 16. 12. 1937. BOKU-Archiv, Zl. 770/37. 60 Vgl. dazu R. u. S-Fragebogen Fritz Kutschera, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III112411. 61 Ebd. 62 Ebd. 63 Speta, Kutschera-Mitter Eleonore, 433. 64 Lebenslauf von Eleonore Kutschera, verfasst im Rahmen ihres Rigorosums, 14. 1. 1961. Archiv BOKU/Rigorosenakt Lore Kutschera, Zl. 883. 65 Zu einer ausführlichen Begriffsdefinition vgl. Margit Reiter, Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ, Göttingen 2019, 32–38. 66 Dies entspricht auch der Familientradierung, wobei bei den Nachfahren über Lore Kutscheras Ehemann wenig bekannt ist. Lore Kutschera hatte sich diesbezüglich eher bedeckt gehalten. Gesprächsprotokoll Christa Molderings, 23. 3. 2020. Richtungsweisende Arbeiten in Zusammenhang mit den begangenen Massensuiziden im April 1945 vgl. exemplarisch: Christian Goeschel, Suicide at the End of the Third Reich, in: The Journal of Contemporary History 41 (2006) 1, 153–173.

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aufwändigen Antragstellung zur Eheschließung beschäftigt: „Heirat […] kann nicht freigegeben werden, da noch sämtliche Unterlagen zum Verlobungs- und Heiratsgesuch fehlen“, lautete am 18. April 1942 die Hiobsbotschaft an ihren Verlobten, der sich zu diesem Zeitpunkt beim SS-Oberabschnitt Alpenland in Salzburg befand.67 Es dürfte sich also vor allem Lore Kutscheras Einsatz beim Zusammentragen der Unterlagen verdanken, dass die Heiratsgenehmigung schließlich überraschend schnell, nur wenig später am 4. Mai 1942, erteilt wurde.68 Da das in der SS praktizierte pseudogermanische Brauchtum eine Mitgliedschaft in der Kirche ablehnte, was sich in konsequenten Austritten aus der Kirche mit einem Bekenntnis zur „Gottgläubigkeit“ niederschlug69 – so auch bei Lore Kutschera und ihrem Mann – vollzog sich die Heirat des Paares ohne kirchlichen Beistand. Am 9. Mai 1942 wurde am Standesamt Villach die Eheschließung beurkundet,70 wo sich die Feierlichkeiten nach Himmlers Vorgaben im Rahmen einer „Eheweihe“ vollzogen hatten. Nach einer musikalischen Einleitung und der üblichen Verlesung von Nietzsches Gedicht über „Kind und Ehe“ hielt üblicherweise ein SS-Führer und Vorgesetzter, in diesem Fall aller Wahrscheinlichkeit nach Erwin Aichinger, die Festrede. Er übergab dem Paar das Buch „Mein Kampf“ sowie Salz und Brot, bis schließlich der jeweils Dienstälteste anwesende SS-Führer den abschließenden Festakt vornahm: die Aufnahme der Braut in die SS-Sippengemeinschaft. Mit dem „SS-Treuelied“, einem deutschen Studentenlied aus dem Jahre 1814, endeten üblicherweise solcherart gestaltete Eheweihen,71 wobei die Auftaktzeile des Liedes für viele SS-Angehörige – wohl auch für Lore Kutschera – nach 1945 in Geltung blieb: „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu“.72 Nach Kriegsende sollten die rund 240.000 SS-Ehefrauen73 des ehemaligen Deutschen Reiches von den tradierten Geschlechtervorstellungen profitieren: Als die SS als wichtigstes Terror- und Unterdrückungsorgan im Rahmen der Nürnberger Prozesse als „verbrecherische Organisation“ eingestuft und männliche SS-Angehörige verstärkt in den Blick der Justizbehörden gerieten, blieben 67 Schreiben des RuSHA an den SS-Oberabschnitt Alpenland in Salzburg, Berlin, 18. 4. 1942. BArch Berlin/R 9361-III-112411. 68 Heiratsgenehmigung für Lore Belani und Fritz Kutschera, Berlin, 4. 5. 1942. BArch Berlin/R 9361-III-112411. 69 Vgl. Schwarz, Frau an seiner Seite, 53. 70 Vgl. Duplikat der Heiratsurkunde von Lore Kutschera, ausgestellt vom Standesamt Villach, 22. 8. 1952 (= Beilage zum Rigorosenakt). Archiv BOKU/Rigorosenakt Lore Kutschera, Zl. 883. Vgl. auch Kärntner Volkszeitung, 9. 5. 1942, 3. 71 Zu den Vorgaben einer „Eheweihe“ vgl. Schwarz, Frau an seiner Seite, 53–61. 72 Der gesamte Liedtext ist auf Wikipedia zu finden, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Wenn _alle_untreu_werden (abgerufen 9. 3. 2020). 73 Schwarz, Frau an seiner Seite, 281.

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weibliche Angehörigen der ehemaligen Sippengemeinschaft bei der Strafverfolgung mit wenigen Ausnahmen außen vor. Dies galt auch für Lore Kutschera, die sich nach 1945 – anders als viele männliche „Illegale“ bzw. SS-Angehörige – nicht vor einem österreichischen Volksgericht zu verantworten hatte.

VI.

Lore Kutschera, das „deutsche Pflanzensoziologische Institut“ und ihr Chef Erwin Aichinger

So auffallend in der Forschungsliteratur das Fehlen von Lore Kutscheras NSVergangenheit ist, so bemerkenswert erscheint auch die konsequente NichtNennung ihres prägenden Chefs Erwin Aichinger, mit dem sie nach 1945 eine ausgeprägte Feindschaft pflegte. Diese berührt u. a. das Thema akademischer Machtverhältnisse, die sich nicht nur extrem hierarchisch gestalteten, sondern in weiblichen Kontexten vielfach auch eine sexualisiert-misogyne Aufladung implizierten. Die Rolle der männlichen Vorgesetzen war dabei – nicht nur in der NSZeit – überaus ambivalent: Sie fungierten als Förderer und Mentoren, gleichzeitig aber auch als Karrierebremsen, die weibliche Berufsentwicklungen am akademischen Sektor einschränkten oder auch verunmöglichen konnten. Beide Aspekte trafen auf den dominanten und mächtigen Universitätsprofessor Erwin Aichinger zu, wobei die Nachkriegsbeziehung von Aichinger und Kutschera tief in das Themenfeld von Entnazifizierung und politischer Re-Integration hineinreicht. Um dafür ein Verständnis zu entwickeln, ist zunächst ein Exkurs zu Aichinger und seinem pflanzensoziologischen Institut in Villach als erster wissenschaftlicher Arbeitsstelle von Lore Kutschera nötig. Aichinger, 1894 in Bleiberg in Kärnten geboren, Obersturmbannführer im persönlichen Stab des Reichsführer SS und damit direkt dem SS-Hauptamt und Heinrich Himmler unterstellt, hatte 1933 zwei Jahre vor Lore Belanis Studienbeginn an der Wiener BOKU promoviert, wo er sich ein Jahr später bereits habilitierte. Zu seinen Mentoren zählte u. a. der Botaniker Fritz Knoll – seinerseits illegaler Nationalsozialist, Gaudozentenführer und ab 1938 Vorsitzender des „Reichsbundes für Biologie“.74 Mit ausgezeichneten politischen Verbindungen im Rücken erhielt Aichinger 42-jährig 1936 in Freiburg eine Professur, wurde mit Dienstantritt 1937 deutscher Staatsbürger und kehrte zwei Jahre später in die „Ostmark“ zurück, um hier 1939 als Ordinarius an der Wiener BOKU das neugeschaffene Institut für Pflanzen-

74 Zu Knoll vgl. Klaus Taschwer, Die zwei Karrieren des Fritz Knoll, in: Der Standard, 1. 3. 2013, URL: https://www.derstandard.at/story/1362107200728/die-zwei-karrieren-des-fritz-knoll (abgerufen 20. 3. 2020).

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soziologie zu übernehmen.75 Sein Lebensmittelpunkt blieb allerdings Villach, wo er mit Hilfe der Berliner Reichsführung und der Kärntner Gauleitung ein Pflanzensoziologisches Institut aufzubauen begonnen hatte, das er à la longue in die BOKU einzugliedern gedachte.76 Festzustellen ist, dass diese Institutsgründung nicht ohne nationalsozialsozialistischen Unterbau betrachtet werden kann, wie Aichinger selbst berichtete: „Als mit Anschluß der Ostmark sich speziell im su¨ ddeutschen Raume besonders auf forstlichem Gebiet die Forderung, den Boden besser auszunutzen immer dringender erhob, hat der Herr Reichsforstmeister Generalfeldmarschall Göring bestimmt, daß ein Institut fu¨ r angewandte Pflanzensoziologie errichtet werden soll. In seiner grundlegenden Rede bei der Großdeutschen Reichstagung der Forstwirtschaft 1939 in Berlin hat er der Öffentlichkeit mitgeteilt, daß dieses Institut nunmehr errichtet wird und als Sitz Villach ausersehen ist.“77

Die „Kärntner Volkszeitung“ erläuterte ferner, dass das Institut nicht nur „für die Ernährungs- und Rohstofffrage von außerordentlich großer Bedeutung“ war: Ausschlaggebend für die Wahl des Ortes sei „neben der reichen Fauna und Flora unseres Gaues“ vor allem die Bedeutung Kärntens als „Grenzland“ gewesen, wo „den jungen Männern der tausendjährige Grenzlandkampf unseres Volkes eindringlich vor Augen geführt werden [sollte]. Sie sollen die wunderbare Schönheit dieses Gebirgslandes und seine stolzen und heimatverbundenen Menschen kennen lernen.“78 Genau dieses Institut wurde also die erste wissenschaftliche Arbeitsstelle von Lore Belani, die dazu ihrerseits festhielt: „Seit dem 1. Oktober 1939 bin ich bei Professor Dr. Erwin Aichinger am Institut für angewandte Pflanzensoziologie in Villach als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und zwar vor allem in der Frage der Erhaltung unseres Bergbauerntums.“79 Das Institut bestand noch an einer „provisorischen Adresse“, wie die „Kärntner Volkszeitung“ bemerkte: Und zwar in St. Andrä bei Villach im „früheren Bibelforscherhause“80, was nicht zuletzt als Indiz dafür gelesen werden 75 Ausführlicher zu Erwin Aichinger siehe Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 108. 76 Er knüpfte damit an ein 1930 in Rosenbach gegründetes Institut an, dessen Bedeutung allerdings „von der Systemregierung“ nicht erkannt und daher geschlossen worden sei: „Erst im nationalsozialistischen Reich war es möglich, die Arbeiten – nach einer Übergangszeit in Velden – hier in Villach wieder aufzunehmen […].“ Kärntner Volkszeitung. Deutsches Grenzlandblatt, 18. 9. 1940, 3. 77 Undatierter Originalbericht von Erwin Aichinger an die BOKU. Beilage zu Aichingers Schreiben an den Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, 17. 6. 1940. Archiv BOKU, Zl. 556/1940. 78 Kärntner Volkszeitung. Deutsches Grenzlandblatt, 18. 9. 1940, 3. 79 Handschriftlicher Lebenslauf von Lore Belani, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361III-112411. 80 Kärntner Volkszeitung. Deutsches Grenzlandblatt, 18. 9. 1940, 3.

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kann, dass Aichinger zu den unmittelbaren Profiteuren der Verfolgung von ZeugInnen Jehovas gehörte, deren Räumlichkeiten angesichts der Repressionen des Regimes nun „frei“ geworden waren. 1940 berichtete Aichinger an die BOKU, dass die Vorbereitungsarbeiten für das Institut bereits in „vollem Gange“ seien.81 Zu diesem Zeitpunkt hatte das Institut seine Arbeit mit Lore Belani als wissenschaftlicher Hilfskraft jedoch längst aufgenommen: Möglicherweise mit Hilfe von Drittmitteln aus Berlin,82 auf jeden Fall aber mit tatkräftiger Unterstützung der Kärntner Gauleitung, mit der Aichinger als Gaubevollmächtigter der NSDAP ebenfalls in engster Verbindung stand. Niemand geringerer als Gauleiter Friedrich Rainer höchstpersönlich sollte Aichinger 1944 für unabkömmlich befinden, als dieser 1944 ins Reichserziehungsministerium nach Berlin berufen werden sollte: Eine „Berufung in das Ministerium halte ich für untragbar, da Aichinger mit kriegswichtigen Aufgaben in Kärnten und in der Operationszone Adriatisches Küstenland betraut ist.“83 Am 10. Oktober desselben Jahres erhielt Aichinger – eventuell auch als Entschädigung für die verhinderte Berufung nach Berlin – den „Wissenschaftspreis des Gauleiters in Kärnten“ in der Höhe von 5.000 Reichsmark.84 Es war dasselbe Jahr, in dem sich Aichinger aus dem Milieu des SS-Ahnenerbes zurückzuziehen begann: Angeblich aufgrund ideologischer Differenzen, wahrscheinlicher jedoch, weil ihm das Ende des Deutschen Reichs bereits dämmerte und sich Aichinger auf seine Nachkriegskarriere vorzubereiten begann.85 Was lässt sich nun in Bezug auf das Arbeitsverhältnis Aichinger/Kutschera während der Kriegsjahre rekonstruieren? Symptomatisch, und vom Politischen nicht zu trennen, erscheint in dieser Arbeitsbeziehung zunächst Aichingers Erklärung, warum er Kutschera überhaupt eingestellt hatte. Denn laut Aichinger war nicht etwa ihr de facto ausgezeichneter Studienabschluss ausschlaggebend, sondern die geteilte politische Gesinnung und ihre vorangegangenen Meriten für die Partei: „Ich kenne Frl. Lore Belani seit Sommer 1939 und habe sie wegen ihres Einsatzes in der Kampfzeit, wegen ihrer aufrechten Haltung nach Empfehlung genommen.“ Zudem betonte er, dass sie in „ihrem Auftreten und ihrer Haltung“

81 Undatierter Originalbericht von Erwin Aichinger an die BOKU. Beilage zu Aichingers Schreiben an den Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, 17. 6. 1940. 82 Eine Überprüfung der Bestände der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Bundesarchiv Berlin konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgeführt werden. 83 Gauleiter Friedrich Rainer an BOKU-Rektor Otto Porsch, 15. 1. 1044. KLA/Ktn. Wissenschaftliche Gesellschaft/Sch. 1/Institut für Pflanzensoziologie in Villach/Erwin Aichinger (1944). 84 Gauleiter Friedrich Rainer an Erwin Aichinger, 10. 10. 1944. KLA/Ktn. Wissenschaftliche Gesellschaft/Sch. 1/Institut für Pflanzensoziologie in Villach/Erwin Aichinger (1944). 85 Vgl. KLA/626-210 Su / Sch. 19/210: Wissenschaft–Univ. Prof. Dr. Erwin Aichinger/Institut für Pflanzensoziologie, verschiedene Unterlagen 1943–1946.

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sei, „so wie wir [sic!] es von einer idealen BDM Führerin erwarten.“86 Aichingers Beschreibung seiner ihm untergebenen Mitarbeiterin liest sich zweideutig: „Lore Belani ist mit ihren blauen Augen und blonden Haaren, ihrer Einsatzbereitschaft und ihrer Haltung wirklich das Ideal einer Frau eines SS-Angehörigen. Wenn sie sich auch, wie mir meine Frau erzählte, sich sehr nach Kindern sehnte, so hat sie es dem Bräutigam sehr schwer gemacht sie zu erkämpfen, da sie Männern gegenüber sehr abweisend ist.“87 Gegenüber Aichingers eigenen Familie fehlten Berichte über blonde Haare und blaue Augen. Hier überwog ein klassisches Narrativ, wonach graduierten Akademikerinnen jegliche Eignung für wissenschaftliches Arbeiten abgesprochen wurde. In den Vordergrund des Familiendiskurses rückte offenkundig eine degradierende Beschreibung seiner Mitarbeiterin, die von Aichingers Tochter Traude Albl-Aichinger in einer bemerkenswert distanzlosen Vatererinnerung schriftlich überliefert wurde: „Im Oktober 1939 bewarb sich Frau Dipl. Ing. Eleonore Belani, eine junge Absolventin der Hochschule fu¨ r Bodenkultur, als Mitarbeiterin fu¨ r das Institut in Villach. Leider hatte sie weder botanische noch praktische landwirtschaftliche Kenntnisse. In Stenographie und Maschinschreiben war sie eine große Hilfe.“88 Wie auch immer die ehemalige Musterstudentin Lore Belani von ihrem Chef tatsächlich eingesetzt wurde – dass sie lediglich mit Stenokenntnissen brillierte, entsprach keineswegs den Tatsachen: Am 16. September 1940 hatte Belani bei einer Veranstaltung des „ersten deutschen Pflanzensoziologischen Instituts“ die „führenden Männer des Gaues aus Staat, Partei und Wirtschaft“ mit ihrem Vortrag über „das Problem der Waldweiden“ nachhaltig beeindruckt: Erst wenn dieses Problem für die Bergbauern gelöst sein werde – „wenn die Bergbauern wieder die Möglichkeit haben, die entsprechende Anzahl Rindvieh zu halten, wird die Fettversorgung des deutschen Volkes aus eigenen Mitteln gesichert sein,“89 zitierte die „Kärntner Volkszeitung“ aus ihrem Vortrag, der einzige, dem ein ganzer Absatz gewidmet wurde – nicht zuletzt um damit auch zu zeigen, „wie eng die Forschungen der Pflanzensoziologie mit der Ernährungswirtschaft verbunden“90 seien. Von diesem prominent-öffentlichen Auftritt abgesehen, blieb Kutschera in den vorliegenden Akten des Pflanzensoziologischen Instituts jedoch unsichtbar. Noch ungeklärt ist, aus welchen Mitteln Kutscheras Stelle und Forschungsarbeit bezahlt wurde. Klar belegt ist derzeit nur, dass sie mit Ein86 R. u. S.-Fragebogen und Beurteilung von Lore Belani durch Erwin Aichinger, undatiert [März 1942]. BArch Berlin/R 9361-III-112411. 87 Ebd. 88 Traudl Albl-Aichinger, Mein Vater – sein Leben. Aus dem Leben eines Naturforschers, wie es seine Tochter erlebte, ohne Ort 1997, 100. 89 Kärntner Volkszeitung. Deutsches Grenzlandblatt, 18. 9. 1940, 3. 90 Ebd.

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gliederung des „deutschen Pflanzensoziologischen Instituts“ in die Wiener BOKU – ein „Reichsinstitut“91, wie Aichinger nicht ohne Stolz vermerkte – nicht in den Personalstand der Hochschule übernommen wurde. Bei den diesbezüglichen Personalrochaden hatte sie als Frau das Nachsehen. Die Erinnerungen von Aichingers Tochter sind auch hier vielsagend: Mit den neuen Aufgaben ihres Vaters in der „Ernährungsfrage“ seien nun plötzlich eine Reihe anderer „Fachkräfte“ aufgetaucht, wohingegen Belanis Abgang äußerst lapidar kommentiert wurde: Diese habe geheiratet und bald danach das Institut verlassen, um landwirtschaftliche Lehrerin zu werden.92 Ein Blick in die Akten verdeutlicht, dass es männliche Fachkräfte mit einschlägigen Parteigeschichten waren, die nun neben Belani an Aichingers Institut zu werken begannen, darunter auch einige „Reichsdeutsche“. Lore Belani hingegen verließ das Institut nicht nach ihrer Eheschließung, sondern erst zwei Jahre später, am 1. Juli 1944. Drei Monate nach ihrem Abgang hatte sie eine neue Arbeitsstelle: Vom 15. Oktober 1944 bis 1. Mai 1945 wirkte sie nachweislich als Lehrerin an der landwirtschaftlichen Haushaltungsschule in Drauhofen,93 allerdings kehrte sie am 23. August 1945 an Aichingers Institut zurück.94 Unwahrscheinlich ist die in der bisher erschienen Forschungsliteratur überlieferte Darstellung, dass sie zu diesem Zeitpunkt „wieder an das Institut gerufen und mit dessen Leitung betraut“ wurde.95 Denn Aichinger selbst wurde ungeachtet seiner NS-Parteikarriere immer noch stark hofiert, sodass mit seiner Inhaftierung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zu rechnen war: Noch im Juli 1945 hatte ihm SPLandeshauptmann Hans Piesch persönlich die Aufwartung gemacht und ihm für die Zukunft das Salär eines ordentlichen Universita¨ tsprofessors aus Kärntner Landesmitteln versprochen.96 Erst als Aichinger im November 1945 schließlich doch interniert wurde und einer Anklage vor einem österreichischen Volksgericht entgegensah,97 übernahm Lore Kutschera mit 27. November 1945 inte91 Vgl. Schreiben Erwin Aichinger an den Generalsekretär der Wissenschaftlichen Gesellschaft Walter Medweth, 18. 7. 1944. KLA Ktn. Wissenschaftliche Gesellschaft/Sch. 1/Institut für Pflanzensoziologie in Villach/Erwin Aichinger (1944). 92 Albl-Aichinger, Mein Vater, 101. 93 Der Personalakt von Lore Kutschera konnte im Kärntner Landesarchiv aufgrund archivrechtlicher Bestimmungen nicht eingesehen werden, allerdings ergibt sich das hier genannte Datum aus einer diesbezüglichen Anfragebeantwortung: KLA, Anfragebeantwortung an Lisa Rettl, 20. 2. 2020, Zl. KLA-WISS-1883/1-2020. 94 Ebd. 95 Speta, Kutschera-Mitter Eleonore, 433. 96 Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 207. 97 Aichinger blieb zwar verhältnismäßig lange interniert, zu einer Anklageerhebung kam es allerdings nicht, vor allem aufgrund der Interventionen mächtiger Fürsprecher wie Hans Piesch. Vgl. Ebner, Drei Säuberungswellen. Die Hochschule für Bodenkultur 1934, 1938, 1945, in: Johannes Koll (Hg.), „Säuberungen“ an österreichischen Hochschulen 1934–1945. Voraussetzungen, Prozesse, Folgen, Wien/Köln/Weimar 2017, 267–282, 280. Zu Aichinger siehe

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rimsmäßig die Institutsleitung.98 Mehrmals intervenierte sie für Aichingers Freilassung: „Ich möchte darauf hinweisen, daß Prof. Aichinger niemals als Leiter des Instituts enthoben wurde. Damit ist also auch die gesetzliche Grundlage gegeben, ihm auch weiterhin die Leitung des Instituts zu übertragen, zumal ja das Institut seine Schöpfung ist und Herr. Prof. Aichinger neben der Arbeit auch sehr viel Privatvermögen diesem Institut zur Verfügung gestellt hat.“99 An den britischen Oberbefehlshaber der 8. Armee, Sir Richard McCreery, verfasste sie wiederum ein Dankesschreiben: „[T]he Direction of the Institute of Applied Plantsociology (Villach) takes the liberty to express her thanks for your kind support in the case of Professor Aichinger – in the name of Austrian and the International Applied Science.“100 Als dauerhafte Leiterin bis zu Aichingers ersehnter Rückkehr stand Kutschera, wie die Akten zeigen, allerdings zu keinem Zeitpunkt in der engeren Wahl: Dafür hatten sich schon einige männliche Kollegen in Stellung gebracht hatten. Ob auch ihre eigene NS-Vergangenheit begann, ein Hindernis für ihre Nachkriegskarriere darzustellen, ist nicht eindeutig zu klären. Nach Angaben von Kutscheras Nichte Christa Molderings erhielt sie für einige Jahre Berufsverbot und verbrachte einige Jahre ohne Job in bitterster Armut.101 Gegen ein Berufsverbot spricht jedoch, dass diesbezüglich keinerlei behördliche Hinweise vorliegen: Nicht nur im Kärntner Landesarchiv fehlen diesbezügliche Quellen, sondern auch im Österreichischen Staatsarchiv: Da im Aktenbestand der österreichischen Präsidentschaftskanzlei keinerlei Amnestierungsunterlagen zu Kutschera existieren, ist ein Berufsverbot in Kutscheras Fall mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen.

98 99 100 101

auch Klaus Taschwer, Ehre, wem Ehre nicht unbedingt gebührt. Zur staatlichen Ordenspolitik Österreichs und besonderer Berücksichtigung des Ehrenzeichens und des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, in: Alexander Pinwinkler/Johannes Koll (Hg.), Zuviel der Ehre? Interdisziplinäre Perspektiven auf akademische Ehrungen in Deutschland und Österreich, Wien/Köln/Weimar 2019, 307–346, 339. KLA, Anfragebeantwortung an Lisa Rettl, 20. 2. 2020, Zl. KLA-WISS-1883/1-2020. Schreiben Lore Kutschera an die Kärntner Landesregierung (Regierungsrat Cefarin), Arriach, 15. 4. 1946. KLA/AKL Minderheitenreferat/Sch. 19, Nr. 210. Lore Kutschera an General McCreery, undatiert. KLA/AKL Minderheitenreferat/Sch. 19, Nr. 210. Gesprächsprotokoll Christa Molderings, 23. 3. 2020. Eine nähere Datierung dieses Berufsverbots verlief bisher ohne Ergebnis – im Kärntner Landesarchiv fehlen diesbezügliche Akten.

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VII.

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Kutschera und Aichinger – zwei „Ehemalige“ unter geänderten politischen Rahmenbedingungen

Im Rahmen dieses Textes konnten keine Detailuntersuchung zu Aichingers „Pflanzensoziologischen Institut“ vorgenommen werden. Allem Anschein nach entwickelte es sich jedoch zu einem Sammelbecken der „Ehemaligen“102, wozu Lore Kutschera zunächst genauso zu zählen war wie der Botaniker Gustav Wendelberger103 oder auch Aichingers Dienst enthobene Wiener BOKU-Professorenkollegen Otto Porsch oder Ludwig Löhr.104 Aichinger selbst hatte die Zeichen der Zeit gut erkannt, war politisch polyglott und erwies sich als äußerst flexibel. Wie sich ehemalige BOKU-Studenten erinnerten, war er damals selbst ein „Umzuerziehender“, der „die entsprechenden ‚Kuren‘ alle brav durchgemacht“ hatte.105 Als es nach 1945 für ihn galt, von seiner vorangegangenen politischen Haltung zumindest nach außen hin sichtbar Abstand zu nehmen, demonstrierte er dies offensiv, wenngleich mit einigen menschlichen Kollateralschäden. So konnte er sich von seinen reichsdeutschen Mitarbeitern beispielsweise nicht schnell genug verabschieden: Seinem Mitarbeiter Dietrich etwa attestierte Aichinger samt verbliebener Belegschaft unisono befremdliche, „oft nervöse, mystische und geradezu krankhafte Einstellungen“106, weshalb er bei seinem Freund Rudolf Cefarin in der Kärntner Landesregierung dessen sofortige Entfernung vom Institut urgierte. Ein ähnliches Schicksal dürfte etwas später auch Lore Kutschera selbst ereilt haben, die sich für Aichinger, dem vor allem an der Fortführung seines Instituts gelegen war, wohl zu der sprichwörtlichen heißen Kartoffel entwickelt hatte: Gänzlich anders als ihr Chef, war sie nämlich keineswegs bereit, sich politisch „umerziehen“ lassen.107 Dieser Umstand war es wohl, der mit zunehmender Distanz schließlich auch zum endgültigen Bruch zwischen Aichinger und Kutschera geführt haben dürfte. Für Lore Kutschera folgte, nachdem Aichinger sie fallengelassen hatte – eine Zeit existentieller Not und beruflicher Isolierung, die für sie umso stärker spürbar wurde, je fester Aichinger wieder im Sattel saß und die regionale Wissenschaftspolitik mitbestimmte. Tatsächlich ist unklar, wie Kutschera die Jahre von 1945 bis zu ihrem USA-Stipendium im Jahr 1953 zubrachte: Unwahrscheinlich ist die Kärntner Erzählvariante, wonach Kutschera 102 Reiter, Die Ehemaligen, 32–38. 103 Helmut Hartl, Univ. Prof. Dr. Gustav Wendelberger, in: Carinthia II. Mitteilungen aus dem Vereinsgeschehen 199 (2009), 275–277, 275. 104 Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 207. 105 Zit. n. ebd., 208. 106 Dr. Hueck an Regierungsrat Cefarin, 28. 12. 1945. KLA/AKL Minderheitenreferat/Sch. 19, Nr. 210. 107 Gesprächsprotokoll Christa Molderings, 23. 3. 2020.

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von 1945 bis 1948 „im Schuldienst des Amtes der Kärntner Landesregierung tätig“108 war: Laut Personalakt war Kutscheras Antrag auf eine Lehrtätigkeit im Kärntner Schuldienst abgelehnt worden, weil ihr die üblichen Qualifikationen wie Lehrbefa¨higungspru¨ fung bzw. das erforderliche Probejahr fehlte.109 1954, als anlässlich Aichingers 60. Geburtstag von einem Professorenkollegen der Tierärztlichen Hochschule, dem Botaniker Erwin Janchen, eine umfangreiche Festschrift herausgegeben wurde, fehlte Kutschera als Autorin bereits.110 Den biografischen Huldigungstext für Aichinger hatte ein anderer Nachkriegsmitarbeiter Aichingers geschrieben, mit dem auch Kutschera kollegial verbunden war: Gustav Wendelberger. Wie sich zeigt, bestand das „Ehemaligen“-Milieu auch unter BotanikerInnen als „unverbrüchliche Erfahrungs-, Gesinnungs- und Erinnerungsgemeinschaft“111 weiter, woran Animositäten und Konflikte wie jene zwischen Kutschera und Aichinger nichts änderten. So blickte beispielsweise Aichingers Professorenkollege Erwin Janchen – seinerseits Universitätsprofessor an der Wiener Tierärztlichen Hochschule – im Jahr des „Anschlusses“ ebenfalls auf bereits langjährige nationalsozialistische Aktivitäten zurück, darunter im Deutschen Klub, den das „Österreichische Abendblatt“ 1933 kurz und bündig als „getarnte Nazizentrale“ bezeichnet hatte.112 Von der Kärntner Geschichtsschreibung bis dato unerwähnt blieb auch das politische Wirken seines Assistenten Gustav Wendelberger, der seinen postnazistischen Karriereneustart noch gemeinsam mit Lore Kutschera an Aichingers Institut erlebte.113 Auch er gehörte nach 1945 zu den politisch belasteten Nationalsozialisten, dessen seinerzeitiges Studium sich derartig in die Länge gezogen hatte, sodass sein unmittelbarer Vorgesetzter Janchen dies sogar gegenüber dem Rektorat der Tierärztlichen Hochschule rechtfertigen musste: „Dass [Wendelberger] seine Hochschulstudien noch nicht beendet hat, ist z. T. darin begründet, dass er sich bereits seit Oktober 1936 in der SA und später in der SS eifrig betätigt hat“,114 berichtete der mit seinem Assistenten höchst zufriedene Janchen im September 1938 an das Rektorat.115 108 Kleewein, Landschaft, 8. 109 Wie Anm. 93: KLA, Anfragebeantwortung an Lisa Rettl, 20. 2. 2020, Zl. KLA-WISS-1883/12020. 110 Vgl. Festschrift für Erwin Aichinger zum 60. Geburtstag, hg. im Auftrage und mit Unterstützung des Landes Kärnten von Univ. Prof. Dr. Erwin Janchen (= Sonderfolge der Schriftenreihe Angewandte Pflanzensoziologie, Bd. 1), Wien 1954. 111 Reiter, Die Ehemaligen, 34. 112 Zit. n. Andreas Huber/Linda Erker/Klaus Taschwer, Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg, Wien 2020, 131. 113 Hartl, Gustav Wendelberger, in: Carinthia II, 275. 114 Verzeichnis der wissenschaftlichen Hilfskräfte mit Vermerk von Janchen, 20. 9. 1938. Veterinärmedizinische Universität Wien/Rektoratsakt 829/1938. 115 Zu Janchen und Wendelberger vgl. Rettl, Wiener Tierärztliche Hochschule, 204–205.

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Mit Aichingers 1951 erfolgter Berufung zum Honorarprofessor an die Universita¨t Graz und der genannten Festschrift zum 60. Geburtstag im Jahr 1954 kann die Wiederaufnahme Aichingers in den Kreis der akademischen Welt sowie der Prozess seiner Entnazifizierung und politischen Re-Integration als abgeschlossen betrachtet werden.116 Die in diesem Nachkriegsjahrzehnt erfolgte Distanzierung Aichingers zu Kutschera dürfte dabei allerdings keine Einbahnstraße gewesen sein, sondern wirkte auch vice versa. Denn der harte Kern der „Ehemaligen“ – jenes Milieu, in dem Lore Kutschera zu verorten ist – grenzte sich, wie Margit Reiter in ihrer Studie eindrucksvoll zeigen konnte, vehement von all jenen ab, die nach 1945 nicht mehr bereit waren, zu ihren nationalsozialistischen Überzeugungen zu stehen. Jene Abtrünnigen, zu denen wohl auch Aichinger zu zählen war – wurden dementsprechend als „Opportunisten“ verachtet,117 ein Narrativ, das in der Erinnerung von Kutscheras Familie auch Aichinger traf.118 Festzustellen ist, dass Lore Kutscheras Karrierefortsetzung wohl nicht nur von Aichinger behindert wurde: De facto stand sie sich auch selbst im Weg. Als vielleicht krassestes Beispiel kann ihr bewusster Verzicht auf einen internationalen akademischen Karrieresprung gewertet werden: Als sie im Zuge ihres 1953 erfolgten USA-Stipendiums entsprechende Jobangebote erhielt, lehnte sie ab und entschloss sich zur Rückkehr nach Klagenfurt, da sie als bewusste Nationalsozialistin und „deutsche Frau“ auf Dauer nicht Englisch sprechen wollte.119

VIII. Was blieb Bringt man die Fülle jüngster Forschungsarbeiten zur Wissenschaftsgeschichte auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Ergebnisse, so lässt sich feststellen, dass eine lang gehegte Hypothese gründlich widerlegt wurde: Nämlich die dualistisch konstruierte Annahme, dass die Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus für ideologische Adaptierungen zwar „anfällig“ gewesen seien, ohne in der Praxis große Wirkmacht zu entfalten, wohingegen die vermeintlich objektiven Naturwissenschaften zwar in praktischer Hinsicht, etwa für den Krieg, instrumentalisiert, allerdings aufgrund der „universal geltenden Naturgesetze“ kaum ideologisiert wurden.120 Mittlerweile besteht über die verschiedenen Dis-

116 117 118 119 120

Ebner, Hochschule für Bodenkultur, 208. Vgl. Reiter, Die Ehemaligen, 36. Gesprächsprotokoll Christa Molderings, 23. 3. 2020. Ebd. Vgl. Mitchell Ash/Wolfram Nieß/Ramon Pils, Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien. Konzept, Fragestellungen, Erkenntnisse, in: Dies.

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ziplinen hinweg Einigkeit darüber, dass auch Technik,– Medizin- und Naturwissenschaften keineswegs vor Ideologisierungen gefeit und umgekehrt, dass auch die Geisteswissenschaften für zentrale Bereiche nationalsozialistischer Politik funktionalisiert wurden. Umso erstaunlicher ist, dass es bislang keinerlei systematischen Untersuchungen gibt, die Aichingers oder auch Kutscheras Tätigkeiten am Pflanzensoziologischen Institut in Hinblick auf die Bedeutung des Krieges bzw. auch später, auf die ideologische Ausrichtung ihrer Forschungen in der postnationalsozialistischen Ära, überprüft hätten. Ein kritischer Blick, inwieweit sich Kutscheras ideologische Wurzeln in ihren späteren agrarwissenschaftlichen und pflanzensoziologischen Werken untergründig fortsetzten, wäre jedenfalls eine wichtige und überfällige Aufgabe für die (naturwissenschaftliche) Forschungscommunity. Ohne diesen noch ausstehenden Untersuchungen vorgreifen zu wollen, ist festzustellen, dass sprachlich schöngefärbte Darstellungen einer seriösen Forschung und Bewertung der Arbeit von Lore Kutschera keineswegs zuträglich sind: „Ihre erste Aufgabe [am Pflanzensoziologischen Institut Aichingers, Anm. d. Verf.] war die Durchführung von Versuchen zur Almverbesserung auf pflanzensoziologischer Grundlage. Sie führte dabei erstmals die Düngung nach dem Klima ein. Das frühe Erleben der beiden Villacher Hausberge, der Villacher Alm und der Gerlitzen, waren die Grundlage für diesen neuen Gedanken,“ heißt es beispielsweise in dem 2002 von Franz Speta verfassten Kurztext für das lexikalische Überblickswerk „Wissenschafterinnen in und aus Österreich“.121 Bemerkenswert erscheint dabei die Wortwahl: Ging es in der Sprache von damals noch um das „nationalsozialistische Erleben“, so ist heute scheinbar neutral von einem „Erleben der beiden Hausberge“ die Rede. In akademischer Hinsicht wurde in der Sprache der Nachkriegszeit aus Kutscheras ursprünglichem Forschungsschwerpunkt, der vor allem zur Erhaltung des Bergbauerntums im Deutschen Reich beitragen sollte, eine „Almverbesserung auf pflanzensoziologischer Grundlage“. Klingt gut, vor allem aus der Perspektive der Gegenwart. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, in der kleine Produktionswirtschaften, Regionalität und Bioprodukte zunehmend bedeutsam werden, wirken Kutscheras Forschungsthemen und ihre biodynamischen Ansätze auf den ersten Blick progressiv. Blickt man freilich auf die Genese dieses Forschungsthemas, sieht es anders aus. Ihre 1939 begonnene Karriere mit ihren Forschungen zum „Bergbauerntum“ berührten einen Forschungsschwerpunkt, der für das NS-Regime ein Thema von aller-

(Hg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Stadt Wien, Göttingen 2010, 17–46, 20–21. 121 Speta, Kutschera-Mitter Eleonore, 432–433.

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größter Bedeutung markierte.122 Zum Einen kristallisierten sich mit dem „Anschluss“ und dem bevorstehenden Angriffskrieg gänzlich neue ernährungspolitische Herausforderungen heraus, um im unrentablen österreichischen Bergland für verbesserte Produktionsbedingungen zu sorgen bzw. um für die kriegsbedingte „Erzeugungsschlacht“ entsprechend gerüstet zu sein.123 Zum Anderen galten Bergbauern als „Lebensquell der Nordischen Rasse“: Sie waren angeblich noch am wenigsten „rassisch verwässert“ und zudem mit Zähigkeit, Unerbittlichkeit sowie Bescheidenheit und einer als ideal erachteten Bedürfnislosigkeit ausgestattet124 – Attribute, die auch Kutschera selbst zugeschrieben wurden und wohl auch für ihren um zehn Jahre jüngeren Arbeits- und Lebenspartner Erwin Lichtenegger (1928–2004) galten: Ein Bergbauernsohn, der wie Kutschera an der BOKU studiert und sich als Grünlandexperte habilitiert hatte.125 Mit ihm gemeinsam verfasste sie auch den zu sieben Bänden angewachsenen Wurzel-Atlas, ein botanisches Standardwerk, das in der heutigen Rezeption von Kutscheras Œuvre im Vordergrund steht. Mit Lichtenegger gemeinsam kam es auch zur Abfassung eines Gedichts, das im Rahmen eines wissenschaftlichen Nachrufs 2009 veröffentlicht wurde und wohl auch als Abgesang auf alte SS-Ideale gedeutet werden kann: Die Wurzel ist ein seltsam Ding, das kommt bald jemand in den Sinn. […] Dem Menschen ist sie ein Symbol fu¨ r Sicherheit und Lebenswohl. Wer standhaft ist, der ist verwurzelt. Wer schwankt, der alsbald ga¨ nzlich purzelt. Entwurzelt ist er, sag’n die Leut, verdammt in alle Ewigkeit. Doch der, erbost ob diesem Sagen, beginnt erneut, Wurzeln zu schlagen. Er stehet da, fester als zuvor, und nennt den Spo¨ tter einen Tor.

122 Ernst Langthaler, Agrar-Europa unter nationalsozialistischen Vorzeichen (1933–1945), in: Themenportal Europäische Geschichte, 2011, URL: https://www.europa.clio-online.de/essa y/id/fdae-1546 (abgerufen 10. 2. 2020). 123 Vgl. Ernst Langthaler, Schlachtfelder. Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945, Wien/Köln/Weimar 2016. 124 Gerhard Siegl, Bergbauern im Nationalsozialismus. Die Berglandschaft zwischen Agrarideologie und Kriegswirtschaft, Innsbruck/Wien/Bozen 2013; Gerhard Siegl, Vom „österreichischen Problem“ zum „nationalen Heiligtum“. Die österreichische Berglandwirtschaft in der NS-Zeit, in: zeitgeschichte 54 (2018) 3, 343–364. 125 Zu Lichteneggers Werdegang vgl. Wikipedia, URL https://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Lich tenegger (abgerufen 20. 2. 2020).

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So hilft die Wurzel jedermann, der ihrer sich bedienen kann.126

Als Lore Kutschera 2008 im Alter von 91 Jahren kinderlos starb, blickte sie auf eine langjährige naturwissenschaftliche Karriere zurück, die nach 1945 einen drastischen Einbruch erlebt hatte: Ein Konflikt mit ihrem ehemaligen Chef und unbedingte NS-Gesinnungstreue, die unter dem harten Kern der „Ehemaligen“ als höchste Tugend und „Anständigkeit“ gewertet wurden, führten dazu, dass ihre berufliche Neusortierung einige Jahre in Anspruch nahm und deutlich länger dauerte als bei vielen männlichen Kollegen. Mit ihrer Rückkehr aus den USA, gründete sie im Jänner 1954 an ihrer Klagenfurter Wohnadresse in der Kempfstraße mit Hilfe ihres Förderers Leopold Guggenberger127 ein eigenes, von Aichinger unabhängiges Pflanzensoziologisches Institut, das ihr eine angeblich „erfolgreiche Beratung von landwirtschaftlichen Betrieben“128 ermöglichte, de facto aber eine nur sehr schleppende und schwierige Existenzsicherung ermöglichte. Eine bescheidene finanzielle Konsolidierung ergab sich für Kutschera wohl erst mit ihrer im März 1961 erfolgten Anstellung an der Bundesversuchsanstalt für alpenländische Landwirtschaft in Gumpenstein.129 Auf akademischer Ebene reüssierte Kutschera ein Jahr später, als sie im Alter von 45 Jahren an der BOKU im Jänner 1962 ihre Dissertation „Wurzelatlas mitteleuropäischer Ackerunkräuter und Kulturpflanzen“ einreichte. Sie promovierte am 17. Juli des Jahres mit Auszeichnung, weitere sieben Jahre später erfolgte ihre Habilitation (1969), womit sie auch die Zulassung als Hochschuldozentin für „Landwirtschaftliche Acker- und Grünlandbeurteilung auf pflanzensoziologischer Grundlage“ erhielt. Lore Kutschera war damit die erst vierte Frau nach Else Jahn (1944), Edith Primost (1961) und Gertraud Weber (1966), der es gelungen war, sich an der BOKU zu habilitieren. Dieser Umstand gehört in akademischer Hinsicht wahrscheinlich zu den bedeutsamsten und gleichzeitig am wenigsten beachteten Pionierleistungen, die mit Kutscheras Arbeit verbunden sind. Als weibliches Role-Model der Naturwissenschaft, nach der weitere Straßen in Österreich benannt werden sollten, taugt Lore Kutschera angesichts ihrer NSVergangenheit aus demokratiehygienischen Gründen aber wohl kaum.

126 Monika Sobotik/Roland K. Eberwein, Die Wurzel ist (k)ein seltsam Ding! Ein Leben fu¨ r die Wurzelforschung. Univ.-Prof. DI Dr. Lore Kutschera, in: Carinthia II, Mitteilungen aus dem Vereinsgeschehen, 199 (2009), 267–275, 26. 127 Gesprächsprotokoll Christa Molderings, 23. 3. 2020. 128 Speta, Kutschera-Mitter Eleonore, 433. 129 Lebenslauf von Eleonore Kutschera, verfasst im Rahmen ihres Rigorosums, 14.1.1961. Archiv BOKU/Rigorosenakt Lore Kutschera, Zl. 883.

Birgit Peter

„… wurde ich bestärkt und bestimmt durch die Mitarbeit in der Hitlerjugend.“ Annäherung an die NS-Vergangenheit der Theaterwissenschafterin Margret Dietrich

I.

Ein kurzes Intermezzo: Die Margret-Dietrich-Gasse

Nur ein Jahr lang war der Name der hochangesehenen Theaterwissenschafterin Margret Dietrich (1920–2004) in den Wiener Straßennamen als solcher präsent. Bereits 2008 erfolgte, nachdem eine Ausstellung am Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft der Universität Wien die Institutseigene NS-Vergangenheit öffentlich gemacht hatte,1 eine Umbenennung der am 6. März 2007 im Wiener Gemeindeausschuss für Kultur und Wissenschaft beschlossenen Margret-Dietrich-Gasse in Helene-Richter-Gasse.2 Helene Richter, bis dahin weitgehend vergessene Theaterhistorikerin und Anglistin, war hochbetagt gemeinsam mit ihrer Schwester Elise Richter 1942 ins nationalsozialistische Ghetto/ Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden, wo die beiden nur wenige Wochen überlebten. Margret Dietrich – damals 22 Jahre alt – dürfte mit dem Namen von Helene Richter über einen Band aus deren wertvoller Theatersammlung ein Jahr später in Berührung gekommen sein: Beschlagnahmte und geraubte Bücher der herausragenden Theaterbibliothek der beiden Schwestern waren in den Bibliotheksbestand des 1943 an der Universität Wien neu gegründeten Zentralinstitut für Theaterwissenschaft gelangt,3 wo Dietrich im selben Jahr ihre Tätigkeit als

1 Ausstellung, „Wissenschaft nach der Mode?“ Die Gründung des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft an der Universität Wien, Eröffnung Mai 2008, URL: https://www.geschichte wiki.wien.gv.at/Margret_Dietrich, (abgerufen 20. 11. 2020). 2 Vgl. dazu exemplarisch Marijana Miljkovic, Umstrittene Margret-Dietrich-Gasse, in: Der Standard, 26./27. 7. 2008, URL: http://derstandard.at/1216917859921/Umstrittene-Margret-Die trich-Gasse; ferner Margret-Dietrich-Gasse wird umbenannt, in: Der Standard, 3. 9. 2008, URL: http://derstandard.at/1219938822171/NS-Mitgliedschaft-Wiener-Margret-Dietrich-Gasse-wir d-umbenannt (abgerufen 19. 4. 2021). 3 Ausführlicher dazu vgl. Christiane Hoffrath, Bücherspuren. Das Schicksal von Elise und Helene Richter und ihrer Bibliothek im Dritten Reich, Wien 2009.

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wissenschaftliche Hilfskraft aufnahm. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörte unter anderem die Katalogisierung eben jener geraubten Bibliotheksbestände.4 Dietrichs wissenschaftliche Karriere nahm ihren Ausgangspunkt also genau an jenem Institut, das sie über Jahrzehnte als erste Ordinaria maßgeblich prägen sollte. Der Status, als Frau stets „die Erste“ gewesen zu sein, begleitete ihr Leben als Konstante: Am genannten Institut war sie auch die erste Dissertantin und Habilitandin, später die erste Ordinaria und Institutsleiterin.

II.

Margret Dietrich als akademische Pionierin – ein Überblick

In einem Briefentwurf an eine Studierende des Instituts für Theaterwissenschaft im Jahr 2002, die Margret Dietrich bezüglich eines Referats kontaktiert hatte, befand die erste österreichische Ordinaria für Theaterwissenschaft und eines der ersten weiblichen Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)5 die männliche Selbstbezeichnung als „Phänomenologe, Ordinarius und Professor“ für angemessen.6 Warum sie auf weibliche Formen der Titelgebung verzichtete, mag einem wissenschaftlichen Curriculum in einer vorwiegend männlich geprägten akademischen Lebenswelt geschuldet sein. Sie ist jedenfalls, wie auch der Beitrag zu Mathilde Uhlirz in diesem Band zeigt, nicht die einzige Frau, die männliche Selbstbezeichnungen bevorzugte. Die Anfänge von Dietrichs Karriere im rechtskonservativen Umfeld der akademischen Theaterwissenschaft in Wien lässt sich nicht ohne Blick auf ihren Doktorvater, Mentor und Vorgesetzten Heinz Kindermann beleuchten, bei dem

4 Margret Dietrich, Curriculum Vitae. Anhang an Personenstandesblatt, Wien, 16. 4. 1950 (gez. Dr. Margret Dietrich). Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), BMU (Bundesministerium für Unterreicht), PA (Personalakt) 21/08 (Margarethe Dietrich). Im Folgenden kurz zitiert ÖSTA, AdR, PA Dietrich. 5 Zu den ersten Frauen an der ÖAW gehörten die Physikerin Lise Meitner und die beiden Philologinnen Christine Mohrmann und Jacqueline de Roilly. Vgl. dazu Doris A. Corradin/ Katja Geiger, Frauen erschließen weite geistige Räume Frauen erschließen weite geistige Räu me – Christine Mohrmann und Jacqueline de Romilly. Aussendung der ÖAW zum Internationalen Frauentag 2019, URL: https://www.oeaw.ac.at/fileadmin/NEWS/2019/PDF/Mohrma nn_De-Romilly_Frauentag-2019.pdf (abgerufen 19. 4. 2021); Dies, Lise Meitner. Zur Wahl des ersten weiblichen Mitglieds der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vor 70 Jahren. Aussendung der ÖAW zum Internationalen Frauentag 2018, URL: https://www.oeaw.ac.at/fi leadmin/NEWS/2018/PDF/Lise-Meitner-final.pdf (abgerufen 10. 11. 2020). 6 Briefentwurf von Margret Dietrich an Studierende der Universität Wien, Wien, Jänner 2002. Archiv u. theaterhistorische Sammlung d. Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft d. Universität Wien, Ordner Bundesministerium, Sammlung Margret Dietrich.

Birgit Peter, Die NS-Vergangenheit der Theaterwissenschafterin Margret Dietrich

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sie 1943/44 am eben eröffneten Zentralinstitut für Theaterwissenschaft dissertierte.7 Den aus Wien stammenden, 1894 geborenen Kindermann hatte sie um 1940 als Studentin der Altphilologie, Geschichte, Germanistik, Philosophie und Theologie an der Universität Münster kennengelernt, wo dieser seit 1936 als Ordinarius für Literaturwissenschaft wirkte. Tatsächlich gehörte Kindermann nicht nur zu den ehrgeizigsten, sondern zu diesem Zeitpunkt auch zu den erfolgreichsten literaturwissenschaftlichen Akteuren des NS-Regimes. Mit einer auffallend hohen Anzahl an Publikationen wirkte er zentral an der ideologischen Ausrichtung einer nationalsozialistischen Literaturwissenschaft mit, desgleichen engagierte er sich an führender Stelle auch für eine nationalsozialistische Ausrichtung der Theater- und Filmwissenschaft.8 Trotz seiner Reputation in Münster, die sich in der engen Zusammenarbeit mit nationalsozialistischen Prominenten aus Kunst, Kultur und Politik nachverfolgen lässt, strebte Kindermann die Schaffung einer theaterwissenschaftlichen Professur inklusive der 1943 realisierten Institutsgründung an der Universität Wien an.9 Im Wintersemester 1942/ 43, so Dietrich rückblickend in ihrer unveröffentlichten „Selbstbiographie“ von 1999, „erhielt Professor Heinz Kindermann seine Berufung als Theaterwissenschaftler nach Wien und bat die beiden Münsteraner Assistentinnen, Gustava Schiffer und mich, ihn nach Wien zu begleiten, um dort mit ihm zusammen das neu zu gründende Zentral-Institut für Theaterwissenschaft aufzubauen.“10

7 Heinz Kindermann (1894–1985), 1913–1918 Studium Germanistik und Skandinavistik an der Universität Wien, 1917/18 „Führer der deutsch-völkischen Studentenschaft“, 1918 Doktorat der Germanistik an der Universität Wien, 1919 Referent im österreichischen Unterrichtsministerium Bereich Volksbildung (hier ab 1925 administrativer Referent für das Burgtheater), 1924 Habilitation, 1926 außerordentliche Professur für Literaturgeschichte und Ästhetik an der Akademie der bildende Künste Wien, 1927 ordentliche Professur für deutsche Sprache und Literatur an der Technischen Hochschule Danzig, 1937 Lehrstuhl für deutsche Literaturgeschichte an der Universität Münster, seit 1. 5. 1933 NSDAP-Mitglied, förderndes Mitglied der SS, Lektor für die vom Amt Rosenberg herausgegebene „Bücherkunde“. 8 Mechthild Kirsch, Heinz Kindermann – ein Wiener Germanist und Theaterwissenschaftler, in: Wilfried Barner/Christoph König (Hg.), Zeitenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945, Frankfurt am Main 1996, 47–59; vgl. auch Filmkunde in der Wissenschaft. Neue Lehreinrichtung an der Universität Wien, in: Znaimer Tagesblatt. Mitteilungen der NSDAP für den Kreis Znaim, 27. 10. 1944, 3. 9 Wolfram Nieß, Von den Chancen und Grenzen akademischer Selbstbestimmung im Nationalsozialismus. Zur Errichtung des Instituts für Theaterwissenschaft 1941–1943, in: Mitchell Ash/Ders./Ramon Pils (Hg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien, Göttingen 2010, 225–259; Edith Saurer, Institutsneugründungen 1938– 1945, in: Gernot Heiß/Siegfried Mattl/Sebastian Meissl/Edith Saurer/Karl Stuhlpfarrer (Hg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945, Wien 1989, 303–328. 10 Margret Dietrich, Selbstbiographie, Wien, 19. 2. 1999, unveröffentlichtes Manuskript, 1–14, hier: 3. Archiv Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Mappe Lebensdokumente, Sammlung Margret Dietrich. Im Folgenden kurz zitiert als „Selbstbiographie“.

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Dietrich folgte dieser professoralen Einladung nach Wien, wo sie nur kurz nach ihrem Arbeitsantritt als erste Frau am neu gegründeten Zentralinstitut für Theaterwissenschaft bei Kindermann dissertierte. Bereits zwei Jahre später suchte sie im Jänner 1945 beim Reichsforschungsrat um Erlaubnis an, sich hier zu habilitieren,11 was 1952 auch erfolgte. Danach ging es mit ihrer Karriere steil voran. 1958, im Alter von 38 Jahren, wurde sie an der Universität Wien zur außerordentlichen Professorin ernannt, 1966 schließlich zur Ordinaria für Theaterwissenschaft. Ab diesem Zeitpunkt leitete sie das Institut durchgehend bis 1982.12 Zu dieser bemerkenswerten universitären Karriere – nach Berta Karlik und Hedwig Kenner war sie die erst dritte Frau an der Universität Wien, die ein Ordinariat erlangte – kam eine weitere bemerkenswerte Aktivität an der ÖAW hinzu:13 1964 wurde Dietrich auf Vorschlag Heinz Kindermanns zum korrespondierenden Mitglied der philosophisch-historischen Klasse gewählt – wiederum als eine der ersten Frauen. 1973 übernahm sie in der Akademie gemeinsam mit dem Psychologogen Hans Strotzka die Leitung des neugegründeten Instituts für Publikumsforschung, das als höchst dotiertes der philosophisch-historischen Klasse prestiegeträchtige und innovative Forschung leisten sollte.14 Darüber hinaus fungierte sie, wiederum gemeinsam mit Strotzka, auch als geschäftsführende Direktorin für den Fachbereich Theaterwissenschaft. 1981 avancierte Dietrich – neuerlich auf Vorschlag von Kindermann – zum wirklichen Mitglied der ÖAW.15 Leitende Funktionen beschränkten sich allerdings nicht nur auf den österreichischen Raum. Auch in der internationalen wichtigsten fachpolitischen Gesellschaft, der Fédération Internationale pour la Recherche Théâtrale, scheint sie als deren erste Präsidentin 1979 auf. Angesichts ihrer vielfältigen Leistungen als „Pionierin“ erscheint eine Tatsache bemerkenswert: In den hinterlassenen Materialien von Dietrich lassen sich kaum Hinweise auf ihre Situation als Frau in den patriarchalen 11 Vgl. Birgit Peter, Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft. Die Begründung der Wiener Theaterwissenschaft im Dienst nationalsozialistischer Ideologieproduktion, in: Dies./Peter Hulfeld (Hg.), Theater/Wissenschaft im 20. Jahrhundert (Beiträge zur Fachgeschichte), Wien 2009, 193–212. 12 Dietrich, Selbstbiographie, 1999. 13 Doris Ingrisch, Die ersten ordentlichen Professorinnen, 650 Jahre – Geschichte der Universität Wien, URL: https://web.archive.org/web/20160126030412/http://geschichte.univie.ac.a t/de/artikel/frauen-der-wissenschaft, (abgerufen 30. 10. 2020); Doris Ingrisch, Weibliche Exzellenz und Nationalsozialismus an der Universität Wien, in: Ash/Nieß/Pils, Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus, 2010, 141–166. 14 Mit 885.000–, Schilling Jahresbudget für 1974 zählte es zu den höchst dotierten der philosophisch-historischen Klasse. Protokoll der Gesamtsitzung der Akademie, 14. 12. 1974, 3. Archiv der Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien, Akt 1231, 9/1973. 15 Wahlvorschlag der Philosophisch-historischen Klasse: Margret Dietrich, eingelangt am 15. 04. 1964. Typoskript mit Unterschriften der Kommissionsmitglieder. Archiv der ÖAW. Akt 411/ 1964.

Birgit Peter, Die NS-Vergangenheit der Theaterwissenschafterin Margret Dietrich

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Strukturen ihrer theaterwissenschaftlichen Lebenswelt finden. Ebenso auffällig ist eine weitere Lücke im sonst umfangreichen Nachlassmaterial von Dietrich: Wer hier nach Quellen oder Reflexionen zu ihren studentischen, später wissenschaftlichen Tätigkeiten im Nationalsozialismus sucht, stößt auf beredtes Schweigen.

III.

Anmerkungen zu den Anfängen der NS-Aufarbeitung am Institut für Theaterwissenschaft

Es waren drei Studierende des Instituts für Theaterwissenschaft – Monika Meier, Peter Roessler und Gerhard Scheit –, die im Jahr 1981 Margret Dietrich und Institutsgründer Heinz Kindermann mit ihrem nationalsozialistischen Engagement erstmals konfrontierten.16 Zu einer breiteren Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Wiener Theaterwissenschaft und ihrer führenden ProtagonistInnen sollte es allerdings erst nach 1989 – vier Jahre nach dem Tod von Kindermann – kommen.17 Im Zuge dieser Auseinandersetzungen galt vor allem Letzterem als opportunistischem und skrupellosem Machtmenschen das wissenschaftliche Interesse. Dietrichs Rolle blieb außerhalb des Blickfeldes – zum Teil aufgrund ihres damals noch jungen Alters, zum Teil wohl auch, weil Frauen in der zeitgeschichtlichen Forschung noch nicht wirklich als eigenständige, vielfach auch politische Akteurinnen wahrgenommen wurden. Hinzu kam, dass Dietrich selbst ihr NS-Engagement zeit ihres Lebens verleugnete und verschwieg. Tatsächlich wurde die biografische Erinnerung an Dietrich maßgeblich von ihr selbst geprägt: Als im Jahr 2002 das Lexikon „Wissenschafterinnen in und aus 16 Monika Meier/Peter Roessler/Gerhard Scheit (Hg), Theaterwissenschaft und Faschismus, Wien 1981. 17 Edith Saurer, Institutsneugründungen 1938–1945, in: Heiß/Mattl/Meissl/Saurer/Stuhlpfarrer (Hg.), Willfährige Wissenschaft, 1989, 303–328; Markus Schraml, Kontinuität oder Brüche. Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen Positionsbestimmung anhand der Entwicklung Heinz Kindermanns von der Literatur- zur Theaterwissenschaft, Dipl. Arb., Universität Wien 1995; Kirsch, Heinz Kindermann, 47–59; Evelyn Deutsch-Schreiner, Die Theaterwissenschaft unter Heinz Kindermann und das „Theaterland Österreich“, in: Dies., Theater im „Wiederaufbau“. Zur Kulturpolitik im österreichischen Parteien- und Verbändestaat, Wien 2001, 284–314; Hilde Haider-Pregler, Die frühen Jahre der Theaterwissenschaft an der Universität Wien, in: Margarete Grandner/Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945–1955, Innsbruck/Wien 2005, 137–155; Wolfram Nieß, Die Gründung des Instituts für Theaterwissenschaft an der Universität Wien im Nationalsozialismus, Dipl. Arb., Universität Wien 2007; Birgit Peter/Martina Payr (Hg.), „Wissenschaft nach der Mode“? Die Gründung des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft an der Universität Wien 1943, Wien 2008; Nieß, Von den Chancen und Grenzen akademischer Selbstbestimmung im Nationalsozialismus, 225–260; Klaus Illmayer, Reetablierung des Faches Theaterwissenschaft im postnazistischen Österreich, Dipl. Arb., Universität Wien 2009.

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Österreich“ erschien, beruhte der Eintrag zu Dietrich auf ihrer 1997/99 verfassten „Selbstbiographie“ sowie auf einer 1991 verfassten Festschrift für sie.18 Dietrichs biografische Erzählung über sich selbst – sie gab diesem Text den Titel „Selbstbiographie“ – verfasste sie in ihrer Funktion als wirkliches Mitglied der ÖAW für die ÖAW. Ihre Jugend im Nationalsozialismus beschrieb sie dabei völlig neutral, scheinbar unberührt von jeglichem ideologischen Einfluss. Unerwähnt blieben hingegen ihr Engagement bei der HJ (Hitlerjugend), ihre NSDAP-Mitgliedschaft, ihre ideologisch geprägten wissenschaftlichen Arbeiten ebenso wie ihr Entnazifizierungsverfahren nach 1945. Auch ein 2004 erschienener Nachruf der ÖAW bot keinerlei Hinweise zu Dietrichs nationalsozialistischer Sozialisation und ihren rassistisch geprägten Anfangsarbeiten.19 Lediglich die Frauen- und Geschlechterhistorikerin Doris Ingrisch verwies 2010 in einem Beitrag zu weiblicher Exzellenz und dem Nationalsozialismus an der Universität Wien auf Dietrich als Repräsentantin jener Frauen, die im NS-Regime ihre beruflichen Chancen zu nutzen wussten. Desgleichen verwies sie auch auf die Problematik autobiografischer Darstellungen als Quelle.20 Bis heute existiert an kritischer Auseinandersetzung zu Dietrich lediglich eine Kurzbiografie von Katharina Kniefacz, wo nicht nur auf ihre NSDAP-Parteimitgliedschaft, sondern auch auf die rassistischen Aspekte ihrer Dissertation zum „Wandel der Gebärde im deutschen Theater vom 15. bis zum 17. Jahrhundert“ Bezug genommen wurde.21 Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage nach Dietrichs Rolle und Tätigkeiten im NS-Regime gehört bis heute zu einem zeitgeschichtlichen und theaterwissenschaftlichen Forschungsdesiderat.

18 Doris Ingrisch, Margret Dietrich, in: Brigitta Keintzel/Ilse Korotin (Hg.), Wissenschafterin nen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, Wien 2002, 136–139. Margret Dietrich, Selbstbiographie, 1997, 1–14, Festschrift für Margaret Dietrich. Maske und Kothurn 37 (1991) 1–4, Wien 1995. 19 Moritz Csaký/Elisabeth Grossegger, Margret Dietrich, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Almanach, 154 (2003/04), Wien 2004, 453–460. 20 Ingrisch, Weibliche Exzellenz, 145 (Fußnote 18). 21 Katharina Kniefacz, Margret Dietrich, o. Prof. Dr., 650plus – Geschichte der Universität Wien, URL: https://geschichte.univie.ac.at/de/personen/margret-dietrich-o-prof-dr (abgerufen 8. 4. 2021).

Birgit Peter, Die NS-Vergangenheit der Theaterwissenschafterin Margret Dietrich

IV.

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Dietrichs Jugend- und Studienjahre an der Universität Münster und ihr Gastsemester an der Universität Graz

Margret Dietrich wurde am 20. Februar 1920 als Tochter von Heinrich und Elisabeth (geb. Ziock) in Lippstadt, Westfalen geboren. Ihr Vater war Chemiker, zu ihrer Mutter gibt es, wie so häufig, keine Angaben über eine etwaige Berufstätigkeit. Nach Dietrichs eigenen Angaben besuchte sie die Marienschwesternschule in Lippstadt nur kurz, da sie aufgrund einer Hauterkrankung zu Hause unterrichtet wurde. In ihrer „Selbstbiographie“ erinnerte sie den Hausunterricht als weit über schulisches Wissen hinausgehende Bildung in Naturwissenschaft, Bildende Kunst und Literatur. Als sie zehn Jahre alt war, übersiedelte die Familie aufgrund des Studiums der beiden älteren Brüder nach Münster, wo Dietrich in das katholische Realgymnasium Anette von Droste-Hülshoff eintrat und 1939 auch maturierte. Anschließend, so Dietrich in ihrer „Selbstbiographie“, konnte sie – anstatt in den vorgesehenen Arbeitsdienst einzutreten – als Helferin im Franziskus-Hospital in Münster tätig werden und eine Rote-Kreuz Ausbildung absolvieren.22 In der von ihr 1999 verfassten Chronologie unerwähnt blieb – wie bereits erwähnt – der Eintritt in die Hitlerjugend im Alter von dreizehn Jahren. Weniger schweigsam war sie dazu in einem Lebenslauf von Jänner 1945 – verfasst im Zuge ihres Habilitationsansuchens beim Reichsforschungsamt. Darin beschrieb Dietrich ihre Aktivitäten für den Jungmädeluntergau Westfalen: Demnach war sie seit 1. April 1933 Jungmädelführerin bzw. stieg sie bald auch zur Ringführerin eines Jungmädeluntergaus sowie zu einer Kreisschulungsreferentin auf 23: „Zuletzt wurde ich bestärkt und bestimmt durch die Mitarbeit in der Hitlerjugend, der ich seit meinem 13. Lebensjahr als Jungmädelführerin angehörte. Meine letzte aktive Mitarbeit führte ich in Münster aus während des Wintersemesters 1942 als Kreisschulungsreferentin und Ringführerin im Jungmädeluntergau.“24 Dietrich trat somit sehr früh und freiwillig der Hitlerjugend bei – drei Jahre vor dem am 1. Dezember 1936 erlassenen „Gesetz über die Hitler-Jugend“, womit das Regime eine Zwangsmitgliedschaft ab dem zehnten Lebensjahr einführte.25 22 Dietrich, Selbstbiographie, 1. 23 Schreiben der NSDAP Gauleitung Wien, Amt NSD-Dozentenbund an das Rektorat der Universität Wien, Ergänzungs-Fragebogen zum Personalakt. ÖSTA, AdR, PA Dietrich. 24 Fragebogen für Dozenten-Nachwuchs des Nachwuchsamts des Reichforschungsrats. Beilage zum Ansuchen um Habilitation, 15. 1. 1945. Archiv der Universität Wien (UAW), Personalakt (PA) Margret Dietrich 1480, fol. 1–4, zit. n. Peter, Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft, 20. 25 Ausführlicher zur Einführung der diesbezüglich gesetzlichen Bestimmungen; Michael H. Kater, Hitlerjugend und Schule im Dritten Reich, in: Historische Zeitschrift, Bd. 228 (1979) 3,

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Konsequenterweise folgte am 1. September 1938 Dietrichs Eintritt in die NSDAP (Mitgliedsnr. 6.970.129).26 Im bereits zitierten Fragebogen von Jänner 1945 hatte sie betont, wie „bestärkend und bestimmend“ ihre Jahre als HJ-Führerin27 für ihr weiteres Leben gewesen seien.28 Dies sollte sich letztlich auch in ihren frühen wissenschaftlichen Arbeiten spiegeln. Im Wintersemester 1940/41 begann Dietrichs Studium an der Universität Münster. Sie inskribierte eine bemerkenswerte Anzahl an Fächern: Altphilologie, Geschichte, Germanistik, Philosophie und Theologie, Geologie, Volkskunde und Archäologie. Das in den ehemaligen Wiener Büroräumen Dietrichs an der ÖAW und am Institut für Theaterwissenschaft hinterlassene Material beinhaltet unter anderem eine unvollständige Kopie ihres Studienbuchs von 1940 bis 1944. Damit lässt sich in groben Zügen nachzuvollziehen, welche Lehrveranstaltungen Dietrich absolvierte – darunter etwa eine drei-stündige Vorlesung „Die deutsche Romantik“, eine „Einführung in die deutsche Literaturwissenschaft“ und ein Seminar zu „Deutscher Lyrik im 18. Jahrhundert“ bei Kindermann.29 Die über 50 Jahre später verfasste „Selbstbiographie“ gibt Aufschluss über die Lehrenden und Inhalte, die Dietrich für ihr Leben als prägend erinnern wollte: Germanistik bei Kindermann, Günther Müller, Wolfgang Mohr und dem damaligen Dekan Jost Trier; Altphilologie bei Herrmann Schöne, Walter Eberhardt und Julius Uppenkamp; Geschichte bei Hans Erich Stier, Jürgen Kroymann, Gerd Tellenbach, Karl Voigt, Hermann Wätjen und Friedrich von Klocke; Philosophie bei Gerhard Krüger. Das Fach Geologie gab sie nach dem ersten Semester wieder auf. Als „Schwarzhörer“ – so hielt Dietrich wiederum in männlicher Selbstbezeichnung fest – nahm sie darüber hinaus auch an Vorlesungen des Theologen Michael Schmaus teil, dessen Dogmatik sie nachdrücklich beeindruckt haben

26

27 28 29

572–623, 587; ferner: Michael Buddrus, Totale Erziehung für den totalen Krieg. Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte, Bd. 13/1), München 2003, 250. Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen, Antrag auf Anstellung bez. Weiterbeschäftigung eines wissenschaftlichen Assistenten an den Universitätsanstalten, Wien, 31. 3. 1943. ÖSTA, AdR, PA Dietrich, Vermerkt sind hier auch die Mitgliedschaften in der NSV und im BDM. Zur hierarchischen Gliederung von Führerinnen vgl. ausführlicher Sven Keller (Hg.), Kriegstagebuch einer jungen Nationalsozialistin. Die Aufzeichnungen Wolfhilde von Königs 1939– 1946 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 111), Oldenburg 2015, 11. Fragebogen für Dozenten-Nachwuchs. UAW, PA Dietrich, zit. n. Peter, Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft, 20. Margret Dietrich, Studienbuch 1940–1944 (unvollständig, es fehlen die Seiten 4–7). Archiv Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Mappe Lebensdokumente.

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soll30 – ein vielsagender Hinweis, da Schmaus zu den Vertretern einer radikal antisemitischen katholischen Theologie gehörte. Ihre Erinnerungen an den Philosophen Krüger, den Historiker Voigt und Germanisten Müller zeichnen wiederum das Bild einer Münsteraner Universität, in der intellektuelle Freiräume möglich waren. Dietrich strich dabei vor allem widerständiges Denken gegen den Nationalsozialismus hervor: „Unvergesslich bleibt mir die Vorlesung von Hans Erich Stier, dem es in der Zeit von Hitlers Krieg in Russland gelang, unmissverständlich seine Systemkritik am Regime des Nationalsozialismus durch die Interpretation von Alexanders Zug nach Indien zu verdeutlichen.“31 Unerwähnt bleibt in dieser Passage die Position Kindermanns. Aus gutem Grund: Sein 1936 erfolgter Ruf als Professor für deutsche Literaturgeschichte an die Universität Münster war politisch motiviert und erfolgte dezidiert gegen den Wunsch der Fakultät, respektive dem Dekan Jost Trier.32 Der dem Reichserziehungsministerium verdächtig erscheinende Günther Müller hingegen wurde Kindermann an die Seite gestellt, um „eine Störung des nationalsozialistischen Konsolidierungsprozess innerhalb des katholischen Münster eher verhindern zu können.“33 Wie Andreas Pilger 2004 nachweisen konnte, blieb Kindermann aufgrund seiner politischen protegierten Stellung ein Außenseiter innerhalb der Fakultät. Sein Engagement galt daher der Theaterpraxis, im Besonderen der Gaubühne der Stadt Bochum unter dem Generalintendanten Saladin Schmitt und dessen Chefdramaturgen Walter Thomas.34 Zudem fungierte er als „enger kulturpolitischer Mitarbeiter des Gauleiters Westfalen-Nord“.35 Wie wichtig Kindermann für Dietrichs wissenschaftliches Arbeiten in dieser Phase war, lässt sich vielleicht anhand eines Erinnerungsstückes aus ihrem Büro ermessen: Zeit ihres Lebens bewahrte sie ein Referat auf, das sie 1941 im Oberseminar bei Kindermann gehalten hatte36 – eine Abhandlung zu Friedrich Höl30 Dietrich, Selbstbiographie, 1. 31 Ebd., 2. 32 Andreas Pilger, Germanistik an der Universität Münster. Von den Anfängen um 1800 bis in die frühen Jahre der Bunderepublik, Heidelberg 2004, 389. 33 Yasemin Diedenhofen, Zum Gedenken an Günther Müller, in: Flurgespräche (Gedenkblatt), 2017, 6, URL: http://www.flurgespraeche.de/wp-content/uploads/2017/06/Gedenkblatt_M% C3%BCller-G%C3%BCnther.pdf, (abgerufen 15. 7. 2020). 34 Oliver Rathkolb, Schirach. Eine Generation zwischen Goethe und Hitler, Wien/Graz 2020, 221–222. 35 Heinz Kindermann, Personalnachrichten, Wien 24. 2. 1943 (handschriftlicher Vermerk). ÖSTA, AdR, PA Kindermann, zit. n. Veronika Zangl, „Ich empfinde diese Massnahme persönlich als ungerecht“. Heinz Kindermanns Entlastungsstrategien 1945–1954, in: Peter/Payr (Hg), „Wissenschaft nach der Mode“, 172–206, 190. 36 Eine ausführliche Darstellung von Kindermanns nationalsozialistisch geprägter Literaturwissenschaft und der Rezeption durch Dietrich, siehe: Peter, Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft, 2009, 207–212.

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derlin. Das Referat gibt nicht nur Aufschluss über die Lehrinhalte des Seminars „Wandel des Naturgefühls in der deutschen Dichtung“,37 sondern auch über Dietrichs Sichtweisen. Wichtigste Referenz in ihren Interpretationen waren Kindermanns nationalsozialistische literaturwissenschaftliche Abhandlungen sowie die „rassenkundlichen“ Arbeiten von Hans F. K. Günther.38 Im Sommersemester 1942 absolvierte Dietrich ein Semester an der Universität Graz. In ihren Erinnerungen berichtet sie von Bergwanderungen der Studierenden mit den Professoren, vom gemeinsamen Besuch von Schlosskonzerten und Theateraufführungen. Das Studium schildert sie als intensiv und beglückend. Schwärmerisch gedenkt sie ihren Lehrern: dem Altphilologen Hans Gerstinger, den Historikern Franz Schachermeyr und Walter Kienast sowie dem Altgermanisten Hugo Kleinmayr, ferner erinnerte sie die Veranstaltungen bei Arnold Schober in Archäologie und Lehrveranstaltungen bei Otto Tumlirz in Pädagogischer Psychologie.39 Im darauffolgenden Wintersemester 1942/43 kehrte sie – angeblich auf Wunsch der drei Germanisten Müller, Trier und Kindermann, als deren „Assistent“ sie bereits fungierte – wieder nach Münster zurück – nicht zuletzt um bei der Übersiedlung des durch Bomben zerstörten Germanistischen Institut behilflich zu sein. In dieser Phase, so Dietrichs Eigenerzählung, soll sie auch Kindermanns Angebot erhalten haben, ihn nach Wien zu begleiten, um ihn beim Aufbau des neu zu gründenden Institut zu unterstützen.40 Es ist durchaus möglich, dass Kindermann nicht alleine von Dietrichs Begabung und Talent, sondern auch aufgrund ihres vorangegangenen politischen Engagements in der HJ von ihrer Eignung als Mitarbeiterin überzeugt war, denn auch Kindermann hatte sich immer wieder für die HJ engagiert, etwa 1941, als er zweimal als Autor in der Zeitschrift „Wille und Macht. Führerorgan der nationalsozialistischen Jugend“ fungierte.41 Herausgeber war der ehemalige Jugendführer Baldur von Schirach, der ab 1940 als Reichstatthalter von Wien fungierte. 37 Margret Dietrich, Studienbuch 1940–1944, 12. Archiv Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Mappe Lebensdokumente. 38 Heinz Kindermann, Goethes Menschengestalten. Versuch einer literaturhistorischen Anthropologie, Bd. 1. Der junge Goethe. Mit einer Einführung in die Aufgaben der literaturhistorischen Anthropologie, Berlin 1932; Heinz Kindermann, Dichtung und Volkheit. Grundzüge einer neuen Literaturwissenschaft, Berlin 1937 (2. Aufl. 1939); Hans F. K. Günther, Rasse und Stil, München 1926; Hans F. K. Günther, Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes, München 1928 (3. Aufl. 1939). 39 Dietrich, Selbstbiographie, 3. 40 Ebd. Zur Institutserrichtung vgl. Nieß, Von den Chancen und Grenzen akademischer Selbstbestimmung im Nationalsozialismus, 225–259. 41 Heinz Kindermann, Ferdinand Raimund der Volksdramatiker unserer Nation, in: Wille und Macht. Führerorgan der nationalsozialistischen Jugend. 9 (1941) 11, 1–11. Heinz Kindermann, Danzig und Westpreußen in der Dichtung, in: Wille und Macht. Führerorgan der nationalsozialistischen Jugend, 9 (1941) 17, 5–9.

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Schirach war es dann auch, der die Bestellung Kindermanns als Ordinarius für Theaterwissenschaft mit seiner Machtpolitik für Wien verband und die Institutsgründung ermöglichte.42 Die enge Zusammenarbeit Kindermanns mit dem Chefdramaturgen der Gaubühne Bochum, Walter Thomas, erwies sich ebenfalls als günstig, da dieser in Wien als Schirachs Generalkulturreferent wirkte und mit Kindermanns Gründungsaktivitäten betraut war.

V.

Von der wissenschaftlichen Hilfskraft am Zentralinstitut für Theaterwissenschaft zur ersten Doktorin des Instituts

Ab Anfang April 1943 war Dietrich als wissenschaftliche Hilfskraft am neu gegründeten Zentralinstitut für Theaterwissenschaft beschäftigt.43 Wenig überraschend dominieren in ihren Erinnerungen der 1990er-Jahre scheinbar entpolitisierte Aufgabengebiete, die sich laut Dietrich aus Verwaltungsarbeit (Inventar, Personal, Kasse), der Katalogisierung und Aufstellung der Bibliothek, Studierendenberatung für Erstsemestrige und der „Leitung der Proseminare und theaterwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften“44 zusammensetzten. Aus Heinz Kindermanns zahlreichen Berichten aus den Jahren von 1943 bis 1945 geht eine hohe Aktivität des Instituts in verschiedensten Bereichen hervor, ebenso ein breites Netzwerk. Für den Lehrbetrieb standen neben dem Ordinarius und „Direktor“ Kindermann der Skandinavist Vagn Börge, der Leiter des Schauspielseminars Schönbrunn (vormals Schauspielschule Max Reinhardt) Hans Niederführ, der Bühnenbildner Emil Pirchan und die Opern-Regisseurin Anna Bahr-Mildenburg zur Verfügung. Für eine breite Öffentlichkeit wurden sogenannte Sonderveranstaltungen im Auditorium Maximum organisiert. Dabei hielten prominente Theaterschaffende Vorträge, so auch die Burgtheater-Schauspieler Otto Treßler und Raoul Aslan, der „Generalintendant“ und „Staatsschauspieler“ Heinrich George, der Direktor des Deutschen Theater Berlin und des Wiener Theater in der Josefstadt Heinz Hilpert, die bereits erwähnte Regis-

42 Vgl. Birgit Peter, NS-ideologische Metamorphosen am Beispiel von Heinz Kindermann: Ferdinand Raimund und Franz Grillparzer als deutsche Volksdramatiker, in: Stephan Kurz/ Michael Rohrwasser/Daniela Strigl (Hg.), Der Dichter und sein Germanist. Symposion in Memoriam Wendelin Schmidt-Dengler, Wien 2012, 81–95. 43 Schreiben von Margret Dietrich an Bundesministerium f. Unterricht, 22. 11. 1954. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 44 Margret Dietrich, Curriculum vitae. Wien 16. 4. 1950. Anhang an Personenstandesblatt. ÖSTA, AdR, PA Dietrich.

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seurin Anna Bahr-Mildenburg und der japanische Theaterforscher Dr. Watanabe.45 In den Institutsräumlichkeiten in der Wiener Hofburg, konkret auf der Batthyanystiege, fanden szenische Lesungen statt, wo prominente SchauspielerInnen wie Maria Eis gemeinsam mit Studierenden des Zentralinstituts wie Oskar Werner ihre Auftritte hatten. Neben diesen öffentlichkeitswirksamen Institutstätigkeiten wurde der Studien- und Forschungsapparat aufgebaut. Im November 1943 verfügte die Fachbibliothek bereits über 10.000 Bände, 1944 über 15.000, hinzu kam der Aufbau einer umfangreichen theaterhistorischen Sammlung.46 In rezenten Forschungsarbeiten zum Thema wurde gezeigt, dass der Erwerb dieser Bücher sich vielfach aus rigoros geraubten Materialien von jüdischen BesitzerInnen speiste – Bestände, die nun dem Institut einverleibt wurden.47 Zu den Tätigkeiten des Instituts kam noch die sogenannte Fernbetreuung von Soldaten, die regelmäßig mit „Rundbriefen“ über das Geschehen am Institut, die Ausrichtung und Intention des Fachs informiert wurden und Aufgaben via Post gestellt bekamen.48 Neben diesen Tätigkeiten, die Dietrich als wissenschaftliche Hilfskraft durchführte bzw. begleitete, arbeitete sie vor allem auch an ihrer Dissertation. Im Zuge dessen belegte sie sämtliche Lehrveranstaltungen Kindermanns, darunter seine Vorlesung „Das Nationaltheater der deutschen Klassik“, das Oberseminar „Übungen zur Geschichte des Barock“ und das Unterseminar „Einführung in die Grundlagen der Theaterwissenschaft“. Dazu hörte sie zwei Lehrveranstaltungen von Dietrich (von) Kralik und Josef Nadler auf der Germanistik, in Geschichte Heinrich (von) Srbik und auf der Philosophie Ottomar Wichmann und Friedrich Kainz.49 Die Einträge des Studienbuchs enden im Sommersemester 1944: Am 45 Euphorische Besprechungen in Tageszeitungen siehe: Heinrich George in Wien. Ein Vortrag des Künstlers in der Universität, Das Kleine Blatt, 29. 6. 1944, 4; Hedy Jähnl, Heinrich George am Vortragspult, Illustrierte Kronen Zeitung, 29. 6. 1944, 4; Programmzettel des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft, eingeklebt im Gästebuch des Zentralinstituts 1943–1945, nicht paginiert, Archiv Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft d. Universität Wien. 46 Martina Payr, Alles wächst gut zusammen. Fachbibliothek, Archive und Sammlungen am Zentralinstitut für Theaterwissenschaft 1943–1945, in: Peter/Payr (Hg), „Wissenschaft nach der Mode“, 103–123; Martina Cuba, Die Gründung eines theaterwissenschaftlichen Forschungsapparates im Nationalsozialismus. Zur Sammlungsgeschichte der Bestände am Zentral institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien 1943–1945, phil. Diss., Universität Wien 2017. 47 Vgl. die Ausstellung „Völlig fraglich“. Vergessene Geschichte. Eine Ausstellung des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien zur nationalsozialistischen Gründungsgeschichte, URL: https://voelligfraglich.univie.ac.at (abgerufen 19. 4. 2021). 48 Rundbriefe des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft, Digitale Edition, URL: https://tfm -rundbriefe.acdh.oeaw.ac.at/pages/index.html (abgerufen 19. 4. 2021). 49 Margret Dietrich, Studienbuch, 24.

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22. Juli promovierte sie mit der Arbeit „Der Wandel der Gebärde auf dem deutschen Theater vom 15. zum 17. Jahrhundert (Vom Spätmittelalter zum Barock)“.50 Als Erstbetreuer fungierte – wenig überraschend – Kindermann, als Zweitbetreuer der Germanist Josef Nadler. Kernstück ihrer Dissertation war ihre von Heinz Kindermann noch in den 1960er-Jahren als innovativ gelobte Methodik, Theater nach anthropologisch gedachten Typologien zu untersuchen.51 De facto zeigen sich die von Dietrich erarbeiteten Kriterien zur Erstellung der Typologien als antisemitisch und rassistisch. Theater fungierte für sie als überhöhtes, biologistisch aufgeladenes Projektionsmedium – als organisch gedachter „Repräsentant“ und als „Gebärdenverwirklichung eines Volkes“. Noch 1999 blickte Dietrich offenkundig recht distanzlos auf ihren ideologisch geprägten Kriterienkatalog zurück – lediglich die Melodie der Sprache hatte sie an die 1990er-Jahre angepasst: Statt „Rasse“ sprach sie nun lieber von „Ethnie“, antisemitische und rassistische Kategorisierungen beschrieb sie nun als schichtspezifische, soziale Differenzierung.52 Im August 1944, kurz nach Dietrichs Promotion, kam es zu einem Konflikt zwischen Kindermann und dem Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen. Anlass war Margret Dietrich selbst. Im Personalakt Dietrichs – erhalten im Österreichischen Staatsarchiv – findet sich der diesbezügliche Briefwechsel zwischen dem Kurator und Institutsleiter: Demnach hatte Dietrich beim Arbeitsamt eigenmächtig für die Unentbehrlichkeit von Doris Eisner plädiert,53 die aufgrund der antisemitischen Gesetze als „Mischling 1. Grades“ zum „Rüstungseinsatz“ eingezogen werden sollte.54 In Dietrichs „Selbstbiographie“, ebenso wenig wie in den Archivbeständen des Instituts, finden sich dazu nähere Hinweise. Inwieweit Dietrich im Auftrag Kindermanns handelte, oder inwieweit es bei Dietrichs Intervention um einen Freundschaftsdienst, eine couragierte Aktion oder auch einen ganz pragmatischen Zugang ging – nämlich in Kriegszeiten nicht eingearbeitete Arbeitskräfte für das Institut zu verlieren – entzieht sich unserer Kenntnis. Die Einstellung der betroffenen Mitarbeiterin ging jedenfalls auf Kindermann zurück, wie wir aus einer am 22. Juli 1945 erfolgten Solidaritätsbekundung für Kindermann wissen:

50 Ann Margret Dietrich, Der Wandel der Gebärde auf dem deutschen Theater vom 15. zum 17. Jahrhundert (Vom Spätmittelalter zum Barock), Diss., Universität Wien 1944. 51 Wahlvorschlag der Philosophisch-historischen Klasse Margret Dietrich, Typoskript mit eigenhändigen Unterschriften der Kommissionsmitglieder, 2. Archiv der ÖAW, Akt 411/1964. 52 Dietrich, Selbstbiographie, 4. 53 Zu Biografie und Tätigkeit von Doris Eisner am Institut fanden sich bis dato keine aussagekräftigen Quellen. 54 Brief, Kuratorium der wiss. Hochschulen an Heinz Kindermann, 30. 8. 1944, ÖStA, AdR, PA Dietrich, zit. n. Mayerhofer/Tschank, Chronologie des Instituts für Theaterwissenschaft 1943–1955, 244–258, 251–252.

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„Prof. Kindermann, […] war zwar Mitglied der NSDAP – und für einen Mann in einer derartigen Dienststellung wäre dies anders auch gar nicht möglich gewesen –, stand aber als Mensch und Wissenschaftler in ungeheurem Maße über der Partei: obwohl in staatlichen Dienststellen doch keine Juden beschäftigt werden durften, verpflichtete er dennoch (u. zw. ohne das Kuratorium davon zu verständigen!) zwei Halbjüdinnen als Angestellte“.55

Der oben angesprochene Briefwechsel blieb jedenfalls ohne Folgen. Auch weiterhin fungierte Kindermann als aktiver Förderer von Dietrichs Karriere. So beauftragt er sie, für die in Gründung stehende „europäisch ausgerichtete“ theaterwissenschaftliche Zeitschrift „Maske und Kothurn“ einen „Leitaufsatz“ zu verfassen – geplanter Titel: „Die Schauspielkunst und das Lebensideal“.56 Dieses Vorhaben sollte – wenn auch abgeändert – erst 1955 verwirklicht werden, als Kindermann nach Jahren der beruflichen Zwangspause als belasteter Nationalsozialist wieder seine Position als Ordinarius und Institutsleiter erlangte. Im Jänner 1945 schlug Kindermann Dietrich auch für eine Habilitation vor, die Dietrich schließlich 1952 nach erfolgten Entnazifizierungsmaßnahmen abschließen konnte. Das Thema, das von Beginn an mit Titel feststand, blieb über die Jahre des politischen Wandels hin unverändert: „Das Problem der Menschengestaltung in den Schriften der europäischen Dramaturgie“ im zeitlichen Rahmen des Mittelalters und der Renaissance – mit einem Schwerpunkt auf „Wesensproblemen der Gegenwartsliteratur“ unter den Prämissen: „Problem der Grenzgebiete: Bühne und Weltanschauung, Bühne und Leben, Bühne und Drama“57.

VI.

„von Haus aus katholisch erzogen und eingestellt“: Entnazifizierung, Habilitation und der Weg zum Wiedereinstieg an der Universität Wien

Eine Woche nach der Befreiung Österreichs am 8. Mai 1945 wurde Heinz Kindermann seines Amtes enthoben und die Institutsleitung vom Literaturhistoriker Eduard Castle übernommen, laut „Internationalem Germanistenlexikon“

55 Die Studenten der Theaterwissenschaft an das Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht und Erziehung, Wien, 22. 7. 1945. ÖStA, AdR, PA Kindermann, fol. 392–393. Abbildung in: Peter/Payr (Hg), „Wissenschaft nach der Mode“, 160–161. 56 Fragebogen für Dozenten-Nachwuchs. UAW, PA Dietrich. Zit n. Peter, Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft, 207. 57 Ebd.

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der einzige im Nationalsozialismus aus „politischen Gründen“ entlassene Germanist an Österreichs Hochschulen.58 Im Personenstandesblatt vom August 1945 – eine Beilage zu Dietrichs Lebenslauf in den Unterlagen des heutigen Unterrichtsministeriums – gab Dietrich ihre NSDAP Mitgliedschaft nicht an. Vielmehr betonte sie offensiv ihre katholische Herkunft, Bildung und Affinität zu einem „künstlerisch-religiösen Wesenszug des österreichischen Menschen“.59 Margret Dietrich blieb – trotz erfolgter Fürsprache von Eduard Castle – noch bis zum 10. Oktober 1945 im Personalstand der Universität Wien, wobei ihre Entlassung aufgrund ihrer fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft ausgesprochen wurde.60 Wie in der Chronologie von Claudia Mayerhofer und Gerald Tschank herausgearbeitet, stellte Castle am 9. November 1945 erneut einen Antrag auf Wiedereinstellung, da Dietrich inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt hatte und diesbezüglich ein positiver Ausgang erwartet wurde. Auch das Professorenkollegium unterstützte Castles Antrag über Dietrichs Verbleib: Sie sei – so Castle – „unersetzlich für die Aufrechterhaltung des Institutsbetriebs, mit der Verwaltung der wertvollen Bibliotheks- und Archivbestände vertraut und unerlässlich für die Betreuung Erstsemestrigen, vor allem der Kriegsheimkehrer“. Zudem sei sie „politisch völlig unbelastet, hat nie der NSDAP angehört, ist von Haus aus katholisch erzogen und eingestellt,“ zumal sie von „wahrhaft Österreich-ergebener Gesinnung erfüllt“ sei.61 Einen weiterer Appell für den Verbleib von Dietrich richteten die MitarbeiterInnen und Studierenden des Instituts an das Staatsamt für Volksaufklärung. Sie betonten dabei vor allem Dietrichs „Tatkraft“ und „unermüdlichen Einsatzwillen“, in den letzten „Kampftagen“, zumal ihr die „Rettung der Institutsbestände zu verdanken“ sei.62 Am 5. Jänner 1946 meldete Dietrich jedenfalls ihre NSDAP Mitgliedschaft bei der zuständigen Behörde der Gemeinde Wien.63 Wie lange dauerte also Dietrichs politisch bedingte Zwangspause am Institut? Die Akten dazu sind ein wenig 58 Zit. n. Andreas Huber, Eduard Castle, Wien 2019, URL: https://gedenkbuch.univie.ac.at/inde x.php?person_single_id=32865 (abgerufen 19. 4. 2021). 59 Margret Dietrich, Curriculum vitae, Wien, 3. 8. 1945. Beilage zu Personenstandesblatt, 3. 8. 1945. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 60 Vgl. Mayerhofer/Tschank, Chronologie des Instituts für Theaterwissenschaft 1943–1955, 244–257. 61 Eduard Castle an Staatsamt f. Volksaufklärung, f. Unterricht u. Erziehung, Wien, 8. 9. 1945. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 62 Zentralinstitut f. Theaterwissenschaft an das Staatsamt für Volksaufklärung, Wien, 8. 9. 1945 (gez. von: „Die Mitarbeiter des Instituts und die derzeit anwesenden Studierenden“, 10 Unterschriften umseitig). ÖStA, AdR, PA Dietrich. 63 Gemeinde Wien (Mag. Abt. VII/2)/Meldestelle für den I. Bezirk zur Registrierung der Nationalsozialisten, Bestätigung für Dr. Dietrich Margarete (Nr. 2507), 5. 1. 1946. ÖStA, AdR, PA Dietrich.

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widersprüchlich, denn aus dem Personalakt mit den Anrechnungen der Vordienstzeiten von 1956 geht hervor, dass sie von 1. November 1945 bis 27. April 1948 an der Universität beschäftigt war – verbunden mit dem Vermerk zu 1948: „fällt unter die Jugendamnestie“.64 In ihrer „Selbstbiographie“ berichtet Dietrich knapp davon, dass sie von Eduard Castle – wie zuvor von Kindermann – aufgefordert worden sei, sich in Wien zu habilitieren und er ihr die Zeit zugestand, trotz ihrer Tätigkeit als Assistentin an der Habilitationsschrift zu arbeiten. Weiters schreibt sie, 1947/48 bei den Eltern in Westfalen ihre Habilitationsschrift fertigstellt zu haben und 1948 nach Österreich zurückgekehrt zu sein.65 Laut Clearance Certificate der Denazifizierungskammer im deutschen Arnsberg wurde Dietrich am 12. Juli 1947 „nach Bestimmungen der Verordnung Nr. 79 der Militärregierung“ entlastet.66 Mit 8. April 1948 ist der Bescheid der Einspruchskommission für den 1. Bezirk in Wien datiert: „Die Einspruchswerberin führt in ihrem Einspruch aus, dass sie keinen Antrag um Aufnahme in die NSDAP gestellt habe, sondern automatisch vom BDM in die NSDAP überstellt wurde. Diesen Angaben ist nach der Aktenlage Glauben zu schenken. Im Deutschen Reich wurde sie im Juli 1947 entnazifiziert.“67 Dietrichs Einspruch war letztendlich also erfolgreich, sie wurde von der Registrierungsliste gestrichen.68 Aus einer von Dietrich zusammengestellten Auflistung ihrer Vortragstätigkeit zwischen 1940 und 1998 geht hervor, dass sie 1948 drei Vorträge in Münster hielt: an der Universität Münster im Seminar des Logikers, Philosophen und Theologen Heinrich Scholz zu Pascal und Goethe. Ohne nähere Angaben zum Ort notierte sie weiters, über „Das Bühnenbild als Spiegel des Nationalcharakters“ und über „Gefahr und Segen der Romantik“ gesprochen zu haben.69 Scholz nennt sie in diesem Dokument auch als Ratgeber ihrer Habilitationsschrift, vor allem in Bezug auf ihren Begriff der Kulturantrhopologie. Ab Juni 1948 schrieb Dietrich regelmäßig für die „Zeitschrift des Theaters der Jugend“, die im Mai unter dem Namen „Neue Wege“ ein Forum für die litera-

64 Bundesministerium f. Unterricht an Inst. f. Theaterwissenschaft und Margret Dietrich betreffend dienstrechtlicher Maßnahmen, GZ 11447, 1. 6. 1956. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 65 Dietrich, Selbstbiographie, 6. 66 Entlastungszeugnis, beglaubigte Abschrift (Clearance Certificate Nr. 335), Arnsberg, 12. 7. 1947, ÖStA, AdR, PA Dietrich. 67 Bescheid der Einspruchskommission für den I. Bezirk, 8. 4. 1948. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 68 Ebd. 69 Margret Dietrich, Vorträge: Versuch mit Pässen, Notizbüchlein –und Zeitungsnotizen, festzustellen, wann ich wo und über welches Thema gesprochen habe, (unveröffentlichte Liste, 13 Blatt), pag. 30–42. Archiv Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Mappe Lebensdokumente.

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rische Jugend bieten wollte.70 Dietrich veröffentlichte dort erstmals im Juni 1948, und zwar unter dem Pseudonym Margarete Clement. Ihr Beitrag „Aus einem Brief an eine junge Dichterin“ beginnt sie mit folgender Angabe: „Wien, Pfingsten 1948.“ Inhaltlich handelte es sich um einen Appell an eine junge Dichterin, weiterhin ihre Verse zu schreiben, die eine höhere kosmologische Ordnung hinter Leid, Verzweiflung und Bitterkeit erkennen ließen.71 Im selben Heft scheint auch unter einem anderen Pseudonym, dem Kürzel A. M. D., die Rezension eines Grillparzer-Bandes auf.72 In den Jahren 1948 und 1949 veröffentlichte Dietrich unter einigen Pseudonymen: Hannes Pagenkemper H. P., Dr. Johannes Hold J. M. H., R. M. Hold R. M. H., Vera Prinz V. P., Wolfgang von der Lippe W. v. d. L. – vor allem in den Zeitschriften „Neue Wege“ und einem Theaterprogramm des Theaters der Jugend.73 Tatsächlich waren das Büro des Theaters der Jugend sowie der Redaktionssitz der Zeitschrift in denselben Räumlichkeiten untergebracht wie das nunmehrige Institut für Theaterwissenschaft, auf der Batthyanystiege in der Hofburg. Das heißt, Dietrich muss trotz ihrer Nichtanstellung in dieser Zeit kontinuierlich mit dem Institut, respektive den jeweiligen Leitern Kontakt gehalten haben: von 1945 bis 1949 mit Eduard Castle, von 1950 bis 1954 mit Friedrich Kainz. Die Vermutung liegt nahe, denn im Jänner 1949 reichte sie einen Antrag auf Habilitation mit Zustimmung von Castle ein. Der Antrag wurde allerdings mit dem Argument zu geringer Publikationstätigkeit abgelehnt. Davon unabhängig erfolgte unter Friedrich Kainz 1950 die Wiederanstellung Dietrichs an der Universität Wien, im selben Jahr, im April 1950, erwarb sie auch die Österreichische Staatsbürgerschaft.74 Im Oktober des folgenden Jahres stellte sie einen neuerlichen Antrag auf Habilitation.75 Mit Kindermann, der seit seiner Entlassung im Mai 1945 für seine Wiedereinstellung kämpfte, arbeitete Dietrich nachweislich seit 1949 wieder zusammen. Die beiden gaben die von Kindermann 1950 gegründete Literaturzeitschrift 70 Vgl. Veronika Zangl, Neue Wege nach 1945. Konsensuale Kulturpolitik und die Erfindung von Jugend, in: Gerald M. Bauer/Birgit Peter (Hg.), „Neue Wege“. 75 Jahre Theater der Jugend in Wien, Wien 2008. 71 Vgl. Margarete Clement, Aus einem Brief an eine junge Dichterin, in: Neue Wege, Nr. 36/19, Juni 1948, 219. 72 A. M. D., Grillparzer: Selbstbiographie und Reisetagebücher. Herausgegeben von Richard Hoffmann. A. J. Walter Verlag. Archiv d. Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Mappe Zeitungsausschnitte. 73 Programmzettel, Theater der Jugend: Volkstheater. Direktion Paul Barnay: Was Ihr wollt, undatiert. Archiv d. Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Mappe Zeitungsausschnitte. 74 Schreiben Bundesministerium f. Unterricht, 25. 11. 1954. ÖStA, AdR, PA Dietrich. 75 Vgl. Mayerhofer/Tschank, Chronologie des Instituts für Theaterwissenschaft 1943–1955, 244–258, 255–256.

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„Freude an Büchern“ bis 1954 heraus,76 ebenso das „Lexikon der Weltliteratur“,77 das – wie Dietrich erinnert – als „Ki-Di“ vielzitiert in die Fachwelt eingegangen sei.78 Mit diesen Prestigewerken arbeitete sie gegen den von der Habilitationskommission geäußerten Vorwurf der zu geringen Publikationstätigkeit – wieder mit Hilfe ihres alten Mentors – entgegen. Umgekehrt erwies Dietrich bei öffentlichen Vorträgen Kindermann ihren ungebrochenen Respekt.79 Sie würdigte Kindermann stets als Anreger ihrer Habilitationsschrift und als methodisch wesentlichen Impulsgeber, den sie als geistesgeschichtliche Koryphäe gleichwertig neben Wilhelm Dilthey sah.80 Nicht zuletzt verwies Dietrich auf die weitreichende Wirkung und Rezeption von Kindermanns literatur- und theaterwissenschaftlicher Forschung – freilich ohne je Kritik an der nationalsozialistischen Ausrichtung von Kindermanns Arbeit zu üben. Diese Tendenz behielt Dietrich bis zu ihrem Lebensende bei. 1952 schloss sie schließlich unter Institutsleiter Friedrich Kainz – nach zwei Anträgen – erfolgreich ihr Habilitationsverfahren ab und veröffentlichte die Schrift unter dem Titel „Europäische Dramaturgie. Der Wandel ihres Menschenbildes von der Antike bis zur Goethezeit“.81 Dietrichs Literaturreferenzen ihrer Habilitation sind unmissverständlich. Neben Kindermanns „Anthropologie“ greift sie auf Werke nationalsozialistischer Vertreter der sogenannten philosophischen Anthropologie zurück, etwa auf Arnold Gehlen mit seinem 1940 erschienenen Buch „Der Mensch“82 oder auf Ernst Kretschmer83 „Körperbau und Charakter“ aus dem Jahr 1921 in der Ausgabe von 1941. Und Kindermann? Er erhielt, wie in all ihren Vorträgen, eine

76 77 78 79 80 81

Freude an Büchern. Monatshefte für Weltliteratur, Wien 1950–1954. Lexikon der Weltliteratur. Bearb. v. Heinz Kindermann und Margret Dietrich, Wien 1950. Dietrich, Selbstbiographie, 7. Dietrich, Vorträge, Sammlung Margret Dietrich. Archiv. Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich. Margret Dietrich, Europäische Dramaturgie. Der Wandel ihres Menschenbildes von der Antike bis zur Goethezeit, Wien, 1952. Die Habilitation erfolgte nach einer ersten Ablehnung des Antrags 1949 dann 1952. Vgl. Mayerhofer/Tschank, Chronologie des Instituts für Theaterwissenschaft 1943–1955, 244–258. 82 In „Der Mensch“ weist Gehlen auf die Bedeutung des „Gesinnungsmäßigen“ für die Konstituierung von Gesellschaft hin. Notwendig sei eine „von oben her institutionalisierte ‚Weltanschauung‘ oberster Führungssysteme“ – ein Ausdruck, wie er betonte, der dem des von Alfred Rosenberg gebrauchten Begriffs des „Zuchtbildes“ sehr nahestehe. Vgl. Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, Berlin 1940, 448. 83 Ernst Kretschmer sprach sich 1934 für die Sterilisation von ihm als „Schwachsinnige“ bezeichneten Menschen aus und fungierte während des Nationalsozialismus als Richter am Erbgesundheitsgericht Marburg und am Erbgesundheitsgericht Kassel. Er war Mitglied des Beirats der Gesellschaft deutscher Neurologen und Psychiater – in dieser Funktion nahm er an einer Sitzung des Beirats der „Aktion T4“ teil.

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außerordentliche Würdigung, in der seine nationalsozialistische Überzeugung ausgeblendet blieb.84

VII.

Dietrich als Ordiaria für Theaterwissenschaft und wirkliches Akademiemitglied

1954, als der ehemalige austrofaschistische Studentenführer Heinrich Drimmel Unterrichtsminister wurde, kam es zur Wiedereinsetzung von Heinz Kindermann. Die Historikerin Linda Erker verweist darauf, dass in Fragen der Universitätspolitik Drimmel als engstem Berater auf den über alle Systeme (1933/ 1938/1945) hinweg antisemitisch agierenden Netzwerker Richard Meister vertraute – damals Präsident der ÖAW.85 Die Besetzung Kindermanns erfolgte noch unter Protesten,86 doch läutete sie eine Phase ein, in der ehemalige Nationalsozialisten ganz offen ihre alten Ordinarien wiedererhielten. Damit begann auch die bis zu Kindermanns Tod 1985 andauernde engste Zusammenarbeit mit Dietrich. Bereits 1955 zeichnete sie mitverantwortlich für die Konzeption und Ausführung der „Europäischen Theaterausstellung“ im Wiener Künstlerhaus, ein Projekt, das Kindermann in der Öffentlichkeit als von NS-Vorwürfen rehabilitiert erscheinen ließ.87 Den Ehrenschutz übernahmen Minister Drimmel und der Wiener Bürgermeister Franz Jonas, während Richard Meister die Festansprache mit dem Titel „Die Aufgaben der Theaterwissenschaft“ hielt.88 Kurz nach Kindermanns Wiederberufung nahm Dietrich ab Jänner 1955 den neugeschaffenen Posten einer Hochschulassistentin ein, 1958 folgte die Berufung als außerordentliche Professorin für Theaterwissenschaft. Kindermann schlug sie 1964 in seiner Funktion als wirkliches Mitglied der ÖAW als korrespondierendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse vor.89 Er selbst war wie84 Margret Dietrich, „Vorwort“, in: Europäische Dramaturgie, 5–6. 85 Linda Erker, Die Rückkehr der „Ehemaligen“. Berufliche Reintegration von früheren Nationalsozialisten im akademischen Milieu in Wien nach 1945 und 1955, in: zeitgeschichte 44 (2017) 3, 175–192, 183; Katharina Kniefacz, Richard Meister, o. Prof. Dr. phil. In: 650plus – Geschichte der Universität Wien, 2019, URL: https://geschichte.univie.ac.at/de/personen/ri chard-meister-o-prof-dr-phil (abgerufen 19. 6. 2020). Johannes Feichtiger, Richard Meister. Ein dienstbarer Hochschulprofessor in vier politischen Regimen, in: Mitchell Ash/Josef Ehme r (Hg.), Universität – Politik – Gesellschaft, Göttingen 2015, 311–318; Johannes Feichtinger/ Herbert Matis/Stefan Sienell/Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945 (Katalog zur Ausstellung), Wien 2013. 86 Mayerhofer/Tschank, Chronologie des Instituts für Theaterwissenschaft 1943–1955, 257. 87 Vgl. Zangl, „Ich empfinde diese Massnahme als persönlich ungerecht“, 172–206. 88 Richard Meister, Die Aufgaben der Theaterwissenschaft, in: Maske und Kothurn, Jg. 1 (1955) 3–4, 201–202. 89 Wahlvorschlag der Philosophisch-historischen Klasse Margret Dietrich, Typoskript mit Unterschriften der Kommissionsmitglieder. Archiv ÖAW, Akt 411/1964.

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derum auf Vorschlag Richard Meisters 1960 als korrespondierendes und 1962 als wirkliches Mitglied in die ÖAW aufgenommen worden, was als weiterer Beleg für die engen Verbindungen und die mangelnde politische Distanzierung im Umfeld der ÖAW zu „belasteten“ Nationalsozialisten zu lesen ist.90 So verwundert es nicht, dass Dietrich als eine der ersten Frauen dann ebenfalls in den elitären Kreis der Akademie gewählt wurde. Kindermann und Dietrich firmierten in den kommenden Jahrzehnten als international einflussreiches, diskursbildendes Duo der Theaterwissenschaft. Zahlreiche Gründungen und damit verbundenen Leitungsfunktionen von wissenschaftlichen Einrichtungen gingen auf die beiden zurück. In der ÖAW waren dies die Kommission für Theatergeschichte Österreichs (1962) und das Institut für Publikumsforschung (1973). Dem Institut für Theaterwissenschaft gleichsam als Trabanten zugeordnet, waren die Max Reinhardt-Forschungs- und -Gedenkstätte Salzburg (1966), die Wiener Dramaturgie und das Grillparzer-Forum Forchtenstein. Kindermann und Dietrich waren weiters federführend tätig in der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung und der Österreichischen Filmwissenschaftlichen Gesellschaft. Desgleichen waren beide Präsidenten der internationalen theaterwissenschaftlichen Fachgesellschaft, der Féderation Internationale pour la recherche Théâtrale. 1966 wurde Dietrich nach Kindermanns Emeritierung zur Ordinaria und Leiterin des Instituts bestellt. Die enge Zusammenarbeit der beiden bestand freilich weiterhin: Seit den 1960er-Jahren bereisten sie gleichsam als theaterwissenschaftliche Botschafter verschiedenste Länder Europas, ebenso wie die USA, Kanada, Ostasien und Persien. In einem 1971 von Kindermann an der ÖAW gehaltenen Vortrag berichtete er von seiner und Dietrichs „Theaterwissenschaftlicher Weltreise“. Offenkundig wurde dabei, über welches Netzwerk die beiden verfügten: Zahlreiche Absolventen – so Kindermann – hätten sie an eine Reihe von Universitäten im „Nahen und Fernen Osten“ eingeladen, um über die Grundlagen der Theaterforschung zu sprechen. Kindermann hatte keinen Zweifel, dass die „europäische Kulturtradition“ in Vertretung seiner und Dietrichs Forschungen Vorbild und Maßstab zukam.91 Diese paternalistische, die eigene Bedeutung überschätzende Haltung hinterließ auch eine skurril anmutende Spur in den hinterlassenen Korrespondenzen von Dietrich. 1978 wandte sie 90 Archiv ÖAW, Akt 574/1960 betreffend Wahlen wirkl. Mitglieder 1960 (vertraulich, undatiert, gez. Friedrich Kainz, Hans Gerstinger, Karl Mras, Theodor Rittler, Fritz Schachermeyr, Friedrich Wild) und Akt 719/1962 betreffend Wahlen wirklicher Mitglieder 1962 (vertraulich, 25. 4. 1962, Richard Meister, Hans Bobek, Fritz Eichler, Erich Frauwallner, Hans Gerstinger, Leo Jutz, Friedrich Kainz, Josef Keil, Viktor Kraft, Hans Koziol, Albin Lesky, Karl Mras, Leo Santifaller, Fritz Schachermeyr, Ernst Schönbauer, Friedrich Wild). 91 Heinz Kindermann, Eine theaterwissenschaftliche Weltreise. Auszug aus dem Vortrag in der Gesamtsitzung am 29. 1. 1971. Sonderabdruck aus dem Anzeiger der phil.-hist.-Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 108 (1971) 3.

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sich an den österreichischen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger mit dem Ansinnen, sie und Kindermann sollten als Berater und Beraterin für außenpolitische Überlegungen in Bezug auf Taiwan zugezogen werden.92 Der Vorschlag wurde höflich zurückgewiesen. Im selben Jahr, 1978, erhielt Dietrich den Grillparzerring des Bundesministeriums für Unterreicht und Kunst sowie 1980 das Ehrenzkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

VIII. Emeriti Dietrich Hatte Dietrich 1981 noch das Europäische Forschungszentrum für japanische Theaterkultur gegründet, dem sie bis 1984 als Präsidentin vorstand,93 emeritierte sie nur ein Jahr später aus gesundheitlichen Gründen. Als geschäftsführende Direktorin des Instituts für Publikumsforschung blieb sie allerdings bis 1987 im Amt. Desgleichen fungierte sie als „Obmann“ der Kommission für Theatergeschichte Österreichs an der ÖAW bis 1998. Als Kindermann am 3. Oktober 1985 starb, verfasste Dietrich einen Nachruf für den „Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“. Mit keinem Wort ging sie – wenig verwunderlich – auf dessen nationalsozialistische Karriere ein, vielmehr schilderte sie voller Empathie die Jahre seiner Entlassung (1945–1954) als „neun harte Jahre freier Berufstätigkeit.“94 Bezüglich ihrer eigenen Tätigkeit für die HJ profitierte Dietrich schlussendlich noch: Ihre Aktivitäten als Jungmädelscharführerin und Jungmädelringführerin wurden ihr im Zuge der Berechnung des Ruhegenusses als Arbeitszeit angerechnet.95 Margret Dietrich starb am 17. Jänner 2004.

92 Korrespondenz Margret Dietrich und Rudolf Kirchschläger, Jänner 1978. Archiv Inst. f. Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Sammlung Margret Dietrich, Ordner–Korrespondenzen 1970er-Jahre. 93 Elisabeth Grossegger/Moritz Csáky, Nachruf auf Margret Dietrich, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach 2003/2004, 154. Jg., Wien 2004, 453–460, 459. 94 Margret Dietrich, Nachruf Heinz Kindermann, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften. Almanach 1985/1986, Wien 1986, 382–286, 385. 95 Margret Dietrich, Anrechnungsblatt B betreffend Ruhegenuss, 18. 5. 1966. ÖStA, AdR, PA Dietrich.

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IX.

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Resümee

Obwohl Kindermann und Dietrich 1981 durch die bereits erwähnte Publikation der Studierenden „Theaterwissenschaft und Faschismus“ mit ihren NS-Schriften und antisemitischen Aussagen konfrontiert worden waren, zeigten diese keine Reaktion oder Einsicht. Auch Dietrichs „Selbstbiographie“ aus dem Jahr 1999 ließ keine kritische Haltung zu Heinz Kindermann und seinem Werk erkennen. Vielmehr würdigte sie ihre Zusammenarbeit am (Zentral-)Institut als „Horizonterweiterung“, seine propagandistische und ideologische Theaterforschung als „logische und folgerichtige Vorarbeit zur europäischen Theatergeschichte“, für die Kindermann in der Zweiten Republik schließlich die höchste Anerkennung gefunden habe. In den Worten Dietrichs klingt diese erstaunliche Transformation folgendermaßen: „[D]er Vergleich der Beziehungen zwischen dem deutschsprachigen Theater in Deutschland und Österreich und dem Theater anderer Sprachen in anderen Ländern führte naturgemäss [sic] zur gesamteuropäischen Theatergeschichte; das neu gegründete Institut war schon von den Statuten her diesem europäischen Kulturbereich gewidmet.“96 Eine Lücke bildete in Dietrichs Erinnerungen auch das eingangs erwähnte Engagement bei der Hitlerjugend, das sie 1941 ein Semester lang an der Universität pausieren ließ. Im Gegensatz zu dem im Jänner 1945 für das Reichsforschungsamt verfassten Lebenslauf, worin sie noch ihre Treue zum Regime betont hatte, lag der Schwerpunkt der Schilderung ihrer Jugend aus der Retrospektive des Jahres 1999 auf einem religiös motivierten, humanistischen Engagement. Auch ihre eigenen, im Nationalsozialismus erworbenen Grundlagen und Arbeiten – etwa die aufbewahrten Vorträge als Studentin oder die Dissertation von 1944 – unterzog sie zu keinem Zeitpunkt einer kritischen Revision, im Gegenteil: Wertschätzend berichtete sie von den „wichtigsten“ Lehrern der Jahre 1943/44, „Kindermann in Theaterwissenschaft, Nadler und Kralik in Germanistik, Srbik in Geschichte, Kainz in Philosophie und Ästhetik sowie Richard Meister in Mittellateinischer Sprache und Literatur“97. Neutral und ohne jeglichen Zusammenhang mit der NS-Ideologie hielt sie zu ihrer Dissertation fest: „Am Ende des 9. Semesters wurde ich im Sommer 1944 zum Dr. phil. promoviert. Die Dissertation über den ‚Wandel der Gebärde im deutschen Theater vom 15. bis zum 17. Jahrhundert‘ konnte die sehr verschiedene typologische Gestaltung von Gebärden feststellen, je nach der sozialen (auch spezifisch beruflichen, ständischen oder ethni-

96 Dietrich, Selbstbiographie, 4. 97 Ebd., 3–4.

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schen) Schicht, die gekennzeichnet wurde: Bauern, Soldaten, Bürger, Juden, Ritter, Richter, Priester und Könige.“98

Dietrich brachte es 1999 noch einmal auf den Punkt, welche zugrundliegenden Aspekte ihre Untersuchung kennzeichneten: der „Ausdruck der ständischen Zugehörigkeit“, der „Ausdruck des Zeitgeschehens und der irrationalen Zeitströmungen“ und der „Ausdruck der Rasse“.99

98 Ebd., 4. 99 Dietrich, „Wandel der Gebärde auf dem deutschen Theater vom 15. zum 17. Jahrhundert (Vom Spätmittelalter zum Barock)“, 7.

zeitgeschichte extra

Sarah Knoll

Calling for Support: International Aid for Refugees in Austria during the Cold War1

“Through the refugee issue, we have made a name for ourselves all around the world.” These were the words of Oskar Helmer, Austria’s minister of the interior from the Socialist Party of Austria (SPÖ), to the Council of Ministers (Ministerrat) in 1957. He was referring to the positive reputation Austria had been able to develop through its assistance of Hungarian refugees who came to Austria in the context of the Hungarian Revolution of 1956.2 This sentence symbolizes one of the most important narratives Austria created through its help for refugees. One year after the signing of the State Treaty and the adoption of the Neutrality Law, the events of autumn 1956 and the influx of refugees from Hungary offered the opportunity to emphasize Austria’s ties to the “West” via help for refugees and the possibility of establishing a positive image of the country around the world. The strategy was successful. The narrative of a humanitarian country, and in particular one which provides assistance to political refugees, was born and became an important part of Austria’s self-perception. Austria’s manner of dealing with refugees was, however, ambivalent. Due to its geographical location at the border of the “Iron Curtain,” Austria was a country of first asylum for people attempting to flee the so-called “Eastern Bloc.”3 Yet although support for refugees, especially those from the “East,” was used as a foreign-policy agenda to increase prestige, Austria saw itself primarily as a transit 1 Sarah Knoll, recipient of a DOC Fellowship of the Austrian Academy of Sciences at the Department of Contemporary History, University of Vienna. This paper forms part of her PhD project “Austria and Cold War refugees from the Communist Bloc. The work of NGOs and UNHCR.” 2 Original quote: “BM Helmer: […] wir haben uns durch die Flüchtlingssache in der ganzen Welt einen Namen gemacht […]” Ministerratsprotokoll (MRP) Nr. 36, 30. April 1957, Österreichische Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA), MRP, 2. Rep., Raab II, Box 152. 3 For better readability I use the terms “West” and “East” as well as “Eastern Europe” and “Eastern Bloc”. It is necessary to note, however, that these terms are political and historical constructions. Cf. Anne Appelbaum, Iron Curtain: The Crushing of Eastern Europe, 1944–1956 (New York: Anchor, 2012), XXVII.

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country and not as a new home for refugees.4 Moreover, the Austrian government frequently called for international support and for the admission of refugees to other countries, especially during five major refugee movements: In 1956 around 180.000 Hungarians fled to Austria in the course of the 1956 revolutionary events against Communist rule; in 1968, after the Warsaw Pact invasion, Czechoslovakian citizens entered the country; during the “Polish crisis” in 1981, thousands of Poles sought protection in Austria; as Communist rule collapsed in 1989/90, around 50.000 citizens of the German Democratic Republic (GDR) fled across the Austrian-Hungarian border on their way to the Federal Republic of Germany; finally, the numbers of Romanians fleeing political persecution and bloody unrest at the end of the Ceaus,escu regime, which had been ongoing since the mid-1980s, intensified.5 Although escape across the “Iron Curtain” was a constant phenomenon during the Cold War – even if the hermetic barriers led to fatal outcomes and the number of successful escape attempts remained low – these five events in particular marked special reference points in Austria’s refugee and migration history. In all these case studies, political events and changes in the “Eastern Bloc” countries caused openings in the “Iron Curtain” and made escape possible for a large number of people. The rates of asylum seekers were therefore higher than in the preceding years and special accommodation had to be created. The public and the Austrian government perceived these situations as major challenges, as “refugee crises,”6 and called for international support. During all these refugee movements, national and international relief organizations such as agencies of the Red Cross movement (International Committee of the Red Cross/ICRC, International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies/IFCR, Austrian Red Cross), the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), the Intergovernmental Committee for European Migration (ICEM, now International Organization for Migration/IOM), and local organizations such as Caritas7 and Volkshilfe8 supported Austria in dealing with migrant refugees and finding temporary and permanent solutions. 4 Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik: Österreich 1945 bis 2015 (Vienna: Zsolnay, 2015), 51– 53; Heinz Fassmann and Rainer Münz, “Österreich. Einwanderungsland wider Willen,” in Migration in Europa. Historische Entwicklung, aktuelle Trends und politische Reaktionen, edited by Heinz Fassmann and Rainer Münz (Frankfurt – New York: Campus, 1996), 209–231. 5 Maximilian Graf and Sarah Knoll, “In Transit or Asylum Seekers? Austria and the Cold War Refugees from the Communist Bloc,” Contemporary Austrian Studies 26 (2017): 91–111. 6 The term “refugee crises” has generated controversial discussion and has been instrumentalized politically, but especially because the Austrian government and public perceived the described events as “crises,” I use it in this paper. Cf. https://geschichtedergegenwart.ch/fluech tlingskrise (24 November 2020). 7 Caritas is an aid organization of the Roman Catholic Church. 8 Volkshilfe is an Austrian-based NGO with close connections to the SPÖ that offers social services.

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They provided care, accommodation, organized onward travel, managed refugee camps, and provided financial aid. To implement the Austrian government’s wish that refugees travel on to other countries, the help of the international community and international organizations was essential. Without the receptivity of other countries, the refugees would have stayed in Austria. And without the support of international organizations, who coordinated the logistics and financed the travel costs, it would not have been possible to find workable solutions. Yet the help of national and international organizations was not simply an act of humanity. Through their work for refugees during major displacement events, they were attempting to locate themselves within the global refugee regime that was created after the end of the Second World War.9 The role of national and international organizations therefore needs to be examined critically, it needs to be entangled with the historical background of the period in question and it has to be included in the history of refugee movements. The aim of this article is to highlight and give a brief overview of the work of international organizations for refugees in Austria. The theses it puts forward are firstly that the support of local and international organizations was important for finding fast and permanent solutions. Secondly that Austria’s policy of transit could only be implemented with the help of international organizations and especially the receptivity of other countries. Thirdly that while this support was an important part of Austria’s strategy for dealing with the “refugee crises,” the relief organizations’ aid programs were not just an act of humanity but also part of their struggle to legitimate their own role in complex global refugee politics. The paper focuses on the work of the UNHCR during the five major “refugee crises” in Austria. This focus on the UNHCR is partly due to the availability of extensive sources, but also because the organization established strong connections with Austrian state authorities. Contacts with governments were not simply a sign of a lack of autonomy, rather, following Gil Loescher, the UNHCR was an independent actor in global refugee politics, and its involvement during the Hungarian “refugee crisis” in particular marked an important step in the organization becoming the major player in this field.10

9 The term “refugee regime” describes the principles, norms, decision-making processes and actors that influence the treatment of refugees. Cf. Alexander Betts, Gil Loescher and James Milner, UNHCR: The Politics and Practice of Refugee Protection, 2nd ed. (London: Routledge, 2012), 125–127. 10 Gil Loescher, “UNHCR’s Origins and Early History: Agency, Influence, and Power in Global Refugee Policy,” Refuge 33 (2017) 1: 77–86, 77.

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Definition and State of Research To begin with, it is necessary to define an international organization and differentiate it from a non-governmental organization (NGO). There are thousands of national and international organizations worldwide with various goals, profiles, and attitudes, which makes a general definition problematic. The relationship to the state offers a preliminary basis on which to differentiate. International organizations are defined by their connection to the state. They come into being through formal agreements between states and offer transborder information exchange. The United Nations is the best-known example. Non-governmental organizations, on the other hand, are established by private individuals or groups. This distinction is based on a decision taken by the Economic and Social Council of the United Nations in 1950. It specified that every organization created without an intergovernmental agreement was a non-governmental organization.11 The UNHCR was established as an agency within the framework of the United Nations and functions as an international organization. Turning to the state of research, I give a brief overview of publications concerning the five major “refugee crises” in Austria and the history of the UNHCR. In addition, I reflect on the main challenges of dealing with the history of NGOs and international organizations. When analyzing “refugee crises” in Austria since 1945, historiography focuses primarily on individual studies. Some research studies compare more than one refugee movement12 or cover a longer time period.13 But a comparative synthesis, which analyses the continuities and breaks of how Austria dealt with refugees during the Cold War, is still missing.14 11 Madeleine Herren, Internationale Organisationen seit 1865: Eine Globalgeschichte der Internationalen Ordnung (Darmstadt: WBG, 2009), 6–7; Akira Iriye, Global Community: The Role of International Organizations in the Making of the Contemporary World (Berkerley: University of California Press, 2002). 12 E. g. Brigitta Zierer, Politische Flüchtlinge in österreichischen Printmedien (Vienna: Braumüller, 1998); idem, “Politische Flüchtlinge in österreichischen Printmedien. Dargestellt am Vergleich des Ungarischen Volksaufstand 1956 und der Revolution in Rumänien 1989,” unpublished PhD thesis, University of Vienna, 1995. 13 E. g. Regina Wonisch, Entwicklung der Migrations- und Flüchtlingspolitik in Österreich seit 1918, in Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte, edited by Senol Grasl-Akkilic et al. (Vienna: Edition atelier, 2019), 431–470; Gernot Heiss and Oliver Rathkolb (eds.), Asylland wider Willen: Flüchtlinge in Österreich im europäischen Kontext seit 1914 (Vienna: J & V, 1995); Patrik-Paul Volf, “Der politische Flüchtling als Symbol der Zweiten Republik. Zur Asylund Flüchtlingspolitik seit 1945,” zeitgeschichte 22 (1995) 11–12: 415–435; Eduard Stanek, Verfolgt, Verjagt, Vertrieben: Flüchtlinge in Österreich von 1945–1984 (Vienna – Munich – Zurich: Europa, 1985); Stanek’s book is basically a resource for the work of the Austrian government and contains no analysis. 14 For a first comparative synthesis see Maximilian Graf and Sarah Knoll, “Das Ende eines Mythos? Österreich und die Kommunismusflüchtlinge,” in Aufnahmeland Österreich: Über

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The best-researched refugee movement to Austria is the 1956 “Hungarian crisis.” There are numerous studies on this subject focusing on Austria as a whole15 or on particular regional aspects.16 Some of these also include the work of NGOs, the Red Cross, and the UNHCR.17 The most important case study about refugees from Czechoslovakia in 1968/69 was done by Silke Stern, who also includes aspects of the aid provided by NGOs and the UNHCR.18 The arrival of refugees from Poland in the 1980s has not yet formed part of comprehensive research studies, although attention has been growing in recent years19 and initial studies have shed light on the treatment of Polish refugees in the context of studies on Austrian-Polish relations.20 The escape of GDR citizens, who crossed the Austrian-Hungarian border in 1989 to reach the Federal Republic of Germany, has mostly been analyzed in the context of the importance of the border

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den Umgang mit Massenflucht seit dem 18. Jahrhundert, edited by Börries Kuzmany and Rita Garstenauer (Vienna: Mandelbaum, 2017), 206–229; Graf and Knoll, In Transit or Asylum Seekers? The most recent paper is Ibolya Murber, “Die Betreuung und Integration von Ungarnflüchtlingen in Österreich 1956/57,” in Migration-Flucht-Vertreibung-Integration, edited by Stefan Karner and Barbara Stelzl-Marx (Graz – Vienna: Lykam, 2019), 103–120; Peter Haslinger, “Flüchtlingskrise 1956–die ungarische Revolution und Österreich,” in 1956. (Nieco) inne spojrzenie. Eine (etwas) andere Perspektive, edited by Jerzy Kochanowski and Joachim von Puttkamer (Warsaw: Wydawnictwo Neriton, 2016), 125–156; Brigitta Zierer, “Willkommen Ungarnflüchtlinge 1956?,” in Heiss and Rathkolb, Asylland wider Willen, 157–172; Andreas Gémes, Austria and the 1956 Hungarian Revolution. Between Solidarity and Neutrality (Pisa: University Press, 2008). E. g. Edda Engelke, ‘Einem bessern Leben entgegen?’ Ungarische Flüchtlinge 1956 in der Steiermark (Innsbruck – Vienna – Bozen: Studien Verlag, 2006); Károly Gaal (eds.), 1956 und das Burgenland. Berichte über die Hilfsaktionen für ungarische Flüchtlinge (Eisenstadt: Amt der burgenländischen Landesregierung, 1996). Especially Peter Eppel, “Wo viele helfen ist viel geholfen,” in Die ungarische Revolution und Österreich 1956, edited by Ibolya Murber and Zoltán Fónagy (Vienna: Czernin, 2006), 431–464. Silke Stern, “Die tschechoslowakische Emigration: Österreich als Erstaufnahme- und Asylland,” in Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968, edited by Stefan Karner et al. (Cologne – Weimar – Vienna: Böhlau, 2008), 1025–1043; for a longer perspective Ondrˇej Havácˇ, “Czech Refugees in Austria 1968–1985,” Prague Papers on the History of International Relations (2016) 1: 82–97; Vlasta Vales, “Die tschechoslowakischen Flüchtlinge 1968–1989,” in Heiss and Rathkolb, Asylland wider Willen, 172–182. Maximilian Graf, “Fluchtbewegung nach Österreich im Zuge der ‘polnischen Krise’ 1980– 1982,” in Karner and Stelzl-Marx, Migration–Flucht, 123–136. Sarah Knoll, “Flucht oder Migration? Polnische Flüchtlinge in Österreich 1981/82,” in Österreich–Polen: Stationen gemeinsamer Geschichte im 20. Jahrhundert, edited by Peter Ruggenthaler and Wanda Jarza˛bek (Graz – Vienna: Leykam, 2021). E. g. Maximilian Graf and Peter Ruggenthaler, “Polnisch-österreichische Beziehungen im Kalten Krieg,” in Österreich im polnischen öffentlichen Diskurs nach 1945, edited by Agnieszka Kisztelin´ska-We˛grzyn´ska (Krakow: universitas, 2016), 25–60.

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opening on the collapse of the GDR and German reunification.21 Research papers on the influx of refugees from Romania in the 1980s and especially in 1989/90, when Communist rule collapsed, remain a desideratum. Published books and papers on this topic examine the reactions of the media and public opinion.22 When looking at the specialized literature on “refugee crises” in Austria, it is noticeable that the studies mainly focus on state reactions and only to a lesser extent on media and public reactions. NGOs and international organizations are mostly absent. Within the international humanities, the UNHCR has been the subject of extensive research, especially its political and legal aspects but also regarding its history. The most important and fundamental research was done by Gil Loescher.23 In comparison with other agencies and organizations, the UNHCR is one of the best researched humanitarian organizations dealing with refugees and migrants, although in recent years this research field has experienced a boom. For example, the IOM, one of the main travel agencies for migrants and refugees and a main actor in the global refugee regime, has finally become the object of intensive historical research.24 One of the main research works about aid agencies, their interactions, and support for refugees from a transnational point of view has been done by Peter Gatrell.25 He highlights the importance of relief organizations for a broader understanding of global refugee politics. But there are still research gaps. For example, the history of international organizations often makes insufficient connections to the history of state actors, who had to deal with refugee movements in their own countries. Vice-versa, national ac21 The book referenced here is Andreas Oplatka, Der erste Riss in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenzen (Vienna: Zsolnay, 2009); for the Austrian perspective see Maximilian Graf, “Die Welt blickt auf das Burgenland. 1989 – Die Grenze wird zum Abbild der Veränderung,” in Das Burgenland als internationale Grenzregion im 20. und 21. Jahrhundert, edited by Maximilian Graf et al. (Vienna: Neue Welt, 2012), 135–179. 22 Zierer, Politische Flüchtlinge; Bernd Matouschek and Ruth Wodak, ”‘Rumänen, Roma… und andere Fremde’: Historisch-kritische Diskursanalyse zur Rede von den ‘Anderen’,” in Heiss and Rathkolb, Asylland wider Willen, 210–238; Bernd Matuschek, Ruth Wodak and Franz Januschek, Notwendige Maßnahmen gegen Fremde? Genese und Formen von rassistischen Diskursen (Vienna: Passagen, 1995). 23 The book referenced here is Gil Loescher, The UNHCR and world politics: A perilous path (Oxford: University Press, 2001); Betts, Loescher and Milner, UNHCR. 24 Fabian Georgi, Managing Migration? Eine kritische Geschichte der Internationalen Organisation für Migration (IOM) (Berlin: Bertz+Fischer, 2019); Lina Venturas (eds.), International ‘Migration Management’ in the Early Cold War: The Intergovernmental Committee for European Migration (Corinth: University of the Peloponnese, 2015). 25 Peter Gatrell, Free World? The Campaign to Save the World’s Refugees 1956–1963 (Cambridge: University Press, 2011); Idem., The Making of Modern Refugee (Oxford: University Press, 2013); Idem., “The world-wide web of humanitarianism: NGOs and population displacement in the third quarter of the twentieth century,” European Review of History 23 (2016) 1–2: 101–115.

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counts often focus too little on the international framework and on the influence of relief organizations, as in the case of Austria. The lack of extensive research on aid organizations often has methodological reasons. There are two main problems when dealing with the history of NGOs and international organizations: firstly, the accessibility of sources and secondly, the influence of the organization on the research topic. International organizations and NGOs have no archiving obligation compared to states, who collect their documents in national archives and libraries.26 Of course there are organizations with their own archives, such as UN agencies and the ICRC, but here the accessibility of sources differs.27 For example, the UNHCR archive in Geneva holds information dating from the founding of the organization to the present day, including such things as country reports, files about emergency relief operations, and legal protection matters. The access policy opens documents for research that are over 20 years old, but with the restriction that files remain closed if they contain more than 20 percent of individual cases or concern personal information about refugees or members of the UNHCR.28 Moreover, publications on an organization’s history or on specific fields of work were often commissioned by the organization itself. This raises the question of how critical or independent these studies are. For example, the only book about aid for refugees from the GDR in the summer of 1989 was published by the Austrian Red Cross Society of the federal province of Burgenland.29 Books about the history of an NGO or an international organization are often published by or written by a person with a strong connection to the organization and tend to focus on its humanitarian attitude.30 When dealing with international organizations it is important to keep in mind that you are still operating within an actor-centric view. As Peter Gatrell has pointed out, “an exclusive focus on transnational or supra-national networks will take us only so far in understanding how refugee politics operated.”31 Organizations like the UNHCR were working together with states to solve “refugee crises,” and they needed those states’ permission to operate in the country and were dependent on financial support from donor states. The individual refugee, who was the recipient of this support, was not part of the organizations or the deci26 Herren, Internationale Organisationen, 9. 27 Martin Geiger and Antoiné Pécoud, “International Organisations and the politics of Migration,” Journal of Ethnic and Migration Studies 40 (2013) 6: 865–887, 871–880. 28 Further information at https://www.unhcr.org/archives-and-records.html (4 March 2021). 29 Tobias Mindler and Johannes Steiner, Grenzenlose Menschlichkeit: Wie das Rote Kreuz Burgenland 1989 den DDR-Flüchtlingen half (Eisenstadt: Rotes Kreuz, 2014). 30 E. g. Walter Göhring, Hilfe für Alle: Entwicklung und Perspektive der Österreichischen Volkshilfe (Vienna: Österreichische Volkshilfe, 1985); Robert Dempfer, Das Rote Kreuz: Von Helden im Rampenlicht und diskreten Helfern (Vienna: Zsolnay, 2009). 31 Gatrell, Free World?, 2.

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sion-making processes. Moreover, it is important to think about the context in which different relief organizations operated, as Peter Gatrell has also pointed out.32 And this highlights one of the most important aspects when dealing with the history of “refugee crises” and international support: it is necessary to connect this history to the global history of the period. In this study, this is the global Cold War and changes in world economics, which influenced international refugee politics and local reactions towards refugees. In the 1940s to the 1960s, the acceptance of refugees was especially dependent on whether they had fled a Communist-ruled country. The recognition of refugees was approached from the binary perspective of the “East-West” conflict. Refugees from the “East” were regarded as people who “voted with their feet” against the political system and proof of the “superiority of the West.” United States foreign policy directed aid for refugees in line with its own foreign policy and national security interests during the Cold War and therefore limited the definition of refugee to those fleeing Communism.33 Austrian refugee policy adapted this logic to its benefit. By supporting refugees from the “East,” the Austrian government promoted the image of a liberal, democratic and west-oriented country at the border of the “Iron Curtain.” Combined with an anti-Communist attitude, especially in the eastern parts of Austria as a consequence of the postwar period of occupation under Soviet rule, public solidarity was fairly present.34 Like governments and society, NGOs and international organizations were influenced by the political and ideological framework of the time. They were not just simple observers, even when they claimed to be “non-political” organizations focusing on humanitarian aid.35 They used the binary conflict and the international public of escapees from Communist countries to present themselves as necessary partners in support missions.36

32 Gatrell, “world-wide web,” 101–102. 33 Emmanuel Comte, “Waging the Cold War: the origins and launch of Western cooperation to absorb migrants from Eastern Europe, 1948–57,” Cold War History 20 (2020) 4: 461–481; Peter J. Verovsˇek, “Screening Migrants in the Early Cold War. The Geopolitics of U.S. Immigration Policy,” Journal of Cold War Studies 20 (2018) 4: 154–179; Carl Bon Tempo, Americans at the gate. United States and Refugees during the Cold War (Princeton: University Press, 2008). 34 Volf, “politischer Flüchtling,” 425–427. 35 Gatrell, “world-wide web,” 101–102. 36 Heike Wieters, “Humanitäre NGOs,” in Den Kalten Krieg vermessen: Über Reichweite und Alternativen einer binären Ordnungsvorstellung, edited by Frank Reichherzer et al. (Oldenbourg: De Gruyter, 2018), 149–163.

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International Aid for Hungarian Refugees On 4 November 1956, soon after the news of the invasion of the Soviet troops in Budapest had reached Vienna, the Austrian government under Chancellor Julius Raab (Austrian People’s Party, ÖVP) sent identical telegrams with appeals for international support to the UNHCR and the ICEM. They asked for financial support to guarantee accommodation, especially during the upcoming winter months, and for the acceptance of refugees into other countries.37 From 7 November 1956 onwards, the Austrian government was in touch with the League of the Red Cross Societies and concluded various agreements about the care of Hungarian refugees in Austria through the Red Cross.38 UNHCR, ICEM, and the Red Cross were the main relief organizations providing international support, but not the only ones. Many international and local NGOs and international organizations sent support and helped refugees in Austria.39 The UNHCR immediately sprang into action, even before the General Assembly of the United Nations gave it official permission to do so. As early as 5 November 1956, the UNHCR asked their member states for international support and provided funding of 25.000 US dollars from the United Nations Refugee Fund for emergencies,40 a fund which had been established by the General Assembly in 1954 as a four-year program.41 Already on 6 November 1956, Deputy High Commissioner James Morgan Read visited Austria and discussed further steps with the government.42 But why was it so important for the UNHCR to become involved in Austria as soon as possible? First, the refugees fitted into the paradigm of “East-West” conflict, and organizations could demonstrate their loyalty to the “West.” Second, the Hungarian Revolution and the refugees got a lot of public and media attention, therefore the work of aid organizations was also in focus. This was an opportunity to prove their importance, which was especially significant for the UNHCR.43 37 Telegram, Hilferuf an die freie Welt published in Friedrich Kern, Österreich. Offene Grenzen der Menschlichkeit: Die Bewältigung des ungarischen Flüchtlingsproblems im Geiste internationaler Solidarität (Vienna: BMI, 1959), 83. 38 Liga der Rotkreuzgesellschaft (eds.), Ungarische Flüchtlingshilfe: Bericht über das Hilfswerk für die ungarischen Flüchtlinge, durchgeführt von der Liga ihren Mitgliedsgesellschaften in Österreich Jugoslawien sowie in Transit- und Siedlungsländern (Geneva: ICRC, 1957). 39 Eppel, “Wo viele helfen,” 431–464. 40 The office of the United Nations High Commissioner for Refugees launches international appeal for help for Hungarian refugees, 5 November 1956, UNHCR-Archive, Fonds 10c, Box 2, ARC-2B4, UNHCR Public Information, Press Release 1956–1959, REF/302. 41 Loescher, “UNHCR’s Origins,” 79. 42 James M. Read Deputy United Nations High Commissioner for Refugees to visit Hungarian refugees in Austria, 6 November 1956, UNHCR-Archive, Fonds 10c, Box 2, ARC-2B4, UNHCR Public Information, Press Release 1956–1959, REF/303. 43 Gatrell, Free World, 49–57; Loescher, UNHCR, 85.

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The UNHCR began operations on 1 January 1951 with virtually no financial backing or independence. The initial budget was 300.000 US dollars and, at the end of the first year, it had a staff of thirty-three officers. The UN budget covered administrative expenditures but all costs relating to the activities of the UNHCR had to be financed by voluntary contributions. Its mandate at the beginning excluded material assistance and, like the 1951 Refugee Convention, it included a temporal restriction, which constrained the organization to working on behalf of those who were refugees as a result of events occurring before 1 January 1951; its scope for action was limited. This was a deliberate decision by the “Western” governments. They did not want new threats to their sovereignty or new financial obligations, as had been the case with the UN Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) established in 1943 and the International Refugee Organization (IRO) created in 1947. But what was more significant in this early Cold War period was that the US government perceived refugees as too important in its rivalry with the Soviet Union to let them fall under the responsibility of the United Nations.44 The United States recognized that the UNHCR was not under its control, as the IRO had been in the preceding years, and thus it supported the creation of another American-led agency, the ICEM, established in December 1951 at a conference in Brussels. The main task of the ICEM was to support European countries in facilitating the international migration of surplus populations in Europe. It was an operational organization, for the most part financed by the United States, and it functioned as a transport organization for refugees and migrants.45 From the outset, the UNHCR regarded the ICEM as a threat and it took some years for cooperation to develop, as it did during the “Hungarian refugee crisis.”46 But although the United States was a generous sponsor of the ICEM, in 1956 the UNHCR became the “lead agency” due to the resolution of the General Assembly of the United Nations of 9 November 1956. The UN organization was instructed to organize efficient aid measures for Hungarian refugees in cooperation with relief agencies and governments.47 This step was possible because the United States abandoned its opposition towards the UNHCR, financed the relief programs for Hungarian refugees generously, and functioned as a resettlement country. The UNHCR set up a coordinating group to organize the help of the different relief organizations. A di44 General Assembly 5th Session, 428 (V). Statute of the Office of the United Nations High Commissioner for Refugees, 325th plenary meeting, 14 December 1950; Betts, Loescher and Milner, UNHCR, 14–15; Loescher, “UNHCR’s Origins,” 78. 45 Georgi, Managing Migration, 48–52. 46 Loescher, UNHCR, 64–66; Jérome Elie, “The Historical Roots of Cooperation between the UN High Commissioner for Refugees and the International Organization for Migration,” Global Governance 16 (2010) 3: 345–360. 47 UN General Assembly, Resolution 1006 (ES 11), 9 November 1956.

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vision of labor was introduced, in which the UNHCR assumed overall coordination and was responsible for the legal protection of the rights of the refugees. The ICEM was in charge of registration and documentation and organized onward travel. The Red Cross took care of the refugees in Austria.48 The other organizations were to provide as many resources as possible. In Austria the local office of the UNHCR coordinated the relief measures.49 From the outset, Hungarians were accepted as political refugees in Austria by the “Western” states and the UNHCR – but legally there remained a problem. Firstly, the 1951 Refugee Convention worked on a case-by-case basis to determine the status of every individual refugee, which was not applicable in emergency situations, as High Commissioner Auguste Lindt argued.50 Thus the Hungarians were accepted as prima facia refugees and the Austrian government granted collective asylum.51 Secondly, as mentioned above, the UNHCR mandate and the Convention only applied to refugees from “events occurring before 1 January 1951.”52 To achieve legal protection, the head of the legal department, Paul Weiß, an Austrian-born lawyer who had been forced to flee the National Socialist regime, concluded that the displacement event was a result of the fundamental changes in Hungary following the establishment of the People’s Republic in 1947/48.53 The Supreme Court of Justice (Oberste Gerichtshof) in Austria came to the same decision.54 There was a political will to help refugees from Hungary, which forced decision-makers to interpret the legal rights in a way that would benefit the refugees. This was not always the case. Refugees from Yugoslavia arrived in 1956/ 57 at nearly the same time as people from Hungary, yet they did not benefit from the same political will.55 The Austrian government perceived them as “economic migrants” and applied a strict interpretation of the Refugee Convention, with individual examinations of the reasons why each person had left the country, and repatriation where applicable. Because of the split between Stalin and Tito in 48 Georgi, Managing Migration, 72; Loescher, UNHCR, 82–87. 49 UNHCR to act as general co-ordinator to relief work to Hungarian refugees, 13 November 1956, UNHCR-Archive, Fonds 10c, Box 2, ARC-2B4, UNHCR Public Information, Press Release 1956–1959, REF/309; Elie, “The Historical Roots,” 349, 354; Loescher, “UNHCR Origin’s,” 79. 50 Betts, Loescher and Milner, UNHCR, 23. 51 MRP Nr. 12a, 28 October 1956, ÖStA, AdR, BKA, MRP, 2. Rep. Raab II, Box 148. 52 Convention Relating to the Status of Refugees, Article 1, A (2), https://www.refworld.org /docid/3be01b964.html (24 November 2020). 53 Loescher, UNHCR, 85–86; UNHCR (eds.), The State of the world’s refugees 2000: Fifty years of humanitarian action (Oxford: University Press, 2000), 30–31. 54 Yvonne von Stedingk, Die Organisation des Flüchtlingswesen in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg (Vienna: Braumüller, 1970), 13. 55 Edda Engelke, “Jeder Flüchtling ist eine Schwächung der Volksdemokratie”: die illegalen Überschreitungen am jugoslawisch-steirischen Grenzabschnitt in den Fünfzigerjahren (Vienna: Lit, 2011), 89–96.

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1948, people from Yugoslavia did not fit into the determining “East-West” scheme, which would have helped them to be seen as political refugees. After insistence from the UNHCR, refugees from Yugoslavia were granted the right of residence for six months for the purposes of emigration.56 During the “Hungarian refugee crisis,” the UNHCR was able to demonstrate how necessary it was for dealing with an emergency. Moreover, it was able to find ways of overcoming the restrictions set by its own mandate and the 1951 Refugee Convention. The operation was a major step in its development from a nonoperational and underfunded organization to a global actor with material assistance programs. Austria was able to receive the required international help and financial assistance – in part because the “West” was concerned that if the refugees stayed too long in the country bordering the “Iron Curtain,” this could destabilize the young republic.57 The receptivity of the United States, Canada, Great Britain, and the Federal Republic of Germany was high, although the Austrian government criticized the lengthy admission procedures and the selection criteria of the host countries.58 About 153.000 Hungarians traveled on between November 1956 and December 1957.59 The departure of the refugees had become especially important for the Austrian government from the beginning of 1957 onwards, as public acceptance of refugees declined and they were perceived as competitors on the housing and labor markets.60 Those who ultimately stayed in Austria were integrated into the community, also with the help of relief organizations. The UNHCR supported permanent settlement programs in cooperation with local initiatives, for example vocational or language training, support for refugee students, and housing programs, where it financed the building of new houses or the renovation of old apartments.61 The international support for Hungarians created possibilities for solving the ongoing problem of refugees living in camps in Europe as a result of the Second World War. In 1959 the United Nations announced World Refugee Year to find permanent solutions. The UNHCR focused their programs and funding on fi56 Österreichisches Jahrbuch 1957; Beitrag der Abteilung 12U, GZ. 33.392-12U/58, Referatsbericht, 11 March 1958, ÖStA, AdR, BMI, 12U, Box 35. 57 Comte, Waging, 477–480; Betts, Loescher and Milner, UNHCR, 23–24; Loescher, UNHCR, 82–84. 58 UN General Assembly, Report on the 5th Session of the UNREF Executive Committee (Geneva, 29 January–4 February 1957), UNOG Library Geneva, 12–13; Ref. Sozialstat. u. Zentr.-Auskunft über ung. Flüchtlinge, Zl. 201.413-10UH/1958, ÖStA, AdR, BMI, Abt. 12U, Box 35. 59 Kern, Österreich, 54. 60 Zierer, “Willkommen Ungarnflüchtlinge,” 170. 61 UN-General Assembly, UNREF Executive Committee, 5th Session, Report and further recommendation on the problem of Hungarian refugees (Submitted by the High Commissioner), 8 May 1957, UNHCR-Archive, G1/12/4/440 Housing Programme for Hungarian Refugees in Austria 1957–1962; Die Ungarn-Hilfe der Volkshilfe Vienna, Volkshilfe 7 (1958) 2: 4–5.

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nally emptying the camps in Europe, a process which took until the mid-1960s. The international community financed the clearance of the camps, integration, and resettlement. Once refugee problems in Europe were close to being resolved, the focus of the international community and aid organizations shifted towards Africa and Asia, where decolonization was creating new states and massive new refugee problems.62 When, in 1968, refugees from Czechoslovakia arrived in Austria, Europe was no longer the center of interest, as it had been during the “Hungarian refugee crisis.” But Austria once again called on international support and help did reach the country, albeit not to the same extent as in 1956.

Helping Czechoslovakian Citizens The Warsaw Pact invasion of Czechoslovakia on 21 August 1968 again brought challenges for Austria as the first country of asylum. Although entry at the Austrian-Czechoslovakian border continued after the invasion through regulated border traffic, visa applications at the Austrian mission in Prague increased. In particular, the arrival of Czechoslovak citizens who had been on holiday in Yugoslavia, Romania, Bulgaria, or Italy and were not able to travel home due to the border closing, representing some 50–60.000 people, was a major challenge. Czechs and Slovaks were able to travel because the facilitation of travel had been implemented during the reforms of the “Prague Spring.”63 By 23 October 1968, about 162.000 Czechoslovak citizens had traveled to or through Austria.64 Most of the refugees and travelers waited in Austria to see what would happen in their home country before deciding either to go back, travel on to another country, or apply for asylum in Austria. According to a report by Minister of the Interior Franz Soronics (ÖVP), between 21 August and 8 September 1968 86.354 people stayed overnight in provisional camps, where they were provided with help from local relief organizations such as the Caritas, Volkshilfe, the Red Cross, and the American Jewish Joint Distribution Committee (JDC, or in short Joint). Relief organizations spent about six million schillings (today around 436.000 euros) financing this support.65 Although the Austrian government under Chancellor Josef Klaus (ÖVP) granted the right of asylum for Czechoslovakian citizens as far as possible, its main strategy for solving accommodation problems in particular was transit to 62 63 64 65

Gatrell, Free World, 242–249; Betts, Loescher and Milner, UNHCR, 23–25. Stern, “tschechoslowakische Emigration,” 1026, 1028–1033. Report by the Federal Ministry of the Interior, printed in Stanek, Verfolgt, 93. Beilage A, Betr. Entwurf eines mündlichen Berichts des Herrn Bundesministers für Inneres an die Bundesregierung über die Betreuung der csl. Flüchtlinge und Staatsangehörige, MRP Nr. 92, 10 September 1968, ÖStA, AdR, BKA, MRP, 2. Rep., Klaus II, Box 275.

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other countries – therefore the government again called for international support. On 10 September 1968 the Council of Ministers sent an urgent call to the UNHCR and the ICEM for financial support and organizational help to coordinate the resettlement of refugees outside Austria.66 Although the majority of UNHCR funds were reserved for dealing with “refugee crises” in Africa, following a decision of the Executive Committee of the UNHCR program,67 the UN agency was willing to provide support for people who had arrived after 21 August 1968, had applied for asylum, and were recognized as refugees. The UNHCR would cover all costs connected to resettlement such as travel expenses, accommodation, and medical assessments. For those who chose to stay in Austria, it financed integration measures, especially housing programs.68 Because the aid programs of the UNHCR were linked to recognized refugees, Austria had a strong interest in clarifying the legal status of Czechoslovakian citizens in the country. Until 30 November they could remain in Austria without needing individual permission. But from 1 December 1968 they had to choose within two weeks whether they wanted to stay in Austria and apply for asylum, travel on to another country, or return home.69 Although nearly everyone who applied for asylum was recognized as a refugee under the Convention,70 only very few actually applied for asylum in Austria. Between 21 August and 23 September 1968, only 1.590 Czechoslovakian citizens applied for asylum, and for 1968 as a whole only 4.176 applications were submitted in total.71 There were different reasons why Czechoslovakian citizens remained in Austria without applying for asylum. Some did not know about the benefits of being recognized as a political

66 Ibid. 67 BMI, Sektion IV, Betr. Kosten der Betreuung des csl. Flüchtlinge, 25 October 1968, ÖStA, AdR, BMI, 12U/34, Box 64, III-2.17, GZ. 185886-34/69. 68 UN General Assembly, Executive Committee of the High Commissioner’s Program, Note on an allocation from the emergency fund for assistance to Czechoslovak refugees in Austria, 7 November 1968, ÖStA, AdR, BMI, 12U/34, Box 64, III-2.17, GZ. 186666-34/69. 69 CSSR citizen and refugees in Austria – Situation report, Prince zu Lippe, Representative UNHCR Vienna to UNHCR Headquarter, Geneva, 9 December 1968, UNHCR-Archive, 1.AUS.CZE Refugee situation – Refugees from Czechoslovakia in Austria 1968–1971; Internationales Forschungszentrum für Grundfrage der Wissenschaften Salzburg, Anfrage betr. des Flüchtlingsproblem seit dem 21. 8. 1968, Vienna, 10 June 1969, Zl. 182.615-34/69, ÖStA, AdR, 12U, Box 10, I-5.3. 70 MRP Nr. 91a, 21 July 1968, ÖStA, AdR, BKA, MRP, 2. Rep. Klaus II, Box 274. 71 Csl. Asylwerber in der Zeit vom 21.8.–23. 9. 1968, Information, ÖStA, AdR, BMI, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, GZ. 37031-16/68; Zustrom von Flüchtlingen (Asylwerbern) 1956 bis 1988, in Außenpolitischer Bericht 1988, edited by Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten (BMAA) (Vienna: BMAA, 1988), 378–380, 378.

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refugee, some waited to see what would happen at home, and others feared an asylum application would have a negative impact on further emigration.72 As a result of the government’s ultimatum, however, asylum applications increased, which heightened accommodation problems but, in the long run, helped to secure financial support from the UNHCR. In total, the UNHCR made 2.290,075 schillings (today around 166.400 euros) available through the United Nations Refugee Fund Vienna, to be paid in three tranches, to help Czechoslovakian citizens in Austria. The second and third tranches were remitted in February and April 1969 on account of the increased numbers of asylum seekers following the 1 December ultimatum.73 Due to “normalization” and the ultimate withdrawal of the reforms of the “Prague Spring” in Czechoslovakia, asylum rates in Austria increased again in summer 1969. Many who had waited and hoped that the reform program of 1968 would be preserved, at least in part, were now finally disillusioned and were looking for a future outside of Czechoslovakia.74 In total in 1969, 6.526 Czechoslovakian citizens applied for asylum in Austria.75 And again the UNHCR remitted financial support. In July 1969 the Austrian foreign minister, Kurt Waldheim (ÖVP), called on High Commissioner Sadruddin Aga Khan for assistance. To promote resettlement the High Commissioner once again approved 50.000 US dollars.76 For most of the Czechoslovakian citizens who came as a result of the events of August 1968, Austria really did serve as a transit country, as the government had wished. And from the start the UNHCR supported and organized resettlement because it considered it “the best and most rapid solution.”77 The willingness of the international community to accept Czechoslovakians was high; economic considerations meant countries were searching for skilled workers at a time of economic prosperity. An above-average number of the refugees were between twenty and thirty years’ old and were highly qualified skilled workers. Especially in Switzerland, the United States, Australia, and Canada, refugees found new homes.78 In particular, emigration was facilitated by the ICEM, who helped 6.863 72 Stern, “tschechoslowakische Emigration,” 1037; Vales, “tschechoslowakische Flüchtlinge,” 177. 73 Bericht über die Durchführung des Projekts 68/ES/Aus.1, ÖStA, AdR, BMI, 12U/34, Box 64, III-2.17, GZ. 185886-34/69. 74 Stern, “tschechoslowakische Emigration,” 1040–1041. 75 BMAA, Zustrom von Flüchtlingen, 378. 76 High Commissioner Sadruddin Aga Kahn to Federal Minister for External Affairs Kurt Waldheim, 30 September 1969, ÖStA, AdR, BMI, 12U/34, Box 64, III-2.17, GZ. 186666-34/69. 77 Czechoslovak Refugees – Promotion of Resettlement, Prince zu Lippe, Representative UNHCR Vienna to UNHCR Headquarter, Geneva, 13 September 1968, UNHCR-Archive, 1.AUS.CZE Refugee situation – Refugees from Czechoslovakia in Austria 1968–1971. 78 Stern, “tschechoslowakische Emigration,” 1038–1042.

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people with onward travel between 21 August and 31 May 1969.79 Those who stayed in Austria were rapidly integrated and this process had barely any effect on the country.80 However, international willingness to take in refugees declined from the mid1970s onwards. The two oil crises of 1973 and 1979 were major economic turning points and marked the end of the economic boom of the first postwar decades. The consequences were rising inflation, increased unemployment, and new economic uncertainties. In addition, the number of refugees increased worldwide. In 1979, 12,6 to 15 million people were displaced.81 The beginning of the 1980s marked a major shift in the discussion of asylum and migration worldwide. The combination of economic insecurity and higher numbers of refugees contributed to a defensive attitude. The discussion of whether people were fleeing for economic or political reasons became an integral part of the debates around flight and migration.82 There was also a reaction in Austria to these global changes: the first group confronted with declining support were Polish citizens, who fled their country in 1981 because of political and economic crises.

Support for “Economic Migrants” from Poland? Starting in 1980, the Communist regime in Poland was destabilized by the trade union movement “Solidarnos´c´,” which challenged the political system through strikes and public protest. The “Polish crisis” hit the country during a veritable economic crisis, which was further exacerbated by the ongoing political tensions. Empty shops and rationed food dominated everyday life no less than the fear of acts of violence and bloody suppression of the protests.83 The chance to travel abroad and to the “West” had been made possible by a liberalization of passport policy in previous years and, in 1981, many Poles used this opportunity.84 They

79 Internationales Forschungszentrum für Grundfrage der Wissenschaften Salzburg, Anfrage betr. des Flüchtlingsproblem seit dem 21. 8. 1968, Vienna, 10 June 1969, Zl. 182.615-34/69, ÖStA, AdR, 12U, Box 10, I-5.3. 80 Vales, “tschechoslowakische Flüchtlinge,” 177–178. 81 Assistance to refugees, in Yearbook of the United Nations 1979, 915–924, https://unyearbook. un.org (21 April 2020). 82 Peter Gatrell, The Unsettling of Europe. How Migration Reshaped a Continent (New York: Basic Books, 2019), 197–213; Ian Kershaw, Achterbahn. Europa 1950 bis heute (Munich: DVA, 2018), 373–377; Gil Loescher, Beyond Charity. International Cooperation and the Global Refugee Crisis (New York–Oxford: University Press, 1993), 93. 83 Włodzimierz Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert (Munich: C.H.Beck, 2010), 360–368. 84 Dariusz Stola, “Das kommunistische Polen als Auswanderungsland,“ Zeithistorische Forschung/Studies in Contemporary History 2 (2005) 3: 345–365, 357–358.

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were able to enter Austria on the basis of a 1972 agreement on visa-free travel.85 They could legally enter Austria as tourists and then apply for asylum there. From March 1981 there was a constant increase in asylum applications by Polish citizens in Austria. In November 1981, 4.718 people applied for asylum and in 1981 as a whole, 29.091 applications were made. In contrast, in 1980 only 2.181 Poles attempted to claim asylum in Austria.86 Moreover, many Poles stayed in the country as tourists and were not officially registered.87 For the Austrian government, this was an intolerable situation, especially because the public reacted with hostility to the arrival of Polish citizens. They were perceived as “economic migrants” or “economic refugees.”88 Starting in April 1981, the Austrian government under Chancellor Bruno Kreisky (SPÖ) intensified its efforts to draw the attention of the international community to the situation of Polish refugees in Austria. Again, it called for other countries to receive refugees, something regarded as extremely important, and for financial support. As early as May 1981 an appeal was made to the ICEM.89 In October 1981 the Austrian delegation explained the situation of Polish citizens in the country to the Executive Committee of the UNHCR.90 But there was a problem. Just like the Austrian public, the international community perceived Poles in Austria as “working migrants.” And the admission quotas for refugees, for example to the United States or Australia, only applied to persons recognized as refugees under the conditions of the Refugee Convention.91 UNHCR support was also contingent on refugee status, and the UNHCR considered that economic hardship and fear of Soviet intervention to solve the “Polish crisis” did not qualify them as prima facia refugees.92 While the interpretation of the Refugee Convention had been generous in 1956, this was no longer the case in 1981. The situation changed with the proclamation of martial law in Poland on 13 December 1981. Still the UNHCR did not recognize the refugee status of the 85 Bundesgesetzblatt (BGBl.) 330/1972, Abkommen mit Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht. 86 BMAA, Zustrom von Flüchtlingen, 380; Flüchtlingssituation erstellt vom BMAA Abteilung II.3, 17 December 1981, Kreisky-Archiv, Bestand Bruno Kreisky, VII.10. Rat für auswärtige Angelegenheiten, Box 2. 87 Graf and Knoll, “Das Ende eines Mythos,” 214. 88 Ibid., 217–218. 89 Österreichische Bemühungen zur Erleichterung der Ausreise der Ostflüchtlinge in Aufnahmeländer erstellt vom BMAA Abteilung II.3, 17 December 1981, Kreisky-Archiv, Bestand Bruno Kreisky, VII.10. Rat für auswärtige Angelegenheiten, Box 2. 90 Konzept, BK Kreisky an Hochkommissar Poul Hartling, Kabinett des BK, 24 December 1981, Kreisky-Archiv, Bestand Bruno Kreisky, VII.1 Länderboxen, Polen, Box 2. 91 Flüchtlingssituation erstellt vom BMAA Abteilung II.3, 17 December 1981, Kreisky-Archiv, Bestand Bruno Kreisky, VII.10. Rat für auswärtige Angelegenheiten, Box 2. 92 Note for Mr. Volfing, ERS/1206/81, 3 September 1981, UNHCR-Archive, 100.AUS.POL Refugees from Poland in Austria 1971–1982 [Vol. 1].

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entire group, but it assumed that countries would not send Polish asylum seekers back to their country of origin under these circumstances.93 On 24 December 1981, Chancellor Bruno Kreisky addressed a letter to High Commissioner Poul Hartling and called for support. As requested by the Austrian authorities, the UNHCR increased the number of employees in their office in Vienna to help deal with the asylum applications. Moreover, they provided two million US dollars to assist with integration measures for Polish asylum seekers who had arrived since 1981. But for the Austrian government, resettlement was still of utmost importance, as it told the UNHCR.94 And although the Austrian government complained that international support was limited in coming forward,95 the United States, Australia, Canada, and Switzerland in particular accepted high quotas of refugees.96 The interplay between Poland closing the border after the proclamation of martial law, resettlement opportunities, and financial support for integration programs meant that the “refugee crisis” had largely been solved by the end of 1982. However, it became clear that the willingness to accept refugees from the Communist bloc was declining and that they would no longer automatically be considered as political refugees. This became even clearer at the end of the Cold War in 1989/90. With the opening of the “Iron Curtain,” the fear of an unregulated influx from the “East” increased.97

Refugees at the End of the Cold War At the end of the Cold War, Austria was again confronted with two “refugee crises.” In summer 1989, GDR citizens fled across the Austrian-Hungarian border to travel on to the Federal Republic of Germany. In 1990 a refugee movement, 93 Aide-Memoire, UNHCRs position on Polish asylum seeker, Geneva, 22 December 1982, UNHCR-Archive, 100.AUS.POL Refugees from Poland in Austria 1971–1982 [Vol. 1]. 94 BKA, Presseaussendung, UNHCR kündigt Finanzhilfe für polnische Flüchtlinge an, 31. 12. 1981, Kreisky-Archiv, Bestand Bruno Kreisky, VII.1 Länderboxen, Polen, Box 2; UNHCR 30 December 1981, UNHCR-Archive, 100.AUS.POL Refugees from Poland in Austria 1971– 1982 [Vol. 1]; Note for the file, Duty trip to Vienna on 15 January 1981, UNHCR-Archive, 100.AUS.POL Refugees from Poland in Austria 1971–1982 [Vol. 1]. 95 Lanc bei Flüchtlingsenquete im Parlament: Aus Flüchtlingsproblem kein Kleingeld schlagen, in: Arbeiter Zeitung, 14 January 1982: 2. 96 Poles in Europe outside Poland, 2 September 1982, UNHCR-Archive, 100.AUS.POL, Refugees from Poland in Austria 1971–1982 [Vol. 2]. 97 Marcel Berlinghoff, “Eine gemeinschaftliche Reaktion auf gemeinsame Probleme? Die Europäisierung der Migrationspolitik und ihre Akteure,” in Über Grenzen. Migration und Flucht in globaler Perspektive seit 1945, edited by Agnes Bresselau von Bressensdorf (Göttingen: V&R, 2019), 351–366, 351–353; Klaus J. Bade, Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart (Munich: C.H.Beck, 2002), 360–367.

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which had been growing in Romania since the mid-1980s, reached its peak due to the bloody revolution against the regime of Nicolae Ceaus,escu. Both migratory movements were possible because of the dismantling of the “Iron Curtain” at the Austrian-Hungarian border, which had begun in May 1989.98 The UNHCR did not play a significant role in providing assistance to refugees from the GDR in Austria. In the summer of 1989, they received aid in particular from the local Red Cross organization of the province of Burgenland, which organized care and accommodation.99 Nearly all refugees traveled on to the Federal Republic. When the border was opened on 11 September 1989, an action coordinated between the governments in Budapest, Bonn, and Vienna, the Austrian Red Cross was tasked with organizing emigration to the Federal Republic. The German embassy covered all costs incurred by the Austrian Red Cross, in total 13.240.279 schillings (today around 962.200 euros).100 Because GDR citizens were only travelling through the country, they were welcomed. The situation was different for refugees from Romania, who were met with hostility. This rejection reached its peak in March 1990, with Austrian society openly perceiving them as “economic migrants” and a threat to national security.101 Since the mid-1980s, people from Romania had been fleeing to the neighboring country of Hungary and on to the “West” due to political repression, the oppression of minorities, and a catastrophic economic situation. Because most were members of the Hungarian minority in Romania, civil society in Hungary supported them and, in general, the Hungarian authorities did not send them back, in accordance with bilateral agreements between Hungary and Romania. But for the highly indebted country the refugees represented a huge financial burden and Hungary had no legal system for dealing with asylum seekers. Due to the increasing cost of care and accommodation, in 1988 Hungary started to take an interest in the work of the UNHCR. Hungary hoped for financial assistance, legal and administrative support, and international awareness of the situation.102 The UNHCR was willing to help Hungary because it was the first country in Eastern Europe to seek out closer cooperation. Until that point, contacts had only existed with Yugoslavia. During the Cold War the Soviet Union and its allies had perceived the UNHCR as an instrument of “Western powers” and anti-Soviet propaganda. High Commissioner Jean-Pierre Hocké concluded that, since most of the existing “refugee crises” were the result of “East-West” 98 Oplatka, Riss, 87. 99 Mindler and Steiner, Grenzenlose Menschlichkeit, 33–64. 100 Österreichisches Rotes Kreuz Bilanz 1989, Katastrophenhilfeprojekt: DDR-Transit, Archiv Generaldirektion des Österreichischen Roten Kreuz. 101 Wodak and Januschek, Notwendige Maßnahmen, 139–141. 102 Veronika Kaszás, “Diplomatic way to the 1951 Geneva Convention,” Regio. Minorities, Politics, Society 11 (2008): 67–95.

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conflicts, long-lasting solutions could only be found with the help of the governments of the “East.”103 As early as April 1989, the UNHCR determined that Romanian refugees of Hungarian origin in particular would be protected under the mandate of the UNHCR.104 The Austrian government under Chancellor Franz Vranizky (SPÖ) was very interested in the success of the cooperation between Hungary and the UNHCR because it wanted the Romanian refugees to stay in Hungary or be distributed equitably across Western Europe and overseas.105 Austria had concerns about all Romanians who sought to travel on to Austria and wanted to “keep the flow of refugees under control.” It wanted to act as an intermediary between Hungary and the UNHCR and, in November 1988, Austria hosted a meeting of representatives of the Hungarian and Austrian foreign ministries and the UNHCR.106 As a result of these negotiations between Hungary and the UNHCR, in March 1989 Hungary was the first “Eastern Bloc” country to ratify the Refugee Convention and the UNHCR started to operate in the country that same year. Yet Austria’s wish that all refugees stay in Hungary was not fulfilled. The bloody revolution in Romania in 1989 meant that the rate of Romanian asylum seekers in Austria increased. In 1989, 7.932 Romanian citizens applied for asylum in Austria, rising to 12.199 in 1990.107 The fear of an unregulated influx from the “East” after the opening of the “Iron Curtain” and the rejection of Romanian refugees was reflected in new border controls at the Austrian-Hungarian border, manned by the Austrian armed forces with the aim of stopping illegal entries, and the development of a stricter asylum law.108 This marked an important shift in Austria’s migration and asylum politics for the following years. Austria still perceived itself as a humanitarian and transit country but, as international support and receptiveness declined, it implemented new ways of preventing refugees from coming into the country.

103 Loescher, UNHCR, 256. 104 Note pour le Dossier, Concerne: Refugies roumains an Hongire: implications possibles pour le HCR, 29 April 1988, UNHCR-Archive, 100.HUN.ROM Refugee Situations – Special Groups of Refugees – Romanian Refugees in Hungary – Vol. 1 1987–1989. 105 Rumänienflüchtlinge allfällige Einschaltung des UNHCR, Vienna, 27 October 1988, ÖStA, AdR, BMAA, II. Pol. 1988, Rumänien 176, GZ. 176.07.01/221-IV.2/88, Box 30, file 02 04. 106 Note for the file, Mission to Vienna on 25 November 1988, Incoming Cable, UNHCR Vienna to HCR Genf, 14 October 1988, UNHCR-Archive, 100.HUN.ROM Refugee Situations – Special Groups of Refugees–Romanian Refugees in Hungary – Vol. 1 1987–1989. 107 Bundespressedienst (eds.), Österreichisches Jahrbuch 1989 (Vienna: Österreichische Staatsdruckerei, 1989), 97; Idem. (eds.), Österreichisches Jahrbuch 1990 (Vienna: Österreichische Staatsdruckerei, 1990), 133. 108 Flüchtlings- und Wanderungswesen in Österreich, in Außenpolitischer Bericht 1990, edited by BMAA (Vienna: BMAA, 1990), 427; BGBl., 8/1992, Asylgesetz 1991.

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Conclusion Calling for international support was one of the main strategies employed by the Austrian government to solve “refugee crises.” Especially in the 1950s, this strategy had been successful. The international community accommodated refugees and international organizations such as the UNHCR organized their onward travel. This was very much in the spirit of the Austrian government, who wanted Austria to function as a transit country while promoting a humanitarian image. During the “Hungarian refugee crisis” the interests of the UNHCR and the Austrian authorities complemented one another. The UN agency sought to prove its importance within the global refugee regime, while Austria needed financial and organizational support. Since the refugees fitted into the “East-West” dichotomy and into the global refugee politics of the 1940s and 1950s, which mainly focused on Europe, refugees from the “East” were warmly welcomed in the “West” and extensive aid programs were implemented in Austria. When the aftermaths of the refugee movements of the 1940s and 1950s were finally resolved in the 1960s and Europe’s economy prospered, the focus for international aid organizations shifted towards Africa and Asia, where massive new challenges emerged as a result of decolonization processes. Yet although Europe was no longer the center of attention, in 1968 Austria again received international support for Czechoslovakian citizens. Due to the economic boom, skilled workers were welcomed and most of them traveled on to other countries. Once again, Austria’s main strategy of transit had been successful. However, when in the 1980s economic recession meant that receptivity stagnated, the system no longer worked efficiently, although during the Polish crisis of 1981 refugees were again accepted by other countries. Now the UNHCR preferred to assist with integration in Austria rather than with transit. Moreover, in the wake of détente and the Helsinki Accords of 1975, the opposition between “East” and “West” lost its potency: people fleeing the “East” were not automatically seen as political refugees anymore. At the end of the Cold War, discussions were dominated by fears of increasing arrivals from the “East” due to the newly-opened “Iron Curtain.” And as international support declined, local assistance and the prevention of refugees reaching the country in the first place became increasingly important.

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Visible Women – Invisible Pasts. The Problem of Street Naming in the Context of Female Scientific Pioneers in Austria Heidrun Zettelbauer/Lisbeth Matzer Shifting Namings and Prefigured Readings: Mathilde Uhlirz’s Biography as an Irritation of Urban Memory Politics From a gender history perspective and against the backdrop of auto/biographical theory, space and memory studies, this article deals with gendered debates, politics and cultural practise of (re)naming streets in urban contexts in general and with the Uhlirzgasse in Graz as a significant case study in particular. H. Zettelbauer and L. Matzer analyse the historical contexts of the street naming process as well as contemporary retrospective (re-)evaluations as negotiations of hegemonic (public) culture. They consider positionings and strategies of municipal protagonists in the 20th century on the one hand and civil society efforts such as feminist memory politics on the other. The latter has challenged successfully male-centred practises of street naming from the 1990ies onwards. The authors confront the life story of the Austrian historian Mathilde Uhlirz (1881– 1966) with her self-narration and the dedication of the Uhlirzgasse in its twofold (re)interpretation: honouring Mathilde Uhlirz’ father Karl and/or Mathilde Uhlirz herself. The case study reveals a complex intertwining of a problematic German-nationalist and Nazi past, the limited agency of a female pioneer as a scientific persona within a misogynous university structure, ambivalent gendered autobiographical narrative strategies and hegemonic public memory politics, which transform a non-coherent, non-linear and contradictory biography into a smooth life story that allows placatory public identification. The contribution pleads for a gender critical reflection of biographical knowledge production – not only in scientific contexts but also in public history.

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Key words: feminist memory politics, street names, biographical theory, gender history, University of Graz, Nazi past Lisa Rettl Of Half Measures and Truths: The Botanist Lore Kutschera, National Socialism and the Great Blind Spot “I don’t want to have and do anything half in my life. We all don’t want to be anything half. So, as botanists, we have to deal with the whole.“ Few quotations have been used more frequently in the research literature than this one to portray the Carinthian botanist and agricultural scientist Lore Kutschera (1917–2008). It therefore seems particularly ironic that previous accounts of her life have avoided any political contextualization. It is astonishing how persistently the historiographical gap around Kutschera’s political past as a National Socialist has persisted to the present day. This article therefore focuses on this biographical gap: Kutschera’s youth and student years, her political work and commitment for the NSDAP, her specific precarious situation in the postwar period, which was significantly shaped by her falling out with her former boss and mentor, the botanist Erwin Aichinger. As will be seen, specifically female limitations, but also possibilities, accompanied her path. Key words: biography, history of botany, history of agricultural science, National Socialism, NSDAP, ANSt (Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen), Carinthia, University of Natural Resources and Life Sciences Birgit Peter „… I was Strengthened and Determined by My Activities in the Hitler Youth.” Considerations on the Nazi Past of the Theater Scholar Margret Dietrich Margret Dietrich (1920–2004) shaped the discipline of theater studies for decades. The data on her career are remarkable, as they show Dietrich as a pioneer in theater studies: first habilitation (1952), first full professor (1966), first director (1966–1982) of the Institute for Theater Studies at the University of Vienna. This article focuses on her hitherto hardly perceived career start, the beginning of which can be seen in the National Socialist University of Münster: here, as a student, she met her lifelong mentor, the Viennese literature and theater scholar Heinz Kindermann, at whose side she played a decisive role in the establishment of the Central Institute for Theater Studies, which was newly founded in Vienna in 1943. Kindermann and Dietrich also had in common their activities and engagement in the Hitler Youth (Hitlerjugend), of which Dietrich had been a member since 1933. In 1938, consequently, she also joined the NSDAP. Indeed, as will be shown here, Dietrich’s scholarly oeuvre is also significantly influenced by

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her ideological orientation as a National Socialist – an aspect that has so far received little attention in research in the humanities and cultural studies. Key words: theater studies, University of Vienna, Hitler Youth, NSDAP, female academic career, female pioneer, female scholar, National Socialism zeitgeschichte extra Sarah Knoll Calling for Support: International Aid for Refugees in Austria during the Cold War During the Cold War, Austria was a country of first asylum for people attempting to flee the so-called “Eastern Bloc.” Although the Austrian government used its help for these refugees as part of its foreign policy agenda to increase international prestige, politicians and public perceived Austria first and foremost as a transit country. One of the main strategies employed by the government to solve “refugee crises” was to call for international support and for the admission of refugees to other countries. This article highlights the work of international organizations on behalf of refugees in Austria, focusing particularly on the work of the UNHCR in five major refugee movements to Austria: Hungary 1956, Czechoslovakia 1968, Poland 1981, GDR 1989, and Romania 1989/90. In doing so, it connects support for refugees to the political and economic frameworks of the period. Key words: Cold War, Eastern Bloc, refugees, refugee crises, refugee movement, Austrian refugee policy, UNHCR, foreign policy, transit country, international aid, NGO, Red Cross, humanitarian aid, migrants, history of migration, Hungary, Romania, Refugee Convention

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Gabriella Hauch/Karl Fallend (Hg.), „Aus der Sintflut einige Tauben“. Zu Leben und Werk von Elisabeth Schilder, Wien: Löcker 2020, 260 Seiten. „Ich persönlich bin jedenfalls der Meinung, daß die intensive Betreuung von Kindern und Jugendlichen außerhalb von Heimen – so wie auch die Betreuung von Straffälligen außerhalb von Anstalten viel mehr Erfolge erzielt – einer Heimerziehung vorzuziehen ist“ –, hielt die im vorliegenden Band porträtierte Elisabeth Schilder 1967 in einem Interview fest.1 Schon seit Anfang der 1950erJahre trat sie jener rigorosen Strafen- und Ausschließungspolitik entgegen, die damals Standardreaktion der Gesellschaft auf abweichendes Verhalten von Jugendlichen war. Und sie kämpfte entschieden gegen eine auf Verwahrung in großinstitutionellen Einrichtungen sowie auf Kontrolle, Gehorsam und Anpassung durch Zwangsmittel ausgerichtete Jugendfürsorge, deren lebensgeschichtliche Folgen bis in die Gegenwart hereinreichen, wie der Menschenrechtsskandal um ehemalige österreichische Heimkinder zeigte.2 Mit ihrem auf Unterstützung von „Schützlingen“ ausgerichteten Verständnis von Sozialarbeit – es war von der Psychoanalyse und von der aus den USA kommenden, auf helfende, individuelle Beziehungsarbeit setzenden Case-WorkMethode inspiriert –, war Schilder den damaligen österreichischen Verhältnissen weit voraus. Die Gründe für diesen Innovationsgeist lassen sich von ihrem politisch-biografischen Background her erschließen. Eine solche „biografische Annäherung“ (S. 17) an die von der historischen Forschung bislang wenig beachtete Publizistin, Pionierin der Sozialarbeit, Sozialreformerin sowie stets auch für Frauenrechte Engagierte bildet den ersten und zentralen Teil der vorliegenden Publikation. Die Historikerin Gabriella Hauch und der Sozialpsychologe Karl Fallend verfolgen dabei einen doppelten Blick: Die Biografie von Elisabeth Schilder wird konsequent in den historisch-gesellschaftlichen Kontext gestellt und letzterer wiederum aus der biografischen Perspektive mit neuen Facetten erhellt; etwa wie bedeutsam politische Sozialisation und lebensgeschichtliche Erfahrungen wie jene von Schilder „für die Gestaltung wesentlicher Politikfelder nach 1945“ (S. 7) waren. Elisabeth Schilder, 1904 geboren und aus einer jüdisch-assimilierten, bürgerlichen Familie stammend – die Mutter war in der Frauenbewegung engagiert, der Vater Sozialdemokrat – wurde im demokratischen Aufbruchsgeist der jungen Ersten Republik sozialisiert und war im intellektuellen sozialistischen Jugendmilieu politisch aktiv. Die neuen Möglichkeiten für Frauen nutzte sie of1 Arbeiter-Zeitung, 19. 11. 1967, 1. 2 Vgl. u. a. Ingrid Bauer, Engagierte Forschung zum Menschenrechtsskandal um österreichische Heimkinder, in: Regina Thumser-Wöhs/Martina Gugglberger/Birgit Kirchmayr/Grazia Prontera/Thomas Spielbüchler (Hg.), Außerordentliches. Festschrift für Albert Lichtblau, Wien/ Köln/Weimar 2019, 427–442.

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fensiv und realisierte an der Universität zwei akademische Abschlüsse – Doktorate in Rechts- und in Staatswissenschaften. Neben ihren Studien setzte sie sich publizistisch für Frauenrechte und Gleichberechtigung ein und war im Rahmen der Frauenabteilung der Wiener Arbeiterkammer in der sozialdemokratischen Aufklärungs- und Bildungsarbeit tätig. Wegen der begrenzten beruflichen Möglichkeiten für Akademikerinnen erwarb sie zusätzlich ein Erzieherinnen- und Fürsorgediplom. In der Zeit des austrofaschistischen Regimes schloss sie sich dem Widerstand der Revolutionären Sozialisten an, 1938 emigrierte sie nach Frankreich, wo sie während des Zweiten Weltkriegs eineinhalb Jahre interniert war. Nach der Befreiung betreute sie in Paris traumatisierte und sozial entwurzelte jugendliche KZ-Überlebende – eine grundlegende Erfahrung, die auch ihr soziales Engagement seit der Rückkehr nach Wien im Jahr 1946 bestimmte. Das kam nicht nur in ihren zahlreichen Schriften zu Jugendheimen, Jugendkriminalität und Jugendstrafrecht zum Ausdruck, sondern auch in den von ihr mit aufgebauten neuen sozialen Einrichtungen, etwa der ersten Child-GuidanceClinic in Wien (1949) oder in der „Bewährungshilfe“. Diese wegweisende Form der Resozialisierung straffälliger Jugendlicher konnte Schilder auch in dem 1962 in Kraft getretenen fortschrittlichen Jugendgerichtsgesetz verankern, in dessen Ausarbeitung sie als Juristin intensiv eingebunden war. In den kommenden zwei Jahrzehnten arbeitete sie am Aufbau der Bewährungshilfe und prägte diese maßgeblich mit. Zu einer wichtigen Impulsgeberin wurde sie auch für die überfällige Reform des – noch aus dem Jahr 1811 stammenden – patriarchalen Familienrechts, wofür sie 1949/50 als Leiterin einer Juristinnen-Kommission einen Entwurf ausarbeitete, der die „Grundlinie für den weiteren Reformdiskurs“ (S. 89) bis hin zur tatsächlichen Umsetzung in den 1970er-Jahren bildete. Hauch und Fallend betonen für beide Rechtsbereiche die enge Zusammenarbeit mit dem in den Jahren 1960 bis 1966 sowie 1970 bis 1983 amtierenden sozialistischen Justizminister Christian Broda. Sie sprechen von einem „duetthaften Zusammenspiel, auf der Folie ausformulierter Utopien der Ersten Republik“ (S. 8), die sowohl für Broda als auch für Schilder prägend waren, jedoch durch Austrofaschismus und Nationalsozialismus sowie in Folge davon durch Illegalität, Verhaftungen, Emigration und Einberufung an die Front gewaltsam gestoppt wurden. Dieser „Sintflut“ entkommen, fanden sich 1945, nach der Befreiung, die überlebenden gleichgesinnten „Tauben“ schnell wieder – so ein rückblickendes Zitat von Elisabeth Schilder, das auch zum Titel des Buches wurde. Den zweiten Teil der Publikation bilden ausgewählte – Schilders gesellschaftspolitisches Engagement dokumentierende – Schriften, die, wie die beiden HerausgeberInnen festhalten, zugleich „in Worte gefasste Zeitbilder“ (S. 13) von Ende der 1920er-Jahre bis Anfang der 1980er-Jahre sind. Eine für den Überblick

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wichtige Abrundung bekommt der Band durch die beiden Kapitel „Elisabeth Schilder – Gesamtbibliografie“ sowie „Daten zum Lebenslauf“. Als zweifach promovierte Frau jüdischer Herkunft, Linkssozialistin, aus dem Exil Zurückgekehrte, aber im heimatlichen Österreich nicht wirklich willkommen Geheißene war Elisabeth Schilder zeitlebens (1904–1983) in einer mehrfachen Minderheitenposition, was ihr Leben und Wirken maßgeblich formte. In der vorliegenden Publikation wird ihre Bedeutung für die Geschichte der Arbeiterbewegung, der Sozialarbeit und zentraler Reformen in Österreich aufschlussreich dargelegt. Ingrid Bauer

Helge Faller/Matthias Marschik, Eine Klasse für sich. Als Wiener Fußballerinnen einzig in der Welt waren, Wien: Verlagshaus Hernals 2020, 363 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Manuela Zinsberger, Viktoria Schnaderbeck, Laura Feiersinger – Namen österreichischer Fußballspielerinnen, die seit der Europameisterschaft 2017, als das Nationalteam das Halbfinale erreichte, nicht nur Insidern bekannt sind. Obwohl die mediale Repräsentation des von Frauen ausgeübten Fußballsports in Österreich jener etwa in Deutschland oder England weit hinterherhinkt, erfährt der Frauenfußball wachsende Aufmerksamkeit. Österreichische Fußballerinnen spielen in europäischen Profiligen, kooperieren mit Werbepartnern, betreiben Instagram-Profile mit zehntausenden Followern. Völlig verschüttet ist die Geschichte ihrer Vorkämpferinnen aus der Zwischenkriegszeit, beginnt doch die offizielle Geschichtsschreibung des österreichischen Frauenfußballs erst 1972 mit lokalen Meisterschaftsbewerben. In dem vorgestellten Buch führen der Kulturwissenschaftler und Historiker Matthias Marschik und der Frauenfußball-Forscher und -Trainer Helge Faller die LeserInnen hin zu den tatsächlichen Anfängen des österreichischen Frauenfußballs, die sie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verorten. Dabei können die Autoren auf eine Fülle von selbsterbrachten, bereits publizierten Forschungsleistungen im Bereich des Fußball- und Frauensports zurückgreifen, die das Grundgerüst der Studie bilden.1 1 Siehe u. a. Matthias Marschik, Frauenfussball und Maskulinität. Geschichte – Gegenwart – Perspektiven, Münster/Hamburg/London 2003; Johanna Dorer/Matthias Marschik, Sportliche Avancen – Frauensport in Wien 1934–1938, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 27 (2016) 3, 94–116. Zu den Publikationen von Helge Faller über die Ur-

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Als sich in den 1920er-Jahren die Aktivitäten im Bereich des Frauenfußballs zu intensivieren begannen – erstmals berichtete die Presse im Juli 1923 von einem Damen-Fußballspiel in Wien –, waren es vor allem Journalisten von (Sport-) Zeitungen, die Frauen dazu aufriefen, sich in der zu einem Massenphänomen entwickelnden Männersportart zu versuchen. Humoristisch und zum Teil abfällig wurde in den darauffolgenden Jahren von dem einen oder anderen Match berichtet. Dennoch blieben Fußball spielende Frauen eine Kuriosität, wobei sogar das Wort „Fußballerinnen“ die Gemüter erregte. Die Gründung des 1. Wiener Damen-Fußball-Clubs „Kolossal“, später „D.F.C. Tempo“, durch die 22-jährige Wienerin Edith Klinger im Jahr 1934 markiert den Beginn des organisierten Frauenfußballs in Österreich. Die 1930er-Jahre waren allerdings keine guten Zeiten für einen solchen Selbstermächtigungsversuch im Sportbereich. Das austrofaschistische Regime strebte durch den Erlass des Gesetzes über die Österreichische Sport- und Turnfront (ÖSTF) danach, die staatliche Kontrolle und Steuerung des Sports zu erlangen und Frauen aus dem Leistungs- und Wettkampfsport zu drängen. Dennoch wurde die Presse bald auf das außergewöhnliche Projekt aufmerksam, nicht zuletzt aufgrund Klingers Initiative, durch Zeitungsannoncen Frauen für ihr Team anzuwerben. Eine Flut von Aufnahmeanträgen war die Folge. Als Trainer konnte der Radprofi Ferry Dusika gewonnen werden. Mit wohlwollender Berichterstattung über die Aktivitäten der Kickerinnen entwickelte sich der einflussreiche Journalist und Radiokommentator Willy Schmieger in der Anfangsphase zu einem der größten Fürsprecher. Nach Monaten der ernsthaften Vorbereitung fand im Oktober 1935 auf dem Lehrerplatz in Hernals zwischen dem Österreichische D.F.C. Wien und der D.F.C. Austria das erste offizielle Frauenfußballmatch vor 2.600 ZuseherInnen statt. Infolge dieser Initialzündung formierte sich eine Reihe weiterer Frauenteams. Mit der Gründung der 1. Österreichischen Damenfußball-Union (ÖDU) 1936, der die Unternehmerin Ella Zirner-Zwieback als Präsidentin vorstand und diese auch finanziell unterstütze, existierte in Österreich der weltweit einzige geregelte Meisterschaftsbetrieb für Frauen. Neun Teams nahmen in der ersten Saison teil, wobei alle aus dem Großraum Wien stammten. Doch noch bevor das erste Spiel ausgetragen werden konnte, intervenierten der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) und die ÖSTF, indem Frauenteams die Nutzung von Verbandsplätzen untersagt und dem Frauenfußball der Status als selbständiger Sportzweig verweigert wurde. Trotz dieser Hürden gelang es der ÖDU, zwei vollständige Meisterschaftssaisonen auszutragen.

sprünge des Frauenfußballs in den Niederlanden, Frankreich, Belgien oder Ozeanien siehe URL: https://www.lessportsetlafemme.de/programm/le-grand-depart (abgerufen 1. 2. 2021).

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Helge Faller und Matthias Marschik können anhand ihrer umfassenden Analyse der Sportberichterstattung in diesen Jahren – so wurden mehr als 40 zeitgenössische Zeitungen untersucht – nachweisen, dass bei vielen Spielen weit mehr ZuschauerInnen auf den Platz kamen als bei Matches in der FrauenBundesliga heute, wenngleich der Sensationsaspekt beim männlichen Publikum das ausschlaggebende Motiv für den Matchbesuch war. Die mediale Repräsentation der Fußball spielenden Mädchen und Frauen fiel ambivalent aus und bewegte sich zwischen Anerkennung und Ablehnung: Einerseits wurde den Fußballerinnen Respekt gezollt und Spieltermine beworben, andererseits verkamen die Artikel häufig zu Spotttiraden, die mit subtilen Verweisen auf die biologischen Unterschiede zwischen Frau und Mann die Leistungen der Sportlerinnen ins Lächerliche zogen. Dieser Umstand förderte die Tradierung und Verfestigung von Geschlechterklischees im Sport, die mitunter bis in die Gegenwart nachwirken. Den Autoren gelingt es im ersten Teil des Buches auf 214 Seiten in kurzen, kompakten Kapiteln – unterbrochen durch biografische Skizzen von ProtagonistInnen –, die Frühgeschichte des Frauenfußballs in Österreich zu rekonstruieren. Mehr als einhundert historische Zeichnungen und Fotografien illustrieren die Entstehung des neuen Sportphänomens. Ein von Faller erarbeiteter 140seitiger Statistikteil bildet den zweiten Abschnitt. Dieser dokumentiert anhand von Matchergebnissen, Spielerinnentransfers oder Namenindizes von Fußballerinnen und FunktionärInnen detailliert die rege Aktivität im Bereich des Frauenfußballs zwischen 1935 und 1938. Angesichts der Fülle der erhobenen Daten ist der Rechercheaufwand nicht hoch genug einzuschätzen. Das Buch eignet sich sowohl für „EinsteigerInnen“ in das Thema Frauensport, ermöglicht aber auch Forschenden in diesem Feld unter Zuhilfenahme dieser neuen Erkenntnisse, strukturelle Veränderungen hinsichtlich der Partizipation von Frauen in anderen Sportbereichen in der Zwischenkriegszeit näher zu untersuchen. Zu erwähnen ist hier beispielsweise die Gründung des ersten Frauen-Eishockeyteams Österreichs im Wiener Eislauf-Verein 1929. Obwohl dieses Team aufgrund vehementer Widerstände männlicher Eissportverantwortlicher nur etwa vier Jahre als Trainingsgruppe ohne Konkurrenz existierte, nahmen auch diese Athletinnen, wie ihre Fußball-Kolleginnen, eine Vorbildfunktion ein und stellten – dem Buchtitel folgend – auch im internationalen Vergleich „eine Klasse für sich“ dar. Letzten Endes blieben die frühen Bestrebungen der Wiener Fußballerinnen nur ein Versuch, sich im Sportbereich zu emanzipieren. Immer wieder mischten sich männliche Funktionäre oder Trainer ein und unterminierten damit den Selbstorganisationsversuch der Frauen. Zudem entsprachen die Sportlerinnen nicht dem vorherrschenden Frauenbild, das im Wesentlichen Anmut und Ästhetik propagierte. Vor diesem Hintergrund waren die Sportlerinnen nicht selten

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publizistischer Häme ausgesetzt, was umso schwerer wog, da eine Unterstützung durch den ÖFB ausblieb. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Verbot des Frauenfußballs fanden die Ambitionen der Fußballerinnen 1938 ein jähes Ende. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis sich der von Frauen ausgeübte Fußballsport in der Zweiten Republik reorganisieren konnte. Erst 1982 wurde der Frauenfußball nach Platz- und Spielverboten sowie der bewussten Negierung durch den ÖFB schließlich anerkannt und institutionell verankert. Insgesamt stellt die Studie von Helge Faller und Matthias Marschik hinsichtlich des Informationsgehalts sowie der Ausstattung des gebundenen, großformatigen Buches nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich einen gewichtigen Beitrag zur Geschichte des Frauensports in Österreich dar. Agnes Meisinger

Margit Reiter, Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ, Göttingen: Wallstein Verlag 2019, 292 Seiten. Sieben Jahrzehnte nach Gründung des Verbands der Unabhängigen (VdU) legt Margit Reiter, Universitätsprofessorin für Europäische Geschichte an der Universität Salzburg, eine detaillierte Studie zur politischen Formierung ehemaliger Nationalsozialisten in Österreich zu Beginn der Zweiten Republik vor. Das Buch, dessen Erscheinen 2019 nach der sogenannten „Liederbuch-Affäre“, jedoch vor der Veröffentlichung des Berichts der FPÖ-Historikerkommission zur Parteigeschichte erfolgte, wurde bereits von einem der Autoren dieser Schrift einer kontroversiellen Rezension unterzogen. So nimmt dieser darin etwa für sich in Anspruch, die Vorgeschichte der FPÖ-Gründung bereits 2015 unter Heranziehung des Nachlasses von Anton Reinthaller weitgehend aufgearbeitet zu haben. Margit Reiter kann im angesprochenen Ergebnis, der Edition „Aufstieg und Fall des VdU“, in ihrer 2016 dazu verfassten Rezension zwar eine Basis zur Darstellung der (Früh-)Geschichte der Partei erkennen, die jedoch einer weitergehenden kritischen Untersuchung bedarf. Der Aufarbeitung der konkreten Entstehungsgeschichte des VdU und der frühen FPÖ – jenseits existierender meist parteinaher Abhandlungen – hat sich die Autorin schließlich selbst gewidmet und basierend auf den Forschungsergebnissen ihres vierjährigen FWFProjekts „Antisemitismus nach der Shoah. Ideologische Kontinuitäten und politische Umorientierung im ‚Ehemaligen‘-Milieu in Österreich 1945–1960“ in Buchform zugänglich gemacht. Das verfolgte Erkenntnisinteresse widmet sich den Fragen, wie genau sich ehemalige NationalsozialistInnen nach 1945 politisch neu organisiert haben, welche Akteure zum Zug kamen bzw. welche weltanschaulichen Inhalte verfolgt

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wurden und welche Kontinuitäten in diesem Zusammenhang auf personeller und ideologischer Ebene zum Nationalsozialismus festzumachen sind (S. 11). Dabei wird nicht allein die Entstehungsgeschichte des VdU und der FPÖ in isolierter Form betrachtet, sondern das gesamte „Ehemaligen-Milieu“, dessen Netzwerke und Organisationen. Viel hätte sich dazu zweifellos in den Archiven beider Parteien gefunden, zu denen die Autorin wenig überraschend keinen Zugang erhielt. Durch die erstmalige systematische Sichtung des Nachlasses von Anton Reinthaller gelang es ihr dennoch eindrucksvoll, die Transformationsphase zwischen VdU und FPÖ und den damit verbundenen Binnendiskurs im „Ehemaligen“-Milieu nachzuvollziehen. Einblicke in Nachlässe weiterer beteiligter Akteure, in ihre autobiografischen Schriften sowie die Heranziehung parteinaher Zeitungen vervollständigen hier das Bild. Das Auftreten beider Parteien in der Öffentlichkeit – der politische Außendiskurs – wurde ergänzend dazu anhand der Beiträge ihrer Abgeordneten im Parlament und den Inhalten der Parteiprogramme, deren methodisch strukturiertere Analyse sicher ertragreich gewesen wäre – und Parteizeitungen ins Blickfeld genommen. Entlang dieser beiden Diskursebenen lässt sich die von der Autorin aufgeworfene zentrale Fragestellung der Untersuchung festmachen: nämlich jene, ob „unter sich“ anders, offener und gewissermaßen ideologisch ehrlicher kommuniziert wurde als gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit, die es bei Wahlen für sich zu gewinnen galt. Die Offenlegung dieses sogenannten Doublespeak zieht sich als roter Faden durch das in zehn Überkapitel gegliederte Buch und wird auch schon im frühen, politisch noch nicht organisierten und in Teilen von identitätsstiftenden Erfahrungen in Internierungslagern der Alliierten geprägten „Ehemaligen“-Milieu diagnostiziert. Dieses trachtete vorwiegend danach, sich nach außen als Opfer der Entnazifizierungsmaßnahmen darzustellen, „wohingegen man im Binnendiskurs selbstbewusst Stärke und Prinzipientreue demonstrierte und im vergangenen Heldentum schwelgte.“ (S. 37). Diese Stimmungslagen bei weiten Teilen der „Ehemaligen“ aufgreifend, positionierten sich auch die beiden Gründer des VdU, Herbert Kraus und Viktor Reimann, indem sie sich von Beginn an als breites Sammelbecken für besagte „politisch Heimatlosen“ deklarierten und sich einem vehementen Auftreten gegen die Entnazifizierungsgesetze verschrieben. Zaghafte Versuche von Kraus, an den in Österreich traditionell ohnehin schwach ausgeprägten Liberalismus anzuknüpfen, liefen weitgehend ins Leere oder blieben auf wenige wirtschaftsliberale Elemente beschränkt (S. 91 ff) und ließen den VdU im Wahlkampf 1949 mit dem allumfassenden Thema der Rehabilitierung der „Entrechteten“ de facto als Single-issue-Partei auftreten und erfolgreich mit 11,6 Prozent der Stimmen oder 16 Mandaten reüssieren (S. 107 ff). Wie Reiter offenlegt, kann auch die personelle Zusammensetzung des VdU, neben seiner gemäßigteren Führung, alles andere als „liberal“

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gelten. So waren es weniger geläuterte NS-Mitläufer, die im VdU Platz fanden, sondern vielmehr solche „Ehemalige“, die ihrer Funktion und Tätigkeit im Nationalsozialismus nach und angesichts ihrer Gesinnungstreue nach 1945 als „belastet“ einzuordnen sind (S. 126). Zwei Legenden rund um die Formierung des Dritten Lagers werden im Zuge dessen von der Autorin stichhaltig entkräftet. Erstens trifft die vor allem aus den Reihen der FPÖ oft gehörte Rede, dass ehemalige Nationalsozialisten nach 1945 in allen Parteien ihren Platz fanden nur insofern zu, dass diese auch in ÖVP und SPÖ Fuß fassten – der VdU und die spätere FPÖ aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung und personellen Zusammensetzung jedoch als das Sammelbecken für einschlägige „Ehemalige“ fungierten. Zweitens kann seriöserweise nicht länger vom „liberalen“ VdU und der „nationalen“ FPÖ gesprochen werden, da auch bei Ersterem besagte Elemente nur rudimentär vorhanden waren. Im Übergang zwischen beiden Parteien erkennt Margit Reiter weniger einen entscheidenden Bruch als vielmehr einen schrittweisen, von inhaltlichen und personellen Kontinuitäten geprägten Prozess, den sie mit besonderem Augenmerk auf Anton Reinthaller plausibel und anschaulich nachzeichnet. Auch wenn das Ergebnis der FPÖ-Parteigründung letztendlich mit einem Rechtsruck verbunden war, entpuppt sich der Weg dorthin nur vordergründig als Debatte um die programmatische Ausrichtung der Partei, sondern war viel stärker durch Streitigkeiten um Macht und Einfluss bestimmter Funktionäre und Netzwerke gekennzeichnet als bisher bekannt. Jene konfliktreiche Stimmungslage blieb der FPÖ auch weitgehend unter der Obmannschaft von Friedrich Peter erhalten, mit deren Aufarbeitung die Autorin jedoch noch keinen Schlusspunkt setzt, sondern die Entwicklung der Partei und das Fortwirken ihres (neo-)nazistischen und rechtsextremistischen Grundduktus in den Folgejahrzehnten bis in die Gegenwart („Eine Vergangenheit, die nicht vergeht“) minutiös aufdeckt. Das Abschlusskapitel begibt sich auf die Spur des Antisemitismus innerhalb des „Ehemaligen“-Milieus in beiden behandelten Parteien. Reiter kommt zum Schluss, dass Antisemitismus – zeitweise stärker, zeitweise schwächer – immer latent vorhanden war und in der FPÖ bis heute jederzeit abrufbar ist, was die erwähnte „Liederbuch-Affäre“ und ihr in der Zwischenzeit publik gewordener zweiter Teil sowie zahlreiche „Einzelfälle“ klar belegen und die hohe Aktualität der Studie vor Augen führen. Margit Reiters Buch trägt in seiner Gesamtheit substanziell zum besseren Verständnis der hier erstmals kritisch behandelten Thematik bei und öffnet diese durch seine gute Lesbarkeit einem breiten Publikum, was seine Nominierung für die Shortlist des Wissenschaftsbuches des Jahres 2020 in der Kategorie Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften unterstreicht. Roman Pfefferle

Autor/inn/en

Ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ingrid Bauer Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg und freie Autorin, Herausgeberin, Vortragende, [email protected] Dr.in Linda Erker Historikerin, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, [email protected] Sarah Knoll, MA DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Historikerin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, [email protected] Mag.a Dr.in Lisbeth Matzer, MA Historikerin, Akademische Rätin auf Zeit am Lehrstuhl für Europäische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, [email protected] Mag.a Agnes Meisinger Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, [email protected] Mag.a Dr.in Birgit Peter, Privatdozentin Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien, [email protected] Dr. Roman Pfefferle Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, [email protected]

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Mag.a Dr.in Lisa Rettl Freiberufliche Historikerin, Buchautorin und Ausstellungskuratorin, [email protected] Assoz. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Heidrun Zettelbauer Zeit- und Geschlechterhistorikerin am Institut für Geschichte der Karl-FranzensUniversität Graz, [email protected]

Zitierregeln Bei der Einreichung von Manuskripten, über deren Veröffentlichung im Laufe eines doppelt anonymisierten Peer Review Verfahrens entschieden wird, sind unbedingt die Zitierregeln einzuhalten. Unverbindliche Zusendungen von Manuskripten als word-Datei an: [email protected]

I.

Allgemeines

Abgabe: elektronisch in Microsoft Word DOC oder DOCX. Textlänge: 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten), Times New Roman, 12 Punkt, 1 12-zeilig. Zeichenzahl für Rezensionen 6.000–8.200 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Rechtschreibung: Grundsätzlich gilt die Verwendung der neuen Rechtschreibung mit Ausnahme von Zitaten.

II.

Format und Gliederung

Kapitelüberschriften und – falls gewünscht – Unterkapiteltitel deutlich hervorheben mittels Nummerierung. Kapitel mit römischen Ziffern [I. Literatur], Unterkapitel mit arabischen Ziffern [1.1 Dissertationen] nummerieren, maximal bis in die dritte Ebene untergliedern [1.1.1 Philologische Dissertationen]. Keine Interpunktion am Ende der Gliederungstitel. Keine Silbentrennung, linksbündig, Flattersatz, keine Leerzeilen zwischen Absätzen, keine Einrückungen; direkte Zitate, die länger als vier Zeilen sind, in einem eigenen Absatz (ohne Einrückung, mit Gänsefüßchen am Beginn und Ende). Zahlen von null bis zwölf ausschreiben, ab 13 in Ziffern. Tausender mit Interpunktion: 1.000. Wenn runde Zahlen wie zwanzig, hundert oder dreitausend nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Zahlenangaben in einer Textpassage aufscheinen, können diese ausgeschrieben werden. Daten ausschreiben: „1930er“ oder „1960er-Jahre“ statt „30er“ oder „60er Jahre“. Datumsangaben: In den Fußnoten: 4. 3. 2011 [keine Leerzeichen nach den Punkten, auch nicht 04. 03. 2011 oder 4. März 2011]; im Text das Monat ausschreiben [4. März 2011]. Personennamen im Fließtext bei der Erstnennung immer mit Vor- und Nachnamen. Namen von Organisationen im Fließtext: Wenn eindeutig erkennbar ist, dass eine Organisation, Vereinigung o. Ä. vorliegt, können die Anführungszeichen weggelassen werden: „Die Gründung des Öesterreichischen Alpenvereins erfolgte 1862.“ „Als Mitglied im

Womens Alpine Club war ihr die Teilnahme gestattet.“ Namen von Zeitungen/Zeitschriften etc. siehe unter „Anführungszeichen“. Anführungszeichen im Fall von Zitaten, Hervorhebungen und bei Erwähnung von Zeitungen/Zeitschriften, Werken und Veranstaltungstiteln im Fließtext immer doppelt: „“ Einfache Anführungszeichen nur im Fall eines Zitats im Zitat: „Er sagte zu mir : ,….‘“ Klammern: Gebrauchen Sie bitte generell runde Klammern, außer in Zitaten für Auslassungen: […] und Anmerkungen: [Anm. d. A.]. Formulieren Sie bitte geschlechtsneutral bzw. geschlechtergerecht. Verwenden Sie im ersteren Fall bei Substantiven das Binnen-I („ZeitzeugInnen“), nicht jedoch in Komposita („Bürgerversammlung“ statt „BürgerInnenversammlung“). Darstellungen und Fotos als eigene Datei im jpg-Format (mind. 300 dpi) einsenden. Bilder werden schwarz-weiß abgedruckt; die Rechte an den abgedruckten Bildern sind vom Autor/von der Autorin einzuholen. Bildunterschriften bitte kenntlich machen: Abb.: Spanische Reiter auf der Ringstraße (Quelle: Bildarchiv, ÖNB). Abkürzungen: Bitte Leerzeichen einfügen: vor % oder E/zum Beispiel z. B./unter anderem u. a. Im Text sind möglichst wenige allgemeine Abkürzungen zu verwenden.

III.

Zitation

Generell keine Zitation im Fließtext, auch keine Kurzverweise. Fußnoten immer mit einem Punkt abschließen. Die nachfolgenden Hinweise beziehen sich auf das Erstzitat von Publikationen. Bei weiteren Erwähnungen sind Kurzzitate zu verwenden. – Wird hintereinander aus demselben Werk zitiert, bitte den Verweis Ebd./ebd. bzw. mit anderer Seitenangabe Ebd., 12./ebd., 12. gebrauchen (kein Ders./Dies.), analog: Vgl. ebd.; vgl. ebd., 12. – Zwei Belege in einer Fußnote mit einem Strichpunkt; trennen: Gehmacher, Jugend, 311; Dreidemy, Kanzlerschaft, 29. – Bei Übernahme von direkten Zitaten aus der Fachliteratur Zit. n./zit. n. verwenden. – Indirekte Zitate werden durch Vgl./vgl. gekennzeichnet. Monografien: Vorname und Nachname, Titel, Ort und Jahr, Seitenangabe [ohne „S.“]. Beispiel Erstzitat: Johanna Gehmacher, Jugend ohne Zukunft. Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel in Österreich vor 1938, Wien 1994, 311. Beispiel Kurzzitat: Gehmacher, Jugend, 311. Bei mehreren AutorInnen/HerausgeberInnen: Dachs/Gerlich/Müller (Hg.), Politiker, 14. Reihentitel: Claudia Hoerschelmann, Exilland Schweiz. Lebensbedingungen und Schicksale österreichischer Flüchtlinge 1938 bis 1945 (Veröffentlichungen des Ludwig-

Boltzmann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft 27), Innsbruck/Wien [bei mehreren Ortsangaben Schrägstrich ohne Leerzeichen] 1997, 45. Dissertation: Thomas Angerer, Frankreich und die Österreichfrage. Historische Grundlagen und Leitlinien 1945–1955, phil. Diss., Universität Wien 1996, 18–21 [keine ff. und f. für Seitenangaben, von–bis mit Gedankenstich ohne Leerzeichen]. Diplomarbeit: Lucile Dreidemy, Die Kanzlerschaft Engelbert Dollfuß’ 1932–1934, Dipl. Arb., Universit8 de Strasbourg 2007, 29. Ohne AutorIn, nur HerausgeberIn: Beiträge zur Geschichte und Vorgeschichte der Julirevolte, hg. im Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst, Wien 1934, 13. Unveröffentlichtes Manuskript: Günter Bischof, Lost Momentum. The Militarization of the Cold War and the Demise of Austrian Treaty Negotiations, 1950–1952 (unveröffentlichtes Manuskript), 54–55. Kopie im Besitz des Verfassers. Quellenbände: Foreign Relations of the United States, 1941, vol. II, hg. v. United States Department of States, Washington 1958. [nach Erstzitation mit der gängigen Abkürzung: FRUS fortfahren]. Sammelwerke: Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995. Beitrag in Sammelwerken: Michael Gehler, Die österreichische Außenpolitik unter der Alleinregierung Josef Klaus 1966–1970, in: Robert Kriechbaumer/Franz Schausberger/ Hubert Weinberger (Hg.), Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung Klaus (Veröffentlichung der Dr.-Wilfried Haslauer-Bibliothek, Forschungsinstitut für politisch-historische Studien 1), Salzburg 1995, 251–271, 255–257. [bei Beiträgen grundsätzlich immer die Gesamtseitenangabe zuerst, dann die spezifisch zitierten Seiten]. Beiträge in Zeitschriften: Florian Weiß, Die schwierige Balance. Österreich und die Anfänge der westeuropäischen Integration 1947–1957, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994) 1, 71–94. [Zeitschrift Jahrgang/Bandangabe ohne Beistrichtrennung und die Angabe der Heftnummer oder der Folge hinter die Klammer ohne Komma]. Presseartikel: Titel des Artikels, Zeitung, Datum, Seite. Der Ständestaat in Diskussion, Wiener Zeitung, 5. 9. 1946, 2. Archivalien: Bericht der Österr. Delegation bei der Hohen Behörde der EGKS, Zl. 2/pol/57, Fritz Kolb an Leopold Figl, 19. 2. 1957. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA)/AA, II-pol, International 2 c, Zl. 217.301-pol/ 57 (GZl. 215.155-pol/57); Major General Coleman an Kirkpatrick, 27. 6. 1953. The National Archives (TNA), Public Record Office (PRO), Foreign Office (FO) 371/103845, CS 1016/205 [prinzipiell zuerst das Dokument mit möglichst genauer Bezeichnung, dann das Archiv, mit Unterarchiven, -verzeichnissen und Beständen; bei weiterer Nennung der Archive bzw. Unterarchive können die Abkürzungen verwendet werden].

Internetquellen: Autor so vorhanden, Titel des Beitrags, Institution, URL: (abgerufen Datum). Bitte mit rechter Maustaste den Hyperlink entfernen, so dass der Link nicht mehr blau unterstrichen ist. Yehuda Bauer, How vast was the crime, Yad Vashem, URL: http://www1.yadvashem.org/ yv/en/holocaust/about/index.asp (abgerufen 28. 2. 2011). Film: Vorname und Nachname des Regisseurs, Vollständiger Titel, Format [z. B. 8 mm, VHS, DVD], Spieldauer [Film ohne Extras in Minuten], Produktionsort/-land Jahr, Zeit [Minutenangabe der zitierten Passage]. Luis BuÇuel, Belle de jour, DVD, 96 min., Barcelona 2001, 26:00–26:10 min. Interview: InterviewpartnerIn, InterviewerIn, Datum des Interviews, Provenienz der Aufzeichnung. Interview mit Paul Broda, geführt von Maria Wirth, 26. 10. 2014, Aufnahme bei der Autorin. Die englischsprachigen Zitierregeln sind online verfügbar unter : https://www.verein-zeit geschichte.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_verein_zeitgeschichte/zg_Zitierregeln_ engl_2018.pdf Es können nur jene eingesandten Aufsätze Berücksichtigung finden, die sich an die Zitierregeln halten!