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German Pages 164 [168] Year 1996
So-In Choi Selbstbewußtsein und Selbstanschauung
W DE G
Kantstudien Ergänzungshefte im Auftrage der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Gerhard Funke und Rudolf Malter f
130
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1996
So-In Choi
Selbstbewußtsein und Selbstanschauung Eine Reflexion über Einheit und Entzweiung des Subjekts in Kants Opus Postumum
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1996
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einbeitsaufnahme
Choi, So-In: Selbstbewusstsein und Selbstanschauung : eine Reflexion über Einheit und Entzweiung des Subjekts in Kants Opus Postumum / So-In Choi. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1996 (Kantstudien : Ergänzungshefte ; 130) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-11-015264-9 NE: Kantstudien / Ergänzungshefte
© Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: W. Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin
Dem Andenken an Rudolf Malter (1937-1994) meinem Lehrer an der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz
Vorwort Diese Arbeit ist die nur wenig abgeänderte Dissertationsarbeit, die ich im Wintersemester 1995/96 an der Johannes-Gutenberg Universität zur Erlangung eines Doktor Grades Philosophie abgegeben habe. Für die Anfertigung dieser Arbeit bedanke ich mich hier besonders bei Herrn Prof. Rudolf Malter, der meine Arbeit von Anfang an mit eingehendem Interesse und wissenschaftlicher Ermutigung gefördert hat. Er ist inzwischen nicht mehr bei uns. Sein plötzlicher Tod, noch vor der endgültigen Abfassung meiner Arbeit, erfüllt mich mit großer Trauer. Sein Verscheiden ist sowohl für mich und als auch für das wissenschaftliche Umfeld ein großer Verlust gewesen. Er war ein aufrichtig warmherziger Mensch mit offenem Geist. Ich schulde ihm eine unvergeßliche Hilfe. Ich widme ihm daher mit noch bestehendem Dank diese Arbeit. An dieser Stelle danke ich noch dem Herrn Prof. Th. M. Seebohm, der in schwieriger Situation mir gern geholfen und meine Arbeit mit wissenschaftlicher Strenge weiter betreut hat. Ohne seine Hilfsbereitschaft wäre diese Arbeit nicht in der jetzigen Form zustande gekommen. Dem Herrn Prof. J. Kopper bin ich besonderen Dank schuldig. Von ihm habe ich während meines Doktorstudiums viel gelernt. Für meine Arbeit hat er besonderes Interesse gezeigt und auch in grammatischer und stilistischer Hinsicht Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit gegeben. Für die grammatische und stilistische Korrektur meiner Arbeit haben viele netten Kommilitonen mir gerne geholfen. Unter denen bedanke ich mich besonders bei Manfred Kugelstadt, Matthias Vollet und Patricia Steinfeld. Und für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Kantstudien-Ergänzungshefte danke ich auch dem Herrn Prof. G. Funke und dem Herrn Prof. B. Dörflinger in der Kant-Studien Redaktion. Nicht zuletzt bedanke ich mich auch bei meinem Mann. Mein Mann hat mir immer verständnisvoll und gerne geholfen und mich ermuntert, in schwierigen Zeiten mein Studium fortzusetzen, obwohl er auch von seinem Studium sehr gefordert wurde. Und letztlich bin ich meinen Eltern Dank schuldig, die immer ohne Vorbehalt mich bei allem, was ich gerne haben und machen wollte, unterstützten.
Mainz, Mai 1996
So-In Choi
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
VII
Vorbemerkung zur Zitierweise
XI
I. Einleitung
l
II. Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als reiner Anschauung a priori
7
1. Die Wesensbestimmung von Raum und Zeit im op. post. 1.1. Rezeptives Moment von Raum und Zeit 1.2. Spontanes Moment von Raum und Zeit als Prinzip der Synthesis 2. Der Begriff von Raum und Zeit in den früheren Werken Kants 2. l. Die Entstehung des Begriffs von Raum und Zeit in der Inauguralschrift 2.2. Die Auffassung von Raum und Zeit in der K.d.r. V. 3. Das Problem des Grundes von Raum und Zeit als in sich zwei heterogene Momente enthaltender Anschauung a priori
III. Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung 1. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein der analytischen Identität des Subjekts 2. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein seiner selbst als Objekts . 2.1. Das Ich als das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung 2.2. Das Ich bin als mein eigenes Dasein ohne Prädikat 3. Das Selbstbewußtsein ist im wesentlichen die Selbstanschauung 3.1. Das Selbstbewußtsein als ein empirischer Satz in der K.d.r. V. 3.2. Das Selbstbewußtsein als Übergang von der Apperzeption zur Apprehension im op. post. 3.3. Die Selbstanschauung als ein Akt der Selbstsetzung
7 7 9 12 12 15 19
26 26 31 31 37 43 43 48 52
X
Inhaltsverzeichnis
IV. Die Entfaltung der Selbstanschauung in den synthetischen und den analytischen Akt 1. Die Anschauung und das Problem der Gegenständlichkeit im Selbstsetzungsakt 2. Das Selbstbewußtsein als Selbstanschauung und Selbstdenken 2. 1. Das Verhältnis zwischen Begriff und Anschauung im Selbstbewußtsein 2.2. Der Unterschied zwischen dem logischen und dem metaphysischen Akt 2.3. Die Selbstanschauung ist synthetisch, aber zugleich analytisch 3. Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 4. Die Einteilung der Selbstanschauung in die primitive und die derivative Anschauung seiner selbst 4. l. Raum und Zeit als die derivative Anschauung seiner selbst.... 4.2. Raum und Zeit als die primitive Anschauung seiner selbst 5. Die in der Analysis synthetisch verfahrende Vernunft
V. Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins: der Urgrund aller Erkenntnisakte
57 57 63 63 66 71 73 81 84 94 106
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1. Die Apperzeption als apprehensio simplex 1.1. Die Apperzeption als das Ganze der Sinnengegenstände 1.2. omnimoda determinatio est existentia 2. Das Selbstbewußtsein als die entzweite Einheit des Subjekts mit sich selbst 2.1. Das Selbstbewußtsein als das Urbild der Erkenntnis 2.2. Das Selbstbewußtsein als der Akt der Persönlichkeit
113 113 120 127 127 133
VI. Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
138
Literaturverzeichnis
146
Sach- und Personenregister
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Vorbemerkung zur Zitierweise Für die Kritik der reinen Vernunft wird die Ausgabe: Kritik der reinen Vernunft, hrsg. von R. Schmidt, Hamburg 1930, zugrunde gelegt. Die Kritik der reinen Vernunft wird wie üblich nach A und B zitiert. Alle anderen Schriften Kants werden nach der Akademie-Ausgabe, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaft, zitiert. Das Opus postumum wird nach Bd. XXI und XXII der Akademie-Ausgabe zitiert. Der erste und der zweite Band des Opus postumum werden jeweils mit den römischen Ziffern I und II bezeichnet. Die anderen Bände der Akademie-Ausgabe werden mit "AA" abgekürzt und die Bandnummer durch die jeweilige römische Ziffer bezeichnet.
I. Einleitung Es ist allgemein bekannt, daß Kant in seinem spätesten Werk, dem "Opus postumum", und zwar in Konv. VII, aufs neue die tiefgreifende Überlegung über die Grundfrage seiner transzendentalen Philosophie anstellt.1 Die Grundfrage, mit der er sich befaßt, ist die Frage nach der Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori. Zur Begründung dieser Möglichkeit werden alle transzendentalen Vermögen wiederum in Betracht gezogen. Das Hauptmoment dieser Reflexion machen vor allem die Raum- und Zeittheorie und die Selbstbewußtseinslehre aus. Wenn es nun auf die Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori ankommt, ist es selbstverständlich, daß das Problem von Raum und Zeit und die Lehre des Selbstbewußtseins im Vordergrund der Untersuchung stehen. Denn im Kontext der K.d.r.V. kann die Frage nach der Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori einerseits durch die transzendentale Untersuchung der Sinnlichkeit, wie oder unter welcher Bedingung a priori sie stattfinden kann, d.i. durch die Raum- und Zeittheorie, und andererseits durch die transzendentale Analysis der aktiven Tätigkeit des Verstandes und damit auch der Apperzeption als des höchsten Punktes des Verstandesvermögens erst richtig beantwortet werden. In diesem Sinne begründen die transzendentale Ästhetik und die transzendentale Analytik, insbesondere die transzendentale Deduktion, zusammen die Möglichkeit der syn-
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Viele Interpreten des op. post, halten eigentlich nicht Konv. VII, sondern Konv. X und XI für denjenigen Teil des op. post., in dem Kant die sogenannte neue Deduktion ausfuhrt. (Vgl. E. Adickes: Kants Opus postumum dargestellt und beurteilt, Berlin 1920, S. 235-47. G. Lehmann: Beiträge der Geschichte und Interpretationen der Philosophie Kants, Berlin 1969. S. 280ff.) Aber die Hauptaufgabe in beiden Konvoluten ist diejenige, die Möglichkeit der Physik als einer Wissenschaft zu begründen. Daher gehören alle Reflexionen hier durchweg zur Übergangsproblematik. Das heißt, daß Kant in den Konvoluten X und XI eben die Übergangswissenschaft als das Zwischenglied zwischen den Metaphysischen Anfangsgriinden der Naturwissenschaft und der Physik zu begründen versucht. Der Gedankenzug dieser Konvolute entspricht also keineswegs der in der K.d.r.V. ausgeführten, rein transzendentalen Überlegung. Die sogenannte neue Deduktion des op. post, ist eher in Konv. VII zu finden. Denn hier fragt Kant wiederum nach der Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori, untersucht alle transzendentalen Vermögen auf höchstem Niveau, indem er die transzendentale Philosophie einerseits von der Übergangswissenschaft und andererseits von der Metaphysik unterscheidet. In dieser Hinsicht hält vor allem F. Lüpsen die Kon volute VII und I für das selbständige und unabhängige Lehrstück des op. post., das gerade die Weiter- oder Umbildung der transzendentalen Überlegung der K.d.r.V. enthält. (Vgl. F. Lüpsen: Das systematische Grundproblem im Kants Opus postumum. In: Die Akademie , Erlangen 1925, S. 68-116)
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Einleitung
thetischen Erkenntnis a priori und bilden so das Hauptgebäude der transzendentalen Philosophie in der K.d.r. V. Es ist aber ganz neu und sogar erstaunlich, daß die beiden Probleme im op. post, unter einem einheitlichen Aspekt behandelt sind. Die Reflexion über die voneinander verschiedenen Grundquellen der synthetischen Erkenntnis a priori findet sich hier in der neu aufgestellten Lehre der Selbstsetzung wieder. Durch die Selbstsetzungstheorie verbinden sich diese beiden - einerseits Raum und Zeit und andererseits das Selbstbewußtsein - in einem einheitlichen Akt des Subjekts, und zwar derart, daß Selbstbewußtsein nichts anderes als die Tätigkeit des Subjekts ist, durch die das Subjekt sich selbst in Raum und Zeit zum Objekt macht, und daß Raum und Zeit als die ursprünglichen Formen des Selbstbewußtseins fungieren. D.h. Raum und Zeit sind direkt die Produkte des Selbstbewußtseins als des Aktes seiner Selbstsetzung, und das Selbstbewußtsein kann nur in oder durch Raum und Zeit allein geschehen. Durch die Selbstsetzungstheorie vereinbaren sich das Selbstbewußtsein als Pol der aktiven Tätigkeit des Subjekts und Raum und Zeit als Pol der bloßen Rezeptivität desselben auf diese Weise in einem Akt des Subjekts miteinander. In diesem Punkt ist das Selbstbewußtsein im op. post, im wesentlichen als Selbstanschauung zu verstehen. Der Kernpunkt der Selbstsetzungsproblematik besteht also darin, konsequent zu beweisen, wie sich das Moment der Rezeptivität und das der Spontaneität, obschon sie voneinander zu unterscheiden und abzusondern sind, doch in einem Subjekt und sogar als ein Akt der Erkenntnis miteinander vereinbaren können.2 Dieses Problem läßt sich wiederum in bezug auf die Raum- und Zeittheorie so umformulieren: Selbst wenn Raum und Zeit als die ursprünglichen Formen des Selbstbewußtseins und darum als die Produkte der Tätigkeit des Subjekts verstanden werden, fungieren sie doch noch als die Formen der Sinnlichkeit, d.i. als Art und Weise, affiziert zu werden. Raum und Zeit bezeichnen also die Formen a priori sowohl der Tätigkeit als auch der Passivität des Subjekts. Diese Bestimmung von Raum und Zeit ist aber eine contradictio in adiecto. Denn wenn Raum und Zeit die Produkte der aktiven Kraft des Subjekts sind, können sie keineswegs als der Passivität desselben zugehörig angesehen werden. Insofern aber Raum und Zeit lediglich der Passivität des Subjekts anhängen, können sie als solche nicht die Formen der Tätigkeit bezeichnen. Es ist also fragwürdig, wie diese scheinbar wi2. Natürlich ist dies auch die Hauptaufgabe der K.d.r.V., insbesondere der transzendentalen Deduktion. Aber die Selbstsetzungslehre im op. post, geht eben davon aus, daß dieser Versuch in der K.d.r.V. irgendwie mißlungen ist. Also unternimmt es Kant, sich hier wiederum mit diesem Problem von seiner Wurzel her auseinanderzusetzen und es gründlich aufzulösen. Worin aber der Fehlschlag der K.d.r.V. liegt und inwiefern dieses Geschäft im op. post, gelingt, wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit im einzelnen ausgeführt und deutlich gezeigt werden.
Einleitung
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dersprüchliche Auffassung von Raum und Zeit durch die Selbstsetzungstheorie begründet werden kann. Auf dasselbe Problem werden wir uns noch tiefer einlassen, wenn wir dies in bezug auf das Selbstbewußtsein betrachten. Dadurch daß das Selbstbewußtsein als Urheber oder Träger des Raums und der Zeit, denen unmittelbar die zwiespältigen Beschaffenheit zukommen, aufzufassen ist, gilt es hier als der höchste Grund nicht bloß für die aktive Tätigkeit, sondern zugleich für die passive Rezeptivität des Subjekts. Das heißt, daß das Ich des Selbstbewußtseins nicht bloß tätig, sondern zugleich leidend sein muß, oder daß das Selbstbewußtsein als solches sowohl die Apperzeption als auch die Apprehension bezeichnen muß. Wie kann aber das Selbstbewußtsein als die höchste Tätigkeit des Subjekts die reine Passivität desselben begründen oder in sich umfassen? Diese Probleme, die für das Verstehen einerseits des Raumes und der Zeit und andererseits des Selbstbewußtseins unentbehrlich sind, werden aus einer Perspektive der Selbstsetzung reflektiert. Nach der Selbstsetzungstheorie ist das Selbstbewußtsein nichts anderes als der Akt des Subjekts, das sich selbst nicht bloß als das handelnde, sondern zugleich als das leidende setzt. Das Selbstbewußtsein beinhaltet also einerseits, daß das Ich Subjekt, Denken und Tätigkeit ist, aber auch andererseits, daß das Ich Objekt, Anschauung und Passivität ist. Durch den Akt der Selbstsetzung entfaltet das Ich sich selbst so in zwei entgegengesetzten Richtungen. Und das Selbstbewußtsein ist nichts anderes als dieser Akt der Selbstentgegensetzung, dessen Vollzugsformen Raum und Zeit sind. Somit liegt nahe, daß Kant in Konv. VII des op. post, mit Hilfe der Umgestaltung der Raum- und Zeittheorie und der Selbstbewußtseinslehre transparent zu machen gesucht hat, wie das Subjekt sich von sich selbst unterscheidet, sich selbst entgegentritt und dennoch mit sich selbst identisch bleibt. Das Hauptthema der Selbstsetzungstheorie ist also, abstrakt zu sagen, die Frage nach der Möglichkeit der Entgegensetzung und Einheit des Subjekts im Selbstbewußtsein. Die Beweisführung dafür ist das gesamte System der Selbstsetzung im op. post. Eben durch diese Selbstsetzungslehre greift Kant in seine eigene kritische Theorie noch einmal tief ein und gestaltet sie enorm um. Angesichts dieser Selbstsetzungstheorie interpretiert man die späten Gedanken Kants in ganz verschiedener Weise. Z. B. behaupten die einen, daß sich Kant dadurch im op. post, von dem kritischen Idealismus der K.d.r.V. endgültig abwendet und dem reinen Idealismus •j von Fichte und Schelling nähert. Die anderen argumentieren dagegen, daß Kant 3. E. Förster: Fichte, Beck and Schelling in Kant's Opus postumum, In: G. M. Ross:/T. MC Walter (Hrsg.): Kant and His Influence, Bristol 1990, S. 146-69. H. Schmilz: Was wollte Kant?, Bonn 1989, S. 315-20. B. Tuschling: Die Idee des transzendentalen Idealismus im späten Opus postu-
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Einleitung
durch diese neue Theorie nur die Inkonsistenz oder die Lücke, die sich im System der K.d.r.V. versteckt, wegräumen wollte4 oder daß die Selbstsetzungstheorie im op. post, eine neue, selbständige Entwicklungsstufe des kantischen Systems ausmacht.5 Sogar versuchen einige zu erweisen, daß die späten Gedanken Kants eher der modernen Wissenschaftstheorie verwandt sind 6 All diese Stellungnahmen hängen natürlich mit der Bewertung des op. post. selbst zusammen. Wenn man sich daher der Selbstsetzungstheorie in Konv. VII zuwendet und sich damit ernsthaft auseinandersetzt, pflegt man unvermerkt eine von diesen Stellungen vorauszunehmen. Jedoch stehen all diese Bewertungen nicht selten im Wege, wenn man die Selbstsetzungslehre im op. post, textimmanent, und zwar vom inneren Sinnzusammenhang her, verstehen will. Denn sie schreiben den einzelnen Fragmenten des op. post, eine bestimmte Interpretationsrichtung vor und veranlassen dadurch sogar mitunter ein Mißverstehen des gesamten Kontextes. In der vorliegenden Arbeit ziele ich darauf ab, alle Gedankenzüge Kants im op. post, von inneren Problemzusammenhängen, und zwar vom Grundgeist der Transzendental-Philosophie Kants her, zu interpretieren. Nur so öffnet sich uns ein Weg, die Grundgesinnung Kants, die im op. post, vorzufinden ist, ihrem Wesen nach zur Faßlichkeit zu bringen. Die vorliegende Untersuchung ist eigentlich auf die systematische Darstellung der Selbstsetzungstheorie abgestellt. Ich versuche also in dieser Arbeit, die wichtigen Fragmente in Konv. VII textimmanent zu kommentieren und damit auch den ganzen Problemkomplex, der ohne Reihenfolge zerstreut vorliegt, Stück für Stück systematisch zu rekonstruieren und zu rekapitulieren. Die Pointe dieser Arbeit liegt aber darin, die Zusammengehörigkeit zwischen dem Selbstbewußtsein und Raum
mum. In: Übergang - Untersuchungen zum Spätwerk Immanuel Kants, hrsg. vom Forum für Philosophie Bad Homburg, Frankfurt a. M. 1991, S. 105-45. 4. V. Mathieu: Kants Opus postumum, Frankfurt a. M. 1989. Dort wird behauptet, daß Kant durch diese Theorie eine Brücke zwischen der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik zu schlagen versucht. (Ebenda, S. 183ff.) 5. F. Lüpsen stellt für seine Untersuchung der Selbstsetzungslehre in Konv. VII fest: "Diesem Beginnen liegt die Voraussetzung zu Grunde, die erst im weiteren Verlauf der Darstellung als tragbar erwiesen werden kann, daß das Op. p. einen s e l b s t ä n d i g e n W e r t für die Beurteilung der Kantischen Philosophie beanspruchen kann, daß es darüber hinaus sogar eine n e u e E n t w i c k l u n g s s t u f e des Kantischen Systems darstellt." (F. Lüpsen/1925, S. 68) In diesem Sinne behauptet er, daß sich das Problem der Selbstsetzung als "eine V e r t i e f u n g der Kantischen Philosophie der sich selbst setzenden Vernunft zur P h i l o s o p h i e des Urs p r u n g s " (ebd. S. 113) im Sinne Cohens erweise. 6. Vgl. V. Mathieu: Erfinderische Vernunft in Kants Opus postumum. In: Übergang - Untersuchungen zum Spätwerk Immanuel Kants, hrsg. vom Forum für Philosophie Bad Homburg, Frankfurt a. M. 1991, S. 65-76. G. Hoppe: Kants Theorie der Physik, Frankfurt a. M. 1969.
Einleitung
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und Zeit als reiner Anschauung a priori ans Licht zu bringen. Daher werden alle Untersuchungen anhand beider Begriffe ausgeführt. In dieser Arbeit werden alle Fragmente des Konv. VII, der zweite Bogen des Konv. XI (BB) und der letzte Bogen (XIX) des Konv. X in Erwägung gezogen werden. Diese Fragmente enthalten das gesamte System der Selbstsetzungslehre von ihrem Ansatz bis zu ihrer Vollendung.7 Im zweiten Bogen des Konv. XI, der direkt vor Konv. VII geschrieben wurde, wendet sich Kant von der Übergangsproblematik endgültig ab, versetzt seine Überlegung auf die höchste transzendentale Ebene und befaßt sich mit dem Problem von Raum und Zeit und mit dem Selbstbewußtsein. Deshalb gehört dieser Bogen dem Inhalte nach nicht der Übergangsproblematik, sondern eher der Selbstsetzungslehre an. Und der letzte Bogen des Konv. X wurde unmittelbar nach dem Konv. VII geschrieben und steht auch in direkter Verbindung mit der Grundidee des Konv. VII. Gelegentlich werden auch einige Fragmente im Konv. I berücksichtigt, insofern sie die Problematik der Selbstsetzung auf der erkenntnistheoretischen - nicht moralphilosophischen - Ebene berühren. Nicht selten werde ich auch auf Stellen in der K.d.r.V. und in den anderen früheren Schriften zurückblicken, um den Anhaltspunkt für die sachgemäße Interpretation der schwer zu begreifenden Fragmente des op. post, gewinnen zu können. Überdies wird sich durch diesen Vergleich zeigen, wie tief das in Konv. VII behandelte Problem das Wesen der transzendentalen Philosophie Kants berührt. Damit wird bestätigt, wie Kant sich im op. post, auch mit den Grundproblemen
7.
Eigentlich ist das op. post, eine Sammlung zahlreicher Fragmente, die in langer Zeit niedergeschrieben sind. Es ist also auch eine Sammlung vieler Probleme, die je in einer bestimmten Zeitperiode auftauchen. Und jedes Problem folgt sogar direkt dem anderen nach und entwickelt sich mit diesem eng verbunden. Deswegen ist es schwer, genau zu definieren, in welchem Konvolut sich Kant mit welchem bestimmten Problem beschäftigt oder in welchem Konvolut er ein bestimmtes Problem - wie z.B. das Problem der Ätherdeduktion - erst richtig entwirft und ab wann es nicht mehr in Erwägung kommt. Eben deswegen sind viele Interpreten auch darüber nicht einig, ob die Selbstsetzungslehre erst richtig in Konv. VII und I entwickelt und darum, getrennt von den anderen Problemen, als solche für ein selbständiges Lehrstück gehalten werden kann (vgl. F. Lüpsen/1925, A. Krause: Das nachgelassene Werk Immanuel Kants, Frankfurt, a. M/Lahr 1888. H. Vaihinger: Die Philosophie des Als Ob, Berlin 1911, S. 721-33) oder nur in der Verbindung mit anderen Problemen der früheren Konvolute betrachtet werden darf (vgl. E. Adickes/l 920 und G. Lehmann/1969, S. lOOff.). Welche Stellung man auch immer dazu einnimmt, es ist m. E. einwandfrei zuzugeben, daß die Selbstsetzungstheorie in Konv. VII, selbst wenn sie die kontinuierliche Entwicklung der Probleme in früheren Konvoluten ist, als solche eine vollständige, selbständige Lehre ausmacht und darum unabhängig von anderen Problemen in früheren Konvoluten untersucht werden kann. Hierbei muß ich noch bemerken, daß sich die Selbstsetzungselehre in Konv. Vn nicht bloß auf der erkenntnistheoretischen Ebene, sondern auch auf der moralphilosophischen Ebene entwickelt. Aber unsere Untersuchung wird ausschließlich auf die Selbstsetzungslehre im erkenntnistheoretischen Bereich ausgerichtet werden.
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Einleitung
seiner transzendentalen Philosophie beschäftigt und wie er diese im kontinuierlichen Gedankenzusammenhang weiter entwickelt. Hierzu muß ich aber die Bemerkung vorauschicken, daß die späten Gedanken Kants in der Selbstsetzungslehre bei aller Kontinuität und allem Zusammenhang des Problemkomplexes doch in einigen Punkten seine früheren Überlegungen in der K.d.r.V. überschreiten oder ihnen sogar widersprechen.8Trotz dieser Diskontinuität oder Diskrepanz, die zwischen beiden Werken vorhanden ist, können wir doch im großen und ganzen darauf beharren, daß die Selbstsetzungslehre im op, post, nichts anderes als das Endergebnis der Auseinandersetzung Kants mit den Problemen ist, die dem System der kritischen Theorie mehr oder weniger unvermerkt zugrunde liegen bleiben. Jedoch verdeckt die Kontinuität beider Werke keineswegs die Eigentümlichkeit der Überlegungen des späten Kant im op. post.; ansonsten wäre die Selbstsetzungstheorie des op. post, bloß als ein Ergänzungsstück zur K.d.r.V. anzusehen. Denn was das Wesen des transzendentalen Ich in den beiden Werken betrifft, ist die Selbstsetzungstheorie des op. post, in der Tat nicht bloß die kontinuierliche Weiterbildung der kritischen Gedanken der K.dr.V., sondern darüber hinaus vielmehr eine tiefgreifende Umgestaltung derselben. In der vorliegenden Arbeit wird also letztlich dargestellt werden, wie weit Kant seine eigene kritische Theorie umbildet, indem er noch an der Grundidee seiner transzendentalen Philosophie festhält.
8. Z.B. sagt Kant in der K.d.r.V. mitunter mit Nachdruck, daß wir niemals den Grund dafür erforschen können und dürfen, warum wir nur diese Formen der Anschauung, Raum und Zeit, oder nur diese des Verstandes, die Kategorien, haben, oder er fragt, ob überhaupt nicht andere Formen der Anschauung als Raum und Zeit oder andere Funktionen des Verstandes als die Kategorien möglich sind: "Von der Eigentümlichkeit unseres Verstandes aber, nur vermittelst der Kategorien und nur gerade durch diese Art und Zahl derselben Einheit der Apperzeption a priori zustande zu bringen, läßt sich ebensowenig ferner ein Grund angeben, als warum wir gerade diese und keine anderen Funktionen zu urteilen haben, oder warum Zeit und Raum die einzigen Formen unserer möglichen Anschauung sind."(B 145f. Vgl. B 72, B 139, B 283=A 230 und B 343f.=A 287.) Es scheint aber, daß Kant im op. post, eben diesen Grund zu erforschen wagt. Und in diesem Punkt ist das op. post, gewiß mit der K.d.r.V. unvergleichbar und von dieser definitiv abzugrenzen. Es tritt nicht die Kontinuität der Gedankenzüge in beiden Werken, sondern eher eine Diskontinuität oder eine Kluft dazwischen zutage.
. Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als reiner Anschauung a priori 1. Die Wesensbestimmung von Raum und Zeit im op. post. 1.1. Rezeptives Moment von Raum und Zeit In Konv. VII des op. post., das die Hauptfragen der transzendentalen Erkenntnistheorie erneut zur Sprache bringt, ist besonders das Problem von Raum und Zeit in den Vordergrund gestellt, das Kant in der transzendentalen Ästhetik der K.d.r.V. ausführlich behandelt hat. Was das Wesen von Raum und Zeit betrifft, so werden sie hier wie dort offensichtlich als reine Vorstellungen a priori angesehen und gehören nicht zum Begriff, sondern zur Anschauung. Sie sind also reine Anschauungen a priori. Dies bedeutet, daß sie auch im op. post, nicht vom Gegenstand der Anschauung entlehnte Vorstellungen sind, sondern lediglich dem Subjekt derselben zugehören. Mit anderen Worten: sie liegen ihrem Ursprung nach gerade im Subjekt, das den Gegenstand anschaut, und sind diesem inhärierende Vorstellungen. In diesem Sinne bestimmen sie sich zunächst als die reinen Formen der Sinnlichkeit des Anschauungsvermögens des Subjekts: "Raum und Zeit sind nicht Gegenstände der Anschauung den da müßte etwas vorher gegeben werden was das synthetische Erkentnis des Manigfaltigen der Vorstellungen begründete sondern reine Anschauung selbst als das Subjective der Form d.i. der Receptivität von einem Gegenstande der Sine afficirt zu werden d.i. der Gegenstände wie sie mir erscheinen (...)" (II, 12/13-18)
Hierin wird deutlich, daß die Anschauung im op. post., genauso wie in der K.d.r.V., bei uns Menschen derivativ, d.h. sinnlich ist und gänzlich von der Gegenwart oder der Affektion des Sinnengegenstandes abhängt, und daß Raum und Zeit als reine Anschauungen also auch die subjektiven Formen der Anschauung sind, und zwar der sinnlichen, die nur insofern stattfinden kann, als das Subjekt von dem Gegenstand affiziert wird. Daher ist unbestritten, daß Raum und Zeit lediglich der Rezeptivität eines Subjekts zugehören und bloß "die formale Bedingung afficirt zu seyn"(II, 35/18) ausmachen.
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Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als Anschauung a priori
Eben unter diesem Aspekt betrachtet, hängen Raum und Zeit als die Formen der Affektion nur mit dem rezeptiven Verhalten des Subjekts in Ansehung des Gegenstandes zusammen. Also kann man auch hier erwarten, daß Raum und Zeit von den Kategorien, die zur Spontaneität des Subjekts gezählt werden, strikt unterschieden sind und daß sie insofern bloß als dasjenige, worin das Subjekt die Vorstellungen von den Gegenständen empfängt, aber niemals als dasjenige zu verstehen sind, wodurch es die Vorstellungen der Gegenstände spontan - aus sich selbst heraus - hervorbringt. In diesem Sinnzusammenhang sagt Kant: "Raum und Zeit sind nicht Gegenstände der Sinne sondern specifisch verschiedene Formen der Sinnenanschauung selbst in welcher uns Gegenstände der Sine (des äußeren so wohl als des inneren) zuerst in der Anschauung g e g e b e n werden womit der Verstand durch welchen die synthetische Einheit des Manigfaltigen dieser Anschauungen a priori in Zusamensetzung derselben gedacht wird ..." (II, 8/510)
Hierdurch kann man sich leicht davon überzeugen, daß die Grundvorstellung von Raum und Zeit, die in der K.d.r.V. vorgetragen ist, auch im op. post, unverändert bewahrt wird. Denn es ist für jetzt zuzugestehen, daß Raum und Zeit als Formen der Rezeptivität mit keinem spontanen Vermögen des Subjekts zu tun haben und also in sich nur das Mannigfaltige, das das Gemüt von den Gegenständen in sich aufnimmt, enthalten. Im Gegensatz dazu machen die Kategorien als die reinen Verstandesbegriffe die Formen der spontanen Tätigkeit des Subjekts, d.h. der Synthesis oder der Verknüpfung aus und können erst durch diese Handlung entstehen. Zum konkreten Verstehen dieses Charakters von Raum und Zeit können wir also hier ohne Widerspruch die folgende Erörterung der K.d.r.V. heranziehen: "Allein die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt, kann niemals durch Sinne in uns kommen, und kann also auch nicht in der reinen Form der sinnlichen Anschauung zugleich mit enthalten sein; denn sie ist ein Aktus der Spontaneität der Vorstellungskraft, und, da man diese, zum Unterschiede von der Sinnlichkeit, Verstand nennen muß, so ist alle Verbindung, (...), eine Verstandeshandlung, (...)." (B 129f.)
Infolgedessen kommt das rezeptive Moment von Raum und Zeit, das mit keinem spontanen Moment vermischt ist, als das wahrhafte und alleinige Wesen derselben ans Licht. Es liegt also klar auf der Hand, daß Raum und Zeit im op. post, durchaus als die Bedingungen des Stattfindens des passiven Subjekts bestimmt sind.
Die Wesensbetimmung von Raum und Zeit im op. post.
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1.2. Spontanes Moment von Raum und Zeit als Prinzip der Synthesis Wider Erwarten gibt Kant aber im op. post, eine der obigen gänzlich widersprechende Erörterung von Raum und Zeit, denn er legt ausdrücklich das spontane Moment von Raum und Zeit dar. Nach dieser Bestimmung sind Raum und Zeit die Formen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen und enthalten also in sich eine Synthesis: "Raum u. Zeit sind nicht Objecte der Anschauung sondern subjectiv Anschauung selbst das Formale der Verknüpfung der Sinenvorstellung überhaupt". (II, 30/3-5) "Raum und Zeit sind nicht existirende Objecte der Wamehmung (empirischer Erkentnis mit Bewustseyn) und nicht D i n g e an s i c h (entia per se) sondern blos Formen der Zusamensetzung des Manigfaltigen der reinen Anschauung neben und nach einander gesetzter Dinge (iuxta vel post se invicem positorum) welche Formen a priori nicht Obiecte der Anschauung sondern subjective Principien der Zusamensetzung (coordinations et subordinations} der Vereinigung der Warnehmungen zur Einheit der Erfahrung gehören. - " (II, 44/30-45/6) " - Nicht der Raum als Object wird angeschaut sondern er ist die Synthesis des Manigfaltigen im vorstellenden Subject selbst" (II, 12/28-29) "Raum und Zeit sind nicht Dinge für sich (entia per se) und Gegenstande der Sine in der Sinnen//Anschauung die auch ausser unserer Vorstellung gegeben wären sondern das subjective der Anschauung selbst. Diese Anschauung ist nicht empirisch (...), nicht die Vorstellung von etwas Existirendem sondern blos das Formale der synthetischen Einheit des Manigfaltigen in der Anschauung in der Zusamenstellung (der Coordination und Subordination) derselben welches a priori in ihrer Vorstellung identisch (...) enthalten ist" (II, 41/12-21)' Hier ist unverkennbar, daß Raum und Zeit diejenigen Formen sind, denen gemäß das Subjekt die gegebenen Sinneneindrücke verknüpft und zusammensetzt. Daher müssen Raum und Zeit im op. post, nicht nur als die Formen der Affektion, worin das Gemüt die Empfindungen in sich aufnimmt, sondern zugleich als die Formen der Zusammensetzung jener Empfindungen verstanden werden. Allerdings kann man sich hier die beiden Bestimmungen von Raum und Zeit die Formen der Affektion und die Formen der Zusammensetzung - nicht in einem einheitlichen Begriff vereint vorstellen. Wenn nämlich Raum und Zeit als die Formen der Sinnlichkeit bestimmt sind, sind sie, wie oben gezeigt, nur mit der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens verbunden, in der das leidende oder passive Verhalten desselben allein möglich ist. Im Gegensatz dazu müssen sie, wenn sie als die Formen der Zusammensetzung betrachtet werden, in sich das Moment der Spontaneität aufnehmen, weil die Zusammensetzung nur von der Tätigkeit des l
Vgl. II, 43/14-22, 71/2-11, 46/20-27, 35/20-27,4/16-19, 25/12-21,68/7-9 und passim.
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Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als Anschauung a priori
Subjekts allein, niemals aber von der Rezeptivität desselben, verrichtet werden kann. Auf solche Weise trennt Kant auch hier das menschliche Gemüt in zwei entgegengesetzte Grundquellen ab, nämlich in Spontaneität und Rezeptivität, und verleiht jener die Fähigkeit, etwas zu machen oder zu setzen, aber dieser nur diejenige, etwas zu empfangen: "Das Bewustseyn etwas zu setzen (spontaneitas) zu empfangen (receptivitas)" (II, 130/11-12) Infolgedessen müssen Raum und Zeit, insofern sie das Formale der Synthesis ausmachen, aus der aktiven Tätigkeit des Subjekts entspringen, die keineswegs auf die derivative Sinnenanschauung zurückgeführt werden kann. Daher liegt auf der Hand, daß, was die Möglichkeit von Raum und Zeit als dem Formalen der Synthesis angeht, sie ausschließlich von der Spontaneität der Vorstellungskraft hervorgebracht werden und darum Produkte derselben sein müssen, abgesehen davon, daß sie außerdem noch die Rolle der Formen der Affektion spielen. Denn ansonsten bleibt keine Möglichkeit, zu erklären, wie Raum und Zeit als solche die Formen der Synthesis sein können. Unter diesem Gesichtspunkt stellt Kant ausdrücklich dar, daß Raum und Zeit von der spontanen Tätigkeit der Vorstellungskraft gemacht sind und die Formen derselben ausdrücken: "Er (sc. Der Raum) ist kein warnehmbarer (apprehensibeler) Gegenstand sondern ein Product des Vorstellungsvermögens als Selbstthätigkeit (Spontaneitas nicht Receptivitas) das aspectabüe als cogitabile vorzustellen" (II, 42/15-18) "Der Raum ist kein äußeres Sinenobject: die Zeit nicht ein ineres worin wir die Dinge und ihre Ausübungen w a r n e h m e n sondern Formen unserer Wirkungskräfte" (I, 38/12-14) "Sie (sc. Raum und Zeit) sind nicht Dinge die ausser der Vorstellung existirend als apprehensibel gegeben sind sondern das was das Vorstellungsvermögen für sich selbst macht:-" (II, 71/6-11)2 Hieraus ergibt sich, daß Raum und Zeit, die als die Formen der Affektion zu den Arten des Geschehens der Rezeptivität des Subjekts gezählt sind, im op. post doch noch als die Formen der Zusammensetzung geradezu als "actus der Vorstellungskraft" (II, 88/22) bezeichnet werden. Und in dieser Hinsicht sind sie völlig spontan und gehören schlechterdings zum aktiven Vermögen des Subjekts.
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Vgl. II, 15/13-18, 76/16-77/5, 45/22-26,46/20-27.
Die Wesensbetimmung von Raum und Zeit im op. post.
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Raum und Zeit sind im op. post, folglich sowohl die Formen der Rezeptivität als auch die Tätigkeit der Spontaneität des Subjekts selbst. Von diesen zweifachen Charakteristika von Raum und Zeit sagt Kant selber: "Raum u. Zeit sind einerseits Actus der Spontaneität des Subjects in der Anschauung andererseits affectionen der Receptivität: (...)". ( , 42/29-30)
Nach dieser Passage können Raum und Zeit nicht unter einem einseitigen Aspekt erfaßt werden, denn sie sind einerseits spontaner Akt des Subjekts, aber andererseits zugleich die Affektion der Rezeptivität desselben. Und die beiden Momente kommen ihnen als wesentliche gleichermaßen zu. Dieser Gedanke Kants über die zwiespältigen Eigenschaften von Raum und Zeit scheint beim ersten Anblick demjenigen, was in der K.d.r.V. vorgetragen ist, gänzlich zu widersprechen, weil in jener im allgemeinen Raum und Zeit als Formen der Anschauung eigentlich mit der Spontaneität der Vorstellungskraft gar nichts zu tun haben und durchaus bloß auf der Sinnlichkeit als der Rezeptivität derselben beruhen. Deshalb könnte der erwähnte Gedanke des op. post, als eine wesentliche Umänderung desselben gegenüber der K.d.r.V. anzusehen sein, nämlich dergestalt, daß Raum und Zeit hier außer dem rezeptiven Charakter noch das Moment der Aktivität des Vorstellungsvermögens enthielten.3 Daher läßt sich auf den ersten Blick kein Zusammenhang oder keine Kontinuität zwischen diesen beiden Werken feststellen. Aber der Begriff der zweiartigen Wesenheit von Raum und Zeit taucht nicht plötzlich erst im op. post, auf, sondern man kann ihm ohne große Mühe in den früheren Schriften Kants schrittweise nachspüren, denn dieser Gedanke entwickelt sich in ihnen unentwegt, obwohl er nicht immer explizit, sondern oft nur implizit dargestellt ist. Deswegen müssen wir uns zunächst damit befassen, inwieweit die Raum- und Zeittheorie im op. post.
Über das Problem des Verständnisses von Raum und Zeit in beiden Werken sagt V. Mathieu, daß die beiden Werke diesbezüglich ganz verschieden seien. Er begründet dies wie folgt: Raum und Zeit in der K.d.r.V. "dienen sowohl als Rezeptor als auch als Detektor des sinnlichen Materials und geben darum der empfangenen Materie ihre Gestalt."(V. Mathieu/1989, S. 18) Deswegen "taugt" reine Anschauung nur als "Materie", die in sich keine Verbindung enthält, "für die Bestimmungstätigkeit des Verstandes."(Ebenda, S. 29) Im Gegensatz dazu haben Raum und Zeit als reine Formen der Anschauung im op. post, "keine materielle Struktur", sondern gestalten "das Material selbsttätig als einen Akt des Subjekts. "(Ebenda, S. 163) Demgegenüber gibt E. Adickes zu derselben Problematik die folgende Erläuterung: "Aber bisher hatte Kant (...) in allen solchen Fällen, wo er im Verlauf der Arbeit am Op.p. auf Raum und Zeit zu sprechen kam, seine früheren Untersuchungen in der Krit. d. rein. Vem. einfach als endgültig vorausgesetzt und stillschweigend auf sie verwiesen, (...)" (E. Adickes/1920, S. 593). Aus diesem Gesichtspunkt behauptet er sogar, daß die langen Ausführungen von Raum und Zeit in Konv. VQ gegenüber denjenigen in der K.d.r.V., und sogar in der Inauguralschrift, nichts Neues, auch keine Weiterbildung bringen. (Vgl. Ebenda)
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Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als Anschauung a priori
derjenigen in den früheren Werken entspricht, und in welchem Punkt sie unterschieden ist.
2. Der Begriff von Raum und Zeit in den früheren Werken Kants 2.1. Die Entstehung des Begriffs von Raum und Zeit in der Inauguralschrift Die transzendentale Raum- und Zeittheorie Kants ist zuerst in der Inauguralschriß entstanden. Hier bestimmt Kant auch Raum und Zeit als die subjektiven Formen der Anschauung: "Principium autem hoc formale nostri intuitus (spatium et tempus) est condicio, sub qua aliquid sensuum nostrorum obiectum esse potest, adeoque, ut condicio cognitionis sensitivae, non est medium ad intuitum intellectualem." (AA II, S. 396)
Wie hier klar gesagt, machen Raum und Zeit das formale Prinzip unserer Anschauung aus, worin der Sinnengegenstand als Phänomenen bestehen kann. Nun muß die Anschauung aber, wie in der K.d.r.V., bei uns Menschen, nur sinnlich sein, denn "intuitus nempe mentis nostrae semper est passivus; adeoque eatenus tantum, quatenus aliquid sensus nostros afficere potest, possibilis." (AA II, S. 396f.) Das Vermögen der Anschauung ist so als bloße Passivität eines Subjekts aufgefaßt. Auf diese Weise hält Kant die Sinnlichkeit für eine bloße Empfänglichkeit, die zu keiner aktiven Handlung befähigt ist, indem er hier zuerst zum transzendentalen - nicht logischen - Unterschied zwischen Sinnlichkeit und Verstand4 kommt: "Sensualitas est receptivitas subiecti, per quam possibile est, ut status ipsius repraesentativus obiecti alicuius praesentia certo modo afficiatur. Intelligentia (rationali-
Der transzendentale Unterschied zwischen Sinnlichkeit und Verstand tritt eigenüich der logischen der Leibniz-Wolffischen Schule entgegen. Dem logischen Unterschied nach ist die sinnliche Vorstellung, die in die Sinne fällt, einfach verworren, ganz anders als die intellektuelle des Verstandes, die völlig deutlich und wahrhaft ist. Dies impliziert, daß die Sinnlichkeit eine niedrigere Stufe der Erkenntnis als der Verstand ist. An dieser Einstufung der Erkenntnis im logischen Sinne übt Kant scharfe Kritik und nimmt jede von beiden als eine selbständige und von der anderen unterschiedene Erkenntnisquelle. Demgemäß ist die sinnliche Vorstellung zwar von der intellektuellen unterschieden, aber nicht in dem Sinne, daß sie im Vergleich zu dieser verworren und undeutlich ist, sondern nur in dem Sinne, daß sie aus einer ganz anderen Erkenntnisquelle, nämlich aus der Sinnlichkeit, entspringt. Gerade durch diesen Unterschied kommt Kant in Abgrenzung von den Rationalisten zu seinem kritischen Idealismus. Vgl. AA , S. 394f., AA IV, S. 290, oder B 64f.=A 44f.
Der Begriff von Raum und Zeit in den früheren Schriften Kants
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tas) est facultas subiecti, per quam, quae in sensus ipsius per qualitatem suam incurrere non possunt, repraesentare valet." (AA II, S. 392)
Hierzufolge ist die Sinnlichkeit das rezeptive Vermögen des Subjekts, das darin besteht, von dem Objekt auf gewisse Weise affiziert zu werden und dadurch dessen Vorstellung zu empfangen. Im Gegensatz dazu ist der Verstand das spontane Vermögen des Subjekts, sich etwas, was nicht in die Sinne fällt, durch seine Tätigkeit vorzustellen. Auf dieser Grundlage könnte man sich denken, daß Raum und Zeit, insofern sie die Formen der Sinnenanschauung sind, eben von der passiven Beschaffenheit des Subjekts abhängen und nur auf die Art und Weise der Affektion stattfinden können. Aber dies ist nicht der Fall. Denn die Passivität der Sinnenanschauung beschränkt sich hier lediglich auf die Empfindung, und Raum und Zeit als reine Anschauungen beruhen auf der Tätigkeit der Vorstellungskraft, die jene Empfindung ordnet. Mit anderen Worten: Raum und Zeit sind zwar die Formen der Sinnenanschauung, aber sie gehören als solche zur aktiven Handlung des Subjekts, insofern sie reine - nicht empirische - Vorstellungen sind.5 Dies läßt sich gerade durch eine eigentümliche Überlegung Kants über die Möglichkeit reiner Vorstellung a priori bestätigen. Das größte Verdienst der Inauguralschrift liegt eigentlich darin, daß Kant dort seine eigene Theorie des Begriffes "a priori" erstmals entwirft. Er bemüht sich dort sehr darum, ans Licht zu bringen, daß die einzige Möglichkeit reiner Vorstellungen - mögen sie zu den Verstandesbegriffen oder zu den Anschauungsvorstellungen gehören - gänzlich in der Tätigkeit des Erkenntnisvermögens besteht. Eben dadurch ist seine Theorie, von der Doktrin der Angeborenheit der reinen Vorstellungen scharf getrennt, vollständig auf der Ebene der transzendentalen Reflexion ausgeführt. Insbesondere stellt er dort gleichermaßen die Frage nach der Möglichkeit sowohl der reinen Verstandesbegriffe als auch der reinen Raum- und Zeitvorstellung und argumentiert eindeutig, daß sie keineswegs angeboren, sondern lediglich aus der Tätigkeit des Erkenntnissubjekts erworben sind: "Tandem quasi sponte cuilibet oboritur quaestio, utrum conceptus uterque (sc. spatium et tempus) sit connatus, an aquisitus. (...) Verum conceptus uterque procul dubio acquisitus est, non a sensu quidem obiectorum (sensatio enim materiam dat, non formam cognitionis humanae) abstractus, sed ab ipsa mentis actione, secundum perpetuas leges sensa sua coordinante, quasi typus immutabilis, ideoque intuitive cognoscendus. Sensationes enim excitant hunc mentis actum, non influunt intuitum,
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Vgl. K. Fischer: Geschichte der neueren Philosophie, Bd. IV, Heidelberg 1898, S. 382ff.
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Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als Anschauung a priori neque aliud hie connatum est nisi lex anitni, secundum quam certa ratione sensa sua e praesentia obiecti coniungit." (AAII, S, 406)
Dies besagt, daß Raum und Zeit, insofern sie als eine "lex animi" betrachtet sind, uns angeboren sind, aber wir uns ihrer dennoch nicht bewußt werden können, wenn die "mentis actio", die die Empfindungen gemäß jenem Gesetz ordnet und zusammensetzt, nicht stattfindet, weil sie insofern, als sie reine Vorstellungen a priori sind, nur als von dieser Handlung erst abgezogen und erworben Zustandekommen können.6 Dieser Gedanke Kants kann durch eine Auseinandersetzung mit Leibniz etwas klarer herausgestellt werden. In den "Nouveaux Essais"1 hat Leibniz die Lehre von der reinen Vorstellung gegenüber der scharfen Kritik Lockes verfeinert und behauptet, daß die reine Vorstellung uns zwar eingeboren, aber nur in potentia eingepflanzt ist, d.i. daß sie verborgen ist. Deshalb können wir, Leibniz zufolge, uns dieser Vorstellung nicht von Geburt an, sondern erst bei Gelegenheit der Erfahrung durch "reflexion" bewußt werden, die "n'est autre chose qu'une attention a ce qui est en nous" 8 . Trotz dieser Behauptung betreffs der Erworbenheit der reinen Vorstellung steht Leibniz doch im großen Gegensatz zur These Kants. Denn die reinen Vorstellungen bei Leibniz sind zwar durch Reflexion erworben, aber dennoch ihrem Wesen nach niemals zur Tätigkeit des Subjekts gehörig, weil sie uns angeboren sind, und zwar "comme des inclinations, des dispositions, des habitudes ou des virtualites naturelles, et non pas comme des actions"9. Daher bedeutet reine Vorstellung bei ihm den Inhalt oder die Wesenheiten der Dinge selbst. Im Gegensatz dazu drückt die reine Vorstellung bei Kant keineswegs die objektive Wesenheit, sondern schlechthin die subjektive Aktivität aus.10 Denn sie besteht lediglich in der selbständigen Handlung des Subjekts, die sich niemals auf das Gegenständliche gründet. Konkreter gesagt: der Grund der reinen Vorstellung ist zwar schon im Gemüt als Gesetz der subjektiven Handlung eingeboren, aber die Entstehung der reinen Vorstellung a priori hängt ganz und gar von dieser subjektiven Handlung ab. Daher bezeichnen die reinen Begriffe a priori, nach Kant, einer-
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Vgl. AA II, S. 400f. und S. 404f. Leibnizens "Nouveaux essais" hält Vaihinger für dasjenige Werk, welches auf Kant einen übermächtigen Einfluß ausgeübt habe, so daß man seine Inauguralschrift als dessen direkte Folge betrachten könne. Vgl. H. Vaihinger: Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, Bd. I, Stuttgart 1970, S. 48. 8 G. W. Leibniz: Nouveaux essais sur l'entendement par l'auteur du Systeme de l'harmonie preestablie. In: Philosophische Schriften, Bd. V, hrsg. von C. J. Gerhardt, Hildesheim 1965, S. 45. 9 Ebenda. 10 Vgl. AA XVII, S. 352, 369 und 375.
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seits die uns eingepflanzten Gesetze des Gemüts und andererseits die Handlung selbst, die gemäß jenen Gesetzen spontan - ohne Einwirkung des Gegenständlichen - geschieht. Eben in diesem Sinne drücken die Begriffe a priori von Raum und Zeit, genauso wie die reinen Verstandesbegriffe11, in sich die Formen der Handlung der Erkenntniskraft aus. Folglich haben Raum und Zeit, selbst wenn sie bloß als die Formen der Sinnenanschauung bestimmt sind, gar nichts mit der Rezeptivität des Subjekts zu tun, sondern ausschließlich mit der Spontaneität desselben. Mit anderen Worten: die Empfindungen als der Stoff der Anschauung beruhen zwar auf der Passivität des Subjekts, aber Raum und Zeit als Formen derselben kommen aus der Tätigkeit desselben hervor, die jene ordnet. Unter diesem Gesichtspunkt hat Kant Raum und Zeit auch "lege mentis interna" (AA II, S. 401) oder "natura mentis stabili lege proficiscens veluti schema" (AA II, S. 403) bezeichnet. Es steht schließlich außer allem Zweifel, daß Raum und Zeit in der Inauguralschrift nichts anderes als die Produkte der Aktivität des Subjekts sind, weil die Tätigkeit des Subjekts die unentbehrliche Bedingung davon ausmacht, daß Raum und Zeit als reine Vorstellungen a priori bestehen können.
2.2. Die Auffassung von Raum und Zeit in der K.d.r.V. Die oben erwähnte ursprüngliche Konzeption von Raum und Zeit scheint beim ersten Anblick in der K.d.r.V. nicht bewahrt, sondern in hohem Maße verändert zu sein. Denn es ist vor allem verdächtig, daß Kant in der K.d.r.V. dem Raum und der Zeit die Beschaffenheit der spontanen Tätigkeit nimmt. Natürlich bezeichnet er in der transzendentalen Ästhetik die beiden auch als die reinen Formen der Sinnenanschauung. Dennoch sind sie, ganz anders als in der Inauguralschrift, nicht für dasjenige gehalten, gemäß dem die Erkenntniskraft die Empfindungen ordnet und verknüpft. Vielmehr sind sie hier meistens als die subjektiven Arten, wie das Subjekt von den Gegenständen affiziert wird, aufgefaßt: "Das Mannigfaltige der Vorstellungen kann in einer Anschauung gegeben werden, die bloß sinnlich d. i. nichts als Empfänglichkeit ist, und die Form dieser Anschauung kann a priori in unserem Vorstellungsvermögen liegen, ohne doch etwas anderes, als die Art zu sein, wie das Subjekt affiziert wird." (B 129)
11 Vgl. AA H, S. 395.
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Hieraus läßt sich zuerst entnehmen, daß Raum und Zeit in der K.d.r.V., insofern sie die Arten der Affektion bezeichnen, in keinem Zusammenhang mit der Spontaneität des Subjekts stehen dürften, weil die Affektion eben das leidende Verhalten des Subjekts in Ansehung der Gegenstände bedeutet. Daher gehören sie nur "zu den Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts, unter denen es allein Vorstellungen von Gegenständen empfangen kann" (B 102=A 77), aber nicht zu denjenigen, unter denen es die empfangenen Vorstellungen ordnen kann. In diesem Sinne ist auch mitzudenken, daß Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung bloß auf der Rezeptivität der Vorstellungskraft beruhen.12 Wenn aber Raum und Zeit durchaus von der Sinnlichkeit als der Passivität des Subjekts abhängen, dann ist sehr fraglich, wie und woher sie als reine Vorstellungen a priori entstehen können oder wie die Sinnlichkeit vor und unabhängig von der Affektion - a priori - uns eine Vorstellung liefern kann. Dazu scheint nur ein einziger Weg übrigzubleiben, nämlich die Möglichkeit, Raum und Zeit als reine Vorstellungen a priori auf psychologische Weise zu erklären. D.h. Raum und Zeit sind Modifikationen der Sinnlichkeit.13 Sie können nicht erst durch die Tätigkeit des Subjekts erworben werden, sondern sie müssen "im Gemüte a priori bereitliegen" (B 34=A 20). Sie würden daher gerade das in uns fertig angelegte Gefäß oder receptaculum, die Empfindungen in sich aufzunehmen, bedeuten. Unter diesem Aspekt betrachtet, wären Raum und Zeit auf keinen Fall als Modi der Handlung des Erkenntnisvermögens oder als diese Handlung selbst zu verstehen, sondern sie könnten bloß als eingeborene Ideen, die Kant selbst in der Inauguralschriß abgewiesen hat, oder besser als psychologische Anlage angesehen werden.14 Raum und Zeit sind in der K.d.r.V. zwar reine Vorstellungen a priori, aber nicht in dem Sinne, daß sie von der Handlung der Erkenntniskraft hervorgebracht sind, sondern in dem Sinne, daß sie in uns als Modifikationen der Sinnlichkeit vor der Erfahrung bereits gegeben sind. Kant scheidet deshalb Raum und Zeit als Formen der Sinnlichkeit, in denen das Gemüt die Empfindungen von den Gegenstän12 Vgl. B 150. 13 Vgl. B63=A46. 14 Die langanhaltende Debatte über die Raum-Zeit-Theorie der K.d.r.V, ob Raum und Zeit dort als eine schon fertig in uns gegebene psychologische Anlage oder als die Tätigkeit der Vorstellungskraft anzusehen sind, ist diejenige, der sich viele Kantianer mit Eifer hingeben. Unter ihnen hat z.B. H. Cohen in der Übereinstimmung mit Fischer oder Rhiel starke Einwände gegen die psychologistische Interpretation Herbarts und Trendelenburgs erhoben, und er behauptet, daß Raum und Zeit lediglich die Tätigkeit des Subjekts sind, obgleich einige Ausdrücke Kants in der K.d.r.V. belegen können, daß Kant dort wirklich das Wesen von Raum und Zeit auf psychologische Weise nahelegt. (Vgl. H. Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, Berlin, 1919, S. 128ff, 173ff. und 209ff.) Zu den Einzelheiten dieser Debatte siehe H. Vaihinger/1970, Bd. II, S. 80-101.
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den empfängt, von den reinen Verstandesbegriffen als Formen der Verbindung, unter denen es diese verknüpft, streng ab. Hieraus könnte man wohl darauf schließen, daß die Raum- und Zeittheorie in der K.d.r.V. einer großen Wandlung unterworfen und also ganz verschieden von derjenigen der Inauguralschrifi sei, denn sie scheint dadurch einfach auf die psychologische Ebene verlagert zu sein, so daß von der Raum- und Zeitvorstellung die Funktion der transzendentalen Aktivität weggenommen wäre. Merkwürdigerweise hat Kant aber in einer anderen späteren Schrift "Über eine Entdeckung" das Problem der Möglichkeit von Raum und Zeit so umformuliert: "Die Kritik erlaubt schlechterdings keine anerschaffene oder angeborne V o r s t e l l u n g e n ; alle insgesamt, sie mögen zur Anschauung oder zu Verstandesbegriffen gehören, nimmt sie als e r w o r b e n an. Es gibt aber auch eine ursprüngliche Erwerbung (...), folglich auch dessen, was vorher gar noch nicht existiert, mithin keiner Sache vor dieser Handlung angehört hat. Dergleichen ist, wie die Kritik behauptet, e r s t l i c h die Form der Dinge im Raum und der Zeit, z w e i t e n s die synthetische Einheit des Mannigfaltigen in Begriffen; denn keine von beiden nimmt unser Erkenntnisvermögen von den Objekten, als in ihnen an sich selbst gegeben, her, sondern bringt sie aus sich selbst a priori zu Stande." (AA VIII, S. 221)
Dies besagt, daß alle Vorstellungen a priori, von denen die K.d.r.V. handelt, nicht angeboren, sondern erworben sein müssen. Daher müssen auch Raum und Zeit nicht angeboren, sondern schlechterdings aus der Tätigkeit des Erkenntnisvermögens erworben sein. Diese Auffassung widerspricht gänzlich der oben dargelegten psychologistischen Erörterung von Raum und Zeit und scheint also keine Gültigkeit innerhalb der K.d.r.V. beanspruchen zu können. Deshalb könnte man sie als eine nicht nachzuweisende, also übersehbare Behauptung bei Seite lassen. Jedoch treffen wir in der transzendentalen Analytik, besonders in der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, einige deutliche Belegstellen an, die jene Auffassung bekräftigen. Indem Kant nämlich dort das Problem der Erzeugung der reinen Vorstellungen von Raum und Zeit mitbehandelt, drückt er mitunter eindeutig aus, daß Raum und Zeit auf jeden Fall die Tätigkeit der Synthesis oder der Zusammensetzung voraussetzen müssen, weil sie uns erst durch diese Handlung gegeben werden können: "Diese Synthesis der Apprehension muß nun auch a priori, d. i. in Ansehung der Vorstellungen, die nicht empirisch sind, ausgeübt werden. Denn ohne sie würden wir weder die Vorstellungen des Raumes, noch der Zeit a priori haben können: da diese nur durch die Synthesis des Mannigfaltigen, welches die Sinnlichkeit in ihrer ursprünglichen Rezeptivität darbietet, erzeugt werden können." (A 99f.)
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Es steht hier außer allem Zweifel, daß die reinen Vorstellungen a priori von Raum und Zeit erst durch eine Synthesis erzeugt werden müssen, die nichts anderes als ein Aktus der Spontaneität des Erkenntnissubjekts ist. Daher kommen die Vorstellungen von Raum und Zeit sicherlich durch die Tätigkeit des Subjekts zustande, und sie drücken also in sich Modi dieser Handlung aus. Ansonsten würden die reinen Vorstellungen a priori von Raum und Zeit als eingeboren angenommen, obschon sie zu ihrer Möglichkeit unbedingt die Synthesis des Mannigfaltigen voraussetzen. Es ist ein zusätzlicher Beleg, daß Kant, was die Erzeugung der reinen Vorstellungen von Raum und Zeit angeht, auch in der K.d.r.V. derselben Meinung ist wie in der Inauguralschrift. Denn in beiden Werken werden Raum und Zeit als reine Vorstellungen a priori gleichermaßen als Produkte der Handlung des Subjekts verstanden,15 abgesehen davon, daß sie in der K.d.r.V. außerdem noch als die Arten der Affektion anzusehen sind, was eigentlich der Grundidee der Inauguralschnft ganz fremd ist. Wie wir gesehen haben, sind Raum und Zeit also in der K.d.r.V. als Arten der Affektion einerseits die Formen der Rezeptivität, die zu keiner Verbindung, zu keiner Tätigkeit befugt sind, aber andererseits machen sie als die Produkte der subjektiven Handlung eben die Formen derselben aus. Diese beiden Thesen scheinen nicht miteinander übereinkommen zu können. Trotzdem müssen sie die wahrhaften Bestimmungen von Raum und Zeit sein. Denn sie vertreten jeweils einen Aspekt des Wesens von Raum und Zeit, und ihre wesentlichen Beschaffenheiten können nur unter diesen beiden entgegengesetzten Gesichtspunkten geklärt werden. Einen entscheidenden Hinweis darauf gibt Kant, indem er die beiden Aspekte von Raum und Zeit voneinander unterscheidet und erklärt: "Der Raum, als G e g e n s t a n d vorgestellt, (...) enthält mehr, als bloße Form der Anschauung, nämlich Z u s a m m e n f a s s u n g des Mannigfaltigen, nach der F o r m der Sinnlichkeit gegebenen, in eine a n s c h a u l i c h e Vorstellung, so daß die F o r m der A n s c h a u u n g bloß Mannigfaltiges, die f o r m a l e Ans c h a u u n g aber Einheit der Vorstellung gibt. Diese Einheit hatte ich in der Ästhetik bloß zur Sinnlichkeit gezählt, um nur zu bemerken, daß sie vor allem Begriffe vorhergehe, ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehört, durch
15 Dieser Gedanke ist auch im Nachlaß zur Metaphysik, und zwar vor und nach der K.d.r.V. immer wieder anzutreffen.(Vgl. AA XVII, S. 616ff., S. 636ff. und AA XVffl, S. 374f., u.s.w.) Dies beweist, daß Kant diesen Gedanken niemals aus den Augen verloren hat, wenn er ihn auch nicht explizit dargestellt hat. Deswegen kann man sagen, daß das Verständnis von Raum und Zeit als Aktivität des Subjekts den ganzen Werken Kants seit der Inauguralschrift zugrunde liegt.
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welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst möglich werden, voraussetzt." (Fußnote zu B 160)
Hieraus kann man ersehen, daß Raum und Zeit einerseits, insofern sie als die Formen der Sinnlichkeit betrachtet sind, die subjektiven Arten der Affektion bezeichnen und also in sich das Mannigfaltige der Vorstellungen enthalten, das das Gemüt gemäß jenen Arten von den Gegenständen empfängt. Aber andererseits, wenn sie die formalen Anschauungen selbst sind, machen sie nichts anderes als die Formen der Handlung der Vorstellungskraft aus, und daher gehört die Zusammensetzung oder die Einheit jenes Mannigfaltigen ihnen zu. Raum und Zeit als die bloßen Formen der Affektion gehören zwar zu dem rezeptiven Verhalten des Subjekts, uns das Mannigfaltige der Anschauung darzubieten, aber zugleich machen sie als reine Anschauung selbst die spontane Handlung des Subjekts aus, dieses Mannigfaltige zusammenzusetzen. Auf diese Weise werden Raum und Zeit in der K.d.r.V. je nach dem Aspekt ganz verschieden konzipiert und drücken in sich die sich gegenüberstehenden Momente des Vorstellungsvermögens aus. Diese Lehre kommt mit derjenigen des op. post, überein, denn Raum und Zeit sind hier wie dort sowohl als die subjektiven Formen der Rezeptivität als auch als die Formen der Spontaneität des Subjekts verstanden. Aufgrund dessen kann man sogar behaupten, daß die Raum- und Zeittheorie im op. post, die kontinuierliche Entfaltung der Theorie der K.d.r. V. ist und keineswegs eine mit dieser unvergleichbare, ganz neue Stellungnahme, obwohl Kant im op. post, die zweiseitigen Aspekte von Raum und Zeit ins Zentrum der Reflexion rückt und sich ausführlich damit befaßt, den hinreichenden erkenntnistheoretischen Grund dafür im transzendentalen Horizont anzugeben; - ganz anders als in der K.d.r.V., wo er diese Beschaffenheit von Raum und Zeit nur fragmentarisch behandelt, sich der Schwierigkeit dieses Problems nicht ganz bewußt ist und es meistens außer acht läßt.
3. Das Problem des Grundes von Raum und Zeit als in sich zwei heterogene Momente enthaltender Anschauung a priori Angesichts der zwiespältigen Auffassung von Raum und Zeit können wir nicht umhin, zu fragen, aus welchem einheitlichen Vermögen Raum und Zeit als reine Anschauungen a priori, denen die zweiseitigen Beschaffenheiten - die Arten der Affektion und die Formen der Synthesis - zusammen anhaften, entstehen können, oder wie die beiden Aspekte derselben möglicherweise und auch notwendigerwei-
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se in ihrem Zusammenwirken beim konkreten Erkenntnisverfahren des Vorstellungsvermögens erklärt werden können. Diese Frage führt eine große Schwierigkeit bei sich. Denn diese zwei Momente, wenn sie schon unterschiedslos der Anschauung a priori von Raum und Zeit als ihre wesentlichen Eigenschaften zuzuschreiben sind, lassen sich nicht aufeinander zurückfuhren, sondern stehen in an sich unvereinbarer Heterogenität. Rezeptivität und Spontaneität hält Kant nämlich für die wesentlichen Elemente der menschlichen Erkenntnis oder für die grundverschiedenen Erkenntnisquellen, und dies nicht nur in der K.d.r.V., sondern auch im op. post. In der K.d.r.V. verleiht Kant dieser Ansicht mit folgenden Worten Ausdruck: "Unsere Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüts, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Rezeptivität der Eindrücke), die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen (Spontaneität der Begriffe); durch die erstere wird uns ein Gegenstand g e g e b e n , durch die zweite wird dieser im Verhältnis auf jene Vorstellung (als bloße Bestimmung des Gemüts) g e d a c h t." (B 74=A 50)
Wie sich hier zeigt, ist uns das Mannigfaltige als der Stoff der Erkenntnis durch Rezeptivität gegeben, und es wird durch Spontaneität in einem Begriffe verknüpft. Dadurch erst ist die Erkenntnis des Gegenstandes möglich. Keines der beiden Verfahren ist also bei der menschlichen Erkenntnis entbehrlich. Und die beiden sind zwei nicht miteinander vereinbare, ursprünglich heterogene Grundquellen des Gemüts. Dies ist auch im op. post, in gleicher Weise vorausgesetzt, wie Kant selbst ausdrückt: "Das Bewußtseyn etwas zu setzen (spontaneitas) zu empfangen (receptivitas)" (II, 130/11-12) "Es sind zwey Elemente der Erkentnispnncipien Anschauung u. Begriff wovon das eine gegeben das andere gedacht wird und die einander nicht analytisch sondern synthetisch untergeordnet (die Anschauung dem Begriffe) ein Princip a priori der Erkentnis bestimen" (II, 417/11-13)
Hierin wird deutlich zur Sprache gebracht, daß unser Erkenntnisvermögen in die zwei entgegengesetzten Richtungen geteilt ist und diese beiden erst vereinigt die Erkenntnis möglich machen. Die eine ist die Rezeptivität der Anschauung, in der das Subjekt Stoff empfängt und wodurch uns auch das Objekt der Sinne gegeben wird, und die andere ist die Spontaneität der Begriffe, durch die das Subjekt aktiv handelt und das gegebene Objekt von uns gedacht wird. Wenn aber die beiden Vermögen unseres Geistes auf diese Weise als die gegensätzlichen Momente desselben festgestellt werden und alle möglichen Verfah-
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ren unseres Geistes aus einem dieser beiden Vermögen herfließen müssen, ist es nicht leicht, zu entscheiden, auf welchem Vermögen Raum und Zeit als reine Anschauungen a priori beruhen. Die Schwierigkeit dieser Frage liegt in dem folgenden Punkt: Wenn wir nämlich angenommen hätten, daß Raum und Zeit den Sinnen als der Rezeptivität entstammten, dann wäre es uns unbegreiflich, wie sie dennoch die Formen der subjektiven Handlung sein könnten. Im anderen Fall, nämlich eingeräumt, daß sie sich gänzlich auf der Spontaneität gründeten, bliebe ungeklärt, wie sie noch als die Arten der Affektion verstanden werden könnten. Deshalb müßte entweder ein Fall möglich sein, daß die Sinne sich nicht nur leidend, sondern auch handelnd verhielten, oder daß der Verstand sowohl zum Denken als auch zur Anschauung fähig wäre. Beide Fälle sind aber, wie schon erwiesen, unvorstellbar und unhaltbar. Denn die Sinne sind bei uns Menschen nur leidend, und der Verstand als Vermögen der Begriffe kann nicht anschauen, was auch im op. post, als unwiderlegbare Tatsache gilt. Es bleibt uns also einzig möglich, zu überlegen, ob es ein Grundvermögen gebe, das in sich die Möglichkeit einer Vereinbarkeit der beiden entgegengesetzten Momente enthalten würde, und in dem die beiden ihren Grund hätten, und ob dieses Urvermögen gerade auch der Grund von Raum und Zeit sei, die von Natur aus diese doppelseitigen Beschaffenheiten haben. Nur in diesem Fall ließen sich der transzendentale Ursprung und die zweiseitige Rolle von Raum und Zeit aufgrund dieses Urvermögens beim konkreten Erkenntnisverfahren hinlänglich erklären. Andernfalls bliebe das Problem der Möglichkeit von Raum und Zeit ein unauflösbares Rätsel. Freilich beschäftigt Kant sich in der K.d.r.V. nicht intensiv mit diesem Problem. Vielmehr kommt er in dieser Hinsicht mit sich selbst nicht ins reine: er gibt den Grund von Raum und Zeit, die in sich zwei heterogene Momente enthalten, nicht eindeutig an, sondern bestimmt ihn bald als dieses, bald als jenes. Konkreter gesagt, Kant führt einmal in der transzendentalen Ästhetik vor, daß Raum und Zeit als Modifikationen der Sinnlichkeit gerade das einzige sind, das die Sinnlichkeit a priori liefern kann,16 wobei natürlich die Möglichkeit des spontanen Moments derselben als der formalen Einheit des Mannigfaltigen in Dunkelheit bleibt oder als ein Unbegründbares beiseite gelassen ist. An einer anderen Stelle, nämlich in der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe a priori, stellt er aber unter anderem dar, daß die transzendentale Einbildungskraft eine dritte selbständige subjektive Erkenntnisquelle außer Sinn 16 Vgl. B36=A22
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und Verstand ist,17 so als wären Raum und Zeit als die Produkte ihrer Tätigkeit anzusehen. In diesem Fall könnte man sich wohl denken, daß die reine Einbildungskraft das Zwischenglied oder der Urgrund der heterogenen Erkenntnisvermögen, d.i. der Sinne und des Verstandes sei, worin die beiden ihren Ursprung haben oder wodurch allein sie in Einklang stehen können.18 Dies bekräftigend läßt Kant im transzendentalen Schematismus die Einbildungskraft die Rolle der Vermittlung zwischen den Verstandesbegriffen und den sinnlichen Empfindungen mit Hilfe des Zeitbegriffes spielen.19 Aus diesem Grund hält Heidegger auch die Einbildungskraft, in der die reine Anschauung wurzele, für den einheitlichen Grund des menschlichen Geistes.20 Wenn man das Genannte für sich betrachtet, könnte man in diese Interpretation einwilligen. Aber sie wird von Kant selbst gänzlich zurückgewiesen, indem er in der 2. Auflage der transzendentalen Deduktion die reine Einbildungskraft nicht als eine selbständige Erkenntnisquelle wie die Sinne und den Verstand, sondern einfach als eine Seite der Funktion des Verstandes bestimmt21: "Er (sc. Der Verstand) also übt, unter der Benennung einer t r a n s z e n d e n t a len S y n t h e s i s der E i n b i l d u n g s k r a f t , diejenige Handlung aufs p a s s i v e Subjekt, dessen V e r m ö g e n er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch affiziert werde." (B 153) Demgemäß ist die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft, die die beiden Vermögen - Sinnlichkeit und Verstand - zusammenhalten soll, eigentlich die des Verstandes, weil die Einbildungskraft nur eine besondere Benennung für eine 17 Vgl. A 94: "Es sind aber drei ursprüngliche Quellen, (Fähigkeiten oder Vermögen der Seele) die die Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung enthalten, und selbst aus keinem anderen Vermögen des Gemüts abgeleitet werden können, nämlich, S i n n , E i n b i l d u n g s k r a f t und Apperzeption." 18 Vgl. A 124ff. 19 Vgl. B 176ff. =A 137ff. 20 Vgl. M. Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik, Frankfurt a. M. 1991, S. 127-146. Aus einem anderen Grund legt auch J. G. Fichte auf die Einbildungskraft sehr großen Wert. Vgl. J. G. Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, 1794. In: Fichtes Werke, hrsg. von I. H. Fichte, Berlin 1971, Bd. I, S. 215ff. 21 Dazu sagt V. Mathieu: "Aus demselben Grund verkürzt er (sc. Kant) in der 2. Auflage die dreistufige Deduktion, deren zweite Stufe die "Synthesis der Reproduktion in der Einbildung" einnahm (A 100), und stellt die Einbildungskraft nicht mehr neben Sinnlichkeit und Verstand als dritte Urquelle der Erfahrung (...)." (V. Mathieu/1989, S. 179f.) Und als Grund für die Wegnahme der Einbildungskraft in der 2. Auflage gibt H. J. de Vleeschauwer Folgendes an: "Or la suppression de la adduction subjective a pour effect immecliat que la nouvelle deduction 6vite dans la mesure du possible de parier de facultos, de crainte de retomber dans le domaine d'une psychologic transcendantale, et que les facultos sont remplacees par leurs produits, qui prosentent un aspect plus logique." (H. J. de Vleeschauwer: La deduction transcendentale dans 1'oeuvre de Kant, ffl: La deduction transcendantale de 1787 jusqu'a Popus postumum'. Antwerpen/Paris/S'Gravenhage 1937, S. 39)
Das Problem des Grundes von Raum und Zeit
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spezifische Funktion des Verstandes ist.22 Das heißt, daß der Verstand außer dem Vermögen, Begriffe zu denken, noch diejenige Funktion ausübt, die das rezeptive und das spontane Moment vermittelt und dadurch die beiden in Einheit bringt. Im selben Kontext ist auch in der Fußnote zu B 160 gesagt, daß die Synthesis, durch die die reinen Anschauungen von Raum und Zeit zuerst gegeben werden, nur dadurch geschieht, daß der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt. Hiernach sollte man denken, daß, da die zu Raum und Zeit gehörige Synthesis eine Handlung des Verstandes ist, der Verstand geradezu der Grund von Raum und Zeit als reiner Anschauung a priori und daher - in welcher Weise auch immer - der einheitliche Urgrund der heterogenen Momente sein könnte, obgleich uns nicht klar ist, was man unter der Bestimmung der Sinnlichkeit durch den Verstand oder unter der Affektion der Sinne durch ihn verstehen soll.23 Aber dies kann, wie auch die reine Einbildungskraft, innerhalb der K.d.r.V. nicht näher untersucht und bestätigt werden. Daher bleibt das Problem des Grundes von Raum und Zeit in der K.d.r.V. änigmatisch. Im op. post, aber legt Kant, wenn vom Grund von Raum und Zeit als reiner Anschauung a priori die Rede ist, mit aller Bestimmtheit fest, daß Raum und Zeit nicht von der Sinnlichkeit, sondern vom Verstand hervorgebracht sind: " B e w e g u n g kan gantz mathematisch abgehandelt werden: den es sind blos Raumes// und Zeitbegriffe die in der reinen Anschauung a priori dargestellt werden köften und der Verstand m a c h t sie" (II, 515/11-1) "Die Mancherley Arten von Gegenständen afficirt zu werden d.i. der Receptivität der Sineneinflüsse bestimen systematisch die Art wie sie uns erscheinen müssen und zwar vor aller Warnehmung. Das Bewustseyn meiner Selbst der Verstand trägt diese Anschauung hinein." (II, 412/8-11) "Der Raum kan mit seinem Manigfaltigen nicht apprehendirt werden sondern wird als ursprüngliches Bewustseyn seiner selbst ein solches Manigfaltige zu setzen appercipirt. - " (II, 41/3-5)
Die erste Belegstelle besagt einfach, daß Raum und Zeit als reine Vorstellungen a priori durch den Verstand zustande kommen und die Produkte desselben sind. Hier könnte man denken, daß der Verstand als Grund der reinen Vorstellungen von Raum und Zeit, falls diese die Funktion des Formalen der Zusammensetzung leisten, anzusehen sei und deshalb der Urheber des spontanen Moments in ihnen wäre, getrennt von ihrem rezeptiven Moment. 22 In einer anderen Stelle spricht Kant ebenfalls darüber sehr eindeutig: "Es ist eine und dieselbe Spontaneität, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt." (Fußnote zu B 162) 23 Dieses wird in dieser Arbeit weiter unten, nämlich in Kapitel IV. 4.1., im einzelnen in Erwägung gezogen werden.
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Das Wesen und der Grund von Raum und Zeit als Anschauung a priori
Dies wird aber gerade durch das zweite Zitat zurückgewiesen. Denn dort ist unverkennbar zu ersehen, daß man erstens den Verstand in Hinsicht nicht nur auf das spontane, sondern auch auf das rezeptive Moment von Raum und Zeit als deren Urheber nehmen muß, weil sie auch als Arten der Affektion, nämlich als die Formen der Rezeptivität, vom Verstande gemacht sind und uns dadurch erst gegeben werden können. Zweitens: der Verstand ist hier nicht bloß als das Vermögen zu urteilen oder zu denken aufzufassen, denn es ist unvorstellbar, aus dem bloßen Denkvermögen gemäß dem Begriff die Anschauungsvorstellungen herauszubekommen. Deswegen darf man hier unter dem Verstand nicht bloß das diskursive Denkvermögen im engeren Sinne verstehen, sondern der Verstand muß im weiteren Sinne aufgefaßt werden, damit man ihn, ohne in Verlegenheit zu geraten, als Ursprung der reinen Anschauung nehmen kann. Kant hat hier unter der Benennung des Verstandes das Selbstbewußtsein als den Urgrund oder das höchste Vermögen aller geistigen Verfahren des menschlichen Gemüts im Sinne. Das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption ist darum nicht bloß als der Grund zur - sei es transzendentalen oder bloß logischen Denkfähigkeit, sondern als Urquelle des Gemüts zu fassen, worauf sich alle weiteren, einander entgegenstehenden Fähigkeiten desselben stützen. Gerade aus diesem Grund und nicht aufs Geratewohl sagt Kant im letzten Zitat, daß Raum und Zeit eben das ursprüngliche Selbstbewußtsein selbst sind.24 Hieraus kann man also mit Recht darauf schließen, daß das Selbstbewußtsein im op. post, der Urgrund der reinen Anschauungen ist, die einerseits rezeptiv, aber andererseits spontan sind, und daß also nicht bloß die Tätigkeit der reinen Anschauung, das Mannigfaltige zusammenzufassen, zum Selbstbewußtsein gehört, sondern daß auch Raum und Zeit als Formen der Rezeptivität ebenfalls dadurch begründet werden können. Natürlich klingt das oben Erwähnte bis jetzt sehr befremdlich und vielleicht sogar unverständlich, weil, nur innerhalb der K.d.r.V. betrachtet, eine solche Aussage weder zu akzeptieren noch zu denken ist, nämlich das Selbstbewußtsein und die reinen Anschauungen als solche auf der gleichen Ebene, und zwar im gleichen 24 Gelegentlich bestimmt Kant auch im op. post. Raum und Zeit sowohl als die Formen des Selbstbewußtseins als auch als die Produkte der Einbildungskraft, wie z.B.: "Raum und Zeit sind nämlich nicht Objecte der Anschauung sondern bios subjective Formen derselben die nicht ausser den Vorstellungen existieren und nur im Subject gegeben werden d. i. die Vorstellung derselben ist ein Act des Subjects selbst und ein Product der Einbildungskraft für den Sinn des Subjects (...)" ( , 76/16-20) Oder: „Raum und Zeit sind Producte (aber primitive Producte) unserer eigenen Einbildungskraft mithin selbst geschaffene Anschauungen (...)" (II, 37/7-9) Aber diese Bestimmung von Raum und Zeit steht einer authentischen Auffassung von ihnen kaum im Wege, daß sie nämlich die ursprünglichen Formen des Selbstbewußtseins ausmachen und also ohne weiteres als die Produkte desselben zu verstehen sind.
Das Problem des Grundes von Raum und Zeit
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Akt, zusammenkommen zu lassen. Denn in der K.d.r.V. ist das Selbstbewußtsein als das höchste Prinzip des Denkens dasjenige, dem die Anschauungsvorstellungen sich wie alle anderen Vorstellungen unterwerfen müssen; aber das Selbstbewußtsein kann doch nicht direkt als Grund der Möglichkeit der Anschauungsvorstellung gelten. Hierbei treten also unvermeidlich die folgenden Fragen auf: Wie kann das Selbstbewußtsein im op. post, der transzendentale Grund sowohl des reinen Denkens als auch der reinen Anschauung sein? Ist das Selbstbewußtsein dann die einheitliche Wurzel oder der Urgrund der heterogenen Momente unseres Gemüts? Oder, wenn es so ist, wie können dann die zweiartigen und heterogenen Beschaffenheiten der reinen Anschauung aufgrund des Selbstbewußtseins beim konkreten Verfahren der Erkenntnis zum Vorschein kommen? Zur Auflösung all dieser Fragen müssen wir in erster Linie die Antworten Kants, die sich im op. post, finden lassen, genau betrachten, wie nämlich das Selbstbewußtsein der Grund der reinen Anschauung sein kann und welche transzendentale Bedeutung oder Rolle es im op. post, eigentlich hat.
III. Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung 1. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein der analytischen Identität des Subjekts Es ist nicht leicht, das Wesen des Selbstbewußtseins im op. post, eindeutig zu bestimmen. Denn das Selbstbewußtsein wird je nach Aspekt und Zusammenhang auf ganz verschiedene Weise betrachtet und dargelegt, und darum sind die wesentlichen Grundzüge desselben nicht auf einmal deutlich ins Auge zu fassen. In der K.d.r.V. hat es damit die gleiche Bewandtnis, wo dem Selbstbewußtsein auch ohne weiteres mannigfache, und zwar sich anscheinend widersprechende Bestimmungen zugeschrieben werden. Beispielsweise leistet das Selbstbewußtsein in der K.d.r.V. einerseits die ursprüngliche synthetische Einheit des Mannigfaltigen, aber es ist andererseits doch bloß das Bewußtsein der analytischen Einheit seiner selbst.1 Und ferner ist es zwar selbst eine rein intellektuelle Vorstellung, die mit keiner sinnlichen Anschauung verbunden ist, in dem Sinne, daß es lediglich zur Selbsttätigkeit des Denkens gehört,2 aber dennoch drückt es einen empirischen Satz aus, gerade darum, weil dadurch schon das Dasein meiner selbst gegeben wird.3 Oder es ist der Aktus des Subjekts, sein Dasein zu bestimmen,4 obwohl es in sich keine bestimmten Prädikate des Subjekts enthält.5 Diese Beschreibungen, die eigentlich einen und denselben Akt des Selbstbewußtseins bestimmen sollten, geben aber je einen der verschiedenen Aspekte an, die das Selbstbewußtsein in sich umfaßt, und sie kommen auch normalerweise ohne einen Zusammenhang vereinzelt zur Sprache, wenn je von einem Aspekt desselben die Rede ist. Deswegen scheinen diese Erörterungen über das Selbstbewußtsein auf den ersten Blick keineswegs in eine einheitliche Perspektive geführt werden zu können, was, wie bekannt, das große Hindernis beim Verstehen der Selbstbewußtseinslehre in der K.d.r.V. ausmacht. Gerade auf dieselbe Schwierig-
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Vgl. B 133f. Vgl. B 278. Vgl. Fußnote zu B 422. Vgl. Fußnote zu B 157. Vgl. A 355f.
Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein der analytischen Identität
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keit stoßen wir aber auch sofort im op. post., wenn wir den wesentlichen Charakter des Selbstbewußtseins betrachten wollen, zumal hier die Lehre vom Selbstbewußtsein einfach fragmentarisch behandelt wird und auch im Laufe der Zeit allmählich sich umbildend zustandekommt. Bei allen Dunkelheiten ist aber doch im op. post, deutlich zu sehen, daß das Selbstbewußtsein auch hier vor allem als das Bewußtsein der analytischen Identität seiner selbst gefaßt wird, genau wie in der K.d.r.V. Das, was durch das Selbstbewußtsein gedacht oder vorgestellt wird, ist also nichts weiter als die analytische Identität des Subjekts. Dies läßt sich im op. post, vornehmlich durch den analytischen Charakter des Selbstbewußtseins vor Augen führen, der gerade darin besteht, daß sich das Selbstbewußtsein nur als ein analytischer Satz ergibt. Dies drückt Kant eindeutig in einem Fragment aus: "Erstlich das Bewustseyn meiner selbst (sum) welches logisch ist (cogito) nicht als ein Schlus (ergo sum) sondern nach der Regel der Identität (sum cogitans) in welchem Act der Vorstellung d. i. des Denkens noch keine Synthesis das Mannigfaltigen der Anschauung angetroffen wird sondern der blos ein analytisches Urtheil enthält.-" (II, 83/18-22)
Hier können wir vor allem darauf aufmerksam machen, daß sich der analytische Charakter des Selbstbewußtseins lediglich auf das Verstehen von "sum" gründet.6 Bekanntlich ist das Selbstbewußtsein dasjenige Bewußtsein, das sich auf die Vorstellung meiner selbst bezieht, oder die Vorstellung meiner selbst mit Bewußtsein. Was kann aber die Vorstellung meiner selbst sein, deren ich mir selbst bewußt bin? Diesbezüglich stellt Kant in der K.d.r.V. als gewiß fest, daß ich in dem Selbstbewußtsein mir meiner selbst bewußt bin, "nicht wie ich mir erscheine, noch wie ich an mir selbst bin, sondern nur daß ich bin."(B 157) Mit anderen Worten: das Ich bin ist die einzig mögliche Vorstellung meiner selbst, deren ich mir im 6
Eigentlich benutzt Kant in der K.d.r.V. überwiegend das "Ich denke", durch das sich das Selbstbewußtsein in seinem wesentlichen Charakter darstellt. Aber dieser Ausdruck ist im op. post, ganz selten anzutreffen: stattdessen kommt hier meistens der Ausdruck "Ich bin" vor. Doch richten sich alle weiteren Betrachtungen, so könnte man sagen, prinzipiell nach dem Bedeutungs- und Funktionsumfang der Ichheit, den das Ich bin als solches enthält. Dies zeigt uns einigermaßen klar, daß Kant hier das Ich bin für dasjenige hält, was das Wesen des Ich des Selbstbewußtseins im ursprünglichen Sinne darbietet. In diesem Sinnzusammenhang erklärt sich F. W. J. Schelling über das Wesen des Ich bin so: " - Macht man aber von allem Vorstellen sich frei, um seiner u r s p r ü n g l i c h bewußt zu werden, so entsteht - nicht der Satz: Ich d e n k e , sondern der Satz: I c h b i n , welcher ohne Zweifel ein höherer Satz ist. In dem Satz: Ich denke, liegt schon der Ausdruck einer Bestimmung oder Affektion des Ich; der Satz: I c h b i n , dagegen ist ein unendlicher Satz, weil es ein Satz ist, der kein w i r k l i c h e s Prädicat hat, der aber eben deßwegen die Position der Unendlichkeit m ö g l i c h e r Prädicate ist." (F. W. J. Schelling: System des transzendentalen Idealismus, 1800. In: Ausgewählte Werke. Schriften von 1799-1801, Darmstadt 1980, S. 367)
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Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung
Selbstbewußtsein bewußt bin. Also ist das, was durch das Selbstbewußtsein vorgestellt wird, nichts anderes als das Ich bin (sum). Was nun aber das Verständnis dieser Vorstellung meiner selbst betrifft, so ist sie nicht ein Anschauen, sondern bloß ein Denken.7 Die Vorstellung meiner selbst, auf die sich das Bewußtsein bezieht, ist bloß eine Denkvorstellung, nämlich ein Begriff, der mit keiner Anschauung vermischt ist. In diesem Zusammenhang bestimmt sich das Selbstbewußtsein im obigen Zitat einfach als logisch. Denn insofern das Ich bin bloß das Denken bezeichnet, kann diese Vorstellung nicht eine solche sein, die entweder zum Denken anderweitig hinzukommt oder die über es hinausgeht, sondern sie liegt schon identisch im Denken selbst. Deshalb beruht die Vorstellung "sum" auf dem logischen Denken, das auf sich selbst geht, und ist also analytisch.8 Und der Satz "Ich bin denkend (sum cogitansy, der das Selbstbewußtsein darstellt, ist folglich auch ein analytischer, niemals aber ein synthetischer Satz, zu dessen Möglichkeit unbedingt erforderlich ist, daß die Vorstellung meiner selbst im Selbstbewußtsein eine Anschauung betreffen muß, weil die Synthesis nur unter der Bedingung der Beziehung des Denkens auf Anschauung möglich ist. Hieraus ergibt sich klar, daß das Selbstbewußtsein, weil es bloß auf den Begriff der Vorstellung meiner selbst geht, keineswegs einen synthetischen, sondern einfach einen analytischen, identischen Satz abgeben kann, wie Kant im op. post, wiederholt betont: "Es wird mir also in dem Satz ich bin denkend weil er gantz identisch ist gar kein Fortschritt kein synthetisches Urtheil gegeben den er ist tautologisch und der vermeynte Schluß: Ich dencke d a r u m bin ich ist kein Schluß; (...)" (II, 79/21-24)
So steht außer Zweifel, daß alle möglichen Urteile, die sich im Selbstbewußtsein ergeben können, von analytischem Charakter sind und also keine Synthesis in sich enthalten. Das weist darauf hin, daß das Bewußtsein meiner selbst in dieser Hinsicht auf der logischen Funktion des Denkens beruht, die sich von der synthetischen strikt unterscheidet. Wie bekannt, teilt Kant in der K.dr.V. die Funktion des Denkens in eine logische und eine rein transzendentale, d.h. synthetische ein. Gemäß dieser Einteilung findet jene ohne Beziehung auf einen Gegenstand oder auf eine Anschauung statt, 7 8
Vgl. B 157. Es ist nicht Analysis, zu einem Begriff einen anderen, der nicht in jenem enthalten ist und also über jenen hinausgeht, hinzuzutun, sondern von einem Begriff her einen anderen Begriff, der eigentlich in jenem identisch liegt, erläuternd hervorzubringen. Deshalb ist der Satz, der durch die Analysis entsteht, mithin der analytische Satz, immer ein identischer, gerade darum, weil er schlechthin aus zwei Begriffen gebildet ist, die eigentlich für identisch gehalten werden, und insofern sind alle analytischen Prädikationen tautologisch und identisch, und analytische Urteile beruhen alle auf der Identität und sind also identisch. Vgl. AA XVI, S. 674.
Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein der analytischen Identität
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durch die allein der Gegenstand uns gegeben werden kann, und geht also lediglich auf das Verhältnis der Begriffe zueinander im bloßen Denken, worin sich also nur ein logischer, analytischer Satz ergibt und wodurch das logische Verhältnis der Begriffe zueinander bestimmt wird.9 Im Gegensatz dazu findet die synthetische Funktion dadurch statt, daß das Denken sich auf ein Objekt, mithin auf das Mannigfaltige der Anschauung, bezieht. Sie übt darum die Funktion aus, den Gegenstand realiter zu bestimmen, und dadurch kann also dessen synthetische Erkenntnis gewonnen werden. Nun betrifft das Ich im Selbstbewußtsein niemals ein Anschauen, sondern ein bloßes Denken. Somit ist im Selbstbewußtsein nur der analytische Satz gegeben, und dabei kann von dem Ich als einem Gegenstand, der etwa durch die Anschauung meiner selbst gegeben würde, gar nicht die Rede sein. In diesem Punkt ist das Selbstbewußtsein als das logische Bewußtsein meiner selbst zu verstehen, durch das das Ich keineswegs als Gegenstand mit gegeben und erkannt wird, sondern worin es ausschließlich das denkende Subjekt selbst ist: "Das Vorstellungsvermögen geht vom B e w u s t s e y n meiner selbst aus (apperceptio) und dieser Act ist blos logisch, der des Denkens, wodurch von mir noch kein Gegenstand gegeben wird." (II, 79/11-13) "Ich bin das denkende Subject aber nicht Object der Anschauung als noch nicht mich selbst erkenend" (II, 91/17-18)
Das Bewußtsein meiner selbst, da es gänzlich zum rein logischen Denken gehört, das mit keinem Mannigfaltigen der Anschauung vermischt ist, schließt sich völlig vom Moment der Gegenständlichkeit oder des Gegenstandsbezugs aus, und das Ich im Selbstbewußtsein ist daher nur das denkende Subjekt, das in keiner Weise das Objekt der Anschauung sein kann. Anders gesagt, das Ich wird zwar erst durch das Selbstbewußtsein vorgestellt, aber das hier vorgestellte Ich ist auf keinen Fall ein Objekt der Anschauung, sondern bezeichnet schlechterdings nur das Subjekt des Denkens. Deshalb kann durch das Selbstbewußtsein nicht die mindeste Erkenntnis meiner selbst gewonnen werden, obwohl das Selbstbewußtsein die Vorstellung meiner selbst mit Bewußtsein heißt. Gerade in demselben Kontext führt Kant auch in der K.r.d.V. vor, daß das Bewußtsein meiner selbst gar nicht eine Erkenntnis meiner selbst ist, die unbedingt eine Anschauung meiner selbst, nämlich die Vorstellung meiner selbst als Objekts, voraussetzt:
Vgl. B 79=A 55: "Die allgemeine Logik abstrahiert, wie wir gewiesen, von allem Inhalt der Erkenntnis, d.i. von aller Beziehung derselben auf das Objekt, und betrachtet nur die logische Form im Verhältnisse der Erkenntnisse aufeinander, d.i. die Form des Denkens überhaupt."
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Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung "Also erkenne ich mich nicht selbst dadurch, daß ich mich meiner als denkend bewußt bin, sondern wenn ich mir die Anschauung meiner selbst, als in Ansehung der Funktion des Denkens bestimmt, bewußt bin." (B 406)
Das Bewußtsein meiner selbst, insofern es lediglich auf mich selbst als das denkende Subjekt geht, hat mit keiner Anschauung meiner selbst zu tun, die das Ich als den Gegenstand darbietet und erkennen läßt. Es fehlt also diesem Bewußtsein völlig die Möglichkeit, das Ich realiter zu erkennen. Denn damit wir uns auf den Gegenstand beziehen und zu dessen Erkenntnis kommen können, muß uns dieser Gegenstand zuerst durch Anschauung gegeben werden, die das einzig mögliche Mittel dafür ist, daß wir uns auf einen Gegenstand - sowohl des inneren als auch des äußeren Sinns - beziehen können. Aber das Ich im Selbstbewußtsein ist, wie gesehen, bloß ein rein logisches Denken, dem es an dem Moment der Anschauung gänzlich mangelt. Wir können daher nicht erwarten, daß durch das Selbstbewußtsein das mindeste in Ansehung der realen Bestimmung meiner selbst, sondern daß dadurch nur die logische, identische Bestimmung meiner selbst erlangt werden kann. Aus dieser Perspektive bestimmt Kant das Selbstbewußtsein als die logische Bestimmung des Subjekts nach der Regel der Identität: "Das B e w u s t s e y n meiner selbst ist blos logisch und führt auf kein Object sondern ist eine bloße Bestimung des Subjects nach der Regel der Identität." (II, 82/35) Hieraus läßt sich endgültig entnehmen, daß das Bewußtsein meiner selbst weder auf das Ich als Objekt führt, noch die reale Bestimmung meiner selbst verschaffen kann, sondern daß, wenn es auch irgendeine Bestimmung meiner selbst darstellen kann, diese höchstens die logische Bestimmung meiner selbst nach der Regel der Identität ist. Das Selbstbewußtsein bringt, mit anderen Worten, die logische, identische Bestimmung des Ich mit sich selbst hervor. Denn da die logische Bestimmung auf der Regel der Identität beruht und lediglich dieser gemäß geschehen kann, muß sie identisch oder tautologisch sein. Folglich ist das, was das Selbstbewußtsein vorstellt, geradezu die logische, identische Bestimmung meiner selbst, nämlich "ich bin ich" (Ich=Ich), was einfach Tautologie ist.10 Gerade deswegen versteht sich das Selbstbewußtsein im op. post, als das Bewußtsein der analyti-
10 Von diesem tautologischen Charakter des Selbstbewußtseins sagt A. Krause: "Der Satz: "Ich bin Ich" sei die Formel für das Selbstbewußtsein. (...) Dieser Satz ist eine elende Tautologie, welche sich die Logiker ausgedacht haben, eine Spielerei, welche kein vernünftiger Mensch je ausübt, ein so genannter identischer Satz, in welchem gar keine Erkenntniss ruht, welcher gar kein Gegenstand behandelt, etwa so, als ob ich sagte: Ein viereckiges Dreieck ist ein viereckiges Dreieck." (A. Krause/1888, S. 68f.)
Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein der analytischen Identität
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sehen Identität des denkenden Subjekts mit sich selbst, mithin als die Selbstidentität desselben. Dieser Gedanke, daß das Selbstbewußtsein die analytische Identität des Subjekts bezeichnet, findet sich auch in der K.d.r.V. Dort, insbesondere in den Paralogismen der reinen Vernunft, wird konsequent argumentiert, daß, da das Ich im Selbstbewußtsein gar nicht die Anschauung meiner selbst betrifft, sondern bloß im Begriff des Denkens liegt, das Selbstbewußtsein sicherlich nur einen analytischen und identischen Satz enthält und ich mir dadurch jederzeit nur die logische Identität des Subjekts denke. Aus diesem Grund beschreibt Kant dort auch auf ähnliche Weise wie im op. post., daß das Selbstbewußtsein uns die logische Bedeutung oder Erörterung des Ich vermitteln kann.11 Diese Lehrmeinung Kants besagt offensichtlich, daß die Identität des Ich im Selbstbewußtsein, die als die höchste Bedingung der Möglichkeit sowohl der Objekte als auch ihrer Erkenntnis vorausgesetzt wird, in keiner Weise realiter erfaßt werden kann und darf, weil anderenfalls dem denkenden Subjekt die Möglichkeit der intellektuellen Anschauung zugestanden wäre und also unser Denken auch anschauen könnte, was aber der transzendentalen Philosophie die Basis entzöge; sie muß also in ihrem Wesen lediglich formaliter oder funktioneil begriffen werden. Anders ausgedrückt: Der identische, analytische Charakter des Selbstbewußtseins macht transparent, daß das transzendentale Ich im Selbstbewußtsein keineswegs das reale Objekt im Sinne von "res cogitans", sondern vielmehr "die formale Einheit des Bewußtseins" (A 105) oder die "Identität der Funktion" (A 108) bezeichnet. In dieser Hinsicht können wir auch zu Recht vorwegnehmend sagen, daß, sofern das Selbstbewußtsein im op. post, auch die analytische Identität des Subjekts ausdrückt und das Ich im Selbstbewußtsein ebenfalls ein leeres, formales Ich bedeutet, die Selbstbewußtseinslehre, in bezug auf die Bedeutung und Wirkung der transzendentalen Ichheit, im wesentlichen auf ein und demselben Standpunkt wie in der K.d.r.V. steht.
2. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein seiner selbst als Objekts 2.1. Das Ich als das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung
11 Vgl. A 350 und B 409.
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Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung
Außer dem logischen, analytischen Charakter des Selbstbewußtseins, der ganz und gar darauf beruht, daß die Vorstellung des Ich im Selbstbewußtsein schlechthin das Subjekt des Denkens ausdrückt, das auf keinen Fall als Objekt der Anschauung vorgestellt werden kann, läßt sich aber im op. post, noch eine andere, an sich schwer zugängliche Erörterung über das Wesen des Selbstbewußtseins hervorheben, die mit jenem nicht zusammenkommen zu können scheint. Kant erwähnt im op. post, das Selbstbewußtsein vorwiegend so: "Ich bin das Object meiner eigenen Vorstellung d. i. ich bin mir meiner selbst bewust"(II, 98/15-16) "Der lste Act des Vorstellungsvermögens ist das verbtun Ich bin das Bewustseyn meiner selbst. Ich bin mir selbst ein Gegenstand. Das Subject ist sich selbst Object." (II, 115/9-11) "Das B e w u s t s e y n seiner selbst (apperceptio) ist ein Act wodurch das Subject sich überhaupt zum Objecte macht." (II, 413/11-14)
Hierin wird vor allem deutlich, daß das Ich im Selbstbewußtsein nicht nur das Subjekt des Denkens, sondern eher das Objekt ist, denn das Selbstbewußtsein, daß nämlich ich mir meiner selbst bewußt bin, setzt schon voraus, daß ich in diesem Bewußtsein mir selbst das Objekt meiner Vorstellung oder meines Bewußtseins sein muß. Indem sich nämlich das Selbstbewußtsein auf die Vorstellung meiner selbst, d.h. auf die Vorstellung des Ich, bezieht, wird diese Vorstellung meiner selbst unbezweifelbar zum Objekt meines Bewußtseins. Deshalb ist das Selbstbewußtsein als der erste und ursprünglichste Akt des Subjekts dasjenige Bewußtsein, in dem das Subjekt sich selbst zum Objekt macht oder in dem das Subjekt für sich selbst zugleich ein Objekt ist. Kant bestimmt also - im dritten Zitat - eindeutig, daß das Selbstbewußtsein, mithin die Apperzeption, eben derjenige Aktus ist, der das Subjekt als Objekt setzt, durch den das Subjekt sich selbst zum Objekt wird. Mit anderen Worten: solange das Selbstbewußtsein die Vorstellung des Ich hervorbringt, die gerade als Objekt gedacht wird, kann man des weiteren behaupten, daß das Selbstbewußtsein das Ich als das Objekt meiner Vorstellung zustandebringt und also den Akt des Bewußtseins bezeichnet, sich selbst zum Objekt zu machen. Somit ist zunächst klar, daß das Bewußtsein meiner selbst derart verstanden wird, daß es das Ich für sich selbst zum Objekt macht, damit das Ich als das Objekt zum Bewußtsein kommen kann, wobei das Ich sich seiner selbst als Objekt bewußt wird. Auf solche Weise muß beim Selbstbewußtsein vom Ich als von einem Objekt die Rede sein.12 12 Diese Stellungnahme Kants im op. post., daß das Selbstbewußtsein der Aktus des Vorstellungsvermögens des Subjekts ist, sich selbst als Objekt zu setzen, wird meistens als unbestreitbarer
Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein seiner selbst als Objekts
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Aber in diesem Punkt scheint das Selbstbewußtsein vor allem ein an sich Widersprechendes mit sich zu bringen: Denn einerseits führt das Selbstbewußtsein, in dieser Bedeutung, direkt darauf, daß ich mir selbst zum Objekt werde; aber andererseits schließt das Selbstbewußtsein, wie im vorherigen Abschnitt gesehen, in sich keine Möglichkeit ein, das Ich als Objekt vorzustellen, gerade darum, weil im Selbstbewußtsein das Subjekt sich seiner selbst nur als denkendes Subjekt, nicht aber als Objekt bewußt ist und das Selbstbewußtsein also bloß die analytische Identität des Subjekts mit sich selbst darstellt. Das Selbstbewußtsein als die analytische Identität seiner selbst besteht darum lediglich darin, daß das Subjekt nicht anders denn als Subjekt bestimmt und gedacht wird (Subjekt=Subjekt oder Ich=Ich), wobei das Ich als das Objekt in keinem Sinn in Frage kommen kann und darf. Hier stellt sich notwendig die Frage, was Kant darunter versteht, daß das Bewußtsein seiner selbst geradezu derjenige Akt ist, der das Subjekt zugleich zum Objekt macht. Man müßte diese Erörterung in dem Sinne nehmen, daß das Bewußtsein meiner selbst in diesem Punkt mit der Erkenntnis meiner selbst gleich sei, die in der Beziehung auf das Ich als das Objekt, das mir allein durch die Anschauung meiner selbst gegeben werden kann, statthabe und also auf die reale, synthetische Bestimmung meiner selbst gehe.13 Wenn Kant wirklich dies gemeint hätte, dann hätte man auch zuzugestehen, daß das Selbstbewußtsein als die analytische Identität seiner selbst in jeder Hinsicht - in seiner Funktion und im Geschehen - völlig von dem Bewußtsein meiner selbst als Objekts, das sich eben die Erkenntnis meiner selbst verschaffen könne, verschieden und also ganz getrennt zu betrachten wäre und daß die beiden daher nicht einem und demselben Bewußtseinszustand oder einem und demselben Aktus des Subjekts zugehörig, sondern zwei im Prinzip völlig abgesonderte Akte desselben oder zwei unterschiedliche Stufen des Bewußtseins - wie z.B. empirisches Bewußtsein und intellektuelles Bewußtsein - wären. Beleg dafür genommen, daß Kant hier, insbesondere in Konv. VII, unter dem starken Einfluß seiner damaligen Nachfolger, nämlich Becks, Fichtes oder Schellings, steht. Siehe, E. Adickes/1920, S. 604-628, G. Krönig: Das Problem der Selbstsetzung in seiner Entwicklung von Kant bis Fichte mit besonderer Berücksichtigung von J. S. Beck, Hamburg 1927, und H. J. De Vleeschauwer/ 1937, S. 491 ff. 13 A. Krause unterscheidet das Selbstbewußtsein bei Kant von der Fichteschen These: „Ich bin Ich", oder "das Ich setzt das Ich", dadurch, daß das Selbstbewußtsein bei Kant, in dem das Subjekt sich selbst setzt, keine leere Windbeutelei sei, wie die Fichtesche These, sondern eben dasjenige Bewußtsein ist, das sich schon aufs Objekt, d.i. auf den Gegenstand der Wahrnehmung bezieht, und daß in diesem Sinne das Selbstbewußtsein den höchsten Punkt des Erkenntnisvermögens ausmacht. Aber er betrachtet das Problem des Selbstbewußtseins im op. post, nicht bloß auf der transzendentalen Ebene, sondern eher auf der empirischen Ebene in bezug auf die Möglichkeit der Physik als einer Wissenschaft. Vgl. A. Krause/1888, S. 68ff.
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Das Selbstbewußtsein und die Selbstanschauung
Freilich ist diese hypothetische Annahme keineswegs im op. post, zu belegen. Denn trotz aller Strittigkeit kann es doch zumindest als sicher gelten, daß das Selbstbewußtsein niemals mit der Erkenntnis meiner selbst zu tun hat, selbst wenn das Ich dabei als Objekt gesetzt und vorgestellt wird. Diesbezüglich legt Kant in einem Fragment den Sinn des Sich-selbst-zum-Objekt-Werdens im Selbstbewußtsein etwas näher dar, nämlich daß doch in dem Selbstbewußtsein, durch das das Subjekt sich selbst zum Objekt wird, immerhin ein analytischer Satz gewonnen werden kann, der jedoch nur die logische, identische Bestimmung meiner selbst mitteilt: "Alle Erkentnis hebt von dem Bewustseyn meiner selbst an, d. i. mich selbst der ich denke das Subject zugleich als Gegenstand des Denkens als Object vorzustellen. Dieser Act der Apperception (sum cogitans) ist noch kein U r t h e i l (iudicium) über ein Object d. i. noch kein Verhältnis eines Prädicats zum Subject wodurch ein Erkentnis begründet wird sondern ich bin mir selbst überhaupt ein Gegenstand (...) noch weniger ein Schlus: ich dencke d a r u m bin ich den das wäre ein identisches mithin leeres Unheil ein bestimbares Object ohne Bestimung" (II, 89/23-90/5)
Hiernach ist das Selbstbewußtsein ohne Zweifel dasjenige Bewußtsein, durch das das Subjekt sich zugleich als Objekt vorstellt. Jedoch bedeutet dies gar nicht, daß durch das Selbstbewußtsein irgendeine Erkenntnis meiner selbst als eines Objekts Zustandekommen kann. Denn obgleich das Subjekt im Selbstbewußtsein als Objekt vorgestellt wird, enthält das hier als Objekt vorgestellte Ich keine Bestimmung, nämlich keine Prädikate, in sich. Auf Grund dessen, daß die Vorstellung des Ich, die das Selbstbewußtsein hervorbringt, ein Objekt bezeichnet, wird also weder eine Erkenntnis eines Objekts begründet noch das Verhältnis eines Prädikats zum Subjekt realiter bestimmt. Selbst wenn ich mir daher im Selbstbewußtsein meiner selbst als Objekt bewußt bin, kann dabei dennoch nur ein leeres und identisches Urteil erlangt werden, das in sich keine reale Bestimmung meiner selbst ausdrückt und keine Erweiterung der Erkenntnis meiner selbst ermöglicht. Deshalb bezeichnet das Ich, das im Selbstbewußtsein als Objekt vorgestellt wird, keineswegs den durch Anschauung gegebenen Gegenstand, sondern es ist derjenige Gegenstand, der keine Bestimmung in sich enthält und also durch bestimmte Prädikate in der Wirklichkeit keineswegs weiter erkannt werden kann. Das Ich ist als das Objekt im Selbstbewußtsein also schlechthin "das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung". Daher ergibt sich im Selbstbewußtsein kein Urteil über das Ich als das Objekt der Erkenntnis, sondern es stellt einfach das Ich als den Gegenstand dar, der inhalts- oder bestimmungslos ist. Oder das Ich im Selbstbewußtsein gilt lediglich als das Objekt, das aber keine Bestimmung enthält und von dem also noch keine Erkenntnis möglich ist.
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Selbst wenn das Bewußtsein meiner selbst daher dasjenige Bewußtsein bezeichnet, in dem das Ich als Objekt vorgestellt wird, ist dennoch als unwiderlegbar festzustellen, daß das Selbstbewußtsein als ein Aktus des Subjekts, sich selbst als Objekt zu setzen, sich auf keinen Fall dem analytischen Charakter desselben entgegensetzt, sondern daß beide, von der Folge oder von der Wirkung her betrachtet, völlig ein und dasselbe sind. Dies leitet uns auch darauf, daß der Akt des Selbstbewußtseins, sich selbst zum Objekt zu machen, und die analytische Identität des Subjekts im Selbstbewußtsein letztlich zu Recht zusammen einen einheitlichen Begriff des Selbstbewußtseins bilden müssen. Der Anspruch, den Grund dieser Einigkeit beider Momente des Selbstbewußtseins hinreichend darzutun, ist freilich bis jetzt noch unerfüllbar. Doch hat man dazu hier zunächst zu untersuchen, wie das Selbstbewußtsein, das auf jeden Fall die analytische Identität des Subjekts darstellt, dennoch zugleich derjenige Akt sein kann, durch den das Subjekt sich selbst zum Objekt macht, und was man unter dem Ich als demjenigen Objekt verstehen soll, das durch den Akt des Selbstbewußtseins gesetzt wird, wenn es keine reale Bestimmung in sich enthält. Zur Beantwortung dieser Frage können wir vor allem eine der obigen Erklärung parallele Stelle der K.d.r.V. heranziehen, die einerseits erweist, daß dieser Gedanke, nämlich daß das Selbstbewußtsein dasjenige Bewußtsein ist, in dem ich mir meiner selbst als eines Objekts überhaupt bewußt bin, nicht erst im op. post. ganz neu vorkommt, sondern bereits in der K.dr.V., obwohl nicht klar und konkret ausgeführt, enthalten ist, und die andererseits einen bedeutsamen Hinweis darauf bietet, was das Objekt, das durch das Selbstbewußtsein vorgestellt wird, sein kann. Indem Kant in den Paralogismen eine Überlegung über den wesentlichen Charakter des Ich denke anstellt, legt er dar, daß ich mich durch die Apperzeption selbst wie ein Objekt überhaupt denke: "Das Denken, für sich genommen, ist bloß die logische Funktion, (...), und stellt das Subjekt des Bewußtseins keineswegs als Erscheinung dar, bloß darum, weil es gar keine Rücksicht auf die Art der Anschauung nimmt, ob sie sinnlich oder intellektuell sei. Dadurch stelle ich mich mir selbst, weder wie ich bin, noch wie ich mir erscheine, vor, sondern ich denke mich nur wie ein jedes Objekt überhaupt, von dessen Art der Anschauung ich abstrahiere." (B 428f.)
Hierbei müssen wir unser Augenmerk auf zwei Punkte richten, nämlich erstens, daß es sich hier lediglich um die Art des Ich als des Objekts, das durch das Selbstbewußtsein dargestellt oder gedacht wird, handelt, und zweitens, daß die Washeit dieses Objekts etwas näher geschildert wird. Kant setzt sich hier damit auseinander, was das Ich als das Objekt des Denkens im Selbstbewußtsein sein kann.
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Das Ich der Apperzeption, auf das als sein Objekt sich das Denken bezieht, kann weder als das Ich an sich, nämlich wie ich bin, noch als das Ich in der Erscheinung, d.h., wie ich mir erscheine, bezeichnet werden, und zwar gerade deswegen, weil das Denken, mithin die Apperzeption, an sich bloß eine logische Funktion ist, die eigentlich mit der Anschauung gar nichts zu tun hat oder keine Rücksicht auf sie nimmt, und weil durch sie also gar nicht der Gegenstand im realen Sinne - sei es der an sich oder der in der Erscheinung - vorgestellt werden kann. Ich denke mich selbst also zwar im Selbstbewußtsein als ein Objekt, von dem ich aber keine reale Bestimmung meiner selbst sowohl als Ich an sich, das nur durch eine intellektuelle Anschauung vorgestellt werden könnte, als auch als Ich in der Erscheinung, das durch die sinnliche Anschauung gegeben werden muß, denken kann. Gerade deswegen denke ich beim Selbstbewußtsein mich selbst nur als Objekt überhaupt, von dessen Art der Anschauung gänzlich abstrahiert wird. Hieraus läßt sich entnehmen, daß das Ich als das Objekt, das durch das Selbstbewußtsein vorgestellt werden kann, weder das Ich an sich noch das Ich in der Erscheinung ist. Also ist das hier vorgestellte Ich, wie im op. post, ausgedrückt, das bestimmbare Objekt ohne irgendeine Bestimmungsart, die von der konkreten Anschauungsart abhängig ist. Allerdings wird dadurch nicht verständlicher, sondern bleibt immer noch ungeklärt, was das Ich als das Objekt überhaupt in concreto bedeuten soll und was man unter dem Akt des Selbstbewußtseins, durch den das Subjekt sich selbst zum Objekt wird, verstehen kann. Dazu zeigt E. Adickes eine konkrete Interpretationsrichtung. Indem er die Typen oder Stufen des Aktes, sich selbst als Objekt zu setzen, in sechs Arten absondert, hält er den Akt des Selbstbewußtseins, der die erste und zugrundeliegende Stufe desselben ausmacht, für die "logisch-begriffliche Scheidung des Ich in Subjekt und Objekt". Denn wie alles Vorstellen oder alles Denken die Scheidung von Subjekt und Objekt grundsätzlich voraussetzen muß, so hat auch das Selbstbewußtsein diese Scheidung zur Grundbedingung, insofern es auch eine reflexive Rückwendung des Denkens auf sich selbst ist.14 Aber beim Selbstbewußtsein geschieht diese Scheidung nicht reell-transzendental, sondern nur formell-logisch, weil das Selbstbewußtsein lediglich in der logischen Funktion besteht. Deshalb führt das Ich als das Objekt auf keine Wirklichkeit meiner selbst, sondern nur auf die begriffliche Auffassung meiner selbst als eines Objekts. Diese Behauptung gründet sich eigentlich darauf, daß, obwohl das Selbstbewußtsein derjenige Akt ist, der das Subjekt als Objekt setzt, hierbei von irgendeinem Inhalt des Objekts, der nur durch die Anschauung gegeben werden kann, gar
14 Vgl. E. Adickes/1920, S. 629ff.
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nicht die Rede ist. Nach dieser Interpretation ist das Ich das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung, mithin das Objekt überhaupt, und darum kein Gegenstand im realen Sinne, sondern einfach der leere Begriff des Objekts, der in der Tat von der Wirklichkeit, die direkt mit Anschauung zusammenhinge, gar nichts aussagt. Diese Interpretation kann, für sich genommen, als plausibel angenommen werden, zumal wenn man nur auf das folgende Fragment acht gibt: "Ich bin mir selbst ein Gegenstand durch den B e g r i f meiner selbst d. i. ich bin mir meiner selbst b e w u s t : ein l o g i s c h e s Urtheil (sum, cogito) ohne noch durch einen Schlus weiter fortzuschreiten (cogito ergo sum) den ein solcher Satz wäre identisch mithin ein leeres Urtheil blos analytisch das kein Erkentnis begründete. "(II, 105/13-17)
Hier zeigt sich, daß ich mir selbst ein Gegenstand bin, aber nur durch den Begriff meiner selbst. Anders gesagt: das Subjekt ist für sich selbst ein Objekt, und zwar dadurch, daß ich mich als das Objekt durch den bloßen Begriff denke. Indem ich mir also meiner selbst als Objekts, aber bloß durch den Begriff, bewußt bin, wird keine Erkenntnis meiner selbst, sondern nur ein logisches Urteil gegeben, weil hierbei keine Realität meiner selbst einbezogen ist. Aus diesen Gründen kann man wohl nicht völlig in Abrede stellen, daß der Akt des Selbstbewußtseins, das Subjekt als Objekt zu setzen, auf der Ebene der logisch-begrifflichen Scheidung oder Trennung des Ich in Subjekt und Objekt, die nur mit dem bloßen Begriff zu tun hat, vollzogen wird und daß das Ich, das im Selbstbewußtsein als Objekt vorgestellt wird, schlechterdings der bloße Begriff der Vorstellung meiner selbst ist. Dennoch steht hier weiterhin zur Debatte, ob das Ich als das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung ganz und gar auf den bloßen Begriff reduzierbar ist.
2.2. Das Ich bin als mein eigenes Dasein ohne Prädikat Nun stoßen wir aber auf ein wichtiges Fragment des op. post., das uns die zwar nicht leicht erfaßbare, aber doch ausschlaggebende Bedeutung des Ich im Selbstbewußtsein enthüllt: "Das Bewustseyn des ursprünglichen Daseyns eines Wesens das sich selbst constituirt ist das Bewustseyn I c h b i n (...)" (I, 148/13-14)
Das Bewußtsein meiner selbst: Ich bin, ist hiernach das Bewußtsein des ursprünglichen Daseins eines Wesens, das sich selbst konstituiert, d.i. das sich selbst setzt.
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Demgemäß muß das Bewußtsein meiner selbst als das Bewußtsein des Daseins des Ich angesehen werden, das sich selbst zum Objekt macht. Diese Äußerung Kants bestimmt betreffs des Wesens des Ich im Selbstbewußtsein deutlich, daß der Akt des Selbstbewußtseins, insofern es das Bewußtsein meines eigenen Daseins heißt, derjenige Akt sein muß, der mein Dasein setzt, und daß folglich das Ich, das durch den Akt des Selbstbewußtseins als ein Objekt gesetzt wird, das ursprüngliche Dasein meiner selbst bereits in sich enthalten muß.15 Abgesehen davon, wie das Ich im Selbstbewußtsein das Dasein meiner selbst ausdrücken kann, können wir hier zumindest klar ersehen, daß, solange das Selbstbewußtsein das Bewußtsein des Daseins meiner selbst ist, das Ich oder der Akt des Selbstbewußtseins auf keinen Fall nur den Bezug auf den bloßen Begriff des Ich haben kann, der keine Wirklichkeit betrifft. Denn da das Dasein, mithin die Wirklichkeit eines Dings, sich von einem bloß gedanklichen Begriff desselben unterscheidet und mehr als dieser ist, muß das Subjekt sich selbst nicht nur durch den bloßen Begriff als das Objekt überhaupt, sondern schlechterdings als das Dasein meiner selbst denken und dadurch als ein wirkliches Objekt, das wegen seiner Wirklichkeit keineswegs mit dem bloßen Begriff vertauschbar ist. Auf diesen Gedanken Kants können wir nun etwas näher eingehen, indem wir uns mit den Stellen der früheren Schriften auseinandersetzen, die den wesentlichen Charakter des Ich im Selbstbewußtsein gleichfalls erwähnen. Eine dieser Bestimmung des Selbstbewußtseins entsprechende wichtige Stelle kommt in den "Prolegomena" vor, und zwar mit einer entscheidenden Implikation: "Denn das Ich ist gar kein Begriff*), sondern nur Bezeichnung des Gegenstandes des inneren Sinnes, so fern wir es durch kein Prädicat weiter erkennen; (...). *) Wäre die Vorstellung der Apperception, das Ich, ein Begriff, wodurch irgend etwas gedacht würde, so würde es auch als Prädicat von anderen Dingen gebraucht werden können, oder solche Predicate in sich enthalten. Nun ist es nichts mehr als Gefühl eines Daseins ohne den mindesten Begriff und nur Vorstellung desjenigen, worauf alles Denken in Beziehung (relatione accidentis) steht." (AAIV, S. 334)
Hier handelt es sich lediglich darum, was das Ich im Selbstbewußtsein überhaupt sein soll. Vor allem können wir in diesem Zitat mit wenig Mühe ersehen, daß das Ich im Selbstbewußtsein niemals ein bloßer Begriff sein kann und darf. Der Grund dafür stellt sich hier wie folgt dar: Wäre das Ich ein Begriff, dann könnte es auch 15 E. Förster findet den Ansatz für die Selbstsetzungslehre im op. post, in der Problematik der Daseinssetzung der K.d.r.V. und anderer früherer Schriften Kants und stellt die These auf, daß die Selbstsetzungslehre im op. post, eine endgültige Antwort Kants darauf sei, wie das Subjekt seine Existenz und das Mannigfaltige, das zu seiner Existenz gehörig ist, ursprünglich setzen kann. Vgl. E. Förster: Kants v Selbstsetzungslehre'. In: Kants Transcendental Deductions. The three "Critiques' and the vOpus postumum', Stanford 1989, S. 217-38.
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als ein Prädikat von anderen Dingen gebraucht werden. Denn dadurch, daß unser Denken sich nur auf den bloßen Begriff, der keine Wirklichkeit eines Dinges betrifft, bezieht, bleibt völlig unausgemacht, ob dieser Begriff in der Beziehung auf die anderen Begriffe tatsächlich als ein Subjekt, das die anderen Begriffe als seine Prädikate an sich trägt, bestimmt werden müsse oder selbst nur als ein Prädikat eines anderen genommen werden könne. Angenommen also, daß das Denken im Selbstbewußtsein mit dem bloßen Begriff des Ich zu tun hätte, so würde das Ich gleichfalls als ein Prädikat von anderen Dingen genommen und darum als ein Prädikat, und nicht notwendigerweise als das Subjekt, gedacht werden können, was aber offenbarer Unsinn wäre. Denn das Ich im Selbstbewußtsein muß unbedingt das Subjekt bezeichnen, das keineswegs als ein Prädikat irgendeines anderen Subjekts gebraucht werden kann und auf das sich alle Prädikate des inneren Sinns tatsächlich beziehen müssen, damit ich mir meiner selbst rein als Subjekts bewußt werden und mir dadurch die Identität des Subjekts vorstellen kann. Es kann also ohne Bedenken behauptet werden, daß, falls das Ich im Selbstbewußtsein als das bloße Prädikat eines anderen Subjekts angesehen werden könnte, dann das Selbstbewußtsein nicht die Selbstidentität des Subjekts ausdrücken könnte. Folglich steht auch fest, daß das Ich im Selbstbewußtsein doch die Wirklichkeit meiner selbst betreffen muß, damit das Denken das Ich schlechthin als das Subjekt - unmöglich aber als das Prädikat eines anderen Subjekts - bestimmen kann. Natürlich enthält das Ich, obwohl es den wirklichen Gegenstand bezeichnet, keine Bestimmung in sich, denn sonst würde das Selbstbewußtsein geradewegs die Erkenntnis meiner selbst vollziehen, wobei nicht allein das Dasein meiner selbst, sondern auch die Bestimmung desselben zum Bewußtsein kommen müßte. Aber das Selbstbewußtsein ist, selbstverständlich, noch nicht Erkenntnis meiner selbst und unterscheidet sich darum ganz und gar von dem empirischen Bewußtsein meiner selbst. Das Ich der Apperzeption muß daher mein Dasein enthalten, ohne daß es doch eine reale Bestimmung meiner selbst mit enthält. Gerade aus diesem Gesichtspunkt äußert Kant zu Recht in der obigen Belegstelle, daß das Ich im Selbstbewußtsein den Gegenstand im realen Sinne bezeichnen muß, ohne daß es als Gegenstand durch irgendein Prädikat erkannt wird. Das Ich im Selbstbewußtsein ist also ein Objekt, das in sich mein Dasein ausdrückt, aber ohne die mindeste Bestimmung dieses Daseins, in Beziehung auf welche das Denken die wirkliche, synthetische Erkenntnis meiner selbst bewirken könnte,16 16 Dieselbe Explikation tritt nochmals in der zweiten Auflage der Paralogismen auf. In der Fußnote zu B 411 legt Kant die Bedeutung des Selbstbewußtseins, in dem das Subjekt sich seiner selbst
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ungeachtet dessen, daß Kant hier das Bewußtsein meines Daseins in der Apperzeption unverständlicherweise bloß für ein Gefühl hält. Eben in dieser Hinsicht sagt Kant auch in § 25 der zweiten Auflage in der transzendentalen Deduktion, daß das Ich im Selbstbewußtsein geradezu "mein eigenes Dasein" (B 157) heißt. Dieser Abschnitt fängt eigentlich mit der Feststellung an, daß ich mir in Ansehung meiner selbst durch den Akt der Apperzeption nur bewußt bin, daß ich bin. So ist das Ich bin (sum) eine einzige Vorstellung meiner selbst, auf die die Apperzeption führt. Nun stellt die Vorstellung: Ich bin weder das Ich an sich noch das Ich in der Erscheinung dar, weil sie kein Anschauen, sondern nur ein Denken ist, das gänzlich von der Art der Anschauung abstrahiert. Anschließend setzt Kant dieses Ich bin direkt mit meinem eigenen Dasein gleich, dem es aber an der Bestimmungsart fehlt, die gänzlich von der besonderen Art der Anschauung abhängt. Das Ich bin drückt schon mein Dasein aus, ohne daß es von einer Bestimmungsart meines Daseins begleitet ist.17 Dies bringt Kant in der Widerlegung des Idealismus, die er erst der zweiten Auflage der K.d.r.V. neu hinzufügt, abermals zum Ausdruck: "Freilich ist die Vorstellung: ich bin, die das Bewußtsein ausdrückt, welches alles Denken begleiten kann, das, was unmittelbar die Existenz eines Subjekts in sich schließt, aber noch keine E r k e n n t n i s desselben, mithin auch nicht empirische, d. i. Erfahrung; (...)" (B 277)
Anhand dieses Zitats können wir noch bestimmter sagen, daß die Vorstellung: Ich bin unmittelbar meine Existenz in sich schließt. Daß ich im Selbstbewußtsein mich selbst denke, besagt darum gerade auch, daß ich mein Dasein denke, ohne daß ich dadurch mich selbst erkenne. Und das Denken meiner selbst schließt auf diese Weise immer die Existenz meiner selbst als des Subjekts in sich ein. Dieses Zitat gibt der Überzeugung Ausdruck, daß das Ich als die Vorstellung lediglich als Subjekts bewußt ist, dar, wenn er den Fehler des Vernunftschlusses der rationalen Psychologie angibt:" (...) Ich kann im Denken meiner Existenz (Unterstreichung von mir) mich nur zum Subjekt des Urteils brauchen, welches ein identischer Satz ist, der schlechterdings nichts über die Art meines Daseins eröffnet." (Fußnote zu B 412) Kant meint hiermit, das Selbstbewußtsein sei das Bewußtsein meiner selbst als des Subjekts, das alle anderen Prädikate an sich trägt. In diesem Bewußtsein denke ich also meine Existenz, weil, ohne das Denken meiner Existenz vorauszusetzen, ich nicht mich selbst als das Subjekt denken kann. Dennoch sei in diesem Denken der Existenz keine konkrete Art dieses Daseins enthalten. Deswegen bedeute es, wenn ich mich selbst auch im Selbstbewußtsein als Subjekt denke, nicht, daß ich als Substanz existiere, was nämlich nur durch das Denken meiner Daseinsart in Erkenntnis verwandelt werden könne. Durch das Selbstbewußtsein, in dem das Ich als das Subjekt gedacht wird, ist also keine Erkenntnis meiner selbst möglich. Und daraus kann sich nur ein identischer Satz ergeben, obwohl das Denken hierbei Rücksicht auf mein Dasein nimmt, damit es mich selbst als das Subjekt des Urteils bestimmen kann. 17 Vgl. B 157f.
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der Apperzeption nicht bloß als der Begriff des Ich, dem keine Wirklichkeit zugewiesen werden kann, angesehen werden, sondern daß es ein Objekt im realen Sinne bezeichnen muß, damit ich mich als das Subjekt bestimmen kann. Infolgedessen muß das Selbstbewußtsein, damit es die Identität des Subjekts mit sich selbst bezeichne, eben das Bewußtsein meines Daseins heißen.18 Daß das Ich bin, dessen ich mir im Selbstbewußtsein bewußt bin, schlechthin mein eigenes Dasein ohne Bestimmung ausdrückt, wird auch dadurch bekräftigt, daß das Ich durch den Akt der Apperzeption als ein Gegenstand, den ich nicht durch ein Prädikat weiter erkennen kann, gesetzt und vorgestellt wird. Dies wird durch die Anmerkung, die der oben angeführten Stelle in der Deduktion (B 158) hinzugefügt ist, noch klarer belegt: "Das, Ich denke, drückt den Aktus aus, mein Dasein zu bestimmen. Das Dasein ist dadurch also schon gegeben, aber die Art, wie ich es bestimmen, d. i. das Mannigfaltige, zu demselben gehörige, in mir setzen solle, ist dadurch noch nicht gegeben." (Fußnote zu B 158)
Das Ich denke, nämlich die Apperzeption, bedeutet hiernach den Aktus, mein Dasein zu bestimmen, durch den nur mein Dasein selbst, noch nicht aber die Art der Bestimmung meines Daseins gegeben wird. Anders ausgedrückt: Die Apperzeption ist derjenige Aktus, durch den mein Dasein dem Bewußtsein gegeben wird, d.i. durch den das Ich als ein Objekt für mein Bewußtsein gesetzt wird, wodurch aber die Art der Bestimmung meines Daseins noch nicht mit gegeben wird. Darauf gestützt kann man als sicher annehmen, daß das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein meines eigenen Daseins, das keine Bestimmung mit enthält,
18 In der Vorrede der zweiten Auflage der K.d.r.V. unterscheidet Kant auch das " i n t e l l e k t u e l l e B e w u ß t s e i n meines Daseins, in der Vorstellung I c h b i n , welche alle meine Urteile und Verstandeshandlungen begleitet", mithin das Selbstbewußtsein, von der "Bestimmung meines Daseins durch i n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g " und zudem von der "inneren Erfahrung" (Fußnote zu B XL), d.i. von der Bestimmung meines Daseins durch die innere sinnliche Anschauung. Dieser Absatz samt allen oben angeführten Belegstellen erweist, daß Kant in der zweiten Auflage der K.d.r.V. ganz davon überzeugt ist, daß das Selbstbewußtsein geradezu das Bewußtsein des noch von keiner Bestimmungart begleiteten ursprünglichen Daseins meiner selbst bedeuten muß. Die Einzigartigkeit dieser Behauptung liegt darin, daß das Selbstbewußtsein, sofern es das intellektuelle Bewußtsein meines Daseins heißt, weder die Bestimmung desselben durch die intellektuelle Anschauung noch die durch die empirische, sinnliche Anschauung enthält. Dies veranlaßt zum Nachdenken, weil es nach Kant nicht verstellbar ist, das Dasein meiner selbst wie das Dasein der Gegenstände außer mir ohne Hilfe oder ohne Vermittlung der Anschauung möge sie intellektuell oder sinnlich sein - zum Bewußtsein zu bringen. Wenn es also darum geht, was das Selbstbewußtsein, das das ursprüngliche Denken meiner Existenz bedeutet, überhaupt sein kann oder wie es möglich ist, so gibt Kant in der K.d.r.V. keine überzeugende Antwort. Vielmehr leisten alle Beschreibungen dem Anspruch kein Genüge, einen klaren Begriff davon in der gesamten Erkenntnistheorie zu verschaffen. Auf diese Weise bleibt das Wesen des Selbstbewußtseins in bezug auf die Daseinsproblematik dort änigmatisch.
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schlechterdings den Akt des Subjekts bedeutet, der mein eigenes Dasein ohne Bestimmung setzt. Oder umgekehrt: insofern die Apperzeption derjenige Akt ist, durch den meine eigene Existenz und also das Ich als ein reales Objekt gegeben wird, tritt das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein meines Daseins auf, das mit keiner inneren Erfahrung verwechselt werden darf. Eine derartige Äußerung Kants scheint derjenigen des op. post, sogar fast wörtlich nahezukommen. Denn der Akt der Apperzeption in der K.d.r.V., mein Dasein ohne eine konkrete Bestimmung zu bestimmen, steht ohne Zweifel mit dem Akt derselben im op. post., das Ich zugleich als Objekt zu setzen, in enger Verbindung, und in beiden Fällen wird das Ich als ein Objekt vorgestellt, das mein Dasein ohne Bestimmung darstellt, wobei aber nicht zugleich die Erkenntnis meiner selbst, sondern nur die logische, analytische Vorstellung des Ich erworben werden kann. Hiermit liegt folglich nahe, warum Kant im op. post, dazu kommen muß, den Akt des Selbstbewußtseins als denjenigen festzusetzen, durch den das Ich zum Objekt wird, und wie man diesen Akt der Apperzeption konkret verstehen kann. Falls das Selbstbewußtsein bloß auf den Begriff des Ich ginge und dieses Ich im Selbstbewußtsein nicht ein Objekt im realen Sinne bezeichnete, könnte ich mir beim Selbstbewußtsein nicht die Identität des Ich als Subjekts vorstellen, weil dann das Ich als ein bloßer Begriff willkürlich bald als Subjekt, bald als ein Prädikat eines anderen Subjekts gedacht werden könnte, wodurch aber die Identität des Ich als Subjekts in keiner Weise zu erlangen wäre. Eben deswegen muß das Selbstbewußtsein, in dem sich die logische, analytische Vorstellung meiner selbst ergibt, zugleich als der Aktus der Selbstobjektivierung gelten. Ferner muß das als Objekt gesetzte Ich sicherlich auch nicht überhaupt der leere Begriff sein, der sich mit der Wirklichkeit meiner selbst gar nicht berührte, sondern in sich unmittelbar das Dasein meiner selbst einschließen. Deshalb vollzieht sich der Akt des Selbstbewußtseins, durch den das Ich zum Objekt wird, nicht auf der formal-logischen Ebene, bei der doch von keiner Wirklichkeit je die Rede sein kann.19 Vielmehr wird durch den Akt des Selbstbewußtseins das Dasein meiner selbst gesetzt, ohne daß es von einer weiteren Bestimmung - möge sie zum Ich an sich oder zum Ich in der Erscheinung gehören - begleitet ist. Mit anderen Worten: das bestimmbare Objekt ohne Bestimmung muß dasjenige Objekt sein,
19 Hierdurch wird gezeigt, daß die Interpretation Adickes' nicht haltbar ist. Sonst befände der Akt des Selbstbewußtseins sich nur, nach Adickes, in der formell-logischen Ebene, wobei von der Wirklichkeit dann aber in keiner Weise die Rede sein kann. Aber das Selbstbewußtsein fuhrt, wie deutlich geworden, unmittelbar auf die Wirklichkeit, d.h. das Dasein meiner selbst. Deshalb kann die Behauptung Adickes' keine Gültigkeit beanspruchen.
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das bloß das Dasein ohne das mindeste Prädikat in sich enthält. Und das Bewußtsein meiner selbst ist also das Bewußtsein meines usprünglichen Daseins, ohne daß es zur Erkenntnis meiner selbst wird.
3. Das Selbstbewußtsein ist im wesentlichen die Selbstanschauung. 3.1. Das Selbstbewußtsein als ein empirischer Satz in der K.d.r.V. Es kann nun als eine Tatsache gelten, daß das Selbstbewußtsein in sich das Dasein meiner selbst einschließt und also ohne weiteres das Bewußtsein meines Daseins ist und daß das Ich der Apperzeption darum auch nicht bloß ein Begriff des denkenden Subjekts, sondern zugleich etwas Existierendes ist. Eben in diesem Zusammenhang findet sich aber in der K.d.r.V. eine weitere, anscheinend sehr gewagte Erörterung betreffs des Wesens des Selbstbewußtseins. Diese lautet folgendermaßen: *) Das Ich denke, ist, wie schon gesagt, ein empirischer Satz, und enthält den Satz, Ich existiere, in sich. Ich kann aber nicht sagen: alles, was denkt, existiert; denn da würde die Eigenschaft des Denkens alle Wesen, die sie besitzen, zu notwendigen Wesen machen. Daher kann meine Existenz auch nicht aus dem Satze: Ich denke, als gefolgert angesehen werden, wie Cartesius dafür hielt (weil sonst der Obersatz: alles, was denkt, existiert, vorausgehen müßte), sondern ist mit ihm identisch. Er drückt eine unbestimmte empirische Anschauung, d. i. Wahrnehmung, aus, (mithin beweist er doch, daß schon Empfindung, die folglich zur Sinnlichkeit gehört, diesem Existenzialsatz zum Grunde liege,) (...)" (Fußnote zu B 422)20 Hier wird vor allem deutlich, daß das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption, nämlich das Ich denke, ein empirischer Satz ist und in sich den Satz: Ich existiere, identisch enthält. Natürlich ist es nicht verwunderlich, daß das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption mit der Existenz meiner selbst identisch ist und unmittelbar den Satz: Ich existiere, darstellt. Denn, wie bereits erwiesen, bin ich beim Selbstbewußtsein mir meiner selbst, und zwar meines eigenen Daseins, bewußt, wobei ich also schlechtweg darauf gehe, zu sagen, daß ich bin, oder besser, daß ich existiere. Hierzu fügt Kant aber überraschenderweise direkt hinzu, daß das Selbstbewußtsein eben dar20 V. Mathieu hält diesen Absatz für die einzige Belegstelle in der K.d.r. V., in der die Trennung von dem "Ich denke" und dem "Ich empfinde" möglicherweise überwunden werden kann, so daß der Übergang von jenem zu diesem gegründet hergestellt werden kann. Vgl. V. Mathieu/1989, S. 175f.
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um ein empirischer Satz ist. Anders formuliert: Kant setzt hier das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption, die mit meiner Existenz identisch ist, geradezu mit einem empirischen Satz, und dadurch auch mit einer "unbestimmte(n) Anschauung, d. i. Wahrnehmung" gleich. Allerdings klingt diese Aussage als solche widersinnig und sogar der Definition nach unmöglich. Denn das Bewußtsein meiner selbst oder die Apperzeption, selbst wenn es in sich unmittelbar die Existenz meiner selbst einschließt, wird doch immerhin für rein intellektuell - ohne Mischung mit Anschauung - gehalten, und eben deswegen wird das Bewußtsein meines Daseins schlechtweg "das intellektuelle Bewußtsein meines Daseins (B XL)" genannt. Das heißt, daß, wenngleich das Selbstbewußtsein in sich die Vorstellung meiner Existenz einschließt, dazu ausschließlich nur der "Gedanke(n) von etwas Existierendem (B 277)" oder das "Denken meiner Existenz (B 412)", aber keinesfalls die Anschauung oder die Wahrnehmung derselben, gehört. Es ist daher bis jetzt unbegreiflich, in welchem Punkt oder mit welchem Recht Kant eben doch das Selbstbewußtsein durchaus mit einem empirischen Satz gleichsetzt, so daß es als solches unmittelbar eine Wahrnehmung oder eine Anschauung ausdrückt. Den Schlüsselbegriff zur Einsicht in diese Problematik macht die Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein aus. Daher ist in erster Linie unser Augenmerk darauf hinzulenken, was man, Kant zufolge, unter der Existenz oder der Wirklichkeit eines Dinges überhaupt versteht oder wodurch wir das Dasein eines Dinges erkennen können. Was nun die Existenz eines Dinges überhaupt anbelangt, so ist bei ihm, und zwar in der K.d.r.V., unbestreitbar, daß das Dasein, mithin die Wirklichkeit eines Dinges niemals aus dem bloßen Denken allein abgeleitet oder erschlossen werden kann; denn "in dem b l o ß e n Begriffe eines Dinges kann gar kein Charakter seines Daseins angetroffen werden" (B 272=A 225). Das Denken ist darum für sich allein gänzlich unbefugt, irgendeinem Dinge seine Wirklichkeit abzusprechen oder sie ihm zuzugestehen. Der Grund dafür ist: Das Dasein ist, bei Kant, "kein reales Prädikat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne", sondern "bloß die Position eines Dinges" (B 626=A 598). Dies bedeutet vor allem, daß die Existenz eines Dinges keineswegs aus bloßer Analysis eines Begriffs desselben allein hergeleitet werden kann. Das Bewußtsein von Existenz findet deshalb bei uns überhaupt nicht analytisch statt, oder unser Denken kann für sich allein - in analytischer, logischer Weise - niemals dazu kommen zu statuieren, daß etwas wirklich existiert. Dazu bedürfen wir nicht bloß des Denkens, sondern müssen darüber hinaus ein anderes Mittel in uns finden, damit wir sagen können, daß etwas existiert.
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Nun ist bei uns "ein einziger Charakter der Wirklichkeit" eines Dinges eben "Wahrnehmung" (B 273=A 225). Das heißt, daß die Existenz für uns nur durch die Wahrnehmung, niemals aber bloß durch das Denken, gegeben werden kann. Sie hat also ihren Grundcharakter nicht im Gedachtsein, sondern im Gegebensein. Folglich können wir uns nur insofern die Existenz eines Dinges vorstellen, als dessen Existenz zu dem Denken anderwärts, nämlich durch die Wahrnehmung, hinzukommt. Mit anderen Worten: Wir können nur durch die Wahrnehmung erkennen, ob ein gedachtes Ding wirklich existiert oder nicht, und außer Wahrnehmung haben wir kein anderes Mittel, uns die Wirklichkeit eines Dinges vorzustellen. Unser Denken bekommt daher, wenn es zur Existenz eines Dinges gelangt und sie denkt, außer dem Begriff desselben noch eine Wahrnehmung,21 die ihm synthetisch, aber niemals analytisch, hinzugefügt ist: "jeder Existenzialsatz" ist daher immer "synthetisch" (B 626=A 598), d.i. nur durch die Wahrnehmung allein möglich. Aus diesem Grund sagt Kant, daß jedem Existenzialsatz nicht das Denken, sondern vielmehr eine Wahrnehmung oder Empfindung zugrunde liegen muß.22 Auf dieser Grundlage ist mit einzubeziehen, daß, wenn es sich lediglich um die Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein handelt, diese ebenfalls in keiner Weise aus dem bloßen Denken gefolgert werden kann, sondern nur in der Wahrnehmung anzutreffen ist, wie die der anderen äußeren Dinge auch. Sonst wäre sie, ganz anders als diese, vom oder durch das Denken selbst gegeben und vorgestellt, was nach Kant aber niemals zu gestatten ist. Folglich ist einfach anzuerkennen, 21 Vgl. B629=A601. 22 Hiermit kann man genauer einsehen, was Kant eigenüich unter dem Ausdruck "Synthesis", im Unterschiede zu "Analysis", versteht. Im allgemeinen wird die Synthesis als eine Tätigkeit des Verstandes, das Mannigfaltige zu verbinden (vgl. B 129f.), definiert. Aber in dieser Definition darf man den Nachdruck nicht nur auf die Seite der Tätigkeit des Subjekts legen, sondern muß eher darauf aufmerksam machen, daß diese Tätigkeit nur im Bezug auf das Mannigfaltige ihren eigentümlichen Sinn erhalten kann. Mit anderen Worten: das Subjekt, oder besser, der Verstand handelt immer, sei es analytisch oder synthetisch, und seine Natur liegt durchweg in der Tätigkeit oder der Handlung. Die analytische Tätigkeit desselben bleibt nun aber nur auf der logischen und subjektiven Ebene und kann keinen Anspruch auf Objektivität machen, weil die Beziehung auf etwas, was in der Tat existiert, überhaupt fehlt. Nur wenn der Verstand synthetisch - in Beziehung auf das Objekt, das unabhängig von und außer dem Denken existiert, - handelt, zeigt sich seine Tätigkeit als real und objektiv. D.h. die Synthesis des Verstandes bedeutet im wesentlichen die Bezugnahme des Verstandes auf das Mannigfaltige der möglichen Wahrnehmung oder der Anschauung, d.i. auf das wirkliche Objekt. Deshalb bedeutet die Synthesis bei Kant nicht einfach die spontane Tätigkeit des Subjekts, sondern Tätigkeit, in der das Subjekt nicht in sich selbst abgesondert bleibt, sondern bereits in der Beziehung aufs Objekt steht. Und der Existenzialsatz: Ich existiere, bietet also in diesem Sinnzusammenhang, wenn man will, dem Subjekt das ursprüngliche Moment zur auf das Objekt bezogenen Tätigkeit des Subjekts im Selbstbewußtsein an, weil meine Existenz im Selbstbewußtsein, obgleich sie nur zum Denken gehörig ist, doch unbezweifelbar das synthetische Moment für dieses ausmacht.
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daß jedem Existenzialsatz - möge er auf die Existenz meiner selbst oder auf die der äußeren Dingen gehen - Empfindung oder Wahrnehmung zugrunde liegt, und also der Satz: Ich existiere, auch bloß ein empirischer Satz ist. Wenn Kant daher behauptet, daß durch das Ich denke, d.i. im Selbstbewußtsein, meine Existenz schon gegeben wird, dürfte er doch damit gewiß nicht meinen, daß meine Existenz dabei direkt durch das Denken gegeben würde und daß meine Existenz darum völlig auf das Denken selbst reduzierbar oder davon abgeleitet sei, sondern vielmehr, daß meine Existenz, obwohl sie uns hier nur zum Denken gegeben wird, doch selbstverständlich die ihr zugrundeliegende Anschauung oder die Wahrnehmung beweist, durch welche allein die Existenz meiner selbst dem Denken gegenwärtig gegeben werden kann. D. h. mein Dasein, das unmittelbar das Selbstbewußtsein darstellt, muß auf jeden Fall als durch die Wahrnehmung gegeben angesehen werden. Gerade aus diesem Blickwinkel wird einigermaßen verständlich, warum Kant oben bei aller scheinbaren Widersprüchlichkeit doch die Behauptung wagt, daß der Satz: Ich existiere, der im Selbstbewußtsein identisch enthalten ist, keinesfalls als aus dem Satz: Ich denke, d.i. aus dem bloßen Denkaktus, gefolgert angesehen werden kann, sondern ein empirischer Satz ist, dem die Empfindung zugrunde liegt, und daß das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption, solange sie mit dem Dasein meiner selbst identisch ist, auch ein empirischer Satz ist und unmittelbar eine Wahrnehmung oder Empfindung ausdrückt. Jedesmal, wenn vom Dasein meiner selbst im Selbstbewußtsein die Rede ist, gilt es für Kant also in der K.d.r.V., und besonders in der zweiten Auflage der Paralogismen, als gewiß, daß das Selbstbewußtsein, weil es in sich direkt den Satz: Ich existiere, oder Ich existiere denkend, darstellt, ein empirischer Satz ist: "Der Satz, Ich denke, oder, ich existiere denkend, ist ein empirischer Satz. Einem solchen aber liegt empirische Anschauung, folglich auch das gedachte Objekt als Erscheinung, zum Grunde, (...)" (B 428, die Unterstreichung von mir.) "Weil aber mein Dasein in dem ersten Sätze als gegeben betrachtet wird, indem es nicht heißt, ein jedes denkendes Wesen existiert, (...) sondern nur: ich existiere denkend; so ist er empirisch, und enthält die Bestimmbarkeit meines Daseins bloß in Ansehung meiner Vorstellungen in der Zeit." (B 420, die Unterstreichung von mir.)
Wie wir aus diesen Belegstellen klar einsehen können, führt Kant, wenn er auf das Problem des Daseins meiner selbst im Selbstbewußtsein stößt, dieses Dasein einfach auf eine empirische Anschauung, d.i. auf eine Wahrnehmung zurück und hält das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption in diesem Punkt für mit einem empirischen Satz identisch. Gerade aus diesen Gründen hält Kant in der K.d.r.V. sogar
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die Apperzeption, nämlich das Ich denke, ohne weitere Angabe direkt für "innere Wahrnehmung überhaupt" oder "Wahrnehmung überhaupt" (B 401=A 343). Hiermit läßt sich schließlich vor Augen führen, daß das Selbstbewußtsein, weil es in sich das nur durch die Wahrnehmung zu gebende und vorzustellende Dasein meiner selbst einschließt, nicht mit dem Denken allein, sondern auch mit der Wahrnehmung - auf welche Weise auch immer - zusammenhängen oder dieser gleichkommen muß.23 Freilich bleibt doch diese Gedankenfolge bei allem mühsamen Versuch, von ihr Rechenschaft zu geben, in der K.d,r. V ohne weitere Begründung und rätselhaft. Denn obwohl sie sicherlich der einzige Weg ist, den Kant einschlagen kann und muß, wenn es ihm darum geht, das identische Gegebensein der Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein irgendwie näher und anderen Lehrmeinungen entsprechend zu klären, widerspricht dieses ursprüngliche Zusammenfallen von Apperzeption und Wahrnehmung doch der wesenhaften Konzeption der Apperzeption völlig. In der K.d.r.V. wird das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption, von der Kant immer stringent bestimmt, daß sie ganz und gar a priori, d.i. rein formaliter geschieht, als ursprüngliche Spontaneität des Subjekts verstanden und bildet also nur einen allem Denken zugrundeliegenden höchsten Punkt des Denkens, dem die Anschauung als das sinnliche Vermögen, das eine jener von Grund aus heterogene Quelle der Erkenntnis ausmacht, absolut entgegensteht. Deswegen könne die bei
23 Das Zusammenfallen der Apperzeption und der Wahrnehmung überhaupt in der K.d.r.V. kann man vielleicht rechtfertigen, indem man es derart auslegt, daß es lediglich darauf hinweist, daß das Bewußtsein seiner selbst nur anläßlich der Erfahrung irgendeines äußeren Dinges stattfinden kann. Hierzu könnten zwei Punkte angeführt werden. Erstens: Wenn das Selbstbewußtsein mein Dasein in sich einschließt, dann muß es in sich über meine Existenz hinaus noch das Dasein irgendeines äußerlichen Gegenstandes umfassen. Denn "das Bewußtsein eigenen Daseins ist", wie man in der Widerlegung des Idealismus in der zweiten Auflage der K.d.r.V. deutlich lesen kann, "zugleich ein unmittelbares Bewußtsein des Daseins anderer Dinge außer mir" (B 276). Das Bewußtsein meiner selbst, welches, wie gesehen, unmittelbar meine Existenz als einen Gegenstand der Wahrnehmung in der Zeit darstellt, muß also gleichfalls direkt auf das Dasein eines äußeren Gegenstandes im Raum führen. Widrigenfalls würde die Widerlegung des Idealismus Kants zunichte. Zweitens erklärt Kant in der "Anthropologie", daß das Bewußtsein seiner selbst erst möglich ist, wenn das Subjekt auf ein anderes Ding außer sich selbst in Beziehung steht (vgl. AA VII, S. 127). Dies bedeutet einfach, daß, ohne das, was von mir selbst unterschieden ist, vorauszusetzen, es ganz und gar unmöglich ist, daß ich mir meiner selbst bewußt bin, oder daß es überhaupt kein Bewußtsein gäbe, wenn wir uns nicht auf ein Objekt, das außer uns ist, bezögen, weil unser Denkaktus nur aus Anlaß der Erfahrung oder der Wahrnehmung, welche uns das Mannigfaltige als Stoff zum Denken gibt, geschehen kann. Hierdurch kann folglich das Bewußtsein meiner selbst, wenn es auch ein höchster transzendentaler Grund zu allen Erkenntissen ist, doch erst in Verbindung mit der Wahrnehmung der äußeren Dinge bewirkt werden. Diese Auslegung bestätigt, daß das Selbstbewußtsein und die Wahrnehmung äußerer Dinge und damit auch die des inneren Zustandes gleichzeitig geschehen müssen; die verschiedenen Erkenntnismomente finden zugleich statt, obgleich sie keineswegs dem Wesen nach miteinander zusammentreffen können.
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den keineswegs aufeinander zurückgeführt werden oder miteinander zusammenkommen. Es ist daher eigentlich kaum zu fassen, wie die Apperzeption, obwohl sie in sich die Existenz meiner selbst umfaßt, direkt der Wahrnehmung oder der Anschauung überhaupt gleichkommen kann, und umgekehrt, wie sie mein Dasein, das schlechterdings nur durch Wahrnehmung zugänglich ist, identisch in sich enthalten kann. Somit bleibt die Äußerung über die Identität der Apperzeption mit einer Wahrnehmung oder Anschauung tatsächlich bloß als ein Stein des Anstosses zur systematischen Rekapitulation des Wesens des Selbstbewußtseins im Hintergrund der Kantischen Lehre.
3.2. Das Selbstbewußtsein als Übergang von der Apperzeption zur Apprehension im op. post. Wir können aber auch im op. post, angesichts des Daseinsproblems im Selbstbewußtsein dieselbe Stellungnahme wie in der K.dr.V. ausfindig machen, wenn wir uns dazu hinwenden zu begreifen, was das Ich im Selbstbewußtsein heißen soll, wenn es nicht bloßer Begriff des denkenden Subjekts, sondern etwas Existierendes ist. Ist nämlich vom Dasein meiner selbst im Selbstbewußtsein die Rede, so sagt Kant auch hier in Anklang an die K.d.r.V., daß das Ich im Selbstbewußtsein, sofern es in sich meine Existenz identisch enthält, nicht allein ein logischer Begriff, sondern zugleich ein Gegenstand der Wahrnehmung ist: "- Es existirt etwas (apprehensio simplex) ich bin nicht blos logisches Subject und Prädicat sondern auch Gegenstand d e r W a r n e h m u n g dabüe non solum cogitabile" (II, 96/12-15) Es kommt hierin offenkundig zur Sprache, daß das Ich der Apperzeption, solange es etwas Existierendes ist, nicht ein bloßer Begriff des Denkens, sondern eher ein Gegenstand der Wahrnehmung ist. Die Vorstellung des Ich im Selbstbewußtsein, die unmittelbar meine Existenz darstellt, kommt also nicht dem Denken, sondern der Wahrnehmung zu und ist daher nicht das bloß Gedachte, sondern vielmehr das Gegebene. Dieser Gedanke hängt freilich eben dem im letzten Abschnitt (III.3.1) beschriebenen Prinzip Kants an, gemäß dem die Existenz überhaupt weder im Denken als solchem identisch eingeschlossen noch von diesem analytisch ableitbar ist, sondern über das Denken hinaus lediglich in der Wahrnehmung anzutreffen ist. Was also mein Dasein im Selbstbewußtsein anbelangt, so wird es auch im op. post.
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nicht als etwas aus dem Denken Gefolgertes oder etwas dem Denken identisch Zukommendes, sondern als etwas über das Denken Hinausliegendes oder etwas außerhalb dieses Befindliches angesehen. D.h. es ist ein Gegenstand der Wahrnehmung und also durch das leidende Verhalten des Subjekts gegeben. Deshalb ist das Ich der Apperzeption, sobald es existiert, ein Gegenstand der Wahrnehmung, also das Wahrgenommene. Diese Feststellung, daß nämlich das Dasein meiner selbst, obwohl es im Selbstbewußtsein vorgestellt wird, eigentlich nur in der Wahrnehmung gegeben ist und das Ich der Apperzeption darum sicher ein Gegenstand der Wahrnehmung ist, 7'eht im op. post, wiederum eine weitere, doch von der K.dr.V. durchaus Verschiedene Gedankenfolge nach sich. In der K.d.r.V. könnte man sich auf Grund der Festlegung des unmittelbaren Gegebenseins der Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein den Sachverhalt nur so vorstellen, als ob das Geschehen der Apperzeption unbedingt an die Wahrnehmung und damit an das leidende, rezeptive Vermögen gebunden wäre. Die Identität zwischen Apperzeption und Wahrnehmung vermittelst der Existenz meiner selbst dürfte man daher in der K.d.r.V. niemals als einen Hinweis auf die Möglichkeit der einheitlichen Beziehung beider in ihren wesentlichen Zügen nehmen. Sie würde höchstens die nicht logische, sondern genealogische Gleichzeitigkeit des Geschehens beider Vermögen beim wirklichen Erkenntnisvorgang implizieren. Im Gegensatz dazu ist im op. post, das Dasein meiner selbst im Selbstbewußtsein eigentlich ein Produkt der aktiven Tätigkeit des Subjekts und ergibt sich nur in diesem Akt. Das Selbstbewußtsein ist hier, wie vorhin deutlich gezeigt, nicht anders denn als der Akt der Selbstsetzung verstanden, und durch diesen Akt macht das Subjekt sich selbst zum Objekt, und zwar zu etwas Existierendem. Demzufolge wird das Dasein meiner selbst auf den Akt der Selbstsetzung zurückgeführt, und dieser bewirkt es. Hieraus entsteht aber ein beim ersten Anblick widersprüchlich scheinender Sachverhalt, welcher darin liegt, daß die Existenz meiner selbst, die ursprünglich von dem Akt der Selbstsetzung abhängt, tatsächlich bloß ein Gegenstand der Wahrnehmung ist und also mich selbst als das Wahrgenommene vorstellt. Anders ausgedrückt: Die Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein, sofern sie von einem Akt des Subjekts gesetzt und vorgestellt wird, scheint zwar dasjenige sein zu müssen, was gänzlich vom diesen Akt leistenden Subjekt umfaßt wird und also das mit diesem Akt identische Merkmal in sich enthält, aber sie ist immer noch ein Gegenstand der Wahrnehmung und also das Wahrgenommene, welches vom dem Akt selbst wesenhaft zu unterscheiden ist und diesem sogar entgegentritt. Allerdings ist diese eigenartige Charakteristik des Daseins meiner selbst im
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Selbstbewußtsein nicht bloß reiner Widerspruch, sondern sie wurzelt auch in der Grundstruktur des Selbstsetzungsaktes. Kant führt hier nämlich mit guten Gründen vor, daß die Apperzeption bei ihrem ursprünglichen Akt der Selbstsetzung nicht immer in sich bleibt, sondern aus sich selbst heraus und über sich selbst hinaus das, was von ihr selbst unterschieden ist, setzt und direkt dazu übergeht. Daß das Subjekt sich selbst als ein Objekt, und zwar als ein wirkliches Objekt setzt, besagt daher, daß es als ein Aktus sich selbst als ein Leiden setzt. Gerade aus diesem Blickwinkel wird im op. post, mit Nachdruck festgestellt, daß das Selbstbewußtsein, indem es mein Dasein setzt oder sich selbst zum Objekt macht, von der Apperzeption zur Apprehension fortschreitet: "(...) Ich bin existirend enthält die Apprehension d. i. ist nicht blos ein subjectives Urtheil sondern macht mich selbst zum Object der Anschauung im Räume u. der Zeit. - Das logische Bewustseyn führt zum Realen und schreitet von der Apperception zur Apprehension und deren synthesis des Mannigfaltigen." (II, 96/25-29) "(...) Nur dadurch daß das Subject sich selbst Object wird schreitet die A p p e r c e p t i o n zur A p p r e h e n s i o n und schreitet von der Metaph. zur Transsc: Philosophie fort vom Analytischen zum Synthetischen a priori durch den Verstand (...)" (II, 72/26-29)
Damit wird unverkennbar hervorgehoben, daß das Selbstbewußtsein oder der Akt der Selbstsetzung, indem es das Dasein meiner selbst als eines Objekts setzt, von der Apperzeption als dem logischen Bewußtsein zur Apprehension als dem realen Bewußtsein fortschreitet. Der Akt der Selbstsetzung ist also hiernach als ein Übergang von der Apperzeption zur Apprehension verstanden.24 Unter dem Übergang von der Apperzeption zur Apprehension darf man sich hier aber nicht einen psychologischen Übergang von einem Bewußtseinszustand zu einem anderen vorstellen, denn ein solcher Übergang kann nicht zu einem Akt des transzendentalen Bewußtseins qualifizieren. Man muß diesen Übergang vielmehr derart verstehen, daß das Subjekt der Apperzeption, nämlich des Ich denke, sobald es das Dasein meiner selbst setzt und sich selbst als ein wirkliches Objekt darstellt, zur Apprehension übergeht und sich selbst als die Apprehension setzt. Beim Selbstbewußtsein kann und darf das Ich also keineswegs bloß bei der Apperzeption als dem bloß in sich bleibenden, logischen Denken stehenbleiben, sondern es schreitet, sobald es durch die Vorstellung des Ich im Bewußtsein meiner selbst sich seiner selbst, und zwar seines Daseins als eines Objekts bewußt ist, aus sich
24 Von dem Akt der Selbstsetzung meint A. Krause, daß "das Bewußtsein nichts Logisches, nichts Identisches ist, sondern daß es auf ein Empfangen geht, sei es daß ich mir meiner als denkend oder als anschauend bewußt werde. Also übt der so Erwachende die Autonomie über sich aus, daß er empfangen kann." (A. Krause/1888, S. 72)
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selbst als dem denkenden und handelnden heraus gleich zur Apprehension, zum leidenden Ich fort und nimmt sich als ein Objekt wirklich wahr. Das denkende Ich, d.i. die Apperzeption, setzt sich selbst also als das Wahrgenommene und wird dadurch zum Wahrnehmenden, d.i. zur Apprehension. Dies kann man folgendermaßen in einen formelhaften Überblick bringen: Das Selbstbewußtsein = Ich denke mich selbst. (= Ich handle) = Ich bin mir meiner selbst bewußt. = Ich werde mir selbst ein Objekt. = Ich setze mich selbst als ein Objekt. = Ich setze mich selbst als etwas Existierendes. (Ich bin mir meiner selbst als eines Existierenden bewußt.) = Ich setze mich selbst als ein Objekt der Wahrnehmung. (Ich bin mir meiner selbst als Objekts der Wahrnehmung bewußt) = Ich nehme mich wahr. (=Ich leide) Somit liegt nahe, daß das Selbstbewußtsein oder der Akt der Selbstsetzung eine Setzung der Wahrnehmung oder der Apprehension ist und die Apperzeption in dieser Hinsicht ohne weiteres mit der Apprehension zusammenkommt. Dieses Moment des Selbstbewußtseins können wir uns noch deutlicher vergegenwärtigen, wenn wir ein anderes Fragment, das dieselben Grundzüge des Selbstbewußtseins, aber in etwas anderem Ton, enthält, heranziehen: r+f
"Ich bin mir meiner selbst bewust (apperceptio). Ich denke d. i. ich bin mir selbst ein Gegenstand des V e r s t a n d e s . Aber ich bin mir auch ein Gegenstand der S i n e und der empirischen Anschauung (apprehensio) das denkbare Ich (cogitabile) setzt sich selbst als das Spührbare (dabile) und dieses a priori im Räume u. der Zeit welche a priori in der Anschauung gegeben sind welche bloße Formen der Erscheinung sind. - " (II, 119/10-15)
Es ist im op. post, unter dem Selbstbewußtsein mit gleichem Gewicht sowohl das Denken meiner selbst (=die Apperzeption) als auch die Wahrnehmung meiner selbst (=die Apprehension) zu verstehen, wobei das Ich nicht nur als ein Gegenstand des Denkens (cogitabile), sondern zugleich als ein Objekt der Wahrnehmung (dabile) angesehen wird. Sofern das Selbstbewußtsein also ein Akt des Subjekts ist, sich selbst als das denkende, handelnde Ich zum wahrnehmbaren, leidenden Ich 25 Auch V. Mathieu interpretiert den Übergang von der Apperzeption zur Apprehension derart, daß dabei das denkende Ich sich selbst als das empfindende setzt. Und auch nach ihm wird durch diesen Übergang ein Zusammenfallen von Spontaneität und Rezeptivität begründet. Vgl. V. Mathieu/1989, S. 173-82.
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als zum Objekt der Wahrnehmung zu machen, drückt das Selbstbewußtsein in sich notwendigerweise das Bewußtsein seiner selbst einerseits als eines denkenden Subjekts, aber andererseits zugleich als eines Objekts der Wahrnehmung aus. Dementsprechend verhält sich das Subjekt also im Selbstbewußtsein, d.i. im Selbstobjektivierungsprozeß, zu sich selbst nicht bloß tätig, sondern auch leidend: "= Die Vorstellung der Apperception die sich selbst zum Gegenstande der Anschauung macht enthält einen zweifachen Act: erstlich den sich selbst zu setzen (der Spontaneität) und den von den Gegenstanden afficirt zu werden und das Manigfaltige in der Vorstellung zur Einheit a priori zusamen zu fassen (den der Receptivität)." (II, 31/10-14)
Daß ich im Selbstbewußtsein mich selbst nicht bloß als das Objekt des Denkens, sondern vielmehr auch als das der Anschauung setze, bringt unmittelbar mit sich, daß das Selbstbewußtsein gleichsam einen zweifachen Akt, nämlich den der Spontaneität und den der Rezeptivität, identisch enthält. Anders ausgedrückt: Sobald das Ich im Selbstbewußtsein handelt, sich selbst zu setzen, leidet das Ich zugleich. Das Subjekt verhält sich dabei so zu sich selbst nicht nur tätig, sondern zugleich leidend.215 Auf diese Weise ergibt sich im Selbstbewußtsein das zweifache Ich, nämlich das Ich als Subjekt des Denkens und das Ich als Objekt der Wahrnehmung, oder das Ich als das Handelnde und das Ich als das Leidende, und es fließen diese zweifachen Momente der Ichheit - Subjektivität und Objektivität - direkt aus dem Selbstbewußtsein, oder das Selbstbewußtsein besteht eigentlich in dieser Verdopplung der Ichheit. Es ist folglich überzeugend, daß die Apperzeption im op. post. den wesentlichen Zügen nach mit der Apprehension zusammenhängt und daß die Apperzeption, das ich handle, und die Apprehension, das ich leide, einen einigen Vorgang der Selbstsetzung ausmachen und bei diesem Akt durchaus identisch zusammenkommen müssen.
3.3. Die Selbstanschauung als ein Akt der Selbstsetzung Angesichts dieser Zusammengehörigkeit von Apperzeption und Apprehension im Selbstbewußtsein oder der Verdopplung der Ichheit stellt sich nun aber zwangsläu26 Die Selbstsetzung als Übergang von dem denkenden Ich zum empfindenden Ich bestimmt V. Mathieu als die vertikale Synthesis, die die verschiedenen Schichten des Erkennens - Verstand und Anschauung - miteinander verknüpft, im Gegensatz zur progressiven Synthesis, die horizontal das Homogene auf derselben Ebene verbindet. Vgl. V. Mathieu/1989, S. 178ff.
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fig eine weitere, schwerwiegende Frage, wie man nämlich das Selbstbewußtsein im op. post, begreifen soll. Denn wenn das Ich des Selbstbewußtseins das zweifache Ich, d.i. einerseits das denkende oder das handelnde und andererseits das wahrnehmende oder das leidende bezeichnet, sind wir bis jetzt nicht in der Lage zu erfassen, was die Vorstellung des Ich im Selbstbewußtsein sein kann und durch welches Vermögen dieser Akt der Selbstsetzung stattfinden kann. Wäre z.B. die Vorstellung des Ich im Selbstbewußtsein, wie es in der K.d.r.V. ausgeführt ist, das Denken, nämlich eine gedankliche, rein intellektuelle Vorstellung des Subjekts als bloßer Selbsttätigkeit und könnte das Ich denke allein das Selbstbewußtsein repräsentieren, dann müßte das Selbstbewußtsein gewiß im bloßem Denken verharren, ohne dabei über das Denken hinaus zum leidenden Ich übergehen zu können, weshalb das passive Moment des Ich als eines Objekts der Wahrnehmung völlig unerklärbar und sogar unmöglich zu sein scheinen würde. Denn das Denken als Vermögen der Begriffe ruht, für sich allein betrachtet, schlechterdings in der absoluten Entgegensetzung zum Objekt und gehört also zwar gewiß zur Tätigkeit des Subjekts, aber es führt niemals unmittelbar das von dieser Tätigkeit unterschiedene, passive Moment der Subjektivität bei sich. Damit das Charakteristikum des Selbstbewußtseins im op. post., das vor allem in dem ursprünglichen Zusammentreffen der Apperzeption mit der Apprehension liegt, ohne Unzulänglichkeit und Undeutlichkeit zur richtigen Fassung kommen kann, ist es unbedingt erforderlich, eine ganz andere Konzeption des Selbstbewußtseins als die der K.d.r. V. zu erstellen. Zu diesem Zweck oder aus diesem Anlaß faßt Kant im op. post, das Selbstbewußtsein oder den Selbstsetzungsakt in völlig neuer, an sich überraschender, aber dennoch folgerichtiger Weise, und zwar indem er dort das Selbstbewußtsein, in dem das Subjekt sich selbst als ein sich selbst realiter entgegentretendes, wahrnehmbares Objekt setzt, direkt mit der Selbstanschauung identifiziert.27 Diesen Gedanken stellt Kant besonders dar, wenn das Wesen des Selbstbewußtseins oder der Selbstsetzung in Frage kommt: "Es ist ein sich selbst als Object constituirendes nicht blos denkbares (cogitabile) sondern auch existirendes, ausser meiner Vorstellung gegebenes (dabile) Wesen das sich selbst a priori zum Gegenstande macht (Aenesidemus) und dessen Vorstellung als Subjects zugleich u n m i t t e l b a r seines eigenen Objects d. i. A n s c h a u u n g ist." (II, 107/23-27)
27 B. Tuschling hält an dieser Identität fest, indem er deuüich macht, daß das Selbstbewußtsein wesentlich Selbstanschauung ist. Aber er bemüht sich dabei nur darum, zu beweisen, wie stark Kant damals unter dem Einfluß von Schelling stand. Deshalb führt er alle Gedankenänderungen Kants im op. post, insgesamt auf die Ansätze Schellings zurück. Vgl. B. Tuschling/1991, S. 117.
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Hieraus erhellt, daß die Vorstellung des Ich, insofern und gerade weil das sich selbst als Objekt setzende Ich zugleich für sich selbst ein wirklich außer sich selbst gegebenes, existierendes Objekt ist, nicht das Denken, sondern die Anschauung ist. Mit anderen Worten: das Ich im Selbstbewußtsein, wenn es nicht bloß das denkende Subjekt, sondern zugleich das wahrnehmbare Objekt bedeutet, kann nur durch die Anschauung, aber niemals durch den Begriff vorstellbar sein. Es ist selbstverständlich, daß, wenn das Denken als Vermögen zu Begriffen in der Diskursivität besteht und also nur eine vermittelte Vorstellung vom Objekt hergibt, sich ausschließlich in der Anschauung die Möglichkeit findet, daß in einer Vorstellung, die durch den Akt des Subjekts erzeugt wird, nicht bloß die subjektive Beschaffenheit, sondern unmittelbar auch das Objekt dargestellt werden kann. Deswegen ist die Vorstellung des Ich, das sich selbst unmittelbar zum Objekt macht, nicht Begriff, sondern sicher Anschauung, in der sowohl das denkende Subjekt als auch das gegebene Objekt zugleich vorgestellt werden. Dementsprechend kommt im op. post, noch eine weitere, prägnante Auffassung vor, daß, wenn die Vorstellung der Apperzeption, nämlich das Ich bin, unmittelbar die Anschauung ist und also das Selbstbewußtsein mit der Anschauung identisch zusammentrifft, dann die Anschauung in sich auch die Verdopplung des Aktes oder der Ichheit, d.i. das handelnde und das leidende Ich, einschließt. Oder das Anschauen muß einerseits die spontane Handlung des Subjekts, aber andererseits zugleich die Affektion der Rezeptivität bezeichnen oder aus diesen beiden zusammen entstehen. In diesem Sinnzusammenhang ist die folgende Bemerkung über die reine Anschauung zu beachten: "Die reine Anschauung a priori enthält die actus der Spontaneität und Receptivitat und durch Verbindung derselben zur Einheit der Act der Reciprocität (...) " (II, 28/21-23)
Hier legt Kant fest, daß die reine Anschauung in sich den Akt der Spontaneität und den der Rezeptivität identisch enthält. Die reine Anschauung ist eben derjenige Prozeß, in dem die spontane Handlung des Subjekts und die leidende Affektion der Rezeptivität miteinander zusammenkommen. Die reine Anschauung ist also einerseits zur Apperzeption als Vermögen, spontan zu handeln, aber andererseits zur Apprehension als Vermögen, affiziert zu werden, gleichermaßen gehörig. Wir könnten nun auf dieser Grundlage einwandfrei sagen, daß die reine Anschauung mit dem Akt der Selbstsetzung oder des Selbstbewußtseins gleichzustellen ist. Denn insofern das Selbstbewußtsein eben derjenige Akt ist, in dem sich das Subjekt in das handelnde und das leidende entzweit und durch den zugleich die beiden Momente der Ichheit miteinander identisch zusammentreffen, kann es
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nichts anderes als die Selbstanschauung sein, die in dem Akt der Spontaneität und zugleich der Rezeptivität besteht und darum den einigen Akt der Reziprozität beider ausbildet. Deshalb ist die reine Anschauung im op. post, der "a et u s der Vorstellungskraft sich selbst zu setzen, wodurch sich das Subject selbst zum Object macht" (II, 88/22). Oder das Selbstbewußtsein ist nichts anderes als "der urs p r ü n g l i c h e Act der Sinenanschauung Seiner selbst im Subject" (II, 16/13)28. Diese unmittelbare Identität des Selbstbewußtseins mit der Selbstanschauung formuliert Kant in einer anderen Stelle abermals ausdrücklich: "Den das Subject ist diesen Formen nach ihm selbst Sinenobject. Das Subject welches sich die S i n e n v o r Stellung von Raum u. Zeit m a c h t ist ihm selbst in diesem Act zugleich Object. Selbstanschauung. Den ohne das wäre kein selbstbewustseyn einer Substanz." (II, 443/3-6)
Hiernach wäre kein Selbstbewußtsein ohne Selbstanschauung. Die Selbstanschauung ist also zum Geschehen des Selbstbewußtseins nicht bloß conditio sine qua non, sondern sie ist zugleich mit diesem völlig zusammengehörig. Diese Zusammengehörigkeit beider gründet sich auf zwei wichtigen Momenten. Erstens: Die Anschauung muß im op. post, ein derartiger Akt des Subjekts sein, durch den das Subjekt sich selbst zum Objekt macht und in dem das Subjekt für sich selbst zugleich Objekt wird. Deshalb muß die Anschauung eigentümlich dasjenige Vorstellungsvermögen ausmachen, an dem sowohl das handelnde als auch das leidende Ich haften oder aus dem sich einerseits die Handlung des Ich, andererseits das Leiden desselben entfalten. Zweitens: Dadurch, daß das Subjekt die Vorstellung von Raum und Zeit macht, wird das Subjekt also in diesem Akt für sich selbst ein Objekt der Wahrnehmung. Raum und Zeit sind demgemäß die Formen des Akts, sich selbst zum Objekt zu machen oder "wodurch das Subject sich selbst zum Sinengegenstande constituirt" (II, 17/2). Sie sind die Formen der Anschauung, nach denen das Subjekt sich selbst als Objekt der Anschauung setzt. D.i. sie sind nichts anderes als die ursprünglichen Formen der Selbstsetzung.29 28 Von diesem Zusammentreffen des Selbstbewußtseins mit der Selbstanschauung sagt E. Adickes, "daß unser Selbstbewußtsein Selbstanschauung voraussetzt, diese aber nicht möglich ist, ohne daß das Subjekt sich selbst zum Sinnenobjekt (räumlich-zeitlichen Gegenstand) wird; ohne Raum und damit auch ohne räumliche Außenwelt ist also Selbstbewußtsein ebensowenig möglich wie sie beide ohne Selbstbewußtsein, so daß mit dem letzteren nach dem Satz der Identität auch zugleich jene beiden gesetzt sind." (E. Adickes/1920. S. 619f.) 29 Dies kommentiert G. Lehmann folgendermaßen: "Die Bestimmung von Raum und Zeit als Formen der Selbstsetzung ist die wichtigste Weiterbildung, die die transzendentale Ästhetik im Nachlaßwerk enthält." (G. Lehmann/1969, S. 359) Dementsprechend behauptet auch F. Lüpsen, daß die Selbstsetzung sich in den reinen Formen des Bewußtseins vollzieht, die aber stets auf den Gegenstand gerichtet bleiben, nämlich in Raum und Zeit als den reinen Formen der Anschauung. Vgl. F. Lüpsen/1925, S. 89f.
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Raum und Zeit hängen im op. post, daher eben von dem Akt des Subjekts, sich selbst zum Objekt zu machen, ab und entstehen dadurch. Und umgekehrt kann sich der Akt der Selbstsetzung nicht anders als durch oder gemäß Raum und Zeit vollziehen. Demzufolge bezeichnet die Setzung von Raum und Zeit, d.i. die Anschauung seiner selbst, sicher das Selbstbewußtsein als die Selbstsetzung. Oder das Selbstbewußtsein ist im prägnanten Sinne nichts anderes als die Selbstanschauung. Aus diesem Grund sagt Kant sogar, daß ohne Selbstanschauung kein Selbstbewußtsein möglich ist. Aus diesen Erwägungen können wir also ohne Schwierigkeit eine neue, maßgeblich veränderte Konzeption des Selbstbewußtseins und damit auch der Anschauung im op. post, erkennen. Das Selbstbewußtsein gibt nämlich nicht bloß als das Denken meiner selbst den alleinigen Grund der spontanen Handlung des Subjekts, dem gegenüber die Anschauung, d.i. das Vermögen der Rezeptivität als der heterogene Pol stünde, sondern es ist für die Anschauung seiner selbst bestimmt und spielt dadurch gleichsam die Rolle eines Urgrundes aller Vorstellungsvermögen, auf dem nicht nur die Selbsttätigkeit des Subjekts, sondern auch die Rezeptivität desselben beruht. Die Identität des Selbstbewußtseins mit der Selbstanschauung fordert aber ihrerseits systematische Konsequenz und Begründung, wenn endgültig erwiesen werden soll, wie und mit welchen Gründen die Anschauung seiner selbst die oben genannten Grundzüge des Selbstbewußtseins widerspruchslos in sich tragen kann. Es stellt sich uns hier also die weitere Aufgabe, in extenso zu rekapitulieren und den Nachweis dafür zu führen, wie Raum und Zeit als Formen der Anschauung im op. post, einziger Träger und alleinige Vollzugsformen des Aktes, sich selbst zum Objekt zu machen, sein und darum schließlich als die ursprünglichsten Formen des Selbstbewußtseins fungieren können.
IV. Die Entfaltung der Selbstanschauung in den synthetischen und den analytischen Akt 1. Die Anschauung und das Problem der Gegenständlichkeit im Selbstsetzungsakt Was nun das transzendentale Charakteristikum von Raum und Zeit als reiner Anschauung in bezug auf den Selbstsetzungsakt im einzelnen betrifft, so findet sich unter den diesbezüglichen zahlreichen Fragmenten ein besonders bemerkenswertes: "Raum und Zeit sind nicht ausser dem Subject gegebene G e g e n s t ä n d e der Anschauung als etwas außer dem Bewustseyn meiner selbst Existirendes und Apprehensibeles sondern die reine (nicht empirische) Anschauung selbst. Nicht das D e n k b a r e nach Begriffen (cogitabile) sondern das ihnen Corresp. Spührbare in Construction der Begriffe (dabile) ist dasjenige wodurch das Subject zuerst sich selbst setzt und nicht durch den Sinn sondern durch reine sinnliche Anschauung mithin doch zugleich a priori ihm selbst Object ist. - " (II, 18/17-24)
Hier ist das Wesen von Raum und Zeit, die selbst thematisch sind, als Akt der Selbstobjektivierung angegeben. Raum und Zeit sind als reine Anschauung selbst "nicht das D e n k b a r e nach Begriffen (cogitabile) sondern das ihnen Corresp. Spührbare in Construction der Begriffe (dabile)".1 Durch diese Bestimmung wird die Eigentümlichkeit von Raum und Zeit als Anschauung, im klaren Unterschiede zu Begriffen, hervorgehoben; auch wird dadurch der wesentliche Grund dafür dargetan, warum nicht der Begriff, sondern lediglich die Anschauung der Vollzug der Selbstsetzung sein kann. Der springende Punkt ist hier, daß allein die Anschauung unmittelbar auf etwas Gegenständliches geht. Denn unter Berücksichtigung des UnterscheidungsmerkÜber die Termini cogitabile und dabile im op. post, erklärt sich E. Adickes so: „Dabei wird unter cognoscibile und cogitabile (...) das formale, unserem Erkenntnisvermögen angehörende Element verstanden, unter dabile das materiale, in jenen Formen gegebene, in ihnen in uns entgegentretende und von uns wahrgenommene." (E. Adickes, 1920, Fußnote zu S. 594) Hier bezeichnet das cogitabile die subjektiven Formen der Erkenntnis, aber im Gegensatz dazu das dabile die uns entgegentretende, von uns wahrgenommene Materie derselben. Daher benutzt Kant für Raum und Zeit den Ausdruck dabile, "insofern beide (als r e i n e Anschauungen) g e g e b e n und nicht nur, wie die Kategorien, g e d a c h t werden können, wodurch beide, obwohl nur formale Elemente, doch etwas dem Charakter eines Gegenstandes Ähnliches bekommen." (Ebenda)
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung
mals der verschiedenen Vorstellungsweisen steht außer Zweifel, daß der Begriff diejenige Vorstellungsart ist, vermittelst der wir etwas denken können. Durch einen Begriff wird also zwar etwas gedacht, aber dieses Objekt des Denkens kann dadurch niemals direkt gegeben oder gesetzt werden. Demgegenüber erhalten wir aber durch die Anschauung direkt etwas Gegenständliches. Während nämlich die Begriffe bloß mit dem Denkbaren (cogitabile) zu tun haben, gehen Raum und Zeit als Anschauung für sich selbst direkt auf das den Begriffen korrespondierende Spürbare in der Konstruktion der Begriffe (dabile). Sie geben etwas Gegenständliches (dabile) an, und eben darin findet man das von dem Begriff unterschiedene, wesentliche Merkmal der Anschauung. Denselben Unterschied zwischen Begriff und Anschauung drückt Kant auch in der K.d.r.V. aus: "Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als bloß die Anschauung, so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sei es Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen." (B 93=A 68)
Wie hier deutlich dargetan, ist die Anschauung eine Vorstellungsart, die unmittelbar auf den Gegenstand geht. Im Gegensatz dazu ist der Begriff als solcher keineswegs imstande, sich auf den Gegenstand direkt zu beziehen. Durch den Begriff kann nur ein Gegenstand, der anderweitig - vermittelst der Anschauung - gegeben ist, gedacht werden. Und darum kann sich der Begriff nur durch die Anschauung und vermittelst ihrer auf den Gegenstand beziehen. Was also die direkte Bezogenheit auf das Gegenständliche anbelangt, so hat die Anschauung gewiß vor dem Begriff Vorrang, denn sie ist allein dazu befähigt, unmittelbar etwas Gegenständliches anzugeben. Dies besagt nichts anderes, als daß das Objekt nur durch die Anschauung gegeben werden kann und ausschließlich die Anschauung unmittelbar auf das Objekt gehen kann. Eben unter demselben Aspekt bestimmt Kant im op. post, auch die Anschauung, die vom Subjekt selbst gemacht ist, als das dabile, im Unterschied zu den Begriffen als dem cogitabile, nämlich nicht als dasjenige, was bloß der Tätigkeit des Subjekts zugehörig ist, sondern als etwas Gegenständliches, das sich von der subjektiven Tätigkeit unterscheidet und dieser sogar entgegensteht: " - Raum und Zeit sind keine spührbare (apprehensibele) Gegenstände die ausser meiner Vorstellung existiren sondern selbst Geschöpfe meines Vorstellungsvermögens also nicht ein Ding an sich aber im Verhältnis dieser Vorstellung zum Subject ist es doch etwas Gegebenes (dabile) welches dem denkbaren (cogitabile) entspricht" (II, 45/22-26)
Die Anschauung und das Problem der Gegenständlichkeit
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Raum und Zeit sind allerdings im op. post, dasjenige, was durch den Akt der Selbstsetzung gemacht oder gesetzt ist. Sie hängen insofern gänzlich an diesem Akt. Sie sind darum als reine Anschauung "Geschöpfe meines Vorstellungsvermögens", das durch dessen Tätigkeit, sich selbst zu setzen, erzeugt wird. Dennoch ergeben sie sich in der Tat als etwas Gegebenes (dabile), also etwas von dem Subjekt Unterschiedenes, wenn sie als Produkte im Verhältnis zum handelnden Subjekt, d.i. zu ihrem Urheber, betrachtet werden. Sie sind nämlich zwar Produkte der Selbsttätigkeit des Subjekts, aber trotzdem unterscheiden sie sich der Art nach völlig von dieser Tätigkeit dadurch, daß sie das dabile sind. Sie bezeichnen als solche etwas Gegenständliches, das dem handelnden Subjekt entgegensteht.2 Dies besagt, daß der Akt des Subjekts, durch den es sich die Vorstellung von Raum und Zeit macht, nichts anderes als der Akt des Subjekts ist, sich selbst zu etwas von sich selbst Unterschiedenem, d.i. zu etwas Gegenständlichem zu machen. Anders gesagt: die Anschauung ist diejenige Tätigkeit des Subjekts, durch die das Subjekt allererst aus sich selbst heraus oder über sich selbst hinaus zu etwas von ihm selbst Unterschiedenem, d.i. zu etwas Gegebenem (dabile) übergeht. Und dadurch bekommen wir "einen Gegenstand (dabile) nämlich was als A n s c h a u u n g einem Begriffe correspondirt" (II, 79/14-15). Auf diese Weise kennzeichnet das Gegebensein (dabile) der Anschauung vortrefflich die wesentlichsten Grundzüge von Raum und Zeit als Vollzugsformen der Selbstsetzung. Denn gerade, weil Raum und Zeit als das dabile etwas von dem handelnden Subjekt Unterschiedenes und etwas ihm Gegensätzliches ausdrücken, kann das Subjekt sich selbst, indem es sich die Vorstellung von ihnen macht, realiter, nicht im bloß logischen Sinne, zum Objekt machen und sich selbst als einem Objekt entgegentreten. Raum und Zeit als das dabile sind daher gerade "eine reine a priori gegebene Vorstellung (...) wodurch das Subject sich selbst setzt und zum Object der Sinne macht" (II, 25/5-7). Sich selbst als Objekt zu setzen, heißt also, sich selbst zum dabile zu machen. Und dieser Vorgang der Selbstsetzung hängt schlechterdings von dem Gegebensein (dabile) der Anschauung ab.3 Dementsprechend kann der Akt der Selbstsetzung aber auch in eine andere, neue Fassung gebracht werden:
Dazu sagt E. Förster: „Space must thus be represented, not merely as a form of intuition, but as something existing outside me, as something empirically given." (E. Förster, 1989, S. 230) Von dem Charakter des Raums und der Zeit als Formen der Anschauung sagt F. Lüpsen, daß sie nichts anderes als das die Mannigfaltigkeit Gebende sind, und zwar wie folgt: " (...) nicht so, daß das mannigfaltig Gegebene der Anschauung unabhängig da ist und erst dann durch die reinen Formen der Anschauung verbunden wird, sondern so, daß das Mannigfaltige nur durch die reinen Formen "gegeben' ist und nur die reinen Formen das Mannigfaltige "geben'." (F. Lüpsen, 1925, S. 94)
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung "(...) das denkbare Ich (cogitabile) setzt sich selbst als das Spührbare (dabile) und dieses a priori im Räume u. der Zeit welche a priori in der Anschauung gegeben sind welche bloße Formen der Erscheinung sind. - " (II, 119/13-15)
Die Selbstsetzung bedeutet hiernach, daß das denkbare Ich (cogitabile) sich selbst als das Spürbare (dabile) setzt, und zwar a priori im Raum und in der Zeit. Mit anderen Worten: die Selbstsetzung findet ganz und gar dadurch statt, daß das denkbare Ich (cogitabile), d.i. das handelnde, von sich selbst heraus zum spürbaren (dabile), mithin zum Gegebenen übergeht, wobei das Subjekt für sich selbst ein Objekt wird. Die Selbstsetzung ist der Übergang vom cogitabile zum dabile, d.i. von der subjektiven Tätigkeit zum objektiven Gegebensein. Und dieser Übergang ist nur durch den Raum und die Zeit oder in ihnen als Anschauung a priori möglich. Die Setzung von Raum und Zeit ist also nichts anderes als dieser Übergang selbst und ergibt sich schließlich als die Setzung des Subjekt - Objekt -Verhältnisses. Daß Raum und Zeit, die von dem Akt des Subjekts gemacht sind, doch auf das dabile, nämlich auf das Gegenständliche gehen, erweist und bestätigt auf diese Weise hinreichend, daß Raum und Zeit alleinige Vollzugsformen der Selbstsetzung sind, und zwar gerade darum, weil sie die Formen a priori bezeichnen, sich selbst als das dabile zu setzen oder vom cogitabile zum dabile überzugehen. Wenn aber Raum und Zeit, im Unterschiede zu den Begriffen, lediglich zum dabile gehörig sind und die Formen des dabile ausmachen, sind sie selbstverständlich die Formen der Apprehension: "Das Denkbare (cogitabile) ist im Bewustseyn seiner selbst enthalten und ist Gegenstand der A p p e r c e p t i o n . Das Spührbare (dabile) ein Gegenstand der Wamehmung gehört zur A p p r e h e n s i o n . Das Formale der letzteren in so fern es a priori für die Sinenvorstellung als Princip gegeben ist, ist Raum und Zeit." (II, 90/6-10)
Wenn Raum und Zeit das Denkbare (cogitabile) wären, würden sie, wie die Begriffe, einfach zum Gegenstand der Apperzeption gezählt. Aber in diesem Fall könnte das Subjekt sich selbst durch Raum und Zeit keineswegs zum Objekt der Sinne als etwas Existierendem (dabile) machen, sondern es würde bei der Anschauung seiner selbst das denkende, handelnde Subjekt (d.i. cogitabile) bleiben. Gerade weil Raum und Zeit nichts weiter als das dabile, d.i. ein Gegenstand der Wahrnehmung sind, sind sie zur Apprehension gehörig und machen als solche die Formen derselben aus. Sie sind also "specifisch verschiedene Formen der Sinnenanschauung selbst "(II, 8/5-6). Dies impliziert offenbar, daß das Subjekt durch die Setzung von Raum und Zeit oder in ihr bereits sich selbst als Apprehension, d.i. als leidendes Ich setzt und
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dadurch von der Apperzeption zur Apprehension übergeht, was den wesentlichen Vorgang der Selbstsetzung ausmacht. Denn da Raum und Zeit das dabile, nicht das cogitabile, und darum nichts anderes als die Formen der Sinnenanschauung sind, bleibt das Subjekt, indem es sich Raum und Zeit macht, nicht in der Ebene der Apperzeption stehen, sondern es schreitet bereits zur Apprehension fort. Zu diesem Sinnzusammenhang ist schließlich sicher mit hinzuzurechnen, daß die Anschauung, obwohl sie ein Aktus der Selbstsetzung ist, nicht bloß rein intellektuell, sondern sinnlich und derivativ ist. Deshalb kann das Subjekt eben durch die reine, aber sinnliche Anschauung,4 d.i. durch die Formen a priori der Apprehension, sich selbst als Objekt der Sinne setzen. Daß das Subjekt durch die oder in der Anschauung von Raum und Zeit sich selbst zum Objekt (dabile) macht, bedeutet folglich, daß das Subjekt sich selbst dadurch zur Sinnenvorstellung und also auch zum Sinnenobjekt macht: "Das Subject welches sich die S i n n e n v o r S t e l lung von Raum u. Zeit macht ist ihm selbst in diesem Act zugleich Object" (II, 443/4-5). Das Selbstbewußtsein ist also im wesentlichen "der u r s p r ü n g l i c h e Act der Sinenanschauung Seiner selbst im Subject" (II, 16/13-14). Auf dieser Grundlage kann der Akt der Selbstsetzung auch von einem anderen, neuen Gesichtspunkt her geklärt werden, wie z.B. im folgenden Fragment: "Der Verstand fangt nicht vom Object sondern von seinem eigenen Subject an die Sinenanschauung ihrer Form nach zu construiren d.i. synthetisch a priori das Mannigfaltige derselben in der Einheit desselben nach einem Princip darzustellen welches eine mathematische Operation desselben ist und ein Act der transscend. Philosophie ist: wie sind synthetische Vorstellungen a priori möglich?" (II, 443/15-20)
Es wird hier der Akt der Selbstsetzung, mit dem unser Verstand, nämlich unser Vorstellungsvermögen, ursprünglich stattzufinden beginnt, zur Sprache gebracht. Natürlich fängt unser Vorstellungsvermögen keineswegs mit dem Objekt an, denn es kann, so Kant im op. post., kein Objekt geben, wenn das Subjekt nicht zu handeln beginnt und sich selbst setzt. Es fängt darum erst mit dem eigenen Subjekt, d.i. mit der spontanen Tätigkeit desselben, an. Diese Tätigkeit, mit der unser Vorstellungsvermögen beginnt, ist der Akt der Selbstsetzung. Was aber diesen Akt selbst betrifft, so ist er hier eben diejenige Tätigkeit, "die Sinenanschauung ihrer Form nach zu construiren d.i. synthetisch a priori das Mannigfaltige derselben in der Einheit desselben nach einem Princip darzustellen". Das heißt, daß der Akt der Selbstsetzung die Konstruktion der formalen Sinnenanschauung und damit zugleich die Darstellung des Mannigfaltigen derselben verrichtet. In der formalen Konstruktion der Sinnenanschauung, die eigentlich nichts 4
Vgl. II, 18/20-24.
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung
anderes als die Darstellung des Mannigfaltigen ist, wird das Subjekt für sich selbst realiter ein Objekt. Insofern Raum und Zeit im op. post, als die Formen der Sinnenanschauung fungieren, ist damit zugleich vorausgesetzt, daß die Anschauung von Raum und Zeit die formale Sinnenanschauung bedeutet und daß sie uns daher nur das Mannigfaltige darstellt. Denn Raum und Zeit als Formen der sinnlichen Anschauung enthalten bloß das Mannigfaltige und bieten es uns nur an.5 Deshalb konstituiert das Subjekt, indem es sich die Vorstellung von Raum und Zeit setzt, die Sinnenanschauung formaliter und stellt dadurch zugleich das Mannigfaltige der Sinnenanschauung dar, das in ihnen identisch enthalten ist. Der Akt der Selbstsetzung oder die Selbstanschauung vollzieht sich folglich durch denjenigen Vorgang, der die Sinnenanschauung formaliter konstruiert, d.i. Raum und Zeit als die Formen derselben setzt, und damit zugleich das Mannigfaltige derselben, was in ihnen identisch enthalten ist, darstellt. Dadurch geht das Subjekt letztlich von sich selbst zu etwas von ihm selbst Unterschiedenem, zu etwas Gegenständlichem (dabile) über und steht im realen Verhältnis zu diesem als Objekt der Sinne. Mit anderen Worten: die Selbstsetzung vollzieht sich eigentlich dadurch, das Mannigfaltige als etwas von dem Akt des Subjekts Unterschiedenes, als etwas Gegenständliches (dabile) darzustellen: "Das Subject constituirt sich selbst zu einem Ganzen des Mannigfaltigen der Anschauung in Raum und Zeit, (...)" (II, 411/26-27). Hiermit läßt sich endgültig erweisen, daß das Moment der Gegenständlichkeit (nämlich des Objektes der Sinne als des dabile) in dem Selbstbewußtsein oder in der Selbstsetzung nur durch die Anschauung, und zwar durch Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung, erklärbar ist. Denn sie sind allein das Formale, sich selbst zum Gegenstand der Sinne, der dem Subjekt realiter gegenübersteht, zu machen, und zwar in dem Sinne, daß in ihnen als Formen der sinnlichen Anschauung bloß das Mannigfaltige derselben gegeben wird. Infolgedessen sind Raum und Zeit im wesentlichen alleinige Vollzugsformen der Selbstsetzung des Subjekts, sich als das Mannigfaltige (dabile), was sich von dem Subjekt unterscheidet und ihm gegenübersteht, zu setzen und dadurch zugleich aus sich selbst heraus zu dem Gegenständlichen (dabile) überzugehen.
5
Vgl.Blol.
Das Selbstbewußtsein als Selbstanschauung und Selbstdenken
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2. Das Selbstbewußtsein als Selbstanschauung und Selbstdenken 1. 1. Das Verhältnis zwischen Begriff und Anschauung im Selbstbewußtsein Es ist jetzt festgestellt, daß Raum und Zeit als Anschauung nichts anderes als die Formen der Sinnenanschauung oder der Affektion sind, in denen allein uns das Mannigfaltige derselben gegeben wird, und darum ebenfalls die Formen des dabile, aber niemals die des cogitabile sind. Eben in diesem Charakteristikum von Raum und Zeit als dabile allein wurzelt ursprünglich die Möglichkeit der Gegenständlichkeit im Selbstbewußtsein. Das Selbstbewußtsein ist in diesem Punkt für mit der Selbstanschauung völlig identisch zu halten. Im Selbstbewußtsein liegen jedoch, wie bereits bemerkt, sowohl das Ich als das Objekt-Moment als auch das Ich als das Subjekt-Moment. Denn das Ich des Selbstbewußtseins ist sowohl das Objekt der Anschauung als auch das denkende Subjekt selbst. Und das Selbstbewußtsein heißt also, daß ich mir meiner selbst nicht nur als Objekts der Anschauung, sondern zugleich als denkenden Subjekts bewußt bin: "Ich bin mir meiner selbst als denkenden Subjects l bewust Ich bin mir meiner selbst als Objects der Anschauung ' Das Selbstbewustseyn der Anschauung und des Denkens zusamen vereinigt in einer Vorstellung ist das Erkentnis und der Imperativ dem der Verstand sich selbst unterwirft (nosce te ipsum) ist das Princip sein Subject als Object der Anschauung zu einem Begriffe zu machen oder jenes diesem unterzuordnen." (II, 22/5-11)6
Das Selbstbewußtsein, weil es das Bewußtsein meiner selbst als denkenden Subjekts und zugleich als Objekts der Anschauung ist, ist nicht bloß das Selbstbewußtsein der Anschauung, sondern zugleich das des Denkens. Zwar trifft das Selbstbewußtsein, insofern es das Bewußtsein seiner selbst als Objekts der Anschauung ist, mit der Selbstanschauung identisch zusammen; dennoch darf man das Selbstbewußtsein nicht als dasjenige Bewußtsein, das durch die Anschauung allein zum Vollzug kommt, ansehen. Denn es drückt außer dem Bewußtsein seiner selbst als Objekts der Anschauung zugleich noch, oder ursprünglicher, das Bewußtsein seiner selbst als denkenden Subjekts aus und ist insofern das Selbstbewußtsein des Denkens. V. Mathieu hält eben diesen Absatz für dasjenige Fragment, in dem die Identität zwischen dem denkenden und empfindenden Ich als erwiesen zur Sprache kommt: "Das Textbeispiel vermittelt den Anschein einer fast mutwillig subjektivistischen Theorie, der zufolge eine Identität des denkenden mit dem empfindenden Ich als 'Selbstsetzung' behauptet wird." (V. Mathieu, 1989, S. 176)
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Dies besagt, daß das Selbstbewußtsein gleichermaßen sowohl an Anschauung als auch an Denken gebunden ist oder daß es nicht bloß durch Raum und Zeit, d.i. durch die Anschauung, sondern zugleich durch Begriffe, mithin durch das Denken, stattfindet.7 Deswegen ist das Selbstbewußtsein dasjenige Bewußtsein, welches das Selbstbewußtsein der Anschauung und dasjenige des Denkens in einer Vorstellung gegeben sein läßt. Und in diesem Punkt gilt es, wie oben dargestellt, ohne Zweifel als der höchste Imperativ für die Erkenntnis überhaupt, also als das höchste Prinzip selbst, "das Subject als das Object der Anschauung zu einem Begriff zu machen". Hieraus läßt sich klarmachen, daß das Selbstbewußtsein außer der Anschauung noch das Denken in Begriffen leisten muß, damit es nicht bloß das Bewußtsein seiner selbst als Objekts der Anschauung, sondern zugleich das Bewußtsein seiner selbst als denkenden Subjekts sein kann. Denn durch Raum und Zeit setzt das Subjekt zwar sich selbst als Objekt der Anschauung (dabile), aber dadurch macht es sich selbst noch nicht als das Objekt zum Begriff (cogitabile), weil Raum und Zeit keineswegs das Denkbare nach Begriffen (cogitabile), sondern das ihnen korrespondierende Spürbare (dabile) sind. Dazu muß also noch der Denkaktus gemäß den Begriffen hinzutreten. Erst wenn durch das Denken das Subjekt sich selbst als das Objekt der Anschauung wiederum zum Gegenstand des Denkens, also zum Begriff (cogitabile) macht, vollzieht sich der Akt der Selbstsetzung und findet das Selbstbewußtsein im echten Sinne statt. Um aber diesem Grundprinzip des Selbstbewußtseins zu folgen, muß man sagen, daß das Denken und die Anschauung im op. post, in ihrer Funktion voneinander völlig unterschieden sind, und zwar in Ansehung des gleichen Kriteriums wie in der K.d.r.V. Raum und Zeit, insofern sie zum dabile gehörig sind, qualifizieren sich bloß zu den Formen der Apprehension, in denen uns etwas gegeben werden kann. Im Gegensatz dazu sind Begriffe, weil sie eben das cogitabile sind, zum Gegenstand der Apperzeption gezählt und machen das Formale derselben aus, gemäß dem etwas nicht gegeben, sondern gedacht werden kann. Mit anderen Worten: die Anschauung besteht darin, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung als gegeben darzustellen, hingegen der Begriff, dieses Mannigfaltige zu verbinden und es dadurch begreiflich (cogitabile) zu machen:
Eben in diesem Sinnzusammenhang behauptet F. Lüpsen folgendes: "Die Bedeutung der reinen Formen der Synthesis, der reinen Formen der Anschauung wie des Verstandes, ist die, den Gegenstand überhaupt erst zu konstituieren; der Gegenstand der Erkenntnis ist nicht unabhängig von ihnen da, sondern wird erst durch sie gesetzt." (F. Lüpsen, 1925, S. 90)
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"Anschauung und Begriff: Die erstere ist für die Sinenvorstellung der zweyte für den Verstand der das Manigfaltige der Anschauung nach einem Princip verbindet. " (II, 85/27-29) "Die Sinenanschauung enthalt das Manigfaltige das Denken macht die Einheit desselben. Nach der ersteren ist es das Object in der Erscheinung = X und das dabile nach der zweyten tritt der Verstand hinzu u. macht das cogitabile beydes a priori weil es sich selbst setzt." (H, 88/16-19)
Die Anschauung ist nur dasjenige Vermögen, das uns das Mannigfaltige der Sinnenanschauung (dabile) a priori darbietet. Insofern ist sie zu keiner Tätigkeit gehörig, sondern nur zum Gegebensein, und so verfährt sie zwar rein, jedoch sinnlich. Dazu tritt aber das Denken gemäß den Begriffen hinzu, um dieses dabile zum cogitabile zu machen. Der Verstand macht das Objekt der Sinne, d.i. das dabile, zum cogitabile, indem er seine Tätigkeit am Mannigfaltigen der Anschauung im Raum und in der Zeit ausübt und es dadurch verbindet. Durch die Anschauung macht das Subjekt sich selbst zum Objekt der Sinnenanschauung (= zum Mannigfaltigen derselben) und setzt sich dabei sich selbst entgegen. In diesem Anschauungsmoment kommt es also darauf an, wie das Subjekt aus sich selbst heraus, über sich selbst hinaus, zum Gegenständlichen und von ihm Unterschiedenen (dabile) übergeht. Durch das Denken bezieht sich das Subjekt dagegen auf sich selbst als Objekt der Anschauung, das durch Raum und Zeit erst in uns gegeben wird, und macht es zum cogitabile. Beim Vorgang des Denkens handelt es sich daher eben darum, wie das Subjekt wiederum sich selbst als das ihm selbst entgegengesetzte Objekt sich zu eigen (zum cogitabile) oder mit sich selbst identisch macht. Hierbei ist nun festzustellen, daß das Subjekt sich zwar ohne Anschauung nie sich selbst als etwas Existierendes gegenüberstellen kann. Aber durch das Denken kann es sich erst auf sich selbst als auf ein Objekt beziehen und macht sich dadurch zum Gegenstand des Denkens (cogitabile). Anders gesagt: ohne Anschauung gäbe es einerseits für das Subjekt überhaupt kein Objekt, an dem allein das Denken erst seine Tätigkeit ausüben kann. Ohne das Denken aber könnte andererseits das Subjekt weder in der Beziehung zu sich selbst als zu einem Objekt stehen noch dieses Objekt zum cogitabile machen. Deswegen liegen sowohl die Anschauung als auch Denken, beide zusammen, dem Selbstbewußtsein zu seinem echten Vollzug zugrunde und fungieren als die unentbehrlichen Momente desselben. Aus diesem Grund hält Kant selber im op. post, die Anschauung und die Begriffe zusammen für prinzipiell unentbehrliche, gleichwertige Momente, wenn sowohl von der Selbstsetzung als auch von dem Selbstbewußtsein und auch von dem Erkenntnisprinzip selbst die Rede ist:
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung " - Unser Vorstellungsvermögen schaft sich seine Objecte selbst, an Anschauung u. Begriffen" (II, 67/10-11) "Das Bewußtseyn meiner selbst in der Formul: Ich bin ist identisch mit dem Satze: Ich bin mir selbst ein Gegenstand und zwar der inneren Anschauung (dabile) und des Denkens der Bestirhung dessen was ich mir beylege (cogitabile)" (II, 449/2528) "Es sind zwey Elemente der Erkenntispnnc/pien Anschauung u. Begriff wovon das eine gegeben das andere gedacht wird und die einander nicht analytisch sondern synthetisch untergeordnet (die Anschauung dem Begriffe) ein Princip a priori der Erkennis bestifnen" (H, 417/11-14)
Hiermit wird deutlich dargetan, daß sich das Subjekt sein Objekt selbst durch Anschauung und Begriffen schafft und daß das Subjekt im Selbstbewußtsein: Ich bin, nicht bloß der Gegenstand der Anschauung als das dabile, sondern zugleich der des Denkens als das cogitabile ist und auch letztlich, daß das höchste Erkenntnisprinzip weder bloß aus der Anschauung noch aus dem Begriff allein, sondern vielmehr aus der synthetischen Beziehung zwischen den beiden, der Anschauung als dem dabile und dem Begriff als dem cogitabile, besteht. So fungiert das Denken, das das dabile zum cogitabile macht, außer der Anschauung noch als ein weiteres unentbehrliches Moment des Selbstbewußtseins und bildet mit der Anschauung zusammen das Grundprinzip desselben.
2.2. Der Unterschied zwischen dem logischen und dem metaphysischen Akt Es liegt jetzt auf der Hand, daß nicht bloß das Moment der Anschauung, mithin die Selbstanschauung, sondern zugleich der Denkaktus, d.i. das Selbstdenken, zum Wesen des Selbstbewußtseins gehörig sind. Zur Anschauung muß nämlich das Moment des Ich als ursprünglicher Gegenständlichkeit im Selbstbewußtsein hinzukommen, aber das Denken in Begriffen macht das Moment der ursprünglichen Subjektivität in ihm aus. Dies stellt aber, wie man leicht sehen kann, das früher hervorgehobene Zusammenkommen der Selbstanschauung mit dem Selbstbewußtsein in Frage, das, wie behandelt, darin besteht, daß das Selbstbewußtsein um der Aktivität seiner Selbstsetzung willen prinzipiell nicht bloß das Denken, sondern vielmehr die Anschauung seiner selbst bedeuten soll. Denn die Identität beider kann demzufolge nicht unumschränkterweise, sondern nur unter gewissen Einschränkungen als gültig angesehen werden. D.h. die Selbstanschauung ist mit dem Selbstbewußtsein identisch, aber nur insofern vom Ich im Selbstbewußtsein als etwas Gegenständli-
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chem die Rede ist. Wenn es aber umgekehrt um das Ich als das denkende Subjekt selbst geht, müßte das Selbstbewußtsein eher das Selbstdenken, aber niemals die Selbstanschauung bedeuten. Wenn wir also unser Augenmerk auf diese unterschiedliche Bezugnahme des Selbstbewußtseins einerseits zur Selbstanschauung und andererseits zum Selbstdenken richten und daran festhalten, könnten wir auch einsehen, warum Kant in vielen anderen Fragmenten, in augenscheinlichem Widerspruch mit den bereits herangezogenen Stellen,8 die Zusammenkunft des Selbstbewußtseins mit der Selbstanschauung einfach abweist und es ausschließlich mit dem Selbstdenken identifiziert: "Ich bin: ist blos ein logischer Act des Bewustseyns d.i. des Denkens nicht der Anschauung meiner selbst" (II, 111/3-4)
Laut diesem Zitat ist das Selbstbewußtsein, nämlich das Ich bin, keine Anschauung seiner selbst, sondern das Denken seiner selbst. Das Selbstbewußtsein gehört also nur zum Denkaktus, aber keineswegs zur Anschauung. Es ist also hier als logischer Akt des Denkens das Selbstbewußtsein des Denkens genannt. Dies besagt, daß der erste Akt des Vorstellungsvermögens, d.i. das Selbstbewußtsein, ein bloß analytischer Akt ist und darum lediglich zur Logik gehört, in dem Sinne, daß es ausschließlich mit dem Begriff oder mit dem Denken des gegebenen Objekts zu tun hat: "Der erste Act des Vorstellungsvermögens ist der da das Subject sich selbst zum Gegenstande seiner Vorstellungen macht (conscientia sui ipsius) und gehört zur L o g i k . Vorstellung durch B e g r i f f e oder das D e n k e n des gegebenen Objects und ist analytisch. - " (II, 58/13-16)
So lehnt Kant durchweg ab, daß das Selbstbewußtsein - in welchem Punkt auch immer - das Anschauungsmoment in sich faßt, und hält es gänzlich als zum Denken allein gehörig fest. Das heißt, daß im Selbstbewußtsein kein Moment der Anschauung zu spüren ist, weil es sich ohne Vermischung des Anschauungsmoments lediglich in der Ebene des Denkens in sich selbst vollzieht und darum rein logisch oder analytisch vorgeht. Aber diese Position Kants scheint in einen Selbstwiderspruch zu geraten, denn es könnte auf keinen Fall einfach verneint werden, daß das Selbstbewußtsein, eben darum, weil es ein Akt ist, sich selbst zu setzen und sich dadurch für sich selbst ein Objekt im realen Sinne zu verschaffen, anschauungshaft verfährt und mit der Selbstanschauung zusammenkommen muß. Deswegen klingt die einseitige Fest-
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Vgl. II, 107/23-27, 413/11-20, 443/3-6 und passim.
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Stellung des Selbstbewußtseins als logischen Akts des Denkens wiederum verwunderlich und inkonsistent. Um uns also auf eine derartige Bestimmungsweise näher einzulassen und dieser zu deutlicherem Licht zu verhelfen, ist es hilfreich, eine andere Passage, die in einem einheitlichen Gedankenzusammenhang mit den obigen zu stehen scheint, heranzuziehen und sie mit diesen textkritisch zu vergleichen. In nicht wenigen Fragmenten erwähnt Kant zwei verschiedene Stufen oder Arten der Selbstsetzung, so z.B.: "Die logische Vorstellung durch den Verstand in sich selbst und die metaphysische durch die reine Darstellung des Mannigfaltigen der Anschauung. - " (II, 66/22-23)
Hiernach unterscheidet das Denken seiner selbst sich der Art nach strikt von der Anschauung seiner selbst. Das Denken seiner selbst geht für sich allein bloß auf die logische Vorstellung und beruht auf dem logischen, analytischen Charakter. Dabei ist das Produkt dieses Akts bekanntlich etwas Gleiches und Identisches mit diesem Akt selbst, nämlich cogitabile. Dagegen ist die Anschauung eben der Vorgang, das Mannigfaltige der Anschauung rein a priori darzustellen, und dadurch kommt also die metaphysische, synthetische Vorstellung zustande. Durch diesen Akt setzt das Subjekt sich selbst als ein Objekt der Anschauung, und hierbei kommt das dabile zur Vorstellung, das sich völlig von dem Subjekt selbst unterscheidet und ihm darüber hinaus gegenübersteht. Dies besagt, daß das Moment des Denkens und das der Anschauung im Selbstbewußtsein eigentlich zwar zusammen vereinigt den Vollzug desselben ermöglichen, aber doch, für sich allein betrachtet, jedem von beiden jeweils eine besondere Aktcharakteristik zukommt, die sich nie mit der des anderen vermengt entfalten kann. Der Akt des Denkens und der der Anschauung, welche zusammen einen einzigen Akt des Selbstbewußtseins, sich selbst zu setzen, ausmachen, sind auf diese Weise als jeweils auf die spezifisch verschiedene Art oder Stufe des Aktes angewiesen zu betrachten. Hierher gehört auch die folgende Stelle: "Alles mein Vorstellungsvermögen (facultas repraesentativa) welches aus Anschauung und Begriff besteht hebt vom Bewußtseyn seiner selbst an welches erstlich logisch genant wird nach der Regel der Identität erläuternd dan aber auch ein metaphysisches Princip der synthetischen Erkentnis a priori d.i. erweiternd ist und über den gegebenen Begriff hinausgeht dadurch daß das Subject sich selbst in Raumes und Zeitverhältnissen als reinen (nicht empirischen) Anschauungen s e t z t (...)." (II, 420/3-9)
Das Selbstbewußtsein als Selbstanschauung und Selbstdenken
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Das Selbstbewußtsein ist hier in die zwei Stufen oder Arten des Aktes eingeteilt, nämlich in den logischen und in den metaphysischen Akt. Der erste, logische Akt des Selbstbewußtseins ist nach der Regel der Identität erläuternd. Er gehört zum Denken allein und kann also als bloßes Selbstdenken benannt werden. Im Unterschiede dazu ist aber der zweite, metaphysische Akt desselben erweiternd, weil er "über den gegebenen Begriff hinausgeht" und weil das Subjekt dabei sich selbst in den Raum- und Zeitverhältnissen als reinen Anschauungen setzt. Dieser Akt ist der der Anschauung und bildet darum das Selbstbewußtsein der Anschauung. Auf diese Weise scheiden sich beiderlei Akte im Selbstbewußtsein voneinander ab9. Hier ist aber zu bemerken, daß nicht die Anschauung seiner selbst, sondern das Denken seiner selbst den Vorrang hat und deshalb das Denken im Vergleich zur Anschauung für das höhere Moment der Selbstobjektivierung gehalten wird. In diesem Hinblick ist das Denken ohne weiteres der erste und ursprüngliche Akt des Selbstbewußtseins genannt. D.h. zuerst geschieht das Denken in sich selbst als logischer Akt, und danach tritt die Anschauung seiner selbst als metaphysischer Akt auf. Mit solcher Erläuterung meint Kant allerdings nicht die genetische Reihenfolge des wirklichen Geschehens beider Momente, sondern eher die logische Rangordnung derselben. Denn die bisherige Betrachtung zeigt uns, daß das Subjekt zuerst sich selbst in der Anschauung setzen und dadurch sich selbst als Objekt der Anschauung entgegentreten muß, bevor das Denken seiner selbst geschieht. Denn wenn sich das Subjekt nicht durch Anschauung zum Gegenstand der Anschauung macht, d.i. wenn der Gegenstand uns zuerst nicht anderweitig gegeben wird, hat das Denken keinen Anlaß zu verbinden. Erst nach der Anschauung kann also das Denken seine Tätigkeit aufnehmen und sie auf das Objekt hinwenden, das uns durch jene gegeben wird. Auf diese Weise tritt das Denken immer nach der Anschauung hinzu, um sich auf ein Objekt der Anschauung zu beziehen und darauf Anwendung zu finden. Was also das wirkliche Geschehen der beiden Akte betrifft, so muß sich die Anschauung seiner selbst zuerst ins Spiel bringen, durch die allein das Subjekt für sich selbst ein Objekt der Anschauung wird. Danach tritt das Denken hinzu, nimmt Bezug auf sich selbst als Objekt der Anschauung und macht es zum cogitabile. In dieser Hinsicht müßte also der metaphysische Akt der Anschauung, ganz im Gegensatz zu der obigen Einordnung, der erste Akt, mit dem unser VorstellungsverDemgegenüber sondert E. Adickes die Stufe der Selbstsetzung in 6 Typen ab (vgl. E. Adickes, 1920, S 628-55). Diese Abstufung der Selbstsetzung Adickes' ist aber bloß seine eigene, mehr oder weniger willkürliche Analyse. Denn Kant spricht nirgendwo explizit von den 6 Typen der Selbstsetzung, sondern immer von den zwei Stufen derselben, nämlich von der logischen und der metaphysischen.
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mögen allererst zu handeln anfängt, sein, der logische des Denkens hingegen der zweite Akt. Bei Lichte besehen ist aber die anscheinend bizarre Zuordnung der beiden Akte doch widerspruchslos zu klären. Es empfiehlt sich hierzu, das Verhältnis beider Akte im op. post, derart auszulegen, wie sich die synthetische Einheit der Apperzeption in der K.d.r.V. zu der analytischen verhält. Wie bekannt, sind sowohl die analytische als auch die synthetische Einheit der Apperzeption dort unterschiedslos dem transzendentalen Selbstbewußtsein zugehörig. Was aber das Verhältnis beider zueinander betrifft, so ist "die analytische Einheit der Apperzeption" dort klar "nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen möglich" (B 133). Das heißt, daß das Selbstbewußtsein die analytische Einheit seiner selbst nur dadurch sein kann, daß es die synthetische Einheit des Mannigfaltigen leistet. Wenn die synthetische Einheit der Apperzeption nicht geschehen würde, würde das Subjekt auch niemals zur analytischen Einheit seiner selbst gelangen. Darauf gestützt könnte man also sagen, daß die synthetische Einheit der Apperzeption in ihrem Geschehen der analytischen vorausgeht. Handelt es sich um den logischen Primat, geht umgekehrt die analytische Einheit der Apperzeption der synthetischen voraus. Denn das, was das Selbstbewußtsein im prägnantesten Sinne kennzeichnet, ist nichts anderes als die analytische, absolute Identität seiner selbst. Darum ist das Ich bin im Selbstbewußtsein eben der analytischen Einheit zugehörig und stellt sich dadurch bloß analytisch dar. Aus diesem Aspekt ist die analytische Einheit der Apperzeption das erste, höchste Moment des Selbstbewußtseins. Dem analog kann man also auch in bezug auf die Einordnung der beiden Akte des Selbstbewußtseins, des logischen und des metaphysischen Akts, im op. post. folgende Erwägungen anstellen: Wenn es um den wirklichen Vorgang des Selbstbewußtseins geht, geht natürlich der metaphysische Akt der Anschauung dem logischen des Denkens vorher. Denn ohne die Anschauung würde das Denken seinen Gegenstand nicht bekommen, auf den es sich bezieht und an dem es allein seine Tätigkeit ausüben kann. Ist aber vom logischen Primat des Aktes selbst die Rede, dann hat sicher der Denkaktus den Vorrang vor der Anschauung. Denn das Ich des Selbstbewußtseins, das die absolute, analytische Identität des Subjekts mit sich selbst bezeichnet, ist durch das Selbstbewußtsein des Denkens allein zu erreichen, und darum kommt das Ich bin im Selbstbewußtsein gerade dem logischen Akt des Denkens nach der Regel der Identität zu. Aus diesem Grund ordnet Kant im op. post., immer wenn die beiden Akte des Selbstbewußtseins, nämlich das Selbstbewußtsein der Anschauung und das des Denkens, voneinander getrennt in Betrachtung gezogen werden, dieses als den ersten und jenes als den zweiten Akt desselben ein. Das Selbstbewußtsein verfährt
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demgemäß zuerst logisch und danach metaphysisch: "(...) erstlich das Bewußtseyn meiner selbst (logisch) und die Anschauung meiner selbst (metaphysisch) durch synthetische Sätze a priori" (II, 67/26-28).10 Auf diese Weise trifft die Ursprünglichkeit des Ich im Selbstbewußtsein schlechterdings auf den logischen Akt des Denkens zu, und die Anschauung bildet bloß den zweiten Akt oder die zweite, metaphysische Stufe desselben aus.
2.3. Die Selbstanschauung ist synthetisch, aber zugleich analytisch. Zu diesem Unterschied zwischen dem logischen und dem metaphysischen Akt ist nun in die Überlegung mit einzubeziehen, daß die Selbstanschauung eben den synthetischen, metaphysischen Akt des Selbstbewußtseins ausmacht und also eigentlich auf das Ich als das Objekt der Anschauung (das Daseiende als dabile) im Selbstbewußtsein geht: "Der erste synthetische Act des Bewustseyns ist der durch welchen das Subject sich selbst zum Gegenstande der Anschauung macht, nicht logisch (analytisch) nach der Regel der Identität sondern metaphysisch (synthetisch)" (II, 85/24-26) Der erste synthetische Akt des Bewußtseins ist der Akt der Anschauung seiner selbst, durch den das Subjekt sich selbst zum Gegenstand der Anschauung macht. Er heißt darum nicht logisch, sondern metaphysisch, d.i. synthetisch. Daher ist der Akt der Anschauung keineswegs der unmittelbare Grund für die analytische Identität des Subjekts mit sich selbst, sondern nur derjenige für die synthetische Entgegensetzung des Subjekts zu sich selbst als Objekt der Anschauung. Im Selbstbewußtsein, das zuerst logisch, aber danach synthetisch vorgeht, hat die Anschauung folglich nur mit dem synthetischen und metaphysischen Akt zu tun und ist von dem logischen stufenartig abzugrenzen. Sobald wir aber aufgrund dieser Abgrenzung und Einordnung der beiden Akte alle Gedankenzüge des Konv. VII, und zwar bezüglich der Selbstanschauung, systematisch und konsequent zu rekapitulieren versuchen, stoßen wir auf eine andere gegensätzliche Stellungnahme Kants, die damit keinesfalls zusammenbestehen kann: "Die Selbstanschauung (sich zum Sinengegenstande zu machen) gehört zur transsc. Philosophie u. ist synthetisch zugleich aber analytisch -" (II, 442/10-11)
10 Vgl. II, 477/29-478/3.
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Die beiden Fragmente kündigen unverkennbar an, daß die Selbstanschauung als derjenige Akt, durch den das Subjekt sich selbst zuerst zum Objekt, und zwar zum Objekt der Sinne als Erscheinung macht, sicher synthetisch, aber doch zugleich analytisch ist. Die Selbstanschauung geht hiernach zwar auf den synthetischen, metaphysischen Akt der Selbstsetzung und verfährt darum synthetisch, aber dennoch ist sie zugleich als analytisch bestimmt. Das heißt, daß die Selbstanschauung außer dem synthetischen Moment der Selbstsetzung noch irgendwie mit dem analytischen, logischen Moment zu tun hat. Wenn man derartige Erklärungen Kants ernst nimmt, dann kommt man ohne weiteres zu der Feststellung, daß die Selbstanschauung, insofern sie nicht bloß synthetisch, sondern zugleich analytisch ist, mit dem Selbstbewußtsein, welches zuerst logisch und dann synthetisch ist, in aller Hinsicht gleichkommen kann und muß. In diesem Fall ist die Anschauung seiner selbst nicht bloß dem synthetischen Moment des Selbstbewußtseins zuzurechnen, in der scharfen Abgrenzung zu dem Denken in sich selbst, das den logischen, analytischen Akt desselben ausdrückt. Sondern sie ist zugleich auch selbst analytisch und daher dem logischen Moment des Selbstbewußtseins zugehörig. Die Anschauung seiner selbst vertritt dann ohne Vorbehalt das Selbstbewußtsein selbst. Dieser Gedankenzug Kants steht natürlich gegen die stufenartige, wesensbetreffende Unterscheidung zwischen dem logischen Akt des Denkens und dem metaphysischen Akt der Anschauung, für die er selbst, wie wir gesehen haben, auch in zahlreichen Fragmenten argumentiert. Denn wenn die Anschauung seiner selbst nicht bloß synthetisch, sondern zugleich analytisch ist, dann schließt die Anschauung seiner selbst - in welchem Sinne und auf welche Weise auch immer - sicher identisch das Denken in sich selbst, nämlich den logischen Zug des Selbstbewußtseins, ein, und es finden sich also in diesem Fall keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Denken und der Anschauung seiner selbst. Kant behauptet auf diese Weise im op. post, einerseits, daß die Anschauung seiner selbst als ein bloß metaphysischer Akt schlechthin den zweiten Akt oder das zweitrangige Moment des Selbstbewußtseins ausmacht, im strikten Unterschied zum analytischen Moment desselben. Aber andererseits setzt er die Selbstanschauung doch im Widerspruch dazu in aller Hinsicht mit dem Selbstbewußtsein gleich, und zwar dadurch, daß die Anschauung seiner selbst als solche nicht bloß synthetisch, sondern auch analytisch ist. Dann ist der Unterschied zwischen dem lo-
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gischen Akt des Denkens und dem metaphysischen der Anschauung nicht mehr gültig. Aus diesen Hin- und Herreden Kants könnten wir uns mit der These heraushelfen, daß diese Verwirrung aus dem altersbedingten Nachlassen seiner Geisteskraft herrühre, wozu viele Interpretatoren des op. post, wegen des unauflösbaren Widerspruchs oder inkonsistenten Gedankenzusammenhangs oft ihre Zuflucht nehmen.11 Wenn wir uns aber mit dieser Verwirrung ernsthaft auseinandersetzen wollen, ohne uns dabei auf eine argumentatio ad hominem zu berufen, dann stehen uns nur zwei mögliche Wege offen. Der erste ist, daß wir an der Abgrenzung und Einordnung beider Aktcharakteristiken festhalten und den dem widersprechenden Gedanken, daß nämlich die Anschauung seiner selbst, ebenso wie das Selbstbewußtsein, sowohl synthetisch als auch analytisch sei, nur als Hokuspokus verwerfen. Oder wir können umgekehrt diesen Gedanken für wahr nehmen und dementsprechend alle weiteren Gedankenzüge mit diesem Leitfaden in einen einheitlichen Zusammenhang zu bringen und dadurch möglichst konsistent zu interpretieren unternehmen.
3. Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen Um nun das oben aufgestellte Problem aufzulösen, wollen wir näher darauf eingehen, was man überhaupt unter der angeblichen analytischen Anschauung seiner selbst verstehen könnte und sollte, wenn der Vorgang der Anschauung im Selbstbewußtsein tatsächlich nicht bloß synthetisch, sondern zugleich analytisch wäre. Sicherlich könnte die Anschauung seiner selbst, falls sie analytisch verfährt, mit dem Gegenständlichen nichts zu tun haben und dürfte also nicht unmittelbar das dabile sein, sondern sie müßte das cogitabile bedeuten, das dem Denken allein in Begriffen verfügbar ist, d.h. sie müßte rein intellektuelle, also in keinem Punkt sinnliche Leistung des Vorstellungsvermögens sein. Und nur in diesem Fall und dadurch allein könnte sie nicht auf die synthetische Vorstellung des Gegenständli-
11 Vgl. E. A. C. Wasianski: Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren (1804). In: S. Dreschler: Wer war Kant. Drei zeitgenössische Biographien von Ludwig Ernst Borowski, Reinhold Bernhard Jachmann und E. A. Ch. Wasianski, Tübingen 1974, S. 213-93, K. Vorländer: Immanuel Kant. Der Mann und das Werk (hrsg. von R. Malter), Hamburg 1977 und E. Adickes, 1920.
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chen, sondern geradezu auf die analytische Vorstellung gehen und von analytischem Akt-Charakter sein. All diese Bedingungen, die zur Sicherstellung des analytischen Moments der Anschauung seiner selbst erforderlich sind, scheinen Raum und Zeit aber nicht erfüllen zu können, und zwar gerade darum, weil Raum und Zeit, die sicher die Urformen der Selbstsetzung sind, im op. post, doch weiterhin als bloße Formen der Apprehension fungieren und also nur dazu fähig sind, das Mannigfaltige als dabile zur Darstellung zu bringen, und darum von reiner, aber sinnlicher Anschauung sind. Sie unterscheiden sich daher in ihrer Funktion gänzlich vom intellektuellen, logischen Denkaktus durch Begriffe. In dieser Hinsicht darf man die Anschauung seiner selbst gemäß dem Raum und der Zeit in keiner Weise als eine analytische, intellektuelle Leistung des Vorstellungsvermögens oder eine ihr entsprechende Vorstellungsart ansehen. Bevor wir aber diese hypothetische Annahme der analytischen Anschauung seiner selbst endgültig verwerfen, müssen wir noch auf ein anderes Fragment aufmerksam machen, das in bezug auf das Zusammenkommen des Selbstbewußtseins mit der Anschauung bemerkt: "Das B e w u s t s e y n seiner selbst (apperception) ist ein Act wodurch das Subject sich überhaupt zum Objecte macht. Es ist noch keine W a r n e h m u n g (apprehensio simplex) d.i. keine Sinenvorstellung zu welcher erfordert wird daß das Subject durch irgendeinen Gegenstand afficirt werde und die Anschauung empirisch wird sondern reine Anschauung die unter den Benenungen von Raum und Zeit blos das Formale der Zusamensetzung (coordinatio, et subordinatio) des Manigfaltigen der Anschauung enthalten die hiemit ein Princip a priori der synthetischen Erkentnis desselben welches aber eben darum den Gegenstand in der Erscheinung vorstellig macht." (II, 413/11-20)
Hier wird das Selbstbewußtsein abermals als mit der reinen Anschauung von Raum und Zeit identisch bezeichnet. Aber diese Identität beider wird diesmal nicht deswegen behauptet, weil das Subjekt dadurch zu einem Gegenstand der Sinne, d.i. zum dabile gelangt, sondern weil die reine Anschauung von Raum und Zeit "das Formale der Zusamensetzung (coordinatio, et subordinatio) des Mannigfaltigen der Anschauung" und hiermit zugleich "ein Princip a priori der synthetischen Erkentnis desselben" ist. Die Funktion von Raum und Zeit, um derentwillen sie mit dem Selbstbewußtsein für identisch gehalten werden, besteht hiernach darin, daß sie das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen als ein Prinzip a priori sind. Das heißt, daß Raum und Zeit als reine Anschauung das Mannigfaltige in der Anschauung nicht nur als gegeben darstellen, sondern dieses Mannigfaltige der Anschauung auch
Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 75 gemäß einem Prinzip zusammensetzen. Wenn die reine Anschauung von Raum und Zeit geschieht, wird dadurch das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammengesetzt. Unter diesem Aspekt betrachtet sind Raum und Zeit also nichts anderes als die Zusammensetzung des Mannigfaltigen gemäß einem Prinzip. Freilich ist eben diese Funktion von Raum und Zeit doch eigentlich nur beim Denken in Begriffen als intellektueller Leistung des Vorstellungsvermögens zu erwarten. Denn wie im letzten Abschnitt gezeigt worden ist, ist das Denken, in scharfem Unterschiede zur Anschauung, die uns bloß das Mannigfaltige gibt, dasjenige Vermögen, dieses Mannigfaltige der Anschauung gemäß einem Prinzip a priori zu verbinden und zusammenzusetzen. Wenn daher Raum und Zeit das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen sind, dann könnte man auch keineswegs umhin anzunehmen, daß sie auch eben dieselbe Funktion, die dem Denken eigentümlich ist, leisten und in diesem Punkt mit dem Denken vertauschbar sind oder an sich keinen Unterschied zu diesem haben. In diesem Fall verliert die Scheidung zwischen der Anschauung und dem Begriff ihren absoluten Anspruch.12 Es ist freilich schwer zu fassen, wie Raum und Zeit, die gewiß als die Formen der Sinnenanschauung fungieren, doch zugleich das Formale der Zusammensetzung des in ihnen identisch enthaltenen Mannigfaltigen sein könnten, so daß sie nicht bloß das Mannigfaltige als dabile ohne Verbindung, sondern zugleich die Verbindung selbst bei sich führen und diese verbindende Tätigkeit sogar in sich ausdrücken. Denn die beiden Funktionen von Raum und Zeit - d.i. die Formen der Sinnenanschauung und die der Zusammensetzung des Mannigfaltigen - scheinen im eigentlichen Sinne nicht aus einer einzigen Anschauungsart gleicherweise entspringen zu können, weil ihre Funktion als Formen der Sinnenanschauung gewiß der sinnlichen, derivativen Anschauungsart (intuitio derivata) zukommt, sie sich aber andererseits als Formen der Zusammensetzung auf die intellektuelle, ur12 F. Lüpsen behauptet, daß Raum und Zeit im op. post, als die Synthesis selbst oder als die Formen der Synthesis, wie die synthetischen Funktionen des Verstandes, fungieren und daß die Unterscheidung von Sinnlichkeit und Verstand durch die Merkmale der Rezeptivität und Spontaneität damit ihren absoluten Charakter verliert: „Das läßt sich so vereinigen, daß die Bedeutung der Synthesis zwar dieselbe bleibt, aber die g r u n d s ä t z l i c h e V e r s c h i e d e n h e i t der synthetischen Funktionen des V e r s t a n d e s und der A n s c h a u u n g a u f g e g e b e n wird. In der Tat liegt das in der von Kant eingeschlagenen Gedankenrichtung. Wenn Raum und Zeit Formen der Synthesis, wenn die reinen Anschauungsformen synthetische Funktionen sind, so darf nicht länger die Trennung von den synthetischen Funktionen des Verstandes, den Kategorien, aufrecht erhalten werden. Sie stehen beide unter e i n e m Prinzip der Synthesis, sie sind nur Formen der e i n e n synthetischen Einheit. Das wird noch klarer, wenn wir neben dem synthetischen den S p o n t a n e i t ä t s -Charakter der reinen Anschauungsformen betrachten. Die Scheidung von Sinnlichkeit und Verstand durch die Merkmale der Rezeptivität und Spontaneität verliert damit ihren absoluten Charakter." (F. Lüpsen/1925, S. 96)
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sprüngliche Anschauungsart (intuitio originaria) gründen müßten. Deshalb müßten Raum und Zeit, wenn sie nicht bloß die Formen der Sinnenanschauung, sondern zugleich auch die der Zusammensetzung sind, sowohl sinnlich als auch intellektuell vorgehen, was aber für jetzt kaum zu akzeptieren ist. Es ist allerdings im gesamten Kontext des Konv. VII nachdrücklich hervorgehoben, daß Raum und Zeit eigentümlich als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen gelten und darum nicht das bloße Mannigfaltige als dabile, sondern eher die Verknüpfung desselben, nämlich seine synthetische Zusammensetzung, bezeichnen: "Raum und Zeit sind nicht existirende Objecte der Wamehmung (empirischer Erkentnis mit Bewustseyn) und nicht D i n g e an s i c h (entia per se) sondern blos Formen der Zusamensetzung des Manigfaltigen der reinen Anschauung neben und nach einander gesetzter Dinge (iuxta velpost se invicem positorum) welche Formen a priori nicht Obiecte der Anschauung sondern subjective Principien der Zusamensetzung (coordinationis et subordinationis) der Vereinigung der Wamehmung zur Einheit der Erfahrung gehören -" (II, 44/30-45/6) "Raum und Zeit sind nicht Gegenstände sondern reine Anschauung selbst nicht empirische Vorstellungen eines Aggregats der Warnehmungen nicht ein spührbares (aßignabile) der Manigfaltigen was für die Vorstellung gegeben ist sondern das Formale der Zusamensetzung des Manigfaltigen der Anschauung das mit dieser identisch ist." (II, 71/2-6) "Raum u. Zeit sind nicht Objecte der Anschauung sondern subjectiv Anschauung selbst das Formale der Verknüpfung der Sinenvorstellung überhaupt."(II, 30/3-5)13
Nach dieser Bestimmung geben Raum und Zeit als reine Anschauung uns das Mannigfaltige der Sinnenanschauung nicht als das Spürbare, d.i. als das dabile, sondern sie sind vielmehr die Formen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen. Sie stellen auf diese Weise die Formen a priori dar, gemäß denen das Subjekt das Mannigfaltige verbindet und zusammensetzt. So bestehen sie wesentlich nicht darin, das Mannigfaltige vorzustellen, sondern es zusammenzusetzen. Freilich könnte man sich hier so helfen, daß Raum und Zeit zwar das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen sind, jedoch dabei das Mannigfaltige bloß ins räumliche und zeitliche Verhältnis, d.i. in die coordinatio und subordinatio gebracht wird, die nicht mit der Verbindung durch die Begriffe identisch ist. In dieser Hinsicht setzt die Zusammensetzung desselben dem Raum und der Zeit gemäß nicht die spontane Tätigkeit des Denkens in den Begriffen voraus, eben deswegen, weil diese formale Ordnung des Mannigfaltigen gemäß dem Raum und
13 Es gibt zahlreiche Stellen in Konv. VII, die den Charakter von Raum und Zeit ähnlich bestimmen. Vgl. Kapitel 1.1.2.
Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 77 der Zeit schlechterdings nur das apprehensibele Verhältnis,14 also das Verhältnis ist, wie das Objekt dem Subjekt gegeben wird,15 nicht aber, wie das Objekt von dem Subjekt gedacht wird. Wenn dies wirklich der Fall wäre, müßte die Zusammensetzung des Mannigfaltigen gemäß dem Raum und der Zeit natürlich der intellektuellen Leistung des Denkens durch die Begriffe gänzlich heterogen sein, und darum müßte zu jener räumlichen und zeitlichen Ordnung noch die Tätigkeit des Denkens hinzutreten, damit sie zum cogitabilen Verhältnis gemacht werden könnte. Die Zusammensetzung des Mannigfaltigen, wie sie durch den Raum und die Zeit bewerkstelligt wird, dürfte keineswegs mit der Verbindung desselben durch die Begriffe vertauscht werden. Dies ist aber auch in der K.d.r.V. nicht der Fall. Dort erklärt Kant, wenn von der Sukzession als zeitlicher Ordnung oder von den Verhältnissen der Sinnenvorstellungen die Rede ist: "Bewegung, als Handlung des Subjekts, (...), folglich die Synthesis des Mannigfaltigen im Räume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloß auf die Handlung achthaben, dadurch wir den i n n e r e n Sinn seiner Form gemäß bestimmen, bringt sogar den Begriff der Sukzession zuerst hervor. Der Verstand findet also in diesem nicht etwa schon eine dergleichen Verbindung des Mannigfaltigen, sondern b r i n g t sie h e r v o r , indem er ihn af f i z i e r t . " (B 155) Die Sukzession als das zeitliche Verhältnis des Mannigfaltigen, d.i. das Nacheinandersein desselben, findet hiernach nicht in den Sinnen statt, sondern kommt erst durch den Verstand zustande, der das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip verbindet. Weil der Sinn oder die Sinnlichkeit als das passive Vermögen des Subjekts in keiner Weise imstande ist, für sich allein irgendeine Zusammensetzung zu leisten, liegt selbst dem räumlichen und zeitlichen Verhältnis der Sinnenvorstellungen die Tätigkeit des Verstandes zugrunde, das Mannigfaltige derselben durch einen Begriff zu verbinden. Denn der Verstand findet in den Sinnen keine solche Verbindung oder Ordnung (d.i. Sukzession) vor, so daß er dadurch das Objekt der Sinne als schon verbunden auffaßte, sondern bringt sie selber erst hervor. Die zeitliche Ordnung ist also nichts anderes als die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauungen durch den Verstand und ist damit identisch.
14 Vgl. II, 90/18-22: "Sie (sc. Raum und Zeit) sind nicht Sachen sondern selbst nur Vorstellungen der Apprehensibelen Verhältnisse der Vorstellung zum Subject in so ferne dieses in der reinen Anschauung mithin a priori als subjective Formen der Anschauung sich selbst nicht analytisch nach dem Satz der Identität d.i. synthetisch zum Object zu machen d.i. als Erscheinungen gegeben sind" (Die Unterstreichung von mir). 15 Vgl. II, 412/23-24.
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Das Verhältnis oder die Ordnung der Sinnenvorstellungen überhaupt gemäß Raum und Zeit als Formen der Sinne kann darum nicht als uns gegeben vorgestellt werden, wenn nicht der Verstand das Mannigfaltige derselben durch einen Begriff verbindet. Dementsprechend ist die Synthesis des Mannigfaltigen durch den Verstand eben für denjenigen Akt des Subjekts zu halten, "wodurch die Vorstellungen eines bestimmten Raumes oder Zeit erzeugt werden" (B 202) oder "wodurch Raum und Zeit überhaupt bestimmt werden" (B 203). Daß wir uns etwas in einem räumlichen und zeitlichen Verhältnis vorstellen, heißt also nichts anderes, als daß wir dieses Verhältnis durch die synthetische Tätigkeit des Verstandes erst hervorbringen. Sonst könnten wir weder zeitliches noch räumliches Verhältnis der Sinnengegenstände in uns finden. Wenn im op. post, von Raum und Zeit als dem Formalen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Sinnenanschauung, d.i. als dem Prinzip der subordinatio und coordinatio desselben die Rede ist, so setzt diese Zusammensetzung ohne weiteres diejenige Verbindung voraus, die durch die Tätigkeit des Verstandes, das Mannigfaltige durch Begriffe zu verknüpfen, zustandekommt. Deshalb ist die Zusammensetzung des Mannigfaltigen gemäß dem Raum und der Zeit keineswegs bloß das apprehensibele Verhältnis, das sich bereits in den Sinnen findet und also gänzlich von der Verbindung gemäß einem Begriff, d.i. von einem denkbaren Verhältnis, unterschieden ist, sondern sie ist mit dem denkbaren Verhältnis identisch. Aus diesem Blickwinkel können wir auch folgerichtig sagen, daß, wenn Kant hier von Raum und Zeit als dem Formalen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen spricht, er dabei auch die spontane, intellektuelle Verbindung desselben im Sinne hat. Er drückt nämlich offenkundig aus, daß Raum und Zeit die Synthesis des Mannigfaltigen selbst und als die Formen der synthetischen Einheit desselben auch eben dasjenige sind, was nicht zur Rezeptivität, sondern lediglich zur Spontaneität gehört: "Raum und Zeit sind nicht Gegenstände der Anschauung sondern die reine Anschauung selbst und das Formale der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen derselben als Erscheinungen unter dem Princip ihrer Zusamensetzung ist nicht Receptivität sondern Spontaneität" (II, 439/6-9) Diesem Zitat zufolge sind Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen die Formen der synthetischen Einheit desselben und bezeichnen in diesem Punkt nicht die Formen der Rezeptivität, sondern die der Spontaneität, mithin das cogitabile, d.i. intellektuelle Verbindung. Raum und Zeit als die 16 Vgl. II, 12/28-30.
Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 79 reine Anschauung selbst, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip a priori zusammenzusetzen, sind also nichts anderes als die spontane, intellektuelle Tätigkeit des Subjekts. Daß aber Raum und Zeit auf diese Weise an sich die spontane Tätigkeit des Subjekts sind, das Mannigfaltige zusammenzusetzen, bedeutet auch, daß das Subjekt, wenn es sich die Anschauung von Raum und Zeit macht, sich dadurch nicht bloß als das dabile setzt, sondern daß es zugleich dieses Mannigfaltige gemäß einem Prinzip verbindet. Insofern Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen die Spontaneität des Subjekts selbst ausdrücken, bestehen sie ihrem Wesen nach nicht bloß darin, von dem handelnden Subjekt aus zu etwas ihm Entgegenstehendem, d.i. zu dem dabile, überzugehen, sondern auch darin, dieses Mannigfaltige zu verbinden und es dadurch zum cogitabile zu machen: "Er (sc. Der Raum) ist kein wamehmbarer (apprehensibeler) Gegenstand sondern ein Product des Vorstellungsvermögens als Selbstthätigkeit (Spontaneitas nicht Receptivitas) das aspectabile als cogitabile vorzustellen" (II, 42/15-18) Deshalb fungieren Raum und Zeit hier zwar einerseits gewiß als die Formen, von dem cogitabile aus direkt zum dabile überzugehen, andererseits aber auch als diejenigen Formen, dieses dabile wiederum zum cogitabile zu machen. In ihnen treffen so diese beiden Züge unabtrennbar miteinander zusammen. Es kommt daher auch ausdrücklich zur Sprache, daß Raum und Zeit als solche sowohl den Vorgang bedingen, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung a priori darzustellen, als auch dieses Mannigfaltige gemäß einem Prinzip a priori zu verbinden: "Die Zusammenfassung (complexus) des Manigfaltigen der Anschauung als Synthetisches Princip des Manigfaltigen in der Erscheinung im Raum u. Zeit ist eine Darstellung a priori als formale der Erscheinung" (II, 410/20-23) "Raum, Zeit, und die absolute synthetische Einheit des Manigfaltigen der Erscheinung überhaupt im Raum und der Zeit, wodurch das Gantze der Sinengegenstände zum Behuf Einer möglichen Erfahrung gegeben wird" (II, 447/18-21) Raum und Zeit gehen als die ursprünglichen Formen der Selbstsetzung nicht bloß darauf, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung darzustellen, sondern zugleich darauf, dieses Mannigfaltige zusammenzusetzen. Um die Zusammenhänge beider Züge von Raum und Zeit besser und passender auszudrücken: die Darstellung des Mannigfaltigen im Raum und in der Zeit kommt in ihrem Geschehen mit der synthetischen Zusammensetzung desselben gleich, deren Formen wiederum Raum und Zeit sind. Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung, durch die uns das
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Mannigfaltige derselben gegeben werden kann, finden so erst mit den Formen der Zusammensetzung desselben zusammen statt. Raum und Zeit sind daher im op. post, einerseits die Formen der Sinnenanschauung, in denen das Subjekt das Mannigfaltige a priori konstituiert oder dieses ihm gegeben wird. Aber andererseits sind sie zugleich das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen und gehören daher als solche in die spontane Tätigkeit des Subjekts hinein: "Raum u. Zeit sind einerseits Actus der Spontaneität des Subjects in der Anschauung andererseits affectionen der Receptivität: jene in der Zusamensetzung des Manigfaltigen diese der Darstellung des Zusamengesetzten in der Einheit des Begriffs" (II, 42/29-43/2)
So sind Raum und Zeit einerseits "affectionen der Receptivität", eben deswegen, weil sie uns bloß das Mannigfaltige darstellen und also diejenigen Formen ausmachen, in denen das Objekt der Sinne uns erst gegeben werden kann. Aber andererseits sind sie, insofern sie das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen ausdrücken, "Actus der Spontaneität des Subjekts in der Anschauung", dieses Mannigfaltige zusammenzusetzen. Daher sind Raum und Zeit als reine Anschauung selbst ihrem Wesen nach nicht bloß rezeptiv, sondern sie verfahren auch spontan - intellektuell und selbsttätig. Ohne diese Aktivität könnten uns auch in dem wirklichen Raum und in der wirklichen Zeit die Formen der Sinnenanschauung nicht als gegeben vorgestellt werden. Hieraus läßt sich also schließlich entnehmen, daß, wenn Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen bestimmt sind, Kant darunter nichts anderes als die spontane Tätigkeit des Subjekts versteht, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zu verbinden. Und insofern sind sie nicht bloß als die Formen der Sinnenanschauung zur Rezeptivität des Subjekts, zum leidenden Ich gehörig, sondern gehören als Akt der Zusammensetzung des Mannigfaltigen zugleich zur Spontaneität desselben, nämlich zum handelnden Ich.17 Auf diese Weise drükken Raum und Zeit als reine Anschauung in sich den spontanen Akt des Subjekts aus, das Mannigfaltige gemäß dem Prinzip zusammenzufassen, indem sie uns
17 Vom rezeptiven, aber zugleich spontanen Charakter des Raums und der Zeit sagt E. Adickes: „Zur apriorischen Organisation des Ich an sich gehören auch Raum und Zeit. Sie sind die Formen, in denen das empirische Ich sein Wahmehmungsmaterialv aufnimmt'. Also, wie es scheint, reinste Rezeptivität! Aber in der Wirklichkeit greift doch auch hier Spontaneität Platz: wohl tragen die Formen selbst den Charakter der Rezeptivität, aber auch sie sind, wie die Kategorialfunktionen, nichts fertig Angeborenes, Ruhendes, was schon allein durch sein Dasein wirkte. Sie müssen vielmehr von dem an sich zeit l o s e n und räum l o s e n Ich an sich hervorgebracht, gemacht werden, so daß also ihr Besitz, das vsie haben' schon Apperzeption voraussetzt, ganz zu schweigen von dem "sie bereitstellen" oder Funktion versetzen'." (E. Adickes, 1920, S. 622f.)
Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 81 zugleich als die Formen der Sinnenanschauung bloß das Mannigfaltige darbieten. Die Darstellung des Mannigfaltigen im Raum und in der Zeit als Formen der Sinnenanschauung geschieht eigentlich identisch damit, daß das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammengesetzt wird. Der Akt, das Mannigfaltige zusammenzufassen, ist eigentlich nichts anderes als derjenige Vorgang, das Mannigfaltige darzustellen. Auf diese Weise fallen im Geschehen der Anschauung von Raum und Zeit diese beiden Züge miteinander zusammen. Wenn wir unter diesem Aspekt die vorher angeführte unbedingte Identität des Selbstbewußtseins mit der Selbstanschauung berücksichtigen, so ergibt sich daraus, daß diese Identität nicht nur darauf hinweist, daß die Selbstanschauung des Subjekts, sich selbst zum Objekt der Sinne, d.i. zum Mannigfaltigen zu machen, auf das Gegenständliche im Selbstbewußtsein und darum auch auf das Bewußtsein seiner selbst als Objekts der Anschauung geht, sondern ebenso darauf, daß sie, weil sie eben der spontane Akt des Subjekts ist, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung zusammenzusetzen, zugleich auch auf das handelnde Ich geht und darum ursprünglich das Ich der Apperzeption ausdrückt.
4. Die Einteilung der Selbstanschauung in die primitive und die derivative Anschauung seiner selbst Mit der zwiespältigen Bestimmung von Raum und Zeit, daß sie nämlich einerseits als die Formen der Sinnenanschauung, aber andererseits als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen bestimmt sind, können wir uns einem weiteren Gedanken Kants zuwenden, der sich ebenfalls auf deren doppelseitige Auffassung gründet. Diesen Gedanken finden wir etwa an der folgenden Stelle: "Ich setze mich selbst als Gegenstand der Anschauung nach dem formalen Princip der Bestimung des Subjects des Selbstbewußtseyns und des Zusamensetzens zur Einheit des Objects (Raum u. Zeit) aber eben dadurch als etwas E x i s t i r e n d e s in Verhältnis auf mich folglich als E r s c h e i n u n g (Gegenstand der Sinenanschauung) Ich bin das cogitabile nach einem Princip und zugleich das dabile als Object meines Begriffs: die Vorstellung des Dinges an sich und dan in der Erscheinung" (II, 32/6-13)
Die Selbstsetzung, deren ursprüngliche Formen Raum und Zeit ausmachen, geht laut diesem Zitat darauf, daß, indem ich mich selbst als Gegenstand der Anschauung gemäß einem formalen Prinzip setze, ich mich selbst als etwas Existierendes, also als Erscheinung, d.i. als Gegenstand der Sinnenanschauung setze. Was Kant
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damit meint, trifft genau auf den Übergang von dem Subjekt zum Objekt der Sinne durch Raum und Zeit zu. Aber Kant sagt weiter, daß ich eben in diesem Vorgang der Selbstsetzung "das cogitabile nach einem Princip und zugleich das dabile als Object meines Begriffs" bin. Das heißt, daß, indem ich mich als Gegenstand der Anschauung, d.i. indem ich Raum und Zeit setze, ich mich nicht bloß als das dabile, sondern zugleich als das cogitabile nach einem Prinzip setze. Anders ausgedrückt: die Setzung von Raum und Zeit entfaltet sich in zwei entgegengesetzte Richtungen, nämlich einerseits in die Setzung des dabile als des Gegenstandes der Sinnenanschauung, aber andererseits auch in die Setzung des cogitabile nach einem Prinzip. Dort wird also 1 fl das Objekt in der Erscheinung vorgestellt, hier bloß das Ding an sich . Durch oder in Raum und Zeit mache ich auf diese Weise mich selbst sowohl zu etwas Existierendem (dabile) als zum Objekt in der Erscheinung als auch zum cogitabile als Ding an sich. Dies bringt wiederum mit sich, daß Raum und Zeit als solche nicht bloß auf das dabile als Objekt der Sinnenanschauung, sondern zugleich auch auf das cogitabile als Gegenstand an sich gehen. Raum und Zeit als Anschauung a priori teilen sich in das dabile und in das cogitabile ein. Sie sind ihrem Wesen nach einerseits als das dabile, aber andererseits auch als das cogitabile zu verstehen. Dieser Einteilung von Raum und Zeit entsprechend, sondert Kant die Anschauung seiner selbst abermals in zwei unterschiedene Stufen, zusammen mit der dazugehörigen Unterscheidung einer zweifachen Vorstellungsart des Gegenstandes: "In dem Erkentnis eines Gegenstandes liegt zweyerley Vorstellungsart 1. des Gegenstandes an sich 2 dem in der Erscheinung. Die erstere ist diejenige wodurch das Subject sich selbst uranfänglich in der Anschauung setzt (cognitio primaria) die zweyte da es sich mittelbar selbst zum Gegenstande macht nach der Form wie er afficirt wird (cognitio secundaria), diese letztere ist die Anschauung seiner selbst in der Erscheinung, die Anschauung wodurch der Sinnengegenstand dem Subject gegeben wird ist die Vorstellung und Zusamensetzung des Mannigfaltigen nach Raumes// u. Zeitbedingungen Das Object aber an sich = X ist nicht ein besonderer Gegenstand sondern das bloße Princip der synthetischen Erkentnis a priori welches das Formale der Einheit dieses Manigfaltigen der Anschauung in sich enthält (nicht ein besonderes Object)" (II, 20/1-13)
18 Hier stoßen wir zum ersten Mal auf den Begriff "Ding an sich" im op. post. Auch der Begriff "Ding an sich" erfährt hier durch die Selbstsetzungslehre einen maßgeblichen Wandel. Wenn man diesen Begriff im op. post, richtig verstehen will, muß man ihn in Verbindung mit verschiedenen Aspekten der Selbstsetzungslehre und auch mit den Begriffen "Gegenstand an sich", "ens rationis", "Noumenon" oder "Sache an sich" usw. betrachten. Zur konkreten Auffassung dieses Begriffes im op. post, siehe E. Adickes, 1920. S. 663-690, F. Lüpsen, 1925, S. 98-106 und H. Schmilz, S. 315-20.
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Der Akt der Selbstsetzung wird hiernach in zwei verschiedene Stufen eingeteilt, die jeweils die entsprechende Vorstellung des Gegenstandes herstellen. Die erste, primitive Stufe ist, daß das Subjekt sich uranfänglich in der Anschauung setzt und dadurch zur Vorstellung des Gegenstandes an sich gelangt, der seinerseits nichts anderes als "das Formale der Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung" und darum "das Princip der synthetischen Erkenntnis a priori" ist. Diese Stufe könnte man daher einfach die uranfängliche, primitive Setzung seiner selbst als des Gegenstandes an sich in der Anschauung nennen. Im Vergleich dazu vollzieht sich die zweite Stufe dadurch, daß das Subjekt sich selbst mittelbar zum Gegenstand macht, und zwar nach der Form, wie es affiziert wird. Diese Stufe als die Anschauung seiner selbst in der Erscheinung ist diejenige Stufe der Selbstsetzung, durch die der Sinnengegenstand dem Subjekt gegeben wird. Sie ist also nichts anderes als die Setzung seiner selbst als Gegenstandes der Sinne. Wenn man diese Einteilung der Selbstsetzung oder der Selbstanschauung mit dem vorigen Fragment (II, 32/6-13) vergleicht und in Zusammenhang bringt, ergibt sich daraus, daß die erste Stufe der Selbstsetzung als derjenige Vorgang zu verstehen ist, in dem das Subjekt sich selbst durch Raum und Zeit als cogitabile nach einem Prinzip setzt und dadurch zur Vorstellung des Dinges an sich gelangt, die zweite aber als derjenige, in dem das Subjekt sich selbst durch Raum und Zeit als dabile setzt und dadurch die Vorstellung des Gegenstandes in der Erscheinung erreicht. Die beiden Stufen der Selbstsetzung kann man also nur richtig verstehen und begreifen, wenn man die Funktion oder Auffassung von Raum und Zeit in bezug auf diese Einteilung einsieht. Denn hier wie dort macht den Schlüsselbegriff zur Einteilung des Selbstsetzungsprozesses schlechthin der Begriff von Raum und Zeit aus, durch den oder in dem allein sich die Setzung sowohl vom Objekt an sich (cogitabile) als auch vom Objekt in der Erscheinung (dabile) ergibt. Gerade in diesem Kontext kommt nochmals die Einteilung der Anschauung selbst zum Vorschein: "Theätet und Aenesidemus. Principien der Position seines Subjects in Raum u. Zeit Primitive Anschauung in R u. Z. Derivative, Sinen Anschauung." (II, 4/26-28) Hiernach ist die Anschauung zweiartig. Es gibt einerseits die primitive Anschauung als das Prinzip der Position des Subjekts selbst im Raum und in der Zeit und andererseits die derivative, die Sinnenanschauung. Diese Einteilung ist also parallel mit der obigen. Die uranfängliche, primitive Anschauung ist nichts anderes als die Anschauung der Prinzipien der Selbstsetzung im Raum und in der Zeit, wobei die Vorstellung des Gegenstandes an sich entsteht. Im Gegensatz dazu besteht die
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derivative, zweite Anschauung eben darin, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung als Sinnengegenstand darzustellen. Man kann bemerken, daß diese Einteilung der Selbstsetzung und auch der Anschauung im engsten Zusammenhang mit der zweiartigen Wesensbestimmung von Raum und Zeit steht und darum mit Hilfe derselben richtig gefaßt werden kann. Es ist folglich notwendig, daß wir uns auf die zweifache Entfaltung der Selbstsetzung noch eingehender einlassen und dadurch die Einsicht ins Wesen der Anschauung seiner selbst, die wir durch die bisherige Untersuchung erlangt haben, vertiefen und erweitern, damit wir in aller Deutlichkeit festhalten können, worauf sich diese Einstufung der Selbstsetzung und damit auch die der Anschauung stützt und was Kant eigentlich mit dieser Einteilung behaupten wollte.
4. l. Raum und Zeit als die derivative Anschauung seiner selbst Was nun die zweite, die derivative Anschauung seiner selbst betrifft, so ist klar, daß Raum und Zeit dabei als die Formen der Sinnenanschauung fungieren, in denen oder durch die das Mannigfaltige als Sinnenobjekt (dabile) gegeben wird. In der derivativen, sinnlichen Anschauung seiner selbst fungieren Raum und Zeit daher als Formen der Sinnenanschauung. Vermöge dieser Funktion von Raum und Zeit allein setzt nämlich das Subjekt sich selbst als etwas Existierendes, woraus die Vorstellung des Objekts in der Erscheinung zustandekommt. Dieser derivative Vorgang der Selbstsetzung oder der Selbstanschauung findet aber gemäß dem obigen Zitat (II, 20/1-13) nur statt, wenn das Subjekt "sich selbst mittelbar zum Gegenstand macht", und zwar "nach der Form, wie er affiziert wird." Das Objekt der Sinnenanschauung als Erscheinung kann uns nur insofern mittelbar gegeben werden, als das Subjekt affiziert wird: "Das Object der Anschauung als Erscheinung ist nur mittelbar (dadurch daß das Subject afficirt wird) gegeben als Sinenvorstellung." (II, 31/22) Die Setzung seiner selbst als Objekts der Sinne in der Erscheinung ist also nur möglich, wenn und insofern die Affektion wirklich stattfindet. Das bedeutet aber zugleich, daß durch Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung das Subjekt sich selbst mittelbar, d.i. durch die Affektion, zum Gegenstand macht. Denn im Prinzip machen Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung die Formen der Affektion aus, und die Sinnenanschauung entsteht ihrem Wesen nach
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dadurch, daß wir etwas durch die Affektion empfangen oder etwas uns nur sinnlich - durch die Affektion - gegeben wird. Deshalb bestimmt Kant hier Raum und Zeit, die die Formen der Sinnenanschauung sind, zugleich als die Formen der Affektion: "Er (sc. Der Raum) ist nur die formale Bedingung afficirt zu seyn d.i. Anschauung u. zwar a priori das Formale des Gegenstandes als Erscheinung. Eben so auch die Zeit. -" (II, 35/17-19) "(...) Diese Formen der Sinnenanschauung stellen aber die Gegenstände nur als E r s c h e i n u n g e n weil wir von ihnen afficirt werden müssen um sie anzuschauen nicht als die Dinge an sich selbst vor weil sie blos das Formale des Verhältnisses der Dinge zum afficirenden Subject enthalten" (II, 115/24-116/3)
Auf diese Weise machen Raum und Zeit die formale, subjektive Bedingung aus, in der uns allein etwas sinnlich gegeben werden kann. Sie fungieren als die formale Bedingung der Affektion, durch die uns allein etwas als gegeben vorgestellt werden kann oder wodurch die Sinnenanschauung entsteht. Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung stellen also die Gegenstände nur als Erscheinung dar, und zwar deswegen, weil sie "das Formale des Verhältnisses der Dinge zum afficirenden Subject" enthalten. So wird auch behauptet, daß der Möglichkeit von Raum und Zeit doch irgendwie der Vorgang der Affektion zugrunde liegen muß: "- Raum und Zeit sind nicht gegebene Gegenstände der Anschauung sondern selbst Anschauung und zwar reine a priori die doch uns nur zukomen in so fern wir uns von Gegenständen afficirt fühlen d.i. diese als bloße Erscheinungen. Nicht empirisch also nur die Möglichkeit der Erfahrung und die Principien derselben enthaltend." (II, 26/18-23)
Hier wird gesagt, daß Raum und Zeit als reine Anschauung uns doch nur insofern zukommen können, als "wir uns von Gegenständen afficirt fühlen". Raum und Zeit als die Formen der Affektion setzen also die wirkliche Affektion voraus. Das heißt, daß die Affektion erforderlich ist, damit Raum und Zeit uns wirklich das Objekt der Sinne als Erscheinung darstellen können. Nur wenn das Subjekt affiziert wird, kann uns die Sinnenvorstellung gegeben werden. Sonst könnten wir uns durch Raum und Zeit in der Tat keine Gegenstände als Erscheinungen, nämlich nach der Form, wie das Subjekt affiziert wird, vorstellen und dadurch uns selbst niemals zum Gegenstand der Sinne machen. Daß das Objekt der Sinne uns also durch oder in Raum und Zeit als Formen der Sinnenanschauung gegeben wird, beweist, daß die Affektion dabei wirklich stattfindet. Dem Raum und der Zeit als Formen der Affektion muß also unbedingt das passive, leidende Verhalten des Subjekts, affiziert zu werden, zugrunde liegen. So-
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mit liegt nahe, daß die Affektion oder das leidende Verhalten des Subjekts - indem das Subjekt von etwas anderem, d.i. von dem Gegenständlichen, affiziert wird - als unentbehrlicher Vorgang beim Prozeß der Selbstsetzung als Objekts der Sinne ins Spiel treten muß. Diese Überzeugung, daß der Affektionsvorgang zur Setzung von Raum und Zeit und damit auch zur derivativen Anschauung seiner selbst mitwirken muß, bringt aber wiederum eine große Ungereimtheit mit sich. Sie liegt in dem folgenden Punkt: Das Subjekt muß zwar gemäß dieser Überzeugung bei der Selbstsetzung durchaus von dem angeblichen Gegenstand an sich affiziert werden, aber dennoch ist im op. post, im gesamten Kontext der Selbstsetzung gänzlich unvorstellbar und sogar widersinnig, daß das Subjekt überhaupt von dem sogenannten Ding an sich affiziert wird.19 Denn wie in den bisherigen Betrachtungen mehrmals deutlich gezeigt, gibt es und kann es im eigentlichen Sinne keinen Gegenstand an sich geben, der das Subjekt affiziert. Sondern das Subjekt macht sich selbst selbsttätig - zum Gegenstand der Sinne als Erscheinung. So hängt das Gegebensein (dabile) des Gegenstandes der Sinne, mithin die Möglichkeit desselben, hier völlig von dem Akt der Selbstsetzung ab. Erst wenn das Subjekt zu handeln beginnt, tritt ein Gegenstand der Sinne dem Subjekt entgegen, wobei die Affektion seitens des Dinges an sich kaum zuzulassen ist. Es erhebt sich hierbei also die Frage, in welcher Hinsicht oder aus welchem Grund Raum und Zeit als die Produkte des Selbstsetzungsakts doch den Affektionsvorgang in sich einschließen können und, wenn es so ist, wodurch und auf welche Weise dieses Moment der Affektion beim Akt der Selbstsetzung Zustandekommen und dabei mit ihm zusammenwirken kann. Das folgende Fragment kann uns einen Leitfaden zur Auflösung dieser Frage an die Hand geben: "Um aber Erkentnis zu seyn dazu wird Anschauung und nicht bios Apperception sondern Apprehension des Gegenstandes erfordert aber nicht apprehension sondern eigene a priori setzende Vorstellung aus eigener Kraft bestirnt die Anschauung oder die Erscheinung Das Subject setzt sich selbst durch die synthetische Satze a priori durch die Formen sinnlicher Anschauung Raum und Zeit da das Subject
19 Der Begriff "Ding an sich", von dem hier die Rede ist, ist derjenige, der im Kontext der K.d.r.V. als die affizierende Ursache verstanden ist. In diesem Punkt fungiert das Ding an sich als Grund der Erscheinung, wie Kant in der Vorrede der K.d.r.V. bemerkt hat: „Gleichwohl wird, welches wohl gemerkt werden muß, doch dabei immer vorbehalten, daß wir eben dieselben Gegenstände auch als Ding an sich selbst, wenn gleich nicht e r k e n n e n , doch wenigstens müssen d e n k e n können. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint." (B XXVif.) Zur Auffassung des Dinges an sich als affizierender Ursache in der K.d.r.V. siehe E. Adickes: Kant und das Ding an sich, Berlin 1924, S. 28-37.
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Kräfte ausübt dadurch es sich selbst afficirt und es zu Erscheinungen bestirnt." (II, 70/17-23) Kant stellt hier fest, daß zur Erkenntnis die Anschauung als das dabile, d.i. die Apprehension als rezeptives Geschehen des Subjekts, niemals die Apperzeption als aktives Verfahren desselben allein, notwendig ist. Dies wiederholt das alte Grundprinzip des kritischen Idealismus Kants in der K.d.r.V., das lehrt, daß menschliches Erkennen sowohl aus der formalen Tätigkeit nach Begriffen als auch aus dem Empfangen des Mannigfaltigen durch die Affektion besteht. Dieses Prinzip erfährt aber im op. post., wie gesehen, einen der inneren Struktur nach maßgeblichen Wandel. Denn da das Objekt der Sinne oder das Mannigfaltige desselben jetzt nicht mehr von außen her - von der Affektion seitens des Dinges an sich her - gegeben, sondern von dem Subjekt selbst gesetzt und gegeben wird, muß die Anschauung, das Mannigfaltige desselben darzustellen, nicht erst durch die Apprehension, sondern vielmehr durch Apperzeption begründet werden. Mit anderen Worten: das rezeptive Geschehen selbst kann sich ursprünglich auch auf die Apperzeption als das aktive Vermögen des Subjekts stützen. Im diesem Sinnzusammenhang behauptet Kant im obigen Fragment, daß "eigene a priori setzende Vorstellung aus eigener Kraft" eben "die Anschauung oder die Erscheinung" bestimmt. Dies besagt, daß sich die Anschauung, obwohl sie die Affektionsart, wie der Gegenstand uns erscheint, bezeichnet, auf die Kraft oder Aktivität des Subjekts verläßt, aber niemals auf die Affektion seitens des Dinges an sich, das dem aktiv handelnden Subjekt absolut entgegensteht. Auf diese Weise stellt sich hier die Apperzeption als die die eigene Vorstellung setzende Kraft des Subjekts in den Vordergrund, und dies sogar zur Möglichkeit der sinnlichen Anschauung selbst. Was bedeutet aber, daß die Apperzeption als die die eigene Vorstellung a priori setzende Kraft die Anschauung bestimmt? Damit ist offensichtlich der Vorgang der Selbstsetzung selbst gemeint. Die Bestimmung der Anschauung durch die Apperzeption heißt also nichts anderes, als daß das Subject "sich selbst durch die synthetische satze a priori durch die Formen sinnlicher Anschauung Raum und Zeit" setzt, "da das Subject Kräfte ausübt dadurch es sich selbst afficirt und es zu Erscheinungen bestirnt." Die Selbstsetzung findet statt, indem das Subjekt sich selbst zum Objekt der Anschauung als Erscheinung setzt, und zwar durch Raum und Zeit als Formen sinnlicher Anschauung. Dieser Vorgang der Selbstsetzung geschieht aber hiernach nur darum, weil das Subjekt dabei Kraft ausübt, durch die es sich selbst affiziert und zur Erscheinung bestimmt. Anders formuliert: Die aktive Kraft des Subjekts ermöglicht die Affektion, d.i. das rezeptive Verhalten der Apprehension, weil das Subjekt eben durch seine Kraft affiziert wird. Und auf-
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grund dieser Affektion seitens der aktiven Kraft des Subjekts, sich selbst zu setzen, wird das Objekt der Anschauung uns als Erscheinung gegeben. Auf diese Weise tritt die Affektion bei dem Vorgang der Selbstsetzung auf, indem das Subjekt sich selbst durch seine eigene Kraft affiziert. Das Subjekt wird durch sich selbst, nämlich durch seine eigene Tätigkeit, affiziert, nicht aber durch den Gegenstand an sich im Sinne der K.dr.V. Die Affektion oder das passive, leidende Moment der Apprehension beim Selbstsetzungsprozeß kommt folglich nur in Gang, wenn das Subjekt seine Kräfte ausübt und dadurch sich selbst affiziert. Das Subjekt wird also beim Selbstsetzungsakt erst affiziert, wenn es zu handeln anfängt. Somit liegt auf der Hand, daß selbst das Affektionsmoment ausschließlich auf der die eigene Vorstellung setzenden Tätigkeit des Subjekts beruht.20 Hieraus kann man zweifelsohne entnehmen, daß die Affektion, die hier stattfindet, eben die Selbstaffektion ist, weil das Subjekt oder Substratum der Affektion nicht mehr das angebliche Ding an sich, sondern das Subjekt selbst ist, welches selbsttätig die Vorstellung setzt. Das affizierende Subjekt ist daher das handelnde, das affizierte das leidende. Wenn also im op. post, von der Affektion die Rede ist, so in keiner Weise von der Affektion seitens des sogenannten Dinges an sich, das außer dem Subjekt und abgesondert davon existiert, sondern von derjenigen seitens der Tätigkeit des Subjekts. Infolgedessen kommen Raum und Zeit als Formen sinnlicher Anschauung wirklich nur ins Spiel, wenn die Kraft des Subjekts das leidende Subjekt affiziert. Und gerade durch diesen Selbstaffektionsvorgang können Raum und Zeit ohne weiteres für die Formen der Affektion gehalten werden, in denen allein das Objekt der Sinne uns als Erscheinung gegeben werden kann. Diese Konzeption der Selbstaffektion21 wird durch eine andere Stelle noch verständlicher zum Ausdruck gebracht: 20 Das Subjekt selbst oder dessen Tätigkeit bestimmt Kant auch an vielen anderen Stellen eindeutig als das Ding an sich: "Alle Existenz des Bewustseyns im Raum und der Zeit ist blos Erscheinung des ineren u. äußeren Sines und als eine solche findet ein synthetisches Princip der Anschauung a priori statt und afficirt sich selbst als Ding im Räume und der Zeit existirend Das Subject ist hier Ding an sich weil es Spontaneität enthält. Die Erscheinung ist Receptivität. Jenes ist nicht ein anderes Object sondern eine andere Art sich selbst zum Object zu machen. Nicht Objectum noumenon sondern der A c t des Verstandes der das Object der Sinenanschauung zum bloßen Phänomen m a c h t ist das intelligibele Object." (II, 414/29-415/5) Oder "Die Receptivität der Anschauung dem Formalen nach, d. i. in der Erscheinung und die Spontaneität des Bewustseyns der Zusamenfassung in Einen Begriff (apprehension) sind actus synthetischer Sätze a priori der Transc. Philos. wodurch das Subject ihm selbst als Erscheinung a priori gegeben wird das Object = ist das Ding an sich Das Correlatum des Dinges in der Erscheinung ist das Ding a n s i c h ist das Subiect welches ich zum Objecte m a c h e " (II, 412/12-18) 21 H. Hoppe betrachtet das Problem der Selbstaffektion im op. post, von dem Standpunkt der Möglichkeit der Physik aus und hält die Selbstaffektion für identisch mit dem Experimentalverfahren der Naturwissenschaftler. In diesem Sinne spricht er von der Selbstaffektion wie folgt: "Die Selbstaffizierung leistet also dieses, daß durch sie das Subjekt seine Begriffe der bew. Kr. oder
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- Raum und Zeit sind Producte (aber primitive Producte) unserer eigenen Einbildungskraft mithin selbst geschaffene Anschauungen indem das Subject sich selbst afficirt und dadurch Erscheinung nicht Sache an sich ist. Das Materiale - das Ding an sich - ist = X ist die bloße Vorstellung seiner eigenen Thätigkeit" (II, 37/7-12) Hier muß man vor allem auf zwei Punkte achten. Erstens: Raum und Zeit sind Produkte des Subjekts und darum selbst geschaffene Anschauung, aber nur dadurch, daß das Subjekt sich selbst affiziert. Sie sind also durch die Selbstaffektion geschaffene Anschauungen, zu deren Möglichkeit außer der spontanen Kraft des Subjekts auch noch das leidende Verhalten einbezogen werden muß. Und zweitens: Kant bestimmt hier das Ding an sich, das in der K.dr.V. als das angebliche Substratum der Affektion oder die affizierende Ursache selbst gilt, als die Vorstellung der Tätigkeit des Subjekts. Der Affektionsvorgang, den Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung zu ihrer Möglichkeit zum Grunde haben, ist im op. post, nichts anderes als das Verhältnis des Subjekts zu sich selbst, und deshalb kann das sogenannte Ding an sich als das Substratum der Affektion in diesem Selbstverhältnis ohne weiteres für das Subjekt selbst, das auf das leidende Subjekt seine Kraft ausübt, d.i. für die Tätigkeit des Subjekts, gehalten werden. 22 Nach dieser Passage ist daher nicht zu bezweifeln, daß die Affektion, die der Möglichkeit von Raum und Zeit als Formen der Affektion zugrunde liegt, eben die Selbstaffektion ist, wobei das Subjekt sich in das affizierte und in das affizierende entzweit. Und das affizierende Subjekt, das an die Stelle des angeblichen Dinges an sich in der K.d.r.V. tritt, ist nichts anderes als die reine Tätigkeit des Subjekts selbst. Demzufolge ist der Selbstsetzungsvorgang, in dem das Subjekt sich selbst zum Gegenstand des Sinne macht oder durch den das denkbare Subjekt (cogitabile) sich selbst als das Objekt der Sinne (dabile) setzt, nichts anderes als die Selbstaffektion, deren Formen eben auch Raum und Zeit sind. Auf dieser Grundlage kann man diesen Vorgang der Selbstaffektion zu Recht die zweite, derivative Anschauung seiner selbst nennen23. von Gegenständen überhaupt erst auf die Erfahrung anwendbar macht, indem es sich durch die Selbstaffektion erst einmal für Wahrnehmungen öffnet. (...): sie ist nichts als das tatsächliche Hineinlegen der Form der Erfahrung in die Erfahrung, und zwar vermittelst des Experiments. (...) Das Subjekt, auf dem Umwege über das Experiment affiziert in der äußeren oder mit der äußeren Wahrnehmung also zugleich sich selbst, es ist 'sich selbst affizierend äußerlich affiziert'. (...)" (H. Hoppe/1969, S. 125) 22 Die Lehre der Selbstaffektion im op. post, darf man nicht mit der Lehre der doppelten Affektion, die E. Adickes für den Schlüssel zur Erkenntnistheorie Kants in der K.d.r.V. hält, vergleichen. Zur Lehre der doppelten Affektion in der K.d.r.V. siehe E. Adickes: Kants Lehre von der doppelten Affektion unseres Ich als Schlüssel zu seiner Erkenntnistheorie, Tübingen 1929 und Drexler: Die doppelte Affektion des erkennenden Subjekts im Kantischen System (Diss.) 1904. 23 G. Lehmann behauptet mit Recht, daß das Problem der Selbstaffektion "aufs engste mit dem Problem des sich als Erscheinung konstituierenden Subjekts verbunden" (G. Lehmann, 1969, S.
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Diese Selbstaffektion ist also möglich, wenn das Subjekt sich in zwei heterogene Verhaltensweisen oder Vermögen einteilt. D.h. wenn das Subjekt einerseits als die gemäß einem Prinzip handelnde Kraft, aber andererseits als die Rezeptivität der Affektion funktioniert, findet die Selbstaffektion wirklich statt. Dies impliziert aber wiederum, daß zur derivativen Anschauung seiner selbst die Anschauung sich von dem Begriff, wie in der K.d.r.V., unterscheidet und ihm als einem Produkt eines heterogenen Vermögens entgegensteht. Denn in diesem Fall kommt das leidende Verhalten des Subjekts, das durch die Affektion seitens der Tätigkeit desselben stattfindet, der Anschauung zu, aber die Tätigkeit des Subjekts selbst dem Begriff als einer Verstandeshandlung. Bei der Selbstaffektion als Selbstverhältnis kommt es daher auf das Verhältnis zwischen der Anschauung und dem Begriff als den verschiedenen Vorstellungsweisen an. Zur Ausführung dieses Selbstverhältnisses ist es aber ratsam, die Selbstaffektionstheorie in der K.d.r.V. näher zu beleuchten. Natürlich handelt es sich dort niemals um den Vorgang der Selbstaffektion im Sinne des op. post. Und wenn dies obwohl ganz selten und dunkel - vorkommt, dann immer in der zweiten Auflage, und zwar in Verbindung mit der Möglichkeit des inneren Sinnes.24 Deswegen können wir die Selbstaffektionstheorie in diesen beiden Schriften nicht ohne weiteres miteinander vergleichen oder sogar die des op. post, als eine direkte Entwicklung oder eine bloße Wiederholung derjenigen der K.d.r.V. annehmen. Es ist nichtsdestoweniger sehr aufschlußreich, wenn man eine für die Selbstaffektion maßgebliche Stelle in der K.d.r.V. Wort für Wort in Betracht zieht, so daß man die wegen der fragmentarischen Behandlung schwer zu greifende innere Struktur der Selbstaffektion im op. post, einigermaßen faßlich machen kann. In einer der wenigen Stellen der K.d.r.V., die die Selbstaffektion sinnvoll zur Sprache bringen, erklärt sich Kant folgendermaßen: 363) ist. Dies heißt, daß das Problem der Selbstaffektion nicht mit der ursprünglichen Selbstsetzung, durch die das Subjekt sich selbst als Ding an sich setzt, sondern vielmehr mit der derivativen, durch die es sich selbst erst als Sinnenobjekt in der Erscheinung setzt, zu tun hat. Eben in diesem Sinne sagt er auch: „Selbstsetzung und Selbstanschauung beziehen sich so aufeinander, daß die Selbstaffektion ein Merkmal nicht der absoluten sondern der relativen Position, der Selbstsetzung des Subjekts als Gegenstandes der s i n n l i c h e n Anschauung (im Gegensatz der Selbstsetzung des Subjekts als Quasigegenstandes der i n t e l l e k t u e l l e n Anschauung) ist: (...)" (Ebenda) 24 Von der Selbstaffektion ist in der K.d.r. V. nur die Rede, wenn es auf die Möglichkeit des inneren Sinnes ankommt, gerade weil sie gänzlich davon abhängt, die Vorstellungen, die wir durch die äußeren Sinne bekommen, durch die Tätigkeit des Subjekts in uns zu setzen (vgl. B 67f. und B 152ff.). Im Gegensatz dazu beruht die Möglichkeit der äußeren Sinne eigentlich auf der Affektion seitens des Dinges an sich. Deshalb stehen nur der innere Sinn und die Zeit als dessen reine Form in der K.d.r.V. in direkter Verbindung mit der Spontaneität des Subjekts, und nur in diesem Punkt kommt die Selbstaffektion in Frage. Zum Verhältnis zwischen Spontaneität und Zeit in der K.d.r.V. siehe I. Heidemann: Spontaneität und Zeitlichkeit, Köln 1958.
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"Er (sc. Verstand) also übt, unter der Benennung einer t r a n s z e n d e n t a l e n S y n t h e s i s der E i n b i l d u n g s k r a f t , diejenige Handlung aufs p a s s i v e Subjekt, dessen V e r m ö g e n er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch affiziert werde." (B 153f.) Die Selbstaffektion findet nur statt, wenn der Verstand seine Handlung aufs passive Subjekt ausübt. Mit anderen Worten: die Selbstaffektion ist derjenige Vorgang, in dem der Verstand als das handelnde Subjekt auf den inneren Sinn, d.i. das leidende Subjekt, seine Kraft ausübt und ihn dadurch affiziert.25 Ähnlich dem Gedanken des op. post, kommt auch hier die Rede auf die Selbstaffektion nicht als das Verhältnis zwischen dem absolut entgegenstehenden Subjekt und Objekt an sich, sondern lediglich als das Selbstverhältnis des Subjekts zu sich selbst, und zwar das Verhältnis zwischen den heterogenen Vermögen oder Verhaltensweisen des Subjekts. Besonders auffällig ist aber hier die Erwähnung dessen, was man unter der Handlung des aktiven Subjekts, durch die er sich selbst als das passive Subjekt affiziert, konkret verstehen kann. Kant nennt hier diejenige Funktion des Verstandes, der aufs passive Subjekt seine Kraft ausübt und dadurch in die synthetische Beziehung zu diesem tritt, spezifisch die Einbildungskraft oder die transzendentale Synthesis derselben. Unter dieser Benennung übt der Verstand also seine Kräfte aufs passive Subjekt aus, damit er den inneren Sinn affiziere und bestimme. Das heißt, daß der Verstand, wenn er seine Kraft, das Mannigfaltige gemäß den Begriffen zu verbinden, auf den inneren Sinn ausübt, besonders als Einbildungskraft, und zwar als die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft, bestimmt wird. Darum ist "Einbildungskraft" nicht ein besonderes, selbständiges Vermögen des Subjekts im Unterschiede zu "Verstand", sondern eine besondere Benennung des Verstandes in Hinsicht der Selbstaffektion. Das aktive Subjekt bei der Selbstaffektion ist also der Verstand, und seine Tätigkeit ist nichts anderes als die transzendentale Synthesis des Mannigfaltigen der Sinnenanschauung überhaupt gemäß seinen Begriffen, wodurch erst Raum und Zeit, die Formen der Affektion, als bestimmt gegeben vorgestellt werden können. Mit anderen Worten: Erst wenn der Verstand seine Begriffe auf den inneren Sinn anwendet und ihn dadurch bestimmt, wird die Zeit als die Form des inneren Sin25 Ähnlich spricht Kant auch im op. post, von der Selbstaffektion. Aber hier muß die Selbstaffektion vorausgesetzt werden, um nicht nur die Möglichkeit des inneren Sinnes, sondern auch die der äußeren Sinne zu erklären. Denn weil hier, ganz anders als dort, ein Gegenstand der Sinne uns nicht von außen her gegeben, sondern von dem Akt des Subjekts selbst gemacht und gesetzt wird, wird die Möglichkeit der äußeren Sinne selbst und des Sinnenobjekts im räumlichen Verhältnis auch auf die Selbstaffektion zurückgeführt. Eben deswegen kommt die Selbstaffektion in bezug auf den Sinn überhaupt, nicht bloß auf den inneren Sinn, zur Sprache.
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nes, nämlich das Verhältnis des Nacheinander -, des Zugleichseins gegeben. Daher entsteht die Zeit als Form der sinnlichen Anschauung erst durch die Einwirkung des Verstandes auf den inneren Sinn. Diese Erläuterung der Bedeutung der Selbstaffektion zeigt uns offenkundig, daß die Möglichkeit von Raum und Zeit als Formen der Affektion gänzlich von der Tätigkeit des Verstandes, das Mannigfaltige der Sinnenanschauung überhaupt einem Begriff gemäß zu verknüpfen, abhängt. Indem also der Verstand die Anschauung einem Begriff gemäß bestimmt, entsteht die Zeit als die Form der Sinnenanschauung. In der K.d.r.V. ist dieser Vorgang der Selbstaffektion als das Selbstverhältnis zwischen den heterogenen Vermögen des Subjekts, nämlich zwischen dem Verstand und dem Sinne, oder zwischen dem Begriff und der Anschauung, gefaßt. Und so gründet sich die Möglichkeit der derivativen Anschauung auf das Verhältnis zwischen den heterogenen Vermögen, auf die synthetische, nicht identische, Beziehung der Anschauung auf den Begriff. In Analogie dazu könnten wir die Selbstaffektion im op. post, auch so erklären, daß der Akt der Selbstsetzung, oder besser die spontane Tätigkeit des Subjekts, durch die es sich selbst affiziert, als die Tätigkeit des Verstandes aufzufassen ist, das Mannigfaltige überhaupt gemäß Begriffen zusammenzufassen. Deshalb dürfen wir uns im op. post., genau wie in der K.d.r.V., die Selbstaffektion konkret so vorstellen, daß der Verstand auf den Sinn seine Kraft ausübt, indem er das Mannigfaltige der Sinnenanschauung gemäß einem Begriff verknüpft und dadurch Raum und Zeit als die bestimmten Formen oder die Art und Weise der Affektion als gegeben setzt. Darum ist die Selbstaffektion nichts anderes als das Selbstverhältnis zwischen dem Verstand und dem Sinn, oder dem Begriff und der Anschauung. Dies bekräftigt das folgende Fragment: "Die intussusception u. extraposition. Von welcher von beyden geht man aus? - Die erste ist Raum die zweyte die Zeit so doch daß die innere Composition des Manigfaltigen der Anschauung vorhergeht oder vielmehr die eine mit der ändern in wechselseitigem Verhältnis steht. Was ihre composition wechselseitig in Einer Anschauung bestirnt ist der V e r s t a n d in so fern er den Sin überhaupt afficirt und das Sinenobject als Erscheinung darstellt. Das darstellende innere Princip ist = X, wodurch das Ding sich selbst macht." (II, 69/22-29) Kant sagt hier, daß der Verstand das Verhältnis von Raum und Zeit bestimmt, indem er den Sinn überhaupt affiziert und dadurch ein Sinnenobjekt darstellt. Dies besagt, daß das zeitliche und räumliche Verhältnis, also die innere oder äußere "Composition des Mannigfaltigen der Anschauung", eigentlich durch die Affektion
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des Sinnes überhaupt durch den Verstand entsteht.26 Anders ausgedrückt: Raum und Zeit stellen zwar das Mannigfaltige des Sinnengegenstandes dar, aber gemäß den bestimmten Formen, wie er dem Subjekt erscheint oder wie es ihn apprehendiert. Aber Raum und Zeit als diese Formen der Erscheinung bestimmt doch der Verstand gemäß einem Begriff a priori, und er stellt dadurch das Sinnenobjekt als Erscheinung dar, indem er durch seine Kraft auf den Sinn überhaupt einwirkt, das Mannigfaltige desselben verbindet und zusammensetzt. Deshalb ist der Akt, der das Sinnenobjekt darstellt, eigentlich der Verstand, und die Vorstellungen von Raum und Zeit (dabile), die dadurch zuerst als gegeben gesetzt werden, sind bloß "Vorstellungen der Apprehensibelen Verhältnisse der Vorstellungen zum Subject" (II, 90/18) oder das Sinnenobjekt selbst: "Der erste Act geschieht durch den Verstand durch den das Subject sich selbst in Ansehung der Gegenstände im Räume und der Zeit sich selbst als einem Object bestirnt und äußere sowohl als innere Anschauung das dabile als Phänomenen mit dem cogitabili in der empirischen Anschauung im Raum und der Zeit auffaßt in der Warnehmung. (...)" (II, 507/12-18)
Die Selbstaffektion ist nichts anderes als derjenige Vorgang, den Begriff in der Anschauung zu konstituieren oder einen dem Begriffe korrespondierenden Gegenstand in der Anschauung darzustellen. Daher sind Raum und Zeit als die Formen der Sinnenanschauung bloß das dabile, das dem Begriffe (cogitabile) entspricht. Bei diesem Selbstsetzungsvorgang, in dem die Selbstaffektion ins Spiel kommt, wird also die Entgegensetzung oder Entzweiung zwischen den heterogenen Vermögen und die nicht identische, sondern synthetische Beziehung beider vorausgesetzt. Daher verwirklicht sich der Akt des Subjekts dabei nicht unmittelbar, son26 Die Selbstaffektionstheorie, die vornehmlich in Konv. X und XI vorgeführt wird (vgl. dazu E. Adickes, 1920, S. 279-343), ist eigentlich nicht dieselbe Theorie wie in Konv. VII. Dort sind alle Vorgänge der Selbstaffektion zwar sicher auf einer apriorischen Ebene behandelt, aber auf derjenigen Ebene, auf der alle Handlungen des Subjekts mit der empirischen Materie, obwohl hier a priori beweisbar, und ihren bewegenden Kräften verbunden sind, während es in Konv.VÜ sich ausschließlich um die Selbstaffektion auf der transzendentalen Ebene im strengsten Sinne handelt. Dieser Unterschied entspricht demjenigen zwischen der K.d.r.V. und den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft; also ist die Selbstaffektionslehre in Konv. X und XI eine die Empirie bereits betreffende und also abgeleitete Theorie. Die Arten der Affektion oder die Modi der Rezeptivität, d.i. die Formen der sinnlichen Anschauung, hängen hiemach gewiß vom Selbstbewußtsein oder vom Verstand ab. D.h. Raum und Zeit, obwohl sie als vorgestellte Anschauung die Formen der sinnlichen Anschauung, d.i. die Affektionsmodi ausmachen, werden durch den Verstand, der sich selbst zum Objekt macht, erzeugt. Daher bedeutet die Selbstaffektion, von der im op, post., und zwar in Konv. VII - obwohl nicht so häufig wie in den früheren Konvoluten X und XI - die Rede ist, nicht einen besonderen Tätigkeitskomplex des Subjekts neben dem Akt der Selbstsetzung, der nur in bezug auf das Problem des Überganges, darum auf einer niedrigeren, mit der Empirie verbundenen Stufe als Selbstbewußtseinslehre, auftaucht. Sie fällt eigenüich mit dem Akt der Selbstsetzung völlig zusammen und geschieht daher auf der höchsten, transzendentalen Ebene.
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dem mittelbar. Denn seine Produkte stehen in scharfer Entgegensetzung und Unterscheidung zu ihm. Raum und Zeit als Produkte der Selbstaffektion sind in diesem Fall derivativ, weil das handelnde, denkende Subjekt, indem es sich selbst affiziert, sich mittelbar - vermittels des Sinnes - zum Gegenstand macht, wobei also nur der Gegenstand der Sinne, also die Vorstellung des Objektes in der Erscheinung, zustandekommt. Auf diese Weise kommt die derivative Anschauung oder das Objekt der Sinne als Erscheinung durch die Einwirkung des Verstandes auf den Sinn oder durch die Bestimmung der Anschauung überhaupt durch den Verstand zustande. Und eben dieser Vorgang ist also auch mit dem synthetischen Akt der Selbstsetzung, im Unterschiede zum logischen, gleichzusetzen. Denn der synthetische Akt besteht eigentlich eben darin, das dem Begriff korrespondierende Spürbare (dabile) in der Anschauung darzustellen, was aber, wie soeben gezeigt, nichts anderes als die Bestimmung der Anschauung überhaupt durch den Verstand ist: "Der erste Act des Vorstellungsvermögens ist das Bewustseyn meiner Selbst welches ein blos logischer Act ist der aller übrigen Vorstellung zum Grunde liegt, wodurch das Subject sich selbst zum Objecte macht. - Der zweyte ist dieses Object als reine A n s c h a u u n g a priori und zugleich als B e g r i f f zu bestimen, d.i. zur Erkentnis als Inbegriff (complexus) der Vorstellungen nach einem Princip der Categorien nämlich dem System der Categorien, der Qualität, Quantität etc. als durchgängig bestimet d.i. das Mannigfaltige in der Erscheinung als zur Einheit der Erfahrung gehörend (als existirend) vorzustellen" (II, 77/11-19)
Der zweite Akt der Selbstsetzung vollzieht sich hiernach dadurch, daß der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung gemäß dem Prinzip der Kategorien bestimmt, wodurch allein das Mannigfaltige der Sinnenanschauung als das dem Begriff Korrespondierende als gegeben vorgestellt wird. Daher ist die derivative, mittelbare Setzung seiner selbst als Sinnenobjekts eben mit dem zweiten, synthetischen Akt des Subjekts identisch, wobei es also die synthetische Beziehung zwischen dem Begriff und der Anschauung und damit auch zwischen den gänzlich heterogenen Vermögen stiftet.
4.2. Raum und Zeit als die primitive Anschauung seiner selbst Im Gegensatz zur derivativen Anschauung handelt es sich bei der primitiven, uranfänglichen Anschauung seiner selbst nicht um die Anschauung als das dabile, sondern um diejenige als das cogitabile. Denn diese Stufe der Selbstsetzung geht
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auf die Setzung des Prinzips selbst der Zusammensetzung des Mannigfaltigen, und dadurch wird zwar das cogitabile nach dem Prinzip, aber keineswegs das dabile durch die Affektion gesetzt. Folglich kommt hierdurch nicht die Vorstellung des Objekts in der Erscheinung, sondern die des Gegenstandes an sich zustande.27 Dennoch bleiben all diese Beschreibungen der primitiven Anschauung an sich unverständlich. Aus dieser Grunderklärung der primitiven Anschauung ist allerdings festzuhalten, daß es sich hier wesentlich um Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen selbst und also als den spontanen Akt selbst handelt, im Unterschiede zur Auffassung derselben als Formen der Rezeptivität in der derivativen Anschauung seiner selbst. Denn nur in diesem Fall kann die Setzung von Raum und Zeit geradezu die Setzung des Formalen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen sein. Mit anderen Worten: die primitive Anschauung seiner selbst geschieht auch durch oder in Raum und Zeit, die aber lediglich als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen fungieren, gemäß dem das Subjekt das Mannigfaltige verbindet, nicht aber als die Formen der Sinnenanschauung, in denen das Mannigfaltige als das dabile gegeben wird. Der wichtige Punkt ist hier zuerst, daß die primitive Anschauung seiner selbst nicht in der Anschauung des Mannigfaltigen, sondern in der Anschauung des Prinzips selbst besteht, weil das, was durch den Akt der Selbstsetzung gesetzt wird, nichts anderes als das Prinzip selbst oder die Tätigkeit des Subjekts gemäß einem Prinzip sein kann: "Nicht die empirische Anschauung mit Bewußtseyn, die W a r n e h m u n g sondern die reine Anschauung des Formalen der Verbindung (Zusamensetzung) nach einem Princip (Gesetz) ist das Gedanken Ding (ens rationis) welches vor allem Materialien des Objects vorher geht u. subjectiv als Erscheinung zu Grunde liegt." (11,32/19-23) Kant sagt hier, daß die reine Anschauung keineswegs die Anschauung des Mannigfaltigen der Sinnengegenstände, nämlich die Wahrnehmung, sondern die "des Formalen der Verbindung nach einem Princip" und insofern bloß "das Gedanken Ding (ens rationis)" ist. Demzufolge bedeutet die uranfängliche Anschauung seiner selbst nichts anderes, als daß das Subjekt sich als die subjektive Form seiner Tätigkeit anschaut, und dabei bringt die primitive Anschauung seiner selbst das Gedankending (ens rationis) zustande. Wie oben betrachtet, bezieht sich die derivative Anschauung auf das Mannigfaltige (dabile), und daher ist ihr Gegenstand derjenige, der sich gänzlich von dem 27 Vgl. II, 20/1-13 oder 32/6-13.
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handelnden Subjekt (cogitabile) unterscheidet und ihm entgegensteht. Das heißt, daß sie schlechthin auf das Anderssein als den Akt des Subjekts selbst oder das diesem Entgegengesetztsein (dabile) führt. Wenn die Anschauung aber nicht auf das Mannigfaltige, sondern vielmehr auf die Zusammensetzung desselben, also auf die Tätigkeit des Subjekts selbst geht, kommt dabei nicht das Mannigfaltige (dabile), sondern das formale Prinzip jener Zusammensetzung selbst in den Blick. Und dieses formale Prinzip selbst ist natürlich nicht das ihm Entgegengesetzte (dabile), sondern das cogitabile. Aus einer derartigen Anschauung, die die Tätigkeit des Subjekts gemäß einem Prinzip oder das Formale dieser Tätigkeit selbst betrifft, geht also nur das cogitabile, d.i. das Gedankending (ens rationis), hervor.28 Was also die rein primitive Anschauung selbst anlangt, so ist sie schlechterdings als die subjektive Form verstanden, die nur im Gedanken ist, nicht als die objektive Form, die sich bereits am Objekt der Sinne verwirklicht, also als dasjenige, was nur gedacht, aber niemals gegeben wird, mithin als etwas Gedachtes (ens rationis). Infolgedessen sind Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen, wenn sie einfach als der Gegenstand der rein primitiven Anschauung betrachtet werden, das cogitabile, d.i. ein Gedankending: "Daß Raum u. Zeit nichts a u s s e r dem Subject Existirendes, noch weniger auch i n n e r e Bestimung der Dinge sondern bloß Gedankendinge sind (entia rationis)" (II, 414/5-7) Hieraus erhellt die Eigentümlichkeit der primitiven Anschauung im Vergleich zu der derivativen. Wenn nämlich einerseits das Mannigfaltige gemäß dem Raum und der Zeit als Formen der Affektion zum Objekt der Anschauung wird, d.h. wenn es um die Anschauung des Mannigfaltigen gemäß dem Raum und der Zeit geht, gehört diese Anschauung offensichtlich in die Apprehension hinein und ist also derivativ in dem Sinne, daß hier die Tätigkeit des Subjekts nur vermittelterweise, nämlich durch die Darstellung des ihr entsprechenden Mannigfaltigen, zum Gegenstand der Anschauung wird, und also das Anschauende und das Angeschaute in realer Entgegensetzung stehen. Im Gegensatz dazu entsteht die primitive Anschauung, wenn Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannig28 In den früheren Konvoluten unterscheidet Kant auch das spatium cogitabile oder intelligibile von dem spatium sensibile oder dabile. Diese Unterscheidung der beiden Aspekte des Raums entspricht der hier erörterten, wie wir an einigen Stelle nachlesen können: "Das spatium cogitabile ist die Form des Ganzen im System der Form nach ein Gedankending ens rationis -" (II, 342/25-26) Oder "Der Raum subjectiv in der formalen Anschauung als Sinenobject betrachtet als Gegenstand in der Erscheinung ist der s e n s i b e l e Raum im Gegensatz des intelligibelen der blos subjectiv ist, und das Substrat aller möglichen Wahrnehmungen welches ein System der bewegenden Kräfte der Materie ausmacht ihn schon nach der Regel der Identität als absolute Einheit zum Gegenstande der Erfahrung macht, und ein absolutes Ganze der durchgängigen Bestimung der Sinenobjecte ist" (II, 517/25-516/2)
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faltigen selbst als das Objekt der Anschauung vorgestellt werden. D.h. es stellen sich hier die Tätigkeit des Subjekts selbst oder die Formen derselben unmittelbar als Objekt der Anschauung dar. Dies bedeutet allerdings, daß die primitive Anschauung eben nichts anderes als die Setzung der spontanen, intellektuellen Tätigkeit des Subjekts ist. Dadurch kommt nicht das dabile, sondern lediglich ein Gedankending, d.i. etwas Gedachtes hervor. Denn das hier vorgestellte Objekt der Anschauung ist sicher nicht das spürbare und apprehensibele, sondern nur das denkbare und zur Apperzeption gehörige Objekt, denn "das Denkbare (cogitabile)" ist eben "Gegenstand der A p p e r c e p t i o n . " (II, 90/6). Diese Art Anschauung ist darum primitiv, unmittelbar, und zwar deswegen, weil darin das Anschauende und das Angeschaute das gleiche, nämlich das handelnde sind. Gerade durch diesen Punkt ist auch klar, warum die primitive Anschauung als die Setzung oder die Vorstellung des Dinges an sich selbst gilt, während die derivative Anschauung die Setzung des Sinnenobjekts als Erscheinung bedeutet. Denn diese verschiedenen Vorstellungsarten, nämlich die des Gegenstandes an sich und die des Sinnenobjekts als Erscheinung, beruhen eigentlich auf der unterschiedlichen Weise, wie sich das Subjekt zu sich selbst verhält oder in welchem Verhältnis es zu seinem Produkt steht. Im Fall der derivativen Anschauung ist das Subjekt sich nicht unmittelbar seiner selbst als Tätigkeit bewußt, sondern es nimmt diese nur mittelbar - vermittelst des Sinns oder der Apprehension des Mannigfaltigen desselben - als Objekt auf. D.h. es ist sich seiner selbst nur als dessen, was als durch diesen Akt affiziert erscheint, bewußt. Es kommt hierbei also nur auf die durch die Apprehension vermittelte, indirekte Verwirklichung der Tätigkeit des Subjekts an, wobei das Subjekt sich das Wahrgenommene als das Objekt der Sinne verschafft und sich seiner selbst als desselben bewußt ist. Aber die primitive Anschauung hat den Akt des Subjekts oder das Prinzip der Zusammensetzung des Mannigfaltigen selbst zu ihrem Objekt. Hier kommt also lediglich die Tätigkeit des Subjekts selbst, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammenzusetzen, in Betracht. Das Subjekt wird sich dabei seiner selbst direkt als Tätigkeit selbst oder als deren Prinzips, das Mannigfaltige der Anschauung synthetisch zu verknüpfen, bewußt. Dieses Objekt als Prinzip der synthetischen Zusammensetzung selbst ist also das durch den Verstand gedachte Objekt (cogitabile), d.i. das Ding an sich im Gegensatz zum Sinnengegenstand. Dies drückt Kant in einem Fragment so aus: "(...) Das Noumenon im Gegensatz mit dem Phänomenen ist das durch den Verstand gedachte Object in der Erscheinung, in so fern es ein Princip der Möglichkeit
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Das Noumenon ist hiernach, im Gegensatz zu dem Phänomenen, das durch den Verstand gedachte Objekt, insofern es ein Prinzip der synthetischen Sätze a priori enthält. Wenn das Prinzip, gemäß dem allein das Mannigfaltige der Anschauung synthetisch verknüpft und dadurch ein Sinnenobjekt als Erscheinung wird, an sich als Objekt gesetzt und vorgestellt wird, wird es ein Ding an sich, weil es ein nur denkbares, nicht apprehensibeles Objekt ist. Gerade deswegen geht die primitive Anschauung auf nichts anderes als die Setzung des Gegenstandes an sich. Anders formuliert: da sich die primitive Anschauung auf die Tätigkeit des Subjekts oder das Prinzip derselben als solches richtet, ohne daß das Subjekt durch die Einwirkung auf den Sinn zu etwas anderem übergeht, entsteht dabei die Vorstellung des Gegenstandes an sich als Gedankendinges. Hierdurch ist klar, wie das Subjekt, indem es sich Raum und Zeit macht, sich selbst dadurch nicht bloß als etwas Existierendes und folglich als Objekt der Sinne (dabile), sondern vielmehr als das Prinzip der Zusammensetzung des Mannigfaltigen selbst und dadurch auch als Ding an sich (cogitabile) setzt. Wenn daher Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen selbst zum Objekt der reinen, primitiven Anschauung werden, sind sie als die Vorstellung des Dinges an sich zu verstehen. Sie sind letztlich ein bloßer Gegenstand des Denkens als ein cogitabile, d.i. ein Gedankending (ens rationis). Selbst wenn wir alle oben aufgestellten Folgerungen ohne Einwände zugeben, fällt dennoch die Antwort auf die Frage schwer, warum die primitive Anschauung als die Anschauung des Formalen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen selbst, obwohl sie in der Folge bloß das cogitabile, das Gedankending ist, nicht als bloßes Denken, sondern immerhin als eine Art Anschauung gelten kann und was es dann bedeutet und auf welche Weise es geschehen kann, daß Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen, obschon sie bloß ein Gedankending sind, nicht zum Begriff gehören, sondern weiterhin eine Art von Anschauung ausmachen. Zur Beantwortung all dieser Fragen wollen wir zuerst unser Augenmerk auf eine entsprechende Problematik in der K.d.r.V. hinlenken und daraus einen haltbaren Vergleichspunkt zur weiteren Untersuchung im op. post, herausheben. Dort bestimmt Kant Raum und Zeit zwar maßgeblich als die Formen der Sinnenanschauung, d.i. als diejenigen Formen, gemäß oder in denen uns das Objekt der Sinne das Mannigfaltige - gegeben wird. Aber dennoch sind sie auch als die formale Anschauung, das Mannigfaltige zusammenzufassen, bestimmt, wenn sie selbst als
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der Gegenstand der Anschauung betrachtet werden.29 D.h. wenn Raum und Zeit nicht als die Formen der Sinnenanschauung, sondern als das Objekt der Anschauung selbst verstanden werden, fungieren sie hier auch als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen. Was kann aber in diesem Fall eigentlich unter dem Raum und der Zeit als formaler Anschauung selbst verstanden werden? Zum gleichen Problem bietet Kant in einer Stelle der K.d.r.V. diese bemerkenswerte Anmerkung: "Aber Raum und Zeit sind nicht bloß als F o r m e n der sinnlichen Anschauung, sondern als Anschauungen selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der Einheit dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt (...) *). *) Der Raum, als G e g e n s t a n d vorgestellt, (wie man es wirklich in der Geometrie bedarf,) enthält mehr, als bloße Form der Anschauung, nämlich Z u s a m m e n f a s s u n g des Mannigfaltigen, nach der Form der Sinnlichkeit gegebenen, in eine a n s c h a u l i c h e Vorstellung, so daß die F o r m der A n s c h a u u n g bloß Mannigfaltiges, die f o r m a l e A n s c h a u u n g aber Einheit der Vorstellung gibt. Diese Einheit hatte ich in der Ästhetik bloß zur Sinnlichkeit gezählt, um nur zu bemerken, daß sie vor allem Begriffe vorhergehe, ob sie zwar eine Synthesis, die nicht den Sinnen angehört, durch welche aber alle Begriffe von Raum und Zeit zuerst möglich werden, voraussetzt. Denn da durch sie (indem der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt) der Raum oder die Zeit als Anschauungen zuerst g e g e b e n werden, so gehört die Einheit dieser Anschauung a priori zum Räume und der Zeit, und nicht zum Begriffe des Verstandes. (...)" (B 160 und die Fußnote dazu) Raum und Zeit finden sich hier wie im op. post, einerseits als die Formen der Sinnenanschauung, die uns bloß das Mannigfaltige derselben darbieten, andererseits aber auch als die formale Anschauung selbst, das Mannigfaltige zusammenzufassen, bestimmt. Was aber die wesentlichen Züge der formalen Anschauung, das Mannigfaltige zusammenzufassen, angeht, so erklärt Kant hier eindeutig, daß die formale Anschauung als die Zusammensetzung des Mannigfaltigen eben die Zusammensetzung desselben "in eine a n s c h a u l i c h e Vorstellung" ist. Dadurch kommt also die "Einheit dieses Mannigfaltigen" oder "Einheit der Vorstellung" zustande, die ihrerseits die Synthesis des Mannigfaltigen als aktive Tätigkeit des Verstandes voraussetzt. In bezug auf das oben gestellte Problem wird so dargelegt, was man unter dem Raum als formaler Anschauung in concrete verstehen kann und aus welchem Grunde Raum und Zeit, obwohl sie als aktive Tätigkeit des Subjekts fungieren, doch weiterhin als Anschauung, und zwar im Unterschiede zum Begriff, gelten können. 29 Vgl. Kapitel II.2.2 und IV.3.
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Diesbezüglich wird vor allem festgestellt, daß Raum und Zeit als die formale Anschauung, das Mannigfaltige zusammenzufassen, nichts anderes als die synthetische Tätigkeit des Verstandes sind. Denn diese Zusammenfassung des Mannigfaltigen findet sich keinesfalls in den durchaus passiven Sinnen, sondern sie ist eben die Synthesis des Mannigfaltigen durch den Verstand, weil die Einheit des Mannigfaltigen, die durch diese formale Anschauung vorgestellt wird, unbedingt die Synthesis durch den Verstand voraussetzt. Mit einem Wort: Raum und Zeit als die Zusammensetzung des Mannigfaltigen sind die synthetische Tätigkeit des Verstandes, d.i. die spontane, intellektuelle Tätigkeit des Vorstellungsvermögens, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammenzusetzen. Raum und Zeit, wenn sie als die formale Anschauung, das Mannigfaltige in eine anschauliche Vorstellung zusammenzufassen, anzusehen sind, sind daher lediglich die Synthesis desselben durch die spontane Tätigkeit des Subjekts und darum zur Spontaneität des Subjekts gehörig. Wie kann aber der Raum als die Zusammenfassung des Mannigfaltigen, der nach dem gerade Gehörten nichts anderes als die synthetische Tätigkeit des Verstandes ist, dennoch nicht zum Verstand, nämlich zu einem der Verstandesbegriffe, gerechnet werden, sondern immer noch als Anschauung gelten? Darauf antwortet Kant, daß die Einheit des Mannigfaltigen oder die Einheit der Vorstellung, die durch die formale Anschauung, das Mannigfaltige zusammenzufassen, letztlich hervorgebracht wird, eigentlich "vor allem Begriffe vorhergehe" und also "nicht zum Begriff des Verstandes", sondern lediglich zum Raum und zur Zeit gehöre. Dies bedeutet, daß die Einheit, die die formale Anschauung uns gibt, nicht ein Verstandesbegriff der Einheit, sondern Einheit der Anschauung oder anschauliche, intuitive Einheit ist. Deshalb besteht die formale Anschauung insbesondere darin, das Mannigfaltige in eine anschauliche Vorstellung zusammenzusetzen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Raum und Zeit, wenn sie nicht als die Formen der sinnlichen Anschauung, sondern als Gegenstand der Anschauung selbst betrachtet werden, zwar nichts anderes als die Tätigkeit des Subjekts sind, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammenzusetzen, aber doch von dem Verstandesbegriffe durchaus unterschieden werden müssen, weil sie zur intuitiven Einheit des Mannigfaltigen gehören, die ausschließlich der Anschauung, nicht dem Begriff eigen ist. Diese Einheit oder die Eine Anschauung von Raum und Zeit ist nun, wie es in der transzendentalen Ästhetik der K.d.r.V. gesagt ist, eines ihrer ursprünglichen metaphysischen Merkmale. Demzufolge sind Raum und Zeit wesentlich nicht Begriffe, sondern die Eine Anschauung, und wir können uns also darunter schlechthin einen einigen Raum oder eine einige Zeit als Eine Anschauung vorstellen, de-
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ren Teile als das Mannigfaltige in ihnen bereits enthalten sind.30 Die Einheit, die lediglich zur Anschauung von Raum und Zeit, aber nicht zum Begriff gehört, ist daher diejenige, die eine unendliche Menge von Teilen, von Mannigfaltigkeit, nicht unter sich enthält, weil in diesem Fall diese Einheit zur Allgemeinheit des Begriffs gehören würde, sondern diejenige, die diese in sich enthält. D.h. die formale Anschauung, weil sie als die Zusammensetzung des Mannigfaltigen schlechterdings zur Vorstellung der anschaulichen, intuitiven Einheit gelangt, gilt als Anschauung, in scharfer Abtrennung vom Begriff, obschon sie als solche von der synthetischen Tätigkeit des Verstandes nicht unterschieden ist. Somit liegt nahe, daß selbst in der K.d.r.V. Raum und Zeit, wenn sie an sich als Gegenstand vorgestellt werden, nicht die Formen der Sinnenanschauung, sondern die formale Anschauung selbst sind, das Mannigfaltige in eine anschauliche Vorstellung zusammenzufassen. Und als die formale Anschauung sind sie daher eigentlich nichts anderes als die synthetische Tätigkeit des Verstandes und gehören darum in die Spontaneität des Subjekts selbst hinein. Doch sind Raum und Zeit als diese Tätigkeit selbst weiterhin Anschauung, nicht Begriff, und zwar gerade deswegen, weil die Einheit, die durch diese Tätigkeit zustandekommt, die anschauliche Einheit ist und darum nicht zum Verstandesbegriff, sondern zur Anschauung von Raum und Zeit gehört. Aufgrund dieser Konzeption der K.d.r.V. können wir uns nun wieder der eigentlichen Problematik im op. post, zuwenden, indem wir versuchen, die wesentliche Beschaffenheit von Raum und Zeit als primitiver Anschauung zur Kenntnis zu nehmen. Was also die reine Anschauung von Raum und Zeit als das cogitabile angeht, so sagt Kant: "Beyde (sc. Raum und Zeit) zusamen verbunden geben ein absolutes (unbegrenztes) Gantze der Anschauung welches doch iner nur als Theil eines noch größeren Gantzen möglich ist mithin kein Object (dabile) ist: ein cogitabile was doch nicht als ein Ganzes dabile ist." (II, 44/25-28) "Reine Anschauung aber ist Raum und Zeit deren jede absolute Einheit ihrer Vorstellung d.i. Unbeschränktheit bei sich fuhrt Es ist ein Raum und Eine Zeit und wen von Räumen und Zeiten geredet wird, so versteht man darunter Theile einer unbeschränkten Größe eines Gedankendinges (ens rationis) welches darum aber kein Unding (non ens): etwas Unmögliches ist(...)" (II, 80/1-6)
Es kommt hier deutlich zur Sprache, daß Raum und Zeit als reine Anschauung eine "absolute Einheit ihrer Vorstellung" oder "ein absolutes Gantze" sind. D.h. Raum und Zeit als reine Anschauung machen ein absolutes Ganze aus, das in sich bereits unendliche Teile desselben enthält. Es gibt also nur "ein(en) Raum und Eine Zeit" 30 Vgl. B 39=A 24f. oder B 47=A 31 f.
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als Eine Anschauung. Aber Raum und Zeit als ein absolutes Ganzes sind kein gegebenes Objekt (dabile), sondern "ein cogitabile was doch nicht als ein Ganzes dabile ist". Sie sind, mit einem Wort, ein Gedankending (ens rationis). Wir können hieraus die wichtigsten Begriffszusammenhänge zum Verstehen von Raum und Zeit als primitiver Anschauung ersehen, nämlich den Zusammenhang zwischen Einheit, Einzelheit, Ganzheit und Gedankending, und zwar in Analogie mit der obigen Untersuchung der K.d.r.V. 31 Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen bieten uns als solches auch im op. post, nicht das Mannigfaltige dar, sondern die Einheit desselben, so daß darunter nichts anderes als eine anschauliche Vorstellung als ein Raum und eine Zeit verstanden wird. Das heißt umgekehrt, daß Raum und Zeit, wenn sie als primitive Anschauung lediglich ein Gedankending sind, eben nichts weiter als die absolute Einheit desselben als ein Ganzes sind, das alle Teile in sich enthält. Diese Einheit ist also keineswegs dem Begriff, sondern ausschließlich der Anschauung von Raum und Zeit zugehörig, weil sie die intuitive Einheit bedeutet, die ihre unendlichen Teile alle in sich - nicht unter sich - enthält. Diese Erörterung gibt uns aber auch einen entscheidenden Hinweis, warum Raum und Zeit als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen, selbst wenn sie das Gedankending sind, doch als Anschauung, nicht als Begriff gelten können und müssen. Denn Raum und Zeit als Gedankending bezeichnen die absolute Einheit oder ein absolutes Ganzes, das in sich eine unendliche Menge von Teilen enthält. Sie bezeichnen also die intuitive Einheit, aber keineswegs die Allgemeinheit eines Begriffs. Darum sind Raum und Zeit nur "das Formale der Einheit dieses Mannigfaltigen der Anschauung" (II, 20/11) und gelten als Anschauung. Dieses eigentümliche Chrakteristikum von Raum und Zeit als Einheit der Anschauung, im Unterschiede zu derjenigen des Begriffs, ist auch im op. post, nachdrücklich hervorgehoben: "Die discursive allgemeinheit (Einheit in Vielem) ist von der intuitiven (Vieles in Einem) zu unterscheiden. Die letztere ist ein Act des Zusamensetzens u. collectiv jene des Auffassens und distributiv (...)" (II, 342/15-17)
Nach diesem Zitat geht die Anschauung auf die intuitive Allgemeinheit, im Gegensatz zu dem Begriff, der die diskursive Allgemeinheit bezeichnet. Dies besagt, daß unter der Einheit, die dem Raum und der Zeit zukommt, eine einzelne Vorstellung mit dem Mannigfaltigen, das sie in sich enthält, verstanden wird,32 und daß also 31 Über das Verhältnis zwischen den metaphysischen Erörterungen von Raum und Zeit in der K.d.r.V. und denjenigen im op. past, siehe E. Adickes , 1920 S. 595ff. 32 Vgl. die Fußnote zu B 136: "Der Raum und die Zeit und alle Teile derselben sind A n s c h a u u n g e n , mithin einzelne Vorstellungen mit dem Mannigfaltigen, das sie in sich enthalten (...),
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dabei das Mannigfaltige nur als in einer einzelnen Vorstellung (Vieles in Einem) enthalten vorgestellt wird. Hingegen kommt durch den Begriff nicht die Vorstellung der Einzelheit, sondern Einheit als diejenige Allgemeinheit zustande, die unter sich vieles enthält. Daher werden Raum und Zeit, wenn sie als die primitive, ursprüngliche Anschauung selbst betrachtet werden, als Inbegriff angesehen: "Raum und Zeit als subjective Formen nicht als Objecte der Anschauung des a priori gegebenen Manigfaltigen in der Erscheinung sind nicht abgeleitete Erkenntnisstücke (repraesentatio derivata) sondern ursprünglich (repraesentatio primria) in der Vorstellung gegeben und als unbedingte synthetische Einheit jedes Manigfaltigen und ihr Inbegriff als ein unendliches Ganze gedacht (...)" (II, 451/2-7) " - Raum u. Zeit sind nicht indirecte (mittelbare) derivative sondern directe (unmittelbare) primitive Anschauungen selbst durch welche das Object sich selbst als Erscheinung afficirt und stellen darum ihren Gegenstand als unendlich (gränzenlos) vor. Der Inbegriff (complexus) der Vorstellungen die in dieser Anschauung enthalten sind ist das Fortschreiten ins Unendliche." (H, 441/12-18)
Raum und Zeit sind, insofern sie das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen, aber nicht als das Mannigfaltige, sind, nicht die derivative, sondern die ursprüngliche, primitive und direkte Anschauung. Und in diesem Fall sind sie als Inbegriff desselben gedacht. Auf diese Weise können wir durch Raum und Zeit, wenn sie als das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen oder als diese Tätigkeit selbst betrachtet werden, die absolute Einheit im Sinne des absoluten Ganzen, d.i. den Inbegriff denken, denn die reine Anschauung als das Formale der Zusammensetzung stellt die absolute Einheit vor, die in sich die Fülle des Mannigfaltigen enthält.33 Deswegen finden sich Raum und Zeit als die "bloße Formen des Inbegriffs der Vorstellungen in der Zusamenstellung des Manigfaltigen der Anschauung als Sinnenvorstellung" (II, 416/13-14) bestimmt. Auf dieser Grundlage muß man zugeben, daß, wenn Raum und Zeit lediglich auf das Formale der Zusammensetzung des Mannigfaltigen gehen, doch ihre Vormithin nicht bloße Begriffe, durch die eben dasselbe Bewußtsein, als in vielen Vorstellungen, sondern viel Vorstellungen als in einer, und deren Bewußtsein, enthalten, mithin als zusammengesetzt, folglich die Einheit des Bewußtseins, als s y n t h e t i s c h , aber doch ursprünglich angetroffen wird. Diese E i n z e l h e i t derselben ist wichtig in der Anwendung (...)." 33 Über den Begriffszusammenhang "Ding an sich", "ens rationis" und "Inbegriff der Anschauungsvorstellungen" erklärt Kant sich in einem Fragment so: "Das Ding an sich (ens per se) ist nicht ein Anderes Object sondern eine andere Beziehung (respectus) der Vorstellung auf dasselbe Object dieses sich nicht analytisch sondern synthetisch zu denken als den Inbegriff (complexus) der Anschauungs/TVorstellungen als Erscheinungen d. i. als solcher Vorstellungen welche einen blos subjectiven Bestimungsgrund der Vorstellungen in der Einheit der Anschauung enthalten. Es ist ens rationis = X der Position seiner Selbst nach dem Princip der Identität wobey das Subject als sich selbst afficirend mithin der Form nach nur als Erscheinung gedacht wird." (II, 26/28- 27/5)
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Stellung weder als zum Denken gehörig noch als ein Verstandesbegriff angenommen werden kann, sondern daß sie lediglich als Anschauung, und zwar als die rein primitive Anschauung, gilt. Eben aus diesem Blickwinkel äußert Kant sich über die primitive Anschauung seiner selbst, die niemals in die Wahrnehmung, d.i. in die Apprehension, sondern vielmehr in die Apperzeption selbst hineingehört, so: "Der erste Act des Vorstellungsvermögens (facultas repraesentativa) ist die Vorstellung seiner selbst (apperceptio) wodurch das Subject sich selbst zum Objecte macht (apprehensio simplex) und seine Vorstellung ist Anschauung (intuitus) noch nicht Begriff (conceptus) d. i. Vorstellung des Einzelnen (repraesentatio singularis) noch nicht die welche vielen gemein ist (nota, i.e. repraesentatio pluribus comunis) gemeingültige Vorstellung die in Vielen anzutreffen ist im Gegensatz mit der einzelnen" (II, 43/7-13)
"Die Vorstellung seiner selbst (apperceptio)", d.i. das Selbstbewußtsein, ist nichts anderes als die Anschauung und noch nicht Begriff. Sie ist kein Begriff , nämlich weder eine Vorstellung, die vielen gemein ist (repraesentatio pluribus communis), noch gemeingültige Vorstellung, die in vielen anzutreffen ist, sondern ausschließlich die Vorstellung des Einzelnen (repraesentatio singularis), d.i. die Eine Anschauung. Dies besagt natürlich, daß die Anschauung mit der Apperzeption identisch ist, aber nicht in dem Punkt, daß die Apperzeption als Selbstsetzungsakt eben die Setzung eines dabile oder den Übergang vom cogitabile zum dabile wäre, sondern nur in dem Sinne, daß sie die absolute, intuitive Einheit als eine einzelne Vorstellung ausdrückt. Die Vorstellung des Ich im Selbstbewußtsein ist so keine allgemeine Vorstellung, kein Begriff, sondern eine einzelne, d.i. die Eine Anschauung, die die absolute Einheit als Inbegriff bezeichnet. Hieraus ergibt sich, daß, wenn die primitive, ursprüngliche Anschauung seiner selbst eine zur Apperzeption gehörige Vorstellung ist, sie dann als Einheit oder in ihrer Einzelheit schlechthin zur logischen, analytischen Vorstellung, keineswegs zur synthetischen, metaphysischen zu rechnen ist. Denn ansonsten würde die primitive Anschauung zwar die Vorstellung seiner selbst in Ursprünglichkeit ausmachen, aber dennoch von dieser als Vorstellung der analytischen Einheit verschiedenartig sein, was aber reiner Unsinn wäre. Deshalb muß die primitive Anschauung, insofern sie eben die Vorstellung seiner selbst ist, doch irgendwie analytisch sein. Diesbezüglich bestätigt Kant in einem anderen Fragment, daß die Einheit des Inbegriffs, also die intuitive Einheit, nicht synthetische, sondern logische Einheit ist:
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"1. Die logische Einheit des Inbegrifs (complexus) der Vorstellungen nach der Regel der Identität 2. die Metaphysische der Synthesis des Manigfaltigen des Verschiedenen nach Categorien der durchgängigen Bestimung des Objects nach Quantität, Qualität, Relat. u. Modalitat; als das Formale der Erscheinung wornach das Subject sich selbst setzt" (II, 68/1-6)
Hier wird die Vorstellungsart in zwei Weisen eingeteilt, nämlich in die logische und in die metaphysische. Unter der metaphysischen Vorstellung wird demnach die Einheit "der Synthesis des Manigfaltigen des Verschiedenen nach Categorien", unter der logischen hingegen die Einheit "des Inbegrifs (complexus) der Vorstellungen nach der Regel der Identität" vorgestellt. Die metaphysische Einheit ist also diejenige Einheit, die durch die Synthesis des Mannigfaltigen nach den Kategorien zustandekommt; im Gegensatz dazu ist die logische aber diejenige, die das Mannigfaltige nach der Regel der Identität in einen Inbegriff zusammenfaßt. Und diese logische Einheit des Inbegriffs ist eben die anschauliche Einheit von Raum und Zeit und gehört daher zur primitiven Anschauung seiner selbst, im Gegensatz zur metaphysischen, die nichts anderes als die zur derivativen Anschauung gehörige Einheit ist. Was also zunächst die metaphysische Einheit der Synthesis angeht, so versteht Kant darunter offenbar eine synthetische Vorstellung a priori von dem Objekt der Sinne als Erscheinung. Denn sie wird, wie oben angegeben, dadurch vorgestellt, daß das Mannigfaltige gemäß den Kategorien verknüpft und bestimmt wird. Es stehen hier das Mannigfaltige der Sinnengegenstände einerseits und die Kategorien andererseits in einer Rangordnung, und durch die Synthesis des Mannigfaltigen setzt das Subjekt sich selbst als das Objekt in der Erscheinung mit einer bestimmten synthetischen Verknüpfung. Daher gehört diese metaphysische Einheit der Synthesis zur derivativen Anschauung seiner selbst, in der das handelnde und das leidende Subjekt ins synthetische Verhältnis der Entgegensetzung treten. Im Gegensatz dazu bedeutet, daß die logische Einheit die Einheit des Inbegriffs der Vorstellungen nach der Regel der Identität ist, nichts anderes, als daß die logische, analytische Einheit die intuitive Einheit selbst ist. Demnach sind Raum und Zeit als ein Inbegriff der Vorstellungen also zweifelsohne eine logische Einheit. Anders ausgedrückt: Raum und Zeit, wenn sie als primitive Anschauung betrachtet sind, machen die logische Einheit der Vorstellungen aus und charakterisieren sich darum als die logische, analytische Vorstellung der Einheit. Denn unter der unbedingten Einheit von Raum und Zeit als einem Inbegriff kann man sich nur die undifferenzierte, unbestimmte, einfache Einheit des Mannigfaltigen als die Einzelheit vorstellen. Aus dieser Einheit von Raum und Zeit können wir also nur erfahren, daß sie Eins sind, sonst aber nichts mehr.
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung
Infolgedessen setzt sich das Subjekt, wenn es sich uranfänglich zu Raum und Zeit als dem Formalen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen macht, dabei schlechthin als logische, analytische Einheit. Auf dieser Grundlage kann man schließlich wohl behaupten, daß Raum und Zeit als primitive Anschauung einen analytischen Akt oder das analytische Moment der Selbstsetzung kennzeichnen, im Unterschied zu der derivativen, die dem synthetischen Akt oder dem synthetischen Moment derselben angehört, und zwar gerade deshalb, weil durch Raum und Zeit als die primitive Anschauung bloß die logische Einheit des Inbegriffs der Vorstellungen zum Vorschein kommt. Deswegen ist das Selbstbewußtsein als Akt der Selbstsetzung einerseits, wie gesehen, keine Anschauung, weil hier die Anschauung als die derivative eben die metaphysische, synthetische Bestimmung des Gegenstandes nach den Kategorien bedeutet;34 aber andererseits ist es dennoch nichts anderes als die Anschauung, die als primitive, unmittelbare Anschauung die absolute Einheit als die Einzelheit ist: "Ein Act der Persönlichkeit s i c h s e l b s t zum Gegenstande seiner Vorstellung zu machen cogitabile ut dabile. Diese Vorstellung ist Anschauung, d. i. eine unmittelbare nicht mittelbar als Merkmal vom Besonderen zum Allgemeinen" (II, 115/58)
5. Die in der Analysis synthetisch verfahrende
Vernunft
Wir haben uns sorgfältig mit allen einzelnen konkreten, aber anscheinend widersprüchlichen Erläuterungen und Bestimmungen von Raum und Zeit in Konv. VII befaßt und dadurch ihre verschiedenen Stufen und Charakteristika, die genau der zweifach unterschiedenen - synthetischen und analytischen - Entfaltung der Selbstsetzung entsprechen, abzutrennen und jeweils die darin enthaltenen wichtigen Gedankenzüge möglichst klar zu verdeutlichen versucht. Aufgrund der bisherigen Untersuchung können wir nun zusammenfassend die Konzeption von Raum und Zeit selbst im op. post, ans Licht bringen. Wie gesehen, sind Raum und Zeit im op. post, als zwei verschiedene Aktivitäten verstanden. Demzufolge sind Raum und Zeit einerseits das dabile, wenn sie als der Vorgang zu verstehen sind, die Sinnenanschauung formaliter zu konstituieren
34 Vgl. II, 115/11-16.
Die in der Analysis synthetisch verfahrende Vernunft
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und also das Mannigfaltige derselben darzustellen. Hiernach fungieren sie also durchwegs als die Art und Weise der Affektion oder als die Formen der Sinnenanschauung, wobei sich die Anschauung als sinnlich und bloß rezeptiv gänzlich von dem Begriff als der Tätigkeit des Subjekts, das Mannigfaltige selbsttätig zu verknüpfen, unterscheidet und diesem entgegensteht. Diese Funktion von Raum und Zeit als Formen der Apprehension liegt also der derivativen Sinnenanschauung zugrunde, und dadurch wird dem Subjekt erst das Objekt der Sinne gegeben. Und in diesem Fall geht die Setzung seiner selbst im Raum und in der Zeit synthetisch vor, weil dabei die Anschauung, d.i. das Mannigfaltige, sich dem Begriff als Prinzip a priori unterwirft und dadurch die synthetische Beziehung derselben zu ihm entsteht. Aber andererseits sind Raum und Zeit als solche wiederum das cogitabile, insofern sie nichts anderes als die spontane Tätigkeit des Subjekts selbst, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammenzusetzen, ausmachen und also in sich das Formale der Einheit als Inbegriff des Mannigfaltigen in der Zusammensetzung desselben ausdrücken. In diesem Fall gibt es im Prinzip keinen Unterschied oder keine Entgegensetzung zwischen dem handelnden und dem leidenden Subjekt, sondern die beiden stehen in einer Einheit oder Identität, weil die Anschauung selbst hier nichts anderes als die Tätigkeit selbst des Subjekts ist, das Mannigfaltige zusammenzuknüpfen. Hiermit wird also niemals das dabile, sondern das cogitabile gesetzt, das eben der Vorstellung des Gegenstandes an sich (ens rationis) entspricht. Raum und Zeit gehören also der primitiven, ursprünglichen Anschauung zu, und diese Setzung seiner selbst ist ein logischer Akt, und dieser Akt geht in der Folge ausschließlich auf eine absolute Einheit als das cogitabile. Auf diese Weise verfährt die Setzung seiner selbst in oder durch Raum und Zeit einerseits derivativ und synthetisch, aber andererseits ursprünglich und logisch. Diese beiden Züge des Selbstsetzungsaktes - der synthetische und der analytische - können wiederum so gefaßt werden: "Erscheinung ist die subjective Form der Vorstellungsart der Anschauung wie nämlich das Subject vom Object afficirt wird nicht nach dem was es in der Anschauung an sich selbst (unmittelbar) ist. Erstlich wie es sich selbst als absolute Einheit setzt zweytens wie es von dem Object afficirt wird." (II, 30/17-21)
Das Subjekt setzt sich selbst hierzufolge durch Raum und Zeit erstens unmittelbar, wie das Subjekt "sich selbst als absolute Einheit setzt", nämlich nach dem, "was es in der Anschauung an sich selbst (unmittelbar) ist", aber zweitens mittelbar, "wie es von dem Object afficirt wird". Indem also das Subjekt sich selbst in Raum und Zeit setzt, setzt es sich selbst einerseits unmittelbar als absolute Einheit, aber andererseits zugleich mittelbar als Erscheinung, wie nämlich das Subjekt affiziert
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung
wird.35 Im ersten Fall sind Raum und Zeit natürlich das Formale der Einheit des Mannigfaltigen, und durch ihre Anschauung stellt sich die absolute, schlechthinnige Einheit dar. Aber im zweiten Fall fungieren sie als die Formen der Sinnenanschauung und stellen das dem Prinzip a priori korrespondierende Mannigfaltige der Sinnenanschauung dar. Diese beiden, an sich gänzlich heterogenen Züge der Selbstsetzung führen sich, wie gesehen, gleichzeitig durch die reine Anschauung von Raum und Zeit aus. D.h. Raum und Zeit als die reine Anschauung enthalten diese beiden Züge der Selbstsetzung in sich und verwirklichen sie in einem einigen Prozeß. Oder anders gesagt, Raum und Zeit sind eigentlich als ein Akt der Einheit dieser beiden Züge der Selbstsetzung zu verstehen, wie es Kant selbst deutlich sagt: "Die reine Anschauung a priori enthält die actus der Spontaneität und Receptivitat und durch Verbindung derselben zur Einheit der Act der Reciprocität und zwar in dem Subject als Dinge an s i c h und durch Subjective Bestimung derselben als Gegenstande in der Erscheinung wobey jenes = X nur ein Begrif der absoluten Position und selbst kein für sich bestehender Gegenstand sondern blos eine Idee der Verhältnisse ist der Form der Anschauung correspondirend einen Gegenstand zu setzen und ihn in der durchgängigen Bestimung zum Gegenstande möglicher Erfahrung zu machen (...)." (II, 28/21-29) Raum und Zeit als die reine Anschauung a priori enthält hiernach einerseits einen Akt der Spontaneität, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip zusammenzufassen, aber andererseits zugleich einen Akt der Rezeptivität, das Mannigfaltige gemäß einem Prinzip in der sinnlichen Anschauung darzustellen, und durch die Verbindung derselben zur Einheit macht sie den Akt der Reziprozität aus, und zwar in dem Subjekt als Ding an sich und als Gegenstand in der Erscheinung. Daß die reine Anschauung a priori des Raums und der Zeit im op. post, nicht bloß zur Rezeptivität als Form der Affektion, sondern zugleich zur Spontaneität als Zusammensetzung des Mannigfaltigen gehört, impliziert darum offenbar, daß durch reine Anschauung, nämlich durch einen einigen Akt des Subjekts, der sowohl rezeptiv als auch spontan vorgeht, nicht nur die logische, sondern auch die synthetische Setzung seiner selbst in eins geschieht. Die reine Anschauung a priori ist also ein einiger Akt des Subjekts, der nicht bloß synthetisch, sondern zugleich logisch charakterisiert und darum mit diesen beiden Zügen behaftet ist. Sie ist der
35 G. Lehmann erklärt den Akt der Selbstsetzung als den Akt sowohl des sich selbst als Erscheinung setzenden als auch des sich selbst als Ding an sich setzenden Subjekts. Die Selbstsetzung als Ding an sich ist zwar die sich selbst begrenzende Position des Objekts als Erscheinung, d.i. die restringierende Selbstsetzung selbst, aber dennoch behauptet sie sich zugleich als absolute Position. Vgl. G. Lehmann, 1969, S. 361.
Die in der Analysis synthetisch verfahrende Vernunft
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einheitliche Akt der Reziprozität, woraus sich die Setzung des Subjekts als Dinges an sich einerseits und als Erscheinung andererseits vollzieht.36 Aus diesem Grund ist zu sagen, daß Raum und Zeit alleinige Vollzugsformen der Selbstsetzung sind, die einerseits logisch, aber andererseits synthetisch vorgeht. Anders formuliert: Raum und Zeit sind die ursprünglichen, subjektiven Formen, durch die das Subjekt sich selbst einerseits als Objekt überhaupt setzt, wobei das Subjekt zum bloß logischen, analytischen Bewußtsein seiner selbst gelangt, sich aber andererseits zugleich als Objekt der Sinne setzt, wodurch die wirkliche Erkenntnis eines Objekts der Sinne stattfinden kann. Diese Charakteristik der reinen Anschauung a priori deutet aber ihrerseits wiederum darauf hin, daß das Selbstbewußtsein nicht bloß das logische Bewußtsein, sondern zugleich das synthetische Bewußtsein seiner selbst ist. D.h. das ursprüngliche, logische Bewußtsein seiner selbst kommt mit dem synthetischen Bewußtsein seiner selbst als Erscheinung unabtrennbar zusammen. Das Bewußtsein seiner selbst enthält in diesem Sinne also die Setzung seiner selbst als Dinges an sich und zugleich als Gegenstandes in der Erscheinung in sich und geschieht durch diese beiden Züge. Dies stellt Kant folgendermaßen dar: "Der erste Act des Erkentnisses ist das Verbum: Ich bin das Selbstbewustseyn da Ich Subject mir selbst Object bin: - Hierin liegt nun schon ein Verhältnis was vor aller Bestiinung des Subjects vorhergeht nämlich das der Anschauung zu dem des Begriffes wo das Ich doppelt d. i. in zweifacher Bedeutung genomen wird indem ich mich selbst setze d. i. einerseits als Ding an sich (ens per se) zweytens als Gegenstand der Anschauung und zwar entweder objectiv als Erscheinung oder als mich selbst a priori zu einem Dinge constituirend d. i. als Sache an sich selbst." (II, 413/2-10)
Der erste, ursprünglichste Akt ist ja das Verbum: Ich bin, wodurch das Subjekt sich selbst ein Objekt wird. Aber hierin liegt schon ein Verhältnis zwischen der Anschauung und dem Begriff, indem das Subjekt dabei doppelt, d.i. in zweifacher Bedeutung genommen wird, da das Subjekt sich selbst einerseits als Ding an sich, aber andererseits als Gegenstand der Anschauung, und zwar als Erscheinung setzt. Das heißt, daß sich in dem Selbstbewußtsein, durch das das Subjekt sich selbst als
36 Daß Raum und Zeit eben ein einiger Akt der Reziprozität von Spontaneität und Rezeptivität sind, ist offenbar, wenn man dies in bezug auf das Wesen der Raumes- und Zeitvorstellung betrachtet. Denn was die Raumes- und Zeitvorstellung anbetrifft, so ist klar, daß wir ohne TeilvorsteUungen (bestimmte Räume und Zeiten oder deren Mannigfaltiges) keineswegs die Vorstellung des Ganzen haben können, und umgekehrt wäre auch die Bestimmung der Teile unmöglich, wenn nicht zuvor die Vorstellung des Ganzen vorausgesetzt wäre. Daher können wir uns die Teilvorstellungen von Raum und Zeit nur vorstellen, wenn wir die Vorstellung des Ganzen haben.
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Die zweifache Entfaltung der Selbstanschauung
Objekt setzt, bereits die Setzung seiner selbst einerseits als Dinges an sich und andererseits als Gegenstandes in der Erscheinung vollzieht. Deshalb ist das Selbstbewußtsein zwar als solches bloß logisches, analytisches Bewußtsein seiner selbst, aber damit zugleich geschieht es auch, daß das Subjekt sich selbst synthetisch als ein Objekt der Sinne setzt und für sich selbst ein äußerer und innerer Gegenstand ist. Auf dieser Grundlage könnte man behaupten, daß das ursprüngliche, logische Bewußtsein seiner selbst einen bestimmten Akt der synthetischen Sätze a priori begleitet oder mit diesem zusammenhängt. Denn sobald ich mich selbst als die absolute Einheit setze, setze ich mich zugleich selbst als Objekt der Sinne. Und diese beiden Züge sind zugleich in der Setzung von Raum und Zeit vollführt. Das Selbstbewußtsein, das Ich bin als logischer Akt der Selbstsetzung ist also nichts anderes als eben derjenige Akt, sowohl mein Dasein überhaupt als ein Objekt zu setzen, als zugleich dieses Dasein gemäß einem Prinzip a priori zu bestimmen: "Ich bin: ist der logische Act der vor aller Vorstellung des Objects vorhergeht ist ein Verbum wodurch ich mich selbst setze. Ich existire im Räume und der Zeit und bestime mein Daseyn im Räume und der Zeit durchgangig (omnimoda determinant) est existentia) als Erscheinung nach den formalen Bedingungen der Verknüpfung des Mannigfaltigen der Anschauung und bin mir selbst ein äußerer u inerer Gegenstand." (II, 85/11-17)
Natürlich ist das Selbstbewußtsein: das Ich bin, ein erster, logischer Akt, der vor aller Vorstellung vorhergeht. Aber dieser Akt, insofern er zur Selbstobjektivierung führt, bedeutet als solcher, daß ich im Raum und in der Zeit existiere und mein Dasein in ihnen gemäß den formalen Bedingungen der Verknüpfung des Mannigfaltigen der Anschauung bestimme, wodurch ich mir selbst ein äußerer und innerer Gegenstand bin. Sobald das Subjekt sich also selbst als ein Objekt überhaupt setzt, setzt es sich selbst zugleich als etwas Existierendes und damit auch als ein Objekt der Sinne. Die logische Setzung meiner selbst ist daher an sich analytisch, aber sie schreitet bereits zur Apprehension in dem Sinne, daß das Subjekt dabei für sich selbst ein Objekt in der Erscheinung wird. Aus diesem Grund bestimmt Kant im op. post., wie wir in Kapitel III. 2. im Detail behandelt haben, daß das Selbstbewußtsein zwar als solches logisch verfahrt, weil es nichts anderes als die logische, analytische Identität des Subjekts mit sich selbst hervorbringt, aber daß es dennoch nicht bloß logisch, sondern zugleich synthetisch verfährt gerade in dem Sinne, daß das Subjekt damit bereits zum Objekt der Sinne übergeht.37 37 Dazu sagt V. Mathieu: „In diesem Sinne ist die Selbstsetzung ein analytischer Satz und trotzdem ein synthetischer Vorgang. Denn es handelt sich bei der Selbstsetzung um den Übergang vom
Die in der Analysis synthetisch verfahrende Vernunft
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In diesem Sinnzusammenhang wird die eigenartige Charakteristik des Selbstbewußtseins auf folgende Weise ausgesprochen: "Alles menschliche Erkentnis seiner selbst ist Anschauung und Begriff u. synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung durch (oder nach) Begriffe im Bewustseyn meiner selbst als einen blos logischen Act des Erkentnisvermögens" (II, 101/24-102/3) "Das logische Bewustseyn führt zum Realen und schreitet von der Apperception zur Apprehension und deren synthesis des Mannigfaltigen." (II, 96/27-29) "Der Verstand fängt mit dem Bewustseyn seiner selbst (apperceptio) an und übt damit einen logischen Act aus an welchen sich das Manigfaltige der äußeren und inneren Anschauung reihet und das Subject sich selbst in grenzenloser Reihe zum Object macht." (II, 82/23-26)
In allen diesen Zitaten wird in erster Linie behauptet, daß das Selbstbewußtsein als ein logischer Akt des Subjekts geradezu der Grund aller anderen synthetischen Akte ist und darum nicht bei sich stehenbleibt, sondern als synthetischer Akt an jenem anhängt und mit ihm zugleich stattfindet. Alle menschliche Erkenntnis findet als die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung durch Begriffe im Bewußtsein seiner selbst als einem logischen Akt des Erkenntnisvermögens statt. Alle menschliche Erkenntnis, die auf der synthetischen Verbindung der Anschauung mit dem Begriff beruht, wurzelt in dem Selbstbewußtsein, das eigentlich als das Urbild der Erkenntnis logisch vorhergeht. Deshalb könnte man sagen, daß das logische Bewußtsein seiner selbst zum realen führt und von der Apperzeption zur Apprehension und deren Synthesis des Mannigfaltigen schreitet. Denn das logische Bewußtsein seiner selbst ist nicht möglich, wenn das reale, synthetische Bewußtsein seiner selbst nicht geschieht, und folglich setzt jenes das Geschehen synthetischer Beziehung zwischen der Anschauung und dem Begriff, d.i. synthetischer Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauung durch den Begriff voraus. Mit anderen Worten: Der erste ursprüngliche Akt des Subjekts ist eben das Selbstbewußtsein, d.i. der logische Akt, welchem aber alle weiteren synthetischen Akte desselben in grenzenloser Reihe anhängen und durch den also das Subjekt sich selbst nicht bloß zum Objekt überhaupt, sondern zum Objekt der Sinne als Erscheinung macht. Hierdurch wird schließlich festgestellt, daß die Selbstanschauung oder das Selbstbewußtsein, weil beide in aller Hinsicht für identisch gehalten werden können und müssen, zwar als solche logisch (analytisch) ist, weil dadurch im wesentlichen nur die analytische Einheit seiner selbst vorgestellt wird, aber doch zugleich logischen Akt des Denkens zur Setzung des empfindenden Ichs, und das ist unbezweifelbar ein synthetischer'Schritt'. (...)" (V. Mathieu, 1989, S. 176)
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synthetisch (metaphysisch), weil sich damit zugleich alle weiteren synthetischen Akte, sich selbst zum Sinnenobjekt zu machen, entfalten. Gerade deswegen behauptet Kant bei aller scheinbaren Widersprüchlichkeit auch, daß das Bewußtsein seiner selbst logisch, aber zur transzendentalen Philosophie fortschreitend synthetisch ist38 oder daß die Selbstanschauung zur transzendentalen Philosophie gehört und synthetisch, aber zugleich analytisch ist39: "Transsc. Philos. ist eine sich selbst in der A n a l y s i s synthetisch documentirende Vernunftlehre" (1,158/1-2) Die transzendentale Philosophie als die Wissenschaft der ursprünglichen Tätigkeit des Erkenntnisvermögens ist hier die Lehre der Vernunft, die sich in der Analysis synthetisch dokumentiert. Sie ist nämlich nichts anderes als die Untersuchung über die Selbstentfaltung des Subjekts, die derart geschieht, daß, indem das Subjekt mit sich selbst identisch bleibt, es sich selbst synthetisch zum Sinnenobjekt, d.i. der Art nach zum Anderen, macht. Auf diese Weise ist der Akt des Subjekts, in dem es mit sich identisch bleibend sich selbst zum Nichtidentischen, d.i. zum Anderen macht, eben das Selbstbewußtsein, und das ursprünglichste Prinzip dieses in der Analysis synthetisch vorgehenden Bewußtseins sind Raum und Zeit als reine Anschauung a priori. Daher ist das Selbstbewußtsein im op. post, im wesentlichen die Selbstanschauung, deren Vorgang einerseits synthetisch, aber andererseits zugleich analytisch ist. Die Selbstanschauung ist daher die Selbstentfaltung des Bewußtseins ins synthetische und ins analytische Bewußtsein seiner selbst.
38 Vgl. II, 94/25-27. 39 Vgl. 11,442/10-11.
V. Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins: der Urgrund aller Erkenntnisakte 1. Die Apperzeption als apprehensio simplex 1.1. Die Apperzeption als das Ganze der Sinnengegenstände Aus den bisherigen Betrachtungen ist hervorgegangen, daß das Selbstbewußtsein einerseits die primitive Anschauung seiner selbst und insofern ein logischer Akt des Subjekts (=Apperzeption), durch den die identische Vorstellung eines und desselben Subjekts hervorkommt, aber andererseits zugleich die reine, aber sinnliche - derivative - Anschauung seiner selbst (= Apprehension) ist, durch die das Subjekt sich selbst als ein wirkliches Objekt der Wahrnehmung setzt und mit ihm realiter - bestimmungshaft - umgeht. Natürlich gehören diese beiden Akte in gleichem Maß dem Selbstbewußtsein an, und mit diesen beiden Akten zusammen vollzieht sich das Selbstbewußtsein als der Selbstsetzungsprozeß. Wenn es aber auf die Beziehung beider Akte zueinander ankommt, so ist auch klar, daß das Selbstbewußtsein als logischer Akt den Horizont, in dem allein der synthetische Akt geschehen kann, oder den Grund ausmacht, auf den er sich letztlich gründet. Das heißt, daß das Selbstbewußtsein als bloße Identität eines und desselben Subjekts die Möglichkeit des synthetischen Aktes begründet und in diesem Sinne als ein Urgrund der synthetischen Erkenntnis a priori fungiert. Hierbei müssen wir also des weiteren in Erwägung ziehen, wie das Selbstbewußtsein als die analytische Identität des Subjekts der Grund für den synthetischen Akt, d.i. für die Leistung der Apprehension, sein kann. Was nun aber das Selbstbewußtsein als die primitive Anschauung seiner selbst, d.i. die Apperzeption angeht, so äußert Kant nicht selten, daß es zwar keine Apprehension, d.i. keine Wahrnehmung, aber doch apprehensio simplex ist: "Das Bewustseyn meiner selbst (apperceptio) ist der Act des Subjects sich selbst zum Object zu machen und blos logisch (Sum) ohne Bestimung des Gegenstandes (apprehensio simplex)." (II, 89/15-18)
Nach dieser Stelle ist das Selbstbewußtsein ein logischer Akt des Subjekts, der sich selbst überhaupt zum Objekt macht, und zwar ohne dessen Bestimmung. Das Selbstbewußtsein als ein logischer Akt, d.i. die Apperzeption, ist darum von dem
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Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins
die derivative Anschauung stiftenden, realen synthetischen Akt gänzlich unterschieden und macht die höchste Stufe des Aktes des Subjekts aus. Nichtsdestoweniger nennt Kant hier dieses logische Bewußtsein seiner selbst apprehensio simplex*. Was wollte aber Kant mit dem Terminus "apprehensio simplex" ausdrücken? Hierbei ist zumindest klar, daß das Selbstbewußtsein als der logische Akt, obwohl es als solches doch "apprehensio simplex" genannt wird, im wirklichen Sinne keinerlei Leistung der Apprehension ist und also an sich mit keiner Apprehension gleichgestellt werden kann. Denn wenn das Selbstbewußtsein als der logische Akt auch direkt eine Leistung der Apprehension wäre, müßte sich das Subjekt ein reales Objekt der Wahrnehmung mit konkreter Bestimmung verschaffen, was aber nicht dem logischen Akt, sondern ausschließlich dem realen, metaphysischen Akt des Subjekts zukommt. D.h. das Selbstbewußtsein als ein Akt der Apperzeption leistet natürlich zwar die Selbstobjektivierung, aber durch diesen Akt kommt kein wahrnehmbares Objekt mit Bestimmung zum Vorschein, sondern zwar ein Objekt, aber ohne Bestimmung, d.i. das Objekt überhaupt, wodurch sich keine Erkenntnis meiner selbst im realen Sinne ergeben kann. Gerade deswegen konstatiert Kant auch ohne Bedenken, daß das Selbstbewußtsein als ein logischer Vollzug der Selbstsetzung keine Wahrnehmung, nämlich keine direkte Leistung der Apprehension, sondern lediglich die Apperzeption als die rein intellektuelle Leistung des Subjekts ist. Das Selbstbewußtsein ist daher als die schlechthinnige Apperzeption in keinem Punkt mit der Apprehension vertauschbar. Allerdings ist die Apperzeption als solche doch zugleich als apprehensio simplex bestimmt.2 Um also dem Terminus "apprehensio simplex" zu einer klaren, sachgemäß sinnvollen Bedeutung zu verhelfen und dadurch deutlich zu fassen, aus welchem Grund sich die Apperzeption als solche, obwohl sie keine derivative Leistung des Bewußtseins ist, doch geradezu mit etwas Apprehensionsartigem, nämlich der apprehensio simplex gleichstellen kann, müssen wir uns des weiteren sorgfältig mit den Fragmenten befassen, in denen Kant die Apperzeption als einen logischen Akt ohne weiteres mit apprehensio simplex identisch setzt. Der Begriff "apprehensio simplex" im op. post, ist derjenige, mit dem sich kein Interpret ernsthaft auseinandersetzt, obwohl dieser Begriff nicht selten, und zwar mit nicht geringer Bedeutung, benutzt ist. Historisch betrachtet, verwendet Chr. Wolff den Ausdruck "simpliciter apprehendere". Nach ihm bedeutet "simpliciter apprehendere" nichts anderes als die Aufmerksamkeit überhaupt auf das Ding, nämlich auf das Objekt. Das heißt, daß apprehensio simplex weder das Erfassen eines Objekts durch Urteil noch ein Begreifen bedeutet, sondern daß sie lediglich die Aufmerksamkeit überhaupt des Erkenntnissubjekts auf das Objekt ist, durch die das Verhältnis zwischen beiden überhaupt erst zutage tritt. Vgl. J. Ritter (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel/Stuttgart 1971, Bd. I, S. 459-61. Vgl. II, 91/9-10 und II, 413/11-20.
Die Apperzeption als apprehensio simplex
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So behauptet Kant in einer anderen Stelle nochmals, daß der Akt der Apperzeption eben apprehensio simplex ist, und zwar unter dem folgenden Aspekt: "Alle Erkentnis hebt von dem Bewustseyn meiner selbst an, d. i. mich selbst der ich denke das Subject zugleich als Gegenstand des Denkens als Object vorzustellen. Dieser Act der Apperception (sum cogitans) ist noch kein U r t h e i l (iudicium) über ein Object d. i. noch kein Verhältnis eines Prädicats zum Subject wodurch ein Erkentnis begründet wird sondern ich bin mir selbst überhaupt ein Gegenstand (apprehensio simplex) noch weniger ein Schlus: ich dencke d a r u m bin ich den das wäre ein identisches mithin leeres Unheil ein bestimbares Object ohne Bestimung" (II, 89/23-90/5)
Die Identität der Apperzeption mit apprehensio simplex wird hier dadurch gesichert, daß das Selbstbewußtsein ein logischer Akt der Selbstsetzung ist, durch den ich mir selbst zwar ein Objekt, aber bloß ein bestimmbares Objekt ohne Bestimmung - ein nicht bestimmtes Objekt - bin. Der Terminus "apprehensio simplex" ist demzufolge aus zwei verschiedentlichen Bezugspunkten gewonnen und deutet auf diese beiden Punkte hin, nämlich einerseits darauf, daß das Selbstbewußtsein als der logische, analytische Akt doch die Selbstobjektivierung im realen Sinne - nicht im logischen Sinne - bewerkstelligt, und andererseits darauf, daß sich das Subjekt dabei doch keine Erkenntnis, keine Bestimmung eines Objekts verschaffen kann. Anders formuliert: die Apperzeption ist insofern etwas Apprehensionsartiges, als sie denjenigen Akt verrichtet, durch den das Subjekt sich selbst wirklich ein Objekt wird. Denn es kommt dabei nicht auf das Ich als den bloßen Begriff des Subjekts an, sondern auf das Ich als das reale, existierende Objekt, wenn auch ohne Bestimmung.3 Dennoch ist der Akt der Apperzeption von der Apprehension völlig unterschieden, weil sie keine synthetische Erkenntnis, kein wirkliches Urteil über ein Objekt, sondern nur ein leeres, tautologisches Urteil darbietet.4 Somit ist klar, daß die Apperzeption als ein logischer Akt sicher keine eigentliche Leistung der Apprehension, d.i. keine bestimmte Wahrnehmung ist. Die Apperzeption, die auf ein unbestimmtes, aber wirkliches Objekt hinführt, ist also zwar Vgl. , 43/7-9: "Der erste Act des Vorstellungsvermögens (facullas repraesentativa) ist die Vorstellung seiner selbst (apperceptio) wodurch das subject sich selbst zum Objecte macht (apprehensio simplex) und (...)" Hiemach ist unser Erkenntnisvermögen, wenn es sich auf sich selbst bezieht und sich seiner selbst bewußt wird, die Apperzeption. Aber die Apperzeption, insofern sie eben denjenigen Akt leistet, durch den das Subjekt sich selbst zum Objekt macht und für sich selbst Objekt wird, wird nicht anders als "apprehensio simplex" genannt. "Apprehensio simplex" als terminus technicus wird hier im op. post, so als etwas mit dem Begriff "Apperzeption" Identisches und Vertauschbarcs verwendet, wenn von der Apperzeption als dem Verfahren des Sich-Selbst-Objekt-Werdens die Rede ist. Vgl. II, 93/1-10, II, 96/29-97/2 und II, 115/9-12.
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keine konkrete Leistung der Apprehension, aber doch als solche etwas Apprehensionsartiges. Sie ist daher als apprehensio simplex - eine nicht konkrete, schlechthinnige Apprehension - bestimmt. Es macht kein Bedenken, daß das Selbstbewußtsein an sich zu keiner Leistung der Apprehension zu zählen ist, weil es nichts anderes als einen identischen, tautologischen Satz (sum cogitans) darbietet. Wenn es aber um die Möglichkeit geht, wie sich das Selbstbewußtsein als ein logisches Bewußtsein seiner selbst an sich ein wirkliches Objekt verschaffen kann und daher etwas Apprehensionsartiges bezeichnen kann, können wir nichts Bestimmtes und Sicheres sagen. Wir müssen also zunächst untersuchen, was konkret gesetzt wird, wenn das Subjekt im Selbstbewußtsein sich selbst als ein Objekt überhaupt ohne Bestimmung setzt. Zur Klarstellung dieser Problematik müssen wir unsere Betrachtung wiederum in den konkreten Vollzug des Selbstbewußtseins als des logischen Aktes versetzen. Wie bereits behandelt, setzt das Subjekt im ursprünglichen, logischen Bewußtsein seiner selbst nichts anderes als den reinen Raum und die reine Zeit, und daher ist das Selbstbewußtsein im prägnanten Sinne eben die primitive Anschauung seiner selbst. Der reinste Raum und die reinste Zeit, in denen oder durch die das logische Bewußtsein seiner selbst stattfindet, bezeichnen als solche aber nichts anderes als das Formale der Tätigkeit des Subjekts oder deren Prinzip selbst. Die primitive Anschauung seiner selbst geht darum auf die Setzung des Formalen, d.i. auf die Setzung des Prinzips der Tätigkeit. Sie hat lediglich mit dem Prinzip oder mit der Tätigkeit des Subjekts selbst zu tun und führt auf das cogitabile, im scharfen Unterschiede zur derivativen, die auf die reale Setzung des Sinnengegenstands in der Erscheinung führt und deshalb bestimmungshaft mit dem Gegenständlichen umgibt. Was nun die primitive Anschauung, d.i. den reinen Raum und die reine Zeit als das Formale der Tätigkeit des Subjekts anbelangt, so gehört sie, weil sie als die reine Tätigkeit selbst etwas rein Subjektives bezeichnet, in keiner Hinsicht zur Apprehension, sondern lediglich zur Apperzeption: "Der Raum kan mit seinem Manigfaltigen nicht apprehendirt werden sondern wird als ursprüngliches Bewustseyn seiner selbst ein solches Maüigfaltige zu setzen appercipirt. -" (II, 41/3-5) "Das Erste ist das Bewustseyn der Zusamensetzung (complexus) des Manigfaltigen in den Erscheinungen im Räume und in der Zeit als eines stetigen Ganzen (das All welches den Positus die Stellen und die bewegende Kräfte zu Wamehmungen (äußeren u. inem) zur Möglichkeit der Erfahrung enthält); den der Raum selbst ist kein Gegenstand der Wahrnehmung." (II, 435/1-6)
Die Apperzeption als apprehensio simplex
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Im ersten Zitat wird zum Ausdruck gebracht, daß der Raum selbst in keiner Weise der Gegenstand der Apprehension, sondern derjenige der Apperzeption ist. D.h. der Raum als solcher ist nichts anderes als der ursprüngliche Akt des Subjekts, das Mannnigfaltige der Anschauung zu setzen. Das Mannigfaltige, das im reinen Raum und in der reinen Zeit identisch enthalten ist, nämlich die bestimmten Räume und Zeiten, ist bzw. sind als das dabile der Gegenstand der Apprehension, aber der Raum als solcher ist nichts anderes als die subjektive Tätigkeit oder deren Einheit und wird daher niemals apprehendiert, sondern als "ursprüngliches Bewustseyn seiner selbst ein solches Manigfaltige zu setzen appercipirt". Folglich ist das allererste, ursprüngliche Bewußtsein, wie in dem zweiten Zitat deutlich gesagt, nicht das Bewußtsein des Objektiven und also des dabile, sondern das Bewußtsein der Zusammensetzung des Mannigfaltigen im Raum und in der Zeit, d.i. das Bewußtsein der Tätigkeit, das Mannigfaltige zusammenzusetzen. Und der Raum als die Tätigkeit der Zusammensetzung selbst oder als das Prinzip derselben ist "kein Gegenstand der Wahrnehmung", sondern als das cogitabile eben der Gegenstand der Apperzeption. In diesem Hinblick läßt sich auch mit hinzurechnen, daß die primitive Anschauung seiner selbst, die ausschließlich auf Raum und Zeit als Tätigkeit der Zusammensetzung des Mannigfaltigen führt, keinerlei Leistung der Apprehension und nichts Apprehensionshaftes, sondern nur etwas Subjektives und Aktives und also etwas rein Intellektuelles ist. Es erhebt sich hier die Frage: wie kann die primitive Anschauung seiner selbst oder, was eigentlich ein und dasselbe ist, das ursprüngliche Bewußtsein seiner selbst direkt das Gegenständliche und darum etwas Reales darreichen und damit auch "apprehensio simplex", d.i. etwas Apprehensionsartiges genannt werden? Kant gibt einen wichtigen Hinweis für eine klare und überzeugende Antwort darauf in folgenden Passagen: "Raum, Zeit, und die absolute synthetische Einheit des Manigfaltigen der Erscheinung überhaupt im Raum und der Zeit, wodurch das Gantze der Sinengegenstände zum Behuf Einer möglichen Erfahrung gegeben wird" (II, 447/18-21) "Es ist Eine Welt als mein Sinenobject; den Raum u. Zeit machen den ganzen Inbegriff der Sinengegenstände aus."(II, 115/23-24)
Das Wesentliche liegt darin, daß Raum und Zeit die absolute Einheit des Mannigfaltigen der Erscheinung überhaupt ausmachen, durch die das Ganze der Sinnengegenstände gegeben werden kann, und daß sie darum nichts anderes als der Inbegriff der Sinnengegenstände sind. Natürlich enthalten Raum und Zeit als das Prinzip der Zusammensetzung des Mannigfaltigen in sich die absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen überhaupt oder sind damit identisch und bezeichnen
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Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins
daher von vornherein diese absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen und damit auch das Ganze desselben als einen Inbegriff (complexusf. Daher ist die Setzung von Raum und Zeit nichts anderes als das Geschehen der absolut synthetischen Einheit des Mannigfaltigen überhaupt, aber nicht das Stattfinden irgendeiner konkreten Synthesis oder Zusammensetzung desselben. Wenn nun irgendeine konkrete, bestimmte Zusammensetzung des Mannigfaltigen geschieht, dann werden dadurch der reine Raum und die reine Zeit konkret bestimmt. Durch die bestimmte Zusammensetzung des Mannigfaltigen kommen die bestimmten Räume und Zeiten hervor, gemäß denen erst das Objekt der Sinne mit Bestimmung wirklich gesetzt und gegeben wird. Wenn es hingegen auf den reinen Raum und die reine Zeit als solche ankommt, so ist klar, daß dabei nicht irgendeine bestimmte Synthesis des Mannigfaltigen, sondern vielmehr die absolute Einheit dieser Synthesis überhaupt geschieht. Anders ausgedrückt: Die Setzung von Raum und Zeit als solche ist nichts anderes als die Setzung der absoluten Totalität der Tätigkeiten, das Mannigfaltige gemäß einem Begriff zusammenzusetzen und dadurch ein konkretes Objekt mit Bestimmung herzustellen. Die Setzung von Raum und Zeit als der absoluten synthetischen Einheit ist aber wiederum mit der Setzung der absoluten Totalität der Sinnengegenstände völlig gleich, denn das absolute Ganze der Tätigkeit, das Mannigfaltige synthetisch zu verbinden, ist nichts als das absolute Ganze der möglichen Sinnengegenstände. Deshalb sind Raum und Zeit als absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen eben dasjenige, wodurch "das Gantze der Sinengegenstände zum Behuf einer möglichen Erfahrung gegeben wird," und machen als solches "den ganzen Inbegriff der Sinnengegenstände" aus. Das Selbstbewußtsein, das auf die primitive Setzung von Raum und Zeit als absoluter synthetischer Einheit geht, ist folglich der Akt des Subjekts, das absolute Ganze des Mannigfaltigen und darum das absolute Ganze der Sinnengegenstände zu setzen. Unter diesem Aspekt betrachtet, ist klar zu verstehen, was Kant mit dem folgenden Fragment behaupten wollte: "Das Subject constituirt sich selbst zu einem Ganzen des Manigfaltigen der Anschauung in Raum und Zeit, nicht durch Apprehension des Realen in der empirischen Anschauung gegebenen sondern des Formalen der synthetischen Einheit des All der Anschauung als eines unendlichen Ganzen." (II, 411/26-412/2)
Diese Beschaffenheit des Raums und der Zeit gehört, wie bereits erwähnt, der primitiven Anschauung an. Die primitive Anschauung ist daher die Einheit im Sinne des Inbegriffs oder des Ganzen, das in sich - nicht unter sich - die unendlichen Teile oder die unendliche Menge des Mannigfaltigen desselben identisch enthält. Siehe Kapitel IV. 4.2.
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Indem das Subjekt im ursprünglichen Bewußtsein seiner selbst den reinen Raum und die reine Zeit setzt, setzt es damit natürlich das "Formale der synthetischen Einheit des All der Anschauung als eines unendlichen Ganzen". Dadurch wird also nichts anderes als die synthetische Einheit des All der Anschauung, d.i. das absolute Ganze der Anschauung überhaupt, gesetzt. Dies bedeutet auch, daß, wenn das Subjekt sich selbst als Raum und Zeit setzt, es sich dadurch zum Ganzen des Mannigfaltigen der Anschauung konstituiert. Das Subjekt setzt im Raum und in der Zeit sich selbst als das Formale der Zusammensetzung und damit auch als das Ganze des Mannigfaltigen der Anschauung, mithin als das Ganze der Sinnengegenstände. Das Selbstbewußtsein ist darum nichts anderes als derjenige Akt des Subjekts, durch den es sich selbst zum Ganzen des Mannigfaltigen der Anschauung und damit auch zum Ganzen der Sinnengegenstände konstituiert. Wenn es auf den Raum und die Zeit als solche, aber weder auf irgendeine bestimmte Synthesis des Mannigfaltigen in ihnen noch auf die bestimmten Räume und Zeiten ankommt, so liegt nahe, daß sie zwar kein direkter Gegenstand der Apprehension sind, weil sie als solche lediglich die absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen bezeichnen. Aber dennoch sind sie etwas Apprehensionshaftes in dem Sinne, daß sie als das Ganze der Sinnengegenstände auf das Objekt der Wahrnehmung überhaupt, d.i. auf das Gegenständliche überhaupt, führen. Raum und Zeit als die absolute Einheit stehen also zwar keiner direkten, bestimmten Leistung der Apprehension zur Verfügung, aber dennoch bezeichnen sie als solche das Ganze derselben oder die Apprehension überhaupt. Dementprechend ist die Apperzeption, die auf dem Raum und der Zeit als der absoluten Einheit beruht, auch nichts anderes als diejenige Tätigkeit des Subjekts, die das Ganze der Sinnengegenstände setzt. Sie ist die absolute Totalität der Tätigkeit, ein Objekt der Wahrnehmung mit Bestimmung hervorzubringen, und darum bezeichnet sie das Ganze der Sinnengegenstände und auch das Ganze der Leistungen der Apprehension. So ist klar, warum die Apperzeption, obschon sie an sich mit keinerlei bestimmter Wahrnehmung identisch ist, doch einfach als das Ganze der bestimmten Wahrnehmungen und in diesem Sinne auch als die Apprehension überhaupt, d.i. als apprehensio simplex, verstanden werden kann. Anders formuliert: die Identität der Apperzeption mit der apprehensio simplex gründet sich darauf, daß die Apperzeption dazu führt, das Ganze der Sinnengegenstände zu setzen, und daher zwar als solche keinerlei gehörige Leistung der Apprehension, die sich ein Objekt der Wahrnehmung mit konkreter Bestimmung verschafft, aber doch das absolute Ganze dieser Leistungen der Apprehension und darum die Apprehension überhaupt ist.
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Daß die Apperzeption als die reine Tätigkeit des Subjekts, die keineswegs auf das Objekt der Anschauung mit Bestimmung hinführt und darum prinzipiell von der Apprehension unterschieden ist, doch das absolute Ganze der Objekte und darum das absolute Ganze der Leistungen der Apprehension ausmacht, weist direkt darauf, daß die Apperzeption als solche die konkrete Leistung der Apprehension ermöglicht oder begründet und darum eben der Grund der Apprehension ist. Aus dieser Perspektive ist im op. post, die Apperzeption, d.i. die reine Tätigkeit des Subjekts selbst, auch definitiv als die Wahrnehmung überhaupt bestimmt, nämlich als apprehensio simplex, und diese Benennung besagt, daß die Apperzeption als das Ganze der Apprehension und darum zugleich als der Grund derselben gilt.
1.2. omnimoda determinatio est existentia. Was nun die Gleichstellung der Apperzeption mit der apprehensio simplex betrifft, so ist noch zu beachten, daß die Apperzeption auch insofern apprehensio simplex genannt wird, als von der Existenz meiner selbst im ursprünglichen Bewußtsein meiner selbst die Rede ist: "Es existirt etwas (apprehensio simplex)" (II, 96/1213). Das heißt, daß das Selbstbewußtsein apprehensio simplex ist, insofern als es in sich unmittelbar die Existenz meiner selbst ausdrückt. Oder: in dem Punkt, daß das Dasein meiner selbst als solches in der Apperzeption unmittelbar identisch enthalten ist, trifft die Apperzeption mit der Apprehension zusammen. In bezug auf die Existenz meiner selbst im Selbstbewußtsein wird aber festgestellt, daß das Selbstbewußtsein gerade deswegen nicht das in sich selbst verharrende Bewußtsein, sondern eher der Übergang von der Apperzeption zur Apprehension ist, weil die Existenz im Prinzip nur der Wahrnehmung, aber niemals der Apperzeption, verfügbar und insofern das Selbstbewußtsein eben das bereits in die Apprehension meiner selbst übergegangene Bewußtsein ist.6 Dennoch wird das Selbstbewußtsein, sofern es sich um die Existenz meiner selbst in ihm handelt, hier nicht als direkter Übergang von der Apperzeption zur konkreten Wahrnehmung, sondern einfach als apprehensio simplex bestimmt. Es ist daher zu klären, warum das Selbstbewußtsein nicht als der direkte Übergang von der Apperzeption zur Apprehension, sondern als apprehensio simplex angesehen wird, wenn es in sich
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Siehe Kapitel III. 2.2.
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schon die Existenz, also etwas Reales enthält, das ganz eigentümlich der gehörige Gegenstand der bestimmten Apprehension ist. In dieser Hinsicht ist zunächst beachtenswert, wenn Kant in einer Passage über die Existenz von Dingen so spricht: "Die Existenz im Raum und der Zeit welche lediglich aus der Vorstellungskraft des Subjects hervorgeht (von ihr selbst gemacht wird) ist als in einem System als absolute synthetische Einheit enthalten (...)" (II, 86/20-22) Der Hauptpunkt ist, daß die Existenz eben im Raum und in der Zeit identisch enthalten ist, und zwar als die absolute synthetische Einheit; die Existenz eines Dinges ist nichts anderes als die absolute synthetische Einheit im Raum und in der Zeit. Wenn es nun um die Existenz überhaupt geht, ist selbstverständlich, daß die Existenz im op. post, uns auf jeden Fall nicht von außen her passiv gegeben, sondern von uns, von unserer Vorstellungskraft aktiv gesetzt und gemacht wird. Sie ist also Produkt des Subjekts selbst. Was kann aber die Existenz eines Dinges heißen, die aus der Vorstellungskraft des Subjekts hervorkommt? Was wird durch das Subjekt in concreto gesetzt, wenn es sich selbst als etwas Existierendes setzt? Die Antwort darauf lautet hier, daß die Existenz im Raum und in der Zeit als einem System enthalten ist, und zwar als absolute synthetische Einheit. Das heißt, daß, wenn das Subjekt etwas Existierendes setzt, es da konkret den Raum und die Zeit und damit auch die absolute synthetische Einheit in ihnen setzt. Daher ist die Setzung der Existenz nichts anderes als die Setzung von Raum und Zeit und damit auch die Setzung der absoluten synthetischen Einheit in ihnen. Das Bewußtsein, daß etwas existiert, ist das Bewußtsein von der absoluten synthetischen Einheit im Raum und in der Zeit. Allerdings ist klar, daß die Setzung der Existenz in keiner Weise mit irgendeiner bestimmten synthetischen Tätigkeit, das Objekt der Sinne gemäß dem Begriff zu bestimmen, gleichkommen kann. Durch diese Tätigkeit geht ein bestimmtes Objekt oder ein Objekt mit Bestimmung hervor, aber keineswegs dessen Existenz überhaupt, denn die Existenz eines Objekts ist etwas ganz anderes als die Bestimmung desselben. Daher ist die Setzung der Existenz nichts anderes als die Setzung der absoluten synthetischen Einheit im Raum und in der Zeit, aber nicht die Setzung einer bestimmten Synthesis. Dies besagt, daß die Existenz meiner selbst als solche im Selbstbewußtsein nicht mit der derivativen Anschauung d.i. mit dem bestimmten Raum und der bestimmten Zeit, die durch eine bestimmte, synthetische Einheit des Mannigfaltigen entstehen, sondern eher mit der primitiven Anschauung von Raum und Zeit als absoluter synthetischer Einheit des Mannigfaltigen in Verbindung steht. Und die
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Setzung von Raum und Zeit als absoluter synthetischer Einheit deutet auf die Setzung der schlechthinnigen Existenz hin. Indem also das Subjekt Raum und Zeit als absolute synthetische Einheit setzt, setzt es damit zugleich etwas Existierendes, und insofern ist die Existenz eines Dinges nichts anderes als die absolute synthetische Einheit in Raum und Zeit. Es erhebt sich hier aber die weitere Frage, in welchem Sinne und aus welchem Grund die absolute synthetische Einheit im Raum und in der Zeit als etwas Existierendes, d.i. als die Wirklichkeit als solche, verstanden werden kann. Bezüglich dieses Problems erklärt sich Kant über die Existenz eines Dinges überhaupt in etwas anderem Ton, nämlich wie folgt: " - Der Schlüssel zur Eröffnung dieser Aufgabe liegt im Princip der Bestimung der Gegenstande (ihrer Anschauung) im Raum u. Zeit welche in der d u r c h g ä n g i gen B e s t i m u n g die Existenz ihrer Gegenstände identisch in sich Den omnimoda determinatio est existentia wen gleich diese nur eine Idee ist. -" (II, 81/1215)7
Nach diesem Zitat enthalten Raum und Zeit in sich identisch die Existenz der Gegenstände, und zwar in der durchgängigen Bestimmung. Hiermit ist wiederum omnimoda determinatio als die Existenz eines Dinges im Raum und in der Zeit gemeint. Daher ist die Existenz im Raum und in der Zeit einerseits als die absolute synthetische Einheit, aber andererseits als die omnimoda determinatio zu verstehen. Demgemäß ist zunächst klarzustellen, daß die Existenz eines Dinges im Raum und in der Zeit nichts anderes als die durchgängige Bestimmung (omnimoda determinatio) ist, welche ihrerseits eben die absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen bedeuten soll.8 Was ist nun aber die durchgängige Bestimmung, die die Existenz eines Dinges im Raum und in der Zeit bezeichnet? Allerdings besagt dies, daß die vollkommene Bestimmung eines Dinges eben die Existenz desselben heißt. Hierbei können wir uns in erster Linie an den Grundsatz der durchgängigen Bestimmung eines Dinges erinnern, den Kant auch in der K.d.r.V. vorbringt, um die Möglichkeit eines Dinges zu erklären. Der Grundsatz: "alles Existierende ist durchgängig bestimmt" (B 601=A 573), besagt natürlich, daß, wenn ein Ding in Ansehung aller möglichen Prädikate nicht bestimmt ist, dann dieses Ding nicht existieren kann. Daß etwas existiert, heißt danach, daß etwas in Ansehung aller möglichen Prädikate vollständig bestimmt ist und bestimmt sein muß. Ein Objekt kann daher nur existieren,
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Vgl. 11,97/16-19. Zur Problematik "omnimoda determinatio" und Daseinssetzung siehe V. Mathieu/1989, S. 202206.
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wenn es in Ansehung aller möglichen Prädikate bestimmt ist.9 Etwas als Existierendes zu setzen heißt nach diesem Grundsatz nichts anderes, als etwas durchgängig zu bestimmen. In diesem Sinne sagt Kant im op. post, auch, daß die Existenz eines Dinges die durchgängige Bestimmung desselben ist und gibt die Definition: "omnimoda determinatio est existentia", immer wenn von der Existenz eines Dinges überhaupt die Rede ist.10 Aber die durchgängige Bestimmung wird im op. post, merkwürdigerweise für in Raum und Zeit enthalten erklärt. Daß die Existenz eines Dinges als durchgängige Bestimmung identisch im Raum und in der Zeit enthalten ist, weist nun eben darauf hin, daß die durchgängige Bestimmung nichts als die Setzung von Raum und Zeit ist. Infolgedessen bezeichnen Raum und Zeit, die in sich die Existenz eines Dinges identisch enthalten, nichts anderes als omnimoda determinatio. Raum und Zeit zu setzen heißt also, durchgängig zu bestimmen. Wie können aber Raum und Zeit selbst ohne weiteres mit der durchgängigen Bestimmung zu tun haben oder diese in jenen identisch enthalten sein? Hierzu müssen wir jetzt das Problem der durchgängigen Bestimmung als Existenz selbst im Raum und in der Zeit mit der Auffassung von Raum und Zeit als absoluter synthetischer Einheit des Mannigfaltigen der Sinnenanschauungen überhaupt zu vergleichen und den Sinnzusammenhang beider Begriffe ans Licht zu bringen suchen. Raum und Zeit als die absolute synthetische Einheit sind nichts anderes als die absolute Einheit oder das absolute Ganze der Tätigkeiten, das das Mannigfaltige der Anschauung überhaupt gemäß dem Begriff zusammensetzt. Wenn es aber um die Tätigkeit des Subjekts selbst, die das Mannigfaltige gemäß dem Begriff zusammensetzt, geht, so bezeichnet die synthetische Einheit diejenige Tätigkeit des Subjekts, die das Mannigfaltige der Anschauung überhaupt gemäß den Begriffen bestimmt und dadurch das Objekt der Sinne mit seiner Bestimmung hervorbringt. In dieser Hinsicht ist auch klar, daß Raum und Zeit als die absolute synthetische Einheit nichts anderes sind, als die absolute Einheit der Tätigkeit, die die Anschauungen überhaupt oder das Objekt überhaupt gemäß einem Begriff bestimmt. Sie sind darum die absolute Einheit der das Objekt bestimmenden Tätigkeiten oder die absolute Einheit der Bestimmungen des Objekts, d.i. die durchgängige Bestimmung desselben. 9
Zu diesem Grundsatz erklärt J. Kopper triftig: "existentia est omnimoda determinatio: das Bestehen ist das vollkommene formale Bestimmtsein. Das Bestehen bringt nichts zu Formalität hinzu, es ist die sich erfüllende Formalität selbst, man könnte auch sagen, das Sichvollziehen der Analysis als Synthesis geschieht als das materiale Dasein der Welt." (J. Kopper: Kants Lehre vom Übergang als die Vollendung des Selbstbewußtseins der Transzendentalphilosophie. In: Kant-Studien LV 1964, S. 66) 10 Vgl. II, 83/12-14 und II, 85/12-17.
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Anders ausgedrückt: Raum und Zeit als die absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen sind das absolute Ganze der durch den Verstand gemäß Begriffen bestimmten Teilvorstellungen - also der bestimmten räumlichen und zeitlichen Verhältnissse - eines einigen Raumes und einer Zeit. Raum und Zeit sind nichts anderes als das absolute Ganze der bestimmten Teilvorstellungen derselben. Daraus erhellt, daß in Raum und Zeit das absolute Ganze der synthetischen Bestimmungen des Mannigfaltigen der Anschauung überhaupt und darum auch die durchgängige Bestimmung desselben identisch enthalten sind. Aus diesem Blickwinkel behauptet Kant, daß, wenn es auf die Existenz eines Dinges überhaupt ankommt, diese Existenz keine andere als die durchgängige Bestimmung im Raum und in der Zeit enthält oder daß Raum und Zeit die Existenz eines Dinges als durchgängige Bestimmung in sich identisch enthalten. Daraus läßt sich schließen, daß das Selbstbewußtsein oder die Apperzeption eben auf den reinen Raum und die reine Zeit als die absolute synthetische Einheit des Mannigfaltigen und dadurch natürlich auch auf etwas Reales, d.i. die Existenz meiner selbst, hinführt. Das Subjekt konstituiert sich selbst im ursprünglichen Bewußtsein seiner selbst zur absoluten synthetischen Einheit des Mannigfaltigen und also auch zu etwas Existierendem. Das Selbstbewußtsein ist folglich nicht bloß das Bewußtsein der absoluten Tätigkeit des Subjekts, sondern zugleich das Bewußtsein der Wirklichkeit oder des Seins als solches, weil es an sich unmittelbar auch die Wirklichkeit oder die Existenz eines Dinges überhaupt ausdrückt. Insofern ist die Apperzeption eben apprehensio simplex, und zwar in dem Sinne, daß sie das Ganze der synthetischen Tätigkeit oder die synthetische Tätigkeit überhaupt ausmacht, obwohl sie als logischer Akt an sich mit keinem bestimmten synthetischen Akt zu vermischen ist, der sich selbst direkt als ein Objekt der Sinne mit konkreter Bestimmung setzt und dadurch eine bestimmte Wahrnehmung desselben zustandebringt. Anders formuliert: Die Apperzeption, die an sich nichts Synthetisches, sondern etwas rein Logisches ist, ist doch als solche das Bewußtsein des Seins und darum auch etwas Synthetisches. Sie ist nämlich die absolute Synthesis oder die Synthetizität überhaupt. In dieser Hinsicht sagt Kant in einem anderen Fragment von der Apperzeption: "(...) Jener wird durch den realen ergäntzt ich e i s t i r e (sum) denkend (cogitans) wodurch etwas (ich selbst) nicht blos g e d a c h t sondern auch g e g e b e n wird (cogitabile ut dabile) nur ist dieser Act nicht ein Schluß (cogito ergo sum) sondern nur das Subject in seiner d u r c h g ä n g i g e n B e s t i m u n g gedacht also nicht analytisch (nach dem Princip der Identität) oder blos erläuternd sondern synthetisch als erweiternd vorgestellt gibt den Satz der Existenz eines Gegenstandes ab (omnimoda determinatio est existentia)." (II, 98/17-24)
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Wie hier gesagt, hat das Selbstbewußtsein, nämlich das sum cogitans, nicht bloß logisch mit dem Begriff des denkenden Subjekts zu tun, sondern in ihm wird zugleich die Wirklichkeit desselben gegeben. D.h. das Ich der Apperzeption ist nicht nur der Gegenstand des Denkens als ein Begriff, sondern auch zugleich etwas Existierendes. Denn indem das Subjekt dabei in seiner durchgängigen Bestimmung gedacht wird, wird das Subjekt sich selbst realiter als ein Objekt gegeben. Die Apperzeption (sum cogitans) ist also nicht bloß analytisch erläuternd, sondern auch zugleich synthetisch erweiternd, weil sie unmittelbar den Satz der Existenz eines Gegenstandes (omnimoda determinatio est existentia) abgibt. Das ursprüngliche Bewußtsein seiner selbst, das eigentlich nur die logische, analytische Bedeutung des Subjekts darstellt, ist doch als solches synthetisch, aber nicht in dem Sinne, daß dieses Bewußtsein an sich die synthetische Setzung seiner selbst als eines Sinnenobjekts mit konkreter Bestimmung und darum die Erkenntnis seiner selbst wäre, sondern eher aus dem Grund, daß es, indem das Subjekt in der durchgängigen Bestimmung gedacht wird, geradezu die Existenz seiner selbst abgibt und also sich selbst realiter als ein wirkliches Objekt - obwohl ohne irgendeine konkrete Bestimmung - setzt. Angesichts dieser Konzeption könnten wir uns auf die ähnlichen, parallel scheinenden Gedankengänge Kants in der K.d,r.V. berufen. Dort definiert Kant nämlich das Ich der Apperzeption, wenn es um dessen unmittelbare Wirklichkeit geht, auch als etwas Wahrnehmungshaftes: "Er (Der Satz, Ich existiere) drückt eine unbestimmte empirische Anschauung, d. i. Wahrnehmung, aus, (...) geht aber vor der Erfahrung vorher, die das Objekt der Wahrnehmung durch die Kategorie in Ansehung der Zeit bestimmen soll, und die Existenz ist hier noch keine Kategorie, (...). Eine unbestimmte Wahrnehmung bedeutet hier nur etwas Reales, das gegeben worden, und zwar nur zum Denken überhaupt, also nicht als Erscheinung, auch nicht als Sache an sich selbst, (Noumenon) sondern als etwas, was in der Tat existiert, und in dem Satz, ich denke, als ein solches bezeichnet wird." (Fußnote zu B 422f.)
Es handelt sich hier um die Existenz meiner selbst, die die Apperzeption, nämlich das Ich denke, als solche bezeichnet. Die Existenz meiner selbst drückt unmittelbar eine unbestimmte Wahrnehmung aus, die lediglich etwas Reales bedeutet. Wenn nämlich das Ich der Apperzeption nicht bloß der logische Begriff des Subjekts, sondern auch etwas Objektives im realen Sinne, also ein reales Objekt ist, das da wirklich existiert, dann muß die Apperzeption auch etwas Wahrnehmungshaftes, also eine unbestimmte Wahrnehmung ausdrücken. So hält Kant die Apperzeption, insofern sie unmittelbar die Realität meiner selbst aussagt, für eine unbestimmte Wahrnehmung, d.i. für eine "Wahrnehmung überhaupt" (B 401=A 343). Das
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Selbstbewußtsein als die unbestimmte Wahrnehmung bedeute bloß "etwas Reales", d.i. etwas, was in der Tat existiert, oder ein reales Objekt ohne Bestimmung, d.i. die Wirklichkeit überhaupt. Und über diesen Terminus "unbestimmte Wahrnehmung" erklärt Kant konkreter, daß sie "vor der Erfahrung" vorhergeht, "die das Objekt der Wahrnehmung durch die Kategorie in Ansehung der Zeit bestimmen soll". Diese Erklärung deutet eben darauf hin, daß die Apperzeption keineswegs die wirkliche Erkenntnis eines Dinges ist, sondern als der Grund derselben vor der Erfahrung vorhergeht. Freilich ist eine unbestimmte Wahrnehmung nicht eine Erfahrung, die daraus entsteht, daß das Objekt durch die Kategorie konkret bestimmt wird. Denn die Wahrnehmung überhaupt, die meine Existenz als ein Objekt überhaupt betrifft, kann keine konkrete Wahrnehmung des durch den Begriff bestimmten Objekts sein. Und darum ist das Selbstbewußtsein, obwohl es in sich die Existenz meiner selbst identisch ausdrückt, keine Erkenntnis seiner selbst, sondern der Grund derselben. Der Grundgedanke Kants, auf den sich die Identität der Apperzeption mit der Wahrnehmung überhaupt oder mit der apprehensio simplex stützt, ist also hier wie dort, daß die Apperzeption, insofern sie unmittelbar das Ich als etwas Reales, als etwas Existierendes ausdrückt, nicht bloß intellektuell und logisch, sondern zugleich real und wahrnehmungshaft geartet sein soll, ohne daß sie doch mit einer konkreten Wahrnehmung, also mit einer konkreten Erfahrung eines Objekts zusammentrifft. Sie ist also die unbestimmte Wahrnehmung oder apprehensio simplex, die außer dem bloßen Begriff des Subjekts direkt etwas Reales darbietet. Aus dem Erwähnten kann man darauf schließen, daß das Selbstbewußtsein, in dem das Subjekt sich selbst als ein Objekt überhaupt, also auch als etwas Existierendes setzt, natürlich nicht die konkrete Wahrnehmung selbst ist, weil daraus niemals eine bestimmte synthetische Erkenntnis eines Objekts hervorgebracht wird, aber doch etwas Synthetisches und etwas Wahrnehmungshaftes, oder besser dessen Grund, und zwar eben deshalb, weil durch es ein existierendes Objekt, das Sein überhaupt oder die Objektivität überhaupt mit gegeben wird. Die Apperzeption als reine synthetische Tätigkeit überhaupt oder als deren absolute Einheit ist also apprehensio simplex als das Sein überhaupt.11 Folglich gilt das Selbstbewußt11 Daß das Selbstbewußtsein sowohl die Tätigkeit als auch das Sein ist, besagt nicht, daß das Sein eben das Produkt des Aktes des Selbstbewußtseins, sondern daß die Tätigkeit und das Sein im Selbstbewußtsein ein und dasselbe sind. In diesem Sinnzusammenhang spricht F. W. J. Schelling von der Identität zwischen Wissen und Sein so: "Es kann freilich ebensowenig davon die Rede seyn, das Seyn aus dem Wissen so zu erklären, daß jenes die Wirkung von diesem wäre, es ist zwischen beiden überhaupt kein C a u s a l i t ä t s =Verhältniß möglich, und beide können nie zusammentreffen, wenn sie nicht wie im Ich ursprünglich E i n s sind. Das Seyn (die Materie), als produktiv betrachtet, ist ein Wissen, das Wissen, als Produkt betrachtet, ein Seyn. Ist das Wissen überhaupt produktiv, so muß es ganz und durchein, nicht zum Theil, produktiv seyn, es kann
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sein, das einerseits die Tätigkeit überhaupt, aber andererseits zugleich das Sein, die Wirklichkeit überhaupt bezeichnet, als der Grund aller synthetischen Erkenntnis überhaupt. Zusammenfassend ist zu sagen: das Selbstbewußtsein, sich selbst als Objekt überhaupt zu setzen, ist als solches apprehensio simplex, weil es auch von sich selbst direkt auf das Sein überhaupt und darum auf die Objektivität überhaupt geht. Das Selbstbewußtsein, selbst wenn es eigentlich die identische, leere Vorstellung eines und desselben Subjekts bezeichnet und also mit dem Objekt oder dessen Synthesis gar nichts zu tun hat, ruht jedoch nicht bloß auf der leeren, reinen Subjektivität, sondern zugleich auch auf Objektivität überhaupt. Im Selbstbewußtsein ist also nicht bloß die reine Analytizität überhaupt, sondern zugleich die Synthetizität überhaupt ursprünglich angelegt. Das Selbstbewußtsein ist folglich nicht ein bloßes Denken in sich selbst, d.i. die Apperzeption allein, sondern zugleich die Apprehension überhaupt. Auf diese Weise ist das Selbstbewußtsein sowohl die Apperzeption als der Grund des Denkens oder der Subjektivität überhaupt als auch die apprehensio simplex als der Grund des Seins oder der Objektivität überhaupt, und die beiden Züge sind in das Selbstbewußtsein ursprünglich hineingelegt oder durch es entfaltet.
2. Das Selbstbewußtsein als die entzweite Einheit des Subjekts mit sich selbst 2. l. Das Selbstbewußtsein als das Urbild der Erkenntnis Wir haben betrachtet, wie das Selbstbewußtsein, obwohl es als solches die reine Tätigkeit des Subjekts ist und darum zu ihm bloß die logische, analytische Vorstellung des handelnden Subjekts gehört, doch zugleich apprehensio simplex, nämlich die Apprehension überhaupt oder die Synthetizität überhaupt ist, die auf das Sein als solches oder das Objekt überhaupt geht und dadurch nicht bloß den Grund des Denkens, sondern auch denjenigen des Seins ausmacht.
nichts von außen in das Wissen kommen, denn alles, was ist, ist mit dem Wissen identisch, und nichts ist außer ihm." (F. W. J. Schelling/1800, S. 407)
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Auf dieser Grundlage können wir uns noch einer anderen Konzeption des Selbstbewußtseins im op. post, zuwenden und versuchen sie deutlich zur Faßlichkeit zu bringen. Eine bemerkenswerte Bestimmung, die Kant im op. post, unter demselben Gesichtspunkt dem logischen Akt des Selbstbewußtseins direkt hinzufügt, lautet: "Das Bewustseyn meiner selbst ist noch kein Act der Selbstbestimung zur Erkentnis eines Gegenstandes sondern nur die Modalität des Erkentnisses überhaupt wodurch ein Subject sich selbst überhaupt zum Object macht und das Förmliche der Anschauung überhaupt." (II, 87/5-8)
Kant bestimmt hier das Selbstbewußtsein als die Modalität überhaupt, und zwar aus dem Grund, weil es "kein Act der Selbstbestimung zur Erkentnis eines Gegenstandes" ist. Es ist klar, daß das Selbstbewußtsein kein Akt der Selbsterkenntnis ist. Denn dadurch wird nur ein identischer, analytischer Satz: sum cogitans, aber keineswegs die wirkliche, synthetische Erkenntnis seiner selbst erreicht. Also gilt das Selbstbewußtsein auf keinen Fall an sich als ein konkreter Akt zur Erkenntnis seiner selbst. Wenn aber weiter gefragt wird, welche zugrundeliegende Funktion dann das Selbstbewußtsein zum Behuf der Erkenntnis leisten kann, falls es selbst zwar keine Erkenntnis seiner selbst ist, aber dennoch ihren Grund ausmacht, antwortet Kant dieses Mal, daß das Selbstbewußtsein eben "die Modalität des Erkentnisses überhaupt wodurch ein Subject sich selbst überhaupt zum Object macht", und zwar "das Förmliche der Anschauung überhaupt", ist. Das Selbstbewußtsein fungiert als die Modalität überhaupt zum Behuf der Erkenntnis, im Unterschiede zur wirklichen Erkenntnis seiner selbst. D.h. das Selbstbewußtsein, sich selbst überhaupt zum Objekt zu machen, ist derjenige Akt, sich die Modalität überhaupt zum Behuf der Erkenntnis zu verschaffen. Was kann man sich darunter vorstellen, wenn Kant das Selbstbewußtsein - ohne konkrete, inhaltliche Angabe - direkt als "die Modalität des Erkentnisses überhaupt" bestimmt? Hierfür wäre in erster Linie aufschlußreich, die wesentliche Funktion der Modalität in den Urteilen oder in den Kategorientafeln bei Kant ins Licht zu stellen. Im allgemeinen geht die Modalität in der Urteilsfunktion oder in der Funktion der Kategorie nicht auf den Inhalt eines Urteils oder die Bestimmung eines Dinges, sondern eben auf die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Prädikat im Urteilen oder zwischen dem Gegenstand und dem Erkenntnisvermögen beim Erkennen. Was z.B. die Modalitätskategorie betrifft, so legt Kant in der K.d.r.V. einleuchtend dar:
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"Die Kategorien der Modalität haben das Besondere an sich: daß sie den Begriff, dem sie als Prädikate beigefügt werden, als Bestimmung des Objekts nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen ausdrükken." (B 266=A 219)
Hierin zeigt sich, daß die Modalitätskategorie gar nichts mit der Bestimmung des Objekts zu tun hat, sondern lediglich auf das Verhältnis zwischen dem Gegenstand (oder dem Begriff desselben) und dem Erkenntnisvermögen geht. Bei der Modalitätskategorie handelt es sich darum, das Verhältnis zwischen beiden zu bestimmen. D.h. was die Modalität überhaupt anlangt, so kommt keineswegs die Bestimmung oder der Inhalt des Objekts selbst, sondern eher die Beziehung jenes Objekts zum Erkenntnisvermögen überhaupt in Frage. Darauf gestützt, kann man auch feststellen, daß, wenn Kant hier das Selbstbewußtsein als die Modalität der Erkenntnis überhaupt bezeichnet, er damit behaupten will, daß das Selbstbewußtsein irgendwie das Verhältnis oder die Beziehung zwischen dem Gegenständlichen und dem Subjektiven, aber auf keinen Fall die Bestimmung eines Objekts selbst angeht. Anders formuliert: Durch den Akt des Selbstbewußtseins gelangt das Subjekt nicht dazu, das Objekt zu bestimmen, sondern lediglich dazu, das Verhältnis überhaupt zwischen dem Objekt und dem Subjekt herzustellen, wobei sich das Subjekt erst auf sich selbst als ein Objekt überhaupt bezieht. Das Selbstbewußtsein als die Modalität überhaupt der Erkenntnis ist also nichts anderes als das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt überhaupt. Oder: das Ich des Selbstbewußtseins bezeichnet nicht bloß die Subjektivität, sondern auch die Objektivität als solche und darum nicht das leere, objektslose Bewußtsein, sondern das sich bereits auf das Objekt überhaupt beziehende Bewußtsein. Daß das Selbstbewußtsein auf diese Weise das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt überhaupt ausmacht und also das sich auf das Objekt überhaupt beziehende Bewußtsein ist, ist auch aus der Bestimmung desselben als apprehensio simplex abzuleiten oder beruht direkt darauf. Denn das Selbstbewußtsein als apprehensio simplex bezeichnet als solches, wie betrachtet, keineswegs das schlechthinnige Subjekt allein, sondern zugleich das schlechthinnige Objekt, nämlich das Sein überhaupt. Und dadurch tritt jenes schlechthinnige Subjekt in die Beziehung auf dieses schlechthinnige Objekt, und das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt überhaupt wird ins Werk gesetzt. Im Selbstbewußtsein ist daher das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt überhaupt ursprünglich angelegt und in es mit einbezogen. Folglich ist das Selbstbewußtsein nicht bloß das reine Denken, sondern das Verhältnis zwischen dem Denken und dem Sein überhaupt.
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In diesem Sinnzusammenhang bestimmt Kant den Raum und die Zeit, in denen das ursprüngliche Selbstbewußtsein geschieht, als Verhältnisbegriffe: " - Raum und Zeit sind nicht apprehensibele Gegenstande, auch nicht cogitabele Zusamensetzung des Manigfaltigen in der Anschauung gegeben sondern Verhältnis Begriffe im Subject." (II, 70/6-9)
Raum und Zeit sind weder apprehensibele Gegenstände noch cogitabile Zusammensetzungen, sondern Verhältnisbegriffe zwischen den beiden. Allerdings sind Raum und Zeit als solche natürlich nicht eine konkrete Tätigkeit, das Mannigfaltige gemäß einem Begriff zusammenzusetzen, und auch kein konkreter Gegenstand der Wahrnehmung mit Bestimmung, die durch jene konkrete Tätigkeit erst entstehen kann, sondern sie sind das Ganze sowohl jener Tätigkeit als auch das Ganze dieser Sinnengegenstände und darum das absolute Ganze des Denkens und des Seins. Daher sind sie nichts anderes als das Verhältnis zwischen diesen beiden überhaupt. Im Raum und in der Zeit als primitiver Anschauung seiner selbst sind so die beiden Züge, nämlich die Gegenständlichkeit und die Subjektivtät überhaupt, angelegt und kommen darin zusammen. Daher dürfen sie als solche weder für diese allein noch für jene allein gelten, sondern eher stellen sie die Zusammenkunft oder das Verhältnis beider bereit. Das heißt, daß Raum und Zeit als die rein primitive Anschauung im op. post. nichts weiter als das absolute Ganze der Verhältnisse zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven überhaupt oder als ein Inbegriff aller Verhältnisse12 zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven sind, die konkret in jeder einzelnen Sinnenvorstellung anzutreffen sind. Das einzelne, konkrete Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt macht eine bestimmte Sinnenanschauung aus und gehört also in die bestimmten Räume und Zeiten hinein. Aber im Gegensatz dazu drücken Raum und Zeit an sich, die als absolute Einheit in sich alle Teilvorstellungen der bestimmten Räume und Zeiten identisch enthalten, einerseits das absolute Ganze der subjektiven Tätigkeiten, aber andererseits auch das absolute Ganze der objektiven Gegenstände aus, und darum ist das Verhältnis, das darin zum Vorschein kommt, das Verhältnis zwischen dem Ganzen der subjektiven Tätigkeit und dem Ganzen der objektiven Wirklichkeit, aber nicht irgendein konkretes Verhältnis zwischen irgendeiner konkreten Tätigkeit und irgendeinem konkreten Objekt. Raum und Zeit sind daher als solche nicht irgendein konkretes Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt, das gerade eine konkrete, bestimmte Wahrnehmung beträfe, sondern sie bezeichnen den Inbegriff der Verhältnisse. Sie sind also nichts anderes als die Modalität der Erkenntnis überhaupt. 12 Vgl. 11,416/18.
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Wenn daher das Selbstbewußtsein als die Modalität der Erkenntnis überhaupt und darum auch als das Förmliche der Anschauung überhaupt angesehen wird, wird damit angekündigt, daß das Selbstbewußtsein nichts weiter als das Verhältnis zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven überhaupt bezeichnet. Somit liegt auch nahe, daß im Bewußtsein seiner selbst ursprünglich das Verhältnis zwischen dem Subjekt und dem Objekt in Kraft tritt, denn das Selbstbewußtsein ist der Akt, sich selbst als Objekt überhaupt zu setzen und dadurch sich selbst überhaupt aufs Objekt zu beziehen. Diesbezüglich können wir noch eine andere Stelle heranziehen, um die prägnante Bedeutung des Selbstbewußtseins als Modalität überhaupt vor Augen zu führen: "1.) Ich bin (Sum) - 2) Ich bin mir meiner selbst bewust, d. i. das Subject zugleich als Object (appercipio) Apprehensio simplex enthält den intuitus meiner selbst und Conceptus ich er k e n e mich selbst und dan den Überschritt vom Subject zum Object der Anschauung iudicium aber das begründet doch nicht einen Schluß cogito, ergo sum, sondern sum cogitans ein identischer Satz: analytisch." (II, 102/2025)
In dieser Passage ist vor allem auffällig, daß das Selbstbewußtsein als die Erkenntnis seiner selbst bestimmt ist: "ich e r k e n e mich selbst". Aus welchem Grund hält Kant aber hier das Selbstbewußtsein mit der Selbsterkenntnis für identisch, obwohl jenes eigentlich keineswegs die Selbsterkenntnis sein darf? Kant stellt hier vor allem fest, daß das Selbstbewußtsein in sich sowohl die Anschauung seiner selbst als auch den Begriff seiner selbst enthält und daß darum das Bewußtsein nicht bei sich selbst verharrendes Bewußtsein, sondern bereits zum Objekt der Anschauung übergegangenes Bewußtsein ist. Sofern im Selbstbewußtsein aber das Ich als Objekt der Anschauung mit einbezogen ist und das Selbstbewußtsein daher nichts anderes als das Bewußtsein seiner selbst als Objekts der Anschauung ist, kann das Selbstbewußtsein für die Selbsterkenntnis gehalten werden. Denn die Erkenntnis entsteht eben dadurch, daß das Denken sich auf das Objekt der Anschauung bezieht. Aber das Urteil, das das Selbstbewußtsein als die Erkenntnis seiner selbst darbietet, ist bloß ein identischer, analytischer Satz: sum cogitans. Das heißt, daß, wenn schon das Selbstbewußtsein ein Urteil über sich selbst oder die Beziehung des Subjekts auf sich selbst als Objekt der Anschauung herstellt, dieses Urteil nur analytisch und darum auch diese Beziehung identisch ist. Die Beziehung des Subjekts auf sich selbst im Selbstbewußtsein ist niemals eine bestimmte synthetische Beziehung, in der die wirkliche Erkenntnis seiner selbst bestehen würde. In diesem Punkt ist das Selbstbewußtsein nicht die Erkenntnis seiner selbst, weil dadurch das
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Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins
Wissen über das Ich als das Objekt der Anschauung nicht erweitert wird. Das Selbstbewußtsein verkündet uns nur, daß das Ich als Objekt der Anschauung lediglich das Ich als Subjekt des Denkens ist oder daß sich das Ich als das Subjekt des Denkens auf sich selbst als Objekt der Anschauung identisch bezieht. Es ist außer Zweifel, daß sich im Selbstbewußtsein das Ich seiner selbst nicht bloß als Subjekts des Denkens, sondern auch als Objekts der Anschauung bewußt ist. Das Selbstbewußtsein enthält daher sowohl das Denken oder den Begriff seiner selbst als auch die Anschauung seiner selbst als Objekts. Es stellt auf diese Weise für sich allein die Beziehung zwischen beiden auf, und so kommt ihm direkt das Verhältnis beider zu. Eben in dieser Beziehung besteht die Möglichkeit der Erkenntnis. Dadurch begründet zwar das Selbstbewußtsein das Urteil über sich selbst, aber es kann doch höchstens ein identischer, analytischer Satz: sum cogitans, sein, aber keine synthetische, erweiterte Erkenntnis seiner selbst. Das heißt, daß die Beziehung oder das Verhältnis der beiden entgegengesetzten Momente, die das Selbstbewußtsein begründet und hervorbringt, eine analytische, identische ist. Anders ausgedrückt: das Selbstbewußtsein schafft für sich allein nicht bloß das Moment des Denkens oder das des Subjekts, sondern auch das Moment der Anschauung oder das des Objekts, und also wird dadurch die ursprüngliche Entgegensetzung zwischen beiden Momenten ins Werk gesetzt. Doch beziehen sich diese entgegengesetzten Momente darin auch aufeinander, und zwar als identische. D.h. die beiden Momente differenzieren sich im Selbstbewußtsein gegeneinander, aber sie treffen darin auch miteinander völlig zusammen. Daher findet im Selbstbewußtsein nicht bloß die ursprüngliche Entgegensetzung beider Momente statt, sondern zugleich die ursprüngliche Verknüpfung, d.i. die ursprüngliche Identität beider. Die entgegengesetzten Momente - das Denken und die Anschauung, das Subjekt und das Objekt oder die Tätigkeit und die Passivität überhaupt - sind also im Selbstbewußtsein völlig eins. Diese identische Zusammenkunft beider Momente im Selbstbewußtsein weist darauf hin, daß darin das Denken überhaupt mit der Anschauung überhaupt als völlig identisch zusammentrifft, nicht aber ein bestimmtes Denken mit einem bestimmten Objekt. Diese ursprüngliche Einheit beider ist also an sich keineswegs wahrnehmbar, sondern eine ideale, weil sie die Identität zwischen dem Denken und der Anschauung überhaupt oder das Ganzen beider ausdrückt, im Unterschiede zur bestimmten identischen Verknüpfung beider, die eine bestimmte Wahrnehmung begründet oder in ihr stattfindet. Es ist also der ideale, gedankliche Punkt der Identität, worauf sich die reale, wahrnehmbare Einheit beider entgegengesetzten Momente gründet und an den sich alle realen, bestimmten Identitäten beider
Das Selbstbewußtsein als die entzweite Einheit des Subjekts
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reihen. Und das Selbstbewußtsein als der rein ideale Punkt der Identität macht darum den Grund oder das Urbild aller Erkenntnis aus, die ihrerseits in der realen, konkreten Einheit beider Momente besteht. So können wir schließlich einsehen, als welcher Akt das Selbstbewußtsein eigentlich zu verstehen ist. Das Selbstbewußtsein ist derjenige Akt, sich selbst überhaupt als Objekt zu setzen, wodurch nicht bloß das Subjekt als solches, sondern das Objekt überhaupt gesetzt wird. Im Selbstbewußtsein wird so das Ich als das Objekt, und zwar im Unterschied oder im Gegensatz zum Ich als dem Subjekt, gesetzt. Das Selbstbewußtsein ist daher ein Akt der Unterscheidung oder Entgegensetzung, wobei sich das Subjekt und das Objekt überhaupt, das Denken und das Sein überhaupt oder die Tätigkeit und die Passivität überhaupt entgegentreten. Aber das Selbstbewußtsein ist nicht bloß der Akt der Entgegensetzung, sondern zugleich der Akt, diese entgegengesetzten Momente ins Verhältnis, und zwar in eine Beziehung der Identität zu bringen. Im Selbstbewußtsein treffen beide Momente als identisch zusammen, und in ihm sind die beiden ursprünglich eins. Das Selbstbewußtsein ist also der Akt der Identität. Sofern sich das Selbstbewußtsein auf diese Weise eben durch die beiden Akte den Akt der Entgegensetzung und den Akt der Einheit - vollzieht, könnte man es auch für den Akt halten, sich selbst in der Identität entgegenzutreten. Oder es ist der ursprüngliche Akt, durch den sowohl das Denken (Subjekt, Begriff oder Tätigkeit) als auch das Sein (Objekt, Anschauung oder Empfänglichkeit) überhaupt, und zwar in einer unmittelbaren Identität, geschehen. Mit einem Wort: das Selbstbewußtsein bezeichnet nichts anderes als die entzweite, d.i. durch die Entgegensetzung entstandene Identität des Subjekts mit sich selbst, aber keineswegs eine ununterschiedene, undifferenzierte Identität.13 Unter diesem Aspekt ist das Selbstbewußtsein schließlich der Urgrund oder das Urbild aller weiteren Erkenntnisse, die in der realen bestimmten Einheit der beiden entgegengesetzten Züge bestehen.
2.2. Das Selbstbewußtsein als der Akt der Persönlichkeit
13 Dazu äußert sich F. Lüpsen so: "Vielmehr besagt gerade die Selbstsetzung, daß ihre Einheit eine E i n h e i t der K o r r e l a t i o n ist, daß die Einheit nur in der und durch die Korrelation der Gegensätze besteht, sist'. Setzung fordert stets Gegensetzung, sie ist nur Glied eines Gegensatzes, Selbstsetzung aber ist Einheit des Gegensatzes, Selbstsetzung besagt, daß Beziehung, Korrelation Mst'." (F. Lüpsen/1925, S. 87)
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Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins
Das Selbstbewußtsein, in dem die unmittelbare Identität zwischen dem Denken und dem Sein überhaupt, dem Subjekt und dem Objekt überhaupt, der reinen Tätigkeit und der reinen Empfänglichkeit überhaupt oder der Analytizität und der Synthetizität überhaupt (apperceptio = apprehensio simplex) bestehen, bestimmt Kant nun in einem Fragment folgendermaßen: "Der Iste Act des Vorstellungsvermögens ist das verbum Ich bin das Bewustseyn meiner selbst. Ich bin mir selbst ein Gegenstand. Das Subject ist sich selbst Object. - Dieser Gedanke (apprehensio simplex) ist noch kein Urtheil (indicium) viel weniger ein Vernunftschlus (ratiocinium) ich denke, darum bin ich etc. sondern ein Act der Persönlichkeit nach der Regel der Identität im Gegensatz der A n s c h a u u n g und zwar der ineren mit Prädicaten der Bestimung des Subjects vor aller Erfahrung d.i. vor der Warnehmung - System der Categorien" (II, 115/9-16)
Hier wird das Selbstbewußtsein nochmals in seinen wesentlichen Zügen geklärt. Merkwürdig ist aber, daß es definitiv als "Act der Persönlichkeit" bestimmt wird, und zwar im Gegensatz zur inneren Anschauung. Das Selbstbewußtsein als Akt der Persönlichkeit ist hiernach vornehmlich durch das Anderssein zur Anschauung, und zwar zur inneren Anschauung mit den Prädikaten der Bestimmung des Subjekts, gekennzeichnet. Natürlich ist die innere Anschauung seiner selbst mit Prädikaten der Bestimmung des Subjekts die reale, synthetische Erkenntnis seiner selbst, die dadurch entsteht, sich selbst als ein Sinnenobjekt zu setzen und es gemäß einem Begriff konkret zu bestimmen. Das Selbstbewußtsein ist, wie gezeigt, als solches von dieser inneren Anschauung seiner selbst, nämlich der derivativen Anschauung seiner selbst als Selbsterkenntnis, unterschieden. Es ist also keine innere Anschauung seiner selbst, sondern der Akt der Persönlichkeit. Das Selbstbewußtsein als ein Akt der Persönlichkeit ist nicht derjenige Akt, sich selbst als Objekt durch Prädikate zu bestimmen, sondern sich selbst "nach der Regel der Identität" zu bestimmen. Wenn sich das Subjekt auf sich selbst als Objekt prädikativisch - mit konkreter Bestimmung - bezieht, dann entsteht die innere Anschauung mit Prädikaten. Wenn aber das Subjekt sich selbst als Objekt setzt und dieses Objekt wiederum nichts anderes als das Subjekt bestimmt, dann kommt das Selbstbewußtsein, d.i. das Bewußtsein seiner selbst als einer Person zustande. Das heißt, daß das Selbstbewußtsein derjenige Akt ist, sich selbst nach der Regel der Identität zu bestimmen. Und in dieser Hinsicht ist es unmittelbar ein Akt der Persönlichkeit. Unter dem Selbstbewußtsein als Akt der Persönlichkeit kann man folglich den Akt verstehen, sich selbst als ein Objekt nach der Regel der Identität zu bestimmen und dadurch das Ich als das Ich festzustellen. Hier steht fest, daß das Selbstbewußtsein als Akt der Persönlichkeit bestimmt wird, weil es eben die Identität seiner selbst ist. Wie bereits erwähnt, liegen die
Das Selbstbewußtsein als die entzweite Einheit des Subjekts
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wesentlichen Grundzüge des Selbstbewußtseins darin, sich selbst als Objekt in die Identität mit sich selbst zu bringen oder sich selbst als Objekt, aber in der Identität mit sich selbst, zu setzen. Und dies ist auch nichts anderes als die Selbstbestimmung nach der Regel der Identität. Nach denselben Grundzügen wird das Selbstbewußtsein hier als Akt der Persönlichkeit verstanden.14 Diese Auffassung Kants entspricht genau der Darstellung des Ich als Person in seinen früheren Schriften. In der K.d.r.V. definiert Kant eine Person als dasjenige, "was sich der numerischen Identität seiner Selbst in verschiedenen Zeiten bewußt ist" (A 361). Das heißt, daß das Persönlichkeitsbewußtsein eben auf der numerischen Identität seiner selbst beruht, im Gegensatz zu anderen Naturdingen, die sich in verschiedenen Zeiten verändern. Diesen Gedanken formuliert Kant in der Anthropologie etwas konkreter: "Daß der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle andere lebende Wesen. Dadurch ist er eine P e r s o n und vermöge der Einheit des Bewußtseins bei allen Veränderungen, die ihm zustoßen mögen, eine und dieselbe Person (...)" (AA VII, S.127)
Nach dieser Erklärung besteht das Persönlichkeitsbewußtsein lediglich in der Einheit des Bewußtseins, und dadurch erhebt sich das Ich als eine Person unendlich über die anderen Dinge oder Lebewesen, die unter einer ständigen Veränderung stehen. Demzufolge geht das Bewußtsein seiner selbst als einer Person durch die Identität seiner selbst oder die ursprüngliche Einheit des Bewußtseins hervor. Und eben durch dieses Bewußtsein der Identität seiner selbst wird das Subjekt sich seiner selbst als einer und derselben Person bewußt. Hier wie dort gründet sich das Persönlichkeitsbewußtsein unterschiedslos eben auf die Identität seiner selbst. Das Persönlichkeitsbewußtsein, das nur dem Menschen, nicht den anderen Wesen zukommt, schildert Kant im op. post, aber unter einem etwas anderen Aspekt: "Unter allen Eigenschaften die einem denkenden Wesen zukomen ist die erste die seiner selbst als einer P e r s o n bewußt zu seyn nach welcher das Subject nach dem transscendentalen Idealism sich selbst a priori zum Objecte constituirt nicht als in der Erscheinung gegeben im Ü b e r g a n g von m e t a p h y s i s c h e n A n f . G r . der N. W. zur Physik sondern als Wesen das seiner Selbst Begründer und Urheber ist nach der Qualität der Persönlichkeit Das ich bin. - Ich als 14 Von der Auffassung des Selbstbewußtseins als des Persönlichkeitsbewußtseins sagt G. Lehmann: "Was dagegen das setzende 'Selbst' in seiner eigenen metaphysischen 'Wirklichkeit' betrifft, so gelangt Kant (...) im Nachlaßwerk vom transzendentalen 'Solipsismus' zu einem Personalismus, der sich ganz einfach aus der Einbeziehung des Personenbegriffs in die Selbstsetzungslehre (7. Konv.) bzw. aus der Einbeziehung der Problematik der Metaphysik der Sitten, ergibt." (G. Lehmann/1969, S. 403)
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Die transzendentale Funktion des Selbstbewußtseins Mensch bin mir ein Sinenobject im Raum u. Zeit und zugleich Verstandesobject Bin e i n e P e r s o n : (...)" (1,14/8-16)
Nach diesem Zitat ist das Persönlichkeitsbewußtsein dasjenige Bewußtsein, das dem Menschen, dem denkenden Wesen, als erstes zukommt, indem das Subjekt sich selbst als Objekt setzt. Durch das Selbstbewußtsein, sich selbst zum Objekt zu machen, wird das Subjekt sich seiner selbst erst als Person bewußt. Der springende Punkt liegt aber darin, daß durch den Akt der Persönlichkeit das Subjekt zwar als ein Objekt gesetzt wird, aber nicht als ein Objekt in der Erscheinung, wie die anderen Objekte der Sinne, sondern vielmehr als ein Wesen, das "seiner Selbst Begründer und Urheber ist". Der Akt der Persönlichkeit ist darum derjenige Akt, sich selbst als dasjenige Wesen zu setzen, das seiner selbst Begründer und Urheber ist, und das Persönlichkeitsbewußtsein ist eben das Bewußtsein, sich seiner selbst als Begründers und Urhebers seiner selbst bewußt zu sein. Daher ist das Selbstbewußtsein als der Akt der Persönlichkeit nicht bloß das Bewußtsein der Identität des Subjekts mit sich selbst, sondern zugleich das Bewußtsein seiner selbst als Urhebers und Begründers.15 Und in diesem Punkt grenzt sich die Auffassung Kants über die Person im op. post, von derjenigen seiner früheren Gedanken erheblich ab. Natürlich wird das Persönlichkeitsbewußtsein als das Identitätsbewußtsein hier wie dort für nur dem Menschen als dem denkenden Wesen eigen gehalten, im Unterschiede zu allen anderen Wesen. Darüber hinaus ist es aber im op. post, weiter als das Bewußtsein seiner selbst als Urhebers und Begründers aufgefaßt. Dadurch daß das Subjekt sich selbst als identisch setzt, wird es sich seiner selbst nicht bloß als einer von den anderen Lebewesen unterschiedenen Person, sondern vielmehr als Urhebers und Begründers seiner selbst bewußt. Aus demselben Blickwinkel sagt Kant: "Das Erkentnis seiner Selbst als einer Person die sich selbst zum Princip constituirt und ihres Selbst Urheberin ist." (II, 54/3-4) "Die Persönlichkeit des Menschen in der Welt sich selbst nicht als Sache (Naturwesen) zu betrachten und zu behandeln." (I, 56/18-19)
Es ist klar, daß das Selbstbewußtsein als das Persönlichkeitsbewußtsein eben der Akt ist, sich selbst zum Prinzip zu konstituieren und zum Urheber seiner selbst zu machen. Das Selbstbewußtsein ist natürlich nichts anderes als der Akt des Subjekts, sich selbst überhaupt als Objekt zu setzen. Aber das Objekt überhaupt, das
15 In diesem Sinnzusammenhang bestimmt H. Schmilz die späten Gedanken Kants im op. post, als "anthropologischen Idealismus" oder "anthropologisch umdeutende Theologie". Vgl. H. Schmilz, S. 321-27.
Das Selbstbewußtsein als die entzweite Einheit des Subjekts
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durch das Selbstbewußtsein gesetzt wird, ist nichts anderes als Prinzip der Möglichkeit der Objekte der Sinne. Denn das, was das Selbstbewußtsein in seiner Ursprünglichkeit setzt, ist die absolute synthetische Einheit als das Prinzip zur bestimmten synthetischen Einheit, die ihrerseits ein bestimmtes Sinnenobjekt ermöglicht. Deswegen ist das Selbstbewußtsein der Akt der Selbstsetzung, sich selbst nicht bloß als ein Sinnenobjekt in der Naturwelt, sondern vielmehr als dessen Prinzip überhaupt zu setzen. Infolgedessen liegt nahe, daß das Selbstbewußtsein eben dasjenige Persönlichkeitsbewußtsein ist, sich selbst als Prinzip der Möglichkeit der Objekte der Sinne in der Naturwelt zu setzen und dadurch sich sich selbst als Urheber und Begründer seiner selbst bewußt zu machen. In diesem Sinne ist das Persönlichkeitsbewußtsein als ein solches Bewußtsein aufgefaßt, "sich selbst nicht als Sache (Naturwesen) zu betrachten und zu behandeln", sondern sich selbst als das von sich selbst als Naturwesen unterschiedene oder sich selbst als Naturwesen begründende Wesen, d.i. sich selbst als Urheber und Begründer seiner selbst zu betrachten. So kommt im Persönlichkeitsbewußtsein das Ich nicht bloß als ein Objekt der Sinne, also als eine Sache, sondern vielmehr als Urheber und Begründer seiner selbst zum Bewußtsein.16 Hieraus läßt sich schließlich erkennen, in welchem transzendentalen Sinne Kant das Selbstbewußtsein als Akt der Persönlichkeit bestimmt hat. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein seiner selbst als einer Person besagt, daß sich das Subjekt der Tätigkeit von sich selbst als einem Ding in der Naturwelt unterscheidet und sich selbst als Urgrund behauptet. Denn wenn das Ich zu sich selbst sagen kann, daß es „Ich" ist, tritt das Ich erst als das Subjekt im echten Sinne, nämlich als Urheber und Begründer seiner selbst und dessen Umwelt auf. Das transzendentale Selbstbewußtsein ist schließlich in seinem reinen Vollzug die Setzung seiner selbst als Urgrundes oder Urprinzips der Möglichkeit seiner selbst und der Naturwelt. Eben in diesem Hinblick macht das Selbstbewußtsein als das Persönlichkeitsbewußtsein im op. post, den höchsten Standpunkt der transzendentalen Philosophie Kants aus. 16 Zu dieser Problematik sagt V. Mathieu: "Die autonome Tätigkeit, die das Subjekt zum 'Inhaber und Urheber' seiner Vorstellungen macht, darf nur darum angenommen werden, weil sie die Form der Rezeptivität (Raum und Zeit), also ein empfindendes Subjekt affinen. Das Subjekt muß daher von Anfang an "affizierbar' gedacht werden, um ein Subjekt zu sein, das sich selbst setzt und alles macht. Der Unterschied gegenüber Rchte fällt sogleich ins Auge. Bei dem Subjekt Kants handelt es sich nämlich nicht um ein unendliches Ich wie bei Fichte, das sich erst gegen ein 'Nicht-Ich' als endlich setzt, sondern um ein Subjekt, das sich vaffiziert', d.h. mit dem Material seiner eigenen Anschauungsformen einen indirekten Gegenstand zusammensetzt, um die theoretische Einheit der Erfahrung zu gewährleisten." (V. Mathieu/1989, S. 196)
VI. Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz Wir wollen nun die Lehre des Selbstbewußtseins im op. post., dessen Elementarstruktur und Funktion wir bis jetzt systematisch und konsequent zur Faßlichkeit zu bringen versucht haben, mit der früheren Theorie Kants, wie sie hauptsächlich in der K.d.r.V. vorgetragen ist, vergleichen, damit wir zuletzt zur Einsicht gelangen, worin der entscheidende Wendepunkt der Selbstbewußtseinslehre des op. post. liegt, und den prägnantesten Sinn des transzendentalen Ich hervorheben können. Wenden wir uns zunächst dem Hauptgedanken der Selbstbewußtseinslehre in der K.d.r.V. zu. Das transzendentale Selbstbewußtsein oder die transzendentale Apperzeption fungiert dort als der Urgrund oder das Urprinzip der Möglichkeit der Sinnengegenstände und deren Erkenntnis. Die transzendentale Apperzeption ist im wesentlichen das Vermögen der Einheit, verrichtet die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung überhaupt und gewährleistet dadurch dem Mannigfaltigen der Sinnenanschauung den objektiven Zusammenhang. Eben auf diese synthetische Einheit der Apperzeption gründen sich alle weiteren Leistungen des Subjekts, die das Objekt der Erfahrung konstituieren und dessen Erkenntnis a priori herstellen. In diesem Sinne hält Kant diese ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption für den höchsten Punkt seiner Transzendentalphilosophie.1 Die synthetische Einheit der Apperzeption ist der höchste, erste Akt des Subjekts und bedeutet nichts anderes als die Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung überhaupt. Die synthetische Einheit der Apperzeption ist aber eben als diejenige Tätigkeit des Subjekts zu verstehen, die aufs Mannigfaltige der Anschauung einwirkt. So kommt darin bereits die Zusammenwirkung des Denkens mit der Anschauung ins Spiel. Dies besagt, daß im ursprünglichen Bewußtsein oder im ursprünglichen Akt des Subjekts nicht bloß das Moment des Denkens, sondern zugleich dasjenige der Anschauung, nämlich das Moment des Mannigfaltigen des Objekts, mit einbezogen ist und sein muß. Denn ohne das Anschauungsmoment könnte die Apperzeption niemals die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung leisten.2 Wenn also die Apperzeption oder das transzendentale Be1 2
Vgl. B 134. H. Cohen sagt dazu: "(...)'· die Einheit der Synthesis des Denkens hat das M a n n i g f a l t i g e d e r A n s c h a u u n g zu ihrer Voraussetzung. Auf diese Relation muß die Synthesis gespannt
Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
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wußtsein seiner selbst geschieht, müssen dabei sowohl der Denkaktus des Subjekts als auch die Anschauung desselben stattfinden. Jedoch weist die synthetische Einheit der Apperzeption, d.i. die Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauung durch den Verstand, keineswegs direkt darauf hin, daß die transzendentale Apperzeption als solche sowohl das Denken als auch zugleich die Anschauung begründet. Auf der synthetischen Einheit der Apperzeption als dem höchsten Prinzip der Erkenntnis beruht im eigentlichen nur das Denken, nämlich der Verstandesgebrauch allein.3 Und das Anschauungsmoment, das Moment der Mannigfaltigkeit, deren notwendige ursprüngliche Einheit eben das Geschäft der Apperzeption ist, ist an sich von diesem höchsten Prinzip weder abzuleiten noch durch es zu begründen. Denn nach der Erkenntnistheorie der K.d.r.V. ist die Grundunterscheidung der "zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis, nämlich S i n n l i c h k e i t und V e r s t a n d (B 29=A 15)", im absoluten Sinne vorausgesetzt. Mit anderen Worten: Verstand und Sinnlichkeit sind uns Menschen ursprünglich als die absolut entgegengesetzten beiden Grundquellen der Erkenntnis gegeben. Die transzendentale Apperzeption ist, obwohl sie als das Urprinzip der Erkenntnis gilt, in dieser Hinsicht nur höchster Punkt einer der beiden heterogenen Quellen, nämlich des Verstandes, und ihr steht die Sinnlichkeit als Anschauungsvermögen absolut gegenüber. Die Apperzeption oder der Verstand und die Anschauung oder die Sinnlichkeit bilden so getrennt zwei heterogene Stämme des menschlichen Erkenntnisvermögens. Unter dieser Voraussetzung ist klar, daß die Hauptaufgabe der Erkenntnistheorie Kants in der K.d.r.V. eben darin liegt, zu beweisen und zu begründen, wie die transzendentale Apperzeption als Urgrund der Erkenntnis das ihr im absoluten Sinne gegenüberstehende anschauliche Moment unter sich begreift und die notwendige Einheit des Mannigfaltigen desselben verrichten kann oder wie diese zwei entgegengesetzten Quellen beim Erkennen miteinander zusammenwirken können. Es stellt sich also das Problem, wie die zwei ursprünglich heterogenen Vermögen miteinander verbunden das eine einheitliche Subjekt bilden können, aber keinessein gemäß der Relation, welche zwischen Denken und Anschauung festgelegt ist. Wir wissen es schon, diese Anschauung ist reine Anschauung; ist nicht etwa Wahrnehmung oder Empfindung. Die Sinnlichkeit ist reine Sinnlichkeit. Wenn aber gleich alle diese Unterscheidungen, welche die Anschauung dem Denken näher bringen sollen, nach Gebühr beachtet sind, so bleibt dennoch unverkürzt der Einwand stehen: d a B d a d u r c h die u r e i g e n e S e l b s t ä n d i g k e i t des D e n k e n s b e e i n t r ä c h t i g t s e i . Das Denken ist Synthesis. Die Synthesis ist Synthesis der Einheit. Aber die Einheit setzt die Mehrheit voraus. Und diese Mehrheit hat das Denken nicht zu schaffen, also auch nicht zu verantworten. Sie ist ihm 'gegeben"; das ist der verhängnisvolle Ausdruck." (H. Cohen: Logik der reinen Erkenntnis. In: Werke, hrsg. vom HermannCohen-Archiv am Philosophischen Seminar der Universität Zürich, Hildesheim/New York 1977, Bd. 6. S. 26f.) Vgl. B 134.
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Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
wegs so, daß die Frage wäre, wie das eine und selbe Subjekt die zwei heterogenen Momente des Ich begründen und die beiden vereinigen könne. Wenn aber die absolute Trennung beider Vermögen vorangeht, kann das eine das andere weder unter sich bringen noch damit zur Einheit mit diesem kommen. Denn völlig heterogene Momente, denen keinerlei Identität oder Gleichheit zugrunde liegt, können keineswegs zusammenkommen und sich miteinander vereinen. Dennoch entsteht unsere Erkenntnis, nach Kant, eben durch die Vereinigung beider Vermögen. Deswegen ist die Einheit der beiden heterogenen Vermögen bei der wirklichen Erkenntnis zwar notwendig, aber an sich unerklärbar. Über diese rätselhafte, aber faktische Vereinbarkeit der beiden völlig heterogenen Vermögen sagt Kant selber: "Verstand und Sinnlichkeit verschwistern sich, bei ihrer Ungleichartigkeit, doch so von selbst zu Bewirkung unserer Erkenntnis, als wenn eine von der anderen, oder beide von einem gemeinschaftlichen Stamme ihren Ursprung hätten; welches doch nicht sein kann, wenigstens für uns unbegreiflich ist, wie das Ungleichartige aus einer und derselben Wurzel entsprossen sein könne." (AA VII, S. 177)
Der Verstand und die Sinnlichkeit, die völlig ungleichartigen Vermögen des Subjekts, verschwistern sich, laut dieser Passage, faktisch, so daß sie wirklich zusammen die Erkenntnis bewirken. Aber diese faktische Vereinbarkeit beider ungleichartigen Vermögen könnte nur erklärt werden, falls die beiden aus einem gemeinschaftlichen Stamme entsprossen wären. Das heißt, daß die Vereinbarkeit beider Vermögen nur insofern hinreichend begründet werden könnte, als sie aus ein und derselben Wurzel entstammten und darum irgendwie etwas Gemeinschaftliches bei sich behielten. Allerdings ist es, nach Kant, unmöglich oder wenigstens für uns unbegreiflich, wie die beiden heterogenen Vermögen aus einem einheitlichen Grund entspringen und sich dadurch wiederum miteinander vereinen könnten. Denn für uns stehen der Verstand und die Sinnlichkeit als die heterogenen Gegenpole streng gegeneinander, und es gibt daher für uns, die Menschen, kein Gemeinschaftliches hinter oder vor diesen beiden heterogenen Quellen.4 Deswegen ist das Übereinkommen des
In der K.d.r.V. spricht Kant einmal von einer gemeinschaftlichen Wurzel: "Nur so viel scheint zur Einleitung, oder Vorerinnerung, nötig zu sein, daß es zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis gebe, die vielleicht aus einer gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel entspringen, nämlich Sinnlichkeit und Verstand, (...)" (B 29=A 15) Auf Grund dieses Absatzes versuchen einige Interpreten innerhalb der K.d.r.V. diese gemeinschaftliche Wurzel ausfindig zu machen. Aber in der Tat weist diese Erwägung Kants über die gemeinschaftliche Wurzel nur darauf hin, daß diese beiden Erkenntnisquellen insofern wahrscheinlich aus einem einheitlichen Stamme entsprossen sind, als sie sich zur Erkenntnis miteinander vereinen und zu ein und demselben Subjekt gehören müssen. Aber diese gemeinschaftliche Wurzel ist uns unbekannt, und darum sind diese beiden
Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
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Denkens mit der Anschauung ein unbezweifeltes, aber doch geheimnisvolles und unbegreifbares Faktum. Es könnte also bloß Hokuspokus sein, wenn Kant sich so bemüht zu beweisen, wie das Denken auf das anschauliche Moment einwirkt und sich dadurch mit ihm zur Einheit verschwistert. Eben darin liegt auch das Hauptproblem der transzendentalen Apperzeption in der Ichlehre der K.d.r.V. Kant versucht, insbesondere in der transzendentalen Deduktion, konsequent zu beweisen, wie die transzendentale Apperzeption als höchster Grund die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung überhaupt leistet, nachdem er die Apperzeption als Verstandesvermögen der Sinnlichkeit im absoluten Sinne gegenübergestellt hat. Anders ausgedrückt: Kant setzt erst die absolute Entgegensetzung zweier Vermögen der menschlichen Erkenntnis - Tätigkeit und Empfänglichkeit, Denken und Anschauung oder Spontaneität und Rezeptivität - voraus und unternimmt danach zu zeigen, wie die Apperzeption diese beiden Züge in eine ursprüngliche Einheit bringt. Die Entgegensetzung ist so völlig unabhängig von der Apperzeption gegeben, und diese muß jene im absoluten Sinne entgegengesetzt gegebenen Momente zur Einheit bringen. Das heißt, daß die Apperzeption nur als Grund der Einheit beider gilt, aber nicht der grundsätzlichen Entgegensetzung beider. Wenn aber die Apperzeption die entgegengesetzten Momente nicht begründen kann, kann sie auf keinen Fall diese beiden versöhnen. Denn wenn das Entgegengesetzte für die transzendentale Apperzeption etwas absolut Anderes, d.i. etwas nicht durch sie selbst Begründbares und ihr darum ganz Fremdes wäre, könnte sie nicht das entgegengesetzte Moment zur Einheit bringen. Daher müßten die beiden, trotz der einheitlichen Tätigkeit der Apperzeption, in bleibender Entgegensetzung verharren. In dieser Hinsicht ist die Einheit beider in absoluter Entgegensetzung verharrenden Vermögen dann bloß eine fata morgana.5 Aus diesem Blickwinkel ist die synthetische Einheit der Apperzeption im Kontext der K.d.r.V. nicht als eine Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung im echten Sinne aufzufassen, also nicht als eine in sich differenzierte Momente enthaltende Einheit, sondern höchstens als die von dem Mannigfaltigen der Anschauung abstrahierte, der Entgegensetzung ermangelnde, leere Funktion der Einheit oder als die in sich keine Differenz enthaltende, undifferenzierte Einfachheit des Subjekts, die die synthetische Tätigkeit desselben weder ermöglichen noch be-
heterogenen Quellen für uns die letzte Voraussetzung, auf Grund deren allein wir die weiteren Untersuchungen über die Möglichkeit der Erkenntnis führen können. Dagegen argumentiert D. Henrich, daß sich im Selbstbewußtsein die Einheit und das Mannigfaltige und die Zusammensetzung miteinander vereinbaren. Vgl. D. Henrich: Identität und Objektivität, Heidelberg 1976.
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Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
gründen kann.6 Aufgrund dessen können wir schließlich die Behauptung wagen, daß die transzendentale Apperzeption in der K.dr.V. zwar ein Urgrund, aber doch ein völlig ohnmächtiger ist, auf dem weder Entgegensetzung noch Einheit ursprünglich beruhen können. Im Vergleich dazu wollen wir jetzt noch einmal unser Augenmerk auf die Selbstbewußtseinslehre im op. post, lenken. Wie bereits bemerkt, liegt der entscheidende Punkt hier darin, daß dem Selbstbewußtsein keine Entgegensetzung im absoluten Sinne vorangeht. Natürlich nimmt Kant hier auch das Denken und die Anschauung als zwei wesentliche, unterschiedliche Erkenntnismomente an, aus denen allein, und zwar aus deren Einheit, die Erkenntnis hervorkommen kann. Aber die beiden sind im op. post, nicht mehr ursprünglich - außerhalb des Selbstbewußtseins oder unabhängig von dem Geschehen desselben - als einander entgegengesetzt gegeben vorausgesetzt, sondern die beiden Züge treten erst mit dem Geschehen des Selbstbewußtseins in Kraft. Anders gesagt: wenn das Selbstbewußtsein nicht geschieht, weder denkt das Ich noch schaut es an, oder vielmehr: es gibt überhaupt kein Ich. Das Selbstbewußtsein ist also die Tätigkeit des Subjekts, das Ich selbst zu setzen, wodurch erst das Ich nicht bloß als das Subjekt des Denkens, sondern auch als das Objekt der Anschauung gesetzt wird und das Ich sowohl sich selbst denkt als auch sich selbst anschaut. Auf diese Weise kommen die beiden entgegengesetzten Züge der Ichheit im op. post, erst durch das Geschehen des Selbstbewußtseins hervor und verschwistern sich auch dadurch zur Einheit. Dies bedeutet, daß die Entgegensetzung zweier heterogener Vermögen und die Einheit derselben gleichsam im Selbstbewußtsein und durch das Geschehen desselben erst zum Vorschein kommen und nur dadurch erklärt werden können. Somit verliert hier jede Art Scheidung, die dem ganzen System der transzendentalen Philosophie der K.d.r.V. zugrunde liegt, nämlich die Scheidung zwischen Subjekt und Objekt, Denken und Anschauung, Spontaneität und Rezeptivität oder Form und Materie - ihren absoluten Charakter. Alle Scheidungen der beiden Momente und deren Vereinigungen sind hier nichts F. Lüpsen sagt zu dieser Problematik der K.d.r.V. folgendes: "Kant bezeichnet als den 'höchsten Punkf der Transzendentalphilosophie die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption. Es ist ein Mangel, der mit dem analytischen Zug des Kantischen Denkens zusammenhängt, daß diese noch zu sehr im Abstrakten stecken bleibt. Die synthetische Einheit ist die Einheit des Mannigfaltigen, aber sie steht zunächst als Verstand dem Mannigfaltigen der Anschauung als Gegensatz gegenüber. Der Verstand bestimmt die Anschauung, aber nur als Gesetz, er bestimmt sie nicht schlechthin. Verstand und Anschauung bleiben auch in der synthetischen Einheit getrennt; diese tritt auf die Seite des Verstandes, dem dann die Anschauung als etwas Fremdes gegenübersteht. Deswegen ist die synthetische Einheit des Bewußtseins Abstraktion von der Mannigfaltigkeit. Sie wird zur abstrakten, leeren Form, zur ruhenden, analytischen Einheit." (F. Lüpsen/1925, S. 82)
Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
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anderes als der Akt des Selbstbewußtseins oder dessen Produkt selbst. Das Selbstbewußtsein ist eben der gesamte Prozeß selbst, sich selbst von sich zu unterscheiden und sich miteinander zu verbinden. In diesem Punkt wird der wesentliche Unterschied der Selbstbewußtseinslehre im op. post, zu der früheren klar. Diesen Unterschied können wir durch den Vergleich zweier Stellen, in denen jeweils das Wesen des Selbstbewußtseins deutlich zur Sprache kommt, noch transparenter machen. So schreibt Kant in der Preisschrift von dem Ich des transzendentalen Selbstbewußtseins: "Ich bin mir meiner selbst bewußt, ist ein Gedanke, der schon ein zweifaches Ich enthält, das Ich als Subjekt und das Ich als Objekt. Wie es möglich sei, daß ich, der ich denke, mir selber ein Gegenstand (der Anschauung) sein und so von mir selbst unterscheiden könne, ist schlechterdings unmöglich zu erklären, obwohl es ein unbezweifeltes Faktum ist; (...)" (AA XX, S.270)
Kant hat hier das Selbstbewußtsein als dasjenige Bewußtsein aufgefaßt, das in sich bereits das zweifache Ich - das Ich als Subjekt des Denkens und das Ich als Objekt der Anschauung - enthält. Das Selbstbewußtsein ist demgemäß das Bewußtsein seiner selbst sowohl als Subjekts des Denkens als auch als Objekts der Anschauung. Dies besagt aber einfach nur, daß, damit das Selbstbewußtsein geschehen kann, nicht bloß das Ich als Subjekt des Denkens, sondern zugleich das Ich als Objekt der Anschauung zusammen wirken müssen oder daß das Selbstbewußtsein in der Tat aus der Subjektivität und der Objektivität des Ich besteht, obwohl es kein Grund für diese zweifachen Momente der Ichheit ist. Das Selbstbewußtsein als das Bewußtsein seiner selbst als Subjekts des Denkens und zugleich als Objekts der Anschauung ist, bei Kant, also ein unbezweifeltes, aber unerklärbares Faktum. D. h. das ursprüngliche Ich im Selbstbewußtsein muß zwar eigentlich in sich die zweifachen, sich selbst entgegengesetzten Momente der Ichheit umfassen, aber diese Zwieheit des Ich im Selbstbewußtsein ist doch nur ein nicht mehr hintergehbares Faktum, das man einfach annehmen muß und nach dessen Grund man nicht weiter forschen darf. Auf diese Weise bleibt das Ich des Selbstbewußtseins mit seiner unabdingbaren Zwieheit unbegründbar und rätselhaft. Und eben bei dieser geheimnisvollen und dennoch unbezweifelten Zwieheit des ursprünglichen Ich endet die Ichlehre der K.d.r. V. Im Gegensatz dazu wird das Wesen des Selbstbewußtseins im op. post, auf folgende Weise erläutert: "Ich bin mir meiner selbst als denkenden Subjects \ bewust. Ich bin mir meiner selbst als Objects der Anschauung * Das Selbstbewustseyn der Anschauung und des Denkens zusamen vereinigt in einer Vorstellung ist das Erkentnis und der Imperativ dem der Verstand sich selbst un-
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Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz terwirft (nosce te ipsum) ist das Princip sein Subject als Object der Anschauung zu einem Begriffe zu machen oder jenes diesem unterzuordnen." (II, 22/5-11)
Diesem Zitat zufolge ist das Selbstbewußtsein das Bewußtsein der Selbstanschauung und des Selbstdenkens, und diese beiden Züge sind darin auch als Eines vereinigt. Denn das Selbstbewußtsein ist das Prinzip oder die Tätigkeit selbst des Subjekts, sich selbst zum Objekt der Anschauung zu machen und sich mit diesem zu vereinigen. Die Zwieheit des Ich und deren Einheit sind daher die wesentliche Entfaltung des Selbstbewußtseins selbst. Das Selbstbewußtsein als die Zwieheit des Ich und deren Vereinigung macht so den Grund der Erkenntnis und ihr Prinzip selbst aus. Deswegen sind die Entgegensetzung und die Einheit beider Momente der Ichheit im Selbstbewußtsein nicht ein unerklärbares, aber unbezweifeltes, sondern ein aus dem Akt desselben heraus zu begründendes und zu erklärendes Faktum. Wie gesagt, machen die zwei entgegengesetzten Momente des Ich sowohl das Wesen des Selbstbewußtseins, wie auch die notwendige Einheit derselben aus. Daher ist das Selbstbewußtsein hier der Grund sowohl für die Einheit als auch für die Entgegensetzung. Die Identität desselben ist folglich auch nicht mehr als die undifferenzierte, abstrakte Einfachheit des Subjekts gefaßt, sondern als die Urkraft des Subjekts, sich selbst in der ursprünglichen Einheit als Objekt entgegenzutreten. Oder: das transzendentale Selbstbewußtsein ist eben das in der Identität sich selbst differenzierende Bewußtsein oder die die in sich differenzierten Momente umfassende, durch die Selbstentgegensetzung entstandene Identität. Das Selbstbewußtsein ist die Selbstunterschiedenheit der Selbstidentität, worin der entscheidende Wendepunkt der Selbstbewußtseinslehre im op. post, liegt. Zusammenfassend ist zu sagen: das Selbstbewußtsein im op. post, ist nicht einseitig als die Einheit oder als die Entgegensetzung zu verstehen, sondern als das Ganze, nämlich als der gesamte Prozeß selbst, sich sich selbst entgegenzusetzen und wiederum sich mit sich selbst zu vereinen. Ohne daß Selbstbewußtsein geschieht, gibt es keine Identität, keine Entgegensetzung. Mit dem Geschehen des Selbstbewußtseins fängt alles erst an, und alles kommt vom Akt des Selbstbewußtseins her und gründet sich darauf. Anders ausgedrückt: das Selbstbewußtsein ist als solches das Subjekt und das Objekt, das Denken und die Anschauung, Spontaneität und Rezeptivität, und in ihm sind diese beiden entgegengesetzten Züge ursprünglich eins. Das Selbstbewußtsein oder das transzendentale Ich ist in diesem Sinne selbst Identität und Differenz. Aufgrund dessen kann man hier schließlich mit Recht statuieren, daß das Selbstbewußtsein oder das transzendentale Ich im op. post, ein Urprinzip, ein Urgrund ist, auf dem sich die entgegengesetzten Momente und die
Das transzendentale Ich als das Urprinzip der Identität und Differenz
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Einheit dieser beiden gründen und durch das eben der Akt der Differenzierung und der Akt der Identifizierung geschehen. Mit einem Wort: das Selbstbewußtsein ist die Selbstentgegensetzung und die Selbstidentifizierung des Subjekts selbst.
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Sach- und Personenregister absolute Einheit 97, 102, 103, 104, 105, 107, 109, 111, 119, 120,125,128,133 absolute Totalität 120 absolutes Ganze 97, 102 Adickes, E. l, 5, 11, 32, 36, 42, 55, 57, 69,73,81,82,87,90,93,103 Affektion 7, 9, 10, 11, 16, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 27, 54, 63, 85, 86, 87, 88, 89, 90,91,92,93,94,95,97, 108,110 affizierende Ursache 86, 90 Akt der Differenzierung 148 Akt der Identifizierung 148 Akt der Persönlichkeit 136, 137, 138,140 Akt der Reziprozität 55,110 Akt der Selbstentgegensetzung 3 Aktivität 11, 14, 15, 17, 18, 66, 80, 88 Aktus des Subjekts 26, 33, 34 Allgemeinheit 102,103 Analysis l, 28,44,45, 108, 113, 124 analytisch 21, 28, 37, 44, 45, 48, 66, 67, 70, 71, 72, 73, 74, 77, 104, 105, 112, 113, 114, 126, 133,134 analytische Einheit der Apperzeption 70 analytische Identität 26, 30, 31, 33, 34, 35,70,71,112,114 analytischer Akt 67 analytischer Satz 27, 28, 33, 112, 130, 134 Analytizität 128,136 Angeborenheit 13 anschauliche Einheit 102,106 Anschauung meiner selbst 29, 30, 33, 67, 71 apprehensio simplex 48, 105, 114, 115, 116, 117, 118, 121, 122, 125, 127, 128, 130,132,136 Apprehension meiner selbst 122 Art und Weise der Affektion 13, 93, 108 Begriff meiner selbst 37 Begründer 138, 139, 140
bestimmbares Objekt ohne Bestimmung 116 Bestimmung 2, 9, 20, 23, 24, 27, 30, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 41, 42, 55, 57, 76, 82, 88, 95, 100, 107, 110, 115, 116, 117, 119, 121, 123, 124, 125, 126,127,130,131,132,136,137 Beziehung 28, 33, 38, 39, 45, 47, 49, 65, 66, 92, 93, 94, 95, 104, 108, 113, 114, 131,132,134,135,136 cogitabile 10, 48, 51, 53, 57, 58, 60, 61, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 74, 79, 82, 83, 84, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 102, 103, 105,107,108,109,117,118,126, 132 coordinatio 74, 77, 78 dabile 48, 51, 53, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 71, 74, 75, 76, 79, 82, 83, 84, 85, 87, 90, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 102, 103, 105, 107, 108, 118, 126 Dasein meiner selbst 26, 38, 39, 41, 42, 43,46,47,48,49,50,121 Denkaktus 46,47, 64, 66, 67, 70, 74, 142 Denken seiner selbst 67, 68, 69 Denkfähigkeit 24 Denkvorstellung 27 derivative Anschauung seiner selbst 85, 90 Differenz 141, 145, 148 Ding an sich 58, 82, 83, 86, 89, 90, 98, 99,104,109,110,111 diskursive Allgemeinheit 103 Diskursivität 54 durchgängige Bestimmung 123,124,125 Einbildungskraft 22, 23, 24, 89, 91, 92 Eine Anschauung 101,103,105 Einfachheit 145, 147 Einheit der Anschauung 101,103,104 Einheit des Bewußtseins 104,137 Einheit des Subjekts 3,130
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Sach- und Personenregister
Einzelheit 103,104,105, 107 Empfänglichkeit 12, 15,135, 136, 144 Empfindung 13, 43,45,46,142 empirischer Satz 43,46 ens rationis 82, 96, 97, 99, 102, 103, 104, 108 Entgegensetzung 3, 53, 71, 94, 97, 106, 108, 134, 135, 144, 145, 147 Erfahrung 9, 14, 16, 17, 22, 40, 41, 42, 47, 76, 79, 86, 89, 95, 97, 110, 118, 119,120,126,127,136,139,141 Erkenntnis l, 2, 7, 12, 20, 21, 25, 28, 29, 31, 33, 34, 37, 39, 40, 42, 47, 57, 64, 83, 87, 110, 112, 114, 115, 116, 126, 127, 130, 131, 134, 135, 136, 141, 142, 143, 144, 145, 147 Erkenntnis meiner selbst 29, 33, 34, 37, 39,40,42,115 Erkenntnis seiner selbst 127,134 Erkenntnismomente 47,145 Erkenntnisprinzip 66 Erkenntnisquelle 12,13,22 erläuternd 28, 68, 69, 126 Erscheinung 35, 36, 40, 42, 46, 51, 60, 65, 72, 74, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 104, 106, 109, 110, 111, 112, 113, 117,119, 127, 138 erweiternd 69, 126 Erworbenheit 14 Erzeugung 17,18 etwas Apprehensionsartiges 116,117,118 etwas Existierendes 43, 48, 51, 65, 82, 85, 99,112,122,123,126,127,128 Existenz 38, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 89, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127 Fichte,!. G. 3,22,32,139 formale Anschauung 19,100, 101, 102 formale Einheit 31 Formen der Affektion 7, 9,10, 19, 85, 86, 89, 90, 92, 97 Formen der Apprehension 60, 64,74,108 Formen der Sinnenanschauung 8, 13, 15, 16, 61, 62, 63, 75, 76, 80, 81, 82, 85, 86,90, 94,96,99,100,102,108 Formen der Sinnlichkeit 2, 7, 9, 17, 19 Formen der Tätigkeit 2
Formen der Zusammensetzung des Mannigfaltigen 9, 76 Förster, E. 3,38,59 Ganzheit 103 Gedankending 96 Gegebensein 45,47, 59, 60, 65, 87 Gegenstand der Apperzeption 60, 64,118 Gegenständlichkeit 29, 57, 62, 63, 66, 132 gemeingültige Vorstellung 105 Grund der Apprehension 121 Grundquellen 2, 10, 20, 142 Heidegger, M. 22 heterogene Momente 20, 22, 143 Ich an sich 35, 36,40,42, 81 Ich bin 27, 29, 30, 32, 33, 37, 40, 41, 50, 51, 54, 63, 66, 67, 70, 71, 82, 111, 112,133,136,146,147 Ich der Apperzeption 35, 39, 43, 48, 49, 81, 126,127 Ich in der Erscheinung 35, 36,40,42 Ichheit 27, 31, 52, 54, 145, 146,147 Ichlehre 144, 146 identisch 3, 9, 28, 30, 37, 43, 46, 48, 52, 54, 62, 63, 65, 66, 67, 72, 74, 75, 76, 77,78,81,89,95, 105, 113, 116, 118, 119, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 128,133,134, 135,139 identische Vorstellung 114 Identität 25, 26, 27, 28, 30, 31, 33, 34, 35, 39, 41, 42, 48, 49, 53, 55, 56, 63, 67, 68, 69, 70, 71, 74, 77, 81, 97, 104, 106, 108, 112, 114, 116, 121, 126, 127, 128, 134, 135, 136, 137, 138, 141, 143, 144, 147, 148 Inbegriff 95, 104, 105, 106, 107, 108, 119,120,132,133 intellektuelle Anschauung 36, 41 intellektuelle Vorstellung 26, 53 intuitio derivata 76 intuitio originaria 76 intuitive Einheit 101, 103,105, 106 Kategorien 6, 7, 8, 57, 75, 95, 106, 107, 131 Kraft 2, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94, 133, 145
Sach- und Personenregister kritische Theorie 3,6 leere Funktion der Einheit 145 Lehmann, G. 1,5, 55, 90, 109, 137 Leibniz, G. W. 12, 14 leidend 3,21,52 leidendes Ich 61 logisch 27, 29, 30, 36, 37, 67, 68, 71, 72, 109,110, 112,113,115,126,127 logische Einheit 106,107 logische Vorstellung 68 logischer Akt 67, 69, 109, 111, 112, 114, 115,116,117, 125 logisches Urteil 37 Lüpsen, F. 1,4, 5, 55, 59, 64, 75, 82, 136, 145 Mathieu, V. 4, 11, 22, 43, 51, 52, 63, 112, 124, 139 metaphysisch 71,113 metaphysische Einheit 106 Modalität der Erkenntis überhaupt 133 Modalität überhaupt 130,131,133 Modalitätskategorie 131 Modifikationen 16,17,22 Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori 1,2 Moment der Mannigfaltigkeit 142 Naturwesen 139 Noumenon 82, 98, 127 Objekt an sich 84,92 Objekt der Anschauung 29, 31, 55, 63, 64, 65, 68, 69, 70, 71, 88, 97, 98, 99, 121, 133,134, 145, 146, 147 Objekt der Sinne 21, 60, 61, 62, 65, 72, 78, 80, 81, 82, 86, 87, 89, 90, 95, 97, 98,99, 106, 108, 110, 111, 112, 113, 119,123,125,139 Objekt der Sinnenanschauung 65, 83, 85 Objekt überhaupt 35, 36, 38, 110, 112, 113, 115, 117, 125, 127, 128, 130, 131, 132,133,135,136,139 Objektivität 45, 52,128,131,144,146 omnimoda determinatio est existentia 111, 121,123,124,126 Ordnung 77, 78 Passivität 2, 3, 12, 13, 15, 16, 135
153
Person 137, 138,139, 140 Persönlichkeitsbewußtsein 137, 138, 139, 140 Phenomenon 12,94,98 Prädikat 34, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 44, 124, 131, 137 primitive Anschauung seiner selbst 95, 96,105,114,117, 118 primitive Setzung seiner selbst 83 Prinzip der Synthesis 8,75 Produkte der Tätigkeit 2 reale Setzung des Sinnengegenstands 117 Realität 37, 127 receptaculum 16 Regel der Identität 27, 30, 69, 71, 97, 106,136, 137 Rezeptives Moment 7 Rezeptivität 2, 3, 7, 8, 9, 10, 11, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 24, 25, 51, 52, 54, 55, 56,75,78,79,80,81,91,94,96, 110, 139,144, 146, 147 Schelling, F. W. 3, 27, 53,128 schlechthinnige Apprehension 117 Sein 128,130, 132, 135, 136 Selbstaffektion 89,90,91,92,93,94 Selbstbestimmung 137 Selbstbewußtseinslehre l, 3, 26, 31, 94, 141, 145, 146, 147 Selbstdenken 63, 66, 67, 69 Selbstentgegensetzung 3,147, 148 Selbsterkenntnis 130, 133, 134, 136 Selbstidentifizierung 148 Selbstidentität 30, 39, 147 Selbstobjektivierung 42, 57, 69, 112, 115. 116 Selbstobjektivierungsprozeß 52 Selbstsetzungsakt 53, 57, 88, 105 Selbstsetzungsprozeß 88, 114 Selbstsetzungstheorie 2, 3,4, 5, 6 Selbsttätigkeit 26, 53, 56, 59 Selbstunterschiedenheit 147 Selbstverhältnis 90,91,92,93 Setzung des Formalen 96, 117 Setzung des Prinzips 95, 117 Sinnenobjekt 55, 61, 85, 90, 93, 94, 99, 113,136,139 sinnliche Anschauung 36,41,57,61
154
Sach- und Personenregister
spontane Handlung 19, 54 Spontaneität 2, 7, 8, 9, 10, 11, 15, 16, 18, 19,20,21,23,47,51,52,54,75,78, 79, 80, 81, 89, 91, 101, 102, 109, 110, 144,146, 147 spontanes Moment 8 Stoff der Anschauung 15 Subjekt des Denkens 29, 31, 32, 52, 134, 145,146 Subjektivität 52, 53, 66, 128, 129, 131, 146 Substratum der Affektion 90 Sukzession 77, 78 sum 27, 28, 34, 37, 40, 116, 117, 126, 130, 133, 134 sum cogitans 27, 28, 34, 116, 117, 126, 130, 133, 134 Synthesis des Mannigfaltigen 18, 77, 78, 92, 100,101, 106, 113, 119, 120 synthetisch 21, 45, 61, 62, 66, 71, 72, 73, 74, 77, 98, 99, 104, 108, 109, 110, 111, 112,113,119, 126 synthetische Einheit 8, 17, 26, 70, 79, 104, 112, 119, 120, 122, 123, 124, 125, 139, 141, 142, 144, 145 synthetische Erkenntnis 29, 39, 117, 128, 130,136 synthetische Vorstellung 68, 74, 106 Synthetizität 126, 129, 130, 136 tätig 3,52 Tätigkeit l, 2, 3, 8, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22, 25, 45, 49, 53, 58, 59, 60, 62, 65, 69, 70, 76, 77, 78, 79, 80, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 104, 108, 113, 117, 118, 119, 120, 121, 123, 125, 128, 130, 132, 133, 135, 136, 139, 140, 141, 144,145, 147 tautologisch 28,30 tautologisches Urteil 117 Teilvorstellungen 110,125,133 transzendentale Apperzeption 141, 142, 144, 145 transzendentale Einbildungskraft 22 transzendentale Funktion 114 Transzendental-Philosophie 4
Tuschling, B. 3,53 Übergang vom cogitabile zum dabile 60 Übergang von dem Subjekt zum Objekt 82 Übergang von der Apperzeption zur Apprehension 48, 50, 51, 122 Urbild 113, 130, 135,136 Urgrund 22, 23, 24, 25, 114, 136, 140, 141,142, 145, 148 Urheber 3, 24, 59,138,139, 140 Urkraft 147 Urprinzip 141, 142, 148 Ursprung 7,21,22,24,143 ursprüngliche Einheit 135, 138,142,144 Urvermögen 21 Verbindung 5, 8, 11, 17, 18, 23, 42, 47, 54, 75, 76, 77, 78, 79, 82, 91, 96, 109, 113,123,142 Verdopplung der Ichheit 52 Verhältnis 20, 28, 34, 58, 59, 62, 63, 70, 77, 78, 90, 91, 92, 93, 98, 103, 106, 111,115,116,131,132, 133,134,135 Verhältnisbegriffe 132 Verknüpfung 8,9,76, 106, 111, 112, 134, 135 Vermögen der Begriffe 21,53 Vermögen der Einheit 141 Vollzugsformen der Selbstsetzung 59, 60, 63,110 Vorstellung des Ich 31, 32, 34, 42, 48, 50, 53, 54,105 Vorstellung meiner selbst 27, 28, 29, 32, 37,40, 42 Wahrnehmung 33, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 51, 52, 53, 55, 60, 89, 96, 105, 114, 115, 117, 118, 120, 121, 122, 126, 127, 128, 132, 133, 135, 142 Wesen von Raum und Zeit 7,16, 57 wirkliches Objekt 38, 50, 114, 117, 126 Wirklichkeit 34, 36, 38, 39, 40, 42, 44, 45, 81, 123, 125, 126, 127, 128, 133, 137 zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis 142, 143
Manfred Gawlina
Das Medusenhaupt der Kritik Die Kontroverse zwischen Immanuel Kant und Johann August Eberhard Groß-Oktav. IX, 345 Seiten. 1996. Ganzleinen. ISBN 3-11-015047-6 (Kantstudien Ergänzungshefte, Band 128) Analyse von Kants Streitschrift gegen den philosophischen, theologischen und germanistischen Schriftsteller Johann August Eberhard (1739-1809). Den Ausdruck „Medusenhaupt der Kritik" hat Kant geprägt, um damit zu verdeutlichen, wie Vertreter der Ontologie (besonders Leibniz und Eberhard) von seiner eigenen Theorie abgestoßen werden. Wer Kants kritische Philosophie verstehen will, muß sich für ihre Abgrenzung zur Leibniz'schen Ontologie interessieren. Unter der Führung von Johann August Eberhard kämpften Ende des 18. Jhd. Vertreter dieser Richtung erbittert gegen Kants neue Gründungsleistung, die er in der „Kritik der reinen Vernunft" erbracht hatte. Kant selbst antwortete auf den Angriff und erläuterte dabei seinen transzendental-kritischen Ansatz. Der Autor analysiert die Argumentationen von Eberhard und Kant im Vergleich und umreißt die historische Konstellation des philosophischen Streits.
Walter de Gruyter
W DE
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Berlin · New York
Brigitta-Sophie von Wolff-Metternich _^
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Die Überwindung des mathematischen Erkenntnisideals Kants Grenzbestimmung von Mathematik und Philosophie Groß-Oktav. X, 225 Seiten. 1995. Ganzleinen. ISBN 3-11-014511-1 (Quellen und Studien zur Philosophie, Band 39) Kants Grenzbestimmung von Mathematik und Philosophie wird unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt. Im Zentrum steht der Nachweis, daß sie über ihre philosophiegeschichtliche Bedeutung hinaus als Kritik an jeglicher Philosophie mit Endgültigkeitsanspruch gelesen werden kann. Dieser Aspekt des Kantischen Denkens fand bislang keine angemessene Würdigung, obwohl er, so die These, im Hinblick auf die Letztbegründungsproblematik fruchtbar zu machen ist.
Walter de Gruyter
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Berlin · New York