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German Pages 145
Selbstbedienung in Südwest-Manier Die Diätencoups in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Eine Streitschrift
Von
Hans Herbert von Arnim
Duncker & Humblot · Berlin
HANS HERBERT VON ARNIM
Selbstbedienung in Südwest-Manier
Selbstbedienung in Südwest-Manier Die Diätencoups in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Eine Streitschrift
Von
Hans Herbert von Arnim
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Wenn „das Parlament in eigener Sache entscheidet“, ermangelt das Gesetzgebungsverfahren „regelmäßig des korrigierenden Elements gegenläufiger politischer Interessen.“ Dann verlangt „das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 Grundgesetz), dass der gesamte Willensbildungsprozess für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle.“ So hat das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil von 1975 und im Parteienfinanzierungsurteil von 1992 formuliert. Dazu gibt es inzwischen ein umfangreiches fach- und populärwissenschaftliches Schrifttum. Zu kurz aber kommt in Rechtsprechung und Literatur immer noch, dass die Probleme nicht nur die Entscheidungen über Diäten und Parteienfinanzierung betreffen. Auch bei der gezielten Schwächung der öffentlichen Kontrolle, also des „einzig wirksamen“ Gegengewichts, handeln die Parlamente in eigener Sache und beschreiten dabei mannigfache Wege. So versuchen sie, die Öffentlichkeit mit Blitzgesetzen zu überrumpeln, um sich auch unbegründbare Privilegien zu bewilligen und Kritik schon im Keim zu ersticken. Genau derartige Aktionen hatte ich in meinem Buch Die Hebel der Macht und wer sie bedient bereits auf der ersten Seite beschrieben. Kaum war das Buch im Februar 2017 erschienen, lieferten die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz passendes Anschauungsmaterial. Triebfeder solcher Gesetze ist die Angst der Volksvertreter vor dem Volk, und diese Angst treibt auch sonst merkwürdige Blüten. Viele offene Fragen werden tabuisiert: • Ob die hohen verschleierten Zusatzeinkommen von Abgeordneten, die die staatliche Altersversorgung darstellt, nicht zu großzügig sind; sie wollte man in Baden-Württemberg gerade wieder einführen, und an ihrem gewaltigen wirtschaftlichen Wert ist vor Jahren die in Rheinland-Pfalz geplante Reform gescheitert. • Ob die voll alimentierten Landtagsabgeordneten in den Flächenländern nicht in Wahrheit eine bloße Teilzeittätigkeit ausüben. • Ob Landtagsabgeordnete wirklich selbst über ihre Bezüge entscheiden müssen, obwohl in den Ländern mit der Volksgesetzgebung ein alternatives Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung steht. • Ob manche Zahlungen, wie die für Mitarbeiter von Abgeordneten, nicht in Wahrheit auch den jeweiligen Parteien zugute kommen und damit die für die staatliche Parteienfinanzierung geltenden Obergrenzen unterlaufen werden. • Ob es wirklich den betroffenen Parlamenten überlassen bleiben kann, sich ihre „unabhängigen und sachverständigen“ Gutachter auszuwählen.
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Vorwort
Alle diese Probleme zeigen sich geradezu „beispielhaft“ an den Blitzgesetzen im Südwesten, die damit als pars pro toto das gesamte Themenspektrum widerspiegeln. Auch deshalb war eine sorgfältige, den fachlichen Anforderungen genügende Analyse dieser Gesetze – unter Einbeziehung vor allem der im Anhang wiedergegebenen Materialien und der Verfassungsrechtsprechung – geboten. Zugleich aber suchen die Kapitel A. und D. sowie die Zusammenfassungen der Kapitel B. und C. die Probleme allgemein verständlich auf den Punkt zu bringen. Sehr zu danken habe ich Prof. Dr. Christian Pestalozza (Freie Universität Berlin) für die Durchsicht des Textes und konstruktive Kritik, Dipl.-Volkswirt Andrei Kiraly für Hilfe bei der Recherche und der Auswertung der Zahlenreihen sowie Reiner Unterberg von der Firma FPC GmbH für versicherungsmathematische Berechnungen in Rheinland-Pfalz. Speyer, im Juli 2017
Hans Herbert von Arnim
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich – Blitzgesetze in Serie. . . . . . . . . . . . 11 B. Der baden-württembergische Diätencoup. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Zwei Diätengesetze auf einmal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen: Kritik der einzelnen Teile der Änderungsgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Zu hohe Entschädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 a) Die Diätengesetze von 2008, 2010 und 2011. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Die Wiedereinführung der staatlichen Altersversorgung – Ein Wortbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 c) Nachgeschobene Begründungsversuche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 aa) Vergleich von Pro-Kopf-Kosten? – Nicht stichhaltig!. . . . . . . . . . . . . 21 bb) Vergleich mit anderen Bundesländern? – Hochschaukeln!. . . . . . . . 21 cc) Abdeckung erhöhten Risikos? – Inexistent!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 dd) Ausgleich für Inkompatibilität? – Sinnwidrig!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 ee) Unredliche Argumentation: Stochs Märchenstunde. . . . . . . . . . . . . . . 23 ff) Teilzeitabgeordnete – Das Tabu aufbrechen!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Privilegierte Altersversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Willkürlich erhöhte Kostenpauschalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Die Erhöhung der allgemeinen Kostenpauschale – Eine verdeckte Einkommenserhöhung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Die Erhöhung der Sonder-Kostenpauschalen – Sachlich ebenfalls nicht gerechtfertigt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Die unbegründeten Erhöhungen – Verfassungswidrig. . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Indirekte Parteienfinanzierung oder Schaffung reiner Versorgungsposten? – Das nahezu verdoppelte Budget für Mitarbeiter sowie Werk- und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Die Fast-Verdoppelung – Schiere Willkür: Verfassungswidrig. . . . . . . . . . 30 b) Ohne Kontrolle – Dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. . . . . . . . . . . . . . 32
III. Ignorieren, missachten, verschleppen: Weitere problematische (Nicht-)Regelungen des Abgeordnetengesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Fragwürdige Extragehälter: Funktionszulagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Verfassungswidrige Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Politisch fraglich: Die Versorgung von Funktionsträgern. . . . . . . . . . . . . . . 37
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Inhaltsverzeichnis 2. Publikation der Höhe der privaten Einnahmen? – Fehlanzeige!. . . . . . . . . . . 38 3. Gewaltenteilung: Quo vadis? – Regierungsmitglieder als Abgeordnete.. . 38
IV. Cui bono? – Wer von dem Coup profitiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Ein Projekt der Grünen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Lottogewinn für grüne Spitzenfunktionäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
V. Überstürzt, heimlich, in eigener Sache: Kritik des Gesetzgebungsverfahrens. 41 1. Müssen Abgeordnete über ihre eigenen Gehälter entscheiden? – Ein Vorwand! Die Möglichkeiten von Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Schnellverfahren unter Aufhebung der Fristen und fast ohne Debatte. . . . 43 3. Dreifach verfassungswidrig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Mangelnde Öffentlichkeitskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Fehlende Begründung und evidente Unrichtigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Ausfertigung der Gesetze: unzulässig.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Politische Verantwortung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Für den Schnellschuss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Für das Für-dumm-Verkaufen der Bürger durch ungerechtfertigtes Verschieben nach den Wahlen – mit Hilfe einer Kommission. . . . . . . . . . . . . . 49
VI. Zusammenfassung von Kap. B.: Willkür und Maßlosigkeit – Ein Diätencoup unter Missachtung von Recht und Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
I. Die Erhöhung der Entschädigung um 1.000 Euro: beruht auf einer groben Fälschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Die Neuregelung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Die (Schein-)Begründung für die Erhöhung: Das Grundgehalt als Maßstab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Im Gesetzentwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) In der Landtagsdebatte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Nullrunden als Ursache für das angebliche Zurückbleiben der Entschädigung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. In Wahrheit: kein Nachholbedarf für die Abgeordnetenentschädigung. . . 59 5. Diätenerhöhung von A 15- auf A 16-Niveau: erschwindelt. . . . . . . . . . . . . . . 61 6. Die Fälschung weiß waschen: ein untauglicher Versuch des Landtagspräsidenten mithilfe des Wissenschaftlichen Dienstes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
II. Bezüge von Bürgermeistern: kein Maßstab.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
III. Altersversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Die bisherige Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Erhöhung der Versorgung um 17,5 Prozent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Achtmal mehr als Rentenversicherte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Inhaltsverzeichnis b) c) d) e) f) g)
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Wirtschaftlicher Wert der Versorgungserhöhung: 158.000 Euro.. . . . . . . . 67 Gesamtwert der Versorgung: rund eine Million Euro. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Warum die Reform von 2005 abgeblasen wurde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Monatliche Entschädigung von 12.500 Euro.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Ehemalige Abgeordnete und deren Hinterbliebene: auch sie profitieren. 69 Auch Regierungsmitglieder und pensionierte Beamte profitieren. . . . . . . 69
3. Altersversorgung: verfassungswidrig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
IV. Erhöhung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen: willkürlich gegriffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Abgeordnetenmitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Fraktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Verfassungswidrige Funktionszulagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
V. Beseitigung von Kontrollen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Erhöhung nach der Wahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Blitzgesetz des politischen Kartells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Wirksame Kontrolle durch die AfD?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Dynamisierung der Entschädigung: verfassungswidrig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Abschieben der Fraktionsmittel in den Haushaltsplan: verfassungswidrig. 76
VI. Das Gesetzgebungsverfahren: verfassungswidrig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
VII. Wer trägt die Verantwortung für die Täuschung?Wer hat sie ausgeheckt? Wer hat davon gewusst?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
VIII. Volksinitiative. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
IX. Zusammenfassung von Kap. C.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
D. Schluss: Ausschaltung aller Kontrollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
I. Anlage 1–5: Baden-Württemberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
II. Anlage 6–10: Rheinland-Pfalz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Sachwortregister.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich – Blitzgesetze in Serie Demokratie ist – oder sollte doch sein: Herrschaft durch und für das Volk.1 Im Parteienstaat aber entscheiden hinter der formalen Fassade tatsächlich oft die politischen Parteien und deren Berufspolitiker in Parlament und Regierung. Abgeordnete und Minister bekleiden zugleich wichtige Positionen in ihrer Partei und haben bei ihren Entscheidungen deshalb stets auch deren Interessen im Auge. Diese aber brauchen mit den Belangen der Bürger keineswegs übereinzustimmen. Besonders deutlich wird der Gegensatz zum Volk, wenn das Parlament seinen eigenen finanziellen Status regelt. Bei Beschlüssen über Diäten und Parteienfinanzierung sind sich Regierung und Opposition regelmäßig einig, bedienen sich gemeinsam und suchen zugleich die Kontrollen auszuschalten. Das Entscheiden in eigener Sache betrifft also nicht nur die Diätenbeschlüsse selbst, sondern auch das Beseitigen oder Schwächen der Kontrollen. Wenn das Gegeneinander von Regierungsparteien und parlamentarischer Opposition entfällt und das Gesetzgebungsverfahren „des korrigierenden Elements gegenläufiger politischer Interessen“ ermangelt (Bundesverfassungsgericht2), also politische Kartelle entstehen, bleibt nur noch die öffentliche Kontrolle. Sie ist bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache „die einzige wirksame Kontrolle“ (Bundesverfassungsgericht3) – oder sollte dies doch sein. Aber auch die öffentliche Kontrolle sucht die politische Klasse, in parteiübergreifender Gemeinsamkeit ihrer Interessen, zu schwächen oder ganz zu beseitigen, vor allem durch überfallartige Blitzgesetze, mit deren Hilfe sich die Politik auf die Schnelle bedient: • Da werden die Fristen zwischen den einzelnen Stationen der Gesetzgebung nicht eingehalten. • Tatsächliche und rechtliche Einwände werden ignoriert. • Scheinargumente werden vorgeschützt oder auf Begründungen ganz verzichtet. • In der Plenardebatte werden Ausführungen gemacht, die von der Sache ablenken, wenn sich überhaupt jemand zu Wort meldet. • Schließlich wird das Gesetz unmittelbar vor Großereignissen beschlossen, die publizistisch alles in ihren Bann ziehen.
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So Abraham Lincoln in seiner berühmten Gettysburg Address. BVerfGE 85, 264 (292). 3 BVerfGE 40, 296 (327). 2
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A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich –Blitzgesetze in Serie
Eine Probe aufs Exempel lieferte der Landtag von Baden-Württemberg in der zweiten Februarwoche 2017. Als die Wahl des Bundespräsidenten schon ihren publizistischen Schatten vorauswarf, erließ das Stuttgarter Parlament innerhalb von nur drei Tagen zwei Gesetze. Das eine sollte die staatliche Altersversorgung für seine Mitglieder wieder einführen, die vor einigen Jahren durch eine private Versorgung ersetzt worden war. Dafür hatte man damals die Diäten um fast ein Drittel heraufgesetzt, und der Landtag hatte die Reform als zeitgemäß und bürgernah gepriesen. Jetzt wollte man mit der staatlichen Altersversorgung vielen Abgeordneten ein gewaltiges finanzielles Geschenk machen, die frühere Diätenerhöhung aber nicht wieder zurückführen. Das zweite Gesetz stockte die Pauschalen der Abgeordneten für Mitarbeiter um fast 100 Prozent und für sonstige Kosten um 40 Prozent auf. Es handelte sich dabei um Blitzgesetze par excellence, die all die beschriebenen Merkmale aufweisen. Doch der öffentliche Protest war nicht mehr zu unterdrücken, und schon nach einer Woche zwang er die Initiatoren der staatlichen Altersversorgung (Grüne, CDU und SPD), dieses Gesetz erst einmal wieder zurückzunehmen. Die Wahl des Bundespräsidenten am 12. Februar, die ursprünglich die zwei Tage zuvor gefassten Beschlüsse des Landtags zu überstrahlen schien, trug nun zur Wiederaufhebung jedenfalls der Altersversorgung bei. Denn die nach Berlin zur Bundespräsidentenwahl angereisten baden-württembergischen Abgeordneten, besonders der Grünen, wurden von ihren Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland zusammengestaucht. Dort standen nämlich Landtagswahlen bevor, und man fürchtete ein Überschwappen der Kritik auf diese Länder. Auf einmal wurde von allen eingeräumt, dass das blitzartige Durchpeitschen völlig unangemessen und ein schwerer Fehler war. Das zweite, auch von der FDP/ DVP4 mitgetragene Gesetz, das die Kostenerstattungen so gewaltig hochpuscht, war aber auf genau dieselbe Art und Weise durchgezogen worden wie die Altersversorgung; trotzdem wurde es nicht zurückgenommen, sondern trat am 1. Mai 2017 in Kraft. Im publizistischen Windschatten der Diskussion um die Altersversorgung glaubten die Verantwortlichen ignorieren zu können, dass auch dieses Gesetzgebungsverfahren grob fehlerhaft war und auch die Erhöhung der Pauschalen nicht hätte wirksam werden dürfen. So wurde die Öffentlichkeit erneut vorgeführt. Hinsichtlich der Altersversorgung trat man aber nur vorläufig den Rückzug an. Die Fraktionsvorsitzenden der SPD und der CDU räumten lediglich ein, die vier Fraktionen hätten es versäumt, den Bürgern ihren Beschluss genau zu erklären, und nicht das nötige Gespür für die Empfindungen der Menschen gehabt. Ihnen sei also bloß eine Art Kommunikationspanne unterlaufen. Von Einsicht in die inhaltliche Unangemessenheit also keine Spur. 4 Die Deutsche Volkspartei (DVP) bildete in Baden-Württemberg 1952 einen gemeinsamen Landesverband mit der FDP; die Landtagsfraktion trägt bis heute den Namen FDP/ DVP.
A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich –Blitzgesetze in Serie
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Die „mangelhafte Vermittlung“ soll jetzt nachgeholt. In Wahrheit werden nun andere Wege beschritten, die öffentliche Kontrolle auszubooten. Einmal soll die Entscheidung über die Altersversorgung hinausgeschoben werden, bis die Bundestagswahl im Herbst vorbei ist; die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland hat man inzwischen ja ohnehin hinter sich gelassen. Zum zweiten soll eine Kommission den Widerstand einschläfern. Dazu wurde ein Wasserkopf installiert: Eine speziell ausgewählte, angeblich unabhängige und sachverständige Kommission soll die Altersversorgung begutachten, ihren Bericht aber erst im März 2018 vorlegen. Und wie berechtigt die staatliche Altersversorgung sei, haben die Vorsitzenden der SPD- und der CDU-Fraktion der Kommission in der Landtagsdebatte vom 22. März gleich mit auf den Weg gegeben. Alle die anderen dringenden Diätenfragen, über die mit den Blitzgesetzen hinweg gegangen wurde, bleiben im Kommissionsauftrag ausgeklammert: die völlig unbegründeten und sehr teuren Erhöhungen der Pauschalen für Mitarbeiter und sonstige Kosten, denen der Missbrauch geradezu inhärent ist, und die umstrittenen Funktionszulagen. Auch die längst fällige Offenlegung der in Baden-Württemberg immer noch geheim gehaltenen Höhe der privaten Einnahmen von Abgeordneten bleibt ausgeklammert. Der Schmalspurauftrag sollte das Land 400.000 Euro kosten, wovon allein auf das Honorar des zunächst vorgesehenen Vorsitzenden, des früheren Bundesverfassungsrichters Herbert Landau, 125.000 Euro Honorar entfallen sollten. Doch damit wurde die Kommission selbst zum öffentlichen Problem. Jetzt soll der frühere Verwaltungsrichter Michael Hund, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2011 Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, die Kommission leiten und ein deutlich niedrigeres Honorar bekommen. Die Kommission soll aber immer noch fast 200.000 Euro kosten. Die Frage, warum überhaupt eine Kommission vonnöten ist, bleibt ohnehin unbeantwortet. Die Rede von der bloßen Vermittlungspanne ist vorgeschoben. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich beide Gesetze auch inhaltlich als grob unangemessen und verfassungswidrig – und wurden gerade deswegen so rasch durch den Landtag gedrückt. Das bestätigt die fatale Erfahrung: Je anfechtbarer das Gesetz, desto überstürzter das Verfahren. Das handstreichartige Vorgehen sollte verschleiern, dass keine der vorgebrachten Begründungen einer Nachprüfung standhält. Was im Februar in Baden-Württemberg geschehen war, dass nämlich die große Mehrheit der Abgeordneten in eigener Sache und zum eigenen Vorteil ein Gesetz in kürzester Zeit durchs Parlament peitscht, das folgte im März 2017 auch in Rheinland-Pfalz. Das Ziel auch hier: die Öffentlichkeit überrumpeln, um durchgreifende Kritik möglichst im Keim zu ersticken und sich ungestört aus der öffentlichen Kasse bedienen zu können. Auf die erste Lesung im Landtagsplenum am 23. März folgte bereits am 24. März die abschließende zweite Lesung, bei der sich – genau wie in Baden-Württemberg – niemand mehr zu Wort meldete.
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A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich –Blitzgesetze in Serie
Mit dem Blitzgesetz wollte man der rheinland-pfälzischen Öffentlichkeit eine abenteuerliche Begründung für die Diätenerhöhung und willkürlich gegriffene Zahlen für die Aufstockung der Mitarbeiter- und Fraktionsmittel unterjubeln und andere Diätenbaustellen übergehen. Nur am Rande erwähnt und schon gar nicht begründet wurde die Erhöhung der staatlichen Altersversorgung um 17,5 Prozent, obwohl diese jetzt schon viel zu hoch ist; unerwähnt blieben auch die umstrittenen Funktionszulagen. Mit statistischen Tricks wurde der Eindruck erweckt, die Diäten seien in den letzten 20 Jahren gegenüber der Beamtenbesoldung zurückgeblieben, und dieser Rückstand, der in Wahrheit aber gar nicht bestand, müsse durch eine Diätenerhöhung von über 1.000 Euro aufgeholt werden. Der Wissenschaftliche Dienst des Landtags war sich nicht zu schade, dieses Vorgehen abzusegnen und dem Präsidenten ein Gefälligkeitsgutachten zu liefern, in dem Fragen beantwortet wurden, die niemand gestellt hatte. Ausgerechnet kurz vor dem Verfassungstag, dem 18. Mai 2017, an dem die rheinland-pfälzische Landesverfassung ihren 70. Geburtstag beging, wurde offenbar, dass das höchste Verfassungsorgan des Landes die Öffentlichkeit zum eigenen Vorteil getäuscht hatte. Aber gerade dieses zeitliche Zusammentreffen behinderte paradoxer Weise zunächst das Durchschlagen der Kritik. Politik und Medien hatten sich auf die Feierlichkeiten vorbereitet und wollten sich das wohl nicht durch ein bloßgestelltes Hohes Haus beeinträchtigen lassen. Die AfD hatte in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zwar gegen die Gesetze gestimmt, ohne aber die eigentlichen Schwachstellen der Gesetze zu erkennen. Auch hielten sich manche Medien, besonders in Rheinland-Pfalz, wohl deshalb mit ihrer Kritik an den Diätengesetzen zurück, weil sie kein Wasser auf die Mühlen dieser verpönten Partei leiten wollten, wetterte diese und besonders ihr Rechtsaußen, Björn Höcke, doch gegen „Kartellparteien“, die sich bereichern wollten – und lieferten die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht genau die Belege für solche politischen Kartelle? Ein interessanter direktdemokratischer Ansatz ist der Versuch von Freien Wählern und ÖDP in Rheinland-Pfalz, mit einer Volksinitiative gegen den Diätencoup Front zu machen, ihn immer wieder in Erinnerung zu bringen und dem Ärger vieler Bürger über die eigene Machtlosigkeit ein Ventil zu geben. Um den Landtag zu einer erneuten Beratung die Regelungen zu zwingen, sind allerdings 30.000 Unterschriften erforderlich. Die Beschlüsse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen geradezu beispielhaft, wie die politische Klasse die Öffentlichkeit oft mit vorgeschobenen Argumenten in die Irre führt – und dabei offenbar in Kauf nimmt, gewisse Stammtischvorbehalte gegen „die Politiker“ zu bestätigen. Das Problem geht weit über den Einzelfall hinaus. Solche Maßnahmen in eigener Sache und zum eigenen Vorteil sind charakteristisch für die vielen hundert Schritte, mit denen die Parteien und ihre Berufspolitiker, immer wieder in eigener Sache entscheidend, unsere
A. Einleitung: Selbstversorgung im Handstreich –Blitzgesetze in Serie
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Demokratie in einen exzessiven Parteienstaat verwandeln, in dem die Parteien an die Stelle der Bürger treten und sich der gewaltigen staatlichen Ressourcen an Geld und Posten bedienen.5 Am meisten überraschte, dass die Grünen in beiden Landtagen die Vorhaben an vorderster Stelle mittrugen. In Baden-Württemberg hätten vor allem sie und erst Recht ihre Präsidentin und ihr Fraktionsvorsitzender von der staatlichen Altersversorgung profitiert. Vergessen war ihre frühere Kritik an der überzogenen Versorgung von Abgeordneten mit besonderen Funktionen. Vergessen war das Loblied Wilfried Kretschmanns auf die Ersetzung der staatlichen durch die private Altersversorgung. Vergessen war ihre Forderung nach Transparenz und Publikation der Nebeneinnahmen von Abgeordneten. Auch in Rheinland-Pfalz wirkten die Grünen an den fatalen Beschlüssen und der fadenscheinigen Begründung für die massive Aufstockung der Diäten und der Altersversorgung aktiv mit. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da wandten die Grünen sich entschieden gegen jede Form übermäßiger parlamentarischer Selbstbedienung. Nun aber waren sie anscheinend bereit, den Protest der AfD zu überlassen – und in Baden-Württemberg hinsichtlich der Altersversorgung ein Wenig auch der FDP / DVP. Eine Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament war kürzlich dem Thema Wahrheit und Lüge in der Politik gewidmet. Dort wird klargestellt, dass systematisches Lügen der Politik schadet, dass dem Parlament hierbei eine Kontrollfunktion zukommt und dass eine besonders schwere Form von Lügen vorliegt, wenn dieses selbst lügt.6 Wenn die Bollwerke, die die Bürger vor Machtmissbrauch schützen sollen, selbst ihre Macht missbrauchen, ist der Schaden für das Vertrauen in Parteien, Regierung und Parlament sowie in die Demokratie insgesamt besonders groß. Solche Täuschung der Öffentlichkeit und solchen Machtmissbrauch haben ausgerechnet die Hohen Häuser in Mainz und Stuttgart begangen und mit „postfaktischen“ Argumenten die Bürger vorgeführt; sie scheinen es geradezu darauf anzulegen, die Vorwürfe von Populisten zu bestätigen. Im Folgenden werden neben Inhalt und Zustandekommen der Camouflage-Gesetze auch weitere problematische Bereiche des finanziellen Status von Abgeordneten durchleuchtet. Beispielsweise die mangelnde Transparenz der Höhe privater Einnahmen baden-württembergischer Volksvertreter. Und hinsichtlich der Einkommenszulagen, die bestimmte Funktionsträger aus der Fraktionskasse bekommen, mogeln beide Landtage sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorbei.
Dazu umfassend von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, Februar 2017. Stefan Marschall, Lügen und Politik im „postfaktischen Zeitalter“, aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament 13/2017 vom 27. 3. 2017, S. 17 (23). 5 6
B. Der baden-württembergische Diätencoup I. Zwei Diätengesetze auf einmal Am 9. und 10. Februar 2017 beschloss der Landtag von Baden-Württemberg zwei Gesetze in erster und zweiter Lesung, jeweils gegen die Stimmen der AfD-Fraktion.7 Der eine Gesetzentwurf war von den Fraktionen der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP / DVP eingebracht worden8 und erhöhte die steuerfreien Kostenpauschalen und die Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter sowie Werkund Dienstverträge. Die Kostenpauschale, die alle Abgeordneten erhalten, stieg um 40 Prozent: von 1.548 auf 2.160 Euro monatlich, also um über 600 Euro. Um denselben Prozentsatz erhöhen sich auch die Sonderpauschalen für Fraktionsvorsitzende und andere Funktionsträger. Diese Kostenpauschalen sind steuerfrei und werden stets voll gewährt, unabhängig davon, wie hoch die Aufwendungen des Abgeordneten tatsächlich sind. Zugleich wurden die Fonds für Mitarbeiter sowie Werk- und Dienstverträge von Abgeordneten fast verdoppelt: von monatlich 5.409 auf 10.438 Euro für jeden Abgeordneten, wozu noch vom Landtag ebenfalls übernommene Sozialleistungen hinzukommen. Um diese Gelder zu beziehen, muss das Beschäftigungsverhältnis beziehungsweise der Werk- oder Dienstvertrag nachgewiesen werden. Dieses Gesetz ist am 1. Mai 2017 in Kraft getreten. Der zweite Gesetzentwurf, der von der FDP / DVP-Fraktion nicht mitinitiiert und mitgetragen wurde,9 sah eine staatliche Altersversorgung vor. Sie sollte pro Mandatsjahr einen Anspruch auf spätere Versorgung, eine sogenannte Versorgungsanwartschaft, in Höhe von 2,5 Prozent der monatlichen Abgeordnetenentschädigung von 7.616 Euro erbringen. Das wären monatlich 190,40 Euro. Die Zahlungen sollten mit Vollendung des 67. Lebensjahres beginnen, unter Inkaufnahme gewisser Abschläge aber auch bereits mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. Die staatliche Versorgung sollte neben die bisher bestehende private Versorgung treten. Für diese erhalten die Abgeordneten einen sogenannten Vorsorgebeitrag in 7
Siehe Plenarprotokolle vom 9. und 10. 2. 2017, Anhang, Anlagen 3 und 4. eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes der Fraktionen GRÜNE, CDU, SPD und FDP / DVP vom 8. 2. 2017, Drucksache 16/1582 (Anhang, Anlage 1). – Eine Vorfassung des Kap. B war auch in ein inzwischen eingestelltes E-Book mit dem Titel „Die Arroganz der Macht. Der baden-württembergische Diätencoup“ (Heyne Verlag, Mitte März 2017) eingegangen. – Die zum 1. Juli 2017 erfolgte Index-Erhöhung der Entschädigung und der Kostenpauschalen (§§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 3 AbgG) konnte nicht mehr berücksichtigt werden. 9 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes der Fraktionen GRÜNE, CDU und SPD vom 8. 2. 2017, Drucksache 16/1583 (Anhang, Anlage 2). 8 Entwurf
I. Zwei Diätengesetze auf einmal
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Höhe der Höchstversicherung in der Rentenversicherung, derzeit 1.679 Euro monatlich. Die Abgeordneten sollten die Möglichkeit erhalten, das eine oder das andere System zu wählen, wobei die Staatsfinanzierung allerdings finanziell ungleich attraktiver gewesen wäre. Dieses Gesetz sollte ebenfalls zum 1. Mai 2017 in Kraft treten. Das blitzartige Gesetzgebungsverfahren konnte nicht verhindern, dass sich alsbald öffentlicher Protest, vornehmlich gegen die Altersversorgung, erhob, der rasch anschwoll; auch eine Verfassungsklage wurde öffentlich empfohlen, ebenso ein sogenannter Volksantrag. Mit einem Volksantrag können 0,5 Prozent der Stimmberechtigten den Landtag zwingen, sich mit einer Thematik zu befassen,10 in diesem Fall also erneut mit dem Thema der Gesetzentwürfe. Die Wahl des Bundespräsidenten am 12. Februar hatte ursprünglich die zwei Tage zuvor gefassten fatalen Beschlüsse des Landtags medial überdeckt. Jetzt aber trug sie zur Wiederaufhebung jedenfalls der Altersversorgung bei. Denn die zur Bundespräsidentenwahl nach Berlin angereisten baden-württembergischen Landtagsabgeordneten wurden von ihren Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und dem Saarland heftig gerüffelt. Dort standen nämlich Landtagswahlen bevor, und man fürchtete ein Überschwappen der Kritik auf diese Länder. Schließlich äußerten auch die baden-württembergische Landesvorsitzende der SPD, Leni Breymaier, und darauf auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) öffentlich Vorbehalte gegenüber der Altersversorgung, und bereits am Dienstag, dem 14. Februar 2015, erklärten die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, der CDU und der SPD, sie würden den Gesetzentwurf über die staatliche Altersversorgung erst einmal wieder zurücknehmen und Sachverständige berufen, um ihn prüfen zu lassen. Mit deren Bericht sei allerdings nicht mehr im Jahr 2017 zu rechnen.11 Am 21. Februar wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, um den Beschluss des Landtags zum Altersversorgungsgesetz12 zunächst einmal wieder aufzuheben.13 Wie es in der Begründung heißt, soll die Aufhebung es „ermöglichen, dass sich eine unabhängige Expertenkommission mit der Frage der angemessenen Altersversorgung von Abgeordneten auseinandersetzen kann“.14 Am 22. Februar beschloss 10
Art. 59 Abs. 2 und 3 Landesverfassung. vom 15. 2. 2017, S. 4 („Pensionsgesetz zurückgenommen“): „Ein Abschlussbericht (der Expertenkommission) wird Anfang 2018 erwartet – in jedem Fall nach der Bundestagswahl.“ Reiner Ruf, Landtag setzt Reform der Pension aus, Stuttgarter Zeitung vom 15. 2. 2017, S. 1: „Eine Entscheidung soll nicht vor der Bundestagswahl im Herbst fallen, das sagten die Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne), Wolfgang Reinhart (CDU) und Andreas Stoch (SPD) nach den Beratungen ihrer Fraktionen am Dienstag.“ 12 Drucksache 16/1595 (ausgegeben am 20. 2. 2017). 13 Gesetzentwurf der Fraktionen GRÜNE, CDU, SPD und FDP / DVP zur Aufhebung des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 21. Februar 2017, Drucksache 16/1666. 14 Drucksache 16/1666, S. 3. 11 FAZ
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
der Landtag in erster Lesung die Überweisung an den Ständigen Ausschuss.15 Am 8. März 2017 wurde das Gesetz16 in zweiter Lesung aufgehoben. Dagegen trat das Gesetz, das die Kostenpauschalen und die Mitarbeiterfonds drastisch erhöht, wie von seinen Verfechtern beabsichtigt,17 unverändert am 1. Mai 2017 in Kraft.18
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen: Kritik der einzelnen Teile der Änderungsgesetze 1. Zu hohe Entschädigung a) Die Diätengesetze von 2008, 2010 und 2011 Der Stuttgarter Landtag hatte 2008 beschlossen, die staatliche Altersversorgung künftig zu beseitigen und es den Abgeordneten zu überlassen, sich eine private Altersversorgung zu beschaffen; dazu wurde der Vorsorgebeitrag eingeführt (der heute 1.679 Euro beträgt);19 Abgeordnete, die zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Mai 2011 bereits eine Anwartschaft auf eine Versorgung nach dem bis dahin geltenden Recht erlangt hatten – dafür waren damals acht Parlamentsjahre erforderlich –, kamen weiterhin in den Genuss einer späteren Staatspension.20 Man war sich im Landtag darüber im Klaren, dass die Regelung für neue Abgeordnete eine Verschlechterung der Altersversorgung mit sich brachte, sah darin aber einen Gewinn für die Transparenz.21
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Siehe Protokoll der Plenardebatte vom 22. 2. 2017, Anhang, Anlage 5. Das Gesetz zur Einführung der Altersversorgung, vom Ministerpräsidenten und sieben weiteren Kabinettsmitgliedern unterschrieben, wurde als Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 7. März am 10. März 2017 im Gesetzblatt veröffentlicht (GBl. S. 97), trat also scheinbar in Kraft, wurde aber aufgehoben, sobald der Aufhebungsbeschluss des Landtags vom 8. März durch Ausfertigung und Verkündung in Kraft trat. 17 So etwa der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart in der Plenardebatte am 22. Februar 2017 (Protokoll, S. 1399): Die „mit der ganz breiten Mehrheit von vier Fraktionen“ beschlossene Erhöhung der Kostenpauschale und der Gelder für Abgeordnetenmitarbeiter wird „auch in Kraft treten.“ 18 Das Gesetz war als Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom Ministerpräsidenten und sieben weiteren Kabinettsmitgliedern unterschrieben und im Gesetzblatt vom 3. März veröffentlicht worden (GBl. S. 77). 19 Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 6. 5. 2008, GVBl. S. 114. 20 Art. 3 § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 6. 5. 2008. 21 Abgeordneter Reinhold Gall (SPD) bei der ersten Beratung des Gesetzes von 2010, Protokoll, S. 6903 (6904): Das neue wirklich transparente System bedeutet „unter dem Strich – auch das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen – eine Verschlechterung für alle neuen Abgeordneten.“ 16
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen
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Auch um den Abbau der Altersversorgung zu kompensieren,22 erhöhte der Landtag gleichzeitig das Gehalt der Abgeordneten, die sogenannte Entschädigung, um 31,5 Prozent: von 4.750 auf 6.247 Euro.23 Der damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Winfried Kretschmann, kommentierte das in der ersten Beratung des Gesetzes von 2008 treffend: „Bisher haben wir das Salär eines Oberstudienrats, aber sehr, sehr hohe Pensionen. Das ist, glaube ich, falsch. Wenn wir das jetzt umdrehen und unser Salär erhöhen und dafür die Pensionen drastisch zurückführen, dann ist das, glaube ich, der ganz richtige Ansatz. […] Wir stärken nämlich das aktive Parlamentarierdasein, setzen aber für Leute, die gar nicht gestalten wollen, keine Anreize, im Parlament zu bleiben.“
2011 bewilligte der Landtag sich – entgegen dem Votum der Grünen – eine weitere Erhöhung: auf 6.462 Euro.24 Auch Alt-Abgeordnete wie der heutige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Reinhold Gall25 und der heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann kamen in den Genuss der erhöhten Entschädigung, obwohl sie weiterhin Anspruch auf eine üppige staatliche Versorgung haben. Die erhöhte Entschädigung trat zum 1. Mai 2011 in Kraft. Der Landtag von Baden-Württemberg bezeichnet sich seitdem als Vollzeitparlament,26 obwohl die Gewährung einer Vollalimentation keineswegs bedeutet, dass der Landtag auch zum Vollzeitparlament geworden ist. Das hat auch der Rechnungshof nachdrücklich festgestellt.27 b) Die Wiedereinführung der staatlichen Altersversorgung – Ein Wortbruch Mit den Beschlüssen vom 9. und 10. Februar 2017, mit denen man zur Staatsfinanzierung zurückkehren wollte, ging es den Fraktionen der Grünen, der CDU und der SPD darum, auch den seit 2011 in den Landtag eingetretenen Abgeordneten eine üppige, allein vom Steuerzahler finanzierte Altersversorgung zu verschaffen. 22 Siehe z.B. Reiner Ruf, Die Parlamentarier und ihre Ausstattung, Stuttgarter Zeitung vom 11./12. 2. 2017, S. 5: Man habe die Anhebung der Entschädigung unter anderem mit der Abkehr von der staatlichen Versorgung im Alter begründet. 23 § 5 des genannten Gesetzes von 2008. 24 § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg vom 29. 7. 2010, GBl. S. 576. 25 Gall outete sich in der Plenardebatte vom 9. Februar selbst als privilegierter Altfall (Protokoll, S. 1230, siehe Anhang, Anlage 3). 26 Siehe zum Beispiel Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zum Änderungsgesetz 2008, Drs. 14/2642, S. 3, 6 und 7. 27 Landesrechnungshof, Beratende Äußerung 2008 zu Zuschüssen und sonstigen Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 13. Wahlperiode, S. 34 ff.
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
Begründet wurde der Schritt mit der Benachteiligung der neuen Abgeordneten und mit dem niedrigen Zinsniveau, das die Altersversorgung weiter gemindert habe.28 Das hatte jedoch einige Schönheitsfehler, allen voran wurde die frühere Erhöhung der Entschädigung nicht zurückgenommen, obwohl sie ausdrücklich mit der Einrichtung einer privaten Vorsorge begründet worden war – und mit der Rückkehr zur staatlichen Altersversorgung entfiel dieser Grund ja nun. Zudem war die Benachteiligung neuer Abgeordneter, wie dargelegt, bereits bei der Abschaffung der damaligen Altersversorgung durchaus bekannt gewesen und bewusst in Kauf genommen worden. Und schließlich leiden unter den niedrigen Zinsen auch Bürger, die – etwa durch Versicherungen – für ihr Alter vorsorgen. Die Wiedereinführung der staatlichen Altersversorgung stellt einen Wortbruch gegenüber der Öffentlichkeit dar. Denn man hatte sich damals damit gebrüstet, dass man das umsetze, was in der Öffentlichkeit immer wieder gefordert worden war.29 Demgegenüber kommt die Wiedereinführung der Altersversorgung auch für neue Abgeordnete einer Rosinenpickerei gleich, die für die betroffenen Abgeordneten höchst lukrativ ist: Konsequenterweise hätte die Entschädigung jetzt wieder abgesenkt werden müssen, um die seinerzeitige Erhöhung um 31,5 Prozent ungeschehen zu machen. Doch dieser eigentlich zwingenden Logik konnte das Parlament in eigener Sache nichts abgewinnen. Auch früher hatte man ja schon Rosinenpickerei betrieben: Als die Entschädigung zum Ausgleich für die Abschaffung der Altersversorgung aufgestockt worden war, hatten Alt-Abgeordnete die erhöhte Entschädigung bekommen, obwohl sie die staatliche Altersversorgung behalten hatten. Im Gesetzentwurf vom 8. Februar 2017 wurde die Nicht-Absenkung der Entschädigung gar nicht erwähnt, geschweige denn begründet.30 Die Anlehnung an die Versorgungsregelung des Bundes, mit der die Einführung der Altersversorgung begründet wird,31 ist aus der Luft gegriffen und vergleicht Äpfel mit Birnen. Der Status von Bundestags- und Landtagsabgeordneten unterscheidet sich fundamental: Der Bundestag ist ein Vollzeitparlament, der Landtag von Baden-Württemberg ist dagegen in Wahrheit ein Teilzeitparlament geblieben, das sehr viel geringere Aufgaben hat als der Bundestag. 28 Josef Kelnberger, Stop nach Hoppla-Hopp, Süddeutsche Zeitung vom 15. 2. 2017, S. 6: Begründung der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, der CDU und der SPD: „Wegen der niedrigen Zinsen garantiere die private Vorsorge, vorgeschrieben seit der Parlamentswahl von 2008, den Abgeordneten keine angemessene Alterssicherung.“ 29 Abgeordneter Reinhold Gall (SPD) in der zweiten Beratung des Gesetzes von 2008, Protokoll, S. 3006 f.: „Mit diesem Gesetz wird weitestgehend das umgesetzt, was unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger als Forderung an die Politik immer wieder an uns herangetragen haben. Man könnte auch sagen: Wir haben verstanden.“ Siehe auch die oben angeführten Äußerungen von Winfried Kretschmann in der ersten Beratung desselben Gesetzes. 30 Drucksache 16/1583, S. 7 f. 31 Gesetzentwurf vom 8. 2. 2017, Drucksache 16/1583, S. 7.
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen
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c) Nachgeschobene Begründungsversuche aa) Vergleich von Pro-Kopf-Kosten? – Nicht stichhaltig! Später wurde das Argument nachgeschoben, Baden-Württemberg liege mit den Kosten des Parlaments pro Kopf der Bevölkerung auch nach der Neuregelung immer noch unter dem Länderdurchschnitt.32 Doch darauf kann es nicht ankommen, wenn es um den angemessenen finanziellen Status von Abgeordneten geht. bb) Vergleich mit anderen Bundesländern? – Hochschaukeln! Im Übrigen taugt ein Vergleich mit anderen Bundesländern von vornherein nicht. Alle Parlamente entscheiden über ihre Diäten in eigener Sache, und sie haben sich im Laufe der Jahre gegenseitig hochgeschaukelt. So hatte der Bayerische Landtag, an dem die baden-württembergischen Kollegen sich erklärtermaßen orientierten, als sie 2008 die Entschädigung um fast ein Drittel erhöhten,33 seine Vollalimentation in einem Camouflage-Gesetz unter Ausschaltung aller Kontrollen erschlichen. Dabei wurde auch die Tatsache stillschweigend übergangen, dass die Bayerische Verfassung Abgeordneten lediglich eine „Aufwandsentschädigung“ zubilligt, also erkennbar von einer nebenberuflichen, wenn nicht sogar ehrenamtlichen Mandatstätigkeit ausgeht.34 Auch hessische Landtagsabgeordnete kommen nicht als Vorbild in Betracht.35 Sie erhalten aktuell zwar eine ebenso hohe Entschädigung wie ihre Kollegen in Baden-Württemberg. Aber auch das hessische Abgeordnetengesetz weist einen schweren Geburtsfehler auf, denn das überzogene Niveau der Entschädigung in Hessen beruht ebenfalls auf einer unzutreffenden Argumentation: Hier wollten die Abgeordneten die Höhe ursprünglich am durchschnittlichen Einkommen hessischer Freiberufler ausrichten. Bei der Festsetzung der Entschädigung hatten sie aber nicht berücksichtigt, dass Freiberufler ihre Altersversorgung selbst finanzieren müssen, während hessische Abgeordnete ohne eigene Beiträge in den Genuss einer staatlich finanzierten Versorgung kommen.36 Der Vergleich etwa mit Bayern und Hessen zeigt, dass nicht baden-württembergische Abgeordnete sich vor der Erhöhung zu wenig, sondern dass die anderen sich zu viel bewilligt hatten. 32 So zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende der Grünen Hans-Ulrich Sckerl in der Plenardebatte des Landtags vom 9. Februar 2017 (Protokoll, S. 1226 f.). 33 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, SPD und FDP / DVP vom 13. 7. 2010, Landtagsdrucksache 14/6654, S. 9. 34 Siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 53 f. Dort wird das damalige bayerische Gesetzgebungsverfahren im Einzelnen dargestellt. 35 Den Vergleich mit hessischen Abgeordneten nahm auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch in der Plenardebatte des Landtags vom 22. Februar 2012 vor (Protokoll, S. 1402). 36 Siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 59.
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
Auch wenn der Bundestag in Wahrheit kein geeignetes Vergleichsmodell für den Landtag von Baden-Württemberg abgibt,37 sei doch erwähnt, dass auch er die Entschädigung seiner Volksvertreter auf höchst anfechtbare Weise hochgesetzt hat. Nach dem Diätenurteil von 1975 verdoppelte er sie kurzerhand.38 Und nachdem der Versuch, die Angleichung der Entschädigung an die Bezüge von Bundesrichtern im Wege einer Grundgesetzänderung zu erreichen, 1995 am Veto des Bundesrats gescheitert war,39 setzte der Bundestag dies 2014 – ohne Grundgesetzänderung – mithilfe einer dafür gezielt ausgewählten Diätenkommission durch.40 cc) Abdeckung erhöhten Risikos? – Inexistent! Ein weiteres Argument, das bei den Initiatoren des Gesetzes immer wieder durchscheint, lautet, Abgeordnete, die ja nur auf Zeit gewählt sind, gingen ein hohes Risiko ein, nach dem Ende des Mandats in ihrem eigentlichen Beruf nicht mehr Fuß zu fassen.41 Auch dieses Argument trägt nicht. Schauen wir uns die verschiedenen Gruppen von Abgeordneten einmal näher an: Abgeordnete aus dem öffentlichen Dienst, das heißt Beamte und öffentliche Angestellte sowie ihnen insoweit gleichgestellte Richter, haben nach dem Ende ihres Mandats ein gesetzlich verbrieftes Rückkehrrecht in ein Amt mit mindestens demselben Endgrundgehalt.42 Dabei wird die Mandatszeit auf die laufbahnrechtlichen Dienstzeiten angerechnet.43 Angestellte, die Abgeordnete werden, dürfen nicht gekündigt werden,44 können ihren Beruf also, zumindest teilweise, noch weiterführen und daraus sogar eine zusätzliche Versorgung erwerben. Auch Selbstständige und Freiberufler profitieren von dem einmaligen Privileg aller Abgeordneten, zusätzlich zu ihrem Mandat noch einen privaten Beruf ausüben und daraus rechtlich unbeschränkt Einkommen beziehen zu dürfen. Viele dürften diese Möglichkeit nutzen und weiterhin ein möglicherweise hohes Einkommen beziehen, was nur dadurch verborgen bleibt, dass eine entsprechende Publikationspflicht in Baden-Württemberg bisher fehlt (siehe Abschnitt III. 2.). Die Höhe der privaten Einnahmen mancher der zahlreichen Rechtsanwälte, Geschäftsführer, Consultants etc. könnte für die Öffentlich37 Dennoch
propagierte zum Beispiel der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart in der Plenardebatte vom 22. Februar 2017 für eine Gleichstellung des Landtags mit dem Bundestag. 38 Gemeint ist der netto verfügbare Teil der Entschädigung: von Arnim, Der Staat sind wir!, 1995, S. 72 ff. 39 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 45 – 48. 40 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 40 – 43. 41 Siehe z.B. den CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Reinhart in der Plenardebatte vom 22. Februar 2017: „das Abwahlrisiko alle fünf Jahre“ (Protokoll, S. 1399). 42 § 28 AbgG. 43 § 29 Abs. 4 AbgG. 44 § 2 Abs. 3 AbgG.
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen
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keit durchaus interessant sein. Sie derzeit halbwegs zuverlässig zu ermitteln wird dadurch weiter erschwert, dass das Handbuch des Landtags, in dem die beruflichen Angaben längst stehen müssten, Mitte März 2017 immer noch nicht veröffentlicht war (siehe ebenfalls Abschnitt III. 2.). Ein Risiko bleibt allenfalls für Abgeordnete, die keinen normalen Beruf haben, sondern nur Politiker sind. Auf sie mag das flapsige Wort zutreffen: „Vom Hörsaal direkt in den Plenarsaal.“ Aber sollte solchen Abgeordneten, die das normale Berufsleben nicht kennen und die wegen ihrer besonderen wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Partei meist ausgesprochene Parteisoldaten sind,45 der Zugang zum Parlament auch noch mit einem üppigen Versorgungsanspruch versüßt werden? dd) Ausgleich für Inkompatibilität? – Sinnwidrig! Vor der Reform von 2008 verstand sich der Landtag von Baden-Württemberg erklärtermaßen noch als Teilzeitparlament. Dass es möglich war, neben dem Mandat voll als Bürgermeister oder Landrat tätig zu sein, macht die bloße Teilzeitanforderung des Mandats besonders deutlich. Den Begriff „Teilzeit“ hat der Landtag zwar aufgegeben, an der Belastung der Abgeordneten hat sich aber nichts Wesentliches geändert: In Wahrheit ist der Landtag Teilzeitparlament geblieben. Die Erhöhung wurde allerdings auch damit begründet, dass in Baden-Württemberg die sogenannte Inkompatibilität (Unvereinbarkeit von Mandat und Amt) eingeführt wurde, so dass Abgeordnete aus dem öffentlichen Dienst ihren Beruf nicht mehr weiter ausüben können.46 Das ist gewiss ein Nachteil gegenüber Abgeordneten, die ihren privaten Beruf weiterführen. Ist es aber nicht sinnvoll, die überproportional hohe Zahl der öffentlichen Bediensteten im Parlament etwas zurückzuführen, um die problematische „Verbeamtung“ des Landtags abzuschwächen?47 Im Landtag sind immer noch erheblich mehr „öffentliche Bedienstete“ vertreten als ihrem Anteil an den Berufstätigen in Baden-Württemberg entspricht. ee) Unredliche Argumentation: Stochs Märchenstunde In der Plenardebatte zur Wiederaufhebung der Altersversorgung am 22. Februar beriefen sich die beiden Vorsitzenden der CDU- und der SPD-Fraktionen auf die sogenannte Schmidt-Jortzig-Kommission, die im Auftrag des Bundestags den finanziellen Status seiner Mitglieder analysieren sollte.48 Diese hatte sich aber 45 Zur Kritik am Typus des „reinen ‚Parteisoldaten‘“, dessen politische Zukunft und materielles Wohlergehen „davon abhängen, ob er den politischen Vorgaben seiner Führung oder kleinen Gruppen folgt“, siehe Hans Apel, Die deformierte Demokratie. Parteienherrschaft in Deutschland, 1991, S. 309 f. 46 §§ 26 f. AbgG. 47 Zur Problematik der „Verbeamtung“ der Parlamente generell: BVerfGE 40, 296 (321). 48 Bericht der „Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts“ unter Vorsitz des früheren Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig vom 19. 3. 2013, BTDrs. 17/12500.
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
explizit auf Bundestagsabgeordnete bezogen, kann also von vornherein nicht zur Rechtfertigung des baden-württembergischen Abgeordnetengesetzes herangezogen werden, da die Mitglieder eines Teilzeitparlaments mit ihren sehr viel geringeren Aufgaben einen anderen Status haben als Bundestagsabgeordnete.49 Zudem war die Kommission gezielt aus ehemaligen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern sowie anderen politiknahen Mitgliedern zusammengesetzt. Sie hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts uminterpretiert oder ganz ignoriert. Sie hat eine Erhöhung der Entschädigung auf das Niveau von Bundesrichtern und ihre Dynamisierung vorgeschlagen, wozu eigentlich eine Grundgesetzänderung nötig gewesen wäre. Sie hat – im Widerspruch zum Gericht – Einkommenszulagen für Ausschussvorsitzende empfohlen, die Zulagen z.B. für stellvertretende Fraktionsvorsitzende gebilligt und die Zulässigkeit der gewaltigen steuerfreien Kostenpauschalen aus Entscheidungen herausgelesen, die dies gar nicht besagen. Und in allem ist der Bundestag ihr bereitwillig gefolgt – in der Erwartung, dass doch kein Abgeordneter klagen werde. Deshalb die massive Steigerung der Bundestagsdiäten ab 2014, deshalb ihre automatische Steigerung ab 1. Juli 2017 auf 9.542 Euro plus Zulage für Ausschussvorsitzende und andere Funktionsträger und das Festhalten an der steuerfreien Kostenpauschale von derzeit 4.318 Euro. Es handelt sich um einen Gefälligkeitsbericht, der von den Parlamenten aber umso lieber herangezogen wird.50 Des Weiteren beriefen sich die beiden Fraktionsvorsitzenden auf das Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat für Landesparlamente aber bewusst einen Vorbehalt gemacht51 und ausdrücklich bestätigt, dass es keinen Anspruch auf Vollalimentation gibt.52 Schon gar nicht trifft es zu, dass das Bundesverfassungsgericht eine staatliche Pension zwingend verlangt – eine Auffassung, die Andreas Stoch aber allen Ernstes nahelegte.53 Dann wäre die Reform von 2008/2011 ihrerseits verfassungswidrig gewesen. Seine Ausführungen, mit denen er die zu berufende Kommission von vornherein einstimmen wollte, sind von einer derartigen Unkenntnis, dass man tatsächlich von einer Märchenstunde sprechen muss. ff) Teilzeitabgeordnete – Das Tabu aufbrechen! Letztlich geht es um den angemessenen Status von Landtagsabgeordneten. Die vergleichsweise geringe Arbeitsbelastung von Landtagsabgeordneten zu themati49 Dennoch hatte die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi in der ersten Beratung der Gesetze am 9. Februar fälschlich behauptet, was für den Bundestag gelte, müsse auch für den Landtag von Baden-Württemberg gelten (Protokoll, S. 1227). 50 Näheres bei von Arnim, Eine Kriegserklärung ans BVerfG, NVwZ-Extra 2013/8a vom 12. 4. 2013. 51 BVerfGE 40, S. 396 (314): Das Gericht ging zwar für Bundestagsabgeordnete von einer Vollalimentation aus, nicht aber auch für Landtagsabgeordnete. 52 BVerfGE 76, 256 (341 – 343). 53 So in der Plenardebatte am 22. Februar 2017 (Protokoll, S. 1399).
II. Vorgeschobene Begründungen, unangemessene Erhöhungen
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sieren gilt zwar als öffentliches Tabu, Insider bestätigen aber immer wieder, dass es sich so verhält.54 In Baden-Württemberg liegt die Behandlung der Frage besonders nahe, denn der Landtag hat sich früher stets als Teilzeitparlament verstanden. Erst mit der 2011 in Kraft getretenen Erhöhung der Entschädigung und der Einführung der Inkompatibilität von Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst bezeichnete der Landtag sich plötzlich als Vollzeitparlament, obwohl beides nichts Wesentliches an der arbeitsmäßigen Belastung der Abgeordneten geändert hat.55 Der Etikettentausch geschah letztlich zu dem Zweck, sich eine höhere Bezahlung bewilligen zu können. Dass Landtage tatsächlich generell Teilzeitparlamente darstellen und der Stuttgarter Landtag ein solches geblieben ist, wird von Kennern der Praxis bestätigt. So fragte der ehemalige Direktor des Niedersächsischen Landtags, Albert Janssen, schon vor Jahren, wie lange deutsche Landtagsabgeordnete ihren „zu groß geschnittenen finanziellen Anzug“ wohl noch vor dem Steuerzahler verbergen könnten.56 Stephan Holthoff-Pförtner, als Anwalt Helmut Kohls keinesfalls im Verdacht, die Kritik an der politischen Klasse zu übertreiben, kommt in einer wissenschaftlichen Arbeit über die Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags zu demselben Ergebnis: Die Bezahlung von Landtagsabgeordneten sei ebenso „überdimensioniert wie die tatsächliche Ausformung der Mandatstätigkeit als ‚Full-time-Job‘“.57 Deshalb empfahl der frühere Direktor des Thüringer Landtags, Joachim Linck, in einer wohldurchdachten Gesamtschau der Situation von Landtagsabgeordneten nachdrücklich, zum „Teilzeit- oder sogar ehrenamtlichen Abgeordneten“ zurückzukehren.58 Dem stimmte zum Beispiel der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, ausdrücklich zu.59 Sinnvoll wäre es auch, die Sitzungen und generell die Arbeitsweise des Landtags zu straffen. Dazu hat der erfahrene Verwaltungsexperte Thomas Ellwein das Nötige gesagt.60 Das würde es für unabhängige, aber vielbeschäftigte Persönlichkeiten, 54 von Arnim, Die Mär vom Landtagsmandat als Fulltimejob, ZRP 2005, 71; von Arnim/ Drysch, Drittbearbeitung des Artikel 48 GG im Bonner Kommentar, 2010, Rn. 162 – 173. 55 Beratende Äußerung des Rechnungshofs über Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 13. Wahlperiode, November 2008, S. 33 ff. 56 Janssen, Der Landtag im Leineschloss – Entwicklungslinien und Zukunftsperspektiven, in: Präsident des Niedersächsischen Landtags (Hrsg.), Rückblicke – Ausblicke, 1992, S. 15, 31. 57 Holthoff-Pförtner, Landesparlamentarismus und Abgeordnetenentschädigung, 2000, S. 72. Siehe auch S. 104 f., 130 f. 58 Linck, Zurück zum ehrenamtlichen Landesparlamentarier?, in: von Arnim (Hrsg.), Defizite in Staat und Verwaltung, 2010, S. 91 ff. 59 Zum Beispiel mdr.de vom 16. 3. 2010: „Der Vorschlag ist nachvollziehbar, dass auf der Ebene der Länder Teilzeitparlamente ausreichen.“ 60 Thomas Ellwein, Das Dilemma der Verwaltung, 1994, S. 121. Siehe auch von Arnim/ Drysch, Rn. 169.
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die für die Landtagsarbeit wichtig sein können, umso mehr erleichtern, neben ihrem Beruf noch ein Mandat zu übernehmen. Bei der Beurteilung der Arbeitsbelastung von Landtagsabgeordneten wird die Tätigkeit in kommunalen Vertretungen, in denen sie häufig auch noch sitzen, oft mitberücksichtigt. Das ist aber nicht zulässig. Ratsmitglieder mit privatem Beruf bekommen kein Gehalt, die kommunale Tätigkeit ist ein reines Ehrenamt, und die Aufwandsentschädigung, die sie erhalten, steht Landtagsabgeordneten ebenfalls zu. Auch Themen von kommunaler oder Bundesebene, zu deren Behandlung den Landesparlamenten die Kompetenz fehlt, die sie mangels eigener Themen aber dennoch häufig erörtern, sollten in die Ermittlung ihrer Aufgaben sinnvollerweise nicht einbezogen werden.61 2. Privilegierte Altersversorgung Die von den Fraktionen der Grünen, der SPD und der CDU zunächst beschlossene Altersversorgung sollte jedem Abgeordneten schon nach einem Mandatsjahr eine monatliche Versorgungsanwartschaft von 190,40 Euro (2,5 Prozent der Entschädigung von 7.616 Euro) bringen. In einer fünfjährigen Legislaturperiode wäre ein Versorgungsanspruch von 952 Euro zusammen gekommen. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer dagegen erwirbt in fünf Jahren gerade mal einen Rentenanspruch von 160 Euro, also nur ein Sechstel der vorgesehenen Abgeordnetenpension. (Selbst ein Höchstversicherter in der Rentenversicherung hat pro Jahr 60 Euro monatliche Rente, weniger als ein Drittel dessen, was Abgeordneten zusteht.) In einer Zeit, in der alle um ihre künftige Versorgung bangen müssen, erschien eine solche Privilegierung der Vertreter der Bürger nicht nur unsensibel, sondern in der Sache nicht vertretbar. Ohnehin überraschte, dass Abgeordnete schon nach einem Jahr eine sogenannte Versorgungsanwartschaft, also einen Anspruch auf spätere Versorgung, bekommen sollen, während alle anderen, ob Rentenversicherte oder Beamte, viele Jahre warten müssen, bevor sie eine Versorgungsanwartschaft erwerben. Berücksichtigt man, dass ein Regierungsmitglied in Baden-Württemberg eine Anwartschaft auf Ruhegehalt erst nach fünf Jahren erwirbt,62 erschien die Einjahresregelung für Abgeordnete umso mehr als nicht zu rechtfertigendes Privileg.63 Selbst für den sogenannten Altersehrensold für notleidende Regierungsmitglieder sind mindestens zwei Amtsjahre erforderlich.64 61 Linck, Zurück zum ehrenamtlichen Landesparlamentarier?, S. 91 (97); von Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, Ausgabe 1996, S. 328 ff. 62 § 16 Abs. 1 MinG. 63 Der mögliche Verweis auf die entsprechende Regelung für Bundestagsabgeordnete überzeugt nicht. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht. 64 § 17 MinG.
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Nicht nachvollziehbar war auch, dass das derzeitige Monatseinkommen der Abgeordneten von 9.295 Euro (7.616 Euro plus 1.679 Euro Vorsorgebeitrag) nicht ausreichen sollte, sich eine eigene Altersversorgung zu beschaffen – dass also überhaupt eine Änderung des Abgeordnetengesetzes erforderlich war. 9.295 Euro sind außerordentlich üppig bemessen für ein Teilzeitparlament mit relativ geringen Aufgaben, auch wenn der Landtag sich vor sechs Jahren mit einem Federstrich zum Vollzeitparlament erklärt hatte. Dies gilt erst recht, da Abgeordnete neben ihrem Mandat einem privaten Beruf ohne jede Einkommensbegrenzung nachgehen und dabei auch eine weitere Altersversorgung erwerben dürfen, was, wie manche Beispiele zeigen, faktisch auch möglich ist (siehe Abschnitt III. 2.). 3. Willkürlich erhöhte Kostenpauschalen a) Die Erhöhung der allgemeinen Kostenpauschale – Eine verdeckte Einkommenserhöhung Jeder Abgeordnete kann ein eingerichtetes Büro am Sitz des Landtags nutzen. Zudem steht ihm für die Ausstattung mit Informations- und Kommunikationseinrichtungen65 sowie für deren Nutzung66 laut Haushaltsplan ein Budget zur Verfügung.67 Mandatsbedingte Fahrt- und Übernachtungskosten werden erstattet.68 Zusätzlich erhält jeder Abgeordnete eine Kostenpauschale, die für die Betreuung des Wahlkreises, für Büro, Porto usw. gedacht ist. Sie ist steuerfrei. Dafür braucht nur die Bezeichnung „Aufwandsentschädigung“ ins Gesetz geschrieben zu werden und schon ist der gesamte Betrag steuerfrei, wie gering der tatsächliche Mandatsaufwand auch sein mag.69 Soweit die Pauschale die anfallenden Kosten übersteigt, kann der Abgeordnete sie privat verwenden. Verfassungsrechtlich ist Derartiges nur zulässig, wenn die Regelung sich am wirklichen Mandatsaufwand orientiert [siehe unter c)]. Aber: Wo kein Kläger, da auch kein Richter. Die steuerfreie Pauschalierung stellt eines der großen Privilegien dar, die die Abgeordneten sich selbst bescheren. Der Steuerzahler muss normalerweise jeden Beleg sammeln und sich in Grenzfällen mit dem Finanzamt auseinandersetzen, um seine Büro- und sonstigen Werbungskosten beziehungsweise Betriebsausgaben steuerlich absetzen zu können. Nun hat der Landtag mit Wirkung vom 1. Mai 2017 seine Kostenpauschale auch noch von 1.548 auf 2.160 Euro, also um 40 Prozent, erhöht. Eine derartige Ausweitung des Privilegs bedürfte einer sorgfältigen Begründung, die aber völlig fehlt. 65 In den Jahren 2015 und 2016 waren dafür laut Haushaltsplan 165.600 bzw. 207.000 Euro bewilligt. 66 Dafür waren in beiden Jahren je 165.600 Euro bewilligt. 67 § 5 Abs. 5 AbgG. 68 §§ 6b und 6c AbgG. 69 § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz.
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Normale Kostensteigerungen waren in der Vergangenheit ohnehin durch einen eingebauten Erhöhungsautomatismus laufend ausgeglichen worden,70 – ein weiteres Abgeordnetenprivileg –, so dass sie die Erhöhung der Pauschale von vornherein nicht rechtfertigen konnten. Um die beschlossene Erhöhung der Pauschale begründen zu können, hätten die Kosten jüngst sprunghaft hochschießen müssen. Doch das wird durch keinerlei Fakten belegt. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, die Kostenpauschale werde „aufgrund der Erfahrungen der Abgeordneten an die Erfordernisse der Praxis angepasst“.71 Tragfähig ist das nicht, sondern bloß eine Behauptung, die die an der Erhöhung Interessierten selber vorgebracht haben. Man darf nun mal den „Bock“ nicht fragen und als „Gärtner“ engagieren, wenn es darum geht, den Garten zu pflegen. Schon gar nicht stellt die Erhöhung der Pauschale auf die Hälfte der Kostenpauschale von Bundestagsabgeordneten72 eine wirkliche Begründung dar. Diese Relation ist vielmehr willkürlich gegriffen. Warum nicht ein Viertel oder ein Fünftel der Kostenpauschale von Bundestagsabgeordneten? Man braucht als Inhaber der Staatsmacht, so meinen offenbar die Initiatoren, nur die passende Quote zu erfinden, um eine Scheinbegründung für das gewünschte und in eigener Sache beschlossene Ergebnis präsentieren zu können. Und mit dem Umstand, dass die Kostenpauschale von Bundestagsabgeordneten auch Fahrtkosten mit dem eigenen Pkw und Übernachtungskosten mit abdeckt,73 wohingegen baden-württembergische Landtagsabgeordnete diese extra abrechnen können, erfolgte im Gesetzgebungsverfahren schon gar keine Auseinandersetzung. Es fehlt also jeder rechtfertigende Grund für die Erhöhung der Kostenpauschale. Tatsächlich dürfte die Erhöhung der Kostenpauschale um monatlich 612 Euro für die meisten Abgeordneten im Stuttgarter Landtag auf eine Erhöhung des Gehalts hinauslaufen, und das auch noch steuerfrei. Brutto gerechnet, sind das bis zu 1.000 Euro im Monat. Im offiziellen Papier der Fraktionen vom 7. Februar 2017 hieß es, die Entschädigung der Abgeordneten bleibe unverändert. In Wahrheit aber erhöht sich ihr Einkommen auf verdeckte Weise erheblich. Im Übrigen ließ der Landtag bei seiner Anlehnung an die Bundesregelung auch unter den Tisch fallen, dass die Kostenpauschale von Bundestagsabgeordneten politisch und rechtlich höchst umstritten ist.74 Die zur Überprüfung der Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete eingesetzte sogenannte Kissel-Kommission 70
§ 6 Abs. 3 AbgG. Drucksache 16/1582, S. 4. – Weiter heißt es dort vage: Es gehe um Kosten „etwa für die Einrichtung eines zweiten Wahlkreisbüros“. Dabei ist bekannt, dass manche Abgeordnete nicht mal ein Wahlkreisbüro haben, sondern ihre Tätigkeit von ihrem Büro im Landtag aus erledigen. 72 Drs. 16/1582, S. 4. 73 § 12 Abs. 2 Nr. 3 AbgG Bund. 74 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 117 f. 71
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hatte deshalb 1993 vorgeschlagen, die Pauschale, die damals 5.978 DM im Monat betrug, auf 1.000 DM zu begrenzen. Mit diesem Betrag sollten die Kosten der Wahlkreisbetreuung abgegolten sein. Die übrigen mandatsbedingten Aufwendungen sollten künftig nur noch gegen Nachweis erstattet werden.75 Einen ähnlichen Vorschlag machten vier Mitglieder der Schmidt-Jortzig-Kommission. Danach sollten die Unterkunft in Berlin und die Büromiete im Wahlkreis nur gegen Nachweis erstattet werden. Für die übrigen mandatsbedingten Kosten sollte es bei einer erheblich reduzierten Pauschale bleiben.76 b) Die Erhöhung der Sonder-Kostenpauschalen – Sachlich ebenfalls nicht gerechtfertigt Zusätzlich zur allgemeinen Kostenpauschale erhalten zahlreiche Funktionsträger noch steuerfreie Sonderpauschalen, die sich wegen ihrer Ankoppelung an die allgemeine Kostenpauschale automatisch mit erhöhen. So bekommen die Präsidenten und Fraktionsvorsitzenden eine zusätzliche Pauschale in Höhe der Hälfte der allgemeinen Kostenpauschale, insgesamt also steuerfreie 3.240 Euro. Die stellvertretenden Präsidenten, die Ausschussvorsitzenden, ein Parlamentarischer Geschäftsführer je Fraktion und der stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses erhalten ein Viertel der allgemeinen Kostenpauschale zusätzlich,77 insgesamt also steuerfreie 2.700 Euro. Mitglieder des Petitionsausschusses, von Untersuchungsausschüssen, Unterausschüssen und Enquete-Kommissionen erhalten 10 Prozent der allgemeinen Kostenpauschale,78 insgesamt also steuerfreie 2.376 Euro. Die Erhöhung all dieser steuerfreien Sonderpauschalen um 40 Prozent wird in der Begründung des Gesetzes nicht erwähnt, geschweige denn begründet.79 Ein tragfähiger sachlicher Grund für die Erhöhung ist auch hier nicht ersichtlich. Auch hier dürfte die Erhöhung für viele ein zusätzliches steuerfreies Einkommen darstellen. c) Die unbegründeten Erhöhungen – Verfassungswidrig Dass Gründe fehlen, die die Erhöhung der Pauschalen um 40 Prozent rechtfertigen können, hat auch verfassungsrechtliche Relevanz. Das Bundesverfassungs75 Bericht
und Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts (unter Vorsitz des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Otto Rudolf Kissel), Bundestagsdrucksache 12/5020 vom 3. Juni 1993, S. 12. 76 Bericht der Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts (unter Vorsitz des früheren Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig) vom 19. 3. 2013, Bundestagsdrucksache 17/12500, S. 32. 77 § 6 Abs. 7 AbgG. 78 § 6 Abs. 2 Satz 2 AbgG. Bei Mitgliedschaft in zwei oder mehreren dieser Ausschüsse erhält der Abgeordnete 20 Prozent. Bei Erhalt einer Sonder-Pauschale nach Abs. 7 entfällt die nach Abs. 2. 79 Drs. 16/1582, S. 4.
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gericht stellt mit Recht fest, dass Kostenpauschalen sich von Verfassungs wegen am „wirklich entstandenen, sachlich angemessenen und begründeten, besonderen, mit dem Mandat verbundenen Aufwand“ orientieren müssen80 und nicht einfach willkürlich festgesetzt und schon gar nicht über den tatsächlichen Aufwand hinaus erhöht werden dürfen. Der Landtag hätte den Bedarf an pauschaler Kostenerstattung vielmehr von Verfassung wegen exakt begründen und belegen müssen.81 Diese Voraussetzungen für die Verfassungsmäßigkeit fehlen hier offensichtlich. Die Aufstockung der Kostenpauschale um 40 Prozent ist deshalb nicht nur ein politisches Ärgernis, sondern auch verfassungswidrig. 4. Indirekte Parteienfinanzierung oder Schaffung reiner Versorgungsposten? – Das nahezu verdoppelte Budget für Mitarbeiter sowie Werk- und Dienstleistungen a) Die Fast-Verdoppelung – Schiere Willkür: Verfassungswidrig Die für Mitarbeiter sowie Werk- und Dienstleistungen zur Verfügung stehenden Mittel wurden mit Wirkung vom 1. Mai 2017 von monatlich 5.409 Euro auf 10.438 Euro pro Abgeordneten erhöht. Bezieht man die Sozialaufwendungen für die Mitarbeiter mit ein, die ebenfalls vom Landtag getragen werden,82 so ergeben sich sogar rund 12.500 Euro.83 Bei voller Ausschöpfung dieses Budgets ist eine zusätzliche Haushaltsbelastung von jährlich 10,9 Millionen Euro die Folge.84 Insgesamt sind dafür nun rund 22 Millionen Euro im Jahr vorgesehen. Eine Begründung für diese enorme Anhebung wurde im Gesetzentwurf nicht gegeben.85 Dass der Betrag die Hälfte dessen ausmacht, was Bundestagsabgeordnete sich bewilligt haben,86 ist 80 BVerfGE 40, S. 296 (318, 328); 49, S. 1 (2). – Die von der Schmidt-Jortzig-Kommission stammende Bemerkung, ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFHE 223, S. 389) und ein Beschluss einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der ersten Kammer des Zweiten Senats BVerfGK 17, S. 438) hätten „die Pauschale nicht für rechts- bzw. verfassungswidrig erachtet“, ist irreführend, denn sie verschweigt, dass beide Instanzen sich nur über die grundsätzliche Zulässigkeit der Pauschalierung äußern, die aber von niemandem bestritten wird. Dazu von Arnim, Eine Kriegserklärung ans Bundesverfassungsgericht. Zum Bericht der Schmidt-Jortzig-Kommission über Abgeordnetenrecht vom 19. 3. 2013, NVwZ – extra, Nr. 8a vom 12. April 2013, S. 1 (7). 81 von Arnim / Drysch, Drittkommentierung des Art. 48 Grundgesetz (2010) im Bonner Kommentar, Rn. 261 – 272. 82 § 6 Abs. 4 Satz 1 AbgG; Richtlinien für die Übernahme von Aufwendungen der Mitglieder des Landtags für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder mandatsbedingte Werkoder Dienstleistungen vom 9. November 1984 in der Fassung vom 1. März 2016, Ziff. 3. 83 Bundestagsabgeordnete konnten 2016 über monatlich rund 26.000 Euro (einschließlich der Sozialaufwendungen) für Mitarbeiter verfügen. 84 Drs. 16/1582, S. 1. 85 Drucksache 16/1582, S. 4. 86 Drs. 16/1582, S. 4.
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begründungsmäßig eher kontraproduktiv, weil Bundestagsabgeordnete ihrerseits die Beträge unter Ausschluss der öffentlichen Kontrolle und ohne Begründung immer wieder massiv nach oben gedrückt haben, zuletzt 2016 um 17,4 Prozent.87 Im Übrigen ist die Quote auch hier willkürlich gegriffen. Warum die Hälfte? Warum nicht ein Viertel oder ein Fünftel? [Siehe Abschnitt II. 3. a)] Die nachgeschobene Begründung, der Übergang vom Teilzeit- zum Vollzeitparlament habe die Anforderungen erhöht und verlange deshalb eine solche Aufstockung,88 trifft schon deshalb nicht zu, weil Abgeordnete in Schleswig-Holstein gerade mal 1.028 Euro für Mitarbeiter zur Verfügung haben, in Nordrhein-Westfalen sind es 4.330 Euro. Und auch diese Landtage bezeichnen sich als Vollzeitparlamente. Im Übrigen ist es doch genau umgekehrt: In einem Teilzeitparlament können Abgeordnete neben ihrem Mandat noch einen privaten Beruf ausüben und sind dann auf personelle Unterstützung besonders angewiesen. Jetzt dagegen, wo die baden-württembergischen Volksvertreter sich zu Vollzeitabgeordneten erklärt haben, ist das Argument vom erhöhten Personalbedarf nicht einmal mehr schlüssig. In Wahrheit drängt sich der Verdacht auf, dass die Aufstockung der Staatsgelder für Mitarbeiter es den vielen Abgeordneten, die trotz angeblichem Vollzeitmandat noch einen privaten Beruf neben dem Mandat ausüben (siehe Abschnitt III. 2.), erleichtern soll, diesem weiter nachzugehen. Derartige Überlegungen können die Aufstockung aber erst recht nicht rechtfertigen. Ebensowenig kann die durch die Aufstockung der Mitarbeitermittel erleichterte Möglichkeit, jetzt bei der letzten Landtagswahl abgewählten Abgeordneten einen Übergangsjob zu verschaffen, indem man sie – zusätzlich zum vorhandenen Mitarbeiterstamm – als Mitarbeiter beschäftigt,89 ein rechtfertigender Grund für die Verdoppelung des Mitarbeiterfonds sein. Einstellungsvoraussetzungen, die sicherstellen, dass die Mitarbeiter entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden, finden sich in der Richtlinie übrigens nicht.90 Das ermöglicht eine „politische“ Bezahlung aus Steuermitteln, was schon für sich hochproblematisch ist. Aus alledem folgt, dass ein rechtfertigender Grund für die Erhöhung nicht ersichtlich ist, diese also rein willkürlich und damit verfassungswidrig vorgenommen wurde. von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 64 und 161. Siehe etwa Südwestpresse vom 10. 2. 2017, S. 6. 89 Siehe zum Beispiel Pforzheimer Zeitung vom 5. 6. 2016: „Viktoria Schmid leitet künftig Landtagsbüro von Thomas Blenke“. – Viktoria Schmid (CDU) war bis 2016 Landtagsabgeordnete, wurde dann aber nicht wiedergewählt und setzt nun ihre politische Tätigkeit fort als staatsfinanzierte Mitarbeiterin des CDU-Abgeordneten Thomas Blenke. 90 In Nr. 2 der Richtlinie ist lediglich festgelegt, dass das Stundenentgelt nicht 34,48 Euro überschreiten darf. 87
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b) Ohne Kontrolle – Dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet Die staatlichen Mittel dürfen nicht für Parteizwecke verwendet werden.91 Sonst stellen sie eine verdeckte staatliche Parteienfinanzierung dar,92 umgehen die verfassungsrechtliche Obergrenze, die für die unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung gilt,93 verstoßen gegen das Recht außerparlamentarischer Parteien auf Chancengleichheit94 und sind auch deshalb verfassungswidrig. In Wahrheit jedoch dürften die Mitarbeiter zum großen Teil Parteiarbeit machen.95 Abgeordnetenmitarbeiter bilden, wie Politikwissenschaftler festgestellt haben, in der Praxis geradezu das Rückgrat der regionalen und örtlichen Parteiorganisation.96 Der Landtag von Baden-Württemberg macht sich nicht die Mühe, im Abgeordnetengesetz ihren Einsatz für die Partei zu verbieten.97 Dort bezieht sich die Pflicht zur mandatsbedingten Verwendung98 ausdrücklich nur auf „Werk- und Dienstleistungen“. Es muss deshalb der Eindruck entstehen, für Mitarbeiter gelte das nicht. Lediglich in der Richtlinie99 und im Musterarbeitsvertrag100 finden sich Hinweise, dass die Mitarbeiter unterstützende Arbeiten im Rahmen der mandatsbedingten Tätigkeit des Abgeordneten zu leisten haben, und in einem Merkblatt werden Abgeordnete auf die Unzulässigkeit der Verwendung der Mitarbeiter für Parteizwecke hingewiesen,101 wobei allerdings fraglich ist, ob derartige Klauseln ohne gesetzliche Ermächtigung überhaupt zulässig sind. Der undeutlichen rechtlichen Regelung entspricht die mangelnde Kontrolle. Die Landtagsverwaltung bestätigt ausdrücklich, dass keine Kontrolle über die Verwendung der Mitarbeiter stattfindet. Eine solche sei „bereits aus organisatorischen Gründen nicht möglich“.102 Die ordnungsgemäße Verwendung allein in die Verantwortung der Abgeordneten zu legen103 reicht aber nicht. Deshalb hatte die von Richard von Weizsäcker eingesetzte Parteienfinanzierungskommission gefordert, dass Abgeordnete über die Verwendung ihrer Mitarbeiter wenigstens öffentlich
Braun / Jantsch / Klante, Abgeordnetengesetz, 2002, S. 150. BVerfGE 20, S. 56 (105). 93 BVerfGE 85, S. 264 (290 – 292); § 18 Abs. 2 Parteiengesetz. 94 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 88 f. 95 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 155 – 159. 96 So zum Beispiel Peter Lösche, in: ders. (Hrsg.), Zur Lage des deutschen Regierungsund Parteiensystems, 2002, S. 60. 97 Siehe § 6 Abs. 4 AbgG. 98 § 6 Abs. 4 Satz 1 AbgG. 99 Nr. 1 der Richtlinie zu § 6 Abs. 4 AbgG. 100 § 1 des Musterarbeitsvertrages. 101 Nr. 5 des Merkblatts. 102 Mail der Landtagsverwaltung an den Verfasser vom 2. März 2017. 103 Nr. 6 der Richtlinie. 91
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Rechenschaft ablegen müssen.104 Fraktionen sind gesetzlich zu einer solchen Rechenschaft über die Mittelverwendung verpflichtet.105 Bedenkt man, dass die Subventionierung der Abgeordneten für Personal sowie für Dienst- und Werkverträge ein Vielfaches der öffentlichen Fraktionsmittel ausmacht, so erscheint eine solche öffentliche Kontrolle bei der Verwendung ihrer Mittel erst recht geboten, zumal sie praktisch eben durchaus machbar wäre. Doch bisher gibt es keine derartige Kontrolle. Nach Auskunft der Verwaltung dürfen Abgeordnete auch Personen als Mitarbeiter beschäftigen und mit ihnen Dienst- oder Werkverträge abschließen, die auch für die Partei tätig sind. Das erhöht die Gefahr einer indirekten Parteienfinanzierung noch weiter. Da keine wirksame Kontrolle stattfindet, die Abgeordneten also im Falle missbräuchlicher Verwendung keine Sanktionen zu befürchten haben, ist die Versuchung groß, die gewaltigen Ressourcen, die jedem Abgeordneten für Personal und Werkund Dienstleistungen zur Verfügung stehen, direkt oder indirekt auch für die eigene Partei zu verwenden. Schließlich sind die Abgeordneten von ihrer Partei bei der Aufstellung der Kandidaten ebenso abhängig wie vom Erfolg ihrer Partei bei Wahlen.106 Im Ergebnis eröffnet die bestehende Regelung oder besser: (Nicht-)Regelung dem Missbrauch Tür und Tor. Genau das aber hat das Bundesverfassungsgericht am Beispiel der Fraktionsfinanzierung untersagt. Danach ist es dem Parlament verboten, „sei es durch übermäßige Zuwendungen, sei es durch ungenügende Voraussicht und Kontrolle, einem Missbrauch das Tor“ zu öffnen und „so den Weg […] für eine verfassungswidrige Parteienfinanzierung“ zu ebnen.107 Das gilt erst recht für die den Abgeordneten zur Verfügung stehenden gewaltigen öffentlichen Ressourcen. Mangels wirksamer Kontrollen und wegen drohender indirekter Parteienfinanzierung sind diese Regelungen deshalb ebenfalls verfassungswidrig.
III. Ignorieren, missachten, verschleppen: Weitere problematische (Nicht-)Regelungen des Abgeordnetengesetzes 1. Fragwürdige Extragehälter: Funktionszulagen a) Verfassungswidrige Regelungen Äußerst anfechtbar sind auch die sogenannten Funktionszulagen in Baden-Würt temberg geregelt. Das Bundesverfassungsgericht erlaubt Einkommenszulagen nur 104 Bundespräsidialamt (Hrsg.), Empfehlungen der Kommission Unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, S. 110. 105 § 7 Fraktionsgesetz. 106 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 155 f. 107 BVerfGE 80, 188 (214).
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für den Präsidenten des Parlaments, seine Stellvertreter und für Fraktionsvorsitzende.108 So steht es in einer Grundsatzentscheidung von 2000,109 deren allgemeine Geltung das Gericht inzwischen wiederholt bestätigt hat:110 „Ergänzende Entschädigungen für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, für die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen und für die Ausschussvorsitzenden sind“, wie das Gericht feststellt, „mit dem Verfassungsrecht unvereinbar.“111 Die dahinterstehende Logik ist klar: Wenn allen Abgeordneten in gleicher Weise eine Vollalimentation gewährt wird, „unabhängig davon, ob die parlamentarische Arbeit größer oder geringer ist“,112 soll die Entschädigung dazu dienen, auch diejenigen ausreichend zu bezahlen, die wegen der Wahrnehmung besonderer Funktionen voll in Anspruch genommen sind. Da der Landtag von Baden-Württemberg sich als vollalimentiertes Vollzeitparlament versteht, gelten die vom Gericht entwickelten Grundsätze für ihn genauso. Das unterstreicht auch der baden-württembergische Rechnungshof.113 Solange die Abgeordneten sich keine Vollalimentation bewilligten, erschien es zwar zulässig, auch anderen Funktionsträgern Einkommenszulagen zu gewähren.114 Denn das Bundesverfassungsgericht hatte für Parlamente mit bloßer Teilalimentation ausdrücklich einen Vorbehalt gemacht.115 Dementsprechend heben auch die Landesverfassungsgerichte von Hamburg und Bremen auf das Fehlen einer Vollalimentierung ab, wenn sie Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende in beiden Stadtparlamenten zulassen.116 Seitdem der Landtag von Baden-Württemberg aber anerkennt, dass er seine Abgeordneten voll alimentiert, sind solche Zahlungen verfassungswidrig. Gleichwohl gibt das baden-württembergische Abgeordnetengesetz parlamentarischen 108 Zu den von Funktionszulagen ausführlich von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 119 – 132. 109 BVerfGE 102, 224. 110 BVerfGE 118, 227 (329); 119, 302 (309). Siehe auch schon BVerfGE 40, 296 (328). 111 BVerfGE 102, 224 (244). 112 BVerfGE 40, 296 (318). Siehe auch Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 14. 7. 2003, NVwZ-RR 2003, S. 793 (795). 113 Beratende Äußerung des Rechnungshofs 2002, Landtagsdrucksache 13/1061, S. 15 – 17; Beratende Äußerung des Rechnungshofs 2008, Drucksache 14/3551; 14/3931, S. 33 – 38. 114 Rechnungshof, a. a. O. 115 BVerfGE 102, 224 (240). 116 Bremer Staatsgerichtshof, Urteil vom 5. 11. 2004, NVwZ 2005, S. 929, Leitsatz 1: „Im Rahmen der Verfassungsautonomie der Länder hat sich die Bremische Bürgerschaft (Landtag) zulässigerweise als Teilzeitparlament organisiert. Auf dieser Grundlage ist die Praxis, außer den Fraktionsvorsitzenden auch jeweils den beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden eine Funktionszulage zu zahlen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“ Siehe auch Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 23. 6. 1997, NJW 1998, S. 911.
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Geschäftsführern zusätzlich einen Anspruch auf eine „Amtszulage“ in Höhe von 50 Prozent der Entschädigung,117 das sind monatlich 3.808 Euro zusätzlich. Das widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die, wie der Rechnungshof betont, auch den Landtag von Baden-Württemberg bindet,118 wurde aber vom schleswig-holsteinischen Verfassungsgericht mit Urteil vom 30. 9. 2013 in engen Grenzen abgesegnet.119 Auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende von Fraktionsarbeitskreisen erhalten weiterhin erhebliche Zulagen, dies allerdings auf dem Umweg über die staatlich finanzierten Fraktionen. Das ändert aber nichts an der Gültigkeit der verfassungsrechtlichen Maßstäbe.120 Was dem Landtag nicht erlaubt ist, ist auch den Fraktionen nicht gestattet.121 Um dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit zu entgehen, bezeichnet der Landtag die Zulagen als „Aufwandsentschädigung“.122 Insoweit wären sie aber allenfalls hinsichtlich der zusätzlichen Kosten zulässig, die durch die Wahrnehmung der jeweiligen Funktion entstehen. Tatsächlich aber überschreiten sie vielfach dieses Maß. Den genauen Umfang der Zulagen zu ermitteln, ist allerdings nicht ganz einfach. Auf die Anfrage eines Journalisten, welche Funktionsträger welche Zusatzzahlungen erhielten, gaben lediglich die Fraktionen der Grünen, der SPD und der FDP / DVP die Beträge bekannt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende erhalten, nicht aber die Fraktionen der CDU und der AfD.123 Hinsichtlich der CDU bleibt man deshalb auf die vorliegenden Rechenschaftsberichte für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 30. April 2016 angewiesen (in der die AfD-Fraktion noch nicht existierte). Aus den Rechenschaftsberichten ergibt sich, dass die CDU-Fraktion besonders hohe Zulagen gewährt hat, weshalb die folgenden Ausführungen diese Fraktion in den Fokus nehmen. Der Bericht der CDU-Fraktion weist für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden 151.402 Euro aus.124 Die fünf stellvertretenden Vorsitzenden, (die die 117
§ 5 Abs. 2 Satz 2 AbgG. Beratende Äußerung des Rechnungshofs 2002, S. 17. 119 Aktenzeichen LVerfG 13/12. 120 Beratende Äußerung des Rechnungshofs 2002, Landtagsdrucksache 13/1061, S. 17. So auch Begründung des Änderungsgesetzes von 2010, Drs. 14/6654, S. 11: „Bei der Gewährung der Sonderaufwandsentschädigung wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten sein, wonach es sich um eine Leistung zur Abgeltung von entstandenem, sachlich angemessenem, mit der Funktion verbundenem besonderen Aufwand handeln muss. Eine Pauschalierung ist nur in Orientierung am tatsächlichen Aufwand zulässig (BVerfGE 40, 296, 328).“ 121 So auch Martin Morlok, Gesetzliche Regelung des Rechtsstatus und der Finanzierung der Bundestagsfraktionen, NJW 1995, S. 29 (31). 122 § 3 Abs. 3 Satz 2 Fraktionsgesetz. 123 Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung vom 11. 2. 2017. 124 Mitteilung der Präsidentin des Landtags: Veröffentlichung der Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg für 2015/16, S. 5. 118
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CDU-Fraktion auch schon in der vorigen Wahlperiode hatte), bekamen durchschnittlich also je eine Zulage von 2.523 Euro monatlich. Für die Arbeitskreisvorsitzenden der CDU werden 175.878 Euro ausgewiesen. Die neun Arbeitskreisvorsitzenden125 erhalten also Zulagen in Höhe von durchschnittlich je 1.221 Euro. Selbst wenn die von der Fraktion gewährten Aufwandsentschädigungen versteuert werden müssen, weil Abgeordnete über die allgemeine Kostenpauschale hinausgehende Aufwandsentschädigungen nicht als Werbungskosten absetzen können,126 und selbst wenn man den Höchstsatz an Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) von rund 48 Prozent unterstellt, bleiben noch erhebliche Beträge, in deren Höhe funktionsbedingter Zusatzaufwand nicht dargetan ist. Ohnehin ist fraglich, ob den Funktionsträgern überhaupt ein entsprechender zusätzlicher Aufwand entsteht, da sie über Hilfskräfte, oft auch über Auto mit Fahrer etc. verfügen. Fahrt- und Übernachtungskosten können sie ohnehin gesondert abrechnen.127 Da nur echte Aufwandsentschädigungen, die sich am funktionsbedingten tatsächlichen Aufwand orientieren, zulässig sind,128 drängt sich auch der Vergleich mit den Aufwandsentschädigungen nach dem Abgeordnetengesetz auf. Wie oben dargelegt [siehe Abschnitt II. 3. b)], erhalten der Landtagspräsident und die Fraktionsvorsitzenden direkt nach dem Abgeordnetengesetz eine monatliche Aufwandsentschädigung129 in Höhe von 50 Prozent der allgemeinen Kostenpauschale,130 also derzeit 774 Euro. Die stellvertretenden Präsidenten, ein Parlamentarischer Geschäftsführer und die Ausschussvorsitzenden erhalten 25 Prozent der Kostenpauschale, also 387 Euro. Nimmt ein Abgeordneter mehrere Funktionen war, wird nur die höhere Aufwandsentschädigung gewährt. Da stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende keine Einkommenszulagen erhalten dürfen, überrascht es, dass stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU von ihrer Fraktion 2.523 Euro Aufwandsentschädigung erhalten, Fraktionsvorsitzende nach dem Abgeordnetengesetz dagegen nur 774 Euro; dass Arbeitskreisvorsitzende von den Fraktionen 1.221 Euro, Ausschussvorsitzende dagegen nur 387 Euro erhalten. Umgekehrt würde ein Schuh daraus. Das 125 In der laufenden Wahlperiode gibt es 12 Arbeitskreise, 3 davon werden aber von stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden geleitet, und jeder darf auch hier vermutlich nur eine „Aufwandsentschädigung“ bekommen. Es wird im Übrigen unterstellt, dass die Verhältnisse in der vorangehenden Wahlperiode die gleichen waren. 126 § 22 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz. 127 §§ 6a–6c AbgG BW. 128 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, 126 f.; von Arnim / Drysch, Rn. 274. 129 § 6 Abs. 7 AbgG. 130 § 6 Abs. 2 Satz 1 AbgG (1.548 Euro).
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bestätigt den Schluss, dass die Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende weit überhöht sind. Damit gehen die als „Aufwandsentschädigung“ etikettierten Zulagen, die die CDU-Fraktion zahlt, weit über die vom Landtag selbst anerkannten verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus,131 sind tatsächlich also Einkommenszulagen und damit verfassungswidrig. b) Politisch fraglich: Die Versorgung von Funktionsträgern Von der Erhöhung der Entschädigung zum 1. Mai 2011 profitierten bestimmte Funktionsträger besonders. Denn die Erhöhung führte auch zur Aufstockung der Einkommenszulagen, die Präsidenten und Fraktionsvorsitzende in Höhe des Eineinviertelfachen der Entschädigung und Vizepräsidenten in Höhe der halben Entschädigung beziehen.132 Das ist zulässig. Selbst Parlamentarische Geschäftsführer, die – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, abgesegnet aber durch das schleswig-holsteinische Verfassungsgericht – eine fünfzig prozentige Einkommenszulage erhalten,133 profitierten von der damaligen Erhöhung. Ursprünglich sollten die Einkommenszulagen nicht auch noch zu einer höheren Altersversorgung führen. So stand es im Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 6. Mai 2008. Danach erhielten die Funktionsträger den Vorsorgebeitrag nur einmal.134 Doch das Änderungsgesetz vom 29. Juli 2010 machte auch den Vorsorgebeitrag ruhegehaltsberechtigt und gewährte ihn Präsidenten und Fraktionsvorsitzenden zweieinviertelmal und den Vizepräsidenten sowie einem parlamentarischen Geschäftsführer je Fraktion eineinhalbmal.135 Damals kritisierten die Grünen das: Diese „von den drei Fraktionen überraschend vereinbarten Änderungen widersprächen dem Geist der ursprünglichen Parlamentsreform“.136 Deshalb brachten die Grünen den Entwurf einer entsprechenden Gesetzesänderung ein,137 der aber mehrheitlich abgelehnt wurde. Das vom Landtag in der zweiten Februarwoche 2017 beschlossene und nun vorerst wieder aufgehobene Gesetz würde die Privilegierung der genannten Funktionsträger noch verschärfen. Denn auch die wieder eingeführte staatliche Altersversorgung sollte diesen Funktionsträgern die entsprechenden Zuschläge bringen (siehe dazu auch Abschnitt IV. 2.).
131
Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen siehe auch Abschnitt II. 3. c) am Anfang. § 5 Abs. 2 AbgG. 133 § 5 Abs. 2 AbgG. 134 § 11 Abs. 1 AbgG in der damaligen Fassung. 135 § 11 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 AbgG. 136 Beschlussfassung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22. 7. 2010, Drs. 14/6718, S. 2 (Konjunktiv auch im Original). 137 Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drs. 14/6718. 132
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
2. Publikation der Höhe der privaten Einnahmen? – Fehlanzeige! Müssten die Mitglieder des Landtags die Höhe der privaten Einnahmen, die sie neben ihrem Mandat zusätzlich beziehen, veröffentlichen wie ihre Kollegen im Bundestag und in fast allen anderen Landesparlamenten,138 würde offenbar, in welchem Ausmaß sie neben ihrem Mandat noch einem einträglichen Beruf nachgehen. Doch eine solche Publikationspflicht fehlt in Baden-Württemberg bis heute. Das überrascht. Denn der amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte, als er noch Fraktionsvorsitzender der Grünen war, für seine Fraktion eine solche Veröffentlichungspflicht gefordert.139 Auch die SPD-Fraktion hatte vorgeschlagen, die Abgeordneten sollten ihre Nebeneinkünfte nach denselben Regeln offenlegen wie Bundestagsabgeordnete.140 Da beide Parteien sich in demselben Sinne geäußert hatten, ist nicht zu verstehen, warum sie das nicht verwirklicht haben, als sie gemeinsam die Regierung bildeten und im Landtag eine Mehrheit hatten, also in den Jahren 2011 bis 2016. Sollten sie ihre eigenen Forderungen nicht wirklich ernstgemeint haben? Selbst die zur Veröffentlichung im Handbuch des Landtags vorgesehenen wirtschaftlichen Verhältnisse von Abgeordneten141 waren zur Zeit des Diätencoups im Februar 2017, also fast ein Jahr nach der Wahl des derzeitigen Landtags, immer noch nicht publiziert, weil das Handbuch nicht vorlag.142 3. Gewaltenteilung: Quo vadis? – Regierungsmitglieder als Abgeordnete Das altehrwürdige Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung wird zwar regelmäßig öffentlich bemüht.143 Wie wenig Minister und selbst die Regierungschefs das Prinzip aber ernst nehmen, demonstrieren sie, wenn sie Sitz 138 Neben Baden-Württemberg veröffentlicht nur der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern die Höhe der privaten Einkommen nicht. 139 Brief Kretschmanns vom 15. 2. 2005 an den Präsidenten und die anderen Fraktionsvorsitzenden des Landtags. 140 Welt N24 vom 14. 12. 2014 („Stuttgarter Landtag soll Nebeneinkünfte wie in Berlin offenlegen“). 141 Nach § 4a Abs. 2 AbgG. Siehe Regeln über die Offenlegung der beruflichen Verhältnisse der Abgeordneten, Ziff. I. 142 Lediglich Vorauflagen des Handbuchs lagen vor, aus denen die von § 4a AbgG vor geschriebenen Angaben aber nicht hervorgingen, und auf den Internetseiten der Abgeordneten fand sich lediglich der Vermerk „Inhalt folgt“. 143 So soll sich etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann, als er von Journalisten gefragt wurde, ob die Fraktionsvorsitzenden, die den Diätencoup initiiert hatten, zurücktreten müssten, bei seiner Weigerung, dazu etwas zu sagen, auf das Prinzip der Gewaltenteilung berufen haben.
III. Ignorieren, missachten, verschleppen
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und Stimme auch im Landtag einnehmen und dort – zusätzlich zu ihren Regierungsbezügen – Diäten kassieren.144 Die Grünen hatten lange die Trennung von Amt und Mandat propagiert, wie das ja auch die Parlamente von Hamburg und Bremen und von europäischen Nachbarländern wie Frankreich praktizieren. Von diesem Postulat ist heute nichts mehr übriggeblieben. Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst ist es verboten, noch in der Verwaltung tätig zu sein. Da ist es geradezu paradox, dass ihre obersten Chefs, die Minister, bei denen viel massivere Interessenkollisionen drohen, bei sich selbst sämtliche Augen zudrücken. Dabei verbietet die Landesverfassung Regierungsmitgliedern ausdrücklich, ein anderes besoldetes Amt oder einen Beruf auszuüben,145 und Parlamentarier im Landtag sehen ihr Mandat heute als voll bezahlten Beruf an.146 Wie aber soll jemand zwei Vollzeitberufe gleichzeitig ausüben können? – Die Verfassungsvorschrift wird von der Praxis offenkundig ignoriert. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart führte in der Plenardebatte am 22. Februar 2017 als Argument für die durch die Änderungsgesetze gewaltig erhöhten Ressourcen die Kontrolle der Exekutive durch den Landtag ins Feld; dafür müssten die Abgeordneten der Regierung auf Augenhöhe gegenüberstehen.147 Er vergaß dabei aber zu erwähnen, dass die Regierungsfraktionen – und damit auch Reinharts CDU-Fraktion – die von ihr gewählte Regierung in der Regel stützen und gegen Angriffe der Opposition verteidigen. Es ist deshalb vor allem die Opposition im Landtag, die im Verein mit der Öffentlichkeit die Regierung zu kontrollieren sucht. Nimmt man Reinhart beim Wort, müsste man die Ressourcen umverteilen: zugunsten der Abgeordneten der Opposition und zulasten der Abgeordneten der Regierungsfraktionen. Erst recht nicht einzusehen ist vor diesem Hintergrund, warum die Erhöhung der Kostenpauschale und der Mittel für Mitarbeiter auch Regierungsmitgliedern zugutekommt, die sich schlecht selbst kontrollieren können.
144 Regierungsmitglieder mit Abgeordnetenmandat erhalten in Baden-Württemberg neben ihren Amtsbezügen noch die Hälfte der Entschädigung (§ 21 Abs. 1 AbgG), 70 % der allgemeinen Kostenpauschale (§ 6 Abs. 2 Satz 3 AbgG) und die ungekürzten Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und für Werk- und Dienstleistungen (§ 6 Abs. 4 AbgG). 145 § 5 Abs. 1 MinG. 146 Statt vieler Quellen: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, der SPD, der GRÜNEN und der FDP / DVP zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 19. März 2008, Drs. 14/2500, S. 3: „Entwicklung des Mandats zum Beruf mit enorm hoher zeitlicher und Arbeitsbelastung der Abgeordneten.“ 147 Reinhart, Landtag, Protokoll, S. 1198 f. (siehe Anhang, Anlage 5).
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
IV. Cui bono? – Wer von dem Coup profitiert 1. Ein Projekt der Grünen? Von der Einführung der staatlichen Altersversorgung hätten vor allem Abgeordnete der Grünen profitiert: Von den 47 Mitgliedern ihrer Landtagsfraktion war der allergrößte Teil bisher allein auf den Vorsorgebeitrag angewiesen, der ihnen eine deutlich geringere Versorgung bringt als die Staatsversorgung. 37 der 47 grünen Abgeordneten, also fast vier Fünftel, sind erst 2011 oder 2016 in den Landtag gekommen und können deshalb bisher nur die private Altersversorgung in Anspruch nehmen. Sie vor allem hätten den Nutzen von der staatlichen Versorgung. Die Fraktion der Grünen hatte also ein besonders großes Interesse an der dann erst einmal wieder zurückgenommenen Neuregelung. 2. Lottogewinn für grüne Spitzenfunktionäre Die Präsidentin des Landtags und die Fraktionsvorsitzenden sollten in Zukunft eine besonders üppige Versorgung erhalten. Diese wäre zweieinviertelmal so hoch gewesen wie die „einfacher“ Abgeordneter.148 Das fällt besonders bei den Grünen auf, denn diese hatten sich vor gar nicht langer Zeit entschieden gegen eine solche massive Aufstockung der Versorgung dieser Funktionsträger gewandt und dazu einen eigenen Gesetzesantrag eingereicht.149 Nun hätten aber gerade ihre eigenen Spitzenfunktionäre besonders davon profitiert und hätten es sich später mit der üppigen Pension bequem machen können. Mit dem Motto des Parteitags der Grünen im November 2016 „Wir bleiben unbequem!“ war das nicht recht zu vereinbaren. Für die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Die Grünen) und für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Andreas Schwarz, wäre dieses vom Landtag zunächst beschlossene Privileg einem Lottogewinn gleich gekommen. Vorausgesetzt, sie würden die verbleibenden vier Jahre der Legislaturperiode im Amt bleiben, hätte die Altersversorgung, die die Neuregelung ihnen gebracht hätte, einen Wert von rund einer Viertelmillion Euro.150 Mindestens so viel hätten sie als Einmalprämie bei einer Versicherung einzahlen müssen, um eine derartige Pension zu erwerben.
148
§ 5 Abs. 2 Satz 1 AbgG. Landtagsdrucksache 14/6718 vom 27. 7. 2010. 150 Bei dieser Rechnung wurde bereits mit den dann wegfallenden Versorgungsbeiträgen saldiert. 149
V. Überstürzt, heimlich, in eigener Sache
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V. Überstürzt, heimlich, in eigener Sache: Kritik des Gesetzgebungsverfahrens 1. Müssen Abgeordnete über ihre eigenen Gehälter entscheiden? – Ein Vorwand! Die Möglichkeiten von Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid In den Parlamentsdebatten vom 9. und vom 22. Februar 2017 haben Abgeordnete der Fraktionen, die die Gesetzentwürfe eingebracht hatten, sich immer wieder gegen den Ausdruck „parlamentarische Selbstbedienung“ verwahrt. Ihr Argument: Sie könnten gar nicht anders, sie seien von Verfassungs wegen verpflichtet, selbst über ihre Diäten zu entscheiden.151 Das trifft aber gar nicht zu. Nur in der rein parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, auf die sich auch das Diätenurteil von 1975 bezog, gibt es keine Alternative zu Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache. In den Bundesländern aber besteht inzwischen nach dem „Siegeszug der direkten Demokratie“152 neben der parlamentarischen Gesetzgebung auch die Volksgesetzgebung. Schließlich heißt es in der Landesverfassung: „Gesetzesvorlagen werden von der Regierung, von Abgeordneten oder vom Volk durch Volksantrag oder Volksbegehren eingebracht.“ Und: „Die Gesetze werden vom Landtag oder durch Volkabstimmung beschlossen.“153 Die Volksgesetzgebung kann entweder durch Volksbegehren oder Volksantrag, also „von unten“, angestrengt werden – oder „von oben“, indem die Regierung ein vom Landtag beschlossenes Gesetz vor seiner Verkündung zur Volksabstimmung bringen kann, wenn ein Drittel der Mitglieder des Landtags es beantragt. Die angeordnete Volksabstimmung unterbleibt, wenn der Landtag mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz erneut beschließt.154 Da die Mitglieder der Regierung regelmäßig auch Abgeordnete sind und mit den Mehrheitsfraktionen eine politische Einheit bilden (siehe Abschnitt III. 3.), läuft das Verfahren faktisch auf eine Initiative des Parlaments hinaus. Volksentscheide sind zwar unzulässig über Abgabengesetze, Besoldungsgesetze und das Staatshaushaltsgesetz. Doch diese Vorbehalte gelten für Abgeordnetengesetze nicht.155 151
So zum Beispiel die Abgeordnete Nicole Razavi (CDU) in der Beratung am 9. Februar (Protokoll, S. 1227, siehe Anhang, Anlage 3) sowie in der Debatte am 22. Februar die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Andreas Schwarz, der CDU, Wolfgang Reinhart, und der SPD, Andreas Stoch (Protokoll, S. 1397 ff., siehe Anhang, Anlage 5). 152 Siehe zum Beispiel Otmar Jung, Siegeszug direktdemokratischer Institutionen als Ergänzung des repräsentativen Systems? Erfahrungen der 90er Jahre, in: von Arnim (Hrsg.), Demokratie vor neuen Herausforderungen, 1999, S. 103. 153 Art. 59 Abs. 1 und 4 LV. 154 Art. 60 Abs. 2 LV. 155 Dazu die Darlegungen bei von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 332 – 335 mit weiteren Nachweisen.
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Das von unten initiierte Volksgesetzgebungsverfahren beginnt mit einem Antrag. Diesem ist ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Gesetzentwurf beizufügen.156 Der Antrag muss von mindestens 10.000 Bürgern unterzeichnet sein, die bei der Landtagswahl wahlberechtigt sind.157 Die Stimmen kommen durch freie Sammlung und durch Auslegen von Eintragungslisten in den Gemeinden (amtliche Sammlung) zusammen. Ein solcher Gesetzesantrag zur Rückabwicklung der zum 1. Mai in Kraft getretenen Erhöhung der Kostenpauschale und der Mittel für Mitarbeiter könnte lauten: „Das Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. Februar 2017, GBl. S. 77, wird aufgehoben.“ Die erforderliche Begründung ließen sich aus dem vorliegenden Text zusammenstellen (siehe Abschnitte II. 3. und 4.). Daneben ist auch ein Volksantrag möglich – wieder mit demselben, mit Begründung versehenen Antrag. Wenn der Volksantrag von mindestens 0,5 Prozent der Stimmberechtigten unterschrieben ist, muss der Landtag sich damit befassen.158 Für den Volksantrag gelten die genannten Vorbehalte, die sich nur auf Volksbegehren und Volksentscheide beziehen,159 von vornherein nicht. Das Parlament ist zu einer Entscheidung über seine eigenen Diäten also keineswegs genötigt, sondern kann die letzte Entscheidung, vermittelt durch die Regierung, durchaus dem Volk übertragen. In der Schweiz ist das gängige Praxis:160 Wenn die dortigen Parlamente Entscheidungen in eigener Sache treffen, stehen diese stets unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Volkes – auch bei den Parlamenten auf Kantonsebene, die sehr viel umfassendere Kompetenzen besitzen als deutsche Landesparlamente. Man könnte sogar fragen, ob die direkte Entscheidung des Volkes über die Bezahlung seiner Vertreter nicht das allein richtige Verfahren ist. Schließlich verlangt das Bundesverfassungsgericht, ein Verfahren zu wählen, das für die jeweilige Entscheidungsart strukturell am besten gerüstet ist.161 In jedem Fall ist festzuhalten, dass es sich bei der Möglichkeit des Landtags, in eigener Sache zu entscheiden, um alles andere als ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot handelt, sondern um ein höchst fragliches, inzwischen durch die Möglichkeit direkter Demokratie überholtes Privileg des Parlaments, welches die Fraktionen aber gerne in Anspruch nehmen – und leider oft auch missbrauchen. Will man das Volk nicht direkt über die Bezahlung der Abgeordneten entscheiden lassen, so sollte das Parlament Erhöhungen der Abgeordnetenfinanzierung 156
§ 27 Abs. 3 Volksabstimmungsgesetz. Abs. 4. 158 Art. 59 Abs. 2 LV. 159 Art. 59 Abs. 3 Satz 3; Art. 60 Abs. 6 LV. 160 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 322. 161 BVerfGE 68, 1 (86). Dazu auch von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 333. 157
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zumindest nur mit Wirkung für die künftige Legislaturperiode vornehmen. Dann liegen zwischen der Entscheidung des Parlaments und ihrem Inkrafttreten eine Wahl und ein Wahlkampf, so dass die Abgeordneten damit rechnen müssen, dass ihnen eventuelle Missbräuche vom Wähler vorgehalten werden. Auf diese Weise können überraschende Entscheidungsverfahren erschwert und die öffentliche Kontrolle von Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache verbessert werden. Eine solche Regelung hatte auch James Madison, ein geistiger Vater der amerikanischen Verfassung, vorgeschlagen, da „es unziemlich erscheint, wenn irgendeine Gruppe unkontrolliert mit der Hand in die Staatskasse greift, um daraus Geld in die eigene Tasche zu stecken“.162 Auch die Weizsäcker-Kommission empfiehlt ein solches Verfahren.163 Der Landtag von Baden-Württemberg hat aber genau das Gegenteil gemacht, indem er den Diätencoup nach der Wahl von 2016 vornahm, und auch jetzt wieder will er die Entscheidung über die Altersversorgung ins Jahr 2018 verschieben, also auf die Zeit nach den Drei-Länder-Wahlen im Frühjahr und der Bundestagswahl im Herbst 2017. Tatsächlich fürchtet der Landtag das Votum des Landesvolks über seine Diäten offenbar wie der Teufel das Weihwasser. Das zeigt sich nur zu deutlich an der Reaktion des Landtags auf den nach den Beschlüssen vom 9. und 10. Februar angekündigten Volksantrag (siehe Abschnitt I.) und an dem Bestreben, die Entscheidung über die Altersversorgung aus dem Wahljahr 2017 herauszuhalten (siehe unten, Abschnitt V. 4.). 2. Schnellverfahren unter Aufhebung der Fristen und fast ohne Debatte Der Landtag hat beide Gesetze blitzartig über die Bühne gebracht.164 Das machte bereits stutzig und zeugt von schlechtem Gewissen.165 Am 7. Februar 2017, einem Dienstag, nachmittags um 16.30 Uhr, wurde der Plan der Fraktionen der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP verkündet. Die späte Uhrzeit machte Journalisten ein kritisches Überdenken der Pläne unmöglich, wenn sie denn überhaupt noch für den folgenden Tag berichten konnten. Bereits am nächsten Tag, Mittwoch, den 8. Februar, wurden die beiden Gesetzentwürfe zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vorgelegt, und wiederum nur einen Tag später, am Donnerstag, den 162 Leo Wieland, Mit Madison wider die Selbstbedienung der Diätenerhöher, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. 5. 1992. 163 Bundespräsidialamt (Hrsg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, S. 102. 164 Zu derartigen Blitzgesetzes Näheres bei von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 17. Dort sind auch die Grundsätze dargelegt, nach denen solche Gesetze zu beurteilen sind. 165 Josef Kelnberger, Häme gegen Abgeordnete, Süddeutsche Zeitung vom 11./12. 2. 2017, S. 9: „Koalition des schlechten Gewissens“.
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9. Februar, wurden die Entwürfe in das laufende Haushaltsverfahren im Landtag eingeschoben. Dort stand die gesamte Landespolitik zur Debatte, so dass man die Diätenfrage quasi nebenher erledigen konnte.166 Jede Fraktion hatte nur 5 Minuten Redezeit zur Verfügung. Ein Antrag der AfD-Fraktion, die Redezeit auf 10 Minuten pro Fraktion zu erhöhen, wurde abgelehnt.167 Die Diskussion der beiden Gesetzentwürfe dauerte nur eine knappe halbe Stunde. Dies war die einzige öffentliche Erörterung des Vorhabens im Landtag überhaupt. Bereits am nächsten Tag, Freitag, den 10. Februar, wurden die Gesetze in zweiter „Beratung“ endgültig beschlossen. In Wahrheit fand eine Beratung gar nicht mehr statt, denn man hatte in der „Einigkeit der Demokraten“ beschlossen, keine Aussprache mehr vorzunehmen. Am Sonntag, den 12. Februar, stand auch noch die Wahl des Bundespräsidenten an, die ihren Schatten bereits vorauswarf und publizistisch fast alles in ihren Bann zog. Öffentlicher Protest drohte deshalb zusätzlich erschwert und bereits im Keim erstickt zu werden. Gerade wenn das Parlament in eigener Sache entscheidet, muss ein solches verdecktes Verfahren von vornherein Misstrauen wecken und das für die Demokratie so wichtige Vertrauen in Politik und Politiker erschüttern. „Die parlamentarische Demokratie basiert auf Vertrauen des Volkes“, Vertrauen aber verlangt „Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht“, wie das Bundesverfassungsgericht mit Recht feststellt.168 3. Dreifach verfassungswidrig a) Mangelnde Öffentlichkeitskontrolle Um die Gesetze blitzartig durch den Landtag bringen zu können, mussten die Mindestfristen zwischen den verschiedenen Stationen des Gesetzgebungsverfahrens, die die Geschäftsordnung des Landtags normalerweise vorsieht, durch entsprechende Mehrheitsbeschlüsse des Landtags beiseitegeschoben werden. Eigentlich hätte es umgekehrt laufen müssen: Man hätte der Öffentlichkeit Zeit geben müssen, die Regelung genau zu erfassen und die dafür vorgebrachten Begründungen zu überprüfen. Wenn das Parlament „in eigener Sache“ entscheidet, ist, wie das Bundesverfassungsgericht betont, Öffentlichkeit „die einzige wirksa166 Siehe auch Kelnberger, Süddeutsche Zeitung vom 11./12. 2. 2017, S. 9: „Offenbar versuchte man, die Reform in den Haushaltsberatungen zu verstecken.“ 167 Peter Reinhardt, Ein Rückzug in Rekordzeit, Mannheimer Morgen vom 15. 2. 2017: Der Antrag des AfD-Abgeordneten Rainer Podeswa, die Redezeit auf 10 Minuten pro Fraktion zu erhöhen, wurde abgelehnt. 168 BVerfGE 40, 296 (327).
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me Kontrolle“.169 Durch die ungewöhnliche Eile aber sollte diese offenbar bereits im Entstehen verhindert werden. Die formalen Mindestanforderungen an ein derartiges Gesetzgebungsverfahren sollen genau solche Umgehungsstrategien verhindern. Nach der Geschäftsordnung des Landtags soll die Beratung eines Gesetzentwurfs frühestens am dritten Tag nach Verteilung der Drucksache an die Fraktionsgeschäftsstellen beginnen.170 Am 9. Februar erfolgte die erste Lesung der Gesetze aber bereits am ersten Tag danach. Die zweite Beratung soll frühestens am zweiten Tag nach Schluss der ersten Beratung oder, wenn eine Ausschussberatung stattgefunden hat, frühestens am zweiten Tag nach der Verteilung des Ausschussantrags beginnen.171 Am 10. Februar erfolgte die zweite Beratung aber bereits einen Tag nach der ersten Beratung. Der Landtag kann normalerweise zwar beschließen, ausnahmsweise von der erstgenannten Frist abzuweichen, und mit Zweidrittelmehrheit kann er auch die zweite Frist außer Kraft setzen.172 Beides hat er am 9. und 10. Februar getan. Doch bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache sind die formalen Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren besonders ernst zunehmen, wie auch die vom früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eingesetzte Sachverständigenkommission betonte.173 Davon abweichen darf der Landtag nur, wenn die Verfassung dem nicht entgegensteht. Dieser Vorbehalt ist in der Geschäftsordnung des Bundestags ausdrücklich niedergelegt.174 Wegen des Vorrangs der Verfassung gilt der Vorbehalt natürlich auch für den Landtag von Baden-Württemberg. Und bei Entscheidungen des Landtags in eigener Sache steht einer Verkürzung der Fristen das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip entgegen, das, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, seinerseits auf dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip beruht175 und ein Abweichen von den Regelfristen verbietet.176 Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Dass die Blitzgesetzgebung dadurch bedingt gewesen sei, um die Bewilligungen noch in das laufende Haushaltsverfahren einzubringen, wie die Initiatoren behaupteten,177 kann nicht überzeugen. Sollte es wirklich nicht möglich gewesen sein, das Gesetzgebungsverfahren früher zu beginnen, hätte man ohne weiteres durch einen Ergänzungs- oder einen Nach169
BVerfGE 40, 296 (327). § 42 Abs. 2 GO. 171 § 45 Abs. 1 GO. 172 § 105 Abs. 1 GO. 173 Bundespräsidialamt (Hrsg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, S. 100 – 102. 174 § 126 GOBT. 175 BVerfGE 40, 296 (327). 176 von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 174. 177 So die etwa in der Plenardebatte des Landtags vom 22. Februar 2017 wiederholt vorgebrachte Behauptung. Siehe z.B. den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Andreas Schwarz (Protokoll, S. 1398). 170
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
tragshaushalt178 die nötigen Mittel nachträglich bewilligen können. Es bestand also keinerlei Notwendigkeit für das Schnellverfahren. Bei der vorläufigen Rücknahme der staatlichen Altersversorgung bestand unter den für den Coup verantwortlichen Fraktionen Einigkeit, dass das Schnellverfahren ein schwerwiegender Fehler und der Bedeutung des Themas völlig unangemessen war.179 In direktem Widerspruch dazu bezogen sie die Reue aber nur auf das Gesetz, mit dem die staatliche Altersversorgung wieder eingeführt werden sollte, nicht jedoch auch auf das Gesetz, mit dem die Kostenpauschale um 40 Prozent erhöht und die für Abgeordnetenmitarbeiter zur Verfügung stehenden Gelder praktisch verdoppelt wurden, obwohl dieses Gesetz in genau derselben Weise durch das Parlament gepeitscht worden war. Die Fehlerhaftigkeit und grobe Unangemessenheit des Gesetzgebungsverfahrens betrifft ganz offensichtlich beide Gesetze. Konsequenterweise hätten die Fraktionen deshalb auch das Gesetz zur Erhöhung der beiden Pauschalen anhalten und, wie die Altersversorgung, einer gründlichen Überprüfung unterziehen müssen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart meinte in der Plenardebatte am 22. Februar, es gelte die politische Legitimität herzustellen, die Entscheidungen über die Ausstattung der Abgeordneten in der repräsentativen Demokratie bräuchten.180 Umso krasser sticht dann aber die verbleibende Illegitimität des zweiten Gesetzes hervor, ja, sogar seine Verfassungswidrigkeit. Alleine schon das blitzartige Durchpeitschen der Selbstbewilligungen unter Abweichung von den Regelfristen macht das Gesetzgebungsverfahren verfassungswidrig. b) Fehlende Begründung und evidente Unrichtigkeit Hinzu kommt, dass das Verfassungsrecht beim Fehlen konkreter inhaltlicher Maßstäbe gewisse weitere Mindestanforderungen an das Gesetzgebungsverfahren stellt und dem Gesetzgeber auferlegt, seine Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen. Der Gesetzgeber darf den Bedarf nicht „ins Blaue“ hinein schätzen181 und ihn nicht „freihändig“ und „ohne irgendeine empirische und methodische Fundierung“ festlegen.182 Die „erforderlichen Sachverhaltsermittlungen [müssen] vorab erfolgen und dann in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden“.183 „Die Unbe178
§§ 32 f. Landeshaushaltsordnung. Von schwerwiegenden Fehlern sprach in der Plenardebatte vom 22. Februar der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart räumte ein, dass man es versäumt habe, die Beratungen transparent zu führen und die Argumente offenzulegen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch gab ebenfalls zu, man habe sich bei den Beratungen in unangemessener Weise unter zeitlichen Druck gesetzt. 180 Reinhart, Protokoll, S. 1398. 181 BVerfGE 125, 175 (250). 182 BVerfGE 125, 175 (246). 179
V. Überstürzt, heimlich, in eigener Sache
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stimmtheit des materiellen Maßstabs“ findet damit „ein Stück weit einen Ausgleich in formell-verfahrensmäßigen Anforderungen“.184 Mit dieser „Prozeduralisierung“ soll ein Ausgleich für die fehlende Bestimmbarkeit der inhaltlichen Richtigkeit geschaffen werden.185 Fehlt es an der erforderlichen Begründung im Gesetzgebungsverfahren, ist das Gesetz verfassungswidrig. 183
Beim baden-württembergischen Diätencoup trifft das auf jeden der drei Teile des Vorhabens zu: Begründet wird weder die Wiedereinführung der staatlichen Altersversorgung ohne gleichzeitige Absenkung der Entschädigung noch die Anhebung der Kostenpauschalen um 40 Prozent oder die Fast-Verdoppelung der Mittel für Mitarbeiter. Da es keine exakten inhaltlichen Grenzen gibt und der gefühlte Bedarf des Parlaments an Versorgung und Ausstattung bei Entscheidungen in eigener Sache in Richtung unendlich zu tendieren scheint,186 wie der vorliegende Diätencoup exemplarisch zeigt, ist eine verfahrensmäßige Kontrolle erst recht geboten. Sie soll – neben der Einhaltung der Fristen – durch das Begründungsgebot erreicht werden. Das Gesetzgebungsverfahren ist also auch mangels Begründung verfassungswidrig; beide Gesetze sind deshalb auch insgesamt mit der Verfassung nicht vereinbar. Die Erhöhung der Kostenpauschalen um 40 Prozent und die Beinahe-Verdoppelung der Mitarbeiterfonds dürften darüber hinaus – auch unabhängig von der mangelnden Begründung im Gesetzgebungsverfahren – inhaltlich evident zu hoch sein. Evidenz ist nach der angeführten Rechtsprechung ein weiterer Grund für die Verfassungswidrigkeit der Regelung.187 So hatte das Bundesverfassungsgericht die – trotz allgemeiner Preis- und Einkommenssteigerungen – über ein Jahrzehnt lang nicht erhöhten Leistungen für Asylbewerber als evident zu gering angesehen und das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärt.188 Ferner sah das Gericht die A 10-Besoldung von Beamten in Sachsen 2015 als evident unangemessen an, weil sie in den letzten eineinhalb Jahrzehnten deutlich hinter den Preissteigerungen und anderen einschlägigen Indikatoren zurückgeblieben war,189 ohne dass dafür zureichende Rechtfer183 BVerfGE 139, 64 (127). Ebenso BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 (Aktenzeichen: 2 BvL 19/09 u.a.), Rn. 113. 184 BVerfGE 79, 311 (344 f.). 185 BVerfGE 139, 64 (127). 186 So treffend der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) bei der zweiten Beratung des Fraktionsgesetzes des Bundes am 12. November 1993 (Bundestag, 12. Wahlperiode, Protokoll, S. 16420): Ohne wirksame Kontrollen tendiert „der Geldbedarf der Fraktionen und Parteien in Richtung unendlich“. 187 Zum Ganzen von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 104 – 111. Auf S. 172 f. wird auch dargelegt, dass die Rechtsprechung durchaus auch für Fälle der vorliegenden Art gilt. 188 BVerfGE 132, 134 (166 ff., Rn. 80 ff.). 189 BVerfG, Beschluss vom 17. 11. 2015, Rn. 114 – 130.
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
tigungsgründe vorlagen, und erklärte das Gesetz deshalb für verfassungswidrig.190 Dem entsprechen die vorliegenden Fälle, in denen enorme Aufstockungen der steuerfreien Kostenpauschalen und der Mittel für Mitarbeiter ohne tatsächliche Grundlage erfolgten; tatsächlich laufen diese Erhöhungen – unter Verstoß unter anderem gegen das durch die Verfassung gewährleistete Recht außerparlamentarischer Parteien auf Chancengleichheit – zum großen Teil auf verdeckte Parteienfinanzierung hinaus [siehe Abschnitt II. 4. b)]. Gegen das am 1. Mai in Kraft getretene Gesetz hat ein baden-württembergischer Landtagsabgeordneter Klage erhoben.191 Seinen Antrag auf einstweilige Anordnung hat der Verfassungsgerichtshof von Baden Württemberg mit Beschluss vom 3. 5. 2017 zurückgewiesen.192 Die Entscheidung im Hauptverfahren steht noch aus. c) Ausfertigung der Gesetze: unzulässig Nach Artikel 63 Absatz 1 der Landesverfassung hat der Ministerpräsident verfassungsmäßig zustande gekommene Gesetze binnen Monatsfrist auszufertigen und zu verkünden. Zugleich muss mindestens die Hälfte der Minister die Gesetze unterschreiben. Damit übernehmen sie die politische und rechtliche Verantwortung für das Gesetz. Verfassungswidrige Gesetze dürfen dagegen nicht ausgefertigt und verkündet werden.193 Beim Bundespräsidenten, der auf Bundesebene Gesetze auszufertigen und zu verkünden und dabei die Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen hat, hat sich allerdings die – zweifelhafte, weil mit dem Wortlaut der Verfassung nicht übereinstimmende – Praxis herausgebildet, dass er von der Ausfertigung nur absieht, wenn das Gesetz offenkundig verfassungswidrig ist.194 Da das Altersversorgungsgesetz ohnehin wieder aufgehoben wurde, wurde die Frage vor allem bei dem Gesetz relevant, das die Ausstattung aufgebläht hat. Dieses haben Ministerpräsident Kretschmann und sieben seiner Minister und Ministerinnen unterschrieben und am 3. März 2017 im Gesetzblatt verkündet.195 Die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes wurde oben dargelegt [siehe Abschnitte II. 3. und 4. und soeben a) und b)]. Auch die Offenkundigkeit der Verfassungswidrigkeit dürfte hier gegeben sein, und zwar hinsichtlich des Inhalts des Gesetzes wie auch hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens. Der Ministerpräsident und sein Kabinett hätten das Gesetz daher nicht unterschreiben dürfen. 190
Rn. 131 – 139. Organklage des Abgeordneten Stefan Räpple (AfD) vom 21. 4. 2017. 192 Aktenzeichen: 1 GR 27/17. 193 Statt vieler Hans Schneider, Gesetzgebung, 1982, Rn. 465 – 468, 471; Martin Nettes heim, Die Aufgaben des Bundespräsidenten, in: Isensee / K irchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, S. 1073 (1091, Rn. 36). 194 Siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, 208. 195 Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 22. Februar 2017, GBl. S. 77. 191
V. Überstürzt, heimlich, in eigener Sache
49
4. Politische Verantwortung a) Für den Schnellschuss Als das Gesetz über die Altersversorgung am 14. Februar 2011 um 16.30 Uhr gestoppt werden musste – exakt eine Woche nachdem der Plan am 7. Februar um 16.30 Uhr angekündigt worden war –, war das eine riesige Blamage für die drei Fraktionen der Grünen, der CDU und der SPD, die das Gesetz eingebracht und beschlossen hatten. Was dabei in der Öffentlichkeit ein wenig unterging, ist, dass das zweite Gesetz, mit dem die Abgeordneten ihre Ausstattung hochgepuscht haben und für das auch die FDP / DVP-Fraktion mitverantwortlich ist, fast noch problematischer ist. Normalerweise müssen Politiker, die für derartige Fehler die politische und rechtliche Verantwortung tragen, zurücktreten. Doch davon wollten die Fraktionsvorsitzenden nichts wissen. Und da die vier Fraktionen alle in einem Boot sitzen, war niemand da, der die Verantwortung der Fraktionsvorsitzenden (und vielleicht auch der parlamentarischen Geschäftsführer) hätte geltend machen können – außer vielleicht die AfD, der die Medien aber kaum Gehör schenken, und (hinsichtlich der Altersversorgung) auch die FDP / DVP, die allerdings für das andere Gesetz mitverantwortlich ist und deshalb nicht massiv gegen die anderen Fraktionen vorgehen kann. b) Für das Für-dumm-Verkaufen der Bürger durch ungerechtfertigtes Verschieben nach den Wahlen – mit Hilfe einer Kommission Die Verschiebung der endgültigen Entscheidung über die Altersversorgung auf die Zeit nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 machte erneut hellhörig. Die Landtagsmehrheit will es bei der Rücknahme der Altersversorgung nicht bewenden lassen. Vor allem die SPD und die CDU wollen offenbar ihre Auffassung bestätigt bekommen, dass die Einführung der Staatsversorgung inhaltlich ganz in Ordnung gewesen sei. Deshalb wurde eine Kommission berufen. Unabhängiger Sachverstand könnte einen Bericht in kurzer Zeit vorlegen.196 Angesichts der Vorgaben aber ist nach aller Erfahrung zu befürchten, dass viele Kommissionsmitglieder nicht wirklich unabhängig sind und ihnen auch der Sachverstand fehlt.197 Mit ihrer zeitlichen Vorab-Festlegung und der Ausklammerung 196 Die Fraktionsvorsitzenden der CDU und der SPD versuchten zwar, mit der Schmidt-Jortzig-Kommission zu belegen, wie lange eine solche Kommission brauchen würde, verschwiegen dabei aber, dass es dieser nicht nur um die Altersversorgung gegangen war, sondern sie auch viele andere Bereiche des finanziellen Status von Abgeordneten untersucht hat. 197 Für Beispiele eines derartigen „Einbindens“ von Sachverständigen siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 40 f.; 212. Weitere Beispiele bei von Arnim, Am langen Arm der politischen Klasse? Wissenschaftliche Politikberatung, Forschung und Leh-
50
B. Der baden-württembergische Diätencoup
anderer hochproblematischer Diätenbereiche haben die Fraktionsvorsitzenden die Arbeit der Sachverständigen bereits präjudiziert und Zweifel an der Redlichkeit ihres Vorschlags wie auch an den Personen, die sie als Sachverständige berufen haben, begründet. Es wäre schließlich Sache der Sachverständigen, den Zeitplan für ihre Beratungen und den Inhalt ihres Berichts selbst festzulegen. Unabhängige Experten hätten sich schwerlich derart politisch instrumentalisieren lassen. Die Suche nach geeigneten Personen der 10köpfigen Kommission war wohl auch deshalb offenbar nicht einfach. Dass der Präsident des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg, Winfried Krahwinkel und der Präsident des Rechnungshofs, Max Mundig, sich einbinden ließen, überrascht. Der frühere Direktor des Bundestags Wolfgang Zeh und die Würzburger Professorin Stefanie Schmahl waren bereits Mitglieder der fatalen Schmidt-Jortzig-Kommission. Der schließlich gefundene ehemalige Bundesverfassungsrichter Herbert Landau war nur unter ganz ungewöhnlichen Bedingungen bereit, den Vorsitz der Kommission zu übernehmen. Er verlangte ein Honorar von 125.000 Euro, 120.000 Euro für zwei Referenten und eine Bürokraft und 100.000 Euro für einen Bürgerrat als Vertreter der Bevölkerung. Wieso auch noch eine Presse- und Kommunikationsagentur den Prozess begleiten und dafür 35.000 Euro erhalten sollte, war erst recht nicht nachvollziehbar. Doch dieser Wasserkopf drohte die Kommission weiter zu desavouieren. Deshalb musste Landtagspräsidentin Muhterem Aras erneut den Rückzug antreten und Herbert Landau wieder ausladen. Jetzt soll der frühere Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts Michael Hund die Kommission leiten. Er stellt geringere Forderungen, so dass die Kommission das Land nicht 400.000, sondern weniger als 200.000 Euro kosten soll. Die Frage, warum überhaupt eine Kommission speziell für die Altersversorgung erforderlich sein soll, die alle gerade in Baden-Württemberg brennenden Diätenfragen ausklammert, blieb unbeantwortet. Auch hinter dem jetzigen Plan steht augenscheinlich eine der Demokratie abträgliche Angst der Volksvertreter vor dem Volk. Diese Angst hatte die Fraktionen schon zu dem gesetzgeberischen Schnellschuss bewogen und veranlasste sie dann dazu, die Sache auf die lange Bank zu schieben, um sie bloß nicht im Vorfeld der Landtagswahlen und der Bundestagswahl zum Thema werden zu lassen. Danach können sie vielleicht ja doch noch ihren Willen durchsetzen.
VI. Zusammenfassung von Kap. B.: Willkür und Maßlosigkeit – Ein Diätencoup unter Missachtung von Recht und Gesetz 1. Beide Gesetzentwürfe wurden in kürzester Zeit durch den baden-württembergischen Landtag gepeitscht. Hinsichtlich der beabsichtigten Einführung der Alre 2003/1, S. 6 – 8, abgedruckt auch in: Deutscher Hochschulverband (Hrsg.), Glanzlichter der Wissenschaft. Ein Almanach, 2003, S. 5 – 7.
VI. Zusammenfassung von Kap. B.
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tersversorgung, die erst einmal wieder zurückgenommen wurde, räumten alle Fraktionen ein, dass das blitzartige Gesetzgebungsverfahren krass unangemessen war. Das Aufstocken der Kostenpauschalen um 40 Prozent und der Gelder, die für die Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern zur Verfügung stehen, um fast 100 Prozent blieb jedoch von der Selbst-Kritik unberührt und trat am 1. Mai 2017 in Kraft. Dabei wurde dieses Gesetz in genau demselben Blitzverfahren durch den Landtag gepeitscht. Das ignorierten die Fraktionen der Grünen, der SPD, der CDU und der FDP / DVP, die das Gesetz eingebracht und beschlossen hatten. Schon aus diesem Grund dürfte auch dieser Teil des Diätencoups eigentlich keinen Bestand haben. 2. Das Gesetzgebungsverfahren war nicht nur politisch unhaltbar, es war auch verfassungswidrig, und zwar hinsichtlich beider Gesetze. Der Landtag hat die Mindestfristen zwischen den einzelnen Stationen des Gesetzgebungsverfahrens missachtet. Normalerweise ist ihm dies zwar gestattet. Entscheidet der Landtag aber in eigener Sache, ist Öffentlichkeit, wie das Bundesverfassungsgericht mit Recht feststellt, „die einzige wirksame Kontrolle“. Dann verlangt das Verfassungsrecht, dass der Landtag die Fristen einhält. Zusätzlich gebietet die Verfassung, dass der Landtag Erhöhungen der Versorgung und der Aufwandserstattungen nachvollziehbar begründet, wenn es, wie hier, an konkreten inhaltlichen Maßstäben mangelt, und erst recht, wenn der Landtag in eigener Sache entscheidet. Auch daran fehlt es: Keine einzige der neuen Regelungen wird tragfähig begründet. Das Gesetzgebungsverfahren und damit auch das Gesetz selbst sind auch deshalb verfassungswidrig. 3. Hinzu kommt die inhaltliche Verfassungswidrigkeit: Die allgemeine Kostenpauschale, die steuerfrei ist, muss, um nicht zu einem unzulässigen steuerfreien Zusatzeinkommen zu denaturieren, am mandatsbedingten Aufwand orientiert sein. Das aber ist, jedenfalls hinsichtlich der Erhöhung um 40 Prozent, nicht der Fall. Der Landtag konnte nicht dartun, dass der Aufwand zum 1. Mai 2017 etwa sprunghaft gestiegen wäre. Die vom Landtag vorgenommene Festsetzung der Zahlungen auf die Hälfte der vom Bundestag gewährten entspringt der Willkür derer, die die Macht innehaben, stellt aber keine an sachlicher Richtigkeit ausgerichtete Begründung dar. Man hätte statt der Hälfte genauso ein Viertel oder ein Fünftel nehmen können. Die Erhöhungen sind aus der Luft gegriffen in der Hoffnung, dass man damit durchkommt. Die 40-prozentige Erhöhung der ebenfalls steuerfreien zusätzlichen Kostenpauschalen, die zahlreiche Funktionsträger erhalten, wird in der Gesetzesbegründung nicht einmal erwähnt, geschweige denn begründet. Solche Sonder-Kostenpauschalen erhalten Präsidenten, stellvertretende Präsidenten, Fraktionsvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer, Ausschussvorsitzende und Mitglieder des Petitionsausschusses. Mangels Orientierung am mandats- beziehungsweise funktionsbedingten Aufwand sind die Erhöhung der allgemeinen Kostenpauschale auf 2.160 Euro und die daran angekoppelte Erhöhung der Sonder-Kostenpauschalen verfassungswidrig.
52
B. Der baden-württembergische Diätencoup
4. Viele stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende erhalten Einkommenszulagen auf dem Umweg über die staatsfinanzierten Fraktionen. Das Fraktionsgesetz bezeichnet diese Zahlungen als „Aufwandsentschädigungen“, um ihren Einkommenscharakter zu kaschieren. Dieser wird aber bereits dadurch offenbar, dass die angebliche Aufwandsentschädigung von stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, die die höchsten Zahlungen gewährt und deshalb hier im Fokus steht, sehr viel höher ist als die der Fraktionsvorsitzenden nach dem Abgeordnetengesetz, wie auch die Aufwandsentschädigung von Arbeitskreisvorsitzenden der CDU sehr viel höher ist als die der Ausschussvorsitzenden. Das zeigt, dass die Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende jedenfalls dieser Partei überzogen und verfassungswidrig sind; sie widersprechen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den Richtlinien des Rechnungshofs. 5. Da es schwer ist, die Übersicht zu behalten, seien zumindest für einige Funktionsträger die verschiedenen Teile ihrer selbstbewilligten Bezüge zusammengestellt: • Die Präsidentin und die Fraktionsvorsitzenden erhalten – neben ihrem steuerpflichtigen Gehalt von monatlich 17.136 Euro (Entschädigung von 7.616 Euro mal 2,25) – durch die am 1. Mai 2017 in Kraft getretene unbegründete Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschalen um 918 Euro (Erhöhung der Kostenpauschale mal 1,5) quasi ein zusätzliches heimliches Bruttoeinkommen von rund 1.500 Euro monatlich. Soviel müssten Präsidentin und Fraktionsvorsitzende an zusätzlichem steuerpflichtigen Einkommen erhalten, um netto 918 Euro zur Verfügung zu haben. • Stellvertretende Fraktionsvorsitzende erhalten – neben ihrem steuerpflichtigen Gehalt von monatlich 11.424 Euro (Entschädigung mal 1,5) – durch die unbegründete Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschale 612 Euro zusätzlich, was, brutto gerechnet, ein heimliches Einkommen von rund 1.000 Euro darstellen dürfte. Zudem erhalten stellvertretende Fraktionsvorsitzende etwa der CDU-Fraktion, legt man die veröffentlichten Unterlagen für das vorige Jahr zugrunde, ein als „Aufwandsentschädigung“ etikettiertes weiteres zusätzliches Salär von durchschnittlich 2.523 Euro im Monat. • Ausschussvorsitzende erhalten – neben ihrer Entschädigung von 7.616 Euro – durch die unbegründete Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschalen 765 Euro zusätzlich (Erhöhung der Kostenpauschale mal 1,25), was einem heimlichen Bruttoeinkommen von 1.250 Euro gleichkommen dürfte. • Fraktionsarbeitskreisvorsitzende erhalten – neben ihrer Entschädigung von 7.616 Euro – durch unbegründete Erhöhung der steuerfreien Kostenpauschale 612 Euro zusätzlich. Das dürfte, brutto gerechnet, einem Zusatzeinkommen von rund 1.000 Euro im Monat gleichkommen. Darüber hinaus erhalten jedenfalls Arbeitskreisvorsitzende der CDU-Fraktion nach den bisher veröffentlichten Unterlagen ein weiteres als „Aufwandsentschädigung“ bezeichnetes Salär von durchschnittlich 1.221 Euro im Monat.
VI. Zusammenfassung von Kap. B.
53
6. Die Mittel für Mitarbeiter und Werk- und Dienstverträge werden fast verdoppelt, so dass jedem Abgeordneten dafür in Zukunft monatlich rund 12.500 Euro (einschließlich der Sozialleistungen für Mitarbeiter) zur Verfügung stehen, was den Landeshaushalt bei voller Inanspruchnahme der Mittel durch die Abgeordneten mit 10,9 Millionen Euro jährlich zusätzlich belastet. Insgesamt gibt der Landtag dann jährlich rund 22 Millionen allein dafür aus. Dies geschieht ohne Kontrolle, ob die Mitarbeiter wirklich zweckentsprechend verwendet werden und nicht etwa Parteiarbeit leisten. Die völlige Kontrolllosigkeit ist für sich schon verfassungswidrig. Zudem wird die Notwendigkeit, die Mittel um fast 100 Prozent zu erhöhen, nicht dargelegt. Die Anhebung ist auch aus diesem Grund verfassungswidrig. Die hälftige Anlehnung an die Bundesregelung ist ebenso aus der Luft gegriffen wie bei der Kostenpauschale. Die versuchte Begründung, der Übergang zum Vollzeitparlament verlange mehr Personal für die Abgeordneten, würde selbst dann nicht einleuchten, wenn der behauptete Übergang zuträfe. Tatsächlich aber ist der Landtag ein Teilzeitparlament geblieben, woran auch die offizielle Erklärung zum Vollzeitparlament nichts ändern kann. Das würde vermutlich deutlich, wenn die Abgeordneten die Höhe ihrer nebenberuflichen Einnahmen veröffentlichen müssten. Dann würde sich auch zeigen, dass diese nicht selten die Haupteinnahme darstellen. Die Aufblähung der Kostenpauschale und der Mitarbeiter erleichtert es vielen Abgeordneten allerdings, ihren Beruf neben dem Mandat fortzuführen, was aber natürlich nicht der Sinn der Regelung sein kann. 7. a) Die zunächst beschlossene Einführung der staatlichen Altersversorgung ohne gleichzeitige Absenkung der Entschädigung stellt einen Wortbruch gegenüber der Öffentlichkeit dar und ist zugleich inkonsequente Rosinenpickerei. Denn die frühere Erhöhung der Entschädigung um 31,5 Prozent war auch mit der Abschaffung der staatlichen Versorgung begründet worden. Eine entsprechende Senkung der Entschädigung als Ausgleich für die Wiedereinführung der staatlichen Altersversorgung erfolgte aber nicht. b) Die Anlehnung der geplanten Altersversorgungsregelung an den Bundestag ist keine tragfähige Begründung. Bundestag und baden-württembergischer Landtag haben einen völlig unterschiedlichen Status. Der Landtag ist – im Gegensatz zum Bundestag – Teilzeitparlament, woran auch die selbstbewilligte Vollalimentation nichts ändert. c) Von der Einführung der Altersversorgung würden grüne Abgeordnete besonders profitieren und ihre Funktionäre erst recht. Diese erhielten auch noch stark erhöhte Altersversorgungsansprüche, obwohl sie vor nicht allzu langer Zeit darauf bestanden hatten, die Altersversorgung für Funktionäre nicht zu erhöhen. Davon sollten sie jetzt, wo sie die Regierungsmacht erlangt haben, nicht abrücken. d) Die nun vorgesehene Verschiebung der Frage der Altersversorgung ins Jahr 2018, also auf die Zeit nach der Bundestagswahl, mit Hilfe einer Kommission und das Ausklammern der aufgeblähten Pauschalen für Mitarbeiter und andere Kosten sowie sonstiger problematischer Regelungen vom Kommissionsauftrag stellen von
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B. Der baden-württembergische Diätencoup
vornherein die Unabhängigkeit der Sachverständigen infrage. Denn es wäre ihre Sache gewesen, ihren Bericht inhaltlich und zeitlich zu gestalten. Wer sich in einen solchen von politischem Opportunismus getragenen Auftrag einspannen lässt, muss mit dem Verdacht mangelnder Unabhängigkeit leben. e) Die Fraktionen sollten den Plan, die staatliche Altersversorgung wieder einzuführen, endgültig aufgeben, wie die FDP / DVP es fordert und wie es auch Winfried Kretschmann, als er noch Fraktionsvorsitzender der Grünen war, gefordert hatte. Kretschmann sagte: „Bisher haben wir das Salär eines Oberstudienrats, aber sehr, sehr hohe Pensionen. Das ist, glaube ich, falsch. Wenn wir das jetzt umdrehen und unser Salär erhöhen und dafür die Pensionen drastisch zurückführen, dann ist das, glaube ich, der ganz richtige Ansatz. […] Wir stärken nämlich das aktive Parlamentarierdasein, setzen aber für Leute, die gar nicht gestalten wollen, keine Anreize, im Parlament zu bleiben.“ Davon sollten Kretschmann und die Abgeordneten seiner Fraktion nicht abweichen, erst recht nicht jetzt, wo sie die Regierung stellen und durchsetzen können, was sie für richtig halten. 8. In anderen Ländern und im Bund müssen die Abgeordneten die Höhe der Einnahmen, die sie neben ihrem Mandat beziehen, zumindest der Größenordnung nach veröffentlichen. Das erlaubt Rückschlüsse auf mögliche Interessenkollisionen und darauf, ob sie ihr Mandat mit dem erforderlichen Einsatz ausüben. In Baden-Württemberg aber fehlt eine solche Veröffentlichungspflicht. Dieses Defizit ist – auch angesichts möglicherweise vieler Bezieher hoher Einkommen gerade im Landtag von Baden-Württemberg – nicht zu rechtfertigen. Abgeordnete genießen das einzigartige Privileg, dass sie neben dem Mandat rechtlich unbeschränkt noch einen privaten Beruf ausüben und daraus ohne jede Anrechnung Einkommen beziehen dürfen. Dieses Privileg, das kein anderer staatlich voll bezahlter Amtsträger genießt, verlangt, um Missbräuchen vorzubeugen, als Kehrseite die Veröffentlichung ihrer sonstigen Einnahmen. 9. Die parlamentarische Gesetzgebung ist nicht die einzige Form der Gesetzgebung in Baden-Württemberg. Daneben stellt die Landesverfassung auch das Volksgesetzgebungsverfahren zur Verfügung. Die Abgeordneten sind deshalb keineswegs gezwungen, selber abschließend über ihren finanziellen Status zu entscheiden, wie sie in den Landtagsdebatten nicht müde wurden zu behaupten und darüber Krokodilstränen vergossen. Die Landesverfassung gibt den Bürgern zudem die Möglichkeit, mittels des sogenannten Volksantrags verstärkt auf die Entscheidungen des Landtags Einfluss zu nehmen und so eine intensivere Kontrolle auszuüben – gerade wenn der Landtag in eigener Sache entscheidet und deshalb der Kontrolle besonders bedarf. In jedem Fall sollten Erhöhungen der Bezahlung von Abgeordneten nur mit Wirkung ab der folgenden Wahlperiode beschlossen werden, um sie im Wahlkampf einer gewissen Kontrolle auszusetzen. Das hatte auch die Weizsäcker Kommission vorgeschlagen. Der Landtag tut, jedenfalls bisher, aber genau das Gegenteil, um einer Kontrolle durch die Bürger möglichst auszuweichen.
C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup I. Die Erhöhung der Entschädigung um 1.000 Euro: beruht auf einer groben Fälschung 1. Die Neuregelung Kurz nach dem baden-württembergischen Diätencoup passierte in Rheinland-Pfalz ganz Ähnliches. Betrachtet man beide Vorgänge zusammen, ergibt sich ein Muster für derartige Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache. Am 23. und 24. März 2017 beschlossen die Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und der Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz – mitten in den Beratungen des Landeshaushalts und unter Außerachtlassung aller guten Regeln der Gesetzgebung198 – ein neues Diätengesetz. Dieses Gesetz, dem nur die AfD widersprach, erhöht die sogenannte Entschädigung von Abgeordneten (die „Diäten“) in vier Schritten um 1.017 Euro im Monat: von 5.812 auf 6.829 Euro,199 ein Plus von 17,5 Prozent. Der erste Erhöhungsschritt auf 5.939 Euro wurde rückwirkend zum 1. Januar 2017 gemacht; der vierte Schritt auf 6.829 Euro wird zum 1. Januar 2020 erfolgen,200 also gerade noch rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der so genannten Schuldenbremse im Jahre 2020. Da die letzten beiden Beträge dynamisiert sind und sich – entsprechend dem Anstieg der allgemeinen Einkommen im jeweiligen Vorvorjahr201 – automatisch noch weiter erhöhen, wird die Entschädigung 2019 und 2020 noch mal erheblich über die genannten 6.829 Euro hinaus steigen.202 Parlamentspräsident Hendrik Hering und die Vorsitzenden der fünf Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags profitieren sogar doppelt: Ihre Entschädigung erhöht sich von 11.624 auf 13.658 Euro. Den stellvertretenden Präsidenten, die 198
Siehe unten Abschnitt V. 2. und VI. Abs. 1 Satz 2 des zehnten Landesgesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes Rheinland-Pfalz und des Fraktionsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 4. 4. 2017, GVBl. S. 78. – Das von Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterschriebene Gesetz, das in einem ersten Erhöhungsschritt die Entschädigung, die Altersversorgung sowie die Zahlungen für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen rückwirkend zum 1. 1. 2017 erhöht, wurde am 13. 4. 2017 (Gründonnerstag) im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Rheinland-Pfalz veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt. 200 § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 AbgG neu. 201 § 5 Abs. 4 neu. 202 Die voraussichtliche Entwicklung ist in der Tabelle und im Schaubild (Anlagen 7 und 8 im Anhang) wiedergegeben. 199 § 5
56
C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup
eineinhalb Entschädigungen beziehen, bringt die Erhöhung 1.526 Euro monatlich mehr. 2. Die (Schein-)Begründung für die Erhöhung: Das Grundgehalt als Maßstab Begründet wurde diese gewaltige Aufstockung der Entschädigung mit einer Zahlenreihe, die von 1995 bis 2016 reicht. Sie soll belegen, dass die Entschädigung früher höher gewesen sei als die Höchstbesoldung von Bürgermeistern der Besoldungsgruppe A 16, inzwischen aber weit dahinter zurückgefallen sei. Damit versuchten die vier Fraktionen ein Doppeltes zu begründen: Einmal sei es gerechtfertigt, dass die Abgeordnetenentschädigung sich am A16-Gehalt zu orientieren habe;203 denn sie habe bereits früher dieses Niveau gehabt, ja sie habe sogar darüber gelegen. Zweitens sei inzwischen ein Nachholbedarf entstanden, weil die Entschädigung weit hinter der A16-Besoldung zurückgeblieben sei.204 Die durch das angebliche Zurückbleiben entstandene Lücke werde durch das neue Diätengesetz geschlossen. a) Im Gesetzentwurf Im einzelnen heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs: „Aufgrund der vielfach nur unterdurchschnittlich und teilweise gar nicht erfolgten Anhebungen ist die Abgeordnetenentschädigung in den letzten 20 Jahren immer weiter hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung und auch hinter der Entwicklung der Beamtenbesoldung zurückgeblieben. Lag die Abgeordnetenentschädigung in den Jahren 1995 und 1996 noch umgerechnet rund 240 Euro über dem Endgrundgehalt eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 16, liegt die Entschädigung heute knapp 800 Euro darunter, wie die folgende Tabelle zeigt:“205
203 § 5 Abs. 1 Satz 1 AbgG neu: „Die monatliche Entschädigung eines Mitglieds des Landtags orientiert sich am Endgrundgehalt eines Beamten des Landes der Besoldungsgruppe A 16.“ 204 Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, Landtagsdrucksache 17/2524 (als Landtagsdrucksache vorgelegt am 23. 3. 2017; ein Vorabdruck war am 16.3. verteilt worden), S. 8. Der im Text genannte Passus einschließlich der Tabelle war auch in einem Handout enthalten, mit dem die vier Fraktionen die Anhebung der Entschädigung begründeten („Warum wurden die Diäten angehoben?“) – Der 12 engbeschriebene DIN-A4-Seiten umfassende Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, ist im Anhang (Anlage 6) wiedergegeben. 205 Drs. 17/2524, S. 8. Auch die im Text aufgeführte Tabelle, die die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung und des Endgrundgehalts A 16 einander gegenüber stellt, ist aus der Begründung des Gesetzentwurfs wörtlich übernommen.
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I. Die Erhöhung der Entschädigung um 1.000 Euro
Jahr
Abgeordnetenentschädigung nach § 5 Abs. 1 AbgG Euro
A 16 (Endstufe) Euro
Differenz
1995
4.488
4.244
+244
1996
4.488
4.244
+244
1997
4.578
4.766
–188
1998
4.619
4.900
–281
1999
4.688
5.042
–354
2000
4.778
5.042
–264
2001
4.868
5.133
–265
2002
4.980
5.246
–266
2003
4.980
5.372
–392
2004
4.980
5.426
–446
2005
5.070
5.480
–410
2006
5.146
5.480
–334
2007
5.172
5.480
–308
2008
5.198
5.535
–337
2009
5.395
5.980
–585
2010
5.459
6.052
–593
2011
5.459
6.142
–683
2012
5.514
6.204
–690
2013
5.569
6.266
–697
2014
5.625
6.329
–704
2015
5.681
6.461
–780
2016
5.812
6.610
–798
Der Gesetzentwurf setzt also, quasi nebenbei, die „Beamtenbesoldung“ mit dem „Endgrundgehalt eines Landesbeamten“ gleich und konstruiert so eine Schein-Begründung für die Aufstockung der Abgeordnetenentschädigung. Indem er eine Ta-belle vorlegt, die die Entwicklung der Entschädigung mit der des Endgrundgehalts in den Jahren 1995 bis 2016 vergleicht, spiegelt er vor, dass „die Abgeordnetenentschädigung in den letzten 20 Jahren immer weiter hinter der […], Entwicklung der Beamtenbesoldung zurückgeblieben“ sei, und zwar, wie die Tabelle ergibt, um über 1.000 Euro. Das müsse durch die Diätenerhöhung aufgeholt werden.
58
C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup
b) In der Landtagsdebatte Genauso argumentierten auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion Martin Haller206 und der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Marco Weber im Plenum des Landtags.207 Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Martin Brandl fasste die Äußerungen seiner Kollegen im Landtagsplenum wie folgt zusammen: „Wenn wir uns aber nun tatsächlich mit den Besoldungen der Beamten auseinandersetzen, muss man sehen, dass wir Abgeordnete im Vergleich zu diesen niedrigen Besoldungserhöhungen der Beamten nochmals niedrigeren Erhöhungen für uns selbst zugestimmt haben. Das heißt, wir sind sogar im Vergleich zu den Beamten – Kollege Haller hat es gesagt –, im Vergleich zum A-16er-Amt um 800 Euro zurückgefallen. Im Vergleich über 20 Jahre sind es sogar 1.000 Euro, die wir im Vergleich zum A-16er-Amt durch zurückhaltende Steigerungen weniger bekommen haben. Deshalb ist es aus unserer Sicht gerechtfertigt, uns auf mindestens das Niveau der Beamtensteigerungen zu heben, das in den letzten 20 Jahren erreicht worden ist. Das muss man in dieser Diskussion schlicht und ergreifend einmal klarstellen.“208
Damit bestätigen die drei Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, der FDP und der CDU, die – zusammen mit der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen – ja auch den Gesetzentwurf unterzeichnet haben, einmal mehr, dass das behauptete Zurückbleiben der Entschädigung hinter der Beamtenbesoldung die tragende Rechtfertigung für die Erhöhung der Entschädigung sein sollte. Der Bezug gerade auf die Beamtenbesoldung sollte nicht nur die beschlossene Anhebung der Diäten plausibel machen, sondern offenbar auch die Beamten „ruhig stellen“, sie also davon abhalten, selbst Erhöhungsforderungen zu stellen.209 Zwei weitere große Probleme der Gesetzesänderung, die Erhöhung der bisher schon überzogenen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (siehe im Folgenden unter III.) und die mehrfachen schweren verfassungsrechtlichen Bedenken wurden 206 Martin Haller (SPD), Protokoll der 27. Sitzung des 17. Landtags vom 23. März 2017, S. 1433 (1434): „In den letzten 20 Jahren hat eine massive Entkoppelung gegenüber der A 16-Endstufe […] stattgefunden. […] Bewegte sich die Abgeordnetenentschädigung im Jahre 1996 umgerechnet noch 244 Euro und damit fast 6 % über der Endstufe A 16, waren es im Jahr 2016 fast 800 Euro weniger als Endstufe A 16, beziehungsweise, in Prozent ausgedrückt, 12 % unterhalb von A 16.“ 207 Marco Weber (FDP), Protokoll, S. 1437: „Die Kollegen haben eben schon erwähnt, dass, wenn man einmal schaut, vom Jahre 1996 an noch mehr als 250 Euro über der damaligen Endstufe der Besoldungsgruppe A 16, die Diäten aktuell gut 800 Euro unterhalb der Stufe A 16 liegen. Wie gesagt, es ist für die Diskussion, glaube ich, sehr wichtig, diesen zwanzigjährigen Vergleich noch einmal zu erwähnen.“ 208 Martin Brandl (CDU), Protokoll, S. 1436 (1437). 209 Die im Gesetzentwurf auch kurz erwähnte allgemeinen Einkommensentwicklung sollte offenbar dazu überleiten, dass die Entschädigung ab dem Jahr 2019 an diese angekoppelt wird (§ 5 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 4 AbgG neu). Siehe auch unten Abschnitt V. 4.
I. Die Erhöhung der Entschädigung um 1.000 Euro
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überhaupt nicht debattiert, weder in der ersten Lesung des Gesetzes am 23. März noch in der Begründung des Gesetzentwurfs. In der zweiten Lesung fand mangels Wortmeldung keine Debatte mehr statt. 3. Nullrunden als Ursache für das angebliche Zurückbleiben der Entschädigung? Argwöhnisch macht bereits die Behauptung im Gesetzentwurf, die Erhöhung sei „nicht zuletzt die Folge wiederholter ,Nullrunden‘ im Bereich der Abgeordneten entschädigung“.210 Denn ausweislich der obigen Zahlenreihen des Gesetzentwurfs fanden bei der Entschädigung und bei der Beamtenbesoldung je vier Nullrunden statt: bei den Abgeordneten 1996, 2003, 2007 und 2011; bei den Beamten 1996, 2000, 2006 und 2007. Nullrunden können also nicht der Grund sein für das behauptete enorme Zurückbleiben der Entschädigung hinter der Beamtenbesoldung. 4. In Wahrheit: kein Nachholbedarf für die Abgeordnetenentschädigung Der Grund für das angebliche Zurückfallen der Entschädigung ist ein ganz anderer, und der war in den wenigen Tagen vor der Verabschiedung des Gesetzes nicht zu durchschauen. Vergleicht man nämlich nicht die Endstufe des monatlichen Grundgehalts von A 16-Bürgermeistern mit der Entschädigung von Abgeordneten, wie dies im Gesetzentwurf und in der ersten Lesung geschah, sondern bezieht richtigerweise von Anfang an den Ortszuschlag und die (auf zwölf Monate umgelegte) Jahressonderzahlung (13. Gehalt plus Urlaubsgeld) mit ein, die Beamte damals zusätzlich erhielten, Abgeordnete aber nicht, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. Dann wird offenbar, dass die Bezüge der betreffenden Beamten schon 1995 nicht 4.244 Euro betrugen, wie die Tabelle ausweist, sondern 5.165 Euro,211 also nicht um 244 Euro unter der Entschädigung lagen, wie die vier Fraktionen in der Tabelle und in der Plenardebatte behaupten, sondern um 677 Euro darüber. Dann fallen auch die hohen Steigerungsraten der Beamtenbesoldung, die die Tabelle für 1997 und 2009 signalisiert, in sich zusammen und erweisen sich als raffinierte Fakes. Die Steigerung des Beamtengrundgehalts von 1996 auf 1997 um 522 Euro monatlich beruht im Wesentlichen nämlich auf dem gesetzlich vorgenommenen (rein rechnerischen) Einbau des Ortzuschlags ins Grundgehalt, und dieser Faktor steigert die effektiven Gesamtbezüge um keinen Cent. Auch die starke Steigerung des Beamtengrundgehalts von 2008 auf 2009 um monatlich 445 Euro 210
Drs. 17/2524, S. 2. Darin enthalten ist auch die allgemeine Stellenzulage. Insgesamt schlüsseln sich die Bezüge folgendermaßen auf (wobei kleinere Abweichungen durch Rundungen unberücksichtigt bleiben): 4.244 Euro (Grundgehalt) + 484 Euro (Ortszuschlag) + 37 Euro (allgemeine Stellenzulage) + 377 Euro (ein Zwölftel der Jahressonderzahlung) + 21 Euro (ein Zwölftel des Urlaubsgeldes) = 5.165 Euro. 211
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beruht zum guten Teil auf dem Einbau der Jahressonderzahlung ins Grundgehalt, berührt die Jahresbezüge also ebenfalls weit weniger als es den Anschein hat. Zieht man dagegen korrekterweise die Entwicklung der Jahresbezüge des Beamten (geteilt durch 12) heran, so zeigt sich, dass die Abgeordnetenentschädigung und die Beamtenbesoldung weitgehend parallel verlaufen sind und das behauptete Zurückbleiben der Entschädigung hinter der Besoldung um rund 1.000 Euro eine grobe Täuschung darstellt.212 Wie die Tabelle im Anhang (Anlage 7) zeigt, sind die Gesamtbezüge des A 16-Beamten von 1995 bis 2016 gerade mal um 28 Prozent gestiegen, haben sich also ganz ähnlich entwickelt wie die Abgeordnetenentschädigung, die im selben Zeitraum um 29,5 Prozent anstieg. Die Beschränkung des Blicks der vier Fraktionen auf das Grundgehalt spiegelt also ein doppelt so schnelles Wachstum der Beamtenbesoldung vor wie es tatsächlich vorlag – und damit einen Grund für die Erhöhung der Entschädigung, der in Wahrheit gar nicht besteht. Den großen Unterschied illustriert das Schaubild (siehe Anhang, Anlage 8) auch optisch. Es beruht auf den in der Tabelle in Anlage 7 wiedergegebenen Werten. Die rote Linie zeigt das fälschlich angegebene bloße monatliche Grundgehalt, die grüne Linie markiert die durch zwölf geteilten Gesamtbezüge und die blaue Linie die Abgeordnetenentschädigung. Bis 2016 verlaufen die Entschädigung und die A 16-Besoldung weitgehend parallel, so dass der Abstand zwischen beiden in etwa erhalten bleibt; das macht deutlich, dass in Wahrheit gar kein Grund für die Diätenerhöhung besteht. Ab 2016 aber steigt die blaue Linie wegen der dennoch erfolgten Diätenerhöhung stark an und nähert sich so der grünen Linie an.213 Der Verdacht einer gezielten Täuschung wird auch durch folgende Feststellung verstärkt: Hätte man den betrachteten Vergleichszeitraum nur um zwei Jahre vorgezogen, wäre das Ergebnis bereits ein anderes. Im Jahre 1993 hatte die monatliche Abgeordnetenentschädigung das A 16-Grundgehalt nämlich noch nicht übertroffen, sondern war geringer als diese. Der Grund: 1993 war die bis dahin den Abgeordneten gewährte 13. Entschädigung noch nicht auf die zwölf Monats212 Zwar hat sich der Abstand zwischen der Entschädigung und der A 16-Besoldung in absoluten Größen etwas erhöht. Eine Erklärung dafür liegt aber darin, dass derselbe Prozentsatz, bezogen auf eine höhere Ausgangsbasis, einen höheren absoluten Betrag ergibt. Da die in der Tabelle ausgewiesene Besoldung ab 1997 über der Entschädigung lag, mussten selbst gleiche prozentuale Erhöhungen zu höheren absoluten Steigerungsbeträgen für die Besoldung führen und den in absoluten Beträgen gemessenen Abstand zwischen Entschädigung und Besoldung weiter erhöhen. 213 Im Schaubild wurden für die Jahre 2017 und 2018 die bereits zugesagten Erhöhungsraten der Beamtenbesoldung von 2 bzw. 2,35 Prozent zugrunde gelegt, für 2019 und 2020 wurden jeweils die 2,35 Prozent des Jahres 2018 unterstellt. Für die Abgeordnetenentschädigung wurde in den Jahren 2019 und 2020 – aufgrund der üblicherweise etwas höheren Steigerung der allgemeinen Einkommen – ein Dynamisierungsfaktor von 3 Prozent unterstellt. Zu den Erhöhungen der Beamtenbesoldung siehe Meldung „Lohnplus auch für Beamte in Rheinland-Pfalz“ vom 18. 2. 2017 auf der Internetseite des SWR unter: http://www.swr. de/swraktuell/rp/tarifstreit-im-oeffentlichen-dienst-beigelegt-lohnplus-auch-fuer-beam te-in-rheinland-pfalz/-/id=1682/did=19039250/nid=1682/9yoo9w/.
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entschädigungen umgelegt, so dass die Entschädigung deutlich geringer erschien als später. Die Umlegung erfolgte erst mit Wirkung ab 1994, was die monatliche Entschädigung stark erhöhte,214 ohne dass dadurch „allerdings die Jahresentschädigung erhöht worden wäre“.215 Für den präsentierten Vergleich haben die Initiatoren des Coups also gezielt die Zeitspanne der Jahre 1995 bis 2016 ausgewählt, in der die Entschädigung anfangs höher erschien als die A 16-Besoldung, weil die Umlegung der 13. Entschädigung bereits erfolgt war. Dagegen standen die Einfügung des Ortszuschlags ins Beamten-Grundgehalt und die Umlegung der Jahressonderzahlung auf das monatliche Beamtengehalt noch aus. Als diese dann in den Jahren 1996 und 2008 nachgeholt wurden, spiegelten sie eine besonders starke Erhöhungsrate der Beamtenbesoldung vor, obwohl das Jahresgehalt sich dadurch kein Bisschen veränderte. In Wahrheit gibt es keinen Entwicklungsrückstand der Abgeordnetenentschädigung gegenüber der Beamtenbesoldung, der durch eine Diätenerhöhung der Entschädigung hätte ausgeglichen werden müssen. Damit steht fest: Die Geschäftsgrundlage für die Erhöhung ist entfallen. Die Erhöhung entbehrt der rechtfertigenden Grundlage. Der im Gesetzentwurf und in der Plenardebatte hervorgerufene gegenteilige Eindruck beruht auf einer groben Fälschung. 5. Diätenerhöhung von A 15- auf A 16-Niveau: erschwindelt Die Abgeordnetenentschädigung lag, wie gezeigt, auch 1995 schon weit unter der Höchststufe der Besoldung A 16. Nur durch Beschränkung des Blicks auf das Grundgehalt (unter Ausklammern der damals noch nicht ins Grundgehalt eingebauten weiteren Gehaltsbestandteile) konnten die Fraktionen den Eindruck vorspiegeln, die Entschädigung habe im Jahre 1995 244 Euro darüber gelegen. In Wahrheit entsprach der Entschädigung von Anfang an nicht einmal der Besoldung eines A 15-Beamten, wenn man richtigerweise die weiteren Gehaltsbestandteile einbezieht, und daran hat sich in den letzten 20 Jahren nichts geändert: 1995 betrug die Gesamtbesoldung eines A 15-Beamten 4.634 Euro, war also immer noch um 146 Euro höher als die Entschädigung. 2016 betrug sie 5.933 Euro und lag damit um 121 Euro über der Entschädigung (siehe Tabelle in Anlage 7), die damit de facto allenfalls auf A 15-Niveau lag und nicht, wie von den Initiatoren des Gesetzes behauptet, auf A 16-Niveau. Die Anhebung der Diäten auf A 16-Niveau hat sich der Landtag durch manipulierte Angaben erschwindelt.
214 Elftes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes Rheinland-Pfalz vom 21. 12. 1993, GVBl. S. 645. 215 So mit Recht Drs. 12/5762 vom 5. 12. 1994, S. 1.
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6. Die Fälschung weiß waschen: ein untauglicher Versuch des Landtagspräsidenten mithilfe des Wissenschaftlichen Dienstes Die Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Martin Haller, und der CDU-Fraktion, Martin Brandl, reagierten zunächst äußerst wortkarg auf den Täuschungsvorwurf. Nach einer Pressekonferenz am 12. Mai 2017 in Mainz, auf der der Verfasser dieser Schrift die Täuschung erstmals öffentlich gemacht und die beiden Parteien ÖDP und Freie Wähler eine Volksinitiative gegen das neue Abgeordneten- und Fraktionsgesetz angekündigt hatten,216 ließen beide Geschäftsführer lediglich verlauten, der Landtag werde sich „selbstverständlich eingehend“ mit der Initiative beschäftigen, „sollten sich genügend Unterschriften“ dafür finden.217 Zur Täuschung äußerten sie sich nicht. Dies tat dann der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags, Hendrik Hering. In einer Pressemitteilung vom 15. Mai 2017 suchte er die Fraktionen der SPD, der FDP, der Grünen und der CDU gegenüber dem Täuschungsvorwurf zu verteidigen. Die Behauptungen des Verfassers seien „fachlich nicht haltbar“ und „die von ihm erhobenen Vorwürfe“ entbehrten „jeder Grundlage“ (Anlage 9). Um das zu untermauern, führte der Landtagspräsident eine von ihm in Auftrag gegebenen Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags an (ebenfalls Anlage 9). Darin betont der Wissenschaftliche Dienst: „Die in der Gesetzesbegründung aufgenommene Tabelle, in der die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung mit der Besoldungsgruppe A 16 verglichen wird, stellt sich ausnahmslos als korrekt dar.“ Auch dass „die Abgeordnetenentschädigung in den Jahren 1995 und 1996 noch umgerechnet rund 240 Euro über dem Endgrundgehalt eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 16“ lag und „die Entschädigung heute knapp 800 Euro darunter“ liegt, stehe „außer Zweifel und ist nachweislich richtig.“ Diese Feststellungen hatte aber niemand bestritten. Sie sind Spiegelfechtereien, liegen neben der Sache und können den Vorwurf der Fälschung nicht entkräften. Es wird natürlich auch nicht bestritten, dass der Gesetzgeber „die Entschädigung künftig ‚am Endgrundgehalt eines Beamten des Landes der Besoldungsgruppe A 16 orientiert.‘“ Denn so steht es im Gesetz. Der Vorwurf der Täuschung betrifft vielmehr die für die Erhöhung der Entschädigung vorgetragene Begründung, nämlich das aus der Tabelle abgeleitete angebliche Zurückbleiben der Abgeordnetenentschädigung gegenüber der Beamtenbesoldung in den letzten 20 Jahren und die daraus gefolgerte angebliche Rechtfertigung für die Erhöhung der Entschädigung um 1.000 Euro.218 Der Landtag hatte 216 Gisela Kirschstein, Rhein-Zeitung vom 13. 5. 2017, S. 3 („Volksinitiative gegen die Diätenerhöhung. Widerstand. Warum die höheren Bezüge für Abgeordnete laut Verfassungsrechtler erschwindelt sind“); Rhein-Pfalz vom 13. 5. 2017, S. 1 („Volksinitiative gegen Diätenerhöhung“); Allgemeine Zeitung vom 13. 5. 2017 (dpa. „Gegen Erhöhung der Diäten“). 217 Siehe z.B. Rheinpfalz vom 13. 5. 2017 („CDU und SPD: Volksinitiative legitim“). 218 So auch Gisela Kirschstein, Rhein-Zeitung vom 16. 5. 2017 („Landtag verteidigt höhere Diäten. Parlament Neues Gutachten: Alles lief korrekt“).
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zur Begründung der Diätenerhöhung an der Entwicklung des Grundgehalts eines A 16-Beamten in den letzten 20 Jahren und damit an einer ungeeigneten Größe Maß genommen. Richtiger Bezugspunkt wären die Gesamtbezüge des Beamten gewesen, denen gegenüber die Abgeordnetenentschädigung aber gar nicht zurückgeblieben war (siehe Anlage 7 im Anhang). Beim Versuch, das Vorgehen der Fraktionen dennoch scheinbar zu rechtfertigen, unterschlägt der Wissenschaftliche Dienst, dass der Einbau des Ortszuschlags (1996) und des 13. Gehalts (2008) ins Beamten-Grundgehalt der Besoldung ein gewaltiges Schein-Wachstum verschaffte, ohne dass die Bezüge der Beamten dadurch aber wirklich zunahmen. Der Wissenschaftliche Dienst verschweigt, dass der Landtag bei Begründung der Diätenerhöhung dennoch an dem so aufgeblähten Grundgehalt und damit an einem Phantom Maß genommen und die Aufstockung der Entschädigung deshalb mit gefälschten Zahlen erschlichen hat. In Wahrheit waren die Diäten gegenüber der Beamtenbesoldung gar nicht zurückgeblieben; dies hatte der Landtag der Öffentlichkeit lediglich vorgespiegelt. Es gab keine Lücke, die durch die Diätenerhöhung hätte geschlossen werden müssen. Insgesamt ist festzustellen, dass der Wissenschaftliche Dienst eine an Rabulistik kaum zu übertreffende Gefälligkeits-Stellungnahme abgeliefert hat. Im Übrigen räumt der Wissenschaftliche Dienst selbst ein, dass Zusatzzahlungen wie „Weihnachtsgeld“ und „Ortszuschlag“ „für eine realitätsgerechte Abbildung der Gehaltsunterschiede […] Berücksichtigung finden und zum Grundgehalt hinzugerechnet werden müssen.“ Tut man dies aber, so bestätigt sich, dass die Gesamtbezüge des A 16-Beamten von 1995 bis 2016 lediglich um 28 Prozent stiegen und nicht um 56 Prozent wie das Grundgehalt, dessen Entwicklung die Tabelle im Gesetzentwurf missverständlicher Weise aufzeigt (siehe auch Anlage 7 im Anhang). Da die Abgeordnetenentschädigung in diesem Zeitraum sogar um 29,5 % gestiegen ist (siehe wiederum Anlage 7 im Anhang), kann von dem behaupteten Zurückbleiben der Entschädigung, die ihre Erhöhung um 1.000 Euro nötig gemacht hätte, keine Rede sein. Wenn der Wissenschaftliche Dienst behauptet, es gehe „nicht um die Nachholung prozentualer Steigerungen entsprechend der Beamtenbesoldung“, so widerspricht er nicht nur seinen eigenen Äußerungen, sondern leugnet auch die zentrale Argumentation der Initiatoren des Gesetzes in der Begründung des Entwurfs und in der öffentlichen Beratung im Landtag. Es geht im vorliegenden Zusammenhang auch nicht darum, ob das Vorgehen der vier Fraktionen rechtmäßig war, wie der Wissenschaftliche Dienst bereits in der Überschrift seiner Stellungnahme behauptet, oder rechtswidrig.219 Es geht vielmehr um etwas Faktisches: Die vier Fraktionen haben der Öffentlichkeit die Erhöhung mit einer Begründung schmackhaft machen wollen, die in Wahrheit gar nicht besteht. Gibt es aber etwas politisch Schlimmeres, als die Öffentlichkeit erst gezielt 219 Zu der vom Wissenschaftlichen Dienst überhaupt nicht erwähnten vielfachen Verfassungswidrigkeit des Änderungsgesetzes wird an anderen Stellen dieser Ausarbeitung Stellung genommen.
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anzulügen und dann in einer zweiten Stufe dieses Lügen durch den Versuch, die Öffentlichkeit zu verwirren, gezielt zu leugnen – und das vom höchsten Repräsentativorgan des Landes?
II. Bezüge von Bürgermeistern: kein Maßstab Ohnehin kommen Bürgermeister als Maßstab für die Bemessung der Entschädigung von Abgeordneten gar nicht in Betracht. Ihr Status ist ein völlig anderer, wie auch das Bundesverfassungsgericht nachdrücklich herausgestellt hat.220 Abgeordnete dürfen rechtlich völlig unbeschränkt neben dem Mandat noch einen privaten Beruf ausüben und daraus ein (zweites) Einkommen beziehen und sich eine (zweite) Altersversorgung aufbauen, und sie tun dies vielfach auch, wie nicht zuletzt der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering jüngst betont hat.221 Beamten ist das grundsätzlich untersagt. Dass das Mandat offenbar noch viel Raum für einen zweiten Beruf lässt, demonstrieren auch diejenigen Abgeordneten, die gleichzeitig der Regierung angehören. Zudem erhalten Abgeordnete steuerfreie Kostenpauschalen, die mandatsbedingten Aufwand abdecken sollen, die die Parlamente aber häufig zu hoch festsetzen, so dass sie zu einem heimlichen steuerfreien Zusatzeinkommen mutieren. Bürgermeister stehen an der Spitze einer Verwaltung und tragen individuell zurechenbare Verantwortung; sie können vom Wähler wirklich abgestraft werden: durch Abwahl oder Verweigerung der Wiederwahl, wenn sie die Erwartungen der Wähler nicht erfüllen. All das trifft auf Abgeordnete nicht zu. Dass sie „Wahlkreise mit 45.000 – 80.000 Wahlberechtigten vertreten“,222 besagt wenig, wenn man berücksichtigt, dass sie keine individuelle Verantwortung tragen, sondern sich hinter der Fraktionsdisziplin verstecken können. Und abgewählt werden können sie schon 220 BVerfGE 76, 256 (341 f.): „Zwischen Abgeordneten und Beamten bestehen grundlegende statusrechtliche Unterschiede. […] Das ,Berufsbild‘ des Abgeordneten unterscheidet sich von dem des Beamten in grundlegender Weise. Der Abgeordnete wird für die Dauer einer Wahlperiode gewählt. Mandatszeit und Mandatsausübung stellen für ihn in der Regel einen atypischen Abschnitt außerhalb seiner bisherigen und künftigen beruflichen Laufbahn dar. Meistens bildet die Mandatszeit eine vorübergehende, mindestens teilweise Unterbrechung seines Berufslebens. […] Nicht selten geht der Abgeordnete seinem Beruf auch neben dem Mandat – wenngleich unvermeidlich in nur mehr eingeschränktem Umfang – nach, soweit dem nicht Inkompatibilitäten im Wege stehen. […] Vergleichbarkeiten sind damit grundsätzlich ausgeschlossen.“ – Siehe auch schon BVerfGE 40, 296 (316 f.). 221 Hendrik Hering, Interview mit der Wormser Zeitung. Rhein-Main Presse vom 18. 3. 2017 (Landtagspräsident Hering weist Kritik zurück: Rheinland-pfälzisches Parlament nicht zu groß): „Wir wollen im Parlament […] auch die Bürger, die mal über eine Zeit von fünf bis zehn Jahren ihren beruflichen Sachverstand und ihre Lebenserfahrungen einbringen. Wenn diese nicht Beamte sind, brauchen wir dafür Bürger, die noch in einem Beruf tätig sind.“ 222 Drs. 17/2524, S. 1.
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gar nicht.223 Der Wähler hat auch keine Möglichkeit, Abgeordneten die Wiederwahl zu verweigern. Die von den Parteien festgezurrten Wahllisten lassen ihm keine Möglichkeit, einzelne Listenabgeordnete durch Nicht-Wiederwahl abzustrafen. Und Kandidaten, die ihren Wahlkreis verlieren, sind häufig auf der Liste abgesichert, so dass sie dennoch ins Parlament kommen. Auch sie wird der Wähler durch Vertrauensentzug also nicht los. Es ist daher grob unpassend und unangemessen, Abgeordnete mit Beamten oder gar mit Bürgermeistern zu vergleichen und ihre Diäten an deren Gehalt zu orientieren.224 Bezugsgrößen für die Bemessung des Einkommens sind unter anderem die damit verbundene Verantwortung und Belastung, die aber weit geringer sind als etwa die von Bürgermeistern. Anderes mag für Abgeordnete mit besonderen Funktionen gelten, für Vorsitzende von Fraktionen etwa, die aber auch eine höhere Bezahlung erhalten.
III. Altersversorgung Die Alters- und Hinterbliebenenversorgung ist an die Entschädigung gekoppelt, steigt mit dem neuen Gesetz also ebenfalls um 17,5 Prozent. Bei der Beurteilung der Diätenerhöhung darf man sich deshalb nicht auf die Entschädigung beschränken, vielmehr muss auch die Alters- und Hinterbliebenenversorgung einbezogen werden. Im Folgenden wird dargelegt, welchen gewaltigen Wert die Versorgung schon vor der Erhöhung besaß. Angesichts der enormen Höhe dieses unsichtbaren Gehaltsbestandteils lag erst recht kein Grund für die Diätenerhöhung vor – und für die Erhöhung der Versorgung schon gar nicht. Hinzu kommen schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Überversorgung. Im Gesetzentwurf wird weder die Erhöhung der Versorgung problematisiert oder gar begründet, noch werden die verfassungsrechtlichen Einwände auch nur erwähnt. Erwähnt werden lediglich die durch die Erhöhung bewirkten Kosten. 1. Die bisherige Regelung Abgeordnete erwerben nach 10 Jahren im Landtag eine sogenannte Versorgungsanwartschaft von 33 Prozent der Entschädigung, für jedes weitere Jahr bis zum 20. Jahr gibt es zusätzlich 3,5 Prozent der Entschädigung.225 Die Versorgung ehemaliger Abgeordneter (die Rentenzahlung) beginnt mit Vollendung des 60. Lebensjahres, mit jedem weiteren Jahr im Landtag über das 10. Jahr 223 Jedenfalls als einzelne. Der Landtag insgesamt kann mit Volksbegehren und Volksentscheid aufgelöst werden (Art. 109 Abs. 1 Nr. 2 Landesverfassung). 224 So aber jetzt § 5 Abs. 1 Satz 1 AbgG neu: „Die monatliche Entschädigung eines Mitglieds des Landtags orientiert sich am Endgrundgehalt eines Beamten des Landes der Besoldungsgruppe A 16.“ 225 § 12 Satz 1 und 2 AbgG.
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hinaus bis zum 13. Jahr entsteht der Anspruch ein Jahr früher, mit 13 oder mehr Jahren im Landtag beginnen die Rentenzahlungen also ab dem 57. Lebensjahr.226 Diese Regelung ist schon bisher sehr üppig. Eine Versorgungsanwartschaft nach 10 Jahren in Höhe von 33 Prozent der Entschädigung und für jedes weitere Jahr sogar 3,5 Prozent bedeuten, dass der Abgeordnete, pro Mandatsjahr gerechnet, eine spätere Anwartschaft auf 192 Euro monatliche Pension erwirbt und ab dem 11. Jahr sogar von 203 Euro. Der Landtagspräsident und die Fraktionsvorsitzenden erwerben die doppelte, die stellvertretenden Präsidenten die eineinhalbfache Anwartschaft pro Mandatsjahr.227 Bundestagsabgeordnete erhalten pro Mandatsjahr „nur“ 2,5 Prozent ihrer Entschädigung als spätere Pension,228 also einen sehr viel geringeren Satz als rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete. Mit 3,3 und 3,5 Prozent pro Mandatsjahr liegen die Sätze in Rheinland-Pfalz um 32 beziehungsweise sogar um 40 Prozent höher als im Bund. Die Überzogenheit der rheinland-pfälzischen Regelung zeigt sich auch darin, dass die Altersversorgung, die der baden-württembergische Landtag unter öffentlichem Druck wieder aufheben musste, ebenfalls „nur“ eine Erhöhung von 2,5 Prozent pro Mandatsjahr vorsah.229 Zudem beginnt die Versorgung im Bund im Regelfall in deutlich höherem Lebensalter, nämlich erst mit dem vollendeten 67. Lebensjahr (nach acht Jahren im Parlament), mit jedem weiteren Mandatsjahr bis zum 18. Jahr als Bundestagsabgeordneter ein Lebensjahr früher.230 Nach 13 Mandatsjahren beginnt die Pension also mit dem vollendeten 62. Lebensjahr zu laufen, während sie für rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete nach 13 Jahren bereits mit dem vollendeten 57. Lebensjahr beginnt, fünf Jahre früher als bei Bundestagsabgeordneten. Dass Mainzer Landtagsabgeordnete erst nach 10 Mandatsjahren eine Anwartschaft erwerben, Bundestagsabgeordnete aber schon nach einem Jahr,231 ändert nichts an der Überversorgung von „dienstälteren“ Abgeordneten. Man kann deren Überversorgung nicht damit rechtfertigen, dass Abgeordnete mit weniger Mandatsjahren noch keine Anwartschaft erhalten.232
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§ 11 AbgG. § 12 Satz 3 AbgG. 228 § 20 Satz 2 AbgG Bund. 229 Siehe oben B. II. 2. 230 § 19 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 AbgG Bund. 231 § 19 Abs. 1 AbgG Bund. 232 Abgeordnete mit weniger als 10 Jahren im Landtag erhalten bei ihrem Ausscheiden aber auf Antrag eine Versorgungsabfindung (§ 15 AbgG): Für jeden angefangenen Monat der Mitgliedschaft im Landtag erhalten die ausgeschiedenen Abgeordneten 70 Prozent des für diesen Monat jeweils geltenden Höchstbeitrags zur allgemeinen Rentenversicherung. 227
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2. Erhöhung der Versorgung um 17,5 Prozent Die Entschädigung betrug bisher 5.812 Euro monatlich. Das neue Gesetz erhöht sie, wie oben unter II. schon dargelegt, in vier Schritten auf 6.829 Euro, also um insgesamt 1.017 Euro. Das ist ein Plus von 17,5 Prozent. Nach bisherigem Recht erwarb ein Abgeordneter, der zum Beispiel 15 Jahre im Landtag war, eine Versorgungsanwartschaft von 2.935 Euro monatlich (5.812 mal 0,505 = 2.935). Mit Inkrafttreten der Neuregelung erhöht sich seine Anwartschaft auf 3.449 Euro (6.829 mal 0,505 = 3.449), also um 514 Euro monatlich, zu zahlen ab dem vollendeten 57. Lebensjahr oder, bei späterem Ausscheiden des Abgeordneten aus dem Landtag, entsprechend später. a) Achtmal mehr als Rentenversicherte Ist die Diätenerhöhung voll durchgeführt, erwirbt der Abgeordnete pro Mandats jahr 225 beziehungsweise (ab dem 11. Jahr) 239 Euro monatliche Pension. Das ist rund achtmal so viel wie ein durchschnittlicher Versicherter in der allgemeinen Rentenversicherung pro Arbeitsjahr an Rente erwirbt und viermal so viel wie ein Höchstversicherter. Die Überzogenheit der Versorgung sieht man bereits daran, dass das Durchschnittseinkommen von Rentenversicherten etwa ein Drittel der Abgeordnetenentschädigung beträgt (und nicht ein Achtel): Dreimal so viel Einkommen führt also zu achtmal so viel Pension – ein offensichtliches Missverhältnis. b) Wirtschaftlicher Wert der Versorgungserhöhung: 158.000 Euro Um zu verdeutlichen, welchen Wert die analog zur Abgeordnetenentschädigung erhöhte Versorgungsanwartschaft hat, muss man sich verdeutlichen, welcher Betrag als Einmalprämie zu zahlen wäre, um eine Erhöhung der monatlichen Anwartschaft um 514 Euro zu erreichen: Wollte zum Beispiel ein 52-jähriger Abgeordneter, der seit 11 Jahren im Landtag ist und zum voraussichtlichen Ende der laufenden Wahlperiode im Jahre 2021 ausscheidet, eine zusätzliche Versorgungsanwartschaft in der genannten Höhe mittels Einmalprämie erwerben, müsste er ca. 158.000 Euro zahlen.233 Dies ist der wirtschaftliche Wert, den das neue Gesetz den Abgeordneten aufgrund der Erhöhung der Altersversorgung bringt. Das bedeutet für diese Abgeordneten also eine Vermögensmehrung von 158.000 Euro.
233 Einschließlich der Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung (§ 17 AbgG). Der Berechnung liegen ab dem 57. Jahr ein Zins von 1,8 Prozent und ein Rententrend von 3 Prozent zu Grunde. – Die Verwaltungskosten und der Unternehmensgewinn etwa einer Versicherung sind nicht einbezogen. Bezöge man sie ein, würde der Betrag noch weit über 158.000 Euro steigen. Er würde noch weiter steigen, wenn man außerdem berücksichtigt, dass die Einmalprämie aus versteuertem Einkommen geleistet werden müsste.
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c) Gesamtwert der Versorgung: rund eine Million Euro Beschränkt man sich nicht auf den durch die Erhöhung der monatlichen Versorgung um 514 Euro bewirkten Mehrwert der Versorgungsanwartschaft von 158.000 Euro, sondern betrachtet die gesamte Versorgungsanwartschaft des vorgenannten „Musterabgeordneten“ von 3.449 Euro monatlich, so zeigt sich, dass diese einen Barwert von 1,06 Millionen Euro hat. Soviel ist für ihn also die Versorgungsregelung insgesamt wert.234 d) Warum die Reform von 2005 abgeblasen wurde Dieser gewaltige Wert überrascht. Man kann sich das Erstaunen der Landtags abgeordneten vorstellen, als im März 2005 alle Fraktionen des Landtags von Rheinland-Pfalz beschlossen hatten, nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen die staatliche Altersversorgung abzuschaffen und auf eine private Altersversorgung überzugehen,235 und nun auf einmal bemerkten, welchen enormen wirtschaftlichen Wert die bereits damals bestehende Altersversorgung besaß und wie stark sie die Entschädigung hätten anheben müssen, um auch nur einigermaßen einen Ausgleich für den Wegfall der Staatsversorgung zu erhalten. Sie zogen es deshalb vor, den gewaltigen Wert des unsichtbaren Gehaltsbestandteils im Dunkeln zu belassen, und ließen den Reformvorschlag sanft entschlafen.236 Lediglich die Grünen hielten daran fest und legten einen Gesetzentwurf vor,237 der aber von der Parlamentsmehrheit niedergestimmt wurde. Seitdem wurde an die Altersversorgung und das darin liegende hohe unsichtbare Gehalt vom Landtag möglichst nicht gerührt. Stillschweigende Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Riesenversorgung war aber immer eine bescheidene Entwicklung der Diäten. Diese Bedingung hat der Landtag mit dem jüngsten Diätengesetz missachtet. Die Auswirkungen der am 24. März 2017 beschlossene Diätenerhöhung auf die Altersversorgung wurden denn auch öffentlich nicht problematisiert – mit gutem Grund: Tatsächlich waren die beitragslose staatliche Altersversorgung und das drin liegende verschleierte Zusatzeinkommen rheinland-pfälzischer Abgeordneter schon vor der Diätenerhöhung massiv überzogen. Durch die Aufstockung der Diäten, die voll auf die Altersversorgung durchschlägt, werden sie nun noch weiter überhöht. 234
Auch hier gelten die in der vorangehenden Anmerkung gemachten Aussagen. Allgemeine Zeitung Mainz vom 19. 3. 2005: „Die Diätenreform ist ein Meilenstein“; Rheinpfalz vom 19. 3. 2005: „Diätenreform auf breiter Basis“. 236 Allgemeine Zeitung Mainz vom 19. 1. 2006: „Abgeordnete haben Sonderstatus. CDU, SPD und FDP wollen Diätenreform nicht anpacken. Grüne stehen mit Antrag allein“. 237 Drs. 14/4848 vom 10. 1. 2006. Dazu Trierer Volksfreund vom 2. 1. 2006: „Grüne wollen sofort abspecken. Ökopartei: Diätenreform und neue Altersversorgung noch vor der Wahl regeln“. 235
III. Altersversorgung
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e) Monatliche Entschädigung von 12.500 Euro Rechnet man den Barwert von 1,06 Millionen Euro, den die Versorgungsanwartschaft des „Musterabgeordneten“ besitzt, auf die Mandatszeit um, innerhalb derer die Versorgung „verdient“ wird, auf 15 Jahre oder 180 Monate also, so entfällt auf jeden Monat ein Betrag von 5.889 Euro. Die Versorgungsanwartschaft entspricht also – jedenfalls im Durchschnitt – einer um 5.889 Euro erhöhten Entschädigung. Das heißt, in dem gewählten Beispiel kommen Entschädigung und Altersversorgung zusammen nach der vierstufigen Erhöhung einer monatlichen Entschädigung von 12.718 Euro (6.829 Euro plus 5.889 Euro) gleich. Dabei ist noch gar nicht eingerechnet, dass der Abgeordnete diesen Betrag erst einmal versteuern müsste; berücksichtigt man dies, wäre der Barwert der Versorgung noch sehr viel höher. f) Ehemalige Abgeordnete und deren Hinterbliebene: auch sie profitieren Auch frühere Abgeordnete, die längst aus dem Landtag ausgeschieden sind, haben an der Erhöhung um 17,5 Prozent teil. Davon gibt es etwa 150.238 Die Mehrkosten, die die Erhöhung der Versorgung für ausgeschiedene Abgeordnete und ihre Hinterbliebenen für den Landeshaushalt mit sich bringt, belaufen sich auf 835.000 Euro jährlich.239 Die mit gefakter Begründung erschwindelte Erhöhung bedeutet für ausgeschiedene Abgeordnete beziehungsweise deren Hinterbliebene somit ein unverhofftes und unverdientes Geldgeschenk aus öffentlichen Mitteln von durchschnittlich zusätzlichen 5.567 Euro jährlich.240 g) Auch Regierungsmitglieder und pensionierte Beamte profitieren Regierungsmitglieder haben regelmäßig gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat inne. Dazu gehören zum Beispiel Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewenz. Auch ihr Entschädigungsanspruch wächst um 1.017 Euro. Zwar ruht der Anspruch, während sie das Regierungsamt ausüben, in Höhe von 70 Prozent, so dass sie neben den Regierungsbezügen 30 Prozent der Entschädigung erhalten.241 Sie profitieren also nur in Höhe von 305 Euro monatlich. Der volle Anspruch lebt aber wieder auf, sobald sie das Amt nicht mehr innehaben. Die Erhöhung der Entschädigung schlägt auch auf die Versorgungsanwartschaft durch, die genau wie die Entschädigung um 17,5 Prozent steigt. Zwar wird die Anwartschaft auf Ministerversorgung, die nach fünfjähriger Regierungsmit238 Siehe die Liste in: 25 Jahre Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtags Rheinland-Pfalz e.V. 1988 – 2013. Ein Rückblick in Wort und Bild, S. 83 – 88. 239 Drs. 17/2524, S. 4: Insgesamt mindestens 835.000 Euro jährlich. 240 835.000 geteilt durch 150 ergibt 5.537. 241 § 21 Abs. 1 AbgG.
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gliedschaft zusätzlich erworben wird,242 teilweise mit der Abgeordnetenversorgung verrechnet. Doch die Verrechnung beginnt erst oberhalb des Betrages der Entschädigung und erfolgt sodann nur zu 50 Prozent,243 so dass die Erhöhung der Entschädigung in erheblichem Umfang auf die Gesamtpension durchschlägt. Die doppelte Pension früherer Regierungsmitglieder steigt also um einen großen Teil der Entschädigungserhöhung. Dasselbe gilt für Pensionsansprüche von Beamten, zum Beispiel von politischen Beamten oder kommunalen Wahlbeamten, die mit der Abgeordnetenversorgung zusammentreffen. Auch für sie schlägt die Erhöhung der Entschädigung in großem Umfang auf die Pension durch. Alles in allem profitiert fast die gesamte politische Klasse des Landes Rheinland-Pfalz von der erschlichenen Diätenerhöhung. 3. Altersversorgung: verfassungswidrig Es ist anerkannt, dass allenfalls eine begrenzte staatliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung verfassungsrechtlich zulässig ist.244 Um eine solche handelt es sich bei der Versorgung rheinland-pfälzischer Landtagsabgeordneten, die ein unverhältnismäßig hohes verschleiertes Zusatzeinkommen darstellt, aber nicht.245 Willi Geiger, der Berichterstatter im Verfahren, das zum Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 führte, hat darauf hingewiesen, dass eine solche verschleiernde Regelung auch „dem demokratischen Gebot der Transparenz der Verhältnisse, die nach der Auffassung des Gerichts die Grundlage für das Vertrauen des Bürgers zu den Regierenden bildet“, nicht gerecht wird.246
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§ 12 Abs. 1 MinG. Abs. 4 Satz 1 AbgG: „Versorgungsbezüge nach diesem Gesetz ruhen neben Versorgungsbezügen aus einem Amtsverhältnis oder einer Verwendung im öffentlichen Dienst zu 50 vom Hundert des Betrages, um den sie und die Versorgungsbezüge aus dem Amtsverhältnis oder der Verwendung im öffentlichen Dienst die Entschädigung nach § 5 Abs. 1 übersteigen.“ 244 BVerfGE 32, 157 (165). 245 von Arnim / Drysch, Kommentierung des Art. 48 GG (Drittbearbeitung 2010), Rn. 208 – 220; Heinrich Lang, Gesetzgebung in eigener Sache, 2007, 105 ff. 246 Geiger, Der Abgeordnete und sein Beruf, ZParl 1978, 522 (533). – Selbst wenn auch andere Landtagsabgeordnete sich überzogene Versorgungen bewilligt haben sollten, kann das keine Rechtfertigung darstellen. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. 243 § 21
IV. Erhöhung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen
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IV. Erhöhung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen: willkürlich gegriffen 1. Abgeordnetenmitarbeiter Was im publizistischen Windschatten der Diätenerhöhung kaum bemerkt wurde: Auch die öffentlichen Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und für die Landtagsfraktionen wurden erheblich aufgestockt. Für Mitarbeiter haben die Abgeordneten sich rückwirkend zum 1. Januar 2017 aus öffentlichen Mitteln 19 Prozent mehr bewilligt.247 Begründet wird dies mit einem behaupteten „Erfordernis wissenschaftlicher Zuarbeit“,248 eine Vorgehensweise, die typisch ist für ein Gremium, das seinen Bedarf selbst bestimmen kann. Die Festlegung ist willkürlich gegriffen und verfassungswidrig. Warum 3.691 und nicht 1.028 Euro wie in Schleswig-Holstein?249 Welches finanzielle Gewicht die Aufstockung der Mittel für Mitarbeiter hat, zeigen die dadurch hervorgerufenen Mehrkosten von etwa 950.000 Euro jährlich.250 Da die Erhöhungen rückwirkend bereits zum 1. Januar 2017 wirksam geworden sind, haben die Abgeordneten in den verbleibenden Monaten des Jahres umso mehr Mittel zur Verfügung. Das ist angesichts der Bundestagswahl am 24. September besonders problematisch. Inwieweit zum Beispiel die Mitarbeiter, gerade in der Wahlkampfzeit, nicht auch für Parteiarbeiten verwendet werden, ist derzeit praktisch überhaupt nicht überprüfbar – es sei denn, man würde die Abgeordneten dazu verpflichten, öffentliche Rechenschaft über ihre Mitarbeiter und über deren Verwendung abzulegen, wie dies bereits die vom früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eingesetzte Parteienfinanzierungskommission empfohlen hatte.251 2. Fraktionen Die Zahlungen, die die Fraktionen sich bewilligen, setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: einem Grundbetrag für jede Fraktion, einem Steigerungsbetrag für jedes Fraktionsmitglied sowie einem Oppositionszuschlag (zusätzlicher Steigerungsbetrag für jedes Mitglied einer Oppositionsfraktion). Das gleichzeitig mit dem Diätengesetz im Eilverfahren durch den Landtag gebrachte Änderungsgesetz zum Fraktionsgesetz252 steigert den monatlichen Grundbetrag rückwirkend zum 1. Januar 2017 um ca. 6 Prozent und zum 1. Januar 2018 um weitere rund 5 Prozent. Der Steigerungsbetrag wird rückwirkend zum 1. Januar 247 Das bedeutet der in § 6 Abs. 3 Satz 1 AbgG neu vorgesehene Anstieg von TV-L E 9, Stufe 3 (3.100 Euro) auf TV-L E 11, Stufe 3 (3.691 Euro). 248 Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 2. 249 Siehe oben B. II. 4. a). 250 Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 4. 251 Bundespräsidialamt (Hrsg.), Empfehlungen der Kommission Unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, S. 110. 252 Siehe Drs. 17/2524, S. 6 und 11 f.
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2017 um 7 Prozent angehoben.253 Der Oppositionsbetrag bleibt unverändert. Dabei waren bereits zum 1. Januar 2016 der Grundbetrag um 5,2 Prozent und der Steigerungsbetrag um 3 Prozent aufgestockt worden.254 Die Anhebung der Fraktionsmittel zum 1. Januar 2017 führt zu jährlichen Mehrkosten von rund 340.000 Euro, die Anhebung zum 1. Januar 2018 bewirkt weitere Mehrkosten von 180.000 Euro im Jahr.255 Obwohl der Gesetzentwurf ausdrücklich auf den zu erwartenden Anstieg der Bezahlung im öffentlichen Dienst in den Jahren 2017 und 2018 abhebt und darauf, dass die Personalkosten 80 v.H. der Fraktionsausgaben ausmachen,256 gehen die für 2017 und 2018 beschlossenen Erhöhungen des Grundbetrags und des Steigerungsbetrags257 weit über die Einkommenssteigerungen im öffentlichen Dienst hinaus. Diese betragen im Jahre 2017 2 Prozent und im Jahre 2018 2,35 Prozent.258 Das zeigt: Auch das selbstbewilligte Mehr für Fraktionen ist viel zu üppig, stimmt mit der selbst formulierten Begründung nicht überein und ist willkürlich gegriffen. Die öffentlichen Mittel der Fraktionen kommen vielfach den Mutterparteien zugut. So entlasten die die Fraktionen vor allem mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit die Parteien. Da die Staatsfinanzierung der Parteien verfassungsrechtlich gedeckelt ist und daran auch kleinere Parteien, die nicht im Parlament sind, beteiligt werden müssen, ist die verdeckte Parteienfinanzierung via Fraktionen verfassungsrechtlich höchst anstößig259 – ähnlich wie die verdeckte Parteienfinanzierung durch Abgeordnetenmitarbeiter (siehe oben B. II. 4.). 3. Verfassungswidrige Funktionszulagen Im Übrigen hätte man nur sogenannte Funktionszulagen abzubauen brauchen, um den Anstieg der Besoldung der Mitarbeiter – ohne jede Erhöhung der öffentlichen Mittel – zu finanzieren. Die Aufhebung der Einkommenszulagen, die die meisten Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags zum Beispiel ihren stell253
§ 2 Abs. 3 Fraktionsgesetz neu. Siehe auch Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 3. Gesetzentwurf, Drs. 17/ 2524, S. 2. 255 Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 4. 256 Drs. 17/2524, S. 2. 257 Dass der Oppositionszuschlag unverändert bleibt und deshalb die Steigerung der Gesamtmittel etwas geringer erscheint (Drs. 17/2524, S. 11), kann die unbegründete Erhöhung der Fraktionsmittel für die drei Regierungsfraktionen nicht abmildern. Wenn überhaupt überdurchschnittliche Erhöhungen der Fraktionsmittel sinnvoll wären, dann für die Opposition, die die Hauptlast der Regierungskontrolle trägt. 258 Siehe Gesetzentwurf der Landesregierung betr. die Beamtenbesoldung, der am 30. 5. 2017 in erster Lesung im Landtag beraten wurde. Siehe auch Anmerkung zur Tabelle im Anhang, Anlage 7. 259 Siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 145 ff. 254
IV. Erhöhung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen
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vertretenden Vorsitzenden zahlen, läge umso näher, als diese Leistungen verfassungswidrig sind, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat.260 Viele Betroffene behaupten zwar unverdrossen, derartige Leistungen seien zulässig. Dabei berufen sie sich auf neuere Entscheidungen von Landesverfassungsgerichten. Schaut man aber genauer hin, betreffen solche Entscheidungen gerade nicht solche Landesparlamente, die ihren Mitgliedern eine Vollalimentation zahlen, wie den Landtag von Rheinland-Pfalz, sondern teilalimentierte Parlamente, wie das von Bremen,261 für die das Bundesverfassungsgericht selbst ausdrücklich Zulagen zugelassen hat.262 Lediglich für parlamentarische Geschäftsführer hat das Verfassungsgericht Schleswig-Holstein eine Ausnahme gemacht, die aber das Verbot von Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Ausschussvorsitzende und weitere Funktionsträger unberührt lässt. Auch ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 14. 7. 2003 ist nicht einschlägig.263 Es betraf pauschale Kostenerstattungen, die, soweit sie sich am mandatsbedingten Aufwand orientieren, ebenfalls zulässig sind. Der Präsident des Landtags von Rheinland-Pfalz behauptete erst jüngst wieder, die Kritik an den rheinland-pfälzischen Funktionszulagen beruhe auf einem „Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor 17 Jahren“, inzwischen aber gebe es eine „Rechtsprechung von Landesverfassungsgerichten, die das rheinland-pfälzische Modell grundsätzlich bestätigen.“264 Das trifft aber eben nicht zu. Die Urteile von Landesverfassungsgerichten geben, wie dargelegt, genau das gerade nicht her. Und das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil von 2000 wiederholt untermauert, zum Beispiel 2007, und dabei hervorgehoben, es habe in seinem Urteil zu Thüringen „allgemeine Maßstäbe zu der Frage aufgestellt, für welche Ämter Funktionszulagen vorgesehen werden können, ohne dass die Freiheit des Mandats und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verletzt sind.“ Damit seien „die wesentlichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe geklärt,“ anhand derer „die Verfassungsmäßigkeit der Entschädigungsregelung“ – dabei ging es um Zulagen in Schleswig-Holstein – „beurteilt werden“ könne.265
260 BVerfGE 102, 224 (241 ff.); 119, 302 (309). Siehe auch von Arnim / Drysch, Rn. 180 ff. – Das Verbot bezieht sich auf die direkt vom Parlament gewährten Zahlungen, gilt aber auch für die Gewährung durch die staatsfinanzierten Fraktionen. Siehe auch oben B. III. 1. a). Ferner Volker Perne, in: Brocker / Droege / Jutzi (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 97, Rn. 6: Eine Finanzierung der Zulagen durch die Fraktionen ist „dem Vorwurf der Verbotsumgehung ausgesetzt.“ 261 Bremer Staatsgerichtshof, NVwZ 2005, 929. 262 BVerfGE 102, 224 (240). 263 NVwZ-RR 2003, 783. 264 Wormser Zeitung vom 18. 3. 2017. 265 BVerfGE 119, 302 (309).
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V. Beseitigung von Kontrollen 1. Erhöhung nach der Wahl Einer der geistigen Väter der Verfassung der Vereinigten Staaten, James Madison, hatte noch davor gewarnt, dass Mitglieder des Parlaments in die Staatskasse greifen.266 Da die rein parlamentarische Demokratie (wie sie in den USA auf Bundesebene besteht) aber – mangels direkter Demokratie – keine Alternative zur Entscheidung des Parlaments in eigener Sache kennt, hatte Madison vorgeschlagen, Parlamentarier sollten über ihre Bezüge vor den Wahlen entscheiden – mit Wirkung erst für die folgende Wahlperiode. Dann müssten die Parlamentarier, die eine Wiederwahl anstreben (und das ist regelmäßig der bei weitem größte Teil), sich im Wahlkampf für ihre Beschlüsse rechtfertigen, und da sie dies wüssten, würden sie Missbräuche eher unterlassen. Eine von Richard von Weizsäcker berufene Sachverständigenkommission hatte Derartiges auch für die Bundesrepublik empfohlen.267 Der Landtag von Rheinland-Pfalz ist jedoch (wie inzwischen leider auch bei anderen deutschen Parlamenten üblich) den umgekehrten Weg gegangen: Um der Kontrolle durch die Wähler möglichst auszuweichen, wurde die Erhöhung nicht vor der Landtagswahl 2016 beschlossen, sondern danach. Auch die zu Beginn jeder Legislaturperiode jeweils wieder in Kraft zu setzende Dynamisierungsregelung268 (siehe dazu sogleich unter 4.) erfolgt erst nach der Wahl. 2. Blitzgesetz des politischen Kartells Zugleich bastelten die Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und der Grünen sich „in demokratischer Einigkeit“ ein Blitzgesetz. Nach der ersten Lesung des Gesetzes am Donnerstag, dem 23. März, beschlossen sie sogleich am nächsten Tag das Gesetz endgültig, und dies mitten in den Beratungen des Landeshaushalts. Die normalerweise geltende Mindestfrist zwischen der ersten und der zweiten Lesung wurde außer Kraft gesetzt, und in der zweiten Plenarsitzung fand einvernehmlich überhaupt keine Beratung mehr statt. Die Opposition verzichtete auf nachhaltige Kontrolle, und auch die Öffentlichkeit wurde überrumpelt und so ihre Kontrolle geschwächt; beide sollen normalerweise missbräuchliche Gesetze zumindest erschweren.269 266 James Madison betonte, es erscheine unziemlich, „wenn irgendeine Gruppe unkontrolliert mit der Hand in die Staatskasse greift, um daraus Geld in die eigene Tasche zu stecken“. (Leo Wieland, Mit Madison wider die Diätenerhöher, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. 5. 1992). Siehe auch von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 36. 267 Bundespräsidialamt (Hrsg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, S. 102. 268 § 5 Abs. 5 AbgG neu. 269 Siehe von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 25 – 36.
V. Beseitigung von Kontrollen
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3. Wirksame Kontrolle durch die AfD? Die AfD-Fraktion hat zwar gegen das Gesetz gestimmt. Aber etwas Durchgreifendes dagegen zu unternehmen, wie beispielsweise eine Klage zum Landesverfassungsgericht zu erheben, hat sie bisher nicht angekündigt. Sie nutzte auch nicht die Chance, die Erhöhungen bei der zweiten Lesung des Diäten- und Fraktionsgesetzes am 24. März 2017 im Landtagsplenum erneut öffentlich zu kritisieren. An diesem Tag wurde das Gesetz beschlossen, ohne dass auch nur ein Abgeordneter das Wort ergriffen hatte. Deshalb drängte sich zunächst der Eindruck auf, die AfD-Fraktion meine es mit ihrem Nein zum Diäten- und zum Fraktionsgesetz nicht wirklich ernst.270 Diesem Eindruck trat die Fraktion aber mit der Erklärung entgegen, sie würde die Volksinitiative der ÖDP und der Freien Wähler „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen“ und kündigte an, sie würden Unterschriften für die Volksinitiative gegen die Diätenerhöhung sammeln.271 Zudem würden alle 14 Abgeordneten die Erhöhung ihrer Entschädigung an gemeinnützige und ehrenamtliche Organisationen spenden.272 Was mit den Erhöhungen für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen und (später vielleicht) mit der Alters- und Hinterbliebenenversorgung geschieht, blieb offen. 4. Dynamisierung der Entschädigung: verfassungswidrig Die Entschädigung wird ab 2019 dynamisiert und entsprechend den allgemeinen Einkommenssteigerungen erhöht,273 wobei die Dynamisierungsregelung zu Beginn jeder Wahlperiode vom Landtag zu bestätigen ist. Damit sind künftige Erhöhungen der Abgeordnetenentschädigung weitgehend der öffentlichen Kontrolle entzogen – und weitergehende Erhöhungen keineswegs ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass es einen inneren Widerspruch darstellt, für die beschlossene Erhöhung der Entschädigung an der Beamtenbesoldung Maß zu nehmen, dann aber ab 2019 die Entschädigung an die allgemeinen Einkommensentwicklung anzuhängen, ist die Dynamisierung so oder so verfassungswidrig. Das wird von der staatsrechtlichen Literatur vielfach bestätigt.274 Auch der Kommentar zur rheinland-pfälzischen Verfassung geht davon aus, dass derartige Dynamisierungen verfassungsrechtlich unzulässig sind.275 Bei Entscheidungen in eigener Sache hat das Parlament, wie das Bundesverfassungsgericht hervorhebt, „jede Veränderung 270
Rhein-Zeitung vom 13. 5. 2017, S. 3 („Volksinitiative gegen Diätenerhöhung“). Pressemeldung des Landesverbandes AfD vom 16. 6. 2017. 272 Presseerklärung der AfD-Fraktion vom 17. 5. 2017 (Anlage 10 im Anhang). Siehe auch Allgemeine Zeitung Mainz vom 18. 5. 2017, S. 8 („AfD spendet höhere Bezüge“). 273 § 5 Abs. 4 AbgG neu; Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 3. 274 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei von Arnim / Drysch, Bonner Kommentar, Art. 48 Grundgesetz (Drittbearbeitung 2010), Rn. 129. 275 Volker Perne, in: Brocker / D roege / Jutzi (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 97, Rn 10. 271
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in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und darüber vor den Augen der Öffentlichkeit als einer selbstständigen politischen Frage zu entscheiden.“276 Bei solchen Entscheidungen verlangt „das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip (Art. 20 GG), dass der gesamte Willensbildungsprozess für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“277 Gerade weil die Dynamisierung nicht durch einfaches Landesgesetz eingeführt werden darf, hat Thüringen die Dynamisierung in seine Landesverfassung geschrieben.278 Dass der Landtag die wegen der Dynamisierung bereits berechnete und vorentschiedene Erhöhung durch einen einfachen Beschluss bestätigen muss, ist eine Umgehung der eigentlichen Erfordernisse und kann die öffentliche Kontrolle, der ein Gesetzgebungsverfahren normalerweise unterliegt, nicht wirklich ersetzen, denn dafür muss ein Gesetzentwurf vorgelegt und in zwei öffentlichen Plenarsitzungen sowie regelmäßig auch in einem Ausschuss beraten werden. Werden die zwischen den einzelnen Stationen des Verfahrens vorgesehenen Fristen nicht eingehalten, kann dieses Vorgehen – jedenfalls bei Maßnahmen, die die Abgeordneten in eigener Sache und zum eigenen Vorteil treffen – Gegenstand berechtigter Kritik werden. Der hier angewandte Automatismus verlangt dagegen nur einen Beschluss ohne jede Plenardebatte, der leicht irgendwann ohne viel Aufhebens zwischengeschoben werden kann.279 Das Verfahren ist deshalb in Wahrheit alles andere als ein „transparenter Anpassungsmechanismus“,280 sondern das Gegenteil: Das Parlament wird damit faktisch zur „Dunkelkammer“.281 5. Abschieben der Fraktionsmittel in den Haushaltsplan: verfassungswidrig Die konkreten Beträge, welche die Fraktionen erhalten, stehen ab 2019 nicht mehr im Gesetz, sondern lediglich in einem Titel des Haushaltsplans,282 wo selbst massive Erhöhungen unter den tausenden Titeln leicht untergehen, zumal sie erst 276
BVerfGE 40, 296 (316 f.). BVerfGE 40, 296 (317). 278 Art. 54 Abs. 2 Thüringer Verfassung; Art. 82 Abs. 2 Satz 2. Dazu auch von Arnim/ Drysch, Rn. 129 – 131. 279 Siehe auch Umkehrschluss aus der Inkraftsetzung der Dynamisierungsregelung (siehe dazu soeben den Abschnitt „1. Erhöhung nach der Wahl“), wo hervorgehoben wird, dass dort – im Gegensatz zu dem hier genannten Beschluss – eine Plenardebatte vorgesehen ist (Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 11). 280 So aber Gesetzentwurf, Drs. 17/2524, S. 1. 281 Siehe auch Christian Pestalozza, Die Staffeldiät oder: Das Parlament als Dunkelkammer, NJW 1987, S. 818. 282 § 2 Abs. 3a Satz 2 FraktG neu; Gesetzentwurf, Drs.17/2524, S. 3. 277
VI. Das Gesetzgebungsverfahren: verfassungswidrig
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kurz vor der endgültigen Beschlussfassung eingebracht werden und keine Fraktion ein Interesse an ihrer Erörterung hat. Das beseitigt die Transparenz, macht eine öffentliche Kontrolle praktisch unmöglich und widerspricht deshalb dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gesetzesvorbehalt, der aus dem Diätenurteil und der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt.283 Beispiele für derartige laut- und kontrolllose Selbstbewilligungen aus dem Bereich des Bundes sind die Erhöhung der Mittel für Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten um 30 Millionen Euro (17,6 Prozent), die sich die Bundestagsabgeordneten für 2016 klammheimlich bewilligten, und die Erhöhung der Globalzuschüsse für parteinahe Stiftungen um 16 Millionen Euro (13,8 Prozent) im Jahr 2014. Beide bedurften ebenfalls nur der Erhöhung der entsprechenden Titel im Haushaltsplan des Bundes.284
VI. Das Gesetzgebungsverfahren: verfassungswidrig Wenn das Parlament „in eigener Sache“ entscheidet, ist, wie das Bundesverfassungsgericht schon im Diätenurteil von 1975 betont hat, Öffentlichkeit „die einzige wirksame Kontrolle“.285 Deshalb verlangt das Gericht bei solchen Entscheidungen Transparenz, zumal der Bedarf der Abgeordneten bei Entscheidungen über die eigene Bezahlung in Richtung unendlich zu tendieren scheint,286 wie der vorliegende Diätencoup exemplarisch zeigt. Abgeordnete wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Martin Haller wurden denn auch nicht müde, die angebliche Transparenz des vorliegenden Gesetzgebungsverfahrens und die fundierte und nachvollziehbare Faktenlage, auf der das Verfahren beruhe, herauszustellen.287 283 Näheres bei von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, 113 – 116 mit weiteren Nachweisen. 284 Dazu von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 31 – 33. – Wenn der Gesetzentwurf sich zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit auf das sogenannte Wüppesahlurteil beruft (Drs. 17/2524, S. 2), so ist dies ein Fehlzitat. Dort wird die Frage vielmehr ausdrücklich offengelassen, weil sie den Status des Abgeordneten Wüppesahl nicht berühre (BVerfGE 80, S. 188 [215]). 285 BVerfGE 40, 296 (327). 286 So treffend der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) bei der zweiten Beratung des Fraktionsgesetzes des Bundes am 12. 11. 1993 (Bundestag, 12. Wahlperiode, Protokoll, S. 16420): Ohne wirksame Kontrollen tendiert „der Geldbedarf der Fraktionen und Parteien in Richtung unendlich“. Dasselbe gilt auch hinsichtlich des eigenen Geldbedarfs der Abgeordneten. 287 Martin Haller in der Beratung des Gesetzes im Landtagsplenum am 23. 3. 2017: „Wir Abgeordneten des Landtags Rheinland-Pfalz müssen hin und wieder in eigener Sache diskutieren und entscheiden. […] Dass im Zuge dieser regelmäßigen Auseinandersetzung immer wieder von Selbstbedienung gesprochen wird, ist systemimmanent. Um diesen Vorwurf zu begegnen, helfen nur Transparenz und eine fundierte und nachvollziehbare Faktenlage. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordneten- und des Fraktionsgesetzes haben wir uns dies zur Prämisse gemacht.“
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Doch das ist nur wohlfeiles Schaufenstergerede, das verdeckt, wie die Öffentlichkeit mit falschen Vergleichen und dem Vorspiegeln falscher Gründe für die Erhöhung der Entschädigung getäuscht und mit einem Gesetzentwurf von 12 engbeschriebenen DIN-A4-Seiten, der in den wenigen Tagen vor der Verabschiedung des Gesetzes gar nicht zu überprüfen war, eingenebelt wurde. Dadurch sollte jede Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit außer Funktion gesetzt werden. Das ist das Gegenteil von Transparenz und widerspricht fundamental dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 [siehe auch B. V. 3. a)]. Aber das Gesetzgebungsverfahren widerspricht auch der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die vom Gesetzgeber tragfähige Gründe für seine Entscheidung verlangt; dies gilt besonders, wenn es keine stringenten Maßstäbe für die Höhe der Leistungen gibt,288 wie dies bei Entschädigung und Versorgung sowie bei Bemessung des Bedarfs der Fraktionen und der Abgeordneten an Mitarbeitern der Fall ist; erst recht gilt dies, wenn wegen der Entscheidung des Parlaments in eigener Sache die Gefahr eines Immer-Mehr besteht [siehe B. V. 3. b)]. Solche tragfähigen Gründe wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht genannt und liegen auch nicht vor: weder hinsichtlich der Erhöhung der Entschädigung und der Versorgung, bei der die Öffentlichkeit mit falschen Gründen getäuscht wurde, noch hinsichtlich der Zahlungen für Mitarbeiter und Fraktionen, die mit willkürlich gegriffenen Zahlen aufgestockt wurden. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzgebungsverfahrens macht das ganze Gesetz verfassungswidrig.289
VII. Wer trägt die Verantwortung für die Täuschung? Wer hat sie ausgeheckt? Wer hat davon gewusst? Klar ist: Das Gesetz entbehrt jeder Begründung und muss aufgehoben werden. Die Frage aber bleibt: Wer trägt Verantwortung für das Gesetz und die Täuschung der Öffentlichkeit, für die falschen Zahlen, für das Ausblenden des enormen Werts der Versorgung und der schweren verfassungsrechtlichen Bedenken? Auf den ersten Blick scheint das klar zu sein: die Abgeordneten der vier Fraktionen, die das Gesetz betrieben und beschlossen haben. Sollten aber wirklich alle Volksvertreter die Öffentlichkeit bewusst getäuscht haben? Dann hätte der Landtag sich ein für alle Mal gründlich diskreditiert, und es kämen eigentlich nur noch Neuwahlen in Betracht. Oder wussten vielleicht die meisten Abgeordneten davon nichts und wurden selbst getäuscht? Vielleicht von den Parlamentarischen Geschäftsführern der vier 288 BVerfGE 125, 175 (246, 250); 139, 64 (127). Ebenso BVerfG, Beschluss vom 17. 11. 2015 (Aktenzeichen: 2 BvL 19/09 u.a.), Rn. 113. Siehe auch schon BVerfGE 79, S. 311 (344 f.). 289 Zum Ganzen von Arnim, Die Hebel der Macht und wer sie bedient, S. 104 – 111. Auf S. 172 f. wird dort auch dargelegt, dass die in der vorangehenden Anmerkung genannte Rechtsprechung auch für Fälle der vorliegenden Art gilt.
VIII. Volksinitiative
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Fraktionen, die den Gesetzentwurf unterschrieben und ihn in der ersten Lesung im Plenum zu rechtfertigen versucht haben? Der Landtagspräsident, der versuchte, mit einer Gefälligkeits-Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes die Täuschung in Abrede zu stellen, dürfte eingeweiht sein – und der Leiter der zuständigen Abteilung des Wissenschaftlichen Dienstes, der Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes insgesamt und der Bearbeiter der Stellungnahme sowieso. In jedem Fall muss der Täuschungsvorgang gründlich aufgeklärt werden. Rechtlich kann man den Abgeordneten allerdings nur schwer etwas anhaben. Sie genießen die sogenannte Indemnität. Nach Art. 93 der Landesverfassung darf kein Abgeordneter „wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Mandats getanen Äußerung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.“ Hier fehlt es bei Auseinandersetzungen wie der vorliegenden an verbaler „Waffengleichheit“: Wer zum Beispiel den Lügenvorwurf gegenüber den Fraktionen und ihren Mitgliedern erhebt, könnte, wenn dieser nicht zuträfe, strafrechtlich und zivilrechtlich verfolgt werden, der Landtagspräsident, der ihm Entsprechendes vorwirft, auch wenn es dreist aus der Luft gegriffen ist, aber nicht. Die Beamten des Landtags tragen dagegen „die volle persönliche Verantwortung“ für „die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen.“ Sie dienen „dem ganzen Volk, nicht einer Partei“ und haben ihre „Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen“ (§ 63 Abs. 1 Landesbeamtengesetz). Handeln sie auf Weisung, so sind sie von der Verantwortung für rechtswidrige Aktionen nur befreit, wenn sie zunächst beim unmittelbaren Vorgesetzten und sodann beim nächsthöheren Vorgesetzten erfolglos demonstriert hatten (§ 66 LBG). Da die Mitglieder des Wissenschaftlichen Dienstes „in sachlicher Hinsicht an Weisungen nicht gebunden“ sind,290 kann eine Weisung hinsichtlich des Inhalts von Stellungnahmen grundsätzlich nicht in Betracht kommen.
VIII. Volksinitiative Nachdem in Baden-Württemberg bereits die Ankündigung eines Volksantrags mit dazu beigetragen hatte, dass die Fraktionen die blitzartig beschlossene staatliche Altersversorgung erst einmal wieder zurücknahmen, schien dies auch in Rheinland-Pfalz ein probates Mittel, die Rücknahme des Blitzgesetzes zu erzwingen. Das Bekanntmachen der gezielten Täuschung der Öffentlichkeit durch die fraktionsübergreifende große Mehrheit des Landtags ließ erst recht ein schnelles Rückrudern erwarten. In Rheinland-Pfalz heißt dieses direktdemokratische In 290 So § 7 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinien über die Organisation und die Aufgaben des beim Landtag eingerichteten Wissenschaftlichen Dienstes vom 15. 12. 1964. Dort heißt es allerdings auch, die Erledigung des Auftrags sei „unter Beachtung der Vorstellungen und Wünsche der Auftraggeber vorzunehmen.“ Es fragt sich also in unserem Falle, welche Vorstellungen und Wünsche der Landtagspräsident mit der Erteilung des Auftrags verbunden hatte.
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C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup
strument Volksinitiative. Um den Landtag zu zwingen, sich mit dem Thema erneut zu befassen, sind 30.000 Unterschriften erforderlich. Zu diesem Zweck taten sich auf Anregung des Verfassers die Freien Wähler und die ÖDP zusammen. Der vom Verfasser ausgearbeitete Gesetzentwurf, der eine Rücknahme der im Diäten- und Fraktionsgesetz vorgesehenen Erhöhungen rückwirkend zum 1. Januar 2017 vorsieht, wurde am 12. Mai 2017 vorgestellt und fand eine rege Resonanz in den Medien. Seit Mitte Juni läuft die Unterschriftenaktion. Überraschend hat sich – anscheinend gegen den Willen der Initiatoren – auch die AfD angeschlossen. Die Diätenerhöhung dominierte die Berichterstattung zunächst allerdings derart, dass die hoch problematische Erhöhung der Altersversorgung und die Verfassungswidrigkeit kaum diskutiert wurden. Vor allem fand die raffiniert camouflierte und von vielen nur schwer nachzuvollziehende Täuschung der Öffentlichkeit zunächst nicht die nötige Resonanz. Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der rheinland-pfälzischen Verfassung vom 18. Mai 1947 wollte man sich wohl partout nicht durch das Bild eines die Öffentlichkeit betrügenden Hohen Hauses verderben lassen. Zudem legte der Landtagspräsident ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vor und behauptete, damit entbehrten die vom Verfasser erhobenen Vorwürfe jeder Grundlage (siehe Anlage 9). Selbst die Freien Wähler und die ÖDP entfernten zur Überraschung des Verfassers den Täuschungsvorwurf aus der Begründung ihrer Volksinitiative. Einige Wochen später stellte dann aber eine Fernsehsendung des SWR die Täuschung durch die Landtagsmehrheit und den Gefälligkeitscharakter des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes sehr klar heraus.291
IX. Zusammenfassung von Kap. C. Das rheinland-pfälzische Diätengesetz von April 2017 ist ein krasses Beispiel parlamentarischer Selbstbedienung. Mit aufwendigen Darlegungen spiegelt es der Öffentlichkeit eine Begründung für die Neuregelung vor, die in Wahrheit gar nicht besteht. Die Fraktionen der SPD, der FDP, der CDU und der Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag erhöhten die monatliche Abgeordnetenentschädigung in vier Schritten um über 1.000 Euro, insgesamt um 17,5 Prozent, und bewilligten sich für Mitarbeiter von Abgeordneten 19 Prozent mehr. Nur die AfD stimmte dagegen. Das Gesetz wurde im Blitzverfahren durch den Landtag gepeitscht. Die erste Beratung erfolgte am 23. März, die Beschlussfassung folgte bereits tags darauf. Das Gesetz wurde am Gründonnerstag, dem 13. April 2017, im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht und trat damit in Kraft. In demselben Blitzverfahren wurde auch das Fraktionsgesetz geändert. Die Erhöhung der öffentlichen Mittel für die Landtagsfraktionen und für Abgeordneten291 Sendung des SWR am 22. 6. 2017 in Zur Sache Rheinland-Pfalz: Kritik an Diätenerhöhung der Landtagsabgeordneten reißt nicht ab.
IX. Zusammenfassung von Kap. C.
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mitarbeiter, die beide mit willkürlich gegriffenen Angaben erfolgten, war im publizistischen Windschatten der Entschädigungserhöhung kaum bemerkt worden. Das Mehr für Mitarbeiter und die ersten Erhöhungsstufen der Entschädigung und der Fraktionsmittel wurden sogar rückwirkend zum 1. Januar 2017 gezahlt. In die Beurteilung der Diätenerhöhung hätte auch die außerordentlich großzügige staatliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung rheinland-pfälzischer Abgeordneter mit einbezogen werden müssen. Dann hätte sich nämlich herausgestellt, dass diese – angesichts ihres unerhörten wirtschaftlichen Werts – ein überhöhtes verschleiertes Zusatzeinkommen darstellt und deshalb erst recht keine Rechtfertigung für die vorgenommene Aufstockung der Entschädigung bestand. Tatsächlich wurde das Thema Altersversorgung völlig ausgeblendet, insbesondere der Umstand, dass die an die Entschädigung gekoppelte staatliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung stillschweigend ebenfalls um 17,5 % ansteigt, obwohl sie bisher schon eine – verfassungswidrige – Überversorgung darstellt. Die prozentualen Steigerungssätze pro Mandatsjahr sind um 32 und 40 Prozent höher als im Bund. Selbst die Versorgungsregelung, die der Landtag von Baden-Württemberg kürzlich eingeführt hatte, nach öffentlichen Protesten aber gleich wieder aufheben musste, sah sehr viel niedrigere Steigerungsraten vor. Mit der Erhöhung wird die Altersversorgung eines Abgeordneten nach 10 Jahren fast achtmal so hoch wie die eines durchschnittlichen Rentners. Der Gesamtwert der Versorgunganwartschaft kann dann über eine Million Euro betragen. Die Erhöhung der Entschädigung und der Versorgung verschafft auch ehemaligen Abgeordneten, ehemaligen Regierungsmitgliedern und einer bestimmten Gruppe ehemaliger Beamter ein beträchtliches Mehr an Versorgung. Alles in allem profitiert fast die gesamte politische Klasse des Landes Rheinland-Pfalz von dem Diätencoup. Die Eile im Gesetzgebungsverfahren hatte System. Denn in Wahrheit fehlt jegliche Rechtfertigung für die Erhöhung der Entschädigung, für die daran gekoppelte Erhöhung der Altersversorgung sowie für den Umfang der Erhöhung der öffentlichen Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen. Auch der in Zukunft vorgesehene Erhöhungsautomatismus für die Entschädigung begründet ein nicht zu rechtfertigendes Privileg und ist ebenso verfassungswidrig wie das Abschieben der Fraktionsmittel in den Haushaltsplan. Beides gehört ebenfalls von Anfang an aufgehoben. Um die Anhebung der Entschädigung plausibel zu machen, wurde die Öffentlichkeit über die wahren Verhältnisse getäuscht und die Entwicklung der Beamtenbezüge im Gesetzentwurf und in der ersten Lesung im Parlamentsplenum am 23. März 2017 falsch dargestellt. Es wurde nämlich nur die Entwicklung des Monatsgrundgehalts der A 16-Beamtenbesoldung von 1995 bis 2016 herangezogen, dieses enthielt anfangs den Ortszuschlag und das 13. Gehalt von Beamten noch nicht und war deshalb niedriger als die Entschädigung. Erst 1996 und 2008 wurden diese Gehaltsbestandteile des Beamten ins Grundgehalt eingebaut, so dass dieses
82
C. Der rheinland-pfälzische Diätencoup
stark aufgebläht wurde und sich ein gewaltiges Wachstum der Beamtenbesoldung zu ergeben schien, obwohl die Einbauten die Gesamtbezüge des Beamten gar nicht veränderten. So wurde durch Beschränkung des Blicks auf das Grundgehalt ein Zurückbleiben der Entschädigung gegenüber der Beamtenbesoldung vorgespiegelt, das in Wahrheit gar nicht besteht. Vergleicht man dagegen richtigerweise die Jahresgesamtbezüge von A 16-Beamten mit der Abgeordnetenentschädigung, ergibt sich kein Rückstand der Entschädigung gegenüber der Beamtenbesoldung, der durch eine Diätenerhöhung hätte ausgeglichen werden müssen. Anders formuliert: Der Eindruck eines Zurückbleibens der Entschädigung wurde dadurch erzeugt, dass die Fraktionen der SPD, der FDP, der CDU und der Grünen zum Vergleich nicht die Gesamtbezüge des A 16-Beamten heranzogen, die von 1995 bis 2016 mit 28 Prozent sogar noch geringer stiegen als die Entschädigung (29,5 Prozent), sondern sein Grundgehalt; dieses aber nahm – wegen der Aufblähung durch die Einbauten – im selben Zeitraum um 56 Prozent zu, stieg also doppelt so schnell an (siehe auch die Tabelle und das Schaubild im Anhang, Anlagen 7 und 8). Zieht man die korrekten Vergleichszahlen heran, zeigt sich, dass die Abgeordnetenentschädigung und die Beamtenbesoldung sich in den letzten 20 Jahren parallel entwickelten und die Entschädigung von Anfang an nicht einmal das Niveau einer A 15-Besoldung erreichte, und daran hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch nichts geändert. Die Anhebung der Entschädigung auf A 16-Niveau hat sich der Landtag durch manipulierte Angaben erschwindelt. Der Präsident des Landtags versuchte zwar, mit Hilfe einer Gefälligkeits-Stellungnahme seines Wissenschaftlichen Dienstes die Täuschung der Öffentlichkeit zu leugnen, verstrickte sich dabei aber umso tiefer ins Lügengespinst. Der Wissenschaftliche Dienstes folgt offenbar der Devise von Populisten: Wenn du nicht überzeugen kannst, musst du verwirren. Zusätzlich zur Verfassungswidrigkeit der überzogenen Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen auch schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Zukunft vorgesehene Dynamisierung von Entschädigung und Versorgung sowie gegen das Abschieben der Fraktionsmittel in den Haushaltsplan. Das Täuschen der Öffentlichkeit und das Vorspiegeln von Sachgründen für die Erhöhung der Entschädigung und der Versorgung sind das Gegenteil eines transparenten Gesetzgebungsverfahrens, auf welches das Bundesverfassungsgericht bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache ganz besonderen Wert legt. Die falschen Angaben und die willkürliche Aufstockung der Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter und Fraktionen widersprechen auch dem Erfordernis, derartige Entscheidungen tragfähig zu begründen, wie es das Gericht ebenfalls verlangt. Auch auf die zahlreichen sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht eingegangen. Diese drei gewichtigen Verfahrensmängel machen, bereits für sich genommen, das Gesetz insgesamt verfassungswidrig.
IX. Zusammenfassung von Kap. C.
83
Nach alledem ist das politisch ebenso wie verfassungsrechtlich unhaltbare Gesetz, das jeder Begründung entbehrt, wieder aufzuheben. Darüber hinaus muss aufgeklärt werden, wer für das dreiste Manöver die Hauptverantwortung trägt und zu welchen Konsequenzen sie führt.
D. Schluss: Ausschaltung aller Kontrollen Die beiden Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben sich, um ihre politisch und verfassungsrechtlich unhaltbaren Diätengesetze in eigener Sache und zu eigenen Gunsten durchzubringen und aufrechtzuerhalten, allseitig abgesichert. Dabei geht es nicht nur um die eigenen Bezüge der Abgeordneten, sondern auch um die Finanzierung ihrer Parteien. Die Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter, die in beiden Ländern erhöht wurden, in Baden-Württemberg sogar um 100 Prozent, kommen zum großen Teil den Parteien zugute. So sieht etwa die baden-württembergische Landtagsverwaltung keine Möglichkeit, die Verwendung der Abgeordnetenmitarbeiter für die Partei zu verhindern. Auch die Fraktionen, deren Mittel in Rheinland-Pfalz ebenfalls erhöht wurden, machen Parteiarbeit, besonders über ihre Öffentlichkeitsarbeit, deren Umfang weit höher ist als ausgewiesen. Die Parlamente haben die Entscheidung über ihren finanziellen Status ohne Not an sich gerissen und behaupten, sie müssten darüber selbst entscheiden. In Wahrheit steht in den Ländern mit direkter Demokratie ein zweites Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung, mit dem die problematische „Selbstbedienung“ vermieden würde. Hält man dennoch an der Entscheidung des Parlaments in eigener Sache fest, wird, wie auch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben hat, die öffentliche Kontrolle besonders wichtig. Doch die politische Klasse sucht in beiden Landtagen die öffentliche Kontrolle mit allen Mitteln zu schwächen oder ganz zu beseitigen. Eine Methode sind Blitzgesetzes, mit denen die Abgeordneten, wie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, auch unbegründete oder falsch begründete Regelungen durchsetzen. Auch verlegt man, wie beide Landtage zeigen, Erhöhungen regelmäßig in die Zeit nach der Parlamentswahl, um sie im Wahlkampf nicht rechtfertigen zu müssen. Stattdessen sollten die Parlamente über ihre Diäten vor den Wahlen beschließen, und die Beschlüsse sollten erst danach wirksam werden. Dann wüssten die Bürger, wie ihre Vertreter entlohnt werden, und wer wieder kandidiert, müsste Erhöhungen vor den Wählern rechtfertigen; unbegründete Erhöhungen würden so von vornherein erschwert. Eine weitere, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ebenfalls angewendete Methode ist die Dynamisierung, d.h., die Ankoppelung der Entschädigung und damit auch der Alters- und Hinterbliebenenversorgung an bestimmte Preisoder Einkommensindizes. Das führt – an der öffentlichen Kontrolle vorbei – zu automatischen Erhöhungen, was weitere Erhöhungen mit einer der kontrollscheuen Methoden aber keineswegs ausschließt.
D. Schluss: Ausschaltung aller Kontrollen
85
Auch die Auslagerung von Beschlüssen aus dem Abgeordneten- und Fraktionsgesetz, wie in Rheinland-Pfalz für die Höhe der Fraktionsmittel, gehört hierher. Dann braucht es nur die Änderung eines Titels im Haushaltsplan, um seine Bewilligungen während der allgemeinen Haushaltsberatungen ungestört aufstocken zu können. Andere Wege werden von den ebenfalls per Selbstbewilligung finanzierten Fraktionen bestritten, indem sie ihren Funktionären Einkommenszulagen zahlen, über deren Höhe sie sich in Schweigen hüllen. Eine weitere Methode ist die Einbeziehung von (wirklichem oder angeblichem) Sachverstand. Da das Parlament sich die Auswahl vorbehält, ist es nicht schwer, Kommissionen so zusammenzusetzen, dass bei ihren Empfehlungen das Gewünschte herauskommt. Der Bundestag hat dies mit der Berufung der so genannten Schmidt-Jortzig-Kommission vorgemacht. Der Landtag von Baden-Württemberg macht es – unter Berufung auf dieses „Vorbild“ – nach. Dass die neue Stuttgarter Kommission sich den Vorgaben des Landtags fügt, ihren Bericht erst nach dem Wahljahr 2017 vorlegt und zentrale Gegenstände von vornherein ausgeklammert, lässt nichts Gutes erwarten. In Rheinland-Pfalz erfüllt der so genannte Wissenschaftliche Dienst eine ähnliche Funktion für den Landtag, indem er mit einem bestellten Gutachten selbst einen unhaltbar begründeten Parlamentsbeschluss öffentlich zu rechtfertigen suchte. Verfassungsgerichte könnten eine wirksame Kontrolle bilden. Das gilt erst recht, wenn wie in Rheinland-Pfalz Fraktionen sie ohne eigene Betroffenheit anrufen können. Prekär aber kann es werden, wenn die Parlamente ihre Leute in die Verfassungsgerichte entsenden. Dann hilft bei eventuellen Klagen nur noch die Hoffnung auf den so genannten Beckett-Effekt.
Anhang I. Anlagen Baden-Württemberg Anlage 1: Gesetzentwurf der Fraktionen der GRÜNEN, CDU, SPD und FDP/DVP, Landtagsdrucksache 16/1582 (Erhöhung der Pauschalen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Anlage 2: Gesetzentwurf der Fraktionen der GRÜNEN, CDU und SPD, Landtagsdrucksache 16/1583 (staatliche Altersversorgung). . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Anlage 3: 1. Lesung, Plenarprotokoll 16/24, S. 1226–1231.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Anlage 4: 2. Lesung, Plenarprotokoll 16/25, S. 1364–1365.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Anlage 5: 1. Lesung der Aufhebung der Altersversorgung, Plenarprotokoll 16/26, S. 1396–1404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Anlagen Rheinland-Pfalz Anlage 6: Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Landtagsdrucksache 17/2524. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Anlage 7: Bezahlung von A 16- und A 15-Beamten (Grundgehalt vs. Gesamtbezüge) und Abgeordneten 1993 bis 2020 (Tabelle). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Anlage 8: Bezahlung von A 16-Beamten (Grundgehalt vs. Gesamtbezüge) und Abgeordneten 1995 bis 2020 (Schaubild). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Anlage 9: Erwiderung des Landtages vom 15.5.2017. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Anlage 10: Pressemitteilung der AfD vom 17.5.2017.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
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Anlage 7 Tabelle: Bezahlung von A 16- und A 15-Beamten und Abgeordneten in Rheinland-Pfalz Jahr
Entschädigung von Abgeordneten
A 16 Beamtenbesoldung (Endstufe, monatliches Grundgehalt)
A 16 BeamtenA 15 Beamtenbesoldung (Endstu- besoldung (Endstufe, fe, ein Zwölftel des ein Zwölftel des JahJahresgesamtgehalts) resgesamtgehalts)
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Anstieg 1995 – 2016
4.003 4.337 4.488 4.488 4.578 4.619 4.688 4.778 4.868 4.980 4.980 4.980 5.070 5.146 5.172 5.198 5.395 5.459 5.459 5.514 5.569 5.625 5.681 5.812 5.939 6.163 6.795 7.034
4.033 4.033 4.244 4.244 4.766 4.900 5.042 5.042 5.133 5.246 5.372 5.480 5.480 5.480 5.508 5.535 5.980 6.052 6.142 6.204 6.266 6.329 6.461 6.611 6.743 6.901 7.063 7.229
4.927 4.927 5.165 5.165 5.200 5.299 5.441 5.441 5.532 5.645 5.771 5.709 5.709 5.709 5.737 5.766 5.980 6.052 6.143 6.204 6.266 6.329 6.462 6.611 6.743 6.901 7.063 7.229
29.5%
55.8%
28.0%
4.634
5.933
Die Tabelle zeigt, dass das Jahresgesamtgehalt eines A 16-Beamten in den Jahren 1995 bis 2016 nicht wie das monatliche Grundgehalt um rund 56 Prozent gestiegen ist, sondern um lediglich die Hälfte, nämlich 28 Prozent und damit nicht stärker als die Abgeordnetenentschädigung (29,5 Prozent). Das macht deutlich, dass der Blick allein auf das Grundgehalt ein völlig überzogenes Wachstum widerspiegelt. Zugleich zeigt die Tabelle, dass die Entschädigung 1995 und 2016 nicht einmal die Höhe der A 15-Besoldung erreichte. Für die Jahre 2017 und 2018 wurden die die bereits zugesagten Erhöhungsraten der Beamtenbesoldung von 2 bzw. 2,35 Prozent zugrunde gelegt; für 2019 und 2020 wurden jeweils die 2,35 Prozent des Jahres 2018 unterstellt. Für die Abgeordnetenentschädigung wurde in den Jahren 2019 und 2020 – aufgrund der üblicherweise höheren Steigerung der allgemeinen Einkommen – ein Dynamisierungsfaktor von 3 Prozent unterstellt.
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Entschädigung von Abgeordneten
Eibau des Ortszuschlags
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
A 16 Beamte (Endstufe, monatliches Grundgehalt)
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
A 16 Beamte (Endstufe, ein Zwölel des Jahresgesamtgehalts)
Einbau der Sonderzahlung
Schaubild: Bezahlung von A 16-Beamten (Grundgehalt vs. Gesamtbezüge) und Abgeordneten in Rheinland-Pfalz
Das Schaubild zeigt, dass kein Nachholbedarf für Abgeordnete besteht, weil die Beamtenbesoldung in Wahrheit seit 1995 gar nicht schneller gestiegen ist als die Abgeordnetenentschädigung, sondern sich beide etwa gleich entwickelt haben. Der Eindruck einer Entschädigungslücke, die jetzt durch eine Diätenerhöhung geschlossen werden müsse, den der Gesetzentwurf vorspiegelt, ist das Ergebnis einer statistischen Manipulation. Er wurde dadurch bewirkt, dass die im Gesetzentwurf genannte Tabelle das Monatsgrundgehalt aufführt (wiedergegeben durch die rote Linie), das ohne Ortszuschlag und Sonderzahlung (13. Monatsgehalt) die Beamtenbezüge zunächst niedrig erscheinen lässt, diese später aber durch den Einbau des Ortszuschlags (1996) und der Sonderzahlung (2008) ins monatliche Grundgehalt scheinbar stark ansteigen lässt, obwohl sich dadurch die Jahresgesamtbezüge der Beamten nicht verändern. Legt man aber richtigerweise von Anfang an die Jahresgesamtbezüge zugrunde (deren monatlicher Wert durch die grüne Linie gekennzeichnet ist), stellt man fest, dass die Entschädigung und die Besoldung in den letzten 20 Jahren weitgehend parallel verlaufen sind. Darum gibt es keinen Grund, die Abgeordnetenentschädigung ab 2016 stark ansteigen zu lassen, um sie an die Besoldung von A 16 Beamten anzunähern, was das Gesetz, wie die blaue Linie zeigt, nunmehr aber bewirkt.
4,000
4,250
4,500
4,750
5,000
5,250
5,500
5,750
6,000
6,250
6,500
6,750
7,000
7,250
7,500
Euro
Anlage 8 136
Anhang
138
Anhang
Rechtmäßigkeit der Berechnung der Abgeordnetenentschädigung am Endgrundgehalt A 16
A. Auftrag Vor dem Hintergrund entsprechender Medienberichterstattung, wonach das Parlament die ÖfIHQWOLFKNHLW EHL GHU (UK|KXQJ GHU $EJHRUGQHWHQHQWVFKlGLJXQJ ÄJH]LHOW EHORJHQ³ XQG VLFK GLH (UK|KXQJGXUFKIDOVFKH=DKOHQÄHUVFKZLQGHOW³KDEHKDW/DQdtagspräsident Hendrik Hering den Wissenschaftlichen Dienst mit einer Überprüfung der Vorwürfe beauftragt. Konkret basiert die Medienberichterstattung auf Aussagen von Prof. Dr. von Arnim, der die Richtigkeit der dem Gesetzentwurf zugrundeliegenden Darstellungen offenbar in Abrede gestellt hat. B. Stellungnahme Als Ergebnis der vorgenommenen Prüfung kann festgehalten werden, dass die Gesetzesbegründung und insbesondere der in ihr gezogene Vergleich zur Entwicklung des sog. Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 16 weder unter rechtlichen noch fachlichen Gesichtspunkten angreifbar sind. Die in der Gesetzesbegründung aufgenommene Tabelle, in der die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung mit der Besoldungsgruppe A 16 verglichen wird, stellt sich ausnahmslos als korrekt dar. Im Einzelnen: I. Das Gesetz begründet die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung unter Hinweis darauf, dass die Verantwortung und Belastung der Landtagsabgeordneten mit derjenigen von hauptamtlichen Bürgermeistern kleinerer Kommunen (10.001 bis 15.000 Einwohner) vergleichbar sei (LT-Drucks. 17/2524, S. 8). Ausgehend hiervon legt der Gesetzgeber fest, dass sich die (QWVFKlGLJXQJNQIWLJDPÄ(QGJUXQGJHKDOWHLQHV%HDPWHQGHV/DQGHVGHU%HVROGXQJVJUXSSH $RULHQWLHUW³'LHVHV(QGJUXQGJehalt beträgt derzeit 6.610,53 Euro. Die zum 1. Januar 2017 um 126,15 Euro erhöhte Abgeordnetenentschädigung liegt gegenwärtig bei 5.938,32 Euro. Anders als behauptet, geht es nicht um die Nachholung prozentualer Steigerungen entsprechend der Beamtenbesoldung, sondern um die Einführung einer neuen Orientierungsgröße Ä(QdJUXQGJHKDOWGHU%HVROGXQJVJUXSSH$³ , die für die Bemessung der Abgeordnetenentschädigung künftig maßgeblich ist.
II. Rheinland-Pfalz – Anlage 9
139
2
II. Der als Orientierungsgröße vom Gesetzgeber zugrunde gelegte BegrifI GHV Ä(QGJUXQGJH KDOWV³ LVW EHVROGXQJVUHFKWOLFK HLQGHXWLJ GHILQLHUW (U Eezeichnet innerhalb einer Besoldungsgruppe (hier: A 16) die letzte Stufe, ab deren Erreichen das Gehalt auch durch weitere Erfahrungszeiten nicht mehr ansteigen kann (vgl. § 29 Abs. 3 des Landesbesoldungsgesetzes). Dieses Endgrundgehalt wird in Gehaltstabellen, die Bestandteil der Besoldungsgesetze sind, veröffentlicht. Die jeweils in den Tabellen ausgewiesenen Gehälter sind dabei die Hauptbestandteile der Besoldung. Insoweit ist das vRP*HVHW]KHUDQJH]RJHQHÄ(QGJUXQGJHKDOW³GDVQDFK vollziehbarste und transparenteste Kriterium, um die Entwicklung der Besoldung darzustellen und vergleichen zu können. III. Maßgebliche Orientierungsgröße ist nach dem Gesetz eiQ]LJ XQGDOOHLQGDVÄ(QGJUXQGgehDOWGHU%HVROGXQJVJUXSSH$³%H]RJHQDXIGLHVHQYRm Gesetz ausschließlich herangezogenen Maßstab beinhaltet die Gesetzesbegründung eine Vergleichstabelle, die die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung der Entwicklung des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 16 im Zeitraum von 1995 bis 2016 gegenüberstellt. Die in dieser Tabelle ausgewiesenen Beträge sind ausnahmslos korrekt dargestellt worden. Auch die Feststellung der GesetzesbeJUQGXQJ Ä/DJ GLH $EJHRUGQHWHQHQWVFKlGLJXQJ LQ GHQ -DKUHQ XQd 1996 noch umgerechnet rund 240 Euro über dem Endgrundgehalt eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe $OLHJWGLH(QWVFKlGLJXQJKHXWHNQDSS(XURGDUXQWHU³VWHKWDXHUMHGHP=ZHLIHOXQG ist nachweislich richtig. IV. Der vom Gesetzgeber gewählte VeUJOHLFKVPDVWDEÄ(QGJUXQGJHKDOW³ LVWUHFKWOLFKQLFKW]X beanstanden. Er entspricht auch der anerkannten Gesetzgebungspraxis z.B. des Deutschen Bundestags, dessen Systematik der rheinland-pfälzische Gesetzgeber hier übernommen hat. Wie in Rheinland-Pfalz hat auch der Deutsche Bundestag für den Vergleich ausschließlich das Grundgehalt entsprechend den Gehaltstabellen herangezogen. V. 'HU9RUZXUI GHU Ä)lOVFKXQJ³HQWEHKUW VFKRQQDFKGHP$XVJHIKUWHQ MHGHU*UXQGODJH XQG muss insoweit als unseriös eingeordnet werden. Auch der Sache nach liegt er daneben: Es geht gerade nicht um einen Vergleich bloß prozentualer Steigerungen, wie sie sich z.B. aus der Integration bestimmter ZDKOXQJHQ Ä:HLKQDFKWVJHOG³ Ä2UWV]XVFKODJ³) in das Grundgehalt ergeben, sondern um eine Gegenüberstellung materieller Gehaltsunterschiede. Für diese macht es aber keinen Unterschied, ob Zusatzzahlungen in das Grundgehalt überführt oder neben dem Grundgehalt gesondert ausgewiesen werden. Außer Frage steht, dass solche Zusatzzahlungen ± selbst wenn sie nicht Teil des Grundgehalts sind ± in einem Vergleich der Gehaltsunterschiede beachtet werden müssen. Anders ausgedrückt: Wären die hier in Rede stehenden Zusatzzahlungen nicht Teil des Grundgehalts geworden, hätten sie für eine realitätsgerechte Abbildung der Gehaltsunterschiede dennoch Berücksichtigung finden und zum Grundgehalt hinzugerechnet werden müssen. In diesem Fall hätte sich der Ausgangswert der Besoldung erhöht. Die Integration der Sonderzahlungen für Beamte in das Grundgehalt hat daher für die in dem Gesetzentwurf vorgenommene Vergleichsbetrachtung keine Relevanz. Wissenschaftlicher Dienst
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Sachwortregister Abgeordnetenmitarbeiter 30 – 33, 71 –– Erhöhung um 19 % in Rheinland-Pfalz 71 –– willkürlich und verfassungswidrig 71 –– missbrauchsanfällig 32 f., 71 –– Verdoppelung in Baden-Württemberg: willkürlich und verfassungswidrig 30 f., 53 Altersversorgung (privat) –– in Baden-Württemberg 12, 16, 18, 27 –– Vorsorgebeitrag 16, 27 –– in Rheinland-Pfalz 2005 gescheitert 68 Alters- und Hinterbliebenenversorgung (staatlich) –– in Baden-Württemberg 16, 26 f., 19 ff. –– Anlehnung an den Bund 20, 22, 53 –– Ersetzung durch private Versorgung 2011 12, 18 f., 27 –– Regelung 16, 26 –– vorläufige Wiederaufhebung 2017 12, 17 f., 50 f., 115 (Anlage 5) –– Rolle der Bundespräsidentenwahl 12, 17 –– Wiedereinführung 2017 12, 16 f., 95 (Anlage 2) –– Begründungsversuche 18 – 26, 53 –– Wortbruch 19 f., 53 –– in Rheinland-Pfalz –– Erhöhung 2017 um 17,5 % 67 – 70, 125 (Anlage 6) –– die gesamte politische Klasse profitiert 69 f. –– ohne jede Begründung 81 –– Ersetzung durch private Versorgung 2005 gescheitert 68 –– Regelung 65 – 67 –– verfassungswidrig 70 –– Vergleich mit Baden-Württemberg und dem Bund 66
–– Vergleich mit Rentenversicherung 67 –– Wert der Versorgungsanwartschaft: eine Million Euro 68 Beamte A16 in Rheinland-Pfalz –– Gesamtbezüge, Entwicklung 1993 – 2020 55 – 61, 135 (Anlage 7), 136 (Anlage 8) –– Grundgehalt, Entwicklung 1995 – 2016 55 – 61, 125 (Anlage 6) –– Täuschung der Öffentlichkeit 56 – 61 Blitzgesetze –– in Baden-Württemberg 12 – 14, 43 f., 50 f., –– dreifach verfassungswidrig 44 – 48, 51 –– in Rheinland-Pfalz 13 f., 74 –– verfassungswidrig 77 f., 81 –– Mitwirkung der Grünen 15, 40, 53 –– politische Verantwortung 49 f. Direkte Demokratie zu Diätengesetzen 41 – 42, 54, 84 –– Volksantrag in Baden-Württemberg 17, 42, 54 –– Volksinitiative in Rheinland-Pfalz 14, 79 f. Entschädigung von Abgeordneten –– Bezüge von Bürgermeistern kein Maßstab 64 f. –– Entscheidung über Entschädigung –– durch direkte Demokratie siehe direkte Demokratie zu Diätengesetzen –– Mitwirkung nach der Wahl 42 f. –– Erhöhung um 1.000 Euro in Rheinland-Pfalz 55 f., 125 (Anlage 6) –– mit Scheinbegründung erschwindelt 56 – 61
144
Sachwortregister
–– Rechtfertigungsversuch des Wissenschaftlichen Dienstes 62 – 64, 137 (Anlage 9) –– Geburtsfehler der Entschädigung –– im Bund 22 –– in Bayern 21 –– in Hessen 21 –– im Landtag: Teilzeitabgeordnete 23 – 26 Entschädigung von Nur-Politikern 23 Entschädigung von öffentlichen Bediensteten 23 Fraktionen –– Erhöhung in Rheinland-Pfalz: willkürlich gegriffen und verfassungswidrig 71 f. –– Gesetzgebungsverfahren siehe Blitzgesetze Funktionszulagen –– in Baden-Württemberg 33 – 37, 52 –– erhöhte Versorgung von Funktionsträgern 40 –– parlamentarische Geschäftsführer 34 f., 37 –– stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisvorsitzende 34 – 37, 52 –– unverhältnismäßig im Vergleich mit Sonderkostenpauschalen 36 f. –– in Rheinland-Pfalz 72 f. –– verfassungsrechtliche Grenzen 33 f. Kommission von Sachverständigen –– Vorsitz Hund 13, 50 –– Vorsitz Kissel 28 f. –– Vorsitz Landau (geplant) 13, 50 –– Vorsitz Schmidt-Jortzig 22 – 24, 29, 30, 49, 50, 85 –– Vorsitz Sendler (auch: Weizsäcker-Kommission) 43, 45, 54, 74 Kontrollen –– AfD? 75
–– direkte Demokratie 41 – 43, siehe auch direkte Demokratie –– Schwächung der öffentlichen Kontrolle –– durch Berufung geneigter Kommissionen 85, siehe auch Kommission von Sachverständigen –– durch Blitzgesetze siehe Blitzgesetze –– durch Dynamisierung 75 f., 84 –– durch Entscheidung nach der Wahl 42, 74 –– durch Instrumentalisierung des Wissenschaftlichen Dienstes in Rheinland-Pfalz 62 – 64, 80 –– durch Verschiebung in den Haushaltsplan 76 f., 85 –– Verfassungsgerichte 48, 85 –– Diätenverfahren beim Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg 48 –– Klaglosstellen durch Beteiligung ehemaliger Abgeordneter in Rheinland-Pfalz 69 Kostenpauschalen (steuerfrei) in Baden-Württemberg 27 – 29, 51, 89 (Anlage 1) –– Erhöhung der Kostenpauschale um 40 %: ohne tragfähige Begründung 27 f. –– der Sonderkostenpauschalen: nicht einmal erwähnt 29 –– verfassungswidrig 29 f., 51 Landtag –– Entscheidung in eigener Sache siehe Blitzgesetze –– Kontrolle siehe Kontrolle –– Selbstbedienung siehe Entschädigung von Abgeordneten Parteienfinanzierung, verdeckte –– durch Abgeordnetenmitarbeiter 32 f., 71 –– durch Fraktionen 72, 84 private Nebeneinnahmen von Abgeordneten –– keine Veröffentlichung der Höhe in Baden-Württemberg 15, 38, 54