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Verena Jaeschke
Sedes Imperii
Verena Jaeschke
Sedes Imperii Architektur und Herrschaftsrepräsentation in den tetrarchischen Residenzstädten
Diese Arbeit wurde unter dem Titel „Sedes Imperii. Architektur und Herschaftsrepräsentation in den tetrarchischen Residenzstädten“ als Dissertation an der Fakultät für Kulturwissenschaften, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) eingereicht. Die Arbeit wurde dort am 5. Dezember 2017 verteidigt. Betreuer: Prof. Dr. Andreas Graeber.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar
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Inhalt VORWORT ...........................................................................................................................................11 EINLEITUNG........................................................................................................................................13 1 DER AUSBAU DER TETRARCHISCHEN RESIDENZSTÄDTE..............................................21 1.1 NICOMEDIA (IZMID)..........................................................................................................26 1.1.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE.............27 1.1.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN..............................32 1.1.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT............................46 1.1.4 FAZIT NICOMEDIA.....................................................................................................48 1.2 SIRMIUM (SREMSKA MITROVICA) ................................................................................48 1.2.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE.............50 1.2.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN..............................52 1.2.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT............................65 1.2.4 FAZIT SIRMIUM...........................................................................................................65 1.3 ANTIOCHIA (ANTAKYA) ..................................................................................................67 1.3.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE.............68 1.3.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN..............................70 1.3.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT............................92 1.3.4 FAZIT ANTIOCHIA.....................................................................................................93 1.4 THESSALONIKE (THESSALONIKI) .................................................................................94 1.4.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE.............97 1.4.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN..............................99 1.4.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT..........................116 5
1.4.4 FAZIT THESSALONIKE............................................................................................117 1.5 SERDICA (SOFIA)................................................................................................................119 1.5.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE...........121 1.5.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN............................125 1.5.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT..........................152 1.5.4 FAZIT SERDICA..........................................................................................................154 1.6 AUGUSTA TREVERORUM (TRIER)................................................................................155 1.6.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE...........156 1.6.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN............................162 1.6.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT..........................201 1.6.4 FAZIT AUGUSTA TREVERORUM..........................................................................202 1.7 MEDIOLANUM (MAILAND) ...........................................................................................204 1.7.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE...........204 1.7.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN............................205 1.7.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT..........................218 1.7.4 FAZIT MEDIOLANUM..............................................................................................219 1.8 AQUILEIA..............................................................................................................................220 1.8.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE...........221 1.8.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN............................224 1.8.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT..........................240 1.8.4 FAZIT AQUILEIA........................................................................................................244 2 GAB ES EIN TETRARCHISCHES RESIDENZBAUPROGRAMM?......................................245 2.1 PALASTANLAGEN...............................................................................................................247 2.1.1. LAGE UND ZUGANGSITUATION........................................................................253 2.1.2 WIEDERKEHRENDE ELEMENTE DER BAULICHEN GESTALTUNG...........258 2.1.3 AUDIENZHALLEN.....................................................................................................277 6
2.2 CIRCUS...................................................................................................................................287 2.3 KAISERTHERMEN .............................................................................................................292 2.4 HORREA................................................................................................................................299 2.5 STADTMAUERN .................................................................................................................300 2.6 MAUSOLEA...........................................................................................................................302 2.7 SAKRALBAUTEN.................................................................................................................303 2.8 DER SOGENANNTE TETRARCHENTYPUS.................................................................305 3 DIE HERRSCHAFTSIDEOLOGIE DER TETRARCHIE IM SPIEGEL DER RESIDENZSTÄDTE..................................................................................................................310 3.1 DIE DUALITÄT VON PALAST UND CIRCUS: ROM IST DORT, WO DER KAISER IST.................................................................................................................318 3.2 DER TETRARCHENTYPUS ALS AUSDRUCK VON CONCORDIA UND SIMILITUDO.................................................................................................................. 322 3.3 DER PALAST ALS TEMPEL FÜR DEN SAKRALISIERTEN HERRSCHER?.............324 4 SCHLUSS UND AUSBLICK: DIE RESIDENZSTÄDTE ALS BAULICHER RAHMEN EINER NEUEN HERRSCHAFTSIDEOLOGIE..........................................................328 LITERATURVERZEICHNIS.............................................................................................................335 QUELLEN......................................................................................................................................335 LITERATUR..................................................................................................................................336
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Die Residenzen der Tetrarchen..................................................................................15 Abbildung 2: Übersicht zur Aufenthaltsdauer der tetrarchischen Herrscher in den jeweiligen Residenzstädten........................................................................................................22 Abbildung 3: Plan des antiken Stadtgebietes von Nicomedia mit den spätantiken Stadtmauern........................................................................................................................................36 Abbildung 4: Plan der freigelegten Gebäude im Westen der antiken Stadt................................37 Abbildung 5: Detailplan der Mauerverläufe des sog. Wohnbezirks und des westlich davon gelegenen Gebäudekomplexes mit Brunnen.......................................................38 Abbildung 6: Sirmium im 4. Jahrhundert.......................................................................................54 Abbildung 7: Das Palastareal von Sirmium im 4. Jahrhundert....................................................56 Abbildung 8: Das Palastareal von Sirmium im 4. Jahrhundert nach M. Jeremić......................59 Abbildung 9: Grundriss Thermen nach M. Jeremić......................................................................64 Abbildung 10: Antiochia in der Spätantike. Adaptierter Plan von Downey 1961 nach Wilber 1936...............................................................................................................................73 Abbildung 11: Plan der Orontes-Insel mit korrigierten Straßenverläufen und angepassten Proportionen.................................................................................................................82 Abbildung 12: Detailausschnitt der Rekonstruktion der Orontes-Insel nach D.N. Wilber aus Abb. 9...............................................................................................................................82 Abbildung 13: Grundriss Bad C nach Boëthius & Ward-Perkins 1970......................................87 Abbildung 14: Das Stadtgebiet von Thessalonike im 4. Jahrhundert nach C. Steimle............100 Abbildung 15: Das Palastareal des Galerius im 4. Jahrhundert....................................................102 Abbildung 16: Schematische Darstellung des Palastareals nach E. Mayer...................................110 Abbildung 17: Stadtplan Serdica im 4. Jahrhundert.......................................................................124 Abbildung 18: Die spätantike Erweiterung des Stadtgebietes im Norden, Serdica II................127 Abbildung 19: Das Palastareal von Serdica nach S. Ćurčić............................................................133 Abbildung 20: Axonometrische Rekonstruktion des Oktogons mit Atrium nach Ćurčić........134 Abbildung 21: Grundriss des Oktogons mit Atrium und Nebenräumen bei Kirova.................135 Abbildung 22: Rekonstruktion des Oktogons nach Ulpia Serdica...............................................135 Abbildung 23: Plan der Strukturen unter dem Corecom-Gebäude.............................................138 Abbildung 24: Grundriss St. Georg-Komplex mit vorgelagertem Hof und Funktionsbezeichnungen nach Nielsen............................................................................................145 Abbildung 25: Trier im 4. Jahrhundert mit den Neubauten aus tetrarchischkonstantinischer Zeit:.........................................................................................................................164 Abbildung 26: Der Palastbezirk mit Circus im Osten und den im Süden angrenzenden Kaiserthermen............................................................................................................168 8
Abbildung 27: Die Palastaula in Trier und die angrenzenden Bauten im Westen, Nordosten und Osten...........................................................................................................169 Abbildung 28: Modell der Basilika von Südwesten. Rheinisches Landesmuseum Trier...........172 Abbildung 29: Plan der Befunde der Grabung Löschteich 1943...................................................181 Abbildung 30: Grabungsergebnisse unter dem Altbau des Landesmuseums.............................182 Abbildung 31: Stadtplan des antiken Trier mit hypothetischer Lage des Circus (gepünktelt) nach U. Wulf-Rheidt. Außerdem verzeichnet sind die maximale Ausdehnung des Residenzviertels (gepunktete Linie) und das Gebiet, an dem das Mausoleum des Constantius Chlorus vermutet wird (schraffiert)............................................................................188 Abbildung 32: Grundriss der ursprünglich geplanten Thermenanlage.......................................192 Abbildung 33: Rekonstruktionszeichnung der geplanten Thermenanlage von D. Krencker...........................................................................................................................................196 Abbildung 34: Stadtplan Mailand nach Haug 2003........................................................................208 Abbildung 35: Mediolanum, Palatium. Bau an der Via Brisa........................................................210 Abbildung 36: Mediolanum, Herculesthermen. Nach Milano capitale 1991..............................213 Abbildung 37: Mausoleum des Maximian (?) bei San Vittore.......................................................216 Abbildung 38: Stadtplan von Aquileia im 4. Jahrhundert..............................................................226 Abbildung 39: Grundriss der Villa von Marignane (159) nach Bertacchi 2003,........................229 Abbildung 40: Die Großen Thermen von Aquileia. Plan der freigelegten Räume.....................233 Abbildung 41: Tabellarische Übersicht der Bauten in tetrarchischen Residenzstädten............246 Abbildung 42: Tabellarische Übersicht der Lage und Zugangssituation tetrarchischer Palastanlagen........................................................................................................................................253 Abbildung 43: Tabellarische Übersicht der wiederkehrenden Elemente in der baulichen Gestaltung tetrarchischer Palastanlagen auf Basis der Auswertung des archäologischen Befundes in den Kapiteln 1.1. – 1.8.....................................................................258 Abbildung 44: Hypthetische Rekonstruktion der Palastfassade zum Circus Maximus im 4. Jahrhundert................................................................................................................................259 Abbildung 45: Circusanlagen mit angrenzenden Hallenbauten/Portiken in den tetrarchischen Residenzstädten.........................................................................................................260 Abbildung 46: Hypothetische Rekonstruktion der Lage des Circus in Trier mit angrenzendem Hallenbau..................................................................................................................261 Abbildung 47: Die Villa des Maxentius. Grundriss des Residenzbereichs mit Verbindungsbau zum Circus. (Quelle: Wulf-Rheidt 2007, S. 77, Abb. 17)..................................262 Abbildung 48: Rekonstruktionsvorschlag für den Platz vor der Aula Regia – Blick vom Domitiansbogen. Visualisierung von A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt und J. Pflug...............................................................................................................264 Abbildung 49: Rekonstruktion der Seefassade in Split nach Niemann........................................264 9
Abbildung 50: Rom, Übersichtsplan der Palastanlagen mit den vermuteten Zugängen auf dem Palatin....................................................................................................................................267 Abbildung 51: Das Palastareal des Galerius mit angrenzendem Hippodrom im 4. Jahrhundert nach Spieser mit zusätzlicher Einzeichnung möglicher Zugänge und Wegführungen durch die Autorin.....................................................................................................269 Abbildung 52: Die möglichen Wege zur aula im Palast 1 in der Palastanlage von Felix Romuliana...................................................................................................................................270 Abbildung 53: Größenvergleich der bekannten Audienzhallen aus tetrarchischen...................277 Abbildung 54: Vergleich Grundriss der Aula Regia und der Basilika auf dem Palatin (links) mit dem Grundriss der Palastaula in Trier inkl. der Vorhalle und den angrenzenden Seitenhöfen (rechts)..................................................................................................278 Abbildung 55: Grundriss und Rekonstruktion der Basilika des Maxenitus nach Tognetti.................................................................................................................................................285 Abbildung 56: Übersicht zu den imperialen Thermenbauten in den tetrarchischen Residenzstädten...................................................................................................................................293 Abbildung 57: Konstantinopel in konstantinischer Zeit. Plan nach C. Mango..........................333
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VORWORT Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine geringfügig überarbeitete Version meiner im Mai 2017 an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) eingereichten Dissertation. Einige zentrale Thesen der Arbeit wurden zwischenzeitlich in weiterführenden Artikeln vertieft und in akademischen Publikationen veröffentlicht bzw. zur Veröffentlichung eingereicht.1 Nach der Einreichung der Dissertation erschienene Forschungsliteratur zum behandelten Thema konnte in der vorliegenden Version nicht berücksichtigt werden. Abschließend bleibt mir noch den Menschen zu danken, die dieses Vorhaben angeregt, unterstützt und begleitet haben. Zuallererst seien hier meine Eltern, Barbara und Dr. Hans-Dieter Jaeschke, genannt. Ohne ihr Verständnis und ihre finanzielle Unterstützung wäre die vorliegende Dissertation nicht zustande gekommen. Ebenfalls danken möchte ich meinem Partner Ingo Ruderisch, meinen Geschwistern Reemda und Hauke Jaeschke sowie Andrea Danke, Michael Dziewior, Viola Rosenau und all den anderen Freunden, die mir während der Ausarbeitung der Arbeit immer ein Rückhalt waren. Mein Dank gilt ebenfalls Prof. Dr. Dr. Ulrich Knefelkamp, der bereits während meines Studiums der Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in seinen Seminaren mein Verständnis von kulturwissenschaftlicher Forschung prägte. Für die vorliegende Arbeit übernahm er das Zweitgutachten und begleitete das Disserationsvorhaben stets mit kritischen Fragen und konstruktivem Rat. Die Europa-Universität Viadrina förderte mit einem 3-monatigen Abschlussstipendium die Finalisierung der Arbeit. Darüber hinaus ermöglichten mir Reisebeihilfen des Viadrina Cen-
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Vgl. Jaeschke, Verena: Architecture and Power. Defining Tetrarchic Imperial Residences. In: Manders, Erika /Slootjes, Daniëllle (Ed.): Leadership, Ideology and Crowds in the Roman Empire of the Fourth Century AD. HABES, Band 62. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020. S. 19–33; Jaeschke, Verena: Adapting to a New Concept of Sovereignty: Some Remarks on Tetrarchic Palace Architecture. In: Mulvin, Lynda /Westbrook, Nigel (Ed.): Late Antique Palace Architecture. Palaces and Palace Architecture: Patterns of Transculturation. Architectual Crossroads, Studies in the History of Architecture, Vol. 5. Brepols, Turnhout 2019. S. 63–76; Jaeschke, Verena: The Roman Civic Center under Maxentius (AD 306–312). Buildings for a New Concept of Sovereignty. In: Hofmann, Anna/Zimmermann, Martin (Ed.): History Takes Place: Rome. Dynamics of Urban Change. Jovis, Berlin 2017. S. 177–187 sowie Jaeschke, Verena: Imperial residences in early Late Antiquity: the court as a physical entity in architectural terms, continuity and change. In: Davenport, Caillan /McEvoy, Meaghan (Ed.): The Roman Imperial Court: Pathways from the Principate to Late Antiquity (eingereicht).
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ter for Graduate Studies die Teilnahme an Konferenzen in Regensburg, Göttingen, Dublin und Budapest. Der dortige wissenschaftliche Austauch mit Fachkollegen aus aller Welt war von unschätzbarem Wert für diese Arbeit. Insbesondere gedankt sei hier Prof. Dr. Ulrike Wulf-Rheidt, deren Vorträge und Publikationen maßgebliche Anstöße für die vorliegende Dissertation lieferten, sowie Dr. Caillan Davenport, Dr. Meaghan McEvoy, Dr. Daniëlle Slootjes und Dr. Erika Manders. Der größte Dank gebührt meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Andreas Graeber. Sein Wirken in der Lehre hat die Neugier auf die kulturwissenschaftlichen Fragestellungen der Antike geweckt und ein erstes Verständnis für die grenzüberschreitenden Transformationen dieser Zeit geschaffen. Er hat die vorliegende Dissertation angeregt und stets mit akademischem Austausch und Rat begleitet. Auch habe ich stets ein offenes Ohr in den schwierigen Phasen meines Studiums, meiner Dissertation und all meinen Lebenslagen gefunden, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ihm sei diese Arbeit gewidmet.
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EINLEITUNG Der Regierungsantritt Diokletians 284 n. Chr. markiert den Beginn der Spätantike. Vorausgegangen war die Epoche der Soldatenkaiser zwischen 235 und 284 n. Chr., eine Episode der römischen Geschichte, die mit mehr als 30 Kaisern in knapp 50 Jahren als Krisenzeit bzw. Phase der Destabilisierung charakterisiert werden kann. Das Römische Imperium wurde in dieser Zeit durch außenpolitische Herausforderungen, innenpolitische Auseinandersetzungen und ökonomische Krisen erschüttert.2 Mit Diokletian setzte nun eine Phase der Stabilisierung und Reformierung des Reiches ein: Es wurden militärische, administrative (z.B. Neuaufteilung der Provinzen, Trennung zwischen Militär- und Zivilverwaltung) und wirtschaftliche Reformen (Preisedikt, Währungsreform) durchgeführt, die Grenzen des Reiches stabilisiert und die Zeit der innenpolitischen Auseinandersetzungen – zumindest vorerst – beendet. Maßgeblich für den Erfolg dieser Maßnahmen war die wohl tiefgreifendste Reform Diokletians: Die Einführung der Tetrarchie. Er ernannte einen Mitkaiser (augustus) sowie zwei Vizekaiser (caesares), welche jeweils einem der Augusti unterstellt und gleichzeitig deren designierte Nachfolger waren.3 Innovative Charakteristika des tetrarchischen Herrschaftskonzepts waren die Aushebelung des dynastischen Prinzips zugunsten eines Adoptivkaisertums sowie die Begrenzung der Regierungsdauer, welche eine Abdankung der jeweiligen Augusti nach deren zwanzigjährigem Regierungsjubiläum vorsah. Ideologisch untermauert wurde dieses politische System durch mehrere Komponenten, welche in den verschiedenen Medien entsprechend illustriert wurden. Zum einen zeigen sich in der optischen Angleichung in der bildlichen Darstellung concordia (Eintracht) und similitudo (Ähnlichkeit) der Herrscher, wobei trotz allem eine klare Hierarchie unter den zwei bzw. vier Regenten deutlich wird. Zum anderen spiegelt sich die verstärkte Sakralisierung der Regenten nicht nur in der zunehmend transzendierten Inszenierung der Herrscher im Hofzeremoniell, sondern auch in der Kon-
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Vgl. u. a. Sommer, Michael: Die Soldatenkaiser. WBG, 2004. Vgl. Demandt, Alexander: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian (284– 565 n. Chr.). C. H. Beck, München 2007; Kuhoff, Wolfgang: Diokletian und die Epoche der Tetrarchie. Peter Lang, Frankfurt am Main 2001; Brandt, Hartwin: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284–363). Akademie Verlag, Berlin 1988, S. 20ff; Corcoran, Simon: The Empire of the Tetrarchs. Imperial Pronouncements and Government AD 284–324. Clarendon Press, Oxford 1996.
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struktion einer genealogischen Verbindung zum göttlichen Geschlecht der Iovier bzw. der Herculier.4 Die Dezentralisierung der Macht im Rahmen des tetrarchischen Systems des Mehrkaisertums ging mit einer Dezentralisierung der Herrschaftsgeschäfte einher. Dies meint vor allem die Abwendung von Rom als realpolitischem Zentrum des Imperium Romanum hin zu einer dezentralisierten Herrschaftsausübung und -repräsentation an den jeweiligen Aufenthaltsorten der Regenten. Um den vielfältigen innen- und außenpolitischen Herausforderungen im späten 3. Jahrhundert Herr zu werden, eine Stabilisierung der Grenzen zu erreichen und innenpolitische Unruhen schnell unterbinden zu können, regierten die Tetrarchen nicht von Rom aus, sondern von Städten, die in Grenznähe und/oder an Verkehrsknotenpunkten des Imperium Romanum lagen. Zum anderen ließ sich fernab von Rom das neue, zunehmend auf der Idee eines transzendierten Herrschers basierende, Herrschaftsideal ohne den Widerstand der traditionellen stadtrömischen Eliten leichter etablieren.5 Diokletian, der ranghöchste Augustus, wechselte zwischen seinen Residenzen Nicomedia, Sirmium und Antiochia; sein Mitregent Maximian residierte zunächst vornehmlich in Trier und später in Mailand und vermutlich in Aquileia. Trier wurde nach dem Abzug Maximians die Residenz des Caesars Constantius Chlorus, während Galerius ebenfalls als caesar und ab 305 n. Chr. als augustus vornehmlich in Thessalonike und zwischenzeitlich in Serdica residierte. Nachdem Konstantin 306 n. Chr. als legitimes Mitglied des tetrarchischen Herrscherkollegiums anerkannt worden war, residierte er ebenfalls zunächst in Trier. Der 308 n. Chr. bei der Konferenz von Carnuntum zum augustus erhobene Licinius residierte hauptsächlich in Sirmium und ab 317 n. Chr. – als das System der Tetrarchie politisch bereits gescheitert war und es de facto um eine Auseinandersetzung um die Alleinherrschaft zwischen Licinius und Konstantin ging – in Nicomedia. Konstantin hingegen residierte in dieser Zeit abwechselnd in Sirmium, Serdica und eventuell Thessalonike.
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Vgl. u. a. Hekster, Olivier: Alternatives to kinship? Tetrarchs and the difficulties of representing non-dynastic rule. In: Journal of Ancient History and Archeology, No. 1.2/2014. S. 14–20, S. 16f; Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Repräsentation. Reichert, Wiesbaden 2006, S. 10; Kolb, Frank: Herrscherideologie in der Spätantike. Akademie Verlag, Berlin 2001, S. 27ff; Rees, Roger: Images and Image: A Re-Examination of Tetrarchic Iconography. In: Greece & Rome, Second Series, Vol. 40, No. 2. Cambridge University Press 1993. S. 181–200; Alföldi, Andreas: Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche. WBG, Darmstadt 1970. Vgl. u. a. Mayer, Emanuel: Rom ist dort, wo der Kaiser ist. Untersuchungen zu den Staatsdenkmälern des dezentralisierten Reiches von Diocletian bis zu Theodosius II. Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums. Mainz, 2002; Haug, Annette: Die Stadt als Repräsentationsraum. Rom und Mailand im 4. Jahrhundert n. Chr. In: Fuhrer, Therese (Hrsg.): Rom und Mailand in der Spätantike. Repräsentation städtischer Räume in Literatur, Architektur, und Kunst. De Gruyter, Berlin 2012, S. 111–136.
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Die vorliegende Studie setzt sich mit dem Ausbau der tetrarchischen Residenzstädte von 284 bis 324 n. Chr. auseinander. Hierzu gehören neben Mediolanum (Mailand), Augusta Treverorum (Trier), Nicomedia (Izmit) und Thessalonike auch weniger bekannte Residenzen wie Aquileia, Antiochia (Antakya), Serdica (Sofia) und Sirmium (Sremska Mitrovica).
Abbildung 1: Die Residenzen der Tetrarchen. (Quelle: Kuhoff 2001, Abb. Startseite) Auf die bekannten Alterssitze der Tetrarchen in Split, Gamzigrad und Sarkamen wird lediglich zu Vergleichszwecken verwiesen, sie sollen nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein.6 Auch Ebruacum (York), kurzzeitig die Residenz des Constantius Chlorus und 306 n. Chr. der Ort, an dem Konstantin zum Nachfolger seines Vaters ausgerufen wurde, wird nicht im Detail 6
Zu den sogenannten Alterssitzen der Tetrarchen vgl. u. a. Kuhoff 2001, S. 744–781; Vasić, Miloje: Felix Romuliana (Gamzigrad) – Palast und Gedenkmonument des Kaisers Galerius. In: Brandl, Ulrich/ Vasić, Miloje (Hrsg.): Roms Erbe auf dem Balkan. Spätantike Kaiservillen und Stadtanlagen in Serbien. Zabern, Mainz 2007. S. 33–53; Popović, Ivana: Šarkamen – Eine Residenz- und Begräbnisstätte aus der Zeit des Maximinus Daia. In: Brandl, Ulrich/Vasić, Miloje (Hrsg.): Roms Erbe auf dem Balkan. Spätantike Kaiservillen und Stadtanlagen in Serbien. Zabern, Mainz 2007, S. 80–95.
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berücksichtigt, da es sich nicht um eine dauerhafte Herrscherresidenz handelt. Der Aufenthalt des Herrschers ist hier lediglich mit militärischen Notwendigkeiten zu begründen und auch ein maßgeblicher Ausbau der Stadt, beispielsweise mit einer Circusanlage oder Kaiserthermen, lässt sich weder aufgrund des archäologischen Befundes noch auf Basis der schriftlichen Überlieferung annehmen.7 Ähnliches gilt für Arles. Hier lässt sich für die tetrarchische Zeit ebenfalls kein maßgeblicher Ausbau nachweisen, dieser fand erst später statt, als Arles unter Konstantin und seinen Nachfolgern zeitweise als Aufenthaltsort der Kaiser fungierte.8 Einen Grenzfall stellen die Bauten des in Rom residierenden Usurpators Maxentius dar. Sie entstanden innerhalb des hier behandelten Untersuchungszeitraumes, jedoch war Maxentius kein legitimes Mitglied des tetrarchischen Herrschaftskollegiums und seine Bauaktivitäten sind somit nicht als Teil der offiziellen tetrarchischen Herrschaftsrepräsentation zu deuten. Nichtsdestotrotz sind die Bauten des Maxentius im Kontext der spätantiken Herrschaftsideologie zu sehen und werden vor allem durch ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu der offiziellen tetrarchischen Herrschaftsrepräsentation verständlich.9 Folglich werden vereinzelte Bauten wie beispielsweise die Basilika 7
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Zu York in tetrarchischer und konstantinischer Zeit vgl. Hartley, Elizabeth et al. (Ed.): Constantine The Great. York’s Roman Emperor. York Museum Trust, York 2006; darin insbesondere Bidwell, Paul: Constantius and Constantine at York. S. 31–40. Ein Argument für die Klassifizierung von Arles als mögliche Residenzstadt ist die Einrichtung einer imperialen Münze 313 n. Chr. Darüber hinaus fand 314 n. Chr. hier das Konzil von Arles statt, an dem Konstantin möglicherweise teilnahm. Der einzige gesicherte Aufenthalt Konstantins fand jedoch im August 316 n. Chr. statt. T. Barnes klassifiziert Arles im Zeitraum von 306–316 n. Chr. neben Trier als mögliche Residenz Konstantins; ähnlich argumentiert auch T. Loseby. C. Witschel hingegen sieht die Bedeutung von Arles als Residenzstadt im 4. Jahrhundert, insbesondere unter Konstantin, äußerst kritisch, da weder regelmäßige kaiserliche Aufenthalte noch die Existenz eines palatium belegt sind. Der im Laufe des 4. Jahrhunderts im Stadtzentrum entstandene Komplex mit einem großen Hallengebäude und angrenzendem Thermenbau wurde in diesem Zusammenhang des Öfteren als mögliche imperiale Residenz diskutiert. Selbst wenn man hier von einer imperialen Bauherrschaft und Nutzung als Residenz ausgeht, so fand der maßgebliche Ausbau der Stadt vermutlich nicht vor 316 n. Chr. unter Konstantin, sondern erst unter dessen Söhnen statt. Vor allem die Inschriftenfunde zu den Aktivitäten der Familie Konstantins in Arles machen dies wahrscheinlich. Vgl. Witschel, Christian: Trier und das spätantike Städtewesen im Westen des römischen Reiches. In: Trierer Zeitschrift 67/68, 2004/05. S. 223–272, S. 234f; Vgl. Barnes, Timothy D.: The new empire of Diocletian and Constantine. Harvard University Press, Cambridge 1982. S. 68; Loseby, S.T.: Arles in Late Antiquity: Gallula Roma Arelas and Urbs Genesii. In: Christie, N./Loseby, S.T. (Ed.): Towns in Transition. Urban Evolution in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Scolar Press, Aldershot 1996. S. 45–70. S. 50; Heijmanns, Marc: Constantina urbs. Arles durant le IVe siècle: une autre residence impériale? In: Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Kolloquiumsband. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 32. Trier 2006. S. 209–220; Heijmanns, Marc: Arles durant l’Antiquité tardive. De la Duplex Arelas à L’urbs genesii. École Française de Rome, Rom 2004. S. 43ff. Zu den Bauten des Maxentius in Rom vgl. u. a. Jaeschke, Verena: The Roman Civic Center under Maxentius (AD 306–312). Buildings for a New Concept of Sovereignty. In: Hofmann, Anna/Zimmermann,
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des Maxentius am Forum Romanum und die suburbane Villa an der Via Appia zu Vergleichszwecken herangezogen. Die Baumaßnahmen der Tetrarchen sowie die Repräsentations- und Sakralbauten Konstantins in Rom werden ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung sein, da Rom zu keinem Zeitpunkt als offizielle dauerhafte Residenz eines der Mitglieder des tetrarchischen Herrschaftskollegiums fungierte.10 Der Untersuchungszeitraum beginnt mit der Machtübernahme Diokletians im Jahr 284 n. Chr. Als Ende des Untersuchungszeitraumes wird jedoch nicht das üblicherweise als Ende der Tetrarchie bezifferte Jahr 313 n. Chr. gewählt, sondern das Jahr 324 n. Chr. Erst der Sieg Konstantins über Licinius in der Schlacht bei Adrianopel markiert die endgültige Rückkehr zu einer dynastisch legitimierten Alleinherrschaft. Da Konstantin jedoch seit 306 n. Chr. ein legitimes Mitglied des tetrarchischen Herrschaftskollegiums war, werden die Residenzen und Baumaßnahmen Konstantins bis 324 n. Chr. Teil des Untersuchungsgegenstandes sein. Gleiches gilt für Licinius, der als von Diokletian erhobener augustus in Bezug auf die Herrschaftsinszenierung tetrarchisch geprägt war. In der Forschung wird bereits seit längerem die These diskutiert, ob sich an der Ausstattung der Residenzstädte mit Palastanlagen, Hippodrom und teilweise Mausoleen ein gezieltes städteplanerisches Konzept ablesen lässt, welches mit dem Herrschaftsverständnis der Tetrarchie korrespondierte.11 Zu einer breiteren Beschäftigung mit der Frage, ob in Bezug auf den Ausbau der
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Martin (Ed.): History Takes Place: Rome. Dynamics of Urban Change. Jovis, Berlin 2017. S. 177–187; Ziemssen, Hauke: Die Kaiserresidenz Rom in der Zeit der Tetrarchie (306–312 n. Chr.). In: Fuhrer, Therese (Hrsg.): Rom und Mailand in der Spätantike; Repräsentation städtischer Räume in Literatur, Architektur und Kunst. De Gruyter, Berlin 2012. S. 87–110; Ziemssen, Hauke: Der Herrscher im Tempel. Bild und Inszenierung im kaiserzeitlichen Rom. In: Dally, Ortwin/Moraw, Susanne/Ziemssen, Hauke (Hrsg.): Bild – Raum – Handlung. Perspektiven der Archäologie. De Gruyter, Berlin/Boston 2012. S. 137–163; Leppin, Hartmut/Ziemssen, Hauke: Maxentius. Der letzte Kaiser in Rom. Zabern, Mainz 2007; Oenbrink, Werner: Maxentius als conservator urbis suae. Ein antitetrarchisches Herrschaftskonzept tetrarchischer Zeit. In: Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Präsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 169–204; Ziemssen, Hauke: Das Rom des Maxentius. Städtebau und Herrscherbild zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. Dissertation, Universität Hamburg 2006; Dumser, Elisha Ann: The architecture of Maxentius. A study in architectural design and urban planning in early fourth-century Rome. Dissertation, University of Pennsylvania 2005; Cullhed, Mats: Conservator Urbis Suae. Studies in the politics and propaganda of the emperor Maxentius. Åström, Stockholm 1994. Zu den Baumaßnahmen der Tetrarchen in Rom vgl. Bauer, Franz Alto: Stadt ohne Kaiser. Rom im Zeitalter der Dyarchie und Tetrarchie (285–306 n. Chr.) In: Fuhrer, Therese (Hrsg.): Rom und Mailand in der Spätantike. Repräsentation städtischer Räume in Literatur, Architektur, und Kunst. De Gruyter, Berlin 2012. S. 3–75. Zu Konstantin vgl. u. a. Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Kolloquiumsband. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 32. Trier 2006. Erste Verweise auf die oftmals zu konstatierende Nachbarschaft von Palast und Hippodrom nach dem Vorbild des Palatin/Circus Maximus in den tetrarchischen Residenzstädten finden sich bereits bei
17
Residenzen mit Palästen und angrenzendem Circus von einem sogenannten „Tetrarchentypus“ gesprochen werden kann, hat vor allem J. Humphreys umfassende Untersuchung spätantiker Circusanlagen unter Einbeziehung der angrenzenden Palastanlagen in den Kaiserresidenzen beigetragen.12 Vor allem N. Duval hat hierzu wiederholt kritisch Stellung bezogen und dabei auf die oftmals problematische Lokalisierung und Datierung von Palastanlagen in den tetrarchischen Residenzstädten verwiesen.13 Während die Vorbehalte bezüglich des archäologischen Befunds in einigen Fällen durchaus berechtigt sind, haben zuletzt B. Brenk und C. Witschel aufgezeigt, dass eine übermäßige Zurückhaltung bei der Interpretation der Befunde ebenfalls kontraproduktiv sein kann. In vielen Fällen machen beispielsweise bei der Lokalisierung von Palastanlagen zahlreiche Indizien wie Erwähnungen in den Schriftquellen, Münzbilder, Architekturteile oder die nachantike Toponomastik eine durchaus plausible Argumentation möglich.14 Im Rahmen einer übergreifenden Auswertung der verschiedenen Residenzen werden dann durchaus Gemeinsamkeiten bei der baulichen Ausstattung deutlich. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Ausführungen von U. Wulf-Rheidt zu den baulichen Kontinuitäten zwischen den Palast- und Circusanlagen in Rom und den tetrarchischen Residenzstädten und teilweise den Alterssitzen zu nennen.15
12
13
14
15
MacDonald 1956; Downey 1961; Frazer 1966; Cameron 1976. Vgl. hierzu den Forschungsüberblick mit Quellenangaben bei Heucke, Clemens: Circus und Hippodrom als politischer Raum. Olms-Weidmann, Hildesheim; Zürich; New York 1994, S. 314ff. Vgl. Humphrey, John H.: Roman Circuses. Arenas for Chariot Racing. B.T. Batsford Ltd., London 1986, S. 579ff. Vgl. hierzu Duval, Noël: Existe-t-il une „structure palatiale“ proper à l’antiquité tardive? In: Lévy, E. (Ed.): Le système palatial en Orient, en Grèce et à Rome. Université des Sciences Humaines de Strasbourg, 1987. S. 463490; Duval, Noël: Le palais de Milan parmi les residences imperials du Bas-Empire. In: Chiesa, Gemma Sena/Arslan, Ermanno A. (Ed.): Felix temporis reparatio. Atti del convegno archeologico internazionale ‚Milano capitale dell’impero romano‘. Edizioni ET, Milano 1992. S. 137–146; Duval, Noël: Les résidences impériales: leur rapport avec les problèmes de légitimité, les partages de l’empire et la chronologie des combinaisons dynastiques. In: Paschoud, François/Szidat, Joachim (Hrsg.): Usurpationen in der Spätantike. Akten des Kolloquiums „Staatsstreich und Staatlichkeit“, 6.–10. März 1996, Solothurn/Bern. Franz Steiner, Stuttgart 1997. S. 127–153; Duval, Noël: Hommage à Ejnar et Ingrid Dyggve. La théorie du palais du bas-empire et les fouilles de Thessalonique. In: AntTard, 11, 2003. S. 273–300. Kritisch hierzu beispielsweise Ćurčić, Slobodan: Late-Antique palaces: The meaning of urban context. In: Ars Orientalis, Vol. 23. Pre-modern islamic palaces. University of Michigan, 1993. S. 67–89, S. 71f. Vgl. Brenk, Beat: Innovation im Residenzbau der Spätantike. In: Brenk, Beat (Hrsg.): Innovation in der Spätantike. Reichert, Wiesbaden 1996. S. 67–114, S. 68; Witschel 2004/05. Zur Problematik der Identifizierung von Palastanlagen auf Basis von Indizien insbesondere ebd., S. 231. Vgl. u. a. Wulf-Rheidt, Ulrike: Residieren in Rom oder in der Provinz? Der Kaiserpalast Felix Romuliana im Spiegel der tetrarchischen Residenzbaukunst. In: Brandl, Ulrich/Vasić, Miloje (Hrsg.): Roms Erbe auf dem Balkan. Spätantike Kaiservillen und Stadtanlagen in Serbien. Zabern, Mainz 2007. S. 59– 79; Wulf-Rheidt, Ulrike: Die Bedeutung der severischen Paläste für spätere Residenzbauten. In: Sojc,
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Das Ziel der Dissertation ist es, zu überprüfen, ob die Annahme eines übergreifenden städteplanerischen Konzeptes in Bezug auf den Ausbau der tetrarchischen Herrscherresidenzen zu halten ist und und wie sich dieses architektonisch manifestierte. Hierzu werden zunächst die tetrarchischen Residenzstädte in Bezug auf ihre städtebauliche Entwicklung einzeln behandelt (Kapitel 1). Unter Berücksichtigung der neueren archäologischen Forschung und unter Einbeziehung der bekannten Inschriften und der schriftlichen Überlieferung wird untersucht, welche Bauten in tetrarchischer Zeit in den Residenzstädten entstanden und wie diese im städtebaulichen Kontext zu verorten sind. Im zweiten Schritt soll analysiert werden, ob auf Basis der Ergebnisse des ersten Teils von einem tetrarchischen Residenzbauprogramm, einem sogenannten „Tetrarchentypus“, gesprochen werden kann und inwiefern die Bauten in den Residenzstädten mit dem neuen Herrschaftsideal der Tetrarchie in Zusammenhang standen (Kapitel 2 und 3). Hierbei wird von der These ausgegangen, dass der Ausbau der Residenzen den baulichen Rahmen für die Inszenierung und Etablierung der neuen Herrschaftsideologie bildete.16 Abschließend wird zu der Frage Stellung bezogen, ob in den tetrarchischen Residenzen ein neues städteplanerisches Konzept von eigener Qualität verwirklicht wurde, oder ob es sich lediglich um eine Adaption der stadtrömischen Vorlage handelte, die in der architektonischen Gestaltung Konstantinopels ihren Höhepunkt fand. In einem kurzen Ausblick werden die Bauten Konstantins in Konstantinopel behandelt, um Kontinuitäten und Umbrüche im Ausbau der Residenz zwischen der Tetrarchie und dem Alleinherrscher Konstantin aufzuzeigen (Kapitel 4). Die These, dass es sich bei der Ausstattung der tetrarchischen sedes imperii mit Palastanlagen und Hippodrom um ein Konzept handelt, welches die neue Herrschaftsform architektonisch illustriert, wird in der Forschung wie oben dargestellt bereits seit Ende der 1980er Jahre diskutiert. Dennoch steht bis zum heutigen Tage eine systematische Analyse aus, die alle bekannten tetrarchischen Residenzstädte einbezieht und unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes auswertet, ob die Kombination von Palast und Hippodrom sich tatsächlich für den Großteil der Residenzen nachweisen lässt und welche weiteren städtebaulichen Besonderheiten sich darüber hinaus in den jeweiligen Orten feststellen lassen. Diese Lücke versucht diese Studie zu schließen.
16
Natascha/Winterling, Aloys/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Palast und Stadt im severischen Rom. Franz Steiner, Stuttgart 2013. S. 287–306; Wulf-Rheidt, Ulrike: „Den Sternen und dem Himmel würdig“ Kaiserliche Palastbauten in Rom und Trier. 24. Trierer Winckelmannsprogramme 24. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2014. Vgl. von Hesberg, Henner: Residenzstädte und ihre höfische Infrastruktur – traditionelle und neue Raumkonzepte. In: Boschung, Dietrich; Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Präsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 133–167; Unruh, Frank: Unsichtbare Mauern der Kaiserpaläste. Hofzeremonien in Rom und Byzanz. In: König, Margarethe (Hrsg.): PALATIA. Kaiserpaläste in Konstantinopel, Ravenna und Trier. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 27. Tier, 2003. S. 33–47, S. 33–48.
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Für ein vertieftes kulturhistorisches Verständnis der Tetrarchie wird vor allem die weiterführende Fragestellung nach dem Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Residenzen und dem tetrarchischen Herrschaftsverständnis relevant. Macht und Herrschaftsideologie wurden nicht erst seit der Spätantike mittels der Architektur im öffentlichen Raum inszeniert. Doch gerade die spezifische Art und Weise, wie während der Tetrarchie die Person und Rolle des Herrschers im architektonischen Kontext positioniert wurde, verdeutlicht, dass hier in Abgrenzung zur Kaiserzeit eine neue Herrschaftsideologie eingeführt und demonstriert wurde. Die Frage danach, wie sich Aspekte des „höfischen“17 Zeremoniells sowie ritualisierte Formen der Interaktion zwischen Volk und Herrscher in den Bauten und der Stadtstruktur spiegeln, verspricht Einblicke in diese innovative Interpretation der Herrschaft.
17
Zu der Frage ob und inwiefern von einem römischen Kaiserhof gesprochen werden kann vgl. Winterling, Aloys: Aula Caesaris. Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v. Chr.–192 n. Chr.). R. Oldenbourg Verlag, München 1999 sowie Winterling, Aloys: Hof und Stadt im interkulturellen Vergleich. In: Sojc, Natascha/Winterling, Aloys/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Palast und Stadt im severischen Rom. Franz Steiner, Stuttgart 2013. S. 9–22. Zur Rolle und Zusammensetzung des spätantiken comitatus vgl. Schlinkert, Dirk: Dem Kaiser folgen. Kaiser, Senatsadel und höfische Funktionselite (comites consistoriani) von der „Tetrarchie“ Diokletians bis zum Ende der konstantinischen Dynastie. In: Winterling, Aloys (Hrsg.): Comitatus. Beiträge zur Erforschung des spätantiken Kaiserhofes. Akademie Verlag, Berlin 1998. S. 133–159, S. 138ff; Noethlichs, Karl Leo: Strukturen und Funktionen des spätantiken Kaiserhofes. In: Winterling, Aloys (Hrsg.): Comitatus. Beiträge zur Erforschung des spätantiken Kaiserhofes. Akademie Verlag, Berlin 1998. S. 13–49, S. 15ff.
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1 DER AUSBAU DER TETRARCHISCHEN RESIDENZSTÄDTE Bevor die tetrarchischen Residenzstädte im Einzelnen untersucht werden, ist zunächst zu klären, wie diese zu definieren sind.18 Grundlage der vorliegenden Untersuchung tetrarchischer Herrscherresidenzen soll die Unterteilung in Residenzstädte, Alterssitze und suburbane Villenanlagen sein, wobei lediglich jene Aufenthaltsorte der tetrarchischen Herrscher analysiert werden, die als ständige oder zumindest temporäre Residenzstädte charakterisiert werden können. Diese Residenzstädte unterscheiden sich sowohl in funktionaler als auch in architektonischer Hinsicht von anderen imperialen Residenzen. Die tetrarchichen Alterssitze wie der Palast des Diokletian in Split waren als Wohnort für die abgedankten Herrscher (seniores augusti) angelegt und außerstädtische Villenanlagen wie die des Maximian bei Corduba dienten den Herrschern als kurzzeitiger Aufenthaltsort während ihrer Reisen oder als Rückzugsort. Tetrarchische Residenzstädte hingegen waren nicht lediglich imperiale Wohnanlagen zur Beherbergung des Herrschers. Sie waren Städte, deren öffentlicher Raum im Allgemeinen als Bühne für die kaiserliche Selbstdarstellung fungierte, genau wie Rom in früheren Zeiten. Diese Städte besaßen nicht nur Palastanlagen, sondern weisen mehrere funktionale und bauliche Distinktionsmerkmale auf: 1. Anwesenheit des Herrschers: Die jeweiligen Regenten hielten sich über mehrere Jahre oder wiederholt über längere Zeiträume dort auf. Entscheidend ist dabei, dass sie Regierungssitz eines AKTIVEN Regenten waren. 2. Urbane Zentren: Es handelt sich um Städte, die in administrativer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht eine Zentralfunktion in ihrer Region ausübten. Sofern sie noch keine etablierten städtischen Zentren mit Verwaltungsfunktion waren, wurden sie während der Tetrarchie mit diesen versehen (bspw. Ernennung zur Provinzhauptstadt). 3. Strategische Lage: Es handelt sich um Städte, die aufgrund ihrer geographischen Lage entweder militärstrategisch wichtig waren oder an zentralen Verkehrsknotenpunkten des Imperium Romanum lagen.
18
Dieser Aspekt wurde zwischenzeitlich weiterführend behandelt in Jaeschke, Verena: Architecture and Power. Defining Tetrarchic Imperial Residences. In: Manders, Erika /Slootjes, Daniëllle (Ed.): Leadership, Ideology and Crowds in the Roman Empire of the Fourth Century AD. HABES, Bd. 62. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020. S. 19–33.
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4. Imperiale Münzstätte: Die Residenzstädte waren in der Regel Sitz imperialer Münzstätten, die auch Goldprägungen herausgaben. 5. Architektonische Monumentalisierung: Der neu gewonnene Status dieser Städte manifestiert sich in der architektonischen Monumentalisierung. Es entstanden Palastanlagen und imperiale Repräsentionsbauten. Das entscheidende architektonische Merkmal, welches die Residenzstädte und ihre Palastanlagen deutlich von den Alterssitzen und suburbanen Villenanlagen unterscheidet, ist das Hippodrom. Die Circusanlagen waren direkt auf das Palastareal bezogen oder grenzten an dieses.
ÜBERSICHT TETRARCHISCHER RESIDENZSTÄDTE RESIDENZ
RESIDIERENDER HERRSCHER
HAUPTRESIDENZ PROVINZVON–BIS HAUPTSTADT
IMPERIALE MÜNZSTÄTTE
PALAST
CIRCUS
Nicomedia
Diokletian
285–296 (m. Sirmium)
x
x
x
x
x
x
x (?)
x
302–305
Sirmium
Antiochia
Maximinus Daia
311–312
Licinius
317–324
Konstantin
324–330
Diokletian
285–296 (m. Nicomedia)
Licinius
308–316
Konstantin
317–324 (m. Serdica)
Galerius (?)
293–296
Diokletian
299–302
Maximinus Daia
305–306
(ab 317 n. Chr.)
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x (?)
/
309–311 312–313 Thessalonike
Galerius
299–303 Winter 308/9–311
Serdica
Konstantin (?)
317–324
Licinius
324–325 (abgedankt)
Galerius
303–Winter 308/9
Konstantin
317–324 (w. Sirmium)
22
Augusta Treverorum
Mediolanum
Maximian
286–?293
Constantius Chlorus Konstantin
293–306
Maximian
?293–296 (w. Aquileia)
x
x
x
x
x
/ (Ticinum)
x
x
x
x
x (?)
x
306–316
299–305
Aquileia
Severus
305–307
Maximian
?293–296 (m. Mediol.)
(ab 294 n. Chr.)
299–305
Abbildung 2: Übersicht zur Aufenthaltsdauer der tetrarchischen Herrscher in den jeweiligen Residenzstädten.19 Diese Kriterien treffen vor allem auf jene Städte zu, welche als Hauptresidenz eines Regenten galten und über einen längeren Zeitraum als Regierungssitz genutzt wurden. Hier sind Mediolanum, Augusta Treverorum, Nicomedia und Thessalonike zu nennen. Aber auch Städte, die für einen kürzeren Zeitraum einem der Tetrarchen als Residenzstadt dienten, erfuhren eine entsprechende funktionale Erweiterung und einen architektonischen Ausbau. Hierzu gehören Sirmium, Antiochia, Aquileia und Serdica. Bei diesen temporären Residenzen ist zu beachten, dass vermutlich nicht immer im Vorfeld absehbar war, wie lange eine Stadt als Residenz dienen würde, da dies oft von den äußeren politischen Umständen abhing.20 Das legt nahe, dass auch für temporäre Residenzen ein monumentaler Ausbau anzunehmen ist, da diese nicht zwangsläufig als lediglich kurzfristige Aufenthaltsorte betrachtet wurden. Eine Herausforderung bei der Untersuchung der Residenzstädte stellt der teilweise recht spärliche archäologische Befund dar. Während sich beispielsweise in Trier der Ausbau in tetrarchischer Zeit relativ gut rekonstruieren lässt, sind andere Städte wie Nicomedia und Serdica komplett überbaut. Folglich ist die schriftliche Überlieferung entscheidend, wobei jedoch immer Unsicherheiten hinsichtlich Datierung, Urheberschaft und konkreter Funktion der Bauten zu beachten sind. Besonders in Bezug auf die schriftliche Überlieferung von Palastanlagen muss zunächst konstatiert werden, dass der Begriff des palatium kritisch zu betrachten ist. Selbst 19
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Die Zusammenstellung basiert auf den Angaben zum Itinerar der tetrarchischen Herrscher bei T. Barnes. Vgl. Barnes 1982 sowie im Folgenden die Einzelkapitel zu den jeweiligen Residenzstädten. Die Tabelle wurde in englischer Sprache publiziert in Jaeschke 2020, S. 23. Vgl. Riemer, Ellen: Konstantinopel-Ravenna-Trier. In: König, Margarethe (Hrsg.): PALATIA. Kaiserpaläste in Konstantinopel, Ravenna und Trier. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 27. Trier, 2003. S. 13–26, S. 13.
23
wenn man von einer imperialen Wohnanlage ausgehen kann, ist oft nicht gesichert, was palatium von Fall zu Fall genau bezeichnet.21 Handelt es sich um einen Palastkomplex mit Wohnbereich, Verwaltungsräumen und repräsentativen Bankett- und Audienzhallen oder eher um einen Villenanlage begrenzten Ausmaßes? Hier muss von Fall zu Fall analysiert werden, wie sich die schriftliche Überlieferung mit dem archäologischen Befund abgleichen lässt. Daher ist im Allgemeinen ein imperialer Palast in erster Linie durch seine Funktion definiert: Der entscheidende Faktor war die Anwesenheit des Herrschers und die Ausübung der Regierungsaktivität.22 Für die Residenzstädte bedeutete dies, dass der Palast nicht nur eine Wohnanlage für den Herrscher war, sondern offizieller Sitz der imperialen Verwaltung. Er musste somit, nach dem Vorbild der kaiserlichen Paläste auf dem Palatin in Rom, sowohl öffentlich-repräsentativen Ansprüchen gerecht werden als auch den Anforderungen an eine Privatresidenz des Regenten entsprechen.23 Ein Palastkomplex in einer tetrarchischen Residenzstadt musste daher innerhalb der Stadt liegen und bestand aus einer Vielzahl an residentiellen und repräsentativen Gebäuden, die in Größe und Ausmaß an den Palast in Rom erinnerten. Hierzu gehörten Wohnräume, Audienzhallen, Triklinien, Hof- und Gartenanlagen sowie infrastrukturelle Nutzgebäude wie Unterkünfte für die Wachen und Bediensteten.24 In Abgrenzung zu den tetrarchischen Residenzstädten sind die bekannten Alterssitze vor allem durch ihre ländliche Lage in der Nähe des Geburtsortes des jeweiligen Erbauers gekennzeichnet und befinden sich nicht in einer Stadt mit Verwaltungsfunktion.25 Die archi21
22
23
24 25
Vgl. Millar, Fergus: The Emperor in the Roman World (31 BC–AD 337). Duckworth, London 1992, S. 41. Ursprünglich bezeichnete der Begriff palatium die kaiserliche Residenz auf dem Palatin in Rom, doch während des späten 2. und im Laufe des 3. Jahrhunderts entwickelte es sich zu einer Bezeichnung für die kaiserliche Residenz an sich. Für einen kurzen Abriss zur Begriffsgeschichte von Augustus bis in die Spätantike vgl. Winterling 1999, S. 209–217; für einige weiterführende Anmerkungen zur Begriffsentwicklung im 3. Jahrundert vgl. Schöpe, Björn: Der römische Kaiserhof in severischer Zeit (193–235 n. Chr.). Franz Steiner, Stuttgart 2014, S. 218ff. Vgl. Wulf-Rheidt, Ulrike: Die Entwicklung der Residenz der römischen Kaiser auf dem Palatin vom aristokratischen Wohnhaus zum Palast. In: Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 1–18, S. 1f. Vgl. Haug, Annette: Die Stadt als Lebensraum. Eine kulturhistorische Analyse zum spätantiken Stadtleben in Norditalien. Leidorf, Heidelberg und Paris 2003, S. 187. Für einen aktuellen Bericht zum Stand der Forschung über die Entwicklung des Palatin in Rom von Augustus bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. vgl. Wulf-Rheidt 2011, S. 1–18 sowie Wulf-Rheidt, Ulrike: The Palace of the Roman Emperors on the Palatine in Rome. In: Featherstone, Michael/Spieser, Jean-Michel/Tanman, Gülru/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): The Emperor’s House. Palaces from Augustus to the Age of Absolutism. Urban Spaces, Bd. 4. De Gruyter, Berlin/Boston 2015. S. 3–18. Vgl. Riemer 2003, S. 13; Mayer 2002, 39ff. Hier sind vor allem die Anlagen des Diokletian in Split und des Galerius in Felix Romuliana gemeint. Die erst relativ kurz bekannte Anlage in Sarkamen ist lediglich in Grundzügen fertiggestellt worden
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tektonische Ausgestaltung variiert, gemeinsam sind ihnen jedoch die abgeschlossene Anlage, fortifikatorische Reminiszenzen in der Architektur sowie eine großzügige Ausstattung mit Wohngebäuden und Repräsentationsanlagen (aulae, Bankettsäle, Thermen), Tempelanlagen und Mausoleen sowie Gebäuden für den ‚Hofstab‘. Folglich handelt es sich zwar um repräsentative Anlagen, in ihrer funktionalen Ausrichtung unterscheiden sich die Alterssitze jedoch deutlich von den Residenzen der aktiven Regenten. Sie wurden als eine adäquate, aber zurückgezogene Residenz für den senior augustus entworfen, der noch Mitglied des Herrschaftskollegiums war, aber nicht aktiv an den politischen Angelegenheiten des Reiches teilnehmen sollte. Dies spiegelt sich in der Größe und den Arten von Gebäuden wider. Zum Beispiel waren die Audienzhallen in Split und Felix Romuliana etwa ein Viertel der Größe der Audienzhallen von Trier und Thessalonike.26 Darüber hinaus hatten tetrarchische Altersresidenzen keine Circusanlagen. Dies deutet darauf hin, dass die abgedankten Kaiser nicht beabsichtigten oder nicht beabsichtigen sollten, öffentliche Spiele in ihren Residenzen abzuhalten und somit die symbolische Interaktion mit ihren Untertanen während der Cicusspiele zu fördern. Als designierte Begräbnisstätten scheinen die Altersresidenzen nicht auf die Anforderungen tagesaktueller Regierungsgeschäfte konzentriert gewesen zu sein, sondern auf den Kult der tetrarchischen Schutzgötter und die Kommemoration der Kaiser.27 Im Zentrum stand hier demnach der Staatskult, der gleichzeitig zu einer Sakralisierung der Person des Herrschers beiträgt, versinnbildlicht durch monumentale Tempelanlagen für die Schutzgötter des tetrarchischen Herrschaftssystems.28 Verstärkt wird dies durch die Mausoleen, insbesondere im Fall der diokletianischen Anlage in Split, in der Mausoleum und Tempel direkt aufeinander bezogen sind. In den Altersresidenzen konnten Individualität und dynastische Bezüge wieder ausgedrückt werden, wenn auch im Rahmen des tetrarchischen Systems: Die Kaiser wählten ihren Bestattungsort und den ihrer Familienmitglieder in der Nähe ihres Geburtsortes und nahe den Tempeln der Götter, von denen sie abzustammen beanspruchten. Der Typus der villa suburbana ist in Anlage und Funktionalität ebenfalls klar von Palastanlagen in Residenzstädten zu unterscheiden. Dem Bautypus und der Bestimmung als Rückzugsort oder kurzfristige Durchreisestation entsprechend, handelt es sich um in die Landschaft geöffnete Villenanlagen, die zwar neben Wohnbereichen und Thermenanlagen auch über Repräsentationsanlagen wie Apsidensäle und Triklinien verfügen, aber nicht mit einem innerstädtischen,
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und bisher wenig erforscht. Sie weist jedoch klare Reminiszenzen an das nur 40 km entfernte Felix Romuliana auf und war vermutlich durch Maximinus Daia oder Licinius initiiert worden. Vgl. Popović 2007, S. 80ff. Vgl. Kap. 2.1.3. Vgl. Kuhoff 2001, S. 782; Hesberg 2006, S. 138. Vgl. Kuhoff 2001, S. 782.
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nach außen geschlossen wirkenden Palastareal verglichen werden können.29 Nichtsdestotrotz werden auch suburbane Villen oder andere kurzzeitige Residenzen in den Quellen gelegentlich als palatium bezeichnet, da dieser Begriff in der Spätantike den Wohnsitz des Kaisers bezeichnet hat – sei es ein kaiserlicher Palast in einer Residenzstadt, eine Villa ohne Verbindung zu einer Stadt oder das praetorium eines Provinzgouverneurs, wo der Kaiser während eines kurzen Aufenthaltes wohnte.30 In Bezug auf architektonische Besonderheiten ist es schwierig, die Villa eines hochrangigen Beamten oder wohlhabenden Bürgers von der Villa eines Kaisers zu unterscheiden, sofern es keine identifizierenden Inschriften oder dergleichen gibt, da es nicht notwendigerweise architektonische Unterschiede gab, außer vielleicht die Größe der Anlage.31 Eine Ausnahme bildet der Villenkomplex des Maxentius an der Via Appia in Rom. Bautypisch und durch die Verortung außerhalb der Stadtmauern zwar einer villa suburbana gleichend, lassen sich hier durch die Kombination von Wohnanlagen, Apsidensaal und Mausoleum mit einer auf öffentliche Veranstaltungen ausgelegten Circusanlage auch funktionale Aspekte einer innerstädtischen Palastanlage in einer Residenzstadt sowie einer Altersresidenz finden.32
1.1 NICOMEDIA (IZMID) Archäologisch ist Nicomedia kaum erforscht, denn aufgrund der Siedlungskontinuität ist die antike Stadt komplett überbaut. Durch Inschriften, Münzen und die schriftliche Überlieferung sind zwar die Pracht der Stadt und auch einige konkrete Bauten bekannt, doch für eine genauere Rekonstruktion der städtischen Topographie vor und während der Tetrarchie bieten sie nur wenige Anhaltspunkte. Entsprechend spärlich und disparat ist die Forschung zu Nicomedia in der Römischen Antike. Eine der frühesten Abhandlungen zu Nicomedia in römischer Zeit ist der Aufsatz von J. Sölch von 1925.33 Im Jahre 1936 wurde am Westrand des antiken Stadtgebietes nahe der Küste während des Baus einer Papierfabrik eine Notgrabung durchgeführt, deren Ergebnisse von F. K. Dörner in einem kurz darauf publizierten Artikel dokumentiert
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Ein Beispiel für diesen Typus ist die imperiale Villenanlage in Corduba, die vermutlich kurz als Residenz des Maximian gedient hat und später der Sitz hoher Verwaltungsbeamter war. Vgl. Kuhoff, 2001, S. 734ff. Vgl. Anm. 19. Beispielsweise die spätantike Villa von Piazza Armerina wurde als Sommerresidenz des Maximian interpretiert. In der neueren Forschung wird sie nun lediglich als Villa eines außerordentlich wohlhabenden Bürgers gedeutet. Für einen kurzen Abriss der Forschungsgeschichte vgl. Kuhoff 2001, S. 736f. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 79. Vgl. Sölch, Johann: Bithynische Städte im Altertum. In: Klio. Beitrage zur Alten Geschichte. Bd. 19, 1925. Dietrich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1925. S. 140–188.
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wurden.34 Die in diesem Zusammenhang aufgefundenen Inschriften wurden 1941 ebenfalls durch Dörner publiziert, zusammen mit einer Auflistung der bekannten antiken Bauwerke.35 Die umfassendste Zusammenstellung der relevanten Quellenstellen vom Hellenismus bis in byzantinische Zeit bietet der Artikel zu Nicomedia von W. Ruge aus dem Jahr 1937.36 Eine summarische Zusammenfassung der Stadtgeschichte und des archäologischen Befundes findet sich in der Princeton Encyclopedia of Classical Sites von 1976.37 Auch in übergreifenden Untersuchungen zu Kleinasien wird Nicomedia als Hauptstadt Bithyniens immer wieder behandelt.38 Da jedoch seit den 1930er Jahren keine weiteren Ausgrabungen vor Ort stattfanden, können auch die Ergebnisse der neueren Forschung zu Nicomedia in tetrarchischer Zeit kaum über eine Zusammenstellung und Deutung der bekannten Quellen und Funde hinausgehen.39 Nichtsdestotrotz ergeben sich durch die Gesamtschau der vorhandenen Informationen sowie durch den Vergleich mit den anderen bekannten Residenzen durchaus Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns bezüglich des Ausbaus der Stadt in tetrarchischer Zeit.
1.1.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Nicomedia wurde im 3. Jahrhundert v. Chr., vermutlich 264 v. Chr., durch Nicomedes I. als Hauptstadt des hellenistischen Königreiches Bithynien gegründet.40 Die Stadt geht zurück auf die antike megarische Siedlung Astacus, welche Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. durch Ly34
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Vgl. Bittel, K./Dörner F.K.: Archäologische Funde in der Türkei 1934–38, darin F.K. Dörner zu Nicomedia S. 156–176, Archäologischer Anzeiger 1939. Walter De Gruyter, Berlin 1939. Vgl. Dörner, F. K.: Inschriften und Denkmäler aus Bithynien. Istanbuler Forschungen, Bd. 14. Berlin, 1941. Vgl. Ruge, W.: Nikomedeia. In: Paulys Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaften. Dreiunddreissigster Halbband, Nereiden bis Numantia. Alfred Druckenmüller Verlag, München 1937. S. 468–492. Vgl. Mac Donald, William L.: Nicomedia. In: Stillwell, Richard (Ed.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton 1976. S. 623–624. Die Ergebnisse der Grabung des DAI von 1936 werden hier jedoch nicht berücksichtigt. Hier sei u. a. verwiesen auf Magie, David: Roman Rule in Asia Minor. To the end of the third century after Christ. Volume I: Text; Volume II: Notes. Princeton University Press, Princeton 1950 sowie zuletzt Bekker-Nielsen, Tønnes: Urban life and local politics in Roman Bithynia. Aarhus University Press, Aarhus 2008 und Marek, Christian: Geschichte Kleinasiens in der Antike. C.H. Beck, München 2010. Vgl. hierzu zuletzt Humphrey 1986, Heucke 1994, Kuhoff 2001, Mayer 2002. Gemeinhin wird die Stadtgründung mit Verweis auf Strabon (Strab.12.4.2) auf das Jahr 264 v. Chr. datiert. Vgl. MacDonald 1976, S. 623; Sölch 1925, S. 146; Bekker-Nielsen 2008, S. 21. Bei Ruge wird das Gründungsjahr abweichend auf 262 v. Chr. datiert. Vgl. Ruge 1937, S. 471.
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simachus zerstört worden war. Wenig später siedelte Nicomedes die verbleibende Bevölkerung um auf ein neues Areal unweit der ursprünglichen Siedlung, gründete die Stadt neu und benannte sie, wie es bei hellenistischen Monarchen üblich war, nach sich selbst.41 Aufgrund des Status als Sitz des königlichen Hofes und aufgrund der wirtschaftlich vorteilhaften Lage an der östlichen Spitze des Golfs von Izmit sowie am Ende der großen Handelsstraße durch das nördliche Kleinasien entwickelte sich die Stadt bereits in hellenistischer Zeit zu einem wirtschaftlichen und politischen Zentrum. Sie verfügte über einen Hafen und war durch den König mit Bauten ausgestattet.42 Durch Appian ist überliefert, dass zu den Kunstwerken der Stadt eine von Doidalses gefertigte Kultstatue des Zeus Stratius gehörte.43 Im Rahmen der Mithridatischen Kriege des 1. Jahrhunderts v. Chr. erfuhr Nicomedia ein wechselhaftes Schicksal. Nachdem das Königreich Pergamon nach dem Tod des Attalos III. im Jahr 133 v. Chr. an die Römer vererbt worden war und nun als Provinz Asia zum Imperium Romanum gehörte, fühlten sich die lokalen Mächte zunehmend bedroht. Dies führte zunächst zu einer anti-römischen Allianz zwischen Nicomedes III., König von Bithynien, und Mithradates VI. Eupator, König von Pontos. Nach dem Tod des Nicomedes III. im Jahr 94 v. Chr. kam es zwischen dessen Söhnen zu Streitigkeiten um die Nachfolge. Hierbei setzte sich schlussendlich Nicomedes IV. durch, der seine Herrschaft durch eine Allianz mit den Römern absicherte.44 Nach dessen Tod 74 v. Chr. ging das Königreich Bithynien als Erbschaft an das Imperium Ro-
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Vgl. Ruge 1939, S. 471; Magie 1950, S. 305. Bei MacDonald heisst es abweichend, dass Nicomedia eine Neugründung der griechischen Kolonie Olbia gewesen sei. Vgl. MacDonald 1976, S. 623. Sölch behandelte diese Frage bereits in seinem Artikel von 1929. Die Siedlung Astacus entstand demnach mit Verweis auf die Berichte Memnons bereits im späten 8 Jahrhundert v. Chr. und gehörte im 5. Jahrhundert v. Chr. zu denjenigen Städten Kleinasiens, die durch die Perser erobert wurden. Sölch argumentiert aufgrund von Münzfunden mit Prägungen der Nymphe Olbia, dass die Stadt vermutlich um 500 v. Chr. den Beinamen Olbia annahm und dass die beiden überlieferten Vorgänger-Städte somit identisch sein könnten. Vgl. Sölch 1925, S. 142ff. T. Bekker-Nielsen nimmt an, dass Nicomedia durch einen Synoikismus entstand, bei dem mehrere Siedlungen zusammengelegt wurden, wobei Astacus wohl den maßgeblichen Teil der Bewohner Nicomedias stellte. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 21. Vgl. Sölch 1925, S. 147 und S. 160; Magie 1950, S. 305 (In Band 2 findet sich in den Anmerkungen eine Zusammenstellung der relevanten Quellenstellen). Unter anderem errichtete Nicomedes hier ein prächtiges Grabmahl für seine verstorbene Frau Ditizele, was uns ebenfalls durch Arrian (frag. 63) überliefert ist. Vgl. Ruge 1937, S. 471. Vgl. Arrian, frag. 41, zitiert bei Magie. Die Statue ist seit Prusias I., dem Enkel des Nicomedes I., auf Münzemissionen der bithynischen Könige abgebildet. Vgl. Magie 1950, Bd. 2, Anm. 12 zu Kap. XIII, S. 1185. Obwohl Nicomedia in den Auseinandersetzungen zwischen Rom und Pontus grundsätzlich auf der Seite der Römer stand, wurde es während des 1. Mithridatischen Krieges durch römische Soldaten unter der Führung Fimbrias im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen diesem und dem römischen Konsul Valerius Flaccus geplündert. Vgl. Sölch 1925, S. 162ff; Ruge 1937, S. 472.
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manum über.45 Nach dem Ende des 3. Mithridatischen Krieges fasste Pompeius 64/63 v. Chr. Bithynien mit dem westlichen Teil des Herrschaftsgebietes des Mithradates VI. zu der neuen Provinz Pontus et Bithynia zusammen.46 Auch nach der Integration Bithyniens in das Imperium Romanum blieb Nicomedia Hauptstadt, es wurde zum Sitz des Provinzstatthalters.47 Die Stadt war somit auch in römischer Zeit das Verwaltungszentrum der Region und verschiedene Lokalbehörden wie Decurionen, Kuratoren und Strategen sind überliefert.48 Seit Beginn der Kaiserzeit war Nicomedia außerdem eines der Zentren des Herrscherkultes im Osten des Imperium Romanum, in dessen Rahmen Augustus in Kultgemeinschaft mit der Roma verehrt wurde. Folglich befand sich in Nicomedia auch ein Tempel für Augustus und Roma, der außerdem als Versammlungsort des Provinziallandtages diente.49 Spätestens unter Augustus scheint die Stadt außerdem das Münzprägerecht bekommen zu haben.50 Die politischen Geschicke Nicomedias verliefen in römischer Zeit weitestgehend in geregelten Bahnen. Lediglich während der Bürgerkriege zum Ende der Römischen Republik wurde auch Nicomedia kurzzeitig in Mitleidenschaft gezogen; 36 v. Chr. eroberte Sextus Pompeius die Stadt, bevor er von seinen Gegnern endgültig besiegt wurde.51 In den folgenden Jahrhunderten hielten sich mehrere römische Kaiser zeitweise in der Provinzhauptstadt auf. Hadrian besuchte während seiner Reise durch Kleinasien zwischen 121–125 n. Chr. in Bithynien nachweislich Nicomedia und Nicaea, höchstwahrscheinlich im Winter 123/ 24 n. Chr.52 Beide Städte waren zuvor durch Erdbeben schwer in Mitleidenschaft gezogen worden und wurden durch den Kaiser mit neuen Bauten bedacht. Nachdem aufgrund von kaiserlichen Stiftungen öffentliche Plätze und die Stadtmauern wieder hergerichtet werden
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Während des 3. Mithridatischen Krieges konnte Mithradates VI. nach dem Tod des Nicomedes IV. die Herrschaft über Bithynien erobern, dabei fiel auch Nicomedia unter seine Macht. Nachdem es kurzzeitig als Residenz des Mithradates fungiert hatte, wurde es durch die Römer zurückerobert. Vgl. Sölch 1925, S. 162ff; Ruge 1937, S. 472. Vgl. hierzu zuletzt Bekker-Nielsen 2008, S. 27f sowie Marek 2010, S. 364ff. Vgl. u. a. Sölch 1925, S. 165ff. Für die Kenntnis der Stadt in römischer Zeit sind vor allem die Berichte von Plinius dem Jüngeren, im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. unter Trajan Provinzstatthalter in Nicomedia, sowie Cassius Dio und Dion Chrysostomos von Bedeutung. Eine Zusammenstellung der Quellenstellen findet sich bei Sölch 1925, S. 167, Anm. 6. Laut Cassius Dio 51.20.7 erlaubte Octavian den Einwohnern von Nicomedia die Stiftung einer entsprechenden Tempelanlage. Bereits unter Augustus wurden in Nicomedia Münzen geprägt. Vgl. Sölch 1925, S. 165. Es sind jedoch bereits aus spätrepublikanischer Zeit Bronzeprägungen der römischen Statthalter bekannt. Vgl. Ruge 1937, S. 472. Cassius Dio 49.18.2–7. Vgl. Marek 2010, S. 432f.
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konnten, wurde der Kaiser als Retter und Wohltäter geehrt.53 Im Zuge der Machtergreifung des Gaius Pescennius Niger 193–194 n. Chr. in Kleinasien wurde dieser in Teilen Bithyniens als Kaiser anerkannt und auch Nicomedia war unter den Städten, welche Münzen mit seinem Konterfei prägten. Spätestens jedoch als die Truppen des Septimius Severus erfolgreich in Bithynien einzogen, schloss sich Nicomedia diesem an.54 Im Winter 214/15 n. Chr. residierte Caracalla während der Vorbereitung auf seinen Feldzug im Osten in Nicomedia. Durch Cassius Dio sind uns für seinen Aufenthalt spektakuläre Wagenrennen überliefert.55 Des Weiteren bedachte er die Stadt mit einer monumentalen Thermenanlage, die seinen Namen trug.56 Auch Elagabal, der letzte der severischen Herrscher, hat sich im Winter 218 n. Chr. in Nicomedia aufgehalten.57 Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr., im Jahr 256 n. Chr., wurde die Stadt durch die Goten erobert.58 Nicomedia war folglich eine Stadt von bedeutendem Rang und erfuhr einen entsprechenden Ausbau durch die lokalen Eliten und kaiserliche Stiftungen. Für die römische Kaiserzeit sind einige Bauwerke durch Münzen, Inschriften und Schriftquellen überliefert, die wenigsten lassen sich jedoch archäologisch nachweisen. Anzunehmen ist, dass die Stadt bereits seit ihrer Gründung zumindest in der Küstenebene grob nach dem hippodamischen System angelegt war.59 Im Bereich der Hügelkette im Norden der Stadt war die Struktur vermutlich den natürlichen Gegebenheiten angepasst.60 Neben den Ruinen der spätantiken Stadtmauer
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Vgl. Sölch 1925, S. 172 mit einer Zusammenstellung der relevanten Quellen in den Anmerkungen 4–7 sowie Magie 1950, S. 614. Bei Ruge wird das Erdbeben auf das Jahr 120 n. Chr. datiert. Vgl. Ruge 1937, S. 474. Vgl. Magie 1950, S. 670. Bei Ruge werden die Münzprägungen mit dem Portrait des Pescennius Niger so gedeutet, dass Nicomedia kurzzeitig durch diesen erobert wurde und dann durch den erfolgreichen Feldzug des Septimius Severus befreit wurde. Die Stadt sei vom Kaiser mit der Rückgabe der Neokorie belohnt worden und ehrte ihn im Gegenzug durch Münzprägungen und durch die Abhaltung von Festen. Vgl. Ruge 1937, S. 474. Ähnlich werden die Ereignisse bei Bekker-Nielsen und Marek interpretiert, die ebenfalls angeben, dass Nicomedia im Bündnis mit Septimius Severus und nicht mit Pescennius Niger gestanden habe, anders als das konkurrierende Nicaea. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 147 und Marek 2010, S. 436f. Vgl. Kap. 1.1.2.3. Überliefert durch Malal. XI, zitiert bei Ruge 1937, S. 475. Die Thermen des Caracalla, die Thermae Antoninianae, sind des Weiteren belegt durch eine Inschrift, welche den Umbau der Anlage unter Diokletian behandelt. Vgl. Kap. 1.1.2.4. Cassius Dio 80.7.3. Vgl. Mac Donald 1976, S. 623. Bei Ruge wird der Einfall der Goten auf das Jahr 258 n. Chr. datiert. Vgl. Ruge 1937, S. 475. Vgl. zu dieser Annahme zuletzt Bekker-Nielsen 2008, S. 24. Zumindest berichtet Libanius Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr., dass sich die Wohnviertel wie die Äste einer Zypresse auf die Hügel erstreckt hätten. Lib. or. 61.7.
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finden sich östlich des antiken Stadtgebietes die Überreste von zwei, eventuell sogar drei Aquaedukten.61 Im Osten der Stadt, auf dem Areal des alten jüdischen Friedhofs, sind Reste einer großen römischen Zisterne erhalten. In der Istanbul Street wurden Marmorelemente eines Nymphäums aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. gefunden und im frühen 20. Jahrhundert waren noch Reste der römischen Hafenmauer sichtbar.62 Darüber hinaus sind überliefert: Ein Tempel der Roma und des Augustus aus dem Jahr 29 v. Chr.63, ein Theater64, ein Forum sowie ein neues Forum65, ein Tempel des Zeus66, ein Tempel der Isis und eine Halle für die Gerusia67, ein Tempel der Magna Mater68, ein Asklepios-Heiligtum69, ein Tempel der Demeter und Kolonnadenstraßen, die eventuell von diesem Tempel zum Hafen führten70 sowie ein Tempel für Commodus71. Nicht zu vergessen sind außerdem die durch Caracalla gestifteten Thermen und eventuell dessen Circusanlage.72 Des Weiteren ist ein Zunfthaus einer Reedergilde mit zugehörigem Heiligtum überliefert, was die Bedeutung des Seehandels für die Wirtschaft der Stadt belegt.73 Unter der Statthalterschaft des Plinius Secundus war außerdem die Fertigstellung eines Kanals zwischen der Propontis und dem östlich von Nicomedia gelegenen Sapancasee geplant, um die Effizienz des Schiffshandels zu steigern.74 Das Projekt wurde jedoch nie fertig gestellt.75
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Durch Plinius den Jüngeren sind zwei Bauprojekte für Wasserleitungen in Nicomedia überliefert, die beide zu dieser Zeit aufgrund von Geldmangel unvollendet brach lagen. Plinius ep. 10.37. Vgl. Mac Donald 1976, S. 623. Vgl. Anm. 47 sowie Cassius Dio 51.20.7. Lib. or. 61.10. Plinius ep. 10.49. Der Zeuskult geht bereits auf die Zeit der hellenistischen Neugründung der Stadt im 3. Jahrhundert zurück, da durch das oben erwähnte Kultbild des Iuppiter Stratos auch ein Heiligtum sicher anzunehmen ist. Vgl. auch Ruge 1937, S. 490. Plinius ep. 10.33. Plinius berichtet in diesem Zusammenhang, dass dieser zu seiner Zeit als Statthalter versetzt werden sollte, da er sich an einer Ecke des neuen Forums befand und nicht mehr in den baulichen Kontext der Anlage passte. Plinius ep. 10.49. Vgl. Ruge 1937, S. 490. Vgl. Mac Donald 1976, S. 623. Cassius Dio 73.12.2. Es hatte anscheinend in der Regierungszeit des Commodus ein schweres Erdbeben gegeben und dieser hatte Mittel zum Wiederaufbau der Stadt zur Verfügung gestellt. Vermutlich wurde der Tempel in diesem Zusammenhang errichtet. Vgl. Sölch 1925, S. 172f. Zur Frage ob Caracalla in Nicomedia einen Circus stiftete vgl. Kap. 1.1.2.3. Vgl. Marek 2010, S. 508f. Plinius ep. 41 und 61; Marek 2010, S. 463. Vgl. Mac Donald 1976, S. 624; Magie 1950, S. 588.
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1.1.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Als Diokletian 284 n. Chr. in Nicomedia zum Augustus ausgerufen wurde, war die Stadt bereits eines der wichtigsten Zentren Kleinasiens und verfügte über die entsprechende städtische Infrastruktur.76 Als Residenzstadt bot sie sich allerdings nicht nur aufgrund ihres Status als Verwaltungszentrum und Handelsknotenpunkt an, sondern auch wegen der strategisch günstigen Lage für Feldzüge in den Osten.77 In der Folgezeit wurde Nicomedia zur bevorzugten Residenz Diokletians. Nach der Entscheidungsschlacht gegen Carinus hielt dieser sich vermutlich zunächst in Sirmium auf78, nach seiner Italienreise im Sommer 285 n. Chr. zog er jedoch weiter nach Osten und residierte bis zum Frühjahr 286 n. Chr. in Nicomedia.79 Eventuell erfolgte hier auch die Ernennung des Maximianus zum Caesar bzw. zum Augustus im Jahre 285/86 n. Chr.80 Zwischen 285 und 296 n. Chr. sind mehrere Aufenthalte Diokletians sowohl in Sirmium als auch in Nicomedia belegt – beide Städte scheinen in diesen Jahren regelmäßig als Residenz gedient zu haben. Im Jahr 293 n. Chr. erhob er in Nicomedia Galerius zum Caesar.81 In den folgenden
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Nicomedia als Ort des Herrschaftsantritts ist überliefert durch Zosimos I.73.2 und wurde bei Seeck entsprechend rekonstruiert (I, S. 4). Dieser Deutung hat sich der Großteil der Forschung angeschlossen. Vgl. u. a. Sölch 1925, S. 178; Ruge 1937, S. 476; Barnes 1982, S. 33; Kolb 2001, S. 25; Kuhoff 2001, S. 17, Demandt 2008, S. 20 und S. 49; Mayer 2002, S. 29. Vgl. u. a. Ruge 1937, S. 41. Zum Ausbau und Verlauf der Handels- und Heeresstraßen im nördlichen Kleinasien vgl. zuletzt Marek 2010, S. 469. Vgl. Kuhoff 2001, S. 716. Nach einer Kampagne gegen die Sarmaten im Herbst 285 n. Chr. verbrachte er den Winter von 285/ 286 n. Chr. vermutlich komplett in Nicomedia. Laut Barnes lässt sich ein Aufenthalt vom 20. Januar bis 3. März 286 n. Chr. nachweisen. Vgl. Barnes 1982, S. 50. Die Zeitpunkte der Ernennung Maximians zum Caesar und später zum Augustus sind nicht gesichert. In der Forschung gibt es die Tendenz, die Erhebung zum Caesar auf den Dezember des Jahres 285 n. Chr. und die Erhebung zum Augustus in das Frühjahr 286 n. Chr. zu datieren. Vgl. Kolb 2001, S. 27. Folgt man dieser Datierung, so könnten beide Erhebungen in Nicomedia erfolgt sein, da sich Diokletian in dieser Zeit dort aufhielt. Ruge hält eine Erhebung zum Augustus am 1. März 286 n. Chr. für plausibel und verortet diese in Nicomedia. Vgl. Ruge 1937, S. 476. Bei Demandt wird die Erhebung zum Augustus auf den 1. April 286 n. Chr. datiert, was den Ort der Erhebung wiederum unsicher macht. Kuhoff dagegen datiert die Ernennung zum Augustus bereits in den Dezember 285 n. Chr., was jedoch ebenfalls Nicomedia als Ort der Erhebung möglich machen würde. Kuhoff 2001, S. 34f. Vgl. Barnes 1982, S. 49–56. Nach seinem Aufenthalt in Nicomedia im Winter 285/286 bzw. Frühjahr 286 n. Chr. scheint Diokletian sich zunächst öfter in Sirmium aufgehalten zu haben als in Nicomedia, zumindest sind für Sirmium mehr Aufenthalte belegt (11. Januar 290, 1. Juli – 18. Dezember 290, 13. Mai 291, 1. Januar – 26. Februar 293, 11. September 293 – 20. August 294). Erst im Frühjahr 293 n. Chr. kehrt er nachweislich nach Nicomedia zurück, um Galerius am 1. März auf einer Anhöhe vor Nicomedia zum Caesar zu erheben, wie durch Laktanz überliefert ist. Lact. De mort. pers. 19.2. Barnes verortet allerdings entgegen der Überlieferung die Erhebung des Ga-
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Jahren hielt sich Diokletian vornehmlich in Syrien und Ägypten auf und von 299–302 n. Chr. scheint Antiochia die am häufigsten genutzte Residenz des ranghöchsten Augustus gewesen zu sein. Doch ab 302 n. Chr. residierte er wieder hauptsächlich in Nicomedia.82 Auch die Abdankung des Diokletian im Jahre 305 n. Chr., bei der Galerius zum neuen Augustus und dessen Neffe Maximinus Daia sowie Severus zu Caesaren ernannt wurden, fand hier statt.83 Im Rahmen der diokletianischen Verwaltungsreform blieb Nicomedia Provinzhauptstadt der verkleinerten Provinz Bithynia und wurde außerdem die Hauptstadt der neugeschaffenen Diözese Pontica.84 Der Status als Münzprägestätte wurde erneuert und darüber hinaus wurden der lateinische Grammaticus Flavius sowie der als Historiker bekannte Laktanz als Rhetor nach Nicomedia berufen.85 Als Diokletian sich von der Herrschaft zurückzog, gehörte Nicomedia zu den wichtigsten Städten des Imperium Romanum.86 Auch nach der Abdankung Diokletians fungierte Nicomedia zumindest zeitweise als Residenz der tetrarchischen Herrscher. Während Galerius nach seiner Erhebung zum Augustus weiterhin vornehmlich in Serdica und später wieder in Thessalonica residierte, war Nicomedia von 311–312
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lerius zum Caesar in Sirmium. Vgl. Barnes 1982, S. 52. Für eine plausible Wiederlegung dieser Verortung vgl. Kolb, Frank: Rezension Barnes, Constantine. In: Gnomon, Vol. 60/1988. S. 45–50, S. 47. Laut der Aufstellung bei Barnes lässt sich ein erneuter Aufenthalt Diokletians in Nicomedia erst wieder für Winter 294/Frühjahr 295 n. Chr. nachweisen (15. November – 30. Dezember 294, 18. März 295 n. Chr.). Vgl. Barnes 1982, S. 54. Im Sommer 296 n. Chr. zog Diokletian zunächst in eine Schlacht gegen die Karpaten, dann gegen die Perser und verbrachte den Herbst 297 bis Frühjahr 298 n. Chr. mit der Niederschlagung der Usurpation des Lucius Domitius Domitianus in Ägypten. Vgl. Barnes 1982, S. 49–56. Nachgewiesene Aufenthalte: Ende 302 begibt sich Diokletian für den Winter nach Bityhnien, 6. Januar – 12. März 303 in Nicomedia, Reise nach Rom, Rückkehr nach Nicomedia vom 28. August 304 – 1. Mai 305. Vgl. Barnes 1982, S. 56. Lact. De mort. pers. 19.1–6. Vgl. Sölch 1925, S. 178; Bechert, Tilmann: Die Provinzen des Römischen Reiches: Einführung und Überblick. Zabern, Mainz 1999, S. 110. Laut Ruge 1937, S. 478 wurde erst durch Constantius II kurz vor dem Erdbeben von 358 n. Chr. eine Diöcese mit Nicomedia als Hauptstadt neu gegründet. Überliefert bei Amm. Marc. 22.7.6. Vgl. Sölch 1925, S. 179; Ruge 1937, S. 476 (mit Verweis auf die Quellenstellen bei Hieron. de vir. ill. 80 und Lact. inst. div. V.2.2). Sölch schreibt, Nicomedia sei in Bezug auf Bevölkerungszahlen und Ansehen direkt nach Rom, Alexandria und Antiochia anzusiedeln gewesen. Vgl. Sölch 1925, S. 41. Vgl. hierzu auch Libanius or. 61.7 sowie die Beschreibung des Ammianus Marcellinus über Kaiser Julians Erschrecken bei seiner Ankunft in dem durch das Erdbeben zerstörten Nicomedia: „Vordem war die Stadt berühmt und so sehr mit großen Aufwendungen früherer Kaiser erweitert worden, daß sie infolge der Menge privater und öffentlicher Gebäude von denen, die sie richtig kannten, für eine Region der ewigen Stadt gehalten werden konnte.“ /„[…] urbem antehac inclutam, ita magnis retro principum amplificatam impensis, ut aedium multitudine priuatarum et publicarum recte noscentibus regio quaedam urbis aestimaretur aeternae.“ Amm. Marc. 22.9.3.
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n. Chr. die Hauptresidenz von dessen Caesar Maximinus Daia.87 Als Maximinus Daia im April 313 n. Chr. bei der Schlacht von Adrianopel gegen Licinius unterlag, flüchtete er sich nach Nicomedia, wo er am 2. Mai 313 n. Chr. eintraf. Nachdem er von dort weiter nach Kappadokien geflohen war, zog Licinius im Juni 313 n. Chr. im Triumph in die Stadt ein. Spätestens ab 317 n. Chr. bis zu seiner Niederlage gegen Konstantin im Jahre 324 n. Chr. war Nicomedia nun wieder die Hauptresidenz des Augustus im Osten.88 Hier war es auch, dass Konstantin nach erfolgreicher Belagerung der Stadt am 19. September 324 n. Chr. die Abdankung des Licinius entgegennahm.89
1.1.2.1 BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT Die Bedeutung Nicomedias für die tetrarchische Herrschaftsinszenierung fernab von Rom zeigt sich in dem monumentalen Ausbau der Stadt unter Diokletian. Laktanz berichtet von dessen Bautätigkeit in Nicomedia Folgendes: „Dazu kamen eine grenzenlose Baulust und eine nicht geringere Forderung an die Provinzen, Arbeiter, Künstler, Fahrzeuge, alles zu stellen, was man für die Errichtung von Bauwerken braucht. Hier ließ er Hallen (Basiliken) bauen, dort eine Rennbahn, hier eine Münzprägestätte, dort eine Waffenfabrik, hier für seine Frau ein Haus, dort für seine Tochter. Plötzlich wird ein großer Teil der Stadt (Nicomedia) abgerissen. Es wanderten alle mit Frauen und Kindern aus, als ob die Stadt durch Feinde erobert worden wäre. Und wenn dann diese Gebäude zum Ruin der Provinzen vollendet waren, sagte er: „Sie sind nicht richtig gemacht; anders soll man sie machen!“ Wieder eingerissen und abgeändert werden mußte dann, was vielleicht erneut zusammenstürzen sollte. So zeigte sich sein ständiger Wahnsinn in dem Bemühen, Nikomedia auf eine Stufe mit der Stadt Rom zu stellen.“90
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Vgl. Barnes 1982, S. 65–67. Bekker-Nielsen sieht abweichend Nicomedia für die gesamte Regierungszeit des Maximinius Daia von 305–313 als dessen Hauptresidenz an. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 154. Vgl. Barnes 1982, S. 80–82. Nach Bekker-Nielsen diente Nicomedia bereits ab 313 n. Chr. als Hauptresidenz des Licinius. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 154. Vgl. Barnes 1982, S. 76. „Huc accedebat infinita quaedam cupiditas aedificandi, non minor provinciarum exactio in exhibendis operariis et artificibus et plaustris, omnibus quaecumque sint fabricandis operibus necessaria. Hic basilicae, hic circus, hic moneta, hic armorum fabrica, hic uxori domus, hic filiae. Repente magna pars civitatis exciditur. Migrabant omnes cum coniugibus ac liberis quasi urbe ab hostibus capta. Et cum perfecta haec fuerant cum interitu provinciarum: „Non recte facta sunt”, aiebat, „alio modo fiant.” Rursus dirui ac mutari necesse erat iterum fortasse casura. Ita semper dementabat Nicomediam studens urbi Romae coaequare.“ Lact. De mort. pers. 7.8–10.
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Durch die Quellenstelle sind uns somit folgende Bauten des Diokletian in Nicomedia überliefert: Basiliken, eine Circusanlage, eine Münzprägestätte91, eine Waffenfabrik92 sowie Wohngebäude für seine Frau und seine Tochter. Im Zuge seines Berichtes über die Christenverfolgungen erwähnt Laktanz darüber hinaus mehrfach den Palast.93 Des Weiteren berichtet er von einer Ehrensäule mit einer Jupiterstatue, die etwa drei Meilen außerhalb der Stadt auf einer Anhöhe errichtet wurde. An diesem Ort hatte 293 n. Chr. die Ernennung des Galerius zum Caesar stattgefunden und auch die Abdankung des Diokletian im Jahr 305 n. Chr. erfolgte hier.94 Aurelius Victor berichtet außerdem von einem Ausbau der Stadtmauern in Nicomedia: „[…] und auf bewundernswerte Weise wurden mit ganz und gar neuen und schön verzierten Mauern die römischen Hügel sowie weitere Städte geschmückt, vor allem Karthago, Mailand und Nikomedien.“95
Überreste der spätantiken Stadtmauer sind noch heute entlang der Hügelkette sichtbar. An deren nordöstlichem Ende finden sich die Ruinen eines Turmes und eines daneben liegenden Stadttores, welches die Straße Richtung Norden erschloss.96 Aufgrund der Quellen ist folglich ein massiver Ausbau Nicomedias unter Diokletian gesichert. Die Stadt erhielt einen Circus und eine Palastanlage und die Thermen des Caracalla wurden zu einer monumentalen (Kaiser)Therme ausgebaut. Darüber hinaus entstanden wichtige Nutzbauten wie Basiliken, eine Waffenfabrik, die neue Münzprägestätte sowie die Stadtmauern. 91
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Die Existenz der Münzprägestätte in Nicomedia in tetrarchischer Zeit ist durch erhaltene Münzen sicher belegt. Vgl. Kuhoff 2011, S. 719. Auch in den Notitia Dignitatum wird eine Waffenfabrik in Nicomedia erwähnt, Not. dign. (ed. O. Seeck, Berol. 1876), S. 32, zitiert bei Kuhoff 2001, S. 719. Vgl. Kap. 1.1.2.2. „Es lag eine Anhöhe ungefähr drei Meilen vor der Stadt, auf deren höchstem Punkt Galerius Maximianus selbst den Purpur erhalten hatte; dort war eine Säule mit einer Jupiterstatue errichtet worden.“ /„Erat locus altus extra civitatem ad milia fere tria, in cuius summo Maximianus ipse purpuram sumpserat, et ibi columna fuerat erecta cum Iovis signo.“ Lact. De mort. pers. 19.2. Ob die Säule durch Diokletian oder Galerius gestiftet wurde, geht aus der Stelle nicht hervor, die Aufstellung scheint jedoch im Zusammenhang mit der Erhebung des Galerius zum Caesar erfolgt zu sein. Mayer schreibt, dass Diokletian die Säule anlässlich seiner eigenen Ausrufung zum Augustus an diesem Ort hatte aufstellen lassen. Zwar wäre dies möglich, da auch Diokletian außerhalb der Stadt zum Augustus proklamiert wurde und es sich folglich höchstwahrscheinlich um dieselbe Stelle handelt. Darauf findet sich jedoch zumindest bei Laktanz kein eindeutiger Hinweis. Vgl. Mayer 2002, S. 29. Auch Sölch deutet die Stelle so, dass die Jupiterstatue als Erinnerung an die Erhebung des Galerius zum Caesar aufgestellt wurde. Vgl. Sölch 1925, S. 180. „[…] ac mirum in modum novis adhuc cultisque pulchre moenibus Romana culmina et ceterae urbes ornatae, maxime Carthago, Mediolanum, Nicomedia.” Aurelius Victor, Lib. De Caes. 39.45. Vgl. Mac Donald 1976, S. 623. Die Ruinen der Stadtmauern weisen Instandhaltungsmaßnahmen aus byzantinischer und osmanischer Zeit auf.
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Auf die konkrete Verortung der Bauten in der Stadttopographie sowie deren architektonische Ausgestaltung lassen die Quellen jedoch nur wenige Rückschlüsse zu.
Abbildung 3: Plan des antiken Stadtgebietes von Nicomedia mit den spätantiken Stadtmauern. (Quelle: Bekker-Nielsen 2008, S. 52, Abb. 11) In Bezug auf archäologisch fundierte Kenntnisse zur Topographie Nicomedias in spätrömischer Zeit kann lediglich auf die Ergebnisse der in den 1930er Jahren durchgeführten Notgrabung des DAI zurückgegriffen werden. In deren Rahmen wurde im Westen der antiken Stadtanlage in Küstennähe u.a. eine Bäderanlage, ein als Wohnbezirk interpretiertes Areal sowie ein Gebäudekomplex mit einer großen Platzanlage freilegt. Die zu Tage getretenen Mauerstrukturen wurden durch Dörner in das 3. Jahrhundert n. Chr. datiert.97 Darüber hinaus konnte durch Inschriftenfunde und Überreste von Grabmonumenten ein Friedhof aus der römischen Kaiserzeit im Nordosten des Areals lokalisiert werden.98 Aufgrund der Bauaufnahme während der Entstehung der Papierfabrik erstellte Dörner einen Plan der freigelegten Gebäude im Westen der antiken Stadt: 97 98
Vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 163. Vgl. Dörner 1941, S. 26f.
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Abbildung 4: Plan der freigelegten Gebäude im Westen der antiken Stadt. (Quelle: Dörner 1941, Beilage 1) 1. Bäderanlage 2. Gebäude aus Steinen und Ziegeln mit Tonrohrleitung im Westen 3. Kaiserzeitlicher Friedhof 4. Sog. Wohnbauten 5. Gebäudekomplex mit Brunnen (5a), Detailzeichnung S. Abb. 4*
6. Platz mit Marmorplatten 7. Säulen 8. Gebäude am Meer auf Eichenholzrost 9. Reste der antiken Stadtmauer 10. Reste der antiken Stadtmauer 11. Zisterne
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Abbildung 5: Detailplan der Mauerverläufe des sog. Wohnbezirks und des westlich davon gelegenen Gebäudekomplexes mit Brunnen. (Quelle: Bittel/Dörner 1939, S. 161, Abb. 33) Die freigelegten Ruinen erstreckten sich östlich der spätantiken Stadtmauer und nördlich des Meeresufers über ein Gebiet von knapp 300 m Länge und 200 m Breite.99 Dörner unterscheidet zwischen vier Baugruppen auf dem Areal: Erstens eine Bäderanlage im Nordosten (vgl. Abb. 3, 1. und 2.), zweitens ein als Wohnbezirk gedeutetes Areal südlich der Thermen (vgl. Abb. 3, 4. sowie Detailzeichnung Abb. 4 ganz rechts), drittens ein westlich davon gelegener Gebäudekomplex mit Brunnen und einer daran anschließenden großen Platzanlage (vgl. Abb. 3, 5., 5.a., 6., 7. sowie Detailzeichnung Abb. 4) sowie viertens ein Bau in Meeresnähe mit massiven Eichenholzfundamenten (vgl. Abb. 3, 8.). Dörners Datierung der Gebäudestrukturen in das 3. Jahrhundert n. Chr. legt den Schluss nahe, hier Überreste tetrarchischer Bauten zu vermuten. Allerdings ist diese Deutung durch die vage Datierung im Grabungsbericht nicht gesichert und kann aufgrund fehlender Folgegrabungen nicht überprüft werden. Möglich wäre beispielsweise auch ein Ausbau der Stadt im frühen 3. Jahrhundert n. Chr., für das uns zumindest der Bau einer Thermenanlage unter Caracalla sicher überliefert ist. Da sich in den Quellen jedoch keine Hinweise auf einen massiven Ausbau unter den Severern finden und der Ausbau in diokletianischer Zeit dagegen mehrfach belegt
99
Da bei der Errichtung der Papierfabrik größtenteils keine Unterkellerung vorgesehen war, konnten in der Regel nur Mauerreste aufgedeckt werden, und es war keine gründliche Bauaufnahme möglich. Die Datierung und Deutung der gefundenen Baustrukturen wurde dadurch erschwert. Vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 162f.
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ist, scheint eine Datierung der freigelegten Bauten in die Zeit der Tetrarchie als die plausibelste Schlussfolgerung.100 Gestützt wird diese Annahme durch die Grabinschriftenfunde und Überreste von Grabmonumenten im Nordosten des Areals (vgl. Abb. 3, 3.), die in die Kaiserzeit zu datieren sind.101 Da eine Bestattung innerhalb der Stadt unmöglich war, muss das Areal damals also noch außerhalb des Stadtgebietes gelegen haben. Dessen Erweiterung wird belegt durch die gefundenen Reste der Stadtmauern im Westen (vgl. Abb. 3, 9. und 10.), die aufgrund ihrer Konstruktion in diokletianische Zeit datiert werden.102 Ein Befund, der mit der schriftlichen Überlieferung durch Aurelius Victor in Einklang steht.103 Folglich scheint das antike Stadtgebiet in diokletianischer Zeit im Zusammenhang mit dem Bau der Stadtmauern in Richtung Westen erweitert worden zu sein.104 In diesem Zuge wurde die kaiserzeitliche Begräbnisstätte aufgegeben und es entstand eine Vielzahl an neuen Bauten, von denen einige zumindest teilweise im Rahmen der Notgrabung beim Bau der neuen Papierfabrik freigelegt werden konnten. Aufgrund der lediglich partiellen Ausgrabung von Mauerstrukturen in Teilen des Geländes sind jedoch nur wenige gesicherte Rückschlüsse auf die konkrete architektonische Ausgestaltung und Funktion der Gebäude möglich. Die Deutung der freigelegten Bauten im Nordosten als Teil einer größeren Thermenanlage scheint trotz der schwierigen Grabungssituation relativ gesichert. Es wurden Teile der Heizanlage freigelegt und unter den Böden mehrerer angeschnittener Räume verliefen Tonrohrleitungen und Ziegelkanäle. Die Räume waren außerdem mit wasserdichtem Putz versehen und mit Marmorplatten verkleidet. Verschiedene Baureste deuten auf überwölbte Flure und Pfeilerhallen mit qualitativ hochwertigen korinthischen Kapitellen hin.105
100
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102 103 104
105
Auch bei Mayer werden die in Dörners Grabungsbericht erwähnten Bauten als diokletianisch interpretiert, jedoch ohne zu problematisieren, dass dies nicht gesichert ist. Vgl. Mayer 2002, S. 30. Gefunden wurden eine unverzierte Ostotheke auf dem Areal der Papierfabrik, die von Dörner in das frühe 2. Jahrhundert n. Chr. datiert wird (Katalognr. 99, S. 95 sowie S. 26) sowie eine weitere Ostotheke, diesmal verziert, von der man jedoch lediglich weiss, dass sie in Izmit gefunden wurde (Katalognr. 87, S. 88). Darüber hinaus fanden sich mehrere Grabinschriften (vgl. Katalognr. 90–96 sowie 98, S. 90–95). Eine weitere Inschrift (Katalognr. 100, S. 96) deutet laut Dörner darauf hin, dass die Begräbnisstätte im späten 4. oder 5. Jahrhundert wieder genutzt wurde. Eventuell bedeutet das, dass der neue Stadtteil in dieser Zeit wieder aufgegeben worden war. Vgl. Dörner 1941, S. 26. Dies könnte im Zusammenhang mit dem Statusverlust Nicomedias nach der Gründung Konstantinopels und den Zerstörungen nach dem schweren Beben von 358 n. Chr. stehen. Bei Bekker-Nielsen heisst es sogar, dass die Begräbnisstätte bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. in Benutzung war. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 52. Vgl. Dörner 1941, S. 26 sowie Anm. 2. Vgl. Zitat S. 26. Vgl. Dörner 1941, S. 26. Auch Bekker-Nielsen schließt sich dieser Interpretation an. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 52. Vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 163 sowie S. 157 mit den Abb. 27 und 28.
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Die zweite Baugruppe südlich der Thermen wird von Dörner als problematisch beschrieben, da hier lediglich zahlreiche engstehende Mauerverläufe zu erkennen sind – ihm scheint eine Deutung als Wohnbezirk am wahrscheinlichsten.106 Die dritte Baugruppe, die im Westen an den sogenannten Wohnbezirk anschließt, lässt keine gesicherten Rückschlüsse auf ihre Funktion zu. Auffällig ist, dass der Gebäudekomplex eine gewisse Großzügigkeit aufweist und die Mauerstärke von fast 1 m deutet auf eine entsprechende Höhe des aufgehenden Mauerwerks hin. Einige Reste dieses Mauerwerkes wiesen Spuren eines farbigen Verputzes auf, der zumindest zum Teil aus roten Farbtönen bestand. Unglücklicherweise konnten im Rahmen der Bauaufnahme kaum Erkenntnisse zu Eingängen und Durchgängen gewonnen werden, sondern lediglich zu den Mauerverläufen. Im Westen des Komplexes befand sich vermutlich ein Hof, da am Nordrand dieser Raumstruktur eine Brunnenanlage festgestellt wurde (vgl. Abb. 4). Im Süden schlossen an diesen Hof(?) weitere Gebäude an, die jedoch im Rahmen der Notgrabung nicht freigelegt werden konnten.107 Der sogenannte Hof öffnete sich hin zu oder war Teil einer großen Platzanlage108, die mit Marmorplatten ausgelegt war. Nur Teile dieser Platzanlage sind freigelegt worden, zahlreiche Basen und Säulentrümmer deuten jedoch darauf hin, dass sie zumindest an der West- und Südseite von Säulenhallen umgeben war. In der Mitte des Platzes wurden die Reste eines Sockels gefunden, der aufgrund der auf diesen zulaufenden Kanälen von Dörner als Überrest eines Laufbrunnens gedeutet wird.109 Als vierte Baugruppe bezeichnet Dörner ein nahe der Meeresküste gelegenes Bauwerk, das über so massive Fundamente verfügte, dass die geplanten Neubauten nur nach deren Sprengung ausgeführt werden konnten. Die Fundamente wiederum ruhten auf Eichenholzrosten, eine Bauweise, die auch bei anderen Gebäuden in Küstennähe festgestellt werden konnte und vermutlich der Beschaffenheit des Baugrundes Rechnung trug. Auch hier ist die Funktion nicht gesichert, Dörner vermutet aufgrund der Lage ein Gebäude für den Seehandel.110 Bei den Bauarbeiten kamen außerdem eine Reihe von Statuen und Inschriften zu Tage, die ebenfalls von Dörner dokumentiert und publiziert wurden.111 Zu den wohl spektakulärsten Fun106 107 108 109 110 111
Vgl. ebd., S. 163. Vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 163f. Hier sind die Ausführungen Dörners teilweise nicht ganz klar. Vgl.Bittel/Dörner 1939, S. 164. Vgl. ebd, S. 164. Vgl. ebd., S. 164f. Vgl. Dörner 1941. Neben einer Vielzahl an kaiserzeitlichen Funden waren darunter auch ein Frauenporträt, das vermutlich aus dem frühen 4. Jahrhundert stammt (vgl. S. 48, Nr. 7 und Tafel 12) sowie eine Diokletian gewidmete Ehrinschrift auf einem sehr gut erhaltenen Marmorblock: „Subactori domitorique gentium /d(omino) n(ostro) C. Aur. Val. Diocletiano P(io) F(elici) /Invicto Aug. /Iul. Antoninus v(ir) p(erfectissimus) rat(ionalis) d(evotus) n(umini) m(aiestati)que eius.“ (S. 70, Nr. 48 und Tafel 26). Derselbe Beamte stiftete noch eine weitere Ehrinschrift (CIL. III 325), die durch den Orientreisenden A. G. v. Busbeck 1553 überliefert wurde.
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den gehört der Porträtkopf einer kolossalen Marmorstatue, die sich heute im Antikenmuseum in Istanbul befindet.112 Die Größe sowie die Bekränzung mit der corona civica kennzeichnen das Porträt als Darstellung eines Kaisers, stilistisch weist es Parallelen zu Porträts aus der Zeit der Soldatenkaiser auf. Dörner datierte den Kopf in das späte 3. oder frühe 4. Jahrhundert n. Chr. und vermutete darin eine Darstellung des Diokletian.113 Diese These wird zuallererst gestützt durch den Fundort, da der Status Nicomedias als Hauptresidenz des Diokletian eine entsprechende Ausstattung mit Bildnissen wahrscheinlich macht. Darüber hinaus zeigt sich anhand der gesicherten Diokletianporträts, dass dieser sich in seiner bildlichen Darstellung zumindest in der Frühzeit seiner Herrschaft an der Ikonologie der Epoche der Soldatenkaiser orientierte.114 Folgt man der Einschätzung Dörners, dass das Stadtviertel erst in tetrarchischer Zeit entstand, wird die Identifizierung der Statue als Diokletian umso wahrscheinlicher. Nichtsdestotrotz ist die Zuschreibung der Darstellung an Diokletian in der Forschung umstritten. Bei J. Inan und E. Rosenbaum wird der Einschätzung Dörners gefolgt115, während H. P. L’Orange das Porträt nur mit größter Vorsicht in die Liste der möglichen Diokletianporträts eingeordnet wissen will und eher eine Darstellung des Gallienus für wahrscheinlich hält.116 B. Andreae schließt sich einer älteren Schlussfolgerung K. Fittschens an und erwägt eine Identifizierung als Aurelian.117 Zuletzt argumentierte J. Meischner anhand einer vergleichenden Analyse bekannter Darstellungen der eventuell abgebildeten Kaiser sehr plausibel für eine Identifizierung als Diokletian.118 Im Zusammenhang mit der Frage nach Bildnissen der Tetrarchen in Nicomedia ist außerdem die venezianische Tetrarchengruppe aus Porphyr zu nennen. Hier ist gesichert, dass es sich um eine Darstellung der Tetrarchen handelt119, die sich in konstantinischer Zeit in Konstantinopel 112
113 114
115
116 117 118
119
Der Kopf wurde auf dem Gelände der Papierfabrik gefunden und misst 0,39 m in der Höhe und 0,195 m in der Breite (von linken zum rechten äußeren Augenwinkel). Er wurde erstmals publiziert in Dörners Ausgrabungsbericht von 1939, vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 166f. Anschließend wurde er in die Katalogisierung der Inschriften und Denkmäler Bithyniens mit einer genaueren Beschreibung und Abbildungen von allen Seiten aufgenommen. Vgl. Dörner 1941, S. 46f sowie Tafel 10. Vgl. Dörner in Bittel/Dörner 1939, S. 168f. L’Orange differenziert für Diokletian zwischen zwei Bildnistypen: Zu Beginn der Herrschafttszeit den früheren Typus als Soldatenkaiser und später, um die Jahrhundertwende, den späteren Typus als Tetrarchenkaiser. Vgl. L’Orange, Hans Peter: Das spätantike Herrscherbild von Diokletian bis zu den Konstantin-Söhnen 284–361 n. Chr. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1984, S. 17ff sowie Tafel 10–12. Vgl. Inan, Jale; Rosenbaum, Elisabeth: Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor. The British Academy by Oxford University Press, London 1966. S. 85 Nr. 61 und Tafel 39. Vgl. L’Orange 1984, S. 23 sowie S. 96 (Katalog mit Literaturverweisen). Vgl. Andreae, Bernd: Römische Kunst. Von Augustus bis Constantin. Zabern, Mainz 2012. S. 279. Vgl. Meischner, Jutta: Bemerkungen zu einigen Kaiserporträts des 3. Jahrhunderts n. Chr. In: Archäologischer Anzeiger, 1995. De Gruyter, Berlin/New York 1995. S. 375–387. Stellvertretend für die umfangreiche Forschungsdiskussion zu der venezianischen Tetrarchengruppe sei hier verwiesen auf Delbrueck, Richard: Antike Porphyrwerke (1932). Nachdruck „L’Erma“ Di
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am Philadelphion befand120. Doch aufgrund der Datierung der Gruppe in die Zeit der Tetrarchie wird der ursprüngliche Aufstellungsort höchstwahrscheinlich ein anderer gewesen sein. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die Tetrarchengruppe ursprünglich in Nicomedia aufgestellt war und nach der Gründung Konstantinopels durch Konstantin von diesem dorthin verbracht wurde.121
1.1.2.2 DAS PALASTAREAL Das tetrarchische palatium in Nicomedia ist zwar durch Laktanz überliefert, zu seiner genauen Ausdehnung und den zugehörigen Bauten gibt es jedoch nur wenige Informationen. Auffällig ist, dass bei der oben genannten Aufzählung der Bauten nicht ausdrücklich von einem palatium gesprochen wird.122 Dieses erwähnt Laktanz jedoch mehrfach bei der Beschreibung der Christenverfolgungen in Nicomedia.123 Hier berichtet er unter anderem, dass Diokletian und Galerius die Plünderung der auf einer Anhöhe gelegenen Kirche am 23. Februar 303 n. Chr. aus einer Warte vom Palast aus beobachteten.124 Anzunehmen ist außerdem, dass die von Laktanz erwähnten Wohngebäude der Frau und Tochter Diokletians Teil des Palastareals waren. Des Weiteren berichtet er bezüglich des Vorgehens gegen die Christen nicht nur wiederholt von Maßnahmen gegen das Palastpersonal, sondern auch von Sitzungen des consistorium, des kai-
120
121 122 123 124
Bretschneider, Rom 2007, S. 24–26 und S. 84ff; L’Orange 1984, S. 6ff und Tafel 4; Bergmann, Marianne: Studien zum römischen Porträt des 3. Jahrhunderts n. Chr. Habelt, Bonn 1977, S. 174fff sowie zuletzt Bauer, Franz Alto: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos. Zabern, Mainz 1996, S. 232f; Kolb 2001, S. 146f und Gehn, Ulrich: Ehrenstatuen in der Spätantike. Reichert, Wiesbaden 2012, S. 79–86. Die These, dass sich die venezianische Porphyrgruppe zuvor in Konstantinopel befand, wurde bereits 1958 durch P. Verzone formuliert. Dieser nahm als Aufstellungsort das Philadelphion an und rekonstruierte zwei Ehrensäulen mit Statuen, an deren Schäften jeweils ein Tetrarchenpaar angebracht war – analog zu den Tetrarchendarstellungen im Vatikan. Konstantinopel als Aufstellungsort konnte bestätigt werden, als 1965 im Bereich der Brodu Camii, also nahe dem vermutlichen Ort des Philadelphion, ein Fußfragment aus Porphyr gefunden wurde, welches als das fehlende Fußteil der venezianischen Gruppe identifiziert wurde. Vgl. hierzu die allgemeine Darstellung mit Quellenangaben bei Bauer 1996, S. 232 sowie Abb. 71 auf S. 231 für die Rekonstruktion nach P. Verzone. Vgl. Kolb 2001, S. 146f. Vgl. S. 24f mit Zitat des Laktanz zur Bauwut Diokletians. U. a. Lact. De mort. pers. 14.2., 14.4. „Die Herrscher aber stritten in ihrer Warte – die Kirche stand nämlich auf einer Anhöhe und war deshalb vom Palast aus zu sehen – lange miteinander, ob es nicht richtiger sei, Feuer zu legen.“ /„Ipsi vero in speculis – in alto | enim constituta ecclesia ex palatio videbatur – diu inter se concertabant, utrum ignem potius supponi oporteret.“ Lact. De mort. pers. 12.3.
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serlichen Rates.125 Da der Palast gleichzeitig Sitz der kaiserlichen Administration war, werden diese Zusammenkünfte in dafür adäquaten Räumlichkeiten des Palastes stattgefunden haben. Auch durch Eusebius wird die Existenz eines Palastes in Nikomedia zur Zeit der diokletianischen Christenverfolgungen bestätigt.126 Auch Ammianus Marcellinus berichtet von einem kaiserlichen Palast in der Stadt127, ebenso Libanius.128 Zur Lage des Palastes in der Stadt gibt es keinen archäologischen Befund. Als Hinweis auf eine Verortung der Palastanlage und/oder des Circus am Stadtrand mag die oben genannte Äußerung des Laktanz dienen, dass plötzlich große Teile der Stadt abgerissen worden seien. Dies deutet darauf hin, dass für monumentale Neubauten ein Stadtviertel niedergelegt wurde.129 Die Niederlegung von Wohnvierteln am Stadtrand bzw. an der Küstenlinie mit der Intention, Platz für den Neubau einer Palast- oder Circusanlage zu schaffen, ist auch aus anderen Residenzen wie beispielsweise Thessalonica und Mediolanum bekannt.130 Eine andere Möglichkeit wäre – wie auch in Antiochia der Fall – die Anlage des Palastes in einem neu geschaffenen Stadtviertel.131 Durch den Bericht des Libanius aus der Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. lässt sich zumindest vermuten, dass der Palast wie jener in Antiochia an der Küstenlinie lag, wenn er in seiner Lobrede auf Nicomedia schreibt, dass dieser über der Bucht im Lichte glänzte. Entsprechend ist hier ein von der Küste aus sichtbare Schaufassade mit Arkadengängen anzunehmen, wie sie beispielsweise für den Palast des Diokletian in Split belegt ist.132 Abermals bei Libanius findet sich auch der einzige Hinweis auf einen eventuellen topographischen Zusammenhang von Palast und Circus, wenn er im Rahmen der Schilderung der Zerstörungen durch das Erdbeben von 358 n. Chr. nach dem Verbleib der großartigen Gebäude fragt und dabei den Palast und das Hippodrom in einem Atemzug nennt.133 Mit aller aufgrund der spärlichen Quellenlage geboten Vorsicht lässt sich hier die Vermutung formulieren, dass sich die Palastanlage möglicherweise an der Küstenlinie des unter Diokletian neugeschaffenen Stadtviertels im Westen der Stadt befand, das durch Dörner zumindest teilweise ausgegraben wurde. Geht man des Weiteren von einer räumlichen Verbindung von Palast und Circus aus, könnte sich jener ebenfalls in dieser Region befunden haben. 125 126 127 128 129
130 131 132 133
Lact. De mort. pers. 11.4. Euseb. Hist. ecll. VIII 6.6. Hier wird jedoch der Begriff regia und nicht palatium verwendet.. Amm. Marc. 22.9.4. Lib. or. 61.10 und 61.17. Auch Mayer deutet die Passage ähnlich und sieht sie als einen polemischen Bericht über die Niederlegung eines Stadtviertels zwecks Errichtung einer Palastanlage. Vgl. Mayer 2002, S. 30. Vgl. Kap. 1.4. und 1.7. Vgl. Kap. 1.3. Lib. or. 61.10. Lib. or. 61.17.
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Wenn Laktanz außerdem berichtet, dass die Zerstörung der christlichen Kirche von einem Aussichtspunkt des Palastes aus beobachtet werden konnte, erinnert dies an die belvedereartigen Schaufassaden von Palastanlagen zur Stadt bzw. zur Circusanlage hin, wie wir sie nicht nur vom Palatin in Rom kennen, sondern wie sie auch für Antiochia, Thessalonica und Sirmium134 anzunehmen sind.135
1.1.2.3 DER CIRCUS Der Neubau eines Circus im Auftrag Diokletians ist durch Laktanz überliefert, durch den gesichert ist, dass Diokletian diesen am 20. November 304 n. Chr. feierlich weihte.136 Laktanz schreibt, dass die Weihung ein Jahr nach den vicennalia des Diokletian stattgefunden habe, was die Abhaltung von Spielen zu diesem Anlass wahrscheinlich macht.137 Für die Zeit vor Diokletian gibt es lediglich einen Hinweis auf Wagenrennen in Nicomedia, wenn Cassius Dio schreibt, dass Caracalla statt seinen Regierungsaufgaben nachzukommen lieber Wagenrennen fuhr oder als Gladiator kämpfte und dies auch so hielt, als er sein Winterquartier 214/215 n. Chr. in Nicomedia aufgeschlagen hatte.138 Es scheint jedoch mehr als wahrscheinlich, dass es sich hierbei wenn überhaupt um eine temporäre Konstruktion gehandelt hat, die nach der Abreise Caracallas wieder abgerissen wurde oder verfiel.139 Gestützt wird diese Interpretation durch die Schilderung von Laktanz, der aufgrund seiner tendenziösen Darstellung der diokletianischen Bauwut sicher nicht versäumt hätte darauf zu verweisen, dass es bereits einen Circus in der Stadt gab. Hinzu kommt, dass Laktanz – der durch Diokletian als Rhetor nach Nicomedia berufen worden war – die Stadt aus eigener Erfahrung kannte und somit um das Vorhandensein einer weiteren Circusanlage gewusst hätte.140 Auch bezüglich des Fortlebens der Anlage im 4. und 5. Jahrhundert geben die Schriftquellen Auskunft.141 Dass der Bau zumindest in der Mitte des 4.
134 135
136 137 138 139
140 141
Vgl. Kap. 1.2., 1.3., 1.4. Lact. De mort. pers. 12.3. Kuhoff schreibt in Bezug auf die Deutung des Aussichtspunktes: „Man fühlt sich an das Belvedere in talienischen Palästen der Renaissance erinnert.“ Kuhoff 2001, S. 719. Lact. De mort. pers. 17.4, vgl. Zitat in Kap. 2.2. Lact. De mort. pers. 17.4. Vgl. auch Heucke 1994, S. 323. Cassius Dio 78.17.4–78.18.1. Vgl. Humphrey 1986, S. 687, Anm. 5a sowie Heucke 1994, S. 320. Beide verweisen auf Cassius Dio, der vom Bau temporärer Theater und Hippodromoi an den wechselnden Aufenthaltsorten des Kaisers berichtet, die anschließend wieder zerstört worden seien. Cassius Dio 78.9.7. So argumentiert auch Heucke 1994, S. 321f. Der einzige archäologische Nachweis ist ein bei Humphrey erwähntes spätantikes Relief, das zwei Vierergespanne zeigt. Vgl. Humphrey 1986, S. 582, mit Quellenstellen in Anm. 5.
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Jahrhundert noch intakt war, ist unter anderem durch Libanius überliefert.142 Durch das schwere Beben von 358 n. Chr. wurde der Circus jedoch beschädigt, eventuell sogar komplett zerstört, und im Anschluss, vermutlich unter Julian, restauriert. Für das Ende des 5. bzw. den Anfang des 6. Jahrhunderts sind noch Wagenrennen in Nicomedia belegt, da der berühmte Wagenlenker Porphyrius hier siegte.143 Obwohl der Neubau des Circus und dessen Weihung in tetrarchischer Zeit somit durch die schriftliche Überlieferung sicher belegt ist, lässt sich dieser nicht lokalisieren. Zur Verortung im Stadtbild, den Ausmaßen und der Ausstattung gibt es keinen archäologischen Befund.
1.1.2.4 DIE KAISERTHERMEN Durch eine erhaltene Inschrift ist überliefert, dass Diokletian den Ausbau der Thermen des Caracalla finanzierte: „Perpetuo imp dn C. Aur. Val. Diocletiano pf aug cuius providentia etiam lavacrum thermarum Antoninianarum funditus eversum sua pecunia amplificatum populo suo exhiberi iussit.“144
Da der Thermenbau archäologisch bisher nicht nachweisbar ist, lässt sich nicht feststellen, ob der severische Thermenbau dem Bautypus der Kaiserthermen entsprach oder ob es sich um eine kleinere öffentliche Thermenanlage handelte. Der Umstand, dass es sich um eine kaiserliche Stiftung in der Provinzhauptstadt handelte, lässt den Bau von Kaiserthermen zumindest plausibel erscheinen. Spätestens mit dem tetrarchischen Ausbau wurde jedoch höchstwahrscheinlich eine Thermenanlage des imperialen Typus geschaffen.145 Diese Deutung legen auch die erhaltenen Erwähnungen der Thermenanlage aus nach-tetrarchischer Zeit nahe. Libanius beispielsweise
142
143 144
145
Libanius schreibt, dass durch das Erdbeben im Jahre 358 n. Chr. neben anderen Gebäuden auch der Circus in Mitleidenschaft gezogen wurde, dessen Mauern stärker als die Babylons seien. Libanius, Or. 61.17. Ebenfalls Mitte des 4. Jahrhundert n. Chr. berichtet der Philosoph Iunior in seinen Exposito totius mundi et gentium 49, dass es einen prächtigen Circus gab, in welchem Spiele abgehalten wurden, die sich großer Beliebtheit erfreuten: „Habet autem circensis, structuram valde bonam in qua eminet circensium spectaculum ‚quod‘ dilligentius spectatur.“ Expos. tot. mundi 49, vollständig zitiert bei Heucke 1994, S. 322. Vgl. Humphrey 1986, S. 582. CIL III 324, zitiert bei Mayer 2002, S. 30, siehe auch Winter, Engelbert: Staatliche Baupolitik und Baufürsorge in den römischen Provinzen des kaiserzeitlichen Kleinasien. Habelt, Bonn 1996, S. 335, Nr. 57. Auch Bekker-Nielsen argumentiert in diese Richtung und vermutet, dass die Thermae Antonini in Rom möglicherweise als Vorbild dienten. Vgl. Bekker-Nielsen 2008, S. 153. Bei Mayer werden die Thermen zumindest für die tetrarchische Zeit als „monumentale Kaiserthermen“ bezeichnet. Vgl. Mayer 2002, S. 31.
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beklagt bei seiner Auflistung der durch das Erdbeben zerstörten Bauten unter anderem die Bäder, von denen das größte, welches nach dem stiftenden Herrscher benannt war, bereits so viel wert gewesen sei wie die gesamte Stadt.146 Auch wenn es sich hier um eine Übertreibung handeln mag, deutet eine solche Beschreibung auf imperiale Thermen von der Größe beispielsweise der Caracalla-Thermen in Rom hin und nicht lediglich auf eine öffentliche Badanlage begrenzten Ausmaßes. Einen weiteren Hinweis auf die Monumentalität der Thermen bietet eine Aussage Prokops. Dieser berichtet, dass Justinian die antoninischen Thermen restaurierte, obwohl aufgrund von deren Größe niemand erwartete, dass diese wieder Instand gesetzt würden.147
1.1.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Auch nach dem Sieg Konstantins über Licinius scheint Nicomedia zunächst eine imperiale Residenz geblieben zu sein. Am 19. September 324 n. Chr. nahm Konstantin in Nicomedia die Kapitulation des Licinius entgegen.148 Noch im November desselben Jahres gründete er jedoch Konstantinopel als Stadt, die seinen Namen tragen sollte. Nachdem er dort seinen Sohn Constantius II. zum Caesar erhoben hatte, kehrte er nach einem kurzen Aufenthalt in Antiochia nach Nicomedia zurück und verbrachte dort den Winter 324/25 n. Chr. Von Mai bis Ende Juni 325 n. Chr. hielt er sich anlässlich des Kirchenkonzils in Nicaea auf, doch danach begab er sich wieder nach Nicomedia und feierte hier im Juli 325 n. Chr. seine vicennalia. Als er sich im Anschluss daran nach Westen aufmachte, um das Ende seiner Zwanzigjahrfeierlichkeiten im Juli 326 n. Chr. in Rom zu begehen, kam allen Anschein nach auch Nicomedias Zeit als Herrscherresidenz zu einem Ende. Ab 330 n. Chr. scheint Konstantinopel die Hauptresidenz Konstantins gewesen zu sein.149 Im Jahre 337 n. Chr. verstarb er in einer kaiserlichen Villa in Achyrona, einem Vorort von Nicomedia.150 Trotzdem Konstantin nur kurzzeitig in Nicomedia residierte, veranlasste er dort laut Eusebius den Bau einer großen und in ihrer Anlage außergewöhnlichen Kirche, was die zumindest zu Baubeginn noch anhaltende Bedeutung der Stadt verdeutlicht.151 Zwar hatte die Stadt nach der Gründung Konstantinopels an Einfluss verloren, doch Nicomedia war in der Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. eine der prachtvollsten Städte des römischen 146 147 148 149
150 151
Lib. or. 61.17. Procop, de aed. 5.3.7. Vgl. Barnes 1982, S. 76 mit Quellenangaben. Zwar scheint Konstantin noch einmal vom Sommer 327 n. Chr. bis zum Frühjahr 328 n. Chr. länger in Nicomedia geweilt zu haben, danach ist jedoch lediglich noch ein Aufenthalt im Jahre 334 n. Chr. belegt. Vgl. Barnes 1982, S. 76ff und Bekker-Nielsen 2008, S. 154f. Euseb. Vit. Const. 4.62–64; Aurelius Victor Caes. 41.16. Euseb. Vit. Const. 3.50.1.
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Ostens. Ein reges städtisches Leben belegen unter anderem die bereits oben erwähnten Aussagen zum Circusleben in nachtetrarchischer Zeit. Der Philosoph Iunior schreibt darüber hinaus, dass Nicomedia einen Überfluss an allen Gütern habe152 und laut Ammianus Marcellinus habe man die Stadt aufgrund ihrer prächtigen Ausstattung für eine Region Roms halten können.153 Libanius nennt Nicomedia als fünftgrößte Stadt des Imperium Romanum und beschreibt sie als in ihrer Schönheit den größeren Städten mindestens ebenbürtig.154 Im Jahre 358 n. Chr. verursachte ein Erdbeben mit anschließender Feuersbrunst verheerende Zerstörungen. Durch Libanius und Ammianus Marcellinus sind lebhafte Schilderungen der Ereignisse überliefert. Libanius zählt auf, dass sich unter den zerstörten Gebäuden das Theater, Kolonnaden, Brunnen, Plätze, Bibliotheken, Heiligtümer und Bäder befunden hätten.155 Laut Ammianus Marcellinus fanden nicht nur viele Bewohner den Tod, sondern die Stadt und ihre Vorstädte wurden insbesondere durch das nachfolgende Feuer von Grund auf zerstört.156 Zwar wurden Wiederaufbaumaßnahmen getroffen, doch muss man annehmen, dass die Stadt nicht zu ihrer ursprünglichen Pracht und Bedeutung zurückfand.157 Wenige Jahre später, 362 n. Chr., wurde Nicomedia nochmals durch ein weiteres Beben zerstört. Ammianus Marcellinus schreibt hierzu lediglich: „Am 2. Dezember stürzten, als sich der Tag dem Ende zuneigte, der Rest von Nikomedien und ein nicht geringer Teil von Nikaea durch ein Erdbeben ein.“158 Diese simple Feststellung deutet darauf hin, dass in Nicomedia nach dem Beben von 358 n. Chr. nicht viel stehen geblieben war, was noch durch das zweite Beben hätte zerstört werden können, und dass die Stadt nunmehr komplett zerstört war. Nichtsdestotrotz scheint Nicomedia aufgrund seiner strategisch wichtigen Lage an Heer- und Handelsstraßen vor dem Verfall bewahrt worden zu sein. Davon zeugen unter anderem mehrere Aufenthalte der Kaiser der valentinianischen Dynastie in der Stadt. So übertrug Valentinian seinem Bruder Valens im Jahr 364 n. Chr. hier das Amt des tribunus stabuli.159 Dieser wiederum organisierte von Nicomedia aus die Belagerung Chalcedons, nachdem sich der Usurpator Prokop und dessen Feldherr Rumitalka Nicaeas bemächtigt hatten.160 Für die anhaltende Bedeutung
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„in omnibus abundans“, Expos. tot. mundi 49, zitiert bei Sölch 1925, S. 183, Anm. 1. Amm. Marc. 22.9.3, vgl. auch Zitat in Anm. 84. Lib. or. 61.7. Lib. or. 61.15–17. Amm. Marc. 17.7.1–8. Durch Ammianus Marcellinus ist überliefert, dass Kaiser Julian eine großzügige Stiftung für den Wiederaufbau der Stadt veranlasste, nachdem er bei seinem Besuch in der Stadt das Ausmaß der Zerstörungen gesehen hatte. Amm. Marc. 22.9.5. „Decembres uergente in uesperam die reliqua Nicomedia collapsa est terraemotu itidemque Nicaeae portio non mediocris.“ Amm. Marc. 22.13.5. Amm. Marc. 26.4.2; Ruge 1937, S. 478. Amm. Marc. 26.8.2; Ruge 1937, S. 478.
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der Stadt spricht auch die Darstellung auf der Tabula Peutingeriana mit acht Türmen, was Nicomedia als eine der am stärksten befestigten Städte auszeichnet.161 Im 5. Jahrhundert n. Chr. unter Theodosius II. und im 6. Jahrhundert n. Chr. unter Justinian I. wurde Nicomedia abermals durch Erdbeben zerstört.162 Zumindest unter Justinian erfolgten daraufhin Wiederaufbaumaßnahmen. In diesem Rahmen wurden wie bereits oben erwähnt auch die Kaiserthermen wieder aufgebaut.163
1.1.4 FAZIT NICOMEDIA Trotz des spärlichen archäologischen Befundes lassen sich unter Einbezug der Schriftquellen einige Aussagen zum Ausbau Nicomedias in tetrarchischer Zeit treffen. Als Hauptresidenz des Diokletian erfuhr die Stadt einen maßgeblichen Ausbau und wurde mit einem Palast, einem Circus und diversen öffentlichen Verwaltungs- und Nutzbauten ausgestattet. Die Thermen des Caracalla wurden spätestens durch die Erweiterung unter Diokletian zu monumentalen Kaiserthermen ausgebaut. Im Rahmen des Neubaus der Stadtmauern entstand im Westen des antiken Stadtgebietes ein neues Viertel, das mit einer Vielzahl von Bauten ausgestattet wurde. Auch wenn dies hypothetisch bleiben muss, lässt sich vermuten, dass sich hier die diokletianische Palastanlage befunden haben könnte. Gestützt wird diese Vermutung durch den Fund eines monumentalen Marmorkopfes, der höchstwahrscheinlich Diokletian darstellt. Ein weiteres Indiz ist die Beschreibung des Libanius, dass sich der Palast an der Küste befunden habe. Auf eine topographische Verbindung von Palast und Circus gibt es nur einen indirekten Hinweis bei Libanius, auch wenn ein räumlicher Bezug der beiden Anlagen in Hinblick auf den Ausbau der anderen Residenzen wahrscheinlich ist.
1.2 SIRMIUM (SREMSKA MITROVICA) Der archäologische Befund zu Sirmium ist ähnlich spärlich wie in Nicomedia und auch in den Schriftquellen finden sich kaum Hinweise zur Topographie der Stadt. Aufgrund der modernen Überbauung waren systematische Grabungen nur in Ausnahmefällen möglich. Erste Grabungskampagnen wurden ab 1957 durch das Archäologische Institut Belgrad durchge-
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Die Zahl der Türme ist hierbei nicht als realitätsgetreue Wiedergabe zu verstehen, sondern verdeutlicht den Rang der Stadt in der zeitgenössischen Wahrnehmung. Vgl. Sölch 1925, S. 179. Eine Abbildung des betreffenden Ausschnittes findet sich bei Bekker-Nielsen 2008, S. 33, Abb. 6. Vgl. Ruge 1937, S. 479 inkl. Quellenangaben. Procop, de aed. 5.3.7.
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führt.164 Ab 1968 leitete V. Popović die Untersuchungen, der internationale Kooperationen mit amerikanischen Institutionen und ab 1973 mit der École Française in Rom und der Sorbonne in Paris etablierte. Die Ergebnisse wurden ab 1971 in mehreren Bänden und Artikeln publiziert.165 Bei Sondagen im Südosten der römischen Stadt wurden Teile des Hippodroms freigelegt, ein Vorabbericht zu den Funden wurde durch die leitenden Ausgräber V. Popović und E. Ochsenschlager publiziert.166 Die Ergebnisse der anhaltenden Grabungen und Sondagen werden regelmäßig publiziert in Starinar.167 Wiederholt kritisch zur Bedeutung und architektonischen Ausstattung Sirmiums in tetrarchischer Zeit äußerte sich N. Duval.168 Neuere zusammenfassende Darstellungen unter Einbeziehung der jüngeren Grabungsbefunde publizierte 1993 und 1995 D. Srejović.169 Zuletzt veröffentlichte I. Popović 2007 eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands zu Sirmium in tetrarchisch-konstantinischer Zeit sowie 2011 einen Artikel zu den neueren Erkenntnissen bezüglich des Palastareals.170 Auch M.
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Einen Überblick zu älteren Reiseberichten und Dokumentationen gibt Milošević, Petar: Earlier Archaelogical Activity in Sirmium. In: Popović, Vladislav/Ochsenschlager, Edward L. (Ed.): Sirmium II. Archaelogical investigations in Syrmian Pannonia. Bd. I. The Archeological Institute of Belgrad. Belgrad 1971. S. 3–11. Vgl. Popović, Vladislav (Ed.): Sirmium I. Archaelogical investigations in Syrmian Pannonia. Bd. I. The Archeological Institute of Belgrad. Belgrad 1971; Popović, Vladislav/Ochsenschlager, Edward L. (Ed.): Sirmium II. Archaelogical investigations in Syrmian Pannonia. Bd. I. The Archeological Institute of Belgrad. Belgrad 1971; Duval, Noël/Popović, Vladislav (Ed.): Sirmium VII. Horrea et thermes aux abord du rempart sud. École Française de Rome – Institut Archéologique de Belgrade. Belgrad 1977; Bosković, Djurdje/Duval, Noël/Gros, Pierre/Popović, Vladislav: Recherches archéologiques à Sirmium. Campagne franco-yougoslave de 1973. MEFRA, Tome 86, 1974, 1. S. 597–656. Vgl. Popović, Vladislav/Ochsenschlager, Edward L.: Der spätkaiserzeitliche Hippodrom in Sirmium. Germania 54, 1976. S. 156–181. Zuletzt erschien eine Zusammenstellung der Ergebnisse der neueren Forschung von M. Jeremić. Vgl. Jeremić, Miroslav: L’hippodrome de Sirmium à la lumière de nouvelles recherches. In: Balmelle, Catherine/Chevalier, Pascale/Ripoli, Gisela (Ed.): Mélanges d’antiquité tardive. Studiola in honorem Noël Duval. Brepols, Turnhout 2004. S. 1–15. Relevant in Bezug auf die Palastanlage sind bspw. die Skulpturenfunde im Palastareal. Vgl. u. a. Popović, Ivana: Marble Sculptures from the imperial palace in Sirmium. In: Starinar LVI/2006, S. 153–166. Vgl. Duval, Noël: Sirmium „ville impériale“ ou „capitale“?. In: XXVI Corso di cultura sull’arte ravennate e bizantina, Ravenna 1979. S. 53–90. W. Kuhoff folgt der kritischen Einschätzung zum Stand der Monumentalisierung der Stadt unter den Tetrarchen. Vgl. Kuhoff 2001, S. 718f. Vgl. Srejović, Dragoslav (Ed.): Roman Imperial Towns and Palaces in Serbia. Serbian Academy of Sciences and Art, Belgrad 1993; Srejović, Dragoslav (Ed.): Age of the Tetrarchs. Serbian Academy of Sciences and Art, Belgrad 1995. Vgl. Popović, Ivana: Sirmium (Sremska Mitrovica) – Residenzstadt der römischen Kaiser und Stätte der frühen Christen. In: Brandl, Ulrich/Vasić, Miloje (Hrsg.): Roms Erbe auf dem Balkan. Spätantike Kaiservillen und Stadtanlagen in Serbien. Zabern, Mainz 2007. S. 17–32; Popović, Ivana: A residential complex in the south-eastern part of Late Antique Sirmium: written sources and archeological evidence. In: Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike
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Jeremić fasste in mehreren Artikeln die neuen Erkenntnisse bezüglich des Hippodroms und der Palastanlage zusammen.171
1.2.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Über die Geschichte und Topographie Sirmiums in vor- und frührömischer Zeit ist nur sehr wenig bekannt. Es scheint sich um eine zivile Siedlung gehandelt zu haben, die im frühen 1. Jahrhundert aus einer illyrisch-keltischen Siedlung hervorgegangen ist. In der Zeit der Flavier, wahrscheinlich 94 n. Chr. unter Domitian, erhielt Sirmium den Status einer Kolonie. In der Folge entstanden die massiven Stadtmauern aus Stein und öffentliche Gebäude wurden angelegt bzw. ausgebaut.172 Genau lokalisiert werden konnten jedoch weder das sicher anzunehmende Forum noch zugehörige Bauten wie beispielsweise die Kurie oder Basiliken. Die serbischen Ausgräber vermuten das Forum im Norden der Stadt, nahe dem Kreuzungspunkt von cardo und decumanus maximus (vgl. Abb. 5, 7).173 Sirmium lag in einem Sumpfgebiet und grenzte im Süden an eine Flussbiegung der Save, was der flächenmäßigen Entwicklung der Stadt natürliche Grenzen setzte. Es lag verkehrstechnisch günstig an der Kreuzung mehrerer wichtiger Straßen und nahe der Donaugrenze. Die wichtigsten Verkehrsadern waren die von West nach Ost verlaufende Straße von Italien nach Singidunum (Belgrad), die von dort weiter in die östlichen Provinzen führte, und die Straße von Sirmium Richtung Norden an die Donaugrenze. Zwei weitere wichtige Straßen verliefen unweit der Stadt am rechten Ufer der Save, wovon die eine südlich nach Dalmatien und östlich nach Singidunum führte und die andere westlich in Richtung der Flussmündung des Bosna. Überliefert sind Brücken sowohl über die Save als auch über den Bosna, was den Anschluss an das Straßennetz erleichterte und somit die urbane Entwicklung Sirmiums ent-
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Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 177–185. Vgl. Jeremić, Miroslav: The Sirmium imperial palace complex, in light of the recent archaeological investigations. In: Cambi, Nenad/Belamrić, Joško/Marasović, Tomislav (Ed.): Diocletian, Tetrarchy and Diocletian’s palace on the 1700th anniversary of existence. Književni Krug, Split 2009. S. 471–499; Jeremić 2004, S. 1–15. Vgl. Popović 2007, S. 19. Bis heute grundlegend zur Geschichte Sirmiums vom 1.–6. Jahrhundert ist der Aufsatz von M. Mirković. Vgl. Mirković, Miroslava: Sirmium – its History from the I. Century A. D. to 582 A. D. In: Popović, Vladislav (Ed.): Sirmium I. Archaelogical investigations in Syrmian Pannonia. Bd. I. The Archeological Institute of Belgrad. Belgrad 1971. S. 5–90. Zu Sirmium in vor- und frührömischer Zeit vgl. v.a. S. 8–33.
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scheidend begünstigt haben wird.174 Dennoch liegen über die weitere Entwicklung der Topographie und des städtische Lebens in der römischen Kaiserzeit kaum gesicherte Erkenntnisse vor. Aufgrund von Inschriftenfunden lässt sich jedoch annehmen, dass sich Sirmium zu einem der wichtigeren städtischen Zentren in der Region entwickelte, einhergehend mit einer zunehmenden Romanisierung der Bevölkerung.175 Erst mit dem Einsetzen der Völkerwanderung gewannen die Balkanprovinzen insbesondere in Hinblick auf die Verteidigung der Donaugrenze zunehmend an strategischer Bedeutung, was sich auch auf die Rolle Sirmiums auswirkte. Ein erster Hinweis hierauf war bereits am Ende des 2. Jahrhunderts der langjährige Aufenthalt des Marcus Aurelius während der Markomannenkriege. Insgesamt verbrachte dieser 6 Jahre in der Region und laut Philostratus gab es zu dieser Zeit in der Stadt einen Palast bzw. Regierungssitz (basileia), wobei davon auszugehen ist, dass es sich hierbei eher um ein prominentes öffentliches Gebäude oder ähnliches gehandelt hat, und nicht um eine Palastanlage im eigentlichen Sinn.176 Diese Entwicklung setzte sich unter den Soldatenkaisern fort. Sirmium diente in dieser Zeit wiederholt als Kaiserresidenz und Ausgangsort von Kampagnen im Donauraum. So residierte Maximinus Thrax den Großteil seiner Regierungszeit zwischen 235–238 n. Chr. in Sirmium. Im Jahre 260 n. Chr. wurden hier die Usurpatoren Regalianus und Ingenuus zu Gegenkaisern proklamiert.177 Darüber hinaus stammten viele der Soldatenkaiser aus dem Illyricum und teilweise sogar direkt aus Sirmium, was die Bedeutung der Stadt verstärkte. So verbrachte der in Dalmatien geborene Claudius II. Gothicus (268–270 n. Chr.) den Großteil seines Lebens in der Stadt und starb vermutlich auch dort. Sein Nachfolger Aurelian (270–275 n. Chr.) wurde in Sirmium geboren und auch dessen Nachfolger Probus (276–282 n. Chr.) stammte aus Sirmium, wo er auch ermordet wurde. Auch Maximian soll unweit Sirmiums geboren worden sein und dort einen Palast errichtet haben. Ebenso stammte Galerius aus dem illyrischen Großraum und wurde vermutlich zwischen Sirmium und Serdica, beim heutigen Gamzigrad, geboren, wo er später seinen Alterrsitz Felix Romuliana errichtete.178
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Vgl. Popović 1993, S. 17; Popović 2007, S. 18f. Vgl. Mirković 1971, S. 33f sowie die Zusammenstellung der epigraphischen Zeugnisse auf S. 60–90. Vgl. Mirković 1971, S. 34 sowie Anm. 199 mit Quellenangaben. Vgl. Popović 2007, S. 20. Die Angabe zur Palastanlage des Maximian bei Sirmium basiert allerdings lediglich auf einer Überlieferung des Landolfus. Bisher wurden keine Hinweise auf eine entsprechende Anlage gefunden. Vgl. Mirković 1971, S. 36 sowie Anm. 215 mit Quellenangaben. Nimmt man die Richtigkeit der mittelalterlichen Quelle an, dann lässt sich hier eine Altersresidenz vergleichbar zu der Anlage des Galerius bei Gamzigrad vermuten. Zum Palast des Galerius in Gamzigrad vgl. u. a. Vasić 2007.
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1.2.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Diokletian hielt sich von Beginn seiner Herrschaft bis zu seinem Aufbruch zu Feldzügen nach Syrien und Ägypten im Jahr 296 n. Chr. wiederholt in Sirmium auf, weshalb die Stadt für diese Zeit – neben Nicomedia – als Hauptresidenz klassifiziert wird.179 Ab 308 n. Chr. Scheint Licinius in Sirmium residiert zu haben, bevor er 316/17 n. Chr. zu Feldzügen aufbrach und anschließend Nicomedia zu seiner Hauptresidenz machte.180 Auch für Konstantin sind mehrere Aufenthalte in Sirmium belegt, weshalb die Stadt für die Zeit von 317–324 n. Chr. neben Serdica und eventuell Thessalonike zu dessen Hauptresidenzen gezählt wird.181 Im Rahmen der diokletianischen Verwaltungsreform wurde die Sirmium, zuvor Teil der Provinz Pannonia Inferior, zur Hauptstadt der Provinz Pannonia Secunda. Im Unterschied zu anderen tetrarchischen Residenzstädten wurde hier jedoch zunächst keine imperiale Münze eingerichtet. Erst 317 n. Chr. erhielt die Stadt unter Konstantin den Status einer imperialen Münzprägestätte.182 179
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T. Barnes klassifiziert entsprechend für den Zeitraum von 285–296 n. Chr. beide Städte als Hauptresidenz des Diokletian, wobei sich ein Aufenthalt Diokletians in Sirmium erst für den Januar 290 n. Chr. belegen lässt. Vgl. Kap. 1.1.2., Anm. 79. Laut W. Kuhoff war Sirmium Diokletians erste Hauptresidenz, da dieser sich hier unmittelbar nach seinem Sieg über Carinus aufhielt. Er nennt mit Bezug auf Th. Mommsen als belegte Aufenthalte ebenfalls die Jahre 290, 291, 293 und 294, hält jedoch einen längeren Aufenthalt in Sirmium bereits in den Jahren 287–289 n. Chr. für möglich. Vgl. Kuhoff 2001, S. 717f. V. Popović hält die Bedeutung der Stadt in der frühen Tetrarchenzeit für eher gering und klassifiziert die Stadt, trotz mehrerer Aufenthalte Diokletians, in dieser Zeit nicht als längerfristige Hauptresidenz. Vgl. Popović 1993, S. 17. Ebenfalls kritisch zum Status Sirmiums unter Diokletian äußert sich C. Heucke. Vgl. Heucke 1994, S. 336. Einhellig abgelehnt wird die in der früheren Forschung diskutierte Annahme, dass auch Galerius, der sich kurzzeitig im Rahmen seiner Kampagnen im Illyricum in Sirmium aufhielt, die Stadt zu seiner Hauptresidenz gemacht hätte. Vgl. hierzu grundlegend Mirković 1971, S. 36. Licinius hielt sich Ende 308 n. Chr. nachweislich in der Region auf, für Sirmium selbst sind lediglich zwei Aufenthalte im September und Oktober 316 n. Chr. belegt, zu diesem Zeitpunkt scheint sich jedoch auch die Familie des Licinius dort aufgehalten zu haben. Vgl. Barnes 1982, S. 80ff mit Anm. 141. Die Annahme, dass Sirmium die Residenz des Licinius war, wird jedoch gestützt durch den inschriftlich belegten Thermenbau des Licinius. Auch M. Mirković und V. Popović sehen Sirmium als die Hauptresidenz des Licinius an, allerdings nur bis 314 n. Chr. Vgl.Mirković 1971, S. 37; Popović 1993, S. 17. Ebenso C. Heucke, vgl. Heucke 1994, S. 336. Nach T. Barnes sind Aufenthalte Konstantins in Sirmium belegt für Juni – Anfang August 317, vermutlich im Januar 318, sicher jedoch vom 7.–9. Februar 318 sowie dann wieder vom 24. Oktober 318 bis zum 13. April 319. Im Jahr 320 n. Chr. hielt er sich von Mai – August in Sirmium auf und auch für 321 und 322 n. Chr. sind mehrere mehrmonatige Aufenthalte belegt. Während im Winter 323/24 n. Chr. anscheinend noch Sirmium als Hauptquartier diente, häufen sich ab 324 n. Chr. Aufenthalte in Nicomedia und Konstantinopel. Für Sirmium sind lediglich noch zwei Aufenthalte belegt, am 31. Dezember 326 und vom 9. März bis 18. April 329. Vgl. Barnes 1982, S. 68–80. Diese Maßnahme wurde häufig dahingehend gedeutet, dass Konstantin möglicherweise zunächst Sirmium als seine sogenannte ‚neue Hauptstadt‘ vorgesehen hatte. Vgl. Humphrey 1986, S. 611; Heucke 1994, S. 337.
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Die Stadtentwicklung in tetrarchischer Zeit ist in ihrer Chronologie weder archäologisch noch durch die Schriftquellen genau zu fassen. Aufgrund der wiederholten kaiserlichen Aufenthalte ist bereits ab Diokletian von der Existenz einer kaiserlichen Residenz auszugehen. Zumindest zum Zeitpunkt des Einzugs von Kaiser Julian in der Stadt im Jahr 361 n. Chr. ist diese durch Ammianus Marcellinus belegt: „Als er sich den Vorstädten näherte, die umfangreich und weit ausgedehnt sind, geleitete ihn eine Menge von Soldaten und Leuten aller Art mit vielen Fackeln und Blumen und mit glückverheißenden Wünschen in den Palast und nannte ihn Kaiser und Herr. Hier ließ er sich, froh über seinen Erfolg und das Vorzeichen, in der Hoffnung auf die kommenden Ereignisse bestärken, daß er nach dem Beispiel der volkreichen und berühmten Metropole auch in anderen Städten wie ein heilbringendes Gestirn aufgenommen werden würde. Am folgenden Tage gab er zur Freude des Volks ein Wagenwettrennen.“183
Durch diese Stelle ist zumindest gesichert, dass bei der Ankunft Kaiser Julians eine adäquate Residenz für den Kaiser vorhanden war und dass Sirmium als größere Stadt mit der entsprechenden Ausstattung und Bevölkerungszahl angesehen wurde. Allerdings ist nicht klar, ob es sich bei der im Originaltext als regia bezeichneten Residenz um einen Palastkomplex wie diejenigen in Antiochia oder Augusta Treverorum gehandelt hat. Die Palastanlage wird in der serbischen Forschung recht einhellig mit einem Residenzareal mit Thermen und Lagerhäusern im Südosten der Stadt identifiziert, unmittelbar südlich des Hippodroms (vgl. Abb. 5, 1). Als weitere Möglichkeit wurde zeitweise die spätantike Villenanlage im Nordosten des Hippodroms diskutiert (vgl. Abb. 5, 4). Durch die Äußerung des Ammianus Marcellinus zu den veranstalteten Spielen ist indirekt auch das Hippodrom belegt. Es fehlen jedoch Hinweise zur Entstehungszeit und Verortung der erwähnten Bauten. Das Hippodrom konnte durch Sondagen im Süden der römischen Stadt archäologisch nachgewiesen werden, vermutlich wurde es kurz nach 313 n. Chr. unter Licinius oder Konstantin fertig gestellt (vgl. Abb. 5, 2). Ebenfalls in tetrarchisch-konstantinische Zeit zu datieren sind die Überreste eines Horreums, die westlich des Cardo freigelegt wurden (vgl. Abb. 5, 6). Durch ein Inschriftenfragment sind außerdem die sogenannten Thermen des Licinius überliefert, die mit einem Thermenbau unmittelbar nördlich des Horreums in Verbindung gebracht werden (vgl. Abb. 5, 5). Die im Laufe des 3. Jahrhunderts erneuerte Stadtmauer wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts im Südosten der Stadt erweitert, wodurch 183
„[…] eumque suburbanis propinquantem/amplis nimiumque protentis militaris et omnis generis turba cum lumine multo et floribus uotisque faustis Augustum appellans et dominum duxit in regiam. Ubi euentu laetus et omine firmata spe uenturorum, quod ad exemplum urbium matris populosae et celebris per alias quoque ciuitates ut sidus salutare susciperetur, edito postridie curuli certamine cum gaudio plebis […].“ Amm. Marc. 21.10.1.
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das neu entstandene Hippodrom und das südöstlich davon gelegene sogenannte Palastareal innerhalb des Stadtgebiets lagen.184 Einen Hinweis auf die kaiserliche Bautätigkeit im öffentlichen Raum der Stadt bereits unter Diokletian gibt eine Aktennotiz, die von Säulen aus Porphyr berichtet.185
Abbildung 6: Sirmium im 4. Jahrhundert. 1) Kaiserpalast, 2) Hippodrom, 3) Kornkammer- und Thermenkomplex, 4) Stadtvilla (villa urbana), 5) Thermen „des Licinius“, 6) öffentlicher Getreidespeicher, 7) Forum (?), 8) Werkstatt- und Handelskomplex, 9) Wohnviertel, 10) Osstor, 11) Kreuzungspunkt der Hauptstraßen,, a) Sümpfe, b) moderne Straßen, c) antike Straßen, d) Stadtmauer, e) heidnische Nekropolen, f) christliche Nekropolen. (Quelle: Popović 2007, S. 22, Abb. 5) 184
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Zuletzt konnte dies durch neuere Grabungsbefunde zum Mauerverlauf im Südosten der Stadt bestärkt werden. Demnach umfasste das Stadtgebiet im 4. Jahrhundert ca. 74 ha. Vgl. Jeremić 2004, S. 6. In der Passio SS IV Corronatorum wird in Bezug auf Bauten des Diokletian in Sirmium erwähnt: „Diocletianus augustus … praecepit ut ex metallo porphyrico columna vel capitella columnarum ab artificibus inciderentur …[etc.]“. Zitiert bei Mirković 1971, S. 37, Anm. 219a.
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1.2.2.1 DAS PALASTAREAL Die Existenz einer Palastanlage in Sirmium ist aufgrund des langjährigen Status der Stadt als Residenz Diokletians und anschließend Licinius und Konstantins relativ sicher anzunehmen. Für die anderen Residenzen Diokletians – Nicomedia und Antiochia – ist ein entsprechender Ausbau belegt.186 Problematisch bei der Frage nach der Lokalisierung und Ausdehnung der Palastanlage aus tetrarchischer Zeit sind jedoch sowohl der archäologische Befund als auch die literarische Überlieferung. Abgesehen von der oben genannten Erwähnung der regia spricht Ammianus Marcellinus an späterer Stelle im Zusammenhang mit einem Brand kurz vor dem Tod von Valentinian I. im Jahr 375 n. Chr. von einem palatium in Sirmium: „Noch davor setzte in Sirmium mit plötzlichem Krachen der Wolken ein Blitzstrahl einen Teil des Palasts, des Rathauses und des Forums in Brand […].“187
Der erwähnte Blitzschlag als Ursache des Feuers legt nahe, dass sich der erwähnte Palast in der Nähe der Kurie und des Forums befunden haben könnte.188 Diese werden jedoch im Norden der Stadt vermutet, auch wenn diese Lokalisierung nicht gesichert ist. Eine andere Möglichkeit – die im Einklang mit der üblichen Lokalisierung der Palastanlage im Süden der Stadt stehen würde – wäre ein weiteres Forum an der Kreuzung des Cardo maximus mit der Straße südlich des Hippodroms, wie M. Jeremić vorschlägt.189 Es gibt jedoch keine archäologischen Hinweise auf eine solche zweite Forumsanlage, weshalb diese Vermutung hypothetisch bleiben muss. Darüber hinaus ist nicht klar, ob die erwähnte Palastanlage auf Diokletian oder einen der anderen tetrarchischen Herrscher mit Residenz in Sirmium zurückgeht. Zwar legt der aus anderen Residenzstädten wie beispielsweise Antiochia und Augusta Treverorum bekannte koninuierliche Ausbau imperialer Paläste und die anhaltende Nutzung durch nachfolgende Kaiserdynastien nahe, dass es sich um dieselbe Anlage handelt, gesichert ist dies jedoch nicht. Der sogenannte Palast bleibt somit in seiner Datierung, Ausdehnung und Lokalisierung in den Schriftquellen schwer fassbar. Vor allem in der serbischen Forschung wird er im Südosten der Stadt, südlich des
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Vgl. Kap. 1.1.2. und 1.3.2. „ante apud Sirmium repentino fragore nubium fulmen excussum /palatii et curiae partem incendit et fori […].“Amm. Marc. 30.5.16. Vgl. Kuhoff 2001, S. 717, Anm. 1480. Vgl. Jeremić 2009, S. 472f sowie Abb. 7, a mit der Rekonstruktion des Palastareals nach M. Jeremić. Die Möglichkeit einer zweiten Forumsanlage wurde bereits bei Popović 1971, S. 128f. diskutiert.
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Hippodroms vermutet. Hier haben sich einige Strukturen erhalten, die als imperiales Palastareal gedeutet werden, das sich bis kurz vor der Stadtmauer erstreckt hat. Insbesondere aufgrund von Statuen, die dort bei Grabungen im Jahr 2002 gefunden wurden, und Porphyrfragmenten kann nach neuestem Forschungstand zumindest plausibel für eine imperiale Nutzung des Areals argumentiert werden. Die als Teil des Palastareals bezeichneten Strukturen südwestlich des Hippodroms lassen sich in drei wesentliche Fundorte unterteilen: Ein Komplex mit einer Thermenanlage und Kornkammern im Süden, der in den Grabungsberichten als locality 31 bezeichnet wird; der sogenannte Residenzbereich mit dem Fundort locality 1a sowie die als repräsentativer Palastbereich angesprochenen Strukturen am südwestlichen Ende des Hippodroms mit den Fundorten locality 85 und locality 37.
Abbildung 7: Das Palastareal von Sirmium im 4. Jahrhundert. A+B: Lagerhäuser; C, D, E: Thermen; F: Teil des Residenzareals; G: locality 1a (Residenzbereich mit Tetrapylon); H: Gebäude im Residenzbereich; I: Platzanlage; i: Brunnenanlage; J: Lagerhaus?; K: östliche Anbauten; k: Brunnenanlage. (Quelle: Jeremić 2009, S. 479, Abb. 9) 56
Der Kornkammer- und Thermenkomplex besteht aus fünf Strukturen (A–E), die zwischen 1961 und 1975 ausgegraben wurden (vgl. Abb. 6, A–E).190 Die Gebäude A und B können aufgrund ihrer Raumstruktur als Kornkammern angesprochen werden. Die alte Stadtmauer aus der Mitte des 3. Jahrhunderts bildete zunächst die Südmauer von Gebäude B (10,5 x 40 m). Etwas später scheint aufgrund zusätzlichen Lagerbedarfs das wesentlich größere Gebäude A (33 x 85 m) im Süden angeschlossen worden zu sein, was einherging mit einer Erweiterung der Stadtmauer in diesem Bereich. Nördlich von Gebäude B befand sich Gebäude C, das aufgrund der freigelegten Hypokausten und eines Präfurniums, der Mosaikausstattung und der Überreste eines Caldariums als Teil einer Badanlage identifiziert wurde. Die Funktion des aus mehreren beheizten Räumen bestehenden Gebäudes D ist nicht geklärt, ebensowenig wie die von Gebäude E, beide können jedoch aufgrund der Baumaterialien in tetrarchische Zeit datiert werden und bildeten möglicherweise einen mit den Thermen C zusammenhängenden Komplex.191 Die Strukturen des als locality 1a bezeichneten Fundortes werden in der neueren Forschung als Residenzbereich des Palastes interpretiert (vgl. Abb. 6, G). Es wurden mehrere Räume freigelegt, die mit Mosaiken, Marmordekoration und teilweise Hypokausten ausgestattet waren. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurden sie mehrfach restauriert und erweitert. Auch hier wurden bei zwei Räumen die Reste der alten Stadtmauer als Außenmauern verwendet. Eine rechteckige Anlage mit einer Grundfläche von 13,5 x 13,5 m und vier massiven Pfeilern wurde zunächst als Tetrapylon identifiziert. In der neueren Forschung wurde diese Einschätzung revidiert, man vermutet in dem Bau nun eine kleine Tempelanlage (fanum).192 Insgesamt sind jedoch sowohl die Struktur als auch die Funktion von locality 1a nicht gesichert. Anders liegt der Fall bei den Gebäuden von locality 85 und locality 37, bei denen eine öffentlich-repräsentative Funktion aufgrund der Ausstattungsfunde gesichert scheint (vgl. Abb. 6, H–K). Es handelt sich um einen zusammenhängenden Gebäudekomplex, der aus einer kleinen Platzanlage mit umgebenden monumentalen Gebäuden bestand. Die genaue Struktur der einzelnen Gebäude ist nicht gesichert, da lediglich Fragmente und einzelne Mauerzüge freigelegt werden konnten. Im Osten der Platzanlage scheint sich ein monumentales Gebäude mit
190 191
192
Vgl. Duval/Popović 1977. Vgl. Jeremić 2009, S. 481ff sowie Jeremić, Miroslav: Architecture. In: Srejović, Dragoslav (Ed.): Roman Imperial Towns and Palaces in Serbia. Serbian Academy of Sciences and Art, Belgrad 1993, S. 100ff. Hier wird in der Bezeichnung der Gebäude der neueren Publikation von 2005 gefolgt. In dem Artikel von 1993 sind die Bezeichnungen der Lagerhäuser vertauscht, das kleinere Horreum wird dort als Gebäude A bezeichnet und das größere als B. Vgl. Jeremić 1993, S. 100ff sowie Abb. 33. Vgl. Jeremić 2009, S. 485ff mit Abb. 13; Jeremić 1993, S. 96; I. Popović 2011, S. 178.
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einer vorgelagerten Portikus befunden zu haben, worauf der Fund einer massiven Säulenbasis aus Marmor hindeutet. Auf der Platzanlage selbst fanden sich Reste einer Brunnenanlage. Im Westen grenzte ein großes Gebäude von 31 x 39 m an. Die Pilaster an den Innenseiten der Wände deuten darauf hin, dass der gesamte Innenraum durch Pilaster strukturiert wurde, die ein Kreuzgewölbe trugen. An der Ostseite des Gebäudes befand sich ein ca. 4 m breiter Annex, an den wiederum nördlich eine weitere Brunnenanlage anschloss. Fragemente der Brunnendekoration sind bekannt, hierzu gehört unter anderem der Kopf einer Marmorstatue der Diana. Diese ist in das 1. oder 2. Jahrhundert zu datieren und wurde vermutlich zur Dekoration der Anlage wiederverwendet. Bei Grabungen im Jahr 2002 im Bereich von locality 85 wurden in einer Schicht aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts Teile der Boden- oder Wandekoration aus weißem Marmor und grünem und rotem Porphyr gefunden, ebenso wie Fragmente von Säulen und Skultpuren aus rotem Porphyr sowie verschiedenfarbige tesserae einer hochwertigen Mosaikdekoration. Darüber hinaus fand man einen eindeutig in die Spätantike datierbaren Kopf einer Tyche-Statue aus Marmor.193 In derselben Gegend fanden sich außerdem Münzen des Licinius I. sowie der konstantinischen Dynastie.194 Die Gebäude werden in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert datiert und der Verlauf der in diesem Bereich im frühen 4. Jahrhundert erweiterten Stadtmauer scheint auf diese Strukturen Rücksicht zu nehmen. In dem Areal fanden sich Spuren einer Vorgängerbebauung aus dem 1. und 2. Jahrhundert, die zum Ende des 2. oder zu Beginn des 3. Jahrhunderts von einer Mauer eingeschlossen wurde. Diese Mauer scheint in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ihre Funktion verloren zu haben und wurde teilweise in die anschließend entstehenden Neubauten inkorporiert.195 Somit kann die erste monumentale Phase des Areals vor die Fertigstellung des Hippodroms datiert werden. Die wichtigsten Umbauten auf dem Areal gehen vermutlich auf den Ausbau unter Licinius ab 308 n. Chr. oder unter Konstantin ab 317 n. Chr. zurück.196 M. Jeremić rekonstruiert auf Basis dieser Befunde ein Palastareal von ca. 20 ha, für dessen Enstehung die Vorgängerbebauung niedergelegt und die Stadtmauer erweitert wurde und für das sich eine funktionale Unterteilung in repräsentative, fortifikatorische und residentielle Bereiche annehmen lässt.197
193 194 195 196 197
Vgl. Abb. 7 bei Popović 2011, S. 182. Vgl. Jeremić 2009, S. 488ff. Vgl. Jeremić 1993, S. 91. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 173f; ebenso I. Popović 2011, S. 178. Vgl. Jeremić 2009, S. 480.
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Abbildung 8: Das Palastareal von Sirmium im 4. Jahrhundert nach M. Jeremić. a) Zweites Forum; b) Südstraße; c) Schutzzone mit Thermen und Lagerhäusern; d) Residenzbereich; e) Gartenanlagen; f) Stadium?; g) Hippodrom; h) angenommene Position des Tetrapylons; i) südliches Stadttor. (Quelle: Jeremić 2009, Abb. 28) Demnach hätten die Lagerhäuser als ökonomische Strukturen und die Thermen als infrastrukturelle Bauten als eine Art ‚Pufferzone‘ zum Schutz des dahinterliegenden Repräsentations- und Residenzbereichs gedient, der wiederum an die sogenannten Unterhaltungs- und Erholungsanlagen im Osten angrenzte. Jeremić hält außerdem ein Tetrapylon vor dem Palastareal an der Kreuzung des Cardo maximus mit der in Richtung des Palastareals führenden Straße für wahrscheinlich. In diesem Zusammenhang vermutet er, dass der auf dem Areal gefundene Kopf der Tyche-Statue auf eine entsprechende Statuendekoration am Palasteingang hindeutet. Das Palastareal deutet er somit, wie bereits S. Ćurčić, als „Stadt in der Stadt“.198 198
Vgl. Jeremić 2009, S. 495 sowie Ćurčić 1993.
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Obwohl diese Vermutung im Einklang mit dem Befund zu einigen anderen, besser bekannten tetrarchischen Palastanlagen wie beispielsweise Thessalonica oder Augusta Treverorum steht, muss sie auf Basis des bisherigen Grabungsbefundes hypothetisch bleiben. So konstatierte etwa auch W. Kuhoff, dass es sich „insgesamt um ein disparates Ensemble [handelt], das es schwierig macht, einen Baukomplex für die kaiserliche Hofhaltung zu erkennen […].“199 Eine andere Option ist die sogenannte villa urbana nördlich des Hippodroms, die ebenfalls zeitweise als mögliche imperiale Residenz angesprochen wurde (vgl. Abb. 6, 4).200 Sie ist archäologisch eines der besterforschten Gebäude des antiken Sirmium, da hier zwischen 1957 und 1969 extensive Grabungen durchgeführt wurden. Das Gelände war vom Hippodrom getrennt durch eine breite Straße mit einer flankierenden Reihe von Läden und Werkstätten. Der Zugang zu der Villenanlage erfolgte über einen Korridor zwischen den Läden. Die Vorgängerbebauung konnte nicht gründlich erforscht werden, im 2. und 3. Jahrhundert befand sich hier jedoch eine Begräbnisstätte, da sich das Areal außerhalb der Stadtmauern befand. In der Mitte des 3. Jahrhunderts entstand dann eine einschiffige Halle (14,5–16 x 23 m) mit einem nördlich anschließenden trapezoiden Raum (6,3 x 6,9 m). Die Funktion ist nicht geklärt, möglicherweise handelte es sich zunächst um ein öffentliches Gebäude. In der zweiten Ausbauphase gegen Ende des 3. Jahrhunderts entstanden eine Badanlage sowie ein Erweiterungsbau (27 x 7,15 m) im Nordosten der einschiffigen Halle. Auch in deren Süden scheinen weitere kleinere Gebäude ergänzt worden zu sein. Ein deutlicher Ausbau des Geländes zu einer weitläufigen städtischen Villenanlage erfolgte in der Mitte des 4. Jahrhunderts. Um eine zentrale Hofanlage wurden mehrere angrenzende Räume gruppiert, die Badanlage wurde umgebaut und die Innenausstattung insgesamt durch aufwändige Mosaike und Marmordekoration aufgewertet.201 Die Chronologie der Anlage ist somit das stärkste Argument gegen eine Identifizierung als imperiale Residenz. Wenn erst für die Mitte des 4. Jahrhunderts von einer residentiellen Nutzung durch einen sozial hochrrangigen Bewohner ausgegangenen werden kann, dann geht dies nicht mit der Residenzzeit der tetrarchischen Herrscher konform. Duval et al. wiesen zudem zu Recht darauf hin, dass das Areal vermutlich durch eine hochrangige Person bewohnt wurde, jedoch nichts auf eine öffentliche Funktion der Gebäude hindeutet, es scheint sich um eine private Residenz gehandelt zu haben.202 Darüber hinaus, wie zuletzt M. Jeremić aufgrund der neueren Erkenntnisse zum Verlauf der spätantiken Stadtmauer im Südosten der Stadt anmerkte, befand sich die Villenanlage außerhalb der Stadtmauern.203
199 200 201 202 203
Vgl. Kuhoff 2001, S. 717f. Vgl. zuletzt Kuhoff 2001, S. 718. Vgl. Jeremić 1993, S. 103ff. Vgl. Bosković/Duval/Gros/Popović 1974, S. 614f. Vgl. Jeremić 2004, S. 6.
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1.2.2.2 DER CIRCUS Das Hippodrom von Sirmium ist aufgrund der Grabungen von 1969–1971 und 1974 mit anschließend publizierten Grabungsberichten recht gut dokumentiert.204 Am östlichen Rand der Anlage konnten Teile des halbkreisförmigen Endes und der Porta Triumphalis sowie ein Rest der Spina festgestellt werden. Zusammen mit den teilweise freigelegten Strukturen der Erdgeschossräume und Gänge unter den Sitzreihen der südlichen Längseite ließ sich der östliche Teil der Anlage rekonstruieren.205 Weniger bekannt ist die nördliche Längseite. Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre konnten im Rahmen partieller Sondagen auf dem Terrain jedoch einige weitere Erkenntnisse auch zu diesem Teil der Anlage gewonnen werden.206 Interessant in Bezug auf die spätantike Topographie der Stadt ist, dass bei der Anlage des Baus anscheinend Rücksicht auf das bestehende Straßennetz genommen wurde: Unweit der nördlichen Außenmauer verlief parallel zu dieser über deren gesamte Länge eine breite Straße Richtung Stadtzentrum, die nach Süden – also in Richtung Hippodrom – durch eine Mauer abgegrenzt war.207 Nicht gesichert ist die Ausdehnung des Hippodroms in Richtung Westen, wo sich die carceres befanden, da aufgrund der modernen Überbauung in diesem Teil keine Grabungen möglich waren. Vereinzelte Funde in diesem Gebiet machen jedoch zumindest plausible Überlegungen zur Länge der Anlage möglich, obwohl der genaue Grundriss bis zu einem gewissen Grad hypothetisch bleiben muss. Demnach erstreckte sich der Bau im Südosten der Stadt über eine Breite von 70 m zwischen den inneren Mauern bzw. 90–100 m zwischen den südlichen und nördlichen Außenmauern. Die 6 m breite Spina maß vermutlich ca. 260 m in der Länge, was auf eine Länge der Arena zwischen carceres und Porta Triumphalis von ca. 430 m hindeutet. Inklusive der Außenmauern und carceres lässt sich somit laut V. Popović und E. Ochsenschlager insgesamt eine Ausdehnung über mindestens 450 m Länge annehmen.208 Die Grundmauern der Anlage erreichten eine Höhe von knapp 2 m und scheinen mit verschiedenfarbigen Marmorplatten verkleidet gewesen zu sein. Die
204
205
206
207 208
Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976; einen kurzen Forschungsüberblick und eine Skizzierung der Ausgrabungsarbeiten bietet Humphrey 1986, S. 606. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 156f mit den entsprechend eingezeichneten Fundstellen in Abb. 1, S. 157. Zuletzt publizierte M. Jeremić eine Zusammenstellung der neueren Forschungsergebisse, demnach scheint sich die nördliche Längsseite in Bauweise und Größe von der südlichen Längsseite zu unterscheiden, da sie deutlich kleiner war. Vgl. Jeremić 2004, S. 6f. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 173f. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 158. M. Jeremić rekonstruierte auf Basis neuerer Funde eine Breite von 96 m und eine Gesamtlänge von 527 m, mit einem Fassungsvermögen von 25 000–30 000 Besuchern. Vgl. Jeremić 2004, S. 7.
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Sitzreihen der südlichen Längsseite wurden getragen von Substruktionen, die aus einer Reihe von kleineren Gewölberäumen bestanden. Diesen war ein Kryptoportikus vorgelagert, der höchstwahrscheinlich den Unterbau für eine Galerie im Obergeschoss bildete. Zu dieser wurden Fragmente der Ausstattung in Form von Säulenbasen, korinthischen Kapitellen und Fresken gefunden.209 Funde von Dachziegeln und bemalten Deckenstücken an der südlichen Längsseite machen außerdem eine Dachkonstruktion über der südlichen Tribüne wahrscheinlich.210 Auffällig ist ein länglicher Bau, der entlang der relativ gut erforschten südlichen Längsseite des Hippodroms verlief. Der Bau war innen etwa 24 m breit, mindestens 70 m lang und verfügte am östlichen Ende über einen apsidial angelegten Abschluss mit Fensteröffnung. Die Außenmauern waren ca. 1,80–1,90 m breit. Über die Ausstattung sind kaum Aussagen möglich, lediglich der Bodenbelag konnte als Mörtelboden mit Ziegelpflasterung rekonstruiert werden. Unklar bleibt auch, wie die Überdachung des Baus zu rekonstruieren ist.211 M. Jeremić hält es für möglich, dass es sich hierbei um ein kleineres privates Stadion mit anschließenden Gartenanlagen gehandelt hat.212 Folgt man den Ausführungen U. WulfRheidts zu der Struktur im Zusammenhang mit vergleichbaren Anbauten beispielsweise in Mediolanum, könnte es sich auch um eine anschließende Portikus gehandelt haben, die als Schaufassade fungierte.213 Bereits J. Humphrey nahm an, dass es sich um einen Verbindungsbau zwischen Palast und Hippodrom gehandelte haben könnte, der es Mitgliedern der imperialen Familie ermöglichte, ungesehen in das Hippodrom zu gelangen.214 Aufgrund von Münzfunden kann die Fertigstellung des Hippodroms recht zuverlässig in die Zeit kurz nach 313 n. Chr. datiert werden – also entweder gegen Ende der Residenzzeit des Licinius oder unter Konstantin zwischen 317 und 324 n. Chr.215 Aufgrund der lang anhaltenden Rolle Sirmiums als kaiserliche Residenz ist jedoch nicht auszuschließen, dass mit der Konzeption des Gebäudes bereits zu einem früheren Zeitpunkt, evtl. bereits unter Diokletian,
209
210 211 212 213 214 215
Für eine detaillierte Darstellung der einzelnen Baubefunde vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 161– 166 sowie zusammenfassend Humphrey 1986, S. 608ff. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 170; Jeremić 1993, S. 97. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 167f. Vgl. Jeremić 2009, S. 493. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 62. Vgl. Humphrey 1986, S. 612f. Im unteren Mörtelfußboden an der südlichen Längsseite des Hippodroms wurde eine Münze aus tetrarchischer Zeit sowie eine Münze des Licinius von 312/13 und des Konstantin aus den Jahren 307/ 13 entdeckt, woraus sich für diesen Bauteil ein terminus post quem für das Jahr 313 n. Chr. ergibt. In den Schichten unmittelbar vor dem Bau fanden sich lediglich Münzen der Salonina 253/56, des Tacitus 275/76 und des Aurelian 270/275, weshalb der Beginn des Baus nicht vor 275 n. Chr. erfolgt sein kann. Vgl. Popović/Ochsenschlager 1976, S. 171f.
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begonnen wurde.216 Diese Frage nach der Datierung des Baubeginns ist verknüpft mit der Gewichtung der Diskussion um die mögliche Palastanlage südlich des Hippodroms. Die Bebauung in diesem Gebiet ging einher mit einer Erweiterung der Stadtmauern, die wohl auch dazu diente, das Hippodrom innerhalb des Stadtgebiets errichten zu können. Da der Neubau des Hippodroms jedoch einen Großteil des Platzes auf diesem Gebiet einnahm, muss, wie bereits J. Humphrey es formulierte, bei der Konzeption des imperialen Repräsentationsareals im Süden die Anlage des Hippodroms der Ausgangspunkt für die Bebauung des Areals gewesen sein.217 Folgt man also der Identifizierung des Residenzareals südlich des Hippodroms als Palastanlage oder zumindest Sitz offizieller Repräsentationsbauten und geht davon aus, dass mit dessen Ausbau eventuell bereits unter Diokletian, spätestens jedoch unter Licinius begonnen wurde, dann muss auch die Planung des Hippodroms in diesem Zeitraum verortet werden.
1.2.2.3 DIE KAISERTHERMEN Für Sirmium sind durch eine fragmentarische Inschrift aus Brač die thermae Licinianae überliefert.218 Aufgrund der Benennung der Anlage nach ihrem Stifter Licinius ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um Kaiserthermen gehandelt hat.219 Diese werden seit den 1970er Jahren mit den Überresten einer Thermenanlage im imperialen Typus im Norden Sirmiums identifiziert (vgl. Abb. 6, 5).220 Das Gelände wurde von 1961–1964 archäologisch erforscht und es konnten zwei Bauphasen festgestellt werden. Demnach scheint das Gebäude aus der ersten Bauphase im 2. und 3. Jahrhundert in Gebrauch gewesen zu sein, bevor es gegen Ende des 3. Jahrhunderts abgerissen wurde, nachdem es durch ein Feuer zerstört worden war. Auf den Grundmauern des Vorgängerbaus entstand dann im frühen 4. Jahrhundert der erweiterte Nachfolgerbau. Die Wiederverwendung der Grundmauern deutet darauf hin, dass es sich bereits in der ersten Bauphase um Thermen im imperialen Typus handelte, die dann in tetrarchischer Zeit erweitert oder wieder aufgebaut wurden. Bei den Ausgrabungen wurde der Westflügel der Anlage (58,7 x 72 m) freigelegt.
216 217 218
219 220
Vgl. Humphrey 1986, S. 612f. Vgl. ebd., S. 613. Die Inschrift wird zitiert bei M. Mirković: „Herculi aug. sac. Val Valerianus mil. Cum insisterem ad capitella columnarum ad t(h)ermas Licinian(a)s QA SE IVNE SIRMIS LS.”, was bei Mommsen (AEM IX 21) als „q(u)as, intellegere, quae fiunt[t] Sirmi” gelesen wird. Vgl. Mirković 1971, S. 37, Anm. 219a. Vgl. u. a. Witschel 2004/05, S. 227. Vgl. u. a. Bosković/Duval/Gros/Popović 1974, S. 608.
63
Abbildung 9: Grundriss Thermen nach M. Jeremić. (Quelle: Jeremić 1993, S. 110, Abb. 39) Über das im Westen befindliche Vestibül – das fast doppelt so groß war wie das der Vorgängeranlage – gelangte man in eine nördliche Reihe von Räumen mit Kaltwasserbecken, die höchstwahrscheinlich mit einem Tonnengewölbe überdacht waren. Südlich davon befanden sich zwei langrechteckige Räume, der erste mit einer rechteckigen, der zweite mit einer halbrunden Apis, die vermutlich als Tepidarien zu deuten sind. Der zentrale Raum konnte nur teilweise freigelegt werden, er verfügte jedoch über Warmwasserbecken und diente demnach als Caldarium. Die massiven Wände der Anlage waren zwischen 1,5 und 4 m dick, was darauf hindeutet, dass diese Kuppeln, Kreuzgewölbe oder Tonnengewölbe trugen.221
1.2.2.4 WEITERE BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT Etwas südlich der Kaiserthermen, ebenfalls im Norden der Stadt, befand sich ein öffentliches Horreum, das ebenfalls in die Zeit der Tetrarchie datiert wird (vgl. Abb. Sirmium im 4. Jahrhundert, 6). Das Gebäude hatte eine trapezoide Grundform und maß ca. 44 x 22 m. Auch dieses 221
Vgl. Jeremić 1993, S. 109ff.
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Gebäude stand auf den Fundamenten eines ähnlich angelegten Vorgängerbaus aus dem frühen 3. Jahrhundert. Aufgrund der Mauerstärke ist anzunehmen, dass es sich um ein zweistöckiges Gebäude gehandelt hat. Der Innenraum war durch vier Säulenreihen mit jeweils sechs Säulen gegliedert in Parzellen von 5 x 5 m.222
1.2.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Im Verlauf des 4. Jahrhunderts war Sirmium noch mehrmals Aufenthaltsort von Kaisern, so ist nicht nur der bereits zitierte Besuch Kaiser Julians 361 n. Chr. belegt, sondern zuvor bereits mehrere Aufenthalte des Constantius II. Valentinian zog 364 n. Chr. in die Stadt ein und 378 n. Chr. hielt sich Gratian kurzzeitig hier auf. Im Jahre 379 n. Chr. wurde Theodosius I. in Sirmium zum Mitregenten des Gratian gekrönt. Doch den Status als kaiserliche Residenz hatte die Stadt verloren. Sie diente ab der Mitte des 4. Jahrhunderts lediglich weiterhin als kaiserlicher Aufenthaltsort im Zusammenhang mit militärischen Aktionen im Donauraum und als administratives Zentrum in der Region.223 Die Geschichte Sirmiums endet mit dem Einfall der Awaren 582 n. Chr. Die Stadtbevölkerung wurde vertrieben und im Jahr darauf wurde die Stadt durch ein Feuer endgültig zerstört. Auf dem Gebiet der antiken Stadt entstand wenig später die mittelalterliche Siedlung Mitrovica.
1.2.4 FAZIT SIRMIUM Im Falle Sirmiums stellt sich die Frage, wie die Bedeutung der Stadt in tetrarchischer Zeit zu bewerten ist. Die Stadt erfüllt wichtige Kriterien einer imperialen Residenz: Sie war Provinzhauptstadt, mehrfach über einen längeren Zeitraum Aufenthaltsort eines Herrschers, aufgrund des archäologischen Befunds lässt sich ein Ausbau des öffentlichen Raums mit Infrastruktur- und Repräsentationsbauten wie Lagerhäusern und Kaiserthermen sowie eine Erweiterung des Stadtgebietes für das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert annehmen und ein palatium ist zumindest für die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts schriftlich belegt. Andererseits erhielt Sirmium erst ab 317 n. Chr., als Konstantin in der Stadt residierte, den Status einer imperialen Münzstätte und auch die Fertigstellung des Hippodroms ist erst für diesen Zeitraum relativ sicher anzunehmen. Dem entgegen steht, dass plausibel argumentiert werden kann, dass Sirmium bereits unter Licinius als dessen Hauptresidenz fungierte, insbesondere da überliefert ist, dass sich bei dessen Abzug 222 223
Vgl. Jeremić 1993, S. 113f. Vgl. Mirković 1971, S. 39ff; Duval 1979, S. 58.
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316 n. Chr. seine Familie und Besitztümer in der Stadt befanden. Selbst wenn man demnach die Klassifizierung Sirmiums als Residenz Diokletians kritisch bewertet, scheint die Stadt ab 308 n. Chr. zu den tetrarchischen Residenzen gezählt zu haben und die Datierung des Ausbaus in diese Zeit erscheint somit sehr wahrscheinlich. Folglich ist die Monumentalisierung der Stadt innerhalb des Untersuchungszeitraums bis 324 n. Chr. zu verankern und erfolgte in tetrarchischer Zeit. In Bezug auf die Palastanlage lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Identifikation der Strukuren südlich des Hippodroms als Palastareal nicht gesichert ist, aber dennoch zumindest die Deutung als Sitz der imperialen Administration – und somit höchstwahrscheinlich auch kaiserlichen Residenz – äußerst wahrscheinlich scheint. Ein wichtiger Indikator ist zunächst die einhellige Datierung der Bauten in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert. Sie scheinen im Rahmen der Erweiterung der Stadtmauern als ‚neues Stadtviertel‘ südlich des Hippodroms angelegt worden zu sein. Hinzu kommen die gefundenen Porphyrfragmente sowie die Nähe zur Circusanlage. Selbst wenn diese erst unter Licinius oder Konstantin fertig gestellt wurde, ist es durchaus möglich, dass der Ausbau des Areals bereits unter Diokletian konzipiert und dann unter seinen Nachfolgern vollendet wurde. Auffällig ist in diesem Zusammenhang der an der südlichen Längseite des Hippodroms angrenzende Hallenbau. Hier lässt sich eine Schaufassade vermuten, welche einen Zugang zum Hippodrom über das dahinter liegende Palastareal ermöglichte. Auch die Lage am Stadtrand und an der Küstenlinie bzw. am Flussufer weist Parallelen zu anderen Residenzstädten auf. Insgesamt kritisch zu der Bedeutung Sirmiums in tetrarchischer Zeit und folglich auch zu der Frage nach der Existenz einer kaiserlichen Palastanlage äußerte sich wiederholt N. Duval. Er sieht Sirmium nicht in der Riege der tetrarchischen Herrscherresidenzen wie Trier oder Nicomedia mit dauerhaftem Sitz der imperialen Administration, sondern eher als temporären Aufenthaltsort der Kaiser auf dem Weg zu den nahegelegenen Grenzgebieten. Folglich hält er auch die Existenz einer weitläufigen Palastanlage für unwahrscheinlich.224 Er hält beispielsweise die Deutung des Areals südlich des Hippodroms als ökonomisches Zentrum in der Nähe des Flussufers für möglich.225 Auch diese Interpretation ließe sich mit den gefundenen Strukturen wie Lagerhäusern und Thermen, aber auch den Porphyrfragmenten als Hinweis auf eine imperiale Bautätigkeit vereinbaren. Versteht man jedoch den Bericht des Ammianus Marcellinus zu einem palatium in Sirmium dahingehend, dass es sich tatsächlich um eine Palastanlage handelte, dann stammt diese sehr wahrscheinlich aus tetrarchisch-konstantinischer Zeit. Denn danach war Sirmium lediglich gelegentlich Aufenthaltsort oder Durchreisestation von Mitgliedern des Kaiserhauses. Insofern 224 225
Vgl. Duval 1979, S. 60. Vgl. ebd., S. 79.
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ist es unwahrscheinlich, dass die nachfolgenden Kaiser hier monumentale Ausbauten vorgenommen haben. Vielmehr wird das bestehende imperiale Residenzareal erhalten und gepflegt worden sein und vermutlich in der Zwischenzeit durch hochrangige Beamte, z.B. den Stadtpräfekten oder den Präftekt Diozöse Pannonien genutzt worden sein. Geht man jedoch von einer kaiserlichen Palastanlage in Sirmium aus, dann kommt aufgrund des archäologischen Befunds in Bezug auf Datierung, Lage und Größe tatsächlich nur das Areal südlich des Hippodroms in Frage. In jedem Fall zeigt sich am Beispiel Sirmiums, dass wenn es sich um eine Palastanlage gehandelt haben sollte, es höchstwahrscheinlich keinen von Anfang an festgelegten Grundriss gab, sondern es sich um ein Konglomerat aus An- und Umbauten mit womöglich funktionaler Unterteilung handelte.
1.3 ANTIOCHIA (ANTAKYA) In Antiochia stellt der archäologische Befund zu den Bauten aus tetrarchischer Zeit ebenfalls eine Herausforderung dar. Zwar ist die Lage des Circus auf der Orontes-Insel bekannt, doch bezüglich der Lokalisierung der Palastanlage und weiterer Bauten sind die Schriftquellen ausschlaggebend. In den 1930er Jahren wurden von der Princeton University Grabungskampagnen durchgeführt, zu denen Vorabberichte publiziert wurden.226 In Antiochia, den Vororten Daphne und Yakto sowie in der Hafenstadt Seleucia Pieria wurden Überreste von knapp 80 Bauten und über 300 Mosaiken aus römischer Zeit gefunden.227 Der Großteil der Strukturen wurde als Wohngebäude gedeutet, an öffentlichen Bauten wurden sechs Bäder, ein Hippodrom, zwei Kirchenbauten sowie ein Theater in Antiochia und eines in Daphne freigelegt. Spätere Grabungen waren aufgrund der modernen Überbauung kaum möglich. Umso wichtiger ist daher die Auswertung der schriftlichen Quellen. Bereits 1927 legte J.W. Liebeschuetz seine Abhandlung zur Geschichte Antiochias in römischer Zeit vor.228 1961 folgte dann eine umfassende Behandlung der Geschichte der Stadt durch G. Downey in ‚A History of Antioch in Syria‘ sowie 1963 das
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Die Berichte erschienen in der Reihe ‚Publications of the committee for the excavation of Antioch and its vicinity‘. Für die Topographie Antiochias in der Kaiserzeit und Spätantike ist vor allem in Band 1 von Belang. Vgl. Elderkin, George W. (Ed.): Antioch-on-the-Orontes I. The excavations of 1932. Princeton University Press, Princeton 1934. Eine Katalogisierung der Mosaike erfolgte in den Grabungsberichten sowie durch die Arbeiten von D. Levy und S. Campell. Vgl. Levy, Doro: Antioch Mosaic Pavements. Princeton University Press, Princeton 1947; Campell, Sheila: The mosaics of Antioch. 1938. Pontifical Institute of Medieval Studies, Ontario 1988. Vgl. Liebeschuetz, John H. W. G.: Antioch – City and administration in the later Roman Empire. Nachdruck. Clarendon Press, Oxford 1972.
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eher populärwissenschaftlich ausgerichtete ‚Ancient Antioch‘.229 Einen Überblick der aktuellen Forschung zur Stadttopographie liefert der Katalog zu der Ausstellung ‚Antioch. The lost ancient city‘ von C. Kondoleon.230 Darüber hinaus erfuhr die Frage nach der Topographie der Orontes-Insel zuletzt einige neue Impulse.231 In der neueren Forschung wird Antiochia in der Spätantike vor allem unter mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen untersucht, insbesondere in Hinblick auf die Christianisierung im 4. und 5. Jahrhundert.232
1.3.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Antiochia wurde 300 v. Chr. durch Seleukos I. als neue Hauptstadt des Seleukidenreiches gegründet und entwickelte sich in der Folge zu einem Zentrum hellenistischer Stadtkultur im Osten.233 Im Jahre 64 v. Chr. wurde es im Rahmen der Neuordnung des Ostens durch Pompeius Teil des Imperium Romanum und gehörte von da an zur neugegründeten Provinz Syria, deren Provinzhaupstadt es war. Zunächst wurden im Nachgang der römischen Eroberung die städtische Infrastruktur umgeformt, Verwaltungsstrukturen eingerichtet und römische Traditionen 229
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233
Vgl. Downey, Glanville: A History of Antioch in Syria from Seleucus to the Arab Conquest. Princeton University Press, Princeton 1961 sowie Downey, Glanville: Ancient Antioch. Princeton University Press, Princeton 1963. Vgl. Kondoleon, Christine (Ed.): Antioch. The Lost Ancient City. Princeton University Press, Princeton 2000. Vgl. Poccardi, Grégoire: Antioche de Syrie. Pour un nouveau plan urbain de l’île de l’Oronte (Ville Neuve) du III eau Ve siècle. In: MEFRA – Mélanges de L’École Française de Rome, Antiquité, 106/1994. S. 993–1023; Poccardi, Grégoire: L’île d’Antioche à la fin de l’antiquité: histoire et problème de topographie urbaine. In: Lavan, Luke (Ed.): Recent research in late-antique urbanism. Journal of Roman Archaeology, 2001. S. 155–172; Saliou, Claire: Le palais imperial d’Antioche et son context à l’époque de Julien. Réflexions sur l’apport des sources littéraires à l’histoire d’un espace urbain. In: L’empereur Julien et son temps. Antiquité Tardive – TOME 17-2009. Brepols, Turnhout 2009. S. 235–250. Vgl. u. a. Cabouret, B./Gatier, P.-L./Saliou, C. (Ed.): Antioche de Syrie. Histoire, images et traces de la ville antique. Topoi. Orient-Occident. Supplement 5, 2004. De Boccard, Lyon 2004. Sandwell, Isabella/ Huskinson, Janet (Ed.): Culture and society in later Roman Antioch. Oxbow Books, Oxford 2004; Sandwell, Isabella: Religious Identity in Late Antiquity. Greeks, Jews and Christians in Antioch. Cambridge University Press, Cambridge 2007; Stenger, Jan: Libanios und die öffentliche Meinung in Antiochia. In: Kuhn, Christina (Hrsg.): Politische Kommunikation und öffentliche Meinung in der antiken Welt. Franz Steiner, Stuttgart 2012. S. 231–254; Stenger, Jan: Hellenische Identität in der Spätantike. Pagane Autoren und ihr Unbehagen an der eigenen Zeit. De Gruyter, Berlin 2009; Zetterholm, Magnus: The formation of Christianity in Antioch. A social-scientific approach to the separation between Judaism and Christianity. Routledge, London and New York 2003. Für eine umfassende Darstellung der Stadtgeschichte in seleukidischer Zeit vgl. Downey 1961, S. 54– 142.
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wie Spiele und religiöse Festtage etabliert. Im Laufe der Zeit entstand, begünstigt durch die Rolle der Stadt als Verwaltungs- und Handelszentrum, eine spezifisch antiochenische Stadtidentität, die sowohl durch die Romanisierung als auch durch lokale und hellenistische Bräuche geprägt war. Die Entwicklung zu einer der wichtigsten Metropolen des Imperium Romanum wurde begünstigt durch die geographisch vorteilhafte Lage. Durch den Orontes war ein Zugang zum Mittelmeer und somit eine Anbindung an den Welthandel gegeben, im Osten wurde die Stadt begrenzt und geschützt durch die Berge, vor allem den Silpios. Aufgrund der Lage war die Stadt auch strategisch wichtig, häufig diente sie als Ausgangspunkt für militärische Operationen gegen die Perser im Osten und war auch immer wieder bedroht durch persische Eroberungsversuche. Über die Jahrhunderte kam es außerdem wiederholt zu Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überflutungen und Bränden.234 Die Romanisierung der städtischen Infrastruktur setzte bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. ein, als unter Julius Caesar ein Amphitheater im Südosten der Stadt entstand.235 Augustus besuchte die Stadt zweimal, 31/30 v. Chr. und 20 v. Chr. und erhob sie in den Rang einer metropolis. Die beiden durch Agrippa gestifteten Bäderbauten wurden vermutlich anlässlich dieser Besuche in Auftrag gegeben.236 Vor allem für Tiberius sind durch Malalas mehrere Baumaßnahmen in Antiochia belegt. So ließ dieser prachtvolle Kolonnadenstraßen und Tetrapyla anlegen, die durch eine Erweiterung des Mauerrings zum Stadtgebiet geschlagen worden zu sein scheinen und fortan die Hauptverkehrsachse der Stadt bildeten (vgl. Abb. 9). Außerdem stiftete er Tempel für Jupiter Capitolinos, Dionysos und Pan und restaurierte das griechische Theater, was allerdings zunächst unvollendet blieb. Am Fuße des Silpios, nahe dem Ostor stiftete er eine öffentliche Thermenanlage bei der Quelle der Olympias. Auch diese wurde in den neuen Mauerring miteinbezogen.237 Die Bäder des Domitian befanden sich ebenfalls auf den Hügeln des Silpios, allerdings eher im südlichen Teil der Stadt, nahe dem Amphitheater.238 Auch für Trajan ist ein Bad überliefert, das vermutlich durch Hadrian nach dem großen Beben von 115 n. Chr. wieder aufgebaut wurde. Zu dessen Lokalisierung gibt es nur den Hinweis, dass es über ein Aquädukt aus Daphne mit Wasser versorgt wurde.239 Unter Trajan wurde auch die berühmte Kolonnadenstraße mit ihren seitlichen Säulengängen ausgebaut, wie sie Libanios im 4. Jahrhundert beschreibt.240 Unter Commodus (180–192 n. Chr.) entstand in Zusammenhang mit dessen Stiftung 234 235 236 237 238
239 240
Vgl. Kondoleon 2000, S. 4f. Vgl. ebd., S. 155. Vgl. Downey 1961, S. 169ff. Malal. 10.234–235. Vgl. Yegül, Fikret: Baths and Bathing in Roman Antioch. In: Kondoleon, Christine (Ed.): Antioch. The Lost Ancient City. Princeton University Press, Princeton 2000. S. 146–151, S. 148 mit Quellenstellen. Vgl. Yegül 2000, S. 148 mit Quellenstellen. Lib. or. 11.201.
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der neu eingeführten Antiochener Spiele am nördlichen Ende der Kolonnadenstraße eine Art ‚Olympisches Areal‘ mit Sportanlagen und einem Tempel für Zeus Olympios. Das Herzstück der Anlage bildete die durch Commodus gestiftete Badanlage, die Commodiana.241 Im frühen 3. Jahrhundert unterstützte Antiochia die Usurpation des Pescennius Niger gegen Septimius Severus und wurde nach dem Sieg des Septimius mit der Entziehung des Status als metropolis der Provinz Syria bestraft. Als Septimius Severus 202 n. Chr. die Stadt besuchte, stiftete er als Zeichen seiner Vergebung eine monumentale Thermenanlage am Silpios, das Severianum.242 Die Reichskrise des 3. Jahrhunderts zeigt sich auch in der Stadtgeschichte Antiochias. In der Regierungszeit des Valerian (253–260 n. Chr.) wurde Antiochia zwei Mal durch die Perser unter Shapur I. erobert, 256 und 260 n. Chr. Valerian ließ im Anschluss an die Zerstörungen durch die persischen Eroberungszüge umfassende Wiederaufbaumaßnahmen einleiten, die jedoch archäologisch nicht belegt sind.243 Kurz darauf fiel Antiochia in den Einflussbereich des Palmyrenischen Sonderreichs und wurde erst durch dessen Zerschlagung unter Aurelian zurückerobert.244 Insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Auseinandersetzungen mit Persien war Antiochia von strategischer Bedeutung. Die Stadt war bereits seit Jahrhunderten eine bekannte Metropole und Schmelztiegel unterschiedlichster Religionen und Bräuche. Darüber hinaus war sie seit 64 v. Chr. als Provinzhauptstadt ein wichtiges administratives Zentrum im Osten des Imperium Romanum. Es ist daher äußerst nachvollziehbar, dass Diokletian die Stadt als Residenz nutzte und entsprechend ausbaute.
1.3.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Antiochia diente mehrfach über längere Zeiträume als Residenz des Diokletian. Höchstwahrscheinlich residierte er bereits im Sommer 286 n. Chr. während seiner Reise durch die östlichen Provinzen in Antiochia. Zwar ist hier kein Aufenthalt sicher überliefert, doch scheint es unwahrscheinlich, dass der Herrscher eine der wichtigsten Metropolen des Ostens und die Hauptstadt der Provinz Syria in seinem Itinerar nicht berücksichtigt hätte.245 Belegt ist danach sein kurzer Aufenthalt im Frühling 290 n. Chr. im Zusammenhang mit einem Feldzug gegen die Sarazenen. Nachdem der sassanidische Herrscher Narses 297 n. Chr. in Syrien eingefallen war und dem Caesar Galerius eine empfindliche Niederlage zugefügt hatte, trafen sich Diokletian und Gale-
241 242 243 244 245
Malal. 12.283; Yegül 2000, S. 148f. Malal. 12.294. Vgl. Downey 1961, S. 252ff. Vgl. ebd., S. 264ff. Vgl. Downey 1961, S. 317f.
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rius im Herbst 297 n. Chr. in Antiochia. Offensichtlich verbrachte Diokletian auch den Winter von 297/98 n. Chr. Dort und spätestens zu diesem Zeitpunkt wird ein maßgeblicher Ausbau der Stadt eingesetzt haben.246 Als Galerius 298 n. Chr. erfolgreich aus der Konfrontation mit den Persern hervorging, feierten die beiden Herrscher gemeinsam einen Triumph in Antiochia und die als Geisel genommene persische Königin Arsane wurde im nahegelegenen Daphne untergebracht.247 Mehrere Aufenthalte in den folgenden Jahren machen wahrscheinlich, dass Diokletian auch nach dem Sieg über die Perser zunächst in Antochia verweilte. Am 1. Januar 299 trat er hier sein siebtes Konsulat an und ein Reskript belegt, dass er sich noch am 5. Februar 299 in der Stadt aufhielt.248 Weitere Aufenthalte sind belegt im Frühjahr und Sommer von 300 n. Chr. und im Sommer 301 n. Chr.249 T. Barnes klassifiziert Antiochia zumindest für die Jahre von 299 bis 302 n. Chr. als Hauptresidenz Diokletians.250 Darüber hinaus stellt er die These auf, dass Galerius in seiner Zeit als Caesar und während seiner zahlreichen Kampagnen im Osten bereits von 293–296 n. Chr. eventuell ebenfalls in Antiochia residierte.251 Während diese These aufgrund fehlender Belege hypothetisch bleibt, scheint die Annahme, dass Antiochia nach Diokletians Rücktritt als Residenz des Maximinus Daia diente, um einiges plausibler. T. Barnes klassifiziert die Stadt von 305–306 n. Chr., 309–311 n. Chr. und 312–313 n. Chr. als dessen Hauptresidenz, auch wenn nur ein längerer Aufenthalt im Juli/August 312 n. Chr. durch Malalas belegt ist.252 Auch G. Downey geht davon aus, dass Antiochia häufig als Residenz des Galerius und des Maximinus Daia in den turbulenten Jahren nach Diokletians Rücktritt 305 n. Chr. diente. Unter anderem nimmt er an, dass Maximinus Daia seine Offensive gegen Licinius nach dem Tod des Galerius 311 n. Chr. von Antiochia aus begann.253
246 247 248
249
250 251 252 253
Vgl. Kap. 1.3.2.1. zur Datierung der Palastanlage. Malal. 12.308. Vgl. Downey 1961, S. 318. Auch W. Kuhoff folgt den ursprünglichen Angaben Downeys zu den Aufenthalten Diokletians in Antiochia. Vgl. Kuhoff 2001, S. 719. Bei T. Barnes werden die Aufenthalte zwischen 297 und Februar 299 n. Chr. nicht genannt, sondern nach dem 6. Mai 290 n. Chr. erst wieder der Aufenthalt am 5. Februar 299 n. Chr. Vgl. Barnes 1982, S. 53ff. Auch das Treffen von Diokletian und Galerius in Antiochia datiert er nicht in das Jahr 298 n. Chr., sondern in das Frühjahr von 299 n. Chr. Vgl. ebd., S. 63. Im Falle der Aufenthaltsorte und –zeiten des Galerius während der Auseinandersetzungen mit den Persern ist die Chronologie von T. Barnes jedoch kritisch zu sehen. Vgl. Kolb 1988, S. 47. Belegte Aufenthalte am 12. Februar 300, 26. März 300 und 25. Juni 300 sowie am 4. Juli 301. Vgl. Downey 1961, S. 318. T. Barnes nimmt darüber hinaus einen weiteren Aufenthalt im Herbst 302 n. Chr. an. Vgl. Barnes 1982, S. 55. Vgl. Barnes 1982, S. 49. Vgl. ebd., S. 61. Malal. 311.12 wie angegeben bei Barnes 1982, S. 65f. Vgl. Downey 1961, S. 331ff.
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Durch Malalas sind mehrere Baumaßnahmen Diokletians in Antiochia überliefert, von denen allerdings nur wenige bezüglich ihrer Verortung in der Stadt bestimmt werden können: „[…] Und er erbaute dort einen großen Palast; dabei fand er Grundmauern vor, die früher von Gallienus-Licinnianus gelegt worden waren. Es erbaute aber dieser Diokletianus auch ein öffentliches Bad in der Ebene beim alten Hippodrom, das er benannte. Er führte denn auch Getreidespeicher auf, um Getreide einzulagern. […] Er errichtete aber auch den als Stadium bekannten Bau in Daphne für die olympischen und sonstigen Athlethen […]. Er stiftete aber auch direkt im Stadion von Daphne einen Tempel des olympischen Zeus, und auf der Sphendone eben dieses Stadions führte er ein Heiligtum für Nemesis auf. Er restaurierte aber auch den Apollontempel, indem er ihn mit verschiedenen Marmorsorten ausschmückte. Aber auch der Hekate wiederum erbaute er ein unterirdisches Heiligtum mit 365 Stufen. Ferner erbaute er in Daphne auch einen Palast, damit die ankommenden Kaiser dort eine Bleibe hätten; denn zuvor errichteten sie im Hain Zelte und hielten sich dort auf. Er gründete aber auch drei Fabriken für die Waffenherstellung für das Heer […]. Er baute aber auch in Antiocheia die Münze wieder auf, damit dort Geld geprägt werden könne; denn diese Münze war einem Erdbeben zum Opfer gefallen, und sie wurde wiederhergestellt. Ferner errichtete er auch ein Bad, das er das Senatorenbad benannte, in gleicher Weise aber auch weitere drei Bäder.“254
Demnach errichtete Diokletian in Antiochia einen großen Palast und in der Nähe des Hippodroms stiftete er ein öffentliches Bad, das er Diocletianum nannte. Darüber hinaus ließ er Getreichespeicher errichten und vier weitere Bäder. Malalas erwähnt außerdem den Bau mehrerer Waffenfabriken sowie die Wiedereinrichtung der imperialen Münze.255 Auch für den Vorort Daphne sind mehrere Baumaßnahmen belegt, darunter ein Stadium für die olympischen Athleten mit einem Schrein für den olympischen Zeus und einem Heiligtum für Nemesis sowie ein weiterer Palast als Aufenthaltsort für die Kaiser während der Spiele. Vermutlich sind auch die erwähnten Sakralbauten für Hekate und Apollon in Daphne zu lokalisieren.
254 255
Malal. 12.306–308. Antiochia hatte eine lange Tradition sowohl als lokale als auch imperiale Münzprägestätte. Nach der Reform Diokletians entfiel die lokale Münzprägung. Vgl. Metcalf, William E.: The Mint of Antioch. In: Kondoleon, Christine (Ed.): Antioch. The Lost Ancient City. Princeton University Press, Princeton 2000. S. 105–111.
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Abbildung 10: Antiochia in der Spätantike. Adaptierter Plan von Downey 1961 nach Wilber 1936. (Quelle: Kondoleon 2000, S. xv)
1.3.2.1 DAS PALASTAREAL Durch den Bericht des Malalas ist bekannt, dass Diokletian einen Palast in Antiochia errichten ließ. Er sagt nicht, wo genau sich dieser Palast befand, erwähnt jedoch direkt im Anschluss den Bau des Bades in der Ebene beim alten Hippodrom, das sich auf der Orontes-Insel be73
fand.256 In der Lobrede des Libanios auf Antiochia aus dem Jahr 356 n. Chr. ist dagegen eine genauere Beschreibung des Palastes und seiner Verortung auf der Orontes-Insel überliefert, allerdings nennt Libanios nicht explizit Diokletian als Erbauer.257 Obwohl nicht eindeutig aus den Quellen hervorgeht, dass die von Malalas erwähnte Palastanlage Diokletians identisch ist mit der von Libanios beschriebenen Anlage im Norden der Orontes-Insel, ist diese Annahme äußerst plausibel. Zunächst deutet einiges darauf hin, dass sich die imperiale Residenz – auch wenn es sich dabei nicht um Palastanlagen im hier zugrunde gelegten Sinne gehandelt hat – bereits seit hellenistischer Zeit auf der Orontes-Insel befand. Für das 1. Jahrhundert v. Chr. überliefert Malalas, dass der damalige Prokonsul Kilikiens Quintus Marcius Rex bei seinem Besuch in Antiochia den königlichen Palast und das alte Hippodrom wieder aufbauen ließ, die sich demnach beide auf der Orontes-Insel befunden haben werden.258 Auch die Beschreibung des Cassius Dio zum Beben von 115 n. Chr., laut der Trajan sich durch einen Sprung aus dem Fenster seiner Residenz gerettet hätte und im Anschluss einige Tage im Hippodrom kampiert habe, legt nahe, dass sich das Wohnhaus des Kaisers in dessen Nähe befunden hat.259 Es scheint daher nur sinnvoll, dass Diokletian als Ort für seinen Palast die Orontes-Insel wählte, auf der seit Jahrhunderten die Herrscher bei ihren Aufenthalten in der Stadt residierten.260 Malalas berichtet außerdem, dass Diokletian bei seinem Palastbau Grundmauern des Gallienus vorgefunden habe. Um was für ein Gebäude es sich hierbei handelte, ist nicht eindeutig zu bestimmen, es könnte ebenfalls ein Palastbau gewesen sein. Darüber hinaus wird nicht Gallienus, sondern Valerian gemeint sein, für den mehrere Baumaßnahmen in Antiochia überliefert sind und den Malalas auch an anderer Stelle mit Gallienus verwechselt. G. Downey stellt die These auf, dass Valerian im Zuge seiner Restaurierungsmaßahmen ab 256 n. Chr. ein castrum auf der Orontes-Insel anlegen ließ, in welchem er eventuell auch residieren wollte.261 Das wohl ausschlaggebendste Argument für die Lokalisierung des diokletianischen Palastes auf der Orontes-Insel ist jedoch, dass es keine Hinweise auf einen weiteren Palastneubau zwischen der Regierungszeit des Diokletian und dem Jahr 356 n. Chr. gibt. Zwar hielten sich sowohl Konstantin als auch dessen Söhne mehrfach in Antiochia auf und hätten somit einen neuen Palast erbauen lassen können, doch scheint dies auch in Hinblick auf die Nutzungskontinuität 256
257 258 259 260
261
G. Downey schließt daraus, dass die räumliche Nähe von Palast und Hippodrom mit Bad so naheliegend war, dass sie keiner gesonderten Erwähnung bedrufte. Vgl. Downey 1961, S. 325. Lib. or. 11.204–207. Zur Datierung der Rede vgl. Fatouros/Krischer 1992, S. 9. Zur Lokalisierung des ‚alten‘ Hippodroms auf der Orontes-Insel vgl. Kap. 1.3.2.2. Cassius Dio 68.25.5. So argumentieren auch G. Downey, J. Humphrey und G. Poccardi. Vgl. Downey 1961, S. 644f; Humphrey 1986, S. 632; Poccardi 1994, S. 993. Vgl. Downey 1961, S. 321 mit Anm. 16.
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der vorhandenen Palastanlagen in anderen tetrarchisch-konstantinischen Residenzstädten wenig wahrscheinlich.262 Zum anderen gibt Malalas auch über die Baumaßnahmen von Konstantin und dessen Söhnen einen Überblick und hätte den Neubau einer Palastanlage sicherlich nicht unerwähnt gelassen.263 Die durch die Berichte des Libanios und Theoderet offenkundigen architektonischen Parallelen der Palastanlage in Antiochia mit den Palästen anderer tetrarchischer Residenzstädte machen es umso wahrscheinlicher, dass die beschriebene Anlage in tetrarchischer Zeit entstand.264 Gestützt wird diese Annahme durch den Bericht des Ammianus Marcellinus, dass bei seinem Aufenthalt in Antiochia kurz nach dem Tod Kaiser Julians im Jahr 363 n. Chr. eine Sitzstatue des Galerius im Eingangsbereich des kaiserlichen Palastes Schaden nahm: „[…] So verlor die Statue des Kaisers Maximian, die im Vorraum des kaiserlichen Palastes aufgestellt ist, plötzlich die eherne Kugel, die die Gestalt eines Globus hatte und die er in der Hand hielt, und unter furchtbarem Getöse krachten im Beratungszimmer die Balken.“265
Geht man davon aus, dass die Identifikation der monumentalen Kaiserstatue als Darstellung des Galerius durch Ammianus Marcellinus korrekt ist, dann ist eine Nutzungskontinuität der diokletianischen Palastanlage zumindest bis zum Ende der konstantinischen Dynastie 363 n. Chr. belegt. Denn in einer unter Konstantin oder dessen Söhnen neu erbauten Palastanlage wäre sicherlich keine Monumentalstatue eines tetrarchischen Herrschers aufgestellt und entsprechend kenntlich gemacht worden. Diese wird auf eine Stiftung des ursprünglichen Erbauers Diokletian zurückgehen. Demnach muss der Kaiserpalast, der 356 n. Chr. von Libanios beschrieben wurde und in dem 363 n. Chr. die Galerius-Statue beschädigt wurde, zurückgehen auf den Palast des Diokletian aus dem späten 3. Jahrhundert. Auch die Mitglieder der Princeton-Expeditionen in den 1930er Jahren vermuteten, dass sich der Palast in der Nähe des Hippodroms auf der Orontes-Insel befunden hat. Im ergrabenen südwestlichen Teil der Orontes-Insel fanden sich jedoch keine Hinweise auf einen entsprechenden Gebäudekomplex. Im Nordwesten konnten keine Grabungen vorgenommen werden, auf dem 262 263
264 265
Zu beobachten bspw. in Trier, vgl. Kap. 1.6.2.1. Malalas berichtet unter anderem, dass Konstantin in Antiochia die Große Kirche stiftete, mit der die auch durch Euseb überlieferte oktogonale Kirche auf der Orontes-Insel gemeint ist. Malal. 13.318. Vgl. hierzu die folgenden Ausführungen auf S. 64f zur baulichen Anlage des Palastes. „Nam et Maximiani statua Caesaris, quae locata est in uestibulo regiae, amisit repente sphaeram aeream formatam in speciem poli, quam gestabat, et cum horrendo stridore sonuerunt in consistorio trabes […].“ Amm. Marc. 21.10.01. Mit der Bezeichnung Maximianus ist hier Galerius Maximianus gemeint, vgl. ebd. S. 252, Anm. 104 und S. 254 Anm. 130.
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Areal wäre jedoch Platz für eine weitläufige Anlage in der Größe von Diokletians Palast in Split gewesen.266 Demnach ist das palatium in Antiochia archäologisch nicht belegt. Aufgrund der schriftlichen Quellen ist es jedoch in seiner grundsätzlichen Anlage im Nordwesten der Orontes-Insel rekonstruierbar. Am ausführlichsten berichtet Libanios in seiner Beschreibung der sogenannten Neustadt auf der Insel im Orontes von der Anlage: „[204] Die Neustadt ist von runder Gestalt. Denn sie liegt ganz und gar in einer Ebene und wird von einer unbezwinglichen Mauer wie von einem Kranz umgeben. Von vier Bögen indessen, die zu einem quadratischen Bauwerk verbunden sind, gehen wie von einem Nabel vier Paare von Kolonnaden aus, nach jeder Himmelsrichtung eine, wie bei einer Statue des vierarmigen Apoll. [205] Von ihnen verlaufen drei Paare bis zur Mauer und stoßen so an die Umgrenzung. Das vierte Paar ist zwar kürzer, dabei aber um soviel schöner als es kürzer ist, da es zum nahegelegenen Kaiserpalast hinführt, ihm als Vorhalle dienend. [206] Der Palast selbst nimmt so viel von der Insel ein, daß er ein Viertel des Ganzen ausmacht. Denn er reicht bis zur Mitte, die den Nabel bildet, und dann erstreckt er sich bis zu dem äußeren Arm des Flusses, so daß die Mauer hier statt der Brustwehren Säulen trägt, einen Anblick bietend, wie er einem Kaiser gebührt, da unten der Fluß vorüberfließt und rings die Villen der Vorstadt das Auge erfreuen. [207] Wer diesen Teil der Stadt in allen Einzelheiten darstellen möchte, der muß ihn zum Gegenstand einer eigenen Rede machen und darf ihn nicht als Teil eines anderen Themas behandeln. Gleichwohl muß ich soviel dazu sagen: während allenthalben jedwedes Bestehende entweder durch seine Größe berühmt ist oder um seiner Schönheit gepriesen wird, bleibt dieser Palast hinter den Bauwerken der einen Art nicht zurück und übertrifft die der anderen bei weitem; ist er doch hinsichtlich der Schönheit unbesiegt und im Wettstreit der Größe besiegt er alle anderen, denn er hat so viele Gemächer und Kolonnaden und Hallen aufzuweisen, daß auch jene, die mit den Örtlichkeiten vertraut sind, sich verirren und von Tür zu Tür wandern. […].“267
Der Palast bedeckte also fast ein Viertel der Insel und erstreckte sich von deren Mitte bis zum Flussufer. Zum Fluss hin verfügte er über einen Säulengang, von dem aus sich dem Herrscher ein Blick auf die Vororte auf der anderen Seite des Flusses eröffnete. Die von Libanios erwähnten vier zu einem quadratischen Bauwerk verbundenen Bögen sind als Tetrapylon zu deuten, welches die Palastanlage erschloss und von dem eine prachtvolle Kolonnadenstraße zum Eingang des Palastes führte. Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch die Lokalisierung des Palastes im 266 267
Vgl. Downey 1961, S. 320. Lib. or. 11.204–207.
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Westen der Insel, da nur von hier aus die Vororte auf der anderen Uferseite des Orontes sichtbar waren.268 Der Palast scheint nicht nach außen abgeschlossen gewesen zu sein, da Libanios explizit die das gesamte Eiland umgebende „unbezwingbare Mauer“ erwähnt, jedoch keine den Palast abschließende Mauer. In Bezug auf die innere Gestaltung gibt bei Libanios lediglich die Erwähnung der Vielzahl der Gemächer und Hallen Aufschluss über die Weitläufigkeit der Anlage und deutet auf eine komplexe Wegführung hin. Einen weiteren Hinweis gibt die Schilderung des Evagrios zu den schweren Zerstörungen auf der Orontes-Insel durch das Erdbeben in der Regierungszeit Leos, vermutlich 458 n. Chr.: „Dieses Beben zerstörte fast alle Häuser der Neustadt, die dicht bevölkert war und in der es nichts gab, was frei oder völlig vernachlässigt war, die vielmehr dank der Freigebigkeit [sic!] der miteinander wetteifernden Kaiser außerordentlich ausgebaut war. Von den kaiserlichen Palästen wurden das erste und zweite Gebäude zerstört, während die anderen erhalten blieben zusammen mit dem danebenliegenden Bad, das, obwohl es vorher unbenutzt war, der Stadt nach der Katastrophe aus der Notlage heraus zum Baden diente, da die anderen Bäder von dem Unglück betroffen waren. Das Beben ließ auch die Säulenhallen vor der Residenz und das daran anschließende Tetrapylon zusammenstürzen und im Hippodrom die Türme bei den Eingängen und einige der Säulenhallen in der Nähe.“269
Die Erwähnung der Zerstörung des ersten und zweiten oikos impliziert, dass mehr als zwei Palastbereiche existiert haben müssen, was auf eine funktionale Einteilung der einzelnen Palastbereiche hindeutet. Hier muss jedoch offen bleiben, ob diese Einteilung bereits auf die Anlage unter Diokletian zurückgeht oder auf spätere An- und Ausbauten des Palastes zurückzuführen ist. G. Downey vermutet, dass für den Palast in Antiochia eine ebenso vierteilige Grundkonzeption anzunehmen ist wie für den Diokletianspalast in Split.270 Die Existenz einer Schaufassade mit Säulengang zum Flussufer hin wird durch eine kurze Passage in der Kirchengeschichte von Theodoret bestätigt. Dieser erwähnt einen von Türmen eingerahmten zweistöckigen Arkadengang, vor dem eine Straße verlief:
268
269 270
Vgl. Downey 1961, S. 320 sowie S. 643 mit Anm. 10. Eine ausführliche Analyse der topographischen Hinweise in den antiken Schriftquellen in Bezug auf die Verortung des Palastes im Nordwesten der Insel legte G. Poccardi vor. Vgl. Poccardi 1994, S. 997ff. Evagrios 2.12. Im Originaltext spricht Evagrios nicht von einem Gebäude, sondern von einem oikos. Vgl. Downey 1961, S. 321f. sowie S. 644. Hierzu kritisch aufgrund der fehlenden Belege u. a. W. Kuhoff. Vgl. Kuhoff 2001, S. 720.
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„From the north the river Orontes flows by the palace and from the south a two-storied stoa of the greatest size is built on the circuit wall of the city, having high towers at either side. Between the palace and the river is a highway which receives those who leave the city by the gate at this place and leads to the suburbs. The holy Aphraates was passing along this […]. Looking out from above, from the basileios stoa, the emperor perceived him hurrying along […].“271
Das geschilderte Zusammentreffen zwischen dem heiligen Aphraates und dem Kaiser soll in der Regierungszeit des Valens (364–378 n. Chr.) stattgefunden haben, die Kirchengeschichte des Theodoret entstand vermutlich kurz vor 450 n. Chr.272 Es ist somit nicht eindeutig, wann der erwähnte Arkadengang und die vorgelagerte Straße zum Stadttor erbaut wurden, die Parallelen zu der Beschreibung des Libanios sind jedoch offenkundig. Von Malalas sind im Zusammenhang mit seinem Bericht zu der Auseinandersetzung zwischen Kaiser Julian und der Bevölkerung Antiochias Anfang 363 n. Chr. weitere Informationen zur Gestaltung des Tetrapylons überliefert. Demnach veröffentlichte Julian seinen Misopogon vor dem Palast am Tetrapylon der Elefanten – dieses ist vermutlich identisch mit dem von Libanios beschriebenen Tetrapylon vor dem Palast.273 Darüber hinaus scheint sich in dem topographischen Streifen des Megalopsychia-Jagdmosaiks von Yakto aus der Mitte des 5. Jahrhundert eine Darstellung des Palastes erhalten zu haben.274 Auf dem Mosaikteil sind die wichtigsten Bauten der Orontes-Insel entsprechend ihrer Reihenfolge dargestellt, wie sie sich einem Spaziergänger auf dem Weg von Daphne nach Antiochia präsentierten.275 Von links führt zunächst eine Brücke über den Orontes auf die Insel. 271 272 273
274
275
Theodoret Hist. eccl. 4.26.1–3, ed. Parmentier, zitiert bei Downey 1961, S. 643, Anm. 10. Vgl. Downey 1961, S. 643, Anm. 10. Malal. 13.328. So argumentieren auch G. Downey, W. Kuhoff und C. Saliou. Unklar ist jedoch, wie das Tetrapylon der Elefanten ausgesehen hat. Während Kuhoff eine von Elefanten gezogenene Quadriga auf dem Tetrapylon rekonstruiert, hält C. Saliou auch lediglich eine Darstellung von Elefanten in der Reliefdekoration des Tetrapylons für möglich. Im Falle einer Elefantenquadriga bliebe zu fragen, ob diese ein Teil der ursprünglichen Ausstattung des Tetrapylons war oder durch einen späteren Herrscher gestiftet wurde. Vgl. Downey 1961, S. 322; Kuhoff 2001, S. 720; Saliou 2009, S. 241. Das Mosaik wurde während der ersten Grabungskampagne von 1932 in einem Wohnhaus in Yakto freigelegt. Es handelt sich um ein Jagdmosaik in dessen Zentrum Darstellungen der Megalopsychia in Verbindung mit mythologischen Szenen stehen, das von einem Streifen mit topographischen Darstellungen aus Antiochia und Daphne umgeben ist. Vgl. Lassus, Jean: La Mosaique de Yakto. In: Elderkin, George W. (Ed.): Antioch-on-the-Orontes I. The excavations of 1932. Princeton University Press, Princeton 1934. S. 114–156. Eine Abbildung der betreffenden Teile des Mosaiks findet sich u. a. bei C. Kondoleon und G. Poccardi. Vgl. Kondoleon 2000, S. 114; Poccardi 1994, S. 1006, Abb. 5. Im ersten Ausgrabungsbericht nahm J. Lassus zunächst eine entgegengesetzte Ausrichtung an, nämlich von Antiochia in Richtung Daphne. Dieser Deutung widersprach G. Downey in seiner Detailanalyse
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Anschließend sind ein Bad und rechts davon ein Stadion zu sehen, das aufgrund der fehlenden Sitzreihen nicht als Hippodrom, sondern als Übungsgelände oder Hippodrom-Garten zu deuten ist. Folglich liegt eine Identifikation mit dem in das 5. Jahrhundert datierten byzantischen Stadion auf der Orontes-Insel nahe. Rechts des Stadions folgt das zweistöckige Gebäude mit einem großen Eingang und einem Säulengang im Obergeschoss, das als Palast identifiziert wird. Anschließend an den Palast ist zunächst eine Platzanlage oder Kreuzung mit einer Säule zu sehen, in deren Hintergrund sich die Reste einer Inschrift mit den Buchstaben PIANA erhalten haben.276 Rechts davon ist ein polygonales Gebäude mit einer Kuppel abgebildet, das als Große Kirche Konstantins gedeutet wird. Im weiteren Verlauf sind Szenen des öffentlichen Lebens dargestellt, bevor man über eine weitere Brücke die Insel wieder verlässt. Da hier die wichtigsten Bauten der Insel dargestellt sind und eine Arkade zum Flussufer hin für den Palast überliefert ist, scheint die Identifikation des zweigeschossigen Gebäudes mit Säulengang als Palastdarstellung mehr als plausibel. Da der Blick auf die abgebildeten Gebäude von der Insel ausgeht und nicht vom nördlichen Flussufer, ist es naheliegend, dass der Palast hier mit seiner Eingangsseite dargestellt ist, die demnach ebenfalls über eine Aussichtsarkade bzw. eine Schaufassade verfügte. Das Mosaik ist auch in Hinblick auf die allgemeine Topographie der Orontes-Insel aufschlussreich, wenn man die den Palast flankierenden Bauten einbezieht. Die Verortung des Palastes im Nordwesten der Insel wird abermals gestützt durch die Darstellung der an den Palast grenzenden Rennbahn mit Bad, in der man das byzantinische Stadion und das Bad C erkennen mag.277 In Bezug auf den monumentalen Kirchenbau Konstantins wird der angenommene räumliche Bezug zum Palast bestätigt, vermutlich lag die Kirche an einer der Achsen der zentralen Kreuzung in der Mitte der Insel.278 Interessant ist darüber hinaus die dargestellte Platzanlage mit einer Ehrensäule. Hierbei könnte es sich um eine Platzanlage vor dem Palast oder um die zentrale Kreuzung der Insel südlich des Hippodroms gehandelt haben, die nicht nur den Weg zum Palastareal und zum Bad C erschloss, sondern auch in den Nordosten der Insel. Bei der Deutung als Kreuzung bleibt allerdings fraglich, warum das Tetrapylon und die Kolonnaden nicht abgebildet wurden.279 Insofern scheint es wahrscheinlicher, dass hier eine dem Palast vorgelagerte Platzanlage mit einer Ehrensäule zu rekonstruieren ist. Auf eine zweistöckige Schaufassade zum Palasteingang deutet eine weitere bildliche Darstellung hin, die höchstwahrscheinlich den Palast von Antiochia zeigt: Das Opferrelief am Galeri-
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277 278 279
des Mosaiks und lieferte korrigierende Ausführungen zur Identifikation der einzelnen Gebäude. Vgl. Downey 1961, S. 662f. Dieser Einschätzung folgt u. a. Poccardi. Vgl. Poccardi 2001, S. 158f. Dies könnte rekonstruiert werden als Inschrift zur Porta Tauriana. Vgl. Downey 1961, S. 661, Anm. 3. Auch Poccardi folgt der Rekonstruktion der Inschrift als ‚Porta Tauriana‘. Vgl. Poccardi 2001, S. 158. Vgl. Poccardi 1994, S. 1013f. Vgl. ebd., S. 1012; Poccardi 2001, S. 158ff. Vgl. Poccardi 1994, S. 1007.
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usbogen in Thessalonike. Dies zeigt das Opfer der beiden Herrscher Diokletian und Galerius anlässlich des Sieges über die Perser vor einem zweistöckigen Gebäude mit Portikus und Arkadengang.280 Da der Triumph über die Perser 298 n. Chr. in Antiochia gefeiert wurde, wird hier der Palast in Antiochia und nicht in Thessalonike dargestellt sein. Das Relief liefert somit nicht nur einen weiteren Hinweis auf die vordere Schaufassade, sondern ist auch ein wichtiges Indiz zur Datierung des Palastbaus. Da dieser auf der Abbildung des Opfers von 298 n. Chr. dargestellt war, muss er zu diesem Zeitpunkt zumindest in Teilen fertiggestellt gewesen sein.281 Während die Deutung des Reliefs als Palast von Antiochia und damit auch die Datierung vor 298 n. Chr. nicht gesichert ist, wird ein Bestehen des Palastes im Jahr 303 n. Chr. in der Forschung allgemein akzeptiert.282 Die von Ammianus Marcellinus erwähnte Statue des Caesars Galerius Valerius Maximianus im Vestibül des Palastes belegt darüber hinaus, dass zumindest dieser Teil der Anlage vor 305 n. Chr., als Galerius zum Augustus ernannt wurde, fertig gestellt gewesen sein muss.283 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Diokletian vermutlich vor 298 n. Chr., sicher aber bis 303 n. Chr. einen Palast im Nordwesten der Orontes-Insel errichten ließ. Die Palastanlage verfügte über eine Galerie mit Arkaden zum Wasser hin sowie über eine Schaufassade zu der dem Palast vorgelagerten Platzanlage. Im Osten grenzte das bereits bestehende Hippodrom an. Der Palast wurde erschlossen durch ein Tetrapylon von dem aus eine prächtige Kolonnadenstraße zum Eingang führte. Die weitläufige Anlage war im Innern unterteilt in verschiedene Abschnitte, die vermutlich entsprechend ihrer Funktion gegliedert waren. Unklar ist aufgrund der erst ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts einsetzenden Beschreibungen des Bauensembles, welche Elemente bereits auf die Grundkonzeption des diokletianischen Palastes zurückgehen und welche auf spätere Um- und Ausbauten. Auffällig sind in diesem Zusammenhang jedoch die architektonischen Parallelen zu anderen bekannten tetrarchischen Palastanlagen. Die Aussichtsgalerie zum Fluss hin erinnert an die Arkadengänge zum Meer im Diokletianspalast in Split.284 Eine Schaufassade in Richtung Stadt lässt sich für mehrere Residenzstädte annehmen, unter anderem auch für den Palast Diokletians in Nicomedia.285 Ein Tetrapylon als architektonischer Auftakt zum Palastareal bei tetrarchischen Palastanlagen ist durch den Galeriusbogen in 280
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Vgl. Laubscher, Hans Peter: Der Reliefschmuck des Galeriusbogens in Thessaloniki. Berlin, Gebr. Mann Verlag 1975, S. 52–57 sowie Taf. 29 und 40–42. Vgl. Downey 1961, S. 321. Libanios berichtet im Zusammenhang mit dem Aufstand des Eugenios im Jahr 303 n. Chr., dass die Bürger Antiochias sich dem Usurpator entgegenstellten, als dieser den Palast plünderte. Lib. or. 11.159–162. Vgl. Saliou 2001, S. 243. Vgl. Downey 1961, S. 321. Vgl. Kap. 1.1.2.2.
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Thessalonica belegt.286 Insofern erscheint es es wahrscheinlich, dass die durch Libanios, Theodoret und Evagrios beschriebene Palastanlage zu weiten Teilen aus tetrarchischer Zeit stammt und ihre Grundkonzeption auf Diokletian zurückzuführen ist. Auch der Entstehungszeitpunkt der von Libanios erwähnten Mauer, welche die Orontes-Insel umgab, ist nicht sicher bestimmbar.287 Die Bezeichnung der Orontes-Insel als ‚Neustadt‘ verdeutlicht, dass das Areal nicht von jeher zum ummauerten Stadtgebiet gehörte. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass der Palast außerhalb der Stadt lag. Daher scheint es möglich, dass der Ausbau der Orontes-Insel mit Palast und Bad unter Diokletian auch den Bau einer neuen Mauer oder zumindest den Ausbau einer älteren Mauer mit einschloss. Dadurch wurde das neu angelegte imperiale Repräsentationsareal zum ummauerten Stadtgebiet geschlagen und firmierte fortan unter der Bezeichnung ‚Neustadt‘.288 Die Erweiterung des Stadtgebietes durch einen Mauerneubau und die Errichtung der imperialen Residenz in jenem neuen Stadtteil ist für tetrarchische Residenzen mehrfach zu beobachten.289 In Bezug auf die gängigen Rekonstruktionen der Bauten auf der Orontes-Insel bemerkte G. Poccardi, dass in den verschiedenen Plänen die eingezeichneten Straßenverläufe und Proportionen der Gebäude nicht mit dem archäologischen Befund übereinstimmen. Darüber hinaus seien die in den Quellen beschriebenen Orientierungen der Gebäude in Bezug auf die Angaben zu Himmelsrichtungen kritisch zu hinterfragen.290 Auf Basis der Grabungsbefunde publizierte er eine korrigierte Version des ursprünglich von D. N. Wilber erstellten und in späteren Publikationen modifizierten Planes des Palastareals. 286
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Vgl. Kap. 1.4.2.1. Auf die Parallelen der Zugangssituation in Antiochia und Thessalonica weist u. a. Poccardi hin. Vgl. Poccardi 1994, S. 1009. Für Antiochia sind Mauerbauten von Seleukos I., Tiberius, Theodosius II. und Justinian bekannt. Die Mauerbauten des Seleukos und des Tiberius schließen die Orontes-Insel nicht mit ein. Die bei Libanios erwähnte Gründung der Neustadt inklusive Mauerbau durch Antiochos III. ist kritisch zu sehen, vermutlich handelt es sich hier um eine rückwirkende Konstruktion. Vgl. Saliou 2009, S. 239. Selbst wenn bereits in seleukidischer Zeit ein Mauerbau entstand, hatte dieser sicher nicht unbeschadet bis in das 4. Jahrhundert bestanden. Es stellt sich daher die Frage, auf wen der massive Mauerbau zurückgeht, der laut Libanios von den Antiochenern als eines der herausragendsten Merkmale der Insel genannt wurde. Lib. or. 11.250. Dies wurde in der bisherigen Forschung noch nicht thematisiert. Auch G. Downey geht in seinem topographischen Exkurs zu den Mauern und Toren der Stadt nicht auf die Mauer auf der Orontes-Insel ein. Vgl. Downey 1961, S. 612f. C. Saliou zeigt anhand der entsprechenden Schriftquellen, dass dieser Stadtteil in der Spätantike in administrativen Unterlagen als Neustadt bezeichnet wurde und dies folglich auch die offizielle Bezeichnung des Stadtteils gewesen zu sein scheint. Vgl. Saliou 2009, S. 239. Vgl. z. B. Kap. 1.2.2.1. Vgl. Poccardi 1994, S. 994 sowie S. 1014f; Poccardi 2001, S. 163. In Bezug auf die Himmelsrichtungen führt G. Poccardi auf Basis einer Neubewertung der entsprechenden Quellenstellen aus, dass bspw. bei Libanios als Norden angegebene Direktionen tatsächlich Nordwest meinen. Vgl. Poccardi 1994, S. 1016ff.
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Abbildung 11: Plan der Orontes-Insel mit korrigierten Straßenverläufen und angepassten Proportionen. (Quelle: Poccardi 1994, S. 1022, Abb. 9)
Abbildung 12: Detailausschnitt der Rekonstruktion der Orontes-Insel nach D.N. Wilber aus Abb. 9. 82
Während die grundlegende Verortung des Palastareals beibehalten werden kann, machen die entsprechend des archäologischen Befundes dargestellten Straßenverläufe einige korrigierende Aussagen zur Topographie der Orontes-Insel möglich. Folgt man G. Poccardis Rekonstruktionsvorschlag, lässt sich vor allem die Lokalisierung des Tetrapylons im Südwesten des Palastes nicht halten. Stattdessen ist die zentrale Kreuzung der Insel mit dem Tetrapylon direkt südlich des Hippodroms zu verorten (vgl. Abb. 10).
1.3.2.2 DER CIRCUS Das Hippodrom von Antiochia im Nordosten der Orontes-Insel ist durch die Grabungen von 1932 archäologisch belegt (vgl. Abb. 9, 2). Zwar war aufgrund der massiven Abtragung von Baumaterial nur wenig von der ursprünglichen Bausubstanz erhalten, der Verlauf der Fundamente ist jedoch durch eine Luftaufnahme bekannt und konnte im Rahmen der Grabungen in weiten Teilen freigelegt werden. Vom aufgehenden Gebäude fanden sich außerdem in situ Reste des Betonunterbaus der Sitzreihen, zwei Säulen aus rotem Granit am südlichen Ende der Rennbahn sowie ein Fragment einer Kalksteinsäule.291 Im Bericht zu den Grabungen wurden weitere Ausgrabungen angekündigt, die jedoch in der folgenden Publikation lediglich summarisch erwähnt wurden.292 Erst J. Humphrey wertete in seiner 1986 vorgelegten Untersuchung die Grabungsnotizen zum Circus von Antiochia aus den Jahren 1933–1936 aus.293 In der Gesamtschau lässt sich der Verlauf der Anlage weitestgehend rekonstruieren: Die Arena hatte eine Länge von gut 490 m und war zwischen 70 und 75 m breit. Die carceres befanden sich im Süden der Anlage, das halbrunde Ende der Rennbahn entsprechend im Norden. Die Sitzreihen fassten ca. 80 000 Besucher und der Circus von Antiochia ist damit die zweitgrößte bekannte Circusanlage nach dem Circus Maximus in Rom.294 Die Sitzreihen wurden gestützt durch darunter verlaufende Kreuzgewölberäume, an den Außenseiten befanden sich Arkadengänge.295 Am Südende sind Türme und Eingänge zu rekonstruieren, welche die carceres flankierten – diese können jedoch
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Eine Beschreibung der baulichen Situation findet sich im Grabungsbericht von W. A. Campell. Vgl. Campell, William A.: The Circus. In: Elderkin, George W. (Ed.): Antioch-on-the-Orontes I. The excavations of 1932. Princeton University Press, Princeton 1934. S. 34–41. S. 34f. Genannt werden Grabungen während der Kampagnen von 1933 und 1935, es gibt jedoch keinen ausführlicheren Bericht zu den gemachten Funden. Vgl. Stillwell, Richard: Antioch-on-the-Orontes II. The excavations of 1933–1936. Princeton University Press, Princeton 1938. S. 1ff. Vgl. Humphrey 1986, S. 444. Vgl. ebd., S. 445ff. Eine detaillierte Beschreibung der Anlage der Sitzreihen findet sich bei J. Humphrey. Vgl. Humphey 1986, S. 447f.
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nicht sicher einer bestimmten Bauphase zugeordnet werden. Die Art der Anlage zeigt jedoch Parallelen zum Circus des Maxentius an der Via Appia.296 Wo sich die sicher anzunehmende kaiserliche Loge (Khatisma) befand, ist nicht geklärt, ihre Existenz ist jedoch spätestens für die Regierungszeit des Constantius II. belegt.297 Relativ gut bekannt ist die Porta Triumphalis, deren Fundamente in der halbrunden Nordkurve freigelegt wurden und zeigen, dass es sich um einen dreitorigen Eingangsbogen handelte. Vor dem monumentalen Eingang lag eine 10,5 m breite Straße.298 Auch entlang der östlichen Längsseite verlief eine knapp 9,5 m breite Straße mit Kolonnaden, die in Richtung Süden vermutlich auf die ost-westlich verlaufende Hauptstraße der Orontes-Insel stieß.299 In Bezug auf die Ausstattung ist ein Obelisk überliefert, der laut dem Bericht des Marcellinus Comes bei dem Erdbeben des Jahres 526 n. Chr. umstürzte. Die Quelle erwähnt jedoch nicht, welcher Kaiser dessen Aufstellung veranlasste.300 Darüber hinaus wurden Fundamente und Kanäle des euripus freigelegt, die eine Bestimmung der metae an den Enden der spina ermöglichten.301 Während demnach die Existenz des Hippodroms und dessen Grundstruktur hinreichend belegt sind, bleibt die Datierung der Anlage unsicher. Da der archäologische Befund in Bezug auf die Chronologie der Anlage nur bedingt Auskunft geben kann, ist auch hier der Abgleich mit den Informationen aus der schriftlichen Überlieferung essentiell. Aus den Quellen wird deutlich, dass bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. ein Hippodrom in Antiochia existierte, das von Johannes Malalas als ‚altes Hippodrom‘ bezeichnet wird.302 Die Ausgräber datierten die erste Bauphase des Hippodroms auf der Orontes-Insel aufgrund von Münzfunden in den Schichten unterhalb der Fundamente ebenfalls in das 1. Jahrhundert v. Chr. und hielten eine Identifikation mit dem durch Malalas überlieferten Stadion des Quintus Marcius Rex für möglich. Es folgten mehrere Aus- und Umbauphasen, wovon die tiefgreifendste ebenfalls aufgrund von Münzfunden und Tonscherben in das 4. Jahrhundert datiert wurde. Hierbei kam es zu einer Anhebung 296
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Vgl. Campell 1934, S. 37f; Humphrey 1986, S. 452. Sicher belegt sind die Türme durch den Bericht des Evagrios zum Beben von 458 n. Chr., bei dem die besagten Türme einstürzten. Vgl. Zitat oben, S. 65. Ammianus Marcellinus berichtet von einer Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser Constantius II und dem ehemaligen Tribunen Aphilochios. Jener kam beim Einsturz seiner Loge im Circus, die der Loge des Kaisers direkt gegenüberlag, ums Leben. Vgl. Amm. Marc. 21.6.3 sowie Heucke 1994, S. 360. Vgl. Campell 1934, S. 39f. Eine Rekonstruktion der Gesamtanlage auf Basis der Grabungen der Princeton University findet sich bei J. Humphrey. Vgl. Humphery 1986, S. 446, Abb. 207. Vgl. Humphrey 1986, S. 448. Vgl. Heucke 1994, S. 366 inkl. Quellenangaben sowie Downey 1961, S. 521, Anm. 81. Vgl. Humphrey 1986, S. 454f. Malalas berichtet, dass Agrippa anlässlich eines Besuches in Antiochia das ursprünglich von Quintus Marcius Rex zusammen mit einem Palast errichtete alte Hippodrom wieder habe aufbauen lassen. Vgl. Malal. 9.225. G. Downey diskutierte die Historizität der Angaben und datierte den Wiederaubau des Hippodroms auf Agrippas Besuch in Antiochia im Jahre 15 v. Chr. Vgl. Downey 1961, S. 171f.
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des Bodenniveaus der Arena um 20 cm, des Weiteren wurde neuer Beton auf den alten Fundamenten aufgetragen und eine neue Kolonnade an der östlichen Längsseite angelegt.303 Die Chronologie des Ausbaus in der Zwischenzeit ist jedoch umstritten. Für die Kaiserzeit finden sich vielfältigste Hinweise auf Wagenrennen in Antiochia.304 In Bezug auf die bauliche Ausgestaltung legt der Bericht des Cassius Dio über die verheerenden Zerstörungen des Bebens von 115 n. Chr. nahe, dass auch der Circus dabei in Mitleidenschaft gezogen wurde und danach Wiederaufbaumaßnahmen notwendig wurden.305 Aufgrunddessen geht J. Humphrey davon aus, dass in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts ein kompletter Neubau der Anlage erfolgte und die freigelegten Fundamente in diese Zeit zu datieren sind. Gestützt wird diese Annahme durch den Fund von Keramik aus dem 1. und frühen 2. Jahrhundert unterhalb der carceres und der Sitzbänke an den Längsseiten, die einen terminus post quem für Baumaßnahmen an diesen Teilen liefern. Für den Vorgänger-Circus aus dem 1. Jahrhundert hält Humphrey eine weitaus kleinere und weniger massive Anlage für wahrscheinlich, deren Fundamente nur in Teilen analog zu denen aus dem 2. Jahrhundert verliefen. Im 4. Jahrhundert habe dann im Zusammenhang mit der wachsenden Bedeutung Antiochias als Kaiserresidenz ein nochmaliger Ausbau der Anlage stattgefunden. Wahrscheinlich ist aufgrund von konstantinischen Münzfunden ein Ausbau nach dem Beben von 341 n. Chr. unter Constantius II., dessen Hauptresidenz Antiochia zwischen 335 und 350 n. Chr. war.306 Für das 4. und 5. Jahrhundert sind weitere Restaurierungsmaßnahmen im Nachgang der berichteten Zerstörungen durch Erdbeben anzunehmen, da eine anhaltende Nutzung des Gebäudes bis in das frühe 6. Jahrhundert belegt ist.307 Aufgegeben wurde die Anlage vermutlich aufgrund der schweren Zerstörungen durch das Beben von 526 n. Chr., in deren Nachgang die neue Stadtmauer eventuell aus Teilen des zerstörten Hippodroms errichtet wurde.308 Wenn Malalas also berichtet, dass Diokletian seine Thermenanlage in der Ebene beim alten Hippodrom errichtet habe, meint die Bezeichnung ‚altes Hippodrom‘ das Hippodrom auf der Orontes-Insel.309 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Bezeichnung ‚altes Hippodrom‘ zwangsläufig die Existenz eines ‚neuen Hippodroms‘ impliziert und was für ein Gebäude man 303 304
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Vgl. Campell 1934, S. 40. Für eine Zusammenstellung der maßgeblichen Publikationen zum Circusleben in Antiochia vgl. Heucke 1994, S. 354. Cassius Dio 68.25.5. Vgl. Humphrey 1986, S. 455ff. Eine Zusammenstellung der Quellenstellen findet sich u. a. bei C. Heucke. Vgl. Heucke 1994, S. 357ff. Vgl. Humphrey 1986, S. 456. J. Humphrey zeigt auf, dass die Formulierung ‚in der Ebene‘ auch bei Libanios zur Beschreibung der Orontes-Insel verwendet wird und somit eine gängige Bezeichnung des Areals gewesen sein wird. Vgl. Humphrey 1986, S. 457.
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sich unter jenem neuen Hippodrom vorzustellen hat. J. Humphrey nimmt an, dass hier nicht von einem tatsächlichen befestigten Hippodrom, sondern eher von einer Art Hippodrom-Garten oder einem kleineren Stadion ohne Sitzreihen auszugehen ist. Folglich schlägt er eine Identifikation mit dem ebenfalls 1932 ergrabenen byzantinischen Stadion auf der Orontes-Insel vor (vgl. Abb. 9, 8).310 Ein Aus- oder Neubau der Circusanlage unter Diokletian wird nicht erwähnt. Dies passt auch zum archäologischen Befund, auf dessen Grundlage ein Ausbau frühestens in konstantinischer Zeit angenommen werden kann.311 Zusammenfassend bedeutet dies, dass für den Circus von Antiochia weder ein Neubau noch tiefgreifende Restaurierungsmaßnahmen in tetrarchischer Zeit anzunehmen sind. Diokletian nahm mit seinen Neubauten von Palast und Kaiserthermen jedoch räumlich Bezug auf die bestehende Circusanlage auf der Orontes-Insel.
1.3.2.3 DIE KAISERTHERMEN Durch den bereits oben wiedergegebenen Bericht des Malalas ist überliefert, dass Diokletian in Antiochia eine große Thermenanlage beim alten Hippodrom – das nach ihm benannte Diokletianum – errichten ließ.312 Dies belegt eine Finanzierung des Bauvorhabends durch das Kaiserhaus, die im Zusammenhang mit der Bennennung nach ihrem kaiserlichen Stifter nahelegt, dass es sich hier um einen Thermenbau im imperialen Typus handelte. Die Benennung als Diokletianum – anstatt beispielsweise der gängigen Bezeichnung als thermas felices mit dem Namenszusatz des Stifters – erinnert starkt an die andere monumentale Kaiserthermenanlage der Stadt, die Commodiana. Womöglich wollte Diokletian mit seiner Anlage mit der prominenten Stiftung des Commodus konkurrieren. Durch die Lokalisierung des Hippodroms ist außerdem geklärt, dass der erwähnte Thermenbau sich ebenfalls auf der Orontes-Insel befand, vermutlich unweit des diokletianischen Palastareals. Zumindest für den Zeitpunkt des Bebens im Jahr 458 n. Chr. ist durch die oben zitierte Beschreibung des Evagrios gesichert, dass es ein Bad neben der Palastanlage gab.313 Ob dies identisch mit dem durch Diokletian gestiftenen Thermenbau ist, lässt sich daraus nicht sicher schließen.
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Vgl. ebd., S. 457f. Ebenso argumentierte bereits G. Downey. Vgl. Downey 1961, S. 649. In einigen Publikationen wird für Diokletians Ausbauprogramm auch eine Restaurierung des Hippodroms in Zusammenhang mit dem Palastbau postuliert, so bspw. bei G. Poccardi und F. Yegül. Vgl. Poccardi 1994, S. 993; Yegül, Fikret: Bathing in the Roman World. Cambridge University Press, New York 2010, S. 190. Dies wird weder durch die Schriftquellen noch durch den archäologischen Befund nahegelegt. Malalas erwähnt lediglich den Palastbau beim alten Hippodrom, keinen Umbau desselben und auch der Grabungsbefund von 1932 liefert keinerlei Hinweise auf einen Ausbau in tetrarchischer Zeit. Vgl. Zitat S. 60. Vgl. Zitat S. 65.
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Abbildung 13: Grundriss Bad C nach Boëthius & Ward-Perkins 1970. (Quelle: Nielsen 1990, S. 210, Abb. 254) Im Rahmen der in den 1930er Jahren durchgeführten Grabungen der Princeton University wurden sechs öffentliche Badanlagen freigelegt. Nur eines davon, das an das byzantinische Stadium grenzende Bad C auf der Orontes-Insel, entspricht dem imperialen Typus (vgl. Abb. 9, 7).314 314
Eine detaillierte Beschreibung Ausgrabungsarbeiten findet sich im Grabungsbericht von C. S. Fisher. Vgl. Fisher, Clarence S.: Bath C. In: Elderkin, George W. (Ed.): Antioch-on-the-Orontes I. The excava-
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Die letzte Ausbauphase wird aufgrund des Dekors der Marmorböden in die Mitte des 4. Jahrhunderts datiert, die Anlage entstand jedoch früher. F. Yegül datiert die Entstehung der Therme im imperialen Typus in die Mitte des 3. Jahrhunderts und vermutet eine Entstehung unter den Severern.315 Yegül konstantierte bereits die Parallelen zwischen dem Bad C und dem Wenigen, was über die Diokletiansthermen bekannt ist. Wie das Bad C befanden sich diese auf der Orontes-Insel, auf ebenem Grund in der Nähe des Hippodroms.316 Es wäre demnach möglich, dass es sich bei dem Bad C im imperialen Typus um das von Malalas erwähnte Diokletianum handeln könnte. Unklar ist, inwiefern die Bäder des Valens, die sich ebenfalls auf der Orontes-Insel befanden, in Beziehung zu den Thermen Diokletians standen.317 Das Bad C ist eine der wenigen Kaiserthermen aus tetrarchischen Residenzstädten, die in ihrer genauen Ausdehnung bekannt ist. Zwar waren die Mauern größtenteils abgetragen worden, doch die Fundamente sind komplett erhalten geblieben. Aufgrund der Grabungen konnte daher der Grundriss der Anlage in Gänze rekonstruiert werden, lediglich die genaue Verortung der Türen ist nicht immer gesichert.318 Das Gebäude war insgesamt 80 m lang und bedeckte eine Fläche von 3700 m².319 Von der Straße aus war das Bad vermutlich über eine monumentale Eingangstreppe mit einer offenen Säulenvorhalle zugänglich. An diese schloss eine Eingangshalle von 36 x 8,5 m an, die von zwei rechteckigen Seitenräumen mit identischen Ausmaßen flankiert wurde (vgl. Abb. 12, V).320 Vom Vestibül aus wurden die von Nord nach Süd axial-symmetrisch angelegten weiteren Räumlichkeiten der Thermenanlage erschlossen. Die zentralen Elemente der Nord-Süd-Achse sind zwei überkuppelte achteckige Hallen, um die kleinere apsidial angelegte Raumeinheiten gruppiert wurden, die das Gebäude wiederum um zwei Ost-West-Achsen
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tions of 1932. Princeton University Press, Princeton 1934. S. 19–31. Vgl. Yegül 2010, S. 190; Yegül 2000, S. 151, Anm. 9. Vgl. Yegül 2000, S. 150. Vgl. Yegül 2000, S. 149. Malalas erwähnt nur die Begründung eines öffentlichen Bades in der Nähe des Hippodroms. Es gibt keine Angabe zur Größe oder Benennung der Anlage, es muss sich daher nicht um Kaiserthermen gehandelt haben. Malal. 13.339. Vgl. Fisher 1934, S. 20. Vgl. Nielsen, Inge: Thermae et Balnea. The Architecture and Cultural History of Roman Public Baths. Aarhus University Press, Aarhus 1990, Bd. II, S. 45, Kat. Nr. C 374. Die genaue Zugangssituation ist nicht gesichert. Im Ausgrabungsbericht stellt C.S. Fisher die These auf, dass die Seitenräume die eigentlichen Vestibüle waren, über die der Bau zugänglich war und dass man erst über diese in die Empfangshalle gelangte. Vgl. Fisher 1934, S. 21. Bei I. Nielsen werden sowohl die Halle als auch die Seitenräume als Vestibül deklariert. Vgl. Nielsen 1990, S. 104. Auch F. Yegül geht davon aus, dass die Säulenhalle direkt in die Vorhalle führte. Vgl. Yegül 2010, S. 190f. Aufällig ist das Fehlen einer Palaestra. Laut F. Yegül waren diese in römischen Thermenanlagen in Syrien und den östlichen Provinzen bereits vor der Christianisierung unüblich. Vgl. Yegül 2000, S. 146. I. Nielsen merkt ebenfalls an, dass die Palaestra zumindest bei späten Thermenbauten zunehmend überflüssig wurde. Vgl. Nielsen 1990, S. 104 mit Anm. 65.
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ergänzten. Das größere, nördliche Oktagon mit einem Durchmesser von 20,5 m diente als Frigidarium und war mit einer natatio ausgestattet (vgl. Abb. 12, F).321 Das zentrale Wasserbecken hatte einen Durchmesser von 9,5 m und war ca. 1 m tief. Ob sich in den vier Exedren des Oktagons ebenfalls Wasserbecken befanden, ist nicht klar. Die gefundenen Reste der Verzierung deuten eher auf dekorierte Nischen hin, die eventuell der Aufstellung von Statuen dienten.322 Das Frigidarium war vermutlich nicht direkt von der Vorhalle, sondern lediglich über die seitlich anschließenden Umkleideräume zugänglich (vgl. Abb. 12, A).323 Über die südlich auf das Frigidarium folgenden Räume, deren Funktion nicht eindeutig bestimmbar ist, gelangte man in das Tepidarium. Die rechteckige Halle von 14,5 x ca. 8 m nördlich vor dem Tepidarium diente vermutlich als Übergangshalle in den beheizten Bereich der Therme, die seitlich angrenzenden Räume könnten als zusätzliche Apodyteria fungiert haben (vgl. Abb. 12, U). Das Tepidarium selbst bestand nicht nur aus dem rechteckigen Raum auf der Hauptachse, sondern auch die seitlich angrenzenden Räume scheinen als Dampfbäder gedient zu haben (vgl. Abb. 12, T). Von diesen Räumen aus erreichte man schließlich das etwas kleinere südliche Oktagon sowie dessen vier apsidial angelegte Nebenräume, die als Caldarium dienten (vgl. Abb. 12, C). Das südliche Oktagon hatte einen Durchmesser von knapp 12 m und wie im Frigidarium befanden sich in den Seitenwänden vier Exedren.324 Ganz im Süden, angrenzend an das Caldarium, befanden sich außerdem die drei Hauptpräfurnien, über welche die Beheizung der Anlage gesichert wurde (vgl. Abb. 12, Pr). Das Bad war mit Mosaiken und Marmorböden aus opus sectile ausgestattet. Aufgrund der Spoliation des Gebäudes wurden bei den Ausgrabungen lediglich Teile der Bodendekoration in situ gefunden, vor allem in den nördlichen Räumen. Insbesondere das Frigidarium verfügte über eine elaborierte Dekoration aus polychromem Marmor. Unter anderem die Böden der Caldaria waren jedoch komplett abgetragen worden und sind folglich nicht mehr zu rekonstruieren.325 Auffällig ist, dass der südliche Teil der Anlage aus anderem Baumaterial besteht als der nördliche Teil. Im Süden wurden teilweise gebrochene Ziegelsteine und Bruchsteine verwendet, 321
322 323
324 325
Laut F. Yegül fungierte das Frigidarium gleichzeitig als Eingangshalle. Vgl. Yegül 2000, S. 150. Diese Deutung ist jedoch allein schon aufgrund der Größe des Wasserbassins in der Mitte des Raumes eher unwahrscheinlich. Zwar fungierte in den östlichen Provinzen in kleineren Thermenanlagen das Frigidarium teilweise auch als Versammlungs- und Empfangshalle, doch ist dies im Falle von Bad C nicht anzunehmen, da eine vorgelagerte Eingangshalle vorhanden war. Ungewöhnlich ist jedoch zumindest für kaiserzeitliche Thermenbauten die oktogonale Form des Frigidariums. Ein weiteres Beispiel für eine solche Konstruktion ist die ebenfalls severianische Anlage in Bostra. Vgl. Nielsen 1990, S. 115. Vgl. Fisher 1934, S. 22. Die beiden größeren, apsidial angelegten Apodyteria waren 8,20 m lang und 6 m breit. Die halbrunden Exedren hatten in der Außenmauer eine Breite von 5,20 m. Vgl. Fisher 1934, S. 21. Vgl. ebd., S. 25f. Vgl. Fisher 1934, S. 20.
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die dann verkleidet wurden. Da das Bodenniveau jedoch dem des Nordteils entspricht, scheint der Unterschied im Baumaterial auf einen späteren Wiederaufbau der südlichen Räumlichkeiten hinzudeuten.326 Es stellt sich in Hinblick auf den Ausbau Antiochias in tetrarchischer Zeit die Frage, ob die auf der Orontes-Insel zu lokalisierenden Diokletiansthermen mit dem Bad C gleichzusetzen sind. Problematisch ist die ungenaue Datierung der Anlage. Laut dem Grabungsbericht lassen sich auf dem Gelände mindestens vier Bauphasen nachweisen. Zunächst befanden sich auf dem Areal römische Wohnbauten. Nach den weitreichenden Zerstörungen durch das große Erdbeben von 115 n. Chr. entstand vermutlich eine erste Thermenanlage, die somit in das frühe 2. Jahrhundert zu datieren wäre. Nach der Zerstörung dieser Thermenanlage, wahrscheinlich ebenfalls durch ein Erdbeben, entstand ein monumentaler Neubau im imperialen Typus. Im Bauschutt dieser Phase wurde eine Münze des Septimius Severus gefunden, die als terminus post quem für die Errichtung der Anlage dienen kann. Auf den Fundamenten dieser Thermenanlage wurde zu einem nicht sicher datierbaren späteren Zeitpunkt ein Neubau errichtet, der dem alten Grundriss folgte. Die Reste der Mosaikausstattung auf dem Bodenniveau des Neubaus wurden durch die Ausgräber in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert. Das abweichende Baumaterial des Südteils deutet außerdem auf eine nochmalige Zerstörung und anschließende hastig durchgeführte Restaurierung der betroffenen Gebäudeteile hin. Die Ausgräber datieren diesen Wiederaufbau in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts.327 Diese Datierung erscheint jedoch wenig plausibel, da die Anlage nach dem justinianischen Mauerneubau außerhalb des Stadtgebietes lag.328 Vermutlich sind daher die letzten Restaurierungsmaßnahmen an Teilen der Anlage eher in das späte 5. Jahrhundert zu datieren. Generell ist die im Grabungsbericht vorgenommene Datierung der einzelnen Bauphasen umstritten. F. Yegül beispielsweise zweifelt die Existenz eines ersten Bades aus dem frühen 2. Jahrhundert an. Er hält den Thermenbau aus dem 3. Jahrhundert für einen originären Neubau und datiert die spätere maßgebliche Umbauphase lediglich grob in das 4. Jahrhundert.329 Es wäre demnach folgende Zuschreibung möglich: Eventuell entstand bereits im frühen 2. Jahrhundert auf dem Areal eine erste Thermenanlage, die durch ein Erdbeben zerstört wurde. Sicher ist jedoch ein völliger Neubau im 3. Jahrhundert als Therme im imperialen Typus, deren Fundamente bei allen weiteren Aus- und Umbauten genutzt wurden. Dieser Thermenneubau erfolgte aufgrund des Münzfundes frühestens unter den Severern. Da Malalas angibt, dass Septimius Severus das Severianum am Fuße des Silpios errichten ließ, erscheint es unwahrscheinlich, 326 327 328 329
Vgl. ebd., S. 26. Vgl. ebd., S. 31. Vgl. ebd., S. 19f; Nielsen 1990. S. 113. Vgl. Yegül 2010, S. 190.
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dass zeitgleich eine weitere Kaisertherme auf der Orontes-Insel entstand. Darüber hinaus legt der archäologische Befund nahe, dass sich hier in der hohen Kaiserzeit außer dem Hippodrom überwiegend Wohnbauten befunden haben. Der Ausbau zum imperialen Repräsentationsareal scheint erst in der Spätantike erfolgt zu sein.330 Demnach könnte es sich bei dem im 3. Jahrhundert auf der Orontes-Insel errichteten Bad C um das Diokletianum gehandelt haben. Der Neubau der Anlage und die Entstehung der Mosaike in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts könnten mit dem zunehmenden Status der Stadt als Kaiserresidenz des Valens zusammenhängen. In Bezug auf das weitere Schicksal der Anlage berichtet Evagrios von der Zerstörung fast aller Bauten auf der Orontes-Insel außer des Bades neben dem Palast durch das große Erdbeben von 458 n. Chr. Dieses sei unbenutzt gewesen und nach dem Beben schnell in Betrieb genommen worden, da die anderen Bäder der Stadt in Mitleidenschaft gezogen waren.331 Dies ließe sich mit der anscheinend nur oberflächlich durchgeführten Restaurierung des Südteils im 5. Jahrhundert in Einklang bringen. Bis auf weiteres muss diese Zuschreibung hypothetisch bleiben. Von den anderen auf der Orontes-Insel freigelegten Bädern würden aufgrund der Datierung in das frühe 4. Jahrhundert noch Bad E nord-östlich des Hippodroms sowie das Bad B in dessen Südosten und das Bad D im Südwesten in Frage kommen.332 Diese sind jedoch nicht im imperialen Typus angelegt. In Anbetracht der topographischen Hinweise in den Schriftquellen und der unsicheren Datierung ist die Möglichkeit einer Identifikation von Bad C als Kaisertherme Diokletians zumindest nicht von der Hand zu weisen.
1.3.2.4 WEITERE BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT Die weiteren durch Malalas überlieferten Bauten des Diokletian in Antiochia sind archäologisch nicht belegt. Weder zur Lokalisierung der imperialen Münze, der Waffenfabriken, der Getreidespeicher noch der weiteren Badanlagen sind Aussagen möglich. Bei den Grabungsarbeiten von 1935 wurde der Kopf einer Tetrarchenstatue aus Porphyr geborgen. Allerdings sind keine weiteren Informationen zu Fundort, Statuentypus oder Aufstellungszusammenhang bekannt.333 Diokletian baute laut Malalas außerdem einen Palast im Vorort Daphne sowie ein Stadium, in welchem er außerdem einen Schrein für Zeus Olympos errichtete. Bisher gibt es keinerlei archäologische Hinweise auf diese Anlage oder die weiteren, vermutlich ebenfalls in Daphne
330
331 332 333
Lediglich die große Tempelanlage östlich des Hippodroms stellt möglicherweise eine Ausnahme da, da diese nie umfassend untersucht wurde und somit keine Datierung vorliegt. Vgl. Zitat S. 65. Vgl. den Überblick zu den Bauten auf der Orontes-Insel bei Poccardi 1994, S. 1003f. Vgl. Stillwell 1938, S. 172, Kat. Nr. 136 sowie Abb. Plate 6, Nr. 136.
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erbauten Tempelanlagen für Hekate und Apollon. Vermutlich handelte es sich bei dem Stadium nicht um einen Neubau, sondern um die Restaurierung des seit hellenistischer Zeit bestehenden Stadions, in dem die Olympischen Spiele zu Ehren des Zeus stattfanden.334 Auch hier erfolgte also die Kombination der kaiserlichen Residenz mit einer bestehenden Circusanlage. Der erwähnte Palast ist in Bezug auf Funktion und Ausmaße vermutlich eher mit einer villa suburbana zu vergleichen als mit einer innerstädtischen Palastanlage größeren Ausmaßes wie derjenigen auf der Orontes-Insel.
1.3.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Auch im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts blieb Antiochia zunächst Kaiserresidenz und war eine der wichtigsten Metropolen des römischen Ostens. Für Konstantin sind mehrere Aufenthalte überliefert und Constantius II. scheint von 335–350 n. Chr. hauptsächlich in Antiochia residiert zu haben.335 Konstantin stiftete hier die durch Eusebius überlieferte Goldene Kirche in der Nähe des Palastes auf der Orontes-Insel, die unter Constantius II. fertig gestellt und geweiht wurde.336 Der Aufenthalt Kaiser Julians 362/3 n. Chr. endete in einem Konflikt des Kaisers mit der städtischen Bevölkerung. Daher sind, auch aufgrund der kurzen Regierungsdauer Julians, für diese Zeit keine größeren Baumaßnahmen anzunehmen.337 Unter Valens (363–378 n. Chr.) war Antiochia ein letztes Mal Herrscherresidenz, bevor unter den Mitgliedern der theodosianischen Dynastie Konstantinopel endgültig zur Hauptstadt der östlichen Reichshälfte wurde. Entsprechend veranlasste Valens nochmals einen massiven Ausbau der Stadt. Unter anderem entstand auf dem Areal des durch Commodus ausgebauten ‚Olympischen Quartiers‘ das Kaiserforum mit einer Ehrensäule für Valentinian I. und angrenzenden Bauten.338 Es ist außerdem eine öffentliche Thermenanlage überliefert, die bisher nicht lokalisiert werden konnte, sich aber laut Malalas in der Nähe des Hippodroms befand und demnach auf der Orontes-Insel zu lokalisieren ist.339 Die anhaltende Bedeutung der Stadt als eine der führenden Metropolen des Ostens spiegelt sich auch in den Schriftquellen aus dem 4. Jahrhundert. Ammianus Marcellinus bezeichnet Antiochia als die schönste Stadt des Ostens.340 Ausonius nennt sie zusammen mit Alexandria an
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Vgl. Downey 1961, S. 325f. Vgl. Barnes 1982, S. 85; Downey 1961, S. 355f. Euseb. Vit. Const. 3.50.2. Vgl. Downey 1961, S. 380–396. Vgl. Downey 1961, S. 403–410. Malal. 13.339. Amm. Marc. 22.9.14.
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dritter Stelle seiner Reihenfolge bekannter Städte, nach Rom, Konstantinopel und Karthago.341 Und vor allem in der bereits zitierten Rede des Libanios von 356 n. Chr. wird die Pracht der Stadt eindrücklich geschildert.342 Obwohl Antiochia auch im 5. Jahrhundert eine wichtige christliche Metropole des Ostens blieb, scheint sich das Fernbleiben der Kaiser zumindest bei den Bauten auf der Orontes-Insel bemerkbar gemacht zu haben. Wie Evagrios berichtet war das Bad neben dem Palast zum Zeitpunkt des großen Bebens 458 n. Chr. außer Betrieb. Das genaue Ende der Nutzung der Orontes-Insel im Allgemeinen und des Palastes im Speziellen ist nicht bekannt. Spätestens mit der Aufgabe der Orontes-Insel in der Mitte des 6. Jahrhunderts wird auch das Palastareal verfallen sein.343 In der Mitte des 6. Jahrhunderts wirkten sich eine Reihe von Katastrophen verheerend auf die Stadt aus: 525 n. Chr. ein Großbrand, 526 und 528 n. Chr. starke Erdbeben, 540 n. Chr. eine Invasion der Perser und schließlich seit 542 n. Chr. mehrfache Ausbrüche der Beulenpest führten zu einem massiven Bevölkerungsrückgang und einer Zerstörung der städtischen Infrastruktur. Zwar veranlasst Justinian nach der persischen Besatzung 540 n. Chr. umfassende Wiederaufbaumaßnahmen, doch zeigt der Verlauf des justinianischen Mauerbaus, dass die Stadt nur stark verkleinert weiterbestand.344 Unter anderem das imperiale Repräsentationsareal mit Palast und Hippodrom auf der Orontes-Insel war nicht mehr Teil des ummauerten Stadtgebiets und wird vermutlich in Ruinen gelassen worden sein. Nichtsdestotrotz bestand Antiochia auch nach der arabischen Exansion 638 n. Chr. als Stadt weiter.345
1.3.4 FAZIT ANTIOCHIA In Antiochia ist vor allem durch die Schriftquellen ein maßgeblicher Ausbau in tetrarchischer Zeit überliefert. Angrenzend an das kaiserzeitliche Hippodrom auf der Orontes-Insel entstanden eine weitläufige Palastanlage sowie eine nach Diokletian benannte Thermenanlage, die als Therme im imperialen Typus zu rekonstruieren ist. Es bestand demnach in Antiochia ein räumlicher Bezug zwischen Palast und Circus beziehungsweise eventuell sogar zwischen Pa341 342 343
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Ausonius, ord. urb. nob. 4–5. Lib. or. 11. Laut einem Bericht des Johannes Rufus kampierte während seines Besuchs in Antiochia zwischen 512 und 518 n. Chr. ein Eremit in einem Zelt vor dem geschlossenen Palast auf der Insel. Vgl. Downey 1961, S. 646. Prokop de aed. 2.10. Ein Abriss der Stadtgeschichte im 6. Jahrhundert findet sich u. a. bei C. Voss. Vgl. Voss, Clive: Late Antique Antioch. In: Kondoleon, Christine (Ed.): Antioch. The Lost Ancient City. Princeton University Press, Princeton 2000. S. 23–27. Vgl. Kondoleon 2000, S. 4f.
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last, Circus und Kaisertherme. Dabei scheint der Circus zunächst unverändert in das imperiale Repräsentationsareal einbezogen worden zu sein, denn Hinweise auf einen Ausbau der Anlage datieren erst in die Regierungszeit von Konstantin bzw. von dessen Nachfolger Constantius II. Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage nach einer Erweiterung der Stadtmauern. Zwar wird in den Quellen kein Mauerbau Diokletians erwähnt, es ist jedoch möglich, dass die durch Libanios überlieferte Mauer auf der Orontes-Insel zusammen mit der Palastanlage und dem Bad im späten 3. Jahrhundert entstand. Folgt man dieser Annahme, dann unternahm Diokletian einen massiven Ausbau der Orontes-Insel zu einem imperialen Representationsareal mit dem bereits bestehenden Hippodrom, einem Palast und einer Kaisertherme. Auf das Ausmaß dieses Ausbaus, aber auch auf den Mauerneubau, deutet hin, dass die Orontes-Insel in der Spätantike als ‚Neustadt‘ bezeichnet wurde, deren prägende Elemente der Palast sowie die massive Mauer waren. Die Beschreibung des Evagrios zu den Zerstörungen von 458 n. Chr. impliziert nicht nur die räumliche Verbindung der Bauten, sondern zeigt auch, dass dieses Areal durch die Zeitgenossen als Einheit wahrgenommen wurde. Zudem kann für die Palastanlage in Antiochia in tetrarchischer Zeit plausibel für die Existenz von zwei Schaufassaden – eine zum Meer und eine zur Stadt hin – argumentiert werden. Darüber hinaus entstanden Kornspeicher und Waffenfabriken zur Verbesserung der städtischen Infrastruktur und militärischen Versorgung. Im Vorort Daphne erbaute Diokletian eine weitere Palastanlage und restaurierte das olympische Stadion. Nichtsdestotrotz ist in der Forschung ist auch im Falle von Antiochia umstritten, ob sie als Residenzstadt zu klassifizieren ist.346 Die Häufigkeit und Dauer der Aufenthalte Diokletians in der Stadt sowie der Bau von gleich zwei kaiserlichen Residenzen machen jedoch den Status der Stadt als Residenz des Diokletian deutlich.
1.4 THESSALONIKE (THESSALONIKI) Als langjährige Hauptresidenz des Galerius erfuhr Thessalonike einen maßgeblichen Ausbau, der auch unter Konstantin zunächst fortgesetzt wurde. Im Widerspruch zu der politischen Bedeutung der Stadt steht, dass sich in den schriftlichen Quellen kaum Aussagen zu Thessalonike in tetrarchischer Zeit finden. Umso wichtiger ist der archäologische Befund, um die Monumen-
346
Ebenso wie T. Barnes bzeichnet J. Humphrey Antiochia für den Zeitraum zwischen 299 und 302 n. Chr. als Hauptresidenz Diokletians. Vgl. Humphrey 1986, S. 631. G. Downey sieht Antiochia als eine der wichtigsten Residenzen Diokletians und hinterfragt generell das Konzept einer sogenannten Hauptresidenz. Vgl. Downey 1961, S. 323. Kritisch dazu C. Heucke, der zwar die herausgehobene Stellung der Stadt auch in tetrarchischer Zeit anerkennt, aber eher der These A. Demandts folgt, dass Antiochia als Provinzhauptstadt zu klassifizieren sei, die des Öfteren den kaiserlichen Hof beherbergte. Vgl. Heucke 1994, S. 353.
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talisierung der Stadt in tetrarchisch-konstantinischer Zeit rekonstruieren zu können. Allerdings stellen sich auch durch die moderne Überbauung und die unzusammenhängende Publikation der Grabungsergebnisse Herausforderungen bei der Analyse der Stadttopographie im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert. Nichtsdestotrotz ist durch die freigelegten Überreste des Palastes im Südosten der Stadt hier von einem Glücksfall der baulichen Überlieferung zu sprechen. Anders als in Nicomedia oder Antiochia sind in Thessalonike mit den Resten des Galeriusbogens, der Rotunda, dem Oktogon mit Peristylhof und dem Apsidensaal samt angrenzendem Hippodrom die zentralen Repräsentationsräume der tetrarchischen Herrscherresidenz in ihrer Grundstruktur bekannt. Systematische Grabungen in diesem Gebiet, insbesondere im Bereich vom Galeriusbogen bis zur Rotunda, fanden erstmals in den Jahren 1938/39 und 1953 unter der Leitung E. Dyggves statt.347 Weitere Grabungen im Bereich des Palastareals wurden unter der Leitung von Ch. Makaronas zwischen 1950 und 1955 durchgeführt, bei denen unter anderem das Oktogon erforscht wurde. Ab den 1960er Jahren wurde auch die antike Agora im Stadtzentrum des modernen Thessaloniki freigelegt und zwischen 1962 und 1972 folgten systematische Grabungen auf dem Gebiet des Oktogons.348 Durch die 1984 erschienene Publikation ‚Thessalonique et ses monuments du IVe au VIe siècle‘ von J.-M. Spieser wurde der archäologische Befund zur Topographie der Stadt erstmals zusammenhängend ausgewertet und dessen bisherige Deutung kritisch hinterfragt.349 Insbesondere um die Rekonstruktion des seit 1994 in weiteren Ausgrabungen untersuchten Palastareals hat sich M. Spieser auch in jüngster Zeit mit einer summarischen Zusammenfassung der Ergebnisse der neueren archäologischen Forschung verdient gemacht.350
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Die Grabungsberichte wurden nie zusammenhängend publiziert, sondern lediglich in mehreren summarischen Kongressberichten diskutiert. Vgl. u. a. Dyggve, Einar: Recherches sur le palais impérial de Thessalonique. In: Studia Orientalia Ionanni Pedersen. Munksgaard, Copenhagen 1953. S. 59–70; ders.: La region palatiale de Thessalonique. In: Acta Congressus Madvigiani – Proceedings of the Second International Congress of Classical Studies, Vol. I. Munksgaard, Copenhagen 1958. S. 353–365. Für eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Grabungsarbeiten vgl. Torp, Hjalmar: L’entrée septentrionale du palais impérial de Thessalonique: L’arc the triomphe et le vestibulum d’après les fouilles d’Ejnar Dyggve en 1939. In: AntTard 11, 2003. S. 239–272. Für einen summarischen Überblick zur internationalen und lokalen Forschungsgeschichte vgl. Hadjitryphonos, Evangelia: The Palace of Galerius in Thessalonike: its place in the modern city and an account of the state of research. In: Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 203–217. Spieser, Jean-Michel: Thessalonique et ses monuments du IV eau VIe siècle. Contribution à l’ètude d’une ville paléochrétienne. Boccard, Paris 1984. Vgl. Spieser, Jean-Michel: Réflexions sur le Palais de Galère à Thessalonique. In: Featherstone, Michael/ Spieser, Jean-Michel/Tanman, Gülru/Wulf-Rheidt, Ulrike (Ed.): The Emperor’s House. Palaces from Augustus to the Age of Absolutism. Urban Spaces, Bd. 4. De Gruyter, Berlin/Boston 2015. S. 19–30.
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Auch T. Stefanidou-Tiveriou publizierte einen Überblick zum Forschungsstand im Bereich des Palastareals, der einige neue Erkenntnisse insbesondere in Bezug auf die Datierung des Areals ermöglichte.351 Problematisch bei der weiteren Erforschung des römischen Thessalonike bleibt zum einen, dass nur in seltenen Fällen systematische Grabungen möglich sind und zum anderen, dass die Publikation der jeweiligen Befunde oft mit zeitlicher Verzögerung und sehr disparat erfolgt.352 Einen ausführlichen englischsprachigen Überblick zu Thessalonike in römischer Zeit bietet der Katalog ‚Roman Thessalonike‘, der begleitend zu der 2003 eröffneten gleichnamigen Ausstellung des Archäologischen Museums von Thessaloniki erschien.353 In der 2010 erschienenen Abhandlung von S. Ćurčić zur Architektur auf dem Balkan ab Diokletian werden auch die tetrarchischen Bauten in Thessalonike behandelt.354 Im deutschsprachigen Raum lieferte C. vom Brocke eine Zusammenstellung der Befundsituation für den Zeitraum von der hellenistischen Gründung bis in das 1. Jahrhundert.355 Einen summarischen Überblick zur Forschungsgeschichte und einen Abriss der jüngsten Erkenntnisse zur Stadttopographie zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem frühen 4. Jahrhundert bietet die 2008 publizierte Arbeit von C. Steimle zur Religion im römischen Thessalonike.356 Neben der anhaltenden archäologischen Arbeit insbesondere zum Palastareal des Galerius liegt der Fokus der neueren Forschung insbesondere auf der Christianisierung der Stadt im 4. und 5. Jahrhundert.357
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Vgl. Stefanidou-Tiveriou, Theodosia: Die Palastanlage des Galerius in Thessaloniki. Planung und Datierung. In: Cambi, Nenad/B elamrić, Joško/Marasović, Tomislav (Ed.): Diocletian, Tetrarchy and Diocletian’s palace on the 1700 th anniversary of existence. Književni Krug, Split 2009. S. 389–410. Exemplarisch genannt sei hier die AErgoMak, in der seit 1988 Grabungsbefunde, wenn auch summarisch, publiziert werden. Darüber hinaus liefert M. Vitti mit seiner 1996 publizierten Dissertation erstmals einen zusammenhängenden Überblick zum archäologischen Befund des römischen Thessaloniki, der jedoch lediglich auf Griechisch verfügbar ist. Vgl. Grammenos, D.V. (Ed.): Roman Thessaloniki. Thessaloniki Archaelogical Museum, Thessaloniki 2003. Einen Überblick über die Stadtentwicklung bietet insbesondere der Artikel von P. Adam-Veleni. Vgl. Adam-Veleni, Polyxeni: Thessaloniki: History and Town Planning. In: Grammenos, D.V. (Ed.): Roman Thessaloniki. Thessaloniki Archaelogical Museum, Thessaloniki 2003. S. 121–176. Vgl. Ćurčić, Slobodan: Architecture in the Balkans from Diocletian to Süleyman the Magnificent (c. 300 – ca. 1550). Yale University Press, New Haven 2010, S. 19ff. Vgl. Vom Brocke, Christoph: Thessaloniki – Stadt des Kassander und Gemeinde des Paulus. Eine frühe christliche Gemeinde in ihrer heidnischen Umwelt. Mohr Siebeck, Tübingen 2001. Vgl. Steimle, Christopher: Religion im römischen Thessaloniki. Sakraltopographie, Kult und Gesellschaft 168 v. Chr. – 324 n. Chr. Mohr Siebeck, Tübingen 2008. Vgl. u. a. Bauer, Franz Alto: Eine Stadt und ihr Patron. Thessaloniki und der heilige Demetrios. Schnell + Steiner, Regensburg 2013.
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1.4.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Thessalonike wurde 316/315 v. Chr. durch den Makedonenkönig Kassander im Rahmen eines Synoikismos gegründet, bei dem 26 kleinere Siedlungen zu einer neuen Stadt zusammengeschlossen wurden. Benannt wurde die Stadt nach seiner Ehefrau Thessalonike.358 Vermutlich direkt mit der Gründung, spätestens jedoch im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden das regelmäßige Straßennetz sowie die erste Stadtmauer, die später in die römische Stadtbefestigung integriert wurde.359 Das Stadtgebiet war zu dieser Zeit deutlich kleiner und erstreckte sich noch nicht bis an die Küste des Thermaischen Golfs.360 Nachdem Rom das Königreich Makedonien 168 v. Chr. besiegt und in vier voneinander unabhängige Gebiete unter seiner Vorherrschaft unterteilt hatte, wurde Thessalonike die Hauptstadt der gleichnamigen Verwaltungseinheit. Als Makedonien knapp 20 Jahre später endgültig zerschlagen und 148 v. Chr. als Provinz Macedonia in das Imperium Romanum integriert wurde, blieb Thessalonike Hauptstadt der neu eingerichteten Provinz. In der Folge entwickelte es sich zu einem wichtigen städtischen Zentrum des Imperium Romanum. Spätestens mit der Anlage der auch über Thessalonike verlaufenden Via Egnatia als zentraler Verbindungsachse zwischen Italien und Kleinasien bis ca. 125 v. Chr. wurde es zu einem Verkehrs- und Handelsknotenpunkt im hellenistisch geprägten Osten des Römischen Reiches.361 Der anhaltende Bedeutungsgewinn der Stadt spiegelt sich in einem Ausbau der städtischen Infrastruktur seit der frühen Kaiserzeit. Das hellenistische Stadtgebiet wurde erweitert und südlich der alten Mauern in Richtung Küste wurden neue Großbauten und Wohngebiete angelegt.362 Im Stadtzentrum wurde das bereits im ersten nachchristlichen Jahrhundert entstandene Forum im Laufe des 2. und frühen 3. Jahrhunderts ausgebaut zu einem Areal mit einer Fläche von 16 insulae. Zentraler Bestandteil war die von Säulengängen und einem Kryptoporticus umgegebene Platzanlage, an die öffentliche Gebäude wie das Archiv und die Münze sowie ein Odeion im Osten angrenzenten. Im Norden grenzte im aufsteigenden Terrain eine Terrasse mit mehreren Kultstätten an, die vermutlich dem Kaiserkult dienten.363 Nördlich dieses Areals, am 358
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Zur Diskussion um die genaue Lokalisierung der Vorgängersiedlung Therme sowie die Abläufe bei der Gründung der Stadt vgl. Adam-Veleni 2003, S. 121ff. Zur Forschungsdiskussion um die Datierung der ersten Stadtmauer vgl. Steimle 2008, S. 14f; Vom Brocke 2001, S. 26f. Vgl. Vickers, Michael: Hellenistic Thessaloniki. The Journal of Hellenic Studies 92, 1972. S. 156–170. Vgl. Adam-Veleni 2003, S. 134ff; Bauer 2013, S. 41f; Vom Brocke 2001, S. 13f. Zur Diskussion des archäologischen Befundes zum Verlauf der hellenistischen Mauer im Süden der Stadt vgl. Steimle 2008, S. 17f. Steimle 2008, S. 56f; Vom Brocke 2001, S. 52ff.
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späteren Standort der Kirche des Heiligen Demetrios, fanden sich Reste einer römischen Badanlage.364 Die südlich der Agora verlaufende zentrale Verkehrsachse der Stadt war die an die Via Egnatia angebundene Via Regia, welche das Goldene Tor im Westen mit dem Tor des Cassander (auch Kalamaria-Tor genannt) im Osten verband.365 Neben dem Ausbau des Forums im Stadtzentrum scheint außerdem ein sakrales Zentrum im Westen der Stadt entstanden zu sein, das unter anderem auch dem Kaiserkult diente.366 Südlich der Überreste eines vermutlich augusteiischen Kaisertempels fanden sich Mauerstrukturen eines Verwaltungsgebäudes, das auf Vorgängerbauten aus hellenistischer Zeit zurückgeht und im 2. und 3. Jahrhundert umfassend ausgebaut wurde. Man vermutet hierin das auf den Mauern des makedonischen Palastes entstandene Praetorium des römischen Provinzstatthalters.367 Auf dem Areal der späteren Hagia Sophia im Südosten der Stadt wird aufgrund neuer Grabungsergebnisse das bisher nicht lokalisierte und lediglich aus den Schriftquellen überlieferte Theater-Stadion vermutet, in dem spätestens seit dem 2. Jahrhundert Gladiatorenspiele und Tierkämpfe stattfanden.368 Nicht gesichert ist die Verortung des Hafens, der aufgrund der schriftlichen Überlieferung spätesens ab der Kaiserzeit anzunehmen ist. Vermutlich befand sich bereits in hellenistischer Zeit eine künstliche Hafenanlage im Südosten der Stadt, also nahe dem späteren Palastkomplex des Galerius. Die Hafenanlage im Südwesten der Küstenlinie entstand erst in konstantinischer Zeit.369 Während der Reichskrise des 3. Jahrhunderts blieb auch Thessalonike von den übergreifenden Entwicklungen nicht verschont, es wurde mehrfach durch Angriffe der Goten bedroht, entging jedoch anscheinend einer Zerstörung. Vermutlich machte die äußere Bedrohung einen Ausbau der Stadtmauern notwendig, denn in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts wurde die hellenistische Stadtmauer im Norden verstärkt und der südliche Teil der Stadt durch einen Mauerneubau eingefasst.370
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366 367 368 369
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Vgl. Adam-Veleni 2003, S. 168. Zur Stadtentwicklung in römischer Zeit vgl. u. a. Adam-Veleni 2003, S. 143–162 sowie Allamani-Souri, Victoria: Brief history of imperial Thessalonike. In: Grammenos, D.V. (Ed.): Roman Thessalonike. Thessaloniki Archaelogical Mueseum Publications, Thessaloniki 2003. S. 80–91. S. 85ff. Eine Rekonstruktion der wachsenden Ausdehung der Stadt von ihrer Gründung im späten 4. Jahrhundert v. Chr. bis in spätbyzantinische Zeit findet sich bei Bauer 2013, S. 42 u. 43, Abb. 2a–f. Vgl. Steimle 2008, S. 29ff. Vgl. ebd., S. 18ff. Vgl. Vom Brocke 2001, S. 60ff; Adam-Veleni 2003, S. 166. Für eine Zusammenstellung des archäologischen Befundes und der Hinweise in den Schriftquellen vgl. Vom Brocke 2001, S. 34ff. Vgl. Bauer 2013, S. 41; Vom Brocke 2001, S. 47.
98
1.4.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Thessalonike war mehrfach über längere Zeiträume die Hauptresidenz des Galerius. Erstmals fungierte die Stadt vom Winter 298/99 n. Chr., nach Galerius’ Sieg über die Perser, bis zum Winter 303/4 n. Chr. als Hauptresidenz, danach wurde diese nach Serdica verlegt. Nach der Konferenz von Carnuntum 308 n. Chr. verlegte Galerius seine Hauptresidenz zurück nach Thessalonike, was sie bis zu seinem Tod 311 n. Chr. blieb.371 In den Jahren von 317–324 n. Chr. hielt sich Konstantin mehrfach in Thessalonike auf. Eventuell ist die Stadt daher für diese Zeit zu dessen Residenzen neben Sirmium und Serdica zu zählen; in jedem Fall scheint sie jedoch ein militärstrategisch wichtiger Aufenthaltsort des Kaisers gewesen zu sein.372 Licinius weilte von 324 n. Chr. bis zu seiner Hinrichtung 325 n. Chr. in der Stadt, nachdem er durch Konstantin zur Abdankung und zum Rückzug nach Thessalonike gezwungen worden war.373 Ähnlich wie Nicomedia und Antiochia profitierte auch Thessalonike in seiner Entwicklung von der wirtschaftlich und verkehrstechnisch vorteilhaften Lage am Meer und an einer zentralen Verkehrsachse, hier der Via Egnatia, sowie durch die geschützte Lage am Hang des Chortiatis. Im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert war Thessalonike eine Stadt von ca. 300 ha Fläche, die als Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum über die übliche städtische Infrastruktur verfügte.374 Im Zuge ihrer Funktion als Kaiserresidenz in den Jahren von 298–311 n. Chr. und 317–324 n. Chr. erfuhr Thessalonike einen Ausbau, der vor allem in den Resten der Palastanlage des Galerius sichtbar ist. Zu weiteren, sicher anzunehmenden Baumaßnahmen aus tetrarchischer Zeit ist nur wenig bekannt. An der Agora wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts das Odeion zu einem größeren Theater ausgebaut. Umstritten ist, ob die Stadtmauer im Südosten der Stadt in tetrarchischer Zeit nochmals erweitert wurde, um das Palastareal des Galerius inklusive des Hippodroms einzufassen. Während u.a. J. Humphrey noch von einem Ausbau der Mauern ausgeht, wird in der 371
372
373 374
Der Status Thessalonikes als Hauptresidenz wird vor allem aus der Eröffnung und Prägetätigkeit der imperialen Münze in der Stadt abgeleitet. Vgl. Barnes 1982, S. 61f; Adam-Veleni 2003, S. 163. Höchstwahrscheinlich hielt sich Konstantin am 27. Dezember 317 n. Chr. in der Stadt auf. Danach sind Aufenhalte Konstantins in Thessalonica in den Jahren 323 und 324 n. Chr. belegt. Im Frühjahr 323 n. Chr. residierte er in der Stadt, bevor er im Sommer den Feldzug gegen die Sarmaten begann. Auch das Frühjahr 324 n. Chr. scheint er in Thessalonike verbracht zu haben. Ein Aufenhalt ist belegt vom 8. März bis zum 9. April und auch der Feldzug gegen Licinius wurde im Frühjahr/Sommer von Thessalonike aus vorbereitet. Vgl. Barnes 1982, S. 69 und S. 73ff. Ob Thessalonike aufgrund dieser Aufenthalte jedoch als Residenzstadt Konstantins zu bewerten ist oder lediglich als kurzzeitiger Aufenthaltsort aus militärstrategischen Gründen, ist umstritten. T. Barnes hält die Einordnung als Residenzstadt für möglich, kritisch sehen dies u. a. F. A. Bauer und C. Heucke. Vgl. Bauer 2013, S. 41; Heucke 1994, S. 341. Vgl. Barnes 1982, S. 82. C. vom Brocke spricht abweichend von ca. 350 ha, was laut C. Steimle vermutlich die ursprünglich nicht zum ummauerten Stadtgebiet gehörende byzantinische Akropolis mit einschließt. Vgl. Steimle 2008, S. 14; Vom Brocke 2001, S. 26.
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neueren Forschung eher angenommen, dass das Hippodrom intra muros angrenzend an die bestehende Stadtmauer aus dem 3. Jahrhundert entstand.375 Unter Konstantin wurden ein neuer Hafen im Südwesten der Stadt angelegt und die zugehörigen Teile der Stadtmauer ausgebaut.376
Abbildung 14: Das Stadtgebiet von Thessalonike im 4. Jahrhundert nach C. Steimle. Die Stadtmauern sind mit Erweiterungsphasen aus spät- und nachantiker Zeit dargestellt. (Quelle: Steimle 2008, S. 12, Abb. 1.)
375
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Vgl. Humphrey 1986, S 630; Adam-Veleni 2003, S. 162; Spieser 1984, S. 64ff; Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 395f. Vgl. Bauer 2013, S. 45; Vom Brocke 2001, S. 51f.
100
1.4.2.1 DAS PALASTAREAL Um den Winter 298/9 n. Chr., als Galerius erstmals Thessalonike zu seiner Hauptresidenz gemacht hatte, wurde vermutlich mit dem Bau des Palastkomplexes begonnen. Bis zum Tod des Galerius 311 n. Chr. entstanden der Galeriusbogen mit Kolonnaden und die nördlich anschließende Rotunda (vgl. Abb. 14, j), der Peristylhof oder zumindest Teile davon (vgl. Abb. 14, d), die apsidial angelegte Audienzhalle mit dem angrenzenden Hippodrom (vgl. Abb. 14, e und k) sowie das Oktogon mit dem zugehörigen Vestibül in seiner ersten Bauphase (vgl. Abb. 14, b und a). Die genaue Ausdehung der Anlage ist nur in Richtung Osten gesichert, wo das Hippodrom an den Palast grenzte und dieses wiederum an seiner östlichen Längsseite an die Stadtmauer stieß. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sich das Areal im Norden bis zum decumanus maximus erstreckte, der durch den Galeriusbogen überspannt wurde, und im Süden bis zur Küstenlinie mit der kaiserlichen Hafenanlage reichte.377 Die Ausdehnung in Richtung Westen lässt sich nicht sicher bestimmen. Falls die exedraförmigen Strukturen im Westen des Palastes tatsächlich als Überreste des kaiserzeitlichen Theater-Stadions zu deuten sind, dann kann sich die Palastanlage nicht weiter als bis hierhin erstreckt haben (vgl. Abb. 14, g).378 Folglich ist vorerst von einer Größe des Areals von etwa 5 ha auszugehen.379 Der Zutritt zum kaiserlichen Repräsentationsareal erfolgte über den Galeriusbogen, der nach Norden über eine Kolonnadenstraße zur Rotunda vermittelte. Im Süden grenzte ein Vestibül an den Galeriusbogen, über das vermutlich der eigentliche Palastbereich erschlossen wurde (vgl. Abb. 14, i). Folgte man dem durch den Galeriusbogen führenden decumanus maximus in Richtung Südosten, gelangte man zum Hippodrom (vgl. Abb. 14 k). Die genaue Zugangssituation zum Palast ist nicht bekannt. Südlich des Vestibüls an der westlichen Längsseite des Circus fanden sich Reste eines apsidial angelegten Baus von ungeklärter Funktion (vgl. Abb. 14, h). Es ist 377
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Das nördlich anschließende Areal der ummauerten Rotunda ist ebenfalls zum Palastbezirk zu zählen. Vgl. Mayer 2002, S. 43; Adam-Veleni 2003, S. 164. Vgl. die Ausführungen zur Exedra auf S. 90. Gestützt wird diese Annahme durch einen kürzlich gemachten Fund westlich des Oktogons, der ungefähr auf einer Höhe mit der sogenannten Exedra liegt und von den Ausgräbern als 10 m breiter Portalbau zum Palast gedeutet wurde. Vgl. Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 408 mit Anm. 98. Laut J.-M. Spieser maß das Areal ungefähr 120 x 415 m und entsprach somit einer Fläche von fast 50 000 m². Vgl. Spieser 2015, S. 21. E. Mayer hält eher eine Größe von 1 ha für wahrscheinlich, geht jedoch von einer Nord-Süd-Ausdehung von der Rotunda bis zur Küstenlinie aus. Vgl. Mayer 2002, S. 43. Adam-Veleni geht davon aus, dass sich der Palastkomplex von Ost nach West zwischen dem Theater (späteres Areal der Hagia Sophia) und der Ostmauer erstreckte und demnach von einer Länge von knapp 110 m entlang der Küstenlinie auszugehen ist. Vgl. Adam-Veleni 2003, S. 164. E. Hadjitryphonos nennt sogar eine Fläche von 15 ha, aus den Ausführung geht jedoch nicht hervor, welches Gebiet über die üblicherweise diskutierte Ausdehnung hinaus hier eingerechnet ist. Vgl. Hadjitryphonos 2011, S. 208.
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offen, ob er über einen Korridor, einen Prozessionsweg oder ein Zwischengebäude eventuell in baulicher Beziehung zum Hippodrom und dem südlichen gelegenen Apsidensaal stand. In der jüngeren Forschung wurde häufiger die Deutung als Triclinium vorgeschlagen.380 20
Jean-Michel Spieser
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Les limites de ce palais ne sont pas encore complètement fixées. Au Nord, on peut penser Abbildung 15: Das Palastareal des Galerius im 4. Jahrhundert. qu’une limite est indiquée par la grande salle, contiguë à l’arc de Galère et fouillée par E. Dyggve, a) Vestibül mit Peristylhof, b) Oktogon, Thsalle ermen, d) Peristylhof mitenKorridoren, e) Apsidensaal, même si l’appartenance de c) cette au palais est parfois mise doute (i)8; à l’Est, la contiguïté du palaisg)etExedra?, de l’hippodrome donne une solutionzum sans Circus équivoque. Au Triclinium?, Sud et à l’Ouest,i)les choses f) Rundbau (Rotunde?), h) Verbindungsbau oder Vestibül, sont moins claires. Le vestibule de la grande salle octogonale, qui est un des vestiges les mieux j) Galeriusbogen, k) Hippodrom. conservés de cet ensemble, se trouvait à moins de 150 m. de la mer comme l’a montré la découverte 9 de restes du rempart maritime . Mais ce vestibule s’ouvre sur une cour à péristyle qui aurait 88 m de (Quelle: Spieser 2015, S. 20, Abb. 1) Fig. 1 Plan du quartier du palais de Galère.
long et 47 m. de large (a)10. Cette indication de longueur conduit à une cinquantaine ou soixantaine de mètres de la mer, si bien qu’il est parfois admis que le palais s’étendait jusqu’à celle-ci11. Mais le parallèle établi à ce point vue avec Spalato, dont plan fonction sont très Apsidensaal différents, n’est pas Sicher in räumlicher Beziehung zumdeHippodrom stand der etmonumentale (vgl. très solide. L’existence possible d’un mouillage situé dans la partie orientale du rivage – peut-être Abb. 14, e). An den Apsidensaal schlossen ein Peristylhof mit Korridoren im Westen und eine l’ekklèsiastiki skala dont parlent les Miracula Demetrii 12 – n’est pas un argument décisif13. Si le Thermenanlage impalais Südwesten an (vgl. Abb. 14, und c). Südlich befand sich s’ouvrait directement sur la mer, d cela impliquerait que ledes seulApsidensaales accès public à l’hippodrome se fasse par le Nord et, plus étonnant encore, qu’il ne soit pas possible de sortir de la ville entre la mer vermutlich der private Residenzbereich, zu dem auch die Thermen gehörten. An den Peristylhof et la porte immédiatement au Nord du palais, plus tard appelée porte Cassandréotique14. schlossen im Süden das Oktogon weitere sowie ein dem Oktogon L’extension Ouestund du palais pose Korridore encore plus de problèmes. Un mur très épais,vorgelagertes incurvé, a été mis à jour dans cette zone (g). Il a été proposé qu’il s’agisse du mur du stade de la ville, dont l’exis380
Der Bau wurde in der älteren Forschung als Nymphaeum oder als Tempel gedeutet. Vgl. Vitti 1996, S. 218–220, Kat. Nr. 101 und Abb. 31. In der neueren Forschung wurde unter anderem vermutet, dass 8 Pour cette salle, ci-dessous, eines p. 24. Tricliniums handelt. Ein solcher Raum ist für das Palastes sich bei der Struktur um dievoir Überreste 9 Cette indication de distance, comme celle qui concerne la distance entre le péristyle et la mer sont données très areal sicher anzunehmen, wurde aber nichtCela lokalisiert. Vgl. 2008, S. 77 mit àAnm. 277; approximativement d’après les bisher plans publiés. suppose aussi qu’ilSteimle n’y avait pas de port construit l’Est de la Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 404 mit de Anm. 76. die Baus in tetrarchische Zeit ville antérieurement à celui Constantin.Zumindest Aucune source ne Datierung mentionne un des tel port. Contra (avec les références antérieures): Vitti 1996, 132–133. scheint in der Forschung relativ akzeptiert. Vgl. Torp 2003, S. 271. Zwischen dem Vestibül und dem 10 Pour les dimensions de ce péristyle, Athanasiou/Malama/Miza/Sarantidou 2004a, 242–244; voir le p. 243, fig. 2. 0kleinen Apsidensaal wurden bei Grabungen in den 1990er Jahren Reste eines Mosaikbodens gefunDes restes de mosaïques ont été mises à jour dans la partie nord des portiques Est et Ouest de cette cour: Asēmakoden, der in das erste Viertel1998, des79–80 4. Jahrhunderts zu datieren ist. Demnach scheint es in tetrarchischer poulou-Atzaka et pl. 8–16. 11 Karaberi 2001, 206. Mayer 2002, 46, partage le même point de vue. Triclinium gegeben zu haben. Vgl Zeit eine Bebauung zwischen dem Verstibül und dem sogenannten 12 L’ekklèsiastiki skala est mentionnée dans les Miracula Demetrii, I, 186 (Lemerle 1979, 172 et n. 9). Pour une discusStefanidou-Tiveriou 2009, S. 405. sion sur cette question, Spieser 1981, 481–482 avec les références antérieures. 13 Voir sur ce mouillage, Karaberi 2001, 206, mais dont les remarques paraissent devoir être discutées. Elle le considère comme un port impérial et, ce qui me paraît le plus discutable, pense qu’une rue donnant accès à la porte sud 102 de la ville n’a été ouverte qu’aux environs de 620–630. 14 Pour la porte sud du rempart oriental et pour la porte Cassandréotique, Spieser 1984, 49–51.
Vestibül (auch südliches Peristyl genannt) an (vgl. Abb. 14, b und a). Ungeklärt sind Funktion und Datierung eines Rundbaus nördlich des Peristylhofes, der in seiner Grundstruktur an die Rotunda nördlich des Galeriusbogens erinnert (vgl. Abb. 14, f). Sie wird gemeinhin als Teil des Palastareals interpretiert, genauere Aussagen sind aufgrund des mangelnden Baubefundes jedoch kaum möglich. Bekannt ist, dass der lediglich in seinen Fundamenten erhaltene Rundbau einen Durchmesser von 29 m hatte und von einer Mauer umgeben war.381 Die exedraförmige Struktur am westlichen Rand des Palastareals wird in der jüngeren Forschung vermehrt als Überrest der Zuschauerränge des kaiserzeitlichen Theater-Stadions gedeutet, das bisher archäologisch nicht lokalisiert war (vgl. Abb. 14, g).382 Dies ist ein interessanter Aspekt, da die Lokalisierung des Theater-Stadions am westlichen Rand des Palastareals bedeuten würde, dass der Palast des Galerius nicht nur im Osten, sondern auch im Westen an einen Unterhaltungsbau grenzte.383 Diese Deutung ist jedoch nach wie vor umstritten, unter anderem hält J.-M. Spieser aufgrund des archäologischen Befundes eine Deutung als Außenmauer eines Stadions für unwahrscheinlich. Er schlägt eine andere, im Kontext der tetrarchischen Palastanlagen durchaus interessante Deutung der Anlage vor: Er vermutet hier eine monumentale Exedra ähnlich der den Circus Maximus überragenden Exedra auf dem Palatin in Rom. Demnach hätte die Palastanlage in Thessalonike eventuell über eine repräsentative Schaufassade an der westlichen Grenze des Palastareals in Richtung Stadt verfügt.384 381
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384
Vgl. Spieser 2015, S. 21. A. Mentzos deutet den Rundbau als Tempelanlage. Vgl Mentzos, Aristoteles: Reflections on the Architectural History of the Tetrarchic Palace Complex at Thessalonike. In: Nasrallah, Laura/Bakirtis, Charalambos/Friesen, Steven J. (Ed.): From Roman to early Christian Thessalonike. Harvard Theological Studies 2010. S. 333–359, S. 340–352. Obwohl eine Deutung als Tempelanlage ein interessanter Ansatz ist, scheint im Falle der Argumentation von A. Mentzos Vorsicht geboten, da sie mit der Neudatierung bzw. Funktionsdeutung des Oktogons als ursprünglich als Rundbau angelegten tetrarchischen Tempelbau einhergeht, die in der Forschung umstritten ist. Vgl. die Ausführungen zum Oktogon auf S. 98f. Eine Diskussion, ob der Rundbau f auch unabhängig von der umstrittenen Umdeutung des Oktogons eventuell als Tempel anzusprechen sei, müsste aufgrund des kaum vorhandenen Baubefunds äußerst hypothetisch bleiben. Vgl. Steimle 2007, S. 75 mit Anm. 272–274; Adam-Veleni 2003, S. 166. Für einen Überblick zur Forschungsdiskussion vgl. Vom Brocke 2001, S. 60–64. Für Galerius ist überliefert, dass er im Theater-Stadion Spiele ausrichten ließ, denen er auch beiwohnte. Allerdings wird auch hier nicht erwähnt, wo genau im Stadtgebiet sich das Theater-Stadion befand. Vgl. Vom Brocke 2001, S. 61, Anm. 186; Adam-Veleni 2003, S. 167. C. Steimle vermutet sogar, dass sich die Wahl des Standortes der Palastanlage an dem bestehenden Stadion orientiert haben könnte. Vgl. Steimle 2007, S. 75, Anm. 274. Vgl. Spieser 2015, S. 21. Dass zumindest die Deutung der Struktur als Theater-Stadion nicht gesichert ist macht auch E. Mayer deutlich, indem er auf alternative Interpretationen – auch wenn diese als hypothetisch einzustufen sind – hinweist. Auch wenn aufgrund der fehlenden Sicherheit bei der Deutung der exedraförmigen Struktur die Ausdehnung des Palastareals in Richtung Westen nicht gesichert ist, scheint jedoch auch Mayer grundsätzlich der Annahme zu folgen, dass es sich nicht über diesen Bereich hinaus erstreckt hat. Vgl. Mayer 2002, S. 43.
103
In Bezug auf die Untersuchung tetrarchischer Palastanlagen sind die in Thessalonike freigelegten Strukturen von großer Bedeutung, da sich hier die zentralen Elemente des öffentlichen Repräsentationsbereiches rekonstruieren lassen: Der Apsidensaal mit angrenzendem Peristylhof sowie das Oktogon mit dem südlichen Peristyl, das vermutlich als Eingangs- und Audienzbereich für vom Meer her anreisende Besucher fungierte. Allerdings ist es aufgrund der in mehreren Fällen nicht gesicherten Datierung der einzelnen Baukörper fraglich, ob es sich hierbei um eine einheitlich geplante Anlage handelte.385 Zumindest scheint gesichert, dass das Palastareal nicht auf vormals unbebautem Gebiet entstand. Im Zuge neuerer Grabungen konnte nachgewiesen werden, dass es bereits seit hellenistischer Zeit bebaut war. Vor dem Bau des Palastes befand sich hier ein weitläufiger Villenkomplex mit aufwändiger Mosaikdekoration, der vermutlich in der Mitte des 3. Jahrhunderts aufgegeben worden war. Dennoch bot sich das Gelände vermutlich aufgrund der weniger dichten Bebauung und der Nähe zur Küstenlinie an.386
GALERIUSBOGEN Sicher in die Zeit des Galerius zu datieren ist der noch heute im modernen Stadtbild sichtbare Galeriusbogen, der vermutlich kurz nach dem Sieg über die Perser 298/99 n. Chr. entstand.387 Der Bogen überspannte ursprünglich den decumanus maximus und markierte die Verbindung zwischen der Stadt und dem neu entstandenen Palastkomplex des Galerius mit angrenzendem Hippodrom; gleichzeitig schuf er in der Nord-Süd-Achse eine Verbindung zwischen der monumentalen Rotunda und den südlich der Straße gelegenen Repräsentationsräumen des Palastes.
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Von einer weitestgehend einheitlichen Planung und Umsetzung der einzelnen Teile des Palastes während der beiden längeren Auftenhalte des Galerius gehen u. a. E. Hadjitryphonos und T. Stefanidou-Tiveriou aus. Vgl. Hadjitryphonos 2011, S. 208; Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 407. Auch H. Torp geht davon aus, dass der Galeriusbogen mit Rotunde, Vestibül und angrenzendem Palastareal mit Apsidensaal und Hippodrom Teil der urpsprünglichen Palastkonzeption unter Galerius waren, auch wenn einige Teile eventuell nicht mehr unter Galerius fertig gestellt wurden. Vgl. Torp 2003, S. 269. Unter anderem E. Mayer, A. Mentzos und S. Ćurčić haben in der Vergangenheit – wenn auch mit unterschiedlichen Thesen/Positionen – darauf hingewiesen, dass auch das Palastareal von Thessalonike vermutlich das Ergebnis eines langjährigen Bauprozesses ist und nicht in einem Zug bzw. auf Basis einer einheitlichen Planung entstand. Wobei auch bei diesen Positionen grundsätzlich von einer Entstehung des Areals unter Galerius ausgegangen wird. Vgl. Mayer 2002, S. 43; Mentzos, Aristoteles: Reflections of the interpretation and dating of the rotunda of Thessaloniki. Egnatia 6 (2001–2002) 2003. S. 57–83 und Mentzos 2010; Ćurčić 2010. Vgl. Spieser 2015, S. 19; Hadjitryphonos 2011, S. 208. Als terminus ante quem kann das Jahr 305 n. Chr. gelten, da Galerius auf dem Bildschmuck des Bogens als caesar dargestellt wird und dieser somit vor seiner Ernennung zum augustus errichtet worden sein muss. Da im Jahr 303 n. Chr. die Residenz von Thessalonike nach Serdica verlegt wurde, wird der Baubeginn vorher erfolgt sein. Vgl. Kolb 2001, S. 158.
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Ursprünglich handelte es sich bei dem heute als zweiteiligem Bogen erhaltenen Bau um ein Tetrapylon mit einer Kuppeldecke. An die Pfeiler des Tetrapylons schloss im Norden und Süden je ein kleinerer Nebenbogen an, wodurch die Anlage zu einem dreigliedrigen Torbau erweitert wurde. Der nördlich gelegene Bogen vermittelte über Stufen in die etwas höher gelegene Säulenhalle zur Rotunda, während sich an den Bogen im Süden das monumentale Vestibül anschloss, über das man in das dahinter liegende Palastareal gelangte.388 Im Osten und Westen der Bögen schlossen direkt die den decumanus maximus flankierenden Säulenhallen an.389 Die Maße des Galeriusbogens verdeutlichen die angestrebte Wirkung, da er mit einer Bogenspannweite von 9,70 m der größte der bekannten Triumphbögen ist. Die Seitenbögen hatten eine Höhe von 6,50 m und eine Spannweite von 4,90 m.390 Der untere Teil der Mittelpfeiler war mit Marmorplatten verkleidet, auf denen sich Reliefdarstellungen befanden. Über den beiden Mittelpfeilern an der erhaltenen nordwestlichen Front befand sich zudem jeweils eine Rundnische, in denen zum Teil noch erhaltene marmorne Basisplatten eine Statuenaufstellung nahelegen. Da auch für die zerstörte südöstliche Front entsprechende Nischen anzunehmen sind, werden sich in den insgesamt vier Nischen vermutlich Statuen der Tetrarchen befunden haben.391 Auf den beiden verbleibenden Pfeilern sind Teile des Bildprogramms erhalten geblieben, das den Sieg des Galerius über die Perser kommemorierte und die Vorzüge der tetrarchischen Herrschaft visualisierte. Bei den erhaltenen Reliefs handelt es sich um szenische Darstellungen der Perserkriege des Galerius sowie um Reliefs, welche die positiven Folgen der Sieghaftigkeit der Römer thematisieren und den Herrscher im Kreis seiner Mitregenten oder bei Regierungsakten zeigen. In Abgrenzung zur älteren Forschung wird jedoch nicht mehr davon ausgegangen, dass die einzelnen Darstellungen grundsätzlich auf konkrete Ereignisse der Perserkriege des Galerius zu beziehen sind und eine chronologische Anordnung der historischen Abläufe zu vermuten ist. Vielmehr kann der zeitgenössische Betrachter beim Passieren des Bogens kaum das gesamte 388
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Wie bereits E. Mayer feststellt, variieren die Maßangaben zum Vestibül in den summarischen Ausgrabungsberichten E. Dyggves zwischen 43 x 18 m, 42 x 17 m und 40 x 16 m. Vgl. Mayer 2002, S. 50, Anm. 190; Dyggve 1953, S. 60; Dyggve 1958, S. 355. Die genauen Maße lassen sich heute aufgrund der modernen Überbauung nicht mehr rekonstruieren, es ist jedoch eine überaus repräsentative Wirkung des Palasteingangs anzunehmen, worauf auch die im Inneren gefunden Porphyrplatten und Mosaike sowie eine verloren gegangene Kaiserinschrift auf Griechisch hindeuten. Vgl. Mayer 2002, S. 50. Eine detaillierte Zusammenstellung und Beschreibung der bekannten Mosaikfunde mit Abbildungen findet sich bei H. Torp. Er datiert die Mosaikfunde und somit die Fertigstellung des Vestibüls in die letzten Jahre der Regierungszeit des Galerius von 308–311 n. Chr. Vgl. Torp 2003, S. 257–268. Adam-Veleni beschreibt das Vestibül als monumentale Basilica, die für den Empfang von Gesandtschaften und kaiserliche Audienzen genutzt worden sein könnte. Vgl. Adam-Veleni 2003, S. 165. Eine ausführliche Darstellung des Baubefundes sowie Rekonstruktionen und Grabungspläne finden sich u. a. bei E. Mayer. Vgl. Mayer 2002, S. 48f mit Abb. 8 und 9. Vgl. Laubscher 1975, S. 20f. Vgl. ebd., S. 20f.
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Bildprogramm wahrgenommen und entsprechend gedeutet haben. Wahrscheinlicher ist daher, dass jeweils nur die Reliefs an den beiden Pfeilern der Ost, West, Nord- und Südseite inhaltlich aufeinander bezogen waren, da diese zeitgleich sichtbar waren. Insgesamt verdeutlichte das Bildprogramm dem Besucher bei Eintritt in das Palastareal die Vorzüge der tetrarchischen Herrschaft unter besonderer Betonung der individuellen Verdienste des Galerius.392 Aufschlussreich in Bezug auf die urbanistische Funktion des Galeriusbogens und insbesondere für die Datierung des Palastareals ist, dass sich am Galeriusbogen zwei Bauphasen nachweisen lassen. So entstanden die kleineren Seitenbögen und die Kolonnaden, welche die unter dem Tetrapylon hindurchführende Straße flankierten, erst in einem zweiten Schritt, nachdem das Tetrapylon selbst schon im Bau war. Dies deutet darauf hin, dass es nach Baubeginn zu einer Planänderung kam: Der ursprünglich von seinen Stiftern als frei stehender Triumphbogen konzipierte Galeriusbogen musste in den topographischen Kontext des neu entstehenden Palastareals mit Rotunda im Norden und Palast im Süden integriert werden. Dies lässt sich dadurch nachweisen, dass die Pilaster, welche die Seitenbögen stützten, in einem baulichen Zusammenhang mit dem Vestibül als Zugang zum Palast und der zur Rotunda führenden Kolonnadenstraße standen. Der Galeriusbogen erhielt somit eine neue urbanistische Funktion als Teil der kaiserlichen Palastanlage.393 Diskutiert man die urbanistische Funktion des Galeriusbogens, ist zu bedenken, dass es sich nicht um einen einfachen Torbogen handelte, sondern um ein Tetrapylon, das üblicherweise der Betonung von Verkehrsknotenpunkten diente. Folglich inszenierte der Galeriusbogen nicht nur den Übergang vom Stadtgebiet zum öffentlich-repräsentativen Teil des Palastareals mit dem Hippodrom, sondern markierte auch den Beginn der Prachtstraße zur Rotunda. Darüber hinaus liefert die Anpassung des Bogens, der bis 305 n. Chr. fertig gestellt gewesen sein muss, einen terminus ante quem für den Baubeginn am Palastareal, das folglich ebenfalls vor 305 n. Chr. begonnen wurde. Aufgrund der Axialität des Torbogens, der Kolonnaden und des Vestibüls sowie ihrer zusammenhängenden urbanistischen Funktion als repräsentative und weithin sichtbare Inszenierung des Zugangs zum Palastareal und zur Rotunda ist anzunehmen, dass diese Bauten als Einheit und zumindest in ihrer Grundstruktur gleichzeitig angelegt wurden. Somit ist nicht nur der Galeriusbogen in tetrarchische Zeit zu datieren, sondern auch die Kolonnadenstraße samt Rotunda und das Vestibül zum Palast.394
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Das Bildprogramm des Galeriusbogens wurde in der Forschung umfassend diskutiert und wird hier nur in aller Kürze angesprochen. Jüngst schlug E. Mayer eine plausible Deutung der Anordnung des Bildprogrammes basierend auf den Ergebnissen der neueren Forschung vor. Vgl. Mayer 2002, S. 57–65. Zum promintesten Relief des Bogens – dem Tetrarchenrelief – lieferte F. Kolb eine überzeugende Deutung. Vgl. Kolb 2001, S. 158–162 mit. Abb. 11, S. 159. Grundlegend zur Rekonstruktion und Deutung des Bildschmucks ist nach wie vor die Arbeit von P. Laubscher. Vgl. Laubscher 1975. Laubscher 1975, S. 21f. Vgl. Mayer 2002, S. 55ff.
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ROTUNDA Über eine Kolonnadenstraße erreichte man vom Galeriusbogen die nördlich gelegene Rotunda.395 Der freistehende Bau stand in einem Temenos, der von einer vermutlich achteckigen Mauer umgeben war.396 Die Rotunda hatte im Inneren einen Durchmesser von 24 m und bestand aus massiven, 6,5 m dicken Wänden. Der Innenraum wurde gegliedert durch acht rechteckige, mit Tonnengewölben überpannte Nischen, die jeweils 6 m breit waren. Über den Nischen im Innenraum waren jeweils kleinere Rundnischen positioniert, in denen sich Fenster befanden. Auch in den unteren Nischen waren an der rückwärtigen Wand Fenster eingelassen, außer in der achten Nische, die als Eingang fungierte.397 Die ursprüngliche Ausarbeitung der Kuppel lässt sich nicht mit letzter Sicherheit rekonstruieren, da nur noch der untere Teil der heute sichtbaren Überdachung Teil der originalen Anlage ist. Die Kuppel in ihrem heutigen Zustand mit den zugehörigen frühchristlichen Mosaiken ist auf eine Rekonstruktion zurückzuführen, die vermutlich im 4. Jahrhundert vorgenommen wurde.398 Umstritten ist, ob sich im Zentrum der ursprünglichen Kuppel ein Okulus befand, was insbesondere in Hinblick auf bautypologische Fragestellungen in Verbindung mit der Frage nach der ursprünglichen Funktion der Rotunda von Belang wäre. In der Regel wird die Rotunda aufgrund der Axialität der Anlage mit dem Galeriusbogen und dem Palastvestibül sowie dem dahinterliegenden Apsidensaal in die Regierungszeit des Galerius datiert und der Baubeginn zwischen 299 und 303 n. Chr. vermutet.399 Dafür spricht auch die Ähnlichkeit der an den Gebäuden verwandten Baumaterialien. Kürzlich schlug H. Torp vor, dass die Rotunda zwar unter Galerius begonnen worden sei, aber vermutlich vor dessen Tod nicht vollendet wurde.400 395
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Die Kolonnaden werden in der Forschung recht einhellig als Teil der originalen Anlage angesehen. Dagegen schlug A. Mentzos kürzlich eine Datierung der Kolonnaden in früh-byzantinische Zeit vor, allerdings ohne genauer auf den baulichen Befund einzugehen, der ihn zu dieser Annahme veranlasste. Vgl. Mentzos 2003, S. 60. Die achteckige Mauer wurde bereits durch den Ausgräber E. Dyggve angenommen, u. a. S. Ćurčić folgt dieser Annahme. Andere Forscher vermuten eine eher rechteckige Anlage, eventuell mit seitlichen Exedren. A. Mentzos wies kürzlich darauf hin, dass die Form der Ummauerung archäologisch nicht gesichert sei. Vgl. Mentzos 2003, S. 58. Vgl. Ćurčić 2010, S. 54. Auch die Datierung des Umbaus ist in der Forschung umstritten, Datierungsvorschläge reichen vom 4. bis 6. Jahrhundert. Vgl. u. a. Mentzos 2003, S. 63ff; Ćurčić 2010, S. 71. Vgl. u. a. Mentzos 2003, S. 62. Vgl. Torp 2003, S. 270 mit Anm. 143. Kritisch hierzu A. Mentzos, der plausibel argumentiert, dass die Rotunda – unabhängig davon, ob sie als Mausoleum oder Tempel gedacht war - zweifelsfrei ein wichtiger Teil der Palastanlage war und es somit unwahrscheinlich ist, dass ein solch wichtiges Gebäude, das städtebaulich über den Galeriusbogen akzentruiert wurde, unvollendet gelassen wurde. Des Weiteren sei sichtbar, dass die Ansatzstelle zwischen originaler und frühchristlicher Kuppel unregelmäßig ist, was auf eine Zerstörung der ursprünglichen Kuppel beispielsweise durch ein Erdbeben hin-
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S. Ćurčić hingegen datiert die Rotunda in die Zeit Konstantins und nimmt an, dass mit dem Bau um 320 n. Chr. begonnen wurde. Die Datierung hängt mit Ćurčićs Deutung der Funktion zusammen: Er vermutet, dass die Rotunda als Mausoleum für Konstantin geplant war und nach 324 n. Chr. offen gelassen wurde, als sich das bauliche Interesse Konstantins nach Konstantinopel verlagerte.401 Die ursprüngliche Funktion der Rotunda wird bis heute in der Forschung diskutiert. Bereits im Zuge der ersten Ausgrabungen unter E. Dyggve wurde die Anlage als Mausoleum des Galerius gedeutet.402 Diese Interpretation wurde spätestens seit der Identifizierung der Anlage bei Gamzigrad als Alterssitz des Galerius, zu der ebenfalls ein Mausoleum gehörte, mehrfach in Frage gestellt. Als alternative Deutung wurde unter anderem vorgeschlagen, dass es sich um einen Thronsaal oder einen Tempel für die tetrarchischen Schutzgötter gehandelt haben könnte.403 In der neueren Forschung wird sowohl die Deutung als Tempel als auch die als Mausoleum nach wie vor diskutiert, wobei vor allem bautypologische Aspekte entscheidend sind. Die Deutung als Mausoleum scheint insbesondere aufgrund der baulichen Ähnlichkeiten sowohl mit dem Mausoleum des Diokletian in Split als auch mit dem Mausoleum in der Villa des Maxentius an der Via Appia in Rom durchaus plausibel. Es handelt sich jeweils um freistehende, überkuppelte Rundbauten, die im Inneren über sieben Nischen verfügten und eine ähnliche Größe hatten.404 Demnach hätte Galerius anscheinend seine Bestattung ursprünglich in Thessalonike geplant und entsprechend sein Mausoleum in einen räumlichen Bezug zu seinem Palast gesetzt, bevor er kurz vor seinem Tod beschloss, sich in seinem Ruhesitz Felix Romuliana beisetzen zu lassen.405 Auch bei dessen Anlage finden sich bauliche Bezüge zu der Rotunda von Thessalonike; so lag das Mausoleum zwar in einiger Entfernung außerhalb der ummauerten
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405
deutet und nicht auf einen Abbruch der Bauarbeiten. Darüber hinaus sprechen die erhaltenen Teile der schwarz-weißen Marmorbodenbeläge, die aufgrund der Parallelen zu der Ausstattung des Apsidensaals und des Oktogons in tetrarchisch-konstantinische Zeit zu datieren sind, dafür, dass sich hier Reste des ursprünglichen Bodenbelags erhalten haben. Dieser wäre aber nicht vor Abschluss der Bauarbeiten an der Kuppel eingebracht worden. Vgl. Mentzos 2003, S. 62f. Vgl. Ćurčić 2010, S. 55f. Vgl. Dyggve 1953, S. 65. Vgl. u. a. Adam-Veleni 2003, S. 165; Mentzos 2003, S. 60f. Vgl. Johnson, Mark. J.: The Roman imperial mausoleum in late antiquity. Cambridge University Press, Cambridge 2009, S. 59–70 (Split) und 86–93 (Maxentius). Die Innendurchmesser des Mausoleums des Diokletian (20,3 m) und des Maxentius (23,54 m) ähneln den Ausmaßen der Rotunda mit einem Innendurchmesser von knapp 24 m. Dass der Entschluss zur Bestattung in Felix Romuliana kurzfristig war, wird nahegelegt durch die Bauweise des dortigen Mausoleums. Als frühester Termin für den Ausbau der Anlage bei Gamzigrad zur Altersresidenz und Bestattungsstätte des Galerius wird das Jahr 303 n. Chr. angenommen. Vgl. Vasić 2007, S. 52.
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Anlage, stand aber in einem axialen Sichtbezug zu dieser. Auch hier fungierte ein Tetrapylon als Scharnier zwischen dem Palast und dem Mausoleum.406 Allerdings weicht die Rotunda in einigen Punkten von anderen imperialen Mausoleen aus tetrarchischer Zeit ab. Laut M. J. Johnson sind diese in der Regel als runde Kuppelbauten mit mehreren Nischen zu rekonstruieren, die jedoch – anders als die Rotunda – über zwei Stockwerke verfügten. Das untere Stockwerk war eine im Podium oder unter Bodenniveau befindliche Gruft, die in der Regel keine oder wenig Fenster hatte und höchstwahrscheinlich als Standort des Sarkophages diente. Die Funktion des in der Regel opulent dekorierten oberen Stockwerks ist nicht sicher zu klären, vermutlich stand es in Zusammenhang mit Kulthandlungen zu Ehren der Verstorbenen. Auch hier waren Fenster jedoch eine Seltenheit.407 Diese Kriterien treffen sowohl auf das Mausoleum des Maxentius an der Via Appia in Rom als auch auf die bekannten Mausoleumsbauten in Split, Gamzigrad und Sarkamen zu. Es ist somit ein ernstzunehmendes Argument gegen die Identifikation der Rotunda als imperiales Mausoleum, dass diese von dieser Typologie abweicht.408 Gegen die Identifikation als Mausoleum wird darüber hinaus oftmals angeführt, dass sich der Bau innerhalb der Stadtmauern befand. Dies war jedoch für imperiale Mausoleen nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium, wie bereits die Bestattung Trajans innerhalb des römischen pomerium zeigt. Für die tetrarchisch-konstantinische Zeit ist belegt, dass sich sowohl Diokletians Mausoleum in Split als auch Konstantins Mausoleum in Konstantinopel intra muros befand.409 Auch für die Interpretation als Tempel lassen sich bautypologische Argumente anwenden. So wird gemeinhin die Ähnlichkeit zum Pantheon Hadrians in Rom zitiert, das mit seiner kreisrunden Anlage und Nischen im Innenraum Parallelen zur Rotunda in Thessalonike aufweist.410 Für dieses Argument ist jedoch die nicht abschließend zu beantwortende Frage nach einem Okulus in der Kuppel zentral. Darüber hinaus gibt es auch wesentliche Unterschiede; so verfügte das Pantheon beispielsweise nicht über Fenster, wie sie für die Rotunda in Thessalonike belegt sind.411 Abschließend bleibt
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Vgl. Steimle 2008, S. 72. Vgl. Johnson 2009, S. 107f. Vgl. ebd., S. 74f. Allerdings lässt sich hier anmerken, dass Diokletians Altersresidenz nicht unbedingt als Stadt, sondern als befestigte Residenz zu deuten ist und somit eine Bestattung innerhalb der Anlage nicht unbedingt der römischen Bestattungspraxis widerspricht. Vgl. Mentzos 2003, S. 61. Vgl. Johnson 2009, S. 76; Mentzos 2003, S. 61. Allerdings schlug A. Mentzos, wie bereits oben erwähnt, in einer späteren Publikation vor, dass das Oktogon und der nicht näher bekannte Rundbau nördlich des Peristyls (vgl. Abb. 14, f) als tetrarchische Doppeltempelanage zu deuten seien. In Anbetracht des auffälligen Fehlens von Tempelbauten in anderen tetrarchischen Residenzen außer den Altersresidenzen stellt sich die Frage, warum in Thessalonike unter Galerius gleich drei Tempel erbaut worden sein sollten. Zum Fehlen von Tempelbauten in den tetrarchischen Residenzstädten vgl. Kap. 2.7. Laut A. Mentzos könnte man die vermehrte Verwendung von Fenster jedoch als zeitgenössisches Phänomen deuten, dass in tetrarchischer und konstantinischer Zeit in einer Vielzahl von Gebäuden ein-
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festzuhalten, dass sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zweifelsfrei belegen lässt, was die ursprüngliche Funktion der Rotunda war. Selbst wenn eine Interpretation als tetrarchisches imperiales Mausoleum abgelehnt wird, ist die Deutung als Tempel nicht zwingend. Denkbar wäre auch die Zuschreibung als Thronsaal, der in zeremoniellem Zusammenhang mit dem Galeriusbogen stand oder aber die Annahme, dass die Rotunda tatsächlich als Mausoleum des Konstantin dienen sollte.
Abbildung 16: Schematische Darstellung des Palastareals nach E. Mayer. (Quelle: Mayer 2000, S. 45, Abb. 7)
gesetzt wurde. Vgl. Mentzos 2003, S. 61. S. Ćurčić hingegen sieht in der Vielzahl der Fenster eher einen Hinweis darauf, dass für die ursprüngliche Kuppel kein Okulus anzunehmen ist, da die Beleuchtung des Baus sichergestellt war. Dies wäre ein weiteres Argument gegen eine allzu große bautypologische Ähnlichkeit zum Pantheon. Vgl. Ćurčić 2010, S. 54.
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PERISTYLHOF & WOHNRÄUME Das Peristylhaus in der Mitte der Palastanlage bestand aus einem Säulenhof mit insgesamt zwölf angrenzenden Räumen unterschiedlicher Größe. Umgeben wurde es an allen vier Seiten von Korridoren mit geometrischen Mosaiken, die vermutlich mit einem Tonnengewölbe überdacht waren und deren Wände einfarbig gestaltet waren.412 Folgt man der Datierung des Peristyls in die erste Bauphase der Palastanlage unter Galerius, dann scheint es eine Scharnierfunktion inne gehabt zu haben, da es die öffentlich-repräsentativen Teile des Palastareals – Oktogon und Apsidensaal – miteinander verband und gleichzeitig über die südlich angrenzende Thermenanlage in den privaten Residenzbereich vermittelte.413 Über die südlich der Thermenanlage vermuteten privaten Wohnräume des Areals sind nach derzeitigem Forschungstand keine belastbaren Aussagen zu treffen. Die Verortung der Thermenanlage im Gesamtkomplex macht es jedoch mehr als wahrscheinlich, dass die privaten Wohnräume an diese angrenzten.414
OKTOGON Das südlich an den Peristylhof angrenzende Oktogon mit dem zugehörigen Vestibül und vorgelagertem Südperistyl, in dem sich auch der sogenannte ‚kleine Galeriusbogen‘ befindet, wirft sowohl hinsichtlich seiner Funktion als auch seiner Datierung Fragen auf. Der Bau hatte einen Innendurchmesser von 32,6 m und war mit hochwertigem opus sectile ausgestattet. Der Innenraum wurde gegliedert durch sieben Rundnischen, von denen die nördliche Nische direkt gegenüber des Eingangs mit einer Breite von 7,05 m deutlich größer ist. Das im Süden des Oktogons anschließende Vestibül hatte eine rechteckige Grundfläche von 60 x 22,5 m und wurde an beiden Seiten von Apsiden abgeschlossen.415 Von dem vorgelagerten Peristyl sind nur Fragmente wie der kleine Galeriusbogen erhalten, auf Basis jüngster Grabungsergebnisse wird es als rechteckige Anlage mit einer Länge von 88 m und einer Breite von 47 m 412 413
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Vgl. Mayer 2002, S. 44. Vgl. Spieser 2015, S. 22. Kritisch zur Datierung des Peristyls in tetrachische Zeit äußert sich E. Mayer. Er datiert die Anlage in die Zeit nach der Enstehung des Apsidensaals und des Oktogons und nimmt für die tetrarchische Zeit hier einen Lichthof an. Allerdings würde die Existenz einer älteren Hofanlage die hier vorgeschlagene Scharnierfunktion nicht ausschließen. Vgl. Mayer 2002, S. 46. Eine Datierung des Peristyls in nachtetrarchische Zeit erfolgt auch bei A. Mentzos, der hier in tetrarchischer Zeit eine Prozessionsstraße vom Westtor des Palastes zum Apsidensaal vermutet, vorbei den den von ihm für diese Zeit rekonstruierten Tempelanlagen. Vgl. Mentzos 2010, S. 353. Vgl. Mayer 2002, S. 47. J.-M. Spieser erwähnt die Überreste einer monumentalen Treppe, die vom Südperistyl vor dem Oktogon in diesen Bereich vermittelt haben sollen. Vgl. Spieser 2015, S. 21. Vgl. Mentzos 2010, S. 337.
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rekonstruiert. Nach dieser Rekonstruktion hätte sich die südliche Grenze des Südperistyls nur 50 bis 60 m von der spätantiken Küstenlinie entfernt befunden.416 Die Frage nach der Datierung wird dadurch erschwert, dass die Baumaterialien zwar aus einer Phase stammen, aber aufgrund fehlender Prägungen auf den Ziegeln keine genaue Zuweisung zu bestimmten Jahren oder Kaisern möglich ist. Grabungen in den 1990er Jahren haben ergeben, dass das Oktogon auf einem rechteckig angelegten römischen Vorgängerbau entstand. Die gängigste Datierung ist die, dass das Oktogon Teil der ursprünglichen Konzeption der Palastanlage des Galerius war und zusammen mit dem vorgelagerten Vestibül und Südperistyl angelegt wurde.417 Das südliche Peristyl ist durch den dort eingebauten ‚kleinen Galeriusbogen‘ mit Porträtdarstellungen des Galerius und seiner 308 n. Chr. zur augusta erhobenen Frau Valeria relativ genau in die Zeit zwischen 308 und 311 n. Chr. zu datieren.418 Allerdings lassen sich bei der Entstehung des Oktogons zwei Bauphasen nachweisen, deren Datierung umstritten ist. Möglich ist, dass der Bau zeitgleich mit den anderen Bauten bereits vor 305 n. Chr. begonnen wurde und es nach der Verlegung der Residenz des Galerius nach Serdica zu einer Unterbrechung kam; ab 308 n. Chr., als Thessalonike wieder Hauptresidenz war, wurden die Bauarbeiten dann wieder aufgenommen und das Oktogon mit Vestibül und Peristyl fertiggestellt.419 Eine andere Möglichkeit wäre, dass das Oktogon erst ab 308 n. Chr. begonnen und unter Galerius nie fertig gestellt, sondern der Bau erst unter Konstantin abgeschlossen wurde. Im Zusammenhang mit dieser Deutung wird immer wieder das in der großen Nordnische befindliche Kreuzsymbol diskutiert, das auf eine Fertigstellung dieses Gebäudeteils unter Konstantin hindeutet.420 Nach derzeitigem Kenntnissstand ist diese Frage nicht abschließend zu beantworten.
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Vgl. Spieser 2015, S. 20. E. Mayer hingegen geht von einer quadratischen Anlage aus, die sich bis ca. 100 m vor der Küste erstreckt haben soll. Vgl. Mayer 2002, S. 46. Vgl. u. a. Spieser 2015, S. 25f; Mayer 2002, S. 44f; S. Athanassiou, Fani; Malama, Venetia; Sarandidou, Maria: The construction phases of the Oktogon of the Galerius palace complex in Thessalonike (summary). In: AEMTh 18, 2004, 239–254. Vgl. Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 393f; Mayer 2002, S. 65f; Steimle 2008, S. 73. Eine zusammenfassende Beschreibung, Datierung und Einordnung der Forschungsgeschichte inklusive Abbildung findet sich im Katalog der Skulpturen des Archäologischen Museums von Thessalonike. Vgl. Despinis, G./ Stefanidou Tiveriou, Th./Voutiras, Em. (Ed.): Catalogue of Sculpture in the Archeological Museum of Thessaloniki. Thessaloniki, National Bank Cultural Foundation 1997, Kat. Nr. 141, S. 184–189 und Abb. 359–367. Vgl. u. a. Spieser 2015, S. 25f; Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 394f. Vgl. Athanassiou et al. 2004, S. 253; Hadjitryphonos 2011, S. 210f. Allerdings wird dort angenommen, dass der Bau 313 n. Chr. beendet und als Kirche genutzt wurde. Beides ist sehr unwahrscheinlich, da eine Fortsetzung der Bauaktivität lange vor Konstantins Aufenthalten im Osten des Reiches sehr unwahrscheinlich scheint und auch für eine Nutzung als Kirche bereits im frühen 4. Jahrhundert ausreichende Belege fehlen. Vgl. Spieser 2015, S. 26. Das Kreuzsymbol allein macht noch keine sakrale Nutzung eindeutig und dessen Bewertung ist in der Forschung nach wie vor umstritten. Vgl. Mentzos
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Eine gänzlich andere Chronologie und Deutung offeriert hingegen A. Mentzos. Er argumentiert, dass sich am Baumaterial des Oktogons keine ausreichenden Hinweise für eine Änderung der ursprünglich geplanten Ausführung des Oktogons feststellen lassen und die Diskussion um die Datierung der zwei Bauphasen insofern hinfällig ist. Er geht davon aus, dass sich in tetrarchischer Zeit auf dem Fundament des Oktogons ein Rundbau befand, der in seinen Ausmaßen und seiner axialen Ausrichtung auf den nicht näher zu klassifizierenden Rundbau nördlich des Peristyls bezogen ist (vgl. Abb. 14, f). Diese beiden Bauten seien als Tempel zu deuten, die beide von einem Temenos umgeben waren und eine auf die Aula ausgerichtete Prozessionsstraße flankierten. Erst zu späterer Zeit, vermutlich Mitte des 4. Jahrhunderts, sei der südliche Rundbau umgebaut worden zu einem Oktogon, das laut A. Mentzos als Triklinium zu deuten sei.421 Die Funktion des Oktogons lässt sich lediglich aus seiner Verortung innerhab der Palastanlage erschließen. Die dem Oktogon vorgelagerte Eingangshalle sowie das zugehörige Peristyl öffneten sich nach Süden hin in Richtung Meer. Dort befand sich spätestens seit der Kaiserzeit eine Hafenanlage.422 Folglich erscheint die häufig angebrachte Deutung als Thron- oder Empfangssaal äußerst plausibel. Vermutlich diente der Bau dem Empfang von über den Seeweg anreisenden Gesandtschaften, die dann über das Peristyl und die Vorhalle in den Audienzsaal des Kaisers gelangten.423 Die Ausdehnung der Anlage in Richtung Hafen ist nicht gesichert. Folgt man den gängigen Rekonstruktionen des vorgelagerten Südperistyls, dann hätte sich dessen südliche Längsseite zwischen 50 bis 100 m von der Küstenlinie entfernt befunden. Entsprechend wird häufig angenommen, dass sich die Palastanlage bis zur Küstenlinie erstreckte.424 Ob die Palastanlage in Thessalonike über eine repräsentative Schaufassade in Richtung Meer verfügte, wie sie für die Anlagen in Antiochia, Split und eventuell Nicomedia bekannt ist, muss offen bleiben.
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2010, S. 338f mit Abb. 3. Nichtsdestotrotz ist die Datierung des Baubeginns in den zweiten längeren Aufenthalt des Galerius und die Fertigstellung unter Konstantin eine ebenfalls plausible Möglichkeit. Wenn das Oktogon unter Konstantin fertig gestellt wurde, dann ist der Abschluss der Bauarbeiten in der Zeit von 317–324 n. Chr. zu vermuten. Vgl. Ćurčić 2010, S. 21. Vgl. Mentzos 2010, S. 340–352. Kritisch hierzu u. a. Spieser 2015, S. 25, Anm. 40 und 41. Vgl. Kap. 1.4.1. Vgl. Mayer 2002, S. 46. J.-M. Spieser teilt zwar die Einschätzung, dass sich das Südperistyl bis auf 50 m an die Küstenlinie erstreckte, er hält jedoch eine weitere Ausdehnung der Anlage für nicht wahrscheinlich. Begründet wird diese Annahme mit dem Argument, dass bei einer Ausdehnung des Palastes bis zur Küste das Hippodrom einzig im Norden zugänglich gewesen wäre und es außerdem keine Möglichkeit gegeben hätte, die Stadt bei einem Ausgang durch das Tor des Kassanders im Norden des Palastes über den Seeweg zu verlassen. Vgl. Spieser 2015, S. 20. Gegen diese Vermutung spricht, dass beispielsweise für den Palast in Antiochia aus den Schriftquellen überliefert ist, dass sich zwischen dem Palast mit Schaufassade und der Küstenlinie noch eine öffentlich zugängliche Straße befand. Vgl. Kap. 1.3.2.1. Eine ähnliche Konzeption wäre auch im Falle Thessalonikes möglich. Da durch die moderne Überbauung hier jedoch keine weiteren Grabungen möglich sind, wird sich diese Frage vorerst nicht abschließend klären lassen.
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Über die Gestaltung der südlichen Begrenzung des Peristyls sowie angrenzende Bauten in Richtung Hafen ist nichts bekannt.425
APSIDENSAAL Der Apsidensaal ist, ebenso wie die Palastaula in Trier, als zentrale Audienzhalle des Palastareals zu deuten. Die Halle schloss im Osten direkt an das Hippodrom an und war eventuell auch baulich mit diesem verbunden. An der westlichen Längsseite der Halle befanden sich vier Kammern, die vermutlich als Lagerräume dienten und baulich die Verbindung zum angrenzenden Ostkorridor des Peristylhofs herstellten.426 Unklar ist der Zugang zur Aula vom Galeriusbogen aus. Der Zugang der Halle liegt in einer Achse mit dem Galeriusbogen und dem anschließenden Vestibül sowie der Kolonnadenstraße zur Rotunda. Somit wäre die Existenz eines direkten Verbindungsweges beispielsweise für Prozessionen möglich (vgl. Abb. 14, j, i und e). Allerdings liegt genau auf dieser Achse innerhalb des Palastareals ein weiteres apsidial angelegtes Gebäude, wodurch der direkte Zugang blockiert wird (vgl. Abb. 14, h). Die Datierung des kleineren Apsidenbaus ist nicht gesichert, gemeinhin wird er jedoch in tetrarchische Zeit datiert und als Triklinium oder Verbindungsbau zum Circus gedeutet.427 Folgt man dieser Annahme, dann war keine axiale Verbindung zwischen dem Vestibül des Galeriusbogens und dem Eingang der Palastaula gegeben und der Zugang innerhalb des Palastareals müsste über eine verwinkelte Weganlage erfolgt sein, wie sie auch aus anderen Palastanlagen bekannt ist.428
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Diese Vermutung erwähnt auch E. Mayer, vgl. Mayer 2002, S. 46. Während u. a. bei J. M. Spieser eine etwa zeitgleiche Entstehungszeit von Palastaula und Peristylhof angenommen wird, geht E. Mayer davon aus, dass die östlich angrenzenden Lagerräume und somit auch der Peristylhof zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sein müssen. Er begründet dies damit, dass aufgrund der Parallelen mit der Palastaula in Trier auch für die Aula in Thessalonike große Bogenfenster in den Längswänden und angrenzende Lichthöfe anzunehmen sind. Da die angrenzenden Lagerräume jedoch ursprünglich über mindestens ein weiteres Geschoss verfügt haben sollen, sei es unwahrscheinlich, dass diese zur ursprünglichen Konzeption der Gebäude gehört haben sollen. Vgl. Spieser, 2015, S. 25; Mayer 2002, S. 46. Vgl. oben S. 89 mit Anm. 378. Eine axiometrische Rekonstruktion des Gebäudes mit einer genaueren Baubeschrebung lieferrte kürzlich S. Ćurčić. Vgl. Ćurčić 2010, S. 20 mit Abb. 4. Auf die ungesicherte Datierung von Bau h verweist nochmals E. Mayer, dennoch schließt er einen direkten Prozessionsweg vom Vestibül des Galeriusbogens zum Eingang der Audienzhalle aus. Vgl. Mayer 2002, S. 47. U. WulfRheidt vermutet zwischen Gebäude h und der Aula einen Korridor, der als Schaufassade zum Hippodrom hin gedient haben könnte. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 62. Diese These wird bei S. Ćurčić zwar nicht direkt angesprochen, doch auch in seiner Rekonstruktion der Stadtanlage ist zwischen Gebäude h und der Aula ein Säulengang als Verbindungsbau eingezeichnet. Vgl. Ćurčić 2010, S. 18, Abb. 2. Vgl. z. B. Kap. 1.3.2.1.
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Die rechteckige Halle hat eine Länge von ca. 53 m und eine Breite von 25 m, die im Süden anschließende Apsis hatte eine Tiefe von 12 m und einen Radius von 9,25 m. Die Eingangstür an der nördlichen Schmalseite ist nicht genau zu rekonstruieren, eventuell gab es am nördlichen Ende der westlichen Längsseite einen Zugang zum Peristylhof.429 Anders als in Trier haben sich keine Hinweise auf eine Vorhalle erhalten und auch seitlich angrenzende Peristylhöfe sind auszuschließen.430 Die Außenfassaden waren durch Risalite gegliedert, zwischen denen sich vermutlich wie in Trier hohe Bogenfenster befanden.431 Auch die erhaltenen Teile der Innenausstattung weisen Parallelen auf: In der Apsis befand sich ursprünglich ein opus sectile Boden aus schwarzem und weißem Marmor.432 Eine solche Ausstattung ist auch für die Apsis der Basilika in Trier bekannt.433 Seitlich der Apsis befanden sich Nischen, ebenso wie in der Apsis – diese waren vermutlich wie die Nischen in der Basilika in Trier für die Aufnahme von Statuen gedacht.434 Somit ist der Apsidensaal in Bezug auf Grundriss, Größe und Innenausstattung vergleichbar mit der Palastaula in Trier. Anders als diese verfügte die Aula in Thessalonike jedoch nicht über eine Vorhalle, seitlich angrenzende Höfe oder eine vorgelagerte Platzanlage. Das im Westen angrenzende Peristyl könnte jedoch eine ähnliche Funktion in Bezug auf die Distribution von Besuchern der Palastanlage übernommen haben wie die Hofanlagen in Trier.
1.4.2.2 DAS HIPPODROM Die Überreste des Hippodroms von Thessalonike sind heute im modernen Stadtbild kaum sichtbar.435 Nichtsdestotrotz ist die Anlage archäologisch gut erforscht und in ihrem Verlauf weitgehend bestimmbar.436 Das Hippodrom befand sich im Südosten des ummauerten Stadtgebiets
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Bei K.-P. Goethert wird angegeben, dass Seiteingänge auszuschließen seien. In den Plänen zum Palastareal ist jedoch ein Durchgang in der Regel eingezeichnet, vgl. Abb. 14, e. A. Mentzos erwähnt außerdem eine Tür im südlichen Ende der westlichen Längswand, durch die man über einen Korridor vorbei an den Thermen und in den kaiserlichen Residenzbereich gelangte. Vgl. Mentzos 2010, S. 253. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, Kat. Nr. 52, S. 143 (K.-P. Goethert). Vgl. Mayer 2002, S. 46. Vgl. ebd., S. 38 mit Anm. 144. Zur Anlage und Innenausstattung der Palastaula in Trier vgl. Kap. 1.6.2.1. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, Kat. Nr. 52, S. 143 (K.-P. Goethert). Laut C. Heucke sind lediglich Reste der Substruktionen der westlichen Tribüne im Hinterhof eines Gebäudes an der Plateia Ippodromiou Nr. 7 sichtbar. Vgl. Heucke 1994, S. 343, Anm. 10. Auch C. Humphey hält fest, dass die Überreste der Anlage in 3,5–4 m Tiefe liegen. Vgl. Humphrey 1986, S. 625. Am Hippodrom fanden die ersten Ausgrabungen in den 1930er Jahren statt, zunächst 1935 unter der Leitung von von Schoenebeck und Johannes und schließlich 1939 unter der Leitung von E. Dyggve. Unglücklicherweise sind die Grabungsberichte verloren gegangen und lediglich einige kurze Ausfüh-
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und war im Osten durch die Stadtmauer und im Westen durch den Palastkomplex des Galerius eingefasst (vgl. Abb. 13 und Abb. 14). Das halbrunde Ende der Rennbahn konnte im Süden der Anlage festgestellt werden, wonach sich die carceres nördlich befunden haben müssen. Die Länge der Anlage ist nicht sicher bestimmbar, wird aber auf ca. 400 m rekonstruiert. Sie scheint sich folglich fast bis zur durch das Palastareal verlaufenden odos Egnatia erstreckt zu haben.437 Von den Sitzreihen an der westlichen und östlichen Längsseite sind Teile der Substruktionen in Form von Tonnengewölben freigelegt worden, die genaue Breite der cavea lässt sich nicht sicher bestimmen.438 Unklar bleibt die Lokalisierung der Kaiserloge. E. Dyggve erwähnt in seinem Bericht zum Hippodrom den Fund von Säulen- und Gebäuderesten am Westrand der Anlage, die er als Überreste der kaiserlichen Loge deutet. Allerdings geht er auf die genaue Lokalisierung nicht ein. J. Humphrey hält den an das Hippodrom angrenzenden apsidial angelegten Bau von ungeklärter Funktion für mögliche Überreste des Zugangs zum Kathisma (vgl. Abb. 14, h).439 In Bezug auf die Datierung besteht in der Forschung weitgehend Einigkeit, dass die Entstehung des Hippodroms in der Regierungszeit des Galerius und im Zusammenhang mit dem Bau des Palastkomplexes zu verorten ist. Zwar fehlt ein eindeutiger Beleg anhand einer Inschrift oder Schriftquelle, doch deutet die Einheitlichkeit der Baumaterialen eindeutig auf eine Entstehung parallel zum Palast hin.440 In Thessalonike ist somit nicht nur das tetrarchische Palastareal weitestgehend rekonstruierbar, sondern auch die direkte räumliche Nähe und eventuell sogar bauliche Verbindung zum Hippodrom nachweisbar.
1.4.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Nach Konstantins Sieg über Licinius im Jahre 324 n. Chr. diente Thessalonike nicht mehr als Residenz des Kaisers. Nichtsdestotrotz bewahrte die Stadt ihren Status als Verwaltungszentrum und militärstrategisches Zentrum an der zentralen Verkehrsverbindung von Kleinasien in den
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rungen von Dyggve zum Hippodrom wurden publiziert. Seit den 1950er Jahren machten Baumaßnahmen im Stadtzentrum weitere Kurzgrabungen möglich. Eine umfassende Zusammenstellung und Auswertung der verstreuten Befunde erfolgte erstmals durch M. Vickers. Vgl. Vickers, Michael: The Hippodrome at Thessaloniki, JRS 62, 1972. S. 25–32. Durch die 1977 publizierten Ausführungen von N. C. Moutsopoulos konnten dessen Schlussfolgerungen in einigen Punkten korrigiert werden, seither gilt die Rekonstruktion der Ausmaße und des Verlaufs als gesichert und ist bis heute in der Forschung akzeptiert. Vgl. den Überblick zur Forschungsgeschichte bei Humphrey 1986, S. 627 und Heucke 1994, S. 342f. Vgl. Humphrey 1986, S. 627. Vgl. ebd., S. 627f. Vgl. ebd., S. 631. Vgl. ebd., S. 630; Heucke 1994, S. 343.
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Balkan. Unter Theodosius I. wurde sie im Jahre 378 n. Chr. zum Sitz des Präfekten der Diözese Macedonia et Dacia. Die weitere Entwicklung der Stadttopographie war maßgeblich geprägt durch die Christianisierung. Es entstanden mehrere Kirchenbauten im Stadtzentrum, darunter eventuell bereits im frühen 5. Jahrhundert die Kirche Hagios Demetrios im Norden der antiken Agora.441 Spätestens Anfang des 6. Jahrhunderts, vermutlich aber bereits im frühen 5. Jahrhundert wurde auch die Rotunda des Galeriuspalastes in eine Kirche umgewandelt.442 Im Südosten der Stadt entstand vermutlich im späten 5. Jahrhundert ein monumentaler Bischofssitz in Form einer fünfschiffigen Basilika mit Baptisterium und Atrium, deren Nachfolgerbau die bis heute erhaltene Hagia Sophia von Thessaloniki ist. Als ab 479 n. Chr. die Einfälle der Goten wieder zu einer akuten Bedrohung für die Stadt wurden, verwandte man unter anderem Spolien aus dem Hippodrom für die Verstärkung der Stadtmauer.443 Wie lange das Hippodrom von Thessalonike in Benutzung war ist nicht gesichert. Aus Erwähnungen zu Spielen und Wagenlenkern in den Schriftquellen lässt sich eine Nutzung bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts annehmen. Nach dem Ausbau der Stadtmauer wurde die Anlage vermutlich nicht mehr für Spiele genutzt und wird lediglich in Ruinen weiterhin im Stadtbild sichtbar gewesen sein.444 Auch die antike Agora scheint ihre Funktion eingebüßt zu haben, da Teile der Anlage zu Zisternen und Wasserleitungen umgebaut wurden, um die Versorgung der Stadt im Belagerungsfall zu gewährleisten.445
1.4.4 FAZIT THESSALONIKE Im Kontext des Ausbaus der tetrarchischen Residenzen bietet das Beispiel Thessalonikes Aufschluss über die Konzeption tetrarchischer Palastanlagen. Der Palast wurde am Stadtrand und in Küstennähe angelegt, wofür ein bestehendes Wohnviertel überbaut wurde. Die bestehenden Stadtmauern wurden vermutlich in diesem Zusammenhang im Bereich des Hippodroms verstärkt. Die räumliche Verbindung von Palast und Hippodrom lässt sich in Thessalonike zweifelsfrei nachweisen. Der Zugang von der Stadt zum Palast wurde markiert durch ein imposantes 441 442
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Vgl. Bauer 2013, S. 127ff. Zur baulichen Entwicklung und Bildausstattung der Rotunda im Zuge ihrer Umwandlung zur Kirche Hagios Georgios vgl. Nasrallah, Laura: Empire and Apocalypse in Thessaloniki: Interpreting the Early Christian Rotunda. In: Journal of Early Christian Studies, 2005/13:4. S. 465–508. Zum Ausbau der Stadtmauern im 5. Jahrhundert vgl. Crow, James: Fortifications and urbanism in late antiquity: Thessaloniki and other eastern cities. In: Lavan, Luke (Ed.): Recent research in late-antique urbanism. Journal of Roman Archaeology, 2001. S. 89–105. S. 93ff. Vgl. Heucke 1994, S. 344ff. Vgl. Bauer 2013, S. 46.
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Tetrapylon, dessen Bildschmuck die Vorzüge der tetrarchischen Herrschaft im Allgemeinen und der des Galerius im Besonderen thematisierte. Das dahinter liegende Palastareal lässt mit dem zentralen Audienzsaal, einem angrenzenden Säulenhof, repräsentativen Schaufassaden, einer verwinkelten Anlage mit vermittelnden Gebäuden und einem etwas abseits zu vermutenden privaten Areal mit Wohnräumen ein Grundkonzept erkennen, wie es auch aus anderen Residenzen bekannt ist. Allerdings zeigt sich hier auch, dass tetrarchische Palastanlagen kontinuierlich aus- und umgebaut wurden und nicht zwingend einer von Beginn an bestehenden Gesamtplanung folgten. Problematisch in Bezug auf die abschließende Interpretation der Palastanlage bleiben die oftmals ungesicherte Funktion der Gebäude sowie die nicht abschließend zu beantwortende Frage nach der Chronologie.446 Doch auch wenn einzelne Bauteile insbesondere in Hinblick auf die Fertigstellung nicht immer sicher datierbar sind, scheint es gesichert, dass der Palastkomplex während des ersten Aufenthalts des Galerius in Thessalonike begonnen wurde und vermutlich in seiner Grundkonzeption bis zu dessen Tod 311 n. Chr. fertig gestellt war.447 Aufgrund der Baumaterialien ist anzunehmen, dass alle zentralen Bauten in tetrarchisch-konstantinischer Zeit entstanden, auch wenn möglicherweise mit Unterbrechnungen der Bauarbeiten während der Abwesenheit des Galerius zwischen 303/04 n. Chr. und 308 n. Chr. zu rechnen ist. Möglich ist auch, dass einzelne Bauteile wie eventuell das Oktogon erst unter Konstantin fertigestellt wurden. Im Falle von Thessalonike lässt sich, wie auch für die zuvor behandelten Städte, plausibel für das Vorhandensein von monumentalen Schaufassaden argumentieren. U. Wulf-Rheidt nimmt an, dass sich nördlich an den Audienzsaal anschließend ein Korridor befand, der als Schaufassade diente.448 Das nicht genauer zu deutende apsidiale Gebäude auf derselben Achse der Audienzhalle (vgl. Abb. 14, h) könnte den Abschluss dieses Gebäudes gebildet haben – entweder als apsidialer Abschluss oder als Triclinium. Auch im Westen der Anlage zur Stadt hin lässt sich in den Überresten der exedraförmigen Struktur eine Schaufassade ähnlich der auf dem Palatin in Rom vermuten. Wahrscheinlich scheint außerdem eine Schaufassade in Richtung Küste in Form eines Kolonnadenganges, wie sie aus Antiochia und Split bekannt sind. Ein wesentlicher Unterschied zur baulichen Ausstattung anderer Residenzen scheint sich jedoch in der Rotunda zu manifestieren. Sowohl die Deutung als Mausoleum als auch die als Tempel würden bedeutend, dass sich die bauliche Ausstattung der kaiserlichen Residenz in Thessalonike deutlich von anderen Residenzen unterschied, für die sich weder Mausoleums-
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Vor allem N. Duval hat wiederholt darauf hingewiesen, dass viele Thesen zur Funktion und Urheberschaft der Bauten in Thessalonike hypothetisch bleiben müssen. Vgl. Duval 2003, S. 286ff. Vgl. hierzu zuletzt sehr plausibel Stefanidou-Tiveriou 2009, S. 408f. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 62.
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noch Tempelbauten nachweisen lassen – beides Bauformen, die den Altersresidenzen vorbehalten zu sein schienen.
1.5 SERDICA (SOFIA) Über Serdica, das heutige Sofia, lassen sich für die tetrarchische Zeit nur wenige gesicherte Aussagen treffen. Die schriftliche Überlieferung gibt kaum Auskunft zu der Stadt und ihrer Topographie und auch der archäologische Befund ist aufgrund der modernen Überbauung nur in wenigen Fällen deutlich. Entsprechend dünn ist die Forschung zu Serdica in römischer Zeit. Einen summarischen Überblick zur Stadtentwicklung bieten die Artikel von A. Prova449 und von Chr. M. Danov.450 Für den archäologischen Befund ist die bereits 1943 erschiene Abhandlung von S. Bobčev maßgeblich451, gefolgt von dem Bericht zu den Ausgrabungen der Académie Bulgare des Sciences in den 1950er Jahren.452 Die Ausgrabungen in den 1970er und
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Vgl. Prova, A.: Serdica. In: Stillwell, Richard (Ed.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton 1976. S. 828–829. Die kurze Zusammenfassung weicht allerdings in mehreren Punkten von der restlichen Forschungsliteratur ab, leider ohne Quellenangaben. Vgl. Danov, Chr. M.: Philippopolis, Serdica, Odessors. Zur Geschichte und Kultur der bedeutendsten Städte Thrakiens v on Alexander d. Gr. Bis Justinian. In: Temporini, Hildegard (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt. Bd. II 7.1. De Gruyter, Berlin/New York 1979. S. 241–300. Vgl. Bobčev, Sawa: Serdica, Beiträge zur Kenntnis der Topographie, Gestaltung und Architektur der Stadt. Bŭlgarski arkheologicheski Institut, Sofia 1943. Vgl. Ivanov, T. (Hrsg.): Serdica: Materiaux et Recherches Archéologiques (Serdika: archeologičeski materiali i proučvanija), Bd. 1. Éditions de L’académie Bulgare des Sciences, Sofia1964. Der Band ist auf Bulgarisch erschienen, es gibt jedoch deutsch- und französischsprachige Zusammenfassungen. Für diese Arbeit relevant sind vor allem die Grabungsberichte von Ivanov und Bobčev zu den Grabungen im Stadtzentrum Serdicas, die Ausführungen von Venedikov und Petrov zu den Grabungen im Bereich der Rotunde des St. Georg-Komplexes sowie der Bericht von Bobčev zu den Grabungen im Norden des kaiserzeitlichen Stadtgebietes. Vgl. Ivanov, T./B občev, S.: Ausgabungen auf der Baufläche des Hotels „Balkan“ im Zentrum von Sofia während der Jahre 1952–1953. In: Ivanov, T. (Hrsg.): Serdica: Materiaux et Recherches Archéologiques (Serdika: archeologičeski materiali i proučvanija), Bd. 1. Éditions de L’académie Bulgare des Sciences, Sofia1964. S. 54–58; Petrov, T./ Venedikov, I.: L’église „Saint Georges“ de Sofia. In: Ivanov, T. (Ed.): Serdica: Materiaux et Recherches Archéologiques (Serdika: archeologičeski materiali i proučvanija), Bd. 1. Éditions de L’académie Bulgare des Sciences, Sofia1964. S. 107–108; Bobčev, S.: Archäologische Ausgrabungen im Zentrum von Sofia in den Jahren 1953–1954 im Abschnitt des Zentralen Universalmagasin (ZUM) und um diesen (Abschnitt III). In: Ivanov, T. (Ed.): Serdica: Materiaux et Recherches Archéologiques (Serdika: archeologičeski materiali i proučvanija), Bd. 1. Éditions de L’académie Bulgare des Sciences, Sofia1964. S. 124–126.
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1980er Jahren im Bereich des sogenannten Palastkomplexes sowie in weiteren Teilen der Stadt fanden unter der Leitung von M. Stančeva statt. Die Grabungsberichte sind noch nicht vollständig publiziert, es liegen jedoch mehrere Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte Serdicas von Stančeva vor.453 Neuere Arbeiten aus dem bulgarischen Raum zum archäologischen Befund und zur Rolle der Stadt in tetrarchischer Zeit sind zwar vorhanden, jedoch aufgrund der Sprachbarriere nur teilweise rezipierbar.454 In englischer Sprache erschienen und somit für die internationale Forschung zugänglich sind die übergreifenden Abhandlungen von R.F. Hoddinott zu Bulgarien in der Antike und von S. Ćurčić zu römischer Architektur auf dem Balkan.455 Unter der Betreuung Ćurčićs entstand außerdem die Dissertation von A. Kirin zur Rotunde von St. Georg und dem sog. Palastkomplex von Serdica.456 Im Jahre 2011 erschien die Abhandlung von G. Fingarova zur Geschichte der Sophienkirche, in der einleitend kurz auf die allgemeine Stadtentwicklung Serdicas in der Antike eingegangen wird.457 Zuletzt erschien 2012 eine englischsprachige Übersicht zum Stand der archäologischen Forschung in Serdica von N. Kirova.458
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Hier ist vor allem der Bericht zu den Grabungsarbeiten im antiken Stadtgebiet mit kurzen französischsprachigen Zusammenfassungen zu nennen. Vgl. Stančeva, M. (Ed.): Serdica: Materiaux et Recherches Archéologiques, Bd. 2. Éditions de L’académie Bulgare des Sciences, Sofia1989. Des Weiteren ist zu verweisen auf den Artikel Stančeva, M.: Serdica au Ier – IVe S. de n. ère á la lumière des dernières recherches archéologiques. In: Ivanov, T. (Ed.): Recherches sur la culture en Mesie et en Thrace (Bulgarie), Ier – Ive S. Editions de l’Academie Bulgare des Sciences, Sofia 1987. S. 61–74. Auf Deutsch erschienen ist ein Artikel zur historischen Entwicklung Serdicas im Katalog zu der Ausstellung ‚Bulgarien. 7000 Jahre Kunst und Kultur in Sofia‘ von 1979. Vgl. Stančeva, M.: Sofia „Wächst, altert aber nicht“. In: Bulgarien. 7000 Jahre Kunst und Kultur in Sofia. Ausstellung im Schloss Schallburg 28.4.–11.11.1979. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Wien 1979. S. 23–30. 2010 erschien außerdem ein englischsprachiger Überblick zur Entwicklung Sofias von der Antike bis in die Gegenwart, der allerdings vergriffen ist. Vgl. Stančeva, M.: Sofia: From Antiquity to New Ages. Sofia University, Sofia 2010. Es gibt jedoch zumindest einige Arbeiten mit deutschen, englischen oder französischen Kurzzusammenfassungen. Vgl. hierzu Vatchkova, Vesselina: Between Iskar and Morava Rivers: Mediterranean Dacia and Roman Serdica before Constantine the Great. In: Venets: The Belogradchik Journal for Local History, Cultural Heritage and Folk Studies. Volume 2, Number 1, 2011. S. 84–113 sowie Boyadjiev, Stefan: Serdica. In: Roman and Early Byzantine Cities in Bulgaria. Studies in memory of Prof. Teofil Ivanov. Vol. I. Ivray, Sofia 2002. S. 125–180. Vgl. Hoddinott, R.F.: Bulgaria in Antiquity. An Archeological Introduction. Ernest Benn, London & Tonbridge 1975; Ćurčić, Slobodan: Architecture in the Balkans from Diocletian to Süleyman the Magnificent (ca. 300 – ca. 1550). Yale University Press, New Haven 2010. Vgl. Kirin, Asen: The Rotunda of St. George and Late Antique Serdica: From Imperial Palace to Episcopal Center. Dissertation, Princeton 2000. Vgl. Fingarova, Galina: Die Baugeschichte der Sophienkirche in Sofia. Reichert, Wiesbaden 2011. Vgl. Kirova, Nadezhda: Serdica/Serdika. In: Ivanov, Rumen (Ed.): Roman Cities in Bulgaria. Prof. Mairn Drinov Academic Publishing House, Sofia 2012. S. 199–260. Hier finden sich eine umfassende Darstellung der Forschungsgeschichte sowie eine Zusammenstellung der bulgarischen Forschungsliteratur.
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1.5.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Über die Ursprünge Serdicas ist nur wenig bekannt. Zwar existierte es bereits in vorrömischer Zeit und war ein Zentralort der thrakischen Serden (Serdoi), es hatte jedoch höchstwahrscheinlich noch keinen städtischen Charakter.459 In römischer Zeit gehörte Serdica zur Provinz Thracia, die 44/45 n. Chr. eingerichtet wurde, und war bereits in dieser Zeit das Zentrum einer strategia (Verwaltungseinheit) der Provinz.460 Erst unter Trajan (98–117 n. Chr.) erhielt Serdica auch offiziell den Status einer Stadt und somit das Recht zur städtischen Selbstverwaltung, was an dem Beinamen Ulpia zu Ehren Trajans erkenntlich ist.461 Entsprechend des neuen städtischen Status wurden in der Folge auch die zugehörigen Institutionen eingerichtet: Der Rat, städtische Magistrate sowie die Gerusia.462 In der Folgezeit entwickelte Serdica sich zu einem städtischen, insbesondere aber auch wirtschaftlichen Zentrum in der Region.463 Unter Antoninus Pius (138–161 n. Chr.) wurde im Umfeld der Stadt eine Vielzahl an Kleinkastellen zu Verteidigungszwecken angelegt, was die militärstrategische Bedeutung der Stadt zur Sicherung der Donaugrenze, aber gleichzeitig auch deren Gefährdung in diesem Spannungsfeld verdeutlicht.464 Erst im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert n. Chr. kam es unter Septimius Severus zu einer Stabilisierung der Region, mit der auch eine Blütezeit Serdicas einherging.465
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Vgl. Danov 1979a, S. 267. Der Stammesname der Serdoi und die Information, dass diese zumindest in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhundert v. Chr. ihre Siedlungen zu befestigen begannen ist überliefert durch Cassius Dio 51.25.4. Zur Geschichte der Region und der Thraker in hellenistischer Zeit vgl. Danov, Chr. M.: Die Thraker auf dem Ostbalkan von der hellenistischen Zeit bis zur Gründung Konstantinopels. In: Temporini, Hildegard (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt. Bd. II 7.1. De Gruyter, Berlin/New York 1979. S. 21–185. Vgl. Bechert 1999, S. 178; Hoddinott 1975, S. 169. Zur allgemeinen Geschichte und Entwicklung Thrakiens in römischer Zeit sei hier neben Chr. M. Danov (s. Anm. o.) exemplarisch verwiesen auf Velkov, Velizar: Thrace and Lower Moesia during the Roman and the Late Roman Epoch. Some Aspects of the Historical Development. In: Klio, Bd. 63. Akademie Verlag, Berlin 1981. S. 473–483. Vgl. Hoddinott 1975, S. 169; Kirova 2012, S. 199. Der Beiname Ulpia ist überliefert durch Inschriften und Münzprägungen. Die Stadt hatte den Status einer civitas stipendiaria, war also abgabepflichtig und hatte somit einen geringeren rechtlichen Status als beispielsweise die griechischen Poleis an der Schwarzmeerküste und an der Ägäis. Vgl. u. a. Danov 1979a, S. 269f. Vgl. Danov 1979a, S. 271. Bei Kirova findet sich eine Zusammenstellung der durch Inschriften überlieferten Ämter inkl. Quellenangaben. Vgl. Kirova 2012, S. 244. Neben der Landwirtschaft waren vor allem die Eisengewinnung und -verarbeitung, die Tonverarbeitung und Steinverarbeitung sowie der Handel wichtige Wirtschaftszweige. Vgl. Danov 1979a, S. 273ff. Vgl. Bechert 1999, S. 179. Vgl. Danov 1979a, S. 269. Zur Entwicklung der römischen Städte in Thrakien und Moesien im Allgemeinen sei hier exemplarisch verwiesen auf Ivanov, T.: The Roman Cities of Moesia and Thrace. In: Poulter, A.G. (Ed.): Ancient Bulgaria. Papers presented to the International Symposium on the Ancient Archeology of Bulgaria, University of Nottingham, 1981. Part 2. University of Nottingham, Notting-
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Die politische Entwicklung spiegelt sich auch in dem Wenigen, was über den Ausbau der Stadt in der Kaiserzeit bekannt ist – dieser scheint zum größten Teil in der zweiten Hälfte des 2. und im frühen 3. Jahrhundert erfolgt zu sein. Unter Hadrian wurde laut einer teilweise erhaltenen Inschrift ein Tempel für Kybele und Attis errichtet, andere Inschriften bezeugen die Entstehung mehrerer öffentlicher Bauten unter Antoninus Pius.466 Unter Marc Aurel und Commodus erhielt die Stadt zwischen 176–180 n. Chr. erstmals eine Befestigungsmauer.467 Diese umfasste allerdings nicht das gesamte Stadtgebiet, sondern mit einer Länge von 542 m und Breite von max. 330 m lediglich ein Gebiet von 16,6 ha.468 Aus der Rekonstruktion der befestigten Stadtanlage geht hervor, dass diese eine Nord-Süd-Ausrichtung besaß und rechteckig angelegt war – lediglich das Marschland im Nordwesten der Stadt wurde nicht eingefasst (vgl. Abb. 16). Die Stadtmauer hatte ursprünglich eine Mauerstärke von knapp 2 m und war vermutlich 8 m hoch. In den Ecken befanden sich Rundtürme sowie eventuell halbrunde Türme an den Mauerlängen. Auch das Nord, Ost- und das Westtor wurden ausgegraben.469 Archäologisch belegt ist darüber hinaus ein rechteckiges Forum bzw. eine Agora auf dem Gebiet des ehemaligen Leninplatzes, heute Sveta Nedelya (vgl. Abb. 16, 3), ein Bau in der nordöstlichen Ecke des Forums, der als Bouleuterion identifiziert wird (vgl. Abb. 16, 4)470 sowie südlich davon Ladengeschäfte auf dem Areal des späteren St. Georg-Komplexes (vgl. Abb. 16, 5). Südlich des Forums befand sich ein weiteres monumentales Gebäude, das bis in die Spätantike mehrfach umgebaut und genutzt wurde – einige Forscher vermuten hier das Praetorium, andere sehen in dem Bau eine Thermenanlage (vgl. Abb. 16, 6).471 An der westlichen Längsseite des Forums wurden Überreste eines großen, prachtvoll ausgestalteten zweigeschossigen Gebäudes mit
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ham 1983. S. 129–154 sowie zuletzt Ivanov, Rumen (Ed.): Roman Cities in Bulgaria. Prof. Mairn Drinov Academic Publishing House, Sofia 2012. Für eine Zusammenstellung der entsprechenden Quellen vgl. Danov 1979a, S. 272. Vgl. Danov 1979a, S. 275 sowie Anm. 153 mit Quellenangaben. Vermutlich entstand die Stadtmauer im Zusammenhang mit dem Einfall der Kostoboken in Moesien und Thrakien 170 n. Chr., in dessen Rahmen eventuell auch Serdica Schaden nahm. Vgl. Hoddinott 1975, S. 169; Kirova 2012, S. 200. Vgl. Kirova 2012, S. 204f. Vgl. Hoddinott 1975, S. 169 sowie zuletzt Kirova 2012, S. 204f. Laut Kirova gibt es jedoch keinen Hinweis auf halbrunde Türme in den Zwischenräumen. Die Entstehungszeit der Stadtmauer ist gesichert durch den Fund zweier inhaltlich identischer Bauinschriften, die ursprünglich am Nord- und Westtor angebracht waren. Diese besagen, dass die Stadtmauer während der gemeinsamen Regierungszeit des Marc Aurel und seines Sohnes Commodus errichtet wurden. Sie müssen demnach zwischen 176 und 180 n. Chr. entstanden sein. Vgl. zuletzt Kirova 2012, S. 205. Zu den Grabungsarbeiten an den Stadttoren vgl. ebd. S. 208–211. Vgl. S. 113f zu den Bauphasen des Bouleuterions in der Spätantike. Zum sogenannten Praetorium vgl. die Ausführungen in Kap. 1.5.2.1.
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Säulengang aus severischer Zeit freigelegt, dessen Funktion nicht bekannt ist (vgl. Abb. 16, 7).472 Das Forum hatte eine Breite von 26 m, die Länge ist nicht sicher feststellbar bzw. variierte.473 Im 3. Jahrhundert kam es sowohl im Norden als auch im Süden des Forums zu Umbauarbeiten, die jedoch nur teilweise durch Ausgrabungen untersucht werden konnten.474 Gesichert ist, dass das Forum gepflastert war mit rechteckigen Steinplatten. Auf dem Forumsplatz wurden Fundamente antiker Altäre freigelegt. Unter den Steinplatten verliefen Leitungen und Kanäle der städtischen Wasserversorgung, die bereits vor dem Bau des Forums angelegt worden waren.475 Nördlich des Forums verlief vom Ost- zum Westtor der decumanus maximus (vgl. Abb. 16, 1). Die Straße hatte ursprünglich eine Breite von 16 m und war zumindest teilweise von Kolonnaden gesäumt. Der knapp 12 m breite cardo maximus verlief vom Nordtor zum Forum und stieß dort auf den Decumanus (vgl. Abb. 16, 2).476 Im Norden der Stadt gab es außerdem eine Badanlage, die aus dem späten 2. Jahrhundert stammte und sich nahe einer heißen Quelle befand.477 Bei Grabungen in den 2000er Jahren stieß man zudem auf die Überreste einer Spielstätte nur 250 m östlich des Stadttores. Hier befand sich ein kaiserzeitliches Theater, das später zu einem Amphitheater umgebaut wurde.478 Darüber hinaus sind durch Münzen und Inschriften u.a. Kulte für Asklepios, Apollo, Zeus-Hypsistos, Serapis sowie Kybele, Demeter, Hera, Tyche und Herakles überliefert. Einige dieser Kulte lassen sich mit freigelegten Tempelbauten in Verbindung bringen. So gilt die Identifikation eines Tempelbaus südlich vor dem ummauerten Stadtgebiet als Serapis-Tempel als relativ sicher, ebenso wie die Überreste einer hexagonalen Struktur im
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Bisher ist nur die Ostwand, also die Fassade des Gebäudes zum Forum hin, freigelegt worden. Der Bau war wohl 9,5 m hoch, über die vermutete Ausdehnung finden sich keine Angaben. Aufgrund der Funde im Mauerschutt (Geisons und Architrave römisch-ionischen und römisch-korinthischen Stils) lässt sich das Gebäude recht zuverlässig auf das ausgehende 2. oder frühe 3. Jahrhundert n. Chr. datieren. Aufgrund fehlender Inschriftenfunde und der lediglich partiellen Freilegung der Strukturen lassen sich keine gesicherten Aussagen zur Funktion des Gebäudes machen. Aufgrund der Lage am Forum muss es sich um ein öffentliches Gebäude mit einer hohen Bedeutung für das öffentliche Leben der Stadt gehandelt haben. Ein Gebäude mit einer vergleichbaren Fassade aus Nicopolis as Istrum wird als Praetorium oder Praesidium gedeutet. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 58. Bei den Grabungen 1952/53 wurde eine Länge von 65 m freigelegt, die Gesamtlänge ist jedoch nicht ersichtlich geworden. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 54. Kirov schlug zuletzt Maße von 80 x 65 m vor, zumindest für die Spätanike. Vgl. Kirova 2012, S. 214. Vgl. Hoddinott 1975, S. 172. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 54. Vgl. Hoddinott 1975, S. 171. Laut Kirova endete der Cardo dort nicht, sondern verlief vom Südende des Forums leicht nach Osten versetzt weiter bis zum Südtor. Vgl. Kirova 2012, S. 214. Die Datierung geht zurück auf den Grabungsbericht von S. Bobčev, diese wird allerdings nicht weiter erörtert. Vgl. Bobčev 1964, S. 126. Vgl. Kap. 1.5.2.3.
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Stadtzentrum mit einem Heiligtum für Apollo und/oder Asklepios in Verbindung gebracht werden.479
Abbildung 17: Stadtplan Serdica im 4. Jahrhundert. (Quelle: Ćurčić 2010, S. 64, Abb. 56) 1. 2. 3. 4. 479
Decumanus Cardo Forum Bouleuterion
5. 6. 7. 8.
St. Georg-Komplex sog. Praetorium Severisches Gebäude Rotunda-Komplex
9. Corceom-Gebäude 10. Hotel Rila 11. Stadtmauer
Zu freigelegten Tempelbauten und möglichen Zuschreibungen zu den jeweiligen Gottheiten vgl. die Darstellung des aktuellen Forschungstandes bei Kirova 2012, S. 220–224.
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In der Krisenzeit Mitte des 3. Jahrhunderts kam es in Thrakien zu vermehrten Einfällen gotischer Truppen. Brandspuren aus dieser Zeit deuten darauf hin, dass auch Serdica hierbei in Mitleidenschaft gezogen wurde.480 Mit der Aufgabe der Provinz Dacia nördlich des Donauufers unter Aurelian (270–275 n. Chr.) wurde ein Teil der dakischen Bevölkerung umgesiedelt und es wurden zwei neue Provinzen geschaffen: Dacia ripensis in Moesien und Dacia mediterranea in Thrakien. Zur Hauptstadt der neugegründeten Provinz Dacia mediterranea wurde Serdica.481
1.5.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Serdica war mehrmals Residenzstadt eines tetrarchischen Herrschers. Diokletian selbst hielt sich nur einmal, im Juni 293 n. Chr. kurz in der Stadt auf.482 Doch von 303 bis zum Winter 308/309 n. Chr. war Serdica vermutlich die Hauptresidenz des Galerius, bevor dieser nach der Konferenz von Carnuntum wieder Thessalonica zu seiner Hauptresidenz machte.483 Während Licinius zunächst in Sirmium und ab 317 n. Chr. in Nicomedia residierte, hielt sich Konstantin zwischen 316 und 324 n. Chr. immer wieder in Serdica auf.484 In dieser Zeit scheinen sowohl Serdica als auch Sirmium sowie wahrscheinlich Thessalonica regelmäßig als Residenz des Kaisers gedient zu haben. Serdica war vor allem aus militärstrategischer Sicht geeignet als Residenzstadt, da es nah, aber nicht zu nah an der Donaugrenze gelegen war und sich daher als Ausgangspunkt für Kampagnen zur Grenzsicherung im Donaugebiet anbot. Darüber hinaus war es bereits seit der Reform
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484
Vgl. Hoddinott 1975, S. 169; Bechert 1999, S. 179; Kirova 2012, S. 200. Vgl. Bechert 1999, S. 205; Kirova 2012, S. 200. Vgl. Barnes 1982, S. 52; Kirova 2012, S. 235. Vgl. Barnes 1982, S. 62. Laut Barnes lässt sich die Verlagerung der Hauptresidenz des Galerius von Thessalonica nach Serdica um 303 n. Chr. aus der entsprechenden Schließung der Münze in Thessalonica und gleichzeitigen Eröffnung einer Münzstätte in Serdica schließen. Abgesehen von den Aktivitäten der Münzstätte ist ein Aufenthalt des Galerius in Serdica erst wieder für Oktober und November 308 n. Chr., also direkt vor und nach der Konferenz von Carnuntum, belegt. Vgl. Barnes 1982, S. 64. Vgl. Barnes 1982, S. 69. Laut Barnes belegte Aufenthalte Konstantins in Serdica: 4. Dezember 316 und evtl. 8. Dezember 316, nach Feldzügen Rückkehr im Februar 317, belegter Aufenthalt vom 1. März – 17. April 317, vermutlich im August und September 319 Aufenthalt in Serdica, sicher aber vom 1. November 319 – 19. Mai 320. Nach Aufenthalt in Sirmium dann spätestens Mitte Dezember 320 wieder in Serdica, vermutlich bis zum Frühjahr. Belegt ist der 6. – 27. Februar 321. Nachdem vom Sommer 321 bis Sommer 322 Sirmium Residenzort war, ist für den 18. Dezember 322 wieder ein Aufenthalt in Serdica belegt. Ab Februar 323 dann jedoch mehrere Feldzüge und Aufenthalte in Thessalonica und Sirmium. Nach dem Sieg über Licinius 324 n. Chr. und der Gründung Konstantinopels residiert Konstantin bis zu dessen Einweihung 330 n. Chr. vorwiegend in Nicomedia. Es ist lediglich ein weiterer Besuch in Serdica überliefert am 18. Mai 328 n. Chr. Vgl. Barnes 1982, S. 73–77. Auch Kirin nennt 316 n. Chr. als Beginn der Zeit als Residenzstadt Konstantins, allerdings ohne Quellenangabe. Vgl. Kirin 2000, S. 26.
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des Aurelian Provinzhauptstadt und verfügte über die grundlegende städtische Infrastruktur sowie die zugehörigen Verwaltungseinrichtungen: Stadtmauern, ein Forum mit Ratsgebäude, vermutlich ein Prätorium, Thermenanlagen und mehrere Tempelbauten. Unter Aurelian wurde die städtische Münze zur imperialen Münzstätte, nachdem dieser alle anderen Münzen in Moesien und Thrakien geschlossen hatte.485 Den Status als Provinzhauptstadt behielt Serdica auch in tetrarchischer Zeit. Im Zuge der diokletianischen Verwaltungsreform wurden die Provinzen Dacia ripensis und Dacia mediterranea der Diözese Moesia zugeordnet.486 Unter Galerius wurde zudem die Münzprägestätte aufgewertet. Ab dem 1. Mai 305 n. Chr., also nach der Erhebung des Galerius zum Augustus, gab sie auch Goldprägungen heraus.487 Es ist anzunehmen, dass sich der Status als Provinzhauptstadt und Herrscherresidenz insgesamt positiv auf die Entwicklung und Bedeutung der Stadt ausgewirkt hat. Obwohl nur wenig hinsichtlich der baulichen Ausgestaltung Serdicas gesichert ist, lassen sich einige Ausbaumaßnahmen in der Zeit als tetrarchische Residenzstadt feststellen. Eine Erweiterung des von Mauern umgebenen Stadtgebietes im frühen 4. Jahrhundert n. Chr. deutet auf einen Bevölkerungszuwachs hin und steht im Einklang mit den Baumaßnahmen an den Stadtmauern in anderen tetrarchischen Residenzstädten. Auffällig ist die Größe des neuen Stadtviertels (Serdica II.), das ummauerte Stadtgebiet wurde dadurch beinahe vervierfacht (vgl. Abb. 17).488 Es lässt sich jedoch nicht sicher feststellen, ob der Ausbau unter Galerius oder Konstantin stattfand und ob die Erweiterung der Stadtmauern tatsächlich vollendet wurde.489 Auch über Bauten im erweiterten Stadtgebiet (Serdica II.) ist nur wenig bekannt.490 Gesichert ist jedoch, dass im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert – also entweder kurz vor oder parallel zur Ummauerung des neuen Stadtgebietes – eine gründliche Restaurierung der alten Stadtmauer erfolgte, die vermut485 486 487
488 489
490
Vgl. Kirova 2012, S. 245. Vgl. Bechert 1999, S. 180. Im Jahre 308/9 n. Chr. wurden die Goldprägungen in Serdica eingestellt und die Münze in Thessalonica nahm die Prägung wieder auf. Dieser Umstand ist einer der wichtigsten Indizien für die Verlagerung der Hauptresidenz zurück nach Thessalonica. Vgl. Kuhoff 2001, S. 730. Vgl. Kirin 2000, S. 262. Das Stadtgebiet wurde nach Norden und Nordwesten hin erweitert. Die Detailangaben zu der Mauerkonstruktion variieren. Laut Hoddinott betrug die Mauerstärke an den untersuchten Stellen 2,85 m und wurde durch zusätzliche Wachtürme verstärkt. Im Nordosten befand sich ein großer runder Turm, im Nordwesten ein achteckiger und an den Längsseiten mehrere runde und rechteckige kleinere Türme. Vgl. Hoddinott 1975, S. 169f. Laut Kirova wurden insgesamt 1300 m der neuen Stadtmauer von Serdica II freigelegt, bei der auch 25 Türme unterschiedlicher Formen (polygonal, rechteckig, rund) untersucht wurden. Die Mauerstärke wird mit 3,30 m angegeben. Er hält die Erweiterung unter Konstantin für wahrscheinlich. Vgl. Kirova 2012, S. 206. Auch Boyadjiev datiert die Erweiterung des Stadtgebietes in die Zeit Konstantins. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 178. Kirin datiert die Erweiterung der Stadtgebietes ebenso wie den Ausbau der alten Stadtmauern in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert. Vgl. Kirin 2000, S. 261. Vgl. hierzu Kirova 2012, S. 232f.
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lich während der Goteneinfälle zwischen 250 und 275 n. Chr. zumindest teilweise zerstört worden war. Die neue Mauer war 2,15 m stark und ca. 10–12 m hoch. Die runden Ecktürme wurden nun ergänzt durch runde Türme in den Zwischenräumen. Die Türme waren zugänglich über Treppenhäuser an der Innenseite der Mauer, wodurch diese um 1,80–2 m verstärkt wurde.491
Abbildung 18: Die spätantike Erweiterung des Stadtgebietes im Norden, Serdica II. (Quelle: Kirova 2012, S. 207, Abb. 4) 491
Vgl. Kirova 2012, S. 205f.
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Auch der als Bouleuterion gedeutete Bau im Nordosten des Forums wurde im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert ausgebaut (vgl. Abb. 16, 4). Die ersten Baustrukturen an diesem Ort scheinen auf das 2. Jahrhundert zurückzugehen und ursprünglich eine fast quadratische Struktur gehabt zu haben. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts entstand ein Neubau mit einer vergleichbaren Grundstruktur, dieser maß 25,2 x 23,7 m. Im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert wurden im Innenraum des Gebäudes signifikante Umbauten vorgenommen. Es entstanden eine halbrunde orchestra sowie Sitzreihen aus Stein.492 Des Weiteren wurde der Eingang, der sich ursprünglich in der Mitte der Südseite des Gebäudes befunden hatte, an die westliche Seite verlegt – das Gebäude war somit direkt vom Forum aus zugänglich und öffnete sich zu diesem hin. Ivanov und Bobčev deuten den Bau aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhundert n. Chr. aufgrund seiner Lage und Baustruktur als Bouleuterion der Stadt, das im Zusammenhang mit der Ernennung Serdicas zur Provinzhauptstadt unter Aurelian erbaut worden sei. Sie nehmen an, dass der anschließende Ausbau im späten 3. bzw. frühen 4. Jahrhundert aufgrund des veränderten Ranges der Stadt als Herrscherresidenz erfolgt sei. Folglich sprechen sie von zwei Bauphasen des Bouleuterions. Zu der möglichen Funktion des Vorgängerbaus aus dem 2. Jahrhundert mit ähnlicher Grundstruktur äußern sie sich nicht.493 Hoddinott hingegen spricht von drei Bauphasen, da er den Bau aus dem 2. Jahrhundert als erste Bauphase versteht. In Bezug auf die Deutung als Bouleuterion weist er darauf hin, dass diese aufgrund fehlender Inschriften oder sonstiger Nachweise nicht gesichert sei.494 Die prominente Lage am Forum, der kontinuierliche Ausbau der Anlage sowie spätestens dessen bauliche Ausgestaltung in tetrarchisch-kontantinischer Zeit machen die Deutung als Bouleuterion jedoch sehr plausibel.495 Dort, wo die Straße südlich des St. Georg-Komplexes auf das Forum stieß, wurden Fundamente eines Straßentorbogens mit zwei Durchgängen von 2,82 m Breite freigelegt, der in konstantinische Zeit datiert wird (vgl. Abb. 18, 2).496 Auf der dem St. Georg-Komplex südlich gegenüberliegenden Straßenseite und östlich des sog. Praetoriums wurden Strukturen eines knapp 63 m langen und 14 m breiten Gebäudes mit einer kreisrunden Kammer im Osten freigelegt. Die
492 493 494 495
496
Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 56. Vgl. ebd., S. 56. Vgl. Hoddinott 1975, S. 173. Auch Boyadjiev deutet den Bau als Bouleuterion. Er nimmt an, dass bereits der erste Bau als Sitz des Rates fungierte. Anders als der Großteil der Forschung kommt er jedoch zu einer abweichenden Datierung: Er datiert die erste Bauphase in das frühe 2. Jahrhundert n. Chr., als Serdica unter Trajan offiziell als Stadt anerkannt wurde. Den Neubau mit quadratischer Struktur verortet er im späten 2. Jahrhundert n. Chr., da er eine Zerstörung des ersten Baus im Zuge der Markomanneneinfälle in Serdica vermutet. Den Umbau mit halbrunden Sitzreihen datiert er in das späte 3. Jahrhundert n. Chr., nachdem Serdica Hauptstadt der Provinz Dacia mediterranea wurde. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 178f. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 55.
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Ausgräber datierten dieses Gebäude in diokletianische oder konstantinische Zeit und deuteten zumindest Teile der Anlage als Kornspeicher (vgl. Abb. 18, 6).497
1.5.2.1 DAS PALASTAREAL Gemäß der gängigen Ausstattung der tetrarchischen sedes imperii wäre auch für Serdica der Bau eines Palastes und eines Circus zu erwarten. Allerdings geben diesbezüglich weder die schriftliche Überlieferung noch der archäologische Befund eine klare Auskunft über die Gestalt der Stadt in tetrarchischer Zeit. Zwar scheint Serdica knapp fünf Jahre die Hauptresidenz des Galerius gewesen zu sein, doch gerade für diese Zeit ist wenig zu seinen Aufenthaltsorten und der jeweiligen Dauer seiner Besuche bekannt. In den Jahren 303 und 308 n. Chr. kämpfte er in der Region gegen die Karpen und 306/307 n. Chr. gegen die Sarmaten.498 Es liegt nahe, dass diese Feldzüge von Serdica aus organisiert wurden. Entsprechend ist es möglich, dass auch mit dem Bau eines Palastes und eventueller weiterer Anlagen begonnen wurde. Insbesondere, da die politischen Entwicklungen nicht absehbar waren, die schließlich zur Konferenz von Carnuntum von 308 n. Chr. und zur Rückkehr des Galerius nach Thessalonica führten. Doch mit der Aufgabe der Stadt als Residenzort und der Verlegung der Münzstätte zurück nach Thessalonica wird auch ein eventueller Ausbau der Stadt zum Erliegen gekommen sein. Auch für die Zeit, in der Serdica als Residenzstadt Konstantins diente, gibt es nur wenige Anhaltspunkte. Es ist zwar von Konstantin die Aussage überliefert, Serdica sei „sein Rom“, dabei handelt es sich jedoch um eine mittelalterliche Überlieferung, deren Faktizität nicht gesichert ist.499 Allerdings erhob er hier im März 317 n. Chr. seine Söhne Crispus und Konstantin II. zu caesares.500 Dies legt eine gewisse Bedeutung der Residenz und einen entsprechenden Ausbau 497 498 499
500
Vgl. ebd., S. 57. Vgl. Barnes 1982, S. 302. Die Aussage, dass Konstantin zunächst Serdica als neue “Hauptstadt“ geplant habe und in diesem Zusammenhang aufgrund seiner Zuneigung zu der Stadt mehrfach geäußert habe, dass Serdica sein Rom sei, ist durch eine Sammlung von post-konstantinischen Fragmenten aus dem 10. Jahrhundert überliefert, die erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts publiziert wurde. Das ursprüngliche Fragment wird in der Regel dem Anonymus post Dionem, einem unbekannten Fortsetzer des Cassius Dio, zugeschrieben, der eventuell im 6. Jahrhundert aktiv war. Darüber hinaus ist durch die Chronik des Ioannis Zonaras aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts überliefert, dass Konstantin eine Stadt mit seinem Namen gründen wollte und dafür zunächst auch Serdica in Betracht gezogen habe. Zitiert, übersetzt und erläutert bei Kirin 2000, S. 29ff. Aufgrund der post-konstantinischen Entstehung sowie der lediglich mittelalterlichen Überlieferung ist das angebliche Zitat im Zusammenhang mit der Interpretation der konstantinischen Bautätigkeit in Serdica mit größter Vorsicht zu bewerten. Vgl. Kirova 2012, S. 225; Kirin 2000, S. 27 mit Verweis auf die entsprechenden Quellenstellen in der Origo Constantini 2 und 9. Bei Barnes wird lediglich ein Aufenthalt Konstantins in Serdica vom
129
nahe. Allerdings wird dieser spätestens mit der Gründung Konstantinopels 324 n. Chr. und der Verlagerung der Residenz zunächst nach Nicomedia und dann nach Konstantinopel eingestellt worden sein. In der schriftlichen Überlieferung gibt es zumindest einen Hinweis auf eine Palastanlage in Serdica. Athanasius berichtet in seiner Beschreibung des Konzils von Serdica im Jahre 341/343 n. Chr., dass die Bischöfe des Ostens in der Herrscherresidenz untergebracht gewesen seien.501 Allein der Umstand, dass das Konzil in Serdica abgehalten wurde, deutet darauf hin, dass hier eine adäquate Infrastruktur zur Beherbergung nicht nur der Bischöfe, sondern auch der Kaiser Constans und Constantius II. vorhanden gewesen sein muss. Allerdings liefert die Quelle keinerlei Informationen zu Ort, Art, Größe oder Entstehungszeitraum dieser Residenz. Der archäologische Befund gibt jedoch einige Hinweise auf mögliche Audienz- und Wohnanlagen: In der Forschung wurden das sogenannte Praetorium, der St.-Georg-Komplex sowie der sogenannte Palastkomplex diskutiert. Das sogenannte Praetorium bzw. Praesidium, also der Sitz des Provinzstatthalters, befindet sich im Südwesten des antiken Forums (vgl. Abb. 16, 6). Die Überreste liegen unterhalb des ehemaligen Leninplatzes und der Kirche der Heiligen Nedelya. Allein die Monumentalität der Anlage lässt darauf schließen, dass sie eine für das öffentliche Leben der Stadt wichtige Funktion erfüllte.502 Während der Grabungen unter Ivanov und Bobčev in den 1950er Jahren wurden fünf Räume des Gebäudes aufgedeckt und aufgrund der Bauweise in die Zeit Diokletians oder Konstantins datiert und als mögliches Praetorium identifiziert.503 Das Gebäude ist jedoch sowohl hinsichtlich der Funktion als auch der Datierung umstritten. In Bezug auf die Datierung ist spätestens seit den 1982 durch M. Stančeva durchgeführten Grabungen aufgrund der neueren Erkenntnisse zu Bauweise und Material anzunehmen, dass das Gebäude bereits im ausgehenden 2. bzw. frühen 3. Jahrhundert entstand.504 Anders steht es um die Diskussion zur Funktion des Gebäudes, die bis heute nicht abschließend geklärt werden konnte. Neben der Deutung als Praetorium bzw. Praesidium wurde in der Forschung aufgrund der freigelegten Hypokausten und Kanalisationsvorrichtungen auch die Möglichkeit einer
501
502
503 504
1. März bis zum 17. April 317 n. Chr. mit entsprechenden Quellenstellen angegeben, allerdings ohne Nennung des Anlasses. Vgl. Barnes 1982, S. 73. Hist. Arianorum 15.4.–5. Der griechische Originaltext sowie die englische Übersetzung nach Barnard 1983 werden zitiert bei Kirin 2000, S. 269 und Anm. 372. Laut Hoddinott maß der Bau in der Länge 115 m von Ost nach West und hatte eine Breite von knapp 46 m. Die Mauern waren 2 m dick, gebaut aus Stein und Ziegeln und schlossen überwölbte Korridore von 2 m Höhe und 65 cm Breite ein. Vgl. Hoddinott 1975, S. 172. Kirova gibt die angenommenen Maße mit einer Länge von 86 m und einer Breite von 56 m an. Vgl. Kirova 2012, S. 216. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 57. Vgl. Kirin 2000, S. 282.
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Thermenanlage diskutiert. Diese These ist nicht auszuschließen, denn die Struktur der Anlage erinnert an die öffentlichen Thermenanlagen aus dem nahegelegenen Oescus aus dem 2. Jahrhundert. Zwar gab es im Norden der Stadt bereits ein großes Bad, im Zuge des Wachstums im 3. Jahrhundert könnte jedoch eine weitere Thermenanlage notwendig geworden sein.505 S. Boyadjiev stellte die These auf, dass es sich um eine Thermenanlage im imperialen Typus handele, die bereits in das frühe 2. Jahrhundert zu datieren sei.506 Als Begründung hierfür führt er die freigelegten Hypokausten und den Fund eines kleinen rechteckigen Bassins an.507 Gegen die Deutung als Thermenanlage sprechen die geringe Anzahl der Indizien sowie die Lage direkt am Forum, die eher ein Gebäude mit Verwaltungsfunktion wahrscheinlich macht. Die Hypokausten sind nicht zwangsläufig ein Nachweis für einen Thermenbetrieb, denn Wandheizungen sind insbesondere in kälteren Regionen auch für andere öffentliche Gebäude überliefert. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass sich in der Residenz des Statthalters auch eine kleine Badanlage befunden hat. Dass es sich um Thermen im imperialen Typus handelt, lässt sich schon aufgrund der nur unvollständig freigelegten Baustrukturen schwer plausibel argumentieren. Das schwerwiegendste Argument gegen eine Deutung als Kaisertherme ist jedoch, dass ein Teil des Gebäudes im 3. und 4. Jahrhundert als Münzprägestätte genutzt wurde. Serdica ist somit einer der wenigen Fälle, in denen die imperiale Münze lokalisiert werden konnte.508 Inbesondere die Einrichtung der Münzprägestätte spricht jedoch eher für ein wichtiges Verwaltungsgebäude und somit für die Deutung als Praetorium bzw. Praesidium.509 Es wäre jedoch
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509
Vgl. Danov 1979a, S. 278. Diese Möglichkeit zieht auch Hoddinott in Erwägung. Er kommt jedoch zu dem Schluss, dass sich diese Frage aufgrund des mangelhaften archäologischen Befunds nicht abschließend klären lässt. Vgl. Hoddinott 1975, S. 172f. Diese Ansicht teilt auch A. Kirin. Vgl. Kirin 2000, S. 206. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 179. M. Stančeva fand bei der Grabung 1982 im Osten der Anlage 181,680 kg Metallschlacke sowie Kupferrohteile für die Münzprägung. Da Serdica zuletzt unter Gallienus (253–268) als Municipium Münzen prägte und erst mit der Einrichtung der kaiserlichen Münze unter Galerius wieder begann Münzen zu schlagen, scheint es sich hier um Abfälle der imperialen Münzstätte zu handeln. Vgl. Kirin S. 284f. S. Boyadjiev nimmt an, dass das Gebäude während des Goteneinfalls teilweise zerstört wurde und die Nutzung als Münzstätte daher schon seit der Mitte des 3. Jahrhunderts erfolgte. Auch dies schließt jedoch die anschließende Nutzung als kaiserliche Münzstätte nicht aus. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 179. A. Kirin vertritt die Deutung als imperiale Therme und argumentiert, dass seit dem Ende des 3. Jahrhunderts lediglich ein Teil des Gebäudes in eine Münzstätte umgewandelt worden sei und die andere Hälfte weiter als Thermenanlage fungiert habe. Dies scheint jedoch wenig plausibel, da Serdica in dieser Zeit eine Blütezeit einhergend mit einem massiven Ausbau der Stadt erlebte, was die Schließung der Hälfte einer monumentalen Kaisertherme direkt am Forum mehr als unwahrscheinlich macht. Vgl. Kirin 2000, S. 285.
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möglich, dass hier nicht nur der Provinzstatthalter seine Audienzen abhielt, sondern auch der Herrscher, wenn er in der Stadt weilte.510 Eine andere Option zur Lokalisierung einer möglichen Audienz- bzw. Palastanlage war die These von Hoddinott zur Datierung und ursprünglichen Funktion des vieldiskutierten St. Georg-Komplexes. Der Gebäudekomplex, der zumindest in Teilen noch heute als St. Georg-Kirche erhalten ist, wurde in der älteren Forschung als früher christlicher Kultbau aus dem beginnenden 4. Jahrhundert oder als Kirchenbau aus der Mitte des 4. Jahrhunderts gedeutet.511 Hoddinott hingegen vermutete, dass die Anlage ursprünglich ein tetrarchischer Repräsentationsbau mit Audienzhalle für den Herrscher war. In der neueren Forschung hat sich jedoch eine andere Deutung durchgesetzt: Das Gebäude wird als Badanlage identifiziert. Zuletzt konnte A. Kirin nachweisen, dass es sich um eine Thermenanlage im imperialen Typus, wenn auch kleinen Ausmaßes, handelt.512 Der sogenannte Palastkomplex im Südosten der Stadt ist somit nach dem derzeitigen Forschungsstand die einzige verbleibende plausible Lokalisierung einer imperialen Residenz. Er umfasst die seit den 1950er Jahren ergrabenen Gebäudereste auf der östlich an den St. Georg-Komplex angrenzenden insula (vgl. Abb. 18, 5), heute der Hof des Balkan-Sheraton Hotels, sowie die erst seit jüngerer Zeit bekannten Strukturen unter dem Corecom-Gebäude (vgl. Abb. 18, 7) und dem Hotel Rila (vgl. Abb. 18, 8). Hier wurden seit Mitte der 1960er Jahre Teile eines weitläufigen Residenzareals freigelegt, das durch M. Stančeva in das frühe 4. Jahrhundert datiert und als mögliche Palastanlage Konstantins gedeutet wurde. Während grundsätzlich eine Verortung der kaiserlichen Residenz im Südosten der Stadt durchaus möglich erscheint, wird eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Funden durch fehlende Grabungsberichte erschwert und die Zuschreibung ist somit nicht gesichert.513 Die durch A. Kirin vorgelegte Dissertation ist die erste Studie, die sich umfassend mit dem archäologischen Befund auseinandersetzt und eine systematische Analyse und Deutung anbietet.
510
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512 513
Ähnliche Erwägungen werden für die Deutung der Trierer Palastaula in Betracht gezogen, die eventuell ebenfalls nicht nur dem Herrscher, sondern auch dem Statthalter als Amtssitz diente. Vgl. hierzu Kap. 1.6.2.1. Von den antiken Strukturen haben lediglich die Rotunda und einige Nebengebäude überdauert, die heute als St. Georgs-Kirche fungieren. Vgl. Kap. 1.5.2.2. M. Stančeva publizierte erstmals 1994 einen Artikel zu den Ergebnissen der bereits in den 1960er Jahren vorgenommenen Notgrabungen. Vgl. Stancheva, M.: Za konstantinoviia kvartal v Serdica, in: Serdika, Sredets, Sofjia, Vol. 2, Sofia 1994, S. 53–63 (mit englischsprachigem Abstract). Nichtsdestotrotz waren die Existenz der freigelegten Strukturen und ihre mögliche Bedeutung als kaiserliche Residenz bereits in den 1970er Jahren unter Wissenschaftlern bekannt. Unter anderem Hoddinott verwies in seiner Publikation auf die in Gesprächen mit lokalen Archäologen diskutierte Möglichkeit, dass sich im Südosten des antiken Serdica die konstantinische Palastanlage befunden haben könnte. Vgl. Hoddinott 1975, S. 175.
132
Abbildung 19: Das Palastareal von Serdica nach S. Ćurčić. (Quelle: Ćurčić 2010, S. 64, Abb. 55) 1. 2. 3. 4.
St. Georg-Komplex Torbogen (konstantinisch) Süd-West-Straße (decumanus minor) Nord-Süd-Straße (cardo “3“)
5. 6. 7. 8.
Oktogon-Komplex Gebäude mit kreisrunden Kammern Corecom-Gebäude Hotel Rila
Die erhaltenen Strukturen der insula östlich der St. Georgs-Rotunda im Hof des heutigen Sheraton Hotels waren vom St. Georg-Komplex in tetrarchischer Zeit durch eine knapp 10 m breite Straße getrennt, die von Nord nach Süd verlief (vgl. Abb. 18, 4).514 Das Areal umfasste knapp 1332 m² auf
514
Laut A. Kirin war die Straße usprünglich 5 m breit und wurde in tetrarchisch-konstantinischer Zeit auf 10 m vergrößert. Vgl. Kirin 2000, S. 303. N. Kirova hingegen gibt die Breite der Straße durchgängig mit 5 m an. Bei Kirova wird außerdem von einer zweischiffigen Basilika von 11,5 x 14,50 m gesprochen,
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denen sich ein öffentliches Gebäude befand, dessen Überreste nun als archäologischer Park im Hof des Hotels zugänglich sind. Von der Nord-Süd-Straße aus gelangte man zunächst durch einen zweitorigen Eingang in ein Atrium (13 x 15 m). In den beiden Enden der Ostwand des Atriums und in der östlichen Hälfte der Südwand befanden sich halbrunde Nischen mit einer Breite von 2 m und einer Tiefe von 1,5 m. In der südlichen Hälfte der Westwand befanden sich zwei weitere Nischen, eine halbrund (1,5 x 1 m) und eine rechteckig (2 x 1 m). Die südliche Hälfte des Atriums scheint von einem Portikus überdacht gewesen zu sein, darauf deuten zumindest die Fundamente (1,1 x 1 m) von drei Pfeilern oder Säulen hin, die in 4 m Abstand zur Südwand linear angeordnet waren. Das Atrium bildete den Vorhof zum Oktokon, dem zentralen Raum der Anlage. Das Oktogon selbst war eingelassen in eine rechteckige Grundstruktur von 12,3 x 13,5 m. Wie für die Bauform üblich, wird es überkuppelt gewesen sein. Im Inneren befanden sich drei Nischen unterschiedlicher Größe: Im Norden eine rechteckige Nische (B 2,75 x T 1,9 m) und eine halbrunde Nische (B 3 x T 1,8 m) sowie im Südosten eine rechteckige Nische (B 2,9 x T 2,5 m). Da die Nische im Südosten zerstört und anschließend überbaut wurde, gibt es hierzu – ebenso wie zu den an das Oktogon anschließenden Nebenräumen – unterschiedliche Rekonstruktionen.
Abbildung 20: Axonometrische Rekonstruktion des Oktogons mit Atrium nach Ćurčić. (Quelle: Ćurčić 2010, S. 64, Abb. 56) über die man von der westlich verlaufenden Straße in das Oktogon gelangte. Vgl. Kirova 2012, S. 226. Im bei Kirova abgebildeten Grundriss des Areals lässt sich im Westen eine langrechteckige Struktur erkennen, die jedoch deutlich schmaler ist als das von Kirova angegebene Maß (vgl. Abb. 20). Bei Kirin wird diese nicht erwähnt. Vermutlich handelt es sich bei den im Plan sichtbaren Strukturen um Mauerreste der niedergelegten Vorgängerbebauung. Die Beschreibung der westlichen insula bei Kirova ist generell anhand des Grundrisses nicht genau nachvollziehbar und wenig präzise. Es lässt sich daher nicht sicher erschließen, welche Struktur bei Kirova mit der Basilika gemeint ist.
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Abbildung 21: Grundriss des Oktogons mit Atrium und Nebenräumen bei Kirova. (Quelle: Kirova 2012, S. 227, Abb. 23)
Abbildung 22: Rekonstruktion des Oktogons nach Ulpia Serdica. (Quelle: Ulpia Serdica, Webprojekt)515 Südlich des Atriums und des Oktogons schlossen mehrere Nebenräume an. Über einen der beiden südlichen Arme des Oktogons gelangte man durch einen 1,7 m breiten Durchgang in eine angrenzende basilikale Halle von 6,5 x 5,5 m mit einer halbrunden Apside von 2 m Tiefe. Die Halle wiederum führte in einen südlich gelegenen Raum von 6 x 6 m, an den im Osten ein kleiner beheizbarer Raum von 5 x 5 m anschloss. Südlich des Atriums lagen zwei rechteckige 515
http://ulpiaserdica.com/soi_en.html, Datum: 13.09.2015.
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Räume. Der westliche Raum war sehr schmal (2 x 9 m) und vom Atrium über eine 1,5 m breite Tür zugänglich. Der östliche Raum war rechteckig angelegt (8 x 9 m) und beheizbar. Vermutlich schloß im Süden ein weiterer beheizbarer Raum an, in dem sich auch der Eingang zu den Räumlichkeiten befand.516 Da südlich der ergrabenen Strukturen noch 10 m Abstand zur West-OstStraße waren, ist die Annahme weiterer anschließender Räumlichkeiten plausibel. Unklar bleiben die Zugangssituation und die Wegeführung zum Oktogon und den angrenzenden Räumlichkeiten. Laut A. Kirin waren sowohl das Oktogon als auch die anschließende basilikale Halle vom Westen her über das Atrium zugänglich. Demnach habe sich der Hauptzugang zum Oktogon in dessen Westwand befunden und auch die angrenzende Basilika sei über einen Eingang im Südosten des Atriums erschlossen worden.517 Laut N. Kirova hingegen bot lediglich die Basilika einen Zugang zum Oktogon und diese war nicht zwangsläufig vom Atrium her zugänglich.518 Diese Auffassung spiegelt sich auch in den Grundrissen des Online-Projekts Ulpia Serdica, in dem Stadtplaner und Architekten aktualisierte Grundrisse und Pläne der Grabungsbefunde zum römsichen Serdica erstellt und online verfügbar gemacht haben. Der Grundriss des Oktogon-Komplexes zeigt hier keinen Zugang vom Atrium her, sondern lediglich über die Basilika (vgl. Abb. 21). Diese Frage ist von Interesse, da ein Zugang ausschließlich über die Basilika eine weitaus kompliziertere Wegeführung bedeuten würde. Der Besucher würde dann das Areal von Westen her betreten, über das Atrium geleitet werden und dieses über den schmalen angrenzenden Raum im Süden verlassen. An diesen müsste dann ein bisher nicht freigelegter Raum oder eine Abfolge von Räumen angeschlossen haben, über die man in den südlich an die Basilika angrenzenden Raum gelangte, von dem aus die Basilika und erst dann das Oktogon zugänglich waren. Nach derzeitigem Publikationsstand lässt sich diese Frage nicht abschließend klären. Äuffällig ist die Ähnlichkeit der Anlage zu dem sogenannten südlichen Oktogon, das zu den unter dem Hotel Rila freigelegten Strukturen gehört.519 Ungesichert ist auch die Funktion der Anlage. Boyadjiev deutet die Anlage als balneum, während bei N. Kirova lediglich auf die vermutlich öffentliche Funktion verwiesen wird.520 Dagegen
516 517
518 519 520
Alle Maße nach Kirin bzw. Stančeva. Vgl. Kirin 2000, S. 302–307. Vgl. Kirin 2000, S. 305f. Siehe hierzu auch die axonometrische Rekonstruktion nach Ćurčić, bei der vom Atrium aus jedoch lediglich ein Zugang zum Oktogon, nicht zur angrenzenden Baislika verzeichnet ist. Diese wäre demnach nur direkt vom Oktogon aus zugänglich gewesen und eventuell über die südlich angrenzenden Nebenräume. Vgl. Abb. 19. Vgl. Kirova 2012, S. 227. Siehe Abb. 18, 8. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 179. Problematisch an den Interpretationen S. Boyadjievs ist die auffällig häufige Deutung von Bauwerken als Therme oder Badanlage. Auch N. Kirova merkt hierzu an, dass nicht jedes Gebäude mit Hypokausten oder einzelnen beheizbaren Räumen zwangsläufig als Bad gedeutet
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vermutet A. Kirin an der auffällig breit angelegten, von Nord nach Süd verlaufenden Straße den nördlichen Eingang zum Palastareal (vgl. Abb. 18, 4). Folglich werden die freigelegten Gebäudereste als Empfangsareal interpretiert, bei dem das Oktogon als Thronsaal diente und somit eine zentrale Rolle im Gesamtkomplex spielte. Entsprechend wäre das Oktogon als Empfangshalle auch der Ort gewesen, an dem der Herrscher Audienzen abhielt. A. Kirin schlägt hierfür die große rechteckige Nische vor, auf die auch der westliche Eingang axial ausgerichtet gewesen sei. Demnach sei diese Halle von Westen her für die über den nördlichen Eingang und das Atrium ankommenden Besucherströme zugänglich gewesen und zeitgleich über die angrenzende beheizbare apsidiale Halle vom Palastinneren im Südosten her.521 Die Breite der Straße ließe sich folglich durch die zeremoniellen Anforderungen erklären. Dies trifft auch für die vom südöstlichen Ende des Forums nach Osten verlaufende Straße südlich des St. Georg-Komplexes und des Oktogon-Komplexes zu (vgl. Abb. 18, 3). Auch sie war mit 9,8 m deutlich breiter als die anderen Straßen in dieser Gegend der Stadt, die in der Regel zwischen 3 und 5 m breit waren. Lediglich der paralell verlaufende Decumanus übertraf mit 15 m Breite die der West-Ost-Straße südlich der Rotunda. Entsprechend deutet A. Kirin diese Straße als westliche Zugangsstraße zum Palastareal, die dieses mit dem Forum verband.522 Gestützt wird diese Annahme durch den bereits von Ivanov und Bobčev in konstantinische Zeit datierten Torbogen am Forum, der den Beginn der Straße markierte (vgl. Abb. 18, 2). Dieser zweitorige Bogen könnte demnach als westliches Eingangsportal gedeutet werden, dessen Breite – ebenso wie die der dahinter verlaufenden Straße –, sich aus den formalen und zeremoniellen Anforderungen ergab.523 Südlich dieser West-Ost-Straße wurden weitere Strukturen freigelegt, die als Teil der Palastanlage gedeutet werden können. Zunächst sind hier die von West nach Ost verlaufenden Mauerstrukturen mit zwei am östlichen Ende sich gegenüberliegenden runden Kammern zu nennen, die bereits von Ivanov und Bobčev freigelegt und als Kornspeicher gedeutet wurden (vgl. Abb. 18, 6). A. Kirin lehnt diese Deutung ab mit dem Verweis darauf, dass die runde Anlage untypisch für Kornkammern gewesen sei und dass die betreffenden Räume vermutlich beheizbar gewesen seien. Darüber hinaus wurden Fragmente von marmorner Wandverkleidung und Bodenmosaiken gefunden. Folglich deutet A. Kirin die runden Kammern als beheizbare Hallen, die Teil der repräsentativen Palastanlage waren.524
521 522 523 524
werden muss. N. Kirova selbst äußert sich nicht zu der möglichen Funktion der Anlage. Vgl. Kirova 2012, S. 226. Vgl. Kirin 2000, S. 322f. Vgl. Kirin 2000, S. 293f. Vgl. ebd., S. 296. Vgl. ebd., S. 309.
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Südlich dieser Räume wurden bei Grabungen während des Baus des Corecom-Gebäudes weitere Strukturen freigelegt (Vgl. Abb. 18, 7). Es handelt sich dabei um einen Peristylhof von 38 x 18 m mit fünf nördlich anschließenden Räumen von unterschiedlicher Größe und einem östlich über die gesamte Länge des Gebäudes verlaufenden Korridor.
Abbildung 23: Plan der Strukturen unter dem Corecom-Gebäude. (Quelle: Ulpia Serdica, Webprojekt)525 Die Portiken des Peristylhofs waren mit geometerischen Mosaiken verziert, von denen Fragmente freigelegt wurden. Hinter dem östlichen Portikus verlief ein Korridor von 3 m Breite entlang der östlichen Grenze des Areals. Etwa 6 m südlich der nordöstlichen Ecke des Peristylhofes wurde der Korridor durch eine Mauer unterbrochen, die den nördlichen und südlichen Teil des Korridors trennte. Der nördliche Teil des Korridors endete in einer halbrunden Nische, in der sich eine 1 m breite Tür in den südlichen Teil befand. Eine weitere Tür in der Westwand des nördlichen Korridors führte in den nördlichen Portikus des Peristyls. Die fünf nördlich daran anschließenden Räume waren eventuell beheizbar und dienten möglicherweise als Wohnräume. Westlich des Peristylhofes wurde eine Mauer von knapp 30 m Länge freigelegt, die doppelt so stark wie die restlichen Grundmauern der Anlage war. Es muss sich hierbei entweder um die Begrenzungsmauer einer weiteren Hofanlage oder um die Außenmauer eines angrenzenden Gebäudes von entsprechender Größe und Höhe gehandelt haben. Zugänglich war die Struktur von Süden her, über eine Tür in der Südwestecke des Peristylhofs. Auch wenn dies hypothetisch 525
http://ulpiaserdica.com/sd_en.html, Datum: 01.09.2015.
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bleiben muss, vermutet A. Kirin hier die östliche Mauer einer Audienzhalle, die im Westen an den Peristylhof grenzte und von diesem aus zugänglich war.526 Im Süden der Hofanlage fanden sich weitere angrenzende Räumlichkeiten, die jedoch nur partiell freigelegt werden konnten. Im Zentrum der südlichen Längsseite des Peristylhofes fand sich ein 1,5 m breiter Durchgang, der in ein angrenzendes Oktogon führte, dessen Arme jeweils 3 m lang waren. Über das Oktogon gelangte man in eine östlich angrenzende runde Kammer von 5 m Durchmesser, die wiederum in eine angrenzende unregelmäßig angelegte Kammer von knapp 4 x 3 m führte, die über Fußbodenheizung verfügte. Diese Kammer war auch über den östlich verlaufenden Korridor zugänglich. Eine weitere runde Kammer von 6 m Durchmesser grenzte im Westen an das Oktogon, war aber augenscheinlich nicht über dieses zugänglich. Über die weitere Anlage des Gebäudes im Süden liegen keine Informationen vor, da hier keine Grabungen durchgeführt werden konnten.527 Erst ca. 20 m weiter südlich konnten beim Bau des Hotel Rila weitere Mauerreste freigelegt werden. Unter dem heutigen Hotel Rila befand sich ein langrechteckiger Hof oder Korridor mit angrenzenden Räumlichkeiten im Norden und Süden sowie einem Gebäudekomplex mit Oktogon im Osten (vgl. Abb. 18, 7). Der Korridor war 9,5 m breit und mindestens 35 m lang. Südlich der zentralen Achse des Korridors, mit einem Abstand von 3,4 m zur südlichen Wand, befanden sich fünf linear angelegte Pfeiler von denen einer rechteckig (2,5 x 0,75 m) und die anderen vier quadratisch (0,75 x 0,75 m) waren. Nördlich des Korridors befanden sich sieben Räume von jeweils 7 m Länge, aber unterschiedlicher Breite. Der erste Raum (von West nach Ost) konnte nicht in seiner kompletten Breite ergraben werden, während der zweite, dritte, vierte und siebte Raum mit 5 m Breite identisch angelegt waren. Der fünfte Raum war 4 m breit und der sechste 6,5 m. Südlich des Korridors grenzten fünf Räume an, die ebenfalls alle 7 m lang waren, in der Breite aber variierten (von West nach Ost 10 m, 5,5 m, 6,5 m, 7 m, 3 m).528 Unklar ist die Zugangsituation, da nicht gesichert ist, ob die Räume vom zentralen Korridor aus betreten wurden oder ob sich der Eingang an anderer Stelle befand. Laut A. Kirin ist die Grundstruktur jedoch typisch für Wohnräume in Villen- und Palastanlagen.529 Östlich an den Korridor schloss ein weiterer Gebäudetrakt an, der durch zwei rechteckigen Räume erschlossen wurde, von denen der größere (9,3 x 7,4 m) in ein Oktogon führte. Das Oktogon war eingelassen in ein Rechteck von 8,8 x 11,2 m und hatte vier Nischen von verschie-
526
527 528 529
Vgl. Kirin 2000, S. 311. Der Durchgang sowie die Grundmauer sind in Abb. 18, 7 nicht verzeichnet. Alle Maße nach Kirin. Vgl. Kirin 2000, S. 310–314. Alle Maße nach Kirin. Vgl. Kirin 2000, S. 314–319. Vgl. ebd., S. 316.
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dener Form und Größe: Im Norden eine halbrunde (B 2,85 x T 2,59 m) und eine rechteckige (B 2,75 x T 2,05 m), im Süden eine kleine halbrunde (B 2,9 x T 0,8 m) und im Osten eine große rechteckige (B 3 x T 3 m). An das Oktogon grenzten südlich ein rechteckiger Raum (4,5 x 3 m) mit Apside (T 1,6 m) sowie ein weiterer rechteckiger Raum (7,5 x 3 m). Im Süden wurde der Trakt begrenzt durch einen schmalen Korridor von 18 x 3 m. Auffällig ist die Ähnlichkeit der Grundstruktur des Oktogons mit südlich anschließender apsidialer Halle mit dem nördlichen Oktogon auf der westlichen insula im Hof des Balkan-Sheraton Hotels. A. Kirin schließt sich in Bezug auf den östlichen Gebäudeteil der Deutung Stančevas an, dass es sich um eine private Thermenanlage gehandelt habe, eine Deutung die auch N. Kirova vertritt.530 Anders als M. Stančeva vermutet A. Kirin in dem Oktogon jedoch nicht das Caldarium, sondern ein beheiztes Vestibül, das auch als kleine Empfangshalle fungiert haben könnte – ähnlich wie das architektonisch ähnliche, größere Oktogon im Norden. Der Badbereich hat sich demnach erst in den dahinterliegenden Räumlichkeiten befunden.531 Die genaue Ausdehung des sogenannten Palastareals nach Süden und Westen bleibt unklar, da ca. 40 m bis zum Verlauf der Stadtmauer im Süden und knapp 80 m bis zum Verlauf des Cardo maximus im Westen bisher archäologisch nicht erforscht wurden. A. Kirin spricht demnach von einer Ausdehung von 150 x 150 bzw. von 150 x 200 m.532 Allerdings war dieses Areal nicht explizit vom Rest der Stadt abgegrenzt, es gab keine Verteidigungsmauer, die das Gelände umgab.533 Bereits in ihrem Artikel von 1994 zu den Ergebnissen der Grabungen im Palastareal nahm M. Stančeva an, dass der St. Georg-Komplex und das östlich angrenzende Areal mit dem Oktogon ursprünglich zu ein und demselben architektonischen Komplex gehörten. Darüberhinaus stellte sie fest, dass sich auch in dem südöstlich anschließenden Areal mit den Strukturen unter dem Corecom-Gebäude und dem Hotel Rila wiederkehrende architektonische Elemente wie Oktogone, Nischen und Peristyle fanden. Daraus leitete sie ab, dass die Bauten zusammenhängend geplant waren und das gesamte Areal als sogenanntes ‚Viertel Konstanins‘ gedeutet werden könne.534 Die These, dass aufgrund der architekontischen Gemeinsamkeiten eine einheitliche Ausführung der Bauten auf Basis eines vorgegebenen Planes anzunehmen sei, ist wenig belastbar, da es sich hierbei um gängige zeitgenössische Architekturelemente handelte, wie sie sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich ver-
530 531 532 533 534
Vgl. ebd., S. 316; Kirova 2012, S. 230. Vgl. ebd., S. 332. Vgl. Kirin 2000, S. 291 und S. 319f. Vgl. ebd., S. 343. Vgl. ebd., S. 289.
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wendet wurden. Nichtsdestotrotz wird aufgrund von Lage, Datierung und zeitgenössischem Kontext die Möglichkeit einer Verortung des Palastareals im Südosten der Stadt seit längerem diskutiert. Ausgehend von der Identifikation des St. Georg-Komplexes als imperiale Therme setzte sich zuletzt A. Kirin umfassend mit dieser These auseinander und deutet das Areal im Südosten der Stadt explizit als kaiserlichen Palast.535 Dabei interpretiert er den Gebäudekomplex auf der östlich an den St. Georg-Komplex anschließenden insula als nordöstlichen Eingang zum Palastareal und verortet in dem zentralen Oktogon den ‚Thronsaal‘. Das unmittelbar südlich der West-Ost Straße anschließende Gebäude sowie die Strukturen unter dem Corecom-Gebäude werden definiert als Repräsentationsareal der kaiserlichen Residenz (Formal Wing) und die Anlage unter dem Hotel Rila als privater Residenzbereich (Private Wing). In dem formalen Bereich des Palastes wären folglich auch ein Triclinium und eine Audienzhalle zu vermuten. A. Kirins Vorschlag, in der westlich des Peristylhofes verlaufenden Grundmauer eben diese zu lokalisieren, bleibt jedoch aufgrund der unvollständig durchgeführten Grabungen hypothetisch, ebenso die Rekonstruktion einer apsidalen Halle im Norden des Peristyls.536 Folgt man generell der Identifikation des Areals als kaiserliche Residenz, sprechen jedoch mehrere Faktoren für diese – wenn auch grob vorzunehmende – Unterscheidung in einen Repräsentations- und einen Residenzbereich. So machen die repräsentativen Straßen vom Norden und vom Forum her eine öffentliche bzw. zeremonielle Nutzung des nördlichen Teils des Areals wahrscheinlich. Für die privatere Nutzung der südlichen Strukturen unter dem Hotel Rila sprechen neben der Lage am südlichsten Rand des Geländes zum einen die private Badeanlage und zum anderen die Grundrisse, die eine Identifikation der angrenzenden Räume als Wohnbereich wahrscheinlich machen. Möglicherweise fungierte der Peristylhof unter dem Corecomgebäude als Verbindungselement zwischen diesen beiden Bereichen.537 Trotz der Vielzahl plausibler Argumente für eine Identifikation des Areals als kaiserliche Residenz, muss diese nach derzeitigem Wissenstand als ungesichert gelten. So hält N. Kirova es zwar für möglich, dass es sich hierbei um einen imperialen Palast handelt, will die Anlage jedoch sicherheitshalber lediglich als Residenz eines wohlhabenden Bürgers bezeichnet wissen, die grob in das 4. Jahrhundert zu datieren ist.538 S. Boyadjiev widerspricht der Deutung als Wohn- und Repräsentationsareal Konstantins entschieden und datiert die Anlage aufgrund eines Münz535 536 537 538
Vgl. ebd., S. 290. Vgl. ebd., S. 327f. Vgl. Kirin 2000, S. 332. Vgl. Kirova 2012, S. 229.
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fundes aus der Regierungszeit des Valentinian II. (375–392 n. Chr.) frühestens in das späte 4. Jahrhundert.539 S. Ćurčić hingegen geht trotz der Unsicherheiten bezüglich der genauen Ausgestaltung der Anlage davon aus, dass es sich bei dem Areal um eine imperiale Residenz aus konstantinischer Zeit handelt.540 Auffällig ist, dass es auf dem Areal eine dichte Vorgängerbebauung gab.541 Die älteren Bauten wurden demnach niedergelegt, um Platz für Neubauten zu schaffen. Folgt man der Deutung als Palastareal, dann wurde somit auch in Serdica ein bestehendes Viertel am Stadtrand gezielt niedergelegt, um die tetrarchisch-konstantinischen Umbaumaßnahmen möglich zu machen.
1.5.2.2 DIE KAISERTHERMEN Die St. Georgs-Rotunde ist das einzige fast vollständig erhaltene spätantike Bauwerk im heutigen Sofia. Ursprünglich gehörte sie zu einem Gebäudekomplex, der sich über die gesamte insula im westlichen Teil des Hofes des heutigen Sheraton-Balkan Hotels erstreckte. Datierung und Funktion des Gebäudes wurden in der Forschung lange diskutiert, zuletzt konnte durch die Dissertation von A. Kirin jedoch plausibel gemacht werden, dass es sich bei dem ab dem 5. Jahrhundert als Kirche genutzten Bau ursprünglich um eine Therme im sogenannten ‚kleinen imperialen Typus‘ aus dem späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert handelt.542 Auf dem Areal des St. Georg-Komplexes lassen sich drei Bauphasen feststellen, von denen die ersten beiden nicht genau datierbar sind. In der ersten Bauphase befanden sich dort Ladengeschäfte, die sich zum Forum und den dazu hinführenden Straßen hin öffneten.543 In der zweiten Bauphase wurden diese nur leicht verändert wieder aufgebaut.544 In der dritten Bau539 540 541
542 543
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Vgl. Boyadjiev 2002, S. 180. Vgl. Ćurčić 2010, S. 51. Vgl. Kirova 2012, S. 226. A. Kirin vermutet auf dem Areal das kaiserzeitliche Praetorium der Stadt. Vgl. Kirin 2000, S. 291f. Zu den Eigenschaften von Thermen des imperialen Typus vgl. Kap. 2.3. An der Westseite befanden sich sechs Ladenräume mit Eingängen vom Forum her. Dahinter waren um einen zentralen Innenhof an der Nord- und Südseite kleinere quadratische und recheckige Räume angeordnet. Der Gebäudekomplex war von der Südseite her zugänglich. Vgl. Ivanov/B občev 1964, S. 56. Vgl. Hoddinott 1975, S. 173. Laut dem Grabungsbericht von Ivanov und Bobčev wurde hierbei die Ladenzeile zum Forum hin relativ unverändert wieder errichtet. Im Inneren des Gebäudes wurde die Vielzahl an kleinen Räumen um den Hof herum durch größere, rechteckige Räume ersetzt. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 56.
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phase entstand der St. Georg-Komplex, wodurch das Areal komplett umgestaltet wurde. Die Ladengeschäfte wurden ersetzt durch eine zum Forum hin offene Hofanlage über die man in den anschließenden Gebäudekomplex gelangte.545 Die Datierung der dritten Bauphase ist in der Forschung ebenso wie die funktionale Bestimmung des Baus umstritten. Aufgrund eines Münzfundes aus der Zeit des Valentinian I. im Bodenbelag der großen Halle nahmen Ivanov und Bobčev an, dass die ursprüngliche Anlage mit Ladengeschäften frühestens unter Valentinian I. (364–375 n. Chr.) oder im Rahmen der Goteneinfälle in Thrakien zwischen 376–382 n. Chr. zerstört und im Anschluss als Kirche wieder aufgebaut wurde.546 Die Deutung als Kirchenbau wäre bei einer Datierung in das späte 4. bzw. frühe 5. Jahrhundert durchaus möglich. Petrov und Venedikov hingegen nahmen das späte 3. oder frühe 4. Jahrhundert als Entstehungszeitraum an. Sie konstatierten bereits, dass die bauliche Anlage für Kirchenbauten untypisch ist und ziehen aufgrund der baulichen Struktur eine Deutung als Mausoleum, paganes Heroon oder Martyrium in Erwägung. Den Münzfund in der großen Halle erklären sie dadurch, dass dieser Bauteil erst später hinzugefügt worden sei. Die ursprünglich von Filov formulierte Vermutung, dass es sich aufgrund des Hypokaustensystems um eine Thermenanlage gehandelt haben könnte, wurde verworfen.547 Sie kamen zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Bau um ein Martyrium handelte, das später zu einem Baptisterium wurde. Nachdem nach schweren Zerstörungen im 5. Jahrhundert lediglich die Rotunde und Teile der Nebenräume erhalten geblieben beziehungsweise wieder aufgebaut worden waren, sei es zu einer Kirche umgewandelt worden.548 Hoddinott schließt sich der Datierung von Petrov und Venedikov an und verortet die Entstehung des Baus zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Den Münzfund aus der Zeit Valentinians führt er mit Verweis auf das abweichende Bodenniveau und fehlende Hypokaustensystem der großen Halle auf spätere Reparaturmaßnahmen zurück. In Bezug auf die funktionale Deutung vertritt er jedoch eine gänzlich andere These. Er verweist darauf, dass die räumliche Konzeption des Komplexes untypisch für Kirchenbauten dieser Zeit sei. Auch die Deutung
545 546 547
548
Vgl. Hoddinott 1975, S. 173f Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 56f. Die Ausgräber schlossen sich der bereits von Karasimeonov vorgebrachten Erklärung an, dass das unter den Böden verlaufende Hypokaustensystem nicht der Heizung, sondern der Lüftung gedient habe. Darüber hinaus fanden sich zum damaligen Zeitpunkt keine Hinweise auf ein separates System der Wasserversorgung oder Kanalisation für den Thermenbetrieb, deren Fehlen einen Badbetrieb jedoch unmöglich machen würde. Die Bassins in den halbrunden Apsiden der Rotunde hielt man für Ergänzungen späterer Jahrhunderte. Vgl. Vendedikov/Petrov 1964, S. 107; ebenso Ivanov/B občev 1964, S. 57. Vgl. Vendedikov/Petrov 1964, S. 107f.
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von Petrov und Venedikov als Martyrium lehnt er in Anbetracht der prominenten Lage am Forum ab – es sei schlichtweg zu unwahrscheinlich, dass bereits im frühen 4. Jahrhundert ein christlicher Bau mit solchen Ausmaßen einen derart prominenten Ort in der Stadt besetzt haben könne. Auch die Interpretation als Mausoleum oder auch als Heroon oder Schrein für einen Schutzgott der Stadt, der dann später in einen Heiligenkult überführt wurde, hält er aufgrund der untypischen baulichen Struktur für unwahrscheinlich. Aufgrund der exponierten Lage am Forum, mit dem der Komplex durch den offenen Hof mit Säulenhallen direkt verbunden war, nimmt er an, dass sich hier nur ein Gebäude von außergewöhnlicher Bedeutung befunden haben könne. Da der Hof durch seine Verbindung mit dem Forum darüber hinaus auf eine mögliche zeremonielle Nutzung hinweise, deutet er die Anlage als eine imperiale Audienzhalle aus konstantinischer Zeit.549 Während diese Deutung gerade in Hinblick auf die anhaltende Unsicherheit bezüglich der Lokalisierung einer möglichen tetrarchisch-konstantinischen Palastanlage in Serdica ausnehmend interessant ist, machen neuere Untersuchungen zum archäolgischen Befund eine andere Funktion der Anlage wahrscheinlich. In der neueren Forschung zu Serdica wurde die bereits früh geäußerte Annahme, dass es sich um eine Thermenanlage handelte, zunehmend wieder aufgegriffen.550 Zuletzt konnte A. Kirin durch eine umfassende Auswertung des archäologischen Befundes plausibel argumentieren, dass es sich bei dem St. Georg-Komplex um eine Therme im imperialen Typus aus dem späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert handelt. Bereits der Grundriss macht die Identifikation der Anlage als Kaisertherme wahrscheinlich. Es handelt sich um eine axial-symmetrisch aufgebaute Abfolge von Räumen, die von der großen Hofanlage über eine basilikal angelegte Halle durch eine Abfolge von zunächst unbeheizten, dann beheizbaren Räumen in die bis heute erhaltene Rotunde führte. Die ausführliche Untersuchung des archäologischen Befundes inklusive der Heiz- und Abwasseranlagen lässt weitestgehend eine funktionale Bestimmung der Räumlichkeiten zu.551
549 550
551
Vgl. Hoddinott 1975, S. 174f. Bereits I. Nielsen nahm die Anlage in ihren Katalog römischer Thermenanlagen auf und identifizierte sie als Therme des kleinen imperialen Typus. Vgl. Nielsen 1990, Kat. Nr. C.206. Boyadjiev geht davon aus, dass der Bau zunächst als balneum gedient habe und dann, unter Constantin, in eine Kirche umgewandelt worden sei. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 179. Auch S. Ćurčić favorisiert in seiner Abhandlung zu römischen Bauwerken auf dem Balkan die Deutung als Thermenanlage. Vgl. Ćurčić 2010, S. 51. Die funktionale Zuschreibung der einzelnen Räume und die Klassifizierung als imperiale Therme wurde erstmals bereits bei I. Nielsen vorgenommen. Die Ausführungen gehen jedoch über die Nennung im Katalog nicht hinaus. Vgl. Nielsen 1990, Kat. Nr. C.206.
144
Abbildung 24: Grundriss St. Georg-Komplex mit vorgelagertem Hof und Funktionsbezeichnungen nach Nielsen. (Quelle: Nielsen 1990, S. 156, Abb. 173) – – – –
P: Palaestra B: Basilica Thermarum F: Frigidarium T: Tepidarium (bei Kirin beheiztes Vestibül)
145
– C: Caldarium – S: (bei Kirin Tepidarium) – Pr: Präfurnium.
Demnach betrat der Besucher vom Forum aus die rechteckig angelegte Hofanlage von 22 x 30 m, die an der West, Nord- und Südseite vermutlich von Portiken umgeben war. Der Hof bildete den Übergang vom Forum zum Eingang des Gebäudekomplexes und ist als palaestra zu deuten (vgl. Abb. 23, P).552 Vom Hof führte ein Doppelportal – zwei durch einen massiven Ziegelpfeiler separierte Tordurchgänge von je 2,5 m Breite – zunächst in eine große Halle von 19,7 x 12,9 m, die an den Schmalseiten im Norden und Süden mit Apsiden mit einem Radius von 3,2 m versehen war (vgl. Abb. 23, B). Insgesamt ergab sich so eine Raumlänge von 25,2 m. Die Halle war darüber hinaus durch zwei schmale Durchgänge in der Ostwand der Halle zugänglich. Als Deckenkonstruktion kann ein reguläres Holzdach angenommen werden. Laut A. Kirin ist die Halle als Vestibül zu deuten, das als Empfangsbereich und Übergang zu den östlich angrenzenden Räumlichkeiten diente. Aufgrund ihrer Größe fungierte sie wohl nicht nur als Eingangsbereich, sondern auch als Versammlungsort für soziale Aktivitäten und ist somit als basilica thermarum zu bezeichnen.553 Durch eine 3 m breite Tür in der Mitte der Ostwand der Basilika gelangte man in eine kleinere, fast quadratische Halle von 9,24 x 9,42 m (vgl. Abb. 23, F) mit rechteckigen Apsiden an den Nord- und Südseiten von 3,31 x 3,25 m bzw. 3,15 x 3,25 m (vgl. Abb. 23, Pi). In den vier Ecken der Halle fanden sich jeweils den Wänden vorgelagerte quadratische Pfeiler mit einer Seitenlänge von 2 m. In der Mitte der Halle wurde ein Fundament von 1,1 x 1,2 m freigelegt, bei dem es sich beispielsweise um ein Statuenpostament handel könnte. Ebenso wie die Basilika verfügte dieser Raum nicht über Hypokausten und war somit nicht beheizbar. Der archäologische Befund deutet jedoch darauf hin, dass sich in den rechteckigen Apsiden kleine Wasserbecken von maximal 1–1,5 m Tiefe befanden, die über Keramikleitungen im Ziegelwerk zu den an das Gebäude anschließenden Abwasserkanälen abliefen. An der östlichen Längsseite dieser kleineren Halle befand sich ein weiterer Eingang mit zwei Durchgängen von je 1,8 m Breite, durch den man in die östlich anschließenden Gebäudeteile gelangte.554 Im Kontext der Deutung als Thermenanlage kommt für die quadratische Halle mit Wasserbecken aufgrund ihrer Lage direkt im
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Die umlaufenden Portiken sind nicht gesichert. Bei den Ausgrabungen wurden jedoch Mauerreste der niedergelegten Vorgängergebäude freigelegt, die 1,5 m über dem Bodenniveau der Therme standen. Dies macht eine Wiederverwendung der Mauern als Hofmauern wahrscheinlich. Diese wurden dann höchstwahrscheinlich als Portiken konstruiert, wie in der römischen Thermenarchitektur üblich. Vgl. Kirin 2000, S. 162. Zu palaestrae mit umlaufenden Portiken als wesentliches Merkmal von Thermen hat sich unter anderem F. Yegül geäußert. Vgl. Yegül, Fikret: Baths and bathing in classical antiquity. Architectural History Foundation, New York 1992, S. 9–14, 15, 185, 185. 55, 309–313. Vgl. Kirin 2000, S. 165. Zu Basiliken als Teil von Kaiserthermen vgl. Yegül 1992, S. 160–162; Nielsen 1990, S. 162. Vgl. Kirin 2000, S. 167f.
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Anschluss an die Vorhalle und der fehlenden Hypokausten nur die Bezeichnung als Frigidarium, als Kaltwasserbad, in Frage.555 Östlich an das Frigidarium schloss eine dreigeteilte Vorhalle an (vgl. Abb. 23, T). Der mittlere Raum war rechteckig angelegt (9,4 x 4,7 m) und führte über eine 2,35 m breite Tür in der Ostwand in die bis heute erhaltene Rotunde. Rechts und links des Durchgangs zur Rotunde befanden sich zwei Wandnischen (Breite 1,3 m x Höhe 3 m x Tiefe 0,9 m), die vermutlich zur Aufstellung von Statuen gedacht waren. In den Ecken der Westwand befanden sich ebenfalls Nischen (Breite 1,42 m x Tiefe 0,62 m). Da diese mit dem Abwassersystem des Frigidariums verbunden gewesen zu sein scheinen, sind hier Wasserbecken anzunehmen. Die beiden im Norden und Süden an die mittlere Halle anschließenden kleineren Räume waren über Durchgänge von 1,6 m Breite zugänglich.556 Sie waren in ihrer Struktur identisch angelegt: Rechteckige Räume (4,8 x 4,2 m) mit rechteckigen Nischen (3,2 x 2,6 m), in denen sich Fenster von 1,55 m Breite befanden. Wie im mittleren Raum waren die Wände und Böden über ein Hypokaustensystem beheizbar. Unter den Fenstern der Seitenräume befanden sich Rundbögen, die den direkten Zugang zu den Hypokausten ermöglichten und an die vermutlich Praefurnien anschlossen.557 Kirin deutet den Mittelteil der Vorhalle als beheiztes Vestibül, das als wärmespeichernder Übergangsbereich vom Kaltwasserbad zu den Warmwasserbereichen fungierte. Die beiden im Norden und Süden anschließenden Räume dienten wahrscheinlich als Apodyteria (Umkleideräume). In kälteren Regionen war es durchaus nicht ungewöhlich, dass sich diese im beheizten Teil des Bades befanden und nicht direkt an das Frigidarium anschlossen.558 Über die beiden seitlichen Räume der dreigeteilten Vorhalle sowie über Durchgänge direkt von der Rotunde aus erreichte man im Norden und Süden zwei kleinere rechteckig angelegte Nebenräume der Rotunde, die an der östlichen Schmalseite jeweils mit einer halbrunden Apside abschlossen (vgl. Abb. 23, S). Auch diese Räume waren in ihrer Größe identisch und symmetrisch zueinander angelegt. Die rechteckige Grundfläche maß 9,6 x 6 m und die Apsiden hatten einen Radius von 4,15 m. Auch hier befanden sich Fenster in den Apsiden sowie jeweils zwei weitere in der langen Außenwand. Wie in den Apodyteria befanden sich unter den Fenstern in den Apsiden Rundbögen, die als Öffnungen für Präfurnien dienten. In den Westwänden der beiden Hallen befanden sich rechteckige Nischen, die mit dem Abwassersystem der Anlage verbunden waren und folglich ursprünglich ebenfalls Wasserbecken beinhalteten.559 Da diese lediglich über die Hypokausten beheizt wurden, kann das Wasser nur lauwarm und nicht heiß
555 556 557 558 559
Vgl. Kirin 2000, S. 169. Vgl. ebd., S. 170f. Vgl. ebd., S. 172f. Vgl. ebd., S. 171ff. Vgl. Kirin 2000, S. 176ff.
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gewesen sein. Folglich identifiziert A. Kirin die beiden apsidialen Seitenräume der Rotunde als Tepidarien. Diese Verortung ist eher ungewöhnlich, da sich das Tepidarium in der Regel zwischen Frigidarium und Caldarium befand. Entsprechend hatte I. Nielsen das Tepidarium in dem von A. Kirin als beheizte Vorhalle bezeichnetem Raum vermutet (vgl. Abb. 23, T).560 Sowohl für die beheizbare Vorhalle als auch für die Tepidarien nimmt A. Kirin als Deckenkonstruktion Tonnengewölbe an.561 Die Rotunde selbst wird sowohl bei I. Nielsen als auch bei A. Kirin als Caldarium identifiziert (vgl. Abb. 23, C). Sie hatte einen Durchmesser von 9,75 m und eine Höhe von knapp 12 m. Die Höhe ist nicht exakt feststellbar, da die heute sichtbare Kuppel und die Raumhöhe von 14 m nicht den Originalzustand spiegeln. Die ursprüngliche Kuppelkonstruktion wird etwas breiter und flacher angelegt gewesen sein und war durchbrochen durch acht Fenster, über die eine Tageslichtbeleuchtung und zusätzliche Beheizung durch die Sonneneinstrahlung ermöglicht wurde.562 Die Rotunde war über einen Hauptzugang von der beheizten Vorhalle sowie von den angrenzenden apsidialen Seitenräumen (Tepidarien) aus zugänglich. Der Haupteingang der Rotunde war axial auf eine große rechteckige Apside im Osten des Raumes ausgerichtet, in der sich ein Wasserbecken und das Hauptpräfurnium befanden.563 Zusätzlich zu der rechteckigen Apsis waren in der Nord- und Südwand vier halbrunde Apsiden angelegt, die sich in Größe und Funktion jedoch unterschieden. Die beiden östlichen Nischen waren mit einer Breite und Tiefe von jeweils 3 m etwas größer als die westlichen Nischen mit einer Breite von 2,55 m und Tiefe von 2,1 m. In den östlichen Nischen waren halbrund angelegte Wasserbecken mit einem Radius von 2 m eingebaut, zudem befanden sich 1,6 m breite Fenster in den Wänden.564 Die Funktion der westlichen Nischen bleibt unklar, hier befanden sich ursprünglich wohl keine Wasserbecken, obwohl sie mit Abwasserkanälen ausgestattet waren.565 Die Identifikation als Caldarium machen mehrere Faktoren wahrscheinlich: Die Rotunde war der einzige Raum, der an allen Seiten von beheizbaren Räumen umgeben war, darüber hinaus befand sich hier das Hauptpräfurnium. Das ermöglichte eine hohe Raum- und Wassertemperatur und beugte Wärmeverlust vor. Auch der Grundriss ist typisch für Caldarien in römischen
560 561 562 563
564
565
Vgl. Legende Abb. 23. Vgl. Kirin 2000, S. 243. Vgl. ebd., S. 191f. Eine ausführliche Beschreibung und Diskussion des Heizsystems der gesamten Anlage findet sich bei Kirin 2000, S. 207–234. Von den Wasserbecken nahmen Ivanov und Bobčev an, dass sie nicht Teil der originalen Anlage waren, sondern spätere Ergänzungen. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 57. A. Kirin hingegen argumentiert, dass es für diese Annahme im archäologischen Befund keine Anhaltspunkte gäbe. Vgl. Kirin 2000, S. 248. Eine Einschätzung, die unter anderem von S. Boyadjiev geteilt wird. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 179f. Vgl. Kirin 2000, S. 185f.
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Thermen, die in der Regel lichtdurchflutete, radial oder polygonal angelegte Räume mit einer Kuppelkonstruktion waren. Darüber hinaus spricht die axial-symmetrische Anordnung der Räumlichkeiten für diese Nutzung. Ab dem Betreten des Gebäudes durch das Eingangsportal führte die Sicht- und Bewegungsachse den Besucher auf das Caldarium als Höhepunkt des Badevorgangs zu. Über die Innenausstattung und Dekoration der Anlage ist kaum etwas bekannt. Bei den Grabungsarbeiten in der Rotunda wurden Marmorfragmente gefunden, die jedoch weder fotografisch oder zeichnerisch dokumentiert wurden noch ordnungsgemäß eingelagert wurden. Heute scheinen sie verloren gegangen zu sein, nichtsdestotrotz kann man mit einiger Sicherheit annehmen, dass die Rotunde wie bei vergleichbaren Bauwerken der Zeit üblich mit einer marmornen Wandverkleidung ausgestattet war. Ebenso sind für den Bodenbelag Marmorplatten anzunehmen.566 Als Baumaterial wurde lediglich Ziegelstein und Mörtel verwendet.567 Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Identifikation des St. Georg-Komplexes als Kaisertherme durch die Ausführungen von A. Kirin plausibel gemacht werden kann. Insbesondere die umfassende Auswertung des archäologischen Befundes macht hier einige Neuerkenntnisse möglich. So argumentierten noch T. Ivanov und S. Bobčev, dass das Fehlen von Wasserzuläufen und Abwasserkanälen eine Nutzung der Anlage als Therme unmöglich mache.568 A. Kirin hingegen argumentiert, dass die Be- und Entwässerung des St. Georg-Komplexes über Rohrleitungen erfolgte, die an das städtische Wasserversorgungssystem unterhalb der die insula umgebenden Straßenpflasterung angebunden waren.569 Darüber hinaus lassen sich die Wasserbecken als Teil der Originalanlage nachweisen, was ebenfalls auf einen Badebetrieb hindeutet. Der stärkste Indikator ist jedoch die axial-symmetrische Anlage, die – wenn auch in einem kleineren Ausmaß als in den stadtrömischen Kaiserthermen – die Regulierung von zwei getrennten Besucherströmen durch die Doppelportale der westlichen Eingangshalle und der beheizten Vorhalle zum Warmwasserbereich mit den seitlich anschließenden doppelt vorhandenden Umkleideräumen und Tepidaria ermöglichte. Das einzige fehlende Merkmal einer Kaisertherme ist die natatio. Dies ist jedoch für Thermen in dieser Region nicht ungewöhnlich, da offene Schwimmbecken in den nördlichen Grenzregionen nicht üblich waren und wenn, dann lediglich bei früheren Thermenanlagen zu finden sind.570
566 567 568 569 570
Vgl. Kirin 2000, S. 234f. Vgl. Ivanov/Bobčev 1964, S. 57. Vgl. ebd., S. 57; ebenso Vendedikov/Petrov 1964, S. 107. Vgl. Kirin 2000, S. 237ff. Vgl. Nielsen 1990, S. 82. Auch die spätantiken Kaiserthermen in Augusta Treverorum hatten keine natatio mit Schaufassade.
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Eine Identifikation als Therme des sogenannten kleinen imperialen Typus ist demnach plausibel. Nichtsdestotrotz fällt der deutliche Größenunterschied zu den imperialen Thermen in anderen tetrarchischen Residenzstädten auf. So kann die Thermenanlage in Serdica mit einer Grundfläche von ca. 1960 m² nicht mit den monumentalen Anlagen beispielsweise in Augusta Treverorum oder Mailand verglichen werden und selbst kleinere Kaiserthermen in Provinzhauptstädten, wie das bereits im 3. Jahrhundert angelegte Bad C in Antiochia mit 3700 m² Grundfläche, waren deutlich größer.571 Vermutlich konnte die Therme in Serdica lediglich ca. 25–30 Besucher gleichzeitig beherbergen.572 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Thermen des kleinen imperialen Typus anders als die monumentalen Kaiserthermen nicht zwingend eine finanzielle Beteiligung des Kaiserhauses nahelegen. Insbesondere in Nordafrika und Kleinasien lässt sich des Öfteren für Thermen des kleinen imperialen Typus die Bauinitiative bei der Stadtverwaltung vermuten.573 Abgesehen von Erkenntnissen zur ursprünglichen Funktion der Anlage bestätigt A. Kirin die bereits in der älteren Forschung vorgeschlagene Datierung in das späte 3. oder frühe 4. Jahrhundert. Laut Kirin ist für den Gesamtkomplex ein Baubeginn zwischen 306 und 316 n. Chr. am wahrscheinlichsten, als Bauherren kämen demnach sowohl Galerius als auch Konstantin in Frage. Dies ist zunächst aufgrund des historischen Kontexts pausibel, da für diese Zeit eine Blütezeit der Stadt einhergend mit einem Bevölkerungswachstum und Bauboom nachzuweisen ist. Ein weiterer Indikator für die Datierung ist neben dem Mauerwerk insbesondere die Bauweise der Tonnengewölbe. Die Ziegel wurden hierbei der eigentlichen Wandkonstruktion vorgelagert (pitched-brick vaulting) – eine Bauweise, die seit der Tetrarchie bei mehreren imperialen Bauwerken auf der Balkan-Halbinsel nachweisbar ist und somit in tetrarchisch-konstantinischer Zeit etabliert worden zu sein scheint.574 Inbesondere die Datierung der westlichen Eingangshalle war aufgrund des valentinianischen Münzfundes umstritten. Doch auch A. Kirin hält mit Verweis auf das einheitliche Mauerwerk und die zusammenhängende Grundstruktur die Westhalle für einen ursprünglichen Bestandteil des Baukomplexes und führt den Fund der Münze ebenso wie Hoddinott auf spätere Reparaturmaßnahmen am Bodenbelag zurück.575 Im weiteren Nutzungsverlauf stürzte die Kuppel der Rotunde zweimal ein und auch die Gewölbe über den Tepidarien kollabierten und zerstörten unter anderem die Hypokausten in der nördlich an die Rotunde anschließenden Halle. Vermutlich erfolgte die erste Reparaturmaßnahme nach einem
571 572 573 574 575
Vgl. Nielsen 1990, Bd. II, S. 26, Nr. C. 206. Vgl. Kirin 2000, S. 207. Vgl. Nielsen 1990, S. 4. Vgl. Kirin 2000, S. 243ff. Verwiesen wird außerdem auf den Umstand, dass die Münze nicht in einer geschlossenen archäologischen Schicht gefunden wurde. Vgl. Kirin 2000, S. 164.
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Einsturz der Kuppel bereits in der Mitte des 4. Jahrhunderts. Danach scheint der Badbetrieb nur noch teilweise aufrechterhalten worden zu sein. Nach einem weiteren Einsturz der Kuppel kam der Badbetrieb zum Erliegen und vermutlich bereits ab 450 n. Chr. wurde das Gebäude als Kirche genutzt.576
1.5.2.3 EIN AMPHITHEATER ANSTATT EINES CIRCUS? Auf eine Circusanlage in Serdica gibt es bisher keine Hinweise. Für die Zeit der Severer sind inschriftlich Wettspiele zu Ehren des Apollon Pythios (Kendrisos) belegt, die jedoch nicht in einem Circus stattgefunden haben müssen.577 Lediglich ein 1920 gefundenes Relief mit Theater- und Tierjagdszenen deutet die Möglichkeit eines Circus in Serdica an.578 Die stilistische Ausarbeitung legt jedoch die Deutung nahe, dass es sich hierbei nicht um die Darstellung tatsächlicher Spiele in Serdica handelt, sondern eher um eine abstrakte Illustration paganer Feierlichkeiten.579 Darüber hinaus gibt es keinen Hinweis darauf, dass diese – selbst wenn sie auf tatsächlich stattfindende Feierlichkeiten in Serdica verweisen – in einem Circus stattgefunden haben, möglich wäre auch ein Amphitheater. Des Weiteren wird das Relief zwar übereinstimmend in die Spätantike datiert, doch der genaue Entstehungszeitpunkt ist umstritten. Laut der neueren Forschung entstand es vermutlich erst im späten 4. bzw. frühen 5. Jahrhundert.580 Folglich wäre selbst dann, wenn man daraus die Existenz eines Circus ableiten würde, keine genaue Aussage über dessen Entstehungszeit möglich. Kirin stellte darüber hinaus die These auf, dass 1881 entdeckte und heute überbaute Mauerreste knapp 400 m östlich des antiken Osttores als Teil einer Circusanlage gedeutet werden kön-
576 577 578
579
580
Vgl. Kirin 2000, S. 252ff. Vgl. Danov 1979a, S. 272 sowie Anm. 138. Das Relief wurde in dem Gebäude gefunden, welches u. a. durch Hoddinott als Praetorium gedeutet wird. Über seinen ursprünglichen Aufstellungsort und Funktionszusammenhang lassen sich jedoch keine Aussagen treffen. Das Relief wurde auch aufgrund seines Seltenheitswertes des Öfteren in der Forschung besprochen. Vgl. hierzu zuletzt Lehmann, Stefan: Ein spätantikes Relief mit Zirkusspielen aus Serdica in Thrakien. In: Bonner Jahrbücher, Bd. 190. Rheinland-Verlag Köln, Dr. Rudolf Habelt Bonn, Verlag Butzon & Bercker Rheinland, Böhlau Verlag Köln-Wien, 1990. S. 139–174. Laut Lehmann sind die dargestellten Szenen auf den Kult der Kybele zu beziehen und stehen in Zusammenhang mit den ludi megalenses. Zwar seien diese inschriftlich für das 3. Jahrhundert in Serdica belegt, die Abwesenheit von Zuschauern in der Darstellung mache es jedoch wahrscheinlich, dass die Spiele hier lediglich eine allgemeine Illustration der Festlichkeiten seien und keine konkreten Spiele darstellten. Vgl. Lehmann 1990, S. 172f. Vgl. Lehmann 1990, S. 160; Danov 1979a, S.272. Hoddinott hält im Gegensatz dazu aufgrund der Darstellung paganer Gottheiten eine Datierung in das 3. oder spätestens in das frühe 4. Jahrhundert für wahrscheinlich. Dass die Spiele in einer Circusanlage stattgefunden haben könnten, erwähnt er allerdings nicht, er hält ein Odeion als Aufführungsort für möglich. Die weibliche Göttergestalt identifiziert er nicht als Kybele, sondern als Aphrodite. Vgl. Hoddinott 1975, S. 175.
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nen.581 Diese These bleibt jedoch aufgrund des Fehlens jeglicher Dokumentation dieser Mauerreste äußerst hypothetisch. Bei Grabungen im Jahr 2004 wurden jedoch Überreste einer als Amphitheater gedeuteten Struktur etwa 250 m östlich der antiken Stadtmauer freigelegt, die in diokletianische Zeit datiert werden. Die gefundenen Elemente waren Teile der Arena, der Sitzreihen und der Wände. 2005 konnte die Deutung als Amphitheater bestätigt werden, da am Knyaz Alexander Dondukov Boulevard weitere Teile der cavea, der Außenmauern und der Arena gefunden wurden. Demnach maß die oval-elliptische Anlage ungefähr 100 x 80 m, wovon die Arena knapp 60 x 40 m ausmachte, und hatte eine Ost-West-Orientierung. Die Innenwände waren aus Ziegelmauerwerk gebaut, bei den Außenwänden waren auch Steinquader verwendet worden. Die Steinsitze der cavea bestanden aus Sandstein, im Norden waren aufgrund der topographischen Bedingungen keine Sitzreihen vorhanden oder diese bestanden aus archäologisch nicht nachweisbaren Holzkonstruktionen. Das Gebäude hatte zwei Bauphasen, wovon die erste in das späte 3. Jahrhundert datiert wird, gefolgt von einem Ausbau im frühen 4. Jahrhundert. Kirova bringt die Stiftung des Baus mit dem Aufenthalt Diokletians in Serdica im Jahr 293 n. Chr. in Zusammenhang. Unter dem Amphitheater traten Strukturen einer älteren Theateranlage zutage, die in severische Zeit datiert und nach der Mitte des 3. Jahrhunderts zerstört wurde.582 Da weder die schriftliche Überlieferung noch der archäologische Befund Hinweise auf einen Circus geben, ist die Annahme einer solchen Anlage für Serdica nicht haltbar. Daraus lassen sich zwei insbesondere für die Frage nach einem programmatischen Ausbau der Residenzstädte wichtige Schlussfolgerungen ableiten: Erstens wurde in Serdica nicht wie für die tetrarchischen Residenzstädte üblich eine Circusanlage gestiftet. Stattdessen entstand in tetrarchischer Zeit das Amphitheater. Dies ist auffällig, da für keine andere tetrarchische Residenz der Neubau eines Amphitheaters überliefert ist. Zweitens lässt sich keine räumliche Verbindung zwischen Spielstätte – in diesem Fall dem Amphitheater – und Palastanlage annehmen. Selbst wenn man der oben erörterten Annahme, dass sich der Residenzbereich im Südosten der antiken Stadt befunden hat nicht folgt und ihn an anderer Stelle vermutet, wird sich dieser sicher nicht außerhalb der Stadtmauern befunden haben.
1.5.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts scheint Serdica zunächst eine bedeutende Stadt geblieben zu sein, auch wenn sie keine Herrscherresidenz mehr war. Im Jahre 341/343 n. Chr. fand das Konzil von Serdica statt, bei dem der arianische Kirchenstreit beigelegt werden sollte. Zwar ist 581 582
Vgl. Kirin 2000, S. 336f. Vgl. Kirova 2012, S. 233–236.
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nicht gesichert, in welcher Kirche es abgehalten wurde, der Umstand dass es in Serdica stattfand, ist jedoch ein Indiz für die Bedeutung der Stadt und ihres Bischofs.583 Im Jahre 357 n. Chr. hielt sich Ammianus Marcellinus kurz in Serdica auf und bezeichnete es, ebenso wie das nahegelegene Philippopolis (Plodiv), als große und angesehene Stadt.584 In der Folgezeit war die Stadt jedoch zunehmend von den Auseinandersetzungen der Völkerwanderungszeit betroffen. Die im frühen 4. Jahrhundert ausgebauten Stadtmauern wurden eventuell schon Ende des Jahrhunderts durch die Visigoten zerstört.585 Spätestens im 5. Jahrhundert jedoch, vermutlich 441–442 n. Chr., wurde Serdica durch die Hunnen zumindest teilweise zerstört.586 Entweder bereits unter Leo I. in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder unter Justinian I. im 6. Jahrhundert wurden dann die zerstörten Stadtmauern entlang der ursprünglichen kaiserzeitlichen Ausmaße (Serdica I.) wieder hergestellt, spätestens jetzt wird Serdica II. aufgegeben worden sein (vgl. Abb. 17). Im Zuge des Wiederaufbaus wurde der alten Stadtmauer aus opus mixtum eine 1,80 m dicke Mauer aus Ziegelsteinen vorgelagert und so eine Mauerstärke von knapp 4 m erreicht. Alte Wachtürme wurden wiederaufgebaut und durch neue, dreieckige Türme entlang der Mauern ergänzt. Die Torbauten wurden durch fünfeckige Türme flankiert.587 Ebenfalls unter Justinian I. entstand die noch heute erhaltene Kirche Santa Sofia vor den Stadtmauern.588
583
584 585 586
587
588
Insbesondere die Datierung des Konzils wurde lange Zeit in der Forschung diskutiert, ebenso wie der mögliche Ort des Geschehens. Exemplarisch sei hier verwiesen auf den Artikel von L.W. Barnard, er rekapituliert die Forschungsdebatte zur Datierung und plädiert für das Jahr 343 n. Chr. Vgl. Barnard, L.W.: The Council of Serdica – Two questions reconsidered. In: Poulter, A.G. (Ed.): Ancient Bulgaria. Papers presented to the International Symposium on the Ancient Archeology of Bulgaria, University of Nottingham, 1981. Part 2. University of Nottingham, Nottingham 1983. S. 215–31. Amm. Marc. 21.10.3. Vgl. Hoddinott 1975, S. 269. Vgl. Hoddinott 1975, S. 269. Bei Boyadjiev wird der Hunneneinfall abweichend auf 443 n. Chr. datiert. Vgl. Boyadijev 2002, S. 178. Kirova schreibt von zwei Einfällen der Hunnen, zunächst 443 n. Chr. und dann nochmals 447 n. Chr. Vgl. Kirova 2012, S. 200. Fingarova hingegen hält eine Zerstörung der Stadt durch die Hunnen bereits im frühen 5. Jahrhundert für unwahrscheinlich. Vgl. Fingarova 2011, S. 6f. Vgl. Boyadjiev 2002, S. 178; Hoddinott 1975, S. 269. Während Boyadjiev und Hoddinott die Erneuerung der Stadtmauern in die Zeit nach dem Hunneneinfall datieren, schreibt u. a. Kirova die Baumaßahme Justinian I. zu. Er hält des Weiteren fest, dass lediglich das Ost- und Westtor fünfeckige Seitentürme hatten, das Nordtor wurde flankiert durch polygonale Türme. Vgl. Kirova 2012, S. 200. Die Datierung Kirovas steht im Einklang mit der Überliefung Prokops, der die Baumaßnahmen Justinians in den Balkanprovinzen beschreibt und dabei vom Wiederaufbau der Stadtmauern von Serdica, Naissus, Germaê und Pautalia berichtet. Proc. De aed. 4.1.31. Zur Baugeschichte der Sofienkirche vgl. Fingarova 2011.
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1.5.4 FAZIT SERDICA Serdica ist eine derjenigen Residenzstädte, deren Bedeutung und architektonische Monumentalisierung in tetrarchischer Zeit nicht mit Sicherheit einzuordnen ist. Fakt ist, dass Serdica von 303 bis 308/309n. Chr. Sitz einer imperialen Münzstätte war und in dieser Zeit vermutlich die Hauptresidenz des Galerius. Zwischen 317 und 324 n. Chr. war sie außerdem eine der Hauptresidenzen Konstantins. Als Provinzhauptstadt und Verwaltungszentrum in Grenznähe bot sie sich aufgrund der geopolitischen Lage und der bestehenden Infrastruktur dafür an. Entsprechend lässt sich zu Beginn des 4. Jahrhunderts ein maßgeblicher Ausbau der Stadt feststellen. Die alten Stadtmauern wurden restauriert und das Stadtgebiet nach Norden hin durch einen neuen Mauerbau massiv erweitert. Im Stadtzentrum wurde das Bouleuterion ausgebaut und Teile des sog. Praetoriums aus dem 2. Jahrhundert wurden zum Sitz der imperialen Münze. Gesichert ist darüber hinaus der Bau des St. Georg-Komplexes östlich des Forums im frühen 4. Jahrhundert. Hier entstand eine Thermenanlage des kleinen imperialen Typus, die sowohl vom Forum aus zugänglich war, als auch an das sogenannte Palastareal im Südosten der Stadt angrenzte. Zwischen dem St. Georg-Komplex und dem sog. Palastareal verlief eine knapp 10 m breite Straße, an deren westlichem Ausgangspunkt am Forum in konstantinischer Zeit ein zweitoriger Bogen errichtet wurde. Nicht gesichert ist die Identifikation des Residenzareals im Südosten der Stadt als Palastareal. Es gibt jedoch plausible Argumente, die für eine Lokalisierung der mit einiger Sicherheit in Serdica vorhandenen imperialen Residenz in diesem Teil der Stadt sprechen. Denn auch wenn eine Palastanlage erst für die Nachfolger Konstantins sicher belegt ist, wird mit dem Bau einer solchen bereits unter Galerius begonnen worden sein. Spätestens nach seiner Ernennung zum Augustus 305 n. Chr. wird er bestrebt gewesen sein, diesen Status auch architektonisch in seiner Residenz sichtbar zu machen. Vermutlich kamen die Arbeiten nach 308 n. Chr. zum Erliegen und wurden dann durch Konstantin weitergeführt, für den ebenfalls eine rege Bautätigkeit in seinen jeweiligen Residenzen belegt ist. Nichtdestotrotz sind keine gesicherten Aussagen über die Art und Ausdehnung der Palastanlage möglich. Folgt man der Interpretation A. Kirins, dann kann man für Serdica ein weitläufiges Palastareal mit dem Oktogon als Empfangs- und Thronsaal annehmen, an das im Südosten ein formal-repräsentativer Flügel und darauffolgend ein privater Residenzbereich anschloss. Dabei wurde die Vorgängerbebauung wie auch in anderen Residenzen niedergelegt und Platz für ein weitläufiges Palastareal am Stadtrand geschaffen. Die St. Georgs-Therme wäre in diesem Zusammenhang eine Kaisertherme mit räumlichem Bezug zum Palastareal gewesen – ein Konzept wie es bereits aus Trier bekannt ist und unter Konstantin im Ausbau Konstantinopels seinen Höhepunkt fand. Auffällig in Bezug auf eine systematische Ausstattung der Residenzen ist, dass sich in Serdica bisher weder archäologische noch schriftliche Hinweise auf eine Circusanlage gefunden haben. 154
Stattdessen entstand hier in tetrarchisch-konstantinischer Zeit ein Amphitheater – ein nach bisherigem Erkenntnisstand singulärer Vorgang, da aus tetrarchischer Zeit sonst keine Neubauten von Amphitheatern bekannt sind. Zwar kann somit der Bau einer Anlage für die Veranstaltung von Spielen nachgewiesen werden, es ist jedoch sicher, dass diese in keinerlei räumlichem Zusammenhang mit der Palastanlage stand. Ebensowenig gibt es Hinweise auf eine Tempelanlage für die tetrarchischen Schutzgötter oder auf ein Mausoleum – ein Befund, der sich auch mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen aus Nicomedia, Sirmium und Antiochia deckt. Insgesamt stellt sich im Falle Serdicas die Frage, wie die Rolle der Stadt im Kontext der anderen tetrarchischen Residenzen zu bewerten ist. Während mehrere grundlegende Kriterien wie Anwesenheit des Herrschers, Münzstätte, Verwaltungszentrum etc. zumindest für die Zeit des Galerius erfüllt sind, waren die entscheidenden architektonischen Merkmale Circus und Palast nicht vorhanden bzw. können nicht sicher nachgewiesen werden. Vermutlich wurden zur Zeit des Galerius mehrere Bauvorhaben initiiert, der maßgebliche Ausbau erfolgte jedoch erst zwischen 317 und 324 n. Chr. unter Constantin. Im Zusammenhang mit der Frage nach einem systematischen Ausbau der tetrarchischen Residenzen scheint sich Serdica somit nicht als klassische tetrarchische Residenz zu qualifizieren, sondern eher ein städtbauliches Experimentierfeld Konstantins auf dem Weg hin zu seiner Neugründung Konstantinopels und dessen architektonischer Konzeption gewesen zu sein.
1.6 AUGUSTA TREVERORUM (TRIER) Im Vergleich zu anderen tetrarchischen Residenzstädten ist die Quellenlage zum römischen Trier relativ gut, die schriftlichen und insbesondere archäologischen Zeugnisse ermöglichen eine recht dichte Rekonstruktion der Stadtentwicklung auch für die Zeit der Tetrarchie. Bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert beschäftigt die römische Vergangenheit der Stadt die Wissenschaft.589 Darüber hinaus lässt sich in Trier bis heute eine besonders aktive archäologische Forschungstätigkeit und anhaltende Diskussion zu Fragen der Erhaltung des archäologischen Erbes beobachten. Insbesondere ist hier die Arbeit des Rheinischen Landesmuseums Triers zu nennen.590 Problematisch ist jedoch, dass zahlreiche Grabungsbefunde bisher noch nicht wissen589
590
Für einen kurzen Abriss der Forschungsgeschichte zu Trier ab dem 19. Jahrhundert vgl. Heinen, Heinz: Trier und das Trevererland in römischer Zeit. 2.000 Jahre Trier. Spee-Verlag 1985. S. XX–XXII; Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Theiss 2001, S. 12ff. Vgl. u. a. Merten, Jürgen (Koordination): Rettet das archäologische Erbe in Trier. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, 31/2005. Darüber hinaus ist insbesondere die durch das Rheinische Landesmuseum Trier herausgegebene Trierer Zeitschrift zu nennen, die seit 1926 in regelmäßigen Ausgaben und Beiheften die Erkenntnisse der archäologischen Forschung in Trier dokumentiert.
155
schaftlich ausgewertet und entsprechend publiziert werden konnten. In jüngerer Zeit haben hier insbesondere die Artikel von T. Fontaine, M. Kiessel und U. Wulf-Rheidt maßgeblich zu einem vertieften Verständnis des spätantiken Baubefundes beigetragen.591
1.6.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Die Gegend um Trier blickt auf eine lange Besiedlungsgeschichte zurück, die untrennbar verbunden ist mit der Stammesbildung der Treverer. Aus vor-römischer Zeit sind uns hierzu jedoch lediglich archäologische Zeugnisse erhalten592, erst mit der Eroberung der Region durch Caesar im Gallischen Krieg von 56–52 v. Chr. setzt auch die schriftliche Überlieferung ein.593 Die eigentliche Stadtgründung ist nicht sicher zu datieren, die Entstehung der römischen Siedlung wird aber im Nachgang der Eroberung Galliens um 18/17 v. Chr. erfolgt sein. In der älteren Forschung wurde oftmals eine vorangegangene spätkeltische Siedlung auf dem späteren Stadtgebiet der Augusta Treverorum angenommen, doch lässt sich dies anhand der archäologischen Zeugnisse nicht bestätigen.594 591
592 593 594
Vgl. Fontaine, Thomas: Ein letzter Abglanz vergangener kaiserlicher Pracht. Zu ausgewählten archäologischen Befunden aus dem Areal der römischen Kaiserresidenz in Trier. In: König, Margarethe (Hrsg.): PALATIA. Kaiserpaläste in Konstantinopel, Ravenna und Trier. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 27. Tier, 2003. S. 130–173; Kiessel, Marko: Das spätantike Palastareal nordöstlich und östlich der „Basilika” in Trier. In: Trierer Zeitschrift 75/76, 2012/13. S. 85–197; ders.: Kiessel, Marko: Die Architektur des spätantiken Palastareals nordöstlich und östlich der spätantiken Aula in Trier. In: Drauschke, Jörg/Prien, Roland/Ristow, Sebastian (Hrsg.): Untergang und Neuanfang. Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2011. S. 77–106; Wulf-Rheidt 2014. Verwiesen sei hier unter anderem auf die Überreste der Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK). Caesar erwähnt die Treverer erstmals in Buch I, 37 der Commentariorum Belli Gallici. Vgl. Haffner, Alfred: Die Trierer Talweite in der Latènezeit. In: Trier – Augustusstadt der Treverer. Stadt und Land in vor- und frührömischer Zeit. Ausstellungskatalog, Rheinisches Landesmuseum Trier. Zabern, Mainz 1984. S. 16–19, S. 16; Kuhnen 2001, S. 19; Goethert, Klaus Peter/Weber, Winfried: Römberbauten in Trier. Schnell & Steiner, Regensburg 2010, S. 201. Es bleibt die Frage danach, ob es in vorrömischer Zeit eine befestigte treverische Siedlung gab, die als Stammesmittelpunkt der Treverer diente. Obwohl mehrere befestigte treverische Siedlungen nachweisbar sind – bspw. der Titelberg in Luxemburg, der Martberg an der Untermosel oder das Kastel bei Saarburg – gibt es keine gesicherten Hinweise darauf, dass einer dieser Orte eine Zentralfunktion für das Stammesgebiet der Treverer ausübte. Heinen möchte eine vorrömische Besiedlung des Trierer Stadtgebietes und eine damit zusammenhängende Zentralfunktion unter Verweis auf fehlende großflächige Ausgrabungen nicht ganz ausschließen. Vgl. Heinen, Heinz: Augustus in Gallien und die Anfänge des römischen Trier. In: Trier – Augustusstadt der Treverer. Stadt und Land in vor- und frührömischer Zeit. Ausstellungskatalog, Rheinisches Landesmuseum Trier. Zabern, Mainz 1984. S. 32–47, S. 38f.
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Auf dem östlich der Innenstadt gelegenen Petrisberg deuten jedoch bei Ausgrabungen 1936 und 1998 gemachte Funde von Münzen und Holzartefakten, die auf 31/30 v. Chr. datiert werden, auf ein frührömisches Militärlager hin.595 Die erste nachweisliche Bautätigkeit in der Stadt fand 18/17 v. Chr. statt, als die erste Moselbrücke (Brücke I) auf Eichenholzpfählen errichtet wurde sowie auf der Niederterrasse östlich der Mosel erste Schotterstraßen nach römischem Grundmuster mit Decumanus und Cardo angelegt wurden. Durch den Brückenbau wurde eine Anbindung der durch die Trierer Talweite führenden Straße nach Mainz mit der nach Köln und Reims erreicht.596 Siedlungsspuren lassen sich auf dem Stadtgebiet jedoch erst für das beginnende 1. Jahrhundert n. Chr. nachweisen. Hierzu gehören vor allem die Überreste der Wohnbebauung unter dem Westteil der Kaiserthermen, unter den Thermen am Viehmarkt und im Kloster St. Irminen.597 Aus derselben Zeit stammen die ältesten Gräberfelder sowie ein frührömisches Reiterlager im Gebiet der heutigen Südstadt. Überreste von öffentlichen Anlagen und Repräsentationsbauten sind aus dieser Zeit nicht bekannt. Lediglich zwei Inschriftenblöcke eines Monuments zu Ehren der früh verstorbenen Augustusenkel Gaius und Lucius Caesar (gestorben 2 und 4 n. Chr.) sind aufgrund ihrer Verwendung als Spolien erhalten, allerdings nicht in situ.598 Da solche Denkmäler typisch für Zentren der Romanisierung waren, erscheint es wahrscheinlich, dass Augusta Treverorum bereits früh eine Zentralfunktion für das Umland ausübte und auch als Stammesmittelpunkt der Treverer diente.599 Dieser Eindruck wird
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596 597 598
599
Vgl. u. a. Kuhnen 2001, S. 19; Goethert/Weber 2010, S. 202; Deru, Xavier: Die Römer an Maas und Mosel. Zabern, Mainz 2010, S. 31. Vermutlich entstand dieses im Zusammenhang mit einem Aufstand der Treverer gegen die römische Herrschaft, der im Jahre 29 v. Chr. durch den Feldherrn Nonius Gallus niedergeschlagen wurde. Vgl. Haffner, Alfred: Die Treverer im letzten Jahrhundert vor Chr. Geb. nach der schriftlichen Überlieferung. In: Trier – Augustusstadt der Treverer. Stadt und Land in vorund frührömischer Zeit. Ausstellungskatalog, Rheinisches Landesmuseum Trier. Zabern, Mainz 1984. S. 27–31, S. 30; Trier – Augustusstadt der Treverer 1984, Kat. Nr. 41, S. 174f. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 9. Vgl. Kuhnen 2001, S. 21. Gestiftet wurde das Denkmal zu Ehren der beiden Prinzen um 4 n. Chr. durch den Stammesverband der Treverer. Die Inschriften sind fragmentarisch erhalten und werden wie folgt rekonstruiert: [Memoriae] L(uci) Caesaris Aug[g(usti) f(ili) auguris co(n)s(ulis) design(ati)] principis [iuventutis] (Dem Gedenken an Lucius Caesar, des Augustus Sohn, Mitglied des Kollegiums der Vorzeichendeuter, zum Konsulat designiert, Führer der Ritterjugend) sowie [Memoriae C(ai) Caesaris Aug(usti) f(ili) ponitificis] co(n)s(ulis) im[p(eratoris)] [principis iuventutis] (Dem Gedenken an Gaius Caesar, des Augustus Sohn, Mitglied des obersten Priesterkollegiums, Konsul, zum Feldherrn ausgerufen, Führer der Ritterjugend). Rekonstruktion und Übersetzung nach Trier – Augustusstadt der Treverer 1984, Kat. Nr. 83, S. 231f. Vgl. Heinen 1984, S. 42ff; Kuhnen, 2001, S. 22; Goethert/Weber 2010, S. 10.
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verstärkt durch inschriftliche Hinweise auf einen Kult um Augustus und Dea Roma600 sowie die gallorömischen Stammesheiligtümer im Trier-Altbachtal und Irminenwingert, die in der frühen Kaiserzeit bereits bestanden.601 Erst nachdem die letzte Erhebung gegen die römische Herrschaft – der Aufstand der Treverer und Bataver 69/70 n. Chr.602 – durch die Römer niedergeschlagen worden war, erfolgte unter Vespasian ein nachweislicher Ausbau der Stadtanlage. Zu diesem Zeitpunkt scheint Augusta Treverorum aufgrund seiner günstigen Lage – Anbindung an das römische Straßennetzt sowie Schiffsverkehr über Mosel und Rhein – bereits zu einem wichtigen Handelsknotenpunkt Galliens aufgestiegen zu sein.603 Am Schnittpunkt von cardo und decumanus maximus entstand 600
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603
Erhalten sind zwei Inschriften aus der Mitte des 1. Jahrhundert n. Chr. Zunächst eine Ehrinschrift, welche die Ämterlaufbahn des Priscus, eines Angehörigen der einheimischen Oberschicht nachzeichnet. In dieser wird auch dessen Funktion als Oberpriester des Roma- und Augustuskultes genannt: [Se?]c(undio) Prisc[o], [f]lamini [s]ạcerdoti Roma(ae) et [A]ug(usti) mag(istro) q(aestori) c(ivitatis) T(reverorum) [pr]ạef(ecto) coh(ortis) I Arịsac(um). (Für Secundius (?) Priscus, den Flamen, den Sacerfos der Roma und des Augustus, den Magister, den Quaestor der Civitas der Treverer, den Praefekten der ersten Kohorte der Aresaker.) Rekonstruktion und Übersetzung nach Trier – Augustusstadt der Treverer 1984, Kat. Nr. 101, S. 250f. Die zweite, sehr fragmentarisch erhaltene Inschrift nennt ebenfalls einen treverischen Priester, Tiberi(a)nus, des Roma- und Augustus-Kultes in Lyon und in Augusta Treverorum (Kat. Nr. 102). Insbesondere dieser Kult diente maßgeblich der Loyalitätsbezeugung gegenüber der römischen Herrschaft. Die herrschaftssichernde und identitätsstiftende Funktion des Herrscherkultes unterstreicht auch die Weihung eines durch Augustus gestifteten zentralen Heiligtums für Augustus und Roma in Lyon 12 v. Chr., an dem die 64 gallischen civitates dem Imperium Romanum und seinem Herrscher huldigten. Vgl. u. a. Heinen 1984a, S. 36. Es ist anzunehmen, dass in Augusta Treverorum eine Kopie dieses Altares aufgestellt wurde, an welchem die Vertreter der Treverer zu entsprechenden Ehrerbietungen zusammenkamen. Goethert/ Weber 2010, S. 10. Vgl. Kuhnen 2001, S. 22. Bereits 21 n. Chr. kam es unter der Führung des Iulius Florus zu einer Erhebung der Treverer und der Häduer gegen die römische Herrschaft. 69/70 n. Chr. verbündeten die Treverer sich mit den Batavern und versuchten nochmals, sich von der römischen Oberhoheit zu befreien. Überliefert werden beide Aufstände bei Tacitus. Für den Aufstand von 21 n. Chr. siehe Tac. ann. III, 40–46. Über den Bataveraufstand berichtet Tacitus in seinen Historien, Tac. hist. IV 12–37, 54–79; V 14–26. Pomponius Mela bezeichnet Trier 43 n. Chr. als wohlhabendste Stadt der Treverer: „Urbesque opulentissimae in treveris augusta. In heduis angustudunu. In auscis elusaberrim.“ Pomponius Mela, De Situ Orbis, III, p. 6. Neben dem Handel und der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse war jedoch auch die gewerbliche Produktion entscheidend für die Entwicklung Triers zur Wirtschaftsmetropole im Norden des Imperium Romanum. Bereits ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. lassen sich hier Metallverarbeitung, Töpferhandwerk und Steinbearbeitung feststellen. Spätestens ab dem späten 2. Jahrhundert n. Chr. kann auch Glasherstellung in Trier nachgewiesen werden sowie dessen Verarbeitung für Dekorationszwecke (z. B. Wandmosaike) und Schmuckstücke. Darüber hinaus ist bereits in dieser Zeit eine maßgebliche Textilproduktion anzunehmen, die sich zweifelsfrei jedoch erst für die Spätantike belegen lässt. Vgl. Luik, Martin: Römische Wirtschaftsmetropole Trier. In: Trierer Zeitschrift. 64/2001. S. 245–282.
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zwischen 70 und 80 n. Chr. eine Forumsanlage mit Basilika604, welche fortan den politischen und wirtschaftlichen Mittelpunkt der Stadt markierte. Das Straßennetz erhielt um die Jahrhundertmitte einen Schotterbelag, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde es erweitert um jeweils ein bis zwei insulae nach Norden, Osten und Süden. Des Weiteren wurde die erste Moselbrücke 71 n. Chr. durch einen steinernen Neubau ersetzt (Brücke II)605 und die städtischen Eliten stifteten Ehrenbögen nach römischem Vorbild.606 Unter Hadrian (117–138 n. Chr.) wurde höchstwahrscheinlich der Sitz des Provinzstatthalters der Gallia Belgica (legatus Augusti pro praetore) nach Trier verlegt. Auf dem Gebiet der späteren Palastaula wurde ein ‚Regierungsbezirk‘ mit Empfangshalle angelegt, der Legatenpalast.607 Der damit zusammenhängende Bedeutungsgewinn forcierte vermutlich den weiteren Ausbau der Stadt mit den üblichen öffentlichen Anlagen. Unter Antoninus Pius wurde zwischen 144 n. Chr. zunächst nochmals die Moselbrücke erneuert (Brücke III)608 und eventuell bereits mit dem Bau der Stadtmauer von ca. 6420 m Länge begonnen.609 Bis zum Ende des 2. Jahrhunderts umschloss 604
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Es handelte sich um eine zweiteilige Platzanlage von 140 x 278 m, die im Westen von Säulenhallen und Ladenzeilen eingefasst war, im Osten schloss sich eine dreischiffige Basilika an. Die Baureste der Anlage wurden im Rahmen von Notgrabungen freigelegt und sind heute überbaut. Vgl. Kuhnen 2001, S. 23f; Deru 2010, S. 35. Goethert/Weber sprechen abweichend von einem Ausbau einer bestehenden Forumsanlage und datieren lediglich den Bau der Basilika in die 70er Jahre des 1. Jahrhundert n. Chr. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 11. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 11. Vgl. Kuhnen 2001, S. 24. Zur Errichtung des Verwaltungskomplexes wurden vier Wohnblöcke niedergelegt und es entstand ein Areal von mindestens 240 x 215 m Größe. Über der Nord-Süd-Straße wurde eine Empfangshalle von 24,5 x 15 m errichtet. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 11 und S. 153f. Mehrere umliegende Räume waren mit aufwändigen Mosaiken und Wandmalereien ausgestattet. Der Bau wurde vermutlich um 275 n. Chr. zerstört und auf dem Areal entstand später die Palastaula. Vgl. Kuhnen 2001, S. 29f. Die Deutung als Sitz des Provinzstatthalters ist jedoch nicht unumstritten, da es auch Hinweise darauf gibt, dass dieser zumindest bis ins späte 3. Jahrhundert n. Chr. in Reims residierte. Vgl. u. a. Luik 2001, S. 247. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 12. Für einen detaillierteren Überblick über die bauhistorische Entwicklung der Römerbrücke in Trier siehe u. a. den Rekonstruktionsversuch für den Brückenbau von 144 n. Chr. von Goethert. Vgl. Goethert, Klaus-Peter: Der Idealentwurf der Trierer Römerbrücke. Konstruktion und Rekonstruktions des Sprengwerkes. In: Archäologie und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete. Trierer Zeitschrift 69/70. Festschrift für Heinz Heinen. Rheinisches Landesmuseum Trier, 2006/07. S. 103–125. Die Stadtmauer umfasste ein Gebiet von insgesamt 285 ha und verfügte über mindestens 45 Türme. Die Mauer selbst war ca. 3 m breit und über 6 m hoch. Vgl. Kuhnen 2001, S. 28. Nicht vollständig gesichert ist die Datierung der Stadtmauer und der zugehörigen Stadttore. Goethert/Weber halten die Entstehung um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. aufgrund des archäologischen Befunds für gesichert. Die Entstehung der Porta Nigra datieren sie zwischen 160 und 200 n. Chr. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 12ff und S. 25. Kuhnen nennt eine Datierung um 200 n. Chr., erwähnt aber auch Forschungsmeinungen, die von einem Bau der Stadtmauer und auch der Porta Nigra
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die Stadtmauer eine Fläche von 285 ha, was Trier zu einer der größten Städte Galliens machte.610 Zur Stadtmauer gehörten monumentale Toranlagen, heute ist von den fünf Torbauten nur die Porta Nigra erhalten.611 In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden die großen Thermenbauten, die Barbarathermen am Moselufer612 und die sogenannten Thermen am Viehmarkt613, sowie das Amphitheater614. Ebenfalls im 2. Jahrhundert erfolgte der Ausbau der Hauptstraßenachsen mit seitlichen Laubengängen sowie die Entstehung bzw. Monumentalisierung der Tempelbezirke vom Herrenbrünnchen615,
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erst im 4. Jahrhundert n. Chr. ausgehen. Sollte dem so sein, dann wäre das Amphitheater nachträglich in die Stadtmauer integriert worden, was laut Kuhnen mit dem archäologischen Befund am Amphitheater ebenfalls vereinbar wäre. Vgl. Kuhnen 2001, S. 28. Genauere Ausführungen zur Porta Nigra mit fundierten Argumenten für eine Datierung in die Mitte des 2. Jahrhundert bzw. um 200 n. Chr. u. a. bei Goethert/Weber 2010, S. 25–56 und Schwinden, Lothar: Die Porta Nigra. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. S. 143–157. Zu beachten ist allerdings, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht zwangsläufig das gesamte ummauerte Stadtgebiet bebaut gewesen sein muss. Vgl. Luik 2001, S. 246. Die Porta Nigra (Nordtor), das Südtor, das Südosttor (auch Porta Alba, weißes Tor), das Westtor bei der Römerbrücke (Porta Inclyta) sowie ein Tor südlich des Amphitheaters. Das Theater selbst fungierte wohl als Nebentor. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 13. Die Anlage gehörte zum Bautypus der Kaiserthermen und war zur Zeit ihrer Entstehung die zweitgrößte Thermenanlage des Imperium Romanum nach den stadtrömischen Trajansthermen, was Aufschluss über die politische und wirtschaftliche Bedeutung Triers gibt. Einen Überblick über die Anlage und Forschungsgeschichte geben u. a. Goethert/Weber 2010, S. 70–104 und Fontaine, Thomas: Die Barbarathermen. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. S. 102–113. Es ist nicht gesichert, welchen Zweck das Gebäude zu seiner Entstehungszeit erfüllte. Es wurde erst in der Spätantike zu einer öffentlichen Thermenanlage ausgebaut. Siehe hierzu u. a. Goethert/Weber 2010, S. 15f und S. 105–122; Kuhnen 2001, S. 27; Unruh, Frank: Viehmarkt: Römische Thermen und moderner Schutzbau als „Fenster in die Stadtgeschichte“. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. S. 223–239. In der älteren Forschung wurde die Entstehung des Amphitheaters um 100 n. Chr. datiert. Auf Basis der Ausgrabungsbefunde geht man nun davon aus, dass die Ränge gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. aufgeschüttet wurden und dass der Arenakeller zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. angelegt wurde. Diese Datierung legt außerdem eine ungefähr zeitgleiche Entstehung des Amphitheaters mit der Porta Nigra nahe, die überwiegend auf die Zeit um 200 n. Chr. datiert wird. Vgl. Kuhnen 2001, S. 28 und Kuhnen 2001b S. 92–101. Die Anlage wird in das späte 1. oder 2. Jahrhundert datiert und befand sich oberhalb des gallo-römischen Tempelbezirkes Altbachtal. Der Tempelbezirk war über eine monumentale Freitreppe vom Tal aus zugänglich, das Podium maß 65 x 23 m. Der Temenos wurde nur partiell ergraben, hierbei wurden Weihungen an Mars Victor und Mars Intarabus gefunden. Vgl. Kuhnen 2001, S. 31f.
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vom Irminenwingert616 und am Moselufer617. Auch der gallorömische Kultbezirk im Altbachtal wurde mit neuen Kultbauten ausgestattet, es entstand außerdem ein Theaterbau im Norden des Areals. Umstritten ist die Anlage des Circus, der wahlweise in das 2. Jahrhundert oder an die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert datiert wird.618 Die wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung und der Wohlstand der Stadt zeigen sich auch an der verdichteten Wohnbebauung im Stadtzentrum und an den großzügigen suburbanen Villenanlagen im Umland sowie an den wachsenden Gräberfeldern an den Ausfallstraßen.619 Am Ende des 2. Jahrhunderts leidet dann auch Trier unter der generell unruhigen außenpolitischen Situation in Nordgallien und Germanien, wie sie durch vermehrte Germaneneinfälle und die Usurpation des Clodius Albinus 196 n. Chr. greifbar wird. Im 3. Jahrhundert kommt es nach der Befriedung der Situation zunächst zu einer erneuten Blütezeit, die bis zur Mitte des Jahrhunderts anhielt.620 Nachdem jedoch die Franken und eventuell auch die Alamannen 256/ 257 n. Chr. bei Plünderungszügen die Region um Köln bedroht hatten, erfolgte 260 n. Chr. die Gründung des Gallischen Sonderreiches durch Marcus Cassianius Latinius Postumus. Während Postumus höchstwahrscheinlich in Köln residierte, sprechen archäologische Funde dafür, dass Trier unter Victorinus ab 269 n. Chr. zur Residenz der gallischen Herrscher wurde.621
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Während Münzfunde aus der Zeit des Augustus darauf hindeuten, dass der Kultbezirk am Irminenwingert bereits seit Beginn der Kaiserzeit genutzt wurde, entstand die monumentale Tempelanlage erst im späten 2. Jahrhundert n. Chr. und war vermutlich Lenus Mars geweiht. Der Temenos erstreckte sich über zwei Ebenen mit einer monumentalen Freitreppe, einem vorgelagertem Altar und einem Podiumstempel der auf drei Seiten von Portiken eingefasst war. Höchstwahrscheinlich gehörte zum Kultbezirk ein römisches Theater. Vgl. Faust, Sabine: Die Stätten am westlichen Moselufer. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. S. 202–219, S. 211–219; Kuhnen 2001, S. 32f. Die Anlage wird gemeinhin als Asklepius-Heiligtum gedeutet, an ihrem Nordrand fand man 1993 den Trierer Goldmünzenschatz. Der Tempelbezirk umfasste 170 x 88 m, in der Mitte befand sich ein Podiumstempel von 45 x 26 m. Vermutlich entstand die Anlage bereits Ende des 1. Jahrhundert n. Chr. Die Deutung als Asklepius-Heiligtum geht auf eine in der Nähe gefundene Weihinschrift des Prokurators Titus Iulius Sabinus an Asklepius aus den Jahren 161–169 n. Chr. zurück. Laut Kuhnen wäre alternativ auch die Deutung als Kapitol oder als Statthalterpalast möglich. Vgl. Kuhnen 2001, S. 30. Zur Datierung der Trierer Circusanlage vgl. Kap. 1.6.2.2. Vgl. Kuhnen 2001, S. 36ff; Reusch, Wilhelm: Augusta Treverorum. Rundgang durch das römische Trier. 8., neu bearbeitete Aufl. Paulinus-Verlag Trier, Trier 1970, S. 7. Die städtische Führungsschicht bestand Ende des 2. Jahrhundert n. Chr. vor allem aus erfolgreichen Kaufleuten und einheimischen Großgrundbesitzern. Vgl. Luik 2001, S. 246. Dies zeigt sich unter anderem an zahlreichen Mosaikfunden in der Stadt, die auf eine Vielzahl von luxuriösen Wohnhäusern im Stadtzentrum hindeuten, und dem nachweislichen Ausbau von Bauernhäusern und Villenanlagen im Umland. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 17; Deru 2010, S. 38f. Vgl. König, Ingemar: Die Zeit der gallischen Usurpatoren (260–274). In: Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz. Die Stadt in spätantiker und frühchristlicher Zeit. Ausstellungskatalog, Rheinisches Landesmuseum Trier. Zabern, Mainz 1984. S. 9–15, S. 12ff.
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Es ist anzunehmen, dass im Zuge dessen auch eine entsprechende Infrastruktur zur Beherbergung der zugehörigen Beamten und Militärs geschaffen wurde, außerdem nahm die Trierer Münze wieder die Prägung auf. Insgesamt ist die Gründung des Sonderreiches im Zusammenhang mit der allgemein instabilen Situation in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts zu sehen und war primär dazu intendiert, die Region vor Germaneneinfällen zu schützen.622 Nichtsdestotrotz wurde die Erhebung von Rom als Usurpation verstanden und entsprechend geahndet. Schließlich gelang es Aurelian 274 n. Chr. die Sonderherrschaft zu beenden und die Region wieder unter die kaiserliche Herrschaft zu bringen.623 Durch anhaltende Alamanneneinfälle war die Region jedoch stark in Mitleidenschaft gezogen, was sich vor allem an den Zerstörungen im Umland ablesen lässt. Viele suburbane Villenanlagen wurden aufgegeben oder zerstört und auch in der folgenden erneuten Blütezeit nicht wieder aufgebaut.624
1.6.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Als Trier zur Herrscherresidenz wurde, war es folglich – trotz der Zerstörungen durch die Germaneneinfälle – eine der wichtigsten Städte des römischen Gallien. Es verfügte neben der üblichen städtischen Infrastruktur mit Forum, öffentlichen Gebäuden für Verwaltung und Handel, Wohngebieten und Bädern über zwei Theater in den Kultbezirken von Irminenwingert und Altbachtal, ein Amphitheater, die Barbara-Thermen im imperialen Typus und höchstwahrscheinlich einen Circus. Zudem war es während des Gallischen Sonderreiches zeitweise Herrschersitz und Münzstätte gewesen. Neben der bestehenden Ausstattung der Stadt und ihrer Rolle als wirtschaftliches Zentrum in der Region wird auch ihre Lage ausschlaggebend für die Wahl zur Residenzstadt gewesen sein. Trier lag am Schnittpunkt des Wasserwegs von Mosel und Rhein und zudem an der Straße von Lyon nach Köln. Somit war die Lage nicht nur als Handels- und Verkehrsknotenpunkt attraktiv, sondern auch aus militärischer Sicht. Von hier aus konnten aus sicherer Distanz zur dennoch nahe gelegenen Rheingrenze Feldzüge gegen die Germanen organisiert werden. Eventuell war dies der ausschlaggebende Faktor dafür, dass Maximian im Jahr 286 n. Chr. hier Residenz bezog, um die Rheingrenze und Nordgallien zu stabilisieren.
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Verwiesen sei hier auf die Gefangennahme des Kaisers Valerian durch den Sassanidenherrscher Shapur I. im Jahre 260 n. Chr. nach der Niederlage der Römer bei der Schlacht von Edessa und das dadurch entstandene Machtvakuum. Gallienus, Sohn und Nachfolger Valerians, war nicht in der Lage, das Imperium Romanum zu befrieden. Dieser Vorgang verdeutlicht, wie instabil das Machtgefüge in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhundert n. Chr. zur Zeit der Soldatenkaiser war. Vgl. Sommer 2004. Eine genauere Darstellung der Entwicklungen in Augusta Treverorum zur Zeit des Gallischen Sonderreiches findet sich u. a. bei König 1984. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 17ff.
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Trier war in der Folge von 286 bis vermutlich 293 n. Chr. die wichtigste Residenz des Maximian, bis 293 n. Chr. Constantius Chlorus zum Caesar erhoben wurde.625 Constantius erhielt als Hauptwirkungsbereich die Provinzen Gallien, die germanischen Provinzen und Großbritannien, wo seit 287 n. Chr. allerdings der Usurpator Carausius herrschte. Maximian konzentrierte sich auf Italien, Afrika und die iberische Halbinsel. Entsprechend wurde Trier von 293 bis 306 n. Chr. die Hauptresidenz des Constantius, während Maximian sich überwiegend in Mailand und Aquileia aufhielt.626 Nachdem Konstantin nach dem überraschenden Tod seines Vaters Constantius Chlorus in Eboracum (York) von dessen Truppen zum Augustus ausgerufen worden war und durch die Anerkennung als Caesar durch Galerius zum legitimen Mitglied des tetrarchischen Herrscherkollegiums wurde, war auch seine Hauptresidenz bis 316 n. Chr. Trier.627 Eventuell fand hier auch die Hochzeit Konstantins mit Fausta, der Tochter Maximians, im Jahr 307 n. Chr. statt.628 Auch die im Panegyricus von 313 n. Chr. geschilderten Festspiele anlässlich von Konstantins Sieg am Niederrhein, bei denen germanische Gefangene den Bestien vorgeworfen wurden, fanden höchstwahrscheinlich in Trier statt, vermutlich im Amphitheater.629 Dadurch, dass Trier somit knapp 30 Jahre Hauptresidenz eines der tetrarchischen Augusti oder Caesares war, gewann es maßgeblich an Einfluss. Ein Beleg dafür ist die Einrichtung der Münzprägestätte unter Constantius Chlorus, die ab 293 n. Chr. sowohl Gold, Silber- als auch Bronzemünzen schlug und zu einer der wichtigsten Prägestätten des Imperium Romanum wurde. Insbesondere die zahlreichen hochwertigen Goldprägungen verdeutlichen die Rolle der Trierer Münzstätte für die tetrarchische Herrschaftsrepräsentation.630 Auch die Gründung von „staatlichen“ Waffen- und Textilfabriken ist in diese Zeit zu datieren.631
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Vgl. Barnes 1982, S. 56. Vgl. ebd., S. 60. Vgl. ebd., S. 68. Vgl. Heinen 1985, S. 224; Barnes 1982, S. 69. Pan Lat. VII/VI. Vgl. Pan. Lat. XII/IX, 23.3–4; Heinen 1985, S. 227; Hesberg 2006, S. 141. Vgl. Heinen 1985, S. 220f. Eine Zusammenstellung der kaiserlichen Münzprägungen in Trier von Diokletian bis Valentinian III. findet sich bei Stoll, Richard: Die Münzen der römischen Kaiser von Trier. Selbstverlag, Trier 2000. Einen Überblick zur Münzprägung in tetrarchischer Zeit in Trier gibt Gilles, Karl-Josef: Die römische Münzstätte Trier von 293/4 bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. In: Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 49–59. Zu den Münzreformen in konstantinischer Zeit mit besonderer Berücksichtigung Triers vgl. Gilles, Karl-Josef: Reformen des Münzwesens in konstantinischer Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Münzstätte Trier. In: Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Kolloquiumsband. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier, Nr. 32. Trier 2006. S. 189– 194. Überliefert sind Schildfabriken und die Herstellung von Geschützen sowie Fabriken zur Textilherstellung. Vgl. dazu mit Quellenangaben Luik 2001, S. 250f.
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Abbildung 25: Trier im 4. Jahrhundert mit den Neubauten aus tetrarchisch-konstantinischer Zeit: konstantinischer Kirchenbau, Bischofssitz; b) Palastaula; c) Circus; d) Kaiserthermen; e) horrea St. Irminen. (Quelle: Derú 2010, S. 114, Abb. 114)
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Im Zuge der diokletianischen Verwaltungsreformen wurde Trier außerdem ein wichtiger Knotenpunkt administrativer Kompetenzen: Nach der Neuordnung der Provinzen und der erstmaligen Einrichtung von Diözesen unter Diokletian war Trier nicht mehr nur die Hauptstadt der civitas Treverorum, sondern auch die Hauptstadt der neu geschaffenen Provinz Belgica Prima sowie die Metropole der Diözese diocecis Galliarum. Diese umfasste die Provinzen Belgica Prima und Belgica Secunda, die germanischen und lugdunensischen Provinzen sowie die Sequania und die Graischen und Poeninischen Alpen. Im Laufe des 4. Jahrhunderts wurde es außerdem Sitz einer Prätorianerpräfektur, der die Diözesen Britanniae, Galliae, Viennensis und Hispaniae mit der nordafrikanischen Provinz Mauretania Tingitana unterstanden. Durch diese Maßnahmen wurde Trier nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in verwaltungsrechtlicher Hinsicht eine der wichtigsten Städte im Westen des Imperium Romanum.632 Aufgrund der neuen Funktionen als Herrschaftsresidenz und Verwaltungszentrum ist ein Zuzug des entsprechenden Personals und Gefolge des Herrschers anzunehmen, der vermutlich auch eine Erneuerung der lokalen Eliten mit sich brachte.633 Die nun in der Stadt anwesenden Beamten, Militärs und Bediensteten des Hofes bedeuteten auch ein Anwachsen der Einwohnerzahl. Darüber hinaus ist aufgrund der Zentralfunktion der Stadt auch für die allgemeine Bevölkerung mit einem Zuwachs zu rechnen.634 Die Funktion als Hauptresidenz des Maximian, des Constantius Chlorus und des Konstantin brachte in tetrarchischer Zeit einen maßgeblichen Ausbau der Stadt mit sich. Dieser spiegelt sich nicht nur im archäologischen Befund, sondern ist auch durch einen Panegyricus überliefert, der 310 n. Chr. vermutlich in Anwesenheit Konstantins in Trier gehalten wurde. Anlässlich des fünfjährigen Regierungsjubiläums Konstantins geht der Lobredner auf dessen Bautätigkeit in der Stadt ein: „Ich sehe den riesigen Circus, konkurrierend mit dem römischen, wie ich glaube, ich sehe Basiliken und das Forum, königliche Bauwerke, sowie den Thron der Gerechtigkeit sich in
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634
Vgl. Heinen 1985, S. 221. Vgl. zuletzt Goethert, Klaus-Peter/Kiessel, Marco: Trier – Residenz in der Spätantike. In: Demandt, Alexander/ Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Ausstellungskatalog. Zabern, Mainz 2007. S. 304–312, S. 305. Hier ist jedoch nicht zwangsläufig von einem kompletten Austausch der städtischen Elite auszugehen, sondern eher von einer Ergänzung der vorhandenen Oberschicht durch hochrangige Beamte und Militärs im Dienste des Kaiserhauses. Vgl. Witschel 2004/05, S. 248f. Laut Heinen ist im 4. Jahrhundert n. Chr. eine Bevölkerungszahl zwischen 20 000 und 80 000 Einwohnern möglich, er geht von über 50.000 Einwohnern aus. Vgl. Heinen 1985, S. 267f. Cüppers hingegen schätzt die Einwohnerzahl auf lediglich ca. 30.000. Vgl. Cüppers, Heinz: Die spätantike Stadt – Kaiserresidenz und Bischofssitz. In: Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz. Ausstellungskatalog. Rheinisches Landesmuseum Trier, 1984. S. 68–76, S. 74. Zum Vergleich: Für die hohe Kaiserzeit sind für Trier ca. 10 000–20 000 Einwohner anzunehmen. Vgl. Luik 2001, S. 247.
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solche Höhe erheben, dass sie würdig der Gestirne und des Himmels und ihre Nachbarn zu sein verheißen. Dies alles sind gewiss Gaben, die deiner Anwesenheit zu verdanken sind.”635
Der Ausbau der Stadt, darunter der Bau des Circus und die Umgestaltung des Forums, werden hierin zwar Konstantin zugeschrieben, die Konzeption und der Beginn der Arbeiten ist jedoch wahrscheinlich bereits unter Constantius Chlorus erfolgt, eventuell sogar unter Maximian.
1.6.2.1 DIE BASILIKA UND DAS PALASTAREAL Die Aula Palatina, die sogenannte Basilika, ist sicherlich eines der prominentesten römischen Bauwerke Triers und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.636 Bereits Mitte des 19. Jahrhundert begann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bau637, was im Zusammenhang mit der zeitgenössischen Antikenbegeisterung schließlich zur Rekonstruktion der Basilika und zu deren Weihung als evangelische Kirche 1856 führte.638 Besonders diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die Palastaula heute in einem von mittelalterlichen Umbauten bereinigten Zustand zu sehen ist und so einen Eindruck der spätantiken Raumwirkung vermittelt. Spätestens seit den Grabungsarbeiten von 1982/83 ist gesichert, dass der spätantike Hallenbau Teil eines weitläufigen Palastensembles mit Repräsentations- und Wohnbereichen war.639 Als Maximian 286 n. Chr. zunächst Trier zu seiner Hauptresidenz machte, begann vermutlich die Planung für eine umfassende Neustrukturierung des Trierer ‚Regierungsviertels‘. Für den Bau der Basilika wurde der im 2. Jahrhundert entstandene sogenannte Legatenpalast niedergelegt, der 635
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„Video circum maximum aemulum, credo, Romano, video basilicas et forum, opera regia, sedemque iustitiae in tantam altitudinem suscitari ut se sideribus et caelo digna et vicina promittant. Quae certe omnia sunt praesentiae ‚tuae‘ munera.“ Pan. Lat. VI/VII, 22.5. Zur Bezeichnung als Basilika bzw. Aula Palatina vgl. Goethert/Kiessel 2007, S. 307. In einigen der ersten Abhandlungen zur Basilika, namentlich denen von Joseph Steininger (1835), Franz Theodor Kugler (1842) und Christian Wilhelm Schmidt (1845), wurde der Bau als antike Marktbasilika gedeutet worauf auch die neuzeitliche Benennung des Baus rekurriert. Zeitgleich wurde der Bau in den Arbeiten von Friedrich Quednow (1820) und Johann Hugo Wyttenbach (1840) bereits als Bestandteil des Kaiserpalasts erkannt. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 149f. Aufgrund der baulichen Verwandtschaft von Basilika und Kirche schlug Christian Wilhelm Schmidt einen Wiederaufbau und eine Umwidmung zur Kirche vor. Zu jener Zeit waren lediglich die Westwand und die Nordwand mit Apsis im Original erhalten, Ost- und Südwand waren 1614 niedergelegt worden. Die Planung des Wiederaufbaus geht auf die Architekten bzw. Baubeamten Friedrich von Quast, Friedrich August Stüler, Ludwig Persius und August Soller in der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm IV. zurück. Nachdem die Bauarbeiten 1846 begonnen worden waren, wurde die Kirche 10 Jahre später in Anwesenheit des Kronprinzen Friedrich geweiht. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 150. Vgl. Fontaine 2003, S. 130f; Goethert/Weber 2010, S. 150f sowie zuletzt Kiessel 2011 und 2012/13.
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bereits während des Gallischen Sonderreiches verfallen war.640 Eventuell bereits unter Maximian, spätestens aber unter Constantius Chlorus wurde dann mit dem Bau der Haupthalle und vermutlich auch der Vorhalle begonnen.641 Durch den Fund einer als prägefrisch beschriebenen Münze des Flavius Valerius Severus aus dem Jahre 305 n. Chr. in der untersten Ziegelschicht der Vorhalle ist zumindest sicher belegt, dass dieser Arbeitsschritt kurz nach 305 n. Chr. vollendet worden war.642 Auch wenn der Bau des Narthex demnach bereits in vorkonstantinischer Zeit begonnen wurde, scheint der Ausbau der Palastanlage insgesamt nur langsam voran gegangen zu sein. Dies zeigt sich sowohl am archäologischen Befund der umliegenden Bauten im Westen und Osten, die erst in den 350er Jahren fertig gestellt wurden, als auch an der Basilika selbst. Münzfunde belegen, dass der untere Heizboden der Haupthalle erst um 340 n. Chr. eingezogen wurde und folglich die Arbeiten an der Haupthalle bis dahin nicht abgeschlossen waren.643 Man hat somit für die gesamte tetrarchisch-konstantinische Zeit das Trierer Palastareal als im Ausbau befindlich anzunehmen. Abgeschlossen wurden die Bauarbeiten wohl erst unter der valentinianischen Dynastie, hier vorrangig unter Gratian (367–383 n. Chr.).644 Aufgrund der aktuellen Auswertungen der Grabungen aus den 1980er Jahren im Umfeld der Palastaula lassen sich für die tetrarchisch-konstantinische Zeit folgende Bauten zumindest als im Bau befindlich annehmen: Die Palastaula mit den angrenzenden Seitenhöfen und vorgelagertem Narthex mit Platzanlage und Portiken sowie östlich der Basilika weitläufige Hof- und Platzanlagen mit vermittelnden Gebäuden zum Circus hin. Nordöstlich der Basilika befanden sich Einrich640 641
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Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 155. Ob die Planung bereits auf Maximian zurückging und ob Vorhalle und Haupthalle zeitgleich entstanden sind, ist nicht gesichert. Koethe nimmt aufgrund von baulichen Veränderungen im Eingangsbereich an, dass die Haupthalle bereits bestand, als zu Beginn des 4. Jahrhundert n. Chr. mit den Arbeiten an der Vorhalle begonnen wurde. Vgl. Koethe, H.: Die Trierer Basilika. In: Trierer Zeitschrift, 12/1937. S. 151–179. S. 159. Reusch hingegen geht von einem einheitlichen Entwurf von Vor- und Haupthalle aus, die folglich wohl auch parallel erbaut wurden. Reusch datiert den Bau allerdings in konstantinische Zeit um 310 n. Chr. Vgl. Reusch 1970, S. 27. Fontaine verweist auf eine geplante Publikation von K. P. Goethert zur Aula Palatina von der in dieser Frage neue Erkenntnisse zu erhoffen seien, diese steht bisher jedoch noch aus. Vgl. Fontaine 2003, S. 130. Bei Goethert/Weber wird jedoch die gleichzeitige Entstehung der Vor- und Haupthalle postuliert, allerdings ohne weiterführende Begründung. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 151. Auch die Konzeption des Palastareals bereits unter Maximan ist nicht gesichert, wenn auch plausibel. Vgl. Goethert/Kiessel 2007, S. 304. Gestützt wird diese Datierung durch die Analyse der beim Bau verwandten Ziegel. Die Stempel ADIV, ARMO und CAPI- wurden ebenfalls beim Bau des Kastells Deutz verwendet, das kurz vor 310 n. Chr. entstand. Vgl. Trier. Kaiserresidenz und Bischofssitz. Katalog, Nr. 52, S. 141; Fontaine 2003, S. 130; Goethert/Weber 2010, S. 151. Vgl. Fontaine 2003, S. 131; Goethert/Weber 2010, S. 151. Hierauf deutet eine Passage in der Lobrede des Ausonius aus dem Jahre 378 hin, in welchem er Gratian lobte, dass dieser den Palast in schlechtem Zustand vorgefunden und in liebenswürdigem vorgestellt habe. Diese Passage kann man nicht nur auf den gesellschaftlichen/inneren, sondern auch auf den baulichen Zustand beziehen. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 151.
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tungen zur Versorgung des Palastareals.645 Südlich in Richtung Kaiserthermen erstreckte sich ein weitläufiger Residenzbereich, der auf kaiserzeitliche Bauten zurückging, aber seit der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert maßgeblich ausgebaut und mit prachtvollen Mosaiken ausgestattet wurde.646
Abbildung 26: Der Palastbezirk mit Circus im Osten und den im Süden angrenzenden Kaiserthermen. (Quelle: Goethert/Kiessel 2007, S. 304, Abb. I.16.7) Die genauen Ausmaße des Palastareals sind jedoch bis heute umstritten. Vor allem in der älteren Forschung wurde des Öfteren diskutiert, ob die konstantinische Kirchenanlage – heute Dom und Liebfrauenkirche – und die Kaiserthermen hier hinzu zu zählen sind. Dass der konstantinische Kirchenbau Teil des Palastareals war, lässt sich anhand des archäologischen Befundes jedoch nicht eindeutig nachweisen.647 Für die Kaiserthermen erscheint es allein schon aufgrund ihrer Größe un-
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Vgl. u. a. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 139ff, Kat. Nr. 52 sowie zuletzt Kiessel 2011 und 2012/13. Vgl. Hoffmann, Peter/Hupe, Joachim/Goethert, Karin: Katalog der römischen Mosaike aus Trier und dem Umland. Rheinisches Landesmuseum Trier, 1999, S. 148ff; Fontaine 2003, S. 146ff. Vgl. u. a. Witschel 2004/5, S. 265 mit Anm. 229.
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wahrscheinlich, dass sie lediglich für die Bewohner des Palastes konzipiert waren – abgesehen davon, dass insbesondere Thermen des imperialen Typus genuin öffentliche Einrichtungen waren.648 Auf Basis der neueren archäologischen Forschung kann somit davon ausgegangen werden, dass sich das Palastareal zwischen der Basilika – beziehungsweise der dahinter verlaufenden Straße unter der heutigen Mustorstraße – und der Straße unter dem Weberbach im Süden erstreckte, welche als öffentliche Straße den Residenzbereich von den Kaiserthermen trennte. Im Westen wurde er begrenzt durch den Verlauf des decumanus maximus. Innerhalb des Palastareals verlaufende kaiserzeitliche Straßen wurden aufgegeben bzw. existierten allenfalls als Stichstraßen weiter.649 Im Osten des Areals scheint sich in der Kaiserzeit eine „lockere Stadtrandbebauung“ befunden zu haben, die in der Spätantike in den Residenzbereich inkorporiert wurde und an welche dann der Circus angrenzte. Daraus ergibt sich eine Fläche von ca. 16 ha.650
Abbildung 27: Die Palastaula in Trier und die angrenzenden Bauten im Westen, Nordosten und Osten. (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, S. 17, Abb. 10)
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Abweichend plädierte kürzlich U. Wulf-Rheidt dafür, dass zumindest die Kaiserthermen Teil des Palastareals gewesen seien. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 24. Vgl. zuletzt Goethert/Kiessel 2007, S. 306. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 152.
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Die Palastaula muss aufgrund ihrer Monumentalität ein Kernstück der tetrarchisch-konstantinischen Palastanlage gewesen sein. Sie diente dem Kaiser als Halle für Audienzen und Empfänge, bei denen er selbst in der Apsis oder vor dieser positioniert war.651 Der Bau wurde errichtet aus Ziegelmauerwerk und besteht aus einer langrechteckigen Haupthalle mit einer großen, fast halbkreisförmigen Apsis, die sich beinahe über die komplette Nordwand erstreckte. Die Außenmauern waren ca. 2,7 m dick und wurden getragen durch 4 m breite und 4 bis 5 m tiefe Fundamente.652 Die Haupthalle mit kassettierter, freitragender Dachkonstruktion maß inklusive Apsis 69,80 x 27 m und war ca. 30 m hoch. Die Apsis hatte eine Tiefe von 12 m.653 Sie war nicht überkuppelt, sondern vermutlich mit einem Flachdach abgedeckt. Die gesamte Halle mit einer Grundfläche von knapp 1890 m² war über ein Hypokaustensystem und Tubuli in den Wänden beheizbar. Zur Erwärmung der Luft dienten ein Praefurnium für die Apsis sowie vier Präfurnien an den Längsseiten.654 Die ursprünglich verputzte Außenwand des Gebäudes wurde an den Längsseiten vertikal gegliedert durch jeweils neun aufstrebende Arkaden mit in zwei Reihen verlaufenden Rundbogenfenstern. Die Fensternischen waren mit einer Bemalung von gelb-gold gehaltenen floralen Mustern auf weinrotem Untergrund mit hellrotem Rand verziert. Auch die Apsis war von außen gegliedert durch vier aufstrebende Arkaden mit jeweils zwei Reihen von Fenstern. Die Anlage der Fenster unterschied sich jedoch von denen an den Längsseiten. Zum einen waren die Apsis-Fenster weniger hoch, zum anderen verjüngten sie sich zum Zentrum der Apsis hin – ein Kunstgriff, der die Tiefenwirkung der Apsis verstärkte.655 Unterhalb der Fensterreihen verliefen rund um das Gebäude Horizontalgesimse, die von Treppentürmen links und rechts der Apsis aus zugänglich waren. Vermutlich dienten die Gesimse primär dazu, die Zugänglichkeit zu den Fenstern zwecks Reinigung und Instandhaltung zu gewährleisten sowie eventuell um zu besonderen Feierlichkeiten zusätzlichen Außenschmuck
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In der älteren Forschung wurde die Aula oft als Sitz des in Trier ansässigen Prätorianerpräfekts Galliens gedeutet und angenommen, dass der Kaiser sie bei seinen Aufenthalten in der Stadt ebenfalls nutzte. Vgl. Heinen 1985, S. 276. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass im frühen 4. Jahrhundert der Kaiser seine Audienzhalle geteilt hätte und dem Prätorianerpräfekt eine gleichwertige Bühne gewährte. Die Nutzung der Halle durch den Vorsitzenden der Prätorianerpräfektur ist somit eher für das späte 4. Jahrhundert, nach Abzug des Kaiserhofes anzunehmen. Vgl. Hesberg 2006, S. 150f. Vgl. Kuhnen 2001a, S. 138. Unter Umständen leicht variierende Maßangaben finden sich u. a. bei Reusch 1970, S. 27; Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 139ff, Kat. Nr. 52–60; Kuhnen 2001a, S. 136ff; Goethert/Kiessel 2007, S. 307. Hier wird den Angaben aus der letzten Publikation zur Basilika von K.-P. Goethert gefolgt. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 156ff. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 144. Vgl. Reusch 1970, S. 30; Kuhnen 2001a, S. 137.
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anzubringen.656 Gleichzeitig wurde so die durch die massiven Arkaden evozierte vertikale Ausrichtung der Längswände gebrochen und eine kompaktere Gesamtwirkung erzielt. Das Aussehen der Außengalerien ist schwer zu rekonstruieren, vermutlich handelte es sich um eine Balken-Lattenkonstruktion von dreieckigem Querschnitt, die anschließend wie das restliche Gebäude verputzt worden war.657 Im Westen und Osten der Längsseiten waren Seitenhöfe angeschlossen, die an drei Seiten von Portiken eingefasst waren. Die Seitenhöfe waren von der Haupthalle aus über je eine Tür von 2 m Breite in den Langseiten direkt vor der der Apsis zugänglich, durch die man in die ca. 6 m breiten umgebenden Säulenhallen der Höfe gelangte. Diese wiederum vermittelten über mehrere Türen in anschließende Gebäude.658 Der Umstand, dass die umlaufenden Portiken der Seitenhöfe mit kostbaren Marmorsäulen versehen waren und die Höfe sowohl von der Vor- als auch von der Haupthalle über breite Eingangstüren zugänglich waren, deutet darauf hin, dass diese nicht lediglich als Wirtschaftshöfe dienten, sondern eine Rolle im Zusammenhang mit dem Hofzeremoniell erfüllten.659 Am südlichen Ende war der Haupthalle eine Vorhalle quer vorgelagert, die über die gesamte Länge der Haupthalle sowie der Seitenhöfe verlief und 68,22 m lang war. Von dieser aus war die Haupthalle über drei Durchgänge zugänglich, wobei der mittlere mit 6,70 m deutlich breiter war als die beiden seitlichen mit je 2,43 m Breite. Über je zwei Türen auf jeder Seite der Vorhalle gelangte man außerdem in die umlaufenden Portiken der Seitenhöfe im Westen und Osten der Haupthalle. Im Westen schloss die 12 m breite Vorhalle mit einer Apsis ab, in der sich auch das Präfurnium für die Fußbodenheizung befand. Als eigentliche Vor- bzw. Empfangshalle scheint der rund 21 m breite Mitteteil der Vorhalle gedient zu haben, der um knapp 4 m vorsprang und über eine Treppe und drei Türen den Haupteingang zur Palastaula bildete. Die Vorhalle ist somit in vier Teile gegliedert – die westliche Apsis, den westlichen (linken) Seitentrakt, den Mitteltrakt und einen östlichen (rechten) Seitentrakt.660 Aufgrund der Heizanlage wird der Narthex üblicherweise als geschlossener Bau mit Fenstern und Türen rekonstruiert. U. Wulf-Rheidt wies mit Blick auf vergleichbare Architekturen an der kaiserzeitlichen
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Vgl. Koethe 1937, S. 65; Reusch 1970, S. 29. Vgl. Reusch 1970, S. 28f. Verschiedentlich, u. a. von Reusch, wurden Holzgeländer für die Gesimse vorgeschlagen, was jedoch aufgrund fehlender archäologischer Hinweise oder vergleichbarer zeitgenössischer Architekturen zurückzuweisen ist. Dass die Gesimse jedoch farblich vom restlichen Putz abgehoben waren, evtl. durch Farbflächen oder Ornamentbänder, wird allgemein angenommen. Vgl. zuletzt Fontaine 2003, S. 136. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 143f, Kat. Nr. 53. Vgl. Fontaine 2003, S. 137. Zu den Maßen vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 143f Kat. Nr. 53; Goethert/Kiessel 2007, S. 307ff. Zu den Maßen der Durchgänge zur Haupthalle vgl. Koethe 1937, S. 166.
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cenatio Iovis auf dem Palatin und in der tetrarchischen Altersresidenz des Diokletian in Split darauf hin, dass auch eine alternative Rekonstruktion des Mittelteils als offener Säulenportikus möglich sei. Dieser könnte zu bestimmten Anlässen dem Kaiser als Ehrenloge gedient haben, bspw. wenn dieser sich einer größeren Menschenmenge auf dem Vorplatz der Basilika zeigen wollte.661 Die Vorhalle war von Süden nicht nur über die Türen im Mitteltrakt zugänglich, sondern auch im linken Seitentrakt befand sich eine Tür. An das westliche apsidiale Ende der Eingangshalle grenzte ein knapp 7 m breiter, nord-südlich verlaufender Portikus, der über einem älteren unterirdischen Kryptoportikus angelegt worden war. Portikus und Westtrakt waren über eine fünfstufige Treppe und ein Tor verbunden, so dass der Portikus als separater Zugang zum westlichen Seitentrakt der Vorhalle gedient hat. Fundamentreste im Südosten der Basilika unter dem Kurfürstlichen Palais lassen darauf schließen, dass ein analoger Säulengang auch für die gegenüberliegende Ostseite angenommen werden kann.662 Folglich war die 45 m breite Platzanlage vor dem Eingang im Süden der Basilika von Portiken eingefasst, über die jeweils die Seitentrakte der Vorhalle zugänglich waren.
Abbildung 28: Modell der Basilika von Südwesten. Rheinisches Landesmuseum Trier. (Quelle: Heinen 1985, S. 274, Abb. 94) 661 662
Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 23. Vgl. Fontaine 2003, S. 134; Goethert/Kiessel 2007, S. 307.
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Die prachtvolle Innenausstattung der Palastaula lässt sich aufgrund des archäologischen Befundes relativ gut rekonstruieren. Die Seitenwände der Haupthalle waren bis zu den Fensterbänken der unteren Fensterreihe mit bunten Marmorplatten verkleidet, was durch die heute noch in der erhaltenen Westwand sichtbaren Klammerlöcher belegt ist.663 Darüber waren kleinere Platten mit elaboriertem opus sectile angebracht, worauf zahlreiche Funde entsprechender Marmorplättchen, darunter einige aus Porphyr, im Bauschutt der Basilika hindeuten.664 Darüber hinaus sind mehrere Fragmente von Kapitellen der Wandverkleidung erhalten, deren Anordnung sich jedoch nicht mehr feststellen lässt.665 Die äußere Bemalung der Fensterbögen mit gelb-roten Fresken war von Innen sichtbar. Die Kassettendecke der Haupthalle war verziert mit Schnitzereien und Bronzezierrat.666 Der Boden der Haupthalle war mit einem Marmorfußboden aus schwarzen Sechsecken und weißen Zwischenräumen ausgelegt. Eine Steigerung erfuhr diese farbenprächtige Ausstattung in der Gestaltung der um etwa zwei Stufen erhöhten Apsis. Die Musterung des schwarz-weißen Marmorbodens war hier ausdifferenzierter als in der Haupthalle. Anstatt von Sechsecken waren schwarze Rauten von einem weißen Gitternetz eingefasst, in den Schnittpunkten des Gitternetzes wiederum waren kleine quadratische schwarze Felder eingelassen.667 Einen Blickfang bildeten außerdem die fünf halbrunden Nischen unterhalb der Fenster der Apsis, die um zwei weitere Nischen in der Nordwand rechts und links der Apsis ergänzt wurden. Diese waren eingefasst von einem kräftigen Architekturrahmen und in den Kalotten verkleidet mit farbigen Glasmosaiken. Diese zeigten ein grün-blaues Rankendekor auf einem goldfarbenen Hintergrund, der nach unten mit zwei schwarzen Leisten und einer anschließenden roten Borte abgeschlossen war.668 Ob die Nischenwände unterhalb der Wölbung ebenfalls mit Mosaiken verziert oder mit Marmor verkleidet waren, lässt sich nicht sicher feststellen.669 Durch die extreme Farbigkeit des Dekors waren die halbrunden Nischen nochmals von der eher streng gehaltenen 663
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Vgl. Fontaine 2003, S. 134f. Die Marmorplatten verbargen die darunter liegenden Tubuli der Wandheizung. Wandplatten mit farbigen, kleinteiligen Marmorintarsien waren in der Spätantike als besonders luxuriöse Wandverkleidung durchaus gängig. Prominente Beispiele mit vergleichbarer Ausstattung sind die Basilika des Iunius Bassus, Konsul im Jahr 331 n. Chr., sowie das Mausoleum der Constantia in Rom. Vgl. Fontaine 2003, S. 135. Für eine Zusammenstellung der gefundenen Fragmente der Innenausstattung vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, Kat. Nr. 55–56, S. 146–154. Vgl. Fontaine 2003, S. 134. Vgl. Abbildung bei Fontaine 2003, S. 135, Abb. 7. Vgl. Abbildung bei Fontaine 2003, S. 135, Abb. 8. Reste der Glasmosaike in den Kalotten waren Ende des 19. Jahrhunderts noch in der östlichen Nische der Apsis zu sehen. Vgl. Fontaine 2003, S. 135; Goethert/Kiessel 2007, S. 309. Goethert/Kiessel nehmen eine Marmorverkleidung an. Vgl. Goethert/Kiessel 2007, S. 309.
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Marmorvertäfelung der Wände unterhalb der Fenster abgehoben. Höchstwahrscheinlich befanden sich Statuen in den Nischen, von denen jedoch keine Spuren erhalten geblieben sind. Insgesamt unterstrich die bauliche Innenausstattung die longitudinale Ausrichtung der Haupthalle auf die Apsis. Zusätzlich wurde die Wirkung der Apsis akzentuiert durch die Apsis-Fenster, denn da diese nach innen hin schmaler wurden, wurde das Zentrum der Apsis optisch unterstrichen. Auch die Vorhalle war mit einem aufwändigen Fußbodenbelag ausgestattet. Auffällig ist hier, dass sich das Dekor des Mitteltraktes von dem des westlichen Seitentraktes mit Apis unterscheidet. Der Mitteltrakt war ausgestattet mit einem Intarsienbelag aus buntem Marmor (opus sectile), bestehend aus rechteckigen und quadratischen Feldern, die jeweils von einem schmalen Ornamentband eingefasst waren. In den Bodenfeldern waren Rhomben, Sechsecke und Quadrate eingelassen. Die Ausarbeitung des rund 4 m tiefen Vorsprungs scheint sich nochmals leicht vom restlichen Fußbodenbelag des Mitteltraktes unterschieden zu haben.670 Darüber hinaus war der Mittelteil nicht nur durch den marmornen Fußboden vom Rest der Vorhalle abgehoben, sondern war auch mit einer Wandverkleidung aus großen Marmorplatten ausgestattet.671 Der westliche Seitentrakt war verziert mit einem bunt gemusterten Mosaikboden.672 Die unterschiedliche Gestaltung der Bodenbeläge macht deutlich, dass es sich bei Seiten- und Mitteltrakt um optisch voneinander separierte Raumeinheiten handelte, was auch auf eine entsprechend differenzierte Nutzung im Rahmen des Zeremoniells hindeutet. Über den Fußbodenbelag des östlichen Seitentraktes ist nichts bekannt, es lässt sich jedoch annehmen, dass dieser analog zum westlichen Seitentrakt zu rekonstruieren ist. An den Übergängen von den Seitentrakten zum Mitteltrakt befanden sich Marmorsäulen mit korinthischen Kapitellen, bei denen es sich um Spolien aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. handelte.673 Problematisch in Bezug auf die Innenausstattung ist 670
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Während des Wiederaufbaus der Basilika wurden 1852 zwei Fragmente des Fußbodenbelags gefunden, die der zuständige Festungsbaumeister Karl Schnitzler abzeichnete und eine Rekonstruktionszeichnung der Vorhalle erstellte. Diese Zeichnungen wiederum sind bekannt, da sie 1937 in dem Artikel von Koethe zur Trierer Basilika abgedruckt wurden. Das größere der beiden Fragmente wurde konserviert und zunächst in das Kurfürstliche Palais verlegt und dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In den 1970er Jahren wurden die einzelnen Platten wieder gehoben, in Beton gefasst und schließlich 1984 anlässlich der Zweitausendjahrfeier der Stadt erneut der Öffentlichkeit präsentiert. Heute sind die erhaltenen Reste des Bodenfragmentes wieder in Einzelteile zerlegt. Vgl. Koethe 1937, S. 157, Abb. 2; Fontaine 2003, S. 131f inkl. Abb. 3a und 3b. Auch hier wurden die erhaltenen Fragmente durch Schnitzler abgezeichnet und zu einer Rekonstruktion erweitert. Vgl. Koethe 1937, S. 160, Abb. 4; Fontaine 2003, S. 132. Hiervon waren zwei kleine Fragmente erhalten, die ebenfalls durch Zeichnungen von Karl Schnitzler überliefert sind und auf deren Grundlage dieser eine – allerdings nicht unumstrittene – Rekonstruktion der Musterung vorgeschlagen hat. Vgl. Fontaine 2003, S. 133 inkl. Abb. 5. Vgl. Goethert/Kiessel 2007, S. 307. Die genaue Verortung der Säulen ist nicht unumstritten, dass sie jedoch zur Ausstattung der Vorhalle gehörten scheint aufgrund der Größe und des Fundzusammenhanges gesichert. Eines der Marmorkapitelle ist erhalten geblieben und wurde bei Grabungen im Bauschutt
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allerdings deren Datierung, denn es stellt sich die Frage, welche Teile in tetrarchich-konstantinischer Zeit bereits vorhanden waren. Zumindest die Mosaike scheinen aufgrund der Musterung und der festzustellenden Ähnlichkeit mit anderen, datierbaren Mosaikfunden aus der Region erst in nach-konstantinischer Zeit entstanden zu sein.674 Ein wesentliches Verdienst der neueren Forschung zu Augusta Treverorum ist die Auswertung der Grabungsbefunde aus den 1980er Jahren zu den Bauten im Umfeld der Basilika. Dadurch konnte das Wissen um die Konzeption des Palastareals vertieft werden (vgl. Abb. 26).675 Im Westen der Basilika wurden im Rahmen von 1982/83 durchgeführten Grabungen auf dem Konstantinplatz römische Bauten freigelegt. Daraus ergab sich, dass an der Nord- und Westseite des westlichen Seitenhofes der Basilika weitere Räumlichkeiten anschlossen. Zwei der Räume an der Nordseite des Hofes verfügten wiederum über Türen nach Norden, so dass dort weitere anschließende Räumlichkeiten zu vermuten sind. Eine umfassende Untersuchung und Publikation der Befunde steht in diesem Fall noch aus, bisher vermutet man in den Zimmern Wohnräume der Residenz. Durch wen diese jedoch genutzt wurden und was ihre genaue Funktion war muss nach jetzigem Kenntnisstand offen bleiben. Unmittelbar westlich des Seitenhofes wurde darüber hinaus ein 18 x 9 m großer, beheizbarer Apsidensaal freigelegt, der jedoch aufgrund von Mosaikfunden in valentinianische Zeit zu datieren ist.676 Nordöstlich der Basilika schlossen Versorgungsbauten sowie Wohngebäude aus dem 4. Jahrhundert an. Im Nordosten der Apsis wurde ein Raum aus tetrarchisch-konstantinischer Zeit freigelegt, der bis in valentinianische Zeit genutzt wurde und eventuell der Beheizung dien-
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neben der Eingangstür in der westlichen Längsseite der Basilika gefunden. Unweit davon wurde ein vermutlich zugehöriger Säulenschaft gefunden, der heute am Westrang des Amphitheaters aufgestellt ist. Vgl. Fontaine 2003, S. 132; Goethert/Kiessel 2007, S. 308. Im Katalog zur Ausstellung in Trier werden die erhaltenen Fragmente des Bodenbelags und der Innenausstattung durch K.-P. Goethert in die erste Hälfte des 4. Jahrhundert n. Chr. datiert. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 146ff, Kat. Nr. 56A,b–56B,c. Diese Datierung ist jedoch problematisch, wahrscheinlicher ist eine Datierung in die Mitte des 4. Jahrhundert n. Chr. Denn aufgrund des Münzfundes im Estrich der Haupthalle ist der Einbau der Fußbodenheizung wie oben erläutert in die Mitte des 4. Jahrhundert n. Chr. zu datieren. Der Fußbodenbelag, von dem nicht gesichert ist, ob die gesamte Halle in dem oben beschriebenen Muster gestaltet war, wird erst im Nachgang verlegt worden sein. Dies trifft auch für die Apsis zu, denn aufgrund der Gleichartigkeit des Materials ist eine zeitgleiche Entstehung anzunehmen. Die neueren Untersuchungen zu Mosaiken in der Vor- und Haupthalle bestätigen diese Einschätzung. Hier werden das Nischen-Mosaik sowie das überlieferte Bodenmosaik der Vorhalle um die Mitte des 4. Jahrhundert n. Chr., also in die Zeit der Fertigstellung der Basilika datiert. Vgl. Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 92f, Kat. Nr. 11 und 12. Hier sind zuletzt vor allem die Aufsätze von Th. Fontaine und M. Kiessel zu nennen. Vgl. Fontaine 2003; Kiessel 2011; Kiessel 2012/13. Vgl. Fontaine 2003, S. 138 sowie Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 95f, Kat. Nr. 16 und 17 sowie Taf. 8; 12; 13.
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te.677 Ein weiter östlich gelegener Raum, der mit einem Hypokaustensystem und einem Dekor aus Marmorplatten ausgestattet war, wurde eventuell bereits im 3. Jahrhundert errichtet und scheint im Verlauf des 4. Jahrhunderts in das Palastareal inkorporiert worden zu sein. Er wurde auf den Resten einer kaiserzeitlichen Villenanlage angelegt.678 Ganz im Nordosten finden sich Strukturen eines monumentalen Baus mit pfeilerartigen Mauervorsprüngen, der in tetrarchisch-konstantinischer Zeit vermutlich als Speicherbau begonnen wurde. Bei diesem Gebäude kam es jedoch zu einem Baustopp, vermutlich in derselben Zeit wie bei der Palastaula und den Kaiserthermen, und anders als die beiden Großbauten wurde der Speicherbau unter der Valentinianischen Dynastie nicht fertig gestellt, sondern lediglich der begonnene Westteil genutzt.679 Im Osten der Palastaula, zwischen dem Kurfürstlichen Palais und den Resten der mittelalterlichen Stadtmauer kurz vor der Ostallee, wurden bei Grabungen 1982/83 und 1985/86 weitere Teile des antiken Palastareals freigelegt. Zunächst wurde 1982/83 anlässlich des Baus einer Tiefgarage östlich des Kurfürstlichen Palais eine Fläche von etwa 100 x 100 m ergraben, wobei die Reste einer Platzanlage sowie sechs umliegender römischer Gebäude gefunden wurden. 1985/86 bot sich dann bei Grabungen im Innenhof des Schlosses die Möglichkeit, die direkt an die Ostwand der Palastaula anschließende Fläche zu untersuchen. Hierbei konnte ein unmittelbar an die Säulenhalle der östlichen Hofanlage angrenzender weiterer Peristylhof mit einer kleinen Apsidenhalle und zwei flankierenden Räumen im Süden nachgewiesen werden.680 Aufgrund von Mosaikfunden im Peristyl und in der Apsidenhalle kann der Komplex in die Mitte bzw. zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert werden.681 Auf eine Vorgängerbebauung aus tetrarchisch-konstantinischer Zeit gab es keine Hinweise. Anders liegt der Fall bei den freigelegten Strukturen im Areal der Tiefgarage. Östlich des Kurfürstlichen Palais wurden Reste mehrerer Raumstrukturen freigelegt, die in ihrer Nord-Süd-Ausrichtung mit der Palastaula übereinstimmen und folglich vermutlich zeitnah mit dieser angelegt wurden, eventuell bereits an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert oder in konstantinischer
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Westlich und südlich des Raumes lagen zwei Präfurnien der Palastaula. Vgl. Kiessel 2011, S. 79ff; Kiessel 2012/13, S. 86–92. Vgl. Kiessel 2011, S. 85ff; Kiessel 2012/13, S. 98ff. Vgl. Kiessel 2011, S. 87–94; Kiessel 2012/13, S. 100–108. Fontaine weist ebenso wie Kiessel darauf hin, dass die Deutung als Speicherbau lediglich aufgrund der Parallelen zum Grundriss der horrea von St. Irminen nicht gesichert ist. Vor allem die ungewöhnliche Mauerstärke weist darauf hin, dass ein massiver Bau geplant war, der andere bekannte Speicherbauten vermutlich deutlich überragt hätte. Vgl. Fontaine 2003, S. 141f. Vgl. Fontaine 2003, S. 139. Zu den erhaltenen Mosaiken vgl. Fontaine 2003, S. 142–146 sowie Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 93ff, Kat. Nr. 13–15 sowie Taf. 8;10;11;12.
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Zeit.682 Hier fällt zunächst ein starker Mauerzug auf, der durch pfeilerartige Wandvorlagen gegliedert wird und an den, getrennt durch einen Durchgang von 4,25 m Breite, eine viertelkreisförmige Exedra angrenzt. Südlich schloss eine von Ost nach West orientierte Mauer an, die in einer 6,25 m breiten, halbrunden Exedra mündete. Diese ist entweder gleichzeitig oder kurz später zu datieren, also frühestens an die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert. Die vollständige Raumstruktur des Baus lässt sich nicht sicher rekonstruieren, er wird jedoch als Portal zum inneren Palastbezirk interpretiert.683 M. Kiessel schlägt für den Mauerzug mit vorgelagerten Pfeilern und die nördlich an den Durchgang anschließende viertelkreisförmige Exedra eine spiegelbildliche Ergänzung nach Westen vor. Auf der Westseite hat sich ein quadratisches Pfeilerfundament erhalten, das Teil einer entsprechenden Pfeilerreihe gewesen sein könnte.684 An das Portal schließt im Osten eine Platzanlage an, in deren Mitte sich ein 10,51 x 6,62 m großer Fundamentblock befand. In der erhaltenen Mörtelausgleichsschicht auf der Oberfläche ließen sich Abdrücke eines aufgehenden Quadermauerwerks erkennen. Die Funktion des Fundaments ist nicht gesichert. Es könnte eine Kolossalstatue oder eine Statuengruppe getragen haben, eine andere Möglichkeit wäre eine kleine Tempelanlage.685 Für die Deutung als Fundament einer kleinen Tempelanlage spricht, dass eine ca. 6 m südlich verlaufende Mauer zu einer Umfassungsmauer gehört haben könnte, was einen kleinen Tempel mit Unterbau und Temenos
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Die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert als terminus post quem wird aufgrund einiger, wenn auch weniger, Ziegelfunde sowie aufgrund der Datierung der verbauten Spolien angenommen. Für eine Datierung in konstantinische Zeit spricht außerdem, dass bei einigen Gebäuden Teile von kaiserzeitlichen Grabanlagen als Spolien verbaut wurden. Der Abbruch von kaiserzeitlichen Grabmalen zur Gewinnung von Baumaterial u. a. für Kastelle ist für konstantinische Zeit belegt. Vgl. Kiessel 2011, S. 78 und S. 108f. Einen weiteren Hinweis auf die Datierung bieten die Pfeilerreste einer Schrankenanlage im Osten des Platzes, in denen sich Pinienzapfen als Bekrönung erkennen lassen. Diese sind im Trierer Raum insbesondere aus den frühen Kirchenbauten, bspw. dem Domkreuzgang, und der kaiserlichen Villa in Welschbillig bekannt. Doch auch in tetrarchischer Zeit wurden sie bereits verwendet, wie der Befund des sogenannten Peristyls in Diokletians Palast in Split zeigt, wo sie als trennende Elemente zwischen den Säulen angebracht waren. Vgl. Fontaine 2003, S. 141. In der älteren Forschung, u. a. bei Cüppers, wird die Platzanlage in die Mitte bzw. zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154f, Kat. Nr. 57. Vgl. Fontaine 2003, S. 139; Kiessel 2011, S. 95f (Gebäude 2); Kiessel 2012/13, S. 110–117. Cüppers interpretiert den Mauerzug abweichend als nachträglich entstandene Westwand eines älteren Gebäudes, zu dem auch die Exedra gehört haben soll und das er als Versammlungsraum deutet. Allerdings gibt er die Breite der Exedra mit 12 m an. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154f, Kat. Nr. 57. Auch Fontaine folgt noch dieser Datierung und Maßangabe. Auch die weiter südlich verlaufenden Mauerzüge können in Bezug auf Datierung und Bauzusammenhang nicht näher bestimmt werden. Vgl. Fontaine 2003, S. 141. Vgl. Kiessel 2012/13, S. 116. Vgl. Kiessel 2011, S. 78; Fontaine 2003, S. 139; Cüppers präferiert die Deutung als Tempelanlage vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154f, Kat. Nr. 57.
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wahrscheinlich macht.686 U. Wulf-Rheidt zeigt auf, dass die Befunde auch als ein das Fundament umgebendes Wasserbecken gedeutet werden können, was gestützt wird durch das um 90 cm abgesenkte Bodenniveau im direkten Umfeld des Fundamentes sowie einen von Westen auf das Fundament zulaufenden Wasserkanal.687 Sollte es sich um eine Tempelanlage gehandelt haben, dann bietet sich hier eine auffällige Parallele zur Domus Augustana auf dem Palatin in Rom. Hier begegnen im Zentrum des oberen Säulenperistyls ebenfalls Reste einer kleinen Tempelanlage, die sich in der Mitte eines flachen Wasserbeckens befand, das von einem Säulengang umgeben war. Möglicherweise ist der Befund der Trierer Platzanlage ebenso zu deuten.688 Im Osten der Platzanlage wurde ein von Norden nach Süden verlaufender Bau freigelegt, der aus mehreren Raumeinheiten bestand und über die gesamte Länge von einem Abwasserkanal durchzogen wurde. Aufgrund der kürzlich publizierten Auswertung des Grabungsbefundes von 1982/83 durch M. Kiessel ist heute bekannt, dass es sich um einen hallenartigen Bau, mit anschließender Portikus handelte, der anscheinend als östliche Begrenzung des Hofes fungierte. Im oberen Abschnitt, etwa von der heutigen Kreisverwaltung bis zur Südostecke des Landratsamtes, fanden sich mehrere quadratische Fundamente einer nach Westen geöffneten, portikusartigen Säulenstellung mit dahinterliegenden nordsüdlich verlaufenden Mauerzügen.689 Südlich daran, vermutlich getrennt durch einen ca. 5 m breiten Durchgang, schloss ein Hallenbau von rund 44 m Länge und 17 m Breite an, der in einen nördlichen und einen südlichen Gebäudeteil gegliedert war. Der nördliche Gebäudeteil war 18 m lang und bestand aus mindestens zwei Räumen. Nach Westen hin, also zur Hofanlage mit Tempelfundament, war er lediglich begrenzt durch vier Pfeilerfundamente, die deutlich größer waren als die des nördlich gelegenen Portikus und von denen die beiden äußeren rechtwinklig abknickten. Die Pfeilerreste trugen vermutlich drei Tore oder Arkaden und bildeten den Zugang zu dem westlichen Raum des nördlichen Gebäudeteils, der folglich als eine Art Vorhalle zu deuten ist. Durch ost-westlich verlaufende Mauerreste ist eine Breite des nördlichen Gebäudeteils von mindestens 17 m gesichert. Zur weiteren Struktur des Gebäudes nach Osten hin sind keine gesicherten Erkenntnisse möglich.690
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Vgl. Kiessel 2012/13, S. 117. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 24. Vgl. Fontaine 2003, S. 140f; Wulf-Rheidt 2014, S. 24. Vgl. Kiessel 2011, S. 97; Kiessel 2012/13, S. 119. Laut Cüppers wurden bei den Grabungsarbeiten insgesamt 5 Säulenbasen aus Kalkstein und weiße Marmor, 11 korinthische und toskanische Kapitelle sowie 18 Säulentrommeln aus Kalk- und Sandstein, Granit und Marmor gesichert. Teilweise handelte es sich um Spolien, die Cüppers um 300 n. Chr. datiert. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154, Kat. Nr. 57. Vgl. Kiessel 2012/13, S. 125; Fontaine 2003, S. 141.
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Der südliche Gebäudeteil war etwas länger und sein westlicher innerer Teil war durch eine schmale Mauer unterteilt. An seinem südlichen Ende wird er ebenfalls durch ein vorgelagertes abgewinkeltes Säulen- oder Pfeilerfundament begrenzt. Entsprechend wurden auch hier weitere Pfeilerfundamente rekonstruiert, analog zum Aufbau des nördlichen Gebäudeteils. Allerdings haben sich von den angenommenen Fundamenten keine Reste finden lassen. M. Kiessel weist folglich darauf hin, dass die Rekonstruktion einer dem nördlichen Gebäudeteil entsprechenden Vorhalle für den südlichen Gebäudeteil eher unwahrscheinlich ist. Alternativ wird unter Einbeziehung der schmalen Mauer die Rekonstruktion einer nach Westen geöffneten Exedra- oder Hallenarchitektur vorgeschlagen. Das im Süden erhaltene Pfeiler- bzw. Säulenfundament wird zusammen mit einem weiteren, westlich gelegenen rechtwinkligen Fundamentrest als südlicher Zugang zur Platzanlage und somit gleichzeitig als dessen südliche Begrenzung gedeutet.691 In der Skizze der Grabungsergebnisse sind östlich des südlichen Gebäudeteils des Hallenbaus drei Pfeilerfundamente eingezeichnet, die jedoch in der Originaldokumentation weder fotografisch noch zeichnerisch erfasst wurden.692 Unmittelbar südlich des Hallenbaus schloss vermutlich ein ca. 6 m breiter Durchgang an, der wiederum von einem angrenzenden Gebäude flankiert wurde, von dem sich jedoch nur wenige Mauerreste erhalten haben. Auch hier deuten die Funde auf eine vorgelagerte Säulenstellung hin. Der Durchgang führte vermutlich über den angrenzenden Südzugang auf die Platzanlage. Demnach war der zentrale Hallenbau im Norden und Süden flankiert durch Durchgänge, im Norden schloss an diesen Durchgang eine Portikus an, die sich analog auch im Süden annehmen lässt.693 Die Funktion des länglichen Baus ist schwer zu klären, es liegt jedoch nahe ihn als vermittelndes Element zwischen Palast- und Circusareal zu deuten.694 Aufgrund der nach Westen orientierten Durchgänge könnte es sich um ein Eingangsportal gehandelt haben.695 U. Wulf-Rheidt hingegen vermutet in dem Bau kein Eingangsportal, sondern deutet ihn aufgrund
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Vgl. Kiessel 2012/13, S. 133. Vgl. Kiessel 2011, S. 97, Anm. 40; Kiessel 2012/13, S. 136. Vgl. Kiessel 2012/13, S. 136f. Vgl. Kiessel 2011, S. 94. Cüppers vermutete in seiner ersten kurzen Zusammenfassung des Grabungsbefundes aufgrund der nach Osten verlaufenden Mauerzüge eine weitere Aula, die folglich eine Breite von 18 m gehabt hätte. Die nord-südlich orientierten Raumeinheiten hätten dann als quer vorgelagerte Eingangshalle fungiert. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154f, Kat. Nr. 57. Bereits Fontaine widerlegte diese Annahme, da die geringe Stärke der seitlichen Mauerreste einen aufgehenden Bau von der Höhe und Monumentalität der Palastaula unwahrscheinlich macht. Er scheint zu einer Deutung als Eingangsportal zu tendieren. Vgl. Fontaine 2003, S. 141.
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ihrer alternativen Verortung des Circus als eine an diesen angeschlossene Säulenhalle, die womöglich als Ehrenloggia für den Kaiser diente.696 Auffällig ist, dass die sogenannte Vorhalle des Hallenbaus auf einer Blickachse mit dem (Tempel) Fundament in der Mitte des Hofs und dem sogenannten Portalgebäude liegt. Die Ausrichtung der Gebäude aufeinander und auf das innere Palastareal spricht für eine insgesamt einheitliche Grundkonzeption der östlichen Platzanlage. Das aufgrund von Estrichfunden feststellbare einheitliche Laufniveau deutet ebenfalls auf eine zeitgleiche Entstehung hin.697 Für die Datierung speziell des Hallenbaus in tetrarchisch-konstantinische Zeit ist außerdem relevant, dass der archäologische Befund auf einen temporären Baustopp hindeutet. Dies korrespondiert mit den feststellbaren Baustopps nach dem Abzug Konstantins an den Kaiserthermen und der Forumsbasilika sowie an der Palastaula und dem nordöstlich anschließendem Speicherbau.698 Gestützt wird diese These durch die im Mauerwerk verbauten Spolien, bei denen einige von Grabdenkmählern aus dem 2. und 3. Jahrhundert stammen. Der Abbruch von Grabbauten in der Umgebung von Trier zwecks Gewinnung von Baumaterial ist für die konstantinische Zeit durch den Verbau solcher Spolien unter anderem in den Kastellen von Neumagen und Jünkerath gut belegt.699 In der südwestlichen Ecke des Hofes wurde außerdem eine Badeanlage freigelegt, die jedoch nicht zur Platzanlage, sondern wohl zum inneren Palastbezirk zu zählen ist und somit in dessen Entstehungszeit datiert.700 Auch zwei am südlichen Ende des Ausgrabungsbereichs gelegene, nur spärliche Reste aufweisende Gebäude waren vermutlich nicht Teil des östlichen Platzareals. Über ihre Funktion und Datierung lassen sich aufgrund fehlenden stratifizierten Fundmaterials keine Aussagen treffen.701 Südlich der Palastaula kamen bei Grabungen ebenfalls mehrere römische Gebäudereste zum Vorschein, die als Teil des Palastes bzw. als Reste eines zugehörigen Residenzareals gedeutet werden. Zunächst ist hier ein Mosaikfund zu nennen, der 1936 unmittelbar südöstlich des Mittelrisalits des Kurfürstlichen Palais gemacht wurde. Hier wurden Mosaikfragmente und Mauerreste freigelegt, die in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts zu datieren sind und Teil eines nord-südlich 696
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In diesem Zusammenhang stellt U. Wulf-Rheidt die These auf, dass die Reste einer Schrankenanlage aus Kalkstein, die Cüppers noch der von ihm angenommenen Basilika zuschrieb, tatsächlich der Säulenhalle bzw. dem Verbindungsbau zwischen Palast und Circus zuzuordnen sei. Eine ähnliche Konstruktion sei für Konstantinopel anzunehmen, worauf das erhaltene Relief auf dem Theodosius-Obelisk im Hippodrom von Konstantinopel hindeute. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 19. Zur Verortung der Circusanlage und deren Rekonstruktion vgl. Kap. 1.6.2.2. Vgl. Kiessel 2012/13, S. 126f. Vgl. ebd., S. 132, S. 138. Vgl. ebd., S. 139f. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 154f, Kat. Nr. 57; Fontaine 2003, S. 139; Kiessel 2011, S. 94f (Gebäude 1); Kiessel 2012/13, S. 108f. Bei Kiessel Gebäude 3 und Gebäude 4. Vgl. Kiessel 2012/13, S. 117f.
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verlaufenden Korridors oder einer Wandelhalle waren, der dann nach Westen abknickte. Ein 19 m weiter östlich gemachter Mosaikfund deutet aufgrund der räumlichen Nähe und der farblichen und stilistischen Ähnlichkeit der Mosaike darauf hin, dass dieser Raum und der westlich abknickende Korridor zum selben Gebäude gehörten und Teil der kaiserlichen Palastanlage waren.702 Darüber hinaus wurden 1943 bei der Grabung Löschteich nur 50 m südlich im Bereich des heutigen Zierbeckens im Palastgarten mehrere kaiserzeitliche Raumstrukturen freigelegt, deren maßgeblicher Ausbau in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts ebenfalls im Zusammenhang mit dem Ausbau des Palastes gestanden haben muss. Hierzu gehörten drei beheizbare Räume mit aufwändigen Mosaiken und Wandmalereien sowie eine nördlich vorgelagerte Wandelhalle oder Portikus von mind. 20 m Länge. Vermutlich neu errichtet wurde eine nördlich anschließende, ebenfalls aufwändig mit Mosaiken dekorierte apsidiale Raumstruktur, bei der es sich um einen Gartensaal mit Nymphäum gehandelt haben könnte.703
Abbildung 29: Plan der Befunde der Grabung Löschteich 1943. (Quelle: Fontaine 2003, S. 147, Abb. 24) 702
703
Vgl. Fontaine 2003, S. 146f sowie Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 145ff, Kat. Nr. 114 und 115 sowie Abbildung der Fotografien und Zeichnungen auf Taf. 77. Vgl. Fontaine 2003, S. 147ff mit Plan des Grabungsbefundes auf S. 147, Abb. 24 und Abbildung der gefunden Mosaiken und einer als Aquarell überlieferten Wandmalerei auf S. 148f, Abb. 25–27 sowie Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 144f, Kat. Nr. 110–112.
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Nimmt man eine Ausdehnung des Palastareals über acht insulae, also im Süden bis zum Weberbach und somit angrenzend an die Kaiserthermen an, dann sind auch die Ende des 19. Jahrhunderts gemachten Funde unterhalb des Altbaus des Rheinischen Landesmuseums als Teil der Palastanlage zu deuten. Hier wurden mehrere Räume mit teilweise aufwändiger Mosaikausstattung, darunter das Monnus-Mosaik, freigelegt, die aufgrund der Erkenntnisse der neueren Forschung in die Regierungszeit des Constantius Chlorus Ende des 3. bzw. Anfang des 4. Jahrhunderts datiert werden können.704 Das Bildprogramm der gefundenen Mosaikreste sowie deren handwerkliche Qualität in Verbindung mit der Weitläufigkeit und Größe der Räumlichkeiten machen eine Deutung als Wohnpalast wahrscheinlich.705
Abbildung 30: Grabungsergebnisse unter dem Altbau des Landesmuseums. (Quelle: Fontaine 2003, S. 150, Abb. 28)
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Vgl. Fontaine 2003, S. 149. Die Details der gefundenen Raumstrukturen sowie der Mosaikausstattung wurden zuletzt ausführlich besprochen bei Fontaine 2003, S. 149–153 sowie bei Hoffmann/Hupe/Goethert 1999, S. 138–143, Kat. Nr. 102–108 sowie Taf. 63–73. Vgl. Fontaine 2003, S. 152.
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1.6.2.2 DER CIRCUS Die Existenz eines Circus in Augusta Treverorum ist für die tetrarchische Zeit auf Basis der literarischen Überlieferung gesichert. So wird der Trierer Circus im oben erwähnten Panegyricus von 310 n. Chr. als riesig und mit dem römischen konkurrierend beschrieben706, und auch Augustinus707 und Salvianus708 erwähnten im 4. bzw. 5. Jahrhundert den Circus der Stadt. Hinsichtlich seiner genauen Verortung im Stadtbild und seiner Entstehungszeit wirft er jedoch bis heute nicht abschließend beantwortete Fragen auf. Aufgrund des spärlichen archäologischen Befundes kann man zwar relativ sicher annehmen, dass der Circus östlich an das Palastareal angrenzte, der genaue Verlauf der Anlage ist jedoch nicht gesichert. Maßgeblich für die Lokalisierung der Anlage im Nordosten der Stadt ist bis heute der 1949 erschienene Artikel von Wilhelm von Massow, ehemaliger Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier.709 Dieser interpretiert mehrere Einzelfunde aus der Region dahingehend, dass sich der spätantike Circus östlich des Palastareals befand und eine nordost-südwestliche Ausrichtung besaß, mit dem abschließenden Halbrund der Rennbahn im Norden und den carceres im Süden. Demnach entspräche der heutige Straßenverlauf zumindest teilweise noch grob dem Verlauf des antiken Circus, mit der Helenenstraße als Überrest des nördlichen Teils der westlichen Längsseite, der Egbertstraße als südlicher Teil der östlichen Längsseite und dem halbrunden Verlauf der Agritiusstraße als Überrest der Abschlusskurve im Norden. Maßgeblich für die Begründung dieser These war die teilweise Freilegung einer ebenen, mit Kieselschotter ausgelegten Fläche an der Agritiusstraße sowie eines 3,32 m starken Mauerfundamentes aus Kalkstein an der Helenenstraße, das aufgrund der Bauweise zeitgleich mit den Kaiserthermen zu datieren ist.710 Durch die daraus folgende Annahme, dass sich hier ein monumentales Bauwerk aus tetrarchischer Zeit befunden hatte, wurde auch ein bereits 1876 in unmittelbarer Nähe gefundenes Postament mit einer Ehrinschrift für den Caesar Constantius Chlorus und dessen Mitregenten verständlich, dessen Aufstellung vorher in der scheinbar unbebauten
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„Video circum maximum aemulum, credo, Romano […].“ (Ich sehe den riesigen Circus, konkurrierend mit dem römischen, wie ich glaube […].) Pan. lat. VI/VII, 22.5. Augustinus erwähnt in seinen Bekenntnissen im Zusammenhang mit dem Besuch des Ponticianus den Circus in Trier und dass der Kaiser dort Spielen beigewohnt habe. Augustinus, Confessiones VIII, 6.15. Salvianus berichtet 440 n. Chr. empört, dass einige Bürger der Stadt trotz deren Zerstörung den Kaiser um Zirkusspiele gebeten hätten. Salvianus, De gubernatione Dei, VI, 14–15. Vgl. Massow, Wilhelm von: Der Circus des römischen Trier. In: Trierer Zeitschrift. 18/1949, Heft 2. S. 149–69. Vgl. von Massow 1949, S. 161ff.
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Gegend für die Forschung schwer einzuordnen war.711 Für W. von Massow ergab sich daraus die Deutung, dass es sich bei der Kieselfläche um einen Teil der Rennbahn handelte und der Mauerrest als Teil der westlichen Längsmauer zu interpretieren sei, während das Statuenpostament zu einem dort aufgestellten Denkmal für die vier Tetrarchen gehört habe.712 Ein weiteres Indiz dafür war der Verlauf der Stadtmauer, die vom Amphitheater Richtung Norden eine Ausbuchtung macht und scheinbar unnötigerweise einen Teil des Hanges des Petrisberges mit einschloss, bevor sie dann nach links abknickte. W. von Massow schließt daraus, dass der Mauerverlauf auf eine vorhandene Bebauung Rücksicht nahm, möglicherweise Sitzreihen am Berghang. Da die Stadtmauer aus dem 2. Jahrhundert stammte, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass sich der Vorgänger-Circus an derselben Stelle befand und die Stadtmauer entsprechend um diesen herum verlief.713 Dafür spricht auch, dass in dem Areal kaum antike Gebäudestrukturen gefunden wurden und sie gleichzeitig die einzige Fläche innerhalb der Stadtmauern ist, die Platz genug für einen Circus bot. Zwar konnte ein Circus auch auf vorhandenen bzw. niedergelegten Gebäuden errichtet werden, der Mangel an entsprechenden Hinweisen auf Vorgängerbauten stützt jedoch die Annahme, dass sich hier seit dem 2. Jahrhundert ein Circus befunden hat.714 Die Verortung des Circus in dieser Gegend wird gestützt durch weitere, wenn auch kleine Mauerreste entlang der Helenenstraße und der Egbertstraße, die zu der westlichen bzw. östlichen Längsseite gehört haben könnten. In diesem Zusammenhang werden fünf quadratische Pfeilerpostamente an der Helenenstraße als Teil eines monumentalen Bauwerks im Zusammenhang mit dem Circus interpretiert, das möglicherweise als Eingangsportal zu deuten ist. Dieses Bauwerk korrespondierte bezüglich der Nordost-Südwest-Ausrichtung mit einem gegenüberliegenden großen Bauwerk an der östlichen Längsseite, von dem Mauerreste freigelegt werden 711
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Der Kalksteinquader von 98 cm Höhe, 74 cm Breite und 66 cm Tiefe wurde Ecke Gartenfeld und Helenenstraße gefunden. Die Inschrift besagt: „Unserem allergnädigsten Herrn, Flavius Valerius Constantius, dem edlen Prinzen, (widmete dies) der Befehlshaber Valerius Concordius, vir perfectissimus, ergeben ihrer Erhabenheit und Majestät.“ (Indulgentissimo d(omino) n(ostro) Flavio Val(erio) Constantio nobilissimo Caes(ari) Valerius Concordius v(ir) p(erfectissimus) dux devotus numini maiiestatique eorum). Durch die Bezeichnung des Constantius Chlorus als Caesar kann die Ehrinschrift zwischen 293 und 305 n. Chr. datiert werden. Auf dem Postament ist eine entsprechende Statue zu Ehren des Kaisers zu rekonstruieren. Durch die Verwendung des Plurals (eorum) ist außerdem sicher, dass für mindestens einen der drei Mitregenten des Constantius ebenfalls eine parallele Inschrift vorhanden war. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 96, Kat. Nr. 17. Vgl. von Massow 1949, S. 163. Vgl. von Massow 1949, S. 166. Diese Einschätzung teilt auch Humphrey. Vgl. Humphrey 1986, S. 603. Vgl. Humphrey 1986, S. 603. Auch K. Goethert merkt an, dass bereits im 2. Jahrhundert lediglich im Osten der Stadt freie Flächen von ausreichender Größe für einen Circus verfügbar gewesen seien. Vgl. Goethert, Karin: Circus und Wagenrennen. In: Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Ausstellungskatalog. Zabern, Mainz 2007. S. 344–350, S. 345.
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konnten.715 Darüber hinaus fand sich in unmittelbarer Nähe des vermuteten Circusareals eine Säulentrommel mit einer Konsole, die als Auflage für einen Holzbalken diente. Sie scheint somit Teil eines Gebäudes gewesen zu sein, dessen Architektur unterhalb des Säulenkapitells eine Galerie oder Empore besaß und könnte somit Teil der Tribüne des Circushalbrunds gewesen sein.716 An der Hermesstraße wiederum, also dort, wo der südliche Abschluss des Circus und ein weiteres monumental gestaltetes Eingangsportal vermutet wird, wurde ein reich verziertes Säulenkapitell gefunden, das aufgrund der Bildsprache im Zusammenhang mit Circusspielen zu stehen scheint. Es zeigt an den Ecken anstatt der üblichen Voluten vier Victorien mit Lorbeerkränzen und an den Seiten sind mittig Siegerbüsten eingerahmt von Akanthusblättern und den für Rennfahrer üblichen Palmwedeln zu sehen.717 Auch in der Folgezeit wurden im Umfeld des vermuteten Circusareals weitere Einzelfunde gemacht, die ebenfalls als Hinweise auf den Circus gedeutet werden können. Ein 1956 freigelegtes Mauerstück, das in seiner Mauertechnik der des Amphitheaters gleicht, wird als Teil der Spina gedeutet. Darüber hinaus hatte bereits W. von Massow angemerkt, dass südlich des Circus in Ost-West-Richtung ein Aquädukt verlief, das auf die Kaiserthermen zulief. Nach neueren Erkenntnissen zweigte von diesem ein Wasserkanal nach Norden ab, der auf die Spina zulief und vermutlich die dort angelegten Wasserbecken versorgte.718 Zu den Bildwerken, die für die Spina und sonstige Ausstattung des Circus anzunehmen sind, gibt es kaum Hinweise. Im Bereich des Circus ist die untere Partie eines marmornen Aphroditebildnisses im Typus der Aphrodite von Arles gefunden worden, die vermutlich zur Ausstattung der Anlage gehört hat.719 W. von Massow hält darüber hinaus einen Obelisken für wahrscheinlich, da deren Aufstellung nicht nur für Circusanlagen in Rom und Konstantinopel gesichert 715
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Vgl. von Massow 1949, S. 164f. Die Deutung der fünf Pfeilerpostamente als mögliches Eingangsportal wird durch K. Goethert geteilt. Vgl. K. Goethert 2007, S. 345. Vgl. von Massow 1949, S. 167 und Abb. 7. Humphrey merkt hierzu an, dass die Säulentrommel mit Konsole zwar eine solche Konstruktion getragen zu haben scheint, er sieht dies jedoch nicht zwangsläufig als Hinweis auf eine Galerie- oder Tribünenkonstruktion im Zusammenhang mit dem Circus. Vgl. Humphrey 1986, S. 688, Anm. 37. Vgl. von Massow 1949, S. 167. Es ist allerdings anzumerken, dass die Personendarstellungen nicht zwangsläufig als Siegerbüsten zu deuten sind. Dies ist vor allem darin begründet, dass eine der vier Büsten sich von den restlichen drei unterscheidet. Sie ist in ein Medaillon eingefasst, das von den seitlich angeordneten Victorien getragen wird, und ist durch eine besondere Gewandspange hervorgehoben. Diskutiert wird daher eine Identifikation der vier Büsten als Darstellungen von Konstantin und seinen Söhnen oder analog von Mitgliedern der Valentinianischen Dynastie. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 192, Kat. Nr. 80, Abb. 80. K. Goethert hingegen interpretiert drei einheitlich gestalteten Büsten als spielgebende Beamte und hält lediglich für die vierte Büste die Darstellung eines Mitglieds der kaiserlichen Familie für möglich. Vgl. K. Goethert 2007, S. 346. Vgl. K. Goethert 2007, S. 345f. Vgl. ebd., S. 346.
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ist, sondern sich auch in anderen Städten Galliens wie in Vienna (Vienne) und vermutlich in Lugdunum (Lyon) nachweisen lässt.720 In der literarischen Überlieferung gibt lediglich die bereits oben erwähnte Passage bei Augustinus einen Hinweis auf die geographische Verortung der Anlage. Dort beschreibt er, wie der Hofbeamte Ponticianus anlässlich seines Besuches in Augusta Treverorum mit Freunden vor den Mauern der Stadt in den Gärten spazieren geht, während der Kaiser sich bei Spielen im Circus aufhielt.721 Der heutige Name des Areals, welches nach der Lokalisierung der Circusanlage an der Stadtmauer durch W. von Massow eben jener Gartenanlage entsprechen müsste, ist Gartenfeld – eine passende Übereinstimmung.722 Zwar sind die einzelnen Fragmente und Indizien in ihrem singulären Aussagewert nicht eindeutig, in ihrer Summe erscheint deren Deutung als Reste des Trierer Circus jedoch durchaus plausibel – was sich auch an der entsprechenden Rezeption in der Forschung zu Augusta Treverorum zeigt.723 Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass sich die Circusanlage von ca. 440 m Länge östlich des Palastareals befand.724 Umstritten bleibt jedoch der exakte Verlauf der Anlage.725 Auffällig ist beispielsweise, dass der Verlauf der Anlage entsprechend der Rekonstruktion W. von Massows nicht zum Verlauf des antiken Straßennetzes passt. Dieser begründet das damit, dass der Circus in seiner anzunehmenden Größe sonst mit den gefundenen Gebäuderesten kollidiert wäre, die er als Überreste der Längsmauern interpretiert hat.726 Möglicherweise lässt sich die abweichende Ausrichtung
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726
Vgl. von Massow 1949, S. 159f. Augustinus, Confessiones VIII, 6.15. Vgl. Humphrey 1986, S. 602. Laut K. Goethert konnten bei Grabungen 2002/03 Gartenanlagen nordwestlich des Circusareals nachgewiesen werden. Vgl. K. Goethert 2007, S. 347. Vgl. hierzu u. a. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 190f, Kat. Nr. 77; Humphrey 1986, S. 602f; K. Goethert 2007. Die vermuteten Ausmaße des Circus variieren. Humphrey nimmt eine Länge von 440 m und eine Breite von 77 bis 80 m an, während K. Goethert von ca. 450 m Länge und einer Breite von knapp 100 m spricht. Vgl. Humphrey 1986, S. 603; K. Goethert 2007, S. 345. Kritisch zu der in der Forschung als relativ gesichert angenommenen Verortung des Circus äußerte sich zuletzt Heucke. Er merkt an, dass die durch W. von Massow als vorläufig und in der Hoffnung auf weitere bestätigende Grabungsbefunde formulierte Interpretation des archäologischen Befundes bei Humphrey mit Verweis auf weitere Funde aus den 1960er Jahren und aus dem Jahr 1984 unterstützt wird, die jedoch nicht publiziert worden seien. Vgl. Heucke 1994, S. 324–332. Auch Humphrey merkte trotz seiner grundsätzlichen Unterstützung der Verortung östlich des Palastareals an, dass die genaue Lokalisierung der Anlage alles andere als gesichert sei. Vgl. Humphrey 1986, S. 603. Clemens/Hupe hingegen bezeichnen den Verlauf zwischen heutiger Agritius- und Hermesstraße als über jeden Zweifel erhaben. Vgl. Clemens, Lukas/Hupe, Joachim: Circus. In: Rettet das archäologische Erbe in Trier. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier. 31/2005. S. 100–101. Vgl. von Massow 1949, S. 165.
186
durch topographische Gegebenheiten erklären, eventuell orientierte man den Verlauf des Circus an dem des Petrisberges, um die östlichen Sitzreihen an dessen Hang bauen zu können.727 Eine andere Möglichkeit wäre, dass zwar das Areal des Circus durch W. von Massow korrekt bestimmt wurde, nicht aber dessen genauer Verlauf. Zuletzt hat U. Wulf-Rheidt eine alternative Rekonstruktion der Anlage vorgeschlagen, in welcher der Circus weiter westlich verortet wird und somit topographisch direkt auf das Palastareal bezogen wäre, statt lediglich in dessen Nähe zu liegen. Die westlichen Sitzreihen würden dann ungefähr parallel zur heutigen Ostallee verlaufen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Deutung des zuletzt von M. Kiessel beschriebenen Hallenbaus im Osten des Palastareals relevant, der bei U. Wulf-Rheidt als möglicher Verbindungsbau zum Circus, eventuell sogar mit Kaiserloge, interpretiert wird.728 Östlich des Verbindungsbaus wurden bei der Kartierung der Funde ost-westlich verlaufende Mauerreste sowie eine regelmäßige Pfeilerstellung bestehend aus drei Fundamenten eingezeichnet.729 U. Wulf-Rheidt hält es aufgrund eines Vergleichs mit vom Circus Maximus bekannten Strukturen für möglich, dass sich hier Teile des Unterbaus des Circus erhalten haben. Die Mauerreste wären dann als Teile von unter der Tribüne befindlichen Kammern zu deuten und die Pfeiler könnten als Arkaden zu deuten sein, die einen Gang unter den Tribünen zur Straße hin erschlossen.730 Auch wenn diese Annahme aufgrund der fehlenden Sicherheit bezüglich der genauen Lage des Circus hypothetisch bleiben muss, eröffnet sie doch eine interessante Argumentation. Man hätte demnach für Trier einen direkten städtebaulichen Zusammenhang von Circus und Palastareal anzunehmen sowie eventuell einen zugehörigen Verbindungsbau mit Säulenhalle. Auch die Datierung des Baus kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Aufgrund des oben genannten Panegyricus auf Konstantin von 310 n. Chr. scheint diesem der Bau oder zumindest die Fertigstellung der monumentalen Anlage zuzuschreiben zu sein. Insbesondere erhaltene vorkonstantinische Mosaike mit Circus-Themen legen jedoch den Schluss nahe, dass bereits während der Kaiserzeit in Augusta Treverorum regelmäßig Wagenrennen abgehalten worden sind. Hier ist vor allem das bei Grabungen in der Palästra der Kaiserthermen in den 1960er Jahren freigelegte Polydus-Mosaik zu nennen, welches einen siegreichen Wagenlenker auf seinem Vierergespann darstellt und in die Mitte des 3. Jahrhunderts datiert wird.731 727 728 729
730 731
Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 19. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 19f. Hierzu muss allerdings, wie bereits oben angemerkt, darauf verwiesen werden, dass diese Strukturen in der Originaldokumentation weder fotografisch noch zeichnerisch dokumentiert sind. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 19. Das Mosaik kam bei Ausgrabungen in der Palästra der Trierer Kaiserthermen 1962 zu Tage. Es ist insgesamt knapp 26 m² groß, im Mittelfeld ist der Wagenlenker Polydus in seinem Vierergespann dargestellt. Es stammt aus einem Peristylhaus, welches Ende des 3. Jahrhunderts für den Bau der Thermen niedergelegt wurde und wird von Reusch in die Mitte des 3. Jahrhundert n. Chr. datiert. Heute befin-
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Abbildung 31: Stadtplan des antiken Trier mit hypothetischer Lage des Circus (gepünktelt) nach U. Wulf-Rheidt. Außerdem verzeichnet sind die maximale Ausdehnung des Residenzviertels (gepunktete Linie) und das Gebiet, an dem das Mausoleum des Constantius Chlorus vermutet wird (schraffiert). (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, S. 22, Abb. 12)
det sich das rekonstruierte und ergänzte Mosaik im Rheinischen Landesmuseum Trier. Eine genaue Beschreibung und Einordnung der Fundsituation und des Mosaiks findet sich bei Reusch, Wilhelm: Wandmalereien und Mosaikboden eines Peristylhauses im Bereich der Trierer Kaiserthermen. In: Trierer Zeitschrift, 29/1966. S. 187–235, S. 216–222.
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Bereits W. von Massow erwähnt 1949 drei weitere Mosaikböden. Zunächst ein fragmentarisch erhaltener Boden, der ebenfalls im Bereich der Palästra der Kaiserthermen zum Vorschein kam und auf spätestens 200 n. Chr. datiert wird. Von ursprünglich vier Rundfeldern sind zwei in Teilen erhalten, auf denen Vierergespanne mit ihren Wagenlenkern in voller Fahrt dargestellt sind. Auch hier sind die Fahrer inschriftlich benannt: Victor und Fulminatore.732 Ein weiteres Mosaik mit vier siegreichen Wagenlenkern – Euprepes, Superstes, Fortunatus und Philippus – wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört.733 Abschließend verweist W. von Massow auf ein stark zerstörtes Mosaik, das ebenfalls in vorkonstantinische Zeit datiert wird. In einem sechseckigen Feld ist in der rechten Hälfte das Hinterteil eines Pferdes zu sehen sowie eine Männergestalt. Diese wird aufgrund ihrer statuarischen Haltung, der braunen Einfärbung mit hellen „Glanzlichtern“ und der Positionierung auf einer Plinthe als Bronzestatue gedeutet, die möglicherweise ein Teil der statuarischen Ausstattung des Circus war.734 Unterstützt wird die Annahme einer kaiserzeitlichen Circusanlage darüber hinaus durch ein Grabmonument aus Neumagen mit Resten von Circus-Szenen, welches in die Trierer Blütezeit zwischen dem 2. und 3. Jahrhundert datiert wird.735 Die vielfältigen Hinweise aus vorkonstantinischer Zeit belegen Wagenrennen in Trier, unklar ist allerdings, ob die Spiele in einer steinernen Circusanlage oder in einer vorläufig angelegten Holzkonstruktion stattfanden. W. von Massow nahm an, dass der Circus schon in vorkonstantinischer Zeit bestand und von Konstantin ausgebaut oder wiederhergestellt wurde.736 J. Hum732 733
734 735
736
Vgl. Krencker/Krüger 1929, S. 40f und Abb. 53, 56–58; Massow 1949, S. 152. Das Mosaik ist heute nur noch in Abbildungen erhalten, es war quadratisch angelegt und in vier achteckigen Feldern war jeweils ein Rennfahrer mit Kranz und Palmzweig abgebildet. Vgl. bspw. Massow, Abb. 1. Gefunden wurde es 1895 hinter dem Landesmuseum in der Nähe des Monnus-Mosaiks. Am 23. Dezember 1944 wurde das Mosaik durch einen Bombeneinschlag vollständig vernichtet. Vgl. Massow 1949, S. 151f. Vgl. von Massow 1949, S. 153. Das Grabdenkmal ist nur sehr fragmentarisch erhalten, eine Rekonstruktion findet sich bei W. von Massow. Vgl. Massow 1949, S. 155, Abb. 3. Auf der Vorderflucht befand sich demnach die Darstellung eines Wagenrennens im Circus von Trier. Auf der linken Seite ist ein Wagenlenker zu sehen, der sein Pferd aus dem Stall führt, auf der rechten Seite hingegen ein Rennfahrer, der sein Pferd nach dem Rennen am Halfter hält. Sehr fragmentarisch sind auch Teile der Circusanlage selbst zu sehen. So lassen sich laut von Massow die Ziersäulen an beiden Seiten der Spina erkennen, in der linken Hälfte ist außerdem noch ein Bogen der Zuschauertribüne links zu erkennen. Von Massow vermutet hierin aufgrund der perspektivischen Darstellung die Kurve am halbkreisförmigen Ende der Rennbahn, woraus folgen würde, dass sich die Startboxen am rechten Ende befunden haben müssen. Vgl. Massow 1949, S. 154. Auch Cüppers folgt der Einschätzung W. von Massows, dass hier der Trierer Circus dargestellt ist. Die Neumagener Grabmonumente werden insgesamt in die Blütezeit des 2.–3. Jahrhundert n. Chr. datiert und wurden im Rahmen der Alamanneneinfälle von 275 n. Chr. zerstört. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 80. Vgl. von Massow 1949, S. 151.
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phrey datiert den Circus ebenfalls in das 2. Jahrhundert. Er hält eine Holzkonstruktion oder zumindest einen Bau, der nur partiell aus Stein bestand, für wahrscheinlich, da andere Circusanlagen dieser Zeit in Gallien, wie bspw. Lyon und Saintes, ebenfalls so konstruiert waren.737 Auch in der neueren Forschung scheint sich die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass die Anlage bereits in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstand und in tetrarchischer Zeit ausgebaut oder wieder errichtet wurde.738 Ebenfalls strittig ist die genaue Datierung des Neu- bzw. Umbaus der Circusanlage in tetrarchischer Zeit. Im Panegyricus von 310 wird dieser Konstantin zugeschrieben. Es ist jedoch nicht gesichert, ob der Bau durch Konstantin initiiert wurde oder ob bereits Maximian oder Constantius Chlorus damit begonnen hatten.739 Einen Hinweis auf einen Ausbau vor Konstantin gibt die oben erwähnte Inschrift für ein Ehrenmonument des Caesars Constantius Chlorus. Wäre der Circus erst unter Konstantin, also nach dem Tod des Constantius Chlorus, angelegt worden und das Ehrenmonument in diesem Zusammenhang aufgestellt worden, so hätte die Inschrift diesen sicherlich als Augustus geehrt. Weitere Funde belegen zudem die allgemeine Bedeutung des Circuslebens im spätantiken Trier. Zu nennen sind hier unter anderem mehrere Kontorniaten, auf denen siegreiche Rennfahrer dargestellt sind740 sowie das Fragment einer geschliffenen Glasschale mit der Darstellung eines Wagenrennens und Teilen der Spina und einer Tribüne im Hintergrund.741
737 738 739
740
741
Vgl. Humphrey 1986, S. 603. Vgl. Heinen 1985, S. 279; Goethert/Weber 2010, S. 17. Bspw. Reusch datiert den Neubau der Circusanlage in die Zeit des Constantius Chlorus. Vgl. Reusch, 1970, S. 10. Auch Humphrey hält Maximian oder Constantius Chlorus als Urheber der Anlage für möglich. Vgl. Humphrey 1986, S. 602. Aus Trier sind insgesamt sieben Kontorniaten mit Wagenlenkern bekannt. Auf der Vorderseite ist jeweils ein siegreicher Rennfahrer mit Peitsche und Palmwedel abgebildet und namentlich durch die Münzinschrift identifiziert. Auf der Rückseite wurde oftmals auch das zugehörige Leitpferd inschriftlich erwähnt. Die kleinen Bronzeprägungen, ähnlich einer Münze oder eines Medaillons, dienten zur Ehrung der jeweils Dargestellten. Ihre Funktion ist nicht abschließend geklärt, eventuell waren es Spielsteine. Vgl. Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 193ff, Kat. Nr. 81, Wagenlenker-Kontorniaten i-p; vgl. auch drei der Kontorniaten bei von Massow 1949, S. 155, Abb. 4. und S. 157f. Das geschliffene Glasfragment – Teil eines Bechers oder einer Schale – wurde in den Trierer Kaiserthermen gefunden und wird in das 4. Jahrhundert n. Chr. datiert. Obwohl es wahrscheinlich scheint, ist in diesem Fall nicht sicher nachweisbar, dass sie in Trier gefertigt wurde und somit den dortigen Circus zeigt. Im oberen Teil sind Zuschauer unter Arkaden zu sehen, die das Treiben im Circus beobachten. Im unteren Teil sieht man die Rennbahn selbst, auf der zwei Vierergespanne gerade in voller Fahrt die Wende am halbkreisförmigen Ende der Bahn nehmen. Dieses wird markiert durch die drei Säulen mit aufgesetzten Kugeln (Metae), welche die Spina begrenzen. Rechts hinter den metae ist noch ein Teil der Spina erkennbar, ausgestattet mit der Statue eines tanzenden Satyrs. Wenn das Glasfragment tatsächlich den Trierer Circus zeigt, dann bestätigt sich hier die auf Basis
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1.6.2.3 DIE KAISERTHERMEN Der Baubeginn an den Trierer Kaiserthermen erfolgte um 300 n. Chr., vermutlich in der Regierungszeit des Constantius Chlorus und stand somit in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ausbau des Palastareals.742 Einen Hinweis auf die Rolle des Thermenbaus im Rahmen der tetrarchischen Herrschaftsrepräsentation gibt hier nicht nur die Monumentalität der Anlage – es handelt sich um den größten Thermenbau außerhalb Roms –, sondern auch ihr räumlicher Bezug zum Palastareal sowie ihre Ausrichtung zum Forum hin. Darüber hinaus besaß Trier mit den Barbarathermen bereits eine Thermenanlage des imperialen Typus, was bedeutet, dass der Bau einer weiteren Kaiserthermenanlage umso mehr den neuen Status der Stadt und die Freigiebigkeit des Herrschers illustrierte. Zur Errichtung der Kaiserthermen in Trier wurde ein kaiserzeitliches Wohngebiet niedergelegt, um Platz für die monumentale Thermenanlage zu schaffen.743 Allerdings kam das Bauvorhaben um 316 n. Chr., vermutlich im Zusammenhang mit dem Abzug Konstantins aus Trier, zum Erliegen.744 Zu diesem Zeitpunkt war die Grundkonzeption der Thermen bereits fertiggestellt und die wesentlichen Elemente wie Palaestra, Frigidarium, Tepidarium und Caldarium im Ausbau befindlich.
742
743
744
des Grabmonuments von Neumagen aufgestellte These, dass sich das abschließende Halbrund links befand und die carceres entsprechend rechts. Vgl. von Massow 1949, S. 156 sowie Abbildung der Glasschale auf Tafel 1; Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 198, Kat. Nr. 83. K. Goethert vermutete zuletzt aufgrund der handwerklichen Qualität, dass die Glasschale in Rom gefertigt wurde und somit nicht den Trierer Circus, sondern den Circus Maximus zeigt. Vgl. K. Goethert 2007, S. 348. Der genaue Baubeginn ist nicht überliefert. Krencker stellt anhand der Verarbeitung des Mauerwerks Überlegungen zur Chronologie der Bauten in Trier an. Demnach seien die Kaiserthermen im letzten Drittel des 3. Jahrhundert n. Chr. errichtet worden, noch vor der Palastaula, die er in den Beginn des 4. Jahrhundert datiert. Vgl. Krencker, D.: Die Trierer Kaiserthermen. Ausgrabungsbericht und grundsätzliche Untersuchungen römischer Thermen. Dr. Benno Filser Verlag G.m.b.H., Augsburg 1929, S. 30. Bei Goethert/Weber wird der Baubeginn ebenfalls spätestens Ende des 3. Jahrhundert angenommen. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 123. Fontaine verweist lediglich darauf, dass nicht gesichert ist ob der Bau unter Constantius Chlorus oder Konstantin begonnen wurde. Da die kaiserzeitlichen Villenanlagen jedoch bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhundert n. Chr. noch ausgebaut worden waren scheint zumindest sicher, dass der Bau der Kaiserthermen in die Zeit nach dem Gallischen Sonderreich, also in die Zeit der Tetrarchie zu datieren ist. Vgl. Fontaine, Thomas: Die Kaiserthermen. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. S. 122–134, S. 123f. Eine Zusammenstellung und Besprechung der kaiserzeitlichen Gebäudereste und Mosaikfunde findet sich bei Krencker 1929, S. 32–46. Ein Bericht zu den Grabungen im Bereich der Palästra der Kaiserthermen, der Aufschluss über die verschiedenen Bebauungsphasen mit Wohnbauten des Areals vom 1.–3. Jahrhundert n. Chr. gibt, findet sich bei Reusch 1966. Vgl. Reusch 1966, S. 187–35. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 125.
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Abbildung 32: Grundriss der ursprünglich geplanten Thermenanlage. Rekonstruktionszeichnung von L. Dahm, Rheinisches Landesmuseum Trier. (Quelle: Fontaine 2001, S. 125) Maßgeblich für die heutige Kenntnis der Trierer Kaiserthermen sind nach wie vor die Ausführungen von D. Krencker und H. Lehmann, die auf den Ergebnissen der zwischen 1912 und 1926 durchgeführten Grabungsarbeiten basieren.745 Die Thermenanlage umfasste ein Gebiet von vier 745
Vgl. Krencker 1929. Hier finden sich auf den Seiten 7–21 eine Zusammenstellung der älteren Forschung sowie überlieferte Zeichnungen, Grundrisse und Rekonstruktionen aus der Zeit zwischen dem
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insulae (250 x 145 m) und begrenzte das Palastareal im Süden.746 Der Haupteingang der Anlage war zum decumanus maximus und zum Forum hin ausgerichtet. Der topographische Bezug zwischen Kaiserthermen und Forum zeigt sich auch in den Dimensionen, denn die Breite der Thermenanlage, die sich über zwei insulae erstreckte, entsprach der des Forums. Die monumentalen Ausmaße sowie die axial-symmetrische Konzeption identifizieren sie als Thermen des imperialen Typus. Entsprechend ist auch die Raumfolge gegliedert. Die westliche Längsseite zur Straße hin war mit vorgelagerten Säulenhallen versehen, in der Mitte befand sich das Eingangsportal. Dahinter lag ein knapp 115 m langer und 12 m tiefer Gebäudetrakt mit mehreren kleineren Räumen, über deren genaue Funktion sich keine gesicherten Aussagen treffen lassen. In der Mitte des Gebäudetraktes, direkt gegenüber dem Eingangsportal, öffnete sich eine etwa 20 m breite Rundnische, die in der Regel als Nymphäum oder als Ort für den Kaiserkult gedeutet wird.747 Hinter dem westlichen Gebäudetrakt lag eine große Hofanlage, die Palästra, mit umlaufenden Säulenhallen und den dahinter liegenden Räumen des Nord- und Südflügels, die jeweils aus einem von zwei kleinen Räumen eingeschlossenen Saal von etwa 30 m Länge im westlichen Teil und einem größeren Saal von knapp 65 m Länge im östlichen Teil bestanden. Im Osten begrenzte die Fassade des Hauptgebäudes die Palästra, die man als durch Statuennischen und Architekturelemente gegliederte Schaufassade rekonstruieren muss.748 In der westlichen Säulenhalle waren zusätzlich kleine Exedren und Nischen eingelassen.749 Über die nördlichen und südlichen Säulengänge der Palästra gelangte man in die jeweils seitlich des Frigidariums gelegenen Umkleideräume. Von diesen aus erschlossen sich die axial angelegten Haupträume der Thermenanlage – das Frigidarium (F), das Tepidarium (T) und das Caldarium (C) – sowie die zugehörigen, symmetrisch angelegten Nebenräume. Ein zeitgenössischer Besucher wäre von den Umkleideräumen aus zunächst über die Zugänge in den Ecken des Frigidariums in die dahinter liegenden beheizten Schwitz, Salb- und Massageräume gegangen und wäre an deren Abschluss durch die schräg angelegten Türen in das Caldarium gelangt. Die rechteckige Grundfläche der überwölbten Dreikonchen-Halle betrug knapp 37 x 20 m, die große Rundapsis im Osten hatte einen Durchmesser von 20 m, die kleineren
746 747 748 749
17. und späten 19. Jahrhundert, auf deren Basis die Überreste der Kaiserthermen in der Regel als Palastanlage interpretiert wurden. Diese Deutung wurde erst durch die Grabungsarbeiten unter der Leitung Krenckers widerlegt. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 123. Vgl. Krencker 1929, S. 149; Fontaine 2001b, S. 126. Vgl. Fontaine 2001b, S. 126. Krencker vermutet, dass in diokletianischer Zeit noch keine Säulenhalle im Westen der Palästra vorhanden war, sondern dass diese inklusive der zugehörigen Exedren erst in konstantinischer Zeit eingebaut wurde. Vgl. Krencker 1929, S. 145f sowie Abb. 183a und b.
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Nord- und Südkonchen einen Durchmesser von 10,40 m.750 Durch die umgebenden Heizgänge und Kesselräume war die Wärmezufuhr gesichert. Die heute noch sichtbaren Überreste der östlichen und südlichen Konche vermitteln einen Eindruck von der Monumentalität der Thermenanlage. In den bis zu 19 m hoch erhaltenen Mauerresten sind noch einige der ursprünglich 22 Rundbogenfenster zu erkennen, durch die der Raum mit Tageslicht durchflutet wurde. In den drei Apsiden der Nord, Ost- und Südwand befanden sich Warmwasserbecken. Über einen 9 m breiten Zugang in der Westwand gelangte man in einen mit 10,15 x 11,14 m fast quadratischen Vorraum, der, flankiert von zwei kleineren Apsiden mit Warmwasserbecken, schließlich in das überkuppelte Tepidarium führte. Das Tepidarium hatte einen Durchmesser von etwa 16 m und wurde durch zwei Präfurnien in den westlich gelegenen Innenhöfen beheizt. Für die Kuppel wird ein verglastes Okulusfenster rekonstruiert, das gleichzeitig als Lichtquelle diente.751 Für den Innenraum sind lediglich umlaufende Sitzbänke an den Wänden anzunehmen, Überreste von weiteren Wasserbecken haben sich nicht gefunden. Eine Tür im Westen des Rundsaales leitete in das Frigidarium über, welches den Abschluss des Baderituals bildete. Mit einer Grundfläche von knapp 57 x 22 m war das Frigidarium der größte Saal der Anlage. Die Höhe lässt sich nicht sicher rekonstruieren, die freigelegten Grundmauern mit einer Stärke von fast 7 m deuten jedoch darauf hin, dass der ursprüngliche Bauplan eine gewaltige Höhe vorsah. Als Deckenkonstruktion ist hier ein Kreuzgratgewölbe anzunehmen, wie es auch von den ungefähr zeitgleich entstandenen Diokletiansthermen in Rom bekannt ist.752 In der Ostwand des Frigidariums befand sich eine große Apside, in der ein großes Kaltwasserbecken eingebaut war und deren Rückwand deutlich in die Palästra vorsprang. Auffällig ist, dass sie in ihren Ausmaßen der östlichen Apsis des Caldariums entsprach.753 Hier scheinen die jeweiligen Enden der dominierenden Raumachse sehr bewusst konzipiert worden zu sein. An den Schmalseiten im Norden und Süden sowie an der östlichen Längsseite rechts und links der Zugangsapsis befanden sich weitere, deutlich kleinere Wasserbecken. Entsprechend seiner Funktion als Kaltwasserbad war der Raum nicht mit Heizanlagen versehen.754 750 751
752 753 754
Krencker 1929, S. 49. Zur Rekonstruktion der Gewölbedecke vgl. S. 75ff. Diese Rekonstruktion geht zurück auf Krencker, der jedoch anmerkt, dass eventuell auch in der Kuppel seitliche Fenster anzunehmen sind. Vgl. Krencker 1929, S. 88. Fontaine nimmt an, dass der Okulus der Kuppel als einzige Lichtquelle diente. Vgl. Fontaine 2001b, S. 127. Goethert geht hingegen davon aus, dass es Fenster gab, die sich zu den angrenzenden Lichthöfen öffneten. Eine Lichtöffnung in der Kuppel wird nicht erwähnt. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 139. Vgl. Fontaine 2001b, S. 128. Vgl. Krencker 1929, S. 88. Krencker nahm an, dass der Fußboden der Apside, die vom Tepidarium in das Frigidarium führte, durch eine darunter liegende Kanalheizung beheizt werden konnte. Dieser Deutung schließt sich Fontaine an. Dieser Teil hätte demnach als eine Art Wärmeschleuse fungiert, der den Übergang von den
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Wie weit der Ausbau der einzelnen Raumeinheiten zum Zeitpunkt des Baustopps fortgeschritten war, ist nicht gesichert. Aufgrund der relativ einheitlichen erhaltenen Baumasse wird vermutetet, dass das Caldarium inklusive der Kesselhäuser sowie das Tepidarium mit den angrenzenden Seitenräumen weitestgehend fertig gestellt gewesen sein dürften. Unklar ist jedoch, inwieweit dies auch für die Deckenkonstruktion gilt. Das Frigidarium hingegen war zwar in den Grundmauern angelegt, ob bzw. inwieweit das aufgehende Mauerwerk ausgeführt worden war ist fraglich. Insgesamt war das Hauptgebäude weitläufig unterkellert mit Heiz- und Abwasserkanälen sowie Versorgungsräumen.755 Auch die Grundanlage der Palästra ist zwar vorhanden gewesen, wie weit der Ausbau der Hofanlage jedoch zum Zeitpunkt des Abbruchs der Arbeiten tatsächlich fortgeschritten war, ist nicht gesichert. Vermutlich ist jedoch die vor Ort gefundene Granitsäule den umlaufenden Säulenhallen zuzuordnen. Der Hof selbst war jedoch zu diesem Zeitpunkt weder ausplaniert noch mit Platten gepflastert.756 Das Mauerwerk ist laut Krencker als Verblendmauerwerk aus Kalksteinen zu bezeichnen, das zwischen den äußeren Schalen einen Klamottenbeton aus Kalksteinen und Mörtel enthielt. Im aufgehenden Mauerwerk wechselten sich Kalksteine mit Ziegeldurchschuss ab.757 An den Außenmauern konnte außerdem Putz nachgewiesen werden.758 Zur Innenausstattung lassen sich kaum Aussagen treffen, da die Anlage nie als Therme fertig gestellt und genutzt wurde. Allerdings wurden Reste verschiedenster Marmorsorten gefunden, die auf eine Verkleidung der Innenräume hindeuten. Auch marmorne Säulen, Kapitelle und Basen haben sich erhalten, ebenso wie Säulenschäfte aus Granit und Sandstein.759 Man darf daher annehmen, dass eine prachtvolle Innenausstattung geplant war, auch wenn diese nur teilweise in den im Bau befindlichen Räumlichkeiten umgesetzt wurde. Entsprechend wäre für den vollendeten Bau auch die Ausstattung mit einem elaborierten Statuenprogramm anzunehmen gewesen, wie es für Thermen des imperialen Typus üblich war.
755
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757 758 759
Warmbädern zum Frigidarium erleichtern sollte. Vgl. Krencker 1929, S. 47 und S. 90; Fontaine 2001b, S. 128. Goethert hingegen deutet die freigelegten Kanäle aufgrund ihrer Höhe von 1,90 m nicht als Heizanlage, sondern als Entwässerungskanäle. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 141. Vgl. Krencker 1929, S. 47f. Genauere Ausführungen zum System der Abwasserentsorgung und dem Verlauf der Heizkanäle finden sich bei Fontaine 2001b, S. 128ff. Goethert geht davon aus, dass von Osten nach Westen gebaut wurde und dass sowohl das Frigidarium als auch die Hofanlage mit ihren umliegenden Räumen kaum über die Grundmauern hinaus fertig gestellt worden sein dürften. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 125f. Krencker hingegen vermutet, dass die Anlage fast bis zum Abschluss gediehen war, abgesehen von der fehlenden Planierung der Palästra und der Innenausstattung. Vgl. Krencker 1929, S. 159. Vgl. ebd., S. 25. Vgl. ebd., S. 30. Vgl. ebd., S. 29.
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Abbildung 33: Rekonstruktionszeichnung der geplanten Thermenanlage von D. Krencker. (Quelle: Krencker 1929, S. 148, Abb. 185) Als man in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts den Ausbau des Areals fortsetzte, hatten sich die Grundvoraussetzungen geändert. Die Barbarathermen waren zum damaligen Zeitpunkt noch in Betrieb und scheinen für die Trierer Bevölkerung ausreichend Platz geboten haben. Folglich wurde der Bau neu konzipiert und war nun höchstwahrscheinlich als Unterkunft der kaiserlichen Garde (scholares) in Palastnähe vorgesehen.760 Der Hof wurde durch die Niederlegung des unvollendeten Frigidariums und dessen Nebenräumen vergrößert und diente fortan als Exerzierplatz. Das Caldarium wurde, nachdem man die Wasserbecken entfernt hatte, zur Exerzierhalle mit zugehörigem Fahnenheiligtum umgebaut und das Tepidarium fungierte als dessen Eingangshalle. Die nördlichen und südlichen Säulenhallen der Hofanlagen wurden entsprechend verlängert. Die weiteren Räumlichkeiten um die Hofanlage wurden entweder niedergelegt oder zu Unterkünften und Stallungen umgebaut, im Nordosten befand sich eine kleine Badanlage für die Soldaten. Der Haupteingang war wie in tetrarchischer Zeit nach Westen, also zum Forum hin orientiert und führte auf eben jene Nord-Süd-Straße, die auch das westliche 760
Die Frage nach der Funktion der Anlage im 4. Jahrhundert ist in der Forschung lange diskutiert wurden, auch die Nutzung als Kaiserpalast oder als Kaiserforum wurde in Betracht gezogen. Aufgrund des Vergleichs mit anderen, vergleichbaren Anlagen ist jedoch die bereits durch Krencker geäußerte Annahme, dass es sich um die Unterkunft der kaiserlichen Garde handelte, nach wie vor die plausibelste Deutung. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 128. Auch Fontaine schließt sich dieser Deutung an, spricht jedoch von der Prätorianergarde. Vgl. Fontaine 2001b, S. 133.
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Ende des Palastareals begrenzte.761 Folglich waren in Trier zu dessen Zeit als tetrarchische Herrschaftsresidenz zwar die größten Kaiserthermen außerhalb Roms in Angriff genommen worden, letztlich kam das Projekt jedoch in dieser Funktion nie zum Abschluss.
1.6.2.4 WEITERE BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT In Bezug auf die weiteren Bauten aus tetrarchisch-konstantinischer Zeit im Stadtgebiet wirft besonders die Deutung der konstantinischen Kirchenanlage nordöstlich des Palastareals noch nicht abschließend geklärte Fragen auf. In Bezug auf die Datierung der Bauphasen erbrachten die von 1990–1995 auf dem Domfreihof und von 2000–2002 im Garten der Kurie von Leyen durchgeführten Grabungen neue Erkenntnisse, die teilweise die Annahmen der älteren Forschung maßgeblich revidierten. Demnach befand sich auf dem Gebiet des heutigen Doms und der Liebfrauenkirche sowie der Kurie von der Leyen seit dem 2. Jahrhundert ein Wohngebiet mit römischen Häusern, das im Laufe des 3. Jahrhunderts zahlreiche bauliche Veränderungen erfuhr. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts wurde im heutigen Garten der Kurie von der Leyen in einem dieser römischen Wohnhäuser ein kleiner (10 x 5,80 m), von Ost nach West ausgerichteter Apsidensaal errichtet. Eventuell wurde dieser Raum bereits im Rahmen der christlichen Liturgie genutzt, gesichert nachzuweisen ist dies jedoch nicht. In konstantinischer Zeit, zwischen 310 und 320 n. Chr., entstand jedoch über diesem Bau eine dreischiffige Basilika (26,80 x 28,40 m) mit einem nach Osten vorgelagerten Chorraum (Südwestbasilika).762 Ungefähr ein Jahrzehnt später, ab 330 n. Chr., wurde die Südwestbasilika nach Osten und Norden hin erweitert und zu einer Kirchenanlage bestehend aus vier miteinander verbundenen basilikalen Räumen und einem Baptisterium von 64 m² ausgebaut. Die Südwestbasilika als ältester Teil der Doppelkirchenanlage wurde dabei ergänzt durch die angrenzende Südostbasilika im Bereich der heutigen Liebfrauenkirche sowie die beiden dreischiffigen Nordbasiliken im Bereich des heutigen Domes (Nordostbasilika) und des Domfreihofes (Nordwestbasilika).763 Auch in diesem Gebiet wurden die bestehenden Wohnbauten niedergelegt. Wiederum ein Jahrzehnt später wurde von dieser Anlage die Nordostbasilika abgerissen und mit der Errichtung des sogenannten Quadratbaus begonnen. Mitte des 4. Jahrhunderts kam es 761 762
763
Vgl. Goethert/Kiessel 2007, S. 306. Für eine ausführliche Baubeschreibung unter Einbeziehung der neuesten Grabungsergebnisse mit Ausführungen zur Innenausstattung und einer Rekonstruktion der Deckenbemalung vgl. Goethert/Weber 2010, S. 183f. Für die Südostbasilika ist eine christliche Nutzung bereits um 330 n. Chr. aufgrund von Graffitis mit Christogrammen gesichert. Vgl. Brink, Fenny: Die Anfänge des Christentums in Trier, Köln und Mainz. In: Trierer Zeitschrift, 60/1997. S. 229–254, S. 237.
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jedoch zu einem Baustopp und erst unter Valentinian I. und Gratian wurde der Bau in veränderter Ausführungsplanung vollendet.764 Nachdem die Kirchenanlage inklusive des Quadratbaus vermutlich im Zuge der wiederholten Germaneneinfälle zu Beginn des 5. Jahrhunderts zerstört worden war, wurde er unter Bischof Nicetus in der Mitte des 6. Jahrhunderts wieder hergestellt und bildet noch heute den Kern des Trierer Domes.765 Doch nicht nur die Datierung der einzelnen Bauphasen hat die Forschungsdiskussion um die frühchristliche Kirchenanlage nachhaltig beschäftigt. Auch die Frage, ob das Areal der frühchristlichen Kirchenanlage in kaiserlichem Besitz war und somit eventuell sogar zum Palastareal gehörte, ist von Bedeutung für die Interpretation des Ausbaus in konstantinischer Zeit. Maßgeblich im Zusammenhang mit dieser Diskussion ist der Ende der 1960er Jahre gemachte Fund der sogenannten ‚Constantinischen Deckenmalereien‘ in einem der noch zu Beginn des 4. Jahrhunderts ausgebauten Wohnhäuser unter dem heutigen Dom, die zur Errichtung der Nordostbasilika um 330 n. Chr. niedergelegt wurden. Das Deckengemälde zeigt auf fünfzehn Bildfeldern Eroten und Philosophen sowie Frauengestalten mit Nimbus, die möglicherweise Angehörige der konstantinischen Familie darstellen. Verschiedentlich wurden einige der dargestellten Frauenfiguren als Fausta, Constantia und Helena identifiziert, dies ist jedoch nicht gesichert.766 In diesem Zusammenhang relevant ist die aus mittelalterlichen Schriften überlieferte Lokaltradition, wonach Helena, die Mutter Konstantins, ihre Villa der Trierer Christengemeinde unter der Führung des Bischofs Agritius geschenkt habe. Diese Überlieferung ist jedoch faktisch nicht gesichert und anhand des bisher bekannten archäologischen Befunds nur schwer überprüfbar.767 Es kann sich auch lediglich um die Innenausstattung einer Privatvilla von Angehörigen der Trierer Oberschicht aus konstantinischer Zeit handeln.768 Zumindest für eine Unterstützung des Ausbaus der frühchristlichen Kirchenanlage durch die kaiserliche Familie spricht allerdings zum einen deren exponierte Lage im Norden
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Ein Modell des rekonstruierten Bauzustandes um 380 n. Chr. ist heute im Bischöflichen Museum zu Trier ausgestellt. Eine Abbildung des Modells findet sich bei Goethert/Weber. Vgl. Goethert/Weber 2010, S. 182. Goethert/Weber 2010, S. 182ff; Weber 2005, S. 164ff; Kuhnen 2001c, S. 115ff. Für eine Beschreibung der Bildmotive und Darstellung der Forschungsdiskussion vgl. Heinen 1985, S. 269–275 sowie S. 172 mit Abb. 91. Vgl. Brink 1997, S. 238 sowie Witschel 2004/05, S. 265 mit Anm. 229. Zwar war Agritius spätestens ab 314 n. Chr. Bischof von Trier, die Annahme, dass er den Trierer Dom geweiht habe und dort eine Memorialstätte für Reliquien einrichtete, die er ebenfalls von Helena erhalten haben soll, ist jedoch eher in den Bereich der Fiktion einzuordnen und beruht auf einer mittelalterlichen Konstruktion. Vgl. Pohlsander, Hans. A: Die Anfänge des Christentums in der Stadt Trier. Bischöfe und Märtyrer. In: Trierer Zeitschrift, 60/1997. S. 255–298. S. 297f. Goethert/Kiessel 2007, S. 306.
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des Palastareals und zum anderen die schiere Monumentalität des geplanten Umbaus, der ohne finanzielle Unterstützung durch das Kaiserhaus kaum denkbar ist.769 Es bleibt hierbei jedoch festzuhalten, dass der großzügige Ausbau der Kirchenanlage erst ab den 30er Jahren des 4. Jahrhunderts erfolgte, also unter den Nachfolgern Konstantins. Die in konstantinische Zeit zu datierende Südwestbasilika war noch eine relativ bescheidene Anlage. Die Entstehung der frühchristlichen Doppelkirchenanlage war somit ein Prozess, der erst in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zum Abschluss kam und dessen Monumentalität das Ergebnis einer fortlaufenden Entwicklung und nicht einer entsprechenden konstantinischen Grundkonzeption war. Ebenfalls in tetrachisch-konstantinischer Zeit entstanden die horrea von St. Irminen am Nordwestufer nahe der Mosel. Hier wurden zwei Hallenbauten von jeweils 70 x 20 m freigelegt, die parallel zueinander verliefen und einen zwischen ihnen liegenden Innenhof umschlossen. Die Lagerhallen waren zweigeschossig und an den Außenwänden durch Blendarkaden und Lisenen gegliedert, also architektonisch durchaus aufwändig gestaltet. Der Innenhof war auf beiden Seiten durch Torzufahrten zugänglich. Fraglich ist, ob außer Getreide noch weitere Produkte dort gelagert wurden und ob die Speicheranlagen eventuell in einem Zusammenhang mit den überlieferten Waffen- und/oder Textilfabriken standen. Darüber hinaus wurde bei Grabungen 1996 im Bereich des Küchentraktes der Vereinigten Hospitien, also ca. 30 m östlich, ein weiterer Speicherbau von mindestens 64 m Länge und 18 m Breite freigelegt. Dieser war eingeschossig angelegt und entstand ebenfalls in der Spätantike, vermutlich etwas später als die anderen horrea. Eventuell war der gesamte Gebäudekomplex von einer Ummauerung eingefasst, es ist folglich von einem Speicherareal mit mehreren Lagerhallen auszugehen.770 Auch am Forum lassen sich Umbauten in tetrarchisch-konstantinischer Zeit feststellen. So wurde die alte Forumsbasilika niedergelegt um den Neubau einer Markthalle sowie die Umgestaltung des angrenzenden Forumsareals zu ermöglichen. Allerdings kamen diese Baumaßnahmen bald nach ihrem Beginn zum Erliegen und wurden vermutlich ebenso wie das Palastareal erst unter Gratian fertiggestellt.771 Darüber hinaus wurde nicht nur der Circus neu- bzw. ausgebaut, sondern es lassen sich auch Umbauten am nahegelegenen Amphitheater nachweisen. So deuten Münzfunde aus dem späten 3. und 4. Jahrhundert sowie die mit Hilfe der Dendrochronologie in dieselbe Zeit datierten 769 770
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Vgl. Brink 1997, S. 138; Witschel 2004/05, S. 265; Goethert/Weber 2010, S. 184f. Vgl. Clemens, Lukas: Sankt Irminen: Römisches Wohnquartier, spätantike Speicheranlage (horrea) und frühmittelalterliche Klostersiedlung. In: Kuhnen, Hans-Peter (Hrsg.): Das römische Trier. Theiss, Stuttgart 2001. S. 166–174, S. 169ff; Luik 2001, S. 278ff sowie Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz 1984, S. 200f, Kat. Nr. 88–90. Eine Grundrisszeichnung sowie eine Rekonstruktion der Horrea von St. Irminen findet sich ebenfalls bei Luik 2001, S. 278, Abb. 18 und S. 279, Abb. 19. Vgl. u. a. Goethert/Kiessel 2007, S. 306 sowie Pan. Lat. VI/VII, 22.5.
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Überreste von Bühnenmaschinen darauf hin, dass der weitläufige Keller unter dem Arenaboden des Amphitheaters erst in tetrarchischer Zeit eingebaut wurde.772 Des Weiteren gibt es Hinweise auf ein Mausoleum des Constantius Chlorus in Trier, das entweder von diesem selbst oder von Konstantin zu Ehren seines vergöttlichten Vaters errichtet worden sein soll. Während diese These zwar gerade in Bezug auf die Frage nach einem schematischen Ausbau der tetrarchischen Residenzen interessant ist, muss sie jedoch aufgrund der Quellenlage kritisch hinterfragt werden. Es finden sich keine archäologischen Spuren eines Mausoleums und auch die zeitgenössischen literarischen Quellen äußern sich nicht zum Ort der Bestattung des Constantius.773 Zwar deuten consecratio-Prägungen zu Ehren des Constantius Chlorus darauf hin, dass dessen Bestattung in Trier erfolgte und man folglich auch ein entsprechendes Mausoleum dort anzunehmen hat, gesichert ist dies jedoch nicht.774 U. Wulf-Rheidt schlägt vor, das Mausoleum östlich des Circus, also unweit des Palastareals zu verorten.775 Auch wenn Vieles dafür spricht, dass der dynastisch orientierte Konstantin seinen Vater in dessen Hauptresidenz, die nun auch seine eigene war, bestatten ließ, muss die Annahme eines Mausoleums für Constantius Chlorus in Trier bzw. der Versuch einer Lokalisierung nach derzeitigem Kenntnisstand hypothetisch bleiben.
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Vgl. Kuhnen 2001b, S. 96f. Eine Ausnahme ist die Darstellung der Ereignisse bei Eusebius. Demnach habe Constantin, nachdem er sich den Purpur umgehangen habe, seinem Vater das letzte Geleit gegeben. Dies ist jedoch eher in Bezug auf die Verbrennung und anschließende Vergöttlichung zu beziehen. Auf den Ort der Beisetzung gibt es keinen Hinweis. Eusebius, Vita Constantini 1,22,1–2. Denkbar wäre beispielsweise auch die Bestattung in Britannien oder in Rom. Allerdings sind entsprechende Theorien in der neueren Forschung zurückgewiesen worden und es wurde vermehrt für Trier als Bestattungsort plädiert. Vgl. u. a. Binsfeld, Wolfgang: Wo ist der römische Kaiser Constantius Chlorus beigesetzt? In: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier, 35/2003. S. 60–61. Durchaus plausibel hat zuletzt L. Schwinden aufgrund der Analyse von Münzemissionen für ein Mausoleum des Constantius Chlorus in Trier argumentiert. Allerdings wird der Versuch einer Lokalisierung in der Nähe des Palastes – hinter dem Circus am Fuße des Petriberges – auf Basis von mittelterlichen Erwähnungen einer memoria in Urkunden aus dem 12. bis 14. Jahrhundert vorgenommen. Vgl. Schwinden, Lothar: Vor 1700 Jahren – Konstantins Erhebung zum Kaiser und die Vergöttlichung seines Vaters Constantius. In: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier, 39/2007. Rheinisches Landesmuseum Trier. S. 63–77. U. Wulf-Rheidt folgt der Argumentation Schwindens und legte eine hypothetische Rekonstruktion des Trierer Residenzareals mit Mausoleum vor. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 22, Abb. 12. Zuvor hatte Binsfeld für eine Identifikation des Saalbaus von St. Maximin als Mausoleum des Constantius plädiert. Vgl. Binsfeld 2003, S. 60f. Dies wird jedoch von L. Schwinden abgelehnt, da die spätantiken imperialen Mausoleen in der Regel Kuppelbauten mit polygonaler oder kreisrunder Struktur waren, was auf St. Maximin nicht zutrifft. Vgl. Schwinden 2007, S. 72f. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 22, Abb. 12.
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1.6.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Ab 316 n. Chr. orientierte sich Konstantin zunehmend nach Osten und außer während des Germanenfeldzuges im Herbst/Winter 328/29 n. Chr. ist kein Aufenthalt in Trier mehr nachgewiesen.776 Allerdings setzt er seinen Sohn Crispus im Westen des Reiches als seinen Caesar ein, der ebenfalls in Trier residierte, wenn er seinen Vater nicht auf Feldzügen begleitete.777 Nachdem Crispus 326 n. Chr. vermutlich auf Veranlassung seines Vaters ermordet wurde, ernannte Konstantin seinen zweiten Sohn Constantinus aus der Ehe mit Fausta zum Caesar im Westen. Auch dieser residierte spätestens ab 328 n. Chr. bis zu seinem Tod 340 n. Chr. in Trier; ab 330 n. Chr., als er nach dem Tod Konstantins mit seinen Brüdern Constantius II. und Constans als Augustus im Westen dessen Nachfolge angetreten hatte, als Augustus im Westen.778 In den darauffolgenden Jahren scheint Trier seinen Status als Herrscherresidenz aufgrund der unruhigen innen- und außenpolitischen Situation verloren zu haben und wurde im Zuge mehrere Germaneneinfälle in den 340er und 350er Jahren vermutlich stark verwüstet.779 Erst unter Valentinian I. und Gratian wurde es wieder zur Hauptresidenz eines römischen Herrschers und es kam zu einer erneuten Blüte der Stadt. In dieser Zeit erfolgte die Umplanung und Fertigstellung der Kaiserthermen als Kaserne, die in konstantinischer Zeit begonnenen Umbauten am Forum wurden vollendet und die Bauarbeiten im Palastareal scheinen zu einem Abschluss gekommen zu sein. Vermutlich aufgrund der nach wie vor anhaltenden Germaneneinfälle verlegte Gratian jedoch 382 n. Chr. seine Hauptresidenz nach Mailand und danach scheinen in Trier keine nennenswerten Bauvorhaben mehr realisiert worden zu sein.780 Nichtsdestotrotz listet Ausonius Ende des 4. Jahrhunderts Trier in seiner Rangordnung berühmter Städte an sechster Stelle, nach Rom, Konstantinopel, Karthago, Antiochia und Alexandria:
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Vgl. Barnes 1982, S. 77f. Vermutlich von 317–318 n. Chr. und von 323–324 n. Chr. folgte Crispus seinem Vater auf dessen Reisen bzw. Feldzügen. Ab 318 bis 323 n. Chr. sowie vermutlich zwischen 324 und 326 n. Chr. residierte Crispus in Trier. Vgl. Barnes 1982, S. 83; Heinen 1985, S. 228f. Die ersten Jahre als Caesar zwischen 317 und 328 n. Chr. verbrachte Constantinus im Gefolge seines Vaters und kam erstmals 328 n. Chr. im Rahmen des Feldzuges gegen die Germanen an den Rhein. Vgl. Barnes 1982, S. 84; Heinen 1985, S. 228f. Als Julian 355 n. Chr. durch Constantius II. zum Caesar ernannt wurde und in Gallien die Verhältnisse zu stabilisieren suchte, residierte er in Reims und nicht in Trier. Vermutlich war Trier und die gesamte Provinz Belgica Prima zu stark gefährdet bzw. die Infrastruktur zerstört. Vgl. Heinen 1985, S. 235. Trier fiel sogar kurzzeitig unter die Herrschaft des Usurpators Magnus Maximus (383–388) und wurde erst durch Valentinian II. mit Unterstützung durch Theodosius den Großen zurückerobert. Valentinian II. kam 389 nach Trier, regiert jedoch nur bis 392 n. Chr. Vgl. Heinen 1985, S. 251ff.
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Waffenmächtig, trachtet Gallien seit langem danach, gefeiert zu werden, und der Trierischen Stadt Thron, die, sehr nahe dem Rhein, (30) wie mitten im Schoß des Feindes ohne Sorge ruht, weil sie der Herrschaft Kräfte nährt, weil sie sie kleidet und bewaffnet. Breit läuft über einen ausgedehnten Hügel das Gemäuer vor, freigebig gleitet vorbei mit stillem Strom die Mosel, von weit entfernt befördern Waren jeglicher Art Landes.781
Diese Beschreibung ist zwar weniger als Bild des tatsächlichen Zustands der Stadt im ausgehenden 4. Jahrhundert zu interpretieren, denn als Darstellung Triers wie es einmal war, dennoch verdeutlicht es die anhaltende Wahrnehmung als wichtigste Stadt Galliens. Die dauerhafte Verlegung der Herrschaftsresidenz nach Mailand bzw. später nach Ravenna war jedoch nicht aufzuhalten, ab dem Herrschaftsantritt des Honorius im Westen im Jahre 395 n. Chr. war Trier nicht mehr Kaiserresidenz. Frühestens 394 n. Chr., allerspätestens jedoch 408 n. Chr. wurde auch die Prätorianerpräfektur nach Arles verlegt.782 Trier hatte somit seinen Status als Verwaltungszentrum und Kaiserresidenz eingebüßt.
1.6.4 FAZIT AUGUSTA TREVERORUM Trier ist zur Zeit der Tetrarchie die Stadt mit der längsten Kontinuität als Hauptresidenz eines Caesars bzw. Augustus. Ab 286 n. Chr. war sie die Hauptresidenz Maximians, ab 293 n. Chr. residierte hier Constantius Chlorus und auch dessen Sohn Konstantin residierte bis 316 n. Chr., also vor seiner Zeit als Alleinherrscher und vor dem endgültigen Ende der Tetrarchie, in Trier. In der Konsequenz entwickelte sich Trier zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum und wurde zur wichtigsten Stadt nördlich der Alpen. Unter Constantius Chlorus erfolgte die Einrichtung einer Münzstätte, die auch Goldprägungen herausgab und spätestens jetzt, eventuell bereits unter Maximian, begann ein maßgebliches Ausprogramm zur Monumentalisierung der Stadt. Das alte ‚Regierungsviertel‘ mit den Überresten des sogenannten Legatenpalastes wurde niedergelegt und zu einem Palastareal mit Residenz- und Repräsentationsbereichen und der monumentalen Palastaula als Kernstück ausgebaut.
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„Armipotens dudum celebrari Gallia gestit Trevericaeque urbis solium, quae proxima Rheno pacis ut in mediae gremio secura quiescit, imperii vires quod alit, quod vestit et armat. lata per extentum procurrunt moenia collem, largus tranquillo praelabitur amne Mosella, loginqua omnigenae vectans commercia terrae.“ Ausonius, ordo urbium nobilium 6, Treveri. Vgl. Heinen 1985, S. 261f.
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Im Westen und Nordosten der Palastaula grenzten Wohn- und Serviceräume ohne genauere Funktionsbestimmung an; im Süden scheinen zunächst Gartenanlagen angeschlossen zu haben, die überleiteten in ein weitläufiges Residenzareal mit aufwändig ausgestatteten Wohnräumen. Die östlich anschließende Platzanlage mit Portalen und repräsentativen Gebäuden sowie vermutlich einer kleinen Tempelanlage scheint auf repräsentative Funktionen angelegt gewesen zu sein und zwischen dem ‚öffentlichen‘ Circus und dem ‚sakralisierten‘ inneren Palastareal vermittelt zu haben. Eventuell ist hier die bekannte Lokalisierung der Circusanlage zu hinterfragen und stattdessen ein direkter räumlicher Bezug zwischen Circus und Palastareal mit einem verbindenden Säulenbau anzunehmen, wie er auch aus anderen Residenzen wie Sirmium und vermutlich Thessalonike bekannt ist. In jedem Fall scheint das Palastareal bewusst in Richtung Circus ausgebaut worden zu sein, um einen städtebaulichen Zusammenhang der beiden Anlagen zu konstruieren. Die Blickachse vom Hallenbau im Osten über das Tempelfundament zum Portalgebäude deutet auf eine einheitliche Konzeption der Platzanlage hin.783 Südlich des Palastes entstanden die Kaiserthermen, die – wären sie jemals zur Fertigstellung gelangt – nur von den stadtrömischen Thermen an Größe übertroffen worden wären. Räumlich waren sie nicht nur auf das Palastareal, sondern auch auf das Forum bezogen. Darüber hinaus entstanden Versorgungsbauten wie die horrea von St. Irminen und Wohnbauten, die der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung und dem Bevölkerungswachstum Rechnung trugen. Nördlich des Palastareals wurde in konstantinischer Zeit mit dem Bau einer Kirchenanlage begonnen, die später zum Bischofssitz wurde. Der archäologische Befund deutet darauf hin, dass die Konzeption und der Beginn des Ausbaus bereits auf Constantius Chlorus oder Maximian zurückgingen und unter Konstantin maßgeblich umgesetzt wurden. Auch wenn man sich demnach Trier in tetrarchisch-konstantinischer Zeit als Großbaustelle und das Palastareal als lediglich im Ausbau befindlich vorzustellen hat, zeigt sich, dass Trier zu seiner Zeit als Residenzstadt maßgeblich umgestaltet wurde. Insbesondere der nach dem Abzug Konstantins aus Trier festzustellende Baustopp an der Mehrzahl der Großbauprojekte (Palast, Forum, Kaiserthermen) macht deutlich, wie sehr die Monumentalisierung der Stadt an ihren Status als Herrscherresidenz gebunden war.784 Die Palastaula mit ihren angrenzenden Bauten wurde erst in der erneuten Blütezeit unter der Valentinianischen Dynastie fertiggestellt, ebenso wie die neue Forumsbasilika und die Kaiserthermen in ihrer veränderten Funktion als Kaserne. Auffällig ist, dass sich in Trier keine Erweiterung des Stadtgebietes feststellen lässt. Anscheinend gab es innerhalb der bestehenden Stadtmauern ausreichend Platz für die geplanten Neubauten. Für den Bau der Kaiserthermen wurde ein bestehendes Wohnviertel niedergelegt, für 783 784
Vgl. Kiessel 2011, S. 97; Wulf-Rheidt 2014, S. 19. Vgl. Witschel 2004/05, S. 233.
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den Ausbau des Palastareals konnte anscheinend auf eine bereits vorangegangene administrativ-politische Nutzung des Areals zurückgegriffen werden. Hier wurden im Süden und Nordosten bestehende Wohnbauten in das Palastareal inkorporiert. Ein Mausoleum lässt sich nicht nachweisen. Zwar deutet einiges auf die Bestattung des Constantius Chlorus in Trier hin, womit ein entsprechender Mausoleumsbau einhergehen würde, dieser ist jedoch weder lokalisiert noch gesichert anzunehmen. Auch auf monumentale Sakralbauten gibt es in Trier, ebensowenig wie in den anderen Residenzstädten, keine Hinweise.
1.7 MEDIOLANUM (MAILAND) Mediolanum ist neben Augusta Treverorum die wichtigste tetrarchische Herrscherresidenz im Westen des Imperium Romanum. Als langjährige Hauptresidenz des Maximian erfuhr sie einen maßgeblichen Ausbau und rangierte unter den wichtigsten Städten im westlichen Reichsteil. Eine Herausforderung für die zusammenhängende Analyse des Stadtbildes im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert stellen die Unsicherheiten bezüglich Urheberschaft und Datierung einzelner Bauten sowie die teilweise disparate Publikation der Forschungsergebnisse dar. Im deutschsprachigen Raum ist vor allem die maßgebliche Zusammenstellung des archäologischen Befundes von A. Haug zu nennen, in der die städtebauliche Entwicklung Mailands im 3. und 4. Jahrhundert in den Kontext der Entwicklung des städtischen Lebens in Norditalien eingeordnet wird.785 Eine umfassende Aufarbeitung der Stadtgeschichte inklusive der Bauten findet sich im Ausstellungskatalog ‚Milano capitale dell’impero romano 286–402 d.C‘.786 Für den älteren Forschungsstand ist nach wie vor die 1984 erschienene Zusammenstellung von M. Mirabella Roberti wesentlich.787
1.7.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Zunächst eine keltische Siedlung, wurde Mediolanum spätestens im frühen 2. Jahrhundert v. Chr. endgültig durch die Römer erobert. Im Jahr 49 v. Chr. erhielt die Stadt das volle Bürgerrecht und entwickelte sich zu einem wichtigen städtischen Zentrum in administrati-
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Vgl. Haug 2003, S. 65–85 mit Katalog S. 412–455. Vgl. Salvioni, Angelo (Hrsg.): Milano capitale dell’impero romano (286–402 d.C.). Amilcare Pizzi Editore, Mailand 1990. Vgl. Mirabella Roberti, Mario: Milano romana. Ruscono Libri 1984.
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ver, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. Im 2. Jahrhundert n. Chr. erhielt es den Status einer Kolonie.788 Bereits seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. war der von Norden kommende Seveso in einem künstlichen Ringgraben um die Innenstadt herum geführt worden. Zusammen mit der republikanischen Stadtmauer, die in weiten Teilen mit dem Verlauf des Flusses zusammen fiel, war die Stadt doppelt geschützt. Für die Gestaltung des öffentlichen Raumes sind zumindest einige Bauten bekannt und lokalisiert. So befand sich der Forumsplatz im Zentrum der Stadt und war durch tabernae eingefasst (vgl. Abb. 33, 1). An diese schlossen vermutlich wie für Forumsanlagen üblich öffentliche Bauten wie Kurie, Kapitol und Basilika an. Im Süden der Platzanlagen deuten Hypokaustensysteme und Wasserleitungen auf öffentliche Thermen hin, sicher im archäologischen Befund nachweisen lassen sich diese jedoch nicht. Architekturfragmente aus dem Bereich des Forums deuten darauf hin, dass es in severischer Zeit hier nochmals Bauaktivitäten gab; wie diese genau geartet waren lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein langrechteckiger Bau im Westen des Forums wird als Ort der unter Kaiser Gallienus eingerichteten Münzprägestätte interpretiert (vgl. Abb. 33, 2). Zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem späten 1. Jahrhundert entstanden die gängigen Unterhaltungsbauten: Ein Theater im Nordwesten der Stadt sowie ein Amphitheater südlich vor den Stadtmauern (vgl. Abb. 33, 9 und 10). Tempel- und Kultanlagen sind archäologisch bisher nicht fassbar.789
1.7.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Mailand war spätestens ab 293 n. Chr. bis zur Abdankung 305 n. Chr. die Residenz des Maximian. Vermutlich wurde die Hauptresidenz im Rahmen von dessen Ernennung zum Augustus von Trier nach Mailand verlegt. Somit hätte Mailand über einen Zeitraum von 12 Jahren als imperiale Residenz des tetrarchischen Kaisers gedient.790 Auch während der anschließenden kurzen 788
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Vgl. Leppin, Hartmut/Ristow, Sebastian/Breitenbach, Alfred/Weckwerth, Andreas: „Mailand“. RAC 23, 2010. S. 1156–1202, S. 1158. Vgl. Haug 2003, S. 67f. Neben dem bekannten Zusammentreffen mit Diokletian in Mailand im Januar 291 n. Chr., sind mehrere Aufenthalte des Maximian belegt. So fand vermutlich die Erhebung des Constantius Chlorus zum Caesar 293 n. Chr. in Mailand statt. Für den 2. Mai 293 n. Chr. ist ebenfalls die Anwesenheit Maximians in Mailand belegt. Aufenthalte im März und Dezember 295 n. Chr. machen es wahrscheinlich, dass er den Großteil des Jahres in seiner Hauptresidenz verbracht hat. Eine Unterbrechung stellen die Jahre von 296 bis 299 n. Chr. dar, in denen er sich auf dem Feldzug nach Karthago befand. Nach seiner Rückkehr nach Italien gilt Mailand jedoch für die Jahre von 299–305 n. Chr. relativ unbestritten als seine Hauptresidenz. Hier legte er 305 n. Chr. bei seiner Abdankung auch den Purpur nieder. Vgl. Barnes 1982, S. 56–60; Leppin et al. 2010, S. 1159f. Von der Nutzung als tet-
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Regierungszeit des Severus, der 305 n. Chr. von Maximian in Mailand zum Caesar ernannt worden war und 307 n. Chr. in Ravenna zur Abdankung gezwungen wurde, scheint Mailand als Hauptresidenz fungiert zu haben.791 Unter Konstantin und dessen Söhnen war Mailand zumindest temporärer Aufenthaltsort der Herrscher, 313 n. Chr. wurde hier von Konstantin und Licinius das Mailänder Toleranzedikt erlassen. Die Wahl als Hauptresidenz des Maximian in Italien bot sich vermutlich aus zweierlei Gründen an. Zum einen wäre es für den zweiten Augustus Maximian gegenüber dem höhergestellten Diokletian vermutlich anmaßend erschienen, hätte er Rom – die Hauptstadt des Reiches und von jeher Sitz der Kaiser des Imperium Romanum – als Hauptresidenz gewählt, des weiteren war es verkehrstechnisch ungünstig gelegen und die Vertreter des neuen Herrschaftssystems hätten sich mit der immer noch einflussreichen senatorischen Elite auseinandersetzen müssen. Zum anderen war die Lage Mailands für die Aktivitäten des Maximian sehr gut geeignet, auch weil es bereits unter Gallienus zum Garnisonsort gemacht worden war und seitdem aus militärstrategischer Sicht eine zentrale Rolle in Oberitalien spielte.792 Im Rahmen der diokletianischen Verwaltungsreform entstand die Provinz Liguria et Aemilia, deren Hauptstadt Mediolanum während des 4. Jahrhunderts war.793 Umstritten ist die Rolle der Münzstätte in Mailand. Zwar lässt sich hier mit hoher Wahrscheinlichkeit die bereits unter Gallienus gegründete Münze im Westen des kaiserzeitlichen Forums lokalisieren, unklar ist jedoch ihre genaue Funktion. Zwar sind für das 3. und 4. Jahrhundert Prägungen aus Mailand bekannt, fraglich ist jedoch, ob ihr der Status einer kaiserlichen Münzprägestätte zuzusprechen ist. Aufgrund der bekannten Prägungen aus Ticinum ist es wahrscheinlicher, dass in tetrarchischer Zeit die kaiserliche Münze dort lokialisiert war und erst unter Constantius II. die Münze in Mediolanum wieder den Status einer kaiserlichen Münzstätte erhielt.794 Die in tetrarchischer Zeit vorgenommenen Baumaßnahmen und der daraufhin stetig wachsende Einfluss der Stadt, die auch unter der valentinianischen Dynastie Herrscherresidenz im Westen blieb, spiegeln sich in der Beschreibung Mailands bei Ausonius, der es an Platz sieben der bekanntesten Städte nennt, direkt nach Trier:
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rarchische Herrscherresidenz ab 293 n. Chr. oder sogar früher gehen u. a. auch J. Humphrey und C. Heucke aus, vgl. Heucke 1994, S. 369. Bei Salviano wird Mailand ab 286 n. Chr. als Herrscherresidenz betitelt, vgl. Salviano 1990, S. 15. Dafür spricht unter anderem, dass er Anfang 307 n. Chr. seinen Angriff auf Rom von Mailand aus begann. Vgl. u. a. Barnes 1982, S. 65. Vgl. u. a. Kuhoff 2001, S. 720f. Vgl. Leppin et al. 2010, S. 1161. Vgl. Haug 2003, S. 418, Kat. Nr. 2 sowie Chiaravalle in Salvioni 1990, S. 47 und S. 103f.
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„(35) Auch in Mailand ist alles wunderbar: die Menge der Dinge, die unzähligen und gepflegten Häuser, der Männer redegewandter Esprit und fröhliche Gesittung, dann, mit doppelter Mauer erweitert, das Aussehen des Platzes und des Volkes Vergnügen: der Zirkus und die keilförmig angelegte Masse des eingeschlossenen Theaters; (40) die Tempel und Palatinischen Burgen und die bemittelte Münze und die Gegend, gefeiert unter der Ehre des Herculischen Bades; und die gesamten, mit marmornen ‚Bild‘ Zeichen geschmückte Säulengänge, und das Gemäuer, nach der Gestalt eines Walles umgeben von einem Saum. Und dies alles ragt, gleichsam in großen Gestalten von Werken rivalisierend, (45) heraus, und nicht drückt, verbunden, die Nachbarschaft Roms.“795
Auf Basis der Aussagen des Ausonius sind für die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts folgende Bauten überliefert: Eine doppelte Stadtmauer, ein Circus, ein Theater, Tempelanlagen, der Palast, eine Münzstätte, die Herculischen Bäder, nach denen ein ganzes Stadtviertel benannt wurde, sowie mit marmorenen Bildwerken ausgestattete Säulengänge. Die Überlieferung des Ausonius ist als Quelle belastbar, denn in Abgleichung mit dem archäologischen Befund lassen sich mittlerweile fast alle genannten Bauten lokalisieren und datieren. Ein bereits unter Maximian genutzter Palast ist durch den Panegyricus von 291 n. Chr. belegt, der Ausbau der Stadtmauern in tetrarchischer Zeit wird bei Aurelius Victor erwähnt.796 Deren Verlauf ist aufgrund des archäologischen Befunds gut rekonstruierbar. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Stadtmauer wurde das Stadtgebiet im Westen und Osten erweitert. Im Südwesten inkorporierte die neue Stadtmauer die Außenmauer des Circus, was dessen Datierung in tetrarchische Zeit absichert. In dem neuen Stadtviertel im Nordosten wurden Fundamente einer Thermenanlage im imperialen Typus freigelegt, die aufgrund stratigraphischer Funde in das frühe 4. Jahrhundert datiert werden kann (vgl. Abb. 33, 12). Da Ausonius von den Herculischen Bädern spricht, nach denen ein ganzes Stadtviertel benannt war, liegt es nahe, dass es sich hierbei um von Maximian gestiftete Kaiserthermen gehandelt hat, die mit der ergrabenen Thermenanlage im von ihm neu geschaffenen Stadtviertel gleichzusetzen sind. Aufgrund des archäologischen Befunds lässt sich außerdem ein Horreum im Norden der Stadt in tetrarchische Zeit datieren.
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„(35) Et Mediolani mira omnia: copia rerum, innumerae cultaeque domus, facunda virorum ingenia et mores laeti, tum duplice muro amplificata loci species populique voluptas circus et inclusi moles cuneata theatri; (40) templa Palatinaeque arces opulensque moneta et regio Herculei celebris sub honore lavacri; cunctaque marmoreis ornata peristyla signis moeniaque in valli formam circumdata limbo. omnia quae magnis operum velut aemula formis (45) excellunt nec iuncta premit vicinia Romae.“ Ausonius, ord. urb. nob. 7. Vgl. Pan. Lat. XI/III, 11.1–5 und Aurelius Victor, Lib. De Caes. 39.45.
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Abbildung 34: Stadtplan Mailand nach Haug 2003. (Quelle: Haug 2012, S. 114, Abb. 1) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.
Forum Moneta Via delle Asole Piazza Pio X 1–2 Hafen Palatium Horreum/Via dei Bossi Horreum/Via del Lauro Theater Amphitheater Circus Herculesthermen Thermen S. Maria Valle 2a–b 208
Thermen Piazza S. Sepolcro 9 Thermen (?) Via S. Maurilio 1 Kapitol (nicht lokalisiert) Kathedralenkomplex S. Ambrogio S. Calimero S. Dionigi S. Eufemia S. Eustorgio S. Giovanni in Conca 4 S. Lorenzo San Nazaro
1.7.2.1 DAS PALASTAREAL Der tetrarchische Palast in Mailand ist durch die schriftliche Überlieferung gesichert. So wird er bereits im Panegyricus von 291 n. Chr. erwähnt, als Diokletian und Maximian dort zusammentrafen.797 In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts spricht Ausonius von den palatinae arces und bei Ambrosius wird die regia palatii erwähnt.798 In der Forschung ist recht einhellig anerkannt, dass das Palastareal in der Nachbarschaft des Circus im Westen der Stadt zu vermuten ist (vgl. Abb. 33, 6).799 Allerdings lassen sich aufgrund des archäologischen Befunds keine Aussagen zur genauen Ausgestaltung des Areals machen und eine bauliche Verbindung zum Circus ist nicht nachzuweisen. Die Vermutung, dass sich der Palast hier befunden haben muss, wird gestützt durch die nahe dem Circus gelegene Kirche S. Giorgio al Palazzo. Zwar stammt diese erst aus dem 8. Jahrhundert, doch denkbar wäre eine Nutzungskontinuität der tetrarchischen Palastanlagen auch unter der Herrschaft der Langobarden. Auch die ebenfalls im Südwesten gelegene Kirche S. Alessandro al Palazzo legt diese Vermutung aufgrund ihrer Namensgebung nahe. Eine spätmittelalterliche Quelle erwähnt explizit den Palast Maximians, der sich bei den Thermen des heiligen Georg befunden habe und somit bei der Kirche S. Giorgio zu lokalisieren ist.800 Dies macht wahrscheinlich, dass die Benennungen der Bauten mit dem Zusatz palatium tatsächlich Bezug auf die einstige tetrarchische Palastanlage nehmen, die unter späteren Herrschern weiter genutzt wurde. Folglich werden insbesondere die spätantiken Strukturen auf dem Areal zwischen dem Circus im Westen, der Via Torino im Osten, der Porta Vercellina im Norden und dem Largo Carrobbio im Süden mit der tetrarchischen Palastanlage in Verbindung gebracht. Hierzu gehören der Dreikonchen-Raum an der Via Brisa, die beiden Räume mit geometrischem Mosaik in der Via Gorani 4 sowie die Mauerstrukturen an der Piazza Mentana. Die Strukturen an der Via Brisa wurden längere Zeit als zentraler Repräsentationsraum der Palastanlage diskutiert. Hier wurde zwischen 1951 und 1957 ein kreisrunder Zentralbau mit einem Durchmesser von 20,7 m freigelegt, der durch Säulen in einen inneren Bereich und einen kreisförmigen Umgang unterteilt war. Das Gebäude wurde von Süden her durch ein vorgelagertes Atrium erschlossen, von dem sich eine Apsis im Südwesten erhalten hat. Im Norden schloss an den Zentralbau ein langrechteckiger Raum mit Apsis an, von dem aus man wiederum in zwei kleinere rechteckige Räume mit Apsis an der westlichen und östlichen Längsseite gelangte. Auch im Westen
797 798 799 800
Pan. Lat. XI/III, 11.1–5, S. Zitat auf S. 294. Ausonius, ord. urb. nob. 7; Ambrosius, Epist. 75a, 15, zitiert bei Haug 2003, S. 421, Anm. 764. Vgl. u. a. Heucke 1994, S. 369f; Haug 2003, S. 72. „palatium Maximiani, quod situm est infra moenia urbis, vel Traiani iuxta thermas Sancti Gregorii locatum.“ Zitiert bei Kuhoff 2001, S. 722.
209
zweigte ein rechteckiger Raum mit Apsis ab, an den an den Längsseiten kleinere Räume anschlossen. Diese waren jedoch nur über den kreisförmigen Zentralbau zugänglich. Beide Apsidensäle waren durch suspensurae beheizt. Im Osten des Gebäudes ist ein symmetrisch zum Westraum angelegter Raum zu vermuten.801 Nach heutigem Kenntnisstand ist der Bau aufgrund bautypologischer Aspekte vermutlich als Triklinium zu deuten. In jedem Fall gehörte er zum repräsentativen Teil des Palastes.802
Abbildung 35: Mediolanum, Palatium. Bau an der Via Brisa. Nach Mirabella Roberti 1984. (Quelle: Haug 2003, Tafel 72) Darüber hinaus wurden in der Via Gorani 4 über einer älteren Vorgängerbebauung aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 1.–2. Jahrhhundert zwei Räume eines Gebäudes von ungeklärter Funktion freigelegt, die mit schwarz-weißen geometrischen Mosaiken ausgestattet waren. Die Datierung der Strukturen ist jedoch umstritten, die Vorschläge reichen vom Anfang des 3. Jahrhunderts – was einen Zusammenhang mit dem Palast ausschließen würde – bis in das 4. Jahrhundert.803 Ebenso problematisch in Bezug auf Datierung und Funktion sind die Mauerstrukturen an der Piazza Mentana. Hier wurde ein Raum von 24 x 18 m freigelegt sowie vier kleinere Räume, die im Westen und Süden anschlossen.804 S. Salviano schlug eine Deutung als Thermenbau vor, hierfür finden sich im archäologischen Befund jedoch bisher keine Belege.805
801 802 803 804 805
Vgl. Haug 2003, S. 420f. Vgl. Salviano 1990, S. 99. Vgl. u. a. Salviano 1990, S. 100; Haug 2003, S. 421. Vgl. Haug 2003, S. 421. Vgl. Salviano 1990, S. 99; kritisch dazu u. a. Haug 2003, S. 421.
210
Insgesamt lässt sich nach heutigem Kenntnisstand nicht abschließend klären, ob das Palastareal in Mediolanum eher aus einer Vielzahl locker zusammenhängender Residenz- und Verwaltungsgebäude bestand, wie u.a. von A. Haug angenommen, oder ob es sich um einen weitläufigen Großkomplex gehandelt hat, der als „city within a city“ betitelt werden kann, wie J. Humphrey es vorschlägt.806 Kritisch zur Frage nach der Gewichtung des Palastes in Mediolanum äußert sich auch hier wieder N. Duval, auch wenn er im Falle Mailands die grundsätzliche Bedeutung der Stadt als tetrarchische Residenz nicht in Frage stellt.807 J. Humphrey hingegen geht sogar davon aus, dass die apsidiale Struktur an der westlichen Längsseite des Circus, bei der es sich eventuell um eine Art kaiserliche Loge gehandelt haben könnte, im Zusammenhang mit einem möglichen imperialen Residenzviertel im Nordwesten des Circus gesehen werden könnte. Das imperiale Palastviertel hätte sich demnach zu beiden Seiten des Circus erstreckt. Auf ein kaiserliches Wohnareal in diesem Bereich gibt es im archäologischen Befund jedoch bisher keine Hinweise.808
1.7.2.2 DER CIRCUS Der Circus des antiken Mediolanum lässt sich auf Basis des archäologischen Befunds in seinem Verlauf relativ gut rekonstruieren, einige Überreste sind bis heute sichtbar.809 Der Bau befand sich im Westen der Stadt, er hatte eine Nord-Süd-Orientierung und verlief entlang der unter Maximian erweiterten Stadtmauer (vgl. Abb. 33, 11). Die carceres befanden sich im Norden der Anlage, an deren westlichem Rand haben sich Teile eines der flankierenden Türme erhalten – dieser weist bauliche Parallelen zum Circus des Maxentius in der Via Appia auf. Die Arena hatte eine Länge von ca. 460 m und eine Breite von 67–68 m, diese variierte im Verlauf der Anlage leicht.810 Die cavea hatte eine Tiefe von 9–11 m, sowohl der Podiumswall als auch die Außenmauer wurden freigelegt. Die Innenseite der 2,2 m starken Außenmauer war gegliedert durch 5 m hohe Pilaster, auf die Bögen aufgesetzt waren, die ein Tonnengewölbe trugen. Auf einen darüber liegenden Säulengang gibt es keinen Hinweis im archäologischen Befund, dieses Element scheint laut J. Humphrey nicht zwangsläufig Bestandteil tetrarchischer Circusanlagen gewesen zu sein.811 806 807 808 809
810
811
Vgl. Haug 2003, S. 72; Humphrey 1986, S. 620. Vgl. Duval 1992. Zum an den Circus angrenzenden Hallenbau vgl. Kap. 1.7.2.2, S. 194. Vgl. Heucke 1994, S. 370f mit Anm. 4 zu Forschungsgeschichte und Anm. 6 zu im Stadtbild sichtbaren Überresten der Anlage sowie Kuhoff 2001, S. 721f und Haug 2003, S. 423 zu den bekannten Fundorten. A. Haug spricht mit Bezug auf M. Mirabella Roberti 1984 abweichend von einer Länge von ca. 470 m und einer Breite von knapp 80 m. Vgl. Haug 2003, S. 423. Vgl. Humphrey 1986, S. 616f.
211
An der westlichen Längsseite des Circus – zwischen der Außenmauer und der angrenzenden Stadtmauer – verlief entlang der südlichen Hälfte der Anlage ein ca. 70 m langer Bau. Von diesem haben sich eine Reihe Pfeiler von beträchtlichem Umfang erhalten, die in einem Abstand von jeweils 4 m auf einer Linie mit den Resten der Ostmauer einer ca. 20 m breiten Apsis am südlichen Ende des Gebäudes liegen. Auffällig ist, dass die Apsis sich in etwa an dem vermutlichen Ort der Ziellinie befand. Es scheint somit wahrscheinlich, dass es sich hier um eine Art Schaufassade oder Loge gehandelt hat.812 Aufgrund der ‚Einpassung‘ des Baus zwischen Circus und Stadtmauer, wird dieser vermutlich lediglich von Norden her zugänglich gewesen sein. Eine ähnliche Struktur findet sich auch am Hippodrom von Sirmium.813 Die erhaltenen Teile der Umfassungsmauer – die in ihrem Verlauf Bezug auf den Circus nimmt und außerdem deutliche Parallelen zu der Mauertechnik des Circus aufweist – zeigen, dass der Circus im Zuge der Erweiterung der Stadtmauern angelegt wurde. Da diese einhellig in die Regierungszeit des Maximian datiert wird, erscheint auch eine Datierung des Circusbaus in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert gesichert. In dieser Zeit wurden auf dem Areal bestehende kaiserzeitliche Bauten niedergelegt, was auf einen anschließenden Baubeginn des Circus hindeutet.814 Die früheste Erwähnung in den Schriftquellen findet sich in der oben zitierten Aufzählung der Bauten Mailands bei Ausonius, allerdings ohne den Erbauer zu nennen. Darüber hinaus berichten die acta Sancti Victoris aus dem 8. Jahrhundert von Christenverfolgungen in Mailand unter Kaiser Maximian, in deren Zusammenhang der heilige Victor in einem Gefängnis beim Circus festgehalten wurde und schließlich vor einem Tribunal in der Spielstätte erscheinten musste.815 Diese Aussagen sind mit Vorsicht zu behandeln, da es sich um spätere Zuschreibungen handeln könnte, sie stützen jedoch die Annahme, dass in tetrarchischer Zeit ein Circus in Mailand vorhanden war.
1.7.2.3 DIE KAISERTHERMEN Im Nordosten des spätantiken Stadtgebietes am heutigen Corso Europa 16 befand sich eine Thermenanlage im imperialen Typus, die vermutlich mit den bei Ausonius erwähnten Herculischen Bädern des Maximian zu identifizieren ist (vgl. Abb. 12).816 Der Komplex erstreckte sich über eine Fläche von ca. 14 500 m² und zeigt die für Kaiserthermen typische axial-symmetrische Grundstruktur.
812 813 814 815 816
Vgl. ebd., S. 620; Haug 2003, S. 424; Wulf-Rheidt 2007, S. 62. Vgl. Kap. 1.2.2.2. Vgl. Haug 2003, S. 72. Vgl. Quellenangaben bei Heucke 1994, S. 373, Anm. 20 und 21. Ausonius, ord. urb. nob. 7., S. Anm. 793.
212
Abbildung 36: Mediolanum, Herculesthermen. Nach Milano capitale 1991. (Quelle: Haug 2003, Tafel 72) Der Eingang befand sich im Norden der Anlage, von wo man über die vermutlich von Portiken eingefasste Palästra zunächst in die östlich und westlich des Frigidariums gelegenen langrechteckigen Apodyteria gelangte. Über die Umkleideräume gelangte man dann in das langrechteckige Frigidarium, dessen monumentale Exedra an der nördlichen Längsseite vermutlich auch die Palästra in der Außenwirkung dominierte. Der Bodenbelag bestand aus Marmorplatten, über die weitere Innenaustattung ist wenig bekannt. A. Haug vermutet, dass ein in S. Vito gefundener Torso einer Herculesstatue des Typus Hercules Farnese ursprünglich hier aufgestellt gewesen sein könnte. In jedem Fall lässt sich, wie für andere Kaiserthermen bekannt, auch für das Frigidarium der Herculesthermen eine hochwertige Statuenausstattung annehmen. Südlich des Frigidariums schloss ein rechteckiger Raum an, der als Tepidarium gedeutet wird. Von diesem gelangte man in das am südlichen Ende der Anlage gelegene Caladarium, dessen rechteckiger Grundriss im Osten und Westen von Exedren flankiert wurde. Eventuell ist auch für die südliche Längsseite eine Exedra zu rekonstruieren.817 817
Vgl. Haug 2003, S. 424f.
213
Die Datierung des Gebäudes in die Zeit des Maximian wird vor allem gestützt durch die bautypologische Verwandschaft des Gebäudes zu den Kaiserthermen in Trier.818 Der Fund von Keramikteilen aus dem 4. Jahrhundert unter der Pavimentschicht liefert zumindest einen Terminus post quem. Ein fragmentarisch erhaltener Inschriftenfund, der in den Fundamenten des Frigidariums entdeckt wurde, deutet darauf hin, dass sich eventuell bereits in der hohen Kaiserzeit ein Thermenbau auf dem Areal befand. Die älteste festgestellte Bauphase scheinen Wohnbauten aus dem 1. Jahrhhundert gewesen zu sein.819
1.7.2.4 WEITERE BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT Die Erweiterung der Stadtmauern unter Maximian stellte ein großangelegtes Bauprojekt dar, das außerdem Platz für einige weitere Neubauten innerhalb der Stadt schuf. Im Nordosten der Stadt wurde die Mauer an den Seveso vorverlegt, so dass auch hier die doppelte Defensivfunktion von Wassergraben und Mauer gegeben war. In dem dadurch neu entstandenen Stadtviertel entstanden in tetrarchischer Zeit mehrere Bauten, unter anderem mit höchster Wahrscheinlichkeit die oben besprochenen Kaiserthermen. Im Westen der Stadt wurde das Stadtgebiet ebenfalls erweitert, vermutlich um Platz für den neu angelegten Circus zu schaffen. Dass es sich hierbei um ein Bauprojekt von einigem Gewicht handelte, wird dadurch deutlich, dass hierzu nicht nur der Mauerring nach Südwesten erweitert wurde, sondern auch der Verlauf des Seveso – der in diesem Bereich entlang der republikanischen Stadtmauer verlief – umgeleitet werden musste.820 Einer der polygonalen Türme der Stadtmauer unweit des Circus ist bis heute in seiner vollen Höhe von 16,6 m erhalten, inklusive eines angrenzenden Mauerstücks von 11 m Höhe und 20 m Länge.821 Im Norden der Stadt, innerhalb der republikanischen Stadtmauer, entstand an der heutigen Via di Bossi in tetrarchischer Zeit ein Horreum (vgl. Abb. 33, 7).822 Aufgrund von zwei Ziegelfunden mit Stempeln und der Parallelen der Mauertechnik des Horreums zu den Kaiserthermen im Nordosten der Stadt kann der Speicherbau in die Zeit Maximians datiert werden. Das 1958 freigelegte und Mitte der 1960er Jahre weiter untersuchte Gebäude war rechteckig
818 819 820 821 822
Vgl. Kap. 1.6.2.3. Vgl. Salviano 1990, S. 100f; Haug 2003, S. 424f. Vgl. Haug 2003, S. 71. Vgl. Kuhoff 2001, S. 721. Eventuell ist eine nördlich des Horreums freigelegte Grundmauer an der Via del Lauro 1 als Teil eines weiteren Horreums zu deuten. Auf Basis des archäologischen Befundes sind jedoch weder zur Funktion noch zur Datierung des Baus belastbare Aussagen möglich. Vgl. Haug 2003, S. 422, Kat. Nr. ÖR 8.
214
angelegt und maß 23 x 68 m. Die Deckenkonstruktion ist nicht gesichert, wahrscheinlich handelte es sich um ein Tonnengewölbe, über dem sich ein weiteres Stockwerk befand. Im Inneren war der Bau durch Pfeilerreihen in vier Schiffe unterteilt, die Pfeiler korrespondierten vermutlich mit Pilastern an der Innenseite der Gebäudemauern. Die Fassade der Westmauer, an der sich der Eingang befand, war ebenfalls mit Pilastern versehen und erzielte somit eine repräsentative Außenwirkung. Da die Außenmauern des Gebäudes im Norden und Süden Richtung Westen weiterverlaufen, wurde verschiedentlich angenommen, dass es sich bei dem freigelegten Bau um die Osthälfte eines symmetrisch angelegten Gebäudekomplexes handelt, der durch eine Hofanlage verbunden war. Gestützt wird diese Annahme nicht nur durch den Mauerverlauf, sondern auch durch den Fund eines Brunnens auf dem Areal der angenommen verbindenden Hofanlage.823 Abgesehen von den Bauten innerhalb der Stadtmauern ist Mailand eine der wenigen Residenzen, in der plausibel für die Existenz eines imperialen Mausoleums aus tetrarchischer Zeit argumentiert werden kann. Südwestlich der Stadtmauern wurden bei der Kirche San Vittore Teile eines Oktogons mit umgebendem Peribolos freigelegt, das als spätantiker Mausoleumsbau mit Temenosmauer identifiziert wird. Die Mauertechnik weist Parallelen zu denen des unter Maximian errichteten Circus und des Horreums auf, was eine Datierung in tetrarchische Zeit nahelegt. Der Bau wurde später umgewidmet zu einer Kirche für den Heiligen Gregor. Diese wurde 1576 bis auf die Grundmauern niedergelegt und mit neuer Orientierung wieder aufgebaut. Obwohl nur Teile der Gebäudestruktur ergraben werden konnten, lässt sich ein oktogonaler Bau mit einem Innendurchmesser von 14,60 m rekonstruieren, der, wie für solche Bauten üblich, durch rechteckige und halbrunde Nischen gegliedert wurde. In der freigelegten südöstlichen Ecke des Innenraums wurde eine Säulenbasis gefunden, was darauf hindeutet, dass sich in allen acht Ecken eine entsprechende Säule befand. Darüber hinaus ist von der Innenausstattung wenig bekannt. Bei Grabungen wurden bunte und goldene tesserae sowie Fragmente der opus sectile Dekoration aus Porphyr und Serpentino gefunden, was sich mit zwei kurzen Berichten aus der Renaissance zu der reichhaltigen Dekoration des Gebäudes mit Mosaiken und bunten Marmorsteinen deckt.824 Die umgebende Mauer hatte eine unregelmäßige oktogonale Form und umfasste eine Fläche von 132 bis 100 m Breite und 42 bis 44 m Länge. An den Ecken der Mauer befanden sich runde Türme mit einem Durchmesser von 4,40 m, zwei weitere Türme flankierten den mutmaßlichen Eingang.
823 824
Vgl. Haug 2003, S. 421, Kat. Nr. ÖR 7. Vgl. Johnson 2009, S. 72f.
215
Aufgrund des Mauerbaus wurde die Anlage in der älteren Forschung des Öfteren als Festung beschrieben, was jedoch allein schon aufgrund der relativ dünnen Mauerstärke von 1,80 m und der geringen Größe der Türme unwahrscheinlich ist. Auch die an den Innenseiten der Mauer in unregelmäßigen Abständen eingelassenen Nischen mit flankierenden Säulen machen eine Fortifikationsmauer im militärischen Sinne unwahrscheinlich. Die Deutung als das Mausoleum abschirmende Temenosmauer ist daher plausibel.825
Abbildung 37: Mausoleum des Maximian (?) bei San Vittore nach Mark J. Johnson auf Grundlage von Mirabella Roberti. (Quelle: Johnson 2009, S. 71, Abb. 48) Insgesamt scheint somit die Identifikation des Baus als imperiales Mausoleum aufgrund der baulichen Struktur und der Innenausstattung mit Porphyrelementen wahrscheinlich. Darüber
825
Vgl. Johnson 2009, S. 70f.
216
hinaus ist durch einen Renaissance-Bericht überliefert, dass sich in dem Gebäude einst ein Sarkopharg aus Porphyr befunden haben soll, der später von Francesco Sforza an Pandolfo Malatesta von Rimini verschenkt wurde.826 Akzeptiert man die Datierung in tetrarchische Zeit und die Identifikation als imperiales Mausoleum, so bietet sich Maximian als Erbauer an. Zu dessen Bestattungsort gibt es einen Hinweis in einem Brief des Ambrosius an Kaiser Theodosius aus dem Jahr 392 n. Chr. bezüglich der Bestattung des Valentinian II. Dort erwähnt Ambrosius, dass Maximian in einem Porphyr-Sarkophag ähnlich dem des für Valentinian II. geplanten bestattet worden sei. Zum einen legt Ambrosius’ Kenntnis des Sarkophags nahe, dass Maximian in Mailand bestattet worden war, zum anderen passt es zu der oben erwähnten Überlieferung eines Porphyr-Sarkophags in der Kirche des Heiligen Gregor. Alternativ kämen lediglich Valentinian II. oder Gratian als Inhaber der Grabstätte in Frage, da diese ebenfalls in Mailand bestattet waren. Als christliche Kaiser wäre für diese allerdings eine Bestattung in einem an eine Kirche angrenzenden Mausoleumsbau wahrscheinlich. Für das 4. Jahrhundert lässt sich jedoch noch keine kirchliche Nutzung des Areals annehmen. All dies legt nahe, dass es sich um das Mausoleum des Maximian gehandelt hat.827 Es bleibt jedoch festzuhalten, dass selbst wenn es sich bei den Strukturen bei San Vittore um das Mausoleum des Maximian gehandelt haben sollte, sich dieses nicht nur außerhalb der Stadtmauern befand und somit kein Teil des Palastareals war, sondern auch die Urheberschaft des Baus unklar ist. Die Ereignisse nach der Abdankung Maximians 305 n. Chr. machen es unwahrscheinlich, dass er – nach mehreren letztendlich gescheiterten Usurpationsversuchen und seinem erzwungenen Freitod 310 n. Chr. in Augusta Treverorum – in einem von ihm erbauten Mausoleum mit den entsprechenden Ehren beigesetzt wurde. Vermutlich ließ Maximian das Mausoleum sowie den Sarkophag während seiner Regierungszeit erbauen, wurde aber letztendlich nie dort bestattet.828 Eine andere Möglichkeit wäre, dass Maximian erst nach seiner Rehabilitation durch Konstantin 316 n. Chr. in Mailand bestattet wurde.829 Dies macht es jedoch wahrscheinlich, dass auch das Mausoleum erst durch Konstantin gestiftet wurde. Demnach wäre das Mausoleum, selbst wenn es sich um den Bestattungsort Maximians handeln sollte, nicht als Teil von dessen
826 827
828 829
Vgl. ebd. mit Quellenangaben, S. 73f. Vgl. u. a. Waurick, Götz: Untersuchungen zur Lage der römischen Kaisergräber in der Zeit von Augustus bis Constantin. In: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. 20/1973. S. 107– 146, S. 121f (mit Zusammenfassung der älteren Forschung). So deutet es u. a. G. Waurick an. Vgl. Waurick 1973, S. 125. Vgl. Johnson 2009, S. 74.
217
Repräsentationsarchitektur im Zuge der Monumentalisierung seiner bevorzugten Residenzstadt zu bewerten, sondern als Teil der Legitimationsstrategie Konstantins.830 Darüber hinaus ist für Maximian überliefert, dass er einen Palast nahe Sirmium an dem Ort errichtet haben soll, an dem seine Eltern als Tagelöhner arbeiteten.831 Es wäre möglich, dass es sich bei dem bisher nicht lokalisierten Gelände um eine geplante Altersresidenz ähnlich der des Diokletian in Split und der des Galerius bei Gamzigrad gehandelt hat. Das wiederum spräche ebenfalls dagegen, dass Maximian seine Bestattung in Mediolanum plante und nicht in seiner Altersresidenz.
1.7.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Auch nach dem Ende der Tetrarchie blieb Mediolanum Herrscherresidenz. Unter Valentinian I. wurde es 364 n. Chr. zur Hauptstadt des weströmischen Reiches, parallel zu Constantinopel im Osten, und behielt diesen Status, bis 402 n. Chr. die Kaiserresidenz nach Ravenna verlegt wurde. In der Zwischenzeit residierten nach Valentinian I. dessen Nachfolger Gratian und Valentinian II. in der Stadt. Theodosius I. feierte hier im Jahr 395 n. Chr. die Niederschlagung des Usurpators Eugenius.832 Als Herrscherresidenz und Sitz des einflussreichen Bischofs Ambrosius stand Mailand im späten 4. Jahrhundert im Zentrum des arianisch-katholischen sowie des heidnisch-christlichen Konflikts.833 Dies spiegelt sich in den im Laufe des 4. Jahrhunderts realisierten öffentlichen Baumaßnahmen. Während unter den Tetrarchen mit der Errichtung des Circus und der Kaiserthermen sowie der Palastanlage öffentliche Unterhaltungs- und Repräsentationsbauten im Vordergrund gestanden hatten, lag der Fokus nun auf einer vermehrten Bautätigkeit im sakralen Bereich. Lediglich der monumentale Ausbau des extraurbanen Abschnitts des decumanus maximus mit einem monumentalen Ehrenbogen und einer anschließenden 370 m langen, von Portiken eingefassten Prachtstraße bis zum Stadttor lässt sich als kaiserliches Großbauprojekt im profanen Bereich klassifizieren.
830
831 832 833
Eine ähnliche Vermutung wurde bezüglich eines womöglich durch Konstantin posthum für Constantius Chlorus gestifteten Mausoleums bei Trier geäußert. Vgl. Kap. 1.6.2.4., S. 182f. Vgl. Kap.1.2.1, S. 40. Vgl. Haug 2012, S. 115. Vgl. hierzu bspw. Fuhrer, Therese: ,Denkräume‘: Konstellationen von Personen, Texten und Gebäuden im spätantiken Mailand. In: Fuhrer, Therese (Hrsg.): Rom und Mailand in der Spätantike. Repräsentation städtischer Räume in Literatur, Architektur, und Kunst. De Gruyter, Berlin 2012. S. 357–378, Krautheimer, Richard: Three Christian Capitals. Topography and Politics. Rome, Constantinople, Milan. University of California Press, Berkeley and Los Angeles 1983, S. 70f.
218
Interessant ist hier vor allem die Frage nach der genauen Datierung dieses Ausbaus. Denn in etwa zeitgleich entstand an eben dieser Prachtstraße die Bischofskirche S. Nazaro, die 380 n. Chr. durch Ambrosius geweiht wurde, und aufgrund ihrer Kreuzform als Symbol für den Sieg der Kirche gedeutet wird (vgl. Abb. 33, 25). Nimmt man an, dass der parallele Ausbau der Prachtstraße durch den orthodoxen Kaiser Gratian (375–383 n. Chr.) initiiert wurde, darf man vermuten, dass sich Kaiser und Kirche bezüglich des Ausbaus des Areals abgestimmt haben. Ist der Ausbau jedoch dem proarianischen Vorgänger Valentinian I. (364–375 n. Chr.) zuzuschreiben, dann hätte es sich hier um eine direkte bauliche Konkurrenz von Kaiserhaus und Kirche gehandelt.834 Mit der Verlegung der Hauptstadt nach Ravenna verlor Mailand jedoch seine Bedeutung für die Reichsadministration. Im Verlauf des 5. Jahrhunderts wurde es durch Attila und später die Ostgoten zumindest teilweise zerstört.
1.7.4 FAZIT MEDIOLANUM Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Mediolanum alle oben entwickelten Kriterien einer tetrarchischen Kaiserresidenz erfüllte: Es war über einen Zeitraum von 12 Jahren die Hauptresidenz des Maximian und diente auch unter dessen Nachfolgern in tetrarchischer Zeit mehrfach als Herrscherresidenz. Als Provinzhauptstadt war Mediolanum ein politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum mit militärstrategischer Bedeutung. Auf Basis der Schriftquellen und des archäologischen Befunds lässt sich für die tetrarchische Zeit ein systematischer Ausbau der Stadt annehmen. Bereits für das Jahr 291 n. Chr. ist die Existenz einer Palastanlage schriftlich überliefert. Zwar lässt sich diese für Mediolanum in ihrer genauen Ausgestaltung nicht rekonsturieren, basierend auf der Bedeutung der Stadt als Kaiserresdenz von der Tetrarchie bis zu den Valentinianen ist jedoch eine ähnlich weitläufige Anlage wie in Augusta Treverorum zu vermuten. In räumlicher Nähe zu diesem Palastareal entstand im Zuge der Erweiterung der Stadtmauern eine monumentale Circusanlage. Diese verfügte über einen angrenzenden Hallenbau, der im Kontext der bereits für mehrere vorangehend beschreibene Residenzen als auf den Circus – und somit die dort befindlichen Zuschauer – ausgerichtete Schaufassade mit eventueller Kaiserloge gedeutet werden kann. Über die Erweiterung der Stadtmauern hinaus sind auch in Mailand Infrastrukturbauten aus tetrarchischer Zeit nachzuweisen. Es entstanden horrea und eine imperiale Thermenanlage, die nach ihrem Stifter benannt war. 834
Vgl. Haug 2012, S. 116f.
219
Ein Sonderfall ist das mit einiger Wahrscheinlichkeit für Mediolanum anzunehmende Mausoleum des Maximian. Anders als beispielsweise das mögliche Mausoleum des Galerius in Thessalonike, stand das Mausoleum des Maximian jedoch nicht in räumlichem Bezug zum Palastareal, sondern befand sich außerhalb der Stadtmauern. Ebenso wie das vermeintliche Mausoleum des Constantius Chlorus in Trier könnte es sich bei dem Mailänder Bau auch um eine nachträgliche Stiftung Konstantins gehandelt haben, die folglich im Kontext von dessen Legitimationsstrategie zu sehen ist.
1.8 AQUILEIA Aquileia gehört zu den relativ gut dokumentierten antiken Städten Norditaliens. Dies liegt zunächst daran, dass es in nachantiker Zeit nicht überbaut wurde und somit einen recht breiten archäologischen Befund bietet. Die Bearbeitung und Auswertung dieses Befundes ist vor allem der italienischen Forschung zu verdanken, die einen reichhaltigen Korpus an Abhandlungen zu den einzelnen Monumenten und zu Fragen der Stadtentwicklung von der Römischen Republik bis zum Frühen Mittelalter geschaffen hat.835 Des Weiteren ist hier die auch für Aquileia maßgebliche Zusammenstellung des archäologischen Befundes von A. Haug zu nennen.836 Die Entwicklung der Stadttopographie in der Spätantike wurde in Bezug auf die Christianisierung der Stadt sowie auf das Fortbestehen paganer Kulte unter anderem von C. Jäggi, D. Steuernagel und A. Haug besprochen.837 Gerade für die Zeit der Tetrarchie bleiben jedoch Unsicherheiten bezüglich Urheberschaft und Datierung mehrerer Baumaßnahmen bestehen, so dass die Bewertung der Rolle Aquileias und die Einordnung der Baumaßnahmen maßgeblich durch den Abgleich mit den Entwicklungen in anderen Residenzstädten erfolgen muss. 835
836 837
Hier sind vor allem die Bände der Antichità Altoadriatiche zu Aquileia zu nennen. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der neueren Forschung 2013 in einer Ausstellung zu Aquileia im 4. Jahrhundert auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Vgl. Tiussi, Cristiano/Villa, Luca/Novello, Marta: Costantino e Theodoro. Aquileia nel IV secolo. Ausstellungskatalog. Fondazione Aquileia 2013. Vgl. Haug 2003, S. 86–106. Vgl. Jäggi, Carola: Aspekte der städtebaulichen Entwicklung Aquileias in frühchristlicher Zeit. In: Jahrbuch für Antike und Christentum, 33/1990. S. 158–196; Steuernagel, Dirk: Der topographische und soziale Rahmen der heidnischen Kulte im Aquileia des 4. Jhs. n. Chr. In: Beatrice, Pier Franco/ Peršič, Alessio (Ed.): Chromatius of Aquileia and his age. Proceedings of the International Conference held in Aquileia, 22–24 May 2008. Brepols, Turnhout 2011. S. 67–102 sowie Haug, Annette: Städtische Zentren im spätantiken Norditalien. In: Burkhardt, Nadine/Stichel, Rudolf H. W. (Hrsg.): Die antike Stadt im Umbruch. Kolloquium in Darmstadt, 19. bis 20. Mai 2006. Reichert, Wiesbaden 2010. S. 71–83.
220
1.8.1 DIE STADTENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DER TETRARCHIE Aquileia wurde im Jahre 183 v. Chr. als römische Kolonie gegründet, vermutlich 90 v. Chr. bekam die Stadt den Status eines municipium.838 Die Lage der Stadt im Hinterland der Lagune von Grado, direkt am Natiso, der die Stadt im Osten und Süden umfloss, war äußerst günstig. Vermutlich wurde noch in republikanischer Zeit zusätzlich der Canale Anfora angelegt, der wie der schiffbare Natiso als Verbindung zum 5 km entfernten Meer diente.839 In der ersten Ausbauphase der Stadt wurde innerhalb der republikanischen Stadtmauer ein orthogonales Straßennetz angelegt, im Nordosten und Süden verbanden Brücken über den Natiso das Stadtgebiet mit dem Umland (vgl. Abb. 37, 13).840 Im Osten der Stadt befand sich der Hafen und im Zentrum entstand das Forum, das mit einem vermutlich als Kurie anzusprechendem Bau im Nordwesten der Platzanlage ausgestattet wurde (vgl. Abb. 37, 1 und 2).841 Wohl auch aufgrund der Anbindung an den Seeweg entwickelte Aquileia sich in der römischen Kaiserzeit zu einem Warenumschlagplatz und wirtschaftlichen Zentrum in der Region. Die Kaianlagen des Hafens mit zugehörigen Speicher- und Produktionsstätten erstreckten sich in der hohen Kaiserzeit über 300 m, südlich davon lag eine weitere große Speicheranlage. Eine dichte Wohnbebauung findet sich vor allem im Norden der Stadt. In diesem Gebiet bzw. im anschließenden suburbanen Raum lassen sich mehrere Kultzentren vermuten, darunter ein Tempel der Bona Dea, ein Miträum sowie ein Isis- und Serapis-Tempel.842 Des Weiteren
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Zur römischen Expansion in der Gallia Cisalpina und den Umständen der Stadtgründung vgl. Bandelli, Gino: Aquileia Colonia Latina dal senatus consultum del 183 A.C. al supplementum del 169 A.C. In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Storia – Amministrazione – Società. A cura die Giuseppe Cuscito. Antichità Altoadriatiche 64. Triest, Editreg SRL 2003. S. 49–78. Vgl. Haug 2003, S. 88. Zum Verlauf des Canale Anfora und der Chronologie er Instandhaltungsmaßnahmen bis in das späte 4. Jahrhundert vgl. Haug 2003, S. 326f, Kat. Nr. IN 3.2. Zum innerstädtischen und suburbanen Straßennetz vgl. Haug 2003, S. 87f. Eine Zusammenstellung und Datierung der bekannten Brücken Aquileias findet sich ebenfalls bei Haug. Vgl. Haug 2003, S. 326, Kat. Nr. IN 2.1–2.4. Das Kapitol konnte bislang nicht lokalisiert werden. Da sich dieses jedoch in der Regel am Forum befand, ist es an der bisher nicht ergrabenen nördlichen Hälfte der Westseite des Forums zu vermuten. Vgl. Haug 2003, S. 89. Eine Basilika ist ebenfalls anzunehmen, konnte jedoch bisher archäologisch nicht belegt werden. Zur Baugeschichte der Kurie vgl. Haug 2003, S. 331, Kat. Nr. ÖR 2. Die Lokalisierung der Heiligtümer erfolgt auf Basis von vermehrten Inschriftenfunden in der Region, durch welche die Kulte mit ihren zugehörigen Heiligtümern belegt sind. Bauliche Strukturen durch
221
ist ein Belenus-Heiligtum belegt, das vermutlich im südlichen Suburbium bei der frühmittelalterlichen Abtei S. Martino zu lokalisieren ist.843 Das bebaute Stadtgebiet wuchs östlich des Hafens und insbesondere im Süden und Westen schnell über die republikanischen Stadtmauern hinaus. Im Südwesten der Stadt wurde bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. der republikanische Mauerverlauf durch das Theater überbaut (vgl. Abb. 37, 3).844 Kurz darauf folgte mit dem Amphitheater (Achsenmaße 148 x 112 m) der nächste monumentale Vergnügungsbau im suburbium (vgl. Abb. 37, 4).845 Darüber hinaus entstanden bereits in der frühen Kaiserzeit private Wohnanlagen im Süden der Stadt, die sich bis an den Fluss erstreckten. Eine villa suburbana am südlichen Ufer des Natiso wurde in der Kaiserzeit anscheinend auch für öffentliche und merkantile Funktionen genutzt.846 Die Lokalisierung der sicher anzunehmenden kaiserzeitlichen Thermenbauten im Stadtgebiet ist bisher nicht gelungen.847 Unter den Severern kam es allem Anschein nach nochmals zu einem maßgeblichen Ausbau des Stadtzentrums. Das Forum wurde umgestaltet und erhielt umlaufende Portiken mit anschließenden tabernae sowie eine neue Basilika im Süden der Platzanlage.848 Die umliegenden Forumsgebäude sowie die östlich und nördlich angrenzenden merkantil genutzten Gebäudekomplexe blieben vermutlich in ihrer kaiserzeitlichen Struktur bestehen. Kaiserzeitliche
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welche die Lokalisierung gesichert wäre wurden bisher jedoch nicht gefunden. Vgl. Haug 2003, S. 89; Steuernagel 2011, S. 87ff. Vgl. Steuernagel 2011, S. 80ff. Die republikanische Stadtmauer fungierte wohl als Stützmauer der Cavea, bei Grabungen 1969/70 wurde außerdem eine radial verlaufende Mauerstruktur freigelegt, die entsprechend als Cavea gedeutet wurde. Vgl. Haug 2003, S. 338, Kat. Nr. ÖR 17 sowie Tafel 48; Jäggi 1990, S. 167. Vgl. Jäggi 1990. S. 167; Haug 2003, S. 338f, Kat. Nr. ÖR 18. Vgl. Haug 2003, S. 88f. E. Buchi erwähnt hier eine fast vollständig erhaltene Architravinschrift aus dem Jahre 105 n. Chr. Diese überliefert die Restaurierung eines durch Brand zerstörten Thermenbaus durch Trajan. Vgl. Buchi, Ezio: Aquileia da Tiberio ad Antionino Pio (14–161 D.C.). In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Storia – Amministrazione – Società. A cura die Giuseppe Cuscito. Antichità Altoadriatiche 64. Triest, Editreg SRL 2003. S. 177–219. Darüber hinaus belegt eine weitere fragmentarisch erhaltene Inschrift kaiserliche Maßnahmen in Bezug auf die Unterhaltung einer Thermenanlage. Beide Inschriften sind vollständig angegeben bei Haug 2003, S. 339, Anm. 126. Lediglich außerhalb der Stadtmauern im Südwesten der Stadt konnte ein kaiserzeitlicher Thermenbau lokalisiert werden. Vgl. Jäggi 1990, S. 268. Die Datierung des Umbaus am Forum in severische Zeit erfolgte aufgrund der stilistischen Datierung der zu den umlaufenden Portiken gehörenden Friesfragmente sowie der Bauteile des Neubaus der Forumsbasilika in das späte 2. bzw. frühe 3. Jahrhundert. Gestützt wird die Annahme eines maßgeblichen Ausbaus in severischer Zeit durch eine Ehrinschrift, in der Aquileia bezeichnet wird als [colonia S]epti[mia Severa Clodia A]lbina. Vgl. Haug 2003, S. 330, Kat. Nr. ÖR 1 sowie S. 332, Kat. Nr. ÖR 4.
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Inschriftenfunde zu weiteren Forumsplätzen sind eventuell mit diesen merkantilen Zentren gleichzusetzen.849 Für den decumanus maximus, einen Teil des cardo maximus, den innerstädtischen Verlauf der Via Annia und zwei zentrumsnahe decumani ist die Errichtung von flankierenden Säulenhallen anzunehmen.850 Des Weiteren entstand vermutlich in dieser Zeit nördlich des Amphitheaters eine Thermenanlage, die später unter Konstantin monumental ausgebaut wurde (vgl. Abb. 37, 5).851 Insgesamt deutet die Vielzahl an öffentlichen bzw. merkantil genutzten Platzanlagen und Gebäudestrukturen auf eine funktionale Differenzierung des städtischen Raumes hin. Das östliche Stadtgebiet mit Speicheranlagen und Wohnquartieren der orientalischen Händler fungierte als Umschlagplatz der über den Hafen angelieferten Waren. Das städtische Zentrum mit den zugehörigen Institutionen befand sich am Forum, an welches im Westen mit Theater und Amphitheater ein Areal für die imperiale Repräsentation anschloss. Aufgrund des Südufers des Natiso entstand südlich der Stadt ein merkantiles Zentrum, an das im Südwesten ein Wohngebiet anschloss. In der Zeit der Soldatenkaiser scheint das städtische Leben in Aquileia trotz aller Unruhen relativ intakt geblieben zu sein. Im Jahre 238 n. Chr. wurde es kurzzeitig durch Maximinus Thrax im sogenannten bellum Aquileiensis belagert, er wurde jedoch zurückgeschlagen und eine Einnahme der Stadt verhindert. Durch Herodian ist überliefert, dass in diesem Zusammenhang die Stadtmauer restauriert und verstärkt wurde. Demnach sei ein Großteil der Bevölkerung aus dem Umland in das Stadtgebiet geflohen und die Mauern, die aufgrund ihres Alters und der langen Friedenszeit in schlechtem Zustand waren, wurden eilig wieder aufgebaut und mit Türmen verstärkt.852 Vor der Belagerung Aquileias hatte Maximinus während seiner kurzen Herrschaft noch die Via Annia und die Via Gemina sanieren lassen und war dafür in Inschriften geehrt worden.853 Darüber hinaus lässt sich im Laufe des 3. Jahrhunderts kein Rückgang der Wohnbebauung feststellen, weder im republikanischen Stadtgebiet noch im während der Kaiserzeit erschlossenen suburbanen Raum. Insgesamt Indizien dafür, dass es 849 850
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Vgl. Haug 2003, S. 88f sowie S. 334f, Kat. Nr. ÖR 7–8. Am Forum gefundene Gebälkteile und neun Tondi mit Götterbüsten werden mit dem Portikus des decumanus maximus in Verbindung gebracht und stilistisch in severische Zeit datiert. Vgl. Haug 2003, S. 87 sowie S. 325, Kat. Nr. IN 1, Portiken. Vgl. Kap. 2.3. Herodian, Hist. 8.2.4–6. Eine Diskussion der historischen Ereignisse um die Usurpation des Maximinus Thrax 235 n. Chr. und die Belagerung Aquileias 238 n. Chr. findet sich bei K. Strobel. Vgl. Strobel, Karl: Aquileia im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Storia – Amministrazione – Società. A cura die Giuseppe Cuscito. Antichità Altoadriatiche 64. Triest, Editreg SRL 2003. S. 255–263. Vgl. Strobel 2003, S. 256. Eine vollständige Widergabe der erhaltenen Inschriften zur Sanierung der Via Annia findet sich bei A. Haug. Vgl. Haug 2003, S. 325, Kat. Nr. IN 1, Via Annia.
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auch im unruhigen 3. Jahrhundert in Aquileia nicht zu tiefgreifenden Einschnitten hinsichtlich der Stadttopographie kam.854
1.8.2 DIE STADTENTWICKLUNG UNTER DEN TETRARCHEN Als regional bedeutende Handels- und Hafenstadt bot sich Aquileia aufgrund der bereits vorhanden städtischen Infrastruktur und wirtschaftlichen Prosperität als kaiserliche Residenz an. Hinzu kam, dass Aquileia durch die Lage am Natiso und an zahlreichen Fernstraßen ein Verkehrsknotenpunkt war und von hier aus sowohl das westliche Oberitalien und Noricum als auch der Balkan schnell zu erreichen waren.855 Dadurch hatte Aquileia gerade in Hinblick auf die Donaugrenze bereits seit den Markommannenkriegen unter Marc Aurel militärstrategisch an Bedeutung gewonnen. Verstärkt wurde die Bedeutung der Stadt durch die Ereignisse um die Auseinandersetzung zwischen Maximinus Thrax und dem Senat von Rom in Aquileia 238 n. Chr. Daher hatte Aquileia, bereits seit der Kaiserzeit eine wichtige Handelsmetropole, im späten 3. Jahrhundert ein neues politisches Gewicht. Auch in tetrarchisch-konstantinischer Zeit trugen sich mehrere militärisch relevante Ereignisse in der Region zu. Insbesondere im Rahmen der Auseinandersetzung Konstantins mit den Truppen des Maxentius in Norditalien 312 n. Chr. war Aquileia ein strategisch wichtiges Ziel.856 Aquileia wird daher immer wieder als Herrscherresidenz Maximians neben Mailand diskutiert. Barnes zählt Aquileia eventuell bereits ab 293, sicher aber ab 294 bis 296 n. Chr. sowie von 299 bis 305 n. Chr. zu dessen Hauptresidenzen.857 Auch für Konstantin sind mehrere Aufenthalte in Aquileia belegt.858 854 855 856
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Vgl. Haug 2003, S. 90. Vgl. Jäggi 1990, S. 160; Strobel 2003, S. 221f. Vgl. Sotinel, Claire: Aquilée de Dioclétien à Théodose. In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Storia – Amministrazione – Società. A cura die Giuseppe Cuscito. Antichità Altoadriatiche 64. Editreg SRL, Triest 2003. S. 375–392. Für die ersten Regierungsjahre des Maximian als Augustus, als dieser seine Hauptresidenz von Trier nach Mailand verlegte, scheint es aufgrund der Einrichtung einer imperialen Münze als wahrscheinlich, dass Aquileia ebenfalls öfter als dessen Residenz diente. Gesichert ist allerdings für diese Zeit lediglich ein Aufenthalt im März 296 n. Chr. Für die Zeit von 299 bis 305 n. Chr. wird Aquileia recht einhellig als Residenzstadt bezeichnet, es ist jedoch kein einziger Aufenthalt sicher belegt. Barnes 1982, S. 56f. Von Ende Mai bis Ende Juli 318 n. Chr. hielt sich Konstantin in Aquileia auf und scheint – nachdem er im September in Mailand weilte, im Oktober zurückgekehrt zu sein. Allerdings ist der Aufenthalt hier lediglich für den 12. Oktober 318 n. Chr. belegt, während er vom 24. Oktober 318 bis 13. April 319 n. Chr. in Sirmium residierte. Im April 326 n. Chr. hielt er sich abermals in Aquileia auf und eventuell auch am 22. November 326 n. Chr., wobei auch hier ein längerer Aufenthalt unwahrschein-
224
Im Zuge der diokletianischen Verwaltungsreformen entwickelte Aquileia sich zu einem administrativen Zentrum. Es wurde zur caput Venetiae et Histriae erhoben und fungierte somit als Provinzhauptstadt.859 In diesem Zusammenhang wurde es zum Sitz des praepositus thesaurorum (Vorsteher des kaiserlichen Schatzhauses) für Venetien. Auch militärstrategisch wichtige Funktionen wurden in Aquileia gebündelt, so war es Sitz des praefectus classis Venetum (Flottenkommandant) sowie eventuell des comes Italiae (Befehlshaber der mobilen Einsatztruppen in Italien).860 Im Jahre 294 n. Chr. wurde in Aquileia eine imperiale Münze eingerichtet, was auch durch das Amt des procurator monetae Aquileiensis belegt ist.861 Für das frühe 4. Jahrhundert lässt sich dementsprechend ein Bevölkerungswachstum annehmen, das sich auch in der an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert erneut einsetzenden Bautätigkeit im privaten Bereich spiegelt. Im gesamten innerstädtischen Gebiet wurden kaiserzeitliche Villenanlagen aus- und umgebaut, was auf ein entsprechendes Repräsentationsbedürfnis der städtischen Eliten hindeutet.862 Der Umfang der öffentlichen Baumaßnahmen in tetrarchisch-konstantinischer Zeit ist aufgrund von Unsicherheiten hinsichtlich der Datierung umstritten. Neben dem Bau der durch Maximian gegründeten Münzstätte ist die Entstehung einer großen Speicheranlage im Südosten der Stadt um 300 n. Chr. datierbar (vgl. 37, 10). Auch die Erneuerung der Statuenausstattung am Forum sowie der Bau einer neuen Forumsbasilika erfolgten in dieser Zeit. In Bezug auf die Erweiterung der Stadtmauern und damit zusammenhängend den Bau des Circus kann plausibel für eine Datierung in die Zeit der Tetrarchie argumentiert werden. Der Ausbau der Großen Thermen scheint unter Konstantin erfolgt zu sein, des Weiteren ist spätestens unter Konstantin mit dem Bau einer kaiserlichen Residenz zu rechnen, deren Lokalisierung jedoch nicht gesichert ist.
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lich ist, da er im Oktober in Mailand und im Dezember bereits wieder in Sirmium war. Barnes 1982, S. 74ff. G. A. Cecconi merkte hierzu an, dass es zwar in Anbetracht von Aquileias Status als Aufenthaltsort des Kaisers und seiner administrativen Zentralfunktion äußerst plausibel sei, hier den Sitz des Provinzstatthalters zu vermuten, dass die entsprechenden Quellen dies jedoch erst für die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts bestätigen. Vgl. Cecconi, Giovanni Alberto: Aquileia come centro amministrativo in èta imperiale. In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Storia – Amministrazione – Società. A cura die Giuseppe Cuscito. Antichità Altoadriatiche 64. Triest, Editreg SRL 2003. S. 405–419. Vgl. Jäggi 1990, S. 159 sowie Anm. 6 mit Diskussion der Quellenstellen in Not. Dign. Occ. 11.27 (praepositus thesaurorum), 42,4 (praefectus classis Venetum), 24.5 (comes Italiae?) nach der Ausgabe von O. Seeck. Not. Dign. Occ 11.40 nach O. Seeck, zitiert u. a. bei Jäggi 1990, S. 159. Die imperiale Münze in Aquileia scheint bis in das frühe 5. Jahrhundert in Betrieb gewesen zu sein. Unter Theodosius II wurden 425 n. Chr. nochmals einige Goldmünzen geprägt. Eine Lokalisierng der Münzstätte ist bisher nicht gelungen. Vgl. Haug 2003, S. 337, Kat. Nr. ÖR 13. Vgl. Haug 2003, S. 99.
225
Abbildung 38: Stadtplan von Aquileia im 4. Jahrhundert. Nach A. Haug überarbeiteter Plan von Pross Gabrielli 1969–71. (Quelle: Haug 2003, Tafel 2) 226
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
Forum Hafen Theater Amphitheater Große Thermen (sev./konst.) Circus Palatium (nicht lokalisierbar) Anlegestelle im Süden
Marktplatz südlich der Kathedrale Horreum (tetrarchisch) Kathedralenkomplex Villa von Marignane Republikanische Stadtmauer Erweiterte Stadtmauer (tetrarchisch?) Spätantike Zickzackmauer
1.8.2.1 DAS PALASTAREAL Für Aquileia ist ein Palast in tetrarchischer Zeit schriftlich überliefert. Im Panegyricus von 307 n. Chr., der anlässlich der Hochzeit Konstantins mit Fausta und dessen Ernennung zum Augustus in Trier gehalten wurde, wird ein Gemälde im Palast von Aquileia erwähnt. Dieses zeige Fausta, die Tochter des Maximian und spätere Ehefrau Konstantins, im Kindesalter sowie Konstantin, angeblich bereits damals von Maximian zum künftigen Schwiegersohn ausersehen, als Jungen: „Dies zeigt nämlich, wie ich höre, deutlich jenes Bild im Palast von Aquileia, das zur unmittelbaren Betrachtung durch die Tischgesellschaft angebracht ist, wo ein Mädchen, bereits durch seine göttliche Schönheit anbetungswürdig, doch seiner Last noch nicht gewachsen, einen Helm in Händen hält und dir, der du damals selbst noch ein Knabe warst, Konstantin, überreicht, welcher von Gold und Edelsteinen erstrahlt und von dem Federn eines schönen Vogels emporragen, auf dass dir, was kaum irgendwelcher Zierrat der Kleidung zu leisten vermag, das Verlobungsgeschenk noch größere Schönheit verleihe.“863
Die Aussage, dass Konstantin im Knabenalter dargestellt sei, legt nahe, dass das besagte Gemälde – sofern es tatsächlich den jungen Konstantin zeigen sollte – bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Regentschaft des Constantius Chlorus entstanden sein könnte. Demnach wäre der Bau der kaiserlichen Residenz in Aquileia in die Regierungszeit des Maximian zu 863
„Hoc enim, ut audio, imago illa declarat in Aquileiensi palatio ad ipsum convivii posita adspectum, ubi puella iam divino decore venerabilis sed adhuc impar oneri suo, sustinet atque offert tibi etiam tum puero, Constantine, galeam auro gemmisque radiantem et pinnis pulchrae alitis eminentem, ut te, quod vix ulla possunt habitus ornamenta praestare, sponsale munus faciat pulchriorem.“ Pan. Lat. VII/VI, 6.2.
227
datieren, der nach der Erhebung des Constantius Chlorus zum Caesar in Mailand und Aquileia residierte. Doch auch wenn eine kaiserliche Wohnanlage in Aquileia somit eventuell bereits für Maximian, spätestens aber für Konstantin anzunehmen ist, bleibt deren Lokalisierung unsicher. Ältere Zuschreibungen wie unter anderem die Deutung der Großen Thermen als Palastanlage konnten mittlerweile widerlegt werden.864 Unter anderem N. Duval schlug eine Lokalisierung der Residenz in der Nähe des Circus im Nordwesten der Stadt vor und merkte an, dass sich diese möglicherweise in Funktion und Architektur von den Anlagen in großen Kaiserresidenzen wie Mailand unterschieden habe.865 In einem 1987 publizierten Artikel zur Mosaikausstattung der Villa von Marignane stellte P. Lopreato die These auf, dass die suburbane Villa im Südwesten des Circus als imperiale Residenz zu identifizieren sei (vgl. Abb. 37, 12).866 In der neueren Forschung ist dieser Vorschlag vieldiskutiert und scheint mittlerweile weitgehend anerkannt.867 Bei der Villa von Marignane handelt es sich um eine großzügige Villenanlage westlich des Circus, die vermutlich bereits aus dem 2. Jahrhundert stammt und im 4. Jahrhundert ausgebaut wurde. Maßgeblich für die Datierung des Ausbaus sind die Mosaikböden, die aufgrund von stilistischen Kriterien in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert datiert werden können. Sie weisen auffällige Parallelen zu der Mosaikausstattung der Großen Thermen auf.868 Die bereits seit 1914 bekannte und teilweise ergrabene Anlage wurde zwischen 1955 und 1956 unter der Leitung von G.B. Brusin systematisch ausgegraben. Die Grabungsergebnisse wurden jedoch lediglich in einem Vorabbericht publiziert, weshalb die Anlage bis heute nur in ihren Grundzügen bekannt ist. Kürzlich im Archiv der Soprintendenza per i Beni Archeologici del Friuli-Venezia Giulia entdeckte Fotografien der freigelegten Gebäudestrukturen und Mosaike wurden 2012 durch L. Rebaudo publiziert und machen zumindest einige neue Aussagen möglich.869
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Für einen Überblick zur älteren Forschungsliteratur mit den heute widerlegten Identifizierungsvorschlägen vgl. Haug 2003, S. 337, Kat. Nr. ÖR 14. Vgl. Duval 1973, S. 156. Vgl. Lopreato, Paola: La villa imperiale delle Marignane in Aquileia. In: Aquileia e Roma. Antichità Altoadriatiche 30. Arti Grafiche Friulane, Udine 1987. S. 137–149. S. 148f. W. Rieß schließt sich der Deutung als imperiale Residenz an. Vgl. Rieß 2001, S. 275. Vgl. Lopreato 1987, S. 139ff. Vgl. Rebaudo, Ludovico: La villa delle Marignane ad Aquileia. La documetazione fotografica di scavo (1914–1970). In: Bonetto, Jacopo/Salvadori, Monica (Ed.): L’Architettura privata ad Aquileia in età romana. Atti del convegno di studio (Padova, 21–22 febbraio 2011). Padova University Press, Padova 2012. S. 443–473.
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Abbildung 39: Grundriss der Villa von Marignane (159) nach Bertacchi 2003, mit der Südwestmauer des Circus/der Stadtmauer im Osten. (Quelle: Rebaudo 2012, S. 448, Abb. 2) Die Villa selbst hatte eine Nord-Süd-Ausdehnung von ca. 60 m und eine Ost-West-Ausdehnung von ca. 20 m. Sie war parallel zum Circus orientiert, doch höchstwahrscheinlich stellte die kürzere OstWest-Achse die Hauptrichtung in Bezug auf die funktionale Ausrichtung der Räume dar. Die Anlage wurde im Osten zunächst durch einen mit Mosaiken ausgestatteten großen Säulenhof erschlossen, in dessen Mitte sich eine Brunnenanlage befand. Im Westen schloss ein knapp 11 x 5 m großer Raum an, dahinter ein weiterer, knapp 11 x 8 m großer Raum. In diesem war ein ca. 70 m² großes Mosaik verlegt. Im weiteren Verlauf wurden apsidial und polygonal angelegte Strukturen freigelegt, wie sie für die repräsentative Wohnarchitektur und auch Palastarchitektur der Zeit üblich waren.870 Die südlich gelegenen Räume der Villa sind insbesondere durch L. Rebaudos Auswertung der ergänzenden fotografischen Dokumentation nun besser bekannt. Hier schlossen mindestens sechs rechteckig angelegte Räumlichkeiten unterschiedlicher Größe an, die ebenfalls größtenteils mit Mosaiken ausgestattet waren. Laut L. Rebaudo legt die stilistische Analyse der dort freigelegten Motive nahe, dass die Chronologie der Mosaikausstattung der Villa von Marignane 870
Vgl. Haug 2008, S. 358, Kat. Nr. PR 19. Die Maßangaben und Beschreibungen der Anlage variieren je nach Autor, für einen Überblick zu den verschiedenen Angaben vgl. Rebaudo 2012, S. 447f.
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nicht so homogen ist, wie in der Forschung der vergangenen 20 Jahre angenommen.871 Auch die Identifikation als kaiserliche Residenz sieht er aufgrund der lückenhaften Kenntnis der Struktur und Chronologie der Anlage kritisch.872 Es bleibt festzuhalten, dass die Lokalisierung der imperialen Residenz in Marignane nicht gesichert ist. Zwar ist ein räumlicher Bezug zum Circus gegeben und es handelt es sich um eine sehr repräsentative Wohnanlage, doch lässt sie sich in Bezug auf die Größe und Ausgestaltung nicht mit innerstädtischen Palastkomplexen wie demjenigen in Augusta Treverorum vergleichen. Das stärkste Argument gegen die Idendifikation als kaiserliche Palastanlage ist die suburane Lage. Dies wiegt besonders schwer, weil die Stadtmauern in tetrarchischer Zeit im Zusammenhang mit dem Circusbau in genau diesem Bereich erweitert worden waren. Ein Palastbau wäre, wie es sich auch für die vorangehend besprochenen Residenzstädte zeigen lässt, vermutlich zusammen mit dem Circus konzipiert worden und es lässt sich daher kaum plausibel argumentieren, dass sich dieser ausgerechnet vor den eigens erweiterten Stadtmauern befunden haben sollte. Bereits J. Humphrey hatte 1986 geäußert, dass die kaiserliche Residenz in der Nähe des Circus, aber innerhalb der Stadtmauern zu vermuten sei.873 Dies steht auch im Einklang mit der oben erwähnten These N. Duvals, dass sich die Residenz im Nordwesten der Stadt befand (vgl. Abb. 37, 7). Kürzlich brachten G. Mian und L. Villa aufgrund der Neuinterpretation von Statuen und Reliefs eben diese Region für die Verortung der imperialen Residenz wieder ins Gespräch. Zunächst vermuten sie bei östlich des Circus gefundenen Kaiserstatuen, dass diese Teil einer ‚imperialen Galerie‘ waren, zu der auch zu spätantiken Kaiserporträts umgearbeitete Statuen gehörten. Darüber hinaus nehmen sie auf Basis der Neudatierung mehrerer in der nord-westlichen Ecke der Stadtmauer gefundener Tondi mit Götterbüsten in das frühe 4. Jahrhundert an, dass diese ebenfalls Teil der ikonographischen Ausstattung eines sogenannten ‚imperialen Quartiers‘ waren. Eben dieses ‚imperiale Quartier‘ vermuten sie entweder in den bisher kaum erforschten Strukturen nördlich der Circusanlage oder in deren Osten.874 Nach derzeitigem Kenntnisstand muss diese These zur Lokalisierung der imperialen Residenz jedoch ebenso hypthetisch bleiben wie deren Verortung in der Villa von Marignane. Und auch hier gilt, dass eine etwaige kaiserliche Residenz sich allein schon aufgrund der Ausdehnung von den monumentalen Palastanlagen in anderen Residenzstädten unterschied. Zusammenfassend bleibt daher nicht nur die Lokalisierung der imperialen Residenz fraglich, sondern auch, ob diese in Bezug auf Lage, Größe und Funktion tatsächlich als palatium qualifizierte. 871 872 873 874
Vgl. Rebaudo 2012, S. 452. Vgl. ebd., S. 447. Vgl. Humphrey 1986, S. 625. Vgl. Milan, Giulia/Villa, Luca: La residenza imperiale tardoantica e il circo. In: Tiussi, Cristiano/Villa, Luca/Novello, Marta: Costantino e Theodoro. Aquileia nel IV secolo. Ausstellungskatalog. Fondazione Aquileia 2013. S. 75–81.
230
1.8.2.2 DER CIRCUS Im Nordwesten der Stadt befand sich der Circus von Aquileia, von dem heute keine Überreste mehr sichtbar sind (vgl. Abb. 37, 6). Durch wiederholte Grabungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist er jedoch in seinem Verlauf gut dokumentiert, zuletzt wurden 1975 und 1989 Grabungen an der Südkurve durchgeführt.875 Der Circus war von Nord-Nordwest nach Süd-Südwest orientiert, die carceres befanden sich am nördlichen Ende. Er war knapp 85 m breit; die genaue Länge ist nicht bekannt, da der Abschluss im Norden aufgrund eines neuzeitlichen Friedhofs nicht ergraben werden konnte. Die Anlage war jedoch mindestens 380 m lang, J. Humphrey hält sogar eine Länge von knapp 450 m und somit eine Ausdehnung bis zur republikanischen Stadtmauer für möglich. Das würde jedoch bedeuten, dass der Circus die antike Via Annia geschnitten hätte.876 Die Südkurve und die östliche Längsseite wurden von Pfeilern getragen, durch die ein umlaufender Korridor entstand. Mauerreste der Substruktur deuten darauf hin, dass hinter dem Korridor rechtwinklig zur Podiumsmauer mehrere Gewölberäume lagen. Ein nahe der Südkurve gefundenes Säulenfragment könnte darüber hinaus auf eine Kolonnade oberhalb des Umganges hindeuten.877 Die westliche Längsseite des Circus wurde von der Stadtmauer geschnitten. Dies beeinträchtige jedoch nicht die Nutzung der Anlage, vielmehr wurde beim Bau der Stadtmauer die Circusfassade inkorporiert, wodurch eventuell einige der hinteren Sitzreihen entfielen. Da der Mauerverlauf sich an der Anlage des Circus orientiert, muss dieser entweder zeitgleich mit der Mauer oder kurz vor dieser erbaut worden sein. Die Entstehungszeit der Stadtmauer ist nicht gesichert, kann jedoch plausibel in tetrarchisch-konstantinische Zeit datiert werden.878 Entsprechend ist auch für die Entstehung des Circus die Zeit um 300 n. Chr. anzunehmen.879 Einen terminus post quem gibt die Vorgängerbebauung auf dem Areal. Freigelegte Mauerstrukturen und Estrichreste wurden als Überreste einer kaiserzeitlichen Villa interpretiert, deren Entstehung in das 2. Jahrhundert datiert wird.
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876 877
878 879
Für eine Zusammenstellung der entsprechenden Literatur vgl. Humphrey 1986, S. 621, Anm. 69 sowie Haug 2003, A. 339, Kat. Nr. ÖR 19. Vgl. Humphrey 1986, S. 624. Von den Pfeilern des Korridors an der östlichen Längsseite wurden insgesamt 25 Stück gefunden. Sie hatten eine Fläche von knapp 2 m² und waren in einem Abstand von circa 2,7 m angelegt. Vgl. Humphrey 1986, S. 621. Vgl. Kap. 1.8.2.4. Vgl. Humphrey 1986, S. 623; Haug 2003, S. 339, Kat. Nr. ÖR 19. Humphrey tendiert dabei eher zu der Annahme, dass der Circus kurz vor der Stadtmauer und nicht zeitgleich entstand. Bei C. Jäggi und W. Rieß wird der Circus entsprechend der abweichenden Datierung der Stadtmauer in das frühe 3. Jahrhundert datiert. Vgl. Jäggi 1990, S. 167; Rieß 2011, S. 278.
231
1.8.2.3 DIE KAISERTHERMEN Die sogenannten Großen Thermen liegen im Westen des Stadtzentrums, unmittelbar nördlich des Amphitheaters (vgl. Abb. 37, 5). Die Anlage grenzte im Süden an das Amphitheater und im Westen an die Stadtmauer, im Norden erstreckte sie sich bis zum Circus. Mit einer Grundfläche von knapp über 2 ha ist von einer sehr weitläufigen Anlage auszugehen, von der bisher nur Teile freigelegt werden konnten. Bereits 1922 wurden erste Mosaiken entdeckt und bei Grabungen durch G. B. Brusin ein Raum mit Tritonen- und Nereidenmosaiken freigelegt, weshalb dieser in dem Bau eine Thermenanlage vermutete. Nachdem 1961 neue Mosaike gefunden wurden, führte man in den 1970er und 1980er Jahren anschließende Schnitte und Grabungen durch, bei denen weitere Teile der Anlage erschlossen wurden. Zuletzt wurden seit 2002 wiederholt Grabungen durch die Università di Udine durchgeführt.880 Aufgrund der Größe und der prachtvollen Mosaikausstattung war eine öffentliche Nutzung naheliegend. Da der Gesamtkomplex bis heute nicht vollständig ergraben ist, blieb die Deutung und Datierung lange umstritten. Aufgrund von Gewölbeteilen und Hypokausten sowie der Mosaikmotive wurde seit den 1980er Jahren die bereits von G. B. Brusin vorgeschlagene Deutung als Thermenanlage favorisiert.881 Eine ausführliche Beschreibung und stilistische Analyse aller freigelegten Mosaike erfolgte erstmals 1994 durch P. Lopreato.882 In Bezug auf die Datierung ist demnach von zwei Bauphasen auszugehen: Zunächst die Entstehung der Anlage in severischer Zeit und anschließend eine Umbauphase, die in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert datiert.883
880
881
882
883
Vgl. Rubinich, Marina: Le Thermae Felices Constantinianae. In: Tiussi, Cristiano/Villa, Luca/Novello, Marta: Costantino e Theodoro. Aquileia nel IV secolo. Ausstellungskatalog. Fondazione Aquileia 2013. S. 85–90. Vgl. Bertacchi, Luisa: Edilizia civile nel IV secolo ad Aquilea. In: Aquileia nel IV secolo. Antichità Altoadriatiche 22. Arti Grafiche Friulane, Udine 1982. S. 337–357. S. 353. Die von L. Bertacchi wieder etablierte Deutung als Thermenanlage vertiefte sie mit Bezug auf die Arbeiten P. Lopreatos zur Mosaikausstattung, in dem konkrete Vorschläge für die Funktionszuschreibung der einzelnen Räumlichkeiten ausgeführt wurden. Vgl. Bertacchi, Luisa: Le Grandi Terme di Aquileia: Ipotesi di alzato. In: Studi Archaeologica 70, a cura di Bianca Maria Scarfi. „L’ERMA“ di BRETSCHNEIDER, Rom 1994. S. 447–455. Für einen Überblick zur Forschungsdiskussion vgl. Haug 2003, S. 339, Kat. Nr. ÖR 20. Vgl. Lopreato, Paola: Le Grandi Terme di Aquileia. I mosaici del Frigidarium. In: Darmon, Jean-Pierre/ Rebourg, Alain (Ed.): La mosaïque gréco-romaine IV. Actes du IVe Collogue international pour l’étude de la mosaïque antique. Tréves 8–14 août 1984. Association internationale pour l’étude de la mosai’que antique, Paris 1994. S. 87–99. Während P. Lopreato den Umbau in das späte 3. Jahrhundert datiert, sprach sich N. Duval für eine Datierung der Umbauphase frühestens an die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert aus und hielt auch eine spätere Datierung für möglich. Der Datierung in das 4. Jahrhundert stimmte aufgrund stilistischer Kriterien auch J.-P. Darmon zu. Vgl. Duval und Darmon in Lopreato 1994, S. 99. Die Datierung der ersten Bauphase in severische Zeit wie bereits von L. Bertacchi vorgeschlagen ist allgemein akzeptiert. Vgl. Bertacchi 1982, S. 354.
232
Abbildung 40: Die Großen Thermen von Aquileia. Plan der freigelegten Räume. (Quelle: Rubinich 2013, S. 86, Abb. 1) Der von G.B. Brusin freigelegte und als Palaestra angesprochene Raum mit dem Tritonen- und Nereidenmosaik wird heute als Aula Nord bezeichnet (vgl. Abb. 39, A1). Der zentrale Raum der Anlage war das südlich daran anschließende Frigidarium mit einer Größe von 40 x 22 m (vgl. Abb. 39, A2). Auch hier fand sich eine elaborierte Bodendekoration aus runden Feldern mit opus sectile und rechteckigen Mosaikfeldern. Das Frigidarium war im Norden, Süden und 233
Westen umgeben von mehreren kleineren, quadratisch angelegten Räumlichkeiten, die als Apodyteria anzusprechen sind (vgl. Abb. 39, V1–V6).884 Über Korridore, die an den Seiten von Waschbecken flankiert wurden, gelangte man vom Frigidarium in die nördlich gelegene Aula sowie im Süden in einen analog zur Aula Nord angelegten Raum (vgl. Abb. 39, C1 und C2). Das Frigidarium war somit rechts und links von gleichgroßen Aulen mit knapp 31,5 x 22 m eingefasst, die außerdem über identisch strukturierte Bildflächen mit Mosaikdarstellungen verfügten (vgl. Abb. 39, A1 und A2). Das übergeordnete Thema der Bildsprache sind sportliche Wettkämpfe, beispielsweise das Medaillon mit der Darstellung eines Athleten in der Aula Sud.885 Dennoch haben die beiden Räume unterschiedliche Schwerpunkte. Während in der Aula Nord der dargestellte Kampf Neptuns und der Tritonen und Nereiden dominiert, finden sich in der Aula Sud vor allem Jagdszenen.886 Westlich der Aula Sud wurden zwei Räume freigelegt, deren Funktion nicht geklärt ist (vgl. Abb. Grundriss Thermen, A12 und A13). Der nördliche der beiden Räume (A12) maß 24 m in der Länge und war mit Hypokausten ausgestattet. Der südliche Raum von 10,70 x 40 m scheint als eine Art Korridor fungiert zu haben. Vermutlich war diesem Korridor ein Portikus vorgelagert, der das Gelände der Thermen abgrenzte zur südlich verlaufenden Ost-West-Straße, die Thermen und Amphitheater voneinander trennte.887 Parallel angelegte Räumlichkeiten sind im Norden der Anlage zu vermuten. Reste von Mauerstrukturen, Hypokausten und Bodendekoration sowie der klassische Grundriss imperialer Thermen lassen zwischen diesen Seitenräumen, westlich des Frigidariums das Tepidarium und ein als Rotunde angelegtes Caldarium mit Apsis im Westen vermuten.888 Vor dem Frigidarium befand sich die Natatio, der eine in ihren Strukturen bisher nicht bekannte Palaestra vorgelagert haben wird. Bei den Grabungsarbeiten wurden Architekturfragmente gefunden, die der Dekoration der Schaufassade der Natatio zugeordnet werden. Allgemein scheint die Ausstattung der Großen Thermen sehr opulent gewesen zu sein. Allein die massiven Marmorsäulen mit einem Durchmesser von fast 10 m sowie die dazugehörigen kunstvoll gearbeiteten Kapitelle mit vegetalen Mustern vermitteln eine Vorstellung von der Monumentalität und Pracht der Anlage. Fragmente der Innenausstattung deuten hin auf farbige Wandmosaiken
884 885
886
887 888
Vgl. Rubinich 2013, S. 86. Vgl. ebd., S. 89, Abb. 2. Die Architekturfragmente werden von M. Rubinich als Teile der Schaufassade der Natatio identifiziert. Für eine detaillierte Analyse der Mosaiken der Großen Thermen vgl. zuletzt Lopreato, Paola: Le Grandi Terme di Aquileia. I sectilia e i mosaici del frigidarium. In: Aquileia dalle origini alla costituzione del ducato longobardo. Antichità Altoadriatiche 59. Editreg SRL, Triest 2004. S. 339–374. Vgl. Rubinich 2013, S. 87. Diese Bereiche wurden bisher nur teilweise ergraben. Die freigelegten Mauerstrukturen und Reste der marmorenen Bodendekoration in opus sectile traten bei den Grabungen 1961 unter der Leitung von L. Bertacchi zutage. Vgl. Rubinich 2013, S. 88.
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aus Glassteinen, eine Dekoration der Wände und Böden mit polychromen, wertvollen Marmorsorten und eine qualitativ hochwertige Statuenausstattung. Ein männlicher Torso aus Marmor wird als Teil einer Diomedes-Statue identifiziert.889 Aufgrund der stilistischen Analyse der Mosaike lässt sich eine langanhaltende Nutzung der Anlage nachweisen, da in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts offenbar Restaurierungsmaßnahmen an der Mosaikausstattung in den Räumen westlich der Aula Sud und in kleineren Räumlichkeiten im Norden der Anlage vorgenommen wurden (vgl. Abb. 39, A16 und A17).890 Trotz der nur teilweise freigelegten Grundstruktur lässt sich die axiale Orientierung der Anlage von Ost nach West mit Palaestra, Natatio, Frigidarium, Tepidarium und Caldarium erkennen. Der Besucher betrat die Anlage vom Stadtzentrum im Osten her und wird in der Palaestra als erstes die monumentale Schaufassade der Natatio wahrgenommen haben. Vermutlich über Eingänge in der Aula Nord und Aula Sud gelangte man in die das Frigidarium umgebenden Umkleideräume und konnte von hier aus den Badevorgang beginnen. Die parallel angelegten Aulen im Norden und Süden machen deutlich, dass auch die für Thermen des imperialen Typus ausschlaggebende Symmetrie der Grundstruktur gegeben war und zwei Besucherströme gleichzeitig durch das Gebäude gelenkt werden konnten. Die Identifikation als axial-symmetrisch angelegte Thermenanlage des imperialen Typus und die Datierung des Ausbaus in tetrarchisch-konstantinische Zeit konnten durch die Auswertung von Inschriftenfunden abgesichert bzw. präzisiert werden. Zunächst ist hier der Fund von zwei Fragmenten einer Statuenbasis zu nennen, die bei den 1983 unter der Leitung P. Lopreatos durchgeführten Grabungen an den Großen Thermen gefunden wurden. Die Inschrift lautete entsprechend der durch L. Jacumin vorgeschlagenen Ergänzung wie folgt: „[Restitutori operum publi] corum [d(omino n(ostro) Fl(avio) Constantino] Maximo [pio felici victori] semper Augusto Septimius Aelianus v(ir) c(larissimus) et F[l(avius)] Mucianus v(ir) p(erfectissimus) p(rae)p(ositi) operis [f]elicium thermarum [Co]nstantiniarum pieta[ti] [eius] semper dicatissi[mi].“891
889 890 891
Vgl. Rubinich 2013, S. 88 sowie S. 89, Abb. 5. Vgl. ebd., S. 87. Die Ergänzung ist in der Forschung allgemein anerkannt. U. a. A. Haug und W. Rieß akzeptieren die vorgeschlagene Rekonstruktion der Inschrift. W. Rieß verweist darauf, dass theoretisch auch eine De-
235
Die Inschrift besagt also, dass durch Constantin, den Wiederhersteller öffentlicher Gebäude, unter der Aufsicht des Septimius Aelianus und des Flavius Mucianus eine Thermenanlage restauriert wurde, die fortan den Namen Konstantins trug. Aufgrund der Bennenung als „felicium thermarum Constantiniarum“ ist nicht nur von einer Restaurierung, sondern von einem tiefgreifenden Um- und Ausbau der Thermen auszugehen, der eine Bennenung der Anlage nach ihrem neuen Stifter rechtfertigte. Der räumliche Bezug des Fundorts der Inschrift zu den Großen Thermen und der Umstand, dass darin ein nach Kaiser Konstantin benannter Thermenbau erwähnt wird, bekräftigen die bereits auf Basis der Größe, Struktur und Mosaikdekoration formulierte These, dass es sich bei dem Bau um eine Therme des imperialen Typus handelte. Durch die Inschrift kann zudem der zuvor lediglich grob in tetrarchisch-konstantinische Zeit datierte Ausbau zeitlich präziser eingeordnet werden. Die Datierung des Ausbaus der Thermenanlage in die Regierungszeit Konstantins wird gestützt durch eine weitere Inschrift. Diese wurde 1970 in der Nähe der Kathedrale gefunden und ist ein Bruchstück einer Marmorbasis. Das Inschriftenfeld ist unvollständig erhalten und wurde durch spätere Weiterverwendung teilweise beschädigt. Die Inschrift kann laut W. Rieß wie folgt ergänzt werden: „[Imp(eratori) Cae]s(ari) Flavi[o] [Constant]ino Maxim[o] [Victori s]emper Au[g(usto)] [---therm]as indulgent[ia] [eius vetusta]te conla[bsas] [---].“892
Akzeptiert man die vorgeschlagene Ergänzung ist folglich bezeugt, dass durch die Milde Konstantins eine aufgrund ihres Alters zusammengebrochene Thermenanlage restauriert wurde. Dies stützt die Ergänzung der bereits oben erwähnten Inschrift mit Konstantin und nicht Konstantin II. Darüber hinaus ist damit klar belegt, dass unter Konstantin eine bereits bestehende, jedoch verfallene Thermenanlage restauriert wurde. Dies deckt sich mit dem archäologi-
892
dikation nicht an Konstantin, sondern an Konstantin II möglich wäre. Da dieser jedoch nur drei Jahre regierte, bevor er 340 n. Chr. gegen Konstans unterlag, erscheint es unwahrscheinlich, dass in dieser kurzen Zeit den Umbau der Thermen initiiert und zum Abschluss gebracht wurde. Vgl. Rieß 2001, S. 271f. W. Rieß weist darauf hin, dass seine Ergänzung auf Vorarbeiten G. Alföldys beruht. Die Ergänzung thermas ergibt sich nicht nur aus dem Abgleich mit der erstgenannten Inschrift, sondern auch daraus, dass thermae die einzigen Gebäude sind, die im Akkusativ Plural auf ‚as‘ enden. Vgl. Rieß 2001, S. 273 mit Anm. 53.
236
schen Befund der Großen Thermen, für die eine Vorgängerphase vor dem Ausbau im frühen 4. Jahrhundert nachgewiesen werden kann. Durch den Terminus indulgentia ist in jedem Fall die kaiserliche Zustimmung zu dem Bauvorhaben gesichert. W. Rieß schließt aus dem Umstand, dass Konstantin im Zuge der Restaurierung der Thermen durch in diesem Fall unbekannte Dedikanten mit einer Ehrinschrift bedacht wurde, dass indulgentia hier auch im Sinne von liberalitas zu verstehen sei. Somit liegt eine Finanzierung des Bauvorhabens durch das Kaiserhaus nahe.893 Diese Argumentation ist allein schon deshalb plausibel, weil der Bau von Kaiserthermen in der Regel ein Unterfangen war, dass allein durch die städtische Honoratiorenschicht nicht zu leisten war und üblicherweise durch das Kaiserhaus zumindest unterstützt wurde.894 W. Rieß datiert die Inschrift aufgrund der Ergänzung der Titulatur mit victori in die Jahre zwischen 324 und 330 n. Chr. Alternativ wäre hier jedoch auch die Ergänzung invicto möglich, wordurch die Inschrift in die Jahre vor 324 n. Chr. zu datieren wäre. Es bleibt somit unklar, ob Konstantin den Ausbau Aquileias bereits in seiner Zeit als Augustus im Westen initiierte oder erst nach seinem Sieg über Licinius 324 n. Chr.895 W. Rieß favorisiert die Ergänzung der Titulatur durch victori, da er einen maßgeblichen Ausbau der Stadt vor Konstantins Zeit als Alleinherrscher für unwahrscheinlich hält. Dagegen spricht jedoch der bereits seit 306 n. Chr. vorangetriebene Ausbau von dessen Residenz in Trier. Auch im Kontext der allgemeinen Bautätigkeit der tetrarchischen Herrscher in ihren jeweiligen Residenzen spricht nichts gegen eine Monumentalisierung der imperialen Residenzen Konstantins vor 324 n. Chr. Unter Einbeziehung der neueren Forschungsergebnisse lässt sich somit festhalten, dass es sich bei den sogenannten Großen Thermen von Aquileia um eine Thermenanlage des imperialen Typus handelte, deren erste Bauphase bereits in die Kaiserzeit datierte und die unter Konstantin maßgeblich ausgebaut und nach diesem benannt wurde.
1.8.2.4 WEITERE BAUTEN AUS TETRARCHISCHER ZEIT Das Forum Aquileias, das zuletzt unter den Severern ausgebaut worden war, erfuhr in tetrarchichscher Zeit nochmals eine Umgestaltung. Auf Gebälkteilen der severischen Forumsportikus wurden Inschriften zu Ehren verdienter Männer der Stadt seit deren Gründung angebracht. Aufgrund epigraphischer Kriterien werden die Inschriften in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert datiert. Nimmt man zu den Inschriften zugehörige Ehrenstatuen an, dann findet sich hier ein Beleg für eine in tetrarchischer Zeit angelegte Statuengalerie für die summi viri der Stadt. 893 894 895
Vgl. Rieß 2001, S. 273f. Vgl. ebd., S. 279f sowie Kap. 2.3. Vgl. ebd., S. 273.
237
Zusätzlich sind Ehrenstatuen für Tetrarchen auf dem Forum belegt.896 Des Weiteren wurde ein Baukomplex im Osten des Forums niedergelegt und komplett neu errichtet. Vermutlich handelt es sich um eine merkantil genutzte Basilika. Beide Maßnahmen belegen, dass in tetrarchischer Zeit die Rolle des Forums als Zentrum des städtischen Lebens trotz der anderen merkantilen Zentren unangefochten war.897 Im Laufe des 3. Jahrhunderts kam es zu einer Erweiterung der republikanischen Stadtmauern, wodurch das Stadtgebiet in Richtung Osten, Westen und Süden erweitert wurde (vgl. Abb. 37, 14). Der Hafen im Osten lag nun innerhalb des Stadtgebiets und dessen Kaimauer wurde stellenweise Teil des Mauerverlaufs, ebenso wurde im Westen der Circus in den Mauerverlauf inkorporiert. Im Süden gehörte ab diesem Zeitpunkt das Areal um das Amphitheater ebenso wie das Areal, auf dem später die Doppelkirche entstand, zum Stadtgebiet. Dass sich im erweiterten Stadtgebiet nicht die sonst übliche regelmäßig Einteilung in insulae nachweisen lässt, ist durch die bereits bestehenden Großbauten zu erklären.898 Das neue Stadtgebiet umfasste eine Fläche von knapp 100 ha und war zum damaligen Zeitpunkt ungefähr vergleichbar mit Köln oder Toulouse.899 Umstritten ist allerdings die Datierung des Mauerbaus. Einen terminus post quem bieten Inschriften-Spolien, die unter anderem in dem Mauerteil am Hafen verbaut wurden und in die Zeit Caracallas datiert werden können. Aufgrund der Schilderung Herodians zum bellum Aquileiense im Jahr 238 n. Chr. wird unter anderem bei Jäggi die Erweiterung der Stadtmauern in das frühe 3. Jahrhundert datiert.900 Diese Datierung ist abhängig von der Gewichtung der Aussagen Herodians zu den Verbesserungsmaßnahmen an der Stadtmauer. Dieser berichtet jedoch lediglich von einer hastig durchgeführten Reparatur und Verstärkung der Mauern. Die Aussage, dass die Bewohner aus dem Umland nach Aquileia flohen und dort Schutz suchten, wird in diesem Zusammenhang in der Regel als Hinweis auf die Erweiterung des Stadtgebietes gedeutet.901 Jedoch scheint ein Neubau der Stadtmauern insbesondere mit einem signifikant erweiterten Umfang in so kurzer Zeit wenig wahrscheinlich. Plausibler ist es, den Bericht Herodians dahingehend zu deuten, dass unter dem Druck der Belagerung durch Maximinus Thrax die bestehenden Stadtmauern restauriert wurden. Die Erweiterung des Stadtgebiets durch einen neuen Mauerrings wäre dann später zu datieren.902 896 897 898 899
900 901 902
Haug 2003, S. 333, Kat. Nr. ÖR 1. Vgl. Haug 2010, S. 73f. Vgl. Jäggi 1990, S. 163. Jäggi nimmt für die Stadtmauer eine Länge von 4000 m an und errechnet ein Stadtgebiet und 96 ha. Vgl. Jäggi 1990, S. 163. Vgl. Jäggi 1990, S. 162; Rieß 2001, S. 278. Vgl. oben S. 204f. Vgl. Haug 2003, S. 92. Eine gänzlich andere Datierung vertritt hingegen K. Strobel. Er nimmt eine Erweiterung der republikanischen Stadtmauern bereits unter Marc Aurel im Zusammenhang mit der
238
Einen Anhaltspunkt hierfür bietet die Entstehung des Circus, der im Westen in die Maueranlage einbezogen ist und somit zeitgleich oder kurz vor der Errichtung der Mauer entstanden ist. Dieser wird um 300 n. Chr. datiert, da für Mailand ebenfalls die Erweiterung des Stadtgebietes unter Einbeziehung des Circus in den Mauerverlauf in dessen Zeit als Hauptresidenz Maximians belegt ist.903 Es ist somit wahrscheinlich, dass in Aquileia Baumaßnahmen analog zu denen in Mailand durchgeführt wurden und der Neubau der Stadtmauern um 300 n. Chr. zu datieren ist. Der Mauerbau wirkte sich auch auf die Nutzung der Hafenanlage aus, da die alten Kaianlagen, auf denen nun die Stadtmauer verlief, nicht mehr nutzbar waren. Folglich wurden für die Verladezonen am Wasser neue Zugänge geschaffen.904 Südlich der Hafenanlage wurden zeitgleich Speicheranlagen umgebaut. Im Süden der Stadt wurde außerdem ein neuer Speicherbau errichtet, der aufgrund von stratigraphischen Funden auf die Zeit um 300 n. Chr. datiert werden kann (vgl. Abb. 37, 10). Auf einer nicht weiter bekannten kaiserzeitlichen Anlage entstand ein Komplex mit einer Größe von 66 x 89 m und einer Höhe von knapp 15 m, bestehend aus zwei parallel angelegten Lagerhallen mit einem dazwischen liegenden Hof. Die Hallen waren symmetrisch angelegt und die Außenwände durch Lisenen mit aufliegenden Arkaden gegliedert. Allerdings öffnete sich der Nordflügel anscheinend über einen Kolonnadengang zum Hof und auch im Inneren unterschied sich die Ausgestaltung der beiden Einheiten. Die Identifizierung als Horreum ist aufgrund bautypologischer Aspekte naheliegend und wird dadurch abgesichert, dass bei Grabungen große Mengen verkohltes Getreide festgestellt werden konnten. Der Komplex wurde im 4. Jahrhundert nochmals renoviert, behielt aber seine Funktion als Speicherbau bis zu seiner Zerstörung in der Mitte des 5. Jahrhunderts, vermutlich durch Attila, bei.905 Zwischen 310 und 320 n. Chr. entstand nördlich des Horreums eine Kirchenanlage, die aus zwei parallel angelegten Langhallen und einer verbindenden Querhalle im Westen bestand (vgl. Abb. 37, 11). Die Langhallen waren mit figürlichen Mosaiken ausgestaltet worden, im Bereich zwischen den Langhallen ist ein frühes Baptisterium und eventuell sogar ein Episcopium anzu-
903 904 905
Belagerung Aquileias während der Markommanenkriege an, die durch Ammianus Marcellinus überliefert ist. Amm. Marc. 29.6.1. Diese neue Mauer sei dann in Anbetracht der Belagerung durch Maximinus Thrax erneuert worden, was die Verwendung von Spolien aus der Zeit Caracallas erkläre. Der Anstatz Strobels ist nicht völlig von der Hand zu weisen, doch gibt es weder schriftliche noch archäologische Hinweise auf einen Neubau der Stadtmauer in der Kaiserzeit. Auch Strobel begründet diese Möglichkeit lediglich mit dem zeitgleichen Mauerbau in Salona. Vgl. Strobel 2003, S. 249ff. Vgl. Kap. 1.7.2. Vgl. Haug 2003, S. 335, Kat. Nr. ÖR 11. Vgl. Haug 2003, S. 337, Kat. Nr. 15 sowie Tafel 48. Aus dem Grundriss ist die für Speicherbauten typische Baustruktur klar ersichtlich.
239
nehmen.906 Der U-förmige Bau fügte sich in die überkommene insula-Struktur ein, der Eingang war nach Osten, in Richtung Hafen orientiert. Bauherr war der Bischof Theodorus, finanziert wurde der Bau zumindest teilweise durch Gemeindemitglieder, wie die entsprechenden Stifterinschriften nahelegen.907 Die zentrale Lage im Stadtgebiet sowie der Umstand, dass die Anlage auf einem niedergelegten kaiserzeitlichen Speicherbau errichtet wurde, deuten jedoch darauf hin, dass der Bau in jedem Fall die Zustimmung der Stadtverwaltung hatte.908 Sollte der Baugrund in städtischem Besitz gewesen sein und dem Bischof zur Verfügung gestellt worden sein, ließe sich sogar eine Unterstützung durch das Kaiserhaus annehmen. Dies ist jedoch nicht sicher festzustellen und muss daher, ähnlich wie bei der frühchristlichen Kirchenanlage in Trier, offen bleiben.909
1.8.3 DIE STADTENTWICKLUNG IM 4. UND 5. JAHRHUNDERT Unter den Söhnen Konstantins scheint Aquileia zunächst seinen Status als zumindest gelegentlicher Aufenthaltsort der Kaiser behalten zu haben. Zwar ist lediglich ein Aufenthalt des Constants am 29. August 337 n. Chr. belegt, Inschriftenfunde deuten jedoch auf die mehrfache Anwesenheit von Mitgliedern der konstantinischen Dynastie in Aquileia hin.910 Ende des 4. Jahrhunderts listet Ausonius in seiner Aufzählung bedeutender Städte Aquileia an neunter Stelle und nennt vor allem die Gemäuer und den Hafen der Stadt als deren Kennzeichen.911 Auch politisch blieben Aquileia und das zugehörige Umland relevant. Zunächst trugen sich mehrere der Konfrontationen zwischen den Konstantinssöhnen in der Umgebung Aquileias zu. 350 n. Chr. wurde Aquileia durch den Usuprator Magnentius eingenommen und dieser organisierte von hier aus seine Defensive gegen den angreifenden Konstans II. Im Jahr 360 n. Chr. weigerte sich Aquileia den neuen Augustus Julian anzuerkennen und wurde 361 n. Chr. durch dessen Truppen belagert.912 381 n. Chr. fand hier das Konzil von Aquileia statt, in dessen Rahmen Themen des arianisch-orthodoxen Konflikts verhandelt wurden. Vermutlich hatte bereits
906
907 908 909 910 911 912
Ob sich eine funktionale Trennung der Hallen für verschiedene Aspekte der christlichen Liturgie annehmen lässt, wird in der Forschung diskutiert. Gerade für die erste Bauphase im frühen 4. Jahrhundert lässt sich dies jedoch nicht sicher feststellen. Für einen Überblick vgl. Haug 2003, S. 97. Vgl. Jäggi 1990, S. 174f. Vgl. Haug 2003, S. 96. Vgl. Kap. 1.6.2.4. Barnes 1982, S. 86. Ausonius, ord. urb. nob. 9. Vgl. Sotinel 2003, S. 275f.
240
zu diesem Zeitpunkt der Bischof von Aquileia auch den Status eines Metropoliten.913 In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, 401 und 408 n. Chr., war Aquileia mehrfach von Einfällen der Westgoten betroffen; 452 n. Chr. wurde es bei einem Einfall der Hunnen unter Attila stark in Mitleidenschaft gezogen.914 Die politische Geschichte spiegelt sich auch in der weiteren topographischen Entwicklung der Stadt. Im Verlauf des 4. Jahrhunderts kam es zu einer zunehmenden Verschiebung bei der Gewichtung der verschiedenen (merkantilen) Zentren der Stadt. Am Forum lassen sich bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts restaurative Maßnahmen beobachten, so wurde das sogenannte Macellum im Osten des Forums zu einer apsidialen Basilika ausgebaut.915 Die wenigen Hinweise auf Stiftungen von Götterstatuen oder Ehrenstatuen für hochrangige Beamte deuten darauf hin, dass es im 4. Jahrhundert zwar zunächst seine Funktion als eines der städtischen Zentren behielt, aber im weiteren Verlauf mehr und mehr zum Erinnerungsraum umgestaltet wurde.916 Ab der Wende zum 5. Jahrhundert wurden die Instandhaltungsmaßnahmen jedoch nach und nach eingestellt und die Zentrumsfunktion scheint sich zunehmend in den Süden der Stadt verschoben zu haben.917 Nach der starken Zerstörung der Stadt während des Hunneneinfalls unter Attila hatte das Forum endgültig seine Funktion als städtisches Zentrum eingebüßt und wurde nicht wieder aufgebaut. Auch die Gegend um den alten Hafen verlor aufgrund der zunehmenden Verlandung nach und nach ihre Funktion. Während in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine anhaltende Nutzung der Hafenanlage zu beobachten ist, wurde sie spätestens gegen Ende des 4. Jahrhunderts aufgegeben. 361 n. Chr. wurde auf Veranlassung Julians der Fluß umgeleitet, was die bestehenden Probleme verstärkt haben dürfte.918 Damit einher ging auch der Verfall der Wohngebiete im Norden und Nordosten, deren zunehmender Versumpfung nichts mehr entgegengesetzt wurde. Ungefähr zeitgleich wurden die Kaianlagen am südlichen Flussarm ausgebaut (vgl. Abb. 37, 8).919 So entstand ein neues Viertel zur Verladung der Waren mit anschließendem Marktplatz und für den Überseehandel wuchs die Bedeutung des näher am Meer gelegenen Gradus.920
913 914
915 916 917
918 919 920
Vgl. Jäggi 1990, S. 160. Ob Aquileia im Rahmen der Belagerung durch die Westgoten unter Alarich tatsächlich eingenommen wurde ist nicht überliefert. Weitreichend waren jedoch laut den schriftlichen Zeugnissen die Zerstörungen durch die Hunnen. Für eine Zusammenstellung der Quellen vgl. Haug 2003, S. 86, Anm. 438. Vgl. Haug 2003, S. 95 sowie S. 333, Kat. Nr. ÖR 5. Vgl. Haug 2010, S. 74; Haug 2003, S. 95; Steuernagel 2011, S. 72. Darauf deutet unter anderem hin, dass die durch einen Brand zerstörte severische Forumsbasilika nicht wieder aufgebaut wurde. Vgl. Jäggi 1990, S. 175; Haug 2003, S. 101; Haug 2010, S. 76. Amm. Marc. 21.12.17; Haug 2003, S. 335f, Kat. Nr. ÖR 11 Vgl. Haug 2003, S. 336f, Kat. Nr. ÖR 12. Vgl. ebd., S. 93.
241
Gleichzeitig erfuhr das merkantile und christliche Zentrum um die Doppelbasilika im Südosten der Stadt einen zunehmenden Ausbau. Südlich der bereits zu Beginn des 4. Jahrhunderts errichteten Kathedrale und dem Horreum entstanden weitere Platzanlagen für eine vermutlich merkantile Nutzung (vgl. Abb. 37, 9).921 Auch die Kirchenanlage wurde im Laufe des 4. Jahrhunderts maßgeblich ausgebaut. Unter Bischof Chromatius (345–406/07 n. Chr.) wurde die nördliche Längshalle durch eine deutlich größere Basilika ersetzt. Damit einher ging die Verlegung des Eingangs nach Westen, vor der Nordbasilika wurde ein Atrium sowie nördlich daran anschließend ein neues Episcopium errichtet. Kurz darauf wurde auch die südliche Längshalle niedergelegt und die neue Südbasilika errichtet, die sich in ihrer Länge an der erweiterten Nordbasilika orientierte. Im Westen wurde vor der Südbasilika ein Baptisterium errichtet, dessen Proportionen am Atrium der Nordbasilika orientiert waren. Durch den Umbau war der Komplex massiv erweitert worden und griff im Osten in den kaiserzeitlichen Straßenverlauf ein, da er nun den Decumanus schnitt. Der Zugang zum tetrarchischen Horreum blieb jedoch bestehen.922 Die Unterhaltungsbauten im Westen beziehungsweise Südwesten der Stadt scheinen trotz der zunehmenden Christianisierung weiter in Benutzung gewesen zu sein. Während für das Theater und das Amphitheater konkrete Belege fehlen, sind für den Circus noch für das Jahr 425 n. Chr. Wagenrennen belegt.923 Während für die Mitte des 4. Jahrhunderts somit in Aquileia von einer polyzentristischen Stadtstruktur mit mehreren merkantilen Zentren ausgegangen werden kann, veränderte sich dies im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert. Die kontinuierliche Verschiebung des öffentlichen Lebens in den Süden der Stadt führte letztendlich zur Aufgabe des Nordteils. Forciert wurde diese Entwicklung durch die weitreichenden Zerstörungen durch die Truppen Attilas 452 n. Chr. Generell lässt sich hier beobachten, dass zerstörte Anlagen im Süden der Stadt wieder aufgebaut wurden, wie beispielsweise die in Mitleidenschaft gezogene Doppelkirchenanlage, während Bauten im nördlichen Stadtgebiet, unter anderem das Forum, in Ruinen gelassen wurden. Dies zeigt sich auch am Verlauf der spätantiken Stadtmauern. Es ist umstritten, ob diese bereits an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert oder nach dem Hunneneinfall errichtet wurden.
921 922 923
Vgl. ebd., S. 335, Kat. Nr. 10. Vgl. Jäggi 1990, S. 175; Haug 2003, S. 98. Prokop berichtet über einen Triumphzug und Spiele im Circus von Aquileia anlässlich der Hinrichtigung des Usurpators Johannes im Jahre 425 n. Chr. Prokop, de bell. 3.3.9. Für eine Diskussion der Quellenstellen zum Ablauf der Hinrichtung des Johannes in Aquileia vgl. Humphrey 1986, S. 625 sowie mit korrigierenden Anmerkungen Heucke 1994, S. 382ff. Für das Amphitheater deuten Münzfunde aus dem 3. und 4. Jahrhundert auf eine anhaltende Nutzung hin. Allerdings ist bei diesen der genaue Fundzusammenhang nicht überliefert, so dass diese auch in einem anderen Kontext in das Amphitheater gelangt sein könnten. Vgl. Haug 2003, S. 338, Kat. Nr. ÖR 18.
242
Im Osten und Süden wurde im Abstand von 10–15 m zu der bestehenden Mauer ein weiterer Mauerring angelegt und der alte Mauerring durch zusätzlich Türme verstärkt.924 Im Norden hingegen wurde das Stadtgebiet nun durch eine von Ost nach West verlaufende Schermauer entlang des decumanus minor im Süden des Forums begrenzt.925 Das neue Stadtgebiet war somit deutlich kleiner und das antike Forum lag außerhalb der Stadt, ebenso wie der Circus.926 Die Aufgabe des nördlichen Stadtteils wurde zu einem späteren Zeitpunkt bestätigt, als die Ost-West-Mauer durch eine wesentlich robustere, zickzackförmige Mauer verstärkt wurde (vgl. Abb. 37, 15).927 Die Verschiebung der Stadtzentren ist auch im Zusammenhang mit der Christianisierung der Stadt zu sehen. Aquileia verfügte bereits seit dem frühen 4. Jahrhundert über eine Bischofskirche und war ein einflussreiches religiöses Zentrum im Norden Italiens. Vermutlich wurden Funktionen des öffentlichen Lebens nach und nach vom Forum hin zum Areal um die Doppelkirchenanlage verlagert. Im 5. Jahrhundert war die Stadtentwicklung stark durch Kirchenneubauten geprägt, während die bestehende städtische Infrastruktur lediglich instand gehalten wurde.928 Trotz der weitreichenden Zerstörungen in der Mitte des 5. Jahrhunderts scheint Aquileia bis in das späte 6. Jahrhundert besiedelt gewesen zu sein. Erst mit der Eroberung Oberitaliens durch die Langobarden 568 n. Chr. wurde die Stadt aufgegeben und die verbliebene Bevölkerung siedelte in das nahe gelegene Grado über.929
924
925
926
927
928 929
Da die Mauer im Osten im ehemaligen Flußbett des Natiso verlief, muss der Flusslauf zum Zeitpunkt des Mauerbaus bereits versandet gewesen sein. Eine Inschrift schreibt die Errichtung von Mauer und Türmen Theodosius zu, hiermit kann jedoch sowohl Theodosius I. als auch Theodosius II. gemeint sein. Es wäre somit sowohl eine Datierung um 380 n. Chr. als auch in das frühe 5. Jahrhundert möglich. Auf eine spätere Datierung weist der Verbau von Spolien aus den Großen Thermen hin, die noch bis in das späte 4. Jahrhundert genutzt wurden. Vgl. Haug 2003, S. 328f, Kat. Nr. IN 4; Jäggi 1990, S. 163 mit Angaben zur Inschrift in Anm. 17. Einen Hinweis zur Datierung der Mauer gibt der Fund einer Münze von Valentinian III. im Mörtel der Mauer, wodurch der Mauerbau frühestens in dessen Regierungszeit (423–455 n. Chr.) zu datieren ist. Für eine Datierung der Mauer nach dem Hunneneinfall spricht insbesondere der Umstand, dass das durch Attila zerstörte Forum nun außerhalb des Stadtgebietes lag. Vgl. Haug 2003, S. 329, Kat. Nr. IN 4. Spätestens Mitte des 5. Jahrhunderts wird die Nutzung der Spielstätten endgültig aufgegeben worden sein. Die Schermauer schnitt die Theateranlage und einige der in ihr verbauten Spolien könnten vom Theater stammen. Vgl. Haug 2003, S. 338, Kat. Nr. ÖR 17. Auch hier variieren die Datierungsvorschläge vom frühen 5. Jahrhundert bis in das späte 6. Jahrhundert vor der langobardischen Eroberung. In der Mauer wurden unter anderem Spolien des Theaters und der Forumsbasilika verbaut. Eine Spolien-Inschrift der Kaiser Valentinian II., Theodosius und Arcadius definiert die Zeit nach 382/91 n. Chr. als terminus post quem. Vgl. Haug 2003, S. 329, Kat. Nr. IN 4. Vgl. Haug 2003, S. 103; Haug 2010, S. 80f. Vgl. Jäggi 1990, S. 160.
243
1.8.4 FAZIT AQUILEIA Im Falle von Aquileia bleibt strittig, wie der Status der Stadt in tetrarchisch-konstantinischer Zeit zu werten ist. Die Einrichtung einer Münzstätte, die administrativen Funktionen sowie die allgemeine militärstrategische und ökonomische Bedeutung der Stadt deuten darauf hin, dass die belegten Aufenthalte von Maximian und später Konstantin als Belege für den Status Aquileias als kaiserliche Residenzstadt zu deuten sind. Allerdings lassen sich länger andauernde Aufenthalte in tetrarchischer Zeit nicht nachweisen. Der archäologische Befund zum Ausbau Aquileias in tetrarchisch-konstantinischer Zeit spricht zumindest für einen herausgehobenen Status der Stadt. Sicher in tetrarchische Zeit zu datieren sind der Bau des Horreums und die Ausbaumaßnahmen am Forum. Darüber hinaus entstand der Circus höchstwahrscheinlich in dieser Zeit, einhergehend mit der Erweiterung der Stadtmauern. Dafür spricht, dass sowohl in Thessalonica als auch in Mailand analoge Baumaßnahmen festzustellen sind. Spätestens unter Konstantin wurde dann mit dem Ausbau der Großen Thermen die Umgestaltung des imperialen Repräsentationsareals im Westen der Stadt mit Amphitheater, Kaiserthermen, Theater und Circusanlage abgeschlossen. Unklar bleibt die Lokalisierung und Gestalt der kaiserlichen Residenz in Aquileia. Die suburbane Villa von Marignane ist aufgrund ihrer Ausstattung und des räumlichen Bezugs zum Circus eine veritable Option. Doch bis heute fehlt jeder Beleg für eine imperiale Nutzung. Zudem spricht die Lage vor der Stadtmauer gegen die Deutung als kaiserliche Residenz. Vieles spricht demnach für eine Verortung der kaiserlichen Residenz nördlich bzw. nord-östlich des Circus innerhalb der Stadtmauern (vgl. Abb. 37, 14). In jedem Fall war das Ausmaß der imperialen Residenz nicht zu vergleichen mit den innerstädtischen Palastkomplexen in Residenzen wie Augusta Treverorum und Thessalonica. Demnach bleibt es fraglich, ob das sogenannte palatium von Aquileia tatsächlich die funktionalen Anforderungen an eine innerstädtische Palastanlage erfüllte, oder ob hier eher von einer temporär genutzten Wohnanlage in einer militärstrategisch wichtigen Stadt zu sprechen ist. Folglich unterscheidet sich auch die Gewichtung der Rolle der Stadt. Häufig wird sie als Kaiserresidenz klassifiziert und der archäologische Befund als Beleg für den Ausbau der Stadt entsprechend der neuen strategischen und politischen Bedeutung gewertet.930 Doch es gibt auch skeptische Stimmen, die anmerken, dass der Ausbau nicht sicher in tetrarchischer Zeit erfolgte und die Bedeutung des sogenannten Palastes in Aquileia kritisch zu hinterfragen ist.931
930 931
Vgl. Haug 2003, S. 94; Rieß 2001, S. 275f. Vgl. u. a. Duval 1973, S. 155f; Kuhoff 2001, S. 732; Heucke 1994, S. 380.
244
2 GAB ES EIN TETRARCHISCHES RESIDENZBAUPROGRAMM? Auf Basis der Untersuchung der einzelnen Residenzstädte lässt sich festhalten, dass alle Städte fast jedes der eingangs definierten Kriterien erfüllen: Sie waren alle spätestens ab der diokletianischen Verwaltungsreform Hauptstadt einer Provinz; in allen wurde während ihrer Zeit als Residenzstadt eine imperiale Münzstätte gegründet – mit Ausnahme von Mediolanum, wo sich diese im nahegelegenen Ticinum befand –, die in der Regel auch Goldprägungen herausgab; und die Herrscher hielten sich mehrfach dauerhaft in der Stadt auf. Auf Basis der Auswertung von Schriftquellen und der neueren archäologischen Forschung lassen sich für alle Residenzstädte Palastanlagen annehmen, mit Ausnahme von Serdica in Verbindung mit einem zumeist angrenzenden Circusbau. Die aus Rom bekannte Dualität von Palast und Circus wurde somit auf die tetrarchischen Residenzstädte übertragen. Dies gilt nicht nur für die wichtigen langjährigen Hauptresidenzen wie Nicomedia, Thessalonike, Augusta Treverorum und Mailand. Auch für Antiochia und Sirmium, die in Bezug auf ihre Bedeutung als tetrarchische Residenzstädte in der Vergangenheit oftmals kritisch debattiert wurden, lässt sich ein entsprechender administrativer und architektonischer Ausbau in Zusammenhang mit der Präsenz des Herrschers nachweisen. Im Falle Aquileias, das ebenfalls häufig als tetrarchische Herrschaftsresidenz in Frage gestellt wurde, muss konstatiert werden, dass hier aufgrund der unklaren Lokalisierung und Ausdehnung des Palastareals wenig Genaues bekannt ist. Aber der allgemeine Ausbau der Stadt in tetrarchischer Zeit, die Einrichtung der Münzstätte bereits im Jahr 294 n. Chr., die Existenz des Circus und der schriftlich überlieferte Palast deuten stark darauf hin, dass es sich hier tatsächlich um eine Hauptresidenz eines tetrarchischen Herrschers handelte, in der zumindest ein entsprechender Ausbau geplant war. Lediglich Serdica bleibt in seiner Rolle als Herrscherresidenz schwer zu bewerten. Zwar war es mehrfach Aufenthaltsort eines tetrarchischen Herrschers und verfügte seit 303 n. Chr. über eine imperiale Münztätte, doch gibt es keinerlei Hinweise auf die Existenz eines Hippodroms und auch eine Palastanlage ist weder schriftlich für die tetrarchische Zeit belegt noch auf Basis des archäologischen Befunds sicher als Palast zu identifizieren oder in diese Zeit zu datieren. Insgesamt war der Bau von innerstädtischen Palastanlagen außerhalb Roms, insbesondere in Verbindung mit einem angrenzenden Circusbau, ein Novum und ausschließlich den tetrarchischen Residenzstädten vorbehalten. Darüber hinaus wird in der Gesamtschau der Untersuchungsergebnisse deutlich, dass einige weitere Anmerkungen zur baulichen Ausstattung der tetrarchischen Residenzstädte möglich sind. 245
BAUTEN IN DEN TETRARCHISCHEN RESIDENZSTÄDTEN RESIDENZ
PALAST
CIRCUS
KAISERTHERME
ERWEITERUNG HORREUM MAUSOSTADTMAUER LEUM
TEMPEL
Nicomedia
x
x
x
x
x
Sirmium
x (?)
x
x
x
Antiochia
x
x x (Kaiserzeit)
x (?)
x
Thessalonike
x
x
x (?)
x (?)
x (?)
Serdica
x (?)
/
x
x
Augusta Treverorum
x
x
x
/
x
x (?)
Mediolanum
x
x
x
x
x
x (?)
Aquileia
x (?)
x
x
x
x
Abbildung 41: Tabellarische Übersicht der Bauten in tetrarchischen Residenzstädten auf Basis der Auswertung des archäologischen Befundes in den Kapiteln 1.1.–1.8. Ein bisher in der Forschung kaum diskutierter Aspekt ist, dass in der Mehrzahl der Städte in tetrarchischer Zeit imperiale Thermenbauten errichtet wurden oder bestehende kaiserzeitliche Thermen ausgebaut wurden. In Augusta Treverorum und Mediolanum sind die um 300 n. Chr. begonnenen Thermenbauten archäologisch fassbar, für Antiochia ist der Neubau einer massiven Thermenanlage unter Diokletian überliefert. Vermutlich konstantinisch ist die erst kürzlich als Therme des sogennannten kleinen imperialen Typus identifizierte St. Georgs-Rotunde in Serdica. Bestehende severische Thermenbauten wurden ausgebaut und vergrößert in Nicomedia (Diokletian), Sirmium (Licinius) und Aquileia (Konstantin). Generell scheint der Ausbau der städtischen Infrastruktur ein wichtiger Aspekt der tetrarchischen Bautätigkeit in den Resdienzstädten gewesen zu sein. Neben Münzprägestätten und Waffen- und Textilfabriken lassen sich Ausbauten an den städtischen Fora, Kolonnadenstraßen und Handelsplätzen nachweisen. Insbesondere die in mehreren Städten errichteten Speicheranlagen sind auch archäologisch fassbar. Darüber hinaus kam es in der Mehrzahl der Städte zu einer Restaurierung und Erweiterung der Stadtmauern. Die These, dass ein Mausoleumsbau ein wichtiger Teil des tetrarchischen Residenzbaus war, lässt sich für die Residenzstädte der aktiven Herrscher nicht bestätigen. Lediglich für die Rotunda in Thessalonike und das sogenannte Mausoleum des Maximian in Mailand ist die Deutung als imperiales Mausoleum wahrscheinlich. Die Rotunda in Thessalonike wurde jedoch nicht als solches genutzt und für Mediolanum ist unklar, ob Maximian tatsächlich dort bestattet wurde. Mittelalterliche Quellen deuten darauf hin, dass Constantius Chlorus in Trier bestattet wurde, doch ein entsprechender Mausoleumsbau ist bisher nicht lokalisiert. Auffällig ist außerdem das 246
Fehlen monumentaler Sakralbauten in den Residenzstädten. Lediglich für die Rotunda in Thessalonike wurde alternativ eine Deutung als Tempelbau vorgeschlagen. Im Folgenden sollen die genannten Bauten in den Residenzstädten bezüglich ihrer Bauweise, Verortung im Stadtgebiet und Funktion genauer besprochen werden.
2.1 PALASTANLAGEN Für alle hier besprochenen Residenzstädte sind für die Zeit der Tetrarchie innerstädtische Palastanlagen belegt oder zumindest plausibel zu argumentieren. Problematisch ist jedoch, dass die Anlagen oftmals nicht in ihrer Gänze bekannt sind und teilweise in ihrer Lokalisierung nicht gesichert.932 C. Witschel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine allzu kritische Haltung bezüglich Unsicherheiten bei der Identifikation von baulichen Überresten als Palast, wie sie beispielsweise N. Duval wiederholt vorgebracht hat, bei einer Gesamtschau der Quellen unter Umständen aufzulockern sei: „So richtig es aber grundsätzlich ist, beim Fehlen von eindeutigen Indizien methodische Vorsicht bei der Identifizierung von Palastanlagen walten zu lassen, so ist doch davor zu warnen, eine solche Position zu rigoros auszulegen. Wenn nämlich ein Ort aus anderen Quellen als relativ regelmäßiger Aufenthaltsort der Kaiser bekannt ist, in ihm ein palatium oder eine regia literarisch beziehungsweise epigraphisch bezeugt sind, zudem die mittelalterliche Toponomastik auf einen Palastbezirk hinweist und sich dann in der solchermaßen angezeigten Region Reste großzügig gestalteter und reich ausgestatteter Repräsentationsund Wohnarchitektur finden, scheint es mir übertrieben, dies nicht als mögliche Teile der Kaiserresidenz in Betracht zu ziehen.“ 933
Auf Basis der in den vorangegangenen Kapiteln zu den jeweiligen Residenzstädten vorgenommenen Gesamtschau der Ergebnisse der neueren archäologischen Forschung und der Schriftquellen sind einige weiterführende Erkenntnisse zur Struktur innerstädtischer tetrarchischer Palastanlagen möglich. Allerdings unterschieden sich die Städte in Bezug auf ihre Dauer und Bedeutung als Residenz und somit eventuell auch in der Ausgestaltung der Palastanlagen.
932
933
Dies wurde mehrfach von N. Duval problematisiert, vgl. u. a. Duval 1987; Duval 1997. Zuletzt griff dies H. Ziemssen auf und argumentierte, dass die Lokalisierung von Palastanlagen auch deshalb schwierig sei, weil es keine belastbaren Kategorien zur Identifizierung von Baukomplexen als Kaiserpalast gibt. Vgl. Ziemssen 2012a, S. 87. Witschel 2004/05, S. 231.
247
Nicomedia war elf Jahre lang (von 285–296 n. Chr.) neben Sirmium die Hauptresidenz des Diokletian und anschließend nochmals für drei Jahre von 302–305 n. Chr. Die Existenz einer durch Diokletian erbauten Palastanlage ist durch Laktanz überliefert. Auch wenn diese bisher nicht lokalisiert und somit kein archäologischer Befund vorhanden ist, spricht vor allem der Status der Stadt dafür, dass hier eine der weitläufigsten und prächtigsten der tetrarchischen Palastanlagen anzunehmen ist. Dies zeigt sich in der Vielzahl wichtiger Ereignisse, die während der Regierungszeit des Diokletian in Nicomedia zu verorten sind. Er wurde hier 284 n. Chr. zum Augustus ausgerufen, vermutlich ernannte er hier auch Maximianus zum Caesar und später zum Augustus, 293 n. Chr. erhob er hier Galerius zum Caesar und auch seine Abdankung mit gleichzeitiger Ernennung des Galerius zum Augustus und des Maximinus Daia und des Severus zu Caesaren im Jahr 305 n. Chr. fand hier statt. Folglich handelte es sich bei Nicomedia eindeutig um die wichtigste Residenz des Diokletian, für die eine entsprechend repräsentative Palastanlage anzunehmen ist. Auch unter den nachfolgenden Tetrarchen fungierte Nicomedia als Kaiserresidenz. Maximinus Daia residierte wohl nur ein Jahr von 311–312 n. Chr. hier, doch unter Licinius war die Stadt spätestens ab 317 n. Chr. bis zu seiner Abdankung nach der Niederlage gegen Konstantin im Jahr 324 n. Chr. nochmals für 7 Jahre die Hauptresidenz. Auf die Weitläufigkeit und die funktionale Unterteilung deutet die Zusammenschau der vereinzelten Quellennennungen hin: Im Palast fanden Sitzungen des kaiserlichen Rates statt, was deutlich macht, dass hier ein entsprechender Raum für Verwaltungsfunktionen vorhanden gewesen sein muss. Die überlieferten Wohngebäude für seine Frau und seine Tochter werden sich ebenfalls im Palastreal befunden haben, des Weiteren ist natürlich ein Wohnbereich für Diokletian selbst anzunehmen. Insofern wird es einen entsprechend repräsentativen Residenzteil gegeben haben. Darüber hinaus wird eine kaiserliche Warte erwähnt, von der aus die Kaiser die Stadt überblicken konnten. Die Beschreibung des Libanius, wonach der Palast über der Bucht im Licht glänzte, deutet ebenfalls auf eine Anlage von entsprechender Weitläufigkeit und Monumentalität hin. Auch für Antiochia ist ein maßgeblicher Ausbau unter Diokletian durch die schriftliche Überlieferung belegt, auch wenn der archäologische Befund nur sehr wenig genaue Informationen liefert. Zwar gilt die Stadt nur für einen Zeitraum von drei Jahren zwischen 299–302 n. Chr. als Hauptresidenz Diokletians, doch muss der Ausbau der Stadt bereits zuvor bei einem der gelegentlichen Besuche Diokletians begonnen worden sein. Denn bereits 298 n. Chr. feierten Diokletian und Galerius hier einen gemeinsamen Triumph nach dem Sieg des Galerius über die Perser und die Abbildung des Palastes auf einem Relief mit einer Darstellung des Triumphs am Galeriusbogen in Thessalonike macht äußerst wahrscheinlich, dass dieser zum damaligen Zeitpunkt zumindest im Bau befindlich gewesen sein muss. In Sirmium liegt der Fall etwas anders. Sirmium war elf Jahre lang wiederholt die Residenz des Diokletian, doch die markanten Ereignisse fanden nicht hier, sondern in Nicomedia statt. Auch kehrte Diokletian nach 296 n. Chr. nicht mehr nach Sirmium zurück. Erst unter Licinius wird Sirmium von 248
308–316 n. Chr. tatsächlich als Hauptresidenz gedient haben, vor allem der inschriftlich überlieferte Bau der Licinius-Thermen stützt die Bedeutung der Residenz für den Herrscher, bevor dieser nach Nicomedia übersiedelte. Von 317–324 n. Chr. diente Sirmium nochmals sieben Jahre als Herrscherresidenz, dieses Mal unter Konstantin, der in diesem Zeitraum auch häufig in Serdica und manchmal Thessalonike residierte. Für den Status der Stadt unter Konstantin spricht die Einrichtung der imperialen Münzprägestätte im Jahr 317 n. Chr. Folglich ist auch der maßgebliche Ausbau der Stadt in die Zeit des Licinius und des Konstantin zu datieren, worauf auch der archäologische Befund im Hippodrom hindeutet. Die Gewichtung der bereits ab Diokletian sicher anzunehmenden kaiserlichen Palastanlage ist jedoch auf Basis der Schriftquellen und des archäologischen Befundes schwierig. Auf Basis der neueren Statuenfunde ist jedoch eine imperiale Nutzung des als Palast angesprochenen Areals gesichert und dessen Weitläufigkeit sowie der Umstand, dass die Stadt sowohl unter Licinius als auch unter Konstantin eine wichtige Residenz war, legen nahe, dass auch hier spätestens ab 308 n. Chr. die Residenz des Diokletian zu einer entsprechend monumentalen Palastanlage ausgebaut wurde. In Thessalonike ist das Palastareal in seiner Gestalt und Ausdehnung deutlich besser bekannt als in den diokletianischen Residenzstädten. Die Stadt war insgesamt acht Jahre lang die Hauptresidenz des Galerius und das südöstlich des Galeriusbogens identifizierte Palastareal mit einer Vielzahl an öffentlich-repräsentativen Bereichen (Galeriusbogen, Apsidensaal, Peristylhof, Oktogon mit Südperistyl) wird in weiten Teilen auf ihn zurückgehen. Von 317–324 n. Chr. war Thessalonike zudem häufiger Aufenthaltsort Kaiser Konstantins, was einen weiteren Ausbau in dieser Zeit wahrscheinlich macht. Auch für Trier und Mailand ist die Existenz eines Palastes unbestritten. Die Bedeutung Triers als Residenzstadt des Maximian, des Constantius Chlorus und anschließend Konstantins im Westen des Imperium Romanum ist ähnlich wie die Nicomedias unter Diokletian im Osten zu bewerten. Die Stadt war knapp 30 Jahre lang durchgehend die Hauptresidenz eines Mitglieds des tetrarchischen Herrschaftskollegiums. Entsprechend ist auch die Beschreibung aus dem Panegyricus auf Konstanin aus dem Jahre 310 n. Chr. zu bewerten, in dem die königlichen Bauwerke und der Sitz der Gerechtigkeit aufgrund ihrer Höhe als „der Gestirne und des Himmels“ würdig bezeichnet werden. Auch auf Basis des archäologischen Befundes lässt sich bereits in tetrarchischer Zeit eine – wenn auch dauerhaft im Ausbau befindliche – weitläufige Palastanlage mit Repräsentations- und Residenzbereichen nachweisen, wovon nicht nur die Palastaula, sondern auch die Hofanlagen östlich dieser sowie die Überreste des Wohnareals im Süden zeugen. Mailand war über einen Zeitraum von 12 Jahren die Hauptresidenz des Augustus Maximian, folglich ist auch hier eine weitläufige Palastanlage ähnlich der in Nicomedia, Antiochia und Trier anzunehmen. Zwar ist der archäologische Befund in dem als Palastareal identifizierten Gebiet sehr spärlich, doch die Schriftquellen, insbesondere der Panegyricus von 291 n. Chr. belegen bereits zu diesem Zeitpunkt einen kaiserlichen Palast in der Stadt, der sicherlich in der Folgezeit ähnlich dem Palastkomplex in Trier kontinuierlich ausgebaut worden sein wird. Dies legen auch die weiteren Baumaßnahmen in Mediolanum nahe. Mit dem Circus, den Herculesthermen, großangelegten 249
Speicherbauten und der Erweiterung der Stadtmauern wurden hier Bauvorhaben realisiert, die im Einklang mit dem Ausbau der anderen wichtigen Herrschaftsresidenzen stehen. Problematisch in Hinblick auf die Bestimmung der Palastanlage bleiben Serdica und Aquileia. Serdica war zwar fünf Jahre lang die Hauptresidenz des Galerius, bevor dieser nach der Konferenz von Carnuntum wieder nach Thessalonike zurückkehrte, doch ist dessen Itinerar in dieser Zeit oftmals unklar und folglich auch ein Ausbau Serdicas unter Galerius – vor allem aufgrund fehlender ergänzender Schriftquellen – nicht sicher bestimmbar. Von 316–324 n. Chr. war die Stadt dann eine der Residenzen Konstantins, aber auch für diese Zeit gibt es keinerlei Hinweise in den Schriftquellen auf einen Palast oder einen Circus. Zwar lässt sich im frühen 4. Jahrhundert ein maßgeblicher Ausbau der Stadt feststellen und es muss auch eine Residenz für den Kaiser gegeben haben, gesicherte Aussagen sind jedoch kaum zu treffen. Das als Palastareal gedeutete Gelände im Südosten der Stadt wäre der wahrscheinlichste Ort für die Identifizierung einer kaiserlichen Residenz, doch ob man hier von einer Palastanlage im Sinne der für die anderen Residenzstädte anzunehmenden Areale ausgehen kann ist kritisch zu bewerten. Für Aquileia ist der Status der Stadt als Herrscherresidenz sowie das Ausmaß der zwar schriftlich überlieferten, aber bisher nicht sicher lokalisierten Palastanlage ähnlich kritisch zu bewerten wie im Falle von Serdica. Es sind mehrere kaiserliche Aufenthalte und auch ein Ausbau der Stadt in tetrarchischer Zeit und nach 324 n. Chr. unter Konstantin belegt, doch ob hier von einer weitläufigen Palastanlage als dauerhafter Sitz des Herrschers mit den entsprechenden Verwaltungsfunktionen und repräsentativen Bereichen auszugehen ist, bleibt fraglich. Abgesehen von dem oft spärlichen archäologischen Befund birgt die Analyse von spätantiken Palästen als Architekturtypus mehrere Schwierigkeiten, denn bei den spätantiken Palastanlagen wurden bauliche Elemente aus der Villenarchitektur sowie des stadtrömischen Palastes auf dem Palatin übernommen. Gleichzeitig beeinflussten die tetrarchischen Palastanlagen offensichtlich wiederum die spätantike Villenarchitektur.934 Dies erschwert die Identifizierung von Palastanlagen, denn abgesehen von der Größe der Palastanlagen ist es auf Basis von bautypologischen Kriterien nicht immer möglich zwischen Palast, Residenz eines kaiserlichen Beamten und Villa zu differenzieren. Daher ist der Palast weniger über spezifische Bauformen zu definieren, sondern vor allem über die Funktion. Ausschlaggebend waren die Anwesenheit des Kaisers und die Ausübung der Regierungstätigkeit, was sowohl verwaltungstechnische als auch zeremonielle
934
Zu den bautypologischen Parallelen und Wechselwirkungen zwischen (spätantiken) Villen und Palastanlagen vgl. u. a. Thür, Hilke: Überlegungen zur Typologie und Funktionsbestimmung der römischen „Villa“. In: Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 19–45; Teichner, Felix: Spätantike Großvillen und Residenzen auf der Iberischen Halbinsel. In: Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 293–308, S. 302ff.
250
Aspekte miteinschließt. Für die Erfüllung dieser Funktionen sind dann wiederum die zugehörigen Gebäude vorauszusetzen sowie eine dem Repräsentationsbedürfnis der Herrscher gerecht werdende Größe und Pracht der Bauten sowie eine entsprechende Weitläufigkeit der Anlage.935 I. Nielsen unterscheidet bei der Definition von antiken Palastanlagen zwischen compact palaces, bestehend aus einem großen Gebäude, und palace complexes, bestehend aus einer Vielzahl von Gebäuden, die über ein größeres Areal in einem Park verteilt sind. Unabhängig von der baulichen Anlage definiert sie die funktionalen Anforderungen an einen idealtypischen Palast: „1. Official and ceremonial function (audience hall, council hall, court room, reception hall/area); 2. Social function (banqueting halls and installations); 3. Religious function (temple for the tutelary deity, dynastic sanctuary, mauolaeum/tomb for the dynasty); 4. Defensive function (precinct walls, citadel/akra, barracks and arsenal); 5. Administrative function (offices, archives, treasury); 6. Service function (storeroom/magazines, kitchens etc., servants’ quarters); 7. Residential function for the king and his family (bedrooms, bathrooms, private dining rooms, harem); 8. Residential function for the court/guests (apartments); 9. “Public” function (gymnasium/palaestra, baths, library, theatre, hippodrome, stadion); 10. Recreational function (gardens, parks, pavilions, [swimming] pools, stadion, hippodrome).”936
Ähnlich argumentiert K. L. Noethlichs, der für den Palast Konstantins in Konstantinopel auf Basis der Vorläufer in Rom und in den tetrarchischen Residenzstädten folgende Grundelemente für die architektonische Umsetzung der Kaiseridee im Palast formuliert: „Zusammenfall von Privathaus und Dienstwohnung, die baulichen Möglichkeiten, Senatssitzungen im oder beim Palast abzuhalten, ebenso Gerichtssitzungen, Verbindung des Hauses mit einem Kultbau (Tempel), weil der Kaiser immer auch pontifex maximus war, ein enger baulicher Zusammenhang der Kaiserwohnung mit einem Raum für öffentliche Versammlungen und Lustbarkeiten wie Zirkus, Theater oder Hippodrom sowie Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken in unmittelbarer Nähe.“937
935 936
937
Vgl. hierzu auch die einführenden Bemerkungen zur Definition tetrarchischer Residenzstädte auf S. 13f. Nielsen, Inge: Gardens Palaces and Temples. How may the gardens and parks of royal palaces of antiquity illuminate power relationships and legitimation of power, and what roles did religion in the form of temples play? In: Ganzert, Joachim/Nielsen, Inge (Hrsg.): Herrschaftsverhältnisse und Herrschaftslegitimation. Bau- und Gartenkultur als historische Quellengattung hinsichtlich Manifestation und Legitimation von Herrschaft. LIT Verlag, Berlin/Münster/Wien 2016. S. 113–128, S. 114. Noethlichs 1998, S. 22.
251
Die tetrarchischen Palastanlagen in den Residenzstädten wären nach I. Nielsen als palace complexes einzuordnen und erfüllen den Großteil der von K. L. Noethlichs und I. Nielsen definierten Punkte. Allerdings lassen sich weder die von beiden als grundlegend definierten Sakralbauten annehmen noch die von Nielsen erwähnte Defensivfunktion.938 Wie für die römische Palastanlage auf dem Palatin in Rom gab es in den tetrarchischen Residenzstädten keine das Palastareal abschließenden Schutzwälle. Der Schutz des Herrschers und seiner Familie scheint vor allem über strenge Zugangskontrollen und die Leibgarde gewährleistet worden zu sein. Dies ändert sich erst bei der Anlage der tetrarchischen Alterssitze, die von starken Mauerzügen umgeben waren. Doch auch hier ist zweifelhaft, dass diese vor allem eine Defensivfunktion erfüllten, vielmehr scheint der Fokus auf der symbolischen Inszenierung von Wehrhaftigkeit gelegen zu haben.939 Speziell für die Zeit der Tetrarchie bzw. der Spätantike allgemein ist zu unterscheiden zwischen „Palästen im städtischen Kontext, […], die als eigentlicher Regierungs- und Wohnsitz des Herrschers gelten“ und luxuriösen Villen ohne Anbindung an eine Stadt oder der Misch- bzw. Zwischenform wie sie in den tetrarchischen Alterssitzen fassbar wird. Darüber hinaus ist für Villen inmitten von Städten, die Sitz von Provinzstatthaltern oder anderen hochrangigen kaiserlichen Beamten waren, anzunehmen, dass diese ebenfalls als temporäre kaiserliche Residenz bei Besuchen des Herrschers dienen konnten.940 Hier sei nochmals auf die eingangs formulierten Distinktionskriterien für tetrarchische Residenztstädte in Abgrenzung zu Alterssitzen und suburbanen Villenanlagen verwiesen.941 Vor diesem Hintergrund sind für die vorliegende Untersuchung lediglich die innerstädtischen Palastkomplexe in tetrarchischen Herrscherresidenzen von Relevanz. Trotz aller definitorischen und bautypologischen Schwierigkeiten lassen sich einige wiederkehrende konzeptionelle und architektonische Komponenten tetrarchischer innerstädtischer Palastanlagen beobachten.942
938
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940
941 942
Zum Fehlen monumentaler Tempelanlagen in oder bei den innerstädtischen tetrarchische Palastanlagen vgl. Kap. 2.7. Vgl. Busch, Alexandra: Schutz und Verteidigung kaiserlicher Residenzen und Villen im Spiegel archäologischer und literarischer Quellen. In: Arnold, Felix/Busch, Alexandra/Haensch, Rudolf/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Orte der Herrschaft. Charakteristika von antiken Machtzentren. Leidorf, Rahden/ Westf. 2012. S. 113–124. Vgl. Bülow, Gerda von/Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011, S. 309. Vgl. Kap. 1., S. 13f. Wiederkehrende Elemente tetrarchischer Palastanlagen und ihre Bedeutung für das spätantike Herrschaftszeremoniell wurden zwischenzeitlich weiterführend diskutiert in: Jaeschke, Verena: Adapting to a New Concept of Sovereignty: Some Remarks on Tetrarchic Palace Architecture. In: Mulvin, Lynda /Westbrook, Nigel (Ed.): Late Antique Palace Architecture. Palaces and Palace Architecture: Patterns of Transculturation. Architectual Crossroads, Studies in the History of Architecture, Vol. 5. Brepols, Turnhout 2019. S. 63–76
252
2.1.1. LAGE UND ZUGANGSITUATION Die Mehrheit der Palastanlagen in tetrarchischen Residenzstädten zeigen wiederkehrende Komponenten bezüglich ihrer Verortung im Stadtgebiet und der Zugangssituation. Das bekannteste Merkmal ist hierbei, dass die sicher identifizierbaren Palastanlagen ebenso wie die mit hoher Wahrscheinlichkeit als Palastanlagen anzusprechenden Areale in räumlicher Verbindung zu einer Circusanlage standen.943 Die einzigen Ausnahmen hierbei sind Nicomedia und Aquileia, wo sich aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der Lokalisierung des Palastareals ein räumlicher Zusammenhang zwischen Palast und Circusanlage nur vermuten lässt sowie Serdica, das nicht mit einem Hippodrom ausgestattet war. Darüber hinaus fallen jedoch weitere Gemeinsamkeiten auf, wie die Lage am Stadtrand – häufig in einem neu angelegten Stadtviertel oder einem niedergelegten Wohnviertel –, die Lage an der Küste bzw. am Flussufer sowie die Zugangsituation von der Stadt her über monumentale Tetrapyla oder Ehrenbögen, teilweise mit den Palastarealen vorgelagerten Platzanlagen. LAGE & ZUGANGSSITUATION GRÖßE PALAST IN
LAGE AM/IN:
ZUGANG ÜBER:
CIRCUS
STADTRAND
MEER/ FLUSS
NEUEM STADTVIERTEL
TETRAPYLON / TORBOGEN
VORPLATZ
Nicomedia
x (?)
x (?)
x (?)
x (?)*
(Sirmium)
ca. 20 ha
x
x
x
x
Antiochia
x
x
x
x
x
x
Thessalonike
ca. 5 ha
x
x
x
x (?)*
x
(Serdica)
ca. 2,25–3 ha
/
x
/
niedergelegtes Wohnviertel
x (Torbogen)
Augusta Treverorum
ca. 16 ha
x
x
/
/
x
Mediolanum
x
x
/
/
(Aquileia)
x (?)
x (?)
/
/
* oder niedergelegtem Wohnviertel.
Abbildung 42: Tabellarische Übersicht der Lage und Zugangssituation tetrarchischer Palastanlagen auf Basis der Auswertung des archäologischen Befundes in den Kapiteln 1.1.–1.8.944 943 944
Vgl. hierzu Kap. 2.2. Eine erweiterte Version dieser Tabelle wurde in englischer Sprache publiziert in Jaeschke 2019, Fig. 1, S. 65.
253
2.1.1.1 LAGE AM STADTRAND & AN DER KÜSTENLINIE/AM FLUSSUFER Auffallend in Bezug auf die Lage der Palastkomplexe ist, dass sich alle lokalisierten Palastanlagen am Stadtrand befanden. Dies galt für Thessalonike, Augusta Treverorum, Mediolanum und Antiochia. Auch die als Palastanlagen angesprochenen Areale in Sirmium, Serdica und vermutlich Aquileia befanden sich am Stadtrand. Für das bisher nicht lokalisierte Palastareal in Nicomedia lässt sich aufgrund der Schriftquellen ebenfalls plausibel für eine Verortung am Stadtrand argumentieren.945 Häufig waren die Stadtviertel, in denen sich die Palastanlagen befanden, entweder aufgrund der vorangegangenen Erweiterung der Stadtmauern neu entstanden, oder durch die Niederlegung der kaiserzeitlichen Wohnbebauung geräumt worden – so der Fall in Nicomedia, Sirmium, Antiochia, Thessalonike und Serdica. Insbesondere die Palastanlagen in den Residenzstädten im Osten des Imperium Romanum waren meist nicht nur am Stadtrand, sondern gleichzeitig auch an der Küstenlinie bzw. am Flussufer gelegen. In Thessalonike erstreckte sich das Palastareal vermutlich bis kurz vor die Küstenlinie des Thermaischen Golfs, in Sirmium verliefen die spätantiken Stadtmauern, an welche der Palast grenzte, kurz vor dem Ufer der Sava und auch in Antiochia erstreckte sich der Palast auf der Orontes-Insel bis zum Flussufer. Auch für Nicomedia kann aufgrund der Beschreibung des Libanios davon ausgegangen werden, dass sich der Palast entlang der Küstenlinie erstreckte. Eine Ausnahme bildet Augusta Treverorum, hier grenzte das Stadtgebiet zwar direkt an die Mosel, doch das Palastareal wurde am anderen Ende der Stadt auf dem Areal des niedergelegten ‚Regierungsviertels‘ mit dem ehemaligen Legatenpalast nahe dem bereits bestehenden Circus errichtet. Die Lage am Stadtrand wird zunächst aus praktischen Gründen verständlich. Die tetrarchischen Residenzstädte waren in der Regel gewachsene Städte, die in ihrer Region in wirtschaftlicher, administrativer und kultureller Hinsicht eine Zentralfunktion ausübten. Entsprechend war das Stadtgebiet in den meisten Fällen strukturiert durch bereits bestehende öffentliche Repräsentations- und Unterhaltungsbauten sowie Wohngebiete. Die Palastkomplexe waren weitläufige Anlagen, die entsprechend Platz benötigten. Dieser war am ehesten am Stadtrand zu realisieren, entweder durch die Erweiterung der Stadtmauern oder durch die Niederlegung bestehender Wohnviertel. Aufgrund der Monumentalität der Bauten und des räumlichen Bezuges zu wichtigen Unterhaltungsbauten, vor allem zu den angrenzenden Circusanlagen, wird der Palast trotz seiner Randlage weithin sichtbar und den Bewohnern der Stadt durchaus präsent gewesen sein. Gleichzeitig erfolgte durch die dezentrale Lage jedoch eine Distanzierung des Herrschers. Die Visualisierung der herrschaftlichen Präsenz bei gleichzeitiger Zurückgezogenheit wird auch durch die Lage an der Küstenlinie erreicht. Reisende, die vom Wasser aus die Stadt erreichten, 945
Vgl. Kap. 1.1.2.2.
254
nahmen sofort den kaiserlichen Palast wahr, der jedoch aufgrund seiner Monumentalität auch eine entsprechende Unzugänglichkeit ausgestrahlt haben wird.
2.1.1.2 ZUGANG ÜBER EIN TETRAPYLON/EINEN TORBOGEN Für die Residenz des Galerius in Thessalonike ist mit dem Galeriusbogen ein monumentales Tetrapylon belegt, das den Übergang von der Stadt zur Palastanlage, zur Rotunda und zum Hippodrom markierte. Das für Antiochia überlieferte Tetrapylon der Elephanten scheint eine ähnliche Scharnierfunktion eingenommen zu haben und könnte ebenfalls bereits Teil der diokletianischen Palastanlage gewesen sein. Für Serdica lässt sich ein zwischen 316 und 324 n. Chr. zu datierender Torbogen an der westlichen Zugangsstraße zum sogenannten Palastareal als Eingangsportal deuten. Auch in der Altersresidenz des Galerius in Felix Romuliana vermittelte ein Tetrapylon zwischen dem Mausoleum und dem ummauerten Stadtgebiet.946 Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass auch für die anderen Residenzstädte Tetrapyla oder Triumphbögen an den zentralen Zuwegen zum Palastareal anzunehmen sind, wie es beispielsweise von M. Jeremić für Sirmium postuliert wird. Dafür spräche, dass an städtischen Verkehrsknotenpunkten gelegene Triumphbögen, Tetrapyla, Tetrakionia und Vier-Säulen-Monumente (Tetrastyloi) in tetrarchischer Zeit anscheinend ähnlich systematisch über das Reich verteilt wurden wie Porphyrstatuen der Tetrarchen. So ist die Errichtung von Ehrenbögen anlässlich von Regierungsjubiläen und außenpolitischen Erfolgen in tetrarchischer Zeit nicht nur für Thessalonike belegt; es wurden beispielsweise der Arcus Novus an der Via Lata in Rom, der Ehrenbogen von Macomades in Numidien, der Bogen von Nikaia und der Bogen von Emerita in einem solchen Kontext errichtet. Die wohl prominentesten Beispiele für tetrarchische Statuenmonumente außerhalb der Residenzstädte sind das sogenannte Süd-Tetrapylon (Tetrakionion) in Gerasa und die beiden Vier-Säulen-Monumente im Militärlager von Luxor.947 946 947
Vgl. Vasić 2007, S. 48. Vgl. Kolb 2001, S. 162; Thiel, Wolfgang: Tetrakionia. Überlegungen zu einem Denkmaltypus tetrarchischer Zeit im Osten des Römischen Reiches. In: AnTard 10, 2002, S. 299–326. S. 301ff und S. 325. Weitere tetrarchische Statuenmonumente sind unter anderem bekannt aus Ephesus, Korinth, Salamis, Caesarea Maritima, Thamugadi, Thubursicu Numidarum, Thugga und Agbia. Vgl. Davenport, Caillan: Imperial ideology and commemorative culture in the Eastern Roman Empire, 284–450 CE. In: Dino, Danijel/Parry, Ken (Ed.): Byzantium, its neighbours and its cultures. Australian Association for Byzantine Studies, Brisbane 2014. S. 45–70, S. 48; Eck, Werner: Das Herrschaftskonzept Diocletians im Spiegel öffentlicher Monumente. In: Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Repräsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 323–347. W. Thiel stellt außerdem die These auf, dass die sogenannte Pompeius-Säule in Alexandria, die Diokletian
255
Es stellt sich folglich die Frage, wie die urbanistische Funktion der Statuenmonumente und Ehrenbögen zu bewerten ist. In Zusammenhang mit der Analyse der Tetrakionia im Osten des Römischen Reiches führte W. Thiel aus, dass Tetrapyla und Tetrakionia eine besondere Bedeutung bei der Abgrenzung von Stadtvierteln zukam. Ein entsprechender Bau markierte demnach häufig den Beginn einer neuen Zone der Stadt, auch unter rituellen Gesichtspunkten. Gleichzeitig illustrierten sie als öffentliche Monumente an zentralen Verkehrsknotenpunkten die allgegenwärtige Präsenz der Herrscher.948 In Bezug auf die tetrarchischen Tetrakionia und Säulenmonumente wird dies bei W. Thiel prägnant zusammengefasst: „Durch demonstratives Auftreten an den prominentesten Stellen im urbanistischen System einer Stadt, d. h. am Schnittpunkt der Verkehrsströme, dokumentierten die Tetrarchen ihre allgegenwärtige Präsenz. Über das Medium des Säulenbaldachins mit seinem transparenten, offenen Charakter und der dadurch erzielten Allansichtgkeit der Statuen konnten kaiserliche Qualitäten wie maiestas und nobilitas, in Inschriften in stereotypen Formeln wiederholt, sowie ihre sakralisierte, eigene Göttlichkeit reklamierende Aura (numen) in geeigneter Weise zur Geltung gebracht werden. […] Auch wenn die Statuen der vier formell selbständigen Teilherrscher und de iure gleichberechtigten Partner jeweils isoliert auf einem Podium standen, so waren diese in ihrer Gestaltung dennoch identisch. Wie der einzelne Pfeiler Autorität und Autokratie des einzelnen Teilherrschers suggeriert, so signalisiert die an sich gleichförmige Gestaltung der Pfeiler in ihrem symmetrischen Arrangement die Gleichwertigkeit der einzelnen Herrscher sowie ihre concordia bzw. fraternitas untereinander.“949
Auch der Bildschmuck der reichsweit verteilten Ehrenbögen und Tetrapyla, u.a. des Tetrapylons in Antiochia und des Torbogens in Serdica, wird vermutlich ähnlich wie der Galeriusbogen in
948 949
nach dessen Niederschlagung der Usurpation des Domitius Domitianus gewidmet worden war, Teil einer Vierergruppe monumentaler Ehrensäulen war und somit ebenfalls als Vier-Säulen-Monument zu rekonstruieren ist. Vgl. Thiel, Wolfgang: Die ‚Pompeius-Säule‘ in Alexandria und die Viersäulenmonumente Ägyptens. Überlgeungen zur tetrarchischen Repräsentationskultur in Nordafrika. In: Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Repräsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 249–322. Zur baulichen Differenzierung zwischen Tetrapylon und Tetrakionion vgl. ebenfalls W. Thiel. Ein Tetrakionion ist demnach ein Denkmaltypus, der als „Säulen-Baldachin-Architektur“ bezeichnet werden kann, bestehend aus vier überdachten Säulenpostamenten, die jeweils eine Statue trugen, aber untereinander nicht baulich verbunden waren. Wie die viertorigen, überdachten Tetrapyla waren Tetrakionia in der Regel an Straßenkreuzungen oder Zugängen zu Heiligtümern positioniert und nahmen eine Scharnierfunktion an Verkehrsknotenpunkten ein. Vgl. Thiel 2002, S. 301. Vgl. Thiel 2002, S. 320ff. Thiel 2002, S. 324.
256
Thessalonike die Vorzüge des tetrarchischen Systems bei gleichzeitiger Akzentuierung der individuellen Verdienste des jeweiligen Herrschers in seiner Region illustriert haben.950 Allerdings ist hierbei anzumerken, dass Tetrapyla, Säulenmonumente und Triumphbögen in der Regel Stiftungen reicher Bürger oder führender lokaler Politiker zu Ehren des Herrschers waren. Wenn also Tetrapyla im Kontext kaiserlicher Palastbautätigkeit analysiert werden, ist dabei zu beachten, dass es sich hierbei nicht zwangsläufig um eine direkt durch das Herrscherhaus gesteuerte Inszenierung gehandelt hat. Hierzu lässt sich jedoch argumentieren, dass von einer Wechselwirkung zwischen der kaiserlichen Repräsentationstätigkeit und dem Wirken der Stifter auszugehen ist. Dies wurde bereits in der älteren Forschung konstatiert, so vermutete beispielsweise H. P. Laubscher die Polis Thessalonike als Stifter des Galeriusbogens und formulierte bezüglich deren Intention: „Obwohl Galerius nicht selbst der Erbauer des Bogens war, muß er bzw. sein Hof das ikonographische Programm der Reliefs bestimmt oder wenigstens maßgeblich beeinflußt haben. Der in der Verherrlichung der Tetrarchie und ihrer politischen Erfolge gipfelnde Frieszyklus kann in der Komplexität seiner Sinnbezüge nur als unmittelbarer Ausdruck der kaiserlichen Staatsideologie verstanden werden.“951
E. Mayer entwickelte diese Überlegung weiter und führte am Beispiel spätantiker Staatsdenkmäler wie des Galeriusbogens seine These von der Existenz eines „panegyrischen Mileus“ aus. Demnach sei davon auszugehen, dass Tetrapyla, Säulenmonumente und Triumphbögen, auch wenn sie nicht direkt durch das Herrscherhaus errichtet wurden, durchaus der offiziellen Herrschaftsideologie entsprachen, da die stiftenden Eliten durch die herrschaftliche Selbstinszenierung geprägt waren und entsprechend die Erwartungshaltung des Kaiserhauses antizipierten und bedienten.952 Folglich sind Torbögen und Tetrapyla in ihrer Funktion als Zugangsportale zu kaiserlichen Palastanlagen in den Residenzstädten ebenfalls als Teil der imperialen Repräsentation zu verstehen. Sie verbildlichten dem jeweiligen Besucher beim Betreten des Palastbezirks die Vorzüge des zugehörigen Herrschaftssystems und markierten den Anspruch, dass der Zugang zur Palastanlage dem Zugang zu einem neuen Stadtbezirk entsprach. Zwar waren die Palastanlagen nicht durch Mauern von der restlichen Stadt abgegrenzt, doch in Zusammenhang mit der zurückgezogenen Lage am Stadtrand wurde anhand der Markierung des Palastzugangs durch Tetrapyla
950 951 952
Vgl. Kolb 2001, S. 162. Laubscher 1975, S. 15. Vgl. Mayer 2002, S. 4ff.
257
oder Torbögen architektonisch deutlich gemacht, dass man hier einen separaten Bereich der Stadt, sozusagen eine „Stadt in der Stadt“ betrat.953
2.1.2 WIEDERKEHRENDE ELEMENTE DER BAULICHEN GESTALTUNG Ebenso wie bei der Verortung der Palastanlagen im urbanen Kontext lassen sich auch bei der baulichen Gestaltung einige wiederkehrende Elemente feststellen. WIEDERKEHRENDE ELEMENTE DER BAULICHEN GESTALTUNG
PALAST IN
Nicomedia
SCHAUFASSADE/PORTIKUS IN RICHTUNG:
INNENANLAGE
CIRCUS
WASSER
STADT/ VORPLATZ
AUDIENZHALLE
PLATZANLAGE /HOF MIT PORTIKEN
TRICLINIUM
FUNKTIONALE EINHEITEN, repräsentativ/ residentiell
x (?)
x (?)
x
(Sirmium)
x
x
x
Antiochia
x
x
x
Thessalonike
x (?)
x (?)
x (?)
x (& Oktogon)
x
x (?)
x
(Serdica)
/
/
Oktogon
x
x
Augusta Treverorum
x (?)
/
x
x
x
x
Mediolanum
/
x
(Aquileia)
/
Abbildung 43: Tabellarische Übersicht der wiederkehrenden Elemente in der baulichen Gestaltung tetrarchischer Palastanlagen auf Basis der Auswertung des archäologischen Befundes in den Kapiteln 1.1.–1.8.954
953
954
Vgl. Curcic 1993. Ähnlich argumentiert auch A. Kirin in Bezug auf das westliche Eingangstor zur Palastanlage in Serdica, in dessen Anlage er Parallelen zu Stadttoren feststellt. Vgl. Kirin 2000, S. 297–300. Eine erweiterte Version dieser Tabelle wurde in englischer Sprache publiziert in Jaeschke 2019, Fig. 2, S. 66
258
2.1.2.1 SCHAUFASSADEN Für die Palastanlagen in Nicomedia, Sirmium, Antiochia, Thessalonike und Augusta Treverorum lässt sich plausibel für die Existenz von Schaufassaden argumentieren, wie sie vom Palatin in Rom bekannt sind. Hierbei ist zu differenzieren zwischen Hallenbauten mit Arkaden, die eine Verbindung zwischen Circus und Palast herstellten, mehrgeschossigen Portiken oder Exedren zur Stadt beziehungsweise zu einer dem Palasteingang vorgelagerten Hofanlage hin und Arkadengängen an der zur Küste oder zum Flussufer hingewandten Seite des Palastes. P. Zanker hat im Rahmen seiner Ausführungen zur domitianischen Palastanlage in Rom den Begriff der „sprechenden Fassaden“ geprägt. Die architektonische Inszenierung der Palastfassade zum Circus Maximus kann in diesem Zusammenhang als „symbolische Öffnung der Residenz zum Circus hin“ verstanden werden, während die Fassade in Richtung des Clivus Palatinus vor allem der (symbolischen) Kommunikation mit den auf der area palatina vor der Aula Regia versammelten Palastbesuchern diente, beispielsweise anlässlich der morgendlichen salutatio.955 U. Wulf-Rheidt schlägt vor, diese Begrifflichkeit auch auf die Schaufassaden in spätantiken Residenzen anzuwenden.956
Abbildung 44: Hypthetische Rekonstruktion der Palastfassade zum Circus Maximus im 4. Jahrhundert. Lengyel Toulouse Architekten auf einer Grundlage eines 3D-Modells von A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt, Architekturreferat des Deutschen Archäologischen Instituts, Zentrale Berlin. (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, Tafel 2.4.)
955
956
Zanker, Paul: Domitians Palast auf dem Palatin als Monument kaiserlicher Selbstdarstellung. In: Hoffmann, Adolf/Wulf, Ulrike (Hrsg.): Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom. Zabern, Mainz 2004. S. 86–99, S. 88ff. Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 300.
259
Abbildung 45: Circusanlagen mit angrenzenden Hallenbauten/Portiken in den tetrarchischen Residenzstädten. (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, S. 16, Abb. 9) Entsprechende Schaufassaden lassen sich aufgrund des archäologischen Befunds für Sirmium, Thessalonike und Trier annehmen. In Sirmium grenzte ein apsidial angelegter Hallenbau von mindestens 70 m Länge und ca. 24 m Breite direkt an das Hippodrom. Für Thessalonike ist eine ähnliche bauliche Verbindung zwischen der Audienzhalle und dem als Triklinium interpretierten Apsidensaal entlang der westlichen Längsseite des Hippodroms anzunehmen. In Trier 260
können auf Basis des neuen Lokalisierungsvorschlags der Circusanlage von U. Wulf-Rheidt die Überreste eines ca. 44 m langen Arcadenbaus mit anschließendem Portikus ebenfalls als ein entprechender Verbindungsbau interpretiert werden. Für Mediolanum ist ebenfalls ein an den Cirucs angrenzender apsidialer Hallenbau von ca. 70 m Länge gesichert. Allerdings grenzte dieser an die westliche Längsseite des Circus, entlang der Stadtmauer. Außer man geht davon aus, dass sich das östlich des Circus gelegene Palastareal bis in den Bereich nördlich des Circus erstreckte, lässt sich hier keine bauliche Verbindung zwischen Circus und Palastareal annehmen, sondern lediglich eine vom Palast unabhängige monumentale Schaufassade zum Circus.
Abbildung 46: Hypothetische Rekonstruktion der Lage des Circus in Trier mit angrenzendem Hallenbau. Oben: Die Palastanlage in Trier mit Arcadenbau im Osten. (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, S. 17, Abb. 10) Unten: Ausschnitt Stadtplan des antiken Trier mit hypothetischer Lage des Circus (gepünktelt) nach U. Wulf-Rheidt. (Quelle: Wulf-Rheidt 2014, S. 22, Abb. 12) 261
Während die Parallele zu der architektonischen Inszenierung der monumentalen Palastfassade auf dem Palatin zum Circus Maximus hin offensichtlich ist, könnte noch eine weitere stadtrömische imperiale Residenz Vorbildfunktion gehabt haben: Für das severische Sessorium am Stadtrand Roms ist ebenfalls eine bauliche Verbindung zwischen der kaiserlichen Residenz und der nahegelegenen Circusanlage belegt, in diesem Fall verband ein Korridor beide Bauten miteinander.957 Insbesondere an der Villa des Maxentius an der Via Appia in Rom zeigt sich, dass diese Architekturform zumindest in Rom zu tetrarchischer Zeit rezipiert worden sein muss. Hier lässt sich ein vergleichbarer Verbindungsbau nachweisen, da sich die der aula vorgelagerte Portikus in Form eines Korridors direkt bis zum Circus fortsetzte.
Abbildung 47: Die Villa des Maxentius. Grundriss des Residenzbereichs mit Verbindungsbau zum Circus. (Quelle: Wulf-Rheidt 2007, S. 77, Abb. 17)
957
Vgl. Kap. 2.2.
262
Die Schaufassaden zum Circus hin hatten vermutlich eine ähnliche Funktion wie die monumentale Exedra auf dem Palatin in Rom. Sie visualisierten einerseits die Präsenz und überhöhte Stellung des Herrschers in Richtung der im Circus sitzenden Zuschauer und erfüllten andererseits einen ganz praktischen Zweck, indem sie dem Herrscher als eine Art Zuschauerloge oder als Übergang zu der Kaiserloge im Circus dienten. Dies ermöglichte unter Umständen ein „plötzliches Erscheinen“ des Kaisers während Circusspielen. U. Wulf-Rheidt bringt die städtebauliche Bedeutung dieser räumlichen Verbindung in Rom und in den tetrarchischen Residenzstädten auf den Punkt: „Die Fassade versinnbildlichte damit auch die permanente Gegenwart des Kaisers nicht nur bei den Circus-Spielen, sondern ebenso im städtebaulichen Kontext. Selbst wenn der Kaiser, z.B. während Feldzügen, monate- ja jahrelang nicht in seinem Regierungssitz präsent war, war er symbolisch vorhanden und in Form der beeindruckenden Fassade auch fest im Stadtbild verankert. Gerade für die Kaiser der Tetrarchie, die aufgrund der politischen Lage nicht permanent in einer Residenz anwesend sein konnten, dürfte der Aspekt der versinnbildlichten Anwesenheit wichtig gewesen sein.“958
Auch das Prinzip eines Portikus, der in Richtung Stadt auf den Vorplatz des Palastes ausgerichtet ist, scheint auf die Palastanlage auf dem Palatin zurückzugehen. Betrat man die Palastanlage über den Eingang vom clivio palatino gelangte man auf eine Platzanlage, über die der Zugang zu den dahinter liegenden Repräsentationsräumen der Domus Flavia geregelt wurde. Hier ist auf Basis des archäologischen Befunds ein vorgelagerter Fassadenbau in Form einer Säulenhalle zu rekonstruieren, die in ihrer genauen Form jedoch bisher nicht gesichert ist. U. Wulf-Rheidt vermutet eine imposante Schaufassade, bestehend aus einer auf einem ca. 6 m hohen Podium angelegten Portikus, die tempelartig wirkte. Die Säulenhalle hätte dabei als eine Art Loggia fungiert, von der aus der Herrscher sich den wartenden Palastbesuchern zeigen konnte.959 In Trier war der Palasteingang ähnlich aufgebaut. Der Zugang wurde akzentuiert durch die vorgelagerte Platzanlage mit Portiken und die Vorhalle mit ihrem monumentalen Portal. Vermutlich wurde die apsidial angelegte Vorhalle auch für zeremonielle oder administrative Funktionen genutzt. Eine vergleichbare Schaufassade mit aufgesetzten Arkaden lässt sich für den Eingang zur Palastanlage von Antiochia rekonstruieren. Für Nicomedia deutet die Beschreibung des Laktanz auf eine ähnliche Aussichtsplattform hin, wenn dieser schreibt, dass Diokletian und Galerius die Plünderung einer Kirche von der kaiserlichen Warte im Palast aus beobachteten. In Thessalonike kann eine monumentale exedraförmige Struktur am westlichen Rand des Palast958 959
Wulf-Rheidt 2013, S. 292. Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 297; Wulf-Rheidt 2014, S. 9.
263
areals, wo der westliche Eingang zum Palastkomplex vermutet wird, ebenfalls als Schaufassade in Richtung Stadt interpretiert werden.
Abbildung 48: Rekonstruktionsvorschlag für den Platz vor der Aula Regia – Blick vom Domitiansbogen. Visualisierung von A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt und J. Pflug. (Quelle: Pflug 2014, S. 370, Abb. 8) Wie auf dem Palatin in Rom, dienten diese Bauten dem Kaiser vermutlich dafür, sich einer größeren Menge von Palastbesuchern zu zeigen. Da nicht alle Besucher in das Innere des Palastes vorgelassen wurden, war es über die Schaufassaden möglich, kurze Ansprachen oder Kundegebungen abzuhalten und die Sichtbarkeit des Herrschers wirkungsvoll zu inszenieren. Eine Schaufassade mit Arkadengängen in Richtung Meer ist durch die Altersresidenz des Diokletian in Split für die tetrarchische Zeit sicher überliefert.
Abbildung 49: Rekonstruktion der Seefassade in Split nach Niemann. (Quelle: Mayer 2002, S. 72, Abb. 22) 264
Eine vergleichbare Fassadenkonstruktion ist für die Palastanlage in Antiochia aufgrund der Beschreibungen in den Schriftquellen rekonstruierbar. In Hinblick auf die eindeutigen baulichen Parallen zur Palastanlage in Split ist recht sicher anzunehmen, dass diese bereits Teil der tetrarchischen Palastanlage war. Folglich lassen sich für Nicomedia und Thessalonike vergleichbare Konstruktionen vermuten, auch hier war der Palast von der Meerseite aus sichtbar. In Thessalonike ist durch das Oktogon mit dem vorgelagerten Südperistyl ein repräsentativer Empfangsbereich für über das Meer anreisende Besucher archäologisch fassbar. Es liegt daher nahe, dass auch der Eingangsbereich an der Küstenlinie über eine repräsentive Fassadenarchitektur inszeniert wurde. Im Kontext der tetrarchischen Palastanlagen ist die Funktion dieser Schaufassaden zunächst im Zusammenhang mit dem Aspekt des otium in kaiserlichen Wohnanlagen zu sehen. Die Arkadengänge in Richtung Küste dienten der Erholung und dem Blick in die Weite.960 Darüber hinaus erfüllten sie jedoch auch eine repräsentative Funktion. Im Sinne des „Sehens und Gesehenwerdens“ sind sie als ein Signal in Richtung der auf dem Meerweg anreisenden Besucher der Stadt zu deuten.961 Die Pracht des Palastes und somit auch die Macht und Präsenz des Herrschers war für alle Anreisenden weithin sichtbar.
2.1.2.2 KOMPLEXE WEGEFÜHRUNG & VERMITTELNDE PLATZANLAGEN Einige Gebäudetypen und Architekturelemente, die von der Palastanlage auf dem Palatin bekannt sind und auch in der Villenarchitektur verbindliche Ausstattungselemente waren, sind für die tetrarchischen Palastanlagen ebenfalls anzunehmen. Hierzu gehören neben einem Triklinium die gestalterischen Elemente wie Höfe, Portiken, Wasserbecken und eventuell Gartenanlagen. Die sicher anzunehmenden triclinia sind in den tetrarchischen Palastanlagen bisher schwer fassbar. Lediglich für das Palastareal in Mailand lässt sich der Dreikonchenbau an der Via Brisa aufgrund bautypologischer Aspekte relativ gesichert als Triklinium ansprechen. In Thessalonike wird vermutet, dass der apsidial angelegte Raum gegenüber der Audienzhalle, der vermutlich durch einen Korridor oder Hallenbau mit dieser verbunden war, als Speisesaal fungierte. Ähnlich schwer zu bestimmen sind die Gartenanlagen. In der Regel werden diese im Residenzbereich der Palastanlage vermutet, wie es für Sirmium, aber auch für Trier und Thessalonike vor-
960
961
Die Beschreibung des Ausblicks vom Palast in Antiochia bei Libanios als „[…] wie er einem Kaiser gebührt, da unten der Fluß vorüberfließt und rings die Villen der Vorstadt das Auge erfreuen“, trifft diesen Aspekt recht genau. Lib. or. 11.206, siehe Zitat auf S. 64. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 63.
265
geschlagen wurde. Auch für die Umgebung des Hippodroms scheinen Gartenanlagen in diesen Fällen wahrscheinlich.962 Was sich jedoch sowohl im archäologischen Befund als auch in den Schriftquellen feststellen lässt, sind die Vielzahl an Räumen und Sälen, die oft über lange, teilweise verwinkelte Korridore oder Wege erreichbar waren. Dies zeigt sich insbesondere in der Analyse der Strukturen im Palastkomplex von Thessalonike und dem sogenannten Palastareal von Serdica sowie in den bekannten Palastanlagen der Alterssitze in Split und Felix Romuliana. Die langen Straßen und Korridore mit teilweise verwinkelten Gängen und die Vielzahl der zu durchquerenden Gebäude und Hofanlagen steigerte die Erwartungshaltung des sie durchlaufenden Besuchers und inszenierte die kaiserliche maiestas.963 J. Pflug zeigt anhand seiner Analyse der Wege im kaiserzeitlichen Palast auf dem Palatin in Rom auf, wie die Konzeption der Wegeführung auf die Besucher wirken konnte. Hierfür stellt er fest, dass zunächst zu fragen ist, welche Besucher zu welchen Anlässen den Palast aufsuchten und wie weit der jeweilige Besucher in den Palast vorgelassen wurde. Hier wäre beispielsweise zu differenzieren zwischen der kaiserlichen Familie und dem zugehörigen Palast- und Wachpersonal, die sich unkompliziert in der Anlage bewegt haben, und Mitgliedern der Aristokratie, engen Beratern oder hohen Verwaltungsbeamten und Militärs, für die ebenfalls häufige Besuche anzunehmen sind. Darüber hinaus gab es Besucher, die lediglich zu bestimmten Anlässen oder mit konkreten Anliegen im oder vor dem Palast erschienen, beispielsweise Mitglieder von Gesandtschaften, Teilnehmer von Gerichtsverfahren oder Bittsteller. Auch die Anlässe variierten, so werden sich zur morgendlichen salutatio oder zu convivia eine Vielzahl von Besuchern eingefunden haben, deren Zugang zu den verschiedenen Teilen des Palasts und die damit zusammenhängende Intensität der Interaktion mit dem Kaiser vom jeweiligen Status der Person abhängig gewesen sein wird. Ähnliches wird für politische Beratungen und diplomatische Anlässe, wie dem Besuch von Gesandtschaften, gegolten haben.964
962
963 964
Vgl. Kap. 1.2.2.1, 1.4.2.1, 1.6.2.1 sowie Nielsen 2016, S. 121. Zum Aspekt der Herrschaftsrepräsentation durch weitläufige Park- und Gartenanlagen in und um antike Herrschaftspaläste vgl. ebd. S. 125 sowie für die römische Palastanlage auf dem Palatin Wulf-Rheidt, Ulrike: Otium als Herrschaftsideal? Die Rolle von Gärten und Villenelementen im römischen Palastbau. In: Ganzert, Joachim/Nielsen, Inge (Hrsg.): Herrschaftsverhältnisse und Herrschaftslegitimation. Bau- und Gartenkultur als historische Quellengattung hinsichtlich Manifestation und Legitimation von Herrschaft. LIT Verlag, Berlin/Münster/Wien 2016. S. 95–112. Vgl. Kuhoff 2001 am Beispiel der kaiserlichen Wohnräume in Split, S. 756. Vgl. Pflug, Jens: Der Weg zum Kaiser. Wege durch den Kaiserpalast auf dem Palatin in Rom. In: Kurapkat, Dietmar/Schneider, Peter I./Wulf-Rheidt, Ulrike: Die Architektur des Weges. Gestaltete Bewegung im gebauten Raum. Schnell & Steiner, Regensburg 2014. S. 360–381, S. 361f.
266
Der Weg zum Kaiser. Wege durch den Kaiserpalast auf dem Palatin in Rom | 369
Abb. 7 Rom, Übersichtsplan der Palastteile mit den vermuteten Zugängen
Abbildung 50: Rom, Übersichtsplan der Palastanlagen mit den vermuteten Zugängen auf dem Palatin. (Quelle: Pflug 2014,umS. 369, Abb. 7) genutzt und entsprechend den verschiedenen Erforderden Einlass zu reglementieren. Der bzw. die Eingännissen der kaiserlichen Hofhaltung organisiert werden43.
ge zum eigentlichen Gebäude dürften daher nicht nur Übergangszonen zwischen der Stadt und dem Palastareal Im Falle der römischen Palastanlage auf dem Palatin gabhaben, es vermutlich „offizielle“ dargestellt sondern warenvier klare Zäsuren auf demZugänge, ZuGAnG Zum PALAST Weg zum Kaiser. wobei der Zugang vom Clivus Palatinus am genauesten zu rekonstruieren ist. Dieser führte durch Die genaue Lokalisierung des bzw. der Zugänge zum Für die Organisation und die Inszenierung der Wege innerflavischen Palastneubau ist ein bisher in der Forschung einen Bogen des Domitian zunächst auf die area palatina mit der monumentalen Fassade der halb des Palastes spielen die Zugänge eine entscheidende kontrovers diskutiertes Thema. Eine fundierte BewerDomus Flavia. Von hierdergelangte man einen aufmeist die nicht Hofanlage Rolle, denn sie sind Ausgangspunkt für durch die interne tungschmalen wird dadurch Zugang erschwert, dass einzelne des soOrganisation des Palastes. Es ist davon auszugehen, Entwicklungsphasen zur Diskussionsgrundlage genannten no man’s land. Die Besucher, diedass Zugang zum Palastinneren erhielten,gemacht wurden dann die Zugänge zum Palastareal streng kontrolliert wurden, werden, sondern der vorhandene Bestand betrachtet
über das Insel Peristyl weitergeleitet in die jeweiligen Palastbereiche. Ein anderer Zugang führte vermutlich vom Nordwesten her direkt in die Domus Flavia. Weitere Zugänge werden über den 43 Vgl. dazu allgemein 1999, bes. die Kap. höfische salutatioSeveriana und Gastmähler. im Südosten vermutet. Augustus-Komplex imWinterling Südwesten und über Organisation, die Domus In Bezug auf die Wegeführung innerhalb des Palastareals rekonstruiert J. Pflug verschiedene mögliche Laufwege der Besucher unterschiedlichen Ranges zu verschiedenen Anlässen wie beispielsweise bei der Begrüßung von dem Kaiser näher stehenden Besuchern in kleinen Gruppen oder anlässlich von Banketten mit einer Vielzahl von Teilnehmern, die entsprechend ihres Ran267
ges positioniert wurden. Hierbei zeigt er auf, dass durch die Wegeführung und Positionierung der Besucher und des Herrschers innerhalb des architektonischen Kontexts immer auch soziale Hierarchien abgebildet wurden. Diese Hierarchisierung wurde vor allem durch die Inszenierung von Sichtachsen zwischen den Gebäuden und die Art bzw. Länge des Weges erreicht. Dabei galt, dass die Länge des Weges stellvertretend für die Nähe zum Kaiser stand. Ein ranghoher Besucher, der zu einem der kaiserlichen Bankette geladen war, hatte einen längeren – und eindrucksvolleren – Weg durch den Palast zurückzulegen, als beispielsweise ein Antragssteller oder ein rangniedriger Teilnehmer der salutatio, der keine weiten Wege innerhalb des Palastes zurücklegen musste und den Kaiser unter Umständen nicht oder nur aus der Ferne zu Gesicht bekam.965 Unabhängig davon wie weit ein Besucher in das Palastinnere vorgelassen wurde, das Prinzip der Hierarchisierung durch Sichtachsen konnte für alle Palastbereiche und mögliche Wegeführungen erreicht werden: „Geschickt wurden durch die axiale Anordnung der Bereiche entlang von Blickachsen, Zielpunkte für die Wege geschaffen, die den Gesamtweg gliederten. Auf dem Weg zum Ziel wurde aber auch durch vielschichtige Sichtachsen der Blick auf andere, potentielle Ziele gelenkt und so dem Besucher zum einen die Größe und Weitläufigkeit des Palasts demonstriert, ihm aber auch gleichzeitig deutlich gemacht, welche Teile für ihn unerreichbar waren.“966
Betrachtet man beispielsweise die bekannte Anlage des Galerius in Thessalonike, lässt sich trotz offener Fragen bezüglich der Zuwegung innerhalb des Palastes ein vergleichbarer Effekt annehmen. Näherte sich ein zeitgenössischer Besucher dem Palastareal von der Stadt her, so musste er zunächst das monumentale Tetrapylon (j) passieren. Über dieses gelangte man durch das Vestibül (i) – in dem vermutlich eine erste Selektion der Besucher stattfand – in das tatsächliche Palastinnere. Auch wenn dies aufgrund mangelnder schrifltlicher Überlieferung hypothetisch bleiben muss, könnte man im Vestibül mit seiner basilikalen Grundstruktur und der prächtigen Ausstattung beispielsweise die Abhaltung der morgendlichen salutationes oder die Abfertigung von Bittstellern vermuten. Folgt man der Funktionsbestimmung der einzelnen Bauten wie oben dargestellt, gelangte man von hier vermutlich über weitere Räumlichkeiten, Korridore oder Platzanlagen in den öffentlich-repräsentativen Teil des Palastes. Die Zuwegung zur monumentalen Audienzhalle (e) und der westlich angrenzenden Hofanlage (d) ist nicht gesichert, denkbar wäre der Zugang über einen an das Hippodrom angrenzenden Hallenbau oder über eine parallel dazu verlaufende Prozessionsstraße. 965 966
Vgl. Pflug 2014, S. 378. Pflug 2014, S. 374.
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Abbildung 51: Das Palastareal des Galerius mit angrenzendem Hippodrom im Palastareal des Galerius im 4. Jahrhundert nach Einzeichnung Spieser mit zusätzlicher Einzeichnung 4.Das Jahrhundert nach Spieser mit zusätzlicher möglicher Zugängemöglicher Zugänge und Wegführungen durch die Autorin. und Wegführungen durch die Autorin. mit Korridoren, e) Apsidensaal, a) Vestibül mit Peristylhof, b) Oktogon, c) Thermen, d) Peristylhof f) Rundbau (Rotunde?), g) Exedra?, h) Verbindungsbau zum Circus odermit Triclinium?, i) Vestibül, a) Vestibül mit Peristylhof, b) Oktogon, c) Thermen, d) Peristylhof Korridoren, j) Galeriusbogen, k) Hippodrom. e) Apsidensaal, f) Rundbau (Rotunde?), g) Exedra?, h) Verbindungsbau zumS.Circus (Quelle: Spieser 2015, 20, Abb. 1) oder Triclinium?, i) Vestibül, j) Galeriusbogen. (Quelle: Spieser 2015, S. 20, Abb. 1) Darüber hinaus lässt sich ein weiterer Zugang zum Palastareal im Westen, nahe der monumentalen Exedrastruktur (g), vermuten. Von hier würde der Besucher über eine zwischen der Hofanlage und dem bisher in Bezug auf seine Funktion nicht definierten Rundbau (f) verlaufende Straße zunächst auf den Peristylhof oder direkt in die anschießende Audienzhalle gelangen. Vom Meer her anreisende Besucher betraten das Palastareal über das monumentale Südperistyl mit dem anschließenden Vestibül (a) und werden zunächst im Oktogon (b) empfangen worden sein. Auch hier wäre eine erste Selektion im Vestibül des Oktogons denkbar. Vom Südperistyl gelangte man entweder in den im Südwesten der Anlage zu verortenden Residenzbereich, in dem sich eventuell neben Wohnräumen auch Gartenanlagen befunden haben könnten, oder in den zentral gelegenen Persitylhof. Auch hier erschloss sich der „Weg zum Kaiser“ demnach über wechselnde Abfolge von Straßen oder Korridoren, Hofanlagen und monumentalen Empfangsräumen. Es lässt sich folglich eine ähnlich hierarchisierende Raumwirkung vermuten, wie sie J. Pflug für die Palastanlagen auf dem Palatin rekonstruiert hat. Zusätzlich ein besonders eindrückliches Beispiel für eine labyrinthartige Zuwegung über lange Korridore ist der öffentlich-repräsentative Palastbereich in Felix Romuliana. 269
Abbildung 52: Die möglichen Wege zur aula im Palast 1 in der Palastanlage von Felix Romuliana. (Quelle: Wulf-Rheidt 2007, S. 72, Abb. 11 und S. 70, Abb. 9) Möglich waren zwei verschiedene Wegeführungen hin zur aula als zentralem Repräsentationsraum der Anlage. Betreten wurde die Anlage zunächst von Südosten über einen 4 m breiten Eingang, der durch einen grünen Marmorfußboden und zwei flankierende Säulen aus rotem Marmor eine entsprechend hoheitliche Wirkung entfaltet haben wird. Die zentrale Halle maß 43 x 7,5 m und verfügte über einen hochwertigen Mosaikfußboden mit geometrischen Mustern. In der Mitte der Halle haben sich Reste von Labyrinthdarstellungen erhalten. Von hier führte der kürzere Weg über eine nördlich sich anschließende Portikus, von der man auf relativ direktem Wege in den Peristylhof vor der aula gelangte. Die tatsächliche Wegführung für Besucher war jedoch vermutlich eine andere. Die Sichtachse bei Betreten des Korridors führte zunächst ans Ende der zentralen Halle, von der aus man im Westen über eine Treppe in die anschließende, nach Norden orienierte Querhalle gelangte, in deren westlicher Längsseite sich eine Statuennische befand. Von dieser führte abermals eine Treppe nach rechts in die nördliche Halle, die mit 30 x 10 m etwas breiter als die Eingangshalle war. An deren Ende fand sich abermals eine Statuennische, die jedoch deutlich größer war als die der Querhalle. Vor dieser Nische befand sich ein Bodenmosaik mit einer Jagdszene, das sich bis zu der an der östlichen Längsseite der Halle anschließenden oktogonalen Struktur erstreckte. W. Kuhoff rekonstruiert hier eine mögliche Kombination von einer Jupiter-Statue in der Nische beim Jagdmosaik mit einer Kaiserstatue oder Statuengruppe in der achteckigen Raumstruktur. Von hier gelangte man wiederum in den Peristylhof vor der aula, der mit einer hochwertigen 270
Mosaikdekoration in den umlaufenden Gängen und einer Brunnenkonstruktion in der Mitte ausgestattet war.967 Die Rekonstruktion des Zugangs zum zentralen Apsidensaal in Felix Romuliana zeigt, wie hier über verschiedene Wegführungen innerhalb der Palastanlage unterschiedliche „Zugangserlebenisse“ auf dem Weg zum Kaiser erzeugt werden konnten. Die komplexere Wegeführung leitete den Besucher über verschiedene Hallen mit wechselnder – und vermutlich anfangs nicht zufällig labyrinthartiger – Mosaikdekoration über Treppenstufen vorbei an Statuen und vermutlich Wachpersonal. Beim Einbiegen in die Nordhalle fiel der Blick auf die axial angeordnete Nische mit einer übergroßen Statue, die vermutlich entweder den Kaiser oder dessen Schutzgottheit darstellte. Näherte man sich dem Ende der Halle, fiel der Blick auf die östliche achteckige Nische, die vermutlich ein weiteres Statuenarrangement im Zusammenhang mit dem Kaiser zeigte. So wurde ein Überraschungsmoment erzeugt, bevor man über das luftige Atrium tatsächlich bis zum Kaiser gelangte. Durch die wechselnden Räume, Ebenen und Raumstrukturen mit überraschenden Elementen wurde die Spannung bis zum Erreichen des Ziels erhöht.968 Dies alles diente der Visualisierung der Pracht und Weitläufigkeit der imperialen Residenz und inszenierte beispielhaft die übergeordnete Stellung des Kaisers. Bei Kurapkat et. al. wird die Bedeutung langer und verwinkelter Wegeführungen in Palästen und Heiligtümern prägnant auf den Punkt gebracht: „[…] waren lange und komplizierte Wege gleichwohl dazu geeignet, dem Besucher unmissverständlich die besondere Position des Hausherrn oder Herrschers und damit Distanz zu ihm zu verdeutlichen. Mit langen Wegen zu und innerhalb eines Palastes oder eines Heiligtums, damit gleichsam einer Überhöhung des Ziels, konnte dem Betrachter ebenfalls Macht und Reichtum der Bauherren oder unüberbrückbare Distanz zur Gottheit vermittelt werden. […]“969
Wichtig in diesem Zusammenhang ist nicht nur die architektonische Inszenierung der Wegeführung, sondern auch die Innenausstattung und Dekoration, die eine zusätzliche Akzentuierung der durch die Raumstruktur angelegten Machtrepräsentation bewirkte: „Für die Frage nach der Gestaltung und der Nutzung von unterschiedlich hierarchisierten Aktionsräumen spielen unterschiedliche Faktoren eine zentrale Rolle: So können über
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Vgl. Kuhoff 2001, S. 772f. Vgl. Kurapkat, Dietmar/Schneider, Peter I./Wulf-Rheidt, Ulrike: Die Architektur des Weges. Gestaltete Bewegung im gebauten Raum. Schnell & Steiner, Regensburg 2014, S. 4. Kurapkat/Schneider/Wulf-Rheidt 2014, S. 5.
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Aussstattungsdetails wie Fußböden, Wand- und Deckengestaltungen, Türkonstruktionen, aber vor allem auch aufgrund der Möblierung eines Raumes Wege gelenkt und spezielle Zonen geschaffen werden […]. Darüber hinaus werden über ephemere Hindernisse wie Vorhänge, Schranken usw. sowie die Besetzung mit Wach- und Begleitpersonal Zugänglichkeiten verdeutlicht und geregelt.“970
Um solche Aspekte beachten zu können, müssen jedoch die Schriftquellen mit einbezogen werden, da mobile Elemente wie Möbel, Stoffe oder Personal sich im ohnehin nur teilweise bekannten Baubefund nicht verorten lassen. So ist es für die hier dargestellte Argumentation in Bezug auf die tetrarchischen Residenzstädte beispielsweise von besonderer Bedeutung, wenn Libanios über den Palastkomplex in Antiochia sagt, dass er „so viele Gemächer und Kolonnaden und Hallen aufzuweisen [hat], daß auch jene, die mit den Örtlichkeiten vertraut sind, sich verirren und von Tür zu Tür wandern.“971 Diese Beschreibung legt nahe, dass hier eine ähnliche Raumwirkung erzielt wurde wie bei den Besuchern der Palastanlagen auf dem Palatin, in Thessalonike oder in Felix Romuliana. Weitere wiederkehrende Gebäudeelemente, die im archäologischen Befund fassbar werden, sind Platzanlagen mit Portiken sowie die Anlage von Wasserbecken. In Thessalonike vermittelte die Platzanlage westlich der aula zwischen der Audienzhalle und dem restlichen „offiziellen“ Areal, eventuell gelangte man von hier auch in den Residenzbereich im Südwesten der Anlage. Auch das Südperistyl erfüllte anscheinend eine ähnliche Funktion, da dieses nicht nur den Zugang zum Oktogon von der Hafenanlage am Meer sicherstellte, sondern über eine Treppenanlage anscheinend auch zum östlich davon gelegenen Residenzbereich vermittelte. In Trier lässt sich eine ähnliche Struktur beobachten. Im Osten der Basilika wurden mehrere Gebäudestrukturen freigelegt, die um eine vermutlich von Portiken eingefasste Hofanlage angelegt waren. Diese Anlage scheint somit sowohl zwischen Basilika und Circus vermittelt zu haben als auch zwischen der Basilika und dem südlich angrenzenenden Residenzbereich. Aufgrund der neueren Auswertungen des archäologischen Befunds lässt sich für das Zentrum der Hofanlage ein großes Wasserbecken mit einer mittig in diesem positionierten kleinen Tempelanlage von ca. 11 x 6,5 m rekonstruieren. Für Sirmium ist eine Platzanlage im als öffentlich-repräsentativen Palastbereich angesprochenen Areal ebenfalls gesichert, sie befand sich vor einem monumentalen Gebäude und war vermutlich ebenfalls mit einer Brunenanlage dekoriert. Inwiefern diese Anlage über weitere Gebäude oder Zuwegungen in die anderen Palastbereiche führte, ist aufgrund des spärlichen archäologischen Befunds jedoch nicht zu rekonstruieren. Auch im sogenannten Palastareal von Serdica sind aus dem archäologischen Befund zwei Platzanlagen bekannt, die 970 971
Kurapkat/Schneider/Wulf-Rheidt 2014, S. 5. Vgl. Lib. or. 11.204–207, siehe Zitat auf S. 64.
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eine ähnliche „Verteilerfunktion“ für die umliegenden Strukturen gehabt haben werden. Doch auch hier lassen sich weder die angrenzenden Gebäude noch die genaue Wegführung genau feststellen. Das Prinzip aufwändig gestalteter Platzanlagen mit Wasserbecken, welche die einzelnen Gebäude und Palastbereiche miteinander verbanden, lässt sich auch auf dem Palatin in Rom beobachten. So sind beispielsweise die zentralen Repräsenationsräume der Domus Flavia – die Aula Regia, die Basilika und das Lararium im Nordosten sowie die Cenatio Iovis im Südwesten – um das Labyrinth Peristyl angeordnet. Ähnliches gilt für die Domus Augustana, die über das Insel Peristyl vermutlich sowohl vom vorgelagerten sogenannten no man’s land zugänglich war als auch vom Labyrinth Peristyl her. Von hier gelangte man entweder zum Versenkten Peristyl und der monumentalen Exedra oder in das südöstlich liegende Gartenstadion und die dahinterliegende Domus Severiana (vgl. Abb. 49). Den Hofanlagen kam somit eine Verteilerfunktion in die restlichen Teile der Anlage zu – ähnlich, wie es beim atrium in aristokratischen Häusern der Fall war.972 Die Peristylhöfe der Domus Flavia und der Domus Augstana waren mit großen Wasserbecken dekoriert. Großangelegte Wasserbecken, teilweise mit kleinen Inselanlagen in der Mitte, die Heiligtümer trugen oder für Bankette unter freiem Himmel genutzt werden konnten, finden sich auch in den dem Aspekt des otium gewidmeten Teilen der römischen Palastanlage wie dem Versenkten Peristyl der Domus Augustana und in der bereits in flavischer Zeit als Villa mit weitläufiger Gartenanlage gestalteten Domus Severiana.973 Entsprechend scheint auch den Platzanlagen innerhalb der tetrarchischen Palastareale eine Scharnierfunktion im Rahmen des Gesamtkomplexes zugekommen zu sein. Hier konnten die verschiedenen Besucherströme reguliert und in die entsprechenden Bereiche der Palastanlage „verteilt“ werden. Gleichzeitig versinnbildlichten die Wasserbecken den Aspekt des otium in der Herrscherresidenz. Die verschiedenen Möglichkeiten bei der Wegeführung und die Optionen bei der Verteilung der Besucher über die vermittelnden Platzanlagen machen deutlich, wie flexibel die Nutzung der verschiedenen Räumlichkeiten in den Palastanlagen war. Sowohl die Laufwege als auch die Positionierung des Herrschers und der Besucher konnten im architektonischen Kontext entsprechend des Anlasses und der damit zusammenhängenden zeremoniellen Erfordernisse angepasst werden. „Das wichtigste der Gestaltung der Wege zugrunde liegende Konzept im Palast ist Flexibilität. Durch eine sehr durchlässige Grundrissgestaltung und die geschickte Verbindung 972 973
Vgl. Pflug 2014, S. 368. Vgl. Wulf-Rheidt 2016, S. 104ff.
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der einzelnen Palastbereiche konnte der Palast für verschiedene zeremonielle und administrative Anlässe in sehr unterschiedlicher Weise bespielt werden. Die Räume waren mehrheitlich multifunktional nutzbar und boten Platz für verschieden große Gruppen, so dass die Besucher variabel im Palast verteilt werden konnten. Dem Kaiser eröffneten sich im Gegenzug die unterschiedlichsten Möglichkeiten, die einzelnen Räume aufzusuchen, zu betreten aber auch wieder zu verlassen. Wahrscheinlich bestimmt der jeweilige Anlass die Wegeführung im Palast, nicht nur für den Besucher, sondern auch für den Kaiser und seine engsten Begleiter.“974
Dies galt bereits für den kaiserzeitlichen Palast auf dem Palatin, lässt sich jedoch ebenso für die tetrarchischen Palastanlagen annehmen.
2.1.2.3 UNTERTEILUNG IN FUNKTIONALE EINHEITEN Wie bereits oben beschrieben werden im Palastkomplex des Diokletian in Nicomedia Wohngebäude für seine Frau und Tochter sowie für den Herrscher selbst vorhanden gewesen sein. Darüber hinaus werden die überlieferten Sitzungen des kaiserlichen Rates in entsprechend repräsentativ gestalteteten Räumlichkeiten für Verwaltung und Hofhaltung stattgefunden haben. Entsprechend lässt sich hier eine Unterteilung in einen öffentlich-repräsentativen und einen residentiell genutzten Palastbereich annehmen. Im Gegensatz zu Niocmedia ist für Sirmium ein archäologischer Befund vorhanden. Folgt man der durchaus plausiblen Identifikation als Palastareal, dann lässt sich auch hier eine funktionale Unterscheidung annehmen. Im Eingangsbereich und angrenzend an die Stadtmauer befand sich zunächst ein funktionaler Teil mit Kornkammern und Thermen. Die Strukturen am südwestlichen Ende des Hippodroms werden als repräsentativer Palastbereich angesprochen und die dahinterliegenden Strukturen als Residenzbereich, der vermutlich über eine Gartenanlage überleitete zu dem an das Hippodrom grenzenden Hallenbau. Für Antiochia ist die Gestalt der Palastanlage in tetrarchischer Zeit nicht gesichert, die Gesamtschau der schriftlichen Quellen im Vergleich mit der Struktur der bekannten tetrarchischen Palastanlagen legt jedoch nahe, dass hier unter Diokletian eine weitläufige Palastanlage mit einer komplexen Wegeführung im Inneren entstand, die vermutlich in mehrere funktionale Einheiten unterteilt war. Hierauf deutet die, wenn auch aus dem 5. Jahrhundert stammende, Nennung mehrerer als oikos bezeichneter Palastteile hin.
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Pflug 2014, S. 378.
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Vor allem für Thessalonike als besser bekannte Palastanlage lassen sich eine funktionale Unterteilung der einzelnen Palastbereiche sowie deren gleichzeitige Verquickung in der Nutzung gut argumentieren. Auch hier scheint es mehrere öffentlich-repräsentative Bereiche gegeben zu haben, die eventuell in ihrer Zugänglichkeit hierarchisch gestaffelt waren. Zentrale Scharnierfunktion von der Stadt her hatte der Galeriusbogen, von dort gelangte man zur Audienzhalle und eventuell in die angrenzenden Hofanlagen. Besucher, die vom Meer her anreisten, werden über das südliche Peristyl empfangen worden sein. Der Residenzbereich im Südosten des Palastareals wird nur für ausgewählte Besucher zugänglich gewesen sein. Eventuell ist hier der südlich an die Audienzhalle angrenzende Thermenbau als Scharnier zwischen öffentlichem und privatem Palastbereich zu deuten. Auch wenn in Serdica die als Palastanlage angesprochene Residenz nicht gesichert identifiziert ist, lässt sich hier ein ähnliches Muster feststellen. So scheint der öffentlich-repräsentative Teil der Anlage über das Oktogon im Norden erschlossen worden sein. Von hier wurde über Hofanlagen und Flure zu weiteren repräsentativen Räumlichkeiten vermittelt. Die dahinter liegenden Strukturen im Süden des Areals scheinen dagegen als Wohnbereich gedient zu haben. Auch hier werden die Palastanlage in Rom sowie großzügige Villenanlagen als Vorbild fungiert haben. Laut P. Zanker gliederte sich die funktionale Aufteilung der Palastanalage in domitianischer Zeit „[…] in zwei Bereiche, den Bereich der Repräsentation und den Wohnbereich einschließlich der Gärten.“975 Während die grobe Unterscheidung der öffentlich-repräsentativen und der für den Aspekt des otium gedachten Teile des Palastes auf dem Palatin nach wie vor gültig ist, muss die Nutzung und Zugänglichkeit jedoch differenziert betrachtet werden. Die Ergebnisse der neueren Forschung haben gezeigt, dass auch die vormals als privat bezeichneten Bereiche des Palastkomplexes wie beispielsweise das Versenkte Peristyl der Domus Augustana und die Domus Severiana für Bankette genutzt werden konnten. Vermutlich war die Zugänglichkeit dieser eher an aristokratische Villenanlagen erinnernden Palastbereiche nur hochrangigen Gästen vorbehalten und ermöglichten Gelage, Spaziergänge oder politische Gespräche in einer privateren Atmosphäre, die gleichzeitig eine erhöhte Nähe zum Kaiser demonstrierte. Bei U. Wulf-Rheidt wird die fließende funktionale Unterteilung der römischen Palastanlage auf dem Palatin klar umrissen: „Neben der Demonstration von Macht boten die sehr unterschiedlichen Bereiche des Palastes gleichfalls die Möglichkeit, zwischen verschiedenartigen Ambienten zu wählen. Es dürfte sicher verfehlt sein, die Garten- und Villenbereiche des Palastes als Privatbereiche des Kaisers zu deuten. Vielmehr standen dem Kaiser hier, abseits der Bereiche, die der
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Vgl. Zanker 2004, S. 88.
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verfestigten Interaktion mit der Aristokratie und der höfischen Verwaltung dienten, variantenreich gestaltete Räume für Tätigkeiten in einem otium-Ambiente zur Verfügung. Diese Räume waren nicht nur Ausdruck von luxuria, sondern ermöglichten durch ihre verschiedenartigen Zuschnitte, Ausrichtungen und Anordnungen an Höfen mit Wasserbecken oder Gärten sowohl variantenreiche Ausblicke sowie die Nutzung zu unterschiedlichen Tages- oder Jahreszeiten.“976
Dieses Prinzip der wechselnden Nutzung und Inszenierung der unterschiedlichen Räume je nach Anlass und Bedarf lässt sich auch für die verschiedenen Funktionsbereiche der tetrarchischen Palastanlagen annehmen. Dass das Prinzip der Unterteilung in Funktionsbereiche ein dauerhaftes war, zeigt sich an dem Fortbestehen dieser Grundkonzeption in der kaiserlichen Palastanlage in Konstantinopel. K. L. Noethlichs definiert hier fünf Bereiche, die unterschiedlichen Funktionen entsprachen, die sich ebenfalls in den tetrarchischen Palastanlagen ausmachen lassen: 1. Das bzw. die Palastgebäude als äußere, sichtbare Machtzentrale(n) 2. Das Palastinnere als Privatwohnung des Kaisers und der Kaiserin 3. Der Palast als Ort der Selbstdarstellung des Kaisertums in der entsprechenden räumlichen Ausgestaltung: Hier, also von innen, ergeben sich Entsprechungen zwischen Zeremoniell und Architektur. 4. Der Palast als politisch-administratives Zentrum: Er ist Sitz der Reichsverwaltung und verfügt über besondere örtliche Bereiche mit Publikumsverkehr. 5. Der Hofkomplex als Teil der Hauptstadt [Konstantinopel]: Dies kommt am deutlichsten im Hippodrom zum Ausdruck: Die Stadt bildet den Raum der Öffentlichkeit, der Außenkontakte des Kaisers.977 Diese Funktionalität der unterschiedlichen Palastbereiche geht bereits auf die stadtrömischen Palastgebäude auf dem Palatin zurück, setzt sich in den tetrarchischen innerstädtischen Palastanlagen in den Residenzstädten fort und wird schließlich ab Konstantin wieder in einer Stadt, Konstantinopel, verstetigt.
976
977
Wulf-Rheidt 2016, S. 108. Vgl. hierzu auch Wulf-Rheidt, Ulrike: Nutzungsbereiche des flavischen Palastes auf dem Palatin in Rom. In: Arnold, Felix/Busch, Alexandra/Haensch, Rudolf/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Orte der Herrschaft. Charakteristika von antiken Machtzentren. Leidorf, Rahden/Westf. 2012. S. 97–112. Noethlichs 1998, S. 25.
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2.1.3 AUDIENZHALLEN Neben den oben besprochenen wiederkehrenden Elementen, die auf den römischen Palatin zurückzuführen sind, gibt es ein neues Merkmal tetrarchischer Palastanlagen, das diese klar von dem Palast in Rom unterscheidet: Die großen apsidial angelegten Audienzhallen. Archäologisch gesichert sind die Audienzhallen in Trier und Thessalonike. Laktanz berichtet darüber hinaus für Nicomedia vom Bau von Basiliken. Auf ein entspechendes Gebäude in Mailand deutet die Beschreibung der Audienzen im Palast im Panegyricus von 291 n. Chr. hin.978 Für Serdica wird eine starke Mauerstruktur im Westen des sogenannten Palastareals als Außenmauer einer möglichen Audienzhalle gedeutet. Darüber hinaus sind aulae nicht nur von den kaiserlichen Palästen in den tetrarchischen Residenzstädten bekannt, sondern auch ein gemeinsames Merkmal der Alterssitze und suburbanen Villenanlagen. Demnach scheinen sie ein verbindliches Element der tetrarchischen Palastarchitektur gewesen zu sein. Die bekannten Audienzhallen aus den tetrarchischen Residenzstädten in Trier (1430 m²) und Thessalonike (1238 m²) unterscheiden sich jedoch deutlich in Bezug auf ihre Dimensionen. Sie waren deutlich größer als die Audienzhallen in Split (356 m²) und Felix Romuliana (204 m²). Dies gilt auch für die aulae in den suburbanen Villenanlagen von Cercadilla (692 m²) und in der Villa Maxentius an der Via Appia (627 m²).979
Abbildung 53: Größenvergleich der bekannten Audienzhallen aus tetrarchischen Residenzstädten, suburbanen Villenanlagen und Alterssitzen. (Quelle: Zabehlicky 2001, S. 96, Abb. 8)
978 979
Pan. Lat. XI/III, 11.1–5. Vgl. Zitat auf S. 293. Vgl. Zabehlicky, Heinrich: Die Villa von Bruckneudorf – Palast oder Großvilla? In: Bülow, Gerda von/ Zabehlicky, Heinrich (Hrsg.): Bruckneudorf und Gamzigrad. Spätantike Paläste und Großvillen im Donau-Balkan-Raum. Akten des Internationalen Kolloquiums in Bruckneudorf vom 15. bis 18. Oktober 2008. Habelt, Bonn 2011. S. 89–100, S. 96, Abb. 8; Kuhoff 2001, S. 740.
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Die Grundstruktur der Audienzhallen rekurriert in ihrer apsidialen Struktur auf die klassiche römische Marktbasilika, doch unterscheidet sie sich in ihrer Anlage von diesen dadurch, dass sie in der Regel einschiffig war und oftmals über angrenzende Seitenhöfe verfügte. Darüber hinaus waren die Audienzhallen in den tetrarchischen Residenzstädten beheizbar. Von den monumentalen Repräsentationsräumen für Audienzen und Bankette auf dem Palatin – der Aula Regia und der angrenzenden Basilika – unterscheiden sie sich ebenfalls. Zum einen übertrafen die Audienzhallen in Trier und Thessalonike die Aula Regia mit ihrer Grundfläche von 1180 m² deutlich an Größe.980 Des Weiteren wurde durch die apsidiale Struktur der tetrarchischen Audienzhallen eine deutlich veränderte Raumwirkung erreicht, die eindeutig auf den in der Apsis positionierten Herrscher ausgerichtet war. Der markanteste Unterschied zu Aula Regia und angrenzender Basilika auf dem Palatin war jedoch die Durchfensterung der Längsseiten und der Apis. Die tetrarchischen Residenzhallen sind somit als monumentale, lichtdurchflutete Hallen zu rekonstruieren, deren longitudinale Ausrichtung den Blick des Besuchers automatisch auf die Apsis lenkte.981
Abbildung 54: Vergleich Grundriss der Aula Regia und der Basilika auf dem Palatin (links) mit dem Grundriss der Palastaula in Trier inkl. der Vorhalle und den angrenzenden Seitenhöfen (rechts). (Quelle: Wulf-Rheidt 2007, S. 71, Abb. 10) Demnach sind die tetrarchischen Palastaulen als eine spezifisch tetrarchische Neuschöpfung zu werten, die in Zusammenhang mit den geänderten Anforderungen des spätantiken Herrschaftszeremoniells stand.982 U. Wulf-Rheidt sieht die Entstehung der aulae anders als H. von Hesberg 980 981 982
Vgl. Zanker 2004, S. 95. Vgl. Hesberg 2006, S. 153ff; Wulf-Rheidt 2014, S. 15. Hesberg 2006, S. 158.
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nicht in Abgrenzung zur Aula Regia, sondern im Kontext der Cenatio Iovis. Sie vermutet, dass diese mit ihren angegliederten Höfen und bodentiefen Fenstern das bauliche Vorbild für das spätantike Konzept der lichtdurchfluteten Audienzhallen gewesen sein könnte. Der Unterschied zur Cenatio Iovis war allerdings, dass die Apsidensäle keine bodentiefen Fenster besaßen. In der Cenatio Iovis waren diese vermutlich dazu gedacht, um den Ausblick in die angrenzenden Gartenanlagen zu ermöglichen. Diese Raumwirkung war anscheinend in spätantiken Residenzen nicht gewünscht. Im Gegensatz dazu sollte das Gebäude zwar lichtdurchflutet wirken, jedoch in der Blickrichtung ganz klar auf die Apsis – und somit den dort sitzenden Kaiser oder dessen Repräsentanten – konzentriert sein.983 U. Wulf-Rheidt weist in diesem Zusammenhang auf vermutlich spätantike Umbauten an der Cenatio Iovis hin, die jedoch nicht genau datiert werden können. Hierbei wurden die bodentiefen Fenster geschlossen, die Türdurchgänge verschmälert und die Wasserbecken im Hof aufgegeben. Man könnte dies dahingehend deuten, dass auch hier eine stärkere Konzentration auf den apsidial angelegten Innenraum erreicht werden sollte. Unter einer – allerdings nach bisherigem Kenntnisstand hypothetischen – Annahme von während dieses Umbaus in der oberen Wandzone eingebauten Fenstern, stellt U. Wulf-Rheidt fest, dass hier eine ähnliche Raumwirkung wie in den tetrarchischen aulae erreicht worden sein könnte. Folglich wird postuliert, dass auch bei den Palastaulen der Palatin als Vorbild fungiert haben könnte, nämlich das spätantike Erscheinungsbild der Cenatio Iovis.984 Diese These ist zwar interessant, aber auf Basis des archäologischen Befunds bisher schwer zu argumentieren, da sich die angenommenen Fenster in der oberen Wand nicht nachweisen lassen. Darüber hinaus ließe sich aufgrund der ungenauen Datierung der Umbauten die Argumentation auch umdrehen: Vielleicht ließ beispielsweise Maxentius – der als Sohn des Maximian im Kontext der tetrarchischen Herrschaftsideologie sozialisiert wurde und die entsprechenden Bauten in den Residenzen gekannt haben wird – die Umbauten an der Cenatio Iovis nach dem Vorbild der Palastaulen in den Residenzstädten vornehmen. Folglich muss diese Argumentation zunächst hypothetisch bleiben und die bauliche Struktur der Audienzhallen kann als Neuschöpfung auf Basis der Monumentalisierung und Überhöhung bekannter Elemente der Palast und Villenarchitektur gelten. Bei der Frage nach der Verbindung zwischen der Architektur der Audienzhalle und dem höfischen Zeremoniell sind sowohl die Innenwirkung der Halle als auch die angrenzenden Räumlichkeiten relevant. In Trier wurde die Palastaula durch eine quergelagerte Vorhalle erschlossen und von zwei seitlich angrenzenden Peristylhöfen flankiert, in Thessalonike grenzte ein Peristylhof an die westliche Längseite. In beiden Fällen waren die Höfe über mehrere Zugänge in der Längseite der Halle zugänglich (vgl. Abb. 26 und Abb. 15). Ein ähnliches Muster zeigt sich 983 984
Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 16. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 16f.
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beispielsweise auch in der Villa des Maxentius an der Via Appia, deren Apsidensaal über ein vorgelagertes Vestibül zugänglich war und vermutlich ebenfalls von angrenzenden Hofanlagen flankiert wurde. Die Höfe der Audienzhallen mit ihren mehrfachen Zugangsmöglichkeiten sowie die vorgelagerten Eingangshallen sind vermutlich im Zusammenhang mit der Zugangsregulierung im Rahmen des Hofzeremoniells zu deuten.985 Die Inszenierung der Wegeführung beim Zugang zum Herrscher zeigt sich auch in der Verortung der Audienzhallen im Kontext der Palastanlage und des Stadtbildes. In Trier führte eine Straße innerhalb des Palastareals axial auf den Peristylhof vor der Halle zu. Aufgrund ihrer Höhe von über 30 m wird sie auch außerhalb des Palastareals weithin sichtbar gewesen sein. Die auf Fernwirkung ausgerichtete Konzeption zeigt sich auch in der äußeren Bemalung der Fensterlaibungen und der Gestaltung der umlaufenden Gesimse. Auch in Thessalonike lässt sich eine axiale Ausrichtung der Audienzhalle auf das Vestibül beim Galeriusbogen feststellen, allerdings ist hier eine verbindende Bebauung anzunehmen, keine freie Sichtachse. In jedem Fall scheint der Zugang zum Herrscher sowohl über die Verortung im Stadtbild als auch über die angrenzenden Gebäude räumlich inszeniert worden zu sein – ein prägendes Element (spät) römischer Palastanlagen, wie bereits oben ausgeführt wurde. Beispielsweise in Felix Romuliana wurde dieses Prinzip nochmals gesteigert, indem der vor der aula gelegene Peristylhof über mehrere verwinkelte Korriodere erreichbar war und somit die Länge des Weges zum Kaiser eindrücklich visualisiert wurde (vgl. Abb. 51).986 In Bezug auf die Innenausstattung sind nur wenige gesicherte Aussagen zu treffen, da in Thessalonike wenig erhalten ist und im Falle der Trierer Palastaula fraglich ist, ob bereits in tetrarchischer Zeit mit der Anbringung von dekorierenden Elementen begonnen wurde. Eine Verkleidung der Wände mit Marmorplatten und ab der Höhe der Fenster mit verschiedenfarbigem opus sectile ist für Trier gesichert und ließe sich ähnlich für die Audienzhalle in Thessalonike vermuten, für die zeitgleich enstandene aula in Felix Romuliana ist eine Verkleidung mit weißen Marmorplatten belegt.987 Zumindest für den Bodenbelag lassen sich Parallelen feststellen, da von beiden Hallen Reste des schwarz-weißen Marmorbodens in den Apsiden erhalten sind. In Trier war die Apsis nicht nur durch die sich zur Mitte hin verjüngenden Fenster gegliedert, sondern auch durch die fünf halbrunden Nischen unterhalb der Fenster, die farbig dekoriert waren. Von den in diesen Nischen zu vermutenden Statuen haben sich keine Überreste erhalten. Naheliegend wären Darstellungen der vier Tetrarchen und beispielsweise des Jupiter, wie sie bei den Fünf-Säulen-Monumenten am Forum Romanum oder in der unter den Tetrarchen aus-
985 986 987
Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 301f.; Wulf-Rheidt 2014, S. 15f. Vgl. Wulf-Rheidt 2007, S. 72 sowie Kap. 2.1.2.2. Vgl. Kuhoff 2001, S. 774f.
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gebauten Kurie in Rom zu vermuten sind.988 Alternativ könnten die Statuennischen seitlich der Apsis Statuen der Schutzgottheiten der Tetrarchie gefasst haben. Vergleichbare Statuennischen seitlich und in der Apsis sind auch in Thessalonike vorhanden. Auch die aula in der Villa des Maxentius an der Via Appia weist ähnliche Merkmale auf. In der Apsis haben sich Reste der kassettierten Kuppel erhalten, die Apsis war an beiden Seiten flankiert von Statuennischen. Von der Innenausstattung hat sich ansonsten nur ein Estrichboden feststellen lassen, die Anlage war jedoch beheizbar.989 Im Vergleich mit der Aula Regia auf dem Palatin fällt als weiteres Merkmal der Innenaustattung der tetrarchischen Palastaulen auf, dass die Audienzhallen mit ihren glatten Wänden in der Ausstattung zurückhaltender gestaltet waren, als die durch Statuennischen und Säulenarchitektur gegliederten Längswände der Aula Regia.990 Erst die Gestaltung der Apsis weist durch die Statuennischen eine äuffälligere Struktur auf. Auch dieser Aspekt deutet darauf hin, dass nicht von der automatischen Blickrichtung auf die Apsis und somit den Platz des Herrschers abgelenkt werden sollte.991 Die Audienzhallen spiegeln folglich durch die im Gegensatz zur Aula Regia deutlich erhöhte Fokussierung auf die Inszenierung der Person des Herrschers und dessen überhöhter Stellung im Kontext der spätantiken Herrscherideologie. Unterstrichen wurde dies durch die Ausstattung und die schiere Größe der Hallen. Folglich wurde verschiedentlich vorgeschlagen, dass die Anlage der Palastaulen und ihrer angrenzenden Seitenhöfe im Zusammenhang mit dem veränderten Zeremoniell ab der Zeit der Tetrarchie zu deuten ist.992 Allerdings sind zu der tatsächlichen Nutzung der Räume und den damit zusammenhängenden Ritualen kaum Informationen überliefert.993 Nichtsdestotrotz macht die bauliche Anlage einige Überlegungen dazu möglich, wie diese „bespielt“ worden sein könnte. Abgesehen von der baulichen Struktur, könnten die je nach Anlass anzunehmenden zusätzlichen Requisiten wie beispielsweise Schranken, Wachen, Vorhänge, etc. Aufschluss über die Art und Weise der herrschaftlichen Inszenierung geben. Leider geben die Quellen über solche Komponenten für die Zeit der Tetrarchie kaum Auskunft. Erst ab der Mitte des 4. Jahrhunderts finden sich hier entsprechende Berichte, so ist beispielsweise
988
989 990 991 992 993
Zu den Fünf-Säulen-Monumenten sowie zum Ausbau der Kurie am Forum Romanum vgl. Bauer 2012a, S. 12ff und S. 57ff. Hesberg hält auch eine Statue der Roma als zentrale Figur des Arrangements in der Apsis der Trierer Basilika für denkbar. Hesberg 2006, S. 158. Vgl. Kuhoff 2001, S. 740. Zur Innenausstattung der Aula Regia vgl. Zanker 2004, S. 95. Vgl. Hesberg 2006, S. 153. Zum veränderten Hofzeremoniell ab Diokletian vgl. grundlegend Alföldi 1970; Kolb 2001, S. 38ff. Dies problematisierten u. a. bereits Hesberg 2006, S. 135 und F. Kolb: „Die Frage, wie die spätantike Palastarchitektur diesem Zeremoniell angepaßt wurde, ist kaum zu beantworten, da keine einzige echte Kaiserresidenz hinreichend erhalten geblieben ist […].“ Kolb 2001, S. 42.
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für Constantius II. überliefert, dass er Gerichtsverhandlungen hinter einem Vorhang zuhörte.994 Allerdings ist bereits für die Zeit der Tetrarchie gesichert, dass der Herrscher ein Purpurgewand trug sowie edelsteingeschmückte Schuhe und Waffen.995 H. von Hesberg rekonstruiert ein eindrückliches Bild von der Wirkung des Herrschers bei Audienzen in der Palastaula: „Vergegenwärtigt man sich überdies, daß die Herrscher auf einem Thron oder zumindest einem Sitzmöbel gesessen haben, das sie hervorhob und das von ihrer Leibgarde gerahmt wurde, ergab sich in der Trierer Aula eine erstaunlich klare Akzentuierung, die den Herrscher in der Apsis unterhalb der Galerie der Bilder seiner Mitkaiser oder der Götter dem Publikum entrückt erscheinen ließ, aber je nach Regie auch engere Verbindungen zwischen ihm und seinen Beratern – etwa in der Apsis vor den Augen einer zuschauenden Menge – möglich gemacht hat. Es ergab sich von der Zugangsstraße bis zur Apsis eine Achse, an der entlang das Zeremoniell aufgebaut werden konnte, indem dort die beteiligten Figuren in räumlichen und zeitlichen Figurationen positioniert werden konnten, so daß in der Dramaturgie des Zeremoniells verbunden mit entsprechender Kleidung, Gesten und Zuordnung die Bedeutung der jeweiligen Beteiligten deutlich wurde.“996
Über die angrenzenden Höfe und ggf. die Vorhalle war es möglich, verschiedene Nutzungsszenarien zu realisieren – wie bereits oben dargestellt eine grundlegende Komponente der repräsentativen Räumlichkeiten in römischen Palästen.997 So konnten über die verschiedenen Zugänge unterschiedliche Möglichkeiten des Zugangs für den Kaiser realisiert werden oder aber die Zugangsregulierung der Besucher gemäß dem sozialen Status erfolgen. Für das Erscheinen des Herrschers wäre sowohl ein plötzliches „Auftauchen“ in der Apsis über die seitlich der Apsis gelegenen Zugänge möglich, als auch der prozessionsartige Einzug über das Eingangsportal. Wie der feierliche Einzug eines Herrschers im frühen 4. Jahrhundert gestaltet sein konnte, verdeutlich der Bericht des Eusebius zur Ankunft Konstantins beim Konzil von Nicäa: „(2) Doch als sich nun die ganze Synode mit dem schicklichen Schmuck niedergesetzt hatte, hielt alle in Erwartung des Einzugs des Kaisers Schweigen umfangen, und es trat ein erster und darauf ein zweiter und ein dritter aus der Umgebung des Kaisers ein.
994 995 996 997
Vgl. Alföldi 1970, S. 37f. Vgl. Kolb 2001, S. 49ff. Hesberg 2006, S. 159. Vgl. Kap. 2.1.2.2.
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Voran gingen aber auch noch andere, nicht von den gewohnten Schwerbewaffneten und Speerträgern, sondern allein von den gläubigen Freunden. (3) Nachdem aber alle auf ein Signal hin, das den Einzug des Kaisers offenbarte, aufgestanden waren, schritt er nun schließlich selbst in der Mitte wie ein himmlischer Engel Gottes einher, wobei er seinen glänzenden Umwurf wie vom Funkeln des Lichtes blitzen ließ und von feurigen Strahlen des Purpurs glänzte und mit strahlenden Lichtern von Gold und kostbaren Steinen geschmückt war.“998
J. Pflug rekonstruiert für die kaiserzeitliche Cenatio Iovis auf dem Palatin, die ebenfalls über seitliche Zugänge neben der Apsis verfügte, verschiedene Szenarien für das Erscheinen des Herrschers bei Audienzen oder Gastmählern. Demnach wären die Besucher über den Eingang in den Raum geführt und entsprechend ihres Ranges im Raum positioniert worden. „Der Kaiser konnte den Raum durch einen der zahlreichen weiteren, rückwärtigen Zugänge betreten und möglicherweise direkt in der Apsis Platz nehmen, um die Besucher zu begrüßen. Die architektonische Ausgestaltung des Raumes bot dabei sowohl für den Eintritt des Kaisers als auch die Abfolge der Begrüßung bzw. dem Besuch einzelner Gruppen vielfältige Möglichkeiten. In unmittelbarer Nähe zur zentralen Apsis des Raumes befanden sich vier Zugänge, die es einerseits ermöglichten unmittelbar vor der versammelte Menge zu erscheinen und andererseits den Saal auch wieder ohne Durchschreiten der Menge zu verlassen. Der Kaiser hätte so in der Apsis Platz nehmen und die versammelten Besucher als Gesamtgruppe begrüßen können. Die Nähe zum Kaiser wäre dann über den zugewiesenen Platz in der Masse geregelt worden. Alternativ ist auch vorstellbar, dass der Kaiser die nördlichen Türen als Ausgang benutzte und sich von der Nische aus zu einzelnen platzierten Gruppen begab, um am Ende den Raum zum Peristyl zu verlassen. Ebenso denkbar ist, dass der Kaiser über die geöffnete Säulenstellung eintrat und entlang der positionierten Besucher zur Nische schritt um nach der Begrüßung durch die Ausgänge neben der Nische den Raum zu verlassen.“999
Eine ähnliche Flexibilität in der Gestaltung des „Erscheinens des Herrschers“ lässt sich auch für die Audienzhallen in den tetrarchischen Residenzstädten annehmen. Darüber hinaus ist auch für die Audienzhallen eine multifunktionale Nutzung wahrscheinlich – sowohl die Abhaltung von Audienzen und Gerichtsverhandlungen als auch großer Bankette der Kaiser könnten dort stattgefunden haben, da andere Räumlichkeiten die schiere Menge an Teil998 999
Euseb. De vita Const. 3.10.2–3. Pflug 2014, S. 374.
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nehmern kaum gefasst hätten. Sicher anzunehmen ist eine solche multifunktionale Nutzung für die Räume der Aula Regia und Basilika in der Domus Flavia auf dem Palatin für die Gelage des Domitian.1000 Da vergleichbare Veranstaltungen auch für die tetrarchischen Residenzstädte anzunehmen sind, müsste dies auch für die Apsidensäle in den Residenzstädten gelten.1001
2.1.3.1 MAXENTIUS-BASILIKA Bei der Besprechung tetrarchischer Audienzhallen sollte ein Verweis auf die Basilika des Maxentius als mögliche Sonderform imperialer Audienzhallen aus tetrarchischer Zeit nicht fehlen.1002 Die Hallenkonstruktion mit überspannenden Kreuzgrat- bzw. Tonnengewölben rekurriert auf die Architektur der Frigidarien in Kaiserthermen, wie beispielsweise in den zur Entstehungszeit der Basilika gerade fertig gestellten Diokletiansthermen. Die longitudinale Ausrichtung mit abschließender Apsis und einer quergelagerten Vorhalle sowie die Durchsetzung der Längsseiten und der Apsis mit Fenstern erinnern jedoch stark an den Grundriss der Audienzhalle in Trier. Die Monumentalität der Anlage sowie die prominente Lage an der Via Sacra zwischen Forum Romanum und Palatin in Zusammenhang mit dem gleichzeitig vorgenommenen Wiederaufbau des gegenüberliegenden Tempels der Venus und Roma verdeutlichen die herausgehobene Stellung der Basilika im Bauprogramm des Maxentius. Daher scheint es plausibel, dass die Basilika – eventuell neben der Nutzung als Gerichtsbasilika und Markthalle – als monumentale Audienzhalle des Maxentius gedacht war.1003
1000 1001 1002
1003
Vgl. Zanker 2004, S. 95. Vgl. insb. Wulf-Rheidt 2007, S. 71f. Wulf-Rheidt 2014, S. 10f. Grundlegend zum archäologischen Befund der Basilika des Maxentius sind neben Ziemssen 2006 und Dumser 2005 u. a. Amici, Carla Maria: From project to monument. In: Giavarini, Carlo (Ed.): The Basilica of Maxentius. The Monument, its Materials, Construction, and Stability. „L’ERMA“ di BRETSCHNEIDER, Rom 2005. S. 21–74; Giavarini, Carlo (Ed.): The Basilica of Maxentius. The Monument, its Materials, Construction, and Stability. „L’ERMA“ di BRETSCHNEIDER, Roma 2005. S. 161-225; Döring, Marina: Die Maxentius-Basilika – Ein Arbeitsbericht. In: Weferling, Ulrich; Heine, Katja; Wulf, Ulrike: Von Handaufmass bis High Tech. Aufnahmeverfahren in der historischen Bauforschung. Zabern, Mainz 2003. S. 147–152; Döring-Williams, Marina: Maxentius und die Kaiserforen. In: Schwandner, Ernst-Ludwig/Rheidt, Klaus (Hrsg.): Macht der Architektur – Architektur der Macht. Zabern, Mainz 2004. S. 180–190. Vgl. Ziemssen 2012a, S. 95f. Auch H. von Hesberg und W. Oenbrink halten es für möglich, dass die Basilika als Audienzhalle für den Kaiser genutzt wurde. Vgl. Hesberg 2006, S. 161f; Oenbrink 2006, S. 188f.
284
Abbildung 55: Grundriss und Rekonstruktion der Basilika des Maxenitus nach Tognetti. (Quelle: Coarelli 2014, S. 95, Abb. 25) Ursprünglich maß die Basilika knapp 90 x 60 m und umfasste um die 6000 m². Der Bau hatte eine Ost-West-Ausrichtung und bestand aus einem Hauptschiff mit einer Apsis an der westlichen Schmalseite, je drei Seitenräumen auf der Nord- und Südseite sowie einer schmalen Vorhalle an der östlichen Seite. Die Apsis von knapp 20 m Breite war der architektonische Fokuspunkt des Gebäudes.1004 Überdacht wurde die zentrale Halle von drei großen, kassettierten Kreuzgewölben. Diese ruhten auf massiven Pfeilern, welche als Wände der flankierenden Seitenräume dienten. Die Seitenschiffe im Norden und Süden waren jeweils in drei Räume unterteilt. Diese Räume waren untereinander und mit der Vorhalle durch Durchgänge verbunden und überdacht durch kassettierte Tonnengewölbe. Die Fußböden waren mit polychromem Marmor bedeckt und die zahlreichen großen Fenster riefen eine großzügige und lichtdurchflutete Wirkung des Innenraums hervor.1005 Wann der Bau unter Maxentius begonnen wurde, ist unklar, doch als dessen Herrschaft 312 n. Chr. zum Ende kam, war sie noch nicht vollendet.1006 Nach der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 n. Chr. wurde die Basilika, wie andere Gebäude, Konstantin zugeschrieben. Prominenter Beleg dieser Umwidmung ist die Kolossalstatue Konstantins, einst in der westlichen Ap-
1004 1005
1006
Vgl. Dumser 2005, S. 76. Ziemssen spricht von ca. 15 m Breite, vgl. Ziemssen 2006/2010, S. 229. Zur Innenausstattung der Basilika vgl. Caré, Alessandro: L’ornato architettonico della basilica di Massenzio. „L’ERMA“ di BRETSCHNEIDER, Rom 2005. Einen Überblick über die Forschungsdiskussion zur Datierung der Basilika gibt u. a. Dumser 2005, S. 69ff.
285
sis der Basilika plaziert, deren Reste heute im Hof d es Palazzo dei Conservatori zu finden sind. Es wird in der Forschung diskutiert, ob das Porträt ursprünglich Maxentius darstellte und später in ein Porträt von Konstantin umgearbeitet wurde.1007 Die ursprüngliche Ost-West-Ausrichtung des Baus wurde später durch das Hinzufügen einer weiteren Apsis an der nördlichen Längsseite verändert. Vermutlich zeitgleich wurde ein neuer Eingang am südlichen Ende hinzugefügt. So war die Basilika direkt von der Via Sacra zugänglich und im Innenraum entstand eine NordSüd-Achse. Nach wie vor umstritten ist, wann diese Änderungen vorgenommen wurden. Einige Forscher vermuten, dass der südliche Eingang Teil der ursprünglichen Struktur war, während andere die Apsis und den Eingang in das Ende des 4. Jahrhunderts datieren.1008 Obwohl man die Basilika als monumentale Audienzhalle in Betracht ziehen kann, zeigt sie einige architektonische Besonderheiten, die sie von den tetrarchischen Audienzhallen unterscheidet: Erstens befand sie nicht in einem Palastkomplex, sondern lag im Zentrum der Stadt. Anders als in den tetrarchischen Residenzstädten war der öffentliche Raum in Rom bereits seit Jahrhunderten Bühne der imperialen Selbstinszenierung und dies erforderte innovative Lösungen, wie Repräsentationsbauten in die bestehende Stadtstruktur integriert werden konnten. Die Basilika besetzte durch die Lage östlich des Forum Romanum an der Via Sacra einen zentralen Teil des römischen Stadtzentrums und bildete zusammen mit dem ebenfalls unter Maxentius umgebauten Tempel der Venus und Roma eine Art Scharnier zwischen der öffentlichen Sphäre des Forum Romanum und der sakralisierten Sphäre der kaiserlichen Bauten auf dem Palatin. Zweitens unterschied sich die Struktur der Basilika mit nicht nur einem Mittelschiff, das zur Apsis führte, sondern insgesamt sechs flankierenden Nebenräumen, deutlich von den bekannten Grundrissen der tetrarchischen Audienzhallen. Die räumliche Hierarchie, die von den flankierenden Seitenräumen hervorgerufen wurde, spiegelte die differenziertere soziale Hierarchie der Zeit und die architektonischen Anforderungen eines zunehmend institutionalisierten Zeremoniells wider.1009 1007
1008
1009
Vgl. Fittschen, Klaus/Zanker, Paul: Katalog der römischen Porträts in den Capitolinischen Museen und den anderen kommunalen Sammlungen der Stadt Rom. Band I, Text. Kaiser- und Prinzenbildnisse. Zabern, Mainz 1985, S. 49; Presicce, Claudio Parisi: Konstantin als Iuppiter. Die Kolossalstatue des Kaisers aus der Basilika an der Via Sacra. In: Demandt, Alexander/Engemann, Josef (Hrsg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus. Ausstellungskatalog. Zabern, Mainz 2007. S. 117– 131; Ziemssen 2006a, S. 234; S. 128; Dumser 2005, S. 81f. Für eine Datierung des Südportikus in die Zeit des Maxentius argumentieren Cullhed 1984, S. 51; Dumser 2005, S. 76f; Amici 2005, S. 38f. Für eine spätere Datierung, vermutlich zeitgleich mit der Errichtung der Nordapsis um 400 n. Chr. plädieren u. a. Ziemssen 2006a, S. 235f; Albrecht, Luise/ Döring-Williams, Marina: Die Maxentiusbasilika als Ruine in Spätantike und Mittelalter. In: Perlich, Barbara; van Tussenbroek, Gabri (Hrsg.): Mittelalterliche Architektur. Bau und Umbau, Reparatur und Transformation. Festschrift für Johannes Cramer zum 60. Geburtstag. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010. S. 195–218, S. 198. Vgl. Ziemssen 2012a, S. 98f.
286
2.1.3.2 OKTOGON Eine weitere Sonderform tetrarchischer Audienzhallen stellen die Oktogone in den Palastarealen von Thessalonike und Serdica dar. Das Oktogon wird in der Regel als Empfangsaal für vom Meer her anreisende Besucher gedeutet. Dass es ein wichtiger Teil des Repräsentationsareals war, wird schon allein aufgrund der Lage und Größe der Anlage deutlich. Nur ca. 60 m von der Küstenlinie entfernt lag der von Portiken umgebene Vorhof, das sogenannte Südperistyl. Von diesem gelangte man über ein monumentales Vestibül in das Oktogon selbst, das einen Durchmesser von über 30 m hatte und über eine hochwertige opus sectile-Ausstattung verfügte. Für die Deutung als Empfangsaal, in dem auch Audienzen mit dem Kaiser stattfanden, spricht, dass die Nische gegenüber dem Eingang mit knapp 7 m Breite deutlich größer war als die anderen Nischen. Die Sichtachse vom Eingang zur halbrunden Nische erinnert an die aulae, in denen die Sichtachse ebenfalls auf die zentrale Apsis ausgerichtet war. Etwas anders liegt der Fall beim Oktogon im Eingangsbereich der sogenannten Palastanlage in Serdica, das ebenfalls als zentraler Empfangsaal gedeutet wird. Hierbei handelt es sich um eine deutlich kleinere Anlage, die zwar über ein vorgelagertes Peristyl, aber kein Vestibül verfügte. Problematisch ist darüber hinaus, dass sich der Grundriss der Anlage nicht genau rekonstruieren lässt. Eventuell befand sich auch hier gegenüber dem Eingang eine halbrunde Nische, welche die anderen an Größe übertraf. Die unregelmäßige Grundstruktur des Oktogons macht es aber auch möglich, hier verschieden große und in ihrer Form unterschiedliche Nischen zu rekonstruieren, die nicht axial auf den Eingang ausgerichtet waren. Selbst wenn man also der Deutung des Oktogons als Empfangsaal einer kaiserlichen Palastanlage folgt, lassen sich hier nur begrenzt Parallelen zu dem Oktogon in Thessalonike oder sogar zu den anderen tetrarchischen Audienzhallen feststellen. Das Oktogon als Audienzhalle bleibt somit in der baulichen Typologie tetrarchischer Palastanalagen eine schwer greifbare Sonderform, insbesondere da bei beiden bekannten Strukturen weder Datierung noch Funktion gesichert sind.
2.2 CIRCUS Alle hier besprochenen Residenzstädte außer Serdica verfügten in tetrarchischer Zeit über eine Circusanlage. In Antiochia war bereits ein Hippodrom vorhanden, das zum Zeitpunkt des Palastbaus unter Diokletian intakt gewesen zu sein scheint, denn Ausbaumaßnahmen lassen sich erst unter der Konstantinischen Dynastie nachweisen. In Augusta Treverorum scheint eine bestehende kaiserzeitliche Anlage aus dem 2. Jahrhundert ausgebaut oder neu errichtet worden zu sein. Vermutlich wurde dies bereits unter Maximian oder Constantius 287
Chlorus begonnen, die Fertigstellung wird jedoch unter Konstantin erfolgt sein. In den anderen Residenzstädten handelte es sich um Neubauten. Das Hippodrom in Nicomedia wurde durch Diokletian erbaut und am 20. November 304 n. Chr. geweiht, das Hippodrom von Thessalonike entstand im Zusammenhang mit dem Palastbau des Galerius. Die Circus-Neubauten in Zusammenhang mit der Erweiterung der Stadtmauer in Mediolanum und Aquileia sind ebenfalls in tetrarchischer Zeit erfolgt und werden Maximian zugeschrieben. Auch in Sirmium scheint die Erweiterung der Stadtmauern dazu gedient zu haben, Platz für das neuangelegte Hippodrom und die angrenzende Palastanlage zu schaffen. Konzipiert wurde die Anlage eventuell bereits unter Diokletian, die Fertigstellung erfolgte jedoch erst unter Licinius oder Konstantin. In Bezug auf die Lage ist allen Anlagen gemein, dass sie sich am Stadtrand befanden und innerhalb des ummauerten Stadtgebietes lagen. Darüber hinaus ist für alle bekannten Anlagen ein räumlicher Bezug zum Palastareal anzunehmen. Während dies für Nicomedia und Aquileia nur vermutet werden kann, ist ein direkter topographischer Zusammenhang von Palast und Hippodrom im Falle von Thessalonke eindeutig belegt. Auch für die Anlagen in Sirmium, Antiochia, Augusta Treverorum und Mediolanum kann jedoch auf Basis des archäologischen Befundes davon ausgegangen werden, dass Palastareal und Circusanlage direkt aneinander grenzte. Wie oben bereits besprochen sind für Sirmium, Thessalonike und Augusta Treverorum verbindende Hallenbauten zwischen Circus und Palast anzunehmen, die dem Herrscher als Loge gedient haben könnten und ein plötzliches Erscheinen des Herrschers vor dem bei den Spielen anwesenden Publikum ermöglichten. Auch in Mediolanum grenzte ein solcher apsidial angelegter mehrgeschossiger Hallenbau an den Circus, allerdings auf der Seite zur Stadtmauer hin. Ein direkter Bezug des von Norden her zugänglichen Hallenbaus zum östlich des Hippodroms vermuteten Palastareal lässt sich somit nicht annehmen, außer man vermutetet eine Ausdehnung des Palastkomplexes bis in den bisher wenig erforschten Bereich nördlich des Hippodroms. Nicht umsonst wird der Bau von Circusanlagen als eines der entscheidenen Kriterien für die architektonische Monumentalisierung der Residenzstädte gewertet. In tetrarchischer Zeit lassen sich Circusneubauten ausschließlich für die hier besprochenen Hauptresidenzen der Mitglieder des Herrschaftskollegiums nachweisen.1010 Sie scheinen demnach in direktem Zusammenhang mit der kaiserlichen Herrschaftsrepräsentation und der Visualisierung des neugewonnen Status der Stadt gestanden zu haben. Die dabei häufig festzustellende topographische Kombination von Palast und Circus geht eindeutig auf das Vorbild des Palatin mit dem vorgelagerten Circus Maximus zurück, auch wenn die neu erbauten Circusanlagen in den tetrarchischen Residenzen mit einer durchschnittlichen Länge von ca. 400–450 m und einer 1010
Vgl. Humphrey 1986, S. 579f.
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Breite von ca. 60–70 m etwas kleiner als das römische Vorbild waren. Bereits seit Augustus war die Veranstaltung von Spielen ein wichtiges Element der kaiserlichen Herrschaftsrepräsentation. Vermutlich aufgrunddessen wurde im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. die räumliche Verbindung zwischen Palast und Circus verstärkt durch den Bau der monumentalen Exedra und eventuell einem anschließenden Verbindungsgang zum Pulvinar im Circus. Es wäre dem Kaiser somit ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen, sich sowohl in der entfernteren Exedra dem Volk zu zeigen als auch quasi ungesehen im Circus selbst zu erscheinen und den Spielen vom Pulvinar aus zu folgen.1011 Bereits im 3. Jahrhundert wurde die Dualität von kaiserlicher Wohnanlage und Circus vom römischen Stadtzentrum abstrahiert. In severischer Zeit, vermutlich unter Caracalla (211– 217 n. Chr.) oder Elagabal (218–222 n. Chr.), entstand mit dem Sessorium eine kaiserliche Villenanlage mit zugehörigem Circus am Stadtrand Roms. Mit einer Länge von ca. 565 m und einer Breite von ca. 115–125 m erinnerte der Circus Varianus beim Sessorium in seinen Ausmaßen an den nahegelegenen Circus Maximus. Ähnlich wie später die Circusanlagen in den tetrarchischen Residenzstädten fasste er jedoch deutlich weniger Zuschauer. Wie der Circus Maximus, der Circus beim Vatikan und die späteren spätantiken Circusanlagen verfügte auch dieser Circus über einen Obelisk. Als Vorbild für den Bau des Circus Varianus diente vermutlich der Circus des Caligula und des Nero beim Vatikan.1012 Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der Circus Varianus nicht lediglich als private Circusanlage fungierte, wo auch der Herrscher selbst Rennen fahren konnte. Vielmehr wurde er auch im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen genutzt, die im Zusammenhang mit dem unter Elagabal forcierten Kult um den Sonnengott zu deuten zu sein scheinen. Darüber hinaus erinnert der über 300 m lange Korridor, der die kaiserliche Villa Sessorium mit dem Circus verband, stark an die oben erwähnten Hallenbauten, die oftmals an die tetrarchischen Circusanlagen grenzten. Es liegt nahe, dass auch hier ein Verbindungsbau den ungesehenen bzw. architektonisch gerahmten Zugang von der Villa zur kaiserlichen Loge im Circus ermöglichte.1013 Folglich ist die Kombination von Palast und Circus außerhalb des Palatin kein absolutes Novum der tetrarchischen Residenzstädte, vielmehr scheint das severische Sessorium Anlagen wie die Villa des Maxentius an der Via Appia und die Paläste mit angrenzenden Circi in den tetrarchischen Residenzen vorwegzunehmen.1014
1011 1012 1013 1014
Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 289f. Vgl. Humphrey 1986, S. 545–552. Vgl. Humphrey 1986, S. 552ff. Zur Bedeutung der severischen Bauten in Rom für die Entwicklung spätantiker Palastanlagen vgl. Wulf-Rheidt 2013.
289
Unter den Tetrarchen wurde dieses Konzept auf die Residenzstädte – und nur diese Städte – übertragen. Durch die räumliche Kombination von Circus und Palast – oft auch hier verstärkt durch eine monumentale Schaufassade – wurde die Macht und Präsenz des Herrschers im Stadtbild manifestiert und auch während der Abwesenheit des Regenten vergegenwärtigt. Gleichzeitig trug sie der im Römischen Reich seit der Kaiserzeit ritualisierten Kommunikation zwischen Volk und Herrscher während der Spiele im Circus Rechnung.1015 Die politische Bedeutung von Circusspielen während der Kaiserzeit wurde exemplarisch ausgeführt von P. Veyne: „Die Spiele wurden also aus mehreren Gründen, vor allem aber weil sich bei ihnen die Plebs und der Herrscher von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, zu einer Arena der Politik. Die römische Menge ehrte hier den Herrscher, verlangte Vergnügungen von ihm, machte ihm ihre politischen Forderungen deutlich und akklamierte oder attakierte ihn unter dem Vorwand, seinen Spielen zu applaudieren oder sie auszubuhen. Damit gewannen der Circus und das Amphitheater im politischen Leben Roms eine unverhältnismäßig große Bedeutung. Selbst wenn ein Herrscher nicht persönlich anwesend war […] wurden die kaiserlichen Insignien stets, wie es scheint, an seinem Platz und allen sichtbar aufgestellt. Das Schauspiel war eine offizielle Zeremonie.“1016
Während das Volk bei den Spielen die Möglichkeit hatte, sowohl Zustimmung als auch Unmut durch Akklamationen und Sprechchöre straffrei zu artikulieren, dienten die Spiele dem Herrscher vor allem dazu, sich als freigiebig und volksnah zu inszenieren und somit Tugenden wie liberalitas und civilitas zu betonen.1017 Wie C. Heucke am Beispiel des Hippodroms von Konstantinopel für das 4. bis 6. Jahrhundert aufzeigen konnte, hatte diese wechselseitige Kommunikation einen systemstabilisierenden Charakter. Demnach waren die regelmäßig abgehaltenen Spiele im Hippodrom anlässlich von Geburtstagen der Regenten, Geburtstagen der Stadt, Amtsantritten hoher Beamter o.ä. politisierte Veranstaltungen, die dazu dienten, die Verdienste des jeweiligen Regenten um das Wohl des Volkes zu verdeutlichen und dessen Stellung zu über-
1015
1016 1017
Ähnliches gilt für die Schauspiele in den Arenen wie bspw. das Colosseum, deren sozialphysiologische Bedeutung für die römische Gesellschaft G. Fagan kürzlich ausgeführt hat. Vgl. Fagan, Garrett G.: The Lure of the Arena. Social Psychology and the Crowd at the Roman Games. Cambridge University Press, Cambridge 2011. Veyne 1988, S. 606. Vgl. Puk, Alexander: Das römische Spielewesen in der Spätantike. De Gruyter, Berlin/Boston 2014, S. 172f.
290
höhen.1018 Darüber hinaus gab es unregelmäßig abgehaltene politisierte Spiele, beispielsweise anlässlich eines Regierungsantritts, einer Hochzeit oder einer Geburt innerhalb der kaiserlichen Familie. Bei diesen Spielen ging es vornehmlich darum, die Legitimität des Herrschaftsanspruches des regierenden Kaisers und dessen Familie zu demonstrieren und somit innenpolitisch stabilisierend zu wirken.1019 Weitere unregelmäßig abgehaltene Spiele konnten Spiele in Zusammenhang mit der Anwesenheit ausländischer Gesandter sein; hierbei sind laut C. Heucke vor allem diese und nicht primär das Volk die Zielgruppe der kaiserlichen Repräsentation und Herrschaftsinszenierung, es ging demnach um die Inszenierung der kaiserlichen Macht nach außen.1020 Die architektonischen Rahmenbedingungen begünstigten die kaiserliche Selbstinszenierung während der Spiele ungemein. Eine Circusanlage fasste eine große Zuschauermenge, man konnte also recht einfach eine große Masse erreichen und sich für diese „sichtbar“ machen. Hier war vor allem die Rolle der Kaiserloge im Circus von Bedeutung, wodurch der Kaiser und die dort Anwesenden exponiert waren und nicht nur ihrerseits einen guten Blick auf die Geschehnisse hatten. Vielmehr wurde die herrschaftliche Präsenz durch die Zuschauer klar wahrgenommen und durch die übergeordnete Lage der Kaiserloge wurde die kaiserliche Überlegenheit wirksam inszeniert.1021 Die von C. Heucke für Konstantinopel entwickelten Ausführungen lassen sich trotz der deutlich dünneren Quellenlage auf die Circusanlagen in den tetrarchischen Residenzstädten übertragen, da Rom und die tetrarchischen Residenzstädte als Vorbild für die Entwicklung der politischen Rolle des Hippodroms von Konstantinopel zu deuten sind.1022 Über regelmäßige Spiele ist in den tetrarchischen Residenzstädten wenig genaues überliefert, was durch den deutlich kürzeren Zeitraum als Herrschaftsresidenz im Vergleich zu Konstantinopel erklärbar wird. Die bei Laktanz geschilderten Spiele anlässlich der Weihung des Hippodroms von Nicomedia durch Diokletian am 20. November 304 n. Chr. können jedoch als Beispiel für unregelmäßig abgehaltene politisierte Spiele eingeordnet werden: „So verstrich der Sommer, während er am Donauufer entlangzog, und er kam nach Nikomedia, als ihm die Krankheit schon ärger zusetzte; obwohl er sich durch sie stark mit-
1018 1019 1020 1021 1022
Vgl. Heucke 1994, S. 100f. Vgl. ebd., S. 129f. Vgl. ebd. 1994, S. 131f. Vgl. ebd. 1994, S. 193. „Although specific literary references chiefly concern Constantinople, Constantinople should be seen as following the pattern established by Dioletian and Maximian, a pattern itself inspired by the Sessorian complex.” Vgl. Humphrey 1986, S. 637.
291
genommen fühlte, ließ er sich dennoch in die Öffentlichkeit tragen, um den Zirkus, den er hatte erbauen lassen, einzuweihen.“1023
Dieses Beispiel verdeutlicht die Bedeutung des Circus im Rahmen der Herrschaftsrepräsentation. Trotz Krankheit scheint die persönliche Anwesenheit des Herrschers entscheidend gewesen zu sein, Diokletian legte Wert darauf, den von ihm gestifteten Circus auch persönlich zu weihen. Warum dies so wichtig war, lässt sich ebenfalls aus der Beschreibung des Laktanz herauslesen: „ließ er sich dennoch in die Öffentlichkeit tragen“. Der zentrale Aspekt war die „Sichtbarkeit“ des Kaisers, die für das Volk wahrnehmbare Inszenierung seiner Präsenz und Freigiebigkeit und somit der Vorzüge seiner Herrschaft. Selbst wenn man die in den Einzelkapiteln zu den Städten ausgeführten Argumente bezüglich einer anzunehmenden räumlichen Verbindung zwischen Palast und Circus in den tetrarchischen Residenzstädten kritisch bewertet, so ist dennoch die nachweisliche Errichtung von Circusbauten in den Residenzstädten auch unabhängig von der Nähe zur Palastanlage im Kontext der herrschaftlichen Selbstrepräsentation zu interpretieren. Denn auch wenn der Palast von den Zuschauerrängen nicht sichtbar war, werden die oben skizzierten Mechanismen der kaiserlichen Herrschaftsinszenierung durch die Veranstaltung von Circusspielen dennoch gegriffen haben. Die Inszenierung der kaiserlichen Freigiebigkeit und Volksnähe, die Betonung der Legitimität der Herrschaft, die ritualisierte Kommunikation zwischen Herrscher und Volk sowie die Visualisierung der kaiserlichen Macht und Präsenz nach innen und außen – das alles war bei Circusspielen im Beisein oder im Namen des Herrschers möglich, ob nun vor einer Palastfassade inszeniert oder nicht. Die Errichtung von Circusbauten und die Abhaltung von Spielen in diesen, vorzugsweise im Beisein eines Vertreters des Herrschaftskollegiums, sind demnach auch ohne Verbindung zum Palast als ein genuin politisches Mittel der Herrschafsrepräsentation zu bewerten 1024
2.3 KAISERTHERMEN Ein in der Forschung bisher kaum diskutierter Aspekt in Bezug auf einen systematischen Ausbau der tetrarchischen Residenzstädte ist die für fast alle Residenzen anzunehmende Errichtung von Kaiserthermen durch das Herrscherhaus.1025 1023
1024 1025
„Sic aestate transacta per circuitum ripae Istricae Nicomediam venit morbo iam gravius urgente; quocum se premi videret, prolatus est tamen, ut circum, quem fecerat, dedicaret anno post vicennalia repleto.“ Lact. De mort. pers. 17.4. Ähnlich argumentiert auch Heucke 1994, S. 395ff. Lediglich C. Witschel stellte dies in seinem Artikel zu Trier und dem Ausbau der Residenzstädte in tetrarchischer Zeit bereits kurz fest. Vgl. Witschel 2004/05, S. 227.
292
ÜBERSICHT TETRARCHISCHER KAISERTHERMEN RESIDENZ
KAISERTHERME
NÄHE ZUM PALAST
BAUHERR
FLÄCHE
ERWEITERUNG VS UMBAU
NAME
Nicomedia
x (?)
k. A.
Diokletian
k. A.
Ausbau (severischer Vorgängerbau)
„thermarum Antoninianarum“ (CIL III 324)
Sirmium
x
/
Licinius
Westflügel ~ 4226 m², also insg. >10 000 m²
Ausbau (Vorgängerbau 2. od. 3. Jh.)
„thermas Licinianas“ (Inschrift aus Brač )
Antiochia
x (?)
x (?)
Diokletian
k. A. (Bad C: 3700 m²)
Neubau
Diocletianum (Malal. 12 306–308)
Thessalonike
k. A.
/
/
/
/
/
Serdica
x (kleiner Typus)
x
Galerius od. Konstantin (?)
1960 m²
Neubau
/
Augusta Treverorum
x
x
Maximian od. Const. Chlorus
36 250 m²
Neubau (Niederlegung Wohnviertel)
/
Mediolanum
x
/
Maximian
ca. 14 500 m² Neubau (evtl. kaiserzeitlicher Vorgängerbau)
Herculesthermen (Ausonius, ord. urb. nob. 7)
Aquileia
x
(?) Nähe Circus
Konstantin
ca. 20 000 m² Ausbau (severischer Vorgängerbau)
„felicium thermarum Constantiniarum“ (Inschrift Statue)
Diokletiansthermen
x
/
Maximian
140 600 m²
Neubau
„thermas felices Diocletianas” (Bauinschrift, CIL VI,1130)
Konstantinsthermen
x
/
Maxentius od. Konstantin
18 000– 19 000 m²
Neubau
„thermas Constantinianas“ (Amm. Marc. 27.3.8)
KONSTANTIx NOPEL (nach 324 n. Chr.)
x
Konstantin
Ausbau (severisch)
ZeuxipposThermen
ROM
293
KAISERZEITLICHE THERMENBAUTEN IN ROM ZUM VERGLEICH Thermen des Nero
x
15 730 m²
Neubau
„Thermae Neronis“
Titusthermen
x
10 500 m²
Neubau
„Thermae Titi“
Trajansthermen
x
103 950 m²
Neubau
„Thermae Traiani“
Caracallathermen x
110 530 m²
Neubau
„Thermae Antoninianae“
Abbildung 56: Übersicht zu den imperialen Thermenbauten in den tetrarchischen Residenzstädten.1026 Diokletian ließ in Nicomedia mit eigenen Mitteln („sua pecunia“) die Thermae Antoninianarum ausbauen und widmete sie seinem Volk („populo suo exhiberi iussit“); für Antiochia ist überliefert, dass er auf der Orontes-Insel ein nach ihm benanntes Bad, das Diokletianum, errichtete. In beiden Fällen lässt sich annehmen, dass es sich hierbei um Thermen des imperialen Typus handelte.1027 In Trier wurde unter Maximian oder Constantius Chlorus mit dem Bau der monumentalen Kaiserthermen begonnen. Eine Finanzierung durch das Kaiserhaus scheint hier aufgrund des Ausmaßes der Anlage, der räumlichen Nähe zum Palastareal und der gezielten Niederlegung eines Wohngebiets gesichert. Auch die Thermen des Licinius in Sirmium sowie die Herculesthermen in Mailand sind mit einer Fläche von 10 000–15 000 m² deutlich größer als durchschnittliche kaiserzeitliche Thermenbauten des imperialen Typus in den Provinzen.1028 Folglich lässt sich auch hier schlussfolgern, dass die Thermen nicht von der Stadt zu Ehren des Herrschers gestiftet wurden, sondern dass eine (Mit)Finanzierung des Baus durch das Kaiserhaus sehr wahrscheinlich ist. Für die Großen Thermen von Aquileia ist ein solcher Vorgang belegt. Nachdem Konstantin den severischen Vorgängerbau hatte wieder aufbauen lassen, wurden die Thermen zum Dank nach ihm benannt. Lediglich in Serdica muss die Urheberschaft kritisch gesehen werden. Die Thermen gehören mit einer Fläche von knapp 2000 m² zum sogenannten kleinen imperialen Typus und könnten daher auch von der Stadt gestiftet worden sein. Zwar macht der Status Serdicas als kaiserliche Residenz einen Ausbau durch Galerius oder Konstantin
1026
1027 1028
Die Angaben basieren auf den Ausführungen in den Kapiteln 1.1.–1.8. Die Angaben zu den Kaiserthermen in Rom basieren auf Nielsen 1990, Bd. II. Vgl. Kap. 1.1.2.4. und 1.3.2.3. Dies ist ein wichtiger Punkt, da Kaiserthermen in den Provinzen nicht zwangsläufig durch das Kaiserhaus finanziert gewesen sein müssen, wie bspw. das Beispiel der antoninischen Kaiserthermen in Karthago zeigt, die anscheinend durch die Stadt selbst finanziert wurden. Allerdings gilt dies nicht für die Mehrheit der Thermenbauten. Darüber hinaus waren die Thermenbauten in den Provinzen in der Regel deutlich kleiner. Beispielsweise sind für die Provinzen Nordafrikas in der Kaiserzeit 11 Thermen
294
wahrscheinlich, doch da weder Erwähnungen der Thermen in den Quellen bekannt sind noch Inschriftenfunde, muss dies zunächst hypothetisch bleiben. Gemeinsamkeiten bei der Verortung der Thermenbauten im städtischen Kontext sind nicht durchgängig nachzuweisen. In Trier standen die Kaiserthermen in räumlichem Bezug zum Palastareal und gleiches gilt für die Thermen des kleinen imperialen Typus in Serdica, die ebenfalls an das sogenannte Palastareal angrenzen. Auch für Antiochia ließe sich eine topographische Nähe von Palast und Kaiserthermen vermuten. Zumindest ist das monumentale Bad des Diokletian ebenfalls auf der Orontes-Insel zu lokalisieren. Darüber hinaus wurden häufig kaiserzeitliche Vorgängerbauten wieder auf- oder monumental ausgebaut, wie es in Nicomedia, Sirmium, Aquileia und eventuell Mediolanum der Fall war. Dies spricht dafür, dass bei der Stiftung der Kaiserthermen pragmatisch vorgegangen wurde: Vorhandene, vermutlich nach der Krisenzeit Mitte des 3. Jahrhunderts teilweise verfallene, Thermenanlagen wurden wieder in Betrieb genommen und verschönert. Dies sparte Zeit und Geld und verdeutlichte die Sorge des Herrscherkollegiums um die öffentlichen Bauten und das Wohl der Stadt und ihrer Bürger. Demnach kann man lediglich bei den Neubauten, wie beispielsweise in Trier und Antiochia und – falls dies einbezogen werden kann – Serdica, strategische Gründe bei der Standortwahl vermuten. Da ausgerechnet hier die Thermenbauten einen räumlichen Bezug zum Palastareal aufweisen, ließe sich ein ähnliches Schema wie bei dem räumlichen Bezug zwischen Palast und Circus annehmen.1029 Auffällig ist grundsätzlich, dass der (Aus)Bau von Kaiserthermen ebenso wie der (Aus)Bau von Circusanlagen in tetrarchischer Zeit den Residenzstädten der Herrscher vorbehalten gewesen zu sein scheint.1030 Dies wird verstärkt durch den Umstand, dass zwischen den Severern
1029
1030
im imperialen Typus gesichert. Diese haben – mit Ausnahme der Thermen in Karthago – eine Größe zwischen 1600 und 7500 m². Vgl. Nielsen 1990, S. 87. U. Wulf-Rheidt deutet den Bau von monumentalen Kaiserthermen in räumlichem Bezug zum Palastareal in Zusammenhang mit dem Ausbau der severischen Thermenanlage entlang der dem Circus zugewandten Palastseite auf dem Palatin unter Maxentius. Im hier besprochenen Kontext ist dies kritisch zu sehen, da es sich bei den tetrarchischen Thermenanlagen in den Residenzstädten und in Rom allein aufgrund der Größe der Anlagen um öffentliche Thermen und nicht um Palastthermen gehandelt hat. Dass jedoch die Visualisierung einer räumlichen Nähe von Palast und Kaisertherme durchaus intendiert war, lässt sich sicherlich trotzdem argumentieren. Vgl. Wulf-Rheidt 2014, S. 20f. In Alexandria entsprachen die Thermen von Kôm al-Dikka dem imperialen Typus. Mit über 3300 m² handelt es sich um ein eher kleines Bad und auch die Datierung ist relativ grob in das 3. Jahrhundert. Verschiedentlich wurde eine Datierung des Thermenkomplexes in das späte 3. bzw. frühe 4. Jahrhundert vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Entstehung der Thermen auf den Aufenthalt Diokletians in Alexandria zurückgehen könnte. Dies lässt sich jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand nicht abschließend klären. Vgl. Nielsen 1990, Bd. II, S. 35, Nr. C. 280. Darüber hinaus ließ Konstantin in Reims einen großangelegten Thermenbau auf Kosten des kaiserlichen Fiskus errich-
295
und der Tetrarchie reichsweit kaum Kaiserthermen erbaut wurden.1031 Dies lag vermutlich an der politischen und ökonomischen Unsicherheit während der Mitte des 3. Jahrhunderts. Die Wiederaufnahme der Stiftung monumentaler Kaiserthermen speziell in den tetrarchischen Residenzstädten legt somit nahe, dass diese Bauten als ein wesentliches Element der tetrarchischen Baupolitik zur Herrschaftsrepräsentation zu deuten sind. Bereits die kaiserzeitlichen Thermenanlagen der Kaiser in Rom waren Bauten von herausragender Repräsentativität. Der Typus der imperialen Thermen wurde zum einen definiert durch die schiere Monumentalität der Anlagen, zum anderen durch die meist axial-symmetrische Grundstruktur. Beispielsweise die Trajans-Thermen in Rom umfassten eine Fläche von etwas mehr als 10 ha.1032 Die wesentlichen Räume der Anlage waren dabei in einer festen axialen Abfolge angelegt, von der Palästra – meist mit anschließender Natatio –, über das Frigidarium in das Tepidarium und schließlich das Caldarium. Flankiert wurde diese Hauptachse von symmetrisch angelegten Seitenräumen, in denen sich beispielsweise die Umkleideräume sowie Räumlichkeiten für Behandlungen befanden. Die Position der in der Regel vorhandenen Basilika war nicht fest definiert, oftmals befand sie sich nahe der Palästra oder grenzte an das Frigidarium.1033 Die Kosten für den Bau von Kaiserthermen des großen imperialen Typus wie die stadtrömischen Thermenanlagen waren immens, so dass diese im Grunde nur durch die Initiative des Kaiserhauses gestiftet und teilweise auch instand gehalten werden konnten.1034 Auch die eindrucksvollste der tetrarchischen Kaiserthermen entstand in Rom. Maximian stiftete hier im Jahre 299 n. Chr. anlässlich seines Aufenthaltes in der Stadt die monumentalen Dioketiansthermen zu Ehren seines Mitregenten. Der Bau wurde nach nur ca. 7 Jahren Bauzeit zwischen Mai 305 und Juni 306 n. Chr. geweiht und übertraf mit einer Fläche von über 140 000 m² an Pracht und Größe nicht nur die Thermenanlagen in den Residenzstädten, sondern auch die
1031
1032 1033
1034
ten, bei dem es sich eventuell ebenfalls um Thermen im imperialen Typus gehandelt haben könnte. Vgl. Witschel 2004/05, S. 236. Vgl. Nielsen 1990, S. 59. Für den Kaiser Trajanus Decius (249–251 n. Chr.) ist ein Thermenbau auf dem Aventin in Rom überliefert. Yegül 2010, S. 116f. Vgl. Yegül 2010, S. 108. Vgl. Krencker 1929, S. 180; Nielsen 1990, S. 4; Yegül 2010, S. 101f. Der Vorteil dieser Struktur war, dass bei Bedarf – beispielsweise für Wartungsarbeiten oder Reinigung – ein Gebäudetrakt stillgelegt werden konnte, ohne dass der Badbetrieb eingestellt werden musste. Anhand der Caracalla-Thermen in Rom wurden die Kosten für den Bau und die Ausstattung einer solchen Anlage rekonstruiert, die mindestens 12–14 Millionen kastrenses modii (KM) betrugen. In tetrarchischer Zeit entsprach dies in etwa dem zwei- bis dreifachen Betrag für die jährlichen Ausgaben für die Bezahlung der hochrangigen Beamten. Vgl. Yegül 2010, S. 118. Thermen des sogenannten kleinen imperialen Typus hatten deutlich weniger Fläche und wurden häufiger auch von den Städten selbst finanziert. Vgl. Nielsen 1990, S. 4.
296
kaiserzeitlichen stadtrömischen Anlagen.1035 Darüber hinaus entstanden zwischen 306 und 320 n. Chr. die Konstantinsthermen auf dem Quirinal. Die unter Maxentius oder Konstantin begonnenen Thermen waren deutlich kleiner als die anderen stadtrömischen Kaiserthermen und sind in den Ausmaßen eher mit den Thermen in Aquileia zu vergleichen.1036 Da die Thermen erst in den Jahren nach 312 n. Chr., vermutlich um 320 n. Chr., fertiggestellt wurden, lässt sich dieser Bau eher in den Kontext der Herrschaftsrepräsentation Konstantins einordnen, die jedoch vor allem vor dem Hintergrund der tetrarchischen Baupolitik verständlich wird. Der Grundriss ist grundsätzlich bekannt, doch anders als bei den Diokletiansthermen hat sich hier keine Inschrift erhalten.1037 Die erhaltene Bau- und Dedikationsinschrift der Diokletiansthermen hingegen ist ein Glücksfall für die Analyse der politischen Bedeutung von Kaiserthermen. Ähnliche Inschriften sind für die Thermen in Nicomedia, Antiochia, Trier und Mailand anzunehmen sowie später für die Thermen des Licinius in Sirmium und möglicherweise die Thermen in Serdica. Für den Thermenbau in Rom ist zu beachten, dass es sich hier um einen speziellen Fall handelt, weil die Größe der Thermen auch als Kompensation für die Abwesenheit der Kaiser zu deuten ist.1038 Nichtsdestotrotz macht die Inschrift einige Grundprinzipien des tetrarchischen Herrschaftsverständnisses deutlich und veranschaulicht, welches Gewicht öffentliche Bauten wie Kaisterthermen für die herrschaftliche Selbstrepräsentation hatten. „Die Herren Diocletianus und Maximianus, die älteren unbesiegten Augusti, Väter der Imperatoren und Caesaren, und die unbesiegbaren Herren Constantius und Maximianus (Galerius), Augusti, und Severus und Maximinus, die edelsten Caesaren, haben ihren Römern die glückbringenden Diokletiansthermen geweiht, die Maximianus Augustus nach seiner Rückkehr aus Afrika unter dem Gewicht seiner Anwesenheit plante und zu bauen befahl und die er dem Namen seines erhabenen Bruders Diocletianus weihte, nachdem er den Grund und Boden für ein so gewaltiges Unternehmen aufgekauft hatte und den Bau mit all seinem üppigen Schmuck vollenden ließ.“1039 1035 1036
1037 1038 1039
Vgl. Bauer 2012a, S. 46ff; Nielsen 1990, S. 65ff; Krencker 1929, S. 279ff. Auf Basis von Ziegeldatierungen wurde verschiedentlich vorgeschlagen, dass mit dem Thermenbau bereits unter Maxentius begonnen wurde. Demnach wären diese dann wie die Basilika des Maxentius nach dem Sieg Konstantins 312 n. Chr. umgewidmet worden. Zur Forschungsdiskussion um den Initiator der Thermen und kritisch zu einer Zuschreibung an Maxentius vgl. Dumser 2005, S. 31ff. Der Name der Thermen als „Constantinianum lavacrum“ ist überliefert durch Amm. Marc. 27.3.8. Vgl. Yegül 2010, S. 117f sowie Abb. 55. Vgl. Bauer 2012a, S. 57; Hesberg 2006, S. 149. „Dd(omini) nn(ostri) Diocletianus et Maximianus invicti | seniores Augg(usti), patres impp(eratorum) et Caess(arum), | et dd(omini) nn(ostri) Constantius et Maximianus invicti Augg(usti), et | Severus et Maximinus nobilissimi Caesares | thermas felices [Dio]cletianas, quas | [M]aximianus Aug(ustus) re[dien]
297
Zunächst wird durch die Nennung aller Mitglieder des Herrscherkollegiums die Einheit der Regenten und somit das Prinzip der concordia betont. Es wird außerdem deutlich gemacht, dass der Bau durch Mittel des Kaiserhauses finanziert wurde. Der Verweis darauf, dass der Baugrund aufgekauft wurde scheint wichtig, da er verdeutlicht, dass es sich nicht um eine Enteignung handelte oder das Gelände im Besitz der Stadt war.1040 Vielmehr wurde mit immensem logistischem und finanziellem Aufwand ein Großbau realisiert, der auch in seiner Ausstattung mit üppigem Schmuck die ihm zugemessene Bedeutung spiegelte. Die Diokletiansthermen visualisieren somit zuallererst die liberalitas des Herrscherkollegiums und die Wertschätzung für die Stadt und ihre Bürger. Diese Wertschätzung zeigt sich nicht nur in der prächtigen Ausstattung, sondern vor allem auch in der Nützlichkeit des Baus, der utilitas publica. Großzügige Thermenanlagen waren ultimative Bauten für das Volk, da sie Teil des Alltags eines jeden Bürgers waren.1041 Auch dieser Aspekt findet sich in der hochpolitischen Dedikationsinschrift wieder, wenn klar wird, dass der glückbringende Bau „Romanis suis dedicaverunt“, also ihren Römern gestiftet wird.1042 Hier kommt beispielhaft die herrschaftliche Fürsorge zum Ausdruck. Diese wiederum wird inszeniert in einem Bau von ungesehender Größe und Pracht, was gleichzeitig die kaiserliche maiestas betont. Der einzigartige Luxus von Thermen des imperialen Typus mit ihren weitläufigen Anlagen und der unvergleichlichen Ausstattung illustrierte somit vor allem die kaiserliche Freigiebigkeit.1043 Gleichzeitig verdeutlichen sie in tetrarchischer Zeit auch die wiedergewonnene Stabilität der römischen Herrschaft und Sicherheit der Grenzen des Imperiums, da zur Unterhaltung solcher weitläufiger Thermenanlagen die Wasserversorgung über funktionierende Aquädukte sicher gestellt sein musste und erhebliche Kosten für die Instandhaltung anfielen.1044 Die Bedeutung der Kaiserthermen für die Herrschaftsinszenierung wird dadurch verdeutlicht, dass diese in tetrarchischer Zeit anscheinend ausschließlich in Rom und in den genannten Residenzstädten gebaut wurden. Hier wird eine Parallele zu der Ausstattung der tetrarchischen Residenzstädte mit Circusanlagen deutlich. Bei den Neubauten lässt sich außerdem feststellen, dass oftmals
1040 1041
1042 1043 1044
s ex Africa sub | [pr]aesentia maie[statis] disposuit ac | [f]ieri iussit et Diocletiani Aug(usti) fratris sui | nomini consecravit, coemptis aedificiis | pro tanti operis magnitudine omni cultu | perfectas Romanis suis dedicaverunt.“ CIL VI,1130 = ILS 646, Übersetzung nach Brödner 1983, zitiert in Bauer 2012a, S. 46f. Vgl. zum Aspekt der „Rechtmäßigkeit“ auch Bauer 2012a, S. 47. Vgl. hierzu grundlegend Zanker, Paul: Der Kaiser baut fürs Volk. Springer Fachmedien, Wiesbaden 1997, S. 19ff sowie zum öffentlichen Leben in den Thermen Fagan, Garrett G.: Bathing in Public in the Roman World. University of Michigan Press, Ann Arbor 1999. Vgl. Winter 1996, S. 52. So auch Hesberg 2006, S. 149f. Auf die Bedeutung von Kaiserthermen als Zeichen für eine funktionierende städtische Infrastruktur verweist auch F. A. Bauer anhand der Diokletiansthermen in Rom. Vgl. Bauer 2012a, S. 55.
298
ein räumlicher Bezug zum Palastareal bestand, was bedeutet, dass den Besuchern der Thermen immer auch die Residenz und somit die Macht und Erhabenheit des stiftenden Kaisers deutlich vor Augen stand.
2.4 HORREA In allen behandelten Residenzstädten mit Ausnahme von Nicomedia, Thessalonike und Serdica sind in tetrarchischer Zeit erbaute öffentliche horrea archäologisch oder durch Schriftquellen belegt. Bezüglich der Verortung der Lagerhäuser im urbanen Kontext lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, außer dass sie sich in der Nähe der zentralen Verkehrsachen beziehungsweise nahe den Handelszentren der Stadt befanden. Es ist nicht für alle horrea gesichert, ob diese durch das Kaiserhaus oder durch die Stadtverwaltung erbaut wurden. Für Antiochia ist aufgrund der Beschreibung des Malalas zu den Baumaßnahmen Diokletians belegt, dass dieser dort öffentliche Getreidespeicher errichten ließ.1045 Aufgrund der Größe und Monumentalität der bekannten Anlagen erscheint eine Finanzierung durch das Kaiserhaus auch für die anderen Städte durchaus wahrscheinlich. Bis auf Sirmium, in dem lediglich die Strukturen eines trapezoiden, zweigeschossigen Lagerhauses mit einer Grundfläche von 44 x 22 m freigelegt wurden, handelte es sich bei den Anlagen in den anderen Städten um Speicherkomplexe, die aus zwei oder mehr Bauten bestanden. Die horrea von St. Irminen in Augusta Treverorum bestanden aus zwei parallel zueinander verlaufenden zweigeschossigen Hallenbauten von jeweils 70 x 20 m mit dazwischen liegender Hofanlage. Ein weiterer Speicherbau von 64 x 18 m ist eventuell ebenfalls tetrarchisch und Reste einer Umfassungsmauer deuten darauf hin, dass es sich um ein Speicherareal mit mehreren Lagerhallen gehandelt hat. Auch bei den Grundstrukturen des in Mediolanum freigelegten, wahrscheinlich zweigeschossigen Horreums mit einer Grundfläche von 68 x 23 m, handelt es sich vermutlich um den östlichen Teil einer symmetrisch angelegten Speicheranlage mit einem weiteren Gebäude im Westen und einer dazwischen liegenden Hofanlage. In Aquileia entstanden auf einem Areal von 66 x 89 m ebenfalls zwei parallel angelegte Lagerhallen mit einem dazwischen liegenden Hof. Gemein ist den Anlagen in Augusta Treverorum, Mediolanum und Aquiliea, dass die Fassaden der Lagerhäuser durch Lisenen oder vorgelagerte Pfeiler gegliedert wurden und somit auf eine repräsentative Außenwirkung zielten. Es scheint demnach durchaus plausibel, dass die großangelegten Speicherkomplexe auf Betreiben des Herrscherhauses angelegt wurden, wie es für die Getreidespeicher in Antiochia belegt ist. Als öffentliche Infrastrukturbauten demonstrierten sie die steigenden Bevölkerungszah1045
Malal. 12.306–308.
299
len und somit die wirtschaftliche Bedeutung und den wachsenden Wohlstand der Stadt. Auch dies kann als eine Versinnbildlichung der Vorzüge des neuen Herrschaftssystems der Tetrarchie verstanden werden, welche diese Entwicklung durch die neugewonnene Stabilität des Imperium Romanum erst ermöglichte und absicherte.
2.5 STADTMAUERN Auch die für den Großteil der Residenzstädte belegte Erweiterung der Stadtmauern wird vor diesem Hintergrund verständlich. Durch Aurelius Victor ist der Bau neuer Stadtmauern in Mailand und Nicomedia überliefert. Im Falle von Nicomedia und Mailand lässt sich anhand des archäologischen Befundes nachweisen, dass es sich hierbei nicht nur um eine Erneuerung der bestehenden Stadtmauern gehandelt hat, sondern das ummauerte Stadtgebiet wurde vergrößert. In Nicomedia lässt sich dies vor allem für den Nordwesten der Stadt zeigen, wo auf einer kaiserzeitlichen Nekropole – und somit sicher außerhalb des vormaligen Stadtgebietes – im späten 3. Jahrhundert mehrere Neubauten entstanden. In Mailand stand die Erweiterung des Stadtgebietes im Westen mit dem Neubau des Circus in Zusammenhang. Darüber hinaus wurde die Stadtmauer auch im Nordosten an den Seveso vorverlegt. Dies führte zum einen zu einer Verbesserung der Defensivfunktion, da die Stadt nun durch Wassergraben und Mauer doppelt geschützt war, und zum anderen entstand hier ein neues Wohnviertel, in dem die monumentalen Herculesthermen erbaut wurden. Auch in Aquileia wurde das Stadtgebiet nicht nur erweitert, um den neuangelegten Circusbau im Nordwesten zu inkorporieren. Im Nordosten schloss der Mauerneubau nun den Hafen mit ein und im Süden gehörten seit der Mauererweiterung das imperiale Repräsentationsareal um das kaiserzeitliche Amphitheater sowie das merkantile Zentrum im Bereich der späteren Doppelkirche zum Stadtgebiet. In Serdica wurde die bestehende Stadtmauer im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert restauriert und durch zusätzliche Türme verstärkt. Darüber hinaus wurde nördlich des bestehenden Stadtgebietes die Stadtmauer massiv erweitert, wodurch sich die Fläche fast vervierfachte.1046
1046
Im Falle Serdicas ist allerdings anzumerken, dass sich am archäologischen Befund nicht ablesen lässt, ob das neue Stadtgebiet tatsächlich dicht bebaut wurde und ob die Erweiterung Galerius oder Konstantin zuzuschreiben ist. Die flächenmäßige Erweiterung scheint im Vergleich zu den anderen Residenzstädten derart drastisch, dass sich hier die Frage stellt, ob der Mauerneubau eher im Kontext der konstantinischen Erweiterung des Stadtgebietes von Konstantinopel zu sehen ist.
These vgl. Kap. 1.5.4.
300
Zu dieser
In den anderen Residenzstädten scheint die Erweiterung der Stadtmauern hauptsächlich auf den Platzbedarf für die Anlage eines Palastareals mit anschließendem Hippodrom zurückzuführen zu sein. Dies zeigt sich insbesondere in Sirmium, wo die vermutlich unter Licinius zu Beginn des 4. Jahrhunderts erfolgte Erweiterung der Stadtmauern im Südosten der Stadt Platz schuf für den Bau des Hippodroms und des südlich angrenzenden sogenannten imperialen Viertels. Auch im Falle Antiochias kann man durch die ab der Spätantike zu beobachtende Bezeichnung der Orontes-Insel als „Neustadt“ vermuten, dass die Insel im Zuge des Palastneubaus unter Diokletian zum ummauerten Stadtgebiet geschlagen wurde. In Bezug auf Thessalonike ist in der Forschung umstritten, ob die Stadtmauer im Bereich des Palastareals im Südosten erweitert worden war oder ob der Mauerverlauf dem der bereits im 3. Jahrhundert angelegten Stadtmauer entsprach. Lediglich in Augusta Treverorum findet sich kein Hinweis auf eine Erweiterung oder Erneuerung der Stadtmauern in tetrarchischer Zeit, hier wurden für den Palastbau und die Anlage der monumentalen Kaiserthermen Areale innerhalb der Stadtmauern erschlossen. Generell scheint die Erneuerung von Stadtmauern eine häufige imperiale Baumaßnahme zur Zeit der Tetrarchie gewesen zu sein. Dies ist vor allem aus militärstrategischer Sicht zu verstehen. Nicht nur die Städte des Imperium Romanum wurden durch erneuerte oder verstärkte Stadtmauern zusätzlich geschützt, sondern entlang der Grenzen wurden zahlreiche Kastelle angelegt. Somit scheint der Bau von Stadtmauern mit dem Bestreben nach der Stabilisierung der Grenzen des Imperium Romanum zusammenzuhängen und wird vor allem dazu gedient zu haben, die Sicherheit der Städte zu symbolisieren. Allerdings war die Erneuerung der Stadtmauern in den seltensten Fällen mit einer Erweiterung des Stadtgebietes verbunden. Im Gegenteil, in der Regel wurden bestehende Mauerbauten lediglich restauriert, wie beispielsweise oft in Italien zu beobachten, oder das Stadtgebiet wurde sogar verkleinert, wie es bei mehreren Städten in Gallien für die Spätantike nachzuweisen ist.1047 Die Vergrößerung des Stadtgebiets, wie sie durch die Erweiterung der Stadtmauern vor allem in den Residenzstädten fassbar wird, geht demnach über den militärstrategischen und sicherheitspolitischen Aspekt hinaus. Sie verdeutlicht nicht nur die neu gewonnene Stabilität des Reiches, sondern wird durch den neugewonnenen Status der Stadt als Herrschaftsresidenz erklärbar, die zu einem Wachstum der Städte und deren Bevölkerung führte. Oftmals entstanden in den neuen Stadtvierteln Palastanlagen, in denen nicht nur der Herrscher residiert hat, sondern die auch Platz für die zugehörigen Institutionen der imperialen Verwaltung bieten mussten. Darüber hinaus lässt sich das Bewölkerungswachstum nicht nur durch den Zuzug des für die Regierungs- und Hofführung notwendigen Personals erklären. Auch wird die Stadt in ihrer Region generell an Attraktivität gewonnen haben und somit den Zuzug weiterer Eli1047
Vgl. Witschel 2004/05, S. 230 mit Anm. 41.
301
ten gefördert haben – dies zeigt sich an den Wohnvierteln und merkantilen Zentren, die in den neuen Stadtgebieten entstanden. Somit visualisiert die Erweiterung der Stadtmauern in den Residenzstädten nicht nur die Vorzüge der tetrarchischen Herrschaft, sondern auch den Bedeutungsgewinn der Stadt als Herrschaftsresidenz und die Präsenz des imperialen Herrschaftskollegiums.
2.6 MAUSOLEA Mausoleumsbauten für die tetrarchischen Herrscher scheinen kein wesentliches Element bei der architektonischen Monumentalisierung der tetrarchischen Residenzstädte bzw. beim Ausbau der Palastanlagen gewesen zu sein. Lediglich für Thessalonike lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die monumentale Rotunda als Mausoleum des Galerius geplant und bewusst in räumlichem Bezug zum Palastareal angelegt wurde. Zwar wurde Galerius nach seinem Tod im Frühjahr 311 n. Chr. nicht hier, sondern in Felix Romuliana bestattet, doch scheint die Entscheidung hierzu erst später gefallen zu sein. Dies legen die nach 305 n. Chr. erfolgten Umbauten an der Anlage in Felix Romuliana sowie die recht bescheidene Ausstattung des dortigen vor den Toren gelegenen Mausoleums nahe. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass Constantius Chlorus in Trier bestattet wurde und hier entsprechend sein Mausoleum zu vermuten ist. Fraglich ist jedoch, ob dieses durch Constantius Chlorus oder durch Konstantin erbaut wurde und wo dieses zu verorten ist. Auf Basis mittelalterlicher Quellen lassen sich eine Lokalisierung südöstlich des Circus und somit eine Nähe zum Palastareal vermuten. Nach derzeitigem Kenntnisstand muss dies jedoch hypothetisch bleiben. Darüber hinaus lässt sich der Mausoleumsbau vor den Stadttoren Mailands mit einiger Sicherheit als Bestattungsort des Maximian identifizieren. Es ist jedoch in diesem Fall weder geklärt ob Maximian selbst den Bau des Mausoleums veranlasst hatte, noch ob er tatsächlich hier beigesetzt wurde. Durch Aurelius Victor ist überliefert, dass er sich ebenfalls ein palatium nahe seiner Geburtstadt Sirmium errichtete.1048 Dies deutet auf einen mit dem Diokletianspalast in Split oder Felix Romuliana vergleichbaren Alterssitz nahe seinem Geburstort hin. Eine Lokalisierung der Anlage ist bisher nicht gelungen, folglich sind auch keinerlei Aussagen über einen möglichen Mausoleumsbau machbar. Außer für Diokletian, dessen Beisetzung in seinem Mausoleum in Split gesichert ist, lassen sich kaum weitere Aussagen über die Begräbnisstätten der tetrarchischen Herrscher treffen. Die Entdeckung des allerdings unvollendet gebliebenen tetrarchischen Alterssitzes in Sarkamen stützt die Annahme, dass die Beisetzung bei Palastanlagen nahe dem Geburtsort ein wichtiges 1048
„Nam etiam nunc haud longe Sirmio eminet locus palatio ibidem contructo, ubi parentes eius exercebant opera mercenalria.“ Aur. Vict. Epit. de Caes. LX 10, zitiert bei Mayer 2002, S. 82, Anm. 345.
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Element des tetrarchischen Herrschaftskonzepts war. Als Bauherren lassen sich hier Maximinus Daia oder Licinius vermuten.1049 Für beide ist der tatsächliche Bestattungsort jedoch nicht überliefert. Gesichert ist jedoch, dass die Tetrarchen keine Beisetzung in Rom planten. Dies brach mit einer jahrhundertealten Tradition, nach der römische Kaiser in der urbs aeterna bestattet wurden, selbst wenn sie nicht dort verstorben waren. Unabhängig davon, ob die Tetrarchen ihr Mausoleum in oder bei ihrer Hauptresidenz oder in einem eigens dafür vorgesehen Alterssitz planten, verdeutlicht die Abkehr von Rom als Bestattungsort die Dezentralisierung des Reiches und den damit einhergehenden realpolitischen Bedeutungsverlust der ewigen Stadt unter den Tetrarchen.1050
2.7 SAKRALBAUTEN Für keine einzige der besprochenen Residenzstädte aktiver Herrscher ist durch die schriftliche Überlieferung oder den archäologischen Befund ein monumentaler Tempelbau belegt, weder im Stadtzentrum noch in den Palastarealen. Lediglich in Thessalonike ließe sich eventuell vermuten, dass die Rotunda anstatt als Mausoleum des Galerius als Tempel angelegt worden war. Alternativ wurde vorgeschlagen, dass es sich bei dem bisher kaum erforschten Rundbau nördlich des Oktogons um eine als Tempel genutzte Rotunde gehandelt hat. Beide Vermutungen sind jedoch nach nach derzeitigem Forschungsstand rein hypothetisch.1051 Erst Konstantin nahm die Tradition des Sakralbaus in Form von Kirchen wieder auf. Die sicher Konstantin zuzuschreibenden Kirchenbauten in den Residenzstädten, wie beispielsweise die durch Eusebius überlieferten Kirchen in Nicomedia und Antiochia, entstanden jedoch erst nach 324 n. Chr., als Konstantin bereits Alleinherrscher war. Die in der älteren Forschung angenommene konstantinische Urheberschaft der Doppelkirche im Nordwesten des Palastareals in Trier ist dagegen kritisch zu sehen. Zwar entstand bereits in konstantinischer Zeit eine erste kirchlich genutzte Basilika auf dem Areal, ob dieser Bau durch das Kaiserhaus betrieben wurde, ist jedoch unklar. Erst für den späteren Ausbau zu einer monumentalen Doppelkirchenanlage im Laufe des 4. Jahrhunderts kann eine explizite Unterstützung durch das Kaiserhaus angenommen werden. Das Fehlen von Sakralbauten stellt einen Bruch mit der Grundkonzeption des – nach P. Zanker – „Wohnens beim Gott“ dar, wie es in kaiserlichen Palastanlagen seit Augustus auf dem Palatin
1049 1050 1051
Zu Sarkamen vgl. Popović 2007b. Vgl. u. a. Wulf-Rheidt 2007, S. 75f. Vgl. Kap. 1.4.2.1.
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üblich war.1052 Für römische Kaiser war es aus Gründen der pietas und der Herrschaftslegitimation nicht nur üblich, Tempelanlagen am Forum Romanum und anderen Orten im Stadtzentrum zu stiften, sondern auch der Palatin selbst wurde seit der Gründung des Palasts unter Augustus mit monumentalen Bauten zu Ehren der Schutzgötter geschmückt. Augustus errichtete hier den Apollontempel und unter den Severern entstand der Tempel des Elagabal. U. Wulf-Rheidt rekonstruiert für einen Besucher der Palastanlage in severischer Zeit folgenden Eindruck: „Wie Augustus seine Residenz unter den Schutz von Apollon stellte, so scheint Elagabal ebenfalls seinen Herrschersitz und damit bildlich seine Herrschaft unter den besonderen Schutz seiner Gottheit gestellt zu haben. Jedem Besucher, der den Palast über den Aufweg des clivio palatino betrat, wurde dies mit der imposanten Temenosmauer und dem monumentalen, ebenfalls in severischer Zeit neu geschaffenen Propylon auch eindrücklich vor Augen geführt. Sozusagen unter den Blicken der Schutzgottheit des Kaisers betrat der Palastbesucher den eigentlichen Palastbezirk.“1053
Das Fehlen von monumentalen Sakralbauten in den tetrarchischen Residenzstädten verwundert umso mehr, da für die tetrarchischen Alterssitze in Split und Felix Romuliana Tempelbauten zu Ehren der tetrarchischen Schutzgötter gesichert sind. In Split befand sich ein axial auf das Mausoleum des Diokletian bezogener Tempel, der in der Forschung relativ einhellig als Tempel des Jupiter gedeutet wird.1054 In Felix Romuliana wurden innerhalb des Palastareals zwei Tempelbauten errichtet, wobei es sich nur bei dem sogennanten großen Tempel um einen monumentalen Tempelbau handelte. Dieser kann aufgrund von entsprechenden Porträtfunden ebenfalls recht eindeutig als Tempel für die tetrarchischen Schutzgötter Jupiter und Hercules identifiziert werden, welcher Gottheit der kleinere Tempel gewidmet war, lässt sich nicht feststellen.1055 In beiden Alterssitzen lassen sich auf Basis der Anlage der Bauten innerhalb des Palastareals Sichtbezüge zwischen den Tempelanlagen und den zentralen Versammlungsplätzen innerhalb der Anlage rekonstruieren.1056 Folglich scheint die dezidiert religiöse Komponente des Palastes auf
1052
1053 1054 1055 1056
Das Konzept von Tempelbauten als zentrale Komponente der Inszenierung von herrschaftlicher Legitimität geht laut P. Zanker auf hellenistische Palastvorbilder zurück. Vgl. Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder. C.H. Beck, München 1987, S. 60. Auch bei K. L. Noethlichs wird eine Verbindung zwischen der kaiserlichen Residenz und einem Tempelbau als notwendiges architektonisches und funktionales Kriterium genannt. Vgl. Noethlichs 1998, S. 22. Wulf-Rheidt 2013, S. 296. Vgl. Kuhoff 2001, S. 752ff; Mayer 2002, S. 75f. Vgl. Kuhoff 2001, S. 768ff; Mayer 2002, S. 87. Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 297ff.
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dem Palatin bei der Anlage der Paläste in den Alterssitzen durchaus adaptiert worden zu sein. Die Idee des „Wohnens beim Gott“ war demnach auch in tetrarchischer Zeit durchaus präsent. Die fehlenden Tempelbauten in den Residenzstädten können also kaum durch Zeit- oder Geldmangel bei den Bauaktivitäten erklärt werden, denn in den bekannten Alterssitzen waren sie offensichtlich zentraler Bestandteil der Grundkonzeption der Anlagen zur Sakralisierung und Kommemoration des Herrschers. Es muss sich demnach um eine eher bewusste Entscheidung gehandelt haben, bei der architektonischen Monumentalisierung der Residenzstädte auf Tempel zu Ehren der Schutzgötter zu verzichten. Als Erklärung schlug A. Haug vor, dass die Zurückhaltung bei der Stiftung von Sakralbauten vielleicht durch die pagan-christlichen Auseinandersetzungen der Zeit zu erklären sei.1057 Es scheint vor dem Hintergrund der unter Diokletian initiierten Christenverfolgungen und gleichzeitigen bewussten Förderung der paganen Kulte jedoch wenig wahrscheinlich, dass aus Rücksichtnahme oder Sorge vor Konflikten mit der christlichen Bevölkerung auf den Bau von Tempeln verzichtet wurde. Es bleibt folglich die Frage, warum Tempelbauten zu Ehren der Schutzgötter in den Residenzstädten der Tetrarchen anscheinend nicht mehr für notwendig gehalten wurden und stattdessen der Fokus auf den Bau von Palastanlagen und Unterhaltungsbauten wie Circus und Kaiserthermen gelegt wurde. Eine mögliche Erklärung wäre, dass aufgrund der zunehmenden sakralisierten Inszenierung des Herrschers im Rahmen des Hofzeremoniells dessen Palast und insbesondere die Audienzhallen zunehmend als Kultraum wahrgenommen wurden. Der Palast hätte somit nicht nur als Regierungssitz, sondern auch als eine Art „Tempel für den lebenden Herrscher“ gedient.
2.8 DER SOGENANNTE TETRARCHENTYPUS Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auf Basis der Analyse der tetrarchischen Residenzstädte durchaus ein übergreifendes „Konzept“ bei der architektonischen Monumentalisierung der Herrscherresidenzen greifbar wird. Im Zuge der Visualisierung des dezentralisierten Herrschaftskonzepts fernab von Rom wurden in den Residenzstädten in weiten Teilen Elemente des Prototyps römischer Palastanlagen auf dem Palatin in Rom mit angrenzendem Circus Maximus kopiert.1058 Dies zeigt sich nicht nur in der Dualität von Palast und Circus, sondern auch bei der
1057 1058
Vgl. Haug 2003, S. 72. Vorläufer der Palastanlage auf dem Palatin sind die Palastanlagen hellenistischer Herrscher, die wiederum inspiriert sind von assyrischen, babylonischen und persischen Vorbildern, vgl. u. a. Winter 1996, S. 24ff. Zur hellenistischen Palastarchitektur und deren archaischen und orientalischen Vorläufern vgl. Hoepfner, Wolfram/Brands, Gunnar (Hrsg.): Basileia. Die Paläste der hellenistischen Könige. Zabern, Mainz 1996, darin insbesondere Hoepfner, Wolfram: Zum Typus der Basileia und der königlichen An-
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Anlage der Bauten innerhalb des Palastareals. Monumentale Schaufassaden zur Stadt, zum Circus und zur Küste hin visualisierten die Präsenz und Erhabenheit des Herrschers. Die komplexe Zugangssituation über Torbögen, vorgelagerte Platzanlagen sowie die verwinkelte Wegeführung im Inneren verdeutlichten die Bedeutung des Besuchs beim Herrscher und visualierten die Pracht und Weitläufigkeit der Anlage. Das alles diente der Inszenierung der kaiserlichen maiestas. Bautypologische Elemente der römischen Palastanlage und der Villenarchitektur wurden ebenfalls übernommen: Portiken und Peristyle, Platzanlagen mit Scharnierfunktion, Wasserbecken und Brunnenanlagen, Triklinia und aller Wahrscheinlichkeit nach Gartenanlagen fanden sich auch in den innerstädtischen Palastanlagen der Tetrarchen. Auch die funktionale Unterteilung in öffentlich-repräsentative und residentielle Bereiche lässt sich hier feststellen, wobei die Nutzung wie auf dem Palatin in allen Bereichen eine „öffentliche“ war, nur differenziert nach dem sozialen Status der Besucher und dem Anlass. Neue Elemente der tetrarchischen Palastarchitektur waren hingegen die zurückgezogene Lage am Stadtrand und der Typus der monumentalen einschiffigen aulae. Anders als der historisch gewachsene Palast auf dem Palatin in Rom lagen die tetrarchischen Palastanlagen nicht im Zentrum der Stadt, sondern am Stadtrand, häufig auch in Küstennähe und oftmals in neu angelegten Stadtvierteln oder niedergelegten Wohnvierteln. Diese topographische Verortung musste nicht zwangsläufig ideologische Gründe haben, sondern lässt sich auch praktisch mit dem Platzbedarf erklären. Doch kann die zurückgezogene Lage am Stadtrand auch als eine Distanzierung der Herrscher verstanden werden. Die weitläufigen Palastkomplexe mit ihren hohen und weithin sichtbaren Gebäuden, den vorgelagerten Tetrapyla als signifikante Markierungen eines neuen Stadtbezirks und einer vermutlich durch Wachposten streng regulierten Zugangskontrolle werden – vermutlich durchaus gewollt – den Eindruck eines eigenen Stadtviertels, einer „Stadt in der Stadt“ evoziert haben. Auch dies erinnert an den Palatin, der trotz seiner Lage im Stadtzentrum eine ähnliche Wirkung entfaltet hat. Eine genuin tetrarchische Neuschöpfung sind die Audienzhallen mit ihrer longitudinalen Ausrichtung auf die Apsis und der lichtdurchfluteten Raumwirkung durch die Durchfensterung der Längsseiten und der Apsis. Hier zeigt sich eine eigenene Qualität des tetrarchischen Bauprogramms, das die veränderte Rolle des Herrschers in der Spätantike reflektierte. Im Rahmen des seit Diokletian verstärkt ritualisierten Hofzeremoniells wurde die zunehmend sakralisierte Position des Herrschers im Kontext der Architektur inszeniert. Während Palastanlagen – wenn auch weniger groß – auch in den Alterssitzen vorhanden waren, sind die meist räumlich auf das Palastareal bezogenen Circusanlagen das entscheidende architektonische Merkmal zur Differenzierung der innerstädtischen Palastkomplexe von Alterssitzen drones, S. 1–43; von Hesberg, Henner: Privatheit und Öffentlichkeit der frühhellenistischen Hofkultur, S. 84–96; Nielsen, Inge: Oriental models for hellenistic palaces, S. 209–212.
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oder Villen. Die Errichtung der monumentalen Spielstätten war ein Privileg der tetrarchischen Residenzstädte. In Kombination mit den Schaufassaden der angrenzenden Palastkomplexe symbolisierten sie nicht nur die Freigiebigkeit des Herrschers, sondern visualisierten dessen Machtanspruch und dauerhafte Präsenz in der Stadt. Die Abhaltung von Spielen ermöglichte darüber hinaus bereits seit der Kaiserzeit einen ritualisierten wechselseitigen Dialog zwischen Herrscher und Volk. Dabei konnte das Kaiserhaus nicht nur seine eigenene Legitimität inszenieren, sondern die Bevölkerung hatte die Möglichkeit Misstände straffrei zu artikulieren. Dies hatte einen katalysierenden Effekt und die Spiele somit einen insgesamt systemstabilisierenden Charakter. Der Bau von monumentalen Kaiserthermen in der Mehrzahl der Residenzstädte ist in Bezug auf die bauliche Inszenierung des tetrarchischen Herrschaftsanspruchs ähnlich zu gewichten wie die Cirucsbauten. Dass die Tradition der imperialen Thermen nach jahrzehntelanger Pause ausgerechnet in den tetrarchischen Residenzstädten wieder aufgenommen wurde, verdeutlicht zuallererst den Status der jeweiligen Städte. Darüber hinaus illustrierte allein der Umstand, dass Geld und Ressourcen für den Bau solcher Anlagen vorhanden waren, die wiedergewonnene Stabilität des Reiches unter der neuen Führung. In ihrer Funktion waren Kaiserthermen genuine Bauten für das Volk. Somit demonstrierten auch sie vor allem die Freigiebigkeit des Kaisers und gleichzeitig auch die Maßhaltung bei der kaiserlichen Bautätigkeit, da Nutzbauten für die Bevölkerung gebaut wurden. Durch die schiere Größe und Pracht der Ausstattung erfüllten Kaiserthermen jedoch immer auch den Zweck, die kaiserliche maiestas zu symbolisieren. Die Kaiserthermen in den tetrarchischen Residenzstädten sind somit als weithin sichtbares Symbol für das Selbstverständnis und den Machtanspruch der tetrarchischen Herrscher zu verstehen. Ähnlich sind die Erweiterung der Stadtmauern und Baumaßnahmen wie beispielsweise der Bau monumentaler horrea oder Ausbauten an der städtischen Infrastruktur zu deuten. Die Vergrößerung des Stadtgebietes symbolisierte den Statusgewinn der Stadt als Herrscherresidenz und den erhöhten Platzbedarf durch die dauerhafte Präsenz des Herrscherhauses. Darüber hinaus verdeutlichten Stadtmauern – ebenso wie die Infrastrukturbauten im Stadtzentrum – die neugewonnene Stabilität des Imperium Romanum unter der tetrarchischen Führung, die einherging mit einem sichtbaren Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Dass der Bau von Mausolea und Tempelbauten für die Schutzgottheiten anscheinend den tetrarchischen Alterssitzen vorbehalten war, bricht mit mehreren kaiserzeitlichen Traditionen. Zum einen verdeutlicht die Wahl der Alterssitze als Bestattungsort einmal mehr die Dezentralisierung der Herrschaft und den Bedeutungsverlust Roms, da es jahrhundertelang Tradition war, dass die Kaiser in der Hauptstadt beigesetzt wurden. Der Umstand, dass in den tetrarchischen Residenzen anscheinend weder im Stadtzentrum noch bei den Palastanlagen monumentale Tempelanlagen für die Schutzgottheiten der Tetrarchie gestiftet wurden, bricht mit dem Prinzip des „Wohnens beim Gott“ und lässt sich nur dadurch erklären, dass andere Räumlichkeiten in
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den Residenzstädten die sakrale Funktion der Tempel im Kontext der Herrschaftsinszenierung übernahmen. Wenn hier von einem tetrarchischen Residenzbauprogramm bzw. einem sogenannten ‚Tetrarchentypus‘ gesprochen wird, meint das folglich die gezielte architektonische Monumentalisierung der tetrarchischen Residenzstädte mit einem bestimmten Kanon an Bauten – Palast, Circus, Kaiserthermen, Stadtmauern, Infrastrukturbauten –, die im Kontext der tetrarchischen Herrschaftsideologie und der Herrschaftsrepräsentation verständlich wird. Aufgrund der kurzen Lebensdauer des tetrarchischen Systems und des generell innovativen Charakters dieser Herrschaftsform wird hier kein einheitliches Konzept angenommen. Es gab Unterschiede in der Verortung der Bauten im städtischen Umfeld und in der genauen baulichen Ausführung. Dies zeigt allein der Umstand, dass häufig bestehende Anlagen um- oder ausgebaut wurden. Wichtig ist jedoch, dass der oben formulierte Kanon an Bauten sowie die am Vorbild des Palatin orientierte Grundstruktur der Palastkomplexe ganz grundsätzlich in allen besprochenen Residenzstädten zum Ausdruck kam. Dabei ist auch nicht davon auszugehen, dass die großangelegten Bauprojekte alle innerhalb weniger Jahre zum Abschluss kamen. Doch vermutlich war es eher ausschlaggebend, durch ein ambitioniertes Bauprogramm den Status der Stadt und die dauerhafte Präsenz des Kaisers sichtbar im öffentlichen Raum zu verankern. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob es eine Chronologie bei dem Ausbau der Residenzstädte und folglich der Entwicklung des oben formulierten „Konzepts“ eines tetrarchischen Residenzbauprogramms gab. Die Vermutung, dass Nicomedia das Modell für den Ausbau der anderen tetrarchischen Residenzstädte war, wurde verschiedentlich geäußert.1059 In Anbetracht der Tatsache, dass Nicomedia ab 284 n. Chr. die Residenz des Diokletian und gleichzeitig dessen wichtigste und dauerhafteste Residenz war und ein entsprechender Ausbau überliefert ist, scheint diese Annahme durchaus plausibel. Da ausgerechnet in Nicomedia jedoch so gut wie gar kein archäologischer Befund vorliegt, bleibt dies dennoch hypothetisch. J. Humphrey schlägt darüber hinaus vor, dass es vermutlich zwei Phasen des tetrarchischen Residenzbaus gab. Zunächst entstand die Palastanlage in Nicomedia mit den zugehörigen Bauten, nach deren Vorbild dann Mailand, Trier und Aquileia unter Maximian sowie Antiochia als weitere Residenz des Diokletian ausgebaut wurden. Als diese Anlagen bereits abgeschlossen bzw. lang im Bau waren, wurde die Residenz des Galerius in Thessalonike und eventuell in Serdica angelegt sowie der Ausbau Triers unter Constantius Chlorus und Konstantin fortgesetzt. Parallel erfolgte der im Kontext der tetrarchischen Bauten zu deutende Ausbau Roms unter dem Usurpator Maxentius. Eine letzte Phase des Residenzbaus lässt sich dann in Sirmium beobachten, wo der maßgebliche Ausbau erst unter Licinius und Konstantin erfolgte, als das System der Tetrarchie eigentlich schon
1059
Vgl. Humphrey 1986, S. 635; Wulf-Rheidt 2007, S. 62.
308
gescheitert war.1060 Ein anderer Aspekt zur Chronologie wird von U. Wulf-Rheidt aufgeworfen. Sie bewertet die tetrarchischen Palastanlagen in den Residenzstädten und Altersresidenzen sowie die Kombination von Palast und Circus in den Residenzstädten ebenfalls als auf das Reich verteilte Adaptionen des stadtrömischen Vorbilds. Sie hält die Dezentralisierung der stadtrömischen Dualität von Palast und Circus jedoch nicht für eine genuin tetrarchische Neuerung, sondern sieht chronologisch gesehen den „missing link“ bei den Severern. Demnach könnte die Kombination von Palast und Circus abseits des Palatin auf eine bereits unter den Severern einsetzende Entwicklung zurückgehen, wie sie eventuell im severischen Sessorium fassbar wird.1061 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich für die Umsetzung eines tetrarchischen Residenzbauprogramms entsprechend auch „reisende Werkstätten“ annehmen lassen, die Teil des kaiserlichen Gefolges waren. Denkbar wäre, dass zumindest die wichtigen Repräsentationsbauten in den Palastanlagen eventuell von denselben Architekten, Handwerkern und Künstlern gebaut und ausgestattet wurden.1062 Abschließend stellt sich nun die Frage, was der Zweck des tetrarchischen Residenzbauprogramms war. Was sollte mit den Bauten in den tetrarchischen Residenzstädten kommuniziert werden und in welchem Zusammenhang standen sie mit der spätantiken Herrscherideologie?
1060 1061 1062
Vgl. Humphrey 1986, S. 634. Vgl. Wulf-Rheidt 2013, S. 304. Mayer 2002, S. 38.
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3 DIE HERRSCHAFTSIDEOLOGIE DER TETRARCHIE IM SPIEGEL DER RESIDENZSTÄDTE Die römische Kunst, inklusive der Architektur, ist immer auch als Medium der Herrschaftsinszenierung zu verstehen, über das neue politische Ideen beziehungsweise eine sich wandelnde Herrschaftsideologie kommuniziert werden konnten. „In reality, most of what we normally perceive as art during the Roman period may be regarded as more or less direct manifestations of propaganda. Art served primarily, whether its purpose was consciously formulated or not, to strengthen the power and reputation of the person who paid for or commissioned it, since every work of art bears a message. “1063
Durch das „Lesen von Bildern“, wie beispielsweise Architektur, Statuen, Reliefs und Münzen, lassen sich politische Konnotationen der Bildsprache feststellen und deuten.1064 In diesem Zu1063
1064
Hannestad, Niels: Roman Art and Imperial Policy. Aarhus University Press, Aarhus 1988, S. 9. Zur Problematisierung des neuzeitlichen Begriffs der Propaganda im antiken Kontext vgl. Zanker 1987, S. 13 sowie maßgeblich Weber, Gregor/Zimmermann, Martin (Hrsg.): Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jahrhunderts n. Chr. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003, S. 12ff. Da für die Antike nicht von einem zentral gesteuerten Propagandapparat im modernen Sinne ausgegangen werden kann, schlagen Weber/Zimmermann für die Analyse antiker Bildmedien anstatt des Propagandabegriffs die Verwendung der Begriffe Repräsentation und Selbstdarstellung vor. Für die Kaiserzeit wird hier in Bezug auf die Herrschaftsrepräsentation von einer wechselseitigen Kommunikation zwischen Herrscher und Rezipient ausgegangen: „Bei der Erforschung der Repräsentation steht also die Wechselwirkung zwischen Erwartung und Artikulation von Herrschaftsideologie im Vordergrund. Es geht nicht in erster Linie um propagandistische Vermittlung von Inhalten zur Lenkung möglicher Rezipienten, sondern um die Behauptung der Erfüllung moralisch-ethischer und konsensfähiger Maximen, wobei in Maßen die Stellung des Kaisers überhöht werden kann.“ Ebd. S. 37. Bezüglich des theoretischen Hintergrunds zum Verständnis von Bildern als Textsorte im antiken Zusammenhang siehe Zanker 1987 sowie Elsner, Jas: Art and the Roman Viewer. The Transformation of Art from the Pagan World to Christianity. Cambridge University Press, Cambridge1995. Bei De Blois/ Hekster wird das Konzept wie folgt zusammengefasst: „Visual imagery, in this understanding, functioned like a recognisable ‚language‘, with the purpose of conveying a message, or, perhaps better, invoking an ‚aura‘, which would be intelligible to the heterogeneous population that constituted the Roman Empire.“ De Blois, Lukas/Hekster, Olivier (Ed.): The Representation and Perception of Roman Imperial
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sammenhang wird die römische Kunst als Medium der Herrschaftsrepräsentation und Machtinszenierung verstanden und untersucht. Insbesondere die Architektur nimmt als Mittel der weithin sicht- und erfahrbaren Herrschaftsinszenierung eine führende Rolle ein: „Neue Großbauten, neue Stadtviertel, neue Infrastruktureinrichtungen verändern immer wieder das Bild historischer Städte. Mit der neuen Prägung der Städte wurde fast immer Ideologie transportiert und durchgesetzt, Architektur – oft sehr geschickt – eingesetzt, um politischen Willen, politische Veränderungen zu visualisieren und zu repräsentieren: alte Stadtbilder erhalten plötzlich völlig neue Schwerpunkte, die nicht nur die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen widerspiegeln, sondern ihrerseits mit dem Ziel gesellschaftlicher Veränderungen bewusst geschaffen wurden.“1065
Bauten sind folglich immer auch eine „Manifestation des politischen Systems“.1066 Über monumentale Bauprojekte wurde die maiestas imperii inszeniert und dauerhaft weithin sichtbar gemacht. Die Architektur visualisierte den kaiserlichen Machtanspruch und die damit zusammenhängende Herrschaftsideologie.1067 Gleichzeitig war die kaiserliche liberalitas, die durch die Stiftung von Repräsentationsbauten und öffentliche Bauten betont wurde, Teil der Erwartungshaltung an den Kaiser. Die kaiserliche Bautätigkeit diente folglich nicht nur der Inszenierung
1065
1066 1067
Power. J.C. Gieben, Amsterdam 2003, S. ixf. Hierbei ist zu problematisieren, dass vermutlich nicht alle Aspekte der Bildsprache von jedem Betrachter verstanden, bzw. identisch verstanden wurden. Betrachtungskontext, individuelle Wahrnehmung und Bildungsgrad können das Bildverständnis maßgeblich beeinflussen. Zur Lösung dieses methodischen Problems wurde die Konstruktion eines „idealtypischen Betrachters“ vorgeschlagen, der sich der Betrachtung der Bilder mit der nötigen Zeit und dem erforderlichen Bildungshintergrund widmet. Vgl. hierzu einführend Hölscher, Tonio: Darstellungen, Funktionen, Botschaften. In: Borbein, Adolf H./Hölscher, Tonio/Zanker, Paul (Hrsg.): Klassische Archäologie. Reimer, Berlin 2009. S. 145–165, S. 147ff und Zanker, Paul: Bild-Räume und Betrachter im kaiserzeitlichen Rom. In: Borbein, Adolf H./Hölscher, Tonio/Zanker, Paul (Hrsg.): Klassische Archäologie. Reimer, Berlin 2009. S. 205–226, 205ff sowie am Beispiel der Villa von Piazza Armerina Muth, Susanne: Überflutet von Bildern. Zur Ikonophilie im spätantiken Haus. In: Neudecker, Richard/ Zanker, Paul (Hrsg.): Lebenswelten. Bilder und Räume in der römischen Stadt der Kaiserzeit. Reichert, Wiesbaden 2005. S. 223–242, S. 228f. Schwandner, Ernst-Ludwig/Rheidt, Klaus (Hrsg.): Macht der Architektur – Architektur der Macht. Diskussion zur archäologischen Bauforschung. Zabern, Mainz 2004, S. VII. Ähnlich argmuentiert u. a. Winter 1996, S. 24. Winter 1996, S. 28. Vgl. u. a. Beste, Heinz/Thaler, Ulrich/Wulf-Rheidt, Ulrike: Aspekte der Zeichenhaftigkeit herrschaftlicher Architektur – Betrachtungen anhand mykenischer und römsich-kaiserzeitlicher Kontexte. In: Haensch, Rudolf/Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Dialoge über politische Räume in vormodernen Kulturen. Perspektiven und Ergebnisse der Arbeit des Forschungsclusters 3 und Beiträge seiner Abschlusstagung vom 20.–22. Juni 2012 in München. Leidorf, Rahden/West. 2013. S. 79–108, S. 79ff.
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der eigenen Macht, sondern war Teil des wechselseitigen Dialoges zwischen Herrscher und Volk darüber, was einen guten Kaiser ausmachte. Architektur ist somit Teil des „Aushandlungsprozesses“ zwischen Herrscher und Volk zu gesellschaftlichen Normen und dem damit zusammenhängenden Herrschaftsverständnis.1068 Entscheidend für das Wirken von Architektur ist jedoch nicht nur der gebaute Raum und seine Bildsprache, sondern die Frage, wie dieser mit Handlungen „gefüllt“ und durch die Besucher/ Betrachter wahrgenommen und erlebt wurde. „Als raumgestaltende Kunst wirkt Architektur – in ganz anderer Weise als ein Bildwerk oder ein Gedicht – unmittelbar auf Bewegungsabläufe, Wahrnehmungsformen und soziale Ordnungsschemata ein. In den Formen der Architektur und des Städtebaus entfaltet und bestätigt sich eine Gesellschaft.“1069
Hierbei ist zu beachten, dass Architektur und Städtebau – also „Raum“ – zwar Handlungen und Bewegungsabläufe strukturieren, aber auch selbst durch soziale Praktiken geformt werden können. Denn die materielle Gestalt der Bauten kann von ihren Besuchern je nach begleitendem Handlungszusammenhang unterschiedlich wahrgenommen werden.1070 Maßgeblich für die Wirksamkeit der Architektur als Medium der Herrschaftsinszenierung ist somit auch der performative Aspekt. Hierzu zählen sowohl die ausgeführten Handlungen (Festlichkeiten, Zeremonien, politische Handlungen), als auch Fragen nach der Zugänglichkeit der Architektur, der Wegführung im städtischen Raum oder im Inneren der Bauten sowie des Einflusses von Licht und mobilen Elementen auf die Raumwirkung. Folglich konnte ein ähnlicher Bautypus – wie beispielsweise die am Prototyp des römischen Palastes auf dem Palatin orientierten Palastkomplexe der tetrarchischen Herrscher – durch eine veränderte Nutzung – wie beispielsweise einem verfestigten Hofzeremoniell – mit neuer Bedeutung aufgeladen werden. Ein bestimmter Raum bzw. eine bestimmte Architektur kann somit in verschiedenen kulturellen und zeitlichen Kontexten eine unterschiedliche Bedeutung und Wirkung haben. In diesem Kontext formuliert
1068
1069 1070
Die Rolle von nicht-schriftlichen Medien und Ritualen bei Prozessen des kultur- und epochenübergreifenden Normentransfers in der Antike zeigen Chiai et al. am Beispiel von Transkulturationsprozessen wie der Hellenisierung und der Christianisierung auf. Diese Argumentation lässt sich auch auf die Vermittlung einer neuen Herrschaftsideologie anwenden. Vgl. Chiai, Gian Franco/Gauly, Bardo M./ Hartmann, Andreas/Zimmer, Gerhard/Zapff, Burkard M. (Hrsg.): Athen, Rom, Jerusalem. Normentransfers in der antiken Welt. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012, S. 13f und S. 20f. Ziemssen 2008, S. 189. Vgl. Maran, Joseph/Juwig, Carsten/Schwengel, Hermann/Thaler, Ulrich (Hrsg.): Constructing Power. Architecture, Ideology and Social Practice – Konstruktion der Macht. Architektur, Ideologie und soziales Handeln. LIT Verlag, Berlin–Münster–Wien–Zürich–London 2009, S. 10.
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J. Maran als zentrale Fragestellung bei der Analyse von Architektur im Kontext der Herrschaftsrepräsentation den Zusammenhang zwischen Raum und sozialer Praxis: „The decisive question is how space is produced, that is how under specific historical and political circumstances the meaning originally written into architectural settings is evoked and mobilized to reaffirm or renegotiate an exisiting order and to create new syntheses of how the built environment should be read, interpreted and used. I am convinced that we can only get closer to answering this question if we treat architecture and social practice as mutually related factors, because the built environment is just as much a product of certain social constellations and specific forms of interaction, as in turn society and its practices are formed through architecture.”1071
Die in den Bauten ausgeführten Rituale und Zeremonien sind dabei nicht lediglich als Ausdruck von Herrschaft zu begreifen, sondern sind als Elemente einer symbolischen Politik zu verstehen, die dazu dienten politisch-soziale Ordnungstrukturen und Machtbeziehungen zu konstituieren und zu reproduzieren. Durch die Einbindung der beteiligten Akteure, bspw. Volk oder Hofstaat, wurde immer wieder die Akzeptanz der geltenden Ordnung und somit die Legitimität der Herrschaftsausübung verhandelt und versichert.1072 Durch die Wegeführung und mobiles Mobiliar wie Statuen, Möbel und Stoffe im Inneren von Bauten konnte darüber hinaus die Bedeutung des Anlasses am Ende des Weges betont werden, während gleichzeitig auf dem Weg dorthin Überraschungsmomente für den Besucher kreiert und eine Hierarchisierung der zu durchquerenden Räumlichkeiten vorgenommen wurden.1073 In Bezug auf den Ausbau der tetrarchischen Residenzstädte bedeutet dies, dass sich die architektonische Monumentalisierung der Städte als gebauter Rahmen für die Demonstration und Umsetzung einer neuen Herrschaftsideologie und eines neuen Zeremoniells verstehen lässt: 1071 1072
1073
Maran 2009, S. 10. Vgl. Hölkeskamp, Karl-Joachim: Raum – Präsenz – Performanz. Prozessionen in politischen Kulturen der Vormoderne – Forschungen und Fortschritte. In: Dally, Ortwin/Hölscher, Tonio/Muth, Susanne/ Schneider, Rolf Michael (Hrsg.): Medien der Geschichte – Antikes Griechenland und Rom. De Gruyter, Berlin 2014. S. 359–395, S. 365. Politisches Handeln ist somit als kommunikativer Akt zu verstehen, der Dialog, Reziprozität und Partizipation impliziert. Dies bedeutet allerdings keine gleichberechtigte Teilhabe der involvierten Akteure, diese erfüllten vielmehr vorher definierte Rollen und durch die Verpflichtung der Teilnehmer im Zuge performativer Strategien der Selbstdarstellung wurde Macht darund hergestellt. Zur Rolle von Ritual und Performanz in der römischen Politik der späten Republik und Kaiserzeit vgl. Sumi, Geoffrey S.: Ceremony and Power. Performing Politics in Rome between Republic and Empire. University of Michigan 2005; Flaig, Egon: Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004. Zum Einfluss der Wegeführung auf die Raumerfahrung vgl. Kurapkat/Schneider/Wulf-Rheidt 2014, S. 1ff.
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„Architektur ließe sich als eine „feste Konfiguration“ verstehen, die mit entsprechenden „Institutionen“ korrespondieren muß, um sozial zu wirken und Ordnung zu stiften. Die genannten Bauten aus der Zeit der Tetrarchie bilden den Rahmen einer bestimmten Form von Interaktion und sind damit selbst Bestandteil in diesem Austausch. Sie stellen die Kommunikation zwischen Herrscher und den verschiedenen am Hof präsenten Gruppen, dem Volk und den Fremden in einen Rahmen, der die Art des Austausches in entscheidender Weise prägt.“1074
Das seit Diokletian zunehmend festgeschriebene Hofzeremoniell lässt sich trotz der spärlichen Quellenlage für die tetrarchische Zeit in seinen Grundzügen rekonstruieren. Das spätantike Hofzeremoniell war geprägt durch die Festschreibung und Weiterentwicklung bestehendener ritueller Komponenten aus der römischen Kaiserzeit, die wiederum durch Elemente des mesopotamisch-persischen, des hellenistischen und des italisch-römischen Herrschaftsverständnisses geprägt waren.1075 Wesentlich dafür war, dass die Inszenierung des Herrschers nicht mehr gekennzeichnet war durch das unter Augustus geprägte Prinzip des primus inter pares. Vielmehr kam die Etablierung des Herrschers als dominus et deus nun zu einem Abschluss, eine Entwicklung, die bereits während der Kaiserzeit eingesetzt hatte. Der Kaiser wurde nicht mehr dargestellt als der Erste unter Gleichen, sondern als Herr und Gott, dem im Rahmen des Zeremoniells die entsprechende Ehrung gebührte. Eine der wichtigsten Neuerungen war, dass unter Diokletian die adoratio die in der Kaiserzeit übliche salutatio als verbindliches Element des Zeremoniells ablöste. Da bereits in der Kaiserzeit die Ehre der morgendlichen salutatio nur dem engeren Umfeld vorbehalten war, bedeutet dies, dass nun auch die Eliten vor dem Kaiser den Kniefall vollziehen mussten. Vielmehr noch wurde die Möglichkeit, überhaupt zur adoratio zugelassen zu werden und somit die Proskynese vor dem Kaiser vollziehen zu dürfen, ein Privileg der höheren Stände.1076 Im Zusammenhang mit der Herrschaftsideologie der Tetrarchie ist dieser Wandel von der ritualisierten Begrüßung zur ritualisierten Verehrung des Herrschers besonders bedeutsam, da sie durch den Rückbezug auf den Jovier- bzw. Herculierkult religiös begründet wurde. Dadurch fand, wie K. L. Noethlichs feststellte, nicht nur eine Sakralisierung des Herrschers statt, sondern auch eine Betonung des sich „verselbstständigenden Amtscharakters“, wobei die Verehrung des Herrschers von der individuellen Person gelöst und auf das Amt des Herrschers an sich übertragen wurde.1077 1074 1075
1076 1077
Hesberg 2006, S. 137. Immernoch maßgeblich zu den italisch-römsichen und hellenistischen Einflüssen auf die spätantike Herrschaftsrepräsentation und das Zeremonilell ist Alföldi 1970, S. 4ff; weiter ausgeführt von Kolb 2001, S. 22f. Vgl. Alföldi 1970, S. 39f. Vgl. Noethlichs 1998, S. 18.
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Im Zusammenhang mit der veränderten Rolle des Herrschers als dominus et deus steht auch die Neuerung, dass der Herrscher sitzend bzw. thronend auftrat und auch die Eliten sich bei dessen Einzug erheben oder sogar stehend verharren mussten. Bis zur hohen Kaiserzeit war es für römische Kaiser üblich gewesen, dass Magistrate durch den Kaiser im Stehen begrüßt und verabschiedet wurden. Dies änderte sich bereits unter den Severern und ab der Tetrarchie scheint es fester Bestandteil des Zeremoniells geworden zu sein, Besucher sitzend zu empfangen.1078 Auch das für die tetrarchisch-konstantinische Zeit sicher anzunehmende Schweigen in der Anwesenheit des Kaisers geht auf kaiserzeitliche Vorläufer zurück, bereits unter Hadrian war das Amt der silentarii bekannt.1079 Ebenfalls in tetrarchischer Zeit wurde die Verhüllung der Hände in Gegenwart des Kaisers oder bei der Berühung von durch den Kaiser geweihten Gegenständen Teil der gesellschaftlichen Etikette.1080 Unklar ist, wann die für Constantius II belegte Sitte eingeführt wurde, dass der Kaiser bei Gerichtsverhandlungen oder Audienzen hinter einem Vorhang verborgen ist.1081 Die veränderte Stellung des spätantiken Herrschers ab der Tetrarchie zeigt sich unter anderem auch in den Neuerungen im kaiserlichen Ornat. Neben dem Purpurmantel trugen die Herrscher nun edelsteinbesetzte Schuhe und Gürtelschnallen und golddurchwirkte Kleidung.1082 Oftmals werden die tetrarchischen Herrscher darüber hinaus mit Globus und Zepter dargestellt. Vermutlich sind diese Darstellungen nicht nur als symbolische Bilder zu verstehen, sondern geben einen Hinweis auf die tatsächlichen Herrschaftsinsignien. Diese Annahme wird gestützt durch den vor wenigen Jahren unweit des Venus- und Roma Tempels gemachten Fund von drei zeremoniell genutzten Zeptern mit Globen aus dem frühen 4. Jahrhundert, die gemeinhin als Herrschaftsinsignien des Maxentius gedeutet werden.1083
1078 1079 1080
1081 1082
1083
Vgl. Alföldi 1970, S. 42ff. Vgl. ebd., S. 38. Diese Tradition geht auf den achämenidischen Hofritus zurück und wurde in hellenistische und römische Götterkulte übernommen, bspw. von Priestern des Isis-Kultes. In der Spätantike ist die Verhüllung der Hände in Gegenwart des Kaisers als gängiges Element der höfischen Etikette unter Kaiser Julian belegt. Das bedeutet, dass die Einführung der manus velate wesentlich früher stattgefunden haben muss, vermutlich unter Diokletian. Vgl. Alföldi 1970, S. 33ff. Für die Tetrarchie belegt ist dieser Brauch beispielsweise durch die Malereien im Kaiserkultraum von Luxor. Vgl. Kolb 2001, S. 179f. Vgl. Alföldi 1970, S. 37f. Auch hier lassen sich kaiserzeitliche Vorbilder nennen, ab der Tetrarchie scheint diese Tracht jedoch verstetigt worden zu sein. Neu ist vermutlich der edelsteinbesetzte Lorbeerkranz, wie er bspw. anhand des Kopfes der Porphyrstatue des Galerius aus Felix Romuliana belegt ist. Vgl. Kolb 2001, S. 49f sowie S. 193f. Vgl. Ziemssen 2012b, S. 156.
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Besonders deutlich werden Elemente des Zeremoniells sowie dessen ideologische Konnotationen im Panegyricus von 291 n. Chr., der anlässlich des Geburtstages von Maximian in Trier gehalten wurde: „(1) Was war nun das, ihr guten Götter! Was für ein Schauspiel bot da eure brüderliche Liebe, als ihr im Palast von Mailand den Menschen, denen es gestattet war und die vor eurem Antlitz die Adoratio vollziehen wollten, beide erschienen seid und den Brauch, einem einzigen Wesen seine Verehrung zu bezeugen, unerwartet durcheinander brachtet durch die Doppelgegenwart eurer göttlichen Hoheit! (2) Niemand befolgte den Ablauf des Zeremoniells nach gewohntem Protokoll, wie es dem Rang eurer göttlichen Hoheiten entspricht; alle hielten in der Dauer ihrer Anbetung inne und verharrten lange, da die Pflicht dankbarer Liebe nun verdoppelt war. (3) Und dabei hatte dieser Akt der Verehrung, der gleichsam im Innern eines Heiligtums verborgen stattfand, doch nur die Herzen derer in Staunen erstarren lassen, denen der Rang ihrer Würdenstellung Zugang zu euch gewährte. Als ihr aber die Schwelle überschritten und eure Fahrt durch das Zentrum der Stadt gemeinsam durchgeführt habt, da haben sich beinahe die Häuser selbst, wie ich höre, in Bewegung gesetzt, und alle Männer, Frauen, kleinen Kinder und Greise liefen durch die Türen ins Freie oder beugten sich oben aus den Fenstern der Gebäude zu euch herab. (4) Alle ließen vor Freude ihre Rufe laut erschallen; schon ohne Furcht (vor euch) und unverhohlen wiesen sie mit der Hand auf euch: „Siehst du Diokletian? Siehst du Maximian? Wie sprechen sie einträchtig miteinander! Wie ziehen sie rasch vorüber!“ (5) Niemand hatte Augen genug, seine eigene Schaulust zu stillen; und während man euch abwechselnd in sehnsüchtigem Verlangen bewunderte, konnte man keinen von euch zur Genüge betrachten.“1084
Bei der Beschreibung der für die Masse der Bevölkerung zugänglichen Prozession der Herrscher durch die Stadt werden die Prinzipien der concordia und similitudo besonders betont. Die Bezeichnung des palatium als Heiligtum verdeutlicht die Sakralisierung der Regenten sowie die 1084
„(1) Quid illud, di boni! Quale pietas vestra spectaculum dedit, cum in Mediolanensi palatio admissis qui sacros vultus adoraturi erant conspecti estis ambo, et consuetudinem simplicis venerationis geminato numine repente turbastis! (2) Nemo ordinem numinum solita secutus est disciplina; omnes adorandi mora restiterunt duplicato pietatis officio contumaces. (3) Atque haec quidem velut interioribus sacrariis operta veneratio eorum modo animos obstupefecerat quibus aditum vestri dabant ordines dignitatis. Ut vero limine egressi per mediam urbem simul vehebamini, tecta ipsa se, ut audio, paene commoverunt, omnibus viris feminis parvulis senibus aut per fores in publicum proruentibus aut per superiora aedium lumina imminentibus. (4) Clamare omnes prae gaudio, iam sine metu vestri et palam manu demonstrare: ‚Vides Diocletianum? Maximianum vides? Ambo sunt! Pariter sunt! Quam iunctim sedent! Quam concorditer conloquuntur! Quam cito transeunt!‘ (5) Nemo studio suo par fuit oculis ad intuendum, dumque vos alterna cupiditate mirantur, neutrum satis videre potuerunt.“ Pan. Lat. XI/III, 11.1–5.
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Bedeutung des Hofzeremoniells in diesem Zusammenhang. Wesentliche Komponenten dieses Zeremoniells wie die soziale Hierarchisierung der Anwesenden, das Schweigen in der Anwesenheit des Herrschers und die Rolle der adoratio werden hier thematisiert und geben Auskunft über dessen Bedeutung für die Inszenierung der Kaiser als gottähnliche Individuen. Ab Diokletian wurden somit bekannte Elemente der monarchischen Repräsentation umgedeutet und gebündelt zu einem System der kaiserlichen Repräsentation. Es entwickelte sich eine spezifische Herrschaftsideologie „als ein System von Ideen, Wertvorstellungen, Insignien und Zeremonien, welche die Existenz und das Handeln des Kaisers als Lenker des Imperium Romanum legitimieren und damit zugleich den Zusammenhalt des Reiches gewährleisten sollten […].“ Hierzu gehörten die Prinzipien des Mehrkaisertums und des Adoptivkaisertums ebenso wie die Sakralisierung der Herrscher selbst, basierend auf dem Rückbezug auf das göttliche Geschlecht der Iovier und Herkulier.1085 Umgesetzt wurde dies durch die Dezentralisierung der Herrschaftsausübung fernab der senatorischen Eliten in Rom und die Inszenierung der Eintracht (concordia) und Ähnlichkeit (similitudo) der Herrscher. Die neuen Aspekte der tetrarchischen Herrschaft mussten nach der instabilen Krisenzeit des 3. Jahrhunderts möglichst schnell und wirkungsvoll über die jeweilgen Medien der Herrschaftsrepräsentation demonstriert werden. Da Rom aufgrund der dezentralen Regierungsausübung als Bühne der Herrschaftsinszenierung wegfiel, dienten vor allem die tetrarchischen Residenzstädte als neue Bezugspunkte der Macht. In ihnen ging es darum, die Herrschaftsideologie der Tetrarchie „in Bilder umzusetzen und direkt erlebbar zu machen. Dazu dienten sowohl das Zeremoniell als auch die Bauten als deren Rahmen.“1086 Basierend auf der Analyse des tetrarchischen Residenzbauprogramms und der Funktion der jeweiligen Bauten für die Herrschaftsrepräsentation, lassen sich in Bezug auf den Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Residenzstädte und der tetrarchischen Herrschaftsideologie drei wesentliche Thesen formulieren: 1. Der Ausbau der Residenzstädte war die bauliche Manifestation der Dezentralisierung der Herrschaft und des realpolitischen Bedeutungsverlusts der urbs aeterna Rom. Der Sitz der Macht war nun nicht mehr die Hauptstadt, sondern der Ort, an dem sich der Kaiser aufhielt: „Rom ist dort, wo der Kaiser ist.“1087 Versinnbildlicht wurde dies vor allem durch die Dualität von Palast und Circus – eine bauliche Kombination, die zuvor der Hauptstadt Rom vorbehalten war. 2. Der einheitliche Ausbau der tetrarchischen Residenzstädte visualisierte nicht nur den 1085 1086 1087
Kolb 2001, S. 22. Hesberg 2006, S. 139. Mayer 2002.
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dauerhaften Machtanspruch des tetrarchischen Systems, sondern versinnbildlichte auch die für die tetrarchische Herrschaftsideologie wesentlichen Prinzipien der concordia und similitudo des Herrscherkollegiums. 3. Die Audienzhallen in den tetrarchischen Palastanlagen spiegelten den erhöhten und zunehmend sakralisierten Status des Herrschers im Rahmen des ab Diokletian sich verstetigenden Hofzeremoniells wider. Die zunehmende Wahrnehmung des Palasts als heiliger Ort legt die Vermutung nahe, dass die Audienzhallen mit ihrer Betonung der Apsis darauf angelegt waren, eine tempelartige Wirkung zu evozieren.
3.1 DIE DUALITÄT VON PALAST UND CIRCUS: ROM IST DORT, WO DER KAISER IST Während der Zeit der Tetrarchie war Rom zu keinem Zeitpunkt die dauerhafte Residenz eines tetrarchischen Herrschers. Es sind außerdem nur zwei Aufenthalte tetrarchischer Herrscher in Rom gesichert. Diokletian selbst besuchte die Stadt nur ein einziges Mal, als er hier im Jahr 303 n. Chr. gemeinsam mit Maximian seine vicennalia feierte. Sein Mitregent Maximian weilte bereits 299 n. Chr. für eine Zeit in der Stadt, als er auf dem Rückweg von seinem Feldzug in Nordafrika dort Station machte. Vermutlich wird in diesem Zusammenhang auch ein Triumphzug stattgefunden haben.1088 Dies hing vor allem mit der Dezentralisierung der Herrschaftsausübung zusammen, denn um die Grenzen des Reiches und die innenpolitischen Verhältnisse zu stabilisieren, war es zwingend notwendig, dass die Mitglieder des Herrscherkollegiums in den verschiedenen Reichsteilen in der Nähe der jeweiligen Krisenherde präsent waren. Die fehlende Anwesenheit der Kaiser in Rom resultierte jedoch nicht nur aus praktischen Gründen, sondern zeigte eine neue Qualität beispielsweise im Gegensatz zu der häufig notwendigen langen Absenz der Kaiser während des 3. Jahrhunderts. Das verdeutlicht unter anderem das Ausbleiben von adventus-Prägungen in Rom zur Zeit der Tetrarchie. Unter den Soldatenkaisern waren adventus-Prägungen eine häufig genutzte Maßnahme, um zumindest die Absicht oder das Versprechen eines baldigen Rom-Besuches des Herrschers zu verdeutlichen. Dies wurde von den tetrarchischen Herrschern unterlassen.1089 Stattdessen fand die Feier von Jubiläen (Geburtstage der Herrscher, Regierungsjubiläen, sogar der Geburtstag der Stadt Rom) in den Residenzen statt, auf der Bühne der dort neu entstandenen Herrschaftsarchitektur. 1088 1089
Vgl. Bauer 2012a, S. 3ff. Vgl. Bauer 2012a, S. 5ff.
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Ein weiteres Indiz für die bewusste Abwendung von Rom ist die Beisetzung der Tetrarchen in ihren jeweiligen Alterssitzen. Bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts war es üblich, dass römische Kaiser in Rom beigesetzt wurden, auch wenn sie fernab von Rom gestorben waren oder wie die Soldatenkaiser zu Lebzeiten nie in Rom residiert hatten. Die Tetrarchen hingegen führten nicht nur ihre Regierungsgeschäfte bewusst fernab von Rom, sondern wählten auch ihre Begräbnisstätte in eigens dafür angelegten Mausolea in ihren Altersresidenzen.1090 Rom wird zwar weiterhin als Zentrum des Imperium Romanum angesehen, doch ist die Idee, dass der Aufenthaltsort des Herrschers zumindest temporär einer anderen Stadt einen vergleichbaren Status verleiht, durchaus etabliert. Dies zeigt unter anderem eine Passage aus dem Panegyricus von 289 n. Chr., der anlässlich der Feierlichkeiten zum Geburtstag Roms in Trier gehalten wurde: „Einstweilen bitten wir jedoch dich, Herrin der Völker, da diesen so sehr ersehnten Herrscher ja noch die Rücksicht auf das Staatsinteresse in seinen gallischen Ländern festhält, diese Stadt hier, falls das möglich ist, nicht mit Missgunst zu betrachten: ihr verleiht jener jetzt eine erhabene Würde, die der deinen ähnlich ist, indem er in ihr deinen Geburtstag feierlich begeht mit der gewohnten Prachtentfaltung, wie sie dir gebührt.“1091
Dass die jeweiligen Residenzstädte den Status als Herrscherresidenz zu schätzen wussten und durchaus auch in Konkurrenz zu Rom bzw. den anderen Residenzstädten standen, schwingt in der anschließenden Passage mit, wenn Maximian um weiterhin regelmäßige Aufenthalte in seinen Provinzen gebeten wird: „Und dich selbst, Imperator, bitten wir, ihr möget auch, wenn einmal für den ganzen Erdkreis Sicherheit geschaffen ist und jene Mutter eures Reiches euch dann ihren Empfang bereitet hat, bisweilen ihre innigsten Umarmungen mit frommen Händen lösen; ferner, dass du ganz besonders (ich glaube ja, der Osten richtet an Diokletian genau dieselbe Bitte) deinen Provinzen hier durch häufigen Besuch Glanz verleihen mögest und dass du sie, selbst wenn sie in tiefstem Frieden blühen, durch die Ankunft deiner göttlichen Hoheit noch glücklicher machst.“1092 1090 1091
1092
Vgl. Mayer 2002, S. 69. „Interim tamen te, gentium domina, quoniam hunc optatissimum principem in Galliis suis retinet ratio rei publicae, quaesumus, si fieri potest, ne huic invideas civitati, cui nunc ille similitudinem maiestatis tuae confert natalem tuum diem celebrando in ea consuetudine magnificentiae tibi debitae.“ Pan. Lat. X/II, 14.3. „Teque ipsum, imperator, oramus ut etiam cum vos totius orbis securitate composita illa imperii vestri mater acceperit, amplexus eius artissimos interdum piis manibus resolvatis; tuque potissimum (credo enim
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Deutlicher noch wird es im Panegyricus von 291 n. Chr., in dem beschrieben wird, wie die Roma selbst sich anlässlich des Besuchs der Herrscher nach Mailand wendet, um für den Tag der Feierlichkeiten in der Nähe der Herrscher zu sein und der Stadt Mailand etwas von ihrer Aura zu verleihen: „(1) Sogar die Herrin der Völker selbst, Rom, ließ sich mitreißen von der unbändigen Freude über eure Nähe und war bestrebt, von den Gipfelwarten ihrer Hügel her den Blick auf euch zu richten, um sich so aus größerer Nähe am Anblick eurer Gesichter zu sättigen, und hat sich auch, euch anzuschauen, soweit zu euch hin begeben, wie es möglich war: (2) sie hat ja die glanzvollen Spitzen ihres eigenen Senats entsandt und so der Stadt Mailand, die in diesen Tagen ganz von seligem Glück erfüllt war, bereitwillig eine Aura der Majestät verliehen, die der ihr eigenen gleicht, so dass es damals schien, der Sitz der Herrschaft befinde sich dort, wo beide Imperatoren hingekommen waren.“1093
Allein der Umstand, dass ein Kaiser den Geburtstag der Ewigen Stadt in einer anderen Stadt feierlich begeht, zeigt bereits, dass der einzigartige Status Roms als ideelles und politisches Zentrum in der Zeit der Tetrarchie zunehmend geringer wurde. Exemplarisch verdeutlich die Zeile „[…] so dass es damals schien, der Sitz der Herrschaft befinde sich dort, wo beide Imperatoren hingekommen waren“ den politischen Wandel der Zeit. Die politische Macht war nun auf die Person und somit den Aufenthaltsort des Kaisers konzentriert. Ab Diokletian schwand folglich die realpolitische Macht Roms und die Dezentralisierung der Herrschaftsausführung wurde auch institutionell verankert. Nun lag auch die formale Macht beim Kaiser und dem ihn umgebenden comitatus und nicht mehr beim römischen Senat.1094 Entsprechend ist auch die Wahl anderer Städte als Rom als Hauptresidenz und deren Ausbau vor dem Hintergrund dieser Dezentralisierung zu sehen. In Rom wären wesentliche Elemente der tetrarchischen Herrschaftsideologie, wie beispielsweise die überhöhte Rolle des Herrschers im Rahmen des Hofzeremoniells, nur gegen den Widerstand der senatorischen Eliten durchsetzbar gewesen. Deren Erwartungen an die tetrarchischen Herrscher zeigen sich unter anderem in der Reliefdekoration des Arcus No-
1093
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hoc idem Diocletianum Oriens rogat) has provincias tuas frequenter inlustres, et profundissima licet pace florentes adventu numinis tui reddas feliciores.“ Pan. Lat. X/II, 14.4. „(1) Ipsa etiam gentium domina Roma immodico propinquitatis vestrae elata gaudio vosque e speculis suorum montium prospicere conata, quo se vultibus vestris propius expleret, ad intuendum cominus quantum potuit accessit. (2) Lumina siquidem senatus sui misit beatissimae illi per eos dies Mediolanensium civitati similitudinem maiestatis suae libenter impartiens, ut ibi tunc esse sedes imperii videretur quo uterque venerat imperator.” Pan. Lat. XI/III, 12.1-2 Vgl. Noethlichs 1998, S. 19; Schlinkert 1998.
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vus in Rom, in der vor allem kaiserliche Tugenden aus der Prinzipatszeit betont wurden. Dies machte einen längeren Aufenthalt in Rom für die tetrarchischen Herrscher wenig attraktiv.1095 In den Residenzstädten hingegen konnte die neue Herrschaftsideologie baulich inszeniert und die Präsenz des Kaisers monumental im Stadtbild verankert werden, ohne auf ein gewachsenes, bereits durch vorangegangene Herrscher geprägtes Stadtbild Rücksicht nehmen zu müssen. Darüber hinaus war aufgrund des allgemeinen Bedeutungsgewinns der Stadt auch von den lokalen Eliten die notwendige Unterstützung zu erwarten. Die allgemeine Bedeutung der Residenzstädte für das tetrarchische Herrschaftssystem wird bei H. von Hesberg auf den Punkt gebracht: „Die Tetrarchen benötigten ein Netz von festgelegten Orten als Bezugspunkt ihrer Herrschaft, denn sie standen ja in der Tradition des römischen Kaisers. […] Der äußere Rahmen, den die Aulen, aber auch die übrigen Bauten der neuen Residenzstädte allein schon von Größe und Ausstattung her bieten, enthalten hingegen das Versprechen, daß der jeweils amtierende Herrscher dort immer wieder zugegen sein und seine Fürsorge von zentraler Stelle auf die Bevölkerung lenken wird […]. Die Fixierung der Orte als Residenzen hatte aber auch einen medialen Effekt. Selbst wenn die Herrscher immer unterwegs waren und diese Verhaltensweise von den Panegyrikern besonders gerühmt wurde, gab es dennoch einen festen Platz, an dem sich ihr System in wirksame Bilder und Zeremonien umsetzte. Zuvor hatte Rom diese Aufgabe besessen.“1096
Die Residenzstädte boten somit den baulichen Rahmen für die Inszenierung der tetrarchischen Herrschaftsideologie. Zuvorderst symbolisierte die Kopie der Palastanalage auf dem Palatin in Rom zusammen mit der Dualität von Palast und Circus die Dezentralisierung der Herrschaftsausübung. Das Privileg einer kaiserlichen Palastanlage war nun nicht mehr der Hauptstadt Rom vorbehalten, sondern wurde auf die Hauptresidenzen der tetrarchischen Herrscher transferiert. Die monumentale Architektur symoblisierte jedoch nicht nur den Bedeutungsverlust Roms, sondern visualisierte die Präsenz des Herrschers auch in dessen Abwesenheit. Der Machtanspruch des tetrarchischen Herrscherkollegiums war im öffentlichen Raum der Residenzstädte dauerhaft erfahrbar. Gleichzeitig galt es jedoch durch die Monumentalisierung der Residenzstädte auch das „Defizit des Nicht-Roms“ auszugleichen. Zwar handelte es sich in der Regel um wichtige städtische Zentren in der Region, doch waren sie vor ihrer Zeit als Residenzstadt nicht mit der Pracht Roms vergleichbar. Dieser Aspekt wird in den zeitgenössischen Quellen mehrfach thematisiert, beispielsweise wenn Laktanz als Grund für die „Bauwut“ Diokletians in Niko-
1095 1096
Bauer 2012a, S. 72. Hesberg 2006, S. 164f.
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media dessen Bestreben angibt, die Stadt Rom gleichzumachen.1097 Hier wird deutlich, dass in Bezug auf die Bedeutung, Ausstattung und Pracht der Residenzstädte immer Rom als Referenz galt, als Vorbild, dem es sich anzunähern beziehungsweise das es zu übertreffen galt. Der Transfer der ursprünglich Rom vorbehaltenen wichtigsten Bauten der imperialen Repräsentationsarchitektur – Palast und Circus – diente somit der Visualisierung eines der wichtigsten Prinzipien des tetrarchischen Herrschaftssystems, der Dezentralisierung der Herrschaftsausübung. Der Sitz der Macht war nun dort, wo der Kaiser sich aufhielt. Innerhalb des baulichen Rahmens der Residenzstädte inszenierten die augusti und caesares die Legitimität und die Dauerhaftigkeit ihres Herrschaftsanspruches. Durch feierliche Prozessionen bei Besuchen der Mitglieder des Herrschaftskollegiums und Spiele in den Circusanlagen wurde die kaiserliche Macht für das breite Publikum inszeniert. Bei Audienzen und Banketten in der Palastanlage war der Kaiser für ein ausgewähltes Publikum im Rahmen eines zunehmend formalisierten Hofzeremoniells „persönlich“ zugänglich und konnte in seiner Rolle als sakralisierter Herrscher inszeniert werden. Für die Inszenierung des neuen Herrschaftssystems der Tetrarchie waren der städtebauliche Rahmen der Hauptstadt Rom sowie dessen Eliten nicht mehr vonnöten und vermutlich sogar nicht gewollt.
3.2 DER TETRARCHENTYPUS ALS AUSDRUCK VON CONCORDIA UND SIMILITUDO Die concordia und similitudo der Mitglieder des tetrarchischen Herrscherkollegiums war ein zentraler Aspekt der Herrschaftsinszenierung, die sich in den verschiedenen Quellengattungen der Zeit immer wieder ablesen lässt. Wie wichtig die Inszenierung der Einheit der Herrscher war, zeigt sich beispielsweise darin, dass Edikte und Gesetze immer im Namen aller Mitglieder des Herrscherkollegiums unterzeichnet wurden. Auch in Inschriften, wie beispielsweise an Meilensteinen, Vier-Säulen-Monumenten oder bei der Stifterinschrift an den Diokletiansthermen in Rom, werden durchgängig alle Tetrarchen genannt.1098 Beispielhaft beschrieben ist das Prinzip der concordia im Panegyricus von 289 n. Chr. Hier werden Diokletian und Maximian als Brüder im Geiste beschrieben, die aufgrund ihrer Tugenden verwandt sind und aufgrund 1097 1098
Lact. De mort. pers. 7.8. Vgl. Corcoran, Simon: “The Augusti and Caesares Say”: Imperial Communication in a Collegiate Monarchy. In: Prochazka, Stephan/Reinfandt, Lucian/Tost, Sven (Ed.): Official Epistolography and the Language(s) of Power: Proceedings of the First International Conference of the Research Network Imperium & Officium. Austrian Academy of Sciences Press, 2015. S. 219–236, S. 223ff; Hekster 2014, S. 15; Eck 2006, S. 324ff.
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dessen zuverlässiger als Blutsverwandte ohne Rivalität zu gleichen Teilen die Herrschaft teilen können.1099 Ebenso im Panegyricus von 291 n. Chr., der anlässlich des Geburtstags des Maximian in Trier gehalten wurde: „(3) Ferner, was ganz besonders mit eurer frommen Haltung gegenüber den unsterblichen Göttern verbunden ist: mit wie außerordentlich liebevoller Frömmigkeit haltet ihr euch gegenseitig in Ehren! Welche Zeitalter haben denn jemals solch Harmonie am Gipfelpunkt der Macht zu sehen bekommen? Welche leiblichen Brüder oder Zwillinge verwalten ihr Erbe ohne Teilung so nach gleichem Recht wie ihr den römischen Erdkreis? (4) Hieraus wird wahrhaft offenbar, dass die Seelen der übrigen Menschen alle der Erde verhaftet und vergänglich sind, die euren hingegen himmlischer Natur und immerwährend.“1100
Die Idee der Einheit und Eintracht der Herrscher wird gesteigert durch das Prinzip der Ähnlichkeit, der similitudo, wie sie in der Angleichung der bildlichen Darstellung der Tetrarchen greifbar wird.1101 Die einheitliche Ausstattung der tetrarchischen Residenzstädte kann als architektonische Visualisierung dieser Prinzipien verstanden werden. Ob man nun die Residenz des Diokletian in Antiochia, die Residenz des Maximian in Mailand, die Residenz des Galerius in Thessalonike oder die Residenz des Constantius Chlorus in Trier besuchte, man fand eine vergleichbare Ausstattung vor. Es gab eine Palastanlage in räumlicher Nähe zum Circus, in der Stadt wurden monumentale Kaiserthermen gebaut, die städtische Infrastruktur wurde durch Ausbauten am Forum, an den Straßen und die Anlage neuer Speicherbauten verbessert und der neugewonnene Status der Stadt zeigte sich am Bevölkerungswachstum und dem Status als administratives und wirtschaftliches Zentrum, oftmals architektonisch greifbar in der Erweiterung der Stadtmauern. Entsprechend konnten die Städte auch verschiedenen Herrschern als Residenz dienen, wie sich
1099 1100
1101
Pan. Lat. X/II, 9.3–5. „(3) Deinde, id quod maxime deorum immortalium cum religione coniunctum est, quanta vosmet invicem pietate colitis! Quae enim umquam videre saecula talem in summa potestate concordiam? Qui germani geminive fratres indiviso patrimonio tam aequabiliter utuntur quam vos orbe Romano? (4) Ex quo profecto manifestum est ceterorum hominum animas esse humiles et caducas, vestras vero caelestes et sempiternas.“ Pan. Lat. XI/III, 6.3–4. Vgl. Boschung, Dietrich: Die Tetrarchie als Botschaft der Bildmedien. Zur Visualisierung eines Herrschaftssystems. In: Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Repräsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 349–380, S. 352f; Weiser, Wolfram: Die Tetrarchie – ein neues Regierungssystem und seine mediale Präsentation auf Münzen und Medaillons. In: Boschung, Dietrich/Eck, Werner (Hrsg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Repräsentation. Reichert, Wiesbaden 2006. S. 205–227; Rees 1993, S. 181ff.
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an der kontinuierlichen Nutzung beispielsweise von Nicomedia, Antiochia, Trier oder Thessalonike als tetrarchische Residenzstadt zeigt. Dies schließt die individuelle Überhöhung eines Herrschers in seiner Hauptresidenz nicht aus, wie der Galeriusbogen in Thessalonike mit der Inszenierung der Erfolge des Galerius im Krieg gegen die Perser zeigt. Doch geschah dies im Rahmen des tetrarchischen Systems, das immer auch die anderen Tetrarchen würdigte. Die individuelle Inszenierung der Verdienste, Person und Familie des Herrschers scheint den Alterssitzen vorbehalten gewesen zu sein, die allein schon durch ihre Verortung am Geburtsort einen individuellen Bezug herstellten.
3.3 DER PALAST ALS TEMPEL FÜR DEN SAKRALISIERTEN HERRSCHER? Bereits in der Kaiserzeit hatte die Rolle des augustus eine sakrale Komponente, die sich unter anderem im hellenistisch geprägten Kaiserkult zeigt. Auch die Vorstellung, dass mit dem gottähnlichen Status des Kaisers einhergeht, dass dessen Haus als Tempel wahrgenommen wird, geht auf kaiserzeitliche Anfänge zurück.1102 Dieser Aspekt wird in der Zeit der Tetrarchie weiterentwickelt. Durch den religiös konnotierten genealogischen Bezug auf das Geschlecht der Iovier und Herculier wird die aeternitas des tetrarchischen Herrschaftsanspruchs manifestiert und eine göttliche Abstammung der Herrscher postuliert.1103 F. Kolb fasst den sakralen Aspekt der tetrarchischen Herrschaftsideologie prägnant zusammen: „Die ‚Göttlichkeit‘ des tetrarchischen Kaisers beruht einerseits auf seinem ‚Amt‘ und der mit ihm verbundenen Machtvollkommenheit, die von den Göttern verliehen und somit göttlich sind, andererseits in der Person des Herrschers, der – um dieses Amt ausüben zu können – über göttliche Qualitäten verfügen muss. Die seit 286 für die beiden Augusti, seit 293 auch für die Caesares bezeugten Beinamen Iovius und Herculius bedeuten nicht nur Beistand der Götter oder Gottesgnadentum, sondern bescheinigen den Kaisern wirkliche Teilhabe am göttlichen Wesen, Besitz der Wirkungskräfte (numina) und damit auch der Fähigkeiten (virtutes) dieser Gottheiten von Geburt an. Daher wird ihre Ernennung zum Herrscher auch als ‚Aufgehen‘ (ortus) eines göttlichen Gestirns, entsprechend dem Son-
1102 1103
Vgl. Alföldi 1970, S. 31f; Kolb 2001, S. 41f; Unruh 2003, S. 34f. Beispielsweise im Panegyricus des Jahres 291 n. Chr. wird Jupiter als himmlicher Begründer des Herrschergeschlechts (vestri generis conditor vel parens) und als Schöpfer des Diokletian (Diocletiani auctor deus) bezeichnet. Pan. Lat. XI/III, 3.2 und 3.4.
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nenaufgang, bezeichnet; an ihrem dies imperii vollzieht sich die Epiphanie ihrer göttlichen Qualitäten.“1104
Einhergehend mit dem zunehmend vergöttlichten Status der Herrscher in der Tetrarchie wird dessen Person, der Palast des Kaisers sowie dessen Gefolge (sacer comitatus) mehrfach als heilig oder göttlich beschrieben. Bereits im Panegyricus von 289 n. Chr., in welchem Maximian geehrt und seine Verdienste um die Stabilisierung des Reiches gewürdigt werden, spricht der Redner davon, dass er durch die ihm verwandte göttliche Majestät des Diokletian zur Wiederherstellung des Staates berufen worden sei.1105 Hier findet sich ein klarer Bezug auf die domus divina des Herrscherkollegiums. Im selben Panegyricus wird das Auftreten des Maximian beschrieben, wobei die sakralisierte Inszenierung des Herrschers durch prachtvolle Kleidung und Gefolge deutlich wird. Auch hier wird der Herrscher als göttlich bezeichnet: „Eure triumphalen Purpurtogen, eure konsularischen Rutenbündel, eure kurulischen Sessel, dieses Gefolge der Ergebenheit, dichtgedrängt in seinem Glanz, und jenes Licht, welches das göttliche Haupt in strahlendem Nimbus umgibt, sind die Ehrenzeichen eurer Verdienste, gewiss von größter Schönheit und Erhabenheit.“1106
Auch im oben zitierten Panegyricus von 291 n. Chr. werden die beiden Herrscher wiederholt mit göttlichen Attributen versehen (sacros vultus, ordinem numinum) und die Audienz als ein Akt der Verehrung, verborgen in einem Heiligtum beschrieben (velut interioribus sacrariis).1107 Im Panegyricus von 297 n. Chr. zu Ehren des Constantius Chlorus wird das Innere des Palastes als adyta palatii bezeichnet.1108 Normalerweise bezeichnet der Begriff adyton den abgeschlossenen Rückraum der cella in Tempelanlagen, zu denen nur Priester Zutritt hatten. Die Bezeichnung des Palastes beziehungsweise des Audienzsaales als solches legt nahe, dass entsprechend nur wenige Eingeweihte Zugang zum Kaiser hatten.1109 Die Bezeichnung als adyton korreliert nicht nur mit der Funktion der Bauten, sondern auch mit ihrer Form, denn die apsidiale Anlage der aulae erinnert durchaus an eine Tempelcella.1110 1104 1105 1106
1107 1108 1109 1110
Kolb 2001, S. 36. Pan. Lat. X/II, 3.1. „Trabeae vestrae triumphales et fasces consulares et sellae curules et haec obsequiorum stipatio et fulgor, et illa lux divinum verticem claro orbe complectens, vestrorum sunt ornamenta meritorum, pulcherrima quidem et augustissima.“ Pan. Lat. X/II, 3.2. Pan. Lat. XI/III, 11.1–5. Pan. Lat. VIII/V, 1.4. Vgl. Kolb, S. 42. Vgl. Hesberg 2006, S. 160.
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Zuletzt hat H. Ziemssen überzeugend dargelegt, dass die Apsis eine Architekturform mit sakraler Konnotation ist, die dazu diente, eine übergeordnete Bedeutung der in ihr situierten Person oder Statue auszudrücken. Häufig findet sich die Apsis in Tempelbauten und Apsidensälen in Zusammenhang mit einer Verehrung des Kaiserhauses. Frühe Beispiele hierfür sind beispielsweise die Tempelanlagen der römischen Kaiserfora. Vermutlich fand die Apsis aufgrund ihrer ideellen Bedeutung im Kontext der sakralen Sphäre der Kaiserfora eingang in die römische Palastarchitektur, wie es sich bereits für die Aula Regia und die Basilika auf dem Palatin feststellen lässt.1111 In der Zeit der Tetrarchie wurde dieses Prinzip in den Audienzhallen zu einer neuen Bauform weiterentwickelt. Die schlichte Gestaltung der eigentlichen Halle grenzte diese klar von der reich verzierten Apsis als Sitz des Kaisers ab, im Unterschied zu apsidialen Tempelcellae waren auch die Apsiden in den Audienzhallen mit Fenstern versehen und unterstrichen so durch Lichteffekte die überhöhte Position des Herrschers. Eine Vorstellung von der Wirkung einer solchen Inszenierung vermittelt der apsidial angelegte Kaiserkultraum von Luxor mit den zugehörigen Wandmalereien. An den beiden Längsseiten sind Prozessionen von Soldaten dargestellt, die bis zur Rückwand des Raumes „führen“. Hier finden sich links und rechts der Apsis Darstellungen einer Audienz vor zwei thronenden Herrschgestalten, die eine Vorstellung vom Ablauf es höfischen Zeremoniells in den Kaiserpalästen vermitteln. Die erhöhte Apsis als Fixpunkt des Raumes zeigte vier überlebensgroß dargestellte Herrscherfiguren mit Nimbus, die als das Herrschaftskollegium der ersten Tetrarchie identifiziert werden und somit Diokletian (mit Zepter) und Maximian sowie an den Seiten etwas kleiner Galerius und Constantius Chlorus zeigten.1112 Insgesamt werden die tetrarchischen Herrscher hier als gottgleiche Wesen dargestellt, die im Rahmen der Prozession verehrt werden. Der Kaiserkultraum in Luxor scheint somit in seiner Anlage und in den Malereien nicht nur im Dienst des Kaiserkultes zu stehen, sondern auch den Ablauf des höfischen Zeremoniells in den Palastaulen zu reflektieren. In diesen stand der Kaiser in der Apsis – ähnlich den Kultbildern in der Apsis von Heiligtümern – als Objekt der Verehrung im Fokus der Raumstruktur.1113 Der Palast und insbesondere die apsidialen aulae als Ort der Audienzen scheinen demnach in der Zeit der Tetrarchie als Kultraum inszeniert und wahrgenommen worden zu sein. Die Positionierung der Herrscher in der Apsis im Rahmen des Hofzeremoniells erhält vor diesem Hintergrund nochmals eine gesteigerte Bedeutung. Die sakralisierte Rolle des Regenten zeigt sich nicht nur in der Konstruktion einer göttlichen Abstammung des Herrschers, sondern auch darin, dass sein Sitz als Heiligtum wahrgenommen wurde. Die Palastaulen evozierten demnach
1111 1112 1113
Vgl. Ziemssen 2006a, S. 188–209. Vgl. Kolb 2001, S. 175ff; Ziemssen 2006a, S. 211f. Vgl. Ziemssen 2006a, S. 212.
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die Wirkung einer Art „Tempel für den lebenden Herrscher“, dessen sakralisierter Status im Rahmen des Hofzeremoniells entsprechend inszeniert wurde. Dies würde auch das Fehlen von Tempelanlagen für die Schutzgottheiten der Tetrarchie in den Residenzstädten erklären. Sakralbauten gehörten anscheinend nicht zum Kanon der tetrarchischen Baumaßnahmen in den Residenzstädten – weder im Stadtzentrum noch in oder bei den innerstädtischen Palastanlagen. Lediglich die Altersresidenzen verfügten über entsprechende Tempelbauten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Betonung der genealogischen Abstammung der Tetrarchen von ihren jeweiligen Schutzgöttern Jupiter und Herkules eine wesentliche Rolle in der tetrarchischen Herrschaftsideologie spielte, ist dies umso verwunderlicher. Dass dies im Gegensatz zur antiken Tradition und auch zum Vorbild der römischen Palastanlage auf dem Palatin stand, wurde bereits oben ausgeführt. Später, unter Konstantin, wurde in Konstantinopel der sakrale Aspekt in Form von auf das Palastareal bezogenen Kirchenbauten wieder aufgegriffen.1114 Für die tetrarchische Zeit legt dies nahe, dass der Bruch mit dieser Tradition kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung und somit in Zusammenhang mit der tetrarchichen Herrscherideologie zu deuten ist. Die Deutung der Audienzhallen als Bautypus, welcher die Wirkung eines Kultraums evozieren sollte, in dem der dominus et deus im Rahmen des Hofzeremoniells als sakralisierter Herrscher von göttlicher Herkunft inszeniert wurde, könnte diesen Aspekt erklären.1115
1114 1115
Vgl. Kap. 4. Unter anderem I. Nielsen hat in ihrer Kategorisierung verschiedenerer Palastypen mit Gartenanlagen festgehalten, dass Tempel für die Schutzgottheit in der Regel Teil eines antiken Herrscherpalasts waren. Im Falle des Fehlens von Tempelanlagen wirft sie die Frage auf, ob dies bedeuten könnte, dass der Herrscher eventuell selbst als Gott galt.Vgl. Nielsen 2016, S. 125.
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4 SCHLUSS UND AUSBLICK: DIE RESIDENZSTÄDTE ALS BAULICHER RAHMEN EINER NEUEN HERRSCHAFTSIDEOLOGIE Ziel der vorliegenden Untersuchung war es zu analysieren, ob und inwiefern sich ein schematischer Ausbau der tetrarchischen sedes imperii feststellen lässt und wie dieser im Zusammenhang mit der Inszenierung der Herrschaftsideologie der Tetrarchie stand. Wichtig hierfür war die eingangs entwickelte Definition von tetrarchischen Residenzstädten in Abgrenzung zu suburbanen Villenanlagen und Alterssitzen. Zentral ist dabei, dass es sich bei den tetrarchischen Residenzstädten nicht lediglich um imperiale Wohnanlagen handelte, sondern um urbane Zentren, deren öffentlicher Raum wie Rom zur Kaiserzeit als Bühne für die imperiale Herrschaftsrepräsentation diente. Auf Basis der Auswertung der neueren archäologischen Forschung und der schriftlichen Quellen wurde zunächst die städtebauliche Entwicklung der tetrarchischen Residenzstädte Nicomedia, Sirmium, Antiochia, Thessalonike, Serdica, Trier, Mailand und Aquileia untersucht. Vor allem die Verbindung von Palast und Circus in diesen Residenzen war bereits in der älteren Forschung als ein mögliches Schema beim Ausbau der Residenzen erörtert worden. Dabei wurde häufig der spärliche archäologische Befund in Bezug auf die Datierung und Lokalisierung von Palastanlagen problematisiert. Gerade deshalb war die übergreifende Auswertung der neueren Forschung zu den einzelnen Residenzstädten ein Desiderat der Forschung. Die vergleichende Analyse der Ergebnisse machte deutlich, dass in Bezug auf die architektonische Monumentalisierung dieser Städte durchaus von einem tetrarchischen Residenzbauprogramm, einem sogenannten „Tetrarchentypus“, gesprochen werden kann. Es lässt sich ein Kanon von Bauten nachweisen, der übergreifend in den dauerhaften Residenzen der aktiven tetrarchischen Regenten angelegt wurde. Zentral für dieses Residenzbauprogramm war die Kopie der stadtrömischen Verbindung von Palast und Circus Maximus in den Residenzen der tetrarchischen Herrscher. Die Dualität von Palast und Circus symbolisierte die Dezentralisierung der Herrschaft und den realpolitischen Bedeutungsverlust Roms. Der Sitz der Macht war nun dort, wo der Herrscher sich aufhielt, und der damit zusammenhängende Status ging, zumindest im machtpolitischen 328
Sinne, von Rom auf den jeweiligen Aufenthaltsort der Herrscher über. Dass dies ein vorher undenkbarer Vorgang war, zeigt vor allem der Umstand, dass eine kaiserliche Palastanlage in der römischen Kaiserzeit ausschließlich auf dem Palatin in Rom vorhanden war und von jeder Dynastie kontinuierlich ausgebaut wurde. Der Transfer dieses eigentlich der urbs aeterna vorbehaltenen Bautypus in die Residenzen symbolisierte den Bruch mit dieser Tradition und die dauerhafte Präsenz des Herrschers in der jeweiligen Residenzstadt. Durch die räumliche Verbindung mit der angrenzenden Circusanlage wurde diese dauerhafte Präsenz und Machtverlagerung für die Besucher der Spiele nachhaltig demonstriert. Gleichzeitig hatten die in den Circusanlagen abgehaltenen Spiele eine systemstabilisierende Wirkung, da nicht nur die Präsenz und Legitimät des Herrschers wirkungsvoll inszeniert wurde, sondern durch die Bevölkerung im Rahmen der ritualisierten Akklamationen und Sprechchöre bei den Spielen ungestraft Kritik äußern konnte. Der Bau der Circusanlagen in den tetrarchischen Residenzstädten verdeutlich somit eindrücklich, dass die Spiele auch in der Spätantike eines der wichtigsten Elemente der Herrschaftsrepräsentation und Teil des wechselseitigen Dialogs zwischen Herrscher und Bevölkerung waren. Die Bedeutung der Circusanlagen für die tetrarchische Herrschaftsrepräsentation zeigt sich vor allem daran, dass diese ausschließlich in den tetrarchischen Residenzstädten gebaut wurden. Während Palastanlagen auch in den Alterssitzen in Split und Felix Romuliana entstanden, war der Cirucs das entscheidende architektonische Distinktionsmerkmal einer tetrarchischen Residenzstadt. Dieser Aspekt ist insbesondere vor dem Hintergrund der oftmals nur rudimentär bekannten Palastanlagen wichtig. Selbst wenn man die hier zugrunde gelegte räumliche Verbindung von Palast und Circus nicht für alle Residenzen akzeptiert, ist ein Cirucs in tetrarchischer Zeit für alle Residenzen außer Serdica gesichert. Die Bedeutung der Circusanlagen für die Herrschaftsrepräsentation und der systemstabilisierende Charakter der Spiele sind somit auch unabhängig von einer angrenzenden Palastanlage nachweisbar. Nichtsdestotrotz ist für die Ergebnisse der vorliegenden Studie zentral, dass auf Basis der Einzeluntersuchung der Residenzstädte eine räumliche Verbindung von Palast und Circus für fast alle Residenzstädte plausibel argumentiert werden kann. Die Anlage der Palastkomplexe selbst orientierte sich dabei stark an dem Vorbild des Palasts auf dem Palatin in Rom. Die Lage am Stadtrand sowie die Betonung der Zugänge durch Torbögen oder monumentale Tetrapyla evozierte die Wirkung einer „Stadt in der Stadt“. Dies wurde unterstützt durch monumentale Schaufassaden in Richtung Stadt/Vorplatz, Circus und Küste, welche den sich nähernden Besuchern oder Passanten die Erhabenheit des Herrschers verdeutlichten. Auch die komplexe und oftmals verwinkelte Wegeführung im Inneren der Palastanlage mit abwechselnden strukturierenden Elementen wie Platzanlagen, Wasserbecken und Gärten erinnert in ihren bautypologischen Elementen an die Anlage auf dem Palatin. 329
Eine genuin tetrarchische Neuschöpfung waren die monumentalen, lichtddurchfluteten Palastaulen. Der Bautypus der aulae generierte aufgrund der longitudinalen Ausrichtung auf die zentrale Apsis, der durchgängigen Durchfensterung der Anlage sowie der schlichten Gestaltung des Innenraums eine deutliche Fokussierung der Raumwirkung auf den in der Apsis positionierten Herrscher. Zusätzlich verfügten sie oft über quergelagerte Vorhallen und angrenzende Hofanlagen, die vermutlich im Zusammenhang mit der Zugangsregulierung im Rahmen des Zeremoniells genutzt wurden. Dadurch unterschieden sie sich deutlich von den bekannten Audienzräumen wie der Aula Regia, der Basilika oder auch der Cenatio Iovis auf dem Palatin. Die Entstehung dieses Bautypus reflektiert die veränderte und zunehmend sakralisierte Rolle des Herrschers im Kontext des spätantiken Hofzeremoniells. Des Weiteren konnten in der baulichen Ausstattung der tetrarchischen Residenzstädte Elemente festgestellt werden, die bisher in der Forschung kaum Beachtung gefunden haben. So scheint auch die Errichtung von Kaiserthermen ein Privileg der Residenzstädte gewesen zu sein. In fast allen untersuchten Residenzen wurden entweder vorhandene Thermenanlagen saniert und ausgebaut oder der Neubau monumentaler Kaiserthermen veranlasst. Dies ist umso bedeutsamer, als dass die Tradition der Kaiserthermen seit den Severern quasi zum Erliegen gekommen war. Weitere kennzeichnende Elemente der baulichen Ausstattung der Residenzen waren die Erweiterung der Stadtmauern, die Errichtung von monumentalen Speicherbauten sowie generell der Ausbau der städtischen Infrastruktur. Insgesamt sind diese Maßnahmen vor allem in Zusammenhang mit der Inszenierung der kaiserlichen liberalitas zu sehen. Darüber hinaus waren all diese infrastrukturellen Maßnahmen auch ein Symbol für den neuen Status der Residenzstädte und für die neugewonnene Stabilität des Imperium Romanum unter der Herrschaft der Tetrarchen. Die weitestgehend einheitliche Ausstattung der Residenzen mit diesen Bauten erzielte dabei vermutlich einen ähnlichen Effekt wie die Angleichung der Herrscher in der bildlichen und statuarischen Darstellung – sie demonstrierte die Eintracht und Ähnlichkeit des Herrscherkollegiums. Auffällig ist, dass weder Mausoleumsbauten innerhalb der Stadtmauern noch monumentale Tempelanlagen im Stadtzentrum oder bei den Palastanlagen ein verbindliches Element des tetrarchischen Residenzbauprogramms waren. Sowohl die Bestattung in dafür vorgesehen Mausoleumsbauten als auch die Errichtung von Tempeln für die Schutzgötter der Tetrarchie scheint den Altersresidenzen vorbehalten gewesen zu sein. Diese waren – anders als die Residenzen der aktiven Regenten – auf die dynastisch geprägte Kommemoration des Herrschers und seiner Familie angelegt. In den Residenzen hingegen scheint dieser Aspekt nicht gewünscht gewesesen zu sein. Das Fehlen von Tempelanlagen für die tetrarchischen Schutzgottheiten kann außerdem dahingehend gedeutet werden, dass diese in den Residenzstädten nicht notwendig waren. Im Kontext des spätantiken Herrscherbildes galt der 330
Palast als sakrale Sphäre und wurde oftmals mit Attributen beschrieben, die sonst Kulträumen vorbehalten waren. Da in der tetrarchischen Herrschaftsideologie eine genealogische Abstammung der Herrscher von ihren Schutzgottheiten postuliert wurde, könnten der Palast und insbesondere die Audienzhalle als eine Art Tempel oder Kultraum für den zunehmend sakralisierten Herrscher und somit auch dessen Götterväter gewirkt haben. Insgesamt manifestiert sich die Herrschaftsideologie der Tetrarchie im Ausbau der Residenzen, in ihren Bauten und deren Ausstattung. Das tetrarchische Residenzbauprogramm bildet damit den baulichen Rahmen, in dem die neue Form der Herrschaft visualisiert und erfahrbar gemacht wird. Hierzu gehören vor allem die Dezentralisierung der Macht und die Abwendung von Rom als Herrschafszentrum, die concordia und similitudo des Herrscherkollegiums sowie die zunehmend gottähnliche Stellung des Herrschers, wie sie im Rahmen des Hofzeremoniells insbesondere in den Palastaulen deutlich wird. Dabei entwickelten die tetrarchischen Herrscher in ihren Residenzen ein Residenzbauprogramm, dass in sich ein Konzept von eigener Qualität darstellte. Allein der Umstand, dass ursprünglich Rom vorbehaltene Elemente der imperialen Selbstinszenierung auf die Residenzstädte transferiert wurden, macht den innovativen Charakter des tetrarchischen Residenzbaus deutlich. Hinzu kommt die genuin tetrarchische Neuschöpfung des Bautypus der durchfensterten aulae als zentrale Audienz- und Versammlungshallen. Gleichzeitig war der tetrarchische Residenzbau jedoch stark von Rom als Vorbild für die architektonisch inszenierte Herrschaftsrepräsentation geprägt. Die Vorbildfunktion Roms zeigt sich vor allem in der Anlage der Palastkomplexe, die sich deutlich an der stadtrömischen Vorlage orientierten. Der architektonische Prototyp der römischen Palastanlagen auf dem Palatin wiederum war geprägt von hellenistischen, persischen und alt-orientalischen Vorbildern.1116 Der „missing link“ bei der Abstraktion des Konzepts einer Palastanlage in Verbindung mit einer angrenzenden Circusanlage vom Palatin in Rom auf andere Orte scheint die Zeit der Severer zu sein – zumindest teilweise fassbar in der Anlage des Sessoriums am Stadtrand Roms und eventuell im unter Septimius Severus begonnenen Ausbau Byzantions. Endpunkt dieser Entwicklung beziehungswiese Kulmination sollte Konstantinopel werden. Der tetrarchisch sozialisierte Konstantin verband hier die aus den Residenzstädten bekannten Elemente des tetrarchischen Residenzbauprogramms mit eindeutig dynastisch geprägten Baumaßnahmen. Nach der Neugründung durch Konstantin begann ein maßgeblicher Ausbau der Stadt, in dessen Zusammenhang das Hippodrom und die Zeuxippos-Thermen, deutlich erweitert, fertiggestellt wurden. Südlich des Hippodroms entstand eine Palastanlage, über deren Ausdehnung
1116
Vgl. Kap. 2.8., S. 283.
331
und konkrete Anlage in konstantinischer Zeit allerdings kaum genaues bekannt ist. Der Zugang zum Palast erfolgte von der Mese her über das Milion, vorbei am Hippodrom und den Zeuxippos-Thermen im Westen und dem Augusteion im Osten über die Chalke, einen Torbau mit bronzenen Dachschindeln. Eventuell geht die südlich des Palasteingangs gelegene Magnaura (magna aula) bereits auf die konstantinische Anlage zurück. Östlich des Palastes wurde das Augusteion angelegt und bereits in konstantinischer Zeit die Grundsteine für den Bau der Hagia Sophia und der Hagia Eirene gelegt.1117 Darüber hinaus wurde im Zuge der Neugründung das ummauerte Stadtgebiet massiv erweitert. Unmittelbar vor dem ursprünglichen severischen Stadttor, als Überleitung vom alten Stadtkern in den neuen Stadtteil, entstand das Konstantinsforum. Dieses war angelegt als kreisrunde Platzanlage, umgeben von zweigeschossigen Arkaden mit zwei Torbauten im Osten und Westen und mit einem im Norden anschließenden Senatsgebäude. Ausgestattet wurde die Anlage mit Statuen der kaiserlichen Familie und antiken Bildwerken, unter anderem eine Bronzestatue der Athena vor dem Senat und vergoldete Statuen Konstantins und seiner Söhne an der Nordseite des Forums. In der Mitte der Anlage stand eine Säule aus Porphyr, die eine Bronzestatue Konstantins mit Strahlenkrone trug.1118 An der Gabelung der Mese auf dem Weg vom Stadttor Richtung Osten zum Konstantinsforum entstand eine weitere Platzanlage, das Philadelphion. Aufgrund von antiken Beschreibungen lässt sich hier die Aufstellung zweier Säulendenkmale rekonstruieren, die in konstantinischer Zeit die heute in Venedig befindlichen Tetrarchengruppen aus Porphyr trugen.1119 Im Nordwesten der Stadt veranlasste Konstantin den Bau der Apostelkirche, die als sein Mausoleum dienen sollte. Somit war er seit der Tetrarchie der erste Kaiser, der sich innerhalb der Stadtmauern seiner Hauptresidenz bestatten ließ. Wie in den tetrarchischen Residenzstädten entstanden somit eine Palastanlage mit angrenzendem Circus und Thermenbauten und es kam zu einer Erweiterung der Stadtmauern. Im Gegensatz zu den Tetrarchen führte Konstantin jedoch den sakralen Aspekt wieder ein, indem er – nun im Zeichen des Christentums – auf das Palastareal bezogene Gotteshäuser gründete. Nach knapp 200 Jahren griff er außerdem die Tradition des Kaiserforums wieder auf. In Kombination mit dem Bau seines Mausoleums innerhalb der Stadtmauern und der Benennung der Stadt nach ihm selbst war dies ein Manifest seines dynastisch geprägten Verständnisses als Alleinherrscher.
1117
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Vgl. u. a. Bassett, Sarah: The urban image of late antique Constantinople. Cambridge University Press, 2004. S. 19f; Bauer 1996, S. 145ff; Schreiner 2007, S 52ff. Vgl. Bauer 1996, S. 177ff. Vgl. ebd., S. 230ff.
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Abbildung 57: Konstantinopel in konstantinischer Zeit. Plan nach C. Mango. (Quelle: Bauer 1996, S. 147) Vor dem Hintergrund des Ausbaus der tetrarchischen Residenzen lassen sich die Baumaßnahmen Konstantins in Konstantinopel als Endpunkt einer Phase der Transformation beschreiben. Einerseits wird hier das aus den tetrarchischen Residenzen bekannte Muster fortgeführt: Einrichtung einer imperialen Münzprägestätte, ein Palastbau in Küstennähe mit einem in Richtung Stadt angrenzenden Hippodrom, der Ausbau einer bestehenden Thermenanlage sowie die Erweiterung der Stadtmauern. Hier wird deutlich, dass die Baumaßnahmen Konstantins bei der Anlage seiner neuen Residenz in der tetrarchischen Tradition standen. Andererseits sind in der Anlage Konstantinopels auch Veränderungen in Abgrenzung zur Tetrarchie zu beobachten. Erstens wird unter Konstantin der sakrale Aspekt des „Wohnens beim Gott“ reaktiviert. Mit der Hagia Sophia und der Hagia Eirene entstanden auf das Palastareal bezogene, nunmehr christliche, Sakralbauten. Zweitens wird in der Wiederaufnahme der Tradition der Kaiserfora ein Rückbezug auf den dynastischen Grundgedanken des Römischen Kaisertums deutlich. Wie der Palast mit angrenzendem Circus war auch das Kaiserforum ein Bautypus, der eigentlich der Hauptstadt Rom vorbehalten war. Die Kaiserforen waren dynastisch geprägte Repräsentationsanlagen, welche die Verdienste der Dynastie des stiftenden Kaisers nachhaltig im Stadtzentrum visualisierten (Caesarforum, Augustusforum, Forum des Nerva, Trajansforum). Seit dem 2. Jahrhundert entstand nun erstmals wieder ein Kaiserforum, allerdings fernab der 333
Hauptstadt. Verstärkt wird der dynastische Aspekt beim Ausbau Konstantinopels durch die Anlage des Mausoleums innerhalb der Stadtmauern. Schon in den tetrarchischen Residenzen Trier, Sirmium und Serdica geht die maßgebliche Umsetzung des unter seinen Vorgängern geplanten Ausbaus auf Konstantin zurück. In diesen Städten wurde noch eine „klassische Residenzstadt“ nach tetrarchischem Muster gebaut. Dies verdeutlicht nochmals die tetrarchische Sozialisation Konstantins, die auch in Konstantinopel zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig wiegen dadurch die Neuerungen bei der Gründung und dem Ausbau Konstantinopels umso schwerer. Durch die Ergänzung der Dualität von Palast und Circus um ein innerstädtisches Mausoleum und ein Kaiserforum wird die Rückkehr zu einem dynastisch legitimierten Kaisertum und ein Machtanspruch von neuer Qualität demonstriert. Mit Konstantinopel entstand tatsächlich ein „Zweites Rom“, inklusive Palast, Circus, Kaiserforum, Sakralbauten und Mausoleum.1120 Die unter den Tetrarchen begonnene Entwicklung hin zu Residenzen fernab von Rom, die in Pracht und Ausstattung der Hauptstadt gleichen sollten, kam hier zu einem Abschluss. Die neue Qualität der Residenzgründung zeigt sich in der Namensgebung und in institutionellen Maßnahmen wie der Gründung eines zweiten Senats, auch wenn dieser dem römischen Senat rechtlich nicht gleichgestellt war. Weitere neue Aspekte sind die Betonung der Rolle der Stadttyche, die ab 330 n. Chr. in der Münzprägung präsent wird und ähnlich der Roma dargestellt wird, sowie die historisierende Statuenausstattung mit antiken Bildwerken, auf die es in den tetrarchischen Residenzen in diesem Ausmaß aber keine Hinweise gibt.1121
1120
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Zur Diskussion um die Gewichtung der Gründung Konstantinopels als zweites oder neues Rom vgl. zuletzt Grig, Lucy/Kelly, Gavin (Ed.): Two Romes. Rome and Constantinople in Late Antiquity. Oxford University Press, 2012, S. 4ff. Zur Rolle von Stadtpersonifikationen in der Spätantike vgl. Bühl, Gudrun: Constantinopolis und Roma. Stadtpersonifikationen der Spätantike. Akanthus, Zürich 1995, zur Constantinopolis insbesondere S. 10ff. Zur historisierenden Statuenausstattung Konstantinopels seit Konstantin maßgeblich Bassett 2004.
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