Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte [2. ed.] 9783897713178, 9783986840679


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German Pages 231 [233] Year 2022

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Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte [2. ed.]
 9783897713178, 9783986840679

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Natasha A. Kelly (Hg.)



SCHWARZER FEMINISMUS Grundlagentexte

Natasha A. Kelly (Hg.) Schwarzer Feminismus Grundlagentexte

Natasha A. Kelly (Hg.)

Schwarzer Feminismus Grundlagentexte

UNRAST

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Natasha A. Kelly (Hg.) Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte 2. Auflage, März 2022 ISBN 978-3-89771-317-8 EISBN 978-3-98684-067-9 © UNRAST-Verlag, Münster 2019 www.unrast-verlag.de | [email protected] Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe) Umschlag: Unrast Verlag, Münster, unter Verwendung des Gemäldes »Schwarz, Rot, Gold – meine Farben, mein Land?« von Maseho Satz: Andreas Hollender, Köln Druck: Multiprint, Kostinbrod

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Inhalt



Natasha A. Kelly................................................................................................ 7 Weil wir weitaus mehr als nur ›Frauen‹ sind! Eine Einleitung

1. Sojourner Truth............................................................................................... 15 Bin ich etwa keine Frau*? (1851) 2. Angela Davis.. . . . .............................................................................................. 17 Reflexionen über die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten Community (1971) 3. The Combahee River Collective..................................................................... 47 Ein Schwarzes feministisches Statement (1977) 4. bell hooks. . . . .. . . . . .............................................................................................. 61 Schwarze Frauen* und Feminismus (1982) 5. Audre Lorde. .. . . . . ............................................................................................ 107 Alter, Race, Klasse und Gender: Frauen* definieren ihre Unterschiede neu (1984) 6. Barbara Smith.. . ............................................................................................ 121 Bittere Wahrheiten über die gegenwärtige Schwarze feministische Bewegung (1985) 7.

Kimberlé Crenshaw. ..................................................................................... 143 Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken: Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken (1989)

8. Patricia Hill Collins....................................................................................... 185. Die Kraft der Selbstbestimmung

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Weil wir weitaus mehr als nur ›Frauen‹ sind! Eine Einleitung

Die Geschichte des Feminismus ist hier in Deutschland wie auch anderswo im Globalen Norden1 meist eine Geschichte weißer Frauen*. Selten werden die spezifischen feministischen Leistungen und / oder Forderungen Schwarzer Frauen* und / oder Frauen* of Color2, die dem weißen Feminismus untergeordnet werden, in den Fokus feministischer Debatten gerückt. So übertönt beispielsweise der Ruf nach gleichem Lohn noch immer die Forderung nach einer interkulturellen Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Migrantinnen* und Frauen* mit sogenanntem Migra1

Mit dem Begriffspaar Globaler Norden / Globaler Süden wird im vorliegenden Band versucht, unterschiedliche Positionen in einem globalen Kontext zu benennen, ohne dabei abwertende Beschreibungen wie z.B. »entwickelt«, »unterentwickelt« oder »Erste Welt«, »Dritte Welt« zu verwenden und die damit einhergehenden Rassismen zu reproduzieren. Diese Lesart geht weit über eine bloße geografische Einteilung der Welt hinaus und verweist auf die unterschiedlichen Erfahrungen, die Menschen mit Kolonialismus und dessen Folgen machen. Dabei können Menschen im Globalen Norden leben, aber zur Gruppe des Globalen Südens gehören und umgekehrt. Wenn nachfolgend im Englischen von »Third World Women« gesprochen wurde, haben wir die Übersetzung »Frauen* des Globalen Südens« gewählt. Damit versuchen wir als Übersetzerinnen*, in unserem (Schreib-)Handeln Machthierarchien aufzubrechen und den Fokus auf die gesellschaftliche, politische und ökonomische Benachteiligung bzw. Bevorzugung der jeweiligen Gruppe zu legen.

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Mit der Beibehaltung des englischen Konzepts »of Color« wie bei »Frauen* of Color«, »Personen of Color« oder »Menschen of Color« werden rassistische Fremdbezeichnungen, die für von Rassismus betroffene Gruppen verwendet wurden, abgelöst. Mit einer wörtlichen Übersetzung des Konzepts ginge seine Bedeutung verloren, weshalb wir als Übersetzerinnen* darauf verzichten. Denn mit »of Color« wird nicht (Haut-)Farbe, sondern die gemeinsame Erfahrung, die mit der Geschichte des Rassismus einhergeht, fokussiert. Zudem wird die Bekräftigung einer gemeinsamen Identität und Solidarität von rassifizierten Gruppen zum Ausdruck gebracht.

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tionshintergrund, der bei Einstellungsverfahren vor die entsprechenden Qualifikationen in den Vordergrund rückt und allzu oft Grund für eine Ablehnung darstellt. Auch nachdem die Schwarze »Mutter, Lesbe, Poetin, Kriegerin und Aktivistin«, wie Audre Lorde (1934–1992) sich selbst bezeichnete, vor mehr als 30 Jahren Rassismus in der weißen deutschen Frauen*bewegung thematisierte, tun sich weiße Frauen* noch immer sehr schwer damit, die lange als homogen geltende Kategorie ›Frau‹ aufzubrechen und ihre eigenen Rassismen unter die Lupe zu nehmen. Schon die versklavte Freiheitskämpferin Sojourner Truth (1797–1883) forderte die einseitige Lesart frauen*politischer Diskurse ihrer Zeit heraus, indem sie ihre eigene konkrete Lebenserfahrung dazu nutzte, ihre spezifische Randposition als Schwarze Frau* in den USA aufzuzeigen. Damit kritisierte sie nicht nur die Präsenz von Rassismus und Klassenunterdrückung in der Frauen*bewegung, sondern auch die Tatsache, dass Frauen* aufgrund von bestehenden Genderhierarchien generell kein Stimmrecht hatten, sowie die sexistische Diskriminierung, die Schwarze Frauen* innerhalb der Schwarzen Community erlitten. Auf diese Weise brachte sie schon lange vor den gegenwärtigen Debatten zum Ausdruck, dass Schwarze Frauen* spezifische Diskriminierungserfahrungen machen, die sich sowohl von den Erfahrungen Schwarzer Männer als auch von den Erfahrungen weißer Frauen* unterscheiden und auch nicht als die Summe der Erfahrungen Schwarzer Männer und weißer Frauen* verhandelt werden können. Der vorliegende Band dokumentiert die Kontinuität dieser feministischen intellektuellen Tradition, die u.a. auf die prominente Rede von Sojourner Truth, »Bin ich etwa keine Frau*?« aus dem Jahr 1851 aufbaut.3 Er ist eine Zusammenstellung relevanter Texte der westlichen Erzählung 3

Anmerkung der Herausgeberin*: Da Sojourner Truth selbst nicht schreiben oder lesen konnte und es im 19. Jahrhundert noch keine technische Audioaufnahmemöglichkeiten gab, wurde ihre Rede von Reporter*innen vor Ort transkribiert. Es gibt keine exakte Aufzeichnung dessen, was Truth an jenem Tag gesagt hat, sondern lediglich Replikationen, die ggfs. auch fehlerhaft sind und / oder Änderungen, die den politischen Absichten der Verfasser*innen folgten, beinhalten. Unter anderem erschien eine erste verschriftliche Version von Truths Rede von Marius Robinson unter dem Title On Woman’s Rights 1851 in The Anti-Slavery Bugle. Bei dem vorliegenden Ausgangstext handelt es sich um eine später erschienene

Einleitung

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des Schwarzen Feminismus, die auch in Deutschland als Theorietradition im politischen Handeln und Denken Schwarzer Frauen* verankert ist, aber viel zu selten im Kontext ihrer Entstehungs- und Bedeutungsgeschichte betrachtet wird. Demnach lag die Textauswahl auf der Hand: Ausgehend von Sojourner Truths historischer Rede habe ich wegweisende kritische Essays von Schwarzen Frauen* aufgenommen, die diese Rede aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, die obige Kritik am Mainstream-Feminismus unmissverständlich artikulieren und vertiefen und in ihren Analysen zur Entwicklung der Mehrfachunterdrückungshypothese, die heute als Intersektionalität bekannt ist, beigetragen haben. Dazu gehören Texte von Angela Davis, The Combahee River Collective, bell hooks, Audre Lorde, Barbara Smith, Kimberlé Crenshaw und Patricia Hill Collins. Diese Schwarzen Autorinnen* habe ich nicht ausgewählt, weil sie sich selbst als Schwarze Feministinnen* bezeichnen oder von anderen so bezeichnet werden; einige lehnen diese Terminologie sogar ab. Vielmehr stimme ich mit bell hooks überein, die uns stets daran erinnert, dass wir im feministischen Widerstand handeln und / oder schrei­ben können, ohne jemals das Wort Feminist*in zu verwenden. Zudem liefert sie in ihrem Text »Schwarze Frauen* und Feminismus« (1982) eine umfangreiche Abhandlung zur Geschichte des US-amerikanischen Feminismus und zur anhaltenden Kritik desselben und veranschaulicht, was Feminismus für sie bedeutet. Schon zehn Jahre zuvor hatte Angela Davis in »Reflexionen über die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten Community« (1971), den sie aus dem Gefängnis heraus verfasste, wo sie aufgrund falscher Anschuldigungen wegen Verschwörung und Mordes eingesessen hatte, demonstriert, welche Signifikanz das Schreiben ihres Beitrags für ihre eigenen gelebten Erfahrungen und das Theoretisieren des Schwarzen Feminismus hatte. In seinem 1977 verfassten Manifest, »Ein Schwarzes feministisches Statement« (1979), übte das Combahee River Collective sowohl an der Beschränkung des Feminismus auf die Bedürfnisse der weißen Mittelschichtfrauen*, als auch am Androzentrismus, Fassung der Frauen*rechtlerin Frances Gage, die 1858 für die breite Öffentlichkeit aufgearbeitet wurde.

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d.h. der gesellschaftlichen Fixierung auf den Mann, Kritik. Denn ohne die Berücksichtigung ihrer intersektionalen Diskriminierungserfahrungen würden rassistische Strukturen im Kampf gegen Sexismus und sexistische Strukturen im Kampf gegen Rassismus stets reproduziert werden. Als Mitbegründerin des Kollektivs gibt uns Barbara Smith einen Einblick in »Bittere Wahrheiten über die gegenwärtige Schwarze feministische Bewegung« (1985), als sie erklärt, warum Feminismus als etwas Bedrohliches wahrgenommen wurde. Führend in der frühen Intersektionalitätsdebatte war auch die eingangs erwähnte Audre Lorde, die in »Alter, Race, Klasse und Gender: Frauen* definieren ihre Unterschiede neu« (1984) die Notwendigkeit aufzeigte, Unterschiede anzuerkennen und diese als Quelle der Kraft und Kreativität zu nutzen. Eine für die weiße Mehrheitsgesellschaft wahrnehmbare Relevanz scheint die Hypothese der Mehrfachdiskriminierung aber erst durch Kimberlé Crenshaw bekommen zu haben, die in ihrem Text »Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken. Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken« (1989) die juristische Dimension der Intersektionalität aufzeigte. Nicht zuletzt habe ich den Text »Die Kraft der Selbstbestimmung« (1990 / 2008)4 von Patricia Hill Collins gewählt, um aufzuzeigen, welche Methoden eingesetzt wurden, um das kollektive Bewusstsein zu erforschen und entwickeln, die es Schwarzen Frauen* auch heute ermöglichen, die Grenzen der intersektionalen Unterdrückung von Race, Klasse und Gender zu überwinden. Schwarzer Feminismus wird auf Grundlage dieser Texte als Weg verstanden, um die emanzipatorische Vision und die Widerstandshandlungen einer vielfältigen Gruppe Schwarzer Frauen* zu artikulieren, die in ihren Schriften versuchen, ihr Verständnis von der Komplexität der Schwarzen Frau*, das Ineinandergreifen ihrer Unterdrückungserfahrungen und die 4

Anmerkung der Herausgeberin: Die erste Ausgabe von Patricia Hill Collins‘ Black Feminist Thought. Knowledge, Consciousness, and the Politics of Empowerment erschien 1990. Das vorliegende Kapitel The Power of Selfdefinition ist aus der überarbeiteten Version aus dem Jahr 2008, welche als Ausgangstext für die Übersetzung diente.

Einleitung

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Notwendigkeit eines dauerhaften Befreiungskampfes zum Ausdruck zu bringen. Die Texte sind chronologisch angeordnet. Sie erscheinen (bis auf die Rede von Sojourner Truth) erstmals in deutscher Sprache und werden so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Ziel ist es, dass diese Grundlagentexte hierzulande vermehrt im wissenschaftlichen und politischen Diskurs Eingang finden und in Zukunft das Wissen um die Vielschichtigkeit des Feminismus größere Verbreitung findet.

Herausforderungen der rassismus- und sexismuskritischen Übersetzungsarbeit Deutsche Sprache, schwere Sprache! Vor allem, wenn sie Zielsprache einer Übersetzung ist. Dies wurde uns als überwiegend aus Schwarzen Frauen* bestehendem Team an unterschiedlichen Stellen deutlich. Zum einen wollten wir das Schreiben in Schwarzer feministischer Tradition als Widerstandshandlung, Schweigen in Handeln zu transformieren, anwenden. Denn für Schwarze Frauen*, die ihren Lebensmittelpunkt in einer Gesellschaft haben, die vom kollektiven Schweigen geprägt ist, war die Aufgabe, Dinge in Worte zu fassen, die im deutschen Kontext noch keine Worte haben und selten so klar und deutlich artikuliert wurden wie in den ausgewählten Texten, eine große Herausforderung. Zum anderen stießen wir wie schon andere Übersetzerinnen* of Color vor uns auf unabgeschlossene Auseinandersetzungen mit Konzepten und Begriffen, die wir nicht außer Acht lassen wollten, für die wir aber im Rahmen dieser Arbeit keine abschließende Lösung finden konnten. Vielmehr verstehen wir das Übersetzen der Texte für diese Publikation als Teil eines lang andauernden feministischen Aushandlungsprozesses, den wir nicht stagnieren lassen wollten. Aus diesem Grund haben wir uns beispielsweise für die Verwendung des Asterisks (*) als lesbaren Marker und Platzhalter für Genderidentitäten, die sich jenseits von Zweigeschlechtlichkeit bewegen, entschieden. Auf diese Weise wollen wir veranderte Gruppen und Personen in unseren Sprachhandlungen (in diesem Fall dem Übersetzen) miteinbeziehen und im heutigen Sprachdiskurs abbilden. Wenn es sich dabei um Gruppen aller Genderzugehörigkeiten handelt, setzen

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wir den Asterisk vor der Wortendung (Feminist*innen). Wenn es sich um eine Gruppe weiblich* gelesener Personen handelt, setzen wir den Asterisk am Wortende (Feministinnen*). An den Stellen, an denen von Schwarzen Frauen*, Müttern*, Großmüttern* und deren Aktivitäten (z.B. Frauen*kultur oder Frauen*kollektiv) gesprochen wird, zeigt der Asterisk an, dass bei dieser weilblichen Form auch trans*, inter*, queere, nichtbinäre und andere femme-nahe Selbstbezeichnungen inkludiert werden. Genauso wie Sojourner Truth zu ihrer Zeit begann, den Begriff Frau* zu dekonstruieren, indem sie ihre Lebenserfahrung als Schwarze Frau* dazu nutzte, ihn herauszufordern, so wollen wir heute mit der Verwendung des Asterisks unseren Teil dazu beitragen, diesen Dekonstruktionsprozess voranzutreiben. Dennoch ist uns bewusst, dass den Stimmen der betroffenen Menschen dadurch nicht ausreichend Raum gegeben wird. Bei der Erwähnung von Mann oder Männern haben wir bewusst auf den Asterisk verzichtet. In unserer Rolle als Übersetzerinnen* sind wir der Meinung, dass es sich bei den Beschreibungen von Männern und Männlichkeit in den vorliegenden Texten um die Darstellung einer machthabenden politischen Instanz handelt, anhand derer die Autorinnen* die Veranderung und verschiedenartige Unterdrückung aller veranderten Gruppen (Frauen*, Lesben*, queere Menschen) inhaltlich und sprachlich deutlich machen. Zudem gibt es in Anlehnung an den dahinterstehenden Machtdiskurs im deutsch- und englischsprachigen Raum keine inklusive Schreibweise für Männlichkeit bzw. Männer, wie beispielsweise womyn für Frau* im Englischen. Es ist uns vor allem aufgrund der eindeutigen inhaltlichen Positionierung von Audre Lorde klar, dass auch queere Männer von cis Männern deprivilegiert werden, weshalb bei der Verwendung des Asterisks eine Unklarheit entstehen würde. Mit der Nichtverwendung wird also die Vormachtstellung des weißen bzw. Schwarzen cis-hetero Mannes gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Gruppen betont. Bei Frauen* reden wir nur dann von cis Frauen (ohne Asterisk), wenn es sich explizit um eine Person handelt, die sich mit dem Geschlecht, das ihr bei der Geburt zugeteilt wurde, wohl fühlt. Dieses Vorgehen stimmt mit der Entscheidung überein, den Begriff »Geschlecht« in jedem Fall mit Gender zu übersetzen. Bei Substantiven, die Personengruppen (z.B. Arbeiter)

Einleitung

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beschreiben, formulieren wir sie um, sodass sie nicht andro- oder zweigegendert sind und ersetzen sie durch eine inklusivere Form (Arbeitende). Uns ist bewusst, dass depolitisierende Effekte entstehen können, wenn es sich beispielsweise um männlich diskriminierende Akteure handelt, dennoch haben wir uns für diese Schreibweise entschieden, um Vorannahmen zu vermeiden. Wenn diese Personen explizit als »männliche Arbeiter« beschrieben werden, haben wir die Übersetzung entsprechend umgesetzt. Ebenso behalten wir gewählte Selbstbenennungen der Autorinnen* bei, was in den meisten Fällen durch das Nichtverwenden des Asterisks gekennzeichnet ist. Ziel ist es, so genau und präzise wie möglich in den Vorstellungen zu sein, die in und mit diesen Selbst- / Benennungen hergestellt und reproduziert werden. Um es mit den Worten des Combahee River Collectives zu sagen, sehen wir als Schwarze Frauen* »jede Form von biologischem Determinismus als eine besonders gefährliche und reaktionäre Basis, um eine politische Haltung und Praxis zu entwickeln« (1979). Aus demselben Grund verzichten wir auch ausnahmslos auf eine Übersetzung des Begriffs Race. Wir ziehen es vor, den englischen Ausdruck beizubehalten und kursiv zu setzen, da wir der Meinung sind, dass der Begriff im Deutschen ausschließlich als biologische und damit einhergehend als rassistische und nicht als soziale Kategorie verstanden wird. Gleichsam verzichten wir auf die direkte Übersetzung von Wortzusammensetzungen, wie z.B. »race politics«, und akzentuieren dafür die Handlung (rassistische Politik). Der Fokus wird auf diese Weise von den Betroffenen auf den Handelnden gelenkt und Rassismus als aktive Machtausübung festgeschrieben. Dies verstehen wir als eine politische Entscheidung und nicht als inhaltliche, die mit dem Selbstverständnis von Organisationen wie der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) einhergeht. Da Rassismus zur Herausbildung der Kategorie geführt hat (und nicht umgekehrt), ist jede Verwendung des Begriffs in seiner deutschen Lesart rassistisch und müsste daher umgedeutet und nicht ersetzt werden. Die Bedeutungstradition der sozialpolitischen Kategorie Schwarz, die sich aus der englischen Bedeutung Race entwickelt und im deutschsprachigen Diskurs eingeschrieben hat, tragen wir in der vorliegenden Publikation

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mit seiner Großschreibung, auch in der adjektivischen Verwendung, fort. Alle rassistischen Fremdbezeichnungen lösen wir mit dieser Selbstdefinition ab, es sei denn, allgemeine gruppenbezogene Selbstdefinitionen wie Frauen* of Color kommen zum Tragen. Weiß verstehen wir in diesem Kontext als Analysekategorie für unterdrückende Machtverhältnisse, weshalb es kursiv gesetzt ist. Dennoch möchten wir explizit darauf hinweisen, dass diese Schreibweise den gegenwärtigen politischen Bewegungen und Entscheidungen hier in Deutschland entspringt und als eine punktuelle Übereinkunft zu verstehen ist. D.h. sie wird nicht notwendigerweise von allen Übersetzerinnen* favorisiert. Mit diesen und den oben genannten intervenierenden Sprachhandlungen hoffen wir dennoch, weiterhin die Legitimierung, Verbreitung und Normalisierung rassistischen und sexistischen Gedankenguts zu durchbrechen. Natasha A. Kelly Berlin, Januar 2022

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1. Sojourner Truth Bin ich etwa keine Frau*? (1851) Übersetzt von T-Man

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Sojourner  Truth

Nun, Kinder, wo so viel Lärm gemacht wird, kann irgendwas nicht stimmen. Ich glaube, dass angesichts der Schwarzen im Süden und der Frauen* im Norden, dass wegen all dem Lärm um deren Rechte der weiße Mann bald ganz schön in der Klemme sitzen wird. Aber wovon reden wir hier eigentlich die ganze Zeit? Der Mann sagt, dass Frauen* beim Einsteigen in eine Kutsche geholfen werden müsse, und auch beim Überqueren von Gräben und dass ihnen überall der beste Platz zustehe. Mir hat noch nie jemand in einen Wagen geholfen oder über eine Schlammpfütze oder den besten Platz überlassen! Bin ich etwa keine Frau*? Sehen Sie mich an! Sehen Sie sich meinen Arm an! Ich habe gepflügt, gepflanzt und die Ernte eingebracht, und kein Mann hat mir gesagt, was zu tun war! Bin ich etwa keine Frau*? Ich konnte so viel arbeiten und so viel essen wie ein Mann – wenn ich genug bekam – und die Peitsche konnte ich genauso gut ertragen! Bin ich etwa keine Frau*? Ich habe dreizehn Kinder geboren und erlebt, wie die meisten von ihnen in die Versklavung verkauft wurden, und wenn ich um sie weinte, hörte mich keiner außer Jesus! Bin ich etwa keine Frau*? Dann redeten sie über dieses Ding im Kopf, wie heißt das noch mal? [Aus dem Publikum wird gerufen: »Verstand«.] Ja, das meine ich, Süße. Was hat das mit den Rechten der Frau* zu tun oder den Rechten der Schwarzen? Wenn in meine Tasse nur ein halber Liter passt, in deine aber ein ganzer, wäre es dann nicht gemein von dir, wenn du mir keine volle Tasse zugestehst? Da sagt dieser kleine Mann in schwarz da zu mir, Frauen* könnten nicht so viele Rechte haben wie Männer, weil Christus keine Frau* war! Wo kam denn Ihr Christus her? Von Gott und von einer Frau*! Ein Mann war nicht daran beteiligt. Wenn die erste Frau*, die Gott erschuf, stark genug war, um die Welt ganz alleine auf den Kopf zu stellen, sollten all diese Frauen* hier zusammen in der Lage sein, sie noch einmal umzudrehen und wieder auf die Füße zu stellen! Und jetzt, da wir danach verlangen, täten die Männer besser daran, sich uns nicht in den Weg zu stellen.

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2. Angela Davis Reflexionen über die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten Community (1971) Übersetzt von Akilah Silke Güç und Luam Belay

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Angela  Davis

I Die Unterrepräsentation der Schwarzen Frau* in der Literatur ist schlichtweg empörend. Außerdem müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass viele der ohnehin seltenen Untersuchungen über die Schwarze Frau* lediglich falsche Stereotype verstärken. Sie bestätigen die extrem verzerrten Kategorien, durch welche die Schwarze Frau* noch immer wahrgenommen wird. Nach Nathan und Julia Hare »wird sie von weißen Wissenschaftler*innen als ›aggressiv‹ und ›matriarchalisch‹ und von [einigen] Schwarzen als ›kastrierende Frau*‹ abgestempelt« (Transaction, November / Dezember, 1970). In den letzten Jahren haben sich viele bemüht, diese falsche Auffassung zu korrigieren. Aber wir sind noch immer – zumindest vorläufig – mit diesen objektivierenden Bildern von uns konfrontiert. Und wir müssen noch immer die Verantwortung übernehmen, sie zu dekonstruieren. Anfangs hatte ich nicht vor, diesen Essay auf die Epoche der Versklavung zu begrenzen. Als ich jedoch anfing, gründlich über die These der Schwarzen Matriarchin* nachzudenken, kam ich zu dem Entschluss, dass sie an ihrem vermuteten historischen Ursprung widerlegt werden müsse. Diesen Text zu verfassen, stellte sich als Herausforderung heraus, insbesondere da ich aufgrund der Bedingungen meiner Inhaftierung nur sehr begrenzte Möglichkeiten hatte, das Thema zu erforschen. Deshalb habe ich diesem Artikel den Titel »Reflexionen …« gegeben. Er gibt nicht vor, mehr als eine Sammlung von Ideen zu sein, die einen Ausgangspunkt bilden – ein Rahmen, in dem die Interaktionen der Schwarzen Frau* während der Versklavung, sowohl innerhalb ihrer Community als auch in der sie unterdrückenden Gesellschaft, gründlich untersucht werden. Diese Reflexionen möchte ich einem der bewundernswertesten Schwarzen Vorbilder aus den Reihen unserer Freiheitsbewegung widmen – George Jackson1, den ich in jeder Hinsicht geliebt und respektiert habe. 1

Anmerkung der Übersetzerinnen*: George Jackson war Mitglied der Black Panther Party und Autor sozialrevolutionärer Schriften. 1961 wurde er wegen bewaffneten Raubüberfalls zu einer Haftstrafe zwischen einem Jahr und lebenslang verurteilt. Davis schlug ihm vor, ein Buch über seine Bedingungen in Haft zu

Reflexionen  über  die  Rolle  der  Schwarzen  Frau*  in  der  versklavten  Community 19

Als ich ihn kennen und lieben lernte, erlebte ich, wie er eine intensive Sensibilität für die echten Probleme, mit denen Schwarze Frauen* sich konfrontiert sehen, entwickelte und dadurch seine Fähigkeit verbesserte, sie von ihren mythischen Darstellungen zu trennen. George war sich in besonderer Weise der Notwendigkeit bewusst, sich und andere Schwarze Männer von den Überbleibseln spaltender und destruktiver Mythen zu befreien, die vorgaben, Schwarze Frauen* zu repräsentieren. Wenn sein Leben nicht so abrupt und grausam beendet worden wäre, hätte er sicherlich die Aufgabe vollendet, die er bereits vor einiger Zeit begonnen hatte: eine systematische Kritik seiner früheren falschen Auffassungen Schwarzer Frauen* und deren Verwurzelung in der Ideologie der bestehenden Gesellschaftsordnung. Er wollte an andere Schwarze Männer, die ähnlich fehlgeleitet waren, appellieren, sich ebenfalls durch Selbstkritik zu verändern. George hat diese Verpflichtung als einen revolutionären Auftrag und gleichermaßen als einen Ausdruck seiner unbegrenzten Liebe für Schwarze Frauen* verstanden.

II Eine der verhängnisvollsten Begleiterscheinungen der Versklavung war das wiederholte Heraufbeschwören des Konzepts der matriarchalischen Schwarzen Frau*. Als auch noch der Moynihan-Report2 – mit der Billigung der US-Regierung – diesen Mythos bestätigte, hätten sein zweifelhafter Inhalt und propagandistischer Auftrag offensichtlich werden schreiben, was er mit Soledad Brother. The Prison Letters of George Jackson auch tat. 1971 wurde er wegen Mordes an einem Gefängniswärter angeklagt und kurz vor seiner Gerichtsverhandlung, während eines Fluchtversuchs, niedergeschossen. Davis wurde angeklagt, die Waffen für diesen Anschlag organisiert zu haben, und saß aus diesem Grund fälschlicherweise selbst im Gefängnis. 2

Anmerkung der Übersetzerinnen*: Der Moynihan-Report ist ein Bericht, der 1965 vom US-amerikanischen Soziologen Daniel Patrick Moynihan mit dem Titel The Negro Family. The Case For National Action (dt. »Die Schwarze Familie. Argumente für öffentliches Handeln«) veröffentlicht wurde. Der Bericht sieht die Ursache für Armut in Schwarzen Familien in der hohen Anzahl von alleinerziehenden Müttern*. Dies führte Moynihan zufolge zu einer Kastration des Mannes, einer »pathologischen Verwirrung«.

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müssen. Aber auch außerhalb des etablierten ideologischen Systems und auch bei den Schwarzen können unglückliche Verweise auf das Matriarchat gefunden werden. Es wird sogar manchmal behauptet, es hätte eine sogenannte »pathologische Verwirrung« gegeben. (Moynihan et al. sehen die Ursachen der Unterdrückung Schwarzer Menschen in diesen matriarchalischen Strukturen.) Ein wahrheitsgetreues Bild der versklavten afrikanischen Frau* müsste eigentlich den Mythos des Matriarchats entlarven. Dieses Bild müsste gleichzeitig versuchen, den historischen Rahmen ihrer Unterdrückung zu beleuchten und ihren vielfältigen, oft heroischen Widerstand gegen die Herrschaft der Versklavenden in Erinnerung zu rufen. Hinter der Vorstellung der Schwarzen Matriarchin* liegt die unausgesprochene Anklage, unsere Ahninnen* hätten aktiv in die Versklavung eingewilligt. Das altbekannte Klischee der ›kastrierenden Frau*‹ hat seinen Ursprung in der trügerischen Folgerung, die Schwarze Frau* habe durch ihre zentrale Rolle in der ›Familie‹ der Versklavten als Kollaborateurin* der Herrschenden gedient. Doch nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Grundsätzlich hat das System der Versklavung weder eine matriarchalische Familienstruktur erzeugt oder anerkannt – noch war es dazu imstande. Dem Konzept des Matriarchats wohnt ›Macht‹ inne. Es wäre extrem riskant für die Versklavenden gewesen, öffentlich Zeichen von Autorität anzuerkennen – gleichgültig ob weibliche* oder männliche. Eine derartige Legitimation der Konzentration von Autorität hätte jene ›Macht‹ gegen das Versklavungssystem selbst entfesseln können. Das US-amerikanische Versklavungssystem strebte unnachgiebig die Desorganisation des Familienlebens an. Ebenso musste es mögliche soziale Strukturen verbieten, die Schwarzen Menschen die Bildung einer gemeinschaftlichen und bewussten Existenz hätten ermöglichen können.3 3

Interessanterweise gibt es eine Parallele zu Nazi-Deutschland: Mit allem Schreien und Toben um das Muttersein* und die Familie unternahm das NS-Regime einen bewussten Versuch, die Familie von allen gesellschaftlichen Funktionen zu entkleiden. Das unausgesprochene Programm für die Familie bestand darin, sie auf eine biologische Einheit zu reduzieren und ihre Angehörigen dazu zu zwingen, unmittelbar mit der faschistischen Bürokratie in Beziehung zu treten. Die Nazis

Reflexionen  über  die  Rolle  der  Schwarzen  Frau*  in  der  versklavten  Community 21

Mütter* und Väter wurden gewaltsam getrennt; wenn die Kinder älter wurden, wurden sie gebrandmarkt und oft ihren Müttern* entrissen. Nur weil die Mutter* ›das einzige rechtmäßige Elternteil ihres Kindes‹ war, hieß das nicht, dass es ihr deswegen erlaubt war, das Kind bis in die Mündigkeit zu begleiten. Diejenigen, die unter einem Dach lebten, waren häufig nicht blutsverwandt. Frederick Douglass beispielsweise hatte keine Erinnerung mehr an seinen Vater. Er konnte sich vage daran erinnern, seine Mutter* gesehen zu haben – allerdings auch nur sehr selten. Außerdem wurde er mit sieben Jahren gezwungen, die Behausung seiner Großmutter* zu verlassen. Später sagte er über sie: »Sie war wie eine Mutter* und ein Vater für mich.«4 Starke persönliche Bindungen zwischen direkten Familienangehörigen, die trotz erzwungener Trennungen bestehen blieben, bewiesen die erstaunliche Fähigkeit von Schwarzen Menschen, sich der Unordnung, die ihrem Leben so gewaltsam aufgedrängt wurde, zu widersetzen. Wo Familien bestehen durften, waren sie zumeist das Produkt von äußeren Einflüssen und dienten den habgierigen, profitsüchtigen Versklavenden. Die Macht der Versklavenden hat die Schwarze Familie beherrscht, nur aufgrund ihrer Barmherzigkeit und auf ihre Veranlassung hin existierte sie. Ein ehemals Versklavter erzählte davon, auf einer Plantage geheiratet zu haben: »Wenn du heiratetest, musstest du dreimal über einen Besen springen.«5 Dieser Versklavte beschrieb weiterhin, auf welche unterschiedlichen Weisen sein Master zwangsweise Paare verkuppelte, mit dem Ziel, die maximale Anzahl an gesunden versklavten Kindern zu erzeugen. In John Henrik Clarkes Worten: Die Familie als funktionierende Einheit wurde geächtet und nur erlaubt, wenn es dem Versklavenden von Nutzen war. Die Aufrechterhaltung der versklavten haben sich eindeutig bemüht, die Familienstruktur zu vernichten, um sicherzustellen, dass sie sich nicht zum Ausgangspunkt von oppositionellen Aktivitäten entwickeln würde. 4

Herbert Aptheker (Hg.): A Documentary History of the Negro People in the United States. New York: The Citadel Press 1969 (1951), S. 272.

5

Andrew Billingsley: Black Families in White America. Englewood, New Jersey: Prentice-Hall, Inc. 1968, S. 61.

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Angela  Davis

Familie als Einheit hat den Versklavenden nur dann und nur insofern genützt, wenn die Verbindung neue Versklavte hervorbrachte, die ausgebeutet werden konnten.6

Die Bezeichnung der Schwarzen Frau* als Matriarchin* ist eine grausame Fehlbenennung. Sie ist eine Fehlbenennung, weil sie stabile Verwandtschaftsstrukturen, in der die Mutter* eine entscheidende Autorität ausübt, impliziert. Sie ist grausam, weil sie die tiefen Traumata nicht berücksichtigt, die die Schwarze Frau* erlebt haben muss, wenn sie ihre Kinder den rücksichtslosen wirtschaftlichen Interessen anderer überlassen musste. Auch eine noch so offen ausgelegte Definition des Matriarchats wäre auf die versklavte Schwarze Frau* nicht anwendbar. Jedoch kann daraus nicht abgeleitet werden, sie habe keine wichtige Rolle in der versklavten Community gespielt. Ihre unverzichtbaren Anstrengungen, das Überleben ihrer Community zu sichern, können kaum bestritten werden. Selbst wenn sie nicht noch mehr getan hätte, wären ihre Taten lobenswert. Doch auch wenn ihre Sorge und ihr Kampf um das physische Überleben eindeutig wichtig waren, stellen sie nicht ihren bedeutendsten Beitrag dar. Hier soll betont werden, dass durch die brutale Gewalt ihrer Lebensumstände die Schwarze Frau* dazu berufen war, das Bewusstsein und die Praxis des Widerstands voranzutreiben. Eine ganze Menge wurde über den Schwarzen Mann und seinen Widerstand berichtet, aber sehr wenig über die einzigartige Beziehung, die die Schwarze Frau* zu den Widerstandskämpfen während der Versklavung innehatte. Um die Rolle zu verstehen, die sie in der Entwicklung und Konturierung des Strebens nach Freiheit gespielt hat, muss die umfassende Bedeutung der Versklavung und insbesondere der US-amerikanischen Versklavung untersucht werden. Die Versklavung ist eine uralte menschliche Institution. Über die Arbeit der versklavten Menschen in ihrer traditionellen Form sowie über die Leibeigenschaft hatte Karl Marx Folgendes zu sagen: Der Versklavte steht in gar keinem Verhältnis zu den objektiven Bedingungen seiner Arbeit; sondern die Arbeit selbst, sowohl in der Form des Versklavten, 6

John Hendrik Clarke: »The Black Woman: A Figure in World History«, Teil III. In: Essence. New York: Juli 1971.

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wie der des Leibeignen, wird als unorganische Bedingung der Produktion in die Reihe der andren Naturwesen gestellt, neben das Vieh oder als Anhängsel der Erde.7

Nach Marx wird die Existenz des Leibeigenen als natürliche Bedingung der Produktion durch dessen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, die er als Erweiterung der Natur wahrnimmt, vervollständigt und verfestigt. Verstrickt in einen scheinbar natürlichen Zustand, erscheint die Haltung der Versklavten – mehr oder weniger – als eine Einwilligung in ihre Unterwerfung. Engels weist darauf hin, dass sich in Athen der Staat sogar auf eine Polizeitruppe verlassen konnte, die ganz aus versklavten Menschen bestand.8 Die Struktur der US-amerikanischen Versklavung unterschied sich wesentlich von der antiken Versklavung und dem Feudalismus. Schwarze Menschen wurden gezwungen, sich zu verhalten, als seien sie »unorganische Produktionsbedingungen«. Denn in der Versklavung wurde »die Persönlichkeit von der verkommenen Idee von Eigentum verschlungen – der Mensch wurde zum beweglichen Eigentum.«9 Aber es gab keine präexistierenden sozialen Strukturen oder kulturellen Vorschriften, die zur Versöhnung mit den Umständen ihrer Knechtschaft hätten führen können. Ganz im Gegenteil, Afrikaner*innen waren aus ihrer natürlichen Umgebung, ihren sozialen Beziehungen und ihrer Kultur entwurzelt worden. Es durfte sich keine allgemein anerkannte sozio-kulturelle Gesellschaft entwickeln und gedeihen, da diese mit den Erfordernissen der Versklavung vollkommen unvereinbar gewesen wäre. Noch ein weiterer Punkt spricht gegen die angebliche Harmonie und das Gleichgewicht im Verhältnis der versklavten Menschen zu ihrer Versklavung: Sie war eingebettet in eine ansonsten durch ›freie‹ Lohnarbeit 7

Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Berlin: Dietz Verlag 1953, S. 389 [Originalzitat von der Übersetzerin* überarbeitet].

8

Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. In: Karl Marx / Friedrich Engels – Werke, Band 21., 5. Auflage. Berlin: (Karl) Dietz Verlag 1975, S. 115.

9

Frederick Douglass: Life and Times of Frederick Douglass. New York: Collier Books 1962, S. 96.

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gekennzeichnete Gesellschaft. Schwarze Männer und Frauen* konnten ihre Fesseln ständig mit dem freien Status der weißen Arbeiter*innenklasse vergleichen. Dies galt buchstäblich, wenn die Versklavten, wie bei Frederick Douglass, als Lohnarbeitende verliehen wurden. Zudem hatten sie im Gegensatz zu den ›freien‹ weißen Männern, mit denen sie Seite an Seite arbeiteten, kein Recht auf die spärlichen Löhne, die die anderen verdienten. Dies waren einige von vielen Widersprüchen, die sich durch das Bestreben, die Versklavung gewaltsam in die frühen Stadien des USamerikanischen Kapitalismus einzuführen, ergaben. Die Kombination aus einem historisch überholten System der Versklavung, das fast ausschließlich auf Race basierte, und dem Drang, Schwarze Menschen all ihrer sozialen und kulturellen Bindungen zu berauben, hätte einen verhängnisvollen Bruch im Kern des Versklavungssystems selbst erzeugt. Die Versklavten hatten nicht bereitwillig eine fatalistische Haltung gegenüber den Bedingungen, die ihr Leben bestimmten, angenommen. Sie waren eine Gruppe, die gewaltsam in eine offensichtlich ›unnatürliche‹ Unterwerfung gedrängt worden war. Wenn die Versklavenden nicht das absolute Gewaltmonopol aufrechterhalten hätten, wenn sie sich nicht auf eine große Anzahl ihrer weißen Mitmenschen – sowohl die gesamte herrschende Klasse als auch fehlgeleitete Arbeitende – hätten verlassen können, die sie in ihren terroristischen Machenschaften unterstützten, dann wäre die Versklavung weitaus weniger realisierbar gewesen, als sie es tatsächlich war. Das Ausmaß und die Auswirkungen der aufsässigen Ablehnung der Versklavung von Schwarzen Menschen wurden bisher noch nicht vollständig dokumentiert und aufgedeckt. Aber es gibt mehr als genügend Beweise dafür, dass sie sich fortwährend geweigert haben, sich der allumfassenden Entmenschlichung zu beugen, die das Versklavungssystem ihnen abverlangte. Relativ junge Studien haben gezeigt, dass die wenigen Aufstände der Versklavten – zu spektakulär, um vom Rassismus der machthabenden Historiker*innen in die Vergessenheit gedrängt zu werden – keine Einzelfälle waren, wie Letztere uns glauben lassen wollten. Wie wir mittlerweile wissen, brachen diese Aufstände in Wahrheit so oft aus, dass sie ein ebenso großer Teil der Versklavung waren wie die Bedingungen der

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Versklavung selbst. Und diese Revolten waren nur die Spitze des Eisbergs: Widerstand drückte sich sowohl in anderen bedeutenden Methoden aus als auch in scheinbar trivialen Formen der vorgetäuschten Krankheit und einstudierten Trägheit. Wenn Widerstand ein natürlicher Bestandteil des Lebens von Versklavten war, musste er direkt durch die Organisation des sozialen Lebens genährt werden, die von den Versklavten selbst improvisiert wurde. Das Bewusstmachen ihrer Unterdrückung, der bewusste Vorstoß, sie abzuschaffen, hätten nicht aufrechterhalten werden können ohne den Antrieb der Community, die sie durch ihre eigene reine Lebenskraft aufrechterhielt. Diese Community würde sich notwendigerweise in dem Bereich bewegen, der am weitesten von der Zone der direkten Vorherrschaft entfernt war. Dieser befand sich nur in und um den Wohnbereich, der Ort, an dem die unmittelbaren Grundbedürfnisse erfüllt werden konnten. Im Bereich der Produktion wurden die Versklavten – in die Form von Lasttieren gepresst – jeglicher Menschlichkeit beraubt. (Und ein völlig entmenschlichter Mensch hat kein Verlangen nach Freiheit.) Jedoch konnte die Community, die sich um den häuslichen Bereich bewegte, eine Wiedererlangung der fundamentalen Menschlichkeit des Mannes und der Frau* erlauben. Wir können davon ausgehen, dass die Versklavten in einem sehr realen, materiellen Sinn nur im häuslichen Leben – fernab von den Augen und der Peitsche des Aufsehers – versuchen konnten, ein von ihnen bewahrtes Maß an Freiheit durchzusetzen. Nur dort konnten sie dazu inspiriert werden, Strategien zu entwickeln, um die Freiheit weiter auszubauen, indem sie die wenigen Waffen, die sie hatten, gegen die versklavende Klasse richteten, deren uneingeschränktes Profitstreben die Quelle ihres Elends war. Auf diesem Wege kommen wir wieder zurück zur versklavten afrikanischen Frau*: Im häuslichen Bereich fielen ihr die Hauptaufgaben ›natürlich‹ zu. Es war die Frau*, die das ›Heim‹ in Ordnung zu halten hatte. Diese Rolle wurde ihr von der männlichen Vorherrschaft der weißen US-amerikanischen Gesellschaft vorgeschrieben; sie war auch mit den patriarchalischen Traditionen Afrikas verwoben. Ihr biologisches Schicksal war es, dass die Frau* die Früchte der Fortpflanzung gebar; als

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soziales Schicksal lag ihre Verantwortung im Kochen, Nähen, Waschen, Putzen und in der Erziehung der Kinder. Traditionell sollte die Arbeit der Frauen*, die Hausarbeit, ihre Unterlegenheit vollenden und bestätigen. Bei der Schwarzen versklavten Frau* gibt es jedoch eine seltsame Verkehrung der Tatsachen: In der unendlichen Last, den Bedürfnissen der Männer und Kinder um sie herum (die nicht notwendigerweise Angehörige ihrer unmittelbaren Familie waren) zu dienen, verrichtete sie die einzige Arbeit der versklavten Community, die die Unterdrückenden nicht direkt oder unmittelbar in Anspruch nehmen konnten. Es gab keine Vergütung für die Arbeit auf den Feldern; diese hatte für die Versklavten keinen praktischen Nutzen. Die Hausarbeit war die einzig bedeutsame Arbeit für die versklavte Community als Gesamtheit (die wenigen Ausnahmesituationen, in denen versklavte Menschen Geld für ihre Arbeit erhielten, können außer Acht gelassen werden). Gerade durch jene Schufterei, die seit Langem ein wesentlicher Ausdruck der gesellschaftlich bedingten Unterlegenheit von Frauen* war, konnte die in Ketten gelegte Schwarze Frau* helfen, den Grundstein eines gewissen Grades an Unabhängigkeit zu legen, sowohl für sich selbst als auch für ihre Männer. Obwohl sie unter ihrer besonderen Unterdrückung als Frau* litt, wurde sie durch diese Umstände in den Mittelpunkt der versklavten Community gezwungen. Sie war deshalb unentbehrlich für das Überleben der Community. Nicht alle haben die Versklavung überlebt; insofern waren ihre auf das Überleben gerichteten Handlungen selbst eine Widerstandsform. Ferner war das Überleben Voraussetzung für alle weiteren Ebenen des Kampfes. Aber es gibt noch viel mehr über die Schwarze Frau* während der Versklavung zu berichten. Die Widersprüche ihrer Unterdrückung werden noch vielschichtiger. Einerseits war sie Opfer des Mythos, dass nur die Frau* mit ihrer verminderten Fähigkeit zur geistigen und körperlichen Arbeit für die entwürdigende Hausarbeit zuständig sei. Andererseits profitierte sie nicht von den angeblichen Vorteilen der Ideologie der Weiblichkeit*. Sie wurde nicht behütet oder geschützt; sie konnte den verzweifelten Überlebenskampf, der außerhalb des ›Heims‹ stattfand, nicht ausblenden. Denn auch sie stand neben dem Mann auf den Feldern

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und arbeitete unter der Peitsche von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Dies war eine der größten Ironien der Versklavung: Um das strategische Ziel zu erreichen – den größtmöglichen Gewinn aus der Arbeit der Versklavten zu pressen – musste die Schwarze Frau* vom Mythos der Weiblichkeit* befreit werden. In den Worten von W.E.B Du Bois: »[…] Unseren Schwarzen Frauen* wurde die Freiheit mit Hohn aufgedrängt.«10 Um ihre Funktion als Versklavte zu erfüllen, musste die Schwarze Frau* ihrer Funktion als Frau*, d.h. als ›Frau‹ in ihrer historischen Position unter der Vormundschaft der gesamten männlichen Hierarchie, enthoben werden. Die schiere Kraft der Umstände stellte sie ihrem Mann gleich. Mit Ausnahme der Rolle der Frau* als Haushälterin*, konnten sich die Strukturen männlicher Vorherrschaft nicht tief im Inneren des Versklavungssystem verankern. Obwohl die Herrscherklasse männlich und äußerst chauvinistisch war, konnte das Versklavungssystem dem Schwarzen Mann keine privilegierte Position gegenüber der Schwarzen Frau* verleihen. Der versklavte Mann konnte nicht die respektierte, höhergestellte Person innerhalb der ›Familie‹ oder der Community sein, denn es gab keinen ›Familienversorger‹ unter den Versklavten. Das Erreichen der wesentlichen Ziele der Versklavung war geknüpft an das vollständige und brutalste Ausschöpfen der produktiven Fähigkeiten jedes Mannes, jeder Frau* und jedes Kindes. Sie alle mussten den Master ›versorgen‹. Somit war die Schwarze Frau* vollständig in die Produktion integriert. Um vier Uhr morgens klingelt die Glocke und sie haben eine halbe Stunde, um sich fertig zu machen. Männer und Frauen* fangen gemeinsam an und die Frauen* müssen genauso hart arbeiten wie die Männer und die gleichen Arbeiten ausüben wie die Männer.11

10 W.E.B. Du Bois: Darkwater. Voices from Within the Veil. New York: AMS Press 1969, S. 185. 11 Lewis Clarke: Narrative of the Sufferings of Lewis and Milton Clarke, Sons of a Soldier of the Revolution. Boston 1846, S. 127 [zitiert nach E. Franklin Frazier: The Negro Family in the United States].

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Selbst während der Schwangerschaft – ansonsten ein Anlass für heuchlerische Anbetung – wurde die Schwarze Frau* nicht mit mehr Mitgefühl oder weniger Härte als ihr Mann behandelt. Ein Versklavter berichtet aus seinem Leben: […] Frauen*, die ihre Kinder stillten, litten sehr darunter, dass ihre Brüste sich mit Milch füllten, während ihre Kinder zu Hause gelassen wurden. Sie konnten somit nicht mit den anderen Arbeitenden mithalten: Ich habe gesehen wie der Aufseher sie mit der Lederpeitsche geschlagen hat und mit Blut vermischte Milch aus ihren Brüsten floss.12

Der ehemalige Versklavte Moses Grandy führt seine Erzählung mit einem Bericht über eine typische Form der Bestrafung auf dem Feld fort, die der schwangeren Schwarzen Frau* vorbehalten war: Sie wird gezwungen, sich über ein Loch zu legen, das für ihre Körperform ausgehoben wurde, und wird dann ausgepeitscht oder mit einer durchlöcherten Schaufel geschlagen; nach jedem Hieb bildet sich eine Blase auf ihrer Haut.13

Die ungezügelte Grausamkeit dieses Nivellierungsprozesses, in dem die Schwarze Frau* zur Gleichheit mit dem Schwarzen Mann gezwungen wurde, bedarf keiner weiteren Erklärung. Sie teilte die deformierte Gleichheit der gleichen Unterdrückung. Doch aus dieser deformierten Gleichheit entstand ganz unbeabsichtigt, aber unaufhaltsam, eine Situation, die bei der Schwarzen Frau* ein enormes Potenzial freisetzen konnte. Durch ihre unentbehrliche Arbeit für die Bereicherung ihrer Unterdrückenden, erlangte sie ein praktisches Bewusstsein für die vollkommene Abhängigkeit der Unterdrückenden – denn der Master braucht den Versklavten weitaus mehr als der Versklavte den Master. Gleichzeitig konnte sie erkennen, dass ihre produktive Tätigkeit zwar ganz dem Willen des Masters untergeordnet, aber dennoch ein Beweis für ihre Fähigkeit war, Dinge zu verändern. Denn, »Arbeit

12 Moses Grandy: Narrative of the Life of Moses Grandy; Late a Slave in the United States of America. Boston 1844, S. 18 [zitiert nach Frazier]. 13 Ebd.

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ist das lebendige, gestaltende Feuer; die Vergänglichkeit der Dinge, ihre Zeitlichkeit …«14 Das Bewusstsein der Schwarzen Frau* für die Unterdrückung, die ihre Community erlitt, wurde durch die grausamen Realitäten des Alltags geschärft. Es war nicht das verkümmerte Bewusstsein einer Frau*, die sich auf das Heim beschränkt. Sie konnte dasselbe Widerstandsniveau erreichen wie ihre Männer. Selbst bei der Verrichtung der Hausarbeit konnte die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten Community nicht mit der historisch gewachsenen weiblichen* Rolle identisch sein. Des beschönigenden Scheins der Weiblichkeit* beraubt, der eine passive Ausübung der häuslichen Pflichten befördert hätte, war sie nun einmalig in der Lage, ein tiefes Widerstandsbewusstsein in die Verwerfungen und Verwirrungen des häuslichen Lebens einzufügen. Mit den Leistungen der starken Schwarzen Frauen* konnte die versklavte Community als Ganzes außergewöhnliche Dimensionen erreichen, die in unterdrückten weißen Familien oder in den patriarchalischen Verwandtschaftsgruppen in Afrika undenkbar gewesen wären. Auf latente oder aktive Weise war sie immer eine Community des Widerstandes. Oft brachen Aufstände aus, aber täglich gab es kleine Sabotageakte, die die Versklavenden kontinuierlich plagten. Hätte die Schwarze Frau* es nicht geschafft, sich der Herausforderung zu stellen, hätte sich die versklavte Community nicht so weit in diese Richtung entwickeln können. Das Versklavungssystem musste sich mit der Schwarzen Frau* als Hüterin* des häuslichen Widerstands auseinandersetzen. Aus diesem Grunde musste die Unterdrückung der Schwarzen Frau* während der Epoche der Versklavung durch offene Repression der herrschenden Klasse untermauert werden. Ihre alltägliche Unterdrückung musste die Form der unverhüllten Aufstandsbekämpfung annehmen.

14 Marx: Grundrisse, S. 266.

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III Zu behaupten, dass die Unterdrückung von Schwarzen versklavten Frauen* notwendigerweise auch offene Formen der Aufstandsbekämpfung beinhaltete, ist gar nicht so übertrieben, wie es anfänglich scheint. Das Eindringen von Taktiken und Strategien der Aufstandsbekämpfung in die alltägliche Herrschaft des Masters wird gegen Ende dieses Kapitels behandelt. Zuerst muss die Beteiligung Schwarzer Frauen* an den offenkundigen und explosiven Aufständen, die das Versklavungssystem ständig erschütterten, bestätigt werden. Dies wird uns als Anhaltspunkt für die Bedeutung ihrer Rolle als Hüterin* einer widerständigen Hausgemeinschaft dienen – für das Maß, in dem sie die Menschen um sich herum tatsächlich dazu ermutigen konnte, ihren Blick fest auf die Freiheit gerichtet zu halten. Zudem werden daran die objektiven Verhältnisse ersichtlich, auf welche die Aufstandsbekämpfung der Versklavenden eine Reaktion darstellte. Mit Ausnahme von Harriet Tubman und Sojourner Truth sind Schwarze Frauen* aus der Epoche der Versklavung noch immer mehr oder weniger in ungeschriebener Geschichte verborgen. Und wie Earl Conrad zeigte, wurde selbst die Rolle ›General Tubmans‹ durchweg extrem heruntergespielt. Sie war eine weitaus größere Kämpferin gegen die Versklavung, als der weitverbreitete Irrtum, dass ihr einziger herausragender Beitrag darin bestünde, 19 Reisen in den Süden unternommen zu haben, bei denen sie mehr als 300 Versklavte in die Freiheit führte, vermuten lässt. [Sie] war Leiterin des Geheimdienstes im Ministerium des Südens während des US-amerikanischen Bürgerkriegs; sie ist die einzige US-amerikanische Frau*, die Schwarze und weiße Truppen auf dem Schlachtfeld angeführt hat, so wie sie es im Ministerium des Südens tat … Sie war eine überzeugende und mitreißende Rednerin in den Ratsversammlungen der Abolitionist*innen und Anhänger*innen der Anti-Versklavungsbewegung, ein Liebling auf den AntiVersklavungskonferenzen. Sie war zusammen mit Douglass, Martin Delany, Wendell Phillips, Gerrit Smith und anderen eine Mitbegründerin der AntiVersklavungsbewegung.15 15 Earl Conrad: »I Bring You General Tubman«, in: The Black Scholar, Vol. 1, Nr. 3-4, Jan.-Feb. 1970, S. 4.

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Mir ist keine ausführliche und systematische Untersuchung über die Rolle der Schwarzen Frau* im Widerstand gegen die Versklavung bekannt. Es wurde wohl festgehalten, dass eine große Zahl befreiter Schwarzer Frauen* sich darum bemühte, ihre Familienmitglieder und Freund*innen freizukaufen. Über die Teilnahme von Frauen* an den wohlbekannten als auch weniger bekannten Revolten der Versklavten gibt es jedoch nur beiläufige Bemerkungen. Es wurde beispielsweise beobachtet, dass Gabriels Ehefrau* aktiv an der Planung der Rebellion beteiligt war, die ihr Mann anführte, aber darüber hinaus wurde kaum mehr über sie bekannt. Die folgende kurze Darstellung beruht gänzlich auf den Arbeiten von Alfred Aptheker; die einzigen Quellen, die mir zum Zeitpunkt meiner Niederschrift zur Verfügung standen.16 Diese Gegebenheiten, die ich den Arbeiten von Aptheker zu Revolten der Versklavten und anderen Formen des Widerstandes entnommen habe, sollten die Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung zur Schwarzen Frau* als Rebellin* gegen die Versklavung verdeutlichen. Im Jahre 1971 ist eine solche Studie längst überfällig. Apthekers Forschung hat uns die weitverbreitete Existenz von Schwarzen Communitys eröffnet, die weder frei noch versklavt waren. Im ganzen Süden (South und North Carolina, Virginia, Louisiana, Florida, Georgia, Mississippi und Alabama) gab es Maroon-Communitys, bestehend aus geflüchteten Versklavten und deren Nachkommen, die von 1642 bis 1864 eine »allgegenwärtige Eigenart« der Versklavung darstellten. Sie boten »… Zufluchtsorte für Geflüchtete, dienten als Basis für Plünderungszüge gegen nahegelegene Plantagen und stellten zuweilen Führungskräfte für geplante Aufstände.«17 Diese Communitys waren bis ins Detail ausnahmslos bestimmt und durchdrungen von Widerstand, denn ihre Daseinsberechtigung rührte von ihrem unaufhörlichen Angriff auf die Versklavung. Nur in der 16 Im Februar 1949 veröffentlichte Herbert Aptheker einen Essay in Masses and Mainstream mit dem Titel »The Negro Woman«. Bisher ist es mir jedoch nicht gelungen, an diesen Text zu kommen. 17 Herbert Aptheker: »Slave Guerilla Warfare«. In: To Be Free. Studies in American Negro History. New York: International Publishers 1969 (1. Ausg. 1948), S. 11.

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Kampfhaltung konnten die Maroons hoffen, ihre ständig gefährdete Freiheit zu sichern. Aus einer Notwendigkeit heraus definierten sich die Frauen* dieser Communitys – nicht weniger als die Männer – durch ihre vielfältigen Aktionen des Widerstands. Daher stellen die Gegenangriffe und heroischen Verteidigungsbemühungen, die von den Maroon-Frauen* gestützt wurden, ein wiederkehrendes Motiv in der vorliegenden kurzen Untersuchung dar. Wie wir sehen werden, haben Schwarze Frauen* oft das Essen ihrer Master vergiftet und deren Häuser in Brand gesteckt. Diese offenkundigen Widerstandsformen waren für die Hausangestellten besonders zugänglich. Die große Mehrheit der zu berichtenden Vorfälle bilden entweder taktisch erfolglose Übergriffe oder letztlich vereitelte Verteidigungsversuche. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden zahlreiche Erfolge erzielt, trotz der erheblichen Hindernisse, die das Versklavungssystem bereithielt. Viele von diesen wurden aber vermutlich, selbst in der Zeit, in der sie sich ereigneten, kaum publik gemacht; der Drang zur Rebellion sollte bei anderen Versklavten nicht bestärkt und die Angst und Verzweiflung der Versklavenden nicht vergrößert werden. In den Anfangsjahren der Versklavung (1708) brach in New York eine Rebellion aus. Unter den Teilnehmenden waren sicherlich auch viele Frauen*, denn eine Frau* wurde zusammen mit drei Männern in Vergeltung für die Ermordung von sieben Weißen hingerichtet. Es kann nicht völlig ohne Belang sein, dass sie auf abscheuliche Weise bei lebendigem Leib verbrannt wurde, während die Männer gehängt wurden.18 In der gleichen Siedlung spielten Frauen* eine aktive Rolle bei einem Aufstand im Jahr 1712, bei dem bewaffnete Versklavte mit Pistolen, Knüppeln und Messern einige Mitglieder der herrschenden Klasse töteten und andere verwundeten. Während einige der Aufständischen – darunter eine schwangere Frau* –

18 Herbert Aptheker: American Negro Slave Revolts. New York: International Publishers 1970 (1. Ausg. 1943), S. 169.

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festgenommen wurden, wählten andere – darunter auch eine Frau* – lieber den Freitod, als sich zu ergeben.19 »Eines Tages im Jahr 1730 bekam eine Versklavte in New Orleans ›aufgrund von Ungehorsam einen gewaltigen Tritt von einem französischen Soldaten‹ und schrie dann vor Wut, ›dass die Französ*innen nicht mehr lange Schwarze beleidigen würden‹.«20 Wie später bekannt wurde, hatten sie und zweifellos viele andere Frauen* sich in einem umfassenden Plan zur Zerstörung der Versklavenden zusammengetan. Diese furchtlose Frau* wurde zusammen mit acht Männern hingerichtet. Zwei Jahre später wurden in Louisiana eine Frau* und vier Männer zu Anführer*innen einer Rebellion erklärt. Sie wurden alle hingerichtet und ihre Köpfe auf eine gewohnt barbarische Weise auf Pfählen zur Schau gestellt.21 In Charleston, South Carolina, wurde 1740 eine Schwarze Frau* wegen Brandstiftung zum Tode verurteilt;22 ein Sabotageakt, der, wie bereits erwähnt, oft von Frauen* ausgeführt wurde. In Maryland zum Beispiel wurde 1776 eine Versklavte für Brandstiftung am Haus ihres Masters und dessen Neben- und Tabakhäusern hingerichtet.23 Mitten im Kolonialkrieg mit England wurde 1744 eine Gruppe von aufsässigen versklavten Frauen* und Männern in Saint Andrew’s Parish, Georgia, festgenommen. Vor ihrer Festnahme hatten sie jedoch bereits einige Versklavende ums Leben gebracht.24 Die Maroon-Communitys sind kurz beschrieben worden; von 1782 bis 1784 war Louisiana durchgehend Ziel von Maroon-Angriffen. Als 25 der Mitglieder dieser Community schließlich festgenommen wurden, wurden Männer wie Frauen* aufs Härteste bestraft.25

19 Ebd., S. 173. 20 Ebd., S. 181. 21 Ebd., S. 182. 22 Ebd., S. 190. 23 Ebd., S. 145. 24 Ebd., S. 201. 25 Ebd., S. 207.

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Aus den vorigen Beispielen kann geschlossen werden, dass auch der Norden dem enormen Einfluss kämpferischer Schwarzer Frauen* nicht entkam. In Albany, New York, waren zwei Frauen* unter den drei Versklavten, die 1794 wegen Anti-Versklavungsaktionen hingerichtet wurden.26 Welchen Respekt und welche Verehrung der Schwarzen Kämpferin* von ihrer Community entgegengebracht wurde, veranschaulicht ein Vorfall in York, Pennsylvania, besonders eindrücklich: Als Margeret Bradley Anfang 1803 für die versuchte Vergiftung von zwei Weißen verurteilt wurde, kam es zu einer Massenrebellion der Schwarzen Bewohner*innen der Gegend. Sie versuchten mehrfach, die Stadt durch Brände zu zerstören, und konnten letztlich, in einem Zeitraum von drei Wochen, elf Gebäude niederbrennen. Patrouillen wurden eingerichtet, kräftige Wachposten aufgestellt, die Miliz zum Ort des Geschehens entsandt … und eine Belohnung von dreihundert Dollar wurde für die Festnahme von Aufständischen geboten.27

Die geglückte tödliche Vergiftung einiger »unserer ehrbaren Männer« (wie es in einem Brief an den Gouverneur von North Carolina hieß) wurde durch die Hinrichtung von vier oder fünf Versklavten vergolten. Darunter war eine Frau*, die bei lebendigem Leib verbrannt wurde.28 In Virginia wurden 1810 zwei Frauen* und ein Mann der Brandstiftung beschuldigt.29 North Carolina war 1811 Schauplatz einer Konfrontation zwischen einer Maroon-Community und einer Fängertruppe. Die örtlichen Zeitungen berichteten, dass deren Mitglieder »jede*m trotzen und fest entschlossen sind, nicht von der Stelle zu weichen.« Von der ganzen Community wurden zwei getötet, einer verwundet und zwei – beides Frauen* – festgenommen.30 Apthekers Documentary History of the Negros in the United States (Dokumentation der Geschichte der Schwarzen in den Vereinigten Staaten) beinhaltet einen Teil des transkribierten Geständnisses eines rebellischen 26 Ebd., S. 215. 27 Ebd., S. 239. 28 Ebd., S. 241-242. 29 Ebd., S. 247. 30 Ebd., S. 251.

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Versklavten in Virginia aus dem Jahr 1812. Dieser enthüllte dabei, dass es eine Schwarze Frau* war, die ihn in den Plan der Tötung ihres Masters einweihte, und dass eine weitere Schwarze Frau* nach der Tat verurteilt wurde, weil sie versucht hatte, ihn zu decken.31 Im Jahr 1816 wurde eine Community von 300 geflohenen Versklavten entdeckt – Männer, Frauen* und Kinder – die eine Festung in Florida besetzt hatten. Nachdem die US-Armee mit dem Befehl entsandt worden war, die Community zu zerstören, waren nach Ende der 10-tägigen Belagerung alle bis auf 40 der 300 Besetzer*innen tot. Alle Versklavten kämpften bis zum bitteren Ende.32 Während einer ähnlichen, wenn auch kleineren Auseinandersetzung zwischen Maroons und einer Miliz-Truppe (South Carolina, 1826) wurden eine Frau* und ein Kind getötet.33 Eine weitere Maroon-Community wurde 1837 in Mobile, Alabama, angegriffen. Ihre Bewohner*innen, Männer wie Frauen*, haben laut der Lokalzeitung mutig Widerstand geleistet und »wie Spartaner*innen gekämpft«.34 Verurteilt als Mittäterin* bei der Stiftung eines verheerenden Brandes in Augusta, Georgia, wurde eine Schwarze Frau* 1829 »hingerichtet, seziert und öffentlich vorgeführt« (wie ein englischer Besucher berichtet). Außerdem stand die Hinrichtung einer weiteren Frau* unmittelbar bevor, die zu dem Zeitpunkt kurz vor der Entbindung stand.35 In demselben Jahr hatte eine Gruppe von Versklavten, die für den Verkauf von Maryland in den Süden überführt wurde, offensichtlich geplant, die Händ­ler*innen zu töten, um sich so den Weg in die Freiheit zu eröffnen. Eine der Händler*innen wurde erfolgreich beseitigt, aber letztlich wurden alle Versklavten von einer Truppe eingefangen. Unter den sechs zum Tode verurteilten Anführer*innen war auch eine Frau*. Aus wirtschaftlichen

31 Aptheker: Documentary History, S. 55-57. 32 Aptheker: Slave Revolts, S. 259. 33 Ebd., S. 277. 34 Ebd., S. 259. 35 Ebd., S. 281.

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Gründen wurde ihr erlaubt, erst ihr Kind zu gebären.36 Danach wurde sie öffentlich gehängt. Die herrschende Klasse in Louisiana war sich, wie bereits erwähnt, sehr wohl der außerordentlichen Bedrohung bewusst, die von der Schwarzen Frau* ausging, die sich dem Kampf verschrieben hatte. Sie reagierte entsprechend: Eine Truppe von Versklavenden überfiel 1846 eine MaroonCommunity, tötete dabei eine Frau* und verwundete zwei weitere. Ein Schwarzer Mann wurde ebenfalls ermordet.37 Auch die Grenzstaaten kamen unweigerlich zu der Erkenntnis, dass versklavte Frauen* mit großem Eifer für ihre Freiheit zu kämpfen bereit waren. In Missouri machten sich 1850 »etwa 30 Versklavte, Männer und Frauen*, von vier verschiedenen Eigentümer*innen, bewaffnet mit Messern, Knüppeln und drei Pistolen auf in Richtung eines freien Staates.« Ihre Verfolger*innen, die ihnen um ein Vielfaches überlegen waren, durchkreuzten aber schließlich ihre Pläne.38 Die vorliegende faktische Übersicht über nur wenige der Aktionen des offenen Widerstands, in denen Schwarze Frauen* eine tragende Rolle spielten, wird mit zwei weiteren Ereignissen abgeschlossen. Als 1857 in Mississippi ein Maroon-Lager zerstört wurde, konnten vier seiner Mitglieder der Gefangenschaft nicht entkommen. Eine von ihnen war eine flüchtige Versklavte*.39 Sie alle, Frauen* als auch Männer, müssen einen tapferen Kampf gefochten haben. Zum Schluss ein Vorfall vom Oktober 1862 in Virginia, bei dem es zu einem Gefecht zwischen Maroons und einem Spähtrupp von Soldaten der Konföderierten Staaten kam.40 Dieses Mal gingen allerdings die Maroons als Sieger*innen hervor und mit großer Wahrscheinlichkeit haben einige der vielen Frauen* dabei geholfen, die Soldaten zu töten.

36 Ebd., S. 487. 37 Aptheker: Guerilla Warfare, S. 27. 38 Aptheker: Slave Revolts, S. 342. 39 Aptheker: Guerilla Warfare, S. 28. 40 Ebd., S. 29.

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IV Die Unterdrückung der versklavten Frauen* musste das Ausmaß offenkundiger Aufstandsbekämpfung annehmen. In Anbetracht der oben dargestellten Tatsachen wäre es in der Tat schwierig, diese Behauptung zu widerlegen. Jene Frauen*, die sich direkt am offenen Kampf beteiligten, wurden genauso schonungslos bestraft wie die versklavten Männer. Es macht sogar den Anschein, dass den Frauen* in vielen Fällen exzessivere Strafen zugemutet wurden als den Männern. Zuweilen wurden Frauen* bei lebendigem Leib verbrannt, während Männer gehängt wurden. Wären diese Praktiken weiter verbreitet gewesen, dann wäre deren Logik klar: Es wären terroristische Methoden, die darauf abzielten, andere Schwarze Frauen* davon abzuhalten, dem Beispiel ihrer kämpfenden Schwestern* zu folgen. Wenn sich alle Schwarzen Frauen* zusammen mit ihren Männern erheben würden, befände sich die Institution der Versklavung in großen Schwierigkeiten. Die routinemäßige Unterdrückung der versklavten Frau* muss einmal mehr vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Kämpferin* betrachtet werden. Wenn sie verbrannt, gehängt, gerädert und ihr Kopf auf einem Pfahl vor ihren unterdrückten Brüdern und Schwestern* zur Schau getragen wurde, muss sie die Härte der Aufstandsbekämpfung auch in ihrem Alltagsleben gespürt haben. Das Versklavungssystem wird nicht nur bewusste Anstrengungen unternommen haben müssen, um die Tendenzen zu den oben beschriebenen Aktionen zu unterdrücken, sondern es dürfte nicht weniger notwendig gewesen sein, Fluchtversuche (Flucht in das Land der Maroons!) und all die anderen Formen der Sabotage abzuwehren. Das Vortäuschen von Krankheit war auch eine Form des Widerstands, genauso wie die Verzögerung der Arbeit und jegliche Handlung, die der Ernte schaden würde. Je weitreichender diese Aktionen waren, desto stärker sanken die Profite der Versklavenden. Auch wenn eine detaillierte Studie zu den unzähligen Formen, in denen sich diese Aufstandsbekämpfung manifestierte, durchgeführt werden könnte und sollte, richten sich die folgenden Reflexionen auf einen

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einzigen Aspekt der Unterdrückung der versklavten Frau*, der aufgrund seiner Brutalität besonders heraussticht. Über die sexuellen Missbräuche, denen sich die Schwarze Frau* unterwerfen musste, wurde schon viel gesagt. Sie werden allgemeinhin als Auswuchs der männlichen Vorherrschaft in der südlichen Kultur verhandelt: Die Reinheit der weißen Weiblichkeit* konnte nicht durch die aggressive sexuelle Aktivität des weißen Mannes verletzt werden. Seine instinktiven Triebe zeigten sich in Beziehungen zu seinem Eigentum – der Schwarzen versklavten Frau*, die seine unfreiwillige Konkubine* werden musste. Ohne Zweifel steckt in diesen Aussagen ein Fünkchen Wahrheit, aber es ist mindestens genauso wichtig, die Bedeutung dieser sexuellen Missbräuche aus Sicht der angegriffenen Frau* zu beleuchten. Getreu der Linie dieser Überlegungen können wir annehmen, dass die sexuelle Herrschaft der Versklavenden über die Schwarze Frau* ein unverhülltes Element der Aufstandsbekämpfung enthielt. Um den Grund für diese Annahme zu verstehen, müssen die dialektischen Momente der Unterdrückung der versklavten Frau* neu formuliert und deren Verlauf nachvollzogen werden. Als primärer Faktor ist die vollständige und gewaltsame Enteignung ihrer Arbeitskraft genannt worden, die nur mit Almosen, die zum bloßen Überleben notwendig waren, vergütet wurde. Zweitens war sie als Frau* die Haushälterin* der Wohnräume. In diesem Sinne wurde sie schon doppelt unterdrückt. Nachdem sie aber durch die bloße Gewalt der Umstände – genauer durch Zwangsarbeit – aus der passiven, ›weiblichen*‹ Existenz gerissen wurde, waren einengende häusliche Aufgaben nicht mehr mit dem zu vereinen, was sie geworden war. Das bedeutet, dass sie aufgrund ihrer Teilhabe an der Produktion nicht mehr die Rolle der passiven Frau* einnahm, sondern genau wie ihre Männer das Bedürfnis verspürte, gegen die Umstände ihrer Unterwerfung zu kämpfen. Als Zentrum des häuslichen Lebens, dem einzigen Leben außerhalb der Ausbeutung und daher eine wichtige Basis für das Überleben, spielte die Schwarze Frau* eine ausschlaggebende Rolle im Nähren des Vorstoßes Richtung Freiheit.

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Der Master würde versuchen, diesen Prozess zu verhindern. Er wusste, dass die versklavte Frau*, gerade als Frau*, in ihrer sexuellen Existenz besonders verwundbar war. Obwohl er sie nicht streicheln und in Rüschen schmücken würde, versuchte der weiße Master, ihre Weiblichkeit* wiederherzustellen, indem er sie auf ihr biologisches Wesen reduzierte. In seinem Streben, sie mit seinen sexuellen Angriffen zu einem weiblichen Tier zu machen, versuchte er, ihre Widerstandsbestrebungen zu zerstören. Über die sexuellen Beziehungen der Tiere, aus einer abstrakten, biologischen Perspektive betrachtet (und nicht mit Blick auf ihr ganz anderes, soziales Potenzial für Menschen), sagt Simone de Beauvoir Folgendes: Es ist zweifellos das Männchen, das das Weibchen nimmt – es wird genommen. Das trifft oft buchstäblich zu: entweder weil das Männchen entsprechende Organe hat oder stärker ist, packt es das Weibchen und hält es fest; ebenso vollführt es aktiv die Kopulationsbewegungen. Bei vielen Insekten, bei den Vögeln und den Säugetieren, dringt es in das Weibchen ein … Sein Körper … stellt also einen zu brechenden Widerstand dar …41

Der Akt der Kopulation, vom weißen Mann auf einen tierischen Akt reduziert, wurde zum Symbol seiner Bemühungen, den Widerstand zu bezwingen, den die Schwarze Frau* entfachen könnte. Indem er der Schwarzen Frau* als Gegnerin* in einem sexuellen Wettkampf begegnete, dürfte der Master sie der einfachsten Form des Terrorismus ausgesetzt haben, die sich insbesondere gegen Frauen* richtet: Vergewaltigung. Angesichts der bereits terroristischen Lebensstrukturen auf der Plantage war die versklavte Frau* als potenzielles Vergewaltigungsopfer am wenigsten geschützt. Außerdem dürfte sie sehr leicht zu manipulieren gewesen sein, wenn der Master eine Art Schutzgeldsystem entwarf, das sie zwang, mit ihrem Körper für Nahrung, verringerte Schwere der Behandlung, die Sicherheit ihrer Kinder etc. zu bezahlen. Dass Vergewaltigung Bestandteil des kargen legitimen sozialen Lebens der Versklavten wurde, geht auf das feudale ›Recht der ersten Nacht‹, das jus primae noctis zurück. Der feudale Herr bewies und bestärkte seine 41 Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Reinbek: Rowohlt Verlag 2001, S. 45.

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Herrschaft über die Leibeigenen, indem er seine Autorität einsetzte, um Sex mit allen Frauen* zu haben. Dieses Recht betraf vor allem die frisch verheirateten Frauen*. Aber während aus dem Recht auf die erste Nacht schließlich der institutionalisierte ›Jungfernzins‹42 wurde, verlor die sexuelle Vorherrschaft des US-amerikanischen Versklavenden nie ihren offen terroristischen Charakter. Als direkten Angriff auf die Schwarze Frau* als potenzielle Aufständische findet diese sexuelle Repression ihre Parallelen in so ziemlich jeder historischen Situation, in der Frauen* aktiv gegen ihre Unterdrückung aufbegehrten. So konnte Frantz Fanon über die algerische Frau* Folgendes sagen: »Eine Frau*, die von Soldaten abgeführt wird und eine Woche später zurückkehrt – muss nicht befragt werden, um zu verstehen, dass sie dutzende Male vergewaltigt wurde.«43 In ihrem politischen Ausdruck stellte die Vergewaltigung der Schwarzen Frau* nicht nur einen Angriff auf sie selbst dar. Indirektes Ziel war die versklavte Community als Ganzes. Indem der sexuelle Krieg gegen die Frau* ausgerufen wurde, behauptete der Master nicht nur seine Hoheitsgewalt über eine besonders wichtige Figur der versklavten Community, sondern teilte damit auch einen Schlag gegen den Schwarzen Mann aus. Dessen Instinkt, seine weiblichen* Verwandten und Gefährten zu schützen (nun gänzlich von den Implikationen der männlichen Überlegenheit beraubt), dürfte frustriert und bis zum Äußersten verletzt worden sein. Du Bois hebt die sexuelle Barbarei des weißen Mannes hervor und bringt seine Wut in rhetorischem Ton zur Geltung: Ich werde dem Süden an seinem Tag des Jüngsten Gerichts vieles vergeben: Ich werde ihm seine Versklavung vergeben, denn Versklavung ist eine uralte Gewohnheit; ich werde ihm seinen Kampf für eine längst verlorene Sache vergeben, und dafür, dass er diesem Kampf mit wehmütigen Tränen gedenkt; ich werde seinen sogenannten ›Rassenstolz‹ vergeben, die Leidenschaft seiner Hitzigkeit und sogar seine niedliche, alte, lächerliche Stolziererei und Ange42 August Bebel: Die Frau und der Sozialismus. Berlin: Dietz-Verlag, 1990, S. 93 (1. Ausg. Zürich: Verlag der Volksbuchhandlung, 1879, S. 67). 43 Frantz Fanon: A Dying Colonialism. New York: Grove Press, 1967, S. 119.

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berei; aber eines werde ich ihm niemals vergeben, weder in diesem noch im nächsten Leben: seine schamlose, kontinuierliche und andauernde Beleidigung der Schwarzen Weiblichkeit*, die er damals wie heute für seine Wollust zu prostituieren sucht.44

Der Vergeltungswunsch des Schwarzen Mannes wegen der Vergewaltigung seiner Frau* hielt ihn in einer unerträglichen Situation gefangen. Der Versklavende hoffte offenbar, dass der Schwarze Mann, getroffen von der eindeutigen Unfähigkeit, seine Frau* vor den sexuellen Übergriffen des Masters zu schützen, beginnen würde, tiefe Zweifel an seiner Widerstandsfähigkeit zu empfinden. Sicherlich hatten die Massenvergewaltigungen von versklavten Frauen* tiefgreifende Auswirkungen auf die versklavte Community. Dennoch haben sie ihr wesentliches Ziel, die Unterdrückung des Kampfwillens, nicht erreicht. Zahllose Schwarze Frauen* ließen diese Misshandlungen nicht passiv über sich ergehen, ebenso wie sich Versklavte im Allgemeinen weigerten, ihre Versklavung passiv hinzunehmen. Die Kämpfe der versklavten Frau* im sexuellen Bereich waren eine Weiterführung des Widerstands, der in den Alltag der Versklavten eingeflochten war. Als solche stellten sie eine weitere Form des Aufstandes dar, eine Reaktion auf eine politisch motivierte sexuelle Repression. Sogar E. Franklin Frazier (der keine Mühe scheut, die These zu verteidigen, dass »der Master in seiner Villa und seine Schwarze Mätresse* in ihrem speziellen Haus nebenan den letzten Triumph sozialen Anstands angesichts tiefster Gefühle menschlicher Solidarität« darstellte45) konnte die Schwarze Frau*, die sich wehrte, nicht ganz ignorieren. Er stellt fest: »Dass zuweilen körperlicher Zwang notwendig war, um die Unterwerfung Schwarzer Frauen* zu sichern … ist historisch belegt und in der Tradition von Schwarzen Familien erhalten geblieben.«46

44 Du Bois: Darkwater, S. 172. 45 E. Franklin Frazier: The Negro Family in the United States. Chicago: U. of Chicago Press 1966 (1. Ausg. 1939), S. 69. 46 Ebd., S. 53.

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Der sexuelle Wettkampf war einer der vielen Bereiche, in denen sich die Schwarze Frau* als Kämpferin* gegen Unterdrückung beweisen musste. Was Frazier ungewollt einräumt, würde bedeuten, dass zahllose Kinder, die auf brutale Weise von Weißen gezeugt wurden, mitten im Kampfgetümmel empfangen wurden. Frazier selbst zitiert die Geschichte einer Schwarzen Frau*, deren Urgroßmutter*, eine ehemalige Versklavte, mit großer Freude die Schlachten hinter all ihren zahlreichen Narben beschrieb – alle bis auf eine. Auf Fragen zu dieser ungeklärten Narbe hatte sie immer einfach gesagt: »Weiße Männer sind genauso nieder wie Hunde, Kind, halt dich von ihnen fern.« Das Mysterium wurde erst nach dem Tod dieser mutigen Frau* gelüftet: »Sie erhielt diese Narbe von dem jüngsten Sohn ihres Masters, ein Junge von etwa achtzehn Jahren, zu dem Zeitpunkt, als sie ihr gemeinsames Kind empfing, meine Großmutter Ellen.«47 Ein kompliziertes und brutales Netz der Unterdrückung drang während der Versklavung ständig in das Leben der Schwarzen Frau*. Ein bestimmtes Thema taucht jedoch zu jedem Zeitpunkt auf: Die Frau* überschreitet, lehnt ab, schlägt zurück, erhebt sich über und gegen fürchterliche Hindernisse. Es war nicht ihr brüderlicher Gefährte, gegen den sich diese Kraft richtete. Sie kämpfte neben ihrem Mann, übernahm die Führung oder gab sie ab, je nach ihren Talenten und der Art der Aufgaben. Sie war in keiner Weise eine autoritäre Figur; weder ihre häusliche Rolle noch ihre Widerstandshandlungen konnten den Mann in den Schatten drängen. Vielmehr musste sie das Schattendasein der weiblichen* Passivität hinter sich lassen, um ihren rechtmäßigen Platz an der Seite ihres aufständischen Mannes einzunehmen. Dieses Portrait kann sich natürlich nicht anmaßen, jede einzelne versklavte Frau* darzustellen. Es ist eher ein Portrait der Potenziale und Möglichkeiten, die der Lage, in der sich die versklavten Frauen* befanden, eigen waren. Unweigerlich gab es aber auch immer jene, die dieses Potenzial nicht erkannten. Es gab jene, die gleichgültig waren und einige, die ausgemachte Verräterinnen* waren. Aber diese machten 47 Ebd., S. 53-54.

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sicherlich nicht die große Mehrheit aus. Das Bild der Schwarzen Frauen*, demzufolge sie ihre Männer fesselten und mit den Unterdrückenden Beziehungen pflegten, ist eine grausame Lügengeschichte, die beim Namen genannt werden muss. Es ist eine heimtückische, ideologische Waffe, die darauf abzielt, unsere heutige Fähigkeit zum Widerstand zu beeinträchtigen, indem uns das Ideal der männlichen Vorherrschaft aufgedrängt wird. Nach einem altehrwürdigen Prinzip, vorgetragen durch Marx, Lenin, Fanon und zahlreiche andere Denkende, stellt der Status der Frauen* in jeder Gesellschaft ein Barometer dar, das den allgemeinen Grad der sozialen Entwicklung misst. Wie Fanon auf meisterhafte Weise gezeigt hat, stehen die Stärke und Effizienz von sozialen Kämpfen – und vor allem revolutionären Bewegungen – in direktem Zusammenhang mit der Reichweite und Qualität der weiblichen* Mitbestimmung. Die Bedeutung dieses Prinzips ist durch die Rolle der Schwarzen Frau* während der Versklavung deutlich veranschaulicht worden. Dem brutalen Streben nach Profit ausgesetzt, erreichte die Schwarze Frau* einen ebenso brutalen Status der Gleichstellung. In der Praxis konnte sie dieser verzerrten Gleichstellung aber neue Inhalte geben, indem sie zu Widerstandshandlungen jeglicher Art und Weise inspirierte und an ihnen partizipierte. Sie konnte die Waffe der Gleichstellung im Kampf gegen das habsüchtige Versklavungssystem richten, das in der Unterdrückung nur eine Karikatur der Gleichheit hervorgebracht hatte. Die Aktionen der Schwarzen Frau* erhöhten die Gesamtzahl der Angriffe auf die Versklavung. Aber vor allem hätte das Thema Widerstand ohne bewusst rebellische Schwarze Frauen* nicht derart gründlich in das Gewebe des täglichen Lebens eindringen können. Der Status Schwarzer Frauen* innerhalb der versklavten Community war sicherlich ein Barometer für das allgemeine Potenzial für Widerstand. Dieser Prozess endete nicht mit der formalen Aufhebung der Versklavung. Unter dem Einfluss von Rassismus war die Schwarze Frau* fortwährend dazu gezwungen, sich selbst in den erbitterten Existenzkampf einzubringen. Sie sah sich – wie ihr Mann – dazu gezwungen, Lohnarbeit zu leisten, um für ihre Familie zu sorgen, so wie sie vorher gezwungen war,

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für die versklavende Klasse zu sorgen. Dieser ungeheuer belastende Charakter der Gleichstellung sollte nie übersehen werden, denn die Schwarze Frau* war immer auch an die Hausarbeit gebunden. Dennoch konnte sie nie ausschließlich aufgrund ihrer ›weiblichen*‹ Verantwortlichkeiten erschöpfend definiert werden. Infolgedessen haben Schwarze Frauen* bedeutende Beiträge zum Kampf gegen Rassismus und die entwürdigende Ausbeutung in einer falsch organisierten Gesellschaft geleistet. Tatsächlich macht es den Anschein, als ob das intensive Ausmaß des Widerstands, das historisch von Schwarzen Menschen aufrechterhalten wurde, und somit die historische Funktion des Schwarzen Befreiungskampfes als Vorbote des Wandels in der gesamten Gesellschaft teilweise auf die objektive Gleichstellung vom Schwarzen Mann und der Schwarzen Frau* zurückzuführen ist. Du Bois hat es folgendermaßen ausgedrückt: Aus der großen Masse unserer fünf Millionen Frauen* kommen neue revolutionäre Ideale hervor, die im Laufe der Zeit großen Einfluss auf das Denken und Handeln dieses Landes haben müssen.48

Amtliche und nicht-amtliche Versuche, die Auswirkungen egalitärer Tendenzen, wie sie zwischen dem Schwarzen Mann und der Frau* herrschen, abzuschwächen, sollten keine Überraschung sein. Das Konzept des Matriarchats, welches das Klischee der ›kastrierenden Frau*‹ umfasst, ist letztendlich eine offene Waffe der ideologischen Kriegsführung. Schwarze Männer wie Frauen* bleiben ihre potenziellen Opfer – Männer stürzen sich unbewusst auf die Frauen*, die sie mit dem Mythos gleichsetzen; Frauen* versinken wieder im Schatten, damit eine aggressive Haltung nicht wieder den Mythos in ihnen selbst wachruft. Der Mythos muss bewusst als solcher zurückgewiesen und die Schwarze Frau* in ihren wahren historischen Konturen wiedererkannt werden. Wir, die Schwarzen Frauen* von heute, müssen das ganze Gewicht des blutigen Vermächtnisses annehmen, das unsere in Ketten gelegte Mütter* uns hinterlassen haben. Unser Kampf ist zwar identisch 48 Du Bois: Darkwater, S. 185.

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im Geiste, spiegelt jedoch unterschiedliche Bedingungen wider und impliziert somit unterschiedliche Kampfwege. Aber als Erbinnen* einer Tradition höchsten Durchhaltevermögens und heroischen Widerstands, müssen wir uns darum bemühen, unseren Platz dort einzunehmen, wo sich unsere Brüder und Schwestern* in Richtung Freiheit bewegen.

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3. The Combahee River Collective Ein Schwarzes feministisches Statement (1977) Übersetzt von Melody Makeda Ledwon

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Wir sind ein Kollektiv Schwarzer Feministinnen*, das sich seit 1974 trifft. Seitdem befinden wir uns im Prozess, unsere politische Haltung zu definieren und zu verdeutlichen, und engagieren uns zugleich politisch innerhalb unserer eigenen Gruppe sowie in Bündnissen mit anderen progressiven Organisationen und Bewegungen. Im Allgemeinen kann unsere derzeitige politische Haltung folgendermaßen beschrieben werden: Wir setzen uns aktiv dafür ein, gegen rassistische, sexistische, heterosexistische und klassistische Unterdrückung zu kämpfen, und sehen es als unsere spezielle Aufgabe, eine integrierte Analyse und Praxis zu entwickeln, die auf der Tatsache beruht, dass die Hauptunterdrückungssysteme miteinander verschränkt sind. Unsere Lebensbedingungen entstehen aus der Synthese dieser Unterdrückungsformen. Schwarzer Feminismus ist für uns als Schwarze Frauen* die logische politische Bewegung, um die vielschichtigen und gleichzeitig wirkenden Unterdrückungsformen, mit denen alle Frauen* of Color konfrontiert sind, zu bekämpfen. In diesem Statement setzten wir uns mit vier Hauptthemen auseinander: 1. Die Entstehungsgeschichte des zeitgenössischen Schwarzen Feminismus, 2. Woran wir glauben z.B. die spezifischen Aspekte unserer politischen Haltung und Praxis, 3. Die Herausforderungen bei der gemeinsamen aktivistischen Arbeit Schwarzer Feministinnen*, einschließlich einer kurzen Geschichte unseres Kollektivs und 4. Schwarze feministische Themen und Handlungspraxen.

1. Die Entstehungsgeschichte des zeitgenössischen Schwarzen Feminismus Bevor wir uns den aktuellen Entwicklungen des Schwarzen Feminismus widmen, möchten wir bestärken, dass wir unsere Ursprünge in der historischen Realität des kontinuierlichen Überlebens- und Befreiungskampfes afroamerikanischer Frauen* sehen. Die extrem negative Beziehung zwischen Schwarzen Frauen* und dem politischen System der USA – einem weißen männlichen Herrschaftssystem – wurde immer durch unsere Zugehörigkeit zu zwei unterdrückten Kategorien, Race und Gender bestimmt. In »Reflexionen über die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten

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Community« weist Angela Davis darauf hin, dass Schwarze Frauen* immer, auch wenn nur auf physischer Ebene, eine gegnerische Haltung gegenüber dem weißen männlichen Herrschaftssystem verkörpert haben und auf dramatische und subtile Weise aktiv Widerstand gegen Übergriffe auf sich und ihre Communitys geleistet haben. Es gab schon immer Schwarze Aktivistinnen* – einige bekannte wie Sojourner Truth, Harriet Tubman, Frances E.W. Harper, Ida B. Wells-Barnett und Mary Church Terrell und tausende und abertausende unbekannte –, die das Bewusstsein darüber teilten, wie die Verflechtung ihrer Gender- und Race-Identität ihre ganze Lebenssituation und den Fokus ihrer politischen Kämpfe einzigartig machten. Zeitgenössischer Schwarzer Feminismus ist aus den persönlichen Opfern, dem Kampfgeist und der Arbeit unzähliger Generationen von Müttern* und Schwestern* gewachsen. Die offensichtlichste Entwicklung einer Schwarzen feministischen Präsenz entstand Ende der 60er-Jahre in Verbindung mit der zweiten Welle der US-amerikanischen Frauen*bewegung. Seit Beginn der feministischen Bewegung waren Schwarze Frauen*, Frauen* des Globalen Südens und Arbeiterinnen* daran beteiligt, jedoch machten reaktionäre Einflüsse von außen sowie Rassismus und Elitismus aus den eigenen Reihen ihre Beteiligung unsichtbar. Aus der Notwendigkeit heraus bildeten Schwarze Feministinnen* – hauptsächlich aus New York –1973 eine separate Schwarze feministische Gruppe, aus der später die National Black Feminist Organization (NBFO) entstand. Schwarze feministische Politik hat auch eine unverkennbare Verbindung zu den Schwarzen Befreiungsbewegungen, besonders zu denen der 60er- und 70er-Jahre. Viele von uns engagierten sich in diesen Bewegungen (in der Bürgerrechtsbewegung, im Schwarzen Nationalismus, bei den Black Panthers), deren Ideologien, Ziele und Strategien, diese Ziele zu erreichen, unser Leben stark beeinflusst haben. Sowohl unsere Erfahrungen und Desillusionierung innerhalb dieser Bewegungen als auch unsere Erfahrungen an der Peripherie der weißen männlichen Linken führten uns zu einer politischen Haltung und Praxis, die im Gegensatz zu der weißer Frauen* antirassistisch und im Gegensatz zu der Schwarzer und weißer Männer antisexistisch war.

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Es ist unbestreitbar, dass die Entstehungsgeschichte des Schwarzen Feminismus auch eine persönliche ist, d.h. dass eine politische Erkenntnis aus den scheinbar persönlichen Erfahrungen individueller Schwarzer Frauen* entstanden ist. Schwarze Feministinnen* und zahlreiche Schwarze Frauen*, die sich nicht als Feministinnen* bezeichnen, sind alle mit permanenter sexistischer Unterdrückung in unserem tagtäglichen Leben vertraut. Bevor sich ein Bewusstsein über Genderpolitiken, patriarchale Herrschaft und vor allem Feminismus entwickelt, sprechen Schwarze Feministinnen* oft von dem Gefühl des Verrücktseins. Feminismus ist die politische Analyse und Praxis, die wir Frauen* nutzen, um gegen unsere Unterdrückung zu kämpfen. Da rassistische Politik und Rassismus allgegenwärtig in unseren Leben sind, war es uns bislang nicht möglich und ist es den meisten Schwarzen Frauen* noch immer nicht möglich, sich mit unseren Erfahrungen tiefgründiger auseinanderzusetzen und die Dinge, die unser Leben ausmachen und unsere Unterdrückung spezifisch machen, zu benennen. Im Prozess der Bewusstseinsbildung, eigentlich im Teilen unserer Lebenserfahrungen, begannen wir, die Gemeinsamkeiten unserer Erfahrungen zu erkennen und auf dieser Grundlage eine politische Haltung und Praxis zu schaffen, die unser Leben verändern und zwangsläufig die Unterdrückung, mit der wir konfrontiert sind, beenden werden. Unsere Entwicklung muss auch mit der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Position Schwarzer Menschen verknüpft werden. Schwarze Jugendliche der Nachkriegsgeneration konnten zum ersten Mal bestimmte Bildungs- und Arbeitsoptionen begrenzt wahrnehmen, die Schwarzen Menschen zuvor komplett verschlossen waren. Obwohl unsere ökonomische Position weiterhin den untersten Rang in der kapitalistischen USamerikanischen Wirtschaft belegt, haben eine Handvoll von uns aufgrund einer Alibipolitik in der Bildung und Arbeitswelt Fertigkeiten erlangt, die unseren Kampf gegen Unterdrückung möglicherweise effektiver machen könnten. Zunächst brachte uns eine gemeinsame anti-rassistische und antisexistische Positionierung zusammen und als sich unser politisches Be-

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wusstsein weiterentwickelte, setzten wir uns mit Heterosexismus und Klassismus im Kapitalismus auseinander.

2. Woran wir glauben Unsere politische Haltung und Praxis entstanden vor allem aus der gemeinsamen Auffassung, dass Schwarze Frauen* inhärent wertvoll seien. Unsere Befreiung ist eine Notwendigkeit und zwar nicht als Attribut anderer, sondern weil wir ein menschliches Bedürfnis nach Autonomie haben. Das mag so selbstverständlich scheinen, wie es einfach klingt, aber es ist offensichtlich, dass keine andere vermeintlich progressive Bewegung unsere spezielle Unterdrückung jemals als Priorität gesehen hat oder sich ernsthaft damit beschäftigt hätte, sie zu beenden. Die bloße Nennung abwertender Stereotype, die Schwarzen Frauen* zugeschrieben werden (›Mammy*‹, ›Matriarchin*‹, ›Sapphire*‹, ›Hure*‹, ›Kampflesbe*‹), ganz zu schweigen von der Katalogisierung der grausamen, oft mörderischen Behandlung, die wir erfahren, zeigt, wie wenig Wertschätzung unseren Leben in vier Jahrhunderten Versklavung in der westlichen Welt entgegengebracht wurde. Uns ist bewusst, dass wir die einzigen Menschen sind, denen wir wichtig genug sind, um beständig für unsere Befreiung zu kämpfen. Unsere politische Haltung und Praxis entwickeln sich aus einer gesunden Liebe zu uns selbst, zu unseren Schwestern* und unseren Communitys, was uns ermöglicht, unseren Kampf und unsere Arbeit fortzuführen. Das Konzept der Identitätspolitik bildet die Grundlage für den Fokus auf unsere eigene Unterdrückung. Wir glauben, dass eine tiefgehende und möglicherweise die radikalste politische Haltung direkt aus unserer eigenen Identität heraus entsteht und nicht aus dem Kampf gegen die Unterdrückung anderer Menschen. Bei Schwarzen Frauen* ist dies ein besonders abstoßendes, gefährliches und bedrohliches und daher ein revolutionäres Konzept. Die politischen Bewegungen, die der unseren vorausgingen, stuften die Befreiung aller anderen ganz offensichtlich würdiger als die unsrige ein. Wir lehnen es ab, auf Podeste gestellt zu werden, als Königinnen* behandelt zu werden sowie zehn Schritte hinter

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anderen zu laufen. Es reicht uns aus, wenn uns andere als gleichwertige Menschen begegnen. Wir glauben, dass Genderpolitik im Patriarchat das Leben Schwarzer Frauen* genauso stark durchdringt wie Race- und Klassenpolitik. Uns fällt es oft schwer, rassistischer von klassistischer und von sexistischer Unterdrückung zu trennen, da wir diese Diskriminierungsformen in unserem Leben meistens gleichzeitig erfahren. Wir wissen, dass es rassistischsexistische Unterdrückung gibt, die weder nur rassistisch noch nur sexistisch ist, wie beispielsweise die Geschichte der Vergewaltigung Schwarzer Frauen* als Waffe politischer Repression durch weiße Männer. Auch wenn wir Feministinnen* und Lesben* sind, sind wir solidarisch mit progressiven Schwarzen Männern und setzen uns nicht für eine von weißen Separatist*innen geforderte Abspaltung ein. Unsere Lebensrealität als Schwarze Menschen erfordert, dass wir Solidarität rund um Race aufbauen, eine Notwendigkeit, die zwischen weißen Frauen* und weißen Männern selbstverständlich nicht erforderlich ist, außer es handelt sich um eine negative Solidarität als rassistische Unterdrücker*innen. Wir kämpfen gemeinsam mit Schwarzen Männern gegen Rassismus während wir auch gegen den Sexismus Schwarzer Männer kämpfen. Uns ist bewusst, dass die Befreiung aller unterdrückten Völker sowohl die Zerstörung der politisch-wirtschaftlichen Systeme des Kapitalismus und Imperialismus als auch die Zerstörung des Patriarchats erfordert. Wir sind Sozialistinnen*, weil wir glauben, dass Arbeit für den kollektiven Nutzen derjenigen strukturiert sein sollte, die Arbeit leisten und die Produkte herstellen, und nicht für den Profit der Firmenchefs. Materielle Ressourcen müssen gleichmäßig unter denjenigen verteilt werden, die diese produziert haben. Allerdings sind wir nicht davon überzeugt, dass eine sozialistische Revolution, die nicht auch eine feministische und anti-rassistische Revolution ist, unsere Befreiung gewährleisten wird. Wir sehen die Notwendigkeit, ein Verständnis für die Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Klassen zu entwickeln, welches die spezifische Position Schwarzer Frauen*, die in der Arbeitswelt grundsätzlich marginalisiert werden, mitdenkt, während gleichzeitig einige von uns, die als Angestellte und Fachkräfte arbeiten, einer doppelten Last ausge-

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setzt sind, da zudem auch erwartet wird, dass wir Alibi-Rollen erfüllen. Wir müssen die reale Klassensituation jener Menschen zum Ausdruck bringen, die nicht lediglich nicht-rassifizierte und nicht-gegenderte Arbeitende sind, sondern Personen, für die rassistische und sexistische Unterdrückung wesentliche Bestimmungsfaktoren ihres Arbeitslebens sind. Auch wenn wir im Wesentlichen mit Marx’ Theorie, in Bezug auf die spezifischen wirtschaftlichen Zusammenhänge seiner Analyse, übereinstimmen, muss diese Analyse weiter ausgebaut werden, um unsere spezielle wirtschaftliche Situation als Schwarze Frauen* verständlich machen zu können. Einer der politischen Beiträge, die wir bereits geleistet haben, ist die Erweiterung des feministischen Prinzips, dass das Persönliche politisch ist. Zum Beispiel haben wir in unseren bewusstseinsbildenden Seminaren in vielerlei Hinsicht die Erkenntnisse weißer Frauen* übertroffen, da wir uns mit den Auswirkungen von Race, Klasse und Gender konfrontiert sehen. Selbst die Art und Weise, wie Schwarze Frauen* über das Erlebte in Schwarzer Sprache sprechen, das Testifying1, hat eine kulturelle sowie politische Resonanz. Wir haben viel Energie aufgebracht, um die kulturellen und erfahrungsbedingten Aspekte unserer Unterdrückung zu erforschen, da diese Themen bisher nicht untersucht wurden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich niemand mit der vielschichtigen Lebensstruktur Schwarzer Frauen* beschäftigt. Wie bereits erwähnt lehnen wir den lesbischen* Separatismus ab, weil er keine tragfähige politische Analyse oder Strategie für uns ist und zu viele(s), insbesondere Schwarze Männer, Frauen* und Kinder, ausgrenzt. Wir kritisieren und verabscheuen, wie Männer in dieser Gesellschaft sozialisiert werden: was sie unterstützen, wie sie sich verhalten und wie 1

Anm. d. Übers.: ›Testifying‹ wird oft als eine religiöse und gemeinschaftliche Handlung verstanden. Laut Rita Dove ist ›Testifying‹ eine Tradition in der afroamerikanischen Kirche, die die mutige und demütigende Handlung vor der Community die eigene Seele zu offenbaren und Zeugnis abzulegen beschreibt. Die Person, die ›testified‹ schenkt denen Anerkennung, die ihr Kraft gegeben haben. Siehe dazu: African-American Folklore. An Enyclopedia for Students, Hrsg. v. Anand Prahlad. Santa Barbara, CA: Greenwood 2016..

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sie unterdrücken. Aber wir teilen nicht die fehlgeleitete Vorstellung, dass ihre Männlichkeit an sich, d.h. ihre Körperlichkeit, ihr Verhalten bestimmt. Als Schwarze Frauen* sehen wir jede Form von biologischem Determinismus als eine besonders gefährliche und reaktionäre Basis, um eine politische Haltung und Praxis zu entwickeln. Zudem sollten wir uns auch fragen, ob lesbischer* Separatismus eine adäquate und progressive politische Analyse und Strategie ist, sogar für diejenigen, die diesen vertreten, da alle Unterdrückungsauslöser bis auf die sexistischen, und somit auch die Existenz von Race- und Klassenstrukturen, vollkommen geleugnet werden.

3. Herausforderungen bei der aktivistischen Arbeit Schwarzer Feministinnen* Während unserer gemeinsamen Zeit als Schwarzes feministisches Kollektiv haben wir Erfolge und Niederlagen, Freude und Schmerz, Siege und Misserfolge erlebt. Wir mussten feststellen, dass es sehr schwierig ist, zu Schwarzen feministischen Themen zu arbeiten. In einigen Kontexten war es sogar schwierig, uns als Schwarze Feministinnen* zu bezeichnen. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, was die Gründe für diese Schwierigkeiten sein könnten, insbesondere weil die weiße Frauen*bewegung weiterhin stark ist und sich in viele verschiedene Richtungen entwickelt. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit einigen der allgemeinen Gründe für die Probleme, mit denen wir uns konfrontiert sehen, und thematisieren gezielt, welche Phasen wir bei der Organisation unseres Kollektivs durchlaufen haben. Die Hauptursache für die Schwierigkeiten, die uns in unserer politischen Arbeit begegnen, ist der Versuch, Unterdrückung nicht nur an einer oder sogar zwei Fronten zu reflektieren, sondern uns mit einer ganzen Bandbreite von Unterdrückungsformen zu befassen. Wir haben keine rassistischen, sexistischen, heterosexistischen oder klassistischen Privilegien und können uns daher nicht auf diese verlassen, noch haben wir auch nur minimalen Zugang zu den Ressourcen und der Macht, die Gruppen mit nur einem dieser Privilegien besitzen.

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Die psychische Belastung, die es mit sich bringt, eine Schwarze Frau* zu sein, und die damit verbundenen Schwierigkeiten, ein politisches Bewusstsein zu erlangen und politische Arbeit zu leisten, sollten nicht unterschätzt werden. Die Psyche Schwarzer Frauen* hat einen sehr niedrigen Stellenwert in dieser zugleich rassistischen und sexistischen Gesellschaft. Eines unserer ersten Gruppenmitglieder sagte einmal: »Wir haben alle Schäden erlitten nur aufgrund der Tatsache, dass wir Schwarze Frauen* sind«. Wir sind auf psychologischer Ebene und auch in jeder anderen Hinsicht beraubt worden und trotzdem halten wir es für notwendig, dafür zu kämpfen, unsere Situation und die aller Schwarzer Frauen* zu verändern. In A Black Feminist’s Search for Sisterhood zieht Michele Wallace folgende Schlussfolgerung: Wir existieren als Frauen*, die Schwarz sind, die Feministinnen* sind. Jede*r sitzt zurzeit fest, unabhängig voneinander arbeitend, da es noch keinen Raum in dieser Gesellschaft gibt, der in geringster Weise unseren Kampf unterstützt. Sich am unteren Ende der Gesellschaft zu befinden, bedeutet, dass wir das leisten müssten, was sonst keine*r geleistet hat: Wir müssten gegen die Welt kämpfen.2

Wallace’ Einschätzung über die Position Schwarzer Feministinnen* ist nicht pessimistisch, sondern realistisch, besonders in Bezug auf die fast klassische Isolation, mit der die meisten von uns konfrontiert sind. Allerdings könnten wir unsere Position am unteren Ende der Gesellschaft nutzen, um einen eindeutigen Sprung ins revolutionäre Handeln zu wagen. Wenn Schwarze Frauen* frei wären, würde dies bedeuten, dass alle anderen auch frei sein müssten, da unsere Freiheit die Zerstörung aller Unterdrückungssysteme erfordert. Feminismus ist trotz allem sehr bedrohlich für die meisten Schwarzen Menschen, da er einige der grundlegendsten Annahmen über unsere Existenz infrage stellt, zum Beispiel, dass Gender ein bestimmender Faktor in Machtverhältnissen sein sollte. Männer- und Frauen*rollen wurden in einer Schwarzen nationalistischen Broschüre wie folgt definiert: 2

Michele Wallace: »A Black Feminist’s Search for Sisterhood«. In: Village Voice, 1975, S. 6-7.

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Wir wissen, dass es Tradition war und ist, dass der Mann das Familienoberhaupt ist. Er führt die Familie / Nation, da sein Wissen über die Welt umfassender, sein Bewusstsein größer, sein Verständnis tiefer und seine Anwendung dieser Informationen klüger ist … Schließlich liegt es auf der Hand, dass der Mann das Familienoberhaupt ist, da er in der Lage ist, sein Zuhause zu verteidigen und zu schützen … Frauen* können nicht die gleichen Dinge tun wie Männer – die Natur gibt vor, dass sie anders funktionieren. Die Gleichstellung von Männern und Frauen* kann selbst in einer abstrakten Welt nicht erfolgen. Nicht alle Männer sind gleich, d.h. in Bezug auf ihre Fähigkeiten, ihre Erfahrungen oder sogar ihr Verständnis. Der Stellenwert von Männern und Frauen* ist vergleichbar zu dem von Gold und Silber – ihre Wertigkeit ist nicht gleich, aber sie sind beide sehr wertvoll. Wir müssen uns bewusst werden, dass Männer und Frauen* sich gegenseitig ergänzen, weil es kein Zuhause / keine Familie gibt ohne einen Mann und seine Ehefrau*. Beide sind essenziell für die Entwicklung von jeglichem Leben.3

Die materiellen Konditionen im Leben der meisten Schwarzen Frauen* werden wohl kaum dazu führen, dass sie die derzeitigen wirtschaftlichen und gegenderten Arrangements, die etwas Stabilität in ihren Leben darzustellen scheinen, ins Kippen bringen werden. Viele Schwarze Frauen* haben ein gutes Verständnis von Sexismus und Rassismus, doch der Druck, den sie in ihrem Lebensalltag verspüren, hält sie davon ab, das Risiko einzugehen, gegen beides anzukämpfen. Die Reaktion von Schwarzen Männern auf Feminismus ist bekanntlich sehr negativ. Sie fühlen sich selbstverständlich noch mehr als Schwarze Frauen* bedroht davon, dass wir Schwarze Feministinnen* uns möglicherweise für unsere Bedürfnisse einsetzen. Sie stellen fest, dass sie nicht nur bedeutende und hart arbeitende Verbündete verlieren würden, sondern dass sie auch möglicherweise gezwungen wären, ihren sexistischen Habitus gegenüber Schwarzen Frauen* zu ändern. Die Vorwürfe, dass Schwarzer Feminismus* den Schwarzen Befreiungskampf spalte, wirken als einflussreiches Abschreckungsmittel gegen das Wachstum einer autonomen Schwarzen Frauen*bewegung. 3

Muminas of Committe for United Newark: Mwanamke Mwananchi (The Nationalist Woman). Newark, NJ 1971, S. 4-5.

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Und trotzdem haben sich hunderte Frauen* während der dreijährigen Existenz unserer Gruppe zu verschiedenen Zeiten aktiv beteiligt. Und jede Schwarze Frau*, die gekommen war, kam, weil sie ein starkes Bedürfnis verspürte, Möglichkeiten in ihrem Leben zu schaffen, die zuvor nicht existierten. Als wir uns zum ersten Mal nach der ersten NBFO-Regionalkonferenz Ost zu Beginn des Jahres 1974 trafen, hatten wir keine Strategie für unsere aktivistische Arbeit oder gar einen Fokus. Wir wollten erst einmal schauen, was wir mitgebracht hatten. Nach einigen Monaten, in denen wir uns nicht trafen, begannen wir mit einer intensiven und vielfältigen Bewusstseinsbildung. Wir hatten das überwältigende Gefühl, uns nach vielen Jahren endlich gefunden zu haben. Auch wenn wir nicht gemeinsam als Gruppe politisch aktiv waren, waren Einzelne von uns in lesbischen* Gruppen, in der Arbeit rund um Sterilisationsmissbrauch, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Aktivitäten zum Internationalen Frauen*tag der Frauen* des Globalen Südens aktiv. Einige leisteten unterstützende Arbeit bei den Gerichtsverfahren von Dr. Kenneth Edelin, Joan Little und Inez Garcia. Während des ersten Sommers, als die Zahl der Mitglieder erheblich zurückging, sprachen diejenigen von uns, die blieben, ernsthaft über die Errichtung eines Frauen*hauses in einer der Schwarzen Nachbarschaften. (Es gab zu der Zeit kein Frauen*haus in Bosten). Wir entschieden uns zu diesem Zeitpunkt auch dazu, ein unabhängiges Kollektiv zu werden, da wir ernsthafte Unstimmigkeiten mit der elitären feministischen Haltung der NBFO und dem fehlenden klaren politischen Fokus der Organisation wahrnahmen. In diesem Zeitraum kontaktierten uns auch sozialistische Feministinnen*, mit denen wir gemeinsam zum Thema Recht auf Schwangerschaftsabbruch gearbeitet hatten. Sie wollten uns dafür begeistern, die National Socialist Feminist Conference in Yellow Springs zu besuchen. Eines unserer Mitglieder nahm an der Konferenz teil. Auch wenn die Ideologie, die dort vertreten wurde, begrenzt war, wurde uns die Notwendigkeit, unsere eigene ökonomische Situation zu verstehen und unsere eigene ökonomische Analyse zu entwickeln, bewusster.

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The  Combahee  River  Collective

Als im Herbst einige Mitglieder wiederkehrten, waren wir einige Monate verhältnismäßig inaktiv und hatten innerhalb der Gruppe einige Meinungsverschiedenheiten, die zuerst als eine Spaltung zwischen lesbischen* und heterosexuellen Mitgliedern verstanden wurde, jedoch auch die Folge von Klassenunterschieden und politischen Differenzen waren. Während des Sommers hatten diejenigen, die sich noch trafen, entschieden, dass es wichtig sei, politische Arbeit zu leisten, über Bewusstseinsbildung hinauszugehen und nicht mehr ausschließlich als emotionale Unterstützungsgruppe zu dienen. Als Anfang 1976 einige Frauen*, die kein Interesse an politischer Arbeit hatten und auch Meinungsverschiedenheiten äußerten, aus eigenem Antrieb entschieden, die Gruppe zu verlassen, suchten wir wieder nach einem Fokus. Wir entschieden uns dann mit der Erweiterung der Gruppe um neue Mitglieder, eine Lerngruppe zu werden. Wir hatten schon immer Texte miteinander geteilt und einige von uns hatten wenige Monate zuvor über Schwarzen Feminismus geschrieben, um das Geschriebene dann mit der Gruppe zu diskutieren. Wir begannen, als Lerngruppe zu fungieren, und sprachen darüber, eine Schwarze feministische Publikation herauszugeben. Im Frühsommer organisierten wir ein Retreat, das uns Raum für politische Diskussion und auch für die Bearbeitung unserer zwischenmenschlichen Konflikte bot. Derzeit haben wir vor, eine Kollektion Schwarzer feministischer Texte zu erstellen. Wir glauben, dass es unbedingt erforderlich ist, anderen Schwarzen Frauen* die Realität unserer politischen Haltung und Praxis zu veranschaulichen und dass wir dies durch das Schreiben und Verbreiten unserer Texte erreichen können. Aufgrund der Tatsachen, dass einzelne Schwarze Frauen* im ganzen Land isoliert leben, wir zahlenmäßig nur wenige sind und einige von uns Schreib- und Redaktionserfahrungen und Kenntnisse im Verlagswesen haben, möchten wir Projekte realisieren, die Schwarze Feministinnen* verbinden, und uns gleichzeitig weiter mit anderen Gruppen zusammenschließen und politisch engagieren.

Ein  Schwarzes  feministisches  Statement

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4. Schwarze Feministische Themen und Handlungspraxen Während unserer gemeinsamen Zeit haben wir viele Themen identifiziert und bearbeitet, die besonders relevant für Schwarze Frauen* sind. Aufgrund des inklusiven Ansatzes unserer politischen Haltung und Praxis beschäftigt uns jede Situation, die in das Leben von Schwarzen Frauen*, Frauen* des Globalen Südens und arbeitenden Menschen eingreift. Selbstverständlich engagieren wir uns besonders bei den Kämpfen, wo Race, Gender und Klasse gleichzeitig in Bezug auf Unterdrückung wirken. Wir könnten beispielsweise in einer Fabrik, die Frauen* des Globalen Südens beschäftigt, politisch aktiv werden, vor einem Krankenhaus, welches eine bereits unzureichende Versorgung für Communitys des Globalen Südens kürzt, Streikposten aufstellen oder eine Kriseneinrichtung für Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, in einer der Schwarzen Nachbarschaften eröffnen. Ein weiterer Fokus unserer politischen Arbeit könnten auch Sozialhilfe oder Kinderbetreuung sein. Die Arbeit, die uns bevorsteht, und die unzähligen Aspekte, die zu dieser Arbeit gehören, zeigen lediglich, wie allgegenwärtig unsere Unterdrückung ist. Themen und Projekte, zu denen Mitglieder unseres Kollektivs gearbeitet haben, sind Sterilisationsmissbrauch, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt und Gesundheitsversorgung. Des Weiteren haben wir viele Workshops und andere Bildungsarbeit zu Schwarzem Feminismus an Universitäten, bei Frauen*konferenzen und jüngst auch für Frauen* an Oberschulen angeboten. Ein Thema, welches uns ein großes Anliegen ist und welches wir begonnen haben, in öffentlichen Räumen anzusprechen, ist Rassismus in der weißen Frauen*bewegung. Als Schwarze Feministinnen* wird uns ständig schmerzlich bewusst gemacht, wie wenig sich weiße Frauen* bemüht haben, ihren Rassismus zu verstehen und zu bekämpfen. Dies erfordert unter anderem, dass sie ein tieferes Verständnis von Race, Hautfarben und Schwarzer Geschichte und Kultur entwickeln. Rassismus in der weißen Frauen*bewegung zu eliminieren, ist per Definition Arbeit, die weiße Frauen* leisten müssen. Wir werden das Thema jedoch weiterhin ansprechen und weiße Frauen* in die Verantwortung nehmen.

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The  Combahee  River  Collective

In der Praxis unserer politischen Haltung glauben wir nicht, dass der Zweck immer die Mittel heiligt. Viel reaktionäres und destruktives Verhalten wurde im Namen von ›korrekten‹ politischen Zielen verteidigt. Als Feministinnen* wollen wir eine politische Haltung und Praxis nicht dazu nutzen, um Menschen Unrecht anzutun. Wir glauben an einen kollektiven Prozess und flache Hierarchien innerhalb unserer eigenen Gruppe und auch in unserer Vision einer revolutionären Gesellschaft. Es ist uns wichtig, unsere politische Haltung kontinuierlich zu überprüfen und durch Kritik und Selbstkritik zu einem wesentlichen Aspekt unserer Praxis zu entwickeln. Als Schwarze Feministinnen* und Lesben* wissen wir, dass wir eine sehr bestimmte revolutionäre Aufgabe haben. Wir sind bereit für die lebenslange Arbeit und den Kampf, die uns bevorstehen.

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4. bell hooks Schwarze Frauen* und Feminismus (1982) Übersetzt von Katja Rameil

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bell  hooks

Mehr als einhundert Jahre sind seit dem Tag vergangen, als Sojourner Truth auf einer öffentlichen Veranstaltung in Indiana gegen die Versklavung vor der versammelten Zuhörer*innenschaft aus weißen Frauen* und Männern ihre Brüste entblößte, um zu beweisen, dass sie wirklich eine Frau* war.1 Für Sojourner, die von der Versklavung zur Freiheit einen langen Weg zurückgelegt hatte, war das Zeigen ihrer Brüste keine große Sache. Ohne Angst und Scham stellte sie sich ihrem Publikum, stolz da­ rauf, Schwarz und als Frau* geboren zu sein. Der weiße Mann jedoch, der Sojourner anbrüllte: »Ich glaube nicht, dass du wirklich eine Frau bist«, verlieh damit unbewusst der Verachtung und Geringschätzung, die der Schwarzen Weiblichkeit* in den Vereinigten Staaten entgegengebracht wurde, eine Stimme. In den Augen der weißen Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts war es eine Schwarze Frau* nicht wert, als Frau* bezeichnet zu werden; sie wurde nur als Objekt betrachtet, als Ding, als Tier. Als Sojourner Truth 1851 in Akron, Ohio, vor die zweite Jahresversammlung der Frauen*rechtsbewegung trat, hielten es einige weiße Frauen* für unpassend, dass eine Schwarze Frau* auf einer öffentlichen Plattform in ihrer Gegenwart sprechen sollte, und riefen: »Don’t let her speak! – Lasst sie nicht reden!«. Sojourner ließ sich von ihren Protesten nicht einschüchtern und wurde eine der ersten Feministinnen*, die sie auf das Los der Schwarzen versklavten Frau* aufmerksam machte. Durch die Umstände gezwungen, an der Seite Schwarzer Männer arbeiten zu müssen, war sie der lebende Beweis dafür, dass Frauen* und Männer gleichwertige Arbeit verrichten konnten. Es war kein Zufall, dass Sojourner Truth auf die Bühne treten durfte, nachdem sich ein weißer Mann gegen die Idee der Gleichberechtigung ausgesprochen hatte, wobei er seine Argumentation auf die Annahme stützte, die Frau* sei zu schwach, um ihren Anteil an manueller Arbeit zu erbringen – sie sei dem Mann nun einmal von Natur aus körperlich unterlegen. Sojourner zögerte nicht, seine Begründung aufzugreifen, und verkündete ihrem Publikum: 1

Anmerkung der Herausgeberin: bell hooks verzichtet im Original auf Quellenangaben.

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[…] Nun, Kinder, wo so viel Lärm gemacht wird, kann irgendwas nicht stimmen. Ich glaube, dass angesichts der Schwarzen im Süden und der Frauen* im Norden, dass wegen all dem Lärm um deren Rechte der weiße Mann bald ganz schön in der Klemme sitzen wird. Aber wovon reden wir hier eigentlich die ganze Zeit? Der Mann sagt, dass Frauen* beim Einsteigen in eine Kutsche geholfen werden müsse, und auch beim Überqueren von Gräben und dass ihnen überall der beste Platz zustehe. […] Bin ich etwa keine Frau*? Sehen Sie mich an! Sehen Sie sich meinen Arm an! Ich habe gepflügt, gepflanzt und die Ernte eingebracht, und kein Mann hat mir gesagt, was zu tun war! Bin ich etwa keine Frau*? Ich konnte so viel arbeiten und so viel essen wie ein Mann – wenn ich genug bekam – und die Peitsche konnte ich genauso gut ertragen! Bin ich etwa keine Frau*? Ich habe dreizehn Kinder geboren und erlebt, wie die meisten von ihnen in die Versklavung verkauft wurden, und wenn ich um sie weinte, hörte mich keiner außer Jesus! Bin ich etwa keine Frau*?2

Anders als die meisten weißen Frauen*rechtlerinnen* konnte Sojourner Truth anhand ihrer eigenen persönlichen Lebenserfahrung nachweisen, dass eine Frau* sehr wohl in der Lage war, Kinder großzuziehen, die gleiche Arbeit wie ein Mann zu verrichten, Verfolgung, körperliche Misshandlung, Vergewaltigung und Folter zu erleiden und nicht nur zu überleben, sondern triumphierend daraus hervorzugehen. Sojourner Truth war nicht die einzige Schwarze Frau*, die sich für die soziale Gleichstellung von Frauen* einsetzte. Ihr Eifer, sich trotz der Ablehnung und des Widerstandes öffentlich für die Rechte von Frauen* einzusetzen, ebnete auch für andere politisch gesinnte Schwarze Frauen* den Weg, ihren Ansichten Ausdruck zu verleihen. Die US-amerikanische Geschichtsschreibung war und ist derart von Sexismus und Rassismus geprägt, dass bei Darstellungen der Frauen*rechtsbewegungen in den USA das Engagement Schwarzer Frauen* bis heute gern übersehen wird. Auch von weißen Akademikerinnen* und Befürworterinnen* der feministischen Ideologie wird der Beitrag Schwarzer Frauen* ignoriert. In zeitgenössischen Arbeiten wie The Remembered Gate: Origins of American Feminism von Barbara Berg, Herstory von June Sochen, Hidden from History von Sheila Rowbothan und The Women’s Movement von Barbara Deckard, um nur einige zu nennen, 2

Vgl. diesen Band, S. 18.

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wird die Rolle Schwarzer Frauen* im 19. Jahrhundert als Verfechterinnen* der Frauen*rechte mit keiner Silbe erwähnt. Eleanor Flexners 1959 erstmals veröffentlichtes Buch Century of Struggle ist und bleibt eine der sehr wenigen historischen Arbeiten in Buchlänge über die Frauen*rechtsbewegung, in der die Beteiligung Schwarzer Frauen* dokumentiert ist. Die meisten Frauen*, die an der jüngsten Bewegung in Richtung einer feministischen Revolution beteiligten waren, gehen davon aus, dass bisher jeder feministische Widerstand gegen männlichen Chauvinismus in der US-amerikanischen Gesellschaft von weißen Frauen* ausging, und meinen zudem, Schwarze Frauen* seien nicht an der Befreiung der Frau* inte­ ressiert. Es stimmt zwar, dass an der Spitze aller Bewegungen, die in der US-amerikanischen Gesellschaft eine feministische Revolution verfolgt haben, weiße Frauen* standen, doch zeugt deren Dominanz weniger vom Desinteresse Schwarzer Frauen* am feministischen Kampf als vielmehr davon, dass es Schwarzen Frauen* in den Vereinigten Staaten aufgrund der Kolonialpolitik und des rassistischen Imperialismus historisch nicht möglich war, eine Frauen*bewegung anzuführen. Die Schwarzen Frauen* des 19. Jahrhunderts kannten sexistische Unterdrückung weitaus besser, als es für jede andere Gruppe von Frauen* in der US-amerikanischen Gesellschaft jemals der Fall war. Sie waren nicht nur die Gruppe von Frauen*, die am stärksten sexistischer Diskriminierung und sexistischer Unterdrückung ausgeliefert war, sondern sie waren auch derart machtlos, dass ihr Widerstand selten die Form eines organisierten Kollektivs annehmen konnte. Die Frauen*rechtsbewegung des 19. Jahrhunderts hätte Schwarzen Frauen* ein Forum bieten können, um ihre Missstände anzusprechen, doch wurde ihre umfassende Partizipation an der Bewegung vom Rassismus der weißen Frauen* verhindert. Darüber hinaus diente sie als ernstzunehmende Erinnerung, dass erst der Rassismus bekämpft werden musste, damit Schwarze Frauen* mit gleicher Stimme wie weiße Frauen* zum Thema Frauen*rechte gehört werden konnten. Die Organisationen und Klubs von Frauen* im 19.  Jahrhundert waren nahezu alle nach Hautfarbe getrennt, was aber nicht bedeutete, dass sich Schwarze weibliche* Mitglieder in solchen Gruppen weniger engagiert für Frauen*rechte einsetzten als weiße.

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In der zeitgenössischen Geschichtsschreibung wird das Engagement der Schwarzen Frau* des 19. Jahrhunderts für den Kampf gegen Rassismus eher überbetont, sodass der Eindruck entsteht, ihre antirassistische Arbeit habe sie von der Beteiligung an Frauen*rechtsaktivitäten abgehalten. Ein Beispiel für diese Tendenz ist in June Sochens Arbeit Herstory zu finden, wenn sie ein Kapitel über Organisationen weißer Frauen* mit »The Women’s Movement« betitelt, Organisationen Schwarzer Frauen* hingegen in einem Kapitel mit der Überschrift »Old Problems: Black Americans« abhandelt. Diese Einteilung impliziert, dass die Organisationen Schwarzer Frauen* aus den generellen Anstrengungen Schwarzer Menschen zur Beseitigung des Rassismus hervorgegangen seien und nicht aus ihrer Beteiligung an der Frauen*bewegung. Sochen schreibt: Die Klubs Schwarzer Frauen* waren lokal organisiert und widmeten sich karitativen Diensten und der Bildungsarbeit. In Zweck und Wesen den Klubs weißer Frauen* ähnlich, wurde 1896 die National Association of Colored Women gegründet, die unter der Führung von Mary Church Terrell (1863–1954) innerhalb von vier Jahren in 26 Bundesstaaten mehr als 100.000 Mitglieder verzeichnen konnte. Während ein Ortsverband beispielsweise ein Krankenhaus für Schwarze organisierte, widmete sich ein anderer der Erarbeitung eines Kindergartenprogramms für die Schwarzen Kinder der Community. Als eine der ersten Schwarzen Frauen*, die das Oberlin College abgeschlossen hatte, war Mary Church Terrell eine redegewandte und markante Wortführerin für die Rechte der Schwarzen US-Bevölkerung. Eine außergewöhnliche Person, die ihr langes Leben der Arbeit für die Freiheit der Schwarzen widmete. Wortgewandt setzte sie sich in ihren Reden und Schriften für vielerlei Angelegenheiten ein. Neben ihrer Führungsrolle in der NACW kämpfte Terrell gegen Lynchjustiz, wurde Gründungsmitglied der NAACP und engagierte sich zudem für das Frauen*wahlrecht. Sie vertrat Schwarze Frauen* auf zahlreichen nationalen und internationalen Konferenzen.

Diese Aussagen könnten den Anschein erwecken, dass Mary Church Terrell eine leidenschaftliche Fürsprecherin für die Rechte der Schwarzen US-Bevölkerung war und sich nicht allzu sehr für Frauen*rechte interessierte. Dem war aber nicht so. Als Präsidentin der National Association of Colored Women bemühte sich Mary Church Terrell unermüdlich um

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die Einbeziehung Schwarzer Frauen* in den Kampf für Frauen*rechte. Ein besonderes Anliegen war ihr der Kampf der Frauen* für soziale Gleichstellung im Bildungssektor. Dass es Mary Church Terrell, wie den meisten Schwarzen Frauen*rechtlerinnen*, auch darum ging, die Lage der Schwarzen Bevölkerung insgesamt zu verbessern, beeinträchtigt in keiner Weise die Tatsache, dass ihr Hauptaugenmerk darauf lag, die Rolle der Frau* in der Gesellschaft zu verändern. Hätte sich Terrell als Sprecherin der Schwarzen Bevölkerung insgesamt gesehen, hätte sie wohl kaum A Colored Woman in a White World veröffentlicht, einen Bericht, in dem sie den sozialen Status Schwarzer Frauen* und die Auswirkungen von Rassismus und Sexismus auf ihr Leben erörterte. Keine weiße feministische Historikerin* würde über das Engagement von Lucy Stone, Elizabeth Stanton, Lucretia Mott und anderen für soziale Reformen, die in erster Linie weiße Frauen* betreffen würden, so schreiben, als hätten ihre Bemühungen rein gar nichts mit dem Thema Frauen*rechte zu tun gehabt. Zugleich minimieren Historikerinnen*, die sich selbst als Feministinnen* bezeichnen, immer wieder den Beitrag Schwarzer Frauen*rechtlerinnen, indem sie davon ausgehen, deren Hauptaugenmerk habe ausschließlich Race-orientierten Reformmaßnahmen gegolten. Aufgrund der weißen Vorherrschaft konnten weiße Frauen* Gruppen wie die Women’s Christian Temperance Union, die Young Women’s Christian Association oder die General Federation of Women’s Clubs organisieren, ohne sich explizit auf die Fahnen zu schreiben, dass diese Organisationen ausschließlich weiß waren. Schwarze Frauen* identifizierten sich hingegen mit Bezug auf ihre Race-Zugehörigkeit, indem sie ihre Gruppen Colored Women’s League, National Federation of Afro-American Women und National Association for Colored Women nannten, und weil sie sich auf diese Weise kennzeichneten, gehen Akademiker*innen davon aus, ihr Interesse an der Besserstellung von Schwarzen habe ihre Mitwirkung an den Kämpfen von Frauen* zum Anstoß gesellschaftlicher Reformen überlagert. Tatsächlich waren die Reformverbände Schwarzer Frauen* fest in der Frauen*bewegung verwurzelt. Erst als Reaktion auf den Rassismus weißer Frauen* und die Tatsache, dass die Gesellschaft in den USA auch weiterhin von Apartheid geprägt blieb, begannen Schwarze

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Frauen*, ihr Augenmerk nicht auf alle Frauen*, sondern in erster Linie auf sich selbst zu richten. Die Schwarze Aktivistin Josephine St. Pierre Ruffin bemühte sich um die Zusammenarbeit mit Organisationen weißer Frauen* und kam zu dem Schluss, dass sich Schwarze Frauen* nicht davon abhängig machen durften, von rassistischen weißen Frauen* zur umfassenden Partizipation an der Frauen*reformbewegung ermutigt zu werden; folglich forderte sie, Schwarze Frauen* sollten sich organisieren, um Probleme selbst anzugehen. Bei der First National Conference of Colored Women, die 1895 in Boston stattfand, erklärte sie ihrem Publikum: Die Gründe, warum wir zusammenkommen sollten, sind so offensichtlich, dass es kaum notwendig scheint, sie aufzuzählen, und dennoch verdient jeder einzelne Punkt unsere ernsthafte Betrachtung. Zunächst ist es wichtig, dass wir Freude und Inspiration daran haben, einander zu treffen. Wir müssen den Mut und die neuen Impulse spüren, die aus der Begegnung gleichgesinnter Seelen, jener Menschen, die auf dieselben Ziele hinarbeiten, hervorgehen. Danach müssen wir nicht nur über jene Dinge sprechen, die für uns als Frauen* eine entscheidende Bedeutung haben, sondern auch über solche, die für uns als Schwarze Frauen* von besonderem Interesse sind, wie die Ausbildung unserer Kinder, die freien Stellen für unsere Jungen und Mädchen*, wie sie auf Berufe vorbereitet und wie Beschäftigungsmöglichkeiten für sie gefunden oder aufgetan werden können. Was wir insbesondere hinsichtlich der moralischen Erziehung von rassifizierten Menschen, mit denen wir uns identifizieren, tun können, unsere geistige und körperliche Weiterentwicklung, die Erziehung, die unsere Kinder zuhause erhalten müssen, um sie auf die besonderen Bedingungen vorzubereiten, die sie erwarten, und wie wir das Beste aus unseren in gewisser Weise begrenzten Möglichkeiten machen können – das sind einige der uns eigenen speziellen Fragen, über die es zu sprechen gilt. Dazu kommen noch die allgemeinen aktuellen Fragen, die uns ebenfalls nicht gleichgültig sein können […]

Ruffin forderte Schwarze Frauen*rechtlerinnen* nicht dazu auf, nur für ihre eigenen Verbesserungen einzustehen, sondern bestand darauf, dass sich Schwarze Frauen* organisieren müssten, um eine Frauen*bewegung anführen zu können, die sich den Anliegen aller Frauen* widmet:

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Unsere Frauen*bewegung ist eine Frauen*bewegung, die geführt und gelenkt wird von Frauen* zum Wohle von Frauen* und Männern, zugunsten der gesamten Menschheit, was mehr ist als ein beliebiger Zweig oder Teil davon. Wir wünschen uns, wir fordern das aktive Interesse unserer Männer, und außerdem ziehen wir die ›color line‹ nicht; wir sind Frauen*, US-amerikanische Frauen*, die ebenso interessiert sind an allem, was uns betrifft, wie alle anderen US-amerikanischen Frauen*; wir wenden uns nicht ab und ziehen uns nicht zurück, sondern treten in die vorderste Reihe, und wir sind bereit, anderen bei der gleichen Arbeit zur Seite zu stehen, und laden alle herzlich zu uns ein und begrüßen sie bei uns.

Weitere Schwarze Frauen*rechtlerinnen* griffen Ruffins Gedanken auf. Obwohl Schwarze Frauen* infolge der weißen Vorherrschaft keine Möglichkeit zur Beteiligung in Gruppen mit weißen Frauen* hatten, hielten sie an dem Glauben fest, dass Frauen*rechte nur erreicht werden konnten, wenn sich die Frauen* zusammentaten, um sich als geeinte Front zu präsentieren. Auf dem World Congress of Representative Women verkündete die Schwarze Suffragette Fannie Barrier Williams, dass sich Schwarze Frauen* dem Kampf für Frauen*rechte ebenso verpflichtet fühlten wie jede andere Frauen*gruppe auch. In ihrer Rede gab sie sich überzeugt, dass es enorme Auswirkungen auf die US-amerikanische Kultur hätte, wenn sich Frauen* auf politischer Ebene miteinander solidarisieren würden: Das Potenzial organisierter Frauen* ist eines der interessantesten Themen der modernen Soziologie. Früher wussten Frauen* gedanklich so wenig voneinander, ihre gemeinsamen Interessen waren so oberflächlich und von Klatsch und Tratsch geprägt und ihr Wissen über all die größeren Angelegenheiten der menschlichen Gesellschaft war so dürftig, dass eine gemeinsame Organisierung im modernen Sinne unmöglich war. Doch haben ihre liberale Auffassung, ihr Erkenntnisinteresse und ihr wachsender Einfluss auf das Gute in allen großen Reformbewegungen der Zeit in ihnen einen größeren Respekt füreinander geschaffen und die Grundbedingungen für die Organisierung für große und he­rausragende Zwecke erzeugt. Die Entwicklung der Frauen* hat ihre höchste Stufe erreicht, als sie die geistige Stärke erlangten, um Verbindungen einzugehen, die auf Sympathie, Treue und gegenseitigem Vertrauen basieren. Zusammenhalt lautet heute die Parole für den weiteren Weg der Frau*.

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Obwohl in Frauen*organisationen rassistische Segregation die Norm war, unterschieden sich die von weißen und Schwarzen Frauen*gruppen angestoßenen Reformmaßnahmen nicht sonderlich. Der einzige Unterschied bestand darin, dass Schwarze Frauen* in ihren Reformbemühungen auch Maßnahmen einschlossen, die auf die Lösung spezifischer Probleme abzielten, mit denen sie konfrontiert waren. Ein solches Problem war die generelle Tendenz unter weißen US-Amerikaner*innen und nach erfolgreicher Gehirnwäsche selbst unter einigen Schwarzen, allen Schwarzen Frauen* sexuelle Unmoral, Unzucht und Frevel zu unterstellen  – ein negatives Stereotyp, das seinen Ursprung in der US-amerikanischen sexistischen Mythologie hatte. Während die Organisationen weißer Frauen* folglich ihre Aufmerksamkeit auf allgemeine Reformmaßnahmen richten konnten, mussten Schwarze Frauen* eine Kampagne zur Verteidigung ihrer ›Tugend‹ ins Leben rufen. Im Zuge dieser Kampagne verfassten sie Artikel und Reden, in denen sie die sexuelle Moral der Schwarzen Frau* hochhielten. Die Organisationen weißer Frauen* konnten ihre Aufmerksamkeit auf Themen wie Bildung, Wohltätigkeit oder die Gründung literarischer Gesellschaften richten, während sich Schwarze Frauen* mit Problemen wie Armut, Betreuung von älteren Personen und Menschen mit Behinderung oder Sexarbeit befassten. Die Klubs und Organisationen Schwarzer Frauen* waren potenziell feministischerer und radikalerer Natur als die Klubs weißer Frauen*, was auf ihre unterschiedliche Lebensrealität infolge rassistischer Unterdrückung zurückzuführen ist. Weiße Frauen* mussten als Gruppe keinen Angriff auf die Sexarbeit starten, wie es Schwarze Frauen* tun mussten. Viele junge Schwarze Frauen*, die den Süden verließen und in den Norden migrierten, sahen sich gezwungen, Sexarbeiterinnen* zu werden. In einigen Fällen kamen sie mit einem sogenannten Justice Ticket in den Norden, das sie von Arbeitsagenturen oder Jobvermittler*innen erhalten hatten. Im Austausch für den Transport und die Garantie eines Arbeitsplatzes bei Ankunft unterzeichneten Schwarze Frauen* Verträge, die sie dazu verpflichteten, dort zu arbeiten, wo sie von den Vermittler*innen eingesetzt wurden, und eine Gebühr von einem oder zwei Monatslöhnen zu zahlen. Im Norden angekommen stellte sich dann heraus, dass ihnen

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hauptsächlich Arbeiten in Bordellen als Dienstmädchen* zugewiesen wurden. Da sie von dem niedrigen Gehalt, das ihnen gezahlt wurde, nicht überleben konnten, wurden sie von weißen ›Zuhälter*innen‹ ermutigt, als Sexarbeiterinnen* tätig zu sein. Die National League for the Protection of Colored Women wurde gegründet, um Schwarze Frauen* aus dem Süden, die in den Norden migrierten, zu informieren und zu unterstützen. Im Jahr 1897 gründete die Schwarze Aktivistin Victoria Earle Matthews das Mädchen*- und Frauen*haus White Rose Working Girl’s Home und rief eine Black Protection and Women’s Rights Society in der Women’s Loyal Union von New York und Brooklyn ins Leben. Um die Öffentlichkeit besser über die Misere Schwarzer Frauen* zu informieren, hielt Victoria Matthews einen Vortrag über »Das Erwachen der afroamerikanischen Frau« (The Awakening of the Afro-American Woman). Mit ihrer Arbeit war sie nicht allein. Zahlreiche Organisationen Schwarzer Frauen* wurden gegründet, um Schwarze Frauen* in ihrem Kampf um die Verbesserung ihrer Situation zu unterstützen. Unter den Schwarzen Frauen*, die sich für die soziale Gleichstellung von Frauen* einsetzten, war Anna Julia Cooper eine der bemerkenswertesten Vertreterinnen*. Als eine der ersten Schwarzen Aktivistinnen* rief sie Schwarze Frauen* dazu auf, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, auf welche Weise Rassismus und Sexismus im Zusammenspiel ihren gesellschaftlichen Status beeinträchtigten. Anna Cooper schrieb: Die Schwarze Frau* von heute nimmt, so kann gesagt werden, in diesem Land eine einzigartige Position ein. In einer von Veränderungen geprägten und unruhigen Zeit scheint ihr Status eine der feststehenden und definierten Kräfte zu sein, die unsere Zivilisation ausmachen. Sie ist mit einer Frauen*frage und einem rassistischen Problem konfrontiert und ist dennoch in beidem ein unbekannter bzw. nicht anerkannter Faktor.

Anna Cooper wollte, dass die US-amerikanische Öffentlichkeit Schwarze Frauen* nicht nur in ihrer Rolle als Sprecherinnen* für Menschen ihrer Race anerkannte, sondern auch als Frauen*rechtlerinnen. Um ihre Ansichten zu Frauen*rechten zu verbreiten, veröffentlichte sie 1892 A Voice

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from the South, eine der ersten feministischen Ausführungen über den gesellschaftlichen Status Schwarzer Frauen* und eine ausführliche Abhandlung über das Recht der Frau* auf höhere Bildung. In A Voice from the South bekräftigte Cooper ihre Ansicht, dass Schwarze Frauen* in der Beziehung zu Schwarzen Männern keine passive, untergeordnete Rolle einnehmen sollten. Zudem kritisierte sie Schwarze Männer für deren Weigerung, die Bestrebungen der Frau* für das Erreichen gleicher Rechte zu unterstützen. Während Schwarze Anführer häufig Zweifel hegten, ob die Beteiligung Schwarzer Frauen* am Kampf für Frauen*rechte ihre Beteiligung am Kampf gegen Rassismus untergraben würde oder nicht, behauptete Cooper, soziale Gendergleichwertigkeit würde bedeuten, dass Schwarze Frauen* im Kampf gegen Rassismus ebenfalls führende Rollen einnehmen könnten. Weiterhin argumentierte sie, dass Schwarze Frauen* in Wirklichkeit bereits bewiesen hätten, dass sie sich dem Schwarzen Befreiungskampf ebenso verpflichtet fühlten wie Schwarze Männer, wenn nicht gar noch mehr. In The Voice from the South fand sich zudem ein Aufsatz von Cooper über die höhere Bildung von Frauen*, »The Higher Education of Women«, in dem sie geltend machte, dass Frauen* als kollektive Gruppe das Recht auf höhere Bildung haben sollten. Wie viele Feministinnen* der heutigen Zeit war auch Cooper der Meinung, es gebe ein eindeutiges »feminines Prinzip«, und argumentierte, dass »ein großer Wunsch der Welt in der Vergangenheit eine feminine Kraft gewesen ist«, eine Kraft, die »ihre volle Wirkung nur durch die ungehinderte Entwicklung von Frauen*« entfalten könnte. Ich behaupte, dass die Wahrheit ebenso eine feminine wie auch eine maskuline Seite hat; dass diese nicht als unterlegen und überlegen, nicht als besser und schlechter, nicht als schwächer und stärker zueinander in Beziehung stehen, sondern einander ergänzen – sie ergänzen einander zu einem notwendigen und symmetrischen Ganzen. So wie der Mann eher im Verstand begabt ist, empfindet die Frau* schneller Sympathie. So wie er unermüdlich die abstrakte Wahrheit sucht, so tut sie ihm gleich in der Fürsorge – zärtlich und liebevoll danach strebend, dass auch keiner dieser ›Kleinen‹ auf der Strecke bleibt. So wie wir nicht selten Frauen* sehen, deren Argumentation, wie wir

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sagen, von der Kühle und Präzision eines Mannes geprägt ist, und Männer, die sich angesichts von Hilflosigkeit ebenso rücksichtsvoll verhalten wie eine Frau*, herrscht dennoch unter den Menschen ein genereller Konsens, dass eine Eigenschaft grundlegend maskulin und die andere besonders feminin* ist. Beide Seiten müssen in die kindliche Erziehung einfließen, damit Jungen ihre Männlichkeit durch Zartheit und Sensibilität ergänzen und unsere Mädchen* ihre Sanftheit durch Stärke und Selbstvertrauen abrunden können. Da beides gleichermaßen für die Symmetrie des Individuums notwendig ist, wird eine Nation oder Race, wenn ausschließlich eine Seite dominiert, entweder in reine Gefühlsduselei oder in die Tyrannisierung anderer abgleiten. Abschließend möchte ich ausdrücklich betonen, dass der feminine* Faktor nur durch die Entwicklung und Bildung der Frau* seine volle Wirkung entfalten kann, damit sie mit ihrer Kraft die Kräfte ihrer Zeit angemessen und intelligent prägen und dem Reichtum des Denkens dieser Welt ihr Quäntchen hinzufügen kann […]

Wenngleich Anna Cooper, wie auch andere Frauen*rechtlerinnen* des 19.  Jahrhunderts, in dem Glauben verharrte, dass Frauen* ihrem Land am besten dienen konnten, indem sie die ihr durch das Patriarchat zugewiesene Genderrolle durch Bildung verbesserten, erkannte sie auch, dass die höhere Bildung Frauen* zudem in die Lage versetzen würde, Welten zu erkunden, die über ihren traditionellen Wirkungsbereich in Haus und Familie hinausreichten. Jenen, die geltend machten, die höhere Bildung sei nicht mit der Ehe zu vereinbaren, entgegnete Cooper: Ich räume ein, dass die intellektuelle Entwicklung mit der daraus entstehenden Eigenständigkeit und der Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, die Frau* von der materiellen Unterstützung durch die eheliche Beziehung (welche, nebenbei bemerkt, nicht immer mit der Ehe einhergeht) weniger abhängig macht. Auch ist die Frau* nicht gezwungen, die sexuelle Liebe als das eine Gefühl anzusehen, das dem Leben, das sie lebt, Klang und Genuss, Bewegung und Schwung verschaffen kann. Ihr Horizont wird erweitert. Ihre Anteilnahme wird ausgedehnt und vertieft und vervielfacht. Sie steht in engerem Kontakt zur Natur […]

Im 19. Jahrhundert herrschte unter Schwarzen Frauen* die Ansicht, dass sie, wenn sie das Wahlrecht erhielten, das Bildungssystem verändern

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könnten, damit Frauen* das Recht bekämen, ihre Bildungsziele ungehindert zu verfolgen. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützten sie das Frauen*wahlrecht mit ganzem Herzen. Die Schwarze Frauen*aktivistin Frances Ellen Watkins Harper äußerte sich zum Thema Frauen*wahlrecht offenherziger als andere Schwarze Frauen* ihrer Zeit. Im Jahr 1888 wandte sie sich an den Internationalen Frauen*rat in Washington und sprach über die Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts für Schwarze und weiße Frauen*. Bei der 1893 in Chicago stattfindenden Weltausstellung (Columbian Exposition) hielt sie eine Rede mit dem Titel Women’s Political Future, in der sie ihren Ansichten zum allgemeinen Wahlrecht Ausdruck verlieh: Ich glaube nicht an ein unbeschränktes und allgemeines Wahlrecht für entweder Männer oder Frauen*. Ich glaube an Moral und Bildungstests. Ich glaube nicht, dass der ungebildetste und brutalste Mann besser in der Lage ist, zur Stärke und Dauerhaftigkeit der Regierung beizutragen, als die kultivierteste, aufrichtigste und intelligenteste Frau* […] Das Wahlrecht in den Händen der Frau* bedeutet Macht und Einfluss. Wie gut sie diese Macht nutzen wird, kann ich nicht voraussagen. Wir stehen vor großen Übeln, denen wir mit der gemeinsamen Kraft aufrichtiger Männer und aufgeklärter Frauen* entgegen­ treten müssen; und ich weiß, dass kein Land sein volles Maß an Aufklärung und Glück erlangen kann, wenn eine Hälfte in ihm frei und die andere gefesselt ist. China hat seinen Frauen* die Füße gebunden und damit die Schritte seiner Männer verlangsamt.

Mary Church Terrell war eine weitere Schwarze Frauen*aktivistin, die sich für das Wahlrecht für Frauen* einsetzte. Im Jahr 1912 wandte sie sich an die Frauen*rechtsorganisation National America Woman’s Suffrage Association, der sie selbst zweimal angehörte, und sprach sich für das Frauen*wahlrecht aus. Außerdem war Terrell in der Bewegung gegen das Lynchen von Schwarzen aktiv. Ihr Artikel Lynching from a Negro’s Point of View wurde 1904 in der North American Review veröffentlicht. In diesem Aufsatz forderte sie zum ersten Mal auch weiße Frauen* auf, sich dem Kreuzzug gegen das Lynchen anzuschließen. Terrell war der Ansicht, dass sich weiße Frauen* in Sachen Lynchjustiz als Komplizinnen* weißer

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Männer verhielten, und sprach ihnen einen Teil der Verantwortung für Rassismus und rassistische Unterdrückung zu: Das Lynchen ist das Nachspiel der Versklavung. Die weißen Männer, die heute Schwarze erschießen und bei lebendigem Leibe häuten, und die weißen Frauen*, die brennende Fackeln an ölgetränkte Körper halten, sind die Söhne und Töchter* der Frauen*, die für jene Race, als sie noch versklavt war, wenn überhaupt, wenig Mitgefühl empfanden. Die Männer, die heute Schwarze lynchen, sind in aller Regel die Söhne von Frauen*, die an ihrem Herd saßen, glücklich und stolz in Besitz und Zuneigung ihrer eigenen Kinder, während sie mitleidlos und mit eiskaltem Herzen auf das Leid der versklavten Mütter* blickten, deren Kinder verkauft worden waren, wenn sie nicht ein noch traurigeres Schicksal ereilt hatte […] Vielleicht ist es zu viel erwartet, dass die Kinder von Frauen*, die über Generationen hinweg auf die Nöte und die Degradierung ihrer Schwarzen Schwestern* ohne jeden oder nur mit schwachem Protest herabblickten, nun Erbarmen und Mitleid für die Kinder jener unterdrückten Race empfinden sollen. Doch welch einen enormen Einfluss auf Recht und Ordnung könnten die weißen Frauen* des Südens nehmen und welch mächtige Gegnerinnen* der Brutalität des Mobs könnten sie sein, wenn sie sich in der Reinheit und Kraft ihrer Weiblichkeit* erheben würden, um ihre Väter, Ehemänner und Söhne zu beschwören, ihre Hände nicht mehr mit dem Blut des Schwarzen Mannes zu beflecken! […]

Terrells Aufforderung an weiße Frauen*, sich auf Basis ihrer gemeinsamen Weiblichkeit* mit Schwarzen Frauen* zu verbünden, griff die Gefühle zahlreicher Schwarzer Frauen* des 19. Jahrhunderts auf, die davon überzeugt waren, in den USA könnten Frauen* eine neue politische Kraft sein. Trotz rassistischer und sexistischer Unterdrückung war das Ende des 19. Jahrhunderts in der Geschichte der Schwarzen Frau* eine wichtige Ära. Frances Ellen Watkins Harper lag ganz richtig mit ihrem Ausruf: »Wenn das 15. Jahrhundert die Entdeckung Amerikas für die alte Welt bedeutete, ist das 19. die Entdeckung der Frau* für sich selbst.« Die Leidenschaft für Frauen*rechte des 19. Jahrhunderts setzte sich im 20. Jahrhundert fort und gipfelte im August 1920 in der Ratifizierung des Neunzehnten Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten, mit dem allen Frauen* das Wahlrecht zugesprochen wurde. In ihrem Kampf für das Wahlrecht hatten

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Schwarze Frauen* eine bittere Lektion erfahren. Bei ihrer Arbeit für das Frauen*wahlrecht mussten sie feststellen, dass viele Weiße die Verleihung des Wahlrechts an Frauen* als eine erneute Möglichkeit ansahen, das repressive System der weißen Vorherrschaft am Leben zu erhalten. Im Süden teilten viele weiße Suffragetten* den Standpunkt, das Frauen*wahlrecht im Süden werde die weiße Vorherrschaft stärken. Zwar würden mit dem Frauen*wahlrecht auch Schwarze Frauen* das Recht zur Wahl erhalten, doch gab es im Süden etwa doppelt so viele weiße Frauen* wie Schwarze. In The Emancipation of the American Woman setzt sich Andrew Sinclair mit der rassistischen Politik weißer Suffragetten* auseinander und kommt zu folgendem Schluss: Der unverhüllte Rassismus der Suffragetten* im Süden wie beispielsweise von Kate Gordon und Laura Clay  – zwei der einflussreichsten Vertreterinnen* der National American Association nach Anthonys Rücktritt  – bereitete den Suffragetten* aus dem Norden und Westen Sorge. Auch wenn es notwendig war, dass Carrie Catt und Anna Shaw diplomatisch vorgingen, um sich etwas Unterstützung aus dem Süden für das Frauen*wahlrecht zu sichern, so büßten sie dennoch den Kampfgeist der früheren Anhängerinnen* der Befreiung der Versklavten ein  […] Das Vokabular der Bewegung wechselte von der Sprache der Menschenrechte zur Sprache der Berechnung. Im Norden wurden Schwarze Frauen* von einigen Demonstrationen für das Frauen*wahlrecht ausgeschlossen, um den Süden nicht vor den Kopf zu stoßen. So schrieb eine Schwarze Anführerin* einer anderen über die Suffragetten*: »Sie alle fürchten den Süden und wenn sie die Möglichkeit hätten, den Zusatzartikel für das Frauen*wahlrecht durchzusetzen, ohne das Wahlrecht für Schwarze Frauen* einzuschließen, würden sie keine Sekunde zögern.« Der Diskurs der führenden Frauen*wahlrechtlerinnen* im Norden, selbst der von Elizabeth Stanton, verlagerte sich zunehmend hin zur Forderung eines bildungsabhängigen Wahlrechts für Frauen* […] Das Versprechen der Amerikanischen Revolution im Hinblick auf menschliche Gleichheit und Freiheit wurde in der Bestrebung zurückgelassen, das Wahlrecht für eine begrenzte Anzahl weißer, angelsächsischer Frauen* zu gewinnen, so wie zuvor einmal die Bestimmungen der Verfassung die Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung verleugnet hatten.

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Wie im Kampf des 19. Jahrhunderts um das Thema des Frauen*wahlrechts ließen sich auch im Kampf des 20. Jahrhunderts Race und Gender nicht voneinander trennen. Wie ihre Vorgängerinnen* unterstützten weiße Frauen* bewusst und vorsätzlich die weiße Vorherrschaft, indem sie sich öffentlich von Gefühlen der Empathie und politischen Solidarität mit Schwarzen distanzierten. Bei ihren Bestrebungen, sich das Wahlrecht zu sichern, begingen weiße Frauen*rechtlerinnen* bereitwillig Verrat an der feministischen Ansicht, dass das Wahlrecht ein natürliches Recht jeder Frau* sei. Weil sie feministische Prinzipien bereitwillig über Bord warfen, konnte die patriarchalische Machtstruktur die Tatkraft der Suf­ fragetten* vereinnahmen und die Frauen*wahlstimmen zur Stärkung der frauen*feindlichen politischen Ordnung auszunutzen. Die große Mehrheit weißer Frauen* nutzte ihr Stimmrecht nicht zur Unterstützung von Frauen*themen; sie wählten so, wie es ihre Ehemänner, Väter oder Brüder taten. Die militanteren weißen Suffragetten* hatten darauf gehofft, dass Frauen* mit ihrer Stimme nicht große Parteien unterstützen würden, die die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen* und Männern ablehnten, sondern ihre eigene Partei gründen würden. Das Frauen*stimmrecht veränderte das Los der Frauen* in der Gesellschaft in keinerlei grundlegender Weise, sondern ermöglichte es Frauen* stattdessen, die bestehende weiße, rassistische, imperialistische, patriarchalische Gesellschaftsordnung mit zu unterstützen und aufrechtzuerhalten. In äußerst gravierendem Ausmaß war das Erreichen des Wahlrechts für Frauen* vielmehr ein Sieg für rassistische Prinzipien als ein Triumph feministischer Prinzipien. Schwarze Suffragetten* machten die Erfahrung, dass ihr Stimmrecht kaum Auswirkungen auf ihren gesellschaftlichen Status hatte. Der militantere Flügel der Frauen*bewegung der 1920er-Jahre, die National Woman’s Party, war sowohl rassistisch als auch klassistisch. Zwar gab die Partei vor, für die umfassende Gleichstellung von Frauen* zu arbeiten, doch verfolgte sie in ihrer aktiven Arbeit ausschließlich die Interessen weißer Frauen* der Mittel- und Oberschicht. In Herstory kommentiert June Sochen die Einstellung weißer Suffragetten* gegenüber Schwarzen Frauen* folgendermaßen:

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Nach der Verabschiedung des Zusatzartikels zum Frauen*wahlrecht im Jahr 1920 fragten sich einige Reformer*innen, ob es denn Schwarzen Frauen* ebenso zugutekommen würde wie weißen Frauen* – insbesondere im Süden, wo Schwarze Männer durch die weißen Machthaber buchstäblich vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen worden waren. Im Süden lebten mehr als zwei Millionen Schwarze Frauen*, die nun wahlberechtigt waren. Als Suffragetten* Alice Paul nahelegten, dass die Wahlrechte Schwarzer Frauen* auch weiterhin ein wichtiges Thema bleiben würden, antwortete sie, das Jahr 1920 sei nicht der Zeitpunkt, um über diese Frage zu debattieren. Vielmehr, erklärte sie, sollten die Suffragetten* ihre neue politische Macht genießen und Pläne für weitere Kämpfe der Zukunft schmieden. Wie jedoch die Reformer*innen vorhergesehen hatten, mussten Schwarze Frauen*, als sie in Alabama oder Georgia von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen wollten, erleben, dass weiße Wahlvorsteher alle möglichen Tricks parat hatten, um ihre Stimmabgabe zu verhindern. Wenn eine Schwarze Frau* einen komplizierten Text, der ihr vorgelegt wurde, vorlesen konnte, dachte sich der weiße Wahlvorsteher einen anderen undurchsichtigen Grund aus, warum sie nicht wahlberechtigt sei. Und jeder Frau*, die sich dagegen wehrte, wurde Gewalt angedroht, wenn sie sich nicht gehorsam von dannen schlich.

Als sich zeigte, dass das Frauen*wahlrecht den gesellschaftlichen Status Schwarzer Frauen* in keiner Weise veränderte, waren viele Schwarze Suffragetten* von Frauen*rechten enttäuscht. Sie hatten das Frauen*wahlrecht unterstützt, doch ihre Interessen waren verraten worden und sie mussten feststellen, dass das ›Frauen*wahlrecht‹ als Waffe eingesetzt wurde, um die weiße Unterdrückung Schwarzer zu stärken. Sie merkten, dass das Erreichen von Rechten für Frauen* kaum Auswirkungen auf ihren gesellschaftlichen Status haben würde, solange ihnen die weiße Vorherrschaft per se die vollständige Staatsbürgerschaft verweigerte. Während sich weiße Frauen* darüber freuten, das Wahlrecht erlangt zu haben, wurde in den gesamten Vereinigten Staaten ein System der rassistischen Segregation institutionalisiert, das für die Freiheit Schwarzer Frauen* eine deutlich größere Bedrohung darstellte als der sexuelle Imperialismus. Dieses System der rassistischen Segregation trug den Namen Jim Crow. In The Strange Career of Jim Crow beschreibt C. Vann Woodward das Wiederaufleben des Rassismus:

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In der Nachkriegsära gab es neue Anzeichen dafür, dass sich hinsichtlich der Race Relations der Southern Way als American Way durchsetzte. Durch die starke Migration der Schwarzen Bevölkerung in die Elendsviertel und die Industriebetriebe der großen Städte im Norden verschärften sich die Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen. Die Arbeitskräfte im Norden verteidigten eifersüchtig ihren Status und waren empört über die Schwarzen Mitbewerber*innen, die aus den Gewerkschaften ausgeschlossen wurden. Schwarze Arbeitskräfte wurden aus den beliebteren Jobs in der Industrie gedrängt, die sie in der Zeit des Arbeitskräftemangels der Kriegsjahre hatten einnehmen können. Von staatlichen Arbeitsplätzen wurden sie zunehmend vertrieben. Schwarze Briefträger begannen, ihre alten Routen zu verlassen, um den Polizeischlägen zu entkommen. Handwerke wie das des Barbiers, das einst im Süden ein wahres Monopol gewesen war, begannen den Schwarzen zu entgleiten. Rassismus in straff organisierter Form wurde in den 20er-Jahren vom neuen Ku-Klux-Klan über das ganze Land verbreitet […]. Eine Tendenz zur Abschaffung oder Lockerung der von Diskriminierung und rassistischer Segregation geprägten Jim-Crow-Gesetze war in den 1920erJahren nicht erkennbar, auch nicht in den 30ern und bis weit in die Jahre der Wirtschaftskrise hinein. Vielmehr wurden die Jim-Crow-Gesetze in diesen Jahren ausgebaut und erweitert. In den neuen Gesetzen spiegelt sich ein hohes Maß an Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte wider. Als Frauen* damit begannen, sich die Haare kurz zu schneiden und selbst Friseurgeschäfte zu übernehmen, erließ Atlanta 1926 eine Verfügung, die Schwarzen Barbieren untersagte, Frauen* sowie Kinder unter 14 Jahren zu bedienen. Jim Crow hielt auch mit den Fortschritten in Transport und Industrie sowie mit den Veränderungen im Modebereich Schritt.

Da die Jim-Crow-Apartheid Schwarzen Menschen die Rechte und Errungenschaften zu entziehen drohte, die sie in der Zeit des Wiederaufbaus erlangt hatten, war es nur natürlich, dass Schwarze Aktivistinnen* den Kampf für Frauen*rechte außen vor ließen und ihre Energien auf den Widerstand gegen den Rassismus konzentrierten. Schwarze Aktivistinnen* waren nicht die einzige Gruppe von Frauen*, die ihre Aufmerksamkeit von Frauen*rechtsthemen abwandte. Da die Aktivistinnen* einen großen Teil ihrer Energie dem Wahlrecht gewidmet hatten, erachteten viele Frauen*, als dies errungen war, eine

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Frauen*bewegung nicht mehr als notwendig. Zwar setzten weiße Frauen* in der Woman’s Party den feministischen Kampf fort, Schwarze Frauen* beteiligten sich daran jedoch nur selten aktiv. Ihre Energien konzentrierten sich auf den Widerstand gegen die zunehmende rassistische Unterdrückung. Während weiße Frauen*rechtlerinnen* 1933 dafür eintraten, dass der Senat den vorgeschlagenen Verfassungszusatz für gleiche Rechte von Frauen* (Equal Rights Amendment) verabschiedete, versuchten Schwarze Aktivistinnen* mit aller Kraft zu verhindern, dass Schwarze Frauen* und Männer von den Mobs weißer Rassist*innen gelyncht wurden, kämpften für die Verbesserung der Bedingungen der unzähligen Schwarzen, die von Armut betroffen waren, und für Bildungschancen. In den 20er- und 30er-Jahren riefen Schwarze Aktivistinnen* die Massen Schwarzer Frauen* dazu auf, sich nicht durch Sexismus davon abhalten zu lassen, ebenso wie Schwarze Männer am Kampf zur Befreiung der Schwarzen Bevölkerung mitzuwirken. Amy Jaques Garvey, die sich in der von ihrem Arbeitskollegen und Ehemann Marcus Garvey angeführten Schwarzen nationalistischen Bewegung engagierte, war Herausgeberin der Frauen*seite in der Negro World, der Zeitung der Universal Negro Improvement Association. In ihren Artikeln rief sie Schwarze Frauen* dazu auf, ihre Aufmerksamkeit auf den Schwarzen Nationalismus zu richten und sich gleichberechtigt am Schwarzen Befreiungskampf zu beteiligen. Die Anforderungen dieser heutigen Zeit machen es notwendig, dass Frauen* ihren Platz neben ihren Männern einnehmen. Weiße Frauen* sammeln all ihre Kräfte und haben sich unabhängig von Staatsgrenzen zusammengetan, um ihre rassische Gruppe vor dem Untergang zu retten und ihre Ideale für die Nachwelt zu bewahren  […] Weiße Männer beginnen zu erkennen, dass Frauen*, da sie doch das häusliche Rückgrat sind, dank ihrer wirtschaftlichen Erfahrung und ihrer Detailgenauigkeit effektiv daran mitwirken können, das Schicksal ihres Landes und ihrer Race mitzubestimmen. Der modernen Frau* bleibt kein Weg lange verschlossen. Sie wirbt für gleiche Chancen und bekommt sie; sie leistet gute Arbeit und gewinnt den Respekt der Männer, die bislang gegen sie waren. Anstatt als halbverhungerte Ehefrau* zuhause zu bleiben, verdient sie lieber ihr eigenes Brot. Harte Arbeit fürchtet sie

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nicht, und durch ihre Unabhängigkeit kann sie dem heutigen Ehemann mehr abgewinnen als ihre Großmutter* in der guten alten Zeit. Die Frauen* des Ostens, ob asiatisch oder Schwarz, beginnen langsam, aber sicher, die Frauen* der westlichen Welt zu imitieren, und während die weißen Frauen* einer verfallenden weißen Zivilisation den Rücken stärken, brechen Frauen* of Color auf, um ihren Männern dabei zu helfen, eine Zivilisation nach ihren eigenen Standards aufzubauen und die Weltherrschaft anzustreben.

Auch wenn Schwarze Anführerinnen* Schwarze Frauen* drängten, im Kampf gegen den Rassismus eine ebenso aktive Rolle wie Schwarze Männer einzunehmen, verbarg sich hinter ihrem Handlungsaufruf die Annahme, dass die gesellschaftliche Gendergleichstellung von sekundärer Bedeutung sei. Seit den Anfängen der Frauen*rechtsbewegung hatten eiserne Unterstützerinnen* behauptet, dass die gesellschaftliche Gleichstellung für Frauen* ein notwendiger Schritt zur patriotischen Nationenbildung sei. Sie betonten, dass Frauen* der politischen und gesellschaftlichen Ordnung der USA nicht entgegenstanden, sondern einfach nur das bestehende Regierungssystem aktiv unterstützen wollten. Diese Einstellung gefährdete stets die gelegentliche politische Solidarität zwischen Schwarzen und weißen Frauen*rechtsaktivistinnen*. Für weiße Frauen* ging die umfassende Beteiligung an der Entwicklung der USA als Nation häufig mit der Akzeptanz und Unterstützung der weißen Vorherrschaft einher, während sich Schwarze Frauen*, auch wenn sie politisch noch so konservativ waren, häufig gezwungen sahen, die Nation aufgrund ihrer rassistischen Politik zu verurteilen. Letztlich ließen beide Gruppen von Frauen* zu, dass rassifizierte Allianzen den feministischen Kampf überlagerten. In den meisten Frauen*organisationen und -klubs der 1930er- und 1940er-Jahre blieb rassistische Segregation die Norm. Zwischen 1940 und 1960 war die Befreiung der Frau* für die meisten Frauen*gruppen kein Schwerpunktthema; die meisten Frauen* taten sich aus gesellschaftlichen oder beruflichen Gründen zusammen. Barbara Deckard, Autorin von The Women’s Movement, behauptet, von 1940 bis 1960 habe es keine organisierte Frauen*befreiungs­bewegung gegeben, und führt zur Erklärung die folgenden Gründe an:

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Ein Grund war die beschränkte Ideologie der Suffragetten* und ihre Verwurzelung in der Eliteklasse. So wichtig war ihnen das Wahlrecht gewesen und nur das Wahlrecht, dass ihre Nachfolgerinnen* – wie die League of Women Voters – in den 1920er-Jahren erklären konnte, es gebe nun keine Diskriminierung von Frauen* mehr und liberale Frauen* sollten lediglich für allgemeine Reformen für alle Menschen eintreten. Die einzige Nachfolge der militantesten Suffra­ getten* – die Women’s Party – war in anderer Hinsicht engstirnig. Sie setzte den Kampf um gleiche gesetzliche Rechte fort, zog dabei aber die untergeordnete Stellung der Frau* in der Familie, die Ausbeutung von Arbeiterinnen* und die besonderen Probleme Schwarzer Frauen* kaum oder gar nicht in Betracht. Dieses fehlende Interesse an den großen sozialen, ökonomischen und rassifizierten Fragestellungen entfremdete radikale Frauen*, während die feindselige gesellschaftliche Atmosphäre verhinderte, dass sie die gemäßigten Frauen* für ihre Sache gewinnen konnten. Bis Mitte der 1920er-Jahre führten die relative Stabilität des Kapitalismus, das Verschwinden der kleinen radikalen Landwirte, Kommunist*innenhetze und interne Brüche zu einer Zerrüttung der sozialistischen Partei und der Progressive Party. Es folgte eine konservative Periode, die der Frauen*bewegung feindlich gegenüberstand. Die radikalen Strömungen der 1930er-Jahre konzentrierten sich auf die Arbeitslosigkeit und Ende der 1930er auf den drohenden Krieg gegen den Faschismus, was praktisch alle anderen Themen ausschloss. Auch während des Krieges gab es keine Möglichkeit, sich anderen Themen zu widmen. Die Nachkriegszeit von 1946 bis 1960 war eine Zeit der USamerikanischen wirtschaftlichen Expansion und Weltherrschaft, des Kalten Krieges und des Super-Patriotismus, der durch die Hetzjagd der McCarthy-Ära getragen wurde. Alle radikalen und liberalen Gruppen litten unter der Repression und mögliche Frauen*befreiungsthemen – wie Kinderbetreuung – wurden mit allem anderen im Keim erstickt.

In den 40 Jahren zwischen Mitte der 1920er- und Mitte der 1960er-Jahre traten Schwarze Anführerinnen* nicht mehr für Frauen*rechte ein. Der Kampf für die Schwarze Befreiung und der Kampf für die Befreiung der Frauen* wurden als unvereinbar betrachtet, was größtenteils darauf zurückzuführen war, dass Schwarze Bürgerrechtler*innen nicht wollten, dass die weiße US-amerikanische Öffentlichkeit ihre Forderungen nach der vollen Staatsbürger*innenschaft mit einer radikalen Forderung nach

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der Gendergleichstellung in einen Topf warf. Für sie wurde die Schwarze Befreiung gleichbedeutend mit dem Erreichen der vollen Teilhabe im bestehenden patriarchalen Staat und ihre Forderungen betrafen die Beseitigung des Rassismus, nicht des Kapitalismus oder des Patriarchats. So wie weiße Frauen* in der Öffentlichkeit jede politische Verbindung mit Schwarzen geleugnet hatten, als sie meinten, eine solche Allianz würde ihren Interessen schaden, distanzierten sich Schwarze Frauen* vom feministischen Kampf, als sie überzeugt waren, ein feministischer, sprich radikaler Anschein würde der Sache der Schwarzen Befreiung schaden. Schwarze Männer und Frauen* wünschten sich den Zugang zum Mainstream des US-amerikanischen Lebens. Um diesen Zugang zu erreichen, hielten sie es für erforderlich, konservativ zu sein. Organisationen Schwarzer Frauen*, die einst das Augenmerk auf soziale Leistungen wie Kinderbetreuung, Unterkünfte für Arbeiterinnen* und Unterstützung für Sexarbeiterinnen* gerichtet hatten, wurden unpolitisch und widmeten sich zunehmend gesellschaftlichen Angelegenheiten wie Debütant*innenbällen und Benefizveranstaltungen. Die Mitglieder Schwarzer Frauen*klubs imitierten das Verhalten weißer Mittelschichtfrauen*. Jene Schwarzen Frauen*, die an soziale Gendergleichstellung glaubten, lernten es, ihre Meinung zu verschweigen, um die Aufmerksamkeit nicht von rassistischen Fragen abzulenken. Sie waren der Ansicht, zuerst die Freiheit für die Schwarze Bevölkerung unterstützen zu müssen, um sich dann später, wenn diese Freiheit errungen war, für Frauen*rechte einsetzen zu können. Leider konnten sie nicht ahnen, wie stark der Widerstand Schwarzer Männer gegen die Idee, dass Frauen* Männern gleichgestellt sein sollten, sein würde. Als die Bürger*innenrechtsbewegung ihren Anfang nahm, waren auch Schwarze Frauen* beteiligt, doch ging es ihnen keinesfalls darum, Schwarze männliche Anführer in den Schatten zu stellen. Nach dem Ende der Bewegung blieben der US-amerikanischen Öffentlichkeit die Namen von Martin Luther King  Jr., A.  Phillip Randolph und Roy Wilkins im Gedächtnis, die Namen von Rosa Parks, Daisy Bates und Fannie Lou Hamer jedoch gerieten in Vergessenheit. Die Anführer*innen der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegung der 50er-Jahre betonten, ebenso wie ihre

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Vorgänger*innen des 19.  Jahrhunderts, ihnen gehe es darum, Gemeinschaften und Familien nach dem Muster der Weißen zu etablieren. Dem Beispiel weißer männlicher Patriarchen folgend waren Schwarze Männer geradezu besessen davon, ihre Männlichkeit zur Geltung zu bringen, während Schwarze Frauen* das Verhalten weißer Frauen* imitierten und von Weiblichkeit* geradezu besessen waren. Es vollzog sich ein unübersehbarer Wandel der Schwarzen Genderrollen. Schwarze nahmen nicht länger passiv hin, dass Schwarze Frauen* seit jeher durch die rassistische Unterdrückung gezwungen worden waren, so unabhängig und arbeitsam wie Schwarze Männer zu sein; sie forderten, die Frau* solle passiver sein, sich dem Mann unterordnen und möglichst keiner Arbeit nachgehen. Die Sozialisierung Schwarzer Frauen* in den 50er-Jahren mit dem Ziel, sich in der Beziehung zu Schwarzen Männern stärker unterzuordnen, war Teil einer grundlegenden Bestrebung in den USA, Frauen* einer Gehirnwäsche zu unterziehen, um so die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges rückgängig zu machen. Durch den Krieg waren weiße und Schwarze Frauen* gezwungen worden, unabhängig zu sein, zu arbeiten und sich durchzusetzen. Weiße Männer wie auch Schwarze Männer hätten jedoch gern alle Frauen* weniger durchsetzungsfähig, abhängig und arbeitslos gesehen. Die Massenmedien wurden als Waffe eingesetzt, um der neu begründeten Unabhängigkeit der Frauen* ein Ende zu bereiten. Weiße und Schwarze Frauen* gleichermaßen wurden mit endloser Propaganda überhäuft, die sie glauben machen sollte, dass der Platz für die Frau* zu Hause sei  – dass ihre Erfüllung im Leben davon abhing, den richtigen Mann zu finden, ihn zu heiraten und eine Familie zu gründen. Wenn es die Umstände erforderten, dass Frauen* doch arbeiten mussten, wurde ihnen geraten, besser nicht gegen Männer anzutreten und sich lieber auf Lehr- und Pflegeberufe zu beschränken. Die arbeitende Frau*, ob Schwarz oder weiß, sah sich gezwungen, ihre Weiblichkeit* unter Beweis zu stellen. Häufig entwickelte sie zwei Verhaltensweisen: Während sie bei der Arbeit durchsetzungsfähig und unabhängig war, war sie zu Hause passiv und gefällig. Mehr denn jemals zuvor in der US-amerikanischen Geschichte waren Schwarze Frauen* geradezu davon besessen, das Ideal der im Fernsehen, in Büchern und

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Zeitschriften beschriebenen Weiblichkeit* zu erfüllen. Die Entstehung einer Schwarzen Mittelschicht führte dazu, dass Gruppen Schwarzer Frauen* mehr Geld als jemals zuvor besaßen, um Mode oder Kosmetika einzukaufen oder Zeitschriften wie McCall’s und Ladies Home Journal zu lesen. Unzählige Schwarze Frauen*, die einst stolz auf ihre Fähigkeit gewesen waren, außerhalb des Haushalts zu arbeiten und trotzdem gute Hausfrauen* und Mütter* zu sein, wurden mit ihrem Los unzufrieden. Jetzt wollten sie nur noch Hausfrauen* sein und verschwiegen ihre Wut und Feindseligkeit gegenüber Schwarzen Männern nicht – eine Feindseligkeit, die entstand, weil sie davon überzeugt waren, dass sich Schwarze Männer nicht intensiv genug darum bemühten, die Rolle des einzigen Versorgers der Familie einzunehmen, damit sie endlich Hausfrauen* sein konnten. Redewendungen aus jener Zeit wie »A Black man ain’t shit« oder »The n. ain’t no good« zeugen von jener Verachtung Schwarzer Frauen* für Schwarze Männer. Offensichtlich wollten Schwarze Frauen* eine Position einnehmen, in der sie sich voll und ganz am Streben der 50er-Jahre nach der ›idealisierten Weiblichkeit*‹ beteiligen konnten, und sie nahmen den Schwarzen Männern deren mangelnde Unterstützung ihres Vorhabens übel. Sie maßen Schwarze Männer an einem von weißen Männern gesetzten Standard. Da Weiße das ›Erreichen von Manneskraft‹ als die Fähigkeit eines Mannes definierten, in einer Familie der einzige Versorger zu sein, neigten viele Schwarze Frauen* dazu, den Schwarzen Mann als ›Versager‹ anzusehen. Im Gegenzug machten Schwarze Männer keinen Hehl daraus, dass sie weiße Frauen* als weiblicher* wahrnahmen als Schwarze Frauen*. Sowohl Schwarze Frauen* als auch Schwarze Männer waren hinsichtlich ihres Daseins als Frauen* bzw. Männer unsicher. Beide wollten sich an die von der dominanten weißen Gesellschaft gesetzten Standards anpassen. Wenn es Schwarzen Frauen*, aus welchem Grund auch immer, nicht gelang, in der Beziehung zu Schwarzen Männern eine passive, untergeordnete Rolle einzunehmen, missfiel dies den Männern. Wenn es Schwarzen Männern nicht gelang, die Rolle des einzigen Versorgers in der Familie einzunehmen, missfiel dies den Schwarzen Frauen*.

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Die Spannungen und Konflikte, die sich in den Beziehungen zwischen Schwarzen Männern und Frauen* auftaten, wurden 1959 mit der Inszenierung von Lorraine Hansberrys preisgekröntem Stück A Raisin in the Sun auf die Bühne gebracht. Die Beziehung von Walter Lee, einem Schwarzen, zu seiner Mutter* und zu seiner Frau* ist von Konflikten geprägt. In einer Szene, in der Walter seiner Frau* Ruth erklärt, wie er das Versicherungsgeld seiner Mutter* einzusetzen plant, weigert sie sich, ihm zuzuhören; da wird er ärgerlich und ruft: Walter: Genau das stimmt mit der Schwarzen Frau* in dieser Welt nicht […] keine Ahnung davon, wie sie ihren Mann aufbauen kann, damit er das Gefühl hat, jemand zu sein. Etwas tun zu können. Ruth: Es gibt Schwarze Männer, die Dinge tun. Walter: Das haben sie nicht der Schwarzen Frau* zu verdanken. Ruth: Nun, als Schwarze Frau* bin ich wohl nun einmal so. Walter: Unsere Gruppe von Männern ist an eine Race von kleingeistigen Frauen* gebunden.

Die Mutter* in Raisin in the Sun ist die dominante Figur im Haus und Walter Lee kann nicht genug darüber klagen, wie sie seiner Verwirklichung als Mann im Wege steht. In seinen Augen ist sie eine Tyrannin*, die ihm ihren Willen aufzwingt. Das gesamte Stück über wird Walter Lee als verantwortungsloser Mensch dargestellt, der das Vertrauen und den Respekt seiner Mutter* nicht verdient. Sie respektiert seine Beteuerungen der Manneskraft nicht, weil er kindisch handelt. Als er am Ende des Stücks aber dann doch Verantwortung übernimmt, begibt sich die Mutter* automatisch in eine untergeordnete Rolle. Das Werk vermittelte eine zweifache Botschaft. Einerseits wurde die Stärke und das aufopfernde Wesen der alleinstehenden Schwarzen Mutter* portraitiert, die für das Überleben ihrer Familie arbeitet, und auf der anderen Seite wurde betont, wie wichtig es ist, dass der Schwarze Mann seine ihm zugedachte Rolle als Patriarch im Haus einnimmt. Die Lebensweise der Mutter* ist etwas, das der Vergangenheit angehört. Walter Lee und Ruth sind Vorboten der Zukunft. Die Schwarze Familie der Zukunft, für die sie stehen, ist die Kernkonstellation von zwei Eltern, wobei der Mann eine patriarchale

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Rolle einnimmt, Entscheidungen trifft, als Beschützer auftritt und den Stolz und die Ehre der Familie hochhält. Das Theaterstück von Lorraine Hansberry ließ zukünftige Ausei­ nandersetzungen zwischen Schwarzen Frauen* und Männern über die Problematik genderspezifischer Rollenmuster erahnen. Dieser Konflikt wurde 1965 mit der Veröffentlichung von Daniel Moynihans Bericht The Negro Family. The Case for National Action überspitzt und in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. In seinem Bericht argumentierte Moynihan, die Schwarze Familie in den USA werde durch weibliche* Dominanz untergraben. Er behauptete, die rassistische Diskriminierung Schwarzer Männer in der Arbeitnehmerschaft habe dazu geführt, dass in Schwarzen Familien eine matriarchale Struktur herrsche, die nach seiner Überzeugung der weißen US-amerikanischen Norm, der patriarchalen Familienstruktur, widersprach, und dass die Akzeptanz der Schwarzen im Mainstream des US-amerikanischen Lebens dadurch verhindert würde. Die Botschaft von Moynihan war der Einstellung Schwarzer Frauen* ähnlich, die Schwarze Männer dafür kritisierten, dass sie nicht die Rolle des Patriarchen einnahmen. Der Unterschied zwischen beiden Sichtweisen war jedoch, dass Moynihan einen Teil der Verantwortung für die Unfähigkeit der Schwarzen Männer, eine patriarchale Rolle einzunehmen, Schwarzen Frauen* zuschrieb, während Schwarze Frauen* Rassismus und die Gleichgültigkeit des Schwarzen Mannes für die treibenden Kräfte hielten, die dazu führten, dass sich Schwarze Männer der Rolle des einzigen wirtschaftlichen Versorgers verweigerten. Indem er Schwarze Frauen* als Matriarchinnen* bezeichnete, unterstellte Moynihan, dass diese Schwarzen Frauen*, die arbeiteten und einem Haushalt vorstanden, der Schwarzen Männlichkeit feindlich gesinnt waren. Auch wenn die Behauptung Moynihans, die Schwarze Familie sei matriarchalisch strukturiert, auf Daten basierte, aus denen hervorging, dass es sich nur bei einem Viertel aller Schwarzen Familien in den USA um frauen*geführte Haushalte handelte, nutzte er diese Zahlen, um allgemeine Aussagen über die Schwarze Familie insgesamt zu treffen. Seine Verallgemeinerungen über Schwarze Familienstrukturen hatten, obgleich sie nicht der Wahrheit entsprachen, einen enormen Einfluss auf die Psy-

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che Schwarzer Männer. Wie der US-amerikanische weiße Mann in den 50er- und 60er-Jahren hegten auch Schwarze Männer die Furcht, dass alle Frauen* zu selbstbewusst und herrschsüchtig werden würden. Die Auffassung, die moderne Frau* würde den Mann seiner Männlichkeit berauben, hatte ihren Ursprung nicht in der Auseinandersetzung zwischen Schwarzen Frauen* und Schwarzen Männern über genderspezifische Rollenmuster, sondern in dem Gesamtkonflikt, der in der USGesellschaft über das Thema der Genderrollen bestand. Die Darstellung der Frau* als Kastratorin* war ein Bild, das ursprünglich nicht in Bezug auf Schwarze Frauen* heraufbeschworen wurde und definitiv nicht auf Daniel Moynihan zurückgeht; es wurde von einigen Psychoanalytikern populär gemacht, die in den 50er-Jahren ihre Hochphase erlebten. Sie waren es, die im Bewusstsein der US-amerikanischen Öffentlichkeit die Vorstellung verankerten, dass jede Karrierefrau*, jede Frau*, die mit Männern konkurrierte, dem Mann seine Stärke neidete und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kastratorin* war. Schwarze Frauen* wurden mit der Zeit als Kastratorinnen* schlechthin dargestellt, allerdings nicht, weil sie an sich selbstbewusster und unabhängiger waren als weiße Frauen*. Die Geschichte zeigt, dass weiße Frauen* in der männerdominierten Machtstruktur lange vor Schwarzen Frauen* aktiv ihre Ansprüche geltend gemacht hatten, weil es für sie keine rassistischen Schranken gab, die ein Vordringen in diese Sphäre von vornherein unmöglich machten. Schwarze Frauen* wurden hauptsächlich aufgrund eines rassistischen Sündenbock-Denkens zur Zielscheibe vieler frauen*feindlicher Angriffe auf die weibliche* Unabhängigkeit. So wie die weiße Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts Schwarze Frauen* als Verkörperung aller negativen Eigenschaften dargestellt hatte, die üblicherweise dem weiblichen* Genderrollenbild als Ganzem zugeschrieben wurden, setzte die weiße Öffentlichkeit des 20. Jahrhunderts diese Praxis fort. Sie idealisierte und überhöhte den Status der Gruppe der weißen Frauen*, indem sie die Gruppe der Schwarzen Frauen* erniedrigte und herabwürdigte. Daniel Moynihan unternahm keinerlei Versuch, die Tatsache zu dokumentieren, dass die sogenannte ›matriarchale‹ Rolle, die Schwarze Frauen* im frauen*geführten Haushalt übernahmen, die gleiche war wie

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die, die weiße Frauen* in einem Haushalt unter weiblicher* Führung einnahmen. Stattdessen sorgte er dafür, einen der gängigsten sexistischrassistischen Mythen der Vereinigten Staaten über die Schwarze Weiblichkeit* am Leben zu erhalten: den Mythos, dass Schwarze Frauen* von Natur aus durchsetzungsfähiger, unabhängiger und gebieterischer seien als weiße Frauen*. Dem Mythos vom Matriarchat lag eine sexistische Ideologie zugrunde. Die These, Schwarze Frauen* seien Matriarchinnen*, stützte sich auf die Ansicht, das Patriarchat müsse um jeden Preis erhalten werden und die Unterordnung des Weiblichen* sei die Voraussetzung für die gesunde Vollendung der Männlichkeit. Tatsächlich behauptete Moynihan, die negativen Folgen der rassistischen Unterdrückung Schwarzer könnten beseitigt werden, wenn Schwarze Frauen* passiver, unterwürfiger und patriarchatfördernder seien. Wieder einmal wurde die Befreiung der Frau* als nachteilig für die Befreiung der Schwarzen dargestellt. Wie stark Schwarze Männer diese Ideologie absorbierten, zeigte sich in der Schwarzen Befreiungsbewegung der 60er-Jahre. Schwarze männliche Anführer der Bewegung setzten die Befreiung der Schwarzen von rassistischer Unterdrückung dem Erreichen des Rechts gleich, die Rolle des Patriarchen, des sexistischen Unterdrückers, einzunehmen. Indem sie es weißen Männern überließen, die Bedingungen für die Definition der Schwarzen Befreiung vorzugeben, entschieden sich Schwarze Männer dafür, die sexistische Ausbeutung und Unterdrückung Schwarzer Frauen* zu billigen. Dabei schadeten sie letztlich sich selbst. Sie wurden nicht vom System befreit, sondern sie wurden befreit, um dem System zu dienen. Die Bewegung endete, ohne dass sich das System geändert hatte; es war nicht weniger rassistisch oder sexistisch als zuvor. Wie Schwarze Männer glaubten auch zahlreiche Schwarze Frauen*, die Befreiung der Schwarzen könne nur durch die Bildung eines starken Schwarzen Patriarchats erreicht werden. Viele der in Inez Smith Reids 1972 veröffentlichtem Buch Together Black Women befragten Frauen* erklärten ohne Umschweife, dass die Frau* ihrer Ansicht nach eine unterstützende Rolle einnehmen und der Mann die dominante Figur

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in allen Schwarzen Befreiungskämpfen sein sollte. Typische Antworten Schwarzer Frauen* lauteten beispielsweise: Ich denke, die Frau* sollte hinter dem Mann stehen. Der Mann sollte an erster Stelle vor der Frau* stehen, weil die Schwarze Frau* in diesem Land seit jeher über dem Schwarzen Mann stand. Ohne ihr eigenes Verschulden brachten es Schwarze Frauen* zu besseren Jobs und einem besseren Status. Zwar waren sie den weißen Männern und Frauen* nicht gleich, doch hatten sie einen höheren Stand als Schwarze Männer. Und nun, da die Revolution in der Gesellschaft stattfindet, bin ich der Meinung, dass Schwarze Frauen* im Leben nicht den Ton angeben sollten. Ich denke, das sollten Schwarze Männer tun, denn Männer stehen symbolhaft für Race.

Oder: Ich glaube, eine Schwarze Frau* kann in der Revolution oder im Kampf einen der wichtigsten Vorzüge darstellen. Ich glaube, Schwarze Frauen* blicken auf eine Geschichte der Beharrlichkeit und Stärke zurück. Es würde mir nicht gefallen, wenn aus dieser Stärke tyrannische oder herrische Tendenzen erwachsen würden, doch glaube ich, dass wir jene stille Kraft sein können, die der Schwarze Mann braucht, um die Schlacht für seine Frau* oder seine Partnerin* und seine Familie zu gewinnen.

Zahlreiche Schwarze Frauen*, darunter auch viele junge College-Absolventinnen* der Mittelschicht, fielen in den 60er- und 70er-Jahren dem romantisierten Konzept der idealisierten Weiblichkeit* anheim, das erstmals im viktorianischen Zeitalter populär gewesen war. Sie betonten, die Rolle der Frau* sei die der Gehilfin* ihres Mannes. Und zum ersten Mal in der Geschichte der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegungen kämpften Schwarze Frauen* nicht auf Augenhöhe mit Schwarzen Männern. In Black Macho and the Myth of the Superwoman setzt sich Michelle Wallace mit der Schwarzen Bewegung der 60er-Jahre auseinander und kommentiert: Frauen*feindlichkeit war ein integrales Element des Black Macho. Die zugrundeliegende Philosophie, Schwarze Männer seien stärker unterdrückt gewesen als Schwarze Frauen* und Letztere hätten sogar zu dieser Unterdrückung beigetragen, Schwarze Männer seien sexuell und moralisch überlegen und zudem von den meisten Verantwortlichkeiten befreit, die Menschen anderen

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Menschen gegenüber hatten, konnte für Schwarze Frauen* nur von Nachteil sein. Dennoch wollten Schwarze Frauen* – auch wenn sie tief in ihrem Inneren das Gegenteil spürten – um jeden Preis glauben, sie stünden nun endlich an der Schwelle zur Befreiung vom Gespenst der allmächtigen Blondine* mit Lippen wie Rosenknospen und Beinen wie Käsekuchen. Sie würden nicht länger eine andere Frau* auf dem Podest anhimmeln müssen. Das Podest würde ihnen gehören. Sie würden nicht mehr selbst kämpfen müssen. Es würde für sie gekämpft. Der Ritter in der weißen Rüstung würde für sie reiten. Die traumhafte Märchenprinzessin* würde Schwarz sein. Den Frauen* in der Bewegung der Schwarzen war kaum bewusst, wie widersprüchlich ihr Wunsch war, inmitten der Revolution Modelle der fragilen viktorianischen Weiblichkeit* zu sein. Sie wollten ein Haus, einen Lattenzaun darum, ein Huhn im Topf und einen Mann. Aus ihrer Sicht bestand ihre einzige ihnen offiziell zugeschriebene revolutionäre Aufgabe darin, Babys zu bekommen.

Nicht alle Schwarzen Frauen* fielen der sexistischen Gehirnwäsche der Schwarzen Befreiungsrhetorik zum Opfer, doch wurden jene, die sich davor bewahren konnten, nicht beachtet. Die Menschen in den USA waren fasziniert vom Bild der Schwarzen Frau*, die sich – stark, unerschütterlich und unabhängig  – widerspruchslos einer passiven Rolle ergab, ja sogar danach strebte, eine passive Rolle einzunehmen. Zwar bekam die Bewegung in den 60er-Jahren mit Angela Davis eine weibliche* Heldin, doch galt die Bewunderung für sie nicht ihrem politischen Engagement in der Kommunistischen Partei und auch nicht ihren brillanten Analysen des Kapitalismus und der weißen Vorherrschaft, sondern ihrer Schönheit und ihrer Hingabe an Schwarze Männer. Die US-amerikanische Öffentlichkeit war nicht bereit, die politische Angela Davis zu sehen; stattdessen wurde sie zu einer Art Pin-up-Girl gemacht. Im Allgemeinen wurde ihre kommunistische Gesinnung von der Schwarzen Bevölkerung weder gutgeheißen noch ernstgenommen. Wallace schreibt über Angela Davis: Trotz all ihrer Errungenschaften wurde sie als Inbegriff der selbstlosen, aufopfernden ›guten Frau*‹ angesehen – was die einzige Art von Schwarzer Frau* war, die in der Bewegung akzeptiert wurde. Sie tue es für ihren Mann, hieß es.

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Eine Frau* auf dem Platz einer Frau*. Die sogenannten politischen Themen spielten keine Rolle.

Schwarze Frauen* jener Zeit, die die patriarchale Dominanz befürworteten, schrieben ihre Unterwerfung dem Status quo im Kontext der rassistischen Politik zu und argumentierten, dass sie für das Wohl von Race bereit seien, in der Beziehung zu Schwarzen Männern eine untergeordnete Rolle zu akzeptieren. Tatsächlich handelte es sich bei ihnen um eine neue Generation Schwarzer Frauen*  – eine Generation, die nicht nur durch Schwarze Revolutionäre, sondern auch durch die weiße Gesellschaft und die Medien einer Gehirnwäsche unterzogen worden war, die sie glauben machte, der Platz der Frau* sei zu Hause. Als erste Generation Schwarzer Frauen* sahen sie sich damit konfrontiert, mit weißen Frauen* um die Aufmerksamkeit Schwarzer Männer konkurrieren zu müssen. Viele von ihnen akzeptierten den Sexismus Schwarzer Männer nur aus der Angst heraus, allein zu sein, keine Schwarzen Gefährten zu haben. Die Angst, allein zu sein oder nicht geliebt zu werden, hatte schon Frauen* jeder Race dazu veranlasst, Sexismus und sexistische Unterdrückung passiv hinzunehmen. Die Bereitschaft der Schwarzen Frau*, die sexistisch definierte weibliche* Rolle zu akzeptieren, war somit keineswegs einzigartig oder neu. Die Bewegung der Schwarzen in den 60er-Jahren wurde lediglich zur Kulisse, vor der ihre Akzeptanz des Sexismus bzw. des Patriarchats an die weiße Öffentlichkeit kommuniziert werden konnte, in der die Überzeugung anhielt, dass Schwarze Frauen* durchsetzungsfähiger und gebieterischer als weiße Frauen* seien. Entgegen der öffentlichen Meinung war es nicht der Black Macho der 70er-Jahre, der Schwarze Frauen* dazu brachte, sich in sexistisch definierte Rollenmuster zu fügen – es war die Genderpolitik der 50er. Die Schwarzen Mütter* der 50er hatten ihren Töchtern* beigebracht, nicht auf eine eigene Arbeit stolz zu sein. Bilden sollten sie sich für den Fall, dass sie nicht den Mann finden könnten, der in ihrem Leben die wichtigste Kraft sein, für sie sorgen und sie beschützen würde. Mit einem solchen Erbe überrascht es nicht, dass Schwarze College-Absolventinnen* das Patriarchat mit offenen Armen begrüßten. Die Schwarze Bewegung der 60er-Jahre

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legte lediglich eine Befürwortung von Sexismus und Patriarchat offen, die bereits in der Schwarzen Gemeinschaft existierte – sie erschuf sie nicht. Michelle Wallace untersuchte die Reaktion der Schwarzen Frau* auf den Bürger*innenrechtskampf der 60er-Jahre und kommentierte: Die Schwarze Frau* befasste sich nie wirklich mit den Hauptthemen der Schwarzen Bewegung. Sie hörte auf, ihr Haar zu glätten. Sie benutzte keine Aufheller mehr. Sie zwang sich zu Unterwürfigkeit und Passivität. Sie predigte ihren Kindern die Herrlichkeit des Schwarzen Mannes. Doch plötzlich war die Schwarze Bewegung zu Ende. Daraufhin begann sie, sich das Haar wieder zu glätten, den neuesten Moden aus Vogue und Mademoiselle zu folgen, massig Rouge auf ihre Wangen zu legen und sich – nicht gerade selten – darüber zu äußern, welche Enttäuschung der Schwarze Mann doch sei. Zu anderen Schwarzen Frauen* hat sie kaum Kontakt, und wenn doch, dann eher oberflächlich. Die Gespräche drehen sich in der Regel um Kleidung, Make-up, Möbel und Männer. Privat setzt sie alles daran, um nicht zu jenen Schwarzen Frauen* zu zählen (eine Million), die übrig bleiben und niemals einen Partner finden werden. Und wenn sie keinen Mann findet, beschließt sie vielleicht einfach, trotzdem ein Kind zu bekommen.

Da es nun keine organisierte Schwarze Bürger*innenrechtsbewegung mehr gibt, halten es Schwarze Frauen* nicht mehr für notwendig, ihre Bereitschaft, eine sexistisch definierte Rolle einzunehmen, in den Kontext der Schwarzen Befreiung zu stellen; somit wird viel deutlicher, dass ihre Befürwortung des Patriarchats nicht nur aus ihrer Sorge um Schwarze erwuchs, sondern auf der Tatsache beruht, dass sie in einer Kultur lebten, in der das Patriarchat von der Mehrheit der Frauen* getragen und akzeptiert wurde. Als Ende der 60er-Jahre die Bewegung hin zum Feminismus ihren Anfang nahm, beteiligten sich Schwarze Frauen* nur selten als Gruppe. Da das dominante weiße Patriarchat und das Schwarze männliche Pa­ triarchat Schwarzen Frauen* die Botschaft vermittelt hatte, sich für die gesellschaftliche Gendergleichstellung auszusprechen, also für die Befreiung der Frau*, würde bedeuten, gegen die Schwarze Befreiung zu sein, standen sie anfangs dem Aufruf der weißen Frau* zu einer feministischen Bewegung skeptisch gegenüber. Viele Schwarze Frauen* wollten sich nicht an der Bewegung beteiligen, weil sie gar nicht den Wunsch hegten,

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gegen Sexismus zu kämpfen. Ihre Haltung war keineswegs ungewöhnlich. Die große Mehrheit der Frauen* in den USA hielt sich aus genau diesem Grund von der Frauen*bewegung fern. Weiße Männer gehörten zu den ersten Beobachtern der Frauen*bewegung, die auf die fehlende Beteiligung Schwarzer Frauen* hinwiesen, was sie allerdings nur taten, um sich über die Arbeit weißer Feministinnen* lustig zu machen und sie zu verspotten. Selbstgefällig stellten sie die Glaubwürdigkeit einer Bewegung zur Befreiung der Frau* infrage, der es nicht gelang, Frauen* der am meisten unterdrückten weiblichen* Gruppen in der US-Gesellschaft für sich zu gewinnen. Sie zählten zu den ersten Kritikern des Feminismus, die die Frage des Rassismus der weißen Frau* aufwarfen. Daraufhin riefen weiße Frauen*rechtlerinnen* Schwarze und andere nicht-weiße Frauen* eindringlich dazu auf, sich auf ihre Seite zu schlagen. Antwort erhielten sie vor allem von jenen Schwarzen Frauen*, die besonders antifeministisch eingestellt waren. Deren Haltung wurde als die Position der Schwarzen Frau* zur Frauen*befreiung dargestellt. Ihre Ansichten finden sich in Aufsätzen wie Women’s Rights, Why the Struggle Still Goes On von Ida Lewis, Black Liberation and Women’s Lib von Linda LaRue, Women’s Liberation Has No Soul, der zuerst in der Zeitschrift Encore erschien, und Women’s Liberation Has a Different Meaning for Blacks von Renee Fergueson. Insbesondere Linda LaRues Kommentare zur Frauen*befreiung wurden häufig als die definitive Antwort der Schwarzen Frau* auf die Frauen*befreiung zitiert: Es soll klar gesagt sein, dass die weiße US-Amerikanerin* bessere Chancen hatte, sowohl geistig als auch körperlich ein freies und erfüllendes Leben zu führen als jede andere Gruppe in den Vereinigten Staaten, mit Ausnahme ihres weißen Gatten. Folglich ist jeder Versuch, die Schwarze Unterdrückung mit der Misere der weißen US-Amerikanerin* gleichzusetzen, etwa so viel wert wie der Vergleich zwischen dem Hals eines Gehängten und den blasengeplagten Händen eines Hobbybergsteigers.

In ihren Aufsätzen ließen viele Schwarze Anti-Feministinnen* Hass und Neid gegenüber weißen Frauen* erkennen. Sie verausgabten sich in verbalen Angriffen auf weiße Frauen*rechtlerinnen*, ohne jedoch überzeu-

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gend nachzuweisen, dass Schwarze Frauen* keine Frauen*befreiung nötig hätten. Die Schwarze Soziologin Joyce Ladner beschrieb in ihrer Studie zu Schwarzen Frauen* unter der Überschrift Tomorrow’s Tomorrow ihre Ansichten zur Frauen*befreiung so: Viele Schwarze Frauen*, die traditionell weiße Weiblichkeits*modelle akzeptiert hatten, lehnen diese mittlerweile aus denselben Gründen ab, aus denen wir den Lebensstil der weißen Mittelschicht ablehnen sollten. Schwarze Frauen* sind in dieser Gesellschaft die einzige ethnische bzw. radikale Gruppe, die Gelegenheit gehabt hat, wirklich Frauen* zu sein. Damit meine ich schlicht, dass ein Großteil der derzeitigen Fokussierung auf die Befreiung von den gesellschaftlichen Einschränkungen und Einhegungen, welche Frauen*befreiungsgruppen verfolgen, noch niemals für Schwarze Frauen* gegolten hat, und in diesem Sinne waren wir schon immer ›frei‹ und konnten uns selbst unter den widrigsten Umständen als Individuen entwickeln. Diese Freiheit und das enorme Elend, unter dem Schwarze Frauen* gelitten haben, machten die Entwicklung einer Persönlichkeit möglich, deren hartnäckige Stärke und Überlebensfähigkeit in den Fachzeitschriften kaum beschrieben wird. Ebenso wenig werden ihr einzigartiger humanistischer Charakter und ihr stiller Mut als Inbegriff dessen erachtet, was das US-amerikanische Weiblichkeits*modell darstellen sollte.

Ladners Behauptung, dass Schwarze Frauen* ›frei‹ seien, wurde zu einer der allgemein anerkannten Erklärungen für die Weigerung Schwarzer Frauen*, sich in einer Befreiungsbewegung von Frauen* zu engagieren. Allerdings zeigt eine solche These nur, dass jene Schwarzen Frauen*, die die Frauen*befreiung ohne zu zögern ablehnten, noch nie ernsthaft über den feministischen Kampf nachgedacht hatten. Denn während weiße Frauen* im Feminismus möglicherweise einen Weg erkannten, um sich von den Zwängen zu befreien, die ihnen durch idealisierte Weiblichkeits*konzepte auferlegt worden waren, hätten Schwarze Frauen* im Feminismus eine Möglichkeit finden können, um sich von den Zwängen zu befreien, die ihrem Verhalten eindeutig durch Sexismus auferlegt worden waren. Nur eine wirklich naive, unaufgeklärte Person konnte ernsthaft behaupten, dass es sich bei Schwarzen Frauen* in den USA um eine befreite weibliche* Gruppe handelte. Jene Schwarzen Frauen*, die sich selbst auf die Schulter klopften, weil sie »bereits befreit« waren, brachten damit in Wirklichkeit

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ihre Akzeptanz des Sexismus und ihre Zufriedenheit mit dem Patriarchat zum Ausdruck. Die Konzentration auf das Schwarze antifeministische Denken war so allgegenwärtig, dass Schwarze Unterstützerinnen* des Feminismus, die sich am Aufbau einer feministischen Bewegung beteiligten, wenn überhaupt, kaum wahrgenommen wurden. Für jeden antifeministischen Artikel einer Schwarzen, der geschrieben und veröffentlicht wurde, gab es auf der Seite Schwarzer Frauen* auch eine profeministische Position. Aufsätze wie Black Feminism von Cellestine Ware, Women Must Rebel von Shirley Chisholm, An Argument for Black Women’s Liberation as a Revolutionary Force von Mary Ann Weather und The Liberation of Black Women von Pauli Murray zeugten allesamt von der Unterstützung des Feminismus durch Schwarze Frauen*. Als Gruppe standen Schwarze Frauen* der sozialen Gendergleichstellung nicht entgegen, sie hatten aber auch wenig Ambitionen, zusammen mit weißen Frauen* eine feministische Bewegung zu organisieren. Die Virginia Slims American Women’s Opinion Poll von 1972 zeigte, dass sich sogar mehr Schwarze Frauen* für Änderungen am Status von Frauen* in der Gesellschaft aussprachen als weiße Frauen*. Ihre Unterstützung feministischer Themen hatte jedoch nicht zur Folge, dass sie sich als kollektive Gruppe aktiv in der Frauen*befreiungsbewegung beteiligten. Ihr fehlendes Engagement wird in der Regel auf zweierlei Weise begründet. Die erste Erklärung lautet, dass die Schwarze Bewegung in den 60er-Jahren Schwarze Frauen* dazu ermutigt hatte, eine unterwürfige Rolle einzunehmen, und damit ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Feminismus bewirkt hatte. Die zweite Erklärung ist die, dass Schwarze Frauen*, wie es eine weiße Frauen*rechtlerin ausdrückte, »davon abgestoßen waren, wie sich die Frauen*bewegung im Hinblick auf Race und Klasse zusammensetzte«. Auf den ersten Blick scheinen beide Erklärungen ihre Berechtigung zu haben. In einem historischen Kontext allerdings, in dem sich Schwarze Frauen* ungeachtet des Drucks Schwarzer Männer, eine untergeordnete Position einzunehmen, und ungeachtet der Tatsache, dass weiße Frauen* der Mittel- und Oberschicht jede Frauen*bewegung in den USA dominiert haben, mit Frauen*rechten solidarisiert haben, entbehren sie jeder

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Grundlage. Zwar liefern sie eine Rechtfertigung für die antifeministische Haltung Schwarzer Frauen*, erklären jedoch nicht, warum sich Schwarze Unterstützerinnen* einer feministischen Ideologie nicht umfassend in der heutigen Frauen*bewegung beteiligen. Anfangs traten Schwarze Feministinnen* an die von weißen Frauen* organisierte Frauen*bewegung mit dem aufrichtigen Wunsch heran, sich am Kampf für das Ende der sexistischen Unterdrückung zu beteiligen. Als wir merkten, dass die weißen Frauen* in der Bewegung nur wenig über die Probleme von Frauen* der Unterschicht und armen Frauen* bzw. die speziellen Probleme nicht-weißer Frauen* aller Klassen wussten und sich auch kaum dafür interessierten, waren wir enttäuscht und desillusioniert. Diejenigen von uns, die in Frauen*gruppen aktiv waren, erkannten, dass weiße Feministinnen* die mangelnde Beteiligung nicht-weißer Frauen* zwar einerseits beklagten, andererseits aber nicht bereit waren, den Fokus der Bewegung so zu verändern, dass die Bedürfnisse von Frauen* aller Klassen und rassischen Gruppen besser berücksichtigt würden. Einige weiße Frauen* argumentierten sogar, dass Gruppen, die zahlenmäßig nicht in der Mehrheit seien, nicht erwarten könnten, dass ihre Angelegenheiten Beachtung fänden. Diese Einstellung nährte den Verdacht der Schwarzen Teilnehmenden, dass weiße Beteiligte eigentlich den Wunsch hegten, die Bewegung solle sich nicht den Interessen von Frauen* als kollektive Gruppe widmen, sondern den individuellen Interessen der kleinen Minderheit, die die Bewegung ins Leben gerufen hatte. Schwarze Feministinnen* erkannten, dass Schwestern*schaft für die meisten weißen Frauen* keineswegs bedeutete, sich von ihrem Konzept von Race, Klasse und Gender loszusagen und stattdessen auf der Basis der gemeinsamen politischen Auffassung zusammenzuschließen, dass eine feministische Revolution notwendig sei, damit alle Menschen, insbesondere Frauen*, ihre rechtmäßige Staatsbürger*innenschaft in der Welt einfordern konnten. Von unserer Randposition in der Bewegung aus sahen wir, dass die potenzielle Radikalität der feministischen Ideologie durch Frauen* untergraben wurde, die zwar von revolutionären Zielen sprachen, denen es aber in erster Linie darum ging, sich Zugang zur kapitalistischen, patriarchalen Machtstruktur zu verschaffen. Auch wenn weiße Feministinnen*

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den weißen Mann kritisierten und als Imperialisten, Kapitalisten, Sexisten und rassistisches Schwein bezeichneten, bedeutete die Frauen*befreiung für sie, dass Frauen* das Recht erhalten sollten, sich voll und ganz an eben jenem System zu beteiligen, das sie selbst als repressiv erkannten. Ihr Zorn war nicht einfach nur eine Antwort auf sexistische Unterdrückung. Er war auch Ausdruck ihrer Eifersucht und ihres Neides auf weiße Männer, die Machtpositionen im System innehatten, während ihnen der Zugang zu solchen Positionen verwehrt blieb. Einzelne Schwarze Feministinnen* verzweifelten, während wir Zeuginnen* der Aneignung der feministischen Ideologie durch elitäre weiße Rassistinnen* wurden. Es war uns unmöglich, innerhalb der Bewegung Führungspositionen einzunehmen und die authentische Botschaft der feministischen Revolution zu verbreiten. Wir konnten noch nicht einmal eine Anhörung bei Frauen*gruppen erreichen, weil diese von weißen Frauen* organisiert und kontrolliert wurden. Ebenso wie jene weißen Frauen*, die ein politisches Bewusstsein hatten, bekamen wir, die Schwarzen Feministinnen*, das Gefühl, dass es in Wirklichkeit keinen organisierten feministischen Kampf gab. Wir verließen die Gruppen, weil wir es müde waren, über Frauen* als Kraft zu reden, die die Welt verändern könnte, wenn wir uns doch noch nicht einmal selbst verändert hatten. Einige Schwarze Frauen* bildeten Schwarze feministische Gruppen, die in nahezu allen Aspekten jenen Gruppen ähnelten, die sie gerade verlassen hatten. Andere kämpften allein. Einige von uns besuchten auch weiterhin Organisationen, Frauen*-Studienkreise und Konferenzen, doch unsere Beteiligung blieb verhalten. Seit nunmehr zehn Jahren bin ich als Feministin aktiv. Ich habe daran gearbeitet, die Psychologie der Dominanz zu zerstören, von der die westliche Kultur durchdrungen ist und die zweigeschlechtliche Genderrollen formt, und ich habe mich für die Umgestaltung der US-amerikanischen Gesellschaft nach menschlichen anstelle von materiellen Werten eingesetzt. Ich habe in Frauen*-Studienkreisen gelernt und mich in feministischen Seminaren, Organisationen und verschiedenen Frauen*gruppen beteiligt. Anfangs glaubte ich, dass es den Frauen*, die sich in feministischen Aktivitäten engagierten, um sexistische Unterdrückung und ihre Folgen

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für Frauen* als kollektive Gruppe ging. Doch als ich Zeugin wurde, wie verschiedene Frauen*gruppen den Feminismus für ihre eigenen opportunistischen Zwecke vereinnahmten, verlor ich meine Illusionen. Ob es Hochschulprofessorinnen* waren, die sexistische Unterdrückung bejammerten (und nicht sexistische Diskriminierung), um die Aufmerksamkeit auf ihre Promotionsbestrebungen zu lenken, Frauen*, die den Feminismus benutzten, um ihre eigenen sexistischen Einstellungen zu kaschieren, oder Schriftstellerinnen*, die sich oberflächlich mit feministischen Themen beschäftigten, um ihre eigene Karriere voranzubringen  – es war offenkundig, dass ihr Anliegen nicht vorrangig die Beseitigung sexistischer Unterdrückung war. Zwar schrieben sie sich den Kampf gegen sexistische Unterdrückung auf die Fahnen, doch ging es ihnen kaum um den Status von Frauen* als kollektive Gruppe in unserer Gesellschaft. In erster Linie waren sie daran interessiert, Feminismus zu einem Forum zu machen, um ihre eigenen, auf sich selbst bezogenen Bedürfnisse und Wünsche ausdrücken zu können. Es kam ihnen nicht einmal annähernd in den Sinn, dass ihre Anliegen eventuell nicht die Anliegen unterdrückter Frauen* repräsentierten. Auch wenn ich Zeugin der Heuchelei von Feministinnen* wurde, klammerte ich mich an die Hoffnung, dass die wachsende Beteiligung von Frauen* verschiedener rassifizierter Gruppen und Klassen an feministischen Aktivitäten zu einer Neubewertung des Feminismus führen würde, zu einer radikalen Umgestaltung der feministischen Ideologie und zum Beginn einer neuen Bewegung, die die Anliegen von Frauen* wie auch Männern besser berücksichtigen würde. Ich war nicht bereit, weiße Feministinnen* als ›Feindinnen*‹ anzusehen. Dennoch stieß ich bei meinem Versuch, einer Frauen*gruppe nach der nächsten eine andere Perspektive anzubieten, auf Feindseligkeit und Ablehnung. Weiße Frauen*rechtlerinnen* sahen den Feminismus als ›ihre‹ Bewegung und wehrten sich gegen alle Bemühungen nicht-weißer Frauen*, deren Richtung zu kritisieren, anzufechten oder zu verändern. In dieser Zeit fiel mir auf, dass die Ideologie des Feminismus mit ihrem Schwerpunkt auf der Transformation und Veränderung der gesellschaftlichen Struktur der USA rein gar nichts mit der tatsächlichen Realität des

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US-amerikanischen Feminismus gemein hatte. Vor allem weil Feministinnen* bei ihrem Versuch, den Feminismus über eine radikale Rhetorik hinaus im US-amerikanischen Leben zu verankern, selbst verdeutlichten, dass sie genau in den Strukturen gefangen waren, die sie zu verändern hofften. Dementsprechend ist die Schwestern*schaft, von der wir gesprochen haben, nicht Wirklichkeit geworden. Und die Frauen*bewegung, von der wir uns vorstellten, dass sie die US-amerikanische Kultur verändern würde, ist nicht entstanden. Stattdessen nahm das bereits vom weißen kapitalistischen Patriarchat entwickelte hierarchische GenderRace-Beziehungsmuster unter dem Feminismus lediglich eine andere Form an. Frauen*rechtlerinnen* ließen keine ganzheitliche Analyse des Status der Frau* in der Gesellschaft zu, in der die verschiedenen Aspekte unserer Erfahrungen berücksichtigt werden konnten. In ihrem Bestreben, die Idee der Schwestern*schaft zu fördern, vergaßen sie, wie komplex die Erfahrungen der Frau* doch sind. Während sie behaupteten, Frauen* vom biologischen Determinismus befreien zu wollen, sprachen sie Frauen* eine Existenz jenseits dessen ab, was von unserer Sexualität bestimmt ist. Es war den Interessen der Feministinnen* aus der Ober- und Mittelschicht nicht dienlich, über Race und Klasse zu diskutieren. Folglich gibt es viel feministische Literatur, die zwar wichtige Informationen über die Erfahrungen von Frauen* liefert, zugleich aber inhaltlich rassistisch und sexistisch ist. Dies meine ich nicht verurteilend oder abwertend. Immer, wenn ich ein feministisches Buch mit rassistischen und sexistischen Inhalten lese, macht mich das traurig und betrübt meine Seele. Denn zu wissen, dass genau die Bewegung, die sich die Befreiung der Frauen* zum Ziel gemacht hat, von endlosen Fallstricken durchsetzt ist, die uns enger und enger an alte repressive Methoden binden, bedeutet, das Versagen einer weiteren potenziell radikalen, transformativen Bewegung in unserer Gesellschaft zu erleben. Auch wenn die heutige feministische Bewegung anfangs durch den aufrichtigen Wunsch nach der Beseitigung sexistischer Unterdrückung motiviert war, bewegt sie sich im Gefüge eines größeren, mächtigeren kulturellen Systems, das Frauen* und Männer dazu anregt, die Erfüllung individueller Bestrebungen über den Wunsch nach kollektiver Veränderung zu stellen. Vor diesem Szenario ist es nicht verwunderlich, dass der

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Feminismus vom Narzissmus, der Gier und dem individuellen Opportunismus seiner führenden Vertreterinnen* untergraben worden ist. Eine feministische Ideologie, die in einer radikalen Rhetorik von Widerstand und Revolution spricht, aber gleichzeitig aktiv danach strebt, sich innerhalb des kapitalistischen, patriarchalen Systems zu etablieren, ist in ihrem Wesen unehrlich. Auch wenn die gegenwärtige feministische Bewegung erfolgreich ein Bewusstsein für die Auswirkungen sexistischer Diskriminierung auf den gesellschaftlichen Status von Frauen* in den USA schaffen konnte, hat sie wenig dafür getan, sexistische Unterdrückung zu beseitigen. Frauen* beizubringen, wie sie sich gegen männliche Vergewaltiger verteidigen können, ist nicht das Gleiche, wie für eine Veränderung der Gesellschaft zu arbeiten, damit Männer nicht vergewaltigen. Die Einrichtung von Frauen*häusern verändert nicht die Psyche der Männer, die Frauen* Gewalt antun, und auch nicht die Kultur, die ihre Brutalität fördert und billigt. Die Kritik an der Heterosexualität wird kaum das Selbstverständnis der unzähligen Frauen* stärken, die sich zu Männern hingezogen fühlen. Das Anprangern von Hausarbeit als niedere Tätigkeit bewirkt nicht, bei Hausangestellten das Gefühl von Würde und Stolz auf ihre Arbeit wiederherzustellen, das ihnen durch patriarchale Abwertung genommen wurde. Die Forderung nach einem Ende des institutionalisierten Sexismus garantiert nicht das Ende der sexistischen Unterdrückung. Die Rhetorik des Feminismus mit ihrer Betonung von Widerstand, Rebellion und Revolution hat eine Illusion von Militanz und Radikalität erzeugt, die die Tatsache verschleiert hat, dass der Feminismus für das kapitalistische Patriarchat weder eine Herausforderung noch eine Bedrohung darstellte. Indem die Vorstellung genährt wird, alle Männer seien privilegiert und hätten im Gegensatz zu Frauen* die Möglichkeit zu einer Selbstverwirklichung und persönlichen Befreiung, wie es Feministinnen* tun, wird vielmehr der sexistische Mythos männlicher Macht untermauert, der davon ausgeht, alles Männliche sei von Natur aus dem Weiblichen* übergeordnet. Ein derart in Neid, Angst und der Idealisierung männlicher Macht verwurzelter Feminismus ist nicht in der Lage, die entmenschlichenden Auswirkungen des Sexismus auf Männer und Frauen* in der US-amerikanischen Gesellschaft zu entlarven. Heute bietet

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der Feminismus Frauen* keine Befreiung, sondern vielmehr das Recht, sich wie nicht vollwertige Männer zu verhalten. Er hat keinerlei Entwurf für einen Wandel geliefert, der zur Beseitigung sexistischer Unterdrückung oder einer Transformation unserer Gesellschaft führen würde. Die Frauen*bewegung ist zu einer Art Ghetto oder Konzentrationslager für Frauen* geworden, die danach streben, die Art von Macht zu erreichen, die Männer ihrer Ansicht nach haben. Sie bietet ein Forum, in dem sie ihren Gefühlen des Zorns, der Eifersucht, der Wut und der Enttäuschung über Männer Ausdruck verleihen können. Sie bietet eine Umgebung, in der sich Frauen*, die ansonsten wenig Gemeinsamkeiten haben, einander abgeneigt oder sogar gleichgültig sind, auf der Grundlage ihrer negativen Gefühle gegenüber Männern zusammentun können. Und schließlich gibt sie Frauen* jeder rassifizierten Gruppe, die den Wunsch hegen, die imperialistischen, sexistischen, rassistischen Positionen der Zerstörung einzunehmen, die Männer innehaben, eine Plattform, die es ihnen ermöglicht, so zu tun, als dienten die Verwirklichung ihrer persönlichen Bestrebungen und ihre Gier nach Macht dem Gemeinwohl aller Frauen*. Momentan erleben die Frauen* in den USA den Niedergang einer weiteren Frauen*rechtsbewegung. Die Zukunft des kollektiven feministischen Kampfes ist alles andere als vielversprechend. Jene Frauen*, die sich den Feminismus angeeignet haben, um ihre eigenen opportunistischen Anliegen zu verfolgen, haben ihre angestrebten Ziele erreicht und somit das Interesse am Feminismus als politischer Ideologie verloren. Viele Frauen*, die auch weiterhin in Frauen*rechtsgruppen und -organisationen aktiv sind, weigern sich hartnäckig, die verzerrte Analyse vom Los der Frau* in der Gesellschaft zu kritisieren, die durch die Frauen*befreiung populär gemacht worden ist. Da diese Frauen* keiner Unterdrückung ausgesetzt sind, haben sie auch kein Problem damit, eine feministische Bewegung zu unterstützen, die reformistisch, rassistisch und klassistisch ist, weil sie keinen zwingenden Grund für einen radikalen Wandel erkennen. Zwar ist die soziale Gleichstellung mit Männern für Frauen* in den USA näher gerückt, das kapitalistisch-patriarchale System jedoch besteht unverändert. Es ist nach wie vor imperialistisch, rassistisch, sexistisch und repressiv.

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Der jüngsten Frauen*bewegung ist es nicht gelungen, das Problem der rassistischen Unterdrückung richtig anzugehen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese existiert und dass wir ihr in unterschiedlichem Ausmaß zum Opfer fallen, und es enthebt auch niemanden von uns der Verantwortung zur Veränderung. Zahlreiche Schwarze Frauen* werden tagtäglich Opfer von sexistischer Unterdrückung. Viel zu oft ertragen wir unseren Schmerz schweigend und warten geduldig, dass sich etwas ändert. Doch weder passive Akzeptanz noch stoisches Aushalten werden eine Veränderung bewirken. Veränderung ist nur durch Aktion, Bewegung, Revolution möglich. Die Schwarze Frau* des 19. Jahrhunderts war eine Frau* der Tat. Ihr Leiden, ihr schweres Los inmitten einer rassistischen, sexistischen Welt und ihre Anteilnahme an der Misere anderer motivierten sie dazu, sich am feministischen Kampf zu beteiligen. Weder der Rassismus weißer Frauen*rechtlerinnen* noch der Sexismus Schwarzer Männer konnten sie von ihrem politischen Engagement abbringen. Sie erwartete nicht, dass ihr eine Gruppe die Vorlage zur Veränderung lieferte. Sie schuf die Vorlagen selbst. In einer Ansprache vor einem Publikum von Frauen* verlieh Anna Cooper 1892 voller Stolz der Sicht der Schwarzen Frau* auf den Feminismus eine Stimme: Die Forderung der Frau* soll sowohl im Konkreten als auch im Abstrakten so umfassend wie möglich sein. Wir setzen uns ein für die Solidarität der Menschheit, die Einheit des Lebens, und sprechen uns aus gegen die Unnatürlichkeit und Ungerechtigkeit jeder speziellen Bevorteilung, sei es aufgrund von Gender, Race, Land oder Stellung. Wenn ein Glied der Kette kaputt ist, ist die ganze Kette kaputt. Eine Brücke ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und eine Sache ist nicht mehr wert als ihr schwächstes Element. Was die Sache der Frau* am wenigsten gebrauchen kann, ist die Schwachen in Verruf zu bringen. Wir wollen später als Kämpferinnen* für den universellen Sieg der Gerechtigkeit und der Menschenrechte von diesem Kongress nach Hause zurückkehren und unseren Zugang fordern, und zwar nicht durch ein Tor, das nur für uns selbst, unsere Race, unser Gender oder unsere Sekte bestimmt ist, sondern über eine große Chaussee für die Menschheit. Die Schwarze Frau* spürt, dass die Sache der Frau* einzig und universell ist, und erst wenn das Abbild Gottes, ob in Marmor oder Ebenholz, heilig und unantastbar ist, wenn Race, Hautfarbe, Gender und

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Stand nur noch als zufällig gelten und nicht mehr als Essenz des Lebens, wenn das universelle Recht der Menschheit auf Leben, Freiheit und freie Entfaltung jedem Menschen als unabdingbar zugestanden wird, wird die Sache der Frau* gewonnen sein – und zwar nicht die der weißen Frau* oder die der Schwarzen Frau* oder die der First-Nation-Frau*, sondern die Sache jedes Mannes und jeder Frau*, die sich stumm unter einem mächtigen Unrecht gekrümmt haben. Die Missstände der Frau* sind folglich untrennbar mit allen Entrechteten verbunden und das Erreichen ihrer ›Rechte‹ wird letztlich den Triumph aller Rechte über Gewalt und Macht, die Herrschaft der moralischen Kräfte der Vernunft und Gerechtigkeit und Liebe in der Regierung der Nationen der Welt bedeuten.

Cooper sprach für sich selbst und Tausende andere Schwarze Frauen*, die in der Versklavung geboren worden waren und, weil sie schwere Opfer erbringen mussten, Mitgefühl und Anteilnahme für das Elend aller Unterdrückten empfanden. Wenn alle Frauen*rechtlerinnen* ihre Gefühle teilen würden, wäre die feministische Bewegung in den USA wahrhaft radikal und transformativ. Der Feminismus ist eine sich formierende Ideologie. Laut Oxford English Dictionary wurde der Begriff ›Feminismus‹ erstmals im späten 19.  Jahrhundert verwendet und als Innehaben der »Eigenschaften des Weiblichen*« definiert. Die Bedeutung des Begriffs wurde nach und nach verändert und die Wörterbuchdefinition im 20.  Jahrhundert beschreibt Feminismus als »Theorie der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gendergleichstellung«. Für viele Frauen* trifft diese Definition nicht zu. In der Einleitung von The Remembered Gate: Origins of American Feminism definiert Barbara Berg Feminismus als eine »breite Bewegung, die zahlreiche Phasen der Emanzipation der Frau* umfasst«. Weiterhin erklärt sie: Er bedeutet die Freiheit, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, das Freisein von der genderspezifischen Rolle, das Freisein von den repressiven Einschränkungen der Gesellschaft, die Freiheit, ihre Gedanken umfassend auszudrücken und ungehindert in Taten umzusetzen. Der Feminismus fordert die Anerkennung des Rechts der Frau* auf ihr eigenes Gewissen und Urteil. Er geht davon aus, dass der grundlegende Wert der Frau* aus ihrem allgemeinen menschlichen Wesen erwächst und nicht von anderen Beziehungen ihres Lebens abhängig ist.

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Ihre erweiterte Feminismusdefinition ist nützlich, aber dennoch beschränkt. Viele Frauen* haben erlebt, dass weder ihr Kampf für ›soziale Gleichstellung‹ noch die Betonung einer ›Ideologie der Frau* als autonomes Wesen‹ ausreichen, um die Gesellschaft von Sexismus und männlicher Dominanz zu befreien. Für mich ist der Feminismus nicht einfach nur ein Kampf für das Ende des männlichen Chauvinismus oder eine Bewegung, die dafür sorgen soll, dass Frauen* die gleichen Rechte wie Männer haben; er bedeutet mir den Einsatz für die Beseitigung der Ideologie der Dominanz, von der die westliche Kultur auf verschiedenen Ebenen – Gender, Race und Klasse, um nur einige zu nennen – durchdrungen ist, und den Kampf für die Umgestaltung der US-amerikanischen Gesellschaft, damit die Selbstentfaltung der Menschen über den Imperialismus, die wirtschaftliche Expansion und materielle Wünsche Vorrang gewinnt. Die Verfasserinnen* eines feministischen Pamphlets, das 1976 anonym veröffentlicht wurde, ermahnten Frauen* dazu, ein politisches Bewusstsein zu entwickeln: Bei all diesen Kämpfen müssen wir selbstbewusst und fordernd sein und gegen den in den US-Amerikaner*innen tief verwurzelten Hang zum Liberalismus ankämpfen, bei dem es darum geht, möglichst nicht über prinzipielle Fragen zu streiten aus Angst, Spannungen zu erzeugen oder unbeliebt zu werden. Stattdessen müssen wir nach dem grundlegenden dialektischen Prinzip leben, dass Fortschritt nur durch den Kampf zur Auflösung von Widersprüchen möglich ist.

Es ist ein Widerspruch, dass weiße Frauen* eine Frauen*befreiungsbewegung so gestaltet haben, dass sie rassistisch ist und viele nicht-weiße Frauen* ausschließt. Allerdings sollte die Existenz dieses Widerspruchs keine Frau* dazu veranlassen, feministische Themen zu ignorieren. Oft fragen mich Schwarze Frauen*, warum ich mich selbst als Feministin bezeichne und damit begrifflich zur Verbündeten einer rassistischen Bewegung mache. Ich antworte: »Die Frage, die wir wieder und wieder stellen müssen, ist die, wie sich rassistische Frauen* als Feministinnen* bezeichnen können.« Es ist offenkundig, dass sich viele Frauen* des Feminismus bemächtigt haben, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Das betrifft insbesondere jene weißen

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Frauen*, die an vorderster Front der Bewegung standen. Doch anstatt mich dieser Inbesitznahme zu fügen, habe ich mich dafür entschieden, dem Begriff ›Feminismus‹ wieder eine neue Bedeutung zu geben, um die Tatsache zu betonen, dass wahrhaft ›feministisch‹ zu sein bedeutet, für die Befreiung aller Menschen, weiblich* wie männlich, von sexistischen Rollenmustern, Dominanz und Unterdrückung einzustehen. Heute wollen zahllose Schwarze Frauen* in den USA nicht sehen, dass sie durch den feministischen Kampf viel gewinnen könnten. Sie fürchten den Feminismus. Sie haben so lange stillgehalten, dass sie Angst haben, sich zu bewegen. Sie fürchten die Veränderung. Sie fürchten sich davor, das Wenige, was sie haben, zu verlieren. Sie haben Angst, sich weißen Feministinnen* mit ihrem Rassismus oder Schwarzen Männern mit ihrem Sexismus offen entgegenzustellen, geschweige denn weißen Männern mit ihrem Rassismus und Sexismus. Ich habe schon in vielen Küchen gesessen und Schwarze Frauen* von ihrem Glauben an den Feminismus sprechen und zugleich redegewandt die Frauen*bewegung kritisieren hören, indem sie ihre Gründe für ihre Weigerung erklärten, sich daran zu beteiligen. Und ich habe erlebt, wie sich diese Frauen* auch weigerten, ihre Ansichten im öffentlichen Raum zu äußern. Ich weiß, dass ihre Angst existiert, weil sie erlebt haben, wie wir mit Füßen getreten, vergewaltigt, missbraucht, abgeschlachtet, lächerlich gemacht und zum Narren gehalten wurden. Nur wenige Schwarze Frauen* haben den Spirit des feministischen Kampfes wieder entfacht, der die Herzen und den Geist unserer Schwestern* aus dem 19. Jahrhundert bewegte. Wir, die Schwarzen Frauen*, die sich für die feministische Ideologie einsetzen, sind Pionierinnen*. Wir ebnen einen Weg für uns und unsere Schwestern*. Wir hoffen, dass sie, wenn sie sehen, dass wir unser Ziel erreichen – aus der Opferrolle herauszutreten, anerkannt zu werden, unsere Angst zu verlieren – Mut gewinnen und uns nachfolgen.

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5. Audre Lorde Alter, Race, Klasse und Gender: Frauen* definieren ihre Unterschiede neu (1984) Übersetzt von Yemisi Babatola und Amora Bosco

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Weite Teile der westlich-europäischen Geschichte lehrten uns, menschliche Unterschiede gegeneinander aufzuwiegen: dominant / subaltern, gut / schlecht, oben / unten, überlegen / unterlegen. In einer Gesellschaft, in der Wohlstand mit Blick auf Profite und nicht als menschliches Bedürfnis definiert wird, muss es immer eine Gruppe geben, die sich aufgrund systematisierter Unterdrückung überschüssig fühlt und den Platz der Entmenschlichten einnimmt. In dieser Gesellschaft sind das Schwarze Menschen, Menschen des Globalen Südens, die Arbeiter*innenklasse, ältere Menschen und Frauen*. Als 49-jährige Schwarze, lesbische*, feministische, sozialistische Mutter von zwei Kindern, wovon eines ein Junge ist, und als Schwarze Partnerin eines weißen Mannes finde ich mich normalerweise in einer Gruppe wieder, die als anders, abweichend, minderwertig oder einfach nur als falsch definiert wird. Üblicherweise wird in der US-amerikanischen Gesellschaft von den unterdrückten Gruppen erwartet, dass sie diejenigen sind, die eine Brücke schlagen und die Kluft zwischen unseren eigenen Lebensrealitäten und dem Bewusstsein unserer Unterdrückenden schließen. Doch eine Überlebensstrategie für diejenigen von uns, für die Unterdrückungserfahrungen so US-amerikanisch sind wie Apfelkuchen, bestand darin, stets Beobachtende zu sein, sich die Sprache und die Sitten der Täter*innen vertraut zu machen und sich dieser sogar manchmal zu bedienen, in der Illusion, sie könnten uns schützen. Wann immer das Bedürfnis nach einem (Schein-)Dialog aufkommt, rufen uns diejenigen, die von unserer Unterdrückung profitieren, auf, unser Wissen mit ihnen zu teilen. Mit anderen Worten: Es wird zur Verantwortung der Unterdrückten, den Unterdrückenden ihre Fehler zu erklären. Ich werde verantwortlich für die Aufklärung von Lehrenden, die die Kultur meiner Kinder in der Schule nicht ernst nehmen. Es wird von Schwarzen Menschen und Menschen des Globalen Südens erwartet, weiße Menschen von unserer Menschlichkeit zu überzeugen. Von Frauen* wird erwartet, dass sie Männer aufklären. Von queeren Menschen wird erwartet, dass sie die Cis-hetero-Welt aufklären. Die Unterdrückenden halten ihre Position aufrecht und entziehen sich der Verantwortung für ihre Handlungen. Diese wiederholt vergeudete

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Energie könnte besser dazu eingesetzt werden, uns neu zu definieren und realistische Wünsche zu formulieren, um die Gegenwart zu verändern und eine Zukunft zu erarbeiten. Die institutionalisierte Ablehnung von Unterschieden ist eine absolute Notwendigkeit angesichts einer profitorientierten Ökonomie, die sich auf unter- und übergeordnete Gruppen stützt. In einer solchen Wirtschaftsstruktur sind wir alle darauf programmiert, auf die menschlichen Unterschiede zwischen uns mit Angst und Abscheu zu reagieren und mit Unterschieden auf eine von drei Arten umzugehen: Ignoriere sie, und wenn das nicht möglich ist, kopiere sie, wenn wir damit zu Dominierenden werden, oder zerstöre sie, wenn sie uns zu Minderwertigen machen. Uns fehlt ein Umgang, mit dem wir uns über unsere menschlichen Unterschiede hinweg mit unserer Gleichartigkeit in Verbindung setzen können. Infolgedessen wurden Unterschiede mit dem Ziel, uns voneinander getrennt zu halten und uns zu verwirren, missbraucht und fremdbestimmt. Sicherlich gibt es sehr reale Unterschiede zwischen uns in Bezug auf Race, Alter und Gender. Aber es sind nicht diese Unterschiede, die uns trennen. Was uns trennt, ist die Weigerung, Unterschiede als das, was sie sind, zu erkennen und die Fremdwahrnehmungen, die aus diesen Fremdbestimmungen resultieren, sowie die vorhandenen Effekte, die diese wiederum auf menschliches Verhalten und menschliche Erwartungen haben, genau zu untersuchen. Rassismus, Glaube an die inhärente Überlegenheit einer Race gegenüber allen anderen und damit Recht auf Dominanz. (Cis- und Hetero-) Sexismus, Glaube an die Überlegenheit eines Geschlechts oder einer Sexualität über andere und damit Recht auf Dominanz. Altersdiskriminierung. Elitismus. Klassismus. Für jede von uns ist es eine Lebensaufgabe, zwischen Fremdwahrnehmungen und den tatsächlichen Unterschieden zu unterscheiden, sie aus unserem Leben zu extrahieren, während wir gleichzeitig die eigentlichen Unterschiede lesen lernen, zurückerobern und überschreiben. Denn wir sind alle in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Fremdwahrnehmungen in unseren Alltag eingewoben worden sind.

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Viel zu oft vergeuden wir unsere Energie darauf, Unterschiede als unüberwindbare Hürden zu betrachten oder sie sogar unsichtbar zu machen. Dies bedeutet dann zum Beispiel, sich freiwillig zu isolieren oder tückische Verbindungen einzugehen. Nicht jedoch konzentrieren wir uns darauf, Werkzeuge zu entwickeln, um menschliche Unterschiede als Sprungbrett für kreative Veränderungen im Leben zu nutzen. Wir sprechen nicht von menschlichen Unterschieden, sondern von menschlicher Abweichung. Irgendwo am Rande des Bewusstseins befindet sich das, was ich eine mythische Norm nenne, bezüglich derer jede*r von uns im Inneren weiß, »Davon weiche ich ab«. In den USA wird diese Norm normalerweise als weiß, schlank, männlich, jung, cis-hetero, christlich und finanziell abgesichert definiert. Entlang dieser mythischen Norm lassen sich die Merkmale der Machtzentren dieser Gesellschaft definieren. Diejenigen von uns, die sich außerhalb dieser Norm befinden, verinnerlichen oft eine Form der Andersartigkeit und nehmen an, dass sie die Hauptursache aller Unterdrückung sei, da wir weitere Formen der Fremdbestimmungen unserer Unterschiede vergessen, von denen wir selbst einige praktizieren. Im Großen und Ganzen konzentrieren sich weiße cis Frauen innerhalb der Frauen*bewegung auf ihre Unterdrückung als cis Frauen und ignorieren Unterschiede bezüglich Race, Gender, Klasse und Alter. Die vermeintliche Homogenität der Erfahrung, die im Wort Schwestern*schaft zum Ausdruck kommen soll, existiert nicht tatsächlich. Unbenannte Klassenunterschiede rauben Frauen* gegenseitig Energie und Kreativität. Kürzlich traf ein Frauen*zeitschriftenkollektiv die Entscheidung, eine Ausgabe nur mit Prosa zu drucken, da Poesie eine weniger ›strenge‹ oder ›ernsthafte‹ Kunstform sei. Doch gerade die Form, die unsere Kreativität annimmt, ist oft an Klasse gebunden. Von allen Kunstformen ist Poesie die sparsamste. Sie ist die geheimnisvollste, diejenige, die die geringste körperliche Arbeit erfordert, das geringste Material. Es ist eine Kunstform, die zwischen den Schichten, in der Kantine des Krankenhauses, in der U-Bahn und auf Papierschnipseln geschaffen werden kann. In den letzten Jahren, als ich einen Roman mit

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knappem Finanzbudget schrieb, erkannte ich die enormen Unterschiede zwischen Poesie und Prosa bezüglich der materiellen Anforderungen. Mit der Zurückeroberung unserer Literatur wurde Poesie die wichtigste Stimme der armen und arbeitenden Frauen* und der Frauen* of Color. Für das Schreiben von Prosa sind auf jeden Fall eine Menge Papier, eine Schreibmaschine, viel Zeit und gegebenenfalls ein Zimmer für sich allein notwendig. Um entlang der Klassengrenzen zu bestimmen, wer welche Kunst produziert, hilft es, sich die tatsächlichen Anforderungen bestimmter Formen bildender Kunst zu vergegenwärtigen. In einer Zeit, in der die Materialpreise inflationär steigen: Wer sind unsere Bildhauerinnen*, unsere Malerinnen*, unsere Fotografinnen*? Wenn wir von einer breit angelegten Frauen*kultur sprechen, müssen wir uns der Auswirkungen von Klassen- und wirtschaftlichen Unterschieden hinsichtlich der Verfügbarkeit von Materialien für die Herstellung von Kunst bewusst sein. Auf dem Weg zur Schaffung einer Gesellschaft, in der jede*r von uns sich frei entfalten kann, ist Altersdiskriminierung eine weitere Schieflage, die uns einer Vision beraubt. Indem wir die Vergangenheit ignorieren, laufen wir Gefahr, ihre Fehler zu wiederholen. Die Kluft zwischen den Generationen ist ein wichtiges soziales Werkzeug für jede repressive Gesellschaft. Wenn die jüngeren Menschen die älteren Menschen als verachtenswert oder nicht vertrauenswürdig oder überflüssig betrachten, werden sie niemals in der Lage sein, ihnen die Hände zu reichen und die gelebten kollektiven Erinnerungen zu analysieren und die wichtige Frage zu stellen: »Warum?«. Dies gipfelt in einer historischen Amnesie, die uns dazu zwingt, jedes Mal das Rad neu zu erfinden, wenn wir zum Laden gehen, um Brot zu kaufen. Wir befinden uns in einer Endlosschleife des wiederholten Lernens, in der sich unsere Mütter* bereits befunden haben, weil wir das, was wir lernen, nicht weitergeben, oder weil wir nicht in der Lage sind zuzuhören. Wie oft wurde das alles hier bereits gesagt? Und wer hätte geglaubt, dass unsere Töchter* wieder einmal zulassen, dass ihre Körper durch Korsette, Bleistiftröcke und High Heels behindert und gequält werden?

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Das Ignorieren von Race unter Frauen* und die Auswirkungen dieser Unterschiede sind die größte Bedrohung für die Mobilisierung einer solidarischen Frauen*bewegung. Wenn weiße Frauen* ihr angeborenes Privileg des Weißseins ignorieren und Frau* nur auf der Basis ihrer (weißen) Erfahrung definieren, werden Frauen* of Color zu ›den Anderen‹, den Außenstehenden, deren Erfahrung und Tradition zu ›fremd‹ sind, um sie zu verstehen. Ein Beispiel hierfür ist die schreiende Abwesenheit von Frauen* of Color-Perspektiven in der Basisliteratur in Frauen*studiengängen. Die Literatur der Frauen* of Color wird selten in Frauen*literaturkursen und fast nie in anderen Literaturkursen oder in den Genderstudiengängen insgesamt berücksichtigt. Allzu oft wird die Ausrede gegeben, dass die Literatur von Frauen* of Color nur von diesen unterrichtet werden könne, dass sie zu schwierig zu verstehen sei oder dass Student*innen keinen ›Zugang‹ fänden, weil darin von Erfahrungen berichtet würde, die ›zu weit entfernt‹ von ihren eigenen seien. Ich habe dieses Argument von weißen Frauen* gehört, die ansonsten sehr intelligent sind. Frauen*, die scheinbar keine Schwierigkeiten haben, Werke zu lehren und zu rezensieren, die auf die vollkommen unterschiedlichen Erfahrungen von Shakespeare, Molière, Dostojewski und Aristophanes zurückgehen. Sicherlich muss es also noch eine andere Erklärung geben. Dies ist eine sehr komplexe Frage, aber ich glaube einer der Gründe, weshalb weiße Frauen* solche Schwierigkeiten haben, die Arbeit Schwarzer Frauen* zu lesen und zu lehren, liegt in ihrem Unwillen, Schwarze Frauen* als Frauen* zu verstehen, die anders sind als sie selbst. Um Schwarze Frauen*literatur erforschen zu können, ist es erforderlich, uns in unserer tatsächlichen Vielfalt, als ganze Menschen wahrzunehmen – als Individuen, als Frauen*, als Menschen – und nicht als eines jener problematischen, aber vertrauten Stereotype, die in dieser Gesellschaft den realen Bildern von Schwarzen Frauen* vorgezogen werden. Und ich glaube, dasselbe gilt auch für die Literatur anderer Frauen* of Color, die nicht Schwarz sind. Die Schriften aller Frauen* of Color erschaffen den Stoff, aus dem unser Leben gewoben ist, neu, und viele weiße Frauen* geben sich große

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Mühe, unsere echten Unterschiede zu ignorieren. Denn, solange in irgendeiner Weise verschieden zu sein, bedeutet, dass eine* von uns minderwertig erscheinen muss, wird die Anerkennung eines Unterschieds mit Schuldgefühlen verknüpft sein. Frauen* of Color zu erlauben, aus Stereotypen herauszutreten, ist zu gewagt, denn es bedroht die Selbstgefälligkeit jener Frauen*, die Sexismus als eindimensionale Unterdrückungserfahrung betrachten. Unterschiede zu ignorieren, macht es unmöglich, die unterschiedlichen Probleme und Fallstricke zu erkennen, denen wir als Frauen* gegenüberstehen. In einem patriarchalen Machtsystem, dem das Privileg des Weißseins eine wichtige Stütze ist, sind die Fallstricke, die zur Unterdrückung Schwarzer Frauen* und weißer Frauen* genutzt werden, nicht dieselben. Zum Beispiel ist es ein Leichtes, innerhalb dieser Machtstruktur Schwarze Frauen* gegen Schwarze Männer auszuspielen, nicht weil sie Männer sind, sondern weil sie Schwarz sind. Daher ist es für Schwarze Frauen* eine ständige Notwendigkeit, die Anforderungen seitens der Unterdrückenden von unseren eigenen legitimen Konflikten innerhalb unserer Communitys zu trennen. Dieses Problem existiert nicht für weiße Frauen*. Schwarze Frauen* und Männer teilten die Erfahrung rassistischer Unterdrückung und teilen sie noch heute, obgleich in unterschiedlicher Art und Weise. Aus dieser gemeinsamen Unterdrückungserfahrung heraus haben wir gemeinsame Abwehrmechanismen und gemeinsame Verwundbarkeiten entwickelt, die in weißen Gruppen nicht vorkommen, die Beziehung zwischen jüdischen Frauen* und Männern ausgenommen. Weiße cis Frauen müssen aufpassen, sich nicht unter dem Vorwand der Machtteilung dazu verleiten zu lassen, sich dem Unterdrücker anzuschließen. Diese Möglichkeit besteht für Frauen* of Color nicht in dieser Weise. Der Tokenismus, der manchmal auf uns übertragen wird, ist keine Einladung, Macht zu teilen; unsere rassifizierte Veranderung ist eine sichtbare Realität, die das deutlich macht. Weißen cis Frauen bietet sich eine breitere Auswahl an angeblichen Entscheidungen und Belohnungen für die Identifikation mit patriarchalen Machtstrukturen und ihren Werkzeugen.

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Heute, mit der Niederlage der ERA,1 den sich verknappenden Wirtschaftsressourcen und der starken Konservativen, ist es für weiße cis Frauen leichter, der trügerischen Fantasie zu glauben, dass sie, wenn sie ausreichend gut, hübsch, süß und leise sind, den Kindern beibringen, sich zu benehmen, die richtigen Leute hassen und den richtigen Mann heiraten, im relativen Frieden mit dem Patriarchat koexistieren könnten – zumindest so lange, bis ein Mann Anspruch auf ihren Arbeitsplatz erhebt oder der nachbarschaftliche Vergewaltiger um die Ecke kommt. Und zugegeben, solange deine Liebe und dein Leben nicht in den Schützengräben stattfinden, muss es schwer fallen zu erkennen, dass der Krieg gegen die Entmenschlichung noch lange nicht vorbei ist. Wir Schwarze Frauen* und unsere Kinder wissen, dass der Stoff unseres Lebens aus Gewalt und Hass gewoben ist, dass es keine Ruhe gibt. Damit beschäftigen wir uns nicht nur auf Demonstrationen, in dunklen Gassen bei Mitternacht oder an den Orten, an denen wir uns trauen können, unseren Widerstand auszusprechen. Für uns webt sich die Gewalt zunehmend in den Stoff unseres Alltages – im Supermarkt, im Klassenzimmer, im Aufzug, im Krankenhaus und auf dem Schulhof, seitens Klempner*innen, Bäcker*innen, Verkäufer*innen, Busfahrer*innen, Bankangestellten, seitens der Kellner*innen, die uns nicht bedienen. Manche Probleme teilen wir als Frauen*, andere nicht. Du befürchtest, dass deine Kinder erwachsen werden, sich dem Patriarchat anschließen und dich verraten. Wir befürchten, dass unsere Kinder aus einem Auto gezerrt werden und auf der Straße erschossen werden, und du den Gründen, aus denen sie sterben, den Rücken zuwenden wirst. Die Gefahr der Veranderung geht auch von People of Color aus. Diejenigen von uns, die Schwarz sind, müssen erkennen, dass unsere 1

Anm. d. Übersetzerinnen*: Der Equal Rights Amendment (ERA) ist eine vorgeschlagene Änderung der Verfassung der Vereinigten Staaten, die gleiche Rechte für alle US-amerikanischen Bürger*innen unabhängig von Genderkategorien garantieren soll. Sie versucht, die rechtlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen* in Bezug auf Scheidung, Eigentum, Beschäftigung zu beenden. Die ERA wurde ursprünglich von Alice Paul und Crystal Eastman verfasst und wurde 1921 erstmals im Kongress vorgestellt und hat seither Gespräche über die Bedeutung der rechtlichen Gleichstellung von Frauen* und Männern angeregt.

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Lebensrealitäten und unser Kampf uns nicht immun dagegen machen, Unterschiede zu ignorieren oder zu verkennen. In den Schwarzen Communitys, in denen Rassismus eine soziale Realität ist, erscheinen uns Unterschiede unter uns oft als suspekt und gefährlich. Das Bedürfnis nach Einheit wird oft fehlinterpretiert als Bedürfnis nach Homogenität und feministische Visionen werden fälschlicherweise als Verrat an unseren gemeinschaftlichen Interessen interpretiert. Wegen des fortwährenden Kampfes für die Sichtbarmachung der Folgen von Rassismus und den Kämpfen gegen die Auslöschung Schwarzen Wissens, die Schwarze Frauen* und Schwarze Männer andauernd gemeinsam kämpfen, weigern sich noch heute einige Schwarze Frauen* anzuerkennen, dass wir auch als Frauen* unterdrückt werden und dass sexualisierte Gewalt und Diskriminierung gegen Schwarze Frauen* nicht nur von der weißen rassistischen Gesellschaft praktiziert werden, sondern auch Teil unserer Schwarzen Communitys sind. Es ist eine Krankheit, die das Herz des Schwarzen Widerstands schwächt, und Schweigen wird diese Krankheit nicht heilen. Verschärft durch Rassismuserfahrungen und den Druck angesichts der Ohnmacht wird Gewalt gegen Schwarze Frauen* und Kinder oft zu einer Norm in unseren Communitys, an der sich Männlichkeit messen lässt. Aber selten wird der Hass gegen Frauen* als Verbrechen an der Schwarzen Frau* diskutiert. Frauen* of Color als Gruppe sind die am schlechtesten bezahlten Arbei­ter*innen in den USA. Wir sind, hier und im Ausland, die primären Opfer von Zwangsabtreibungen und -sterilisationen. In manchen Teilen Afrikas werden kleine Mädchen* immer noch zwischen den Beinen zugenäht, um sie für Männer fügsam und gefällig zu halten. Dies ist bekannt als weibliche* Genitalverstümmelung und es ist keine kulturelle Praxis, wie der verstorbene Jomo Kenyatta behauptete, sondern ein Verbrechen gegen Schwarze Frauen*. Schwarze Frauen*literatur ist voll von dem Schmerz der vielen Übergriffe, nicht nur seitens eines rassistischen Patriarchats, sondern auch seitens Schwarzer Männer. Und dennoch haben die Notwendigkeit und die Geschichte des gemeinsamen Kampfes uns Schwarze Frauen* besonders anfällig gemacht für die falsche Behauptung, dass antisexistisch gleich-

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bedeutend mit anti-Schwarz sei. In der Zwischenzeit hat die Flucht der Machtlosen in den Frauen*hass auf Kosten unserer Leben die Schwarzen Communitys geschwächt. Vergewaltigungen, ob gemeldet oder ungemeldet, nehmen zu. Und doch ist Vergewaltigung keine aggressive Sexualität, sie ist sexualisierte Aggression. Um es mit den Worten von Kalamu ya Salaams, eines Schwarzen männlichen Schriftstellers, zu sagen: »Solange es männliche Dominanz gibt, wird es Vergewaltigung geben. Nur Frauen*, die sich auflehnen, und Männer, die sich ihrer Verantwortung zur Bekämpfung von Sexismus bewusst sind, können gemeinsam Vergewaltigung stoppen.«2 Unsere Unterschiede als Schwarze Frauen* werden ebenfalls verzerrt und dazu benutzt, uns voneinander zu trennen. Ich bin eine Schwarze lesbische Feministin und fühle mich mit den vielen verschiedenen Facetten meiner Identität wohl und ich bin eine Frau, die sich der Befreiung von Rassismus und Sexismus verschrieben hat. Als solche merke ich, dass ich ständig aufgefordert bin, einen Teil von mir selbst herauszureißen und diesen als mein bedeutendes Ganzes darzustellen, und dabei die anderen Teile meines Ichs in den Schatten zu stellen oder zu verleugnen. Aber dies ist eine zerstörerische und zerstückelnde Art zu leben. Meine vollständigen Kraftressourcen stehen mir nur dann zur Verfügung, wenn ich alle Teile meines Ichs als Ganzes zeigen kann, indem ich die Kraft aus bestimmten Quellen meines Lebens frei durch all die verschiedenen Anteile meines Ichs hin und herfließen lasse, ohne die Einschränkungen einer von außen auferlegten Definition. Nur dann kann ich mich und meine Energien als Ganzes in den Dienst jener Kämpfe stellen, deren Fortführung ich als eine Aufgabe meines Lebens umarme. Die Angst vor Lesben* oder davor, angeschuldigt zu werden, lesbisch* zu sein, hat viele Schwarze Frauen* dazu gebracht, sich gegen sich selbst zu wehren. Diese Angst hat einige von uns zerstörerische Bündnisse eingehen lassen und andere in Verzweiflung und Isolation gehalten. In weißen Frauen*gruppen sind Cis- und Heterosexismus manchmal 2

Kalamu ya Salaam: »Rape. A Radical Analysis, An African-American Perspective«. In: Black Books Bulletin, Vol. 6, Nr. 4 (1980).

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ein Ergebnis der Identifikation mit dem weißen Patriarchat und einer Ablehnung der gegenseitigen Abhängigkeit unter Frauen*-liebenden Frauen*, die sich selbst zentrieren, anstatt sich in den Dienst der Männer zu stellen. Manchmal spiegelt sich darin ein hartnäckiger Glaube an den Schutz, den eine Hetero-Beziehung angeblich bietet, manchmal ein Selbsthass, gegen den alle Frauen* kämpfen müssen, da er uns von Geburt an gelehrt wird. Obwohl alle Frauen* Anteile dieser Einstellungen ausleben, finden Cisund Heterosexismus unter Schwarzen Frauen* eine besondere Resonanz. Trotz der Tatsache, dass Bindungen von Frauen* eine lange und ehrenvolle Geschichte in afrikanischen und afroamerikanischen Communitys haben und trotz des Wissens über die Leistungen vieler starker und kreativer Schwarzer, sich als Frauen* identifizierender Frauen* im politischen, sozialen und kulturellen Bereich neigen Schwarze cis hetero Frauen oft dazu, die Existenz und Arbeit Schwarzer Lesben* zu ignorieren oder zu vernachlässigen. Zum Teil ist diese Haltung verständlicherweise mit dem Terror durch Schwarze männliche Übergriffe innerhalb der engen Grenzen der Schwarzen Gesellschaft begründet, wo die Strafe für jeden weiblichen* Selbstbezug immer noch die Beschuldigung, Lesbe* zu sein, nach sich zieht und damit dann den Entzug der ohnehin raren Aufmerksamkeit oder Unterstützung des Schwarzen Mannes. Ein Grund dafür, Schwarze Lesben* zu ignorieren oder mit verzerrenden Zuschreibungen zu besetzen, ist die sehr reale Furcht davor, dass Schwarze-Frauen*-liebende Frauen*, die ihre Selbstdefinition nicht länger von Männern abhängig machen, unser gesamtes Konzept von sozialen Beziehungen neu ordnen könnten. Schwarze cis hetero Frauen, die einst darauf bestanden, dass Lesbischsein* ein Problem der weißen Frau* sei, bestehen nun darauf, dass Schwarze Lesben* eine Bedrohung für die Schwarze Identität darstellten, sich mit dem Feind verbündeten und im Grunde genommen ihr Schwarzsein abgelegt hätten. Diese Vorwürfe, die genau von den cis hetero Frauen kommen, bei denen wir tiefes und wahres Verständnis suchen, haben dazu geführt, dass sich viele Schwarze Lesben* versteckt halten, gefangen zwischen dem

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Rassismus weißer Frauen* und der Homophobie ihrer Schwestern*. Oft wurde ihre Arbeit ignoriert, trivialisiert oder verkannt, wie die Arbeiten von Angelina Grimke, Alice Dunbar-Nelson oder Lorraine Hansberry. Allem zum Trotz waren Frauen*-liebende Frauen* immer von zentraler Bedeutung in Schwarzen Communitys, von unseren unverheirateten Tanten* bis zu den Amazonen von Dahomey. Und es sind sicherlich keine Schwarzen Lesben*, die Frauen* angreifen und Kinder und Großmütter* auf unseren Straßen vergewaltigen. Überall in diesem Land, wie im Frühjahr 1979 in Boston nach den ungelösten Mordfällen an zwölf Schwarzen Frauen*, sind Schwarze Lesben* federführend in den Protestbewegungen gegen Gewalt an Schwarzen Frauen*. Welche Einzelheiten im Besonderen sind es in unserem Leben, die neu gedacht werden können, um Veränderungen herbeizuführen? Wie definieren wir Unterschiede für alle Frauen* neu? Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns Frauen* voneinander trennen, sondern unser Widerstreben, diese Unterschiede zu erkennen und angesichts der aus Ignoranz und Missverständnis gespeisten Fehldarstellungen der Unterschiede einen wirksamen Umgang damit zu finden. Im Sinne sozialer Kontrolle wurden Frauen* konditioniert, nur den Unterschied zwischen Mann und Frau* als legitim anzuerkennen. Und wir haben gelernt, diesen Unterschied zu bewältigen, mit der Dringlichkeit, mit der alle unterdrückten Untergebenen handeln. Wir alle mussten lernen, mit Männern zu leben, zu arbeiten, zu koexistieren, angefangen mit unseren Vätern. Wir haben diese Unterschiede erkannt und verhandelt, auch wenn diese Anerkennung nur die alte, in Dominanz und Subalternität geteilte Art der menschlichen Beziehung fortsetzte, in der die Unterdrückten die Unterschiede zu ihren Unterdrückenden verstehen lernen mussten, um zu überleben. Aber unser zukünftiges Überleben basiert auf unserer Fähigkeit, uns als Gleichwertige aufeinander zu beziehen. Als Frauen* müssen wir die Wurzeln der internalisierten Muster der Unterdrückung finden, wenn wir jenseits oberflächlicher Aspekte eines sozialen Wandels agieren wollen. Nun müssen wir Unterschiede zwischen Frauen* anerkennen, die gleichzeitig so sind wie wir, sie weder ab- noch aufwerten und Wege fin-

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den, unsere Unterschiede für unsere Visionen und unsere gemeinsamen Kämpfe nutzbar zu machen. Die Zukunft unserer Welt hängt vielleicht von der Fähigkeit aller Frauen* ab, neue Definitionen von Macht und neue Muster menschlicher Beziehung zu erkennen und zu entwickeln. Die alten Definitionen haben weder uns noch der Erde, die uns trägt, gedient. Die alten Muster, ganz gleich, wie geschickt sie es schaffen, Fortschritt zu mimen, leiten uns immer noch dahin, beschönigte Wiederholungen desselben alten, zwischenmenschlichen Austauschs zu praktizieren, der gleichen alten Schuld, des gleichen Hasses, der gleichen Vorwürfe, Klagen und Verdächtigungen. Denn wir haben die alten Muster der Erwartung und Reaktion verinnerlicht und diese alten Strukturen der Unterdrückung müssen verändert werden, wenn wir die Lebensbedingungen ändern wollen, die sich aus diesen Strukturen ergeben. For the master’s tool will never dismantle the master’s house. (Denn das Werkzeug des Herrn wird niemals das Haus des Herrn zerlegen.) Wie Paulo Freire in der Pädagogik der Unterdrückten so gut zeigt, besteht die wahre Tat der revolutionären Veränderung niemals nur darin, die bedrückende Situation zu ändern, der wir uns zu entziehen suchen, sondern darin, den Unterdrückenden selbst zu identifizieren, der tief in jedem von uns steckt, seine Verhaltensweisen und seine Art der Beziehungsführung. Veränderung bedeutet Wachstum, und Wachstum kann schmerzhaft sein. Aber wir stärken unsere Selbstdefinition, indem wir uns in unserer Arbeit und unseren Kämpfen mit denen zusammentun, die wir als anders definieren, obwohl wir die gleichen Ziele teilen. Dies kann für Schwarze und weiße, alte und junge, Lesben* und cis hetero Frauen gleichermaßen neue Wege für unser Überleben bedeuten.

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6. Barbara Smith Bittere Wahrheiten über die gegenwärtige Schwarze feministische Bewegung (1985) Übersetzt von Joanna James

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Im Herbst 1981, vor der Zusammenstellung von Home Girls1, war ich auf der Suche nach einem Titel. Mir kamen zwar viele Ideen, doch schien mir keine von ihnen wirklich treffend. Ich arbeitete zur selben Zeit an einer Geschichte, die später zu Home wurde, und wollte etwas von dem Gefühl dieses Stücks in das Buch übernehmen. Eines Tages, während ich mit etwas komplett anderem beschäftigt war und mit Worten in meinem Kopf spielte, kam mir die Idee zu »Home Girls«. Home Girls. Die Mädchen* aus der Nachbarschaft und vom Block, die Mädchen*, mit denen wir aufwuchsen. Ich wusste, dass ich etwas auf der Spur war, vor allem in Anbetracht dessen, dass so viele der Schwarzen Menschen, die sich von Feminismus bedroht fühlen, der Meinung sind, dass Schwarze Feministin* zu sein (vor allem wenn du zudem auch lesbisch* bist) bedeute, die eigene Race verlassen zu haben und nicht länger Teil der Schwarzen Community zu sein, kurz gesagt, nicht länger ein Zuhause zu haben. Ich vermute, dass die meisten der Beitragenden zu Home Girls ihre unterschiedlichen Politisierungen und ihr gemeinsames Engagement für Schwarze Frauen* in denselben Kontexten entwickelten wie ich. Doch Kritiker*innen des Feminismus behaupten, dass nur, weil einige von uns zu Hause, in der Schwarzen Community, über Sexualpolitik sprechen, müssten wir wie durch ein Wunder von anderswoher kommen. Aber wir sind keine Fremden und waren es nie. Ich bin davon überzeugt, dass Schwarzer Feminismus auf jeder Ebene mit der Schwarzen Erfahrung verbunden ist. Schwarze Frauen* als Gruppe sind niemals Närrinnen* gewesen. Das konnten wir uns nicht leisten. Doch schreckten in den letzten zwei Jahrzehnten viele von uns davor zurück, sich mit einem Befreiungskampf zu identifizieren, der für Frauen* wie uns, Frauen* die daran glauben, dass wir aus gutem Grund hier sind, Frauen*, die normalerweise keine Angst davor haben zu kämpfen, von großer Bedeutung sein könnte.

1

Bei diesem Essay handelt es sich um ein Exzerpt der Einleitung zu Home Girls: A Black Feminist Anthology, Hrsg. v. Barbara Smith (New York: Kitchen Table: Women of Color Press 1983).

Bittere  Wahrheiten  über  die  gegenwärtige  Schwarze  feministische  Bewegung

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Obwohl sich unsere Beteiligung in den letzten Jahren beträchtlich erhöht hat, gibt es unzählige Gründe dafür, warum sich viele Schwarze und andere Frauen* des Globalen Südens nicht in großer Zahl mit dem gegenwärtigen Feminismus identifizieren. Gewiss stellt der Rassismus weißer Frauen* in der Frauen*bewegung einen Hauptfaktor dar. Ebenfalls sind sich Machthaber*innen darüber bewusst, dass eine Bewegung progressiver Frauen* des Globalen Südens in diesem Land das Leben, wie wir es kennen, ändern würde. Als Folge dessen gab es ein entschlossenes Bemühen, Frauen* of Color davon abzuhalten, autonom und mit anderen Frauen* frauen*politische Angelegenheiten zu organisieren. So waren Männer des Globalen Südens, die den Wunsch hegten, um jeden Preis Macht über ›ihre Frauen*‹ zu behalten, unter den bereitwilligsten Verbreitern der Ängste und Mythen über die Frauen*bewegung und sie versuchten uns davon abzuhalten, Dinge für uns selbst herauszufinden. Es ist faszinierend, sich die Medien der späten 60er- und frühen 70er-Jahre, als Feminismus erstmals an Einfluss gewann, anzuschauen, um zu sehen, was Schwarze Männer, Native American Männer, Asian Männer, Latino Männer und weiße Männer über die Irrelevanz der Frauen*bewegung zu Frauen* of Color zu sagen hatten. Weiße Männer und Männer des Globalen Südens, von konservativen bis radikalen, verwiesen alle auf das angebliche Fehlen von Frauen* of Color in der Bewegung, um die Bemühungen dieser als Ganzes zu diskreditieren und unterminieren. Alle möglichen Männer waren besorgt, weil sie wussten, dass sie sich ebenfalls würden ändern müssen, wenn sich die Frauen* unter ihnen veränderten. 1976 schrieb ich: Da Feminismus eine Analyse unserer Lebensweise, unseres Umgangs miteinander und woran wir glauben zwingend erforderlich macht, ist er die für Schwarze und andere Menschen des Globalen Südens potenziell bedrohlichste aller Bewegungen. Er hinterfragt die grundlegendste Annahme unserer Existenz, dass die biologische, d.h. die sexuelle Identität alles determiniere und als Begründung für Machtverhältnisse und alle anderen Ebenen menschlicher Identität und Interaktion fungiere. Ironischerweise wird biologischer Determinismus unter Menschen des Globalen Südens zurückgewiesen und

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bekämpft, wenn es um Race geht, im Hinblick auf Gender allerdings bleibt er generell unbestritten.2

Als Reaktion auf die ›Bedrohung‹ einer solchen Veränderung entwickelten Schwarze Männer in Kollaboration mit einigen Schwarzen Frauen* eine Reihe an Mythen, um Schwarze Frauen* von unserer eigenen Freiheit abzubringen.

Mythen Mythos Nr. 1: Die Schwarze Frau* ist bereits frei

Dieser Mythos verwechselt Freiheit mit dem Fakt, dass Schwarze Frauen* aufgrund ihrer Unterdrückung keine andere Wahl haben, als die Verantwortung für Dinge zu übernehmen und mit ihnen zurecht zu kommen. Es handelt sich hierbei um einen heimtückischen, aber weitverbreiteten Mythos, an den selbst viele Schwarze Frauen* glauben. Da Schwarze Frauen* oftmals genötigt sind, das Familienoberhaupt zu sein, außerhalb des Heims zu arbeiten, Leben oder Erwartungen aufzubauen, die nicht von Männern abhängen, und nur selten als Frauen* beschützt oder verwöhnt werden, wissen viele von ihnen, dass ihre Leben in mancherlei Hinsicht Ziele beinhalteten, nach denen weiße Mittelklassefrauen* strebten. Doch verformten Race- und Klassenprivilegien die Bedeutung dieser Ziele natürlich fundamental. Wie W.E.B. DuBois schon vor so langer Zeit über Schwarze Frauen* sagte: »Unseren Schwarzen Frauen* wurde die Freiheit mit Hohn aufgedrängt.«3 Generell haben Frauen* of Color von allen Menschen den geringsten Einfluss auf ihre Lebensumstände. Obwohl unsere spirituellen Kapazitäten es oftmals nach Leben haben aussehen lassen, ist die Fähigkeit, unter schlimmsten Umständen zurechtzukommen, nicht mit 2

Barbara Smith: »Notes for Yet Another Paper on Black Feminism, Or Will the Real Enemy Please Stand Up?«. In: Conditions: Five, the black Women’s Issue, Hrsg. v. Lorraine Bethel und Barbara Smith (Herbst 1979), S. 124.

3

W.E.B. Du Bois: Darkwater. Voices from Within the Veil. New York: AMS Press 1969, S. 185.

Bittere  Wahrheiten  über  die  gegenwärtige  Schwarze  feministische  Bewegung

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Freiheit gleichzusetzen. Schwarze Männer sagten nichts dazu, wie sich Armut, ungleiche Bezahlung, fehlende Kinderbetreuung, Gewalt jeder Art, einschließlich Misshandlung, Vergewaltigung, Sterilisation und Missbrauch, in ›Freiheit‹ übersetzen ließen. Diesem Mythos liegt die Annahme zugrunde, dass Schwarze Frauen* unerschütterlich stark seien und nicht fühlten oder brauchten, was andere Menschen benötigen, weder emotional noch materiell. Weiße männliche Sozialwissenschaftler, insbesondere Daniel P. Moynihan mit seiner ›Matriarchatstheorie‹, bekräftigen zusätzlich Verzerrungen bezüglich des tatsächlichen Status Schwarzer Frauen*. Das Lied »Oughta Be a Woman«, mit einem Text von June Jordan und Musik von Bernice Johnson Reagon, ist eine prägnante Antwort auf die Gefühllosigkeit des Mythos, dass Schwarze Frauen* bereits befreit sind, und illustriert die heimischen Anliegen des Schwarzen Feminismus. In der letzten Strophe heißt es: Ein Ausweg auf keinen Fall ist Fleisch aus Fleisch Mut, der nachts schreit Ein Ausweg auf keinen Fall ist Fleisch aus Fleisch Tapferkeit blieb außer Sicht Ein Ausweg auf keinen Fall ist zu viel verlangt Zu viel Arbeit für eine Frau*.4

Mythos Nr. 2: Rassismus ist die primäre (oder einzige) Unterdrückungsform, mit der Schwarze Frauen* konfrontiert sind.

Dieser Mythos geht Hand in Hand mit jenem, dass Schwarze Frauen* bereits befreit seien. Die Auffassung, dass der Kampf oder die Beseitigung von Rassismus die Probleme Schwarzer Frauen* vollständig löse, ignoriert die Art und Weise, wie Sexismus alle rassifizierten, nationalen, Alters-, religiösen, ethnischen und Klassengruppen einschränkt. Afroamerikaner*innen stellen keine Ausnahme dar. 4

June Jordan und Bernice Johnson Reagon: »Oughta Be a Woman«. In: Good News, Chicago: Flying Fish Records 1981, Songtalk Publishing Co. Zitiert mit freundlicher Genehmigung.

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Auch wird hier ignoriert, wie Unterdrückung funktioniert. Bisher hat jede Generation Schwarzer Menschen die Erfahrung machen müssen, dass unabhängig davon, wie hart wir arbeiten, wir das Ende von Rassismus wohl nicht erleben werden. Dennoch bleiben viele von uns zuversichtlich und tun alles, was wir können, um jetzt Veränderung zu bewirken. Wenn wir auf die Beseitigung von Rassismus warten müssen, um mit der Thematisierung von Sexismus beginnen zu können, werden wir lange warten. Die Existenz von Sexismus zu leugnen oder aber vorauszusetzen, diesen nicht zu thematisieren, bis Rassismus oder in manchen Fällen Kapitalismus ausgemerzt ist, führt zu nichts. Eine Schwarze feministische Perspektive benötigt keine Klassifikation von Unterdrückungsformen, sondern demonstriert vielmehr die Gleichzeitigkeit dieser und ihrer Auswirkungen auf die Leben von Frauen* des Globalen Südens. Mythos Nr. 3: Feminismus ist nicht mehr als Männerhass

Es ist sehr wichtig, zwischen der Kritik an institutionalisierter, systematischer Unterdrückung (dem Ziel einer jeden progressiven Bewegung) und der Kritik an Männern als Individuen zu unterscheiden. Leider versäumten es einige der verbreitetsten Schriften zu den Belangen Schwarzer Frauen*, diese Unterscheidung hinreichend klar zu machen. So werden unsere Anliegen in diesen Schriften nicht übersichtlich und präzise definiert, was eine Vielzahl abgeneigter Reaktionen und Verwirrung, worum es beim Schwarzem Feminismus wirklich geht, zur Folge hatte.5 Dieser Mythos ist einer der albernsten und zeitgleich einer der gefährlichsten. Anti-Feminist*innen können eine kritische Haltung gegenüber Sexismus und schlichten Männerhass nicht voneinander unterscheiden. Doch erfordert das Bedürfnis von Frauen*, Fairness und Sicherheit in 5

Siehe Linda C. Powells Rezension von Michelle Wallaces Black Macho and the Myth of the Superwoman (»Black Macho and Black Feminism«) in Home Girls und meine Rezension von bell hooks’ (Gloria Watkins) Ain’t I a Woman: Black women and Feminism in New Women’s Times Feminist Review 9 (November 1982), S. 10, 11, 18, 19 und 20 und in Black Scholar 14 ( January / February 1983), S. 38-45.

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unserem Leben zu haben, keinen Männerhass. Auch lässt sich der Versuch, Männer darin zu bilden, inwiefern sie uns in einer vulnerablen Position halten, nicht in Hass übersetzen. Jahrhunderte antirassistischen Kampfes werden, außer von Rassist*innen, auch nicht auf unseren bloßen Hass auf Weiße reduziert. Eher scheint es, als würde das Gegenteil zutreffen. Menschen of Color wissen, dass weiße Menschen uns auf schlimmste Weise missbrauchten und dass unser Versuch, diese Behandlung mit allen erdenklichen Mitteln zu ändern, nur gesund ist. Ebenso ist dieses Land mit den Körpern ermordeter Frauen* übersät. Vergewaltigung ist ein nationaler Zeitvertreib, eine Form der Folter, die allen Mädchen* und Frauen*, von Babys bis hin zu Seniorinnen* bekannt ist. Eine von drei Frauen* in den Vereinigten Staaten wird in ihrem Leben vergewaltigt werden. Bei Misshandlung und Inzest handelt es sich um pandemisch vorkommende heimische Verbrechen. Dabei ist Mord natürlich die ultimative gewaltvolle ›Lösung‹ von Männern. Ist jemand der Meinung, dass ich übertreibe, so soll sich die Person bitte die heutige Zeitung besorgen, um die Fakten zu verifizieren. Tatsächlich handelt es sich hier nicht um Männerhass, sondern um Frauen*hass und einen regelrechten Krieg gegen Frauen*. Doch entspricht das Bedürfnis, diesen Krieg beenden zu wollen, noch immer nicht dem Männerhass. Die feministische und die antirassistische Bewegung haben den Versuch, ein würdiges Leben sichern zu wollen, gemein. Sich auch nur einer von beiden gegenüberzustellen bedeutet, sich mit den reaktionärsten Elementen der US-amerikanischen Gesellschaft gleichzustellen. Mythos Nr. 4: Bei Frauen*rechten handelt es sich um einseitige, apolitische Angelegenheiten. Menschen of Color müssen sich mit dem ›größeren politischen Kampf‹ auseinandersetzen.

Dieser Mythos charakterisiert einmal mehr die Unterdrückung von Frauen* als nicht sonderlich ernstzunehmend und unter keinen Umständen als eine Sache von Leben und Tod. Oftmals wünschte ich, verdeutlichen zu können, dass eine Bewegung, die sich dem Kampf gegen sexistische, rassistische, ökonomische und cis-heterosexistische Unterdrückung verschrieben hat, ganz zu schweigen vom Kampf gegen Imperialismus,

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Antisemitismus und Diskriminierung aufgrund von Behinderung oder Alter, und die zeitgleich Militarismus und drohende nukleare Zerstörung thematisiert, das genaue Gegenteil von einseitig ist. Nicht alle Teile der Frauen*bewegung haben sich mit sämtlichen dieser Themen auseinandergesetzt, doch tun das auch nicht alle Schwarzen Menschen. Dieser Mythos wird dann plausibel, wenn die Frauen*bewegung nur mit ihren bourgeoisesten und reformistischsten Elementen gleichgesetzt wird. Die progressivsten Bereiche der feministischen Bewegung, einschließlich einiger radikaler weißer Frauen*, nehmen oben erwähnte Themen und noch viele mehr sehr ernst. Frauen* des Globalen Südens sind darin, unsere Politik umfassend zu definieren, am konsequentesten. Warum wird Feminismus als »weiß-gesinnt« und »einseitig« betrachtet, während Sozialismus oder Marxismus, die nachweislich weißen Ursprungs sind, von männlichen Politikern des Globalen Südens als legitim angenommen werden, ohne dass ihre Identitätsberechtigung auch nur eine Sekunde infrage gestellt wird? Mythos Nr. 5: Diese Feministinnen* sind doch nur Lesben*

Dies ist wohl der schädlichste Mythos von allen. Auch ist notwendig zu verstehen, dass die Verzerrung in dem Ausdruck »nur« und nicht in der Identifizierung lesbisch* liegt. »Nur« reduziert Lesben* auf eine Menschenkategorie, die die gewalttätigsten Angriffe verdient, eine Kategorie, die mit »anständigen« Schwarzen Menschen nicht das Geringste zu tun hat, sie sind also nicht deine Schwestern*, Mütter*, Töchter*, Tanten* und Cousinen*, sondern bizarre Outsider, die du nicht kennst oder jemals gekannt hast. Viele der bekennenden und engagiertesten Feministinnen* of Color waren und sind Lesben*. Da viele von uns ebenfalls radikalisiert sind, umfasst unsere Politik, wie anhand der oben angerissenen Themen deutlich wird, alle Menschen. Auch sind wir so Schwarz wie niemals zuvor. (Beispielsweise fasziniert mich immer wieder, dass viele der Schwarzen lesbischen* Feministinnen*, die ich kenne, ihre Haare immer noch natürlich tragen und damit darauf hinweisen, dass das für uns mehr war als nur eine ›Mode‹.)

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Schwarzer Feminismus und Schwarzes Lesbischsein* sind nicht austauschbar. Feminismus ist eine politische Bewegung und viele Lesben* sind keine Feministinnen*. Obwohl es ebenfalls wahr ist, dass viele Schwarze Feministinnen* keine Lesben* sind, fungierte dieser Mythos als Beschuldigung und Abschreckung, um nicht-lesbische* Schwarze Feministinnen* davon abzuhalten, sich als solche erkennbar zu machen, um Gegenreaktionen zu vermeiden. Glücklicherweise ändert sich das. Ich persönlich sehe zunehmend Anzeichen dafür, dass es vielen Schwarzen Frauen*, welcher Sexualität auch immer, wichtiger ist, unsere Unterdrückung zu verstehen und zu beenden, als sich Homophobie oder sexuellem Separatismus zu verschreiben. Hierfür gibt es direkte historische Beispiele. 1957 schrieb die Schwarze Theaterautorin und Aktivistin Lorraine Hansberry Folgendes in einem Brief an die Ladder, eine frühe lesbische* Zeitschrift: Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, dass kompetente Frauen* damit anfangen, sich einiger der ethischen Fragen anzunehmen, die eine männerdominierte Kultur produziert hat, um diese ernsthaft analytisch auseinanderzunehmen. Es ist an der Zeit, dass die »Hälfte der Menschheit« etwas über die Realität ihrer Existenz sagt. Ansonsten – ohne ein erneuertes Grundsatzdenken – findet sich die intellektuelle Frau* sehr wahrscheinlich in der Situation wieder, Schlüsse – moralische Schlüsse – ziehen zu müssen, die auf der Akzeptanz eines sozialen moralischen Überbaus basieren, der Frauen* zu keinem Zeitpunkt Gleichheit einräumte und daher selbst unmoralisch ist. Wie anhand der Ehe, Sexualpraktiken, dem Großziehen von Kindern etc. ersichtlich. Diese Art der Arbeit wird möglicherweise Frauen* hervorbringen, die in der Lage sind, ein neues und überzeugendes Konzept zu formulieren, das aufzeigt, dass homosexueller Verfolgung und Verurteilung nicht nur soziale Ignoranz sondern ein philosophisch aktives, antifeministisches Dogma zugrunde liegen.6

6

Zitiert aus Gay American History. Lesbians and Gay Men in the USA., Hrsg. v. Jonathan Katz (New York: T.Y. Crowell 1976), 425. Siehe auch Adrienne Richs »The Problem with Lorraine Hansberry« in Lorraine Hansberry: Art of Thunder, Vision of Light. In: Freedomways 19, Nr. 4 (1979), S. 247-255 für mehr Informationen zu ihrer Frauen*-Identifikation.

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Ich möchte, dass viel mehr Menschen wissen, dass Lorraine Hansberry, eine unserer angesehensten Künstlerinnen* und Denkerinnen* innerhalb des lesbischen* Kontextes einige derselben Fragen stellte, die wir heute stellen und für die wir derart kritisiert worden sind. Bei der Panik Schwarzer Cis-Heterosexueller angesichts der Existenz Schwarzer Schwuler und Lesben* handelt es sich um ein Problem, mit dem sich jene selbst auseinandersetzen müssen. Für sie wäre ein erster Schritt, ihre eigene Cis-Heterosexualität, die nicht dadurch definiert werden muss, die all jene*r, die nicht cis-heterosexuell sind, anzugreifen, besser zu verstehen.

Bittere Wahrheiten Oben erwähnt sind einige Mythen, die den Schwarzen Feminismus plagen. Die Wahrheit ist, dass es in diesem Land eine lebendige Bewegung von Frauen* of Color gibt. Trotz des kontinuierlichen Widerstandes gegenüber Frauen* of Color, die wir unsere spezifischen Belange definieren und uns um sie herum organisieren, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass wir heute, 1985, unsere eigene Bewegung haben. Ich bin seit 1973 am Aufbau dieser Bewegung beteiligt. Jeder Schritt entlang des Weges war ein Kampf und es fühlt sich an, als befänden wir uns noch immer erst im Anfangsstadium der Entwicklung einer umsetzbaren Politik und Praxis. Doch hat der Feminismus von Frauen* of Color, insbesondere afroamerikanischen Frauen*, während dieser Jahre viel Veränderung herbeigeführt und sowohl offensichtliche als auch verdeckte Auswirkungen auf die Entwicklung anderer politischer Gruppierungen sowie auf das Leben und die Hoffnungen unzähliger Frauen* gehabt. Es liegt in der Natur radikalen Denkens und Handelns, exponentiell weitreichende Ergebnisse zu erzielen. Doch da alle Mediensparten Schwarze Frauen*, insbesondere Schwarze Feministinnen*, ignorieren und wir keine weitreichenden eigenen Kommunikationskanäle haben, kennen nur wenige die Details dessen, was wir erreicht haben. Die Geschichte unserer Arbeit und unsere Beiträge bleiben unerwähnt. Unter anderem wollte ich mit Home Girls die Nachricht vom Schwarzem Feminismus unter jenen, die ihn am meisten brauchen, verbreiten:

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Schwarze Menschen in den USA, der Karibik, Lateinamerika, Afrika – überall. Ein einzelner Aufsatz kann unmöglich alles, worum es bei Schwarzem Feminismus geht, umfassen. Doch gibt es grundlegende Informationen über die Bedeutung von Schwarzem Feminismus, wie ich ihn lebe und verstehe, die ich jede*r Leser*in mitgeben möchte. 1977 formulierte eine Schwarze feministische Organisation, das Combahee River Collective, zu dessen Mitgliedern ich seit seiner Gründung 1974 gehörte, in Boston ein politisches Statement für unseren eigenen Gebrauch und als einen Beitrag in Zillah Eisensteins Anthologie, Capitalist Patriarchy and the Case for Socialist Feminism. In unserem einleitenden Abschnitt schrieben wir: Wir setzen uns aktiv dafür ein, gegen rassistische, sexistische, heterosexistische und klassistische Unterdrückung zu kämpfen, und sehen es als unsere spezielle Aufgabe, eine integrierte Analyse und Praxis zu entwickeln, die auf der Tatsache beruht, dass die Hauptunterdrückungssysteme miteinander verschränkt sind. Unsere Lebensbedingungen entstehen aus der Synthese dieser Unterdrückungsformen. Schwarzer Feminismus ist für uns als Schwarze Frauen* die logische politische Bewegung, um die vielschichtigen und gleichzeitig wirkenden Unterdrückungsformen, mit denen alle Frauen* of Color konfrontiert sind, zu bekämpfen.7

Das Konzept der Gleichzeitigkeit von Unterdrückungsformen ist noch immer die Crux eines Schwarzen feministischen Verständnisses politischer Realität und eine der signifikantesten ideologischen Beiträge Schwarzen feministischen Denkens. Wir analysierten unsere eigenen Leben und stellten fest, dass uns alles da draußen fertigmachte – Race, Klasse, Gender und Homophobie. Wir sahen keinen Sinn darin, unsere Unterdrückungsformen zu klassifizieren oder, wie viele Strömungen in der Schwarzen Community es gerne von uns gehabt hätten, so zu tun, als würde Sexismus unter all den ›ismen‹ nicht existieren.

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»The Combahee River Collective Statement«. In: Home Girls, S. 272. Deutsch in diesem Band S. 50.

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Die Bemühungen Schwarzer Feministinnen*, die Komplexität unserer Situation, wie sie sich tatsächlich darstellt, zu verstehen, versetzte einigen der beliebten Mythen über Schwarze Frauen* einen unmittelbaren Dämpfer, etwa demjenigen, dass wir »kastrierende Matriarchinnen*« oder ökonomisch privilegierter als Schwarze Männer seien. Obwohl wir vom Verständnis anderer politischer Ideologien, wie dem Sozialismus, Gebrauch machten, fügten wir ein Element, das oftmals in den Theorien anderer fehlte, hinzu: was eine alltäglich stattfindende Unterdrückung bedeutete oder, wie die Schwarze feministische Musikerin Linda Tillery singt, »… wie es wirklich ist, dieses Leben dreifacher Gefahr zu leben.«8

Das Konzept der Mehrfachunterdrückung Zumeist wird das Konzept der Mehrfachunterdrückung im Rahmen von politischer Arbeit, zumindest wenn es sich um institutionalisierte Unterdrückung handelt, von anderen Frauen* of Color, die mit ähnlichen Dynamiken konfrontiert sind, angewendet. Auch hat dieser Ansatz die Frauen*bewegung als Ganze verändert. Als Folge der Organisierung von Feministinnen* des Globalen Südens nimmt die Frauen*bewegung nun die Notwendigkeit des Konzeptes der Mehrfachunterdrückung zur Bekämpfung der Unterdrückung von Frauen* viel ernster. Die progressiveren Teile der Linken haben ebenfalls begonnen anzuerkennen, dass die Förderung von Sexismus und Homophobie innerhalb ihrer Reihen, abgesehen davon, dass es ethisch unzumutbar ist, letztlich ihre Fähigkeit zur Organisierung unterminiert. Sogar einige Organisationen des Globalen Südens haben angefangen, die Infragestellung der Unterdrückung von Schwulen und Frauen* in ihre öffentliche Agenda aufzunehmen. Der politische Ansatz der Gleichzeitigkeit von Unterdrückungsformen unterstützt die Entstehung einer politischen Atmosphäre, die insbesondere zum Koalitionsaufbau beiträgt. Von allen Feministinnen* spüren Frauen* des Globalen Südens die Notwendigkeit politischer Bündnisse 8

Linda Tillery: Freedom Time, Oakland: Olivia Records, 1977, Tuizer Music.

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innerhalb politischer Kämpfe zweifellos am deutlichsten und sie sind ebenfalls am ehesten dazu imstande, solche Koalitionen zu bilden. Ein verbindliches Einbringen in prinzipienfeste Koalitionen, die nicht auf Zweckmäßigkeit beruhen, sondern auf der Erkenntnis, dass wir einander brauchen, bildet einen zweiten großen Beitrag des Schwarzen feministischen Kampfes. Viele der Beitragenden in Home Girls schrieben in gewissem Sinne aus unserer fundamentalen gegenseitigen Abhängigkeit heraus. Hier sollte vor allem Bernice Johnson Reagons Aufsatz »Coalition Politics: Turning the Century« Beachtung geschenkt werden. Sie schrieb: Du schließt keine Koalitionen, einfach nur, weil es dir gefällt. Du ziehst es nur in Betracht, dich mit jemand zusammenzutun, der dich töten könnte, wenn es der einzige Weg ist, den du siehst, um am Leben zu bleiben … Die meiste Zeit fühlst du dich bis ins Mark bedroht und wenn nicht, koalierst du nicht wirklich.9

Die Notwendigkeit für Koalitionen hat viele Gruppen dazu genötigt, sich rigoros mit ihren eigenen Haltungen und ihrer Ignoranz, die erfolgreiche Koalitionen verhindern, auseinanderzusetzen. Hervorzuheben ist das Engagement einiger weißer Feministinnen*, Rassismus innerhalb der Frauen*bewegung zu einer Priorität zu machen, für ihren Rassismus als Individuen Verantwortung zu übernehmen und sich in Koalition mit anderen Gruppen antirassistisch zu organisieren. Da ich während meines gesamten Engagements als Feministin über Rassismus geschrieben und gesprochen und in den 70ern für einige Jahre ebenfalls Antirassismus-Workshops für Organisationen weißer Frauen* gegeben habe, habe ich nicht nur gesehen, dass es weiße Frauen* gibt, die sich der vollständigen Überwindung von Rassismus verschrieben haben, sondern dass neue Verständnisse antirassistischer Politik aus dem Feminis-

9

Bernice Johnson Reagon: »Coalition Politics: Turning the Century«. In: Home Girls, S. 356.

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mus heraus entstanden sind und andere progressive Menschen gut daran täten, diese zu begreifen.10 Ich begann mein politisches Leben in der Bürger*innenrechtsbewe­ gung und wurde Zeugin davon, wie die Schwarze Befreiungsbewegung nahezu von der gesellschaftlichen White-Power-Struktur zerstört wurde. Die letzten Jahre haben mich darin bestärkt, dass Frauen* einen signifikanten Einfluss darauf haben können, antirassistische Veränderung auf eine Weise herbeizuführen, die Unterdrückungsformen zusammendenkt anstatt sie zu isolieren. Zeitgleich bildet der prozentuale Anteil weißer Feministinnen*, die sich mit Rassismus auseinandersetzen, noch immer eine Minorität innerhalb der Bewegung und sogar innerhalb dieser Minorität sind jene, die persönlich sensibilisiert sind und ernsthaft aktivistisch gegen Rassismus vorgehen wollen, noch weniger. Da ich üblicherweise mit politisch radikalen Feministinnen* gearbeitet habe, weiß ich, dass es tatsächlich weiße Feministinnen* gibt, mit denen es sich lohnt, Koalitionen einzugehen. Zeitgleich gibt es apolitische, sogar reaktionäre Frauen*, die den Namen Feminismus zu Unrecht für sich beanspruchen.

Schwarz und weiblich* Eines der größten Geschenke des Schwarzen Feminismus an uns selbst ist, dass er es etwas leichter gemacht hat, Schwarz und eine Frau* zu sein. Eine Schwarze feministische Analyse ermöglicht uns zu verstehen, dass wir nicht gehasst und missbraucht werden, weil etwas mit uns nicht stimmt, sondern dass unser Status und unsere Behandlung vollständig durch das rassistische, misogyne System, in dem wir leben, bedingt sind.

10 Hier einige brauchbare Artikel zum Rassismus von weißen Feminist*innen: Elly Bulkins: »Racism and Writing: Some Implications for White Lesbian Critics«. In: Sinister Wisdom 13 (Spring 1980), S. 3-22; Minnie Bruce Pratt: »Rebellion«. In: Feminary 11, Nr. 1 und 2 (1980), S. 6-20; und Adrienne Rich: »Disloyal to Civilisation: Feminism, Racism, Gynephobia«. In: On Lies, Secrets and Silence: Selected Prose 1966–1978 (New York: W.W. Norton 1979), S. 275-310.

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Es gibt nicht eine Schwarze Frau* in diesem Land, die nicht früher oder später die hassvolle Propaganda über uns internalisierte und Narben davontrug. Es gibt nicht eine Schwarze Frau* in den USA, die sich nicht zumindest ein Mal wie »der Packesel der Welt« fühlte, um Zora Neale Hurstons noch immer treffenden Satz zu verwenden.11 Vor dem Schwarzen Feminismus interessierten sich außer Schwarzen Frauen* nur wenige Menschen für die Demoralisierung, die damit einherging, eine Frau* und Schwarz und arm und verhasst zu sein. Trotz der Bemühungen meiner Familie, mir die in der Außenwelt vorherrschenden Haltungen zu erklären oder zumindest zu beschreiben, dachte ich während ich aufwuchs oft, dass etwas Fundamentales mit mir nicht stimmte, da es offensichtlich war, dass mir und allen, die wie ich waren, mit unglaublicher Verachtung begegnet wurde. Es waren die kalten Augen bestimmter weißer Lehrer*innen in der Schule, die Schwarzen Männer, die aus Autos herausbrüllten, während meine Schwester* und ich auf den Bus warteten, die mich davon überzeugten, dass ich etwas Schreckliches gemacht haben musste. Woher hätte ich wissen sollen, dass Rassismus und Sexismus bereits lange vor meiner Ankunft die Grundlage für meine Misshandlung geformt hatten? Wie bei vielen Schwarzen Frauen* entwickelte sich der Hass, den andere mir entgegenbrachten, zu Selbsthass, der zwar über die Jahre nachließ, doch keineswegs verschwunden ist. Schwarzer Feminismus gab mir und so vielen anderen die Mittel, um endlich zu verstehen, dass wir psychische Gewalt und materiellen Missbrauch in dieser Häufung nicht aufgrund von etwas, das wir tun, erfahren, vielmehr erfahren wir multiple Unterdrückung, weil wir sind, wer wir sind. Schwarzer Feminismus bietet, ungleich jeder anderen Bewegung, jene Theorie, welche die Lebenserfahrung Schwarzer Frauen* verdeutlicht, positive Unterstützung anderer Frauen* möglich macht und politisches Handeln bestärkt, das eben dieses System, das uns unten hält, verändern wird. 11 Zora Neale Hurston: Their Eyes Were Watching God. Urbana: University of Illinois 1978, S. 29.

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Die Erfolge des Schwarzen Feminismus liegen nicht nur in der Theorieentwicklung, sondern auch in der täglichen Organisierung. Schwarze Feministinnen* haben zu unzähligen Themen gearbeitet, einige davon wurden bereits zuvor von der feministischen Bewegung fokussiert, andere definierten wir selbst als Prioritäten. Welchen Anliegen wir uns auch verschreiben, wir tun dies mit einer Ausführlichkeit und einem Pragmatismus, die beispielhaft für das »Grassroots« Konzept sind. Der Schwarze Feminismus beschäftigt sich vor allem sowohl analytisch als auch in der Praxis mit bitteren Wahrheiten. Die Themen, auf die wir uns konzen­ trieren, sind weit davon entfernt, irrelevant oder peripher für Schwarze Menschen zu sein, sondern sie betreffen die Grundlagen des Überlebens unserer Community. Wir arbeiten unter anderem an folgenden Themen: reproduktive Rechte, gleichberechtigter Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, Sterilisationsmissbrauch, gesundheitliche Versorgung, Kinderbetreuung, Rechte von Menschen mit Behinderungen, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung, Misshandlung, sexualisierte Belästigung, soziale Rechte, Schwulenund Lesben*rechte, Bildungsreform, Wohnraum, Gesetzesänderungen, Frauen* in Gefängnissen, Altern, Polizeigewalt, gewerkschaftliche Organisierung, antiimperialistische Kämpfe, antirassistische Organisierung, nukleare Abrüstung und Umweltschutz. Frustrierenderweise ist es noch nicht einmal möglich, über all die Arbeit, die Schwarze und andere Frauen* des Globalen Südens machen, Bescheid zu wissen, da wir, wie bereits gesagt, keine beständigen Kommunikationskanäle haben. So haben wir beispielsweise keine nationale feministische Zeitung des Globalen Südens, die uns jenseits geografischer Grenzen vernetzen würde.12 Dennoch ist es offensichtlich, dass sich Frauen* of Color mit jedem Jahr mehr und mehr explizit feministisch organisieren. Dafür gibt es viele Anzeichen:

12 Between Ourselves: Women of Color Newspaper, vol. 1, Nr. 1, veröffentlicht im Februar 1985, P.O. Box 1939, Washington, D.C. 2003.

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Frauen* of Color sind auf lokaler, staatlicher und nationaler Ebene stark daran beteiligt, Sterilisierungsmissbrauch öffentlich zu machen und zu bekämpfen. Aktiv sind vor allem Puerto Ricanerinnen*, Chicanas, Native American und Afroamerikanische Frauen*, da insbesondere Frauen* dieser Gruppen von Zwangssterilisation betroffen sind. Seit vielen Jahren bilden Gesundheitsfragen, einschließlich der reproduktiven Selbstbestimmung, einen Hauptfokus der politischen Organisierung. Innerhalb des letzten Jahres wurden eine Klinik für Frauen* des Globalen Südens in Berkeley und ein Selbsthilfe-Kollektiv für Schwarze Frauen* in Washington etabliert. 1983 veranstaltete das National Black Women’s Health Project in Atlanta seine erste Konferenz zu Gesundheitsproblemen Schwarzer Frauen* und brachte damit 2.000 Frauen*, viele von ihnen mit niedrigem Einkommen, aus dem ländlichen Süden zusammen. Schwarze und andere Frauen* des Globalen Südens spielen eine zen­ trale Rolle in allen Bereichen politischer Organisierung rund um Gewalt gegen Frauen*. Viele Frauen* of Color engagierten sich zunächst innerhalb der Frauen*bewegung, vor allem durch (ehrenamtliche) Arbeit in Frauen*häusern. Da gewaltvolle Misshandlungen in allen gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen auftreten, bieten Frauen*häuser typischerweise Leistungen für diverse Gruppen von Frauen* an. Mittlerweile gibt es Frauen*häuser, die primär auf die Bedürfnisse von Communitys des Globalen Südens eingestellt sind, so beispielsweise das Casa Myrna Vázquez in Boston. Die erste nationale Konferenz zu dem Thema Frauen* des Globalen Südens und Gewalt fand 1980 in Washington, D.C., statt. Mehrere Klagen aufgrund von sexueller Belästigung, die zu Präzedenzfällen wurden, wurden von Schwarzen Frauen* initiiert, weil diese in der Schule und im Beruf überproportional belästigt werden und sie zudem dazu bereit zu sein scheinen, gegen ihre Belästigung vorzugehen. Das African Women’s Committee for Community Education, eine in Washington ansässige Gruppe, engagierte sich gegen die Belästigung Schwarzer Frauen* durch Schwarze Männer auf der Straße. Als 1979 innerhalb eines Zeitraums von dreieinhalb Monaten zwölf Schwarze Frauen* in Boston ermordet

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wurden, hatte das Combahee River Collective entscheidenden Anteil daran, Frauen* des Globalen Südens und feministische Communitys zusammenzubringen. Frauen* des Globalen Südens organisieren sich weltweit rund um Frauen*angelegenheiten. Aktivistinnen* in der Karibik, in Lateinamerika, Afrika, Indien, Neuseeland, England und an vielen anderen Orten thematisieren Probleme, die zeitgleich sexistischer, cis-heterosexistischer, rassistischer, imperialistischer und klassistischer Unterdrückung entspringen. Einige dieser Individuen und Gruppierungen identifizieren sich dezidiert als feministisch. So gibt es beispielsweise auf den Jungferninseln eine wachsende Anzahl von Organisationen misshandelter Frauen*. Einige afroamerikanische Frauen* und Bewohnerinnen* der Jungferninseln haben gemeinsam an dem Problem der Gewalt gegen Frauen* gearbeitet. In Jamaika engagiert sich Sistren, ein 1977 gegründetes Communitybasiertes Frauen*theater-Kollektiv, zu Fragen grundlegenden Überlebens, einschließlich sexualisierter Gewalt und ökonomischer Ausbeutung. In Brasilen sind Schwarze Frauen* in der Frauen*bewegung insbesondere im Bereich der Nachbarschaftsorganisierung unter armen Frauen* aktiv. Maori* und andere Schwarze Frauen* in Neuseeland organisieren sich extensiv auf lokaler und nationaler Ebene. Die erste nationale Hui (Konferenz) für Schwarze Frauen* wurde im September 1980 in Otara, Auckland, veranstaltet und die erste Schwarze Dyke-Hui fand im Juni 1980 statt. Ökonomische Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen, inadäquate Gesundheitsversorgung, antiimperialistische und antinukleare Kampagnen sind nur einige der Probleme, die Schwarze Frauen* in Neuseeland thematisieren. Zeitgleich bekämpfen sie sexistische Haltungen und Praktiken innerhalb ihrer jeweiligen kulturellen Gruppen. In England organisieren sich Schwarze Frauen* seit Mitte der 70erJahre oftmals spezifisch feministisch. Dort finden jährlich nationale Schwarze Frauen*konferenzen statt, die sich an alle derzeitig in England lebenden Frauen* of Color richten, also an Frauen*, die in England geboren sind, und an Frauen*, die aus Indien, Pakistan, der Karibik und Afrika immigriert sind. Vor vielen Jahren wurde in der Schwarzen Community

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in Brixton ein Zentrum für Schwarze Frauen* gegründet, welches sich mit verschiedensten Themen der Community beschäftigt, und Dutzende anderer Zentren für Schwarze Frauen* wurden seitdem überall in London eröffnet. In Südafrika haben Schwarze und indische Frauen*, die immer eine zentrale Rolle im Kampf gegen das Apartheidsregime spielten, begonnen, spezifische Frauen*probleme, etwa die insbesondere in den Städten hohe Zahl an Vergewaltigungen, zu thematisieren. In der Zukunft werden sich Feministinnen* des Globalen Südens innerhalb der USA und Frauen* des Globalen Südens in anderen Ländern zweifellos zunehmend vernetzen und damit fortfahren, eine Bewegung aufzubauen, die sowohl geografisch als auch politisch global ist. Viele lesbische* Schwarze Organisationen und lesbische* Organisationen des Globalen Südens thematisieren die Vielzahl von Problemen, mit denen ›geoutete‹ Lesben* konfrontiert sind, wie beispielsweise Salsa Soul Sisters in New York City und Sapphire Sapphos in Washington D.C. Sie machen politische Bildungsarbeit und bekämpfen Homophobie in verschiedenen Communitys und arbeiten an Themen, die Lesben*, Frauen* und Menschen of Color generell betreffen. Die National Coalition of Black Gays (NCBG), die sieben Ortsgruppen in verschiedenen Städten und derzeit Tausende von Mitgliedern hat, sponserte die National Third World Lesbian and Gay Conference in Washington (1979) und Chicago (1981), an denen Hunderte teilnahmen. 1983 bemühte sich NCBG zudem erfolgreich um die lesbische* Sprecherin Audre Lorde für die Kundgebung anlässlich des 20. Jubiläums des March on Washington und spielte eine zentrale Rolle darin, die Verantwortbarkeit / das Commitment der Präsidentschaftskampagne Jesse Jacksons gegenüber lesbischen* und schwulen Fragen zu erhöhen.

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Eine gedeihende Kultur Schwarze feministische Kulturarbeit gedeiht, insbesondere in der Literatur und Musik. Azalea, ein Literaturmagazin für Lesben* des Globalen Südens wurde erstmals 1977 veröffentlicht. Im Herbst 1978 fand in acht Städten die Konzerttour Varied Voices of Black Women mit Musikerinnen* wie Gwen Avery, Linda Tillery und Mary Watkins sowie Dichterin Pat Parker statt. Weltweit kreieren Frauen*gruppen, Sängerinnen*, Dichterinnen*, Schriftstellerinnen*, bildende Künstlerinnen*, Schauspielerinnen* und Dramatikerinnen* des Globalen Südens ihre Kunst und definieren sie aus feministischer Perspektive neu. Wir haben viel getan. Wir haben noch viel zu tun. Eine der wichtigsten Aufgaben, die noch vor uns liegt, ist der Aufbau unserer eigenen autonomen Institutionen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir unsere Visionen in beständige Formen überführen, um effektiver zu sein und mehr Menschen erreichen zu können. Ich möchte dauerhafte politische Organisationen im Bereich der Mehrfachunterdrückung, Anlaufstellen für Betroffene sexualisierter Gewalt, Frauen*häuser, Frauen*zentren, Zeitschriften, Verlage, Einkaufsgenossenschaften, Kliniken, Künstlerinnen*-Kollektive, die von Frauen* of Color gegründet und geführt werden, sehen. Das Third World Women’s Archive und der Verlag Kitchen Table: Women of Color Press in New York, beide 1981 gegründet, sind Beispiele für Institutionen, die von Frauen* of Color geführt werden. Wir brauchen mehr davon. Ich glaube, dass alles möglich ist. Es muss zu verstehen gegeben werden, dass Schwarze feministische Organisierung niemals eine Bedrohung für die Existenz der Schwarzen Community war, vielmehr hat sie die Lebensqualität erhöht und das Überleben aller, Männer*, Frauen* und Kinder, innerhalb der Community gesichert. Wir alle sind in den 1980ern einer großen Gefahr ausgesetzt. Die Präsidentschaft Reagans steht den ökonomischen, zivilen, Menschenund Bodenrechten auf Landes- wie internationaler Ebene in eklatant verschärfterer Weise entgegen als irgendeine andere US-Regierung der letzten 50 Jahre. Wir leben in einer Welt des Krieges, doch zeitgleich

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befinden wir uns in einer Periode zunehmender Politisierung und des bewussten Kampfes. Das unerschütterliche Engagement und der Aktivismus von Feministinnen* of Color, von Home Girls, sind entscheidend dafür, diesen Planeten tatsächlich zu einem für den Menschen geeigneten Lebensraum zu machen. Und wie Bernice Johnson Reagon erklärt: »Wir sind nicht in der Defensive … Denn so wie sie ist, ist dies unsere Welt und wir sind hier, um zu bleiben.«13

13 Reagon: »Coalition Politics«, S. 368.

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7. Kimberlé Crenshaw

Das Zusammenwirken von Race und Gender ins Zentrum rücken Eine Schwarze feministische Kritik des Antidiskriminierungsdogmas, der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken (1989) Übersetzt von Céline Barry

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Eines der wenigen Bücher aus dem Bereich der Schwarzen Frauen*for­ schung trägt den Titel All the Women Are White, All the Blacks Are Men, But Some of Us Are Brave.1 Ich habe diesen Titel in meinen Bemühungen, eine Schwarze feministische Kritik2 zu entwickeln, als Ausgangspunkt gewählt, weil er einen problematischen Effekt der Tendenz adressiert, Race und Gender als sich gegenseitig ausschließende Erfahrungs- und Analysekategorien zu behandeln.3 In meinem Vortrag möchte ich untersuchen, wie diese Tendenz durch einen eindimensionalen Analyserahmen aufrechterhalten wird, der im Antidiskriminierungsrecht vorherrscht und auch in der feministischen Theorie und in antirassistischen Politiken niederschlägt. Ich werde in dieser Analyse den Fokus auf Schwarze Frauen* legen, um die Multidimensionalität der Erfahrung Schwarzer Frauen* mit dem eindimensionalen Analyserahmen, der diese Erfahrungen verzerrt, in Kontrast zu setzen. Diese Gegenüberstellung wird nicht nur zeigen, wie Schwarze Frauen* theoretisch ausradiert werden, sondern auch verdeutli1

Gloria T. Hull et al (Hg.), The Feminist Press, 1982.

2

Für weitere Arbeiten, in denen Recht aus Schwarzer feministischer Perspektive betrachtet wird, siehe Judy Scales-Trent: Black Women and the Constitution. Finding Our Place, Asserting Our Rights (Voices of Experience: New Responses to Gender Discourse), 24 Harv CR-CL L Rev 9 (1989); Regina Austin, Sapphire-Bound!, im Erscheinen in Wisc Women’s L J (1989); Angela Harris: Race and Essentialism in Feminist Legal Theory (unveröffentlichtes Manuskript im Besitz der Autorin) und Paulette M. Caldwell: A Hair Piece (unveröffentlichtes Manuskript im Besitz der Autorin).

3

Die gängigste sprachliche Manifestation dieses analytischen Dilemmas spiegelt sich in der konventionellen Verwendung des Ausdrucks ›Schwarze und Frauen*‹. Obwohl es tatsächlich sein kann, dass einige beabsichtigen, Schwarze Frauen* in ›Schwarze‹ oder ›Frauen*‹ einzuschließen, suggeriert der Kontext, in dem der Ausdruck benutzt wird, im Grunde, dass Schwarze Frauen* meist unberücksichtigt bleiben. Siehe etwa Elizabeth Spelman: The Inessential Woman. Bacon Press 1988, S. 114-15 (in dem ein Artikel über Schwarze und Frauen* im Militär besprochen wird, in dem »die rassifizierte Identität derer, die als ›Frauen*‹ identifiziert werden, solange nicht explizit zur Geltung kommt, bis von Schwarzen Frauen* die Rede ist, was darauf hindeutet, dass die Kategorie Frau* Schwarze Frauen* ausschließt«). Scheinbar werden Formulierungen wie ›Schwarze und weiße Frauen*‹ oder ›Schwarze Männer und alle Frauen*‹ bevorzugt, wenn Schwarze Frauen* explizit einbezogen werden sollen.

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chen, wie dieser Rahmen eigene theoretische Grenzen hervorbringt, die die Bemühungen, feministische und antirassistische Studien zu erweitern, unterminieren. Bilden Schwarze Frauen* den Ausgangspunkt der Analyse, so wird besser erkennbar, wie vorherrschende Diskriminierungskonzepte unser Verständnis von Unterordnung als eine Benachteiligung, die sich entlang einer eindimensionalen Achse ereignet, prägen. Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass dieser eindimensionale Analyserahmen Schwarze Frauen* in der Konzeptualisierung, Identifizierung und Bekämpfung rassistischer und sexistischer Diskriminierung ausradiert, weil sich die Forschung auf die Erfahrungen anderweitig privilegierter Gruppenmitglieder beschränkt. Mit anderen Worten, bei rassistischen Diskriminierungsfällen wird Diskriminierung tendenziell in Bezug auf sexistisch oder klassistisch privilegierte Schwarze betrachtet; bei Fällen sexistischer Diskriminierung liegt der Fokus auf rassistisch oder klassistisch privilegierten Frauen*. Den Fokus auf die privilegiertesten Mitglieder einer Gruppe zu legen, marginalisiert diejenigen, die vielfach belastet sind, und verdeckt Interessen, die nicht auf vereinzelte Diskriminierungsursachen zurückgeführt werden können. Ich weise ferner darauf hin, dass dieser Fokus auf anderweitig privilegierte Gruppenmitglieder eine verzerrte Analyse von Rassismus und Sexismus nach sich zieht, da rechtswirksame Konzepte von Race und Gender auf Erfahrungen aufbauen, die letztlich nur einen Ausschnitt eines viel komplexeren Phänomens darstellen. Im Folgenden arbeite ich die dogmatischen Manifestationen dieses eindimensionalen Analyserahmens heraus. Daraufhin beschreibe ich, wie er zur Marginalisierung Schwarzer Frauen* in der feministischen Theorie und in antirassistischen Politiken beiträgt. Ich lege nahe, dass Schwarze Frauen* manchmal von der feministischen Theorie und antirassistischen Politikdiskursen ausgeschlossen werden, weil beide von einem eindimensionalen Erfahrungszusammenhang ausgehen, der das Zusammenwirken von Race und Gender oft nicht angemessen widerspiegelt. Diese Probleme des Ausschlusses können nicht einfach dadurch gelöst werden, Schwarze Frauen* in eine vordefinierte Analysestruktur einzubeziehen. Da die intersektionale Erfahrung mehr ist als die Summe von Rassismus und Sexismus, kann keine Analyse, die Intersektionalität ausspart, den spezifi-

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schen Prozess, der Schwarze Frauen* unterordnet, angemessen adressieren. Damit die feministische Theorie und der antirassistische Politikdiskurs die Erfahrungen und Anliegen Schwarzer Frauen* einbeziehen, muss der gesamte Analyserahmen, der dazu diente, ›Frauen*erfahrung‹ oder ›Schwarze Erfahrung‹ in konkrete politische Forschungen zu übersetzen, überdacht und neu gestaltet werden. Als Beispiele theoretischer und politischer Entwicklungen, die ihrem Anspruch in Bezug auf Schwarze Frauen* nicht gerecht werden, weil sie es versäumen, Intersektionalität mitzudenken, werde ich kurz die feministische Kritik an Vergewaltigung und an der Ideologie getrennter Sphären sowie öffentliche politische Debatten über frauen*geführte Haushalte innerhalb Schwarzer Communitys diskutieren.

1. Der Antidiskriminierungsrahmen 1.1 Die intersektionale Erfahrung und die dogmatische Antwort

Eine Möglichkeit, sich dem Problem der Intersektionalität anzunähern, bietet eine Untersuchung der Art und Weise, wie Gerichte die Erzählungen Schwarzer Klägerinnen* erfassen und interpretieren. Obwohl ich nicht für mich beanspruchen kann, die Umstände der diskutierten Fälle zu kennen, glaube ich, dass die Art und Weise, wie Gerichte die Anliegen Schwarzer Frauen* interpretieren, zur Erfahrung Schwarzer Frauen* gehört. Dementsprechend ist ein kurzer Blick auf Fälle, an denen Schwarze Klägerinnen* beteiligt waren, sehr aufschlussreich. Um die Schwierigkeiten des rechtlichen Umgangs mit Intersektionalität zu verbildlichen, ziehe ich drei Title-VII-Fälle4 in Betracht: DeGraffenreid vs. General Motors,5 Moore vs. Hughes Helicopter6 und Payne vs. Travenol.7 4

Civil Rights Act von 1964, 42 USC § 2000e, et seq., novelliert (1982). Anm. d. Übers.: Title-VII-Fälle sind Fälle, in denen Arbeitnehmer*innen wegen Diskriminierung aufgrund von Race, Religion, Gender oder Nationalität gegen Arbeitgeber*innen klagen.

5

413 F Supp 142 (E D Mo 1976).

6

708 F2d 475 (9th Cir 1983).

7

673 F2d 798 (5th Cir 1982).

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a. DeGraffenreid vs. General Motors.

Bei DeGraffenreid verklagten fünf Schwarze Frauen* General Motors für sein Betriebsrentensystem, von dem sie behaupteten, es festige bereits bestehende Benachteiligungen gegenüber Schwarzen Frauen*. Während des Prozesses wurden Beweise vorgelegt, die zeigten, dass General Motors vor 1964 einfach keine Schwarze Frauen* eingestellt hatte und alle Schwarzen Frauen*, die nach 1970 eingestellt worden waren, ihre Arbeit im Rahmen eines auf Dienstalter basierenden Personalabbaus anlässlich einer Rezession verloren hatten. Das Gericht entschied zugunsten der Verteidigung und verweigerte den Klägerinnen* somit die Möglichkeit eines Rechtstreits, der nicht im Namen von Schwarzen oder von Frauen* geführt worden wäre, sondern speziell im Namen Schwarzer Frauen*. Das Gericht erklärte: Die Klägerinnen* haben es versäumt, einen Beschluss vorzulegen, der erklärt, dass Schwarze Frauen* eine spezielle Gruppe darstellen, die vor Diskriminierung zu schützen sei. Eigene Ermittlungen des Gerichts haben auch keinen entsprechenden Beschluss offenbaren können. In der Tat haben die Klägerinnen* ein Recht auf Abhilfe, wenn sie diskriminiert worden sind. Jedoch sollten sie nicht dazu berechtigt sein, Rechtsmittel zu kombinieren, um ein neues ›Super-Rechtsmittel‹ zu schaffen, das sie in höherem Maße entschädigt als die Verfasser*innen der betreffenden Gesetze eingangs intendierten. Daher ist dieses Verfahren dahingehend zu untersuchen, ob ein Klageanspruch aufgrund von rassistischer Diskriminierung, sexistischer Diskriminierung oder alternativ einer dieser beiden allein besteht, aber nicht aufgrund einer Kombination der beiden.8

Obwohl General Motors vor 1964 keine Schwarzen Frauen* einstellte, hielt das Gericht fest, dass »General Motors … weibliche* Angestellte einige Jahre vor der Erlassung des Civil Right Acts von 1964 eingestellt hatte«.9 Weil General Motors in der Zeit, in der keine Schwarzen Frauen* eingestellt wurden, Frauen* – wenn auch weiße Frauen* – eingestellt

8

DeGraffenreid, 413 F Supp at 143.

9

Ebd., S. 144.

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hatte, gab es aus Sicht des Gerichts keine sexistische Diskriminierung, die das Betriebsrentensystem möglicherweise hätte aufrechterhalten können. Nachdem das Gericht den Vorwurf der sexistischen Diskriminierung abgewiesen hatte, lehnte es die Beschwerde über rassistische Diskriminierung ab und und schlug den Klägerinnen* die Zusammenführung mit einem anderen Fall rassistischer Diskriminierung durch denselben Arbeitgebenden vor.10 Die Klägerinnen* antworteten, dass solch eine Zusammenführung das Anliegen ihrer Klage vereiteln würde, da sie ja keine reine Rassismusbeschwerde führten, sondern eine spezifische, im Namen Schwarzer Frauen*, bei der rassistische und sexistische Diskriminierungsvorwürfe zum Tragen kämen. Das Gericht argumentierte dennoch: Die Geschichte des Title VII gibt keinen Anlass, davon auszugehen, dass das Ziel des Gesetzes darin liege, ein neues Merkmal ›Schwarze Frauen*‹ zu schaffen, das einen höheren Status bekäme als zum Beispiel das eines Schwarzen Mannes. Die Aussicht auf die Schaffung neuer Schutzmerkmale für Minderheiten rein nach mathematischen Prinzipien der Permutation und Kombination wäre genauso gefährlich, wie das Öffnen der altbekannten Büchse der Pandora.11

Folglich zog das Gericht offenbar den Schluss, dass der Kongress entweder nicht berücksichtigt hatte, dass Schwarze Frauen* als ›Schwarze Frauen*‹ diskriminiert werden könnten, oder nicht die Absicht gehabt hatte, sie zu beschützen, wenn sich eine solche Diskriminierung ereignete.12 Die 10 Ebd., S. 145. Im Fall Mosley vs. General Motors, 497 F Supp 583 (E D Mo 1980), beschwerten sich Mitarbeiter*innen auf der Grundlage des Title VII über umfangreiche rassistische Diskriminierung in der General-Motors-Niederlassung in St. Louis. Das Beförderungssystem, das in DeGraffenreid infrage gestellt wurde, wurde in Mosley allerdings nicht in Betracht gezogen. 11 Ebd., S. 145. 12 Interessanterweise war kein Fall zu finden, in dem ein Gericht die Klage eines weißen Mannes wegen umgekehrter Diskriminierung mit der Begründung abgewiesen hat, dass Gender und Race nicht kombinierbar seien, weil der Kongress nicht beabsichtigte, zusammengesetzte Merkmale zu schützen. In einem typischen Fall umgekehrter Diskriminierung sind weiße Männer nicht besser positioniert als die Klägerinnen* in DeGraffenreid: Wenn sie ihre Klagen voneinander getrennt formulieren müssen, können weiße Männer nicht bewei-

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Verweigerung des Gerichts, im Fall DeGraffenreid anzuerkennen, dass Schwarze Frauen* kombinierte Diskriminierung aufgrund von Race und Gender erfahren, weist darauf hin, dass die Grenzen des Dogmas sexistischer und rassistischer Diskriminierung entlang der Erfahrungen weißer Frauen* einerseits und Schwarzer Männer andererseits definiert werden. Aus diesem Blickwinkel werden Schwarze Frauen* nur insofern geschützt, dass ihre Erfahrungen mit denen weißer Frauen* oder denen Schwarzer Männer übereinstimmen.13 Dort, wo sich ihre Erfahrungen unterscheiden, können Schwarze Frauen* nur selten mit Unterstützung rechnen, solange Ansätze wie in DeGraffenreid, die die Probleme der Intersektionalität vollends verdecken, vorherrschen.

sen, dass es sich um rassistische Diskriminierung handelt, weil weiße Frauen* nicht diskriminiert werden, und sie können keine sexistische Diskriminierung beweisen, weil Schwarze Männer nicht diskriminiert werden. Dennoch scheinen Gerichte die zusammengesetzte Natur der meisten Fälle umgekehrter Diskriminierung nicht zu erkennen. Dass die Klagen Schwarzer Frauen* automatisch die Frage nach der zusammengesetzten Diskriminierung aufwerfen und die Fälle ›umgekehrter Diskriminierung‹ von weißen Männern nicht, deutet darauf hin, dass das Verständnis vom Zusammengesetztsein von Diskriminierung bis hin zur Annahme einer impliziten Norm, die nicht neutral sondern weiß-männlich ist, variieren kann. So werden Schwarze Frauen* als zusammengesetzte Kategorie wahrgenommen, weil sie zwei Schritte von einer weißen männlichen Norm entfernt sind, während weiße Männer offensichtlich nicht als zusammengesetzte Kategorie wahrgenommen werden, weil sie gewissermaßen die Norm repräsentieren. 13 Ich meine damit nicht, dass alle Gerichte, die mit diesem Problem konfrontiert waren, den DeGraffenreid-Ansatz verfolgt haben. In der Tat haben andere Gerichte den Schluss gezogen, dass Schwarze Frauen* durch Title VII geschützt sind. Siehe etwa Jefferies vs. Harris Community Action Ass’n., 615 F2d 1025 (5th Cir 1980). Ich meine, dass die Tatsache, dass die Klagen Schwarzer Frauen* als ungewöhnlich wahrgenommen werden, darauf hindeutet, dass das Dogma sexistischer Diskriminierung auf die Erfahrungen weißer Frauen* fokussiert ist. Auch die Gerichte, die Schwarzen Frauen* Schutzrechte zusprachen, scheinen zu akzeptieren, dass die Klagen Schwarzer Frauen* im Gegensatz zu ›gängigen‹ Klagen sexistischer Diskriminierung Fragen aufwerfen. Siehe Elaine W. Shoben: Compound Discrimination; The Interaction of Race and Sex in Employment Discrimination, 55 NYU L Rev 793, 803-04 (1980), wo der Fall Jefferies dafür kritisiert wird, eine Sex-Plus-Analyse anzuwenden, um eine Unterkategorie Schwarzer Frauen* zu schaffen.

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b. Moore vs. Hughes Helicopter, Inc.

Moore vs. Hughes Helicopters, Inc.14 steht für eine andere Art und Weise, wie Gerichte es versäumen, die Forderungen Schwarzer Frauen* zu verstehen oder anzuerkennen. Moore ist typisch für die vielen Fälle, in denen Gerichte sich weigerten, Schwarze Frauen* angesichts sexistischer und rassistischer Diskriminierungshandlungen als berechtigte Zielgruppe anzuerkennen.15 In Moore warf die Klägerin* dem Arbeitgebenden Hughes Helicopter vor, bei Beförderungen auf Führungs- und Aufsichtsposten rassistisch und sexistisch zu diskriminieren. Moore führte statistische Beweise an, die einen signifikanten Unterschied zwischen Männern und Frauen* sowie einen etwas weniger großen Unterschied zwischen Schwarzen und weißen Männern in Aufsichtspositionen aufzeigten.16

14 708 F2d 475. 15 Siehe auch Moore vs. National Association of Securities Dealers, 27 EPD (CCH), 32, 238 (D DC 1981); aber siehe den Fall Edmondson vs. Simon, 86 FRD (N D III 1980), bei dem das Gericht nicht gewillt war, den Umstand, dass keine Schwarze Frau* die Interessen von Schwarzen und Frauen* konfliktfrei vertreten könne, als juristisches Problem anzusehen. 16 708 F2d auf 479. Zwischen Januar 1976 und Juni 1979, den drei Jahren bezüglich derer Moore behauptete, bei Beförderungen übergangen worden zu sein, bewegte sich der Prozentsatz weißer Männer in Führungspositionen zwischen 70,3 % und 76,8 %; der Schwarzer Männer zwischen 8,9 % und 10,9 %; der weißer Frauen* zwischen 1,8 % und 3,3 %; und die Schwarzer Frauen* zwischen 0 % und 2,2 %. Insgesamt bewegte sich das Mann-Frau*-Verhältnis auf den fünf höchsten Rängen zwischen 100 % zu 0 % in 1976 und 98 % zu 1,8 % in 1979. Das Weiß-SchwarzVerhältnis betrug 1976 85 % zu 3,3 % und 79,6 % zu 8 % in 1979. Das Gesamtverhältnis von Männern und Frauen* in Aufsichtsfunktionen betrug 98,2 % zu 1,8 % in 1976 und 93,4 % zu 6,6 % in 1979; im gleichen Zeitraum betrug das Schwarz-weiß-Verhältnis 78,6 % zu 8,9 % und 73,6 % zu 13,1 %. Für Beförderungen auf die fünf Spitzenpositionen waren die Prozentsätze schlimmer. Zwischen 1976 und 1979 bewegte sich der Prozentsatz weißer Männer in diesen Positionen zwischen 85,3 % und 77,9 %; der Schwarzer Männer zwischen 3,3 % und 8 %; der weißer Frauen* zwischen 0 % und 1,4 % und der Schwarzer Frauen* zwischen 0 % und 0 %. Zusammengenommen waren in 1979 98,2 % der hochrangigsten Angestellten Männer; 1,8 % waren Frauen*.

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Das Bundesberufungsgericht bekräftigte die Ablehnung seitens des Landgerichts, Moore in Bezug auf den Vorwurf sexistischer Diskriminierung zu der Kategorie Frau* hinzuzuzählen und hielt befürwortend fest: … Moore hat sich gegenüber der EEOC nie beschwert, dass die Diskriminierung, die ihr wiederfahren ist, gegen sie als Frau*, sondern lediglich gegen sie als Schwarze Frau* gerichtet sei. … Dies wirft ernsthafte Zweifel an Moore’s Fähigkeit auf, weiße weibliche* Angestellte adäquat zu repräsentieren.17

Die merkwürdige Logik des Moore-Falls verweist nicht nur auf den engen Spielraum des Antidiskriminierungsdogmas und sein Versagen, Intersektionalität miteinzubeziehen, sondern auch auf die Zentralität der Erfahrungen weißer Frauen* in der Konzeption von Genderdiskriminierung. Aus der Entscheidung des Gerichts, Moores Beschwerde nicht als eine ›gegen Frauen*‹ gerichtete Diskriminierungsbeschwerde zu fassen, ließe sich ableiten, dass die Diskriminierung Schwarzer Frauen* weniger bedeutet als die Diskriminierung von Frauen*. Allerdings hatte das Gericht höchstwahrscheinlich eher die Absicht, darauf hinzuweisen, dass sich Moores Diskriminierungsbeschwerde nicht auf alle Frauen* bezog, sondern nur auf Schwarze Frauen*. Aber auch in dieser Interpretation ist die Begründung des Gerichts problematisch für Schwarze Frauen*. Scheinbar lehnte das Gericht Moores Vorschlag, alle Frauen* repräsentieren zu wollen, ab, weil es der Ansicht war, dass ihr Ansatz, Race zu benennen, in Widerspruch zu üblichen Beschwerden gegen Arbeitgeber*innen, die Einfachdiskriminierung ›gegen Frauen*‹ verübten, stehe. Das Gericht war unfähig zu verstehen, dass die Abwesenheit eines rassistischen Bezuges nicht unbedingt bedeutet, dass die eingelegte Beschwerde inklusiver ist. Eine weiße Frau*, die gegen die Diskriminierung gegen Frauen* vorgeht, ist gegebenenfalls nicht besser dazu in der Lage, alle Frauen* zu repräsentieren als eine Schwarze Frau*, die als Schwarze Frau* Diskriminierungsvorwürfe erhebt und alle Frauen* repräsentieren möchte. Die vom Gericht bevorzugte Formulierung ›gegen Frauen*‹ ist

17 708 F2d auf 480 (Hervorhebungen K.C.).

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nicht unbedingt inklusiver – sie scheint es nur zu sein, weil die rassistischen Konturen der Beschwerde nicht spezifiziert sind. Die Bevorzugung der Formulierung ›gegen Frauen*‹ gegenüber der Formulierung ›gegen Schwarze Frauen*‹ offenbart, dass weiße weibliche* Erfahrungen die Basis des vorherrschenden Dogmas sexistischer Diskriminierung sind. Für weiße Frauen* haben Beschwerden wegen sexistischer Diskriminierung einfach das Ziel, hervorzuheben, dass sie nicht diskriminiert worden wären, wenn nicht Gender eine Rolle gespielt hätte. Für sie ergibt sich keine Notwendigkeit, Diskriminierung als Diskriminierung weißer Frauen* zu spezifizieren, weil Race bei der Benachteiligung, die sie ausgleichen wollen, nicht zum Tragen kommt. Die hierauf basierende Perspektive auf Diskriminierung nimmt rassifizierte Privilegien als gegeben hin. Die Diskriminierung gegen eine weiße Frau* ist also die standardmäßige Sexismusbeschwerde; Beschwerden, die von diesem Standard abweichen, scheinen als eine Art Hybridanspruch zu gelten. Noch bezeichnender ist, dass Schwarze Frauen*, deren Beschwerden als hybrid gesehen werden, manchmal nicht diejenigen repräsentieren können, die ›reine‹ Sexismusbeschwerden vorbringen. Der Effekt dieses Ansatzes ist, dass auch dann, wenn eine kritisierte Politik oder Praxis tatsächlich alle Frauen* eindeutig diskriminiert, Schwarze Frauen* aufgrund der Tatsache, dass die Politik oder Praxis für sie besonders starke Konsequenzen hat, in Opposition zu weißen Frauen* gesetzt werden. Moore verbildlicht eine der Grenzen der Abhilfemöglichkeiten des Antidiskriminierungsrechts und dessen normative Ausrichtung. Die Verweigerung, einer mehrfach benachteiligten Gruppe zu erlauben, andere zu repräsentieren, die gegebenenfalls einfach benachteiligt werden, unterminiert die Bemühungen, Chancen neu zu verteilen, und begrenzt Abhilfemaßnahmen auf kleinteilige Anpassungen innerhalb einer festen Hierarchie. Dementsprechend sind ›Bottom-up‹-Ansätze, in denen alle Diskriminierten verbunden sind, um ein gesamtes Beschäftigungssystem anzufechten, durch die begrenzte Perspektive eines falschen und verengten Anwendungsbereichs des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels ausgehebelt. Wären solche intersektionalen ›Bottom-up‹-Repräsentationen

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Routine, würden Angestellte vielleicht die Möglichkeit akzeptieren, dass durch kollektive Handlung gegen das System mehr zu gewinnen ist als durch die individuellen Bemühungen einzelner Diskriminierter, eigene Privilegien innerhalb der Hierarchie zu schützen. Solange das Antidiskriminierungsdogma jedoch von der Prämisse ausgeht, dass Beschäftigungssysteme nur kleinteilige Anpassungen brauchen, werden die Aufstiegschancen für benachteiligte Angestellte begrenzt sein. Vergleichsweise privilegierte Angestellte sind wahrscheinlich besser dran, ihre Vorteile zu schützen, wenn sie mit anderen darum ringen, mehr zu erhalten. Das Ergebnis ist, dass Schwarze Frauen* – die Angestelltengruppe, die aufgrund ihrer Intersektionalität am besten positioniert ist, um alle Diskriminierungsformen infrage zu stellen – weitgehend isoliert werden und für sich selbst sorgen müssen. In Moore führte die Weigerung des Gerichts, auf den Vorschlag der Klägerin* einzugehen, alle Schwarzen und Frauen* zu repräsentieren, dazu, dass Moore ihre Rassismus- und Sexismusbeschwerden auf statistische Beweise für Diskriminierung gegenüber Schwarzen Frauen* allein stützen musste.18 Weil sie außerstande war, weiße Frauen* oder Schwarze Männer zu repräsentieren, konnte sie keine allgemeinen Statistiken über Genderdifferenzen bei Hughes benutzen und sie konnte auch keine Statistiken über Race benutzen. Ihre Beschwerde durch Statistiken über Schwarze Frauen* allein nachzuweisen, war keine leichte Aufgabe, da sie ihre Klage auf der Grundlage der Theorie der Ungleichheitseffekte aufgebaut hatte.19

18 Ebd., S. 484-86. 19 In der Theorie der Ungleichheitseffekte (disparate impact theory), die zu dieser Zeit vorherrschte, musste die Klägerin* Statistiken anführen, die darauf hindeuten, dass eine Maßnahme oder Vorgehensweise die Mitglieder einer geschützten Gruppe ungleich betreffen. Die Arbeitgeber*in konnte diesen Beweis zurückweisen, indem dargelegt wurde, dass die Aufrechterhaltung dieser Regel eine unternehmerische Notwendigkeit darstelle. Die Klägerin* konnte anschließend dagegen unter Beweisführung einwenden, dass es weniger diskriminierende Alternativen gegeben hätte. Siehe zum Beispiel Griggs cs. Duke Power, 401 US 424 (1971); Connecticut vs. Teal, 457 US 440 (1982).

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Das Gericht begrenzte den Korpus relevanter Beweise ferner auf Statistiken, die sich nur auf Schwarze Frauen* bezogen, die es für qualifiziert hielt, um die offenen Stellen in Führungs- und Aufsichtspositionen zu besetzen.20 Dem Gericht zufolge habe Moore nicht dargelegt, dass es innerhalb ihrer Tarifeinheit oder der allgemeinen Arbeitnehmer*innenschaft Schwarze Frauen* gegeben habe, die für die betreffenden Stellenkategorien qualifiziert gewesen wären.21 Schließlich erklärte das Gericht, dass es keinen Diskriminierungseffekt finden könne, auch wenn es Moores Argument akzeptierte, dass der Prozentsatz Schwarzer Frauen* in Aufsichtspositionen dem Prozentsatz Schwarzer Frauen* im Angestelltenverhältnis entsprechen sollte.22 Da durch die Beförderung zweier Schwarzen Frauen* die zu erwartende Verteilung Schwarzer Frauen* innerhalb dieser Stellenkategorie erfüllt sei, sei das Gericht »nicht willens, eine Prima-Facie-Ungleichheitseffekt-Klage für hinreichend begründet zu erachten.«23 Die Entscheidungen des Gerichts über Moores Sexismus- und Rassismusbeschwerde führten dazu, dass die ihr verbleibende statistische Stichprobe so klein war, dass sie nicht vermocht hätte, Diskriminierung auf Grundlage der Theorie der Ungleichheitseffekte nachzuweisen, auch wenn sie hätte belegen können, dass es qualifizierte Schwarze Frauen* gegeben hätte. Moore

Ein wichtiger Angelpunkt einer Ungleichheitseffekt-Klage ist, ob der nachgewiesene Effekt statistisch signifikant ist. Dies führt zur Frage, wie die beschützte Gruppe definiert wird. In vielen Fällen würde eine Schwarze Frau* dazu tendieren, Statistiken zu benutzen, die sich auf weiße Frauen* oder / und Schwarze Männer beziehen, wenn sie zeigen wollen, dass eine Maßnahme in der Tat unterschiedliche Effekte für die geschützte Gruppe hat. Wenn wie bei Moore die Klägerin* nur Statistiken anführt, die sich auf Schwarze Frauen* beziehen, sind vielleicht nicht genug Schwarze weibliche* Angestellte anwesend, um eine statistisch signifikante Stichprobe zu generieren.

20 Ebd., S. 484. 21 Das Gericht untermauerte seinen Befund über hochrangige Posten mit Statistiken aus der Los Angeles Metropolitan Area, die ergaben, dass es nur 0,2 % Schwarze Frauen* in vergleichbaren Stellenkategorien gegeben habe. Ebd., S. 485 Nr. 9. 22 Ebd., S. 486. 23 Ebd.

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illustriert somit eine weitere Möglichkeit, wie das Antidiskriminierungsdogma die spezifischen Erfahrungen Schwarzer Frauen* grundlegend ausradiert und folglich ihre Diskriminierungsbeschwerden für gegenstandslos hält. c. Payne vs. Travenol.

Schwarze Klägerinnen* sind auch auf Schwierigkeiten gestoßen, wenn sie versuchten, in Fällen rassistischer Diskriminierung als Vertreterinnen* der Zielgruppe anerkannt zu werden. Dieses Problem entsteht typischerweise bei Fällen, in denen Statistiken signifikante Unterschiede zwischen Schwarzen Männern und Schwarzen Frauen* aufzeigen. In einigen Fällen24 lehnten Gerichte solche Klagen anhand einer Logik ab, die der Argumentation in Moore ähnelt: Die Genderunterschiede zwischen Schwarzen Männern und Schwarzen Frauen* verursachen solche Interessenkonflikte, dass Schwarze Frauen* Schwarze Männer unmöglich angemessen repräsentieren können. In einem dieser Fälle, Payne vs. Travenol,25 reichten zwei Schwarze Frauen* eine Sammelklage wegen rassistischer Diskriminierung im Namen aller Schwarzen Angestellten eines pharmazeutischen Betriebes ein.26 Das Gericht verweigerte den Schwarzen Klägerinnen* jedoch, Schwarze Männer zu vertreten, aber räumte den Klägerinnen* ein, ihre Zielgruppe auf Schwarze Frauen* einzugrenzen. Letzten Endes stellte das Landesgericht eine erhebliche Diskriminierung im Betrieb fest und sprach der Gruppe Schwarzer weiblicher* Angestellter Schadensersatzzahlungen 24 Siehe Strong vs. Arkansas Blue Cross & Blue Shield, Inc., 87 FRD 496 (E D Ark 1980); Hammons vs. Folger Coffee Co., 87 FRD 600 (W D Mo 1980); Edmondson vs. Simon, 86 FRD 375 (N D III 1980); Vuyanich vs. Republic National Bank of Dallas, 82 FRD 420 (N D Tex 1979); Colston vs. Maryland Cup Corp., 26 Fed Rules Serv 940 (D Md 1978). 25 416 F Supp 248 (N D Miss 1976). 26 Der Klageprozess begann am 2. März 1972 mit der Einreichung einer Beschwerde durch drei Angestellte als Vertreter*innen einer Zielgruppe, die durch die Beklagten rassistisch diskriminiert worden waren. Unter den damaligen Kläger*innen gab es einen Schwarzen Mann und zwei Schwarze Frauen*. Im Laufe des dreijährigen Zeitraums zwischen Klageeinreichung und Prozess erhielt der einzige männliche Kläger vom Gericht die Erlaubnis, aus religiösen Gründen von der Klage zurückzutreten. Ebd., S. 250.

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und Beförderungen zu. Trotz der Feststellung, dass die rassistische Diskriminierung sich auf Schwarze allgemein bezog, wies das Gericht die Ausweitung der Abhilfe auf Schwarze Männer ab, weil es befürchtete, bestehende Interessenkonflikte nicht angemessen zu berücksichtigen,27 erklärte das US-Berufungsgericht für den Fünften Bezirk.28 Nennenswert ist, dass es den Klägerinnen* in Travenol besser erging als der ähnlich aufgestellten Klägerin* im Fall Moore: Ihnen wurde nicht verboten, relevante Statistiken anzuführen, die ein übergreifendes Muster rassistischer Diskriminierung aufzeigten, nur weil sich keine Männer in ihrer Gruppe befanden. Wegen der verengten Sicht des Gerichtes auf das Gruppeninteresse scheiterte der Versuch der Klägerinnen*, alle Schwarzen Angestellten zu repräsentieren, jedoch genauso wie der von Moore, alle weiblichen* Angestellten zu repräsentieren. Obwohl Travenol teilweise einen Sieg für Schwarze Frauen* darstellte, zeigt der Fall ganz konkret, wie das Antidiskriminierungsdogma für Schwarze Frauen* zu einem Dilemma wird. Es zwingt sie, sich zu entscheiden, entweder die intersektionalen Aspekte ihrer Unterordnung eigens hervorzuheben und dabei aber Gefahr zu laufen, Schwarze Männer nicht repräsentieren zu können, oder Intersektionalität auszuklammern, um eine Beschwerde geltend zu machen, die Schwarze Männer nicht ausschließt. Angesichts der politischen Konsequenzen dieses Dilemmas ist es kein Wunder, dass viele in der Schwarzen Community die Hervorhebung der intersektionalen Interessen Schwarzer Frauen* für gefährlich spaltend halten. Kurz gesagt haben sich verschiedene Gerichte als unfähig erwiesen, mit Intersektionalität umzugehen, wenn auch aus unterschiedlichen 27 Die Auseinandersetzung in Travenol zeigt, dass, nachdem die Anwält*in ausreichend Beweise für die Diskriminierung Schwarzer Männer vorgelegt hatte, kein Grund mehr vorlag, Schwarze Männer von der Abhilfe auszuschließen. Basierte das Argument für den Ausschluss Schwarzer Männer auf einem potenziellen Interessenkonflikt zwischen Schwarzen Männern und Schwarzen Frauen*, so »wäre, um ein altes Sprichwort anzuführen, im vorliegenden Fall die Fähigkeit der Klägerinnen*, die Interessen der Schwarzen Männer zu vertreten, durch die Vertretung selbst bewiesen.« 673 F2d, S. 837-38. 28 673 F2d 798 (5th Cir 1982).

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Gründen. In DeGraffenreid weigerte sich das Gericht, die Möglichkeit einer mehrdimensionalen Diskriminierung gegenüber Schwarzen Frauen* anzuerkennen, und bewertete ihre Beschwerde auf der historischen Grundlage der beruflichen Erfahrungen weißer Frauen*. Folglich verbarg die Einstellungserfahrung weißer Frauen* die spezifische Diskriminierung, die Schwarze Frauen* erlebten. Umgekehrt entschied das Gericht in Moore, dass eine Schwarze Frau* keine Statistiken zu übergreifenden Genderunterschieden in Aufsichtsund Führungspositionen benutzen könne, weil sie ihre Diskriminierungsbeschwerde nicht als Frau*, sondern ›nur‹ als Schwarze Frau* geltend gemacht hatte. Das Gericht verstand die Diskriminierungserfahrung Schwarzer Frauen* nicht als sexistische Diskriminierung – die ihrerseits durch Ungleichheitsstatistiken nachweisbar war. Schließlich hielten Gerichte wie das in Travenol Schwarze Frauen* nicht für berechtigt, Schwarze allgemein zu repräsentieren, weil sie von Interessenkonflikten ausgingen, die durch die zusätzliche Benachteiligung Schwarzer Frauen* aufgrund von Gender entstehen. Deshalb konnten Schwarze Männer in den wenigen Fällen, in denen Schwarze Frauen* Gesamtstatistiken über rassistische Ungleichbehandlung anführen durften, gegebenenfalls nicht an der Abhilfe teilhaben. Vielleicht erscheint meine Kritik an der Behandlung Schwarzer Frauen* im Antidiskriminierungsrecht einigen als inkonsistent: Im einen Fall scheine ich zu behaupten, die Beschwerden Schwarzer Frauen* seien abgelehnt und deren Erfahrung ausradiert worden, weil das Gericht nicht für möglich hielt, dass sich die Einstellungserfahrung Schwarzer Frauen* von der weißer Frauen* unterscheide, während in anderen Fällen den Interessen Schwarzer Frauen* geschadet worden sei, weil ihre Beschwerden für derart unterschiedlich zu denen weißer Frauen* oder Schwarzer Männer gehalten wurden, dass Schwarzen Frauen* die Vertretung einer breiteren Zielgruppe aberkannt wurde. Es scheint, als müsse ich entweder sagen, dass Schwarze Frauen* gleich seien und ihnen durch unterschiedliche Behandlung Schaden zugefügt werde oder dass sie unterschiedlich seien und ihnen durch gleiche Behandlung Schaden zugefügt werde. Beides könne ich aber nicht sagen.

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Dieser scheinbare Widerspruch ist nur eine weitere Manifestation der konzeptuellen Begrenzungen eindimensionaler Analysen, die die Intersektionalität infrage stellt. Der Punkt ist, dass Schwarze Frauen* Diskriminierung auf vielfältige Art erfahren können und dass die Widersprüchlichkeit durch unsere Vorannahmen entsteht, dass ihre Ausschlussansprüche einseitig sein müssten. Stellen Sie sich im Vergleich den Straßenverkehr auf einer Kreuzung (intersection) vor, es gibt ein Kommen und Gehen in alle vier Richtungen. Wie der Verkehr an einer Kreuzung läuft Diskriminierung vielleicht in die eine Richtung, vielleicht in eine andere. Passiert an der Kreuzung ein Unfall, kann dieser von Autos verursacht worden sein, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen, manchmal aus allen Richtungen. Ähnlich kann die Verletzung, die eine Schwarze Frau* an der Kreuzung, der Intersektion, erfährt, durch rassistische oder sexistische Diskriminierung verursacht worden sein. Juristische Entscheidungen, die intersektionale Abhilfe davon abhängig machen, dass Schwarze Frauen* als eigene Zielgruppe gelten, sind mit der Entscheidung von Ärzt*innen zu vergleichen, ein Opfer bei einem Unfall erst dann zu behandeln, wenn die Verletzung von der Krankenversicherung anerkannt wird. Gleichermaßen ist die Bereitstellung juristischer Abhilfe unter der Voraussetzung, dass Schwarze Frauen* nachweisen, dass ihre Diskriminierungsbeschwerde auf Race oder Gender basiert, vergleichbar damit, einen Krankenwagen erst dann zu rufen, wenn die für den Schaden verantwortliche Fahrende identifiziert wurde. Aber es ist nicht immer leicht, einen Unfall zu rekonstruieren: Manchmal verweisen die Bremsspuren und die Verletzungen lediglich darauf, dass sie gleichzeitig erfolgten, was die Bemühungen, eine schuldige Fahrende auszumachen, untergräbt. In diesen Fällen scheint es tendenziell darauf hinauszulaufen, dass keine Fahrende verantwortlich gemacht wird, keine Behandlung verabreicht wird und die betroffenen Parteien einfach wieder in ihre Autos einsteigen und abdüsen. Um dies auf eine nicht-metaphorische Ebene zurückzuholen, schlage ich vor, dass Schwarze Frauen* im Vergleich zu weißen Frauen* und Schwarzen Männern Diskriminierung ähnlich und unterschiedlich erfahren können. Schwarze Frauen* erfahren Diskriminierung manchmal wie

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weiße Frauen*; manchmal teilen sie mit Schwarzen Männern Erfahrungen. Oft aber erfahren sie doppelte Diskriminierung – kombinierte Effekte rassistisch und sexistisch motivierter Diskriminierungshandlungen. Und manchmal erfahren sie Diskriminierung als Schwarze Frauen* – nicht die Summe rassistischer und sexistischer Diskriminierung, sondern als Schwarze Frauen*. Die Erfahrungen Schwarzer Frauen* umfassen viel mehr als das, was die üblichen Kategorien des Diskriminierungsdiskurses zur Verfügung stellen. Trotzdem sorgt das Beharren darauf, die Erfahrungen und Bedürfnisse Schwarzer Frauen* anhand kategorialer Analysen zu filtern, die ihre Erfahrungen völlig ausblenden, dafür, dass ihre Bedürfnisse nur selten adressiert werden. 1.2 Die Bedeutung des dogmatischen Umgangs mit der Intersektionalität

DeGraffenreid, Moore und Travenol sind dogmatische Erscheinungsformen eines gängigen politischen und theoretischen Diskriminierungsansatzes, der auf die Marginalisierung Schwarzer Frauen* hinarbeitet. Nicht nur Gerichte, sondern auch feministische und bürgerrechtliche Denker*innen erweisen sich als unfähig, die Relevanz der intersektionalen Erfahrungen Schwarzer Frauen* zu begreifen, und leugnen die einzigartige Beschaffenheit ihrer Situation sowie die zentrale Bedeutung ihrer Erfahrungen für Frauen* und Schwarze allgemein. Schwarze Frauen* gelten entweder zu sehr als Frauen* oder als Schwarze und die zusammengesetzte Natur ihrer Erfahrung wird durch die kollektiven Erfahrungen einer dieser Gruppen verschlungen oder sie gelten als zu verschieden, womit die Bedürfnisse und Perspektiven Schwarzer Frauen* aufgrund ihres Schwarzseins oder Frau*seins in feministischen oder Schwarzen Befreiungsprojekten des Öfteren marginalisiert wurden. Obwohl argumentiert werden kann, dass dieses Versäumnis einen Mangel an politischem Willen bezüglich des Einschlusses Schwarzer Frauen* bedeutet, glaube ich, dass es eher eine unkritische und beunruhigende Akzeptanz vorherrschender Denkmuster über Diskriminierung widerspiegelt. Betrachten Sie die Definition von Diskriminie-

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rung, die im Antidiskriminierungsrecht offenbar Anwendung findet: Unrechtmäßige Diskriminierung beruht auf der Identifizierung einer spezifischen Zielgruppe oder Kategorie; entweder identifiziert eine diskriminierende Partei diese Kategorie vorsätzlich oder es wird ein Prozess veranlasst, der alle Mitglieder dieser Kategorie auf irgendeine Weise benachteiligt. 29 Dem vorherrschenden Verständnis zufolge behandelt eine diskriminierende Partei alle Menschen innerhalb einer rassifizierten oder vergeschlechtlichten Kategorie gleich. Jegliche signifikante erfahrungsbasierte oder statistische Variation innerhalb einer Gruppe suggeriert entweder, dass die Gruppe nicht diskriminiert wird oder dass Interessenkonflikte vorliegen, die die Bemühungen, Ansprüche gemeinsam geltend zu machen, unterlaufen.30 Dementsprechend können diese Kategorien gemeinhin nicht miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus werden Race und Gender erst dann relevant, wenn sie explizit dazu dienen zu benachteiligen; da die Bevorzugung von Weißsein oder Männlichsein implizit ist, wird sie im Allgemeinen überhaupt nicht wahrgenommen. Diesem Diskriminierungsverständnis unterliegt die Idee, dass das durch das Antidiskriminierungsrecht angefochtene Unrecht in der Ver29 Im Antidiskriminierungsdogma unterscheidet meist das Vorliegen einer Diskriminierungsabsicht zwischen unrechtmäßiger und rechtmäßiger Diskriminierung. Siehe Washington vs. Davis, 426 US 229, 239-45 (1976), wo der Beweis vorsätzlicher Diskriminierung Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch aufgrund von Verletzung der Gleichbehandlung (Equal Protection) darstellte. Unter Title VII erachtetet das Gericht Statistiken, die Ungleichheitseffekte aufzeigen, als Nachweis für Diskriminierung als ausreichend. Siehe Griggs, 401 US auf S. 432. Offen bleibt, ob die Unterscheidung dieser beiden Ermittlungsformen weiterhin bestehen bleiben wird. Siehe WardsCove Packing Co., Inc. vs. Antonio, 109, S  Ct 2115, S. 2122-23 (1989): Kläger*innen müssen mehr als nur die Ungleichheit nachweisen, um eine Prima-Facie-UngleichheitseffektKlage zu begründen. Für eine Diskussion über die konkurrierenden normativen Vorstellungen, die den Analysen von Absichten und Effekten zugrunde liegen, siehe Alan David Freeman, Legitimizing Racial Discrimination Through Antidiskriminierung Law: A Critical Review of Supreme Court Doctrine, 62 Minn L Rev 1049 (1978). 30 Siehe zum Beispiel Moore, 708 F2d, S. 479.

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wendung der Kategorien Race und Gender zu verorten sei, die Entscheidungsprozesse beeinflussen, die sonst fair oder neutral wären. Diese prozessorientierte Definition basiert nicht auf der Bereitschaft, unten anzusetzen und die wesentlichen Bedingungen derer zu verbessern, die Opfer eines Zusammenspiels vielfältiger Faktoren sind. Im Gegenteil ist die vorherrschende Botschaft des Antidiskriminierungsrechts, dass es nur den begrenzten Bereich regulieren wird, in dem Race und Gender das Erzielen von Ergebnissen beeinträchtigen. Diese begrenzte Zielsetzung wird durch die Top-Down-Strategie ermöglicht, die sich einer einfachen »Außer-aufgrund-von«-Formel bedient, um die Effekte von Race und Gender zu ermitteln. Weil der antidiskriminierungsrechtliche Geltungsbereich so limitiert ist, wurden sexistische und rassistische Diskriminierung anhand der Erfahrungen jener definiert, die außer aufgrund von ihren rassifizierten oder vergeschlechtlichten Merkmalen privilegiert sind. Mit anderen Worten, das Paradigma sexistischer Diskriminierung bilden die Erfahrungen weißer Frauen*; das Vorbild rassistischer Diskriminierung tendiert dazu, sich auf die Erfahrungen der privilegiertesten Schwarzen zu beziehen. Verständnisse davon, was rassistische und sexistische Diskriminierung konstituiert, sind folglich so eng gestrickt, dass sie nur wenige Konstellationen umfassen, von denen keine die Diskriminierung Schwarzer Frauen* berücksichtigt. Soweit die vorliegenden Ausführungen zutreffen, kann der folgende Vergleich hilfreich sein, um zu beschreiben, wie Schwarze Frauen* an der Schnittstelle von Antidiskriminierungsrecht und rassifizierten und vergeschlechtlichten Hierarchien marginalisiert werden: Stellen Sie sich ein Kellergeschoss vor, voll mit all jenen Menschen, die aufgrund von Race, Gender, Klasse, sexueller Orientierung, Alter oder Behinderung benachteiligt werden. Diese sind aufeinandergestapelt – Füße stehen auf Schultern –, diejenigen, die durch alle Faktoren benachteiligt werden, stehen ganz unten, oben berühren die Köpfe der Diskriminierten, die nur durch einen Faktor benachteiligt werden, die Decke. Diese Decke ist eigentlich der darüberliegende Boden, den nur diejenigen bewohnen, die durch nichts benachteiligt werden. In der Absicht, einige Aspekte der Herrschaft zu korrigieren, erkennen die von oben nur diejenigen aus

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dem Keller an, die von sich behaupten können, dass sie auch im obigen Raum wären – »außer-aufgrund-von« der Decke. Es wird ein Zugang eingerichtet, durch den die unmittelbar unter der Decke Platzierten hindurchkriechen können. Dieser Zugang steht aber in der Regel nur denen zur Verfügung, die – aufgrund der Eindimensionalität ihrer Belastung und ihrer ansonsten privilegierten Position im Vergleich zu denen unter ihnen – in der Lage sind, hindurchzukriechen. Die mehrfach Belasteten bleiben in der Regel zurück, es sei denn, sie können sich irgendwie an die Gruppen hängen, denen erlaubt wird, sich durch den Zugang zu zwängen. Übertragen bedeutet dies für Schwarze Frauen*, dass es für sie ein Problem darstellt, nur dann schutzberechtigt zu sein, wenn ihre Erfahrungen erkennbar ähnlich zu denen verlaufen, deren Erfahrungen im Antidiskriminierungsdogma reflektiert werden. Wenn Schwarze Frauen* ihre Ansprüche nicht darauf herunterbrechen können, dass sie »außeraufgrund-von« Race oder »außer-aufgrund-von« Gender anders behandelt werden würden, sind sie nicht eingeladen, durch den Zugang zu klettern, sondern werden aufgefordert, am ungeschützten Rand zu warten, bis sie in die breiteren, geschützten Kategorien Race und Gender aufgenommen werden können. Trotz des begrenzten Anwendungsbereichs dieses vorherrschenden Diskriminierungsverständnisses und seiner Tendenz, diejenigen zu marginalisieren, deren Erfahrungen nicht in den eng gefassten Parametern beschrieben werden können, wurde dieser Ansatz als angemessener Rahmen zur Lösung einer Vielzahl an Problemen bewertet. In einem Großteil der feministischen Theorie und einigen antirassistischen Politiken manifestiert sich dieser Rahmen in der Annahme, dass Sexismus oder Rassismus sinnvoll diskutiert werden könnten, ohne dass die Lebenserfahrungen der nicht rassistisch, sexistisch oder klassistisch Privilegierten Berücksichtigung finden. Dementsprechend beruhen die feministische Theorie sowie antirassistische Politiken zum Teil auf der Gleichsetzung von Rassismus als etwas, das der Schwarzen Mittelklasse oder Schwarzen Männern widerfährt, und Sexismus als etwas, das weißen Frauen* widerfährt.

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Betrachten wir historische und zeitgenössische Probleme innerhalb der feministischen und bürgerrechtlichen Communitys, so sind mannigfaltige Beispiele dafür zu finden, wie deren Akzeptanz des vorherrschenden Rahmens die Entwicklung einer angemessenen Theorie und Praxis zum Umgang mit den Problemen der Intersektionalität verhindert hat. Diese Übernahme eines eindimensionalen Diskriminierungsanalyserahmens marginalisiert nicht nur Schwarze Frauen* innerhalb der Bewegungen, die sie als konstituierenden Teil begreifen, sondern erschwert sogar die Erreichung des illusorischen Ziels, Rassismus und Patriarchat ein Ende zu bereiten.

2. Feminismus und Schwarze Frauen*: »Sind wir keine Frauen*?« Trotz der Unfähigkeit feministischer Politiken und Theorien, Schwarze Frauen* überzeugend zu adressieren, beziehen sich die feministische Theorie und antirassistische Politiken erstaunlich stark auf die Geschichte Schwarzer Frauen*. Zum Beispiel wurde »Ain’t I a Woman*« (»Bin ich etwa keine Frau*?«) zum Standard-Refrain des feministischen Diskurses.31 Dennoch werden die Lehren dieser kraftvollen Rhetorik nicht wirklich wertgeschätzt, da der Kontext ihrer Entstehung nur selten in Betracht gezogen wird. Ich möchte einen Teil dieser Geschichte erzählen, weil sie einige Themen aufwirft, die für den feministischen Umgang mit Rassismus bedeutsam sind, und weil sie die Wichtigkeit des Einschlusses der Erfahrungen Schwarzer Frauen* als wertvolle Quelle für die Kritik des Patriarchats aufzeigt.

31 Siehe Phyliss Palmer: The Radical Feminization of Poverty. Women* of Color as Portent of the Future of All Women*. In: Women*’s Studies Quarterly, Nr. 11, S.  3-4 (Herbst 1983), wo die Frage diskutiert wird, warum »weiße Frauen* in der Frauen*bewegung keine effektiveren und beständigeren Allianzen mit Schwarzen Frauen* generiert haben«, obwohl »Schwarze Frauen* gleichzeitig die Heldinnen* der Frauen*bewegung geworden waren, was im anhaltenden Rückgriff auf Sojourner Truth und ihre berühmten Worte ›Bin ich etwa keine Frau*?‹ symbolisiert wird.«

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1851 rief Sojourner Truth »Bin ich etwa keine Frau*?« und stellte die sexistischen Vorstellungen infrage, auf deren Basis männliche Kritiker Frauen* das Wahlrecht aberkannten.32 Die Szene ereignete sich bei einer Frauen*rechtskonferenz in Akron, Ohio; weiße Männer, die mit Zwischenrufen stereotype Bilder über das ›Frau*sein‹ heraufbeschworen, argumentierten, dass Frauen* zu schwach und zart seien, um politische Verantwortung zu übernehmen. Als Sojourner Truth aufstand, um zu sprechen, drängten sie viele weiße Frauen*, still zu bleiben, aus Furcht, sie würde vom emanzipatorischen Frauen*wahlrecht ablenken. Als ihr erlaubt wurde zu sprechen, berichtete Truth von den Gräueltaten der Versklavung und ihrem spezifischen Einfluss auf Schwarze Frauen*: Sehen Sie sich meinen Arm an! Ich habe gepflügt, gepflanzt und die Ernte eingebracht, und kein Mann hat mir gesagt, was zu tun war! Bin ich etwa keine Frau*? Ich konnte so viel arbeiten und so viel essen wie ein Mann – wenn ich genug bekam – und die Peitsche konnte ich genauso gut ertragen! Bin ich etwa keine Frau*? Ich habe dreizehn Kinder geboren und erlebt, wie die meisten von ihnen in die Versklavung verkauft wurden, und wenn ich um sie weinte, hörte mich keiner außer Jesus! Bin ich etwa keine Frau*?33

Um die Widersprüche zwischen den ideologischen Mythen über Weiblichkeit* und die Wirklichkeit der Erfahrung Schwarzer Frauen* offenzulegen, führte Truth ihr eigenes Leben an und lieferte so ein kraftvolles Argument gegen die Behauptung, Frauen* seien per se schwächer als Männer. Trotzdem war Truths persönlicher Zweifel an der Kohärenz des Kults der wahren Weiblichkeit* nur dann von Nutzen, wenn weiße Frauen* dazu bereit waren, die rassistischen Argumentationsversuche abzuweisen, mit denen dieser Widerspruch begründet werden sollte – mit dem Argument, dass Schwarze Frauen* weniger echte Frauen* seien und ihre Erfahrungen daher 32 Siehe Paula Giddings: When and Where I Enter. The Impact of Black Women on Race and Sex in America. William Morrow and Co., Inc, 1. Auflage 1984, S. 54. 33 Eleanor Flexner: Century of Struggle. The Women’s Rights Movement in the United States. Belknap Press of Harvard University Press 1975, S. 91. Siehe auch bell hooks: Ain’t I a Woman, S. 159-60 (South End Press, 1981), deutsche Übersetzung in diesem Band S. 17.

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keinen Einfluss auf wahre Weiblichkeit* hätten. So stellte diese Schwarze Feministin des 19. Jahrhunderts nicht nur das Patriarchat infrage, sondern forderte auch weiße Feministinnen* heraus, die sich der Geschichte Schwarzer Frauen* annehmen wollten, ihre weißen Interessen aufzugeben. Weiße Feministinnen* der Gegenwart übernahmen nicht Truths Kritik des Patriarchats, sondern Truths Kritik an ihren Vorgängerinnen*. Aufgrund der sich durch die Geschichte ziehenden Schwierigkeit für weiße Frauen*, rassistische Privilegien aufzugeben, um Feminismus zu stärken, sind weiße Frauen* für Truths kritische Frage empfänglich. Wenn die feministische Theorie und Politik den Anspruch hat, die Erfahrung und Anliegen von Frauen* zu reflektieren, aber Schwarze Frauen* gleichzeitig ausschließen oder sie nicht ansprechen, müssen Schwarze Frauen*die Frage stellen: »Sind wir etwa keine Frauen*?« Wenn dem so ist, wie können dann Aussagen wie »Frauen* sind«, »Frauen* glauben« und »Frauen* brauchen« getroffen werden, obwohl sie nicht auf die Bedürfnisse, Interessen und Erfahrungen Schwarzer Frauen* eingehen und nicht auf sie übertragbar sind? Der Wert der feministischen Theorie für Schwarze Frauen* ist beschränkt, weil sie einem als weiß rassifizierten Kontext entstammt, der nur selten vergegenwärtigt wird. Nicht nur werden Frauen* of Color in der Tat übersehen, sondern ihr Ausschluss wird verstärkt, wenn weiße Frauen* für und als Frauen* sprechen. Die hoheitliche universelle Stimme – meistens die als nicht-rassifizierte, nicht-vergeschlechtlichte Objektivität maskierte, weiße, männliche Subjektivität34 – wird lediglich auf diejenigen übertragen, die außer aufgrund ihrer Genderzugehörigkeit viele dieser kulturellen, ökonomischen und sozialen Charakteristika teilen. Wenn die feministische Theorie versucht, Frauen*erfahrungen anhand der Analyse von Patriarchat, Sexualität oder der Ideologie der getrennten Sphären zu beschreiben, wird die Rolle von Race oft übersehen. Feministinnen* klammern daher aus, wie ihre eigene Zugehörigkeit zur Kategorie Race Aspekte von Sexismus lindert und vor allem wie sie 34 »›Objektivität‹ ist selbst ein Beispiel für die Reifizierung auf weißes männliches Denken.« In: Hull et al (Hg.): But Some of Us are Brave, S. XXV.

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dadurch gegenüber anderen Frauen* privilegiert werden und dazu beitragen, dass Herrschaft über andere Frauen* ausgeübt wird.35 Folglich bleibt feministische Theorie weiß und ihr Potenzial, ihre Analyse durch die Adressierung nicht-privilegierter Frauen* zu erweitern und zu vertiefen, unerfüllt. Ein Beispiel dafür, wie stark manche feministischen Theorien auf den Erfahrungen weißer Frauen* aufbauen, ist in der Literatur der vergeschlechtlichten und getrennten Sphären zu finden. Die Kritik daran, wie die Ideologie getrennter Sphären die Rolle von Frauen* im Haushalt und im öffentlichen Leben beeinflusst und begrenzt, ist ein zentrales Thema der feministischen Rechtswissenschaften.36 Feministinnen* haben versucht, die Ideologie getrennter Sphären offenzulegen und auseinanderzunehmen, indem sie die Stereotype, welche die Männern und Frauen* zugeschriebenen gesellschaftlichen Rollen traditionsgemäß legitimierten, identifizierten und der Kritik unterzogen.37 Dennoch liefert dieser Versuch, die ideologischen Rechtfertigungen für die Unterordnung von Frauen* zu entlarven, nur wenig Erkenntnisse über die Herrschaft über Schwarze Frauen*. Da die Erfahrungsgrundlage vieler feministischer Er35 Zum Beispiel waren viele weiße Frauen* in der Lage, Zugang zu den vormals männlich dominierten Enklaven zu erhalten – nicht, indem sie eine fundamentale Neuordnung von männlicher vs. weiblicher* Arbeit voranbrachten, sondern maßgeblich indem sie ihre ›weiblichen*‹ Aufgaben armen und minorisierten Frauen* übertrugen. 36 Feministinnen* diskutieren oft, wie vergeschlechtlichte Stereotype und Normen die Unterordnung von Frauen* festigt, indem ihr Ausschluss vom öffentlichen Leben gerechtfertigt und ihre Rolle in der privaten Sphäre glorifiziert wird. Gesetze spielten historisch eine Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser Unterordnung, indem der Ausschluss von Frauen* aus dem öffentlichen Leben durchgesetzt und deren Einfluss auf die private Sphäre begrenzt wurde. Siehe zum Beispiel Deborah L. Rhode: Association and Assimilation. In: Nw U L Rev, Nr. 106 (1986), S. 81; Frances Olsen: From False Paternalism to False Equality. Judicial Assaults on Feminist Community. Illinois 1969-95. In: Mich L Rev 1518 (1986), S. 84; Martha Minow: Foreword. Justice Engendered. In: Harv L Rev 10 (1987), S. 101; Nadine Taub und Elizabeth M. Schneider: »Perspectives on Women’s Subordination and the Role of Law«. In: David Kairys (Hg): The Politics of Law. Pantheon Books 1982, S.117-39. 37 Siehe die in Fußnote 36 zitierten Arbeiten.

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kenntnisse weiß ist, sind die von ihnen abgeleiteten theoretischen Aussagen bestenfalls verallgemeinert, jedoch meistens falsch.38 Behauptungen wie »Männern und Frauen* wird beigebracht, Männer als unabhängig, fähig, mächtig zu sehen; Männern und Frauen* wird beigebracht, Frauen* als abhängig, in ihren Fähigkeiten begrenzt und passiv zu sehen«39 sind in dieser Literatur üblich. Jedoch übersieht diese ›Beobachtung‹ die Abweichungen, die durch rassistische und sexistische Querströme entstehen. Schwarze Männer und Frauen* leben in einer Gesellschaft, die sexualisierte Normen und Vorstellungen produziert, die ihnen durch den Rassismus gleichzeitig abgesprochen werden; Schwarze Männer werden nicht als mächtig erachtet und genauso wenig werden Schwarze Frauen* als passiv betrachtet. Ansätze für eine ideologische Erklärung vergeschlechtlichter Herrschaft in der Schwarzen Community sollten dabei anfangen, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Gendernormen durch gegenläufige Strömungen produziert werden und wie die Unterordnung von Schwarzen ihren Zugang zu diesen Normen verhindert. So könnten wir vielleicht beginnen zu verstehen, warum Schwarze Frauen* vom Stereotyp der pathologischen Matriarchin*40 verfolgt wurden oder 38 Diese Kritik ist ein für sich stehendes Beispiel für die allgemeinere Behauptung, dass Feminismus von den Erfahrungen weißer Mittelklassefrauen* ausgeht. Zum Beispiel stellten frühe feministische Texte wie Betty Friedans The Feminine Mystique (W.W. Norton, 1963) die Probleme der weißen Mittelklasse ins Zentrum des Feminismus und trugen somit zu seiner Ablehnung in der Schwarzen Community bei. Siehe hooks, Ain’t I a Woman auf S. 185-96 (übersetzt in diesem Band, S. 63), wo festgehalten wird, dass Schwarze Frauen* Feminismus meiden, weil seine weiße Mittelklasse-Agenda die Anliegen Schwarzer Frauen* ausklammere. 39 Richard A. Wasserstrom: Racism Sexism and Preferential Treatment. An Approach to the Topics. In: UCLA L Rev 581, 588 (1977), S. 24. Ich habe diesen Satz nicht gewählt, weil er typisch für die meisten feministischen Aussagen über die Ideologie getrennter Sphären ist; tatsächlich sind die meisten Debatten nicht so vereinfachend wie die hier angeführte plakative Aussage. Siehe zum Beispiel Taub und Schneider: Perspectives on Women’s Subordination and the Role of Law, S. 117-39. 40 Zum Beispiel wurden Schwarze Familien oftmals wegen der Abweichung Schwarzer Frauen* von der weißen Mittelklasse-Norm pathologisiert. Der prominenteste Ausdruck dieser Sichtweise ist im Moynihan Report zu finden, der viele Probleme

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warum es in der Schwarzen Befreiungsbewegung Personen gab, die danach strebten, dezidiert patriarchale Institutionen und Traditionen aufzubauen.41 Da ideologische und deskriptive Beschreibungen des Patriarchats gemeinhin auf weißen weiblichen* Erfahrungen aufbauen, machen Feministinnen* und Personen, die auf die feministische Literatur zurückgreifen, gegebenenfalls den Fehler anzunehmen, Schwarze Frauen* seien von patriarchalen Normen ausgenommen, weil die Rolle Schwarzer Frauen* in der Familie und anderen Schwarzen Institutionen nicht immer den gängigen Formen des Patriarchats in weißen Kreisen gleicht. Zum Beispiel haben Schwarze Frauen* traditionell in weitaus größerem Maße außerhalb des Hauses gearbeitet, als es die Erwerbsquote der weißen Frauen* aufzeigt.42 Eine Analyse des Patriarchats, die die Geschichte des Ausschlusses weißer Frauen* vom Arbeitsmarkt hervorhebt, erlaubt gegebenenfalls zu behaupten, dass Schwarze Frauen* nicht von dieser genderspezifischen Vorstellung belastet seien. Indessen steht die Tatsache, dass Schwarze Frauen* arbeiten müssen, in Konflikt zur Norm, dass Frauen* nicht arbeiten sollten, was im Leben Schwarzer Frauen* persönliche, emotionale und soziale Probleme nach sich zieht. So sind Schwarze Frauen* nicht nur dadurch belastet, dass sie oft Aufgaben übernehmen müssen, die nicht traditionell weiblich* sind, sondern die Übernahme dieser Rollen wird in der Schwarzen Community zudem entweder als Versagen Schwarzer Frauen* gedeutet, entsprechend solcher Normen zu leben, oder als weitere Manifestation des Fluchs des Rassismus auf die

der Schwarzen Community auf eine angeblich pathologische Familienstruktur zurückführte. 41 Siehe hooks: Ain’t I a Woman, S. 94-99 (übersetzt in diesem Band, S. 63), die den Aufstieg der sexistischen Vorstellungswelt in der Schwarzen Befreiungsbewegung in den 1960ern diskutiert. 42 Siehe allgemein Jacqueline Jones: Labor of Love, Labor of Sorrow. Black Women, Work, and the Family from Slavery to the Present. Basic Books 1985; Angela Davis: Women, Race and Class. Random House 1981.

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Schwarze Community.43 Dies ist einer der vielen Aspekte der Intersektionalität, der nicht anhand einer Patriarchatskritik nachvollzogen werden kann, die auf weißer Erfahrung beruht. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Theorien, die dem weißen Kontext entstammen, die Multidimensionalität der Lebenserfahrungen Schwarzer Frauen* verbergen, ist im feministischen Diskurs über Vergewaltigung zu finden. Ein zentrales politisches Thema der feministischen Agenda ist das weitverbreitete Problem von Vergewaltigungen. Die intellektuellen und politischen Bemühungen, zu diesem Thema zu mobilisieren, umfassten die Entwicklung einer historischen Kritik der Rolle des Rechts bei der Errichtung der Grenzen normativer Sexualität sowie bei der Regulierung weiblichen* sexuellen Verhaltens.44 Frühere Sexual- und Vergewaltigungsgesetze gelten in diesem Diskurs als Beweise dafür, dass Vergewaltigungsgesetze traditionell nicht das Ziel hatten, Frauen* vor erzwungener Intimität zu schützen, sondern ein besitzorientiertes Interesse an weiblicher* Keuschheit zu schützen und aufrechtzuerhalten.45 Obwohl Feministinnen* zurecht diese Ziele kritisieren, stellt sich die Beschreibung von Vergewaltigungsgesetzen als Reflexion männlicher Kontrolle über weibliche* Sexualität für Schwarze Frauen* als vereinfachend und letztlich unangemessen dar. Vergewaltigungsgesetze spiegeln nicht männliche Kontrolle über weibliche* Sexualität wider, sondern weiße männliche Regulierung weißer

43 Wie Elizabeth Higginbotham festhält, »wurden Frauen*, die oft darin versa­g en, ›geeigneten‹ Genderrollen zu entsprechen, als unangemessen porträtiert und ihnen das entsprechende Gefühl vermittelt – obwohl sie als Frauen* über Eigenschaften verfügen, die in der Gesellschaft bei Männern als positiv anerkannt werden. Solche Frauen* werden stigmatisiert, weil die Nicht-Einhaltung vo­ rausgesetzter Gendernormen als Gefahr für das Wertesystem betrachtet wird.« Elizabeth Higgingbotham: »Two Representative Issues in Contemporary Sociological Work on Black Women«. In: Hull et. al. (Hg.): But Some of Us are Brave, S. 95. 44 Siehe allgemein Susan Brownmiller: Against Our Will. Simon and Schuster 1975; Susan Estrich: Real Rape. Harvard University Press 1987. 45 Siehe Brownmiller: Against Our Will, S. 17; siehe allgemein Estrich: Real Rape.

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weiblicher* Sexualität.46 Es hat in der Geschichte keinen institutionellen Versuch gegeben, die Keuschheit Schwarzer Frauen* zu regulieren.47 In einigen Staaten sind Gerichte so weit gegangen, Geschworene darüber zu unterrichten, dass nicht davon auszugehen sei, dass Schwarze Frauen*, im Gegensatz zu weißen Frauen*, keusch seien.48 Während es durchaus 46 Eines der zentralen theoretischen Dilemmata des durch die Universalisierung weißer weiblicher* Erfahrung verschleierten Feminismus ist, dass Erfahrungen, die als Manifestationen männlicher Herrschaft über Frauen* beschrieben werden, eher die Manifestation der Kontrolle der dominanten Gruppe über alle untergeordneten Gruppen sein können. Das bedeutet, dass andere, nicht-dominante Männer die betreffenden Verhaltensweisen, Einstellungen und Handlungen gegebenenfalls nicht teilen, nicht an ihnen teilnehmen oder sich mit ihnen verbinden und gegebenenfalls selbst Opfer ›männlicher‹ Macht sind. In anderen Kontexten schließt ›männliche Autorität‹ jedoch gegebenenfalls nicht-weiße Männer ein, vor allem in privaten Kontexten. Bemühungen dahingehend, deutlicher zu begreifen, wann Schwarze Frauen* als Frauen* und wann sie als Schwarze Frauen* dominiert werden, sind unmittelbar mit der Frage verbunden, wann die Macht männlich ist und wann sie weiß-männlich ist. 47 Siehe die Fußnote in Rape, Racism and the Law, 6 Harv Women’s L J 103, S.  117-23 (1983), in der die Tatsache, dass Schwarze Frauen* historisch und zeitgenössisch generell nicht als keusch gesehen werden, erörtert wird. Siehe auch hooks, Ain’t I a Woman, S. 54, die erklärt, dass stereotype Bilder Schwarzer Weiblichkeit* während der Epoche der Versklavung auf dem Mythos basierten, dass »alle Schwarze Frauen* unmoralisch und sexuell freizügig seien«; sowie Beverly Smith: »Black Women’s Health. Notes of a Course«. In: Hull et. al. (Hg.): But Some of Us Are Brave, S. 110, die schreibt, dass »… weiße Männer ihren Missbrauch Schwarzer Frauen* jahrhundertelang damit rechtfertigten, dass wir unzüchtig seien, stets für eine sexuelle Begegnung ›bereit‹«. 48 Die folgende Aussage hebt sich wahrscheinlich allein durch ihre Offenheit ab: »Dass einige unserer Gerichte über unkeusche Frauen* sagten, dass sie eine vergleichsweise seltene Ausnahme seien, trifft zweifellos auf Bevölkerungsgruppen zu, die weitgehend weiß sind, wir würden uns jedoch tatsachenblind stellen, wenn wir diese Regel dort übernähmen, wo eine andere weitgehend unmoralische Race einen Großteil der Bevölkerung darstellt.« Dallas vs. State, 76 Fla 358, 79 So 690 (1918). Eine Kommentator*in, die genau diese Sichtweise vertrat, erklärte 1902: »Ich höre manchmal von einer tugendhaften [N-Wort-]Frau*, aber diese Idee ist mir so undenkbar … Ich kann mir eine Kreatur wie eine tugendhafte Schwarze Frau* nicht vorstellen.« Ebd., S. 82. Solche Bilder bestehen in der Populärkultur fort. Siehe Paul Grein, Taking Stock of the Latest Pop Record Surprises, LA Times § 6, S. 1 (7. Juli 1988), der an die Kontroverse über eine Aufnahme der Rolling Stones

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zutraf, dass der Versuch der Regulation der Sexualität weißer Frauen* unkeusche Frauen* von rechtlichen Schutzansprüchen ausschloss, wurde die Keuschheit einer gefallenen weißen Frau* wiederhergestellt, wenn der vermeintliche Angreifer ein Schwarzer Mann war.49 Solche Wiederherstellungsprozesse wurden Schwarzen Frauen* vorenthalten.



in den 70ern erinnert, die den Vers »Schwarze Mädchen* wollen einfach nur die ganze Nacht gefickt werden« enthielt. Der Widerstand gegen solche negativen Stereotype nahm manchmal die Form eines sexuellen Konservatismus an. »Eine verzweifelte Reaktion auf diesen verleumderischen Mythos ist der Versuch …, sich den strengsten Versionen patriarchaler Moral anzupassen.« Smith: Black Women’s Health, S. 111. Diese Reaktion spiegelt sich zum Teil in den Einstellungen und Politiken Schwarzer Schulen, die die Regulierung des Verhaltens Schwarzer Schülerinnen* mit offenkundiger Strenge durchführten. Siehe Gail Elizabeth Wyatt: »The Sexual Experience of Afro-American Women«. In: Martha Kirkpatrick (Hg.): Women’s Sexual Experience. Exploration of the Dark Continent. Plenum 1982, S. 24, die »die Unterschiede zwischen eher Schwarzen US-amerikanischen Universitäten, in denen es eine starke Kontrolle des sexuellen Verhaltens gab, und der Mehrheit weißer Colleges [feststellt], in denen weniger Ausgangssperren und Auflagen verhängt wurden«. Jeder Versuch, den Fokus auf Schwarze Tugend nachzuvollziehen und zu kritisieren, wäre ohne die Berücksichtigung der rassistischen Ideologie, die Tugend als für Schwarze Frauen* unerreichbar erklärt, unvollständig und wahrscheinlich fehlerhaft.

49 So wie das legale System Keuschheit definierte, konnten Schwarze Frauen* keine Opfer von Vergewaltigungen sein. Ein*e Kommentator*in vermerkte, dass »(g)emäß vorherrschender Stereotype Schwarze Frauen* Keuschheit nicht besitzen können. Dementsprechend wurden Vergewaltigungsvorwürfe von Schwarzen Frauen* automatisch dementiert und das Problem der Keuschheit wurde nur in Fällen infrage gestellt, wo die Beschwerdeführerin* eine weiße Frau* war.« Fußnote 6, Harv Women’s L J, S. 126. Die Vergewaltigungsklagen Schwarzer Frauen* wurden nicht ernst genommen, egal welcher Race der Täter zugehörte. 1912 sagte ein*e Richter*in: »Dieses Gericht wird (in Bezug auf Vergewaltigungen) dem Wort eines weißen Mannes niemals das Wort eines [N-Wort] gegenüberstellen.« Ebd., S. 120. Auf der anderen Seite wurde Lynchen als effektives Rechtsmittel erachtet, wenn es um die Vergewaltigung einer weißen Frau* durch einen Schwarzen Mann ging. Da die Vergewaltigung einer weißen Frau* durch einen Schwarzen Mann ein Verbrechen darstellte, dass »grausamer als der Tod« sei, erwies sich die brutale Ermordung des Schwarzen Mannes als einziger Weg, den Zorn der Gesellschaft zu beschwichtigen und die Frau* zu rehabilitieren. Ebd., S. 125.

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Die singuläre Ausrichtung auf Vergewaltigung als Manifestation männlicher Macht über weibliche* Sexualität hat die Tendenz, den Gebrauch von Vergewaltigung als Waffe im rassistischen Terror zu verbergen.50 Als Schwarze Frauen* von weißen Männern vergewaltigt wurden, wurden sie nicht als Frauen* allgemein vergewaltigt, sondern als Schwarze Frauen* im Speziellen: Ihre Weiblichkeit* machte sie sexuell anfällig für rassistische Herrschaft, während ihnen ihr Schwarzsein faktisch jeden Schutz verwehrte.51 Diese weiße männliche Macht wurde durch ein Rechtssystem verstärkt, in dem die erfolgreiche Verurteilung eines weißen Mannes für die Vergewaltigung einer Schwarzen Frau* faktisch undenkbar war.52 Zusammengefasst vermengten sich sexistische Keuschheitserwartungen und rassistische Vorannahmen über sexuelle Promiskuität und konfrontierten Schwarze Frauen* mit einem spezifischen Problemfeld.53 Diese Probleme wurden in der feministischen Literatur nur selten erörtert und auch in antirassistischen Politiken sind sie nicht prominent. Bis heute besetzt das Lynchen Schwarzer Männer – die institutionelle Praxis, die durch die Regulierung der Sexualität weißer Frauen* gerechtfertigt wurde – die Schwarze Agenda zu Sexualität und Gewalt. Dementsprechend 50 Siehe Gerda Lerner: »The Rape of Black Women as a Weapon of Terror«. In: Dies. (Hg.): Black Women in White America. Pantheon Books 1972, S. 172-93. Siehe auch Brownmiller: Against Our Will. Auch an den Stellen, wo Brownmiller den Gebrauch von Vergewaltigung im rassistischen Terrorismus anerkennt, sträubt sie sich, dies als ›speziellen Fall‹ zu beschreiben, der Schwarze Frauen* betrifft, indem sie Beweise dafür liefert, dass auch weiße Frauen* vom Klan vergewaltigt wurden. Ebd., S. 139. Ob die rassistische Vergewaltigung Schwarzer Frauen* als ›spezieller Fall‹ erachtet wird oder nicht, die Erfahrungen sind wahrscheinlich unterschiedlich. Jedenfalls wirft Brownmillers Behandlung des Problems ernsthafte Zweifel an den Möglichkeiten einer Analyse des Patriarchats auf, die kein Verständnis für die multiplen Intersektionen mit Rassismus aufweist. 51 Lerner: Black Women in White America, S. 173. 52 Siehe im Allgemeinen Fußnote 6, Harv Women’s L J, S. 103. 53 Paula Giddings hält die zusammenwirkenden Effekte sexueller und rassistischer Stereotype fest: »Schwarzen Frauen* wurden alle minderwertigen Eigenschaften weißer Frauen* zugesprochen, nicht jedoch die tugendhaften.« Giddings: When and Where We Enter, S. 82.

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befinden sich Schwarze Frauen* in der Zwickmühle zwischen einer Schwarzen Community, die – vielleicht verständlicherweise – Versuche, sexualisierte Gewalt zu prozessieren, mit Skepsis betrachtet, und einer feministischen Community, die dieses Misstrauen durch ihren Fokus auf weiße weibliche* Sexualität bestärkt.54 Die Tatsache, dass der Schutz der 54 Susan Brownmillers Herangehensweise an den Emmett-Till-Fall verbildlicht, warum die Politisierung gegen Vergewaltigung bei einigen Schwarzen USAmeri­kaner*innen Unbehagen auslöst. Trotz Brownmillers lobenswerten Bemühungen an anderer Stelle, die Vergewaltigung Schwarzer Frauen* sowie den Rassismus, der der Hysterie über die Gefährlichkeit Schwarzer Männer unterliegt, zu erörtern, stellt ihre Analyse des Till-Falls die Sexualität weißer Frauen und nicht rassistischen Terrorismus in den Vordergrund. Brownmiller erklärt: »Selten legte ein einzelner Fall die Gruppe-vs.-Mann-Antagonismen, die der Verfügung über Frauen* zugrunde liegen, so deutlich offen, weil das, was in Bryants Laden begann, nicht als unschuldiger Flirt umgedeutet werden konnte  … Konkret wurde die Verfügung über alle weiße Frauen* überprüft.« Brownmiller: Against Our Will, S. 272. Später argumentiert Brownmiller: »Und was ist mit dem Pfiff, Tills ›Geste eines jugendlichen Draufgängers‹? Wir sind zurecht entsetzt, dass ein Pfiff Grund für einen Mord sein könnte, aber wir müssen auch akzeptieren, dass Emmett Till und J.W. Millam etwas teilten. Sie verstanden beide, dass der Pfiff kein kleines vergnügtes Trällern oder eine melodische Zustimmung für einen gelungenen Sprung war. Angesichts der verkommenen Situation … war es eine vorsätzliche Beleidigung, nur ohne physischen Angriff, eine letzte Erinnerung für Carolyn Bryant, dass dieser Schwarze Junge, Till, im Sinn hatte, sie zu besitzen.« (Ebd., S. 273) Während Brownmiller den Fall als Konflikt über Besitzansprüche zu kategorisieren scheint, stellt er in der Schwarzen US-amerikanischen Geschichte eine tragische Dramatisierung des pathologischen Hasses gegenüber und der Angst vor Schwarzen US-Amerikaner*innen im Süden dar. Tills Körper, bis aufs Unkenntliche verstümmelt, wurde von Tausenden gesehen, sodass, in den Worten von Tills Mutter*, »die Welt sehen konnte, was sie mit meinem Sohn gemacht haben.« Juan Williams: Standing for Justice. In: Eyes on the Prize. Viking 1987, S. 44. Die Till-Tragödie gilt auch als eines der historischen Ereignisse, die einen direkten Einfluss auf die Entstehung der Bürger*innenrechtsbewegung hatten. »(O)hne Frage bewegte sie das Schwarze Amerika in einer Weise, bei der das Urteil des Supreme Court über die Aufhebung der Bildungssegregation nicht mehr mithalten konnte.« Ebd. Wie Williams später beobachtete, »hatte der Mord an Emmitt Till einen starken Einfluss auf eine ganze Generation Schwarzer. Diese Generation, die jugendlich war, als Till getötet wurde, die bald Gerechtigkeit und Freiheit in einer Weise einfordern würde, die die USA noch nie gesehen hatten.« Ebd., S. 57. Wäh-

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weißen weiblichen* Sexualität in der Geschichte oft als Vorwand genommen wurde, um die Schwarze Community zu terrorisieren, verschlimmert dieses Misstrauen. Sogar heute fürchten einige, dass Antivergewaltigungsagenden antirassistische Ziele untergraben könnten. Dies ist das paradigmatische politische und theoretische Dilemma, das die Intersektion von Race und Gender hervorbringt: Schwarze Frauen* befinden sich in einer Zwickmühle zwischen ideologischen und politischen Strömungen, die sich zunächst verbinden, um die Erfahrungen Schwarzer Frauen* hervorzubringen, um sie daraufhin zu begraben.

3. Wann und wo ich eintrete: Einbettung einer Sexismusanalyse in Schwarze Politiken der Befreiung Die Schwarze Feministin Anna Julia Cooper prägte im 19. Jahrhundert einen Satz, der sich für die Ermittlung des Bedarfs, eine explizite Analyse des Patriarchats in antirassistischen Arbeit zu integrieren, als hilfreich erweist.55 Cooper kritisierte oft Schwarze Vorbilder und Wortführer*innen dafür, dass sie behaupteten, für alle Schwarzen zu sprechen, aber es versäumten, für Schwarze Frauen* zu sprechen. Cooper zitiert die Worte Martin Delaneys, der öffentlich bekundete, dass dort, wo ihm der Zugang gestattet werde, auch alle Schwarzen mit ihm eintreten würden, und entgegnet ihm: »Nur die Schwarze Frau* kann sagen, wann und

rend also Brownmiller auf den Till-Fall schaut und den teuflischen Machtkampf über den Besitz einer weißen Frau* sieht, sehen Schwarze US-Amerikaner*innen den Fall als Symbol für das irrsinnige Maß an Bereitschaft der Weißen, Schwarze zu unterdrücken. Während patriarchale Einstellungen gegenüber der Sexualität von Frauen* eine Rolle spielten, verweist die Fokussierung auf weiße Frauen* in dieser Tragödie auf eine solche Verwirrung bezüglich Rassismus, dass es schwer ist, sich vorzustellen, dass die weiße Antivergewaltigungsbewegung empfänglich für subtilere rassistische Spannungen bezüglich der Teilnahme Schwarzer Frauen* sein könnte. 55 Siehe Anna Julia Cooper: A Voice from the South. Negro Universities Press 1969. Neuauflage bei Ohio: Aldine Printing House 1982.

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wo ich Zugang erhalte … dann und dort werden alle Schwarzen mit mir eintreten.«56 Coopers Worte erinnern mich an eine persönliche Erfahrung mit zwei Schwarzen Männern, mit denen ich im ersten Jahr unseres Jurastudiums eine studentische Gruppe gegründet hatte. Eines unserer Gruppenmitglieder, ein Harvard-Absolvent, erzählte uns oft Geschichten über einen renommierten und exklusiven Männerclub, der sich der Mitgliedschaft einiger ehemaliger US-amerikanischer Präsidenten und anderer einflussreicher weißer Männer rühmte. Er war einer der wenigen Schwarzen Mitglieder. Als wir unser fünftes Abschlussjahr feiern wollten, lud uns unser Freund ein, mit ihm im Club etwas trinken zu gehen. Gespannt, diesen sagenhaften Ort zu sehen, näherten wir uns der großen Tür und läuteten an der Messingklingel, um unsere Ankunft anzukündigen. Unser feierlicher Auftritt wurde jedoch abgebrochen, als unser Freund verlegen hinter der Tür hervorsprang und uns zuflüsterte, er habe ein wichtiges Detail vergessen. Mein Begleiter und ich verkrampften uns, als Schwarze hatten wir gelernt, stets mit neuen Barrieren zu rechnen, die uns den Zugang verwehrten; sogar eine informelle One-Black-Person-Quote wäre nicht undenkbar gewesen. Die Spannung löste sich jedoch, als wir erfuhren, dass wir nicht wegen Race ausgeschlossen werden, sondern ich durch die Hintertür eintreten müsse, da ich eine Frau* war. Ich spielte mit dem Gedanken, eine Szene zu machen, um die Tatsache zu skandalisieren, dass meine Erniedrigung als Frau* nicht weniger schmerzhaft und mein Ausschluss nicht eher zu rechtfertigen sei, als wenn wir alle zur Hintertür geschickt worden wären, weil wir Schwarz sind. Da ich jedoch fühlte, dass ich nicht auf Zustimmung stoßen würde, und mir außerdem bewusst war, dass die Szene einer Schwarzen Person uns alle gefährden würde, fügte ich mich und verzichtete darauf, meinen Standpunkt durchzusetzen. Schließlich

56 »Only the Black Woman can say, when and where I enter … then and there the whole Negro race enters with me.« Ebd., S. 31.

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sollte der Club seine ersten Schwarzen Gäste empfangen – selbst, wenn eine von ihnen durch die Hintertür eintreten musste.57 Vielleicht ist diese Geschichte nicht das beste Beispiel für das Versäumnis der Schwarzen Community, Probleme der Intersektionalität Schwarzer Frauen* ernsthaft zu adressieren. Die Geschichte wäre treffender, wenn Schwarze Frauen*, und zwar nur Schwarze Frauen*, zur Hintertür des Clubs hätten gehen müssen und die Auflagen von innen, von der Schwarzen Community, gekommen wären und nicht von außerhalb. Trotzdem verweist diese Geschichte auf eine ausgesprochen magere politische und emotionale Sensibilität für die Barrieren, die verhindern, dass Schwarze Frauen* in den Genuss von Privilegien kommen, die zwar in Bezug auf Race erkämpft worden waren, aber in Bezug auf Gender weiterhin verwehrt bleiben.58 Diese Geschichte zeigt auch die Ambivalenz unter Schwarzen Frauen* hinsichtlich des Maßes an politischem und sozialem Kapital, das dafür benutzt werden kann, vergeschlechtlichte Barrieren anzufechten, besonders wenn dies mit der antirassistischen Agenda in Widerspruch steht. Es gibt eine Menge Gründe dafür, dass Gender nicht unmittelbar in den Analysen zur Unterordnung Schwarzer US-Amerikaner*innen erscheint – auch in feministischen. Ein zentraler Grund ist dabei, dass viele immer noch Race als primären Feind für Schwarze Leben erachten.59 Wird aner57 Fairerweise muss ich erwähnen, dass mein Begleiter mit mir zur Hintertür ging. Ich bin mir jedoch unsicher, ob diese Geste ein Ausdruck von Solidarität war oder ein Versuch, meiner Wut Einhalt zu gebieten. 58 Hier kann Klasse durchaus mitgedacht werden. 59 Eine Anekdote verbildlicht diesen Punkt. Eine Gruppe Jura-Professor*innen kam zusammen, um »-Ismen im Klassenzimmer« zu diskutieren. In einer von Pat Cain durchgeführten Übung sollten die Teilnehmer*innen drei primäre Faktoren auflisten, die ihre Person beschrieben. Fast alle weißen Frauen* nannten Gender entweder an erster oder zweiter Stelle; keine nannte Race. Alle Frauen* of Color nannten Race als erstes und anschließend Gender. Dies scheint darauf hinzuweisen, dass Identitätsbeschreibungen mit der primären Oppositionsursache beginnen, unabhängig davon, um welche dominante Norm es sich handelt. Siehe Pat Cain: Feminist Jurispudence. Grounding the Theories, S. 19-20 (unveröffentlichtes Manuskript, im Besitz der Autorin), die die Übung erklärt und festhält, dass »keine weiße Frau* je Race erwähnt, während jede Frau* of

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kannt, dass Race als soziale Erfahrung eine primäre Gruppenidentität sowie ein geteiltes Gefühl hervorruft, kollektiv angegriffen zu werden, sind die Gründe für die Abwesenheit Schwarzer feministischer Theorie und Politik in Schwarzen politischen Agenden einfacher nachzuvollziehen.60 Der Punkt ist nicht, dass Schwarze US-Amerikaner*innen einfach mit einem wichtigeren Kampf beschäftigt sind. Obwohl einige der Versuche, den Schwarzen Feminismus zu bekämpfen, auf dieser Annahme gründen, wird ein umfassenderer Blick auf die Probleme der Schwarzen Community zeigen, dass Genderherrschaft maßgeblich zur Verarmung von so vielen Schwarzen US-Amerikaner*innen beiträgt, dass sie thematisiert werden muss. Darüber hinaus ist es angesichts der vorangegangenen Kritik am eindimensionalen Analyserahmen problematisch zu behaupten, dass der antirassistische Kampf vom antisexistischen Kampf isoliert oder ihm gar vorangestellt werden könne. Gleichzeitig trifft zu, dass die Rassifizierungspolitiken, die Schwarze Frauen* nebst Schwarzen Männern erfahren, Schwarzes feministisches Bewusstsein davor bewahrt, sich wie der weiße Feminismus zu entwickeln. Für weiße Frauen* stand die Generierung eines Bewusstseins, das sich von weißen Männern unterscheidet und ihnen gegenübersteht, im Zentrum der Entwicklung weißer feministischer Politiken. Schwarze Frauen* leben wie Schwarze Männer in einer Community, die anhand von Hautfarbe und Kultur unterschieden und untergeordnet wurde.61 Obwohl das Patriarchat offensichtlich in der Schwarzen ComColor dies tut« und, in ähnlicher Weise, »straighte Frauen* ›heterosexuell‹ nicht einbeziehen …, während lesbische* Frauen* immer bereit sind, ›lesbisch*‹ einzubeziehen.« 60 Für eine vergleichbare Diskussion über den Feminismus des Globalen Südens siehe Kumari Jayawardena: Feminism and Nationalism in the Third World. Zed Books Ltd. 1986, S. 1-24. Jayawardena hält fest, dass Feminismus im Globalen Süden nur im Rahmen des zentralen Widerstands gegen internationale Vorherrschaft ›akzeptiert‹ worden sei. Der soziale und politische Status von Frauen* wurde dann am ehesten verbessert, wenn sich seine Verbesserung als notwendig erwies, um den antiimperialistischen Widerstand zu erweitern. 61 Für eine Debatte darüber, wie rassistische Ideologie eine polarisierende Dynamik schafft, die Schwarze unterordnet und Weiße privilegiert, siehe Kimberlé Crenshaw: Race, Reform and Retrenchment. Transformation and Legitimation in Antidiscrimination Law, S. 101 Harv L Rev 1331, 1371-76 (1988).

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munity als eine weitere Quelle der Unterdrückung Schwarzer Frauen* wirkt, erschwert der rassistische Kontext, in dem sich Schwarze Frauen* befinden, die Herausbildung eines gegen Schwarze Männer gerichteten politischen Bewusstseins. Aber auch wenn wahr ist, dass die spezifische Erfahrung von Rassifizierungspolitiken die Entwicklung eines oppositionellen feministischen Bewusstseins konterkariert, befördert die Bekräftigung einer auf Rassifizierung beruhenden Gemeinschaft manchmal eine Defensivhaltung, die Schwarze Frauen* marginalisiert. So werden die spezifischen Interessen Schwarzer Frauen* in öffentlichen Politikdebatten über die Bedürfnisse der Schwarzen Community an den Rand gedrängt. Die Kontroverse über den Film The Color Purple ist beispielhaft. Die zugrundeliegende Furcht war bei den meisten Protesten darin verortet, dass der Film durch das Porträtieren häuslicher Gewalt in einer Schwarzen Familie negative Stereotype über Schwarze Männer bekräftigte.62 Die Debatte über das Recht, eine solche Darstellung auf dem Bildschirm zu präsentieren, überschattete das Thema Sexismus und Patriarchat in der Schwarzen Community. Auch wenn manchmal anerkannt wurde, dass die Schwarze Community nicht immun gegen häusliche Gewalt und andere Formen vergeschlechtlichter Unterdrückung sei, empfanden einige jedoch, dass solche Bilder angesichts der Abwesenheit positiver Bilder über Schwarze Männer in den Medien rassistische Stereotype lediglich verstärkten.63 Der Kampf gegen Rassismus schien die Unterordnung bestimmter Aspekte der Schwarzen

62 Jack Matthews: »Three Color Purple Actresses Talk About Its Impact«. In: LA Times §6, S. 1 (31. Januar 1986); Jack Matthews: »Some Black Critical of Spielberg’s Purple«. In: LA Times §6, S 1 (20. Dezember 1985). Aber siehe Gene Siskel: »Does Purple Hate Men?«. In: Chicago Tribune §13, S. 16 (5. Januar 1986); Clarence Page: »Toward a New Black Cinema«. In: Chicago Tribune §5, S. 3 (12. Januar 1986). 63 Ein durchgängiges Problem aller negativen Darstellungen von Schwarzen USAmerikaner*innen ist, dass sie nur selten durch positive Bilder ausbalanciert werden. Auf der anderen Seite übersahen die meisten Kritiker*innen, dass die männliche Hauptfigur in The Color Purple eine positive Entwicklung durchmachte.

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weiblichen* Erfahrung zu erzwingen, um die Sicherheit der breiteren Schwarzen Community zu gewährleisten. Diejenigen, die sich an Daniel Moynihans Diagnose der Missstände des Schwarzen Amerikas erinnern, sind mit dem Wesen dieser Debatte vermutlich vertraut.64 Moynihans Bericht beschrieb eine verwahrloste Schwarze Familie, prophezeite die Zerstörung des Schwarzen männlichen Familienoberhaupts und beklagte die Entstehung des Schwarzen Matriarchats. Seine Schlussfolgerungen lösten eine massive Kritik seitens liberaler Soziolog*innen65 und Bürger*innenrechtler*innen66 aus. Obwohl viele Kritiker*innen den Bericht als rassistisch beschrieben, weil Schwarze Familien anhand weißer kultureller Normen bewertet wurden, verwiesen überraschenderweise nur wenige auf den Sexismus, der darin sichtbar wurde, dass Moynihan Schwarze Frauen* aufgrund des Versäumnisses, ihre Lebenserfahrungen an weißen weiblichen* Normen der Mütterlichkeit zu orientieren, als pathologisch bezeichnete.67 Neueste Versionen Moynihan’scher Analysen sind in Moyers Fernsehformat The Vanishing Black Family68 und etwas abgemildert in William Julius Wilson’s The Truly Disadvantaged69 wiederzufinden. In The Vanishing Black Family präsentiert Moyers das Problem frauen*geführter Haushalte als ein Problem unverantwortlicher Sexualität, das zum Teil durch Regierungspolitiken verursacht werde, die den Zerfall der Familie 64 Daniel P. Moynihan: The Negro Family. The Case of National Action. Office of Policy Planning and Research, United States Department of Labor 1965. 65 Siehe Lee Rainwater und William L. Yancey: The Moynihan Report and the Politics of Controversy. MIT Press 1967, S. 427-29, das die Kritiken von u.a. Charles E. Silbermann, Christopher Jencks, William Ryan, Laura Carper, Frank Riessmann und Herbert Gans am Moynihan-Report beinhaltet. 66 Ebd., S. 395-97. Unter den Kritiker*innen waren Martin Luther King, Jr., Benjamin Payton, James Farmer, Whitney Young, Jr. und Bayard Rustin. 67 Eine nennenswerte Ausnahme ist Jacquelyne Johnson Jackson: »Black Women in a Racist Society«. In: Racism and Mental Health. University of Pittsburgh Press 1973, S. 185 f. 68 The Vanishing Black Family. PBS Television Broadcast, Januar 1986. 69 William Julius Wilson: The Truly Disadvantaged. The Inner City, The Underclass and Public Policy. The University of Chicago Press 1987.

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förderten.70 Das Thema des Berichts war, dass der Wohlfahrtsstaat den Verfall der Schwarzen Familie verstärke, indem er die Rolle des Schwarzen Mannes überflüssig mache. Weil Schwarze Männer wüssten, so das Argument, dass jemand für ihre Familie sorgen würde, seien sie frei, Babys zu machen und sie zu verlassen. Die Konsequenz der Moyer’schen Sicht ist, dass auch der Wohlfahrtstaat dysfunktional sei, weil er armen Frauen* ermöglicht, Männer zu verlassen, von denen sie andernfalls abhängig wären. Die meisten Kritiker*innen des Programms versäumten, die Elemente anzufechten, die auf die patriarchale Grundlage von Moyers Bericht hindeuteten. Stattdessen konzentrierten sie sich auf das Problem, das allzu deutlich als ein rassistisches erkennbar war.71 Weiße Feministinnen* waren 70 Die Kolumnistin Mary McGrory lobte die Show und berichtete, dass Moyers herausgefunden habe, dass Sex im Schwarzen Ghetto so gängig sei wie eine Tasse Kaffee. McGrory: »Moynihan was Right 21 Years Ago«. In: The Washington Post B1 und B4 (26. Januar 1986). George Will argumentierte, dass hypersexuelle Schwarze Männer öfter eine Bedrohung darstellten als Bull Conner, der Polizeichef von Birmingham, der in 1968 auf internationaler Ebene dafür bekannt wurde, dass er mit Wasserwerfern auf protestierende Schüler*innen schießen ließ. George Will: »Voting Rights Won’t Fix It«. In: The Washington Post A23 (23. Januar 1986). Ich vermute, dass die Sendung die Debatte um die sogenannte Unterklasse beeinflusst hat, indem Bilder bereitgestellt wurden, die die bestehenden Tendenzen, Armut auf individuelle Unsittlichkeit zurückzuführen, unterstützten. Neulich merkte eine Studentin* im Rahmen einer sehr eindrücklichen Diskussion über die Effekte öffentlicher Politik auf Armut in der Schwarzen Community an, dass nichts gegen Schwarze Armut getan werden könne, solange Schwarze Männer nicht aufhörten, sich wie »streunende Penisse« zu benehmen, Schwarze Frauen* nicht aufhörten, pausenlos Babys zu bekommen, und sie alle nicht die bürgerliche Sittlichkeit erlernten. Als Quelle zitierte die Studentin* Moyers Bericht. 71 Obwohl der fast ausschließliche Fokus auf die rassistischen Aspekte des Programms theoretische und politische Probleme aufwirft, war er angesichts der rassistischen Natur der darauffolgenden Kommentare von Moyers Sym­pa­ thisant*innen vollkommen verständlich. Wie für Rassismusdebatten typisch, umfasste der Dialog über Moyers Sendung mehr als nur das Thema Schwarze Familien; einige Kritiker*innen ergriffen die Gelegenheit, um nicht nur die Schwarze Unterklasse, sondern auch Vorbilder der Schwarzen Bürger*innen­ rechtsbewegung anzufechten sowie den Kampf gegen Armut, Quoten und

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genauso schuld daran. Wenn überhaupt, gab es nur wenige veröffentlichte Repliken auf Moyers Bericht seitens der weißen feministischen Community. Vielleicht nahmen sie fälschlicherweise an, dass die hervorgehobenen Probleme rassistische und keine sexistischen seien, weil sich der Bericht auf die Schwarze Community bezog. Was auch immer der Grund ist, es bleibt das Resultat, dass die darauffolgenden Debatten über zukünftige Perspektiven von Wohlfahrt und Familienpolitik ohne nennenswerten feministischen Beitrag geführt wurden. Die Abwesenheit einer starken feministischen Kritik des Mohinyan / Moyers-Modells behinderte nicht nur die Interessen Schwarzer Frauen*, sondern gefährdete auch die Inte­ ressen der wachsenden Anzahl weißer frauen*geführter Haushalte, die nur schwer über die Runden kommen.72 William Julius Wilsons The Truly Disadvantage veränderte den moralistischen Ton dieser Debatte maßgeblich, indem das Thema als Problem eines Mangels an heiratsfähigen Schwarzen Männern umgedeutet wurde.73 Wilson zufolge sei der Rückgang Schwarzer Ehen nicht auf eine geringe Motivation, schlechte Arbeitsgewohnheiten oder Unverantwortlichkeit zurückzuführen, sondern auf strukturelle ökonomische Verhältnisse, die Schwarze ungelernte Arbeitskraft aus der Arbeiter*innenschaft verdrängen. Wilsons Ansatz repräsentiert eine wichtige Abkehr vom Moynihan / Moyer’schen Versuch, die Debatte um die Sittlichkeit der Schwarzen Community zu zentrieren. Dennoch erachtet auch er den Anstieg frauen*geführter Haushalte als per se dysfunktional und liefert keine umfassende Erklärung dafür, warum diese Haushalte derart gefährdet seien. Da er in seiner Analyse nicht darauf achtet, wie die ökonomische Struktur und die Arbeiter*innenschaft die Interessen von Frauen* unterordnen, besonders die Schwarzer schwangerer Frauen*, schlug Wilson vor, andere antirassistische Rechtsmittel. Siehe zum Beispiel Will: Voting Rights Won’t Fix It auf A23. 72 Ihre Schwierigkeiten können auch mit der Verbreitung eines ökonomischen Systems und einer Familienpolitik in Verbindung gebracht werden, die die Kleinfamilie als Norm behandeln und andere Familienformen als abweichend und gesellschaftlich wertlos. 73 Wilson: The Truly Disadvantaged, S. 96.

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Reformen darauf auszurichten, Schwarze Männer zurück in die Familie zu holen.74 Aus Wilsons Sicht müssen wir die ökonomische Struktur verändern und dabei im Blick haben, mehr Schwarze Jobs für Schwarze Männer zu schaffen. Weil er keine Sexismuskritik anbietet, lässt Wilson die ökonomische und soziale Reorganisierung außer Acht, die die alleinstehenden Schwarzen Mütter* unmittelbar ermächtigt und unterstützt.75 Meine Kritik bedeutet nicht, dass die Bereitstellung von Jobs für Schwarze Männer nicht wünschenswert sei; tatsächlich ist dies nicht nur unerlässlich für die Schwarzen Männer selbst, sondern für die ganze Community, die von der Bandbreite an soziologischen und ökonomischen Leiden, die mit massiven Arbeitslosigkeitsraten einhergehen, erdrückt und unterworfen wird. Aber solange wir davon ausgehen, dass die massive soziale Reorganisierung, die Wilson fordert, möglich sei, warum denken wir sie nicht in einer Weise, die die Chancen Schwarzer Frauen* steigert?76 74 Ebd., S. 154. Die Vorschläge umfassen makro-ökonomische Maßnahmen zur Förderung eines ausgeglichenen Wirtschaftswachstums sowie eine national ausgerichtete Arbeitsmarktstrategie und Programme für Kinderhilfe, Kinderbetreuung und Familienbeihilfe, die bedarfsorientiert und auf die spezifischen Bedürfnisse rassifizierter Communitys zugeschnitten sein sollten. 75 Auch berücksichtigt Wilson keine Analyse des Einflusses von Gender auf Veränderungen in den Familienstrukturen. Demensprechend außer Acht gelassen ist auch der Konflikt, der gegebenenfalls entsteht, wenn vergeschlechtlichte Erwartungen aus ökonomischen und demografischen Gründen enttäuscht werden. Dieser Fokus auf demografische und strukturelle Erklärungen ist der Versuch, sich das verlorene Terrain zurückzuholen, das der Mohynian / Moyer’sche Ansatz mit seiner psychosozialen Argumentation vereinnahmt hat. Vielleicht wird die Verbreitung psychosozialer Erklärungsansätze aufgrund ihrer Tendenz, die Opfer zu den Schuldigen zu machen, als Gefahr für die Etablierung politischer Maßnahmen gesehen, die den verarmenden Bedingungen der Arbeiter*innenklasse und der armen Schwarzen Communitys effektiv entgegenwirken. Siehe Kimberle Cren­ shaw: »A Comment on Gender, Difference, and Victim Ideology in the Study of the Black Family«. In: The Decline of Marriage Among African Americans. Causes, Consequences and Policy Implications (Erschienen 1989). 76 Zum Beispiel erwähnt Wilson den Bedarf an Kinderbetreuung und Ausbildung für alleinerziehende Mütter* nur beiläufig. Wilson, S 153. Andere rassistische und sexistische Vorgehensweisen und Politiken, die zu den notdürftigen Bedingungen, unter denen fast die Hälfte aller Schwarzen Frauen* leben müssen, beitragen, finden gar keine Erwähnung.

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Eine umfassendere theoretische und politische Agenda für die Schwarze Unterklasse muss die spezifischen und besonderen Anliegen Schwarzer Frauen* berücksichtigen; ihre Familien stehen auf der untersten Stufe der ökonomischen Leiter und nur, indem sie in das Zentrum der Analyse gerückt werden, können ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse ihrer Familien unmittelbar adressiert werden.77

4. Die Erweiterung der feministischen Theorie und antirassistischer Politiken durch den Einbezug der Intersektion Sollen Schwarze Menschen wirklich von den Einschränkungen und Bedingungen befreit werden, die die rassistische Unterordnung kennzeichnen, müssen Theorien und Strategien für ein besseres Verständnis der Bedürfnisse der Schwarzen Community Sexismus- und Patriarchats­ analysen einbeziehen. Ebenso muss Feminismus die Analyse des Rassismus einbeziehen, wenn er die Anliegen nicht-weißer Frauen* vertreten möchte. Die Schwarze Befreiungspolitik und die feministische Theorie können beide die intersektionalen Erfahrungen derer, die sie als konstitutiv für ihre Bewegungen erachten, nicht ausklammern. Um Schwarze Frauen* einzuschließen, müssen sich beide Bewegungen von früheren Ansätzen, in denen Erfahrungen erst dann relevant sind, wenn sie sich auf klar identifizierbare Anliegen beziehen, distanzieren (zum Beispiel ist die Unterdrückung von Schwarzen erst dann relevant, wenn es um Race geht, die von Frauen* erst dann, wenn es um Gender geht). Ihre Praktiken sollten auf die Lebenschancen und Lebenssituationen von Menschen zentriert werden, die unabhängig von der Quelle ihrer Not Fürsorge erfahren sollten. Ich habe oben behauptet, dass das Versäumnis, die Komplexität des Zusammenhangs zu erfassen, nicht einfach eine Frage politischen Willens 77 Pauli Murray stellt fest, dass sexistische Mechanismen zumindest eine partielle Ursache der sozialen Probleme seien, die Schwarze Frauen* betreffen. Siehe Murray: »The Liberation of Black Women«. In: Jo Freeman (Hg.): Women. A Feminist Perspective. Mayfield Publishing Co. 1975, S. 351-62.

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ist, sondern es auch vom Einfluss eines Diskriminierungsverständnisses herrührt, das Politiken so strukturiert, dass Widerstandskämpfe als singuläre Probleme kategorisiert werden. Darüber hinaus führt diese Struktur eine deskriptive und normative Sicht auf Gesellschaft ein, die den Status quo bekräftigt. Es birgt eine gewisse Ironie, wenn gerade jene, die sich dem Abbau rassistischer und sexistischer Missstände widmen, einen solchen Top-DownAntidiskriminierungsansatz übernehmen. Würden ihre Bemühungen hingegen bei den Bedürfnissen und Problemen der am stärksten Benachteiligten ansetzen und darauf abzielen, die Welt dort umzustrukturieren und zu erneuern, wo es nötig ist, würden auch andere, die von singulären Diskriminierungen betroffen sind, davon profitieren. Die heute Marginalisierten ins Zentrum zu rücken, scheint außerdem der wirksamste Weg, um Versuchen der Zersplitterung von Erfahrungsbeständen und der Unterminierung potenzieller kollektiver Aktion zu widerstehen. Es ist nicht notwendig, darauf zu hoffen, dass in Kürze politischer Konsens über die Fokussierung auf die Leben der am stärksten Benachteiligten entsteht, um den Diskriminierungsdiskurs auf die Intersektionalität zu rezentrieren. Eine dahingehende Bereitschaft ist vorerst ausreichend, um uns dazu zu ermutigen, unter die vorherrschenden Diskriminierungskonzepte zu blicken und die Selbstgefälligkeit infrage zu stellen, die den Glauben an die Wirksamkeit dieses Analyserahmens begleitet. Somit würden wir vielleicht eine Sprache entwickeln, die kritisch gegenüber der herrschenden Sicht und eine Grundlage für verbindende Aktivität ist. Ziel dieser Aktivität sollte sein, marginalisierte Gruppen einzubeziehen, für die gesagt werden kann: »Wenn sie eintreten, treten wir alle ein.« (»When they enter, we all enter.«)

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8. Patricia Hill Collins Die Kraft der Selbstbestimmung Übersetzt von Yemisi Babatola, Amora Bosco und Tamara Jendoubi

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»Eine Überlebensstrategie für diejenigen von uns, für die Unterdrückungserfahrungen so US-amerikanisch sind wie Apfelkuchen, bestand darin, stets Beobachtende zu sein,«1 bekräftigt die Schwarze feministische Poetin Audre Lorde. Dieses »Beobachten« führt zu einem dualen Bewusstsein bei afroamerikanischen Frauen*, eines, in dem Schwarze Frauen* »sich die Sprache und die Sitten der Täter*innen vertraut […] machen und sich dieser sogar manchmal […] bedienen, in der Illusion, sie könnten uns schützen«2, während auf der anderen Seite versucht wird, den eigenen, selbstbestimmten Standpunkt vor den neugierigen Blicken dominierender Gruppen zu schützen. Ella Surrey, eine ältere Schwarze Hausangestellte, fasst eloquent zusammen, welche Kraft es kostet, unabhängige Selbstbestimmung aufrechtzuhalten: »Wir waren schon immer die besten Schauspielerinnen* der Welt. Ich glaube, dass wir sehr viel schlauer sind als sie, weil wir wissen, dass wir vorspielen müssen. Wir mussten schon immer zwei Leben führen – eines für sie und eines für uns selbst«3. Hinter der Maske der gesellschaftlichen Angepasstheit, die afroamerikanischen Frauen* aufgezwungen wird, liegt eine lange Geschichte von organisiertem und privatem Widerstand. Trotz der Bürden, die mit der Hausarbeit verbunden sind, wie Judith Rollins hervorhob, hätten die Hausangestellten, die sie interviewt hat, ein »beeindruckendes 1

Audre Lorde: Sister Outsider. Trumansberg, NY: Crossing Press 1984, S. 114. Deutsche Übersetzung im vorliegenden Band S. 110.

2 Ebd. 3

John Langston Gwaltney: Drylongso. A Self-Portrait of Black America. New York: New Press 1980, S. 238, 240. Das Thema des dualen Bewusstseins ist in der Tradition US-amerikanischer Black Studies tief verankert. Das nahestehende Charakteristikum von US-amerikanischen Race-Beziehungen, in denen Schwarze regelmäßig auf weiße Untergeordnete treffen, hat dieses Thema aufgerüttelt. Um in diese Diskussion tiefer einzutauchen, siehe Paul Gilroys Analyse von William E.B. Du Bois (The Black Atlantic. Modernity and Double Conscuiousness. Cambridge, MA: Harvard University Press 1993). Interessanterweise hat er in seiner Besprechung der ersten Ausgabe von Black Feminist Thought seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht, weil ich Du Bois nicht erwähnte, was wiederum Gilroy zu dem falschen Schluss führte, ich wisse nicht um die Relevanz von Du Bois’ Auseinandersetzung zum dualen Bewusstsein.

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Selbstwertgefühl«4 bewahrt. »Geschickt« haben sie »die psychologischen Angriffe auf ihre Persönlichkeit, ihr Erwachsensein, ihre Würde und die Versuche, ihnen die abwertenden Fremdbezeichnungen ihrer Vorgesetzen aufzuzwingen, abgewehrt«5. Bonnie Thornton Dill fand heraus, dass sich die Hausangestellten aus ihrer Studie dagegen wehrten, von ihren Vorgesetzten herumgeschubst zu werden. Eine Befragte erklärte: »Wenn ich zur Arbeit gegangen bin, sagte mir meine Mutter, ›Lass dich von niemandem ausnutzen. Setzte dich für deine Rechte ein, aber erledige deine Arbeit gut. Wenn sie dir deine Rechte nicht gewähren, verlange, gerecht behandelt zu werden. Und wenn sie das nicht tun, dann kündige‹.«6 Jacqueline Bobo berichtet, dass die Schwarzen US-amerikanischen Frauen* aus ihrer Studie, die den Film The Color Purple (dt.: Die Farbe Lila) sahen, die Fremdbilder von Schwarzen Frauen* nicht passiv konsumierten. Stattdessen kreierten diese Frauen* Identitäten, die sie stärkten. 1905, eine Zeit verschärfter rassistischer Unterdrückung, sah die Lehrende Fannie Barrier Williams die afroamerikanische Frau* keinesfalls als ein wehrloses Opfer, sondern als eine willensstarke Widerständige: »So schlecht von ihr gedacht wird, so sehr sie in alle Richtungen eingeschränkt wird, verrichtet sie doch immer etwas Wertvolles und Verdienstreiches, das nicht von ihr erwartet wird«7. Williams sah die Schwarze Frau* als »ununterdrückbar. Sie wird beleidigt, aber sie hält ihr Haupt hoch; sie wird verachtet, aber verlangt

4

Judith Rollins: Between Women, Domestics and Their Employers. Philadelphia: Temple University Press 1985, S. 212.

5 Ebd. 6

Bonnie Thornton Dill: »›Making Your Job Good Yourself‹: Domestic Service and the Construction of Personal Dignity«. In: Ann Bookman and Sandra Morgan (Hg.): Women and the Politics of Empowerment, Philadelphia: Temple University Press 1988, S. 33-52, hier S. 41.

7

Fannie Barrier Williams: »The Colored Girl«. In: Mary Helen Washington (Hg): Invented Lives. Narratives of Black Women 1860–1960. Garden City, NY: Anchor 1987, S 150-59, hier S. 151.

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stolz Respekt … Das interessanteste Mädchen* in diesem Land ist das Mäd­chen* of Color.«8 Mit Taten, die ›nicht erwartet wurden‹, Widerstand zu leisten, hätte nicht ohne die langjährige Ablehnung von ›Mammies*‹, ›Matriarchin­ nen*‹ und anderen Fremdbildern von Schwarzen Frauen* erfolgen können. Betrachten wir diese individuellen widerständigen Akte in ihrer Gesamtheit, liegt die Vermutung nahe, dass ein ausgeprägtes, kollektives Bewusstsein Schwarzer Frauen* existiert. Ein solches Bewusstsein war in Maria Stewarts Rede von 1831 präsent, in der den »Töchtern* Afrikas« empfohlen wurde: »Wacht auf ! Steht auf ! Schlaft und schlummert nicht länger, sondern macht euch bemerkbar. Zeigt der Welt, dass ihr mit den nobelsten und erhabensten Fähigkeiten ausgestattet seid«9. Ein solches Bewusstsein ist in der Weltsicht von Johnny Mae Fields, einer Müllerin aus North Carolina, die wenige Widerstandsmöglichkeiten hatte, vorhanden. Mae Fields verkündet ironisch: »Wenn sie mir etwas auftragen und ich weiß, dass ich das nicht machen werde, dann sag’ ich das denen nicht. Ich mache es einfach nicht.«10 Schweigen ist in diesem kollektiven, selbstbestimmten Bewusstsein Schwarzer Frauen* keinesfalls mit Unterwerfung gleichzusetzen. 1925 beschrieb die Autorin Marita Bonner eindringlich, dass das Bewusstsein der einzige Ort der Freiheit blieb, der ihr angesichts der erdrückenden Begrenzungen ihrer Schwarzen bürgerlichen Welt und einer rassistischen weißen Gesellschaft zur Verfügung stand. Nun – als Frau* – kannst du warten. Du musst still dasitzen ohne Wut. Nicht verheult – oder niedergeschlagen, als ob deine Füße ans Eisen deiner Seele gekettet wären. Vergeude keine Kraft, Anzeichen zu zeigen, dass dich zweihundert Jahre Fesseln und Peitschen in nervöse Unsicherheit versetzt hätten. Aber sei leise; ganz leise. Wie Buddha – der so braun wie ich – ganz

8 Ebd. 9

Marilyn Richardson (Hg): Maria W. Stewart. America’s First Black Woman Political Writer. Bloomington: Indiana University Press 1987, S. 30.

10 Victoria Byerly: Hard Times Cotton Mills Girls. Ithaca, NY: Cornell University Press 1986, S. 141.

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entspannt dasaß, selbstsicher; bewegungslos und wissend. Außen regungslos. Aber innen?11

Schwarze US-amerikanische intellektuelle Frauen* erforschen diesen geheimen, privaten Ort ihres kollektiven Bewusstseins, die ›inneren‹ Ideen, die es Schwarzen Frauen* ermöglichen, die Grenzen der intersektionalen Unterdrückungsformen Race, Klasse und Gender zu überwinden, seit Langem. Wie haben afroamerikanische Frauen* als Gruppe die Kraft gefunden, sich unserer Objektifizierung als ›Packesel der Welt‹ zu widersetzen? Wie tragen wir zu den widerständigen Stimmen von Audre Lorde, Ella Surrey, Maria Stewart, Fannie Barrier Williams und Marita Bonner bei? Auf welcher Grundlage fragte Sojourner Truth: »Bin ich etwa keine Frau*?«?12 Die Stimmen dieser afroamerikanischen Frauen* sind die Stimmen von Überlebenden, nicht von Opfern. Ihre Ideen und Taten verdeutlichen nicht nur, dass ein selbstbestimmter, aus der Gruppe abgeleiteter Standpunkt Schwarzer Frauen* existiert, sondern dass seine Präsenz für das Überleben Schwarzer US-amerikanischer Frauen* von wesentlicher Bedeutung war. »Ein System der Unterdrückung«,13 behauptet die Schwarze feministische Aktivistin Pauli Murray, »zieht viel Kraft aus der Fügung ihrer Opfer, die die dominierenden Fremdbilder annehmen und von einem Gefühl der Hilflosigkeit gelähmt werden«14. Die Ideen und Taten Schwarzer US-amerikanischer Frauen* erzwingen ein Überdenken des Konzepts der Hegemonie, in der die Veranderung der Schwarzen Frau* so vollkommen zu sein scheint, dass wir bereitwillig zu unserer eigenen Unterdrückung beitragen. Die meisten afroamerikanischen Frauen* definieren sich schlicht nicht als ›Mammie*‹, ›Matriarchin*‹, ›Wohlfahrtsmutter*‹, 11 Marita O. Bonner: »On Being Young – A Woman – and Colored«. In: Joyce Flynn und Joyce Occomy Stricklin (Hg.): Frye Street and Environs. The Collected Works of Marita Bonner. Boston: Beacon 1987, S. 3-8, hier S. 7. 12 Anmerkung der Herausgeberin: Text im vorliegenden Band S. 17. 13 Pauli Murray: »The Liberation of Black Women«. In: May Lou Thompson (Hg.): Voices of the New Feminism. Boston: Beacon 1970, S. 87-102, hier S. 106. 14 Ebd.

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›Packesel‹ oder sexuell verunglimpfte Frau*. Die Herrschaftsideologie, in die diese Fremdbilder eingebettet sind, ist sehr viel weniger undurchlässig und homogen, als wir sie uns vorstellen. Afroamerikanische Frauen* sehen in diesen Fremdbildern keine kontextlosen, symbolischen Botschaften, sondern Ideen, die in unserem täglichen Leben Bedeutung erhalten sollen. Die Erfahrungen Schwarzer Frauen* in Familien- und Arbeitskontexten schaffen die Bedingungen, wobei die Widersprüche zwischen ihren Alltagserfahrungen und den Fremdbildern von Schwarzer Weiblichkeit* deutlich werden. Wenn Widersprüche in der Ideologie erkennbar werden, ist es möglich, sie zu entmystifizieren. Genauso wie Sojourner Truth den Begriff Frau* dekonstruierte, indem sie ihre eigenen, konkreten Lebenserfahrungen dazu nutzte, um ihn herauszufordern, so tun afroamerikanische Frauen* tagtäglich auf verschiedene Weise dasselbe. Dass wenig von Maria Stewart, Sojourner Truth, Ella Surrey oder Johnny Mae Fields die Rede ist, ist weniger eine Aussage über das Vorhandensein von Ideen Schwarzer Frauen*, als vielmehr eine Folge der Unterdrückung der Ideen, die sehr wohl existieren. Nancy White – eine Inner-City-Bewohnerin15 – bringt es auf den Punkt: »Ich sage gerne, was ich denke. Aber ich mache das nicht oft, weil es die meisten Leute nicht kümmert, was ich denke.«16 Wie Marita Bonner bleiben viel zu viele Schwarze Frauen* außen bewegungslos … aber innen?

Eine Stimme finden: Mit Widersprüchen leben lernen »In der Lage zu sein, die ganze Bandbreite der eigenen Stimme zu nutzen, um zu versuchen, die Gesamtheit des Selbst zum Ausdruck zu bringen, ist ein sich wiederholendes Problem in der Tradition Schwarzer

15 Anmerkung der Übersetzerinnen*: Inner City meint die Stadtteile, die gewöhnlich von sozio-ökonomisch deprivilegierten Menschen bewohnt wurden, historisch typischerweise nah am Stadtkern liegend, dicht gedrängt mit mangelndem Zugang zu Natur, frischer Luft und ohne viel Licht. 16 John Langston Gwaltney, S. 156.

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Autor*in­nen«17, stellt die Schwarze feministische Literaturkritikerin Barbara Christian fest. Afroamerikanische Frauen* haben sicherlich unsere individuellen Stimmen zum Ausdruck gebracht. Schwarze USamerikanische Frauen* wurden generell als ausdrucksstark und selbstbewusst wahrgenommen, eine Folge der Erwartung, dass sowohl Männer als auch Frauen* an der Schwarzen Zivilgesellschaft teilnehmen sollen. Trotz dieser Tradition bleibt das übergeordnete Thema, eine Stimme zu finden, um einen kollektiven, selbstbestimmten Schwarzen Frauen*standpunkt auszudrücken, zentral für den Schwarzen feministischen Diskurs. Dass afroamerikanische Frauen* ausgerechnet mit dem Thema der Selbstbestimmung beschäftigt sind, ist keine Überraschung. Das Leben Schwarzer Frauen* ist eine Aneinanderreihung von Aushandlungsprozessen, die zum Ziel haben, eine Übereinstimmung zwischen unseren intern definierten Selbstbildern als afroamerikanische Frauen* und den zugeschriebenen Fremdbildern herbeizuführen. Der Kampf, zwei Leben zu führen, eines für »sie und eines für uns selbst«18, schafft ein sonderbares Spannungsfeld, in dem aus den verunglimpfenden Kategorien, in denen alle Schwarzen Frauen* verortet werden, eine Definition des wahren Selbst gewonnen werden soll. Wie Karla Holloway betont, bedeutet »die Realität von Rassismus und Sexismus, dass unser eigenes Selbstbild immer ergänzt werden muss um die Reaktion, die unser Selbst in der Außenwelt hervorrufen könnte. Das hat nichts mit Paranoia zu tun. Das ist Vorbereitetsein«19. Die besten Beiträge des Schwarzen feministischen Denkens spiegeln die Bemühungen wider, eine kollektive, selbstbestimmte Stimme zu finden, die den Standpunkt des Frauseins* in vollem Umfang artikuliert. Audre Lorde beobachtet: »In diesem Land, in dem rassistische Unterschiede zu einer ständigen, wenn auch unausgesprochenen Verzerrung 17 Barbara Christian: Black Feminist Criticism. Perspectives on Black Women Writers. New York: Pergamon 1985, S. 172. 18 Ebd. S. 240. 19 Karla Holloway: »The Body Politic«. In: Codes of Conduct. Race, Ethics and the Color of Our Character. New Brunswick: Rutgers University Press 1995, S. 15-71, hier S. 36.

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führen, waren Schwarze Frauen* einerseits immer hochgradig sichtbar und andererseits wurden sie durch die Entmenschlichung durch rassistische Narrative unsichtbar gemacht«20. Lorde macht auch deutlich, dass »die Sichtbarkeit, die uns am meisten verletzlich macht« – die, die mit dem Schwarzsein einhergeht – »jene ist, die auch die Quelle unserer größten Kraft darstellt«21. Die Kategorie ›Schwarze Frau*‹ macht alle Schwarzen US-amerikanischen Frauen* besonders sichtbar und anfällig für die Objektifizierung, die Schwarzen Frauen* als Kategorie zuteilwird. Diese Vereinnahmung macht jede Schwarze Frau* als vollständiges menschliches Individuum unsichtbar. Paradoxerweise verleiht die Behandlung als unsichtbar gemachtes verandertes Wesen der Schwarzen US-amerikanischen Frau* einen besonderen Blickwinkel, die Position als outsider-within,22 die sehr vielen afroamerikanischen Frauen* eine Quelle enormer Kraft war. Widersprüchlichkeiten dieser Größenordnung aufzulösen, kostet jede individuelle Frau* erhebliche innere Stärke. Pauli Murray erinnert sich an die Entwicklung ihres eigenen Schwarzseins: »Mein Selbstwertgefühl war schwer greifbar und schwer aufrechtzuerhalten. Ich konnte mich nicht vollständig von der vorherrschenden Vorstellung freimachen, dass ich mich der Rechte, die weiße Individuen selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, erst als würdig erweisen muss. Diese psychologische Konditionierung, verbunden mit Angst, hat meine Kapazitäten für den Widerstand gegen rassistische Ungerechtigkeit minimiert«23. Murray war auf der Suche nach Gegenstandswissen, einer Art von Wissen, das essenziell ist, um Widersprüche zu überwinden. Um zu lernen, mit einer »einzigartigen und authentischen Stimme zu sprechen, müssen Frauen* aus dem durch die Behörden gesetzten Rahmen und System ›heraussprin20 Audre Lorde, S. 42. 21 Ebd. 22 Im Gefüge von Race, Klasse und Gender werden Schwarze Frauen* zu Außen­ seiter*innen gemacht, auch innerhalb der einzelnen Kategorien, der sie eigentlich zugehören, wie bspw. der Kategorie Frau*. 23 Pauli Murray: Song in a Weary Throat. An American Pilgrimage. New York: Harper and Row 1987, S. 106.

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gen‹ und ihren eigenen Rahmen schaffen«24. Im Gegensatz zu Bildern weißer Frauen*, die mit dem Kult des wahren Frauseins* verbunden sind, sind die Fremdbilder von Schwarzen Frauen* so einheitlich negativ, dass sie förmlich nach Widerstand schreien, wenn Schwarze Frauen* ein positives Selbstbild haben sollen. Für Schwarze US-amerikanische Frauen* entsteht Gegenstandswissen über sich selbst aus dem Kampf, Fremdbilder abzulehnen und persönliches, selbstbestimmtes Wissen zu verinnerlichen, Wissen, das für gewöhnlich für das Überleben der Schwarzen Frau* fundamental ist.25

24 Ebd. S. 134. 25 Nach Belenky et al. (Women’s Ways of Knowing. New York: Basic Books 1986) ist es erforderlich, sich selbstreflektiert und von gewohnten Situationen distanziert zu bewegen, um Gegenstandswissen zu erarbeiten, ob psychologischer oder physiologischer Natur. Diese Distanz scheinen Schwarze Intellektuelle zu besitzen, die mittendrin die Außenseiter*innen sind. In ihrem Blickwinkel auf das Gewohnte kann diese Position nützlich sein, um »eine Stimme zu finden« und Wissen zu vergegenständlichen. Belenky et al. beschreiben, dass dieser Prozess Einfluss auf Individuen hat. Ich behaupte, dass ein ähnliches Argument für die Gruppe Schwarze Frauen* funktioniert. Sie berichten ebenfalls, dass die Metapher der Stimme verwendet wird, um die intellektuelle und ethische Entwicklung darzustellen: »Die Tendenz von Frauen*, ihre epistemologischen Vorannahmen mit Metaphern, die mit Sprechen und Zuhören verbunden sind, auszudrücken, steht den visuellen Metaphern (wie z.B. Wissen mit Sehen und Wahrheit mit Licht zu beschreiben) entgegen, die Wissenschaftler*innen und Philosoph*innen oft verwenden, um den Sinn ihres Verstandes auszudrücken.« (S. 16) Die Stimme ist in Frauen*kulturen hervorzuheben, sie findet sich ebenso in der oralen Kommunikation afroamerikanischer Kultur (Ben Sidran: Black Talk. New York: Da Capo Press 1971. Geneva Smitherman: Talkin and Testifyin. The Language of Black America. Boston: Houghton Mifflin 1977). Wenn wir die Metapher des Stimme-Findens auf die intellektuelle Tradition Schwarzer Frauen* anwenden, ist das sinnvoll in vielerlei Hinsicht. Jedoch als Metapher der Ermächtigung Schwarzer Frauen* bleibt diese Metapher unzureichend. Ich habe diesen Widerspruch ausführlich in Fighting Words dargelegt (Patricia Hill Collins: Fighting Words. Black Women and the Search for Justice. Minneapolis: University of Minnesota Press 1998, S. 44-76).

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Sichere Räume und das Entdecken der eigenen Stimme Die Hegemonie der Unterdrückung ist eine soziale Realität und eine Ideologie, die in Räumen, in denen Schwarze Frauen* frei sprechen können, aufgebrochen werden. Diese relativ sicheren diskursiven Räume, wie begrenzt sie auch sein mögen, stellen eine notwendige Bedingung für den Widerstand von Schwarzen Frauen* dar. Breite Familienstrukturen, Kirchen und afroamerikanische Community-Organisationen sind wichtige Orte, wo sichere Diskurse potenziell möglich sind. Sondra O’Neale beschreibt die Funktion dieser Schwarzen Frauen*räume wie folgt: »Hinter der Maske, im Ghetto der Community Schwarzer Frauen*, in ihrer Familie und, noch viel wichtiger, in ihrer Psyche ist und gab es immer eine andere Welt, eine Welt, in der sie funktioniert – manchmal in Leid, öfter aber in ehrlicher Freude … – während sie die Dinge tut, die ›normale‹ Schwarze Frauen* tun«26. Diese Räume sind nicht nur sicher, sie dienen auch der Stärkung des Widerstands gegen Veranderung. In diesen Räumen beobachten Schwarze Frauen* »die weiblichen* Vorbilder der ›breiteren‹ Kultur und erkennen, dass diese Modelle bestenfalls für sie unpassend sind und schlimmstenfalls auf sie zerstörerisch wirken, und konzentrieren sich dann darauf, sich selbst entlang der Geschichte von Schwarzen weiblichen* Vorbildern neu zu entwerfen«27. Durch die Förderung der Ermächtigung Schwarzer Frauen* durch Selbstbestimmung, helfen diese sicheren Räume Schwarzen Frauen*, der dominierenden Ideologie zu widerstehen, die nicht nur außerhalb der Schwarzen Zivilgesellschaft, sondern auch innerhalb afroamerikanischer Institutionen verbreitet wird. Diese institutionellen Orte, an denen Schwarze Frauen* ihre unabhängigen Selbstbilder konstruieren, reflektieren eine dialektische Beziehung zwischen Unterdrückung und Aktivismus. Schulen, Print- und TV-Me26 Sondra O’Neale: »Inhibiting Midwives, Usurping Creators. The Struggling Emergence of Black Women in American Fiction«. In: Teresa de Lauretis (Hg.): Feminist Studies / Critical Studies. Bloomington: Indian Unversity Press 1986, S. 139-56, hier S. 139. 27 Ebd.

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dien, Literatur und andere Institutionen des Informationssektors reproduzieren Fremdbilder von Schwarzer Weiblichkeit*. Als Antwort darauf haben afroamerikanische Frauen* traditionelle Familiennetzwerke und Einrichtungen der Schwarzen Community als Orte benutzt, um diesen Bildern zu begegnen. Einerseits sind diese Institutionen der Schwarzen Community lebenswichtig für die Entwicklung von Widerstandsstrategien. Im Kontext der tief verwurzelten, rassistischen, US-amerikanischen Segregation, die bis in die 1960er-Jahre anhielt, hatte die überwiegende Mehrheit der Schwarzen US-amerikanischen Frauen* keinen Zugang zu anderen politischen Organisationen. Andererseits haben viele dieser Schwarzen Institutionen rassistische, sexistische, elitistische und homophobe Ideologien vertreten. Während der Zeit der Desegregation in der US-amerikanischen Gesellschaft fand auch eine Desegregation innerhalb Schwarzer Zivilgesellschaften statt, in der Frauen*, Abeiter*innen, Lesben*, Schwule, bisexuelle und trans* Menschen und andere vormals untergeordnete Subgruppen des Schwarzen Bürgertums das Wort ergriffen. Infolge des sich wandelnden politischen Klimas ist die Realität sehr viel komplexer, als dass eine allmächtige, weiße Mehrheit Schwarze Frauen* objektifiziert und eine vereinte, Schwarze US-amerikanische Community diese externen Angriffe beharrlich herausfordert. Niemals hat es, weder damals noch heute, eine uniforme, homogene Kultur des Widerstandes unter US-amerikanischen Schwarzen gegeben. Es lässt sich jedoch sagen, dass Schwarze US-Amerikaner*innen eine ähnliche politische Agenda und Kultur geteilt haben, eine, die sehr unterschiedlich erlebt wurde und in diesem heterogenen Gruppenverständnis sehr verschiedentlich zum Ausdruck kam. Überleben bedeutete aus historischer Perspektive, zusammenzuhalten und Unterschiede unter Afroamerikaner*innen so gering wie möglich zu halten. Neuerdings, in einem Klima, in dem es Schwarzen US-amerikanischen Bürger*innen nicht mehr ausschließlich ums Überleben geht, scheint Raum zu entstehen für das Benennen unserer Unterschiede. Zum Entstehen dieses Raumes hat der Schwarze Feminismus einen wichtigen Beitrag geleistet, zum größten Teil durch den Ruf Schwarzer Frauen* nach Selbstbestimmung. Als afroamerikani-

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sche Frauen* befinden wir uns in einem Netz von sich überschneidenden Beziehungen, die jeweils verschiedene Kombinationen von Fremd- und Selbstbildern von Schwarzen Frauen* beinhalten. Daher beeinflusste die historische Komplexität der Kombination von institutionellen Setzungen der rassistischen Segregation und den Politiken einer heterogenen Schwarzen Community das Bewusstsein der Schwarzen Frau* sowie ihre Fähigkeit, einen selbstbestimmten Standpunkt zu artikulieren. Im Hinblick auf diesen Kontext, wo befanden sich jene wichtigen, sicheren Orte, an denen Schwarze Frauen* ihr Selbstbewusstsein nähren konnten? Wo haben einzelne afroamerikanische Frauen* frei sprechen können, um zu einem kollektiven, selbstbestimmten Standpunkt beitragen zu können? Und darüber hinaus, wie ›sicher‹ sind diese Orte heute? Schwarze Frauen* und ihre Beziehungen zueinander

Traditionell fanden die Bemühungen Schwarzer Frauen*, individuelle und kollektive Stimmen zu entwickeln, in mindestens drei sicheren Räumen statt. Die Beziehungen Schwarzer Frauen* zueinander bilden einen dieser Räume. In manchen Fällen, wie bei Freundinnen*schaften und in Familienkontexten, sind diese Beziehungen zwischen Individuen privater, informeller Natur. In anderen Fällen, wie in der Zeit während der Versklavung, in Schwarzen Kirchen oder in Schwarzen Frauen*organisationen, haben formellere, organisatorische Bindungen den Nährboden für starke Schwarze Frauen*-Communitys bereitet. Indem sie einander Mütter*, Töchter*, Geschwister und Freund*innen waren, haben viele afroamerikanische Frauen* einander ermächtigt. Die Mutter*-Tochter*-Beziehung ist eine fundamentale Beziehung unter Schwarzen Frauen*. Unzählige Schwarze Frauen* haben ihre Töch­ter* bestärkt, indem sie ihnen das Alltagswissen zum Überleben als afroamerikanische Frau* weitergaben. Schwarze Töchter* benennen den zentralen Einfluss, den ihre Mütter* in ihrem Leben gehabt haben. Mütter* und Mutter*figuren spielen eine zentrale Rolle in Autobiografien, wie in Maya Angelous I Know Why the Caged Bird Sings, Bebe Moore Campbells Sweet Summer, Mamie Garvin Fields und Karen Fields Lemon

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Swamp and Other Places und Elaine Browns A Taste of Power. Alice Walker führt ihr eigenes Selbstvertrauen auf dasjenige ihrer Mutter* zurück. Mary Helen Washington weist darauf hin, dass Walker »nie ihre Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, infrage stellte, weil ihre Mutter* ihre Entscheidungen bejahte; niemals stellte sie ihren Wunsch nach der Vertiefung ihrer intellektuellen Neigung infrage, weil ihre Mutter* sie darin immer implizit bestärkt hatte«28. Indem sie ihrer Tochter* einen Büchereiausweis überreichte, betonte Walkers Mutter* die Bedeutung eines freien Geistes. In der wohlwollenden Umgebung alltäglicher Unterhaltungen, in ernsthaften Gesprächen und mit Humor haben sich afroamerikanische Frauen* als Schwestern* und Freundinnen* gegenseitig ihre Menschlichkeit, Besonderheit und ihr Existenzrecht bestätigt. Die Literatur Schwarzer Frauen*, wie die Kurzgeschichte The Johnson Girls von Toni Cade Bambara und die Romane Sula, The Bluest Eyes und Beloved von Toni Morrison sowie Terry McMillans Erfolgsroman Waiting to Exhale, ist ein wichtiger Ort, an dem Schwarze Freundinnen*schaften ernstgenommen werden. Evelynn Hammonds hat in einem Dialog mit vier anderen Schwarzen Frauen* diese spezielle Beziehung beschrieben, die Schwarze Frauen* zueinander haben können: »Ich glaube, die meiste Zeit musst du dabei sein, um es zu verstehen. Wenn ich mit anderen Schwarzen Frauen* bin, lache ich immer. Ich glaube, unser Humor basiert auf einem geteilten Verständnis davon, wer wir sind in der Welt«29. Diese geteilte Anerkennung findet sich häufig auch unter afroamerikanischen Frauen*, die einander nicht kennen, aber um die Notwendigkeit wissen, Schwarze Frauen* zu schätzen.

28 Mary Helen Washington: »I Sign My Mothers Name. Alice Walker, Dorothy West and Paule Marshall«. In: Ruth Perry und Martine Watson Broronley: Mothering the Mind. Twelve Studies of Writers and Their Silent Partners. New York: Holmes & Meier 1984, S. 143-63, hier S. 145. 29 Cheryl Clarke et. al.: »Conversations and Questions: Black Women on Black Women Writers«. In: Conditions: Nine 3 (3) 1983. S. 88-137, hier: S. 114.

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Marita Golden beschreibt 1968 ihr Bestreben, eine Universität zu besuchen, die »eingebettet war in die höher gelegenen, behaglichen Gegenden Washingtons, umgeben von gepflegten, weitläufigen Vorgärten der städtischen Oberklasse.« Um in diese Welt einzutreten, nahm Golden den Bus in die Innenstadt mit »Schwarzen Hausangestellten, die bis zur Endhaltestelle fuhren, um die Häuser der jungen und mittelalten weißen Damen* zu putzen.« Golden beschreibt die Reaktion ihrer Mitreisenden auf ihre Universitätsausbildung wie folgt: Sie schauten mich stolz an, nickten mir mit Blick auf die Bücher in meinem Schoß zu. Ich nahm ihre Ermutigungen an und hasste die USA dafür, dass es ihnen nie erlaubt worden war, egoistisch oder gierig zu sein, den stahlharten Biss des Ehrgeizes zu spüren. Sie haben ihre Wut eingeschmolzen in den perfekt geformten, nachgiebigen Schutzschild des Überlebens. Die Geister dieser Frauen* saßen in jedem Seminar, das ich besuchte, neben mir.30

Meine Entscheidung, zu promovieren, basierte auf einer ähnlichen Erfahrung. 1978 bot ich im Rahmen einer überregionalen Sommerschule ein Seminar für Lehrende und Angestellte an Schulen an. Nach meinem Workshop in Chicago flüsterte mir eine ältere Schwarze Frau*, die teilgenommen hatte, Folgendes zu: »Schätzchen, ich bin wirklich stolz auf dich. Manche Leute wollen dich nicht da vorne [vor der Klasse] stehen sehen, aber du gehörst da hin. Geh zurück an die Uni, hol dir deinen Doktortitel und dann können sie dir gar nichts mehr sagen!« Bis heute bin ich ihr dankbar und versuche, dasselbe für andere zu tun. In Gesprächen mit anderen afroamerikanischen Frauen* habe ich gemerkt, dass viele von uns ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die Tatsache, dass Schwarze Frauen* diejenigen sind, die den anderen wirklich zuhören, ist von größter Wichtigkeit, insbesondere angesichts dessen, welche Bedeutung die Stimme im Leben Schwarzer Frauen* hat. Karla Holloway hatte den Wert von Schwarzen Freundinnen*schaften erkannt und beschreibt, wie sich die Frauen* in ihrem Lesekreis gegenseitig 30 Marita Golden: Migrations of the Heart. New York: Ballantine 1983, S. 21.

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unterstützten: »Die Erlebnisse, die wir miteinander teilten, beinhalteten alle dasselbe triggernde Moment – wenn eine Person, etwa die Schulleitung oder Lehrende, das Verkaufspersonal in einem Geschäft oder das ärztliche Fachpersonal, uns behandelt hatte, als hätten wir keinen eigenen Verstand, keine Fähigkeit, den Unsinn zu filtern, den sie uns zu verkaufen versuchten, oder nicht die Macht eines Erwachsenen, Entscheidungen bezüglich des Lebens unserer Kinder treffen zu können«31. Diese Frauen* beschreiben den Moment als kathartisch, wenn sie diese Angriffe abwehrten und durch kreative Reaktionen »den Spieß umdrehten«. Jede* wusste, dass nur eine andere Schwarze Frau* verstehen konnte, wie es sich anfühlte, so behandelt zu werden und darauf in einer bestimmten Weise zu reagieren. Die Wichtigkeit, welche die individuelle Stimme innerhalb des kollektiven Kontexts der Communitys Schwarzer Frauen* für die Selbstermächtigung haben kann, beschreibt Audre Lorde wie folgt: »Sicherlich habe ich Angst, weil die Verwandlung von Schweigen in Sprache und Handlung ein Akt der Entblößung ist und das scheint immer gefährlich zu sein«32. Wir können für eine namenlose, geschichtslose Masse schreiben, aber der Akt, die Stimme zu verwenden, bedarf Zuhörende und stellt somit Verbindung her. Für afroamerikanische Frauen* ist eine andere Schwarze Frau* jene Zuhörende, die am besten in der Lage ist, die der Objektifizierung geschuldete Unsichtbarmachung Schwarzer Frauen* zu durchdringen. Der Prozess des gegenseitigen Vertrauens kann gefährlich erscheinen, denn nur Schwarze Frauen* wissen, was es bedeutet, eine Schwarze Frau* zu sein. Aber wenn wir einander nicht zuhören, wer tut es dann? Schwarze Autorinnen* haben den Weg geebnet, um die Wichtigkeit der Beziehungen unter Schwarzen Frauen* zu betonen. Mary Helen Washington sagt, dass ein besonderes Charakteristikum der Schwarzen Frauen*lite­ra­tur der Bezug auf afroamerikanische Frauen* ist. Frauen* sprechen miteinander und »ihre Freundinnen*schaft mit anderen Frauen* 31 Karla Holloway: »The Body Politic«. In: Codes of Conduct. Race, Ethics, and the Color of Our Character. New Brunswick: Rutgers University Press 1995, S. 15-71. 32 Audre Lorde: Sister Outsider, S. 42.

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– Müttern*, Schwestern*, Großmüttern*, Freundinnen*, Geliebten – sind lebenswichtig für ihr Wachstum und ihr Wohlbefinden«33. Auch jenseits des US-amerikanischen Kontextes für Frauen*literatur liegt die Betonung auf den Beziehungen, die Schwarze Frauen* untereinander haben. Die ghanaische Autorin Ama Ata Aidoo beispielsweise verwendet in ihrem Roman Changes die Freundinnen*schaft zwischen zwei afrikanischen Geschäftsfrauen*, um den Herausforderungen, denen afrikanische Geschäftsfrauen* in modernen afrikanischen Gesellschaften begegnen, auf den Grund zu gehen. Die Thematik der Frauen*beziehungen in der Schwarzen US-amerikanischen Frauen*literatur ist so auffällig, dass Gayl Jones vorschlägt, dass sich weibliche* Autorinnen* anderer Themen als ihre männlichen Kollegen bedienen. In den Arbeiten vieler Schwarzer männlicher Autoren sind die signifikanten Beziehungen meist so gestrickt, dass in ihnen Konfrontationen mit Individuen außerhalb des Familienverbundes oder der Community verhandelt werden. In den Arbeiten Schwarzer Autorinnen* sind die Beziehungen in der Familie und in der Community zwischen Männern und Frauen* komplexe signifikante Themenfelder. Schreibende und filmschaffende Schwarze Frauen* in den USA haben viele Themen, die die Beziehungen unter Schwarzen Frauen* beeinflussen, ergründet. Ein Thema ist die Schwierigkeit für afroamerikanische Frauen*, sich in einer Gesellschaft, die Schwarze Frauen* als Gruppe abwertet, gegenseitig zu bestärken und zu bestätigen. Wenngleich es unterschiedliche Gründe gibt, ist die Unfähigkeit, die Mütter* haben, ihren Töchtern* Schwarze Weiblichkeit* nahe zu bringen, charakteristisch für Mutter*Tochter*-Beziehungen wie in Toni Morrisons The Bluest Eye und in dem Film Just Another Girl on the IRT. Ein weiteres Thema dreht sich darum, wie Beziehungen unter Schwarzen Frauen* unterstützt und erneuert werden können. Beziehungen, wie die zwischen Celie und Shug in Alice Walkers The Color Purple, zwischen den Schwestern* im Film Soulfood, unter den vier Frauen* in Waiting to Exhale und unter den Frauen* der 33 Mary Helen Washington, S. xxi.

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Großfamilie im Film Daughters of the Dust – sie alle kennzeichnet, dass Schwarze Frauen* sich gegenseitig in irgendeiner Art zum Wachstum verholfen haben. Ein weiteres Thema bilden die kontrollierenden und unterdrückenden Beziehungen unter Schwarzen Frauen*. Audre Lordes Beziehung zu ihrer Mutter* in ihrer Autobiografie Zami und die Beziehung zwischen der Schwarzen Jugendlichen Alma und ihrer dominanten Mutter* im Film Alma’s Rainbow zeigen beide auf, wie Schwarze Frauen* in Machtpositionen, in diesen Fällen mit der Macht der Mutterschaft* ausgestattet, andere Frauen* unterdrücken können. Vielleicht hat Ntozake Shange am treffendsten zusammengefasst, wie wichtig Schwarze Frauen* füreinander im Kampf gegen Unterdrückung sein können. Shange nennt als Grund, warum sie schreibt: »Wenn ich sterbe, werde ich nicht daran schuld sein, eine Generation von Mädchen* zurückzulassen, die glaubt, alle außer ihnen könnten emotionales Wohlbefinden erlangen.«34 Die Tradition des Blues Schwarzer Frauen*

Der zweite Ort, an dem Schwarze Frauen* ihre Stimmen fanden, ist die afroamerikanische Musik als Kunstform. »Das Besondere an Kunst ist ihre Fähigkeit, sowohl Gefühle als auch den Geist stimulieren zu können«35, schreibt Angela Davis. Davis behauptet, dass die dominierende Gruppe es versäumt habe, den sozialen Aspekt von Musik im Allgemeinen sowie ihre zentrale Bedeutung in allen Bereichen des Lebens westafrikanischer Gesellschaften im Besonderen zu begreifen. In der Folge konnten »Schwarze Menschen mit ihrer Musik eine ästhetische Community des Widerstands bilden, die wiederum eine politische Community aktiver Freiheitskämfer*innen ermutigte und förderte«36. Spirituals, Blues, Jazz, Rhythm and Blues und progressiver Hip-Hop sind

34 Ntozake Shange: For Colored Girls Who Have Considered Suicide / When the Rainbow Is Enuf. New York: Macmillan 1975. 35 Angela Davis, 1989, S. 200. 36 Ebd. S. 201.

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Bestandteile eines »Kontinuums des Kampfes, der zugleich ästhetisch und politisch ist«37. Kommunikationsmuster afrikanischen Ursprungs bewahren die Integrität des Individuums und dessen persönliche Stimme im Kontext von Gruppenaktivitäten. In der Musik bedeutet diese orale Diskursform unter anderem, dass Individualität weder durch Gruppendynamik erstickt, noch mit Spezialisierung gleichgesetzt wird, sondern tatsächlich im Gruppenkontext gedeiht.38 »Musik hat etwas so Eindringliches, dass deine Seele die Botschaft versteht. Egal welches Problem einem begegnet, Musik kann helfen, sich ihm zu stellen«39, sagt Mahalia Jackson. »Ein Lied muss etwas für mich und die Menschen, die es hören, tun können. Ich kann kein Lied singen, das keine Botschaft transportiert. Wenn es nicht die Kraft hat, kann es dich nicht erheben.«40 Die Blues-Tradition ist ein wesentlicher Bestandteil afroamerikanischer Musik.41 Die Blues Sängerin Alberta Hunter beschreibt die Bedeutung 37 Ebd. 38 Nach Ben Sidran (Black Talk. New York: Da Capo Press 1971) ist es essenziell in der Schwarzen Musik, den eigenen »Klang« oder die eigene Stimme zu finden. Der Schwarze Theologe James Cone hat ein Buch geschrieben, in der Schwarze Musik als Botschaft der afroamerikanischen Kultur ebenso betont wird. Cone betont, dass Schwarze Musik »Musik der Einheit ist. Sie vereint Glück und Leid, Liebe und Hass und Hoffnung und Verzweiflung Schwarzer Menschen … Schwarze Musik vereint, weil sie Individuen mit der Wahrheit der Schwarzen Existenz konfrontiert und bestätigt, dass Schwarzsein nur im Verbund der Community möglich ist. Schwarze Musik ist funktional. Ihr Zweck und Ziel sind direkt verbunden mit dem Bewusstsein einer Schwarzen Community« ( James H. Cone: The Spirituals and the Blues. An Interpretation. New York: Seabury Press 1972, S. 5). Besondere Aufmerksamkeit verdient die Sowohl-als-auch-Orientierung in Cones Ausführungen, eine Art der Analyse, die das binäre Denken von westlichen Kulturen ablehnt. 39 Mahalia Jackson: »Singing of Good Tidings and Freedom«. In: Milton C. Sernett (Hg.): Afro-American Religious History. Durham, NC: Duke University Press 1985, S. 446-57. 40 Ebd. S. 446. 41 Schwarze Frauen* haben zu jeder Art von Schwarzer Musik ihren Beitrag geleistet, waren jedoch besonders zentral in vokaler Musik, wie dem Spiritual,

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des Blues für den Umgang mit Schmerz: »Für mich ist Blues fast schon religiös … nahezu heilig – wenn wir den Blues singen, singen wir von Herzen … mit Gefühl«42. Die Fähigkeit Schwarzer Menschen, mit Schwierigkeiten umzugehen, sie sogar zu überwinden, ohne sie zu ignorieren, bedeutet, dass sie uns nicht zerstören werden. Traditionell hatte der Blues für die afroamerikanische orale Kultur eine ähnliche Funktion wie die Printmedien für die weiße, visuell geprägte Kultur. Der Blues war nicht nur Unterhaltung – er trug dazu bei, die Community zu festigen und das soziale Gefüge des Lebens der Schwarzen Arbeiter*innenklasse zu kommentieren. Sherley Anne Williams behauptet, dass »die Bluesplatten jedes Jahrzehnts etwas über die philosophische Basis des Lebens Schwarzer Menschen aussagen. Wenn wir das als sogenannte Intellektuelle nicht begreifen, dann verstehen wir nicht wirklich etwas über uns«43. Für afroamerikanische Frauen* schien der Blues allgegenwärtig zu sein. Mahalia Jackson beschreibt seine Beständigkeit während ihrer Kindheit in New Orleans wie folgt: »Die berühmten weißen Sänger*innen wie Caruso – wir haben sie hören können, wenn wir an einem Haus eines Weißen vorbeigingen, aber aus den Häusern der Schwarzen hörten wir Blues. Es gab nur den Blues, du konntest ihm gar nicht entkommen – durch all die dünnen Gospel und Blues (Irene V. Jackson: »Black Women and Music: From Africa to the New World«. In: Filomina Chioma Steady (Hg.): The Black Women CrossCulturally. Cambridge, MA: Schenkman 1981, S. 383-401). Ich konzentriere mich auf den Blues aufgrund seiner Assoziation mit der säkularen Tradition Schwarzer Frauen* und aufgrund der Aufmerksamkeit, den er innerhalb der Analyse Schwarzer Feminist*innen bekommen hat (siehe z.B. Angela Davis: Blues Legacies and Black Feminism. New York: Vintage 1998) Auch wenn sie ein Phänomen der jüngeren Zeit ist, ist auch Gospelmusik »eine Schwarze weibliche* Musik-Tradition« ( Jackson 1981). Mit Wurzeln in urbanen Schwarzen Volkskirchen, könnte eine Untersuchung der Texte von Gospelmusik ebenfalls fruchtbar sein. 42 Daphne Duvale Harrison: »Black Women in the Blues Tradition«. In: Sharon Harley und Rosalyn Terborg-Penn (Hg.): The Afro-American Woman. Struggles and Images. Port Washington, NY: Kennikat Press 1978, S. 58-73, hier S. 63. 43 Claudia Tate (Hg): Black Women Writers at Work. New York: Continuum Publishing 1983, S. 208.

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Trennwände der Häuser hindurch – durch die geöffneten Fenster – entlang jeder Straße in den Schwarzen Nachbarschaften – alle spielten ihn wirklich laut.«44 Der Einfluss Schwarzer Frauen* in der Erhaltung, Transformation und Neuerfindung der Blues-Traditionen afroamerikanischer Kultur war zentral. Michelle Russel beteuert, dass »der Blues zuerst und zuletzt eine vertraute Ausdrucksweise für Schwarze Frauen* ist, sogar ein Grundnahrungsmittel des Lebens«45. Der Blues hat eine besondere Stellung in der Musik Schwarzer* Frauen* inne, als Ort des Ausdrucks Schwarzer weiblicher* Selbstbestimmung. Blues-Sängerinnen* geht es darum, eine Stimmung zu kreieren, in der Analysen gemacht werden können, und dennoch ist diese Stimmung sehr persönlich und individualistisch. Wenn Schwarze Frauen* den Blues singen, singen wir unseren eigenen, persönlichen individualistischen Blues, während wir gleichzeitig den kollektiven Blues afroamerikanischer Frauen* zum Ausdruck bringen. Michele Russells Analyse der Musik fünf Schwarzer Blues-Sängerinnen* zeigt, wie die Texte der Blues-Sängerinnen* als Ausdruck der Perspektive Schwarzer Frauen* gesehen werden kann. Russel behauptet, dass die Arbeiten von Bessie Smith, Bessie Jackson, Billie Holiday, Nina Simone und Esther Phillips Schwarzen Frauen* helfen, »sich ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu eigen zu machen.« Für Russel sind diese Frauen* Vorreiterinnen*, »der Inhalt ihrer Botschaft, kombiniert mit der Form ihrer Zustellung, macht sie zu solchen«46. Die Musik der klassischen Blues-Sängerinnen* der 1920er – fast ausschließlich Frauen* – markiert zugleich den Beginn der ersten Aufzeichnungen von Schwarzer, US-amerikanischer, mündlich überlieferter 44 Mahalia Jackson: »Singing of Good Tidings and Freedom«. In: Milton C. Sernett (Hg.): Afro-American Religious History. Durham, NC: Duke University Press 1985, S. 446-57, hier S. 447. 45 Michele Russel: »Slave Codes and Liner Notes.« In: Gloria T. Hull et al. (Hg.): But Some of Us Are Brave. Old Westbury, NY: Feminist Press. 1982, S. 129-40, hier: S. 130. 46 Ebd.

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Kultur. Die Lieder selbst wurden ursprünglich in kleinen Communitys gesungen, in denen die Grenzen zwischen Sängerin* und Publikum, Senderin* und Empfängerin* und Gedanke und Handlung äußerst fluide und durchlässig waren. Obwohl ihre Verbreitung von weiß-geführten Plattenfirmen kontrolliert wurde, wurden diese Aufnahmen ausschließlich für den »race market« der Afroamerikaner*innen hergestellt und sie zielten auf Schwarze Konsumierende ab. Da die Alphabetisierung für eine Vielzahl Schwarzer Frauen* nicht möglich war, stellten diese Aufnahmen die ersten langlebigen Dokumente dar, die die Standpunkte Schwarzer Frauen* in der Arbeiter*innenklasse ausdrückten und für Schwarze Frauen* in verschiedensten Zusammenhängen zugänglich waren. Die Lieder können als Gedichte betrachtet werden, als Ausdruck der durchschnittlichen Schwarzen Frau*, der durch die Schwarze mündliche Tradition neu artikuliert wurde. Die Liedtexte, die von vielen Schwarzen weiblichen* Blues-Sängerinnen* gesungen wurden, stellen sich den von außen auferlegten Fremdbildern entgegen, die genutzt wurden, um die Veranderung Schwarzer Frauen* zu legitimieren. Die Lieder von Ma Rainey, die »Queen of the Blues« genannt wurde und die erste weibliche Blues-Sängerin war, die Aufnahmen gemacht hat, bekräftigten Schwarze feministische intellek­ tuelle Traditionen, die von Schwarzen Frauen* der Arbeiter*innenklasse zum Ausdruck gebracht wurden. Im Gegensatz zur Biederkeit des Großteils der weißen Popmusik dieser Zeit singen Ma Rainey und ihre Zeitgenossinnen* von reifen, sexuell freizügigen Frauen*. Zum Beispiel lehnt Sara Martins Mean Tight Mama den Kult wahrer Weiblich­keit* und seine einschränkenden Schönheitsideale ab: Jetzt ist mein Haar kraus und ich trage keine Kleidung aus Seide Jetzt ist mein Haar kraus und ich trage keine Kleidung aus Seide Aber die Kuh, die Schwarz ist und hässlich, hat oft die süßeste Milch. (Harrison 1978, 69)

Bessie Smiths Get It, Bring It, and Put it Right Here empfiehlt – ebenso wie die Worte von Maria Stewart – den Schwarzen Frauen*, sich den Geist der Unabhängigkeit anzueignen. Sie singt über ihren Mann:

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Ich hatte einen Mann, fünfzehn Jahre lang gab ich ihm Kost und Logis Einst war er wie ein Cadillac, jetzt ist er wie ein verschlissener Ford. Er hat mir nie einen mickrigen Cent gebracht und in meine Hand gelegt Oh, es wird sich einiges ändern von nun an, ganz nach meinem Plan. Er muss es holen, bringen und genau hierher tun Ansonsten muss er’s draußen lassen. Ob er es stiehlt, erbettelt oder woanders leiht Solange er es besorgt, ist’s mir egal.47

Manchmal nehmen die Texte von Schwarzen Blues-Sängerinnen* offenkundig politische Formen an. Billie Holiday nahm Strange Fruit 1939 am Ende eines Jahrzehnts voller rassistischer Unruhen auf: Die Bäume des Südens tragen seltsame Früchte, Blut auf ihren Blättern und Blut an ihren Wurzeln Schwarze Körper schwingen im Wind des Südens, seltsame Früchte baumeln an den Pappeln. Eine idyllische Szene im galanten Süden, die herausquellenden Augen, der verdrehte Mund, Der Duft der Magnolien, süß und frisch, und der plötzliche Geruch von verbranntem Fleisch! Dies ist eine Frucht, die die Krähen pflücken können, auf der sich der Regen sammeln wird, an der der Wind rütteln wird, die in der Sonne verrotten wird, und schließlich vom Baum fallen wird, Dies ist eine seltsame, bittere Ernte.48

Durch ihre kraftvolle Darbietung dieser Texte veranschaulichte Billie Holiday die direkte Verbindung zu dem politischen Aktivismus von Ida B. Wells-Barnett und anderen bekannten Schwarzen Feministinnen* gegen 47 Ebd., S. 133. 48 Billie Holiday Anthology / Lady Sings the Blues. Ojai, CA: Creative Concepts Publishing 1976, S. 111.

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das Lynchen. Holidays Musik weist in die Vergangenheit, um Themen der Gegenwart zu erhellen. Auch wenn Ann DuCille die Meinung teilt, dass der Blues Schwarzer Frauen* einen Ort erschuf, an dem gewöhnliche Schwarze Frauen* eine Stimme fanden, warnt sie vor einem Trend in der Schwarzen Kulturkritik der Gegenwart, den Blues zu idealisieren. DuCille behauptet, dass Schwarze Blues-Königinnen* wie Bessie Smith und Ma Rainey zwar mit einer für ihre Zeit überraschenden Offenheit über Sex und Sexualität sangen, sie dies jedoch nur selten zu ihren eigenen Bedingungen tun konnten. Trotz der Tatsache, dass auf dem Höhepunkt der klassischen Blues-Ära Hunderte von Frauen* die Möglichkeit erhielten, ihre Arbeiten aufzunehmen, taten sie dies für weiße, männerdominierte Plattenfirmen. Zudem sahen die Schwarzen der Mittelschicht, die in den 1920ern an der kulturellen Renaissance beteiligt waren, diese Musik typischerweise als den Zielen ihrer kulturellen Bewegung gegenläufig an. Der Blues Schwarzer Frauen* wurde als ›niedere‹ Kultur bezeichnet. Obwohl es also scheint, als ob Schwarze Blues-Sänger*innen der 1920erJahre völlig frei über sexuell explizite Themen singen konnten, geschah dies jedoch in einem komplizierten Kontext von Race-, Klassen- und Genderpolitik. Darüber hinaus macht DuCille deutlich, dass den Blues als den ›authentischen‹ Ort für die Stimme der Schwarzen Frau* zu begreifen bedeutet, die Schwarze Erfahrungswelt in zwei angeblich gegensätzliche Gruppen zu teilen, die Intellektuellen der Schwarzen Mittelklasse und die Schwarzen, Blues singenden Frauen* der Arbeiter*innenklasse. Wenn die Blues-Sängerinnen* als ›authentischer‹ erachtet werden, dann werden Schwarze Schriftstellerinnen* und diejenigen, die sie studieren, damit in die Kategorie eines weniger authentischen Schwarzseins verwiesen. DuCille analysiert, inwiefern die Prosa von zwei Schwarzen Autorinnen* der Mittelschicht, Jessie Fauset und Nella Lawson, eine komplexere Gesellschaftskritik als diejenige von Blues-Sängerinnen* enthielt. DuCille’s Argument wendet sich nicht gegen die Sängerinnen* selbst, sondern bezieht sich darauf, wie diese sicheren Orte innerhalb der zeitgenössischen Schwarzen Kulturkritik verhandelt werden. Dennoch,

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ihre Vorbehalte im Hinterkopf behaltend, ist es wichtig, daran zu denken, dass die Blues-Räume der Schwarzen Frauen* trotz ihrer zeitgenössischen Aneignung lange Zeit sehr wichtig waren und es auch heute noch sind. Wo sonst konnten Schwarze Frauen* der Arbeiter*innenklasse öffentlich aussprechen, was sie sonst nur im Privaten untereinander zu teilen wagten? Die Stimmen Schwarzer Schriftstellerinnen*

Im Sommer 1944 kehrte die frisch promovierte Juristin Pauli Murray in ihre kalifornische Wohnung zurück und fand die folgende, anonyme Notiz von der South Crocker Street Property Owner’s Association an ihre Tür geheftet: »Wir möchten Sie darüber informieren, dass die Vermietung der von Ihnen belegten Wohnung auf Weiße beschränkt ist. Wir wollen diese Einschränkung aufrechterhalten, deshalb bitten wir Sie, die oben genannte Wohnung innerhalb von sieben Tagen zu verlassen«49. Murrays Antwort war, zu schreiben. Sie erinnert sich: »Ich verstand, dass kreativer Ausdruck ein wesentlicher Bestandteil der Ausrüstung ist, die im Dienste einer dringenden Sache benötigt wird. Es ist eine andere Form des Aktivismus. Worte flossen aus meiner Schreibmaschine«50. Obwohl es eine schriftliche Tradition Schwarzer Frauen* gab, hatten in erster Linie gebildete Frauen* Zugang zum Schreiben. Durch die verweigerte Alphabetisierung, die es ihnen ermöglicht hätte, Bücher und Romane zu lesen, als auch aufgrund der mangelnden Zeit dazu, hatten die Schwarzen Frauen* der Arbeiter*innenklasse Mühe, eine öffentliche Stimme zu finden. Umso größer waren die Bedeutung des Blues und anderer Dimensionen Schwarzer mündlicher Traditionen in ihrem Leben. In diesem klassensegmentierten Kontext Schriften von Schwarzen Frauen* zu finden, die diese Kluft zwischen schriftlichen und mündlichen Traditionen überwinden, ist bemerkenswert. In dieser Hinsicht bleibt die Arbeit von Alice Childress beispielhaft, da sie weder ausschließlich die Tradition der Schwarzen Blues-Sängerinnen* noch ausschließlich ebenso bedeuten49 Pauli Murray: Song in a Weary Throat. An American Pilgrimage. New York: Harper and Row 1987, S. 253. 50 Ebd. S. 255.

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de Traditionen Schwarzer Autorinnen* fortführt. Childress erschuf den Charakter von Mildred, einer fiktiven, Schwarzen Hausangestellten. In kurzen Monologen ihrer Freundin* Marge gegenüber, spricht Mildred über eine Reihe von Themen. Die 62 Monologe von Mildred, die jeweils zwei oder drei Seiten lang sind, bilden provokante Aussagen in Anlehnung an die Schwarze feministische Theorie von Childress.51 So etwa Mildreds Wiedergabe dessen, was sie ihrem Chef sagte, als sie hörte, wie sie den Freunden ihres Chefs beim Mittagessen als Quasi-Familienmitglied beschrieben wurde: Ich bin überhaupt nicht wie ein Familienmitglied. Die Familie isst im Speisesaal und ich esse in der Küche. Ihre Mutter* leiht ihren Bekannten Ihre Spitzentischdecke aus und Ihr Sohn unterhält seine Freunde in Ihrem Salon, Ihre Tochter* macht einen Mittagsschlaf auf der Couch im Wohnzimmer und der Welpe schläft auf Ihrem Satinbettlaken … Sie können also sehen, dass ich eben nicht wie ein Familienmitglied bin.52

In diesem Absatz erstellt Childress eine fiktive Version dessen, was viele Schwarze Hausangestellte das eine oder andere Mal hätten sagen wollen. Sie liefert auch eine beißende Kritik daran, wie das ›Mammy*‹-Image dazu benutzt wurde, die schlechte Behandlung Schwarzer Frauen* zu rechtfertigen.

51 Unglücklicherweise ist Alice Childress eine der vielen afroamerikanischen weiblichen* Autorinnen*, deren Arbeit unbeachtet bleibt. Sie wurde 1920 in South Carolina als Ur-Großtochter* einer versklavten Person geboren und schrieb nicht nur Bücher und Kurzgeschichten, sondern war im Black Theater in New York aktiv. Obwohl Mildreds Konversationen erstmals 1956 in einem kleinen Verlag veröffentlicht worden waren, wurde die wichtige Sammlung von Alice Childress Arbeiten praktisch für zwei Jahrzehnte ignoriert. 1986 befasste sich Literaturkritikerin Trudier Harris mit der Sammlung und schaffte es, sie unter dem Titel Like One of the Family, in Anlehnung an den Titel des ersten Stückes, erneut herauszubringen. 52 Alice Childress: Like One of the Family. Conversations from a Domestic’s Life. Boston: Beacon [1956] 1986, S. 2.

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Barbara Neelys Kreation des Charakters von Blanche vorhersehend,53 klingen Mildreds Ideen sicherlich wahr. Childress’ Mildred illustriert aber auch die Kreativität in der Literatur Schwarzer Frauen*, die sich nicht nur an gebildete Schwarze Frauen* richten, sondern an eine breitere Community Schwarzer Frauen*. Die Figur Mildred tauchte erstmals in einer Reihe von Gesprächen auf, die ursprünglich in Paul Robesons Zeitung Freedom unter dem Titel »Conversations from Life« (Unterhaltungen aus dem Leben) veröffentlicht worden waren. Sie wurden im Baltimore Afro-American als »Here’s Mildred« fortgeführt. Da viele von Childress’ Lesenden selbst Hausangestellte waren, hallten viele der mutigen Behauptungen Mildreds in den zum Schweigen verurteilten Leserinnen* wieder. Mehr noch, Mildreds Identität als Schwarze Hausangestellte und die Form der Veröffentlichung dieser fiktionalen Berichte, veranschaulichen eine immer seltenere Praxis der Schwarzen intellektuellen Produktion – eine Schwarze Autorin*, die für ein afroamerikanisches Publikum der Arbeiter*innenklasse schreibt und dazu ein von Schwarzen kontrolliertes Medium verwendet. Seit den 70er-Jahren hat die erhöhte Alphabetisierung der Afroamerikanerinnen* neue Möglichkeiten für Schwarze US-amerikanische Frauen* eröffnet, um auch im Bereich der Wissenschaft und Literatur Orte des sichtbareren institutionellen Widerstands zu kreieren. Seit 1970 hat sich eine Community Schwarzer Autorinnen* gebildet, in der afroamerikanische Frauen* miteinander in Dialog gekommen sind, um ehemalige Tabuthemen zu erforschen. Schwarze feministische Literaturkritik hat den intellektuellen und persönlichen Raum dokumentiert, der für afroamerikanische Frauen* in diesem sich herausbildenden Diskursfeld geschaffen wurde. Besonders hervorzuheben ist die Art und Weise, wie viele Schwarze Autorinnen* auf Themen und Ansätzen

53 Anmerkung der Übersetzerinnen*: Es wird auf das Buch Blanche on the Lam von Barbara Neely Bezug genommen. Blanche ist, so wie Mildred, eine Schwarze Hausangestellte, die als Protagonistin* eine aktive, kämpferische, feministische Position besitzt und ihre Rolle in einer Gesellschaft, die von Sexismus, Rassismus und Klassismus geprägt ist, sehr analytisch betrachtet.

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der Tradition des Schwarzen Frauen*-Blues und früherer Schwarzer Autorinnen* aufbauen. Wie ›sicher‹ sind sichere Räume?

Historisch waren sichere Räume ›sicher‹, weil sie Orte darstellten, an denen Schwarze Frauen* Fragen, die uns betreffen, ungehindert untersuchen konnten. Per Definition werden solche Räume weniger ›sicher‹, wenn sie mit denen geteilt werden, die nicht Schwarz und weiblich* sind. Die sicheren Räume für Schwarze Frauen* waren nie dazu bestimmt, eine Lebensweise zu sein. Stattdessen stellen sie einen von vielen Mechanismen dar, die Ermächtigung Schwarzer Frauen* und unsere Möglichkeiten, selbst an Projekten für mehr soziale Gerechtigkeit teilzunehmen, zu fördern. Als Strategie sind sichere Räume auf Ausschlusspraktiken angewiesen, aber ihr allgemeiner Zweck zielt ganz gewiss darauf ab, eine inklusivere, gerechtere Gesellschaft zu schaffen. In Anlehnung an die Forschung und Arbeit Schwarzer Blues-Sängerinnen* und Schwarzer Autorinnen*, wurden viele der Ideen, die in solchen Räumen entstanden sind, auch außerhalb dieser Räume, in den Schwarzen Frauen*-Communitys willkommen geheißen. Aber wie konnten Schwarze Frauen* ein Verständnis der Realitäten Schwarzer Frauen* darstellen, ohne vorher miteinander zu reden? Seit den 70er-Jahren wurden Schwarze Frauen* in den USA ungleichmäßig in Schulen, Arbeitsplätze, Nachbarschaften und andere soziale Zusammenhänge der USA, die uns historisch ausgeschlossen hatten, integriert. Infolgedessen finden sich afroamerikanische Frauen* in mehr Klassenschichten als zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Eine neue Herausforderung besteht nun darin, in diesen neuerdings getrennten Schauplätzen ›sichere Räume‹ zu schaffen, die nicht als ›separatistisch‹ stigmatisiert werden. US-amerikanische Frauen*, die in Unternehmen und Hochschulen integriert sind, begegnen neuen Formen von Rassismus und Sexismus, die gleichermaßen innovative Reaktionen erfordern. Die neue Rhetorik der ›Farbenblindheit‹, die soziale Ungleichheit reproduziert, indem Menschen gleichbehandelt werden, macht es schwieriger, sichere Räume überhaupt aufrechtzuerhalten. Jede

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Gruppe, die sich um ihre eigenen Interessen organisiert, läuft Gefahr, als ›separatistisch‹, ›essenzialistisch‹ und antidemokratisch bezeichnet zu werden. Dieser anhaltende Angriff auf sogenannte Identitätspolitiken bewirkt, dass historisch unterdrückte Gruppen, die daran arbeiten, unabhängige politische Agenden auf Basis ihrer Identität bezüglich Race, Gender, Klasse und / oder Sexualität zu schaffen, weiterhin unterdrückt werden. In diesem Umfeld werden afroamerikanische Frauen* zunehmend gefragt, warum wir uns von Schwarzen Männern ›trennen‹ wollten und warum Feminismus nicht für alle Frauen* sprechen könne, auch für uns. Im Wesentlichen stellen diese Fragen die Notwendigkeit gesonderter Communitys Schwarzer Frauen* als politische Einheiten infrage. Schwarze Frauen*organisationen, die sich mit Kochen, Fingernägeln, der Frage, wo eine gute Babysitterin* gefunden werden kann, und anderen unpolitischen Themen beschäftigen, finden wenig Beachtung. Aber wie widerstehen Schwarze Frauen* als Kollektiv den intersektionalen Unterdrückungen, die auf uns wirken, ohne sich als Gruppe zu organisieren? Wie identifizieren Schwarze US-amerikanische Frauen* die spezifischen Probleme, die mit den Fremdbildern von Schwarzen Frauen* verbunden sind, ohne auf sichere Räume, in denen wir frei sprechen können, zurückzugreifen? Ein Grund dafür, dass sichere Räume für diejenigen, die sich ausgeschlossen fühlen, so bedrohlich erscheinen und so selbstverständlich von ihnen angegriffen werden, ist, dass sichere Räume von den machthabenden Gruppen nicht überwacht werden können. Solche Räume befreien gleichzeitig Schwarze Frauen* von der Überwachung und fördern die Bedingungen für ihre unabhängige Selbstbestimmung. Würden sie institutionalisiert, könnte diese Selbstbestimmtheit zur Grundlage für politisierte Schwarze feministische Standpunkte werden. Es steht also viel mehr auf dem Spiel als der einfache Ausdruck ihrer Stimmen. Ein politisches Klima, das unter anderem die Unterdrückung politischer Diskurse afroamerikanischer Frauen* zum Ziel hat, hat die Organisation historisch sicherer Räume in der Schwarzen Zivilgesellschaft beeinträchtigt. Die Beziehungen zwischen Schwarzen Frauen*, in Familien

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und in Schwarzen Communitys, müssen sich mit den neuen Realitäten und der Rhetorik auseinandersetzen, die die unvollendete Race- und Gender-Desegregation im Kontext zunehmend antagonistischer Klassenbeziehungen kennzeichnen. Die Blues-Tradition Schwarzer Frauen* bleibt auch unter diesen neuen sozialen Bedingungen gefährdet. Traditionell beziehen sich Schwarze Blues-Sängerinnen* auf Traditionen des Widerstands, um ›progressive Kunst‹ zu produzieren. Diese Kunst war emanzipatorisch, weil sie Denken, Fühlen und Handeln verband und Schwarzen Frauen* unter anderem dazu verhalf, ihre Welt anders zu sehen und sie zu verändern. In jüngerer Zeit haben die Kommerzialisierung des Blues und seine Verwandlung in marktfähige Crossover-Musik die enge Verbindung zu den afroamerikanischen mündlichen Traditionen praktisch gekappt. Die Frage, wie die verschiedenen Genres der zeitgenössischen Schwarzen Musik bewertet werden sollen, hat eine beachtliche Kontroverse ausgelöst. Wie Angela Davis bemerkt, »sind einige der Superstars der heutigen Popmusik zweifellos musikalische Genies, aber sie haben die Tradition der Schwarzen Musik entstellt, indem sie zwar ihre Form brillant weiterentwickelten, dabei aber ihre Inhalte, den Kampf um Freiheit, ignorierten«54. Die Schwarze Literaturkritikerin Sondra O’Neale warnt davor, dass ähnliche Prozesse der Entpolitisierung im Schreiben Schwarzer Frauen* vonstattengehen könnten. »Wo finden sich heute eine Angela Davis, Ida B. Wells oder Daisy Bates in der Schwarzen feministischen Literatur«?55 fragt sie. Zeitgenössische afroamerikanische Musikerinnen*, Autorinnen*, Kulturkritikerinnen* und Intellektuelle agieren in einem völlig anderen politischen Klima als jede andere Generation zuvor. Es bleibt abzuwarten, ob das spezifische Gedankengut, das zeitgenössische Schwarze feministische 54 Angela Davis: Women, Culture, and Politics. New York: Random House 1989, S. 208. 55 Sondra O’Neale: »Inhibiting Midwives, Usurping Creators. The Struggling Emergence of Black Women in American Fiction«. In: Teresa de Lauretis (Hg.): Feminist Studies / Critical Studies. Bloomington: Indian Unversity Press 1986, S. 139-56, hier S. 144.

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Denkerinnen* an sehr unterschiedlichen institutionellen Standorten hervorbringen, in der Lage ist, sichere Räume zu schaffen, die afroamerikanische Frauen* noch weiter tragen werden.

Bewusstwerdung als Raum für Freiheit Alles in allem boten die Beziehungen Schwarzer Frauen*, die Tradition des Blues Schwarzer Frauen* und die Arbeiten Schwarzer Autorinnen* den Rahmen, um Alternativen zu den vorherrschenden Fremdbildern von ihnen zu ermöglichen. Diese Orte stellten sichere Räume dar, die die alltäglichen wie wissenschaftlichen Diskurse afroamerikanischer Frauen* nährten. In ihnen konnten Schwarze intellektuelle Frauen* Ideen und Erfahrungen zusammentragen, die dem Alltag eine neue Bedeutung verliehen. Diese neuen Bedeutungen boten afroamerikanischen Frauen* potenziell mächtige Werkzeuge, um den Fremdbildern von der Schwarzen Frau* zu widerstehen. Es war keineswegs ein zweitrangiges Anliegen, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, indem Fremdbilder herausgefordert und durch die Perspektive der Schwarzen Frau* ersetzt wurden, was eine essenzielle Komponente bildete, um gegen intersektionale Unterdrückung vorzugehen. Was waren einige der wichtigen Ideen, die in diesen sicheren Räumen entstanden sind? Und wie nützlich sind diese Ideen, um auf den stark veränderten sozialen Kontext zu reagieren, mit dem Schwarze US-amerikanische Frauen* heute konfrontiert sind?

Die Dringlichkeit von Selbstbestimmung »Schwarze Gruppen, die weiße Philosophie verherrlichen, sollten deren Ursprünge mitdenken. Wisse, wer die Musik spielt, bevor du tanzt«56, warnt Dichterin Nikki Giovanni. Ihr Rat ist besonders für afroamerikanische Frauen* relevant. Giovanni schlägt Folgendes vor: »Wir Schwarzen Frauen* sind die einzige Gruppe im Westen, die intakt ist. Und jeder kann sehen, dass wir ziemlich wackeln. Wir sind … die einzige Gruppe, die ihre Identität von sich selbst ableitet. Ich denke, dass 56 Nikki Giovanni: Gemini. New York: Penguin 1971, S. 121.

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das ziemlich unbewusst passiert ist, aber wir messen uns an uns selbst und ich denke, das ist eine Praxis, die zu verlieren wir uns nicht leisten können«57. Wenn das Überleben der Schwarzen Frauen* auf dem Spiel steht, ist die Schaffung einer unabhängigen Selbstbestimmung für dieses Überleben unerlässlich. Die Frage, wie von der verinnerlichten Unterdrückung zum ›freien Geist‹ eines selbstdefinierten, woman*istischen Bewusstseins übergegangen werden könnte, war ein prominentes Thema in den Arbeiten der Schwarzen US-amerikanischen Autorinnen*. Autorin Alexis DeVeaux stellt fest, dass es eine »große Erkundung des Selbst in der Arbeit von Frauen* gibt. Es ist das Selbst in Beziehung zu einem intimen anderen, zur Community, zur Nation und zur Welt«. Weit davon entfernt, ein narzisstisches oder triviales Anliegen zu sein, ist diese Positionierung des Selbst im Zentrum der Analyse entscheidend für das Verständnis einer Reihe anderer Beziehungen. DeVeaux fährt wie folgt fort: »Sie müssen um Ihre eigene Position als Einzelperson und um die Position der Person, die Ihnen nahesteht, wissen. Sie müssen den Raum zwischen Ihnen verstehen, bevor Sie komplexere oder größere Gruppen verstehen können«58. Schwarze Frauen* haben auch in ihrem Blues die Bedeutung der Selbstbestimmung als Teil der Reise von der Viktimisierung zu einem freien Geist betont. Sherley Anne Williams’ Analyse der Selbstbejahung im Blues trägt wesentlich dazu bei, den Blues als Schwarzen Frauen*text zu verstehen. In ihrer Diskussion der Blues-Wurzeln der Schwarzen Literatur bemerkt Williams Folgendes: «Die Behauptung der Individualität und die darin enthaltene implizite Bedeutung des Selbst – als Aktion, nicht als bloße Aussage – ist eine wichtige Dimension des Blues«59. Die Selbstbehauptung findet üblicherweise am Ende eines 57 Ebd. S. 144. 58 Claudia Tate (Hg.) 1983, S. 54. 59 Sherley A. Williams: »The Blues Roots of Afro-American Poetry.« In: Michael S. Harper und Robert B. Steptoe (Hg.): Chant of Saints. A Gathering of AfroAmerican Literature, Arts and Scholarship. Urbana: University of Illinois Press 1979, S. 123-35, hier S. 130.

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Liedes statt, nachdem die problematische Situation beschrieben oder analysiert wurde. Eine Selbstbehauptung ist oft die einzige Lösung für das Problem oder die Situation. Nina Simones klassischer Blues-Song Four Women veranschaulicht eine solche Verwendung des Blues, um sich selbst zu bestätigen. Simone singt von drei Schwarzen Frauen*, deren Erfahrungen durch Fremdbilder gekennzeichnet sind: Aunt Sarah, das Maultier, dessen Rücken von einem Leben harter Arbeit gekrümmt ist, Sweet Thing, die Schwarze Sexarbeiterin*, die allen gehören wird, die Geld haben; und Saphronia, deren Schwarze Mutter* eines nachts vergewaltigt wurde. Simone erforscht die Veranderung der Schwarzen Frauen*, indem sie den Schmerz hervorruft, den diese drei Frauen* tatsächlich spüren. Aber Peaches, die vierte Frau*, ist eine besonders starke Figur, denn Peaches ist wütend. »Ich bin in diesen Tagen schrecklich erbittert«, schreit Peaches, »weil meine Eltern Versklavte waren«. Diese Worte und die Gefühle, die sie hervorrufen, zeigen ihr wachsendes Bewusstsein und ihre Selbstbestimmung angesichts der Situation, mit der sie konfrontiert ist. Dies ist die Art von Individualität, auf die Williams verweist – Selbstbestimmung, die nicht in Gesprächen verhandelt wird, sondern zum Handeln anregt. Während das Thema der Reise auch Gegenstand der Arbeit Schwarzer Männer ist, erkunden afroamerikanische Autorinnen* und Musikerinnen* diese Reise in Richtung Freiheit auf eine typisch weibliche* Weise. Die Reisen von Schwarzen Frauen* nehmen, obwohl sie manchmal politische und soziale Fragen betreffen, im Wesentlichen persönliche und psychologische Formen an und spiegeln selten die Bewegungsfreiheit Schwarzer Männer wider, die »auf Züge springen«, »sich auf den Weg machen« oder auf andere Weise körperlich reisen, um diese flüchtige Sphäre der Freiheit von rassistischer Unterdrückung zu finden. Stattdessen beinhalten Schwarze Frauen*reisen oft »die Transformation von Schweigen in Sprache und Handeln«60. Typischerweise an Kinder und / o der Gemeinschaft gebunden, suchen fiktive Schwarze Frauen*figuren, insbesondere solche, die vor den 1990er-Jahren ge60 Audre Lorde 1984, S. 40.

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schaffen wurden, innerhalb enger geografischer Grenzen nach Selbstbestimmung. Obwohl körperliche Einschränkungen die Suche Schwarzer Heldinnen* auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, fügt »die Bildung komplexer persönlicher Beziehungen ihrer Identitätssuche Tiefe anstelle geografischer Breite hinzu«61. Auf ihrer Suche nach Selbstbestimmung und nach der Stärke eines freien Geistes blieben Schwarze Heldinnen* »außen unbeweglich – aber innen?« Angesichts der räumlichen Einschränkung der Mobilität Schwarzer Frauen* ist die Konzeptualisierung des Selbst, die Teil der Selbstbestimmung der Schwarzen Frau* war, außergewöhnlich. Das Selbst wird nicht anhand der zunehmenden Autonomie definiert, die durch die Trennung von anderen gewonnen wird. Stattdessen ist das Selbst im Kontext von Familie und Gemeinschaft zu finden, in den Worten Paule Marshalls handelt es sich um »die Fähigkeit, die eigene Kontinuität in der größeren Gemeinschaft zu erkennen«62. Durch ein gegenseitiges Verantwortungsgefühl entwickeln afroamerikanische Frauen* ein menschlicheres, weniger objektiviertes Selbst. Sonia Sanchez weist auf diese Version des Selbst hin, indem sie sagt: »Wir müssen weiter gehen und uns immer auf das ›persönliche Ich‹ konzentrieren, da es ein größeres Ich gibt. Es gibt ein ›Ich‹ von Schwarzen Menschen«63. Anstatt sich selbst im Gegensatz zu anderen zu definieren, bietet die Verbundenheit zwischen Individuen den Schwarzen Frauen* tiefere, sinnvollere Selbstbestimmung.64 61 Claudia Tate (Hg.) 1983, S. xxi. 62 Mary Helen Washington 1984, S. 159. 63 Claudia Tate (Hg.) 1983, S. 134. 64 Schwarze US-amerikanische Wissenschaft hat diese Form der Konzeptualisierung des Selbst in afrikanischen und afroamerikanischen Communitys untersucht. Siehe Smitherman (Talkin and Testifyin. The Language of Black America. Boston: Houghton Mifflin 1977), Asante (Molefi Kete: The Afrocentric Idea. Philadelphia: Temple University Press 1987) und Brown (Elsa Barkley: »African American Women’s Quilting. A Framework for Conceptualising and Teaching African-American Women’s History«. In: Signs 14(4) 1989, S.  921-29). Mit Betonung auf feministische Studien zur Entwicklung des Selbst bei Frauen* als ausdrücklicher Prozess siehe insbesondere Evelyn Kellers

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Diese Reise zur Selbstbestimmung hat politische Bedeutung. Wie Mary Helen Washington beobachtet, sind Schwarze Frauen*, die sich bemühen, »eine Identität zu schmieden, die größer ist als die, die eine Gesellschaft ihnen aufzwingt, … sich ihrer selbst bewusst und dieses Bewusstsein ist wirkmächtig«65. Identität ist nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt im Prozess der Selbstbestimmung. In diesem Prozess versuchen Schwarze Frauen* zu verstehen, wie unser persönliches Leben grundlegend durch die intersektionale Unterdrückung von Race, Gender, Sexualität und Klasse geprägt wurde. Peaches’ Aussage »Ich bin in diesen Tagen furchtbar erbittert, weil meine Eltern Versklavte waren« illustriert diese Transformation. Dieser besondere Ausdruck der Reise zur Selbstbestimmung fordert die extern definierten Fremdbilder von afroamerikanischen Frauen* kraftvoll heraus. Das Ersetzen negativer Bilder durch positive kann jedoch ebenfalls problematisch sein, wenn die Herrschaftsfunktion von Stereotypen nicht erkannt wird. John Gwaltneys Interview mit Nancy White, einer 73-jährigen, Schwarzen Frau*, deutet darauf hin, dass gewöhnliche Schwarze Frauen* die Macht dieser Fremdbilder genau erkennen können. Für Nancy White bezieht sich der Unterschied zwischen den Fremdbildern, die auf afroamerikanische und auf weiße Frauen* angewandt werden, auf den Grad und nicht auf die Art. Meine Mutter* pflegte zu sagen, dass die Schwarze Frau* das Maultier des weißen Mannes ist und die weiße Frau* sein Hund. Nun, sie hat das gesagt, um damit Folgendes zu sagen: Wir machen die schwere Arbeit und werden dabei geschlagen, egal ob wir sie gut machen oder nicht. Aber die weiße Frau* ist näher am Master und er schlägt sie auf den Kopf und lässt sie im Ausführungen zu dynamischer Autonomie und den Verbindungen zu Unterdrückungsbeziehungen (Evelyn Fox: Reflections on Gender and Science. New Haven, CT: Yale University Press 1985). Einen faszinierenden Diskussionsbeitrag zum fragmentierten Selbst liefert Gloria Wekkers Analyse der Agency von afrosurinamischen Frauen*. (»One Finger Does Not Drink Okra Soup. Afro-Surinamese Women and Critical Agency«. In: M. Jacqui Alexander and Chandra Talpade Mohanty (Hg.): Feminist Genealogies, Colonial Legacies, Democratic Futures. New York: Routledge 1997, S. 330-52.) 65 Mary Helen Washington (Hg.): Midnight Birds. Garden City, NY: Anchor 1980.

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Haus schlafen, aber er wird keine von uns so behandeln, als ob er es mit einer Person zu tun hätte.66

Beide Gruppen werden objektifiziert, wenn auch auf unterschiedliche Weise, wobei die Bilder dazu dienen, beide Gruppen zu entmenschlichen und zu kontrollieren. So gesehen ist es für Schwarze Frauen* auf lange Sicht wenig sinnvoll, einen Satz Fremdbilder gegen einen anderen auszutauschen, auch wenn positive Stereotypen kurzfristig eine bessere Behandlung bringen. Das Beharren auf Selbstbestimmung seitens Schwarzer Frauen* verschiebt den Diskurs grundlegend: Aus einem Protest gegen technische Details eines Bildes – nämlich der Widerlegung der These des Schwarzen Matriarchats – wird ein Diskurs, der die Machtdynamiken des Definitionsprozesses selbst betont. Durch das Bestehen auf Selbstbestimmung stellen Schwarze Frauen* nicht nur infrage, was über afroamerikanische Frauen* gesagt wurde, sondern auch die Glaubwürdigkeit und die Absichten derjenigen, die die Definitionsmacht besitzen. Wenn wir Schwarze Frauen* uns definieren, lehnen wir eindeutig die Annahme ab, dass Personen in Positionen, die ihnen die Befugnis zur Interpretation unserer Realität gewähren, dazu berechtigt wären. Unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Selbstbestimmung Schwarzer Frauen* bestärkt die Handlung, auf der Selbstbestimmung zu bestehen, die Macht der Schwarzen Frauen* als menschliche Subjekte. Selbstwert und Respekt

Selbstbestimmung richtet sich an die Machtdynamik, die mit der Ablehnung von extern definierten Fremdbildern von Schwarzen Frauen* einhergeht. Im Gegensatz dazu befasst sich das Thema des Selbstwertes von Schwarzen Frauen* mit dem tatsächlichen Inhalt dieser Selbstbestimmung. Viele der Fremdbilder, die auf afroamerikanische Frauen* angewandt werden, sind tatsächlich verzerrte Darstellungen jener Aspekte unseres Verhaltens, die bestehende Machtverhältnisse bedrohen. Zum Beispiel wirken starke Mütter* bedrohlich, weil sie den vorherrschenden 66 John Langston Gwaltney 1980, S. 148.

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Definitionen von Weiblichkeit* widersprechen. Starke, durchsetzungsfähige Schwarze Mütter* zu verspotten, indem sie als Matriarchinnen* bezeichnet werden, spiegelt das Bestreben wider, eine Dimension des Verhaltens Schwarzer Frauen* zu kontrollieren, die den Status quo bedroht. Afroamerikanische Frauen*, die jene Aspekte der Schwarzen Frau* schätzen, die in der Wissenschaft und in den populären Medien stereotypisiert, lächerlich und schlecht gemacht werden, stellen einige der grundlegenden Ideen infrage, die einer Ideologie der Dominanz innewohnen. Indem Schwarze feministische Denkerinnen* den Wert von Respekt betonen, veranschaulichen sie die Bedeutung des Selbstwertes. In einer Gesellschaft, in der niemand verpflichtet ist, afroamerikanische Frauen* zu respektieren, haben wir einander seit Langem ermuntert, uns selbst zu respektieren und die Achtung anderer einzufordern. Unterschiedlichste Schwarze Frauen*stimmen spiegeln diese Forderung nach Respekt wider. Katie G. Cannon legt dar, dass die Schwarze woman*istische Ethik drei Grunddimensionen umfasst: »unsichtbare Würde«, »stille Anmut« und »unausgesprochener Mut«, alles Qualitäten, die für Selbstwertgefühl und Selbstachtung wichtig sind. Die Schwarze feministische Kritikerin Claudia Tate berichtet, dass das Thema Selbstachtung in der Literatur Schwarzer Frauen* so wichtig ist, dass es besondere Aufmerksamkeit verdient. Tate behauptet, dass die Autorinnen* sagen: »Frauen* müssen Verantwortung übernehmen, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken, indem sie lernen, sich selbst zu lieben und sich selbst wertzuschätzen«67. Ihre Analyse wurde durch Alice Walker bestätigt, als sie vor einem Frauen*publikum warnend sagte: »Bitte denken Sie daran, besonders in diesen Zeiten des Gruppendenkens und der rechten Parolen, dass eine Person, die Ihr Schweigen verlangt oder Ihnen Ihr Recht verweigert, zu wachsen und als vollständig erblüht wahrgenommen zu werden, wie es von Ihnen beabsichtigt worden war, nicht Ihre Freundin* (oder Ihre Angehörige) ist. Gleiches gilt für jene, die die Gabe, die Sie in die Welt

67 Claudia Tate (Hg.) 1983, S. xxii.

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bringen, auf irgendeine Weise herabsetzen«68. Das Recht, Schwarz und weiblich* zu sein und respektiert zu werden, ist Gegenstand der täglichen Gespräche unter afroamerikanischen Frauen*. Die ältere Hausangestellte Sara Brooks beschreibt, wie wichtig Selbstwert für sie ist, und erklärt: »Ich habe vielleicht nicht so viel wie Sie, ich habe vielleicht nicht die Ausbildung, die Sie haben, aber trotzdem, wenn ich mich als anständige Person benehme, bin ich genauso gut wie jede*r andere«69. Respekt von anderen – besonders von Schwarzen Männern – bildete ein immer wiederkehrendes Thema in den Texten Schwarzer Frauen*. In der Aufzählung der Dinge, die eine Frau* vom Leben will, nennt Marita Bonner, die aus der Mittelschicht stammt, »eine Karriere, die so beständig und ruhig scheint wie der Nordstern. Die eine echte Sache, die mit Geld gekauft werden kann. Zeit … Und natürlich einen Ehemann, zu dem Sie aufschauen können, ohne auf sich selbst herabzuschauen«70. Der Glaube der Schwarzen Frauen* an Respekt zeigt sich auch in den Werken einer Vielzahl von Schwarzen Blues-Sängerinnen*. Eine der bekanntesten populären Forderungen Schwarzer Frauen* nach Respekt sich selbst und anderen gegenüber findet sich in Aretha Franklins Interpretation des Otis Redding-Songs Respect. Aretha singt für ihren Mann: Was du willst? Baby, ich habe es. Was du brauchst? Du weißt, ich habe es. Ich bitte nur um etwas Respekt, wenn du nach Hause kommst.

Obwohl die Texte von allen gesungen werden können, erhalten sie eine besondere Bedeutung, wenn sie von Aretha so gesungen werden, wie sie sie singt. Auf einer Ebene fungiert das Lied als Metapher für die Position der Afroamerikanerinnen* in einer rassistischen Gesellschaft. Aber weil Aretha eine Schwarze Frau* ist, erhält das Lied eine tiefere Bedeutung. Der Blues-Tradition entsprechend gehen die afroamerikanischen Zu68 Alice Walker: In Search of our Mother’s Gardens. New York: Harcourt Brace Jovanovich 1983, S. 36. 69 Thordis Simonsen (Hg.): You May Plow Here. The Narrative of Sara Brooks. New York: Touchstone 1986, S. 132. 70 Marita O. Bonner 1987, S. 3.

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hörenden von einem ›Wir‹ Schwarzer Frauen* aus, obwohl Aretha als Blues-Sängerin »Ich« singt. Sherley Anne Williams beschreibt die Kraft von Arethas Blues: »Aretha erschien zur rechten Zeit, aber es gab auch etwas an der Art und Weise, wie Aretha Respekt als etwas bezeichnete, das nur unter Aufwendung von Kraft, großem Aufwand und Kosten gewährt wurde. Und als sie sogar so weit ging, das Wort ›Respekt‹ zu buchstabieren, wussten wir, dass diese Schwester* nicht damit herumalberte, Respekt zu bekommen und auf ihn zu bestehen«71. June Jordan weist darauf hin, dass diese Betonung des Respekts an eine bestimmte Schwarze feministische Politik gebunden ist. Für Jordan muss sich ein »moralisch vertretbarer Schwarzer Feminismus«72 an der Art und Weise messen lassen, wie sich Schwarze US-amerikanische Frauen* anderen gegenüber präsentieren und wie Schwarze Frauen* Menschen behandeln, die von uns verschieden sind. Während Selbstachtung wichtig ist, ist der Respekt für andere von zentraler Bedeutung. »Als Schwarze Feministin«, behauptet Jordan, »kann nicht von mir erwartet werden, etwas zu respektieren, das jemand anderes als Selbstliebe bezeichnet, wenn dieses Konzept in irgendeiner Hinsicht meinen Selbstmord erfordert«73. Eigenständigkeit und Unabhängigkeit

In ihrem Essay aus dem Jahr 1831 bestärkte die Feministin Maria Stewart nicht nur die Selbstbestimmung und den Selbstwert von Schwarzen Frauen*, sondern verband auch die Selbständigkeit der Schwarzen Frauen* mit Überlebensfragen: Wir hatten nie die Gelegenheit, unsere Talente zu zeigen; deshalb glaubt die Welt, dass wir nichts wissen … Nimm den Geist der Unabhängigkeit in Besitz. Die US-Amerikaner tun es und warum solltest du es nicht tun? Nimm den Geist der Männer, kühn und unternehmungslustig, furchtlos und unerschrocken, in Besitz: Fordere deine Rechte und Privilegien ein. Du könntest sterben, 71 Sherley A. Williams 1979. S. 124. 72 June Jordan: Civil Wars. Boston: Beacon 1981. 73 Ebd., S. 144.

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wenn Du den Versuch wagst; und Du wirst ganz sicher sterben, wenn Du es nicht wagst.74

Ob freiwillig oder gezwungenermaßen, afroamerikanische Frauen* haben »den Geist der Unabhängigkeit ergriffen«, waren selbständig und haben einander ermutigt, die Vision des Frauseins* zu schätzen, die die vorherrschenden Vorstellungen von Weiblichkeit* eindeutig infrage stellt. Diese Überzeugungen fanden unter afroamerikanischen Frauen* breite Zustimmung. Als sie beispielsweise gefragt wurden, was sie an ihren Müttern* bewunderten, erzählten die Frauen* in Gloria Josephs Studie über Mutter*-Tochter*-Beziehungen von der Unabhängigkeit ihrer Mütter* und ihrer Fähigkeit, angesichts von Schwierigkeiten für sie zu sorgen. Die Teilnehmerinnen* der Studie von Lena Wright Myers zur Versorgungsfähigkeit von Schwarzen Frauen* respektierten Frauen*, die einfallsreich und selbstständig waren. Die Autobiografien Schwarzer Frauen*, wie Shirley Chisholms Unbought und Unbossed und Maya Angelous I Know Why the Caged Bird Sings, sind typisch für die Wertschätzung der Eigenständigkeit von Schwarzen Frauen*. Wie die ältere Hausangestellte Nancy White stichhaltig erklärt: »Die meisten Schwarzen Frauen* können ihre eigene Chefin* sein, also sind sie es«75. Die Werke prominenter Schwarzer Blues-Sängerinnen* machen ebenfalls deutlich, dass Afroamerikanerinnen* Eigenständigkeit und Unabhängigkeit schätzen. In ihrer klassischen Ballade God Bless the Child That Got His Own (Gott segne das Kind, das sein eigenes bekommen hat) singt Billie Holiday: Die Starken erhalten mehr, während die Schwachen zurücktreten müssen. Leere Taschen werden nie den Anforderungen gerecht. Mama* mag haben, Papa mag haben, aber Gott segne das Kind, das sein eigenes bekommen hat!76

74 Marilyn Richardson (Hg.): Maria W. Stewart, America’s First Black Women Politcal Writer. Bloomington: Indian University Press 1987, S. 38. 75 John Gwaltney 1980, S. 149. 76 Billie Holiday Anthology 1976, S. 12.

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In diesem traurigen Lied bietet Billie Holiday eine aufschlussreiche Analyse der Notwendigkeit von Autonomie und Eigenständigkeit. »Geld, du hast viele Freunde, die sich am Türeingang drängeln«, verkündet sie. Aber »wenn du pleite bist und nichts mehr ausgibst, kommen sie nicht mehr.« In diesen Absätzen ermahnt Holiday Schwarze Frauen*, sich finanziell unabhängig zu machen, denn etwas ›Eigenes‹ zu haben, erlaubt Frauen*, ihre Beziehungen selbst zu wählen. Die Verbindung von wirtschaftlicher Unabhängigkeit als eine entscheidende Dimension der Selbstständigkeit mit der Forderung nach Respekt durchdringt das Schwarze feministische Denken. Zum Beispiel, wenn Aretha in »Respekt« singt »Deine Küsse sind süßer als Honig, aber rate mal, das ist mein Geld auch«, fordert sie Respekt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Vielleicht lässt sich diese Verbindung zwischen Respekt, Selbstständigkeit und Durchsetzungsvermögen am besten mit Nancy White zusammenfassen. Sie erklärt: »Es gibt sehr wenige Schwarze Frauen*, die sich von ihren Ehemännern aushalten lassen, weil wir für uns selbst sorgen können und das auch umgehend tun«77. Selbst, Veränderung und persönliches Empowerment

»The master’s tool will never dismantle the master’s house. Sie mögen uns zeitweise erlauben, ihn in seinem eigenen Spiel zu schlagen, aber sie werden es uns nie ermöglichen, eine dauerhafte Veränderung zu erreichen«78. In diesem Abschnitt erkundet Audre Lorde, wie unabhängige Selbstdefinitionen Schwarze Frauen* dazu ermächtigten, soziale Veränderung zu erreichen. Wir afroamerikanischen Frauen* ändern uns, indem wir um selbstbestimmte, feministische Perspektiven kämpfen, die die Fremdbilder der Master ablehnen. Eine ausreichend große Menge an Individuen mit einem veränderten Bewusstsein kann wiederum die kollektive Ermächtigung Schwarzer Frauen* ermög-

77 John Gwaltney 1980, S. 149. 78 Audre Lorde 1984, S. 112.

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lichen. Ein verändertes Bewusstsein ermutigt Menschen dazu, ihre Lebensumstände zu ändern. Nikki Giovanni beleuchtet diese Verbindungen zwischen dem Selbst, Veränderung und persönlicher Ermächtigung. Sie warnt davor, dass Menschen selten machtlos sind, egal wie rigide die Einschränkungen in unseren Leben auch sein mögen. »Wir müssen in der realen Welt leben. Wenn uns die Welt, in der wir leben, nicht gefällt – verändern wir sie. Und wenn wir sie nicht ändern können, ändern wir uns selbst. Wir können etwas tun« (in Tate 1983, 68). Giovanni betont, dass effektive Veränderung durch Handlung entsteht. Die vielfältigen Widerstandsstrategien, die Schwarze Frauen* anwandten, wie sich von der landwirtschaftlichen Arbeit, die der Emanzipation vorausging, zurückzuziehen, um ihre Arbeitskraft stattdessen ihren Familien zur Verfügung zu stellen und damit scheinbar den Pietätsritualen der Hausarbeit zu entsprechen, in afroamerikanischen Organisationen gegen männliche Vorurteile zu protestieren oder die progressive Kunstform des Schwarzen Frauen*Blues zu kreieren, stellen allesamt Handlungen dar, die darauf ausgerichtet sind, Veränderung zu befördern. Hier werden das verbundene Ich und die individuelle Ermächtigung, die sich aus Veränderung im Kontext von Community ergibt, sichtbar. Veränderung kann aber auch im privaten, persönlichen Raum des Bewusstseins einer individuellen Frau* erfolgen. Ebenso grundlegend führt auch diese Art der Veränderung zu persönlicher Ermächtigung. Jede einzelne Schwarze Frau*, die dazu gezwungen ist, »äußerlich bewegungslos« zu bleiben, kann das »Innere« eines veränderten Bewusstseins als einen Raum von Freiheit entwickeln. Sich durch Selbstkenntnis zu ermächtigen, auch unter Bedingungen, die die eigene Handlungsfähigkeit stark einschränken, ist von essenzieller Bedeutung. In der Literatur Schwarzer Frauen* tritt diese Art der Veränderung auf, weil die Heldin* ihre Unfähigkeit, die Situation ändern zu können, erkennt und, noch wichtiger, respektiert … Das soll nicht heißen, dass sie von ihren Begrenzungen vollständig eingeschränkt wird. Im Gegenteil: Sie lernt, frühere Grenzen zu überschreiten, aber nur als direkte Folge des Wissens, wo diese liegen. In diesem Sinne lehrt sie die Leser*innen, ein

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bedeutungsvolles Leben inmitten von Chaos und Eventualitäten aufzubauen, bewaffnet mit nicht mehr als ihrem Intellekt und ihren Emotionen.79

In diesem Abschnitt verdeutlicht Claudia Tate die Bedeutung der Reartikulation, nämlich die Neudefinition sozialer Realitäten durch die Kombination bekannter Ideen auf neue Weisen. Reartikulation bedeutet jedoch nicht, die woman*istische Ethik mit typischerweise unterdrückenden, eurozentrischen, maskulinistischen Ethiken in Einklang zu bringen. Stattdessen, wie Chezia Thompson-Cager argumentiert, »konfrontiert Reartikulation diese in der Tradition der ›Benennung als Macht‹, indem sie sehr vorsichtig erkennbar gemacht werden«80. Tägliches Leben zu benennen, indem Sprache auf alltägliche Erfahrung angewandt wird, flößt ihm die neue Bedeutung eines woman*istischen Bewusstseins ein. Das Benennen wird eine Möglichkeit, die Grenzen intersektionaler Unterdrückungen zu überschreiten. Schwarze Frauen*literatur enthält viele Beispiele, wie individuelle Schwarze Frauen* durch ein verändertes Bewusstsein persönlich ermächtigt werden. Barbara Christian behauptet, dass die Heldinnen* der Schwarzen Frauen*literatur der 40er-Jahre, wie Lutie Johnson in Ann Petrys The Street und Cleo Judson in Dorothy Wests The Living Is Easy, nicht nur durch die soziale Realität, sondern auch durch ihren »Mangel an Selbstkenntnis« besiegt werden. Im Gegensatz dazu repräsentieren die Heldinnen* der 50er-Jahre bis in die Gegenwart einen deutlichen Wandel in Richtung Selbstkenntnis als Bereich der Freiheit. Christian datiert die Änderung auf Gwendolyn Brooks’ Maud Martha und behauptet: »Weil Maud Martha ihre eigenen Standards setzt, schafft sie es, dieses ›kleine Leben‹ in so viel mehr zu transformieren, als es die ihr auferlegten Beschränkungen eigentlich zulassen. [Sie] tritt weder zerschmettert noch triumphierend daraus hervor«81. 79 Claudia Tate 1983, S. xxiv. 80 Chezia Thompson Cager: »Ntozake Shange’s Sassafras, Cypress and Indigo. Resistance and Mythical Women of Power«. In: NWSA Journal 1 (4) 1989, S. 589-601, S. 590. 81 Barbara Christian 1985, S. 176.

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Vielen afroamerikanischen Autorinnen* zufolge liegt die Kraft, sich selbst zu retten, in einem selbst, egal wie unterdrückt die individuelle Frau* auch sein mag. Andere Schwarze Frauen* können einer Schwarzen Frau* auf dieser Reise zur persönlichen Ermächtigung behilflich sein, aber die letztendliche Verantwortung für Selbstbestimmung und Selbstwertgefühl liegt bei der individuellen Frau* selbst. Eine individuelle Frau* kann sich vieler Strategien auf ihrer Suche nach Gegenstandswissen einer unabhängigen Stimme bedienen. Wie Celie in Alice Walkers The Color Purple schreiben sich manche Frauen* frei. Sexuell, körperlich und emotional missbraucht, schreibt Celie Briefe an Gott, wenn sonst niemand zuhört. Der Akt, eine Stimme durch das Schreiben zu bekommen, die Stille mittels Sprache zu durchbrechen, bringt sie schließlich zu der Handlung, mit anderen zu reden. Andere Frauen* sprechen sich frei. In Their Eyes Were Watching God erzählt Janie einer guten Freundin* ihre Geschichte, ein ausgezeichnetes Beispiel für den Reartikulationsprozess, der so essenziell für den Schwarzen feministischen Gedanken ist. Auch Ntozake Shanges For Colored Girls hält diese Reise zur Selbstbestimmung und Selbstwertschätzung und einem ermächtigten Selbst fest. Am Ende des Stücks versammeln sich die Frauen* um eine Frau*, die von dem Schmerz erzählt, den sie durch den Mord an ihrem Kind erlebte. Sie hören zu, bis sie sagt: »Ich fand Gott in mir selbst und ich liebte sie heiß und innig.« Diese Worte, die ihr Vermögen ausdrücken, sich selbst als wertvoll zu definieren, lassen sie alle zusammenrücken. Sie berühren sich gegenseitig als Zugehörige zur Schwarzen Frauen*-Community, die das sich im Schmerz befindende Mitglied heilen, aber erst nachdem es den ersten Schritt unternommen hat und geheilt werden wollte, sich auf den Weg gemacht hat, um nach der Stimme der Ermächtigung zu suchen. Spielt das Bewusstsein Schwarzer Frauen* noch eine Rolle?

Trotz der anhaltenden Bedeutung dieser vier Bereiche der Bewusstwerdung – Selbstbestimmung, Selbstwertschätzung und Respekt, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit sowie das Ermächtigen des Selbst – finden diese Themen in der Mehrzahl der akademischen Schwarzen US-amerikanischen feministischen Auseinandersetzungen keinen prominenten

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Platz. Traurigerweise fühlen sich Schwarze intellektuelle Frauen* im akademischen Umfeld unter Druck gesetzt, für akademische Leser*innen zu schreiben, die sich zum Großteil dagegen sträuben, Schwarze USamerikanische Frauen* als Studentinnen*, Fakultätsangehörige und Verwaltungsbeamtinnen* miteinzubeziehen. Egal wie sehr sich hochgebildete weiße männliche und weibliche* akademische Zuhörende der Mittelklasse für den intellektuellen Output Schwarzer Frauen* interessieren, ihre Anliegen unterscheiden sich deutlich von denen der Mehrheit Schwarzer US-amerikanischer Frauen*. Nichtsdestotrotz erforschen immer noch viele Schwarze intellektuelle Frauen* im universitären Umfeld das Thema des Bewusstseins, aber auf neue und oft sehr bedeutsame Arten. Nehmen wir zum Beispiel das Buch Compelled to Crime: The Sender Entrapment of Battered Black Women der Kriminologin Beth Richie. Anhand von Interviews mit inhaftierten Frauen* trägt Richie die innovative These vor, dass jene Schwarzen Frauen*, die als Kinder selbstständig und unabhängig waren und sich deshalb als starke Schwarze Frauen* betrachteten, eher misshandelt wurden als diejenigen, die es nicht waren. Auf den ersten Blick ist das eine merkwürdige Kombination – umso selbständiger sie waren, desto weniger schätzten sie sich selbst wert. Richies Erklärung ist aufschlussreich. Die starken Schwarzen Frauen* betrachten es als persönliche Fehlschläge, wenn sie um Hilfe bitten. Im Gegensatz dazu fiel es den Frauen*, die nicht die Bürde dieses scheinbar positiven Bildes der Schwarzen Frau* trugen, leichter, um Hilfe zu bitten. Richies Studie zeigt die Auswirkungen externer Definitionen jeglicher Art auf. Ihre Arbeit ist ein Beitrag zur Heterogenität Schwarzer Frauen* und erschafft Raum für neue Selbstbilder, die unabhängig von den typischen Bildern starker Schwarzer Frauen* entstehen. Die verstärkte wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf Schwarzen heranwachsenden Mädchen*, die nun unter neuen sozialen Bedingungen heranwachen, dürfte neue Reaktionen auf intersektionale Unterdrückungen in der Bevölkerung zutage fördern. Dementsprechend geben die 15 (von mehr als 50) mit Schwarzen US-amerikanischen Mädchen* geführten und in Sugar in the Raw veröffentlichten Interviews von Rebecca Carroll

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einen Einblick in das Bewusstsein Schwarzer Mädchen* der Gegenwart. Trotz des Einflusses Schwarzer Popkultur, die sie mit sexualisierten Frauen*bildern und einer Fülle an »Hoochies«82, die die Musikvideos dominieren, überschwemmen, zeigen viele der Mädchen* eine beeindruckende Reife. Als Beispiel seien die Reflexionen der 18-jährigen Kristen über ihre Kämpfe um Selbstwertschätzung, ausgelöst durch eine Verliebtheit in einen Schwarzen Jungen, der scheinbar nicht mal wusste, dass sie existierte, angeführt: Es war mehr als offensichtlich, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Schwarzen Jungs meiner Schule nichts mit Schwarzen Mädchen* zu tun haben wollten, was quasi traumatisierend war. Du kannst so einer Erfahrung nicht entkommen, ohne zu denken, dass mit dir etwas nicht stimmt. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass mit ihm etwas nicht stimmt, aber an diesen Punkt zu kommen, war die Hölle.83

Die gesteigerte Aufmerksamkeit der Schwarzen feministisch beeinflussten Wissenschaft gegenüber dem Schmerz Schwarzer Frauen* in durch Missbrauch aller Art geprägten Beziehungen und den speziellen Bedürfnissen Schwarzer heranwachsender Mädchen*, scheint dazu beizutragen, neue intellektuelle und politische Räume für die ›höllischen‹ Erfahrungen, die Schwarze Frauen* immer noch machen, entstehen zu lassen. Zumindest in diesem historischen Moment scheint die Notwendigkeit, eine vereinte Front zu bilden, weniger wichtig als die vielfältigen Arten, wie einzelne Schwarze Frauen* individuell ermächtigt und geschwächt werden, sogar in vermeintlichen sicheren Räumen. Das Bewusstsein spielt nach wie vor eine Rolle, es verändert sich aber zu einem, das die Komplexität der Schnittpunkte der Beziehungen von Race, Gender, Klasse und Sexualität bereits anerkennt. Diese historischen und gegenwärtigen Bemühungen um Selbstbestimmung miteinander zu verknüpfen, ist Teil des Strebens, sich aus dem 82 Anmerkung der Übersetzerinnen*: Frauen*, die sich sexpositiv kleiden und verhalten, sexpositiv lieben, reden und leben. 83 Rebecca Carroll: Sugar in the Raw. Voices of Young Black Girls in America. New York: Crown Trade 1997, S. 131-32.

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Schweigen über die Sprache hin zu individueller und gemeinschaftlicher Handlung zu bewegen. In diesem Streben ist Durchhaltevermögen eine Grundvoraussetzung. Das Durchhaltevermögen Schwarzer Frauen* wird genährt durch den starken Glauben daran, dass Schwarz und eine Frau* zu sein wertvoll ist und Respekt verdient. In dem Song A Change Is Gonna Come drückt Aretha Franklin dieses Gefühl, trotz aller Widrigkeiten durchzuhalten, aus. Sie singt davon, dass es Zeiten gab, in denen sie dachte, sie könnte nicht länger durchhalten. Sie singt davon, dass Stärke zu finden, um weiter machen zu können, stets einer mühsamen Reise, »den ganzen Weg bergauf«, glich. Trotz dieser Schwierigkeiten »weiß« Aretha aber, dass »eine Veränderung kommen wird«. Handlungen, die Veränderungen hervorbringen, seien es die individuellen Kämpfe darum, ein verändertes Bewusstsein zu entwickeln, oder die kollektive Beharrlichkeit, um soziale Institutionen zu transformieren, ermächtigen afroamerikanische Frauen*. Indem wir durchhalten, auf unserem Weg zur Selbstbestimmung, werden wir als Individuen verändert. Wenn sich unsere individuellen Kämpfe mit kollektiven Handlungen verbinden, bekommen sie eine neue Bedeutung. Weil unsere Handlungen die Welt verändern und aus einer, in der wir gerade so existieren, eine Welt machen, über die wir ein wenig Kontrolle haben, ermöglichen sie es uns, das alltägliche Leben als etwas zu sehen, das im Prozess ist und somit offen für Veränderungen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb so viele afroamerikanische Frauen* es geschafft haben, durchzuhalten und »einen Weg zu bahnen, wo keiner war«. Vielleicht wussten sie um die Kraft der Selbstbestimmung.

Copyright der Originaltexte

Sojourner Truth: »Ain’t I A Woman – Bin ich etwa keine Frau? (1851)«, In: Max Annas und Martin Baltes (Hg.) (2003): absolute. Black beats, Orange Press, Freiburg, S. 47. © Orange Press. Angela Davis: »Reflections on the Black Woman’s Role in the Community of Slaves«, The Black Scholar, 3:4, (1971), S. 2-15, © The Black World Foundation, reprinted by permission of Taylor & Francis Ltd, http:// www.tandfonline.com on behalf of The Black World Foundation. The Combahee River Collective: »A Black Feminist Statement«, in: Zillah Eisenstein (Hg.): Capitalist Patriarchy and The Case For Socialist Feminism, Monthly Review Press, 1979 © Zillah Eisenstein. bell hooks: »Black Women and Feminism«. In: Dies.: Ain’t I A Woman. Black Women and Feminism. London / Winchester: Pluto Press (1982), S. 159-198 © Taylor & Francis Group LLC – Books, permission conveyed through Copyright Clearance Center, Inc. Audre Lorde: »Age, Race, Class and Sex: Women Redefining Diffe­ rence«, in: Audre Lorde: Sister Outsider, Crossing Press (2007), USA © 1984, 2007 Audre Lorde. Hier verwendet unter freundlicher Geneh­ migung der Charlotte Sheedy Literary Agency. Barbara Smith: »Some Home Truths on the Contemporary Black Feminist Movement«, The Black Scholar, 16:2 (1985), S. 4-13 © The Black World Foundation, reprinted by permission of Taylor & Francis Ltd, http://www.tandfonline.com on behalf of The Black World Foundation. Kimberlé Crenshaw: »Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics«. In: U. Chi. Legal Forum 139 (1989). © The Legal Forum. Reprinted with permission from The University of Chicago Legal Forum and the University of Chicago Law School. Patricia Hill Collins: »The Power of Self-Definition«. In: Dies.: Black Feminist Thought. Knowledge, Consciousness, and the Politics of Empowerment (2008), S. 107-132. © Taylor & Francis Group LLC – Books, permission conveyed through Copyright Clearance Center, Inc.

Ijeoma Oluo

Schwarz sein in einer rassistischen Welt Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche 240 Seiten | 16 € ISBN 978-3-89771-275-1

New York Times-Bestseller: Vom täglichen Kampf gegen Rassismus und der Notwendigkeit, darüber zu sprechen Ijeoma Oluo hat mit Schwarz sein in einer rassistischen Welt einen New York TimesBestseller geschrieben. Teils biografisch, teils anekdotisch, aber immer analytisch, behandelt sie in zugänglicher Sprache, mit Humor und Verstand Fragen, die sich viele nicht zu stellen trauen. Warum darf ich das ›N-Wort‹ nicht benutzen? Hat Polizeigewalt wirklich etwas mit Rassismus zu tun? Oluo schreibt über die Diskriminierung gegenüber Schwarzen jungen Männern. Darüber, dass eben diese so oft direkt von der Schule ins Gefängnis kommen, dass es schon eine eigene wissenschaftliche Bezeichnung dafür gibt: school-to-prisonpipeline. Über die Polizeigewalt in den USA und über Massenverhaftungen von Afro-Amerikaner*innen.

bell hooks

Angela Davis

148 Seiten | 14 € ISBN 978-3-89771-337-6

160 Seiten | 14 € ISBN 978-3-89771-222-5

Eine Einladung an alle, Feminist*innen zu werden!

Der Kampf um Freiheit in historischen und aktuellen Widerstandsbewegungen

Feminismus für alle

Locker und leicht verständlich, klar und präzise erklärt bell hooks in Feminismus für alle, weshalb es die feministische Bewegung gibt, warum es sie braucht und vor allem, warum sich ihr alle anschließen können und sollten. Denn der Feminismus, für den bell hooks das Wort ergreift, zielt da rauf ab, einen ganzheitlichen Wandel herbeizuführen. Um das Leben aller Menschen, unabhängig von Alter oder Geschlecht, nachhaltig zum Besseren zu verändern, müssen alle sexistischen Verhältnisse nachhaltig abgeschafft werden. Mit Feminismus für alle hat bell hooks genau die kompakte Einführung in den Feminismus geschrieben, die sie selbst gerne längst gelesen hätte: Ein Buch, das ein breites Spektrum an Diskussionen auffächert und zahlreiche Impulse liefert, die einer inklusiven, solidarischen feministischen Bewegung – just zur richtigen Zeit – den Rücken zu stärken vermag.

Freiheit ist ein ständiger Kampf

Die international bekannte Aktivistin und Wissenschaftlerin Angela Y. Davis untersucht die Schnittmengen und Verbindungen von Befreiungskämpfen gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt rund um unseren Planeten. Von der Schwarzen US-amerikanischen Freiheitsbewegung bis zur südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung: Davis lässt bedeutende zeithistorische Befreiungsbewegungen Revue passieren, nimmt deren Gemeinsamkeiten unter die Lupe und arbeitet ihre Bedeutung für die aktuellen Bewegungen gegen Staatsgewalt heraus – von Ferguson bis Palästina. Davis erinnert daran, dass die Erlangung von Freiheit einen langen, permanenten, kollektiven Kampf bedeutet. »eine messerscharfe Analyse« Judith Butler

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