Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich: Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen mit einem typologischen Ausblick auf andere europäische Sprachen 9783631659274, 9783653053180, 363165927X

In seiner stark überarbeiteten und ergänzten Habilitationsschrift vergleicht der Autor die Markierung der Interrogativsä

132 84 6MB

German Pages 224

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Cover
Inhalt
Statt eines Mottos: ein Beispieltext
Statt eines Vorwortes: in medias res
1 Theoretischer Hintergrund
1.1 Die Kategorie Satzmodus
1.2 Die Kategorie Interrogativsatz
1.2.1 Semantik
1.2.2 Pragmatische Aspekte
1.2.3 Formmerkmale
1.2.4 Eine Arbeitsdefinition
1.3 Lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes
1.3.1 Interrogativpartikeln vs. Modalpartikeln: Möglichkeiten und Grenzen der Abgrenzung
1.3.2 Question tags als potentielle lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes
1.3.3 Interrogativa und Interrogativphrasen
1.4 Syntaktische Markierung des Interrogativsatzes
1.4.1 Die Informationsstruktur des Interrogativsatzes
1.4.2 Fokussierung
1.4.3 Satzanfang
1.4.4 Grammatische Bedingungen
5 Suprasegmentale Markierung des Interrogativsatzes
1.5.1 Zur grammatischen und pragmatischen Rolle der Suprasegmentalia
1.5.2 Ein Test zur Klärung des Verhältnisses der grammatischen und der pragmatischen Funktionen suprasegmentaler Mittel
1.5.3 Potentielle intonatorische Mittel zur Markierung der Interrogativsätze
1.6 Fazit: Theoretische Prämissen zu den folgenden Einzelbeschreibungen
2 Interrogativsätze in ausgewählten europäischen Sprachen. Ein „eurotypologischer“ Überblick
2.1 Die Rolle des „eurotypologischen Überblicks“ für den deutschungarischen Vergleich
2.2 Der Entscheidungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen
2.2.1 Sprachtypologische Grundlagen
2.2.2 ENTI im Lateinischen
2.2.3 ENTI im Englischen
2.2.4 ENTI im Italienischen
2.2.5 ENTI im Russischen
2.2.6 ENTI im Albanischen
2.2.7 ENTI im Finnischen
2.2.8 ENTI im Türkischen
2.3 Der Ergänzungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen
2.3.1 Interrogativa
2.3.2 Besondere Probleme der Syntax des ERGI
2.3.3 Suprasegmentale Markierung des ERGI
2.3.4 ERGI im Lateinischen
2.3.5 ERGI im Englischen
2.3.6 ERGI im Italienischen
2.3.7 ERGI im Russischen
2.3.8 ERGI im Albanischen
2.3.9 ERGI im Finnischen
2.3.10 ERGI im Türkischen
2.4 Fazit: Interrogativsätze in europäischen Sprachen
3 Interrogativsätze im Deutschen
3.1 Zielsetzungen und empirische Basis
3. 2 Das Satzmodussystem des Deutschen
3. 3 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Deutschen
3.3.1 Interrogativpartikeln
3.3.2 Question tags
3.3.3 Modalpartikeln
3.3.4 Syntaktische ENTI-Typen
3.3.5 Verberst-ENTI
3.3.6 Verbzweit-ENTI
3.3.7 Verbletzt-ENTI
3.3.8 Eingliedrige Kurz-ENTI
3.3.9 Informationsstrukturelle Besonderheiten
3.3.10 Intonatorische Markierung
3.4 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Deutschen
3.4.1 w-Phrasen
3.4.2 Modalpartikeln
3.4.3 Syntaktische Typen
3.4.4 Syntax der Interrogativphrase
3.4.5 Verbstellung
3.4.6 Topikalisierung
3.4.7 Eingliedrige Kurz-ERGI im Deutschen
3.4.8 Suprasegmentale Markierung
3. 5 Fazit: Deutsche Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund
4 Interrogativsätze im Ungarischen
4.1 Vorbemerkungen: Das Ungarische unter den europäischen Sprachen
4.2 Das Satzmodussystem des Ungarischen
4.3 Exkurs: Die ungarische Satzstruktur
4.4 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Ungarischen
4.4.1 Die Interrogativpartikel -e
4.4.2 ENTI mit -e in der kontrastiven Untersuchung ungarisch-deutsch
4.4.3 Die Partikel ugye
4.4.4 Modalpartikeln
4.4.5 Question tags
4.4.6 Serialisierung
4.4.7 Korrelation der Serialisierung und der lexikogrammatischen Markierung
4.4.8 Eingliedrige Kurz-ENTI im Ungarischen
4.4.9 Suprasegmentale Markierung
4.5 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Ungarischen
4.5.1 Interrogativa und Interrogativphrasen
4.5.2 Die emphatischen Interrogativa kicsoda, micsoda usw.
4.5.3 Modalpartikeln
4.5.4 Serialisierung
4.5.5 Interrogativphrasenstellung und Verbstellung
4.5.6 Stellung der Modalpartikeln
4.5.7 Topikalisierung und Fokussierung
4.5.8 Kurz-ERGI
4.5.9 Suprasegmentale Markierung
4.6 Fazit: Ungarische Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund
5 Zusammenfassung und Ausblick
5. 1 Der Entscheidungsinterrogativsatz
5. 2 Der Ergänzungsinterrogativsatz
6 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
7 Literatur
Recommend Papers

Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich: Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen mit einem typologischen Ausblick auf andere europäische Sprachen
 9783631659274, 9783653053180, 363165927X

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Attila Péteri

Attila Péteri ist habilitierter Universitätsdozent an der Eötvös-LorándUniversität Budapest sowie Lehrbeauftragter an der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Er studierte Germanistik und Slawistik in Budapest. Während des Studiums war er Stipendiat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie an der Carolo-Wilhelmina-Universität Braunschweig. In Ungarn leitete er mehrere kontrastiv-typologisch angelegte Forschungsprojekte. Am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim nahm er am Projekt EuroGr@mm teil.

www.peterlang.com

SSGL 04_265927_Peteri_HOF_A5HCk PLE.indd 1

Szegediner Schriften zur germanistischen Linguistik

In seiner stark überarbeiteten und ergänzten Habilitationsschrift vergleicht der Autor die Markierung der Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen vor dem Hintergrund weiterer sieben europäischer Sprachen. Diese sind Latein, Englisch, Italienisch, Russisch, Finnisch, Türkisch und Albanisch. Das oberflächensyntaktische und kontrastiv-deskriptive Verfahren basiert auf umfangreichen empirischen Korpusuntersuchungen. Berücksichtigt werden vor allem Wortstellungsstrukturen, Partikelgebrauch, Interrogativphrasen, Question tags, intonatorisch-prosodische Merkmale sowie deren Kombinationen.

Attila Péteri · Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich

4

Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen mit einem typologischen Ausblick auf andere europäische Sprachen

Band 4

27.03.15 KW 13 11:13

Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich

Attila Péteri

Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen mit einem typologischen Ausblick auf andere europäische Sprachen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 2192-6859 ISBN 978-3-631-65927-4 (Print) E-ISBN 978-3-653-05318-0 (E-Book) DOI 10.3726/ 978-3-653-05318-0 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2015 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang Edition ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dieses Buch erscheint in der Peter Lang Edition und wurde vor Erscheinen peer reviewed. www.peterlang.com

Inhalt Statt eines Mottos: ein Beispieltext Statt eines Vorwortes: in medias res 1 Theoretischer Hintergrund 1.1 Die Kategorie Satzmodus 1.2 Die Kategorie Interrogativsatz 1.2.1 Semantik 1.2.2 Pragmatische Aspekte 1.2.3 Formmerkmale 1.2.4 Eine Arbeitsdefinition 1.3 Lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes 1.3.1 Interrogativpartikeln vs. Modalpartikeln: Möglichkeiten und Grenzen der Abgrenzung 1.3.2 Question tags als potentielle lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes 1.3.3 Interrogativa und Interrogativphrasen 1.4 Syntaktische Markierung des Interrogativsatzes 1.4.1 Die Informationsstruktur des Interrogativsatzes 1.4.2 Fokussierung 1.4.3 Satzanfang 1.4.4 Grammatische Bedingungen 5 Suprasegmentale Markierung des Interrogativsatzes 1.5.1 Zur grammatischen und pragmatischen Rolle der Suprasegmentalia 1.5.2 Ein Test zur Klärung des Verhältnisses der grammatischen und der pragmatischen Funktionen suprasegmentaler Mittel 1.5.3 Potentielle intonatorische Mittel zur Markierung der Interrogativsätze 1.6 Fazit: Theoretische Prämissen zu den folgenden Einzelbeschreibungen 2 Interrogativsätze in ausgewählten europäischen Sprachen. Ein „eurotypologischer“ Überblick 2.1 Die Rolle des „eurotypologischen Überblicks“ für den deutschungarischen Vergleich 2.2 Der Entscheidungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen 2.2.1 Sprachtypologische Grundlagen 2.2.2 ENTI im Lateinischen 2.2.3 ENTI im Englischen 2.2.4 ENTI im Italienischen

9 11 15 15 18 18 20 22 23 24 25 28 29 30 31 32 35 40 40 42 44 47 48 51 51 52 52 53 54 58 5

2.2.5 ENTI im Russischen 2.2.6 ENTI im Albanischen 2.2.7 ENTI im Finnischen 2.2.8 ENTI im Türkischen 2.3 Der Ergänzungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen 2.3.1 Interrogativa 2.3.2 Besondere Probleme der Syntax des ERGI 2.3.3 Suprasegmentale Markierung des ERGI 2.3.4 ERGI im Lateinischen 2.3.5 ERGI im Englischen 2.3.6 ERGI im Italienischen 2.3.7 ERGI im Russischen 2.3.8 ERGI im Albanischen 2.3.9 ERGI im Finnischen 2.3.10 ERGI im Türkischen 2.4 Fazit: Interrogativsätze in europäischen Sprachen 3 Interrogativsätze im Deutschen 3.1 Zielsetzungen und empirische Basis 3. 2 Das Satzmodussystem des Deutschen 3. 3 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Deutschen 3.3.1 Interrogativpartikeln 3.3.2 Question tags 3.3.3 Modalpartikeln 3.3.4 Syntaktische ENTI-Typen 3.3.5 Verberst-ENTI 3.3.6 Verbzweit-ENTI 3.3.7 Verbletzt-ENTI 3.3.8 Eingliedrige Kurz-ENTI 3.3.9 Informationsstrukturelle Besonderheiten 3.3.10 Intonatorische Markierung 3.4 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Deutschen 3.4.1 w-Phrasen 3.4.2 Modalpartikeln 3.4.3 Syntaktische Typen 3.4.4 Syntax der Interrogativphrase 3.4.5 Verbstellung 3.4.6 Topikalisierung 3.4.7 Eingliedrige Kurz-ERGI im Deutschen 3.4.8 Suprasegmentale Markierung

6

60 66 70 74 77 77 83 85 87 88 91 93 94 96 98 98 103 103 108 109 109 110 115 118 120 121 123 123 124 128 131 131 135 137 139 143 143 144 145

3. 5 Fazit: Deutsche Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund 4 Interrogativsätze im Ungarischen 4.1 Vorbemerkungen: Das Ungarische unter den europäischen Sprachen 4.2 Das Satzmodussystem des Ungarischen 4.3 Exkurs: Die ungarische Satzstruktur 4.4 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Ungarischen 4.4.1 Die Interrogativpartikel -e 4.4.2 ENTI mit -e in der kontrastiven Untersuchung ungarisch-deutsch 4.4.3 Die Partikel ugye 4.4.4 Modalpartikeln 4.4.5 Question tags 4.4.6 Serialisierung 4.4.7 Korrelation der Serialisierung und der lexikogrammatischen Markierung 4.4.8 Eingliedrige Kurz-ENTI im Ungarischen 4.4.9 Suprasegmentale Markierung 4.5 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Ungarischen 4.5.1 Interrogativa und Interrogativphrasen 4.5.2 Die emphatischen Interrogativa kicsoda, micsoda usw. 4.5.3 Modalpartikeln 4.5.4 Serialisierung 4.5.5 Interrogativphrasenstellung und Verbstellung 4.5.6 Stellung der Modalpartikeln 4.5.7 Topikalisierung und Fokussierung 4.5.8 Kurz-ERGI 4.5.9 Suprasegmentale Markierung 4.6 Fazit: Ungarische Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund 5. Zusammenfassung und Ausblick 5. 1 Der Entscheidungsinterrogativsatz 5. 2 Der Ergänzungsinterrogativsatz 6 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole 7 Literatur

148 151 151 152 153 158 159 163 164 166 167 169 172 175 175 178 178 181 182 184 187 191 192 194 195 198 201 201 202 205 207

7

Statt eines Mottos: ein Beispieltext

9

Statt eines Vorwortes: in medias res Die Satzmoduskategorie kann zunächst als eine semantische Grundkategorie des Satzes, als eine inhärente und konstitutive Komponente der Satzbedeutung angesehen werden. Sätze zeichnen sich unter anderen syntaktischen Strukturen wie etwa Wortbildungskonstruktionen oder Phrasen dadurch aus, dass sie über einen Satzmodus verfügen. Dadurch wird der Satz fähig, in einer Äußerungssituation eine illokutive Handlung des Sprechers zu realisieren. Die Satzmoduskategorie kann die prototypischen illokutiven Realisierungen festlegen, so gibt es zwischen dem Deklarativsatz und der Mitteilungshandlung oder dem Interrogativsatz und der Fragehandlung einen deutlichen Häufigkeitszusammenhang. Es gibt aber auch Diskrepanzen: Mit einem Deklarativsatz kann auch eine Frage gestellt oder eine Aufforderung vollzogen werden oder mit einem Interrogativsatz etwas mitgeteilt oder auch eine Aufforderung realisiert werden. In bestimmten Fällen, in denen der Modus eines Satzes mit formal-grammatischen Mitteln nicht ausreichend oder eventuell konkurrierend markiert wird, kann sogar das im konkreten Äußerungszusammenhang erkannte illokutive Ziel des Sprechers auf die Identifizierung des Satzmodus zurückwirken (vgl. z.B. Kurzausdrücke wie Herein!). Satzmodus wird ferner auf eine komplexe Weise markiert, durch das Zusammenspiel mehrerer formaler Ausdrucksmittel, die auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems anzusiedeln sind. Altmann (1987:25ff. und 1993a:1011ff.) unterscheidet die morphologische, kategoriale, syntaktische und intonatorische Markierung. Diese entsprechen gerade den vier Beschreibungsebenen der Grammatik: der morphematischen, der lexikalischkategorialen, der syntaktischen und der suprasegmentalen Ebene. Die Satzmodusmarkierung eines konkreten Satzes ist immer das Ergebnis der komplizierten Wechselwirkung dieser Ebenen. In jeder Sprache gibt es zahlreiche Konstellationen dafür, wie z.B. ein Interrogativsatz markiert werden kann. In der einschlägigen Tradition werden aufgrund dieser Formenvielfalt zahlreiche Satztypen (und auch Untertypen und Varianten dieser Satztypen) postuliert, deren Anzahl manchmal beinahe ins Unüberschaubare geht. In der vorliegenden Monographie wird demgegenüber von bestimmten einheitlichen Prinzipien der Markierung einzelner Satzmodi ausgegangen, die teilweise als Folgen übereinzelsprachlicher Ausdrucksprinzipien anzusehen, teilweise idiosynkratisch motiviert sind und mit typologischen Charakteristika des einzelsprachlichen Systems sowie mit seiner historischen Entwicklung

11

zusammenhängen. Die in einer konkreten Äußerungssituation gewählten Formen hängen ferner auch mit der Situation zusammen. Dafür stellt die als Motto gewählte Werbebroschüre ein anschauliches Beispiel dar. Wenn in traditionalen Darstellungen mit gewisser Vereinfachung davon ausgegangen wird, dass sich Deklarativsätze und Entscheidungsinterrogativsätze im Deutschen vor allem in der Verbstellung voneinander abheben, wird dabei ein wesentlicher Faktor übersehen: die Funktion der Wortstellung in der Eingliederung des Satzes in die Äußerungssituation. In der vorliegenden Werbebroschüre liegt ein junger Mann im Gras und schreibt. Der Satz knüpft sich unmittelbar ans Bild an, mit dem Pronomen du wird auf den Jungen im Gras Bezug genommen. Folglich wäre ein neutraler Entscheidungsinterrogativsatz in der Form Schreibst du?, hier nicht angemessen. Aber auch eine neutrale Feststellung in der Form Du schreibst. wäre hier fehl am Platze. Hier geht es nämlich letztendlich um einen Aufruf, dass junge Leute ihre Briefe einsenden. Schreiben wird hier nicht im Sinne von ‚Buchstaben auf ein Papier setzen‘ benutzt, sondern in dem Sinne, in dem Schriftsteller oder Journalisten schreiben. Etwa im folgenden Sinn: Schreibst du so anspruchsvoll, dass du deine Texte einsenden kannst? Eine Frage wird also gestellt, die über eine Vorgängersituation verfügt, sich unmittelbar an das optisch Wahrgenommene anknüpft. Sie bedarf einer komplexen Interpretation, denn man kann nicht sinnvoll nach etwas fragen, was man offensichtlich ohnehin weiß. Aus der Gesamtsituation stellt sich die angemessene Interpretation heraus. Die Wortstellung dient als Zeichen des unmittelbaren Situationsbezugs der Frage und damit als Signal der komplexen, situationsbezogenen Interpretation. Es taucht natürlich die Frage auf, ob es sich hier überhaupt um einen Interrogativsatz handelt. In einem streng modularen Rahmen könnte der Satz als Deklarativsatz interpretiert werden, dem in der konkreten Äußerungssituation durch die Frageintonation eine Fragefunktion verliehen wird (vgl. etwa Brandt u.a. 1992:76ff. sowie weitere Beiträge in Rosengren Hg. 1992). Demgegenüber gehe ich von der Annahme aus, dass Grammatik und Pragmatik, auch wenn sie zu heuristischen Zwecken methodologisch voneinander getrennt werden, in der Realität eng miteinander verbunden sind. Die inhärente Mitteilungsfunktion, die m.E. für den Deklarativsatz konstitutiv ist, liegt hier nicht vor. Hier handelt es sich eindeutig um eine Fragefunktion, auch wenn die Interpretation erst durch die komplexe Bearbeitung der Gesamtsituation möglich wird. Der Satzmodusforscher kann an dem komplizierten Zusammenhang der grammatischen Ausdrucksmittel auf verschiedenen Beschreibungsebenen sowie an der Komplexität der grammatischen, semantischen und pragmati12

schen Interpretationsmechanismen nicht vorbeigehen. Die Satzmodusforschung ist ein guter Anlass, an das Phänomen der natürlichen Sprache nicht atomistisch heranzugehen, das Blickfeld der Forschung nicht nur auf isolierte sprachliche Phänomene zu konzentrieren, sondern die Sprache in ihrer Komplexität zu betrachten, innere Zusammenhänge des Sprachsystems und der Sprachverwendung zu erkennen. Mit der vorliegenden Monographie verfolge ich auch ein weiteres Ziel. Die grundlegenden Satzmodi, so auch der interrogative, sind an kommunikative Grundfunktionen der natürlichen Sprache gebunden. Dementsprechend bildeten sich ihre prototypischen Realisierungsmuster bereits in frühen Stadien der Sprachentwicklung heraus und bilden relativ stabile Bestandteile des Sprachsystems. Umso interessanter ist es, wenn man im europäischen Vergleich eine Wechselwirkung der Sprachen beobachten kann. Besonderen Belang kann dabei der deutsch-ungarische Vergleich haben, weil es sich hier um zwei genealogisch nicht verwandte und auch sprachtypologisch sehr unterschiedliche Sprachen handelt, die aber in der Mitte des europäischen Sprachgebietes schon seit mehr als tausend Jahren eng zusammenleben. Die Wirkung der Sprachen aufeinander kann man teilweise bereits auf der Systemebene nachweisen, noch eindeutiger aber in bestimmten Tendenzen des Sprachgebrauchs, die durch eingehende Korpusuntersuchungen sichtbar gemacht werden können. Somit können meine Untersuchungen hoffentlich auch einen bescheidenen, aber wertvollen Beitrag zu der sich zurzeit etablierenden neuen sprachwissenschaftlichen Richtung, der sog. Eurolinguistik leisten. Meine Forschungen sind vor allem durch die Satzmodustheorie und durch die einschlägigen empirischen Untersuchungen von Hans Altmann und seiner Münchner Forschergruppe angeregt. Der andere theoretische Grundpfeiler der vorliegenden Arbeit ist das in Mannheim von Gisela Zifonun erarbeitete kontrastiv-typologische Modell, nach dem vor allem europäische Sprachen vor einem soliden sprachtypologischen Hintergrund verglichen werden können. Nach einem kurzen theoretischen Überblick, in dem die notwendigen theoretischen Rahmen für die folgenden Untersuchungen gesetzt werden, wird zuerst die Interrogativmarkierung in neun Sprachen, die zugleich als ein „typologischer Querschnitt“ der europäischen Sprachen betrachtet werden können, verglichen. In diesem Kapitel, das auch als sprachtypologischer Hintergrund für die deutsch-ungarischen Vergleiche angesehen werden kann, wird notwendigerweise reduktionistisch vorgegangen und die Untersuchung auf prototypische Realisierungsmuster beschränkt. Den Hauptteil der Arbeit bildet die Untersuchung der deutschen und der ungarischen Interrogativsätze aufgrund eines für dieses Thema geplanten und sorgfältig zusammengestell13

ten deutsch-ungarischen Vergleichskorpus. Dabei werden auf ungarischer Seite auch Strukturen beschrieben, die in der bisherigen Forschung noch überhaupt nicht oder nur am Rande berücksichtigt wurden. Die deutsche Seite enthält zwar weniger deskriptive Neuigkeiten, da sie in der einschlägigen Literatur bereits ausführlich behandelt wurde. Der Vergleich mit dem Ungarischen lässt aber auch das deutsche Interrogativsystem aus einer neuen Perspektive sehen und es gibt auch hier einige Einzelfragen wie z.B. der Modalpartikelgebrauch in peripheren Interrogativtypen oder die Wechselwirkung der sog. question tags und der syntaktischen Satzstruktur, die auch als deskriptives Novum anzusehen sind. Die Monographie ist die gekürzte und aufgrund meiner letzten Ergebnisse überarbeitete Fassung meiner an der Budapester Eötvös-Loránd-Universität 2011 eingereichten und 2012 erfolgreich verteidigten Habilitationsschrift. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an alle Kollegen aussprechen, die mich während der Arbeit mit fachkundigen Ratschlägen unterstützt haben: Hans Altmann (München), Peter Bassola (Szeged), Daniel Baudot (Bordeaux), Ludwig Maximilian Eichinger (Mannheim), Eckehard Felder (Heidelberg), Regina Hessky (Budapest), Ferenc Kiefer (Budapest), Elisabeth KnipfKomlósi (Budapest), Jörg Meibauer (Mainz), Gisela Zifonun (Mannheim). Ich danke auch den MitarbeiterInnen meiner Forschungsprojekte, 1 die bei der Bearbeitung der einschlägigen Literatur und in den empirischen Analysen behilflich waren: Rita Brdar-Szabó und Katalin Horváth (in Bezug auf den theoretischen Rahmen), Barbara Beczner (in Bezug auf das Finnische), Gizella Nagy (in Bezug auf das Englische) und Cristina Onesti (in Bezug auf das Italienische). Ich danke auch meiner Familie, meiner Frau und meinen Töchtern für die Geduld.

1

Die empirischen Untersuchungen wurden in zehn Jahren in mehreren geförderten Forschungsprojekten durchgeführt: Der Ungarische Förderungsfonds wissenschaftlicher Forschung hat uns in drei Etappen unterstützt: 2002-2004 (OTKA T037670), 2005-2008 (OTKA T049738), 2010-2011 (OTKA NN79763). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat zum Projekt mit der Förderung des wissenschaftlichen Austausches zwischen unserer Forschergruppe und der Münchener Forschergruppe von Hans Altmann beigetragen (DFG AL 173/5-1). Ich habe zweimal das BolyaiJános-Forschungsstipendium der Ungarischen Akademie der Wissenschaften erhalten (2004-2007 und 2009-2011).

14

1 Theoretischer Hintergrund 1.1 Die Kategorie Satzmodus Sätze sind laut IDS-Grammatik „Einheiten des sprachlichen Ausdrucks und als solche formale Gebilde“ (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997:597), denen in einer kommunikativen Situation eine kommunikative Leistung zugeschrieben werden kann. „Nur im Hinblick auf die Leistung, die mit solchen Einheiten im Zuge sprachlicher Interaktion zu erbringen ist, können sie überhaupt als Grundeinheiten für eine grammatische Analyse erkannt werden“ (ebenda). Der Satzmodus verbindet die Formseite des Satzes mit der Funktion (vgl. Altmann 1987:23) bzw. mit der Leistung der Sätze in der sprachlichen Interaktion. Er ist auf der Schnittstelle zwischen Grammatik und Pragmatik zu definieren. Definitorische Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass Fragen nach dem Verhältnis des Satzmodus zum formal-grammatisch definierbaren Satztyp einerseits sowie zum handlungstheoretisch definierbaren Illokutionstyp andererseits in der Fachliteratur oft nicht nur unterschiedlich beantwortet, sondern je nach dem hintergründigen Theoriegebäude auch auf unterschiedliche Weise gestellt werden. In modular kognitiven Ansätzen werden zwei unabhängige Kenntnissysteme postuliert, die miteinander interagieren und deren Wechselwirkung mit einem eigenen Regelsystem beschreibbar ist. Bierwisch (1979, 1980) betrachtet die propositionale Grundeinstellung des Sprechers als Element eines unabhängigen kognitiven Systems, das keine direkte Zuordnung zu einem Element der grammatischen Struktur bzw. dem Illokutionstyp aufweist. Harnish (1994) postuliert sog. Verträglichkeitsbedingungen, durch die das Illokutionspotential eines Satzmodus aus seiner semantischen Grundeinstellung ableitbar ist. Holistische Erklärungsansätze basieren auf der Indirektheitstheorie von Searle (1979). Searle betrachtet diejenigen Realisierungen illokutiver Akte als direkt, bei denen der illokutionäre Zweck aus der Bedeutung der sprachlichen Struktur ableitbar ist, während bei indirekten Sprechhandlungen das Verhältnis der sprachlichen Bedeutung und des vollzogenen illokutiven Typs auf verschiedenen Assoziationen beruht. Thornburg/Panther (1997) plädieren im Rahmen einer kognitiven Metonymietheorie für eine pars-pro-toto-Beziehung der sprachlichen Bedeutung zur illokutiven Kraft der Äußerung. Am Beispiel der Aufforderungshandlungen zeigen die Verfasser, dass das illokutive Szenario aus einer zentralen Situation sowie aus einer Prä- und einer Postsituation besteht. Die zentrale Situation ist die an den Partner gerichtete Aufforderungshandlung selbst, die Präsituation besteht in der Voraussetzung, dass der Partner fähig ist, die 15

Aufforderung zu erfüllen, die Postsituation ist der Vollzug der vom Sprecher gewünschten Handlung durch den Partner. Die direkte Sprechhandlung bezieht sich auf die Zentralsituation, die indirekte entweder auf die Präsituation (z.B. Könnten Sie mir den Koffer abhelfen?) oder auf die Postsituation (z.B. Du wirst jetzt still bleiben!). Satzmodus ist einerseits dem Satz selbst, d.h. einer sprachlichen Formkette zuzuschreiben, die über diese Kategorie auch ohne einen Interaktionszusammenhang auf erkennbare Weise verfügt. Andererseits ist er aber von der pragmatischen Funktion der Sätze in der Äußerungssituation nicht zu trennen, auch wenn er die illokutive Kraft der Äußerung nicht determiniert. Dass ein bestimmtes Illokutionspotential durch die Wahl des Satzmodus mitgewählt wird, zeigen deutliche Häufigkeitskorrelationen zwischen Deklarativsätzen und Mitteilungshandlungen oder Interrogativsätzen und Fragehandlungen. Im Falle von Divergenzen können verschiedene Assoziationen, z.B. Metonymierelationen, als verbindende Kette postuliert werden. Besonders eng ist dieser Zusammenhang in den Fällen, in denen der Satzmodus vom Sprachsystem her nicht eindeutig markiert werden kann wie z.B. im Falle von Kurzstrukturen. In den Analysen wird gezeigt, dass eingliedrige Kurzsätze häufig erst dadurch eindeutig als Interrogativsätze identifiziert werden können, dass die Fragefunktion der Äußerung im gegebenen Interaktionszusammenhang erkannt wird. Ferner wird Satzmodus in modalitätstheoretischen Ansätzen mehrheitlich als die propositionale Grundeinstellung des Sprechers verstanden.2 So lasse sich der Deklarativsatzmodus z.B. durch die Formel ‚S glaubt, dass p‘,3 der Imperativsatzmodus durch ‚S will, dass H p vollzieht‘, der Interrogativsatzmodus etwa durch ‚S will wissen, ob p‘4 beschreiben. Altmann (1993a:1007) postuliert für jeden Satzmodus eine propositionale Grundeinstellung, durch die unterschiedliche Satztypen, die die gleiche Grundeinstellung des Sprechers ausdrücken, in die gleiche Kategorie geordnet werden können. Nach anderen – überwiegend generativ und postgenerativ verankerten – Satzmoduskonzepten sei das definitorische Merkmal der Satzmodi ein jeweils satzmodusspezifischer einstellungsfreier Referenztyp (vgl. Reis/Rosen2

U.A. bei Kiefer (1990:8f., 1997:245). In neueren Modalitätskonzepten scheint jedoch der Modalitätsbegriff enger definiert zu werden. Van de Auwera/Plungian (1998: 82) unterbringen die Modalität auf der semantischen Skala zwischen Möglichkeit (‚possibility‘) und Notwendigkeit (‚necessity‘). 3 Legende: S: Sprecher, H: Hörer, p: Proposition. 4 Bzw. in den Ergänzungsinterrogativsätzen durch die Interrogativphrase spezifiziert: ‚..., wo p, ..., wie p’ usw.

16

gren, Hgg, 1991, Brandt u.a. 1992:34ff.). So zeichne sich der Interrogativsatz durch eine offene, ergänzungsbedürftige Proposition aus, während Deklarativsätze über eine abgeschlossene Proposition verfügten. Das semantische Satzmodusmerkmal wird in diesen Konzepten in eine spezifische Beziehung zur syntaktischen Struktur gesetzt, auch wenn nur auf einer abstrakten syntaktischen Repräsentationsebene. Die beiden Auffassungen unterscheiden sich auch darin, ob sie eingebetteten Sätzen eine selbstständige Satzmoduskategorie zuschreiben. Mit eingebetteten Sätzen wird zwar keine propositionale Grundeinstellung des Sprechers ausgedrückt, auch sie verfügen jedoch über einen Referenztyp. Lohnstein (2000:33) stellt eine Verbindung zwischen den einstellungsorientierten und den referenztyporientierten Konzepten her, indem er für die drei grundlegenden Satzmodi, des Deklarativ-, des Interrogativ- und des Imperativsatzes drei Einstellungen, die assertive, die erotetische und die direktive postuliert, aber zugleich auch drei verschiedene Bedingungen für die Evaluierung des Satzinhaltes: für Deklarativsätze Wahrheitsbedingungen, für Interrogativsätze Antwortbedingungen und für Imperativsätze Erfüllensbedingungen. Dementsprechend verfügten sie über verschiedene Typen von Propositionen. M.a.W. würde mit diesen drei Satzmodi auf drei unterschiedliche Weisen auf die Realität Bezug genommen. Aus diesen unterschiedlichen Propositionstypen könnten die jeweils spezifischen Einstellungstypen abgeleitet werden. Ich gehe davon aus, dass diese unterschiedlichen Auffassungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können. Unter Satzmodus verstehe ich im Folgenden unterschiedliche Typen der Konzeptualisierung propositionaler Inhalte. Die unterschiedliche Konzeptualisierung hat einerseits eine relevante Auswirkung auf die propositionalen Strukturen, d.h. die Proposition eines Interrogativsatzes weist notwendigerweise eine vom Deklarativsatz unterschiedliche propositionale Struktur auf. Da aber Sprecher die Inhalte mit einer bestimmten kommunikativen Absicht konzeptualisieren, sind mit diesen Konzeptualisierungen Einstellungen verbunden, aus denen in enger Verbindung mit dem jeweiligen Interaktionszusammenhang eine Sprecherintention ableitbar ist. Die unterschiedlichen Konzeptualisierungen sind auch auf niedrigeren syntaktischen Ebenen vorhanden, so können sie auch eingebettete Strukturen charakterisieren. Eine Einstellung kann jedoch nur einem Matrixsatz zugeordnet werden, der eine potentiell selbstständige kommunikative Minimaleinheit darstellt. Eine satzmodusrelevante Sprechereinstellung ist also ein häufiges begleitendes Merkmal, jedoch keine unentbehrliche Komponente der Satzmodusbedeutung.

17

1.2 Die Kategorie Interrogativsatz Im vorliegenden Kapitel wird ausgehend von der reichlich vorhandenen einschlägigen Literatur eine Arbeitsdefinition des Interrogativsatzes mit Hilfe der für die Interrogativsätze charakteristischen Konzeptualisierung propositionaler Inhalte erarbeitet. Die zugrunde liegende Art der Konzeptualisierung wird im Folgenden Interrogativität genannt. Sie ist eine kognitiv-funktionale Domäne, die die Vergleichsgrundlage für die Beschreibung der Interrogativsätze in mehreren Sprachen bildet. 1.2.1 Semantik In der einschlägigen Literatur herrscht weitgehend Konsens darüber, dass sich die Semantik der Interrogativsätze mit Hilfe der möglichen kongruenten Antworten beschreiben lässt (vgl. Karttunen 1977). Nach der formalen Semantik (vgl. Hausser/Zaefferer 1978, Zaefferer 1984, Grinzburg 1995:§2.2., Bäuerle/Zimmermann 1991:§3) sind Satzmodi semantische Funktionen. Funktion lässt sich allgemein als eine eindeutige Zuordnung definieren, durch die einer Größe eine andere zugeordnet wird. Der Deklarativsatz stellt dementsprechend eine einfache Funktion dar, indem der jeweils angesprochenen Welt als Variable diejenige der möglichen Welten zugeordnet wird, in der der ausgesagte Inhalt wahr ist. Der Interrogativsatz stellt hingegen eine komplexe Funktion dar, seine Struktur enthält eine weitere Variable, nämlich die der kongruenten Antworten. Eine Binnengliederung ergibt sich auf übereinzelsprachlicher semantischer Basis dadurch, dass diese Variable zwei- oder mehrwertig sein kann. Zweiwertig ist sie, wenn die möglichen Werte das Bestehen bzw. das Nichtbestehen der Proposition in der zugeordneten Welt sind, in diesem Fall liegt ein Entscheidungsinterrogativsatz (im Folgenden: ENTI)5 vor. Bei einer mehrwertigen Variable ergibt sich der Ergänzungsinterrogativsatz (im Folgenden: ERGI). Außer den zwei Grundtypen lassen sich auch zwei Nebentypen übereinzelsprachlich definieren: der multiple Interrogativsatz, z.B. Wer liebt wen?, ist als Spezialfall des Ergänzungsinterrogativsatzes anzusehen, der Alternativinterrogativsatz ist mit dem Entscheidungsinterrogativsatz verwandt, wobei die zwei Werte die im Satz angegebenen Alternativen sind: Liebt Klaus Anna oder Eva? In der von Groenendijk/Stokhof (1984, 1997) entwickelten Partitionierungstheorie wird das Verhältnis des einstellungsbezogenen und des referenz5

Zu den verwendeten Abkürzungen s. den Anhang.

18

typbezogenen Ansatzes plausibel erklärt. Propositionen seien in Bezug auf einen Index interpretiert, der eine Koordinate einer Welt w und einer Zeit t ist: . Der Index werde vom Sprecher partitioniert, d.h. in Unterindizes geteilt. Mit dem ENTI werde eine Bipartition gebildet, indem die Indexwelt in die wahren und in die nicht wahren Propositionen geteilt werde. Mit dem Deklarativsatz reduziere die Partitionierung dadurch, dass nur eine Proposition als in der gegebenen Indexwelt wahr angegeben werde. Der Ergänzungsinterrogativsatz stelle eine erweiterte Partition dar, indem mehrere Propositionen als potentiell wahr zugelassen werden. (1) Deklarativsatz Interrogativsatz Entscheidungsinterrogativsatz Ergänzungsinterrogativsatz

→ → → →

reduzierte Partition nicht reduzierte Partition Bipartition erweiterte Partition

Aufgrund der Partitionierungstheorie entwickelte Lohnstein (2000:51ff.) ein Modell für die semantische Beschreibung der eingebetteten Interrogativsätze. Die Semantik eines ob-Satzes lasse sich auf folgende Weise auf die eines dass-Satzes zurückgeführt werden. Der Satz Peter weiß, ob Otto schwimmt. (Beispiel von Lohnstein 2000:51) wird aufgrund zweier Prämissen interpretiert: wenn Otto tatsächlich schwimmt und wenn Otto nicht schwimmt. Im Falle der Wahrheit der ersten Prämisse sei die Bedeutung des ob-Satzes identisch mit der eines dass-Satzes. Wenn jedoch die zweite Prämisse wahr ist, sei die Bedeutung des ob-Satzes identisch mit der des negierten dass-Satzes. (2) Peter weiß, ob Otto schwimmt. + [Otto schwimmt.] → Peter weiß, dass Otto schwimmt. Peter weiß, ob Otto schwimmt. + [Otto schwimmt nicht.] → Peter weiß, dass Otto nicht schwimmt. (Beispiele von Lohnstein 2000:51)

Im gleichen Verhältnis stehe auch ein eingebetteter w-Satz zu einem dassSatz. (3) Peter weiß, wer schwimmt. + [Otto schwimmt.] → Peter weiß, dass Otto schwimmt. Peter weiß, wer schwimmt. + [Klara schwimmt.] → Peter weiß, dass Klara schwimmt. (Beispiele von Lohnstein 2000:51)

M.a.W. besteht der Unterschied zwischen einem eingebetteten Interrogativsatz und einem eingebetteten Deklarativsatz darin, dass die Interrogativsätze in jedem Index etwas anderes denotieren, abhängig davon, welcher Tatbe19

stand in der angesprochenen Indexwelt wahr ist. Ein eingebetteter Deklarativsatz denotiert indexunabhängig immer den gleichen Tatbestand. Es ist sichtbar geworden, dass der semantische Unterschied zwischen dem eingebetteten Deklarativ- und Interrogativsatz analog dem Unterschied zwischen den entsprechenden Matrixsätzen ist. Während mit Matrixinterrogativsätzen der Antwortraum partitioniert wird, teilt der Sprecher mit den abhängigen Interrogativsätzen die möglichen Indexwelten, in denen die gegebenen Sätze interpretierbar sind, auf ähnliche Weise in Partitionen. Mit eingebetteten Sätzen werden jedoch keine Fragen gestellt. Folglich gibt es hier keinen Antwortraum und keine Einstellung des Sprechers, etwas erfahren zu wollen. Die semantische Struktur dieser Satztypen lässt sich aber analog beschreiben. Ein wesentlicher Aspekt der idiosynkratischen Parametrisierung der Ergänzungsinterrogativsätze besteht in der semantischen Beschreibung des Inventars der Interrogativphrasen, das sogar im europäischen Vergleich große Unterschiede aufweist. Dafür gilt das Ungarische als ein besonders gutes Beispiel. Im agglutinierenden Ungarisch können die nominalen Interrogativwörter ki ‚wer‘ und mi ‚was‘ aus sprachinternen Gründen mit allen Nominalsuffixen kombiniert werden, so haben sie auch Pluralformen (kik, mik). So kann eine Frage derart gestellt werden, dass nur eine Antwort im Plural kongruent ist. Mit dem Beispiel (4) wird präsupponiert, dass der Sprecher weiß, dass der Partner mehrere Leute getroffen hat, dass er aber nicht weiß, wer genau diese Leute waren. Dies kann im Deutschen nur mit einer Periphrase ausgedrückt werden: (4) Ki - k - kel találkoztál? Wer-Pl.-mit trafst du Vgl. im Deutschen: Welche Leute hast du getroffen?

1.2.2 Pragmatische Aspekte Interrogativsätze, die in einer Interaktion realisiert werden, werden auf vielerlei Weise pragmatisch differenziert. Auch wenn die pragmatischen Merkmale i.A. keine Komponente der Satzmodusbedeutung bilden,6 dürfen sie in der linguistischen Beschreibung nicht als zusätzliche Komponenten mit akzessorischer Relevanz betrachtet werden, sondern gehören zu den Wesensmerkmalen dieser Sätze. Die pragmatischen Färbungsmöglichkeiten sind mit dem gegebenen Satzmodus eng verbunden. 6

Die Satzmodusbedeutung liegt meistens auch in pragmatisch neutralen isolierten grammatischen Beispielsätzen erkennbar vor.

20

Es gibt einen kontinuierlichen Übergang zwischen den Ausdrucksmitteln der pragmatischen Differenzierung sowie den formalen Satzmodusmerkmalen wie dies anhand konkreter Beispiele zu den Abgrenzungsproblemen der Modalpartikeln und der Satzmoduspartikeln, anhand der Beschreibung der Verbstellung in mehreren europäischen Sprachen sowie auch anhand der Einstufung bestimmter intonatorisch-prosodischer Merkmale gezeigt wird. Da die pragmatische Interpretation auf die semantische zurückwirkt, besonders in den Fällen, in denen das Sprachsystem keine eindeutigen Formmerkmale zur Satzmodusmarkierung bereit stellt, können sich konventionalisierte Ausdrucksmittel der pragmatischen Differenzierung des Interrogativsatzes zu Satzmodusmerkmalen entwickeln. Durch die Beobachtung mehrerer Kontrastsprachen kann man eine relativ zuverlässige Liste derjenigen pragmatischen Differenzierungsmöglichkeiten erstellen, die im europäischen Kulturkreis typischerweise mit dem Interrogativsatz verbunden sind. Dies schließt nicht aus, dass es in anderen Sprachen/Kulturen auch andere konventionalisierte Techniken der pragmatischen Färbung von Interrogativsätzen geben kann. a) ENTI drücken häufig eine bestimmte (positive oder negative) Antworterwartung aus. Im Deutschen sind dafür besonders die Modalpartikeln auch und etwa zuständig. b) Interrogativsätze haben in der Situation eine zurückverweisende oder eine voraus verweisende Funktion. Im ersten Fall drückt der Sprecher aus, dass die Fragestellung durch die Situation (häufig durch eine nicht gut verstandene oder unerwartete Äußerung bzw. Situation) motiviert ist. Im zweiten Fall will der Sprecher mit der Äußerung des Interrogativsatzes eine Nachsituation initiieren (ein Thema für den weiteren Diskurs nennen usw.). Im Deutschen sind die Modalpartikeln denn und eigentlich besonders geeignete Ausdrucksmittel für eine derartige pragmatische Färbung. c) Mit den sog. assertiven Interrogativsätzen konvertiert der Sprecher eine angefangene Assertion am Ende in eine Frage, er drückt damit aus, dass er im gegebenen Sachverhalt ziemlich sicher, jedoch nicht absolut sicher ist, deshalb letztendlich eine Frage stellen will. Typische Vertreter sind im Deutschen (und auch in anderen germanischen Sprachen) Verbzweit-Sätze mit Interrogativintonation (vgl. Reis 1999, Gunlogson 2003, Šafářová 2007). Der Übergang zwischen dem Deklarativ‒ und dem Interrogativsatz ist fließend. Es gibt Interrogativsätze, in deren Hintergrund eine leichte assertive Komponente steht, die als Grund für eine implizierte Polemik, eines implizierten Vorwurfs usw. dienen kann. So wird in dieser Arbeit auch über unterschiedliche Rhetorizitätsgrade gesprochen (vgl. Meibauer 1986, Pérennec 1995, Fernandez Bravo 1995, Rost-Roth 2003). In vielen Sprachen, in denen optionale Interrogativpartikeln vorhanden sind wie im Russischen oder im Ungari21

schen, können sie kontextbedingt auch als Rhetorizitätsmarker gelten. Der Grad der Rhetorizität kann aber immer nur im konkreten Interaktionszusammenhang bestimmt werden. d) Fragen kann der Sprecher auch für sich stellen, indem er über ein Problem, über eine Sache nachdenkt. Diese „nachdenkenden“ Interrogativsätze sind die sog. deliberativen Interrogativsätze (vgl. Altmann 1993a:1021). Typische Ausdrucksmittel sind dafür im Deutschen selbstständige ob-Verbletzt-Sätze, häufig mit der Modalpartikel wohl kombiniert (Ob sie mich wohl verstanden hat?), im Ungarischen dient dazu die Modalpartikel vajon. e) Fragen stellt man häufig auch für metakommunikative Zwecke, als Rückfragen auf eine nicht verstandene Information. Die entsprechenden Interrogativsätze sind sog. Echo-Interrogativsätze, die in den meisten Sprachen über besondere Formmerkmale verfügen (vgl. Reis 1991, 1992a). f) Fragen stellt ein Sprecher manchmal auch zu Kontrollzwecken, damit er sich vergewissert, ob sein Partner über etwas Bescheid weiß oder nicht. Die entsprechenden Interrogativsätze können auch besondere Merkmale haben, häufig sind sie intonatorisch abweichend markiert. Sie sind die didaktischen oder Kontrollinterrogativsätze. 1.2.3 Formmerkmale Jede Einzelsprache stellt idiosynkratisch eingebundene Ausdrucksmittel zur Realisierung der Interrogativsätze zur Verfügung, die durch innere Relationen zu anderen Elementen des Sprachsystems über besondere semantische Funktionen verfügen. Diese sind fähig, die Interrogativsätze auf verschiedene, für die jeweilige Einzelsprache charakteristische Weise zu modifizieren. Die durch idiosynkratische Regeln bedingten Kombinationsmuster der interrogativen Ausdrucksmittel ergeben einzelsprachlich festgelegte Satztypen, durch die eine für die jeweilige Sprache charakteristische „Binnengliederung“ der funktionalen Domäne der Interrogativität entsteht. Altmann (1993a:1009ff.) ordnet die relevanten Formmerkmale der deutschen Satzmodi in vier Gruppen, in die der morphologischen Merkmale, der kategorialen Füllung, der Reihenfolgemerkmale und der intonatorischen Merkmale. Diese vier Merkmalgruppen entsprechen den vier Beschreibungsebenen des Satzes:     22

morphematische Ebene lexikalisch-kategoriale Ebene syntaktische Ebene suprasegmentale Ebene

Die Beobachtung meiner Kontrastsprachen bestätigt, dass Interrogativsätze auf allen vier Ebenen markiert werden können. Auf der morphematischen Ebene sind Interrogativmorpheme anzusiedeln, die in der finiten Verbform integriert sind. Auf der lexikalisch-kategorialen Ebene stehen einerseits Partikeln ohne Phrasenwert (Interrogativpartikeln), andererseits auch Wörter oder eventuell Mehrworteinheiten mit Phrasenwert (Interrogativphrasen). Auf der syntaktischen Ebene sind in erster Linie die Reihenfolgeverhältnisse relevant, ferner auch besondere Konstruktionen, wobei bei den letzteren oft schwierig zu entscheiden ist, wie weit grammatikalisierte Ausdruckmittel und wie weit lexikalische Periphrasen vorliegen. Die suprasegmentalen Merkmale sind nach Altmann die Akzentverhältnisse sowie die Intonation, ferner können auch mindestens am Rande weitere prosodische Merkmale berücksichtigt werden, wobei die Grenzziehung zwischen Intonation und Prosodie eine besondere Schwierigkeit bedeutet und für die vorliegende Arbeit auch nur über eine bedingte Relevanz verfügt. Die aufgezählten Beschreibungsebenen sind nicht diskret zu trennen, vielmehr weisen sie zahlreiche Übergänge auf: Es gibt Übergänge zwischen gebundenen Morphemen und Partikeln. Im Türkischen verhält sich das Interrogativmorphem mi, das meistens in die Verbfom integriert wird, in einigen Tempora sowie in nominalen Konstruktionen partikelähnlich. In vielen Sprachen, die über Interrogativpartikeln verfügen, sind diese Partikeln eigentlich Klitika, d.h. Übergangsformen zwischen einer Partikel und einem grammatischen Morphem. Deshalb werde ich die morphematische und lexikalischkategoriale Ebene auch nicht immer voneinander trennen, sondern im Allgemeinen mit der Gesamtbezeichnung lexikogrammatische Ebene versehen. Ebenso können die syntaktische und die suprasegmentale Ebene nur aufeinander bezogen werden. Reihenfolgeverhältnisse im Satz hängen sehr eng mit den Akzentverhältnissen und mit der melodischen Realisierung zusammen, so dass man oft schwierig abgrenzen kann, welche satzmodusrelevanten Funktionen durch die Reihenfolge und welche durch die suprasegmentalen Mittel ausgedrückt werden. 1.2.4 Eine Arbeitsdefinition Interrogativität kann aufgrund der obigen Überlegungen als eine semantische Kategorie mit relevanten pragmatischen Aspekten definiert werden. Der Sprecher konzeptualisiert den auszudrückenden propositionalen Inhalt dadurch, dass er ihn zu einer Indexwelt ordnet. Durch die Satzmoduskategorie wird diese Indexwelt partitioniert. Während mit einem Deklarativsatz die gegebene Indexwelt auf lediglich eine wahre Proposition reduziert wird, wird 23

sie mit dem Interrogativsatz in eine Bipartition oder in eine erweiterte Partition gegliedert. Vereinfacht gesagt wird mit dem Interrogativsatz die Möglichkeit für zwei oder mehrere wahre Propositionen offen gelassen. In diesem Sinne kann über eine offene Proposition im Gegensatz zur geschlossenen Proposition des Deklarativsatzes gesprochen werden. Dadurch, dass die Indexwelt des Interrogativsatzes in zwei oder in mehrere Partitionen gegliedert werden kann, ergibt sich eine übereinzelsprachlichsemantische Binnengliederung in den Entscheidungs- und in den Ergänzungsinterrogativsatz. Beide weisen je einen – ebenso übereinzelsprachlichsemantisch definierbaren Nebentyp auf, den Alternativinterrogativsatz und den multiplen Interrogativsatz. Falls mit dem Interrogativsatz eine selbstständige Äußerung in einer Interaktion realisiert wird, wird die offene Semantik auf den möglichen Antwortraum bezogen. In diesem Fall wird eine Sprechereinstellung mitverstanden, nämlich eine Wissenslücke des Sprechers und zugleich der Wunsch, diese Wissenslücke zu erfüllen und die Indexwelt (durch die Antwort) auf die eine wahre Proposition zu reduzieren. Interrogativsätze werden als Äußerungen im Interaktionszusammenhang auf verschiedene Weise pragmatisch differenziert, wobei die pragmatische Färbung außer individuellen Aspekten auch kulturspezifisch gebundene konventionalisierte Muster aufweist. Idiosynkratische Ausdrucksmittel legen teilweise den Satzmodus fest, sind teilweise jedoch auch für die pragmatische Differenzierung zuständig. Zwischen den beiden Typen von Ausdrucksmitteln liegt ein kontinuierlicher Übergang vor. Deshalb kann eine sprachliche Analyse des Satzmodus nicht unabhängig von der Analyse der pragmatischen Differenzierung erfolgen. Die Kombination einzelsprachlicher Ausdrucksmittel ergibt idiosynkratisch beschreibbare Satztypen, deren Vergleich teilweise hinsichtlich der strukturellen Ähnlichkeiten und Unterschiede der Sprachen, teilweise aber auch hinsichtlich der hintergründigen kulturellen Ähnlichkeiten und Unterschiede aufschlussreich ist. 1.3 Lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes Auf der lexikogrammatischen Ebene kann der ENTI mit einem Interrogativmorphem oder mit einer Interrogativpartikel markiert werden. Nach Angaben von WALS ist die lexikogrammatische Markierung unter den Sprachen der Welt die häufigste Markierungsform des ENTI (vgl. dazu auch Kap. 2.2.1.). Ein besonderes Problem stellen die sog. question tags dar, die mehrheitlich nachträgliche, parenthetisch hinzugefügte Fragemarker ohne Auswirkung auf 24

die grammatische Struktur bzw. auf den Modus des Restsatzes darstellen. Hier wird jedoch gezeigt, dass sie sich auch zu lexikogrammatischen Merkmalen des Interrogativsatzes entwickeln können. Der ERGI wird in den bis jetzt untersuchten Sprachen der Welt überall mit phrasenwertigen lexikalischen Ausdrücken markiert. Da die semantische Struktur des ERGI eine Variable enthält, die im Antwortsatz mit einem phrasenwertigen Ausdruck spezifiziert wird, enthält auch die syntaktische Struktur des ERGI eine Phrasenstelle für den Interrogativausdruck. Dieser Ausdruck kann in sich syntaktisch komplex sein, das heißt, er kann z.B. mit Präposititionen erweitert werden: mit wem, auf wen usw. Das lexikalische Merkmal des ERGI verfügt also im Satz über einen Phrasenwert, so wird hier in Anlehnung an Brandt u.a. (1992:39) über Interrogativphrasen gesprochen.7 Die phrasenwertigen lexikalischen Morpheme werden, um sie von den gebundenen Interrogativmorphemen sowie von den Interrogativpartikeln abzugrenzen, im Folgenden Interrogativa genannt. 1.3.1 Interrogativpartikeln vs. Modalpartikeln: Möglichkeiten und Grenzen der Abgrenzung Unter den neun untersuchten Sprachen können ENTI in 6 durch Interrogativpartikeln (im Folgenden INT) markiert werden: im Türkischen, im Finnischen, im Ungarischen, im Latein, im Russischen und im Albanischen. Andererseits verfügen einige Sprachen auch über Modalpartikeln (im Folgenden MP), die stets in Interrogativsätzen auftreten (z.B. die deutschen MP denn, eigentlich, etwa und auch, vgl. Weydt/Hentschel 1983). In Sprachen, in denen beide Kategorien vorhanden sind, ist die Grenzziehung zwischen ihnen häufig problematisch. Im Ungarischen scheint die klitische Partikel -e eher eine Interrogativpartikel, vajon dagegen eher eine MP zu sein, deren Distribution der Interrogativsatz ist. Die Partikel ugye stellt einen Übergangsfall zwischen der INT und der MP dar. Eine erste Abgrenzungsmöglichkeit ergibt sich auf semantischer Basis. Hypothetisch könnte man sagen, dass sich die Interrogativpartikeln dadurch auszeichnen, dass sie nur über eine satzmodusmarkierende Funktion verfügen, darüber hinaus jedoch keine weitere pragmatische Funktion haben, keine zusätzlichen Sprechereinstellungen oder sonstige Informationen hinsichtlich des Verhältnisses der Äußerung zur Situation ausdrücken. Die Modalpartikeln tragen im Gegensatz dazu Informationen zum Verhältnis der Äußerung zur Situation bzw. zum Verhältnis des Sprechers und des Hörers zueinander. 7

Brandt u.a. (1992:39) nennen sie w-Phrasen.

25

Sie seien also primär keine Satzmodusmerkmale, könnten aber sekundär auch zur Identifizierung eines Satzmodus beitragen, weil ihre Distribution auf bestimmte Satzmodi beschränkt ist.8 Eine klare Abgrenzung auf reiner semantischer Basis, wie dies hypothetisch skizziert wurde, ist jedoch in Anbetracht der sprachlichen Realität nicht möglich. Im Lateinischen gibt es z.B. drei INT und daraus folgt aufgrund des allgemeinen Ökonomieprinzips eine weitere semantische Differenzierung. So nehmen INT in diesen Sprachen auch Funktionen auf, die in anderen Sprachen durch MP getragen werden. Die lateinische INT num spezialisierte sich auf den Ausdruck der negativen Antworterwartung, wodurch num im lateinisch-deutschen Sprachvergleich mit einer deutschen MP, mit etwa in äquivalent ist. Ferner gibt es Sprachen, in denen ENTI mit und auch ohne INT möglich sind. In ihnen wird mit der INT meistens auch eine zusätzliche Funktion assoziiert. So stellen russische ENTI mit der INT li häufig rhetorische oder Echo-Fragen dar (vgl. Švedova 1980:726), während die neutralen Sachfragen eher ohne li realisiert werden. Einen ähnlichen tendenziellen Unterschied habe ich in Bezug auf das Ungarische sowie auf das Albanische festgestellt. Eine feine pragmatische Nuancierung der Frage kann man also von den INT nicht generell wegdiskutieren. INT und MP weisen aber in den untersuchten europäischen Sprachen tendenzielle syntaktische Unterschiede auf, wobei auch bei den syntaktischen Merkmalen mit Übergangsphänomenen gerechnet werden soll.9 Erstens sind die INT in den von mir untersuchten europäischen Sprachen in der überwiegenden Mehrheit Klitika. Eine klitische Partikel stellt den Übergang zwischen einer Partikel und einem gebundenen Morphem dar. MP werden dagegen selten klitisiert. Dies erklärt sich wohl damit, dass MP eine zusätzliche Sprechereinstellung zur Proposition ausdrücken und die FokusVerhältnisse im Satz nicht wesentlich beeinflussen, während INT zugleich auch fokussierend sind. Unter den deutschen MP gibt es eine, die in einigen Distributionen klitisiert wird, die Partikel denn. (5) Was is’n los?

Bemerkenswert ist aber, dass denn nicht in jedem Satz klitisiert werden kann. In einem ENTI ist diese klitische Realisierung nicht möglich. 8

Wie dies insbesondere bei Thurmair (1989:48f.) ausführlich diskutiert wird. Diese Unterschiede sind zwar – da sie auf formal-grammatischer Basis stehen – nicht als universal zu betrachten, tragen aber zum besseren Verständnis der engen Verbindung der europäischen Sprachen bei. 9

26

(6) *Kommst du’n mit? sondern nur: Kommst du denn mit?

Im Kapitel 3.3.2. wird für den Standpunkt argumentiert, dass denn auf dem Wege ist, sich in bestimmten interrogativen Satztypen (die jedoch alle ERGI sind) zu einer Interrogativpartikel zu entwickeln. Im Beispiel (5) verfügt ’n über keine abtönende Funktion, mit ihm wird keine zusätzliche Sprechereinstellung ausgedrückt, sondern stellt sozusagen eine gewöhnliche, konventionalisierte Komponente einer solchen Frage dar. Zweitens sind die Interrogativpartikeln entweder obligatorisch (wie im Türkischen und im Finnischen) oder optional (Ungarisch, Russisch, Albanisch), während MP bis auf einige hochmarkierte Ausnahmefälle in der Regel fakultativ sind. An dieser Stelle möchte ich terminologisch zwischen Optionalität und Fakultativität unterscheiden. Unter Fakultativität verstehe ich, dass sie keinen wesentlichen Einfluss auf die syntaktische Struktur des Satzes ausüben, dass die Eliminierung der MP weder die Grammatikalität des Satzes zerstört, noch die wesentliche Veränderung der Satzstruktur bewirkt. Optionale Partikeln sind zwar auch nicht obligatorisch, sind aber konstitutive Merkmale eines Satztyps, indem sie eine starke Korrelation mit anderen, vor allem syntaktischen und suprasegmentalen Merkmalen aufweisen. Wenn sie nicht benutzt werden, wird ein anderer Satztyp realisiert und die ganze Satzstruktur geändert. Relativ zu einem Satztyp sind sie also obligatorisch. Die Belege unter (7) zeigen, dass die Eliminierung der deutschen MP keine relevante Auswirkung auf die Strukturmerkmale des Satzes hat. (7) Was machst du denn hier? Bin ich etwa verrückt?

→ Was machst du hier? → Bin ich verrückt?

Die ungarische Interrogativpartikel –e korreliert hingegen mit dem satzabschließenden Intonationsschluss, indem im ENTI ohne Interrogativpartikel eine steigend-fallende Interrogativintonation obligatorisch ist, während ENTI mit Interrogativpartikel mit der fallenden Defaultintonation realisiert werden. Die Kombination der Interrogativpartikel mit der Interrogativintonation ergibt einen markierten Nebentyp, der unbedingt mit einer EchoInterpretation verbunden ist. Somit ist die ungarische Interrogativpartikel -e nicht einfach fakultativ, ihr Gebrauch legt bestimmte Typen des ENTI fest.

27

10

(8) Lehet ebben a boltban zöldséget kapni? [/\] ---- Haupttyp I. möglich dies-in ART Laden-in Gemüse kaufen Lehet-e ebben a boltban zöldséget kapni? [\] ---- Haupttyp II. Hogy lehet-e ebben a boltban zöldséget kapni? [/\] --- spezialisierter Nebentyp: ‚Echo‘

Auch in den anderen untersuchten Sprachen, in denen Interrogativpartikeln optional sind, wird gezeigt, dass die Interrogativsätze mit und ohne Interrogativpartikel verschiedene Syntax haben. 1.3.2 Question tags als potentielle lexikogrammatische Merkmale des Interrogativsatzes Die question tags betrachtet man in der Linguistik als nachträgliche Fragemarker, die im Allgemeinen dazu dienen, eine angefangene Assertion am Ende in eine Frage umzuformen (vgl. Gunlogson 2003). Deshalb werden sie in der Linguistik selten problematisiert. Im Englischen bilden sie satzwertige Ausdrücke, die ein Auxiliar und ein Pronomen enthalten und deren grammatische Form diversen Restriktionen unterworfen ist (vgl. ausführlich Hoffmann 2006). Bei der Beschreibung der question tags wurden jedoch in der bisherigen Forschung m.E. zwei wesentliche Aspekte vernachlässigt. Einerseits sind sie in vielen europäischen Sprachen mehrheitlich lexikalisierte Ausdrücke. Im Deutschen verfügen sie nur noch in Ausnahmefällen über eine satzwertige Form (z.B. nicht wahr?, stimmt?), meistens sind sie aber partikelähnliche monolexikalische Einheiten (die umgangssprachliche Form ge? hat sich z.B. von der ursprünglichen Verbform gilt getrennt und funktioniert wie eine Partikel). Andererseits kann man durch Korpusuntersuchungen nachweisen, dass sie im Deutschen besonders in der lockeren gesprochenen Sprache auch in Interrogativsätzen zur Verdeutlichung des Satztyps benutzt werden. Entgegen der herkömmlichen Auffassung in der einschlägigen Literatur wird hier dafür plädiert, dass question tags im Deutschen auf dem Wege sind, sich zu lexikogrammatischen Interrogativmerkmalen zu entwickeln. Im Ungarischen hat sich die Interrogativpartikel ugye eindeutig aus einem satzwertigen question tag entwickelt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten question tags in anderen Untersuchungssprachen leider nur am Rande be-

10

Zur Erklärung der den Intonationstyp beschreibenden Symbole vgl. das „Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole“ im Anhang.

28

rücksichtigt werden, der deutsch-ungarische Vergleich liefert aber neue Erkenntnisse zu ihrer allgemeinen Theorie. 1.3.3 Interrogativa und Interrogativphrasen Interrogativa sind nach unseren bisherigen Kenntnissen in allen natürlichen Sprachen vorhanden (vgl. WALS, Chapter 93). Es ist jedoch interessant, dass die Ausdrücke, die als Interrogativa funktionieren können, in vielen Sprachen auch als Indefinita und als Relativa auftreten: It cannot be an accident that many languages use wh-words not only in interrogatives but also in relatives and for the expression of indefinites. Thus, a scoped wh-phrase or a Q-particle in sentence peripheral scope position can have an extra feature that might be missing from a wh-in-situ element. If that is the case, however, there is no reason for the wh-in-situ element to undergo movement to the scope position in order to get its wh-feature checked. (Bayer 2006:10f.) Die Definition der Interrogativa ist besonders schwierig, weil diese Ausdrücke auch außerhalb des Interrogativsatzes wesentliche Funktionen tragen können. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen diesen Funktionen sowie ihr semantischer Zusammenhang werden hier in Bezug auf die einzelnen Sprachen erörtert. Soviel kann jedoch vorausgeschickt werden, dass die Interrogativa allein nicht unbedingt eindeutige Merkmale des ERGI darstellen: es ist denkbar, dass ambige Strukturen gebildet werden können, die nicht nur als ERGI, sondern auch als Deklarativsätze mit einem Indefinitum oder als Relativsätze funktionieren können. Dieses Problem wird hier mit zwei einfachen deutschen Beispielen angedeutet: (9) Wer wagt? – fragt er. vs. Wer wagt, gewinnt.

In ähnlichen syntaktisch ambigen Strukturen wird in den südostasiatischen Sprachen, im Chinesischen, im Koreanischen und im Japanischen, auch im ERGI eine verdeutlichende Interrogativpartikel benutzt (vgl. Bayer 2006:2,24). Analoge Verwendungen einer Interrogativpartikel lassen sich im frühen Althochdeutsch noch eindeutig nachweisen (vgl. Axel 2007:35f.). Hier wird gezeigt, dass sich die MP denn im Gegenwartsdeutsch zu einer ähnlichen verdeutlichenden Partikel in ERGI entwickelt. In anderen europäischen Sprachen wird im ERGI im Allgemeinen keine INT benutzt. Stattdessen verfügen die ERGI in diesen Sprachen über eigene syntaktische bzw. 29

suprasegmentale Merkmale, die sie von den entsprechenden Relativ- bzw. Exklamativsätzen unterscheiden. Besonders interessant ist die Abgrenzung der eingebetteten Interrogativsätze von den Relativsätzen wie im Beispiel (10): (10) Wer gewonnen hat, weiß ich nicht. vs. Wer gewonnen hat, hat auch viel trainiert.

In Bezug auf die einzelnen Sprachen wird gezeigt, dass die Sprachen verschiedene Disambiguierungstechniken entwickelt haben. So entwickelte sich im Ungarischen ein eigenes Relativum mit einer vom Interrogativum unterschiedlicher Form. Im eingebetteten Interrogativsatz wird das Interrogativum hinter einen die Subordination markierenden Subjunktor gestellt, während im Relativsatz ein davon formal unterschiedliches Relativpronomen am Anfang des eingebetteten Satzes steht. (10‘) Hogy ki nyert, nem tudom. vs. Aki nyert, az sokat is edzett. dass wer gewann, nicht weiß-ich Wer gewann der viel auch trainierte

1.4 Syntaktische Markierung des Interrogativsatzes In den germanischen Sprachen, so auch im Deutschen grammatikalisierte sich vor allem die Verberst-Verbzweit-Opposition schon in frühen Stadien der Sprachentwicklung zu einem Satzmodusmerkmal, das in erster Linie zur ENTI-Markierung diente. Der ERGI stellt jedoch nach herkömmlicher Auffassung den Verbzweit-Typ dar (vgl. Altmann 1993a:1022). In Bezug auf andere Sprachen wird die Satztypabhängigkeit der Verbstellung selten anerkannt.11 Die satztypabhängige Serialisierung wird in der einschlägigen Literatur in hohem Maße theorieabhängig erklärt.12 Ein Überblick über die vielfältigen Erklärungsansätze würde die Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Meine sprachvergleichenden Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass auch in denjenigen europäischen Sprachen, in denen die Serialisierung im Allgemeinen nicht als satztypabhängig angesehen wird (wie etwa im Ungarischen), im Sprachgebrauch den germanischen Sprachen analoge Tendenzen nachzuweisen sind. 11

Außer dem Tschechischen, wo sich die ENTI-Wortstellung bestimmt auf deutsche Wirkung entwickelte (vgl. WALS). 12 In generativen und postgenerativen Ansätzen vor allem mit der Postulierung von Merkmalen auf abstrakten syntaktischen Repräsentationsebenen (vgl. Brandt u.a. 1992), in funktionalistischen Ansätzen (vgl. Welke 1993, Stutterheim 1997) eher mit satzmodusabhängigen informationsstrukturellen Parametern.

30

Im vorliegenden Kapitel wird nach Motivationen gefragt, warum in bestimmten Typen des Interrogativsatzes in verschiedenen Sprachen ähnliche Stellungstypen bevorzugt werden. Ferner wird auch die allgemein verbreitete Auffassung bestritten, dass ENTI und ERGI voneinander unabhängig unterschiedlichen Stellungsregeln unterworfen sein dürften. Vielmehr wird von der Einheit des Interrogativsatzmodus unter syntaktischem Aspekt ausgegangen und es wird gezeigt, dass ENTI und ERGI in den untersuchten Sprachen analoge Stellungsregularitäten aufweisen. Die Serialisierung in einem konkreten Satz ist immer das Produkt komplexer, zusammenwirkender grammatischer und pragmatischer Faktoren. In keiner Sprache ist die Serialisierung nur grammatisch bedingt, in jeder Sprache gibt es auch pragmatische Variationsmöglichkeiten. Und auch vollkommen undeterminiert kann sie nicht sein: durch die unterschiedlichen pragmatischen Grundfunktionen bzw. Potenzen der Satzmodi kommen tendenzielle Unterschiede in der Grundwortstellung in den einzelnen Satzmodi zustande, die notwendigerweise eine gewisse satzmodusabhängige Grammatikalisierung der Serialisierung motivieren. Ferner gehören alle untersuchten Sprachen zum sog. SV-Sprachtyp, also zu den nicht-verbinitialen Sprachen (vgl. Herring 1990), woraus trotz der erheblichen Unterschiede der Serialisierung auf einer hohen Abstraktionsebene auch Ähnlichkeiten zu erwarten sind. Analoge Strukturen, besonders wenn sie nur im Sprachgebrauch nachzuweisen, d.h. bisher noch nicht oder nur schwach grammatikalisiert sind, lassen sich auch mit Sprachkontakten bzw. mit Ähnlichkeiten des kulturellen Hintergrundes erklären. 1.4.1 Die Informationsstruktur des Interrogativsatzes Die informationsstrukturelle Gliederung des Satzes weist in der neueren Linguistik eine mittlerweile fast unüberschaubar gewordene Menge an Fachliteratur sowie an unterschiedlichen, meist theoriegebundenen Beschreibungs‒ und Erklärungsansätzen auf. Meistens werden dabei mehrere Dimensionen der Informationsstruktur postuliert.13 Informationsstruktur sei dabei eine Art ‚Interface‘, ein verbindendes Konstrukt zwischen der Pragmatik und der Grammatik. Die komplexe Wechselwirkung der beiden Ebenen ist aber bis heute nicht befriedigend geklärt (vgl. Winkler/Schwabe 2007). Einige

13

Entlang der Dichotomien ‚gegeben vs. neu‘, ‚das Worüber vs. das darüber Ausgesagte‘, ‚Hintergrund vs. Fokus‘ (vgl. Molnár 1991:58f., Musan 2002:200ff., 2010:25f.).

31

Autoren plädieren für die notwendige Trennung der beiden, andere eher für ihren engen Zusammenhang (vgl. Frey 2000, Hinterhölzl 2009, 2010). In der funktionalen Linguistik, in der die Erforschung der Informationsstruktur seit der Etablierung der Gabelentz’schen Kategorien ‚psychologisches Subjekt vs. psychologisches Prädikat‘14 bis hin zu modernen kognitivfunktionalen Ansätzen eine kontinuierliche Tradition aufweist, wird die Informationsstruktur als primär in der Pragmatik wurzelndes, übereinzelsprachliches mentales Konstrukt aufgefasst, die sich in den verschiedenen Sprachen in unterschiedlichen grammatischen Strukturen manifestiert. In anderen, vor allem sprachtypologisch orientierten Arbeiten wird hingegen eher darauf verwiesen, dass die typologischen Gegebenheiten der Einzelsprache eine relevante Rückwirkung auf die für die Sprecher dieser Sprachen präferierte Informationsstrukturierung ausüben kann (vgl. Herring 1990, Dryer 1998, É. Kiss 1998). In der neuesten Fachliteratur wird der Versuch unternommen, die Informationsstruktur nur eindimensional, auf der Basis der Topik-Fokus-Abfolge zu bestimmen. Molnár (2012:390) plädiert für das universale informationsstrukturelle Prinzip der Kohärenzmarkiertheit der Konstituenten zunächst unabhängig von ihrem Status als Topik bzw. als Fokus. Ob am Satzanfang in der Position der kohärenzmarkierenden Konstituenten nur Topik- oder auch Fokuselemente stehen können, sei ein unterscheidendes typologisches Merkmal der europäischen Sprachen. 1.4.2 Fokussierung In die theoretischen Diskussionen wurden jedoch bisher fast nur Deklarativsätze einbezogen (Uhmann 1988, Batliner 1989). Altmann (1993b:14) plädiert dafür, dass sich die informationsstrukturelle Gliederung der Interrogativ‒ und Imperativsätze den Deklarativsätzen analog beschreiben lässt wie die folgenden Beispiele für diverse Fokussierungsmöglichkeiten im Interrogativsatz zeigen. (11) Hat Karl dem Kind den BALL geschenkt? / Hat KARL / Karl dem KIND / dem Kind den Ball geSCHENKT? / Ja und HAT denn nun Karl dem Kind den Ball geschenkt? (Beispiel von Altmann 1993b: 14)

14

Vgl. Gabelentz (1891). Zu einem Forschungsüberblick seit den Anfängen bis zur Gegenwart vgl. Modrián-Horváth (2013).

32

Im Beispiel (11) werde mit dem Fokusakzent der Gipfelpunkt der Frage hervorgehoben: War der Ball, oder etwas anderes, was geschenkt wurde? War es Karl oder jemand anderer, der den Ball geschenkt hat, usw. Sogar VERUMFokus sei möglich, wie die letzte Alternative zeigt. Allerdings sei dies ein besonderer Fall und die Interpretation dieses Satzes hänge viel enger mit dem Äußerungskontext zusammen als die der vorangehenden (vgl. auch Hetland 1992). Abraham (2014) plädiert dafür, dass MP im ENTI unter Umständen einen ähnlichen VERUM-Effekt auslösen können: (12) HAT er die Katze (denn) gefüttert? (12‘) Hat er die Katze denn GeFÜTtert? (Beispiele von Abraham 2014)

Allerdings ist es fraglich, ob eine ähnliche VERUM-Fokus-Realisierung in einem ERGI möglich ist (vgl. Abraham 2014). (13) ? Wer HAT die Katze gefüttert?15

Für die vorliegenden Untersuchungen sind die informationsstrukturellen Besonderheiten des Interrogativsatzes von zentralem Belang. Es handelt sich dabei um eine übereinzelsprachliche funktionale Domäne, die zugleich als Tertium comparationis zur Erklärung der Serialisierung des Interrogativsatzes in den untersuchten Sprachen herangezogen werden kann. Darüber hinaus darf man aber nicht vergessen, dass sich in den untersuchten europäischen Sprachen, die enge areale (und häufig auch genealogische) Zusammenhänge aufweisen, auch auf der Formseite analoge Strukturen entwickelt haben. Die theoretische Frage stellt sich also zunächst wie folgt: Lässt sich die Informationsstruktur des Interrogativsatzes der des Deklarativsatzes analog beschreiben oder gibt es informationsstrukturelle Besonderheiten, die aus der Satzmodusbedeutung abzuleiten sind? Mit dem Interrogativsatz wird ein Antwortraum geöffnet, dadurch wird die Aufmerksamkeit der Diskursteilnehmer notwendigerweise auf diesen Antwortraum gerichtet. Die Hintergrund-Fokus-Struktur weist teilweise von dem Deklarativsatz abweichende Eigenschaften auf. Diejenige Informationseinheit, die aus dem Interrogativsatz fehlt und in der Antwort spezifiziert werden muss, steht im Mittelpunkt. 15

Abraham (2014) betrachtet einen derartigen Satz als inkorrekt. Meine Untersuchungen anhand Tonaufnahmen zeigen, dass ein Akzent auf dem Finitum im neutralen ERGI möglich, sogar auch häufig ist. Dies ist jedoch nach meiner Interpretation nicht mit einem VERUM-Effekt verbunden, sondern mit einer informationsstrukturellen Besonderheit des Interrogativsatzes, die im Folgenden ausgeführt wird.

33

Im ENTI steht das Bestehen oder Nichtbestehen des in der Proposition entworfenen Sachverhaltes im Fokus. Dies manifestiert sich in Sprachen, in denen der ENTI mit einer Interrogativpartikel markiert wird, darin, dass die Interrogativpartikel entweder satzinital steht wie im Albanischen, oder bei neutraler Akzentuierung ans Finitum klitisiert wird wie im Finnischen, im Ungarischen, im Russischen und auch im Türkischen (vgl. Kap. 2.). In markierten Fällen kann eine Konstituente durch einen starken Satzakzent vom Restsatz abgehoben werden wie im Beispiel (11) gezeigt wurde. Mit der satzakzentuierten Konstituente wird der potentielle Antwortraum eingeschränkt wie folgende Beispiele zeigen: (11‘) – Hat Karl dem Kind den Ball geschenkt? – Er nicht, aber Klaus schon. / Dem Kind nicht, aber dem Baby schon. / Den Ball nicht, aber das Büchlein schon. (11“) – Hat Karl dem Kind den BALL geschenkt? – Den Ball nicht, aber das Büchlein schon. nicht aber: *Er nicht, aber Klaus schon.

Im ERGI signalisiert die Interrogativphrase, worauf sich die Frage richtet, was für eine Information vom Empfänger erwartet wird. Die Interrogativphrase stellt also irgendwie den informationsstrukturellen Mittelpunkt des Satzes dar, trägt dadurch eo ipso ein Fokusmerkmal. In den meisten untersuchten Sprachen steht die Interrogativphrase bei unmarkierter Wortstellung satzinitial, in diesen Sprachen wird mehrheitlich eine sog. HIP-Intonation (high initial pitch) realisiert. Im Deutschen steigt der Ton nach meinen Untersuchungen (vgl. Kap. 3.3.10.) von der Interrogativphrase bis hin zum Finitum, so fällt der Hochton eigentlich schon auf das Finitum. Das erklärt sich wohl mit der besonderen Funktion der Interrogativphrase am Satzanfang: sie kann nicht im gleichen Sinne als ein Vorfeldelement betrachtet werden wie die erste Phrase des Deklarativsatzes, sondern stellt prosodisch gesehen mit dem Finitum eine einheitliche Intonationsphrase dar. Besonders interessant ist die Stellung der Interrogativphrase im Ungarischen. Dort steht sie bis auf wenige hochmarkierte Ausnahmen vor dem Finitum an der syntaktischen Fokusstelle, die im Deklarativsatz in der Satzmitte zu erwarten ist, im Interrogativsatz aber in meinen Korpusbelegen etwa in 80% der Fälle auf den Satzanfang fällt. Das Fokusmerkmal der Interrogativphrase kommt in jeder untersuchten Sprache auch in der formalen Satzstruktur zum Ausdruck, ihre Formmerkmale sind jedoch häufig vom Fokus des Deklarativsatzes unterschiedlich.

34

Das Fokusmerkmal der Interrogativphrase schließt ferner nicht aus, dass auch eine andere Phrase hervorgehoben wird. (14) Wer hat dem Kind den BALL geschenkt? (14‘) Wer hat dem KIND den Ball geschenkt? (14“) Wer hat dem Kind den Ball geSCHENKT?

Die Frage bezieht sich im Beispiel (14) also nur darauf, wer dem Kind den Ball (und nicht etwas anderes) geschenkt hat, oder wer dem Kind (und nicht einer anderen Person) den Ball geschenkt hat oder wer dem Kind den Ball geschenkt (und nicht etwa verkauft) hat. Durch diese zusätzliche Fokussierung ist also der Antwortraum nicht betroffen, in allen Fällen wird die Angabe einer Person erwartet, die dem Kind den Ball geschenkt hat, aber mögliche konversationelle Implikaturen (Gibt es z.B. im gegebenen Diskurs auch andere potentielle Referenten als der Ball oder das Kind?) werden spezifiziert. Besonders interessant ist diese zusätzliche Fokussierungsmöglichkeit im Ungarischen, wo die Stelle des Satzfokus syntaktisch auf die präverbale Position festgelegt ist. Auch im Falle einer anderen hervorgehobenen Phrase bleibt die Interrogativphrase in dieser Position. Die andere Phrase trägt aber den Satzakzent, während die Interrogativphrase nur schwach akzentuiert wird: (15) – A bal kezemben egy alma van. – És mi van a JOBB kezedben? ART link Hand-mein-in ein Apfel ist Und was ist ART recht Hand-dein-in ‚– In meiner linken Hand ist ein Apfel. – Und was ist in deiner rechten?‘ Nicht aber: *És a JOBB kezedben van mi?

Das Ungarische zeigt am besten die Besonderheiten der Fokusverhältnisse im Interrogativsatz. Der primäre Fokus ist die in der Antwort zu spezifizierende Variable, d.h. diejenige Informationseinheit, die aus der Proposition des Interrogativsatzes fehlt. Dies können wir im Folgenden Interrogativfokus nennen. Darüber hinaus ist auch ein sekundärer propositionaler Fokus möglich, der im Ungarischen nicht mehr syntaktisch, sondern auch mit dem sekundären suprasegmentalen Merkmal zum Ausdruck gebracht wird. 1.4.3 Satzanfang Wie gezeigt wird, ist die Verberst-Stellung unter den untersuchten Sprachen im Deutschen und im Englischen das am stärksten grammatikalisierte Merkmal des ENTI (im Deutschen sogar noch stärker grammatikalisiert als im Englischen), aber auch in anderen Sprachen stellt sie mindestens tendenziell 35

und/oder mindestens in bestimmten Subkategorien des ENTI eine häufige, typische Wortstellung dar. Im ERGI können in den Sprachen der Welt laut WALS im Grunde zwei Wortstellungstypen beobachtet werden, nämlich der mit der Initialstellung der Interrogativphrase sowie der mit einer sog. in-situStellung. Die europäischen Sprachen gehören mit Ausnahme des Türkischen zum ersten Typ. Offen ist bisher die Einordnung des Ungarischen, das in WALS zum in-situ-Typ geordnet wird. Hier wird aber nachgewiesen, dass die Initialstellung der Interrogativphrase auch im Ungarischen die unmarkierte Stellung ist. Sogar wird dafür plädiert, dass die VerberstStellung im ENTI und die Initialstellung der Interrogativphrase im ERGI voneinander nicht unabhängig sind. In diesem Zusammenhang soll die Frage gestellt werden, ob die Stellungsregularitäten am Satzanfang auch informationsstrukturelle Gründe haben können. Eine referentielle Nominalphrase am Satzanfang wird, falls nicht fokussiert, auch in den sog. nicht topikprominenten Sprachen (vgl. Li/Thompson 1976) als Topikalisierung interpretiert und sie weist auf die kategoriale Gliederung des Satzes, d.h. auf die Gliederung in einen Topikund einen Kommentarteil hin (vgl. Molnár 1991:57, 1993; Gécseg/Kiefer 2009:589). Der verbale Anfang oder der satzinitiale Fokus zeigt hingegen eine andere Perspektivierung, die sog. thetische Perspektive, durch die der ganze propositionale Inhalt als eine ungegliederte Informationseinheit dargestellt wird. (16) Adprobant patres. (Latein, Titus Livius) zustimmen Väter ‚Die Väter (Senatoren) stimmen zu.‘ (17) Kitört a háború. Elment a vonat. (ungarisch) Ausbrach ART Krieg Wegfuhr ART Zug ‚Der Krieg brach aus.‘ ‚Der Zug fuhr ab‘ (18) Наступила весна. (russisch) Eintrat Frühling ‚Der Frühling trat ein‘

In SV-Sprachen, darunter sowohl in den sog. SVO als auch in den SOVSprachen (vgl. Greenberg 1963) wird die Anfangsstellung des Subjektes wohl dadurch motiviert, dass für diese Sprachen die kategoriale Perspektive die neutrale ist. Die VSO-Sprachen zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen die thetische Perspektive die neutrale ist. Die anderen möglichen Typen sind unter den bisher untersuchten natürlichen Sprachen kaum repräsentiert (vgl. WALS, Chapter 81A). Unsere Untersuchungssprachen gehören ausnahmslos 36

zum SV-Typ. Die verbinitiale Wortstellung ist im Deklarativsatz für diese Sprachen markiert und besonders an Textanfänge oder an Themenwechsel im Text bzw. im Diskurs gebunden. Im Deutschen scheint diese Stellung im Deklarativsatz durch die hochgrammatikalisierte satzmodusmarkierende Verbzweit-Verberst-Opposition in Deklarativsätzen meistens blockiert zu sein,16 statt dessen wird die thetische Perspektive mit der Vorfeldstellung der alleinigen Fokusphrase, der sog. Fokusexponente zum Ausdruck gebracht. (19) Der KrIEg ist ausgebrochen. Der FrÜhling ist da.

Önnerfors (1997) zeigt zwar, dass auch nicht elliptische Deklarativsätze im Deutschen eine Verberst-Struktur aufweisen können, dies ist jedoch an bestimmte Sondersituationen gebunden wie z.B. an Witzen, die ein Beispiel für gesprochene narrative Texte darstellen. (20) Kam da ein Mann in die Kneipe und sagte ... (Anfang eines Witzes)

Molnár (2012:388) argumentiert dafür, dass die Anfangsstellung einer nominalen Konstituente in den sog. SV-Sprachen vor allem Kohärenzgründe hat und dass die europäischen Sprachen dadurch weiter typologisiert werden können, wie stark dieses Kohärenzprinzip in ihnen ist. Zufällig gehören diejenigen Sprachen, die sowohl von Molnár als auch von mir untersucht wurden (Finnisch, Russisch, Englisch, Deutsch und Ungarisch), zu den mittelmäßig bis schwach kohärenzmarkierenden Sprachen, weil sie mindestens in markierten Wortstellungsstrukturen eben auch nicht kohärenzmarkierende Elemente (finites Verb, kontrastives Topik, Fokus) am Satzanfang erlauben. Stark kohärenzmarkierend seien u.A. das Schwedische und das Französische. Aus dem vorliegenden Gedankengang würde folgen, dass die VerberstStellung im ENTI sowie die satzinitiale und zugleich mit einer HIPIntonation markierte Stellung der Interrogativphrase im ERGI einfach damit zu erklären sind, dass der Interrogativsatz informationsstrukturell anders konzipiert ist. Für einen neutralen Interrogativsatz ist nicht das Kohärenzprinzip das entscheidende, sondern der initiative Charakter. Er verweist weniger auf den Vortext zurück,17 vielmehr öffnet er im Diskurs einen neuen 16

Nicht berücksichtigt werden hier die im Gesprochenen recht häufigen elliptischen Deklarativsätze des Typs Komme schon (statt Ich komme schon), die strukturell gesehen natürlich Verbzweit-Sätze sind. 17 Eine zurückverweisende Funktion ist zwar möglich, sie sollte jedoch als markierter Fall angesehen werden. Solche Interrogativsätze müssen deshalb auch mit zusätzlichen formalen Mitteln markiert werden.

37

Abschnitt, indem mit ihm eine Antwort initiiert wird. Seine Informationsstruktur ist somit den Deklarativsätzen mit thetischer Perspektivierung analog. Die informationsstrukturellen Besonderheiten des Anfangs des Interrogativsatzes können am anschaulichsten am Beispiel des Ungarischen dargestellt werden. Die ungarische Wortstellung wird aufgrund des allgemein verbreiteten Modells von É.Kiss (1992, 1998) mit der Grundformel Topik-FokusVerb-XP beschrieben.18 Die unmittelbar vor dem Finitum stehende Konstituente trägt obligatorisch das Fokusmerkmal und auch den Satzakzent. Die vor dem Fokus stehenden Phrasen werden – falls sie eine referentielle Funktion haben – als Topik interpretiert. Die übliche Wortstellung in Interrogativsätzen, die nach meinen Korpusuntersuchungen in etwa 80% der Belege vorliegt, ist die folgende: (21) Kész van-e már a ház? fertig ist-INT schon das Haus ‚Ist das Haus schon fertig?‘ (22) Hová tűnt innen a könyv? Wohin verschwand von hier das Buch ‚Wo ist das Buch von hier verschwunden?‘

Die Anfangsstellung einer nicht fokussierten Nominalphrase ist jedoch möglich: (21‘) A ház kész van-e már? Das Haus fertig ist-INT schon? ‚Das Haus, ist es schon fertig?‘ (22‘) A könyv hová tűnt innen? Das Buch wohin verschwand von hier ‚Das Buch, wo ist es von hier verschwunden?‘

Im Sinne von É.Kiss sollten die initialen Konstituenten in den Beispielen (21‘) und (22‘) als Topik interpretiert werden. Funktional handelt es sich natürlich nicht um das gleiche Phänomen wie in den Deklarativsätzen. Diese Informationen gelten nämlich nicht als Grundlage für einen darüber ausgesagten Kommentar, d.h. hier liegt nicht die gleiche kategoriale Perspektive vor. Trotzdem gibt es zwei Ähnlichkeiten. Die mit der satzinitialen Phrase ausgedrückte Information wird sozusagen der Fragedomäne entzogen, d.h. sie selber wird nicht erfragt. Vielmehr wird der Rahmen für die Fragestellung 18

Eine Präzisierung erfolgt im Kapitel 4.3.

38

festgelegt: In Bezug auf das Haus wird gefragt, ob es fertig ist bzw. in Bezug auf das Buch, wo es verschwunden ist. Andererseits setzen solche Strukturen voraus, dass die anfangs erwähnte Information in der gegebenen Situation entweder aufgrund der Vorerwähntheit oder wegen Zugänglichkeit für den Partner aus unterschiedlichen Gründen präsent ist, einen Teil des Common Ground bildet (vgl. Stalnacker 1978) und dadurch auch zum Kohärenzprinzip beiträgt. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu entscheiden, ob hier mit recht von einem Topik die Rede sein kann. Diese Frage könnte wegen der großen theoriegebundenen Unterschiede des Topikbegriffes nur theorieintern beantwortet werden. Deshalb wird hier statt des Topiks die theorieneutrale Kategorie der IDS-Grammatik benutzt: Unter Topikalisierung wird dort in Bezug auf den Deklarativsatz die Anfangsstellung einer vom Subjekt unterschiedlichen Phrase oder eines nicht finiten Teils des Verbalkomplexes verstanden. Analog kann die Anfangsstellung einer von der Interrogativphrase unterschiedlichen Phrase im Interrogativsatz als Topikalisierung betrachtet werden, wodurch eine markierte Informationsstrukturierung zustande kommt. Im Deutschen wird sie hingegen durch die stark grammatikalisierte VerbzweitVerberst-Opposition sowie durch die stark grammatikalisierte satzinitiale Stellung der Interrogativphrase blockiert. Die Verbzweit-Stellung im ENTI zieht eine Sonderinterpretation, die des sog. assertiven Interrogativsatzes nach sich. Diese Sätze sollen als Übergangsfälle zwischen dem Deklarativ‒ und dem Interrogativsatz angesehen werden. ERGI, in denen nicht die Interrogativphrase am Anfang steht, haben eine Echo-Interpretation, auch sie sind als Übergangstyp einzustufen:19 (23) Das Haus ist schon fertig? (24) Das Buch ist wo verschwunden?

Die Funktion der Topikalisierung kann im deutschen Interrogativsatz durch eine Herausstellungs- oder Cleft- bzw. Pseudocleft-Konstruktion realisiert werden: (25) Das Haus, ist es schon fertig? / Ist es das Haus, das schon fertig ist? (26) Das Buch, wo ist es verschwunden? (27) War es Berlin, wo du warst? (invertierter Pseudo-Cleft-Satz, vgl. Altmann 2009:15) (28) Wer ist es denn, der naziähnliche Diktatoren in aller Welt seit eh und je hofiert und goutiert? (Cleft-Satz, Beispiel von Altmann 2009: 20) 19

Bei Reis (1992a:227) werden sie sogar zu den Deklarativsätzen gerechnet.

39

1.4.4 Grammatische Bedingungen Wie weit die Serialisierung durch universal geltende grammatische Regeln motiviert ist, stellt eine bisher ungelöste und kontrovers diskutierte Frage dar. In der generativen und postgenerativen Forschung wird im Allgemeinen von einer mehr oder weniger universal geltenden Grundstruktur ausgegangen, die auch die lineare Abfolge der Konstituenten grundsätzlich bestimmt. Ohne in Einzelheiten der diesbezüglichen sehr umfangreichen Diskussionen und der Unterschiede zwischen den einzelnen Versionen und Richtungen der Generativen Grammatik einzugehen, wird hier auf die allgemein verbreitete Ansicht verwiesen, dass am Anfang der Satzstruktur die funktionalen Köpfe sowie ihre Spezifizierer (z.B. C0, I0, SpecC, SpecI; vgl. Brandt u.a. 1992:22ff.) stünden, während die lexikalischen Köpfe und ihre Spezifizierer im zweiten Teil des Satzes angesiedelt seien. Da die funktionalen Köpfe und ihre Spezifizierer abstrakte Positionen seien, die keine lexikalische Füllung sui generis hätten, seien sie geeignet für verschiedene Operatoren (z.B. Satzmodusoperatoren, Existenzoperator usw.), andererseits könnten sie aber auch als Landeplatz für Bewegungen dienen und auf diese Weise in der syntaktischen Oberfläche auch mit Lexemwörtern gefüllt sein. Tatsächlich sind satzmodusmarkierende Ausdrücke meistens am Satzanfang oder nahe dem Satzanfang angesiedelt. Typischerweise stehen z.B. Interrogativphrasen in den europäischen Sprachen in satzinitialer Position. Auch die Interrogativpartikeln oder bei klitischen Interrogativpartikeln die mit der Partikel versehenen Phrasen weisen in den von uns beobachteten Sprachen sehr häufig eine ziemlich klare Linkstendenz auf. Auch in den Sprachen mit einer grammatikalisierten Verbzweit-Verberst-Opposition wird der Interrogativsatz eigentlich am Anfang, d.h. durch die Anfangsstellung des Finitums markiert. 5 Suprasegmentale Markierung des Interrogativsatzes In der einschlägigen Literatur sind wichtige theoretische Fragen in Bezug auf die Rolle der Intonation in der Satzmodusmarkierung noch offen und teilweise kontrovers diskutiert. Im vorliegenden theoretischen Kapitel soll auf diese Grundsatzfragen eingegangen werden. Die systematische Forschung der Intonation fängt in den ausgehenden 60er Jahren an. Der strukturalistisch motivierte sog. systemisch-tonetische Ansatz20 gliederte die phonetisch realisierten Sätze in Intonationsgruppen, die 20

Auch „britische Schule“ genannt, vgl. Halliday (1967), Cruttenden (1997).

40

sich um Akzenttöne herum organisieren, und stellte die finale Tonhöhenbewegung der Intonationsgruppen in Opposition.21 Das von Goldsmith (1976, 1990) zuerst für Tonsprachen erarbeitete sog. autosegmentale Modell wurde später auch für andere Sprachen adaptiert und von Pierrehumbert (1980) in die generative Sprachtheorie integriert. Dieses Modell betrachtet die Ebene der Intonation als ein von der segmentalen Ebene autonomes Subsystem der Sprache, das abstrakte melodische Muster für verschiedene Funktionen bereit stellt. Die einzelnen Komponenten dieser Muster würden nach bestimmten Assoziationsregeln zu den prominenten Silben der segmentalen Ebene, besonders zu initialen, finalen und akzentuierten Silben geordnet. Eine besondere Ausprägung dieses Modells stellt die Intonationstheorie von Ladd (1996) dar, der den linguistisch relevanten Aspekt der Intonation in sämtlichen natürlichen Sprachen allein in der linearen Folge zweier distinktiver Töne, nämlich einem niedrigen und einem hohen Ton auf prominenten Silben sieht.22 Während die für die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts charakteristischen Ansätze vorwiegend die auditiv gut wahrnehmbare Tonhöhenbewegung auf prominenten Silben untersuchen, haben die neuesten experimentellphonetischen Forschungen die Aufmerksamkeit auf komplexe prosodische Realisierungen gerichtet. Außer der Grundfrequenz, die die Hörer auditiv als Tonhöhe bzw. Sprechmelodie erleben, sind für die komplexe prosodische Realisierung auch die Intensität (auditiv als Lautstärke empfunden), die Zeitverhältnisse (auditive Korrelate sind Länge/Kürze, Dehnung/Kürzung) sowie das Maß der Grundfrequenzveränderung (Intervall, verstanden als das Quotient des höchsten und des niedrigsten gemessenen Grundfrequenzwertes – sein auditives Korrelat ist der Tonumfang) von Belang. So spricht man in letzter Zeit statt Intonationsforschungen immer mehr eher über Prosodieforschungen, wodurch die Komplexität des zu beschreibenden Phänomens sowie des dazu gehörenden Beschreibungsinstrumentariums betont wird.

21

Zahlreiche Untersuchungen in der germanistischen Intonationsforschung wurden auf Grund dieses Modells durchgeführt, vgl. z.B. Kohler (1995), Pheby (1980), Couper-Kuhlen (1986). Auch die Forschungen der Gruppe von Hans Altmann sind grundsätzlich von der britischen Schule beeinflusst (Altmann Hg. 1988 und Altmann u.a. Hg. 1989). In der ungarischen Linguistik gibt es ähnliche strukturalistisch orientierte Forschungen wie Fónagy (1998). 22 Auf der autosegmentalen Phonologie basieren in der Germanistik u.a. Wunderlich (1988) und Uhmann (1988).

41

1.5.1 Zur grammatischen und pragmatischen Rolle der Suprasegmentalia Die germanistische Intonationsforschung ist bis Anfang der 90er Jahre im Grunde grammatisch orientiert. Otto von Essen, dessen Monographie von 1964 die Forschung lange Zeit bestimmte, sah die Primärfunktion der Satzintonation in der Abgrenzung von Satztypen, und zwar in der Unterscheidung von Interrogativ- und Deklarativsätzen sowie in der Abgrenzung der Teilsätze komplexer Satzverbindungen (vgl. Essen 1964). Auch die späteren Ansätze wie Isačenko/Schädlich (1971), Pheby (1980) oder die der Forschergruppe von Hans Altmann weisen der Intonation ausschließlich oder vorwiegend grammatische Funktionen zu, auch wenn sie den Funktionsbereich der Intonation nicht mehr auf die Markierung von Satztypen einschränken (vgl. Altmann Hg. 1988, Altmann/Batliner/Oppenrieder Hgg. 1989). Altmann (1987) bestimmt intonatorische Typen mit Hilfe der Stelle des Satzakzentes sowie der Tonhöhenveränderung zwischen der Initialsilbe und der Satzakzentsilbe bzw. der Satzakzentsilbe und der Endsilbe des Satzes. Nach seiner Auffassung lassen sich mehrere Subtypen des Interrogativ- und des Exklamativsatzes durch die Intonationstypen charakterisieren. Ähnlichen Standpunkt vertritt auch Batliner (1989:91ff.) auf Grund von Perzeptionstests mit vorgelesenen Deklarativ- und Interrogativsätzen, verleugnet jedoch die diskrete Abgrenzbarkeit einzelner Satztypen mit Hilfe der Intonation. Er geht von einem Kontinuum zwischen den getesteten prototypischen Realisierungen aus. Auch Wunderlich 1988:19) spricht im Falle des Endtonmusters am Satzende von tonalen Satzmodus-Morphemen, die grammatische Funktionen ausüben. Unter dem Einfluss der vor allem pragmatisch orientierten angelsächsischen Intonationsforschungen der 90er Jahre verstärkt sich auch in der Germanistik der Gedanke, dass die Intonationsmuster von der grammatischen Struktur des Satzes mehr oder weniger unabhängig sind und in erster Linie den pragmatischen Status der Äußerung in der Situation markieren.23 Brandt u.a. (1992:76ff.) weisen die Intonation im Rahmen einer modular-kognitiven Sprachtheorie vollkommen ins Modul der Pragmatik. Die sog. Echo-Fragen, die mit einer für Deklarativsätze charakteristischen grammatischen Struktur, jedoch mit interrogativer Intonation realisiert werden, seien z.B. nach ihrer Meinung unter grammatischem Aspekt Deklarativsätze, deren steigende 23

Dieser Gedanke ist vor allem für generative und autosegmentale Studien charakteristisch wie z.B. für Féry (1993), taucht aber auch in systemisch-tonetisch orientierten Arbeiten auf wie bei Kohler (1995).

42

Intonation am Satzende die in der Situation erfüllte Fragefunktion der Äußerung markiere (vgl. auch Reis 1992a:219). Die Monographie von Selting (1995) basiert auf einer zweistündigen Studioaufnahme mit Testpersonen, die ein informelles Gespräch über Alltagsthemen geführt haben. Die Aufnahmen wurden in einem ethnomethodologischen konversationsanalytischen Rahmen ausgewertet. Selting plädiert dafür, dass sich sämtliche Intonationsmuster des Deutschen abhängig von der situationsgebundenen pragmatischen Funktion der Äußerung mit verschiedenen syntaktischen Satztypen kombinieren lassen. Rabanus (2001:243f.) sieht in den Intonationsmustern des Deutschen und des Italienischen ausgehend vom Modell von Selting auffällige Ähnlichkeiten, die ihm einen Anlass geben, die Intonation als ein von der Einzelsprache unabhängiges Zeichensystem zu betrachten. Zu bemerken ist jedoch, dass die Beispiele von Rabanus ziemlich einseitig ausgewählt werden. Besonderes Interesse zeigt er für die verschiedenen Mustern für Hervorhebungen. Eine kritische Auseinandersetzung mit Seltings Modell ist bei Hetland/Molnár (1995) zu finden. Nach ihrer Meinung seien die Ergebnisse von Selting durch die gewählte Untersuchungsmethode gewissermaßen vorbestimmt. Da nämlich die aus den informellen Gesprächen entnommenen Belege keine Opposition bilden, ließen sich in dieser Untersuchung nur die pragmatischen Funktionen der Intonation beobachten, während die grammatischen verborgen bleiben.24 Schmidt (2001) stellt die Frage, ob die intonatorischen Realisierungen der Diskurspartikel hm als „sterile“ Muster der deutschen Satzintonation betrachtet werden können. Da nämlich hm über keine segmentale Struktur verfüge und keinen semantischen Gehalt habe, hinge seine intonatorische Realisierung einzig und allein von der damit auszudrückenden Sprechereinstellung ab. Der Verfasser bestimmt insgesamt 7 intonatorische Formprototypen von hm, denen Probanden in einem Perzeptionstest mit relativ großer Sicherheit 24

In der ungarischen Fachliteratur wird die Frage nach der grammatischen und der pragmatischen Funktion der Intonation seltener expliziert, wobei die älteren, mit traditionellen Methoden arbeitenden Forscher die satztypunterscheidende Funktion als Primärfunktion der Intonation betrachten, vgl. dazu Elekfi (1962), Fónagy/Magdics (1967), während modernere, im autosegmentalen Rahmen denkende Forscher eher über äußerungsbezogene Funktionen sprechen (vgl. Varga 1998, 2001, 2003). Gósy/Terken (1994) vertreten in ihren komplexen prosodischen Untersuchungen zur Markierung der Fragen im Ungarischen implizit eine differenzierte Meinung, indem sie der gesamten Satzprosodie sowohl grammatische als auch pragmatische Funktionen zuschreiben. Ähnlich differenziert sind auch die phonetischen Beschreibungen von Olaszy (2001, 2002).

43

jeweils eine ausgedrückte Sprechereinstellung bzw. -intention zuordnen konnten.25 1.5.2 Ein Test zur Klärung des Verhältnisses der grammatischen und der pragmatischen Funktionen suprasegmentaler Mittel In der einschlägigen Literatur bleibt also eine für uns als theoretische Grundsatzfrage geltende Frage offen und unbeantwortet: Dient die Intonation grundsätzlich zur Markierung grammatischer Satztypen oder Illokutionstypen? Die Antwort auf die Frage hängt wohl auch davon ab, wie man die Intonation von den anderen prosodischen Mitteln, von der Intensität, der Dauer sowie vom Intervall abgrenzt. Ferner stellt sich auch die Frage, wie weit die Intonation einer Sprache konventionalisiert ist, ob sich überhaupt Intonationstypen definieren lassen oder ob es im Prozess des Sprechens nur verschiedene prosodische Merkmale gibt, die prälinguistische Assoziationen hervorrufen und dadurch in der Sprechsituation bestimmte pragmatische Funktionen erfüllen können? Für das vorliegende Projekt war die theoretische Klärung der Funktion der suprasegmentalen Markierungsmittel eine zentrale Frage. Deshalb wurde zwischen 2004 und 2006 eine eigene Untersuchung anhand deutscher und ungarischer Tondokumente durchgeführt. 11 deutsche und 9 ungarische Probanden haben kleine Dialogbeispiele vorgelesen. Die Dialoge enthielten einerseits die Realisierungen der Diskurspartikel hm in verschiedenen Kontexten, andererseits einfache Deklarativ- und Interrogativsatzstrukturen. Die Forschungsfrage bestand darin, ob bei den Diskurspartikel-Realisierungen die gleichen Techniken zu beobachten sind wie bei den Sätzen mit einer segmentalen Struktur und mit einem Satzmodus. Im Gegensatz zu Schmidt (2001), der bei den DiskurspartikelRealisierungen grundlegende und einfache „Bausteine der Intonation“ vermutet, die zur Erklärung der intonatorischen Realisierung komplexerer Strukturen herangezogen werden können, habe ich zwischen den DiskurspartikelRealisierungen und den segmentalen Satzstrukturen grundsätzliche Unterschiede gefunden. Die detaillierten Ergebnisse der Untersuchung wurden in Péteri (2005) und (2006) veröffentlicht. Hier werden nur diejenigen Erkennt-

25

Unabhängig von Schmidt hat auch Markó (2005) eine ähnliche Untersuchung im Ungarischen durchgeführt. Auch sie kommt zu mehr oder weniger diskret abgrenzbaren, intonatorisch ausgedrückten Funktionen der Diskurspartikel, die jedoch von denen bei Schmidt abweichen.

44

nisse zusammengefasst, die auf die vorhin gestellten Grundsatzfragen eine vorläufige Antwort geben. Der Grundunterschied besteht darin, dass die Diskurspartikel hm keinen Satzwert hat und somit über die Satzmoduskategorie nicht verfügt. Sie bildet eine sprachliche Einheit mit reinen pragmatischen Funktionen im Diskurs. Sie kann z.B. als Zögerungssignal, als Mittel bestimmter emotioneller Einstellungen des Sprechers (Anerkennung, Zweifel usw.) benutzt werden. Andererseits stellt eine Diskurspartikel immer eine komplexe prosodische Einheit dar, in der die Intonation von den anderen prosodischen Ausdrucksmitteln nicht getrennt werden kann. Diese besondere Eigenschaft von hm manifestierte sich in den Tondokumenten darin, dass einerseits die individuellen Unterscheide in den einzelnen Realisierungen weitaus größer waren, als die sprachspezifischen, andererseits dass die Leitmerkmale für die jeweiligen pragmatischen Funktionen von hm, d.h. die in den einzelnen Realisierungen gemeinsamen Merkmale, die als prosodische Ausdrucksmittel der gegebenen pragmatischen Funktion angesehen werden können, meistens nicht im Melodieverlauf zu suchen waren, sondern in anderen prosodischen Mitteln (Lautstärke, Dauer, Intervall). Mit den folgenden Beispielen lässt sich das gut veranschaulichen. In der Abbildung I. wird das akustische Bild zweier deutscher (links) und zweier ungarischer Realisierungen von hm (rechts) in der Funktion ‚Kenntnisnahme‘ abgebildet. Die großen individuellen Unterschiede sind gut zu sehen. Die jeweils ersten Beispiele stellen eine einsilbige, die zweiten eine zweisilbige Realisierung dar. Das heißt: in beiden Sprachen kann die Diskurspartikel in dieser Funktion sowohl einsilbig (etwa: hm oder mhm), als auch zweisilbig (etwa: ühüm) realisiert werden. Im Melodieverlauf gibt es keine Regelmäßigkeiten: steigende und fallende Strecken scheinen ganz willkürlich zu sein.

Abbildung I. Zwei hm-Realisierungen im Deutschen und im Ungarischen

45

Wenn man aber die messbaren akustischen Werte der DiskurspartikelRealisierungen mit Hilfe eines phonetischen Analyseprogramms auswertet und dann Durchschnittswerte berechnet, kommen prosodische Leitmerkmale zum Vorschein, die wahrscheinlich für den Ausdruck der einzelnen Diskurspartikelfunktionen verantwortlich sind. So ist z.B. für die Funktion ‚Kenntnisname‘ sowohl im Deutschen als auch im Ungarischen ein durchschnittlich weitaus geringeres Intervall charakteristisch als das Durchschnittsintervall des neutralen Deklarativsatzes, während für die Funktion ‚Turnhalten‘ die übermäßige Dauer als prosodisches Merkmal verantwortlich ist. Das Ergebnis ist nicht erstaunlich: gerade mit der zeitlichen Dehnung kann man die Sprecherabsicht ‚Zeitgewinn zum Nachdenken‘ assoziieren. Auch bei den anderen Diskurspartikel-Realisierungen habe ich kein prototypisches Intonationsmuster beobachtet, sondern gerade eine sehr große individuelle Freiheit in den melodischen Realisierungen, wohl aber verschiedene oft wiederkehrende prosodische Merkmale. In der gleichen Untersuchung wurden auch ausgewählte Interrogativsätze mit den Diskurspartikel-Realisierungen verglichen. Bei ihnen lassen sich prototypische Intonationsmuster abgrenzen, die einzelne Untertypen des Interrogativsatzes markieren. Die individuellen Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden waren viel kleiner. Es gab aber regelmäßige Unterschiede zwischen den deutschen und den ungarischen Realisierungen.26 Insgesamt stellte es sich aus der Untersuchung heraus, dass eine Abgrenzung der Intonation im engeren Sinne von der gesamten prosodischen Struktur, wenn auch nicht immer leicht, jedoch unbedingt notwendig ist. Die Intonation im engeren Sinne bedeutet nämlich den Melodieverlauf, d.h. die steigende oder fallende Richtung der Grundfrequenz, während die anderen prosodischen Mittel die zeitlichen Strukturen, die Intensität sowie der Umfang der Grundfrequenzveränderung sind. Die Intonation im engeren Sinne ist im Deutschen und im Ungarischen und – wie wir noch sehen werden – auch in den anderen untersuchten europäischen Sprachen in hohem Maße konventionalisiert und dient in erster Linie zur Markierung der Satzmodi bzw. einzelner Untertypen im Satzmodussystem. Im Gegensatz dazu rufen prosodische Mittel im Allgemeinen prälinguistisch motivierte Assoziationen hervor, werden miteinander individuell kombiniert, wirken nicht auf die grammatische Struktur des Satzes aus und dienen eher zum Ausdruck einer pragmatischen Färbung, Nuancierung. Diese Grenzziehung ist jedoch nur heuristischer Natur und darf nicht zu starr verstanden werden. Es wird auch gezeigt, dass auch prosodische Merkmale auf die intonatorische Realisierung 26

Vgl. dazu ausführlich Kap. 3.3.10 und 4.4.9.

46

zurückwirken können und dass die Prosodie gerade dort, wo das Intonationssystem zur Markierung komplexer grammatischer Funktionen nicht ausreicht, ergänzend auch zur Satzmodusmarkierung beitragen kann. 1.5.3 Potentielle intonatorische Mittel zur Markierung der Interrogativsätze Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es natürlich nicht möglich, alle Aspekte der intonatorischen und prosodischen Realisierung der Interrogativsätze in den neun untersuchten Sprachen in allen Details zu berücksichtigen. Die Behandlung suprasegmentaler Merkmale versteht sich nur als nötige Ergänzung zur Beschreibung der lexikogrammatischen und syntaktischen Markierung der Interrogativsätze. Dabei wird auf prototypische intonatorische Realisierungen konzentriert. An einigen Stellen werden jedoch notwendigerweise auch prosodische Merkmale in die Beschreibung einbezogen, mit der Überzeugung, dass keine strikte Grenze zwischen Intonation und Prosodie gezogen werden kann, sondern nur eine methodologische Trennung zu heuristischen Zwecken möglich ist. Als Maßstab für die intonatorischen Realisierungen bildet jeweils der Deklarativsatz mit einem neutralen Fokusakzent. In allen europäischen Sprachen wird er mit dem gleichen Intonationstyp realisiert. Die Intonationslinie fängt im mittleren Tonbereich des Sprechers an, Akzentsilben zeichnen sich durch einen steigenden bzw. hohen Ton aus, wobei die Satzakzentsilbe in der Regel mit dem höchsten Ton realisiert wird. Am Satzende ist der Ton fallend und bis zur letzten Silbe fällt er auf die sog. Grundlinie, die den unter normalen Bedingungen tiefsten Ton des Sprechers darstellt und bei ein und demselben Sprecher konstant ist. Der Quotient des bei der Satzakzentsilbe gemessenen Grundfrequenzwertes und des Grundfrequenzwertes der Grundlinie ist das für den Deklarativsatz charakteristische Intervall (sein auditives Korrelat ist der Tonumfang). Das so berechnete Intervall ist zwar in erster Linie ein Mittel der Prosodie (mit übermäßig großen oder kleinen Intervallwerten können z.B. bestimmte emotive Äußerungen markiert werden), es hängt jedoch auch mit der Intonation eng zusammen, indem bei größeren Intervallwerten die Intonationskontur eindeutiger, ausgeprägter ist. So kann ein größerer Tonumfang auch zur Verdeutlichung des realisierten Intonationstyps dienen. In den europäischen Sprachen werden ENTI meistens intonatorisch markiert.27 Die Mittel der Markierung sind jedoch unterschiedlich, wobei eine 27

Bei eindeutiger grammatischer Markierung z.B. mit Hilfe einer Interrogativpartikel kann jedoch die intonatorische Markierung wegfallen: im Finnischen bleiben ENTI in

47

steigende Intonationsstrecke bzw. ein hoher Ton entweder am Satzende oder bei der Satzakzentsilbe (der sich entweder quantitativ oder qualitativ von dem neutralen Deklarativakzent unterscheidet), für die interrogative Intonation im Allgemeinen charakteristisch ist. Neutrale ERGI werden entweder intonatorisch nicht markiert, weil sie durch die Interrogativphrase eindeutig grammatisch markiert sind, oder weisen die gleiche oder eine ähnliche Intonation auf wie die ENTI. Ferner kann man beobachten, dass ERGI mit Hilfe intonatorischer Mittel pragmatisch reichlich nuanciert werden können. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass die ERGI primär lexikogrammatisch, durch die Interrogativphrase markiert werden und dadurch die Intonation von der Satztypmarkierung gewissermaßen entlastet wird. Bei ENTI ist die Intonation hingegen häufig das primäre oder sogar das einzige Merkmal des Satztyps. Dementsprechend sind intonatorische Realisierungen des ENTI in den meisten untersuchten Sprachen oft einheitlicher und weisen weniger pragmatisch bedingte Variabilität auf. 1.6 Fazit: Theoretische Prämissen zu den folgenden Einzelbeschreibungen Mit dem vorliegenden ersten Kapitel verfolgte ich die Zielsetzung, theoretische Grundlagen für einen oberflächensyntaktisch orientierten Vergleich der Interrogativsätze in europäischen Sprachen festzulegen. Interrogativsätze werden auf der sprachlichen Oberfläche auf komplexe Weise, durch die Zusammenwirkung dreier Ebenen, der lexikogrammatischen, der syntaktischen und der suprasegmentalen, markiert. Welche Ebene dabei das Primat hat, hängt von den allgemeinen typologischen Gegebenheiten der jeweiligen Sprache ab. Die europäischen Sprachen weisen aber diesbezüglich trotz relevanter Einzelunterschiede auch interessante Ähnlichkeiten auf, auch wenn diese oft nur tendenziell sind. Zum vorliegenden theoretischen Hintergrund sind die folgenden Punkte besonders relevant: 1) ENTI können auf der lexikogrammatischen Ebene mit Interrogativmorphemen sowie mit Interrogativpartikeln markiert werden. Auch MP können aufgrund ihrer Distributionseinschränkungen als sekundäre Interroder Regel intonatorisch unmarkiert, im Ungarischen sind die mit der Interrogativpartikel -e versehenen ENTI bis auf einige Ausnahmen ohne intonatorische Markierung, im Albanischen werden die mit einer Interrogativpartikel eingeleiteten ENTI intonatorisch nur fakultativ markiert.

48

2) 3)

4)

5)

gativmerkmale gelten. Die Grenzziehung der Interrogativpartikeln und der MP ist in den europäischen Sprachen aufgrund unterschiedlicher morphosyntaktischer Merkmale zwar möglich, Übergangsfälle zwischen den beiden Kategorien sind jedoch nicht auszuschließen. Question tags können sich entgegen der allgemein verbreiteten Ansicht u.U. zu Interrogativmerkmalen entwickeln, sie müssen in der Untersuchung berücksichtigt werden. Die Interrogativphrasen sind in den europäischen Sprachen das primäre Merkmal des ERGI. Da sie aber i.A. systematische Überschneidungen mit anderen Funktionen (vor allem mit den Relativa) aufweisen, reichen sie zur eindeutigen Identifizierung des Interrogativsatzes allein nicht immer aus. In einigen Sprachen hat die syntaktische Ebene in der Interrogativmarkierung den Vorrang, d.h. Deklarativ- und Interrogativsätze werden mit unterschiedlichen Serialisierungstypen markiert, die zueinander in Opposition stehen. Ferner hängt aber die Serialisierung auch eng mit der Informationsstruktur des Satzes zusammen. Da der Interrogativsatz über informationsstrukturelle Besonderheiten verfügt, die ihn vom Deklarativsatz unterscheiden, motiviert dies im Sprachgebrauch tendenzielle Wortstellungsunterschiede auch in den Sprachen, in denen es keine feste interrogative Wortstellung gibt. Die intonatorische Realisierung, die die Akzentrealisierungen und den Melodieverlauf umfasst, soll als satzmodusrelevant betrachtet werden. Ergänzende prosodische Merkmale dienen i.A. zur weiteren pragmatischen Färbung bzw. Differenzierung, wobei die intonatorischen und die prosodischen Merkmale auch nicht immer scharf voneinander zu trennen sind und bei nicht ausreichender intonatorischer Markierung auch prosodische Merkmale den Satzmodus verdeutlichen können.

49

2 Interrogativsätze in ausgewählten europäischen Sprachen. Ein „eurotypologischer“ Überblick 2.1 Die Rolle des „eurotypologischen Überblicks“ für den deutschungarischen Vergleich In der vorliegenden Arbeit werden die den Untersuchungsgegenstand bildenden deutschen und ungarischen Strukturen vor einem möglichst umfangreichen sprachtypologischen Hintergrund beschrieben.28 Die untersuchten Sprachen stellen unter dem Aspekt der Interrogativsätze eine Art typologischen Querschnitts der europäischen Sprachen dar. Die hier berücksichtigten Sprachen werden natürlich nicht in der gleichen Tiefe untersucht wie das Deutsche oder das Ungarische. Die Quellen für die Untersuchung dieser Sprachen sind vor allem einschlägige Beschreibungen, Grammatiken, manchmal auch Lehrwerke. Das Herangehen ist also im Falle dieser Sprachen reduktionistisch. Als Germanist habe ich nicht das ganze Variationsspektrum dieser Sprachen berücksichtigt, sondern prototypische Realisierungsmuster mit den deutschen und ungarischen Satztypen kontrastiert. Die erwähnten Quellen können zwar hinsichtlich der Authentizität eventuell Probleme aufweisen, hinsichtlich des für mich wesentlich relevanteren Aspekts der Prototypizität sind sie jedoch zuverlässig genug (vgl. auch Péteri 2013a). Das Latein ist aus unserem Aspekt insofern von besonderem Belang, als seine historische Entwicklung einen starken Einfluss auf die Entwicklung der meisten europäischen Sprachen ausübte. Dabei habe ich – soweit dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit möglich war – nicht nur das sog. klassische Latein, d.h. die Literatursprache des Römischen Reichs von etwa 50 v. Chr. bis etwa 200 n. Chr. (vgl. de Vaan 2008), sondern auch das Sprechlatein oder Vulgärlatein (vgl. Haarmann 2003:339) berücksichtigt. Das Englische ist als germanische Sprache mit dem Deutschen genealogisch verwandt, entfernte sich aber im Laufe seiner historischen Entwicklung typologisch weit von den anderen germanischen Sprachen (vgl. Siemund 2003). Das Italienische ist hier der Vertreter der modernen romanischen Sprachen. Unter unserem Aspekt ist das Italienische besonders hinsichtlich seiner reichen intonatorischen Ausdrucksmittel interessant. Das Russische ist eine slawische Sprache, die einerseits andere typologische Merkmale entwickelt hat als die germanischen 28

Zum zugrunde liegenden kontrastiv-typologischen Ansatz vgl. König (1996), Lang (1996), Zifonun (2003, 2009).

51

und romanischen Sprachen. Andererseits waren slawische Kontakte in frühen Perioden für die Entwicklung des Ungarischen belangvoll. Das Albanische stellt unter den indogermanischen europäischen Sprachen eine eigenständige Sprache mit einer isolierten Entwicklung dar. Albanisch ist die einzige europäische Sprache, die eine satzinitiale Interrogativpartikel hat.29 Vor allem für das Ungarische bietet die Untersuchung des Finnischen als Vergleichssprache viel versprechende Möglichkeiten. Finnisch und Ungarisch stehen gewissermaßen in einem vergleichbaren Verhältnis zueinander wie Englisch und Deutsch. Genealogisch sind sie zwar verwandt, sie leben aber schon seit so langer Zeit getrennt, so dass sie sich in ihrer Sprachgeschichte in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Doch kann man in der Interrogativmarkierung auffällige Ähnlichkeiten zwischen dem Finnischen und dem Ungarischen beobachten, was darauf hinweist, dass der Satzmodus eine so grundlegende Kategorie der Sprache darstellt, dass ihre Hauptmerkmale auf die Urgeschichte der Sprachen zurückgehen und dem historischen Wandel wenig unterworfen sind. Das Türkische ist eine sehr stark agglutinierende Sprache, die zwar mit dem Ungarischen genealogisch nicht verwandt ist, aber rege Sprachkontakte zum Urungarischen hatte. Es ist die einzige europäische Sprache, die den ENTI mit einem morphologischen Mittel, mit einem in die Form des finiten Verbs integrierten Suffix ausdrückt. 2.2 Der Entscheidungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen 2.2.1 Sprachtypologische Grundlagen Eine grobe Übersicht über die Sprachen der Welt mit Hilfe von WALS zeigt folgendes Bild: In WALS wurden ENTI-Realisierungen in 777 Sprachen untersucht. Die Mehrheit davon (468 Sprachen, dies entspricht 60,23%) benutzt Interrogativpartikeln. Gerade die am meisten erforschten westeuropäischen Sprachen markieren aber den ENTI mit syntaktischen und/oder prosodischen Mitteln. In Europa kann man unter diesem Aspekt eine gewisse Ost-WestSprachgrenze beobachten. In den Sprachen im östlichen Teil von Europa werden ENTI in der Regel mit einer Interrogativpartikel markiert (oder ist dies mindestens eine optionale Möglichkeit). Die einzige, in WALS aufgezeichnete osteuropäische Sprache, die keine Interrogativpartikel benutzt, ist 29

In allen anderen europäischen Sprachen, die über Interrogativpartikeln verfügen, sind diese Partikeln Klitika.

52

das Rumänische. Im westlichen Teil von Europa verfügen nur das Portugiesische und die in Großbritannien und Irland noch sporadisch gesprochenen keltischen Sprachen über eine Interrogativpartikel. Eine vom Deklarativsatz unterschiedliche grammatisch determinierte Wortstellung existiere laut WALS in aller Welt insgesamt nur in 12 Sprachen, davon werden 9 in Europa gesprochen, die außer dem Spanischen und dem Tschechischen der germanischen Sprachfamilie angehören. Das zweithäufigste Markierungsmittel des ENTI nach den Interrogativpartikeln ist die interrogative Intonation (laut WALS in 137 Sprachen der Welt). Etwas differenzierter ist das Bild jedoch, wenn wir außer den grammatisch determinierten Serialisierungstypen auch die häufigen, pragmatisch motivierten Wortstellungen berücksichtigen. Dann sehen wir, dass z.B. die Verberst-Stellung in Europa in den ENTI meistens auch in den Sprachen die neutrale und frequenteste ENTI-Wortstellung darstellt, in denen sie grammatisch nicht obligatorisch ist. 2.2.2 ENTI im Lateinischen Im klassischen Latein ist der ENTI mit Interrogativpartikeln markiert. Da im klassischen Latein die Serialisierung frei war und zwischen dem Deklarativsatz und dem ENTI keine Unterschiede in der Wortstellung vorlagen, waren die Interrogativpartikeln zumindest in der Schriftsprache die einzigen Merkmale des Interrogativsatzes. -ne ist eine neutrale klitische Interrogativpartikel, die keine präferierte Antworterwartung ausdrückt. Es wurde häufig ans Verb, manchmal auch an nominale Konstituenten klitisiert. (1) Estne rex in hac urbe? 30 Ist-INT König in dieser Stadt ‚Gibt es in dieser Stadt einen König?‘

Die Partikel nonne ist die Zusammensetzung von non (nicht) und -ne. ENTI mit nonne sind negierte Interrogativsätze. (2) Nonne gaudes? NEG-INT freust-du-dich ‚Freust du dich nicht?‘

30

Legende: INT = Interrogativpartikel. Zu den Abkürzungen in den Interlinearglossen s. Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole.

53

Mit num wird eine negative Antworterwartung ausgedrückt, insofern bildet es einen Übergang zur Klasse der MP, seine Funktion ist der der deutschen MP etwa ähnlich. (3) Num hoc credis? INT das glaubst-du ‚Glaubst du das etwa?‘

Einen besonderen Satztyp stellt die Alternativfrage dar. Sie kann entweder mit dem Pronomen utrum ‚was von beiden‘ oder mit der Partikel -ne markiert werden, es ist aber auch möglich, dass die einzige Markierung die hinzugefügte alternative Möglichkeit ist. (4) Utrum credis hoc an non? INT glaubst-du das oder nicht aber auch: Credisne hoc an non? Credis hoc an non?

Die letztgenannte Möglichkeit zeigt, dass ein ENTI ohne Interrogativpartikel im Lateinischen prinzipiell möglich war. Der Nachtrag an non scheint in diesem Fall den Status eines question tags zu haben. Im schriftlichen Text konnte er auch als Interrogativmarker gelten. Im Sprechlatein wurden die Interrogativpartikeln in der Spätantike stark zurückgedrängt. ENTI wurden in der Sprechsprache in erster Linie intonatorisch markiert. Da aber die frühere neutrale Interrogativpartikel -ne im Allgemeinen ans satzinitiale Verb klitisiert wurde, bedeutete ihr Schwund, dass ENTI sich außer der Intonation durch die Erststellung des Verbs auszeichneten. (5) Venitne pater? (klass. Latein) → Venit pater? (Sprechlatein) Ist gekommen-INT Vater Ist gekommen Vater ‚Ist der Vater gekommen?‘ (Beispiel von Kiesler 2006: 69)

2.2.3 ENTI im Englischen Für das Englische ist die lexikogrammatische Markierung nicht charakteristisch. Es gibt im Englischen weder Interrogativpartikeln noch Modalpartikeln. Die Markierung der Satzmodi erfolgt primär syntaktisch, sekundär auch suprasegmental. Das syntaktische Hauptmerkmal des ENTI ist die Erststellung des Verbs und folglich die invertierte Position des Subjektes. Der englische Deklarativsatz verfügt über eine ziemlich stabile SVO-Stellung. Die 54

invertierte Wortstellung im ENTI ist am deutlichsten in Sätzen mit Modalverben zu sehen. (6) You can read. vs. Can you read?

Wenn im Satz kein Modalverb vorhanden ist, wird im ENTI das Auxiliar do benutzt. Es kann aber nicht als kategoriales Interrogativmerkmal angesehen werden, sondern dient als Expletivum, um die Erststellung des Verbs bzw. die invertierte Position des Subjektes zu sichern. Es wird einerseits im Falle der Präsenz eines anderen Hilfsverbs nicht realisiert, funktioniert andererseits auch in anderen, nicht interrogativen Konstruktionen als allgemeines Auxiliar. Es kann sogar affirmatives Auxiliar sein. (7) – He works too hard. – Yes, he does.

Seine Benutzung im ENTI ohne Modalverb lässt sich mit der Serialisierungsrestriktion erklären, dass ein Vollverb nicht in Initialstellung stehen kann (s. Quirk u.a. 1985:806ff.). Grimshaw (1995) erklärt die Struktur des englischen ENTI durch die idiosynkratische Hierarchie dreier allgemeiner Prinzipien: das „obligatory-head“-Prinzip, das „no-lexical-movement“Prinzip sowie das „full-interpretation“-Prinzip. Nach dem ersten Prinzip dürfe eine Kopfposition nicht leer bleiben. Das Auxiliar do oder ein Modalverb in Initialstellung erfülle am Satzanfang die C 0-Kopfposition. Damit könne erklärt werden, dass in eingebetteten Interrogativsätzen keine invertierte Wortstellung vorliege, weil die C0-Position in den eingebetteten Sätzen durch die Konjunktion besetzt werde. (8) I wonder whether/if Thelma will meet Luise in the afternoon. (vgl. Haegeman/Guéron 1999: 173ff.).

Nach dem zweiten Prinzip seien lexikalische Elemente im Grunde nicht bewegungsfähig. Schließlich solle nach dem dritten Prinzip die lexikalischkonzeptuale Struktur der Lexemwörter im Output erscheinen. Im Englischen sei das „no-lexical-movement“-Prinzip stärker als das „full-interpretation“Prinzip. Deshalb werde kein Vollverb in die leere Kopfposition bewegt, sondern wenn kein Hilfsverb vorhanden ist, das Verb do als allgemeines Proverb benutzt. Es werde lexikalisch entleert, seine ursprüngliche lexikalischkonzeptuale Struktur erscheine im Satz nicht mehr. Im Deutschen hingegen sei das „full-interpretation“-Prinzip stärker als das „no-lexical-movement“Prinzip, deshalb entwickele sich kein Interrogativauxiliar, sondern das Voll55

verb selbst werde in die leere Kopfposition bewegt. Diese theoretische Erklärung bestätigt auch, dass in beiden Sprachen die Verberst-Stellung als grammatikalisiertes Interrogativmerkmal anzusehen ist. Das englische Auxiliar do muss als Expletivum betrachtet werden. Auch sprachgeschichtliche Daten des Englischen unterstützen diese Argumentation: im Alt- und Mittelenglischen begegnet man einer dem heutigen Deutsch ähnlichen Serialisierung mit der Initialstellung des Vollverbs. In der frühneuenglischen Periode (1500-1800) war die do-Periphrase gleichberechtigt mit der früheren Inversionsstruktur. Bei Shakespeare kamen die beiden Strukturen noch in freier Variation vor (vgl. Millward 1996: 190, 279). Ferner muss noch das Problem der question tags behandelt werden. Im Englischen haben sie ihren satzwertigen Charakter vollständig aufbewahrt, während sie sich in vielen anderen Sprachen zu partikelähnlichen Ausdrücken entwickelt haben. Im Englischen weisen also question tags eine eigene Syntax auf: der Nachfrageteil fängt mit dem Hilfsverb des Hauptsatzes oder mit do an, diese stehen in negierter Form, wenn der voranstehende Teilsatz nicht negiert wird und in nicht negierter Form, wenn er negiert wird. Dem Hilfsverb folgt das pronominalisierte Subjekt. Die für den ENTI charakteristische Verberst-Stellung wird also im Nachfrageteil der Sätze realisiert. Ferner müssen auch die Tempora in der ersten Satzhälfte und im question tag aufeinander abgestimmt werden. (9) The train has left, hasn’t it? (10) He doesn’t like his job, does he? (11) You didn’t see him, did you?

Die Intonation ist im Englischen ein zwar sekundäres, aber nicht unwichtiges Merkmal des Interrogativsatzes. Die Relevanz der Intonation in einer Sprache lässt sich auch durch den durchschnittlichen Tonumfang charakterisieren. Wenn das Durchschnittsintervall in einer Sprache groß ist, erlebt man diese Sprache als eine, die intensiv mit intonatorischen Mitteln arbeitet. Bei geringem Durchschnittsintervall hört sich die Sprache als gewissermaßen monoton. Das Durchschnittsintervall ist im Englischen im europäischen Vergleich sehr groß, aufgrund der phonetischen Analyse der Beispielsätze von Kovács/Siptár (2000) liegt es im neutralen Deklarativsatz bei 2,6, im ENTI bei 2,7 (dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant).31

31

Wenn man bedenkt, dass der Intervallwert 2 einer musikalischen Oktave entspricht, kann man das Englische als eine Sprache mit einem extrem hohen Tonumfang einstu-

56

In neutralen ENTI kann man eine steigende Intonation am Satzende beobachten, wobei zu bemerken ist, dass der letzte Ton nicht unbedingt der höchste ist. Auch die Satzakzentstelle wird mit einem hohen Ton markiert und dieser kann bei starker Akzentuierung sogar höher liegen als der letzte Ton. Der neutrale ENTI fängt in der mittleren Tonlage des Sprechers an, an der Satzakzentstelle erreicht die Intonation einen Höhepunkt. Danach ist sie bis zur vorletzten Sprechsilbe fallend, an der letzten wieder steigend. Damit steht die interrogative Intonation in einem eindeutigen Oppositionsverhältnis mit dem fallenden Intonationsschluss des neutralen Deklarativsatzes.

Can

you see the boys? Will you listen to me? Abbildung I. Intonation im englischen ENTI

Die Intonation dient auch der pragmatischen Differenzierung bei question tags. Die steigende Tonhöhe im Nachfragenteil markiert, dass es sich um eine neutrale Informationsfrage handelt (Bsp. 14). Die fallende Melodie auf dem Rückfrageteil markiert eine bestimmte Antworterwartung des Sprechers (Bsp. 15). (12) He likes his job, doesn’t he? [/] (13) He likes his job, doesn’t he? [\]

Im englisch-deutschen Sprachvergleich kann man nicht nur in der syntaktischen, sondern auch in der intonatorischen Realisierung des ENTI eine wesentliche Ähnlichkeit beobachten, nämlich die steigenden Strecke am Satzende. Allerdings ist der durchschnittliche Tonumfang im Deutschen weit geringer.32 Wenn man bedenkt, dass das Verhältnis der Deklarativ- und der Inter-

fen. Ähnlich groß ist der Tonumfang unter b den untersuchten Sprachen nur im Italienischen. 32 Im neutralen Deklarativsatz liegt das Durchschnittsintervall in meinen Messungen bei 1,78, wodurch das Deutsche unter den europäischen Sprachen zu den Sprachen

57

rogativintonation in den meisten untersuchten Sprachen anders ist (vgl. unten), kann man hier wohl auch gemeinsame germanische Intonationsmuster vermuten. Ferner ist die interrogative Intonation in den Sprachen, die über keine lexikogrammatische Mittel des ENTI verfügen, im Allgemeinen ausgeprägter als in den Sprachen mit lexikogrammatisch markierten Interrogativsätzen. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass der ENTI mit einer Interrogativpartikel eindeutig markiert wird, während in der linearen Struktur aus Gründen der pragmatisch motivierten Varianz der Wortstellung auch ambige Strukturen zustande kommen können (wie z.B. bei sog. assertiven Interrogativsätzen). Die Rolle der Intonation ist im Englischen und im Deutschen also weitaus größer als in Sprachen mit Interrogativpartikeln. 2.2.4 ENTI im Italienischen Das Italienische ist die einzige untersuchte Sprache, in der die ENTIMarkierung primär auf der suprasegmentalen Ebene, mit einer interrogativen Intonation erfolgt. Über Interrogativpartikeln verfügt das Italienische nicht. Auch die Serialisierung ist grammatisch weitgehend undeterminiert und drückt die aktuelle Gliederung des Satzes aus. Dafür ist aber die italienische Sprache sehr musikalisch. Die italienische Intonation zeichnet sich durch eine sehr große Tonbewegung, aber auch durch ein komplexes System intonatorischer Typen aus. Dadurch werden die anderen Ebenen von der Satzmodusmarkierung gewissermaßen entlastet. Im ENTI kommen die gleichen Stellungsvariationen vor wie im Deklarativsatz (Renzi u.a. 1995:96). Die folgenden Beispiele können mit einer fallenden deklarativen Intonation als Deklarativsätze, mit einer interrogativen Intonation als ENTI fungieren. (14) Potrà prendere il treno domani Gianni./?33 können-wird nehmen den Zug morgen Gianni ‚Gianni wird / Wird Gianni morgen den Zug nehmen können./?‘ (14‘) Gianni potrà prendere il treno domani./? (14“) Domani potrà prendere il treno Gianni./?

Ein potentielles, neben der interrogativen Intonation wohl nur sekundäres Merkmal des italienischen ENTI (wie auch des ERGI) besteht darin, dass

mit einem mittleren durchschnittlichen Tonumfang gehört, vgl. ausführlich Kap. 3.3.10. 33 Beispiele von Renzi u.a. (1995:96).

58

Personalpronomina in Subjektfunktion – falls sie syntaktisch realisiert werden –, stets in postverbaler Position oder mit Rechts-/Linksversetzungen vorkommen. Nur in emphatischer Funktion können sie vor dem Verb stehen. Dies korreliert mit der Beobachtung in anderen Sprachen, dass die VerberstStellung und/oder die Subjektinversion im ENTI tendenziell auch für die Sprachen gilt, die sonst eine grammatisch nicht oder wenig determinierte Wortstellung haben. In diesen Sprachen ist die Inversionsregel nicht allgemein verbindlich, ist aber mindestens in bestimmten syntaktischen Distributionen, d.h. in bestimmten idiosynkratisch gebundenen Untertypen des ENTI doch wirksam. Obwohl auch die italienische ENTI-Intonation grundsätzlich steigend ist, unterscheidet sie sich von der englischen und der deutschen.34 Während in den beiden letzten Sprachen die steigende Intonationsstrecke am Satzende steht, am öftesten an der letzten Sprechsilbe und von den Akzentverhältnissen im Satz unabhängig ist, hängt die italienische Satzintonation eng mit den Akzentstellen im Satz zusammen. Im neutralen ENTI ist i.A. das Finitum betont, durch die Akzentuierung des Finitums kann man den ganzen Satzinhalt in den Fokus setzen und ausdrücken, dass sich die Frage auf das Bestehen oder Nicht-Bestehen der ganzen Proposition richtet. In diesem Fall steigt die Intonation am Finitum und bleibt danach hoch (vgl. Bertinetto/Endo 1996). (15) Antonio viene domani? [_/˜] Antonio kommt morgen? ‚Kommt Antonio morgen?‘

In markierten Fällen kann aber auch eine andere Satzkonstituente akzentuiert werden, wobei sie als kontrastiver Fokus interpretiert wird, der einer anderen, mindestens implizit mitzuverstehenden Information gegenübergestellt wird. In diesem Fall fällt die steigende Strecke auf die jeweils akzentuierte Konstituente, wobei diese Strecke häufig nicht so steil ist wie bei einem Akzent auf dem Verb. Im folgenden Beispiel wird der Satz mit der intonatorischen Variante a) als eine neutrale Frage interpretiert (ob Antonio kommt oder nicht),

34

Vgl. Canepari (2006), Rabanus (2001). Es soll hier ferner auch auf große regionale und dialektale Unterschiede verwiesen werden, vgl. Canepari (1985), Rossi (1998:235ff.).

59

mit der Variante b) als eine Frage mit einem kontrastiven Fokus (ob Antonio kommt, oder jemand anderer).35 (16) Viene Antonio? a) Kommt Antonio

b)

Die interrogative Intonation unterscheidet sich von der die pragmatische Offenheit und den weiterführenden Charakter anzeigenden Intonation. Dies ist auch deshalb notwendig, weil im Italienischen dieser Unterschied mit anderen Merkmalen nicht angezeigt wird. Im ENTI ist die steigende Strecke an die jeweilige Satzakzentstelle (also meistens ans Finitum) gebunden, danach bleibt sie im hohen Tonbereich. Im Falle eines weiterführenden Satzes oder an der Grenze von Teilsätzen steigt die Intonation immer am Satzende. (17) Antonio viene domani, [/] (e porta il libro [\]). Antonio kommt morgen (und bringt das Buch).

Im Vergleich der deutschen, englischen und italienischen ENTI-Intonation lässt sich feststellen, dass der den ENTI markierende steigende Ton unabhängig von den Akzentverhältnissen im Satz immer der Endton ist. D.h., die Satzmelodie fällt bis zum Satzende mit der im Deklarativsatz zusammen und nur am Satzende kommt ein unterscheidendes Merkmal. Im Gegensatz dazu hängt die Stelle des steigenden Tons im Italienischen eng mit den Akzentverhältnissen zusammen. So hebt sich die gesamte ENTI-Intonation auffällig von der deklarativen Intonation ab. 2.2.5 ENTI im Russischen Die Markierung des ENTI im Russischen erfolgt auf eine komplexe Weise mit der Beteiligung aller drei Markierungsebenen. Es gibt im Russischen eine optionale klitische Interrogativpartikel, li. Dadurch kann der ENTI in zwei Subklassen geordnet werden, weil ENTI mit und ohne Interrogativpartikel teilweise anderen syntaktischen Regularitäten unterworfen sind. Es gibt auch mehrere Modalpartikeln, die nur oder gewöhnlich in Interrogativsätzen auftreten. Für das Russische ist ferner auch die Intonation von großem Belang. 35

Das Intonationssystem ist im italienischen Sprachraum jedoch nicht einheitlich. Besonders die nördlichen und südlichen Dialekte weisen große Unterschiede auf, wobei das gemeinsame Merkmal für die verschiedenen dialektalen Varianten die enge Verbindung der steigenden Interrogativintonation mit der jeweiligen Satzakzentstelle ist, vgl. dazu ausführlich Interlandi/Romano (2005:273f.).

60

Der durchschnittliche Tonumfang im russischen Satz ist auch ziemlich groß, weit größer als in den meisten anderen europäischen Sprachen. Die Interrogativpartikel li ist ein Klitikum, das meistens ans Finitum klitisiert wird. (18) Читала ли ты серьезное что-нибудь?36 37 Las-FEM INT du ernstes irgendetwas ‚Hast du was Ernstes gelesen?‘

Der Partikelgebrauch ist im ENTI optional, die interrogative Intonation ist aber sowohl bei Benutzung als auch bei Nicht-Benutzung der Partikel verbindlich. Dies unterscheidet diese Partikel von den Interrogativpartikeln in den anderen Untersuchungssprachen, die zur Markierung des Interrogativsatzes meistens allein, ohne eine interrogative Intonation fähig sind. Li dient häufig zur Verdeutlichung des interrogativen Charakters des Satzes. 38 Abhängig vom Kontext kann es aber auch verschiedene pragmatische Sonderfunktionen haben, weil der interrogative Charakter dadurch einen besonderen Nachdruck bekommt. So werden Echofragesätze oder rhetorische Fragen typischerweise mit li formuliert. (19) – Вечером можешь пойти в театр? Am Abend kannst-du gehen in Theater? 39 - Могу ли я вечером пойти в театр? Kann INT ich am Abend gehen in Theater? ‚– Kannst du am Abend ins Theater gehen? - Ob ich am Abend ins Theater gehen kann?‘

Obwohl li der Äußerung oft eine pragmatische Färbung verleiht, ist es im Grunde doch eine Interrogativpartikel und keine MP. Für seine Einstufung als Interrogativpartikel sprechen einerseits die zahlreichen Belege, in denen li ohne eine pragmatische Sonderfunktion nur zur Verdeutlichung des Interrogativsatzes dient. Es kann ferner in anderen syntaktischen Funktionen nicht vorkommen, während für MP im Allgemeinen die syntaktische 36

Gončarov, zitiert nach Švedova (1980:387). Feminin: Die Konjugationsendung im Vergangenheitstempus kongruiert mit dem Geschlecht des Subjektes. 38 Die russische Interrogativintonation weist häufig keine qualitative, sondern nur quantitative Unterschiede mit der Intonation des Deklarativsatzes auf, deshalb ist eine lexikogrammatische Verdeutlichung manchmal unentbehrlich. 39 Beispiel von Švedova (1980:387). 37

61

Polyfunktionalität charakteristisch ist. Das wesentlichste Argument für seine Einstufung als Interrogativpartikel besteht jedoch darin, dass li auf die syntaktische Struktur des Satzes auswirkt, also nicht fakultativ, sondern optional ist (im Sinne des Kapitels 1.3.1). ENTI mit und ohne li sind grundsätzlich anderen syntaktischen Regularitäten unterworfen, also stellen unterschiedliche Subtypen des ENTI dar. Die anderen russischen Partikeln, die in ENTI benutzt werden, sind Modalpartikeln (a, razve, neuželi, što, kak etc.). Sie können auch in anderen syntaktischen Funktionen vorkommen (Pronomen, Konjunktion, Adverb etc.), was wohl mit dem schwächeren Grammatikalisierungsgrad der Modalpartikelfunktion zu erklären ist. Andererseits wird die Frage durch ihre Benutzung auch pragmatisch gefärbt. Typischerweise sind deliberative, staunende, eine bestimmte Antwort präferierende oder zur Antwort drängende Fragen mit MP versehen. Häufig werden auch rhetorische Fragen mit MP markiert. (20) Неужели это правда? (negative Antworterwartung) MP es Wahrheit ‚Ist das wirklich recht?‘ Разве я Иудей? 40 (rhetorische Frage mit implizierter negativer Antwort) MP ich Jude ‚Bin ich etwa ein Jude?‘ Что, опять скандал? (Staunen) MP wieder Skandal ‚Was? Ist es hier wieder ein Skandal?‘ Пойдем - а? (Drängen zur Antwort) Gehen-1PL MP ‚Sollen wir gehen - oder?‘

Die MP treten im Satz an verschiedenen Stellen auf. Ihr syntaktisches Verhalten wird im Grunde von der ursprünglichen syntaktischen Funktion des Sprachzeichens beeinflusst. Einige sind satzinitial, andere mehr oder weniger frei verschiebbar. Wieder andere stammen aus satzförmigen Äußerungen und stehen parenthetisch als Vor-, Ein- oder Nachschub. Sie werden mit der interrogativen Intonation kombiniert, können auch gemeinsam mit der Interrogativpartikel li auftreten.

40

Der Ausruf von Pilatus, als er von den Juden zur Verurteilung von Jesus gezwungen war (Joh. 18,35).

62

(21) Разве он извинит ли мои ошибки? (deliberative, nachdenkende Frage) MP er verzeiht INT meine Fehler ‚Verzeiht er wohl nicht meine Fehler?‘

Die russische Serialisierung ist grammatisch weitgehend undeterminiert. Die wichtigste grammatische Restriktion besteht darin, dass unbetonte Subjektspronomina in der Regel dem Finitum vorangehen. Eine syntaktische Fokusstelle liegt im Deklarativsatz nicht vor, der Fokus wird intonatorisch markiert. (22) Мы пойдем на концерт. / На концерт мы пойдем. / На концерт пойдет он. Wir gehen auf Konzert / Auf Konzert wir gehen / Auf Konzert geht er. ‚Wir gehen ins Konzert.‘ / ‚Ins Konzert gehen wir.‘ / ‚Ins Konzert geht er.‘

Fängt der Satz mit dem Finitum an, so deutet dies auf eine topiklose, thetische Perspektive hin. Typisch ist ein verbaler Satzanfang, wenn es sich um das Eintreten von Naturerscheinungen handelt, um eine Veränderung der Welt, die als solche erlebt und deren Informationsgehalt nicht in Topik und Kommentar gegliedert wird. (23) Наступает весна. ritt ein Frühling ‚Der Frühling tritt ein.‘

Der ENTI ohne Interrogativpartikel hat die gleichen Stellungsvarianten wie der Deklarativsatz, die Interrogativität wird allein mit der Intonation markiert. Vgl. (22‘) Мы пойдем на концерт? / На концерт мы пойдем? / На концерт пойдет он?

Im ENTI mit der Interrogativpartikel li liegt eine strenger geregelte Serialisierung vor (vgl. Švedova 1980:396f.). Die Partikel steht hinter der Konstituente, die den Mittelpunkt der Frage bildet, die eigentlich erfragt wird. Damit liegt im ENTI mit Interrogativpartikel eine syntaktisch festgelegte Fokusstelle vor. Diese Konstituente steht meistens satzinital. Am häufigsten ist diese Konstituente das Finitum oder bei verblosen Strukturen das nominale Prädikat. In diesem Satztyp gilt nicht einmal die im Deklarativsatz bzw. im lexikogrammatisch nicht markierten ENTI obligatorische Voranstellung des unbetonten Pronomens. Diese Sätze stellen VerberstStrukturen mit Subjektinversion dar. 63

(24) Пойдете ли вы на концерт?

Geht

INT ihr auf Konzert

vs. Вы пойдете на концерт?

Ihr geht

auf Konzert

‚Geht ihr ins Konzert?‘

Sätze wie (24) stellen die neutrale Fokussierung des ENTI dar. Mit der Initialstellung einer nicht verbalen Konstituente kann jedoch ein propositionales Element fokussiert werden, wodurch der Antwortraum eingeengt wird. (25) Хорошо ли сделана работа? (neutraler Satzfokus) Gut INT gemacht Arbeit ‚Wurde die Arbeit gut gemacht?‘ Работа ли сделана хорошо? (propositionaler, kontrastiver Fokus) Arbeit INT gemacht gut ‚Ist es die Arbeit, die gut gemacht wurde?‘

In den lexikogrammatisch markierten ENTI besteht außer den besonderen Fokussierungsmöglichkeiten auch die Möglichkeit zur Topikalisierung einer Konstituente, was im Falle der lexikogrammatisch unmarkierten und nur durch die Intonation angezeigten ENTI nicht möglich ist. Wenn eine Konstituente vor die mit li versehene Konstituente gestellt wird, wird sie im Sinne des Kapitels 1.4.1 als topikalisierte Konstituente interpretiert, das selber nicht erfragt, sondern vor der Fragestellung als ein Common-ground-Element festgehalten wird.41 (26) Алеша пойдет ли с нами? Alescha geht INT mit uns ‚Der Alescha, geht der mit uns?‘

Der lexikogrammatisch unmarkierte Interrogativsatz hat also im Russischen die gleiche syntaktische Struktur wie der Deklarativsatz. Lexikogrammatisch nicht markierte ENTI werden nur durch die Intonation angezeigt und stellen meistens neutrale Fragen dar. Topikalisierungs- und Fokussierungsmöglichkeiten ergeben sich nur im lexikogrammatisch markierten Typ des ENTI. Dieser Untertyp zeichnet sich durch die deutliche Tendenz der VerberstStellung aus. Die Interrogativpartikel wird ans Verb klitisiert und die Fokussierung korreliert dadurch mit der Serialisierung. Mit der Erststellung einer anderen Konstituente mit der Partikel li kann diese Konstituente fokussiert werden und bekommt dadurch eine kontrastive Färbung. Mit der Voranstel41

Ähnliche Topikalisierung liegt auch im russischen ERGI vor, wenn eine Konstituente vor die Interrogativphrase gestellt wird (vgl. unten).

64

lung einer nicht-verbalen Konstituente vor der mit li versehenen Konstituente kann Topikalisierung realisiert werden. Das russische Intonationssystem hängt eng mit dem Wortakzentsystem zusammen. Der Wortakzent ist beweglich, die Wortakzentstelle ist häufig bedeutungsunterscheidend. Wegen der freien Stellung der fokussierten Konstituente im Deklarativsatz muss der Fokusakzent stark ausgeprägt werden. Eine wesentliche Funktion der Intonation besteht in der eindeutigen Markierung der Akzentstellen. Wohl deshalb operieren russische Sprecher mit einem großen Tonumfang, die Tonhöhe spielt in der Markierung der Akzentstellen eine bedeutende Rolle. Die intonatorische Markierung der ENTI erfolgt auf eine besondere Weise, wobei sich die Akzentverhältnisse im Satz stärker auf die Realisierung auswirken als in den anderen Untersuchungssprachen. Der grundsätzlich steigende Charakter der russischen ENTI-Intonation tritt in verschiedenen phonetischen Distributionen (vor allem abhängig von der Fokusakzentstelle) unterschiedlich zutage. Am eindeutigsten ist er in den einsilbigen Realisierungen, in denen der interrogative Charakter mit steigender, der deklarative mit fallender Intonation markiert wird. (27) Ты. [\] ‚Du.‘

vs. Ты? [/] ‚Du?‘

Eindeutig steigend ist der Intonationsschluss weiterhin auch in den Sätzen, in denen der Fokusakzent auf die Endsilbe fällt, während der Akzent auf der letzten Sprechsilbe in den Deklarativsätzen mit gleicher Akzentuierung einen dynamischen Akzent mit fallender Tonhöhe darstellt. (28) Он музыКАНТ. [\] Er Musiker ‚Er ist Musiker.‘

vs. Он музыКАНТ? [/] Er Musiker ‚Ist er Musiker?‘

In den Fällen, in denen die Fokusakzentstelle am Satzanfang oder in der Satzmitte steht, ist der Intonationsschluss auch im ENTI fallend. Nach unseren Untersuchungen anhand der Tonbeispiele in Brizgunova (1983:16ff.) zeichnet sich der ENTI in diesem Fall durch den größeren Tonumfang aus, d.h. der hohe Ton auf der Fokussilbe ist viel ausgeprägter als im Deklarativsatz. Dadurch hat der Hörer den Eindruck, einen im Grunde steigenden Intonationstyp gehört zu haben, auch wenn der Ton am Satzende letztlich fällt. (29) Маша танЦУет. [\] Mascha tanzt ‚Mascha tanzt?‘

vs. Маша танЦУет? [/\] Mascha tanzt ‚Tanzt Mascha?‘

65

Bei steigenden Realisierungen am Satzende ist der Tonumfang im ENTI nach meinen Messungen der gleiche oder sogar kleiner als in einem durchschnittlichen Deklarativsatz. Das Durchschnittsintervall liegt in meinen Tonmustern in Deklarativsätzen sowie in Interrogativsätzen mit steigendem intonatorischem Schluss etwa bei 2, in Interrogativsätzen mit fallendem Intonationsschluss etwa bei 2,53. Nicht selten waren aber Intervallwerte von 3 messbar, besonders wenn eine Konstituente am Satzanfang durch einen kontrastiven Fokusakzent hervorgehoben wird. Dies bestätigt, dass der steigende Charakter der Intonation in diesen Fällen dadurch ausgedrückt wird, dass der höchste Punkt, wenn er sich nicht am Satzende befindet, deutlich höher realisiert wird als üblich. In der folgenden Abbildung III. ist auf dem ersten Bild eine steigende Intonationsstrecke zu sehen, die teilweise auch durch den Akzent auf der letzten Sprechsilbe motiviert ist. Auf dem zweiten Bild liegt eine Intonationskontur mit fallendem Schluss vor sowie mit einem steil steigenden Ton auf der Akzentsilbe. In diesem Tondokument habe ich ein extrem hohes Intervall von mehr als 3 gemessen.

Он му - зы - КАНТ? Мaша тан-ЦУ - ет? Abbildung II. Intonatorische Realisierungen im russischen ENTI

2.2.6 ENTI im Albanischen Im Albanischen gibt es drei Interrogativpartikeln: a und në in Matrixsätzen, nësë in eingebetteten Sätzen. Sie stehen obligatorisch in satzinitialer Position (vgl. Fiedler 2003:793). Die Benutzung einer Interrogativpartikel ist im albanischen ENTI nicht verbindlich, die interrogative Intonation reicht zur Markierung des ENTI allein aus. In ENTI ohne Interrogativpartikel ist die interrogative Intonation obligatorisch, in denen mit Partikel ist sie fakultativ. In den zur Verfügung stehenden Grammatiken und Sprachbeschreibungen habe ich keine Informationen zu den Gebrauchsregeln der Interrogativpartikeln 66

gefunden. Aufgrund der aus den Lehrwerken stammenden Belege scheint jedoch ziemlich eindeutig zu sein, dass sie nicht fakultativ benutzt werden, sondern Sätze einleiten, in denen die Satzbedeutung durch ein Modal- oder Modalitätsverb bzw. eventuell durch ein epistemisches Verb modal gefärbt wird. Unter insgesamt 41 ENTI, die ich in den untersuchten Lehrwerken gefunden habe, waren 19 mit a eingeleitet, 22 uneingeleitet. In den eingeleiteten gab es 13mal das Modalverb mund ‚können‘ (s. Bsp. 32), zweimal do ‚wollen‘, zweimal ein epistemisches Verb (mos ‚wissen‘, mendon ‚denken‘, s. Bsp. 33.). Wenn das Finitum ein Vollverb im Indikativ ist (Bsp. 34) oder in verblosen Strukturen (Bsp. 35) wird der ENTI im Allgemeinen nicht eingeleitet und nur intonatorisch markiert. Unter den uneingeleiteten gab es 17 Beispiele mit finiten Vollverben im Indikativ und 5 verblose Kurzsätze. (30) A mund të më thoni, nëse dhoma është e pajisur 42 INT können AUX mir sagen-2PL, ob Zimmer ist ART ausgestattet me një televizor? mit ein- Fernseher? ‚Können Sie mir sagen, ob das Zimmer mit einem Fernseher ausgestattet ist?‘ (31) A mendon se do më shkonte? INT denkst-du dass will mir passen? ‚Denkst du, dass es mir passen würde?‘ (32) Po ti këtu jeton? Also du hier leb-2.Sg. ‚Also lebst du hier?‘ (33) Në një galeri artesh? In ein- Galerie künstlerisch? ‚In einer Kunstgalerie?‘

Die Tatsache, dass modal gefärbte und modal nicht gefärbte ENTI im Albanischen mit unterschiedlichen Mitteln markiert werden, ist insofern sehr interessant, als sie unter unseren Untersuchungssprachen nur im Albanischen belegt werden kann. Dazu kommt, dass die mit einer Partikel eingeleiteten und die uneingeleiteten Entscheidungsinterrogativsätze auch syntaktische und intonatorische Unterschiede aufweisen. Die vorliegende Unterscheidung der modal unmarkierten und modal markierten Interrogativsätze scheint also für das Albanische sehr grundlegend zu sein.

42

Mit dem Modalverb steht eine analytische Konjuntivform: të thoni, weil es im Toskisch-Albansichen, also in derjenigen Varietät, die als Grundlage des heutigen Standardalbanischen gilt, keinen Infinitiv gibt.

67

Im Albanischen ist die Serialisierung in relativ hohem Maße grammatisch determiniert. Sowohl Schütz (2002:15) als auch Fiedler (2003:792) behaupten, dass Albanisch grundsätzlich eine SVO-Sprache sei, jedoch mit bestimmten, pragmatisch motivierten Variationsmöglichkeiten. Meine Untersuchungen aufgrund zahlreicher Belege aus verschiedenen Sprachlehrbüchern zeigen ein ziemlich einheitliches Bild. Im unmarkierten Deklarativsatz ist SVO-Stellung. (34) Unë jam njëzetekatër vjeç. Ich bin achtundzwanzig Jahre ‚Ich bin 28 Jahre alt.‘ (35) Kemi dhe satelit. 43 Haben-1PL auch Satellit ‚Wir haben auch Satellitfernsehen.‘

Eine Versetzung einer Konstituente an den Satzanfang ist zwar möglich, hat aber keine Auswirkung auf die Subjekt-Verb-Reihenfolge. (36) Në mëngjesin e ditës tjetër Genti është në breg të detit In Morgen ART Tag nächster Genti ist in Meeresküste ‚Am nächsten Morgen ist Genti am Strand.‘

Auch der Nebensatz ist den gleichen Serialisierungsregeln unterworfen. Im Relativsatz steht nach dem Relativpronomen bei Eliminierung des Subjektes das Verb. (37) Teuta dhe Genti janë ulur në tavolinën ku haet mëngjesi. Teuta und Genti sind sitzend in Tisch-ART wo essen-3PL Frühstück ‚Teuta und Genti sitzen am Tisch, wo sie frühstücken.‘

Auch im ENTI ohne Serialisierungsregeln.

43

Interrogativpartikel

gelten

die

gleichen

Das Albanische stellt eine optionale Pro-Drop-Sprache dar, in der das pronominale Subjekt sowohl realisiert als auch eliminiert werden kann. In Pro-Drop-Sätzen steht das Verb zwar am Satzanfang, dies stellt aber offensichtlich keinen eigenen Serialisierungstyp dar, sondern eine Variation des SVO-Typs.

68

(38) - Ju jeni afarist? - Jam afarist.44 ihr seid Geschäftsmann bin Geschäftsmann ‚Sind Sie Geschäftsmann?‘ ‚Ja, ich bin Geschäftsmann.‘

Anders verhält sich jedoch der ENTI mit Interrogativpartikel. Nach der Interrogativpartikel steht sowohl im Matrix‒ als auch im eingebetteten ENTI invertierte Wortstellung. (39) A mund t’ju sjell menynë?45 INT könnt ihr bringen Speisekarte ‚Können Sie mir die Speisekarte bringen?‘ (40) Dua të pues, nësë duhet vizë hyrjeje në Shqipëri? will-1SG AUX fragen INT nötig-ist Visum Eintritts- in Albanien ‚Ich möchte fragen, ob ein Einreisevisum nach Albanien nötig ist?‘

Im Albanischen gliedert sich also der ENTI in zwei Untertypen: in den lexikalisch-kategorial unmarkierten (uneingeleiteten), und in den lexikalischkategorial markierten (eingeleiteten) ENTI. Ersterer Typ weist die gleiche Serialisierung, nämlich Subjekt-Verb-Stellung auf wie der Deklarativsatz. Letzterer Typ zeichnet sich durch die invertierte Verb-Subjekt-Reihenfolge aus. Ähnlich ist die Serialisierung auch im ERGI, wo die Interrogativphrase satzinitial steht und danach invertierte Verb-Subjekt-Reihenfolge folgt. Im Albanischen ist am besten zu sehen, dass die semantisch fundierte Typologisierung des Interrogativsatzes in Entscheidungs- und Ergänzungsinterrogativsätze in der Einzelsprache durch eine syntaktische Unterscheidung (uneingeleiteter vs. eingeleiteter Interrogativsatz) überlagert werden kann. Ähnlich wie im Englischen und Deutschen ist die interrogative Intonation auch im Albanischen mit einem steigenden Intonationsschluss und mit hohem Ton am Satzende markiert. Im nicht eingeleiteten ENTI ist diese Intonation obligatorisch. In eingeleiteten Interrogativsätzen ist die am Ende steigende interrogative Intonation fakultativ: etwa in der Hälfte der Belege habe ich dem Deklarativsatz ähnliche fallende, in der anderen Hälfte dem uneingeleiteten ENTI ähnliche steigende Intonation gefunden.

44

Beispiele von Schütz (2002:131). In der Frage ist der Ausdruck ju jeni ‚ihr seid‘ die siezende zweitpersonige Pluralform mit Pronomen, in der Antwort steht die Pro-DropForm mit Verberst-Stellung. 45 Wenn in diesen Sätzen das pronominale Subjekt eliminiert wird, folgt nach der Interrogativpartikel natürlich das Finitum: A mund të ha këtu dhe drekën dhe darkën? ‚Kann [ich] hier sowohl Mittagessen als auch Abendessen nehmen?‘

69

Në një galeri artesh? In einer Galerie künstlerisch ‚In einer Kunstgalerie?‘

A skojmë baskhë? INT gehen-wir zusammen ‚Gehen wir zusammen?‘

A mund ta mbyllni shishen ju lutem? INT kann AUX schließen-Sie Flasche bitte ‚Können Sie bitte die Flasche schließen?‘ Abbildung III. Intonation in albanischen ENTI ohne und mit Interrogativpartikel

2.2.7 ENTI im Finnischen Im Finnischen wird der ENTI mit einer klitischen Interrogativpartikel -kO46 (in der gesprochenen Sprache oft -ks oder -k) ausgedrückt. Sie ist nach normativen Grammatiken ein obligatorisches Merkmal, das von einigen stark markierten Fällen abgesehen an die am Satzanfang stehende Konstituente klitisiert wird. Die Interrogativpartikel wird mit dem vorangehenden Wort zusammengeschrieben und – wie bei den Suffixen – gilt auch hier die Vokalharmonie. Die Partikel markiert den Interrogativsatz allein, im Finnischen hat sich keine Interrogativintonation entwickelt. Am häufigsten wird die Interrogativpartikel an das Finitum klitisiert, manchmal aber auch an andere Konsti46

Die Großschreibung weist auf einen Vokal hin, der nach den Regeln der Vokalharmonie variiert.

70

tuenten. Das Finitum kann ein finites Vollverb sein (Bsp. 43), aber in analytischen Konstruktionen auch ein Hilfsverb wie das Negationsverb e- (Bsp. 44). (41) Oliko huono päivä? (Beispiele von Lauranto 1996) War-INT schlimm Tag ‚War das ein schlimmer Tag?‘ (42) Etkö sä muista sitä?47 NEG-2.Sg.-INT du erinnern (Verbstamm) es+Partitiv ‚Erinnerst du dich nicht?‘

Die Partikel -kO kann auch an Nominal- oder Adverbialphrasen, manchmal sogar an Partikeln gehängt werden, diese werden dadurch fokussiert (vgl. Hakulinen u.a. 2004:1597f.). (43) Ylihuomennako sinulla on syntymäpäivä? übermorgen-INT dich-auf ist Geburtstag ‚Hast du übermorgen Geburtstag?‘

Die finnischen ENTI können auf verschiedene Weise mit Modalpartikeln gefärbt werden, die der Interrogativpartikel ähnlich Klitika sind. Die Funktion der Modalpartikeln besteht nicht nur in der Markierung des Satzes als Interrogativsatz, sondern im Ausdruck verschiedener, vom Sprecher präferierter Antworterwartungen. Die Partikel -hAn drückt in Interrogativsätzen aus, dass es auf die Frage zum Sprechzeitpunkt keine sichere Antwort gibt, oder dass der Sprecher darauf keine Antwort erwartet. In rhetorischen Fragen kann die Partikel -pA vorkommen (zum Gebrauch der Partikeln s. Karlsson 1982:216, Hakulinen u.a. 2004:769ff., White 1997:307-316). Ein Ausdrucksmittel für die starke positive Antworterwartung des Sprechers sind die einem Deklarativsatz angeschlossenen question tags, durch die ein Übergangstyp zwischen dem Deklarativsatz und dem ENTI zustande kommt. Diese sind halbwegs Feststellungen, die jedoch am Ende als Interrogativsätze abgeschlossen werden, um zu zeigen, dass der Sprecher eine Bestätigung erwartet. Diese Interrogativsätze enthalten im Finnischen neben -kO

47

Die Negation des verbalen Prädikats erfolgt im Finnischen mit Hilfe des Negationsverbs e- und des infiniten Stammes oder der nominalen Form eines lexikalischen Verbs. Das Negationsverb wird nach Person und Numerus konjugiert, es kann aber die Flexionsendungen der Kategorien Modus und Tempus nicht aufnehmen. Tempusund Modussuffixe werden auch in negativen Konstruktionen vom lexikalischen Verb getragen.

71

und dem Negationshilfsverb eine weitere Partikel (niin oder vaan) oder das Nomen totta. (44) Hän oli meillä viime jouluna, eikö niin / eikö vaan / eikö totta? er war uns-auf letzt- Weihnachten QUESTION TAG ‚Er war bei uns letztes Jahr an Weihnachten, nicht wahr?‘

Die Partikel entä drückt aus, dass der Interrogativsatz das Diskursthema weiterführt. Entä ist also in erster Linie ein Kohärenzmarker, der aber an Interrogativsätze gebunden ist. Es kann den Interrogativsatz allein markieren, auch wenn keine Interrogativpartikel (oder Interrogativphrase) im Satz vorkommt. (45) - Oletko työssä? bist-du-INT Arbeit-in ‚Arbeitest du?‘ - En ole. Entä sinä? NEG sein und du ‚Nein. Und du?‘

Diese Typen von ENTI sind in gewissen Kontexten oder Äußerungstypen konventionalisiert (Hakulinen u.a. 2004:1590). Vai (oder die in der gesprochenen Sprache typische Verbindung vai mitä) erscheint im Allgemeinen am Ende eines Satzes mit deklarativer Syntax und drückt ebenfalls eine positive Antworterwartung seitens des Sprechers aus. Dieser will wissen, ob der Partner der zuvor formulierten Proposition zustimmt. In bestimmten Kontexten kann der vai-Interrogativsatz auch als Echofrage fungieren. (46) A: Juan opiskelee suomea täällä Helsingissä. Juan studiert Finnisch hier Helsinki-in B (an Juan): Sä opiskelet suomea täällä Helsingissä, vai mitä? du studierst Finnisch hier Helsinki-in QUESTION TAG ‚– Juan studiert Finnisch hier in Helsinki. - Du studierst also Finnisch hier in Helsinki, oder?‘

Im finnischen Deklarativsatz ist die Serialisierung weitgehend der pragmatischen Struktur, der aktuellen Gliederung des Satzes unterworfen. Der linke Satzrand ist jedoch grammatisch etwas gebundener als die Satzmitte oder das Satzende. Elemente, die den syntaktischen und semantischen Typ des Satzes angeben, z.B. Konjunktionen, Relativpronomen usw., stehen nämlich meistens links. Zu diesen kategorialen Merkmalen des Satzes gehört auch die In72

terrogativpartikel -kO. Da sie klitisch ist, kann sie allein nicht stehen, sondern nur mit einer Satzkonstituente. Die mit der Interrogativpartikel versehene Konstituente ist dementsprechend obligatorisch die erste, ihr können nur Konjunktionen und Dialogpartikeln vorangehen. (47) No, onko teillä jo nälkä? Na, ist-INT von euch schon Hunger ‚Na, habt ihr schon Hunger?‘

Im gesprochenen Finnisch kann die Interrogativpartikel in Sätzen mit einem Subjekt in 2.Sg. eliminiert werden. In diesem Fall ist die Realisierung des pronominalen Subjektes obligatorisch, das Interrogativmerkmal ist die invertierte Wortstellung. (48) Tunnetsä sen? kennst-du ihn ‚Kennst du ihn?‘

Diese, im geschriebenen Finnisch noch nicht verbreitete kolloquiale Form zeigt wahrscheinlich den Einfluss der germanischen Sprachen, vor allem des Schwedischen. Im Finnischen fängt also in unserer Zeit ein Typuswechsel an, indem sich grammatisch gebundene lineare Satzstrukturmuster herausbilden, die auch satzmodusrelevant und satzmodusabhängig sind. Das Finnische ist unter den von uns untersuchten europäischen Sprachen die einzige, in dem es bis auf einige, für die Forschung noch fragliche Ausnahmen keine interrogative Intonation gibt. Durch die Obligatheit der Interrogativpartikel werden die anderen Ebenen von der Satzmodusmarkierung befreit. Die prototypische Intonation im ENTI ist ein dem Deklarativsatz ähnliches fallendes Tonmuster.48 Nach einem relativ hohen Anfangston bleibt der Ton bis zur Wortakzentsilbe des im Fokus stehenden Wortes hoch, danach fällt der Ton bis zur tiefsten Tonlage des Sprechers.

48

Vgl. Iivonen (1978) und (1998:318). Neben dem Standardfinnischen hat er auch umgangssprachliche Realisierungen untersucht (Iivonen 2001). Es ist immer noch nicht ausreichend geklärt, ob es im Finnischen überhaupt eine – sich vom deklarativen Intonationstyp unterscheidende – interrogative Intonation gibt.

73

Häi - rit - senks - mä? Olet - ko töissä? Störe INT ich Bist-du-INT Arbeit-in ‚Störe ich?‘ ‚Arbeitest du?‘ Abbildung IV. Das intonatorische Grundmuster des ENTI im Finnischen

Die meisten ENTI werden mit einer HIP-Intonation realisiert (high initial pitch), aber es wurden unter unseren Tondokumenten auch Äußerungen mit einem niedrigeren Anfangston gefunden. Das Intonationsmuster des Deklarativsatzes ist ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass in den meisten Fällen der Anfangston niedriger liegt als im ENTI. Das Durchschnittsintervall war im ENTI in unseren Messungen dementsprechend etwas größer als im Deklarativsatz. 2.2.8 ENTI im Türkischen Türkisch ist unter den von mir untersuchten Sprachen die einzige, die den ENTI mit einem gebundenen, in die Verbform integrierten Suffix ausdrückt. Das Türkische ist zugleich auch die am stärksten agglutinierende Sprache, die außer der Interrogativität auch die Negation mit einem Suffix realisiert. Im ENTI ist das Interrogativmorphem obligatorisch. Ein weiteres Merkmal ist die interrogative Intonation, die im Türkischen nach meinem Belegmaterial im ENTI als sekundäres Merkmal allgemein benutzt wird. Im neutralen ENTI wird mi mit dem Finitum kombiniert. In diesem Fall wird der ganze Satzinhalt in Frage gestellt. In markierten Fällen kann mi auch mit anderen Konstituenten stehen, in diesem Fall wird diese Konstituente dadurch auch fokussiert. Im Falle der Kombination mit dem Verb steht mi hinter den Tempus- und vor den Personalsuffixen. Dies ist in der türkischen Wortstruktur zugleich die Stelle der modalen Suffixe. In der Schrift wird es zwar vom Verbstamm getrennt geschrieben, seine Stelle zwischen Wortstamm und Personalsuffix sowie die Vokalharmonie mit dem Wortstamm zeigen jedoch eindeutig seinen Suffixcharakter. 74

(49) Ali dün Ístanbul’a gitti mi? Ali gestern Istanbul-nach ging INT-49 ‚Ging Ali gestern nach Istanbul?‘ (50) Adınızı sorabilir miyim? Name-Akk frag-kann-Präs. INT-1SG ‚Darf ich nach Ihrem Namen fragen?‘ (51) Yazıyor musun? Schreib-Präs INT-2SG ‚Schreibst du?‘

In einem Tempus, im sog. erlebten Präteritum steht das Interrogativmorphem hinter der mit Personalsuffixen versehenen Verbform und verhält sich partikelähnlich. Der gleiche Fall liegt vor, wenn eine nicht verbale Konstituente im Interrogativsatz fokussiert wird. Mi steht dann hinter dieser Konstituente als Partikel. (52) Yazdınız mi? Schreib-Prät-2PL INT ‚Habt ihr geschrieben?‘ (53) Sen burada mi yaşıyorsun? Du hier INT leb-Präs-2SG ‚Lebst du hier?‘

(54) Hangi benzinden doldurmam lazım acaba? Normal mi, süper mi, diesel mi? Welches Benzin für mich nötig eigentlich? Normal INT, super INT, diesel INT? ‚Welches Benzin brauche ich eigentlich? Normal, Super oder Diesel?‘

Die Serialisierung ist im Türkischen eine strenge SOV-Stellung, das Finitum steht unabhängig vom Satzmodus am Satzende. Das Objekt steht meistens vor dem Finitum, die weiteren Satzglieder befinden sich zwischen dem Subjekt und dem Objekt. In der gesprochenen Sprache kann die vorletzte, präverbale Position auch von der fokussierten Phrase besetzt werden (vgl. Kenessey 1992:215f.). Dies geschieht auch im ENTI, wenn nicht das Verb selbst fokussiert wird. In diesem Fall steht mi partikelähnlich hinter der fokussierten Phrase, die ihrerseits die vorletzte, präverbale Position im Satz einnimmt.

49

Die dritte Person wird im Türkischen ähnlich wie in den anderen beiden agglutinierenden Sprachen mit einem Nullmorphem markiert.

75

(55) Ali dün İstanbul’a gitti mi? Ali gestern Istanbul-nach ging INT ‚Ist Ali gestern nach Istanbul gegangen?‘ (55‘) Dün İstanbul’a Ali mi gitti? ‚War Ali derjenige, der gestern nach Istanbul gegangen ist?‘ (55“) Ali dün İstanbul’a mi gitti? ‚War Istanbul der Ort, wohin Ali gestern gegangen ist?‘

Die türkische Serialisierung ist also in allen Satzmodi den gleichen grammatischen Regeln unterworfen. Die einzige Variationsmöglichkeit besteht darin, dass im Falle einer pragmatisch markierten Wortstellung die fokussierte Phrase an die vorletzte Stelle gestellt werden kann (die in der pragmatisch unmarkierten, „neutralen“ Wortstellung für das Objekt reserviert ist). Im ENTI wird der Fokus in diesem Fall auch morphologisch, durch die Hinzufügung von mi markiert, während im Deklarativsatz die Fokusmarkierung nur mit der Wortstellung bzw. mit dem Satzakzent erfolgt. Auch wenn der ENTI im Türkischen obligatorisch mit einem Interrogativmorphem markiert wird, ist in dieser Sprache zusätzlich auch eine interrogative Intonation vorhanden. Diese ähnelt gewissermaßen der deutschen und der englischen, mit der Einschränkung, dass im Fokus stets die mit dem Interrogativmorphem mi kombinierte, mit dem Fokusakzent versehene Phrase steht. An der vorletzten Sprechsilbe ist der Ton fallend, an der letzten steigend. Sollte mi am Satzende stehen, übernimmt die vorletzte Sprechsilbe den hohen Ton. In diesem Fall befindet sich auf der letzten Sprechsilbe eine sehr schnelle Tonbewegung zuerst nach unten, dann ein bisschen zurück nach oben.

Burada tatil mi yapıyorsun? Uygun mu? Hier Urlaub-in INT bist-du In Ordnung INT ‚Bist du hier im Urlaub?‘ ‚Ist das in Ordnung?‘ Abbildung V. Realisierungen der türkischen Interrogativintonation

76

2.3 Der Ergänzungsinterrogativsatz in den ausgewählten europäischen Sprachen 2.3.1 Interrogativa Interrogativa stellen in den europäischen Sprachen eine mehr oder weniger einheitliche Klasse dar. Die Wörter, die in interrogativer Funktion benutzt werden können, gehen auf uralte Zeiten der Sprachentwicklung zurück und haben in den indogermanischen Sprachen gemeinsame indogermanische, in den finno-ugrischen gemeinsame uralische Herkunft. Ein Unterschied im Bestand und im inneren System der Interrogativa lässt sich in Europa insbesondere zwischen den indogermanischen und nicht indogermanischen Sprachen beobachten. Die indogermanischen Interrogativa stammen aus einer gemeinsamen indogermanischen Wurzel: [kv-], die im Lateinischen gut zu sehen ist: quis, quid etc. Im Germanischen entwickelte sie sich infolge der ersten Lautverschiebung zu [hv-]. Im Englischen fangen alle Vertreter dieser Formklasse im Schriftbild mit wh-, im Deutschen mit w- an, deshalb werden sie auch wAusdrücke, w-Wörter etc., die ERGI häufig wh-questions, w-Fragen etc. genannt. In den slawischen und romanischen Sprachen bzw. im Albanischen sind für sie die konsonantischen Anfänge [k-], [kv-] oder palatalisierte Formen [S], [5] bzw. [6] charakteristisch, vgl. russ. kto ‚wer‘, što ‚was‘, kuda ‚wohin‘,50 kogda ‚wann‘, kak ‚wie‘; ital. chi ‚wer‘, che ‚was‘ quando ‚wann‘, come ‚wie‘;51 alb. kush ‚wer‘, ç’/ç’ka ‚was‘, ku ‚wo‘, kur ‚wann‘, ç’farë ‚wie‘. Kraft des gemeinsamen Ursprungs ist die formale Einheit dieser Kategorie in den indogermanischen Sprachen erkennbar. Schon sehr früh, in der vorliterarischen Zeit, grammatikalisierte sich in den indogermanischen Sprachen der Unterschied zwischen den Interrogativpronomina und den Interrogativadverbien. Erstere spielen im Sinne von Gallmann/Sitta (1992) eine unmarkierte thematische Rolle und gliedern sich in das Nominalsystem ein. Sie können in den europäischen Sprachen indogermanischen Ursprungs mit Einschränkungen dekliniert werden, weisen 50

Der stimmhafte Konsonant am Anfang von gd’e ‚wo‘ ist die Folge einer Assimilation. Im Altslawischen war der Interrogativausdruck kJd’e, durch Ausfall des Reduktionsvokals im Altrussischen erfolgte die Stimmhaftigkeitsassimilation des ersten Konsonanten. 51 Eine Ausnahme ist die Interrogativphrase dove ‚wo‘. Es geht auf lat. de ŭbi zurück, auf die Kombination einer Präposition mit einem lokalen Adverb, die auch als lokales Interrogativum benutzt wurde.

77

aber keine Pluralformen auf. So wird in den indogermanischen Sprachen die Variable des Interrogativsatzes nach dem Merkmal der Anzahl nicht spezifiziert. (56) A: Wer ist gekommen? B: Klaus und Eva sind gekommen.

Es ist jedoch in einigen Fällen möglich, die Interrogativpronomina, wenn sie in prädikativer Funktion benutzt werden, in pluralischer Umgebung zu verwenden. Ihr singularischer Charakter bedeutet also nicht die Festlegung auf Einzahl, sondern die Unspezifiziertheit nach dem Merkmal der Anzahl. (57) Wer sind diese Leute?

Die Interrogativa wer und was bzw. ihre Äquivalente (engl. who/what, russ. kto/što, it. chi/che, alb. khu/c’ka) verhalten sich syntaktisch ähnlich wie Nominalphrasen, sie können auch mit Präpositionen kombiniert werden. Mit welch- und den Äquivalenten (engl. which, russ. kator-, it. quale, alb. cil-) wird die Determinationsbedürftigkeit eines Nomens bezeichnet. Es verhält sich dementsprechend syntaktisch wie ein Determinativ. Die Interrogativadverbien spielen im Sinne von Gallmann/Sitta (1992:160) eine markierte Rolle und verhalten sich syntaktisch wie Adverbien. Unter den adverbialen Rollen sind die lokale, temporale und modale Rolle die grundlegendsten. Für diese Rollen gibt es einfache Interrogativa in allen untersuchten indogermanischen Sprachen (z.B. dt. wo, engl. where, russ. g’de, ital. dove, alb. cili). Für die weiteren Rollen entwickelten sich meistens komplexe Interrogativa aus der Kombination einer Präposition mit einem einfachen Interrogativum. Manchmal sind sie getrennt geschrieben und als Mehrwortstrukturen empfunden, manchmal zusammen wie ein einziges Fragewort, die komplexe Struktur ist aber formal gut zu erkennen (vgl. z.B. engl. from where, dt. woher, russ. otkuda, ital. da dove, alb. nga cili). Die Deklinierbarkeit der Interrogativpronomina hängt von den Eigenschaften des ganzen Deklinationssystems ab. Im Lateinischen können quis ‚wer‘ und quid ‚was‘ in allen fünf Kasus dekliniert werden, jedoch nur im Singular. Das Pronomen qualis/quale wird auch regelmäßig, nach dem sog. III. Paradigma dekliniert. Im Englischen gibt es ein armes Deklinationssystem, nur das Pronomen who verfügt über eine veraltende Akkusativform whom, wird aber in Akkusativ im heutigen Sprachgebrauch häufiger in der Grundform who verwendet. Interrogativpronomina und auch -adverbien können mit Präpositionen versehen werden: with whom, to whom, on what,

78

where...from etc.52 Im Italienischen, wo Nomina keine Deklinationsformen aufweisen, werden thematische Rollen bei den Interrogativpronomina nur mit Präpositionen ausgedrückt: a chi ‚wem‘, con chi ‚mit wem‘, da che ‚wovon, woraus‘. Interrogativadverbien sind beschränkt mit Präpositionen zu versehen: da dove ‚woher‘, da quando ‚seit wann‘. Ein morphologisch komplexes Interrogativum, das heute als ein Wort empfunden wird, ist perché ‚warum, wozu‘ (per+che).53 Im Russischen liegt ein reiches Deklinationssystem vor. Die Interrogativpronomina können in den gleichen 6 Kasus stehen wie andere Nomina. Sie sind mit Präpositionen kombinierbar. Auch Interrogativadverbien sind beschränkt mit Präpositionen kombinierbar: otkuda ‚woher‘, do kogda ‚bis wann‘. Auch im Russischen kamen komplexe Interrogativadverbien aus der Kombination einer Präposition mit einem Interrogativum zustande: počemu ‚warum‘ (po+čemu, eigtl. ‚wonach, in welchem Sinne‘), začem ‚wozu‘ (za+čem, eigtl. wofür). Im Albanischen können Interrogativpronomina wie andere Nomina in fünf Kasus stehen und sind auch mit Präpositionen kombinierbar. Unter den Interrogativadverbien gibt es einfache und auch komplexe Interrogativa aus einer Präposition und einem Interrogativum. Die deutschen Interrogativa haben eine von den anderen Sprachen abweichende Eigenschaft, indem während wer nach Analogie des Demonstrativpronomens deklinierbar (wen, wem, wessen), was nur beschränkt deklinierbar ist. Das erklärt sich wohl damit, dass sich im Deutschen schon sehr früh, in der vorliterarischen Zeit, die sog. Präpositionaladverbien entwickelt haben und auf analogem Weg aus der Verschmelzung der entsprechenden Interrogativform hwar (später: wa-/wo-) mit Präpositionen Interrogativausdrücke entstanden (vgl. Paul/Henne 1992:156f., 1053f.). Diese verdrängten die deklinierten und die präpositionalen Formen von was. In früheren Sprachstadien, bis zum 18. Jh. findet man noch Belege für das Interrogativpronomen was in Dativ und Genitiv (z.B. zu was Ende, bei was Anlass, waz rātes, was grossen leids), vereinzelt auch die Genitivform wes (z.B. wes Standes und Geschlechtes).54 In der Gegenwartssprache kann was als Subjekt und Akkusativobjekt, selten auch mit Präpositionen (z.B. zu was) vorkommen, andere syntaktische Funktionen werden mit Präpositionaladverbien ausgedrückt. 52

Das Problem, dass die Präposition im heutigen Sprachgebrauch bei Interrogativpronomina häufig, bei Interrogativadverbien immer ans Satzende verschoben wird (z.B. Which adress did you send it to?), wird im Kap. 2.3.5. erörtert. 53 Diachron stellt es also die gleiche Struktur dar wie die oben erwähnten: Präposition + Interrogativpronomen. 54 Beispiele von Paul/Henne (1992:1024).

79

Zwischen den Untersuchungssprachen gibt es weitere kleinere Unterschiede, die darin bestehen, ob sich für eine thematische Rolle ein eigenes Interrogativum spezialisiert hat oder eine periphrastische bzw. Ersatzform benutzt wird. In einigen Sprachen wird z.B. ein Unterschied gemacht, wenn nach der Qualität des determinationsbedürftigen Nomens gefragt wird (vgl. russ. kakaja kniga ‚was für ein Buch‘ vs. kotoraja kniga ‚welches Buch‘). Im Deutschen gibt es nur für die eine Funktion ein Interrogativpronomen, die andere wird periphrastisch mit was für ein- ausgedrückt. Im Italienischen wird der Unterschied nur durch den Kontext verständlich, für beide Funktionen steht der Ausdruck quale libro. Einige Sprachen haben ein kausales und ein finales Interrogativum, z.B. russ. počemu ‚warum‘ vs. začem ‚wozu‘. Andere benutzen für beide Rollen das gleiche Wort z.B. eng. why, it. perché ‚warum, wozu‘. Während die Interrogativa in den indogermanischen Sprachen eine einheitliche Formkategorie bilden, die nach ihrer syntaktischen Funktion in Pronomina und Adverbien unterteilt werden, sind in den finno-ugrischen Sprachen drei semantisch motivierte Formkategorien zu unterscheiden. Die semantische Trichotomie menschlich-sachlich-umstandsbezogen geht wahrscheinlich auf die gemeinfinnougrische, oder sogar auf die gemeinuralische Zeit zurück (vgl. Benkő Hg. 1993, Itkonen/Kulonen Hgg. 1992). Nach menschlichen Lebewesen konnte mit dem finnougrischen Stamm *ke-, nach Sachen mit dem uralischen Stamm *mi-, nach Umständen mit dem uralischen Stamm *ku-/*ko- gefragt werden (vgl. Bereczki 2000:38). Aus diesen alten Interrogativstämmen bildeten sich in den heutigen finno-ugrischen Sprachen die Formen der Interrogativa aus, indem diese Wortstämme auch Agglutinationssuffixe aufnehmen konnten. Ferner ist es auch wahrscheinlich, dass der umstandsbezogene Interrogativwortstamm *ku-/*ko- mit der im heutigen Finnisch vorhandenen Interrogativpartikel etymologisch verwandt ist (Toivonen u.a. 1983 [1958], s. auch Hakulinen 1960:302, Hakulinen 1968:195). Vielleicht gab es im Gemeinuralischen ein allgemeines Fragewort, das im ENTI als Interrogativpartikel, im ERGI als Interrogativphrase interpretiert wurde. Am besten ist die semantische Trichotomie der Interrogativa im Finnischen zu sehen (vgl. Beczner/Nagy/Onesti/Péteri 2009:32f.). Das auf menschliche Lebewesen spezifizierte Interrogativpronomen heißt im heutigen Finnisch zwar kuka ‚wer‘, seine Deklinationsformen gehen aber auf den finnougrischen Stamm *ke- zurück, z:B. kenen ‚wessen/wem‘. Das Interrogativpronomen mikä ‚was‘, das aus dem *mi-Stamm gebildet wird, kann in 12

80

Kasus stehen.55 Die adverbialen Interrogativa werden (wie übrigens auch im Ungarischen) nur teilweise aus dem uralischen Stamm *ku-/*ko- gebildet, teilweise aus dem Stamm *mi-. Lokale Interrogativa und das kausal-finale miksi ‚warum‘ sind suffigierte Formen des mi-Stammes. Auch mit dem *miStamm werden Interrogativa gebildet, mit denen nach der Qualität gefragt wird: millainen/minkälainen ‚was für ein‘. Für die temporale und die modale Rolle haben sich zwei alternative Varianten entwickelt. Die eine ist immer mit dem Stamm mi- gebildet, die andere mit dem ko- bzw. ku- Stamm (vgl. milloin(ka)/koska ‚wann‘ und miten(kä)/kuinka ‚wie‘). Die anderen thematischen Rollen werden durch komplexe Interrogativphrasen ausgedrückt. Im Türkischen liegt eine ähnliche Trichotomie vor wie in den finnougrischen Sprachen. Kim ‚wer‘ und ha ‚was‘ können mit verschiedenen Agglutinationssuffixen versehen werden. Die umstandsbezogenen Interrogativa werden aus dem Stamm ne- gebildet.56 Ne selbst kann kontextgebunden kausal (‚warum‘), final (‚wozu‘), modal (‚wie‘) und auch bei Nomina zum Ausdruck der Determinationsbedürftigkeit (‚welch-‘) benutzt werden. Interessant ist es, dass für zwei grundlegende thematische Rollen, für die lokale und temporale, im Türkischen keine eigenen einfachen Interrogativa vorhanden sind. Erstere wird mit der gebildeten Form nerede ‚wo‘, letztere mit einer periphrastischen Form ne vakit/ne zaman ‚in welcher Zeit‘ erfragt. In allen untersuchten europäischen Sprachen bildeten sich auch andere Funktionen der Interrogativa aus, d.h. mit ihnen werden nicht nur Interrogativsätze markiert, was auch Folgen auf die weiteren potentiellen Merkmale der Interrogativsätze haben kann. In allen Kontrastsprachen liegt eine Überschneidung zwischen den Kategorien Interrogativum und Relativum vor. (58) The book is about a girl, who falls in love with the president. (59) Alles, was produziert wird, belastet die Umwelt. (60) Il giornale che sto leggendo, è il Corriere della Sera. ART Zeitschrift was bin lesend ist ART Corriere della Sera ‚Die Zeitschrift, die ich gerade lese, ist der Corriere della Sera.‘ 55

Im heutigen Finnisch gibt es 15 Kasus (s. Hakulinen 1968:84). Ein drittes Interrogativpronomen ist kumpi ‚welch- von den beiden‘. 56 Die semantische Trichotomie der Interrogativa (personen-, sach- und umstandsbezogen) ist in zahlreichen Sprachen uralischer Herkunft ein Erbe aus der gemeinsamen uralischen Zeit. Das Türkische zählt nicht zu den uralischen Sprachen, alttürkische Sprachen haben aber zu Sprachen uralischer Herkunft, vor allem zum Ungarischen, im ersten Jahrtausend intensive Kontakte gehabt. Ob diese Ähnlichkeit damit zu erklären ist oder andere Gründe hat, ist bisher nicht geklärt. Auch das ungarische etymologische Wörterbuch lässt diese Frage offen (Benkő u.a. Hgg. 1967ff. II/480).

81

Die Überschneidung der beiden Kategorien kann zu ambigen Strukturen und dadurch zu kommunikativen Nachteilen führen. Zur Disambiguierung dieser Strukturen haben die Kontrastsprachen verschiedene Mittel entwickelt. In den meisten indogermanischen Sprachen entwickelte sich das Pronomen mit der Bedeutung ‚welch-‘zu einem allgemeinen Relativum, das uneingeschränkt mit allen Bezugsphrasen kombinierbar ist: englisch which, russisch kotoryj, italienisch il/la quale usw. Die anderen Wörter aus der Kategorie der Interrogativa können in Relativfunktion nur mit Einschränkungen benutzt werden, besonders wenn der Relativsatz dem Matrixsatz vorangeht oder wenn im Matrixsatz keine Bezugsphrase vorliegt. Die Verwendung dieses Wortes als Relativum hat den Vorteil, dass das gleiche Wort als Interrogativum meistens mit einem Substantiv kombiniert wird (which book, kotoraja kniga, il quale libro usw.), während im Falle des Relativums das Bezugssubstantiv im vorangehenden Teilsatz, im Matrixsatz steht (the book, which..., kniga, kotoraja..., il libro, il quale ... usw.). Im Deutschen entwickelte sich das Pronomen der/die/das zu einem allgemeinen Relativum, das die Benutzung der w-Wörter in Relativfunktion teilweise verdrängte bzw. auf bestimmte markierte Fälle einschränkte. Doch blieben im Deutschen noch weitere ambige oder quasi-ambige Konstruktionen erhalten, die im Kap. 3.4.1. detailliert werden. Im Albanischen wird auch das Pronomen cili/cila ‚welch-‘ als Relativum benutzt, allerdings mit dem sog. Kopulativartikel: i cili/e cila.57 Auf diese Weise sind Relativa und Interrogativa im Albanischen voneinander formal gut abgetrennt. Im Ungarischen erfolgt die Disambiguierung mit einem morphologischen Mittel. Das Relativum bekommt die Vorsilbe a-, wohl als Folge der Verschmelzung des als Bezugswort dienenden Demonstrativums: az, ki → aki, az hol → ahol usw. Die alten Fragewörter in Relativfunktion sind aber mit gewissen Einschränkungen bis heute üblich (vgl. detaillierter im Kap. 4.). (61) Ki mint vet, úgy arat (Sprichwort). Wer wie sät so erntet ‚Wie das Gran, so das Tuch‘ wortwörtlich: ‚Wie man sät, so erntet man.‘

57

Der Kopulativartikel verfügt über keine determinierende Funktion, verbindet das Substantiv mit dem nachgestellten Adjektivattribut, indem er das Adjektivattribut einleitet, und drückt aus, dass das Adjektiv in attributiver und nicht in adverbialer Funktion zu verstehen ist: njeri i mirë ‚guter Mensch‘, vajzë e bukur ‚schönes Mädchen‘.

82

2.3.2 Besondere Probleme der Syntax des ERGI Die Syntax des ERGI wird in der generativen und postgenerativen Fachliteratur in Bezug auf die sog. wh-Bewegung detailliert diskutiert.58 Die Interrogativphrase spielt in der Satzstruktur zwei Funktionen: einerseits verfügt sie über eine thematische Rolle, indem sich z.B. wer auf das Agens, wo auf den Geschehensort bezieht. Insofern ist die Interrogativphrase ein „normales Satzglied“ und hat in der Satzstruktur eine entsprechende Stelle. Andererseits ist sie zugleich auch ein Operator, der den ganzen Restsatz in seine Skopusdomäne zieht. In sprachtypologischen Untersuchungen wurden schon längst zwei Grundtypen der natürlichen Sprachen unterschieden: im ersten bleibt die Interrogativphrase „in situ“, d.h. nimmt eine satzmediale Position ein, steht an der gleichen Stelle, wo im Antwortsatz die als Antwort dienende Phrase zu finden ist. So eine Sprache ist das Türkische. (62) Özür dilerim, Ankara Hoteli nerede acaba? Entschuldigung, Ankara-Hotel wo eigentlich ‚Entschuldigung, wo ist eigentlich das Ankara-Hotel?‘

In anderen Sprachen steht die Interrogativphrase in einer Operatorposition, meistens satzinitial, manchmal satzfinal. Die satzinitiale Position ist laut WALS besonders für die europäischen Sprachen charakteristisch (vgl. WALS, Chapter 93). In der GB-Theorie wird die satzinitiale Position der Interrogativphrase mit einer move-α-Transformation, mit der sog. wh-Bewegung erklärt. Die Interrogativphrase werde aus ihrer D-strukturellen Position in die SpecCPosition bewegt, in diejenige Position, die für Satzmodusoperatoren am besten geeignet sei, weil die Interrogativphrase dadurch den ganzen Restsatz in ihre Skopusdomäne ziehe. In der jüngeren Literatur wird statt einer strikten Abgrenzung der beiden Sprachtypen von einem fließenden Übergang ausgegangen. Diese Erkenntnis kommt aus der eingehenden Untersuchung der sog. multiplen Interrogativsätze, die zwei oder mehrere Interrogativphrasen enthalten (z.B. Wer hat was gemacht?). Die wh-Bewegungen lassen sich in diesen Sätzen schon in mindestens drei Typen ordnen: im einen Typ der Sprachen bleiben alle Interrogativphrasen in situ, im zweiten wird die eine in die SpecC-Position bewegt, während andere in situ bleiben, im dritten, wie z.B. im Bulgarischen und im 58

Vgl. Rizzi (1996), Fanselow (1987), Brandt u.a. (1992), Haider (1993, 2010), Haftka (1994), Ackema/Neeleman (1998), Legendre u.a. (1998).

83

Rumänischen (vgl. Rudin 1988) werden alle in die satzinitiale Position gestellt. Dieses Phänomen wird in der einschlägigen Literatur unterschiedlich erklärt. Rizzi (1996) betrachtet nur die satzinitialen Interrogativphrasen als Interrogativoperatoren, die anderen als einfache Satzkonstituenten, d.h. als Phrasen unterhalb der VP. Nach Bošković (2000) besteht der Grund für die unterschiedliche Bewegbarkeit von Interrogativphrasen in vielen Sprachen darin, dass bestimmte Interrogativphrasen über ein starkes, andere über ein schwaches w-Merkmal verfügen. Grewendorf (2001) erklärt die Bewegungsmöglichkeit aller Interrogativphrasen in die SpecC-Position in einigen Sprachen damit, dass sie in diesen Sprachen in Cluster gebündelt würden. Bayer (2006) führt die vorliegenden Unterschiede im Gegensatz zu Rizzi oder Bošković nicht auf idiosynkratisch unterschiedliche semantische Merkmale der Interrogativphrasen zurück, sondern darauf, dass diejenigen Sprachen, in denen in multiplen Interrogativsätzen nur die eine Interrogativphrase in die SpecC-Position bewegt wird und die anderen in situ bleiben, einen Übergangstyp darstellen, in denen die wh-Bewegung an den Satzanfang zwar eine starke Tendenz, jedoch die in-situ-Position der Interrogativphrasen auch nicht ausgeschlossen sei. Zu diesen Übergangstypen gehörten auch das Deutsche und das Englische. Der Übergangscharakter dieser Sprachen lasse sich auch damit nachweisen, dass die in-situ-Position auch in EchoInterrogativsätzen möglich sei. (63) John saw who? Der Hans hat wen gesehen? (Beispiel von Bayer 2006:3)

Bayer arbeitet mit einem Kontinuum-Modell, indem er die als Übergangstypen geltenden Sprachen auch nicht einheitlich einstuft. Im Deutschen sei die sog. lange wh-Bewegung nicht möglich, d.h. aus einem eingebetteten Satz könne die Interrogativphrase nicht in die SpecC-Position des Matrixsatzes bewegt werden, was im Englischen durchaus möglich ist. Im Deutschen werde stattdessen ein neutraler Interrogativausdruck im Matrixsatz benutzt, den Bayer „wh-expletive“ nennt. Dies ist für ihn ein Beweis dafür, dass das Deutsche und das Englische, obwohl beide zum Übergangstyp zwischen den Sprachen „wh in situ“ und den Sprachen „mit wh-movement“ darstellen, doch unterschiedlich starke Neigung zum wh-movement aufweisen: im Englischen sei die Tendenz zur Bewegung der Interrogativphrase in die Satzmodusoperatorposition stärker als im Deutschen. (64) When do you belive that he will come? vs. Was glaubst du, wann er kommt?

84

Meine Beobachtungen in Bezug auf die Kontrastsprachen haben gezeigt, dass die europäischen Sprachen mehrheitlich keine reinen Typen darstellen, sondern unterschiedlich starke Tendenzen zur satzinitialen Position der Interrogativphrase aufweisen. Insofern schließe ich mich an die Auffassung von Bayer an. Ferner habe ich in den Untersuchungssprachen einen Zusammenhang zwischen den Stellungsmöglichkeiten der Interrogativphrase und den allgemeinen Tendenzen der Serialisierung gefunden: In Sprachen mit rigider und satzmodusunabhängiger Wortstellung (im Türkischen gibt es nur ein Muster mit der strikten Regel der Verb-letzt-Stellung für alle Satztypen und nur mit wenigen Variationsmöglichkeiten in der Satzmitte), ist die Wahrscheinlichkeit der in-situ-Stellung der Interrogativphrase groß. Sprachen, die eine grammatisch weitgehend gebundene, aber zugleich satzmodusabhängige Serialisierung haben (z.B. Deutsch und Englisch), präferieren die Initialstellung der Interrogativphrase. Je weniger die Serialisierung grammatisch determiniert ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es für die Stellung der Interrogativphrase in der betreffenden Sprache, wobei die Initialstellung aus informationsstrukturellen Gründen auch in diesen die häufigste ist. In Sprachen, in denen die Wortstellung grundsätzlich pragmatisch motiviert ist (z.B. im Ungarischen), hängt die Stellung der Interrogativphrase am stärksten mit den Fokusverhältnissen zusammen. Letztendlich muss auch die Struktur rechts von der Interrogativphrase untersucht werden. Im Deutschen, Englischen und Albanischen liegt im ERGI invertierte Wortstellung vor, in den anderen Sprachen gelten rechts von der Interrogativphrase die gleichen Stellungsregeln wie im Deklarativsatz. Das korreliert mit der Serialisierung im ENTI. Gerade in den drei erwähnten Sprachen hebt sich auch der ENTI durch eine besondere Wortstellung vom Deklarativsatz ab. 2.3.3 Suprasegmentale Markierung des ERGI Im Vergleich mit der Syntax des ERGI ist seine suprasegmentale Markierung viel weniger erforscht. Da es Interrogativa in jeder bisher untersuchten Sprache der Welt gibt, und da die Interrogativphrase im engen Zusammenhang mit der semantischen Struktur des Satzes das primäre Merkmal des ERGI darstellt, scheint die intonatorische Markierung weniger problematisch zu sein. In vielen Sprachen werden neutrale ERGI intonatorisch überhaupt nicht markiert, sondern weisen die gleiche Defaultintonation auf wie die Deklarativsätze. In anderen Sprachen verfügen sie über eine ähnliche interrogative Intonation wie die ENTI. 85

Ein wesentliches Novum in meinen Untersuchungen besteht darin, dass ich die Intonation und andere suprasegmentale Mittel im ERGI bis zur Grenze der vorhandenen Forschungsmöglichkeiten ebenso untersucht habe wie im Falle der ENTI. Es ist zwar richtig, dass die suprasegmentalen Mittel in den untersuchten Sprachen im Vergleich mit den Interrogativphrasen nur eine sekundäre Rolle spielen, immerhin sind sie aber wichtig und markieren pragmatisch gefärbte Nebentypen. Diese nicht so häufigen Nebentypen konnte ich in erster Linie im Deutschen und im Ungarischen untersuchen. Soweit dies möglich war, versuchte ich aber auch im Falle der anderen Sprachen eine mindestens grobe Charakterisierung der suprasegmentalen Mittel des ERGI zu geben. Die Intonation im ERGI wird in meinen Untersuchungssprachen besonders durch die folgenden Faktoren bestimmt: 1.) ERGI weisen oft die gleiche fallende Defaultintonation wie Deklarativsätze auf: Sie fangen auf einem mittleren Ton an, zeigen bei Akzentstellen eine steigende Melodie, haben am Ende einen fallenden Schluss. 2.) Infolge des Fokusmerkmals der Interrogativphrase liegt in den meisten Sprachen ein Fokusakzent auf der Interrogativphrase selbst oder in ihrer Nähe. Demzufolge hängt der Gipfelpunkt der Intonation von der syntaktischen Stelle der Interrogativphrase stark ab. Da die Interrogativphrase im Satz nicht unbedingt an der gleichen Stelle steht, wo in einem Deklarativsatz eine Fokusphrase zu erwarten ist, kann die Satzmelodie von der im Deklarativsatz üblichen Intonationskontur abweichen, auch wenn am Satzende der gleiche fallende intonatorische Schluss steht. Wie gesehen, steht die Interrogativphrase am häufigsten satzinitial. Deshalb findet sich in den meisten Fällen an der ersten Sprechsilbe bzw. am ersten Wort eine steigende Intonationsstrecke oder der Satz wird an einem hohen Ton angefangen (HIP-Intonation). Nach der Interrogativphrase ist der Ton im Allgemeinen fallend, eventuell wird dieser Tonfall durch weitere Akzentstellen unterbrochen. Wenn die Interrogativphrase eventuell am Satzende ist (dafür haben wir nur im Türkischen Beispiele gefunden), ist die Intonation dementsprechend steigend. 3.) Ein ERGI kann pragmatisch auf verschiedene Weise gefärbt werden. Den pragmatisch unmarkierten Fall bilden die sog. neutralen Sachfragen, mit denen der Sprecher eine Information verlangt, sein Informationsdefizit bezüglich eines Sachverhaltes nachholen will. Sie bedürfen einer meist kurzen, sachlichen Antwort. Der häufigste markierte Typ der Fragehandlungen ist die sog. offene Frage, mit der der Sprecher nicht nur eine abgeschlossene sachliche Antwort erwartet, sondern ein Thema für das weite-

86

re Gespräch aufwirft, die Kommunikation in eine neue Richtung steuert.59 Der pragmatisch offene Charakter der Äußerung wird mit dem wohl übereinzelsprachlichen Merkmal des hohen bzw. steigenden Endtons markiert, der in den Untersuchungssprachen unterschiedlich realisiert wird. In den Sprachen, die sich auch im Allgemeinen eines relativ kleinen Tonumfangs bedienen, bedeutet dies eine leichte steigende Komponente am Satzende, ohne dass der global fallende Charakter des ganzen Intonationstyps dabei verändert wird. In denen aber, die auch im Allgemeinen mit einem größeren Tonumfang arbeiten, kann die globale Intonationskontur in eine steigende hinübergehen, d.h. es kann vorkommen, dass in solchen ERGI der Endton höher liegt als der Anfangston. Übrigens unterscheidet sich der Tonumfang der ERGIRealisierungen meistens nicht signifikant von dem der Deklarativsätze, weist also im Sprachvergleich die gleichen idiosynkraktischen Unterschiede auf. Es gibt ferner ERGI, die sozusagen eo ipso, von ihrem Satzinhalt her pragmatisch offen sind wie z.B. die Fragen des Typs Wie geht’s?. In diesen Fragen spielen außer der Intonation auch weitere prosodische Mittel eine ausgezeichnete Rolle und ihre Realisierungen sind auch innerhalb einer Sprache sehr unterschiedlich, wenig konventionalisiert und weisen große idiolektale Unterschiede auf. 2.3.4 ERGI im Lateinischen Wie gezeigt, bilden die lateinischen Interrogativa eine formal einheitliche Klasse, die außer ubi ‚wo‘ mit der Phonemreihe /kv-/ anfangen. Über Syntax und Intonation des lateinischen ERGI lässt sich sehr wenig mit Sicherheit sagen. In literarischen Texten des klassischen Lateins stehen Interrogativa an verschiedenen Stellen im Satz. Mit gutem Grund kann man jedoch vermuten, dass die freie Stellung der lateinischen Interrogativphrase in den klassischen literarischen Texten eher als eine Abweichung von der unmarkierten Serialisierung aus ästhetisch-rythmischen Gründen zu betrachten ist, während das Sprechlatein schon die gleiche Initialstellung der Interrogativphrase präferierte, die auch für die überwiegende Mehrheit der europäischen Gegenwartssprachen charakteristisch ist, auch wenn mit unterschiedlicher Stabilität bzw. Flexibilität. 59

Semantisch sind natürlich alle Interrogativsätze eo ipso offen, weil ihr propositionaler Gehalt eine Lücke aufweist. Unter pragmatischem Aspekt können sie jedoch geschlossen oder offen sein, wie Selting (1995) zeigt. Die vorliegende Typologisierung der Fragehandlungen nach der pragmatischen Markiertheit basiert auf Selting (1995: 238ff.).

87

2.3.5 ERGI im Englischen Im Englischen ist die Initialstellung der Interrogativphrase eine ziemlich strikte Regel, jedoch mit einigen pragmatisch bedingten Ausnahmen. In der generativ orientierten englischen Fachliteratur wird dies damit erklärt, dass die wh-Phrase aus der in-situ-Position in die SpecC-Position bewegt werde, d.h. in eine Position für Operatoren, deren Skopusdomäne der ganze Satz ist. Somit sei sie die ausgezeichnete Position auch für die Interrogativoperatoren. Im Falle einer präpositionalen Interrogativphrase kann entweder die ganze Phrase in die satzinitiale Position gestellt werden (typisch für den schriftlichen und formellen Sprachgebrauch), oder die Präposition kann „in situ“ bleiben, während das wh-Element an den Satzanfang gestellt wird (gesprochener und lockerer Sprachgebrauch). In dieser besonderen Wortstellungskonstruktion lassen sich beide Bestrebungen der natürlichen Sprachen beobachten: die interrogative Phrase wird als integriertes Glied des Satzes an die entsprechende Stelle der Satzstruktur, als Operator für den ganzen Satz jedoch in eine ausgezeichnete Operatorposition gestellt. (64) To whom are you talking? vs. Who(m) are you talking to?

Ferner gibt es im Englischen satzmediale Interrogativphrasen in multiplen sowie auch in Echo-Interrogativsätzen. (65) What did you buy when? (66) John saw who?

Im multiplen Interrogativsatz stehe laut der generativen Erklärung nur die eine Interrogativphrase in der satzinitialen Operatorposition und markiere somit den Satz als Interrogativsatz, die andere funktioniere als eine „normale“ Phrase im Satz. Mit dem Echo-Interrogativsatz werde eine deklarative Satzstruktur wiederholt (z.B. der Satz John saw James), wobei anstelle des nicht richtig verstandenen Elementes eine wh-Phrase benutzt werde. Interessant ist es, dass die Topikalisierung einer nominalen oder präpositionalen Konstituente im englischen ERGI im Gegensatz zum Deutschen ohne weiteres möglich ist und dass dadurch eine satzinterne Wortstellung der Interrogativphrase auch ohne eine besondere Echo-Interpretation vorliegen kann. (67) During the holidays what will you write?

88

Die Topikalisierung erfolgt genauso wie im Deklarativsatz, in dem die zu topikalisierende Konstituente einfach vor die vorgegebene Satzstruktur gestellt wird, vgl.: (68) During the holidays I will write a paper.

Haegeman/Guéron (1999) stellen deshalb die sog. aufgespaltene CPHypothese auf, nach der im englischen Satz unterhalb von CP und oberhalb von IP weitere funktionale Projektionen angenommen werden, nämlich eine Topik- und eine Fokusprojektion.60 Im Falle der Topikalisierung im Beispiel (69) werde eine Phrase in die Topikposition bewegt, die Interrogativphrase bleibe innerhalb der IP. Bemerkenswert ist es, dass eine derartige Topikalisierung im Deutschen nicht möglich ist, dort soll eine Herausstellungsstruktur mit einem koreferenten Pronomen im Matrixsatz benutzt werden. (69) *Während des Urlaubs was willst du schreiben? nur: Während des Urlaubs, was willst du dann schreiben?

Links von der Interrogativphrase ist im Englischen die gleiche Serialisierung zu finden wie im ENTI, d.h. der ERGI weist im Grunde die gleichen Stellungsregularitäten auf wie der ENTI. Auch die do-Periphrase ist für den ERGI mit den gleichen Einschränkungen charakteristisch wie für den ENTI. (70) What do you read? (vgl.: What can I do?)

Dies zeigt, dass die invertierte Wortstellung ein wesentliches syntaktisches Merkmal des englischen Interrogativsatzes ist, das beide Grundtypen der Interrogativsätze charakterisiert. Dieses Merkmal ist ein wesentliches Mittel der Disambiguierung von Matrix- und eingebetteten Interrogativsätzen. In eingebetteten Interrogativsätzen erfolgt nämlich weder eine Inversion noch eine do-Periphrase. (71) Whom will Thelma meet? vs. I wonder whom Thelma will meet. (72) Why did they invite Tom? vs. I wonder, why they invited Tom.

60

Die Postulierung einer Fokusprojektion wird dadurch motiviert, dass auch Negationsphrasen, die nicht als Topik, sondern als Fokus zu interpretieren sind, auch am Satzanfang stehen können und sogar Inversion des Subjektes bewirken: On no acount will I go there.

89

Ähnlich ist es auch im ENTI.: (73) Will Thelma meet Luise in the afternoon? vs. I wonder whether/if Thelma will meet Luise in the afternoon. (Beispiel von Haegeman/Guéron 1999:173) (74) Do you read this book? vs. I wonder whether/if you read this book.

Für diesen Wortstellungsunterschied zwischen dem Matrixinterrogativsatz und dem eingebetteten Interrogativsatz werden bei Haegeman/Guéron (1999) folgende Erklärungen gegeben. Im ENTI als Matrixsatz erfolge eine sog. Izu-C-Bewegung, d.h. das Interrogativauxiliar (oder ein anderes Hilfsverb) werde aus der I0-Position in die C0-Position, auf eine höhere Projektionsebene bewegt, weil diese Position für einen Operator, der über den ganzen Satz dominiert, besser geeignet sei. Im eingebetteten Satz sei jedoch die C 0Position schon durch den Subjunktor besetzt, so könne diese Bewegung nicht stattfinden. Im Falle des ERGI sei zwar die C0-Position im eingebetteten Satz nicht besetzt, weil die wh-Phrase in SpecC stehe, SpecC und C0 könnten jedoch im eingebetteten Satz nicht gemeinsam besetzt werden, so sei die Izu-C-Bewegung auch hier blockiert. Insgesamt ist die satzintiale Stellung der wh-Phrase im Englischen eine sehr starke Tendenz, aber keine ausnahmslose Regel. In einigen markierten Strukturen kann die wh-Phrase satzinitial stehen, sogar auch bei einfacher Topikalisierung, was im Deutschen nicht möglich ist. Ferner ist die invertierte Wortstellung links von der wh-Phrase ein weiteres wesentliches Merkmal des Interrogativsatzes, wenn der Interrogativsatz als Matrixsatz steht. Der eingebettete Interrogativsatz verfügt über eine dem Deklarativsatz ähnliche Wortstellungsstruktur, was hier vor allem damit erklärt wird, dass der eingebettete Interrogativsatz eine gewisse Übergangsstruktur darstellt. Auch im Sprachvergleich sieht man, dass er in einigen Sprachen eine dem Deklarativsatz, in anderen dem Interrogativsatz ähnliche Struktur hat. Wichtig ist es jedoch, dass der ENTI und der ERGI sowohl als Matrixsatz als auch als eingebetteter Satz hinsichtlich der Stellungsmöglichkeiten der anderen Satzkonstituenten über die gleichen Stellungsregularitäten (invertierte V-S-Wortstellung, Topikalisierungsmöglichkeit durch die Voranstellung einer nominalen Konstituente) verfügen, dass sie sich also syntaktisch einheitlich verhalten. Der englische ERGI-Intonationstyp ist fallend wie der deklarative Typ. Ein Unterschied zur deklarativen Intonation liegt jedoch darin, dass die whPhrase in Initialstellung durch einen hohen Ton hervorgehoben wird, im Gegensatz zu Deklarativsätzen, für die eher eine mittlere Tonhöhe am Satzanfang charakteristisch ist. Die ERGI-Intonation ist also im Englischen – wie 90

auch in vielen anderen Sprachen – eine HIP-Intonation („high initial pitch“). Neben dem neutralen Typ der Sachfragen muss ferner auch ein markierter Nebentyp abgegrenzt werden, der der offenen Fragen. Die steigende oder schwebende Tonhöhe am Äußerungsende markiert, dass der Sprecher eine längere, ausführliche Antwort erwartet und nicht nur eine kurze Sachinformation.

Who’s in picture two? Where shall we go, then? Abbildung VI. Ergänzungsinterrogativsätze im Englischen Sachfrage und offene Frage

2.3.6 ERGI im Italienischen Im Italienischen steht die Interrogativphrase im unmarkierten Fall satzinitial. (75) Quando arriva Paola? Wann kommt-an Paola? ‚Wann kommt Paula an?‘

Nur in hochmarkierten Fällen kann eine andere Phrase der Interrogativphrase vorangehen. Einerseits erfolgt dies im Falle unbetonter Anredepronomina in vokativischer Funktion. (76) E lei cosa risponde ai critici? Und Sie was antworten den Kritikern? ‚Und Sie? Was antworten Sie den Kritikern?‘

Auch eine topikalisierte Konstituente kann der Interrogativphrase vorangehen, in diesem Fall wird eine intonatorische Grenze zwischen der Topikphrase und der Interrogativphrase eingelegt.

91

(77) Quanto costa l’ingresso? oder: L’ingresso, quanto costa? Wieviel kostet der Eintritt ‚Wieviel kostet der Eintritt?‘

Hinter der Interrogativphrase steht in unmarkierten Fällen das Finitum. Der Satz (77‘) ist als isolierter Satz bzw. in neutralen Kontexten inakzeptabel. (77‘) *Quanto l’ingresso costa?

Ausgenommen sind davon Parenthesen (78), Einfügungen, die die Skopusdomäne der Interrogativphrase spezifizieren (79) sowie Herausstellungen (80). (78) Che cosa, per esempio, ti piace

di più

in Gianni?

Was, zum Beispiel, dir gefällt am besten in Gianni? ‚Was gefällt dir beispielsweise am besten an Gianni?‘ (79) Dove, in California,

trovi

una città più allegra di Berkeley?

(80) Che cosa, a Piero,

suo padre non gli ha ancora regalato?61

Wo, in Kalifornien, findest-du eine Stadt lustiger als Berkeley? ‚Wo findest du in Kalifornien eine lustigere Stadt als Berkeley?‘ Was, Piero-Dat, sein Vater nicht ihm hat noch geschenkt? ‚Was alles hat der Vater dem Piero noch nicht geschenkt?‘

Wenn die Phrase zwischen der Interrogativphrase und dem Finitum über eine Referenzfunktion verfügt, wird sie als topikalisierte Konstituente interpretiert. Im Italienischen gibt es im Grunde drei Typen der intonatorischen Realisierung der ERGI, die sogar auch Übergänge aufweisen. Der erste Typ ist ähnlich wie im Englischen durch eine HIP-Intonation charakterisiert. Der Ton ist auf der satzinitialen Intonationsphrase hoch, danach ist er fallend. Wegen der insgesamt großen Tonbewegung, die für die Melodie der italienischen Sprache im Ganzen charakteristisch ist, gibt es im Laufe des Satzes weitere hohe Töne, besonders in dem Fall, wenn andere Konstituenten fokussiert werden. Im zweiten Typ wird die Intonation grundsätzlich durch den propositionalen Fokus bestimmt, dies ähnelt der italienischen ENTIIntonation. Deshalb wird in der italienischen Fachliteratur darüber diskutiert, ob der intonatorische Haupttyp des ERGI die Defaultintonation des Deklara-

61

Beispiele von Renzi u.a. (1995:97f.).

92

tivsatzes ist oder ob es über eine einheitliche, für beide Interrogativtypen charakteristische Interrogativintonation gesprochen werden kann.62

Quando la sua innocenza è Quando ti deciderai a comprare diventata evidente? una macchina? ‚Wann ist seine Unschuld offenbar ‚Wann entschliesst du dich denn, geworden?‘‚ ein Auto zu kaufen?‘ AbbildungVII. Intonatorische ERGI-Realisierungen im Italienischen (aus: Avesani u.a. 2003:7)

Schließlich ist es auch möglich, dass die Melodie bei global fallendem Ton am Satzende zurück erhoben wird, um die pragmatische Offenheit der Frage zu markieren. Dies kann so weit gehen, dass letztendlich ein global steigender Ton realisiert wird, z.B. Che ora è? [/] ‚Wieviel Uhr ist es?‘ oder Come ti chiami/si chiama? [/] ‚Wie heißt du/heißen Sie denn?‘, vgl. Canepari (2006:66). 2.3.7 ERGI im Russischen Im Russischen steht die Interrogativphrase meistens in Initialposition. Danach steht das Finitum, aber unbetonte Pronomina gehen wie im ENTI so auch im ERGI dem Finitum voran. 62

Renzi u.a. (1995:95) behaupten diesbezüglich, dass es im Italienischen eine einheitliche Interrogativintonation vorliegt, die auf die gleiche Weise sowohl den ENTI als auch den ERGI oder mindestens einen Teil des jeweiligen Interrogativsatzes charakterisiert. Canepari (2006) vertritt eher den Standpunkt, dass ein Unterschied in der intonatorischen Realisierung der beiden Untertypen des Interrogativsatzes darin besteht, dass diese interrogative Intonation im ENTI obligatorisch ist, im ERGI nur eine fakultative Möglichkeit darstellt. Man darf ferner von den großen regionalen und dialektalen Unterschieden, die die ganze italienische Satzintonation charakterisieren, auch im Falle der intonatorischen Realisierung der ERGI nicht absehen.

93

(81) Куда уехали дети? / Куда они уехали? Wohin fuhren Kinder Wohin sie fuhren ‚Wohin fuhren die Kinder?‘

Die Voranstellung einer Nominalphrase ist im russischen ERGI durchaus möglich, in diesem Fall wird diese als Topikalisierung interpretiert. (82) Денги когда можно получить? Geld wann möglich bekommen ‚Das Geld, wann kann man es bekommen?‘

Vokativisch funktionierende Anredepronomina können jedoch auf diese Weise nicht an den Satzanfang gestellt werden, sondern nur mit einer Herausstellungsstruktur. (83) Ты, куда ты пойдешь? Du wohin du gehst ‚Du, wohin gehst du?‘

Die Intonation ist im Russischen ähnlich wie in den meisten Sprachen eine HIP-Intonation, die nach dem hohen Ton am Satzanfang bzw. bei kleineren steigenden Strecken an den Wort- und Phrasenakzentstellen ein global fallendes Tonmuster darstellt. Im Falle offener Fragen kann der Ton am Ende erhoben werden.

Что ест На - та - ша? Was isst Natascha? Abbildung VIII. ERGI-Intonation im Russischen

2.3.8 ERGI im Albanischen Im Albanischen ist die Initialstellung der Interrogativphrase in den mir zur Verfügung stehenden Belegen sehr eindeutig. Interessant ist es, dass hinter 94

der Interrogativphrase invertierte Wortstellung (oder eine pro-drop-Struktur) steht. (84) Nga cili vend vjen? Von welch- Ort kommst-du ‚Woher kommst du?‘ (85) Kur niset treni tjetër? Wann fährt Zug nächster ‚Wann fährt der nächste Zug?‘

Auf diese Weise ähnelt die syntaktische Struktur des albanischen ERGI dem mit einer Interrogativpartikel eingeleiteten ENTI,63 während die uneingeleiteten ENTI mit einer dem Deklarativsatz ähnlichen SVO-Wortstellung realisiert werden. Das Albanische stellt eines der besten Beispiele dafür dar, dass die übereinzelsprachlich und grundsätzlich semantisch motivierte Unterscheidung von ENTI und ERGI im einzelsprachlichen System durch die syntaktische Unterscheidung des eingeleiteten und des uneingeleiteten Interrogativsatztyps überlagert wird.64 In eingebetteten Interrogativsätzen gelten die gleichen Wortstellungsregeln wie im Matrixsatz. Interessant ist es, dass die Interrogativphrase im Albanischen keine Subjunktorfunktion spielt, sondern diese Sätze mit dem allgemeinen Subjunktor se ‚dass‘ eingeleitet werden.65 Eine ähnliche Struktur des eingebetteten ERGI liegt unter unseren Untersuchungssprachen nur im Ungarischen vor.

63

Im Kap. B.3.5. wurde ausführlich beschrieben, dass der uneingeleitete ENTI im Albanischen im Allgemeinen über eine dem Deklarativsatz ähnliche SVOVerbstellung verfügt, während in den mit den Partikeln a bzw. nësë eingeführten ENTI hinter der Partikel invertierte Verb-Subjekt-Wortstellung steht. Es muss wieder daran erinnert werden, dass Albanisch eine optionale Pro-drop-Sprache ist, dass es also viele Sätze gibt, in denen das pronominale Subjekt nicht realisiert, sondern nur in der Verbform enthalten ist. Im Falle von pro-drop-Strukturen wird dieser Unterschied zwischen der SV- und der VS-Wortstellung aufgehoben. 64 Ob im Albanischen die Topikalisierung einer Konstituente durch die Stellung in die satzinitiale Position (mit oder ohne pronominales Korrelat im Restsatz) in markierten Fällen möglich ist, konnte ich aufgrund meines ziemlich reduzierten Korpus nicht feststellen. 65 ENTI werden mit nësë eingeleitet, einem komplexen Subjunktor aus der Zusammensetzung der Interrogativpartikel në mit dem allgemeinen Subjunktor se. Auch dort gilt die invertierte Reihenfolge wie in anderen eingeleiteten Interrogativsätzen, wie dies schon im Kap. 2.3.5 ausgeführt wurde.

95

(86) Ai puet nje grua, se ku mund të gjej nje taksi. Er fragt eine Frau, dass wo kann AUX finden ein Taxi ‚Er fragt eine Frau, wo er ein Taxi finden kann.‘

Die Intonation im ERGI ist im unmarkierten Fall auch im Albanischen eine HIP-Intonation mit einem hohen Ton am Satzanfang, auf der Interrogativphrase und danach mit einer global fallenden Intonationskontur. In offenen Fragen – meine Belege stellten mehrheitlich diese Struktur dar – wird der Ton am Ende des Satzes leicht zurück erhoben.

Nga cili vend vjen? Von welch- Ort kommst-du ‚Woher kommst du?‘ Abbildung IX. ERGI-Intonation im Albanischen

2.3.9 ERGI im Finnischen Im Finnischen steht die Interrogativphrase meistens satzinitial, ihr folgt die gleiche Wortstellung wie im Deklarativsatz (d.h. meistens SVOWortstellung, die aber variabel ist). (87) Mihin sä oot menossa? Wohin du bist Gang-in ‚Wohin gehst du?‘

Eine satzmediale Position der Interrogativphrase ist jedoch im Finnischen möglich, und zwar im Falle einer Echo-Interpretation sowie in multiplen Interrogativsätzen. (88) Hän tekee tutkimusta mistä? Er macht Forschung wovon ‚Er untersucht was?‘

96

(89) Kuka syö mitä? Wer isst was ‚Wer isst was?‘

Die pragmatisch unmarkierten neutralen Sachfragen weisen im Finnischen eine – dem Deklarativsatz und dem ENTI ähnliche – fallende Defaultintonation auf. Die Grundfrequenzkurven unterscheiden sich in den beiden Typen des Interrogativsatzes voneinander darin, dass der Ton, der im ENTI bis zu der das Fokusmerkmal tragenden Phrase hoch bleibt, im ERGI direkt nach der satzinitial stehenden Interrogativphrase bis zur tiefsten Tonlage sinkt. Interessant ist, dass sich intonatorische Merkmale im finnischen ERGI deutlich stärker vom Deklarativsatz abheben als im ENTI. Den ENTI ähnlich werden auch die meisten ERGI mit einer HIP-Intonation (high initial pitch) realisiert; in Letzteren liegen aber die beim Anfangston gemessenen Grundfrequenzwerte deutlich höher (bei Frauen oft über 400 Hz, bei Männern bis zu 300 Hz).

Mikä sun nimes on? Was dein Name ist ‚Was ist dein Name?‘

Mikko, mitä sä aiot tehdä ensi viikonloppuna? Mikko, was+Partitiv du willst machen nächstes Wochenende ‚Mikko, was willst du nächstes Wochendende machen?‘ Abbildung X. Intonatorische Realisierungen finnischer ERGI

Wie an der Abbildung X: (zweites Beispiel) zu sehen ist, kommen auch im Finnischen Intonationsmuster vor, in denen der Ton am Äußerungsende leicht gehoben wird. In allen Beispielen kann damit pragmatische Offenheit assoziiert werden.

97

2.3.10 ERGI im Türkischen Im Türkischen steht die Interrogativphrase satzmedial. Bei genauerer Beobachtung der Belege stellte es sich heraus, dass die Interrogativphrase eine ziemlich feste Stelle im Satz hat. Bei der strengen Verb-letzt-Stellung des türkischen Satzes steht sie direkt vor dem Verb bzw. dem Verbalkomplex an der vorletzten Stelle. Hinter dem Verb können nur Partikeln stehen. In den im Türkischen recht häufigen verblosen Sätzen befindet sich die Interrogativphrase satzfinal. (90) En hesaplı şekilde Berlin’e nasıl gidebilirim acaba? Am günstigsten Berlin-nach wie komme-ich eigentlich ‚Wie komme ich am günstigsten nach Berlin?‘ (91) Bugünkü döviz kurları nasıl? Heute Devise Kurs wie ‚Wie ist heute der Devisenwechselkurs?‘

Wenn die Interrogativphrase vor dem Finitum steht, verfügt der Satz über eine dem Deklarativsatz ähnliche Fokusakzentstruktur, indem die Melodie bis zur Interrogativphrase steigend, danach fallend ist. Bei satzfinaler Position der Interrogativphrase ist die Intonation am Satzende steigend. Die Tonbewegung im türkischen ERGI ist in meinen Tondokumenten relativ gering.

Tuvaletin nerede olduğunu? Bugünkü döviz kurları nasıl? Toilette wo befindlich Heute Devise Kurs wie ‚Wo ist die Toilette?‘ ‚Wie ist heute der Devisenwechselkurs?‘ Abbildung XI. Intonatorische ERGI-Realisierungen im Türkischen

2.4 Fazit: Interrogativsätze in europäischen Sprachen Im vorliegenden Kapitel wurde die Markierung der Interrogativsätze in sieben, sorgfältig ausgewählten europäischen Sprachen beschrieben. Die unter98

suchten Sprachen stellen einen typologischen Querschnitt der europäischen Sprachen dar. Die Beschreibung war natürlich reduktionistisch, im Mittelpunkt standen die Haupttypen der Interrogativsätze und ihre prototypischen Realisierungsmuster, während spezialisierte Nebentypen und kontext- bzw. situationsbedingte Ausnahmen unberücksichtigt blieben. Mit dieser Beschreibung sollte einerseits gezeigt werden, dass die europäischen Sprachen unter dem Aspekt der Satzmodusmarkierung trotz relevanter Einzelunterschiede ziemlich einheitliche Tendenzen aufweisen. Andererseits dient die vorliegende Beschreibung dazu, die Interrogativsätze der beiden detailliert untersuchten Kontrastsprachen, des Deutschen und des Ungarischen, vor einem gesamteuropäischen Hintergrund zu unterbringen. Die wesentlichsten Erkenntnisse des Kapitels werden in folgenden Punkten zusammengefasst: 1.

2.

3.

4.

Die lexikogrammatische Markierung des ENTI ist in den europäischen Sprachen weit verbreitet. Dabei verfügen besonders die Sprachen im östlichen Teil von Europa (unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu Sprachfamilien) über Interrogativpartikeln, während die Sprachen im westlichen Teil von Europa den ENTI eher mit syntaktischen und mit intonatorischen Mitteln markieren. Die Interrogativpartikeln in den europäischen Sprachen sind mit Ausnahme des Albanischen Klitika, die in unmarkierten Fällen ans Finitum klitisiert werden, in markierten Fällen aber auch an andere Konstituenten. Dann funktionieren sie als Fokusmerkmal. Mit Ausnahme des Türkischen und des Finnischen sind diese Interrogativpartikeln optional, woraus folgt, dass in den gegebenen Sprachen lexikogrammatisch unmarkierte und lexikogrammatisch markierte Untertypen des ENTI definiert werden müssen. Die lexikogrammatisch unmarkierten dienen meistens zur Realisierung neutraler Fragen, mit den lexikogrammatisch markierten können hingegen feinere Differenzierungen hinsichtlich der Informationsstrukturierung ausgedrückt werden. Dementsprechend verfügen sie auch über eine strenger geregelte Syntax. Wortstellungsvariationen verfügen in diesem Satztyp über Topikalisierungs- und Fokussierungsfunktionen. Eine sehr interessante und unerwartete Beobachtung bestand darin, dass in den Sprachen, in denen ENTI lexikogrammatisch sowohl unmarkiert als auch markiert werden können, der letztere Untertyp der ENTI den gleichen oder ähnlichen syntaktischen Regularitäten unterworfen ist wie der ERGI. Das heißt, dass in diesen Sprachen die semantisch-funktionale Unterscheidung ENTI vs. ERGI durch eine grammatisch motivierte 99

überlagert wird. Die grammatischen Haupttypen sind der lexikogrammatisch markierte und der lexikogrammatisch unmarkierte Interrogativsatz. 5. Die Verberst-Stellung und die Subjektinversion, die im Deutschen und im Englischen grundsätzlich obligatorische syntaktische Merkmale des ENTI darstellen, kommen auch in vielen anderen Sprachen vor. In einigen sind sie an den Untertyp des lexikogrammatisch markierten ENTI gebunden, in anderen stellen sie keine verbindliche Regel, aber trotzdem eine mehr oder weniger starke Tendenz dar. 6. Die steigende Intonation im ENTI ist mit der einzigen Ausnahme des Finnischen für alle untersuchten Sprachen charakteristisch. Wenn sie das alleinige Merkmal des ENTI darstellt, ist sie auch obligatorisch. Bei lexikogrammatisch markierten ENTI ist sie oft nur fakultativ. Der steigende Ton befindet sich in den meisten Sprachen jedoch nicht unbedingt am Satzende, sondern hängt mit den Akzentverhältnissen zusammen. 7. In Sprachen, in denen der Satzfokus nicht mit syntaktischen Mitteln (z.B. mit einer festen Stelle der Fokuskonstituente oder mit der Stelle der klitischen Interrogativpartikel) markiert werden kann, kann die Intonation diese Funktion übernehmen, indem die steigende Strecke des Melodieverlaufs auf die fokussierte Konstituente fällt. 8. Wenn dadurch Überlappungen mit der Intonation im Deklarativsatz zustande kommen, werden auch ergänzende prosodische Merkmale benutzt, am häufigsten ein übermäßig großer Tonumfang, der den steigenden Charakter der Intonation verdeutlicht. Im Allgemeinen ist der Tonumfang im ENTI größer als im Deklarativsatz. 9. Der ERGI wird primär mit der Interrogativphrase markiert. Interrogativa bilden in den europäischen Sprachen indogermanischen Ursprungs eine erkennbar einheitliche Formklasse, ihre Binnendifferenzierung erfolgt syntaktisch in Pronomina und in Adverbien, auch ihr Verhalten weist nur kleinere idiosynkratische Unterschiede auf. In den finnougrischen Sprachen sowie im Türkischen sind Interrogativa semantisch durch die Trichotomie menschlich-sachlich-umstandsbezogen gegliedert. 10. Die Interrogativphrasen sind meistens keine eindeutigen Merkmale, weil das gleiche Sprachzeichen auch in anderen syntaktischen Funktionen auftreten kann. Zur Disambiguierung halten die Sprachen unterschiedliche Techniken bereit. 11. Die Interrogativphrasen stehen in den europäischen Sprachen mit Ausnahme des Türkischen satzinitial. Davon abweichende Wortstellungen sind entweder ungrammatisch oder dienen zum Ausdruck informationsstruktureller Besonderheiten wie z.B. der Topikalisierung. 100

12. Neutrale ERGI werden den Deklarativsätzen ähnlich mit einem fallenden intonatorischen Schluss realisiert. Von der deklarativen Intonation unterscheiden sie sich häufig durch einen hohen Anfangston wegen der Initialstellung der zugleich als Satzfokus dienenden Interrogativphrase. 13. Weitere pragmatische Differenzierungen können mit der Intonation ausgedrückt werden. Häufig ist ein am Ende leicht zurück erhobener intonatorischer Schluss zur Markierung sog. offener Fragen zu beobachten, der in Sprachen mit großem Tonumfang sogar sehr markant sein und in einen global steigenden Intonationstyp übergehen kann.

101

3 Interrogativsätze im Deutschen 3.1 Zielsetzungen und empirische Basis Nach dem sprachtypologischen Überblick der Interrogativsatzstrukturen ausgewählter europäischer Sprachen werden im Folgenden das Deutsche und das Ungarische vor diesem Hintergrund dargestellt. Gezeigt wird einerseits, dass die Interrogativsätze in beiden Sprachen eigene Merkmale aufweisen, andererseits dass im deutsch-ungarischen Vergleich im gegenwärtigen Sprachgebrauch neben den sprachtypologisch relevanten Unterschieden auch wesentliche Ähnlichkeiten festzustellen sind, die mit dem langen Zusammenleben dieser Sprachen im ostmitteleuropäischen Areal bzw. vor allem mit der Wirkung des Deutschen auf die Entwicklung des Ungarischen zu erklären sind. Der deutsch-ungarische Vergleich ist ein interessantes Beispiel für sprachliche Konvergenzphänomene in genealogisch nicht verwandten europäischen Sprachen. Das deutsche Satzmodussystem zeichnet sich unter den europäischen Sprachen vor allem dadurch aus, dass die satztypmarkierende Funktion der Verbstellung in ihm am stärksten ist. Die Verbzweit-Verberst-Opposition ist ein gemeingermanisches Erbe, das sich im Deutschen zu einer stabilen grammatischen Norm entwickelt hat. Auch die Serialisierung am Anfang des ERGI ist im Deutschen strenger geregelt als in den meisten anderen europäischen Sprachen. Interessant ist dabei die Rolle der Stellung der Interrogativpartikeln, die im frühen AhD noch nachweisbar und in der zweiten Hälfte der althochdeutschen Periode erstaunlich schnell verschwunden sind. Das Deutsche ist auch wegen seines Reichtums an Modalpartikeln interessant. Obwohl Modalpartikeln nur als sekundäre Satzmodusmerkmale anzusehen sind, üben sie einen wesentlichen Einfluss auf die Satzmodusmarkierung aus und können sogar in der Disambiguierung homonymer Strukturen eine Rolle spielen. Kaum untersucht wurden bisher ferner die sog. question tags, die u.U. als Marker des Interrogativsatzes dienen können. In diesem Zusammenhang wird auch besonderer Wert auf einen wesentlichen Nebentyp gelegt, auf den sog. Verbzweit-ENTI, die im normierten Sprachgebrauch zwar ziemlich selten ist, in der lockeren Alltagssprache jedoch relativ häufig vorkommt und von einer gewissen Auflockerung der Verbstellungsopposition zeugt. Ein weiteres Novum der vorliegenden Untersuchungen weist die Deskription der als Interrogativsätze funktionierenden eingliedrigen Kurzstrukturen dar. Die empirische Basis des deutsch-ungarischen Vergleichs besteht aus zwei Teilen: A) ein deutsch-ungarisches Vergleichskorpus zum Vergleich 103

morphologischer, lexikalisch-kategorialer und syntaktischer Ausdrucksmittel; B) eine Sammlung deutscher und ungarischer Tondokumente, die von ausgewählten muttersprachlichen Testpersonen vorgelesen wurden und vor allem zur Untersuchung intonatorischer und prosodischer Realisierungen dient. Die Erstellung und die Auswertung eines Korpus sind nicht trivial und liefert nicht automatisch die gewünschten Ergebnisse. Die Korpusarbeit soll sorgfältig vorgeplant werden. Übertriebener Empirizismus und blinde Korpusgläubigkeit können ebenso zu Fehlschlüssen führen wie Spekulationen ohne ausreichende empirische Grundlagen.66 Eine Lösung besteht daher im goldenen Mittelweg zwischen Empirie und Introspektion: eine ausgeglichene linguistische Arbeit kann durch das ständige Hin und Her zwischen der Korpusbefragung und der intuitiven und introspektiven Interpretation der Ergebnisse gesichert werden. Bei der Beurteilung der Repräsentativität unseres Korpus wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass die varietätenspezifischen Eigenschaften der ausgewählten Texte keinen Einfluss auf die Vorkommenshäufigkeit der untersuchten sprachlichen Phänomene haben. In der Praxis mussten die Entscheidungen hinsichtlich der Repräsentativität des Korpus im Laufe der Arbeit häufig revidiert werden, weil es sich während der Belegsuche und der statistischen Auswertung herausgestellt hat, dass auch in den sorgfältigst ausgewählten Texten bestimmte Strukturen über-, andere unterrepräsentiert sind. Deshalb wurde das Korpus im Laufe der achtjährigen Arbeit mehrmals geändert, bestimmte Teilkorpora wurden erweitert, andere reduziert, bis wir dann zu einem ausgewogenen, für den gegebenen Forschungszweck repräsentativen Korpus gelangt sind. Das Korpus besteht auf der deutschen und auf der ungarischen Seite aus vergleichbaren Texten, die gleichen oder ähnlichen Textsorten angehören, an gleiche oder ähnliche institutionalisierte Interaktionsrahmen gebunden sind, alle im Grunde standardnah und dialektfrei sind, alle als gesprochene Texte konzipiert wurden, aber in elektronisch suchbarer, geschriebener oder transkribierter Form zur Verfügung stehen. Die einzelnen Teilkorpora sind somit die Folgenden:

66

So hatte Schindler (2001) z.B. die Absicht, die räumlich-konkreten Varianten des Verbs legen ohne ein „spezielles linguistisches Konzept“ allein ausgehend von den Korpusdaten zu beschreiben, um zu zeigen, dass „auch ohne elaboriertes Theoriegebäude sinnvoll gearbeitet werden kann“ (S. 4.). Dass dies nur eingeschränkt möglich ist, wurde in der Rezension von Kaufmann (2003) ausreichend diskutiert.

104

deutsche Texte ungarische Texte Teilkorpus Umfang Teilkorpus Umfang Plenarsitzungsprotokolle Plenarsitzungsprotokolle 3 887 145 4 492 912 des Deutschen Bundesdes Ungarischen Landtags Textwörter Textwörter tags aus dem Jahr 2003 aus dem Jahr 2000 Gespräche von Schülern, Gespräche von Studenten, in einem Schülerheim 85 866 Text- in einem Studentenheim 29 854 Textaufgenommen und verwörter aufgenommen und vereinwörter einfacht transkribiert67 facht transkribiert68 4 Dramentexte aus dem 42 339 Text- 9 Dramentexte aus dem 156 846 20. Jahrhundert wörter 20. Jahrhundert Textwörter 4 015 350 4 679 612 Insgesamt: Textwörter Textwörter Tabelle I. Das deutsch-ungarische Vergleichskorpus

Die Parlamentsprotokolle bestehen größtenteils aus gesprochen konzipierten, aber mehrheitlich anspruchsvollen und normgebundenen standardnahen Texten, enthalten jedoch auch spontane, der lockeren Umgangssprache nahe stehenden Wortmeldungen und Zwischenrufe. Es gibt ferner auch vorgelesene Reden, die eher die Merkmale der konzeptionellen Schriftlichkeit tragen. Da die Zwischenrufe in den Protokollen extra gekennzeichnet sind, war es möglich, sie getrennt auszuwerten. So gliedert sich das erste Teilkorpus praktisch in zwei weitere Teile, in die Debatten und in die Zwischenrufe. Überwiegend sind alle Texte der Parlamentsprotokolle frei von regionalen und dialektalen Ausdrucksformen. Die Schüler- bzw. Studentengespräche repräsentieren sowohl auf der deutschen als auch auf der ungarischen Seite die lockere Ausdrucksweise der Jugend. Da aber die Schüler bzw. die Studenten unter schulischen Bedingungen (in einem Schüler- bzw. Studentenheim) reden, ist ihre Ausdrucksweise durch ihre Ausbildung beeinflusst und ist auf den beiden Seiten mehrheitlich dialektfrei. So bilden diese Teilkorpora eine angemessene Quelle für die Beobachtung der deutschen und der ungarischen 67

Erstellt im Rahmen des Projektes „Jugendspezifische Sprechweisen“. vgl. Schlobinski/Kohl/Ludewigt (1998). 68 Erstellt im Rahmen eines Projektes zur gesprochenen ungarischen Sprache in den 70er Jahren am Lehrstuhl für Ungarische Sprache an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest. Die Digitalisierung der Transkripte erfolgte unter der Leitung von Professor Borbála Keszler teilweise unter Mitwirkung unserer Forschergruppe von 2004 bis 2007. Eine ausführliche Beschreibung des Originalkorpus findet man bei Keszler (1983:167f.).

105

gesprochenen Standardsprache, nur im Alter der Sprecher weichen sie davon ab. Das Alter scheint jedoch in diesem Forschungsthema, im Falle der Realisierung von Satzmodi, kein relevanter Faktor zu sein. Die modernen Dramen stellen letztendlich größtenteils den hohen Stil der Literatur dar, jedoch in dialogischen, gesprochenen Face-to-face-Situationen. Ein besonderes Problem besteht in der Beurteilung der Grammatikalität der gefundenen Belege, zumal der Forscher kein Muttersprachler des Deutschen ist. Ein einziger Beleg reicht als Beweis für die Grammatikalität einer Struktur nicht aus, weil die Möglichkeit der individuellen Abweichung von der Sprachnorm nicht auszuschließen ist. Ebenso gilt auch das Fehlen einer Konstruktion im Korpus nicht automatisch als Beweis für ihre Ungrammatikalität. Nach Hundt (2005:27) kann große bzw. zunehmende Frequenz bei Konstruktionen, deren Grammatikalität fraglich ist, ein mögliches Argument dafür sein, dass „eine Konstruktion, die in einem grammatischen Modell als nicht regelkonform gebildet gilt [...], ernst genommen werden muss“ (S. 27.). Auch er warnt jedoch vor der blinden Korpusgläubigkeit und weist darauf hin, dass Grammatikalitätsurteile gerade in den Fällen, in denen sie nicht evident sind, nicht allein auf Korpusdaten basieren dürfen. Die Rolle intonatorischer bzw. prosodischer Merkmale in der Realisierung des Interrogativsatzes wurde in einem Teilprojekt des Forschungsprojektes anhand einer Sammlung von Tondokumenten getestet. Die Aufnahmen wurden 2005 teilweise an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest mit 9 StundentInnen (6 Frauen, 3 Männer) mit Ungarisch als Muttersprache, teilweise in Braunschweig mit 11 Testpersonen (7 Schülerinnen/Studentinnen, 2 Schüler/Studenten und 2 Männer im Alter von etwa 40 Jahren) angefertigt. Alle Probanden sprachen dialektfrei.69 Die Probanden wurden gebeten, kurze Dialogauszüge vorzulesen. Sie haben 5 Minuten bekommen, die Auszüge (etwa anderthalb Druckseiten) durchzulesen, damit sie möglichst keine Fehler beim Vorlesen begehen. Eine gewisse Spontaneität wollten wir dadurch sichern, dass sie die Auszüge vorhin nicht einüben konnten. Die Auszüge enthielten verschiedene Typen des Interrogativsatzes in verschiedenen Variationen (mit und ohne Abtönungspartikeln, mit unterschiedlichen thematischen Strukturen) sowie die Antworten auf die Fragen. Ferner gab es auch Beispiele für die Realisierung der Diskurspartikel hm in verschiedenen Funktionen, der in unserer Untersuchung eine besondere Rolle zukommt (s. später). Die

69

Bei den deutschen Probanden wurde explizit die Frage nach dem heimatlichen Dialekt gestellt, alle haben behauptet, dass sie „keinen heimatlichen Dialekt haben“, bzw. „zu Hause normales Hochdeutsch sprechen“.

106

Tonmuster wurden mit dem phonetischen Analyseprogramm PRAAT (Version 4.3.02) ausgewertet. In allen empirischen Untersuchungen wurde besonderer Wert auf eine sorgfältig ausgearbeitete, von mehreren Seiten abgesicherte Auswertungsmethode gelegt. Alle Messungen und Auswertungen wurden in übersichtlichen MS-Excel-Tabellen protokolliert. In den Korpusuntersuchungen sollten Häufigkeitswerte im deutschen und im ungarischen Korpus, in den phonetischen Untersuchungen bestimmte Durchschnittswerte (z.B. Dauer, Tonumfang usw.) in den vergleichbaren deutschen und ungarischen Tondokumenten verglichen werden. Im ersten Schritt der Auswertung sollte mit Hilfe der Methoden der linguistischen Statistik die statistische Signifikanz der Unterschiede ermittelt werden.70 Im Falle der Korpusuntersuchungen wurde der sog. Chi-Quadrat-Test, im Falle der phonetischen Analysen der sog. t-Test verwendet. 71 Zur Ermittlung der statistischen Signifikanz soll hier ein einfaches Beispiel stehen: Die satzinitiale Position der Interrogativphrase ist sowohl im deutschen als auch im ungarischen Ergänzungsinterrogativsatz die häufigste. Eine satzmediale Position kommt aber im Ungarischen anscheinend häufiger vor als im Deutschen. Angenommen, in einem Teilkorpus steht die Interrogativphrase unter 352 deutschen Belegen in 336 satzinitial. Auf der ungarischen Seite gibt es 226 Belege mit 179 satzinitialen Interrogativphrasen. Die Umrechnung in Prozentzahlen würde in diesem Fall keine Information über die statistische Signifikanz liefern, weil sie die Größe der verglichenen Datenmenge verschleiert. Die statistische Signifikanz wurde mit dem an der Universität Georgetown (USA) entwickelten „Web-Chi-SquareCalculator“72 berechnet. ab. Im vorliegenden Beispiel ist der sog. p-Wert, d.h. die Zufallswahrscheinlichkeitsrate niedriger als 0,01, das heißt, der Unterschied ist signifikant. In der vorliegenden Arbeit wurden die statistischen Tests nur bei nicht offensichtlich signifikanten Unterschieden der gemessenen bzw. berechneten Werte durchgeführt. Die ausgewerteten und interpretierten Werte sind in der 70

Zu den Grundlagen vgl. Albert/Coster (2002:118ff.). Die beiden Tests arbeiten mit unterschiedlichen Signifikanzgrenzen: der t-Test ist rigoroser, über 1% Zufallswahrscheinlichkeit wird der Unterschied nicht mehr als signifikant betrachtet. Der Chi-Quadrat-Test ist lockerer, dort werden Ergebnisse mit einer Zufallswahrscheinlichkeit zwischen 1 und 5% als bedingt signifikant anerkannt. 72 www.georgetown.edu/faculty/ballc/webtools/web_chi.html, benutzt im Laufe des Jahres 2008. Die Signifikanz könnte aufgrund einer ziemlich komplizierten mathematischen Formel und einer Tabelle (Albert/Coster 2002) auch mit einem Taschenrechner errechnet werden, jedoch nur sehr mühsam. 71

107

Regel statistisch signifikant, nicht signifikante Unterschiede wurden meistens nicht berücksichtigt. Manchmal wurde jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn mit gutem Grund anzunehmen war, dass der nicht signifikante Unterschied eine relevante Aussagekraft hat und die fehlende Signifikanz nur mit dem kleinen Umfang der ausgewerteten Datenmenge zu erklären ist. In diesen Fällen wurde aber stets angegeben, dass der Unterschied nicht signifikant ist. Statistische Signifikanz bedeutet jedoch nicht automatisch auch linguistische Relevanz. Bei der linguistischen Interpretation der statistischen Ergebnisse muss der Linguist zur intuitiven und introspektiven Arbeit zurückkehren. Zumindest folgende Fragen müssen gestellt werden: a.) Wurden vergleichbare Größen verglichen? b.) Haben die statistischen Daten die intuitiv gestellte Hypothese bestätigt oder widerlegt? c.) Können die statistischen Unterschiede in einem angemessenen theoretischen Rahmen sinnvoll erklärt werden? Die letzte Frage ist besonders dann relevant, wenn durch die Frequenzanalyse die anfangs gestellte Hypothese falsifiziert wurde. Bei Unsicherheit hinsichtlich der linguistischen Relevanz der Ergebnisse sollen die Korpusergebnisse mit anderen empirischen Untersuchungen abgesichert werden. 3. 2 Das Satzmodussystem des Deutschen Die IDS-Grammatik (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997:I/608ff.) unterscheidet wohl unter dem Einfluss der generativen Ansätze in der Satzmodusforschung primäre und ergänzende Satzmodusmerkmale, indem als primäre Merkmale nur „‚Verbstellung/Vorfeldbesetzung‘ (Verberst-Stellung versus Verbzweit-Stellung); ‚Verbmodus‘ (Indikativ/Konjunktiv vs. Imperativ) und das ‚Vorkommen einer W-Phrase‘“ gelten. Ergänzende Merkmale seien die kategoriale Füllung mit Modalpartikeln, die Satzintonation sowie die Interpunktion (ebenda 613). Das Verfahren der IDS-Grammatik lässt sich auch sprachtypologisch insofern rechtfertigen, als die auf der Verbstellung beruhende Satztopologie und dabei insbesondere die grammatische Opposition des Verberst- und des Verbzweit-Satzes ein wesentliches typologisches Merkmal der germanischen Sprachen darstellt. Wie in den beiden früheren Kapiteln gezeigt wurde, sind informationsstrukturell bedingte Verbstellungsvariationen auch in vielen anderen europäischen Sprachen vorhanden und zeigen auch bestimmte Korrelationen mit der Deklarativ-Interrogativ-Unterscheidung. Sie stellen aber in den romanischen und slawischen Sprachen nur eine Tendenz dar und bilden keine grammatischen Oppositionen. Nach Admoni (1990:69ff.) war die vorliegende modusbedingte Opposition schon im Althochdeutschen vorhanden, 108

jedoch mit häufigen pragmatisch bedingten Ausnahmen. In der mittelhochdeutschen Zeit verfestigte sich diese Opposition. Die Verbletzt-Stellung war im Althochdeutschen wohl noch nicht so stark satztypgebunden wie im Gegenwartsdeutschen. Sie stellte eine Serialisierungsvariante in verschiedenen Matrix- und eingebetteten Satztypen dar, im Relativsatz war sie jedoch wegen der Notwendigkeit der Disambiguierung des Demonstrativ- und des Relativpronomens schon grammatikalisiert (vgl. Näf 1979:63). Insofern lässt sich das Satzmodussystem der germanischen Sprachen im Allgemeinen, aber darunter auch des Deutschen als ein besonders syntaxorientertes System auffassen, während die primären Merkmale der modusbedingten Satztypen in den anderen europäischen Sprachen eher lexikalisch-kategorial und/oder intonatorisch sind. Andererseits kann man aber tendenzielle Parallelen in den für einzelne Satzmodi charakteristischen Reihenfolgeverhältnissen in germanischen und nicht germanischen europäischen Sprachen entdecken, die zwei verschiedene Erklärungen haben können: einerseits sind die Serialisierungstypen teilweise auch in den germanischen Sprachen durch informationsstrukturelle Besonderheiten übereinzelsprachlich motiviert, andererseits kann man unter den europäischen Sprachen mit regen Sprachkontakten und komplexen gegenseitigen Wirkungen rechnen. 3. 3 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Deutschen 3.3.1 Interrogativpartikeln Nach Admoni (1990:54) war die Partikel inu (auch in den Formen von innu, inu, ene, eno, ununu) im frühen Althochdeutschen noch relativ häufig, ist jedoch bis zum Ende der althochdeutschen Periode aus dem Deutschen völlig verschwunden. Axel (2007:35f.) zeigt, dass Satzmoduspartikeln von den germanischen Sprachen nicht fremd waren. Im Gotischen wurden sogar drei Satzmodi mit Partikeln markiert.73 Die Etymologie des althochdeutschen inu ist nicht ganz geklärt. Einerseits kann es etymologisch mit der gotischen Interrogativpartikel an zusammenhängen oder stellt eine zusammengesetzte Form aus germ. an sowie der enklitischen, im Gotischen belegten -u dar, andererseits kann es aber auch die Wirkung des Lateinischen –ne (bzw. auch der anderen lateinischen Interrogativpartikeln) widerspiegeln, zumal es im Allgemeinen in Übersetzungen aus dem Lateinischen vorkommt.

73

Es gab eine deklarativ-textverknüpfende Partikel, zwei Interrogativpartikeln und auch eine Optativpartikel.

109

(1) eno habet ir uuaz muoses. (Tatian) ‚Habt ihr was zu essen?‘ / orig.: numquid pulmentarium habis (2) Inu ni angil nist anaebanchiliih gote? (Isidor) ‚Ist ein Angel nicht identisch mit Gott?‘ / orig.: Num angelus qualem cum deo habet imaginem? (Beispiele von Axel 2007:43f.)

Die Interrogativpartikel war satzinitial, danach stand meistens das Verb. Eine offene Frage ist, ob die invertierte Reihenfolge von der Partikel ausgelöst wurde, oder ob es sich einfach darum handelt, dass sich die Inversion im ENTI in der althochdeutschen Zeit zunehmend verfestigte. Ich habe einige Stichproben anhand der durch das Gutenberg-Projekt zugänglichen Texte von Hartmann von Aue bzw. von Walther von der Vogelweide gemacht und festgestellt, dass solche Interrogativpartikeln im Mittelhochdeutschen nicht einmal in Spuren vorhanden sind. Der ziemlich schnelle und vollständige Schwund dieser Partikeln kann mehrere Gründe haben. Einerseits kann es mit der Stabilisierung der deutschen Verbstellung am Satzanfang zusammenhängen. Andererseits ist es anzunehmen, dass die Interrogativpartikeln auch in den althochdeutschen übersetzten Texten durch das lateinische Original motiviert waren. In späteren Zeiten, als sich die deutsche Schriftsprache schon stärker an die Sprechsprache orientierte als an das lateinische Vorbild und besonders in der autonom gewordenen weltlichen Literatur verschwanden diese Partikeln sehr schnell. 3.3.2 Question tags Question tags werden in der einschlägigen Fachliteratur nicht zu den Satzmodusmerkmalen gerechnet, sondern als zusätzliche Marker der pragmatischen Interpretation angesehen. Es wird meistens angenommen, dass sie Deklarativsätzen hinzugefügt werden, vom Satz intonatorisch und in der Schriftform auch orthographisch (durch Komma) abgetrennt werden und dem Deklarativsatz nachträglich eine Frageinterpretation verleihen. Anhand meiner Untersuchungen vermute ich jedoch, dass sie eine relevante Rückwirkung auf die Syntax des Satzes ausüben und auf dem Wege sind, sich zu lexikogrammatischen Merkmalen des ENTI (bzw. eines Übergangstyps zwischen Deklarativsatz und ENTI) zu grammatikalisieren. Im Gegensatz zu ihren englischen Pendants weisen sie meistens keine gekürzten Satzstrukturen auf, sondern sind partikelähnliche Ausdrücke. Ein Teil von Ihnen stammt aus der Negationspartikel nicht (nee?, ne?, nä?, ni? usw.), ein anderer aus Interrogativpronomina bzw. -adverbien (was?, wie?), ein dritter aus Konjunktionen und Interjektionen (oder?, na?). Vereinzelt kom110

men auch Mehrwortausdrücke vor (z.B. nicht wahr?). Ein häufiger question tag (gell?/ge?) stammt aus einem satzförmigen Ausdruck (Gilt es?), hat sich aber schon lexikalisiert. Er kommt in der satzförmigen Version nicht mehr vor, sondern nur in den erwähnten dialektal gefärbten Kurzformen, die heute als überregional verbreitet gelten. Die Häufigkeitsrate der mit question tags markierten ENTI ist besonders in der gesprochenen Sprache ziemlich groß. Am häufigsten sind sie in lockeren spontanen Gesprächen. Im Jugendkorpus sind sie aus 500 Belegen in 140 vertreten, was einer Häufigkeit von 28% entspricht, während sie im Dramenkorpus in 500 Belegen 22-mal (4,4%) und im Bundestagskorpus nur 4-mal (0,8%) zu finden sind. Wenn man im Bundestagskorpus nur die Zwischenrufe auswertet, ergibt sich eine andere Frequenz: hier kommen sie 14-mal bei einer Gesamtbelegzahl von 197 vor (7,1%). Dieser Unterschied zeigt den stilistischen Wert der question tags, indem sie an lockeren kolloquialen Situationen gebunden sind. In Dramen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann aber noch beobachtet werden, dass sich question tags auch im Deutschen ursprünglich aus satzförmigen Äußerungen herausgebildet haben, dadurch, dass einem Deklarativsatz ein kurzer ENTI angeschlossen wurde, mit dem der Sprecher eine Bestätigung vom Partner verlangt hat. Später haben sich diese Ausdrücke gekürzt, lexikalisiert und sind zu einem Strukturmuster geworden, nach dem auch andere Ausdrücke, die nicht mehr auf satzwertige Strukturen zurückgeführt werden können, auch in der Funktion eines question tags benutzt werden können. Im Dramenkorpus sind satzförmige question tags häufig. (3) Claire Zachanassian und der Besitzer dieses Ladens hätten sich vor mehr als vierzig Jahren beinahe geheiratet. Stimmt‘s? (4) [...] so kann die Polizei die Dame nicht ernst nehmen, weil sie dann verrückt ist: Kapiert? (5) Wir sind nur zum Spaß hier, verstanden?

Die Lexikalisierung der deutschen question tags zu Partikeln stellt einen relevanten Unterschied zum Englischen dar, wo sie satzwertige Ausdrücke geblieben sind. Die Hauptfrage besteht im Deutschen darin, inwieweit sie sich in den Satz integrieren bzw. inwieweit sie ihre Eigenstellung als parenthetische Nachträge aufbewahren. Die mit question tags markierten Sätze sind in der deutschen Gegenwartssprache in der überwiegenden Mehrheit Verbzweit-Sätze. Der Satz wird wie ein Deklarativsatz angefangen. Auch die Satzintonation ist bis vor den Nach111

trag die in Deklarativsätzen übliche fallende Defaultintonation. Erst der parenthetische Nachtrag wird mit einer steigenden interrogativen Intonation realisiert. Diese typische Struktur stellt für Altmann (1993a:1022) den Grund dar, diese Sätze als Deklarativsätze einzustufen, die erst am Ende durch den question tag in eine Frage umgeformt werden. Auch nach meinen Beobachtungen zeigen Verbzweit-Strukturen mit question tags den Wechsel der Sprecherkonzeption im Laufe der Realisierung der Äußerung. Im Bundestags- und im Dramenkorpus stellen alle gefundenen Belege dieses Strukturmuster dar, im Gesprächskorpus etwa zwei Drittel der Belege. (6) du machst gleich die ansage, ja?

Es gibt aber im Gesprächskorpus eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Verberst-Strukturen mit question tags (ca. 19%), die unter unserem Aspekt am interessantesten sind und von der Entwicklung der question tags zu lexikogrammatischen Interrogativmerkmalen zeugen. Die Belege weisen eine strukturelle Vielfalt auf, einige sind als elliptisch zu interpretieren, in einigen wird der question tag intonatorisch abgregrenzt. Es gibt jedoch auch mehrere Belege mit realisiertem invertiertem Subjekt, die keine elliptische Interpretation zulassen bzw. auch solche, in denen keine Intonationsgrenze zwischen dem Subjekt und dem question tag zu finden ist. Diese zeigen mindestens in der lockeren Alltagssprache die zunehmende Integration von question tags in gewöhnliche Verberst-ENTI. Dies wird hier mit drei längeren Dialogauszügen demonstriert: (7)74 A: ja stop stop stop da ham wer ja schon genug (.) echt wahr B: sechsundachtzig (...) C: ja das also das is [N] und das ist [N] im film B: achtundneunzig A: war das achtundneunzig (.) ja (?) B: ja (8) A: heute hat nen mädchen ne kontaktlinse im auge verloren und konntse nich finden 74

Kommentar: Die Jugendlichen drehen im Schülerheim einen eigenen Film, dann besichtigen sie die fertigen Teile. Die einzelnen Szenen werden durchnummeriert. Darek ist für die Kamera zuständig und teilt die Szenennummern mit. Die in Klammern stehenden Schriftzeichen zeigen intonatorische Grenzsignale an, andere eingeklammerte Einschübe sind Kommentare des Transkribienten.

112

B: ja (.) die ist verrutscht und dann fragt sie uns ob wir son kleinen spiegel hätten damit die die wieder machen kann (.) am großen spiegel könnte man das nich (...) A: seh ich gut aus (?) steht die mir (?) ne nä (?) (probiert Brille auf) (9)75 A: nu aber schnell ey (an die Schülerinnen, die sich in die Toilette eingeschlossen haben) (Wasserrauschen) B: hatte se nen ne (?) A: das ist die erste zigarette (Lachen) A: voll sicher ey B: ey dann macht doch die türen auf ja (?) A: die kleine steht davor die hat bestimmt gekotzt haha (Lachen) B: haben se magen- und darmgrippe (?) C: das kommt wenn man blöd is B: brennt die ja (?) (Zigarette wird angezündet) A: äh bääh bääh (imitiert Erbrechen) da stehn jetzt genug eimer drinnen (.)

Im Beleg (7) könnte die Benutzung des question tag eventuell mit der Echointerpretation erklärt werden. A will sich vergewissern, ob B die richtige Szenennummer gesagt hat. Der question tag ist intonatorisch abgegrenzt. Der vorangehende Satz ist jedoch ein nicht elliptischer Verberst-Satz mit invertiertem Subjektspronomen. Im Beleg (8) handelt es sich um eine echte Informationsfrage. Die Schülerin A, die eine Brille aufprobiert, möchte die Meinung der Mitschülerinnen hören, ob die Brille ihr gut steht. Der question tag ist auch hier insofern noch selbstständig, als der vorangehende Satz einen steigenden Intonationsschluss aufweist, jedoch keinen fallenden, d.h. man kann hier nicht von einer Feststellung sprechen, die erst nachträglich in eine Frage umgeformt wird. Der question tag funktioniert hier eher als ein Drängen zur Antwort und signalisiert, dass die Antwort, die Meinung der Mitschülerinnen für dieses Mädchen wirklich wichtig ist. Damit lässt sich auch die Verdoppelung erklären. Im Dialogauszug (9) gibt es sogar drei interessante Belege, die einerseits die zunehmende Integration des question tag zeigen, andererseits aber auch eine bestimmte Normunsicherheit, die für Sprachentwicklungsprozesse in einem bestimmten Stadium charakteristisch ist. Im ersten Beleg im Auszug (9) stellt der Schüler B eine Informationsfrage, die jedoch eine Annahme impliziert: aufgrund des Wasserrauschens meint er, dass eine Schülerin von der ersten Zigarette vielleicht ein Erbrechen hatte. 75

Kommentar: Einige Schülerinnen haben sich ins Klo eingeschlossen, um die erste Zigarette auszuprobieren. Die Jungs, die wohl schon Gewohnheitsraucher sind, lachen über die Geräusche. Osman zündet selber eine Zigarette an.

113

Die Frage wird mit einem nicht elliptischen Verberst-Satz realisiert, in den der question tag intonatortisch integriert wird. Der Satz hat nur einen Intonationsschluss, und zwar einen steigenden am Satzende. Der assertive Hintergrund ist hier nur durch die inhaltliche Interpretation zugänglich, formal wird er nicht markiert. In der zweiten Wortmeldung von B zeigt sich eine bestimmte Normunsicherheit, der question tag wird nämlich an einen Imperativsatz angeschlossen. Er könnte als Drängen zur Handlung interpretiert werden oder vielleicht als Unsicherheitsmerkmal des Sprechers, indem er die Berechtigung der Aufforderung nachträglich in Frage stellt. In der letzten Wortmeldung des gleichen Sprechers steht ein eindeutiger, nicht elliptischer Verberst-ENTI mit einem integrierten question tag, der als echte Informationsfrage interpretiert werden soll. B zündet nämlich selber eine Zigarette an und fragt die anderen, ob sie schon brennt. Dass Verbzweit-Sätze und Verberst-Sätze mit question tags unterschieden werden müssen, zeigt sich auch im Modalpartikelgebrauch dieser Sätze. In Verbzweit-Sätzen mit question tags werden Modalpartikeln benutzt, deren Distribution die Deklarativsätze sind. In meinem Korpus enthalten unter den 87 Verbzweit-Sätzen mit question tags insgesamt 12 Sätze Modalpartikeln, darunter 5 Sätze doch, 4 wohl, 2 ja, 1 Satz die MP eben. Beispiele: (10) und dann das braun kommt ja da drunter nä? (11) das sind wohl alles durchschnittswerte hä?

Die Verberst-Sätze mit question tags werden in meinem Korpus selten mit MP kombiniert. Diejenigen, die mit den MP ja bzw. doch kombiniert werden, können als elliptisch interpretiert werden. (12) is doch ne gute antwort (.) nä? ← ‚Das ist doch ne gute Antwort, nä?‘

Es gibt aber Belege mit question tags, die die MP denn enthalten, auch wenn sie nur vereinzelt vorkommen. (13) hatte sie denn was mit, oder hatte sie was von den andern, was?

Dass Belege mit question tags und mit der MP denn nur sporadisch vorkommen, zeigt, dass sich die question tags noch nicht vollständig zu kategorialen Interrogativmarkern entwickelt haben. Zugleich sieht man aber, dass diese Entwicklung angefangen hat und dass der Gebrauch einer an Interrogativsätzen gebundenen MP in ENTI mit question tags grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. 114

3.3.3 Modalpartikeln Der Status der Modalpartikeln unter den Interrogativmerkmalen ist umstritten. Altmann (1993a:1012) hält sie für sekundäre Merkmale. Bestimmte MP sind an bestimmte Satzmodi gebunden und dadurch können sie bei konkurrierender Markierung zur Verdeutlichung des Satzmodus dienen. So sind vor allem denn, eigentlich, etwa, auch und überhaupt „interrogative“ MP. Ferner können auch doch, vielleicht und wohl in Interrogativsätzen auftreten, nicht aber ja, schon, eben, halt und einfach. Andererseits sind MP bis auf einige sehr markierte Fälle fakultativ. Sie markieren nicht allein den Satzmodus, sondern treten gemeinsam mit anderen Satzmodusmarkern auf. 76 Auch ihre Distribution zeigt, dass nur einige MP spezifisch an einen Satzmodus gebunden sind, andere in mehreren Satzmodi auftreten können. Die Gebrauchsbedingungen der MP sind in der einschlägigen Literatur ausreichend erforscht.77 Was in diesem Zusammenhang bisher weniger beachtet wurde, ist gerade die Mitwirkung der MP an der Konstitution der Satzmodi, ihre Rolle in der Satzmodusmarkierung. Nach unseren Korpusuntersuchungen sind etwa 10% der Interrogativsätze mit MP markiert. Diese grobe Durchschnittshäufigkeit weist natürlich korpusspezifische bzw. situationsspezifische Unterschiede auf. Sie deutet jedoch darauf hin, dass MP nicht zu den primären Merkmalen der Interrogativsätze gehören. Sie sind aber trotz ihres fakultativen Auftretens wesentliche Bestandteile des Interrogativsatzes, wie dies im Folgenden gezeigt wird. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Häufigkeitsverteilung von MP in unseren Teilkorpora nach Satztypen geteilt: Verberst-Sätze und eingliedrige Kurzsätze werden unter diesem Aspekt subsummiert, weil sie die gleichen MP zulassen, Verbzweit-Sätze werden getrennt behandelt, weil in ihnen mehrheitlich (aber nicht ausschließlich) MP vorkommen, deren gewöhnliche Distribution der Deklarativsatz ist.

76 77

Zum Verhältnis von MP und Satzmodus im Allgemeinen vgl. Kap. 1.3.1. Vgl. Péteri (2002:42ff.) und das Literaturverzeichnis der Monographie.

115

BundestagsZwischenrufe Dramen Gespräche debatten V1/ V1/ V1/ V2: V2: V1: V2: V2: KURZ: KURZ: KURZ: 0 29 238 99 130 500 168 361 denn 8 9 14 13 1 eigenlich 5 3 6 etwa 6 2 12 1 auch 2 2 3 übehaupt 3 3 1 vielleicht 3 1 doch 2 1 1 2 1478 1 5 wohl 1 2 6 4 mal 2 2 andere 5 8 29 21 32 20 32 18 Gesamt 0 2 (5,8%) (12,5%) (13,4%) (20,2%) (8,84%) (13,84%) Insges. 29 (5,8%) 23 (11,7%) 52 (10,4%) 50 (10%) Tabelle II. Verteilung der Modalpartikeln in ENTI

In Bundestagsdebatten ist der Gebrauch der MP eine Rarität, was damit zu erklären ist, dass die Situation in hohem Maße formalisiert ist, die Handlungsmuster durch die Regeln der Parlamentsdebatte vorgeschrieben werden. Die Belege stammen überwiegend aus Reden, es gibt meistens keine FrageAntwort-Sequenzen. Das Fehlen der MP erklärt sich wohl in erster Linie mit dem Fehlen des Situationstyps ‚Frage-Antwort‘. Andererseits ist der Gebrauch der wenigen MP sehr regelmäßig. Auch unter anderen Aspekten sind die Interrogativsätze sehr regelmäßig, Übergangstypen bzw. individuelle sowie situationsbedingte Abweichungen von der Norm kommen selten vor. In Zwischenrufen wurden insgesamt 197 Belege auswertet, davon werden 23 Sätze mit MP markiert (11,7%). Auch hier scheint der MP-Gebrauch ziemlich regelmäßig zu sein, allerdings gibt es unter den 23 Belegen 4 Übergangsfälle. Belege mit mal realisieren eine indirekte Aufforderung. (14) Haben Sie jetzt mal einen Vorschlag?

78

Doch steht zweimal in den Kombinationen doch nicht etwa bzw. halt doch.

116

Ein Beleg mit doch bzw. einer mit wohl stellen außerdem Verbzweit-Sätze mit question tags dar, die aufgrund der obigen Argumentation als ein konkurrierend markierter Übergangstyp zwischen dem Deklarativsatz und dem Interrogativsatz anzusehen sind. (15) Das ist doch die FDP, oder? (16) Unter Selbstüberschätzung leiden Sie wohl nicht, oder?

Im Dramenkorpus sind die MP häufiger. Unter 500 Belegen werden insgesamt 52 mit MP markiert, was einer Gesamthäufigkeit von 10,4% entspricht. In Verberst-Sätzen werden „interrogative“ MP gebraucht, nämlich denn, etwa, und auch. Einmal kommt auch mal in einer indirekten Aufforderung vor. Für die Verbzweit-Sätze sind demgegenüber die „assertiven“ MP charakteristisch, besonders doch, wohl und halt. All diese Sätze (meistens ohne, einige mit question tags) sind sog. assertive Interrogativsätze: sie stellen den Übergang zwischen dem ENTI und dem Deklarativsatz dar. (17) [...] aber die Welt folgt halt doch nur dem Verstand, gelt, Großpapa? (18) Verzeihung, Onkel! Du wirst es doch gestatten, wenn ich es mir jetzt gestatte, hier zu schießen?

Die entscheidend größere Frequenz der MP in den Übergangsstrukturen erklärt sich gerade mit dem Charakter der MP als sekundäre Merkmale der Satzmodi: die wichtigste Rolle bekommen sie in den Übergangsstrukturen. In assertiven Interrogativsätzen sind sie dafür zuständig, gemeinsam mit der Verbstellung den assertiven Charakter auszudrücken, während der interrogative Charakter mit der interrogativen Intonation und/oder mit dem question tag zum Ausdruck kommt. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Gesprächskorpus, in denen von 500 Belegen 50 mit MP markiert sind (rund 10%). Der Unterschied im MPGebrauch der Verberst- und Verbzweit-Interrogativsätze lässt sich auch hier beobachten, wobei in Verberst-Sätzen denn, eigentlich, auch, überhaupt, etwa und mal benutzt werden, während in Verbzweit-Interrogativsätzen doch, wohl, ja und eben. Der Unterschied zum Dramenkorpus besteht einerseits darin, dass der Gebrauch der MP hier nicht mehr so regelmäßig ist und vereinzelt auch Belege vorkommen, in denen eine interrogative MP in einem Verbzweit-Satz steht bzw. auch umgekehrt. Beispiele: (19) willste eben abschreiben? (20) ja müßten die ja alles abnehmen regenschirm alles nä?

117

Es gibt in diesem Teilkorpus etwas mehr indirekte Aufforderungen, die mit Verberst-Interrogativsätzen mit auffordernden MP realisiert werden. (21) kann ich mal auf toilette? (22) gibste mir mal eben das teil?

Insgesamt kommen also MP in etwa 10% der Interrogativsätze vor. Sie korrelieren ziemlich stark mit der Verbstellung. Eine besondere Rolle spielen sie in Übergangstypen: in assertiven Interrogativsätzen bzw. in denjenigen Interrogativsätzen, die in der Situation als indirekte Aufforderungen fungieren. In diesen Belegen kommen die MP im Allgemeinen häufiger vor, als in den neutralen Verberst-Interrogativsätzen und sind dafür verantwortlich, den Übergangscharakter zu signalisieren bzw. zu verstärken. In indirekten Aufforderungen sind sie in meinem Korpus sogar in 100% der Fälle vorhanden. Sie sind zwar nicht obligatorisch, solche Aufforderungen sind auch ohne MP vorstellbar und interpretierbar, sie verdeutlichen aber die pragmatische Funktion der Äußerung. 3.3.4 Syntaktische ENTI-Typen Die Opposition der Verbzweit- und Verberst-Sätze liegt in mehreren germanischen Sprachen vor und ist in der deutschen Sprachgeschichte seit den Anfängen zu beobachten. Diese Opposition hat wahrscheinlich gemeingermanischen Ursprung. Admoni (1990:70ff.) verweist darauf, dass die vorliegende Opposition im Althochdeutschen eine relativ starke Tendenz war, jedoch nicht ausschließlich galt. In den Denkmälern befinden sich zahlreiche Verberst-Deklarativsätze, besonders am Textanfang oder bei einem thematischen Wechsel, um die sog. thetische Perspektive der Informationsstrukturierung zu markieren, oder einfach aus rhythmischen Gründen (vgl. Admoni 1990:70ff., Roelcke 1997:148). Auf der anderen Seite gibt es in ENTI einige Verbzweit- und Verbletzt-Belege. Wegen dieser schwankenden Wortstellung wurde der interrogative Charakter besonders in älteren Denkmälern mit Interrogativpartikeln eindeutig gemacht (vgl. Kap. 3.3.1.). Die mittelhochdeutsche und die frühneuhochdeutsche Zeit sind die Periode der Verfestigung des linken Satzrandes und der Grammatikalisierung der Verbzweit-VerberstOpposition (vgl. Admoni 1990:127ff.). Engel (1970:56ff.) zeigt, dass der Satzrahmen seit etwa 1700 relativ stabil ist und die Häufigkeit der Durchbrechungen eher von individuellen Sprechgewohnheiten als von den jeweiligen Epochen abhängt. 118

Die klare Verberst-Verbzweit-Opposition und deren Korrelation mit dem Satzmodus wird im Falle des Deklarativ- und des Entscheidungsinterrogativsatzes im Gegenwartsdeutsch besonders durch zwei Satztypen, nämlich durch den Verberst-Deklarativsatz und den Verbzweit-ENTI gestört. Der erste ist zwar ein eher marginaler Satztyp, aber wegen auffälliger Parallelstrukturen in anderen europäischen Sprachen unter kontrastiv-typologischem Aspekt besonders interessant (vgl. dazu Kap. 1.4.3). Verbzweit-ENTI sind in manchen Teilkorpora ziemlich häufig. Im Deutschen liegt darüber hinaus bis heute auch ein dritter Wortstellungstyp im ENTI vor, die Verbletzt-Stellung. Sie ist seit dem Althochdeutschen belegt (vgl. Admoni 1990:71) und bis heute auch in autonomen Matrixsätzen vorhanden. Allerdings ist dieser Satztyp heute eher marginal und mit besonderen pragmatischen Funktionen verbunden. (23) Ob Ihnen das gelingt? Da hab ich Zweifel. (Zwischenruf)

In einem vierten Untertyp des ENTI, im sog. eingliedrigen Kurz-ENTI lässt sich nicht über einen klaren Wortstellungstyp reden, obwohl dieser vierte Typ in einigen Teilkorpora sehr frequent ist und auch eine große funktionale Vielfalt aufweist. (24) – Ich meine, ob du mich vernünftig liebst? – Vernünftig? (Dramenkorpus)

Obwohl die eingliedrigen Kurz-ENTI zu keinem Wortstellungstyp geordnet werden können, weisen sie einen eigenständigen syntaktischen Untertyp auf, dessen Zuordnung zum Interrogativsatzmodus eindeutig ist. Die Satzmodusmarkierung erfolgt auf eine komplexe Weise, wobei das Leitmerkmal meistens die interrogative Intonation ist. Die folgenden Diagramme zeigen die Frequenz der Wortstellungstypen in ENTI in Bundestagsdebatten, in Zwischenrufen, im Dramenkorpus und im Gesprächskorpus.

119

Wortstellungstypen im EntI; Bundestagsdebatten 17

Wortstellungstypen im EntI; Zwischenrufe

14 2

29

2

V1 KURZ

V1

V2

KURZ

V-letzt

V2 V-letzt

48

118

467

Wortstellungstypen im EntI; Gesprächskorpus

Wortstellungstypen im EntI; Dramenkorpus V1 KURZ V2

99

8

V-letzt

9

KURZ V2 V-letzt

130

231

238

155

V1

130

Diagramm I. Frequenz der Wortstellungstypen im ENTI in den einzelnen Teilkorpora

Von den vier Diagrammen ist deutlich abzulesen, dass die Verberst-Stellung in allen Teilkorpora weitaus die dominierende ist. Verbletzt-Stellung kommt in allen Teilkorpora mit einer praktisch zu vernachlässigenden Frequenz vor. Die Verbletzt-ENTI stellen im Gegenwartsdeutsch einen hochmarkierten, in hohem Maße situationsgebundenen Satztyp dar. Am einheitlichsten sind die ENTI in den Bundestagsdebatten, in denen 93,4% der ENTI Verberst-Sätze sind. Abweichende Strukturen kommen nur in Ausnahmefällen vor. In den anderen drei Teilkorpora ist die Beteiligung der Kurz-ENTI und der Verbzweit-ENTI jedoch relativ hoch, sie liegen etwa bei 25% oder im Gesprächskorpus überschreiten sie sogar diese Grenze. Erstaunlich hoch ist auch die Frequenz der Kurz-ENTI in Dramen, was mit den in hohem Maße situationsgebundenen Ausdrücken zu erklären ist. 3.3.5 Verberst-ENTI Die Verberst-Sätze sind sowohl im Bundestagskorpus (und zwar in den beiden Teilen: in den Debatten wie auch in den Zwischenrufen) als auch im Dramenkorpus alle regelmäßige, nach den Forderungen der präskriptiven Grammatiken aufgebaute Strukturen. Anders ist es im Gesprächskorpus. 120

Sogar in diesem Grundtyp des ENTI gibt es einige elliptische Strukturen (25) und relativ viele Belege, in denen das Subjektspronomen ans Verb klitisiert wird (26). (25) hast das gehört? (elliptisch) (26) haste das da rausgezogen? (mit klitischem Subjektspronomen)

3.3.6 Verbzweit-ENTI Verbzweit-ENTI werden bei Altmann (1993a:1022) zu den Interrogativsätzen gezählt, allerdings mit der Einschränkung, dass mit ihnen assertive Fragen realisiert werden. Bei Brandt u.a. (1992: 77) werden sie als Deklarativsätze eingestuft, mit denen auf der Ebene der Pragmatik eine Frage realisiert wird. Die satzabschließende Intonation sei in diesem Konzept das Merkmal der pragmatischen Funktion. Gunlogson (2003) sieht die Hauptfunktion dieses Satztyps darin, dass mit der satzeröffnenden nicht-verbalen Konstituente auf einen common ground, auf eine gemeinsame Basis des Senders und des Empfängers Bezug genommen wird. Ich betrachte diese Sätze als Interrogativsätze, die m.E. nicht unbedingt eine assertive Funktion haben (aber durchaus eine solche haben können). In Anlehnung an den Ansatz von Gunlogson wird im Folgenden dafür argumentiert, dass die Verwendung der Verbzweit-ENTI im Deutschen vorwiegend kontextuelle bzw. situative Gründe hat und immer eine Anschlussfunktion an den Vortext bzw. an die Äußerungssituation ausübt. Am häufigsten kommen textkonnektierende Adverbien, Konjunktionaladverbien sowie Pronomina im Vorfeld des ENTI vor. (27) Dann stör ich also? (Dramenkorpus) (28) Sie wollen also die Arbeitslosigkeit zurückführen? (Zwischenruf)

Auch Nebensätze können einem ENTI vorangestellt werden. (29) aber wenn es deines wär, Frau, würdest du da nicht wollen, es soll reich sein? (Dramenkorpus)

Die wenigen Verbzweit-Sätze in den Bundestagsdebatten gehören alle zu diesem Typ. (30) Deswegen machen Sie beim Verbot von Killerspielen nicht mit?

121

(31) Wenn sich jetzt herausstellt - Sie winden sich natürlich in Ihren Antworten -, dass sich die vielen Verdächtigungen nicht bestätigen, müssten dann nicht die angefallenen Spesen erstattet werden?

Die Mehrheit der Verbzweit-ENTI ist der schon im Kapitel 3.3.2. behandelte Übergangstyp mit question tags, in dem der Übergangscharakter des Satzes mit konkurrierender Markierung gezeigt wird: die Verbstellung ist wie im Deklarativsatz, der question tag wandelt den Satz nachträglich in eine Frage um. Die Intonation ist die fallende Melodie des Deklarativsatzes, die aber am Ende, am question tag mit der steigenden interrogativen Intonation kombiniert wird. Mit solchen Sätzen wird meistens auf einen in der gegebenen Situation bekannten oder erwarteten Sachverhalt/Standpunkt Bezug genommen. (32) Wir sind der Staat, nicht wahr? (Dramenkorpus) (33) Das ist aber doch hier eine Tabak-Trafik – oder? (Dramenkorpus)

Ein Echo-Verbzweit-ENTI liegt vor, wenn der Sprecher auf eine schon gehörte, aber nicht gut verstandene Information Bezug nimmt. (34) [A: ..., daß sie es nicht hat haben wollen.] B: Sie hat es nicht haben wollen? (Echo-Verb-zweit-ENTI) (Dramenkorpus)

Auch ohne Echo-Interpretation kann ein ENTI mit Verbzweit-Wortstellung und mit einer referierenden Phrase am Anfang realisiert werden. Der Sprecher wandelt eine Feststellung mit Hilfe einer satzabschließenden steigenden Intonation in eine Frage um. Damit signalisiert er, dass er in der vermittelten Information ziemlich sicher ist (Feststellungscharakter), jedoch nicht ganz sicher und deshalb vom Partner eine Bestätigung erwartet (Fragecharakter). Mit diesen assertiven ENTI sind auch die Verbzweit-ENTI mit question tags verwandt, ein ENTI kann aber auch ohne question tag mit VerbzweitStellung realisiert werden. (35) Apropos, was ich noch hab sagen wollen: Sie schlachten doch heut noch die Sau? (Dramenkorpus)

Ein Zwischenfall zwischen dem assertiven und dem Echo-ENTI findet sich häufig in den Zwischenrufen im Bundestag. Der Sprecher fasst hier die gerade jetzt vorgetragene Rede mit einer gewissen ironischen Übertreibung zusammen und realisiert zum Satz die interrogative Intonation. 122

(36) Für das Gute ist die Bundesregierung zuständig und für das Negative wir?

3.3.7 Verbletzt-ENTI Vereinzelt kommen auch in ENTI des Gegenwartsdeutschen VerbletztStrukturen vor. Sie sind allein stehende, meistens elliptisch zu interpretierende Nebensätze, in denen der interrogative Charakter auch nur mit Hilfe der satzabschließenden interrogativen Intonation gekennzeichnet wird. (37) Damit wir noch mehr Steuern verlieren? (Zwischenruf, Bundestagskorpus) (38) Und wenn es sich einregnen sollte? (Dramenkorpus)

Allein stehende ob-Verbletzt-Sätze weisen keine elliptische Interpretation aus, sie sind Fragen mit einer deliberativen Komponente. (39) Ob Ihnen das gelingt? Da habe ich Zweifel! (Zwischenruf, Bundestagskorpus)

Allerdings ist die Frequenz der Verbletzt-ENTI in allen drei Teilkorpora sehr gering. 3.3.8 Eingliedrige Kurz-ENTI Obwohl die Verbstellung im deutschen Satzmodussystem als das primäre Satzmodusmerkmal angesehen wird, zeugt die große Frequenz eingliedriger Kurzsätze, die mangels eines finiten Verbs nicht zu einem Verbstellungstyp geordnet werden können, von der Komplexität der Satzmodusmarkierung und von der Relevanz der Intonation im Markierungssystem der Satzmodi. Viele Kurz-ENTI weisen eine Echo-Interpretation auf. Der Sprecher wiederholt nicht den ganzen Satz des Partners, sondern nur einen Teil davon, den er nicht verstanden oder erstaunlich gefunden hat. (40) [A: Die Presse ist nämlich dabei.] B: Die Presse? (Echo-kurz-ENTI)

Kurz-ENTI können elliptisch sein. In diesem Fall kann der Satz aus dem Kontext oder aus dem situativen Wissen zu einem Satz mit einem Finitum ergänzt werden. Solche elliptische Strukturen kommen jedoch in den Korpora relativ selten vor. (41) Ich frag Sie: Platz genug? (Dramenkorpus)

Haben Sie Platz genug?

123

Auch Satzäquivalente können mit einer interrogativen Intonation einen KurzENTI bilden. (42) Wirklich? (Gesprächskorpus)

Eine weitere Motivation für die Bildung von Kurz-ENTI besteht darin, dass der Sprecher im Redebeitrag des Partners etwas nicht ausreichend findet und in Bezug auf die aus der Voräußerung des Partners fehlende Information eine Frage stellt. Diese Kurz-ENTI wirken weiterführend und initiieren ein weiteres Gespräch. Sie sind in allen Korpora ziemlich häufig. (43) – Dann hätten wir überhaupt keinen Krieg gehabt! – Und Sarajevo? Und Bosnien-Herzegowina? (Gesprächskorpus)

In den Bundestagsdebatten dienen Kurz-ENTI oft zur Weiterführung der eigenen Gedanken. Mit ihnen werden Alternativen zu einer vom Sprecher selbst gestellten Frage aufgezählt. Diese ENTI weisen im Allgemeinen eine starke Rhetorizität auf. (44) Wer ist das eigentlich? Das Land? Wieder der Bund? (Bundestagskorpus)

Ferner soll hier erwähnt werden, dass eingliedrige Kurz-ENTI nicht unbedingt unter quantitativem Aspekt kurz sind. Besonders in den Bundestagsdebatten gibt es oft ziemlich umfangreiche Strukturen, die sogar mit eingebetteten Sätzen erweitert werden. Der Terminus eingliedriger Kurzsatz bezieht sich nicht auf die quantitative Satzlänge, sondern auf die strukturelle Einfachheit, indem der Satz in der Regel aus einer Phrase besteht. (45) Konsolidierung bei einer Neuverschuldung in Höhe von 2 Milliarden Euro und Buchungen, die selbst der Hessische Städtetag als politisch unzulässig und rechtlich bedenklich bezeichnet? (Bundestagskorpus)

3.3.9 Informationsstrukturelle Besonderheiten Wie im Kapitel 2 gezeigt wurde, besteht in anderen europäischen Sprachen meistens die Möglichkeit zur Topikalisierung einer Konstituente auch im ENTI oder mindestens in bestimmten Untertypen des ENTI. Dabei wird eine Konstituente der Skopusdomäne der Frage entzogen und als Grundlage für die Fragestellung, als Teil des common ground am Anfang festgehalten. Ob

124

diese Möglichkeit auch im Deutschen vorhanden ist, stellt eine bisher offene Forschungsfrage dar. Die hochgradig grammatikalisierte Verbzweit-Verberst-Opposition im Deutschen scheint dies zu blockieren. In den bisher behandelten VerbzweitENTI stehen meistens Konjunktionaladverbien oder Nebensätze, also nicht referierende Ausdrücke in satzinitialer Position, diese können nicht im obigen Sinne als topikalisierte Konstituente angesehen werden. Die anderen Strukturen mit einer referierenden Phrase am Satzanfang sind auf verschiedene Weise als Übergangsphänomene zwischen dem Deklarativ- und dem Interrogativsatz einzustufen. Assertive ENTI stellen sozusagen halbwegs Feststellungen dar, in denen der Sprecher ziemlich sicher ist, aber sicherheitshalber doch eine Bestätigung vom Partner erwartet. Mit Echo-Verbzweit-ENTI wird meistens auf einen Deklarativsatz des Partners verwiesen,79 deshalb haben sie eine für Deklarativsätze charakteristische lineare Struktur. Im Dramenkorpus haben wir insgesamt zwei Belege für Verbzweit-ENTI gefunden, die echte und autonome Fragen darstellen, in denen also weder eine assertive, noch eine Echointerpretation vorliegt. (46) In diesem Fall, würden Sie den Urteilsspruch annehmen, Ill? (47) Und das Fräulein war also wieder einmal am Fluß?

In (46) wird mit der auch intonatorisch/orthographisch abgegrenzten Vorfeldphrase explizit auf die gegebene Äußerungssituation Bezug genommen. Die Nominalphrase im Beispiel (47), das Fräulein, ist vokativisch zu verstehen und stellt damit einen unmittelbaren Situationsbezug her. Eine gewisse Auflockerung der Verbzweit-Verberst-Opposition zeigen auch die im Gesprächskorpus relativ häufigen unbetonten Pronomina im Vorfeld. Die meisten dieser Belege können weder als assertive noch als Echo-ENTI interpretiert werden. Im lockeren Gespräch ist ein neutraler ENTI ohne Übergangscharakter mit einer Verbzweit-Wortstellung möglich. (48) A: ich hab mir jetzt ein ganz großes band gekauft (.) so strech ne nich samt ein Haarband Interviewerin: ja

79

Echo-ENTI, die auf Fragen des Partners zurückgehen, werden in der Regel nicht durch einen Verbzweit-ENTI, sondern durch einen ob-Verb-letzt-ENTI realisiert, vgl.: A: Bist du verrückt? B: Ob ich verrückt bin?

125

A: karriert (.) schwarz-weiß so um den kopf wenn ichs dann anziehe (.) ich fahr nach holland mit meiner tanzgruppe (.) [...] und dann (.) sieht voll gut aus (.1 sec) dies Interviewerin: und das ziehst dann an?

Das satzinitiale Pronomen das im letzten Satz des Gesprächsauszugs verweist auf den common ground: es geht um ein bekanntes Kleidungsstück, um das Haarband, das von der Schülerin A angesprochen und wohl auch gezeigt wurde, also in der Situation unmittelbar präsent ist. Über dieses Kleidungsstück wird gefragt, ob die Partnerin es anzieht. (49) A: ja (.) stehst da vorm manhatten am 1. dezember (.) so richtig schön arschkalt draußen (.) die straßen arschglatt (.) ja doll (.) und dabei sollst noch fahrprüfung [...] was da mußte mit achtzig auf die schikane zufahrn? zu eh (.) zehn meter vor der schikane ne vollbremsung machen (.) also ohne daß die räder blockiern [...] Interviewerin: das machen die so? A: ja (.) bei glatteis Interviewerin: das is wirklich schikane

Im Verbzweit-ENTI der Interwiewerin wird mit dem Pronomen das auf die ganze vorhin geschilderte Situation verwiesen. In Bezug auf diese Situation wird gefragt, ob sie in Amerika wirklich so abläuft. Interessant ist es, dass die Verbzweit-ENTI in den Belegen (48) und (49) von der erwachsenen Interwiewerin stammen, dass diese Strukturen also nicht einfach mit dem Sprachgebrauch der Jugend zu erklären sind. Ferner ist diese Art des Verbzweit-ENTI mit einer besonderen Informationsstrukturierung verbunden. Beide Beispiele sind vollthematisch, denn auch die Informationen im eigentlichen Frageteil (dass die Schülerin das Band anzieht oder dass in Amerika vor der Schikane so gebremst wird) wurden schon im Vorgängerdialog angesprochen. Doch wird dem topikalisierten Pronomen ein klar markierter Fokus gegenübergestellt (im ersten Beispiel das Verb anziehen durch die Akzentuierung von an, im zweiten die Art und Weise durch die Akzentuierung von so). Dadurch ist mit dieser Struktur die Assoziation verbunden, dass es sich hier um etwas Außergewöhnliches handelt. In diese Reihe passt auch der als Motto für die vorliegende Arbeit gewählte und im Vorwort interpretierte Beleg Du schreibst?.80 Diese Verbzweit-Sätze stellen einen Untertyp des ENTI dar, der keinen Übergangscharakter aufweist, sondern eine pragmatische Sonderfunktion hat. Sie verweisen im Allgemeinen auf eine besondere, außergewöhnliche Qualität oder Art und Weise, die in der Situation oft nicht expli80

Vgl. die Einleitung der vorliegenden Arbeit.

126

ziert wird, sondern nur implizit mitzuverstehen ist. Dieser Verbzweit-ENTI kommt jedoch im Gegenwartsdeutsch nur selten vor und ist an bestimmten Situationen gebunden. Selten können im vorliegenden Typ sogar Nominalphrasen topikalisiert werden. (50) A: und denn aufm weg nach hause wir gingen zurück auf einmal stellt sich da son passat quer auf die straße die steigen aus mußt ich zurück kriminalpolizei habn n marke gezeigt und (.) habn mir die waffe abgenommen aber sonst nix gesagt Interviewerin: mhm keine anzeige hast du gekriegt? A: der hat doch nichts gemacht () Interviewerin: mh (.) es gibt sonst sowas (.) unerlaubter waffenbesitz?

Obwohl im Beleg (50) das Thema Anzeige im Vortext nicht explizit angesprochen wird, kann man in einer Situation, in der Kriminalpolizisten einem Jugendlichen eine Waffe wegnehmen, erwarten, dass er auch angezeigt wird. So kann die Information ‚Anzeige‘ als Teil des common ground interpretiert werden, auf den mit der Frage Bezug genommen wird. In anspruchsvollen öffentlichen Situationen kommen jedoch VerbzweitENTI sehr selten vor. Die Funktion, eine Informationseinheit als Teil des common ground der Skopusdomäne der Frage zu entziehen, wird in diesen Texten mit einer periphrastischen Struktur realisiert, indem die Aufnahme des Common-ground-Elementes in einem getrennten Satz erfolgt. Ein typisches Verfahren ist es in den Bundestagsdebatten. (51) Die Fahrt kostet bis zum dritten Kind pro Kind 23 Euro und für das vierte, fünfte, sechste und jedes weitere Kind kostet die Fahrt 38 Euro. Halten Sie das für familienpolitisch vertretbar? → ‚Die hohen Fahrtkosten, halten sie sie für familienpolitisch vertretbar?‘ (52) Ich stelle die These auf - und möchte Sie fragen, ob Sie mir da zustimmen -, dass die Verringerung des Energieverbrauchs ausschließlich darauf zurückzuführen ist,[...] → ‚Meiner These, stimmen Sie ihr zu?‘ (53) Vor dem Hintergrund, dass bereits im August des letzten Jahres unter anderem in der „FAZ“ auf Hinweise rekurriert wurde, dass unter Umständen in Nordkorea, im Irak, aber auch möglicherweise in anderen Ländern Biokampfstoffe und entsprechende gefährliche Erreger existieren - neben Anthrax waren auch Pocken genannt -, frage ich Sie: Ist es richtig, dass diese allgemeinen Gefährdungshinweise bis heute allgemein geblieben sind [...] → ‚Was die Biokampfstoffe anbelangt, ist es richtig, dass ...‘

127

Man könnte denken, dass dieses Verfahren mit der übermäßigen Komplexität und Länge der Common-ground-Information zu erklären ist: Der Sprecher führt den Sachverhalt, der als Grundlage für die Fragestellung dient und die Frage motiviert, detailliert aus. Durch gezielte Suche nach diesen Belegen stellt es sich jedoch heraus, dass das beschriebene Verfahren auch in relativ kurzen Satzstrukturen nachzuweisen ist. (54) Es wird von einer Anzahl von 10 000 Betrieben gesprochen. Teilen Sie diese Ansicht? → ‚Die Ansicht über die 10000 Betriebe, teilen Sie sie?‘ (55) Sicher brauchen wir erneuerbare Energien, aber: müssen es immer die teuersten sein? → ‚Die nötigen erneuerbaren Energien, müssen sie immer die teuersten sein?‘

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Deutschen die VerbzweitVerberst-Opposition für die Unterscheidung der Deklarativ- und der Entscheidungsinterrogativsätze eine ziemlich stark grammatikalisierte Dichotomie darstellt, die ihrerseits gewissermaßen selbst pragmatisch motiviert ist und auch in anderen Sprachen beobachtet werden kann, im Deutschen jedoch am stärksten grammatisch determiniert ist. Im Deutschen kann man im gegenwärtigen Sprachstadium vom Primat dieses syntaktischen Markierungsmittels des ENTI ausgehen. Andererseits sind in vielen Kontexten und Situationen aus Gründen der besonderen Informationsstrukturierung auch Abweichungen von dieser grammatischen Norm notwendig. Das Deutsche lässt solche Abweichungen in lockeren, privaten Situationen zu, während in öffentlichen Situationen, in denen ein anspruchsvoller Sprachgebrauch erwünscht wird, eher periphrastische Strukturen benutzt werden. 3.3.10 Intonatorische Markierung Die suprasegmentale Markierung des deutschen ENTI können wir im Vergleich mit der des neutralen Deklarativsatzes behandeln. Der Intonationstyp im neutralen Deklarativsatz ist in unseren Untersuchungssprachen der gleiche (vgl. ausführlich im Kap. 1.5.3.). Am Satzende ist der Ton fallend, und zwar bis zum tiefsten Ton des Sprechers, der sprecherspezifisch und bei einem Sprecher invariabel ist. Der neutrale Deklarativsatz lässt sich auch im Deutschen mit diesem Intonationstyp charakterisieren, wie in der Abbildung I. zu sehen ist. Sprachspezifische Unterschiede ergeben sich durch das unterschiedliche Intervall. Das Deutsche ist unter den Untersuchungssprachen mit

128

einem mittleren Tonumfang zu charakterisieren.81 Im vorgelesenen Beispielsatz (vgl. Abbildung I.) haben wir bei elf Probanden ein Durchschnittsintervall von 1,78 berechnet. Unter den Untersuchungssprachen wird im Englischen, im Russischen und im Italienischen im Durchschnitt mit einem größeren Tonumfang gearbeitet. Dem Deutschen ähnlich war das Durchschnittsintervall im Finnischen, im Albanischen und Türkischen, während es im Ungarischen kleiner ist.

Ich bin diesbezüglich Ich bin diesbezüglich ganz anderer Meinung. ganz anderer Meinung. Abbildung I. Realisierung eines neutralen Deklarativsatzes im Deutschen. Links: eine Männerstimme; rechts: eine Frauenstimme.

Die ENTI-Intonation ist im Deutschen auch ziemlich einheitlich. Das Merkmal ist eine steigende Strecke am Satzende. Diese Strecke kann deshalb als Satzmodusmerkmal gelten, weil sie mehrheitlich auf eine unakzentuierte Silbe fällt. So hängt diese steigende Strecke nicht mit einem Akzent zusammen. Unter den Untersuchungssprachen haben wir einen ähnlichen ENTIIntonationstyp im Englischen und im Albanischen gefunden. Auch in den anderen Sprachen (mit Ausnahme des Finnischen) wurde eine steigende Intonationsstrecke als Merkmal des ENTI angesehen, die jedoch nicht unbedingt am Satzende realisiert wird, sondern stark an den Satzakzent gebunden ist. Im Deutschen ist meistens eine ziemlich steil ansteigende Strecke am Satzende (meistens an der letzten nicht reduzierten Silbe) zu beobachten. Modifiziert werden kann diese Intonation durch einen kontrastiven oder emphatischen Akzent. In diesem Fall liegt diese steigende Strecke bereits schon 81

Vgl. ausführlicher: Péteri (2005:214).

129

auf der akzentuierten Silbe. Der Ton ist danach entweder monoton steigend oder schwebend.

Hast du die Prüfung bestanden? Hast du die PRÜfung bestanden? Abbildung II. Intonatorische Realisierung eines deutschen ENTI ohne und mit Kontrastakzent

Wegen der im Allgemeinen ziemlich steilen Hebung der Tonhöhe am Satzende ist der durchschnittliche Tonumfang etwas größer als im Deklarativsatz. Das Durchschnittsintervall beträgt in den untersuchten Belegen 1,91. Es gab aber auch Realisierungen mit dem gleichen oder sogar mit kleinerem Tonumfang als im Deklarativsatz, so konnte die statistische Signifikanz des Unterschieds (wahrscheinlich auch wegen des relativ kleinen Belegmaterials) nicht ermittelt werden. Ich habe auch ENTI mit Modalpartikeln untersucht. Es hat sich herausgestellt, dass der Modalpartikelgebrauch im ENTI keine Auswirkung auf die intonatorische Realisierung hat. ENTI mit und ohne Modalpartikeln weisen die gleichen intonatorischen Eigenschaften auf. Dies erklärt sich einerseits mit der großen Stabilität des ENTI-Intonationstyps, andererseits damit, dass die Modalpartikeln im deutschen ENTI den Satztyp nicht beeinflussen (also keine Interrogativpartikeln sind).82 Hier werden zwei Beispiele angegeben, eins für die Modalpartikel denn, eins für eigentlich:

82

Etwas anders wird der Fall im ERGI aussehen, wo die Intonation eine größere Variabilität aufweist und wo die Realisierung des Intonationstyps auch vom Modalpartikelgebrauch abhängt, vgl. unten.

130

Kommst du denn nicht mit? Habt ihr eigentlich alle was zu trinken? Abbildung III. ENTI-Realisierungen mit Modalpartikeln

3.4 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Deutschen Das primäre Merkmal des ERGI ist die Interrogativphrase, die in den germanischen Sprachen, so auch im Deutschen eine mehr oder weniger einheitliche Formklasse bildet und auch w-Wort, w-Phrase (oder in der angelsächsischen Tradition wh-Phrase) genannt wird. Die einschlägigen Untersuchungen sind meistens generativ orientiert und fokussieren auf die syntaktische Stelle der Interrogativphrase. Weniger Forschungsergebnisse liegen bisher zu anderen Merkmalen des ERGI vor. Meine Korpusuntersuchungen zeigen, dass die deutschen w-Phrasen wegen ihrer Polyfunktionalität nicht immer eine eindeutige und ausreichende Markierung des ERGI darstellen. So kann anderen potentiellen Satzmodusmerkmalen (Modalpartikeln, intonatorischen Merkmalen) auch im ERGI eine wesentliche, manchmal sogar entscheidende Rolle zukommen. 3.4.1 w-Phrasen In Grammatiken und Wörterbüchern des Deutschen herrscht mehr oder weniger Einigkeit darüber, dass w-Ausdrücke im Deutschen Interrogativa, Relativa und Indefinita sein können. Diese Funktionen werden in den Grammatiken meistens getrennt behandelt, bei den entsprechenden Subklassen der Pronomina und der Adverbien.83 Die phonetische Form (sämtliche Sprachzeichen 83

In der DUDEN-Grammatik (DUDEN 1995) werden w-Ausdrücke beispielsweise unter den Punkten 571-573 (Relativ- und Interrogativpronomina), 589-590 (Indefinit-

131

fangen mit w an) deutet jedoch auf die semantische Einheit dieser Sprachzeichen hin. Die IDS-Grammatik (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997) betrachtet sie als eine einheitliche funktionale Klasse, die „quer zu den Wortarten“ anzusiedeln sind. Nach Rosengren (1992:284ff.) könne die Gesamtbedeutung der wAusdrücke in systematischer Opposition zu den d-Ausdrücken beschrieben werden (wer-der, was-das, wann-dann usw.). D-Ausdrücke verfügten über die Merkmale [+definit] und [+deiktisch], w-Ausdrücke dagegen nur über das Merkmal [+definit]. Damit könne erklärt werden, warum beide Formklassen als Relativa auftreten können und auch in Exklamativsätzen benutzt würden, während als Interrogativoperatoren nur w-Ausdrücke zulässig seien: Ein Wort mit deiktischer Bedeutung könne nicht auf eine Informationslücke verweisen, denn auf unbekannte bzw. fehlende Informationen könne auch nicht gezeigt werden. Doch wird bei Rosengren die Tatsache außer Acht gelassen, dass w-Ausdrücke auch als Indefinita auftreten können und mit dem Präfix irgend- paradigmatisch Indefinita bilden. Diese Tatsache widerspricht m.E. der Postulierung des allgemeinen Merkmals [+definit]. Ich plädiere für die semantische Einheit der deutschen w-Ausdrücke sowie für das Primat ihrer interrogativen Funktion. Die anderen Funktionen lassen sich von der interrogativen mittels Assoziationen ableiten. Es ist kein Zufall, dass w-Ausdrücke systematisch in interrogativer, exklamativer,84 relativer und indefiniter Funktion vorkommen. Als Interrogativa weisen sie auf eine Variable hin, die durch die Bedeutung und durch die syntaktische Funktion des jeweiligen w-Ausdrucks auch spezifiziert wird. Mit dieser, für den Sprecher unbekannten Variable hängt auch die Sprechereinstellung ‚wissen wollen‘ zusammen, was mit der normalen menschlichen Neugierde zu erklären ist. Ebenso erweckt auch die Erfahrung einer unerwarteten Information, die i.A. die Grundlage der Exklamativsätze bildet, die Neugierde des Sprechers und motiviert weitere, eventuell unausgesagte Fragen. Die w-Exklamativsätze sind in ihrer Struktur deshalb den ERGI ähnlich, weil sie mit impliziten Fragestellungen verbunden sind.

pronomina), 609 (Lokaladverbien), 613 (Temporaladverbien), 617 (Modaladverbien), 622 (Konjunktionaladverbien, 631 (Pronominaladverbien) behandelt. Ähnlich verfährt auch Engel (1988), der w-Ausdrücke unter den Punkten N191 (Relativpronomina), N234 (Interrogativpronomina) und P098 (Adverbien) beschreibt. 84 Rosengren (1992:281) bringt Beispiele dafür, dass die w-Ausdrücke auch als Exklamativa benutzt werden können: Wer da alles wohnt! Was der nicht alles weiß! Wo war die nicht mehr überall! Warum der immer so früh aufsteht! Wie schön sie ist!/Wie ist sie schön!

132

(56) Wie ist sie schön! → Wie ist es möglich, dass sie so schön ist? Wen der alles kennt! → Er kennt so viele Leute, dass ich gar nicht weiß, wer diese Leute sind. Warum der immer so früh aufsteht! → Ich kann nicht verstehen, warum der immer so früh aufsteht.

Die Relativfunktion der w-Ausdrücke kann auch aus ihrer allgemeinen Gesamtfunktion, eine Variable zu markieren, abgeleitet werden. Eine syntaktisch markierte Variablenstelle ist fähig, Teilsätze miteinander zu verbinden, wenn sie semantisch durch den anderen Teilsatz spezifiziert wird. Auch einige deutsche Konjunktionen sind etymologisch mit w-Ausdrücken verwandt.85 Das Relativum markiert eine semantische Variable in der propositionalen Struktur des Relativsatzes, die entweder aus dem Matrixsatz gefüllt wird oder sowohl in der propositionalen Struktur des Matrix- als auch des Relativsatzes vorhanden ist und dadurch die semantische Verbindung zwischen den beiden Teilsätzen sichert. (57) In Budapest, wo ich wohne, kann man vom Abgas ersticken. → Wo wohne ich? → In Budapest. Wer wagt, gewinnt. → Es ist nicht spezifiziert, wer wagt, auch nicht, wer gewinnt, aber diejenigen, die wagen, die gewinnen auch.

Auch die Funktion der Indefinita kann von der allgemeinen Funktion der wAusdrücke abgeleitet werden. Unbestimmte Informationen bilden eine Zwischenstufe zwischen genau bekannten und unbekannten/fehlenden Informationen. Etwas unbestimmt wissen bedeutet etwas nicht genau wissen. (58) Er ist jetzt wo / irgendwo. → Der Sprecher weiß nicht genau, wo er ist.

Die Polyfunktionalität der w-Ausdrücke kann jedoch im Sprachgebrauch zu Ambiguitäten bzw. zu sonstigen kommunikativen Nachteilen führen. ERGI sind zwar überwiegend Verbzweit-Sätze mit satzinitialem w-Ausdruck, wRelativsätze sind Verbletzt-Sätze mit satzinitialem w-Ausdruck, Indefinita stehen gewöhnlich nicht satzinitial. Besondere Probleme bereitet aber die Abgrenzung der ERGI und der w-Exklamativsätze, die sich vor allem durch die intonatorische Markierung bzw. häufig durch den Gebrauch bestimmter für die Exklamation charakteristischer Ausdrücke unterscheiden. In einglied-

85

So wird z.B. wo auch heute noch hie und da als Konjunktion benutzt. Die Konjunktion wenn geht auf den w-Ausdruck wann zurück (vgl. Paul/Henne 1992:1037).

133

rigen Kurzsätzen kann ferner die Serialisierung ihre disambiguierende Funktion nicht erfüllen. (59) Was für eine Arroganz! (exklamativ; Bundestagskorpus: Zwischenruf) (60) Was für eine Handbremse? (interrogativ; Bundestagskorpus: Zwischenruf)

Dass im ersten Fall ein w-Exklamativsatz, im zweiten Fall ein ERGI vorliegt, ist in erster Linie durch eine komplexe semantisch-funktionale Analyse sichtbar. Die Bedeutung von Arroganz enthält eine starke negative Konnotation, die als Grundlage für eine Exklamation dienen kann, während eine ähnliche Komponente in der Bedeutung von Handbremse nicht vorhanden ist. Ferner kann auch die Intonation eine disambiguierende Funktion haben. Auch in elliptischen zweigliedrigen Strukturen erkennt man auf der Oberfläche nicht, ob sie Verb-zweit- oder Verb-letzt-Strukturen darstellen. (61) A: [...] das wußte nich mal mal frau naumann wo kap horn is Interviewerin: komm ich wußte das das erste mal auch nich. [...] habs vergessen. aber hier wo (Gesprächskorpus)

Im Kurzsatz steht der lokale w-Ausdruck hinter dem lokalen Adverb hier. Er könnte auch als Indefinitum im Sinne von irgendwo interpretiert werden. Sogar die Intonation ist höchstwahrscheinlich die gleiche Default-Intonation wie im Deklarativsatz. Dass es sich hier letztendlich um einen Kurz-ERGI handelt und der w-Ausdruck in interrogativer Funktion benutzt wird, kann nur durch eine komplexe Kontextanalyse ermittelt werden: Es geht um ein Quiz-Spiel, in dem früher die Frage gestellt wurde, wo Kap Horn ist. Die Interwiewerin, die selber mitspielt, konnte diese Frage zum ersten Mal nicht beantworten, obwohl sie dies hätte wissen sollen. Jetzt will sie mit einer weiteren Frage ihre ungefähren Kenntnisse genauer machen. Dass hier ein Interrogativsatz vorliegt, kann eigentlich also nur dadurch ermittelt werden, dass die Äußerung in der Situation eine Fragefunktion erfüllt. Im Beleg (62) könnte der Satz wer weiß aufgrund der syntaktischen Struktur als Relativsatz interpretiert werden. Danach steht sogar das finite Verb ist, so steht dieser Ausdruck scheinbar im Vorfeld des nächsten Satzes. Dass dies nicht die richtige Interpretation ist, kann man durch eine komplexe semantisch-funktionale Analyse ermitteln. (62) A: nä (.) is nich schwer (.) siehste (.) oder da (.) oder da [...] wer weiß (.) is gar nich so schwer. (Gesprächskorpus)

134

Es handelt sich um dasselbe Quiz-Spiel, in dem der Spieler bestimmte mögliche Züge auf dem Spielbrett vornimmt. Bei einem Zug stellt er an die anderen Mitspieler die Frage Wer weiß? (Also wer weiß die Antwort auf die Frage, die auf dem Spielbrett steht). Die Verberst-Stellung im nachstehenden Deklarativsatz erklärt sich elliptisch: Das expletive Pronomen es wird nicht realisiert. Bei ähnlichen kurzen zweigliedrigen Strukturen ist auf der syntaktischen Oberfläche nicht sichtbar, ob es sich um eine Verbzweit- oder um eine Verbletzt-Struktur handelt. Die Identifizierung der Funktion des wAusdrucks und damit auch des Satztyps erfolgt durch die semantischfunktionale Analyse im gesamten Kontext. Die nachfolgenden Belege aus den Bundestagsdebatten sind zwar syntaktisch nicht ambig, aber erst am Ende einer längeren Struktur folgt derjenige Ausdruck, durch den die genaue Funktion des initialen w-Ausdrucks identifiziert werden kann. (63) Wer meint, Zuwanderung aus Drittländern könne zurückgehende Bevölkerungszahlen ausgleichen, der irrt. (64) Aber wer will, dass die Soldaten für ihren verantwortlichen Auftrag auch weiterhin die Akzeptanz der Gesellschaft und damit die nötige Rückendeckung haben, muss einen Diskurs, der von den parlamentarischen Gremien und von den Plenardebatten in die Gesellschaft strömt, etablieren. (65) Aber wer glaubt, bei der Verkündigung solcher Schritte „Bravo“ rufen und klatschen zu müssen, der sollte seine Neigungen vielleicht lieber in irgendwelchen SM-Szenen statt in der Politik ausleben.

In allen drei Beispielen handelt es sich um vorangestellte Relativsätze, die aber ihrerseits mit einem weiteren langen Nebensatz erweitert sind. So steht der Matrixsatz wesentlich später. Bis dahin könnte der Hörer das Gefühl haben, es könnte sich um eine rhetorische Frage handeln, die durch einen selbstständigen ERGI realisiert wird. Diese Unsicherheit der Hörer im Laufe des Interpretationsprozesses kann natürlich kommunikative Nachteile nach sich ziehen. Eine häufige Lösungsstrategie der Sprecher besteht nach meinen Beobachtungen darin, dass die interrogative Funktion im Falle des ERGI gleich am Anfang nach dem Finitum mit Hilfe von Modalpartikeln verdeutlicht wird (vgl. nächstes Kapitel). 3.4.2 Modalpartikeln Dass Modalpartikeln im ERGI nicht auf die gleiche Weise benutzt werden wie im ENTI, wurde schon in früheren einschlägigen Arbeiten beschrieben. 135

Thurmair (1991:379) beobachtete, dass die Frequenz von denn im ERGI weitaus größer ist als im ENTI. Auch in meinen Untersuchungen sind MP im ERGI wesentlich frequenter. Besonders häufig wird denn benutzt. Die Frequenzwerte für denn im ERGI lassen schon vermuten, dass sich denn im ERGI allmählich zu einer Interrogativpartikel entwickelt. Die folgende Tabelle stellt eine vergleichende Übersicht der Frequenzwerte der häufigsten MP in ENTI und in ERGI in den vier Teilkorpora dar. Die Vorkommenswerte sind relativ zu jeweils 500 Belegen zu deuten, mit Ausnahme der Zwischenrufe, deren Gesamtanzahl bei ENTI 197, bei ERGI 217 war. Bundestagsdebatten ENTI ERGI 8 89 5 9 6 0 3 3

Zwischenrufe

Dramen

Gespräche

ENTI ERGI ENTI ERGI ENTI ERGI denn 10 90 15 120 14 161 eigentlich 3 48 0 6 6 17 etwa 1 0 12 0 2 0 überhaupt 3 0 0 3 1 0 andere 7 0 6 0 27 2 27 5 MP Gesamt 29 111 23 138 54 131 50 183 (Anzahl) Gesamt 11,7 10,8 36,6 5,8% 51% 27,6% 26,2% 10% (Prozent) % % % Tabelle III. Vorkommenshäufigkeit der MP in ENTI und in ERGI im Vergleich

Der Tabelle lässt sich entnehmen, dass die MP in ERGI etwa 2,5-mal bis 5mal so häufig sind als in ENTI, was einen überraschend großen Unterschied darstellt. Besonders groß ist die Frequenz von denn, ferner ist auch eigentlich deutlich frequenter im ERGI als im ENTI. Andere MP kommen im ERGI nur vereinzelt vor. Die größere Vielfalt der MP im ENTI (vgl. die Anzahl der „anderen MP“ in der Tabelle, unter der zahlreiche MP zusammengefasst sind) lässt sich mit den relativ vielen Übergangstypen im Falle der ENTI erklären (assertiver ENTI, ENTI in der Funktion von Aufforderungen), welche für die ERGI nicht charakteristisch sind. Die Häufigkeit der MP in ERGI ist besonders in den Zwischenrufen im Bundestag erstaunlich groß. Mehr als die Hälfte aller ERGI ist in diesem Teilkorpus mit einer MP markiert, was wohl mit der großen Anzahl der eingliedrigen Kurzsätze zu erklären ist, in denen die disambiguierende Funktion der MP am wichtigsten ist. 136

Mit den folgenden Belegen wird auch diese Funktion der MP gezeigt. (66) Aber wer sagt denn, dass dies Ende nächsten Jahres noch so ist? (Bundestagsdebatte) (67) Wer von Ihnen glaubt denn, dass man dadurch Vertrauen gewinnt? (Bundestagsdebatte) (68) Wer im Handwerk soll eigentlich in Zukunft noch die Ausbildung gewährleisten und die damit verbundenen großen Leistungen erbringen, wenn Sie auch den Meisterbrief, der eine Grundlage für das Handwerk ist, infrage stellen? (Bundestagsdebatte)

In diesen drei Belegen könnte man den w-Ausdruck erst in Kenntnis des Endes des langen Satzes als Interrogativphrase identifizieren. Ähnliche Strukturen kommen nämlich – wie gezeigt – auch im Falle vorangestellter Relativsätze vor (vgl. auch Belege 63-65). Besonders interessant sind in dieser Hinsicht die Beispiele (67) und (68), in denen die w-Phrase mit einer weiteren Phrase erweitert wird, so dass das Finitum auf der Oberfläche nicht direkt nach der w-Phrase steht. Diese Strukturen ähneln oberflächlich sehr den Relativsatzstrukturen. Da aber mit der MP der Satz eindeutig als Interrogativsatz markiert wird, ist die Dekodierung der ganzen Satzstruktur dadurch wesentlich einfacher. (69) Was für eine Arroganz! Wer ist das überhaupt? (Zwischenruf)

Im Beispiel (69) stehen zwei mit einer w-Phrase eingeleitete Sätze nacheinander, wobei der erste als Exklamativ-, der zweite als Interrogativsatz zu interpretieren ist. Der interrogative Charakter des zweiten Satzes wird durch die Benutzung der MP überhaupt verdeutlicht. 3.4.3 Syntaktische Typen Insgesamt verhalten sich deutsche ERGI unter syntaktischem Aspekt ziemlich einheitlich. Die prototypische Serialisierung ist die folgende: Interrogativphrase - Verb - Subjekt - XP. Für die satzmediale Stellung der Interrogativphrase, die im Deutschen immer mit einer Echo-Interpretation verbunden ist,86 habe ich im ganzen Korpus insgesamt zwei Belege gefunden (beide im Gesprächskorpus), so habe ich diesen Typ in der weiteren Analyse nicht berücksichtigt. In allen 86

Vgl. dazu Reis (1991) und (1992a).

137

Teilkorpora sind jedoch Belege für Interrogativphrasen zu finden, die mit anderen Phrasen oder nicht phrasenwertigen Konstituenten (z.B. Modalpartikeln) kombiniert werden. Ferner gibt es auch Verbletzt-ERGI und eingliedrige Kurz-ERGI. Im nachfolgenden Diagramm ist der neutrale ERGITyp blau markiert, der Typ mit kombinierter Interrogativphrase rot, der Verbletzt-ERGI grün und der Kurz-ERGI schwarz. Syntaktische ErgI-Typen, Zwischenrufe

Syntaktische ErgI-Typen, Bundestagsdebatten

31

37

16

11 12

20

416

174

Syntaktische ErgI-Typen, Gesprächskorpus 24

44

14

418

Diagramm II. Frequenz der syntaktischen Typen des deutschen ERGI in den einzelnen Teilkorpora

Das Bild, das sich aus der Häufigkeitsanalyse herausstellt, ist sehr einheitlich. Der Haupttyp des ERGI (satzinitiale Interrogativphrase an der ersten, finites Verb an der zweiten Stelle) ist sehr frequent, in allen Teilkorpora übersteigt er 80% aller Belege. Der ERGI verhält sich syntaktisch einheitlicher als der ENTI. Kleinere korpusspezifische Unterschiede ergeben sich dadurch, dass in den letzten drei Teilkorpora die Frequenz der eingliedrigen Kurzsätze größer ist. Die anderen beiden Nebentypen sind hingegen in den Bundestagsdebatten frequenter. Diese Untertypen sind Mittel zur feinen pragmatischen Nuancierung der Äußerung, die in den Bundestagsdebatten wohl mehrheitlich bewusst und vorgeplant benutzt werden. Nach diesem groben ersten Blick auf 138

die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Untertypen der ERGI werden sie im Folgenden einer feineren funktionalen Analyse unterworfen. 3.4.4 Syntax der Interrogativphrase Abgesehen von den sehr seltenen Echo-w-Verbzweit-Interrogativsätzen steht die Interrogativphrase im Deutschen in satzinitialer Position. Rechts von der Interrogativphrase ist die gleiche invertierte Wortstellung zu finden wie im ENTI. Dies ist eine gemeinsame Eigenschaft des deutschen und des englischen ERGI.: (70) Liest du dieses Buch? Wann liest du dieses Buch? (71) Do you read this book? When do you read this book?

Auch in den anderen untersuchten europäischen Sprachen wurden gewisse Parallelen in der syntaktischen Struktur der ENTI und der ERGI entdeckt. Im Deutschen und im Englischen manifestiert sich diese Parallele darin, dass die Serialisierung rechts von der Interrogativphrase mit der unmarkierten Serialisierung im ENTI zusammenfällt. Die Interrogativphrase stellt nicht auf die gleiche Weise ein Vorfeldelement dar wie die satzinitialen Phrasen im Deklarativsatz. Der funktionale Unterschied liegt auf der Hand: das Vorfeld im deutschen Deklarativsatz dient bis auf einige Ausnahmen zur Topikalisierung einer Satzkonstituente. Interrogativphrasen stellen Operatorkonstituenten dar, die Funktion der ersten Stelle vor dem Finitum ist also im ERGI grundsätzlich anders als die des Vorfeldes im Deklarativsatz. Auch strukturelle Gründe sprechen dafür, dass die satzinitiale Interrogativphrase nicht die gleiche syntaktische Position hat wie die Vorfeldelemente des Deklarativsatzes. Dies zeigt sich besonders durch die Kombinationsmöglichkeiten der Interrogativphrase. Ziemlich häufig sind im Korpus Adjunkte wie z.B. wer außer mir usw. Solche Erweiterungen sind zwar auch im Deklarativsatz möglich, sind jedoch im ERGI wesentlich frequenter. (72) Welche Protagonisten aus dem gesellschaftlichen Bereich unterstützen diese Aktion und werden dafür Honorare bezahlt? (Bundestagsdebatten) (73) Wer im Handwerk soll eigentlich in Zukunft noch die Ausbildung gewährleisten? (Bundestagsdebatten) (74) Was außer Wachstum soll denn helfen? (Bundestag, Zwischenrufe) (75) Chef: Wer alles will mich melken? Wer? (Dramenkorpus)

139

Mit dem Interrogativum wie haben sich mehrere Adjunkte lexikalisiert und gelten als ein komplexes Interrogativum: wie viel, wie alt, wie weit usw. Häufig sind aber auch weniger konventionalisierte Erweiterungen wie z.B.: wie interessant oder wie gespalten: (76) Wie gespalten muss dessen Seele sein? (Bundestag, Zwischenrufe)

Ferner wird die Interrogativphrase oft mit Konjunktoren oder Konjunktionaladverbien erweitert. Letztere können im Deklarativsatz nicht mehr als Vorfelderweiterung fungieren. (77) Wo sonst gibt es das? (Bundestagsdebatten) Vgl.: *Hier sonst gibt es nichts.

Sogar Konditionalgefügen sind in dieser Position möglich. (78) Wann, wenn nicht heute, brauchen wir eine Vertiefung der Europäischen Union? (Bundestagsdebatten)

Eine seltsame Kombinationsmöglichkeit der satzinitialen Interrogativphrase stellt ihre Erweiterung mit Modalpartikeln dar. Bayer (2008) betrachtet diese Kombination noch als periphere Erscheinung und weist im Zusammenhang mit der sog. langen wh-Bewegung auf bisher ungeklärte Probleme hin. (79) Wohin denn glaubst du, dass der Hans gefahren ist? (Bsp. von Bayer 2008)

Eine mögliche Interpretation bestünde in der Annahme, dass Modalpartikeln ähnlich wie der Quantifikator alles (vgl. Bsp. 75) zur Klitisierung neigen und sich als Klitika mit der Interrogativphrase verschmelzen (vgl. dazu auch Reis 1992b). Meibauer (200) plädiert hingegen dafür, dass die Modalpartikel mit der Interrogativphrase im Sinne der Konstruktionalgrammetik eine grammatische Konstruktion bildet, deren Konstruktionsbedeutung nicht kompositionell aus der Bedeutung der Konstituenten ableitbar sei. Er postuliert „rhetorical or expressive effects that are connected with this pattern“ (Meibauer 2009). Die Modalpartikel schon könne z.B. sowohl in Informationsfragen als auch in rhetorischen Fragen auftreten, wobei die Stellung von schon rechtsadjazent zur Interrogativphrase die beiden Lesarten disambiguiere und die rhetorische Interpretation festlege.

140

(80) Wer will schon Kohlen holen? (Informationsfrage oder rhetorische Frage) Wer schon will Kohlen holen? (Rhetorische Frage) (Beispiel von Meibauer 2009)

Argumente für die expressive Funktion dieser Konstruktion bestehen darin, dass in der gleichen Position häufig auch emphatische Ausdrücke erscheinen. (81) Wer bitte schön käme noch zur Frage? / Wer zum Teufel käme noch zur Frage?

Nicht möglich sind jedoch in dieser Position Adverbien und Satzadverbien. (82) *Wen vermutlich/gestern/manchmal hat er besucht?

Insgesamt können also hinter der satzinitialen Interrogativphrase weitere Phrasen stehen, die als Adjunkte die Bedeutung der Interrogativphrase einengen bzw. den möglichen Antwortraum weiter einschränken und spezifizieren, oder auch emphatische bzw. als emphatisch interpretierbare Elemente, darunter auch Modalpartikeln, die mit der Interrogativphrase verbunden dem ERGI eine expressive oder rhetorische Wirkung verleihen. Die frequentielle Verteilung dieser Kombinationen wird in der Tabelle IV zusammengefasst. Die vorliegende frequentielle Verteilung deutet darauf hin, dass die Interrogativphrase mit MP in Kurzsätzen wesentlich häufiger kombiniert wird als in verbhaltigen Strukturen. Dort ist es sogar der Standardfall: etwa in der Hälfte aller Kurzsätze steht die Interrogativphrase mit einer MP (fast immer mit denn: Wer denn?, Wo denn? usw.). Man kann vermuten, dass die Grammatikalisierung der vorliegenden Kombinationen vor dem Finitum auch auf Einfluss der Kurzstrukturen erfolgt. In verbhaltigen Strukturen stehen MP relativ selten adjazent zur Interrogativphrase, aber in allen Korpora gibt es dafür vereinzelt Belege. Am häufigsten ist die Erweiterung der Interrogativphrase mit Adjunkten und ziemlich häufig auch mit Konjunktoren (diese Kombination ist im ERGI bestimmt frequenter als im Deklarativsatz). Interessant ist es zu bemerken, dass die Erweiterung der Interrogativphrase mit einem Nebensatz gerade in den Bundestagsdebatten sowie im Dramenkorpus belegt ist, also in denjenigen Korpora, die einen anspruchsvollen, normkonformen Sprachgebrauch repräsentieren.

141

Bundestags- Zwischenrudebatten fe V2 KURZ V2 KURZ

Dramen

Gespräche

V2 KURZ V2 KURZ Belegzahl (Ge484 16 197 20 438 62 456 44 samt) Anzahl der IntPhr31 6 12 11 16 24 13 24 Kombinationen Frequenz der IntPhr6,4 % 37,5 % 6% 55% 3,7% 39% 2,6% 55% Kombinationen IntPhr+Adjunkt 18 4 10 0 13 10 12 2 IntPhr+Nebensatz 2 0 0 0 1 0 0 0 IntPhr+Konjunktor 8 0 1 0 2 0 10 0 IntPhr+MP 3 2 1 11 0 14 1 22 Tabelle IV. Frequenz der Kombinationen der Interrogativphrase

Die Elemente, die rechtsadjazent zur Interrogativphrase stehen können, können auch miteinander kombiniert werden, wie das extreme Beispiel von Meibauer zeigt:87 (83) Wer denn bitte von der verehrten Zuhörerschaft sonst noch so alles zum Teufel hat dem Projekt zugestimmt? (Beispiel von Meibauer 2009).

Die Erweiterung der satzinitialen Interrogativphrase stellt im Deutschen nach meinen Korpusuntersuchungen ein viel häufigeres syntaktisches Mittel dar als die satzmediale Position der Interrogativphrase. Ich bin der Meinung, dass man hier von einem selbstständigen Strukturtyp des ERGI sprechen kann. Außer der relativ großen Frequenz sprechen dafür auch strukturelle und funktionale Gründe. Einerseits wurde eindeutig nachgewiesen, dass die Erweiterung der Interrogativphrase grundsätzlich anderen Regeln unterworfen ist als die Erweiterung der Vorfeldphrase im Deklarativsatz. Andererseits wird mit der Erweiterung der Interrogativphrase die Satzmodusbedeutung modifiziert: der mögliche Antwortraum, der schon mit der Wahl der Interrogativphrase spezifiziert ist, wird weiter eingeschränkt und/oder die Frage wird mit rhetorischen oder expressiven Komponenten pragmatisch gefärbt. 87

Dies kommt wohl sehr selten vor, für solche Kombinationen habe ich in meinem Korpus keine Belege gefunden.

142

3.4.5 Verbstellung ERGI sind in der überwiegenden Mehrheit Verbzweit-Sätze, d.h. das Finitum steht hinter der Interrogativphrase (und ihrer eventuellen Erweiterungen). Der einzige Nebentyp, der Verbletzt-ERGI ist mit einer Echointerpretation verbunden. (84) − Wo steht das? − Wo das steht? Schauen Sie sich nur die gemeinsame Verpflichtung zur Erhöhung der Rüstungsausgaben an! (Bundestagskorpus)

Mit einem Echo-Verbletzt-ERGI wird der ganze vorangehende Interrogativsatz in den Fokus der Rückfrage gestellt. Auf einen vorangehenden Interrogativsatz kann auch mit einem Echo-Verbzweit-ENTI mit satzmedialer Interrogativphrase zurückgefragt werden, jedoch mit dem Unterschied, dass in diesem Fall nur eine Informationseinheit fokussiert wird: (85) A: he (.) diese kneipe (.) wie heißt die? B: wie heißt wer? (Gesprächskorpus)

Der Echo-Verbzweit-ERGI bezieht sich nur auf eine nicht verstandene Konstituente. Ein Echo-Verbletzt-ERGI kann im Gegensatz dazu etwa so interpretiert werden, dass der Sprecher eine Erklärung vom Partner erwartet, warum er die vorangehende Frage überhaupt gestellt hat. Mit einem EchoVerbzweit-ERGI mit satzmedialer Interrogativphrase wird dagegen immer nur eine Informationseinheit aus dem vorangehenden Partnersatz in Frage gestellt. Meistens wird damit auf nicht gut gehörte oder nicht verstandene Informationen in der Partneräußerung Bezug genommen. Die beiden Untertypen des Echo-ERGI weisen also informationsstrukturelle Unterschiede auf und sind gewissermaßen dem ERGI mit neutralem Satzfokus und mit zusätzlicher propositionaler Fokussierung analog (vgl. Kap. 1.4.2). 3.4.6 Topikalisierung Wie im Kapitel 1. und 2. besprochen wurde, ist die Topikalisierung einer Konstituente in einem Interrogativsatz in unseren Unterschungssprachen zwar kein häufiger Fall, aber doch eine Möglichkeit: In diesem Fall wird die topikalisierte Konstituente der Skopusdomäne des Interrogativoperators entnommen und am Anfang des Satzes als Common-ground-Element festgehalten, auf das sich die gestellte Frage bezieht. Im Zusammenhang mit dem 143

ENTI wurde gezeigt, dass diese Funktion im Deutschen bis auf einige sehr seltene Ausnahmen nicht mit einfachen Wortstellungsmitteln realisiert wird, sondern mit periphrastischen Konstruktionen oder mit Mitteln auf der Textebene. Im Falle des ERGI muss man festhalten, dass die Topikalisierung einer Konstituente in einer Informationsfrage mit einfachen Wortstellungsmitteln, d.h. mit der Verschiebung der Topikkonstituente in die satzinitiale Position grammatisch überhaupt nicht möglich ist, weil dadurch die Interrogativphrase in satzmediale Position gerät, was automatisch eine EchoInterpretation auslöst. (86) Heute hat er was gemacht?

Bei ERGI sind nur periphrastische Konstruktionen, nämlich die Herausstellung und die sog. Satztopikalisierung als Ausdrucksmittel der Topikalisierung möglich. Diese Mittel werden aber sehr selten verwendet, in den Korpora kann man nur sporadische Belege für sie finden. (87) den schlüssel [N] wer hat den bei euch jetzt? (Herausstellung, Gesprächskorpus) (88) cure. was heißt cure? (Satztopik, Gesprächskorpus)

3.4.7 Eingliedrige Kurz-ERGI im Deutschen Besondere Aufmerksamkeit soll den verblosen Kurzstrukturen gewidmet werden, nicht nur wegen ihrer ziemlich großen Anzahl in allen der untersuchten Teilkorpora, sondern auch wegen ihrer besonderen Syntax und Funktion. Kurz-ERGI werden primär durch die Interrogativphrase markiert, ferner spielen auch Modalpartikeln in ihnen eine relevante Rolle. Sie haben fast immer eine Rückfragefunktion, mit ihnen wird aber die Situation auch weiter geführt. Sie können durch mitverstandene Informationen aus dem Vortext interpretiert werden, insofern haben sie eine elliptische Natur. (89) − In anderen Ländern gibt es sehr wohl wissenschaftliche Kenntnisse darüber. − Welche denn und wo? (Zwischenruf im Bundestag)

Interessant für die recht häufigen Kurz-ERGI mit der MP denn ist die sehr feste Bindung der Modalpartikel an die Interrogativphrase. In allen Belegen steht sie rechtsadjazent zur Interrogativphrase. Nicht einmal ein unbetontes Subjektspronomen kann diese Verbindung verletzen.

144

(90) Wie denn das? Wie kommen Sie an diese Erkenntnisse? (Zwischenruf im Bundestag) nicht aber: *Wie das denn? vgl. aber: Wie das eigentlich? / Wie das überhaupt?

Diese feste Position von denn in den Kurz-ERGI deutet auch darauf hin, dass sie sich in den ERGI nicht mehr als reine MP funktioniert, sondern einen Übergang zu einem Interrogativmerkmal, d.h. zu einer Satzmoduspartikel darstellt. Sie hebt einerseits die Satzmodusbedeutung hervor, andererseits dient sie auch als disambiguierendes Mittel, weil Kurzsätze mit einer Interrogativphrase häufig auch eine Exklamativfunktion ausüben können. (91) Aber was! (exklamativ, Dramenkorpus) vgl.: Aber was denn? (interrogativ)

3.4.8 Suprasegmentale Markierung Die Intonation im ERGI ist wesentlich weniger erforscht als die im ENTI, obwohl die ERGI-Intonation nach meinen Beobachtungen variabler ist als die ENTI-Intonation. In der einschlägigen Literatur wird i.A. nur festgestellt, dass der ERGI den Deklarativsätzen ähnlich mit fallender Intonation realisiert werde, die steigende intonatorische Realisierung jedoch auch möglich sei (vgl. Selting 1995:243ff., Olaszy 2002:85ff.). Im Allgemeinen wird stillschweigend davon ausgegangen, dass der Satzmodus des ERGI durch die Interrogativphrase schon auf der lexikogrammatischen Ebene mehr oder weniger eindeutig markiert sei und die Intonation deshalb keine besondere Rolle spiele. Sie diene eher zur pragmatischen Färbung des Satzes, indem z.B. ein steigender intonatorischer Schluss eine gewisse Freundlichkeit, Beiläufigkeit ausdrücke oder die Frage als offene, weiterführende Frage markiere, die einer längeren, ausführlicheren Antwort bedürfe (vgl. Selting 1995:243ff.). In den meisten untersuchten Sprachen weist die ERGI-Intonation einen wesentlichen Unterschied zur Intonation des Deklarativsatzes am Satzanfang auf, meistens den sog. HIP-Anfang („high initial pitch“), was wohl mit der satzinitialen Position der Interrogativphrase und mit dem damit assoziierten Akzent zu erklären ist. Im Deutschen ist der HIP-Anfang eine seltene Ausnahme. Stattdessen fällt der Intonationsgipfel in neutralen ERGI, in denen kein propositionales Element besonders hervorgehoben wird (diese liegen in etwa 3/4 meiner Belege vor), auf das finite Verb, das häufig ein Auxiliaroder Modalverb ist. Dadurch wird der interrogative Charakter des Satzes 145

hervorgehoben und der Relevanz der verlangten Antwort besonderer Nachdruck verleiht. Dieser Satzakzent ist also als Satzmodusmarker zu betrachten.

Was MACHST du denn da? Abbildung IV. Intonation eines neutralen ERGI ohne propositionalen Fokus

Den anderen Typ stellt der ERGI mit einem propositionalen Fokus dar. In diesem Fall, der nach meinen Beobachtungen deutlich seltener, etwa in einem Viertel der ERGI vorliegt, hebt der Sprecher mit Hilfe der Akzentuierung ein propositionales Element hervor und lenkt dadurch die Aufmerksamkeit des Hörers auf diesen Teil der Proposition, in dem für die Spezifizierung des Antwortraums besonders relevante Informationen angegeben werden. Die Intonationsstruktur dieses ERGI ist analog zur Intonation des neutralen Deklarativsatzes.

Was machst DU denn da? Abbildung V. ERGI-Intonation ohne und mit realisiertem Fokusakzent

146

Ferner müssen auch die sog. „geschlossenen“ und „offenen“ Fragen unterschieden werden. Selting (1995) nennt diese Interrogativsätze „offene Fragen“, mit denen der Sprecher markiert, dass er keine kurze und sachliche Antwort erwartet, sondern eine längere Ausführung, eine Erklärung oder damit in der gegebenen Äußerungssituation ein neues Gesprächsthema angeben möchte. Dadurch, dass diese Fragen nicht so sachlich klingen, können sie situationsabhängig auch freundlich wirken. Sie werden in den meisten untersuchten Sprachen mit steigender Intonation markiert, wobei in einigen Sprachen der Ton am Ende des Satzes leicht zurück erhoben wird, während die ganze Intonationskontur global fallend bleibt, in anderen aber die Intonation mit einer steil steigenden Strecke am Satzende in eine global steigende übergeht. Zu dieser zweiten Gruppe der beobachteten Sprachen gehört das Deutsche. Die Abbildung VI. zeigt den gleichen ErgII mit einer geschlossenen (fallenden) und einer offenen (steigenden) intonatorischen Realisierung.

Wo warst du gestern Nachmittag? Wo warst du gestern Nachmittag? Abbildung VI. Geschlossene und offene ERGI-Realisierungen

Insgesamt hat es sich aus den von den Probanden vorgelesenen Beispielen herausgestellt, dass die Sprecher etwa in 10-15% aller Fälle den ERGI mit einem steigenden Endton realisiert haben. Der steigende Ton am Satzende markiert die Frage immer als offen, weiterführend. Der Echo-ERGI mit satzmedialer Interrogativphrase stellt nicht nur unter syntaktischem Aspekt einen besonderen und hochmarkierten Satztyp dar, sondern hebt sich durch ihren hochkonventionalisierten und eigenartigen Intonationstyp auch ab. Den Beispielsatz (92) haben alle 11 Probanden mit der gleichen Intonationskontur realisiert.

147

(92) − Klaus hat Eva geheiratet. − Klaus hat wen geheiratet?

Klaus hat wen geheiratet? Klaus hat wen geheiratet? Abbildung VII. Realisierung eines Echo-ERGI durch zwei Sprecher

Die Intonation weist zwei gut trennbare Einheiten auf. In der ersten Satzhälfte ist der Ton fallend, in der zweiten steigend. Besonders stark akzentuiert wird die Interrogativphrase, der Akzent wird sowohl mit dem großen Druck als auch mit der steil steigenden Intonationskontur markiert. Nach der Interrogativphrase steigt die Intonation weiter, auch wenn nicht mehr so steil. Zwischen den beiden Satzhälften wird auch eine kurze Pause eingesetzt und ein Atem genommen (es ist sichtbar in beiden Abbildungen am Oszillogramm), wahrscheinlich um die große Intensität der zweiten Satzhälfte zu sichern. 3. 5 Fazit: Deutsche Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund Im vorliegenden Kapitel wurden einzelne Markierungsmuster bzw. Untertypen des deutschen Interrogativsatzes aufgrund einer breiten empirischen Basis eingehend untersucht. Im Fazit sollen die Charakteristika der deutschen Interrogativsätze vor dem im Kapitel 2. dargestellten Hintergrund der europäischen Sprachen zusammengefasst werden. 1.

148

Das deutsche Satzmodussystem lässt sich im europäischen Vergleich als besonders syntaxorientiert einstufen. Es basiert grundsätzlich auf der Opposition der Verberst- und der Verbzweit-Satztypen, die ein gemeingermanisches Erbe ist, aber im Deutschen sich besonders stark grammatikalisiert hat. Ähnlichkeiten ergeben sich unter den untersuchten

2.

3.

4.

5.

6. 7.

Sprachen nur mit dem englischen Satzmodussystem, wobei im Englischen nominale und adverbiale Konstituenten zum Ausdruck der Topikalisierung bzw. der Fokussierung in markierten Fällen auch im Verberst-Satz vor das Finitum gestellt werden können. Die vorliegende Opposition ist also von allen untersuchten Sprachen im Deutschen am stärksten geregelt. Wenn deutsche ENTI nicht mit Verberst-Stellung realisiert werden, handelt es sich um konkurrierend markierte Übergangstypen, die auch unter semantischem Aspekt eine besondere Interpretation (z.B. eine assertive oder eine Echointerpretation) benötigen. Nur in lockeren Alltagsgesprächen kann man vereinzelt Strukturen finden, die eine Auflockerung der festen Verbstellung zeigen. ENTI können im Gegenwartsdeutsch nicht mit einer Interrogativpartikel markiert werden, obwohl Interrogativpartikeln im Althochdeutschen noch vorhanden waren. Sie verschwanden aus dem Deutschen wohl als Folge der grammatischen Verfestigung der Verbzweit-VerberstOpposition. Question tags sind im Deutschen im Gegensatz zum Englischen bis auf wenige Ausnahmen stark lexikalisiert, sie stellen also partikelähnliche Ausdrücke dar. Mehrheitlich sind sie – wie wohl in den meisten Sprachen – parenthetische Nachträge, die einem Deklarativsatz angeschlossen sind, um ihn nachträglich in eine Frage umzuwandeln. Im Deutschen gibt es jedoch besonders in der lockeren Sprechsprache Belege, in denen sie mit einem Verberst-Satztyp und/oder mit MP kombiniert werden, deren Distribution der Interrogativsatz ist. Im Deutschen sind sie also wohl am Anfang einer Entwicklung in Richtung eines lexikogrammatischen Interrogativmerkmals. Ähnliche Entwicklungen habe ich in andern Sprachen nicht festgestellt. Deutsche ENTI können sekundär auch mit MP markiert werden. Häufiger jedoch als in unmarkierten ENTI kommen die MP in markierten Übergangstypen vor, um den Übergangscharakter anzuzeigen bzw. zu verstärken und/oder die pragmatische Interpretation festzulegen. Eingliedrige Kurz-Interrogativsätze bilden sowohl im Falle des ENTI als auch des ERGI eigenständige Strukturtypen mit besonderen strukturellen und funktionalen Merkmalen. Intonatorisch werden deutsche ENTI mit einer steigenden Strecke am Satzende (häufig auf der letzten Silbe) markiert, während die Intonation des Restsatzes Ähnlichkeiten mit der des Deklarativsatzes aufweist. Diese ENTI-Intonation ist auch im Englischen und im Albanischen belegt, während in den meisten anderen Sprachen eine komplexere, mit 149

8.

9.

10.

11.

den Akzentuierungsverhältnissen enger verbundene Satzmelodie zu finden ist. Auch im Falle des ERGI ist die besonders starke syntaktische Determiniertheit des deutschen Satzmodussystems zu betrachten. Die Interrogativphrase steht stets satzinitial, davon kann man aus informationsstrukturellen Gründen nicht abweichen. Die satzmediale Position der Interrogativphrase löst obligatorisch eine Echointerpretation aus. Interrogativphrasen bilden im Deutschen ähnlich wie in vielen anderen Sprachen kein eindeutiges Merkmal des ERGI, weil das gleiche Sprachzeichen systematisch auch andere Funktionen hat. Die interrogative Funktion dieser Phrasen lässt sich einerseits auch an ihrer syntaktischen Stelle (am Anfang eines Matrixsatzes) erkennen, andererseits dienen auch sekundäre Merkmale, und zwar MP sowie intonatorische Mittel zur Verdeutlichung. Besonders interessant ist dabei die Häufigkeit der MP, vor allem von denn, aus der sich vermuten lässt, dass sich aus denn eine Interrogativpartikel für den ERGI entwickelt. Dies scheint wiederum eine deutsche Besonderheit zu sein. Die satzinitiale Position der Interrogativphrase ist weder strukturell noch funktionell analog dem Vorfeld des Deklarativsatzes. Interrogativphrasen können mit Ausdrücken, die den Antwortraum für die Frage einschränken, ferner aber auch mit emphatischen Ausdrücken und mit MP erweitert werden. Hinsichtlich der intonatorischen Realisierung verhalten sich deutsche ERGI im europäischen Vergleich sehr eigenartig, indem sie trotz der satzinitialen Interrogativphrase meistens keine HIP-Intonation haben. Der Satzakzent fällt im unmarkierten Fall auf das Finitum, kann aber auch den propositionalen Fokus markieren. Der Intonationsschluss ist abhängig von der pragmatischen Geschlossenheit bzw. Offenheit der Frage entweder fallend oder steigend.

Insgesamt sind deutsche Interrogativsätze unter den untersuchten Sprachen syntaktisch am stärksten geregelt und bilden ein ziemlich stabiles System zahlreicher syntaktischer Satztypen. Lexikogrammatische und suprasegmentale Merkmale sind sekundär, aber nicht nebensächlich: sie dienen zur Markierung von Übergangstypen sowie zur Verdeutlichung pragmatischer Funktionen bzw. Interpretationen. Das System der deutschen Interrogativsätze ist unter den europäischen Sprachen in vielerlei Hinsicht eigenartig, was insgesamt mit der Eigenart der deutschen Syntax und mit stark grammatikalisierten syntaktischen Strukturen im deutschen Satz korreliert. 150

4 Interrogativsätze im Ungarischen 4.1 Vorbemerkungen: Das Ungarische unter den europäischen Sprachen Das Ungarische ist eine der wenigen europäischen Sprachen nicht indogermanischer Herkunft. Es gehört der uralischen, genauer der finno-ugrischen Sprachfamilie an. Die nächsten genealogisch verwandten Sprachen sind das Wogulische und das Ostjakische in Westsibirien (vgl. Kiss 2003:905). Seit etwa 2500 Jahren hat das Ungarische keine unmittelbaren Kontakte mehr zu den verwandten Sprachen. Während der Völkerwanderungszeit (ca. 1000 v. Chr. bis 896 n. Chr., die sog. urungarische Periode) waren zuerst Kontakte zu alttürkischen Sprachen entscheidend. Nach der Landnahme im Karpatenbecken im Jahr 896 und später mit der Aufnahme des Christentums durch König Stephan I. (1000-1038) fingen intensive Sprach- und Kulturkontakte zu indogermanischen Völkern an. In der ganzen ungarischen Sprachgeschichte, d.h. im Altungarischen (896 bis 1526), im Mittelungarischen (1526 bis 1772) sowie im Neuungarischen (ab 1772)88 waren slawische Sprachen, das Deutsche und das Latein maßgebende Kontaktsprachen. Ferner gab es sporadische Kontakte auch zu zahlreichen anderen europäischen Sprachen (Französisch, Italienisch, Englisch usw.). Ein Sprachvergleich des Ungarischen mit anderen europäischen Sprachen ist deshalb besonders interessant, weil das Ungarische als agglutinierende finno-ugrische Sprache von seiner Genealogie her grundsätzlich über andere typologische Merkmale verfügt als die indogermanischen Sprachen. Durch das lange Zusammenleben im europäischen Sprach- und Kulturraum hat diese Sprache jedoch deutliche „europäische“ Merkmale aufgenommen. Deutsch und Ungarisch sind ferner auch deshalb besonders interessante Vergleichssprachen, weil sie im gemeinsamen mitteleuropäischen Areal, im sog. „Donausprachbund“89 noch enger zusammengehören. Sie leben in einem Sprachraum zusammen, in dem das Deutsche seit Jahrhunderten als regionale Verkehrssprache eine leitende Rolle spielt. Die Wirkung des Deutschen auf das Ungarische hat eine Tausend Jahre alte Tradition.90 Die Einflüsse sind zwar mehrheitlich unidirektional deutsch → ungarisch. Im Sprachgebrauch kann man aber auch bestimmte gegenseitige Konver88

Zur Periodisierung des Ungarischen vgl. Kiss (2003:905). Vgl. Haarmann (1967), Skalička (1967) und (1968). 90 Schon der erste König, Stephan I., hatte eine bayrische Ehefrau, die selige Gisela aus Passau. 89

151

genztendenzen beobachten, die zwar wohl nicht mit dem direkten Einfluss des Ungarischen auf das Deutsche zu erklären sind, aber auf einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund, auf eine gemeinsame europäische bzw. mitteleuropäische Denkweise hinweisen. 4.2 Das Satzmodussystem des Ungarischen Das Ungarische ist eine besonders partikelreiche Sprache. Außer den zahlreichen Modalpartikeln91 gibt es für alle Satzmodi (außer dem Deklarativsatz) auch Satzmoduspartikeln.92 Ihr Gebrauch ist optional, d.h. jeder Satzmodus kann mit oder ohne Satzmoduspartikel realisiert werden. Der wesentliche typologisch relevante Unterschied zwischen dem deutschen und dem ungarischen Satzmodussystem besteht darin, dass – während das deutsche Satzmodussystem als besonders syntaxzentriert anzusehen ist (vgl. Kap. 3.2) – das ungarische viel stärker auf den lexikogrammatischen Ausdrucksmitteln, vor allem auf den Partikeln basiert. Eine offene Frage ist, wie weit die Serialisierung im Ungarischen satzmodusrelevant ist. Einschlägige Arbeiten gehen meistens davon aus, dass die ungarische Serialisierung grammatisch weitgehend frei und der aktuellen Gliederung unterworfen und somit nicht satzmodusabhängig ist. In der Ungarischen Grammatik von Keszler/Lengyel (2008:162) wird jedoch mit einigen Beispielen dafür argumentiert, dass invertierte Wortstellung u.U. auch die Satzart anzeigen könne. Auch in meinen Untersuchungen habe ich gut nachweisbare Tendenzen gefunden, indem Interrogativsätze tendenziell andere Serialisierungstypen aufweisen als Deklarativsätze. Darin lässt sich wohl der Einfluss des gemeinsamen europäischen Areals, darunter vor allem der Einfluss des Deutschen sehen. Im Ungarischen liegt ferner eine eindeutige und unverwechselbare Interrogativintonation vor, die sog. steigend-fallende Intonation. Der Ton steigt auf der meistens nicht akzentuierten vorletzten Sprechsilbe, während er auf der letzten Sprechsilbe wieder fallend ist. Damit unterscheidet sich die Interrogativintonation ganz entscheidend von der Melodie der offenen, weiterführenden Sätze, in denen der Sprecher das Wort einfach behalten will und des-

91

MP sind nach meiner Intuition im Ungarischen zahlenmäßig mehr als im Deutschen, obwohl die genaue Abgrenzung dieser Kategorie problematisch ist, weil sich ungarische MP syntaktisch nicht so einheitlich verhalten (vgl. Péteri 2002:158ff.). 92 Für den Interrogativsatz -e und ugye, für bestimmte Imperativsätze hadd, für den Optativsatz bár und bárcsak, für den Exklamativsatz ám.

152

halb den Ton erhöht. Die eindeutige intonatorische Markierung des ENTI wirkt auf die anderen Merkmale zurück. 4.3 Exkurs: Die ungarische Satzstruktur Um die nachfolgenden Beschreibungen besser zu verstehen, ist hier ein Überblick der ungarischen Satzstruktur unentbehrlich. In traditionellen Grammatiken wird von einer grundsätzlich „freien Wortstellung“ ausgegangen (vgl. Keszler Hg. 2000:379), während in generativ orientierten Auffassungen meistens die pragmatische Motiviertheit der Wortstellung hervorgehoben wird, indem die Fokusphrase obligatorisch linksadjazent zum Finitum steht und die der Fokusphrase vorangehende erste Satzhälfte, falls sie referierende Ausdrücke enthält, als Topik interpretiert wird (É.Kiss 1992:89 sowie É.Kiss/Kiefer/Siptár 1998:21f.). É. Kiss (2002:8ff.) schlägt einen generativen Strukturbaum vor, in dem die verbalen Argumente innerhalb der satzfinalen Verbalphrase hinter dem verbalen Kopf basisgeneriert werden, während die der Verbalphrase vorangehenden Positionen pragmatisch bzw. semantopragmatisch motivierte funktionale Projektionen (Topik, distributionelle Quantoren, Fokus, Aspekt) sind.

Abbildung I. Phrasenstruktur des ungarischen Satzes (nach É.Kiss 2002:12)

In späteren Arbeiten (z.B. É.Kiss 2007) hebt É.Kiss die zentrale Rolle des Finitums vor, indem es den ungarischen Satz in zwei Satzhälften teilt, von denen die erste informationsstrukturell bedingte funktionale Positionen (Topik-, Fokus- sowie Quantorpositionen) enthält, während im nachverbalen Teil 153

die Wortstellung tatsächlich frei bzw. nur dem allgemeinen Behaghel’schen Gesetz der steigenden Informativität unterworfen ist. Während die deskriptiven Ergebnisse von É.Kiss berücksichtigt werden, wird die ungarische Satzstruktur in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an das Syntaxkonzept der IDS-Grammatik in einem anderen theoretischen Rahmen behandelt, um dadurch eine bessere Vergleichbarkeit mit dem Deutschen zu ermöglichen. Der Ausgangspunkt besteht darin, dass auch im ungarischen Satz nicht nur die Abhängigkeits-, sondern auch die lineare Struktur grundsätzlich vom Verbalkomplex bestimmt wird. Er bildet jedoch keine Satzklammer, sondern steht in der Satzmitte und teilt den Satz in eine präverbale und eine postverbale Hälfte, die unterschiedlichen syntaktischen Regularitäten unterworfen sind. Das Urungarische war eine SOV-Sprache (vgl. Kiss/Pusztai 2003:253) mit einem morphologisch unmarkierten Akkusativobjekt, wie auch die nächsten Verwandten, das Ostjakische sowie das Vogulische, bis heute noch sind (vgl. Nikolaeva 1999, Riese 2001). In diesen Sprachen ist es aber gemeinsam, dass das Subjekt im unmarkierten Fall die Funktion des Topiks, das Objekt die Funktion des Fokus spielt. So ist z.B. im Vogulischen ein Passivsatz obligatorisch, wenn das Patiens topikalisiert und das Agens fokussiert wird (Nikolaeva 1999:58). Das enge assoziative Verhältnis zwischen den thematischen Rollen und den pragmatischen Funktionen scheint also ein gemeinsames ugrisches Erbe zu sein. Gegen Ende der urungarischen Periode, vor der Landnahme im Karpatenbecken im Jahre 896, entwickelte sich im Ungarischen ein Akkusativsuffix, das die Auflösung der strengen SOVWortstellung ermöglichte. Die SOV-Wortstellung wechselte aufgrund der vorliegenden Assoziation in eine pragmatisch motivierte TFV-Wortstellung (Topik-Fokus-Verb). Die Entstehung des Verbpartikelsystems zog im Mittelalter erneut eine gewisse grammatische Verfestigung nach sich.93 Ungarische Verbpartikeln drücken teilweise den Verbalaspekt aus, teilweise differenzieren sie den deutschen Verbpartikeln ähnlich die Verbbedeutung. In präverbaler Position werden sie mit dem Verb zusammengeschrieben und tragen den Akzent des Verbs, in postverbaler Position sind sie getrennt geschrieben und nicht akzentuiert.

93

Zu bemerken ist dabei, dass die Herausbildung der heutigen ungarischen linearen Satzstruktur in der ersten Hälfte der altungarischen Periode (10-13. Jh.) erfolgte, als das Ungarische sehr intensive Sprachkontakte zum Deutschen hatte.

154

(1) ír / megír / Nem írt meg semmit. ‚schreiben‘‚fertigschreiben‘94 ‚Er/sie schrieb nichts fertig.‘ (2) megy / elmegy / Nem ment el. ‚gehen‘ ‚weggehen‘ ‚Er/sie ging nicht weg.‘

Satzoperatoren (die Negationspartikel nem/ne bei Satznegation sowie die Imperativpartikel hadd) stehen im Gegenwartsungarisch in der gleichen präverbalen Position wie die Verbpartikel. Zwar werden sie laut den Regeln der Rechtschreibung getrennt geschrieben, bilden aber phonetisch ein Wort mit dem Verb, tragen auch den Wortakzent.95 (3) Klaus [NEM olvasta] a levelet. Klaus NEG les-PAST-3SG ART Brief-AKK ‚Klaus hat den Brief nicht gelesen.‘ (4) [HADD olvassa] Klaus a levelet. IMPPART les-IMP-3Sg Klaus ART Brief-AKK ‚Lasst Klaus den Brief lesen!‘

Die Negationspartikel steht in emphatischen Aussagen sogar zwischen Verbpartikel und Finitum, also in der Mitte des Verbalkomplexes. In diesem Fall fließen alle drei Wörter zu einem phonetischen Wort zusammen. (5) [EL nem olvasná] semmi pénzért!. VPART NEG les-KOND-3SG nichts Geld-für ‚Er würde das um keinen Preis lesen!‘

Auf ähnliche Weise fließen kurze artikellose Nominalphrasen in der präverbalen Position phonetisch mit dem Verb zusammen. (6) Pista [VERset írt] Valentin napra. Pista Gedicht-Akk schreib-Past-3Sg Valentinstag-auf ‚Pista hat zum Valentinstag ein Gedicht geschrieben.‘

Ich plädiere hier dafür, dass neben der phonetischen bereits schon eine grammatische Integration dieser Position angefangen hat. Dies zeigt sich

94

Die verwendungsneutrale Zitierform der ungarischen Verben ist die Form 3SG (die mit dem Verbstamm zusammenfällt) und nicht der Infinitiv wie im Deutschen. 95 Im Ungarischen ist jeder Akzent wortinitial. Im Falle dieser Satzoperatoren trägt das Verb keinen Wortakzent. Akzentuiert wird der Operator.

155

einerseits dadurch, dass zwischen der präverbalen Stellungseinheit und dem Verb keine parenthetischen Einschübe vorkommen können.96 (7) Pista – ezt Zoltántól tudom – [szép verseket ír]. Pista dies-Akk Zoltán-von wiss-1SG schön Gedicht-PL-Akk schreibt-3SG ‚Pista schreibt – das weiß ich von Zoltán – schöne Gedichte.‘ Nicht aber: *Pista szép verseket – ezt Zoltántól tudom –ír.

Ein weiteres Zeichen für die syntaktische Integration ist, dass indefinite Fokusphrasen in der Regel artikellos sein können, d.h. dass der Indefinitartikel egy in der präverbalen Position sowie bei einem nominalen Prädikat eliminierbar ist, in anderen Positionen nicht. Das zeigt eine stichprobenartige Untersuchung aus Parlamentsprotokollen. (8) Az 1998-ban hivatalba lépő kormány egy új gazdasági ART 1998-in Amt-in tretend Regierung ein neu wirtschaftlich és társadalmi modellt indított el. (präverbaler Fokus) und gesellschaftlich Modell-AKK start-Past-3Sg VPART ‚Die 1998 das Amt antretende Regierung startete ein neues wirtschaftliches und soziales Modell.‘ Auch möglich: ... új gazdasági és társadalmi modellt indított el. (9) Ez egy nagyon fontos adat. (Nominales Prädikat) Dies ein sehr wichtig Angabe-Akk ‚Dies ist eine sehr wichtige Angabe.‘ Auch möglich: Ez nagyon fontos adat. (10) Egy sajátos területet kiemelnék (Topik) Ein eigenartig Gebiet-AKK hervorheb-KOND-1SG ‚Einen eigenartigen Bereich würde ich hervorheben.‘ Nicht aber: *Sajátos területet kiemelnék. (11) Legfeljebb ott van mellette egy végzett házastárs (postverbal) Höchstens dort ist neben-3SG ein abgeschlossen Ehepartner ‚Höchstens ist ein(e) Ehepartner/in mit abgeschlossenem Studium dort neben ihm/ihr.‘ Nicht aber: *Legfeljebb ott van mellette végzett házastárs.

Der hohe Grad der phonetischen und syntaktischen Integration motiviert, dass die Fokusphrase in häufig vorkommenden Wendungen inkorporiert 96

Zugunsten der leichteren Verständlichkeit werden in den Beispielen die artikellose Fokusphrase und das Verb – d.h. diejenigen Satzteile, die nach meiner Auffassung in den Verbalkomplex integriert sind, in eckige Klammern gesetzt. Die Parenthese kann vor oder hinter dem ganzen Komplex stehen, nicht aber innerhalb von ihm.

156

wird. In den Fügungen wie sátrat állít ‚ein Zelt aufbauen‘, vonattal utazik ‚mit dem Zug fahren‘, sört iszik ‚ein Bier trinken‘, iskolába jár ‚zur Schule gehen‘ usw. handelt es sich nicht um konkrete Zelten, Züge usw., sondern um die Tätigkeit des „Zeltbauens“, des „Mit-dem-Zug-Fahrens“, des „Biertrinkens“ usw. (12) Sátrat állítottak, bár meleg volt az éjszaka. Zelt-Akk stell-Past-3PL obwohl warm war ART Nacht ‚Es wurden Zelten aufgebaut, obwohl die Nacht warm war.‘

In (12) wäre die Tätigkeit des Zeltbauens wegen der warmen Nacht nicht nötig gewesen. Wenn es sich jedoch um konkrete Zelten handelt, soll eine Struktur mit einem realisierten Artikel benutzt werden: (13) ??Sátrat állítottak, de az összedőlt. Zelt-Akk stell-PAST-3PL aber das zusammenbrach Sondern nur: (13‘) Állítottak egy sátrat, de az összedőlt. Stell-Past-3PL ein Zelt aber das zusammenbrach ‚Es wurde ein Zelt aufgebaut, aber es brach zusammen.‘

Der Verbalkomplex steht im ungarischen Satz in der Satzmitte. Er hat einen präverbalen und einen postverbalen Teil, in der Mitte steht das Finitum. Der präverbale Teil kann auch die integrierte Fokusphrase beinhalten, der postverbale ist in erster Linie für die invertierte Verbpartikel reserviert. In der ersten Satzhälfte vor dem Verbalkomplex stehen topikalisierte Phrasen, aber auch andere Hintergrundelemente sowie gewöhnlich auch modale und evidentiale Marker, die den modalen Hintergrund für die Interpretation des Satzes festlegen. Grammatisch ist die Anzahl der Phrasen in dieser Satzhälfte nicht festgelegt, aber nach den Korpusuntersuchungen bildet die Mehrfachbesetzung eher eine Ausnahme. Hinter dem Verbalkomplex stehen Phrasen, die vordergründige bzw. weiterführende Informationen enthalten, die jedoch syntaktisch nicht fokussiert werden können, weil die syntaktische Fokusposition vor dem Verb nur auf eine Phrase beschränkt ist. Das folgende Schema ist zwar gewissermaßen vereinfacht, ist jedoch für unsere Zwecke angemessen.97 Mit seiner Hilfe lassen sich im Folgenden

97

Es gibt weitere wesentliche Fragen, z.B. die Stelle der Hilfs- und Modalverben sowie bestimmter Partikeln im Verbalkomplex, die Position der Quantoren und der Satzadverbien usw. Diese würden jedoch die Rahmen der vorliegenden Arbeit spren-

157

bestimmte Parallelitäten der ungarischen Strukturen im Vergleich mit den entsprechenden deutschen bzw. mit denen in den anderen untersuchten Sprachen erkennen. Vordere Satzhälfte

Verbalkomplex

Hintere Satzhälfte

Topik präverba- Verbum postverba- Vordergründige andere Hintergrundeleler Teil finitum ler Teil Komplemente und mente Supplemente textkonnektive, modale, evidentiale Marker HINTERGRUND

VORDERGRUND

Tabelle I.: Schematischer Überblick der linearen Satzstruktur im Ungarischen 4.4 Der Entscheidungsinterrogativsatz im Ungarischen Ungarisch gehört zu denjenigen Sprachen, die den ENTI optional mit Interrogativpartikeln markieren. Im Ungarischen gibt es zwei Interrogativpartikeln, die neutrale klitische Partikel -e, die am häufigsten ans Finitum klitisiert wird, aber im Falle nominaler Prädikate sowie in Kurzsätzen auch an einem Nomen stehen kann, bzw. die Partikel ugye, die auch eine bestätigende Antworterwartung mitausdrückt. Es gibt auch Modalpartikeln, von denen vajon nur in Interrogativsätzen benutzt wird, viele andere in mehreren Satzmodi, u.a. auch in Interrogativsätzen. Ferner ist es auch im Ungarischen möglich, ENTI mit question tags zu markieren, dies kommt aber im Ungarischen seltener vor als im Deutschen. Eine interrogative Serialisierung, die in systematischer Opposition mit der Serialisierung des Deklarativsatzes steht, gibt es zwar nicht, tendenzielle Unterschiede in der Wortstellung des Deklarativsatzes und des ENTI lassen sich jedoch durch gezielte Korpusuntersuchungen durchaus nachweisen.

gen. Vgl. dazu meine weiteren Publikationen zum Thema: Péteri (2011), (2012), (2013a), (2013b).

158

4.4.1 Die Interrogativpartikel -e In der ungarischen Fachliteratur gibt es bis heute keinen eindeutigen Konsens darüber, ob die klitische Partikel -e als Interrogativ- oder als Modalpartikel einzustufen ist.98 Aufgrund der allgemeinen und sprachtypologischen Überlegungen im Kapitel 1.3.1 kann -e vornehmlich auf syntaktischer Basis eindeutig zu den Satzmoduspartikeln geordnet werden. Es wirkt nämlich im Matrixinterrogativsatz mit der Intonation zusammen: die steigend-fallende ENTI-Intonation sowie die Interrogativpartikel verhalten sich im neutralen ENTI komplementär zueinander, sie definieren also zwei verschiedene Satztypen des Interrogativsatzmodus (Bsp. 14). Sie können jedoch in einem semantisch spezialisierten Nebentyp, im Echo-ENTI kombiniert werden (Bsp. 15). (14) Lehet ebben a boltban zöldséget kapni? [/\] vs. Kann dies-in ART Geschäft-in Gemüse kaufen Lehet-e ebben a boltban zöldséget kapni? [\] Kann-INT dies-in ART Geschäft-in Gemüse kaufen ‚Kann man in diesem Geschäft Gemüse kaufen?‘ (15) Hogy lehet-e ebben a boltban zöldséget kapni? [/\] Dass kann-INT dies-in ART Geschäft-in Gemüse kaufen ‚Ob man in diesem Geschäft Gemüse kaufen kann?‘

Die Einstufung von -e als Interrogativpartikel schließt jedoch nicht aus, dass es die Frage pragmatisch differenzieren kann. Ähnliches wurde z.B. bei dem lateinischen num nachgewiesen, das zugleich eine Antworterwartung ausdrückt wie die deutsche MP etwa, oder bei dem russischen li, das auch als Rhetorizitätsmerkmal fungiert. In den Sprachen, in denen die Interrogativpartikel optional ist, funktioniert sie zugleich als unterscheidendes Merkmal verschiedener interrogativer Satztypen, die auch funktionale Unterschiede aufweisen können. 98

Fábricz (1981) und (1986) trennt die Verwendung in eingebetteten Interrogativsätzen sowie in Matrixinterrogativsätzen voneinander. In eingebetteten Sätzen sei ihre Benutzung „ein sprachlicher Zwang“, weil -e dort das alleinige Merkmal des Interrogativsatzes ist, während es in Matrixsätzen nach Fábricz fakultativ und dadurch fähig sei, die Frage auf verschiedene Weise pragmatisch zu färben. In den meisten ungarischen Grammatiken wird -e hingegen als Interrogativpartikel eingestuft (vgl. u.a. Keszler, Hg. 2000:278, Keszler/Lengyel 2008:108). Generative Studien behandeln meistens seine Rolle in eingebetteten Interrogativsätzen, wo es obligatorisch ist (vgl. É.Kiss 1992:148).

159

Um die semantisch-pragmatische Funktion von -e ermitteln zu können, soll zuerst sein Auftreten in eingebetteten Sätzen untersucht werden. In eingebetteten Interrogativsätzen ist es obligatorisch, seine Funktion ist mit dem deutschen interrogativen Subjunktor ob vergleichbar. (16) Kérdezem / kérdezi / azt kérdezte, hogy Klaus eljön-e. frage-ich / fragt-er/sie / das fragte-er/sie dass Klaus kommt-INT ‚Ich frage / er/sie fragt / er/sie fragte, ob Klaus kommt.‘

-e kann jedoch auch in eingebetteten Sätzen stehen, deren Matrixsatzprädikat ein epistemisches Verb ist. Bei erstpersonigen epistemischen Prädikaten wird -e im eingebetteten Satz in dem Fall benutzt, wenn das Prädikat des Matrixsatzes das Nicht-Wissen oder die Unsicherheit, den Zweifel des Sprechers ausdrückt. (17) Tudom, hogy Klaus eljön. vs. Nem tudom, hogy Klaus eljön-e. weiß-ich dass Klaus kommt. nicht weiß-ich dass Klaus kommt-INT ‚Ich weiß, dass Klaus kommt.‘ ‚Ich weiß nicht, ob Klaus kommt.‘

Bei drittpersonigem Matrixprädikat kann der eingebettete Satz sowohl mit als auch ohne die Partikel -e realisiert werden, allerdings mit einem Bedeutungsunterschied: (18) Klaus tudja, hogy Félix eljön. vs. Klaus tudja, hogy Félix eljön-e. Klaus weiß dass Felix kommt Klaus weiß dass Felix kommt-INT ‚Klaus weiß, dass Felix kommt.‘ ‚Klaus weiß, ob Felix kommt.‘ (19) Klaus kételkedik, hogy Félix eljön. vs. ... hogy Félix eljön-e. Klaus bezweifelt dass Felix kommt dass Felix kommt-INT ‚Klaus bezweifelt, dass Felix kommt.‘ ... ob Felix kommt.‘

Die Beispiele zeigen, dass die Verwendung von -e im eingebetteten Satz nicht davon abhängt, ob das Matrixprädikat das Wissen oder das NichtWissen bzw. den Zweifel der dritten Person ausdrückt. Der Unterschied besteht im Wissen des Sprechers bzw. im gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer, im common ground. Bei Verwendung von -e im Beispiel (18) weiß Klaus zwar, ob Felix kommt oder nicht, der Sprecher aber nicht: er lässt beide Möglichkeiten offen. Im Beispiel (19) bezweifelt Klaus zwar das Kommen von Felix. Wenn aber die Partikel -e nicht benutzt wird, wird damit darauf verwiesen, dass das Kommen von Felix im zugrundeliegenden common ground mindestens als erwartbar vorauszusetzen ist, während bei der Verwendung von -e diese Information in der gemeinsamen Informationsbasis 160

der Kommunikationspartner nicht vorhanden ist. Im eingebetteten Satz bezieht sich also die Bedeutung der Partikel -e auf die Wissensbasis der Kommunikationspartner und zeigt an, dass die mit ihr markierte Information relativ zu dieser Wissensbasis offen ist. Im Falle der Matrixsätze gibt es keinen Konsens darüber, ob die Interrogativsätze mit und ohne -e einen Bedeutungsunterschied aufweisen. Szikszainé (2003) betrachtet die Partikel als Rhetorizitätsmerkmal, wobei sie im Einklang mit der modernen Fachliteratur von verschiedenen Graden der Rhetorizität ausgeht. Informationsfragen und rhetorische Fragen bilden im Gegensatz zur Auffassung früherer Stilistiken keine strikte Dichotomie (vgl. Meibauer 1986), sondern weisen einen breiten Übergangsbereich auf. Eine rhetorische Frage schließt auch nicht unbedingt eine Antwort aus. Das wesentliche Merkmal besteht darin, dass der Sprecher mit einer rhetorischen Frage auch seinen Standpunkt ausdrückt und dass die adäquate Antwort auf eine rhetorische Frage nicht die Mitteilung einer Sachinformation, sondern die Ausführung des Standpunktes des Partners im Verhältnis zu dem des Sprechers ist (vgl. Büring/Gunlogson 2000, Kocsány 2001). Ferner werden rhetorische Fragen so formuliert, dass mit einer positiv gestellten Frage der negative Standpunkt des Partners, mit der negativ gestellten Frage der positive Standpunkt des Partners aus der Sicht des Sprechers angedeutet wird. Diese Eigenschaft wird in der einschlägigen Literatur Polaritätswechsel genannt (vgl. Pérennec 1995, Bechmann 2010). Damit wirken rhetorische Fragen notwendigerweise polemisch und deuten immer auf einen vermuteten Meinungsunterschied des Sprechers und seines Kommunikationspartners hin. Dass die Partikel -e in Matrixsätzen wirklich ein derartiges Rhetorizitätsmerkmal ist, lässt sich allein schon aus der Verteilung ihrer Vorkommenshäufigkeit in unseren vier Teilkorpora sehen. Debatten

Zwischenrufe

Dramen

Gespräche

Belege insge500 103 500 176 samt Belegzahl mit 204 0 20 7 –e Häufigkeit 40,8% 0% 4% 4% Tabelle II. Korpusspezifische Häufigkeit der ENTI mit der Partikel -e

Aus der Tabelle ist es sichtbar, dass die Interrogativpartikel -e in Matrixsätzen in Parlamentsdebatten sehr häufig, in anderen Teilkorpora, die einen größeren Grad der Spontaneität aufweisen, relativ selten vorkommt. 161

Bei genauerer Untersuchung der Belege im Parlamentskorpus stellt es sich heraus, dass diese Sätze meistens als Teile längerer Reden geäußert werden, in denen im vorangehenden Kontext in relativ kurzer Entfernung performative Frageausdrücke wie kérdezem ‚ich frage‘, A kérdésem a következő: ‚Meine Frage ist die folgende:‘ usw. vorkommen. Es handelt sich zwar im strengen grammatischen Sinne nicht um eingebettete Sätze, die zwei Sätze haben sich syntaktisch verselbstständigt. Die Verwendung der Partikel kann jedoch aus ihrer Nebensatzverwendung abgeleitet werden. (20) Ezért kérdezem az államtitkár urat: ‚Deshalb frage ich den Herrn Staassekretär:‘ szándékozik-e a kormány érdemben foglalkozni a problémával? beabsichtigt-INT die Regierung ernsthaft sich-beschäftigen das Problem-mit ‚Beabsichtigt die Regierung, sich mit dem Problem ernsthaft zu beschäftigen?‘ (21) Kérdéseim a következők; először: ‚Meine Fragen sind die Folgenden; Erstens:‘ van-e az ön kormányának két és fél évvel a hivatalba lépése után ist-INT die Ihrige Regierung-DAT [...] privatizációs koncepciója? ‚Hat Ihre Regierung zweieinhalb Jahren nach Amtsantritt eine Privatisierungskonzeption?‘

Es gibt auch zahlreiche Beispiele, in denen der performative Frageausdruck mehrere Sätze vor dem betreffenden Interrogativsatz mit -e steht, wo also überhaupt keine syntaktische Verbindung mehr vorliegt. In einer anderen Gruppe der Interrogativsätze gibt es keinen einleitenden performativen Frageausdruck im vorangehenden Text, der Satz steht aber in einem längeren zusammenhängenden Text und stellt den integrierten Teil der Argumentation dar. In der gegebenen Situation hat der Partner nicht die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, weil der Sprecher seine Rede nicht unterbricht. Erst viel später wird der angesprochene Partner nach den Regeln der Parlamentsdebatte die Möglichkeit bekommen, die vielen Fragen zusammenfassend zu beantworten bzw. auf sie zu reagieren. Häufig wird die in einem Argumentationszusammenhang gestellte Frage vom Redner auch selbst beantwortet. Es ist also anzunehmen, dass sich die Verwendung der Partikel -e im Matrixsatz aus der Nebensatzverwendung entwickelt hat, indem sich der eingebettete Satz bei performativen Ausdrücken syntaktisch verselbstständigte. Später ist auch der Satz mit dem performativen Ausdruck verschwunden. Die Funktion solcher Ausdrücke, indem mit ihnen – falls sie in einen Argumentationszusammenhang eingebettet werden – keine Informationsfragen gestellt, 162

sondern Argumente ausgedrückt werden, wird auch im Gegenwartsungarisch meistens stereotyp mitverstanden. Dadurch bekommt die Frage eine gewisse Rhetorizität. Diese Funktion von -e erklärt auch ihre Kombinierbarkeit mit MP. Die häufigste ungarische MP in Interrogativsätzen, die deliberative (nachdenkende) MP vajon steht im ENTI fast immer in der Kombination mit -e. Auch die wenigen Belege für ENTI mit -e in den anderen beiden Korpora enthalten meistens auch vajon. Die andere relativ häufige MP, die im ENTI vorkommt, die MP hát, ist in meinem Korpus überhaupt nicht in der Kombination mit -e belegt. (22) Hát van értelme annak, hogy lemondjak róla? MP ist Sinn KORR, dass verzichte-ich darauf ‚Hat das nun einen Sinn, dass ich darauf verzichte?‘

Nach meiner Sprachkompetenz ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, die MP hát mit der Interrogativpartikel zu kombinieren, vgl. (22‘) Hát van-e értelme annak, hogy lemondjak róla?

Solche Sätze sind aber wahrscheinlich sehr selten, sie sind an sehr spezifische Situationen gebunden, weil die Interrogativpartikel -e der Frage einen gewissen rhetorischen Charakter verleiht, während die MP hát typischerweise in direkten Fragen vorkommt. Zusammenfassend kann aufgrund der Korpusergebnisse festgestellt werden, dass die Partikel -e im Ungarischen eine Interrogativpartikel und keine MP ist, die der Frage jedoch auch eine pragmatische Färbung verleiht, und zwar einen rhetorischen Charakter. 4.4.2 ENTI mit -e in der kontrastiven Untersuchung ungarisch-deutsch Parlamentsdebatten unterliegen in der europäischen Kulturtradition ähnlichen Konventionen. Der Redner, der seine Rede vorbereitet hat verfügt über eine bestimmte Redezeit. Der angesprochene Partner, meistens ein Vertreter der gegnerischen Partei oder die Gegnerpartei selbst, hat nicht die Möglichkeit, die gestellte Frage sofort zu beantworten, sondern kann auf die ganze Rede erst später zusammenfassend reagieren. Somit gliedern sich die Interrogativsätze in den gesamten Argumentationszusammenhang ein und werden auch nicht als direkte Fragen konzipiert. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der ungarischen Partikel -e ähnliche Rhetorizitätsmarker in 163

verschiedenen europäischen Parlamentsdebatten zu finden sind, auch wenn sie auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen realisiert werden. In deutschen Bundestagsdebatten sind Fragen mit den Ausdrücken ‚Wissen Sie,... / Meinen Sie...‘ oder mit Ausdrücken, die eine ähnliche Bedeutung tragen, besonders häufig. In meinem Korpus kommen sie unter 500 ausgewerteten Belegen insgesamt in 107 vor, was einer Häufigkeitsrate von 21,4% entspricht. (23) Wissen Sie eigentlich, dass Ihr Verkehrswegeplan bis 2012 ging? (24) Würden Sie denn mit mir übereinstimmen, dass es....

Ferner können auch MP im Deutschen sekundäre Rhetorizitätsmerkmale sein, besonders die MP etwa, die für kritisierende, polemisierende „Fragen“ geeignet ist. Ähnlich kann man auch mit überhaupt Kritiken und Angriffe realisieren, weil dadurch der ganze Sachverhalt in seinen Grundzügen in Frage gestellt wird. (25) Ist das etwa antiamerikanisch? – Nein! (26) Ist überhaupt so schnell so viel nötig?

Auch in deutschen Bundestagsprotokollen kommen manchmal ähnliche performative Ausdrücke im nahen vorangehenden Kontext vor wie im Ungarischen, in meinen Belegen sind sie jedoch viel seltener: unter den 500 Belegen habe ich insgesamt 22 Beispiele gefunden. (27) Darf ich fragen, wie sich diese Zahlen im Vergleich zu denen der Vorjahre darstellen? (28) Die entscheidende Frage ist doch: Können die Menschen in Deutschland sicher sein, dass alles getan wird, um sie vor einem möglichen Pockenvirenangriff zu schützen?

4.4.3 Die Partikel ugye Diese Partikel ist in mehrerer Hinsicht als Übergangsphänomen zu betrachten. Etymologisch stammt sie aus einem satzförmigen question tag, der aus dem Demonstrativadverb úgy ‚so‘ mit der Interrogativpartikel -e gebildet wurde und die Bedeutung ‚Ist es so?‘ trug. Am Anfang des 20. Jahrhundertes wurde er noch mit Bindestrich geschrieben. Auch heute wird die Partikel häufig als question tag benutzt.

164

(29) Schamschuláról beszélsz, ugye? (Zwischenruf) Schamschula-über sprichst-du PART ‚Du sprichst über Schamschula, nicht wahr?‘

Im Laufe der Sprachentwicklung wurde ugye schrittweise in den Satz integriert. Eine typische Stellung für diese Partikel ist auch in heutigen Texten die Grenze zwischen Teilsätzen.99 (30) Egy rossz, ugye, meg egy jó? (Zwischenruf) Ein schlechtes PART und ein gutes ‚Ein schlechtes also und ein gutes, ne?‘

Der nächste Schritt der Integration besteht im parenthetischen Gebrauch, der mit Kommata markiert wird. (31) Maga, ugye, hűséges emberem nekem? (Dramenkorpus) Sie PART treuer Mann von mir ‚Sie sind doch mein treuer Diener, gell?‘

Im letzten Schritt wird die Partikel vollkommen integriert. (32) Ugye nem gondoljuk, képviselőtársaim, hogy menet közben lehetne a PART nicht denken-wir, Abgeordnete, dass ... szabályokat módosítani? ‚Wir denken wohl nicht, liebe Abgeordnete, dass Regeln während des Verlaufs der Ereignisse geändert werden können, ge?‘

Nach den bisher aufgestellten formalen Kriterien soll ugye als Interrogativpartikel eingestuft werden. Sie ist weder mit der anderen Interrogativpartikel -e, noch mit der interrogativen Intonation zu kombinieren. (32‘) *Ugye nem gondoljuk-e? (32“) *Ugye nem gondoljuk [/\]?

99

Auf diesen Übergangscharakter von ugye bzw. auf die einzelnen, in Korpusbelegen nachweisbaren Schritte der Integration der Partikel in den Satz habe ich schon in meiner früheren Monographie über die deutschen und ungarischen Modalpartikeln (Péteri 2002:219f.) verwiesen. Damals habe ich mit einem anderen, überwiegend aus literarischen Texten zusammengestellten Korpus gearbeitet. Meine jetzigen Beobachtungen aufgrund der vorliegenden drei Teilkorpora stimmen mit den damaligen vollkommen überein.

165

Ugye markiert auch nicht nur den interrogativen Charakter des Satzes, sondern drückt eine ausgeprägte positive Antworterwartung aus. Damit wird der Partner sogar gedrängt, auf die Frage schnell und mit einer positiven Antwort zu reagieren. Ferner trennt sich ugye in bestimmten, allerdings relativ seltenen Verwendungen vom Interrogativsatz und wird in Deklarativsätzen als konsensuskonstitutive Modalpartikel benutzt. (33) Ezt ugye nem azért mondtam, hogy... das-AKK PART nicht deshalb sagte-ich, dass ‚Das habe ich ja nicht deshalb gesagt, damit...‘

4.4.4 Modalpartikeln Die einzige MP, die immer in Interrogativsätzen auftritt, ist das deliberative vajon. (34) Én értem... De vajon te emlékszel-e, hogy mit mondott volt a bölcselő? aber MP du erinnerst-dich-INT, dass ‚Ich verstehe... Aber du – erinnerst du dich vielleicht daran, was der Denker gesagt hat?‘

Häufig wird mit vajon eine positive Antworterwartung ausgedrückt. In anderen Belegen signalisiert diese MP nur, dass der Sprecher über die Antwort selbst nachdenkt, dass er eventuell die Antwort selber kennt bzw. dass er den Partner auch zum Nachdenken veranlasst. Dadurch bekommen Fragen mit vajon oft (nicht immer) auch eine gewisse Rhetorizität. Damit lässt sich auch erklären, dass die meisten Belege für vajon in meinem Korpus aus den Parlamentsdebatten stammen. Die meisten Belege sind mit der Interrogativpartikel -e kombiniert: 24 Belege für vajon stellen ENTI mit der Interrogativpartikel -e dar, nur 4-mal steht vajon in ENTI ohne -e. In den anderen Teilkorpora ist vajon sehr selten belegt. Relativ häufig tritt die MP hát in ENTI auf, obwohl sie nicht unbedingt an Interrogativsätzen gebunden ist. Hát stammt aus der gekürzten Form der konsekutiven Konjunktion tehát (‚also‘). Als MP kann es in allen Satzmodi signalisieren, dass die Äußerung als Folge der Situation zu verstehen ist. Es bildet im ENTI zugleich auch den Gegenpol von vajon. Während mit vajon der ganzen Frage ein nachdenkender, häufig ein gewisser rhetorischer Charakter verliehen wird, steht hát in Fragen, die direkt durch die Situation ver-

166

anlasst sind, die also wirkliche Fragen sind, auf die der Sprecher vom Partner eine wirkliche und sachliche Antwort erwartet. (35) Hát ilyen köteted nincsen? (Gesprächskorpus) MP solch Band-POSS es-gibt-nicht ‚Also hast du keinen solchen Band?‘

Das zeigt auch die korpusspezifische Verteilung der Belege. Von je 500 ausgewerteten ENTI (im Gesprächskorpus waren nur 176 zu finden) ist hát im Gesprächskorpus am häufigsten, der Unterschied zum Dramenkorpus ist jedoch nicht signifikant. Im Parlamentskorpus ist es am seltensten, nur 8-mal benutzt. (In Zwischenrufen habe ich keine ENTI mit MP gefunden.) Mit der Interrogativpartikel -e wird es in meinen Korpusbelegen nicht kombiniert, obwohl die Kombination grammatisch nicht ganz ausgeschlossen ist. Parlamentsdebatten Dramen Gespräche mit -e 24 2 0 vajon ohne -e 4 0 0 hát 8 10 5 Insgesamt 36 12 5 Häufigkeit 7,2% 2,4% 2,8% Tabelle III. Häufigkeit der beiden wichtigsten MP in ungarischen ENTI

4.4.5 Question tags Auch im Ungarischen kann ein ENTI mit question tags markiert werden, wobei auch gezeigt wurde, dass der Übergang zwischen den Partikeln und den question tags fließend ist und dass bestimmte Sprachzeichen in beiden Funktionen benutzt werden können. Insgesamt ist aber die Häufigkeitsrate der mit question tags markierten ENTI kleiner als im Deutschen, was damit zu erklären ist, dass im Deutschen die question tags beinahe die einzige Möglichkeit der lexikogrammatischen Markierung der ENTI darstellen, während sie im Ungarischen ihre Funktion mit mehreren anderen Markern teilen. Unter den ungarischen question tags dominieren die Satzäquivalente: nem? ‚nein?‘, jó? ‚gut?‘, igaz? ‚richtig?‘ usw. Question tags können mit Interrogativpartikeln überhaupt nicht kombiniert werden. (36) *Lehet-e itt zöldséget kapni, igaz? Kann-INT hier Gemüse kaufen richtig

167

Die folgende zusammenfassende Tabelle zeigt die Häufigkeit der mit question tags markierten ENTI in den deutschen und den ungarischen Teilkorpora sowie auch die Gesamthäufigkeit in den beiden Korpora.

100

Deb. Belegzahl davon question tags Prozentzahl Gesamtanzahl Gesamtfrequenz

DEUTSCH Zwisch. Dra.

Gespr.

Deb.

UNGARISCH Zwisch. Dra.

Gespr.

500

197

500

500

500

103

500

176

4

14

22

140

12

9

8

14

0,8%

7,1%

4,4%

28%

1,6%

8,7%

2,4%

8%

180 Belege aus 1697

43 Belege aus 1279

10,6%

3,36%

Tabelle IV. Die Frequenz der mit question tags markierten ENTI im Deutschen und im Ungarischen

Von der Tabelle lässt sich ablesen, dass die Gesamthäufigkeit der mit question tags markierten ENTI im Deutschen etwa das Dreifache ist, was einer sehr hohen Signifikanz entspricht. Besonders eindeutig ist der Unterschied in den Alltagsgesprächen, obwohl in Alltagsgesprächen die question tags auch im Ungarischen häufiger sind, als in Dramen bzw. in Parlamentsdebatten, jedoch wesentlich seltener als in deutschen Alltagsgesprächen. Die Unterschiede in den Bundestags- bzw. Parlamentsdebatten sowie in den Zwischenrufen (hier sind die question tags laut Tabelle im Ungarischen etwas häufiger) sind wegen der niedrigen Belegzahl nicht signifikant. Ferner kann man im Deutschen die korpusspezifischen Unterschiede eindeutiger beobachten, während die Ergebnisse in den ungarischen Teilkorpora ausgeglichener sind. Wahrscheinlich handelt es sich darum, dass der Gebrauch von question tags im Deutschen in hohem Maße funktional motiviert ist, wie oben bei der Analyse der deutschen question tags auch gezeigt wurde. Im Ungarischen

100

Legende: Deb.: Deutsche Bundestags- bzw. ungarische Parlamentsdebatten; Zwisch.: Zwischenrufe im Bundestags- bzw. im ungarischen Parlamentskorpus; Dra.: Dramenkorpus; Gespr.: Gesprächskorpus.

168

sind sie zwar auch möglich, ihr Gebrauch ist allerdings mehr oder weniger zufällig bzw. individuell bedingt. 4.4.6 Serialisierung In den meisten ungarischen Grammatiken wird der Serialisierung keine satzmodusabhängige Funktion zugewiesen. Wenn man jedoch mit É.Kiss (1992:105) davon ausgeht, dass eine referierende und nicht fokussierte Phrase am Anfang des ungarischen Satzes als Topik interpretiert wird, kann man erwarten, dass auch die ungarischen ENTI am häufigsten entweder mit dem Verb oder mit der Fokusphrase anfangen, weil prototypische ENTI keine topikalisierte Konstituente enthalten. Wie Bassola (2001:31f.) überzeugend zeigt, ist dies im Ungarischen wirklich die häufigste und unmarkierte Wortstellung. (37) Hallottátok az új híreket? (Verberst-Satz) Hörtet-ihr ART neu Nachrichten ‚Habt ihr die neuen Nachrichten gehört?‘ (38) Megfőzted már az ebédet? (Verbpartikel+Verb am Satzanfang) VPART-kochtest-du schon ART Mittagessen-AKK ‚Hast du schon das Mittagessen gekocht?‘ (39) Jól írtam a nevedet? (Fokus + Verb am Satzanfang) Gut schrieb-ich ART Name-dein-AKK ‚Hab ich deinen Namen richtig geschrieben?‘ (Alle Beispiele von Bassola 2001:31)

Auch nach meinen Korpusuntersuchungen können die ungarischen ENTI ähnlichen syntaktischen Typen zugeordnet werden wie die deutschen. Den ersten und häufigsten Typ stellen die Verberst-ENTI (Bsp. 40) sowie ENTI mit einer fokussierten Phrase vor dem Finitum (Bsp. 41) dar. Zu diesem Typ können auch diejenigen Sätze geordnet werden, in denen ein nicht referierender Ausdruck, z.B. eine Partikel, eine Interjektion, ein Operatorausdruck, eine Konjunktion o.Ä. dem Verb bzw. dem satzinitialen Fokus vorangeht (Bsp. 42).101 (40) SZÁNdékozik-e a kormány érdemben foglalkozni a problémával? beabsichtigt-INT ART Regierung ernsthaft beschäftigen-sich ART Problem-mit ‚Beabsichtigt die Regierung, sich mit dem Problem in der Tat zu beschäftigen?‘ 101

In den folgenden Beispielen markiert die Großschreibung die satzakzentuierte Silbe.

169

(41) KOmolyan gondolta ezt ebben a házban valaki? ernst dachte dies-AKK dies-in ART Haus-in jemand ‚Hat jemand es in diesem Haus ernst gedacht?‘ (42) Vagy netán ABban fogunk reménykedni, ... ? Oder PART darin werden-wir hoffen ‚Oder werden wir eventuell darauf hoffen, dass ....?‘ (Beispiele aus Parlamentsdebatten)

Den zweiten Typ stellen die ENTI mit Topikalisierung dar. In ihnen steht nach der topikalisierten Phrase entweder das mit dem Satzakzent fokussierte Verb (Bsp. 43) oder eine fokussierte Konstituente und dann das Verb (Bsp. 44). Es geht also um zwei Subtypen, um den Typ TP-V und um den Typ TPFP-V. Wiederum können hier verschiedene nicht referierende Ausdrücke, Partikeln, Konjunktionen usw. der Topikphrase vorangehen oder zwischen TP und FP/V stehen (Bsp. 45). (43) Az amortizáció BEkerül-e a finanszírozásba? ART Amortisierung gerät-INT ART Finanzierung-in ‚Wird die Amortisierung in der Finanzierung berücksichtigt?‘ (44) Göndör István EHhez a vitaszakaszhoz kíván hozzászólni? Göndör István dies-zu ART Diskussionsteil wünscht beitragen ‚Will István Göndör zu dieser Diskussionsfrage beitragen?‘ (45) Talán Ön TUD erre valami példát mondani? Vielleicht Sie kann dies-auf etwas Beispiel sagen ‚Können Sie vielleicht dazu irgendein Beispiel sagen?‘ (Beispiele aus Parlamentsdebatten)

Im Ungarischen gibt es auch zweigliedrige verblose Strukturen mit zwei einander zugeordneten Nominalphrasen in Nominativ, von denen das eine als Subjekt, das andere als nominales Prädikat fungiert. In einem unmarkierten Satz geht das Subjekt dem Prädikat voran, das Subjekt funktioniert als Topik, das Prädikat trägt das Fokusmerkmal. Im markierten Fall wird die erste Konstituente fokussiert, was zugleich auch Topiklosigkeit bedeutet. So ist eine SUBJ-PRÄD-Struktur funktional analog der TP-V-Struktur mit fokussiertem Verb, eine PRÄD-SUBJ-Struktur entspricht einer Verberst-Struktur. In der Statistik werden also diese Strukturen je nach Reihenfolge entweder dem ersten oder dem zweiten Typ zugeordnet. (46) Ez PIacgazdaság? (SUBJ-PRÄD) Es Marktwirtschaft ‚Ist es Marktwirtschaft?‘

170

(47) A VÁlasztás napja ez az időpont? (PRÄD-SUBJ) ART Wahlen Tag-POSS dies ART Termin ‚Ist dieser Termin der Tag der Wahlen?‘

Den dritten Typ bilden im Ungarischen ähnlich wie im Deutschen eingliedrige Kurzsätze. (48) Kié a Postabank? Nem az államé? Wessen ART Postbank Nicht ART Staat-poss ‚Wem gehört die Postbank? Nicht etwa dem Staat?‘

Im Ungarischen gibt es keinen Untertyp, der mit dem deutschen VerbletztENTI vergleichbar wäre. Die Häufigkeitsverteilung der syntaktischen ENTITypen zeigt folgendes Diagramm: Wortstellungstypen im EntI; Parlamentsdebatten

Wortstellungstypen im EntI; Zwischenrufe 18

121

58 45

334

ohne TOP

KURZ

41

mit TOP

ohne TOP

KURZ

mit TOP

Wortstellungstypen im EntI; Gesprächskorpus

Wortstellungstypen im EntI; Dramenkorpus

41

54

75

266

180

60

ohne TOP

KURZ

mit TOP

ohne TOP

KURZ

mit TOP

Diagramm I. Wortstellungstypen in den ungarischen ENTI in den Teilkorpora

Die ungarischen Diagramme weisen auf den ersten Blick große Ähnlichkeiten mit den Häufigkeitsverteilungen der ENTI-Typen in den deutschen Teilkorpora auf (vgl. Kap. 3.3.4). Weitgehend vergleichbar sind im funktionalen Sinne die deutschen Verberst-ENTI mit den ungarischen ENTI ohne topikalisierte Phrase (auch wenn diese im Ungarischen nicht unbedingt Verberst171

Strukturen darstellen) sowie die deutschen Verbzweit-ENTI mit den ungarischen ENTI mit Topikalisierung. Der einzige große Unterschied besteht darin, dass die Frequenz der ungarischen ENTI mit Topik weniger korpusabhängig ist als die der deutschen Verbzweit-ENTI. Während der deutsche Satztyp in den Bundestagsdebatten sehr selten ist, sind ungarische ENTI mit Topikalisierung in jedem Teilkorpus mit einer relativ großen Frequenz vertreten. Bei einer feinen funktionalen Analyse bemerkt man im Vergleich der deutschen Verbzweit-ENTI und der ungarischen ENTI mit topikalisierter Phrase am Satzanfang einen weiteren Unterschied. Die deutschen VerbzweitENTI stellen meistens Übergangsstrukturen dar (vgl. Kap. 3.3.6), die ungarischen ENTI mit Topikalisierung jedoch nicht. Dies stellt sich aus der folgenden Korrelationsanalye der syntaktischen Typen und der lexikogrammatischen Markierung heraus. 4.4.7 Korrelation der Serialisierung und der lexikogrammatischen Markierung Ein interessantes und unerwartetes Ergebnis lieferte die Untersuchung der Wortstellungstypen in ENTI mit und ohne die Interrogativpartikel -e. Die folgende Auswertung basiert auf dem Parlamentskorpus, weil ENTI mit der Interrogativpartikel -e in den anderen Teilkorpora in einer sehr geringen Frequenz vorkommen, so dass eine statistische Analyse nicht möglich war. V1 FP-V PRÄ-SUB KURZ TP-V TP-FP-V SUB-PRÄ ohne -e 49 82 8 39 30 35 12 mit -e 144 20 31 6 26 18 0 Tabelle V. Verteilung der ENTI-Typen mit und ohne -e in Parlamentsdebatten

Von der Tabelle lässt sich ablesen, dass die Interrogativpartikel -e gerade in den Satztypen häufiger ist, die keine topikalisierte Phrase haben. Da die Partikel -e als Rhetorizitätsmerkmal anzusehen ist (vgl. Kap. 4.4.1), stellt dies ein unerwartetes Ergebnis dar. Fragen mit -e sind mehrheitlich keine direkten Fragen, sondern implizite Kritiken, Vorwürfe, Angriffe gegen die andere Partei usw. Man könnte mit gutem Grund erwarten, dass sie auch syntaktisch eine Übergangsstruktur aufweisen. Entgegen dieser Erwartungen sind die Distributionen von -e eher strukturell motiviert. -e ist zugleich ein Fokusmarker, weist aber sehr strikte Wortstellungsregeln auf. Es wird entweder ans Verb klitisiert oder im Falle verbloser zweigliedriger Strukturen an den no172

minalen Kopf der als Prädikat dienenden Phrase. Kein Wunder also, dass die größte Häufigkeit in Verberst-Strukturen und in PRÄ-SUB-Strukturen zu beobachten ist. Besonders häufig ist -e in den PRÄ-SUB-Strukturen mit fast 80%. Hier hat die Partikel außer der Interrogativmarkierung auch eine andere wesentliche Funktion: mit der Klitisierung von -e an den ersten nominalen Phrasenkopf wird markiert, dass die erste von den beiden nominativischen Nominalphrasen als Prädikat interpretiert werden soll. Die andere Reihenfolge, die bei nominalen Prädikatsstrukturen als die neutrale, unmarkierte gilt, wird in diesem Korpus nie mit der Partikel -e versehen. Damit funktioniert -e kraft seiner fokusmarkierenden Funktion auch als Prädikatsmarker im Falle der markierten Reihenfolge in zweigliedrigen verblosen Strukturen. (49) Helyes dolog-e [...] a Budapest Sportcsarnok újjáépítését fölvenni Richtig Sache-INT ART Budapest Sporthalle Wiederaufbau-POSS aufnehmen az egy százalékból megvalósuló célok közé? ART ein Prozent-aus verwirklichend Ziele zwischen ‚Ist es eine richtige Sache, den Wiederaufbau der Budapest Sporthalle in diejeni102 gen Ziele aufzunehmen, die aus dem 1% realisiert werden?‘

Im Beleg (49) zeigt die syntaktische Position von -e hinter der Phrase helyes dolog ‚richtige Sache‘, dass diese Phrase das Prädikat darstellt und dass in Bezug auf den mit der Infinitivphrase ausgedrückten Inhalt gefragt wird, ob er richtig ist. Relativ frequent ist weiterhin die Interrogativpartikel in TP-V-Strukturen, in denen auch das Verb fokussiert wird. Seltener kommt sie in FP-VStrukturen und in TP-FP-V-Strukturen vor. In diesen Strukturen wird nämlich mit Hilfe des Fokusakzentes auf der präverbalen Phrase ein vom Verb unterschiedlicher Fokus markiert. Das Versehen des Verbs mit -e würde eine konkurrierende Markierung darstellen. Dass es trotzdem nicht ausgeschlossen ist, kann damit erklärt werden, dass in diesen Strukturen fast immer ein bedeutungsarmes Verb, eine Kopula oder ein Funktionsverb benutzt wird. Auf diese Weise wird damit wieder der ganze Prädikatsausdruck fokussiert. (50) Állami vagy önkormányzati tulajdonban vannak-e a rendelők, .... Staatlich oder GemeindeEigentum-in sind-INT ART Polikliniken ‚Sind die Polikliniken im staatlichen oder im Gemeindebesitz?‘

102

1% wird in Ungarn derjenige Teil der Einkommenssteuer genannt, über dessen gemeinnützigen Gebrauch der Steuerzahler selbst verfügen kann.

173

Eine weitere Frage stellt die Korrelation der Benutzung der question tags mit den aufgestellten Wortstellungstypen dar. Im Deutschen ist sie sehr eindeutig. Question tags, nachgestellte Fragemarker, die hauptsächlich die Funktion haben, einen Deklarativsatz am Ende in einen Interrogativsatz umzuwandeln, kommen im Deutschen am häufigsten in Verbzweit-Strukturen vor (vgl. Kap 3.3.2). Question tags sind im Ungarischen ohnehin viel seltener. Ihr Gebrauch weist auch eine wesentlich schwächere Korrelation mit den Wortstellungstypen der ENTI auf. Jeder Satztyp kann grundsätzlich mit einem question tag kombiniert werden, die Verteilungen sind ziemlich gleichmäßig, mehr oder weniger zufällig. Merkwürdig ist aber die Häufigkeit der question tags im Gesprächskorpus in SUB-PRÄD-Strukturen: aus den insgesamt 6 Belegen werden 4, d.h. zwei Drittel mit einem question tag markiert. Obwohl das Ergebnis wegen der niedrigen Belegzahl statistisch keine Beweiskraft hat, kann es mit Hilfe der Sprachkompetenz des Forschers, d.h. auf introspektivem Weg gut interpretiert werden. Wie auch die Interrogativpartikel -e, üben die question tags in den zweigliedrigen verblosen Strukturen eine wesentliche, satzstrukturbezogene Funktion aus. Es wird mit ihnen angezeigt, welche Phrase als Subjekt und welche als Prädikat gilt. Während mit -e die PrädikatSubjekt-Wortstellung verdeutlicht wird, dienen question tags zur Markierung der Subjekt-Prädikat-Wortstellung. Die folgenden Belege können mit dem Beispiel (49) verglichen werden, in dem die Partikel -e die Prädikat-SubjektWortstellung markiert: (51) Ez jó hely, nem? / Azok csak olyan díszek, nem? / Dies gut Ort, nicht? Jene nur solche Schmücke, nicht? Ez már a vég, tudod? (Dramenkorpus) Dies schon ART Ende weißt-du? ‚Das ist ein guter Ort, ne?; Das sind nur solche Schmücke, ni?; Das ist schon das Ende, weischt?‘

Die Modalpartikelverteilung in den einzelnen Wortstellungstypen zeigt keine dem Deutschen ähnliche Systematik. Die MP vajon kommt in allen Wortstellungstypen vor, signifikante Unterschiede konnten nicht ermittelt werden. Im Dramenkorpus und im Gesprächskorpus wird überwiegend die MP hát benutzt, die selber keine Satzmodusrestriktion aufweist. Auch ihre Verteilung ist ziemlich gleichmäßig. Insgesamt lässt sich also im deutsch-ungarischen Kontrast behaupten, dass die ungarischen MP, die übrigens ohnehin weniger an einzelne Satzmodi gebunden sind als die deutschen (vgl. Péteri 2002:256), in der Markierung von Übergangstypen keine wesentliche Rolle spielen. 174

4.4.8 Eingliedrige Kurz-ENTI im Ungarischen Die eingliedrigen Kurz-ENTI verhalten sich im Ungarischen sowohl strukturell als auch funktional sehr ähnlich wie im Deutschen. Ihre Funktion lässt sich mit den gleichen Analysekategorien beschreiben: sie sind entweder weiterführend und leiten mit der Fragestellung ein neues Thema ein, oder sind Echo-ENTI und weisen auf eine schon besprochene Information zurück, oder sind Ellipsen, die aus dem Kontext zu einer mehrgliedrigen Struktur ergänzt werden können. 4.4.9 Suprasegmentale Markierung Die ungarische ENTI-Intonation weicht stark von allen von uns untersuchten Sprachen ab. Sie ist steigend-fallend, das heißt, der Ton steigt an der vorletzten Sprechsilbe, an der letzten fällt er jedoch auf die sog Grundlinie, d.h. auf den gleichen niedrigen Ton des Sprechers, mit dem auch die Deklarativsätze abgeschlossen werden.103 Einige Forscher betrachten diese Intonation als eine Variation des fallenden Intonationstyps und postulieren eine Ähnlichkeit mit dem Finnischen, in dem der ENTI mit der Interrogativpartikel markiert wird und die Intonation fallend ist. Im finnisch-ungarischen Vergleich darf man jedoch zwei Tatsachen nicht außer Acht lassen. Einerseits ist der Gebrauch der Interrogativpartikel -e im ungarischen ENTI optional, während die finnische Interrogativpartikel obligatorisch ist. Im Ungarischen korreliert die Intonation mit dem Partikelgebrauch.104 Im ENTI mit der Interrogativpartikel -e liegt die gleiche fallende Intonation vor wie im Deklarativsatz, im ENTI ohne Interrogativpartikel ist die steigend-fallende Interrogativintonation obligatorisch. Andererseits gibt es im Ungarischen intonatorische Minimalpaare. Im ENTI ohne Interrogativpartikel ist nämlich die steigend-fallende Intonation das einzige Merkmal des Interrogativsatzes: (52) Lehet ebben a boltban zöldséget kapni.[\] (Deklarativsatz) ‚Man kann in diesem Laden Gemüse kaufen.‘ 103

Dieser spezifische ungarische Intonationstyp wurde schon in älteren Intonationsforschungen erkannt und beschrieben, vgl. Elekfi (1962), Fónagy/Magdics (1967). All diese Beschreibungen schreiben dem steigend-fallenden Intonationstyp eine satztypmarkierende Funktion zu. Zu den neueren Untersuchungen vgl. Fónagy (1998:333ff.), Varga (1998), (2001). 104 Was übrigens wiederum ein Spezifikum des Ungarischen ist, das in keiner anderen europäischen Sprache auf die gleiche Weise vorliegt.

175

vs. Lehet ebben a boltban zöldséget kapni?[/\] (Interrogativsatz) ‚Kann man in diesem Laden Gemüse kaufen?‘

Ferner muss man auch berücksichtigen, dass die steigende Intonationsstrecke, die übrigens phonetisch sehr eindeutig ausgeprägt ist, mehrheitlich auf eine wortinterne Silbe fällt, die im Ungarischen stets unbetont ist.105 Deshalb wird sie als eindeutiges Merkmal der Interrogativintonation verstanden. Die steigende Intonation auf der vorletzten Sprechsilbe dominiert das phonetische Bild des Satzes. Ungarische Sprecher, die linguistisch nicht geschult sind, haben oft das Gefühl, die ungarische Interrogativintonation sei ebenso steigend wie etwa die deutsche oder die englische. Ich bin deshalb der Meinung, dass dieser Intonationstyp nicht als eine Variante des fallenden Intonationstyps angesehen werden darf. In meinen empirischen Untersuchungen stellte es sich auch deutlich heraus, dass in der steigend-fallenden Intonation die steigende Strecke die dominante ist, während der „Schritt nach unten“ auf der letzten Silbe nur als nebensächlich erscheint. In den beiden folgenden Beispielen wird eine prototypische Realisierung der interrogativen Intonation gezeigt. Die vorletzte Sprechsilbe, die als wortinterne Silbe im Ungarischen stets unbetont ist, erhält eine besondere Prominenz, und zwar nicht nur durch den steigenden Ton.

Jössz ma előa-dás - ra? Jössz ma előa-dás - ra? ‚Kommst du heute zum Vortrag?‘ ‚Kommst du heute zum Vortrag?‘ Abbildung II. Zwei intonatorische Realisierungen eines ungarischen ENTI 105

Im Ungarischen ist der initiale Wortakzent eine strikte Regel der Akzentuierung. Jedes Wort wird an der ersten Silbe betont, sogar auch Lehn- und Fremdwörter. Mit einer Wortakzentstelle fällt also die steigende Intonationsstrecke nur in dem Fall zusammen, wenn das letzte Wort im Satz zweisilbig ist. Diese Fälle sind hinsichtlich der phonetischen Realisierung besonders interessant und werden später auch getrennt erörtert. Sie bilden jedoch nach Vorkommenshäufigkeit eher die Ausnahme.

176

Die vorletzte Sprechsilbe wird in der Realisierung dieser beiden Probanden außer dem Intonationsgipfel auch durch eine verhältnismäßig große Intensität und durch eine Dehnung des auslautenden stimmlosen Frikativkonsonanten markiert, wodurch im Oszillogramm zwei mehr oder weniger diskret abgegrenzte Segmente zu sehen sind. Das zweite Segment ist der verlängerte Frikativ, im Analysefenster wird deshalb die Grundfrequenzlinie an dieser Stelle unterbrochen. Der niedrige Ton auf der letzten Sprechsilbe ist jedoch − wie es in den beiden Abbildungen sowohl am Oszillogramm als auch im Analysefenster deutlich sichtbar ist − weniger markant, die Silbe ist weder von ihrer Länge noch von ihrer Intensität her prominent. Die vorliegenden Argumente bestätigen also die Postulierung eines eigenständigen ENTI-Intonationstyps des Ungarischen, der nicht als Variante des fallenden, sondern als Variante des steigenden Intonationstyps angesehen werden kann. Ladd (1996:115ff.) zieht in seine sprachtypologischen Untersuchungen auch das Ungarische ein und stellt fest, dass die ENTI-Intonation in den Sprachen der Welt grundsätzlich dem steigenden Typ angehört, mit der Einschränkung, dass der hohe oder steigende Ton nicht nur am absoluten Satzende, sondern auch Nahe dem Satzende realisiert werden kann: If we simply say that questions universally have high or rising pitch at or near the end of the utterance, then Hungarian question intonation could be [...] treated as evidence for the universal nature of question intonation. (Ladd 1996:118)

Besondere Probleme bereiten einsilbige ENTI wie etwa das Beispiel (53). (53) Te? ‚Du?‘

Nach den Untersuchungen von Varga (2001) und Olaszy (2002) werden die einsilbigen ENTI mit steigendem Ton realisiert. Dies bestätigt unsere Hypothese, nach der die steigend-fallende Intonation im Grunde eine Variation des steigenden Intonationstyps darstellt.106 Eine weitere, zwar seltene, aber umso interessantere Realisierungsmöglichkeit des ungarischen ENTI-Intonationstyps liegt in den Sätzen mit einem zweisilbigen und mit Fokusakzent versehenen letzten Wort. In diesen Sätzen liegt nämlich auch im Deklarativsatz 106

Markó (2007) behauptet aufgrund der Beobachtung spontaner Gespräche, dass die steigend-fallende Realisierung sogar in einsilbigen Fragen möglich sei, dadurch, dass der Vokal gedehnt wird und der Ton auf dieser einen Silbe am Anfang steigt und dann fällt.

177

wegen der Akzentuierung der vorletzten Silbe die gleiche Intonationskontur vor wie auch im ENTI. Gósy/Terken (1994) weisen nach, dass die interrogative Intonation in diesem Fall mit zusätzlichen prosodischen Merkmalen verdeutlicht wird, insbesondere mit dem Tonumfang und der Zeitstruktur. Dies ist ähnlich auch in anderen europäischen Sprachen, in denen der deklarative und der ENTI-Intonationstyp in bestimmten, durch die Akzentstruktur bedingten phonetischen Distributionen zusammenfallen. Da der Deklarativsatz den Default-typ und der ENTI den markierten Typ darstellen, hebt sich der ENTI in diesem Fall durch größeren Tonumfang, durch mehr Musikalität, durch Dehnung etc. vom Deklarativsatz ab. 4.5 Der Ergänzungsinterrogativsatz im Ungarischen 4.5.1 Interrogativa und Interrogativphrasen Das System der Interrogativa basiert wie auch in den anderen finno-ugrischen Sprachen auf der semantisch motivierten Trichotomie menschlich-sachlichumstandsbezogen. Deshalb bilden die ungarischen Interrogativa keine einheitliche phonetische Formklasse wie etwa die w-Ausdrücke im Deutschen oder die wh-Ausdrücke im Englischen, sondern weisen drei Wurzeln auf: auf menschliche Lebewesen bezogen sind das Interrogativum ki sowie seine suffigierten Formen, auf Gegenstände, Sachen (inklusive auch Tiere und Pflanzen) die Wurzel mi und ihre suffigierten Formen. Umstandbezogene Interrogativa haben meistens die Wurzel ho- wie z.B. hol ‚wo‘, hová ‚wohin‘, honnan ‚woher‘ hogyan ‚wie‘. Eine Inkonsequenz liegt im Falle der umstandsbezogenen Interrogativa mikor ‚wann‘, milyen ‚wie (+Adj)‘ und miért ‚warum‘ vor. Diese werden mit dem mi-Stamm in der Kombination mit adverbialen Suffixen gebildet. Diese Interrogativa sind spätere innere Entwicklungen des Ungarischen, die mit der Herausbildung des Adverbialsuffixsystems zusammenhängen. Im Alt- und Mittelungarischen (nach der Landnahme im Karpatenbecken) entwickelte sich das System der Interrogativa weiter. In dieser Zeit hatte das Ungarische keinen unmittelbaren Kontakt mehr zu den anderen finnougrischen bzw. agglutinierenden Sprachen, sondern lebte im engen Kontakt zu slawischen Sprachen und zum Deutschen. Ähnlichkeiten im System der Interrogativa im deutsch-ungarischen Vergleich können mit diesen langen Kontakten erklärt werden. Auch im Ungarischen entwickelte sich eine syntaktisch motivierte Differenzierung der Interrogativpronomina und ‒adverbien. Formen der Interrogativa ki und mi gelten als Pronomina, Formen des alten ho-Stammes bzw. bestimmte, durch Suffigierung von mi178

entwickelte Ausdrücke, die sich auf adverbiale Rollen beziehen, gelten als Interrogativadverbien. Ki und mi können ferner auch mit Postpositionen erweitert werden: ki mögött ‚hinter wem‘, mi végett ‚zu welchem Zweck (wortwörtlich: zwecks wessen?)‘. Ein wesentlicher Unterschied in deutschungarischer Relation besteht jedoch darin, dass die Interrogativa ki- und miim Ungarischen unbeschränkt suffigierbar sind, während das deutsche Interrogativpronomen was nur beschränkt deklinierbar ist, und dass die ungarischen Interrogativpronomina auch Pluralformen haben: kik ‚welche Leute, wer (Pl.)‘, mik ‚welche Dinge, was (Pl.)‘, kikkel ‚mit welchen Leuten, mit wem (Pl.)‘ usw. Homonyme Formen von Interrogativa, Exklamativa, Relativa und Indefinita sind zwar auch im Ungarischen nicht ausgeschlossen, kommen aber wesentlich seltener vor als im Deutschen. Exklamativsätze können zwar mit Hilfe der gleichen Sprachzeichen gebildet werden und weisen auch keine von den Interrogativsätzen abweichenden Merkmale auf. Der exklamative Charakter wird teilweise mit Hilfe der Intonation, teilweise durch die Benutzung von Quantoren (besonders der Allquantoren minden ‚all‘ und mindenki ‚alle Leute‘) oder von Nomina bzw. Adjektiven mit ausgesprochen positiver bzw. negativer Konnotation markiert werden. (54) Milyen szép ez a lány! Wie schön dies ART Mädchen ‚Wie schön ist dieses Mädchen!‘ (55) Ki mindenkit ismer! Wer alle-AKK kennt-3SG. ‚Wen er alles kennt!‘

Relativa und Interrogativa fallen jedoch im Ungarischen nur in Ausnahmefällen zusammenfallen.107 Das Relativum wird der Regel nach mit der Vorsilbe 107

Im Falle des Deutschen wurde darauf hingewiesen, dass ein möglicher Grund für die übermäßige Häufigkeit der Modalpartikel denn im ERGI darin liegen könnte, dass denn in solchen Fällen eine disambiguierende Funktion haben kann. Die Disambiguierung von Strukturen wie etwa Wer lügt, ist unsicher. ist aber ein besonderes Problem, das getrennt untersucht werden soll. In diesen Fällen liegen zwei ungarische Übersetzungsmöglichkeiten vor: Aki hazudik, az bizonytalan ‚Derjenige, der lügt, ist unsicher‘ bzw. Hogy ki hazudik, az bizonytalan ‚Es ist unsicher, wer lügt‘. Die vorliegende Überschneidung der Interrogativa und Relativa bildet ein besonderes Forschungsproblem. Mit dieser Frage beschäftigt sich im Rahmen unseres Forschungsprojektes am Germanistischen Institut der Eötvös-Loránd-Universität Emese Zakariás, vgl. dazu Zakariás (i.V.).

179

a- gebildet: ki ‚wer [Int.]‘, aki ‚wer [Rel.]‘, mi ‚was [Int.]‘, ami ‚was [Rel.]‘, hol ‚wo [Int.]‘, ahol ‚wo [Rel.]‘ usw. Sprachhistorisch ist es das Ergebnis der Verschmelzung des Korrelates im Hauptsatz108 sowie des alten Relativums an der Grenze des Haupt- und des Nebensatzes. Dies zeigt, dass Interrogativa und Relativa in älteren Sprachstufen auch im Ungarischen zusammenfielen. Eingebettete Interrogativsätze werden im Gegenwartsungarisch meistens mit dem allgemeinen Subjunktor hogy eingeleitet und danach mit dem Interrogativum markiert. (56) A könyvet, amit adtam ... (Relativsatz) ART Buch-AKK REL-AKK gab-1SG. (←A könyvet, azt, mit adtam...) ART Buch-AKK KORR was-AKK gab-1SG ‚Das Buch, das ich gegeben habe...‘ (57) Nem tudom, hogy mit adtam. (eingebetteter Interrogativsatz) Nicht weiß-1SG dass was-Akk gab-1SG. ‚Ich weiß nicht, was ich gegeben habe.‘

In einigen festen Wendungen sind jedoch auch im Ungarischen Relativa vorhanden, die sich formal von den entsprechenden Interrogativa nicht unterscheiden. Diese zeigen, dass die formale Trennung der Interrogativa und der Relativa wohl eine späte Entwicklung des Ungarischen ist. (58) Ki mint vet, úgy arat. Wer wie sät so erntet ‚Wie einer sät, so erntet man auch (Sprichwort): Das Ergebnis hängt von der Qualität der Arbeit an‘

Die Indefinita im Ungarischen haben stets die Vorsilbe vala- oder bár-:109 valaki ‚jemand‘, valami ‚etwas‘, valahol ‚irgendwo‘, bárki ‚egal, wer‘, bármi ‚egal, was‘ bárhol ‚egal, wo‘. Ambige Strukturen, in denen das gleiche Wort sowohl als Interrogativum als auch als Indefinitum auftreten kann, sind im Ungarischen deshalb nicht möglich. Nur in einer Fügung können die Wörter mit den Stämmen ki-, mi- oder ho- als Indefinita ohne diese Vorsilben vorkommen, und zwar in der Fügung mit dem Existenzverb van/lesz (oder mit seiner negierten Form nincs/nem lesz) und mit einem Vollverb im Infinitiv.

108

Das Korrelat wird im Ungarischen wesentlich häufiger benutzt als im Deutschen, nur in Ausnahmefällen kann es weggelassen werden. 109 Wie auch im Deutschen: irgend-.

180

(59) Nem lesz hová fordulni. (Parlamentskorpus) Nicht wird wohin sich-wenden ‚Man wird sich an niemanden wenden können‘

Insgesamt kann man im Ungarischen eine größere Differenziertheit der Interrogativa, der Relativa und der Indefinita beobachten. Ambige Formen sind zwar nicht auszuschließen, betreffen jedoch eine kleine Anzahl der Belege. Die Interrogativphrasen stellen im Ungarischen ein ziemlich eindeutiges Merkmal des ERGI dar, so dass andere Markierungen (Modalpartikeln, syntaktische und suprasegmentale Mittel) nur sekundär sind und der weiteren Differenzierung dienen. 4.5.2 Die emphatischen Interrogativa kicsoda, micsoda usw. Die ungarischen Interrogativa ki und mi können mit dem Suffix -csoda (aus dem Substantiv csoda ‚Wunder‘) weiter gebildet werden: kicsoda, micsoda. Im Falle der anderen Interrogativa ist dies zwar nicht möglich (*holcsoda, *milyencsoda usw.), in jedem ERGI kann jedoch das Substantiv csoda mit dem bestimmten Artikel a rechtsadjazent zur Interrogativphrase stehen. In diesen Fällen werden die Kasussuffixe nicht von der Interrogativphrase, sondern vom Substantiv csoda getragen, was ein Merkmal der Grammatikalisierung des Wortes zu einem Wortbildungssuffix darstellt. (60) Ki a csoda volt itt? oder: Kicsoda volt itt? Wer ART Wunder war hier Wer-wunder war hier Mi a csodát csinálsz? oder: Micsodát csinálsz? Was ART Wunder-AKK machst-du Was-wunder-AKK machst-du Hol a csodában voltál? nicht aber: *Holcsodában voltál? Wo ART Wunder-in warst-du

Mit diesen komplexen Interrogativphrasen wird die Äußerung auch pragmatisch gefärbt, ähnlich den deutschen emphatischen Parenthesen Wer zum Teufel, Was zur Hölle usw. Eine ähnliche Wortbildungsmöglichkeit zu emphatischen Interrogativa liegt unter unseren Untersuchungssprachen im Englischen vor: however, whereever usw. Während emphatische Einschübe zu den Interrogativphrasen wohl in mehreren Sprachen möglich sind, sind emphatische Wortbildungsmöglichkeiten der Interrogativa unter den europäischen Sprachen eine seltene, jedoch vorhandene Möglichkeit.

181

4.5.3 Modalpartikeln Die Frequenz der MP im ungarischen ERGI unterscheidet sich nicht signifikant von der im ENTI. Auch im ERGI sind vajon und hát die häufigsten MP, ferner sind auch is und egyáltalán in meinen Untersuchungen mehrmals belegt.110 Vajon ist auch im ERGI eine deliberative Partikel. Mit dieser MP wird ausgedrückt, dass die Beantwortung der Frage in der gegebenen Situation schwierig ist, weiterer Überlegungen bedarf. Ferner kann es der Frage wie auch im Falle des ENTI einen rhetorischen Charakter verleihen. (61) Vajon milyen demokrácia az, amely el akarja venni a gyerekek MP was für eine Demokratie das das weg will nehmen ART Kinder egyetlen üdülési lehetőségét Csillebércen? (Parlamentsprotokoll) einzig Erholungsmöglichkeit Csillebérc-auf ‚Was für eine Demokratie ist es aber, das die einzige Erholungsmöglichkeit der Kinder in Csillebérc wegnehmen will?‘

Der Gegenpol von vajon bildet auch im ERGI die MP hát, mit der kategorische Sachfragen gestellt werden, die eng mit dem Interaktionszusammenhang verbunden sind. (62) Hát honnan tudjam, hogy felismerem-e? (Gesprächskorpus) MP woher weiß-IMP-ich dass erkenne-ich INT ‚Woher sollte ich also wissen, ob ich ihn/sie erkenne?‘

Die MP is kommt unter den Interrogativsätzen nur im ERGI vor. Die Bedeutung der MP ist durch die Bedeutung der Gradpartikel is (‚auch‘) motiviert. Während die Gradpartikel propositionale Informationen verbindet und andere Werte einschließt,111 stellt die MP is eine unmittelbare Beziehung der Äußerung zur Situation her (Péteri 2002:173f.). Im ERGI markiert is, dass sich die mit dem Satz gestellte Frage auf bestimmte Informationen bezieht, die in der 110

Vereinzelt kommen auch Wörter wie most, mégis, majd, aztán und ugyan vor, deren Modalpartikelstatus fraglich ist (vgl. zu Abgrenzungsproblemen Péteri 2002:158ff.). Auch sie üben aber eine pragmatische Funktion aus, indem sie die Frage auf verschiedene Weise färben und in den Situationszusammenhang einordnen. Ich habe diese Partikeln in der Häufigskeitstabelle deshalb nicht berücksichtigt, weil sie in meinen Belegen jeweils nur einmal repräsentiert sind, und zwar immer in der Kombination mit hát. 111 Wie ihr deutsches Äuqivalent auch, vgl. dazu Helbig (1988:92).

182

Situation schon erwähnt wurden oder aus sonstigen Gründen entweder für den Sprecher oder für den Gesprächspartner oder für beide bekannt sein sollten, d.h. als Teil des common ground anzusehen sind. Typischerweise steht is in Fragen, in denen der Sprecher die erfragte Information eigentlich wissen sollte, aber sich vom Partner daran erinnern lassen möchte. Is ist besonders eng mit der Interrogativphrase verbunden, sie steht enklitisch zu ihr. Diese Funktion ist mit dem ENTI nicht verträglich, deshalb kann is in ENTI nicht vorkommen. (63) Mikor is megyünk? (Gesprächskorpus) Wann MP gehen-wir ‚Wann gehen wir eigentlich?‘ Vgl. *Megyünk is?

Egyáltalán kommt im ERGI seltener vor.112 Ähnlich wie die deutsche MP überhaupt, drückt egyáltalán aus, dass mit dem Satz nach bestimmten, für die gegebene Situation grundsätzlichen, wesentlichen Informationen gefragt wird. (64) Mibe kerül egyáltalán az utóképzés? (Parlamentsprotokoll) Was-in kostet MP ART Fortbildung ‚Was kostet die Fortbildung überhaupt?‘

Mit diesen vier MP ist eine feine pragmatische Differenzierung der ungarischen ERGI möglich. Alle stellen einen engen Situationsbezug der Frage her, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Dies zeigt folgendes Beispiel mit der Variation von vier MP: (65) Honnan tudjam? Woher weiß-IMP-ich ‚Woher sollte ich es wissen?‘ (65‘) Vajon honnan tudjam? Hát honnan tudjam? Honnan is tudjam? Egyáltalán honnan tudjam?

Mit der Frage mit vajon denkt der Sprecher nach, ob eine Antwort überhaupt möglich ist. Mit hát kommt zum Ausdruck, dass der Sprecher eine klare, 112

Diese MP kann auch in ENTI stehen, kommt aber dort ziemlich selten vor, so dass sie in meinem Korpus überhaupt nicht belegt war.

183

eindeutige Antwort erwartet. Im Falle der Verwendung von is sollte der Sprecher die Antwort selber wissen, möchte sich daran erinnern lassen. Mit egyáltalán wird ausgedrückt, dass die erwartete Antwort in der gegebenen Situation ganz grundlegend ist. Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeitsverteilung der vier wichtigsten Modalpartikeln in ungarischen ERGI in den vier Teilkorpora. Parlamentsdeb. Zwischenrufe Dramenkorpus Gesprächskorpus 24 0 2 2 vajon 4,8% 0% 0,4% 0,4% 0 2 6 42 hát 0% 1,85% 1,2% 8,4% 4 0 6 4 is 0,8% 0% 1,2% 0,8% 2 0 0 2 egyáltalán 0,4% 0% 0% 0,4% 30 2 14 50 Insgesamt 6% 1,85% 2,8% 10% Tabelle VI. Verteilung der MP in ungarischen ERGI

Die Häufigkeitsstatistik zeigt ein ähnliches Bild wie im Deutschen. MP als fakultative Elemente sind nicht besonders häufig, ihre Frequenz erreicht nur selten 10%. Es ist nicht erstaunlich, dass in den Parlamentsdebatten das deliberative, häufig in rhetorischen Fragen benutzte vajon, während in Alltagsgesprächen das als Direktheitsmerkmal dienende hát überwiegen. Eine so hohe Frequenz wie im Falle des deutschen denn kann man bei den ungarischen MP nicht finden. 4.5.4 Serialisierung In der ungarischen Linguistik wird dem ERGI wie auch dem ENTI keine besondere, vom Deklarativsatz unterschiedliche, distinktive Syntax zugewiesen. É.Kiss (1992:142f.) betrachtet als einzige feste Serialisierungsregel des ERGI, dass die Interrogativphrase obligatorisch Fokusmerkmal haben solle und somit in der präverbalen Fokusposition stehe (vgl. auch Kap. 4.3.6.). Die Skopusdomäne der als Frageoperator geltenden Interrogativphrase sei der Satzteil hinter der Interrogativphrase, also das Verb und die hinter dem Verb stehenden Konstituenten. Wenn eine oder mehrere Konstituenten vor der

184

Interrogativphrase an den Satzanfang gestellt werden, würden sie selbst nicht erfragt, sondern gelten als topikalisierte Konstituenten. (66) A fiúk kit hívtak meg? (Beispiel von É.Kiss 1992:142) ART Jungen wen luden ein ‚Was die Jungen betrifft, wen haben sie eingeladen?‘

In der Interpretation von É.Kiss (1992:143): Diese Frage drückt folgende Bedeutung aus bzw. beabsichtigt, folgende Bedeutung auszudrücken: ‚Was die Jungen anbelangt – ist es für x, indem x eine Person ist, wahr, dass sie x eingeladen haben?‘ Wie es sich aus dieser Paraphrase herausstellt, steht das Topik außerhalb der Skopusdomäne des Frageoperators; die Skopusdomäne des Frageoperators erstreckt sich auf das Verb und auf die Konstituenten hinter dem Verb. [...] Ein Fragewort kann nur in dem Fall als Frageoperator funktionieren, wenn es über Fokusmerkmal verfügt. (É.Kiss 1992:143, Übersetzung von mir − A.P.) Die im vorliegenden Zitat aufgeführte „Bedingung der Fragestellung“ betrachtet É.Kiss als universale Bedingung der Frage, die „Teil der Grammatik jeder Einzelsprache ist“ (É.Kiss 1992:144). Im Ungarischen unterliegt eine Interrogativphrase, und zwar miért ‚warum‘, nicht dieser Bedingung. Miért kann vor einer fokussierten Phrase am Satzanfang stehen: (67) Miért Péter ment el? Miért az iskolába mentél, miért nem haza? Warum Péter ging weg Warum ART Schule-in gingst warum nicht daheim ‚Warum ging gerade Peter weg?‘ ‚Warum bist du gerade in die Schule gegangen und nicht nach Hause?‘

Für dieses Phänomen findet É.Kiss keine andere Erklärung, als dass „zum Fragewort miért im Lexikon getrennt angegeben werden soll, dass es auch in der an die Verbalphrase angeschlossene sog. Quantorenposition die Funktion des Frageoperators erfüllen kann.“ (É.Kiss 1992:144, Übersetzung von mir − A.P.). Bassola (2001:31) bestätigt in seiner kontrastiven Studie zur deutschungarischen Wortstellung die obigen Regeln der ungarischen ERGIWortstellung. Auch er verweist auf die obligatorische Fokusposition der ungarischen Interrogativphrase, die auch dadurch bestätigt werden kann, dass 185

bei Partikelverben die Verbpartikel im ERGI getrennt hinter dem Verb stehe, was auf die unbetonte Position des Verbs hinweise. (68) Mikor csináltad meg a leckét? (Beispiel von Bassola 2001:31) Wann machtest VPART ART Hausaufgabe ‚Wann hast du die Hausaufgabe gemacht?‘ nicht aber: *Mikor megcsináltad a leckét?

Bassola bemerkt ferner, dass es im Ungarischen zwar möglich sei, die Interrogativphrase in satzmediale Position zu stellen und dadurch die vorangehende(n) Phrase(n) der Skopusdomäne des Frageoperators zu entziehen und zu topikalisieren, er betrachtet dies jedoch als kontextbedingte Ausnahme. Am öftesten beginne der ERGI im Ungarischen mit der Interrogativphrase wie auch im Deutschen. Ich habe in Bezug auf meine vier Teilkorpora (Parlamentsdebatten, Zwischenrufe im Parlament, Dramenkorpus und Gesprächskorpus) zunächst eine mit der deutschen Seite vergleichbare Häufigkeitsanalyse gemacht. Aus jedem Teilkorpus habe ich 500 zufällig ausgewählte Belege ausgewertet mit Ausnahme der Zwischenrufe, in denen insgesamt 108 Belege vorhanden waren. Der neutrale Haupttyp des ERGI, der in allen vier Teilkorpora weitaus am häufigsten ist, fängt mit der Interrogativphrase an. Adjazent zur Interrogativphrase steht das Finitum an der zweiten Stelle. Dieser Haupttyp sieht also oberflächensyntaktisch sehr ähnlich aus wie im Deutschen. Im zweiten Typ wird die Interrogativphrase mit anderen Elementen kombiniert, besonders mit Konjunktoren und mit sonstigen textverknüpfenden Ausdrücken, aber auch mit Modalpartikeln. Zwischen die Interrogativphrase und das Finitum sind nur in besonderen Ausnahmefällen weitere Elemente einzuschieben, während die meisten Kombinationselemente links von der Interrogativphrase stehen. Die Syntax der Modalpartikel is (z.B. Hogy is hívják? ‚Wie heißt er eigentlich?‘) zeigt jedoch, dass eine Modalpartikel zwischen der Interrogativphrase und dem Finitum auch im Ungarischen grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Der dritte Typ ist der ERGI mit topikalisierter Phrase am Satzanfang. In diesem Fall wird die satzinitiale Phrase der Skopusdomäne des Interrogativoperators entzogen, sie wird selber nicht erfragt, sondern in Bezug auf diese Information wird die Frage gestellt. Dieser Untertyp des ERGI stellt eine markierte Ausnahme dar, kommt in einer ähnlichen Frequenz wie im ENTI vor (etwa 10-20%), ist aber höchstwahrscheinlich unter den untersuchten Sprachen im Ungarischen am häufigsten, dadurch, dass diese Funktion im 186

Ungarischen mit einfachen Wortstellungsmitteln in jedem ERGI ohne syntaktische Restriktionen realisiert werden kann. Der Typ des Verbletzt-ERGI ist im Ungarischen nicht vorhanden. Eingliedrige Kurz-ERGI kommen im Ungarischen genauso vor wie im Deutschen, sind jedoch signifikant seltener.

Diagramm II. Frequenz der syntaktischen Typen des ungarischen ERGI in den einzelnen Teilkorpora In der folgenden feinen funktionalen Analyse wird zuerst der Beschreibung des deutschen ERGI ähnlich die syntaktische Stelle der Interrogativphrase behandelt, dann die Stellung der Modalpartikeln sowie die Möglichkeiten der Topikalisierung. Anschließend werden auch die Kurz-ERGI unter die Lupe genommen. 4.5.5 Interrogativphrasenstellung und Verbstellung Zweifelsohne ist die präverbale Position der ungarischen Interrogativphrase eine sehr starke (auch wenn nicht ganz ausschließliche) Regel. Doch kann man dabei einige Faktoren nicht übersehen, die in der bisherigen Fachliteratur nicht berücksichtigt wurden. Diese sind die folgenden: 1) Auch wenn die Interrogativphrase fast immer obligatorisch linksadjazent zum Finitum steht, korreliert diese Position nicht unbedingt mit der Satzak187

zentstelle, während diese Korrelation im Deklarativsatz beinahe vollständig ist. Es ist im Ungarischen möglich, dass im ERGI eine andere, in einer anderen syntaktischen Position stehende Konstituente mit dem Satzakzent versehen wird. (70) −A bal kezemben egy alma van. ART link Hand-mein-in ein Apfel ist − És mi van a JOBB kezedben? Vgl. Kap. A.4.3., Bsp. 37. Und was ist ART recht Hand-dein-in ‚− In meiner linken Hand ist ein Apfel. − Und was ist in deiner rechten Hand?‘

2) Der Negationsoperator nem/ne steht zwischen der Interrogativphrase und dem Finitum. (71) Hol nem voltál még eddig? Wo nicht warst noch bisher ‚Wo warst du bisher noch nicht?‘ (72) Mit ne olvassak el? Was-Akk nicht les-Imp-1SG. PRÄF ‚Was sollte ich nicht lesen?‘

3) Die Interrogativa miért ‚warum‘ und hogyhogy ‚wieso‘ verhalten sich syntaktisch anders: sie stehen im Allgemeinen am Satzanfang, jedoch nicht in der präverbalen Position. Hinter ihnen stehen die Fokusphrase und dann das Finitum (vgl. Bsp. 55.) Dies kann funktional erklärt werden: Diese beiden Interrogativa markieren offene Fragen, die nicht mit einer einzigen Phrase beantwortet werden können, sondern eine längere, ausführliche Antwort benötigen. Dementsprechend lässt sich die Informationsstruktur des Satzes im Falle dieser Interrogativausdrücke differenzierter gliedern. Die Frage ist nicht auf eine einzige Informationseinheit gerichtet, die Interrogativphrase steht also in der Informationsstruktur des Satzes nicht stellvertretend für die fehlende Informationseinheit. In der weiteren Satzhälfte kann sowohl das Finitum als auch eine Phrase fokussiert werden. Die Punkte 1) bis 3) deuten darauf hin, dass im ERGI ein gewisser Konflikt zwischen dem sog. Interrogativfokus (vgl. Kap. 1.4.2.) und dem propositionalen Fokus beobachtet werden kann. Im unmarkierten Fall ist ein ERGI auf die fehlende Informationseinheit ausgerichtet. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine weitere propositionale Einheit hervorgehoben wird, die die Interpretation der Frage einschränkt. Im deutschen Satz entsteht dadurch kein Konflikt: der Interrogativfokus wird mit der satzinitialen Interrogativphrase markiert, der propositionale Fokus mit der satzakzentuierten Phrase 188

im Mittelfeld. Im ungarischen Satz gibt es jedoch nur eine syntaktische Fokusstelle. Da der Interrogativfokus den Primärfokus des ERGI darstellt, soll sie an dieser Stelle stehen. Die sekundäre Fokussierung einer propositionalen Einheit lässt sich durch zusätzliche phonetische Mittel realisieren. Eine Ausnahme bilden miért und hogyhogy, die wegen ihrer besonderen Semantik nicht unbedingt die syntaktische Fokusstelle besetzen. 4) Zu dieser Eigenart der ungarischen Fokussierung kann noch eine interessante Beobachtung hinzugefügt werden. Die Aufforderungspartikel hadd, die als Satzmoduspartikel über keinen Phrasenwert verfügt, aber der Interrogativphrase funktional analog ist, indem sie die Satzmodusbedeutung in den Vordergrund stellt, weist hinsichtlich ihrer Syntax merkwürdige Ähnlichkeiten mit der Interrogativphrase auf. Vgl. folgende Parallelbeispiele: (73) Hadd menjen haza! / Haza hadd menjen! PART geh-IMP.3SG heim Heim PART geh-IMP.3SG ‚Lass ihn/sie nach Hause gehen!‘ nicht aber: *Menjen hadd haza! / *Menjen haza hadd! (74) Mikor menjen haza? / Haza mikor menjen? Wann geh-IMP.3SG heim Heim wann geh-IMP.3SG ‚Wann soll er nach Hause gehen?‘ nicht aber: *Menjen mikor haza? / *Menjen haza mikor? (75) Hadd ne menjen haza! PART NEG geh-IMP.3SG heim ‚Lass ihn nicht nach Hause gehen!‘ (76) Mikor ne menjen haza? Wann NEG geh-IMP.3SG heim ‚Wann soll er nicht nach Hause gehen?‘

Phrasenwertige Elemente können nur sehr beschränkt zwischen die Aufforderungspartikel bzw. die Interrogativphrase und das Finitum eingeschoben werden, wobei die so gebildeten Sätze meistens an der Grenze der Akzeptabilität stehen. Mehr oder weniger akzeptabel sind sie, wenn in negierter Form eine mit dem Verb ein komplexes Prädikat bildende inkorporierte Konstituente zwischen die beiden eingeschoben wird. (77) Hadd ne gyalog menjen haza! PART NEG zu Fuß geh-IMP.3SG heim ‚Lass ihn nicht zu Fuß nach Hause gehen!‘

189

(78) Mikor ne gyalog menjen haza? Wann NEG zu Fuß geh-IMP.3SG heim ‚Wann soll er nicht zu Fuß nach Hause gehen?‘

Andere Konstituenten stehen zwischen hadd und dem Finitum sehr selten. In diesem Fall kommt eine besonders starke, kontext- und situationsbedingte Fokussierung der eingeschobenen Konstituente zum Ausdruck: die dadurch fokussierte Konstituente gilt mit Ausschließlichkeit. Einen Einschub einer anderen Konstituente zwischen die Interrogativphrase und das Finitum kann ich mir nur im Falle von miért ‚warum‘ und hogyhogy ‚wieso‘ vorstellen. Das Ergebnis ist das gleiche wie im Falle der zwischen hadd und das Finitum eingeschobenen Konstituenten: eine besonders starke Fokussierung, die zugleich auch mit der Ausschließlichkeit der fokussierten Information verbunden ist, kommt damit zum Ausdruck. (79) Hadd én menjek. PART ich geh-IMP.1SG ‚Lass mich gehen‘, ‚Erlaube mir, dass gerade ich gehe.‘ (80) Miért / Hogyhogy én menjek? Warum Wieso ich geh-IMP.1SG ‚Warum / wieso soll gerade ich gehen?‘

In den meisten Fällen gibt es in den mit hadd realisierten Sätzen ebenso wie in den ERGI keinen anderen Satzakzent, d.h. kein propositionales Element wird hervorgehoben.113 In diesen Fällen steht auch hadd linksadjazent zum Finitum. Bestimmte Operatoren, die sich auf die Proposition des Satzes beziehen, aber nicht die Satzmodusbedeutung ändern, stehen jedoch hinter der Partikel und vor der andern Satzhälfte. Wenn ein propositonales Element aus einem Grund fokussiert wird, kann es auch zwischen die Partikel und das Finitum eingeschoben werden. Die syntaktischen Ähnlichkeiten der Interrogativphrase mit der Aufforderungspartikel hadd lassen vermuten, dass die syntaktischen Besonderheiten der Interrogativphrase weniger mit ihrer Fokusposition, vielmehr mit ihrer Funktion als Satzmodusoperator zu erklären sind.

113

Die intonatorische Realisierung, die mit der synatktischen Struktur eng zusammenhängt und im Ungarischen ganz eigenartig ist, wird im Kap. 4.5.9 detailliert behandelt.

190

4.5.6 Stellung der Modalpartikeln Wie schon im vorangehenden Kapitel gezeigt wurde, ist die syntaktische Stelle der ungarischen Interrogativphrase zwar sehr fest auf die präverbale Stelle festgelegt, unter bestimmten Bedingungen lassen sich jedoch weitere Elemente zwischen die Interrogativphrase und das Finitum einschieben. Außer den Negationspartikeln ne und nem steht auch die Modalpartikel is zwischen der Interrogativphrase und dem Finitum. (81) Hol is szakadt le az a vezeték? (Parlamentsdebatten) Wo MP riss ab jene ART Leitung ‚Wo riss eigentlich jene Leitung ab?‘

Andere Modalpartikeln können an dieser Stelle nicht vorkommen. Die in Interrogativsätzen häufigsten MP, vajon und hát, stehen gewöhnlich satzinitial. (82) Vajon hogyan találták ki ezt az összeget? (Parlamentsdeb.) MP wie erfanden-3PL VPART dies-AKK ART Betrag-AKK ‚Wie wurde eigentlich dieser Betrag erfunden?‘ (83) Hát miért nem tanulunk tőlük? (Parlamentsdebatten) MP warum nicht lernen-1PL von ihnen ‚Warum lernen wir denn nicht von ihnen?‘

Eine topikalisierte Konstituente kann sowohl vor als auch hinter der MP stehen: (84) A tervezet vajon miért akar szigorúbb szabályokat alkalmazni? ART Entwurf MP warum will strengere Regeln anwenden ‚Warum will dann der Entwurf strengere Regeln anwenden?‘ (Parlamentsdeb.) (84‘) Vajon a tervezet miért akar... MP ART Entwurf warum will

Fast in jedem Fall stehen die MP vor der Interrogativphrase. Dies zeigt sich besonders gut in den eingliedrigen Kurzsätzen: (85) És vajon miért? (Parlamentsdebatten) Und MP warum ‚Und warum eigentlich?‘ (85‘) *És miért vajon? Und warum MP

191

Die MP vajon kann allerdings auch hinter dem Finitum stehen, diese Stelle ist jedoch in den Korpora äußerst selten belegt. Die MP hát kann hinter dem Verb überhaupt nicht stehen, in dieser Position wird das Wort als konsekutive Konjunktion (die Kurzform von tehát ‚also‘) interpretiert. (86) Akkor miért ellenzik vajon az átvilágítást? (Parlamentsdebatten) Dann warum entgegnen-3PL MP ART Durchleuchtung-AKK ‚Warum ist man dann dagegen, durchleuchtet zu werden?‘ (83‘) Miért nem tanulunk tőlük hát? ‚Warum lernen wir also nicht von ihnen?‘

MP sind also im ERGI – ähnlich wie im Deutschen – eng mit der Interrogativphrase verbunden. Sie stehen fast immer in der unmittelbaren Umgebung der Interrogativphrase. Die klitische MP is befindet sich obligatorisch zwischen der Interrogativphrase und dem Finitum, die nicht klitischen, vollwertigen Partikeln stehen gewöhnlich in der ersten Satzhälfte vor der Interrogativphrase, wobei die Stelle relativ zur topikalisierten Konstituente fakultativ ist. Nur vajon kann in Ausnahmefällen hinter dem Finitum stehen, was wohl damit zu erklären ist, dass diese Partikel etymologisch aus einem satzwertigen Ausdruck stammt, der ursprünglich parenthetisch in den Satz eingeschoben wurde. Diese Stelle ist jedoch sehr selten, vajon grammatikaisiert sich also zu einer MP und nimmt auch die Stellungsregularitäten der MP auf. 4.5.7 Topikalisierung und Fokussierung Das Ungarische ist unter den untersuchten Sprachen die einzige, in der eine Konstituente in jedem Interrogativsatz ohne Einschränkung durch ein einfaches Wortstellungsmittel, durch die satzinitiale Stellung dieser Konstituente topikalisiert werden kann. Wenn eine nominale oder adverbiale Phrase am Satzanfang vor der Interrogativphrase steht, wird sie als Topik verstanden und der Satz wird so interpretiert, dass die satzinitiale Konstituente der Skopusdomäne des Interrogativoperators entzogen und als Grundlage für die Fragestellung festgehalten wird. (87) Az az ár mennyi is volt? (Parlamentsdebatten) DEM ART Preis wieviel MP war ‚Jener Preis, wie hoch war er eigentlich?‘

Im Ungarischen ist es prinzipiell auch möglich, mehrere Konstituenten durch die satzinitiale Stellung zu topikalisieren. In den ERGI kommen lange Struk192

turen vor dem Finitum äußerst selten vor (während sie im Deklarativsatz durchaus möglich, in manchen Textsorten sogar häufig sind). Die Interrogativphrase steht also auch bei Topikalisierung mindestens nahe dem Satzanfang. Zwei oder mehrere kurze Phrasen können jedoch der Interrogativphrase vorangehen. In diesem Fall taucht die Frage auf, ob alle Phrasen als Topik zu interpretieren sind oder ob die zur Interrogativphrase unmittelbar linksadjazent stehende Phrase (die nach meinem Sprachgefühl durchaus satzakzentuiert werden kann), den propositionalen Fokus darstellt. (88) Na most ezt te hogyan oldod meg? Na jetzt dies-AKK du wie löst VPART ‚Na, wie kannst du das jetzt lösen?‘

Der vorliegende Beispielsatz kann mit zweierlei Akzentuierungen realisiert werden. Entweder wird die erste Satzhälfte bis zur Interrogativphrase auf dem mittleren Ton des Sprechers monoton realisiert und der starke Akzent steht auf der Interrogativphrase. Oder wird das Personalpronomen te satzakzentuiert. Im ersten Fall werden die Konstituenten vor der Interrogativphrase als Topik verstanden und die ganze Frage wird auf die Art und Weise der Lösung fokussiert. Mit einer veranschaulichenden Paraphrase: ‚Nehmen wir dich und dieses Problem und ich möchte wissen, wie du dieses Problem lösen könntest‘. Im anderen Fall wird nur das zu lösende Problem als Grundlage für die Fragestellung genommen, zugleich wird aber hervorgehoben, dass sich der Sprecher nicht für allgemeine Lösungsmöglichkeiten des Problems interessiert, sondern nur dafür, wie der Hörer dieses Problem lösen kann. Mit einer veranschaulichenden Paraphrase: ‚Nehmen wir jetzt dieses Problem, ich möchte aber nur wissen, wie gerade Du dieses Problem lösen könntest - die Lösungen anderer Leute interessieren mich nicht‘. Ähnliche Beispiele lassen sich − wenn auch nicht allzu häufig − in den Dramentexten finden. (89) Szenvedést arra mi hozhat, aki az Úrnak segít? (Dramen) Leiden-AKK DEM-auf was bring-POT-3SG REL ART Herr-DAT hilft ‚Leiden, was kann einem Leiden verursachen, der dem Herrn hilft?‘

Im Beispiel (89) liegt eine rhetorische Frage vor: Leute, die dem Herrn helfen, werden kein Leiden erleben. Als Grundlage für die rhetorische Frage gilt das Leiden. Fokussiert wird das Demonstrativpronomen arra, dessen Fokuscharakter außer der Akzentuierung auch durch den in der zweiten Satzhälfte stehenden Relativsatz bzw. durch den Inhalt dieses Relativsatzes hervorgeho193

ben wird: es wäre ein Widerspruch, wenn Leute, die als Helfer Gottes gelten, leiden müssten (während andere wohl leiden müssen – darin besteht die Ausschließlichkeitskomponente des propositionalen Fokus und aus dieser impliziten Gegenüberstellung folgt die Rhetorizität der Frage). Die analysierten Strukturen, auch wenn sie relativ selten sind, zeigen, dass sich die Struktur Interrogativphrase + Finitum als eine komplexe Konstituente verhält. In der überwiegenden Mehrheit, in etwa 80% der Sätze steht sie satzinitial. Der ganze Satz wird in die Skopusdomäne des Interrogativoperators einbezogen, der Satz wird auf die fehlende, durch die Interrogativphrase spezifizierte, und in der Antwort erwartete Konstituente fokussiert. In etwa 15 bis 20% der ungarischen ERGI werden aber einige Konstituenten der Skopusdomäne des Interrogativoperators entzogen, dadurch, dass sie in der linearen Reihenfolge vor den Komplex Interrogativphrase + Finitum gestellt werden. Meistens werden sie topikalisiert, indem sie als Grundlage für die Fragestellung festgelegt werden: die Frage wird in Bezug auf diese festgelegten Informationen gestellt. Selten werden sie aber fokussiert, wobei ihre Bedeutung mit einer Ausschließlichkeitskomponente bereichert wird. Der propositionale Fokus schränkt im ERGI den potentiellen Antwortraum ein: nicht alle potentiell möglichen Antworten können als gültige Antworten auf die Frage betrachtet werden, sondern nur diejenigen, die sich auf die fokussierte Konstituente beziehen. Während im Deutschen und auch in den anderen untersuchten Sprachen infolge der grammatisch relativ streng geregelten Serialisierung am Satzanfang des ERGI sowohl die Topikalisierung als auch die Fokussierung nur unter bestimmten Grenzen möglich ist und häufig auch durch periphrastische Konstruktionen erfolgt, zeichnet sich das Ungarische dadurch aus, dass die ungarische Serialisierung am engsten mit den informationsstrukturellen Funktionen der Konstituenten (Topikalisierung, Fokussierung, Skopusverhältnisse) zusammenhängt. In dieser Hinsicht können ungarische Wortstellungsstrukturen sehr feine Unterschiede ausdrücken. Dass im Ungarischen diese Funktionen mit einfachen Wortstellungsmitteln zum Ausdruck gebracht werden, hat auch zur Folge, dass sie in ungarischen Texten häufiger realisiert werden als im Deutschen. 4.5.8 Kurz-ERGI Kurz-ERGI haben im Ungarischen ähnliche Funktionen wie im Deutschen. Sie haben eine Rückfragefunktion, mit der aber die Situation auch weitergeführt wird, sie weisen zugleich auch einen elliptischen Charakter auf. 194

(90) − Mire nem utal ez, ha nem az állapotokra? (Parlamentsdeb.) Was-auf nicht verweist dies wenn nicht ART Zustände-auf − Milyen állapotokra? Was für Zustände-auf ‚− Worauf verweist das eigentlich, wenn nicht auf die Zustände? − Auf welche Zustände?‘

Modalpartikeln können in ungarischen Kurz-ERGI auf ähnliche Weise auftreten wie in den verbhaltigen Sätzen. Die Modalpartikel vajon, die im verbhaltigen ERGI meistens vor der Interrogativphrase steht, jedoch in Ausnahmefällen auch hinter dem Finitum in der zweiten Satzhälfte vorkommen kann, ist im Kurz-ERGI noch stärker an die linke Peripherie der Interrogativphrase gebunden als im vollen ERGI. (91) − Mit szeretnél? − Na, vajon mit? Was-AKK möchtest-du Na MP was-AKK ‚− Was möchtest du? − Na was wohl?‘ nicht aber: ?? Na mit vajon?

Die anderen Modalpartikeln verhalten sich zur Interrogativphrase ähnlich wie im vollen ERGI: entweder sie stehen vor der Interrogativphrase am Satzanfang oder die MP is steht enklitisch zur Interrogativphrase. Ungarische MP kommen jedoch im Kurz-ERGI im Gegensatz zur hohen Frequenz der deutschen MP denn seltener als in den vollen ERGI vor. 4.5.9 Suprasegmentale Markierung Zur intonatorischen Realisierung des ungarischen ERGI wurden bisher kaum empirische Untersuchungen gemacht. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass der ERGI eine ähnliche Default-Intonation aufweise wie der Deklarativsatz, wobei wegen der häufigen Initialstellung der Interrogativphrase, die auch den Satzakzent trage, für die meisten ERGI eine sog. HIP-Intonation charakteristisch sei. Olaszy (2002) verweist auf die intonatorischen Variationsmöglichkeiten am Satzende, wobei neben der als Haupttyp geltenden monoton fallenden Intonation auch ein intonatorischer Nebentyp vorhanden sei, der global fallende, aber an der letzten Silbe leicht ansteigende Typ. Mein Anliegen besteht darin, die intonatorische Realisierung des ERGI im engen Zusammenhang mit seiner syntaktischen Struktur zu untersuchen. In meinen Tonaufnahmen habe ich drei intonatorische Realisierungsmuster der HIP-Intonation gefunden, die parallel nebeneinander existieren. Sie sind 195

idiolektal unterschiedlich, der eine Sprecher präferiert eher das eine, der andere das andere Realisierungsmuster. Im Typ 1. fließen Interrogativphrase und Finitum zu einem phonetischen Wort zusammen, wobei weder im Oszillogramm, noch im Spektrogramm eine phonetische Wortgrenze zu sehen ist. In diesen Realisierungen verhält sich die Interrogativphrase wie ein proklitisches Element. Der hohe Anfangston bzw. die größte Intensität markiert also nicht die Interrogativphrase allein, sondern den ganzen Komplex Interrogativphrase + Finitum. Auch wenn der Akzent auf die Interrogativphrase fällt, wird er mit der ganzen komplexen Struktur assoziiert, weil im Ungarischen die erste Silbe die feste Wortakzentsilbe ist.

Ki volt Zeusz? Hol voltál tegnap délután? Wer war Zeus? Wo warst-du gestern nachmittag? Abbildung III. ERGI mit Verschmelzung der Interrogativphrase und des Verbs

Im Intonationstyp 2. sind die Interrogativphrase und das Finitum zwar deutlich voneinander zu trennen, aber der Akzent ist sozusagen „gespalten“: die melodische und die dynamische Komponente werden getrennt realisiert. Der höchste Ton fällt auf die Interrogativphrase, die intensivste Silbe ist jedoch die erste Silbe des Finitums. Damit werden sowohl der Interrogativmodus und die fehlende Information als auch der propositionale Inhalt des Satzes in den Vordergrund gerückt. Diese Realisierung des Satzakzentes ist unter meinen Belegen die häufigste Art.

196

Ki volt Ze - usz? Hol van San Marino? Wer war Zeus? Wo ist San Marino? Abbildung IV. ERGI-Realisierungen mit „gespaltenem“ Satzakzent

Im Typ 3 fallen schließlich sowohl der Druckakzent als auch der höchste Ton auf die Interrogativphrase.

Hogy ír-ják azt, hogy folyó? Wie schreib-3PL das, dass folyó ‚Wie wird das Wort folyó geschrieben?‘ Abbildung V. ERGI-Realisierung mit Satzakzent auf der Interrogativphrase

In den ERGI, in denen der Komplex Interrogativphrase + Finitum satzmedial steht, liegt in allen Tonbeispielen eine ähnliche Intonationskontur vor wie im Deklarativsatz mit Fokusakzent. Nach einem Anfangston im mittleren Tonbereich des Sprechers steigt die Tonhöhe bis zur Interrogativphrase, danach ist die Intonation fallend. Interessant ist es, dass die „Spaltung“ des Satzakzentes in diesen Tonbeispielen in keinem Fall zu beobachten war. Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass die Intonation am Satzende meistens fallend ist. Bei offenen Ergänzungsinterrogativsätzen, mit denen eine weiterführende, ausführliche Antwort verlangt wird, wird der Ton an der 197

letzten Silbe leicht zurück erhoben. Dadurch geht die Intonation noch nicht in eine global steigende Kontur hinüber. Im Deutschen haben offene ERGI einen steigenden Intonationsschluss. Der Unterschied lässt sich wohl einfach mit dem insgesamt kleineren Tonumfang im Ungarischen erklären. Im Ungarischen sind die Tonbewegungen bei gleicher Richtung im Allgemeinen kleiner als im Deutschen. 4.6 Fazit: Ungarische Interrogativsätze vor einem typologischen Hintergrund Im vorliegenden Kapitel wurden ungarische Interrogativsatzstrukturen ausführlich untersucht, während besonders auf vergleichbare deutsche Strukturen, ferner aber auf Strukturen in den anderen untersuchten europäischen Sprachen Bezug genommen wurde. In dieser Zusammenfassung werden diejenigen Merkmale des ungarischen Systems der Interrogativsätze hervorgehoben, durch die das Ungarische unter diesem Aspekt vor dem skizzierten sprachtypologischen Hintergrund untergebracht werden kann. 1.

2.

3.

4.

198

Das Ungarische ist eine partikelreiche Sprache, die sowohl über Satzmoduspartikeln als auch über Modalpartikeln verfügt. Es gibt auch Übergangsfälle zwischen den beiden Kategorien, die ihr dynamisches Verhältnis zueinander zeigen. Eine besondere Eigenart des ungarischen Satzmodussystems besteht in der steigend-fallenden Interrogativintonation, durch die ENTI bis auf ganz seltene Ausnahmen unverwechselbar markiert werden können. Es ist auch eigenartig, dass sich diese Intonation komplementär zu den Interrogativpartikeln verhält, d.h. dass sie abgesehen vom hochspezialisierten Echo-ENTI einander gegenseitig ausschließen. Ähnliches wurde in anderen europäischen Sprachen nicht gefunden. Dadurch, dass die Serialisierung im ungarischen Satz grammatisch nicht satzmodusgebunden und vor allem dem pragmatischen Wert der Phrasen unterworfen wird, können Phrasen in beiden Typen des Interrogativsatzes topikalisiert werden. Informationsstrukturell motivierte Wortstellungstypen sind deshalb wohl im Ungarischen am häufigsten, und zwar nicht nur in den wenig normierten, lockeren, sondern auch in den streng normierten öffentlichen Situationen. Die präverbale Fokusposition ist im ERGI für die Interrogativphrase reserviert. Es wurde jedoch gezeigt, dass diese Position im Vergleich mit dem Fokus des Deklarativsatzes diverse funktionale und auch daraus resultierende formale Unterschiede aufweist.

5.

6. 7.

So eigenartig und von anderen europäischen Sprachen unterschiedlich das ungarische Satzmodussystem auch sein mag, sind im deutschungarischen Vergleich eindeutige Konvergenztendenzen unverkennbar. Sowohl im ENTI als auch im ERGI kommen in den ungarischen Korpora ähnliche Wortstellungstypen in ähnlicher Frequenz vor, mit der Einschränkung, dass das Finitum im Ungarischen – wenn nicht selbst fokussiert – obligatorisch von einer linksadjazenten Fokusphrase begleitet wird. Der ungarische FP-V-Satztyp (ohne Topikalisierung am Anfang) und der deutsche Verberst-Satztyp sowie der ungarische TP-FP-VSatztyp (mit Topikalisierung am Anfang) und der deutsche VerbzweitSatztyp weisen in ihrem Gebrauch große Ähnlichkeiten auf. Ähnlich ist es im ERGI, wo die satzinitiale Position der Interrogativphrase auch im Ungarischen das häufigste Strukturmuster darstellt. In der Kombinierbarkeit der Interrogativphrase mit MP sowie mit emphatischen Elementen lassen sich im deutsch-ungarischen Vergleich auch große Ähnlichkeiten beobachten. Eingliedrige Kurzsätze verhalten sich im Ungarischen ähnlich wie im Deutschen, nur sind sie etwas weniger frequent. Besondere Probleme für die Interrogativsyntax bedeuten jedoch verblose zweigliedrige Strukturen, die, wenn sie Interrogativsätze darstellen, meistens lexikogrammatisch markiert werden, damit die Reihenfolge Subjekt-Prädikat bzw. Prädikat-Subjekt auseinandergehalten werden können. Erstere stehen am häufigsten mit question tags, letztere mit der Interrogativpartikel -e.

199

5 Zusammenfassung und Ausblick 5. 1 Der Entscheidungsinterrogativsatz Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der ENTI in den meisten untersuchten Sprachen, genau in sechs von den neun mit Interrogativpartikeln (bzw. –suffixen) markiert werden kann. Die lexikogrammatischen ENTIMerkmale verhalten sich sehr vielfältig: sie können obligatorisch (im Türkischen und im Finnischen) und optional (im Lateinischen, Albanischen, Russischen und Ungarischen) sein. Sie können den Interrogativsatz allein markieren (Finnisch, Ungarisch, Albanisch) oder gemeinsam mit der interrogativen Intonation (Türkisch und Russisch). Ferner können auch Modalpartikeln in Interrogativsätzen auftreten. Im Deutschen können ENTI mit question tags markiert werden, wobei diese in erster Linie in Übergangstypen vorkommen. Auch Modalpartikeln tragen zur ENTI-Markierung bei. Die deutsche ENTI-Markierung basiert jedoch in erster Linie auf der syntaktischen Struktur. Im Ungarischen hingegen ist die lexikogrammatische Markierung primär gegenüber der Syntax. Die Reihenfolge wird – auch wenn sie unterschiedlich stark grammatisch determiniert ist – deutlich durch die Fokussierungen beeinflusst. In den Sprachen, die über eine Interrogativpartikel verfügen, steht bei unmarkierter Abfolge entweder die Interrogativpartikel selbst (Albanisch) oder die mit ihr kombinierte Konstituente am Satzanfang (Finnisch, Russisch, Lateinisch) bis auf das Türkische und das Ungarische. Im Türkischen besetzt diese Konstituente die vorletzte Fokusstelle im Satz, im Ungarischen wird die Partikel mit wenigen Ausnahmen ans Finitum klitisiert. Ferner ist es auch häufig, dass ENTI mit oder ohne Interrogativpartikel unterschiedliche Satztypen aufweisen, anderen Stellungsregularitäten unterworfen oder mit anderen Intonationstypen kombiniert sind und auch unterschiedliche semantischpragmatische Funktionen ausdrücken können. Im Deutschen ist die Verberst-Stellung das primäre Merkmal des ENTI. Andere Wortstellungstypen können in pragmatisch motivierten hochspezialisierten Nebentypen auftreten. Im Ungarischen ist die Serialisierung im Allgemeinen grammatisch weitgehend undeterminiert und nicht satztyprelevant. Im Sprachgebrauch lassen sich jedoch eindeutige Konvergenztendenzen mit dem Deutschen beobachten, indem auch ungarische ENTI mehrheitlich entweder eine Verberst-Struktur haben oder mit der in den Verbalkomplex integrierten Fokusphrase anfangen.

201

Das Merkmal der ENTI-Intonation ist meistens eine steigende Strecke, die entweder am Satzende oder auf der Fokussilbe realisiert wird. Wenn der Verlauf der Intonation in einem ENTI mit der Intonation in einem Deklarativsatz zusammenfallen kann, dienen zusätzliche prosodische Merkmale (insbesondere ein größerer Tonumfang) zur Verdeutlichung der interrogativen Intonation. Das Verhältnis zwischen Intonationstypen und syntaktischen Untertypen des ENTI ist in den untersuchten Sprachen idiosynkratisch unterschiedlich. Im Deutschen ist der steigende Intonationschluss charakteristisch. Im Ungarischen liegt zwar eine besondere, steigend-fallende Intonation vor, die aber aus mehreren Gründen auch als ein Untertyp der steigenden Intonation betrachtet werden kann. 5. 2 Der Ergänzungsinterrogativsatz ERGI sind in der bisherigen Forschung weniger erforscht worden als ENTI, obwohl sie sehr interessante Fragen aufweisen. Man geht meistens davon aus, dass ERGI durch die Interrogativphrase lexikogrammatisch eindeutig markiert werden und dass die anderen Merkmale nur sekundär seien. Im europäischen Vergleich lässt sich nachweisen, dass die Interrogativa in den Sprachen indogermanischen Ursprungs große Ähnlichkeiten aufweisen, die gleiche Etymologie haben und unter syntaktischem Aspekt meistens satzinitial sind. Ein bisschen anders verhalten sich die Interrogativa in den nicht indogermanischen Sprachen, die ein trichotomisches System darstellen. Doch lassen sich sowohl im Finnischen als auch im Ungarischen trotz der Unterschiede deutliche Konvergenztendenzen mit den anderen europäischen Sprachen im Bestand, in der Syntax und auch in der intonatorischen Realisierung der Interrogativphrase beobachten. Im deutsch-ungarischen Vergleich lässt sich beobachten, dass im Ungarischen die Interrogativphrasen meistens allein zur Markierung von ERGI fähig sind, während im Deutschen zusätzliche syntaktische Merkmale nötig sind. Dies korreliert mit den im Allgemeinen festgestellten Unterschieden der beiden Satzmodussysteme. Ferner entwickelt sich im Gegenwartsdeutsch auch eine Interrogativpartikel im ERGI, indem denn häufig nachweisbar nicht mehr als MP funktioniert. Im Ungarischen lassen sich die feste Position der Interrogativphrase vor dem Finitum bzw. die relativ stark geregelte Stellung der MP um die Interrogativphrase und das Finitum herum hervorheben. Obwohl die Wortstellung im Ungarischen grammatisch weitgehend undeterminiert ist, kann eine grammatische Verfestigung gerade innerhalb des Verbalkomplexes und bei den in ihn integrierten Operatorpositionen beobachtet werden, was eigentlich – wenn auf eine andere Weise – auch für 202

das Deutsche charakteristisch ist. Insofern zeigt der Vergleich der ERGI, dass Sprachen in diesem Areal Konvergenzen aufweisen, die auf einer abstrakten Ebene der Sprachbeschreibung nachweisbar sind, während sie zugleich auch ihre Spezifika aufbewahren. Die Untersuchung der deutschen und ungarischen Interrogativsätze vor dem Hintergrund von sieben weiteren europäischen Sprachen hat in vielen Einzelfällen zu wertvollen neuen Erkenntnissen geführt. Als Novum kann besonders die komplexe Herangehensweise erwähnt werden, indem die lexikogrammatische, die syntaktische und die suprasegmentale Markierungsebene nicht getrennt, sondern aufeinander bezogen beschrieben wurden. Dennoch blieb die Beschreibung häufig notwendigerweise reduktionistisch. Besonders die deutschen und die ungarischen Deskriptionen werfen zahlreiche theoretische Fragen auf, die durch die weiteren Forschungen geklärt werden müssen. Ferner wäre es auch wünschenswert, die anderen Satzmodi auf ähnliche Weise detailliert monographisch zu beschreiben.

203

6 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole Symbole der Intonationstypen [\] = [/] = [-] = [/\] = [_/῀]=

am Satzende fallend am Satzende steigend am Satzende schwebend (hoch oder mittelhoch) am Satzende steigend-fallend an der Fokussilbe steigend, danach schwebend (hoch bleibend)

Abkürzungen für grammatische Kategorien 1, 2, 3 AUX AKK DAT DEM ENTI ERGI FEM HLBSUFF IMP INT INTPhr KOND KORR MP NEG NOM PART PAST PL POSS POT PRÄD REL SUB SG VPART

1., 2., 3. Person Auxiliarverb Akkusativ Dativ Demonstrativpronomen Entscheidungsinterrogativsatz Ergänzungsinterrogativsatz feminin Halbsuffix Imperativ Interrogatives Morphem oder Interrogativpartikel Interrogativphrase Konditional (Verbmodus) Korrelat Modalpartikel Negator Nominativ Partikel Vergangenheitstempus Plural Possessivsuffix Potentialsuffix Prädikat Relativpronomen Subjekt Singular Verbpartikel 205

7 Literatur Abraham, Werner (2014): Modal particles and Verum fokus: corollaries and phase status. In: 36. DGfS-Jahrestagung, Marburg 5-7. 3. 2014. (unveröffentlichter Vortrag) Ackema, Peter / Neeleman, Ad (1998): WHOT? In: Barbosa, Pilar u.a. (Hgg.): Is the Best Good Enough? Optimality and Competition in Syntax. Cambridge Mass.: MIT Press. 15-35. Admoni, Vladimir (1990): Historische Syntax des Deutschen. Tübingen: Niemeyer. Albert, Ruth / Koster, Cor J. (2002): Empirie in Linguistik und Sprachlehrforschung. Ein methodologisches Arbeitsbuch. Tübingen: Narr. Altmann, Hans (1987): Zur Problematik der Konstitution von Satzmodi als Formtypen. In: Meibauer (Hg.). 22-56. Altmann, Hans (1993a): Satzmodus. In: Jacobs, Joachim u.a. (Hgg.): Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. Berlin / New York: Walter de Gruyter (=HSK; 9.1). 1006-1029. Altmann, Hans (1993b): Fokus-Hintergrund-Gliederung und Satzmodus. In: Reis (Hg.). 1-37. Altmann, Hans (2009): Cleft- und Pseudocleft-Sätze (Spalt- und Sperrsätze) im Deutschen. In: Brdar-Szabó / Knipf-Komlósi / Péteri (Hgg.). 13-34. Altmann, Hans (Hg.) (1988): Intonationsforschungen. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 200). Altmann, Hans / Batliner, Anton / Oppenrieder, Wilhelm (1989): Das Projekt ‚Modus–Fokus–Intonation‘. Ausgangspunkt, Konzeption und Resultate im Überblick. In: Altmann / Batliner / Oppenrieder (Hgg.). 1-20. Altmann, Hans / Batliner, Anton / Oppenrieder, Wilhelm (Hgg.) (1989): Zur Intonation von Modus und Fokus im Deutschen. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 234). Avesani, Cinzia u.a. (2003): Definizione ed annotazione prosodica di un database di parlato-letto usando il formalismo ToBI. In: Il Parlato Italiano, Napoli, Italia, febbraio 2003 - IRST Tech. Rep. Ref. No. T0312-26. Axel, Katrin (2007): Studies on Old High German Syntax. Left Sentence Periphery, Verb Placement and Verb-second. Amsterdam / Philadelphia: Benjamins. Bassola, Peter (2001): Wortstellung Deutsch-Ungarisch. In: Bassola u.a. (Hgg). 9-62.

207

Bassola, Peter u.a. (Hgg.) (2001): Wortstellung im Sprachvergleich (deutsch - niederländisch - polnisch - ungarisch). Tübingen: Julius Groos (=Deutsch im Kontrast 20). Batliner, Anton (1989): Eine Frage ist eine Frage ist keine Frage. Perzeptionsexperimente zum Fragemodus im Deutschen. In: Altmann / Batliner / Oppenrieder (Hgg.). 87-110. Bäuerle, Rainer / Zimmermann, Thomas E. (1991): Fragesätze. In: Wunderlich, Dieter / Stechow, Arnim von (Hgg.): Handbuch Semantik. Berlin / New York: Walter de Gruyter (=HSK 6.). 333-348. Bayer, Josef (2006): Wh-In-Situ. In: LingBuzz: An article archive and a community space for Generative Linguistics. http://ling.auf.net/lingbuzz/000707. Bayer, Josef (2008): From Modal Particle to Interrogative Marker: A Study of German denn. In: LingBuzz: An article archive and a community space for Generative Linguistics. http://ling.auf.net/lingbuzz/000704. Bechmann, Sascha (2010): Rhetorische Fragen. München: AVM-Verlag. Online: http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/ Derivate-8861/ma_bechmann_pdfa1b.pdf Benkő, Loránd (Hg.) (1993): Etymologisches Wörterbuch des Ungarischen. 3 Bde. Budapest: Akadémiai Kiadó. Benkő, Loránd u.a. (Hgg.) (1967ff.): A magyar nyelv történeti-etimológiai szótára [Historisch-etymologisches Wörterbuch der ungarischen Sprache]. 4 Bde. Budapest: Akadémiai Kiadó. Bereczki, Gábor (2000): Bevezetés a balti finn nyelvészetbe [Einführung in die baltisch-finnische Sprachwissenschaft]. Budapest: Universitas. Bertinetto, Pier Marco / Endo, Reiko (1996): Aspetti dell’intonazione in alcune varietà dell’italiano. In: Cutugno, Francesco (Hg.): Fonetica e fonologia degli stili dell'italiano parlato. Atti delle Settime Giornate di Studio del Gruppo di Fonetica Sperimentale. Roma: Esagrafica. 27-49. Beczner, Barbara / Nagy, Gizella / Onesti, Cristina / Péteri, Attila (2009): Interrogativsätze kontrastiv-typologisch. Ein deutsch-ungarischer Vergleich mit sprachtypologischem Hintergrund. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache (=amades 32). Bierwisch, Manfred (1979): Wörtliche Bedeutung - eine pragmatische Gretchenfrage. In: Grewendorf (Hg.). 119-148. Bierwisch, Manfred (1980): Semantic Structure and Illocutionary Force. In: Searle / Kiefer / Bierwisch (Hgg.) 1-35. Bošković, Zeljko (2000): Sometimes in [Spec, CP], sometimes in situ. In: Martin, Roger u.a. (Hgg.): Step by Step. Essays on Minimalist Syntax in Honor of Howard Lasnik. Cambridge Mass.: MIT Press. 53-89. 208

Brandt, Margareta u.a. (1992): Satztyp, Satzmodus und Illokution. In: Rosengren (Hg.). 1-90. Brdar-Szabó, Rita / Knipf-Komlósi, Elisabeth / Péteri, Attila (Hgg.) (2009): An der Grenze zwischen Grammatik und Pragmatik. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang. [Brizgunova 1983]: Брызгунова, Е. А. (1983): Звуки и интонация русской речи [Laute und Intonation der russischen Rede]. Москва: Издательство Русский язык. Büring, Daniel / Gunlogson, Christine (2000): Aren't Positive and Negative Polar Questions the Same? In: https://urresearch.rochester.edu/ retrieve/3359/polar_questions.pdf Canepari, Luciano (1985): L’intonazione. Linguistica e paralinguistica. Napoli: Liguori Editore. Canepari, Luciano (2006): The Handbook of Phonetics: „Natural“ phonetics articulatory, auditory, functional. München: Lincom. auch: http://venus. unive.it/canipa/it/pdffiles.shtml. Couper-Kuhlen, Elizabeth (1986): An Introduction to English Prosody. Tübingen: Niemeyer. Cruttenden, Alan (1997): Intonation. Cambridge: Cambridge University Press. de Vaan, M. (2008): Etymological Dictionary of Latin and the other Italic Languages. Leiden/Boston: Brill. Dryer, Matthew S. (1998): Aspects of Word Order in the Languages of Europe. In: Siewierska (Hg.). 283-320. [DUDEN 1995]: Drosdowski, Günther u.a. (1995): DUDEN. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Mannheim u.a.: Dudenverlag. Elekfi, László (1962): Vizsgálatok a hanglejtés megfigyelésének módjaihoz [Untersuchungen zu Arten der Beobachtung der Sprechmelodie]. Budapest: Akadémiai Kiadó. Engel, Ulrich (1970): Studie zur Geschichte des Satzrahmens und seiner Durchbrechung. In: Moser, Hugo (Hg.): Studien zur Syntax des heutigen Deutsch. Festschrift für Paul Grebe. Düsseldorf: Schwann. 45-61. Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos. Essen, Otto von (1964): Grundzüge der hochdeutschen Satzintonation. Ratingen u.a.: Henn. É. Kiss, Katalin (1992): Az egyszerű mondat szerkezete [Die Struktur des einfachen Satzes]. In: Kiefer, Ferenc (Hg.): Strukturális magyar nyelvtan I. Mondattan [Strukturelle ungarische Grammatik I. Syntax]. Budapest: Akadémiai Kiadó. 79-178. 209

É. Kiss, Katalin (1998): Discourse-configurationality in the Languages of Europe. In: Siewierska (Hg.). 681-728. É. Kiss, Katalin (2002): The Syntax of Hungarian. Cambridge: Cambridge University Press. É. Kiss, Katalin (2007): Az ige utáni szabad szórend magyarázata [Erklärung der freien Wortstellung hinter dem Verb]. In: Nyelvtudományi Közlemények [Linguistische Veröffentlichungen] 104, 124-152. É. Kiss, Katalin / Kiefer, Ferenc / Siptár, Péter (1998): Új magyar nyelvtan [Neue ungarische Grammatik]. Budapest: Osiris. Fábricz Károly (1981): Az -e kérdő partikula [Die Fragepartikel -e]. In: Magyar Nyelvőr 105. 4. 447-451. Fábricz Károly (1986): Partikulák a magyar és az orosz nyelvben [Partikeln in der ungarischen und russischen Sprache]. Dissertation. Szeged. (unveröffentlichtes Manuskript). Fanselow, Gisbert (1987): Konfigurationalität. Untersuchungen zur Universalgrammatik am Beispiel des Deutschen. Tübingen: Narr (=Studien zur deutschen Grammatik 29). Fernandez Bravo, Nicole (1995): Rhetorische Fragen. Modalpartikeln und semantische Interpretation. In: Schecker (Hg.). 123-139. Féry, Caroline (1993): German intonational patterns. Tübingen: Niemeyer. Fiedler, Wilfried (2003): Albanisch. In: Roelcke (Hg.). 749-797. Fónagy, Iván (1988): Intonation in Hungarian. In: Hirst / Di Cristo (eds.). 328-344. Fónagy, Iván / Magdics, Klára (1967): A magyar beszéd dallama [Die Melodie der ungarischen Rede]. Budapest: Akadémiai Kiadó. Frey, Werner (2000): Über die syntaktische Position der Satztopiks im Deutschen. IN: ZAS papers in linguistics 20. 137-172. Gallmann, Peter / Sitta, Horst (1992): Satzglieder in der wissenschaftlichen Diskussion und in Resultatsgrammatiken. In: ZGL 20.2. 137–181. Gécseg, Zsuzsanna / Kiefer, Ferenc (2009): A new look at information structure in Hungarian. In: Natural Language & Linguistic Theory 27. 583622. Goldsmith, John A. (1976): Autosegmental Phonology. Garland: Garland Press. Goldsmith, John A. (1990): Autosegmental and Metrical Phonology. Oxford u.a.: Blackwell. Gósy Mária / Terken, Jacques (1994): Question Marking in Hungarian: Timing and Height of Pitch Peaks. In: Journal of Phonetics 22. 269-281. Greenberg, Joseph H. (1963): Some Universals of Grammar with Particular Reference to the Order of Meaningful Elements. In Greenberg, Joseph 210

H. (ed.): Universals of Human Language. Cambridge, Mass: MIT Press. 73-113. Grewendorf, Günther (2001): Multiple wh-fronting. In: Linguistic Inquiry 23. 87-122. Grewendorf, Günther (Hg.) (1979): Sprechakttheorie und Semantik. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Grimshaw, Jane (1995): Projection, Heads and Optimality. . Grinzburg, Jonathan (1995): Interrogatives. Questions, Facts and Dialogues. In: Lappin, Shalom (Hg.): Handbook of Contemporary Semantic Theory. Oxford: Blackwell. 385-422. Groenendijk, Jeroen / Stokhof, Martin (1984): On the Semantic of Questions and the Pragmatic of Answers. In: Landman, Fred / Veltman, Frank (Hgg.): Varieties of Formal Semantics. Dordrecht: Foris. 143-170. Groenendijk, Jeroen / Stokhof, Martin (1997): Questions. In: Benthem, Johan van / Meulen, Alice ter (Hgg.): Handbook of Logic and Languages. Cambridge, Mass: MIT Press. 1055-1124. Gunlogson, Christine (2003): True to Form: Rising and Falling Declaratives as Questions in English. New York: Routledge. Haarmann, Harald (1967): Aspekte der Arealtypologie. Die Problematik der europäischen Sprachbünde. Tübingen: Narr. Haarmann, Harald (2003): Latein. In: Roelcke (Hg.). 325-358. Haegeman, Liliane / Guéron, Jacqueline (1999): English Grammar. A generative perspective. Oxford u.a.: BlackwellPublishing (=Blackwell textbooks in linguistics 14.). Haftka, Brigitte (1994): Wie positioniere ich meine Position? Überlegungen zu funktionalen Phrasen im deutschen Mittelfeld. In: Dies. (Hg.): Was determiniert Wortstellungsvariation? Studien zu einem Interaktionsfeld von Grammatik, Pragmatik und Sprachtypologie. Opladen: Westdeutscher Verlag. 138-160. Haider, Hubert (1993): Deutsche Syntax — generativ. Vorstudien zur Theorie einer projektiven Grammatik. Tübingen: Narr. Haider, Hubert (2010): Wie wurde Deutsch OV? Zur diachronen Dynamik eines Strukturparameters der germanischen Sprachen. In: Ziegler, Arne (Hg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen - Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Berlin: de Gruyter. 1132. Hakulinen, Lauri (1960): Handbuch der Finnischen Sprache. Wiesbaden: Otto Harrassowitz. 211

Hakulinen, Lauri (1968): Suomen kielen rakenne ja kehitys [Aufbau und Entwicklung der finnischen Sprache]. Helsinki: Otava. Hakulinen, Auli u.a. (2004): Iso suomen kielioppi [Große Grammatik des Finnischen]. Helsinki: SKS. Halliday, Michael (1967): Intonation and Grammar in British English. The Hague: Mouton. Harnish, Robert M. (1994): Mood, meaning and speech acts. In: Tsohatzidis, Savas L. (Hg.): Foundations of Speech Act Theory. London / New York: Routledge. 407-459. Hausser, Roland / Zaefferer, Dietmar (1978): Questions and Answers in a Context-Dependent Montague Grammar. In: Guenthner, Franz / Schmidt, Siegfried J. (Hgg.): Formal Semantics and Pragmatics for Natural Languages. Dordrecht: Reidel. 339-358. Helbig, Gerhard (1988): Lexikon deutscher Partikeln. Leipzig: Enzyklopädie. Herring, Susan (1990): Information structure as a consequence of word order type. In: Proceedings of the Sixteenth Annual Meeting of the Berkeley Linguistics Society, 16-19 February 1990. Berkeley: Berkeley Linguistics Society. 163-174. Hetland, Jorunn (1992): VERUM-Fokus: Fakten, Hypothesen, Fragen und nochmals Fragen. In: S&P. 25. 11-27. Hetland, Jorunn / Molnár, Valéria (1995): Zur Funktion der Prosodie in Fragen. Eine kritische Diskussion mit Ausgangspunkt in Margret Seltings Aufsatz „Phonologie der Intonation“ (1993). In: Önnerfors, Olaf (Hg.): Festvorträge anlässlich des 60. Geburtstags von Inger Rosengren. (Sprache & Pragmatik, Sonderheft). Lund: Universität. 3-46. Hinterhölzl, Roland (2009): The role of information structure in word order variation and word order change. In Hinterhölzl, Roland / Svetlana Petrova (Hgg.): Information Structure and Language Change. New Approaches to Word Order Variation in Germanic. Amsterdam / Berlin / New York: de Gruyter. 45-66. Hinterhölzl, Roland (2010): Zur Herausbildung der Satzklammer im Deutschen. Ein Plädoyer für eine informationsstrukturelle Analyse. In Ziegler, Arne (Hg.) Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen: Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Amsterdam / Berlin / New York: de Gruyter. 121-138. Hirst, Daniel / Di Cristo, Albert (eds.) (1998): Intonation Systems: A Survey of Twenty Languages. Cambridge: Cambridge University Press. Hoffmann, Sebastian (2006): Tag Questions in Early and Late Modern English. In: Anglistik 17:2. 35-55. 212

Hundt, Markus (2005): Grammatikalität - Akzeptabilität - Sprachnorm. Zum Verhältnis von Korpuslinguistik und Grammatikalitätsurteilen. In: Lenz / Schierholz (Hgg.). 15-41. Iivonen, Antti (1978): Is there interrogative intonation in Finnish? In: Gårding, Eva / Bruce, Gösta / Bannert, Robert (Hgg.): Nordic Prosody. Papers from a Symposium. Travaux de l’institute de linguistique de Lund XIII. Department of Linguistics. Lund: University. 43–54. Iivonen, Antti (1998): Intonation in Finnish. In: Hirst / Di Cristo (eds.). 301327. Iivonen, Antti (2001): Intonation of Finnish questions. In: Van Dommelen, Willem A. / Thorstein, Fretheim (eds.): Nordic Prosody. Proceddings of the VIIIth Conference, Trondheim 2000. Frankfurt/M.: Peter Lang. 137– 151. Interlandi, Grazia M. / Romano, Antonio (2005): Variabilità geo-socioprosodica. Dati linguistici e statistici. In: Géolinguistique, Hors série numéro 3/2005. 259-280. Isačenko, Alexander V. / Schädlich, Hans-Joachim (1971): Untersuchungen über die deutsche Satzintonation. In: Bierwisch, Manfred (Hg.): Untersuchungen über Akzent und Intonation im Deutschen. Berlin: Akademie Verlag (=Studia grammatica VII). 7-67. Itkonen, Erkki / Kulonen, Ulla-Maija (Hgg.) (1992): Suomen sanojen alkuperä. Etymologinen sanakirja [Ursprung der finnischen Wörter. Etymologisches Wörterbuch]. Helsinki: SKS-Kotus. Karlsson, Fred (1982): Suomen peruskielioppi [Grundgrammatik des Finnischen]. Helsinki: SKS (=Sks:n toimituksia 378). Karttunen, Lauri (1977): Syntax and Semantics of Questions. In: Linguistics and Philosophy 1. 3-44. Kaufmann, Ingrid (2003): Rezension von „Schindler, Heidrun (2001): Das Verb legen. Tübingen, Niemeyer.“ In: Linguistische Berichte 195. 375381. Kenessey, Mária (1992): Török nyelvtan és társalgás [Türkische Grammatik und Konversation]. Budapest: Aqua. Keszler, Borbála (1983): Kötetlen beszélgetések mondat- és szövegtani vizsgálata [Syntaktische und textlinguistische Untersuchung lockerer Gespräche]. In: Rácz Endre / Szathmári István (Hgg.): Tanulmányok a mai magyar nyelv szövegtana köréből [Studien aus dem Bereich der Textlinguistik der ungarischen Gegenwartssprache]. Budapest: Tankönyvkiadó. 164–202. Keszler, Borbála (Hg.) (2000): Magyar Grammatika [=Ungarische Grammatik]. Budapest: Tankönyvkiadó. 213

Keszler, Borbála / Lengyel Klára (2008): Grammatik der ungarischen Sprache. Hamburg: Buske. Kiefer, Ferenc (1990): Modalitás [Modalität]. Budapest: MTA (=Linguistica Series C., Relationis, 1.). Kiefer, Ferenc (1997): Modality and pragmatics. In: Folia Linguistica XXXI/3-4. 241-253. Kiesler, Reinhard (2006): Einführung in die Problematik des Vulgärlateins. Tübingen: Niemeyer (=Romanistische Arbeitshefte 48). Kiss, Jenő (2003): Ungarisch. In: Roelcke (Hg.). 905-918. Kiss, Jenő / Pusztai, Ferenc (Hgg.) (2003): Magyar nyelvtörténet [Ungarische Sprachgeschichte]. Budapest: Osiris. Kocsány, Piroska (2001): A retorikai kérdések egy lehetséges tipológiája [Eine mögliche Typologie der rhetorischen Fragen]. In: Szathmári István (ed.): Az alakzatok világa. A retorikai kérdés a nyelvhasználatban [Die Welt der Figuren. Die rhetorische Frage im Sprachgebrauch]. Budapest: Nemzeti Tankönyvkiadó. Kohler, Klaus J. (1995): Einführung in die Phonetik des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt. Kovács, János / Siptár, Péter (2000): Újra angolra hangolva. Az angol kiejtés könyve [Wieder auf Englisch eingestimmt. Das Buch der englischen Aussprache]. Budapest: Helikon. König, Ekkehard (1996): Kontrastive Grammatik und Typologie. In: Lang / Zifonun (Hgg.). 32-54. Ladd, Robert D. (1996): Intonational phonology. Cambridge: Cambridge University Press. Lang, Ewald (1996): Das Deutsche im typologischen Spektrum. In: Lang / Zifonun (Hgg.). 7-15. Lang, Ewald / Zifonun, Gisela (1996): Deutsch - typologisch. Berlin / New York: Walter de Gruyter. Lauranto, Yrjö (1996): Elämän suolaa. Suomen kielen alkeita 1, 2 [Salz des Lebens. Anfänge der finnischen Sprache]. Jyväskylä: Jyväskylän yliopistopaino. Legendre, Géraldine u.a. (1998): When Is Less More? Faithfulness and Minimal Links in wh-Chains. In: Barbosa, Pilar u.a. (Hgg.): Is the Best Good Enough? Optimality and Competition in Syntax. Cambridge Mass.: The MIT Press. 249-291. Li, Charles N. / Thompson, Sandra A. (1976): Subject and Topic: A New Typology of Languages. In: Li, Charles N. (ed.): Subject and Topic. New York / San Francisco / London: Academic Press. 457-490. 214

Lohnstein, Horst (2000): Satzmodus – kompositionell. Zur Parametrisierung der Modusphrase im Deutschen. Berlin: Akademie Verlag (=Studia grammatica; 49). Markó, Alexandra (2005): „Szavak nélkül“. Nonverbális vokális közlések fonetikai elemzése [„Ohne Worte“. Die phonetische Untersuchung nonverbaler vokaler Äußerungen]. In: Magyar Nyelvőr 129/1. 88-104. Markó, Alexandra (2007): Kérdő funkciójú hanglejtésformák a spontán beszédben [Intonationsformen mit Fragefunktion im spontanen Sprechen]. In: Gósy, Mária (Hg.): Beszédkutatás 2007 [Sprechforschung 2007]. Budapest: MTA. 59-74. Meibauer, Jörg (1986): Rhetorische Fragen. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 167). Meibauer, Jörg (2009): Wer schon glaubt das? Speculations on [wh-MP]syntax (and its pragmatics) in German. Unveröffentlichter Konferenzvortrag, gehalten am 24. 08. 2009. an der Konferenz „Modalpartikeln und Satztypen im Sprachvergleich Deutsch-Ungarisch“, Budapest, Akademie der Wissenschaften, Institut für Sprachwissenschaft. Meibauer, Jörg (Hg.) (1987): Satzmodus zwischen Grammatik und Pragmatik. Referate anlässlich der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, Heidelberg 1986. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 180.). [MÉSZ]: Bárczi, Géza - Országh, László (Hrsg.) (1978): A magyar nyelv értelmező szótára [Bedeutungswörterbuch der ungarischen Sprache.] 7 Bde. Budapest: Akadémiai Kiadó. Millward, Celia M. (1996): A Biography of the English Language. Forth Worth: Harcourt Brace College Publishers. Modrián-Horváth, Bernadett (2013): Thema und Topik. Untersuchungen zur Informationsstruktur in deutschen und ungarischen Erzähl- und Berichtstexten. Budapest: ELTE, Phd-Dissertation. (unveröffentlichtes Manuskript). Molnár, Valéria (1991): Das Topik im Deutschen und im Ungarischen. Stockholm: Almquist & Wiksell International (=Lunder Germanistische Forschungen 58). Molnár, Valéria (1993): Zur Pragmatik und Grammatik des TOPIKBegriffes. In: Reis (Hg.). 155-202. Molnár, Valéria (2012): Zur Relevanz der linken Peripherie für die Strukturierung der Information – kontrastive und typologische Überlegungen. In: Gunkel, Lutz / Zifonun, Gisela (Hgg.): Deutsch im Sprachvergleich. Grammatiusche Kontraste und Konvergenzen. Jahrbuch des IDS 2011. Berlin / Boston: de Gruyter. 383-416. 215

Musan, Renate (2002): Informationsstrukturelle Dimensionen im Deutschen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 30 (2). 198-221. Musan, Renate (2010): Informationsstruktur. Heidelberg: Winter. Näf, Anton (1979): Die Wortstellung in Notkers Consolatio. Untersuchungen zur Syntax und Übersetzungstechnik. Berlin / New York: de Gruyter. Nikolaeva, Irina Alekseevna (1999): Ostyak. München: Lincom Europa (=Languages of the World: Materials 305). Olaszy, Gábor (2001): Prozodémák fonetikai reprezentációja [Phonetische Repräsentation von Prosodemen]. In: Gósy, Mária (Hg.): Beszédkutatás 2001 [Sprechforschung 2001.], Budapest: MTA. 28-45. Olaszy, Gábor (2002): A magyar kérdés dallamformáinak és intenzitásszerkezeteinek fonetikai vizsgálata [Phonetische Untersuchung zur Intonation und zur Intensitätsstruktur ungarischer Fragen]. In: Gósy Mária (Hg.): Beszédkutatás 2002. Kísérleti beszédkutatás [Sprechforschung 2002. Experimentelle Sprechforschung]. Budapest: MTA. 83-99. Önnerfors, Olaf (1997): Verb-erst-Deklarativsätze. Grammatik und Pragmatik. Stockholm: Almquist & Wiksell International (=Lunder germanistische Forschungen 60). [Paul / Henne 1992]: Paul, Hermann (1992): Deutsches Wörterbuch. 9., vollständig neu bearbeitete Auflage von Helmut Henne und Georg Objartel. Tübingen: Niemeyer. Pérennec, Marcel (1995): Partikeln und rhetotische Fragesätze. In: Schecker (Hg.). 111-122. Péteri, Attila (2002): Abtönungspartikeln im deutsch-ungarischen Sprachvergleich. Budapest: ELTE (=Asteriskos 5). Péteri, Attila (2005): Intonation und Prosodie an der Schnittstelle zwischen Grammatik und Pragmatik. In: Orosz, Magdolna / Albrecht, Terrance (Hgg.): Jahrbuch der ungarischen Germanistik 2005. Budapest / Bonn: GuG / DAAD. 203-226. Péteri, Attila (2006): Prozódia a grammatika és a pragmatika határán [Prosodie an der Grenze zwischen Grammatik und Pragmatik]. In: Gósy, Mária (Hg.): Beszédkutatás 2006. Tanulmányok Vértes O. András emlékére [=Sprechforschung 2006. Studien zum Gedenken von András Vértes O.] Budapest. MTA Nyelvtudományi Intézet, Kempelen Farkas Beszédkutató Laboratórium. 69-85. Péteri, Attila (2011): Wortstellung und Satztypmarkierung im Deutschen und im Ungarischen. Parallelen und Diskrepanzen. In: Gunkel, Lutz / Zifonun, Gisela (Hgg.): Deutsch im Sprachvergleich. Grammatische Kontraste und Konvergenzen. Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin / New York: de Gruyter, 363-382. 216

Péteri, Attila (2012): The Hungarian imperative particle hadd: A contrastive look at the development of analogous markers of sentence mood in some European languages. In: Acta Linguistica Hungarica. An international journal of Linguistics. Budapest: Akadémiai Kiadó. 59/4. 439-463. Péteri, Attila (2013a): Satztypen und Sprachkontrast. In: Meibauer, Jörg / Steinbach, Markus / Altmann, Hans (Hgg.): Satztypen des Deutschen. Berlin / New York: de Gruyter. 874-901. Péteri, Attila (2013b): Wahrscheinlich. Das vielseitige modale Satzadverb im Sprachkontrast. In: Abraham, Werner / Leiss, Elisabeth (Hgg.): Funktion(en) von Modalität im Deutschen. Berlin / New York: de Gruyter. 186-202. Pheby, John (1980): Intonation und Grammatik im Deutschen. Berlin: Akademie Verlag. Pierrehumbert, Janet B. (1980): The Phonology and Phonetics of English Intonation. New York: Garland. Quirk, Randolph u.a. (1985): A comprehensive grammar of the English language. London: Longman. Rabanus, Stephan (2001): Intonatorische Verfahren im Deutschen und Italienischen. Tübingen: Niemeyer. Reis, Marga (1991): Echo-w-Sätze und Echo-w-Fragen. In: Reis / Rosengren (Hgg.). 49-76. Reis, Marga (1992a): Zur Grammatik und Pragmatik von Echo-w-Fragen. In: Rosengren (Hg.). 213-261. Reis, Marga (1992b): The Category of Invariant alles in Wh-Clauses: On Syntactic Quantifiers vs. Quantifying Particles in German. In: Tracy, Rosemarie (ed.): Who Climbs the Grammar-Tree. Tübingen: Niemeyer. 465-492. Reis, Marga (Hg.) (1993): Wortstellung und Informationsstruktur. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 306). Reis, Marga (1999): On Sentence Types in German. An Enquiry into the Relationship between Grammar and Pragmatics. In: Interdisciplinary Journal for Germanic Linguistics and Semiotic Analysis 4/1999. 195236. Reis, Marga / Rosengren, Inger (Hgg.) (1991): Fragesätze und Fragen. Referate anläßlich der 12. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft. Saarbrücken 1990. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 257). Renzi, Lorenzo u.a. (1995): Grande grammatica italiana di consultazione. III. Tipi di frasi, deissi, formazione delle parole. Bologna: Il Mulino. 217

Riese, Timothy (2001): Vogul. München: Lincom Europa (=Languages of the World: Materials 158). Rizzi, Luigi (1996): Residual Verb Second and the Wh-Criterion. In: Belletti, Adriana / Rizzi, Luigi (Hgg.): Parameters & Functional Heads. Oxford: Oxford University Press. 63-90. Roelcke, Thorsten (1997): Sprachtypologie des Deutschen. Historische, regionale und funktionale Variation. Berlin / New York: de Gruyter. Roelcke, Thorsten (Hg.) (2003): Variationstypologie. Variation Typology. Ein sprachtypologisches Handbuch der europäischen Sprachen in Geschichte und Gegenwart. Berlin / New York: de Gruyter. Rosengren, Inger (1991): Zur Fokus-Hintergrund-Gliederung im Deklarativsatz und im w-Interrogativsatz. In: Reis / Rosengren (Hgg.) 175-200. Rosengrenz, Inger (1992): Zur Grammatik und Pragmatik der Exklamation. In: Rosengren (Hg.) 263-306. Rosengren, Inger (Hg.) (1992): Satz und Illokution. Bd. 1. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 278). Rosengren, Inger (Hg.) (1993): Satz und Illokution. Bd. 2. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 279). Rossi, Mario (1998): Intonation in Italian. In: Hirst / Di Cristo (Hgg.). 219238. Rost-Roth, Martina (2003): Fragen – Nachfragen – Echofragen. Formen und Funktionen von Interrogationen im gesprochenen Deutsch. In: Hentschel, Elke (Hg.): Particulae collectae. Festschrift für Harald Weydt zum 65. Geburtstag. Lingusitik online 13. I/03. (www.linguistikonline.de/13_01/rostRoth.html; Stand: 04.05.2011). Rudin, Catherine (1988): On multiple questions and multiple wh-fronting. In: Natural Language and Linguistic Theory 6. 445-501. Šafářová, Marie (2007): Nuclear rises in update semantics. In: Aloni, Maria / Butler, Alastair / Dekker, Paul (ed.): Questions in Dynamic Semantics. Oxford / Amsterdam: Elsevier. 295-314. Schecker, Michael (Hg.) (1995): Fragen und Fragesätze im Deutschen. Tübingen: Stauffenburg (=Eurogermanistik 9.). Schindler, Heidrun (2001): Das Verb legen. Tübingen: Niemeyer. Schlobinski, Peter / Kohl, Gabi / Ludewigt, Irmgard (1998): Jugendspezifische Sprechweisen. München: LINCOM. Schmidt, Jürgen Erich (2001): Bausteine der Intonation? In: Ders. (Hg.): Neue Wege der Intonationsforschung. Hildesheim / Zürich / New York: Georg Olms Verlag (=Germanistische Linguistik 157-158.). 9-32. Schütz, István (2002): Albán nyelvkönyv [Albanisches Lehrbuch]. Budapest: Balassi. 218

Searle, John R. (1979): Expression and Meaning. Studies in the Theory of Speech Acts. Cambridge: Cambridge University Press. Searle, John R. / Kiefer, Ferenc / Bierwisch, Manfred (eds.) (1980): Speech Act Theorie and Pragmatics. Dodrecht: Foris. Selting, Margret (1995): Prosodie im Gespräch. Aspekte einer interaktionalen Phonologie der Konversation. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 329). Siemund, Peter (2003): English. In: Roelcke (Hg.) 1-29. Siewierska, Anna (Hg.) (1998): Constituent order in the Languages of Europe. Berlin / New York: de Gruyter. Skalička, Vladimir (1967): A magyar nyelv tipológiája [Die Typologie der ungarischen Sprache]. In: Nyelvtudományi Értekezések 58. 296-299. Skalička, Vladimir (1968): Über die Typologie der finnisch-ugrischen Sprachen. In: Congressus Secundus Internationalis Fenno-Ugristarum Helsingiae. Pars 1. Helsinki. 494-498. Stalnaker, Ron C. (1978): Assertion. In: Cole, Peter (ed.): Syntax and Semantics 9. Pragmatics. New York: Academic Press. 315–332. Stickel, Gerhard (Hg.) (2003): Deutsch von außen. Berlin / New York: de Gruyter (=Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2002.). Stutterheim, Christiane von (1997): Einige Prinzipien des Textaufbaus. Empirische Untersuchungen zur Produktion mündlicher Texte. Tübingen: Niemeyer (=Reihe Germanistische Linguistik 184). [Švedova 1980]: Шведова, Н. Ю. (1980): Русская грамматика. Том II. Синтаксис [Russische Grammatik. Bd. II. Syntax.] Москва: Издательство Наука. Szikszainé Nagy Irma (2003): A retorikai kérdések kérdő névmásai és partikulája [Fragepronomina und Partikeln in rhetorischen Fragen]. In: Magyar Nyelv [Ungarische Sprache]. XCIX/3. 300-310. Thornburg, Linda / Panther, Klaus (1997): Speech Act Metonymies. In: Liebert, Wolf-Andreas u.a. (Hgg.): Discourse and Perspective in Cognitive Linguistics. Amsterdam / Philadelphia: Benjamins (=Current issues in linguistic theory 151). 205-219. Thurmair, Maria (1989). Modalpartikeln und ihre Kombinationen. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 223). Thurmair, Maria (1991): Zum Gebrauch der Modalpartikel denn in Fragesätzen. Eine korpusbasierte Untersuchung. In: Klein, Eberhard u.a. (Hgg.): Betriebslinguistik und Linguistikbetrieb. Akten des 24. Linguistischen Kolloquiums. Bremen, September 1989. Tübingen: Niemeyer (=Linguistische Arbeiten 260). 377-387. 219

Toivonen, Yrjö Henrik u.a. (1983 [1958]): Suomen kielen etymologinen sanakirja [Etymologisches Wörterbuch der finnischen Sprache]. Lexica societatis fenno-ugricae XII. Helsinki: SUS. Uhmann, Susanne (1988): Akzenttöne, Grenztöne und Fokussilben. Zum Aufbau eines phonologischen Intonationssystems für das Deutsche. In: Altmann (Hg.) 65-88. Van der Auwera, Johan / Plungian, Vladimir A. (1998): Modality’s semantic map. In: Linguistic Typology 2. 79-124. Varga, László (1998): Dallamelemek és szótagok asszociációja a magyar hanglejtés autoszegmentális tárgyalásában [Die Assoziation von Intonationselementen und Silben in der autosegmentalen Behandlung der ungarischen Intonation]. In: Péter, Mihály (Hg.): Általános Nyelvészeti Tanulmányok XIX. Újabb irányzatok a fonológiában [Studien zur Allgemeinen Sprachwissenschaft XIX. Neuere Ansätze in der Phonologie]. Budapest: Akadémiai Kiadó. 257-272. Varga, László (2001): Az eső-emelkedő hanglejtésforma a magyar nyelvben [Die fallend-steigende Melodieform in der ungarischen Sprache]. In: Gósy, Mária (ed.): Beszédkutatás 2001 [Sprechforschung 2001.]. Budapest: MTA. 17-27. Varga, László (2003): Dallami meghatározottságok a magyar mondatban (a topik dallama) [Melodische Determinationen im ungarischen Satz (die Melodie des Topiks)]. In: Gósy, Mária (ed.): Beszédkutatás 2003 [Sprechforschung 2003.]. Budapest: MTA. 147-162. WALS (2005): Haspelmath, Martin / Dryer, Matthew s. / Gill, David / Comrie, Bernard (2005): The World Atlas of Language Structures. Oxford: Oxford University Press. auch online: http://wals.info. Welke, Klaus (1993): Funktionale Satzperspektive. Ansätze und Probleme der funktionalen Grammatik. Münster: Nodus. Weydt, Harald - Hentschel, Elke: (1983): Kleines Abtönungswörterbuch. In: Weydt, Harald (Hg.): Partikeln und Interaktion. Tübingen: Niemeyer. 324. White, Leila (1997): Suomen kielioppia ulkomaalaisille [Finnische Grammatik für Ausländer]. Helsinki: Oy Finn Lectura Ab. Winkler, Susanne / Schwabe, Kerstin (Hgg.) (2007): On Information Structure, Meaning and Form. Amsterdam / Philadelphia: John Benjamins. Wunderlich, Dieter (1988): Der Ton macht die Melodie – Zur Phonologie der Intonation des Deutschen. In: Altmann (Hg.) 1-40. Zaefferer, Dietmar (1984): Frageausdrücke und Fragen im Deutschen. Zu ihrer Syntax, Semantik und Pragmatik. München: Fink (=Studien zur theoretischen Linguistik 2.). 220

Zakariás, Emese (i.V.): Relativsätze und eingebettete Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik (in Vorbereitung). Zifonun, Gisela (2003): Deutsch im Spiegel europäischer Sprachen. In: Stickel (Hg.) 15-33. Zifonun, Gisela (2009): Zur pragmatischen Fundierung des Konzepts der funktionalen Domäne im Sprachvergleich. In: Brdar-Szabó / Knipf / Péteri (Hgg.) 243-252. Zifonun, Gisela / Hoffmann, Ludger / Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. Berlin / New York: Walter de Gruyter.

221

Szegediner Schriften zur germanistischen Linguistik Herausgegeben von Ewa Drewnowska-Vargáné und Péter Bassola Band

1

János Németh: Buchstabengebrauch in der Ödenburger Kanzleischriftlichkeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (1510–1800). 2012.

Band

2 Gabriella Gárgyán: Der am-Progressiv im heutigen Deutsch. Neue Erkenntnisse mit besonderer Hinsicht auf die Sprachgeschichte, die Aspektualität und den kontrastiven Vergleich mit dem Ungarischen. 2014.

Band

3 Péter Bassola / Ewa Drewnowska-Vargáné / Tamás Kispál / János Németh / György Scheibl (Hrsg.): Zugänge zum Text. 2014.

Band

4 Attila Péteri: Satzmodusmarkierung im europäischen Sprachvergleich. Interrogativsätze im Deutschen und im Ungarischen mit einem typologischen Ausblick auf andere europäische Sprachen. 2015.

www.peterlang.com